Demokratisierung der Raumplanung: Grundsätzliche Aspekte und Modell für die Organisation der kommunalen Nutzungsplanung unter besonderer Berücksichtigung der schweizerischen Verhältnisse [1 ed.] 9783428439270, 9783428039272


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German Pages 380 Year 1977

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Demokratisierung der Raumplanung: Grundsätzliche Aspekte und Modell für die Organisation der kommunalen Nutzungsplanung unter besonderer Berücksichtigung der schweizerischen Verhältnisse [1 ed.]
 9783428439270, 9783428039272

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 323

Demokratisierung der Raumplanung Grundsätzliche Aspekte und Modell für die Organisation der kommunalen Nutzungsplanung unter besonderer Berücksichtigung der schweizerischen Verhältnisse

Von

Peter Knoepfel

Duncker & Humblot · Berlin

PETER

KNOEPFEL

Demokratisierung der Raumplanung

Schriften zum öffentlichen Band 323

Recht

Demokratisierung der Raumplanung Grundsätzliche Aspekte und Modell für die Organisation der kommunalen Nutzungsplanung unter besonderer Berücksichtigung der schweizerischen Verhältnisse

Von D r . Peter Knoepfel

D U N C K E R

&

H U M

Β L O T

/

B E R L I N

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Knoepf el, Peter Demokratisierung der Raumplanung: grundsätzl. Aspekte u. Modell für d. Organisation d. kommunalen Nutzungsplanung unter bes. Berücks. d. schweizer. Verhältnisse. — 1. A u f l . — B e r l i n : Duncker u n d Humblot, 1977. (Schriften zum öffentlichen Recht; Bd. 321) I S B N 3-428-03927-0

Alle Rechte vorbehalten © 1977 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1977 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3 428 03927 0

Nein, schlaft nicht, während die Ordner der Welt geschäftig sind! Seid mißtrauisch gegen ihre Macht, die sie vorgeben f ü r Euch erwerben zu müssen! Wacht darüber, daß Eure Herzen nicht leer sind, w e n n m i t der Leere Eurer Herzen gerechnet w i r d ! T u t das Unnütze, singt die Lieder, die m a n aus Eurem M u n d nicht erwartet! Seid unbequem, seid Sand, nicht das ö l i m Getriebe dieser W e l t !

Günter Eich 1967

Vorwort Eine eingehende Studie zum Thema „Demokratisierung der Raumplanung" setzt eine Auseinandersetzung m i t zahlreichen Gebieten voraus, die dem Leser auf den ersten Blick recht zusammenhanglos erscheinen mögen. Das stand bereits am Anfang fest und bestätigte sich i m Laufe der Arbeiten immer deutlicher. I n Zusammenarbeit m i t verschiedenen Arbeitsgruppen, Kollegen und zahlreichen sachverständigen Praktikern konnte ich mich i n folgende Gebiete einarbeiten: Bodenrecht/Bodenordnung, Organisationsrecht, Planungstheorie und -praxis, Raumplanung, Siedlung/Raumnutzung, Demokratietheorie und Gemeinderecht/Gemeindepolitik. Gleichwohl mußte ich für die vorgelegte Fassung Teile i m 2. Kapitel umfanghalber weglassen. Weitergehende Auslassungen und Kürzungen wären nicht gerechtfertigt gewesen. Eine verhältnismäßig breite Gesamtdarstellung ist von der Sache her geboten. Daraus erwächst denn auch ein Dilemma der wissenschaftlichen Themenbewältigung: Es ist m. E. nämlich schlechterdings unmöglich, den neuesten Stand der Forschung (Anfang 1976) i n allen zu berührenden Teilbereichen nachzuzeichnen oder gar einer eingehenden kritischen Würdigung zu unterziehen. So mußte ich mich den vielfach m i t einer bloßen Übernahme von Forschungsergebnissen begnügen. I n der dreijährigen Arbeitszeit konnten und sollten aus der teilweise neuartigen Gegenüberstellung rechts- und politikwissenschaftlicher Forschungsbestände gewonnene Perspektiven aufgezeigt werden. Ich hoffe, daß daraus Anstöße für weitere derartige Fragestellungen resultieren. Die Arbeit stellt denn auch einen weiteren Versuch eines Juristen dar, Forschungsprozesse i n den benachbarten Sozialwissenschaften i n die öffentlichrechtliche Theorie- und Institutionenbildung einzubeziehen. Inwieweit dieses Vorhaben gelungen ist, w i r d sich i n der erhofften K r i t i k an den vorgelegten Arbeitsergebnissen zeigen. Die zahlreichen fruchtbaren Gespräche nachzuzeichnen, die ich m i t den verschiedensten Personen führen konnte, ist an dieser Stelle nicht möglich. Danken möchte ich dafür insbesondere meinem Betreuer, Prof. Jörg Paul Müller. Seine wertvollen Anregungen halfen m i r aus manch einer verfahrenen Situation weiter und seine K r i t i k an vorgelegten Zwischenergebnissen veranlaßte mich mehrmals zu fruchtbaren K o r -

Vorwort

8

rekturen h i n zum Konkreten. Verdankenswert sind auch die demokratie-theoretischen Impulse, die ich während meiner Studien- und Assistentenzeit bei Prof. Richard Bäumlin erhielt. Seine Ausrichtung auf rechts- und staatstheoretische Grundsatzfragen trugen zur Überzeugung bei, die Thematik i n der notwendigen Breite anzugehen. Verdankenswerte Anregungen erhielt ich für den organisationsrechtlichen Teil außerdem von Prof. Heiko Faber. Danken möchte ich an dieser Stelle auch all meinen Studien- und Arbeitskollegen, die stets bereit waren, m i r i m gemütlichen Gespräch bei einem Glas Wein aus der drohenden wissenschaftlichen Isolation herauszuhelfen. Es sind dies vorab meine Berner Kollegen André Daguet, Christoph Fisch, Daniel Moser, K u r t Nuspliger und Christoph Steinlin. I n liebevoller Weise hat meine Frau K a t r i n den Literaturgarten gepflegt. Für die Anregungen für sprachliche Korrekturen bin ich schließlich Andreas B l u m zu Dank verpflichtet. Frau R. Scherrer (St. Gallen) und Frau L. Menger (Berlin) danke ich für ihre Schreibarbeiten. Ohne die großzügige Förderung meiner lieben Eltern hätte diese Arbeit bei allen verdankenswerten Aufwendungen der Berner Steuerzahler nicht Zustandekommen können. B e r n / B e r l i n , Januar 1977

Peter Knoepfel

Inhaltsverzeichnis 0.

Einleitung

19

0.1.

Vier Situationen — halbwegs erfunden

19

0.1.1.

Das A t o m k r a f t w e r k

19

0.1.2.

Das C K — 7 3

19

0.1.3.

Das kommunale L e i t b i l d

20

0.1.4.

Die Grundeigentümer

20

0.2.

Z u r Arbeitsmethode

21

1.

Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

23

1.1.

Fragestellung

23

1.2.

Z u m Begriff Raumplanung — Stellenwert, Möglichkeiten u n d Funktionsweise staatlicher Planung

25

1.2.1.

Z u m staatlichen Planungshandeln. Verschiedene Planungskonzeptionen — gemeinsame Entscheidungsstufen

25

1.2.1.1.

Planung: Definitionselemente

25

1.2.1.2. 1.2.1.2.1. 1.2.1.2.2. 1.2.1.2.3. 1.2.1.2.4. 1.2.1.2.5. 1.2.1.2.6.

Planung: E i n i n unterscheidbare Entscheidungsstufen gegliederter Problemlösungsprozeß Die Analyse Der Planzielbündelentscheid Der Entscheid über die zielkonformen M i t t e l Die Programmierung Die Implementierung Beitrag der allgemeinen Phasenlehre für die Fragestellung

28 29 30 33 34 35 36

1.2.1.3. 1.2.1.3.1. 1.2.1.3.2. 1.2.1.3.3. 1.2.1.3.4.

Drei Konzeptionen f ü r einen Begriff politischer Planung (Skizze) Einteilungskriterium Konzeption I Konzeption I I Konzeption I I I

38 38 39 40 44

1.2.2.

Raumplanung i m Spannungsfeld zwischen Konzeption I I u n d I I I

46

1.2.2.1.

Stellenwert modell

46

der

Raumplanung

im

raumpolitischen

Gesamt-

Inhaltsverzeichnis

10 1.2.2.1.1. Modellbeschreibung

48

1.2.2.1.2. Prämissen des Modells

48

1.2.2.2.

Das Raumplanungsgesetz

52

1.2.3.

Würdigung der Raumplanung gem. RPG i m Lichte der Konzeptionen I I u n d I I I allgemeiner politischer Planung

54

1.3.

Zentrale u n d dezentrale Raumentwicklungssteuerung — Skizze einiger Zuordnungskriterien zur Rolle der Durchführungssysteme

59

Das Verhältnis Ziele — M i t t e l — Folgeprobleme

59

1.3.1. 1.3.2.

Gleichheit — Ungleichheit

61

1.3.3.

Abstraktheit — K o n k r e t h e i t

63

1.3.4.

Raumpolitisches Gesamtsystem u n d Subsysteme — relative Autonomie u n d Feed-back-System: Einige f ü r die Zentralismusdiskussion einschlägige Begriffe

67

1.3.4.1.

Raumpolitisches Gesamtsystem

67

1.3.4.2.

Raumpolitische Subsysteme

69

1.3.4.3.

Z u r relativen Autonomie v o n Subsystemen

70

1.3.4.4.

Feed-back-System

72

1.3.5.

Insbesondere: Z u r letzten Stufe von durchgehenden Planungsprozessen (Durchführungsstufe)

73

1.3.5.1.

Allgemeines

73

1.3.5.2.

Systematische Stellung der Durchführungssysteme

73

1.3.5.3. 1.3.5.3.1. 1.3.5.3.2. 1.3.5.3.3.

Umschreibung der Durchführungssysteme Kleinräumigkeit Funktionsfähigkeit Schlußfolgerung

75 75 80 83

1.4.

Raumpolitisches Gesamtsystem u n d Subsysteme i n der Konzept i o n des Raumplanungsgesetzes — Die verschiedenen Stufen der durchgehenden Raumplanung

84

1.4.1.

Aufbau u n d Gliederung des Gesamtsystems

84

1.4.2.

Prozeßskizze

85

1.4.3.

Z u m A b l a u f durchgehender Planungsprozesse (nach Skizze) . .

86

1.5.

Die j e Planungsstufe wiederkehrende 4-Schritt-Figur — Aspekte zur Rechtsnatur v o n Raumplänen

91

1.5.1.

Die 4-Schritt-Figur

91

1.5.2.

Ausgangslage

92

1.5.3.

Weiterführende Aspekte u n d Definitionen

93

Inhaltsverzeichnis 1.6.

Nutzungsplan, kantonaler nungsentscheidungen

Gesamtrichtplan

und

Bundespla-

1.6.1.

Z u m Nutzungsplan

1.6.1.1.

Vorbemerkung

1.6.1.2. 1.6.1.2.1. 1.6.1.2.2. 1.6.1.2.3. 1.6.1.2.4.

Grundlagen — allgemeiner I n h a l t des Nutzungsplanes Notwendigkeit einer inhaltlichen Umschreibung Bauliche u n d nichtbauliche Nutzung Kantonales Nutzungsgebiet u n d kommunale Nutzungszone Schlußfolgerung: I n h a l t kommunaler Nutzungsplanung

98 98 98 99 99 100 102 106

1.6.1.3. Z u r Nutzungszone 1.6.1.3.1. Negative Bestimmungsmerkmale 1.6.1.3.2. Positive Bestimmungsmerkmale

106 107 108

1.6.1.4.

F ü r die Demokratisierungsdiskussion relevante organisationsrechtliche Gesichtspunkte 111 1.6.1.4.1. K o m p l e x i t ä t kommunaler Nutzungsplanung 111 1.6.1.4.2. Stadtteile — Gesamtstadt: Mögliche Kompetenzausscheidung . . 113 1.6.2.

Z u den kantonalen u n d regionalen Gesamtrichtplänen

115

1.6.2.1. Ausgangslage — Inhalte 1.6.2.1.1. Die echtgenerell-konkreten materiellen Planungsentscheidungen 1.6.2.1.2. Die unechtgenerell-konkreten materiellen Planungsentscheidungen 1.6.2.1.3. Die unechtgenerell-konkreten formellen Planungsentscheidungen 1.6.2.2. F ü r die Demokratisierungsdiskussion bedeutsame Aspekte 1.6.2.2.1. Echtgenerell-konkrete kantonale Planungsentscheidungen 1.6.2.2.2. Z u r Region 1.6.2.2.3. Planinhalte — Rückkoppelung an Bundesplanungsentscheide . .

115

aus

der

115 116 117 117 117 119 121

1.6.2.3.

Notwendigkeit v o n Bundesplanungsentscheidungen Sicht des Genehmigungsverfahrens

1.6.3.

Z u den Bundesplanungsentscheidungen

126

1.6.3.1.

Ausgangslage

126

1.6.3.2.

Materielle Grundsätze

127

125

1.6.3.3. Schritte i m Bundesplanungsprozeß 1.6.3.3.1. Zielbündelentscheidungen 1.6.3.3.2. »Gesamtplan Schweiz'

128 128 131

1.7.

Raumpolitische Betroffenheit

136

1.7.1.

Fragestellung

136

1.7.2.

Allgemeines

137

1.7.3.

Allgemeine u n d besondere Anknüpfungspunkte f ü r tische Betroffenheit

raumpoli-

140

12 1.7.4.

Inhaltsverzeichnis Die kohärente soziale Wirkungseinheit raumpolitischer Maßnahmen — ausschließliche Betroffenheit u n d Mitbetroffenheit . . 140

1.7.4.1.

Ausgangslage

140

1.7.4.2.

Volle Betroffenheit — Beispiel Nutzungsplan

142

1.7.4.3.

Partielle Betroffenheit

143

1.7.4.4.

Ausschließliche u n d Mitbetroffenheit

144

1.7.5.

Abstrakte (Ziel-) u n d konkrete (Plan-) raumpolitische Betroffenheit 145

1.7.5.1.

Zielbündelbetroffenheit

145

1.7.5.2.

Planbetroffenheit

146

1.7.6.

Zusammenfassende

Betroffenheitstypologie

147

1.7.6.1.

Skizze u n d Typenliste

147

1.7.6.2.

Nachbemerkung

149

1.8.

Einige Schlußfolgerungen aus den bisherigen Überlegungen zur Hechtsnatur u n d zur Betroffenheit — Grundsätze für weiterführende Modellbildungsstrategien 151

1.8.1.

Betroffenheitsdifferenzierende tionstypen

Ausgestaltung

von

Partizipa-

151

1.8.2.

Sonderstellung f ü r partielle Betroffenheit besonderer A r t

152

1.8.3.

System- u n d Gruppenpartizipation

153

2.

Grundlagen einer Partizipationslehre im Rahmen eines Programmes für die Demokratisierung politischer, insbesondere raumpolitischer Systeme 156

2.1.

Einleitung: zur Methode

156

2.1.1.

Allgemeines Forschungsprogramm

156

2.1.2.

Vorhaben dieser A r b e i t

159

2.2.

Analysenmodell, politische Partizipation u n d Legitimation — Übersicht u n d begriffliches I n s t r u m e n t a r i u m 162

2.2.1.

Analysemodell u n d einheitliche Definition von politischer P a r t i zipation 162

2.2.1.1. 2.2.1.1.1. 2.2.1.1.2. 2.2.1.1.3.

Analysemodell Skizze Begriffe Verwendbarkeit des Modells

162 162 162 164

2.2.1.2.

Politische Partizipation

166

Inhaltsverzeichnis 2.2.2.

Legitimation, formale u n d materiale Differenzierung

169

2.2.2.1.

Die innere oder formale Differenzierung

170

2.2.2.2.

Die äußere oder materiale Differenzierung

172

2.2.2.3.

Legitimation u n d Partizipation

173

2.3.

Z u m inneren Zusammenhang von materialer Differenzierung u n d gesellschaftlicher U m w e l t : Die Partizipienten 176

2.3.1.

Fragestellung

176

2.3.2.

Ausgangslage

176

2.3.3.

Materiale Differenzierung u n d ökonomisches System

177

2.3.4.

Grenzen einer Umverteilung von Partizipationsrechten

178

2.4.

Die raumpolitischen Partizipienten a m Beispiel der k o m m u n a len Ebene 180

2.4.1.

Ausgangslage

180

2.4.2.

Die potentiellen Konsens- bzw. Nutzungsverweigerer

182

2.4.2.1.

Die potentiellen Konsensverweigerer

182

2.4.2.1.1. Z u r S t r u k t u r legitimatorischer Prozesse u n d zu deren V e r h ä l t nis zum politischen System 183 2.4.2.1.2. Ungleiche Interessenvertretungen 185 2.4.2.1.3. Schlußfolgerung f ü r den Bereich der Raumplanung 189 2.4.2.2. Die potentiellen Nutzungsverweigerer 2.4.2.2.1. Die Grundeigentümer 2.4.2.2.2. Die eigentlichen Raumnutzer

190 191 191

2.4.3.

Zusammenfassende Schlußfolgerung f ü r die Ausgestaltung des kommunalen Planungsverfahrens 193

2.5.

Programm f ü r eine Skizze

die Demokratisierung politischer Systeme —

194

2.5.1.

Vorbemerkung — allgemeiner Grundsatz

2.5.1.1.

Vorbemerkung

194 194

2.5.1.2.

Allgemeiner Grundsatz

195

2.5.2.

Dekolonisierung u n d Entoligarchisierung des legitimatorischen Systems — Hinweis 199

2.5.3.

Umverteilung der Partizipationsrechte je Verfahrensstufe nach Maßgabe des Gleichheitsgrundsatzes u n d der Priorität der W i l lensträger 201

2.5.3.1.

Z u m inhaltlichen Aspekt des Gleichheitssatzes

2.5.3.2.

Veränderung der formalen Differenzierung politischer Systeme 202

201

2.5.3.3.

Veränderung der materialen Differenzierung

206

14

Inhaltsverzeichnis

2.5.4.

Die Ausbildung betroffenheitsdifferenzierender systeme (vertikale Differenzierung)

2.5.4.1.

Die Trias: Gleichmäßige Betroffenheit / Maßnahme / politisches System 208

2.5.4.2.

Anwendung: Situationen — Bewältigungsstrategien

211

2.5.4.3.

Skizze zur Systematisierung von Partizipationstypen

213

2.6.

Einige Schlußfolgerungen: Aspekte zur Demokratisierimg der Raumplanung: Probleme u n d Postulate für die Ebenen des B u n des u n d der Kantone 219

2.6.1.

Notwendige Analysen

219

2.6.2.

Hinweis: Grenzen der Demokratisierbarkeit

222

2.6.3.

Vertikale Differenzierungsgebote

223

2.6.4.

Formale Differenzierungsgebote

224

2.6.5.

Materiale Differenzierungsgebote

225

2.6.6.

Implementierungspartizipation

228

3.

Demokratisierung der kommunalen Nutzungsplanung — ein institutionelles Modell 232

3.1.

Grundsätze

232

3.1.1.

Einleitung u n d Fragestellung

232

3.1.2.

Die formale Differenzierung Durchführungssysteme

kommunaler

raumpolitischer

3.1.3.

Die materiale Differenzierung Durchführungssysteme

kommunaler

raumpolitischer

3.1.3.1.

Einwohner, Grundeigentümer u n d Produktionsmitteleigner: verschiedene Interessenpositionen u n d -gegensätze Raumpolitisch Betroffene u n d Grundeigentümer als Eigennutzer zu Wohnzwecken Raumpolitisch Betroffene u n d Grundeigentümer als Eigennutzer zu P r o d u k t i v - u n d Dienstleistungszwecken Raumpolitisch Betroffene u n d Grundeigentümer als Fremdnutzer Grundeigentümer als Eigennutzer zu Wohnzwecken u n d G r u n d eigentümer als Eigennutzer zu P r o d u k t i v - oder Dienstleistungszwecken Grundeigentümer als Eigennutzer zu Wohnzwecken u n d Eigentümer als Fremdnutzer

3.1.3.1.1. 3.1.3.1.2. 3.1.3.1.3. 3.1.3.1.4. 3.1.3.1.5. 3.1.3.2.

Einwohner, Grundeigentümer u n d Interessenberücksichtigungsprioritäten

3.1.3.3.

Hinweis zum Informationsproblem

politischer Sub-

Produktionsmitteleigner:

208

235 237 237 238 238 240 240 241 241 243

Inhaltsverzeichnis 3.1.3.4.

Planungskommission u n d private Planungsbüros

3.1.4.

Brennpunkte des vertikalen Differenzierungsgebots i m Modell f ü r die kommunale Nutzungsplanung

244

245

3.2.

Verfahren zur Erarbeitung verschiedener Zielsysteme (Phase 1) 245

3.3.

Zielbündelentscheidung (Phase 2)

248

3.4.

Implementierungsverfahren

249

3.4.1.

Stellenwert u n d Notwendigkeit verfahrensrechtlicher S t r u k t u rierung 249 Stadtteilpartizipation 250 Die volle Ausgliederung u n d Dezentralisierung der Implementierung 251

3.4.2. 3.4.2.1.

(Phase 3)

3.4.2.2.

Mitspracherecht der Stadtteüe am Implementierungsprozeß

3.4.2.3.

Das konkurrierende Mitspracherecht der Stadtteile neben anderen Partizipationsberechtigten 254

3.4.2.4.

Mitsprache v o n einzelnen Bürgern, Bürgergruppen u n d Interessenvereinigungen 256

3.4.3.

Möglichkeit f ü r eine differenzierte Behandlung v o n E i n w o h nern, Produktionsmitteleignern u n d Grundeigentümern 257

3.4.3.1.

Ausgangslage

3.4.3.2.

Modellvorschlag: Gliederung des Implementierungsverfahrens i n drei Stufen 3.4.3.2.1. Stufe I : Partizipation der raumpolitisch Betroffenen 3.4.3.2.2. Stufe I I : Partizipation der produktivnutzenden Grundeigentümer u n d Investoren 3.4.3.2.3. Stufe I I I : Partizipation der übrigen Grundeigentümer

253

257 259 259 261 261

3.5.

Planantrag der Exekutive (Phase 4)

263

3.6.

Das sog. Einspracheverfahren (Phase 5)

264

3.6.1.

Ausgangslage

264

3.6.2.

Kritik

265

3.7.

Die Entscheidung über den Plan (Phase 6)

268

3.7.1.

Z u r Partizipationsberechtigung

268

3.7.2.

Z u r Zuständigkeitsfrage

269

3.7.2.1.

Parlament / V o l k oder Exekutive?

269

3.7.2.2.

Z u r Stellung der Stadtteile

272

16

Inhaltsverzeichnis

3.8.

Das Genehmigungsverfahren u n d das Verfahren zum Schutze der Partizipationsrechte (Phase 7) 273

3.8.1.

Die Nichtgenehmigungsgründe

274

3.8.1.1.

Die Zweckwidrigkeit

274

3.8.1.2. Die Rechtswidrigkeit 3.8.1.2.1. Der Verstoß gegen generell-konkrete Planungsentscheidungen einer vorgelagerten Planungsstufe (systemgenerell oder echtgenereller Natur) 3.8.1.2.2. Der Verstoß gegen materielle, generell-abstrakte Planungsentscheidungen u n d Planungsgrundsätze übergeordneter A r t . . 3.8.1.2.3. Der Verstoß gegen materielle eigene Planungsentscheidungen des Durchführungssystems 3.8.1.2.4. Der Verstoß gegen Verfahrensrecht (inkl. synoptische Darstell u n g des kantonalen Planungsverfahrensrechts f ü r die Gemeinden)

279 279 280 290 292

3.8.2.

Die sog. Beschwerde Privater i m Genehmigungsverfahren

317

3.8.2.1.

Kritik

317

3.8.2.2.

Versuch einer Neudefinition: Partizipationsrecht eigener A r t . . 318

3.8.3.

Verfahrensbeschwerde

320

3.8.3.1.

Ausgangslage

320

3.8.3.2. 3.8.3.2.1. 3.8.3.2.2. 3.8.3.2.3. 3.8.3.2.4.

Beschwerdelegitimation Betroffenheit Rechtsschutzinteresse — Skizze Schlußfolgerung Sonderfälle

320 320 321 326 327

3.8.4.

Die Nichtgenehmigung

328

3.9.

Das Beschwerdeverfahren (Phase 8)

330

3.9.1.

Rechtsmittel gegen den Nutzungsplan auf der Ebene der K a n tone u n d des Bundes 330

3.9.1.1.

Vorbemerkung: Z u m kantonalen Rechtsmittelverfahren

3.9.1.2.

Z u m Anfechtungsgegenstand

331

3.9.1.3.

Z u m Anfechtungsgrund

334

3.9.1.4. 3.9.1.4.1. 3.9.1.4.2. 3.9.1.4.3. 3.9.1.4.4.

Z u r Beschwerdelegitimation Betroffenheit Rechtschutzinteresse: Allgemeine Anforderungen Rechtsschutzinteresse: Besondere Anforderungen Zusatzregelungen

334 335 335 336 337

3.9.1.5.

Z u m Suspensiveffekt

339

3.9.2.

Die Stellung der Gemeinde i m Nichtgenehmigungsfall

340

3.10.

Z u m Baubewilligungsverfahren (Phase 9 - 1 1 )

341

330

Inhaltsverzeichnis 3.10.1.

Ausgangslage

341

3.10.2.

Drittbeschwerden

342

3.10.3.

Zusatzregelungen

343

Anhang: Text des in der Volksabstimmung von 13. Juni 1976 abgelehnten Raumplanungsgesetzes (RPG) 347

Literaturverzeichnis

2 Knoepiel

365

0. Einleitung 0.1. V i e r Situationen — halbwegs erfunden 0.1.1. Das Atomkraftwerk

I n einer verhältnismäßig dicht besiedelten Region soll ein Atomkraftwerk errichtet werden. Zuständig für die Erteilung der Bewilligung für die Gesamtanlage ist der Bund. Die Standortgemeinde wehrt sich zusammen m i t den Nachbargemeinden und m i t dem Kanton gegen die vom Bund erteilte Bewilligung. Nachdem Bundesinstanzen sämtliche rechtlichen Hindernisse, die Gemeinde und Kanton dem Bauvorhaben entgegengestellt hatten, beseitigt haben, w i r d unter der Devise der Demokratisierung eine eidgenössische Verfassungsinitiative lanciert. Die Errichtung von Atomkraftwerken — so die Forderung der Initianten — soll vom Bund nur bewilligt werden, wenn die betroffene Bevölkerung dem Vorhaben zustimmt. Ist das wirklich Demokratisierung? Wie bestimmen sich die Betroffenen? Sind Energiekonsumenten, die zufälligerweise nicht i n der Standortgemeinde oder deren Umgebung wohnen, nicht auch betroffen, wenn gegebenenfalls Energieknappheit eintreten sollte? Ist ein solches Vorgehen nicht geeignet, Kompetenzen des Zentralstaates zu unterlaufen? Gibt es mögliche Alternativen zum Schutz der Interessen der Betroffenen? Verlangt Demokratisierung immer Dezentralisierung? 0.1.2. Das CK - 73

„Einen verbindlichen nationalen Raumplan zu erstellen, ist nach dem Raumplanungsgesetz unstatthaft". So zu lesen i n zahlreichen wissenschaftlichen und amtlichen Publikationen. Die Verwaltung des Bundes hat i n Zusammenarbeit m i t den Kantonsverwaltungen das sog. CK - 73 erstellt, das unzweifelhaft ein nationaler Gesamtplan ist. Obgleich er kein verbindlicher Erlaß ist, richten sich Kantons- und Bundesverwaltung i n ihrer raumrelevanten Tätigkeit nach diesem Dokument. Das Volk — so w i r d argumentiert — hätte m i t der Annahme von A r t . 22quater B y deutlich bekundet, daß es den Schwerpunkt der Raumplanung den Kantonen überlassen wolle; diesen demokratischen Willen gelte es zu respektieren, weshalb ein »Gesamtplan Schweiz 4 verbindlich nicht erlassen werden dürfe. 2*

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0. Einleitung

Entspricht diese Auffassung den Anforderungen einer rechtsstaatlichen Demokratie? Wäre es nicht bedenklich, wenn ein solches Dokument, das weder jemals ein Kantonal- noch das Bundesparlament gesehen hat, als Verwaltungsprogramm figurierte und i n der Weise steuernd auf die Verwaltungstätigkeit von Bund und Kantonen einwirkte? Entspricht es dem überall ertönenden Ruf nach Demokratisierung der Raumplanung, wenn zentrale Steuerungsentscheidungen i n vermeindlicher oder tatsächlicher Ermangelung verfassungsrechtlicher Grundlagen einfach i n die Form unverbindlicher Dokumente eingekleidet und i m Verwaltungsverbund zwischen Bundes- und Kantonsbeamten erstellt würden? 0.1.3. Das kommunale Leitbild

Der Gemeinderat von Oberteufen hat ein Leitbild für die Entwicklung der Gemeinde ausarbeiten lassen und dieses daraufhin auch beschlossen. M i t der Begründung, es handle sich dabei nicht u m ein für die Grundeigentümer verbindliches Dokument, sondern lediglich u m ein verwaltungsinternes Führungsinstrument, widersetzt er sich einem Postulat aus dem Gemeindeparlament, w o r i n unter der Devise »Demokratisierung der Raumplanung* die Entscheidzuständigkeit des Parlamentes für das Oberteufener Leitbild gefordert wird. Was bedeutet hier Demokratisierung? Ist die M i t w i r k u n g des Gemeindeparlamentes nicht erst i n jenem Zeitpunkt erforderlich, i n dem tatsächlich Eingriffe i n die Befugnisse der Grundeigentümer i n verbindlicher Weise angeordnet werden? Ist es überhaupt sinnvoll, Entwicklungsziele i n einer selbständigen Entscheidungsphase zu beschließen? Kann man einen kommunalen Nutzungszonenplan oder Raumplanungsprozesse überhaupt i n verschiedene Entscheidungsprozesse zerlegen? Welche politische und rechtliche Bedeutung kommt insbesondere Zielsystemen i n solchen Prozessen zu? Und: Hat eine derartige Gliederung überhaupt etwas m i t Demokratisierung zu tun? 0.1.4. Die Grundeigentümer

Der Oberteufener Haus- und Grundeigentümerverband fordert m i ter der Devise ,Demokratisierung der Raumplanung' einen früheren Einbezug der Grundeigentümer i n den Nutzungsplanungsprozeß. Es habe eine Öffnung des Planimgsprozesses h i n zu den Betroffenen zu erfolgen und betroffen von den Raumplanungsentscheidungen seien schließlich die Grundeigentümer. Was ist von diesem Demokratisierungspostulat zu halten? Bedeutet Demokratisierung i n jedem Falle Öffnung der Verwaltung h i n zu Gruppen i m gesellschaftlichen Bereich? Und: Wer sind eigentlich i n

0.2. Zur Arbeitsmethode

21

diesem Fall die Planbetroffenen? Welche Rolle hätten etwa Mieter, Pächter, Vereine und Ortsparteien neben den Grundeigentümern zu spielen? 0.2. Z u r Arbeitsmethode

Die vier Situationen zeigen deutlich, wie kontrovers und vielfach schillernd der Begriff „Demokratisierung der Raumplanung" ist. Gemeinsamer Nenner der verschiedenen Begriffsverwendungen ist lediglich das Postulat, daß die Betroffenen — i n Anbetracht zunehmender gesellschaftlicher Komplexität vielerorts i m Gefühl des ,Überfahrenwerdens', des ,Verplantwerdens 4 — vermehrt i n politische Entscheidungsprozesse einbezogen werden sollten. Gefordert w i r d ganz allgemein vermehrte unmittelbare Partizipation der Entscheidbetroffenen, die sich nicht nur auf die parlamentarische, sondern — wohl i n ausgeprägterer A r t — auch und gerade auf die Verwaltungsebene beziehen. Ansonsten ist den verschiedenen Vorstellungen weiter nichts gemeinsam. Insbesondere der Betroffenheitsbegriff w i r d äußerst unterschiedlich verwendet. Dieser w o h l wirklichkeitsnah umschriebenen Ausgangslage entspricht es, wenn zunächst versucht wird, die besondere Sach- und Problemstruktur von Planungs-, insbesondere von Raumplanungsprozessen zu untersuchen. Das geschieht i m ersten Kapitel. Exemplifiziert w i r d das Problemfeld anhand des inzwischen vom Volk am 13. J u n i 1976 abgelehnten Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 14.10.1974 (RPG). Es findet sich i m Anhang dieser Arbeit. Die Ausführungen behalten trotz dieser Ablehnung für ein nächstes Gesetzesprojekt, m. E. aber auch für die Organisation raumpolitischer Prozesse i n Nachbarstaaten m i t ähnlich föderalistischer Struktur wie die Schweiz Gültigkeit. Sach- und wirklichkeitsnah soll anschließend i m zweiten Kapitel dargelegt werden, was unter Demokratisierung der nunmehr i n ihrer Sachstruktur erhellten Raumplanungsprozesse verstanden werden könnte. Dabei werde ich Fragen aufgreifen, die i n der allgemeinen Demokratisierungsdiskussion m. E. vielfach zu kurz kommen. Es handelt sich vornehmlich um Vorfragen, wie sie realistische Strategien für die Demokratisierung politischer Systeme stellen sollten. I m Zentrum steht dabei die — i n politischen und rechtlichen Diskussionen vielfach stillschweigend als positiv beantwortet vorweggenommene — Frage nach der Demokratisierbarkeit unserer raumpolitischen Systeme unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen. I m dritten Kapitel soll schließlich versucht werden, ein praktikables institutionelles Modell für die Demokratisierung der kommunalen N u t zungsplanung zu formulieren. Die Gemeinde w i r d immer mehr zum

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0. Einleitung

Brennpunkt gesellschaftlicher Konflikte. Sie erlebt auch i m Rahmen landesweiter Demokratisierungsbestrebungen derzeit eine eigentliche Renaissance. Auch hier gilt es, realistisch zu bleiben und insbesondere politische und rechtliche Rahmenbedingungen von Demokratisierungsstrategien von Anfang an mitzubedenken. Es gilt, die allgemeinen Überlegungen der Kapitel 1 und 2 auf ein konkretes Problemfeld anzuwenden. Die eingangs gestellten Fragen werden i n den drei Kapiteln sukzessive beantwortet werden.

1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen 1.1. Fragestellung Elemente einer staats- und verwaltungsrechtlichen Partizipationslehre sowie ein praktikables Organisationsrechtsmodell für die kommunale Nutzungsplanung lassen sich nur entwickeln, wenn zunächst nach den besonderen Charakteristika von Raumplanungsprozessen gefragt wird. A m B i l d traditioneller Eingriffsverwaltung u n d an einer dogmatischen Trennbarkeit von Gesetzgebung und Gesetzesvollzug orientierte Partizipationsmodelle lassen sich nicht auf staatliche Planungsprozesse übertragen 1 . Allgemeine Demokratisierungspostulate, die i m K e r n ohne Ausnahme auf eine vermehrte Ausrichtung staatlichen Handelns an den Bedürfnissen aller hievon Betroffenen ausgerichtet sind, lassen sich zudem nicht nach einem, von den jeweiligen Sachstrukturen unabhängigen Modell konkretisieren und zu rechtlich praktikablen Regelungen verdichten. Demokratisierungsstrategien müssen zwar i n ihren Grundsätzen von einheitlichen Modellelementen ausgehen — eine solche w i r d auch i n dieser Arbeit ansatzweise zu entwickeln sein (2.). Aber m i r scheint gerade i n der mangelnden sachspezifischen Differenzierung mancher Modelle 2 der Grund für den vielfach berechtigten V o r w u r f mangelnder Praktikabilität zu liegen, wie er von 1 A u f diesen Umstand weist schon Ellwein 1968, 58 f. hin. Vertieft w i r d die Überlegung etwa bei Oberndorfer 1972, 258 f. I n Weiterführung von Oberndorfer u n d König: Programmsteuerung i n komplexen politischen Systemen, i n : Die V e r w a l t u n g 1964, S. 137 ff. sowie Ossenbühl 1974, 184 f. geht Hoppe 1974, 641 ff., davon aus, daß Planungsgesetze i n ihren zieldirigierenden Partien nicht konditional, sondern f i n a l programmiert seien. „Sie enthalten keine Tatbestände, die nach dem Wenn-Dann-Schema aufgebaut sind, sondern sie visieren an u n d fixieren Zweckprogramme; an die Stelle des Gesetzesvollzuges t r i t t damit die Gesetzesverwirklichung. Diese Eigenart trennt die Planung u n d das Planungsermessen von allen bisherigen Kategorien des allgemeinen Verwaltungsrechts." (642). 2 Eine solche liegt i m m e r dann vor, w e n n Demokratisierungsstrategien zugrunde gelegt werden, die — trotz allen wechselseitigen Bedingungszusammenhängen — nicht zwischen Demokratisierung politischer Systeme u n d Demokratisierung ihrer gesellschaftlicher Umweltbedingungen u n t e r scheiden. Wenn H. H. Rupp: Freiheit u n d Partizipation, i n N J W 1972, 1542 i n diesem Zusammenhang auf die „gänzlich verschiedene(n) Problemsachverhalte" verweist, „die nicht über einen Leisten geschlagen werden k ö n nen", so ist i h m — trotz seiner skeptischen Grundhaltung gegenüber dem Postulat der Demokratisierung — i n diesem P u n k t zuzustimmen. Die angeführte Unterscheidung w i r d i m zweiten K a p i t e l eingehend dargelegt.

24

1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

grundsätzlichen Demokratisierungsgegnern vorgebracht wird. Ich versuche, diesem Einwand zu entgehen, indem ich i n diesem Kapitel anhand des Entwurfes zum Raumplanungsgesetz frage, auf welcher Stufe i m Prozeß durchgehender Planung welche, einander i n welcher Weise zugeordnete Planungsentscheidungen welchen Inhalts überhaupt gefällt werden müssen, und welche Auswirkungen sich daraus für welche Bürgergruppen ergeben. Erst wenn darüber Klarheit besteht, kann sinnvollerweise nach adäquaten Partizipationsformen an unterschiedlichen Planungsentscheidungen gefragt werden. I n diesem Sinne fragen w i r zunächst nach gemeinsamen und je politischem Standort unterschiedlichen Elementen eines allgemeinen Planungsbegriffs, u m den dem Raumplanungsgesetz zugrunde liegenden Planungsbegriff zuzuordnen. Zweck dieses ersten Abschnittes ist es, Stellenwert, Möglichkeiten und Funktionsweise staatlich veranstalteter Raumplanung unter den gegenwärtigen boden- und planungsrechtlichen Bedingungen allgemein zu ermitteln. Damit soll von Anfang an der Bezugsbereich möglicher raumpolitischer Partizipation abgesteckt werden (1.2.). I n den folgenden Abschnitten fragen w i r nach der Strukturordnung von Raumplanungsprozessen, wobei der Zentralismusproblematik (1.3.), der detaillierten Stufenordnung i m RPG anhand einer Prozeßskizze (1.4.) sowie der Frage nach wiederkehrenden Entscheidfiguren innerhalb einzelner Planungsstufen (1.5.) besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Zweck dieser Abschnitte ist, Anhaltspunkte für eine Ausgestaltung des Planungsverfahrensrechts zu gewinnen, welche primär an planungstheoretischen und planungspraktischen und damit an sachspezifischen Gesichtspunkten orientiert ist. A u f diese Weise w i r d eine adäquate Umschreibung von Rechtsnatur und Inhalt von Nutzungsplan, kantonalem Gesamt- und Teilrichtplan sowie von Bundesplanungsentscheidungen möglich. Aufgrund dieser Ermittlungen w i r d i m letzten Abschnitt versucht, eine Typologie von je unterschiedliche Maßnahmen auftretenden Betroffenheiten anhand der spezifischen Wirkweise und des besonderen sozialen Wirkungsradius solcher Maßnahmen zu ermitteln. Darauf bauen die i m 2. Kapitel theoretisch und praktisch zu entwickelnden Elemente einer Partizipationslehre auf.

1.2. Raumplanung und staatliche Planung: Begriff und Stellenwert

25

1.2. Zum Begriff Raumplanung — Stellenwert, Möglichkeiten und Funktionsweise staatlicher Planung 1.2.1. Zum staatlichen Planungshandeln Verschiedene Planungskonzeptionen — gemeinsame Entscheidungsstufen

Bei aller Bedeutung einer auf Raumplanungsprozesse ausgerichteten Betrachtungsweise für diese Arbeit rechtfertigt sich zu Beginn ein Blick auf die allgemeine Planungslehre. Einsichten über Stellenwert, Möglichkeiten und Funktionsweise staatlicher Raumplanung lassen sich insbesondere aus einer Auseinandersetzung m i t der allen Planungsprozessen eigenen Stufenfolge nacheinander abzuwickelnder Entscheidungsprozesse und m i t drei typisierbaren Konzeptionen politischer Planung gewinnen. Bevor auf diese beiden Gesichtspunkte einzugehen ist, soll aufgrund einiger i n der Literatur vorgetragener Definitionen zu umschreiben versucht werden, was gemeinhin als Planungsprozeß verstanden werden kann. 1.2.1.1. Planung : Definitionselemente I n der planungswissenschaftlichen Literatur finden sich zahlreiche Versuche, das Wesen der Planung auf prägnante Kurzformeln zu bringen. I n der i m folgenden wiedergegebenen Auswahl sind insgesamt die einschlägigen deskriptiven Definitionselemente enthalten: Unter „Planungspolitik" versteht Klages „eine Handlungs- und Entscheidungslehre . . . , . . . die eine rationale Orientierung i m Hinblick auf die Frage ermöglicht, m i t welchen Zielen und von wem auf wessen Kosten geplant werden soll. »Politik' bedeutet hier . . . die wissenschaftlich angeleitete Praxis eines Handelns, das Realismus- und Vernunftsgesichtspunkte auf eine zukunfthaltige Formel zu bringen versucht, ohne irgendeiner ,Ideologie 1 zum Opfer zu fallen" 3 . Nach Sand kann man Planung auffassen als „einen organisierten, auf rationaler Anwendung des menschlichen Wissens aufbauenden Versuch . . d e r auf die Auswahl der bestmöglichen Alternativen zur Erreichung spezifischer Ziele ausgerichtet ist" 4 . I m Gegensatz zum Plan, der als Dokument „die Zukunft apriorisch festlegt" 5 , ist Planung eine „Funktionsweise der politischen . . . Willensträger i m Rahmen eines antizipierten Ziel-MittelSchemas, das schriftlich fixiert sein kann und durch eine willensmäßig bewußte Beeinflussung des Ablaufs bestimmt wird"®. Bemerkenswert 3 4

Klages 1971, 9.

B. Sand: Planung i n Lateinamerika u n d Frankreich — ein Vergleich zwischen Theorie u n d Praxis, i n : J. H. Kaiser: Planung I V , Baden-Baden 1970, 426. 5

β

Β. Sand: op. cit., 427. Β. Sand: op. cit., 427.

26

1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

konzentriert definiert Friauf: „Planung beruht auf einer Analyse der i n der Gegenwart sichtbaren Gegebenheiten und Entwicklungen und zielt ab auf eine Aktion, die diese auf der Grundlage wertender Entscheidungen i n der zeitlichen Dimension der Zukunft lenkend beeinflussen soll 7 ." Sie ist „eine auf Realisierung gerichtete, methodisch rationalisierte Antizipation der Zukunft, die auf der Grundlage allen verfügbaren einschlägigen Wissens zu einem systematischen Entwurf eines politischen Handlungsmodells als Vorbereitung für künftige Entscheidungen führt" 8 . Bei Kaiser, einem der Ahnherren der rechtswissenschaftlichen Planungsdiskussion, der dieser i m allgemeinen planungsfeindliche K l i m a der Mitte 60erJahre entscheidende Impulse verlieh („der Plan ist die Verortung der Utopie" 9 ), bricht die für jene Zeit keinesfalls selbstverständliche Erkenntnis durch, daß Planung die Wahlmöglichkeiten staatlicher Handlungsträger erweitere und zu einem Zuwachs realer Freiheit führen könne 1 0 . Allerdings kann dieser „Entscheidungsfreiraum politischer Handlungsträger" nach Verabschiedung grundlegender Teilentscheidungen auch i n gefährlicher Weise eingeschränkt werden 1 1 , wenn man m i t Wagener unter öffentlicher Planung „jede auf öffentlich-rechtlicher Grundlage beruhende, methodisch erarbeitete und koordinierte Festlegung zukünftigen komplexen Handelns von Regierung und Verwaltung" 1 2 versteht. Diese präjudizierende Wirkung versucht bezeichnenderweise der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses m i t seiner Planungsdefinition abzuschwächen: „Planung ist die systematische Vorbereitung von Entscheidungen und Entscheidungsalternativen über mittel- oder längerfristige sach-politische Ziele und der darauf ausgerichteten Maßnahmen auf breiter Wissenbasis." Politische Planung bezwecke, „den Handlungsspielraum der Politik zu erweitern" 1 3 . Auch Luhmann versucht i n diesem Sinne abzugrenzen: Zwar sei „nicht jedes Vorausdenken und . . . Vorbereiten, jede Überlegung künftigen Handelns" schon als Planung zu bezeichnen 14 . Aber die Planung beinhalte auch nicht die Entscheidung selbst: Prägnante Konturen erlangt der Begriff erst, wenn man „auf die Zweistufigkeit eines planmäßigen Entscheidungsvorgangs abstellt. . . . Planen ist Festlegen von Entscheidungsprämissen für künftige 7 K. ff. Friauf: Probleme der Durchführung europäischer Gemeinschaftsplanung i n der Bundesrepublik, i n : J. H. Kaiser: Planung I V , 41. 8 Κ ff. Friauf : op. cit., 41. 9 Kaiser 1965,15. 10 Kaiser 1965, 19 f. 11 Wagener 1972, 588. 12 Wagener 1972, 571. 13 Zit. bei Battis 1976,163. 14 Luhmann 1971, 67.

1.2. Raumplanung und staatliche Planung: Begriff und Stellenwert

27

Entscheidungen. . . . Planen heißt über Entscheidungen entscheiden". Und: „Planung strukturiert spätere Entscheidungsstrukturen mehr oder weniger stark, nimmt aber die konkrete Entscheidung über die Handlungen nicht vorweg. (...) Von Planung spricht man nur, wenn es sich um die Definition eines Entscheidungsproblems und u m die Festlegung der Bedingungen seiner Lösung handelt 1 5 ." Z u einer vergleichbaren Umschreibung gelangt Schneider, der unter dem „Zeichen" Planung „weder das bloße Reflektieren künftiger Entwicklungen ohne Orientierung an Zielen und Wertvorstellungen, noch die Festlegung von Zielen und Maßnahmen zu einem ,Plan' ohne vorherige kritische Analyse des Handlungsfeldes und der Entwicklungsmöglichkeiten", noch „die politische Entscheidung über Zieldimensionen ohne die Festlegung zielkonformer Maßnahmen", sondern „die Vorbereitung von Entscheidungen durch umfassende Informationen über Zieldimensionen und durch kritische Analyse der Handlungsmöglichkeiten" versteht. „Planung ist . . . nicht identisch m i t Entscheidung, sondern eine Methode der Entscheidvorbereitung. Sie kalkuliert und bewertet die Konsequenzen alternativer Handlungsmöglichkeiten oder alternativer Umweltbedingungen bzw. sie deckt die realen Implikationen bestimmter Ziele auf und begründet dadurch eine Basis für die Entscheidung." Sie begründet die notwendige Basis „ f ü r die Koordination der Einzelentscheidungen und sie trägt . . . letztlich zur Rationalisierung der Entscheidungen wesentlich bei, da sie Möglichkeiten und Perspektiven bewußt macht, das Feld möglicher Handlungen abgrenzt und die Sicherheit des Handlungserfolges ermöglicht" 1 6 . Diese Versuche, Planung definitorisch auf den Bereich der Entscheidvorbereitung zu beschränken, befriedigen bei aller Richtigkeit anderer Elemente i n den eben vorgetragenen Definitionen nicht. Planung beinhaltet Entscheidvorbereitung und Entscheidung: Zuzustimmen ist der prägnanten Definition von Aderhold: „Planung ist ein Prozeß, i n dem frühzeitige Entscheidungen über späteres Verhalten gründlich vorbereitet und getroffen werden, wobei diese Entscheidungen durchaus auch vorläufigen Charakter haben können. Wichtig ist . . . , daß die Entscheidung nicht auf die Planung folgt, sondern ihr wichtigstes Begriffsmerkmal ist 1 7 ." M i t der „planungspraxeologischen" Umschreibung von Bohret kann diese Kontroverse als vorläufig beigelegt betrachtet werden: „Planung ist gedankliche, zukunfts- und ziel-mittel-orientierte Tätigkeit, durch die politische Entscheidungen vorbereitet, expliziert und i n der Form von Vollzugsanweisungen zur Realisierung ausgewählter Alternativen durchgesetzt werden sollen 18 ." 15 16 17

Luhmann 1971, 68. Schneider 1973, 42. Aderhold 1973, 22.

28

1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

Wie Bohret u. a. 1 9 unterstreicht auch eine Definition von SchmidtWerthern das Prozeßhafte von Planungsvorgängen: „Planung ist ein iterativ(er) Prozeß", der i n jeder Phase, insbesondere auch „während der Implementierungsprozesse auf ständige Informationsgewinnung gegründet sein muß" 2 0 . Entscheidungstheoretisch definieren w i r aufgrund der angeführten Umschreibungsversuche Planung als verfahrensrechtlich in wohlunterscheidbare Stufen gegliederten Entscheidungsvorgang, i n dem aufgrund allen verfügbaren Analysewissens und als alternativ ausgewiesener Handlungsvarianten die Lösung zukünftiger komplexer Probleme unter optimaler Koordination und rationaler Kontrolle sachlich und zeitlich auseinanderfallender Einzelmaßnahmen i n der Weise erfolgen soll, daß bei allen Teilentscheidungen trotz ihrer wechselseitigen Verknüpfung ein möglichst großer Entscheidungsspielraum offengehalten wird. 1.2.1.2. Planung: Ein in unterscheidbare Entscheidungsstufen gegliederter Problemlösungsprozeß Jeder vollständige Planungsprozeß gliedert sich i n folgende fünf nacheinander abgewickelte und inhaltlich aufeinander abgestimmte Entscheidungsstufen: Analyse, Zielbündelentscheidung, Mittelentscheidung, Programmierung und Implementierung 21. I m folgenden nicht verselbständigt w i r d die Feed-back-Phase . Unter diesem Titel behandelte Kontrollprobleme 2 2 treten i n und zwischen allen Planungsstufen auf 2 3 . Bei Prozessen rollender Planung kommt die Funktion permanenter Kontrolle vornehmlich der Analyesphase zu, die als durchgehender, alle Stufen begleitender Prozeß auszubauen ist. 18 19

Bohret 1975, 14. So z.B. B. Sand: op. cit. A n m . 4, 427; Müller

1973, 786f.; Tenbruck

1967,

91 f. 20 K . Schmidt-Werthern: Planung u n d Koordination als Zentralfunktionen des Regierungssystems, i n : H. Krauch (Hrsg.): Systemanalyse i n Regierung u n d Verwaltung, Freiburg 1972, 108. 21 Vgl. zu verschiedenen Gliederungsvorschlägen u.a.: Bohret 1975, 14ff.; Aderhold 1973, 121 ff.; Th. Ellwein: Planen u n d Entscheiden, i n : Rongei Schmieg: Politische Planung i n Theorie u n d Praxis, München 1971, 26 f.; Z. F. Ophüls: Die Europäischen Gemeinschaftsverträge als Planungsverfassung, i n : J. H. Kaiser: Planung I, 1965, 234; Kern 1966, 363; W. Hafner: Einige Aspekte zur Methodik staatlicher Planung, i n : J. H. Kaiser: Planung I I I , 1968, 208 ff.; Knall 1970, 378; Β . H. Rudwick: Effektive Planung durch Systemanalyse: Grundsätze u n d Beispiele, i n : Naschold / Väth (Hrsg.): Politische Planungssysteme, Opladen 1973, 342 ff. 22 Vgl. u.a.: Aderhold 1973, 60ff., 243ff.; Prognos AG, Basel (Hrsg.): Simulation als Instrumente der Planung i n Wirtschaft u n d Verwaltung, Basel 1973, 31. 23 Vgl. Bohret 1975, 118 f.

1.2. Raumplanung u n d staatliche Planung: Begriff u n d Stellenwert

29

1.2.1.2.1. D i e A n a l y s e Das i n s k ü n f t i g n a c h b e s t i m m t e n Z i e l e n z u gestaltende P r o b l e m f e l d ist i n seinem I s t - Z u s t a n d m ö g l i c h s t d i f f e r e n z i e r t z u erfassen. Es müssen E n t w i c k l u n g s t r e n d s e i n g e f a n g e n w e r d e n , w i e sie o h n e E i n s a t z n e u e r G e s t a l t u n g s m i t t e l e i n t r e t e n w ü r d e n . D a b e i g e h t es n i c h t d a r u m , das P r o b l e m f e l d b l o ß z u beschreiben. V i e l m e h r m u ß a n h a n d e m p i r i s c h e r M a t e r i a l i e n bereits i n diesem S t a d i u m v e r s u c h t w e r d e n , solche Ursachen u n d Wirkungszusammenhänge 24 z u e r m i t t e l n , d i e f ü r eine n a c h Maßgabe der Planungsziele erfolgende Entwicklungssteuerung v o n zent r a l e r B e d e u t u n g s e i n d ü r f t e n . Je nachdem, ob m a n solche W i r k u n g s z u s a m m e n h ä n g e b e r e i t s i n dieser A n a l y s e p h a s e e r k a n n t u n d h e r a u s g e a r b e i t e t h a t , w e r d e n d i e später eingesetzen S t e u e r u n g s m i t t e l W i r k s a m k e i t e n t f a l t e n 2 5 . A n a l y s i e r e n b e d e u t e t n i c h t , i r g e n d w e l c h e oder g a r a l l e Ursachen u n d W i r k u n g s z u s a m m e n h ä n g e i n e i n e m sozialen P r o b l e m f e l d z u e r m i t t e l n : soziale T o t a l i t ä t l ä ß t sich n i c h t erfassen. S i n n v o l l a n a l y s i e r b a r s i n d n u r A u s s c h n i t t e d e r sozialen W i r k l i c h k e i t , w e l c h e nach M a ß g a b e des V e r ä n d e r u n g s w i l l e n s 2 6 a u s g e w ä h l t w e r d e n . D i e s e r h ä n g t w i e d e r u m v o n d e n P l a n u n g s z i e l e n ab, d i e i m e i n z e l n e n aber erst 24 Vgl. Bohret 1975, 46 f. Danach muß die „ E r m i t t l u n g u n d Analyse des Zustandes" von einer Beschreibung konkreter Wirklichkeitselemente h i n zur B i l d u n g v o n „sozialen Indikatoren" schreiten. Diese „repräsentieren mehr oder weniger hoch aggregierte . . . Informationen über bestimmte Zustände u n d deren Veränderung. Die K o m b i n a t i o n mehrere Indikatoren w i r d als I n dex bezeichnet". V o n solchen Indikatoren soll auch auf die Ursachen geschlossen werden können. Vgl. ferner J. W. Forester: Planung unter dem dynamischen Einfluß komplexer sozialer Systeme, i n : Ronge ! Schmieg (Hrsg.) : Politische Planung i n Theorie u n d Praxis, 81 ff. Die Analyse darf nicht an den Symptomen stehenbleiben. „ . . . Symptome sind schwer zu v e r ändern, solange die Ursachen bleiben. W i r können Ursachen nicht beseitigen, ehe w i r sie begriffen haben. . . . N u r w e n n w i r die Prozesse verstehen, die zu den Schwierigkeiten führen, können w i r m i t eigener Hoffnung das System so umstrukturieren, daß die Systemprozesse i n eine andere Richtung führen." 26 Einen solchen Mangel weist Häussermann 1974, 239 a m Beispiel des Nordrhein-Westfalen-Programmes 1975 nach. Grottian 1974, 43f.; Rongel Schmieg 1973, 266 oder A. Murswieck: Regierungsform durch Planungsorganisation, eine empirische Untersuchung i m Bereich der Bundesregierung, Opladen 1975, 12 f. legen dar, weshalb staatliche Planung unter den Bedingungen des derzeitigen Wirtschaftssystems „aus systemischen Gründen das erforderliche Diagnose-, Prognose- u n d Steuerungswissen" (Ronge / Schmieg 1973, 266) nicht i n ausreichendem Maße haben kann. Deshalb seien auch die Planungsleistungen defizitär. Ob die — plausibel vorgetragene — These stimmt oder nicht, sie zeigt den engen Zusammenhang zwischen Analysekapazität u n d Erfolg von staatlicher Planung. 28 Vgl. i n diesem Sinne Schick 1974, 473; Aderhold 1973, 124. Z u r m i t t l e r weile etwas abgeflachten wissenschaftstheoretischen Auseinandersetzung der frühen siebziger Jahre über diese Problematik: W. D. Narr: L o g i k der Politikwissenschaft — Eine propädeutische Skizze i n : Kress / Senhaas (Hrsg.): Politikwissenschaft — Eine Einführung i n ihre Probleme, F r a n k f u r t 1972, 13 ff.

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1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

i n der darauffolgenden Planungsstufe aufgrund der Ergebnisse der Analyse festgelegt werden. Das ist das Dilemma der bei jeder Analyse notwendigen teilweisen Vorwegnahme von Zielentscheidungen. Ein Vorausstellen der Zielbereichsstufen vor die Analysestufen würde sich gleichwohl nicht rechtfertigen, weil für die Entscheidungen über realistische und erreichbare Zielsysteme eine vorgängige Analyse unabdingbar ist. I m Interesse einer auch für den Laien verständlichen Einsicht i n diesen Zusammenhang werden m i t der Analyse betraute Sozialwissenschafter gut daran tun, ihrer Untersuchung die von ihnen zugrunde gelegten allgemeinen Zielsetzungen explizit formuliert voranzustellen, um ihre Ergebnisse allgemein kontrollierbar 2 7 zu machen. Ansonsten besteht die Gefahr, daß dem Planungsprozeß von Anfang an der sich spätestens bei der Durchführung auswirkende Mangel anhaftet, daß die Ziele aufgrund »falscher 4 Vorstellungen über die Wirklichkeit entstanden; ,falsch 4 weil unter anderen Zielvorstellungen erhoben, als die i m Entscheid über die verbindlichen Planungsziele tatsächlich ausgewählten. Die Wirklichkeit »reagiert 4 anders auf die Planungsmaßnahmen, als man erwartete. Für die Zielrealisierung bedeutsame Prozesse wurden bei der Analyse nicht i n Rechnung gestellt. 1.2.1.2.2. Der Planzielbündelentscheid Aufgrund der Analysebefunde werden nunmehr verschiedene und alternative Zielsysteme entwickelt, von denen schließlich eines als für die zukünftigen Planungsstufen maßgebliches ausgewählt wird. A n den Zielbündelentscheid werden allgemein folgende Anforderungen gestellt: Das Zielbündel muß konsistent 28 sein. Werden einander widersprechende Ziele i n einunddasselbe Zielsystem eingebunden, so ist über den auftretenen Zielkonflikt klar zu entscheiden, damit er nicht i n einer späteren Stufe aufbricht und von einem hiezu nicht berufenen Entscheidträger bewältigt werden muß. Klare Prioritäten fördern Ra27

Vgl. i n diesem Sinne Aderhold 1973, 275; Jentzsch 1972, 60. Vgl. dazu Bohret 1975, 58 f.: Z u r E l i m i n a t i o n von Zielkonflikten w i r d die K o n s t r u k t i o n v o n „Zielbäumen" empfohlen. Die Zielbaummethode erstrebt „eine Hierarchisierung der verschiedenen Ziele. E i n Zielbaum läßt sich charakterisieren als eine bestimmte A n z a h l v o n Zielebenen, wobei die jeweils nachgeordnete Ebene auch als mögliche Alternative oder notwendige V o r bedingung zur Erreichung der übergeordneten angesehen werden k a n n : E n t weder schließen sich Subziele aus (alternative Subziele) oder sie müssen zu bestimmten »Beträgen' erreicht werden, damit das Oberziel realisiert w i r d " (181 f.). Vgl. zur Zielbaummethode ferner: Aderhold 1973, 151 ff. E i n Beispiel aus dem Bereich der U m w e l t p o l i t i k findet sich bei H. U. Scherrer: S t r u k t u r fragen der Umweltproblematik, i n : N Z Z v o m 27.3.74, S. 27. 28

1.2. Raumplanung und staatliche Planung: Begriff und Stellenwert

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tionalität und Transparenz des Planungsprozesses. Konsistenz bedeutet aber auch Abgestimmtheit m i t solchen Planungszielen, die vom gleichen oder von einem übergeordneten Planungsträger i n einer sachlich der jeweiligen Planungsmaterie neben- oder übergeordneten Materie zu entscheiden sind. Solche Planzielvorgaben bilden einengende Restriktionen am Feld möglicher Zielsysteme. Das Zielbündel muß realistisch sein. Das bedeutet dreierlei: Es darf nicht i m Bereich abstrakter Utopie verharren, sondern muß zur ,konkreten Utopie' 2 9 verdichtet werden. Die Umschlagstellen der analysierten Wirklichkeit zu den Planungszielen müssen erkennbar sein. Das besagt vorerst noch nichts über die Spannweite zwischen Zielen und derzeitiger Wirklichkeit. Es bedeutet nur, daß von der Brücke i n die ,alternative Zukunft 4 nicht nur Himmelsrichtung und jenseitiger B r ü k kenkopf, sondern auch der diesseitige Aufhänger und die A r t der Konstruktion bekannt sein sollen. »Realistisch meint zum zweiten: m i t den zur Verfügung stehenden Mitteln erreichbar. Vielversprechende Leerformeln reichen trotz ihrer möglichen Integrationsfunktion nicht aus. Und: Wo aus verfassungsmäßigen Gründen generell nur eine indikative Planung zulässig ist, sind alle jene Zielbündel unrealistisch, die sich aus Gründen unzureichender Anreize nur mittels imperativer Planungsinstrumente durchsetzen lassen 30 . Unrealistisch i n diesem Sinne wäre etwa jenes Zielbündelelement, das i n einem derzeit 5000 Einwohner zählenden Dorf inskünftig eine Beschränkung der Bauzone auf 3000 Einwohner vorsähe. Die Rückzonung und die i n deren Gefolge anfallenden Entschädigungsleistungen mögen allenfalls noch tragbar sein. M i t freiheitlichen M i t t e l n nicht realisierbar aber wäre die zwangsweise Ausweisung der 2000 überzähligen' Einwohner, w e i l sie die verfassungsmäßig garantierte Niederlassungsfreiheit 31 i n unzulässiger Weise beschränken müßte. M i t dem Erfordernis der Erreichbarkeit zeigt sich der Zusammenhang von Ziel- und Mittelentscheidungen: Das Feld möglicher Zielbündel w i r d durch die zur Verfügung stehenden Planimgsmittel eingeschränkt. Die generell zur Verfügung stehenden M i t t e l werden ihrerseits durch den Grad der Autonomie 3 2 gesellschaftlicher Prozesse von staatlicher 29 Die Begriffsbildung ist angelehnt an E. Bloch: Das Prinzip Hoffnung, Band I , F r a n k f u r t 1959, 225 u n d B a n d I I I , S. 1618. 30 Andernfalls drohen die Ziele zu — vielversprechenden — Leerformeln zu werden. E i n exemplarisches Beispiel bringt Battis 1976, 163. Aus dem Bereich der französischen Planifikation: Cohen 1973, 43 ff. 31 Vgl. dazu unten 3.8.1.2. 82 Diese Begriffsbildung w i r d ausführlich entwickelt bei Luhmann 1965, 14 ff. Vgl. dazu auch Naschold 1973, 89 ff. Eine Kurzdarstellung m i t h i l f r e i chen Literaturangaben zum systemtheoretischen Instrumentarium findet sich bei Mey 1972, 119 ff., insbes. S. 123 ff. A u f die Autonomiediskussion ist i m zweiten K a p i t e l zurückzukommen.

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1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

Einflußnahme definiert. Realistisch sind Zielbündelelemente ferner nur dann, wenn sich der Entscheidträger der davon ausgelösten Folgeprobleme 3 3 i n anderen gesellschaftlichen Bereichen bewußt und selbst i n der Lage ist, sie i n angemessener Form zu bewältigen. So kann eine Zielentscheidung über die Rückzonung von eingezontem Bauland nur fällen, wer die finanziellen M i t t e l für allenfalls notwendige Entschädigungen bereitstellen kann. Der Zielbündelentscheid hat i m Bewußtsein alternativer Entscheidungsmöglichkeiten3 4 zu erfolgen. Vor der Entscheidung muß der Zielbereich möglichst systematisch ausgeleuchtet werden, u m andere Zielkombinationen zu prüfen und bewußt auszuschließen. M i t dem Zielbündelentscheid legt sich der Handlungsträger für einunddenselben Planungsprozeß unwiderruflich 3 5 auf eine Variante fest, die für alle nachfolgenden Entscheidungsstufen bindend sein muß, w i l l der Planungsprozeß überhaupt wirksam werden. Das wiederum bedingt, daß er ein Mindestmaß an Flexibilität und Offenheit für eine Berücksichtigung unvorhergesehener Entwicklungen aufweist. Der Zielbündelentscheid ist kein Implementierungsentscheid 36. Von diesem unterscheidet er sich dadurch, daß er keine konkreten und detaillierten, sondern mehr oder weniger abstrakte, auf das ganze Problemfeld bezogene Inhalte aufweist. Er kann nicht als Summe aller Implementierungsentscheidungen betrachtet und gewissermaßen »nachgeliefert 4 werden, wenn der Planungsprozeß abgeschlossen ist. Anstelle der Gestaltungsfunktion träte i n diesem Falle die Rechtfertigungsfunktion. Diese Gefahr dürfte i m Bereich kantonaler und eidgenössischer Raumplanungsprozesse bestehen, sofern sie sich bloß als Additionen bereits bestehender kommunaler Raumordnungen verstehen. Wo eine Zieldiskussion nicht stattfindet, muß angenommen werden, das Zielsystem sei i n den Grundelementen bestehender Ordnungen vorgegeben und der Planungsprozeß bezwecke lediglich die Erhaltung ihrer Funktionsfähigkeit 3 7 . 88 Vgl. unten 1.3.1.; zu den Folgeproblemen bei punktuellen Staatsinterventionismus: Offe 1972, 21 ff. 34 V g l dazu Aderhold 1973, 279 ff.; zur vergleichenden Gegenüberstellung von A l t e r n a t i v e n u n d zur methodischen Möglichkeit solche quantifizierend zu bewerten: Bohret 1975, 186 ff.; zu Schwierigkeiten u n d verfahrensmäßigen Möglichkeiten, möglichst viele Zielvarianten aufstellen zu können: Klages 1971, 58 ff. 85 Vorbehaltlich als solcher gekennzeichneter u n d daher kontrollierbarer Feed-backs. Vgl. zu solchen Rückkoppelungsverfahren: Bohret 1975, 119 ff. I n der Planungsdiskussion w i r d w o h l zu oft das berechtigte Erfordernis nach F l e x i b i l i t ä t (vgl. dazu etwa Klages 1971, 71) m i t der Notwendigkeit verbindlicher Zielentscheidungen verwechselt. Das dürfte nicht selten m i t eine U r sache f ü r die Unterschätzung der Bedeutung von Zielentscheidungen sein. 88 Vgl. unten 1.2.1.2.5.

1.2. Raumplanung und staatliche Planung: Begriff und Stellenwert

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1.2.1.2.3. Der Entscheid über die zielkonformen M i t t e l Nach Abschluß der Zielentscheidungsphase muß über die zur Erreichung der Ziele einzusetzenden konkreten Gestaltungsmaßnahmen entschieden werden. Dabei stellen sich auf zwei Ebenen Probleme: Die Ziel-Mittel-Relation und die Mittel-Mittel-Relation. Die eingesetzten M i t t e l müssen i n ihrer Gesamtheit derart zusammenwirken, daß sie die gesteckten Ziele auch tatsächlich erreichen können 3 8 . Ihre Zweckmäßigkeit hängt davon ab, ob die zu Beginn des Planungsprozesses angestellte Analyse tatsächlich solche soziale Wirkungszusammenhänge und Entwicklungsursachen erfaßt hat, auf die die Planungsmittel auch angesetzt werden können. Ist dies nicht der Fall, so werden die M i t t e l ohne Zielwirksamkeit bleiben. I m Rahmen dieser allgemeinen Anforderung bleibt es wegen der aus Flexibilitätsgründen gebotenen Offenheit von Planungszielbündeln eine Wertungsfrage, welche Planungsmittel i n Anbetracht der Besonderheiten der jeweiligen Materie als zweckmäßig zu bezeichnen sind. Bekanntlich hat die Wahl der M i t t e l auch eine Rückwirkung auf die Inhalte der jeweiligen Planungsziele 39 . Bei quantifizierten Zielerreichungsbeiträgen der i n Betracht gezogenen Maßnahmen läßt sich jedenfalls die quantitative, allenfalls sogar die qualitative Varietät der W i r k samkeit von Zielentscheidungen je unterschiedlicher Zielerreichungsquotient rechnerisch darstellen 40 . I m Interesse einer Verfolgung gleicher, einheitlich für alle Untereinheiten geltenden Zielbündel legen daher zentrale Planungsträger oft auch Grundsätze über die einzusetzenden M i t t e l 4 1 fest. Der blinde Glaube an wertneutrale Ziel-MittelRelationen kann bei getrennter Zuständigkeit — etwa i m Verhältnis Kanton - Gemeinde — einen schleichenden Zentralisierungseffekt 42 zur 87

Vgl. unten 1.2.2. f ü r den Bereich der Raumplanung. Vgl. zur Methode der Z i e l - M i t t e l - Z u o r d n u n g : Klages 1971, 76 ff. (Relevanzbaumverfahren); Bohret 1975, 187 ff. („Nutzweranalyse"). Sozialwissenschaftliche Ziel-Mittel-Relationen werden sich w o h l nie vollständig q u a n t i fizieren lassen. 89 Vgl. zur allgemeinen Problematik: F. Müller: Juristische Methodik, B e r l i n 1971, 164 ff. 40 So Bohret 1975, 192 ff. 41 Typisches Beispiel dazu ist das Raumplanungsgesetz. Auch das B G über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung v o m 8.10.1971 (SR 814.20) umschreibt die Zielverwirklichungsmittel Baubewilligung innerhalb u n d außerhalb des G K P i n den A r t . 19 f. 42 Vgl. Faber 1974, 99: „Das Zweck-Mittel-Schema bindet Interpretationsrechte an Interpretationsmacht; die durch Zweck-Mittel-Schemata geregelten Kompetenzverteilungen drohen deshalb auf die Dauer doch n u r zu einem getreuen A b b i l d der tatsächlichen Ressourcenverteilung zu werden. I n der Bundesrepublik bedeutet dies praktisch, daß die Einführung des ZweckMittel-Schemas zentralisierende W i r k u n g hat, u n d zwar auf Kosten der k o m munalen Selbstverwaltung u n d auf Kosten der Länder." 88

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1. Planungs wissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

Folge haben: Wenn feststeht, daß kein noch so zuverlässiges Deduktionsverfahren aus vorgegebenen Zielsystemen einzig richtige M i t t e l hervorzaubern kann, w i r d das Ziel-Mittel-Problem zum Problem des Organisationsrechts, wo es als Interpretationskompetenzproblem 43 wieder erscheint: Die allgemeine Erfahrung spricht dafür, daß sich Interpretationskompetenzen — ohne entsprechende Gegenmaßnahmen — bei demjenigen Entscheidungsträger ansiedeln, der über mehr Ressourcen verfügt. Das sind aber oft die Zentralinstanzen. Wegen der Komplexität der zu gestaltenden Planungsfelder w i r d es wohl nur selten genügen, eine einzige Maßnahme vorzusehen. Ein Paket verschiedener i n bestimmter Weise zusammenwirkender Maßnahmen 4 4 erfordert Widerspruchsfreiheit und Konsistenz: Arbeitsplatzbeschaffungsprogramme können ebensowenig Exportförderungsmaßnahmen bei gleichzeitiger Hochzinspolitik vorsehen wie regionale Entwicklungsprogramme Industriezonen ohne entsprechende Verkehrsträger oder Wohngebiete. Zur Überprüfung von Ziel-Mittel- und Mittel-Mittel-Relationen hat die Planungswissenschaft zahlreiche Methoden und Planungstechniken 4 5 entwickelt. Diese sind bei hochgradig technischen und quantifizierbaren Planungsprozessen als Hilfsmittel einzusetzen; dabei ist aber Methodenpluralismus zu sichern. Solche Methoden können jedoch niemals politische Wertungen der zuständigen Entscheidungsträger ersetzen. 1.2.1.2.4. Die Programmierung Stehen Ziele und Maßnahmenpakete fest, so müssen zeitlich, örtlich, sachlich und zuständigkeitsmäßig genaue Aktionsprogramme erstellt werden 4 6 . Wann soll welcher Funktionsträger die beschlossenen Maßnahmen unter Beobachtung welcher Verfahrensgrundsätze und unter 43

Vgl. i n diesem Sinne F ab er 1974, 98. Vgl. etwa H. Allemann: Systemgerechte Aufgabenteilung zwischen K o n j u n k t u r · u n d Wettbewerbspolitik v o m Wachstumsziel her betrachtet, i n : H. Sieb er ! E. Tuchtfeld (Hrsg.): Wettbewerbspolitik i n der Schweiz — Festgabe zum 80. Geburtstag v o n F. Marbach, Bern 1972, 81 ff. 45 Vgl. die eingehende Darstellung bei Bohret 1975, 190 ff. (Nutzwertanalyse), 192 ff. (Entscheidungsbaumtechnik), 198 ff. (Interdependenzanalyse), 201 ff. (cross-impact-Analysen). Z u r Problematik der Modellbildung über Mathematisierung u n d Computersimulation: Klages 1971, 90 ff. Z u m PPBS u n d A I D A : Faber 1974, 17. 46 Die „Planungspraxeologie" (Bohret 1975, 14) bietet f ü r die Erstellung solcher Programme die sog. Netzplantechnik an: Bohret 1975, 174 ff. „ M i t H i l f e der Netzplantechnik . . . werden alle zur Programmverwirklichung erforderlichen Vorgänge i n ihren wechselseitigen . . . Beziehungen . . . erfaßt, der jeweilige Zeitbedarf ermittelt u n d schließlich ein zeitoptimales A b l a u f netz konstruiert." (174). 44

1.2. Raumplanung und staatliche Planung: Begriff und Stellenwert

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Beizug welcher Personengruppen auf den Planungsbereich ansetzen, darin implementieren oder durchführen? Hier ist die i n dieser Arbeit besonders interessierende Frage der Partizipation der Planungsbetroffenen an verschiedenen Phasen der Implementierungsstufen zu entscheiden: Vorschlagsrechte, Anhörungsrechte, Mitbestimmungsrechte und Beschwerderechte müssen i m Rahmen vorgefundener oder neu zu schaffender Verwaltungsstrukturen je Planungsstufe institutionell festgelegt werden. I m Raumplanungsprozeß nach RPG treten Programmierungsentscheidungen über die Organisation der Implementierung nicht vor jedem Raumplanungsprozeß neu auf. Sie sind nach der hier vertretenen Auffassung anläßlich der Konstituierung der verschiedenen Planungsträger für alle Implementierungsverfahren i n gleicher, möglichst detaillierter Weise zu treffen. 1.2.1.2.5. Die Implementierung 4 7 Jeder Planungsprozeß findet seinen Abschluß und eigentlichen Zweck darin, daß die Planungsmittel nach Maßgabe des Aktionsprogramms durchgeführt, implementiert werden. Zeitigen sie die i n den Zielsystemen formulierten Wirkungen, so weist die Feed-back-Überprüfung 48 einen positiven Befund auf. Andernfalls liegt entweder i n der Wahl der Ziele selbst, i n der Wahl der M i t t e l oder i n der Programmierung eine Fehlleistung und an der entsprechenden Stelle ist eine Korrektur vorzunehmen 49 . I m RPG w i r d der Begriff ,Durchführung* (Art. 25 Titel) nicht i m Sinne von Implementierung verwendet. Dort bezeichnet er einmal einen integralen, alle hier angeführten Planungsphasen durchlaufenden Planungsprozeß, an dessen Ende der rechtskärftige Nutzungsplan steht und den die Durchführungseinheit abzuwickeln hat. Durchführungseinheit oder Durchführungsstufe meint daher i n dieser Arbeit der i m Prozeß vom Bund über die Kantone bis zu den Gemeinden an letzter Stelle tätigwerdenden, ,untersten' Planungsträger. Als Durchführung faßt das RPG unter dem 2. Kapitel auch die i n A r t . 31 ff. angeführten Maßnahmen zur Durchführung der Nutzungspläne auf 5 0 . Darauf gehen w i r i n dieser Arbeit jedoch nicht ein. 47 Den Begriff „Implementierung" verwenden u. a. Naschold 1973, 66, 84; Naschold / Väth 1973, 34; Cohen 1973, 45; Bohret 1975, 8, 135. Daneben w i r d auch der Begriff „Durchführung" verwendet: Kern 1966, 365; Knall 1970, 393 ff.; Fritsch 1973, 106 oder Scharpf 1973, 173. M. E. k l i n g t „Durchführung" —- ähnlich w i e das schreckliche W o r t „Planvollzug" — zu stark nach rein technischen Prozessen. 48 Vgl. hierzu oben 1.2.1.2., A n m . 22. 49 Vgl. u . a . Bohret 1975, 32ff.; Klages 1971, 99ff.; Aderhold 1973, 196f., 216 f., 259 ff.



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1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

Für den Bereich des Raumplanungsrechts werden w i r i m folgenden einen von diesem allgemeinen abweichenden, besonderen Implementierungsbegriff verwenden. Darunter soll jener Verfahrensabschnitt verstanden werden, der zwischen der Zielbündelentscheidung und der Entscheidung über einen Raumplan abzuwickeln ist. Dieser Prozeß besteht i n der Implementierung der abstrakten Zielbündel auf die entsprechende Raumwirklichkeit über eine Konfrontation der einzelnen Zielbündelelemente m i t den zielrelevanten Raumwirklichkeitsfaktoren. 1.2.1.2.6. Beitrag der allgemeinen Phasenlehre für die Fragestellung M i t der Darstellung dieses allgemeinen fünfphasigen Grundmusters von Planungsprozessen w i r d es möglich, die einzelnen Phasen raumpolitischer Prozesse zuverlässiger auseinanderzuhalten und als Erscheinungsformen allgemeiner Handlungsabläufe zu erkennen. Für diese Arbeit unmittelbare Bedeutung werden dabei Erkenntnisse über A n forderungen an Zielbündelentscheidungen haben. Wenngleich w i r unter 1.5. für Raumplanungsprozesse ein vierphasiges, vom allgemeinen abweichendes Grundmuster vorschlagen werden, verdanken w i r dieser allgemeinen Planungslehre auch eine für die praktische Anwendung des Raumplanungsgesetzes wohl entscheidende Erkenntnis: Ein vertikal gegliedertes Planungssystem, dessen Planungsleistungen erst durch das Zusammenwirken zentraler und dezentraler Planungsträger zustande kommen, muß sich nicht dadurch auszeichnen, daß insgesamt nur ein Planungsprozeß stattfindet, der auf zentrale und dezentrale Planungsträger verteilt abläuft. Das Bild, wonach der Bund für die Zielbündelentscheidung, der Kanton für die Auswahl der einschlägigen Planungsmittel sowie für die Programmierung und die Gemeinden für die Implementierung zuständig wären, ist für das dem RPG zugrunde gelegte System i m Gegenteil eindeutig falsch. Die zugrunde gelegte föderalistische Lösung findet ihre Begründung i m direkten Bezug von Stufenautonomie und zusammenfallender Zielbündel-, Mittel- und Implementierungszuständigkeit. E i n Höchstmaß an relativer Autonomie der einzelnen Planungsstufen und deren bestmögliche Sicherung vor praktischen Zentralisierungsentwicklungen liegt darin, daß jede Stufe für ihre Planungsaufgaben einen vollständigen Planungsprozeß abwickelt. Damit w i r d der Gefahr begegnet, daß übergeordnete Planungsstufen über extensive Auslegung von Zielinterpretationskompetenzen 51 unzulässigerweise i n Befugnisse nachfolgender 60 Das sind: die Baubewilligung (Art. 32), die Landumlegung (Art. 34), die Enteignung (Art. 35) u n d die Planungszonen (Art. 36). 51 Vgl. die oben 1.2.1.2.3. i n A n m . 42 zitierte Stelle v o n Faber 1974, 99.

1.2. Raumplanung und staatliche Planung: Begriff und Stellenwert

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Planungsstufen eingreifen. Richtigerweise sind ihre detaillierenden Planungsinhalte für die Steuerung der Gesamtentwicklung ohne Belang. Das Organisationsrecht sieht daher dezentrale Planungsträger vor. Liegt einem Planungssystem der Grundsatz höchstmöglicher Autonomie der untergeordneten Gemeinwesen zugrunde 52 , so ist für jede Stufe ein Aufgabenbereich vorzusehen, den diese von der Zielbündelentscheidung bis h i n zur aufgabenkonformen Implementierung i n einem stufeneigenen Planungsprozeß bewältigen sollen. Die übergeordneten Stufen setzen für den Planungsprozeß nachgelagerter Einheiten lediglich verbindliche Rahmenbedingungen fest. I n diesen Grenzen entscheidet das Subsystem grundsätzlich autonom. Übergriffe ,νοη oben* sind für eine effiziente und korrekte Plandurchführung nicht erforderlich. Für die Erfüllung tatsächlich übergeordneter Aufgaben ist durch objektiv festgelegte Inhalte übergeordneter Planungsstufen und durch darauf bezogene Verfahren zur Rückkoppelung nachgelagerter Planungen gesorgt. Die Skizzen gemeinsamer entscheidtheoretischer Merkmale von Planungsprozessen hat auch gezeigt, daß das Feld möglicher Zielbündelentscheidungen nicht i n jedem Fall völlig offen ist. Je Bereich und Stufen treten unterschiedliche Restriktionen auf: Das Erfordernis der Konsistenz verlangt eine Abstimmung m i t anderen Planungszielen des gleichen oder anderer Planungsträger. Das Erfordernis der Realisierbarkeit restringiert den Zielbereich durch die generell zur Verfügung stehenden Mittel; diese ihrerseits hängen wesentlich davon ab, welche raumbedeutsamen gesellschaftlichen Prozesse ein Planungsträger überhaupt beeinflussen kann. Solche Restriktionen sind für den Stellenwert raumpolitischer Partizipation i n zwei Richtungen von Bedeutung: einmal bestimmen sie den Spielraum zulässiger Zielsetzungen für die Raumplanung auf den verschiedenen Planungsstufen: Sie schließen beispielsweise aus, daß solche Partizipationsbestrebungen auf Gemeindeebene unmittelbar erfolgreich sein können, die auf eine Vergrößerung des kantonal ausgeschiedenen Siedlungsgebiets abzielen oder die über den kommunalen Nutzungsplan den Verlauf einer Nationalstraße zu beeinflussen suchen. Zum anderen begrenzen sie den möglichen Zielbereich des derzeit zur Raumplanung eingesetzen raumpolitischen Gesamtsystems 53 insgesamt, w e i l dieses nicht alle raumrelevanten Entscheidungen steuern kann. Die verfassungsmäßige Garantie des Bodenprivateigentums 54 verlangt, daß ein 62 Nach diesem Grundsatz ist das RPG zweifellos aufgebaut. Vgl. hierzu unten 1.3. 58 Vgl. zum Begriff „raumpolitisches Gesamtsystem" unten 1.3.4.1. 54 Vgl. dazu unten 1.2.2.1.

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1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

Teil der raumrelevanten Entscheidungen weiterhin den Grundeigentümern zusteht. Diesen begrenzten Handlungsspielraum unserer raumpolitischen Handlungsträger darzulegen, der aus dem gegenwärtigen Stand der Verhältnisse von Staat und Gesellschaft hervorgeht, ist Aufgabe der folgenden Ausführungen. 1.2.1.3 Drei Konzeptionen für einen Begriff politischer Planung (Skizze) 1.2.1.3.1. Einteilungskriterium Ausgangspunkt ist die traditionelle Frage nach dem gegenseitigen Verhältnis von Staat und Gesellschaft 55. U m den instrumentalen Charakter jener Wirkungseinheit, die herkömmlich als Staat bezeichnet wird, besser zum Ausdruck zu bringen und von Anfang an jegliche Assoziation m i t einer normativen Identität von Staat und Gesellschaft zu vermeiden, wählen w i r für den Begriff ,politisches System'. Darunter versteht man jene aus dem Zusammenwirken verschiedenster Entscheidträger analytisch von der übrigen Gesellschaft unterscheidbare Wirkungseinheit, die i n der Lage ist, nach bestimmten Verfahren für alle übrigen Bereiche der Gesellschaft verbindliche Entscheidungen zu treffen und durchzusetzen 66 . Den dieser Begriffsbildung von Politikwissenschaftern zugestandenen „Vorteil einer bedeutend leichteren und effektiveren Operationalisierung" 57 scheint sich neuerdings auch die Staatsrechtslehre zu eigen zu machen 58 . 65 Vgl. zur Ausgangsfragestellung anstatt vieler: Bäumlin 1972: E r legt dem Verhältnis 3 unterschiedliche Konzeptionen zugrunde. Der Staat als „Staatswesen, Machtgebilde, Herrschaft" (23 ff.), die Identifikation von Staat u n d Gesellschaft (128 ff.) u n d die politische Ordnung der offenen Gesellschaft (215 ff.). D a r i n sind zahlreiche Staatsrechtslehren verarbeitet. Die Fragen nach dem gegenseitigen Verhältnis von Staat u n d Gesellschaft ist so alt w i e die Diskussion über Wesen u n d Eigenart des Staates überhaupt. Vgl. dazu neben Bäumlin anstatt vieler Lenk 1968, 25 ff.; Schlangen 1973. Sie w i r d f ü r die gegenwärtige Diskussion i n erster L i n i e i m Zusammenhang m i t der Apologie liberalistischer Konzeptionen von der strikten Trennung v o m Staat u n d Gesellschaft (vgl. dazu K. Mannheim: Freiheit u n d geplante Demokratie (1950), Opladen 1970; Luhmann 1965; u n d — kritisch — Kühnl 1968, 57ff.), m i t der daran vorgetragenen K r i t i k (vgl. u.a. Abendroth 1968, 109ff.; Kammler 1968, 86 ff. oder Bäumlin 1972, 47 ff.), aber auch m i t der an einer relativen Trennbarkeit v o n Staat u n d Gesellschaft orientierten analytischen Modellbildung systemtheoretischer Provenienz praxisrelevant (vgl. u. a. Easton 1965; aber auch Offe 1973, 213 ff., Habermas 1973, 14 ff., Grottian 1974, 19 ff.). 66 Vgl. zur Definition: Mey 1972, 123 ff. u n d dort verarbeitete L i t e r a t u r hinweise. 57 Berg l Maier / Stamm 1974, 31.

1.2. Raumplanung u n d staatliche Planung: Begriff u n d Stellenwert

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E i n t e i l u n g s k r i t e r i u m f ü r die unterschiedlichen Konzeptionen p o l i t i scher P l a n u n g s o l l d i e Qualität möglicher Zielsetzungen politischer Plan u n g i n d e n verschiedenen B e r e i c h e n d e r G e s e l l s c h a f t 5 9 sein. I s t d e r Z i e l b e r e i c h o f f e n oder geschlossen, o r i e n t i e r t er sich a n e i n e r als gegeb e n b e t r a c h t e t e n Gesellschaft, d e r e n I d e n t i t ä t z u b e w a h r e n i s t oder a n L e i t b i l d e r n , die ü b e r d e n h e u t i g e n Z u s t a n d e i n e r Gesellschaft h i n a u s weisen? W i r f r a g e n danach, i n w e l c h e m M a ß e d i e Gesellschaft z u r D i s p o s i t i o n des p o l i t i s c h e n Systems s t e h t 6 0 . W i r f r a g e n n a c h d e m v o m P l a n u n g s k o n z e p t a n t i z i p i e r t e n A u s m a ß r e l a t i v e r A u t o n o m i e gesellschaftlicher S u b s y s t e m e 6 1 gegenüber d e m p o l i t i s c h e n S y s t e m . 1.2.1.3.2. K o n z e p t i o n I P l a n u n g b e z w e c k t d i e W i e d e r h e r s t e l l u n g des n a t ü r l i c h e n L a u f s d e r D i n g e d u r c h p u n k t u e l l e E i n g r i f f e des p o l i t i s c h e n Systems i n d i e G e sellschaft nach e i n e m k o o r d i n i e r t e n E i n g r i f f s p l a n . D e r Z i e l b e r e i c h w i r d e i n g e s c h r ä n k t d u r c h naturhaft gegebene W e s e n s m e r k m a l e 6 2 d e r b e p l a n t e n gesellschaftlichen B e r e i c h e u n d d u r c h technische Sachgesetzl i c h k e i t e n 6 3 . P l a n u n g b e z w e c k t eine v e r s t ä r k t e I n t e g r a t i o n u n d H o m o 58

Vgl. etwa Faber 1974, 1 etc.; Bartlsperger 1975, 239 etc.; G. Kisker: V e r trauensschutz i m Verwaltungsrecht, i n : W D S t R L 32 (1974), 167; eine A u s einandersetzung m i t der systemtheoretischen Methode findet sich bei ffartisch 1975, 85 ff. 50 Vgl. zu diesem K r i t e r i u m u. a. : Bäumlin 1972, 219 ff., wonach f ü r die politische Ordnung einer „offenen Gesellschaft" die Gesellschaft „ k e i n D a tum, sondern ein Problem, eine Aufgabe" ist. — Lompe 1971, 156 ff. Gesellschaf tspolitik zielt auf das „Ganze gesellschaftlicher Systeme ab" (160) u n d bestrebt „der Gesellschaft durch Ordnungen, Einrichtungen, Aufklärungen u n d Pflege von Haltungen eine bestimmte, unter den jeweiligen geschichtlichen Bedingungen u n d Naturgegebenheiten f ü r möglich gehaltene S t r u k t u r zu geben oder eine vorhandene u n d gewollte S t r u k t u r auf diese Weise zu sichern oder einen gewollten Wandel der Gesellschaft . . . zu bewirken (161)". Vgl. ferner: Stammer / Weingart 1972, 21 ff.; Scharpf 1973, 170; Naschold 1973, 76 ff. 60 Formulierung angelehnt an Abendroth 1968, 116: „Der Gedanke der Sozialstaatlichkeit . . . demonstriert deutlich, daß . . . die Sozial- u n d W i r t schaftsordnung zur Disposition der Gesellschaft gestellt ist, die sich i m demokratischen Staat selbst bestimmt." 81 Vgl. zur Begriffsbildung oben 1.2.1.2.2., A n m . 32. ®2 Vgl. dazu anstatt vieler: Bäumlin 1972, 166 ff., insbes. 179 ff., wo anhand von Quellentexten dargelegt w i r d , daß i m Konzept des Liberalismus vielfach auch der M a r k t als naturnotwendige Gegebenheit betrachtet w i r d . Ferner Abendroth 1968/2, 465 f. (gesamtgesellschaftliche Planung als E i n g r i f f i n die Naturgesetze kapitalistischer Produktion) u n d Greiffenhagen 1974, 13. 63 Vgl. als Repräsentanten u. a. Schelsky 1973, 10 ff. u n d ders.: Z u r Standortbestimmung der Gegenwart (1960), i n : ders.: A u f der Suche nach W i r k lichkeit — Gesammelte Aufsätze, Düsseldorf 1965, 435 ff. Vgl. zur K r i t i k : Greiffenhagen 1974, 15 ff. u n d J. Feick: Der angebliche Sachzwang — Schelskys konservativer Rückzug aus der Demokratie, i n : W. Greiffenhagen (Hrsg.) : Der neue Konservatismus der 70er Jahre, H a m b u r g 1974, 46 ff.

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1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

genisierung 64 der Gesellschaft. Wegen ihrer rational weitgehend unkontrollierbaren Orientierung an einer wie immer konkret definierten Natur der Sache kann Planung nach diesem als konservativ 6 6 zu charakterisierenden Konzept leicht zum bloßen Führungs- und Loyalitätssicherungsinstrument 66 degradieren. I n Ermangelung einer auf U r sachen und soziale Wirkungszusammenhänge eingehenden Ausgangsanalyse 67 des Planungsfeldes führt sie — wenn überhaupt — oft zu widersprüchlichen Planungsleistungen. Diese „Rationalitätssperren" 68 und eine „prinzipielle Abstinenz von Theorie und Programm" (Grebing) 69 verbunden mit einer Ausrichtung am wesensmäßig antizipierten, analytisch nicht einmal erfaßten Status quo, bewirken einen völlig unbedeutenden Stellenwert 70 politischer Planung, die über unkoordiniertes, punktuelles staatliches Tätigwerden kaum hinausgeht. 1.2.1.3.3. Konzeption I I Politische Planung bezweckt die Sicherung der Funktionsfähigkeit und der wesentlichen Identitätsgrundlagen einer gegebenen Gesellschaft durch systematische Steuerung der analytisch als systemrelevant zu ermittelnden 7 1 gesellschaftlichen Prozesse 72. Politische Planung hat 64 Vgl. zu diesem Aspekt: Bäumlin 1972, 128 ff., 174 ff.; J. Feick: op. cit., A n m . 63, 40 ff. u n d die — exemplarische — K r i t i k v o n Boris 1971, 213 an Mannheim: „Seine (seil. Mannheims) Ausführungen . . . streben unter d u n k len, einer nicht explizierten harmonistischen Gesellschaftsmetaphysik entstammenden Hinweisen auf die „Sicherheit des Ganzen" . . . „die verborgene Zusammengehörigkeit der einzelnen Bestrebungen" . . . eine A r t Selbstbegründung u n d Selbst Verwirklichung (seil, durch Planung) an". 65 Vgl. dazu etwa Grebing 1972, 74 ff. oder M. Greiffenhagen; Das Dilemma des Konservatismus i n Deutschland, München 1971. ββ Vgl. i n diesem Sinne R. Hickel: Eine Kaderschmiede bundesrepublikanischer Restauration. Ideologie u n d Praxis der Harzburger Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft, i n : M. Greiffenhagen (Hrsg.): Der neue K o n servatismus der 70er Jahre, H a m b u r g 1974, 108 ff. Partizipation w i r d zur plebiszitären A k k l a m a t i o n . 67 Vgl. dazu Greiffenhagen 1974, 13 f. u n d die Hinweise i m Abschnitt über die Analyse oben S. 10 A n m . 24. Typisch f ü r diese grundsätzlich antiaufklärerische A r t der „Analyse" ist die Auffassung von K r i s e n als Ereignissen, „die ,außerhalb' der durch das System bestimmten Grenzen liegen" u n d plötzlich auftauchen (vgl. Offe 1973, 198). 68 J. Feick: op. cit., A n m . 63, 47. 69 Grebing 1972, 74. 70 Vgl. i n diesem Sinne Naschold 1973, 62 ff. Diese A r t Planung ist danach als pluralistische Prozeß- u n d Verteilungspolitik zu qualifizieren, die sich i n einer vorplanerischen Phase staatlicher P o l i t i k befindet. Vgl. : Hiss / Schneider / Wegener 1976, 378. 71 Vgl. neben den oben S. 10 ff. angeführten A u t o r e n etwa W. Rieger: Frühwarnsysteme gesucht — K a n n die technologische Entwicklung v o m Parlament kontrolliert werden?, i n : „Die Zeit Nr. 47 (November 73), 32 („technological assessment" als M i t t e l zur Analyse v o n Folgeproblemen

1.2. Raumplanung u n d staatliche Planung: Begriff u n d Stellenwert

41

S y s t e m g e f ä h r d u n g e n u n d eigentliche S y s t e m k r i s e n f r ü h z e i t i g als solche z u e r k e n n e n u n d entsprechende A b w e h r s t r a t e g i e n z u e n t w i c k e l n . A l s K r i s e n m a n a g e m e n t 7 3 w i r d staatliche P l a n u n g als eine „ s e k u n d ä r e P l a u n g " (Tenbruck) 74 z u r „ A u f f a n g p l a n u n g " 7 5 oder z u r „ A n p a s s u n g s p l a n u n g " (WollmannDiese hat Probleme zu bewältigen, „deren E n t s t e h u n g d e m i h r e m Z u g r i f f entzogenen P r o d u k t i o n s p r o z e ß z u v e r d a n k e n ist, u n d d e r e n L ö s u n g u n t e r gegebenen gesellschaftlichen B e d i n g u n g e n n i c h t v o m S t a a t z u b e t r e i b e n ist, obgleich d e r Sozialstaat h i e r f ü r v e r a n t w o r t l i c h g e m a c h t w i r d " (Häusermann) 77. D e r Z i e l b e r e i c h solcher P l a n u n g s k o n z e p t i o n e n i s t n u r i n s o w e i t offen,, als f ü r d i e I d e n t i t ä t d e r Gesellschaft w e s e n t l i c h e B e d i n g u n g e n außer F r a g e stehen. Das s i n d insbesondere die P r o d u k t i o n s v e r h ä l t n i s s e ( B e s e i t i g u n g „ d e r H e m m n i s s e k a p i t a l i s t i s c h e n W a c h s t u m s a u f j e w e i l i g e r S t u f e " ) 7 8 oder d i e f ü r d i e technologisch-gesellschaftlicher Prozesse); R. Schmidt: öffentliche Unternehmungen als Instrumente planender Verwaltung, i n : J. H. Kaiser: Planung I I I , Baden-Baden 1968, 296 f.; H. Stukenberg: öffentliche Unternehmen als Instrumente planender Verwaltung, dargestellt am Beispiel der staatlichen Eisenbahnen, i n : J. ff. Kaiser: Planung I I I , a.a.O. 353 ff.; Klages 1971, 25 ff. (Darstellung u n d K r i t i k der Lindbloom'sdien Pluralismusanalyse u n d des daraus hergeleiteten Prinzips des „partisan m u t u a l adjustment"); Hiss / Schneider / Wegener 1976, 379 ff. ( K r i t i k an der auf Erhaltung des Status quo gerichteten Analyse der Ursachen sozialer Segregation). 72 Vgl. die umfassende Darstellung der Systemtheorie Easton 1965. Das W e r k ist ein eindrückliches Beispiel für die Möglichkeit, m i t dem Instrument a r i u m der Systemtheorie herrschafts- u n d systemstabilisierende Faktoren zu ermitteln: „ A system need not just react to a disturbance b y oscillating i n the neighbourhood of a prior point of e q u i l i b r i u m or b y shifting to a new one. I t may cope w i t h the disturbance by seeking to change the environnement so that the exchanges between the environnement and itself are no longer stressful" (20). Oder: „Every system . . . must provide some method for regulating the number of demands i f the system is to persist i n any f o r m at a l l " (61). U n d : „ I f the members lose confidence i n the a b i l i t y of any authorities at a l l to cope w i t h the problems of the day, the effect on support . . . may be very serious, at least for the persistence of that k i n d of system" (216). „ I f the input of support fools . . . , the persistence . . . w i l l be endangered" (220). Exemplarisch für die K r i t i k an der Systemtheorie ist etwa folgende Stelle von Vilmar I 1973, 44: Derartige Systemtheorie ist danach eine „Hypothesenkonfiguration, die v o m A x i o m des »Systems' als einer — per definitionem — durch Selbsterhaltungswille . . . konstituierten sozialen O r ganisation ausgeht u n d die Existenz, wie auch die Funktionalität . . . der Systemstrukturen von daher beschreiben u n d beurteilen" muß. Sie ist „obj e k t i v angelegt auf konservative Ideologiebildung". 73 Vgl. anstatt vieler Offe 1973, 209 ff.; Naschold / Väth 1973, 10 ff. oder Lompe 1971, 143 ff. F ü r die schweizerischen Verhältnisse A. Meier ! A. Riklin: V o n der Konkordanz zur Koalition, i n : ZSR 1974 (93) I , 519 f., 573 f. u n d 583; Müller 1973, 790 f. 74 F. Tenbruck: Z u einer Theorie der Planung, i n : Wissenschaft u n d Praxis, Festschrift zum 20jährigen Bestehen des Westdeutschen Verlags, 1967,131 ff. 75 Evers 1975, 8. 7β Wollmann 1974, 208. 77 Häussermann 1974, 248. 78 Hiss / Schneider / Wegener 1976, 383.

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1. Planungswissenschaftliche u n d planungsrechtliche Grundlagen

Systemlegitimierung bedeutsamen Reproduktionsbereiche (Mindeststand a r d s sozialstaatlicher L e i s t u n g e n z u r V e r h i n d e r u n g s y s t e m g e f ä h r dender Legitimationsdefizite) 79. M i t unterschiedlichen Schwerpunkten i s t diese K o n z e p t i o n s o w o h l i n d e n l i b e r a l - k a p i t a l i s t i s c h e n 8 ® als auch i n d e n staatssozialistischen 8 1 p o l i t i s c h e n S y s t e m e n d e r z e i t d i e d o m i n i e rende. D i e I d e n t i t ä t u n s e r e r westeuropäischen, a u f v o r w i e g e n d p r i v a t k a p i talistischen P r o d u k t i o n s v e r h ä l t n i s s e n b a s i e r e n d e n p o l i t i s c h e n S y s t e m e b e r u h t a u f e i n e r h o c h g r a d i g e n Differenzierung des gesellschaftlichen Systems82, deren Funktionsfähigkeit i n der Sicherung relativer A u t o n o m i e verschiedener, insbesondere des ö k o n o m i s c h e n Systems gegenü b e r d e m p o l i t i s c h e n b e g r ü n d e t l i e g t : Das W i r t s c h a f t s s y s t e m i s t b e i spielsweise n a c h Luhmann „ n u r d a n n e i n taugliches M i t t e l z u r G e n e r a l i s i e r u n g v o n K o m m u n i k a t i o n " 8 3 , w e n n es e i n e n „ e i g e n e n S t i l d e r R a t i o n a l i t ä t " 8 4 e n t w i c k e l t . Das i s t indessen n u r m ö g l i c h , w e n n es „ i n seiner g e n e r a l i s i e r t e n K o m m u n i k a t i o n s s t r u k t u r " v o r „ d e r M ö g l i c h k e i t extern motivierter Eingriffe" durch „Trennung von Wirtschaft u n d

79 Vgl. i n diesem Sinne Easton 1965, 45, 57, 220 ff., 275 ff.; Grottian 1974, 38 ff.; Habermas 1973, 54 f., 68 ff.; Offe 1973, 214 ff. u n d Kammler 1968, 103 f. 80 Vgl. zum Selbstverständnis dieses Planungstyps etwa: Wenger 1965, 136 ff.; H. Jürgensen / E. Katzenbach: Ansatzmöglichkeiten gesamtwirtschaftlicher Planung, i n : J. H. Kaiser: Planung I I , 1966, 49 ff.; Ipsen 1966, 81 ff., 93 ff.; Gygi 1966, 115 ff.; Forsthoff 1968, 31 ff.; O. Schlecht: Gesamtwirtschaftliche Zielprojektionen als Grundlage der wirtschaftspolitischen Planung i n der Marktwirtschaft, i n : J. ff. Kaiser: Planung I I I , 1968, 111 ff. Eindrückliche Beschreibungen dieses Wirtschaftsverfassungstypus finden sich bei Schluep 1968, 25 ff.; Böhm 1950, 5 ff. oder JR. Wiethölter: Die Position des W i r t schaftsrechts i m sozialen Rechtsstaat, i n : Festschrift f ü r F. Böhm, Karlsruhe 1965, 41 ff. u n d Heinze 1970, 81 ff. 81 Vgl. zum Selbstverständnis etwa: Bettelheim 1971, 31: „ D i e gesellschaftlichen Bedürfnisse sind nicht n u r quantitativ, sondern auch qualitativ determiniert; konkret ist n u r das ein gesellschaftlicher Bedarf, den die Gesellschaft — bei einem bestimmten Stand der Technik u n d bei einer bestimmten A l l o k a t i o n der Produktionsmittel — befriedigen k a n n . . E i n e ähnlich deterministische Auffassung findet sich bei Schumpeter 1946. Kritisch: Brus 1972; über politische Ökonomie u n d das Verhältnis von Wirtschaft u n d P o l i t i k i m Sozialismus (113 ff.): Wer Vergesellschaftung der Produktionsmittel nicht als „Prozeß" (128 f.), sondern als einmal geschaffener u n d nunmehr gegebener Zustand betrachtet, stellt den Sozialismus „als konfliktlos dar" (133). Die offizielle Vorstellung v o m automatischen Übereinstimmen „des i n d i v i d u ellen m i t dem gesellschaftlichen Interesse ex definitione" (137) f ü h r t zu einer, dem Sozialismus gerade nicht eigenen Schließung des möglichen Zielbereichs politischer Planung. W. Wyniger: Demokratie u n d Plan i n der D D R — Probleme der Bewältigung der wissenschaftlich-technischen Revolution, K ö l n 1971, stellt demgegenüber i n der D D R - P r a x i s eine Rückkehr zur Formel v o m „ P r i m a t der P o l i t i k " (90) fest. 82 Vgl. Luhmann 1965,114 ff. 88 Luhmann 1965, 37. 84 Luhmann 1965, 126.

1.2. Raumplanung und staatliche Planung: Begriff und Stellenwert

43

Politik, also . . . soziale Differenzierung" 8 5 geschützt wird. Diese Differenzierung steht bei der Konzeption I I grundsätzlich nur dann zur Disposition, wenn sich eine Systemkrise wegen mangelhaften Planungsleistungen des politischen Systems und gleichzeitigem Loyalitätsverlust anders nicht mehr abwenden läßt. Es w i r d eine partielle A b lösung des Marktmechanismus „durch Verschiebung der Produktionsverhältnisse" (Habermas) 6* notwendig. Als typische Beispiele für diese Konzeption politischer Planung seien angeführt: die französische Planifikation 8 7 , die systematische Globalsteuerung i n ihren verschiedenen Ausgestaltungen 88 sowie die „Planung der gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionsbedingungen" 89 . Über den Stellenwert einer solchen Konzeption politischer Planung gehen die Meinungen auseinander. Sicher w i r d sie i h r Ziel der Systembestandsicherung besser erreichen können als Konzeption I, w e i l sie m i t wesentlich differenzierteren Analysen über die entsprechenden Planungsfelder, regelmäßig m i t problemgerechteren Binnenstrukturen der zuständigen Planungsträger i m politischen System 9 0 und m i t systematischer Verarbeitung jener Informationen arbeitet, die dem politischen System aus der gesellschaftspolitischen Umwelt von Gruppen zugetragen werden, die für die Sicherung seiner Identität von Bedeutung sind 9 1 . 85

Luhmann 1965,127. Habermas 1973, 77. 87 Vgl. die Darstellungen bei Houin 1966, 149 ff.: „le plan est »concerté'. Dans sa préparation les autorités publiques prennent d'accord des intéressés, des producteurs, des industriels, pour chercher les objectifs et fixer les options; cette collaboration présente aussi l'avantage psychologique d'associer les entrepreneurs à ce t r a v a i l préparatoir et de leur donner le sentiment que le Plan est en partie leur oeuvre" (152). Kritisch: Cohen 1973, 43 ff.: Die Plan i f i k a t i o n dient nicht dazu, alternative Entwicklungsmöglichkeiten zu erhellen. Sie w i r k t „ r e l a t i v unabhängig v o n den Auseinandersetzungen i n der übrigen Gesellschaft" (47). I h r Zweck ist es, „den Staat eng i n der L e i t u n g der dominierenden Wirtschaftsbereiche verstrickt zu halten, ,Politik' dagegen außerhalb zu belassen" (48). Das ist f ü r Großunternehmen von Vorteil. Diese „bedürfen . . . der aktiven Teünahme des Staates i n der Gestaltung der Wirtschaft, sie fürchten aber . . . die Öffnung der Wirtschaftsführung f ü r eine breite Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen . . . " (57). 88 Vgl. zum Selbstverständnis: Schröder 1972, 419 ff. oder O. Schlecht: op. cit., A n m . 80 oben S. 21. Eine kritische Darstellung findet sich bei Nascholdf Väth 1973, 11 ff. u n d f ü r die schweizerischen Verhältnisse Hotz/Werder 1975,11 ff. 89 Naschold / Väth 1973, 14 ff. Diese Planung geht über die Globalsteuerung hinaus, indem sie die gesamte Regierungstätigkeit einem einheitlichen Z i e l system unterordnet u n d Aufgaben- u n d Ressourcenstränge integriert. 90 Vgl. dazu i m einzelnen Faber 1974, 241 ff. (Planungssysteme i n Hamburg, Hessen u n d bei der Bundesregierung); Luhmann 1972, 190ff. (Vorschläge f ü r die Erhöhung der Informationsverarbeitungskapazität); A. Jentzsch: Die V e r besserungsmöglichkeit bürokratischer Spitzeninformationsssysteme i m Re86

44

1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

Gleichwohl hat sich i n letzter Zeit eine deutliche Ernüchterung über die Wirksamkeit solcher Planungskonzeptionen eingestellt: Vor allem i n der BRD angestellte Analysen zeigen mehr oder weniger deutlich, daß die ungeheuren Planungsanstrengungen i n keiner Weise jene Auswirkungen gezeitigt haben, die man von ihnen gemeinhin erwartete 9 2 . Begründet werden diese Restriktionen politischer Planung nicht nur m i t einer inadäquaten internen Struktur des politischen Systems und einer daraus resultierenden mangelhaften Problemerkennungs-, Problemverarbeitungs- und Problemlösungskapazität 03 , sondern auch m i t einer dem Staat i m System kapitalistischer Produktionsweise vermeintlich 9 4 oder tatsächlich 95 fehlenden Autonomie gegenüber dem ökonomischen System. 1.2.1.3.4. Konzeption I I I Politische Planung bezweckt eine systematische Gestaltung der Gesellschaft nach systemtranszendierenden Leitbildern. Die Stichworte, unter denen solche Konzeptionen angeführt werden, sind bekannt: Gefordert w i r d etwa die „organisierte Bemühung zur Steigerung der menschlichen Selbstbestimmungsfähigkeit durch . . . Abkettung der Menschen von humanen . . . Verhaltenskonditionierungen zur autonomkritisch kontrollierten innovativen Zielerkennung" (Klages) 9*, „gleichheitliche Bedürfnisbefriedigung" (Hondrich) 97, „soziale Demokratie" (Abendroth, Lompe u. a.) 98 , „die Befriedigung bestehender und . . . Ermittlung bisher unterdrückter, qualitativ neuer Bedürfnisse über die qualitative Veränderung der betreffenden Produktionsstrukturen" (Naschold) 99 oder „die Sozialisierung und Demokratisierung zum Zwecke der Uberwindung der Entfremdung des Menschen" (Steffen) 100 u. dgl. gierungsbereich, i n : H. Krauch (Hrsg.): Systemanalyse i n Regierung u n d Verwaltung, Freiburg 1972, 323 ff.; Aderhold 1973, 234 ff. (Funktionalternanz, Personalrotation, Matrix-Management u n d operative Gesamtplanung) ; Scharpf 1973, 60 ff. u n d R. Mayntz 1972, 344 ff. 91 Vgl. zum hier auftretenden Problem der „selektiven Perzeption" : Grot tian 1974, 48 ff.; Scharpf 1973, 79 f.; Mayntz / Scharpf 1973, 41 ff. (Interessenberücksichtigungspotential) . 02 Vgl. anstatt vieler: Hotz {Werder 1975, 1; Wahl 1973, 127 f.; v. Ronge: Politökonomische Planungsforschung, i n : Ronge/Schmieg (Hrsg.): Politische Planung i n Theorie u n d Praxis, München 1971,173 f. es Darauf legen beispielsweise Mayntz / Scharpf 1973, 126 ff. Wert. 94

So Grottian 1974, 26 f., 37 ff. So Ronge / Schmieg 1972, 316 ff. 98 Klages 1971, 71. 97 Hondrich 1972, 25 f. 98 Abendroth 1968/2, 119; Lompe 1971, 159 f. 99 Naschold 1973, 76. 100 J. Steffen: Strukturelle Revolution — V o n der Wertlosigkeit der Sachen, H a m b u r g 1974, 257. 95

1.2. Raumplanung und staatliche Planung: Begriff und Stellenwert

45

mehr 1 0 1 . Solche Leitbilder orientieren sich an bestimmten gesellschaftlichen Bedingungen, an vorhandenen und erschließbaren Ressourcen und an bestimmten Grundsätzen über eine gesellschaftlich vermittelte Bedürfnisbefriedigung 102 . I n verschiedenen radikal-demokratischen Ausprägungen, deren Leitbilder sich an einer permanenten Verbesserung der Lebensbedingungen aller Individuen und an einem hierzu erforderlich erachteten Abbau vorab ökonomisch bedingter Ungleichheiten orientieren, bedeutet politische Planung dieser A r t , daß die für Ungleichheiten und Herrschaftsverhältnisse verantwortlichen gesellschaftlichen Strukturen zur Disposition des demokratisch legitimierten Systems gestellt werden 1 0 3 . Solchermaßen kann und soll „strategische Zielplanung" 1 0 4 bei jeder Planungsmaterie zwar gleichermaßen wie Planung nach Konzeption I I aufgrund umfassender Analysen nach dem für Bestand und Identität des gesllschaftlichen Systems wesentlichen Strukturmerkmalen fragen 1 0 5 . Diese sollen aber gleichzeitig nach systemtranszendierenden Leitbildern i n der Phase der Zielbündelentscheidungen variiert werden. Der Zielbereich von Prozessen politischer Planung w i r d geöffnet und steht solchermaßen selbst zur Disposition politischer Entscheidungen. Er erlangt i n dieser Konzeption einen bedeutsamen Stellenwert für Strategien politischer Veränderungen. Der praktische Stellenwert dieser Konzeption politischer Planung i n Gesellschaften mit hohem Differenzierungsgrad und vielseitigen, für die Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems bedeutsamen Interdependenzen darf nicht überschätzt werden. Wie anhand der Partizipations101 Vgl. ferner etwa Naschold / Väth 1973, 36 f. (Planung als gesellschaftliches Strukturprinzip); Görlitz 1969, 116 („Gestaltung der Gegenwart anhand alternativer Gegenbilder"). 102 v g l . i n diesem Sinne M. Rein: Sozialplanung: A u f der Suche nach L e gitimität, i n : Naschold / Väth (Hrsg.): Politische Planungssysteme 1973, 207 f.; Cohen 1973, 56 (unter „breiter Beteiligung sozialer Gruppen" erfolgende Planung muß „die Grenzen des Marktes als Instrument zur Umsetzung gesellschaftlicher Bedürfnisse i n effektive Nachfrage" überwinden); Abendroth 1968/2, 153; Hondrich 1972, 25 („Gleichheit der Chancen der Bedürfnisbefriedigung"); Badura 1972, 38 ff. Auch der kämpferische (nicht apologetische) Liberalimus orientierte sein damals systemtranszendierendes L e i t b i l d der „freien M a r k t w i r t s c h a f t " an einer Vorstellung v o n optimaler Bedürfnisbefriedigung. Das w i r d leicht vergessen, w e n n die liberalistische Ordnung als die „natürliche" schlechthin bezeichnet w i r d . Vgl. zu diesem Aspekt L. Dähn: Liberalismus, i n : F. Neumann (Hrsg.): Politische Theorie u n d Ideologie, Baden-Baden 1974, 38. 108

122.

104

Vgl. die oben 1.2.1.3.1. A n m . 60 angeführte Stelle von Abendroth

1968/2,

Naschold 1973, 73, 76 f. Es ist auffallend, w i e gerade Vertreter dieses Planungstyps äußerst umfangreiche Realanalysen anstellen. Vgl. die oben S. 29 A n m . 24 angeführten Autoren. A u f methodische Probleme solcher Analysen finden sich bei Offe 1972, 144 ff., Stammer / Weingart 1972, 30 ff. oder bei Berg / Maier / Stamm 1974, 91 ff. 105

46

1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

lehre zu zeigen sein wird, hängt er wesentlich von der Einschätzung des Stellenwerts des ökonomischen Systems 106 i m gesellschaftlichen Gesamtsystem sowie von den Möglichkeiten einer Erhöhung der Autonomie des politischen Systems gegenüber dem letzteren durch einen entsprechenden Ausbau der Legitimationsbedürftigkeit des politischen Systems durch das legitimatorische System 1 0 7 ab. Strategische Zielplanung nach dieser Konzeption politischer Planung ist schon aus diesen Gründen auf ein Höchstmaß an Partizipation 108 dieses Systems und damit auf eine von Anfang an forciert betriebene Demokratisierung des politischen Systems angewiesen. Voraussetzimg für die Realisierbarkeit strategischer Zielplanung, die i n ihrer radikal-demokratischen Ausprägungsform eine über das politische System zu bewerkstelligenden Demokratisierimg des gesellschaftlichen Systems 109 anstrebt, ist daher zunächst eine Demokratisierung eben dieses politischen Systems selbst. 1.22. Raumplanung i m Spannungsfeld zwischen Konzeption Π und Π Ι

1.2.2.1. Stellenwert der Raumplanung raumpolitischen Gesamtmodell

im

Sachlich kann das Raumplanungsrecht als Bestandteil des Bodenrechts 110 aufgefaßt werden. Dieses wiederum definieren w i r — unabiM v g i #

z u m

Begriff unten 2.2.1.

107

Vgl. zum Begriff unten 2.2.1. 108 v g l . i n diesem Sinne u. a.: M. Rein: op. cit., A n m . 102 oben S. 23, a.a.O., 222; Lompe 1971, 159 („aktive Öffentlichkeit"); Scharpf 1973, 180ff.; Naschold 1973, 79 ff. (Partizipation als „ P r o d u k t i v k r a f t " technokratischer Planungssysteme ist f ü r systemtranszendierende Strategien bedeutsam, w e n n „sich die instrumentalisierten Leistungsenergien der administrativ initiierten Partizipatiönsbewegungen verselbständigen u n d autonome Motivbildungen entstehen". (89); Abendroth 1968/2, 125 ff. 109

Vgl. dazu unten 2.2.1. f. Es k a n n nicht Aufgabe dieser A r b e i t sein, eine umfassende Darstell u n g der bodenrechtlichen Diskussion zu geben. Einige ausgewählte Arbeiten seien hier zitiert: Z u r geschichtlichen Entwicklung der Bodenordnung: Hedemann 1930; Locher 1954; Negro 1963; Peter 1949; Rittsteig 1975; Janssen 1973. Gegenwartsprobleme und Alternativvorschläge: Angelini 1972, 269 ff.; Kuttler 1973; Rohr 1966; Sieber 1970; Conradi / Dieterich / Häuff 1969; Ratz 1973; Hof mann 1974; Vogel 1972, 1544 ff.; Zürich 1972; Binswanger et al. 1975; Lendi 1975; I l controllo publico del territorio 1970; Saladin 1970, 109 f f ; Α. Meyer-Hayoz / P. Rosenstock: Z u m Problem der Grünzonen, Abhandlungen zum Schweiz. Recht, H. 375, Bern 1967; R. Hafner: Erholungsgebiete i m schweizerischen u n d zürcherischen Recht, Diss. Zürich 1972; E. Hösli: Das öffentliche Baurecht nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, Diss. Freiburg 1972; F. Froemer (Hrsg.): Neues Bodenrecht, 52 Modelle, M e i n u n gen u n d Entwürfe, Heggen / Dokumentation 5, Opladen 1975; W. Fritz: Gedanken zur Sozialisierung des Bodens, Diss. Zürich 1967. Weitere Hinweise befinden sich i n der Bibliographie v o n W. Kallenberger 1975. V o n Interesse ist ferner die Botschaft des B R über die Bodenrechtsartikel, 1967. 110

1.2. Raumplanung und staatliche Planung: Begriff und Stellenwert

47

hängig von der Zuordnung seiner Bestimmungen zu privat- oder öffentlichrechtlichen Regelungskomplexen — als Inbegriff aller Rechtsnormen, die i n ihrer Gesamtheit eine bestimmte Ordnung der Bodenverhältnisse und damit eine bestimmte Verwendung von vorhandenem Boden zum Zwecke einer bestimmten Nutzung bewirken 1 1 1 . Bei der heutigen Zersplitterung des Bodenrechts i n verschiedenste Teilregelungen 1 1 2 ist es angezeigt, zuerst nach den für jede funktionsfähige Bodenordnung notwendigerweise i n irgendeiner A r t zu regelnden Problemkomplexen zu fragen, u m Stellenwert und Beitrag von Teilregelungen für das Funktionieren eines boden- oder räümpolitischen Gesamtsystems zu ermitteln. Bodenreformbestrebungen, die sich nicht an einer solchen Fragestellung orientieren, laufen leicht Gefahr, an ihrer funktionellen Unvollständigkeit zu scheitern und immense Folgeprobleme 1 1 3 zu schaffen. W i r gehen von folgendem Modell aus 1 1 4 : Gesamtgesellschaftliche Entwicklungsdaten

Skizze 1 111 Vgl. die ähnliche Definition bei Lendi 1975, 14: „Das Bodenrecht umfaßt alle Rechtsnormen, welche das Verfügungs- u n d Nutzungsrecht am Boden ordnen. Es ist . . . gleich der Summe der sich i n den verschiedenen Rechtsgebieten findenden Normen, welche sich auf die Verfügung u n d die Nutzung des Bodens beziehen." Lendi f ü h r t als solche Rechtsgebiete auf: Erbrecht, Sachenrecht, Obligationenrecht, Völkerrecht, Staatsrecht, Verwaltungsrecht, Strafrecht u n d Vollstreckungsrecht. Meine Definition geht demgegenüber v o m Ergebnis der Wirkweise bodenrelevanter Bestimmungen aus. Sie ermöglicht ein adäquateres Erfassen solcher Ordnungen, die sich an einer ausgesprochen weitgehenden Bodenfreiheit orientieren u n d demzufolge durch ein weitgehendes „Nichtvorhandensein" expliziter Bestimmungen auszeichnen. Vgl. zu solchen liberalistischen Konzeptionen: Hedemann 1930, 46 ff.

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1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen 1.2.2.1.1. Modellbeschreibung

Raumplanung bedeutet vorerst die Umwandlung von unbeplanten, »brachem4, d. h. nicht ohne planerische Leistungen nutzbaren Raum i n solchen Raum, der bedürfnisgerecht genutzt werden kann. Z u diesem Zweck müssen Regeln aufgestellt werden, die festlegen, nach welchen Verfahren und Gesichtspunkten diese Umwandlung zu vollziehen ist und der beplante Raum schließlich an die Raumnutzer abgegeben werden soll. Wann Raum überhaupt als ,brach 4 anzusehen ist und er einem Planungssystem zugeführt werden kann, hängt m i t davon ab, wer über die diesbezügliche Entscheidungsmacht verfügt (Verfügungssystem). Wie und wozu Raum nutzbar ist, hängt davon ab, welche Bedürfnisse eine Gesellschaft als legitimerweise durch Bodennutzung zu befriedigende Bedürfnisse betrachtet: Neben dem Bedürfnis nach einer Grundlage für Lebens- und Produktionszwecke kann beispielsweise auch ein solches nach Kapitalanlage, Wertsicherung oder Finanzierungsmittelbeschaffung als zulässig gelten. Systematisch gesteuert w i r d dieser Umwandlungsprozeß schließlich über ein Planungslenkungssystem, das seinerseits imstande sein muß, die legitimerweise durch Bodennutzung zu befriedigenden Bedürfnisse zu artikulieren und derart bedürfniswidrige Fehlplanung zu vermeiden. 1.2.2.1.2. Prämissen des Modells ,Bracher' Raum bedeutet nicht einfach unbewirtschafteter oder unbebauter Raum. Gemeint ist damit vielmehr jener Raum, der zu einem bestimmten Zeitpunkt durch die Raumplanung i n bestimmter Weise beplanbar ist. Das kann einerseits neuer, unberührter oder gar neu gewonnener Boden sein (z.B. Waldrodung, Polderung 1 1 6 ), andererseits aber auch der Raum einer bereits erstellten Stadt, die sich anschickt, 112 Vgl. die Aufzählung bei Lendi 1975, 14 ff. (in A n m . 111) oder Kuttler 1973, 5 ff. 118 Vgl. dazu Vogel 1972, 1547; SPD-Materialien 1973, 47 f.; P. Gartmann: Eine neue Bodenordnung, Referat Zürich 1973 (Mskr.), 8 ff. Bei a l l diesen Materialien stehen ökonomische Folgeprobleme alternativer Bodenordnungen i m Zentrum. Entwickelt habe ich dieses Modell anläßlich eines nicht v e r öffentlichten Referats i m Rahmen des Nachdiplomstudiums f ü r Raumplanung an der Ε Τ Η 1975 z u m Thema: Bodenrecht — Bodenordnung — Bodenpolitik, eine Skizze der geltenden Bodenordnung, ihrer geschichtlichen E n t stehung, eines bodenpolitischen Analysemodells u n d der derzeit i n der Schweiz diskutierten Reformkonzepte. I n der L i t e r a t u r konnte ich k e i n v e r gleichbares Modell finden. Interessante Hinweise aus privatrechtlicher Sicht finden sich bei Liver 1974, 166 ff. 114 E i n derartiges Modell findet sich i n der L i t e r a t u r nicht. Hinweise aus dem Bereich des Privatrechts finden sich bei Liver 1974,160 ff. 115 Vgl. hierzu C. Pfister: Städte auf dem Meeresgrund. Wandel der Zielsetzungen bei der Planung der niederländischen Polder, i n : Der B u n d Nr. 26 v o m 2.2.1975, 3.

1.2. Raumplanung und staatliche Planung: Begriff und Stellenwert

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einen neuen Zonenplan zu erstellen. Ob dieser Raum nach seiner Beplanung als nutzbarer Raum wesentlich vom status quo ante abweicht oder nicht, hängt davon ab, inwieweit der brache Raum für das Planungssystem disponibel ist. Sieht das Planungssystem — ob es nun vom politischen System oder von den Privateigentümern getragen i s t 1 1 6 — vor, daß eine Parzelle nur dann bedürfnisgerecht nutzbar ist, wenn die darauf vorhandenen Gebäulichkeiten entfernt oder abgeändert werden, so ist Raum i n höherem Maße disponibel, als wenn nur die Nutzungsart weiterhin bestehender Bauten geändert wird. Auch die Nutzbarkeit von Raum ist relativ. Sie hängt von Entscheidungen des Verwertungssystems ab: Geht man etwa davon aus, daß Raum zu Wohnzwecken aus der Sicht des Planungssystems dann nutzbar ist, wenn sich das entsprechende Land i n einer Wohnzone befindet, so ist die Nutzbarkeit nur für den bauwilligen und baufähigen Grundeigentümer, nicht aber für irgendeinen potentiellen Nutzer gegeben. Dieser kann schließlich — trotz Wohnzone — nicht i m zweiten Stock i n der L u f t wohnen. Anderes gilt etwa für Erholungszonen. Ihre planerische Ausscheidung macht sie für alle Interessenten gleichermaßen „konsumierbar". Bodenrecht ist auch Wirtschaftsrecht: Die Umwandlung ,brachen' Bodens i n nutzbaren Raum kann nicht unsystematisch erfolgen. Nutzbarkeit hängt von den tatsächlichen Bedürfnissen der Raumnutzer, der Raumkonsumenten ab. Diese sind das ausschlaggebende Datum; an ihnen hat sich die Raumplanung, die ,Raumproduktion 4 1 1 7 i m weitesten Sinne des Wortes zu orientieren. Zwischen Raumplanung oder ,Raumproduktion 4 und Raumkonsumption oder Raumnutzung muß daher ein möglichst wirksames Koordinationssystems 118 treten. Es soll eine bedürfnisgerechte Lenkung des Planungssystems ermöglichen und so dazu beitragen, Planungsfehlleistungen und damit Verschleiß der — knappen — räumlichen Ressourcen zu verhindern. Genau diese Koordinationsfunktion zwischen Produktion und Konsumption werden zu Recht als konstitutives Merkmal von Wirtschaftsrecht überhaupt 1 1 9 an116 I m System uneingeschränkter Bodenfreiheit, die nach Hedemann 1930, 34 ff. die Bewirtschaftungsfreiheit, die Aufteilungsfreiheit, die Verschuldensfreiheit u n d die Veräußerungsfreiheit umfaßt, w i r d das Planungssystem durch die Grundeigentümerschaft getragen. Das Planungslenkungssystem besteht i m teilöffentlichen Bodenmarkt. 117 Vgl. zur Begriffsbildung Heinze 1970, 15 f. (Verwendung des Begriffs Produktion i n seinem weitesten Sinn); Β. Hub er 1974, 50 (Ortsplanung als „ a k t i v e Gestaltung", als „Raumschöpfung"); Baschung 1974, 163 („Bauland entsteht erst durch die erforderlichen Maßnahmen des Gemeinwesens"). 118 Vgl. zum I n s t i t u t des Koordinationssystems: Schluep 1968, 71; Böhm 1950, 11; Knoepfel 1974, 50. 119 Vgl. anstatt vieler Schluep 1968, 75 ff. I m Zusammenhang m i t der Stell u n g des Konsumenten: I . C. Häfliger: Die Konsumfreiheit — Analyse i n

4 Knoepfel

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1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

geführt. Damit dürfte der Weg frei sein für eine Erschließung des oftmals allzu isoliert behandelten Bodenrechts durch Erkenntnisse der wirtschaftsrechtlichen Diskussion 120 . Damit rückt das Planungslenkungssystem ins Zentrum der bodenund planungspolitischen Diskussion. Vorausgesetzt wird, daß i m Planungssystem für die übrige Gesellschaft verbindliche Entscheidungen über die Nutzung des Bodens gefällt werden. Das ist dann der Fall, wenn entweder das Planungssystem Teil des demokratisch legitimierten politischen Systems i s t 1 2 1 7 1 2 2 oder wenn es sich i m Entscheidungsbereich der Grundeigentümerschaft befindet, m i t h i n seine Legitimation für gesellschaftlich verbindliches Handeln aus dem Privateigentum herleitet, dessen Schutz das politische System verfassungsrechtlich garantiert. Bestimmend für das Planungslenkungssystem ist zunächst das Verfügungssystem: Wer über ,brachen 4 Raum verfügen kann, w i r d auch bei dessen Umsetzung i n nutzbaren Raum und bei der Verteilung m i t zuwirken legitimiert sein. So werden i m System völliger Bodenfreih e i t 1 2 3 die Grundeigentümer und die auf dem Bodenmarkt auftretenden potentiellen Grundeigentümer das Planungslenkungssystem bestimmen. Wo sich das politische System die Verfügung über die zulässige Nutzung des Bodens — unbesehen der daran bestehenden Eigentumsrechte — durch Einführung einer generellen Nutzungsplanungspolitik selbst vorbehält 1 2 4 , fällt die Grundeigentümermitwirkung kraft einer i m Verfügungssystem zugestandenen Berechtigung zur autonomen Verfügung über die Nutzung — teilweise 1 2 5 weg. ihrer Problematik — Ausblick auf eine Lösung, Diss. St. Gallen, W i n t e r t h u r 1966, 95; J. Meynaud: Les Consommateurs et le pouvoir — etudes de sciences politiques 8, Lausanne 1964, 11 ff. 120 Dies muß hier unterbleiben. E i n solches Vorgehen könnte sinnvoll sein, w e n n m a n den Raumnutzer als „Raumkonsumenten" auffaßt, der dann „ K ö n i g " staatlich vermittelter raumplanerischer Leistungen sein sollte. E r wäre dann nicht bloß passiver Konsument sozialstaatlicher Leistungen, sondern aktiv, „bedürfnisformulierend" an solchen Planungsprozessen teilhabend. Vgl. dazu unten 2.3.1. ff. 121/122 D a s igt — m i t den unten 1.2.2.1.3. gemachten Einschränkungen — i m Falle der Raumplanung gegeben. 128 Vgl. dazu die oben 1.2.2.1.2. A n m . 116 zitierte Stelle v o n Hedemann 1930, 34 ff. Vgl. zum hier angetönten Problem der „Überschuß-Legitimation" der Privateigentümer unten 2.2.1. f. 124 M i t dieser Formulierung soll dem Umstand Rechnung getragen werden, daß die Einführung der Bodenfreiheit ein bewußter A k t der Entäußerung v o n Verfügungsmöglichkeiten des damaligen politischen Systems darstellte. Der Staat enteignete Klerus u n d Adel, setzte sich selbst indessen nicht i n die Position des Verfügungsberechtigten, sondern verkaufte große Teile des enteigneten Landes an die wohlhabenden Mitglieder des Bürtertums, ohne sich selbst Verfügungsmöglichkeiten vorzubehalten. Vgl. zu diesem Vorgang Hedemann 1930, 18 ff.; Negro 1963, 64ff. oder A. de Laveley: Das Ureigenthum, Leipzig 1879, X X I V f.

1.2. Raumplanung und staatliche Planung: Begriff und Stellenwert

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Bestimmend für das Planungslenkungssystem ist sodann das Verwertungssystem: Planung muß alle jene Raumnutzungsbedürfnisse i n hinreichendem Maße berücksichtigen, denen das Verwertungssystem allgemeine Legitimität zuspricht. Es lassen sich zwei Verwertungskategorien unterscheiden: Verwertung zum Zwecke konkreter 126 Nutzung und Verwertung zum Zwecke abstrakter Nutzung als Wertsicherung und Wertschöpfung 127 , wie sie beispielsweise i m System privater A n eignung von Monopol- und Differentialrente 1 2 8 nach heutiger Bodenordnung grundsätzlich vorgesehen ist. Weil abstrakte Raumnutzung nur möglich ist aufgrund tatsächlich stattfindender oder i n Aussicht stehender konkreter Nutzung, muß ein Planungslenkungssystem, ohne an den Raumbedürfnissen vorbeizuplanen, i n erster Linie Verwertungsbedürfnisse zum Zwecke konkreter Nutzung berücksichtigen. Dies gilt auch dort, wo Lenkung über den Grundeigentümermarkt erfolgt. Orientiert sich nämlich die Planung nur am abstrakten Verwertungsinteresse, kann es leicht zu Fehlplanungen kommen. Soweit stimmt der Überlegungsgang m i t der liberalen These überein, wonach die Schöpfung abstrakter Werte nur unter gleichzeitiger Schöpfung konkreter, konsumentenbedürfnisbefriedigender Werte möglich ist 1 2 9 . Hier aber müssen w i r — i n Analogie zu anderen Bereichen — davon entschieden abweichen: Fehlplanung führt zu Verwertungszwängen 125 I n w i e w e i t Grundeigentümerpartizipation an der Nutzungsplanung ohne Schaden f ü r deren Gelingen eingeschränkt werden kann, ist eine der H a u p t fragen des 2. Kapitels. 126 Konkrete Nutzung ist bei Eigennutzung durch den Grundeigentümer gegeben; dieser betreibt jedoch regelmäßig auch eine abstrakte Nutzung, w e i l i h m der Boden zugleich als M i t t e l zur Wertsicherung u n d Wertschöpfung dient. N u r konkrete Nutzung betreibt der Pächter u n d Mieter, der den aus Bodennutzung anfallenden Ertrag, die Grundrente, an den Eigentümer w e i terleitet. Vgl. zum Eigennutzer: Wieviel Erde braucht der Mensch? — Die SPS-Bodenreforminitiative, hrsg. v o n der SPS, Bern 1976, 37; oder Binswanger et al. 1975, 21 ff. 127 N u r abstrakte Bodennutzung betreibt der Fremdnutzer. Vgl. z u m Begriff: Wieviel Erde braucht der Mensch? op. cit., A n m . 126, 37; Binswanger et al. 1975, 23 ff. Vgl. zum Ausmaß solcher abstrakter Bodennutzung durch institutionelle Anleger i n der Schweiz: R. Rohr / B. Hub er: Der Grundbesitz der institutionellen Anleger, i n : Schweizerische Arbeitgeber-Zeitung, Nr. 46 (1975), 757 ff. u n d die Statistischen Jahrbücher. Z u r Bodenpreissteigerung exemplarisch: T. Polensky: Die Bodenpreise i n Staat u n d Region München, i n : Stadtbauwelt Nr. 41 (März 74), 37 ff.; E. Hödel: Z u r W e r t e n t w i c k l u n g a l t überbauter Grundstücke m i t Erneuerungsinvestitionen, i n : ZB1 1975 (76), 49 ff. 128 v g L z u r Bodenrente: P. A. Samuelson: Volkswirtschaftslehre Bd. I I , K ö l n 1972, 240 ff.; G. Hoell: Die Grundrente u n d die E n t w i c k l u n g des K a p i talismus i n der Landwirtschaft, Berlin-Ost 1974, 22 ff.; Binswanger et al. 1975, 30 ff.; D. Harvey: Klassenmonopolrente, Finanzkapital u n d Urbanisierung, i n : Stadtbauwelt Nr. 41 (März 1974), 25 ff. 129

Vgl. anstatt vieler schon: A. Smith: Wealth of Nations, N e w Y o r k 1937 (Neudruck), 625 ff.; K . Marx: Das Kapital, M E W 23, B e r l i n 1972, 103 f., 109 ff.; J. Meynaud: op. cit., oben A n m . 118.

4*

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1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

bei den späteren Raumnutzern und nicht zu einer ,Bestrafung 4 der Grundeigentümer durch Herabsetzimg ihrer abstrakten Nutzungsmöglichkeiten 1 3 0 . Die Fehlplanung läßt sich i n der Regel nicht rückgängig machen. Die Raumnutzer können nicht einfach ausweichen 131 . 1.2.2.2. Das Raumplanungsgesetz Das Raumplanungsgesetz ist i n diesem Modell etwa folgendermaßen zuzuordnen: I m Verfügungssystem werden m i t der allgemeinen Planungspflicht i n A r t . 2 RPG wesentliche Entscheidungen über die Bodennutzung dem politischen System übertragen. Umwandlung ,brachen 4 Raumes i n nutzbaren Raum w i r d teilweise zu einer Angelegenheit des politischen Systems und es w i r d die Errichtung eines bundesweiten, vertikal i n verschiedene Planungsstufen gegliederten raumpolitischen Gesamtsystems 132 notwendig. Die Disponibilität des »brachen4 Raumes bestimmt sich nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit (RPG A r t . 4) 1 3 3 von Planungsmaßnahmen. Sie findet ihre Grenzen i n der finanziellen Leistungskraft der zur Entschädigung allfälliger Enteignungen verpflichteten Gemeinwesen. Entschädigungen werden nach den hergebrachten Grundsätzen des Verwertungssystems 134 bemessen. Das Planungslenkungssystem ist kein eigenständiges System. Es liegt i n der Steuerbarkeit des politischen Systems durch die Systemumwelt als einer allgemeinen Eigenschaft politischer Systeme 135 . Hier ist die Partizipationsfrage zu stellen: Welche Gruppen haben i n wel180 v g l . anstatt vieler: D. Harvey: op. cit., oben A n m . 127; M. Ratz 1973, 22 ff. Vgl. zu einem konkreten Beispiel: Autorenkollektiv an der A r c h i t e k t u r abteilung der Ε Τ Η : Göhnerswil, Wohnungsbau i m Kapitalismus, Zürich 1972, 136 ff. (Wohnungspreisbildung) u n d 178 ff. (Verkehrsplanung). 131 E i n hoher Leerwohnungsbestand allein ist noch k e i n Zeichen f ü r ein solches Ausweichen. Der G r u n d f ü r die Abstinenz der Mieterschaft ist hier oft das entgegen marktwirtschaftlichen Grundsätzen zu hoch angesetzte Mietzinsniveau u n d nicht die möglicherweise menschlichen Wohnbedürfnissen widersprechende Ausgestaltung der Siedlungen. Jedenfalls denkt niem a n d i m Ernst daran, solche leerstehende Gebäude i n nächster Z u k u n f t w e gen fehlgeleiteter, vornehmlich an Gewinninteressen orientierter Planung »schleifen zu lassen'. 182 Vgl. zum Begriff unten 1.3.4.1. 188 Vgl. z u m Verhältnismäßigkeitsprinzip: unten: 3.8.1.2.2.3. Über rückwirkende Verwaltungsgesetze erreichbarer Raumdisponsibilität sind nach der bundesgerichtlichen Praxis enge Grenzen gesetzt: B G E 1011 a 235 schließt eine Beseitigung bestehender Bauten durch ein rückwirkendes Bauverbot i m Falle Regensberg aus. 184 Es güt als Ansatz grundsätzlich der Verkehrswert: RPG A r t . 51. Vgl. zur Berechnungsweise die grundsätzliche Entscheidung des zürcherischen Verwaltungsgerichts v o m 31.10.1974, i n : ZB1 1975 (76), 341 ff. 185 v g l . d a z u i m einzelnen unten: 2.2.1. f.

1.2. Raumplanung u n d staatliche Planung: Begriff u n d Stellenwert chen V e r f a h r e n s s t a d i e n

welche C h a n c e n a u f

die Ausgestaltung

später v e r b i n d l i c h e n Planes e i n z u w i r k e n b z w . d a r ü b e r

53 des

mitzubestim-

men? I s t d e r R a u m n u t z b a r , so steht d e m B o d e n e i g e n t ü m e r d i e b e s t i m mungsgemäße V e r w e r t u n g f r e i : N a c h A b s c h l u ß des Planungsprozesses besteht b e i b a u l i c h e r N u t z u n g e i n e r h e b l i c h e r Spielraum privatautonomer Verwertungsentscheidungen. Weder k a n n ein Grundeigentümer d i r e k t v e r p f l i c h t e t w e r d e n , sein G r u n d s t ü c k z u ü b e r b a u e n 1 3 6 , noch k a n n er d a v o n a b g e h a l t e n w e r d e n , i m R a h m e n des Rechts d i e ertragreichste u n d damit vielfach mieterfeindlichste 137 N u t z u n g vorzunehmen. 136 RPG A r t . 35 gibt i m m e r h i n die Möglichkeit der Zonenenteignung. Diese ist nach der Botschaft 1972, 69 lediglich als „ u l t i m a ratio" gedacht. Vgl. zum Problem von Nutzungspflichten: Hof mann 1974, 40 ff.; Rosenstock 1971, 187 (Notwendigkeit der Verfügbarkeit von Boden i m Baugebiet realisiert durch eine Verflüssigung des Baulandmarktes); Lendi 1976, 106 A n m . 40: „ N u t zungspflichten stellen eine Eigentumsbeeinträchtigung dar. Als solche sind sie n u r verfassungsmäßig, w e n n f ü r sie ein verfassungsmäßiger Vorbehalt gegenüber der Eigentumsgarantie besteht." U n d (Anm. 41): „Die Verbotsplanung stellt die Regel dar, da die Ziele der Raumordnung keine weitergehenden Maßnahmen erfordern. Die weitgehende Beschränkung auf die V e r botsplanung ist ein Ausfluß des rechtsstaatlichen Erfordernisses der V e r hältnismäßigkeit." A. Kuttler: Erschließungsrecht u n d Erschließungshilfe i m Dienste der Raumordnung, i n : ZB1 1974 (75), 77: Die Pflichten der Behörden finden ihre . . . Ergänzung i n den Pflichten der Eigentümer, die . . . aufgerufen sind, a k t i v an der V e r w i r k l i c h u n g der Raumplanung mitzuwirken. Nötigenfalls müssen sie dazu angehalten werden können, ihre Grundstücke der durch das Gemeinwohl gebotenen Nutzung zuzuführen. — Das RPG sieht zur Durchführung der Nutzungspläne neben der Zonenenteignung die M i t t e l der Erschließungspflicht u n d Beitragsleistungen (Art. 28) oder die Landumlegung (Art. 34) vor. Vgl. zur Situation i n der B R D : Battis 1976, 145 (Pflanz- u n d Nutzgebot i m Regierungsentwurf f ü r eine Novellierung des Bundesbaugesetzes) u n d Wollmann 1974, 203 (Kommunale Bauleitplanung als „Möglichkeitsplanung", w e i l es letztlich v o n der privaten B a u - u n d I n vestitionsentscheidung abhänge, „ob der private Eigentümer v o n der i h m bauplanungsrechtlich eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht").

Auch Abbruchverbote, w i e sie die Gesetzgebung der Kantone Bern oder Zürich beinhalten, b e w i r k e n mittelbar Nutzungspflichten. Bedingte Nutzung sp flicht en sehen einzelne Kantone auch bezüglich der Errichtung v o n Abstellplätzen f ü r Motorfahrzeuge v o r : Gesetz über Bau u n d Unterhalt der Straßen v o m 2.2.1964 A r t . 70 f. des Kantons Bern, kantonales Baugesetz f ü r die Stadtgemeinde Zug v o m 27.10.1932, A r t . 58 oder Baugesetz v o m 9.10. 1964, A r t . 2 Ziff. 10 des Kantons Schaffhausen. Das Bundesgericht hat i n B G E 97 I 792 ff. die Zulässigkeit solcher Vorschriften bestätigt. V o n Gemeinden vorgesehene Ersatzabgaben bedürfen einer ausdrücklichen Grundlage i m kantonalen Recht (BGE 99 I a 71 ff.). A u f derselben L i n i e liegen auch B e stimmungen über die Pflicht zur Errichtung v o n Kinderspielplätzen: A r t . 70 I V des angeführten bernischen Straßenbaugesetzes. 137 Solche Ertragsmaximierung findet ihre Grenzen i n den baurechtlichen Vorschriften über A r t u n d Grad der Nutzung. Wo ein qualifiziertes Bedürfnis nach b i l l i g e m W o h n r a u m besteht, sind Mietzinsmaxima möglich: B G E 99 I a 604 ff. E i n Blick auf unsere entkernten Innenstädte zeigt deutlich, zu welcher „ U n w i r k l i c h k e i t " (A. Mitscherlich) solche n u r a m Ertrag ausgerichtete B o dennutzungspolitik i n den Städten führen kann.

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1. Planungswissenschaftliche u n d planungsrechtliche Grundlagen

I n e i n e m P u n k t g r e i f t das R P G i n die A u t o n o m i e des V e r w e r t u n g s sysstems e i n : D i e M ö g l i c h k e i t des G r u n d e i g e n t ü m e r s , sich auch j e n e n T e i l der Grundrente anzueignen, d e r a u f planerische V o r k e h r u n g e n d e r Ö f f e n t l i c h k e i t z u r ü c k z u f ü h r e n ist, e n t f ä l l t t e i l w e i s e ( A r t . 37). Diese B e s t i m m u n g ist z w a r w e n i g e r e i n e i g e n t l i c h e r E i n b r u c h i n das p r i v a t a u t o n o m e V e r w e r t u n g s s y s t e m als e i n gesetzessystematisches P e n d a n t zur Regelung der materiellen Enteigung138. Das Verteüungssystem w i r d als solches v o m R P G n i c h t b e r ü h r t . W e i t e r h i n soll ein w e n i g transparenter u n d w e n i g leistungsfähiger M a r k t m e c h a n i s m u s f ü r die Z u t e i l u n g b e p l a n t e n R a u m e s a n d e n R a u m n u t z e r s p i e l e n 1 3 9 . Das Recht z u r g e w i n n b r i n g e n d e n V e r ä u ß e r u n g g i l t als G r u n d l a g e e i n e r f r e i h e i t l i c h e n W i r t s c h a f t s v e r f a s s u n g , w i e sie d u r c h d i e G a r a n t i e des P r i v a t e i g e n t u m s , d e r V e r t r a g s a u t o n o m i e u n d d e r H a n dels» u n d G e w e r b e f r e i h e i t i n d e r B u n d e s v e r f a s s u n g m i t k o n s t i t u i e r t wird140. 1.2.3. Würdigung der Raumplanung gem. R P G im Lichte der Konzeptionen Π und I I I allgemeiner politischer Planung D i e R a u m p l a n u n g , w i e sie das R a u m p l a n u n g s g e s e t z v o r s i e h t , b e z w e c k t eine d u r c h das r a u m p o l i t i s c h e S y s t e m z u v e r a n s t a l t e n d e , systematische U m w a n d l u n g »brachen 4 R a u m e s i n n u t z b a r e n R a u m i m H i n 138 v g l . i n diesem Sinne Systematik u n d inhaltliche Ausführungen bei Lendi 1976, 175 ff.: A l s „Ungleichheiten als Folge der Differenzierung des Grundeigentums u n d der Infrastrukturleistungen" werden den „öffentlichrechtlichen Vorteilsfolgen" die „öffentlich-rechtlichen Minderwertsfolgen" gegenübergestellt. Vgl. ferner Botschaft 1972, 42; BR Fur gier i m Nationalrat am 31.1.1974 (Sten. B u l l . N R 1974, 147); Binswanger et al. 1975, 56 oder R. Nef: Die Mehrwertabschöpfung i m Raumplanungsgesetz, i n : N Z Z Nr. 489 v o m 18.10.1972, 23: Die Mehrwertabschöpfung ist m o t i v i e r t v o m Bedürfnis nach Rechtsgleichheit. Sie ist nicht „eine Maßnahme m i t fiskalischem Charakter", sondern ein „ K o r r e l a t zur Enteignungsentschädigung". Auszugehen ist von einer „Symmetrie zwischen Mehrwertabschöpfung u n d Enteignungsentschädigung". 139 Vgl. u.a. Binswanger et al. 1975, 26 ff.: Gründe f ü r das Versagen der Allokations- u n d Distributionsfunktion des Bodenmarktes sind: die m a n gelnde Vermehrbarkeit des Bodens u n d die damit bestehende Nicht-Elastizität des Angebots, die v o m Endertrag abgeleitete Bodennachfrage, externe Effekte u n d die „Unzerstörbarkeit des Bodens". Vgl. ferner P. Grünig: V o r schläge für eine Bodenrechtsreform i n : N Z Z Nr. 242 v o m 27.5.1973, 37: Der Vorschlag der Projektgruppe der FDPS verlangt: „die Schaffung eines f u n k tionsfähigen u n d transparenten Baulandmarktes". Dazu: R. Bindella: Eine Bodenrechtsreform m i t Widersprüchen, i n : N Z Z Nr. 466 v o m 8.10.1973, 13: Die verlangte vollkommene Markttransparenz stelle einen Eingriff i n die wirtschaftliche Privatsphäre dar, w e i l dann „jedermann Einsicht i n die Gewinnerzielung aus Grundvermögen der einzelnen Wirtschaftssubjekte hätte" (!). Vgl. zu den Verhältnissen i n der B R D : F. Holzheu: M a r k t u n d Plan auf dem Bodensektor, i n : Stadtbauwelt Nr. 41 (März 1974, 19 f.). 140 So Lendi 1976, 116 (die Raumplanung tangiert die „Verfügungsfreiheit" nicht). E i n umfangreicher Katalog der konstitutiven Wesensmerkmale dieser A r t von Wirtschaftsverfassung findet sich bei Schluep 1968, 80.

1.2. Raumplanung und staatliche Planung: Begriff und Stellenwert

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blick auf Leitbilder, die i m Interesse einer nutzungsbedürfnisgerechten Raumverwertung von der Identität der derzeitigen Raumordnung abweichen. Unter dieser ist sowohl die derzeitige nutzungsrechtliche Situation —insbesondere die viel zu großen Bauzonen 1 4 1 — als auch darin begründete Trends — dargestellt u. a. i m Schlußbericht des ORLInstituts 1 4 2 oder i m CK - 73 1 4 3 — zu verstehen. Z u diesem Zweck w i r d die Autonomie der vom Bodenprivateigentum getragenen bodenrechtlichen Gesamtordnung durchbrochen, weil ebendiese Ordnung wegen zu einseitiger Orientierung an abstrakten Verwertungsinteressen zu nutzungsbedürfniswidrigen Fehlleistungen und — i n deren Gefolge — zu unhaltbaren Nutzungszwängen geführt hat. Vor dieser Ausgangslage liegt der Schluß nahe, Raumplanung i m Sinne des RPG als politische Planung nach Konzeption I I I 1 4 4 aufzufassen. Ist diese Betrachtungsweise richtig? Bei der Überprüfung dieser Schlußfolgerung ist nacheinander zu fragen, ob m i t der Einführung einer öffentlichen Planungspflicht tatsächlich wesentliche Bestandteile der Identität unserer bodenpolitischen Ordnung verändert werden und, wenn ja, ob sich diese Systemänderungen, die gegebenenfalls aus der Sicht der Bodenordnung möglich sind, i n Anbetracht der Interdependenz dieser Ordnung m i t anderen gesellschaftlichen und staatlichen Bereichen überhaupt durchsetzen lassen. Beide Fragen lassen sich eigentlich erst beantworten, wenn das Gesetz i n K r a f t getreten sein wird, weshalb w i r an dieser Stelle nur möglicherweise bedeutsame Teilaspekte und Hypothesen formulieren 1 4 5 . Wahrscheinlich hängt die Identität einer Bodenordnung stärker vom Verwertungs- als vom Verfügungssystem ab. Das Verwertungssystem stellt i n unserer derzeitigen Bodenordnung, die Bodenverwertung als eine wichtige Möglichkeit der Kapitalverwertung zuläßt, eine entscheidende Brücke zum allgemeinen ökonomischen System dar. Über das Verwertungssystem partizipiert die Bodenordnung an der Identität des gesamten gesellschaftlichen Systems. Die Zulassung abstrakter Bodenverwertung, verbunden mit dem Umstand, daß aus der Sicht des politischen Systems nutzbarer Raum i m Falle von Bauland immer erst 141 Vgl. dazu Binswanger et al. 1975, 16; Botschaft 1972, 41; R. Rohr: Das Bundesgesetz über die Raumplanung, i n : Gewerbliche Rundschau, A p r i l 1974, 29. Z u m Stand der Baulandeinzonung i m K a n t o n Bern: H. Stieger: Das Baugebiet i m K a n t o n Bern, Flächenstatistik u n d Kapazitätsberechnung, Stand J u l i 1974, Bern 1975, 17 ff.: das Baugebiet reicht demnach für 1,5 M i l l . Einwohner, was die f ü r 1990 prognostizierte Z a h l wesentlich übersteigt. 142 Schlußbericht 1971, 246 ff. 143 CK-73, 1973, 24 ff. 144 Vgl. oben 1.2.1.3.4. 145 Es lassen sich i m m e r h i n Erfahrungen aus der bundesdeutschen Praxis zum Bundesbaugesetz (BBauG) v o m 23. 6.1960 ( B G B l I, 341) u n d zum Städtebauförderungsgesetz (StBauFG) v o m 27. 7.1971 ( B G B l I, 1125) beiziehen.

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1. Planungswissenschaftliche u n d planungsrechtliche Grundlagen

durch einen A k t der K a p i t a l v e r w e r t u n g w i r k l i c h nutzbar w i r d 1 4 6 , läßt f ü r bedürfniswidrige Nutzungsentscheidungen der Grundeigentümer i m m e r noch e i n e n e r h e b l i c h e n S p i e l r a u m 1 4 7 . Schon dieser U m s t a n d l ä ß t Z w e i f e l d a r a n a u f k o m m e n , ob das R a u m p l a n u n g s g e s e t z d e n gesetzten Z w e c k d e r R a u m p l a n u n g — eine k o n k r e t e n N u t z u n g s b e d ü r f n i s s e n g e rechter w e r d e n d e B o d e n v e r w e n d u n g — u n t e r d e m d e r z e i t i g e n B o d e n recht ü b e r h a u p t erreichen k a n n . I m p o l i t i s c h e n R a u m stehen d e n n auch verschiedene Bodenreformvorschläge, die — a u f d e m B o d e n des Raumplanungsgesetzes s t e h e n d 1 4 8 — n e b e n d e m V e r t e i l u n g s s y s t e m 1 4 9 besonders das V e r w e r t u n g s s y s t e m i m S i n n e e i n e r Z u r ü c k d ä m m u n g 14e Vgl. i n diesem Sinne R. Niederb er g er / H. Werner: Z u r Bewährung der bodenrechtlichen Bestimmungen des Städtebauförderungsgesetzes i n der Sanierungspraxis, i n : Stadtbauwelt Nr. 45 (März 75), 34: Das „anlegesuchende u n d anlegemeidende K a p i t a l " schränkt von vorneherein die Anwendungsmöglichkeiten der bodenrechtlichen Bestimmungen durch die Gemeinden ein. Ebenso: Hiss ! Schneider I Wegener 1976, 48: „Der konkrete Verteilungsprozeß der verschiedenen Nutzungen v e r m i t t e l t sich über Grundrente u n d B o denpreis als Ausdruck der jeweils rentabelsten Kapitalnutzungen . . . " — I n der Botschaft 1972, 45 f., w i r d unter dem T i t e l „Wirtschaftliche u n d finanzielle A u s w i r k u n g e n des Entwurfs darauf verwiesen, daß m i t dem R P G die K a p i t a l v e r w e r t u n g rationeller erfolgen könne. 147 v g l . i m allgemeinen Zusammenhang oben 1.2.2.2. Ferner Wollmann 1974, 203: Es hängt „letztlich von der privaten B a u - u n d Investitionsentscheidung ab, ob der . . . Eigentümer von der i h m bauplanungsrechtlich eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht". Oder: Ratz 1973, 24: „Es bleibt der P r i v a t i n i t i a t i v e der . . . Grundstückseigentümer überlassen, i n w i e w e i t sie f ü r die Planverwirklichung sorgen w o l l e n . . . Die Gemeinde hat daraufhin grundsätzlich keinen Einfluß. I m Ergebnis werden . . . Baulandeigentümer n u r dann zur Planverwirklichung bereit sein, w e n n sie finanziell dazu i n der Lage sind u n d w e n n sich aus dem geplanten Projekt ein genügend hoher Profit herausholen läßt." Auch F. Honegger: Raumplanung als Chance des Föderalismus, i n : D I S P Nr. 41 (1976), 14 verweist darauf, daß maßgebliche Faktoren ganz oder zum T e i l außerhalb des Einflußbereiches der Raumplanung stehen werden. 148 So die SPS-Initiative, lanciert am 15.3.1976 i n : Wieviel Erde braucht der Mensch? op. cit., oben A n m . 126; das SGNB-Modell: bodenpolitische Strategie der SGNB f ü r 1975/76 nach den Beschlüssen v o m A p r i l 1975, 4; das Modell der F.D.P.-Arbeitsgruppe präsentiert bei P. Grünig op. cit. oben S. 30 A n m . 139 oder die Konzeption des L d U : Grundsätze u n d Richtlinien, St. Galler Landestag v o m 23. 3.1974, i n : Der Ring v o m 25. 2.1974. 149 So u.a. F.D.P.-Arbeitsgruppenkonzept op. cit. oben A n m . 139: Z i e l ist die „breite Streuung des individuellen Grundeigentums . . . zum Eigengebrauch" u n d die „Schaffung eines funktionsfähigen u n d transparenten B a u landmarktes" über „die Schaffung v o n Steuerfreibeträgen . . . f ü r G r u n d eigentum i m Eigengebrauch u n d f ü r dessen Wiederbeschaffung" sowie über Maßnahmen zur Herstellung der „Transparenz der Bodenpreise, der E r stellungskosten u n d der Verkaufspreise". Auch die SPS-Initiative (Anm. 148) strebt eine „breite Streuung des Grundeigentums zum Eigengebrauch" an. Das soll realisiert werden durch die Steigerung des Bodenangebots auf dem M a r k t infolge Ausschluß nicht gemeinnütziger juristischer Personen v o m Bodenmarkt u n d infolge der Abschöpfung eines Teils der Grundrente bei „ L u x u s - " bzw. „Fremdgebrauch". Das S G N B - M o d e l l (Anm. 148) strebt demgenüber eine teilweise Ablösung des Marktmechanismus durch ein System öffentlich verliehener Bodennutzungskonzessionen an.

1.2. Raumplanung und staatliche Planung: Begriff und Stellenwert

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abstrakter Bodenverwertungsmöglichkeiten 150 neugestalten wollen. Die Ziele des Raumplanungsgesetzes — so argumentieren die Initianten — ließen sich nur auf diese Weise durchsetzen. Eine wesentliche Veränderung unserer Bodenordnung allein durch die Mittel des RPG ist daher mindestens nicht ohne weiteres vorauszusetzen. Bei der Festlegung der Zonen w i r d man daher oftmals an die Grenzen dessen stoßen, was finanziell tragbar ist. Verwertungssystembedingte hohe Bodenpreise führen zu Entschädigungsfolgen, die für die Gemeinwesen vielfach unbezahlbar sind. Maßnahmen, die derartige Folgen zeitigen könnten, fallen schon i n Frühphasen der Planung außer Betracht, womit der theoretisch mögliche Spielraum der Raumplanung i n der Planungswirklichkeit zusätzlich eingeschränkt wird. Auch wer die erste Frage relativ optimistisch beantwortet, w i r d bei der zweiten einsehen, daß der Zielbereich raumplanerischer Maßnahmen aus der Stellung des raumpolitischen Systems im politischen und gesellschaftlichen Gesamtsystem erheblich eingeschränkt wird. Anzuführen ist hier zunächst der Komplex der Bundes- und der kantonalen Sachplanung und ihr bisher wohl wenig geklärtes Verhältnis zur Raumplanung. Für die Bundessachplanung sieht das RPG i n A r t . 39 zwar eine Überordnung über die Raumplanung v o r 1 5 1 . Diese w i r d allerdings m i t dem vagen Hinweis i n A r t . 2 wieder relativiert, wonach der Bund und die Kantone „ i n ihrer gesamten Gesetzgebungs- und Verwaltungstätigkeit den Anforderungen der Raumplanung Rechnung" tragen 1 5 2 . Daß raumpolitische Zielsetzungen i n besonders ausgeprägter Weise m i t den Zielsetzungen der allgemeinen Wirtschaftspolitik in Konflikt treten können, muß i n einer Zeit der wirtschaftlichen Rezession gar nicht erst begründet werden. Die Praxis ist eindrücklich genug: A r 160 v g l das F.D.P.-Arbeitsgruppenkonzept (Anm. 139) : „Verhinderung a von übersetzten Gewinnen u n d Erträgen aus Grundeigentum" über entsprechende Bundeskompetenzen. SPS-Initiative (Anm. 148) Abschöpfung eines Teils der Grundrente bei Fremd- u n d Luxusgebrauch, bei Angebotsförderung durch Ausschluß nicht gemeinnütziger juristischer Personen v o m Bodenmarkt u n d Entschädigungsansatz i n der Höhe des Ertrags- oder Steuerwerts. SGNB (Anm. 148) volle Sozialisierung der Grundrente. 151 Die kantonalen Gesamtrichtpläne sind zwar nach der Genehmigung durch den B u n d f ü r „die Behörden des Bundes . . . " gem. A r t . 8 verbindlich. Das sagt aber nichts aus über die eigentliche Kompetenzausscheidung i m K o n f l i k t f a l l . Der B u n d k a n n seine Sachplanungsziele durch Nichtgenehmigung der kant. Gesamtrichtpläne oder durch Erlaß konflingierender B u n desgesetze bzw. Bundesbeschlüsse (BV 113 I I I ) i m entsprechenden Sachregelungsbereich durchsetzen. Auch die Botschaft 1972, 25, 37, 64 f. u n d der Referentenführer f ü r das Raumplanungsgesetz, Bern 1976, 10 f. bleiben diesbezüglich — w o h l aus referendumspolitischen Gründen (Zentralismusvorwurf) — unklar. 151 Vgl. dazu nähere Hinweise unten 1.6.3.2.

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1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

beitsbeschaffungsprogramme der öffentlichen Hand und Investitionsförderungsmaßnahmen lassen nur zu oft Gesichtspunkte sinnvoller Raumplanung i n den Hintergrund treten 1 5 3 . Vielerorts w i r d nach einer Lockerung der Umweltschutzbestimmungen oder der Bestimmungen zum Baubewilligungsverfahren gerufen 1 5 4 , wie sie eben erst i m Zeichen überbordender K o n j u n k t u r und entsprechender Umweltzerstörung erlassen werden mußten. Arbeitsbeschaffung zum Zwecke der Ressourcenzerstörung, zum Zwecke abstrakter Wertschöpfung ohne gleichzeitige bedürfnisgerechte, konkrete Wertträger 1 5 5 ? Für den Stellenwert staatlicher Raumplanung entscheidend ist schließlich der Umstand, daß Raumplanung die Gestaltung der räumlichen Voraussetzungen für unsere heutige, und nicht irgendeine alternative Gesellschaft bezweckt. Raumplanung kann zwar eine vermehrte Berücksichtigung der Belange konkreter Raumverwertung anstreben. Sie kann darüber hinaus — auch unter den Bedingungen einer weitgehend sozialisierten Bodenordnung — nur i n beschränktem Ausmaß über die Legitimität einer konkreten Raumnutzung befinden und diese vor einem gesellschaftspolitischen Gesamtbild bewerten. Raumplanung zur Supergesellschaftsplanung und Bodenreform zum einzigen Hebel für gesellschaftspolitische Innovationen zu hypostasieren 156 , 158 Solche Stimmen waren auch i m Abstimmungskampf zu hören. Vgl. etwa O. Keller i n : Schweizerische Gewerbezeitung, Bern 19. 6.1975; R. Rohr: Raumplanungsgesetz u n d Bodenrechtsreform, i n : Der B u n d v o m 27.1.1975 (Nr. 21), 3. Eingehend setzt sich damit B R K. Furgler: Raumplanung als föderalistische Aufgabe i n der Zeit des Konjunktureinbruches, Referat anläßlich der Tagung der V L P v o m 25.10.1975 auseinander: K o n j u n k t u r a n k u r b e lungsmaßnahmen zur Reaktivierung der Bauwirtschaft sollen zielgerecht eingesetzt werden. W o h l gehe es i n erster L i n i e u m die Erhaltung von A r beitsplätzen, aber das Geld müsse auch so angelegt werden, daß jene, die es aufbringen müssen, „daraus einen möglichst großen Nutzen ziehen können. Wer heute auf die Raumplanung verzichten möchte, übersieht diese Zusammenhänge — oder w i l l sie nicht sehen". (15). 154 Vgl. die symptomatische Stellungnahme der F.D.P.-Fraktion betreffend Arbeitsbeschaffungsprogramm des Bundesrates v o m 17. 2.1976 f ü r den A b bau administrativer Hemmnisse bei der Behandlung v o n Subventionsgesuchen (NZZ v o m 18. 2.1976 (Nr. 40), 23). I n die gleiche Richtung gehen die Motionen Nänny, Speziali u n d Ueltschi betreffend Aufhebung oder A b schwächung v o n A r t . 20 des Gewässerschutzgesetzes (SR 814.20) über die Bauten außerhalb des Kanalisationsnetzes. 155 Vgl. oben 1.2.2.1.2. u n d die i n A n m . 129 zitierten Autoren. I m Zusammenhang m i t dem Verbraucherschutz: Interp. Blum i m N R v o m 3.3.1976 (Unterlage 76.313), 3 (Konsumentenschutz u n d k o n j u n k t u r e l l e Lage). 156 So auch Lendi 1973/3, 107 f. Das schließt nicht aus, daß sämtliche Bereiche der Staatstätigkeit aus der Sicht der Raumplanung kritisch beleuchtet werden: Vgl. i n diesem Sinne etwa Forsthoff 1968, 25 (die Zielsetzung der Raumplanung „umfaßt das ganze Spektrum staatlicher Tätigkeit"). Gleichw o h l ist m i t Knall 1970, 388 auf die dienende F u n k t i o n der Raumordnung i m Rahmen dieser übergeordneten Zielsetzungen aufmerksam zu machen. Es bleibt trotzdem anzumerken, daß von der Raumplanungsdiskussion auch Impulse f ü r alternative Wirtschafts- u n d Gesellschaftskonzepte ausgegangen

1.3. Zentrale Raumplanung und dezentrale Durchführungssysteme

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wäre problematisch: Komplexe Industriegesellschaften sind keine monofunktional bedingte Gesellschaftssysteme, wie dies eine solche Strategie unterstellt. Praktisch müßte jeder i n A n g r i f f genommene Planungsprozeß auch an den immensen Konsenskosten unweigerlich scheitern. Solche Schwierigkeiten tauchen heute schon auf, wenn Gemeinden m i t dem Kanalisationsreglement zugleich Wirtschafts- und Steuerpolitik betreiben 1 5 7 . 1.3. Zentrale und dezentrale Raumentwicklungssteuerung — Skizze einiger Zuordnungskriterien zur Rolle der Durchführungssysteme 1.3.1. Das Verhältnis Ziele — Mittel — Folgeprobleme

Die Verzahnung der Raumordnungspolitik m i t anderen Politikbereichen setzt der ersteren nicht n u r inhaltliche Grenzen. Sie zeitigt daneben auch Auswirkungen auf das wechselseitige Verhältnis von zentralen u n d dezentralen Zuständigkeiten i m Prozeß der durchgehenden Planung. Entscheidend ist dabei der Umstand, daß sich politisch gewollte Raumplanung i n einem bestimmten, mehr oder weniger zentralistisch strukturierten Umfeld anderer staatlicher Zuständigkeitsund Handlungsbereiche abspielt. Der Brückenschlag von der S t r u k t u r des Raumplanungssystems zur S t r u k t u r dieser Umgebung erfolgt dabei weniger über die von der gesamten durchgehenden Planung zu verfolgenden Zielsetzungen, als über die zu deren Errichtung auf verschiedenen Stufen als notwendig erachteten Mittet Z w a r ließen sich solche je nach dem gewünschten Verhältnis zentraler und dezentraler Entscheidungsträger allein aus raumplanerischer Sicht mehr oder weniger beliebig umschreiben u n d zuordnen. Dies jedenfalls dann, w e n n man die Zentralismusproblematik — i n unzulässiger Weise — als ,bloß versind: Darauf verweist etwa R. Münz: Landschaftsschutzrecht in: ff. U. Müller (Hrsg.): Schweizerisches Umweltschutzrecht, Zürich 1973, 18ff.; Hertig 1973, 1 5 7 82 ff.; Offe 1971, 163 ff. Solche Situationen t r i f f t man i n „nutzungsplanlosen" Gemeinden an. Hier ist das G K P (Generelles Kanalisationsprojekt) oft das einzige M i t t e l zur Raumentwicklungssteuerung. M i t dem RPG sollten solche Verhältnisse nicht mehr auftreten. Denn das G K P ist „kein Instrument der Raumplanung, sondern des Gewässerschutzes" (Lendi 1973/3, 107). Vgl. i n diesem Sinne BGE vom 5.7.1947 (ZB1 1974, (75), 525): „Die Möglichkeit, auf der Grundlage eines G K P . . . planerische Maßnahmen durchzusetzen, sollte . . . nicht dazu führen, daß eine Gemeinde die Schaffung eines . . . Zonenplans einfach u n terläßt" und BGE 101 I b 68 verdeutlicht die selbständige Stellung des Zonenplans gegenüber dem Gewässerschutzrecht eindrücklich: „Die Gemeinde darf bei . . . eingezonten Parzellen . . . nicht . . . die Bewilligung verweigern m i t der Begründung, eine Überbauung sei . . unerwünscht. Eine solche E i n schränkung hat auf dem regulären Weg durch Änderung des Zonenplans zu erfolgen."

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1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

waltungstechnische' Frage vor demokratietheoretischen Überlegungen 1 5 8 abschirmt. Ein Mehr oder Weniger an Zentralismus könnte dann beispielsweise m i t der Zuweisung der Gesamtrichtplanung i m Sinne des RPG an den Bund oder an den Kanton oder der ,materiellen Grundsätze' an die Kantone entschieden werden. Aber gerade solche Entscheidungen können — selbst aus der demokratieindifferenten, ,verwaltungstechnischen' Sicht — nicht zur Disposition des Raumordnungsgesetzgebers stehen. Denn der Einsatz raumpolitischer Mittel durch einen Planungsträger führt wegen der Verzahnung der Raumordnung m i t übrigen Sachregelungskomplexen zu Folgeproblemen 159 in eben diesen Nachbarbereichen. Wo der raumpolitische Handlungsträger wegen einer andersgelagerten — zentralistischeren oder dezentralistischeren — Zuständigkeitsordnung bei den tangierten Bereichen außer Stande ist, solche Folgeprobleme selbst zu bewältigen, schafft er für andere — über- oder untergeordnete — politische Systeme von diesen weder klar voraussehbare noch zu verantwortende Problemkonstellationen 1 6 0 : Würde es etwa den Kantonen anheimgestellt, ob unter einer »geordneten Besiedelung des Landes' die Förderung des Trends zu Ballungszentren (ORL-Variante V I ) 1 6 1 oder „disperse Kleinstädte" (V. I X ) 1 6 2 zu verstehen ist, so könnte der Zweck der Raumordnungspolitik selbst nicht erreicht werden — 25 zwar geordnete, aber nach unterschiedlichen Gesichtspunkten geordnete Teilräume ergeben gesamthaft gewiß keine sinnvolle Raumordnung. Darüber hinaus müßten i n ungeordneter und weitgehend zufälliger Weise Folgeprobleme für die i n Bundeszustän158 Vgl. zur hierzulande sicher geläufigen demokratietheoretischen B e w ä l tigung der Zentralismusproblematik: unten 2.5.4. 159 Vgl. allgemein zum Begriff u. a. Frey 1974 376 ff. ( „ S p i l l overs" „ r ä u m lich externe Effekte" als Folgeprobleme, die regionale Entscheidträger für die höhere Ebene auslösen können; Klages 1971, 79 (im Zusammenhang m i t der K r i t i k an der morphologischen Planungstechnik, die leicht „ins Gestrüpp unerwarteter sozialer Reaktionen u n d Nebenwirkungen" führen könne); Jacoby / Martin 1975, 251 (Gefahr, daß „Einrichtungen höherer Ebene die Zerstörung v o n solchen unterer Ebene zur Folge haben") oder Ever s 1973, 46 (Notwendigkeit der Berücksichtigung der „Folgewirkungen" zentralörtlicher Einrichtungen bei der E n t w i c k l u n g zentraler Orte durch die Länder). 180 Das ist vor allem auch dann der Fall, w e n n zentralstaatliche Zielbündel Zielkonflikte „versteckt" haben, „die erst i n der lokalen K o n k r e t i o n sichtbar werden, konkret aufbrechen" (Wollmann 1974, 202). I n diesem Sinne fordert Maurer 1971, 81, daß der Planungsträger nicht n u r über Rechtsgrundlagen, sondern auch über hinreichende finanzielle M i t t e l zur E r f ü l l u n g der Planungsaufgaben verfügen müsse. Vgl. i m gleichen Sinne: Rosenstock 1971, 184; Faber 1974, 110 ff.; K. Redeker: Staatliche Planung i m Rechtsstaat, i n : JZ 1968, 539; Bruns 1974, 248 (Versagen der Regionalisierung i n Frankreich w e gen unzulänglicher finanzieller M i t t e l zur Bewältigung der Folgeprobleme regionaler Planung)). 161 Schlußbericht 1971, I I , 49 ff. 162 Schlußbericht 1971, I I , 73 ff. (Kurzbeschrieb), 1975 ff. (eingehendere Darstellung).

1.3. Zentrale Raumplanung und dezentrale Durchführungssysteme

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digkeit stehende Gesamtverkehrsplanung 163 , die Landwirtschaftspolit i k 1 6 4 oder die Entwicklungspolitik 1 6 5 resultieren. Denkbar ist auch der umgekehrte Fall: Übertrüge man die Zuständigkeit für die Nutzungsplanung i m Sinne des RPG an den Kanton, ohne i m übrigen den Handlungsspielraum kommunaler Politik beeinträchtigen zu wollen 1 6 6 , so würde man wahrscheinlich den Zweck einer sachgemäßen Siedlungsordnung — etwa i n Ermangelung hinreichender Detailinformationen 1 6 7 — ebenso verfehlen wie die Bewältigung der daraus resultierenden Folgeprobleme durch gemeindeautonome Maßnahmen vereiteln. Der Kanton könnte zwar m i t einem mannigfaltigen Subventionsangebot winken. Die Errichtung einer Schulanlage, eines der angestrebten Einwohnerzahl entsprechenden Verwaltungsgebäudes, die Anschaffung eines — notwendig werdenden — Feuerwehrautos oder der Ankauf von Land zwecks Errichtung einer geplanten Sportanlage — all diese kommunalpolitischen Alltagsgeschäfte könnte der Kanton einer Gemeinde nur schwer abnehmen. Die Schlußfolgerung: Der Zentralisierungsgrad des Raumplanungsprozesses läßt sich von der Raumordnungspolitik nicht autonom bestimmen. Die hochgradige Interdependenz der Raumordnungspolitik m i t einer Großzahl anderer Politikbereiche legt vielmehr die Annahme nahe, daß diese Interdependenz sich auch i n dem den Zentralisierungsgrad umschreibenden Organisationsrecht niederschlägt. Eine weitgehend dezentralisiert veranstaltete Raumplanung ist i n einem ansonsten zentralistisch angelegten politischen System ebenso kostspielig, wie eine zentralistische i n einem weitgehend dezentralisierten Staatswesen 168 . 1.3.2. Gleichheit — Ungleichheit

Zentrale Raumentwicklungssteuerung bedeutet, daß der Gesamtraum einem für alle vorhandenen Raumabschnitte einheitlichen, gleichen Leitbild unterstellt wird. Dezentralisierte Planimgsprozesse beruhen les Vgl. die aufgrund von B V A r t . 24 ter, 26, 36, 36^8, 37, 37 u n d 37ter zu erarbeitende Gesamtverkehrskonzeption, deren Grundlage i m November 1975 präsentiert w u r d e („Leitstudie G V K - C H " publiziert i n N Z Z v o m 18.11. 1975 (Nr. 268), 27). 164 Vornehmlich aufgrund v o n B V A r t . 31*>ίβ I I I b. 185 A l s T e i l der allgemeinen Wirtschaftspolitik. Vgl. zu Möglichkeiten der Kantone: S. Bieri: Aufgaben, Möglichkeiten u n d Grenzen der kantonalen Wirtschaftspolitik, ZB1 1973 (74), 473 ff. 1 M M a n bricht aus dem gemeindeautonomen Bereich verschiedener angestammter Zuständigkeiten die Nutzungsplanung heraus. Vorübergehend k a n n diese problematische Situation i m Falle der kantonalen Ersatzvornahme (RPG A r t . 66 I I ) eintreten. i«7 V g L unten 1.3.5.2. 168 Die „Kosten" liegen i n der mangelhaften Folgeprobleme i n benachbarten Politikbereichen.

Bewältigung

anfallender

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1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

demgegenüber darauf, daß man je Teilraum eigene, entsprechend teilraumspezifischen Gestaltungsanforderungen unterschiedliche Entwicklungsleitbilder als sinnvolle M i t t e l zur Realisierung einer geordneten Besiedelung des Landes vorsieht. Dies, i n der Meinung, daraus resultierten für die Gestaltung übergeordneter Großräume keine nachteiligen Folgen 1 6 9 . Entweder anerkennt man die Notwendigkeit übergeordneter Gesichtspunkte nicht oder noch nicht 1 7 0 oder man meint, ein hinreichendes Instrumentarium zur Durchsetzung solcher zentral bedeutsamer Entwicklungsdaten i n den i m übrigen dezentral oder autonom zustande kommenden Entwicklungsleitbildern der Teilräume zu besitzen. Vorhandensein und Gestaltungskraft zentraler räumlicher Entwicklungsleitbilder bewirken insgesamt den Umfang all jener räumlicher Prozesse, die nicht partikularistischen Teilraum-, sondern gleichheitlichen Gesamtraumleitbildern unterstellt werden sollen. Gleichheitlich: weil sie nicht die nähere Umgebung jener Personen, i n der sich zufälligerweise abwickeln mehr und die übrigen ungleich weniger betreffen, sondern alle i m Gesamtraum lebenden Personen gleichermaßen. Faßt man Raumplanung m i t dieser Arbeit auf als staatliche Erbringung räumlich bedingter Lebensqualität, so muß der planende Staat nach den Grundsätzen des sozialen Rechtsstaats auch hier auf den Gleichheitsgrundsatz verpflichtet werden. Gleichermaßen betreffen solche raumpolitischen Maßnahmen alle Einwohner des Gesamtsystems, die geeignet sind, die Verteilung solcher Lebensqualität auf die verschiedenen Teilräume zu verändern. „Eliminierung größerer räumlicher Wohlstandsdisparitäten" und eine „gewisse Angleichung der Lebensverhältnisse" 1 7 1 i n den Teilräumen sind derartige Aufgaben des Gesamtsystems. „Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" (Hangartner) 172 oder Schaffung „wertgleiche(r) Lebensverhältnisse" (Duppré) 173 sind die bekannten Stichworte. 169 Diese Betrachtungsweise entspricht jener einer umgekehrten Kompetenzregelung der Zuständigkeiten von B u n d u n d Kanton. A u f g r u n d seiner Kompetenzkompetenz verfügt das Zentralsystem über den „Zentralisierungsgrad" des politischen Gesamtsystems. Diese O p t i k entspricht Prozessen durchgehender Planung m. E. besser als jene des Subsidiaritätsprinzips, w o nach der B u n d die F u n k t i o n der „Auffanganstalt" externer Effekte i m Nachhinein hat. Α . M . : Wehinger 1975, 39 ff. 170 Dies t r i f f t dann zu, w e n n i n der B V keine Bundeskompetenzen i m Bereich bestimmter Sachregelungskomplexe verankert sind, übergeordnete Gesichtspunkte aber gleichwohl i m Interesse einer gleichheitlichen Sicherung der wichtigsten Grundrechte der Bürger nötig sind. Vgl. zum geltenden Recht etwa: Müller 1972, 218ff. (persönliche Freiheit); zum revidierten Bundesverfassungsrecht: Hangartner 1974, 390 ff. 171 Bien 1976, 29. 172 Hangartner 1974, 388.

1.3. Zentrale Raumplanung und dezentrale Durchführungssysteme

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Je Teilraum ungleiche Leitbilder beziehen sich demgegenüber auf solche räumliche Prozesse, von denen man keine Gefährdung gesamtraumrelevanter Steuerungstätigkeiten erwartet, von deren autonomen Steuerung man sich i m Gegenteil sogar eine befriedigendere Realisierung der zentral gesetzten Sollwerte verspricht, weil qualitativ bessere Problemlösungskapazitäten (ζ. B. sachnähere Informationen) 1 7 4 erwartet werden dürfen. I n dem Ausmaß, i n dem von einem räumlichen Prozeß angenommen wird, er betreffe nicht nur jene Gruppen von Personen, die i n seinem unmittelbaren Ablaufsbereich wohnen, sondern auch Personen i n anderen Teilräumen, i n dem Maße w i r d man sich veranlaßt sehen, solche Prozesse nach einheitlichen Leitbildern zu steuern. Der Prozeß w i r d zum Niederschlag einer ,raumabstrakt 4 alle Einwohner des Gesamtraums gleichermaßen betreffenden Entwicklung. Es w i r d später zu zeigen sein, daß diese Gleichung von gleichmäßiger Betroffenheit und Zentralisierungsgrad i n Wirklichkeit immer dort nicht aufgeht, wo die Kompetenzausscheidung zwischen zentralen und dezentralen Handlungsträgern von betroffenheitsindifferenten Gleichheitsvorstellungen 175 ausgeht. Dann läge i n der Tat ein Kurzschluß vor: Wollte man schließen, weil zentral: Alle gleichermaßen betreffend, weil dezentral: nur Teilraumbewohner gleichermaßen betreffend. 1.3.3. Abstraktheit — Konkretheit

Raumpolitische Prozesse, die i m Zusammenwirken zentraler und dezentraler Planungsträger ablaufen, sind i n der Regel Prozesse fortschreitender Konkretisierung raumgestalterischer Entscheidungen, von zentralen Richtlinienentscheidungen h i n zu dezentralen Nutzungsplänen: „Raumplanung (ist) als komplexer Vorgang der Zielformulierung zu verstehen, . . . dessen Ergebnisse von oben nach unten, sowie vom Allgemeinen zum Speziellen schreitend . . . fortlaufend konkreter, d. h. räumlich bezogener formuliert werden können. I h r Spannungsfeld reicht . . . von abstrakten bis zu ganz konkreten räumlichen Aussagen" 178 Duppré 1965, 15 f. Ähnliche Formulierungen finden sich bei: Mayer 1972, 332 ff. (in der Weimarer Verfassung feststellbarer Widerspruch „ z w i schen . . . nivellierender Demokratie u n d Selbstverwaltung") ; König 1972, 285; Evers 1973, 34 f.; Casati 1972, I f . (in Zusammenhang m i t der Region); Becker I Marx 1965, 59 (ebenfalls i n Zusammenhang m i t der Region). — Weitere Hinweise zur Konkretisierung des Gleichheitsgebots finden sich u n ten 3.8.1.2.2.4. 174 Vgl. f ü r den Bereich der Nutzungsplanung unten 1.3.5.2. 175 v g l unten 1.7. (Grundlagen f ü r eine institutionell verwertbare Betroffenheitstypologie i m Raumplanungsbereich) u n d 2.5.4. (Bildung betroffenheitsdifferenzierender Subsysteme).

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1. Planungs wissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

(Rosenstock) 179. Wie i m folgenden darzulegen ist, scheint m i r die verfassungsrechtliche Diskussion darüber, ob zentrale Bundesentscheidungen nur abstrakte Grundsätze sein dürfen 1 7 7 , die gegenüber dem Einzelnen keine unmittelbare Wirkung haben können 1 7 8 , oder nicht, solange wenig sinnvoll, als sie nicht zunächst eine genaue Analyse der spezifischen Erfordernisse von Prozessen durchgehender Raumplanung vorn i m m t 1 7 9 . Wenig aussagekräftig und zu pauschal wäre aus einer solchen Sicht der Schluß, zentrale Steuerungsentscheidungen wären abstrakt, dezentrale dagegen konkret. Eine kommunale Zielbestimmimg, wonach m i t der Nutzungsplanung eine künftige Einwohnerzahl von 10 000 anzustreben ist, ist einer Entscheidung des Bundes, wonach die großen städtischen Ballungszentren nicht mehr weiter anwachsen sollen, punkto Abstraktheit nicht unähnlich: I n beiden Fällen werden siedlungspolitische Sollwerte m i t raumabstrakten Inhalten umschrieben. Beide müssen, bis sie anwendbar werden, ,raumkonkretisiert 4 werden, sie müssen auf den Raum umgelegt und i n Nutzungsanordnungen »umgeschrieben 4 werden. Was sie unterscheidet, ist der Abstraktionsgrad der von ihnen gesteuerten I n halte. Hier die Einwohnerzahl als konkrete Größe, dort der Begriff „städtische Ballungszentren" als abstrakte und aus zahlreichen Prozessen aggregierte 180 Größen. Zentral interessieren i n der Regel nicht einzelne konkrete räumliche Prozesse, sondern zu mehr oder weniger abstrakten, aggregierten Größen zusammenfaßbare Teilaspekte derselben. 17β

Rosenstock 1971, 176 f. So u . a . Aubert/Jagmetti 1971, 1 4 6 1 („nur Vorschriften v o n hohem Abstrahierungsgrad"); Lendi 1973/1, 5 f. oder Werner 1975, 72 ff. u. a. 178 So u . a . Werner 1975, 72f.; Wehinger 1975, 138f. oder W. Schaumann: Gedanken zur Auslegung der neuen Verfassungsartikel über das Bodenrecht, i n : SJZ 1970 (6618). M . E . richtiger ist die gegenteilige Meinung, w i e sie vertreten w i r d u.a. durch Lendi 1973/1, 5 oder Aubert/Jagmetti 1971, 146 f. 179 Das u n t e r n i m m t i n bemerkenswerter Weise Wehinger 1975, 126, 133 ff. Wenn schon die Materialien zu A r t . 22 quater wenig hergeben (vgl. i n diesem Sinne Aubert / Jagmetti 1971, 146), ist m. E. zunächst die Frage zu stellen, w i e sich eine zweckmäßige Nutzung des Bodens u n d eine geordnete Besiedlung des Landes unter optimaler Autonomie der Kantone überhaupt bewerkstelligen lassen. Erst nach E r m i t t l u n g des dazu notwendigen M i n i m u m s zentralen Steuerungsbedarfs ist zu fragen, w i e diese Steuerung durch das verfassungsrechtliche I n s t r u m e n t a r i u m des Bundes bewerkstelligt werden kann. 180 Vgl. i n diesem Sinne: J. Maurer: Z u r fachlichen Methodik des Bundesgesetzes über die Raumplanung, i n : D I S P Nr. 41 ( A p r i l 1976) 48: „Die falsche Meinung, überörtliche Raumplanung . . . sei unmittelbar vergleichbar m i t der örtlichen Raumplanung, ist noch w e i t verbreitet . . . Wer sich m i t der überörtlichen Raumplanung . . . auseinandersetzt, w i r d zur A b s t r a k t i o n . . . gezwungen. (...) Die große Z a h l von Vorgängen läßt sich weder ordnen noch miteinander verbinden, w e n n nicht gedankliche H i l f s m i t t e l — d. h. Theorien — gebraucht werden." Solche Aggregate sind etwa die Begriffe „ H a u p t - " bzw. „Mittelzentren" (CK-73 1973, 22) oder „Agglomeration" (ibid. 15). 177

1.3. Zentrale Raumplanung und dezentrale Durchführungssysteme

65

Daß irgendwo i n der Schweiz eine Wohnzone ausgeschieden wird, interessiert zentral nicht als spezifisch raumplanerischer Prozeß i n konkreto, sondern i n der Regel nur insofern, als sich aus i h m Aspekte abstrahierenlassen, die als Gesamtaggregate für die zentrale Raumsteuerung von Bedeutung sein könnten. So etwa der Umstand, daß die Schaffung von Wohnzonen eine zentral unerwünschte Vergrößerung eines Ballungszentrums b e w i r k t 1 8 1 . Mitunter hängt indessen die Durchsetzung zentral für notwendig erachteter, w e i l alle gleichermaßen betreffender Raumsteuerung nicht von Prozeßaggregaten, sondern von konkreten räumlichen Prozessen selbst ab. Das ist regelmäßig dort der Fall, wo beim Bund zusätzlich zur Raum- und Siedlungsplanimg für diese bestimmende Aufgabenbereiche zentralisiert sind. Ob an jener Stelle, an der der Bund die Einrichtung einer Nationalstraße 182 oder eines SBB-Güterbahnhofs 1 8 3 vorsieht, eine Wohnzone errichtet wird, interessiert nicht nur als Teil eines aggregierten Gesamtprozesses, sondern ganz konkret 1 8 4 . Der niedrige kann

Konkretionsgrad

als w i r k s a m e r Schutz

betroff

zentraler Raumentwicklungssteuerung enheitsdifferenzierender

185

Dezentra-

lisierung aufgefaßt werden. Dies gilt jedoch nur, wenn sich die darin geregelten abstrakten Prozeßaggregate tatsächlich als die zentral relevanten, alle gleichermaßen betreffenden Steuerungsgrößen erweisen. Wo dieser niedrige Konkretionsgrad indessen auf mangelhafte Problemlösungskapazität 186 und/oder auf zu hohe Konsenskosten für kon181 Nach CK-73 1973, 20 bezweckt die Raumplanung die „Dezentralisation der Besiedlung m i t regionalen u n d überregionalen Schwerpunkten zu fördern u n d die E n t w i c k l u n g der großen Städte auf dieses Z i e l hinzulenken". 182 A u f g r u n d der Bundessachplanungszuständigkeit zur Errichtung v o n N a tionalstraßen gem. Bundesgesetz über die Nationalstraßen v o m 8.3.1960 (SR 725.11). Der K o n f l i k t f a l l ist i n den A r t . 14 ff. geregelt: A u f g r u n d des E n t scheides der Bundesversammlung über die allgemeine L i n i e n f ü h r u n g k a n n das E D I „zur vorsorglichen Freihaltung des Sträßenraumes nach Anhören der Kantone Projektierungszonen festlegen" (Art. 14 I). D a r i n dürfen „ N e u bauten u n d wertvermehrende Umbauten" n u r m i t B e w i l l i g u n g errichtet werden (Art. 15 I). „Über Baugesuche entscheiden . . . die von den Kantonen bezeichneten Behörden. Die Baubewilligung bedarf zu i h r e r Gültigkeit der Genehmigung des Eidgenössischen Departementes des Innern." (Art. 16 II). 185 A u f g r u n d der Bundessachplanungszuständigkeit zur Errichtung v o n Eisenbahnanlagen gem. Bundesgesetz über die Schweizerischen Bundesbahnen v o m 23.6.1944 (SR 742.31). Der K o n f l i k t f a l l ist lediglich auf V e r ordnungsebene geregelt. Danach (VO zum Β G über die Schweizerischen B u n desbahnen v o m 20.12.1971 (SR 742.311) A r t . 3) werden die Pläne für Bauten der SBB nach Durchführung einer Vernehmlassung bei den beteiligten K a n tonsregierungen v o m EVED genehmigt, soweit keine Einigung zustande kommt. 184 Vgl. zur Stellung der betroffenen Subsysteme unten: 2.6.6. 185 Vgl. unten 2.5.4. 186 Diesen Mangel f ü h r t Fischer 1975, 189 ff. bei der Raumplanungsgesetzgebung an. Als G r u n d hebt er die starke Stellung der Verbände u n d deren

5 Knoepfel

6 6 1 . Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen kretere Entscheidungen 187 zurückgeht, w i r d auch diese Gleichung nicht unbedingt aufgehen. Ein niedriger Konkretionsgrad zentraler raumpolitischer Entscheidungen allein ist nicht a priori ein Schutz der Autonomie dezentraler Entscheidungsträger. Wo Abstraktheit auf Entscheidungsfähigkeit beruht, Konflikte, die alle Mitglieder des zentralen Systems betreffen, einfach m i t stufenweiser Steigerung des Abstraktionsgrades ,gelöst4, aufgehoben oder vermeintlich aus der Welt geschafft werden, werden diese früher oder später als Kompetenzkonflikte zwischen dezentralen und zentralen Entscheidungsträgern wieder auftreten 1 8 8 . Das Zentralsystem dürfte m i t dem Argument der zunehmenden Interdependenz diesen Kompetenzkonflikt u m so eher zu seinen Gunsten entscheiden können, als es sich seinerzeit nicht zu einem problemadäquaten Konkretionsgrad entschließen konnte, auf zentraler Ebene m i t h i n die vorhandenen Aussagen funktional unzureichend sind. M i t der ,Flucht in die Abstraktion' behalten sich die zentralen Entscheidungsträger nachfolgende Konkretisierungshandlungen vor, die unter Umständen zu zentralisierenden Kompetenzverschiebungen i m Nachhinein führen können 1 8 9 .

Möglichkeit der Referendumsdrohung heraus. Vgl. allgemein zur Reduktion der Problemlösungskapazität i n Folge Referendumsdruck Neidhart 1970, 313 ff. u n d Kocher 1967, 231 ff. (in Zusammenhang m i t dem Gesundheitswesen). 187 Das System der Allparteienregierung i n der Schweiz u n d die daraus resultierenden „Konkordanzzwänge" (Germann 1975, 187) sind sicherlich m i t ein G r u n d f ü r das häufige Auftreten wenig aussagekräftiger Gesetzes- u n d Delegationsbestimmungen. Vgl. zum Phänomen der Häufung von „Leerform e l n m i t Blankettcharakter" Walter 1974, 565 ff.: „Die Tendenz zur abnehmenden Differenzierung läuft m i t dem Phänomen des Fehlens konkreter materieller K r i t e r i e n parallel. I n diesen Fällen erfogt die Wertausfüllung des Gesetzes eigentlich erst i m Stadium seiner A n w e n d u n g . . . " (568). Solche Leerformeln haben m i t Evers 1975, 9 wenigstens die Eigenschaft, daß sie „ e i n komplexes Problem ansprechen u n d Koordinationsprozesse i n Gang setzen". 188 So Wollmann 1974, 202. Eine solche Gefahr besteht w o h l i m Falle zentraler unbestimmter Rechtsbegriffe, die i n ihrer Auslegung u n d Anwendung einer uneingeschränkten K o n t r o l l e durch höhere Verwaltungsbehörden u n d Verwaltungsgerichte unterliegen. (Vgl. B V e r w G E 34, 308.) Gehrmann 1975, 58 ff. weist auf diese Gefahr i m Zusammenhang m i t dem sog. „Flachglasfall" (5. 7.1974) h i n u n d wünscht, „daß es den Gerichten erspart bliebe, Entscheidungen eines so großen sozialen u n d wirtschaftlichen Gewichts zu treffen". A u f die Schwierigkeit, die i n § 1 B B a u G als unbestimmte Rechtsbegriffe nach den Grundsätzen des Allgemeinen Verwaltungsrechts anzuwenden, verweist Hoppe 1974, 246 f. tee v g l dazu allgemein: H. Huber: Niedergang des Rechts u n d Krise des Rechtsstaats, i n : Festschrift zum 60. Geburtstag von Z. Giacometti, Zürich 1953, 81 u n d — i m Zusammenhang m i t der Raumplanung: Werner 1975, 69 („Flucht i n die Grundsatzgesetzgebung"). Ferner unten 2.6.2. (Verbot der Überdehnung zentraler Inhalte).

1.3. Zentrale Raumplanung und dezentrale Durchführungssysteme

67

1.3.4. Raumpolitisches Gesamtsystem und Subsysteme — relative Autonomie und Feed-back-System: Einige für die Zentralismusdiskussion einschlägige Begriffe 1.3.4.1. Raumpolitisches

Gesamtsystem

Unter dem raumpolitischen Gesamtsystem verstehen w i r jenen vertikal nach föderalistischem Prinzip gegliederten Teil des politischen Systems, dessen Institutionen als Träger des Prozesses durchgehender Planung auftreten. Es handelt sich dabei um eine politikbereichspezifische, analytische Verselbständigung der i n einem Entscheidungs- und Handlungssystem zusammenwirkenden institutionellen Träger eines vom Bund über die Kantone h i n zu den Durchführungssystemen abgewickelten Prozesses. I n der Wirklichkeit t r i t t eine solche Regel deshalb nicht auf, weil sich unser politisches System praktisch nicht je Problem oder Politikbereich neu konstituiert, sondern neu auftauchende Problembereiche institutionell primär nicht problemdifferenziert angelegten Handlungsträgern zugewiesen werden. Praktisch ist jedenfalls der formelle 1 9 0 raumpolitische Gesetzgeber auf Bundesebene nicht vom gesundheitspolitischen, vom wirtschaftspolitischen etc. unterscheidbar. Selbst der Verordnungsgeber wird, wo förmliche Subdelegationen an die Departemente stattfinden, weniger problem- als vielmehr departementsdifferenzierend ausgewählt 1 9 1 . Erst dort, wo eigens für neue A u f gaben neue, von bestehenden Verwaltungseinheiten ausdifferenzierte, ausschließlich für die Bearbeitung eines neuen Politikbereichs eingesetzte Amtsstellen eingerichtet werden — so etwa das A m t für Raumplanung (RPG A r t . 57) —, oder, wo i n den traditionellen, vertikalen Staatsaufbau neue Handlungsebenen eigens zur Bewältigung neuer Politikbereiche eingeschoben werden — so etwa die Region (RPG A r t . 5 I I ) 1 9 2 —, hat diese analytische Verselbständigung politikbereichsspezifischer Teile des politischen Gesamtsystems ein Pendant i n der W i r k lichkeit. Tendenzen zur Schaffung solcher spezifisch problemorientiert wo — bedeutsame — Gesetzgebungsvorbereitung erfolgt unter M i t w i r k u n g problemspezifisch ausgewählter Amtsstellen u n d Expertenkommissionen. Dabei werden auch Belange der vertikalen Koordination berücksichtigt. Bei der A n h ö r u n g der Kantone ist das jedoch oft nicht der F a l l : L. Neidhart: Reform des Bundesstaates, Analysen u n d Thesen, Bern 1970, 100 verweist darauf, daß die Kantonsvertreter vielfach ohne Mandat handeln, „so daß deren Voten meist dadurch bestimmt sind, ob sie einer bürgerlichen oder der sozialdemokratischen Partei oder sogar einem Spitzenverband nahestehen". 191

Beispiel: Das Eidgenössische Departement des Innern. Sein zufällig zu^· sammengewürfelter Zuständigkeitsbereich reicht von der Bildungspolitik über weite Teile des Sozialversicherungswesens bis h i n zum Nationalstraßenwesen. Der andere Verkehrsträger, die Eisenbahnen, stehen demgegenüber i m Zuständigkeitsbereich des EVED. 192 v g l . d a z u casati 1972, 6: „Die Regionen sind Reflexe bestimmter Problemstellungen." Ferner unten 1.6.2.2.2. 5*

6 8 1 . Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen angelegten Verwaltungseinheiten lassen sich i n jüngster Zeit i m Bereich staatlicher Planung feststellen 193 . Außerdem w i r d gerade auch i m Bereich der Raumplanung versucht, problemspezifische, über die hergebrachten Ressorts hinausgreifende Koordinierungsgremien innerhalb der Verwaltimg einer Planungsebene zu errichten 1 9 4 . Stärker problemdifferenzierend angelegt sind i n der Regel Institutionen der vertikalen bundesstaatlichen Koordination. Dort institutionalisierte »Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen' birgt jedoch die Gefahr eines eigentlichen ,vertikalen Verwaltungsverbundesder sich parlamentarischer Kontrolle auf Bundes- und Kantonsebene allzu oft zu entziehen droht. Problematisch sind solche ,Verwaltungsachsen' u. a. auch unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Einbruchs des Bundes i n die kantonale Organisationseinheit 195 . Gleichwohl hat dieses Vorgehen Sinn 196 : Es ermöglicht nicht nur, Konflikte verschiedener Politikbereiche und daraus resultierende Restriktionen für die Handlungsträger eines untersuchten Politikfeldes adäquat abzubilden 1 9 7 . Es kann damit auch das Zusammenwirken verschiedener, einander i m Bundesstaat vertikal zugeordneter Handlungsträger bei der Lösung eines ganzheitlich darstellbaren Problemfeldes systematisch eingefangen werden 1 9 8 , was gerade i m Falle der durch193

Vgl. Walter 1974, 562 f. („Seismographenfunktion" der „Beratenden Kommissionen"); Faber 1974, 117 ff. („anbaustrategische Organisationsformen"). 194 Vgl. CK-73 1973, 3 f. („horizontale Koordination" durch die Chefbeamtenkonferenz) ; Der Delegierte f ü r Raumplanung: Untersuchung über r a u m ordnungspolitische Ziele u n d Maßnahmen i n der Bundesgesetzgebung, (Mskr. undatiert); Battis 1976, 158ff. (Ablösung der festen Aufbauorganisat i o n der Ressorts durch flexible, problemgerechte Kooperationsstrukturen i n der Kooperationsplanung). 195 Vgl. dazu Werner 1975, 75 (Ermächtigung der kantonalen Regierungen); Müller 1974, 375 f.; Tendenz des Bundes zur Ausschaltung gesamtsystemarer Fehlleistungen wegen ablehnenden Volksentscheiden bei Erlassen zum Vollzug v o n Bundesgesetzen durch bundesrechtliche Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen an die kantonalen Regierungen unter Umgehung des kantonalen Organisationsrechts. Vgl. zur kantonalen Organisationshoheit i m Bereich der Raumplanung auch u n t e n 3.8.1.2.4.3. f. 1 M Vgl. u . a . Jagmetti 1972, 245: er stellt fest, daß die Gemeinden „durch die schweizerische Lehre stets f ü r sich untersucht u n d nicht i n ein System der Dezentralisation eingestuft" wurden. E r versucht das, u m eine bessere Analyse der entsprechenden schweizerischen Institutionen zu bewerkstelligen. Ähnliche „vertikalistische" Betrachtungsweisen finden sich etwa bei Huber 1973, 23 oder Hangartner 1975, 12 ff. („Wenn B u n d u n d Kantone . . . eine Gesamtordnung bilden . . . k a n n es i m Hinblick auf die durch die Gewaltenteilung gewährleistete richterliche Unabhängigkeit . . . keine Rolle spielen, ob ein Gericht eines Kantons oder ein Gericht des Bundes entscheidet." Die Entscheidung des B R i m Falle den Entscheid des Verwaltungsgerichts von Graubünden unter Berufung auf die Bundesaufsichtsbefugnis aufzuheben, sei daher mehr als fragwürdig). 197 Vgl. als Beispiel oben 1.2.3. (Raumplanung). lee v g l . i n diesem Sinne das Vorgehen bei Hangartner 1974, 386 ff.

1.3. Zentrale Raumplanung und dezentrale Durchführungssysteme

69

gehenden Planung notwendig ist und bei einer ,horizóntalistischen

70

1. Planungswissenschaftliche u n d planungsrechtliche Grundlagen

1.3.4.3. Zur relativen Autonomie von Subsystemen Politische Subsysteme zeichnen sich dadurch aus, daß ihnen — i m Gegensatz zu »bloßen Vollzugsinstitutionen' — ein relativ erheblicher Spielraum für eigene politische Wertungen zukommt 2 0 3 . Eine eingehende Auseinandersetzung m i t der Figur der ,bloßen' Vollzugsinstitution und deren Abgrenzung von eigentlichen, w e i l relat i v autonomen politischen Subsystemen muß hier unterbleiben. W i r begnügen uns m i t den tradierten, demokratietheoretisch wenig vermittelten und allzu stark dem Phänomenologischen verhafteten Begriffen unmittelbarer resp. anstaltlich-mittelbarer Staatsverwaltung einerseits und der öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltungskörperschaft als relativ autonome Einheit andererseits. Dieser letzteren w i r d i m deutschschweizerischen Schrifttum eine demokratietheoretisch begründete Autonomie zugesprochen. I n der „Bereitschaft, den Körperschaftszweck auf den eigenen Schultern zu tragen . . . liegt die echt demokratische und originäre Legitimation der Mitglieder" 2 0 4 öffentlichrechtlicher K ö r perschaften. Sie ist eine „demokratisch aufgebaute Organisation" (Gygi) 205. Ihre Mitglieder „verlieren die Stellung des ,VerwaltungsUnterworfenen'; sie werden selbst zu aktiven Trägern der administrativen Gewalt" (Imboden) 200. Bei bundesrepublikanischen 207 und westschweizerischen 208 Autoren t r i t t diese demokratietheoretische Begründung stellenweise gegenüber einer funktionalen i n den Hintergrund, (öffentlichrechtliche Körperschaft als „Führungsmittel" 2 0 9 .) Demokratietheoretisch problematischer erscheinen demgegenüber die vorgetragenen Gründe für die Autonomisierung von Anstalten als M i t tel der mittelbaren Staatsverwaltung. I n Zusammenfassung der herrschenden Praxis führt Gygi hierfür an: Die finanzielle Aussonderung zur Sicherung der Zweckbindung, die finanzielle und versicherungs203 Vgl. die bundesgerichtliche Formel f ü r die Gemeindeautonomie: etwa B G E 96 I 725. Dazu Jagmetti 1972, 331 u n d dort zitierte L i t e r a t u r ; Hoppe 1974, 644 („planerische Gestaltungsfreiheit" der Gemeinde, dargestellt an einzelnen Punkten einer „Ermessensfehlerlehre") oder Forsthoff 1973, 479 ff. Ferner unten 3.9.2. 204 Gygi 1970, 135. 205 Gygi 1970, 136. 20e Imboden 1971, 582 f. Vgl. ferner: Jagmetti 1972, 367 f. 207 Vgl. etwa die Darstellung bei Forsthoff 1973, 487 (öffentlich-rechtliche Körperschaft als „Dezentralisierungsmittel"); f ü r die neuere Entwicklung sei bemerkenswert, „daß die herrschaftliche Verbandsstruktur auf Kosten der genossenschaftlichen mehr u n d mehr an Boden zu gewinnen" scheine. 208 Vgl. etwa Grisel 1970, 108: L a décentralisation territoriale „développe le sens civique. Elle crée des rapports de confiance entre les administrateurs et les administrés . . . Elle assure également la satisfaction des besoins régionaux que les agents désignés sur place connaissent de près". 209 Forsthoff 1973, 487.

1.3. Zentrale Raumplanung und dezentrale Durchführungssysteme

71

technische Verselbständigung, die eigene Rechnungsführung und Reinertragsermittlung, die „Aktionsfreiheit der Betriebsführung", die Ausrichtung auf Unternehmenswirtschaft und wissenschaftliche, fachliche, technische oder bürokratische Spezialaufgaben, „die sich nicht nach den Methoden bürokratischer Verwaltung bewältigen" lassen („Schul- und Bildungswesen, Forschungs- und Prüfungsanstalten, Museen, Theater") und: „unpolitischer Sachverstand" 210 . Solche Begründungen führen nicht selten dazu, daß das Stattfinden von unmittelbarer politischer Partizipation 2 1 1 möglicherweise einseitig ausgewählter gesellschaftlicher Gruppen unter Hinweis auf angebliche Sachgesetzlichkeiten und die demokratische Steuer- und Kontrollierbarkeit ,νοη oben4 ,weggeglaubt' wird. Ebenso problematisch sind auch jene Begründungen für verhältnismäßig autonome Träger staatlicher Regelungsbefugnisse, die auf den angeblich dem Gemeinwohl dienenden Vorteil der Regelung durch die ,direkt Beteiligten' abstellen. Ob solche Gebilde als öffentlich-rechtliche Körperschaften 212 oder als beliehene Organisationen des Privatrechts 2 1 8 verfaßt sind, ändert wenig daran, daß sie als eine A r t ,eingestaatete Selbstregulierungseinrichtungen' 214 Gefahr laufen, ,Beteiligte' und g e troffene' gleichzusetzen. Wo diese Gleichung i n Wirklichkeit aber nicht aufgeht, besteht die ernsthafte Gefahr, daß Betroffeneninteressen, die an der Entscheidung nicht beteiligt sind, unberücksichtigt bleiben 2 1 5 . Bei der Raumplanung zeigt sich die relative Autonomie der verschiedenen Planungsträger und damit i h r Subsystemcharakter darin, daß ihnen — zwar nicht die Freiheit, sondern die — Pflicht 2 1 6 zukommt, ihren Raum nach eigenen Leitbildern 217 zu planen. Diese müssen aus einem eigenen, legitimatorisch abzustützenden und nicht einfach am Zentralsystem ,aufhängbaren' politischen Prozeß resultieren 2 1 8 . 210

Gygi 1970, 140. Vgl. unten 2.2.1.2. 212 So etwa die Schweizerische Genossenschaft f ü r Getreide u n d F u t t e r m i t tel (GGF) (SR 916.112.218). 218 So etwa die Schweizerische Käseunion (SR 916.356.0 bzw. 916.356.01). 214 Vgl. hierzu Werder / Hotz 1975, 14 f. 215 So besteht etwa die Gefahr, daß das Gewicht des Staates oder der nicht vertretenen Interessen gegenüber demjenigen der „gemeinsamen Organisation der Beteiligten" (Art. 1 I I I des B G über die Käsemarktordnung v o m 27. 6.1969) mangels unmittelbarer Einflußmöglichkeiten zu schwach ist. 216 A r t . 5 RPG statuiert ein Obligatorium. 217 Die Errichtung kantonaler Leitbilder w i r d obligatorisch nicht gefordert. Das Aufstellen kantonaler Planungszielbündel ist m i t Rosenstock 1971, 179 u n d m i t der Botschaft 1972, 55 jedoch eine Notwendigkeit. 218 Vgl. unten 2.5. u n d die oben A n m . 204 zitierte Stelle von Gygi 1970, 135. 211

7 2 1 . Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen Diese Autonomie ist indessen definitionsgemäß — es handelt sich um Subsysteme eines Gesamtsystems — eine relative: Denn neben später zu behandelnden demokratietheoretischen Gründen 2 1 9 läßt sich für ihre Berechtigung eine funktionale Begründung anführen: Der zentral beabsichtigte Zweck ist offenbar durch relativ autonomes Tätigwerden nachgelagerter Entscheidungsträger besser zu bewerkstelligen als über zentral streng programmierte Vollzugsinstitutionen. Das ist bei der Baumordnung unzweifelhaft der Fall: Wo sich das Zentralsystem nicht darauf beschränkt, wirklich für das Gesamtsystem bedeutsame Aspekte zu regeln, sondern darüber hinaus alles und jedes i n den verschiedenen ,Verwaltungsterritorien 1 regelt, müssen früher oder später Fehlleistungen eintreten, weil hinreichende Informationen über die spezifischen lokalen Gegebenheiten gleichermaßen fehlen dürften, wie übersichtliche und kontrollierbare Strukturen der zentralen Bürokratie 2 2 0 . 1.3.4.4. Feed-back-System U m zu verhindern, daß eines der Subsysteme seinen i h m zugestandenen Handlungsspielraum überschreitet und dadurch den vom Gesamtsystem bezweckten Erfolg vereitelt, w i r d ein Feed-back-System 221 , ein Rückkoppelungsmechanismus, notwendig. Seine Aufgabe besteht darin, die funktionelle Stellung der Subsysteme i m Gesamtsystem anhand eintretender Einzelfälle dauernd neu zu aktualisieren 2 2 2 . Es sorgt andererseits dafür, daß die subsystemare Autonomie nicht ,νοη oben 1 verletzt wird. Auch i n diesem Falle ist der Erfolg des Gesamtprozesses, der ja gerade auf diese Autonomie abstellt, gefährdet. Hauptsächlichste Feed-back-Systeme liegen i m Raumplanungsrecht i m Genehmigungs- 223 und — i n beschränkterem Ausmaß — i m Beschwerdeverfahren 22*. 419

Vgl. unten 2.5. (allgemein) u n d 3.4.2. (Stadtteilpartizipation). Deshalb sind „Planungseffizienz u n d Autonomie . . . Prinzipien, die einander ergänzen". Die „funktionelle Autonomie" der Teilsysteme ermöglicht es, Störungen auf lokaler Basis zu regeln (Klages 1971, 105). Vgl. f ü r F r a n k reich: Fritsch 1973, 201 ff. (Unkontrollierbarkeit der Zentralbürokratie f ü r Parlament, Gemeinden, Departemente u n d Regionen). 221 Vgl. etwa Battis 1976/2, 150; Aderhold 1973, 60 ff. oder Wehinger 1973, 150 (Rechtsschutz). 222 Es stellt einen wesentlichen Faktor zur Integration u n d zur dauernd neu zu aktualisierenden „Wirkungseinheit Staat" (im Sinne von H. Heller: Staatslehre, zitiert bei Bäumlin 1972, 222 u n d Preuss 1969, 132) dar. 223 Vgl. f ü r das Nutzungsplangenehmigungsverfahren unten 3.8., f ü r die Gesamtrichtpläne 1.6.2.2.3. 224 Vgl. f ü r das Besch werde verfahr en gegen Nutzungspläne unten 3.9., für die Beschwerdemöglichkeit gegen Gesamtrichtpläne, die i m RPG nicht v o r gesehen ist: unten 2.6.6. 220

1.3. Zentrale

aumplanung und dezentrale Durchführungssysteme

73

1.3.5. Insbesondere: Zur letzten Stufe von durchgehenden Planungsprozessen (Durchführungsstufe)

1.3.5.1. Allgemeines Die letzten Subsysteme, die i m Prozeß durchgehender Raumplanung tätig werden, sind die sogenannten Durchführungssysteme 22δ. Von ihnen hängt die Leistungsfähigkeit des raumpolitischen Gesamtsystems ab, weil sie es i n der Regel sind, die alle vorgelagerten, noch zu konkretisierenden raumpolitischen Entscheidungen i n „für jedermann verbindliche Anordnungen über die zulässige Nutzung des Bodens" (RPG A r t . 29 I) umarbeiten. I m bodenpolitischen Modell: Sie sind die letzten ,Produktionsstufen' des Planungssystems, nach dessen Durchlaufen der Raum als hinlänglich vom politischen System bearbeitet erachtet, die öffentliche ,Planungsmaschinerie' verläßt und i h r als Produkt i n der Gestalt des nutzbaren Raumes entspringt. Räumliche Prozesse spielen sich bekanntlich nicht auf einem Bundes«, einem Kantons- oder einem Gemeindeboden je unterschiedlicher A r t ab. Den Durchführungssystemen kommt daher die Stellung eigentlicher Scharnierstellen zu: Sie müssen sämtliche vorgelagerten Planungsentscheidungen, die ihren räumlichen Wirkungsbereich betreffen, entweder unverändert 22 ®, w e i l bereits konkretestmöglich formuliert, oder nach einer — relativ autonom abgewickelten — wertenden Konkretisierung 2 2 7 verbindlich auf die Raumwirklichkeit umlegen. Ohne diese Tätigkeit müßten die Pläne ohne jede Raumwirksamkeit förmlich i n der L u f t hängen bleiben. ,Unter' ihnen könnten sich weiterhin ungeplante räumliche Prozesse abspielen. 1.3.5.2. Systematische Stellung der Durchführungssysteme Die Durchführungssysteme können und sollen entlastet werden von der ,Umsetzung' übergeordneter, nicht mehr konkretisierbarer raumpolitischer Entscheidungen i n rechtsverbindliche Nutzungsanordnungen 2 2 8 . Nach dieser Formel erlangen solche Rechtskraft schon früher und deren Aufnahme i n die Nutzungspläne hat nur noch klarheitsschaffende Bedeutung 2 2 9 . Auch darf nach dem System der durchgehenden Planung angenommen werden, daß maßgebliche Bundesplanungsent225

Vgl. zum Begriff oben 1.2.1.2.5. · Vgl. die Einschränkung folgend 1.3.5.2. 227 Vgl. zum Gegenstand: unten 1.6.1. u n d zum Wertungsspielraum: 3.8,1. 228 Vgl. zu Begriff u n d Begründung: unten 1.5.3. Vgl. die besonders eindrückliche Formulierung i n der V O zum BauG T I v o m 22.1.1974, A r t . 18: „ I p i a n i cantonali . . . devono essere trascritti nei piani regolatori communali." 229 Vgl. unten 1.5.3. 22

7 4 1 . Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen Scheidungen bereits vollumfänglich i n die kantonalen Gesamt- und Teilrichtpläne eingearbeitet wurden. Den Durchführungssystemen bleibt damit — dies eine Einschränkung an 1.3.5.1. — gesamtsystemar gesehen nur noch die Durchführung eines Konkretisierungsprozesses, der die kantonalen Planungsentscheidungen nach Maßgabe des Bundes- und des Kantonsrechts sowie nach Maßgabe ihrer relativ autonomen, lokale Gegebenheiten berücksichtigenden Leitbilder detaillierend auf die Raumwirklichkeit umsetzt. Aus der Sicht der Mitglieder der Durchführungssysteme liegt darin ein wesentliches Stück Selbstverwaltung. Diese ist auch bei einer gesamtsystemaren, funktionalen Betrachtungsweise 230 der Autonomie von Nutzungsplanungen nicht zu unterschätzen: Besondere Sachnähe 231 garantiert eine hohe Qualität der Nutzungspläne und steigert die Effizienz 2 3 2 der durchgehenden Planung insgesamt. Die Leistungen des hierfür verantwortlichen Gesamtsystems werden von den Betroffenen jedenfalls dann eher akzeptiert 2 3 3 , wenn ihnen optimale Mitwirkungsmöglichkeiten offenstehen. Es darf nicht vergessen werden: Soweit jedenfalls die Durchführungssysteme zur wertenden Konkretisierung zentraler Planungsentscheidungen befugt sind, können deren Mitglieder mit ihrem Nein zum Nutzungsplan — wenigstens vorübergehend (RPG A r t . 65 f.) — auch über Erfolg oder Mißerfolg der Leistungen des Gesamtsystems mitbefinden. Z u r Sicherung des gesamtsystemar intendierten Planungserfolgs sieht das RPG gegen ein Nein der Stimmbürger zu Nutzungsplänen und kantonalen Planungserlassen i n Extremfällen ein Veto der kantonalen Regierungen vor. Diese werden ermächtigt, den »Scherbenhaufen 4 wiederholt negativer Volksentscheide gewissermaßen treuhänderisch für den Bund zu verwalten. Sie treffen nach A r t . 66 I „die vorläufigen Regelungen, die für die Durchführung unerläßlich sind". 230 v g l . z u dieser Betrachtungsweise etwa: Klein 1972, 148 (Vorteile der Selbstverwaltung: A k t i v i e r u n g der Interessen der Betroffenen, wertvolle Impulse f ü r die Verwaltung); Mayntz 1972, 341 ff. (bessere Qualität der E n t scheidungen u n d Bereitschaft zur E r f ü l l u n g zentral gesetzter Ziele). 231 Vgl. zu dieser Sachnähe u. a. Grisel 1970, 108; Frey 1974, 370; Dagtoglou 1972, 718; Lange 1974, 862 (Sachnäheargument contra mangelnde Resistenz von kleinen „Laienkörperschaften" gegenüber dem Druck von Interessenorganisationen auf lokaler Ebene); Seele 1974, 879 („ortsnahe u n d sachkundige E r f ü l l u n g örtlicher u n d überörtlicher Aufgaben, Konkretisierung von Plänen u n d Programmen zentraler Instanzen, M i t w i r k u n g bei der Festlegung von Zielvorgaben, Integration der Bevölkerung, Verarbeitung von K o n f l i k t e n zur Entlastung der Zentrale"). 232 Vgl. hierzu Klein 1972, 148; Oberndorfer 1972, 530 oder Mayntz 1972, 342 f. 233 v g l . i n diesem Sinne: Knall 1970, 397 f. („ein Höchstmaß an aktiver M i t w i r k u n g . . . w i r d . . . dann erreicht . . . , w e n n die überwiegende Mehrheit der Gemeinschaft den Entwicklungsplan als Ausdruck der eigenen Wünsche empfindet"); Dienel 1971, 152 f. oder Rodriguez-Lorez 1976, 51.

1.3. Zentrale Raumplanung und dezentrale Durchführungssysteme

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1.3.5.3. Umschreibung der Durchführungssysteme Das RPG sagt nichts darüber aus, welche politischen Wirkungseinheiten denn die Nutzungspläne verabschieden sollen — es spricht i n A r t . 25 lediglich von den „nach kantonalem Recht zuständigen Behörden". Lassen sich aus dem System durchgehender Planung selbst Hinweise dafür finden? Für die Umschreibung der Anforderungen an die Ausgestaltung der Durchführungssysteme ergeben sich daraus zwei sich teilweise widersprechende Grundsätze: 1.3.5.3.1. Kleinräumigkeit Durchführungssysteme sollen den raumplanerisch kleinstmöglichen Siedlungsraum 234 umfassen. Nutzungspläne bilden ein kohärentes Ganzes. Die einzelnen parzellenbezogenen Nutzungsanweisungen, aus denen sie sich zusammensetzen, erhalten ihren planerischen Sinn erst i m Zusammenwirken m i t allen anderen. Dieses Zusammenwirken unterschiedlicher, jedoch an einunddemselben Leitbild orientierter N u t zungsarten und -grade bewirkt, daß aus dem Nebeneinander von Bauten, Straßen und landschaftlichen Elementen eine funktionsteilige 2 3 5 und bedürfnisgerechte Siedlung 236 entsteht. Die verschiedenen Nutzungsarten stehen nicht beziehungslos nebeneinander. Sie stehen auch nicht ausschließlich i n funktionalen Beziehungen m i t außerhalb der Siedlung gelegenen Bezugspunkten (Shopping-Center i m Grünen, reine 234

Vgl. ebenso Maurer 1971, 83: „ W e i l die gegenseitige A b s t i m m u n g durch den Gesamtplan gewährleistet w i r d , können die Bezugsgebiete der N u t zungspläne verhältnismäßig k l e i n gewählt werden." — Ebenso: B. Huber: op. cit., oben A n m . 117. 23δ I m Rahmen dieser A r b e i t k a n n kein repräsentativer Querschnitt durch die L i t e r a t u r zum Siedlungsbegriff geliefert werden. Die i m folgenden angeführten Literaturangaben stützen sich auf Beiträge der Zeitschrift „Stadtbauwelt" sowie auf Beiträge aus Atteslander / Hamm u n d einzelne Beiträge i n der Zeitschrift DISP. Z u r Funktionsteiligkeit von Siedlungen: Atteslander / Hamm 1974, 27 ff. („morphologisches Subsystem"); E. ShevkyfW. Bell: Sozialraumanalyse i n : Atteslander / Hamm, 125 ff.; R. Dewey: Das S t a d t - L a n d - K o n t i n u u m i n : Atteslander / Hamm, 48 (eine Analyse der Elemente i n Definitionen der U r b a nität nennt als das am meisten gebrauchte die Heterogenität der F u n k t i o nen). Ferner: Jacoby / Martin 1975, 250 (der „ i n t a k t e Wohnbereich" zeichnet sich aus durch die „netzartige . . . Erschließungsstruktur", durch „die I n t e gration von Nicht-Wohnnutzung . . . " und durch die „räumliche Fassung u n d Nutzungsmöglichkeit des öffentlichen Raumes (Gruppierung u m eine vielfach unterschiedliche, jedoch deutlich erkennbare Mitte). Sie ist nicht bloß eine A d d i t i o n einzelner Wohneinheiten. Sie ist nicht „monofunktional"; Ringli 1976, 18 f. (Tabelle notwendiger Funktionen unterschiedlicher Nutzung f ü r Haupt-, M i t t e l - u n d Kleinzentren); Gebhard / Reichenbach 1974, 272 f. ( „ f u n k tionale Einheit" i m historischen Ortskern einer Gemeinde); Bollerey / Hartmann 1974, 87. 2se v g l . i n diesem Sinne Hillery 1974, 36 („Selbstgenügsamkeit"); Reimer 1974, 158.

7 6 1 . Planungswissenschaftliche u n d planungsrechtliche Grundlagen Industriezone 237), sondern bilden untereinander ein Nutzungsgeflecht, das ein dichtes und auf Befriedigung einer Großzahl unterschiedlicher Grundbedürfnisse 2Z9 gerichtetes soziales Interaktionsfeld 239 innerhalb der Siedlung widerspiegelt W o N u t z u n g zu Wohnzwecken stattfindet — u n d dies m u ß t r o t z d e r a l a r m i e r e n d e n E n t v ö l k e r u n g e i n e r G r o ß z a h l u n s e r e r I n n e n s t ä d t e 2 4 0 als die l e t z t l i c h e i n z i g l e g i t i m e Schlüsselvariable der Siedlungsplanung gelten — m u ß N u t z u n g zu Arbeits-, Schulungs-, E r h o l u n g s - , K o n s u m g ü t e r b e s c h a f f u n g s - oder z u I n t e g r a t i o n s z w e c k e n ebenfalls s t a t t f i n d e n , w i l l m a n n i c h t a u f das e i n e m n o r m a t i v e n S i e d l u n g s b e g r i f f i n h ä r e n t e G e b o t eines m ö g l i c h s t d i c h t e n u n d auf B e f r i e d i g i m g m ö g l i c h s t v i e l e r G r u n d b e d ü r f n i s s e g e r i c h t e t e n sozialen I n t e r aktionsprozesses verzichten. D a v o n w e i c h t d i e S i e d l u n g s w i r k l i c h k e i t trostlos zerrissene* I n t e r a k t i o n s f e l d e r e i n d i m e n s i o n a l e r ' Schlaf-, E r h o l u n g s - , I n d u s t r i e - oder V e r w a l t u n g s q u a r t i e r e m o d e r n e r G r o ß s t a d t k ö r p e r 2 4 1 d e u t l i c h ab. 237 Solche monofunktionale Nutzungseinheiten m i t hohem Zentralitätsgrad (vgl. Jacob / Martin 1975, 250) stehen erst auf einer übergeordneten P l a nungsebene i n einer ausgewogenen Funktionsbeziehung zu anderen — aggregierten — Gestaltungsgrößen. Das t r i f f t bei etwa beider Region zu. 288 y g i . dies dazu Jacob / Martin 1975, 250 („Alltagsbedarf") ; W. Kröniger / I. Mühlich / Mühlich-Klinger: Z u r Problematik des Zusammenhangs von Raumordnung u n d Sanierung, i n : Stadtbauwelt Nr. 45 1974, 30 f. (Funktionssanierung); Cervellati / Scannavini 1973, 151 („lo standard", an dem sich die Sanierung des centro storico städtebaulich orientieren soll, „deve essere finalizzato ai bisogni da saddisfare . . . " Er bezeichnet „ u n vero e proprio modello strutturale e spazziale caratterizzato da u n complesso d i relazioni funzionali e sociali scaturite della reali necessità . . . " ) ; Council of Europe 1967, 121 ff.; P. R. G. 1973, 24; King 1976, 10 f. („vielfältiges Nutzungs- u n d Erlebnisangebot, das Wahlmöglichkeit, Zufall, Spontaneität u n d Selbstbestimmung e r m ö g l i c h t . . . " ) . 289 Vgl. dazu Fehl 1975, 10 (Wechselwirkung zwischen B a u - u n d Sozialplanung); Cervellati f Scannavini 1973, 140; Council of Europe 1967, 93 ff. (social development policy as a complemet to physical planning); Atteslan der / Hamm 1974, 28 (höhere Interaktionsdichte innerhalb einer „ n a t u r a l area") M . Stacey : Totalität: E i n Mythos i n Gemeindestudieri, i n : Atteslander / Hamm, 81: „ E i n lokales Sozialsystem . . . entsteht . . . , w e n n . . . ein Bündel von Beziehungen innerhalb eines geographisch definierten Raumes existiert."); R. D. McKenzy: Konzepte der Sozialökologie, i n : Atteslander 1 Hamm, 107 (Gemeindebildung als A u s w i r k u n g der Tendenz von Personen, an bestimmten Orten zur Befriedigung spezifischer Allgemeininteressen w i e Arbeit, Spiel, Geschäft u n d Erziehung zusammenzukommen ...). 240 Vgl. dazu u.a.: King 1974, 19 (Beispiel F r a n k f u r t ) ; Vortrag 1975, 3 f. (Bedrohung der Nutzungsdurchmischung i n Bern durch die Bürocity, die sich auszubreiten beginnt u n d die Wohnbevölkerung verdrängt); King 1976, 9 ff. („tödlich für die Innenstädte: Rationalisierung u n d Arbeitsteilung"); E. A. Heydock: City-Randgebiete, Beispiel: Wiesbaden, i n : Stadtbauwelt Nr. 49 (1975), 30 f.; Hiss ! Schneider ! Wegener 1976, 48 (Grundsatz der „jeweils rentabelsten Kapitalnutzung") oder Riemer 1974, 154 f. („Bockspringen" h i n zur städtischen Peripherie, dargestellt an einigen Großstädten). 241 Vgl. anstatt vieler King 1974, 19 („eindimensionales Optimierungsprinzip", „ u n d ideologische Reduktion auf Wirtschaftlichkeit"); King 1976, 9 („der Konzentrationsprozeß w i r d begleitet von der Tendenz zur Entmischung, zur

1.3. Zentrale Raumplanung und dezentrale Durchführungssysteme

77

Für unsere — siedlungstheoretisch beschränkte 242 — Fragestellung von Bedeutung ist ferner, daß sich i n solchen Interaktionsfeldern und i n den entsprechenden Nutzungsgeflechten regelmäßig Stellen ausmachen lassen, an denen die häufigsten unterschiedlich motivierten Interaktionen stattfinden. M i t Spengemann kann man dazu etwa assoziieren: „Identifikationsmöglichkeiten . . . hohes Maß an Querverbindungen . . . »Apparatur zur Vermittlung von Kontakt-Alternativen 4 . . . Kontinuierliche Gebrauchsdichte . . . Fortlaufendes Mosaik charakteristischer Bereiche m i t einem hohen Grad an entdeckbaren Wiederholungen und Abweichungen . . . aufeinander abgestimmte Teilbereiche, vielfach noch multifunktional genutzt. Überschußräume 243 ." Es handelt sich u m ein „innerhalb des Stadtganzen gestaltbestimmendes und gestaltprägendes, d.h. bedeutendes und zusammenhängendes Raum-Masse-Gefüge, i n dem größtmögliche Intensität herrscht" (Schirmacher) 244. Diesem Siedlungskern stehen Randgebiete „ m i t einer deutlich abfallenden Interaktionsdichte" 2 4 5 gegenüber. Geographische, funktionale oder städtebauliche Momente führen dazu, daß das Interaktionsfeld — entfernt man sich vom Zentrum noch weiter weg — schließlich »abbricht 4. Es findet gar keine Besiedlung mehr statt oder man befindet sich bereits an der Peripherie einer anderen Siedlung. Nutzungsanordnungen für diese Gebiete stehen nicht mehr i n einer funktionalen Beziehung m i t der Ausgangssiedlung. Sie gehören daher auch nicht i n den gleichen Nutzungsplan. Konsequenterweise sind sie von einem anderen Durchführungssystem zu erlassen. M i t dieser Gleichsetzung des räumlichen Wirkungsbereiches eines Durchführungssystems mit dem von ein und demselben kohärenten Nutzungsplan sinnvollerweise überziehbaren Siedlungsgebiet 246 würde zugleich dem Gebot optimaler Partizipation aller gleichermaßen vom Nutzungsplan Betroffenen an der Nutzungsplanung entsprochen 247 . OpIsolierung. Die Vielschichtigkeit innerstädtischer Nutzungsdurchmischung verschwindet . . w i r d ersetzt durch . . . Gleichzeitigkeit: gleiche A k t i v i t ä t e n geschehen n u n zu gleicher Zeit an gleichem Ort. Ergänzend zu den monofunktionalen „Zonen" bilden sich spezialisierte „Zentren" der Versorgung aus"); Rosow 1974, 190ff. (monofunktionale Wohnnutzung fördert die soziale Segregation); Ratz 1973, 22 ff. („Verödung der Innenstädte" unzureichend ausgestattete „Schlafstädte"). 242 Vgl. den Hinweis oben A n m . 235. 248 Spengemann 1975,165 f. 244 Schirmacher 1975, 243. 246 Atteslander / Hamm 1974, 28. 246 Die hier geforderte Gleichsetzung entspricht nicht derjenigen von Siedlungsgebiet u n d Gestaltungsplan (etwa nach dem bern. BauG) oder Sanierungsgebiet (StBauFG §§ 3 ff.) als rechtliche Verselbständigung von städtischen Teilgebieten gegenüber dem übrigen Stadtkörper. H i e r handelt es sich u m Sondernutzungsbestimmungen. 247 Vgl. Näheres unten 1.7.3.

7 8 1 . Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen timale Partizipation i m überschaubaren Rahmen ist wiederum eine wesentliche Voraussetzung dafür, daß die bundesweit angestrebte zweckmäßige Nutzung des Bodens und die geordnete Besiedelung des Landes (RPG A r t . 6) auch den tatsächlichen Bedürfnissen der Raumnutzer entspricht 2 4 8 . Diese Gleichsetzung schafft aber praktische Folgeprobleme, deren rechtliche Bewältigung äußerst schwierig sein w i r d : Gesucht w i r d eine staatsrechtliche Umschreibung des Siedlungsbegriffes und dessen Integration i n die bestehenden, bei größeren Siedlungskörpern nicht dekkungsgleichen Körperschaften der Gemeinden (z.B. neighbourhood 249 oder locality 2 6 0 ). Es müssen also präzise und operable Interaktionsfelder gefunden werden. Eine solche Typenbildung hätte von »idealen4, quantifizierten Zuordnungsverhältnissen der verschiedenen für die Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse allgemein als notwendig erachteten Nutzungsarten (Wohnen, Konsum, sozialer Kontakt, Grundausbildung, K u l t u r und Freizeit, Arbeit etc.) auszugehen 251 . Vor diesen »idealen 4 Quotienten und den vorhandenen M i t t e l n müßte nach Erfahrungswerten daraufhin die Schlüsselvariable »Einwohnerzahl 4 als Idealwert festgelegt werden. Solchermaßen erarbeitete Werte — die Praxis geht bei der Neuerrichtung von Siedlungen offenbar von 5000 bis 10000 Ein248 v g l . die Erfahrungsberichte bei Fehl 1975, 8 (Bevorzugung der Eigentümer gegenüber den nach § 4 (2) StBauFG ebenfalls zur M i t w i r k u n g berechtigten Mieter u n d Pächter i m sog. Erörterungsverfahren); Jonas 1975, 15 ff. (Beratungsstellen u n d Advokatenplanung); Ratei 1974, 22 ff. (Erfahrungen m i t Erörterungsveranstaltungen nach § 9 StBauFG); R. Loch/W. Lück: Automatische Verfahren bei der Sanierung nach Städtebauförderungsgesetz, i n : Stadtbauwelt Nr. 45 (1974), 54 (Sammlung von Angaben über „die Bedürfnisse der Betroffenen u n d die sozialen Gegebenheiten . . . sowie über Einstellung, Mitwirkungsbereitschaft u n d Vorschläge der Bevölkerung . . . " gem. § 4 Abs. 1 S. 2 u n d § 8 Abs. 2 S. 1 StBauFG). 249 Vgl. dazu Council of Europe 1967, 121 f. Gefordert w i r d eine U n t e r teilung der Stadtplanung i n zwei unterschiedliche Ebenen u n d damit eine Unterteilung des beplanten Stadtkörpers. Verbunden m i t der Feststellung, vermehrte Partizipation der Bürger sei notwendig, u m den Graben zwischen Bürger u n d „politico-administrative structures" (179) zu überwinden, bedeutet dies die Errichtung v o n stadtteilbezogenen Institutionen: „ I n v i e w of the inadequacy of traditional representation, . . . i t seems necessary to establish intermediate bodies between the mass of the people and the municipal authorities that they elect" (180). 250 v g l . dazu Α. Kaufmann: Urbanisierung, i n : Atteslander / Hamm, 275 f. 251 Vgl. dazu etwa R. Alb er echt / D. Frick/R. V. Grot : Bestimmung von Typen der Flächennutzung, Ansatz u n d Verfahren, i n : Stadtbauwelt Nr. 46 (1975), 125 ff. (Methode zur Bestimmung vorhandener Zuordnungsverhältnisse unterschiedlicher Nutzungen); G. Seele: Planungsbericht aus Ostfriesland, i n : Stadtbauwelt Nr. 43 (1974), 209 ff. (Planung von Ortszentren neugebüdeter Gemeinden von 13 000 Einwohnern) ; Ringli 1976, 18 f. (typische Ausstattungseinrichtungen von Haupt-, M i t t e l - u n d Kleinzentren f ü r die Bereiche Schul- u n d Spitalwesen, Verkehr, Einkauf, Handel u n d Finanz bei gegebener Einwohnerzahl); Raumplanung: Vademecum 1973/74, O R L - I n s t i t u t der Ε Τ Η , Zürich 1973,10 ff. (ausgewählte Einrichtungen).

1.3. Zentrale Raumplanung und dezentrale Durchführungssysteme

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wohnern aus 2 5 2 — müßten m i t den i m Laufe der Zeit i n vorhandenen Siedlungsgebieten entstandenen Stadtteilen oder Quartieren verglichen werden, u m bei der Bildung von Durchführungssystemen i n bestehenden Siedlungsgebieten die vorhandenen Strukturen den Idealwerten anzugleichen. Zwischen den so gebildeten städtischen Durchführungssystemen w i r d eine weit höhere gegenseitige Abhängigkeit bestehen als zwischen zwei ländlichen Dörfern. Dies spricht nicht gegen eine planungsgerechte Dezentralisierung im städtischen Siedlungskörper. Für die gesamte Stadt bedeutsame Planungsinhalte würden weiterhin von den gesamtstädtischen Behörden beschlossen. Soweit notwendig könnten diese solche Entscheidungen i n der Form unmittelbar verbindlicher Nutzungsanweisungen erlassen 253 . Unter Beachtung genauester Kompetenzausgrenzungen zwischen Stadtteil und Gesamtstadt ließe sich eine solche Ausgestaltung der Durchführungssysteme i n Städten — sind die Stadtteile rechtlich einmal umschrieben — auch verwaltungspraktisch durchführen. Weil das RPG keine kategorische Gleichsetzüng von Durchführungssystemen und politischen Gemeinden fordert, könnte jedenfalls das kantonale Recht — etwa über eine Anerkennung der Stadtteile als öffentlichrechtliche Körperschaften — solche Lösungen ins Auge fassen. Unterteilungen von bevölkerungsreichen Gemeinden auf der „subkommunalen Stufe" 2 5 4 kommen i m kantonalen Staatsrecht i n anderen Bereichen bereits heute v o r 2 5 5 . Mögliche Kosten, die der Funktionsfähigkeit des raumpolitischen Gesamtsystems aus allfälligen Kompetenzkonflikten zwischen Stadt und Stadtteilen erwachsen könnten, steht der für das Gesamtsystem bedeutsame Vorteil eines bedürfnisgerechten 252 Nach A u s k u n f t v o n P r a k t i k e r n gibt es hierfür keine gesichertën Zahlen. Vgl. die Hinweise i n Council of Europa 1967, 121 (neighbourhood u n i t umfaßt 2000 to 4000 houses, was etwa 8 - 16 000 Einwohnern entspricht); Riemer 1974, 157 (Nachbarschaft als Einheit innerhalb des Stadtgebietes, die nicht mehr als 5000 Menschen umfassen sollte); A. Kaufmann: op. cit. A n m . 250, 279ff. (Gemeindegrößenklassen); Jonas 1975, 15 (Größe des Sanierungsgebiets Martins viertel: 14 000 Einw. — „ e i n mehrere N u m m e r n zu großes Vorhaben"); D. Foethf J. Heins / P. Michelis: Rahmenplan für einen Stadtteil, eine städtebauliche Konzeption f ü r Hamburg-St. Georg, i n : Stadtbauwelt Nr. 45 (1974), 51 (Quartiergröße von St. Georg i n Hamburg: 14 000 Einw.). 258 I n Analogie zu den von den Kantonen erlassenen Nutzungszonen. Vgl. unten 1.6.2.2.1. 254 Jagmetti 1972, 260. 255 Vgl. die Beispiele bei Jagmetti 1972, 260 ff. (Zürich: Verwaltungs- u n d Schulkreise), Bern (Gesetz über das Gemeindewesen v o m 9.12.1970, A r t . 67 ff. : Unterabteilungen von Gemeinden, die alle Kennzeichen von Gebietskörperschaften aufweisen. Sie müssen von der Mehrheit aller Stimmberechtigten der betreffenden Unterabteilung u n d v o m Regierungsrat genehmigt werden. Gebräuchliche Namen: Bäuert, Ortsgemeinde, Dorfgemeinde, V i e r telsgemeinde, section), OW, GR u n d VD. I m F a l l BGE 89 I 188 ff. steht ein Baureglement m i t Zonen- u n d Straßenübersichtsplan einer Viertelsgemeinde des Kantons B E zur Debatte.

8 0 1 . Planungswissenschaftliche u n d planungsrechtliche Grundlagen Abschlusses d e r P l a n u n g gegenüber. E i n V o r t e i l ü b r i g e n s , d e r auch aus d e m ü b e r g e o r d n e t e n G e s i c h t s w i n k e l e i n e r D e m o k r a t i s i e r u n g des p o l i t i schen S y s t e m s 2 5 6 b e g r ü ß e n s w e r t scheint. 1.3.5.3.2. F u n k t i o n s f ä h i g k e i t I n t e i l w e i s e m W i d e r s p r u c h z u dieser ersten s t e h t aber d i e z w e i t e A n f o r d e r u n g a n d i e D u r c h f ü h r u n g s s y s t e m e : Sie m ü s s e n f u n k t i o n s f ä h i g e politische W i r k u n g s e i n h e i t e n sein. I h r e I n s t i t u t i o n e n m ü s s e n e i n e n i n t e gralen Nutzungsplanungsprozeß — v o n der Entscheidung über die Planungsziele b i s h i n z u r Beschlußfassung ü b e r d e n N u t z i m g s p l a n — s e l b s t 2 5 7 t r a g e n u n d d a r a u s r e s u l t i e r e n d e F ö l g e p r o b l e m e 2 5 8 auch w e i t gehend bewältigen können. O b S t a d t t e i l e d e r z e i t d e n f ü r eine D u r c h f ü h r u n g i n t e g r a l e r N u t zungsplanungsprozesse hinreichend repräsentativen Organisationsgrad 259 a u f w e i s e n , i s t f ü r d i e schweizerischen V e r h ä l t n i s s e i m E i n z e l f a l l a b z u k l ä r e n . G l e i c h w o h l m ö c h t e i c h dies i n A n b e t r a c h t e i n e r g e n e r e l l wenig dichten politischen Kultur 280 eher bezweifeln. Z w a r fehlen m e i 2ββ v g l . dazu i m einzelnen unten 2.5. 257 y g i über die Notwendigkeit, alle diese Planungsstufen zu durchlaufen, unten 1.5.1.; über die verschiedenen Stufen i m einzelnen: unten 3.1.2. u n d 3.2. ff. 158

Vgl. oben 1.3.1. Vgl. zu Begriff u n d Bedeutung etwa: Offe 1972, 145 ff. (Voraussetzungen f ü r gesellschaftliche Interessen, verbandsförmig repräsentiert zu sein: O r ganisations- u n d Konfliktfähigkeit); Vilmar 1973, I , 415 f. (Leistungsfähigkeitssteigerung der K o m m u n e n durch Anhebung des allgemeinen Organisationsgrades) ; H. Nix: Die Konzepte „Gemeinde" u n d „kommunale Macht", i n : Atteslander / Hamm, 324 ff. (Beziehungszusammenhänge zwischen verschiedenen Vereinen u n d Organisationen innerhalb einer L o k a l i t ä t machen die soziale Tatsache, aus denen Gemeinden bestehen, aus.); P. Trappe: Z u r F u n k t i o n sozialer Basisprozesse i n der Verfassungswirklichkeit — Theoretische Ansätze, i n : ZSR 1974 (93), I , 289 f. („Dichte u n d W i r k s a m k e i t " latent w i r k samer sozialer Basisprozesse bleiben „nicht ohne Einfluß auf die politische Partizipation" (306); Jonas 1975, 17 (Advokatenplanung zur Kompensation für einen niedrigen Organisationsgrad bestimmter Betroffenheitsinteressen). 259

260 Vgl. zu Begriff u n d Bedeutung etwa: Dienel 1971, 165 u n d dort angeführte L i t e r a t u r ; Almond / Verba 1963; Sontheimer 1970, 26 (politische K u l t u r = alle jene Erscheinungen, „die m i t den Einstellungen, Glaubenshaltungen u n d den politischen Verhaltensweisen . . . verbunden sind"); Council of Europe 1967, 125 (Bedeutung v o n Gemeinschaftszentren f ü r die politische K u l t u r ) ; P. R. G. 1973, 20 (Förderung der politischen K u l t u r ) una nuova d i mensione democratica über eine bestimmte Anlage der „ l u o g h i d i pubblico consumo (servizi)"; die traditionelle Trennung fra abitazione e servizi, fra residenza e a t t i v i t à ricreative, c u l t u r a l i e spirituali (18)" ist aufzuheben; Cur des 1975, 191 (mangelnde Ausschöpfung des Potentials politischer K u l t u r durch ausgebaute M i t w i r k u n g f ü r Stadtteile an sie betreffenden Planungsentscheidungen. Die Mitwirkungsbereitschaft ist deshalb gering, w e i l die Position der Stadtteilorgane gegenüber der Gesamtstadt zu schwach ist. E i n „ p r o d u k t i v e r Dualismus zwischen Gesamtstadt- u n d Stadtteilinteressen" (192) k a n n nicht zustande kommen).

1.3. Zentrale Raumplanung u n d dezentrale Durchführungssysteme

81

nes Wissens systematische A n a l y s e n ü b e r unsere g r ö ß t e n Schweizer Städte. D i e P r a x i s des s t a d t b e r n i s c h e n P l a n u n g s a m t e s 2 6 1 e t w a scheint d i e V e r m u t u n g z u bestätigen, daß sich i m a l l g e m e i n e n w e n i g l ä n g e r f r i s t i g bestehende O r g a n i s a t i o n e n f ü r q u a r t i e r p o l i t i s c h e P r o b l e m e f i n den. Bestehende V e r e i n i g u n g e n e r w e i s e n sich v i e l f a c h als n i c h t r e p r ä s e n t a t i v , w e i l sie w e i t g e h e n d Eigentümervereinigungen 262 darstellen. E i n e D e z e n t r a l i s i e r u n g d e r N u t z u n g s p l a n u n g w ü r d e u n t e r solchen U m s t ä n d e n w a h r s c h e i n l i c h eher z u e i n e r E n t d e m o k r a t i s i e r u n g d e r R a u m p l a n u n g i m S i n n e dieser A r b e i t 2 6 3 f ü h r e n . G e g e n diese skeptische B e u r t e i l u n g s p r i c h t a l l e r d i n g s , daß sich sol a n g e k e i n e h i n r e i c h e n d gefestigte p o l i t i s c h e K u l t u r h e r a n b i l d e n k a n n , als a u f S t a d t t e i l e b e n e k e i n e r e l e v a n t e n p o l i t i s c h e n E n t s c h e i d u n g e n z u t r e f f e n sind. D e m e n t s p r e c h e n d w i r d m a n , i n A n l e h n u n g a n das B o l o g n e s e r - M o d e l l 2 6 4 , das l ä n g e r f r i s t i g a u f eine N u t z u n g s p l a n u n g d u r c h d i e S t a d t t e i l e abzielt, i n e i n e r Übergangsphase d e n S t a d t t e i l e n ausge261 So wurde i m Bernischen Stadtrat am 17.5.1976 eine Interpellation eingereicht, die die Schaffung v o n Quartierausschüssen verlangte. Unter dem T i t e l „Gleiches Recht f ü r alle" n a h m der Stadtpräsident i m B u n d v ö m 15.11. 1973 (Nr. 268), 17 dazu positiv Stellung. Seither besteht indessen erst ein derartiger Quartierausschuß (Kirchenfeld: vgl. Der B u n d v o m 31.10.1974 (Nr. 255), 17). Die stadtbernischen Parteien entwickeln wenig quartierbezogene A k t i v i t ä t e n , obwohl sie i n Untersektionen gegliedert sind, deren Einzugsgebiet sich — mehr oder weniger genau — m i t den traditionellen Quartieren deckt. 262 Stadtteilprobleme nehmen sich, neben kirchlichen, fürsorgerischen u n d spontan auftretenden, kurzlebigen Initiativgruppen, i n B e r n hauptsächlich die sog. Quartier- u n d Gassenleiste an. Sie können indessen nicht als f ü r die Bevölkerung repräsentativ betrachtet werden: Vgl. den oben A n m . 261 zitierten Zeitungsartikel „Gleiches Recht f ü r alle" u n d die Stellungnahme des Verbandes der Quartier- u n d Gassenleiste „ S i n d Quartierausschüsse repräsentativ?", i n : Der B u n d v o m 14.11.1973 (Nr. 267), 13. 2β3 v g l . dazu allgemein: unten 2.2. f. Ferner Dienel 1970, 149 („Die . . . Bereitschaft zur Beteiligung an Planungsprozessen ist i n der Regel interessenabhängig. Unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen handelt es sich dabei vor allem u m eigentums- . . . bezogene Interessen . . . " ) ; Rodriguez Lorez 1976, 53 (Eigentümerdominanz); R. Dahl: Who Governs — Democracy and Power i n an American City, New Heaven, London 1961, 356. Einen Beleg hierfür liefert die Zusammenstellung der gegen den stadtbernischen N u t zungszonenplan eingereichten Einsprachen bei Fisch 1976, 82. (315 G r u n d eigentümereinsprachen, 15 Einsprachen privatrechtlicher Organisationen u n d 5 seitens der Stimmbürger). 264 Vgl. dazu u. a. P. R. G. 1973, 8 („pseudodecentramento" des vorbestandenen Zustandes), 17 (Zielsetzung: L'allargamento della base democratica attraverso i quartieri e controllo popolare della gestione urbanistica"), 19 ( „ I I contribuito dei quartieri alle scelte generali della variante — strategia della participazione de i citadini"). Seit 1974 haben die Quartiere neben Anhörungsrechten auch eigene Entscheidungsbefugnisse: I l nuovo regolamento degli organismi d i quartieri 1974 i. V. m. dem Impegno programmatico per u n ulteriore svüuppo della politica d i decentramento, i n : Bologna. Documenti del Comune 3/1974. Vgl. zur Entwicklung i n italienischen Städten a l l gemein: Rodriguez-Lorez 1976, 50 ff. u n d das dort angeführte, reichhaltige Material.

6 Knoepfel

8 2 1 . Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen baute Mitspracherechte 265 am — immer noch gesamtstädtisch durchgeführten — Nutzungsplanungsprozeß einräumen. Durchführungssysteme müssen zum zweiten i n der Lage sein, die Folgeprobleme einer Nutzungsplanung zu bewältigen. Unmittelbar dam i t zusammenhängende Kompetenzen, die gesamtstädtische Belange nicht berühren, lassen sich ohne Schwierigkeiten auf die Stadtteile m i t übertragen (etwa die Befugnis zum Erlaß gestalterischer Vorschriften 2 e e ). Die Übertragung finanzieller Mittel — w o h l zentralstes Folgeproblembewältigungsinstrument — dürfte aber auf politische Hindernisse stoßen. Nutzungsplanung kostet i n jedem Falle Geld; dieses soll — so eine verbreitete Anschauung — aus den Steuergeldern derjenigen stammen, die von der durch Planung bewirkten Steigerung der Lebensqualität primär profitieren 2 6 7 , m i t h i n von den Stadtteilbewohnern selbst. Sie sollen nach dieser Auffassung nicht Pläne beschließen können, für deren Durchsetzung die Steuergelder anderer verwendet werden. Sonst bestehe die Gefahr, daß trotz Verhältnismäßigkeitsgebot ,wild drauflos' Geldmittel verplant werden. Dem entspräche eine Lösung, die entweder jedem Stadtteil direkt proportional zu seiner Steuerkraft eine Quote für Planungsaufwendungen zuspricht oder die M i t telbeschaffung den Stadtteilen durch Übertragung einer Planungssteuerhoheit 268 überläßt. Aber mögliche Planungsaufwendungen dürfen nicht ausschließlich von der Einwohnerzahl, sondern sie müssen ebenso stark von der vorgefundenen örtlichen Nutzungsstruktur und den unterschiedlichen Planungszielen abhängig gemacht werden. ,Steuerkraft-' oder ,einwohnerzahlproportionale' Quotenzuteilungen würden bereits bevorzugte Stadtteile i n fragwürdiger Weise besserstellen. Strebt man eine Nutzungsplanung durch die Stadtteile an, so müßte man den Stadtteilen aus den allgemeinen städtischen Steuereinnahmen sowie aus allfälligen Einnahmen aus Mehrwertabschöpfungen (RPG A r t . 37) — solche dürften nach der Konzeption des RPG vornehmlich an der Peripherie anfallen — hinreichende finanzielle M i t t e l nach einem planerisch sinnvollen 2β5 v g l . unten 3.4.2. — v o r einer einfachen Übernahme norditalienischer Modelle auf unsere Verhältnisse muß i n Anbetracht der unterschiedlichen politischen K u l t u r e n gewarnt werden. 2ββ Vgl. zur Frage, ob solche Vorschriften Bestandteil des Nutzungsplanes sind, unten 1.6.1.3.2. 287 Daraus resultieren die weitverbreiteten Widerstände gegen eine m a terielle Steuerharmonisierung. I m m e r h i n sieht das R P G (Art. 37 I I I u n d 45) Möglichkeiten eines Finanzausgleiches vor. Aus formeller oder materieller Enteignung zu leistende Entschädigungen sind aber gem. A r t . 53 v o n dem Gemeinwesen zu bezahlen, die die enteignende Maßnahme beschlossen hat. 268 Die Übertragung einer beschränkten Steuerhoheit auf Stadtteile wäre nach dem Staatsrecht einiger Kantone möglich. Vgl. Jagmetti 1972, 260 ff. (GR, BE).

1.3. Zentrale Raumplanung und dezentrale Durchführungssysteme

83

Schlüssel zuteilen. Dieser hätte sich an der gleichmäßigen Verteilung planerisch bedingter Lebensqualität i n allen Stadtteilen und nicht an ihrer vorhandenen Finanzkraft zu orientieren. 1.3.5.3.3. Schlußfolgerung Eine realistische Gegenüberstellung der beiden an Durchführungssysteme zu stellenden Anforderungen ergibt, daß unter den heutigen Verhältnissen auf eine vollumfängliche Nutzungsplanung durch die Stadtteile im allgemeinen noch verzichtet werden sollte. Gleichwohl werden w i r unter 1.6.1. diese Überlegung nochmals aufgreifen und nach Hinweisen für eine mögliche Kompetenzaufteilung zwischen Stadtteilen und Gesamtstadt suchen. Eine solche Lösung w i r d prinzipiell möglich sein, wenn die Stadtteile durch die unten darzulegende Mittellösimg einer mehr oder weniger ausgebauten Stadtteilpartizipation 2 6 9 eine i n stitutionell gefestigte und politisch eigenständige Stellung erlangt haben werden. Vorläufig gehen w i r davon aus, daß als Durchführungssysteme die Gemeinden auftreten. Diese räumen den Stadtteilen sukzessive auszubauende Partizipationsrechte an dem von ihnen getragenen Nutzungsplanungsprozeß ein. Parallel zur Realisierung der bundesweit geforderten Planung hätte damit eine von den Städten zu fördernde Ausbildung von Stadtteilen zu erfolgen; diesen sollen auch andere als nur nutzungsplanerische Aufgabenbereiche zugewiesen werden (ζ. B. K u l t u r und Freizeit) 2 7 0 .

2ββ V

g l . u n t e n 3.4.2.3. So haben sich die Bologneser Quartierorgane u. a. m i t öffentlichem B i l dungswesen, K u l t u r u n d Freizeit, Wirtschaftsprogrammen u n d Versorgungsnetzen sowie m i t Verkehrspolitik zu befassen (gem. Impegno programmatico op. cit. A n m . 264). Die E n t w i c k l u n g der Handelsstruktur des Quartiers, die Quartiersbibliothek u n d andere kulturelle Einrichtungen oder die Arbeitsorganisation steht ihnen ausschließlich zu. 270

β·

8 4 1 . Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen 1.4. Raumpolitisches Gesamtsystem und Subsysteme i n der Konzeption des Raumplanungsgesetzes — Die verschiedenen Stufen der durchgehenden Raumplanung 1.4.1. Aufbau und Gliederung des Gesamtsystems

Region u n d Stadtteil als mögliche raumpolitische Subsysteme w e r d e n in dieser Skizze nicht angeführt. I I I (raumpolitisches Subsystem der Gemeinde) heißt auch Durchführungssystem. Skizze 2

1.4. Gesamtsystem u n d Subsysteme — durchgehende Raumplanung 1.4.2. Prozeßskizze

Legende: vgl. 1.4.3.

Skizze 3

86

1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen 1.4.3. Zum Ablauf durchgehender Planungsprozesse (nach Skizze 3) 2 7 1

I m folgenden ist zu skizzieren, wie sich Raumplanung prozeßlogisch i m System durchgehender Planung abwickelt, und wie das RPG diesen stufenweisen Prozeß regelt. Die Ziffern beziehen sich auf die Skizze. 1

Die (ungeplante) räumliche Entwicklung i m Gesamtraum Schweiz (I) führt zu unbefriedigenden Ergebnissen. Vermehrte Planungstätigkeit w i r d notwendig. Es werden für den Gesamtraum Schweiz einheitliche Planungsziele (Ï) formuliert; der Gesamtraum Schweiz erscheint als unteilbares, einheitliches Planungsfeld: — RPG A r t . 1 I I : Zielvorgaben 2 7 2 für alle — auch bundespolitische Planungsprozesse. — RPG A r t . 21: Weitere materielle Grundsätze gleicher Qualität wie A r t . 1 I I (geschlossen aus A r t . 38 II) und eigentliche bundeseigene Zielsysteme 278 . — RPG A r t . 2: Ingangsetzen des durchgehenden Planungsprozesses, der überall i m Gesamtraum Schweiz zu einer Festlegung der Nutzung eines jeden Raumabschnittes führt.

l a Ergänzt und teilweise eingeschränkt werden die nach siedlungspolitischen Gesichtspunkten erstellten Planungsziele durch den räumlichen Niederschlag der Bundessachplanung 274, die außerhalb der Raumplanung stehende Zwecke verfolgt. Raumwirksamkeit ist hier bloßes Nebenprodukt, nicht Hauptzweck. So bezwecken raumwirksame Maßnahmen der Gesamtverteidigung nicht eine bestimmte Besiedlung des Landes, sondern einen bestimmten Grad an Verteidigungsbereitschaft. Diese kann eine bestimmte Sied271 Historisch hat sich Raumplanung i n unserem Lande bisher v o n unten nach oben vollzogen. Denn Ausgangspunkt bildeten die kommunalen E r lasse, u n d erst der Koordinierungsdruck veranlaßte überkommunale P l a nungsprozesse. O b w o h l der v o m RPG vorgesehen Gesamtprozeß i n der Regel die bestehenden kommunalen Planungswerke nicht i n Frage stellt — eine Ausnahme büden die auch unter einem neuen Gesetz vorzusehenden Rückzonungsgebote — wickelt sich der Planungsprozeß nach der L o g i k des R P G nunmehr v o n oben nach unten ab. Vgl. i n diesem Sinne Rosenstock 1971, 177 u n d Pfisterer 1975, 21 ff. Das hat m i t einem M e h r oder Weniger an Demokratie nichts zu tun. Die Prozeßskizze n i m m t Ergebnisse aus Überlegungsgängen späterer K a p i t e l (1.5. u n d 1.6.) vorweg. Sie bezweckt lediglich darzulegen, welche Stell u n g den später darzulegenden Instituten i m gesamtsystemaren Planungsablauf zukommt. I n diesem Sinne werden w i r uns i m Apparat i m wesentlichen auf Verweisungen zu den entsprechenden K a p i t e l n beschränken. 272 Vgl. unten 1.6.3. 278 Daß R P G A r t . 1 I I kein eigentliches Zielsystem darstellt, ist unten 1.6.3.2. zu zeigen. 274 Vgl. oben 1.2.3. u n d unten 1.6.3.3.1.

1.4. Gesamtsystem und Subsysteme — durchgehende Raumplanung

87

lungsstruktur voraussetzen, die u. U. i m Widerspruch zu spezifisch siedlungspolitischen Gesichtspunkten steht 2 7 5 : — RPG A r t . 1 I I Bst. h: Verteidigungsbereitschaft. — RPG A r t . 21 I I : Zielkonflikt, indem die Sachpläne des Bundes den materiellen Grundsätzen und den Gesamtrichtplänen der Kantone gleichgestellt werden. — RPG A r t . 23: Bundessachpläne Verkehr, Versorgung und öffentliche Bauten 2 7 6 . 2

Die Planungsziele werden mit jedem bundeszielrelevanten Raumabschnitt 277 i m Gesamtraum Schweiz konfrontiert 278. Die räumliche Wirklichkeit w i r d nach einheitlichen, für alle Abschnitte gleichermaßen gültigen, zentralen Kriterien untersucht: — RPG A r t . 20: Darstellung der Ergebnisse der Untersuchungen über die möglichen künftigen besiedlungs- und nutzungsmäßigen Entwicklungen des Landes i n Leitbildern.

3

I n einem gesamtschweizerischen Plan (I-) werden bundesrelevante Entwicklungsdaten je Raumabschnitt rechtlich i n bestimmter Weise festgelegt: — RPG A r t . 21 I : Auswahl eines nach A r t . 20 errichteten Leitbildes = ein materieller Grundsatz 2 7 9 .

4

N u n zerfällt der Gesamtraum Schweiz i n verschiedene Teilräume (Kantone). Für sie sind die zentralen Planungsentscheidungen soweit verbindliche Planungsziele, als sie Objekte i n ihrem Planungsfeld betreffen. Aus den obgenannten Gründen sind solche Planungsziele i n der Regel abstrakt formuliert 2 8 0 und bedürfen der i n Konfrontation m i t den je Teilraum unterschiedlichen räumlichen Gegebenheiten zu erarbeitenden Konkretisierung:

276 So soll eine — siedlungspolitisch unerwünschte — Streusiedlung f ü r die Belange der Landesverteidigung u. U. notwendig sein. 276 Diese lassen sich siedlungspolitischen Gesichtspunkten f u n k t i o n a l u n terordnen. Vgl. dazu u n t e n 1.6.3.3.1. 277 Vgl. zum Begriff: Hoppe 1974, 646 („Zielrelevante Realfaktoren u n d L e benssachverhalte"). 278 Diese Konfrontation der Zielbündel m i t den zielrelevanten Objekten der Raumwirklichkeit nennen w i r später „Implementierung". Vgl. oben S. 35 u n d unten 1.5.1. Meines Wissens findet sich i n der Raumordnungsliteratur diese prozeßanalytische F i g u r nicht. 279 E i n solcher „Gesamtplan Schweiz" w i r d i n der L i t e r a t u r explizit oder i m p l i z i t beinahe durchwegs abgelehnt. Unter 1.6.2.2. u n d 1.6.3.3.2. ist darzulegen, weshalb ich diese herrschende Meinung f ü r unzulänglich halte. 280 Vgl. oben 1.3.3.

8 8 1 . Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen — RPG A r t . 21: Materielle Grundsätze = Grundlagen der Raumordnung. — RPG A r t . 39: Genehmigung der kantonalen Gesamtrichtpläne durch den Bundesrat ( = Feed-back-System). 5

Von der Bundesplanung vorgegebene Planinhalte können auch konkret formuliert sein. Eine — wertende — Konkretisierung ist dann weder nötig noch möglich. Dies ist vielfach der Fall bei der Bundessachplanung. Ihre Inhalte sind unverändert i n die kantonalen Zielsysteme und Gesamtpläne und/oder kommunalen Zielsysteme und Nutzungspläne aufzunehmen. Sie greifen durch die Subsysteme: — RPG A r t . 22: Landschaften und Objekte von nationaler Bedeutung. — RPG A r t . 23 I + I I : Gesamtverkehrspläne 281 , Plan der öffentlichen Bauten und Anlagen. — RPG A r t . 23 I V : Hier w i r d dieser Durchgriff angedeutet, indem den Subsystemen keine oder nur eine geringe Durchführungsautonomie vorbehalten bleibt.

6

Entsprechend unterschiedlichen räumlichen Bedingungen und Gestaltungswünschen werden je kantonaler Teilraum unterschiedliche Planungsziele (II) aufgestellt. Dabei ist die Autonomie der Kantone beschränkt: Das Feld möglicher Inhalte w i r d durch das den Kantonen vom Zentralsystem zugewiesene Planungsinstrumentarium vorgezeichnet: Räumliche Entwicklungsziele können sinnvollerweise nur insoweit postuliert werden, als hierzu erforderliche Durchsetzungsmittel bestehen 282 . Eine weitere Beschränkung liegt i n den vom gesamtschweizerischen Plan gesetzten Zielvorgaben. Innerhalb dieser Schranken besteht Planungsautonomie; w i r sprechen von der stufenadäquaten Autonomie des Subsystems. — RPG A r t . 6: Zweck der Gesamtrichtpläne. — I m übrigen ist i m RPG die Stufe der kantonalen Planungszielbündelformulierung nicht verselbständigt 283 . Gesamtrichtplan und darin enthaltene Teilrichtpläne sind selbst nicht die Planungsziele, sondern vielmehr das Ergebnis der Konfrontation solcher Ziele mit der dazu relevanten Raumwirklichkeit. Die Gesamtrichtpläne sollen — laut A r t . 6 — eine „zweckmäßige Nutzung des Bodens und

281 E t w a i m Rahmen der Bundeskompetenz i m Nationalstraßenwesen (vgl. das B G über die Nationalstraßen v o m 8.3. (1960 SR 725.11). Ferner oben 1.3.3. A n m . 182. 282 Vgl. hierzu unten 1.6.2.2.3.1. 283 Vgl. dazu u. a. Botschaft 1972, 75; Rosenstock 1971, 179.

1.4. Gesamtsystem und Subsysteme — durchgehende Raumplanung

89

eine geordnete Besiedelung des Landes gewährleisten". Planungsziele müssen nun bestimmen, was unter dieser Blankettformel i m einzelnen erreicht werden soll. (Besiedelung und Landschaft, Verkehr, Versorgung, öffentliche Bauten und Anlagen.) 7

(Analog 2) Das kantonale Zielbündel w i r d nun m i t den relevanten Faktoren und Gegebenheiten i n der Raumwirklichkeit (Π) konfrontiert. Diese ist als Teil mit Planungszielen konfrontiert worden. Es werden daraus nun aber andere Elemente herausgegriffen 284 . Die dezentralen nur für kantonale Teilräume gleichermaßen geltenden Planungsziele sind spezifischer auf die unterschiedlichen räumlichen Gegebenheiten ausgerichtet. Sie haben konkretere, desaggregierte 2 8 5 Zielgrößen zum Gegenstand: — RPG: Eine analoge Bestimmung zu Bundesuntersuchungen (Art. 20) fehlt.

8

Das Ergebnis dieser Konfrontation w i r d i m kantonalen (II-) festgehalten:

Richtplan

— RPG A r t . 5 - 9 : Gesamtrichtpläne. — RPG A r t . 10-19: Teilrichtpläne Besiedelung und Landschaft, Verkehr, Versorgung, öffentliche Bauten. 9

Nun zerfällt der Teilraum Kanton wiederum i n verschiedene Teilräume. (Ausgeklammert sei vorerst eine weitere, zwischen Kanton und Durchführungssystem tretende Planungsstufe: A r t . 5 I I 2 8 6 . ) Es folgen die zur Durchführung der Raumplanung geeigneten Stufen, die kleinstmöglichen Teilräume. Diese sind bei der Festlegung ihrer Planungsziele (III) an die Entscheidungen der kantonalen Gesamtund Teilrichtpläne soweit gebunden, als solche räumliche Objekte betreffen, die sich i n ihrem Wirkungsbereich befinden. Die Angaben i m zentralen Gesamt- oder Teilrichtplan sind vielfach nochmals konkretisierungsbedürftig: — RPG A r t . 10 I I Bst. a: Siedlungsgebiet, das sich als Baugebiet i n naher Zukunft eignet. Offen bleibt die A r t und Weise der Überbauung, sowie die A r t der Nutzung. (Formulierung von A r t . 11 i n Zusammenhang m i t A r t . 26.) — RPG A r t . 10 I V : Siedlungsrichtplan, weitere Arten von N u t zungsgebiet i m kantonalen Gesamtrichtplan, sofern eine konkretisierungsbedürftige Kategorie vorliegt. — RPG A r t . 10 I I I : Durchmischung von Siedlungsgebiet m i t Erholungs- und Schutzzonen.

284 285 286

Vgl. unten 1.5. u n d 1.7.4. Vgl. oben 1.3.3. Vgl. unten 1.6.2.2.2.

9 0 1 . Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen — RPG A r t . 7 I I : Kantonale Durchführungsbestimmungen, sofern i n technischer, finanzieller und zeitlicher Hinsicht Autonomieräume offen gelassen werden. 9a Ein Teil des Gesamtrichtplanes bedarf keiner zusätzlichen Konkretisierung. Solche Angaben sind ohne Veränderung ins Zielsystem der Durchführungsstufe und i n den daraus abgeleiteten Nutzungsplan zu übernehmen. I n diesen Fällen besteht überhaupt keine stufenadäquate Planungsautonomie 287 , weil die zentral gefällte Entscheidung eine ganz bestimmte, nicht weiter zu konkretisierende räumliche Nutzungsbestimmung beinhaltet 2 8 8 : — RPG A r t . 10 I I Bst. b: Landwirtschaftsgebiet. — RPG A r t . 10 I I Bst. c: Forstgebiet, i n Verbindung m i t A r t . 13 und kantonalen und eidgenössischen forstgesetzlichen Bestimmungen 2 8 9 . — RPG A r t . 10 I I Bst. d + e: Erholungs- und Schutzgebiet, soweit keine Vermischung m i t Siedlungsgebiet vorliegt. — RPG A r t . 10 I I Bst. f : Übriges Gebiet, i n Verbindung m i t A r t . 16. — RPG A r t . 17: Richtpläne des Verkehrs (im Rahmen der Bundessachplanung: A r t . 23), sofern keine generelle Durchführungsautonomiebereiche i m Rahmen von A r t . 7 I I (Angaben über Anlagen von Flächen) für die übergeordneten Verkehrsträger bestehen. — RPG A r t . 18: Richtpläne der Versorgung. — RPG A r t . 19: Richtpläne der öffentlichen Bauten und Anlagen. 10

Entsprechend den unterschiedlichen räumlichen Bedingungen und Gestaltungswünschen i m Durchführungsraum werden nunmehr wiederum für alle Raumabschnitte der Gemeinde gleichermaßen geltende Planungsziele ( I I I ) 2 0 0 erarbeitet. Die stufenadäquate Autonomie der Durchführungssysteme liegt vorab i n der dezentralen Festlegung der unterschiedlichen Nutzungen und deren Durch-

287 Vgl. oben 1.3.5.2. u n d unten 1.6.2.2.1. (Entlastung der Durchführungsstufen). 288 F ü r d i e folgenden Beispiele g i l t die Einschränkung, daß i m Falle der Notwendigkeit einer U m w a n d l u n g v o n Nutzungsgebieten i n Nutzungszonen (vgl. unten 1.6.1.2.3.) ein Konkretisierungsspielraum gegeben ist. 289 Vgl. zum einschlägigen Waldrecht: G. Bloetzer: Walderhaltungsgebot u n d Rodungsbewilligung, i n : ZB1 1972 (73), 428 ff., 430 f. (Rechtsgrundlagen der Walderhaltung) u n d 441 (Zuständigkeiten). Z u m Begriff des Waldes: BGE 98 I b 364; zum Verhältnis der eidgenössischen Forstpolizeigesetzgebung zum kommunalen Baurecht: B G E v o m 15.12.1973, i n : ZB1 1974 (75), 351 ff. 290 Vgl. die Beispiele u n t e n 3.3. Solche Ziele beinhalten etwa: Bevölkerungszahl, Bevölkerungsentwicklung, Bevölkerungsstruktur, Z a h l u n d S t r u k t u r der Arbeitsplätze, Städtebau, Verkehr, Wohnqualität, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Finanzen oder „ P o l i t i k " gem. „13 Ziele f ü r Ostermundigens Ortsplanung" i n : Der B u n d v o m 7. 8.1974 (Nr. 182), 7.

1.5. 4-Schritt-Figur — zur Rechtsnatur von Raumplänen

91

mischung innerhalb festgelegter Siedlungsgebiete, soweit N u t zungssteuerung m i t dem (zentral umschriebenen) Instrument des Nutzungsplans überhaupt zulässig ist: — RPG A r t . 8: Verbindlichkeit der kantonalen Zielsysteme für die Gemeinden. — RPG A r t . 30 I : Verbindlichkeit der Nutzungspläne erst nach Genehmigung durch die kantonalen Behörden. —RPG A r t . 30 I I , 2. Satz: Hier w i r d der stufenadäquate Autonomiebereich näher umschrieben. — RPG A r t . 29 i n Verbindung m i t A r t . 8: Notwendigkeit des — unveränderten — Umlegens bereits konkretisierter Zielelemente i n Zielsysteme (III) und Nutzimgspläne (III-) auf Durchführungsstufe. — Eine Verselbständigung der Zielplanung für die Durchführungssysteme (III) nimmt das RPG nicht vor (analog II). Der Nutzungsplan selbst ist wie die kantonalen Richtpläne — kein Zielsystem. 11 Letztmals w i r d nunmehr die Raumwirklichkeit auf konkretestmöglicher Ebene (III) m i t Planungszielen des politischen Systems konfrontiert — RPG: Dieser Prozeß ist — wie i m Falle von 7 — nicht verselbständigt. 12 Die Konfrontation der Planungsziele m i t den zielrelevanten Objekten innerhalb der Durchführungseinheit führt zur nutzungsmäßigen Fixierung derselben i m Nutzungsplan. Der Raumgestaltungsprozeß, abgewickelt i n verschiedenen Stufen des raumpolitischen Gesamtsystems, findet seinen Abschluß: — RPG A r t . 25 ff.: Nutzungspläne. 1.5. Die je Planungsstufe wiederkehrende 4-Schritt-Figur — Aspekte zur Rechtsnatur von Raumplänen 1.5.1. Die 4-Schritt-Figur

Die Prozeßanalyse hat die zugrunde gelegte Hypothese bestätigt, daß i m Planungsprozeß jeder Stufe des raumpolitischen Gesamtsystems ein wiederkehrendes Grundmuster auftritt. Es ist dies eine an das allgemeine, fünfphasige Grundmuster von Planungsprozessen angelehnte 4-Schritt-Figur 2 9 1 . I m Bestreben, das wiederkehrende Grundmuster wenn immer möglich i n Einklang m i t dem RPG und m i t der raumplanerischen Praxis zu bringen, w i r d einerseits die Analysephase insti291

Vgl. oben 1.2.1.2.6.

9 2 1 . Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen tutionell nicht verselbständigt — sie bildet einen Teil der Zielbündelentscheidungsphase. Andererseits w i r d die Feed-back-Phase wegen ihrer rechtlichen Bedeutung als Entscheidungsstufe verselbständigt. Die wiederkehrende 4-Schritt-Figur: 1. Zielbündelentscheidung: Erarbeitung eines für alle Raumabschnitte i m beplanten Raum gleichermaßen wirksamen Zielsystems 292 . 2. Konfrontation des Zielsystems m i t allen zielrelevanten Objekten (Implementierung). 3. Plan: Unterschiedliche Fixierung aller zielrelevanten Objekte entsprechend den einheitlichen, für alle Objekte gleichermaßen w i r k samen Raumnutzungszielen. 4. Feed-back: Plängenehmigung durch eine übergeordnete Planungsstufe. 1.5.2. Ausgangslage

So begrüßenswert Bestrebungen, den Plan i m Rahmen des allgemeinen Verwaltungsrecht einer bestehenden dogmatischen Figur zuzuordnen, vor dem rechtsstaatlichen Erfordernis klarer, möglichst einheitlicher und einfacher Institute auch sind, so wenig befriedigt m. E. die einem liberal-rechtsstaatlichen Eingriffsdenken verhaftete Alternativstellung ,Erlaß' 2 9 3 oder »Verfügung' 294 , aus der, je nachdem, ob man es m i t dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzes, der Mitwirkungsmöglichkeiten der Planbetroffenen i m Verlaufe des Planungsverfahrens oder der Planabänderung zu t u n hat, eher die eine oder die andere Variante auszuwählen ist 2 9 5 . Ebensowenig befriedigt demgegenüber der einfache 292

Vgl. zu den daran zu stellenden Anforderungen oben 1.2.1.2.2. So etwa A. Estermann: Die Baufreiheit u n d ihre Schranken: Eine vergleichende Darstellung des B a u - u n d Siedlungsplanungsrechtes der Schweiz u n d der Bundesrepublik Deutschland i m Spannungsfeld von Rechtsstaat u n d Sozialstaat, Diss. W i n t e r t h u r 1965, 68; D. Volkmar: Allgemeiner Rechtssatz u n d Einzelakt, B e r l i n 1972; Κ Obermayer: Der Verwaltungsakt u n d innerdienstlicher Rechtsakt, Stuttgart 1956, 80 (ders. 1960, 164 ff. v e r t r i t t nunmehr die Ansicht, der P l a n sei eine konkrete Entscheidung). V o n dieser Auffassung geht auch die frühere bundesgerichtliche Praxis aus (vgl. B G E 86 I 148; 78 I 407 f.; 87 I 360). Die daran geäußerte K r i t i k : E. Kirchhof er: Eigentumsgarantie, Eigentumsbeschränkung u n d Enteignung, i n : ZSR 1939 (58, 147 u n d M. Imboden: Bemerkungen zur schweizerischen Rechtsprechung des Jahres 1960, i n : ZSR 1961 (80), 482 ff. 294 So etwa Forsthoff 1973, 310 ff. u n d dort zitierte Autoren; Imboden 1960, 113 ff., 125 f.; Obermayer 1960, 164 ff. 295 So etwa die neuere bundesgerichtliche Praxis, dargestellt bei P. Saladin: Verwaltungsprozeßrecht u n d materielles Verwaltungsrecht, i n : ZSR 1975 (94) I, 329 ff.; H. Huber: Die staats- u n d verwaltungsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts i m Jahre 1968, i n : Z B J V 1969 (105, 478. A u f dieser L i n i e liegen etwa folgende Entscheidungen: B G E 98 Ia 31 (der Beschluß, daß i n einer Grundwasserzone gelegene Gebiet nicht i n die gemischte Wohn- u n d Gewerbezone einzubeziehen, betrift ein „generell u n d abstrakt 298

1.5. 4-Schritt-Figur — zur

echtsnatur von Raumplänen

93

Hinweis, es handle sich beim Plan u m ein aliud 2 9 6 , solange dieses Institut nicht klarer umschrieben wird. Der hier angestellte Versuch, einige Elemente dieses »aliud4 etwas genauer zu bestimmen, geht aus vom Zweck, welchen ein jeweiliger Planungsträger m i t der Inszenierung eines Planungsprozesses verfolgt. Die besondere Entscheidungsstruktur von Planungsprozessen und die besondere Sachstruktur der zu regelnden Materie prägen jenen, auf verbindliche Entscheidimg gerichteten, zweckorientierten politischen Prozeß, dessen Ergebnis der ,Raumplan 4 darstellt. Erst aufgrund einer Analyse dieses Entscheidungsvorganges w i r d es möglich, den Kreis der Planbetroffenen, deren Mitwirkungsrechte und Rechtsschutzansprüche sowie die A r t und Weise der Rechtswirkung von Plänen zu bestimmen und i n rechtsstaatlich vertretbare Verfahrensregeln umzusetzen. Bei der Bildung juristischer Normbegriffe für Planungsentscheidungen ist zu beachten, „daß die Rechtsregel m i t ihren verschiedenen Graden der Offenheit, Bestimmtheit und Dichte i m Stande bleibt, den Planungsprozeß von der Abgrenzung des Planungsbereichs über die Zielsetzung bis zur . . . Planverwirklichung i m Einzelfall inhaltlich zu meistern ist . . . " 2 9 7 . Die Rechtswissenschaft muß „die dem Raumordnungsprozeß eigentümlichen faktischen Funktionsbedingungen zum Maß der Rechtserheblichkeit nehmen" (Oberndorfer) 298. Ein solches Vorgehen führt zur geforderten „Kongruenz von Sachverhalt und Rechtsgehalt (Wahl) 299. 1.5.3. Weiterführende Aspekte und Definitionen

Ein solcher methodischer Ansatz führt bei der Frage nach der Rechtsnatur von Raumplänen vor der analytischen 4-Schritt-Figur zu folgenden Feststellungen: bezeichnetes" Gebiet u n d hat daher „eher als Erlaß denn als Verfügung" zu gelten); 96 I 712 (Frage i m Zusammenhang m i t einer Lärmschutzzone offengelassen); 94 I 342 (Zonen- u n d andere Pläne stellen „Zwischengebilde eigener A r t dar, die sich, w e n n sie sich auf ein großes Gebiet, z . B . die ganze Stadt Zürich, beziehen, dem . . . Rechtssatz nähern u n d sich n u r schwer als Summe v o n Einzelverfügungen verstehen lassen, während sie dann, w e n n sie einige wenige Grundstücke . . . betreffen, sich v o n einer Einzelverfügung k a u m mehr unterscheiden" — vgl. die daran geäußerte K r i t i k bei H. Huber (op. cit.); 90 I 350 („Disposizione intermedia ο diversa", die grundsätzlich j e derzeit abänderbar ist). 298 So Grisel 1970, 395 ff.; Baischeit 1969, 17 ff.; Lendi 1976, 110 ff. u n d dort zitierte Autoren; M. Bullinger: U m b i l d u n g des Verwaltungsrechts durch Planung i n der DDR, i n : J. H. Kaiser: Planung I , 1965, 189. 297 Müller 1974, 791 f. 298 Oberndorfer 1972/2, 259 (im Anschluß an das Baugesetzgutachten des B V e r w G 3, 427 f.). 299 Wahl 1975, 376. Vgl. ebenso Hoppe 1974, 643 ff.

9 4 1 . Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen Der Plan beinhaltet die Planungsziele selbst nicht 300. Er ist der Niederschlag aus der Konfrontation der Planungsziele m i t der Raumwirklichkeit, besser: m i t deren zielrelevanten Objekten. Planimgsziele sind abstrakte Normen; Pläne sind dazugehörige konkrete 301 Entscheidungen 302. Konkretere Entscheidungen als Pläne gibt es auf derselben Planungsstufe nicht. Zwischen final programmierten 8 0 8 Zielbündelentscheidungen und dazugehörigen konditional strukturierten 8 0 4 raumkonkreten Plänen besteht m i t h i n eine unabdingbare Verklammerung. Das Verfahrensrecht muß den Raumplanungsprozeß auf jeder Stufe i n die drei unterscheidbaren Phasen Zielbündelentscheidung, Implementierung und Planentscheidung aufteilen 8 0 5 . Das bloße Aufstellen von Zielsystemen ohne Entscheidung über dazugehörige Pläne auf derselben Planungsebene kann nicht als eigentlicher Planungsprozeß betrachtet werden. Es handelt sich dabei lediglich u m Teilentscheidungen 306 . Aus der Umschreibung von Plänen als zu jeweiligen Planzielen gehörige konkrete Entscheidungen folgt ferner, daß Pläne grundsätzlich eine Vielzahl von ,Rechtsverhältnissen' 307 m i t je Planstufe unterschied800 Die Ziele werden v o m Plan realisiert. M i t i h r e m Eingehen i n den Plan „verschwinden" sie als selbständige Größen. Vgl. i n diesem Sinne: Hoppe 1974, 644 („die Zielsetzung . . . ist . . . i n den Plan eingegangen"); Forsthoff 1968, 23 („der P l a n ist nicht eine Norm, die abstrakte Tatbestände setzt u n d als solche ,gilt' . . . Der P l a n erhält . . . seine spezifische L o g i k aus dem U m stand, daß er ausschließlich auf den Vollzug h i n angelegt ist"); K. Hüb er: Maßnahmegesetz u n d Rechtsstaat, eine Studie zum rechtsstaatlichen Gesetzesbegriff, B e r l i n 1963, 92 („Der P l a n ist auf Vollzug angelegt, sein Zweck ist, erfüllt zu werden, u n d nicht zu gelten."); U. Scheuner: Verfassungsrechtliche Probleme der zentralen staatlichen Planung, i n : J. H. Kaiser: Planung 1 1965, 73 (Der Plan umschreibt einen „Endzustand"). 301 A . M . die oben i n A n m . 294 angeführten Autoren, die den P l a n als Erlaß auffassen. — Planungsziele sind i n jedem F a l l bloß systemgenerell (vgl. i m folgenden); sie sind raumabstrakt u n d bedürfen daher i m m e r der Umsetzung i n raumkonkrete Pläne. 302 I m Bestreben, der unbefriedigenden Alternative v o n Rechtssatz u n d Verfügung auch begrifflich zu entgehen, verwenden w i r i n s k ü n f t i g den Begriff „Entscheidung" als „ f ü r die V e r w a l t u n g verbindlichen Abschluß eines Willensbildungs- u n d Informationsverarbeitungsprozesses i m Rahmen der Wahrnehmung ihrer Hoheitskompetenzen, unabhängig davon, ob er eine Regelung gegenüber dem Bürger enthält oder nicht". (K. Vogel, zitiert bei Brohm 1972, 286). 808 Hoppe 1974, 643. 304 Hoppe 1974, 644. 806 Vgl. dazu oben 1.2.1.1. u n d unten allgemein: Formale Differenzierung: 2.4. u n d 3.1. Postuliert w i r d eine verfahrensrechtliche Gliederung v o n Raumplanungsprozessen etwa auch bei: Hoppe 1974, 641 ff.; Schick 1974, 4741; Brohm 1972, 259 ff. oder Wahl 1975, 377 ff. 308 So auch Wahl 1975, 377. 307 Eigentliche Rechtsverhältnisse i m Sinne von öffentlich-rechtlich festgesetzten Rechten u n d Pflichten einzelner Personen außerhalb des politischen

1.5. 4-Schritt-Figur — zur Rechtsnatur von Raumplänen

95

lieh konkreten Inhalten begründen. Diese haben insgesamt eine bestimmte Anordnung von Sachen i n der Raumwirklichkeit zur Folge. Sie bedürfen i m Gegensatz zum abstrakten Erlaß auf der jeweiligen Plarungsstufe keiner Konkretisierung mehr. Sie sind selbst Konkretisierung. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß i m System der durchgehenden Planung der zentrale Plan die Planungsziele i m Hinblick auf die verschiedenen Teilräume m i t abstrakten Größen und Inhalten konkretisiert. Der Plan ist grundsätzlich eine generelle „Entscheidung"* 09. Er begründet Verhaltensanordnungen für alle Akteure, deren rechtlich zulässiges Tätigwerden sich auf der gleichen Konkretheitsstufe bewegt, auf der sich der entsprechende Plan befindet, das m i t h i n m i t diesen Verhaltensanordnungen überhaupt i n K o n f l i k t treten könnte. Der Plan beschreibt eine bestimmte A r t der Besiedlung und Nutzung des Bodens unabhängig davon, wer der jeweils an einzelnen Raumabschnitten Berechtigte ist. Er begründet damit unmittelbar kein individuell-konkretes Rechtsverhältnis. Weil i m System der durchgehenden Planung nach RPG nur politische Subsysteme zulässigerweise raumrelevante Handlungen vornehmen können, die sich auf der gleichen Konkretheitsstufe wie der Gesamtplan Schweiz (I-) oder kantonale Richtpläne (II-) bewegen, Private m i t h i n i n Ausübung ihrer rechtlichen Gestaltungsmacht gar nicht m i t darin enthaltenen Verhaltensanweisungen i n K o n f l i k t treten können, richten sich diese Pläne grundsätzlich nur an die nachgelagerten politischen Systeme. W i r sprechen von unecht-generell-konkreten oder bloß systemgenerell-konkreten Entscheidungen 309 . Wo Bundesraumplan oder kantonale Gesamtrichtpläne nicht mehr weiter konkretisierbare Anordnungen enthalten, kann der besagte Konf l i k t auftreten. Rechtlich zulässiges privates Tätigwerden bewegt sich Systems entstehen freilich n u r bei echtgenerell-konkreten Plänen i m Sinne der untenstehenden Unterscheidung. Vgl. z u m Rechtsverhältnis: Forsthoff 1973, 73, 179 f., 208 f.; Bachof 1972, 230 ff. oder M. Bullinger: Vertrag u n d Verwaltungsakt, Stuttgart 1962, 38. 308 Vgl. oben A n m . 302. 809 Glücklicherweise verzichtet das RPG darauf, übergeordnete Pläne als bloß wegleitend oder wegweisend oder sogar als nicht verbindlich anzusehen. Dies i m Gegensatz zu einzelnen kantonalen Gesetzen: Z H R R B Nr. 884 v o m 12.5.1960, 13 f. („Wegweisend(es) Leitbild") oder L U BauG § 13: „Wegleitend(e) Richtpläne". — Entscheidungen des politischen Systems sind ex definitione verbindlich (vgl. oben S. 32 A n m . 35; S. 38 u n d unten 3.8.1.2.). Die Verbindlichkeitsfrage darf nicht m i t jener nach der A u ß e n w i r k u n g einer Entscheidung u n d m i t der daran orientierten Individualrechtsschutzfrage vermengt werden. Die etwa bei Lendi 1973/3, 120 ff. vorgeschlagene U n t e r scheidung i n mittelbar u n d unmittelbar verbindliche Pläne u n d die daran orientierten Schlußfolgerungen scheinen m i r i n diesem Sinne problematisch.

9 6 1 . Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen hier auf der gleichen Konkretheitsstufe wie die Verhaltensnorm. Es liegen i n Tat und Wahrheit echt-generell-konkrete Anordnungen vor, obwohl sie vom Raumplanungsgesetz den unecht-generell-konkreten scheinbar gleichgestellt werden 8 1 0 . Bürgerschaftliche Mitwirkungs- und Anfechtungsmöglichkeiten müssen sich nach diesem tatsächlichen Befund und nicht nach der scheinbaren Zuordnung richten 3 1 1 . Nutzungspläne enthalten „für jedermann verbindliche Anordnungen über die zulässige Nutzung des Bodens" (Art. 29 I). Wer ist dieser jedermann'? Darunter fallen alle von der Rechtsordnung zur Bestimmung über die A r t der Nutzung des Raumes berechtigten Personen. Diese Befugnis w i r d durch die volle oder beschränkte dingliche Berechtigung einer Person an Grund und Boden begründet. N u r diesen Personen kommt diejenige Raumgestaltungsmacht zu, welche durch den Plan i n bestimmter Weise umschrieben wird. Der »jedermann 4 ist i n Wirklichkeit der (private oder öffentliche) Eigentümer. Das ist nicht jeder Raumnutzer 8 1 2 . Daraus nun aber den Schluß zu ziehen, der Plan ,betreffe 4 nur die Bodeneigentümer, wäre falsch: Es w i r d i m Gegenteil später darzulegen sein 3 1 3 , daß dingliche Berechtigung und raumpolitische Betroffenheit nichts miteinander zu t u n haben. Der Plan richtet sich an alle dinglich berechtigten Personen i m beplanten Raumabschnitt. Als Nutzungsplan begründet er unmittelbar konkrete Rechtsverhältnisse zwischen dem Gemeinwesen und jedem heutigen oder künftigen Grundeigentümer der von Nutzungsanordnungen betroffenen Grundstücke, unbeschadet ihrer persönlichen Verhältnisse. Das Rechtsverhältnis ,haftet 4 am Boden, nicht an der jeweils daran berechtigten Person 314 . Dieses Rechtsverhältnis entsteht nicht erst beim Erteilen der Baubewilligung. Diese stellt ein verwaltungstechnisches M i t t e l dar, u m das seit Erlaß des Nutzungsplans bestehende Rechtsverhältnis i n einem bestimmten Zeitpunkt zu aktualisieren 8 1 5 . Konkret umschriebene Rechte und Pflichten an Grund und Boden dinglich berechtigter Personen entstehen m i t Erlaß des Planes. Aus dem Gesichtspunkt des Rechts310 Das RPG wiedersetzt sich dem Erlaß kantonaler Nutzungspläne (vgl. hierzu Lendi 1973/3, 128 ff.) m i t selbständiger A u ß e n w i r k u n g nicht. Vgl. dazu unten 1.6.2.1.1.1. 311 So a u d i Wahl 1975, 376 ff. Vgl. dazu unten 1.6.2.1.1. u n d 1.7.7. sowie

2.6.2.

312

Vgl. zum Begriff Raumnutzer oben 1.2.2.1.2. u n d unten 1.7.2. 1.7.2. 314 Vgl. i n diesem Sinne Forsthoff 1968, 27 ^Bebauungspläne haben „die Befindlichkeit v o n Sachen zum Gegenstand". Sie sind nicht auf ein i n d i v i duelles Verhalten gerichtet). 315 Vgl. i n diesem Sinne anstatt vieler Imboden 1971, I I , 561 ff. u n d Leutenegger 1974, 215 (zitiert unten 3.10.). 313

1.5. 4-Schritt-Figur — zur

echtsnatur von

aumplänen

97

schutzes hat der Nutzungsplan daher verfügungsähnlichen Charakter. Jedenfalls können Verweigerung oder Erteilung einer Baubewilligung nicht mehr m i t der Begründung angefochten werden, der Nutzungsplan sei rechtswidrig 3 1 6 . Nutzungsanordnungen sind das Ergebnis aus einer Konfrontation eines f ü r alle Raumabschnitte gleichermaßen geltenden Zielbündels m i t einzelnen Raumabschnitten, denen unterschiedliche Zielrealisierungsfunktionen zukommen. Daher behandelt der Plan nicht jeden Raumabschnitt gleich. Seiner F u n k t i o n als Steuerungsmittel entspricht v i e l mehr eine eindeutige Ungleichbehandlung 317. Diese läßt sich nicht aus dem Vergleich der Lage oder Nutzungsqualität der Raumabschnitte untereinander erklären. Vielfach müssen einzelne Raumabschnitte trotz weitgehender Gleichartigkeit ungleich behandelt werden. Die notwendige Ungleichbehandlung erklärt sich vielmehr aus deren unterschiedlichem Beitrag zur Realisierung eines kohärenten Gesamtbildes. Eine konkrete Nutzungsanordnung erhält i h r e n Sinn erst i m Zusamm e n w i r k e n m i t allen anderen Nutzungsanordnungen. Sie ist T e i l eines kohärenten Nutzungsgefüges, welchen Abstraktionsgrades auch immer. Auch ihre Abänderung w i r k t sich daher theoretisch auf alle anderen, i m gleichen Plan enthaltenen Raumabschnitte aus. Sie k a n n i m E x t r e m f a l l ein ganzes Planungswerk zunichte machen. Wenn oben dem Plan aus dem Gesichtswinkel des Rechtsschutzes verfügungsähnlicher Charakter zugesprochen wurde, so f ü h r t diese innere Kohärenz zu einer Präzisierung: Der Plan hat als Gesamtakt verfügungsähnlichen Charakter. E r konstituiert verschiedene konkrete Rechtsverhältnisse, die voneinander nicht isoliert werden können. Der Plan ist keine bloße Summe von Einzelverfügungen 3 1 8 , aus der sich einzelne Nutzungsanordnungen qua Subtraktion herausbrechen ließen. Diese Betrachtungsweise vollzieht i m planungsrechtlichen Bereich nach, was Planungspraxis u n d Planungstheorie längst erwiesen haben 3 1 0 . Sie hat eine weitreichende Konsequenz: M i t der Beschwerde gegen eine Nutzungsanordnung f ü r einen bestimmten Raumabschnitt 816 Vgl. BGE 88 I 83 u n d die oben Anm. 294 angeführten Autoren. Ferner: BVerwGE 3, 458. 317 Vgl. oben 1.3.2. u n d dort angeführte Literatur. Ferner Imboden 1960, 129 ff. u n d unten 3.8.1.2.2.4. 318 So i m Endergebnis trotzdem Imboden 1960, 126 (der Plan ist ein M i t t e l „zur Koordinierung von Einzelakten"). Obwohl er oben (Anm. 123) den Plan als „Summierung von Einzelverfügungen" (vgl. weitere Autoren oben A n m . 294) bezeichnet, fährt er hier fort: „Eine unmittelbare . . . Anfechtung des Planes . . . r u f t Schwierigkeiten i m Hinblick auf die Interdependenz aller Planungselemente hervor: einige Grundeigentümer verlangen als isolierte Einzelkläger die Uberprüfung ihrer . . . Situation, während der Plan seinem Wesen nach . . . eine Gestaltung i n einem größeren Raum anstrebt"). 819 Vgl. oben 1.2.1.1. u n d 1.3.5. ferner unten 1.6.2.2.1.

7 Knoepfel

1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

98

w i r d immer zugleich der gesamte Plan angefochten. Das verpflichtet die urteilenden Instanzen zur Gesamtschau und zur Zurückhaltung. Denn die Gutheißung von Beschwerden bedeutet ein »nochmals von vorne Beginnen 4 der Planung. Für die Planungsverwaltung andererseits bedeutet dies eine Verpflichtung zur Zulassung verstärkter Einflußmöglichkeiten 3 2 0 bereits i n vorgelagerten Stufen des Planungsverfahrens. 1.6* Nutzungsplan, kantonaler Gesamtrichtplan und Bundesplanungsentscheidungen821 I m Lichte der bisher angestellten, auf gesamtsystemare Gesichtspunkte angelegten Überlegungen soll i m folgenden versucht werden, die drei i m raumpolitischen Gesamtsystem Schweiz auftretenden Kategorien von Raumplänen auf der Ebene der Gemeinde, des Kantons und des Bundes 3 2 2 etwas näher zu umschreiben. Die Diskussion konzentriert sich darauf, welche möglichen Inhalte auf den drei Ebenen überhaupt zur Disposition stehen und damit Gegenstand von Partizipationsbestrebungen sein könnten. Auch dieses Kapitel ist so angelegt, daß darin Problembereiche angesprochen werden, die nach der Ablehnung des ersten Entwurfs des RPG Aktualität behalten. Sie treten bereits i n der heutigen kantonalen Gesetzgebung auf oder sie werden auch i n einem neu zu erarbeitenden RPG i n ähnlicher Weise zu lösen sein. I m Erstentwurf dargelegte Ungenauigkeiteh sollten bei der Neufassung wohl ohne Referendumsdruck beseitigt werden können. Das gilt insbesondere für die Ausführungen zu den Bundesplanungsentscheidungen. Ihnen liegt das Bestreben zugrunde, die notwendigen Bundeszuständigkeiten möglichst genau zu umschreiben/Die Abstimmungsdiskussion hat hier Unstimmigkeiten am Text zutage gefördert, die den prinzipiellen Gesetzesgegnern das unzutreffende Argument eines angeblichen Planimgszentralismus lieferte. 1.6.1. Zum Nutzungsplan 1.6.1.1.

Vorbemerkung

Der Begriff „Nutzungsplan" ist für das schweizerische Recht neu. Er kommt auch i m kantonalen Recht nicht vor 8 2 3 . Es mutet bedenklich an, daß das RPG eines der zentralsten Institute der Raumplanung inhalt320

Vgl. unten 3.4. i m Zusammenhang m i t 3.6. Aus Platzgründen muß ich mich hier weitgehend auf allgemeine Raumpläne i m Sinne des oben 1.5. entwickelten Planbegriffes beschränken. N o t wendige Durchführungsprogramme (etwa Erschließungs-, Straßenausbauoder Finanzierungsprogramme) k l a m m e r n w i r hier aus. 322 E i n Plan auf Bundesebene ist umstritten. Vgl. unten 1.6.3.3.2. 321

323

Vgl. Lendi 1973/3, 131.

1.6. Nutzungsplan, Gesamtrichtplan und Bundesplanentscheidungen

99

lieh nicht näher bestimmt 3 2 4 . Beim teilweise erheblichen terminologischen und inhaltlichen Unterschied der vorhandenen kantonalrechtlichen kommunalen Raumpläne 3 2 6 , die wie der Nutzungsplan nach RPG für die Grundeigentümer verbindlich sind, werden sich ohne bundeseinheitliche Inhaltsbestimmungen kaum vertretbare Unterschiede i n den Kantonen einstellen. Daraus dürften sich insbesondere i m bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren Schwierigkeiten ergeben: weil die i m folgenden als für Nutzimgspläne notwendig bezeichneten Inhalte bisher i n den meisten Kantonen formal i n verschiedenen Dokumenten geregelt werden, dürfte die Entscheidung i m Einzelfall schwerfallen, ob Bestandteile des bundesrechtlich anfechtbaren N u t zungsplanes oder (nichtanfechtbares) kantonales oder kommunales Recht vorliegt. M i t L e n d i 3 2 6 gehen w i r davon aus, „daß Inhalt und Gegenstand des Nutzungsplanes sein soll, was aus der Gesamtplanung i n unmittelbar verbindliche Planung überführt werden muß" und daß Nutzungspläne i n der Sprache der Entwicklung des kantonalen Planungsrechts die Zonenpläne, die Bebauungspläne und — hier m i t Vorbehalt 3 2 7 — die Gestaltungspläne sein werden. Nutzungspläne sind nur ein M i t t e l zur Durchsetzimg kantonaler Gesamtpläne 328 . Den Nutzungsplan flankierende Pläne 3 2 9 und Pläne zur zeitlichen oder sachlichen Durchführung von Nutzungsplänen 3 3 0 oder Sondernutzungspläne 331 , die Alternativen zur baulichen Grundordnung ermöglichen, sollten nicht unter den bundesrechtlichen Nutzungsplanbegriff subsumiert werden. Der letztere muß aus planungssystematischen Gründen nur die Grundordnung abdecken 332 . 1.6.1.2. Grundlagen — allgemeiner Inhalt des Nutzungsplanes 1.6.1.2.1. Notwendigkeit einer inhaltlichen Umschreibung Vom Nutzungsplan sagt das RPG lediglich, daß er eine „für jedermann" verbindliche Bauzone (Art. 26) beinhaltet. En passant vernimmt 824

Vgl. die Botschaft 1972, 66. 325 v g l dazu die Zusammenstellung des kantonalen Rechts unten 3.8.1.2.4.3. u n d Lendi 1973/3,124 ff. 828

Lendi 1973/3, 131. Vgl. unten 1.6.1.3.2. 828 Vgl. i n diesem Sinne Lendi 1973/3, 117. 829 Das sind nicht Raumpläne i m Sinne dieser Arbeit. 380 E t w a Straßenbaupläne oder Erschließungspläne (vgl. zu den letzteren auch M. D. Ackerknecht / W. Tschol: Problemaspekte der kantonalen Raumplanung, i n : D I S P Nr. 38 (Juli 1975) 8). 881 Vgl. dazu Lendi 1973/3,110 u n d dort angeführte Autoren. 832 v g l . i n diesem Sinne Lendi 1973/3, 111. 827

7*

1 0 0 1 . Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen man, daß offenbar neben der Bauzone auch andere Nutzungszonen vorkommen können (Art. 25 I I ; A r t . 29 I I f.). Ihre nähere Charakterisierung unterbleibt indessen. Das Gesetz verweist seine Leser — ähnlich wie bei den Durchführungssystemen — auf den Weg planungsprozeßadäquater Interpretation. Umfang und Komplexität kommunaler Nutzungsplanungsprozesse, deren Kenntnis für Strategien einer Demokratisierung der Raumordnung erforderlich ist, hängen wesentlich von der Beantwortung der folgenden Kernfrage ab: K a n n eine geordnete Besiedelung und eine zweckmäßige Nutzung des Bodens i m Sinne des RPG allein schon m i t der Errichtung von Bauzonen, hineingestellt i n kantonalrechtlich umschriebene „Nutzungsgebiete" (Art. 10) erreicht werden? Oder müssen die Gemeinden hierfür alles auf ihrem Gebiet befindliche Land kommunalrechtlich zu bildenden Nutzungszonen zuweisen, so daß schließlich, jede i n der Schweiz befindliche Parzelle einer bestimmten N u t zungszone untersteht 3 3 3 ? — Anders gefragt: Beinhaltet das dem Prinzip der durchgehenden Planung entspringende Gebot, wonach der Planungsprozeß alle i n der Schweiz befindlichen Raumabschnitte erfassen und die Raumplanung demzufolge das gesamte Gebiet der Schweiz überziehen oder beplanen soll 3 3 4 , zugleich das Gebot, das gesamte Gebiet eigentlichen Nutzungszonen zuzuweisen? 1.6.1.2.2. Bauliche und nichtbauliche Nutzung Hauptzweck des RPG ist zweifellos, die siedlungspolitische Entwicklung unseres Landes i n den Griff zu bekommen. Als raumgestaltende Nutzung gilt i n erster Linie die bauliche Bodennutzung, welche sowohl i n ihrer positiven wie i n ihrer negativen (Nichtbebauung) Ausprägungsform als Hauptfaktor für siedlungspolitische Entwicklungen anzusehen ist 3 3 5 . Zentrale Aufgabe jeder Raumplanung ist daher die Ausscheidung 833

So etwa Lendi 1973/3, 116; ders. 1976, 109 (keine Beschränkung beispielsweise auf das Baugebiet) ; ders., 1975, 18 (aus dem — sicher unbestrittenen — „Grundsatz der raumplanerischen Ordnung des ganzen Raumes" folge „daß auch i m Rahmen der Nutzungsplanung, d . h . der unmittelbar verbindlichen, den Grundeigentümer bindenden Planung, der ganze Raum erfaßt werden m u ß " ; D. Ackerknecht / W. Tschol: op. cit. A n m . 330, 8 (ohne Begründung). Der gleichen Meinung ist auch die Botschaft 1972, 66 (Nutzungspläne sind nicht n u r f ü r das Siedlungsgebiet, „sondern auch f ü r alle anderen Gebiete festzusetzen"). Keine der angeführten Stellen beruft sich unmittelbar auf eine Stelle i m Raumplanungsgesetz. Überall spielen planungssystematische Interpretationsüberlegungen m i t . 334 Dieser Grundsatz ist unbestritten. Vgl. u. a. die Botschaft 1972, 28. 835 Die Trennung von Baugebiet u n d Nichtbaugebiet ist sicher das K e r n stück von Raumplanungsstrategien. Vgl. i n diesem Sinne etwa die Botschaft 1972, 14 f., 22 f., 24 ff.; Lendi 1975, 18 ff. Bei dieser hervorragenden Bedeutung baulicher Nutzung f ü r die Siedlungsplanung meint etwa das führende italienische Instituto Nazionale d i Urbanistica (INU) m i t einem „Jus aedificandi" große Teile der Bodenprobleme zu lösen. Vgl. dazu I I Controllo 1970, 46 ff. (V. Cabianca) u n d 81 ff. (A. Predieri).

1.6. Nutzungsplan, Gesamtrichtplan und Bundesplanentscheidungen von baulicher

und nichtbaulicher

Nutzung.

101

D e m e n t s p r i c h t der G r u n d -

satz, daß bauliche Nutzung nur stattfinden kann, wo das entsprechende Gebiet i n einer Bauzone liegt 3 3 6 . Ob man die Nutzungszone als positives Gebot zur bestimmungsgemäßen Bodennutzung 3 3 7 oder als eine dem Eigentümer eröffnete Möglichkeit für bauliche Nutzung 3 3 8 auffaßt — die klassische Nutzungszone, die Bauzone, ist und bleibt das raumpolitische Hauptsteuerungsmittel. Auch eine Landwirtschaftszone, die den Eigentümer verbindlich anhielte, sein Land i m öffentlichen Interesse einer hinreichenden Versorgung zu bebauen 339 , könnte ein Ortsbild nicht so bestimmend prägen, wie eine Bauzone. Bauliche Nutzung ist die intensivste und dauerhafteste Nutzungsart. Sie ist nahezu irreversibel. Gleichwohl ist nicht nur land-, forst- oder touristikwirtschaftlich, sondern auch siedlungspolitisch nicht belanglos, was außerhalb der Bauzone geschieht. Das eine Siedlung auszeichnende Funktionsgeflecht von verschiedenen Nutzungsarten 3 4 0 beinhaltet nicht nur bauliche Nutzung: Unüberbaute Freiflächen i m Inneren, an den Rändern und i n der weiteren Umgebung einer Siedlung können deren Charakter nachhaltig m i t bestimmen 341 . Von Interesse kann auch sein, daß solche nicht überbauten Flächen in bestimmter Weise genutzt, respektive ,be-baut' werden. Ob aktive land-, forst- oder touristikwirtschaftliche (Skilifte, standortgebundene Gasthäuser, Sportanlagen) oder nichterwerbswirtschaftliche ,landschaftsgestalterische' Nutzung zu Erholungszwecken 342 stattfindet, kann für die räumlich bedingte Lebensqualität der Siedlungsbewohner von Bedeutung sein. Für eine bedürfnisgerechte Planung kann in solchen Fällen die Steuerung baulicher Nutzung allein nicht mehr genügen. Parzellenscharfe Ausscheidung w i r d u . U . notwendig bei Skipistenzonen, i n denen das Erstellen von Hindernissen

338

Nach RPG A r t . 29, 3. Daß dem i m RPG nicht so ist, wurde oben 1.2.3. gezeigt. 338 Diese Lösung entspricht der Konzeption des Nutzungsplanes i m RPG. Vgl. oben 1.2.3. u n d 1.5.3. 339 Eine solche Nutzungspflicht ließe sich allein aufgrund des RPG nicht begründen. Vgl. oben 1.2.3. A n m . 136. 340 Vgl. oben 1.3.5.3.1. 341 Vgl. dazu etwa Gebhard ! Reichenbach 1974, 271 ff.; Battis 1976/2, 145 (Pflanzgebot); oder B G E 93 I 251 ff. (Freihaltezone zur Trennung von B a u gebieten) u n d die stadtbernischen Vorschriften 1975, A r t . 14 f. u n d der dazugehörige Vortrag 1975, 2, 7 f. 342 Vgl. dazu etwa B. Huber: op. cit. A n m . 117, 89; W. Neukomm: Die L a n d wirtschaftszone nach dem E n t w u r f zu einem Raumplanungsgesetz, i n : W u R 1971, 100 f.; Albisetti 1974, 354 (zu A r t . 12 RPG: Landwirtschafts-, Forst-, Erholungs- u n d Schutzgebiet ist nicht n u r nicht Baugebiet. Es handelt sich u m eine positive Umschreibung); L. Schürmann: Raumplanung u n d A g r a r recht, i n : ZB1 1972 (73), 302 f. 337

1 0 2 1 . Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen jeglicher A r t oder das Vornehmen von Erdbewegungen unzulässig ist 3 4 3 , oder bei landschaftsprägenden landwirtschaftlichen Nutzungsarten (ζ. B. Rebbau) 344 . 1.6.1.2.3. Kantonales Nutzungsgebiet und kommunale Nutzungszone Vor diesem Hintergrund kann nun das gegenseitige Verhältnis von kantonalrechtlich ausgeschiedenen Nutzungsgebieten und kommunalen Nutzungszonen diskutiert werden. Dabei vernachlässigen w i r zunächst, daß die Bauzone i n sich selbst i n vielfacher Weise differenziert werden kann, weil darauf i n einem späteren Abschnitt eigens einzutreten ist 3 4 5 . W i r gehen zudem davon aus, daß neben kommunalen auch kantonale Pläne

echt generell-konkret,

insbesondere parzellenscharf

M6

sein k ö n -

847

nen . Das sollte nur i n solchen Ausnahmesituationen vorkommen, wo überkommunale Belange anders nicht durchsetzbar sind, oder wo die Ränder der Nutzungsgebiete m i t natürlichen (Flüsse, Seeufer) oder anderswo rechtlich umschriebenen Grenzlinien (Gemeindegrenzen) zusammenfallen. I n solchen Fällen enthalten bereits die Teilrichtpläne der Besiedelung und der Landschaft (Art. 10) 348 oder andere kantonale Teilrichtpläne 3 4 9 „für jedermann verbindliche Anordnungen über die zulässige Nutzung des Bodens" (Art. 29). Eine Umlegung auf die Raumwirklichkeit durch die Durchführungssysteme ist hier nicht erforderlich (»Entlastung der Durchführungssysteme') 350 . Der kommunale Nutzungsplanungsprozeß damit etwa folgendermaßen aus: — Der kantonale

i m Rahmen des RPG sieht

Teilrichtplan der Besiedelung und der Landschaft

( A r t . 10) t e i l t das gesamte

Gemeindegebiet

i n verschiedene

Nutzungs-

gebiete auf. Diese können sich überlagern. I n der Regel erfolgt diese Aufteilung anhand von Karten m i t hohem Verkleinerungsgrad, so daß entlang den Rändern dieser Gebiete ,Parzellenunschärfen 4 entstehen. Ein siedlungspolitisches Bedürfnis, solche i n einem nachfolgenden Kon848 Vgl. etwa den aufgrund von B G E 91 I 194 veranlaßten A r t . 27 I d des BaüG B E (Ausscheiden v o n Freiflächen f ü r Skisport; B G E 89 I 103 = Fehlen einer Gesetzesgrundlage f ü r eine Skipistenzone i m K a n t o n Waadt). 344 Vgl. die „zone viticule" nach A r t . 23 des BauG von NE. I n B G E v o m 19. 2.1975 (in: ZB1 1975 (76), 289 ff.) handelt es sich u m eine bloß deklaratorische Rebbauzone. 8« v g l . u n t e n 1.6.1.3.2.

846

Vgl. Lendi 1973/3,122 f.

847

Vgl. unten 1.6.2.1.1. E t w a bezüglich Landwirtschafts- oder Forstgebiet (Art. 12 f.). E t w a w i e Richtpläne der öffentlichen Bauten u n d Anlagen gem. A r t . 19. Vgl. zur Begründung oben 1.3.5.2. u n d unten 1.6.2.1.1.

848 849 850

1.6. Nutzungsplan, Gesamtrichtplan und Bundesplanentscheidungen

103

kretisierungsprozeß durch parzellenspezifische Grenzziehungen zu beseitigen, kann nur dort angenommen werden, wo m i t der Grenzziehung zwei unterschiedlich ertragsreiche (nichtbauliche) Nutzungen voneinander zu trennen sind. Bauliche Nutzung ist ohnehin nicht allein durch Zuweisung i n ein kantonalrechtliches Nutzungsgebiet (hier: Siedlungsgebiet) möglich 3 5 1 . Parzellenschärfe dürfte i n diesem Sinne etwa beim Zusammentreffen von Schutz-

und Landwirtschaftsgebiet

n o t w e n d i g w e r d e n 3 5 2 . E i n sol-

ches Bedürfnis — siedlungspolitisch m o t i v i e r t 3 5 3 — liegt demgegenüber m. E. beim Zusammentreffen von Landwirtschaftsgebiet und übrigem Gebiet (Art. 16) nicht vor. Landwirtschaftliche Nutzung unproduktiven Landes kann einem Eigentümer wohl kaum verböten werden. B e i überkommunaler

Bedeutung

k ö n n e n sich i m kantonalen T e i l -

richtplan auch parzellenscharfe Nutzungszonen finden. So kann der Kanton etwa innerhalb eines Erholungsgebietes ein präzise umschriebenes Gebiet für aktive Erholung ausscheiden 354 . Zwar könnte der Kanton auch das Siedlungsgebiet und das darin für einen bestimmten Zeitabschnitt zur Beplanung freigegebene Gebiet 3 5 5 parzellenscharf ausscheiden. Allein aufgrund des RPG wäre i h m ein solches — wenig sinnvolles — Vorgehen kaum verwehrt. Was er aber i m Rahmen der Gesamtrichtplanung nicht vornehmen könnte, wäre die Ausscheidung der Bauzone. 351

Vgl. oben A n m . 337 u n d Lendi 1976, 106 f. Einen derartigen F a l l hatte das zürcherische Verwaltungsgericht a m 21.2.1975 zu entscheiden (in: ZB1 1975 (76), 468 ff.). Es ging u m ein Verbot landwirtschaftlicher Nutzung aus Gründen des Naturschutzes, welche ein Ried zum Schutzgebiet erklärte. Das Gebiet k a n n danach nicht w i e bisher landwirtschaftlich genutzt werden. Auch sind Bodenverbesserungen u n d A u f füllungen verboten. Das Gericht: „Das Verwaltungsgericht hatte bisher v o r allem Ansprüche wegen materieller Enteignung zu beurteilen, die aus der Zerstörung einer Bauchance hergeleitet wurden. Die dabei gewonnenen Grundsätze müssen aber ihrer Begründung nach auch dann gelten, wenn die Einbuße am Verkehrswert auf den Entzug einer anderen N u t zungsmöglichkeit zurückzuführen ist." 353 Es ist aber denkbar, daß die Landwirtschaftsgesetzgebung des Bundes die Gewährung v o n Subventionen darauf abstellt, ob eine Anbaufläche i n der — raumplanungsrechtlich definierten — L a n d Wirtschaftszone liegt. Eine U m w a n d l u n g von Landwirtschaftsgebiet i n eigentliche Landwirtschaftszonen u n d eine parzellenscharfe Abgrenzung dieser Flächen v o m übrigen Gemeindegebiet (Art. 16) wäre dann landwirtschaftspolitisch motiviert. 354 Vgl. i n diesem Sinne A r t . 93 B a u G von B E (kantonaler Überbauungsplan m i t der Rechtswirkung der kommunalen Uberbauungspläne zur Feststellung von regionalen Grünflächen, Erhqlungs- u n d Schutzgebieten „als vorsorgliche Maßnahme zum Schutze gefährdeter wichtiger Interessen der Kantons- u n d Regionalplanung"); § 121 BauG von A G (kantonale Überbauungspläne). 355 Z u dieser A u f t e i l u n g des Siedlungsgebietes vgl. unten 1.6.2.1.2. 352

1 0 4 1 . Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen — Die Durchführungssysteme scheiden die Bauzone parzellenscharf aus. Der Begriff der Bauzone ist bundesrechtlich einheitlich definiert (Art. 26) 35e . Dabei ist der Grenzverlauf des vom Kanton bestimmten Siedlungsgebietes 357 zu beachten. — M i t der Ausscheidung der Bauzone werden automatisch auch die Ortsränder hin zu den nichtbaulich nutzbaren, kantonalrechtlichen Nutzungsgebieten parzellenscharf. Es entfällt ein allgemeines Bedürfnis, siedlungsumgebende Nutzungsgebiete kommunalrechtlich einzuzonen. Aus einem Landwirtschaftsgebiet muß keine kommunalrechtliche Landwirtschaftszone, aus einem Erholungsgebiet keine Erholungszone etc. geschaffen werden. Das RPG kann damit nicht von einer generellen Pflicht zur Einzonung jeder in der Schweiz befindlichen Parzelle ausgehen. I m allgemeinen reicht deren Unterstellung unter nicht parzellenscharf umschriebene Nutzungsgebiete außerhalb der Bauzone aus. Daß diese Regelung derzeit i n verschiedenen Kantonen 3 5 8 rechtens ist, ist zwar kein Argument dafür, daß auch das RPG auf dieser Grundlage beruht. Aber dieser Umstand zeigt, daß solche Lösungen praktikabel sind und sich zur Durchsetzung überkommunaler Belange eignen. Sie stellen den zur Begründung des gegenteiligen Standpunktes vorgetragenen 3 5 9 Grundsatz der durchgehenden Beplanung eines ganzen Raumes nicht i n Frage. Denn außerhalb des Siedlungsgebietes einem kantonalrechtlichen Nutzungsgebiet zugeordnete Parzellen dürfen ohnehin nur nutzungsgebietskonform genutzt werden. Ihre Überbaubarkeit ist mangels einer hiefür konstitutiven Zuordnung zur Bauzone nicht gegeben. Auch der originelle Umweg, den das Baudepartement des Kantons A G i n einem Kreisschreiben 360 m i t der Feststellung macht, Landwirtschaftsgebiet sei als „faktische Landwirtschaftszone" zu betrachten, ist nicht erforderlich. — I m Gebiet außerhalb der Bauzone kann die Gemeinde gleichermaßen wie der Kanton zur Verfolgung bestimmter, siedlungspolitischer Zielsetzungen nichtbauliche Nutzungszonen 361 einrichten. Solche dienen 856

Vgl. unten 1.6.1.3.2. Der Umstand, daß dieser Grenzverlauf nicht parzellenscharf festgelegt sein muß, ermöglicht eine — vor allem an den Ortsrändern planerisch w ü n schenswerte — Flexibilität. 858 Vgl. die Baugesetze der Kantone B L ; FR (VO v o m 15.2.1965 A r t . 34); SG (Art. 7); V D (Art. 56 quinquies); Z H (zwar ist nach § 46 i m Endergebnis alles Gemeindegebiet eingezont, aber die L a n d - u n d Forstwirtschaftszone w i r d durch den K a n t o n festgelegt (§ 38), so daß der kommunale Nutzungsplanungsprozeß ebenfalls n u r Teile des Gemeindebanns überzieht). 859 So etwa Lendi 1975, 18 (zitierte Stelle oben A n m . 333). 860 Kreisschreiben v o m 20.4.1972 i n Baugesetzgebung des Kantons Aargau (141). 881 Vgl. die Beispiele oben A n m . 341. 857

1.6. Nutzungsplan, Gesamtrichtplan und Bundesplanentscheidungen

105

als Ergänzung zum baunutzungspolitischen Instrumentarium der Ausnahmebewilligung außerhalb der Bauzone bei Übereinstimmen (Art. 29 II) oder Nichtübereinstimmen (Art. 29 III) m i t den dort festgelegten Nutzungszwecken. Das dürfte zunächst überall dort notwendig sein, wo ein kantonaler Nutzungsgebietszweck nach den örtlichen Gegebenheiten nur mit parzellenscharfen Zonen durchführbar wird. Typisches Beispiel wäre etwa das Einrichten einer Schutzzone, die auch landwirtschaftliche Nutzung nur i n bestimmten, beispielsweise immissionsärmerem Ausmaß zuläßt 3 6 2 . I m kantonalrechtlich umschriebenen Nutzungsgebiet entsteht eine parzellenscharfe, den Zweck des Nutzungsgebietes möglicherweise auch durch detailliertere Nutzungsanweisungen konkretisierende Nutzungszone. Ein weiterer Fall kann sich ergeben, wenn die Gemeinde i n Verfolgung eigener Ziele i m Rahmen kantonaler Nutzungsgebiete nichtbauliche Zonen ausscheidet. Das dürfte vor allem i n Erholungsgebieten nötig werden, wo Erholung über die Ausübung ganz bestimmter, meist sportlicher Tätigkeiten( Skifahren, Langlauf) erfolgt. Solche Zonen dienen oft auch wirtschaftspolitischen Zielsetzungen einer Gemeinde. Daraus darf jedoch nicht geschlossen werden, das Mittel der Nutzungszone könne ausschließlich als M i t t e l kommunaler Wirtschaftspolitik verwendet werden. Die Nutzungszone ist ein siedlungspolitisches Instrument. Sein Einsatz kann zwar erhebliche w i r t schaftspolitische Folgen haben; Wirtschaftspolitik als einziges Einsatzmotiv genügt jedoch nicht. Fragwürdig wäre etwa jener Nutzungsplan, der ausschließlich aus steuerpolitischen Überlegungen große Teile des Gemeindegebietes einer Landhaus-, Villen- oder Einfamilienhauszone zuwiese und dadurch nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Gleichh e i t 3 6 3 oder der Niederlassungsfreiheit 364 zu Beanstandungen Anlaß geben könnte, sondern auch i n Widerspruch zum ortsplanerischen Bestreben nach der Ausbildung eines Siedlungskerns stünde. Auch die Ausscheidung von Industriezonen kann nicht allein unter wirtschafte- und steuerpolitischen Gesichtspunkten erfolgen. Ohne spezialgesetzliche Grundlage und entsprechende kommunale Vollzugskompetenzen wäre die Errichtung von parzellenscharfen Rebbauzonen i n einer ausgespro362 Vgl. die Sachlage i m oben A n m . 352 angeführten Zürcher Entscheid. Beschränkungen landwirtschaftlicher Nutzbarkeit dürften auch bei Grünzonen, die die Freihaltung eines Geländes i m Interesse des Gewässerschutzes (vgl. das Beispiel i n B G E 93 I 705) bezwecken, eintreten. Bei Grünzonen, die als Freihaltezonen zur Trennung von Baugebieten bestimmt sind, w i r d der Zweck durch landwirtschaftliche Nutzung nicht vereitelt. Auch das Erstellen privater oder öffentlicher Parkanlagen, Spiel-, Sport- oder Campingplätze, Friedhöfen usw. (so B G E 93 I 251 ff.) dürfte als zonenzweckkonform erachtet werden. 363 Vgl. unten 3.8.1.2.2.4. 3 M Vgl. unten 3.8.1.2.2.5.

1 0 6 1 . Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen chenen Weingegend 365 , nicht aber die Ausscheidung von detaillierenden landwirtschaftlichen Anbauflächen i n Form von Landwirtschaftszonen 1 - n 3 6 6 zulässig. 1.6.1.2.4. Schlußf olgerung: Inhalt kommunaler Nutzungsplanung Die Schlußf olgerung: I n den Bereich der kommunalen Nutzungsplanung fällt die Entscheidung über folgende Sachbereiche: — Festlegung der Bauzone und deren innere Differenzierung. — Beschlußfassung über bauliche Nutzungen außerhalb der Bauzone (im Bereich kantonalrechtlich festgelegter Nutzurigsgebiete oder kommunalrechtlicher, nichtbaulicher Nutzungszonen), vorbehaltlich der Zustimmung durch die zuständige kantonale Instanz (Art. 29 I I ff.). — Festlegung von nichtbaulichen Nutzungszonen außerhalb der Bauzone, falls dies durch Erreichung des kantonalrechtlichen Nutzungsgebietszweckes durch Pärzellenpräzision und möglicherweise konkretisierende Nutzungsanordnungen oder zur Erreichung eigener kommunaler Planungsziele erforderlich wird. Damit erweist sich die einschlägige Formulierung von Art. 29 i n zweierlei Richtungen als ungenau und aus der Sicht der Systematik durchgehender Planung als unbefriedigend: Neben anderen Teilrichtplänen 3 6 7 enthält auch der Teilrichtplan der Besiedlung und Landschaft für jedermann verbindliche Anordnungen über die zulässige Nutzung des Bodens, sofern die Durchführungssysteme keinen Anlaß zur Errichtung nichtbaulicher Nutzungszonen haben. Zum zweiten betreffen die Formulierungen der Absätze I I und I I I , welche vom Zweck der außerhalb der Bauzonen liegenden „Nutzungszonen" sprechen, Ausnahmefälle. Sich durch sie zur Annahme verleiten zu lassen, das ganze Gemeindegebiet sei nach RPG m i t Nutzungszonen abzudecken, wäre nach dem oben Ausgeführten falsch. 1.6.1.3.· Zur Nutzungszone Der Nutzungsplan setzt sich aus verschiedenen Nutzungszonen zusammen 368 . Auch über diese Zonen als Grundelemente der Nutzungsplanung sagt das RPG explizit wenig aus. W i l l man sie näher umschreiben, ist man wiederum auf planungssystematische Überlegungen ange365

So die „zone viticule" i n A r t . 23 des BauG von NE. E t w a durch Errichtung landwirtschaftspolitisch motivierter Mais-, K a r toffel-, Zuckerrüben-, etc. etc. -anbauzonen oder gar v o n Zonen f ü r biologischen Landbau. 367 Vgl. oben A n m . 349. 368 Vgl. Lendi 1973/3, 117, 131. 368

1.6. Nutzungsplan, Gesamtrichtplan und Bundesplanentscheidungen

107

wiesen. I m folgenden sei zunächst negativ umschrieben, was eine N u t zungszöne i m Rahmen der geltenden, auf dem verfassungsmäßig garantierten Bodenprivateigentum basierenden Ordnung jedenfalls nicht sein kann. Anschließend werden einige positiv formulierbare Eigenschaften geführt. 1.6.1.3.1. Negative Bestimmungsmerkmale Das raumpolitische System hat nach der dargelegten bodenrechtlichen Grundordnung 3 6 9 keinen unmittelbaren Einfluß auf den Verwertungsentscheid. Ob der Grundeigentümer überhaupt eine bestimmungsgemäße Nutzung vornehmen w i l l oder nicht, ist seine Sache. Nutzungsanördnungen i m Sinne von RPG A r t . 29 stehen unter der stillschweigenden Suspensivbedingung, daß der Grundeigentümer als derèn Adressat überhaupt eine Nutzung vornehmen w i l l . Eine eigentliche jNichtnutzung' -— etwa das Belassen einer ,Kulturbrache 4 i n der Bauzone — w i r d man m i t dem Instrument der Nutzungszone nicht verhindern können. Unter Berücksichtigung dessen, daß Nutzungsanordnungen vielfach unmittelbar den realisierbaren Nutzungsertrag mitbestimmen, zu schließen, die Nutzungsanordnung sei lediglich als obere Grenze des realisierbaren Nutzungsertrages anzusehen, weshalb jede weniger ertragsreiche Nutzung neben der eigentlichen ,Nichtnutzung' ebenfalls zulässig sei, möchten w i r bezweifeln. Dies jedenfalls dann, wenn diese ertragsärmere Nutzung den Willen einer gewissen Dauerhaftigkeit erkennen läßt und nicht bloß als Übergangslösung gedacht ist. So läge i n der Errichtung einer Obtskultur inmitten einer Bauzone durch A n pflanzung junger Obstbäume unbesehen allfällig entgegenstehender Landwirtschaftsgesetzgebung 370 eine zonenwidrige Nutzung vor. Als zulässig könnte man demgegenüber eine Weiterführung bisher betriebener landwirtschaftlicher Nutzung betrachten, die nur vorübergehenden Charakter hat. M i t der Zonenenteignung (Art. 35) stellt das RPG ein Korrektiv zur Verfügung. M i t i h r können — als ultima r a t i o 3 7 1 — insbesondere L ü k ken i n der Bauzone geschlossen werden. Gerade auch die gesetzessystematische Gegenüberstellung von A r t . 29 und 35 unterstreicht, daß m i t der Nutzungszone eine Pflicht zur bestimmungsgemäßen Bodennutzung nicht verbünden ist. Könnten aufgrund von A r t . 29 unmittelbare N u t zungspflichten angeordnet werden, so wäre A r t . 39 überflüssig. 3W

Vgl. oben 1.2.2. So etwa obstpolizeiliche Vorschriften i n ausgesprochenen O b s t k u l t u r kantonen betreffend Qualitäts- oder Standortsanforderungen u n d indirekte Steuerungsmaßnahmen der Eidg. A l k o h o l v e r w a l t u n g zwecks Verhinderung von Überschußproduktionen. Vgl. etwa B R B v o m 19.9.1955, (SR 916.131.1). 371 Vgl. die Botschaft 1972, 69. 370

1 0 8 1 . Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen Die m i t der Nutzungszone angeordneten Nutzungsbestimmungen müssen bezüglich den angestrebten Zielsetzungen verhältnismäßig sein (Art. 4). Unverhältnismäßige Nutzungsanweisungen lösen die Rechtswidrigkeit eines Nutzungsplanes aus. Eine genauere Umschreibung des Verhältnismäßigkeitsprinzips w i r d bei der Darlegung der Nichtgenehmigungsgründe (3.8.1.) i m 3. Kapitel versucht. Hier sei lediglich die dort zu begründende Behauptung angeführt, daß der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht allein den Schutz der Privateigentümer, sondern — unter Umständen sogar entgegen den Interessen eines einzelnen Grundeigentümers — auch den Schutz übriger Planbetroffener vor unverhältnismäßigen Belastungen bezweckt. Daß i m übrigen auch eine verhältnismäßige Nutzungszone den Tatbestand der materiellen Enteignung bewirken kann, braucht hier nicht näher ausgeführt zu werden. Diesbezüglich ist das Durchführungssystem verhältnismäßig frei 3 7 2 . Restriktionen erwachsen hier nicht aus der rechtlichen Umschreibung des Zonenbegriffs, sondern aus der gesetzlichen Festlegung von Begriff und Rechtsfolgen der materiellen Enteignung. Die eigentümerfreundliche Umschreibung von Tatbestand 3 7 3 (trotz der begrüßenswerten, generellen Einschränkung i n den A r t . 48 I I I und 49 I) und auf den Verkehrswert abstellenden Entschädigungsfolgen (Art. 51) werden für die Gemeinwesen (Art. 51) äußerst weitreichende Belastungen mitbringen. 1.6.1.3.2. Positive Bestimmungsmerkmale Positiv umschreibt das RPG nur die Bauzone (Art. 23 i. V. m i t A r t . 27 ff.), an die bundesrechtlich und damit für das ganze Gebiet der Schweiz einheitlich bestimmte Anforderungen gestellt werden 3 7 4 . A r t . 25 I I RPG bestimmt, die Nutzungspläne hätten „dem Bedürfnis nach verschiedenartigen Nutzungen, vorab innerhalb der Bauzone" Rechnung zu tragen. Die Bauzone ist damit als Oberbegriff aufzufassen, innerhalb welcher entsprechend den vorhandenen Nutzungsbedürfnis372 Nachzuweisen sind nach ständiger Praxis ein öffentliches Interesse, eine gesetzliche Grundlage u n d die Verhältnismäßigkeit der getroffenen Maßnahmen. Vgl. anstatt vieler: Imboden 1971, 547 ff.; Grisel 1970, 397 ff. 373 Diese liegt m. E. darin, daß als materielle Enteignung nach A r t . 48 und nach einschlägiger Rechtsprechung nicht n u r die besonders gewichtige E r schwerung oder Verunmöglichung einer bestehenden, sondern auch einer — w e n n auch zeitlich u n d nach objektiven Umständen l i m i t i e r t e n — z u k ü n f t i gen Nutzung gilt. Die schädliche Bodenspekulation läßt sich damit nicht h i n reichend bekämpfen. 374 Vgl. dazu Kuttler 1971, 92 ff. Z u m gegenseitigen Verhältnis v o m B u n desbeschluß über den Erwerb von Grundstücken durch Personen i m Ausland, i m Gewässerschutzrecht u n d i m (geplanten) Raumplanungsgesetz: B G E 101 I b 26 ff. u n d 101 I b 194 f. (Vorrang der Bauzone gegenüber dem GPK). Vgl. dazu auch oben A n m . 157.

1.6. Nutzungsplan, Gesamtrichtplan und Bundesplanentscheidungen

109

sen D i f f e r e n z i e r u n g e n m ö g l i c h , j a geboten sind. D i e Bauzone z e r f ä l l t i n verschiedene, b a u l i c h e N u t z u n g w i e d e r u m differenzierende N u t z u n g s zonen. Welche G r ö ß e n lassen sich d u r c h solche N u t z u n g s z o n e n steuern? D e r besagte H i n w e i s i n A r t . 25 I I u n d d e r Z w e c k d e r durchgehenden P l a n u n g v e r l a n g e n v o n solchen N u t z u n g s z o n e n genauere A n g a b e n ü b e r d i e k o n k r e t e A r t 3 7 5 , ü b e r d e n Nutzungszweck. B e i baulicher Nutzung l ä ß t sich eine geordnete Besiedelung des L a n d e s n u r erreichen, w e n n z u d e m der Grad d e r N u t z u n g 3 7 6 , d e r A u s n u t z u n g s k o e f f i z i e n t , b e s t i m m t w i r d . N u r d a m i t lassen sich n o t w e n d i g w e r d e n d e I n f r a s t r u k t u r a u s s t a t t u n g e n voraussehen u n d verschiedene N u t z u n g s a r t e n v e r l ä ß l i c h i n e i n f ü r d e n S i e d l u n g s b e g r i f f charakteristisches, f u n k t i o n a l e s Z u o r d n u n g s verhältnis i m Sinne der obigen Ausführungen bringen. Jener K o e f f i zient l ä ß t sich n u r d a n n berechnen u n d steuern, w e n n A r t u n d G r a d d e r N u t z u n g als v o n d e r N u t z u n g s z o n e steuerbare F a k t o r e n gelten. O b d a r ü b e r h i n a u s auch gestalterische Elemente 377 m i t der b u n d e s rechtlichen N u t z u n g s z o n e gesteuert w e r d e n k ö n n e n , b l e i b t nach d e m R P G offen. I m G r u n d s a t z ist dies wenigstens d o r t eher z u v e r n e i n e n , w o r e i n bauliche u n d m i t d e m B o d e n i n k e i n e r u n m i t t e l b a r e n Bezie375

Diese — unbestrittene — Aufgabe kommt schon den Zonenplänen des kantonalen Baurechts zu. Vgl. etwa die Baugesetze der Kantone BE (Art. 20 ff.); SG (Art. 10 ff.) oder Z H (§§ 47 ff.). Wie detailliert die einzelnen Zonen die Nutzungsart umschreiben, hängt v o m Zweck ab, den die Zonenausscheidung verfolgt. (Vgl. zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unten: 3.8.1.2.2.3.) Eine Beschränkung „auf eine möglichst geringe Z a h l von möglichst abstrakt umschriebenen Zonenarten" (Lendi 1976, 156 f.) läßt sich derart a l l gemein w o h l nicht postulieren. M i t u n t e r k a n n es gerade aus der Sicht der Verhältnismäßigkeit geboten sein, m i t differenzierteren Zonen als etwa n u r m i t den vier von Lendi 1976, 157 vorgeschlagenen (Bauentwicklungs-, Bau-, Freihalte- u n d Industriezone) zu operieren. I n diesem Sinne sieht etwa der bernische Nutzungszonenplan drei verschiedene Wohnzonen (differenziert nach A n t e i l reiner Wohnnutzung), zwei Arbeitszonen und vier A r t e n Zonen i m öffentlichen Interesse vor (Art. 5 ff. der Vorschriften 1975). — Vgl. zur K r i t i k der Wirkweise wenig differenzierter Zonentypen i m BBauG u n d i n der BaunutzungsVO der BRD etwa Wollmann 1974, 203 ff. 376 So etwa A r t . 21 des BauG von BE; A r t . 12 ff. des BauG von B L ; § 128 des BauG von A G ; oder § 48 des BauG von ZH. Die Ausnutzungsziffer ist ein gerade für Städte bedeutsames Instrument zur Steuerung der Stadtdichte. Eine „Verdichtung der Stadt" als Aufgabe der „Stadtpflege" fordert B. Huber: op. cit. A n m . 117, 54. Vielfach werden über die Gewährung angehobener Ausnutzungsziffern städtebaulich erwünschte Verhaltensweisen der Grundeigentümer bewirkt. 377 Solche Bestimmungen enthalten Zonen der Baugesetze der Kantone: V D (Art. 24: Zone = „une fraction du territoire à la quelle s* appliquent des conditions déterminées relatives à la construction ainsi qua'à la destination du sol".) SG (Art. 9 die Zone umschreibt — neben A r t und Intensität der Zone auch die „Regelbauweise"); BS (Anhang zum Hochbaugesetz); B L (§ 14: die Zone umfaßt neben Bestimmungen über A r t und Ausmaß der Nutzung auch Vorschriften über Bauweise u n d Stellung der Bauten, über Gebäudehöhe, Gebäudelänge, Dachformen etc.) oder Z H (§ 48). Die Botschaft 1972, 67 schließt gestalterische Momente i n den Nutzungsplan m i t ein.

1 1 0 1 . Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen hung stehende, beispielsweise ästhetische Momente zur Debatte stehen. I n Nutzungszonen einbeziehbar wären dagegen etwa Baulinien 3 7 8 . Die Nutzungszone zeichnet sich ferner dadurch aus, daß sie für alle unter ihrem Wirkungsbereich stehenden Parzellen gleiche Nutzungsanweisungen enthält 3 7 9 . Das bedeutet, daß sie parzellenscharf* 80 sein muß. Bei ihrer Festlegung ist der Gesetzgeber m. E. jedoch nicht an die vorgefundenen, mehr oder weniger zufälligen Parzellengrenzen gebunden. Wo dies zur Erreichung eines Planungsziels erforderlich ist, kann er Zonengrenzen quer durch diese ziehen 381 . Weil eine Nutzimgszone für alle ihr unterstellten Parzellen gleiche Nutzungsanweisungen enthält, ist sie die kleinste i n der Raumplanung auftretende Raumeinheit. Es besteht — immer unter der Voraussetzung der Verhältnismäßigkeit —kein Anlaß, von einer bestimmten Mindestgröße auszugehen. Nutzungszonen von der Größe einer Parzelle sind ebenso möglich wie solche, die sich über große Stadtteilkomplexe erstrecken (ζ. B. Wohnzonen). Gleichheit der Nutzungsanordnungen einer Zone für alle unterstellten Parzellen bedeutet nicht, daß ü b e r a l l nur eine Nutzungsart — etwa

nur Wohn- oder nur Gewerbenutzung — zulässig wäre. Eine derartige Regelung

müßte

eine

vertikal

differenzierte

382

Nutzungsdurchmi-

2SZ

schung wegen der technisch bedingten Zweidimensionalität der Pläne verunmöglichen. Gerade i n städtischen Gebieten kann eine solche Diffe378 A . M .Lendi 1976, 158. Danach ist der Baulinienplan kein Plan der N u t zungsordnung, w e i l „seine Aufgabe . . . p r i m ä r eine polizeiliche" ist. Dieses f ü r die Frage der materiellen Enteignung (Art. 48 I I I ) bedeutsame U n t e r scheidungskriterium scheint m i r i n diesem Zusammenhang fragwürdig. (Polizeiliche) Gefahrenabwehrfunktionen können auch anerkannte Nutzungszonen erfüllen. Beispiel: die Schutzzone oder die „Gefahrenzone" nach B a u G von BE, A r t . 30. 379 v g l , die Formulierung von A r t . 21 B a u G von B E : „Bauzonen sind Teile des Baugebietes, f ü r welche gleiche Vorschriften über A r t u n d Grad der N u t zung gelten." Ferner etwa das BauG v o n G L A r t . 9. 380

Vgl. zum Begriff: Lendi 1973/3, 122 f. Ferner die Formulierung i n § 19 I BauG von Z G : „Der Zonenplan teilt das ganze Gemeindegebiet nach A r t der Nutzung i n genau abgegrenzte Zonen ein . . . " 381 Vgl. i n diesem Sinne: B G E 98 I 581 ff.; V L P / A S P A N : Entscheidsamml u n g über das schweizerische B a u - u n d Planungsrecht, K a r t e Nr. 166 ( „ i l est fréquent que des parcelles d' une surface relativement grande ne rentrent que pour une toute petite partie dans une zone de construction"); E n t scheid des aargauischen Verwaltungsgerichts v o m 23.4.1975 (in: ZB1 1975 (76), 424 ff.). 382 v g l die oben unter 1.3.5.3.1. zitierte Literatur. Ferner: Ernst/Zinkhahn / Bielenberg, zitiert bei Wollmann 1974, 204. Sie sprechen v o n „ v e r t i k a ler Planung" als von „verbindlicher Festlegung unterschiedlicher N u t zungsarten i n Ebenen baulicher Anlagen". ses v g l . oben 1.3.5.3.1. E i n ähnlicher Effekt läßt sich auch dadurch erreichen, daß man je ausgeschiedene Zone unterschiedliche Nutzungen unter Angabe des zulässigen Mischverhältnisses festlegt. Dabei w i r d m a n i n der Regel die ertragsreichere Nutzung prozentual nach oben begrenzen. Vgl. i n diesem Sinne die A r t . 6 ff. der Vorschriften, 1975.

1.6. Nutzungsplan, Gesamtrichtplan und Bundesplanentscheidungen

111

renzierung aber äußerst willkommen sein. Damit läßt sich vielfach eine Wiederbelebung der Stadtkerne oder eine Belebung reiner Wohnquartiere erreichen, indem i n obere Stockwerke eingezogene Wohnnutzungsebenen oder i m Parterre eingerichtete Verkaufs- und Kommunikationsebenen ermöglicht werden. Das bloß technische Hindernis einer erschwerten Darstellbarkeit vertikaler Nutzungsdifferenzierungen auf zweidimensionalen Plandokumenten kann kein Argument gegen ihre Zulässigkeit sein. Eine Zone braucht bezüglich Nutzungsart nicht homogen zu sein. Insbesondere die sog. Kernzone 3 8 4 — ein Paradebeispiel für gemischte Zonen — kann solche vertikalen Differenzierungen durchaus beinhalten. Gemischte Zonen sind wesentlich kleinfächerigeren homogenen Zonen auch unter dem Gesichtswinkel der Verhältnismäßigkeit überlegen, weil sie größere F l e x i b i l i t ä t 3 8 5 erlauben. 1.6.1.4. Für die Demokratisierungsdiskussion relevante organisationsrechtliche Gesichtspunkte

1.6.1.4.1. Komplexität kommunaler Nutzungsplanung Die Ausscheidung der Bauzone, die Festlegung differenzierender baulicher Nutzungszonen, die Erteilung von Baubewilligungen außerhalb der Bauzone 386 und die Errichtung nichtbaulicher Nutzungszonen außerhalb der Bauzone sind die Elemente, aus denen sich der Nutzungsplanungsprozeß zusammensetzt. Der Nutzungsplan bildet nach den obigen Ausführungen eine Einheit. Lassen sich diese verschiedenen Bereiche kommunaler Nutzungsplanung überhaupt i n einem einheitlichen Gesamtprozeß zusammenfassen? Und wenn ja: Gibt es i m Rahmen der funktionalen Zuordnung der verschiedenen Nutzungsanweisungen A r gumente, die unter bestimmten Voraussetzungen für eine Lockerung dieser Interdependenz sprechen? Das E r t e i l e n v o n Baubewilligungen

außerhalb

der Bauzone

ist der

Festlegung einer Bauzone nicht unähnlich: Dogmatisch kann man davon ausgehen, daß imo açtu m i t der Erteilung einer solchen Baubewilligung die betreffende Parzelle zur Nutzungszone wird, die das Errichten von Bauten Unter bestimmten Bedingungen zuläßt. M i t einer solchen Konstruktion ist auch hier der Grundsatz gewahrt daß Bauen nur auf eingezontem Land zulässig ist. Nach der Formulierung des RPG (Art. 29 II) ist eine derartige ,Bauzone' dem außerhalb der Bauzone gelegenen N u t 384

Vgl. A r t . 9 der Stadtbernischen Vorschriften 1975. Das i n A n m . 383 erwähnte System der vorgeschriebenen Mischverhältnisse der Zone ermöglicht eine flexible u n d problemgerechte Durchsetzung des abstrakt vorgeschriebenen Mischverhältnisses durch die B a u b e w i l l i gungsbehörde. 886 Gem. RPG A r t . 29 I I ff. 385

1 1 2 1 . Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen zungsgebiet und der kommunalrechtlichen Nutzungszone sogar potentiell inhärent: Die Bauzulassung ist — wie aus Abs. I I I deutlich hervorgeht — nicht eine Baukonzession 387 , sondern eine Baubewilligung i m eigentlichen Sinne. Nach RPG steht den Behörden zwar ein gewisser Ermessensspielraum bezüglich der Konformität solcher Bauten m i t den Zonen- oder Gebietszwecken zu. W i r d diese aber bejaht, m u ß 3 8 8 die Bewilligung erteilt werden. Welchen Sinn hätte sonst die Bestimmung von A r t . 29 I I I , die sogar für nichtkonforme Nutzungen die Erteilung der Baubewilligung davon abhängig macht, daß „der Gesuchsteller ein sachlich begründetes Bedürfnis nachweist und keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegenstehen"? Die siedlungspolitische Steuerungsspielraum der Durchführungssysteme erweist sich damit bei Bauten außerhalb der Bauzone nach RPG als beschränkter als bei der ordentlichen baulichen Nutzung. Ferner ist die planmäßige Vorausbestimmbarkeit der Standorte solcher außerordentlicher Bauten nicht i n der Weise möglich, wie bei der ordentlichen Planung. Aus diesen Gründen erscheint es gerechtfertigt, das Erteilen von Baubewilligungen außerhalb der Bauzone aus dem einheitlichen Nutzungsplanungsprozeß auszuklammern und gesonderten, ,kleineren* Verfahren zuzuweisen. Bei ihrer Ausgestaltung ist dem i n der Praxis gleichwohl vonhandenen Spielraum der Gemeinden i n der Frage der Zweckkonformität einerseits, des sachlich begründeten Bedürfnisses sowie des öffentlichen Interesses andererseits Rechnung zu tragen: Der Einwohnerschaft sind hinreichende Partizipationsmöglichkeiten einzuräumen, die jedenfalls umfangreicher sein müssen als i m Falle der Erteilung »gewöhnlicher' Baubewilligungen 3 8 0 . Einer Zusammenfassung der beiden anderen Bestandteile der kommunalen Nutzungsplanung, der baulichen und der nichtbaulichen N u t zungsplanung, steht nichts entgegen. Bei enger Funktionsbeziehung zwischen baulichen und nichtbaulichen Nutzungszonen, insbesondere bei siedlungskernnahen nichtbaulichen Nutzungszonen, ist eine Zusammenfassung i n einunddenselben Planungsprozeß unabdingbar. Wo indessen eine lockere Funktionsbeziehung besteht, etwa bei siedlungskernfernen, nichtbaulichen Nutzungszonen, bei denen vornehmlich der

887 E t w a i m Sinne des „ I u s Aedificandi" i m Vorschlag des I N U zitiert oben A n m . 335. A . M . : Lendi 1976, 153 (solche Baubewilligungen sind nach Lendi Ausnahmebewilligungen). 888 Dieser Anspruch des Bewilligungsnehmers ist ein Wesensmerkmal, das die B e w i l l i g u n g v o n der Konzession abhebt. Vgl. hierzu Leutenegger 1974, 215 ff. 889 Vgl. unten 3.10. bezüglich der Legitimation zur Anfechtung angeblich widerrechtlich erteilter Bewilligungen.

1.6. Nutzungsplan, Gesamtrichtplan und Bundesplanentscheidungen

113

Zweck und weniger die konkrete Ausgestaltung interessiert 890 , ist eine Abspaltung vom ordentlichen, allgemeinen Nutzungsplanungsprozeß nicht von vornherein auszuschließen. Damit ließe sich der ordentliche Planungsprozeß entlasten, was i n Anbetracht seiner hohen Komplexität sogar begrüßenswert sein kann. 1.6.1.4.2. Stadtteile —Gesamtstadt: Mögliche Kompetenzausscheidung Wie angekündigt 8 9 1 , sollen i m folgenden einige Aspekte für den ansonsten nicht weiterverfolgten Fall angeführt werden, daß als Durchführungssysteme die Stadtteile figurieren. Dabei ist der Komplex kommunaler Nutzungsplanung sachgerecht,auseinanderzuschrauben' 392. Für die Gesamtstadt und deren Entwicklung bedeutsame Teile sind dabei einem gesamtstädtisch veranstalteten Planungsprozeß, nur stadtteilrelevante Teile dem Nutzungsplanungsprozeß der Stadtteile zuzuweisen. Ähnlich wie i m kantonalen Richtplanungsprozeß w i r d man beim städtischen Gesamtplan siedlungs- und (raumrelevante) sachplanerische Teilpläne auseinanderhalten, aus deren Gesamtheit er sich zusammensetzt. Er enthält neben echtgenerell-konkreten Planungsentscheidungen 8 9 8 auch solche, die bis zu ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit noch einer Konkretisierung durch Stadtteilbehörden bedürfen. Als gesamtstädtische Bereiche müßten insbesondere angesehen werden: — Die gesamtstädtische Sachplanung: Darunter fallen etwa: Die Standortbestimmung von Schulanlagen, die übergeordnete Verkehrsplanung, zentrale Einrichtungen, die sich zwar i n einem Stadtteil befinden, indessen zentralörtliche, möglicherweise gar regionale Bedeut u n g 8 9 4 haben (ausgesprochene Freizeit- und Vergnügungsstätten i n der Innenstadt, ortsbildprägende Bauten und Anlagen, städtische oder kantonale Verwaltungsgebäulichkeiten, größere Anlagen des Gesundheitswesens, größere Einkaufszentren etc.), die Standortbestimmung dezentraler Einrichtungen des Gesundheitswesens, Energie- und Wasserversorgungswesen etc. Soweit Sachplanung zur Siedlungsplanung i n funktionalem Dependenzverhältnis steht, ist sie der letzteren unterzuordnen. Wo ein solcher Funktionszusammenhang nicht besteht (ζ. B. bei überkommunalen Ein890 Beispielsweise ein kleineres Naherholungsgebiet, bei dem i n erster L i n i e der Umstand interessiert, daß ein solches vorhanden ist. Wo es genau liegt, interessiert demgegenüber weniger. 891 Oben 1.3.5.3.3. 892 Vgl. oben 1.3.5.3.1. 898 Vgl. z u m Begriff: oben 1.5.3. 894 Vgl. oben A n m . 237.

8 Knoepiel

1 1 4 1 . Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen richtungen, wie bei kantonalen Verwaltungsgebäuden), ist eine sinnvolle Integration der Sachplanung i n die siedlungspolitische Gesamtkonzeption anzustreben. Aus Platzgründen kann auf diese Problematik an dieser Stelle 3 9 5 nicht näher eingetreten werden. — Die siedlungspolitische Gesamtentwicklung der Stadt. Darunter fallen i n erster L i n i e die Ausscheidung der Bauzone als Begrenzung des Stadtkörpers nach außen sowie die infrastrukturbedingende Festlegung m i n i m a l e r 3 9 6 u n d maximaler Ausnutzungsziffern f ü r das gesamte Stadtgebiet. Dazu zählen müßte man auch die Ausscheidung nichtbaulicher Nutzungszonen i n der Umgebung der Stadt u n d die Erteilung von Baubewilligungen außerhalb der Bauzone, soweit gesamtstädtische Belange tangiert werden. — Die Schaffung von Voraussetzungen zur Errichtung und BestandSicherung der Stadtteile 397 als lebensfähige Quartiere m i t einer bestimmten Nutzungsdurchmischung. Dieses Tätigwerden ,gegen innen 4 bezweckt eine Differenzierung baulicher Nutzung innerhalb rechtskräft i g umschriebener Stadtteile. Das läßt sich bewerkstelligen durch standortmäßige Festlegung einer von den Stadtteilen inhaltlich näher u m schreibbaren Stadtteilkernzone und durch zentrale Festlegung des gegenseitigen Verhältnisses relativ abstrakt formulierter Nutzungsarten (etwa Wohnen : Konsum : Bildung/Freizeit : A r b e i t : etc.) 3 9 8 oder städtebaulicher Standards 3 9 9 je Stadtteil. Aufgabe der Stadtteile als eigentliche Durchführungssysteme der Raumplanung wäre es nun, ihre i m quartieröffentlichen Interesse liegenden Planungsziele — gewissermaßen i n einem ,Feinplanungsprozeß' — zu realisieren u n d Nutzungszonen i m Rahmen übergeordneter Planungsentscheidungen u n d Rechtsgrundsätzen auszuscheiden. I m Falle der örtlich fixierten Stadtteilkernzonen sind zudem differenzierende inhaltliche Nutzungsanordnungen zu erlassen, die den besonderen Bedürfnissen der Stadtteile Rechnung tragen. 395 v g l . z u m K r i t e r i u m genauer unten 1.6.3.3.1. Z u niedrige Ausnützungen können i n städtischen Gebieten das Ziel einer minimalen Baudichte (vgl. zur Bedeutung: B. Huber: op. cit. A n m . 117, 55) vereiteln u n d damit das B i l d der Gesamtstadt beeinträchtigen. Z u r Bedeutung der Ausnützungsziffern für die — gesamtstädtisch zu produzierende — I n f r a s t r u k t u r : oben 1.6.1.3.2. 897 Vgl. zur Bedeutung: oben 1.3.5.3. — Quartierzentrenbildung w a r nach internen Auskünften ein Hauptziel der Arbeiten zum Berner Nutzungszonenplan. Das k o m m t auch zum Ausdruck i m Vortrag 1975, 3 ff. 898 Vgl. oben 1.3.5.3.1. (Schluß). 399 So: P. R. G. 1973, 28 f. 400 y j e i i sich diese Arbeit auf Aspekte der Partizipation an der kommunalen Nutzungsplanung konzentriert, w i r d die folgende Darstellung weitgehend eine auf das Formale beschränkte (und daher verkürzte) Auflistung 396

1.6. Nutzungsplan, Gesamtrichtplan u n d Bundesplanentscheidungen

115

1.6.2. Z u den kantonalen u n d regionalen Gesamtrichtplänen 4 0 0

1.6.2.1. Ausgangslage — Inhalte Unter Gesamtrichtplänen verstehen w i r i n dieser primär auf den raumpolitischen Entscheidungsprozeß konzentrierten Arbeit den Inbegriff sämtlicher kantonaler und /oder regionaler raumpolitischer Entscheidungen, die als echt- oder unechtgenerell-konkrete Raumpläne aus der Implementierung von auf dieser Ebene zulässigen Planzielbündel resultieren. Sie bestehen mindestens aus den Teilrichtplänen der Besiedlung und der Landschaft, des Verkehrs, der Versorgung sowie der öffentlichen Bauten und Anlagen (Art. 9). Solche Gesamtrichtpläne legen „die Grundzüge der künftigen nutzungs- und besiedelungsmäßigen Entwicklung" (Art. 5) fest. Sie vereinigen drei rechtlich verschiedenartige Typen von Entscheidungen: 1.6.2.1.1. Die echtgenerell-konkreten materiellen Planungsentscheidungen Diese sind ohne weitere konkretisierende Planungsleistungen des raumpolitischen Systems theoretisch unmittelbar raumwirksam. Ihre Übernahme in die Nutzungspläne ist für sie rechtlich ohne Bedeutung, da sie schon vorher „ f ü r jedermann verbindliche Anordnungen über die zulässige Nutzung des Bodens" (Art. 29) beinhalten 4 0 1 . Besteht i n einem Dorf zu einem bestimmten Zeitpunkt noch kein allgemeiner Nutzungsplan, so ist das Errichten eines Gebäudes auf dem Terrain einer künftigen Kantonsstraße für jedermann unzulässig. Das Bauverbot entsteht nicht erst m i t dem die geplante Straße einbeziehenden Nutzungsplan. Wünsche für die Linienführung oder Anfechtungen derselben sind zeitlich und zuständigkeitsmäßig auf den Planungsprozeß i m übergeordneten raumpolitischen System zu richten 4 0 2 . Weil solche kantonale Entscheidungen nach außen i n mancher H i n sicht Nutzungsplancharakter haben 4 0 3 , muß geprüft werden, ob sie — i n Anlehnung an das Recht einiger Kantone 4 0 4 — i n einem vom allgemeinen, auf Erlaß systemgenerell-konkreter Pläne ausgerichteten Verfahren getrennte Prozeß erlassen werden sollten. Ob ein solches Nebender hierfür präjudizierenden übergeordneten Planungsentscheidungen sein. Etwas mehr zu gewichten ist lediglich das Verhältnis der kantonalen Planung zu den Bundesplanungsentscheidungen, w e i l hier der i n dieser A r b e i t ganz allgemein interessierende Demokratisierungsgrad des raumpolitischen Gesamtsystems zu problematisieren ist. 401 Vgl. oben 1.3.5.2. 402 Vgl. oben 1.5.2. 403 Vgl. oben 1.5.2. 404 Vgl. zum kantonalen Recht: BauG von B E A r t . 92 (eigentliche kantonale Richtpläne) u n d 93 (kantonale Überbauungspläne „ m i t der Rechtswirkung

8*

1 1 6 1 . Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen einander aus der Sicht eines integrierten Planungsprozesses sinnvoll ist, kann hier nicht beurteilt werden. Jedenfalls würde eine solche Parallelität eine sinnvolle Differenzierung der Partizipationsmöglichkeiten je unterschiedlichem Konkretionsgrad ermöglichen. 1.6.2.1.2. Die unecht-generell-konkreten materiellen Planungsentscheidungen Darunter fallen zwei Gruppen: — Materiell zwar konkretisierbare, aber noch nicht zur Konkretisierung freigegebene Entscheidungen. Ihre konkretisierende Umsetzung i n unmittelbar rechtsgültige Nutzungsanordnungen w i r d einem späteren Zeitpunkt vorbehalten. Derart bleibt ihre Anpassung an anders abgelaufene Entwicklungen unter Abweichung vom ursprünglichen Konzept möglich. Beispiel dafür ist das kantonalrechtlich ausgeschiedene Siedlungsgebiet: Auch innerhalb dieses Gebietes kann vorerst ein Teil einem späteren Siedlungs- und Nutzungsplanungsprozeß vorbehalten bleiben. Sein später gegebenenfalls möglicher Einbezug i n die kommunale Bauzone ist vorläufig ausgeschlossen. Es bleibt vorerst der landwirtschaftlichen Nutzung vorbehalten, weil der Kanton noch nicht das ganze Gebiet zur Beplanung freigegeben hat. Dies resultiert u. a. daraus, daß der Richtplan der Besiedelung und Landschaft Siedlungsgebiet (Art. 11) für einen Zeitraum von 20-25 Jahren ausscheidet, während i m Nutzungsplan nur Baugebiet auf 10 15 Jahre vorgesehen werden kann. — Materiell weiter konkretisierungsbedürftige Entscheidungen, für deren Konkretisierung durch die Durchführungseinheiten eine Pflicht besteht 4 0 5 . des kommunalen Uberbauungsplans" etwa f ü r „Freiflächen f ü r öffentliche Werke von kantonaler oder regionaler Bedeutung, regionale Verkehrsanlagen, regionale Grünflächen"). Solche Entscheidungen müßten m. E. auch i n den als „Teilrichtpläne" bezeichneten Plänen des Verkehrs oder der öffentlichen Bauten (Art. 17 u n d A r t . 19 RPG) gem. RaumplanungsG enthalten sein); B a u G v o n V D A r t . 53ff. („plan d'extension cantonal", der Straßen u n d öffentliche Werke beinhaltet, „ q u i intéressent l'ensemble ou une partie importante d u canton"; dieser Plan wäre gem. RPG Gegenstand des kantonalen Teilrichtplans des Verkehrs u n d der öffentlichen Bauten u n d Anlagen) ; B a u G v o n B L § 35 („Regionale Detailpläne"); B a u G v o n FR A r t . 25 (regionaler Bebauungsplan f ü r Schutzzonen, insbesondere f ü r Seeufer u n d Landschaften, erlassen i n sinngemäßer A n w e n d u n g der Vorschriften über die Ortsbebauungspläne); B a u G v o n A G § 121 (kantonaler Überbauungsplan f ü r öffentliche Gewässer, Kantonsstraßen, Eisenbahnen u n d Flugplätze). Vgl. a u d i die Darstellung bei Lendi 1973/3, 125 ff. 406 Diese Pflicht geht aus A r t . 2 u n d A r t . 25 ff. RPG hervor. Sie w i r d deutlich i m Falle v o n Gemeinden, die bisher i n Ermangelung eines kantonalrechtlichen Obligatoriums (so etwa i m K a n t o n VS oder TG) keine Bauzone ausgeschieden haben.

1.6. Nutzungsplan, Gesamtrichtplan u n d Bundesplanentscheidungen

117

Skizze der Ebenen (zum Vergleich) I m Baugebiet ausgeschiedene Nutzungszone Konkretisierungsgebot 406)

Ausgeschiedene Bauzone Β Zur Beplanung freigegebenes Siedlungsgebiet (RPG A r t . 25 I)

Konkretisierungsverbot (= faktisch: ü b riges Gemeindegebiet)

Siedlungsgebiet (gem. kantonalem Siedlungsrichtplan) (zum Vergleich) Gesamtes Gemeindegebiet

A

Die Proportionen sind stark überhöht. Bei den heute meist zu großen Bauzonen w i r d das K o n kretisierungsgebot i n der Regel gem. Variante Β zum Negativgebot (Rückzonung). Skizze 4

1.6.2.1.3. D i e u n e c h t - g e n e r e l l - k o n k r e t e n f o r m e l l e n Planungsentscheidungen D a r u n t e r fallen e t w a die A n g a b e n über die D u r c h f ü h r u n g der Ges a m t r i c h t p l ä n e „ i n technischer, f i n a n z i e l l e r u n d z e i t l i c h e r H i n s i c h t " (Art. 7 II). E i n Beispiel: D e r Freigabeentscheid betreffend ein b e s t i m m tes G e b i e t i n n e r h a l b des Siedlungsgebietes z u r k o n k r e t i s i e r e n d e n B e planung durch die Gemeinden. 1.6.2.2. Für die Demokratisierungsdiskussion

bedeutsame

Aspekte

1.6.2.2.1. E c h t g e n e r e l l - k o n k r e t e k a n t o n a l e Planungsentscheidungen G e s a m t r i c h t p l ä n e beschränken d e n Z i e l b e r e i c h k o m m u n a l e r P l a n u n g . B e m ü h u n g e n f ü r eine E r w e i t e r u n g b ü r g e r s c h a f t l i c h e r M i t w i r 406 Die Umschreibung dieses Gebietes ergibt sich zunächst durch den für die Bauzone bundesrechtlich vorgeschriebenen Zeithorizont u n d durch w e i tere Anforderungen an solche Bauzonen. Daraus resultiert jedenfalls eine obere Grenze. I m weiteren k a n n der K a n t o n m. E. auch das v o n i h m f ü r den Zeithorizont Ζ 2 ausgeschiedene Siedlungsgebiet unterteilen u n d vorerst n u r einen T e i l zur Disposition der kommunalen Nutzungsplanung stellen. Dieses muß die Gemeinde ihrerseits m i t der Planung überziehen. Sie muß es aber nicht zu einer Bauzone machen.

1 1 8 1 . Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen kungsrechte jeglicher A r t haben sich daher auf eine entsprechende Umgestaltung der kantonalen raumpolitischen Systeme zu richten. Ein Ansatz bei der nachgelagerten Stufe des kommunalen Durchführungssystems ist systemwidrig. Das kantonale Recht muß echtgenerell-konkrete kantonale Nutzungsa n o r d n u n g e n b e z ü g l i c h Rechtsschutz u n d demokratischer Mitwirkung d e r S y s t e m m i t g l i e d e r qualitativ den Nutzungsplänen gleichsetzen. Ob-

wohl sich die Mitwirkungsrechte auf eine der Durchführungsstufe vorgelagerte Planungsstufe beziehen, handelt es sich nicht u m vorverlagerte Mitwirkungsrechte; die Entscheidung, auf die sich die Mitwirkungsrechte beziehen, haben nicht bloß eine präjudizielle Bedeutung für spätere konkretisierende Durchführungsentscheidungen, sondern sie sind Durchführungsentscheidungen 407 . Anders verhält es sich bei systemgenerell-konkreten Entscheidungen i n Gesamtrichtplänen. N u r sie sind eigentliche Richtpläne i m Sinne der Umschreibung von RPG A r t . 5. Wie die Zentralismusdiskussion zeigt 4 0 8 , soll verhindert werden, daß m i t der M i t w i r k u n g innerhalb des dezentralen Durchführungssystems uno actu eine qualitativ gleichartige M i t w i r k u n g i m übergeordneten, zentraleren System erfolgt. Derart müßte die relative Autonomie der raumpolitischen Durchführungssysteme gesprengt und zentrale Steuerungsentscheidungen, die dem Kanton zustehen, am erfolgreichen Widerstand eines einzigen Subsystems unter vielen scheitern 409 . Andererseits steht die präjudizielle Bedeutung von Richtentscheidungen für die Gemeindeplanung außer Zweifel. Neben Mitwirkungsmöglichkeiten i m Durchführungssystem müssen daher qualitativ andersartige stufenadäquate Mitwirkungsrechte auf der Ebene der vorgelagerten Systeme bestehen 410 . Aus der Sicht der Durchführungsstufe erhalten w i r somit drei unterschiedliche Mitwirkungsarten: M i t w i r k u n g an relativ autonomen Durchführungsentscheidungen. M i t w i r k u n g an echtgenerell-konkreten Entscheidungen i m Gesamtrichtplan. M i t w i r k u n g an systemgenerellkonkreten Entscheidungen i m Gesamtrichtplan. Oder: M i t w i r k u n g an Durchführungsentscheidungen (im Subsystem; i m übergeordneten System) und an durchführungspräjudizierenden Entscheidungen.

407

Vgl. oben 1.5.2. Vgl. oben 1.3.2. f. 409 Vgl. oben 1.3.1. bzw. unten 1.8.2. u n d 2.5.4. (Kriterien für die Ausgliederung politischer Subsysteme; Systemwidrigkeit sog. absoluter subsystemarer Vetopositionen). 410 V o n großer Bedeutung w i r d daher die unten 2.6.6. darzustellende „subsystemare Implementierungspartizipation". 408

1.6. Nutzungsplan, Gesamtrichtplan und Bundesplanentscheidungen

119

1.6.2.2.2. Z u r Region 4 1 1 Hier interessiert lediglich die Stellung einer Region als möglicher Träger der Gesamtrichtplanung i m Gesamtsystem. Der Frage nach genaueren K r i t e r i e n f ü r deren Umschreibung oder Möglichkeiten für demokratische Legitimationssysteme soll weiter nicht nachgegangen werden. W i r verweisen auf die A r b e i t e n v o n Wehinger 412, Casati 413, 414 415 Stich und Volwahsen und die dort zitierte Literatur. A r t . 5 I I stellt lakonisch fest, daß sich Gesamtrichtpläne auf das Kantonsgebiet oder auf einzelne Regionen beziehen. Eine Region ist ein Teilraum, der sich von anderen Teilräumen oder v o m G e s a m t r a u m als relativ

geschlossene

Wirkungseinheit

ab-

hebt. „ W e i l sie die Ausübung der unterschiedlichen Lebensfunktionen wie Arbeiten und sich Erholen gewährleisten müssen, enthalten diese Raumeinheiten ländliche und städtische, wirtschaftsstarke und w i r t schaftsschwache Gebiete, . . . es handelt sich u m eine Zusammenfassung sozial und wirtschaftlich unterschiedlich strukturierter R ä u m e " 4 1 6 ' 4 1 7 . Die Region ist „ein Gestaltungs- und Problemraum" (Wehinger) 418. Darin sollen „die bestehenden oder neu entstehenden Lebensbeziehungen ausgeglichen werden" (Wegener)* 19. Gemäß der Legaldefinition i n A r t . 6 des Investitionshilfegesetzes 4 2 0 gelten als Regionen „Gruppen von Gemeinden ,die geographisch u n d wirtschaftlich eng miteinander verbunden sind und das Ziel verfolgen, einen Teil 411 Vgl. zu den besonders interessanten Verhältnissen i n Frankreich: Fritsch 1973 und Bruns 1974, 237 ff. Diese anstaltliche Konzeption der Region w i r d hier nicht besprochen. 412 Wehinger 1975. 413 Casati 1972. 414 R. Stich: Rechtsschutzprobleme bei Maßnahmen der Landes- und Regionalplanung, i n : Verfassungs- und Verwaltungsprobleme der Raumordnungs- und Landesplanung, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Band 27, Berlin 1965, 124 ff. 415 Volwahsen 1974, 192 ff. und ders.: V o m Regionalplan zum Flächennutzungsplan, i n : Stadtbauwelt Nr. 49 (März 1976), 32 ff. 418 Wehinger 1975,182. 417 Eine ähnliche Umschreibung findet sich bei: Becker-Marx 1965, 54 ff. (Region als M i t t e l zum Ausgleich sozialer Über- und Unterfunktionen). Vgl. dazu kritisch Hiss / Schneider / Wegener 1976, 44 ff. (Verschärfung des Gefälles Stadt - L a n d durch Zusammenfassung i n Regionen). 418 Wehinger 1975, 186. Kritisch A. Evers 1975, 172 ff. (die institutionelle Ausbildung von Regionen, welche Zentren und Umland zu einundderselben Wirkungseinheit zusammenfügen, verschärft das Zentrum - Peripherie - Gefälle und führt zu vertieften Abhängigkeiten monofunktional genutzter, peripherer Gebiete von den Zentren). 419 Wegener 1974, 57. 420 B G über Investitionshilfe für Berggebiete v o m 28. 6.1974 (SR 901.1).

1 2 0 1 . Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen ihrer Aufgaben gemeinsam zu lösen" 4 2 1 . Die raumpolitische Region muß sich bezüglich einem Großteil der Gesamtrichtplanungsmaterien vom übrigen Kantonsgebiet abheben, so daß ihre Planung einem (relativ) eigenständigen Zielsystem unterstellt werden kann. Angebracht ist die Errichtung von selbständig m i t einem regionalen Richtplan überziehbaren Einheiten nur dort, wo die für eine Gesamtrichtplanung zielrelevanten Raumfaktoren 4 2 2 i m größeren — kantonalen — Teilraum keine oder nur eine geringe Kohärenz aufweisen. Bei der Regionalisierung eines Kantons oder eines Kantonsteils entstehen neue, vom Kanton relativ autonome, raumpolitische Subsysteme 423, die als zusätzliche Planungsträger zwischen Kanton- und Gemeinde eingeschoben werden. Aus dieser Qualität resultiert u.a. die Notwendigkeit für die Ausbildung eines eigenständigen demokratischen Legitimationssystems 424. Eine bloße Addition der kommunalen Legitimationssysteme genügt hier nicht. M i t Wehinger 426, Casati 426 und Fagagnini 427 ist daher die Konstituierung der Region als öffentlich-rechtliche Körperschaft m i t unmittelbarer Beteiligung der Regionseinwohner auf regionaler Ebene zu fordern 4 2 8 . Planungstheoretisch ließe sich aber auch nicht rechtfertigen, einerseits das Bestehen regionaler Räume zu anerkennen, die sogar m i t dem relativ generalisierenden Instrumentarium des Gesamtrichtplanes nicht nach einheitlichem Zielsystem auf kantonaler Ebene steuerbar sind, andererseits gleichwohl von der F i k tion einer vom Kanton voll getragenen, zentralen Gesamtsteuerung auszugehen und der Region eine relative Richtplanungsautonomie gegenüber dem Kanton abzusprechen. Gleichwohl w i r d es bei einer relativen Autonomie gegenüber dem Kanton bleiben. Die Region t r i t t nicht an die Stelle des Kantons, obwohl beide nach dem Wortlaut des Gesetzes das für gleiche Stufen vorgesehene Planungsinstrumentarium (Gesamtrichtplan) einsetzen.

421 Vgl. auch die Definition i n der V O zum Investitionshilfegesetz v o m 9. 6. 1975 (SR 901.11) A r t . 3 (die Abgrenzung v o n Regionen g i l t als zweckmäßig, w e n n berücksichtigt sind: „Die Topographie, die Schwerpunkte gesellschaftlicher u n d wirtschaftlicher A k t i v i t ä t e n u n d ihre Erreichbarkeit, die vorhandene u n d die benötigte regionale Infrastruktur, die Pendlerverhältnisse, die institutionellen, sprachlichen, kulturellen u n d konfessionellen Grenzen, die Entwicklungsbedürfnisse u n d die Entwicklungsmöglichkeiten"). 422 Vgl. dazu oben 1.4.3. (Punkt 2) u n d 1.5.2. 428 Vgl. zum Begriff des raumpolitischen Subsystems: oben 1.3.4.3. 424 Vgl. oben 1.3.4.3. u n d unten 2.5. 426 Wehinger 1975, 212. 426 Casati 1972,106 ff. 427 Fagagnini 1974, 365. 428 A . M . : Gygi 1973, 137 ff.

1.6. Nutzungsplan, Gesamtrichtplan und B u n d e s p l a n e n t s i d n g e n

121

Eine materielle Betrachtungsweise w i r d zu einem sachgerechten ,Auseinanderschrauben 4 der Gesamtrichtpläne i n regionale und kantonale Teile führen. Ähnlich dem Verhältnis Stadt — Stadtteil 4 2 9 könnte kantonale Gesamtrichtplanung unter anderem auf die Schaffung lebensfähiger und einer regionalen Gesamtrichtplanung zugänglicher Regionen abzielen. Heteronome Planungsdaten für die einzelnen Regionen (Entwicklungsschwerpunkte, überregionale Einrichtungen) könnten die i m übrigen autonomen Gesamtrichtplanungen wirksam koordinieren und über Rückkoppelungsmechanismen zwischen regionalen und kantonalen Instanzen ließe sich die notwendige Kontrolle der Regionen sicherstellen. 1.6.2.2.3. Planinhalte — Rückkoppelung an Bundesplanungsentscheide I n der Diskussion über ein demokratisches Organisationsrecht kantonaler Planung fallen auch die Inhalte verbindlicher Bundesentscheidungen und daraus resultierende Beschränkungen für die Kantone ins Gewicht. I n Anlehnung an die Prozeßskizze 430 halten w i r dazu einen materiellen und einen formellen Gesichtspunkt fest: 1.6.2.2.3.1.

Der materielle

Gesichtspunkt

Das Raumplanungsgesetz führt zwar stellenweise recht ausführlich an, was m i t den verschiedenen Teilrichtplänen zu regeln ist. Es regelt indessen das kantonale Richtplaninstrumentarium nicht abschließend 431. Die Gesamtrichtpläne umfassen i n der Regel (Art. 7 I) die vorgesehenen Teilrichtpläne. Offenbar können sie auch andere Pläne beinhalten. Insgesamt müssen sie ihrem i n A r t . 6 formulierten Auftrag, Siedlungsgebiet von nicht zu besiedelndem Gebiet auszuscheiden, m i t adäquaten Planungsmitteln nachkommen. Solche M i t t e l stellen die angeführten Teilrichtpläne zweifellos dar. „ I n der Regel" w i l l damit nicht heißen, daß auf einen der Teilrichtpläne verzichtet werden kann. Es besagt vielmehr, daß für die einzusetzenden Planungsinstrumentarien auf kantonaler Ebene kein bundesrechtlicher Numerus clausus besteht. Noch deutlicher w i r d dies i n A r t . 10, wo für die Richtpläne der Besiedlung und Landschaft eine Liste unterschiedlicher Nutzungsge429 Vgl. oben 1.6.1.4.2. Bei der Kompetenzaufteilung werden den Regionen zur Bewältigung auftretender Folgeprobleme (vgl. oben 1.3.1.) auch Befugnisse außerhalb des Bereichs der Raumplanung (Entwicklungsplanung, L à stenausgleich u n d Finanzordnung) sowie Funktionen der Bezirke, Ä m t e r oder Kreise zu übertragen sein. Vgl. i n diesem Sinne: Wehinger 1975, 213 u n d dort angeführte Hinweise. 480 Vgl. oben 1.4.3. 481 Vgl. i n diesem Sinne: Lendi 1973/3, 135; P. Rosenstock: Die Aufgaben der Kantone auf dem Gebiet der Planung i m Rahmen der Ausführungsgesetzgebung zu den Bodenrechtsartikeln, i n : W u R 1971,110 f.

1 2 2 1 . Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen biete (a - f) angeführt ist, die i n Abs. I V ausdrücklich als nicht abschließend bezeichnet wird. Auch hier fordert das RPG lediglich ein für die Kantone verbindliches Minimalprogramm. Weitere Planungsmittel ähnlicher Wirkungsweise sind zulässig. Dieser Sachverhalt überrascht bei der verfassungsrechtlich auffällig starken Position der Kantone 432 als zweite Stufe i m raumpolitischen Gesamtsystem keineswegs. Gleichwohl sind dessen Konsequenzen für das Gesamtsystem eindrücklich: Der Konkretisierungsgrad der vier i m RPG selbst vorgesehenen Teilrichtpläne ist unterschiedlich angesetzt: Relativ autonomen, dezentralen Entscheidungen offen ist i m wesentlichen nur der je Durchführungssystem zu konkretisierende Richtplan der Besiedelung und Landschaft. Eine Erweiterung des Gesamtrichtplanes durch die Einführung neuer Kategorien von Teilrichtplänen kann für die relative Autonomie kommunaler Nutzungsplanung weitere Beschränkungen zur Folge haben: Wo etwa Shoppingcenters zu Versorgungslücken i n Randgebieten führen 4 3 3 , muß das gesamte Kantonsgebiet bezüglich Versorgung m i t Grundkonsumgütern zu einem einheitlichen, planerisch kohärenten Wirkungsfeld zusammengefaßt werden. I n einem zusätzlichen Teilrichtplan der Konsumgüterversorgung müßten nach einheitlichem Zielsystem zusätzliche zentrale Entscheidungen getroffen werden, die für die kommunale Nutzungsplanung wiederum verbindliche Planungsdaten setzen. Die Autonomie der Gemeinden bei der Ausscheidung von Geschäftszonen w i r d i m überkommunalen Interesse eines ausreichenden und ausgewogenen Versorgungssystems i m übergeordneten Großraum Kanton oder Region beschränkt. M i t dieser — planerisch gebotenen — Möglichkeit stellt das RPG die relative Autonomie der Durchführungssysteme teilweise zur Disposition des speziellen kantonalen Planungsrechts. Obwohl den Gemeinden i m schweizerischen raumpolitischen Gesamtsystem die bundesweit einheitlich umschriebene Stellung der Durchführungssysteme zukommt, läßt sich ihre relative Autonomie selbst aus der Sicht des raumpolitischen Systems nicht bundesweit einheitlich definieren. I h r unterschiedlicher Umfang ist nicht allein i m unterschiedlichen kantonalen Staatsrecht 4 3 4 , sondern i n der bundesrechtlichen Organisation dieses Gesamt432 Vgl. zu diesem hier weiter nicht verfolgten Aspekt: Aubert / Jagmetti 1971, 133 ff.; Werner 1975, 54 ff. u n d dort zitierte L i t e r a t u r ; Wehinger 1975, 138 ff. 433 Vgl. zur Problematik der Einkaufszentren anstatt vieler: Lanzi Saladin 1976, 89 ff. u n d dort zitierte Literatur. Ferner unten 1.7.3. u n d 1.7.4.3. 434 Vgl. hierzu die beiden umfassenden Aufsätze v o n Jagmetti 1972, 289 ff., 316 ff. u n d J. Meylan: Problèmes actuels de l'autonomie communale, i n : ZSR 1972 (91), I I , 87 ff., 119 ff.

1.6. Nutzungsplan, Gesamtrichtplan und Bundesplanentscheidungen

123

systems selbst angelegt. Die Funktionsfähigkeit eben dieses Systems basiert aber andererseits auf der Garantie minimaler Durchführungsautonomie 4 8 5 . Die gesamtsystemar notwendige relative Autonomie der kommunalen Durchführungssysteme kann somit i n zwei Richtungen m i t anderen Grundelementen des Gesamtsystems i n K o n f l i k t treten: Einmal können i m RPG inhaltlich umschriebene Teilrichtpläne, insbesondere der Besiedlung und Landschaft sowie des Verkehrs, die stufenadäquate Autonomie der dezentralen Subsysteme verletzen, wenn sie über die Grundzüge hinaus dezentral zu fällende, detaillierende Nutzungsentscheidungen enthalten. Dasselbe kann aber auch über die Einführung neuer, i m RPG inhaltlich nicht umschriebener Teilrichtpläne erfolgen, wenn kein vor den Zielen des Gesamtsystems begründbarer Anlaß zur Zentralisierung besteht. Dies zu verhindern, ist Aufgabe eines umfassenden bundesrechtlichen Autonomierechtsschutzsystems, auf das unten näher einzugehen ist 4 8 6 . Die Tatsache, daß das Bundesrecht keine abschließende Liste der kantonalen Teilrichtpläne enthält, w i r k t sich auch auf den Umfang möglicher Planungsziele aus, welche sich m i t Gesamtrichtplanungen i n den Kantonen verfolgen lassen. Ein strenger Numerus clausus eng umschriebener Planungsmittel hätte nämlich eine Beschränkung dieses Umf anges zur Folge: Realistischerweise erreichbar und damit als Planungsziel formulierbar ist nur, was m i t verfügbaren Mitteln auch durchsetzbar ist 4 3 7 . Werden die verfügbaren M i t t e l der Teilsysteme vom Zentralsystem abschließend und einheitlich definiert, so w i r d deren Zielbereich auf die überhaupt beplanbaren Bereiche beschränkt. Ohne unmittelbare Zugriffe auf die Zielinhalte der Teilsysteme ließe sich m i t einem Numerus clausus der kantonalen Teilrichtpläne eine Zentralisierung erwirken. Zwar hat das RPG auf eine solche Steuerung vorab aus verfassungsrechtlichen Gründen 4 8 8 verzichtet. Einen vergleichbaren Effekt erzielt es aber m i t der Umschreibung der ausdrücklich geregelten Teilrichtpläne als nicht unterschreitbare Minima notwendigerweise einzusetzender Planungsmittel: Ohne unmittelbar inhaltliche Einflußnahme auf die kantonalen Zielsysteme setzt es den Kantonen ein Zielvakuum, das von ihnen — i n eigener Regie — aufgeführt werden muß: Ohne 435

Vgl. i n diesem Zusammenhang oben: 1.3.4.2. f. u n d 1.3.5. Vgl. dazu unten 2.6.6. u n d 3.9. 437 Vgl. zu diesem allgemeinen Grundsatz der Planungswissenschaft oben 1.2.1.2.2. (Zielbündelentscheidung). 438 Vgl. oben A n m . 432. 436

1 2 4 1 . Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen hinreichende Entwicklungsziele lassen sich daraus abgeleitete Richtpläne sinnvollerweise nicht erreichen 439 . 1.6.2.2.3.2. Der verfahrensmäßige

Aspekt

Die Kantone sind trotz ihrer verhältnismäßig eigenständigen Stellung Subsysteme i n einem übergeordneten Gesamtsystem. Die Prozeßskizze macht deutlich, daß ihnen raumplanerische Zielelemente vorgegeben sind, die als zentrale Entscheidungen für ihre Planungstätigkeiten Verbindlichkeit beanspruchen. Ein Rückkoppelungsmechanismus uo sorgt nun dafür, daß diese Verbindlichkeit tatsächlich durchsetzbar w i r d : A r t . 39 bestimmt unter dem 4. Titel (Koordination und Aufsicht) — bezeichnenderweise unter dem 2. Teil (Inhalt der Raumplanung) —, daß die kantonalen Gesamtrichtpläne der Genehmigung des Bundesrates bedürfen. Für unsere Frage bedeutsam ist zunächst die rechtliche Natur dieser Genehmigung. Während das RPG die Genehmigung kommunaler N u t zungspläne durch kantonale Behörden eindeutig als konstitutiv auffaßt (Art. 30), bleibt es an dieser Stelle unklar. Entsprechend der bundesgerichtlichen Praxis 4 4 1 und einer systematischen Gesetzesauslegung (Art. 30 contra A r t . 39) liegt hier eine bloß deklaratorische Genehmigung vor. Das Genehmigungsverfahren ist demnach kein für die Rechtsgültigkeit erforderlicher Verfahrensabschnitt mehr. Die Verbindlichkeit „ f ü r die Behörden des Bundes, der Kantone, der Gemeinden, die öffentlich-rechtlichen Körperschaften und privaten Organisationen, die m i t Aufgaben der Raumplanung betraut sind" (Art. 8), t r i t t m i t Abschluß des ordentlichen kantonalen Verfahrens ein. Dieser Lösung trägt verfahrensrechtlich der planerisch erwünschten relativen Autonomie des kantonalen Raumplanungsprozesses Rechnung, ohne die gebotene Rückkoppelung i n Frage zu stellen. Eine konstitutive Genehmigungspflicht würde dem Bund eine zu starke Position i m kantonalen Verfahren einräumen. Beachten die Kantone eine Abweisung der Genehmigung nicht, so stehen dem Bund genügend Interventionsmittel zur Verfügung 4 4 2 . Die deklaratorische Natur der Genehmigung erscheint auch i m Hinblick auf die materiellen Prüfungsbefugnisse des Bundes angebracht: 489 Den Bundesstellen zur Genehmigung unterbreitet werden jedenfalls gem. A r t . 39 erst die fertigen Richtpläne. Der Verzicht des RPG, die K a n tone zu einer Zielbündelentscheidung zu verpflichten ist überflüssig. Denn es muß nach der hier vertretenen Auffassung i n jedem K a n t o n u n d sei er noch so k l e i n eine Zielbündelentscheidung getroffen werden. 440 Vgl. oben 1.3.4.4. 441 Vgl. dazu Aubert 1967, 301 f. Die Botschaft 1972, 71 bleibt unklar. 442 Vgl. die Darstellung bei Werner 1975, 120 ff. u n d dort zitierte L i t e r a t u r aus dem allgemeinen Bundesstaatsrecht.

1.6. Nutzungsplan, Gesamtrichtplan und Bundesplanentscheidungen

125

Neben der Übereinstimmung m i t Bundesrecht ist zu prüfen, ob die Gesamtrichtpläne eine „angemessene Berücksichtigung der Bundesaufgaben" u n d die Koordination m i t den angrenzenden Kantonen und dem benachbarten Ausland sicherstellen. Diese Liste befriedigt vor den Überlegungen zur Prozeßskizze nicht. Sie kann sich zum Ansatzpunkt für planerisch unerwünschte Einbrüche des zentralen Systems i n die relative Autonomie seiner Subsysteme entwickeln: 1.6.2.3. Notwendigkeit von Bundesplanungsentscheidungen aus der Sicht des Genehmigungsverfahrens Wie dargelegt, beschränkt sich der Bund nicht darauf, ein raumpolitisches Gesamtsystem zu installieren, i n dem nachgelagerten Subsystemen bestimmte Planungsaufträge erteilt werden. Der Bund ist nicht bloß Träger des Gesamtsystems, er ist auch Träger der ersten Stufe von Planungsentscheidungen innerhalb dieses Systems. Es findet auch auf Bundesebene ein integraler 448 Planungsprozeß statt. Er führt nach den Ausführungen unter 1.6.3. von der Formulierung von Planungszielbündeln über deren Konfrontation mit der zielrelevanten räumlichen Wirklichkeit h i n zur Formulierung eines relativ allgemein gehaltenen, aber dennoch richtungsweisenden »Gesamtplans Schweiz' 444 . Dieser Gesamtplan ist der Inbegriff aller für die Subsysteme verbindlichen Entscheidungen des Zentralsystems m i t Planqualität. Das Genehmigungsverfahren ist kein Ersatz für ein Bundesplanungsverfahren und einen Gesamtplan. Es kann nicht seine Aufgabe sein, das Bundeszielbündel i n der zufälligen zeitlichen Abfolge der Genehmigungserteilungen m i t der zielrelevanten Raumwirklichkeit der kantonalen Teilräume zu konfrontieren. Denn der Vorgang dieser Konfrontation unterliegt hochgradigen politischen Wertungen. Obwohl die Legislative 4 4 5 bei der Formulierung der Bundesplanungsziele m i t w i r k t , würde sie aus diesem entscheidenden Planungsschritt auf Bundesebene ausgeschaltet. Und i m Verfahren vor dem Bundesrat entstünde nach der schrittweisen Abfolge der Genehmigungserteilungen auf additivem Wege ein »Gesamtplan Schweiz'. Dieses Verfahren könnte leicht zu einer teilraumspezifischen Konkretisierung der materiellen Grundsätze durch die Bundesbehörden nach je unterschiedlichen 448

Vgl. oben 1.5.1. Vgl. hierzu ausführlich unten 1.6.3.3.2. u n d dort angeführte Gegenmeinungen. I n diesem Zusammenhang soll n u r der Nachweis geführt werden, daß entgegen weitverbreiteter Meinung (vgl. anstatt vieler Werner 1975, 54 ff.) die Autonomie der Kantone m i t einer expliziten rechtlichen Anerkennung eines auf bundesweit bedeutsame Prozesse beschränkten Gesamtplanes Schweiz stärker geschützt ist als sonst. 445 Z u deren Stellung vgl. 1.6.3.3.2. u n d 2.6.5. (allgemein). 444

1

.

Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

K r i t e r i e n 4 4 6 führen. Eine Aufgabe der Kriteriengleichheit aber müßte zur Aufgabe der zentralen Qualität 4 4 7 einer Planungsentscheidung überhaupt führen: Bundesraumplanung würde zu autonomieverringernder, planungstheoretisch wie verfassungsrechtlich unerwünschter kantonaler Superplanung. Wo Interessen des Gesamtsystems durchzusetzen sind, müssen Bundesplanungsentscheide klare Rahmenbedingungen für die Kantone setzen. U m diesen Gewißheit über die sie betreffenden Absichten des Bundes zu verschaffen, muß die Gesamtheit seiner Planungsentscheidungen — i n einem transparenten Verfahren formuliert — offen vorliegen. Das RPG führt einen ,Gesamtplan Schweiz4 als verbindliche Planungsentscheidung explizit nicht auf. Es scheint m i t h i n von einem i m Genehmigungsverfahren additiv und sukzessive zu errichtenden »faktischen Gesamtplan Schweiz 4448 auszugehen. I m nächsten Abschnitt ist zu zeigéji, wie diese unbefriedigende Ausgangslage durch die Praxis korrigiert werden könnte. Leicht kann nämlich das Gegenteil der A b sichten des Gesetzgebers eintreten: Anstelle der m i t dieser angestrebten Sicherung einer möglichst weitgehenden Autonomie der Kantone kann es zu deren unkontrollierbaren Beschränkungen kommen. Der Verzicht auf eine explizite Verselbständigung des planungstheoretisch wie -praktisch unumgänglichen ,Gesamtplanes Schweiz' birgt die Gefahr einer schleichenden Autonomieverringerung im Schatten des Genehmigungsverfahrens. Ein sicherer Schutz der Autonomie der Subsysteme kann nur i n der Errichtung eines klaren, auf zentral bedeutsame Entscheidungen beschränkten ,Gesamtplanes Schweiz' und i n einer entsprechenden Entlastung des Genehmigungsverfahrens liegen. 1.6.3. Zu den Bundesplanungsentscheidungen 1.6.3.1. Ausgangslage I n dieser Arbeit interessierten Bundesplanungsentscheidungen nur insoweit, als sie den Aktionsradius der nachgelagerten raumpolitischen Systeme eindeutig beschränken. Das Gesetz führt die Zielsetzungen des raumpolitischen Gesamtsystems i n A r t . 1 I I auf. Es sind dies Zielsetzungen, die nicht bestimmten Planungsstufen zugeordnet werden. Jede Stufe hat sie i m Rahmen 446 Dies zumal dann, w e n n die Genehmigungskriterien derart allgemein formuliert sind, w i e dies i n RPG A r t . 39 erfolgt ist. M . E. besteht die Gefahr einer „Uberdehnung" zentraler Inhalte (vgl. dazu unten 2.6.3.). 447 Vgl. dazu oben 1.3.2. 448 Vgl. unten 1.6.3.3.2.

1.6. Nutzungsplan, Gesamtrichtplan und Bundesplanentscheidungen

127

ihrer raumpolitischen Zuständigkeiten zu beachten. Es handelt sich m i t h i n um Zielvorgaben, die i m Hinblick auf die je Planungsstufen zur Verfügung stehenden Planungsmittel und entsprechend den je Planträger verfolgten, unterschiedlichen Planungsintentionen zu stufenadäquaten Zielbündeln ,umgeschrieben' werden müssen. Als Träger des raumpolitischen Gesamtsystems kann sich der Bund nicht damit begnügen, mit diesen Zielvorhaben und m i t der allgemeinen Planungspflicht (Art. 2) einen i m übrigen allein von den Kantonen getragenen Prozeß durchgehender Planung zu initiieren: Wie dargelegt, fällt i h m die Aufgabe zu, i n einem eigenständigen, organisationsrechtlich strukturierten und vollständigen Planungsprozeß dort raumpolitische Entscheidungen zu treffen, wo für die Erfüllung der dem Prozeß durchgehender Planung i n A r t . 1 I I oder A r t . 39 (Koordination, angemessene Berücksichtigung der Bundesaufgaben) vorgegebenen Ziele sinnvollerweise nur zentrale Steuerungsmaßnahmen i n Frage kommen. Diese Doppelrolle 4 4 9 des Bundes als Initiator und Wegweiser des Prozesses durchgehender Planung einerseits und als Träger bestimmter Funktionen i n diesem Prozeß andererseits ist Ausgangspunkt für die Diskussion der sog. „materiellen Grundsätze". 1.6.3.2. Materielle

Grundsätze

Als „materielle Grundsätze" bezeichnet das Gesetz einmal die Zielvorgaben von A r t . 1 II. Als solche werden aber auch die „auf dem Wege der Gesetzgebung" zu erlassenden Bestimmungen bezeichnet ,die auf den „ i n Ausführung von A r t . 1 I I " erstellten Leitbilder herzuleiten sind (Art. 21). Bezeichnend für diese ambivalente Begriffsverwendung ist A r t . 69: „(Leitlinien des Bundes). Bis zum Vorliegen der weiteren materiellen Grundsätze i m Sinne von A r t . 21 legt der Bundesrat aufgrund von A r t . 1 Absatz 2 nach Anhören der Kantone Leitlinien für die Gesamtrichtpläne der Kantone und für die Sachpläne des Bundes fest." Materielle Grundsätze (Art. 1) und materielle Grundsätze (Art. 21, 69) sind offenbar nicht dasselbe. Die nach A r t . 21 zu erlassenden Bestimmungen stellen nicht nur allgemeine Zielvorgaben i m Sinne der Grundsätze von A r t . 1 I I dar. 449

Vgl. oben 1.3.4.2. — Diese Doppelrolle läßt sich auch am Verhältnis von bereits i m RPG vorhandenen materiellen Grundsätzen (vgl. hierzu etwa Evers 1975, 5 f.; Kuttler 1971, 88 ff.; Werner 1975, 76 ff.; CK-73 1973, 9 ff.; Lendi 1973/1, 8 ff.) u n d den „weiteren materiellen Grundsätzen" gem. A r t . 21 darstellen: Die ersteren w u r d e n bereits i m jetzigen Stadium der Gesetzgebung festgesetzt. Die letzteren lassen sich erst aufgrund einer A u s w a h l aus den (aus Untersuchungen hervorgegangenen) Leitbildvarianten aufstellen. Vgl. i n diesem Sinne: Lendi 1973/1, 11; CK-73 1973, 5 f.

128

1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

Darunter fallen auch Entscheidungen, die aus einem zentralen Planungsprozeß resultieren, der die i n A r t . 1 I I enthaltenen Zielvorgaben i n operable Bundesplanungsentscheidungen umsetzt. 1.6.3.3. Schritte im Bundesplanungsprozeß Die verschiedenen Schritte dieses auf Bundesebene abzuwickelnden Prozesses lassen sich den gesetzlichen Bestimmungen wie folgt zuordnen: 1.6.3.3.1. Zielbündelentscheidungen Institutionell nicht verselbständigt ist i m Gesetz das stufeneigene Zielbündel. Die materiellen Grundsätze von A r t . 1 I I stellen — wie gesagt — kein solches dar. Sie müssen zunächst zu realistischen Zielbündeln umgeschrieben' werden. Neben spezifisch siedlungspolitischen Zielen sind auch die raumwirksamen Bestandteile von Leitbildern der Bundessachplanung mitzuverarbeiten. Insbesondere müssen auf dieser Stufe unvermeidliche Zielkonflikte zwischen Siedlungs- und Sachplanungszielen 450 ermittelt und entschieden werden. Sachplanungsziele lassen sich spezifisch siedlungspolitischen Zielsystemen unterordnen, wenn sie mehr oder weniger unmittelbare Funktionen siedlungspolitischer Entscheidungen darstellen. Vermittelt w i r d diese Unterordnung durch die siedlungspolitisch definierte Standortgebundenheit sachplanerisch vorgesehener Objekte. So ist die Bundesverkehrsplanung der siedlungspolitischen Entwicklungsplanung wenigstens soweit strikte unterzuordnen, als geplante Verkehrsträger nicht primär als Anschlußachsen für den internationalen Durchfahrtsverkehr figurieren, sondern dem Bedürfnis nach erhöhter Mobilität für Personen und Güter zwischen einzelnen, i n ihrem Umfang siedlungspolitisch definierten Raumabschnitten dienen. «so Vgi # dazu u . a . : Wollmann 1974, 202; Evers 1975, 9 (Lösung der Zielkonf l i k t e mittels „Vorzugsreihen"); E. Mühlich /1. Mühlich-Klinger: Z u r öffentlichen Planung m i t Alternativen, i n : Stadtbauwelt Nr. 47 (Sept. 1975), 185 (Zielkonflikt Wirtschaftsförderung - Raumplanung). Ferner oben 1.2.1. u n d 1.2.3.2. — Auch i n der Praxis treten solche Zielkonflikte auf: vgl. etwa den Entscheid des B R v o m 17.12.1973 (Transportkonzessionsrecht gem. Postverkehrsgesetz contra Raumplanung); B G E v o m 27.11.1974 (in: ZB1 1975 (76), 153 ff.) : Raumplanung contra preisgünstige Stromversorgung, hier zugunsten der letzteren entschieden); B G E 100 I b 449 (Gewässerschutzrecht u n d Raumplanung, hier unter dem Gesichtspunkt der Beschwerdelegitimation v o n N a t u r - u n d Heimatschutzorganisationen f ü r Belange des Gewässerschutzes); vgl. weitere Urteüe zum Verhältnis Raumordnungsrecht u n d Gewässerschutzrecht: oben 1.6.1.3.2. A n m . 374. Die Botschaft 1972, 26 u n d 54 geht davon aus, daß i m K o n f l i k t f a l l die Bundesspezialgesetzgebung dem RPG vorgeht. A l s Beispiel w i r d eine mögliche Kollision zwischen Vorschriften über die militärische Geheimhaltung u n d dem Gebot, Gesamtrichtpläne öffentlich bekanntzumachen, genannt.

1.6. Nutzungsplan, Gesamtrichtplan und Bundesplanentscheidungen

129

Diese Unterordnung spezialgesetzlicher Maßnahmen i m Bereich des Verkehrs kann nur als Unterordnung i m Rahmen der Konfliktlösung auf ein und derselben Planungs- und Entscheidungsebene verstanden werden. I n der Auseinandersetzung i m konkreten Anwendungsfall muß der spezialgesetzliche Bundesauftrag vorgehen. Bei seiner Durchführung sind dann allerdings die Belange der Raumplanung wiederum zu berücksichtigen, können aber nicht als allein ausschlaggebend angesehen werden. Ist das Bundesgesamtverkehrskonzept auf zentraler Ebene i n funktionaler Unterordnung unter bundesweit bedeutsame Grundsätze der Siedlungsplanung einmal entstanden, so kann es nicht aus Gründen der Raumplanung untergeordneter Raumeinheiten prinzipiell i n Frage gestellt werden, es sei denn, es stelle sich i m Nachhinein heraus daß seine Konkretisierung bundeszielrelevante räumliche Prozesse i n anderer als i n der auf Bundesebene vorgesehenen Richtung wesentlich beeinflußt. A l l e i n deshalb, weil da und dort schöne Landschaften Verkehrseinrichtungen zum Opfer fallen, muß der Grundsatz der Unterordnung der Verkehrs- unter Besiedlungsplanung noch nicht verletzt sein. I m raumplanerischen Gesamtinteresse gebotene Maßnahmen der Verkehrsplanung können i m Einzelfall nachteilige Folgen für die Raumordnung von Teilräumen haben. Auch wenn das Zentralsystem verbindlich angehalten werden kann, die raumplanerischen Belange der Teilräume zu berücksichtigen, muß es i m Konflikt m i t einzelnen Subsystemen solange obsiegen, als auf dieser Ebene dem generellen Mobilitätsbedürfnis — i m Rahmen der Siedlungsplanung — ein bestimmter Stellenwert beigemessen wird. Abbauen lassen sich solche Konflikte demnach nur durch eine allgemeine »Verdünnung 4 der zur Befriedigung dieses Bedürfnisses als notwendig erachteten Verkehrsträger auf der Ebene des Zentralsystems 451 . Wo eine solche funktionale Beziehung zwischen Bundessachplanung und -siedlungsplanung nicht besteht, kann es bei der Formulierung des raumpolitischen Zielbündels für den bundeseigenen Planungsprozeß zu schwerwiegenden Konflikten kommen. Solche stehen zu erwarten, wo Objekten der Bundessachplanung keine siedlungspolitisch unmittelbar definierbare Standortgebundenheit zukommt: Entweder sind die für die Siedlungsplanung zwar insgesamt bedeutsamen Leistungen solcher Objekte i n hohem Maße mobil — beispielsweise Energie 4 5 2 — oder die 451 Das ist bei der Eidg. Volksinitiative gegen K e r n k r a f t w e r k e nicht der Fall. Hier werden absolute subsystemare Vetopositionen (vgl. hierzu unten 2.5.4) aufgestellt, die ein untaugliches M i t t e l zur Bekämpfung v o n A t o m k r a f t w e r k e n sind. Darauf ist unten 1.8.2. u n d 2.5.4., bzw. 2.6.3. etwas näher einzutreten. 452 Es gibt keine siedlungspolitischen Gründe dafür, daß ein W e r k der Energieerzeugung an einem bestimmten Standort zu errichten ist, etwa w e i l Siedlungen ohne K r a f t w e r k e i n unmittelbarer Nähe nicht bestehen könnten. Raumplanerische Gesichtspunkte können n u r angeben, wo keine derartigen

9 Knoepfel

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1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

Objekte haben für die Siedlungsplanung überhaupt keine Bedeutung — etwa militärische Bauten und Anlagen 4 6 3 . Solche Konflikte sind durch die zuständigen Bundesorgane i n geeigneten transparenten Verfahren zu entscheiden und dürfen nicht an nachgeordnete Bundesverwaltungsinstanzen weitergeschoben oder auf kantonale Planungsträger überwälzt werden 4 5 4 . Eine Unterordnung sachplanerischer Zielsetzungen unter siedlungspolitische Zielsysteme ließe sich hier nicht rechtfertigen: Das raumpolitische Gesamtsystem ist trotz den teilweise sehr globalen Zielvorgaben i n A r t . 1 kein Superplanungssystem 45δ, das die gesamten raumwirksamen Bundessachzuständigkeiten und damit weite Teile der Bundestätigkeit überhaupt bestimmen, i n extremis gar vereiteln könnte. Ist dem Bund die Zuständigkeit zur Bewilligung von Atomkraftwerken und damit die Aufgabe übertragen, solche Kraftwerke i n seine Energieplanung einzubeziehen 456 , kann das Atomkraftwerk nicht über eine raumpolitische Entscheidung aus der schweizerischen Landschaft wegradiert werden. Das wäre auch dann unzulässig, wenn von sachkundiger Seite belegt werden könnte, daß solche Werke der raumplanerischen Zielvorgabe von A r t . 1 I I (Schutz der natürlichen Grundlagen des menschlichen Lebens, wie Boden, Luft, Wasser und Landschaft) i n krasser Weise widersprächen. Der Hinweis auf die Koordination von Raumplanung und übriger Bundestätigkeit 4 5 7 kann rechtlich nur bedeuten, daß solche Konflikte bereits bei der Umschreibung des bundeseigenen raumpolitischen Zielbündels offengelegt und i m Sinne möglichst ausgewogener Lösungen entschieden werden müssen. W i r d beispielsweise bei einer i n Aussicht gestellten Bevölkerungszahl ein bestimmtes Volumen Kernenergie als notwendig und sinnvoll erachtet 458 , so müßte das Postulat einer Dezentralisierung der Besiedlung relativiert werden: Die geforderte relativ Werke errichtet werden dürfen. Positive Standortaussagen lassen sich aus energiewirtschaftspolitischen Überlegungen herleiten. 463 Auch hier k a n n die Raumplanung n u r sagen, w o keine solche Einrichtungen gebaut werden sollen. Es sind Gründe der Gesamtverteidigung, die positive Standortaussagen zulassen. 464 Vgl. W o l l m a n n 1974, 202: „Zielkonflikte, die i n den vielfach als diffuse ,Zielbündel· erscheinenden zentralanstaltlichen Handlungsprogrammen enthalten, u m nicht zu sagen versteckt sind", brechen vielfach erst i n der lokalen K o n k r e t i o n auf. Eine solche Überwälzung ist auch aus der Sicht der Folgeproblemebewältigung (vgl. oben 1.3.1.) nicht angebracht. 466 Vgl. oben 1.2.3. (Schluß). I n diesem Sinne ferner L e n d i 1973/3, 6. 46« B y A r t 24 quinquies u n d B G über die friedliche Verwendung der Atomenergie u n d den Strahlenschutz v o m 23.12.1959 (SR 732.0). 457

I n Art. 2 II. 458 Davon geht der Zwischenbericht der eidgenössischen Gesamtenergiekommission v o m J u n i 1976 aus.

1.6. Nutzungsplan, Gesamtrichtplan und Bundesplanentscheidungen gleichmäßige Zielplanung wußt massiv gieträger für

131

Siedlungsdichte müßte i n einzelnen (im Stadium der räumlich noch nicht lokalisierten) Raumabschnitten beunterschritten werden 4 5 9 , u m den Gefahren solcher Enerden Menschen Rechnung zu tragen.

Die Lösimg solcher Zielkonflikte dürfte i m übrigen u m so eher zu Lasten raumplanerischer Intentionen ausfallen, je dichter das eine konf l u i e r e n d e Maßnahme verlangende Planungsfeld auf Bundesebene geregelt 4 β 0 , je konkreter die Maßnahme 4 6 1 und je eindeutiger gerade diese Maßnahme zur Erreichung bestimmter Ziele erforderlich ist 4 6 2 . Eine entscheidende Rolle dürfte zudem die verwaltungsinterne Z u ständigkeitsordnung sein: Davon, ob sie einem Ressort zugeteilt ist, das über hohe finanzielle, personelle und rechtliche Ressourcen verfügt, hängt ihre Durchsetzung ebenfalls ab 4 6 3 . 1.6.3.3.2. »Gesamtplan Schweiz* Es kann — wie gezeigt — 4 6 4 nicht bei der Beschlußfassung über ein konsistentes Zielbündel auf Bundesebene bleiben. I n einem zweiten Planungsabschnitt muß dieses Zielbündel m i t der zielrelevanten Raumwirklichkeit konfrontiert werden und i n einen systemgenerell-konkreten »Gesamtplan Schweiz 4 münden. Dieser ,Gesamtplan Schweiz4 w i r d i m RPG nicht angeführt. Der Satz: „Die Leitbilder von gesamtschweizerischer Bedeutung werden von der Bundesversammlung beschlossen" war i m ersten Vorentwurf noch enthalten. Aus „föderalistischen Bedenken" wurde er aber wieder fallengelassen, „obschon er primär festhalten wollte, daß die oberste gesetzgebende Gewalt des Landes zuständig sein sollte, die Ziele einer schweizerischen Raumordnung festzulegen" (Rohner) iM. 459 Es müßte m i t h i n durch Übergang v o m Bewilligungssystem (BG über die friedliche Verwendung der Atomenergie u n d den Strahlenschutz v o m 23.12. 1959 A r t . 4 ff.) zum Konzessionssystem ermöglicht werden, daß — unter angemessener M i t w i r k u n g der getroffenen Subsysteme (Kantone, ggf. Regionen, Gemeinden, ggf. sogar ,Kraftwerkregionen') unter Berücksichtigung der Belange der Raumplanung auf Bundesebene Standortentscheidungen gefällt werden könnten. 4βο v g l . F a b e r 1 9 7 4 > 105. 481 Dies solange, als keine weiteren materiellen Grundsätze auf Bundesebene vorliegen, die weniger abstrakt u n d damit operationaler sind, als die Bestimmungen v o n A r t . 1 RPG. Äußerst bemerkenswert ist demgegenüber der Entscheid des B R betreffend Transportkonzessionserteilung an die L u f t seilbahnen Saas-Fee A G v o m 17.12.1973 (ZB1 1974 (75), 271 ff.). 462 Beispielsweise bei standortgebundenen öffentlichen Bauten u n d A n l a gen (Waffenplätze etc.) oder Versorgungseinrichtungen (Kraftwerke). Vgl. die Botschaft 1972, 26. 4« v g l . F ab er 1974, 106. 484

Vgl. oben 1.2.1.2.6.; 1.3.4.2.; 1.5.1. W. Rohner: B u n d u n d Kantone als Partner i n der Raumplanung, i n : D I S P Nr. 41 ( A p r i l 1976), 11. 465

9*

132

1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

Gleichwohl w i r d der »Gesamtplan Schweiz4 i n der planungspraktischen Wirklichkeit auftreten. Daß ein solcher auf national bedeutsame Entwicklungsaggregate beschränkter 466 Plan von der Sache her notwendig sein werde, scheint i n der Literatur unbestritten. So stellte der BR schon 1973 i n einem Entscheid 467 fest: Die verfassungsmäßige Verpflichtung auf die Raumplanung bedeutet, „daß der Bund bei der Erfüllung seiner Aufgaben einer Koordinations- und Planungspflicht untersteht. Er muß nicht allein dafür sorgen, daß die kantonalen Pläne sachgemäß aufeinander abgestimmt sind, sondern er hat selber Pläne zu schaffen, damit er sich bei der Verfolgung seiner eigenen Ziele auf die Regional- und Ortsplanung ausrichten kann". Derartige Hinweise finden sich auch i m erläuternden Bericht der Expertenkommission 468 . Lendi, der sich m i t dieser Frage an verschiedenen Stellen auseinandersetzt, kommt zum Schluß, daß die materiellen Grundsätze aus anderen vorzuziehenden Varianten herzuleiten sind. Es könne nicht genügen, auf einer unbestimmten Bandbreite möglicher Entwicklungsvarianten zu basieren. „Nötig ist vielmehr eine den Umständen angepaßte begrenzte Bandbreite der räumlichen Entwicklungsvorstellungen, innerhalb deren die erstrebenswerte Raumordnung erkennbar und die nicht erstrebenswerten Varianten ausgeschlossen sind. 44 Allerdings: „Eine Einengung der Bandbreite durch Wahl einer einzigen Variante würde zu einer fixen Zielsetzung u n d damit zu einer starren Planung und einer gebahnten Entwicklung führen 4 6 9 . 4 4 Auch Bürcher / Linder 470 und Ringli 471 argumentieren i n ähnlicher Weise. I n Abweichung von der gängigen Argumentationsweise wollen die folgenden Ausführungen lediglich die rechtliche Stellung dieses G e samtplans Schweiz 4 neu zu definieren versuchen. Daß diese neuzuüberdenkenden nottut, drängt sich i n Anbetracht der nunmehr doch recht fortgeschrittenen Arbeiten am Gesamtplan C K - 7 3 und seiner 486 Vgl. oben 1.3.3. u n d Klages 1971, 103. Eine Liste solcher national bedeutsamer Prozesse i m Falle der B R D findet sich bei Wagener, zitiert bei Hoppe 1964, 646 u n d bei Wegener 1974, 65. 467 Entscheid des B R v o m 17.12.1973 (ZB1 1974 (75), 274). 468 Erläuternder Bericht der Expertenkommission f ü r die Ausführungsgesetzgebung zu den Bodenrechtsartikeln v o m 3.10.1970, 27 f. = Botschaft 1972, 22 (auf Bundesebene ist etwa die Frage zu beantworten: „ W o sollen neue Schwergewichte gebildet werden, v o n welchen Entwicklungs- u n d Besiedelungskonzepten soll man gesamtschweizerisch ausgehen?") oder 37 (die m a teriellen Grundsätze „werden Aussagen . . . enthalten, welcher A r t die durch die Planung zu verwirklichende Raumordnung der Schweiz schließlich sein soll"). 499 Lendi 1973/1, 11. 470 Bürcher / Linder 1975, 33. 471 Ringli 1976, 17 („Die Zentrale-Orte-Struktur legt die Anzahl, Lage und F u n k t i o n der zentralen Orte i m Gesamtverband u n d i n Beziehung zum U m l a n d fest").

1.6. Nutzungsplan, Gesamtrichtplan und Bundesplanentscheidungen

133

nicht zu unterschätzenden politischen Bedeutung auf. Wenn noch 1971 Rosenstock feststellt, es sei „dem Bund als Träger der nationalen Gesamtplanung verwehrt, räumlich bezogene Aussagen über die Entwicklung i n den Kantonen zu machen und zum Beispiel von sich aus zu bestimmen, welche Orte welchen Grad von Zentralität aufweisen" 4 7 2 , oder wenn 1973 Lendi erklärt, der Bund könne keinen Nationalplan aufstellen und verbindlich erklären 4 7 3 , so mutet es einigermaßen befremdlich an, wenn andererseits 1974 der RR des Kantons AR i n einem Bericht 4 7 4 erklärt: „Die kantonalen Leitbilder und das CK - 73 sollen i m Verlauf des Jahres 1975 miteinander verglichen und i m Gespräch zwischen Kantonen und Bund koordiniert werden. Als Resultat soll ein einheitliches, gesamtschweizerisches Leitbild als verbindliche Grundlage für alle raumplanerischen Tätigkeiten der kantonalen und der eidgenössischen Amtsstellen herauskommen." Ebenso befremdlich für den Juristen, wie richtig aus der Sicht des realen politischen Prozesses mutet folgende Feststellung von Bürcher / Linder an: „ M i t dieser Studienunterlage CK - 73 geschah nun aber ungefähr das, was der Bundesrat bisher vermieden hatte: Das Dokument bekam verbindlichen Charakter auf informellem Weg, indem die Bundesverwaltung Anfang 1974 die Kantonsregierungen aufforderte, ihre Zielvorstellungen an die eidgenössische Raumplanung zu formulieren sowie ein eigenes kantonales Leitbild zu entwickeln — jedoch nicht mehr auf der Grundlage der neuen ursprünglichen Varianten, sondern des Leitbildes C K - 7 3 , welche die Kantonsvertreter i m Februar 1974 i n bereinigter Fassung i n Empfang zu nehmen hatten 4 7 5 ." Recht unverblümt äußert sich auch die Leitbildstudie CK - 73 selbst: „Das Leitbild der Schweiz und die abgestimmten kantonalen Leitbilder bilden die Grundlage für die kantonalen Gesamtrichtpläne . . . Der Bund richtet seine Sachplanung auf das Leitbild der Schweiz und die kantonalen Gesamtrichtpläne aus. Die weiteren materiellen Grundsätze können i n K r a f t gesetzt werden. Sie umschreiben das Leitbild der Schweiz 476 ." Aus diesem Spannungsverhältnis zwischen Raumplanungsgesetz und zweifellos bevorstehender Planungspraxis resultieren für die A r t . 20 f. schwerwiegende Interpretationsprobleme. Die i n A r t . 20 angeführten Leitbilder "über die möglichen künftigen besiedelungs- und nutzungsmäßigen Entwicklungen des Landes" können nicht als solche Gesamtpläne betrachtet werden. Zwar sind sie punkto Entstehung und Inhalt 472

Rosenstock 1971, 177. Lendi 1973/3, 133. 474 Organisation u n d Vorgehen bei der Durchführung der kantonalen Planung i m K a n t o n Appenzell Außerrhoden v o m 20.5.1974, 4. 475 Bürcher / Linder 1975, 34. 47β CK-73 1973, 41. 473

134

1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

den Gesamtplänen vergleichbar: Es handelt sich nicht um bloße Trendanalysen, sondern u m das Ergebnis einer bewertenden Konfrontation der i n A r t . 1 I I enthaltenen Grundsätze m i t relevanten Trendmerkmalen 4 7 7 . Dies wiederum ist nur möglich, wenn man diese Grundsätze i n einem Zielbündelverfahren zu operablen Bewertungsgrößen, m i t h i n zu Bundesplanungszielen ,umschreibt 4 . Aber solche Leitbilder haben nur die Funktion von Entscheidungsgrundlagen 478 oder -Varianten, die mögliche Alternativen aufzuzeigen haben. Diese vermeintlich untergeordnete Bedeutung dürfte sich leider so auswirken, daß man die verschiedenen Verfahrensschritte ihrer Entstehung, insbesondere die ,Umschreibung 4 der i n A r t . 1 I I formulierten Zielvorgaben zu eigentlichen Planungszielen technischen Fachgremien zuordnet: „Die Durchführung der Untersuchungen (seil.: und deren Darstellung i n Leitbildern) ist Sache der Wissenschaft, die Ableitung von materiellen Grundsätzen (seil.: welche das Leitbild der Schweiz umschreiben 479 ) dagegen Sache der politisch verantwortlichen Behörden 4 8 0 4 4 , führt der BR aus. Das Verhängnis einer solchen Vorgehensweise zeigt nun der nächste i m Gesetz vorgesehene Schritt: Aufgrund dieser Leitbildvarianten stellt der Bund nach A r t . 21 „auf dem Wege der Gesetzgebung weitere materielle Grundsätze auf 44 . Selbst wenn darunter ausschließlich Ergänzungen der i n A r t . 1 I I formulierten allgemeinen Zielvorgaben zum Zwecke einer Kanalisation unbefriedigender Trends durch deutlicher ausgerichtete Vorgaben für das Gesamtsystem verstanden würden 4 8 1 , ließe sich eine Auslagerung des Leitbildbildungsprozesses aus der unmittelbaren Zuständigkeit des Parlaments auf Fachgremien nicht vertreten. Denn A r t . 1 I I stellt selbst kein konsistentes, operational faßbares Zielbündel dar. Es lassen sich daraus keine klaren Gesichtspunkte für eine Trendinterpretation herleiten. Eine parlamentarische Zuständkeit, die sich auf Erweiterung, Differenzierung oder Abänderung von Zielvorgaben beschränkt, wirksame Steuerung und Kontrolle der dabei zugrunde gelegten Trendinterpretation und Zielformulierung aber ausschließt, muß früher oder später leerlaufen. Das Bundesparlament kann nicht aus dem bundeseigenen Planungsprozeß i n den Bereich der Zielvorgaben für das gesamte raumpolitische System verwiesen werden 4 8 2 . Als Grundsatzentscheidungsorgan hat es vielmehr 477

Vgl. zum Verfahren: CK-73 1973, 7. Vgl. anstatt vieler: Lendi 1973/3,137 f. 479 So CK-73 1973, 41. 480 Botschaft 1972, 63. 481 Daß das nicht genügen kann, wurde oben 1.6.3.1. f. gezeigt. 482 Genau das erfolgt aber, w e n n auf dem Wege der Gesetzgebung n u r materielle Grundsätze als generell-abstrakte, aus dem oder den L e i t b i l d e r n der Schweiz gewonnene Entscheidungen erlaßen werden können. Das legen u. a die Botschaft 1972, 63 u n d Lendi 1973, 1, 11 ff. nahe. 478

1.6. Nutzungsplan, Gesamtrichtplan und Bundesplanentscheidungen

135

zugleich auch den bundeseigenen Planungsprozeß von der Bildung spezifischer Planzielbündel bis zur Verabschiedung der daran orientierten Gesamtpläne zu tragen. Unter die i n A r t . 21 erwähnten materiellen Grundsätze fallen demnach nicht nur die erwähnten Erweiterungen, Differenzierungen oder Abänderungen der Zielvorgaben. Auch die eigentlichen Bundesplanungszielbündel und der den Bundesplanungsprozeß abschließende Gesamtplan Schweiz' sind i m Gewand materieller Grundsätze — auf dem Wege der Gesetzgebung — zu erlassen. Aus den verschiedenen Leitbildern, die aufgrund von Bundesplanungszielen von der Verwaltung entwickelt werden, muß eines ausgewählt und zum maßgeblichen, für Bundes- und Kantonsbehörden verbindlichen erklärt werden. I m Falle des (generell-konkreten) »Gesamtplans Schweiz 4 w i r d m i t dieser Lösung allerdings ein i n der Literatur oft als essential bezeichnetes Element des materiellen Grundsatzes als einer generell-abstrakten Entscheidung 488 aufgegeben. Das ist auch richtig: Die generellabstrakte Rechtsnatur soll nach ihren Vertretern vorab dem Schutz der Handlungsspielräume der Kantone dienen. W i l l man damit aber bundesleitbildrelevante räumliche Prozese — andere hierfür nicht relè'-1 vante Prozesse stehen gar nicht zur Debatte 4 8 4 — möglichst griffig steuern, w i r d man nicht darum herumkommen, solche vom Lei^biM der Schweiz abgeleitete Entscheidungen auf konkrete und beid&iëtt^ bare Gebiete zuzuschneiden. So wäre etwa ein m a t e r i e l l e r ' Ö M h d satz, wonach Städte m i t einer Mio. Einwohnern nicht mehr Wéitêr^anwachsen dürften, ohne Zweifel formal ein generell-abstîiiktèr -Entscheid. Gleichwohl wäre er inhaltlich eine Lex Zürich. D e r eigentliche Schutz der Subsysteme liegt doch eher i n einer inhaltìich&ìi ^ÈetìéhrSn-: kung des Gesamtplanes Schweiz auf tatsächlich bundesweit?' relevtótè Prozesse. ^y; v y u ni/·. W i l l man an diesem inhaltlichen Bestimmungsmerfcmal· ^ ò n •mâtëfiôl^ len Grundsätzen trotzdem festhalten, so müßte?taoh?-iäi^ legten Gründen eines Einbezugs des Parlamentes^ ' i m deä> Plänün^Bpfcö- 1 zeß das maßgebliche Leitbild i n Form eines (wènigstens ëiiîfôôhéfiy Bundesbeschlusses verabschieden. Die v o ï e ». Lendit 'vorgetragenen < denken, ein solches Vorgehen würde diè < Bandbf èit& ttiögltehetf ' Ent~ Scheidungen späterer Planungssdiritte'sallm^starte Teinë&gen,'-ttütöMsdi* dabei berücksichtigt werden. Sie gölten* i X b r i g i ^ o f t & y y e à ^ Pfcöftflftgs- 1 prozeß. π.·''* ί - ^ Μ , Γ - . π υ -./ib

483 v g l . anstatt vieler Ever s 1975, 5; Lendi 19 484 485

Vgl. oben A n m . 466. Lendi 1973/1, 11.

-Λ·. - :

!

136

1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen 1.7. Raumpolitische Betroffenheit 1.7.1. Fragestellung

Bisher wurde der Betroffenheitsbegriff i m schweizerischen Staatsund Verwaltungsrecht i n erster Linie i m Zusammenhang m i t dem Begriff der Partei i m Verwaltungsverfahren und m i t der Legitimation zur staats-, und verwaltungsrechtlichen Beschwerde diskutiert 4 8 6 . Erst recht für den Bereich des Plans gilt, was i n der neueren Literatur für den Bereich des Verwaltungsaktes immer nachhaltiger festgestellt w i r d : daß nämlich der ältere, an der förmlichen Stellung des Adressaten des Verwaltungsaktes anknüpfende Betroffenheitsbegriff zugunsten eines mehr an dessen tatsächlichen sozialen Wirkweise orientierten, materiellen Betroffenheitsbegriffes aufzugeben ist. Anstelle einer Großzahl förmlich an vielen Einzelpersonen gerichteten Verfügungen beschränkt sich die sozialgestaltende Verwaltung häufig auf eine kleine Zahl von Verwaltungsakten, deren förmliche Adressaten Schlüsselstellungen innerhalb interdependenter gesellschaftlicher Bereiche einnehmen. Von ihnen kann erwartet werden, daß sie ihrerseits bei den von ihren Leistungen abhängigen Rechtsgenossen ein zielkonformes Verhalten zu bewirken i n der Lage sind 4 8 7 . Dieses Auseinander fallen von Verfügungsbetroffenen und Verfügungsadressaten ist eines der Hauptprobleme unserer Verwaltungsverfahrensordnungen. I n zunehmend komplexer werdenden Industriegesellschaften rückt es vor allem dann i n den Brennpunkt der Partizipationsproblematik, wenn das politische System mehr und mehr dazu übergeht, seine Legitimation nicht mehr vom demokratisch gewählten Parlament, sondern aus vertragsähnlichen Aushandlungsprozessen m i t geselschaftlichen Machtträgern 4 8 8 zu beziehen, die K r a f t ihrer Schlüsselstellung i n der Lage sind, ganz soziale Felder zu kontrollieren. A m Beispiel der Raumplanung soll hier dieses Auseinanderfailen von förmlichen Adressaten von Nutzungsanweisungen und Planbetroffenen (hier: raumpolitische Betroffene) dargelegt werden. Der Betroffenheitsbegriff darf dabei nicht auf das Verfügungs- und Beschwerdeverfahren beschränkt werden. Er ist gleichermaßen zu verwenden für alle Stufen eines politischen Entscheidungsprozesses. Das gilt insbesondere auch für das demokratietheoretisch bedeutsame Verfahren einer vor dem eigentlichen Planungsprozeß einzuleitenden Neubildung geeigneter Planungsträger (Region, Stadtteil). Die folgenden Überlegungen stellen daher die sachlichen Grundlagen für die i m Demokratisierungspro488 Vgl. hierzu unten 3.8.3.2. Eine Diskussion des Parteibegriffs würde den Rahmen dieser A r b e i t sprengen. 487 v g L d a z u etwa Brohm 1972, 259 ff.; Walter 1973, 172 f. 488

Vgl. hierzu unten 2.2. f.

1.7. Raumpolitische Betroffenheit

137

gramm geforderte Ausbildung betroffenheitsdifferenzierender Subsysteme 4 8 9 für die Beschwerdelegitimation 490 und für die Bestimmung der i m Verfahren i n der einen oder anderen Weise heranzuziehenden Partizipenten dar. Die Frage nach der Demokratisierung des raumpolitischen Systems kann nicht befriedigend beantwortet werden, ohne daß der Kreis der je Entscheidung betroffenen Personen einigermaßen zuverlässig ermittelt wird. Bestimmen läßt sich dieser Kreis über die Beziehungen solcher Personen- und Personengruppen zu den jeweiligen Maßnahmen 4 9 1 . Dieses Verhältnis bezeichnen w i r als raumpolitische Betroffenheit I m vorangehenden Abschnitt wurde versucht, die hauptsächlichsten Entscheidungen innerhalb des vom RPG proklamierten Prozesses durchgehender Planung i n ihrem planungstheoretischen, -praktischen und planungsrechtlichen Stellenwert genauer zu umschreiben. I m folgenden w i r d versucht, verschiedenen unter 1.6. besprochenen Kategorien von Entscheidungen bestimmte idealtypische Kategorien von Betroffenheiten zuzuordnen. Entsprechend diesen Kategorien werden daraufhin je unterschiedliche Partizipationstypen zu entwerfen sein. 1.7.2. Allgemeines

Raumpolitische Maßnahmen bezwecken insgesamt eine bestimmte Gestaltung der durch Raumnutzungsbestimmungen überhaupt determinierbaren, natürlichen, baulichen und sozialen Umwelt von in unterschiedlichen Siedlungsräumen zusammenlebenden Personen. Unterstellt w i r d eine nachhaltige Wechselbeziehung zwischen der Qualität gesellschaftlichen Zusamenlebens und einer durch bestimmte Raumnutzung determinierbaren U m w e l t 4 9 2 . Als M i t t e l für solche über die Raumnutzung vermittelte Gesellschaftsgestaltung haben politische Systeme i n verschiedenen Epochen unterschiedliche Regelungsmechanismen eingesetzt: Während i m Gefolge der französischen Revolution unter der liberalistischen Devise der Bodenfreiheit solche Gesellschaftsgestaltung über die Garantie ausschließlicher privateigentümerischer Verfügungsgewalt zu betreiben beabsichtigt wurde, zielt das RPG i n Anbetracht eines teilweise eingestandenen Unvermögens jener Konzeptionen auf eine teilweise ,Republizierung* solcher Verfügungsmacht ab: Anstelle aktiver Entäußerung seiner raumpolitischen Gestaltungsmacht durch Einrichtung und Garantie 489 499 491

Vgl. hierzu unten 2.5.4. U n t e n 3.8.3.2. Maßnahmen sind „Entscheidungen" i m Sinne der Ausführungen oben

1.5.3.

492 Vgl. hierzu oben 1.3.5.3.1. Ferner B. Huber: Atteslander /Hamm 1974, 16 ff.; Rosow 1974, 183 ff.

op. cit. A n m . 107, 52;

138

1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

einer beinahe absoluten Autonomie des privaten Grundeigentums geht das politische System dazu über, solche Gestaltungsmacht wieder vermehrt selbst auszuüben. Die Einsicht, daß optimale Raumgestaltung nicht über unkoordinierte, auf Ertragssteigerung ausgerichtete Handhabe privater Verfügungsmacht erreichbar ist — auch dort nicht, wo der Großteil der Siedler zugleich Eigentümer i s t 4 9 3 — und die Tendenz zum Auseinanderfallen von Einwohner- und Grundeigentümerstellung 494 , führten zur Notwendigkeit, verbindliche, raumbedingte Gesellschaftsgestaltung — soweit sie Auswirkungen über den verfügenden Eigentümer hinaus zeit i g t 4 9 5 — teilweise staatlichen Instanzen zu übertragen ist. Betroffen von solcher Gesellschaftsgestaltung — verfügt von Grundeigentümern oder von politischen Systemen 496 — sind m i t h i n alle jene Personen, deren Leben sich vornehmlich im räumlichen Wirkungsradius der jeweiligen Maßnahme abwickelt Die Stellung als Grundeigentümer ist bei dieser Umschreibung der raumpolitischen Betroffenheit irrelevant. Zwar bezieht das RPG öffentliche Verfügungsakte auf die sachenrechtlichen Rechtsverhältnisse zwischen verfügungsberechtigten Personen und den ihnen rechtlich zugeordneten ,Sachen*. Es verpflichtet und berechtigt unmittelbar die Grundeigentümer zu einer bestimmten Nutzung 4 9 7 . Dieses Rechtsverhältnis hat indessen m i t raumpolitischer Betroffenheit nichts zu tun. I n Anlehnung an den von Abendroth 498 entwickelten Sozialstaatsbegriff, der neben dem gemeinhin betonten Element der Erbringung wohlfahrtsstaatlicher Leistungen auch das Prinzip der Teilhabe der Leistungsempfänger an der Inhaltgebung dieser Leistungen herausarbeitet, ließe sich der hier angesprochene Sachverhalt i n größerem Zusammenhang auch folgendermaßen umschreiben: Raumplanung als öffentliche Aufgabe bezweckt die Erbringung eines Mindestmaßes räumlich bedingter und damit über Nutzungsanordnungen steuerbarer Lebensqualität 4 9 9 . Es ist dies ein Stück sozialstaatlicher Leistungserbrin493 Das zeigt etwa die E n t w i c k l u n g i n den Kantonen VS oder A R . — Vgl. zu V S : Gruner 1976, 3 (Untersuchung des Zusammenhangs von Wählerverhalten u n d breiter Streuung des Grundeigentums i m Zusammenhang m i t der Raumplanung. V S v e r w a r f sowohl das R P G als auch ein kantonales Raumplanungsgesetz wuchtig). I n beiden Kantonen w i r d Raumplanung von den Behörden gleichwohl als dringende Aufgabe angesehen. (Vgl. f ü r A R : Bericht: op. cit. oben A n m . 474.) 494 Vgl. die Zusammenstellung bei Binswanger et ah 1975,17 f. 495 Vgl. oben 1.2.2.1.2. 499 Vgl. oben 1.2.2.1.2. 497 Vgl. oben S. 96. 498 Abendroth 1968/2,109 ff. Ferner Kammler 1968, 99 ff. 499 Vgl. hierzu oben 1.2.2.1.1. f.

1.7. Raumpolitische Betroffenheit

139

gung, als deren bestimmungsgemäße Betroffene die Leistungsempfänger zu betrachten sind. Daher sind sie als die eigentlichen Partizipienten anzusehen. Es sind dies alle jene Personen, deren Umwelten durch die entsprechenden Planungsleistungen — vornehmlich i m positiven, verbessernden Sinne — beeinträchtigt werden. Als M i t t e l zur Erbringung solcher Planungsleistungen setzt das politische System an die dinglich berechtigten Grundeigentümer gerichtete Nutzungsanordnungen ein. Der Zweck der Raumordnungspolitik kann indessen nicht i n dieser Beschränkung des Grundeigentums liegen, sondern i n der, unter den heutigen bodenrechtlichen Verhältnissen nur über derartige Beschränkungen erwirkbaren, räumlich determinierbaren Gesellschaftsgestaltung. Daher löst dingliche Berechtigung an Grund und Boden allein keine raumpolitische Betroffenheit aus. Für Grundeigentümer, die keinen Wohnsitz i n der betreffenden Siedlungseinheit haben, ist das durch Planungsentscheidung einer bestimmten Nutzungszone zugewiesene Grundstück ein Wertträger; i h r Interesse gilt dem abstrakten Vermögenswert. I n ihren konkreten, räumlich bedingten Lebensverhältnissen sind sie i n diesem Falle weder mittelbar noch unmittelbar betroffen: Ein Schweizer, der durch Vermittlung eines Maklers i n der Nähe einer expandierenden amerikanischen Großstadt Land erwirbt, ist durch ein dort verhängtes Bauverbot i n seinen konkreten räumlichen Lebensverhältnissen — raumpolitisch — i n keiner Weise betroffen. Gleichwohl w i r d er regelmäßig i n seinen Vermögensinteressen betroffen sein 6 0 0 . W i r sprechen von andersartiger Betroffenheit. Bei dieser Ausgangslage sind nun zwei Fragen zu beleuchten: Einmal muß näher bestimmt werden, was als räumlicher Anknüpfungspunkt 500 M i t Luhmann 1965, 123 ff. gehen w i r davon aus, daß der Verfassungsschutz des Eigentums „nicht auf die individuellen Persönlichkeitsbedürfnisse des Eigentümers zugeschnitten" ist, sondern auf die spezifische K o m m u n i kationsrolle des einzelnen i m Wirtschaftssystem: auf seine Möglichkeit, nach bestimmten, vorhersehbaren Regeln über Geld oder geldäquivalente Sachwerte verfügen zu können (123). Das Wesen des Eigentums ist i n der E r h a l tung des Geldwerts zu erblicken. „Diese Wesensbestimmung muß i m Z u sammenhang gesehen werden m i t der sozialen Differenzierung u n d m i t der Abstraktion des Eigentumsbegriffs zu einem rollenunabhängigen . . . Recht an Sachen" (124). Diese „Auslegung des Eigentumsrechts als Geldwert entspricht nicht n u r der Verfassung . . . , die j a Reduktion des Eigentums auf Geld durch Enteignung m i t der Wesensgarantie des A r t . 19 Abs. 2 G G f ü r vereinbar hält, sie allein entspricht auch den Realitäten unserer Sozialordnung . . . " (125). — Solche Betroffenheit i n Vermögensinteressen k a n n nach A r t . 8 des Gesetzes über die Gemeinden u n d Pfarreien v o m 19.5.1894 v o n F R sogar dazu führen, daß der Betroffene — auch w e n n er i n der Gemeinde keinen Wohnsitz hat — zur Stimmabgabe i n Steuerfragen berechtigt ist. Die Baugesetze der Kantone unterscheiden i n den wenigsten Fällen solche andersartige Betroffenheit von raumpolitischer Betroffenheit (vgl. die Z u sammenstellung unten 3.8.1.2.4.3.).

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1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

für raumpolitische Betroffenheit einer Person angesehen werden kann. Zum andern ist nach Möglichkeiten der Bestimmung räumlicher W i r kungsradien von raumplanerischen Maßnahmen zu fragen. 1.7.3. Allgemeine und besondere Anknüpfungspunkte für raumpolitische Betroffenheit

Als weitestgehend determinierende natürliche, räumliche und soziale Umwelt w i r d man die Umgebung am dauerhaften Wohnsitz einer Person 5 0 1 annehmen können. Hier w i r d sich i n der Regel das dichteste Feld einer Höchstzahl unterschiedlich motivierter Kontaktnahmen einer Person m i t ihrer sozialen und räumlichen Umwelt abspielen 502 . Die Länge des Wegs zur Grundschule und seine Verkehrssicherheit, der Anschluß an die zentralen Verkehrsträger, das Vorhandensein von erreichbaren Einkaufs- und Vergnügungsmöglichkeiten bis h i n zur ärztlichen Grundversorgung — all dieses für die Befriedigung unterschiedlicher Grundbedürfnisse bedeutsamen Faktoren hangen wesentlich von der räumlichen Grundordnung der Wohnsitzsiedlung ab. Es ist daher angezeigt, generell die räumliche Betroffenheit einer Person an deren Wohnsitz anzuknüpfen. Von einer raumpolitischen Maßnahme allgemein betroffen ist derjenige Kreis von Personen, deren Wohnsitz sich innerhalb des Wirkungsfeldes einer raumgestaltenden Maßnahme befindet. Bleibt das Problem besonderer Anknüpfungspunkte: M i t zunehmender Bevölkerungsmobilität und einhergehender monofunktionaler Nutzungsdifferenzierungen fallen auch Ort der Arbeit, der Erholung oder des Grundkonsums und Wohnort oftmals auseinander. Solche Raumkontakte können zwar ungleich intensiver sein. Sie sind indessen auf einzelne Tätigkeiten beschränkt und/oder ihre räumliche Dimension t r i t t hinter der sozialen, räumlich höchstens mittelbar bedingten i n den Hintergrund 5 0 3 . Solche ,Teilumweiten' sind als besondere Anknüpfungspunkte partieller raumpolitischer Betroffenheit relevant. 1.7.4. Die kohärente soziale Wirkungseinheit raumpolitischer Maßnahmen — ausschließliche Betroffenheit und Mitbetroffenheit

1.7.4.1. Ausgangslage Es stehen damit der allgemeine und mögliche besondere Anknüpfungspunkte für raumpolitische Betroffenheiten fest. I n einem zweiten 501 Dabei ist auf das politische D o m i z i l i m Sinne von B V A r t . 43 abzustellen. Die neuere Praxis tendiert zur Angleichung von politischem u n d p r i v a t rechtlichem Domizil, wobei offenbar der privatrechtliche Domizilbegriff wegleitend w i r k t . Vgl. i n diesem Sinne: Tour / Schnyder: ZGB, 8. A u f l . Zürich 1969, 71 ff. 502 Vgl. oben 1.3.5.3.1. 503 Beides t r i f f t etwa zu bei Arbeit, Erholung oder spezialisiertem Konsum.

1.7. Raumpolitische Betroffenheit

141

S c h r i t t m u ß n u n m e h r e r m i t t e l t w e r d e n , ob u n d i n w i e f e r n als A n k n ü p f u n g s p u n k t betrachtete U m w e l t e n v o n e i n z e l n e n r a u m p o l i t i s c h e n M a ß nahmen betroffen werden. Solche M a ß n a h m e n k ö n n e n e n t w e d e r d i e G e s a m t h e i t oder aber e i n zelne T e i l a s p e k t e r e l e v a n t e r U m w e l t e n gestalten. G e r a d e b e i E r h o lungsgebieten604, Einkaufszentren m i t t e n i m beinahe unbesiedelten , G r ü n e n ' 6 0 6 oder b e i k a u m b e w o h n t e n , b e d e u t s a m e n I n d u s t r i e g e b i e t e n zeigt sich, daß die Z a h l d e r p a r t i e l l b e t r o f f e n e n g e g e n ü b e r d e n a l l g e m e i n b e t r o f f e n e n U m w e l t e n g r ö ß e r sein k a n n . M i t u n t e r b e f i n d e n sich solche G e b i e t e f e r n a b v o n e i g e n t l i c h e n W o h n s i e d l u n g e n . Es s o l l e n E i n zelbedürfnisse w i e K o n s u m , E r h o l u n g , A r b e i t , V e r k e h r , h ö h e r e B i l d u n g oder d e n N o r m a l b e d a r f übersteigende G e s u n d h e i t s p f l e g e etc. b e f r i e d i g t w e r d e n , w i e sie i m a l l t ä g l i c h e n , v o m k l e i n e n W o h n s i t z b e r e i c h h e r d e f i n i e r b a r e n , N o r m a l u m w e l t e n 4 n i c h t i m a n g e s t r e b t e n U m f a n g als e r f ü l l b a r erachtet w e r d e n 6 0 6 . I n solchen F ä l l e n m u ß v o n e i n e m die einzelnen Einheiten überspannenden, g l e i c h w o h l i m L i c h t e d e r entsprechenden M a ß n a h m e kohärenten gesellschaftlichen Wirkungsfeld 607 ausgegangen w e r d e n : D i e r a u m 504 Vgl. die beiden Referate v o n A. Copt u n d A. Sutter zum Thema Raumplanung u n d Erholungsräume i n der Nähe kleinstädtischer Agglomerationen, v o m 24./25.10.1974 v o r dem schweizerischen Städteverband. Beispiele k a n tonalrechtlich ausgeschiedener Erholungszonen finden sich oben S. 71 u n d 82. Daß sie auf kantonaler u n d nicht auf kommunaler Ebene ausgeschieden w e r den, beweist ihre Bedeutung f ü r alle Personen i m Kantonsgebiet. Vgl. i n diesem Sinne B G E 96 I 234 ff. (regionales Schutzgebiet i n Bachs, ZH). eoe v g l . hierzu oben 1.3.5.3.1. u n d die dort zitierte A r b e i t v o n Lanzi Saladin 1976, 89 ff. Ferner U. Wienìce: Shopping-Center oder Ortszentren, i n : Berichte O R L Nr. 30, Zürich 1975. Das Problem ist i m kantonalen Recht noch weitgehend ungelöst. Vgl. zur politischen Diskussion etwa N Z Z v o m 27.4. 1974 (Nr. 193), 13: Bericht über die Studientagung der V L P i n Basel): „ D a jedes Einkaufszentrum über die Standortgemeinde hinaus Auswirkungen hat, bedarf es nach Stüdeli f ü r die Sicherung der öffentlichen Interessen einer kantonalen Planung, i n der zwar nicht die Standorte, aber die Räume für Einkaufszentren angegeben werden, sowie einer kommunalen Spezialplanung." Ferner: N Z Z v o m 22.10.1975 (Nr. 92), 29 (Bericht über einen Bericht einer Expertenkommission „zur Versorgung entwicklungsschwacher Gebiete m i t Gütern des täglichen Bedarfs"): Z u prüfen sei, ob die heutige Verfassungsgrundlage ausreicht, „ u m eine selektive Bewilligungspflicht f ü r den Bau siedlungsmäßig nicht integrierter großräumiger Verkaufszentren gesetzlich zu verankern". Das Problem w i r d v o r allem i n den Kantonen A G , SO, ZH, SG u n d B E diskutiert. 506 Einrichtungen höherer Zentralität. Vgl. oben 1.3.1. u n d 1.3.5.3.1. (Normalumwelt). 507 Vgl. zum Einzugsgebiet eines überkommunalen Akutspitals: BGE v o m 11.12.1974 (ZB1 1975 (76), 297 ff.); Bussystem: Lendi 1973/3 114; Kehrrichtverbrennungsanlagen, Universitäten, Theater: Frey 1974, 369 („wie die spillovers führen auch die Unteilbarkeiten tendenziell zu einem hohen optimalen . . . Zentralisierungsgrad"); Spitalwesen allgemein: Hangartner 1974, 389 („Die Entscheide i n diesen Fragen berühren . . . i n elementarer Weise das Leben u n d die Würde des Menschen, der als Patient i m Spital j e nach dessen

142

1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

politische Maßnahme löst bei Personen eines größeren Teilraumes — etwa einer Region — partielle Betroffenheit aus, w e i l dadurch die räumlich mitbedingte Befriedigung eines Teils ihrer Bedürfnisse i n Mitleidenschaft gezogen wird. Sie ist einer, der kleinstmöglichen vorgelagerten Planungsstufe und damit einem übergeordneten politischen Subsystem zuzuordnen. Es wäre m i t dem Zweck solcher Maßnahmen unvereinbar, als relevant nur den kleinen Kreis jener Personen zu betrachten, deren wohnsitzmäßige Umwelt betroffen wird, und die Betroffenheit all jener, die ihren Wohnsitz zufälligerweise nicht i n unmittelbarer Nähe der zu errichtenden Einrichtung haben, gewissermaßen als Nebenerscheinung zu behandeln. Nachweisbare externe Effekte 6 0 8 solcher Planungsmaßnahmen müßten damit unberücksichtigt bleiben. Massive Steuerungseinbußen des Zentralsystems und räumliche Ungleichheiten infolge unkontrollierter, beinahe anarchistischer Dezentralisierung („FloriansPrinzip") 5 0 9 wären die Folgen. 1.7.4.2. Voile Betroffenheit

— Beispiel

Nutzungsplan

Die letzte Stufe des raumpolitischen Systems, die dezentral erfolgende Nutzungsplanung, erfaßt räumliche Umwelten vollumfänglich. Kommunale Nutzungspläne erfassen die Ganzheit räumlicher Lebensbedingungen all jener Personen, deren Wohnsitz sich i m entsprechenden Planungsgebiet befindet. Diese für die allgemeine Anknüpfung raumpolitischer Betroffenheit relevante Umwelt umfaßt jenen Raumabschnitt, i n welchem ein M i n i m u m an sozialer Interaktion überhaupt stattfinden kann. A n solcher Interaktion beteiligen sich all jene Personen und Personengruppen, deren Umwelten ebenfalls von diesem — gleichen — Interaktionsfeld her bestimmt werden können 6 1 0 . Das soziale Wirkungsfeld raumpolitischer Maßnahmen, die solche volle raumpolitische Betroffenheit auslösen, erstreckt sich über jenen Raumabschnitt, i n dem ein dichter und vielfältiger, auf Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse gerichteter Interaktionsprozeß stattfindet, der Ausstattung so oder anders behandelt w i r d . Diese Fragen aber sind keine legitimen kantonalen Besonderheiten. "Ganz allgemein führen dichte u n d i n tensive Interdependenzen i n den Grundlagen i n vielen Bereichen dazu, daß „eine Entflechtung der verfassungsmäßigen Kompetenzzuweisungen" nicht mehr möglich ist, ohne „die E r f ü l l u n g der Staatsaufgaben u n d die G r u n d rechtsstellung der Bürger sehr zu beeinträchtigen"). Vgl. zum Problem der A t o m k r a f t w e r k e unten 1.7.6.1. 808 Vgl. hierzu oben 1.3.1. 509 Vgl. dazu R. Nef : Demokratie u n d Umweltschutz, Bemerkungen zu zwei Schlagworten, i n : N Z Z v o m 8.1.1974 (Nr. 10), 15 u n d unten 2.5.4. 510 Vgl. oben 1.3.5.3.1. Ferner: Jagmetti 1972, 364 ff.; R. König: Grundfragen der Gesellschaft: Die Gemeinde, Hamburg 1958, 25 ff.

1.7. Raumpolitische Betroffenheit

143

seinerseits die Umwelten der Bewohner zu einer allen Beteiligten gemeinsamen Umwelt werden läßt. W i r sprechen von einer Siedlungsgemeinschaft, von einem Dorf oder von einem Stadtteil 5 1 1 . Jede auf Veränderung der räumlichen Struktur dieser gemeinsamen Umwelt gerichteten Entscheidung betrifft zugleich die relevanten Umwelten eines jeden Siedlungsgenossen. Das Wirkungsfeld solcher Maßnahmen läßt sich nicht i n noch kleinere Einheiten aufteilen. Ein Nutzungsplan betrifft alle Einwohner gleichermaßen. Differenzierungen, vorgenommen etwa i m Hinblick auf die Ausbildung von unterschiedlichen Verfahrenspositionen i n Nutzungsplanverfahren oder i n Beschwerdeverfahren 5 1 2 lassen sich nicht mit unterschiedlicher raumpolitischer Betroffenheit rechtfertigen 513 . 1.7.4.3. Partielle Betroffenheit Anders liegen die Dinge bei bloß partieller raumpolitischer Betroffenheit, wie sie Maßnahmen übergeordneter Planungsträger auslösen. I h r relevantes soziales Wirkungsfeld definiert sich nach der ihrem eigentlichen Zweck entsprechenden Teilbetroffenheit, die sie bei einer Großzahl von Umwelten auslösen. Die nur teilweise betroffenen Umwelten bilden i m Hinblick auf die getroffene Maßnahme ein einheitliches, kohärentes und nicht aufteilbares Planimgsfeld. Konstituiert w i r d das entsprechende soziale Wirkungsfeld ebenfalls durch die darin stattfindenden Interaktionen all jener, deren Umwelt i n bedeutsamer Weise m i t dem Planungsfeld verbunden ist. I m Unterschied zum Interaktionsfeld i n kleinstmöglichen Siedlungseinheiten ist dieses jedoch nicht derart vielfältig: Die Interaktionen richten sich nicht auf die Befriedigung einer Vielzahl unterschiedlicher menschlicher Grundbedürfnisse, sondern auf die Befriedigung spezifischer, über Grundbedürfnisse hinausgehender Bedürfnisse. Die Wirkungseinheit beschränkt sich auf einen Sektor raumpolitisch mitbedingter Bedürfnisbefriedigung. Sachlogisch gilt für solche partielle Betroffenheit prinzipiell nicht der allgemeine, sondern ein besonderer, auf der entsprechenden Tätigkeit oder Bedürfnisbefriedigung basierender Anknüpfungspunkt. Solche 611 Z u r gleichen Schlußfolgerung gelangten w i r oben i n Zusammenhang m i t der Umschreibung des f ü r eine Siedlung konstitutiven Nutzungsgeflechts: 1.3.5.3.1. (Mitte). δ12 Wie das i m Zusammenhang m i t der Legitimation derzeit geschieht (vgl. dazu unten 3.8.3.2.). 618 I m Beschwerdeverfahren läßt sich der Kreis der Beschwerdeberechtigten aus den Planbetroffenen i n der Weise ermitteln, daß v o m Beschwerdeführer ein Rechtsschutzinteresse verlangt w i r d . Betroffenheit allein genügt noch nicht. Vgl. unten 3.8.3.2.

144

1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

Maßnahmen betreffen Personengruppen, w e i l sie an einem bestimmten, vom Wohnsitz abweichenden Ort arbeiten, einkaufen, Sport treiben, Erholung suchen oder durchfahren. Das partielle Betroffenheit auslösende, kohärente Wirkungsfeld solcher Sachplanungsmaßnahmen ist aber auf überörtlicher Ebene i n aller Regel wiederum eine Funktion der Siedlungsplanung, die bei allen Bewohnern i n diesem Großraum wohnsitzmäßig definierbare Betroffenheit auslöst. Dies ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Maßnahme weitreichende überörtliche Bedeutung hat, so daß sie eindeutige Auswirkungen auf das Siedlungsbild i m Kanton oder i n einer ganzen Region haben. Partielle Betroffenheit kann i n diesem Fall wiederum an den allgemeinen Anknüpfungspunkt des Wohnortes i m überörtlichen Teilraum anknüpfen. Ist das raumpolitische Wirkungsfeld derartiger Maßnahmen zwar über kleinstmögliche Siedlungseinheiten hinausgreifend, jedoch gleichwohl zu klein oder wegen seiner Einmaligkeit nicht geeignet, Grundlage für einen eigenständigen Planungsträger zu bilden, so muß den auf eindeutiger, partieller Betroffenheit gründenden Partizipationsansprüchen auf andere Weise entsprochen werden. Anstelle grundsätzlich gleichberechtigter M i t w i r k u n g neben den Einwohnern jener Siedlungseinheit, auf deren Boden sich das regional bedeutsame Planungsobjekt befindet, i n einem übergeordneten System, t r i t t i n diesem Falle eine den Rechten der letzteren untergeordnete Mitwirkungsmöglichkeit i m Planungsprozeß des benachbarten Gebietes. Der Träger des über sein Gebiet hinaus eindeutig partielle Betroffenheit auslösenden Planungsentscheides räumt den Bewohnern der Anreinersiedlung gewisse Mitwirkungsrechte ein 5 1 4 . 1.7.4.4. Ausschließliche und Mitbetroffenheit Volle Betroffenheit ist ausschließliche Betroffenheit, partielle Betroffenheit ist über die einzelne Siedlung hinausgehende Mitbetroffenheit. Neben der gewöhnlichen, partiellen Betroffenheit aller i m entsprechenden Wirkungsfeld lebender Personengruppen lösen raumpolitische Maßnahmen übergeordneter Planungsstufen regelmäßig bei bestimmten Gruppen über die gewöhnliche Teilbetroffenheit hinausgehende, besondere Betroffenheit aus: Jemand, dem die Nationalstraße durchs 514

Eine solche Regelung sieht etwa A r t . 57 des BauG v o n FR vor, w e n n es der Nachbargemeinde das Recht zur Begutachtung der nachbarlichen Zonenpläne zugesteht, die „Zonen an der Gemeindegrenze" vorsehen. Solche K o n f l i k t e lassen sich m i t dem RPG hinreichend auf Gesamtrichtplanebene lösen u n d i m Genehmigungsverfahren regeln. Vgl. i n diesem Sinne schon A r t . 9 des BauG v o n N W , der zwar keinen allgemeinen Genehmigungsvorbehalt kennt, indessen gerade eine kantonale Genehmigung f ü r solche Fälle v o r sieht, i n denen Zonenpläne aneinanderstoßende Gebiete benachbarter Gemeinden betreffen. Vgl. unten 1.7.6.1. P u n k t 8.

1.7. aumpolitische Betroffenheit

145

Schlafzimmer führen soll, ist vom Linienführungsentscheid 515 erheblich intensiver betroffen als ein gewöhnlicher Verkehrsteilnehmer, dem der Linienführungsentscheid nur das allgemeine Mobilitätsbedürfnis beeinträchtigen könnte. Dasselbe gilt auch für den Standortentscheid von Atomkraftwerken 5 1 6 . Bei partieller raumpolitischer Betroffenheit w i r d daher eine zusätzliche Differenzierung nötig: Solche über gewönliche Teilbetroffenheit hinausgehende partielle Betroffenheit besonderer A r t kann und muß zwar eine verfahrensrechtliche Entsprechung i n relativ stärkeren Partizipationspositionen finden. Sie darf aber nicht der vollen Betroffenheit gleichgestellt werden, obwohl sie sich gleich einschneidend äußern kann. Denn volle Betroffenheit w i r d nach unserem Konzept nur ausgelöst durch Maßnahmen der Durchführungssysteme, die von diesen i n eigener Regie erlassen werden und die i n der Regel als unerheblich für benachbarte Siedlungen 5 1 7 betrachtet werden können. 1.7.5. Abstrakte (Ziel-) und konkrete (Plan-)raumpolitische Betroffenheit

Nach der ,4-Schritt-Figur' muß i m weiteren Zielbündelbetroffenheit und eigentliche Planbetroffenheit auseinandergehalten werden: 1.7.5.1. Zielbündelbetroffenheit Zielbündelbetroffenheit ist abstrakte Betroffenheit. Zielbündel sind nicht auf konkrete räumliche Umwelten bestimmter Personen und Personengruppen umgelegte Nutzungsanweisungen 518 . Sie sind raumabstrakt formuliert und lassen immer noch verschiedene Implementierungsmöglichkeiten offen. Zwingende Ziel-Mittel-Relationen, welche bei gegebenen Zielen und Raumwirklichkeiten nur eine einzige Ausgestaltung des Plans zuließen, gibt es nicht. Abgesehen von theoretischen 515 Vgl. zur derzeitigen Rechtslage oben 1.3.3. A n m . 182. Vgl. i m Zusammenhang m i t der Diskussion u m das sog. „Zürcher Y " die Vorstöße Nauers (Postulat) u n d Wiedmers (Interpellation) u n d die bundesrätliche A n t w o r t v o m 5.3.1975 i n N Z Z v o m 6. 3.1975 (Nr. 54), 29. I h r Kernsatz: „Das Expreßstraßen Y i n Zürich ist nicht eine bloße Angelegenheit der Stadt, sondern auch eine solche der Region, des Kantons u n d des Bundes." Daher sei i m wesentlichen die Bundesversammlung zuständig. Es ist indessen zu fragen, ob nicht aufgrund einer Betroffenheitsdifferenzierung eine andere Lösung ins Auge zu fassen wäre. So könnte beispielsweise der B u n d Eckwerte f ü r die L i n i e n f ü h rung setzen, die einen störungsfreien Anschluß der drei Nationalstraßenäste i n Zürich gewährleisten sollen. Stadt u n d K a n t o n hätten dann zu bestimmen, w i e dies i m einzelnen sichergestellt werden kann. 516

Vgl. unten 1.7.6.1. Das ist der eigentliche Stammbereich kommunaler Vgl. i m m e r h i n die Feststellung oben i n A n m . 514. 518 Vgl. oben 1.5.3. 517

10 Knoepfel

Nutzungsplanung.

146

1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

Überlegungen 519 spricht dagegen auch der Umstand, daß selbst realistisch angelegte Zielbündel — wegen ihres abstrakten Charakters — nie vollständig widerspruchsfrei sein können 5 2 0 . Solche Spannungsfelder zwischen verschiedenen, i m Zielbündel zusammengebundenen Teilzielen werden vielfach erst anläßlich einer Konfrontation m i t der Realität i n der Weise deutlich, daß klare Prioritätsentscheidungen möglich werden 5 2 1 . Dieser Vorgang der auf raumkonkrete Ziele abzielenden Konfrontation einheitlicher Zielsysteme mit unterschiedlichen Raumabschnitten kann nicht mit der Erarbeitung der Zielsysteme selbst antizipiert werden 5 2 2 . Wenn beispielsweise i n das Zielbündel der bundeseigenen Planungsprozesse als raumrelevante Komponente der Bundesenergieplanung die Freihaltung von χ Standorten für immissionsreiche Atomkraftwerke aufgenommen w i r d 5 2 3 , so kann aus diesem Teilziel niemand i n zwingender Weise darlegen, daß dadurch gerade seine unmittelbare Umwelt betroffen sei. Ein solcher Nachweis w i r d möglich und sinnvoll erst dann, wenn diese Zielbestimmung nach einem entsprechenden Verfahren zu einem Standortentscheid geführt hat. Vorher muß jedermann, der i n einem die raumabstrakt formulierten Bedingungen für solche Einrichtungen erfüllenden Raumabschnitt wohnt, m i t der Möglichkeit eines A Werkes rechnen. 2.7.5.2. Planbetroffenheit Demgegenüber löst der Plan konkrete Betroffenheit aus. Er enthält Entscheidungen über A r t und Ausmaß der Raumnutzung i n mehr oder weniger bestimmten oder bestimmbaren Raumabschnitten. Er gestaltet je nach Stufe unterschiedliche Aspekte von jeweils als zielrelevant bezeichneten Elementen der räumlichen Wirklichkeit 5 2 4 . Er ordnet vorhandenen Lebensraum nach je beplantem Teilraum einheitlichen K r i terien 5 2 5 als knappe Ressource zur Befriedigung verschiedener Bedürfnisse bestimmten Nutzungen 5 2 6 zu. Daß die Nutzungsumschreibung u. U. vorerst nur sehr allgemein erfolgen kann, ändert an der Tatsache nichts, daß sie auf konkrete Raumabschnitte bezogen wird, m i t h i n konkrete Betroffenheit auslöst. 519 Solche w u r d e n oben 1.2.1.2.3. angestellt. 520 Trotz des Postulates nach Widerspruchsfreiheit, w i e es oben 1.2.1.2.2. aufgestellt w i r d . Vgl. auch oben 1.6.3.3.2. 521

Vgl. oben 1.6.3.3.1. Vgl. oben 1.2.1.2.2. 523 Vgl. oben 1.6.3.3.1. (Mitte). 524 Vgl. oben 1.4.3. (Punkt 2); 1.5.3. 526 Vgl. oben 1.3.2. 526 Vgl. oben 1.2.2.1. (raumpolitisches Gesamtsystem) u n d 1.3.5.2. (Durchführungssystem) . 522

1.7. Raumpolitische Betroffenheit

147

1.7.6. Zusammenfassende Betroffenheitstypologie 1.7.6.1. Skizze und

Typenliste

A b g e s t u f t nach a b n e h m e n d e m I n t e n s i t ä t s g r a d w e r d e n B e w o h n e r i m R a u m a b s c h n i t t x, i n d e m d e r K a n t o n die E r r i c h t u n g eines K a n t o n s schulgebäudes vorgesehen h a t 5 2 7 , v o n verschiedenen E n t s c h e i d u n g e n i n f o l g e n d e r Weise r a u m p o l i t i s c h b e t r o f f e n : Bundesplanungsziele I Gesamtplan Schweiz' p. m. I -

kant. Planzielbündel II

kant. Gesamtrichtplan inkl. Teilrichtpläne II—

Skizze 5 1

konkrete, volle raumpolitische Betroffenheit durch den k o m m u n a l e n N u t z u n g s p l a n (ausschließliche B e t r o f f e n h e i t ) ,

527 I m echtgenerell-konkreten Teilrichtplan der öffentlichen Bauten u n d Anlagen gem. A r t . 19 RPG. Daß dieser Standortentscheid zusammen m i t der Kreditvorlage ggf. nochmals diskutiert u n d bekräftigt oder abgelehnt w i r d , t u t diesem Rechtscharakter nicht Abbruch. Kreditbegehren u n d Standortentscheid sind auseinderzuhalten. I n Volksabstimmungen wäre zu prüfen, ob m a n die beiden Fragen getrennt zur A b s t i m m u n g bringen sollte, wobei dann die Kreditfrage als Rückkommensmöglichkeit auf einen früheren Richtplanentscheid angesehen werden könnte.

10*

148

1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

2

abstrakte, volle raumpolitische Betroffenheit durch die für den Nutzungsplan beschlossenen Zielbündelentscheidungen (ausschließliche Betroffenheit),

3

konkrete, partielle raumpolitische Betroffenheit besonderer Art durch die echt-generell-konkrete Entscheidung i m kantonalen Gesamtrichtplan betr. den Standort für eine regionale Schulanlage (Mitbetroffenheit),

4

konkrete, partielle raumpolitische Betroffenheit besonderer Art durch jene unecht-generell-konkreten Entscheidungen i m kantonalen Gesamtrichtplan, die das Gemeindegebiet betreffen (Mitbetroffenheit) 5 2 8 ,

5

konkrete, partielle raumpolitische Betroffenheit gewöhnlicher A r t durch echt-generell-konkrete Entscheidung i m kantonalen Gesamtrichtplan, wonach i n der Nachbargemeinde ein größeres zusammenhängendes Erholungsgebiet zu errichten ist (Mitbetroffenheit) 5 2 9 ,

6

konkrete, partielle raumpolitische Betroffenheit gewöhnlicher A r t durch system-generell-konkrete Planungsentscheidung auf kantonaler Ebene betreffend die zentral bedeutsamen Grundsätze für die Planung der Nachbargemeinde (Mitbetroffenheit),

7

abstrakte, partielle raumpolitische Betroffenheit durch die kantonale Zielbündelentscheidung betreffend die kantonale Gesamtrichtplanung (Mitbetroffenheit),

8

keine relevante Betroffenheit durch Entscheidungen, die i n der Nachbargemeinde volle raumpolitische Betroffenheit auslösen 530 .

Diese Einteilung ließe sich nun auch bezüglich raumpolitischer Entscheidungen des Bundes weiterführen. Von besonderem Interesse ist für unsere Fragestellung die — i m wesentlichen analog zu 3 zu behandelnde — konkrete, partielle Betroffenheit besonderer A r t , wie sie etwa durch einen Standortentscheid für ein Atomkraftwerk ausgelöst wird. Trotz erhöhter Mobilität von Energie und trotz dem Umstand, daß Energieträger und Energieproduktionsstätten keine siedlungspolitische Standortgebundenheit haben 5 3 1 , 528 So etwa die Ausscheidung von Siedlungs-, Landwirtschafts- oder Schutzgebiet i m kantonalen Teilrichtplan der Besiedlung und Landschaft, soweit darin Gemeindegebiet betroffen ist. 529 Solche partielle raumpolitische Betroffenheit gewöhnlicher A r t lösen sämtliche Gesamtrichtplanentscheide auf kantonaler oder regionaler Ebene bei den Kantons- oder Regionseinwohnern ex definitione aus. Ansonsten gehören sie nicht i n die Gesamtrichtpläne. Vgl. den oben A n m . 504 zitierten BGE 96 I 241 (Gemeinde Bachs). 530 v g l d e n Hinweis oben 1.7.4.3. A n m . 514. 531

Vgl. oben 1.6.3.3.1. (Mitte).

1.7. Raumpolitische Betroffenheit

149

lösen positive oder negative Standortentscheide für Energieproduktionsstätten neben partieller energiepolitischer Betroffenheit sämtlicher, am entsprechenden Energienetz angeschlossener Energiekonsumenten partielle raumpolitische Betroffenheit der i m technologisch bedingten Gefahren- und Einwirkungsbereich der Anlage wohnhaften Einwohner aus. I n den i n dieser Arbeit weiter nicht verfolgten Fällen des Standortentscheides für Kernkraftwerke sind m i t h i n folgende drei Gruppen von Betroffenen zu unterscheiden: 1. die Gruppe der partiell und i n besonderer A r t raumpolitisch Betroffenen (Einwohner der Standortgemeinde), 2. die Gruppe der partiell raumpolitisch Betroffenen gewöhnlicher A r t (Einwohner i n der Umgebung der Standortgemeinde), 3. die (große, landesweite) Gruppe der energiepolitisch Betroffenen 5 3 2 . 1.7.6.2. Nachbemerkung Vielleicht w i r d man gegenüber dieser Typologie einwenden, sie sei entweder unpraktikabel oder aber schlicht naiv. Unpraktikabel, w e i l sie i m Ergebnis allzu feingliedrige Unterscheidung vornehme, denen verfahrensrechtlich zu entsprechen zu einer für Bürger und Verwaltungsbeamte gleichermaßen unübersichtlichen Vielzahl unterschiedlicher Verfahren führe, die sich zudem personell, sachlich und zeitlich überlagern können. Naiv, weil sie bei allen Differenzierungen gerade hier mitzuberücksichtigende Interdependenzen von Raumplanung und anderen Planungsbereichen und daraus resultierende zusätzliche Betroffenheiten außer acht lasse, weshalb darauf basierenden Lösungen i m Endergebnis ähnliche Unzulänglichkeiten anhafteten, wie hergebrachten 532 w e i l der B u n d aufgrund einer Bundessachplanungskompetenz (BV A r t . 24 quinquies) handelt, ist diese Gruppe die entscheidende: BGE 99 I a 256 (Die große Bedeutung, welche die Nutzung der Kernenergie i n unserem Energiehaushalt k ü n f t i g offenbar haben soll u n d die besonderen Probleme des Betriebs einer Atomanlage, zu deren sachgerechten Bewältigung viele Kantone nicht i n der Lage wären, bewirkten, daß i n diesem Bereich bundesrechtliche Vorschriften zu erlassen waren, „ u m so mehr, als durch den Betrieb v o n Atomanlagen häufig nicht n u r die Interessen des Standortkantons, sondern auch diejenigen von Nachbarkantonen u n d ausländischen Staaten berührt werden". I n diesem letzten Nebensatz spricht das Β Ger die Gruppe 2 oben an). Diese Überlegung f ü h r t zur Ausscheidung der Kompetenzen z w i schen B u n d u n d K a n t o n i n dem Sinne, daß dem K a n t o n i n den Bereichen nuklearer Sicherheit, Landschaftsschutz, Meteorologie, L ä r m u n d Gewässerschutz, nurmehr „ergänzende, nicht aber widersprechende Anordnungen" verbleiben. Auch über baupolizeiliche Bestimmungen darf der K a n t o n die Funktionsfähigkeit des Atomkraftwerkes nicht i n Frage stellen. (U. Fischer: Die Kompetenzordnung bei der B e w i l l i g u n g v o n Kernkraftwerken, i n : ZB1 1973 (74), 96 ff. Vgl. dazu auch den eindrücklichen Aufsatz von Huber 1973, 23 u n d den Entscheid des solothurnischen Verwaltungsgerichts v o m 16.11. 1973, i n : ZB1 1974 (75), 88 ff.

150

1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

Organisationsmuster, die weitgehend den vorbestandenen Strukturen des allgemeinen Staatsaufbaus entsprechen. Dem Argument mangelnder Praktikabilität w i r d man mit einer klaren und ,verwaltungsdesignerisch' einwandfreien Präsentation der einzelnen Maßnahmen, Betroffenheitskreise und Partizipationsverfahren zwar Rechnung tragen können. Daß die verfahrensrechtliche Komplexität raumpolitischer Systeme mit Anwendung der vorgeschlagenen Typologie gleichwohl angehoben wird, ist unzweifelhaft. Darin liegt letzlich der Preis sämtlicher organisationsrechtlicher Modelle, die i n einer stärker betroffenheitsdifferenzierenden Verfahrensanlage einen Beitrag zur Demokratisierung sehen. Ein Preis, den zu zahlen sich i n Anbetracht immer massierter auftretender Bürgerproteste gegen die Endergebnisse von Planungen lohnt, wenn man die rechtlichen und politischen Kosten solcher Aktionen m i t i n die Waagschale legt. Dieser letztere Umstand kann auch Ausgangspunkt für die Entkräftung möglicher Einwände aus gegenteiliger Sicht sein: Man sollte sich vor dem Versuch einer verfahrensrechtlichen Entsprechung für das ,Alles-hängt-mit-Allem-zusammen'-Syndrom i n acht nehmen. Meine Typologie versucht — vorab m i t den Figuren der abstrakten Zielbündelbetroffenheit und der partiellen Betroffenheit besonderer A r t — sachlichen Interdependenzen verfahrensrechtlich sogar i n höherem Maße zu entsprechen, als man dies subjektiv als Betroffener gerne hätte. Wo eine Entflechtung solcher Interdependenzen ohne allzu hohe Koordinationskosten sachlich möglich ist, muß eine Besonderung vorgenommen werden. Ansonsten müssen w i r eines Tages mitansehen, wie berechtigte Bürgerproteste sachlich gebotene Interdependenzen mutw i l l i g zerreißen, nur u m ein Signal zu setzen für den Unmut über die anhaltenden Verweisungen auf die »größeren Zusammenhänge' seitens der Planer. Bei aller Notwendigkeit, Sachinterdependenzen zu beachten, dürfen w i r nicht vergessen: Eine Kapitulation vor dem ,Alleshängt-mit-Allem-zusammen'-Syndrom ist letztlich eine Kapitulation vor dem demokratischer Grundsatz der tatsächlichen Bestimmung politischer Inhalte durch die davon Betroffenen. Das zeigen unsere schweizerischen direktdemokratischen Institutionen eindrücklich. Die Typologie sollte vorab bei der Bildung neuer Planungsträger raumpolitischer, aber auch anderer A r t praktikabel sein, wie sie mit dem Aufkommen immer neuer, aus sachlichen Gründen vorhandenen politischen Systemen nicht zuweisbaren Aufgaben notwendig werden.

1.8. Schlußfolgerungen für Modellbildungsstrategien

151

1.8. Einige Schlußfolgerungen aus den bisherigen Überlegungen zur Rechtsnatur und zur Betroffenheit — Grundsätze für weiterführende Modellbildungsstrategien 1.8.1. Betroffenheitsdifferenzierende Ausgestaltung von Partizipationstypen

Demokratisierung raumpolitischer Prozesse bedeutet nach den Ausführungen i m nächsten Teil ganz allgemein Sicherung und gegebenenfalls Ausbau der verfahrensrechtlich festzulegenden Mitwirkungsrechte der raumpolitisch Betroffenen nach Maßgabe der Qualität ihrer je Planungsmaßnahme und -stufe eintretenden Betroffenheit 5 3 3 . Es mußte daher i n diesem ersten Kapitel anhand des i m RPG vorgezeichneten Planungsprozesses genauer untersucht werden, welche Gruppen von rechtlich auf welche Weise charakterisierbaren Kategorien raumpolitischer Entscheidungen i n ihren vom öffentlichen Recht her bestimmbaren räumlichen Lebensbedingungen betroffen werden. Die Tatsache, daß sich menschliches Leben zugleich i n unterschiedlichen, verschiedenen Bedürfnissen dienenden, sozialen Bezugsfeldern abwickelt, verbunden mit dem Umstand, daß Planung i n einem verschiedenen Stufen zugeordneten, von zentralen Steuerungsentscheidungen bis h i n zu relativ autonomen, dezentralen Entscheidungen kleinster staatlicher Einheiten reichenden Prozeß abläuft, führte zu verschiedenen Typen von Betroffenheiten. Für jeden Typus sind demnach auch unterschiedlich ausgestaltete Mitwirkungssysteme zu entwickeln. Der Gefahr einer möglichen Überforderung der Bürger kann dabei durch Einbau von repräsentativen Organisationselementen entgegengewirkt werden. Was Baschung / Stüdeli 5M für die hiesigen und Blümel 535, Brohm 5SS, 537 538 Schick oder Redeker für die bundesrepublikanischen Verhältnisse bezüglich Rechtsschutzstellung von Partizipienten i m Beschwerdeverfahren seit einiger Zeit gefordert haben, muß m i t W a h l 5 3 9 oder Diene! 5 4 0 533

Vgl. unten 2.2. f. Baschung / Stüdeli 1971, 125 („Der Rechtsschutz (muß) dem sachlich richtigen Planungsablauf angepaßt" werden). 535 Blümel 1972, 26 ff. (Mitwirkungsmöglichkeiten sind vor dem Planfeststellungsverfahren geboten, u m i m Bereich des Baus von Flughäfen u n d Bundesfernstraßen A r t . 19 I V GG einzulösen). 536 Brohm 1972, 285 ff. (Es ist notwendig, daß „ m a n die einzelnen Verfahrensstufen rechtlich zu erfassen versucht", u n d diese als Teilentscheidungen verselbständigt.) 537 Schick 1974, 474 („Die pauschale Verweisung des Rechtsschutzsuchenden auf den V o l l z u g s a k t . . . i s t . . . unangemessen.") 538 K . Redeker: Staatliche Planung i m Rechtsstaat, i n : JZ 1968, 539 ff. 539 Wahl 1975, 378 ff. („Die Betroffenheit einzelner durch Teilentscheidungen" ist anhand von zu entwickelnden K r i t e r i e n herauszuarbeiten.) 534

152

1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

auch für entscheidvorbereitende Partizipationsverfahren gelten: daß nämlich die Ausgestaltung von Mitwirkungsrechten in Planungsverfahren nach der tatsächlichen Wirkweise der entsprechenden Entscheidungen zu erfolgen hat. Tatsächliche Wirkweise und jeweilige M i t w i r kungsrechte werden vermittelt durch den i m einzelnen Fall vorliegenden Betroffenheitstypus. 1.8.2. Sonderstellung für partielle Betroffenheit besonderer Art

Die i m nächsten Kapitel zu entwickelnde Partizipations- und Demokratisierungstheorie w i r d gleiche Partizipationsrechte nur den gleichermaßen von einer Entscheidung Betroffenen zuerkennen. Vorausgesetzt w i r d gleichmäßige Betroffenheit. Der Zweck der Typologie ist nun gerade auch der, je raumpolitische Entscheidung Gruppen gleichermaßen Betroffener zu bilden, resp. ungleich härter betroffene Gruppen von andern abzuheben. Dies erfolgte über die Ermittlung des jeweiligen einheitlichen sozialen Wirkungsfeldes einer Maßnahme. Umwelten von Bewohner einheitlicher Wirkungsfelder sind — teilweise oder voll — durch die entsprechenden Maßnahmen gleich betroffen, sofern nicht zusätzlich partielle raumpolitische Betroffenheit besonderer A r t eines Subsystems oder einzelner Einwohner durch übergeordnete, mehr oder weniger konkrete Planungsentscheidungen vorliegt. Solche partielle Betroffenheit besonderer Art ist ungleich härter als die gewöhnliche, weshalb dem entsprechenden Personenkreis punkto Partizipationsrechte eine Sonderstellung 541 einzuräumen ist. Weil es sich jedoch gleichwohl u m partielle Betroffenheit und damit um Mitbetroffenheit durch notwendigerweise übergeordnete Entscheidungen handelt, darf — soviel läßt sich bereits hier sagen — die Sonderstellung grundsätzlich nicht zur Vereitelung des zentralen Entscheides führen 5 4 2 .

840 Dienel 1971, 154 („Probleme haben ihre Einzugsbereiche. D a m i t lassen sich die Lösungsversudhe von Problemen verschiedenen Verwaltungsebenen zuordnen. Die unterschiedliche Zahl von Bürgern macht unterschiedliche Verfahren der Beteiligung möglich u n d notwendig.") Vgl. i n ähnlichem Sinne Dagtoglou 1972, 713 f. (weitgefaßte Definition der Verwaltungsentscheidung, die „jede ausdrückliche u n d definitive Konkretisierung des Verwaltungsvorgehens" umfaßt. Erst auf diese Weise lassen sich Partizipationsprobleme diskutieren). Vgl. ferner oben 1.6.2.1.1. 541 Vgl. unten eingehender 2.5.4. u n d 2.6.6. (Arten subsystemarer Partizipation). 542 Vgl. unten 2.5.4. E i n Beispiel f ü r eine mögliche derartige Vereitelung bietet der plan d'extension cantonal gem. A r t . 53 ff. BauG von VD, sofern d a r i n eine Landwirtschaftszone vorgesehen werden soll: A r t . 55 schreibt vor, daß eine solche n u r m i t Zustimmung der Gemeinde kantonalrechtlich ausgeschieden werden darf.

1.8. Schlußfolgerungen für Modellbildungsstrategien

153

1.8.3. System- und Gruppenpartizipation

I n Fällen konkreter, partieller raumpolitischer Betroffenheit, die ausgelöst w i r d durch weiter zu konkretisierende Entscheidungen über Gemeindeterritorium i n kantonalen Gesamtrichtplänen, ist die Betroffenheit der einzelnen Personen und Gruppen durch das für die Konkretisierung zuständige Subsystem teilweise mediatisiert. Unmittelbar betroffen ist auch dieses System. Dementsprechend muß Systempartizipation stattfinden: A m kantonalen Implementierungsprozeß i m W i r kungsbereich einer Gemeinde werden dieser als einem Subsystem bestimmte Verfahrensrechte einzuräumen sein 5 4 3 . Als Teilbetroffene haben daneben die Einwohner der Gemeinde oder deren Repräsentanten gleich alle Kantonseinwohner i m Prozeß der kantonalen Richtplanung jene Verfahrensposition inne, die insgesamt stärker ist als diejenige einzelner Subsysteme. Kraft ihrer gleichmäßigen Richtplanbetroffenheit steht die ausschlaggebende Steuerung des kantonalen raumpolitischen Systems allein den Bewohnern des Gesamtgebiets, des kohärenten, sozialen Wirkungsfeldes kantonaler Planungsmaßnahmen zu. Sie entscheiden nötigenfalls gegen den erklärten Willen eines Subsystems 544. Auch hier gilt, daß die Verfahrensposition für subsystemare Partizipation ihre Grenzen dort findet, wo der unbedingte Steuerungsanspruch vorgelagerter — zentraler — Systeme ernsthaft i n Frage gestellt werden könnte 5 4 5 . I m Falle konkreter partieller raumpolitischer Betroffenheit besonderer Art, ausgelöst i m Beispiel durch den Standortentscheid für eine kantonale Schulanlage, liegen die Verhältnisse anders: Solche Entscheidungen betreffen raumpolitisch i n der Regel vorerst drei unterschiedliche Personenkreise i n verschiedener Weise: Zunächst alle Kantonseinwohner (nahegelegene Bildungsstätte), dann die Bewohner der u n m i t telbaren Umgebung der ausgeschiedenen Zone für öffentliche Bauten und Anlagen, deren räumliche Umwelt möglicherweise dermaßen stark i n Mitleidenschaft gezogen wird, daß sie unbewohnbar wird 54 ®, und schließlich die Gesamtheit der Bewohner der entsprechenden Siedlungseinheit, weil sie den gleichen, nicht mehr unterteilbaren Teilraum bewohnen. 543 A m kantonalen Richtplanungsprozeß werden i n der Regel Gemeinden als Subsysteme (neben gesamtkantonalen Interessengruppen) beteiligt. 544 Vgl. i n diesem Sinne BGE 96 I 241 f. (Gemeinde Bachs). Weitere Beispiele finden sich bei Jagmetti 1972, 338 f. u n d unten 2.5.4.3. (absolute Vetopositionen). 545 Vgl. oben 1.3.3. f. u n d unten 2.5.4. 546 Wenn ein Hausabbruch oder eine Umnutzung eines Gebäudes als u n vermeidlich erscheint. E i n ähnlich schwerer Eingriff w i r d i n BGE 99 Ia 250 f. i m Falle eines benachbarten Kernkraftwerkes nicht angenommen.

154

1. Planungswissenschaftliche und planungsrechtliche Grundlagen

Ohne Probleme bleibt die erste Gruppe. Ihre gleichmäßigen M i t w i r kungsrechte richten sich auf die ausschlaggebende Systemsteuerung, von welcher der Entscheid schließlich auch abhängen wird. Problematischer erscheinen die Mitwirkungsrechte der beiden andern Gruppen. Sollen sie unterschiedlich behandelt werden und wie sollen ihre Interessen verfahrensrechtlich berücksichtigt werden? — Es scheint nach der hier vertretenen Ansicht über die vom dichten und vielfältigen Interaktionsfeld innerhalb einer Siedlungsgemeinschaft bedingte räumliche Kohärenz des Durchführungsteilraums i n der Regel geboten, das Durchführungssystem als Einheit zu betrachten und der besonderen Betroffenheit einzelner Gruppen durch eine Systempartizipation der Gemeinde Rechnung zu tragen. Dabei ist allerdings sicherzustellen, daß i m Falle ungewöhnlich harter Beeinträchtigung den Betroffenen im Verfahren innerhalb des Subsystems eine Sonderstellung eingeräumt w i r d 5 4 7 . Bleibt die Frage nach der Stellung des Subsystems im Verfahren des übergeordneten Planungssystems. Da es sich hier u m echtgenerell-konkrete Nutzungsentscheidungen handelt, kann kein nachfolgender Konkretisierungsprozeß i m Subsystem mehr stattfinden. Auch hier kann es keine unumstößlichen, subsystemaren Vetopositionen geben, sofern sich das übergeordnete System i m Rahmen von Verfassung und Gesetz 548 bewegt. Bei Entscheidungen, die sich aus mehreren Elementen zu eigentlichen Entscheidungskomplexen 549 zusammensetzen, kann die Stellung der Subsysteme derart verbessert werden, daß versucht wird, die Komplexe zu entflechten, ,auseinanderzuschrauben' 550 , um wenigstens Teile derselben noch den Subsystemen zu belassen. Dies hat aller547 Dieser Lösung scheint auch das Β Ger den Vorzug zu geben: BGE 96 I 237 f.: „ I n B G E 90 I 338/39 (Verordnung zum Schutze des Sempachersees) hat sich das Β G indessen gefragt, ob die i m Zusammenhang m i t dem Erlaß eines städtischen Bebauungsplans angestellten Überlegungen ohne weiteres auf den Erlaß einer Schutzverordnung m i t regionaler Bedeutung u n d entsprechend zahlreichen betroffenen Grundeigentümern übertragen werden dürften . . 548 Gegen rechtswidrige kantonale Entscheidungen steht der Gemeinde k r a f t Gemeindeautonomie (vgl. unten 3.9.2.) jederzeit eine unumstößliche Vetoposition gegen den kantonalen Planungsträger zu, die die Gemeinde auf dem Rechtsweg durchsetzen kann. D a r i n liegt eine (outputorientierte) F o r m subsystemarer Partizipation. 549 Eine solche Sacheinheit stellt etwa ein A t o m k r a f t w e r k dar. Das K ü h l system ist beispielsweise „untrennbarer Bestandteil des K e r n k r a f t w e r k s ; seine Gestaltung ist rechtlich determiniert u n d seine Auswirkungen auf die Umgebung hängen unmittelbar m i t dem Betrieb des Atomkraftwerkes zusammen" (BGE 99 Ia 258). E i n „Auseinanderschrauben" ist hier n u r schwer möglich. Anders ist dagegen i m Falle der Sacheinheit Nationalstraßennetz zu entscheiden (vgl. oben A n m . 515). Den Begriff „Entflechtung" verwendet i n diesem Zusammenhang auch Hangartner 1974, 388 (zitiert oben A n m . 507). 550 Vgl. als Beispiel: das Verhältnis Stadt - Stadtteil oben 1.6.1.4.2.

1.8. Schlußfolgerungen für Modellbildungsstrategien

155

dings wiederum i n der Weise zu geschehen, daß die zentral zu beschließende Errichtung der Sacheinheit nicht gefährdet wird. Die Frage stellt sich insbesondere dort, wo dem raumpolitischen Gesamtsystem nicht nur die Umschreibung von A r t und Ausmaß der Nutzung, sondern darüber hinaus auch die Feinplanung und schließlich die Errichtung baulicher Objekte selbst zusteht 5 5 1 .

551

So etwa i m Falle von Einrichtungen der SBB. Vgl. hierzu oben 1.3.3.

2. Grundlagen einer Partizipationslehre im Rahmen eines Programmes für die Demokratisierung politischer, insbesondere raumpolitischer Systeme 2.1. Einleitung: zur Methode 2.1.1. Allgemeines Forschungsprogramm M i t den Begriffen Demokratisierung u n d Partizipation sind Inhalte polemisch-programmatischen C h a r a k t e r s 1 g e m e i n t . Sie zielen a u f f u n damentale A l t e r n a t i v e n zu jener politischen u n d administrativen P r a x i s , die i h r e n j u r i s t i s c h e n Niederschlag i m g e g e n w ä r t i g e n O r g a n i sationsrecht f i n d e t . Gerade die t r a d i t i o n e l l e Staats- u n d V e r w a l t u n g s rechtslehre k a n n als w e s e n t l i c h e r M o t o r f ü r d e r a r t i g e I n n o v a t i o n e n b e t r a c h t e t w e r d e n . Sie ist m i t v e r a n t w o r t l i c h f ü r politische K a m p f r u f e w i e D e m o k r a t i e , Rechtsstaat oder Sozialstaat. Besonders d i e schweizerische Staatslehre w a r seit j e h e r eine i n h o h e m M a ß e p o l i t i s i e r t e W i s senschaft 2 . A b e r i n d e r N a c h k r i e g s z e i t h a t sie i m Gefolge e i n e r t e n d e n z i e l l e n E n t p o l i t i s i e r u n g 3 die f u n k t i o n a l e u n d ideologische Z u o r d n u n g dieser 1 Vgl. i n diesem Sinne etwa Schmitt-Glaeser 1973, 180 („politischer K a m p f begriff"); Pelinka 1974, 17 („latent utopischer Charakter" der Demokratietheorie), 61 („Sprengkraft des Gleichheitspostulates"); Schlangen 1973, 166 ff. (zum polemischen K e r n der Rousseauschen Demokratietheorie); Bäumlin 1972, 245 ff. 2 Das g i l t vorab für die Vertreter der liberalen Staatstheorie des 19. u n d der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts bis i n die Vorkriegszeiten. Den Nachweis f ü r diese These anhand einschlägiger Quellentexte zu führen, würde den Rahmen dieser A r b e i t sprengen. Hinweise finden sich bei Bäumlin 1972, 58 ff., 200 ff., 308 ff.; ders.: Staat, Recht u n d Geschichte, Zürich 1961; Gruner 1974, 434 ff. Eindrücklich u n d ob der Fülle der angeführten Autoren f ü r die staatsrechtliche Diskussion der Zwanziger Jahre i n der Schweiz sicher repräsentativ ist etwa das Einführungskapitel zum Thema „Politische Grundanschauungen des schweizerischen öffentlichen Rechts" bei F. Fleiner: Schweizerisches Bundesstaatsrecht, Tübingen 1923, 15 ff. — Vgl. zur V e r drängung der politischen Theorie aus der Staatsrechtslehre seit Kriegsende: H. Hub er: Stillstand, Veränderung u n d A b w e r t u n g der politischen Theorie i n der Gegenwart (1967), i n : ff. Huber: Rechtstheorie, Verfassungsrecht, V ö l kerrecht, Bern 1971, 96 ff. 3 Vgl. R. Bäumlin, Staat, Recht u n d Geschichte, Zürich 1961, 26 ff.; E. Gruner: Die Parteien i n der Schweiz, Bern 1969, 246 ff. (Anhänger der „Versachlichungsthese"); Matzka 1976, 38 ff.; Kammler 1968, 102 f. (Auseinandersetzung m i t Forsthoff s Interpretation der Sozialstaatsklausel) ; Schef old 1974, 8 ff.

2.1. Einleitung: zur Methode

157

Prinzipien i n einem übergeordneten Organisationskonzept i n zunehm e n d e m M a ß e vernachlässigt. A n s t e l l e e i n e r f ü r unsere F r a g e s t e l l u n g n o t w e n d i g e n Gesamtschau i s t j e B e r e i c h eine i s o l i e r t e B e t r a c h t u n g s weise getreten, die i n e i n e m F a l l e das Rechtsstaatsprinzip, i m a n d e r e n das D e m o k r a t i e p r i n z i p z u v e r a b s o l u t i e r e n d r o h t 4 . D i e l i b e r a l e r I d e o logie v e r p f l i c h t e t e A n t i n o m i e v o n Rechtsstaat u n d D e m o k r a t i e 5 ist h e u t e ebenso w e n i g g l a u b w ü r d i g w i e j e n e v o n Sozialstaat u n d Rechtsstaat 6 . B e i d e T h e o r e m e s i n d v o n d e r m o d e r n e n W i r k l i c h k e i t w i d e r l e g t w o r d e n . I h r e A b l ö s u n g d u r c h e i n a l t e r n a t i v e s , ideologisch ebenso konseq u e n t v e r t r e t e n e s u n d bis i n s O r g a n i s a t i o n s r e c h t k o n k r e t i s i e r b a r e s G r u n d m u s t e r ist b i s h e r ausgeblieben. Z u d e m v e r s t ä r k t sich m i t d e m A u s e i n a n d e r l e b e n v o n Staats- u n d V e r w a l t u n g s l e h r e 7 d i e Tendenz, daß 4 Vgl. zur Gefahr einer Überhöhung des Rechtsstaatsprinzips i n der deutschen Staatslehre u.a.: Scharpf 1970; Faber 1974, 7 f f . ; Karsch 1973, 54ff. Das Demokratieprinzip verabsolutiert, w e r es außerhalb des Rechts ansiedelt, i h m unterstellt, es sei „ v o n N a t u r aus machtgierig" (W. Martini: Das Ende aller Sicherheit. Eine K r i t i k des Westens, Stuttgart 1954, 60) oder „Dezisionistisch-totalitär" (W. Kägi: Rechtsstaat u n d Demokratie ( A n t i nomie u n d Synthese) i n : Demokratie u n d Rechtsstaat, Festschrift f ü r Z. Giacometti, Zürich 1953, 108). A u f g r u n d solcher Annahmen lassen sich dann unzureichende A n t i n o m i e n von Rechtsstaat u n d Demokratie konstruieren. 5 Vgl. die bei Karsch 1973, 38 ff. unter dem T i t e l „Gewaltenteilung als Hilfe gegen Demokratie" angeführten Autoren w i e W. Martini, W. Kägi u n d — unter dem T i t e l „Gewaltenteilung als Hemmnis für Demokratie": W. Weber. Vgl. ebenso die bei Bäumlin 1972, 327 ff. unter dem T i t e l „Die defensive Rechtsstaatstheorie" angeführten Autoren. Eine Auseinandersetzung m i t dem Theorem von der A n t i n o m i e v o n Demokratie u n d Rechtsstaat muß i m Rahmen dieser A r b e i t unterbleiben. Zuzustimmen ist den kompetenten A u s führungen bei Faber 1974, 12 f.; M. Imboden: Gewaltentrennung als G r u n d problem unserer Zeit, i n : Z u r heutigen Problematik der Gewaltentrennung, Wege der Forschung Bd. 194, Darmstadt 1969, 494 ff. u n d Karsch 1973, 108 ff. („das Gewaltenteilungsprinzip als inhärentes Element des Demokratisierungsprozesses"). 6 Vgl. für die Antinomiethese: Forsthoff 1954, 8 ff. u n d (abschwächend) O. Bachof: Begriff u n d Wesen des sozialen Rechtsstaates, i n : Rechtsstaatlichkeit u n d Sozialstaatlichkeit, Wege der Forschung, Bd. 118, Darmstadt 1968, 165 ff. Einleuchtend hat Abendroth 1968/2, 114 ff. dargelegt, daß „der Verfassungsgrundsatz der demokratischen u n d sozialen Rechtsstaatlichkeit ein Strukturprinzip der verfassungsrechtlichen Ordnung" sei; „er verbindet drei gedankliche Elemente zu einer Einheit . . . " und: „Die konkrete Inhaltsbestimmung des Sozialstaatsmomentes i m Dreiklang der demokratischen u n d sozialen Rechtsstaatlichkeit . . . k a n n n u r dahin verstanden werden, daß der demokratische Gedanke sich i n rechtsstaatlicher Weise i n die W i r t schafts- u n d Sozialordnung projiziert" (129). Auch für E. W. Böckenförde: Entstehung u n d Wandel des Rechtsstaatsbegriffs, i n : Festschrift f ü r A. Arndt, 65 ff. oder H. Heller: Rechtsstaat oder D i k t a t u r , Tübingen 1930, sehen das Begriffspaar Rechtsstaat u n d Demokratie nicht antinomisch. 7 Vgl. etwa Schmidt 1975, 215 (während das Verhältnis Staatsrecht - P o l i t i k derzeit i n vielem thematisiert w i r d , muß bezüglich Verwaltungsrecht - P o l i t i k noch vieles aufgearbeitet werden). Diese Trennung ist mitbedingt durch eine entsprechende Anlage der Studienpläne an unseren Hochschulen. Auch die fragwürdige Trennung Gesetzgebung u n d Vollzug (vgl. oben 1.1.) u n d die

158

2. Partizipation und Demokratisierung in der Raumplanung

der Jurist das Organisationsrecht nur unter dem Gesichtspunkt des Individualrechtsschutzes 8 beurteilt und dazu neigt, Partizipation an Verwaltungsakten als eine A r t vorverlegten Rechtsschutzes9 zu betrachten. Juristen haben den naheliegenden Versuch bislang kaum unternommen, verfügungsvorbereitendes Verwaltungsverfahren, Beschwerdeverfahren, Gesetzgebungs- und Verordnungsverfahren unter den veränderten Bedingungen des modernen Sozialstaates i m Rahmen einer gemeinsamen Leitidee von der rechtsstaatlichen Demokratie darzustellen, obgleich es an punktuellen Bezugnahmen zum Rechtsstaats- oder Demokratieprinzip nicht fehlt 1 0 . Die tatsächlichen Verhältnisse zwingen uns zu neuen rechtlichen Analysen und zu deren normativer Würdigung i m Lichte problemgerechterer staatsrechtlicher Entwürfe: M i t zunehmender Wirtschaftsund Sozialgestaltungstätigkeit w i r d unser Staatswesen zunehmend angewiesen auf die „zuständigen Organisationen der Wirtschaft" (BV A r t . 32 I I I ) 1 1 . Sie gewinnen i m vorparlamentarischen Gesetzgebungs-, aber auch und insbesondere i m nachparlamentarischen Verordnungs- und Verfügungsverfahren an Gewicht. Der Gesetzgebungsstaat tendiert zum Vertragsstaat. Der parlamentarische Gesetzgeber verliert Steuerungsund Einflußkraft zugunsten derjenigen gesellschaftlichen Gruppen, von deren tatsächlichem Verhalten Erfolg und Mißerfolg staatlichen Planungshandelns letztlich abhängen. Und: Gesetzgebungs- und Vollzugshandeln greifen bei staatlicher Planungstätigkeit so sehr ineinander, i n der Praxis w o h l immer noch verbreitete Anschauung v o m unpolitischen, ewigdauernden Verwaltungsrecht mögen dazu beigetragen haben. Vgl. zum letzteren: Bachof 1972,199 ff. (Diskussion über O. Mayer). 8 Vgl. anstatt vieler Faber 1974, 8 f. 9 Vgl. zur K r i t i k Faber 1974, 8 („individualistisches Zerhacken politischer Probleme"); Brohm 1972, 254 ff.; Schmidt 1975, 207 ff.; Bartlsperger 1975, 252 ff. 10 M a n ist auch bei uns geneigt, das demokratische Prinzip dem Bereich der Gesetzgebung u n d das Rechtsstaatsprinzip dem Verwaltungsbereich zuzuordnen. Vgl. hierzu allgemein Walter 1973, 156 ff.; Kisker 1972, 521 ff.. U m so bemerkenswerter sind etwa folgende Äußerungen, die das Beschwerdeoder Verfügungsverfahren i n Bezug zum Demokratieprinzip setzen: Imboden 1971, 613 (die A n h ö r u n g Verfügungsbetroffener vor Erlaß der Verfügung weist „als Mitgestaltungsrecht eine demokratische Note auf"); Z. Giacometti 1933, 44 f. (zum Ausschluß der Verfassungsgerichtsbarkeit: „Es liegt dieser Verfassungsvorschrift (seil. B V 113 I I I ) somit . . . letzten Endes die Ideologie zugrunde, daß die Bundesgesetze, die naturgemäß unüberprüfbare volontée générale darstellen. Das demokratische Prinzip siegt hier über das liberale Prinzip") oder 87 ff.; Saladin 1970, 330 ff. (Verfassungsgerichtsbarkeit als Schutz der Demokratie „ v o r sich selbst, d. h. . . . (als) Schutz vor ihrer absolutistischen, auflösenden u n d unmenschlichen Tendenz"); Müller 1974, 796 (die M i t w i r k u n g v i r t u e l l Betroffener i n Frühstadien der Planung ist ein „Zentralanliegen des Rechtsschutzes i m planenden Sozialstaat"). 11

Vgl. dazu S chef old 1974, 22.

2.1. Einleitung: zur Methode

159

daß ihre institutionelle Trennung zur Fiktion werden kann, die sich leicht zur zusätzlichen Schwächung parlamentarischer Einflußmöglichkeiten qua Delegation mißbrauchen lassen. Die These von der Volkssouveränität steht i m Zwielicht. Losgelöst und unbefangen von der derzeitigen Zuständigkeitsordnung und ihrer ideologischen Untermauerung durch Staats- und Verwaltungsrechtsdoktrin sollte daher versucht werden, einen für alle M i t wirkungsformen an staatlichen Prozessen gleichermaßen anwendbaren Begriff politischer Partizipation zu erarbeiten. A u f dieser politologischanalytischen Ebene ist daraufhin nach dem Beitrag verschiedener T y pen politischer Partizipation für die derzeitige Steuerung und Legitimierung des politischen Systems durch macht- und/oder zahlenmäßig (Mehrheit/Minderheit) definierbare gesellschaftliche Gruppen zu fragen. Hier ist nun nach jenem alternativen Konzept politischer Praxis zu fragen, das Demokratisierung von Partizipation an politischen Entscheidungen meint: Die verschiedenen i n der Praxis vorkommenden Typen politischer Partizipation müssen nach dem normativen K e r n des Demokratisierungspostulates aufeinander abgestimmt und geordnet werden. I n einem nächsten Schritt müßte versucht werden, die verschiedenen Elemente des Demokratisierungsprogramms m i t den herkömmlichen Inhalten des Demokratie-, des Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzips zu konfrontieren, u m auf diese Weise zu einem konsistenten Gesamtordnungsmuster und zu einer befriedigenden Zuordnung dieser Prinzipien auf allgemeinerer Ebene zu gelangen. Dieses neugewonnene Grundmuster müßte erlauben, die verschiedenen Formen politischer Partizipation, angefangen von der Teilnahme an Wahlen über die Teilnahme i m Rahmen von Gesetz- und Verordnungsvernehmlassungsverfahren bis h i n zum Ergreifen eines Rechtsmittels punkto erwünschter Steuerungsrelevanz 12 und Partizipientenkreis 1 3 politikbereichsspezifisch 14 organisationsrechtlich neu zu regeln. 2.1.2. Vorhaben dieser Arbeit

Die vorliegende Arbeit soll nur einen Teil dieses Programmes bearbeiten. Obgleich ausgerichtet auf den einen Politikbereich Raumplanung, soll sie zwei Fragen auf der allgemeinen Ebene zu lösen versuchen: Die Ausführungen zum Begriff der politischen Partizipation (2.2.) 12 Welche Inhalte sollen durch welche Möglichkeiten politischer Partizipat i o n m i t welcher W i r k u n g (bloße A n h ö r u n g institutionalisierte Mitsprache, I n h a l t bestimmende Mitbestimmung) gesteuert werden? 13 Vgl. unten eingehend 2.4. 14 Vgl. zur Notwendigkeit sachbereichsspezifischer Betrachtung oben 1.1.

160

2. Partizipation u n d Demokratisierung i n der Raumplanung

u n d z u m D e m o k r a t i s i e r u n g s p r o g r a m m (2.5.) w o l l e n e i n e n B e i t r a g i m R a h m e n dieses a l l g e m e i n e n P r o g r a m m e s sein. D i e A b s c h n i t t e ü b e r d i e P a r t i z i p i e n t e n (2.4.) u n d d i e S c h l u ß f o l g e r u n g e n aus d e m D e m o k r a t i s i e r u n g s p r o g r a m m (2.6.) beschränken sich d e m g e g e n ü b e r w e i t g e h e n d a u f G e s i c h t s p u n k t e d e r R a u m p l a n u n g . G l e i c h w o h l versuche i c h m i t i h r e r m e t h o d i s c h e n A n l a g e d e n B e z u g z u r a l l g e m e i n e n Ebene h e r z u s t e l l e n . Exemplarische A n a l y s e n derzeit i n v o r - u n d nachparlamentarischen V e r f a h r e n p r a k t i z i e r t e r F o r m e n p o l i t i s c h e r P a r t i z i p a t i o n (Gesetzgebungs-, V e r o r d n u n g s - , V e r f ü g u n g s - u n d Beschwerde v e r f a h r e n ) 1 5 m u ß t e n ebenso u n t e r b l e i b e n w i e eine eingehende K o n f r o n t a t i o n des D e m o k r a t i s i e r u n g s p r o g r a m m e s m i t d e n t r a d i e r t e n I n h a l t e n des Rechtsstaats 1 6 , des S o z i a l s t a a t s - 1 7 u n d des D e m o k r a t i e p r i n z i p s 1 8 . D i e p r a k t i 15 Der unten 2.2.1.2. entwickelte Begriff der politischen Partizipation u m faßt bürgerschaftliche Mitwirkungsmöglichkeiten i n allen diesen Verfahren. Damit soll f ü r eine systematische Analyse sämtlicher derzeit stattfindender Prozesse politischer Partizipation der Weg geöffnet werden. Die verschiedenen der Staats- u n d Verwaltungsrechtspraxis u. a. Bezeichnung bekannten Partizipationsmittel konzentrieren sich auf institutionalisierte oder i n s t i t u tionalisierbare „Einfallstore" für politische Partizipation. Sie lassen sich an den Rändern des politischen Systems ansiedeln u n d können bezüglich Steuerungsrelevanz auf einem K o n t i n u u m lokalisiert werden. Dieses reicht von eigentlicher Systemsteuerung (Parlament) über Systembeeinflussung bis h i n zum einfachen Ingangsetzen eines ansonsten inhaltlich v o m Partizipienten n u r noch schwach determinierbaren Selbstkorrekturprozesses des politischen Systems über (systemeigene) Rechtsmittelinstanzen. 16 M i t Blick auf das unten 2.5. darzulegende Demokratisierungsprogramm wäre unter dem T i t e l Rechtsstaatsprinzip etwa der f ü r einen chancengleichen Zugang zum Verfahren bedeutsame Grundsatz der Bindung der Staatstätigkeit an Gesetz, F o r m u n d Verfahren, der Kontrollierbarkeit u n d V o r aussehbarkeit der staatlichen Entscheidungen f ü r die Betroffenen, das Gebot der Einheitlichkeit der Rechtsordnung u n d damit der Steuer- und Programmierbarkeit des politischen Systems durch die parlamentarische Vertretungskörperschaft, der Gleichheitsgrundsatz u n d dessen Anwendung auf den Anspruch auf rechtliches Gehör der gleichermaßen Betroffenen sowie Stellung u n d F u n k t i o n des Rechtsschutzsystems i m politischen Prozeß genauer zu analysieren. — Vorläufig würde ich dabei folgende Arbeitshypothesen aufstellen: 1. Die Praxis zum rechtsstaatlichen Gleichheitsprinzip h i n k t hinter dessen normativem Anspruch her, w e i l es i m nachparlamentarischen Bereich auf die Rechtsschutzfunktion verkürzt w i r d . Selbst i m Residualbereich des V e r fügungsverfahrens vermag es von der Praxis nicht eingelöst zu werden, wo es Prozesse der Leistungsverwaltung zu strukturieren hat. Das defensive Eingriffsdenken steht einer wissenschaftlichen u n d praktischen Entwicklung leistungsbetroffenheitsdifferenzierter anstelle eingriffsdifferenzierter P a r t i zipientengruppen entgegen. 2. Das Rechtsstaatsprinzip droht i n der Praxis seiner Steuerungsfunktion für das gesamte politisch-administrative System durch die Parlamente i n dem Maße verlustig zu gehen, als es f ü r die Rechtfertigung nur scheinbarer Steuerungsfähigkeit inhaltsloser Verwaltungsprogramme herangezogen w i r d . Es verdeckt i n solchen Fällen eine i n W i r k l i c h k e i t mangelhafte Programmierung der V e r w a l t u n g u n d b e w i r k t — paradoxerweise — gerade das Gegenteil von Voraussehbarkeit qua Gesetzmäßigkeit. Es w i r d damit objektiv zum M i t t e l für eine Abschirmung administrativer Prozesse vor dem demo-

2.1. Einleitung: zur Methode

161

sehen Schlußfolgerungen i m letzten Abschnitt (2.6.) sind daher als vorläufige zu betrachten. Korrekturen und Ergänzungen an den stellenweise holzschnittartigen Skizzen i n diesem 2. Kapitel hoffe ich i n einer, die hier ausgelassenen Fragen umfassend behandelnden späteren Arbeit beibringen zu können. M i t zunehmender Vertiefung i n die Demokratisierungsproblematik gelangte ich zur Überzeugung, daß unter diesem Titel i n der Öffentlichkeit gemeinhin diskutierte Themen wie Volksinitiative, Ausbau oder Abbau der Volksrechte, Stärkung der Parlamente gegenüber den Regierungen u. a. m. zwar wichtige, nicht aber i n jedem Falle auf Ursachen konzentrierte Fargestellungen sind. Zugunsten meist nicht gestellter Grund- oder Vorfragen w i r d diese Diskussionsebene bei all ihrer Bedeutung für die praktische Rechtspolitik für einmal i n den Hintergrund gestellt. Wenn von parlamentarischer Zuständigkeit 4 von ,Verwaltung', von ,Volksabstimmung' oder von ,Mitsprache und Mitbestimmung' die Rede ist, handelt es sich daher u m Sammelbegriffe, von denen nur Funktion und Stellenwert i m Rahmen einer Gesamtstrategie, nicht aber die ebenfalls bedeutsame ,Binnenproblematik' interessiert. Der Beitrag w i l l der praktisch-rechtspolitischen Diskussion um diese letztere neue, an Grundsatzfragen orientierte Gesichtspunkte beisteuern.

kratischen Legitimationsträger. Diese Gefahr besteht insbesondere i n P l a nungsmaterien solange, als wegen der — zugegebenermaßen — bestehenden Notwendigkeit inhaltlicher Offenheit parlamentarischer Grundsatzentscheidungen keine entsprechende verfahrensmäßige Programmierung der nachfolgenden Verwaltungstätigkeit stattfindet. 17 M i t Blick auf das Demokratisierungsprogramm wäre unter diesem T i t e l vorab das Postulat der Teilhabe der Leistungsempfänger an der Planung u n d Inhaltgebung staatlicher Leistungen zu untersuchen. Solche M i t w i r kungsrechte aller Leistungsempfänger dürften i n den Mitwirkungsansprüchen der außerhalb des unmittelbaren Einflußbereichs des politischen Systems befindlichen Leistungsproduzenten (ökonomisches System) ihre e n t scheidenden u n d demokratietheoretisch w o h l schwer begründbaren Grenzen finden. 18 M i t Blick auf das Demokratisierungsprogramm müßte unter diesem T i t e l die Problematik der Volkssouveränität u n d deren mögliche Beeinträchtigung durch Steuerungsverluste der parlamentarischen Vertretungskörperschaften, das Öffentlichkeitsprinzip, das Gewaltenteilungsprinzip u n d dessen Z u - bzw. Unterordnung zum Demokratieprinzip, der umfassende, über das S t i m m - u n d Wahlrecht hinausgehende Gleichheitsgrundsatz, das Selbstverwaltungsprinzip u n d die f ü r demokratisch verfaßte Öffentlichkeiten konstitutiven Grundrechte behandelt werden. 11 Knoepfel

162

2. Partizipation und Demokratisierung in der Raumplanung 2.2. Analysemodell, olitische Partizipation und Legitimation — bersichtund begriffliches Instrumentarium

Î

2.2.1. Analysemodell und einheitliche Definition von politischer Partizipation

2.2.1.1. Analysemodell Vertreter einer neueren Richtung der Politikwissenschaft (Offe 19, Grottian 20 oder Habermas 21) gehen von folgendem, für die Demokratisierungs- und Partizipationsdiskussion perspektivenreichen Analysemodell zur Beschreibung politischer Ordnungen aus: 2.2.1.1.1. Skizze 6

präpolitische Determinanten des normativen Systems Skizze nach Offe

1973. 213 2 2

2.2.1.1.2. Begriffe — Politisches System: Eine Definition findet sich oben i m Zusammenhang mit den drei Konzeptionen politischer Planung 2 3 . 19

Offe 1973, 213. Habermas 1973, 15. 21 Grottian 1974, 1922 nach Offe 1973, 213. 22 Nach Offe 1973, 213. 23 Oben S. 38. 24 Vgl. i n diesem Sinne Habermas 1973, 15 (das legitimatorische System w i r d hier i n Abweichung von Offe u n d Grottian als „soziokulturelles System" bezeichnet. Darunter fällt „sowohl die kulturelle Überlieferung ( k u l turelle Wertsysteme) als auch die Institutionen, die über Sozialisations- und Professionalisierungsprozesse diesen Überlieferungen normative K r a f t geben"). 20

2.2. Analysemodell, politische Partizipation und Legitimation

163

— Legitimatorisches oder normatives System: Die Gesamtheit jener gesellschaftlichen Prozesse, i n denen durch Zusammenwirken verschiedenster Institutionen und Gruppen gemeinsame politische Werte und Wahrheitsgehalte 24 hervorgebracht, verbreitet, erlernt und weitergegeben werden. A n ihnen orientieren die am Wertbildungsprozeß teilnehmenden Personen ihre Einstellung zu den Handlungen des politischen Systems. Diese artikuliert sich i n „Konflikt-Konsens-Prozesse(n)" 25 . Der Brückenschlag vom legitimatorischen zum politischen System erfolgt i n demokratischen Gemeinwesen über Wahl- und Abstimmungsverfahren, i n denen jeder konsensfähigen Person gleiche Konsensleistungsfähigkeit zukommt und über Verfahren zur Berücksichtigung veröffentlichter Meinungen durch staatliche Instanzen. Nähere Ausführungen über Wirkweise und Bedeutung des legitimatorischen Prozesses für das politische System finden sich unten unter dem Titel ,Die potentiellen Konsensverweigerer' 26 . — Ökonomisches System: Die Gesamtheit jener gesellschaftlichen Prozesse, i n denen durch gegenseitiges Zusammenwirken von Institutionen und Gruppen nach bestimmten, geschichtlich bedingten Organisationsgrundsätzen und Verfügungsverhältnissen die Produktion von Gütern und Dienstleistungen zur Befriedigung anerkannter Bedürfnisse erfolgt 2 7 . Das derzeitige ökonomische System basiert auf weitgehender Investitions-, Vertrags- und Eigentumsfreiheit sowie auf dem M a r k t als Koordinations- und Verteilungsmedium 2 8 Es ist ein „relativ autonomes Kommunikationssystem" (Luhmann) 29 m i t abstrakter Grundlage 30 (Preuss) . „Herrschaftspositionen (werden) . . . nicht nach dem Legitimitätsprinzip des allgemeinen und gleichen Wahlrechts, sondern nach dem des Eigentums an Produktivkapital besetzt" (Hondrich) 3i. Das System produziert nur „vermarktbare Güter und Dienstleistungen . . . und ist dabei ζ. T. auf den politischen Output angewiesen" (Hotz / Werder) 32. Der Grad seiner Autonomie vom politischen System einerseits, das Ausmaß sozialstaatlicher Leistungsanforderungen an das politische Sy25 26 27

ren.

Grottian 1973, 20. Unten 2.4.2.1. Vgl. dazu etwa Habermas

1973, 51 f. u n d 73 ff. u n d dort angeführte A u t o -

28 Vgl. oben 1.2.2.1.2. u n d die i n Anm. 19 angeführten Autoren, insbes. Schluep 1968, 80. 29 Luhmann 1965, 108. 30 Preuss 1969, 184 (die Grundlagen des ökonomischen Systems des Bürgertums u n d jene der politischen Ordnung sind beide abstrakt). 31 Hondrich 1972, 71. 32 Hotz / Werder 1975, 5.

11*

164

2. Partizipation und Demokratisierung in der Raumplanung

stem und der Umfang eigenstaatlicher Produktivtätigkeit andererseits sind wesentliche Bestimmungsgrößen für Abhängigkeit oder Unabhängigkeit unserer Gemeinwesen vom ökonomischen System. Uber das Verhältnis zwischen ökonomischem und raumpolitischem System finden sich Ausführungen unter dem Titel „Die potentiellen Nutzungsverweigerer" 33 . 2.2.1.1.3. Verwendbarkeit des Modells Es spricht einiges dafür, dieses politikwissenschaftliche Modell als plausibel zu betrachten und als Grundlage für eine planungsrechtliche Partizipations- und Demokratisierungsdiskussion zu verwenden: Der landesweit hörbare Ruf nach vermehrtem Einbezug der Betroffenen i n Raumplanungsprozesse 34 legt die Vermutung nahe, es besteht zwischen den Planvorstellungen und -wünschen einer Großzahl von Planbetroffenen und denjenigen der Behörden eine latente Diskrepanz. Diese findet ihre Begründung nicht selten auch i n einer — inzwischen da und dort empirisch nachgewiesenen 35 — Abhängigkeit politischer Institutionen von stark organisierten Interessenträgern des ökonomischen Systems™. Für eine adäquate Analyse sollte daher von der Vermutung eines tendenziell polaren Verhältnisses 37 zwischen ökonomischem und politischem System ausgegangen werden. Das ermöglicht das Modell. Es vermutet zudem weder zwischen politischem und legitimatorischem, noch zwischen ökonomischem und politischem System Identität. Darin liegt sowohl eine Absage an die These, wonach — i n 33

Unten 2.4.2.2. Vgl. oben 0.1. u n d unten 3.1. 35 Vgl. u. a. die Arbeiten von: A. Murswieck: Regierungsreform durch Planungsorganisation, Opladen 1975; Grottian 1974, 169 ff. (Wettbewerbsgesetzesnovellierung) ; Grottian / Murswieck: 1974 15 ff. u n d weitere Arbeiten i n diesem Band (insbes. jene von J. Kussau / L. Oertel: Der Prozeß der Problembearbeitung i n der Ministerialverwaltung: Das verkehrspolitische Programm für die Jahre 1968- 1972, 113 ff.); Ehlert 1974, 143 ff.; Wollmann 1974, 201 ff. (Auswahl eines Sanierungsgegietes i n Heidelberg) ; Ratz 1973, 23 f. und dort angeführte Materialien. Vgl. zur amerikanischen Diskussion etwa: Bachratz ! Baratz 1970 u n d Marris / Rein 1973. M i t wenigen Ausnahmen (Kocher 1972, Meynaud 1973; einige Hinweise bei Neidhart 1970, 287 ff.) fehlen solche Untersuchungen meines Wissens i n der Schweiz. Vgl. zum raumpolitischen Bereich unten 2.4.2.2.2.1. 36 Vgl. oben 1.2.1.3.3. u n d dort angeführte Literaturnachweise. 37 Vgl. i n diesem Sinne: F. Scharpf: K o m p l e x i t ä t als Schranke der p o l i t i sien Planung, i n : PSV 4/1972, 168 f.; Mayntz / Scharpf 1973, 115 ff. u n d dies.: Vorschläge zur Reform der Ministerialorganisation, i n : Mayntz / Scharpf (Hrsg.): Planungsorganisation, München 1973, 201 ff.; Grottian 1974, 36ff.; Offe 1973, 221. (Der Staat hat die „dysfunktionalen Folgen privater Produktion" zu organisieren, ohne den Primat privater Produktion antasten zu k ö n nen.") 34

2.2. Analysemodell, politische Partizipation und Legitimation 4

165

38

direkten und indirekten Demokratien — ,das Volk regiere , als auch an die Theoreme des staatsmonopolistischen Kapitalismus, wonach das politische System ausschließlich Instrument einzelner Monopolinteressen ist 3 9 , oder — i n der modifizierten Fassung von Ronge / Schmieg — nur „den Kapitalverwertungsprozeß zu ermöglichen und abzusichern hat" 4 0 . Aus dieser Nicht-Identität folgt unter anderem, daß sich das politische System mit der Gefahr von Loyalitätsrückgang mangels Entsprechung seiner Leistungen m i t den Wünschen und Forderungen der betroffenen Leistungsempfänger konfrontiert sieht. Es kann sich ,Sachzwängen' des ökonomischen Systems nicht ohne weiteres entziehen 41 . Andererseits läuft es bei gesteigerten Anforderungen nach sozialstaatlichen Leistungen aus dem legitimatorischen System Gefahr, ökonomische Destabilisierung auszulösen. Das kann wiederum nicht ohne Rückwirkungen auf seine eigene Stabilität bleiben 42 . Diese Ausgangslage macht eine „Koexistenz-Strategie des Staates" (Grottian) 43 zwischen ökonomischem und legitimatorischem System notwendig: Politische Systeme solcher Gesellschaften, deren materielle Ressourcen nach kapitalistischen Prinzipien produziert werden, sind niemals vollständig vom legitimatorischen System her steuerbar 4 3 a . Analytisch legitimieren sie sich nicht allein aus dem Willen der Mehrheit. Rücksichtnahme auf die Belange der Wirtschaft', zugestanden auf Druck der wirtschaftlichen Spitzenverbände (auch der Gewerkschaften) h i n —, Anerkennung ökonomisch bedingter ,Sachzwänge' ist nicht primär beklagenswerte Schwäche des politischen Systems, sondern systemnotwendige Restriktion des Handlungsspielraumes unserer politischen Systeme bei den gegenwärtigen ökonomischen Rahmenbedingungen 44 . Diese Modellbildung mag traditionellerweise normativ denkenden Juristen vielleicht widerstreben. Wer indessen i n der gegenwärtigen Situation trotz der auffallend starken Macht der Verbände die Lehre 38 Dies die apologetische Version von der These der Volkssouveränität. Vgl. hierzu Bäumlin 1972, 200 ff. 39 Vgl. die Darstellung bei Beyme 1974, 215 ff. u n d (als Vertreter): D. Klein: Allgemeine Krise u n d staatsmonopolistischer Kapitalismus, Berlin-Ost 1974. 40 Ronge / Schmieg 1973, 30. 41 Vgl. Grottian 1973, 39. 42 Vgl. Grottian 1973, 39. 43 Grottian 1973, 20. 43a v g l . zur Unzulänglichkeit dieser (das Phänomen der „Kolonisierung" unberücksichtigenden) Annahme unten 2.4.2.1.2. 44 Wie das beispielsweise i n der „Berner Schule von H. Huber" zum A u s druck k o m m t : vgl. die Hinweise bei Gruner 1974, 455. Vgl. zum Beleg den eindrücklichen Aufsatz von Hub er 1971, 361 ff.

166

2. Partizipation und Demokratisierung in der Raumplanung

von der Volkssouveränität 45 verwirklicht sieht, gießt analytische Sachverhalte i n normative Gebote um und w i r f t einen nicht unwesentlichen Teil der Normativität des Demokratieprinzips über Bord. Pflicht des Juristen aber ist es, analytische Sachverhalte als solche zu erkennen und deren Spannungsfeld zum Normativen herauszuarbeiten. 2.2.1.2. Politische

Partizipation

46

Politische Partizipation bedeutet institutionelle, verfahrensrechtlich geordnete oder ordnenbare, auf Systemsteuerung oder Systembeeinflussung gerichtete, von Einzelpersonen oder Gruppen kraft Zugehörigkeit zum legitimatorischen oder ökonomischen System getragene M i t w i r kung an sie betreffenden Entscheidungen politischer Systeme. Diese ihrerseits sind aufgrund geschichtlich bedingter, unterschiedlicher A u f fassungen über Legitimierungsbedürftigkeit politischer Systeme und Entscheidungen und Verhältnis von Partizipation und Selbstentfaltung der Persönlichkeit auf solche Mitwirkung, jedenfalls aber auf das Ausbleiben von widerstrebenden Verhaltensweisen und Loyalitätsentzug angewiesen. Auch Badura 47, Vilmar 48, Naschold* 9, Schmitt-Glaeser 50, Hartisch oder Dagtoglou 52 beschränken politische Partizipation nicht auf die Teil45 Vgl. oben A n m . 38. B e i m gegenwärtigen Stand einer recht intensiven M i t w i r k u n g der Wirtschaftsverbände am politischen Prozeß (vgl. zum Stand der Forschung i n der Schweiz: Delley / Morand 1974, 494: „Nouveau système fondé sur la prépondérence d u governement", q u i „constituent la réponse institutionelle aux exigences d u capitalisme avancé") erscheint analytisch adäquater jene — allerdings normativ konzipierte — These von der A n t i nomie von Demokratie u n d Rechtsstaat. (Vgl. dazu oben 2.2.2. A n m . 16). Sie vermag den gegenwärtigen Dualismus v o n Staat u n d ökonomischem System nachzuzeichnen (und i n ihrer normativen Anlage auch zu legitimieren). Ihre Fortsetzung findet diese Theorie i n der analytisch ebenso scharfsinnigen, wie normativ problematischen Konzeptualisierung des gegenseitigen Verhältnisses von ökonomischem u n d politischem System als v o m Recht institutionalisierte „globale Kompetenzaufteilung oder Gewaltenteilung i m ökonomischen, nämlich zwischen Staat u n d Privaten" (Gygi 1966, 143). 46 Vgl. die Übersicht bei Bey me 1974, 203 ff. Ferner allgemein: Habermas 1973, 54f.: die Legitimationsbeschaffung spätkapitalistischer Systeme kann „ n u r unter außerordentlichen Umständen u n d vorübergehend v o m Mechanismus allgemeiner Wahlen unabhängig gemacht werden", w e i l der Staatsapparat „nicht mehr n u r allgemeine Produktionsbedingungen . . . sichert, sondern i n i t i a t i v i n diesen (seil.: den Steuerungsmechanismus) eingeschaltet w i r d . . . " . 47 Badura 1972, 127 ff. („Partizipationslücken"). 48 Vilmar 1973, 162 ff. 49 Naschold 1972, 57 (Anhebung des Demokratisierungspotentials bei sequenthaften u n d simultanen Organisationsprozessen). 50 Schmitt-Glaeser 1973, 190 ff. 51 Hartisch 1975, 80 ff. („unmittelbare Teilhabe"). 52 Dagtoglou 1972, 713 ff. ( „ M i t w i r k u n g des Betroffenen an Verwaltungsentscheidungen . . . , die über die M i t w i r k u n g durch gewählte Volksvertreter hinausgeht u n d direkt, jedenfalls direkter ist").

51

2.2. Analysemodell, politische Partizipation und Legitimation

167

nähme an Wahlen und Abstimmungen. Die Bezugsfelder politischer Partizipation reichen vielmehr — auf einem Kontinuum (Allmond/ Verba) 53 — von solcher mitbestimmender Teilnahme über Formen der Mitsprache und der Anhörung (Schmitt-Glaeser) 57 bis hin zur „Befugnis Einzelner, an dem auf die Erzeugung von Verwaltungsentscheidungen gerichteten Verfahren teilzunehmen" (Walter) 58 und „ i n die Verwaltungsgerichtsbarkeit hinein" (Bartelsperger) 59. M i t Aderhold 60 oder Ehlert 61 w i l l die Definition ferner vor dem Hintergrund des Analysemodells verdeutlichen, daß derzeit zur politischen Partizipation auch Entscheidungsträger des ökonomischen Systems als legitimiert betrachtet werden. Ausgeklammert w i r d dagegen die nicht über das politische System führende gesellschaftliche Partizipation (ζ. B. Investitionsentscheidungen, Streiks) 62 solcher Gruppen oder die Partizipation am gesellschaftlichen Wertbildungsprozeß i m legitimatorischen System 63 . I n die Definition nicht einbezogen werden zum anderen nichtinstitutionelle, verfahrensrechtlich nicht ordnenbare Formen politischer Einflußnahme (Hartisch uy Schmitt-Glaeser 65). Sog. Bürgerinitiativen 6 6 dürften unter diesem Blickwinkel entgegen der Auffassung von Offe 67 aufgrund jüngster Praxiserfahrungen unter den Begriff der politischen Partizipation fallen. M i t dem letzten Halbsatz der Definition w i r d der Gang der folgenden analytischen Überlegungen deutlich: M i t Offe 68, Wollmann 69 und Grottian 70 relativieren w i r damit die i m ersten Satz zugrunde gelegte 63

Allmond / Verba 1963, 28 ff. 54-5β entfallen. 57

Schmitt-Glaeser 1973, 190. Walter 1972, 151. 59 Bartlsperger 1975, 260. 60 Aderhold 1973, 99 f. 61 Ehlert 1974, 155 („Außensteuerung der Städtebauförderung"). 62 Solche gesellschaftliche Partizipation, v o n der Rechtsordnung durch T a r i f autonomie u n d Eigentumsgarantie gesichert (vgl. oben S. 163 u n d unten 2.4.2.2.; ferner Kunze 1970, 18) k a n n den gesellschaftlichen Entscheidungsträgern auch i m politischen System Entscheidrelevanz verleihen u n d damit Grundlage für politische Partizipation werden. Das ist unten 2.3. zu zeigen. 63 U n t e n 2.4.2.1.1. 84 Hartisch 1975, 81. 65 Schmitt-Glaeser 1973, 190. 67 Offe 1971, 159 (Bürgerinitiativen bringen Formen der Selbstorganisation der Betroffenen hervor, die „ i m System der politischen Institutionen nicht vorgesehen sind"). 68 C. Offe: Klassenherrschaft u n d politisches System. Z u r Selektivität p o l i tischer Institutionen, i n : ders.: Strukturprobleme des kapitalistischen Staates, F r a n k f u r t 1972, 66. 69 Wollmann 1974, 200. 70 Grottian 1974, 171 f. 58

168

2. Partizipation und Demokratisierung in der Raumplanung

sog. „Einflußtheorie" 71 und verlegen das — analytische — Interesse auch auf jene politische Partizipation, die sich auf die Artikulation von NichtZustimmung, von Dissens oder K o n f l i k t konzentriert. Denn entgegen der Vermutung solcher von früheren amerikanischen Politologen vorgetragenen Einflußtheorien läßt sich nicht jede inhaltlich nahegelegte Interessenberücksichtigung auf entsprechende „konkrete(n) Intervention(en) der betreffenden gesellschaftlichen Gruppen" (Offe) 72 zurückführen. Solche Interessenberücksichtigung w i r d nach einer einleuchtenden Erklärung von Grottian „aus dem politisch-administrativen System ,autonom' produziert . . . (withinputs)" 7 3 und/oder „auf Systemebene" durch Ausschluß anderer Interessenpositionen „strukturell verbürgt" (Wollmann) 74. Interventionen auf der „Handlungsebene" (Offe, Wollmann) 75 sind daher weder nachzuweisen noch erforderlich. Ein politisches System kann solange auch m i t einem geringen Ausmaß an politischer Partizipation i m Sinne unserer Definition legitimiert werden, als breiter Konsens und loyales Verhalten gesichert sind. Erst konfliktuelles Verhalten des ökonomischen und/oder Loyalitätsentzug großer Gruppen i m legitimatorischen System aktualisieren die oben angeführte ,Koexistenzstrategie 4 und rücken die Partizipationsfrage auf konkreter Handlungsebene i m Sinne der Einflußtheorie i n den Brennpunkt politischer Auseinandersetzung. Zu fragen ist nach den ,Interventionspunkten' von ökonomischem und legitimatorischem System, bei denen konfliktuell-intervenierende Partizipation zu erwarten ist. Und: Wie berücksichtigt das politische System die Belange solcher Gruppen durch institutionelle Partizipationsverfahren, damit solche Interventionen ausbleiben? Analytisch fragen w i r daher bei der Untersuchung der derzeit auftretenden raumpolitischen Partizipienten primär nach solcher konfliktuell-interv enter ender Partizipation ^potentielle Konsens- bzw. Nutzungsverweigerer'). Die aktiv-gestalterische Komponente i m Sinne einer — bereinigten 7 6 — Einflußtheorie w i r d demgegenüber i m normativen Demokratisierungsprogramm (2.5.) i m Zentrum stehen. Diese Unterscheidung dient dort als Grundlage für die Abgrenzung von politischer Partizipation des legitimatorischen (aktiv-gestalterisch) von derjenigen des ökonomischen (,reaktive Handlungsmöglichkeiten') Systems. Damit ist die Frage nach einer vermehrten Partizipation aller raumpolitisch Betroffenen an Planungsprozessen i m politologisch realisti71 72 73 74 75 76

Vgl. die Darstellung u n d Literaturnachweise bei Wollmann 1974, 200. C. Offe: op. cit. A n m . 68, 66. Grottian 1974, 171. Wollmann 1974, 200. Offe op. cit. A n m . 68, 66; Wollmann 1974, 201. Unter Berücksichtigung der K r i t i k , w i e sie oben angeführt wurde.

2.2. Analysemodell, politische Partizipation und Legitimation

169

sehen Zusammenhang gestellt: Inwieweit kann durch eine organisationsrechtlich zu verankernde stärkere Bindung des politischen an das legitimatorische System, durch eine m i t verstärkten Partizipationschancen erwirkte Rückkoppelung der Entscheidungen des politischen Systems an die „Forderung und Ansprüche jener, die sich i m gesellschaftlichen Bereich über Konflikt-Konsens-Prozesse artikulieren" 7 7 , die relative

Autonomie

des politischen

gegenüber

dem

ökonomischen

System erhöht werden, ohne daß dadurch die Rahmenbedingungen für die Funktionsweise des ökonomischen Systems beeinträchtigt werden und das politische System versucht, organisationsrechtlich garantierte Partizipationsrechte zurückzunehmen oder zur Scheinpartizipation 78 zu degradieren? Diese Fragestellung basiert auf drei Prämissen: Einmal auf einer hohen Konsistenz des ökonomischen Systems, das für die jeweilige Identität dazugehöriger politischer Systeme mitbestimmend und damit für deren Handlungen mitlegitimierend ist. Zum zweiten auf einer allen empirischen Gegenbeweisen zum Trotz zugrunde gelegten Vorwegnahme einer relativ selbständigen Sphäre legitimatorischer Prozesse, m i t h i n auf einer vom ökonomischen System nicht vollständig „präpolitisch determinierten" 7 9 , weil nicht vollständig determinierbaren Öffentlichkeit 8 0 . Und zum dritten auf der theoretischen und planungspraktisch bestätigten Annahme, daß der Handlungsspielraum des politischen Systems gegenüber dem ökonomischen generell größer ist, als dies vielfach die Behörden selbst oder Vertreter von Einzelkapitalien für wahr haben wollen 8 1 . Die Eigendynamik des ökonomischen Systems insgesamt übersteigt die Wandlungsfähigkeit konkreter Unternehmungen 82 , denen sich die Vertreter des politischen Systems gegenübersehen. 2.2.2. Legitimation, formale und materiale Differenzierung

Hier geht es nicht darum, eine Diskussion über die unzähligen Legitimationstheorien 83 zu führen, wie sie i m Verlaufe der Geschichte i m mer wieder entwickelt wurden. Von Interesse ist vielmehr der Zusam77

Grottian 1973, 20. E t w a i m Sinne von Allmond / Verba 1963, 28 (Pseudopartizipation). 79 I m Sinne der Skizze oben 2.2.1.1.1. 80 Vgl. dazu i m einzelnen unten 2.4.2.1.2. 81 Vgl. Grottian 1974, 44. 82 Strukturerhaltende Interventionspolitik, w i e sie etwa noch i m Uhrenstatut von 1951 vorgesehen war, gehört w o h l der Vergangenheit an. Der B u n desbeschluß von 1961 u n d die i m Sommer 1976 geplanten Interventionen haben denn auch deutlich den Charakter von Anpassungsinterventionen. Vgl. für den Bereich der Raumplanung unten 3.1. 83 Vgl. hierzu den Überblick bei Würtenberger 1973 (bis u n d m i t H. Heller) u n d zur neueren Diskussion Habermas 1974, 131 ff. 78

170

2. Partizipation und Demokratisierung in der Raumplanung

menhang von Partizipation und Legitimation i m analytischen, nicht i m normativen Sinne 8 4 . Das Gemeinwesen steht m i t dem legitimatorischen und dem ökonomischen System, kurz m i t seiner Systemumwelt, i n wechselseitigen Kommunikationsprozessen. Dadurch entsteht Legitimation. Dieser Prozeß erfolgt nicht regellos. Politische Systeme gliedern sich intern i n verschiende Abschnitte, die i m politischen Prozeß je unterschiedliche Funktionen haben (Differenzierung) 85. Ob solche K o m munikationsprozesse verfahrensrechtlich institutionalisiert sind oder nicht, sie orientieren sich stets an den verschiedenen, durch die interne Differenzierung der politischen Systeme vorgegebenen Verfahrensstufen. 2.2.2.1. Die innere

oder formale

Differenzierung

Prozeßanalytisch ist f ü r das Zusammenspiel der verschiedenen Verfahrensstufen bei zunehmender Problemverarbeitung ein abnehmender Umfang möglicher Handlungsfelder u n d eine rechtliche Bindung nachgelagerter an vorgelagerte Entscheidungsstufen hervorzuheben: M a n k a n n von einer m i t fortschreitendem Verfahren zunehmenden, für alle nächstfolgenden Stufen verbindlichen Reduktion von K o m p l e x i täten gesellschaftlicher Problemstellungen sprechen 86 . I n der W i r k l i c h keit auftauchende Entwicklungsstörungen, für die der Staat verantwortlich gemacht w i r d , werden i m legitimatorischen System als komplexe Umweltprobleme subjektiv empfunden 8 7 , daraufhin von verschiedenen Trägern der politischen K u l t u r 8 8 artikuliert, bis sie schließlich i m Grundsatzentscheidungsorgan des politischen Systems (Parlament) zu verbindlichen Gestaltungsmaximen für das gesamte politische System führen. D i e d a m i t erfolgte grundsätzliche Neu- oder Großeinstellung 89 des politischen Systems gegenüber einer problematisch werden84 I m Gegensatz zu Habermas 1973 oder Walter 1974, 573 und dort angeführte Autoren. Legitimation haben etwa nach Walter „ n u r qualifizierte, nämlich wahrheitsbezogene und diskursive Handlungsentscheide, die an gesellschaftlich anerkannten Grundnormen orientiert und i n die politischen Gegebenheiten integriert sind". Vgl. ferner unten 2.2.2.3. 85 Begriff nach Luhmann 1965, 148 (das Wahlrecht dient dazu, „die innere Differenzierung des politischen Systems i n Prozesse politischer K o m m u n i k a tion und Prozesse bürokratischer Entscheidungsfertigung sicherzustellen"); ders. 1971/2 (Trennung von Politik und Verwaltung als „ f u n k t i o n a l - s t r u k t u relle Innendifferenzierung des politischen Systems". Hier w i r d er allerdings nur als analytische Größe verwendet. 86 Vgl. i n diesem Sinne Luhmann 1971/2, 75; Naschold 1972, 61 ( „ . . . Systeme können nur dann umweltangepaßte Entscheidungen treffen, wenn sie eine der Umweltkomplexität entsprechende Eigenkomplexität auf weisen"). 87 Vgl. Habermas 1973, 12 f. 88 Vgl. zum Begriff oben 1.3.5.3.2. und dort zitierte Literatur. 89 D i e — hier nicht weiter entwickelte — Unterscheidung i n Groß- und Kleineinstellungsentscheidung könnte — ähnlich derjenigen i n „Zweck-, Krisen-, Innovations-, Machtzuwachsentscheidungen sowie Entscheidungen

2.2. Analysemodell, politische Partizipation und Legitimation

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den Wirklichkeit beinhaltet als solche jedoch noch keineswegs ein Tätigwerden. Von der Grundsatzentscheidung zu den das politische System als verbindliche Entscheidung verlassenden Outputs 9 0 ist — wie i m ersten Kapitel am Beispiel der Raumplanung dargelegt — ein weiter Weg: er führt hier vom Grundsatzentscheid für eine „der zweckmäßigen Nutzung des Bodens und der geordneten Besiedelung des Landes dienenden Raumplanung" (BV A r t . 22