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German Pages 92 Year 2020
WALTER LEISNER
Demokratie: Das Volk im Verteilungsstaat
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1417
Demokratie: Das Volk im Verteilungsstaat Vom Werte-Staat zur Entwicklungs-Dynamik (– und zurück?)
Von
Walter Leisner
Duncker & Humblot · Berlin
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Vorwort Das „selbstverständlich Angenommene“ wird rasch und leicht zum Selbstverständnis; dies gilt insbesondere auf der Höhe des Verfassungsrechts. Hier ersetzt dann menschlicher Wille die so oft als starr empfundenen Schranken der Normen: „Konstitution“ erscheint nicht (mehr) als (historisch irgendwie) vor- oder gar als gottgegeben. In ihr soll der „wollende Mensch“ lebendig bleiben: „Wer immer strebend sich bemüht, den wollen wir belohnen!“ – das spricht die hochtechnisierte Moderne einer mythischen Vergangenheit nur allzu gerne nach. Wer diesen Lohn als Gemeinschaft empfangen, ihn überleben darf in deren Einzelgliedern – wer könnte dies anderes sein als – wiederum – „Viele“, wie anders kann sie die Sprache zusammenfassen denn als „Volk“? Wer anderes sollte sich zeigen in einer solchen „Erscheinung gleichartiger Vielfalt“? Ein solcher Begriff „Volk“ sagt aber (noch) nichts aus über das inhaltliche Wesen dieses populären Verbundes, ebenso wenig über dessen personale Träger(schaft). Mit „Volk als Vielfalt“ wird nur dessen Zusammensetzung beschrieben, es werden nicht seine Aufgaben und seine Tätigkeiten zu deren Erfüllung angesprochen. Nur mit diesen letzteren Feststellungen könnte aber etwas erreicht werden wie eine „Staatsrechtfertigung der Volksherrschaft“ gegenüber anderen Ordnungsregimen. „Das Volk ist das unbekannte Wesen der Volksherrschaft“. Eben dies ist nun Gegenstand des Folgenden – eines Versuches: Lassen sich feste geistige Grundlagen auffinden, auf denen gerade der Volksstaat seine Macht ausformen, mit welcher er (dann seine) Menschen von deren Wert zu überzeugen vermag? Was bietet ihm gerade dazu der Volks-Begriff der Demokratie als/an Legitimation? Ist es etwa das, was sich in ihm am deutlichsten zeigt: Umverteilung als Rechtfertigung? All dies kann hier nicht staatsrechtlich erklärt und behandelt werden – nur einige Fixpunkte. Vielleicht geht von ihnen aber doch etwas aus wie ein staatsrechtliches Licht. Goethes „Mehr Licht!“ – wo ist es eifriger zu suchen als in der Verfassung? München, im Oktober 2019
Walter Leisner
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1. „Volk“ als Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2. „Volk“: Ein Verfassungs-Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3. „Volk“ in der Verfassung: Ein Rechtswert in Zahlen – in Umverteilung . . . . . . . . 14 4. Dennoch: Demokratie – Staatsform der Werte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 A. Das „Volk“ in der Begriffsentwicklung der Rechtswerte Macht – Mensch – Staat – Volk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 I. „Macht“: Gegenstand von „Recht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1. Kräfte von „Menschen“ als „Rechte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2. „Rechte als Machterscheinungen“, als (Staats-)Gewalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 II. Der Mensch als „Wert im Recht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1. Individuen als „Wert(e)-Träger“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2. Die Grundrechte von 1789, „Verfassungs-Wert Mensch als Person“ . . . . . . . . . . . 18 III. „Staat“ als „Wert im Recht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1. „Staatssouveränität“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2. Menschen als Staatsorgane in Wahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 IV. „Volk“: (Höchst-)Wert des Rechts (?) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1. Faschismus: „Geschichte als Alter-Neuer Wert“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2. Deutscher National-Sozialismus: „Totale Volksgewalt als Höchstwert“ . . . . . . . . . 21 3. Eine unbewältigte Vergangenheit (?) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 V. „Volk“ als „Rechts-Wert“: Notwendigkeit einer Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 B. Volk: Wertlegitimation aus rechtlicher Aufgabenstellung – Phasen einer historischen Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Antike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1. Griechisches Staatsdenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2. Römischer Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 II. Mittelalter: „Volk Gottes“ – „Gottes-Staat“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1. „Humanisierung des Volkes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
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Inhaltsverzeichnis 2. „Gottes-Volk“ im Judentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3. Volk – in/als Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 III. Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Neue Entwicklungslinien: „Volk als Wert“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2. Das „Volk“: Rechtsträger der Staatsordnung (1815 – 1945) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 a) „Volk“ als Macht-Träger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 b) „Volk“ – aus Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3. „Volk“: Wert in Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
C. „Volk in Zahlen“: Feste Wertgröße? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. „Wert des Volkes“ aus Gleichheit der Menschen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1. „Subjekt Mensch“ – Egalität Einzelner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. Demokratie – eine Quantifizierung der Werte in/durch Gleichheit der Einzelnen (?) 31 3. Quantifizierte Werte im Recht der Demokratie – „Quantenaddition“? . . . . . . . . . . 32 4. Volkseinheit in/durch Gleichheit – Höchstwert des Rechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 II. Demokratie als „Wert“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. „Demokratie“ – „Wert“ als politischer Leitbegriff des „Öffentlichen“ . . . . . . . . . . 34 2. Demokratie – Höchstwertigkeit auch im Privaten (Arbeit, Familie) . . . . . . . . . . . . 35 III. „Volk“ in „Werten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 IV. „Volk“ als Zahlen-Einheit: kein Organ einer werthaltigen Demokratie . . . . . . . . . . . 37 1. „Einigkeit macht stark“ – nichts als Selbst-Überzeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2. Das „Volk“ – kein Wert als Zahlenaddition Gleicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Das „Volk“ – kein Wert aus Aufgabenerfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 V. „Volk“ in „Entwicklungs-Ablauf“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Eine Neue Demokratie: „Volk der Gleichen als werthaltige Staatsform“ . . . . . . . . 41 2. Demokratie: Mehrheit als Größe in numerischer Addition – kein „Wert“ . . . . . . . 42 3. Das „Neue Volk: Souverän im Ablauf“ – Ende der klassischen Staatsdemokratie 42 D. „Volk“: „Wert“ in einer „Ablauf-Bewegung von Gütern“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 I. „Volk“: Verfassungs-Gewalt in Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1. Demokratie – im Verfassungsrecht „Werte in Bewegung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Recht, Staat als Bewegung – eine Revolution juristischen Denkens . . . . . . . . . . . . 43 3. „Demokratie – Révolution en Permanence“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 4. „Volk als Wert im Ablauf“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 II. Das eine Volk – Ende einer „Verfassungs-Geschichte in Phasen“ . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1. Bruch in der Verfassungs-Entwicklung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
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2. „Staatsrecht“: „Alles läuft“ – nicht „wie immer“, nur „immer weiter“ . . . . . . . . . 45 III. „Demokratie“: Verfassung als Ökonomie, „im Blick auf Güter“ . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Verdämmern der Religion, der „Jenseits-Güter“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. „Ökonomisierung der Werte“ als „Neue Demokratie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3. „Neue Demokratie“: ein „Volk in ökonomischem Güter-Fluss“ . . . . . . . . . . . . . . . 48 4. Folge: „Staat als Demokratie in Gütern“ – Wertigkeit einer „Güter-Bewegung in Quanten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 E. „Demokratie“ – Produktion in Gemeinschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 I. „Neues Volk“: Demokratie als „Entpersonalisierung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. „Neues Volk“: (in) eine(r) Begeisterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Entpersonalisiertes Volk – begeisternd in Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 II. Demokratie: „Güter als Wert(e)“ – Materialismus als Staatsform (?) . . . . . . . . . . . . . 52 1. Ent-Individualisierung des Rechts – „Staats-Einheit“ als Höchstwert . . . . . . . . . . 52 2. „Das Neue Volk“ – Höchster, Alleiniger Staats-Wert in Güter-Besitz . . . . . . . . . . 53 III. „Güterproduktion“: notwendig „gemeinsam“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1. „Güter“: ein personenbezogener Rechts-Begriff? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2. „Gut“ – ein Kollektiv-Begriff: Güterproduktion – notwendig gemeinsam? . . . . . . 54 3. Gemeinsame Güterproduktion: Verfassungsrechtlich „Volk im Kollektiv“ . . . . . . 55 IV. „Ausschließlich gemeinsame Güterproduktion“ – ein verfassungsrechtlicher Irrweg 56 1. Keine Notwendigkeit „immer größerer Produktionsräume“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2. Keine notwendige Einheit einer rechtlichen Verteilungs-Kraft – mögliche Vielfalt von Verteilungs-Kräften der Güter: von Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 F. Demokratie als „Gütergenuss in Gemeinschaft“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 I. Ein neuer Hedonismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 1. „Volk“: Kollektiv-Form des Genießens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2. „Schöner Staat“ in „Schönem Genießen“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3. „Schön leben im Staat“: nur ein „Sich-Ausleben“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4. Die eigentliche Hedonismus-Frage: „Wer genießt wie?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 II. „Nur Gemeinsamer Genuss“ – Unmöglich! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1. „Das Volk“: „als solches genießend“ (?) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2. Individuen – genießend „im Kollektiv“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3. Notwendige Folge: Keine Demokratie rechtlich allein aus Gütergenuss! . . . . . . . 64
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G. Demokratie: „Volk“ in dauernder rechtlicher Um-Verteilungs-Bewegung . . . . . . . 65 I. Demokratischer Staat: „Vorgang“, nicht „Zustand“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 1. „Staat“: „Prozess“ – ein „Ablauf in Recht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. „Staat als Vorgang“ – als „Verteilung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 II. Der Umverteilungsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 1. Vom „Austeilen“ zum „Verteilen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2. „Unendlich reicher Staat“ – Allmacht als ökonomischer Mythos . . . . . . . . . . . . . . 67 3. Staatlichkeit als Umverteilung – der Umverteilungsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 III. Der Staat: Das „Umzuverteilende Feste“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1. „(Sein) Objekt Rechtsgut“: In Umverteilung rechtlich festliegend . . . . . . . . . . . . . 68 2. „(Sein) Subjekt Nutzer“ – Umverteilung: „Bewegung in Nutzung“ . . . . . . . . . . . . 69 IV. Demokratie (in) „Laufende(r)“ Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Kontinuierlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2. „Démocratie, Plébiscite de tous les jours“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 3. Demokratie: „immer weiter“ – darin „stärker“, „größer“: in der Zeit . . . . . . . . . . . 71 4. Demokratie: Keine festen Stadien, „kein Anhalten“ – stets Bewegung . . . . . . . . . 72 V. Demokratischer Staat: Entwicklung (in Verteilung) von Gütern . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Demokratische Umverteilung: Bewegung „größerer und kleinerer Verteilungsobjekte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2. Demokratie: „laufend“ in Bewegung zwischen unterschiedlichen Verteilungsgrößen von Gütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3. Demokratie: Staat – Bewegung von Gütern in Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 VI. Demokratischer Staat: Entwicklung in Zeit-Lauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 1. „Staat in Zeit“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2. Staat: Schritte in Majestät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 3. Staat: Würdevolles Schreiten in rechtlicher Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 VII. Staat im Lauf: Das „Volk“ – nur (in/als) wesentlich „Verteilung“ . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Laufend-ständige Bewegung als Form der Staatsaufgabenerfüllung . . . . . . . . . . . 77 2. Laufende „Güterverteilung in einem Volk“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3. Volk: Demokratie als laufende Verteilungs-Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 VIII. „Das Volk“: Ablauf einer Umverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 1. „Volk“: „als Bewegung vorgeprägt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2. „Volk“: ein staatsrechtlich „offener“ Begriff? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3. „Umverteilung“: Umprägung des Staates zum „Volk als Staatsrecht im Lauf“ . . . 80 4. „Volk“ in ständiger Umverteilung – ohne Etappen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 5. „Volk in Umverteilung“ – „Staat in Dauer“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
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IX. Ein großes „Aber“: Umverteilung ohne Werte – also zurück zu ihnen! . . . . . . . . . . . 83 H. „Demokratie – doch Staatsform der Werte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 I. Verteilungs-Demokratie: ein Wertfreier Vorgang? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 1. Der „Einzelne als Rechtssubjekt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2. Der Einzelne: Rechts-Subjekt „in Verteilung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 3. Verteilung von Werten: (aber) von welchen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 II. Demokratisches Staatsrecht: „Volk“ als menschlicher Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 1. Menschliche Werte – bestimmt in „Zahlen von Werte-Trägern“ (?) . . . . . . . . . . . . 86 2. Folge: „Volk“ als alleiniger staatsrechtlicher Höchstwert (?) . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 III. Zurück zur Rechts-Transzendenz: Staat aus – über Menschen als Werten! . . . . . . . . 89 1. „Transzendenz“ – Ein „kantianisches Staats-Begräbnis“ (?) . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Staat: Recht in Glauben – „Werte an-genommen“ in Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3. „Staat“ und „Recht“: „Transzendente Demokratie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 4. Vox Populi – Vox Dei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
Einleitung 1. „Volk“ als Rechtsbegriff Das Wort „Demokratie“ geht deutschen Juristen mit einer Leichtigkeit von den Lippen, die aber kaum irgendwo in ihren Aktivitätsbereichen – oder auch außerhalb derselben, vor allem in der Politik – gegenwärtig Erstaunen weckt. Dass die demokratische Äußerungs-Form „-Kratie“ etwas beinhaltet wie „rechtlichen Zwang“, wird dabei geradezu mit verbaler Selbstverständlichkeit unterstellt. Gleiches ist bei dem Begriffs-Bestandteil „Demo-“ festzustellen: Demos – das kann, wenn derart „gängige“ Worte wie Demokratie inhaltlich (noch irgend)etwas aussagen, kommunizieren sollen von Rechtssubjekt zu Rechtssubjekt – doch nur hinweisen auf „Volk“. Als Bestandteil eines Verfassungsbegriffs muss der Wort-Teil „Volk“ rechtlich betrachtet werden so wie er eben zunächst begegnet. „Volk“ darf nicht rechtssystematisch, in einem Verständnis nach Allgemeiner Staatslehre, sogleich begrifflich verengt werden auf ein „Deutsches Volk“. Eine solche Auffassung würde voraussetzen, dass „Menschen auf dem Territorium Deutschland“ nur in einem Rechtsgebilde „Deutsche Demokratie“ wahrgenommen werden dürften. Eben dies ist allerdings der Befund, den ein Blick auf die meistbenutzte Kommentarliteratur zeigt, damit auf etwas wie eine, wenn nicht herrschende, so doch gängige Vorstellung von „Demokratie im Deutschen Staatsrecht“: Weithin kommt „das Volk als solches“ dort gar nicht allgemein als Verfassungstopos vor, sondern nur als „Deutsches Volk“,1 also in Verengung auf die „Deutschen Bürger“. Hier dagegen ist zunächst zu untersuchen, was „Volk als solches“ begrifflich bedeutet.
2. „Volk“: Ein Verfassungs-Begriff a) Was bezeichnet „dieses Volk als Rechtsbegriff“, formal und inhaltlich, in der Deutschen Rechtsordnung? Diese Frage kann nur als eine juristische gestellt, sie darf nicht unter Hinweis auf ein Verständnis im Sinne der Politologie beantwortet werden; darin würde die Eigenständigkeit juristische Denkens aufgegeben, von der aber die nachfolgenden Ausführungen ausgehen.
1 Wie etwa in von Mangoldt/Klein/Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 20, Abs. 2, Rn. 142 ff., oder in Art. 116, Rn. 116 f., sowie bei Sodan, H., GG 4. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 8, 9; Jarass/ Pieroth, GG 12. Aufl. 2012, Art. 20 Rn. 4.
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Einleitung
b) Was bedeutet, was „ist juristisch“ dieses Volk im Recht? Wenn Recht in herkömmlicher Jurisprudenz nur verstanden werden kann im Sinn einer „verbal-begrifflich gestuften Ordnung“, so ist „Volk“ rechtlich zu erfassen, formal wie inhaltlich, als normative Spitzenregelung dieses Systems: Volk als Verfassungsbegriff.
3. „Volk“ in der Verfassung: Ein Rechtswert in Zahlen – in Umverteilung „Verfassungsbegriff“ bezeichnet im herkömmlichen, vor allem im Öffentlichen Recht, die Geltungskraft, welche einer Rechtsbestimmung innewohnt. Ihre Bedeutung zeigt sich in ihrem formalen Geltungs-Vorrang; in der Regel drückt sich darin aber auch etwas aus wie eine inhaltliche Bedeutungs-Priorität. In der Juristischen Dogmatik wird dies gemeinhin als „Rechtswert“ bezeichnet. Gerade für die Demokratie spielt diese Terminologie eine wichtige, ja entscheidende Rolle als Legitimation dieser Staatsform: Nicht mehr aus der Geburt der Träger rechtfertigt sie sich, auch nicht aus den juristischen Instrumenten welche diese einsetzen: ihr menschliches Wesen ist es allein, welches die Wertlegitimation der Staatsform prägt. Dieses menschliche Wesen wird heute aber zunehmend allein erfasst in Zahlen. Damit wird auch die Staatsform Demokratie heute immer mehr in „Zahlen deutlich“: Vom (früheren) Volk in Werten (i. Folg. A., B.) zeigt sich eine Entwicklung immer mehr hin zu einer Demokratie, welche „Volk in Zahlen“ sieht, rechtlich ausdrückt (i. Folg. C.). In solchem Denken läuft aber die Entwicklung bereits weiter: zu einer „Neuen Demokratie in Ökonomie“ – Volk: Ein „Wert in Gütern“; und sie führt dann zur Demokratie als „Güterproduktion in Gemeinschaft“ (i. Folg. E.), diese wieder zur Demokratie als Gütergenuss (i. Folg. F.). In all dem erscheint der demokratische Staat in dauernder rechtlicher Umverteilungs-Bewegung (i. Folg. G.), das „Volk“ als Ablauf einer Umverteilung (i. Folg. G. VIII.). Für die Demokratie bedeutet das heute, und zunehmend: Verfassungswert soll sein, was sich zählen, in Zahlen erfassen lässt in der Beziehung von Menschen zu Gütern – insbesondere in deren Umverteilung.
4. Dennoch: Demokratie – Staatsform der Werte Diese Volksherrschaft scheint also im Recht zu begegnen als ein „wertfreier Vorgang“, in einer „Mechanik des Zählens“, welche darin Rechtssubjekte nur in ihrem Menschsein erfasst – hinreichend, ja vollständig. Doch darin erschöpft sich die rechtliche Bedeutung von „Demokratie“ nicht: Sie zeigt „das Volk als staatsrechtlichen Höchstwert“: Demokratie als Spitzenbegriff einer Staatsform menschlicher
Einleitung
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Werte. Ihr „Staat“ besteht zwar aus Menschen, stellt sich dar aus, in ihnen. Zugleich, gerade in dieser Erscheinungsform, weist Demokratie aber, in diesen Menschen, rechtlich hinauf in eine „Transzendenz“ des Staates, aus, rechtlich damit aber über humanen Wesen: Diese „Transzendenz“, wie sie schon Immanuel Kant (er)fand, zeigt den Staat als ein „Recht in Glauben“ – als „Werte angenommen in Recht“. „Staat“ und „Recht“ werden damit zu voller wesensmäßiger Einheit in einer „Transzendenten Demokratie“. In ihr gilt „Vox Populi – Vox Dei“: Staatsrecht als Hoffnung. Nur im Diesseits, oder auch auf ein Jenseits?
A. Das „Volk“ in der Begriffsentwicklung der Rechtswerte Macht – Mensch – Staat – Volk I. „Macht“: Gegenstand von „Recht“ 1. Kräfte von „Menschen“ als „Rechte“ Die Staatsform der „Volksherrschaft“ wird gemeinhin in der Gegenwart als „Demokratie“ bezeichnet. Nähere Betrachtung lässt jedoch erkennen, dass die beiden Begriffsteile, aus denen sich die Worte zusammensetzen, im über/außerjuristischen Verständnis keineswegs einfach nur deckungsgleich gebraucht werden: Der „Demokratie“ ist, schon nach ihrem französisch/englischen Ausgangsverständnis, das als solches meist unkritisch in den deutschen staatsrechtlichen Sprachgebrauch übernommen wurde, eine stärker „rechtstechnische“ Akzentuierung eigen(tümlich) als einer „Volksherrschaft“; diese weckt eher historisch-politische Vorstellungen – jedenfalls in einer ersten inhaltlichen Annäherung. Diese begriffliche Inhaltsfrage mag hier aber offen bleiben. In den beiden Begriffen wird jedenfalls „Volk“ als eine „Macht“ angesprochen, als eine Kraft von Menschen, die sich äußert in Formen und in Inhalten von „Recht“. In diesem Wortgebrauch findet also eine Verdeutlichung statt, ein begriffliches „ZuRecht-Schneiden“, in welchem diese Verbalität eine „Mutation der Macht zu Recht“ anzeigt. Solches „Recht“ muss aber damit noch keineswegs sogleich als ein formal und inhaltlich einheitlicher Begriff gesehen, sodann eingesetzt werden in etwas wie in „einem Recht als Rechtstechnik“. Vielmehr kann „Recht“ durchaus verstanden werden als ein Bündel von Machtpositionen, welche untereinander nach Formen wie Inhalten nicht als „gleich“, also weder als gleichförmig noch als gleichinhaltlich wahrzunehmen sind. Diese „Macht in Kleidern des Rechts“ präsentiert sich dem Juristen als ein Phänomen, welches das ironische Wort verdient: „Des Kaisers Neue Kleider“. In diesem Spruch sollte ja die Macht als ein Mythos ent-kleidet, gewissermaßen als „reine Ansprüchlichkeit“ hingestellt werden. Die Demokratie hat damit in ihrer „Ur-Form Revolution“, von der „Glorious Revolution“ bis zu den Schrecken der Guillotine, sogar immer wirken wollen, sie hat aber nie erscheinen können als ein „Schöner Staat“, so wie ein solcher beschrieben werden konnte (Leisner, W., Der Schöne Staat, 2018). Es ist eben diese „Macht“ nicht sogleich und begriffsnotwendig die goldschimmernde Gesamttracht eines Allherrscher(tum)s; es sind nur einzelne Kleidungsstücke, in denen dieser sich zeigt. Der Jurist als Rechtstechniker muss sie in der
II. Der Mensch als „Wert im Recht“
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außer/überrechtlichen Realität der Politik auffinden, rechtsbegrifflich umschaffen zu etwas, das nun heißen wird:
2. „Rechte als Machterscheinungen“, als (Staats-)Gewalten An diesem Punkt des Macht-Pfades als eines Rechts-Weges angelangt, darf sich rechtsgrundsätzliche Betrachtung aber nicht zu bewegen suchen, auf durchaus gängigen Geleisen, die sich ihr anbieten in üblicher Rechtspolitik: „Rechte als Gewalten“. „Gewalten“ das sind nicht einfach nur Erscheinungen von Macht-Kräften, die irgendetwas „vermögen“, daher auch „dürfen“. Rechte als Machterscheinungen – das zeigt Staats-Gewalten. Sie sind bereits angeordnet, in zentrierter Weise, um gewisse formal bestimmte Kern-Bereiche – und zugleich inhaltlich festgelegt in Räumen, welche normativ vertikal unter jenen zu sehen sind. Diese (An-)Ordnung der Gewalten transformiert dieselben „von Rechtspolitik zu Rechtsdogmatik“ – in „Staatsrecht“. So ist Demokratie zu verstehen, so allein darf sie den Juristen staatsrechtlich beschäftigen: als eine Reihung von „Gewalten“, diese zu sehen als zugleich normativ formal und inhaltlich bestimmte Verhaltensmöglichkeiten staatlicher Machtträger, als Verfassungs-Pouvoirs. Demokratie – das ist eben eine rechtlich wahrhaft komplizierte Staats-Ordnung! Sie begegnet dem Juristen schon am Anfang seiner Bemühungen – doch gewiss nicht in einem „Staatrecht für Anfänger“!
II. Der Mensch als „Wert im Recht“ 1. Individuen als „Wert(e)-Träger“ a) Als wesentlich für das Öffentliche Recht, geradezu als konstitutiv für diesen juristischen Betrachtungsgegenstand, lassen sich, wie vorstehend dargelegt, in einer ersten annähernden Begegnung mit ihm nur „Kräfte“ feststellen, die sich in Aktivitäten äußern, „entladen“. Damit diese auch fassbar werden, juristischem Ordnen zugänglich, müssen sie nun aber Sub-Jekten zugeordnet werden (können); sie müssen „Träger“ finden, in „Grund-Lagen“, die dann mit/zueinander in rechtliche Beziehungen gesetzt werden können. Nur derartige Rechtssubjekte können in ihrem Verhalten, in ihren Handlungen jene Bewegungen auslösen, in denen sie ihre Gewichtigkeiten offenbaren, damit die Voraussetzungen schaffen für eine systemhafte Ordnung derselben in einem oder mehreren Bereichen des Rechts. b) Damit betritt „Der Mensch als Rechtssubjekt“ die Bühne, auf welcher er juristischer Betrachtung begegnet. Auf ihr zeigt er sich aber nicht allein in seiner
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A. Das „Volk“ in der Begriffsentwicklung
physisch-animalischen Erscheinung als Lebewesen; jene Zur-Schau-Stellung auf dem „Theater des Lebens“ macht ihn „interessant“ für alle aktuellen und virtuellen Zuschauer dieses Spektaculum: als einen Träger gewisser Werte: Diese erreichen mit ihren Motivierungskräften den „Umstand“ der Menschen. Solche Werte im Recht sind es, welche „Menschen in Bewegung (ver)setzen“, dieses „Fluktuieren“ ist, als solches, bereits der Anfang einer „Ordnung“. Hier „läuft eben etwas ab“: Gewichtigkeiten werden bestimmt als Ziele von Bestrebungen. Zunächst stehen diese „Werte einfach nur nebeneinander“, mehr oder minder sollen sie alle erreicht, realisiert werden. c) Dies war bereits der Entfaltungszustand einer Rechtsordnung aus dem ZivilRecht von Bürgern, menschlichen Trägern, gewissermaßen in einem „Staatsrecht klein“. Ihm begegnete rechtliche Betrachtung auf ihren juristischen Entwicklungsstufen vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. In dieser Periode näherten sich diese „Wertigkeiten des Rechts“ einander an; sie wurden erkennbar in ihren Ähnlichkeiten, damit ihren systematischen Beziehungs-Möglichkeiten zueinander, immer und deutlicher: als Werte. Entstanden war so nicht nur „der Wert im Recht“, sondern der „Mensch als Rechtssubjekt, damit als Wert(e)Träger“.
2. Die Grundrechte von 1789, „Verfassungs-Wert Mensch als Person“ a) 1789 entlud sich aus dem generationenlang verdichteten Werte-Gewölk menschlicher kleiner, aber immer größer, fordernder werdender Rechte von Individuen im Staat mit einem Mal ein „Blitz des Rechts“: die Revolution in Frankreich, seither geistiger Prototyp allen Umsturzes. Die ganze Historie sollte sich zusammenfassen lassen in einem einzigen Macht-Wort (das damals übrigens in Deutschland gesprochen wurde): „Im Anfang war die Tat“, sie kommt vom Menschen. Er begegnet im Recht als solchem, in einem Verfassungs-Wert: als „Person“. Werte sind für den Menschen aber nicht nur Ziele, auf welche hin er in Bewegung zu sehen wäre; vielmehr liegen sie bereit in ihm, sie müssen nur erkannt, sodann aufgefaltet werden. All dies erfolgt innerhalb des „Raumes (der) Person“, in ihm werden alle menschlichen Schätze gehoben. Dies ist der Vorgang eines vertikalen Werte-Strebens „nach oben“, nicht geistig „hinunter und immer hinunter und immer dem Bache nach“: auf der (nur allzu) leichten, breiten Straße der Dekadenz. b) Diese „Décadence“ – wiederum ein genuin französisches Epoche-Wort – war es denn auch, welche 1789 „überwunden werden sollte“, mit ihr „der isolierte Mensch als solcher“. Was sogleich kommen sollte im Recht: nach dem Revolutions-Blitz von 1789, nun in ruhig schimmernder Beleuchtung, wenn nicht gar als eine geistige Erleuchtung, das war:
III. „Staat“ als „Wert im Recht“
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III. „Staat“ als „Wert im Recht“ 1. „Staatssouveränität“ a) Einen „Staat als Souveränitätsträger“ hat es vor 1789 im rechtlichen Denken nicht gegeben. Ludwig XIV. war mit seinem „L’Etat c’est moi“ nicht ein Potentat der Staatlichkeit, als den ihn Kritiker wie Bewunderer, verunglimpfend und doch immer wieder bewundernd, haben sehen wollen. Der Große König war vor allem kein Verkündiger einer „Staatssouveränität“, des Rechts als eines strebenden „Willens zur Macht“: er proklamierte hier nur seine Macht als ein „Es ist erreicht“, auf immer! Wenn darin die Erfolgsgeschichte einer Monarchie als Potenz kulminieren sollte, so konnte es nach einem Louis Le Grand, nach dieser Institutionalisierung eines GroßKönigtums zu Beginn des „Grand Siècle der (Französischen) Literatur“, kein Wesen mehr geben, das, obwohl rechtlich „als Staats-Souverän“, sich auch nur so nennen konnte. Vor allem durften solche Privilegien auch nicht einem Staat als einer „Person als Wert“ zuerkannt werden. b) Einen „Staat der Absoluten Monarchie“ hat es also nie gegeben. Nachdem auch „der Große Mensch als Bürger“ mit der Französischen Revolution, die Macht des Großen Dikators mit Napoleon Geschichte geworden war, entdeckte nun erst Historie als Disziplin den Staat als Betrachtungsobjekt systematischen Denkens im Verfassungsrecht: Geboren war so das wissenschaftliche Staatsrecht, damit die Vorstellung von einem „Staat als Wert im Recht, als einem juristischen Wert“. Nachgedacht konnte nun, ja musste werden über „Staatssouveränität“. Diese erreichte als ein verfassungsrechtlicher Topos, geradezu als Constitutivum einer neuen Disziplin, vor allem das Deutsche Staatsrecht. Nun wurde „der Staat als solcher“ in epochemachender Monographik behandelt. „Staatsrecht“ wurde geboten als „Staatslehre“, vor allem in Georg Jellineks „Das Staatsrechts des Deutschen Reiches“, in einer „typisch-deutschen“ rechtlichen Betrachtungsweise des Öffentlichen Rechts als solchen. In ihm waren zwar im Deutschen Reich die 1871 siegreichen Monarchen verbal Souveräne geblieben. Sie wurden nun aber als staatsrechtliche Organe gesehen.
2. Menschen als Staatsorgane in Wahlen a) 1919 brachte in Deutschland, was vielleicht nur die Folge einer militärischen Niederlage sein kann: den harten Schnitt eines Endes historisch lange überdauernder Verfassungswerte, getragen von Personen als Eigentümern der Macht, von Aristokraten, Monarchen. Nur mehr Reste früherer Potenzen mochten ihnen bis dorthin geblieben sein; noch immer waren dies aber goldschimmernde, weitleuchtende Zinnen; sie würden allerdings in Staatssouveränität bereits im 19. Jahrhundert (vgl. vorsteh. 1.), oft still-
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A. Das „Volk“ in der Begriffsentwicklung
schweigend, mit den einfachen Platten normativer Verfassungen eingedeckt. Überdauert hatten die Staatswappen auf den Giebeln ehr-würdiger, zwar nicht mehr „beherrschender“, immer aber noch herrscherlich erscheinender Gebäuden einstiger Macht. Diese letztere wurde aber schon in jener spätmonarchischen Zeit weithin abgetragen, „ab-geschafft“, im wahren Wortsinn, sie war vor allem zu betrachten in historischer Musealität. Allenfalls in romantischen Gefühlen konnte das bereits nüchterne späte 19. Jahrhundert noch fortwirkende Verbindung halten zu einstigen Zeiten, zu deren Werten, verkörpert in Werken der Kunst, darin zu einem früheren originalen, nicht nur originellen, Staats-Denken. b) Die Weimarer Reichsverfassung unternahm es nun aber, „den Menschen“, diesen geheimnisschwangeren und doch „blutvoll lebendigen“ Träger revolutionärer Mächtigkeitswerte (vgl. oben II.) zu organisieren „als Verfassungsorgan – als Wähler“. „Wahlen“ – war dies aber nicht doch ein wahrer Anti-Begriff zu „Werten“, ablaufend in klappernder Wahlpropaganda, als raschelndes Papier in Urnen geworfen? Wozu sollte sich der Wahlbürger hier „bekennen“, an jenen Sonntagen, an denen er, in vollem Wortverständnis „nichts Besseres zu tun hatte“, als Zettel in „Nachttöpfe der Staatlichkeit“ zu versenken, wie dies Hans Nawiasky satirisch genannt hat? Diese „Weimarer Zeit“ ist von den hervorragenden Vertretern des „Deutschen Staatsrechts“ in jener Epoche „mehr behandelt“ als „propagiert“ worden. Geistige Vorbildbedeutung konnte dieses Deutsche Weimar, in seinem geschichtlichen Umfeld von verlorenem Krieg und Reich, allenfalls wissenschaftlich verdienen, politisch aber nicht erlangen, in seiner nun auch international zweitrangigen Bedeutung. Verfassungs-Begeisterung, vielleicht gar etwas wie eine Liebe zu einer solchen Ordnung – wo und wann hätte es das je gegebenen ohne neue gemeinsame Werte? In Deutschland liefen Straßenschlachten ab zwischen enttäuschten früheren Soldaten und brotlosen Arbeitern, nicht aber demokratische Wertschöpfungen. Heute mutet diese noch immer nicht selten als verlorene Chance der Demokratie geradezu betrauerte Periode mehr an als eine große Krise von deren zentralem Wert, der menschlichen Freiheit, und in einer solchen sollte diese Zeit denn auch enden. All dies ist Mahnung, nicht Vorbild für die Gegenwart. 1933 hat etwas geendet, was nicht mehr war als „Müh und Plag einer Staatlichkeit“, ohne das, was allein eine solche hätte stützen müssen, halten, heben können: politischer Erfolg, zumindest wirtschaftlicher Aufstieg. Auf dieses Weimar folgte vielmehr, was noch heute in Vielem einer Bewältigung bedarf, als eine schwere historische Hypothek der Deutschen:
IV. „Volk“: (Höchst-)Wert des Rechts (?)
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IV. „Volk“: (Höchst-)Wert des Rechts (?) 1. Faschismus: „Geschichte als Alter-Neuer Wert“ a) Ein „Deutsches Volk“ hatte es in der Verfassungsgeschichte als zentrale Begrifflichkeit nie gegeben. In der politischen Historie dieses Gebietes – so lange: nicht eines Landes – war diese Bezeichnung nie und nirgends wahrhaft „geläufig“ gewesen. In Frankreich dagegen war, wenn nicht das „französische“, so doch „ein Volk“ 1789 auf der politischen Bühne erschienen, nicht mit einem übergreifenden Namen, jedoch in einem politisch mächtigen, juristisch wahrhaft blitzhaften Aufleuchten. In Italien hatte, aus mancher alt-völkischen Wurzel heraus, der Republikanismus dieses Wort aufgenommen: Wenn schon nicht ein Popolo Italiano – ein Popolo d’Italia entfachte, auf Papier und im Geist, eine Flamme, die bald auch in Deutschland zünden sollte. Mit der mächtigen Bewegung einer Basis-Partei griff dies über nach Norden. Der Italienische Faschismus ist, nach dem Weltbrand von 1939/1945, nie hinreichend vertiefend gewürdigt worden. Die „Legionen des Faschismus“ erschienen eher wie Riesenspielzeuge angesichts der Gewehre und Kanonen Stärkerer, der Deutschen, welche nicht so langedauernde Herr- und Knechtschaft in Kleinstaaterei festgehalten hatte. So suchte denn dieses „Volk Italiens“ – wahrhaft ein solches von Dichtern, Denkern, Künstlern – einen verspätet-romantischen Rückweg in seine Vergangenheit: Sein Staatskolonialismus des „Impero“ Mussolinis begegnete aber alsbald stahlharten angelsächsischen Gegenkräften, an welchen der historische Reichs-Anspruch Italiens zerbrach.
2. Deutscher National-Sozialismus: „Totale Volksgewalt als Höchstwert“ a) Weit mehr noch an Historie sollte aber in diese Kriegs-Trümmer stürzen: Das „Neue“, das „Herrliche Reich der Deutschen“. An seiner geistigen Wiege von 1933 standen nicht schon gepanzerte Krieger: Da war Niederlage, nichts als verlorener Krieg. Über all diesem Elend – hungernde Arbeiter, „Herr Doktor, haben Sie zu essen?“ – ließ sich plötzlich schauen in einen hell(braun)en, nicht in einen roten Himmel. Gegenüber den harten Siegern von 1918 war nur eines in Deutschland angesagt, was einst die Marseillaise in Frankreich vorgesungen hatte: „Bürger, zu den Waffen! Formiert Euch in Truppen! Marschiert!“ Mit dem Nationalsozialismus schien er plötzlich da, der „ganz große Bogen“, wie er in Deutschland vorher nie hatte geschlagen werden können: „Adel – Bürger – Arbeiter“. Wurde so nicht etwas erreicht wie der „Germanische Heerbann“, eine deutsche Form der französischen „Levée en masse“? Aber nicht blutrünstig-unge-
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A. Das „Volk“ in der Begriffsentwicklung
ordnete Revolution kam herauf. Alles geschah „In festem Schritt und Tritt“: „Werte“ wurden beschworen, „Verpflichtungen“ zu dem, was den französischen Erzfeind früher gestärkt hatte: Revanche. b) Die große Masse der geschlagenen Deutschen konnte sich in einer solchen „Grund-Welle“ („vague de fond“) an ein Wort klammern, mit, ja von ihm hochgetragen werden: das Volk – und so geschah es. Man mag heute in ruhigerer Gegenwart, darüber nachdenken, ob und wie man damals diese politischen Sturzfluten hätte aufhalten können – sollen. Doch „die Situation war da“: Verfassungshistorie hatte nichts mehr anderes zu bieten als das Neue, das „Völkische der Nationalsozialisten“. Dieses neue Kern- und Kennwort der (Neuen) „Bewegung“, es hatte zwar Geschichte in Deutschland: „Nun Volk, steh auf, nun Sturm, brich los!“. Als ein Verfassungsbegriff war das Volk aber ein Novum in Deutschland. Aus unklar-romantischen Vorstellungen heraus mochte es bereits mit Dynamik erfüllt werden – in geistig konstruktionsfähigen, vor allem in rechtlichen Inhalten war es zu (er)finden, zu (er)schaffen. Wie fast immer am Beginn solcher staatsrechtlicher Integrationsprozesse neu entstehender politischer Gemeinschaften – einst von „Persern“, „Karthagern“, „Moslems“, „Türken“ – musste „Völkisches“ inhaltlich gewonnen werden aus irgendwelchen entwicklungsmäßig bereits nahe – irgendwie eben „offenliegenden gesellschaftlichen Wurzeln“. „Historisierendes Hochrechnen“ in (gerade) noch fassbare Vergangenheit musste dies erlauben. Wissenschaftliche Betrachtung brauchte dabei mehr nicht zu bieten als einen allenfalls noch diskutablen Ansatz. Und er bot sich ja an: Dieses „Volk als ein Rechts-Begriff“. c) Im Nationalsozialismus durfte nun Das Volk wahr-genommen werden, erstmals auch als ein begriffsjuristisches Phänomen, nicht mehr nur als ein politisches Faktum. Damit war dann aber auch eine disziplinierende geistige Verpflichtung dem Staatsrecht auferlegt: In allem Völkischen hatte es einen Wert zu sehen, nicht nur in der Politik, sondern auch, ja zu allererst, im System der juristischen Imperative. Diese rechtliche Werthaftigkeit tat der virtuellen Gestaltungs-, ja Schöpfungskraft des Volksbegriffs nicht nur keinen Abbruch, sie sollte ihn als solchen vielmehr sogar stärken im Nationalsozialismus als einer Volksbewegung. d) Nun waren, aus diesem Volksbegriff heraus, sogleich harte rechtliche Grenzen zu ziehen „im Namen der Bewegung“: Die Nationalsozialisten mussten „Feinde“ aus-machen, „sich in ihnen (voll erst) finden“: Kommunisten, Juden, Freimaurer. So konnte es ihre Jugend in ihren Liedern singen, wahrhaft „schön“, begeisternd bis auf Schlachtfelder. Da war etwas vom „Schönen Staat“… Für Verbrechen stirbt sich nicht. Am Horizont tauchte ein „Morgenrot auf“, Millionen von Soldaten nahmen es mit ins Grab, in „Treue fest“. Und zugleich starben Juden, Kommunisten, Freimaurer, ausgestoßen aus/von dem Volk der Ihren, der Deutschen Dichter und Denker.
IV. „Volk“: (Höchst-)Wert des Rechts (?)
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„Und Alle, Alle kamen“ – so war es verkündet worden. Was kam, war das Ende einer Welt: sie verklang in einer letzten Reichs-Sendung: „in einer zugleich Götterund Mörder-Dämmerung“.
3. Eine unbewältigte Vergangenheit (?) a) Das Deutsche Staatsrecht ist belastet mit einem historischen Problem, für das und zugleich an dem so Viele gestorben sind: Der Nationalsozialismus – und dies war eben (doch auch) seine „Bewegung“ – musste geistig „bewältigt“ werden: als Heldentum zugleich und als Verbrechen. Nach dem II. Weltkrieg sah es wohl jahrelang so aus, als würde diese schwere menschliche Aufgabe befriedigend, weil befriedend zu erfüllen sein, als würde diese Vergangenheit ablaufen – verlaufen. Der Erste Bundeskanzler war ein Glücksfall der Geschichte, kein Geschenk der Sieger: Da war ein Deutscher, der die Sintflut überstanden hatte, aufrecht stehend, nicht nur in heimlicher Kritik. Mit ihm stellte sich ruhiger religiöser Glaube gegen Enthusiasmus und Wahn, ein Mensch, der nicht in Worten glänzte, der ganz einfach „nur da war“: in „Gegenwart“ – so wie er auch früher, im „gefährlichen Reich“ schon dagewesen war. Mit Konrad Adenauer verloren sich die Staatskräfte der Reichs-Stürme der Nationalsozialisten in Bonner Ruhe: Es war, als breite sich aus, über Trümmer, Gräber und Menschen, „Le silence de la Mer“, die Hoffnung Vercors (Jean Bruller, 1942) von einem Karolingischen Europa. War da nicht endlich wiedergefunden „Der Große gemeinsame Wert in Staatlichkeit, Karls Schatz in Rechts-Münze?“ b) Doch Kräfte früherer Staatlichkeit ließen den Kontinent nicht zur Ruhe kommen. Das Ende des Kommunismus, ein „Staatsausbruch“ als Glücksfeuer begrüßt, trug ungeahnte neue Staatlichkeitskräfte in das noch im Entstehen begriffenen (West-) Europa: Dort wurde damit Vergangenheit befestigt, nicht zuletzt auch mit Resten von Staats-Stolz, den der Neue Osten nur allzu rasch aufnahm, von Prag über Warschau, Moskau, Wladiwostok – bis nach Peking. Es war als nehme die Geschichte eine historische neue Revanche an jenen Deutschen, Franzosen und sogar Briten, die von einer „ganz neuen Staatlichkeit hatten träumen dürfen, einer Europäischen“: „Europa“ war ihnen vor Augen gehalten worden, in Ansätzen eines gemeinsamen Rechts nach 1945. Doch nach jener kurzen Europäischen „Adenauer-Ruhe“ setzten sich doch wieder die alten, die als solche nie besiegten Groß-Mächte durch. Immer schwächere, ja ängstliche Gemeinschafts-Töne wurden auch im unverbrüchlich europäisch sich gebenden Bundes-Deutschland hörbar: „Habt Acht, Habt Acht – was ist aus uns geworden?“ Singen Amerikaner, Russen, Chinesen nicht alte Lieder der „Deutschen“: First, first… Was folgt diesem Wort? Den Deutschen bleibt nur eines: Hinzuweisen auf ihre Vestigia terrent. Ihr einstiger Löwenmut – er hat Opfer verschlungen, am Ende sich Opfernde…
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A. Das „Volk“ in der Begriffsentwicklung
„Deutsche immer Opfer“ – so lächelte mancher Sieger. Sollte es nicht heißen: „Deutsche für immer Mahner“? Und dürfen sie heute nicht sagen „Man hat sich bemüht“? Bis heute: Vielleicht – doch …
V. „Volk“ als „Rechts-Wert“: Notwendigkeit einer Begründung „Demokraten“, Vertreter einer Volksherrschaft in der Politik, stellen sich in aller Regel die Frage einer Legitimation ihrer Staatsform als der besten möglichen gar nicht, oder nur „im Vorübergehen“. Besteht denn hier auch überhaupt eine Notwendigkeit „rechtlich zu begründen“? Diese Volksherrschaft hat sich eben politisch durchgesetzt, sie entspricht gegenwärtig einer verbreiteten faktischen Lage, bildet diese ab. Sollte das an irgendeiner Stelle, in einer Ausprägung ihrer juristischen Form, ihres rechtlichen Inhaltes, (noch) nicht voll gelungen sein, so lässt sich dies eben „unschwer demokratisch korrigieren“. Die Volksherrschaft gilt als „die Beste aller Staatsformen“, gerade weil sie unbegrenzt der Verbesserung fähig erscheint, und zugleich änderungskräftig nach ihrem rechtlichen Wesen. Diese Haltung – und sie ist eindeutig herrschend in der Gegenwart – mag einer menschlichen Überzeugung entsprechen, mehr oder weniger verbreitet nach politischer Lage – (etwas wie) eine endgültige, unwiderlegliche Begründung für die Herrschaft des Volkes als die „bestmögliche“ bietet sie jedoch nicht. Gerade dass dieser „Souverän Volk“ sich in immer neuen staatlichen Formen zeigen kann, in stets wieder erneuten rechtlichen Inhalten – diese seine historische Veränderbarkeit bedeutet eine besondere politische Kraft; sie muss ihm als solche erhalten bleiben, als Rechtswert sich also stets finden (lassen) im „Volk“, in Formen und Inhalten von dessen Entwicklung. Dieses „Volk als Rechtswert“ hat in dieser Entwicklungsgeschichte ganz unterschiedliche Begründungen erfahren. Dies soll nun im folgenden Kapitel in seinen Stadien gezeigt werden. Es wird sich erweisen, dass diese Evolution nach immer im Lauf ist, sich in Wandlungen dessen wohl weiter fortsetzten wird, was jemals unter „Volk“ verstanden wird – bis endlich ein neuer Träger die Bühne der Macht betritt, der sich so nicht mehr will nennen lassen. Manches in Legitimationsbemühungen von Führern, ja Diktatoren mag allerdings auch dann noch erinnern an frühere demokratische Begründungen… Was wird dann eine solche Neue Zeit des Staatsrechts bringen? Wie wird er sich nennen, der Neue Souverän: „Führer“, „Volks-Führer“, „Volks-Mann“, „VolksMensch“ – Mensch – „allein“? Doch ein solcher „Neuer Lauf von Staatlichkeit“ hat noch, vielleicht noch längst nicht begonnen, wer weiß wann – ob – es je geschieht… Eine Legitimation der Demokratie aus „Volk als Rechts-Wert“ ist also noch immer, und stets von Neuem, Aufgabestellung des gegenwärtigen Verfassungsrechts… Dies soll nun, in gebotener Kürze, ein historischer Überblick einleiten.
B. Volk: Wertlegitimation aus rechtlicher Aufgabenstellung – Phasen einer historischen Entwicklung I. Antike 1. Griechisches Staatsdenken a) „Demokratie“ führt verbal auf altgriechischen Sprachursprung zurück. Diese Staatsform muss sich also, in der Wertigkeit ihrer Aufgabenstellung, zurückverfolgen lassen in die Begriffswelt jener historischen Epoche. Der Begriff „Staats-Aufgaben“ darf dabei in einem sehr allgemeinen Sinn von „Gegenständen des Machteinsatzes der Gemeinschaft“ verstanden werden. Für die Bedeutung des „Demos“ in den geschichtlichen Erscheinungen der „klassischen“ Griechischen Staatlichkeit ergibt bei solcher Betrachtung: Der Begriff „Staats-Aufgaben“ darf hier in einem sehr allgemeinen Sinn von „Gegenständen des Machteinsatzes der Gemeinschaft“ verstanden werden. Den beiden griechischen Hauptmächten Sparta und Athen gelang eine faktischpolitische Erweiterung ihrer Herrschaftsräume, jener Macht mehr zu Lande, dieser vor allem zur See. Beides erfolgte über den Einsatz militärischer Kraft, beschränkte sich auf deren seinerzeit mögliche und übliche Formen. Repräsentanten der Staatlichkeit waren in der geistig von griechischem Denken beherrschten antiken Welt die Vertreter einer „Wehr-Macht“, welche für die gesamte Gemeinschaft sprachen. b) Es war nun aber keineswegs diese (Ab-)Wehr-, diese SelbstbehauptungsVorstellung, welche die „Alten Griechen“ mit dem Wort „Demokratie“ einer um viele Jahrhunderte späteren Welt hinterlassen haben: in rechtlicher Aufgabenstellung hat „das Volk der Griechen“ die Gegenwart erst in vielfachen Brechungen und schließlich in dem erreicht, als was es heute im Staatsrecht gelten soll: „Volk als Träger der Staatlichkeit“. In diesem Wort werden, mit oft allzu großer verbaler Selbstverständlichkeit, Entwicklungsphasen des „Volks-Begriffs“ angeblich zusammengesehen, in Wahrheit aber übersprungen. Diese Perioden haben jedoch, wenn nicht in all ihren Einzelheiten, so doch in ihrem Ablauf, insgesamt deutliche geistige, inhaltlichbegriffliche Spuren hinterlassen im Volks-Begriff. Das ist nicht ein „Ballast einer Vergangenheit, die überwunden werden muss“, hier liegt ein Nibelungen-Schatz für die Gegenwart, der Heutigen stets noch entgegenglänzt, wenn Augen des Rechts ihn nur sehen können und wollen – vielleicht sogar in Liebe…
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B. Volk: Wertlegitimation aus rechtlicher Aufgabenstellung
c) „Das Land der Griechen mit der Seele suchen(d)“ – das mochte der Große Dichter ersehnen, auch darin Prototyp des Einzelnen in seiner Einmaligkeit. Für ein „Land der Römer“ wäre dieses Wort nie jemandem in den Sinn gekommen. Mit „den Griechen“ war „menschliche Höhe“ als solche angesprochen, in all ihren geistigen und physischen Erscheinungsformen – einfach die erste geschichtlich begegnende Hochkultur in der Gesamtheit ihrer Ausprägungen. Sie begegnete nicht nur „in einem Land“, nicht mit bestimmten Leistungsformen, Durchsetzungskräften wirksam gerade in dessen Räumen. Da war nur eines: „Der schöne Mensch“, erkannt in der Einheit all dessen, was ihn eben als ein „diesseitiges Wunder“ zeigte, jenen „seligen Augen“, die ihn in Stein (sc)hauen durften, etwas von ihm täglich in ihrer Existenz erleben. Wer hätte sich je in Deutscher Klassik oder Romantik wirklich „gesehnt nach einem juristischen Volk“, gerade nach „den Deutschen“? In jener griechischen Antike war, und kam später mit ihr zurück, Volk i. s. von „Kultur“ einer Völker-Familie, nicht Staatsrecht, nicht ein „Staat in seiner rechtlichen Erscheinung“.
2. Römischer Staat a) Die Römische Antike hat dem gegenüber etwas anderes, etwas wirklich „ganz Neues“ gebracht, erstmals „mit ihrem Recht“: einen Staat. Auf Feldzeichen trugen ihn Adler den Legionen voraus: Senatus Populusque Romanus. Verbal schien hier nichts anderes verkündet als Machtträgerschaft(en), militärische Kraft, nicht deren „Wandlung in Legitimation zu Recht“. Und doch hat sich in Rom eben dies vollzogen: Formfestigung von Herrschaft in einer Formgebung des Staatsrechts. Da war nicht mehr eine Schönheit, mit der „selbst-verständlichen“ Folge ihrer Bewunderung durch Menschen, die ihr als Wanderer in ihrem Leben begegneten. Da war nur mehr ein Zwang, der einer Zuwendung von Untertanen so wenig bedurfte wie er sie überzeugen musste von allem quod legis habet vigorem – weil dies eben in Formen des Staats-Rechts den Bürger erreichte, beherrschte. b) Damit wuchs dieses „erste wirkliche“, dieses Römische Recht nicht nur in seiner formalen Durchsetzungskraft entscheidend hinaus über die Überzeugungsmacht einer Bewunderung antik-griechischer Schönheit. Es erreichte diese RechtsOrdnung auch eine völlig neue inhaltliche Geltung in ihrer Gegenständlichkeit: Zu solchem Recht konnte nun alles werden, in/zu Recht erwachsen, quod Principi placuit, d. h., eben alles, was nach seinem jeweiligen Inhalt eben (irgendwie noch) auf einen (Herrschafts-)Willen sich zurückführen lassen mochte, als Inhalt eines Befehl(en)s. Inhaltlich geboren und auch faktisch entstanden, war so eine/die Welt des Rechts. Alle Ausdehnungs-Erweiterungspotenzen, wie auch sämtliche Begrenzungen, welche menschliche Wesen ausdrücken mit diesen ihrem Wort „Welt“ – sie finden damit ihre Grundlagen bereits in der Antike, in diesem Römischen Recht.
II. Mittelalter: „Volk Gottes“ – „Gottes-Staat“
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Zugerechnet aber wird diesem „Rom“ vor allem, was es geistig hervorgebracht, der Nachwelt hinterlassen hat: der Staat. Was bedeutet nun in dieser „Imperialen Staatlichkeit“ „das Volk“, der „Populus? Diese Frage muss, seit jenem „Rom als Weltmacht“, für jede historische Periode zur Frage werden. Antworten kann nur jeweils eine entwicklungsgeschichtliche Betrachtung, wenn nicht liefern, so doch wenigstens nahelegen. Von einem „Staat der Römer“ war allerdings nie die Rede in dem Sinn wie von einer „Welt der Griechen“ (siehe oben 1.). „Rom“ ist vielmehr eingetreten in die Historie, mit der Vorstellung seines Imperiums, in der Form einer „Entpersonalisierung der Herrschaft in Staatlichkeit“. Entscheidend ist aber: „Seit Rom“ gibt es „den Staat“ im menschlichen Denken. Mit, in ihm „das Staatsvolk“ – welches Volk aber?
II. Mittelalter: „Volk Gottes“ – „Gottes-Staat“ 1. „Humanisierung des Volkes“ a) Das Römische Staatsrecht hatte, mit seiner Souveränität von „Senatus Populusque Romanus“, eine staatsrechtliche Institutionalisierung (auch) des „Volkes“ gebracht. Dieses war damit aber nicht im Einzelnen, es war vor allem nicht juristisch ausgeformt, definiert. „Volk“ war nur ein Wort zur Bezeichnung einer neuen, trägerunabhängigen Staatlichkeit. Als diese nun zusammenbrach unter den faktischmilitärischen Schlägen in den Raum der Welt-Geschichte einbrechender, vor allem germanischer Völkerschaften, führte dies auch zu einer neuen Vorstellung vom „Volk“: Die Mächtigen des nun beginnenden Mittelalters gewannen diese, mangels eigener sprachbegrifflicher Ordnungskraft, aus dem von ihnen „geistig angenommenen“ Christentum. b) Diese Religion war ausgegangen von einer in ihren menschlichen Ausstrahlungen machtvollen Persönlichkeit, dem Gekreuzigten. Von seinen Gefolgsleuten und deren mit gleichen Kräften begabten Nachfolgern wurde zwar die Staatlichkeit der Römer historisch weitergetragen in die Geschichte des Mittelalters. Dies geschah nun jedoch im Namen eines „Volkes“: in Formen einer „religiösen (Re-)Humanisierung des Staates“, in historischen Stadien: Vom Gottes-Volk Israel über das Christliche Volk der, aller Getauften, zum Kirchen-Volk in Staatskirchlichkeit. In dieser Historie wurde das „Volk Gottes“ zum „Gottes-Staat“.
2. „Gottes-Volk“ im Judentum Am Beginn dieser Geschichte „Staat aus Volk“ steht, seit der Antike, jüdische Geistigkeit: Aus dem „Volk Juda“, nur aus ihm, wird der Erlöser kommen. Nicht er aber ist wichtig, sondern was er seinem Volk bringt: dessen Befreiung aus der
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B. Volk: Wertlegitimation aus rechtlicher Aufgabenstellung
geistigen Verirrung des Heidentums, und auch noch aus dessen Endphasen in der griechisch-römischen Antike mit ihrer Staatlichkeit (vorsteh. I.). Das Judentum hat in seinem „Volk Israel“ die antike Institutionalisierung des Volkes in seine, in alle künftige Staatlichkeit hineingetragen, damit auch den VolksBegriff: In diesem ethnischen „Volk“ allein fand „Erlösung“ statt, in ihm zeigte sich der „Erlöste Mensch“. Zu seiner Seligkeit sollte, konnte ein Weg ihn führen nur über ein solches „Volk“, nur über ein Leben in einer derartigen Gemeinschaft.
3. Volk – in/als Kirche In dieser geistigen Lage setzte nun jene geschichtliche Phase der Vergeistigung des Volkes ein, welche das Christentum gebracht hat: Die Erlösung des Volkes Gottes aus dem Glauben seiner Menschen an Jesus als den Retter. Er aber war doch erschienen, in dieser seiner Religion, in einer Kirche, die allein ihn besaß, verwaltete, austeilte in ihren Sakramenten. In der Taufe fand diese kirchliche Wieder-Geburt statt, betrat ein Neuer Mensch die Welt seines endlich, endgültig von ihm erkannten Gottes. In Gemeinschaft mit ihm wurde der Mensch als Einzelner selig. Diese Gemeinschaft umfasste alle Getauften, das totale Glück Gottes gab es für den Menschen nur in ihr, als ihr Glied, gerade in dieser „Gliedhaftigkeit des Volkes Gottes“, in der Kirche.
III. Neuzeit 1. Neue Entwicklungslinien: „Volk als Wert“ Die Zusammenfassung der Menschen in diesem Volk musste nun aber in der sichtbaren Welt eine Form finden, in welcher sie erkennbar bleiben konnte, in „diesem Diesseits“. Die Geschichte hat solches nur in einem bisher stets gezeigt: in Staatlichkeit – im Staat. In der Form des Staats-Rechts ist „das Volk“ denn auch in den historischen neueren Stadien seiner Entwicklung juristisch fassbar geblieben: „Volk als Wert“. Das soll nun rechtlich beleuchtet werden (i. Folg. III.). Diese Darstellung wird aber ausmünden (i. Folg C.) in die Erkenntnis eines Niederganges von Wertigkeiten bisheriger Volksgemeinschaften, im Verlust von deren wertbestimmenden Kräften: Gleichheit, Zahlen, Führung. Die Erkenntnis dieser Entwicklung wird einen Weg zu etwas Neuem aufzeigen: zu Vorstellungen einer Neuen Demokratie in Ökonomie, zu einem Volk als einem „Wert in Gütern“ (i. Folg. D.): Dieser Weg wird führen von einem „Volk“ als einem „Wert in Ablauf“, als einer „Verfassungs-Gewalt in Bewegung“ (I.), über diese „Neue Demokratie als Ende der
III. Neuzeit
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Verfassungs-Geschichte“ (II.), bis zu einer „Verfassung als Ökonomie“ (III.). Demokratie wird sich also darstellen in Form von Gütern als Werten (E. I., II.). Doch „Demokratie als Staatsform“, „Volk“ als ein „Wert in Gütern“ – dass wird sich nicht erschöpfen in Formen der Produktion solcher Güter in Gemeinschaft (i. Folg. E. III., IV.). In der Demokratie, in „ihrem Volk“ findet auch Gütergenuss statt (i. Folg. F.). Damit zeigt sich „Demokratie“ als eine dauernde rechtliche „Umverteilungs-Bewegung“ (i. Folg. G.). Sie ist „Vorgang“, nicht „Zustand“ (i. Folg. G. I. bis IV.). Darin ist der „Demokratische Staat“ eine Entwicklung in Zeit-Lauf (i. Folg. G. V., VI.), in ihm erscheint „das Volk“ wesentlich im Ablauf(en) einer Umverteilung (i. Folg. G. VIII.). Ist all das dann nicht wahrhaft „eine Neue Demokratie“? Ist es die endgültige? Oder führt nicht doch (aus ihr „auch“) ein „Weg zurück“ in eine „Demokratie als Staatsform der Rechts-Transzendenz“, zu einem „Staat aus – über Menschen als Werten“ (A. I., H. III.)?
2. Das „Volk“: Rechtsträger der Staatsordnung (1815 – 1945) a) „Volk“ als Macht-Träger Die Französische Revolution hatte 1789 etwas versucht wie eine „Umwertung aller früheren/bisherigen Verfassungswerte“. Für kurze Zeit – Monate, nicht Jahre – hatte sie Derartiges auch historisch bewirkt – rechtsgrundsätzlich vollbracht hat sie es nicht. Bald, geschichtlich vielleicht allzu rasch, sollte sie einmünden, sich „einfassen“ lassen in Rechtsformen eines neuen Verfassungsrechts. So hatte es bereits Napoleons Wille bestimmt; die politische Willensmacht der Siegermächte hat diese rechtliche Bändigung der ungestümen Volks-Kräfte von 1789 in Konstitutionalismus aufgenommen. Zeitlich für mehr als ein Jahrhundert erschien darin „das Volk kanalisiert in Rechtformen der Staatsordnung“. Diese wiederum wurde rechtlich verfasst angesehen in einer numerischen Vielzahl von Menschen. In dieser gesamten zeitlichen Entwicklung wurde „Volk“ von einer Verkörperung politisch faktischer Macht zum rechtlichen Macht-Titular, in einem Rechts-Begriff. b) „Volk“ – aus Menschen Auswirkungen zeitigte dieser „Ablauf in Rechtsvorstellungen zu einem Volk als Verfassungsorgan“ nun aber, ja vor allem, in dem, was eine derartige Volks-Macht (noch) bedeuten konnte im Sinne eines Verfassungsorgans: Nicht mehr „der Mensch in seiner Wert-Qualität“ war nun Betrachtungs-/Ordnungsgegenstand des Rechts. Vielmehr war er zu sehen, und eben dann auch zu (be)werten, in seiner Viel-Zahl, d. h. als eine quantitative Größe, in den einer solchen wesensgemäßen wertfreien rech-
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B. Volk: Wertlegitimation aus rechtlicher Aufgabenstellung
nerischen Operationen: Zwei Menschen repräsentieren Mehr an Rechtsmacht als nur einer, Hunderttausend weit mehr als Neunzigtausend. Größere Zahl bedeutet stärkere Rechtsmacht – Höheren Rechtswert; Zahlen bestimmen rechtlich die entscheidenden Verfassungsorgane.
3. „Volk“: Wert in Zahlen Das Zahlen-Volk der Mehrheit war nun das entscheidende Verfassungsorgan. Der seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts im Mittelpunkt des rechtlichen Denkens stehende „Staat“, dieses „Macht-Organ in/als Rechts-Organisation“ – es wurde umgeben, gefeiert im Glanz einer juristischen Neu-Entdeckung: in einer solchen sollte dem „Volk als Staat in Verfassung“ geradezu rechtliche Endgültigkeit zukommen, formal wie inhaltlich: Das Volk – rechtlich (er)fassbar als eine Größe in Zahlen, gerade darin (aber) auch als ein Wert des Rechts. Damit wurde beim „Volk“ zwar, wie es schien, zunächst nur ein RechtsträgerWechsel vollzogen – von der „Fassbarkeit des Menschlichen“ zur „Rechenbarkeit des Begrifflichen“. Doch dies geschah nun auch, setzte sich rechtsgrundsätzlich fort „in einer Staatsform“, d. h. in anderen Formen und Inhalten dessen, was den Staat doch bisher hatte konstituieren sollen: „Das Volk“ war nun nicht nur ein, es war das zentrale, das wichtigste, das höchste Verfassungs-Organ (in) der Demokratie. Als solches bezeichnet von nun an „Volk“ formal die Instanz des Letzten Wortes, inhaltlich all deren Befehle, denen daher nicht mehr widersprochen werden darf – kurz alles, dem (eine) Endgültigkeit zukommt. An die Stelle des „Volkes im Staat“ ist damit getreten „Volk als Staatsform in Demokratie“ – Volk als Erfüllung von Staatsaufgaben in seiner Volksherrschaft. „Volk“ ist nicht mehr nur eine Kraft, erkennbar als Wert in einem Vorgang von Wert-Schaffung; „Volk“ ist das höchste „Verfassungs-Organ“ der Demokratie als der rechtlich herrschenden „Staatsform der Gegenwart“. Zeigt aber nicht das Staatsrecht in einer solchen „Organ-Stellung des Volkes“ bereits einen gewissen Niedergang von bisherigen „Wert(igkeit)en menschlicher Gemeinschaften in deren staatstragenden Kräften“?
C. „Volk in Zahlen“: Feste Wertgröße? I. „Wert des Volkes“ aus Gleichheit der Menschen? 1. „Subjekt Mensch“ – Egalität Einzelner Im Begriff einer „Staatsform“ mag wesentlich das Bedürfnis ihrer Träger liegen, deren Daseins-, damit ihr Herrschaftslegitimation ständig zu legitimieren gegenüber all ihren Subjekten. Sie sind ihr eben nicht nur logisch zugeordnet, sie sind ihr „unterworfen“; so drückt es ja bereit jenes Wort „Subjekt“ aus. Dieser, sein verbaler Ursprung wurde allerdings bereits in einer langen Entwicklung im Staatsrecht immer weniger ernst genommen. Wie so viele Begriffe dieser Bemühung um eine übergreifende Gesamtordnung aller wichtigen Bezüge im menschlichen Leben, verlor sich auch „Subjekt“ immer mehr in einer Kennziffer-Funktion für diese Art von Lebewesen. Sie mochten in größerer oder geringerer Zahl zusammen auftreten – alsbald wurden sie in ihrem Volks-Verbund doch immer mehr nur wahrgenommen, „ein-geschätzt“, bewertet als Zahlengrößen nebeneinanderstehender gleicher Einheiten: also in ihrer Egalität als Einzelmenschen.
2. Demokratie – eine Quantifizierung der Werte in/durch Gleichheit der Einzelnen (?) Bis zur Üblichkeit verbreitete, ja zur Selbstverständlichkeit gewordene demokratische Gleichheitsbegeisterung wird von einem wahren Glauben, im Sinne oft schon religionsähnlicher Gläubigkeit, getragen: in diesem „Volk als/in/durch Gleichheit“ sei bereits etwas gefunden, dem politischen Menschen der Gegenwart geradezu erschienen: der neue Wert der Staatlichkeit der Gleichen. Dass „Quanten begeistern können“, dass sie „liebenswert sind“, dass Menschen gar für sie zu sterben bereit sind – davon geht diese Gleichheitsdemokratie aus, stillschweigend, eben „selbst-verständlich“, als läge ein allerhöchster Wert begrifflich schon in ihr. Wo könnte er denn rechtlich gefunden werden, wenn nicht in ihrer Souveränitätsvorstellung, in ihrem „Volk“? „Volk in Gleichheit als Höchstwert“ – allein in dessen Namen kann demokratisch gedacht werden und gehandelt, vom „Menschen als Quantum“ bis zum „Volk als Gleichheits-Quantum“. Und wenn „Demokratie dynamisch zu verstehen ist“, einen „Weg“ bedeutet, in der/als einer Geschichte von Menschen, so muss diese ihre Straße beschritten werden in „Staat-
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C. „Volk in Zahlen“: Feste Wertgröße?
lichkeit als einer quantitativen Wert-Suche in Gleichheit“, eben in Veranstaltungen, Bestrebungen eines „Staates gleicher Menschen“. So wird dann, in solchem Staats-Verständnis, diese neue demokratische Gleichheit in ihren Quantitäten zum (aller)höchsten Rechts-Wert. Das Volk, traditionell seit langer Zeit schon Wert-Träger der Demokratie, muss also, so scheint es in notwendiger Folgerichtigkeit, in dieser Vorstellung von „Häufigkeit als Wert“, bereits „als Quantität zum Wert werden“. Für dieses „Volk“ muss dann gelten: Je größer es ist, desto werthaltiger – wertvoller – mächtiger. Kann aber das Recht, kann die Demokratie Derartiges wirklich leisten, begründen, geistig (er)schaffen?
3. Quantifizierte Werte im Recht der Demokratie – „Quantenaddition“? Diese Vorstellung von einem „Volk als einer reinen Addition von Einzelmenschen“, welches als eine solche, gerade darin, zu einem (neuen Höchst-)Wert der Demokratie werden soll, liegt wohl der gängigen Staatsrechtsdogmatik zugrunde, als das Wesen dieser Staatsform. Jene Einzelmenschen, aus denen das „Volk besteht“ – aus ihnen erscheint dann folgerichtig „die Demokratie zusammen-gesetzt“. Woraus erwächst nun aber gerade „dem Volk“ die besondere Kraft eines derartigen „Zusammen“, also doch einer Integration der „Vielzahl ihrer Menschen als ihrer Subjekte“ zu einem „neuen Subjekt Volk“, als Träger einer in dieser seiner Neuheit höheren Rechts-Wertigkeit? Auf diese Frage nach dem neuen Wert (des) Volk(es), der so die Staatsform Volksherrschaft höchstrangig konstituieren und sodann rechtlich darstellen, abbilden soll – auf sie hat das geltende Staatsrecht bisher keine überzeugende Antwort gegeben, ja es hat sie (sich) in aller Regel nicht einmal gestellt. „Aufgefunden“ hat das Recht eben dieses Volk in der „Politik“. Ein gängiger, immer häufiger gebrauchter Topos „Volk“, als ein Acteur auf politischen Bühnen – er wurde „ganz einfach jurifiziert“, in die Welt des Rechts übernommen in der Staatsform Demokratie; und über die Verbalität des „Demos“ erschien „das Volk“ alsbald als (Träger des) Wesen(s) dieser Staatsform. Wie konnte dann jenes „Volk in Quantenaddition (von Menschen)“ überhaupt noch anders gedacht werden denn als ein „(Höchst-)Wert im Recht“? Diese fürwahr komplizierte gedankliche Operation hat „das Volk“ aus der Welt der politischen Fakten heraus- und hineingeführt in die geistige Welt der rechtlichen Werte. Sogleich ist es in dieser auch zu einer Höchst-Wertigkeit hinaufgewachsen – nochmals mit der wiederum rechtlich wirkenden Schubkraft des „Politischen“ – in der Staatsform der Demokratie.
I. „Wert des Volkes“ aus Gleichheit der Menschen?
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Aus politischer Kraft heraus ist so das Volk vom Faktum zum Recht geworden: als ein neuer Wert des Rechts soll es nun anerkannt werden, als „Wert aus einer Addition gleicher Größen“. Ist dies aber nicht ein Novum im mathematischen Denken? Erwächst der „Zahlendemokratie“ wirklich die transformierende Kraft eines „Zusammen“, einer integrativen, einer (Ver-)Binduung – einfach nur aus einem „Nebeneinander von gleichen Größen“, Größen in Gleichheit?
4. Volkseinheit in/durch Gleichheit – Höchstwert des Rechts? a) Die Demokratie setzt sich zusammen, sie „besteht“ in diesem Sinn aus Menschen, die „einzeln als Quanten erfassbar sind“, darin als Träger von Werten; so sieht sie jedenfalls das Recht. Dieses gegenwärtig in Geltung stehende Staatsrecht strebt daher eine Wertverwirklichung durch menschliche Träger an, gerade, wesentlich, ja ausschließlich in „seiner Staatsform Demokratie“. Staatsrecht soll dann in Werten überhaupt nicht mehr denkbar, rechtlich vorstellbar sein außerhalb dieser demokratischen Staatsform. Liegt nun aber diese Werthaltigkeit der Demokratie wesentlich in der Gleichheit ihrer Einzelnen, eben ihrer Menschen (vorsteh. 2.), so kann es in der Volksherrschaft auch nur quantitativ bestimmte Werte geben; und dass muss in erster Linie gelten für den „demokratischen Höchstwert Volk“: Er liegt dann im Quantitativen, in der Zahlengröße der Menschen, die er zusammenfasst. b) Dieses „Volk“ muss nun aber, schon verbal, damit auch begrifflich, sich präsentieren als eine Einheit. Lässt sich ein „Volk als Einheit“ rechtlich darstellen, begrifflich vorstellen, gerade, ja ausschließlich in der Staatsform Demokratie? Man ist nun geradezu versucht, hier etwas (mehr zu fühlen als) zu sehen wie ein „Geheimnis der Einheit“. Sieht sich hier ein nach staatsrechtlicher Erkenntnis suchender Betrachter nicht (doch) wieder zurückgeführt zu religiösen Gottes-Vorstellungen? Auch im „Gottes-Staat“ (vorsteh. B. II.) erschien ja dessen Allmächtiger verhüllt in einer geheimnisvollen Einheit. In einer solchen wirkten schon die Götter des Polytheismus, für die Bewunderer der Antike kamen sie zusammen auf dem Olymp, versammelten sich um den einen Zeus des Blitzes – um seine letzte Allmacht. Dies war Mythos. Setzt er sich fort in dem heutigen Versuch, die vielen gleichen Menschen in einer staatsrechtlichen Addition zum „Volk“ werden zu lassen, als einen (ganz neuen) Rechts-Wert – zum Höchsten Rechtswert (in) einer Volks-Souveränität? Trägt „Demokratie“ aber eine solche, eine wahrhaft gewagte geistige Konstruktion?
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C. „Volk in Zahlen“: Feste Wertgröße?
II. Demokratie als „Wert“ 1. „Demokratie“ – „Wert“ als politischer Leitbegriff des „Öffentlichen“ a) „Demokratie“ ist, politisch, politologisch und eben auch staatsrechtlich, wahrhaft „in aller Munde“. Seit 1945 ist das Wort, unter dem Sieges-Banner der Amerikanischen Sterne, zu etwas wie einem Fanal verbaler Welteroberung emporgewachsen. Keine politische Macht kann, darf, wird es wagen, „Demokratie“ nicht für ihre Staatsform zu reklamieren. Stets und überall, von einer Ordnung der härtesten Knuten bis zu einer Staatlichkeit, die sich möglichst in Festen, ja als „Fest“ „ausgelassen“ selbst feiern möchte – „Demokratie“ darf als Überschrift nie fehlen, nirgends, wo auch nur etwas sein soll von Fortschritt. Diese „Volksherrschaft“ ist für alles Öffentliche geradezu etwas geworden wie ein polit-sakraler Leitbegriff, der seine Legitimationskraft, seine „voll überzeugende Begründung gewissermaßen in sich (selbst) trägt“. Ihm gegenüber, ja allein in seinem Fall kommt im Staatsrecht der methodische Zentralbegriff eines „Hinterfragens“ nicht mehr zum Einsatz. Mehr noch: „Verbalität“ tritt hier auf in einer „Fremdsprachlichkeit“. Ihre, doch präzise, Übersetzung „Volksherrschaft“ erscheint kaum mehr, weder in politischen Sonntagsreden noch in staatsrechtlichen Traktaten. In diesem Begriff würde ja (vielleicht doch noch) etwas mitschwingen von dem, was „Demokratie“ gerade vergessen lassen will: Eine Herrschaftlichkeit, welche den einen Menschen, ja eine Gruppe von solchen, über andere gestellt sehen oder gar stellen wollte. Wer im Namen einer „Volksherrschaft“ zu agieren vorgibt, muss immer eines Widerstandes gewärtig sein, zu dem sich (irgendwelche) „Beherrschte“ (ver)sammeln: Sie können und werden dann nicht nur geltend machen, sondern auf ihre Fahnen schreiben, dass sie eben doch nicht „so ganz natürlich“ zu jenem „Volke“ gehörten, jedenfalls nicht, wenn man sie nicht (sogleich) staatsrechtlich betrachte, sondern auf ihre geographisch-ethnische Herkunft sehe. Dies letztere Perspektive aber sei doch für den „ganz unpolitischen“ – eben den „natürlich“, in seiner ursprünglichen Natur zu betrachtenden Menschen die eigentliche kraftspendende Beziehung, ja gerade „in politicis“. Wer also „Volksherrschaft“ auf seine Banner schreibe, der bringe das Volk um seine „natürliche Kraft“. Wer es dagegen in „Demokratie“ an der Spitze seines Staates, seiner Macht erkenne, der (an-)erkenne in ihm von vorneherein etwas nicht nur Bedeutsames, sondern etwas wahrhaft, weil bereits historisch-tiefergründig, seit der fernen Antike, „irgendwie Geheiliges“. Demokratie – das ist dann ein Wert, gegen den man sich vergehen mag, der aber nicht vergeht; und so vergeht auch nie sein Höchstes in solcher Staatlichkeit: sein Volk – weil es eben „der Höchstwert allen Denkens ist, in allem Öffentlichen“.
II. Demokratie als „Wert“
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2. Demokratie – Höchstwertigkeit auch im Privaten (Arbeit, Familie) a) Das Staatsrecht soll einen Norm-Inhalt als (Höchst-)Wert sichern. Erkennt man hier aber die Spitze einer Wertigkeits-Skala, so lassen sich deren normative Ausstrahlungen nicht beschränken auf einen Raum des „Öffentlichen“, wie weit immer man diesen ausgedehnt sehen oder wünschen mag. Solange dieser Öffentlichkeit noch etwas gegenübersteht wie „das Private“ als ein Raum eigenständiger Wertigkeiten für den Bürger, den dieser überschreibt: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein“ – solange und soweit muss eine „Demokratie als Gemeinschaftsform in Höchstwertigkeit“ stets und wesensgemäß immer versucht sein – und daher versuchen – ihre Leitbegriffe auch zu Normgrundlagen des „privaten Lebens ihrer Bürger“ werden zu lassen. Die staatsrechtliche Dynamik, mit welcher Demokraten diese Entwicklung voranzutreiben sich bemühen, wird sich sogar auf eine solche Demokratisierung der Privatheit konzentrieren müssen. b) Für den „Öffentlichen Sektor“, in einem politisch weiten Verständnis, mögen sich die Amis du Peuple – wie sie durchaus ja auch heute unterwegs sind, mit geradezu „totalitären Aspirationen“ – mit dem begnügen, was alles bereits geschieht im Namen des Öffentlichen (Rechts). Selbst strenger Etatismus darf sich dort beruhigen mit einem „Es ist erreicht!“; und dem wird man kaum den Vorwurf rechtlicher Überheblichkeit machen können, wird es doch stets zu-gesprochen dem menu peuple, dem „Kleinen Mann“, der hier sogar erstaunlichen Stolz zeigen darf. c) „Der Private Sektor“ jedoch, noch zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts in Freiheit Entfaltungskraft und Entwicklungsraum des Liberalen Einzelnen, sieht nun wahre staatliche Schlacht-Flotten einer kollektivierenden Demokratie gegen sich heranrücken, in der ruhigen Bedächtigkeit des Staatsrecht. So dringt Demokratie vor ins privat-bürgerliche Einzelleben, im juristischen Langsam-Gang einer Schildkröte, gesichert unter dem Schutz-Panzer juristischer Normen. In solcher Bedächtigkeit, ja oft unter dem Mantel der Bedenklichkeit, wird in der Gegenwart die Antike zur politischen Wirklichkeit im Bild des langsamsten Tieres, das den schnellsten HalbGott Achill hinter sich lässt. d) Die Demokratie bewahrt sich in all dem sogar noch die Begeisterungskraft der Apollinischen Geschwindigkeit in ihrem weitgehend doch so ruhig flutenden Licht: Sie war im Grunde überall gegenwärtig, wo es „wahren Staat“ gegeben hat, seit dem Altertum: „Zu Recht“ hat man sie immer gepriesen und vor allem eben „im Recht“. Dort, im Demokratischen Staatsrecht, darf und wird man sie weiter verehren – und führe dies auch „Hinunter und immer hinunter, und immer dem Bache nach…“ In Dekadenz? Und sei’s drum, sit venia verbo, diesem Wort des immer Kleineren Menschen ist Nachsicht geschuldet. Demokratie: Es war – nein! Er ist doch so schön, der Schöne Staat, „All dieses Demokratische“, „diese Demokratie“! Was den heutigen Menschen erfreut, begeistert, entzückt, bis in seine Umarmungen, in sein Privatissimum – er darf es doch (endlich auch wieder-)finden in „seiner Demokratie“! Ihr wird er dann alles schenken, was er, worin er sich (hin-)gibt, seinem Privaten
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C. „Volk in Zahlen“: Feste Wertgröße?
Partner, ja all seinen Privaten Mitmenschen: In Demokratie werden sie seine liebenswerten Partner – weil er sie liebt, als „dieses sein liebes Volk“. Doch genug der Begeisterung, der „Liebe zur Demokratie“, „Demokratie als, ja in Liebe“, wie sie uns Demokratisches Staatsorchester verspielt, als wahre Eroica! Lasst sie uns suchen, diese liebens-werte Staatlichkeit! Und wenn wir ihr heute nicht begegnen sollten, in ihren Zahlen (i. Folg. III.) und Aufgaben (i. Folg. IV., V.), dann eben einem Morgen, in einer Zukunft der Demokratie, in einem „Volk in Güter-Verteilung“ (i. Folg. D.)!
III. „Volk“ in „Werten“ Dieser Hauptteil C. der Untersuchung hat eine begriffliche Grundfrage des Staatsrecht zum Gegenstand: ob das so allgemein, ja leichthin als Werte-Repräsentant, als Vertreter der Demokratie gefeierte „Volk“ „im Rechtssinn als solches“ erfasst werden kann als ein Werte-Träger, darin eben dann auch als ein Werte-Repräsentant dieser Staatsform. Es geht dabei um nichts weniger als um „das Wesen der Demokratie in deren staatsrechtlicher Erscheinung“. Die Worte „Volk“ (Demo-) und „Staatlichkeit“ (-kratie) bilden heute bereits eine als selbstverständlich empfundene Begriffs-Einheit: eben in der gegenwärtigen Demokratie. Der Vertreter des Staatsrechts muss sich, wenn auch vielleicht in einer gewissen Resignation, zu diesem Begriff heute sagen lassen: „Einen besseren find’st Du nit“. Und das Staatsrecht der Gegenwart benötigt nicht nur Begriffe, welche Machtträger bezeichnen, sondern vor allem solche, welche Staatsformen als solche insgesamt charakterisieren und legitimieren. Geht man von einem solchen Demokratie-Verständnis aus, welches den Wert dieser Staatsform verdeutlichen soll, müssen sich der Untersuchung nun zwei Fragen stellen: - Kommt mit dem „Volk in Zahlen“ ein Organ im Staat in seiner „Führungskraft in Werten“ zum Einsatz (i. Folg. IV.)? - Liegt die Werthaltigkeit des „Volkes“ in der Erfüllung von Aufgaben als einem Entwicklungs-Ablauf (i. Folg. IV. 3., 4., V.)? Lässt sich beides nicht eindeutig bejahen, so muss „demokratisches Volk“, als Organ oder Gegenstand der Staatlichkeit, in einer anderen Wert-Dimension sich finden lassen, jedenfalls für die Volksherrschaft als eine zukunftsfähige Staatsform. Hier drängt sich dann zunächst auf: Demokratie als eine gemeinsam organisierte Güterproduktion zum Gütergenuss (i. Folg. D.).
IV. „Volk“ als Zahlen-Einheit: kein Organ einer werthaltigen Demokratie
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IV. „Volk“ als Zahlen-Einheit: kein Organ einer werthaltigen Demokratie 1. „Einigkeit macht stark“ – nichts als Selbst-Überzeugung a) Dies ist das Grundmotiv, ja geradezu das Motto jener, welche sich als Demokraten fühlen, als solche auftreten. Es erscheint ihnen damit als eine Legitimation dieser ihrer Staatsform. Doch weder wird in diesem wahren „Schlachtruf“ deutlich, worin denn nun die Einigkeit der Träger solcher Staatlichkeit als demokratischer Kraft zum Ausdruck kommen soll, noch ist sogleich einsichtig, wie, mit welchem Wirkungsergebnis sie sich darin dann zeigen muss, in einer demokratischen Gemeinschaft von Menschen. b) Über diese beiden logischen, damit aber auch rechtstechnischen Klippen lässt sich die Volksherrschaft, seit ihren geistigen Anfängen, gewissermaßen hinwegtragen. Ein Enthusiasmus, in dem dies nicht selten geschieht, kann aber nicht „Volk in Zahlen“ als einem „Wert“, einen Höchst-Wert begründen. „Einigkeit macht stark“ – dieses Wort ist gesprochen aus Begeisterung heraus; soll eine solche wirklich „hervorbrechen“ aus Studierstuben von Staatsrechtlern? Intellektuelle mögen oft, wenn nicht stets, in der Versuchung stehen, an „die späte Wahrheit zu glauben“, die vor allem dann überzeugt, wenn sie geradezu als ein Wunder aufscheint. Solch staatsrechtlich-demokratischer Wunderglaube aber wäre „nun wirklich Un-Sinn“, würde verkündet als Wesen dieser Gemeinschaft „Volk“, sie „sei zu lieben bis zu einem Sterben für sie“. „Einigkeit macht stark“ – darin liegt nicht rechtslogische Begründungskraft. Nicht selten ertönt hier nur etwas wie ein geradezu trotziger „Machtruf in Selbst-Überzeugung“. c) Das Wort „Überzeugung“ spricht in diesem Zusammenhang etwas an, in der Umgangssprache wie in einer Rechtsterminonologie, in welche jene immer wieder – auch „unkritisch“ im kantischen Sinn – hineinwirkt, und zwar in einer Doppeldeutigkeit: - „Überzeugung“ prägt den Menschen, und eben auch den Vertreter des Staatsrechts als einen solchen, wenn er überzeugen will, in einem Geisteszustand also, in welchem er sich kraftvoll unterwegs sieht, jedenfalls ganz so fühlt, auch wenn er dieses sein Ziel noch nicht voll erreicht hat, diesen Zustand noch gar nicht sieht – aber eben „an ihn glaubt“. - „Überzeugt“ verhält sich aber auch der Mensch – und eben wieder auch der Staatsrechtler: „hier ist er’s, hier er darf er’s sein“ – weil er bereits überzeugt ist, aus diesem seinem schon erreichten Zustand heraus weiter handeln will, diesen darin immer noch voller realisiert. Und dies gilt selbst dann, wenn diese Verwirklichung
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C. „Volk in Zahlen“: Feste Wertgröße?
nie ganz voll, endgültig nie zu erreichen sein sollte – wenn also „der Weg schon das Ziel ist“. d) Diese beiden Formen, in welchen „Einigkeit macht stark“ wirkt, als „SelbstÜberzeugung“ und „Selbst-Überzeugtheit“ – sie sind aber keine herkömmlichen Rechts-Formen des Staatsrechts. „Wege als Ziele“ müssen sie in diesem erst werden: in einer neuen Konzeption des Verfassungsbereichs. Demokraten mögen eine solche schon vor sich sehen (vgl. i. Folg. D.). Doch gegenwärtig bewegen sie sich noch nicht in ihr. Der Weg, den sie zur Zeit verfolgen, er muss erst zu Ende gegangen, das gegenwärtige Staatsrecht muss erst überwunden werden, soweit es das „Volk“ in Gleichheit als Wert (i. Folg. 2.) oder auch in „Bewältigung von Aufgaben als Schaffung von Werten“ (i. Folg. 3.) erfassen will. Diesen beiden Konzeptionen des „Volkes“ ist eben doch eine gewisse „Statik der Werte“ eigen(tümlich). Gerade sie aber tritt immer deutlicher zurück gegenüber einer Dynamik der Werte, in welcher das Volk eben kein Führer sein kann, vorgestellt als eine Addition Gleicher, und auch nicht zu führen vermag in Bewältigung von Aufgaben, sondern in der es nun vorzustellen ist in einer ständigen, ja ewigen Bewegung: gerade darin selbst als „der“ Neue Wert.
2. Das „Volk“ – kein Wert als Zahlenaddition Gleicher a) Soll nun „Das Volk“ als ein Wert zu sehen, zu erfassen sein, als Rechts-Träger, als Rechts-Subjekt, in „der Form eines Rechtswertes der Gegenwart“, in welcher demokratische Zukunft schon begonnen hat, nie enden wird? Soll hier die „Staatsform des Kleinen Mannes“ ihre Wertigkeit zeigen in einer Großzahl von Kleinen Leuten? Hat sie damit mehr zu offerieren als Schmeicheleien für eine undifferenzierte Masse, der sie eben staatsrechtlich Anderes nicht zu bieten hat? Ist dann eine „Zahl, erkennbar Allein in Addition gleicher Einheiten von Menschen“, eben darin zugleich auch wert-haltig, wert-kräftig? Dies ist das Problem, welches sich hier zunächst (i. Folg. b) ff.) einer für die Demokratie wesentlich konstitutiven Gleichheit stellt. In der Folge könnte sogar eine wahrhaft „Neue Demokratie“ in Erscheinung treten (i. Folg. D.), die Problematik dann mit deutlichem ökonomischen Güterbezug zu vertiefen sein (i. Folg. E., F., G.). b) „Gleichheit in der Demokratie“ – das muss ernst genommen werden, will man einem, wie immer zusammengesetzten, „Volk“ staatsrechtlich Souveränitätsrechte zuerkennen, ihm gar eine definierte Führungsrolle in der Gemeinschaft anvertrauen, es also ausstatten mit einer besonderen, einer „bestimmenden rechtlichen Kraft“. Eine solche könnte, legt man jene Zahlen-Gleichheit zugrunde, nur gefunden werden in einer Addition dieser in Egalität nebeneinanderstehenden Bürger. Dies wird nun zwar weithin, mit einer wahrhaft erstaunlichen Selbstverständlichkeit, von Demokraten bejaht, ihrer Staatsform als Kraftspendung zuerkannt. Bei näherem Zusehen
IV. „Volk“ als Zahlen-Einheit: kein Organ einer werthaltigen Demokratie
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erweist sich aber diese immer noch als eine rechtliche Konstruktion gesehene Vorstellung als staatsrechtlich unzulässig, ja geradezu als logisch unmöglich: c) Dem „rechtlichen Nebeneinander in Zahlen“ fehlt das „Verbindende“, das sie zu einer Volkseinheit würde werden lassen. Die Menschlichen Werte eines auf faktische Realität sich stützenden Individualismus bleiben nebeneinander stehen, rechtlich beziehungslos, in der Vorstellung von einem „Volk in Zahlen“: Zahlen-Addition bringt eben nichts anderes hervor als neue, als größere, als wieder – Zahlen. Eine „neue Qualität in Wert(en)“ kann in einer „Operation Gleichheit“ nicht gefunden werden; zu einem Umschlag von Quantität in Qualität, von Zahlen in Werte, kommt es nicht in etwas, das eine „Neue Demokratie“ in einem, in ihrem Staatsrecht zeigen könnte, als einen wahrhaft revolutionierenden rechtlichen Neuanfang. d) In der Umgangssprache mag von „Zahlenwerten“ die Rede sein, daraus dann, in begründungsloser Selbstverständlichkeit, auch auf eine „zahlenmäßige Rechtswertigkeit des Volkes“ geschlossen werden. Doch darin liegt bereits ein Übergang in ein anderes Denken: Volk als staatsrechtlicher Wert, als Neue Kraft einer „Neuen Demokratie in Zahlen“, auf Dauer, vielleicht de-finitiv ohne Ende, auf ewig. Dies aber lässt sich logisch, also eben auch juristisch, nicht als solches begründen. „Die Bürger als gleiche Einheiten – sie führen nicht zum Gleichheits-Volk als einer „Einheit aus Gleichen“. „Das Volk der Demokratie in/aus seinen Bürgern“ – das kann also nicht Legitimation der Demokratie sein/bleiben. Was bietet sich sonst an als eine solche?
3. Das „Volk“ – kein Wert aus Aufgabenerfüllung a) „Demokratie als Wert“ kann nicht gefunden, entwickelt werden aus der Werthaltigkeit der Organpersonen, welche diese Staatsform repräsentieren, sie „tragen“ in ihren Aktionen, Akteure darstellen auf einer politisch-rechtlichen Bühne des Geschehens. Staats-Theater wie es dort stattfindet, wird zwar stets und auch wesentlich zu allererst wahr-genommen in seinen Figuren; von ihnen wandert aber der Blick des Betrachters zu dem, was diese Gestalten (be)wirken, zu den Aufgaben, welche sie wesentlich erfüllen. In diesem Handeln von Menschen (Bürgern) in Aufgabenerfüllung wird diese letztere zu einem Weg, in dessen Verfolgung es zur Wert-Verwirklichung kommt, der „Wert zur Realität wird“. Dies geschieht dann aber juristisch als Wert-Verwirklichung in Aufgabenerfüllung. Das Volk könnte also darin als Wert erscheinen, auf diese Qualität hin zu prüfen sein, wenn gefragt würde, auf welche Ziele hin, zur Realisierung welcher Zwecke diese Einheit von Menschen tätig wird, worin nicht nur die „Subjekt-Gestalt“, sondern auch, ja vor allem, die „Finalität des Volkes als Wert“ zu sehen ist. Aus seiner Aufgabenerfüllung käme dann dem Volk jene Werthaltigkeit zu, welcher eine Führungs-Einheit bedarf, ein „Rechtswert in seiner Einheit als Führung(skraft) der Demokratie“.
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C. „Volk in Zahlen“: Feste Wertgröße?
b) „Aufgabenerfüllung als Wert“ – als Legitimation einer besonderen, einer höchsten Qualität ist dies durchaus vorstellbar: „Der Zweck heiligt die Mittel“ – es ist dies also sogar die logische Form eines alltäglichen finalen Denkens. Zur Begründung der Werthaltigkeit der „Erfüllung“ ist nur die der Aufgaben nachzuweisen – und es gilt dann zugleich: „Staat – Höchstwert(igkeit) aus Staatsaufgaben“. Sie rufen den Juristen auf den Plan, den Vertreter des Staatsrechts. Das Verfassungsrecht wird dann die Werte weisen, welche in Realisierung von Staatsaufgaben zu erfüllen sind. So lässt sich die „(höchste) Werthaltigkeit des Volkes als Demokratie-Erfüller von Aufgaben“ begründen. Werden hier nicht „Aufgaben zu Werten“, in denen Demokratie als Höchst-Wert erscheint, dem nicht widersprochen werden soll (als Recht), weil nicht werden kann (als Wert), nicht darf (im Staat)? Demokratie als ein „Verfassungswert aus ihren Verfassungsaufgaben“ – das kann aber nur dann gelten, wenn es überzeugende Staats-Aufgaben gerade in dieser Staatsform gibt, in ihr vielleicht gar allein. Diesen Beweis müssen Demokraten nun antreten. Nur wenn er gelingt, wahrhaft überzeugend, überzeugt auch angenommen wird von all jenen Menschen, welche „das Volk dar-stellen in Zahlen“ – nur dann ist der Demokratie dieser ihr Volks-Beweis gelungen, gerade in diesem Staat als Höchstwert. Wo sind sie nun aber, diese Höchst-Werte begründenden, allein staatsrechtfertigenden Staatsaufgaben? Warum, wozu, worin „brauchen wir denn (so) unausweichlich diese dann ja wahrhaft Göttliche Volksherrschaft“? Ist sie nicht gottähnlich vielleicht gar ohne den Gott der bisherigen, nicht mehr den der Neuen Staats-Menschen? c) Eindeutig ist nun allerdings heute eine Entwicklung festzustellen, im Öffentlichen wie im Privaten Bereich – und sie zeigt sich gerade dort, wo sich diese berühren, ja verbinden sollen: „Staats-Aufgaben“ – das muss etwas beinhalten wie Aktivitätsfelder, auf denen kein anderer auftreten darf, auf denen mit (absolutem) Vor- und Höchstrang sich nur bewegen kann der „Staat“, eine in rechtlichen Formen besonders organisierte Einheit. Wo aber gibt es sie noch in der Demokratie des „Souveränen Volkes“, solche Felder typisch staatlicher Aktivitäten? Werden sie nur gesehen in faktischen gesellschaftlichen Erscheinungen, so geht der Bereich exklusiver, oder auch nur vorrangiger, Staatsaufgaben laufend zurück, nicht nur quantitativ-größenmäßig, sondern auch, wenn nicht vor allem, in seiner qualitativen Gesamtbedeutung für das, was sich „Öffentlich“ nennen lässt, in einem doch irgendwie noch rechtlichen Verständnis: d) Gerade der Maßstab des primär, wenn nicht ausschließlich Ökonomischen, des „monetär“ in einem menschlichen Leben als Wert Bestimmbaren ist es, der diesen laufenden und ständigen staatlichen Aufgaben-Rückgang als einen „unumkehrbaren“, darin als einen „endgültigen Vorgang“ erscheinen lässt. Der Begriff der StaatsAufgaben ist prägend in seiner zugleich ursprünglichen und eben darin auch rechtlichen Bedeutung, nur mehr einerseits für das Erzieherisch-Kulturelle, zum anderen
V. „Volk“ in „Entwicklungs-Ablauf“
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im Bereich der „Verteidigung“, im Sinne der jeweils gegenwärtig militärisch zu sichernden Lage: – „Kultur“ wird als Begriffsinhalt zwar immer weiter, als typisch staatliche Domäne aber zunehmend enger verstanden. In der Gegenwart soll sie zwar eindeutig „volks-geprägt“ sein, zwar „gemeinsame Sache Aller“, weil „für alle da“, wie auch immer ganz selbstverständlich verwendete Ausdrücke sie kennzeichnen mögen. Vergangen soll alles sein, was nur entfernt erinnern könnte an eine „KlassenKultur“ i. S. von Wert-Vorstellungen einer bestimmten, eben früheren, vergangenen Gesellschaft. Dem allem begegnet nun aber das „Neue Volk“ ablehnend, wenn nicht geradezu mit unverhohlener Feindseligkeit. In „Kultur“ erscheint also Demokratie gerade nicht in besonderer Weise als ein Bereich „natürlichmenschlicher Werte“. - „Verteidigung“ – für diesen Begriff gilt Gleiches: Mit ihm wird zwar ein Inhalt von selbstverständlicher Natürlichkeit angesprochen, Faktisches ausgeformt in Verfassungsrecht, wiederum in einem ursprünglich-werthaltigen Verständnis als Wertbegriff. Diese Werthaltigkeit geht aber ebenfalls laufend zurück im Allgemeinen Bewusstsein. e) Das Volk in Aufgabenerfüllung betrachtet unterliegt also auch einem beständigen Wert-Verlust in seinen früher als werthaltig angesehenen Aufgabenbereichen. Wenn dieses Volk jedoch, gerade in seinem heutigen, einem als so ganz „neu“ gepriesenen Verständnis, zum „Wert-Träger einer Demokratie“ werden soll, die sogar verfassungsrechtlich nichts mehr kennen will als diese Staatsform, so muss gerade diese Staatlichkeit auch rechtlich neu bestimmt werden. Ein „Volk in Zahlen“, wie es, nach dem Ergebnis der bisherigen Untersuchung (oben Kapitel 1. und 2.) einer Gleichheitsordnung zugrunde gelegt, in der geschichtlichen Entwicklung in Werten stets gesehen worden war (oben Kapitel 3.) – das kann also heute nicht mehr als die wesentliche staatsrechtliche Legitimation der Demokratie angesehen werden.
V. „Volk“ in „Entwicklungs-Ablauf“ 1. Eine Neue Demokratie: „Volk der Gleichen als werthaltige Staatsform“ a) Demokratie – dass soll heute nur mehr bedeuten: ein „Volk der Gleichen“ als schrankenloser Souverän der staatlichen Ordnung, die sich in solcher Einheit zeigt, ihr rechtliches Wesen in dieser endgültig und erschöpfend findet. In dieser Erscheinungsform der Volksherrschaft wird bereits die alleinige und zugleich höchstrangige juristische Wertigkeit dieser Staatsform gesehen; diese anerkennt keine anderen Werte neben sich, weder faktisch noch in normativer Form. „Der Mensch“ als
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C. „Volk in Zahlen“: Feste Wertgröße?
Individuum zeigt sich in der Werthaltigkeit seiner „Menschenwürde“ (Art. 1 GG) lediglich darin, dass er zusammen mit Gleichen Anderen“ auftritt, handelt und rechtlich gestaltet: Er „geht auf in seinem Volke“, das nicht mehr als Gegensatz zum Menschen gedacht werden kann, sondern nur mehr in einem Menschentum als dessen „höheres Wesen“, aber eben in einer absoluten staatlichen Wertigkeit, nicht in der einer „Einzel-Menschlichkeit“.
2. Demokratie: Mehrheit als Größe in numerischer Addition – kein „Wert“ Darin vollzieht sich in der Gegenwart eine Wandlung des Wesens der Demokratischen Staatsform. Diese soll nun gesehen werden in einer „Zahlen-AdditionMehrheit“, in der allein „Menschen fassbar würden“. Eine derartige zahlenmäßige Menge kann aber als solche keinen Wert darstellen, sondern immer wieder nur eine neue „Größe in Zahlen“. „Ein Volk als Souverän in Zahlen gesehen“ – das führt notwendig zum Wert-Verlust der Volksherrschaft: Eine solche lässt sich dann eben weder erkennen im Zusammenschluss von Menschen als solchen, noch in den so erfüllten Aufgaben. Eine „Demokratie der Quanten“, besteht nur aus solchen, als gleichartigen Größen; ein derartiges Verständnis ist folglich als ein Wert im herkömmlichen Sinn dieses Worte, im Sinne einer staatlichen Inhaltlichkeit, überhaupt nicht mehr rechtlich denkbar:
3. Das „Neue Volk: Souverän im Ablauf“ – Ende der klassischen Staatsdemokratie Dem Staat in der rechtlichen Form einer Demokratie der Werte – ihn kann es also nicht mehr geben in einem „Volk bestimmt in numerischer Größe“. Wird er allein in einem Volk gesehen, so muss er anders gedacht werden als in einer Staats-Demokratie der „Statik“. Als Wertigkeit kann dann Demokratie nur mehr rechtlich zu sehen sein, in einem „Ablaufen von Staatlichkeit“, einheitlich zu denken ist „Staat“ dann nur mehr als ein „Ablauf“.
D. „Volk“: „Wert“ in einer „Ablauf-Bewegung von Gütern“ I. „Volk“: Verfassungs-Gewalt in Bewegung 1. Demokratie – im Verfassungsrecht „Werte in Bewegung“ Die vorliegende Untersuchung einer Demokratie in einer neuen „Werthaltigkeit“, wie sie gegenwärtig „Demokratische Politik“ präsentieren will – sie hat sich nicht wenig vorgenommen, will sie diese ihre Staatsform halten auf herkömmlichen dogmatischen Denkgeleisen eines „Staatsrechts der Volkherrschaft“. „Der Mensch – in Bewegung in seinem Staat“ – so etwa kann formuliert werden, wie ein solches Staatsdenken „sein Volk sieht“, in dem dies bereits Wirklichkeit sein soll. Wenn kein anderes Wesen zu finden ist auf der politischen Bühne genannt Staat, bedeutet ein solches Verständnis aber nicht etwa eine totale Verrechtlichung aller politischen Bezüge und Abläufe. Vielmehr soll mit diesem „Volk als Wert in Ablauf“ dann etwas angesprochen werden wie eine „Entrechtlichung des Staates“. Dieser letztere wird nicht mehr gesehen als ein Zustand in unbewegter Ruhe, sondern als ein „dauernder Vorgang“, der zum ständigen „Fortgang“ wird. „Fortschritt“ sein soll: „Staat als Bewegung, darin allein ein Wert“.
2. Recht, Staat als Bewegung – eine Revolution juristischen Denkens Eine solche „Demokratie als werthaltig nur in Bewegung fassbar“, also „Demokratie – wesentlich in Bewegung – sie bringt Neues in ein Staatsrecht, wie es bisher juristisch als Materie gesehen, gelehrt, praktiziert worden ist: Hier vollzieht sich eine „Umwertung“ seiner Inhalte, in deren Zusammenfassung in einen einzigen Wert: Volk. Nur „dieses eine Volk“ soll, wird der Jurist dann (er)kennen, darin aber nicht ein Recht in politischer Überzeitlichkeit sehen. Mit diesem Volk, „in ihm“, soll er „operieren“, auf diesem Schifflein hinausfahren auf die stürmische, ihm unbekannte See der Fakten, sie von dessen Bord aus mit seinen rechtlichen Instrumenten (zu) erfassen und (zu) ordnen (versuchen). Getragen soll er sich darin stets wesentlich sehen, in solchem Denken, von einem „Fluctuat nec mergitur“. Denn: ein Zustand mag untergehen, ein statisches Normen-Gerüst stürzen, (zer)brechen in kleine Trümmer, in Einzel-Normen. Flutendes aber (zer)bricht nicht, es setzt sich nur, immer
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D. „Volk“: „Wert“ in einer „Ablauf-Bewegung von Gütern“
wieder neu, fort in seiner Bewegtheit; und sie ist eben nicht „Zustand, sondern – wiederum – Bewegung“.
3. „Demokratie – Révolution en Permanence“ Hier erscheint etwas, wovon schon Französische Demokraten 1789 haben träumen wollen, was sie sogar als Zukunft zu sehen, „wahr-zunehmen“ glaubten, in „Vision als Realität“: Der Staat, sein Recht, darin alles Juristische als eine Révolution en Permanence. Den Staats-Notabeln des 19. Jahrhunderts, den in jener Zeit rechtlich Notablierten, war diese Dauer-Revolution, solch ewiger Umsturz, ein rechtliches Ungeheuer. Für immer wollten sie es begraben in ihren staatsrechtlichen Normen, auf ihren „Friedhöfen des Rechts“. Ihre Staats-Historie setzte sich fort, von biedermeierlicher Beschaulichkeit als faktischem Zustand bis in die geistige Staatlichkeits-Welt der alles normativ erfassenden, damit rechtlich beherrschenden Normen, in denen Kelsen, als dem „Reinen Recht“, die Demokratie sah als Vollendung des Rechts – als „juristische Realität“. Doch Demokraten verfolgten weiter „ihre Dauernde Revolution“. Eines war ihnen doch geblieben, rechtlich nicht zurückführbar auf Normen: Die Idee einer Gemeinschaft als Staatsform – als etwas rechtlich Ursprüngliches in Bewegung, ein ewiges Vorwärts in langsamem juristischem Wälzen oder als ein Blitz(en) in StaatsGewalt. In der Staatsformen-Lehre hat „die Demokratie“ nicht nur die Normen als Zustand überlebt, sie hat „das Normative“ als solches verwandelt in Recht als (eine) „DauerBewegung“. Darin kann es nun auch rechtlich etwas geben wie „Demokratie als Révolution en Permanence“, weil eben „Recht, Staat als Bewegung“. Darin zeigt sich das (vorsteh. unter 2.) schon Dargestellte „Recht, Staat als Bewegung“, gerade Demokratie als ein solcher Wert (vorsteh. 1.).
4. „Volk als Wert im Ablauf“ a) Demokraten stellen (sich) in der Gegenwart „ihr Volk in ihrer Demokratie“ vor nicht als „eine“, sondern als „die“ Neue Staatlichkeit, „ihren Staat“ als den Neuen Wert, den einzigen Wert im Recht. Wenn Werte nur etwas sind, woran der Mensch glaubt, was er in seinem Glauben erfasst, so ist „Wert-Träger“ allein dieses „geglaubte Volk“ in einer – nun wirklich Neuen – Staatsform im Ablauf. b) Bedeutet dies eine „Revolution in Formen des Rechts“? Dessen (traditionell) statische Vorstellungen sollen Vergangenheit sein. Der „Idee eines Rechts“, für sie, bietet „das Volk“ eine dynamische geistige Werthaltigkeit – aber nur mehr als eine Kollektiv-Idee. Als eine solche soll es nun in seiner Suche dargestellt werden.
II. Das eine Volk – Ende einer „Verfassungs-Geschichte in Phasen“
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II. Das eine Volk – Ende einer „Verfassungs-Geschichte in Phasen“ 1. Bruch in der Verfassungs-Entwicklung? a) Als ein Novum wird dieses „Neue Volk im Ablauf“ in der Regel nicht gesehen, ja nicht einmal als Hintergrund-Problem. In einer Grundstimmung von Selbstverständlichkeit gehen Theorie und Praxis des Verfassungsrechts zwar weiterhin davon aus, dass „das Volk“ in einer gewissen Entwicklung steht. In ihr werden – so mag es dann scheinen – aber nur bisherige Problemstellungen deutlicher, in einem faktisch sich ändernden Umfeld. Kaum etwas deutet auf einen Neuanfang hin, der vielleicht gar einen Abschied von Hergebrachtem bedeuten könnte, einen Bruch in der Entwicklung des Staatsverständnisses. b) Etwas wie einen „Bruch“, mit nachfolgendem Neubeginn eines Staatsdenkens in neuen verfassungsrechtlichen Betrachtungskategorien – das soll es gerade nicht geben. Hält sich in der politischen Entwicklung seit 1945 nicht alles in (den) verfassungsrechtlich geordneten Bahnen? Dem Betrachter einer „Groß-Entwicklung des Öffentlichen“ mag es fast scheinen, als seien in dieser ruhige verfassungsrechtliche Wasser erreicht, aus denen zu jeder Zeit sichere – nicht „rettende“ – Ufer rechtlich angesteuert und faktisch erreicht werden könnten. „Das Volk“, der Souverän, er darf in Politik wie Staatsrecht „bewegt“ gesehen werden, nicht aber in einem Zustand, der Un-Ruhe genannt werden könnte. Wie sollte es auch in der vollen, endgültig erreichten rechtlichen Einheit der (Neuen) Volkssouveränität noch zu größeren Spannungen kommen?
2. „Staatsrecht“: „Alles läuft“ – nicht „wie immer“, nur „immer weiter“ a) „Ruhe ist die Erste Bürgerpflicht“ – so hieß es nach der verlorenen Schlacht von Jena, am Ende einer säkularen militärischen Erfolgsgeschichte Preußens. „Ein Volk“ in der rechtlichen Ruhe eines geordneten Ablaufs, gerade darin endgültig souverän: das stellt die Verfassungs-Demokratie ihren Bürgern vor, nicht (nur) als juristisches Programm, sondern bereits als Beschreibung eines schon erreichten Zustandes. Damit aber sieht sich die Demokratie in einer neuen Lage: „Die (staatsrechtliche) Revolution ist beendet im Volk, aber es lebt nicht mit, sondern in diesem der „Demokratische Fortschritt“. Dieses Wort muss nun – endlich! – ernst genommen werden: Herrschen im Recht – das ist nichts anderes als ein „Weiter Herrschen“, immer nur weiter, also allein in einem „Bewegtsein“, im Staats-Recht (nur) als einer Form rechtlicher Bewegung“. b) Diese „Bewegung“ ist es, welche nun allein der Bürger der Demokratie sehen will in seinem Staat, sein „Staatsrecht in (ihr als) Bewegung“. Weil, wenn sie immer
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D. „Volk“: „Wert“ in einer „Ablauf-Bewegung von Gütern“
gerade als das ihm erscheint, als eine politische Dauerbewegung in rechtlichen Formen: dann, nur darin ist sie „der gute Vater Staat“. Hat je ein Kind die Vatergestalt anders gesehen, erträumt, denn als Jemanden, der immer (da) ist, stets gleich – und doch täglich so neu, unerwartet, glücklich begrüßt werden darf, wie eben jenes Leben, welches täglich neu ist, in dem sich der junge Mensch entwickelt? Dieser „Vater Staat“ wird nicht gesehen als ein rechtliches Wesen, das sich immer weiter zurückziehen soll, bis es eines Tages sterben darf, vergehen mit all seinem Verfassungsrecht. Gerade in dessen neuer Form, als Staat im Ablauf, ist die rechtlich derart organisierte Gemeinschaft „Demokratie“ „unentbehrlich geworden für ihren Bürger“, als einem der Atome des Rechts, aus denen sie besteht, sich aus ihnen „hochbaut zum Demokratischen Staat in Ewiger Dauer, weil in Dauerndem (Ab-)Lauf“. c) „Geschichte – das sind dann nicht einzelne historische Phasen, zu studieren in der bewegungslosen geistigen Ruhe einer „Wissenschaft als einem festen Punkt“, von dem aus alles bewegt werden könnte. Die antike Mechanik, welche die Erde nur bewegen zu können glaubte aus einem festen, einem ihr vor-gegebenen Punkt – solche „historische Statik“ soll nun staatsrechtlich aufgelöst sein in der Neuen Demokratie, wie sie die „politische Gegenwart“ will, bereits erreicht zu haben glaubt. Ob ihr ein Neues Staatsrecht nicht „dahin“, sondern nur mehr darin folgen kann, in etwas wie einer rechtlichen Ziellosigkeit juristischer Bewegung, die zu dauernder Bewegtheit geworden ist – das wird nun zu untersuchen sein. Begegnet es heute nicht schon de facto im Ökonomischen, als etwas wie eine „Macht in Tatsächlichkeit“? Ist nicht „in der Wirtschaft“, in ihrem Reichtum, „Demokratie Wirklichkeit auf Dauer geworden“, als eine Rechtliche Realität, die sich nie mehr als solche ändern wird, – nicht weil sie „auf Dauer steht“, sondern weil sie gar nichts anderes mehr sein kann als „Recht in Wandlung“, in einer sich ändernden Form – in Ökonomie?
III. „Demokratie“: Verfassung als Ökonomie, „im Blick auf Güter“ 1. Verdämmern der Religion, der „Jenseits-Güter“ a) Wie immer man die Bedeutung materieller Güter einschätzt für eine „menschen-würdige Existenz“, allein schon eine solche Fragestellung zeigt, dass sich hier ein Problem stellt für die Betrachtung gerade des Verfassungs-Rechts: Es liegt nahe, mit Blick auf solche „Güter“ eine „Neue Phase“ in der Entwicklung anzunehmen, wie immer man deren Wesen und ihre Bedeutung in einer Gesamtschau des „Konstitutionalismus“ einschätzt. Sicher ist jedenfalls: Hier verlässt juristische Erkenntnis und Bewertung den inneren Persönlichkeits-Raum des Menschen als eines Rechtssubjekts. Der bisher allein auf diesen gerichtete Blick wandert gewissermaßen hinaus, mit seinem Licht
III. „Demokratie“: Verfassung als Ökonomie, „im Blick auf Güter“
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einer (versuchten) bewertenden Erkenntnis, in ein erweitertes Umfeld des menschlichen Lebens, in dem es aber noch immer, wenn auch eben vielleicht in „neuer Form“, geht um Entfaltung typisch humaner Sichtweisen und Kräfte. „Verfassungsrecht in solcher erweiterter humaner Dimension“ – dies begegnet nun, wenn das Staatsrecht sich beschäftigt mit, ja sich konzentriert auf die „materiellen“ Güter in ihrer rechtlichen Bedeutung. b) Diese Sichtweise ist keineswegs eine juristische Selbstverständlichkeit. Gerade das Christentum hat im Mönchtum etwas in seinen Mittelpunkt gestellt, wie ein güterfernes, wenn nicht ein güter-loses Leben. Hier sollte sich „typisch Menschliches“ nicht nur zeigen in Askese; eben in ihr sollte es sich steigern, geradezu endlos höher entwickeln, in einem immer klareren Licht des Göttlichen, hinauf in etwas wie eine Menschliche Voll-Endung, in Gottes-Nähe. c) Als einen Abschied von menschlichen Gütern zur Erreichung eines allein lebens-werten jenseitigen Gutes – so könnte man diese (wahrhaft ur-)christliche aristokratisch-monarchische Lebensform sehen. Der Abstand solchen christlichen Denkens zu Lebensarten, -gewohnheiten der Gegenwart ist nicht nur bereits unübersehbar groß, er zeigt sich in einer laufenden Bewegung in immer weitere Entfernung von allem Religiösem (bis sich dieses vielleicht vollends verliert). Jener christlich-monarchischen Grundeinstellung fehlt schon seit langem die reale Überzeugungskraft gegenüber den menschlichen Rechtssubjekten, auf die sie sich doch beziehen, ja sich konzentrieren will. Wohin aber führt der Weg? Das wird nun zur rechtlichen Frage. Eine „(Groß-) Evolution ins Materielle hinein“ kann doch nicht einfach nur als „menschliche EntGleisung“ gesehen, beurteilt – ver-urteilt werden. Heraufgekommen ist, in einer bereits längeren, unübersehbaren Entwicklung der staatlichen Gemeinschaft, der „materielle“, der Güter-Mensch. In einer „RechtsVerfassung in seinem Staat“ wird er (er)-fassbar, „ordnungsfähig“, für sich selbst und Seinesgleichen, nur mehr in juristischen Kategorien von Gütern, denen er, als ihrer Grund-Lage, ihr „Subjekt“, „eben als eine rechtliche Basis“, wortwörtlich „untergeschoben“ erscheint. Diese Güter zählen nun als Kategorien rechtlicher Betrachtung. Das Verfassungsrecht kann sich nicht mehr zu allererst beschäftigen mit einer „Wesenheit Mensch“, die ihm „güterfrei“, „güterlos“ begegnen könnte, allein in ihrer „humanen Existenz“. Bleibt hier überhaupt noch etwas „menschlich Geheimnisvolles“, das sich nicht auflösen lässt, in eine(r) „Welt von Zahlen“? Als eine solche allein hatte doch bereits die vorstehende Betrachtung die „Neue Demokratie“ sehen können (oben C. V.).
2. „Ökonomisierung der Werte“ als „Neue Demokratie“ a) „In Demokratie“ sollte 1789 ein „Neuer Staat“ geboren werden. Seine blutigen Geburtswehen „über-stand“ er aber zunächst nur in einem Rückfall in frühere ju-
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D. „Volk“: „Wert“ in einer „Ablauf-Bewegung von Gütern“
ristische Formen der Staatlichkeit: als Normenstaat der Verfassungen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Die „Neue Staatlichkeit des Volkes als alleinige Form Neuer Demokratie“, wie sie nun verkündet wird seit 1945, heute gar als ausschließlich juristische Global-Kategorie des Demokratischen schlechthin gelten soll – muss sie sich nun nicht wieder eine Neue Wert(e)-Basis suchen in Rechtsdynamik, da die „alten Werte“ in der Rechtsstatik eines „als Bestes erreichten Zu-Standes Verfassung“ die Neue Gemeinschaft nicht mehr halten? Gilt also: Verfassung – Wert als ein Halt in Bewegung – darin allein „Neue Demokratie“? b) Eine „Wert-Basis“ überzeugend in solcher Wertdynamik bietet sich gegenwärtig im (Staats-)Recht an: eine Betrachtung der Ökonomisierung aller juristischen Bezüge des „Wirtschaftlichen“ in ihren Erscheinungen als „wesentlich“ für das Verfassungsrecht. Der Jurist stellt hier sogleich die für ihn typische Frage: „Ist das nicht ein Novum?“, die er mit jener Entschiedenheit beantwortet, die er immer suchen muss: Ja, das ist etwas wie eine Neue Rechtsdogmatik, es könnte sogar eine wahrhaft Neue Demokratie in „Ökonomisierung des Staatsdenkens“ sich zeigen.
3. „Neue Demokratie“: ein „Volk in ökonomischem Güter-Fluss“ Das ganze Gewicht eines wirklich Neuen Rechtlichen Denkens der Demokratie in ihrem „Volk“ zeigt sich in einem Vorgang juristischen Denkens, welcher „im Staatsrecht neu kommt und nie mehr vergehen will als „Neue Demokratie“. Was hat sie nicht alles an Neuem gebracht, rechtlich allein schon in diesem einen Wort „Volk“: das Ende eines „finsteren rechtlichen Mittelalters“ der „ständischen Werte“ in einem Neuen Demokratischen Miteinander! Nur die wichtigsten „Errungenschaften“ des Verfassungsrechts im Volks-Begriff seien hier erwähnt: a) Ende eines Notabel-Staates, in einer „Ent-Notablierung“ der Persönlichkeit des demokratischen Bürgers. Das muss Erwähnung finden, wenn auch als bereits ferner historischer Ausgangspunkt der Entwicklung zur „Neuen Demokratie in Neuem Volk“. b) Ende des „Primats des Persönlichen“, welches in „höchstpersönlichen Werten“ so lange das Staatsrecht nicht nur charakterisiert, sondern dessen Wesen geradezu bestimmt hat: Darin verliert dann „Staatlichkeit“ ihr Wesen als das einer rechtlichen Persönlichkeit, sie wird zu einem „Bereich von Sachbezügen“. In ihm, verstanden durchaus auch als einem „System“, mögen sich „Menschen bewegen“, es sogar „tragen“ in einem rechtlichen Sinn. Wesentlich bleibt Staatlichkeit aber stets ein Sachbereich, erfassbar in sachenrechtlichen, nicht in personenrechtlichen Wertigkeiten.
III. „Demokratie“: Verfassung als Ökonomie, „im Blick auf Güter“
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c) Ende der Bedeutung eines „Noblesse oblige“: Von einem Denken in dieser Begrifflichkeit als einem „menschlichen Zustand“, der zugleich als Verfassungsrechts-Zustand aufgefasst wurde, gingen die Menschen nicht nur früher aus in ihrem Ancien Régime. Dieser aristokratische „Etat“ war ja früher durchaus in staatsrechtlichem Verständnis gesehen worden, in den verfassungsrechtlichen „Etats“ schillernd zwischen „faktischem Zustand“ und daraus abzuleitender „Bewegung“. Noch in der normativen Verfassungsstaatlichkeit der beiden letzten Jahrhunderte bezeichnete „Vornehmheit“ eine „Haltung“, ein „Verhalten“ von Menschen im weitesten Sinn. Aus einer ferne(re)n Vergangenheit heraus mochte dieses „Noble“ aristokratisch vorgeprägt sein; doch zunehmend entfaltete sich eben gerade ein „humanes Verhalten“ zu einer allgemeineren (staats-)rechtlichen Verpflichtungsform in der Gesellschaft, „absteigend“ aus früherem Groß-Bürger- und Groß-Bauerntum. d) „Stände“ – das waren – immer noch – „Zustände“, gesehen als ein „Sein“. „Volk im Staat“ – das bedeutete ein „in diesem Stehen“, in rechtlicher Festigkeit, in juristischer Statik. Doch nun, und ganz deutlich nach 1945, kommt herauf das Neue Staatsrecht des Volkes in einer Demokratie des „Habens als Recht“ – „Recht“ nur mehr als Besitz von Menschen, rechtlich vollsystematisiert in einem Verfassungsrechtsschutz von Eigentum. e) Sogleich, eben „wesentlich“, schließt sich eine weitere Wende an von Statik zu Bewegung in der staatsrechtlichen Gegenwart: Im „Innehaben von Gütern“ will dieses gegenwärtige demokratische Staatsrecht sich vielleicht noch immer als ein „Rechts-Zustand“ sehen, wenn auch schon zu begreifen in sachlichen, nicht mehr in menschlichen Bezügen. Doch gerade sein Gegenstand, diese „Güter“ werden als solche nur mehr „rechtlich erfassbar in Bewegung“. Sie kommen und gehen in rechtlichen Formen – „faktische Werte“ aber bleiben sie in dieser juristischen Bewegtheit, in einem/als ein Volk als rechtlichem Höchst-Wert.
4. Folge: „Staat als Demokratie in Gütern“ – Wertigkeit einer „Güter-Bewegung in Quanten“ In dieser ganzen geistigen Bewegung, Bewegtheit, wie sie (vorsteh. 3.) beschrieben, nicht definiert wurde – denn rechtlich-herkömmlicher Definition ist dies nicht zugänglich – hat sich das eine Volk, allein in/als Recht gezeigt, wie es gegenwärtiges Staatsrecht will, erstrebt: in Bewegung, darin eben/weil in Güterfluss. In einer Ökonomisierung der Werte führt die „Neue Demokratie des einen „Volkes der Gleichen“ zu einem Rechts-Denken allein in Gütern, in „Quanten-Größen“. Also muss, in diesem Rechts-Selbstverständnis – und für die vielen gleichen Bürger daher eben „selbstverständlich“ – auch der „Zahlenstaat dieser neuen Demokratie“ nunmehr allein in Quanten, Neues Staatsrecht muss begriffen werden als „Güter: Quanten
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D. „Volk“: „Wert“ in einer „Ablauf-Bewegung von Gütern“
im Fluss“. Wenn die Neue Demokratie etwas wirklich Neues bringen will, so muss eben auch ihr Staat sich „aus einer Güterhaftigkeit des Verfassungsrechts erklären lassen“. Dessen Werthaftigkeit ist daher nun zu beschreiben als die einer GüterBewegung.
E. „Demokratie“ – Produktion in Gemeinschaft? I. „Neues Volk“: Demokratie als „Entpersonalisierung“ 1. „Neues Volk“: (in) eine(r) Begeisterung a) Das „Neue Volk“ der Gegenwart will wachsen aus „Politik hinein in das Staatsrecht der Demokratie“, als eine Neue Erscheinung des juristischen VerteilungsDenkens. In diese Welt des Rechts muss es aber gewissermaßen als „Eintritts-Kraft“, mitbringen nicht nur „etwas von“, sondern „die Begeisterung“, welche es getragen, ja hervorgebracht hat in jenem Politischen Großraum. Wie der allgemeine, ja der bereits poetisch überhöhende Sprachgebrauch zeigt, ist solche „Rechts-“Begeisterung, wird sie ernst genommen als ein alles tragender Enthusiasmus, für den „besten“, den bisher doch von seiner Historie in die Gegenwart geführt Juristen alles andere als eine leicht vorstellbare Geisteshaltung. b) Zu suchen ist dann eben nicht zu allererst im Sachlich-Rechtlichen nach einer „Neuen Demokratie“, sondern in jenem „Persönlichen“, in dem ja ihr Volk gedacht werden soll als dessen (rechtlich-)demokratische Einheit“: „Volk als Person“ nur das kann begeistern, weil daraus die tiefere Zuneigung wächst, bis zur Bereitschaft eines Opfer-Todes für die Staatsform. Ein solches Ende als Erfüllung eines Lebens schließen auch Demokraten von Heute nicht aus. Als Propheten eines menschlich begeisternden Wertes wollen sie sich – können sie sich so nicht? – „sehen lassen“. Danach streben sie, streben „wir Bürger“ heute doch alle. Blut soll aber als Tinte vergossen werden, trocknen in den PapierBergen des Staatsrechts, in dem allein die Sonne aufgeht über Gerechten und Ungerechten, diese Letzteren doch irgendwie noch als Erstere erscheinen lässt.
2. Entpersonalisiertes Volk – begeisternd in Demokratie Doch wo ist er, der Allmächtige des Staatsrechts, jener Licht-Träger Apollon, der jene Demokratie (er)schafft, in welcher ein Neues Volk hervortreten, auftreten soll auf der „Bühne Staat“ – gerade in Entpersonalisierung der Volksherrschaft als einer Staatsform? „Das Volk“ mag begeistert sein, sich begeistert fühlen – kann es aber als „begeisternd erfühlt werden“? Selbst „in (der) Politik“ ist dies immer wieder zweifelhaft gewesen, es erscheint heute weniger denn je als un-zweifelhaft. Wenn „im
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E. „Demokratie“ – Produktion in Gemeinschaft?
Volk als einem Neuen“ die Menschen als Einzelne aufgehen sollen, in dieser allein noch staatsrechts-beständigen Einheit – geht darin dann nicht die Zauberkraft der demokratisierenden Allmacht verloren? Ist solche Demokratisierung als Entspersonalisierung (Ent-Individualisierung) im Neuen Volk nicht nur eine allen Individualismus, damit alles Menschliche tötende, es ohne Grabstein-Monument(alität) beerdigende End-Form von Staatlichkeit, in solcher Todes-Starre dann ewig dauernd?
II. Demokratie: „Güter als Wert(e)“ – Materialismus als Staatsform (?) 1. Ent-Individualisierung des Rechts – „Staats-Einheit“ als Höchstwert a) Das 19. und das beginnende 20. Jahrhundert hatten ihren „Verfassungsstaat“ aufgebaut aus jenen Individuen, denen die Große Revolution rechtliche Höchstwertigkeit zuerkannt hatte, als den „Staats-Trägern“. Solange der „klassische Rechtsstaat“ die dafür unabdingbare Organisation bereitstellte, blieben jene Einzelnen als seine Bürger die eigentlichen, rechts-wesentlichen Subjekte der so verstandenen öffentlich-rechtlichen Gemeinschaft. Faktisch war damit der begüterte Bourgeois der eigentliche, ja der einzige Inhaber eines „Bürger-Rechts“ in dieser staatsrechtlichen Organisationsform. b) Doch mit ihrer „Gleichheit“ führte diese Notabel-Demokratie verfassungsrechtlich zugleich ein neues Wert-Kriterium ein in die geistige Vorstellungswelt dieses ihres Staats-Rechts. Deren faktische Güter-Grundlagen wurden durch die Industrialisierung tiefgreifend verändert. Der verlorene Erste Weltkrieg führte dazu, dass diese Entwicklung nun auch in neuen staatlichen Ordnungs-Formen des Gemeinschaftslebens ihren rechtlichen Ausdruck fand: Nicht mehr das Individuum des liberalen 19. Jahrhunderts wurde als Höchstwert gesehen, als solches auch nicht „zusammen-gesehen in einen Staat“, der letztlich, wertmäßig doch von ihm getragen war. Nun stand als solche Basis der Gemeinschaft, in deren rechtlicher Form, nur mehr eine auch politisch fassbare Erscheinung zur juristischen Verfügung: Das Volk als Wert, als Höchstwert, als „ein rechtlicher Spitzenwert“ neben dem liberalen Einzelmenschen des Liberalismus. Für eine derartige „staatsrechtliche Doppel-Köpfigkeit in Werten“ fehlte jedoch das verfassungsrechtliche Begriffsrepertoire: Seit der Absoluten Monarchie Ludwig XIV. war Staat eben nie anders gedacht, politisch gesehen worden denn als L’Etat c’est moi: Staat als Einheit in rechtlicher Einzel-Persönlichkeit.
II. Demokratie: „Güter als Wert(e)“ – Materialismus als Staatsform (?)
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2. „Das Neue Volk“ – Höchster, Alleiniger Staats-Wert in Güter-Besitz a) So trat denn „der Einzelne als Bürger“ zurück, nein: Er trat ab von der rechtlichen Bühne der politischen Staatlichkeit der Demokratie. Dort erschien nur mehr eine Gestalt: „Der Staat in seiner Neuheit“. Worin aber sollte diese sich zeigen, wenn nicht mehr in „ihren Menschen“, in ihren Bürgern – und doch als eine „Höchstform des Rechts“? Rechtlich blieb nur eines: In den Objekten des Rechtsschutzes, den diese Ordnung gewährte – also in der „Güterlage“. Nun musste folgen der juristisch entscheidende Schritt: „Güter als Werte“: eine materielle Gesamtlage als der jeweils Höchste Wert, gesichert in der Staatsform Demokratie. b) Diese Geisteshaltung hat „politisch-demokratisch“, aber eben „auch rechtlich“, etwas hervorgebracht als „Haltung in Überzeugung“, das man wohl nicht mehr anders bezeichnen kann denn als „Staatswertigkeit in Gütern als Werten“, also einen Materialismus als juristische Staatsform. Getragen erscheint er vom „Neuen Volk“ als dem Neuen, Höchsten, Einen, darin alleinigen, Staats-Wert, wie es die Überschrift dieses Kapitels schon ankündigt: Demokratie – „Güter als Wert(e) – also eben Materialismus als Staatsform“. Darin muss dem Neuen Volks-Souverän nun weiter nach-gegangen werden, unter dieser c) Fahne des Materialismus“. Und was ist ihre „Neue!“ Farbe, die dieser unserer Neuen Fahne – flattert sie Uns nicht schon voraus? So wollen Demokraten der Gegenwart noch immer nicht (allzu) laut singen eine Staats-Hymne des Volkes als des Souveräns des Verfassungsrechts“. Demokratie – Nichts wie Volk, rechtlich gar nichts mehr außer ihm! Und dann noch: dieses „Volk“ als ein „Wert in Gütern“, „Demokratie“ – ein alleiniges ewiges Streben nach Gütern? Ist dies das „Letzte Wort“ von dem bereits die Rede war im Staatsrecht (Leisner, W., Das Letzte Wort, 2003) – sind wirklich „Güter die alleinigen Realitäten des Rechts“? d) „So ganz wohl“ mag es einem Vertreter des Staatsrechts noch immer nicht sein, fühlt er sich dergestalt (ab)gedrängt in diese „Neue Rechts-Welt der Güter“, des Materiellen als (s)einer „Neuen Heimat“. Sein „Kleiner Mann“ hatte sich einst als „Häusle-Bauer“ einzurichten versucht in diesen Mauern seines „Neuen Rechts“. Doch sie waren als solche immer dünn geblieben, hatten die „Kälte der Armut nicht ganz fernhalten können“. Deshalb hatte der politisch immer größere Kleine Mann ja die „Demokratie als (sein) Recht“ zu Hilfe gerufen. Nun will sie ihm „wirklich helfen“, in ihrem „Recht als (einer) Güter-Realität“, welche Recht in Gütern gemeinsam produziert (i. Folg. III., Kritik i. Folg IV.), genießen lässt (i. Folg. F.), dann aber, deshalb wesentlich, notwendig „verteilt“ (i. Folg G.) – dies aber eben „unter Menschen“ – rechtlich also doch letztlich in einem „Zurück zu ihnen“. Zunächst gilt es aber, den „Weg des Rechts in Gütern“ noch weiter zu beleuchten (i. Folg. E. III. bis VI.).
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E. „Demokratie“ – Produktion in Gemeinschaft?
III. „Güterproduktion“: notwendig „gemeinsam“? 1. „Güter“: ein personenbezogener Rechts-Begriff? a) Der Begriff des „Gutes“ ist ein wirtschaftlicher, er ist nicht in einer wesensbestimmenden Weise rechtlich, insbesondere verfassungsrechtlich vorgeprägt. Es ist dies eine sachlich bestimmte Einheit von Gegenständen, die eben rein mit Blick auf ihre materielle Erscheinung als ein „Gut“ bestimmt und als ein solches bezeichnet werden – oder als eine Mehrheit von Gütern. Dass diese als solche „schätzbar“ sind, von personalen Rechtsträgern wertmäßig eingeschätzt werden – das ist dann ein weiterer Schritt in den rechtlichen Bereich hinein, der näheren Bestimmung „in Recht“. b) Damit zeigt sich „Gut“ bereits als eine erste, ja die ursprüngliche Bezeichnung materieller Gegenstände; in diesem Wort schwingt aber schon, wenn auch meist nicht gewollt, oft nicht einmal erkannt, „etwas mit von einer rechtlichen Be-Wertung“, eben von einer „Werthaltigkeit“. Sie führt dann sogleich weiter zu der Frage – und zu entsprechenden Bestimmungsversuchen – nach einem „Nutzen“, welchen ein solcher Gegenstand bringen soll. Damit aber ist bereits mit dem Wort „Gut“, geradezu wesensmäßig, gefragt nach dem „Träger“. Die Festlegung eines solchen fließt schon als Wertigkeit ein in den „Sachbegriff Gut“. Dieser wird zu einem rechtlichen Wertbegriff: Als „eine Sache von Nutzen für ein personales Rechtsobjekt“. Damit ist das „Gut“ begrifflich „ent-ökonomisiert“, es wird „humanisiert in Recht“: „Gut wird zum Rechtsbegriff“.
2. „Gut“ – ein Kollektiv-Begriff: Güterproduktion – notwendig gemeinsam? a) Dieser Begriffsweg scheint nun weiterzuführen, mit rechtlicher System-Notwendigkeit: Wenn sich „Gut“ im Recht darstellt als ein personenbezogener Begriff, aus dem Nutzen, den eine Sache bieten soll, ist doch eines vorprogrammiert: Die Beurteilungsinstanz des Nutzens wird zur Bewertungsinstanz des Gegenstands. Ein solches „Recht der/als Wertfeststellung“ kann dann nicht mehr wesentlich, allein einem Einzelnen zustehen: Quod omnibus prosit, ab omnibus producatur“ – „producetur“: Folgt nicht aus dem Güterbegriff bereits, und rechtlich unausweichlich, die Notwendigkeit gemeinsamer Güterproduktion, damit „ökonomische Güter“ als die einzigen, welche das Recht (an-)erkennt, doch auch und gerade ihr kollektives Wesen zeigen, bereits in ihrer gemeinsamen Produktion? b) Und als ein solcher „kollektiver Güterproduzent“ steht dann doch, wiederum mit begrifflicher Notwendigkeit, ein Rechtsträger bereit, der nun im „Neuen Staatsrecht“ die einzige rechtliche Verfassungsinstanz sein soll: das Volk (vgl. vorsteh. II. 2). Ist damit nicht geradezu das „rechtlich gesichert“, was die „Neue Demokratie“ un-bedingt, bedingungslos voraussetzt: Rechtliche Güterproduktion nur
III. „Güterproduktion“: notwendig „gemeinsam“?
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durch das Volk, nur in ihm, allein in seiner juristischen Erscheinungsform der Einheit, also Güterproduktion: notwendig gemeinsam?
3. Gemeinsame Güterproduktion: Verfassungsrechtlich „Volk im Kollektiv“ a) Hier zeigt sich das „Neue Volk“ der „Neuen, end-gültigen Demokratie“ am Scheideweg seines Verfassungsrechts: „Alles Rechtliche nur gemeinsam“ – oder: „Recht: in individueller wie in kollektiver Gestaltung“. Nach der Dogmatik des „Neuen Volkes“ als des einzigen RechtssubjektsRechtsträgers verschwindet der Einzelne rechtlich in diesem; er kann juristisch nur mehr gesehen werden als dessen „Zusammensetzungs-Element, zu beurteilen eben nach seiner Kollektiv-Wertigkeit, nicht (mehr) als der „rechtlich irreduktible Wert Individuum“, als den ihn eine religiöse Vergangenheit stets gesehen hatte, letztendlich auch noch das liberale Staatsrecht des 19./beginnenden 20. Jahrhunderts. b) Geht man von dieser rechtlichen Sicht aus, nicht mehr von der einer Jurisprudenz vieler Jahrhunderte, so kann das „Neue Volk“, endgültig einziges Rechtskollektiv als alleinige Form der Staatlichkeit des Öffentlichen Rechts, nur als Einheit erscheinen: Auf einer staatsrechtlichen Bühne bewegt sich dann nur mehr diese „rechtlich verfasste Gemeinschaft“. Der einzelne Mensch soll zwar in ihr weiterleben; diese seine tatsächliche Existenz „wird im Volk aber nicht mehr rechtlich sichtbar“. Der Einzelmensch ist also verschwunden, und zwar definitiv, „rechtlich auf immer“. Er hat sein rechtliches Glück gefunden in seinem rechtlichen Wesen: in „seinem Volk“. Übrig geblieben ist also nur mehr dieses „Volk: Recht im Kollektiv“. Und das soll nun wirklich das Letzte Rechts-Wort des „Neuen“ – nein: des einzig möglichen Staatsrechts sein? c) Diese These ruft nun doch, wie ein Weckruf aus der langen Geschichte der Staatlichkeit, sogleich ihre Gegenthese (hervor), und gerade an dieser Stelle: Die vorliegende Betrachtung muss sich eben verstehen als eine allein und typisch rechtliche. Nur für „ihren“ rechtlichen Bereich will sie zu einem Ergebnis führen, zu einem allein rechtlichen. Und so sei dies nun begonnen, mit einer verfassungsrechtlichen Kritik der Gemeinsamen Güterproduktion (im Volk als Kollektiv).
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E. „Demokratie“ – Produktion in Gemeinschaft?
IV. „Ausschließlich gemeinsame Güterproduktion“ – ein verfassungsrechtlicher Irrweg 1. Keine Notwendigkeit „immer größerer Produktionsräume“ a) Eine „Neue Demokratie“, gegründet allein auf einem „Volk“, vorgestellt in einer Begrifflichkeit neuer umfassender Einheit, die all ihre einzelmenschlichen Träger in sich einbezieht, in sich sogleich aufgehen lässt – dieses gegenwärtig als „Neue Staatlichkeit“ propagierte Denken muss nun im Kern seiner neuen rechtlichen Begrifflichkeit geprüft werden: es müssen also die „Güter“ betrachtet werden, welche in einer solchen „Neuen Ordnung“ produziert, genossen und in ihr sodann verteilt werden sollen (i. Folg. 2.). Als naheliegend, wenn nicht als systematisch zwingend, mag es dann erscheinen, schon auf einen ersten dogmatischen Blick, den Genuss dieser Güter nur für größere sachliche Räume zu erfassen, rechtsbegrifflich zu ordnen. Daraus ließe sich die Notwendigkeit ableiten, „Güter“ nur mehr in immer noch größeren Bereichen zu betrachten, in denen sie von stets noch größeren Teilen des Volkes genutzt, „genossen“ werden können. Diese Erweiterungs-Tendenz“ der gemeinsamen Genussräume verfassungsrechtlicher Güter kann dann, in einer so verstandenen „Neuen Demokratie“ geradezu als ein notwendiger Zug zu totaler Nutzbarkeit aller Güter für das in seiner Einheit zu sehende „Volk“ als den Total-Souverän verstanden werden. Das verlangt nach einer Erfassung des Wesens der „Güter“ in der Neune Demokratie inhaltlich nach ihrer Nutzbarkeit: „Alles Allen“. b) Aus der so immer mehr erweiterten Allgemeinheit des Nutzerkreises der Rechtsgüter führt nun aber kein Verfassungsweg in notwendiger Ausschließlichkeit zu „immer größeren, inhaltlich erweiterten Produktionsräumen der zu nutzenden Verfassungs-Güter“: Diese dürfen nicht gesehen werden als „notwendig herzustellen in einer ständig zu erweiternden Räumlichkeit der Produktion“, weil nur so diese Güter „sogleich und wesentlich allen Rechtssubjekten als ihren Nutzern zugänglich sein könnten“. Vielmehr können Rechtsgüter in der Demokratie durchaus hergestellt werden (auch) als wesentlich nutzbar nur für kleinere Gruppen in dem demokratischen Volk; dieses ist nicht zugleich, und begrifflich notwendig, vorzustellen als „totalisiert“, in einer völlig undifferenzierten Staatlichkeit als einer „Güter-GenussEinheit“. Als „größer“ wie als „kleiner“ können die Teile des demokratischen Volkes immer noch gesehen werden in ihrer „Volks-Qualität“, inhaltlich wertmäßig zu erfassen zu allerhöchst rechtlich zu achten eben als Teile des Volkssouveräns. Dieser erscheint in jedem von ihnen, bis hin zum einzelnen verfassungsrechtlich höchstwertigen Rechtsträger – dem „Einzelmenschen, einem Höchstwert als Teil des Volkes“. c) M. a. W.: Eine staatsrechtliche Notwendigkeit gemeinsamer Güterproduktion in einem Alleinwesen Volk in der Rechtswelt einer Staatlichkeit in Demokratizität – das ist nicht ersichtlich. Kleinere Güterwertigkeiten aus/in kleineren rechtsräumlichen
IV. „Ausschließlich gemeinsame Güterproduktion“ – ein Irrweg
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Nutzbarkeiten – derartige Nutzen-Wertigkeiten kannte die Demokratie durchaus in ihrer bisherigen Entwicklung. Es darf dies nicht als „verkümmert“ angesehen werden, in einer Großraum-Demokratie, die sich „in deren Massen“ notwendig entfalten, endgültig sich entwickeln müsste zu einer Demokratie als einer Volkherrschaft „allein der und nur in einer Masse“. Das „Volk der Demokratie“ wurde immer gesehen, es darf, ja es muss auch weiter gedacht werden können in einem „Genießen in kleineren und größeren RechtsRäumen“. Genuss in verschiedenen rechtlichen Räumlichkeiten, bis hin zum „Einzelnen in seinem Kämmerlein“ – dies ist, gerade darin begegnet, findet sich der große, rechtlich eben als un-endlich zu definierende „Wert der Demokratie in ihrer Vielzahl von Menschen“, nicht in der Öde eines menschen-losen Rechts-Raums.
2. Keine notwendige Einheit einer rechtlichen Verteilungs-Kraft – mögliche Vielfalt von Verteilungs-Kräften der Güter: von Menschen a) Eine „Neue Demokratie“, welche als „ihren Raum der Güterverteilung“ nur einen Bereich (aner)kennen will: das in blockhafte Einheit vorgestellte Gesamtvolk als den Volkssouverän – sie vermöchte dann in diesem keine Vielzahl von Verteilungskräften zu erkennen. Nur einem Verfassungsorgan, eben dem rechtlich in solcher Form organisierten „Volk“ kommt in ihr dann eine solche Entscheidungskraft zu, als einzige von rechtlichem Gewicht in dieser Neuen Ordnung des Neuen, eben juristisch allein bedeutsamen „Volkes“. Der Nationalsozialismus hatte seinen Staat unter die Devise gestellt: „Ein Volk, Ein Reich, Ein Führer“. „Neue Demokratie“ anerkennt die beiden ersten dieser Staatstrias, geht allerdings den damaligen Weg nicht weiter bis zu der dritten: einer einheitlichen personalen „Führung“, die sich für die Nationalsozialisten aus den beiden ersteren als Notwendigkeit ergeben sollte. „Führungskraft“ wird nun vielmehr im Kollektiv selbst gesucht – gesehen. b) Wenn der Nationalsozialismus seine „Führung“, folgerichtig, zu gewinnen, abzuleiten versuchte aus einem „Staat als Geheimnis“, als „dem Mythos des 20. Jahrhunderts“ (Rosenberg) – der „Neuen Demokratie“ steht eine derartige, eine wahrhaft „geheimnisvolle Staatsdogmatik“ nicht mehr zur Verfügung. Ihre rechtlich legitimierende Kraft muss sie suchen und finden allein in ihrem Wesen „Neues Volk“. In ihm hat sich dann, sieht man es eben mit den Augen der „Neuen Demokraten“ etwas vollzogen, dem vielleicht gar die „Alte Dogmatik“ der Katholischen Kirche ein Vorbild bieten könnte: Sie sah die „Einheit ihres Schöpfergottes“ herauswachsen aus dessen Dreifaltigkeit, aus einem Geheimnis, das einst ihr im Sande suchender Heiliger Augustinus schon nicht rational lüften, das er nur in totaler menschlicher Wahrnehmungseinheit als eine „Göttliche Einheit“ hin-, annehmen konnte. Der Neuen Demokratie, welche nur das Eine Volk kennen will, nicht mehr als eines ihrer Organe, sondern als ihr staatsrechtliches Wesen – ihr ist denn auch etwas
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E. „Demokratie“ – Produktion in Gemeinschaft?
wahrhaft „rechtlich Transzendentes“ eigen: Jenseits von diesem ihrem Volk lässt sich juristisch in ihr nichts denken. Für dieses „Neue Volk“ aber gilt: C’est à prendre ou à laisser – im letzteren Fall ein rechtliches Nichts, ein „Zustand Reiner Gewalt“. Schon deshalb ist nur das Erstere vorstellbar für menschliches Denken: „Neue Demokratie aus Neuem Volk“ – in der, wahrhaft andächtigen, „Erwartung in Sicherheit“, dass dieser neue Souverän stets das juristisch allein Richtige wählen wird, weil es „rechtlich als staatlich“ nichts gibt außerhalb von ihm. So wird denn auch diese „Neue Demokratie“, nur in einem Volk rechtlich verkörpert, weithin aufgefasst: Dieses alleinige Einheitsorgan Volk soll, mit der juristisch höchstrangigen normativen Kraft der Verfassung, die „Neue in Zukunft dauernde Staatlichkeit“ laufend, gerade in diesem Immer-Weiter-Lauf endgültig, allein tragen in rechtlicher Gestaltung. Demokratie also „nur im Volk als Verteilungskraft in dauernder Bewegung“. c) Doch wie sich bereits ein „immer größerer einheitlicher Entfaltungsraum“ nicht hat als rechtlich notwendig nachweisen lassen in jener neuen Demokratie (vgl. vorsteh. 1.), so ist auch eine juristisch zwingende „Konzentration von Staatskräften in Einer Gestaltungskraft“ – und rechtlich -macht – des Einen Volkes der Neuen Demokratie nicht als eine rechtlich unausweichliche Entwicklung zu sehen. So wenig wie es wesentlich nur einen einheitlichen Entfaltungsraum gibt für die staatsrechtliche Demokratie – ebenso wenig wird dieser ausgefüllt von nur einer rechtlichen Kraft, wie es in jenem Neuen Souveränen Einheits-Volk als alleinigem Rechtsträger der Verfassung aber geschehen soll. Solch höchstrangige Rechtsgestaltung obliegt auch, ja zu allererst, dem Einzelmenschen in seiner individuellen Produktion von Gütern. Sie gehören zunächst allein ihm als Individuum; nur mit seinen Kräften wachsen sie hinauf – aber nur teilweise, nicht in wesentlicher, notwendiger Totalität – in eine Gemeinschafts-Wertigkeit gewisser Güterkategorien: als jene GemeinschaftsWerte, welche dann verfassungsrechtlich mit den ebenso wesentlichen individuellen Einzel-Güter-Werten zu koordinieren sind. Aus der Vielfalt der menschlichen Verfassungs-Gestaltungskräfte heraus entsteht so, in Werte-Produktion, eine Vielfalt höchstrangiger Rechtswerte. Verfassungs-Demokratie: nur als gemeinsame Güterproduktion – das wäre also wirklich, bei einer Betrachtung nach Kategorien des Verfassungsrechts, eine rechtsdogmatische Verirrung einer allein auf Gemeinschaft fixierten juristischen Denkweise. Ein solcher Weg darf nicht weiter, schon gar nicht endgültig „immer weiter“ gegangen werden. Denn „solche Güter-Betrachtung führt das Recht am Volke vorbei“ – im Namen gerade jenes Volkes, das aber zu allererst aus Menschen besteht, aus Individuen. Erst sie sind faktisch nicht mehr weiter teilbar, daher sind sie die „ersten Bausteine einer Demokratie, einer Staatsform produziert als Recht, aus Recht – in Recht. Demokratie – das ist eben „rechtswirklich“, eine geordnete Vielfalt von Verteilungskräften: von Menschen als deren Trägern. Rechtswesentlich, von vorne herein, gibt es nicht nur „ein Volk“, das Güter hervorbringt. „Volkseinheit“
IV. „Ausschließlich gemeinsame Güterproduktion“ – ein Irrweg
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kann also nicht bereits aus einer notwendigen Einheit der Güterproduktion abgeleitet werden. Ein „Neues Volk in Einheit“ könnte nun aber doch jedenfalls gesehen werden in der Art wie die in ihm zusammengeschlossenen Menschen den von ihnen für ihr „Volk“ produzierten Gütern begegnen: in der Demokratie als einer Staatsform des notwendigen und ausschließlichem „Gütergenusses in Gemeinschaft“.
F. Demokratie als „Gütergenuss in Gemeinschaft“? I. Ein neuer Hedonismus 1. „Volk“: Kollektiv-Form des Genießens? a) Staat – ein „Rechtsträger nur einheitlich begegnend in seinen Gütern“? Das ist die Frage, die sich stellt, selbst wenn die Güter von mehreren, von zahlreichen Rechtssubjekten hervorgebracht werden? Verliert sich die historisch-traditionelle Vorstellung, welche so viele Jahrhunderte den Staat als Bewahrer von nur statisch wirkenden Rechtswerten gesehen hat? Das „Volk“, nunmehr, und vielleicht für alle Zukunft, zu verstehen als der einzige Begriff, den die „Neue Kollektiv-demokratische Ordnung“ kennt – es muss ja nicht (nur) gesehen werden wirkend in der „Produktion von Gütern in einer Vielfalt von Verteilungs-Kräften“. Dieses Neue Volk – es könnte sich wirksam auch zeigen in einem Genießen in der Kollektiv-Form einer „Volkgemeinschaft“ als neuer und endgültiger Gestaltung rechtlicher Form von „Allem was Staat bedeutet“. Staat: wirksam auf Menschen als seine rechtlichen Träger, seine „Subjekte“ in dem Genuss, den ihnen dieser Zustand bietet – dass würde dann das „Neue Volk“ bewirken: „Das demokratische Volk erlebt in Genuss“. b) „Gütergenuss“ könnte also in dieser „Neuen, definitiven Demokratie des Einen Volkes“ vorstellbar sein als kollektiver Hedonismus einer Volksgemeinschaft. In ihm würde sich, das wäre die notwendige Konsequenz, sogar die kollektive Güterproduktion fortsetzen in kollektivem Gütergenuss: demokratische Vergemeinschaftung der Güterbeschaffung, der „Güterherkunft“, würde sich vollenden in demokratischer Güternutzung. Darin erst würde dann letztlich und unwiderleglich, der neue Güterbegriff das Neue Volk legitimieren. Finalität aus und in Produktivität – an allen Bewegungshebeln der Güterwelt würde so wirken das „Eine, Neue Volk“, der einen, neuen, der nun „definitiven“, der allein so definierbaren Demokratie.
2. „Schöner Staat“ in „Schönem Genießen“? a) „Staat als ein Zustand des Genießens für seine Bürger“ – das müsste voraussetzen „Staatlichkeit erfassbar als eine ästhetische Begrifflichkeit“, welche dem Betrachter etwas vermittelt, wie ein Wohlbefinden, wenn und gerade weil er sich
I. Ein neuer Hedonismus
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aufhält, bewegt, entfaltet in dieser Gemeinschaft. In ihr würde der Einzelmensch sich dann erstmals voll als solcher verwirklichen, den „vollen Menschen“ – es gäbe ihn eben erst in ihr. „Vorstaatlich“ könnten Sach-Gegenstände als Ordnungsmaterial „gedacht“, „aufgefasst“ werden als „Schönheit allenfalls in potentia“, nicht in actu ihrer „Wirksamkeit in Genuss“. „Staat“ – das wäre dann eben „Anfang und Ende zugleich“ von allem rechtlich Schönen auf/in d(ies)er Rechts-Welt, in solchem „Normativismus pur“. Und derartige „Schönheit“, gerade sie, soll nun die „Neue Demokratie“ vermitteln, die „Demokratie in Gütern“ – eine Güter-Bewegung als „Wertigkeit in Quanten“? (vorsteh. D. III. 4.). b) Dies ist nicht nur rechtslogisch, es ist geradezu logisch schlechthin nicht zu vermitteln „jenen Subjekten, welche (es) doch genießen sollen“: dies kann ja nicht wiederum das „Neue Volk“, es können nur dessen Bestandteile sein, die Menschen. „Schöner Kollektivgenuss“, „Genießen“ nur möglich als ein solcher – das ist doch nichts als eine Behauptung, es ist nur – das Demonstrandum, das zu Beweisende, nicht dessen Begründung. Der Zirkel-Schluss ist perfekt – und er ist offenkundig: erstrebt wird „Schönes Genießen des Staates“ – deshalb soll Ideal „dessen Schönheit“ sein. Gefragt ist aber nicht nach der Qualität des Erkenntnisgegenstandes, sondern nach der der Erkenntnistätigkeit. Erstrebt wird vielmehr:
3. „Schön leben im Staat“: nur ein „Sich-Ausleben“ Beschrieben wird im „Staats-Genuss“ lediglich ein Vorgang des „Sich-Auslebens“, dessen Wirkung auf einen Zustand zufriedener Ruhe des Subjekts Mensch, das sich darin eben „wohlfühlt“. Wer aber ein Leben in staatlicher Ordnung nur verstehen will als ein Ideal menschlicher Existenz in optimalem Gütergenuss, der findet darin keine Antwort auf die Frage, welche dann aber entscheidend wird: Was wird denn hier genossen, was ist dann „das Schöne“ im/am Staat, worin findet sich die erstrebte, die erstrebenswerte, die bewundernswerte Schönheit dieser politischen Erscheinung, welche die „Wertigkeit dieses Genießens“ begründen soll?
4. Die eigentliche Hedonismus-Frage: „Wer genießt wie?“ Wie ist dieser Zustand, diese so angestrebte Lage zu beschreiben, worin liegt „Schöner Staat als Staats-Genuss“? Aller Hedonismus führt notwendig sogleich zu dessen eigentlicher Frage: „Wer genießt wie?“.
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F. Demokratie als „Gütergenuss in Gemeinschaft“?
Nicht das „Erlebnis Genuss“ als solches steht dabei nun staatsrechtlich im Vordergrund – problematisch wäre ja bereits, ob es sich mit juristischen Kategorien beschreiben ließe. Vielmehr müsste für eine Staatlichkeit, die „genossen“ werden soll, Freude macht, Begeisterung weckt, ein Zweifaches bestimmt werden: - Wer ist es, dem all dies zugeschrieben werden soll – also das „Subjekt des Genießens“? Denn ohne ein solches Rechts-Subjekt als Bezugs-Punkt juristischer Wirkungen des „Genießens“ lässt sich dieses letztere als rechtliche Erscheinung überhaupt nicht erfassen. - Sodann stellt sich, auf dieser rechtlichen Grundlage, sogleich die zweite Frage: In welcher rechtlichen Form soll ein solches Rechts-Subjekt sodann der faktischen Erscheinung seines Gegenstandes, seines Rechts-Objekts begegnen: ihn erfassen, auffassen damit dieses letztere seine allein darin feststellbaren juristischen Wirkungen in der staatlichen Ordnung hervorbringen kann? Lassen sich aber diese beiden Fragen, „Wer genießt wie im/am Staat?“, beantworten, wenn die traditionelle, auf den Einzelmenschen bezogene, aus seinen Wertigkeiten aufgebaute Begrifflichkeit „Volk aus Mensch“, „aus Individuen“ aufgegeben wird, wenn sie ersetzt werden soll durch das „Eine Neue Volk“, wenn dieses nur mehr zu sehen, zu erfassen ist als ein Kollektiv – der Einzelmensch in diesem also „verschwunden ist“, „sich aufgelöst hat“? Wohin führt er, „dieser Staat allein in Volk“ – oder läuft er „nur so – immer weiter“, in einem „Volk als endgültiger Unendlichkeit“? Darauf ist „das Volk als ein Rechtswert des Genießens“ zunächst zu untersuchen (i. Folg. II. und III.). Führt das dann nicht notwendig zu „Demokratie: Rechtlich nur als ein Verteilen“? (i. Folg G.). Wenn sich jedoch so weder das zu Verteilende noch der Verteiler befriedigend feststellen lassen – ist dann nicht angesagt ein „Zurück zur (herkömmlichen) Demokratie als einem Schutz der individuellen Rechtswerte – der Rechte“, zu verstehen als Innehabung von Gütern zu deren exklusivem Gebrauch (Nutzung)? Das bliebe dann als Untersuchungsgegenstand (i. Folg. H) – in einem Zurück zum alten, und dennoch guten Staatsrecht…
II. „Nur Gemeinsamer Genuss“ – Unmöglich! Die Frage stellt sich zunächst wie folgt: Ist das „(neue) demokratische Volk“ rechtsbegrifflich näher zu bestimmen als ein „Vorgang (des) Gemeinsamen Genießens“?
II. „Nur Gemeinsamer Genuss“ – Unmöglich!
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1. „Das Volk“: „als solches genießend“ (?) a) „Das Neue“, entindividualisierte, nur als solches in absoluter Einheit vorzustellende Volk einer endgültigen Demokratie müsste, diesem seinem neuen rechtlichen Wesen entsprechend, nur als solches genießen (können). Eine Untergliederung dieser „Volkseinheit als ein rechtlich in Genuss bestimmbares Rechtssubjekt“ in kleinere Gemeinschaften oder gar Individuen – das wäre nicht (mehr) möglich; juristische Kriterien für eine nähere Bestimmung von „Volksteilen“ oder „Volkselementen“ dürfte, ja könnte es dann nicht (mehr) geben. Rechtlich ausgeschlossen wäre ja systemnotwendig jede Differenzierung innerhalb der Einheit des Souveräns. Es dürfte also auch keine solche mehr stattfinden „nach Individuen“; „der Einzelmensch wäre rechtlich verschwunden aus der Demokratie“, die eben nur mehr einen Machtträger (aner)kennen könnte in ihrer Rechtswelt: deren einziges Subjekt: Das Volk. b) Dies wäre auch rechtslogisch nur folgerichtig, wollte man „endlich“ – wie es neuerdings so oft heißt – „diese demokratische Staatsform ernst nehmen“. Ein Volk, das als solches nicht vorstellbar wäre in Genuss – wie sollte es gedacht werden können als „ein Gegenüber in Zuneigung“, als „liebenswert“, als ein Wesen, dem Opfer gebracht werden können – müssen, bis zum Opfer des höchsten menschlichen Gutes, des Lebens, im „Heldentod“? Fände dieses Wort, das heute mit achtungsvollem Schweigen bedeckt, aber letztlich doch nicht vergessen ist, hier nicht etwas von seinem „alten guten Sinn“? „Neue Demokratie“ – auf dem Rückweg in „Alte Zeiten“?
2. Individuen – genießend „im Kollektiv“? a) „Demokraten“, welche diese ihre Staatsform in deren neuem, gegenwärtigem und zukünftigem Verständnis als einen Gütergenuss sehen, rechtlich die Volksherrschaft in Formen eines solchen sich vorstellen wollen, werden, ja müssen also doch „den Menschen wiederzufinden suchen“ in ihrem neuen Höchstwert, im „Volk“. Nur in einer dogmatischen Form könnte dies gelingen: „Die (einzelnen) Menschen genießen (ihre) Macht des Volkes als Individuen im Kollektiv“ – gerade dies müsste rechtlich ausformbar, darstellbar sein. b) Eben dies aber ist logisch unvollziehbar; es kann also nicht einer „Staatsform Demokratie“ zugrunde gelegt werden, wenn diese gerade darin als eine „neue“ erfasst werden soll, dass es in ihrem einzigen Rechtswert Volk Individuen als eigenständige Rechtswerte nicht mehr geben soll“. „Das Volk“ bietet dann keinen rechtsdogmatischen Ausweg mehr, auf dem „eben doch“ der Mensch wieder zum eigentlich höchsten Rechtswert würde. Es bleibt hier eben dabei: Das Individuum, der Einzelmensch als eigenständiger Höchstwert – er geht unter in der Demokratie.
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F. Demokratie als „Gütergenuss in Gemeinschaft“?
3. Notwendige Folge: Keine Demokratie rechtlich allein aus Gütergenuss! a) „Demokratie“ ist heute politisch in aller Munde, sie allein! Von Staatlichkeit ist nur dort die Rede, wo „das Volk“ herrscht in menschlichen Gemeinschaften. Demokratie ist Höchstform nicht nur des Staatsrechts, sondern des Rechts als solchen: Dies alles sind Überzeugungen, welche Juristen der Gegenwart ständig wiederholen. Glaubensbekenntnisse sind es geworden für die Gegenwart. b) Der Staat und diese seine „notwendige demokratische Staatlichkeit“ haben in der Demokratie politisch geradezu etwas erreicht wie eine religionsähnliche Überzeugungskraft. Diese politische Weltanschauung findet ihre, mit Selbstverständlichkeit angenommene, rechtliche Ausprägung notwendig in ihrer juristischen Erscheinungsform der demokratischen Verfassung. Sie soll nun gesucht werden in einem Volks-Begriff, der in ihr einen „Rechtswert des Genießens“ bietet. Staatlichkeit – das ist für den Bürger der Demokratie aber nicht etwa ein Zustand des Wohlbefindens in einer völkischen Einheit. In der Volksherrschaft ist „der Staat“, als solcher, rechtliche Gegenwart; rechtlich angenehme Wirkungen auf den Bürger braucht er nicht hervorzubringen, nicht um derentwillen von den Menschen angenommen werden. Aus Menschen besteht die Demokratie ganz einfach, sie muss sich nicht vor oder gar aus ihnen rechtfertigen. Als ein Vorgang (nur) ist sie zu erfassen, rechtlich zu charakterisieren als ein solcher: Das Volk und seine Herrschaft – das ist nicht „ein Wert als Güterzustand“, sondern es zeigt sich werthaft, werthaltig als ein Vorgang: Verteilung.
G. Demokratie: „Volk“ in dauernder rechtlicher Um-Verteilungs-Bewegung I. Demokratischer Staat: „Vorgang“, nicht „Zustand“ 1. „Staat“: „Prozess“ – ein „Ablauf in Recht“ a) Über die Begriffe seines Denkens findet der Mensch zur Macht der Worte, in seiner ihm eigenen Sprachgewalt, in einer besonders wirkungsstarken Form. In ihnen erkennt er die ihn umgebende Welt, „fasst sie auf“ – macht sie sich geistig untertan, indem er sie in eine Ordnung zu bringen sucht, die er schafft, allein beherrscht, in der er seine Umgebung dominiert. In dieser (Er-)Kenntnis lag einst der einmalige, nie wieder verlorene Fund der kantischen Philosophie, die „Welt als Wille und Vorstellung“, wie wenig später Schopenhauer dies ergänzte: Die Große Deutsche Philosophie hat so Welt-Erkenntnis in der Erkenntnis des Menschen gesehen. b) So war ein geistiger Spiegel aufgestellt, in dem die menschliche Umwelt in einem vor allem und wahrhaft umfassend sich dem Animal sociale zeigte – kantisch gedacht „von ihm geschaffen wurde“: im Staat, in ihm musste der Mensch sich die Welt nun „appropriieren“, wie es in der komplizierten Sprache jener Zeit hieß. Es galt, sich in Staatserkenntnis die Umwelt anzueignen: (sie) fest-zu-stellen, in dem, woraus, worin sie be-stand. Und wieder war ein Wort die geistige Brücke auch für diese Erkenntnis: „Der Staat steht fest“, er ist ein einziger großer mächtiger Status. Was „steht“, muss aber gegründet (geistig: be-gründet) sein: auf (s)einer Grundlage, die sein Wesen hält, es fassbar werden lässt für den Menschen, für ein Subjekt, das darin zu seinem Schöpfer wird. c) „Staat – ein stabiler, also ein „statischer Zustand“, wie das Wort es schon sagt. Aber: Gehalten in solcher Festigkeit von welcher geistigen Kraft? Nur eine stand und steht noch immer bereit in der historischen Entwicklung: Das Recht. Von ihm darf es heißen: „Stat Ius“. In diesem Staat steht das Recht auf Dauer fest, es stellt einen festen Zustand „hin“: das kleine Wörtchen aber wird zum Groß-, zu einem wahren MegaProblem: „Wo“ steht sie, diese Staatlichkeit, kann sie als „fest“ überhaupt gedacht werden, wenn in ihr nicht – jedenfalls auch – „in Dauer gedacht ist“? Steht also dieser Staat nur dauernd da? Darin kann er sich nicht zeigen, nicht wirken. Es gilt, eine Frage zu beantworten: Worin soll er „ständig“ dauern – „ewig“? Eine Antwort „eben in diesen seinen statischen Werten“ – das würde ihn als „Ablauf“ nicht erfassen. „Staat“ das ist auch „in Bewegung zu bestimmen“, ja wesentlich aus ihr. Wo aber zeigt sich dieser Staat als Vorgang, damit in Bewegung? In einem Zeit-Ablauf (er)fassbar wird das Recht in diesem, stets von neuem als ein solcher: „Der Staat als ein Zustand des
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G. Demokratie: „Volk“ in dauernder rechtlicher Um-Verteilungs-Bewegung
dauernden Ablaufens in Recht“ – er stellt als seine Wesens-Fragen, die des „Was“ denn nun sich hier vollzieht, und die des „Wie“ er vor sich geht, dieser Ablauf. Staat: Das muss also einen Vorgang beschreiben, eine Bewegung, darin Gegenstände, die sich bewegen; Staatlichkeit vollzieht sich dann in einem Procedere, in einem „Ablauf von Gegenständen“: einem Gegenständlichen Prozess.
2. „Staat als Vorgang“ – als „Verteilung“ a) Wenn „Staat“ jedenfalls begriffen werden muss als ein Rechts-Vorgang, als ein „Ablauf in Rechtsform“, so kann „Statik“ allein nicht die erste und letzte StaatsQualität sein. Gerade als eine solche ist nun aber Staatlichkeit, wenn nicht immer, so doch zunehmend begriffen worden. In der Erscheinungen Flucht drängte sich dies ja geradezu auf; und war nicht „Politik“, welche das Wesen des Staates erklären sollte, immer „irgendwie“ aufgefasst worden als ein geradezu „wesentlicher Dauer-Wirbel“? b) Wenn „das Recht“ der Politik gerade hier zu Hilfe kommen, dieses „Perpetuum mobile“ zum „Perpetuum stabile“ soll werden lassen: in welchen typisch, ja wesentlich rechtlichen Vorgängen – denn solche gilt es dann doch aufzufinden – kann Rechtsdogmatik solche „wesentliche Dauerbewegung“ erfassen? c) Wiederum muss auf sprachliche Formen zurückgegriffen werden: Was sich bewegt, das will, das soll, das muss doch darin „etwas leisten“, eine Wirkung hervorbringen, die sich dann auch feststellen lässt – aber eben nicht endgültig fest-halten, nicht fixieren, nur „erfassen“: mit rechtlichen Mitteln, Instrumenten. Sie müssen in diesem Vorgang „wirken“, nicht wiederum nur ihn „dar-stellen“. Ein Begriff, der dies ausdrückt, begegnet in der Rechtssprache im Recht: leisten. Die Demokratie muss also nicht nur „etwas sein“, sie muss „etwas leisten“, was sie legitimiert, und dies in einem „Lauf“ – etwas, das sie „im Laufen zu schaffen vermag“. Begriffe bieten sich an für eine solche Beschreibung der Staatstätigkeit: Teilen – Austeilen – Verteilen.
II. Der Umverteilungsstaat 1. Vom „Austeilen“ zum „Verteilen“ a) Demokratie als Rechtsordnung des Teilens – das ist eine juristische Selbstverständlichkeit, insbesondere eine Staatsrechtliche Banalität. Wie könnte eine solche Organisation in ihrem übergreifenden Wirken denn auch anders vorgestellt, logisch legitimiert werden, denn als ein ordnendes Wirken, welches alle und alles „an
II. Der Umverteilungsstaat
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ihren/seinen Platz stellt, einen solchen zuweist“? Kein anderes Rechtsgut darf dann dort zu finden sein, niemand anderer als „der Berechtigte“ darauf einen Anspruch erheben mit einer Kraft, welche ihm die Rechtsordnung, der „Staat“ als eine solche vermittelt. Dieser Vorgang des „Austeilens“ beschreibt also – und konstituiert damit rechtlich – das „Wesen der Staatlichkeit als einer Ordnung schlechthin“. Es ist dies denn auch als solches nie „problematisiert“, nirgends auch nur irgendwie rechtlich vertieft worden. b) Jurisprudenz, als ein „Kampf ums Recht“, beginnt aber sogleich, und in voller begrifflicher Schärfe, wenn es juristisch nicht mehr grundsätzlich geht um einen Vorgang des Aus-Teilens, wenn vielmehr „etwas gegenständlich ver-teilt werden“ soll. Dann muss (vorher) dieses Objekt der Verteilung doch rechtlich bestimmt werden, bevor ein Verteilungsbemühen einsetzt, welches sich als solches nur auf diesen seinen Gegenstand beziehen kann. Dieser weitere Schritt auf dem „staatlichen Leistungspfad“ ist nun aber nur selten getan worden, und es geschieht dies immer seltener in einer Vertiefung rechtlichen Denkens. Es scheint dem ja etwas entgegenzustehen, das ein solches Bemühen als unnötig erscheinen lässt, weil „Staatlichkeit“ es von vorne herein, ja begrifflich ausschließe:
2. „Unendlich reicher Staat“ – Allmacht als ökonomischer Mythos a) „Der Staat“ musste als solcher näher bestimmt, rechtlich definiert werden, sobald faktische Macht in ihm als Rechtsbegriff erschien, als ein solcher in juristischer Spezifik Wirkungen zeigen sollte. Dann aber konnte er nicht mehr als eine Organisation auf-gefasst, erfasst werden, die „wirtschaftlich wesentlich aus dem Vollen schöpft“, als Besitzerin eines „unendlichen Reichtums“. Das „Hier lieg’ ich und besitz’; lass’ mich schlafen!“ des Nibelungen-Drachens hatte die Staatsgewalt aller politischen Realität entgegenhalten können, solange ihre Allmacht auch die Notenpresse in ökonomischer Omnipotenz bedienen durfte – zu dürfen glaubte. Doch wirtschaftliches Denken entfaltete, von naturwissenschaftlichem Fortschritt beflügelt, außerhalb des Rechts eine eigene Welt. Diese aber war nicht „ökonomisch als eine unendliche denkbar“: Sie kam aus Fakten, ruhte nur auf ihnen, war in ihrem Wesen Tat-Sache, so „endlich“ wie alles in ihrem faktischen Umfeld. b) „Unendlich reicher Staat“ – das konnte also nur mehr ein mythischer Begriff sein. Als ein „ökonomisches Fortdenken juristischer Allmacht“ (wenn denn eine solche anzunehmen war – vgl. Leisner, W.: „Allmacht“ im Staatsrecht, 2019) lag es endgültig außerhalb der Vorstellungskraft rechtlicher Begrifflichkeit. Der Austei-
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G. Demokratie: „Volk“ in dauernder rechtlicher Um-Verteilungs-Bewegung
lungsstaat war an seine wirtschaftlichen Grenzen gestoßen, als Verteilungsstaat aus den Höhen des rechtlichen Wollens zurückgekehrt in die Niederungen des juristischen „Ver-Mögens“; auch dieser Begriff war wieder zu verstehen im vollen sprachlichen Sinn eines Wortes, das nun selbst für die Demokratie zum „Staats-Wort“ geworden war, zum „Staats-Begriff“: Staatlichkeit zu sehen in den Grenzen ihrer Mittel – ihrer finanziellen Möglichkeiten, folglich:
3. Staatlichkeit als Umverteilung – der Umverteilungsstaat a) „Demokratie als Staatsform“ ist in diesem Kapitel G bisher gesucht, gefunden – untersucht worden, als Verteilung. Als ein Vorgang (vorsteh. I.) wurde sie daher erkannt, als ein „Umverteilungsstaat“. Er hat sich dabei auf das jeweils außerrechtlich-ökonomisch Vorgegebene zu beziehen, nur darin kann er seine wesentliche Verbindung zum „Außerrechtlichen der Fakten“ halten. Diese „Welt der Tatsachen“ ist nun aber wesentlich, in allem was sie begrifflich ausmacht, eine begrenzte. Ihre Beziehung zum „erkennenden Subjekt Mensch“ kann immer nur „gedacht“, also auch juristisch lediglich erfasst werden in „jeweiliger Gegenständlichkeit“, in den Objekten also, welche in Zuordnung bewegt werden von einem Rechtsträger zum anderen. Staatliche Umverteilung ist darin wesentlich Bewegung – damit ist „Staatlichkeit erkennbar in einer Bewegung der Umverteilung: Staat ist eben Bewegung, nicht nur Zustand“. b) Demokratie als Staatsform muss darin dann – nun wirklich! – „neu gedacht“ werden: Es kann nicht bleiben bei einem Quietismus des „Es ist erreicht“, in dem sie so Viele sehen wollen, auf dem „die große Masse sich soll ausruhen (dürfen), weil rechtlich aufruhen, im wahren, ursprünglichen Sinn dieser Worte. Zu fragen ist, ob sich in dieser Staatsform etwas „Schönes Neues“ zeigt, der „Schöne Staat“ in „des Kaisers neuen Kleidern“. Schreitet der Neue Staat einher in einer (Ver-)Wandlung von Fakten in einer Umverteilung, gerade in ihr? c) Daran werden, mögen Viele, immer Zahlreichere zweifeln, an solcher „Staatlichkeit als Umverteilung“; und das wird (auch) das Problem, die Sorge sein, mit der sich nun das Folgende auseinanderzusetzen hat. Und vielleicht steht am Ende sogar eine Umkehr (in einem Endkapitel H.): Zurück zur Demokratie als Rechtswert!
III. Der Staat: Das „Umzuverteilende Feste“ 1. „(Sein) Objekt Rechtsgut“: In Umverteilung rechtlich festliegend a) Wenn die Demokratie sich darstellt als ein „Umverteilungsstaat“, so muss zu allererst der Gegenstand ihrer wesensbestimmenden Aufgabe, damit ihre(r) „Legi-
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timation“ juristisch feststehen, in rechtlicher Begrifflichkeit bestimmbar sein. In logischem Vorgehen ist dabei nicht von den Adressaten der Verteilung auszugehen, den Empfängern dieser Objekte, sondern von diesen letzteren: Die Verteilungsgüter rufen ihre Nutzer, sie bestimmen durch ihre Nutzbarkeit, mit ihrem rechtlichen Wesen, deren Kreis. Von der rechtlichen Festlegung eines solchen Gutes geht also der Ruf aus nach dem Berechtigten, dem es jeweils zukommen soll. b) Die Wortwahl der allgemeinen Sprache, welche insbesondere alles Politische beschreibt und damit er-klären will, zeigt deutlich diesen „geistigen Primat des Gutes vor dem Berechtigten“: Dieser Letztere „ent-steht“ erst in und aus jenem: Von einer „Güter-Welt“ ist laufend (auch) außerrechtlich die Rede; niemand wird aber sprechen von einer „Berechtigten-“, einer „Eigentümer-“ oder auch nur von einer „BesitzerWelt“. Diese Begriffe begegnen erst in der „demokratischen Rechtsgüter-Welt“. „Güter“ werden eingeführt in den demokratischen Machtbereich, sie werden dort zu „Rechtsgütern“, ihr Raum wird zur „Rechtswelt“ – Rechtsordnung genannt.
2. „(Sein) Subjekt Nutzer“ – Umverteilung: „Bewegung in Nutzung“ a) „Zu-Ordnung“ ist der Zweite Brücken-Begriff des staatlichen Güter-Rechts. Mit ihm wird das juristische Objekt, das über ein erstes Brücken-Wort in die RechtsWelt eingeführt worden war (vorsteh. 1.), nun erst(mals) in eine rechtsnotwendige Verbindung gebracht zu dem rechtlichen Wesen, welches das Umzuverteilende ausnutzend handhaben, weiter-tragen wird in diesem neuen System von Bezügen: „Als Objekt wert-fähig geworden“, wird das Umzuverteilende nun rechts-fest in seiner individuellen, rechtssubjektiven Nutzung. Damit stellt sich jedoch sogleich die weiterführende Frage an diesen „Rechtswert“, worin denn seine Nutzung gerade diese Qualifikation rechtfertige – verdiene; denn mit ihr soll doch nun etwas Anzustrebendes angesprochen werden, welches „den Zustand zum Gut werden lässt“, das Gut in/aus seiner erstrebenswerten Qualität bestimmbar macht. b) Diese „Güte des Rechts“ wurde lange Zeit, sie wurde über Jahrhunderte allein, ja ausschließlich gesehen in etwas, das als wahrer Höchstwert besungen werden konnte: „Festgemauert in der Erde(n) steht die Form, aus Lehm gebrannt“ – fest, weil endgültig geworden, als Monument, in dessen Kälte „stillstehen/werden lassend“ – und doch „zu Feuer werdend“, gerade darin: „Frisch, Gesellen, seid zur Hand!“ Was ist sie, diese Hand: Sie ist „der Mensch, das Subjekt des Rechts“ – beides: in Bewegung, in ständiger Veränderung dessen, was sie anzeigt, zeigt, erreichen will, erstrebt: also der strebende Mensch in der – in seiner Bewegung. Recht also „in laufender Bewegung“ und doch „fest im Wesen“ – ist das vorstellbar?
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IV. Demokratie (in) „Laufende(r)“ Bewegung 1. Kontinuierlich a) Demokratie als eine „Staatsform in Bewegung“ – das ist, nach allgemeinem Wortverständnis, wie auch insbesondere nach politologischem Sprachgebrauch, geradezu eine Selbst-Verständlichkeit. Sie zu sehen als eine feste, ja starre Form der Staatlichkeit – dass würde wohl als ein Widerspruch in sich erscheinen. Zumindest eine gewisse Beweglichkeit rechtlicher Gestaltungen soll hier in öffentlich-rechtlicher Organisation Macht-Tore dem Zukünftigen nicht nur immer wieder aufstoßen, sondern sie auf Dauer, (weil) eben wesentlich, „offenhalten“. b) Darin vor allem erscheint diese Macht-Form Demokratie als eine nicht nur unverwechselbare, sondern als die unauswechselbare, eben als „die endgültige rechtliche Gestaltung“ eines Zusammenlebens in, irgendwie eben doch rechtlich, (er) fassbaren Formen. Mehr noch: Dieser nicht nur vor-, sondern höchstrangigen Qualität sind Demokraten bereit, sogar juristische Festigkeit zu opfern. Voraussetzung dafür ist aber, dass in dieser Machtlage noch etwas „juristisch Fassbares“ erhalten bleibt, in dem sich Demokratisches nicht nur „lohnt“ für (die) individuelle(n) Menschen, die sich in ihr zusammenfinden. Sie müssen sich in ihr von einer gemeinsamen Begeisterung tragen lassen. Was anderen Staatlichkeiten zum Verhängnis zu werden droht, aus deren Strukturen zu entfernen ist, mit allen, vor allem mit juristischen Mitteln – das wird hier zur Kraftspende: die „tägliche“, ja eine tagtägliche Wirkung dieser „Staatsform des Volkes“, und nur aus diesem.
2. „Démocratie, Plébiscite de tous les jours“ a) Nicht von ungefähr ist dies die Überschrift über dem Tor, über allen Eingängen, in denen diese Staatsform die Menschen empfängt, sie damit zu ihren Bürgern werden lässt. Mit allem was sie haben, mit sich tragen – nein: was sie trägt zum souveränen Volk als einem solchen, sodann wahrhaft „in ihm“, sollen sie hier nicht nur irgendeine politische Heimat finden können: Stets sollen sie diese finden, zu allererst und ausschließlich. Darin erreicht diese Staatsform nicht nur die Höhe(n) irgendeines Denkens in rechtlichen Werten; sie erobert sich in der juristischen Vorstellungswelt eine absolute Spitzenposition: die eines „zeitlichen Zuerst“, in dem sie den Menschen nicht nur begegnet, sondern sie bereits umformt, sie zu ihren Bürgern werden lässt. In der zeitlichen Vorstellungswelt, in der „Zeit“ als einer der beiden Grundkategorien kantischen Denkens, kommt nichts mehr nach der Volksherrschaft, weil da schon vorher nie etwas anderes gewesen ist, wurde „Verfassungsgeschichte“ nur in
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ihrem wahren Gehalt gesehen und gewürdigt: darin eben, dass sie „immer kam aus dem Volk“. b) „Die Zeit im Recht“ – das ist eben nichts, was „mit einem Mal einbricht in diese Welt des Denkens“, es hat sie stets zu allererst getragen, ihre Inhalte bestimmt. Inhaltlich war es zwar die „jeweilige Epoche“, welche dies immer wieder vorgab. Die Form, in welcher eine „Zeit bestimmend auftrat“ – sie war aber stets die gleiche, ja dieselbe: Kontinuität in (tag)täglichem Ablauf(en): Darin findet Demokratie ihre „Kraft im Lauf“, in „laufender Bewegung“, in einem „toujours“ geboren in ihrem „tous les jours“ – immer von neuem, als „Neues Volk hervorgebracht, in stets Neuer Macht, in Zeit, aus ihr“.
3. Demokratie: „immer weiter“ – darin „stärker“, „größer“: in der Zeit a) Demokratie – das ist ein „Staats-Wesen in Zeit“, mächtig in, aus deren Ablauf. „Die Zeit“ geht nicht an der Volksherrschaft vorüber, als an einem überzeitlichen Wesen. Zeitlicher Ablauf hinterlässt zwar Spuren an einer Staatlichkeit, welche er aber nie „umstürzen“, „verändern“ oder auch nur „umformen“ könnte. Für die Demokratie soll vielmehr gelten: ihre Form ist immer die eine: „der Staat“, sie zeigt sich nur in dieser: im „Volk in (seiner) Bewegung“, in Motu, aus, in Mobilität. Die Jurisprudenz muss also diesen ihren Souverän permanent suchen, ihn finden immer von Neuem in dieser Anstrengung: das Wesen der Demokratie liegt in der „Bewegung“, deren sie fähig ist. Als eine „Staatsform“ muss diese Bewegtheit allerdings sich etwas bewahren, es von Anfang an in sich tragen, was zwar „einheitsfähig“ ist – dennoch aber „immer stärker, immer größer werden kann“, andernfalls verlöre ihr Staat sein rechtliches Wesen: das wesentlich Temporale. Woraus kann es kommen, dieses „Recht der Demokratie in, ja als Evolution“, in der Hoffnung, ja der Sicherheit „Neues“ zu entdecken? Neuerdings nur aus „ihrem Volk“. Und wenn da nicht wirklich „Neues“ kommen sollte: Klarer wird so das Recht jedenfalls, näher kommt es den Menschen, die es hervorbringen (wollen) – die „leben in Demokratie“. Lohnt sich da nicht ein Denken auf solchen „Pfaden des Volkes“ – und es sei es ein Wagnis: „Mehr Demokratie wagen!“? Gewinnt dieses Wort nicht so einen neuen Sinn, tiefer zugleich und höher, „zugleich Kleineres zeigend und Größeres“ in dieser „Zeit des Volkes“?
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4. Demokratie: Keine festen Stadien, „kein Anhalten“ – stets Bewegung a) Die religiöse Versuchung: „Es ist erreicht – vollbracht“ – in dieses Wort am Kreuz könnte man sie fassen. Durch das Christentum – wie auch später im Islam – ist ein Entwicklungsdenken in eine sich ihrer selbst bewusstwerdende Betrachtung historischer Vorgänge gekommen, welche seither allen Perioden jeweils das „Große Neue“ zeigen und zugleich bedeuten sollte: Auf die Religionsgründungsereignisse wurde nun alles bezogen, ausgerichtet, ja „zu Recht“, aus Ereignissen deutbar als Erklärung und Legitimation von allem Geschehen(d)en. „Historisches Denken“ war damit als solches erreicht, da „sein Gegenstand“, „die Zeiten erfüllt (worden) waren“, in einem Einbruch unendlicher göttlicher Gnade. Nun galt es nur mehr zu schöpfen aus dieser Quelle, und ihr Schatz erschien auf immer als unerschöpflich. Dies war die große Versuchung des Erlösers auf dem Berg durch den Geist des Bösen: sie ist es stets geblieben für Menschen auf den Spuren des Religionsgründers. Wollte nicht auch er, dass alle Menschen niederfallen vor ihm – ihn anbeten? Ob man die „Verkündungsreligionen“ so sieht, oder doch irgendwie anders – diese ganze große Versuchung ging immer, geht noch heute von ihnen aus. b) Rasch wird dies aber zu einem „Eintritt der Ruhe“ ins Leben der Menschen – geradezu als ein Paradox. Irgendwie erreicht Religion damit etwas Eigen-Artiges: Ein „Sich Ausruhen in einer Hoffnung“. Für das christliche Mittelalter schien es erreichbar, in Klöstern Wirklichkeit. Beginnende Neuzeit umgab sich mit ihm in den Studierräumen mit ihren goldschimmernden oder ganz einfach gebundenen Büchern, in Heiligtümern ihrer Bibliotheken. Auch dort war immer noch „eine sich in sich drehende Besinnung, zu Besinnlichkeit geworden“. In dieser kaum vergangenen Wissenschaftswelt – da war immer noch Hoffnung in einer Statik von Gewissheiten, zwar in einer geistigen Bewegung, „schließlich aber doch mündend in Ergebnisse“, welche jene endlich abschließen können, daher auch „werden“. Im Wissenschaftler hatte jedoch der Eremit überlebt, in seinen engen Räumen die Bewegtheiten von Gasen und Strömen schon „erleben“ können. Solche Laboratorien öffneten nun Tore zu einer neuen Welt: c) In der „Neuen Demokratie“, einer sich ihrer selbst als Politik bewusstwerdenden Bewegung, entsteht da nicht diese Staatsform als Wissenschaft in einem Neuen Rechtsdenken? Die bisherige Statik des Erreichten Rechts taucht ein, geht unter in juristischer Dynamik. Diese kann, ja sie muss „zelebriert werden in Versuchen“: Ihre Unendlichkeit liegt in Ketten, die in Knüpfungen sich schließen mögen, immer von Neuem aber sich öffnen, für neue Anschlüsse. Was soll da einstige Staatlichkeit, selbst frühere Demokratie noch bedeuten? Sie hatte nur immer wieder Bewegungen enden lassen wollen in einer Ruhe von Vollbrachtem; ohne Zwang war dies nie möglich gewesen. Und so war traditionelle
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Volksherrschaft zum Staat stets im Letzten doch immer in solchem Zwang geworden. Nun aber soll dieser Staat zum laufenden Experiment werden – ein Ablauf im Fortlauf von Technik, ohne jedes Ende. Zeigt nicht gerade darin „Neue Demokratie“ ihr Wesen? Ist es also nicht wirklich ein „Novum“ – dieses „Volk“, welches nun das Einzige im Recht darstellt, das Einzige Ius in sich trägt, es in Wahrheit ist? Und was soll sie dann sein, was kann sie (vielleicht) nur sein, die Volks-Herrschaft? Stellt sich hier nicht eine Grund-Frage an die Demokratie: Was bringt gerade sie denn wesentlich ihrem „Neuen Staat“?
V. Demokratischer Staat: Entwicklung (in Verteilung) von Gütern 1. Demokratische Umverteilung: Bewegung „größerer und kleinerer Verteilungsobjekte“ Wenn der Demokratische Staat zu verstehen ist als „System einer Mechanik der Umverteilung“ (vorsteh. III), sich aber gerade darin „in wesentlicher Bewegung“ zeigt (vorsteh. IV.), so müssen sich diese Veränderungen doch irgendwie zielgerichtet darstellen. Nicht nur ein Ziel, sondern notwendig mehrere solche müssen dann rechtlich in einer Weise bestimmbar sein, welche eine gewisse Gegenläufigkeit hervorbringt. Denn eine Demokratie als „reine Einbahn zu einem Ziel“ könnte nicht rechtlich festgelegt werden; was wäre denn da dieses Ziel, wo es wäre es zu finden? „In immer mehr Staat“? Darin ginge dann jede Art von Freiheit verloren in allmächtiger, allgegenwärtiger Staatlichkeit. Am Ende könnte nur stehen: „Umverteilung als Totaler Staat“, in seinem perfekten Zwang könnte dann zwar kurzfristig irgendeine Verteilung von irgendetwas stattfinden – sie würde aber rasch in „staatlicher Friedhofsruhe“ beerdigt – beendet.
2. Demokratie: „laufend“ in Bewegung zwischen unterschiedlichen Verteilungsgrößen von Gütern a) Verteilungsgrößen von Gütern müssen also bestimmt werden im Staat der Volkherrschaft. Dies aber kann nur geschehen nach „qualitativen Größen von zu verteilenden Gütern“. Denn: „immer nur irgendwelche größere oder kleinere Quanten als solche auszuteilen“ – das fände zu keinerlei rechtlicher oder gar rechtsstaatlicher Legitimation; am Ende stünde nur das Zerrbild eines totalen Kommunismus, in dem in der Tat alle Staatlichkeit sich auflöste – verschwände in absoluter ewiger Statik, wie es denn auch das Ideal dieser Ordnung ist.
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b) Güter von unterschiedlicher Größe müssen es also sein, welche die Staatsmacht in Bewegung hält, mit denen sie gewissermaßen „jongliert“ im Verteilungsspiel mit ihren Bürgern. Nur in diesem Vorgang „stehen dann die Bürger in ihrem Staat“, erreichen sie ihn immer wieder – und er sie! Die Sprache des Staatsrechts hat dafür ein plastisches Wort geprägt: In dieser Bewegung unterschiedlicher Verteilungsgrößen hat die Demokratie die Chance, das „Interesse ihrer Bürger sich zu erhalten an ihrem Ordnen, an ihrer „Ordnung“: „Sie sind eben dabei“ – und darin ist Volksherrschaft etwas wie eine Staatsform des Volkssports: „Dabei gewesen sein ist alles!“ – was sie bieten kann, was „ein Staat eben auch nur sein kann“, als ein (ganz) großer Bürgerverein. „Verein“ – ist das nicht ein Wort, ist es nicht geradezu der Begriff für „Kollektive Bewegung“? Im „Volk der Vereine“, in Deutschland, sollte man das doch so sehen, da man es, wie kaum irgendwo sonst, täglich lebt, darin lebt.
3. Demokratie: Staat – Bewegung von Gütern in Größen a) „Güter“ sind für das Staatsrecht „Staatsprodukte“. Der demokratische Staat ist kein entwicklungslos in sich ruhender, kein sich in sich selbst drehender Mechanismus. Getragen ist er von menschlichen Wesen, welche in ihrem Leben „Entwicklungen erleben“, in denen ihre Existenz ihnen – durch solche Bewegungen – nicht nur in anderem Licht erscheint, sondern für sie „zu etwas anderem wird“. „Ihr Staat“, ihr „kollektives Sein“ ist für sie aber nicht Flussbett sondern Bühne, es ist „Theater im Ablauf“, nicht einfach nur „ein Vorgang im Vorübergehen“. Anders als in (s)einem Leben in „Ablaufbewegungen“ kann dieser Mensch, dieser sich selbst bewusstwerdende Bürger der Volksherrschaft gar nicht denken. Lebensformen kann er überhaupt nur erfassen in seinem eigenen Ablauf, in Kategorien von Geburt – Leben – Tod. Diese Phasen erlebt der Mensch als Staatsbürger an sich selbst, in seiner Individualität. Soll er diese nun transponieren in seinen Staat, sie dort wiederfinden als Raum seines „Lebens in Bewegung“, so müssen es „Bewegungen von Gütern“ sein, die er, in denen er sich findet als in „seinen Schöpfungen“; darin wird dann die Staatsform erst zu „seiner Demokratie in seinen Gütern“ – seinen Staatsprodukten. Demokratie ist also in diesem Sinne „Staat in Güterbewegung“. b) „Von größeren zu kleineren Gütern“ – „Demokratie als notwendige Spezialisierung der Verteilungsobjekte, der Güter“: in solchen Dimensionen entfaltet sich die Staatsform der Demokratie, zu Bewegungen zwischen ihnen setzt sie ihre Staatsgewalt ein. So zeigt sie sich als ein gegenständliches „gewaltmäßiges Verfeinerungsstreben“ in der rechtlichen Erfassung von Gütern, damit in einer Vorstellung von solchen notwendig in Zuordnung zu Trägern, Subjekten – darin in „Verteilung“. Diese Güterbewegung ist eine solche der Güter-Zuordnung: solche Objektzuordnung ist wesentlich „subjektgesteuert“; sie hat ein Ende, ein Ziel: den Einzelnen.
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Sobald demokratische Staatsgewalt darin den einzelnen Rechtsträger erreicht, hat sie sich in dieser Bewegung erschöpft, sie hat sich aufgelöst in ihre Elemente, ihre „Atome“ – die Menschen, in deren Besitztümern, welche sie nun als solche genießen: in „Besitz als Genuss“. Gerade das hatte sich aber nicht erwiesen als der Staatsweisheit letzter Schluss (vgl. oben F). Vielmehr war in „Demokratie der Staat geblieben als ein Vorgang“, und eben dieser hatte sich als Umverteilung gezeigt – darin wieder als Bewegung. Diese darf sich nun nicht auflösen in Menschen – in Verteilung: in ihr würde sonst die Demokratie als Staatlichkeit aufgelöst. „Im demokratischen Subjekt Einzelner, im Bürger“ konstituiert sich vielmehr der Staat wieder neu: Darin findet „das Demokratische Wunder statt“: Es zeigt sich der Staat als Bewegung von Gütern nicht in einer „Auflösung von Groß in Klein“. Diese Bewegung in immer kleinere Güter – sie schlägt also wieder um – irgendwann – in eine solche: c) Von kleineren zu größeren Gütern: In Demokratie – als notwendiger Generalisierung in Verteilung durch den ganz großen Verteiler, den Staat, vollzieht sich wieder die Gegenbewegung: Es konstituiert sich dieser Volk-Staat, als der ganz große Gegensatz zur Güter-Verkleinerung im staatsrechtlichen Denken, als das kategorienmäßig Größte, dessen der Mensch hier fähig ist. Der Staat – er selbst als das „ganz große Gut“ – darin findet dann das Recht zurück zur Philosophie, möchte sich gar mit dieser gänzlich versöhnen, in einer wahrhaft neuen Staats-Philosophie. Nicht über-winden müsste diese ihren Staat: hinaufwinden würde sie ihn in eine Höhe der Allgemeinheit, in welcher nicht Menschlichkeit verdämmerte in Macht, sondern der Mensch sich endlich voll fände in seinem „Staat als (dem) Übermensch(en)“. „Demokratie als Staat der immer (nur noch) größeren, höheren Güter“, zu denen sich die menschliche Gemeinschaft hin(auf) bewegte, darin die Bürger in demokratischer Machtorganisation erreichte: Sie wäre die Welt Hegels, in ihr würde er wahrhaft zum „Überphilosophen“, als den ihn viele Gelehrte denn auch gesehen haben. Dieser ganz große Staat: Er wäre bereits in ganz großer Philosophie gedacht (worden). Und so müsste dieser Staat denn auch in der Realität zu finden sein: Wirklichkeit geworden in Demokratischer Politik. Lebt so nicht schon heute – und auf immer – Höchste Philosophie als Höchstes Recht in wirklicher Demokratie, gefunden als „Der Stein der Staats-Weisen“? In Demokratie ist doch der Güter Größtes errungen und verteilt: „Ein größeres findst du ni(ch)t!“… keinen Größeren Staat als den der Verteilung!
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VI. Demokratischer Staat: Entwicklung in Zeit-Lauf 1. „Staat in Zeit“? Staatlichkeit als Zustand einer Ordnung ist von jeher als eine Lage derselben „in der Zeit“ nicht nur tatsächlich gesehen, sondern auch rechtlich qualifiziert worden. Dass diese Situation aber auch bereits ein Entwicklungs-Moment beinhalten sollte, stand dabei, soweit ersichtlich, kaum je im Vorder- oder gar im Mittelpunkt. Inhaltlich, vielleicht sogar bereits „klanglich“, wirkte die verbale Formulierung „Staat“ eben als solche „doch irgendwie statisch“. Wenn nicht geradezu ein bewegungsfreies Wesen, man verband doch, traditionell, mit „Staat“, etwas wie ein schwebendes Gedanken-Gebilde. Für dieses war ein „Ab-Lauf in (der) Zeit“ als solcher nicht wesensbestimmend, ja nicht einmal eine regelmäßige oder auch nur übliche Erscheinungsform. Vielmehr wurde damit eine Vorstellungswelt angesprochen, später auch als juristische Ordnungskategorie eingesetzt, in welcher ein solcher Zustand „nicht nur dauern“, sondern „wesentlich (etwas) überdauern sollte“: „Die Zeit, welche schon so viele Wunden geheilt hat, würde auch darüber Gras wachsen lassen“ – das war „wesentlich Staat als Hoffnung“, nicht als ein Erleben in Aktualität; es lag dies in etwas wie einer „begrifflichen Ferne des Staatsrechts“. Dauern(d) – das mochte als eine historische Qualifikation sich zeigen. Doch es war dies eine „faktische Zusatz-Legitimation“, eine rechtliche Begründung ergab sich daraus nicht. Staat – das war, das ist heute noch von Vielen, den Meisten vielleicht, gedacht als eine rechtliche „Wesenheit außerhalb des Raumes (der Güter)“ – und eben auch „außerhalb von (einer) Zeit“, in der sich diese Güter, in einem (Ab-)Lauf, etwa verändern (könnten). „(Der) Staat in (der, in einer) Zeit – ist das nicht geradezu ein Widerspruch des Staatsrechts, der Welt seines Denkens“?
2. Staat: Schritte in Majestät Ein Wort der Umgangssprache – und es lässt sich durchaus hinzufügen: „ein Begriff der allgemeinen Politik“ – in dem sich der Staat seinen Bürgern „vorstellt“ – wiederum in einem durchaus üblichen Sinn – es drückt dies wahrhaft plastisch aus, vielleicht gerade weil es im Recht kaum mehr eingesetzt wird: „Majestät“. „Staat“ – ein einziger majestätischer Lauf! Historisch hat sich dieses „Majestätische“ schon früh zu einer staatsrechtlichen Begrifflichkeit entwickelt: „Majestät“ ist einer der wenigen Begriffe, in denen der „Staat“ schon früh das „Recht“ erreicht hat, über diese Wortwahl die Politik, in ihr letztlich erst den „allgemeinen Sprachgebrauch“. „Majestät“ zeigt eine verbale Inhalts- als Sinnentwicklung, in Gegenrichtung zu einer Sprachevolution, wie sie gemeinhin begegnet: von allgemein-tatsächlichen Sinngehalten zu deren „rechtstechnischer Präzisierung in inhaltlicher Verengung“: Das Staatsrecht hat sich vielmehr gewissermaßen spät(er) erst einge-
VII. Staat im Lauf: Das „Volk“
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hüllt in den goldschimmernden Mantel geistiger Erscheinungen in solchen Worten. Und weil geschichtlich oft früh vergeht, was spät heraufkommt: Von „Herren“ und „Fürsten“ sind solche Hüllen, für sie so oft „des Kaisers neue Kleider“, historisch bald, ja vor all ihren anderen Macht-Bedeckungen abgefallen, die irgendetwas den Blicken entrücken sollten, als harm-, als schadlos verbergen, was aber doch als wirksam gewollt war, „in der Ruhe des Rechts“.
3. Staat: Würdevolles Schreiten in rechtlicher Ordnung Majestät: Das zeigt sich zu allererst in einem: im (Dahin-)Schreiten, in der Bewegung als etwas (Langsam-)Würdevollem, das nur ihr eigen ist, ihr denn auch allenthalben zu-geschrieben wird – in welchem Raum/Bereich vor allem? Im Recht und seiner Ordnung. „In Majestät“ wird wohl, wie kaum irgendwo, irgendwie sonst, für den Menschen Staat zu Recht, Recht zu Leben, Leben zu Zeit, Zeit zu Schritt, Schritt zu Bewegung, Bewegung zu Lauf: also wird über diese Kette: der Staat zu einem Lauf in der Zeit, als ein solcher majestätisch sich zeigend – nicht nur dem Juristen, sondern dem Jedermann, den Staat als einen Jedermann, auch in seinem möglichen Ende. Wird es ein würde-volles sein, dieses Ende des Alten, Großen Staats der Geschichte – in einem geschichtslosen, im auf ewig geschichtslos dahinschreitenden Neuen Volk der Neuen Demokratie? An dieses „Neue Volk in Neuer ewig schreitender Majestät“ mag der (immer und wesentlich erstaunte) Jurist als Wissenschaftler dann seine übliche Frage stellen, nun einmal „ganz zu Recht“, in „Recht“: „Ist das nicht ein Novum“, dieses „Laufende Volk in ewiger Verteilung“?
VII. Staat im Lauf: Das „Volk“ – nur (in/als) wesentlich „Verteilung“ 1. Laufend-ständige Bewegung als Form der Staatsaufgabenerfüllung Dass „Staat“ eine „bestimmte Lage verteilter Güter“ bezeichnet, sollte (eigentlich) nur eine unbestreitbare faktische Feststellung sein: Güterverteilung ist ja wesentlich Gegenstand und Aufgabe organisierter Staatlichkeit (vorsteh. V.). Dies schließt einen Vorgang (vorsteh. I.) der „Umverteilung“ ein (vorsteh. II. und III.), die ihrerseits wieder in einer „Bewegung“ (vorsteh. IV.) erfolgt. So lässt sich gerade in der Demokratie „Zeit“ nicht nur bezeichnen, sondern auch in ihrem rechtlichen Wesen erfassen als eine „Entwicklung in Verteilung von Gütern“ (vorsteh. V.). In solch gegenständlicher Betrachtung zeigt sich Demokratische Staatlichkeit folglich wesentlich als „Güterbewegung“. Selbstverständlich muss es daher ei-
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gentlich sein für logisches Denken, dass dieser Vorgang, zu verstehen doch nur als ein „Vor-an-Gehen“, im „Raume einer Zeit“ erfolgt, darin auch (erst) juristisch seine näher bestimmte Form in staatsrechtlichem Denken gewinnt, wie dies in der gegenständlichen Erfassung der Güter der Fall war: Sie erfüllen mit „Staat als Raum“ die Erste Grundvoraussetzung kantischen Denkens; „Zeit“ ergibt sich als die wesentliche Zweite in einem „Staat in Zeit“, der sich in würdevollem Schreiten bewegt (vorsteh. VI.).
2. Laufende „Güterverteilung in einem Volk“ a) Eine solche äußerliche Erscheinung „Staatsbewegung“ – sie kann nun aber nicht genügen zur Erfassung des Wesens gerade einer Demokratie als eines Staates im Lauf; diese Bewegung muss vielmehr als solche näher bestimmt werden (können) nach der „Form von Veränderung“, in der sie stattfindet. Gerade für die besondere Ausprägung von Staatlichkeit hat dies zu erfolgen, wie sie eine Volksherrschaft eben darstellt, in der diese politisch bereits gewirkt hat. Eine politische Antwort liegt nahe, drängt sich geradezu auf, schon aus Allgemeinem Sprachgebrauch heraus: „Demokratie“ – das bedeutet nicht „irgendeine Güterlage in der Gemeinschaft“, die „als solche festzustellen“ wäre, in Beantwortung der „jeweils“ im jeweiligen Zeitpunkt sich stellenden und gestellten Rechtsfrage. Eine solche Vorstellung würde aus „der Zeit“, in welche dieser Staat doch gestellt werden soll, rechtlich „die Bewegung“, alle Bewegtheit eliminieren. „Staat in Zeit“ – das wären lediglich einzelne Machterscheinungen, isoliert bezogen auf Zeitpunkte ihres jeweiligen Wirkens in der staats-rechtlichen Statik eines gedanklichen Augenblicks. Ein „Wesen der Staatlichkeit als Bewegung“ wäre damit gerade aus der Demokratie völlig verschwunden. b) „Volk in der Demokratie als ein Raum von Gütern“ – aber außerhalb jeder Zeit – das möchte man in einem noch immer kantisch geprägten Staatsdenken als endgültig ausgeschlossen erachten. Ist aber nicht gerade diese Betrachtungsweise schon eine tagtägliche Selbstverständlichkeit in der staat(srecht)lichen Vorstellungswelt der Gegenwart? „Demokratie – auf immer“! Volksouveränität: „Der Staat“ – „Es ist erreicht! Im Lauf“, in der jeweiligen Güterlage. Hier liegt aber staatsrechtlich ein Denkfehler vieler, insbesondere der (überlaut) tonangebenden politischen Demokraten: Als sei Volkssouveränität nur die Dauerlage eines immer gleich bewegten Volkes, das sich gerade darin in eine demokratische Ewigkeit hinauf entwickelt habe, in ihr nunmehr (er)strahle, leuchte – nie mehr gesucht werden müsse in einem immer von Neuem geistig aufzuhellenden staatsrechtlichen Dunkel.
VIII. „Das Volk“: Ablauf einer Umverteilung
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3. Volk: Demokratie als laufende Verteilungs-Bewegung a) Demokratie endend in Volk – dieses als ein in laufender Verteilung „neu schöpfendes“, nicht aber „sich er-schöpfendes Wesen“: spielt hier nicht Große Staatsmusik – nicht zu einem Ende (hin), sondern endlos, in solchem Verteilen, im Austeilen – welche andere Bewegtheit nicht kennt, diese daher notwendig als eine dauernd-ewige bietet? Zeitlich, also eben auch „wesentlich“, kann, (weil:) darf es rechtlich jedenfalls nichts mehr geben „außerhalb“, „nihil extra“: im Volk begegnet dann insoweit darin die alte Welt der bekannten Geschichte… Ob dies allerdings auch „schließlich“, zeitlich endgültig-abschließend gilt, das bleibt dann eine noch durchaus offene Frage (i. Folg. VIII.). b) Dieses „Neue Volk im Lauf(en)“ – es hat weder eine Geschichtlichkeit neu begründet, wie so manche allzu begeisterte Demokraten glaubten, noch wird eine „Historie in/mit ihm sterben“, wie sie Menschen bisher noch nie hatten denken, sich vorstellen, weil noch nie endgültig „vor sich hatten hinstellen können“. „Im Volk ist Demokratie neu geworden als eine ununterbrochen laufende Umverteilung“: So muss sich diese Neue Volkherrschaft verstehen. Irgendwann, an ihrem Beginn, mochte solche Demokratie sich „neu“ nennen, damit sie politisch durchbrechen konnte, hinaufgetragen von der „Freude schönem Götterfunken“, „Volk – Demokratie in Schönem Staat“. Doch nun, so scheint es doch, darf diese „schöne Staatsform“ nicht absteigen – sie wird nurmehr „weiterlaufen in den Farben jener, ihrer Schönheit“, aber auch in deren ewig-tatsächlicher Alltäglichkeit der Verteilung. Jene geistig-demokratische Strahlkraft, in der Demokratie sich den Menschen gezeigt hat, deren „ganz großem Durch-Schnitt“ – sie gewinnt noch hinzu, in diesem ihrem Verteilen, die Dauer laufender Zeit in dauernder Verteilung, in einem nun ganz vollen „Nil extra“ – „Nil extra populum“. „Volk das ist nun Staat: „Alles in Allem“, „Gott auf Erden“ – Unendlich: Und all dies vor allem in Verteilung, d. h. auch, ja vor allem: in Umverteilung.
VIII. „Das Volk“: Ablauf einer Umverteilung 1. „Volk“: „als Bewegung vorgeprägt“ a) Der Begriff „Volk“ weckt in seiner umgangssprachlichen Verwendung keineswegs bereits als solcher, in etwas wie einem „natürlichen Verständnis“, Vorstellungen von einem Wesen, das sich in einer wie immer gearteten „Bewegung“ befände. Mit dem Wort werden eben Vorstellungen verbunden von etwas, das „sich befindet“, irgendwie ganz einfach „(da) ist“, darin aber etwas innehat wie einen Schatz von Mächten und Rechten. Irgendwie suggeriert dieses Wort doch wohl im Grunde eher quietistische als dynamische Eindrücke in dem, was man seinen „untechnischen“,
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G. Demokratie: „Volk“ in dauernder rechtlicher Um-Verteilungs-Bewegung
seinen eben auch nicht notwendig juristischen Einsatz nennen könnte. Und so begegnet „Volk“ ja nicht etwa nur „gelegentlich“ – es ist geradezu etwas geworden wie ein allgemeines Modewort. b) Bemerkenswert ist an dieser nichtjuristischen – oder sollte es heißen: vorjuristischen? – Feststellung, dass sie jedenfalls einen allgemeinen Eindruck nicht nahelegt: dass dieses Volk seinem Wesen nach, vielleicht gar „zu allererst“, in Bewegung zu denken, dass dies so eindeutig wäre, dass es nicht nur in alle Verwendungen des Wortes einfließen, sondern diese geradezu „prägen“ müsste. Allerdings könnte hier „Bewegung“ auch im Sinne einer „Vorprägung“ gebraucht werden: Wo (immer) nicht von (irgend)einem, sondern von „dem Volk“ (des Staatsrechts) die Rede wäre, würde dies dann bereits, stillschweigend-selbstverständlich (sousentendu), in einem Sinn geschehen, der als solcher einer „bewegten Menschen-Masse“ zu erfassen, vielleicht gar, also „ganz wesentlich“, mit einer solchen gleichzusetzen wäre.
2. „Volk“: ein staatsrechtlich „offener“ Begriff? Von solcher stillschweigende, begrifflicher Wort-Vorprägung, „Volk als Bewegung“, kann allerdings gerade in einer demokratischen Staatsordnung nicht die Rede sein, eine solche darf also auch dem Staatsrecht nicht unterlegt, nicht „unterschoben“ werden: „Volk“ wird vielmehr, auch in der Demokratie, gebraucht im Sinne einer Macht-, einer rechtlichen Kraftpotenz, die sich staatsrechtlich ganz unterschiedlich, „demokratisch“, aber eben auch „totalitär“ „benutzen“, „einsetzen“ und daher auch „juristisch bestimmen“ lässt. „Volk“ – das ist eine faktische Erscheinungsform rechtlicher Souveränität, „zunächst“ nichts als eine solche; und dieses „zunächst“ ist bestimmend auch für den juristischen Bedeutungsgehalt des Begriffs, solange dieser nicht etwas erfährt wie eine spezifisch rechtstechnische Verengung – etwas wie eine „staatsrechtliche Umprägung“:
3. „Umverteilung“: Umprägung des Staates zum „Volk als Staatsrecht im Lauf“ a) Gerade eine solche Umprägung hat nun aber neuerdings die „Staatsform der Demokratie“ bewirkt im staatsrechtlichen Verständnis ihres Souveräns des „Volkes“. Diese begriffliche Umprägung erfasst nicht jede Verwendung von Wort und Begrifflichkeit des „Volkes“. Wohl aber hat mit ihr sich durchgesetzt nicht nur „eine mögliche“, eingeführte, ja übliche Begrifflichkeit „bewegtes Volk“, sondern die eines „Volkes in einer Dauer-Bewegung des Staatsrechts“. Da ist dann die Rede vom Volk als einer „Erscheinung im Fluten“, das ruhelos „immer wieder Neues aus sich, aus/in/ mit seinen Kräften hervorbringt – Neues in staatsrechtlicher Form. Und wenn dann
VIII. „Das Volk“: Ablauf einer Umverteilung
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noch „Demokratie als endgültig“ gedacht wird, in einer „zeitlichen Unendlichkeit“: dann gibt es für solche Vorstellung(en) nur eine mögliche rechtliche Form: Volk – das ist Staatsrecht im Lauf. b) Dieses „Staatsrecht des Volkes“ als „Volk im Staatsrecht“ muss aber überdies noch in einer „Dauer“ gesehen werden, in der Abfolge eines Dauer-Laufs. Dies ist dann die Wesens-Form, in der das „Volk“ wirkt und dafür bietet sich nun eben eine begriffliche Erscheinung des Rechts an: „Umverteilung als (ein) Lauf“: als VorGang, darin Voran-Gang, darin Vorwärts-Gang: als ein „Gehen nichts als Vorwärts“ (in Erinnerung an die Gestalt Blüchers, des „Marschall Vorwärts“). Selbst wenn es einmal heißen sollte: „Zurück!“ – auch dies kann dann nur gedacht werden wiederum als Beginn eines „Vorwärts“. Worauf dann aber der Blick sich richtet, was voraus-liegt, vor-liegt, das „ist anders“, in ihm liegt ein wesentliches „Um…“. Wenn das „Recht Verteilung ist“ (vorsteh. VII.), dann muss es (jedenfalls auch) wesentlich in Umverteilung gedacht, gefasst, eingesetzt werden (können) in „seinem Staat“: Der Rechts-Staat kann folglich nur sein: ein „Umverteilungsstaat“, eine organisierte Gemeinschaft, welche diesen Namen verdient, als ein „Staat der/in Redistribution“.
4. „Volk“ in ständiger Umverteilung – ohne Etappen a) Gegenwärtige Demokraten können sich ihre Staatsform nicht nur „wohl kaum“ – sie können, dürfen sie sich überhaupt nicht vorstellen als einen Zustand, der sich gliedern, rechtlich aufteilen ließe in „zeitliche Etappen“: Diese müssten notwendig nicht nur temporär, sondern auch inhaltlich-qualitativ rechtlich unterscheidbar sein. Wie aber sollte man sich solches vorstellen bei einem „Volk“? In ihm sollen doch, nach dem staatsrechtlichen Selbstverständnis der Neuen Demokratie, als Erscheinung einer juristisch ewig dauernden Gegenwart, die einzelnen Menschen und all ihre Gruppen (möglichst und immer vollständiger) aufgehen in jenem „Volk“, welches „ist, (also) sein wird immer dar“, wie es bisher Christen zusangen ihrem Gott; denn darin gerade wird ja Volk für Demokraten zum Gott auf Erden (– und vielleicht werden vor allem gar einstige Christen zu „Neuen Demokraten“ in ihrem neuen Volk…). b) Staat als Form des Volkes im Dauerlauf: Religiöse Potenz liegt, schon darin, dass dieser „Wesens-Vorgang des Staatsrechts“ in Ewige(r) Dauer gesetzt, als eine solche verstanden wird. Dass ein „auf dieser Erde“ angefügt wird, nicht selten bereits in etwas wie schamhafter Zurückhaltung, von Vielen gar nicht mehr – das nimmt diesem „Volk in Umverteilung“, das nun bereits „Volk als Umverteilung“ heißen darf, nichts von seiner staatsrechtlichen Wirkkraft. Demokratie – dass ist dann staatsrechtlich „Volk – staatsrechtlich Alles in Allem“, wie es die Christen ihrem Gott (noch immer) zu-sprechen.
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G. Demokratie: „Volk“ in dauernder rechtlicher Um-Verteilungs-Bewegung
5. „Volk in Umverteilung“ – „Staat in Dauer“ a) „Volk“: Weltanschauung einer dauernden Gewalt – damit schließt sich das Recht in einem Staatsrechtlichen Kreis, in jener Demokratie, in welcher es nun, heute seine endgültige Form finden soll. Im Glauben von menschlichen Wesen vollzieht sich dies, die sich einst, 1789, „Les Amis u Peuple“ nannten, mit ihren blutigen Händen diesen ihren Gott (oder Götzen) aufrichten wollten auf ihrer Place de la Concorde des Volkes, in dessen Wesen Ewiger Umverteilung, eines Laufs von Gewalt in Dauer. „Demokratie: Staat im Volk auf Ewig“ – als eine solche Rechtsform wäre sie vorzustellen, diese politische Staats-Form, so allein würde sie zu „denkbarem Ius“, also: als „Ewiger Ab-Lauf“ müsste sie ernst genommen werden von den Juristen, in deren Denken in schmucklos laufend (sich selbst) reflektierendem Ernst. Könnte man noch kompliziertere Worte sich vorstellen für diesen „Staat der Demokratie“, in der sich aber doch wiederfinden soll – der in ganz Neuer Macht verehrte, nur zu oft in dieser seiner Existenz sich bewegende, ja um sich schlagende „Kleine Mann – Ganz Groß“? Muss sich der Bürger der Demokratie dieser Gewalt nicht nur beugen, muss er ihr spenden, vielleiht gar alles was er hat, für ihre Umverteilung? Ist Demokratie der Umverteilung nicht (doch…): eine wahrhaft „schöne Bescherung“ – vielleicht gerade darin: ein „Schöner Staat“? b) „Volk“ – das wäre dann eine Weltanschauung als politischer Glaube: Nicht Mehr – Nicht Weniger fordert denn auch solche „Neue Demokratie in Volk (allein) von ihren Bürgern“. Und diese Ideologie, das Volk, und nur dieses Volk in einem dauernden rechtlichen Lauf der Umverteilung: diese Erscheinung sollen sie gar noch in „Schönheit genießen“? So viel, so wahrhaft Unglaubliches verlangt nicht einmal die „Beste aller Staatsformen“, die Demokratie, in dieser ihrer selbstgewählten Bezeichnung, von ihren Bürgern. In der Bescheidenheit des Rechts, dieser doch wahrhaft nicht immer in Schönheit erscheinenden Staatsform, begnügt sie sich mit etwas ganz anderem als mit „Schönheit (genossen) in Bewunderung“: Sie ist und bleibt genügsam, zufrieden mit „einem Lauf des Gehorsams ihrer (eben doch): „Untertanen in Umverteilung“. Ihren Bürgern spricht sie selbstbewusst zu ihr „Eine Bessere find‘st Du nit!“. Wer nicht so glaubt, der wird nicht selig, um ihn ist es aber auch nicht schade, er trägt den ganzen, vielleicht gar einen un-endlichen Schaden, welchen ihm dann das Volk auferlegt, der „so menschlich laufende Souverän“. Sollte er ihn am Ende „doch nicht schön finden“? So spricht der Staat als Volk: „Du musst mich lieben“ – in meiner Umverteilung, und jedenfalls wegen dieser. c) Warum soll sie nun stattfinden, diese „ganze, diese dauernd laufende Umverteilung“? Die Antwort der gegenwärtigen Demokraten ist einfach – sie wurde bereits in den ersten vier Teilen dieses Hauptteils G gegeben, jedenfalls versucht: Weil gerade dieser Volksstaat sich wesentlich sieht in einer dauernden Bewegung, weil sein Souverän, das Volk, anders gar nicht vorstellbar wäre. Und diese „staatskonstituie-
IX. Ein großes „Aber“: Umverteilung ohne Werte
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rende Bewegung“ ist eben rechtlich nur denkbar in einer Verteilung (vorsteh. VII.) von Gütern (vorsteh. V.), die in einem Ablauf (vorsteh. VIII.) sich vollzieht. „Demokratie“ – das kann also, in notwendiger Konsequenz von all dem, nur sein: Rechtsform einer „Güterverteilung in ständigem Ablauf“. Darin wird das gegenwärtige, das Neue, das nunmehr endlos dauernde Wesen „Staat“ demokratisch erkennbar, realisierbar – rechtlich notwendig verwirklicht. Anders darf eine Frage nach dem Wesen dieser alleinigen, ja der besten Staatsform gar nicht gestellt werden – und beantwortet „von Rechts-Wegen“, von Juristen!
IX. Ein großes „Aber“: Umverteilung ohne Werte – also zurück zu ihnen! Ein „Staatsrecht der Bewegung“, allein in einem solchen „Recht aus ihr“ – kann es das wirklich geben, gibt es das in der Wirklichkeit? Auf diese wahre Grundsatzfrage wissen die „Neuen Demokraten“ keine überzeugende Antwort. Denn dies bedeutet doch letztlich: „Kein Halt im Recht!“ Wozu dann aber ein Ius, wenn dieses „nichts ist als Beschreibung, Vorgang“, kein „Sollen“ mehr, kein „Müssen“? Dies ist wirklich die Gretchen-Frage, welche alle neuen Dogmatisierungsversuche der „Demokratie im Recht“ letztlich nicht beantworten, offenlassen – in Wahrheit sich gar nicht stellen. Wie aber kann ein Staat der Demokratie Gehorsam verlangen für eine „Ordnung in Ablauf“? Etwas muss in diesem doch „fassbar“ sein, bestimmbar in rechtlichen Formen um dessentwillen dieser ganze rechtliche Aufwand geschieht, um das er sich dreht? Das alte „Gib mir einen festen Punkt und ich bewege Deine Erde“ – es kommt zurück, lässt sich nicht beantworten, nicht auflösen wieder in Bewegung. Materielle Überzeugungsinhalte müssen sich finden lassen, die „Reine Bewegungsdemokratie“ nennt solche, sie kennt sie nicht. Und deshalb kann sie dem Juristen nicht genügen. Er muss – eben doch! – zurückfinden zu „feststehenden“ als zu seinen Werten. Nur wenn er zuerst sie zu fassen vermag, kann er sie dann auch in Bewegung (noch) erfassen – damit „sein Ganzes Recht“. Und dies sei nun das Letzte Kapitel dieser Gedanken, nachdem sie bisher in ihrer Flughaftigkeit zu sehen waren, verfolgt wurden. So schließt diese Untersuchung sich dann vielleicht doch zusammen – „sich“, in ihren Problemen des Staatsrechts, in ihren geistigen Welten.
H. „Demokratie – doch Staatsform der Werte“ I. Verteilungs-Demokratie: ein Wertfreier Vorgang? 1. Der „Einzelne als Rechtssubjekt“ a) Dem Einzelnen Menschen, als einem nicht mehr teilbaren Wesen, werden Eigenheiten, Eigenschaften zugeordnet, in der laufenden Praxis des außerrechtlichen, des „natürlichen“ Sprachgebrauchs: Einerseits sollen diese sein Wesen rein physisch bestimmen, etwa als geistige, willens- oder gefühlsmäßige „Fähigkeiten“, unterteilbar folglich in entsprechende Potenzen des menschlichen Verhaltens; darin wird aber lediglich dieses als Vorgang näher dargestellt, beschrieben, geordnet – kommunikativ erfassbar. Eine wie immer geartete, mehr als „rein faktische“ Beurteilung dieser Erscheinungen findet nicht statt, sie werden nur tatsächlich wahrgenommen. Nicht aber erscheinen sie darin bereits als qualifiziert nach irgendwelchen Eigenheiten, die einen Weg weisen könnten, zu ihrer, wie immer gearteten, (Ein-)Ordnung. b) „Verteilung“: Das ist auf dieser Stufe wahrnehmenden Ordnens (noch immer) ein reiner Erkenntnis-Vorgang, eine wie immer geartete bewertende Qualifikation desselben findet nicht statt. Der Einzel-Mensch bleibt gewissermaßen ganz einfach stehen in dieser seiner wesensmäßigen Isolation – allerdings bereits als eine „nun mehr qualifizierungsfähige Größe“. Nach außerrechtlich herrschender, jedenfalls politischer Überzeugung, kann dies kein anderer Zustand sein als ein solcher der Demokratie. Diesen noch völlig außerrechtlichen Zustand einer menschlichen Wahrnehmung gilt es nun als solchen zu betrachten, vor allen möglichen weiteren, insbesondere rechtlichen Qualifikations-Schritten. Keine andere Staatsform unterliegt aber mehr als gerade die „Herrschaft des Volkes“ der Versuchung, alles irgendwie faktischnatürlich Wahrnehmbare bereits zu fassen in Sollens-Qualifikationen, die es dann rasch werde lassen zu bindendem Recht. c) Die Volksherrschaft sieht sich eben als eine „dem Menschen in, mit dessen Sein natürlich vorgegebene Rechts- und damit Staats-Form“: Nach dogmatischem Credo durchwirkt hier der faktische Mensch in seinem natürlichen Wesen die staatliche Ordnung sogleich und von Anfang an, bis in die (staats-)rechtlichen Erscheinungsformen der Grundrechte. „In einer anderen Natur gibt es ihn als Menschen gar nicht“, etwa als „Herrscher“, als „Untertanen“: In „seiner Demokratie“ (hier) ist er („nur“) Mensch, hier (allein) darf er’s sein“ – „in seinem Staat“, weil im Recht – was nichts
I. Verteilungs-Demokratie: ein Wertfreier Vorgang?
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anderes bedeutet als: „in seinen Rechten, die mit ihm geboren, in seinen GrundRechten“. Also gilt: „Mensch nur als Rechtsträger – nur in Recht(en), nur als Recht“.
2. Der Einzelne: Rechts-Subjekt „in Verteilung“ a) „Erkennbar“ wird also das „natürliche menschliche Wesen“, „der Mensch“ als ein Rechtssubjekt, ein Rechtsträger, ein Träger von Rechten, nur in eben diesen Rechten, in den Positionen, die ihm darin ein, „sein“ Ius zuordnet. Rechtsinhalte sind es allein, in denen sich der Mensch findet, in seiner Rechts-Welt: (Sie sind ihm) Leuchtfeuer der Verteilung. „Zu Recht“, mit juristischer Notwendigkeit, wird er also seine Außen-Welt suchen, um sich selbst überhaupt erst zu erkennen, in diesen „seinen Spiegeln“: Als Rechtssubjekt wird er sich (zu) finden glauben, hoffen, dieser „Mensch in Recht“, in Verteilung. b) Zahlreich sind nun aber die Spiegel-Bilder, auf die er so sich zubewegt. Bündeln muss er sie, sonst „findet er sich nie wieder zu-recht in seiner Existenz als Mensch“. Dieses Bündeln ist nicht nur mehr ein Akt des Erkennens, es wird zum „Willensakt der Aneignung“: Auf Erden haben ihn „menschliche Wesen in Bewegung“ immer vor allem gekannt – genannt: Liebe. In einer letzten Höhe nur glaubten sie solches zu erblicken. Zu ihr führt eine „Stufenleiter“ hinauf: „In Zuneigung“, immer (auf)gerichtet deutend eben, und schon führend hin(auf) zu einem „Ziel in (höchster) Höhe“. Sie eben hat der Mensch seit Jahrhundert gekennzeichnet, mit einem, mit seinem „Gipfel-Kreuz“: Am Ende all dieser Zu-Neigung steht immer, muss doch immer sein, schamhaft wird es genannt, (etwas wie) Liebe. Und eine höhere Liebe hat (doch) Niemand als der, welcher sein Leben hingibt für seine Freunde: Einst war es ein Gott für seine Menschen, am Kreuze: Er hat seine Liebe „ausgeschüttet“ über sie – verteilt auf sie in Gleichheit.
3. Verteilung von Werten: (aber) von welchen? a) Der Mensch ist also zu sehen als Empfänger einer Verteilung in Rechten – aber von welchen? Eben doch von Werten! Umverteilung wertfrei – kann es derartiges rechtlich geben? Lässt sich die Volksherrschaft (auch die „Neue“) als eine Staatsform begreifen, ja lieben, werden Menschen sterben für sie, als eine Macht-Form, welche wertmäßiger Er-Fassung nicht zugänglich ist, in welcher „nichts stattfindet als Demokratie“, ablaufend, immer weiterlaufend in liebloser Verteilung? Eine solche Volksherrschaft wäre nichts als ein Macht-Vorgang, der nur in einem ständig sich fortsetzenden Lauf faktisch sicherzustellen und (sodann) als solcher zu registrieren wäre. Warum er zu erstreben, also doch von höherer geistiger oder gar
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H. „Demokratie – doch Staatsform der Werte“
menschlicher Qualität sein sollte als andere Macht-Formen, etwa die Diktatur eines Einzelnen, oder eine „irgendwie gemäßigte“ Monarchie nach geschichtlichen Vorbildern – all das bliebe völlig und endgültig offen. Nichts anderes wäre eine solche Entwicklung in Volks-Herrschaft als irgendein faktischer Zufall. „Demokratie“ – das wäre nur historisch zu registrieren, dann auch nur – durch-zuspielen. b) Ein wie immer ausgestalteter Verteilungs-Mechanismus von Gütern könnte also als solcher, in einer „reinen Umverteilungsordnung“, nur ein völlig wertfreier Vorgang sein; eine ihn legitimierende Begründung böte sein „Ablauf(en)“ nicht. Gleich ob ein solcher kontinuierlich erfolgte, oder in Etappen, mit Unterbrechungen – er bliebe seinem Wesen nach immer nur ein zu konstatierender, rechtstechnisch allenfalls näher zu beschreibender Vorgang. c) Woher sollte dann aber die Überzeugungsmacht der Demokratie kommen, die Kraft, welche eine solche Bewegung trägt, sie in dieser dynamisierten Lage hält, dauernd – gleichmäßig? „Immer mal was Neues“ – soll die Volksherrschaft wirklich und allein darin, damit die Menschen, ihre Rechtssubjekte anziehen, an sich binden, sie an, ja in sich halten, als Akteure ihres „Staatstheaters“? Abläufe als solche, eben als „reines Theater“ mögen stets interessiert haben, zu Zeiten fasziniert – doch auf Dauer haben sie Menschen nie zu fesseln vermocht, allein in Formen, in denen man ein „Theater“ immer wieder in überzeugender Bildlichkeit „auf-zu-führen“ versucht hat. Solches Interesse am Schauspiel mag mächtig sein in einem Augenblick, in welchem es heißen darf: „Dabei (gewesen) zu sein ist Alles!“: Doch dieser Moment kommt und geht vorüber. Einen Raum aber, einen festen Ort, in dem der Mensch „einkehrt“, bleiben kann – eben in „Dauer“, der ihn (be-) hält, wärmt, schützt – all das findet er nur in etwas, das ihm (etwas) wert ist: in einem Wert, eben in „seinen menschlichen Werten“. „Demokratie“, d. h.: Von Gütern als Werten für eine Verteilung unter Menschen – hin zu menschlichen Werten!
II. Demokratisches Staatsrecht: „Volk“ als menschlicher Wert 1. Menschliche Werte – bestimmt in „Zahlen von Werte-Trägern“ (?) a) Demokratie – das bedeutet also kein „Denken in Gütern“, die (irgendwelchen) Menschen irgendetwas wert sein könnten; diese Staatsform ist keine „irgendwie güterbezogene mathematische Verteilung“. Der Bezugspunkt für ihre Wertbestimmung ist stets die Bedeutung von Gütern für die (jeweiligen) Menschen(-Gruppen), denen solche Objekte eben „Etwas“, Einiges, Vieles, Alles „wert sind“. Das Besondere der demokratischen Staatsform (oben beschrieben bis G.) im „Neuen Verständnis“ der Volksherrschaft, es liegt dann lediglich darin, dass es in ihr nur mehr „eine“ solche Menschen-Bezugsgruppe geben soll: die „Gesamtheit des Volkes als
II. Demokratisches Staatsrecht: „Volk“ als menschlicher Wert
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solches“, nicht einzelne Individuen, irgendwelche Gruppen von solchen. Damit wird „dem Volk als solchen“, als einer „unauflöslichen Einheit“, das Recht zum einzigen und zugleich stets endgültigen Werte-Diktat zuerkannt. „Werte“ sind dann rechtlich nur relevant in einer „im Volk“ rein zahlen-, mehrheitsmäßig ermittelten Bestimmung ihrer Bedeutung für ihre menschlichen Träger. b) Solche neuerdings (immer mehr) gängigen, wenn nicht schon (stillschweigend) herrschenden Vorstellungen von dem, was eine Volkherrschaft bedeutet, was allein sie legitimiert, sehen dies nur in einer zahlenmäßigen Mehrheit von wahlmäßig aktiven Trägern. Dass bedeutet eine geradezu radikale Absage an traditionelle, ja an alle früheren Wertvorstellungen: Es vollzieht sich damit eine monopolisierende Hinwendung zu etwas wie rein „formalen“ Werten, die sich in zahlenmäßigen Feststellungen konstatieren lassen. Welche Art von „Wertigkeit“ soll sich denn nun aus solchen quantifizierenden Feststellungen ableiten (lassen)? Doch allenfalls, ja allein, der Rechts-Wert einer tatsächlichen „Übermächtigkeit“, die zur rechtlichen Voll-Macht wird: also einer „Gewalt“, die sich legitimieren soll aus zahlenmäßigem Überhang – dieser wieder legitimiert durch das (unterstellte) völlige Gleichgewicht, damit die Gleich-Wertigkeit der Akteure der Staats-Gewalt. Sie wäre es dann, welche von Anfang an zugrunde gelegt werden müsste, in einer derartigen „demokratischen Wert-Bestimmung bei einer Verteilung von Werten im Staat“. „Ein Staat aus gleichen Verteilern gleicher Werte. „Menschen in Egalität“: das ist dann Anfang und Ende von allem Staatsrecht in Demokratie.
2. Folge: „Volk“ als alleiniger staatsrechtlicher Höchstwert (?) a) Demokratische Strömungen der Gegenwart haben sich ein Ziel gesetzt, welches von bisherigen, seit vielen Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten herrschenden Überzeugungen über staatsrechtliche Werte nicht nur abweicht, sondern diesen fundamental widerspricht: „Menschliche Werte“ – das sollen nicht sachlich bestimmte Ziele sein, welche Bürger verwirklichen wollen, in ihren staatlichen Gemeinschaften: Sie selbst sollen diese Ziele darstellen, in „ihrer aktiven Existenz in ihrem Staat“. Dessen Legitimation beruht dann nur darauf, dass „Menschen ihn bilden“, „sich in ihm verwirklichen“ – in Kontinuität. Was diese bewirkt, welche Lage der Gemeinschaft in jedem denkbaren Augenblick, die Folge davon ist – das ist dann völlig gleichgültig: Gültig ist es staatsrechtlich immer – juristisch legitim. „Suchet zuerst das Reich des Volkes (in dieser seiner ausschließlichen Ordnungswirkung) – alles Übrige wird Euch hinzugegeben werden“ – so könnt die neue demokratische Version der alten monotheistischen Religion(en) lauten. Und die Maxime müsste fortgedacht werden: „Suchet zuerst das Volk – alle rechtlichen Werte werden Euch hinzugegeben werden“ – mit ihm, in ihm.
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H. „Demokratie – doch Staatsform der Werte“
Damit wären „die Menschen in Volksherrschaft als solche proklamiert als deren einzige und ausschließliche Werte“ – in der kollektiven Form eines „höchsten, einheitlichen Wertes: des Volkes“. In alte religiöse Sprache lässt sich dies dann nur übersetzen als „staatsrechtliche Divinisierung des Volkes“: Das Volk als alleiniger (staats-)rechtlicher Höchstwert, aktiv in der Bestimmung von Einzelwerten. b) Die Konsequenz könnte nur sein: Freiheitsrechte als nachgeordnete Ausprägungen staatsrechtlicher Werte, stets untergeordnet, zugeordnet dienend dem „Höchstwert souveränes Volk!“ „Werte als ein Mehrzahl-Begriff“ in Plural(ität) aufgeschrieben auf Tafeln des Rechts, zu koordinieren untereinander von deren, „Lesenden“, den Juristen – all dies wären nur Ordnungsaktivitäten. Nachgeordnet wären alle solche Tätigkeiten „einem höchstrangigen (staats-)rechtlichen Wertschöpfungs-Bemühen“: Feststellung und sodann sogleich Verwirklichung des Volkswillens. Demokratisches Staatsrecht – das könnte dann nur vor-schreiben, nur „sein“: „Volkes Wille als Höchstwert“, realisiert jeweils in staatlichen Rechts-Formen. Irgendwelche (noch höhere) Werte, „aufgehängt irgendwo über der Menschen-MasseVolk“ – das könnte (und daher dürfte) es nicht (mehr) geben. Endgültig, „Endlich!“ begraben, versammelt zu seinen alt-bärtigen Gesetzgebungs-Vätern wäre im Recht ein Wort, mit ihm eine ganze Welt: „Transzendenz“. „Über dem Menschen“ stünde „Endlich nichts mehr“, nach dem er seine Hände ausstrecken könnte, dürfte, müsste, in jener früheren Dreifaltigkeit menschlichen Strebens in Recht. „Da wäre ja das Volk“, einzige Rechts-Realität als Souverän in der totalen Einheit all seiner gleichen Menschen. Wozu dann „Staatsrecht in Werten“? c) Heutige Demokraten sehen ihre Staatsform als „Etwas wirklich Neues“ – und sie sollte es ja auch bringen, rechtlich sein, (immer mehr) werden in dauerndem Entwicklungslauf, vielleicht nur in ihm – auf ewig: „Alles im Volk“, dem Neuen Souverän der Zahllos-Zahllosen, der „wertfreien Menschen“ – gerade darin einem Neuen Höchstwert. Homo sum – Humani nihil a me alienum puto! Diesen Kern-Satz des Humanismus – dürfen ihn nicht gerade, ja nur Demokraten der Gegenwart auf ihre Fahnen schreiben, ihn vor sich hertragen? „Über der Demokratie“ als einem solchen „Staat der Gegenwart“ – bleibt da mehr stehen als ein solches Fragezeichen? Ja, es bleibt ein Ausrufungszeichen!
III. Zurück zur Rechts-Transzendenz
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III. Zurück zur Rechts-Transzendenz: Staat aus – über Menschen als Werten! 1. „Transzendenz“ – Ein „kantianisches Staats-Begräbnis“ (?) Sollte hier diese Betrachtung nicht abbrechen? Wenn sie auch nur etwas von Staats-Philosophie weitertragen soll in sich, so trifft, nein so stößt sie hier auf einen wahren Felsen des Denkens in Welt-Weisheit: Die Lehren Immanuel Kants. Nach dem philosophischen Begräbnis von allem, was vor ihm Transzendenz geheißen hatte, sich so hatte nennen dürfen – in philosophischem und eben auch in rechtsphilosophischem Denken – da soll es nun doch etwas geben, was den Menschen bewegen darf in seinem Denken, dieses beschäftigen – ausrichten auf „Etwas jenseits von ihm“? Da soll nun gerade das Recht hinausweisen (können) über Menschen, in seiner höchsten juristischen Erscheinung, in seinem „Staat“? Wenn „Staat“ nichts anderes mehr ist, für das rechtliche Denken der Gegenwart, nichts mehr sein soll als „Volk“ im Sinne eines „Kollektivs von Menschen“ – so muss es ihn, so kann es ihn gar nicht anders geben als in einem Denken solcher Wesen; doch dann ist er auch „nicht mehr“, „nichts mehr anderes“ als Ergebnis eines solchen, ein „Sein im Denken“ – eine „Idee“ im Sinne des anderen Ganz Großen der Philosophie: Platon. Darin begegnen, berühren, ver-einen sich die größten Philosophen der bekannten Geschichte: Es gibt dann für die Gegenwart den Staat eben nur mehr als Volk. Jenseits des „Volkes als eines politischen Rechts-Wesens“ – da ist rechtlich: Nichts. Rechtliche Transzendenz gibt es nicht in der, für die Demokratie – seit Kant. Welcher Jurist wollte rechtsphilosophisch hinaus-denken über ihn, in Staatlichkeit? Mit seinem „Ding an sich“ hat Kant den Staat begraben und sein Recht – im Denken der Philosophie, nicht allerdings „der Menschen“: Sie reflektieren (sich) nicht nur über sich: Sie denken, hoffen, lieben. In all diesen Kräften, mit all diesen ihren Potenzen blicken sie in eine Richtung, „glauben sie zu sehen“: nein – „sie glauben nur mehr!“.
2. Staat: Recht in Glauben – „Werte an-genommen“ in Recht a) Kaum ein anderes Wort kennt die Sprache, ja sogar die „technische“ Terminologie des Rechts, das so wahrhaft plastisch erfassen ließe „wie“ der Mensch seinem Staat begegnet im Recht: „Er nimmt (ihn) an“. Darin lässt er die „organisierte Gemeinschaft her-ankommen an sich“, so „kann er sie an-rühren“, „rührt sie ihn (an)“, „gelangt er in ihr in eine Bewegung, in welche sie ihn versetzt“. In ihr wird er schließlich vom Menschen zum Bürger der Demokratie: Diese „wird aus ihm, in ihm“.
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H. „Demokratie – doch Staatsform der Werte“
Nichts ist vom Mensch so selbst-verständlich mit einer Staatsform verbunden, ist diese ihr „Gegen-Stand“ geworden, wie der Inhalt, den das Wort „an-nehmen“, nicht nur „vermitteln“, sondern wahrhaft „ausdrücken“ will: „Menschen haben als Bürger die Demokratie angenommen in ihrem Staat“, sie haben darin ihren Staat zu ihrer Demokratie werden lassen – und umgekehrt. b) Dieses Wort „annehmen“ ist ein „Schlüssel-“Wort für zwei Tore des Rechts: „Zugang zu Wahrem und zu Geglaubtem“; es schließt aber vor allem auf die Verbindungs-Tür dieser beiden: „Als wahr geglaubt“ wird „ein Staat“, an den von Menschen geglaubt, der von seinen Bürgern geglaubt wird – es ist der Staat der Werte. Jeder kann sie sehen: vor allem „den Staat“, man „spürt ihn“ täglich. „Werten“ dagegen kann zwar jedermann jeden Tag begegnen, aber nur wenn er sich ihnen nähert, sie an sich nimmt oder gar „in sich hineinnimmt“: sie sich an-eignet. Das Recht wird zum Wert für den Menschen, „der Staat“ wird dem Einzelnen „etwas wert“, „viel“, vielleicht „alles“, wenn der Mensch das Recht annimmt, daran glaubt als einen Wert, weil es als solches geschaffen, getragen wird vom Staat. Mit dem „Recht als Wert glaubt der Bürger auch an den Staat als Wert“, beides „setzt er darin zuhöchst“ – und er setzt es gleich: Der Staat wird für den Menschen zum Wert in diesem seinem „geglaubten“, angenommenen Sein, und eben darin auch zum Recht, das bindet, dass man befolgen muss: nicht nur zu einer Gewalt, der man sich tatsächlich unterwirft.
3. „Staat“ und „Recht“: „Transzendente Demokratie“ a) Der Staat ist also der Träger des vom Menschen als Wert geglaubten, deshalb von ihm angenommenen, befolgten Rechts. Der Staat ist darin als solcher transzendent gegenüber den ihn tragenden Menschen; es gibt ihn nur als „Staat des Als Ob“ – ebenso wie sein Recht. Und ein „Staat des Als Ob“ – das ist auch die Demokratie: Sie ist „Recht“, sie bindet nur, wenn und weil man, weil Menschen an sie glauben, sie verpflichtet nur diese Menschen. „Demokratie – das ist nicht Wahrheit“ – es ist nur das in einem Staat Geglaubte. Also kann es kommen und gehen, mit den Menschen, die eben – gerade daran glauben. „Transzendent“ ist auch die Volksherrschaft darin, dass sie mit Menschen hinauf-, weiter-, vorüber-geht. Mehr ist sie also nicht, diese (heilige?) Demokratie, nicht ihrem Wesen nach „zu allerhöchst“, wie überzeugte Demokraten sie sehen – oder gar nur eine „höhere“, eine „irgendwie heilige Staatsform“. Hier begegnet die im Staatsrecht eingesetzte, ja dort gängige Terminologie erneut einer Frage: Führt der Begriff „trans-zendent“, gebraucht für staatsrechtliche Werte, nur „hinaus über Menschen als tatsächliche Wert-Träger einer menschlichen Gemeinschaft“? Trägt „Transzendenz“ das Denken hier nicht noch weiter, bis zu dem von Menschen „Angenommenen“, „Geglaubten“, zu einem (ebenso wie sie) Persönlichen, aber „Einem jenseits von ihnen allen Stehenden“, zu „Dem ganz Anderen“ – zu einem Gott?
III. Zurück zur Rechts-Transzendenz
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b) Diese Frage haben Demokraten in der Geschichte des Staatsrechts bereits gestellt: Führt diese ihre so hoch gepriesene Staatsform nicht, aus ihrer (bereits) geistigen Höhe, in eine noch höhere Kulmination: „Demokratie – Staatsform zu Gott“? „Reaktionäre Amis du Peuple“ – und es gibt eben auch solche – haben darin nicht einmal ein Wagnis gesehen, Gefahren eines „Sakrilegs“:
4. Vox Populi – Vox Dei Staatsrecht als Hoffnung nur in Diesseits – oder auch auf ein Jenseits? Leicht, bis zur Gedankenlosigkeit, ging dies von Lippen menschlicher Wesen, die damit nichts anderes wagten als eine „Vergötterung ihres Menschen“ – daher „Demokratie als von Gott gewollte Staatsform“. War dies nicht eine Staatlichkeit der Göttlichen, der Ewigen Ruhe: der dauernden Beruhigung, in der sogar das „Vorwärts!“ Blüchers nur zur ewig laufenden Bewegung auf-rief – hinauf, immer weiter? „Das Volk als Gott“ – damit konnte doch, von ihren Anfängen an, die Volksherrschaft nicht nur ihren Frieden machen mit aller Religion, vor allem mit dem Christentum, seinem Persönlichen Allerhöchsten. Dies scheint gelungen – bis heute. „Demokratie“ – das muss dann in hoher Philosophie gedacht, gefunden, oder gar erfunden werden als „die eine staatliche Denkform für Gläubige und Ungläubige“: Für die Ersteren, weil sie sich nur als „in ihren Glauben Geworfene sehen“: „sich werfen“, vielleicht gar von einer Überzeugung zur anderen; für die Nicht-Gläubigen, weil sie schon auf Erden Dem begegnet sind, welchem allein sie ohne zweifeln zu müssen „etwas Göttliches nachsagen können, ja müssen“: ihrem Staat, seiner Höchsten, ja eben doch: Göttlichen Stimme des Rechts. So schließen sich dann in der transzendenten Demokratie alle Kreise: Schon „Wer an sie glaubt, wird selig“, und auch jedenfalls, „Wem sie seinen Glauben lässt, ihn in ihm!“ Das Staatsrecht kann also sogar lehren: „Demokratie führt zu Gott“. Was könnte es mehr noch (voll) bringen? „Zu einer Macht jedenfalls führt Demokratie“: „Staat“ – Auf Erden – (vielleicht doch) wie im Jenseits… Pax hominibus in Coelo et in Terra!