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German Pages 302 [303] Year 2021
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 328
Datenbasierte Märkte im Kartellrecht Eine Untersuchung zu Marktbegriff, Marktabgrenzung und Marktmacht
Von
Kim Josefine Weisser
Duncker & Humblot · Berlin
KIM JOSEFINE WEISSER
Datenbasierte Märkte im Kartellrecht
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 328
Datenbasierte Märkte im Kartellrecht Eine Untersuchung zu Marktbegriff, Marktabgrenzung und Marktmacht
Von
Kim Josefine Weisser
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Osnabrück hat diese Arbeit im Jahre 2020 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 978-3-428-18275-6 (Print) ISBN 978-3-428-58275-4 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Danksagung Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2018/2019 von der Juristischen Fakultät der Universität Osnabrück als Dissertation angenommen. Die Disputation fand im Oktober 2020 statt. Die Arbeit bildet dementsprechend den Stand bis zum Ende des Jahres 2018 ab. Im Anschluss erschienene Literatur und Rechtsprechung konnten bis zum Zeitpunkt der Disputation berücksichtigt werden und haben somit Eingang in diese Arbeit gefunden. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Andreas Fuchs, LL.M. (Michigan), für seine Betreuung, die wertvollen Anregungen und den Freiraum, den er mir bei der Erstellung der Dissertation gewährt hat. Herrn Prof. Dr. Hans-Jürgen Ahrens danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie die konstruktive Rückmeldung zu dieser Arbeit. Weiterhin danke ich Joy Ruschkowski, Maria Müller und Gloria Umlauf für anregende Gespräche und kritische Anmerkungen. Von Herzen danke ich auch meiner Familie für ihren Rückhalt und ihre Unterstützung und insbesondere Frau Christine Weißer für die kompetente Korrektur meines Manuskripts. Schließlich gilt mein ganz besonderer Dank meinem Mann Martin Weisser, dessen unbedingter Rückhalt, Spontaneität und Gelassenheit ganz wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Osnabrück, im November 2020
Kim Josefine Weisser
Inhaltsverzeichnis § 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 A. Einführende Überlegungen und wirtschaftliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B. Beschreibung des Forschungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Kapitel 1 Grundlagen datenbasierter Märkte
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§ 2 Ökonomische Charakteristika von Daten als Rohstoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 A. Einordnung von Daten als Wettbewerbsobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Definition des Begriffs „Daten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 II. Kategorisierung von Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1. Personenbezogene Daten – Nicht-personenbezogene Daten . . . . . . . . . . . 23 2. Freiwillige Daten – Beobachtungsdaten – Metadaten . . . . . . . . . . . . . . . . 25 B. Abweichende ökonomische Charakteristika von Daten als Wirtschaftsgut . . . . . . 27 I. Die Nicht-Rivalität der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 II. Die Knappheit der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 III. Die problematische Bestimmung der Werthaltigkeit von Daten . . . . . . . . . . 31 IV. Die Bedeutung von Skalen- und Verbundeffekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 V. Die Werterhöhung des einzelnen Datums durch Kombination . . . . . . . . . . . 34 C. Die Verwendung von Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 I. Die unentgeltliche Hergabe von Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 II. Die Monetisierung durch Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 III. Die Verbesserung der eigenen Produkte gegenüber den datenbereitstellenden Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 IV. Die Verbesserung der eigenen Produkte gegenüber dritten Kunden . . . . . . . 40 V. Daten als Marktobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 § 3 Charakteristika von datenbasierten Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 A. Datenbasierte Märkte und Datenprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 I. Der datenbasierte Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
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Inhaltsverzeichnis II. Typische Geschäftsmodelle im Datenumfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1. Plattform und Netzwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 a) Definition des Plattformbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 aa) Mehrere Nutzerseiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 bb) Indirekte Netzwerkeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 cc) Direkte Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 (1) Juristische und ökonomische Abhängigkeit? . . . . . . . . . . . . . . 51 (2) Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 (3) Bewertung des Merkmals „direkte Interaktion“ . . . . . . . . . . . . 53 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 b) Begriff des Netzwerkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 c) Mischformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2. Big Data und Industrie 4.0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 a) Definition von Big Data . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 b) Beschreibung des Phänomens Industrie 4.0 und IoT . . . . . . . . . . . . . . 60 c) Geschäftsmodelle zur Datennutzung im Rahmen von Industrie 4.0 und IoT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 d) Vorliegen eines datenbasierten Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 III. Ökonomische Charakteristika datenbasierter Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 1. Daten und Preisgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2. Konzentrationstendenzen und Lock-in-Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3. Multi-Homing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 4. Hohe Marktdynamik aufgrund hoher Innovationsdichte . . . . . . . . . . . . . . 68 5. Effizienzen durch Skalen- und Verbundeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 B. Wettbewerbspolitische Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 I. Die Notwendigkeit einer neuen Leistungs- und Marktdefinition . . . . . . . . . 72 II. Die Bestimmung von Marktmacht auf datenbasierten Märkten und die Rolle von Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 III. Die wettbewerbsrechtlichen Auswirkungen des Datenrechts . . . . . . . . . . . . 73 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
Inhaltsverzeichnis
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Kapitel 2 Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
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§ 4 Das Vorliegen eines Marktes trotz unentgeltlich erbrachter Leistung . . . . . . . . . . . . . 75 A. Kriterien für das Vorliegen eines Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 I. Der Markt aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 1. Die Funktion des Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2. Kriterien für das Vorliegen eines Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 a) Kriterium: Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage . . . . . . . . . 76 b) Kriterium: Preis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 II. Der Markt aus kartellrechtlicher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 B. Behandlung unentgeltlich erbrachter Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 I. Unentgeltliche Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 II. Behandlung unentgeltlicher Leistung in der nationalen Fallpraxis . . . . . . . . 81 1. Zweiseitige Märkte und spiegelbildliche Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . 81 2. Einseitige Verhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 3. Mangelnde Nachfrage/Vorleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 III. Diskussionstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 IV. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 C. Die Bedeutung des § 18 Abs. 2a GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 I. Normziel und Aussagegehalt für den Marktbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 1. Normziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2. Aussagehalt für den Marktbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 II. Konstitutive Marktmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Unvollständige Legaldefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 a) Die Austauschbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 aa) Aufmerksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 bb) Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 b) Der Begriff der Unentgeltlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 2. Der Erwerbszweck als konstitutives Marktmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 a) Mittelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Langfristigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 3. Marktfunktionen auf unentgeltlichen Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 4. Hypothetische Datenmärkte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
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Inhaltsverzeichnis D. Der Markt trotz unentgeltlicher Leistung im europäischen Recht . . . . . . . . . . . . . 111 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 II. Behandlung unentgeltlicher Leistung in der europäischen Fallpraxis . . . . . . 111 III. Kriterien für das Vorliegen eines Marktes auf europarechtlicher Ebene . . . . 114 IV. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
§ 5 Methoden der Marktabgrenzung auf datenbasierten Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 A. Die Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 I. Ziel der Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 II. Die sachliche Marktabgrenzung als Instrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Wettbewerbsrechtliche Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Ansätze zur Marktabgrenzung im Rahmen des Marktmachtkonzepts . . . 119 a) Das Bedarfsmarktkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 b) SSNIP-Test und Kreuz-Preis-Elastizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 c) Angebotssubstituierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 d) Gänzlicher Verzicht auf die Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 B. Der sachlich relevante Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 I. Adaptionsproblematik in Bezug auf datenbasierte Märkte . . . . . . . . . . . . . . 127 1. Die datenspezifische Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 2. Auf der Marktdynamik beruhende Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 3. Auf der Mehrseitigkeit datenbasierter Märkte beruhende Probleme . . . . . 129 II. Anwendbarkeit der gängigen Modelle auf datenbasierten Märkten . . . . . . . 131 1. Nachfragesubstituierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Bedarfsmarktkonzept/Kriterium der funktionalen Austauschbarkeit 131 b) SSNIP/Kreuz-Preis-Elastizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2. Die Angebotssubstituierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 3. Gänzlicher Verzicht auf die Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 III. Deutsche und europäische Abgrenzungspraxis auf datenbasierten Märkten 139 1. Nachfragesubstitution in der Abgrenzungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2. Angebotssubstituierbarkeit in der Abgrenzungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . 144 3. Abgrenzung zum Handelsvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 4. Competitive Bottlenecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 IV. Bewertung verschiedener Instrumente zur Marktabgrenzung auf datenbasierten Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 1. Abgrenzungspraxis des BKartA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 a) Schematisierte Einordnung der Markttätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
Inhaltsverzeichnis
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b) Kritik an der Praxis des BKartA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 aa) Kategorisierungsunschärfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 bb) Berücksichtigung der Netzwerkeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 cc) Berücksichtigung der unentgeltlichen Seite . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 dd) Sonderkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (1) Handelsvertreterausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (2) Competitive Bottlenecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 2. Der modifizierte SSNIP-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 a) Einordnung der Markttätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 b) Berücksichtigung der Netzwerkeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 c) Berücksichtigung der unentgeltlichen Seite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 d) Sonderkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 e) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3. Das zweigliedrige Bedarfsmarktkonzept nach Volmar . . . . . . . . . . . . . . . 161 a) Art der Abgrenzung/Einordnung der Markttätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 161 b) Berücksichtigung der Netzwerkeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 c) Berücksichtigung der unentgeltlichen Seite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 d) Sonderkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 e) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 4. Die Notwendigkeit eines neuen Marktabgrenzungsmodells? . . . . . . . . . . 163 a) Notwendigkeit der Berücksichtigung der Netzwerkeffekte im Rahmen der Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 aa) Netzwerkeffekte als indirekter Wettbewerbsdruck . . . . . . . . . . . . . 165 bb) Die Berücksichtigung indirekten Wettbewerbsdrucks im Rahmen der Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 b) Anwendung des Bedarfsmarktkonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 aa) Bedarfsmarktkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 (1) Mischformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 (2) Abgrenzung zum Handelsvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (3) Netzwerkeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (4) Unentgeltlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 bb) Competitive Bottlenecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 cc) Angebotsumstellungsflexibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 dd) Ergänzende Berücksichtigung ökonometrischer Modelle . . . . . . . 175 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 C. Der räumlich relevante Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 I. Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 II. Deutsche und europäische Behördenpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
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Inhaltsverzeichnis III. Schlussfolgerungen zur Bestimmung des räumlich relevanten Marktes . . . . 183 1. Die Omnipräsenz des Internets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. Wettbewerbsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 3. Räumliche Austauschbarkeit aus Nachfragersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 4. Auswirkungen der Mehrseitigkeit des Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
Kapitel 3 Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
189
§ 6 Der Zugang und die Kombination von Daten als Ausdruck von Marktmacht . . . . . . . 189 A. Das Vorliegen von Marktmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 I. Definition von Marktmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 II. Die Bedeutung von Marktmacht im Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 B. Marktmacht auf datenbasierten Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 I. Eingeschränkte Aussagekraft der Marktstrukturanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . 193 II. Ungenauigkeiten bei der Bestimmung von Marktanteilen . . . . . . . . . . . . . . . 195 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 III. Die Berücksichtigung des Wettbewerbsdrucks durch unentgeltliche Angebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 1. Der Wettbewerbsdruck durch unentgeltliche Angebote . . . . . . . . . . . . . . 200 2. Vergleichbarkeit von Marktanteilen entgeltlicher und unentgeltlicher Angebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 IV. Besondere Anforderungen an die Feststellung der Marktbeherrschung auf mehrseitigen Märkten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 V. Geringe Aussagekraft der Marktanteile auf datenbasierten Märkten . . . . . . 202 VI. Marktzutrittsschranken auf datenbasierten Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 VII. Die Marktanteilsschwellen der Gruppenfreistellungsverordnungen . . . . . . . 206 VIII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 C. Der Zugang zu Daten als Marktmachtkriterium gem. § 18 Abs. 3a Nr. 4 GWB 207 I. Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 1. Bedeutung des Kriteriums „Zugang zu Daten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 a) Wortlautverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 b) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 c) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 d) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 2. Merkmal der Wettbewerbsrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 a) Produkt- und Marktrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
Inhaltsverzeichnis
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b) Duplizierbarkeit/Substituierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 c) Notwendige Skalen- und Verbundeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 d) Exklusivität des Zugangs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 f) Berücksichtigung der Kombinations- und Analysemöglichkeiten von Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 II. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 D. „Datenmacht“ auf nicht-mehrseitigen Datenmärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 E. „Datenmacht“ marktstarker Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 I. Adressierte Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 II. § 20 Abs. 1 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1. Relevanter Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 2. Abhängigkeitslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 3. Kleines oder mittleres Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 III. Geplante Anpassungen durch die 10. GWB-Novelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 F. Die Marktbeherrschungsvermutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 G. Datenzugang als Kriterium im europäischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 I. Unternehmensstrukturanalyse und Marktstrukturanalyse . . . . . . . . . . . . . . . 230 II. Berücksichtigung des Datenvorteils in der bisherigen Rechtsprechung . . . . 231 III. Zugang zu Daten als Marktzutrittsschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 IV. „Datenmacht“ überlegener Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 H. Endergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 § 7 Die Berücksichtigung externen Datenwachstums in der Fusionskontrolle . . . . . . . . . 235 A. Berücksichtigung von Datenbeständen und ihrer Kombination in der materiellen Fusionskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 I. Die erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs durch externes Datenwachstum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 II. Erhöhte Wahrscheinlichkeit des Auftretens bestimmter Schadenstheorien
238
1. SIEC-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 2. Schadenstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 3. Horizontale Zusammenschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 b) Die Schaffung einer neuen Ressource . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 4. Vertikale Zusammenschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 a) Möglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 b) Anreiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 c) Vertikaler Marktabschottungseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 5. Konglomerate Zusammenschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 a) Möglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252
14
Inhaltsverzeichnis b) Anreiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 c) Erhebliche Behinderungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 B. Efficiency Defense . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 II. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 1. Fusionsspezifität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 2. Erheblichkeit und Rechtzeitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 3. Verbrauchervorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 4. Nachprüfbarkeit/Beweisbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 III. Berücksichtigung in der nationalen Fusionskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 C. Bedingungen und Auflagen zur Beseitigung wettbewerbsrechtlicher Bedenken aufgrund von „Datenmacht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 I. Systeme zur Datenportabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 II. Trennung von Datenbanken oder die Untersagung ihrer Zusammenführung 267 III. Zugangserleichterung zu vorhandenen Daten durch Markteröffnungszusagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
Kapitel 4 Datenrechtlicher Ausblick und Ergebnisse
276
§ 8 Ausblick auf datenrechtliche Entwicklungen und ihre Implikationen für den Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 A. Datenschutz als Wettbewerbsparameter und -hindernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 B. Die wettbewerbsrechtlichen Implikationen des verschärften Datenschutzrechts 277 C. Die wettbewerbsrechtlichen Auswirkungen von Datenverfügungsrechten . . . . . . . 278 § 9 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Verzeichnis der Online-Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302
Abkürzungsverzeichnis AEUV bspw. bzw. et al. etc. FKVO
Vertrag über die Arbeitsweise der europäischen Union beispielsweise beziehungsweise et alii et cetera Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 FTC Federal Trade Commission gem. gemäß TB Tätigkeitsbericht WuW/E DE-R Wirtschaft u. Wettbewerb. Entscheidungssammlung zum Kartellrecht Deutsche Rechtsprechung (LoseblSlg) (1957 ff.) WuW/E DE-V Wirtschaft u. Wettbewerb. Entscheidungssammlung zum Kartellrecht Deutsche Verwaltung (LoseblSlg) (1957 ff.) WuW/E EU-R Wirtschaft u. Wettbewerb. Entscheidungssammlung zum Kartellrecht Europäusche Rechtsprechung (LoseblSlg) (1957 ff.)
Sonstige Abkürzungen nach Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 9. Auflage, Berlin 2018
§ 1 Einführung A. Einführende Überlegungen und wirtschaftliche Ausgangslage Als im Jahre 2014 die Kommission den Kauf von WhatsApp durch Facebook kontrollierte, war dies nur dank der Aufgreifschwellen einiger Mitgliedstaaten möglich. Denn WhatsApp selbst erwirtschaftete nur einen Gesamtumsatz von 16 Millionen US-Dollar1 und blieb damit deutlich unter den Aufgreifschwellen der FKVO. Dennoch war Facebook bereit, einen Kaufpreis in Höhe von 19 Milliarden US-Dollar für das Start-Up zu zahlen, da WhatsApp eine große Nutzerreichweite und einen breiten Zugriff auf deren Telefon- und Kommunikationsdaten hatte.2 Das europäische und deutsche Kartellrecht horchte auf, musste es doch erkennen, dass statt des Umsatzes in Geld in bestimmten Geschäftsbereichen Daten ein wirtschaftlich höchst relevantes asset darstellen. Tatsächlich sind Daten von zentraler Bedeutung für diese Geschäftsmodelle sowohl als asset als auch als Treiber und Katalysator von Veränderungen: Daten werden unter anderem genutzt zur Produktions- und Entwicklungsoptimierung, zur Verbesserung des Vertriebs und Service, zur Personalisierung von Preisen und Dienstleistungen sowie zur Feststellung von Korrelationen. 2017 verhängte die Kommission gegen Facebook eine Geldbuße, nachdem das Unternehmen im Rahmen der durchgeführten Fusionskontrolle fälschlicherweise behauptet hatte, nicht in der Lage zu sein, einen zuverlässigen automatischen Abgleich zwischen den bei Facebook und WhatsApp jeweils unterhaltenen Benutzerkonten vorzunehmen, dies im August 2016 aber tat.3 Die Kommission hatte, unabhängig von den Falschangaben, die Relevanz der Datenkombination ebenso wie die Marktdynamik und Entwicklungsgeschwindigkeit unterschätzt. Im Rahmen der Untersuchungen zu Cambridge Analytica4 im Jahre 2018 stellte sich dem US-amerikanischen Senat die Frage, wie Facebook unentgeltliche Dienste wie sein soziales Netzwerk oder WhatsApp wirtschaftlich anbieten könne. Zuckerbergs erstaunte Antwort: „Senator, we run ads!“.5 Denn die gesammelten Daten sind Grund und Zweck der Unentgeltlichkeit der Angebote, sie werden im Rahmen 1 2 3 4 5
www.gruenderszene.de/allgemein/facebook-whatsapp-goodwill. www.tagesschau.de/wirtschaft/facebook460.html. Komm. Pressemitteilung 18. 5. 2017, IP/17/1369. Komm. Pressemitteilung 18. 5. 2017, IP/17/1369. www.nbcnews.com/card/we-run-ads-n864606.
18
§ 1 Einführung
eines zweiseitigen Marktes durch passgenaue Werbeanzeigen monetisiert. Es besteht also ein Zusammenspiel der Faktoren Unentgeltlichkeit, Mehrseitigkeit und Datenabhängigkeit. Die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung und die ökonomischen Besonderheiten internetbasierter Plattformen und Netzwerke hat eine intensive Diskussion darüber angestoßen, ob die Rechtsordnung den Herausforderungen der Digitalisierung gerecht wird. Die obigen Beispiele zeigen: Datenbasierte Märkte stellen sowohl das tradierte Verständnis klar definierter Wirtschaftsbeziehungen als auch kartellrechtliche Erfahrungssätze auf den Prüfstand. Mit der 9. GWB-Novelle wurde das deutsche Gesetz „in wenigen, aber zentralen Einzelpunkten“6 angepasst, um eine effiziente Kartellrechtsanwendung auf digitalen Märkten sicherzustellen. Der Gesetzgeber sieht das GWB jedoch nicht als ausreichend gerüstet und plant im Jahr 2021 deshalb eine weitere Anpassung und Modernisierung der Missbrauchskontrolle durch die 10. GWB-Novelle.
B. Beschreibung des Forschungsgegenstandes Diese Arbeit untersucht vor dem Hintergrund der ökonomischen Forschung zu Daten und den auf datenbasierten Märkten wirkenden Charakteristika, wie der Markt, die Marktabgrenzung und die Marktmacht auf eben diesen bestimmt werden können. Den rechtlichen Rahmen dieser Untersuchung bilden das europäische Kartellrecht und das GWB ebenso wie das BDSG und die DSGVO. Hierbei werden zunächst die durch den deutschen Gesetzgeber mit der 9. GWB-Novelle eingeführten Anpassungen untersucht sowie die mit der 10. GWB-Novelle geplanten Änderungen adressiert, bevor jeweils ein vergleichender Blick vom deutschen ins europäische Recht geworfen wird. Im Kern gilt es vornehmlich den Zugriff auf Daten und deren wirtschaftliche Nutzung kartellrechtlich adäquat abzubilden – bei der Definition räumlich und sachlich relevanter Märkte, im Zuge der Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung sowie im Rahmen der Fusionskontrolle. Hierzu sind neben den vorbenannten rechtlichen Regulierungsregimes die jeweils in Rede stehenden Arten und Kategorien von Daten, deren Charakteristika und wettbewerblichen Eigenarten sowie allgemein die Wesensmerkmale datenbasierter Märkte zu betrachten und zu bewerten. Hierbei sind auch die Auswirkungen der Datenschutz- und Datenverfügungsdiskussion zu berücksichtigen. Durch die zunehmende Verbreitung datenbasierter Geschäftsmodelle werden eine Vielzahl diskussionswürdiger Fragen aufgeworfen, die sich keinesfalls auf die hier adressierten Problemfelder beschränken. Vielmehr ist das gesamte Kartellrecht von den geänderten Rahmenbedingungen betroffen, wie sich an den für die 10. GWBNovelle vorgesehenen Änderungen und der Diskussion um das New Competition
6
BMWI, Grünbuch „Digitale Plattformen“, S. 48.
§ 1 Einführung
19
Tool der Kommission zur Bekämpfung aufstrebender Risiken für effektiven Wettbewerb zeigt.7 Mit der Fokussierung auf die hier thematisierten Auswirkungen der datenbasierten Spezifika auf die Bestimmung von Markt, Marktabgrenzung und Marktmacht kann und soll nur ein spezifischer Ausschnitt der umfassenden Digitalisierung der Wirtschaft erörtert werden.
C. Gang der Untersuchung *
Kapitel 1 Grundlagen datenbasierter Märkte
Im ersten Kapitel wird eine Arbeitsdefinition des Begriffs „Daten“ aufgestellt, anschließend werden diese unter den Vorzeichen der kartellrechtlichen Notwendigkeit kategorisiert, um die zugrundeliegenden Charakteristika als Rohstoffe in der Marktwirtschaft zu erläutern. Der Rohstoffeigenschaft folgend werden die Monetisierungswege der Daten dargestellt, um die Auswirkungen auf die Markt- und Wettbewerbseigenschaften zu verdeutlichen. Hiervon ausgehend wird das typische Marktumfeld von Daten in dem für die Arbeit notwendigen Umfang vorgestellt. Sowohl aus diesem Marktumfeld als auch aus den Datenspezifika ergeben sich gewisse Charakteristika der Märkte, welche in den wettbewerbspolitischen Fragestellungen münden, die dieser Arbeit zugrunde liegen. *
Kapitel 2 Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
Gegenstand des zweiten Kapitels ist die Untersuchung des Marktbegriffs unter der Berücksichtigung der Kostenlosigkeit datenbasierter Angebote. Ausgehend von der wirtschaftswissenschaftlichen Marktdefinition und dem bisherigen Forschungsstand wird der Aussagegehalt des § 18 Abs. 2a GWB erläutert. Hierauf aufbauend werden die konstitutiven Marktkriterien herausgearbeitet. Anschließend wird ein Vergleich mit dem europäischen Recht unter Beachtung bislang ergangener Rechtsprechung und Behördenpraxis vorgenommen. Nach der Feststellung des Marktcharakters wird die Definition des sachlich und räumlich relevanten Marktes adressiert. Unter Beachtung der vorherrschenden Marktabgrenzungsmethoden und im Hinblick auf das Ziel der Offenhaltung des Marktes werden die Adaptionsprobleme der qualitativen und quantitativen Methoden dargelegt und die bestmögliche Behandlung thematisiert. *
Kapitel 3 Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
Während im zweiten Kapitel der Blick auf das Gesamtzusammenspiel der auf datenbasierten Märkten wirkenden Charakteristika gerichtet wird, verengt sich diese 7 Kommission, Pressemitteilung, 2. 6. 2020, https://ec.europa.eu/germany/news/20200602kartellrecht-kommission-konsultiert-interessentraeger_de.
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§ 1 Einführung
Betrachtung im dritten Kapitel entsprechend der Forschungslücke auf die Auswirkung der Rolle der Daten auf die Bestimmung von Marktmacht. Das Kapitel geht sodann auf die viel geäußerte Annahme von Marktmacht bei Vorliegen von Datenmacht und die Anpassungen, die § 18 GWB erfahren hat, ein. Es wird geprüft, inwieweit die Marktstruktur noch Aussagekraft besitzt und ob andere Kriterien die herausragende Stellung der Marktanteile im System der Marktmachtfaktoren relativieren. Insbesondere wird auf das neue Marktmachtkriterium des § 18 Abs. 3a Nr. 4 GWB eingegangen, welches näher spezifiziert und definiert werden muss, um rechtspraktisch ein hilfreiches Werkzeug bei der Bewältigung datenspezifischer Sachverhalte zu sein. Ein abschließend vergleichender Blick wird auf den europäischen Rechtsprechungs- und Umsetzungsstand geworfen. Anschließend wird das externe Wachstum von Daten und die damit verbundene mögliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs thematisiert. Die Berücksichtigung von Datenbeständen und ihrer Kombination im Rahmen der materiellen Fusionskontrolle wird analysiert. Abschließend wird auf die Gestaltungsmöglichkeiten der Exekutive mittels Nebenbestimmungen und Verpflichtungszusagen eingegangen. *
Kapitel 4 Ausblick und Ergebnis
Das vierte Kapitel wirft einen schlaglichtartigen Ausblick auf die Auswirkungen der verstärkten Bemühungen in Datenschutz und -souveränität auf den Wettbewerb und der damit einhergehenden vorgreifenden Wirkung von Datenportabilität und „Dateneigentum“ für die Beurteilung einer Vielzahl von datenbezogenen und -gestützten Geschäftsmodelle. Anschließend werden die Ergebnisse der Bearbeitung zusammengefasst.
Kapitel 1
Grundlagen datenbasierter Märkte § 2 Ökonomische Charakteristika von Daten als Rohstoff A. Einordnung von Daten als Wettbewerbsobjekte Daten sind ein zentraler Rohstoff und zunehmend wichtiger Wirtschaftsfaktor,1 die Nutzung von Daten im Wettbewerb generell ist so neu aber nicht. Sie begann mit der Ausgabe von Kunden- und Rabattkarten. Diese Kundenkarten offerierten den Käufern Rabatte für ihre Treue und waren ursprünglich auf die durch die Rabatte ermöglichte Gewinnung einer treuen Kundenbasis der Verkäufer ausgerichtet. Sie verschafften den Unternehmen zusätzlich jedoch detaillierte Informationen über das Kaufverhalten der einzelnen Kunden. Dies gab den Verkäufern die Möglichkeit, ihr Angebot auf ihre Kundenklientel zuzuschneiden. Durch den großen Fortschritt im Bereich der Informationstechnologie entwickelte sich eine stark erweiterte Dimension des Datenphänomens. Zugleich wurden immer mehr Dienste und Angebote in das Internet verlagert, was wiederum mehr Daten produzierte. Im Zusammenhang mit der Entwicklung der Verarbeitungskapazitäten im Rahmen von Big Data stiegen Skalen- und Verbundeffekte, sodass die Datenökonomie an Priorität gewann. Daten entwickelten sich von einem nützlichen Marketingzusatz zu einem wichtigen asset, um das sich eigenständige Märkte bildeten. Dieser Entwicklungssprung gilt nicht nur in Bezug auf die Menge der verarbeiteten Daten, sondern auch hinsichtlich der Verselbständigung der Daten von ihrem Entstehungszusammenhang und der Verknüpfung von Daten unterschiedlicher Herkunft. Eine weitere Entwicklung ist die Beobachtung und Nutzung von Maschinendaten. Im Rahmen der Industrie 4.0 liegt der Fokus nicht mehr nur auf Kundendaten und der Beobachtung sowie Vorhersage ihres Konsumverhaltens, sondern auch in der Berechnung der Produktnutzung und im Ableiten von Produktverbesserungsstrategien aus den Produktdaten selbst. Der technische Fortschritt hat das Sammeln, Verarbeiten und Monetisieren von Daten in nahezu jedem Geschäftssektor ermöglicht. Aus diesem Grund wird auch 1 Vgl. vorläufige Stellungnahme der europäischen Datenschutzbeauftragten, Privatsphäre und Wettbewerbsfähigkeit im Zeitalter von „Big Data“: das Zusammenspiel zwischen Datenschutz, Wettbewerbsrecht und Verbraucherschutz in der digitalen Wirtschaft, März 2014, S. 8 ff.
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
von ökonomischer Seite mehr Aufmerksamkeit auf mögliche Marktvorteile, die sich aus der Datennutzung ergeben, gerichtet.
I. Definition des Begriffs „Daten“ Der Begriff des Datums, überwiegend im Plural genutzt,2 wird in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen3 verwendet und ist zudem im allgemeinen Sprachgebrauch aufgrund des erhöhten Interesses omnipräsent. Dies erklärt die mannigfaltigen Definitionsversuche, welche jeweils mit einem anderen Ziel unternommen wurden und bislang nicht zu einer allgemeingültigen Umschreibung führten. Gemeinhin wird der Begriff im engeren Sinne für die Ergebnisse und Messresultate wissenschaftlicher Erhebungen oder Beobachtungen genutzt.4 Im weiteren Sinne wird er als Bezeichnung für „Information“ benutzt. Das Gleichsetzen eines Datums mit einer Information ist jedoch übereilt. Die DIN 44300 Teil 2 Nr. 2.1.13 definiert Daten im technischen Sinne als ein „Gebilde aus Zeichen oder kontinuierlichen Funktionen, die aufgrund bekannter oder unterstellter Abmachungen Informationen darstellen, vorrangig zum Zwecke der Verarbeitung oder als deren Ergebnis“. Hierbei wird auf die syntaktische Ebene, also auf die Codierung als Zeichenmenge, abgestellt.5 Um aus Daten wieder die Informationen zu abstrahieren, müssen sie in einem Bedeutungskontext interpretiert werden.6 Kommt diesen Zeichen dann durch den Kontext ein Bedeutungsinhalt zu, spricht man von Informationen. Dieses durch kognitive Tätigkeiten des Empfängers erlangte zweckbezogene Wissen wird gewonnen, indem wahrgenommene Daten intraindividuell semantisiert werden.7 Das Datenschutzrecht, dessen Anwendungsbereich nur eröffnet ist, falls personenbezogene Daten betroffen sind,8 definiert diese speziellen, da personenbezogenen, Daten als „Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person“.9 Das Datenschutzrecht sieht Daten mithin durch die semantische Ebene definiert. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) präzisiert, dass Daten „Informationen“ über natürliche Personen seien.10 Für die kartellrechtliche Analyse genügt die semantische Definition als Ausgangspunkt, da es immer um die notwendige, aus dem syntaktischen Datum ent2
Dementsprechend wird auch in dieser Bearbeitung der Begriff im Plural genutzt. Informatik, Rechtswissenschaften, Wirtschaftstheorie. 4 Zech, CR 2015, 137 (138). 5 Zum genaueren Diskussionstand zwischen syntaktischer, struktureller und semantischer Ebene Zech, Information als Schutzgegenstand, 35 ff.; Zech, CR 2015 137 (138) m.w.N.; Specht, CR 2016, 288 (290) m.w.N. 6 Gumm/Sommer, Einführung in die Informatik, 4 f. 7 Wiegand, Wörterbuchforschung, 1. Teilband, Kap. 1.5.2.2. 8 Statt vieler Buchner, in: Taeger/Gabel, BDSG, § 3 Rn. 9 § 3 Abs. 1 BDSG, mit ausführlichen Beispielen Art. 4 Nr. 1 DSGVO. 10 Art. 4 Nr. 1 DSGVO. 3
§ 2 Ökonomische Charakteristika von Daten als Rohstoff
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nommene Information geht. Dies entspricht der ökonomischen Relevanz der Werthaltigkeit der Daten.
II. Kategorisierung von Daten Das Recht und auch die Märkte behandeln Daten unterschiedlich. Dies begründet sich zum einen in einem divergierenden Regulierungsrahmen, zum anderen aber auch in den Kosten für einzelne Marktteilnehmer, gewisse Sorten von Daten zu erlangen. Es bedarf also einer weiteren Differenzierung der Arten von Daten. 1. Personenbezogene Daten – Nicht-personenbezogene Daten Sowohl der europäische als auch der nationale Gesetzgeber unterscheidet zwischen Daten mit Personenbezug und solchen, die keinen Personenbezug aufweisen. Der Umgang mit ersteren ist einem weitreichenden Datenschutz unterworfen, wohingegen nicht-personenbezogene Daten weitgehend unreguliert bleiben. Auf nationaler Ebene ist der Datenschutz im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) geregelt und wird durch bereichsspezifische Regelungen, bspw. im Telekommunikationsgesetz (TKG) und Telemediengesetz (TMG), ergänzt. Seit dem 25. Mai 2018 ist außerdem die DSGVO in allen Mitgliedsstaaten vorrangig anwendbar. Der umfassende Regelungsrahmen, in welchen personenbezogene Daten eingebettet sind, hat seine Ursache im besonderen Schutzbedürfnis des Privatlebens des Datensubjekts.11 Der Begriff der personenbezogenen Daten12 wird extensiv ausgelegt. Für die Frage, ob sich einzelne Verhältnisse einer natürlichen Person zuordnen lassen, kommt es nicht nur auf die Kenntnisse, Möglichkeiten und Mittel der datenschutzrechtlich verantwortlichen Stelle selbst an, sondern auch auf die Möglichkeiten Dritter, sofern diese Möglichkeiten nach allgemeinem Ermessen wahrscheinlich genutzt werden können.13 Diese Auslegung des Begriffs der Bestimmbarkeit der Person ergibt sich schon aus Art. 2 lit a RL 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie) und deren Erwägungsgrund 26.14 Es reicht folglich, wenn durch die Daten eine Person mittelbar oder unmittelbar innerhalb einer kleinen Gruppe bestimmt werden kann.15 Fallen Daten unter den Anwendungsbereich der DSGVO bzw. des BDSG, normiert Art. 5 DSGVO 11
Dieser Schutz ist sowohl im deutschen Recht als Recht auf informationelle Selbstbestimmung gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG und im Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, gem. Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG als auch im europäischen Recht bspw. in Art. 16 AEUV bzw. Art. 8 GRCh gewährleistet. 12 Art. 4 Nr. 1 DSGVO; § 3 Abs. 1 BDSG. 13 Schild, in: BeckOK DatenschutzR, DS-GVO Art. 4 Rn. 15b. 14 Simitis/Dammann, § 3 BDSG Rn. 23 ff. 15 Brühann/Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, 40. EL 2009, Art. 2 RL 95/46/ EG, Rn. 9.
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten. Ihre Verarbeitung muss rechtmäßig, transparent und zweckgebunden und außerdem nur so lange und umfangreich wie nötig erfolgen. Es wirkt ein zweistufiges Schutzregime. Zunächst bedarf es einer Einwilligung des Datensubjekts in die Verarbeitung personenbezogener Daten, sofern nicht eine der begrenzten Ausnahmen vorliegt.16 Denn nur bei Vorliegen eines Erlaubnistatbestands ist die Datenverarbeitung rechtmäßig, Art. 6 DSGVO. Weiterhin ist aber trotz dieser Einwilligung der Verarbeitungsspielraum eingeschränkt. Denn das Zweckbindungsgebot besagt, dass die erhobenen Daten nur für einen im Vorhinein definierten Zweck verarbeitet werden dürfen. Eine Zweckänderung ist nur dann möglich, wenn der neue Zweck mit dem ursprünglichen nicht unvereinbar ist, Art. 6 Abs. 4 DSGVO. Hintergrund dieser Regelung ist die Sicherung der Verfügungsgewalt des Datensubjekts über seine Daten. So kann es eine Weitergabe der Daten zwischen Unternehmen verhindern. Durch die DSGVO wurde auch das Recht auf Datenportabilität eingeführt, welches dem Datensubjekt das Recht eröffnet „die [es] betreffenden personenbezogenen Daten, die [es] einem Verantwortlichen bereitgestellt hat, in einem strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format zu erhalten“, Art. 20 Nr. 1 DSGVO.17 Anwendbar ist dieses Recht auf Daten, deren Verarbeitung auf einer Einwilligung gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchstabe a oder Art. 9 Abs. 2 Buchstabe a oder auf einem Vertrag gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchstabe b beruht und deren Verarbeitung mithilfe automatisierter Verfahren erfolgt. Im Rahmen der elektronischen Kommunikation schützt die CookieRichtlinie 2009/136/EG im deutschen Recht umgesetzt in den §§ 91 ff. TKG18, personenbezogene Daten und die Privatsphäre der Nutzer. Die §§ 11 – 15a TMG enthalten spezielle Regelungen zum Schutz personenbezogener Daten in Telemedien. Nicht-personenbezogene Daten erfahren hingegen nur rudimentären Schutz, dessen Grundlagen in verschiedenen Gesetzen verstreut sind. Eine relativ umfangreiche Beachtung erfährt der ausschließliche Zugang zu Daten – § 202a StGB – und deren Integrität – § 303a StGB – durch das Strafrecht. Wem die entsprechenden Handlungsbefugnisse zugewiesen sein sollen, lässt das StGB jedoch unbeantwortet und diskutiert stattdessen wer zum Zugang oder Zerstörung berechtigt ist. Gleiches gilt für den deliktsrechtlichen Schutz des Rechts am Datenbestand i.R.d. § 823 Abs. 1 BGB als sonstiges Recht. Auch der Schutz von Daten im Rahmen des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bleibt ein auf die Situation und nicht die Daten selbst zugeschnittenes Szenario, bei welchem die Daten zuvor als
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Art. 6 Abs. 1 b–f DSGVO; § 22, 24, 26 BDSG. Als Datenportabilität wird darüber hinaus die Möglichkeit des Datensubjekts, seine Daten aus einem automatisierten Datenverarbeitungssystem auf ein anderes System zu übertragen, ohne dass der für die Verarbeitung Verantwortliche ihn daran hindern kann, verstanden. 18 Art. 95 DSGVO. 17
§ 2 Ökonomische Charakteristika von Daten als Rohstoff
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„intellektuelles Kapital“ eingeordnet werden müssen.19 Die anderen bislang diskutierten Einordnungen sind Leistungsschutzrechte des UrhG und solche sui generis.20 Rechtsansprüche auf Daten können zurzeit also nur dann geltend gemacht werden, wenn die Daten zusätzliche Bedingungen erfüllen. Von Maschinen erzeugte Rohdaten erfüllen diese Bedingungen jedoch häufig nicht. Unternehmen müssen, solange ihre Daten keinen Personenbezug aufweisen, im Zweifel das Verfügungsrecht vertraglich regeln.21 Seit dem 14. November 2018 gilt darüberhinaus die Verordnung über einen Rahmen für den freien Verkehr nicht-personenbezogener Daten in der Europäischen Union.22 Sie soll den Unternehmen insbesondere ermöglichen, ihre Datenverarbeitung innerhalb der EU zu zentralisieren und Mitgliedsstaaten daran hindern Datenlokalisierungsauflagen außer zum Schutz der öffetlichen Sicherheit aufzuerlegen. Zusätzlich soll sie Anreize zur Schaffung von Verhaltensregeln für die Selbstregulierung im Hinblick auf den Anbieterwechsel und die Übertragung von Daten ausarbeiten, um so Lock-In Effekte zu verhindern.23 Fraglich ist, ob es aus kartellrechtlicher Sicht einer Unterscheidung zwischen personenbezogenen und nicht-personenbezogenen Daten bedarf. Grundsätzlich stellen beide Kategorien von Daten denselben Rohstoff und damit ein kartellrechtlich gleich zu behandelndes asset dar. Die Wettbewerbswirkung, die von ihnen ausgeht, hängt jedoch auch mit dem auf sie bezogenen Regelungsrahmen zusammen. Sie verfügen jedoch über die grundsätzlich gleichen Charakteristika, die durch Regulierungen in Bezug auf Nutzung und Übertragung eingeschränkt werden. Innerhalb dieser Arbeit soll den Datenarten also in der Betrachtung eine kartellrechtliche Gleichbehandlung zukommen, es sei denn, ihre Unterschiede führen zu divergierenden, dann aber explizit herausgestellten, Auswirkungen auf den Wettbewerb oder den Markt. 2. Freiwillige Daten – Beobachtungsdaten – Metadaten Weiterhin können Daten, personenbezogen oder nicht, kategorisiert werden anhand ihres Erlangungsweges. Dieser Erlangungsweg beschreibt dabei den Ablauf zusammenhängender Prozesse, durch die Daten generiert, gesammelt und verarbeitet 19
Nach der bis zum 9. 6. 2018 in nationales Recht umzusetzenden Richtlinie (EU)2016/943, werden Geschäftsgeheimnisse vor einer rechtswidrigen Aneignung sowie vor rechtswidriger Nutzung und Offenlegung geschützt. 20 Weiterführend hierzu Ehlen/Brandt, CR 2016, 570 m.w.N.; Zech, CR 2015, 137 m.w.N. 21 Chirco, InTeR 2016, 11 m.w.N. 22 Abl.L 2018 303/59, Verordnung (EU) 2018/1807 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 über einen Rahmen für den freien Verkehr nicht-personenbezogener Daten in der Europäischen Union und zu ihrer Auslegung die Leitlinien zur Verordnung über einen Rahmen für den freien Verkehr nicht-personenbezogener Daten in der Europäischen Union, COM(2019) 250 final. Diese erlässt die Kommission zur Erfüllung ihrer Verpflichtung aus Art. 8 Abs. 3 VO (EU) 2018/1807. 23 ABl.L 2018 303/59, Verordnung (EU) 2018/1807, Erwägungsgrund 18 ff.
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
werden, um ihre Werthaltigkeit zu nutzen oder zu erhöhen.24 Der Erlangungsweg hat dabei einen Einfluss auf den ökonomischen Wert, da er auch die Knappheit des Gutes determiniert.25 Den kürzesten und direktesten Weg haben freiwillig, weil aktiv herausgegebene Daten, welche den Unternehmen häufig zur Abwicklung von Geschäften überlassen werden (Adresse, Kontaktdaten, Kontonummer, Alter). Diese Daten hat das Datensubjekt selbst offengelegt hat, um dafür eine Gegenleistung zu erhalten. Auch in sozialen Netzwerken offengelegte Daten werden freiwillig zur Verfügung gestellt. Bei diesen Daten wissen die Datensubjekte zwar um die Herausgabe der Daten, aber nicht zwingend um die weitere Verwendung.26 Beobachtungsdaten sind solche Daten, die den Unternehmen nicht aktiv zur Verfügung gestellt werden, über deren Hergabe das Datensubjekt auch nicht zwingend Kenntnis hat, sondern passiv durch das Verhalten des Datensubjekts emittiert und durch Beobachtung des Unternehmens materialisiert werden. Beispiele hierfür sind Suchmaschinen, die mittels Crawlern27 die Webverfügbarkeit von Homepages aber auch von Web-Feeds und Email-Adressen ermitteln. Weiterhin „verfolgen“ viele Unternehmen ihre Kunden über sog. Cookies28 oder Zählpixel29 innerhalb ihrer eigenen Homepage und auf dem Weg durch das Internet. Inzwischen arbeiten viele Cookies geräteunabhängig, sodass ein geräteübergreifendes Profil erstellt werden kann.30 Hinzu kommt die Speicherung realer Bewegungsdaten, die durch die Handys 24
UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015,
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BKartA/Autorité de la concurrence, Competition law and Data, 10. 05. 2016, 8. UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015,
26. 26
31. 27
Battelle, The Search, S. 20 f: „Crawler sind Computerprogramme, die Webseiten für die Suchmaschinenanbieter regelmäßig scannen, um neue Webseiten zu entdecken bzw. die aktuelle Version bereits bestehender Seiten zu erfassen. Die Crawler registrieren dabei auch die Links, die sich in den aufgefundenen Seiten befinden und rufen die verlinkten Webseiten auf. Die Crawler senden die Informationen über die aufgerufenen Webseiten an den SuchmaschinenIndex, in dem Informationen über die Webseiten abgelegt werden. Bei der Indexierung wird eine Inhaltsanalyse vorgenommen und anhand dieser eine Klassifizierung nach bestimmten Kategorien sowie eine Sortierung nach Schlagwörtern durchgeführt.“ 28 Kilian/Heussen/Taeger/Pohle, Computerrechtshandbuch, Technisches Lexikon „Kleine Textdatei, die auf dem Computer abgelegt wird, wenn eine Internet-Seite besucht wird. Dies dient dazu, dass sich die Internet-Seite später an den Besuch erinnert und eventuell personalisierte Informationen anzeigt“. 29 Zählpixel oder web bugs, sind unsichtbare Graphiken. Diese werden von großen Internetplattformen auf den Seiten dritter Onlineanbieter platziert, um deren Internetkunden mithilfe des webtracking zu beobachten und damit ein Nutzerprofil anzulegen. Die Monetisierung der Daten durch Werbung erfolgt erst auf der eigenen Seite oder solchen weiterer Dritter. 30 Beim Cross-Device-Tracking können Nutzerprofile erstellt werden, obwohl Nutzer mit verschiedenen Endgeräten im Internet surfen. Cross-Device-Tracking bezeichnet dabei keine konkrete Tracking-Technologie, sondern bezeichnet als Oberbegriff Endgeräte übergreifende Tracking-Methoden, z. B. durch den Einsatz eines Sound-Beacons; vgl. den Workshop der FTC „Cross-device-tracking“ vom 16. 11. 2015.
§ 2 Ökonomische Charakteristika von Daten als Rohstoff
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und Tablets generiert werden, wenn sie via GPS ihren Standort bestimmen und diese an Betreiber von Apps weitergeben.31 Gerade im Bereich der passiven Datenabgabe, also der Beobachtungsdaten, hat es einen starken Zuwachs gegeben, was unter anderem am Anstieg der smart devices32 liegt. Hierbei lassen sich durch die Nutzung der Objekte Rückschlüsse auf auch außerhalb der konkreten Daten liegende Sachverhalte ziehen (bei Benutzung der Geräte in der Wohnung bspw. Arbeitszeiten).33 Weiterhin können Daten bspw. mit Mitteln des Dataminings aus großen Datenmassen herausgelöst und gezielt miteinander verbunden werden, sodass aus verschiedenen Datensätzen Metadaten generiert werden können.34 Mittels der Aggregation von Daten aus unterschiedlichen Quellen können Prognosen über Datensubjektsgruppen erstellt und somit wieder neue Daten geschaffen werden. Hierbei handelt es sich neben den freiwilligen Daten und den Beobachtungsdaten um eine dritte Kategorie: Metadaten. Alle drei Datenkategorien können direkt oder indirekt über Dritte erlangt werden.
B. Abweichende ökonomische Charakteristika von Daten als Wirtschaftsgut I. Die Nicht-Rivalität der Daten Daten könnten also einen Wettbewerbsfaktor darstellen und der Besitz großer Datenmengen möglicherweise einen Wettbewerbsvorteil. Hierbei ist zu beachten, dass die Einschätzung der Bedeutung von Rohstoffen durch das Kartellrecht auf den Charakteristika physischer Ressourcen fußt. Klassische, nicht-öffentliche Wirtschaftsgüter sind bekanntlich rival.35 Dies bedeutet, dass sie sich durch ihren Gebrauch abnutzen oder verbrauchen und dass die Inhaberschaft eines spezifischen Ressourcenanteils die Nutzung durch andere ausschließt. Daten werden durch ihre Nutzung in der Regel jedoch nicht verbraucht. Dieselben Daten können mehrfach verwendet werden, von demselben oder unterschiedlichen Unternehmen.36 Daten sind folglich auch nicht ausschließlich. Die Tatsache, dass gewissen Daten gesam31
31. 32
UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015,
Näheres hierzu § 3 II 2. Im Vereinigten Königreich sind laut einer Studie von Ofcom, M2M Application Characteristics and their Implications for Spectrum, Mai 2014, 2015 bereits über 40 Millionen Geräte über das IoT verbunden, wobei bis 2022 mit einem Anstieg auf 369 Millionen Geräten und über eine Milliarde an täglichen Interaktionen erwartet wird, Ofcom, Promoting investment and innovation in the Internet of Things – summary of responses and next steps, Januar 2015. 34 UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015, 44 als interferred data. 35 Piekenbrock/Henning, Einführung Volkswirtschaftslehre, S. 306. 36 Vgl. Monopolkommission, Sondergutachten 68, 2015, Rn. 65; UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015, 75. 33
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
melt wurden, hindert eine weitere Entität nicht daran, dieselben oder vergleichbare Daten zu erheben, zu nutzen und weiterzuverarbeiten.37 Dennoch sind Daten kein öffentliches Gut, von deren Nutzung niemand ausgeschlossen werden kann.38 Gerade bei Maschinendaten oder aber wenn Daten nur innerhalb einer Anwendung übermittelt werden, kann es zu einer rechtlichen oder faktischen Ausschließlichkeit kommen, die nicht im Charakter der Daten, sondern in den Verschlusseffekten des Marktes oder einer Marktstrategie begründet liegt. So können durch vertragliche Bindung bestimmte Daten exklusiv einem einzigen Unternehmen überlassen werden.39 Grundsätzlich sind Daten aber mangels dinglicher Zuordnung nicht-ausschließlich und nicht-rival. Daraus resultiert jedoch auch, dass bei einer Unfähigkeit, die Daten zu teilen oder zu verkaufen in Verbindung mit gewissen wettbewerbsrechtlich kritischen Verhaltensweisen datenbasierte Märkte zu Ineffizienzen führen können.40
II. Die Knappheit der Daten Unabhängig von ihrer Nicht-Rivalität ist die Knappheit der Daten am Markt zu betrachten. Das Volumen speicherbarer Daten ist heute durch die Digitalisierung vieler Aktivitäten und die Nutzung von vernetzten Geräten so hoch wie nie.41 Deshalb könnte der Trugschluss entstehen, dass Daten zumal nicht-rival, erst recht nicht knapp sind. Dabei ist zunächst zu bemerken, dass der Zugang zu Daten oder Datensubjekten durch das Unternehmen nicht gleichbedeutend ist mit dem Verfügen über die Art von Daten, die es zur Erreichung seines Ziels benötigt. Wichtig ist festzustellen, dass Daten hierbei nicht den einen typisierten Rohstoff darstellen, sondern viele verschiedene Arten von Daten existieren, welche nicht zwingend untereinander substituierbar sind.42 Zusätzlich zu dieser Tatsache kann trotz der Nicht-Rivalität auch der Erlangungsweg selbst oder aber die damit verbundenen 37 Gerade allgemein und langfristig gültige Daten (Geschlecht, Name, Geburtsdatum, Adresse) werden vielen Unternehmen, die unterschiedliche oder aber substituierbare Dienste anbieten, zur Verfügung gestellt. Ohne direkt auf die Nicht-Rivalität der Daten einzugehen auch Komm. 09. 04. 2012, COMP/M.6314, Rn. 543 „Telefonica UK/Vodafone UK/Everything Everywhere“ „customers generally tend to give their personal data to many market players, which gather and market it. Therefore, this type of data ist generally understood to be a commodity“. 38 Öffentliche Güter sind nicht-rival und im Konsum nicht-ausschließbar. Bei diesen Gütern ist es technisch nicht möglich, Nutzungsrechte zu vergeben und damit einen Preis für die Nutzung zu verlangen, Groeben, von der/Schwarze/Holzleitner, AEUV Art. 107 Rn. 239. 39 UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015, 75. 40 UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015, 75. 41 OECD, Data-Driven Innovation: Big Data for Growth and Well-Being, OECD Publishing, Paris (2015), 45. 42 Mahnke, CPI Antitrust Chronicle 2015 (2), 3.
§ 2 Ökonomische Charakteristika von Daten als Rohstoff
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Kosten prohibitiv sein und zu einer geringeren Verfügbarkeit der Daten für gewisse Marktteilnehmer führen. Hierzu müssen die unterschiedlichen Erlangungswege beachtet werden: Erlangung der Daten direkt als freiwillige Daten durch das Unternehmen, Erlangung der Daten als Beobachtungsdaten oder aber der Zugang zu Daten durch Dritte. Die Rolle von Substituten ist im Bereich der datenbasierten Märkte groß. So kann die Information „Musikvorlieben“ sowohl von einer Suchmaschine, von einem sozialen Netzwerk durch Selbstauskunft,43 als auch durch einen Musikstreamingdienstleister durch Beobachtung der Playlists in Erfahrung gebracht werden. Trotz differierender Erlangungswege und dreier unterschiedlicher Datensätze ist der gefolgerte Schluss „Nutzer A präferiert Musik B“ identisch.44 Dieser Faktor wurde im Rahmen mehrerer Verfahren von den Behörden bereits beachtet.45 Will das Unternehmen einen eigenen Vorrat an Daten aufbauen, besteht die Möglichkeit, die Daten als freiwillige Daten durch die Datensubjekte selbst zu erlangen. Dies setzt aber eine Interaktion voraus und außerhalb der zur Abwicklung von Transaktionen abgefragten Stammdaten auch einen Anreiz für das Datensubjekt darüberhinausgehende Daten offenzulegen. Zur Schaffung dieses Anreizes müssen signifikante Investitionen vorgenommen werden. Dies beginnt bei der Einrichtung von Datenräumen, die gewisse Fixkosten verursachen. Allein diese Kosten mögen kleine Unternehmen abschrecken, entsprechende Datenbanken aufzubauen. Um wiederum Anreize zu schaffen, die Daten zu erlangen, müssen häufig Dienstleistungen oder Produkte angeboten werden, deren Qualität erst mit einem umfangreichen zugrundeliegenden Dataset überzeugend wären.46 Weiterhin besteht die Möglichkeit, mittels verschiedener Programme öffentlich verfügbare Daten zu scrapen47. So können die scrapenden Unternehmen die Daten, 43
Graef, World Competition Law and Economics Review 2015, 38(4), 473 (479). Vergleiche die verschiedenen Erlangungswege der Daten auch über den Ankauf in Kap. 1 § 2 C. Die Analyse sozialer Netzwerkdaten bringt ähnlich gute Ergebnisse für targeted advertising wie die Ergebnisse, die aus Suchdaten (Searchdata) abgeleitet wurden; Executive Office of the President, President’s Council of Advisors on Science and Technology, Report to the President – Big Data and Privacy: a Technological Perspective (2014). 45 Komm. 11. 3. 2008, COMP/M.4731 Rn. 365 „Google/DoubleClick“ „combination of data about searches with data on users’ web surfing behavior [generated following the merger] is already available to a number of Google’s competitors today“. Weiterhin stellte die Kommission fest, dass „[c]ompetitors may also purchase data or targeting services from third parties“; 4. 9. 2012, COMP/M.6314 Rn. 539 „Telefonica UK/Vodafone UK/Everything Everywhere/JV“. Hier stellte die Kommission fest, dass das Joint Venture keinen Zugang zu Daten hätte, die nicht auch andere Wettbewerber wie Google, Apple, Facebook, Kartenunternehmen u. a. hätten. 46 BKartA/Autorité de la concurrence, Competition law and Data, 10. 05. 2016, 38. 47 Micklitz/Namysłowska, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, § 5 UWG Rn. 143: „Das sog. Screen Scraping kann dazu verwendet werden, fremde Inhalte von der Seite eines Mitbewerbers auszulesen, und als eigene, in einer, über deren betriebliche Herkunft täuschenden Weise, darzustellen.“ 44
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
die freiwillig gegeben wurden (bspw. einsehbare Konten in sozialen Netzwerken), als Beobachtungsdaten nutzen. Aufgrund der Tatsache, dass die Daten wertvolle assets sind, versuchen einige Anbieter von Online-Plattformen ihre Daten vor anderen Unternehmen abzuschirmen. So verbietet Facebook Dritten Inhalt von ihren Seiten zu scrapen48 und Google schließt bevorzugt exklusive Search Advertising Verträge mit Werbekunden ab49. Durch diese Vorgehensweise versuchen Unternehmen ihre Daten vor dem Zugriff anderer zu schützen und auch Wettbewerber von der Nutzung abzuhalten.50 Eine weitere Möglichkeit ist der Zugang zu Datenbanken Dritter. So müssen geringere Investitionen für die benötigte Infrastruktur getroffen und keine Anreize für Datensubjekte geschaffen werden. Weiterhin können hier auch schon Metadaten des Dritten genutzt werden, sodass das Unternehmen auch nicht selbst Daten deduzieren können muss. Hierbei muss aber beachtet werden, dass sowohl der Umfang als auch die Art der Daten an den Bedürfnissen der dritten Partei ausgerichtet sind, die Daten also nicht die gleiche zweckgebundene Qualität aufweisen und deshalb nicht gleich effektiv wie selbst gesammelte Daten sein müssen. Eine weitere Gefahr ist die mit der Zeit durchaus sinkende Werthaltigkeit gewisser Daten. Werden durch den Dritten nur Archivdaten zur Verfügung gestellt, sind diese kaum Substitute für den direkten Erlangungsweg durch das Unternehmen selbst. Weiterhin ist der jeweilige Kaufpreis für die Daten zu beachten. Somit können sowohl der Erlangungsweg über Dritte aber auch die Kosten prohibitiv sein. Aus diesem Grund geht auch die OECD davon aus, dass ein solcher Zugang aufgrund kaum existenter Anreize selten gewährt wird.51 Zudem stellt sie heraus, dass die Kosten des Teilens von Daten größer sind als die erwarteten Vorteile des Teilens.52 Für personenbezogene Daten begrenzt zudem das strenge Datenschutzrecht die Abgabe an Dritte. Denn auch die Verarbeitung der durch Dritte erlangten Daten ist erlaubnispflichtig. Art. 6 I lit. f DSGVO verlangt eine umfassende Interessenabwägung und birgt damit, ebenso wie die Einschätzung, ob die Datenweiterverarbeitung ein mit dem Erhebungszweck kompatibles Ziel verfolgt, zu viel 48
Facebooks Erklärung der Rechte und Pflichten im Rahmen der allgemeinen Geschäftsbedingungen 3. Sicherheit Nr. 2: „Du wirst mittels automatisierter Mechanismen (wie Bots, Roboter, Spider oder Scraper) keine Inhalte oder Informationen von Nutzern erfassen oder auf andere Art auf Facebook zugreifen, sofern du nicht unsere vorherige Erlaubnis dazu erhalten hast.“, verfügbar unter https://www.facebook.com/terms. 49 Almunia, Statement of Commissioner Almunia on the google antitrust investigation, 21. 05. 2012, SPEECH/12/372. 50 Grunes/Stucke Antitrust Source, April 2015, 7. 51 Vgl. auch EU-Kommission, COM(2017) 9 fin.S. 10, abrufbar unter http://ec.europa.eu; wonach viele Hersteller, Diensteanbieter oder sonstige Marktteilnehmer die mit ihren Maschinen oder mit Hilfe ihrer Produkte oder Dienste erzeugten Daten für sich behalten und keine Anwendungsprogrammierschnittstellen zur Verfügung stellen, Beispiele: https://developer.luft hansa.com/; https://data.sncf.com/api; https://api.tfl.gov.uk/; https://dev.blablacar.com/. 52 OECD, Data-Driven Innovation: Big Data for Growth and Well-Being, OECD Publishing, Paris (2015), 192.
§ 2 Ökonomische Charakteristika von Daten als Rohstoff
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Rechtsunsicherheit, als dass es einen Anreiz für die datenerhebenden Unternehmen zur Abgabe gäbe. Dies zeigt, dass allein die Tatsache, dass Daten nicht-rival und genuin nichtausschließlich sind, nicht auch die Frage der Knappheit der Daten und damit der wettbewerbsrechtlichen Bedenken beantwortet. Unternehmen können die Nutzung von Daten durch Dritte durch Lizenzvereinbarungen und andere Kontrollmittel verhindern.53 Es haben gerade nicht automatisch alle Wettbewerber den gleichen Zugang zu Datensubjekten und zu Daten, weshalb es einer gesonderten Fallbetrachtung der konkreten Marktgegebenheiten bedarf.54
III. Die problematische Bestimmung der Werthaltigkeit von Daten Klarstellend gilt: Der in Art. 4 Nr. 1 DSGVO zum Ausdruck kommende semantische Ansatz offenbart in seiner Definition eine weitere Stufe, die vor der ökonomischen Nutzbarkeit der Daten zu betrachten ist. Das Datum ist eine Information über etwas, z. B. eine natürliche Person. Dies zeigt, dass ein Datum an sich zunächst keinen Wert hat. Erst in Kombination mit einem anderen wird es zu einer ökonomisch werthaltigen Komponente, denn aus der Kombination von Information und Informationssubjekt entspringt erst die ökonomische Nutzbarkeit des Datums. Diese Information kann dann also einen Wert haben. In der wissenschaftlichen Diskussion wird – größtenteils – vom Wert der aus den Daten abgeleiteten Informationen i.S.e. semantischen Verständnisses gesprochen.55 Sollte das Unternehmen nun über Daten verfügen, stellt sich sowohl für das Unternehmen als auch für die kartellrechtliche Betrachtung ein weiteres Problem: Die Werthaltigkeit des assets ist schwierig außerhalb des konkreten Kontextes zu bestimmen. Zudem verlieren viele Daten mit Zeitablauf für bestimmte Arten der Anwendung an Wert. Während gewisse Daten (Name, Geburtsdatum, Wohnort, Familienstatus) von (zumindest einer gewissen) Dauer sind, haben andere Daten nur eine kurze Werthaltigkeitsdauer (Termin für den Markt in der Stadt). Weiterhin gibt es Verwendungen, die aktuelle Daten benötigen, da sie nur darauf ausgerichtet sind, aktuelle Bedürfnisse zu befriedigen (z. B. targeted advertising), wohingegen andere Anwendungen (z. B. Profilerstellung) auch mit historischen Daten arbeiten. Für Marktteilnehmer wie Suchmaschinen sind gerade in Anbetracht der immer neu verfügbaren Daten und der sich ändernden Suchanfragen neue Daten relevanter als historische.56 So hat Google täglich 15 % neue Suchanfragen.57 Diese neuen Daten 53
S. 94. 54
UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015,
So auch BKartA/Autorité de la concurrence, Competition law and Data, 10. 05. 2016, 42. Vgl. u. a. Holzweber, NZKart 2016, 104 (105); Monopolkomission, Sondergutachten 68, Rn. 67 ff.; BKartA, Arbeitspapier, S. 91 ff. 56 UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015, 49. 55
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
sind für den Algorithmus deshalb von Relevanz, weil er die relevantesten Suchergebnisse je nach sich in den Suchanfragen widerspiegelndem Tagesgeschehen neu sortiert.58 Weiterhin ist nicht jede Art von Daten für jeden Zweck gleich nützlich. Wie bei analogen Rohstoffen auch, ist Art und Herkunft der Daten entscheidend für die Nutzbarkeit.
IV. Die Bedeutung von Skalen- und Verbundeffekten Skalenerträge sind Kostenersparnisse, die bei gegebener Produktionsfunktion als Folge konstanter Fixkosten auftreten, wenn die Ausbringungsmenge wächst, da bei wachsender Betriebsgröße die durchschnittlichen totalen Kosten bis zur sog. mindestoptimalen technischen Betriebsgröße sinken (der Anteil der fixen Kosten je produzierter Einheit wird also immer kleiner).59 Verbundvorteile sind wirtschaftliche Vorteile, die bei diversifizierten, auf verschiedenen Märkten tätigen Unternehmen auftreten können. In bestimmten Funktionsbereichen können sie synergetische Effekte im Sinne von Kostenersparnissen erzielen, die sich daraus ergeben, dass z. B. die Enwicklungskosten von zwei getrennt herstellbaren Produkten durch ein diversifiziertes Unternehmen günstiger sind als durch zwei Einprodukt-Unternehmen.60 Die Signifikanz der Skalen- und Verbundeffekte auf den jeweiligen Märkten beschreibt dabei auch den Wettbewerbsvorteil, den ein marktstarkes Unternehmen durch das Sammeln von Daten erhalten kann. Wäre dies nicht der Fall, so könnten Wettbewerber leicht die gleichen Dienstleistungen anbieten und aufgrund der NichtRivalität der Daten schnell einen hinreichenden Datenvorrat aufbauen.61 Skalen- und Verbundeffekte sind zwar keine ausschließlichen Charakteristika von Daten als Wirtschaftsgut, spielen aber eine Rolle als Wirkkräfte auf Märkten, in denen Daten ein wichtiges Gut darstellen. Hinzu kommt, dass die Daten nach ihrem ursprünglichen Zweck durch Big Data Anwendungen für andere Zwecke recycelt werden können. Dies könnte die Wirkung der Skalen- und Verbundeffekte verstärken. Daten müssen in großer Menge und großem Umfang gesammelt werden, damit sie einen entsprechenden Nutzen ergeben, wenn sie für Vorhersagen auf Grundlage von Analysen genutzt werden sollen.62 Je höher also die Anzahl der nützlichen Daten ist, desto verlässlicher sind die auf der Grundlage dieser Daten getroffenen Aussagen. 57
Lerner, The Role of ,Big Data‘ in Online Platform Competition, 37. Lerner, The Role of ,Big Data‘ in Online Platform Competition, 37. 59 Gablers Wirtschaftslexikon, http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/economies-ofscale.html. 60 Gablers Wirtschaftslexikon, http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/economies-ofscope.html. 61 So auch BKartA/Autorité de la concurrence, Competition Law and Data, 10. 05. 2016, 47. 62 UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015, 75. 58
§ 2 Ökonomische Charakteristika von Daten als Rohstoff
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Gleichzeitig verursacht das Sammeln, die Verarbeitung und die Analyse der Daten durchaus wesentliche Fixkosten und eher vernachlässigbare marginale Kosten.63 Ist die Infrastruktur zur Erhebung und Sammlung der Daten erst eingerichtet, so sind die Grenzkosten sehr gering. Dies begünstigt etablierte Unternehmen gegenüber Newcomern, da diese die hohen Startinvestitionen erst amortisieren müssen. Größere Unternehmen, die mehr Daten sammeln, verarbeiten und analysieren, haben damit Kostenvorteile gegenüber kleineren Unternehmen. Dies bedeutet, dass der Markt eine natürliche Konzentrierung anstrebt, da bei wachsender Datenmenge und damit auch wachsenden Betriebskosten der Anteil der fixen Kosten kleiner wird. Diese Skaleneffekte könnten zu Markteintrittsbarrieren für neue und kleine Firmen führen.64 Ein weiteres Phänomen sind sog. „positive Feedback-Loops“: Da die Verwendung von Daten zu deutlichen Verbesserungen und Innovationen im Bereich des Produkts oder Services im Vergleich zu Wettbewerbern ohne Zugriff auf Daten führen kann, besteht die Besorgnis, dass gerade den Unternehmen, die schon über viele Daten verfügen, noch mehr Daten angetragen werden, da sie immer mehr Nutzer auf sich vereinen können.65 Ein die Relevanz der Skaleneffekte dämpfender Faktor könnte jedoch die Tatsache sein, dass der Grenznutzen von Daten, die für Analysezwecke gesammelt werden, ab einer gewissen Menge bereits gesammelter Daten stark abnehmen kann.66 So könnte die steigende Datenmenge ab einem gewissen Grenzpunkt zu sinkenden Skaleneffekten führen. Diese Entwicklung würde den durch die Skaleneffekte befürchteten Wettbewerbsvorteilen großer Datenmengen entgegentreten.67 Diese Beobachtung ist aber nur für solche Datennutzungen relevant, die eine große Menge Daten analysieren und aus diesen wiederum Wahrscheinlichkeiten schlussfolgern.68 In Betracht kommen hier bspw. Suchmaschinen, deren Algorithmen die Wahrscheinlichkeit des Gesuchten vorherzusagen suchen. Datennutzungen, die nicht den obengenannten Zweck verfolgen, sind diesem Effekt jedoch eher nicht ausgesetzt.69 Weiterhin ist zu beachten, dass dieser beobachtete Grenznutzen erst ab einer gewissen Datenmenge eintritt. Bis zum Erreichen dieses Grenzpunktes profitiert der Inhaber großer Datenmengen zu Analysezwecken von den Skaleneffekten und hat
63
75.
UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015,
64 Dies und das vorhergehende UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015, 9. 65 OECD, Data-Driven Innovation: Big Data for Growth and Well-Being, OECD Publishing, Paris (2015), 25 f. 66 Lerner, The Role of ,Big Data‘ in Online Platform Competition (2014), 35. 67 Schepp/Wambach, Journal of European Competition Law & Practice, 2016, 7(2), 120 (121). 68 Da nur dort der sog. sampling error wirkt, Schepp/Wambach, Journal of European Competition Law & Practice, 2016, 7 (2), 120 (122). 69 So auch BKartA/Autorité de la concurrence, Competition Law and Data, 10. 05. 2016, 50.
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
somit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Wettbewerbern mit einem kleineren Dataset. Neben den Skalen- sind auch die Verbundeffekte ein wichtiger Parameter. Dies betrifft einmal die Anzahl unterschiedlicher Informationen, die mit einem Datensubjekt verbunden werden können. Wenn also die Anzahl der Datensubjekte als Menge und die Menge der einzelnen mit dem Subjekt verbundenen divergierenden Informationen als Varianz gesehen werden, spielt letztere eine große Rolle bei der umfassenden Analyse des einzelnen Subjekts. Um weitere Informationen und Wahrscheinlichkeiten deduzieren zu können, sind Unternehmen sowohl an der Menge als auch an der Varianz der Aussagen und damit an der Dichte der zugrundeliegenden Informationen interessiert.70 Auch unterschiedliche Gruppen verschiedener Datensubjekte können miteinander in Kontext gesetzt werden. Daten, die aus unterschiedlichen Quellen stammen und zu unterschiedlichen Zwecken gesammelt werden, brauchen nur einmal gespeichert werden um dann für verschiedene, getrennt herstellbare Produkte oder Services nutzbar zu sein. Gerade große Unternehmen, die in verschiedenen Bereichen tätig sind, verfügen dann über Daten aus unterschiedlichen Bereichen, die in Metaanalysen verbunden werden können. Dies führt erneut dazu, dass die sunk costs zum Aufbau einer technischen Infrastruktur und Dienstleistung nur einmal getätigt werden müssen, die verschiedenen Datentypen aber in gleicher Weise verarbeitet werden können. Auch die europäische Kommission hob die Relevanz der Verbundeffekte im Rahmen der Google/DoubleClick Fusionsentscheidung hervor.71 Bei neuer Nutzung der Daten durch Kombinationsmöglichkeiten können historische Daten zudem in ihrem Wert aufleben.72
V. Die Werterhöhung des einzelnen Datums durch Kombination Eng mit den Verbundeffekten verwoben ist die Tatsache, dass sich der Wert des einzelnen Datums durch Kombination erhöht. Der Wert der Daten kann also mehr sein als die Summe seiner Teile, jedes Einzelteil gewinnt durch die Summe an 70
BKartA/Autorité de la concurrence, Competition Law and Data, 10. 05. 2016, 50. Komm. 11. 3. 2008, COMP/M.4731 Rn. 273 „Google/DoubleClick“ „competition based on the quality of collected data thus is not only decided by virtue of the sheer size of the respective databases, but also determined by the different types of data the competitors have access to and the question which type eventually will prove to be the most useful for internet advertising purposes“. 72 So auch der Bericht an den PotUS: „[the combination of data from different sources] may uncover new meanings“ Executive Office of the President, President’s Council of Advisors on Science and Technology, Report to the President – Big Data and Privacy (2014). 71
§ 2 Ökonomische Charakteristika von Daten als Rohstoff
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Bedeutung. Der Wert der Daten betrifft ihre Bedeutung (semantische Ebene).73 Bei Big Data-Anwendungen ergibt sich der besondere Wert nicht bereits aus den – oftmals als Nebenprodukt – erfassten Daten, sondern erst aus der nachfolgenden Analyse dieser.74 Je größer die Datenvielfalt ist, desto größer ist also die Möglichkeit durch statistisch-mathematische Methoden Metadaten zu deduzieren.75 Das heißt auch je größer die Datenvielfalt, desto größer ist damit auch die Möglichkeit, neue Daten zu erschließen.76 Die Nützlichkeit der Daten kann damit auch von der Anzahl der Daten abhängen. Das Problem besteht hierbei darin, dass vielen Unternehmen sowohl die Expertise als auch die technischen Ressourcen fehlen, um gesammelte Daten zu aggregieren oder Metadaten zu erstellen.77 Ist diese Kompetenz gegeben, muss dieser Effekt vor allem bei der Ermittlung der marktbeherrschenden Stellung und der Beurteilung und Prognose bestehender Datasets berücksichtigt werden.
C. Die Verwendung von Daten Daten verfügen also über spezifische Charakteristika, die sie von anderen Rohstoffen unterscheiden. Dennoch oder gerade deswegen haben sie in der fortschreitenden Informationsgesellschaft einen wichtigen Stellenwert und sind trotz der durchaus schwierigen Bezifferung des konkreten Wertes unbestritten wertvoll. Der Gesamtwert aller personenbezogenen Daten der EU-Bürger soll sich auf rund 315 Milliarden Euro belaufen.78 Mit den Daten jedes Datensubjekts sollen pro Jahr rund vier bis sieben US Dollar lukriert werden.79 Unternehmen speichern und verarbeiten die Daten, bieten zum Teil Services nur zum Zwecke der Datengewinnung an oder finanzieren Projekte durch die Monetisierung von Daten. Dies zeigt zum einen die Relevanz von Daten, zum anderen auch den Bedarf, diese wirtschaftlich zu verwerten. Der Wert von Daten kann sich hierbei für die Unternehmen aus verschiedenen Anwendungen ergeben. Zum einen können die Daten innerhalb des Unternehmens genutzt werden. Das Kundenverhalten oder die Rückmeldungen der Maschinen können analysiert und treffsichere Quoten (bspw. Ausfallquoten von Produktionsmaschinen) oder genauere 73
Schefzig, K&R, Beihefter 3/2015, 3 (3). Zech, CR 2015, 137, (138). 75 So auch Holzweber, NZKart 2016, 104 (109). 76 S. etwa Moerels Antrittsvorlesung an der Tillburg Law School „Big Data Protection: How to make the draft EU regulation on Data Protection further Proof“, vom 14. 12. 2014: „(…) the added value of big data resides in the potential to uncover new correlations for new potential uses once the data have been collected.“ 77 UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015, 47. Stattdessen können sich die Unternehmen dann Datenintermediären bedienen. 78 Preliminary Opinion EDPS, Privacy and competitiveness in the age of big data, März 2014 Rn. 8. 79 OECD, Exploring the economics of personal data, 2013, 4. 74
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
Risikoanalysen erstellt werden.80 Durch diese Rückmeldung können interne Geschäftsprozesse verbessert, neue Strategien aufgestellt und die innerbetriebliche Effizienz erhöht werden.81 Auch bieten Daten einen Anreiz, neue Geschäftsfelder zu erschließen.82 Zum anderen lassen sich Daten zur Verbesserung des eigenen Angebots nutzen. Augenfällig sind hier die Lerneffekte, die Suchmaschinen erzielen, wenn sie viele Nutzeranfragen erhalten. Durch jede Nutzeranfrage kann der Suchmaschinen-Algorithmus verfeinert werden, was wiederum die Qualität der Suchergebnisse beeinflusst.83 Durch Daten können personalisierte Inhalte und Angebote oder auf den Kunden zugeschnittene Werbung generiert werden. So kann die Kundenbindung erhöht oder die Zahlungsbereitschaft eines Kunden ausgereizt werden.84 Darüber hinaus verbessert ein größeres Dataset das eigene Angebot, wenn das Unternehmensprodukt selbst ein Angebot von Daten ist.85 Insbesondere Plattformen profitieren von einem solchen Datenzuwachs. Ihr Angebot beinhaltet den Zugriff auf (Kontakt-)Daten. Je mehr Nutzer diese zur Verfügung stellen, desto mehr Kontaktwillige werden die Plattform nutzen, um mit anderen zu interagieren. Diese neuen Nutzer sind dann gleichzeitig neue Datenlieferanten.86 Diese Verwendungsform von Daten befindet sich bereits an der Schnittstelle zum externen Nutzen von Daten. Dieser besteht im Verkauf, Austausch oder der Lizensierung von Rohdaten oder aber im Verkauf der Analysen, die sich aus den Rohdaten ergeben. Weiterhin können die Daten an Unternehmen, die benutzerdefinierte Werbung anbieten, weitergegeben werden.87
I. Die unentgeltliche Hergabe von Daten Unabhängig vom Erlangungsweg der Daten erhält das Datensubjekt hierfür selten eine Entlohnung. Dennoch werden personenbezogene Daten in unterschiedlicher Hinsicht mit der Bezahlung durch Plattform-Nutzer in Verbindung gebracht. Es werden explizit Angebote generiert, die gerade darauf abzielen, Daten der Nutzer zu erlangen. So gelten personenbezogene Daten in der Werbebranche als Indikator dafür, dass ein Nutzer publizierte Werbung wahrgenommen hat, was dem Platt80
UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015,
81
UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015,
82
Arbeitspapier, Plattformen und Netzwerke, 95. Arbeitspapier, Plattformen und Netzwerke, 95. Arbeitspapier, Plattformen und Netzwerke, 95. Ibid. Arbeitspapier, Plattformen und Netzwerke, 95. UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015,
50. 50. 83 84 85 86 87
40.
§ 2 Ökonomische Charakteristika von Daten als Rohstoff
37
formbetreiber wiederum ermöglicht höhere Preise für seine Werbeflächen zu verlangen.88
II. Die Monetisierung durch Werbung Aus personenbezogenen Daten können Informationen über Intentionen und Präferenzen von Nutzern abgeleitet werden, welche vor allem für die Online-Werbeindustrie von Interesse sind.89 Online-Werbung umfasst hierbei folgende Modelle: bezahltes Ranking, also die Tatsache, dass ein Websitebetreiber bezahlt, um bei bestimmten Suchbegriffen in der Ergebnisliste eines Unternehmens gelistet zu werden, klassische Anzeigenwerbung und Displaywerbung, die als Banner und Videowerbung neben dem eigentlichen Inhalt auf Webseiten und Emails angezeigt oder in Spielen abgespielt wird.90 Hierbei stellt vor allem die Displaywerbung einen Wachstumsmarkt dar.91 Die Displaywerbung umfasst unter anderem das contextual advertising, also Werbung, die beruhend auf dem Thema der besuchten Website ausgesucht wird (Sonnencreme auf Hotelbuchungsseiten).92 Beim Verkauf der Werbeplätze werden hierbei verschiedene Verfahren angewandt. Vorherrschend ist seit 1996 das sog. cost-per-click-Verfahren: Der Werbeträger muss dabei nur dann ein Entgelt entrichten, wenn auf die Internetwerbung geklickt wird.93 Je besser die Werbung auf die Konsumpräferenzen des Internetnutzers abgestimmt ist, desto höher ist folglich der durch Online-Werbung erzielbare Ertrag für den Werbeplatzanbieter.94 Um die Klickrate zu erhöhen wird das behavioural targeting angewendet. Es beinhaltet das Zeigen von Werbung, die sich nicht nur an dem Kontext der besuchten Werbung orientiert, sondern zusätzlich verschiedene Merkmale des Suchenden berücksichtigt. So werden aus der Websitehistorie des Nutzers, installierten Schriftarten und Plug-Ins Rückschlüsse auf das Kaufverhalten geschlossen. Die Gesamtheit dieser Daten ergibt ein dynamisches Verhaltensprofil, welches kontinuierlich wächst und aktualisiert wird. Damit kann nicht nur das aktuelle, sondern auch das länger88 89 90
53.
Telle, WRP 2016, 814 (815). Monopolkommission, Sondergutachten 68, Rn. 82. UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015,
91 UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015, 53; die IAB berichtete, dass der Marktanteil der Displaywerbung im gesamten digitalen Marketing von 21 % auf 32 % im Jahre 2014 im UK gestiegen ist. 92 Dies und das vorhergehende UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015, 54. 93 Evans, Journal of Economic Perspectives 2009, 37 (38). 94 So auch Holzweber, NZKart 2016, 104 (106).
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
fristige Interesse von Internetnutzern durch behavioral targeting erfasst werden.95 Das sociodemographic targeting geht hier noch einen Schritt weiter und verbindet computergestützte Informationen mit spezifischen Eigenschaften des Nutzers, wie Alter, Geschlecht, Gehaltsklasse und Nationalität.96 Personenbezogene Daten sind also die Ressource, die die Identifizierung von Präferenzen und Intentionen der Internetnutzer ermöglicht. Die Klick- und damit Zahlungswahrscheinlichkeit steigt durch die gezielte Werbung ebenfalls.97 Durch das System der cost-per-click basierten Werbung generieren datenstarke Unternehmen aber auch noch mehr Umsatz, da die Werbenden um die Qualität der Werbefläche wissen und so mehr für den einzelnen Klick zu zahlen bereit sind.98 Unterschiedliche Werbeanbieter bieten in einer Auktion um die Anzeige von Werbungen und legen einen Wert fest, den sie pro Klick auf ein Werbebanner zu zahlen gewillt sind. Die relative Wahrscheinlichkeit, wie häufig es zu einem Geschäftsabschluss mit einem Betrachter einer Werbung kommt, wird durch die Höhe des gebotenen Betrags ausgedrückt.99 Wird Werbung durch umfangreiche Datenbestände zielgerichtet angezeigt, steigt die Wahrscheinlichkeit für eine Transaktion, weswegen „datenreiche“ Unternehmen wie Google Search deutlich höhere Beträge pro Klick generieren als Unternehmen, welche auf eine weniger umfangreiche Datenbank zurückgreifen können. Werbung, die durch Daten an den Empfänger angepasst ist, generiert dabei durchschnittlich 270 % mehr Einnahmen als statische Werbung.100 Man kann daher davon ausgehen, dass der Wert von Daten eng mit der Möglichkeit ihrer effektiven Verwertung für Werbung verbunden ist. Auf die Werbung datenstarker Unternehmen wird also nicht nur häufiger geklickt, es wird auch pro Klick mehr Geld verdient.
95
54.
UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015,
96 Schlee Targeted Advertising Technologies, S. 14; Taylor/Lewin/Strutton, Journal of Advertising Research, 51 (1): 258. 97 Die Bedeutung der verfügbaren Daten über das Datensubjekt für die Effektivität von Internetwerbung wurde empirisch etwa von Goldfarb/Tucker nachgewiesen: Hier wurde in einer Studie mit 3.3 Mio. Teilnehmern nachgewiesen, dass Online-Werbung unter dem strikten EU Datenschutzregime die Kaufabsicht von Konsumenten zu 65 % weniger beeinflussen kann als in den USA; Goldfarb/Tucker, Manag. Sci. 2011, 57. 98 Newman, Yale J. on Reg., Vol. 31 (2), 2014, 401 (404). 99 Newman, Yale J. on Reg., Vol. 31 (2), 2014, 401 (418). 100 Eine Studie offenbarte, dass behaviorally-targeted Werbung mehr als doppelt so wertvoll und doppelt so effektiv wie non-targeted Werbung ist, Beales NAI-Study.
§ 2 Ökonomische Charakteristika von Daten als Rohstoff
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III. Die Verbesserung der eigenen Produkte gegenüber den datenbereitstellenden Kunden Laut der CMA ist einer der Gründe für die starke Nutzung personenbezogener Daten, die Rückkopplung über die Entwicklung und Akzeptanz der angebotenen Produkte und Services und damit einhergehend die Möglichkeit, die Leistung weiter auf die Nachfrager zuzuschneiden.101 Kunden können jedoch nicht nur vorhandene Produkte kaufen, die stärker auf ihre Interessen zugeschnitten sind.102 Die Produkte können auch individuell auf die jeweiligen abweichenden Verbraucherbedürfnisse zugeschnitten, also personalisiert werden. So werden personenbezogene Daten etwa für universelle und vertikale Suchmaschinen verwendet, um die Qualität der Suchergebnisse zu verbessern.103 Datenoptimierte Suchmaschinen zeigen Suchresultate an prominenter Stelle an, die nach Analyse der verfügbaren persönlichen Daten den Präferenzen des Internetnutzers am ehesten entsprechen. Ein durch die Analyse der verfügbaren Daten an den Anwender angepasstes Suchergebnis ist meist treffender und erfüllt daher die Erwartungen von Internetnutzern besser als Suchdienste ohne Analyse von persönlichen Daten.104 Die Unternehmen wiederum profitieren von der möglichen erhöhten Kundenbindung.105 Daten – personenbezogen oder gerätebezogen – können Unternehmen auch helfen, potentielle Marktlücken und Produktanwendungen zu entdecken. Hierbei können die Risiken der Markteinführung besser abgeschätzt oder das tatsächliche Nutzerverlangen deduziert werden.106 Ebenfalls können die tatsächlichen Belastungen der überwachten Maschinen eruiert und diese somit optimiert werden.107 Weiterhin kann der subjektiv vom Nutzer wahrgenommene Wert von Dienstleistungen durch das Sammeln von personenbezogenen Daten steigen.108 So wird sich etwa der Wert eines sozialen Netzwerks für einen Nutzer u. a. danach bemessen, wie viele personenbezogene Daten (etwa in Form von Interaktionen mit anderen Nutzern) darin gespeichert sind.
101
„DotEcon’s analysis of the clothing retailing sector provides some illustrative examples of how data is being used in practice. Retailers use personal data (usually provided by customers directly) and pseudonymous data (such as browsing history) to develop rich customer profiles and inferences about their preferences. DotEcon note how personalised search results and product recommendations allow retailers to increase the conversion of consumer interest into sales and average order value“ UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015, 56 f. 102 UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015, 56. 103 Holzweber, NZKart 2016, 104 (106). 104 Holzweber, NZKart 2016, 104 (106). 105 Vgl. Shapiro/Varian, Guide to the Network Economy, S. 32 ff. 106 UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015, 57. 107 Näher § 3 A. II. Nr. 2. 108 Monopolkommission, Sondergutachten 68, Rn. 79.
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
Diese Personalisierung hält Nutzer dann bei einem Produkt, obwohl ein anderes möglicherweise innovativer wäre.
IV. Die Verbesserung der eigenen Produkte gegenüber dritten Kunden Maschinengenerierte oder anonymisiert aggregierte Daten lassen sich zur Entwicklung neuer Produkte oder zu ihrer Verbesserung nutzen, sodass nicht nur die aktuellen Nutzer gehalten, sondern auch neue gewonnen oder gar neue Märkte erschlossen werden können. Ermöglicht wird dies durch die Auswertung von in anderen Kontexten erlangten Daten, die mittels Algorithmen „recycelt“ werden.109 Bewegungsdaten von Mobiltelefon-Nutzern können bspw. dazu genutzt werden, aktuelle Staumeldungen anzubieten.110 Im Bereich der Spiele-Apps können dank Echtzeit-Daten-Verarbeitung die Level und Spiele auf das Niveau des Durchschnittsspielers angepasst werden, um so weder Frust noch Langeweile aufkommen zu lassen und vermehrt Kunden anzusprechen.111 Zudem können Unternehmen aus diesen Daten potenzielle Trends ableiten und diesen folgend neue Produkte mit besonderer Relevanz für die Nutzer anbieten. Es wird vermutet, dass die Fähigkeit zur Erhebung und Auswertung solcher Daten damit ein zentraler Antriebsfaktor der Innovationskraft solcher Unternehmen ist.112 Es besteht also die Möglichkeit, dass die Daten als Motor für disruptive Innovationen dienen und die entsprechenden Unternehmen so jeweils ihre Stellung auf bestehenden Produktmärkten festigen oder den Marktvorteil als erster Anbieter ausnutzen können.
V. Daten als Marktobjekt Der Markt für persönliche Informationen wird allein in den USA auf mehr als 150 Milliarden Dollar geschätzt. Multinationale Datenbroker wie Acxiom und Datalogix – eine Tochter von Oracle – kombinieren Profile von Facebook, Twitter oder Instagram mit Datenbanken, die Auskunft geben über Charakteristika wie Wohnort, E-Mail-Adresse und Kreditwürdigkeit. Die amerikanische Kartellbehörde FTC stellte bereits 2014 in einer Studie113 fest, dass bei Acxiom Informationen zu „700 Millionen Verbrauchern weltweit mit mehr als 3000 Datensätzen für nahezu 109 110 111
57. 112 113
Arbeitspapier Plattformen und Netzwerke, 95. Arbeitspapier Plattformen und Netzwerke, 95. UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015, Monopolkommission, Sondergutachten 68, S. 48 Rn. 78. FTC, Data Brokers – A Call for transparency and Accountability, Mai 2014, 8.
§ 2 Ökonomische Charakteristika von Daten als Rohstoff
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jeden US-Bürger“ vorliegen. Voraussetzung hierfür ist die Möglichkeit, immer größere Menge von Daten mit geringem Aufwand aufzuzeichnen und bei Gelegenheit zu analysieren. Dadurch wurde es möglich (anders als bei der klassischen Datenerhebung) Daten gewissermaßen „auf Vorrat“ und ohne konkrete Fragestellung aufzuzeichnen. Dieses Vorgehen ist im Anwendungsbereich der DSGVO, wie bereits dargestellt, nicht möglich. Für nicht-personenbezogene und anonymisierte Daten verbleibt diese Option. Obwohl bereits zuvor die Frage nach möglichen Eigentumsrechten an Daten aufgeworfen wurde,114 hat Big Data zu einer Verstärkung des Gütercharakters von Daten geführt. Die Speicherung der Daten auf sich zukünftig ergebende Fragestellungen hin und die Aufzeichnung von Daten, die beim Betreiben komplexer Maschinen entstehen, verstärkt diese Frage.115
D. Ergebnis Damit steht fest, dass im Rahmen dieser Arbeit ein Datum auf semantischer Ebene definiert wird und personenbezogene und nicht-personenbezogene Daten wettbewerbsrechtlich grundsätzlich gleich behandelt werden können. Der Datenschutz, der nicht Aufgabe des Kartellrechts ist, könnte dennoch zu abweichenden Auswirkungen auf den Märkten führen und damit einen Faktor in der Marktbeherrschungsbeurteilung darstellen. Herausgearbeitet wurde, dass Daten von bestimmten Charakteristika geprägt werden, die möglicherweise Auswirkungen auf die sie umgebenden Märkte und die Beurteilung wettbewerblicher Verhaltensweisen haben können. Diese abweichenden Beurteilungen könnten besonders aus der variierenden Werthaltigkeit von Daten und der Werterhöhung durch Kombination resultieren. In jedem Fall müssen die vielfältigen Monetisierungswege beachtet werden, durch welche die Daten wirtschaftlich genutzt werden. Je nachdem, ob die Kartellrechtssubjekte die erwirtschafteten Daten intern zur Verbesserung des eigenen Produktes oder aber die Daten selbst oder ein daraus abgeleitetes Produkt benutzen, könnten unterschiedliche Voraussetzungen auf den fraglichen Märkten herrschen. Folglich müssten dann möglicherweise auch andere Maßstäbe an die Beurteilung von Marktmacht gelegt werden. Dies ist in den folgenden Kapiteln zu ergründen.
114 115
Bspw. Deutsch, NJW 1984, 2611 (2613). Zech, CR 2015, 137 (139).
42
Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
§ 3 Charakteristika von datenbasierten Märkten A. Datenbasierte Märkte und Datenprodukte I. Der datenbasierte Markt Regelmäßig sind Daten die Grundlage von Geschäftsmodellen im Internet, so zum Beispiel bei Suchmaschinen, Datingplattformen oder Vorhersagediensten, also Angeboten, die auf dem Sammeln und zur Verfügungstellen von Daten beruhen. Dieser Bereich der Internetökonomie zeichnet sich durch besondere Merkmale aus. So skizzierte die CMA einige dieser Besonderheiten in Bezug auf Märkte in der Internetökonomie116 : Diese „Datenmärkte“ zeichneten sich durch ihre Schnelllebigkeit aus. Es handele sich oft um mehrseitige Märkte, was zu Marktzutrittsschranken für neue Wettbewerber führen könne, sodass sich nur wenige, starke Unternehmen auf dem Markt behaupten könnten. Die Sammlung und Verarbeitung von Daten könne erhebliche Mengen- und Größeneffekte generieren. Der grundsätzlichen Duplizierbarkeit von Daten stünden Lizenzen und andere Wege der Kontrolle durch die Unternehmen entgegen. Der Begriff „Datenmarkt“ sollte hierbei nicht als feststehende Terminologie verstanden werden. Eine allgemein anerkannte Definition, was unter einem Datenmarkt oder der Internetökonomie in Bezug auf das Wettbewerbsrecht zu verstehen ist, hat sich noch nicht herausgebildet. Es handelt sich bei den fraglichen Märkten aber nicht um typische Rohstoffmärkte. Der Begriff „Datenmarkt“ suggeriert einen traditionellen Austauschmarkt, auf welchem die Ware „Daten“ gegen Geld gehandelt wird. Ebenso entsteht der Eindruck, es handele sich um eine feststehende Ressource. Die Daten bilden bei dieser Art von Märkten, die Bestandteil der Untersuchung sein sollen, sowohl die Basis als auch den Erfolgsgrund der fortentwickelten Marktkonzepte. Sie ziehen sich durch alle Wertschöpfungsstufen; vom Anbieten der Leistung zum Erlangen des Rohstoffes, über die Veredelung, zur Monetisierung der Daten auf einer zweiten Stufe bis hin zu elaborierteren Systemen, die zusätzlich noch Databroker und Infomediaries umfassen. Dabei gibt es den einen Markt für Daten nicht und Daten stellen nicht den einen typisierten Rohstoff dar. Stattdessen sollte von datenbasierten Märkten gesprochen werden. Ein solcher lässt sich dadurch charakterisieren, dass er sich von einem klassischen Austauschmarkt durch die Verlagerung der Monetisierung der Dienstleistung/des Produkts auf eine weitere Stufe unterscheidet und hierbei Vehikel der Verlagerung Informationen bzw. Daten sind. Diese Verlagerung der Finanzierung kann sowohl nachfragerbezogen sein (von einer Nutzergruppe auf eine andere) als auch zeitlich gestaffelt erfolgen.
116 Dies und das nachfolgende UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015, 94.
§ 3 Charakteristika von datenbasierten Märkten
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Kartellrechtlich gesprochen bestehen datenbasierte Märkte häufig aus einem vorgelagerten Markt, auf welchem die Daten eingeworben und einem nachgelagerten Markt, auf welchem sie verwendet werden.117 In der Vergangenheit wurden die jeweiligen Marktseiten trotz allem produktbezogen betrachtet werden, bspw. als Dienstleistungs- und Werbemarkt.118 Die den datenbasierten Märkten zugrundeliegende Ebene des Datenaustauschs und der Datenverarbeitung muss dabei aber immer berücksichtigt werden. Ob (hypothetische) Datenmärkte für bestimmte Datenarten, die losgelöst von dem konkreten Erlangungsweg betrachtet werden und die Gesamtheit der relevanten Daten eines üblichen oder möglichen Verwendungszwecks umfassen, definiert werden können, wird diskutiert,119 ist aber fraglich.120 Nur selten können hingegen konkrete Datenhandelsmärkte festgestellt werden. Auf Datenhandelsmärkten sind Daten bezahlte Handelsware, welche, nach Veredelung oder unverarbeitet, von Dritten zur Verfügung gestellt wird.121 Diese Märkte sind von den Charakteristika der Daten betroffen, regulieren die Marktfunktionen aber über einen Preis und haben auch nur eine Marktseite. Sie stellen einen der Realwirtschaft gleichenden Austauschmarkt dar. Nicht zu den datenbasierten Märkten, sondern zum weiteren Begriff der Internetökonomie gehören Systeme wie die Produkte der Softwareindustrie. Diese beschäftigten gerade zu Beginn des Jahrtausends die Gerichte.122 Datenbasierte Märkte weisen einige zusätzliche spezifische Charakteristika auf, welche sie von den dynamischen Märkten der Internetökonomie unterscheiden.123 Diese Arbeit widmet sich den Herausforderungen für die Kartellrechtspraxis, die sich aus den zusätzlichen oder noch stärker ausgeprägten Charakteristika der enger zu definierenden datenbasierten Märkte ergeben.124 Dabei liegt der Fokus auf den
117 Der nachgelagerte Markt wird hierbei hauptsächlich in den § 2 C. II. und IV. benannten Verhaltensweisen bestehen. 118 Dazu sogleich, § 4 B. 119 Graef, World Competition 2015, 38 (4), 473 (492 ff.); Dissenting Statement of Commissioner Harbour, Google/DoubleClick, F.T.C. File No. 071-0170; Harbour/Koslov, Antitrust Law Journal 2010, 769 (773 f.). 120 Vgl. § 4 C. II. 4. Eine Machtstellung auf dem vorgelagerten Dienstleistungsmarkt oder aber auch den hypothetischen Datenmarkt muss aber auf den nachgelagerten Märkten berücksichtigt werden. 121 UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015, 27. 122 S. hierzu bspw. das Missbrauchsverfahren gegen Microsoft Komm. 24. 3. 2004, COMP/ C-3/37.792 „Microsoft“ oder das Fusionskontrollverfahren 26. 10. 2004, COMP/M.3216 „Oracle/Peoplesoft“. 123 Dazu näher § 3 A. III. 124 Näheres zu den Besonderheiten der Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes in der Internetökonomie Zimmerlich, Marktmacht in dynamischen Märkten, 2006.
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
Daten und nicht auf den oft materiellen Dienstleistungen, die auf diesen Märkten gehandelt werden.
II. Typische Geschäftsmodelle im Datenumfeld Für personenbezogene Daten spielen Portale eine zentrale Rolle als Vorleistungsmarkt für die Felder auf welchen die Daten „geerntet“ und direkt oder indirekt zur Verfügung gestellt werden.125 Dieses typische Marktumfeld von Daten als Rohstoff und damit als Beginn der Wertschöpfungskette datenbasierter Märkte soll näher beleuchtet werden. Medienportale aggregieren Inhalte Kreativer und präsentieren sie als einheitliches Angebot, bei der Eingabe eines Suchbegriffs erhalten Nutzer eine Ergebnisliste der von der Plattform erfassten Seiten, Kommunikationsplattformen verknüpfen Nutzer, Handels- und Vermittlungsplattformen ermöglichen Anbietern den Kontakt zu Kunden.126 Diese Dienste werden in der ökonomischen Theorie als Plattformen bezeichnet.127 Plattformmärkte unterscheiden sich in mehreren Punkten grundlegend von traditionellen Austauschmärkten. Statt des Austausches Dienstleistung gegen Geld zeichnen sie sich durch mindestens zwei Seiten aus, zwischen denen ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. In den Wirtschaftswissenschaften werden als typisches Beispiel außerhalb des digitalen Kontextes Kreditkartensysteme sowie werbefinanzierte Medien genannt.128 Durch das Internet erhielten Plattformen als Geschäftsmodell Aufwind. Zum einen ist dort die Werbefinanzierung besonders verbreitet, zum anderen dient das Internet überwiegend der Kommunikation und Vermittlung. Die Beschäftigung mit Plattformen als eigenständige Kategorie war in der bisherigen Kartellrechtspraxis wenig ausgeprägt, wenn auch das Phänomen als solches in den Entscheidungen identifiziert und in verschiedenen Prüfungsebenen konzeptionell eingeordnet wurde.129 Im Kontext des Internets mit der steigenden Bedeutung der Datenverarbeitung unter dem Stichwort „Big Data“ führen gerade die Plattformkonstellationen zu neuen wettbewerblichen Problemen.130 Zunächst ist deshalb die Frage, wann aus kartellrechtlicher Sicht eine „Plattform“ vorliegt.131 Hierbei ist nicht nur eine Arbeitsdefinition für Plattformen und Netzwerke zu finden, es sind auch die wettbewerblichen Besonderheiten näher zu be125 126 127
990. 128 129 130 131
Vgl. § 2. Telle, WRP 2016, 814 (815). Grundlegend Rochet/Tirole, Journal of the European Economic Association 2003, 1(4), Rochet/Tirole, Journal of the European Economic Association 2003, 1(4), 990 (990). BKartA, Arbeitspapier, S. 7. BKartA, Arbeitspapier, S. 7. So auch BKartA, Arbeitspapier, S. 14.
§ 3 Charakteristika von datenbasierten Märkten
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leuchten. In späteren Kapiteln wird darauf einzugehen sein, ob aus diesen eine andere wettbewerbsrechtliche Einschätzung resultieren muss. 1. Plattform und Netzwerk a) Definition des Plattformbegriffs Es bedarf einer Identifikation der plattformbegründenden Merkmale und der Strukturierung der Prüfung des Phänomens, welches einige Abweichungen auf verschiedenen Prüfungsebenen mit sich bringt.132 Inzwischen existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Stimmen zum richtigen Umgang mit Software- und Internetplattformen.133 Das kartellrechtliche Plattform-Verständnis ist aber von anderen Plattformdefinitionen, so zum Beispiel vom Plattformbegriff im Medienrecht (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 14 RStV) sowie von der medienpolitischen Sichtweise von Intermediären (beispielsweise der Aggregations- und Filterfunktion von Internetinhalten) zu unterscheiden.134 Die wirtschaftswissenschaftliche Literatur diskutiert bereits seit Beginn des Jahrtausends das Phänomen der zwei- oder mehrseitigen Märkte, welche als Mittler zwischen zwei Nutzergruppen stehen;135 der Begriff der Plattform wird synonym verwendet.136 In der ökonomischen Literatur herrscht ein Konsens über die abweichende Wirkungsweise zweiseitiger Märkte in Abgrenzung zu klassischen Märkte,137 eine genaue Definition konnte jedoch bislang nicht gefunden werden. Eine Kurzdefinition durch Rochet/Tirole stellt auf die Nicht-Neutralität der Preisstruktur ab, da davon ausgegangen wird, dass Plattformen Transaktionen zwischen zwei Nutzergruppen ermöglichen und die Nutzer dafür jeweils einen transaktionsbasierten Preis an die Plattform zahlen.138 Die Preisstruktur bezeichnet das Verhältnis der beiden Einzelpreise zueinander, während das aggregierte Preisniveau die Summe der beiden Einzelpreise bezeichnet, welche bei einer Plattform 132
BKartA, Arbeitspapier, S. 8. S. z.B. Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387; Haucap/Kehder, ifo Schnelldienst 16/2014, 3; Kersting/Dworschak, ebenda, 7; Verhaert, ECLR 2014, 265; speziell zu einer möglichen Kategorisierung der bisherigen Entscheidungspraxis Podszun/Franz, NZKart 2015, 121. 134 BKartA, Arbeitspapier, S. 8. 135 Federführend Rochet/Tirole, Journal of the European Economic Association 2003, 1(4), 990. 136 Die Regierungsbegründung hält fest, dass sie den Begriff „Plattform“, den das Gesetz nicht verwendet und stattdessen nur von mehrseitigen Märkten spricht, als Synonym für Plattform erachtet, Regierungsbegründung, die BT-Drs. 18/10207, S. 47. 137 Rochet/Tirole, Journal of Economics 2006, 37 (3), 644; Roson, Review of Network Economics 2005, 142 (144 ff.); Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387 (389); Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S. 61 f. 138 Rochet/Tirole, Journal of Economics 2006, 37 (3), 644 (645): „for a market to be two sided, it is sufficient that the price structure is non-neutral“. 133
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
nicht neutral sei. Die Preisstruktur ist nicht neutral, wenn Änderungen der Preisstruktur bei konstantem aggregierten Preisniveau eine Auswirkung auf das Transaktionsvolumen haben, also den Gewinn der Plattform beeinflussen. Dies sei der Grund für die unterschiedliche Bepreisung der Plattformseiten.139 Merkmal zweiseitiger Märkte sei deshalb die „Nicht-Neutralität der Preisstruktur“, was bedeutet, dass die Änderung der Preisstruktur zu einer Änderung des Mengenvolumens der Plattform im Gleichgewicht führt.140 Ob eine solche Definition in der kartellrechtlichen Praxis anwendbar ist, scheint aber fraglich. Das BKartA hält die Nicht-Neutralität der Preisstruktur als Merkmal in der Theorie zwar durchaus für berechtigt, stuft die Operabilität im konkreten Anwendungsfall aber für eine Begriffsbestimmung als wenig geeignet ein. Es bestünden Zweifel, ob der Zusammenhang zwischen Preisstruktur und Transaktionsvolumen bei indirekten Netzwerkeffekten mit vertretbarem Aufwand ermittelbar sei.141 Eine andere Definitionsebene setzt bei der Unterscheidung zwischen Händlern und Plattformen an. Plattformen würden sich durch die Ermöglichung direkter Interaktion zwischen den Handelsstufen auszeichnen, ohne dass die Plattform einem Händler gleich die Kontrolle über die strategischen Transaktionsvariablen hat, sondern nur eine Vermittlertätigkeit ausübe.142 Diese Vermittlung stelle eine Leistung dar, die bewusst genutzt werde, weshalb plattformspezifische Investitionen (Anmeldungen bei der Plattform, Plattformgebühr) in Kauf genommen würden. Problematisch erscheint hierbei jedoch die Komplexität der tatsächlichen Fallpraxis.143 Zusätzlich zu der nicht immer klar möglichen Unterscheidung zwischen Händlertätigkeit und Plattformleistung sei gerade der Einfluss sehr mächtiger Plattformen auf die Transaktionsvariablen ihrer Plattformseiten nicht gänzlich geklärt, insbesondere wenn neben dem Preis als Parameter auf Bewerbung und Ranking der Plattformteilnehmer abgestellt werde.144 Weiterhin müsse die Kontrolle der einzelnen Marktseiten über die Transaktionsvariablen erkennbar sein. Dies sei nicht immer gegeben.145 Bspw. ist der Einfluss Amazons auf die Platzierung und Bewerbung einzelner Händler und derer Angebote bei amazon marketplace unklar, obwohl die Preise von den einzelnen Händlern bestimmt werden.146
139
Rochet/Tirole, Journal of Economics 2006, 37 (3), 644 (664 f). Rochet/Tirole, Journal of Economics 2006, 37 (3), 644 (664 f). 141 BKartA, Arbeitspapier, S. 14. 142 Hagiu, Review of Network Economics, 2007, 6 (2), 115; Hagiu/Wright, International Journal of Industrial Organization 2015, 43, 162 (164). 143 Z. B. Amazon marketplace, aber auch der Fall CTS Eventim/Four Artists und CTS EVETNTIM/FKP SCORPIO. Dazu sogleich § 3 A. II. 1. a) cc) (1). 144 BKartA, Arbeitspapier, S. 14. 145 BKartA, Arbeitspapier, S. 14. 146 BKartA, Arbeitspapier, S. 14. 140
§ 3 Charakteristika von datenbasierten Märkten
47
Eine Abgrenzung anhand der Händlertätigkeit ist somit abzulehnen. Gerade wenn der konkrete Einfluss der Plattform unklar ist,147 sollte das Merkmal zumindest nicht alleine verwendet werden. Dies könnte sonst zu einer Vorverlagerung der Prüfung der Machtausübung zur Erklärung möglicher abweichender Effekte führen. Da der Plattformbegriff aber vorrangig für die Marktmissbrauchs- und die Zusammenschlusskontrolle von Bedeutung ist, sind mögliche verzerrende Effekte durch faktischen Einfluss der mächtigen Plattform gehäuft zu erwarten. Aus diesem Grund sollte vorrangig auf die Netzwerkeffekte abgestellt werden, die zwischen den verschiedenen Seiten einer Plattform wirken. Sie gehören zu den Externalitäten, welche im Allgemeinen dann angenommen werden, wenn sich Handlungen oder Entscheidungen eines Akteurs nicht nur auf dessen Nutzen oder Gewinn, sondern auch auf den Nutzen oder Gewinn eines Dritten auswirken.148 Die Besonderheiten mehrseitiger Wirtschaftszweige haben ihren Ursprung in der Existenz sog. indirekter Netzwerkeffekte149 zwischen den Nachfragergruppen. Ein Großteil der ökonomischen Literatur definiert den Begriff der Plattform als das Gegeüberstellen von mindestens zwei unterschiedlichen Gruppen, zwischen denen indirekte Netzwerkeffekte vorliegen, welche von der Plattform (zumindest teilweise) internalisiert werden.150 Diese Ansicht fußt vornehmlich auf dem Verständnis der indirekten Netzwerkeffekte als wechselseitig wirkende, positive Effekte.151 Hierbei liegt der Fokus auf der Tatsache, dass die Preise, die von den Nutzergruppen verlangt werden, insbesondere auf der Ausprägung der Netzwerkeffekte der ersten Gruppe auf die andere beruhen.152 Daraus folge, dass für eine Gruppe die Plattformnutzung kostenlos ist, während die andere Gruppe einen po-
147 Vgl. Problematische Abgrenzung im Fall CTS Eventim /Four Artists und CTS Eventim/ FKP SCORPIO, § 3 A. II. 1. a) cc) (1). 148 „Wesentliches Merkmal externer Effekte ist, dass diese keine Auswirkungen für den Verursacher haben, weil zwischen ihm und den Betroffenen keine über den Preis- bzw. Marktmechanismus vermittelte Beziehung und auch keine anders geartete Vertragsbeziehung besteht. Steigt (sinkt) der Nutzen bzw. die Produktion des Betroffenen mit dem Niveau des externen Effekts, so handelt es sich um einen positiven (negativen) externen Effekt im Konsum bzw. in der Produktion.“, http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/externer-effekt.html, (zuletzt abgerufen am 30. 10. 2020). 149 Synonyme sind „Netzwerkexternalität“, „Netzeffekt“ und „nachfrageseitiger Skaleneffekt“, vgl. Endres/Martiensen, Mikroökonomik, S. 604 f.; Wied-Nebbeling, Preistheorie und Industrieökonomik, S. 288. 150 Armstrong, RAND Journal of Economics, 2006 (37), 668; Caillaud/Jullien, RAND Journal of Economics 2003, 34(2), 309; Evans/Noel, Columbia Business Law Review 2005, 667; m.w.N. BKartA, Arbeitspapier, S. 11. 151 BKartA, Arbeitspapier, S. 11. 152 Weiterhin existieren noch sog. asymmetrische indirekte Netzwerkeffekte, also Netzwerkeffekte, die nicht auf beiden Marktseiten gleich wirken. Diese Asymmetrie liegt bspw. vor, wenn die Effekte unterschiedlich stark auf den Marktseiten wirken. M.w.N. Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, S. 31 f.
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
sitiven Preis zahlen müsse, da von der nicht-zahlenden Seite eine ausgeprägte (positive) Externalität auf die andere Seite ausgeht.153 Das BKartA hält folgende Plattformdefinition für einen sinnvollen Ausgangspunkt seiner Untersuchungen: „Als Plattformen sind Unternehmen anzusehen, die als Intermediäre die direkte Interaktion zweier oder mehr Nutzerseiten, zwischen denen indirekte Netzwerkeffekte bestehen, ermöglichen.“154
Eine Plattform ist also nach Bejahung dreier Tatbestandsmerkmale anzunehmen; sie ermöglicht eine direkte Interaktion und zwar zwischen mehreren Nutzerseiten und zwischen diesen Nutzerseiten müssen indirekte Netzwerkeffekte bestehen. Diese Tatbestandsmerkmale sind zu untersuchen. aa) Mehrere Nutzerseiten Die Nutzerseiten werden anhand der angebotenen Leistung definiert. Es genügt, dass es sich um die gleiche Leistung handelt, aber Anbieterseite und Nachfragerseite der Leistung angesprochen werden. Ebenso können aber auch unterschiedliche Leistungen gegenüber beiden Nutzerseiten angeboten werden, wenn sie auf der gleichen Plattform stattfinden. Auch sind Konstellationen möglich, in welchen die eine Nutzerseite wiederum Plattformeigenschaften aufweist und Netzwerkeffekte einer nachgelagerten Stufe vermittelt.155 bb) Indirekte Netzwerkeffekte Indirekte Netzwerkeffekte stellen das wesentliche Merkmal von mehrseitigen Märkten dar.156 Der Begriff der indirekten Netzwerkeffekte wird in der ökonomischen Literatur allerdings nicht einheitlich verwendet. So sind nach Shy indirekte Netzwerkeffekte gegeben, wenn Mitglieder einer Gruppe A indirekt davon profitieren, wenn mehr Mitglieder der Gruppe A die Plattform nutzen, da die Plattform hierdurch mehr Mitglieder der Gruppe B anzieht, was sich dann wiederum positiv auf die Mitglieder der ersten Gruppe auswirkt.157 Ein anderer Ansatz orientiert sich an der zwingenden Wirkweise und nimmt indirekte Netzwerkeffekte an, wenn der Nutzen oder die Erhöhung von Nutzerzahlen
153
Armstrong, RAND Journal of Economics, 2006 (37), 668; Caillaud/Jullien, RAND Journal of Economics 2003, 34(2), 309; Evans/Noel, Defining Antitrust Markets 2005, 101 (114 f.). 154 BKartA, Arbeitspapier, S. 14. 155 So bspw. im Fall BKartA 29. 3. 2017, B6-35/17 Rn. 73 „CTS Eventim/Four Artists“. 156 Zustimmend auch Regierungsbegründung, BT-Drs. 18/10207, S. 47 und 50. 157 Shy, Rev Ind Organ 2011, 38 (2), 119 (124 ff.).
§ 3 Charakteristika von datenbasierten Märkten
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einer Gruppe von der Zahl der Nutzer aus einer anderen Gruppe abhängen können.158 Es kommt also im Gegensatz zur erstgenannten Definition nicht auf eine mittelbare Wirkung der Ausgangsgruppe auf sich selbst an, sondern lediglich auf die Wirkung der einen Gruppe auf die andere.159 Auch verlangt die zweitgenannte Definition keine Wechselseitigkeit der Netzwerkeffekte.160 Ist diese Wechselseitigkeit gegeben, liegt nach beiden Definitionen ein indirekter Netzwerkeffekt vor.161 Weiterhin ist fraglich, ob indirekten Netzwerkeffekten erst anzunehmen sind, wenn sie aktiv durch jede Nutzergruppe genutzt werden und ihr Vorliegen die Auswahlentscheidung für die Plattform beeinflusst.162 Das BKartA warf diese Frage in der Entscheidung Google/VG Media auf, da die von Google angezeigten Webseiten nicht auf das Anwachsen der Nutzergruppe der Suchmaschinendienstleistung reagieren, sondern vielmehr einseitig durch Googles Crawler gefunden werden.163 Tatsächlich handelt es sich hierbei um einen Unterpunkt der Frage, ob eine Wechselseitigkeit der Netzwerkeffekte gegeben sein muss. Von den angezeigten Webseiten gehen zumindest positive indirekte Netzwerkeffekte auf die Nutzer der Suchmaschinendienstleistung aus. Diese werden auch von Google internalisiert. Ein aktives Zugehen auf Google ist aufgrund der Crawler für die Webseiten zudem nicht notwendig. Faktisch reagieren die Webseiten sogar, denn es kommt zu einer Optimierung der „Googlebarkeit“ der Webseiten. Dieses Beispiel zeigt, wie sehr eine anzunehmende Wechselseitigkeit von den Einzelheiten des konkreten Falles und der technischen Ausgestaltung abhängt. Dementsprechend erscheint eine weite Definition des Begriffs indirekter Netzwerkeffekte für die Fallpraxis operabler. Auch das BKartA präferiert einen weiten Begriff, der auch die nur einseitig (in eine Richtung) oder asymmetrisch ausgeprägten Effekte umfasst, um auch werbefinanzierte Produkte abbilden zu können.164 Dieser weiten Definition indirekter Netzwerkeffekte ist zuzustimmen.165 Im Hinblick auf die Nutzung der Definition als kartellrechtliches Instrument zur Bewältigung von Problemen auf dynamischen Märkten ist eine flexible Handhabung unabdingbar. Sie muss auch auf zukünftige Geschäftsmodelle anwendbar sein. Weiterhin darf gerade die Wechselseitigkeit kein Kriterium sein, da es zum Aus158
Vgl. Armstrong RAND Journal of Economics, 2006, 37(3), 668; Rochet/Tirole, RAND Journal of Economics 2006, 37(3), 645. 159 BKartA, Arbeitspapier, S. 10. 160 BKartA, Arbeitspapier, S. 10. 161 Vgl. Hagiu/Wright, International Journal of Industrial Organization 2015 (43), 162 (163). 162 BKartA, Arbeitspapier, S. 18. 163 BKartA 8. 9. 2015, B6-126/14, Rn. 123 ff. „Google/VG Media“. 164 BKartA, Arbeitspapier, S. 15. 165 Wenn in dieser Arbeit von Netzwerkeffekten die Rede ist, sind, sofern nicht anders bezeichnet, indirekte Netzwerkeffekte gemeint.
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
schluss der Werbemärkte führen würde, welche einen Großteil der datenbasierten Märkte darstellen. Fraglich ist weiterhin, ob die in der wirtschaftswissenschaftlichen Definition genannte Internalisierung der indirekten Netzwerkeffekte durch das Unternehmen Tatbestandsmerkmal der Plattformeigenschaft sein sollte.166 Ist eine Plattform also nur eine solche, die ihr Geschäftsmodell vorrangig auf der Internalisierung der Netzwerkeffekte aufbaut? Hierin könnte eine Abgrenzung zu klassischen Händlern, bei welchen Sortimentseffekte wirken, aber auch zu Handelsvertretern gesehen werden. Neben etwaigen Unsicherheiten in der Bestimmung einer solchen Internalisierung sollte dieser Punkt nicht über die Plattformeigenschaft entscheiden. Inwiefern die Plattform ihre Netzwerkeffekte internalisieren kann und damit einen Vorsprung vor konkurrierenden Plattformen und anderen Wettbewerbern hat, muss vielmehr bei der Beurteilung der Marktbeherrschung thematisiert werden, da die für Plattformen zu berücksichtigenden Effekte durch die Einordnung als Plattform dennoch beachtet werden sollten. cc) Direkte Interaktion Bei der Plattformdefinition greift das BKartA auf die Ermöglichung der direkten Interaktion zwischen den Nutzerseiten zurück, um Händler von der Plattformdefinition auszuschließen.167 Zwar habe auch der Begriff der indirekten Netzwerkeffekte weitgehend schon eine Abgrenzungsfunktion gegenüber Handelsbeziehungen, da etwaige Sortimentseffekte von Warenhäusern aber indirekten Netzwerkeffekten ähneln könnten, solle so ein zweites Abgrenzungskriterium integriert werden.168 Der Unterschied bestehe darin, dass das vertikal integrierte Unternehmen das Transaktionsprodukt anbietet oder nachfragt, während eine Plattform die Vermittlungstätigkeit als eigene vom Transaktionsprodukt zu trennende Dienstleistung anbietet.169 Das BKartA definiert die Interaktion zwischen den Nutzergruppen als „direkt“ wenn sie sowohl juristisch als auch ökonomisch unabhängig von der Plattform abläuft.170 So dürfe keine indirekt ausgeübte, aber unmittelbare Kontrolle der Plattform über die Verhandlung wesentlicher Transaktionsparameter wie Preis und Konditionen vorliegen (ökonomische Abhängigkeit). Ebenso wenig dürfe die Plattform Vertragspartner der Transaktion sein (juristische Abhängigkeit). Das BKartA stellt damit auf die ökonomische bzw. juristische Abhängigkeit der Transaktion von der Plattform ab.
166 167 168 169 170
Rochet/Tirole, Journal of Economics 2006, 37 (3), 644 (645). BKartA, Arbeitspapier, S. 16. BKartA, Arbeitspapier, S. 15. BKartA 3. 1. 2017, B6-53/16, Rn. 115 „CTS Eventim/FKP SCORPIO“. BKartA, Arbeitspapier, S. 16.
§ 3 Charakteristika von datenbasierten Märkten
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(1) Juristische und ökonomische Abhängigkeit? Juristische Abhängigkeit der Transaktion von der Plattform wird in Gestaltungen zu erkennen sein, in denen die Plattform Vertragspartner der an der Transaktion beteiligten Parteien wird, sodass eine vertikale Vertragskette entsteht. Ergo müsste das Vorliegen eines Kommissionsgeschäfts i.S.d. § 383 HGB die Plattformeigenschaft ausschließen. Ob das BKartA diesem selbstaufgestellten Grundsatz der juristischen Unabhängigkeit treu bleibt, ist nicht eindeutig. In der Entscheidung CTS Eventim/Four Artists erläutert es, dass auch das Vorliegen einer Kommissionärstätigkeit keinen Ausschlussgrund für eine Plattformeigenschaft darstelle, solange indirekte Netzwerkeffekte gegeben seien.171 Die ökonomische Abhängigkeit birgt hingegen eine größere Unsicherheit für den Rechtsanwender. Die ökonomische Abhängigkeit der Transaktion von der Plattform ist laut BKartA gegeben, wenn die Plattform unmittelbare Kontrolle über die Verhandlung wesentlicher Transaktionsparameter wie Preis und Konditionen hat.172 Supportive Leistungen, vom Bereitstellen des physischen (digitalen) Ortes, über Suchmasken bis hin zu transaktionsbegleitenden Dienstleistungen, seien (noch) von einer typischen Handelsbeziehung abzugrenzen.173 Für diese Abgrenzung seien unter anderem die Preisstrukturen zu untersuchen.174 Werden die Preise vom Nutzer festgelegt, spreche dies zunächst für eine Plattform. Auch die Zahlung fixer Systemgebühren175 für den Zugang zur Plattform sowie ein von einer der beiden Nutzerseiten gezahltes transaktionsbezogenes Entgelt könnten ein Indiz dafür sein, dass die vom Unternehmen angebotene Tätigkeit die Vermittlung der Transaktion ist. (2) Gesamtbetrachtung Fraglich ist, wie eine Plattform einzuordnen ist, die verschiedene Dienstleistungen anbietet, von denen einige an der Plattformdefinition scheitern. Denn auch Plattformen können eine Vertriebsfunktion bezogen auf ihren Transaktionsmarkt ausüben.176 Problematisch erscheint hierbei vor allem die komplexe Ausgestaltung verschiedener Vertriebssysteme in Zeiten der Digitalisierung.
171
BKartA 29. 3. 2017, B6-35/17, Rn. 81; 82 „CTS Eventim/Four Artists“. Hierbei benötigt das BKartA einigen Argumentationsaufwand um die Netzwerkeffekte in der Marktmachtprüfung berücksichtigen zu können. Eine Einordnung aus diesem Gesichtspunkt ist aber gänzlich unnötig, da § 18 Abs. 3a Nr. 1 GWB problemlos auch auf nicht mehrseitigen Märkten angewandt werden können. 172 BKartA, Arbeitspapier, S. 16. 173 BKartA, Arbeitspapier, S. 16. 174 So z. B. geschehen in BKartA 3. 1. 2017, B6-53/16 Rn. 118 „CTS Eventim/FKP SCORPIO“. 175 BKartA 3. 1. 2017, B6-53/16 Rn. 109 – 111 „CTS Eventim/FKP SCORPIO“. 176 BKartA, Arbeitspapier, S. 16.
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
In den Zusammenschlussfällen CTS Eventim/FKP SCORPIO177 und CTS Eventim/Four Artists178 musste bspw. die Stellung einer Tournee-Konzertagentur beurteilt werden, die im horizontalen Verhältnis auf verschiedenen Veranstaltungsmärkten tätig ist und zugleich im Bereich des ticketing eine zusätzlich vertikal integrierte Handelsplattform darstellt. Zeitgleich bietet CTS sogenannte Ticketsystemdienstleistungen an. Hierbei betreibt der Dienstleister „eine Datenbank, in die über entsprechende Zugangsmöglichkeiten Veranstaltungen eingestellt werden können, und an die konzerneigenen Vorverkaufsstellen […] sowie an ein Netz von externen stationären und/oder Online-VVK-Stellen sowie teilweise Callcenter angeschlossen sind.“179
Neben dem Zugang zur Datenbank bot das Unternehmen auch die Teilhabe an seinem Vertriebssystem an. Zunächst ist auszuführen, dass es einer Abwägung der Plattformelemente gegen die Nicht-Plattformelemente nur bedarf, wenn die entsprechenden Tätigkeiten der potentiellen Plattform nur in ihrer Gesamtheit nachgefragt werden, also einem einzigen sachlichen Markt zuzuordnen sind. Ist dies der Fall, so stellte das BKartA in den zwei hierzu ergangenen Entscheidungen eine Gesamtbetrachtung an, indem es die Kerndienstleistungen gegeneinander aufwog. Die Behörde untersuchte dabei die unterschiedlichen Leistungen der Ticketsysteme180 und deren Plattformeigenschaft181. Es erkannte dabei den Bestand des zweiseitigen Marktes für Ticketsysteme,182 ordnete die Nutzerseiten aber dennoch als separate Märkte ein, da der vorrangige Vertragszweck die Vertriebsleistung sei und nicht die Vermittlung.183 Im Ergebnis ist daraus zu folgern, dass der objektive Schwerpunkt des Vertragszwecks maßgeblich sein soll.184 Eine Stellung als Handelsvertreter oder Kommissionär (§§ 84, 383 HGB) stelle ein starkes Indiz für eine Marktabgrenzung entlang der vertikalen Integration dar.185
177
BKartA 3. 1. 2017, B6-53/16 „CTS Eventim/FKP SCORPIO“. BKartA 29. 3. 2017, B6-35/17 „CTS Eventim/Four Artists“. 179 BKartA 3. 1. 2017, B6-53/16, Rn. 96 „CTS Eventim/FKP SCORPIO“. 180 Ibid. Rn. 102 – 108. 181 Ibid. Rn. 113 – 115. 182 Ibid. Rn. 100 – 101, 113 – 115. 183 Ibid. Rn. 116 ff. 184 Und nicht der subjektive Schwerpunkt zur Bedarfsdeckung, so sei es nämlich für die Marktgegenseite nicht maßgeblich, welche Funktion – Vertrieb oder technische Dienstleistung – beim Gegenüber im Vordergrund steht. Der Grund hierfür sei die Tatsache, dass der Nachfrager einen Zugang zu den wesentlichen Distributionskanälen durch ein von den Ticketingsdienstleistern angebotenes Leistungsbündel erlangen wolle, welches eine ähnliche Preisgestaltung aufweise. BKartA 3. 1. 2017, B6-53/16, Rn. 124 „CTS Eventim/FKP SCORPIO“. 185 BKartA 29. 3. 2017, B6-35/17, Rn. 83 „CTS Eventim/Four Artists“. 178
§ 3 Charakteristika von datenbasierten Märkten
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(3) Bewertung des Merkmals „direkte Interaktion“ Das Merkmal der direkten Interaktion zwischen den Marktseiten soll den Handel von der Plattform und Vermittlungstätigkeit abgrenzen. Tatsächlich erscheint die Abgrenzung von Plattformen, die einen Vertragsabschluss zwischen den Nutzerseiten ermöglichen, von klassischen vertikal integrierten Vertriebsunternehmen relevant. Während erstere einem besonderen Prüfungsregime unterfallen, eine abweichende Marktabgrenzung und Marktmachtbestimmung erfordern, stellen letztere eine bloße vertikale Marktintegration dar. Eine unterschiedliche Behandlung beider Geschäftsformen ergibt sich aus den möglichen resultierenden Schadenstheorien. Während eine Handelsplattform auf beiden Marktseiten als Anbieter ihrer Vermittlungsdienstleistung auftritt,186 treten zumindest klassische Händler auf der Einkaufsseite als Nachfrager und auf der Endkundenseite als Anbieter auf.187 Nach der Entscheidungspraxis des BKartA wird Nachfragemacht schon bei geringeren Marktanteilen bejaht, wohingegen im Rahmen der Marktmachtbestimmung bei Plattformen Toleranz in Bezug auf hohe Marktanteile diskutiert wird.188 Auch die Marktanteilsberechnung selbst hat unterschiedlich zu erfolgen.189 Allerdings ist eine weitergehende Abgrenzung in Form einer direkten Interaktion ohne juristische oder ökonomische Abhängigkeit der Transaktion von der untersuchten Plattform vor allem kompliziert und hinderlich. Während der Kommissionär selbst Vertragspartner wird, eine direkte Interaktion zwischen den Plattformseiten schon wörtlich zu verneinen ist, ist zur Beurteilung der ökonomischen Abhängigkeit der Einzelfall abzuwägen. Dies ist durch Rechtsunsicherheiten geprägt. Problematisch erscheint, dass durch eine abweichende vertragliche Risikoverteilung oder durch eine abweichende Einschätzung der Behörden die Vergleichbarkeit der Marktanteile zwischen den einzelnen Wettbewerbern erschwert wird. Während die als Handelsvertreter eingeordnete Plattform als tätig auf dem Markt des Transaktionsproduktes beschrieben wird, besteht die Tätigkeit ihrer Wettbewerber eigentlich auf einem Vermittlungsmarkt für die jeweilige Transaktion. Auch das BKartA hat erkannt, dass sich das Vorliegen einer Handelsvertreterstellung und die Plattformtätigkeit sowie das Vorliegen indirekter Netzwerkeffekte nicht zwingend ausschließen müssen.190 Dies führte dazu, dass in der Entscheidung CTS Eventim/Four Artists das Amt eine direkte Transaktion frei von juristischer oder ökonomische Abhängigkeit ablehnen musste, was eigentlich zum Verneinen der Plattformdefinition führen sollte, gleichzeitig aber mehrfach unterstrich, dass die
186 187 188 189 190
Dazu in dieser Arbeit § 5. BKartA 29. 3. 2017, B6-35/17, Rn. 82 „CTS Eventim/Four Artists“. Dazu in dieser Arbeit § 6 B. I. Dazu in dieser Arbeit § 6 B. I. BKartA, Arbeitspapier S. 15 Fn. 21.
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
Merkmale des § 18 Abs. 3a GWB trotz allem anzuwenden seien.191 Für die Berechnung der Umsätze mit Blick auf die Bagatellmarktklausel wurden die beiden Marktseiten jedoch wieder zusammengerechnet.192 Diese Betrachtungsweise führte zu einer doppelten Prüfung des spiegelbildlichen sachlich und räumlich relevanten Marktes, sodass das BKartA schlicht auf die zuvor für die andere Marktseite getätigten Ausführungen verwies.193 Weiteres Folgeproblem war die Marktanteilsberechnung, die Einschätzung des Wettbewerbsdrucks von anderen Wettbewerbern sowie die Berücksichtigung von Bagatellmärkten über die Klausel des § 36 Abs. 1 Nr. 2 GWB. Mit dem Merkmal einer ökonomischen Abhängigkeit kann zwar eine Abgrenzung von Plattformen zu Online-Angeboten von Sortimentsanbietern getätigt werden, welche zwar verschiedene Hersteller auf ihrer Marktplattform vereinen, aber vielmehr wie ein Verkäufer des Transaktionsprodukts auftreten, statt die Vermittlungstätigkeit anzubieten. Problematisch erscheint diese Abgrenzung aber bei sehr mächtigen Plattformen. Dies könnte sonst zu einer Vorverlagerung der Prüfung der Machtausübung zur Erklärung möglicher abweichender Effekte führen. Da der Plattformbegriff aber vorrangig für die Marktmissbrauchs- und die Zusammenschlusskontrolle von Bedeutung ist, sind mögliche verzerrende Effekte durchaus denkbar. Die Betrachtung des Einflusses auf Transaktionsparameter kann jedoch nicht als Abgrenzungsmerkmal zu der Tätigkeit als Handelsvertreter oder Kommissionär dienen. „Echte“ Handelsvertreter handeln im fremden Namen und für fremde Rechnung.194 Üblicherweise haben sie keinen Einfluss auf den Preis und auch nicht auf andere Transaktionsvariablen.195 Das Merkmal der direkten Interaktion birgt also mehr Unsicherheiten, als Vorteile. In Anbetracht der Tatsache, dass klassische Handelssituationen, in denen Nachfragemacht zu befürchten ist, eindeutig zu identifizieren sind und die Anwendung der Marktmachtkriterien des § 18 Abs. 3a GWB auch für Nicht-Plattformen möglich ist, sollte das Merkmal der direkten Interaktion tatsächlich klassische Handelskonstellationen adressieren, nicht aber zu einer künstlichen Aufspaltung des Marktes führen, weil die Plattform bereits Einfluss auf die Verkaufsparameter nehmen kann.196 191
BKartA 29. 3. 2017, B6-35/17, Rn. 63 ff. „CTS Eventim/Four Artists“. Hierbei berief sich das BKartA auf die BGH-Rechtsprechung zur Bagatellmarktklausel bei vor- und nachgelagerten Märkten, BKartA 31. 1. 2017, B6-53/16 Rn, 141 ff. „CTS Eventim/ FKP SCORPIO“. 193 BKartA 03. 01. 2017, B6-53/16, Rn. 178 ff. „CTS Eventim/FKP SCORPIO“; BKartA 29. 3. 2017 – B6-35/17, Rn. 217 „CTS Eventim/Four Artists“. 194 Hoyningen-Huene, in: MüKo Vorbemerkung zu § 84 HGB Rn. 1. 195 BKartA 29. 3. 2017, B6-35/17, Rn. 83 „CTS Eventim/Four Artists“. 196 Zur möglichen abweichenden Abgrenzung des Marktes aufgrund der Rechtsprechung zum Handelsvertreterprivileg § 5 IV. 192
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dd) Zwischenergebnis Zur Bestimmung des Plattformbegriffs sind die Tatbestandsmerkmale der indirekten Netzwerkeffekte und der verschiedenen Nutzerseiten elementar. Der Begriff des Netzwerkeffekts ist dabei weit zu verstehen. Dies führt jedoch nicht dazu, dass dem dritten Tatbestandsmerkmal der direkten Interaktion mehr als eine Klarstellungsfunktion zukommen kann. Die direkte Interaktion kann dabei aber nur im Hinblick auf die rechtliche Abhängigkeit berücksichtigt werden. b) Begriff des Netzwerkes Von den oben beschriebenen Plattformen lassen sich Geschäftsmodelle, die Netzwerke von Nutzern entstehen lassen, abgrenzen. Typische – internetspezifische – Netzwerke mit direkten Netzwerkeffekten sind z. B. soziale Netzwerke. Da Netzwerke v. a. außerhalb des Internetkontextes in der Kartellrechtspraxis bekannt sind, bspw. Telekommunikationsdienste, und es sich bei genuinen Netzwerken um lediglich einseitige Märkte handelt, haben sich bereits gesicherte Kriterien zur Betrachtung der Marktmacht ausgebildet.197 Gemeinhin wird ein Netzwerk definiert als Gruppe von Nutzern, die dasselbe Produkt oder dieselbe Dienstleistung nutzen und zwischen denen dadurch direkte Netzwerkeffekte entstehen.198 Direkte Netzwerkeffekte treten auf, wenn der Nutzen durch den Konsum eines Gutes oder einer Dienstleistung steigt, je mehr Nachfrager dieses Gut oder die Dienstleistung ebenfalls nutzen.199 Direkte Netzwerkeffekte entstehen hierbei innerhalb einer homogenen Nutzergruppe.200 Die Entscheidung des einzelnen Nachfragers für ein Produkt wirkt sich nicht nur auf den eigenen Nutzen, sondern auch auf den bei den übrigen Nutzern des Produktes entstehenden Nutzen aus.201 Dies führt dazu, dass beim Überschreiten einer kritischen Masse von Mitgliedern eines Netzwerks der Markt relativ dynamisch in Richtung eines Monopols tendiert (sog. tipping).202
197
BKartA, Arbeitspapier, S. 97. Als dasselbe Produkt bzw. dieselbe Dienstleistung werden dabei auch technologisch miteinander kompatible Produkte und Dienstleistungen bezeichnet, da nur so die eventuelle Kompatibilität bzw. Konnektivität zwischen den Produkten berücksichtigt werden kann, durch welche produktübergreifende Externalitäten entstehen könnten. Vgl. Katz/Shapiro, The American Economic Review 1985, 75 (3), 424 (425); Shy, Rev Ind Organ 2011, 38 (2), 119 (127). 199 Wied-Nebbeling, Preistheorie und Industrieökonomik, S. 288. 200 Tirole, Industrial Organization, S. 907. 201 Katz/Shapiro, The American Economic Review 1985, 75 (3), 424 (424 ff.); näher dazu auch BKartA, Arbeitspapier, S. 100. 202 Ewald, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 7 Rn. 70. 198
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
Das reine Netzwerk muss hierbei von einer Plattform abgegrenzt werden, da ohne nennenswerte Plattformelemente weder eine besondere Bepreisungsstrategie stattfinden kann, noch Daten im Gegensatz zur Handhabung durch Plattformen direkt monetisiert werden. So hat die europäische Kommission im Fall Google/DoubleClick die Wirkung der direkten Netzwerkeffekte darauf geprüft, ob DoubleClicks Dienste durch die steigende Anzahl an Werbekunden verbessert würden (da so mehr Daten zur Verfügung stünden und damit das targeting verbessert würde).203 Es handelt sich also vielmehr um eine indirekte Nutzung der direkten Netzwerkeffekte. Eine konzeptionelle Trennung sowohl des Netzwerk- als auch des Plattformbegriffs ermöglicht also eine systematische Einordnung verschiedener Geschäftsmodelle und auch Schadenstheorien entlang der unterschiedlichen Wirkweise direkter und indirekter Netzwerkeffekte. Das BKartA präferiert in Abgrenzung zu Plattformen folgende Begriffsbestimmung: „Als Netzwerke sind Unternehmen anzusehen, die als Intermediäre die Interaktionen zwischen Nutzern derselben Nutzergruppe, zwischen denen dabei direkte Netzwerkeffekte entstehen, ermöglichen.“204
Die Definition des Bundeskartellamts überzeugt dort, wo sie den Fokus auf das Vorliegen lediglich einer Nutzergruppe und somit nur eines Marktes legt und damit eine klare Abgrenzung zur Plattform bietet. Durch die Verwendung des Begriffs der Interaktion soll der Fokus auf die direkten Netzwerkeffekte zwischen den Nutzern, welche gerade aus der Interaktion untereinander entspringen, gelegt werden.205 Damit soll nicht das bloße Vorliegen direkter Netzwerkeffekte genügen, erst recht nicht, wenn diese durch den Anbieter des Netzwerks entstehen (dieses „Spiel über Bande“ steht dabei den Lerneffekten des Anbieters durch das erhöhte Kundenaufkommen nahe). Stellt man aber bei der Definition des Netzwerkes nur auf den durch die Interaktion zwischen den Nachfragern erhöhten Nutzen ab, so verschließt man sich der Argumentation, wie sie die Kommission im Fall Google/DoubleClick vorgenommen hat.206 Also, ob auf Seiten DoubleClicks direkte Netzwerkeffekte in der Form bestünden, dass eine steigende Anzahl von Werbekunden, die DoubleClicks Dienste nutzen, die Qualität dieser Dienste für die nachfolgenden Werbekunden verbessern.207 Die Verbesserung der Leistung durch mehr Kundendaten stellt dann keinen zu berücksichtigenden Netzwerkeffekt dar. Man könnte dies auch als internalisierte direkte Netzwerkeffekte bezeichnen. Tatsächlich aber lässt sich dies durch einen Zweischritt lösen. Zunächst ist die Einordnung in den Netzwerkbegriff vorzunehmen. Unabhängig davon, welche 203
Komm. 11. 03. 2008, COMP/M.4731, Rn. 197 ff., 255 ff, 302 ff. „Google/DoubleClick“. BKartA, Arbeitspapier, S. 103. 205 BKartA, Arbeitspapier, S. 103. 206 Komm. 11. 03. 2008, COMP/M.4731, 197 ff, 255 ff., 302 ff. „Google/DoubleClick“. 207 Durch die mittels der direkten Netzwerkeffekte gebundenen Kunden stünden mehr Daten zur Verfügung, was wiederum zu einem besseren Targeting führen würde. 204
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spezifische Unterart von direkten Netzwerkeffekten für relevant gehalten werden (in diesem Fall die interaktionsinduzierten), lässt sich dann im Rahmen der Marktmachtprüfung auf die direkten Netzwerkeffekte im Allgemeinen abstellen. Deshalb wird diese Definition auch in dieser Arbeit verwendet. c) Mischformen Relevant werden Netzwerke im Kontext datenbasierter Märkte hauptsächlich, wenn sie zugleich Plattformelemente aufweisen oder vice versa.208 Ein aktuelles Beispiel für solche Konzepte sind soziale Netzwerke wie Facebook, die auf der einen Seite ein Netzwerk darstellen und dieses aufgrund der Finanzierung durch die andere (Plattform-)Seite kostenlos anbieten können. Durch die Netzwerkstruktur auf der einen Seite steigt ihre Attraktivität mit jedem neuen Nutzer. Gleichzeitig gehen von dieser Seite die positiven indirekten Netzwerkeffekte für die andere Plattformseite aus. Hierbei ist eine dezidierte Trennung der unterschiedlichen Elemente voneinander durchaus relevant, da ansonsten die typischen Charakteristika des einen Geschäftsmodells über- oder unterbewertet werden, da sie durch die bestehenden Effekte des anderen Modells verstärkt oder aber abgeschwächt werden.209 So führen direkte Netzwerkeffekte auf der einen Plattformseite zu einem rascheren Anstieg der Nutzerzahlen und damit zu stärkeren indirekten Netzwerkeffekten zur anderen Plattformseite. Das mögliche tipping auf der Netzwerkseite wird so in gewissem Maße durch die Nicht-Netzwerkseite nachempfunden. Die angepasste Preisstruktur lässt das Netzwerk zudem noch attraktiver erscheinen. Hat die Plattform mehr Geld zur Verfügung durch das Wachstum der zahlenden Plattformseite, so kann sie dieses reinvestieren. Auch die sich aus dem Netzwerk ergebende Inkompatibilität konkurrierender Anbieter kann die Plattform stärken. Somit können direkte Netzwerkeffekte die Gewinnung von Daten, welche durch die Plattformstruktur monetisiert werden, unterstützen. Eine umgekehrte Wirkung, also die Schwächung der direkten Netzwerkeffekte durch die Charakteristika der Plattform ist hingegen möglich, allerdings eher mittelbar zu verstehen. So könnte die asymmetrische Kostenstruktur der Plattform und damit der geringere Preis für die Netzwerkseite ein Multi-Homing für die Netzwerknutzer attraktiver erscheinen lassen. Auch könnten die negativen indirekten Netzwerkeffekte der einen Plattformseite auf die andere Seite (Netzwerk) den direkten Netzwerkeffekten zwischen den Nutzern zumindest in einer Gesamtbetrachtung der Attraktivität entgegenwirken. 208 So z. B. integrierte Dienste aus Netzwerk und Plattform bzw. Netzwerke mit zusätzlicher (Aufmerksamkeits-)Plattform; BKartA, Arbeitspapier, S. 103. 209 Zu einem Beispiel, bei welchem die Vernachlässigung der direkten Netzwerkeffekte zu einer Unterschätzung der Wirkung der indirekten Netzwerkeffekte auf die eine Plattform Seite führen würden, BKartA, Arbeitspapier S. 102 f.
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
d) Zwischenergebnis Ein datenbasierter Markt lässt sich dadurch charakterisieren, dass er sich von einem klassischen Austauschmarkt durch die Verlagerung der Monetisierung der Dienstleistung/des Produkts auf eine weitere Stufe unterscheidet und Daten hierbei die Vehikel dieser Verlagerung sind. Plattformen, welche die Daten der einen Plattformseite monetisieren, indem sie die Aufmerksamkeit dieser Plattformseite an die andere Seite verkaufen, sind ohne Frage datenbasierte Märkte. Die von ihnen getätigte Dienstleistung wird kostenlos/preisreduziert angeboten, um möglichst große Datenmengen zu sammeln, welche den Rohstoff für die bezahlte Dienstleistung auf der anderen Seite darstellen. Die Kosten der einen Seite werden durch die andere gedeckt. Je besser die Leistung, desto mehr wird durch die Nutzerseite für diese Leistung gezahlt.210 Auch Plattformen, die verschiedene Nutzergruppen zum Zwecke eines Austausches vereinen, nutzen die Daten im Gegensatz zu realen Marktplätzen zumindest für die Ermöglichung der Matchingleistung. Reine Netzwerke hingegen verlagern die Bezahlung für ihr Produkt mangels heterogener Nutzergruppen nicht. Netzwerke ohne Plattformelemente nutzen erlangte Daten intern zur Verbesserung ihrer Produkte, Plattformen extern zur Monetisierung. Sie mögen schneller wachsen und durch die direkten Netzwerkeffekte, die wie Markteintrittsbarrieren wirken, auch zum tipping neigen. Wie bereits ausgeführt, existieren für die Behandlung von Netzwerkeffekten211, auch für Offline-Netzwerke netzgebundener Industrien,212 gesicherte Kriterien. Für Netzwerke mit Plattformelementen, die also die Finanzierung ihrer Netzwerkleistung über die durch die Daten vermittelten indirekten Netzwerkeffekte leisten, gilt das zu Plattformen ausgeführte. 2. Big Data und Industrie 4.0 a) Definition von Big Data Das Ausmaß der Verarbeitungsstrategie datensammelnder Unternehmen lässt sich am – nicht abschließend definierten – Begriff Big Data darlegen. Er bezeichnet Datensätze von solcher Größe, dass sie durch klassische Datenbank-Softwaretools nicht mehr erfasst, gespeichert, verarbeitet und analysiert werden können.213 Zumeist wird auf die drei abweichenden Besonderheiten zur normalen Datenverarbeitung hingewiesen: volume, variety und velocity. Diese beschreiben die algorithmische Analyse besonders großer Datenmengen (volume) aus unterschiedlichsten Quellen 210
Vgl. § 2 C. II. Vgl. hierzu: Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 Rn. 98; Fuchs, in: Immenga/ Mestmäcker, § 18 Rn. 41. 212 Telekommunikation und andere Netzwerkindustrien. 213 Vgl. PwC, Big Data – Bedeutung. Nutzen. Mehrwert, Juni 2013, S. 9. 211
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und Formaten (variety) in möglichst hoher Geschwindigkeit (velocity).214 Von klassischen Analysemethoden unterscheidet sich Big Data neben den umfangreicheren Datenmengen auch durch eine abgewandelte Form der Datenanalyse.215 Frühere Datenanalysen benötigten möglichst standardisierte und präzise Daten um konkrete Fragestellungen zu beantworten. Im Rahmen von Big Data können auch unterschiedliche, nicht standardisierte Daten mittels Vorhersagemodellen und Algorithmen analysiert werden.216 Neben der Datenmenge ist die Intelligenz der Datenverarbeitung und damit der verwendeten Algorithmen ein erfolgskritischer Faktor.217 Die damit einhergehende Relevanz großer Datenmengen kann erklären, warum gewisse Unternehmen Presseberichten zufolge Daten aus verschiedenen Quellen lediglich auf Verdacht und ohne einen zuvor definierten Zweck speichern, um sich die Möglichkeit einer späteren Analyse zu sichern.218 Die Erhebung, Verarbeitung und Auswertung umfassender Datenmengen ist in der digitalen Wirtschaft üblich und beschränkt sich nicht auf die vorrangig beachteten Plattformdienste.219 Die Digitalisierung führt darüber hinaus zu vielfältigen Formen der Vernetzung zwischen der digitalen Ökonomie und der sonstigen Wirtschaft.220 Da auch anonymisierte und pseudonymisierte Daten Grundlage von Big Data Anwendungen sein können, ist die Relevanz trotz der DSGVO ungebrochen.221
214
Vgl. Kraus, Big Data, Arbeitspapiere der FOM, Nr. 41, Essen, Oktober 2013, S. 3 f. Monopolkommission, Sondergutachten 68, S. 44 Rn. 68. 216 Vgl. Kraus, Big Data, Arbeitspapiere der FOM, Nr. 41, Essen, Oktober 2013, S. 4 ff. 217 Vgl. Kraus, Big Data, Arbeitspapiere der FOM, Nr. 41, Essen, Oktober 2013, S. 4 ff. Dies beruht v. a. auf maschinellem Lernen. Dies beschreibt laut Schwalbe Methoden um „mittels komplexer Modelle und Algorithmen große unstrukturierte Datenmengen auszuwerten mit dem Ziel, aufgrund historischer Beziehungen unterliegende Zusammenhänge, Muster und Trends in den Daten zu erkennen bzw. zu erlernen, Entwicklungen vorherzusagen und hierauf basierende Entscheidungen zu treffen“. Schwalbe, Big Data S. 21. 218 Vgl. z. B. Hofmann/Schölkopf, Vom Monopol auf Daten ist abzuraten, FAZ vom 29. 1. 2015. 219 Monopolkommission, Sondergutachten 68, S. 45 Rn. 69, S. 176 Rn. 543. 220 Monopolkommission, Sondergutachten 68, S. 176 Rn. 543. So komme es neben der Abwicklung des Warenhandels und der Erbringung von Dienstleistungen via Handelsplattformen sowie der kommerziellen Erschließung von Leistungen zwischen Verbrauchern durch Anbieter von Share-economy-Diensten (z. B. Uber/Taxi, Airbnb/Hotels, FinTechs/Banken) auch zur Weiterentwicklung von Medien und Kommunikationsdiensten, die das Inhalteangebot erweitern und die ihrerseits vielfach in den Wettbewerb zu bestehenden Medien treten (Streamingdienste/Rundfunk, Ebooks/Bücher, Whatsapp/Skype/Telefonie). 221 Vgl. Schefzig, DSRITB 2014, S. 103. 215
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
b) Beschreibung des Phänomens Industrie 4.0 und IoT Von diesem Phänomen des Datensammelns sind außerhalb von Plattformen insbesondere intelligente Geräte (Internet der Dinge, IoT) und die Digitalisierung von Produktionsprozessen (Industrie 4.0) genauer zu erläutern.222 Der Begriff Industrie 4.0 beschreibt den verstärkten Einsatz von Computern, Automatisierung und Datenaustausch in produzierenden Unternehmen um die Prozesse in Produktion, Materialverwendung und Lebenszyklusmanagement effizienter zu gestalten.223 Dies wird dadurch erreicht, dass die einzelnen Produktionsstationen eigenständig Informationen austauschen, gegenseitig dynamische Aktionen auslösen und sich selbstständig steuern sowie optimieren.224 Diesem Ziel liegen cyber-physikalische Systeme, die sowohl untereinander als auch mit den beteiligten Menschen in Echtzeit kommunizieren und kooperieren als technologische Basis zugrunde.225 Das Internet der Dinge ist ein Netz physischer Gegenstände (smart devices), die mit Elektronik, Software, Sensoren und Netzanbindung ausgestattet sind. Die smart devices geben Daten ab oder empfangen sie vom Netzwerk. Hierbei lassen sich durch die Nutzung der Objekte Rückschlüsse auf auch außerhalb der konkreten Daten liegende Sachverhalte ziehen (bei Benutzung der Geräte in der Wohnung bspw. Arbeitszeiten).226 c) Geschäftsmodelle zur Datennutzung im Rahmen von Industrie 4.0 und IoT Die Erhebung und anschließende Verwendung von maschinengenerierten Daten über Sensoren oder computergestützte Programme sind das vorrangige Geschäftsmodell. Im industriellen Umfeld werden bspw. Dienstleistungen wie Fabrikanalysen (plant asset analytics)227 oder Instandhaltungsprognosen (predictive maintenance)228 angeboten. Der Anbieter der (Wartungs-)Dienstleistung erfasst verschiedenste Daten der Anlagen seiner Kunden, indem diese automatisiert über ein Mess- und Erfassungssystem (z. B. Sensoren und Industrie-PCs) oder via manuelle Eingabe ge222
Monopolkommission, Sondergutachten 68, S. 176 Rn. 534. So nutzen laut einer Studie der Bitkom bereits 4 von 10 Unternehmen Industrie 4.0Anwendungen Bitkom, Leitfaden Big-Data-Technologien, 2014. 224 Arbeitskreis Industrie 4.0, Abschlussbericht April 2013, S. 5, 9. 225 Dies und die vorhergehende Definition Schwalbe, Big Data S. 21. 226 Im Vereinigten Königreich sollten laut einer Studie von Ofcom, M2M Application Characteristics and their Implications for Spectrum, Mai 2014, 2015 bereits über 40 Millionen Geräte über das IoT verbunden, wobei bis 2022 mit einem Anstieg auf 369 Millionen Geräten und über eine Milliarde an täglichen Interaktionen erwartet wird, Ofcom, Promoting investment and innovation in the Internet of Things – summary of responses and next steps, Januar 2015. 227 Vgl. www.industry.siemens.com/services/global/de/portfolio/plant-condition/conditionmonitoring/asset-analytics-services/seiten/default.aspx. 228 Vorausschauende Wartung. 223
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sammelt und an den Dienstleister geschickt werden.229 Die weitere Verarbeitung kann dann beispielsweise folgendermaßen erfolgen: Der Anbieter kennzeichnet die Daten und speichert sie i.Ü. unstrukturiert, aber in zwei unterschiedlichen Datenpools. In Datenpool 1 liegen Industrie-Daten, die für den Dienstleister über das Kennzeichen bestimmten Kunden zuordenbar sind, während im zweiten Datenpool eine Kopie der Industrie-Daten ohne jeglichen Kundenbezug abgelegt wird. Die Daten können aber weiterhin z. B. einem bestimmten Maschinentyp zugeordnet werden. Die Kundendaten werden je nach Vereinbarung mit dem Kunden aus Pool 1 oder Pool 2 mit weiteren Daten von Dritten, z. B. Wetterdaten, zusammengeführt, anschließend geordnet und mehrfach in unterschiedliche Kontexte gesetzt. Durch diese Verarbeitung entstehen neue, aussagekräftige analytische Informationen zu den Anlagen der Kunden. Anhand dieser sog. smart data kann die Effizienz bestimmter Anlagen in Abhängigkeit zu weiteren Faktoren dargestellt werden, womit sich Vorschläge zu Verbesserung der Effizienz entwickeln lassen. Anhand kumulierter Zustandsdaten, wie Betriebsstunden einer Maschine, Temperatur, Stromverbrauch etc. ist es so möglich, bis zu drei Monate im Voraus auf den Tag genaue Prognosen zu dem Ausfall einer Maschine zu machen.230 Bezahlt der Kunde für die beschriebene Dienstleistung eine monatliche Vergütung, werden ihm die firmenspezifischen Auswertungen zur Verfügung gestellt. Hierbei kann es sich um eine eigenständige Dienstleistung handeln, bei der die aufnehmenden Sensoren initial installiert werden müssen oder um eine dem Verkauf bereits ausgestatteter Anlagen nachgelagerte Dienstleistung des Maschinenherstellers. Diese Daten sind als assets die Grundlage der Dienstleistung, denn das Unternehmen, bei dem die Daten ursprünglich erhoben wurden, hat ein konkretes Interesse, diese Informationen zu nutzen.231 Gleiches gilt auch für die Maschinenhersteller zur eigenen Produktoptimierung und für die Anbieter der Vorhersage-Dienstleistung, um ihre Dienste zu verbessern, da die sich hieraus ableitbaren Regeln auch für Prognosen in anderen Unternehmen mit vergleichbaren Produktionsverfahren eignen.232 Damit stellen diese Daten aber auch eine eigene Handelsware dar.233 Ein solches Geschäftsmodell ist auch bei den smart devices zu finden. Ein bekanntes Beispiel aus der Agrarindustrie ist der Traktor, der Messdaten über das bearbeitete Feld aufnimmt und somit nicht nur sich selbst zum Objekt seiner Beobachtung macht, sondern auch seine Umgebung. Zugriff auf die Daten hat der Traktorhersteller.234 Gleiches gilt für smart meter und smart housing Produkte.235 229
Zur gesamten Darstellung Peschel/Rockstroh, MMR 2014, 571 (571). Peschel/Rockstroh, MMR 2014, 571 (571). Zum Erkennen solcher Muster ist eine beträchtliche Anzahl an Rohdaten erforderlich, die sodann durch systematische Anordnung sowie der Anwendung entsprechender Analyseverfahren zu smart data aufgewertet werden. 231 Chirco, InTeR 2016, 11 (13). 232 Chirco, InTeR 2016, 11 (13). 233 Chirco, InTeR 2016, 11 (13). 234 Zech, CR 2015 137 (138) m.w.N.; Grosskopf, IPRB 2011, 259. 230
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
d) Vorliegen eines datenbasierten Marktes Im Rahmen von IoT und Industrie 4.0 können v. a. direkte Netzwerkeffekte wirken. Je mehr Unternehmen ihre Daten in einen Datenpool einfließen lassen, desto genauer werden die von dem Algorithmus getätigten Prognosen durch internalisierte direkte Netzwerkeffekte.236 Die Daten sind entweder asset für die eigene Dienstleistung, wichtiger Bestandteil für eine andere Dienstleistung oder werden für die Forschung und Entwicklung des Datensammlers genutzt.237 Wenn auf der einen Seite des Marktes Leistungen im Preis reduziert oder unentgeltlich angeboten werden, um mit den dort erlangten Daten eine andere Leistung zu ermöglichen und mit dieser die erste Leistung quer zu finanzieren, dann handelt es sich um eine Verlagerung der Monetisierung. Relevant ist hierbei, dass es sich um eine indirekte Monetisierung handelt. Die bloße Optimierung der Dienstleistung, aus welcher auch die Daten generiert wurden, welche gegenüber den Datengenerierern angeboten wird, ist keine (Quer-)Finanzierung über Bande. Ist der Kauf der Hardware238 subventioniert, wenn die Daten auch ohne Analysedienstleistung für den Datenerzeuger abgeführt werden, liegt eine verlagerte Monetisierung vor. Ebenso, wenn eine neue Dienstleistung auf den Daten der ersten Dienstleistung fußt, und so eine Verlagerung stattfindet. Diese bilden den Rohstoff einer (zusätzlich) bepreisten Seite und sollen deshalb in besonders großer Menge eingeworben werden. Diese Dienstleistung stellt dann häufig einen dem Produkt- und Datenerhebungsmarkt nachgelagerten Markt dar. Die Ausgestaltung der Verfügungsrechte über diese Daten entscheidet darüber, ob es sich um Systemmärkte handelt.239 235
Zu Big Data-Anwendungen: Dorner, CR 2014, 617 (617 f.); Hill, DÖV 2014, 213 ff. Zu „Industrie 4.0“: Arbeitskreis Industrie 4.0, Abschlussbericht April 2013, http://www.bmbf.de/ pubRD/Umsetzungsempfehlungen_Industrie4_0.pdf (zuletzt aufgerufen am 11. 6. 2018), S. 17 f. Zu Daten, die beim Betrieb eines Autos aufgezeichnet werden: Gerhäuser, in: Vieweg/Gerhäuser, Digitale Daten in Geräten und Systemen, 2010, S. 1 ff. 236 Im Gegensatz zu Lerneffekten, bei denen es um die Abwicklung des gleichen Sachverhaltes geht, steigt durch die Mitnutzung anderer für den einzelnen Nutzer die Sinnhaftigkeit des Produkts, da das Produkt selbst auf Daten beruht.und damit tatsächlich besser wird, auch wenn die Netzwerkeffekte nicht direkt zwischen den Nutzern wirken. Beispielhaft ist die Stauvorhersage von: Google Maps: Diese wird besser, je mehr Leute ihren Standort senden. Diese Netzwerkeffekte wirken aber nicht direkt Zwischen den Nutzern, sondern erst nach der Internalisierung durch Google). Da es sich auch hier um Big Data-Anwendungen handelt, vgl. § 2 B. 237 Wie bereits ausgeführt, ist die Verbesserung der eigenen Produkte gegenüber den datenbereitstellenden Kunden als auch gegenüber dritten Kunden ein zentraler Bestandteil der Nutzung von Daten, vgl. § 2 C. IV. 238 Smart device, Anlage, Sensor. 239 Vgl. BGH 9. 7. 2002, KZR 30/00, NJW 2002, 3779 (3781) „Fernwärme für Börnsen“; BGH 4. 3. 2008, KVR 21/07, BB 2008, 970 Rn. 15 „Soda Club II“; BGH, 10. 12. 2008, KVR 2/ 08, NJW 2009, 1212 Rn. 8 „Stadtwerke Uelzen“; BGH, 6. 12. 2011, KVR 95/10, BGHZ 192, 18 Rn. 27 f. „Total/OMV“. Fraglich ist auch, ob diese DL Märkte dann noch als Sekundärmarkt gelten können oder als einheitlicher Markt abgrenzt werden müssen.
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3. Zwischenergebnis Daten stellen auf datenbasierten Märkten einen Rohstoff dar und zugleich ein Vehikel der Verlagerung des Entgelts. Diese Vehikelstellung wird häufig durch das typische Marktumfeld ermöglicht. Plattformen stellen einen Großteil der datenbasierten Märkte dar, auf welchen kein direkter Austausch vorliegt, sondern Leistungen erbracht werden, um eine besonders große Marktseite zu generieren, die starke indirekte Netzwerkeffekte auf die zahlende und die Daten monetisierende Seite ausüben soll. Vor allem Netzwerke, die mit Plattformmerkmalen kombiniert werden, verfestigen die Nutzerbasis auf der „Abschöpfseite“ unter der Nutzung direkter Netzwerkeffekte. Während auf Plattformmärkten die Daten direkt monetisiert werden, werden die Daten im Bereich der Industrie 4.0 als essentieller Bestandteil für weitere Produkte genutzt.
III. Ökonomische Charakteristika datenbasierter Märkte Nachdem das typische Marktumfeld von Daten beleuchtet wurde und somit typische Marktstrukturen und -felder vorgestellt wurden, ist nun auf die abweichenden ökonomischen Charakteristika datenbasierter Märkte einzugehen. Zu untersuchen ist, ob datenbasierte Märkte sich von analogen Märkten unterscheiden und ob diese Unterschiede zu einer anderen wettbewerbsrechtlichen Einschätzung führen. 1. Daten und Preisgestaltung Die Preisgestaltung in zweiseitigen Märkten kann aufgrund der Ansprache zweier Kundengruppen von der Preisgestaltung klassischer Austauschmärkte in der Realwirtschaft abweichen. Auf zweiseitigen Märkten können zwei Arten der Preis- und Leistungsgestaltung ausgemacht werden: Einerseits kann von beiden Marktseiten eine nutzungsunabhängige Mitgliedsgebühr bzw. ein Grundpreis verlangt werden, andererseits kann ein Nutzungs- oder Transaktionspreis für die tatsächliche Inanspruchnahme einer Leistung verlangt werden.240 Häufig kommt es aufgrund der Nutzung der indirekten Netzwerkeffekte zu einer preislichen Begünstigung einer Seite. Würden die zweiseitigen Plattformen ihre Preisgestaltung auf klassische Weise festlegen, so würden sie versuchen in Bezug auf jede Marktseite das Produkt aus Preis und Menge zu maximieren. Hierbei lägen die Preise über den jeweiligen Grenzkosten, da andernfalls der Anbieter mit jedem weiteren verkauften Produkt Verluste erleiden würde.241 Die Nachfrage einer Gruppe wird bei Vorliegen indirekter Netzwerkeffekte nicht allein vom erlangten Preis bestimmt, die Preiselastizität wird stattdessen auf der einen Seite stark davon beeinflusst, wie viele Nachfrager der 240
Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, S. 37. Linstädt, ZweR 2010, 53 (61 f.); Eisenmann/Parker/Van Alstyne, Harvard Business Review 2006, 92 (94 f.). 241
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
korrespondierenden Seite zugleich die Leistungen des Anbieters nutzen.242 Plattformbetreiber können die Nachfrage beider Seiten somit zu ihren Gunsten beeinflussen, indem sie die Summe der Preise gegenüber beiden Nachfragergruppen in anderer Weise auf diese Gruppen aufteilen. Daher wird regelmäßig eine Nachfragergruppe durch niedrige, zum Teil unter den Grenzkosten liegende Preise und kostenlose Angebote begünstigt.243 Diese preisliche Begünstigung einer Nachfragergruppe ermöglicht es, die Nachfragekurve der korrespondierenden Gruppe zu ihren Gunsten zu verschieben. Aufgrund von Rückkopplungseffekten kann es zudem zu weiteren Erhöhungen der Nachfrage auf beiden Seiten kommen.244 Zum einen kann die preissensiblere Seite begünstigt werden, da eine Preisreduktion hier eine stärkere Auswirkung hätte.245 Ebenfalls effektiv ist die Begünstigung der Nachfragerseite, von der die stärkeren indirekten Netzwerkeffekte ausgehen.246 Durch eine Zunahme an Nachfragern auf dieser Seite wird ein größeres Wachstum auf der korrespondierenden Seite forciert. Die Nutzergruppe, von der die stärksten Netzwerkeffekte ausgehen, wird also preislich subventioniert, indem ihr das Produkt zu einem geringeren Preis, unentgeltlich und/oder mit kostenlosen Zusatzleistungen angeboten wird.247 Durch die Wahl der zweiten Bepreisungsstrategie werden die Netzwerkeffekte internalisiert, der Vorteil der Plattform für die verschiedenen Marktseiten maximiert und die Transaktionskosten zwischen den Nutzerseiten potentiell reduziert.248 Prominentes Beispiel hierfür sind Werbemärkte. Die Werber schalten ihre Anzeigen dort, wo die Wahrscheinlichkeit viele Kunden zu erreichen erhöht ist, also, wenn viele Nutzer auf der anderen Marktseite vorhanden sind. Diese preisliche Begünstigung der einen Marktseite kann dabei bis zum Verzicht auf ein monetäres Entgelt für diese Seite reichen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Dienstleistung der einen Seite gegenüber auf den Daten der anderen Seite fußt. Bilden diese den Rohstoff für die Leistung der monetär bepreisten Seite sollen sie in besonders großer Menge eingeworben werden. Die Daten gelten hierbei auch als direkter Ersatz für einen monetären Preis. Dies ist erkennbar an sog. Freemium-Angeboten: Hier gibt es ein Basisprodukt gegen die Hergabe von Daten und die Aufmerksamkeit gegenüber der Werbung; gegen Entgelt gibt es ein besseres, werbefreies Produkt.249 242
Evans/Schmalensee, CPI 2007, 151 (159 f.). Evans/Schmalensee, CPI 2007, 151 (160); Linstädt, ZweR 2010, 53 (62 f.); Dewenter/ Haucap, Wettbewerb als Aufgabe und Problem, in: Wentzel, Medienökonomik, S. 35 (40). 244 Peitz, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2006, 7(3), 317 (327). 245 Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, S. 37. 246 Dewenter /Haucap, Wettbewerb als Aufgabe und Problem, in: Wentzel, Medienökonomik, S. 35 (40), Linstädt, ZweR 2010, 53 (62). 247 Höppner/Grabenschröer, NZKart 2015, 162 (163). 248 Höppner/Grabenschröer, NZKart 2015, 162 (163). 249 Das sog. Freemium-Modell stellt den Benutzern die Grundfunktionalität kostenlos zur Verfügung, wohingegen Premiumdienste, die z. B. für die professionelle Nutzung notwendig sind, zusätzlich bezahlt werden müssen. Freemium stellt eine kostenlose (oder günstige) Basisversion mit Werbung und häufig auch In-App-Käufen dar, Denker/Hart/Denker, in: Solmecke/Taeger/Feldmann, Mobile Apps, Kap. 2 Rn. 34. 243
§ 3 Charakteristika von datenbasierten Märkten
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Auch werden die unentgeltlichen Angebote als Köder für sog. In-App-Käufe benutzt.250 Neben den Netzwerkeffekten, die von der preislich begünstigten Seite ausgehen, werden dort auch die Ressourcen eingeworben, die auf der anderen Marktseite monetisiert oder zum Anbieten der Dienstleistung gegenüber der nicht begünstigten Marktseite genutzt werden. Die preislich begünstigte Marktseite kann aufgrund des mangelnden monetären Preises die Dienste häufig frequentieren, wenn die von ihnen erbrachte Gegenleistung nicht gegen die erbrachten Daten abgewogen wird. Die Daten werden also durch intensivierte Nutzung in höherem Maß überlassen. Dieses asset wird dann genutzt um die Leistung auch für die andere Seite attraktiver zu machen.251 2. Konzentrationstendenzen und Lock-in-Effekte Ein weiteres Charakteristikum datenbasierter Märkte sind ihre Konzentrationstendenzen. Diese können zum einen auf den durch die Mehrseitigkeit vorliegenden indirekten Netzwerkeffekten fußen und werden durch (kostenseitige) Größenvorteile unterstützt.252 Zum andern kann das Vorliegen von Daten, wenn diese produktrelevant sind, zu verstärkten Konzentrationen führen. Der Einfluss indirekter Netzwerkeffekte auf die Marktstruktur besteht in der Gefahr, dass ein Markt zugunsten eines Unternehmens kippt (tipping).253 In mehrseitigen Märkten ist die Gefahr des tippings auf die Wirkung positiver Netzwerkeffekte zurückzuführen, welche auftreten, wenn der Nutzen für jeden einzelnen Teilnehmer mit der Zunahme der Teilnehmerzahl (auf seiner oder der gegenüberliegenden Seite) steigt.254 Dieser Anstieg des Nutzens gilt dann auch für außenstehende Subjekte. In der Folge kann es zu einer weiteren Zunahme der Teilnehmerzahl und einer weiteren Nutzensteigerung kommen. Dieses Phänomen wird als positive Rückkopplung (auch positive feedback loops) bezeichnet.255 Die Nutzer wählen dann den Anbieter, welcher ihnen den Zugang zu den meisten korrespondierenden Nachfragern ermöglicht.256 Dies führt 250
In-App-Käufe ermöglichen den direkten Verkauf von Inhalten oder zusätzlichen Funktionen in der App. Damit bleibt die Einstiegsschwelle niedrig und eine Monetisierung ist auch nach dem initialen Verkauf möglich, Denker/Hart/Denker, in: Solmecke/Taeger/Feldmann, Mobile Apps, Kap. 2 Rn. 30 ff. 251 Vgl. § 2 C. 252 BKartA, Arbeitspapier, S. 50. 253 Endres/Martiensen, Mikroökonomik, S. 613; vgl. Katz/Shapiro, Journal of Economic Perspectives 1994, 8 (2) 93 (105 f.). 254 BKartA, Arbeitspapier, S. 50. 255 Katz/Shapiro, Journal of Economic Perspectives 1994, 8 (2) 93 (105). 256 Fletcher, CPI 2007 221 (223); Stellungnahme der Europäischen Kommission, in: OECD Competition Comitee, Two-Sided Markets, S. 169 f. Gleiches erkennt auch der Gesetzgeber, weshalb er in der Begründung zur 9. GWB Novelle zu § 18 Abs. 3a Nr. 2 GWB-E erwähnt, das Netzwerkeffekte das Kippen des Marktes begünstigen können. BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, 50.
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
dazu, dass Plattformen, die über eine vergleichsweise große Anzahl an Nachfragern auf der einen Marktseite verfügen, infolgedessen auch eine größere Zahl an neuen Nachfragern der anderen Seite anwerben können. Die hohe Popularität einer zweiseitigen Plattform hat daher selbstverstärkende Wirkung.257 In zweiseitigen Wirtschaftszweigen findet daher im Extremfall ein Wettbewerb um den Markt statt.258 Auch direkte Netzwerkeffekte können, soweit sie vorliegen, zu Lock-In Effekten führen. Direkte Netzwerkeffekte erhöhen den Vorteil eines jeden Mitglieds der Nachfragergruppe bei Hinzukommen eines neuen Nutzers. Dies führt dazu, dass beim Überschreiten einer kritischen Masse von Mitgliedern eines Netzwerks der Markt relativ dynamisch in Richtung eines Monopols tendiert.259 Das Ergebnis ist mit dem eines natürlichen Monopols vergleichbar, wobei in den Fällen der Netzwerke grundsätzlich mehrere Anbieter nebeneinander existieren können, was in natürlichen Monopolen aufgrund der Kostenstrukturen nicht der Fall ist.260 Besteht eine Pfadabhängigkeit der Marktstruktur und haben die Nutzer zeitgleich hohe Wechselkosten, werden diese in dem Netzwerk bleiben, sodass die Netzwerkbetreiber nun unabhängig vom Wettbewerb agieren könnten.261 Wechselkosten bezeichnen hierbei den Aufwand, der dem Nutzer entsteht, wenn er eine andere Plattform oder ein anderes Netzwerk für denselben Zweck nutzen möchte.262 Hierzu gehören der finanzielle Aufwand in Form von Wechselgebühren aber auch alle Faktoren, die das Verbleiben bei der bisher genutzten Plattform attraktiver erscheinen lässt.263 Diese Wechselkosten können durch das Vorliegen von Daten noch erhöht werden. Die Optimierung von Produkten und Dienstleistungen besteht vor allem in Form zunehmender Personalisierung.264 Viele Nachfrager schätzen eine solche Personalisierung, während die Unternehmen auf eine erhöhte Kundenbindung abzielen.265 Aus wettbewerbspolitischer Perspektive ist eine starke Kundenbindung dann bedenklich, wenn die Wechselbarrieren hoch sind, etwa weil die Nutzer aufgrund fehlender Datenportabilität nicht mit ihren Daten zum Wettbeweber wechseln 257
Stellungnahme der Europäischen Kommission, in: OECD Competition Comitee, TwoSided Markets, S. 169 f. Diesen Konzentrationstendenzen wirken bestimmte Faktoren entgegen. Dies sind nach Evans/Schmalensee (physische) Kapazitätsbeschränkungen der Plattform, Plattformdifferenzierung aufgrund heterogener Nutzerbedürfnisse, sowie Multi-Homing Evans/Schmalensee, CPI 2007, 151 (164 ff.). 258 Sog. Winner-takes-it-all-markets; Evans/Schmalensee, CPI 2007, 151 (164); Eisenmann/Parker/Van Alstyne, Harvard Business Review 2006, 92 (99); Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, S. 33. 259 Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 7 Rn. 70. 260 Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 7 Rn. 70. 261 Vgl. u. a. Besen/Farrell, Journal of Economic Perspectives, 8, 117 ff.; Katz/Shapiro, Journal of Economic Perspectives, 8 (2), 93 (108 ff.). 262 BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, 50. 263 BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, 50. 264 Dies und das folgende Monopolkommission, Sondergutachten 68, Rn. 79; BKartA/ Autorité de la concurrence, Competition law and Data, 28. 265 S. o. § 2 C. III.
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können. Dies wird durch die positiven Rückkopplungseffekte noch verstärkt.266 Die verlorenen Daten und die Zeit, diese in die Plattformen einzupflegen, stellen für den Verbraucher dann quasi sunk costs dar. Da die Verwendung von Daten zu deutlichen Verbesserungen und Innovationen im Bereich des Produkts im Vergleich zu Wettbewerbern ohne Zugriff auf Daten führen kann, besteht die Besorgnis, dass gerade den Unternehmen, die schon über viele Daten verfügen noch mehr Daten angetragen werden, da sie immer mehr Nutzer auf sich vereinen können.267 Wenn die Produkte und Dienstleistungen weiterhin ohne einen monetären Preis angeboten werden, konkurrieren die Anbieter nur durch und über die Qualität ihrer angebotenen Produkte, welche auch auf den ihnen laufend zur Verfügung gestellten Daten beruht.268 Angreifende Unternehmen können so aber nicht durch geringere Preise mit den großen Anbietern konkurrieren.269 3. Multi-Homing Wie stark die Konzentrationstendenzen und Lock-In-Effekte durch Daten und Netzwerkeffekte wirken, wird durch verschiedene Parameter bestimmt.270 Ein solcher Parameter besteht in einer weiteren strukturellen Eigenschaft zweiseitiger Märkte, die gerade auf datenbasierten Märkten weit verbreitet ist, dem sog. MultiHoming.271 Hierbei greifen Nachfrager parallel auf die Leistungen mehrerer Anbieter zurück.272 Die Nachfrager haben also einen erweiterten Zugang zu verschiedenen Mitgliedern der korrespondierenden Nachfragergruppe. Ein derart weiter Zugang ist bei der Beschränkung auf die Leistungen nur eines Anbieters nicht möglich: 273 Auf dem Markt der Kommunikationsdienstleistungen durch MessengerApplikationen wird bspw. starkes Multi-Homing betrieben. So kommuniziert der typische Smartphone-Inhaber nicht nur mit einem Messenger, sondern hat parallel mehrere Anwendungen installiert.274 Wenn Nachfrager nur Leistungen eines einzelnen Anbieters nutzen, liegt ein sogenanntes Single-Homing vor.275 Verschiedene Faktoren begünstigen das Vorliegen von Multi-Homing beim Vorliegen mehrerer nicht kompatibler Anbieter. Zum einen, wenn die Plattformen unterschiedlich ge266
S. § 2 B. IV. OECD, Data driven Innovation, 25 f. 268 BKartA/Autorité de la concurrence, Competition law and Data, 29. 269 BKartA/Autorité de la concurrence, Competition law and Data, 29. 270 BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, 50. 271 Evans/Schmalensee, CPI 2007, 151 (167); Linstädt, ZweR 2010, 53 (64). 272 Peitz, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2006, 317 (328); Roson, Review of Network Economics 2005, 142 (151); Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S. 62. 273 Vgl. Rochet/Tirole, RAND Journal of Economics 2006, 645 (659). 274 Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217, Rn. 111 „Facebook/WhatsApp“. 275 Peitz, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2006, 317 (329); Armstrong, RAND Journal of Economics 2006, 668 (669); Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S. 62. 267
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
nutzt werden sollen.276 Zum anderen wird die Entscheidung für ein Multi-Homing auch von der Preissetzung der Anbieter bestimmt.277 Wenn Anbieter nur ein Entgelt für die tatsächliche Nutzung ihrer Plattform oder aber gar kein monetäres Entgelt verlangen, wird ein Multi-Homing für die Nachfrage attraktiver.278 Der Einfluss der Produktdifferenzierung auf Multi-Homing ist noch ungeklärt.279 Das BKartA stellte fest, dass ein Mäandern zwischen Single- und Multi-Homing in datenbasierten Märkten üblich ist.280 Wechselkosten können das Multi-Homing jedoch verhindern. Weiterhin kann das Multi-Homing Lock-in-Effekte durch Datenschätze verringern. Da Daten nicht-rival sind, werden sie im Rahmen des Multi-Homings verschiedener Plattformen, die vergleichbare Dienste anbieten, diesen Anbietern in vergleichbarer Weise zur Verfügung gestellt. Damit liegt ein level playing field vor. Voraussetzung ist dabei aber, dass diese nicht kompatiblen Dienste ähnlich häufig genutzt werden.281 4. Hohe Marktdynamik aufgrund hoher Innovationsdichte Bei datenbasierten Märkten wird häufig darauf hingewiesen, dass es sich um hochdynamische Märkte mit Innovationskraft handeln würde.282 Auf Märkten mit hoher Marktdynamik ist das Verhältnis von Innovation und Wettbewerb enger geknüpft als auf klassischen Märkten mit langsamerer und verstetigter Marktentwicklung, wo auf eine Experimentier- und Expansionsphase eine Verstetigung folgt.283 Auf datenbasierten Märkten gibt es aufgrund der hohen Dynamik des Internets viele disruptive Innovationen, welche marktmächtige Positionen auflösen.284 Disruptive Innovationen sind Businessmodelle, die eine bestehende Technologie, ein bestehendes Produkt oder eine bestehende Dienstleistung vollständig durch ein neues verdrängen. Das Prinzip der disruptiven Innovationen geht im Wesentlichen auf Christensen zurück. Er beschrieb die Auswirkungen von disruptiven Innovationen erstmalig im größeren Umfang im Zeitalter des Internets, wo gefestigte Marktpositionen im Wege der Schumpeter’schen „schöpferischen Zerstörung“ innerhalb kürzester Zeit durch innovative Unternehmen und deren Geschäftsmodelle 276
BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, 50. Linstädt, ZweR 2010, 53 (64); Roson, Review of Network Economics 2005, 142 (142); BKartA/Autorité de la concurrence, Competition law and Data, 10. 05. 2016, 28. 278 Linstädt, ZweR 2010, 53 (64). 279 Vgl. m.w.N. Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen S. 34 f. 280 BKartA/Autorité de la concurrence, Competition law and Data, 10. 05. 2016, 28. 281 BKartA/Autorité de la concurrence, Competition law and Data, 10. 05. 2016, 29. 282 BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, 51; BKartA, Arbeitspapier, S. 80; BKartA/Autorité de la concurrence, Competition law and Data, 29 f. 283 Vier Marktphasen nach Heuss, Allgemeine Markttheorie, S. 6 ff.; vertiefend hierzu Zimmerlich, Marktmacht in dynamischen Märkten, Kapitel A. 284 Haucap/Heimeshoff, International Economics and Economic Policy, 11(1 – 2), 49; Körber, WuW, 2015, 120. 277
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nivelliert würden.285 Als Innovationsanreiz wird von der Innovationstheorie die Aussicht auf eine Monopolrente dargestellt, die zu einer raschen Ablösung von etablierten Diensten führen könne.286 Fraglich ist dabei, woraus sich das besondere Innovationspotential des Internets ergibt.287 Einige Spezifika des Internets und damit auch der datenbasierten Märkte wurden als möglicherweise innovationsfördernd identifiziert: so zum Beispiel die einfache Skalierbarkeit von Geschäftsmodellen, Möglichkeiten für individuelle Kundenansprache bzw. kundenindividuelle Anpassungen (targeting), verringerte Transaktions- und Distributionskosten288 sowie die Loslösung von physischen Hindernissen und damit höheren Investitionskosten289. Aus einer solchen Marktdynamik folgt – schon in der Marktphase vor dem „Kippen des Marktes“ – ein Wettbewerbs- und Innovationsdruck auch auf Wettbewerber mit gefestigten Marktpositionen.290 Dies liegt auch daran, dass das Internet es ermöglicht, neue Produkte kostengünstig oder kostenfrei weltweit bekannt zu machen und zu vertreiben. Das BKartA und die Autorité de la concurrence weisen darauf hin, dass die erhöhte Innovationsrate auf datenbasierten, mehrseitigen Märkten nicht zu der Vermutung verleiten darf, dass jedwede mächtige Position im Markt ohnehin durch disruptive Innovationen aufgelöst würde.291 Die Markteintrittsfähigkeiten und -chancen neuer Wettbewerber sollten nicht überschätzt und deshalb zusammen mit der möglichen Rolle der Datenerfassung in dieser Beziehung sorgfältig bewertet werden.292 Mit dem Hinweis auf die steigende Relevanz von Daten bei der Entwicklung neuer Dienstleistungen und Produkte müsse darauf geachtet werden, dass der dynamische Wettbewerb nicht durch das Aufkaufen der Innovationen behindert wird. 285 Christensen, The Innovator’s Dilemma, S. 101. Mit dem Begriff der „drastischen Innovation“ beschreibt aber auch die wirtschaftswissenschaftliche, theoretische Literatur ein ähnliches Phänomen, sog. Innovationstheorie, vgl. etwa Tirole, Theory of Industrial Organization, Kap. 10; Bester, Theorie der Industrieökonomik, Kap. 5. 286 Tirole, Theory of Industrial Organization, Kap. 10; Schmidt/Haucap, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 139. 287 So wurden bislang vorranging einseitige Märkte auf Ihre Innovationskraft und auf Anregungspotentiale zu Innovationen hin untersucht, BKartA, Arbeitspapier, S. 81. So hat bspw. Dreher die Beschaffenheit innovationsgeprägter Märkte untersucht und dabei einschlägige Märkte (insbesondere für IT-Produkte und Telekommunikationsdienstleistungen, aber auch Medizintechnik, Biotechnologie, Luft- und Raumfahrt) sowie die Bedingungen identifiziert, die sie gegenüber sonstigen Märkten unterscheiden (Intensität des Innovationswettbewerbs, Vorliegen von Netzwerk- und Lock-In-Effekten unter Geltung von de-factoStandards, vorzufindende Marktstruktur), Dreher, ZWeR 2009, 149 ff. 288 Vertiefend und m.w.N. BKartA, Arbeitspapier, 81 f. 289 Körber, WuW 2015, 120 (123). 290 Hier und nachfolgend Körber, WuW 2015, 120 (123). 291 BKartA/Autorité de la concurrence, Competition law and Data, 29 f. 292 BKartA/Autorité de la concurrence, Competition law and Data, 30.
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
Unabhängig von den Gründen für die Innovationsrate sind Innovationen ein wichtiges Charakteristikum datenbasierter Märkte. Daten können hierbei zum einen den Anlass für Innovationen darstellen (kleine Änderungen im Produkt/neue Funktionen können dem Unternehmen dann einen neuen Datentyp oder mehr Daten zuführen) aber auch Innovationen ermöglichen (neue Daten ermöglichen neue Funktionen/Dienstleistungen). 5. Effizienzen durch Skalen- und Verbundeffekte Positive wechselseitige Netzwerkeffekte können zu Konzentrationstendenzen bei Plattformangeboten führen,293 wobei Skalen- und Verbundeffekte Tendenzen weiter verstärken können.294 Die typische Kostenstruktur der Internetökonomie zeichnet sich durch eher niedrige Grenzkosten und relativ dazu hohe Fixkosten aus.295 Dies gilt sowohl für die Plattformdienstleistung als auch für den Aufbau eines Datenbestandes. Dieser verlangt große Investitionen, wohingegen zusätzliche Transaktionen innerhalb des Datenbestands kaum zusätzliche Kosten verursachen.296 Auch weitere Nutzer verurusachen kaum zusätzliche Kosten, solange sie keine Kapazitätsengpässe induzieren.297 Die Größenvorteile haben also durch die indirekten Netzwerkeffekte neben dem Selbstverstärkungsprozess eine eigenständige Bedeutung.298 Auch Verbundeffekte sind ein wichtiger Parameter in Bezug auf den Rohstoff Daten. Dies betrifft einmal die Anzahl unterschiedlicher Daten, die mit einem Datensubjekt verbunden werden können. Wenn also die Anzahl der Datensubjekte als Menge, die Menge der einzelnen mit dem Subjekt verbundenen divergierenden Informationen als Varianz gesehen werden, spielt letzteres eine große Rolle bei der umfassenden Analyse des einzelnen Subjekts. Um weitere Informationen und Wahrscheinlichkeiten deduzieren zu können, sind Unternehmen sowohl an der Menge als auch an der Qualität der Daten und damit an der Dichte der zugrundeliegenden Informationen interessiert.299 Auch unterschiedliche Gruppen verschiedener Datensubjekte können miteinander in Kontext gesetzt werden. Daten, die aus unterschiedlichen Quellen stammen und zu unterschiedlichen Zwecken gesammelt werden, brauchen nur einmal gespeichert werden, um dann für verschiedene, getrennt herstellbare Produkte oder 293 Arbeitskreis Kartellrecht, Digitale Ökonomie, S. 19; grundlegend hierzu Peitz, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2006, 7(3), 317. 294 Arbeitskreis Kartellrecht, Digitale Ökonomie, S. 19; grundlegend hierzu Peitz, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2006, 7(3), 317. 295 Haucap/Kehder, DICE Ordnungspolitische Perspektiven No. 44, 26. 296 Haucap/Heimeshoff, DICE discussion paper Nr. 83, 6. 297 Haucap/Kehder, DICE discussion paper, Nr. 44, S. 13 f. 298 BKartA, Arbeitspapier, S. 63. 299 BKartA/Autorité de la concurrence, Competition law and Data, 50.
§ 3 Charakteristika von datenbasierten Märkten
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Services nutzbar zu sein.300 Konglomerate Unternehmen verfügen dann über Daten aus unterschiedlichen Bereichen, die in Metaanalysen verbunden werden können. Das Sammeln verschiedener Datenkategorien ist hierbei vor allem Unternehmen möglich, die verschiedene Services anbieten.301 Dies führt erneut dazu, dass die versunkenen Kosten zum Aufbau einer technischen Infrastruktur und Dienstleistung nur einmal getätigt werden müssen, die verschiedenen Datentypen aber in gleicher Weise verarbeitet werden können. Dies begünstigt die bereits etablierten Unternehmen gegenüber Newcomern, die erst eine kritische Masse an Datensubjekten erreichen müssen, damit sich die Startinvestitionen überhaupt rentieren könnten. Unabhängig von den indirekten Netzwerkeffekten haben also die Größenvorteile im Rahmen der Datenverarbeitung Relevanz. So können Unternehmen, die bereits über Big Data Algorithmen verfügen mit wenigen Investitionen immer diversifiziertere Datenmengen verarbeiten. Ist es ihnen möglich, diese unterschiedlichen Informationen durch Abwandlungen ihrer Dienste auch erfolgreich zu sammeln, wachsen die Skaleneffekte weiter. Als Schadenstheorie könnte die Marktdynamik und Innovationstiefe dann vor allem bei den etablierten Unternehmen stattfinden und nicht mehr zwischen vielen verschiedenen Unternehmen. 6. Zwischenergebnis Auch wenn die auf datenbasierten Märkten tätigen Unternehmen im Einzelnen unterschiedliche Leistungen erbringen, so teilen sie sich doch bestimmte Charakteristika. Diese ergeben sich zum Teil aus den Strukturen zweiseitiger Märkte, zum Teil aus der Verfügbarkeit und den Charakteristika von Daten als auch aus der auf diesen Märkten entwickelten Dynamik. Das Internet führt zu einer Entkopplung von physischen Hindernissen, die Skaleneffekte steigen. Festzuhalten ist, dass datenbasierte Märkte sowohl die Probleme mehrseitiger Wirtschafszweige, die Innovationstiefe und Dynamik von jungen Märkten und die ungeklärte Rolle der Daten auf sich vereinen. Ökonomische Feststellungen und kartellrechtliche Adaptionen, die für hohe Marktdynamik302 und Mehrseitigkeit303 getroffen wurden, müssen in der Wechselwirkung mit Daten neu betrachtet und gewichtet werden. Eine solche Betrachtung nimmt diese Arbeit vor. Die wirtschaftswissenschaftliche Forschung ist allerdings noch im Fluss, eine pauschalisierte Marktbetrachtung verbietet sich also.304 300
Sofern es sich um personenbezogene Daten handeln nur, wenn eine entsprechende Einwilligung gem. § 7 DSGVO vorliegt. 301 BKartA/Autorité de la concurrence, Competition law and Data, 51. 302 Zimmerlich, Marktmacht in dynamischen Märkten, 2006. 303 Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, 2015. 304 Das Verhältnis von Multi-Homing und Wechselkosten darf ebenso wie die Marktdynamik nicht pauschalisiert werden. So muss auch die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit und die
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
B. Wettbewerbspolitische Fragestellungen Zu erkennen ist somit, dass auf datenbasierten Märkten mehrere Abweichungen von den klassischen Austauschmärkten der Realwirtschaft vorliegen, die zum Teil schon in anderen Konstellationen problematisiert und kategorisiert wurden. Dies führt über die gesamte Prüfung der Wettbewerbstatbestände zu einem Anpassungsbedarf der Auslegung und Anwendungspraxis. Auch ist bei vielen Fragen nicht geklärt, auf welcher Ebene der Prüfung sie sich auswirken und wie genau sie berücksichtigt werden müssen.
I. Die Notwendigkeit einer neuen Leistungsund Marktdefinition Zunächst erscheint die Identifikation der relevanten Marktbeziehungen erschwert. Dies ist zum einen in der Zweiseitigkeit der Plattformmärkte begründet, zum anderen im Angebot unentgeltlicher Leistungen und in der umstrittenen Rolle der erhobenen Daten. Es existiert ein erheblicher Zuwachs an unentgeltlichen Leistungen auf datenbasierten Märkten im Zusammenhang mit mehrseitigen Geschäftsmodellen. Es stellt sich die Frage, wie die Rechtsordnung mit diesen unentgeltlichen Leistungen umgeht: ob sie Daten eine Rolle ähnlich einem Entgelt zuordnet und damit eine Austauschbeziehung anerkennt. Damit verbunden ist auch die Frage, welchen „Markt“ das Kartellrecht kontrollieren soll und wie und ob es eine vergleichbare Kontrolle zu Austauschmärkten der Realwirtschaft gewährleistet. Es bleibt zu ermitteln, ob die Abkehr vom Tatbestandsmerkmal der Entgeltlichkeit durch die 9. GWB Novelle eine Lösung des Problems der Identifikation kartellrechtsrelevanter Beziehungen darbietet oder die Fragestellung lediglich vorverlagert. Dies wird in § 4 der Arbeit behandelt. Sind aber schon die Leistungsbeziehungen nur problematisch zu identifizieren, so ist auch die Marktabgrenzung mittels quantitativer Verfahren erschwert. Diese Verfahren gehen von klar quantifizierbaren Leistungsbeziehungen aus, welche um Faktoren erhöht werden können. Zu fragen ist also, wie das Bündel an Wettbewerbern zu bestimmen ist, das in der Lage wäre, wettbewerblichen Druck in sachlicher und räumlicher Hinsicht auf das in Frage stehende Unternehmen auszuüben. Dies wird in § 5 der Bearbeitung ermittelt.
tatsächliche Vornahme des Multi-Homings überprüft werden. Kirchhoff, in: FS Tolksdorf 2014 S. 527, die Ökonomie unterliegt stärker als andere Wissenschaften Denkmoden, was in einem Spannungsverhältnis zur Rechtssicherheit stehen kann.
§ 3 Charakteristika von datenbasierten Märkten
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II. Die Bestimmung von Marktmacht auf datenbasierten Märkten und die Rolle von Daten Fraglich ist, wie Marktmacht bestimmt werden kann, wenn der – gerade nach dem more economic approach305 – verwendete Faktor der Preiserhöhungsfreiheit nicht auf allen Marktseiten greift. Funktionieren also die bisherigen Kategorien, um Wettbewerbsgefahren zu erfassen, die von unentgeltlichen Leistungen ausgehen können? Der monetäre Preis als Parameter für Wettbewerbskonformität entfällt. Es ist zu diskutieren, inwiefern ein direkter Schutz der Marktgegenseite durch kartellrechtliche Ausbeutungskontrolle und der Schutz der auf dieser Marktseite agierenden Wettbewerber möglich sind. Marktmacht muss auch in diesem Kontext korrekt bestimmt werden können. Damit ist auch zu fragen, welche Rolle Marktanteile bei der Bestimmung von Marktmacht in datenbasierten Märkten noch spielen und wie diese aufgrund der Ubiquität der Leistungen und der Unentgeltlichkeit noch mit den klassischen Methoden berechnet werden können. Zusätzlich ist zu eruieren, auf welchen Parameter bei der Ermittlung der Marktanteile abgestellt werden könnte. Neben der problematischen Beurteilung der Marktanteile ist weiterhin zu fragen, ob das Besitzen großer Datenpools eine Rolle bei der Bestimmung der Marktmacht spielt. Konzentrationstendenzen können unter Umständen zu besonderer „Datenmacht“ beitragen – dies sollte der Grund für eine erhöhte Aufmerksamkeit in der Fusionskontrolle sein. Doch nicht nur dort, sondern generell ist eine Berücksichtigung der besonderen Faktoren datenbasierter Märkte in der Marktmachtbestimmung vorzunehmen. Vor diesem Hintergrund ist ein genaues Augenmerk auf die mit der 9. GWB-Novelle eingeführten neuen Marktbeherrschungsindizien des § 18 Abs. 3a GWB zu richten. Dies geschieht in § 6. Die erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs durch externes Größen- und Datenwachstum ist im Rahmen der Fusionskontrolle zu berücksichtigen. Gerade die Datenvorteile als Schadenstheorie in Abwägung mit möglichen Wohlfahrtsaspekten ihrer Nutzung bedürfen eines dezidierten Prüfungsschemas. Ebenso ist zu fragen, ob eine Fusion aufgrund der Datenbankkombination untersagt werden darf oder ob Bedingungen und Auflagen durch die Wettbewerbsbehörden in Bezug auf Datenbanken gestellt werden dürfen. Dies wird in § 7 dieser Arbeit diskutiert.
III. Die wettbewerbsrechtlichen Auswirkungen des Datenrechts Eine Zähmung des Marktgebarens großer digitaler Marktbeherrscher versprechen sich Teile des Schrifttums zudem von einer verschärften Anwendung des Datenschutzrechts.306 Weniger beachtet sind immaterialgüterrechtliche Ausnahmen und Schranken der Ausschließlichkeit. Flankierend wird in der Literatur daher auch nach 305 306
GD Wettbewerb, Diskussionspapier, Rn. 24. Drexl, NZKart 2017, 339 (343); Jaeger, WuW 2015, 702 (714).
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Kap. 1: Grundlagen datenbasierter Märkte
Lösungen außerhalb des Kartellrechts gesucht,307 die zu einer besseren Beherrschbarkeit des Verhaltens digitaler Marktbeherrscher führen sollen.308 Fraglich ist also, ob Datenschutzbestimmungen und immaterialgüterrechtliche Schranken Art und Umfang des Zugriffs der digitalen Marktbeherrscher auf jene Daten, die ihren Geschäftsmodellen zugrunde liegen, einschränken würden und ob diese damit erzeugte Exklusivität der Datennutzung, abhängig von der Art des Schutzes und der Daten, geeignet ist, Schadenstheorien im Zusammenhang mit Daten zu entkräften oder das Kartellrecht vor neue Probleme stellt. Anhand der in der Arbeit diesbezüglich festgestellten Auswirkungen wird in § 8 ein Ausblick auf die datenschutzrechtliche Entwicklung geworfen.
C. Ergebnis Werden Daten als asset erwirtschaftet, müssen sie nachfolgend monetisiert werden. Das werden sie häufig durch die dargestellten Systeme in denen besondere Spezifika herrschen. Wenn man diese Besonderheiten der zweiseitigen Märkte und die notwendige Monetisierung der gewonnenen Daten unter dem Aspekt der besonderen Charakteristika der datenbasierten Märkte in Zeiten des Internets betrachtet, ergeben sich Abweichungen zum System der Austauschmärkte in der Realwirtschaft. Dies betrifft zum einen die Parameter unter welchen die Unternehmen ihre Ziele verwirklichen als auch die Mittel mit denen der Wettbewerb beschrieben werden kann. In späteren Kapiteln wird darauf einzugehen sein, ob aus diesen Abweichungen eine andere wettbewerbsrechtliche Einschätzung resultieren muss.
307 308
Wiebe, GRUR 2017, 338; Zech, CR 2015, 137; Zech, Information als Schutzgegenstand. So Jaeger, WuW 2015, 702 (714).
Kapitel 2
Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten § 4 Das Vorliegen eines Marktes trotz unentgeltlich erbrachter Leistung In der kartellrechtlichen Praxis und Literatur wird die Marktabgrenzung als Startpunkt der Bestimmung des relevanten Marktes gesehen. Ein Markt ist auf analogen Märkten überwiegend zweifelsfrei gegeben. Die Frage ist lediglich, welcher Ausschnitt des Gesamtmarktes betrachtet werden muss, um ein genügendes Abbild der Markbeherrschungsrealität zu zeichnen. Auf mehrseitigen Märkten ist die Frage häufig nicht derart schnell zu beantworten, wenn die eine Marktseite hierbei ohne ersichtliches Entgelt bedient wird, was aufgrund der zuvor erläuterten Monetisierungsmöglichkeiten rentabel ist. Sind unentgeltliche Leistungen also Teil eines Marktes oder bilden sie einen eigenen sachlichen Markt aus? Nach klassischer kartellrechtlicher Lehre ist der Markt ein Ort, an dem sich Angebot und Nachfrage zu einem Preis treffen1 oder der räumliche und ggf. zeitlich begrenzte Bereich, in dem Unternehmen sachlich austauschbare Leistungen als Wettbewerber anbieten und nachfragen.2 Mit der rapide steigenden wirtschaftlichen Relevanz datenbasierter Märkte ist dieses Selbstverständnis nachhaltig ins Wanken geraten. Vielmehr wird deutlich, dass der Marktabgrenzung die Prüfung vorgelagert sein kann (und muss), ob unternehmerisch gehandelt wird, ob ein Markt vorliegt. Die Definition und Abgrenzung eines Marktes ist komplex, da ein dynamischer ökonomischer Vorgang – nämlich der realistisch-ökonomische Markt – unter ein normatives Tatbestandsmerkmal subsumiert werden muss. Dies führt zwingend zu einer Vielzahl von Wertungen. Fraglich ist also, ob sich auch bezüglich unentgeltlicher Leistungsbeziehungen realistisch-ökonomische Marktvorgänge beobachten lassen, ob diese den wirtschaftswissenschaftlichen Zielvorgaben des Marktes entsprechen und schließlich, ob diese Bereiche auch der kartellrechtlichen Kontrolle unterworfen werden sollten. In Ermangelung eines monetären Preises stellt sich die Frage, ob Daten oder Aufmerksamkeit als Äquivalent für einen Kaufpreis in Geld gesehen werden können und so eine Fortsetzung bisheriger kartellrechtlicher Praxis möglich ist oder es einer gänzlichen Loslösung des Begriffes vom wirtschaftswissenschaftlichen Tauschelement bedarf. 1 2
Podszun/Franz, NZKart 2015, 121 (121). Kling/Thomas, Kartellrecht, § 6 Rn. 115.
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
A. Kriterien für das Vorliegen eines Marktes I. Der Markt aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht 1. Die Funktion des Marktes Abgesehen von der oben genannten Definition hat sich die kartellrechtliche Praxis nicht eingehender mit der Marktdefinition auseinandergesetzt. Auch wenn der normative Rechtsbegriff „Markt“ sich von dem ökonomischen Begriff unterscheidet, sollte betrachtet werden, welche Zielfunktionen der Markt nach ökonomischen Verständnis hat, wie diese erfasst werden können, welche Rolle der Markt im Rahmen der kartellrechtlichen Kontrolle erfüllt und wie sich die ökonomischen und kartellrechtlichen Notwendigkeiten in den „normativen Zweckbegriff“3 übertragen lassen. Der Markt ist der Ort, auf dem der Wettbewerb seine Zielfunktionen erfüllt: die Markträumung (Handel zum Marktpreis und der Ausschluss von Nachfragern unter Marktpreis), die Allokation von Gütern und Produktionsfaktoren, die Effizienzverbesserung und die Innovationsförderung und schließlich die Rentenbildung in Form von Konsumentenrente und Produzentenrente. 2. Kriterien für das Vorliegen eines Marktes Um die zuvor erläuterten Marktfunktionen korrekt zu erfassen, stützt sich die Definition des Marktes auf mehrere Parameter. Diese Parameter ermöglichen, die Vorgänge auf dem Markt zu quantifizieren und anschließend einzuordnen. Gabler definiert einen Markt in funktioneller Hinsicht als das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage, durch das sich im Falle eines Austausches Preise bilden. Mindestvoraussetzung für das Entstehen eines Marktes ist eine potenzielle Tauschbeziehung, d. h. abgesehen vom Tauschmittel (i. d. R. Geld) mindestens ein Tauschobjekt (knappes Gut) und mindestens ein Anbieter und ein Nachfrager.4 a) Kriterium: Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage Das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage führt zu Transaktionen. Das Angebot ist die Menge an Gütern im weiteren Sinne, die zum Verkauf oder Tausch
3
Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 65. Springer Gabler Verlag (Herausgeber), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Markt, online im Internet: wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/4487/markt-v14.html (zuletzt abgerufen am 30. 10. 2020). 4
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angeboten wird. Durch den Austausch von Angebot und Nachfrage entsteht dann der Preis,5 der als wichtigste Determinante des Angebots gesehen wird.6 b) Kriterium: Preis Der Marktpreis stellt damit einen zentralen Indikator für Anbieter und Nachfrager dar. Der Preis ist der üblicherweise in Geldeinheiten realisierte Wert eines Gutes oder einer Dienstleistung.7 Nach den theoretischen Überlegungen von Hayeks8 kann ein Marktteilnehmer ein Angebot unter Zuhilfenahme des Marktpreises verlässlich bewerten, ohne dieses selbst auf seinen Wert überprüft zu haben. Denn auf einem funktionierenden Markt kann er davon ausgehen, dass in den Marktpreis die Kenntnisse aller Anbieter und Nachfrager über diese Art von Angeboten eingearbeitet sind und der Marktpreis so ein „gerechter Preis“ ist. Die Preisfunktion ist also vorrangig die Ausgleichsfunktion, der Markt wird also im Marktgleichgewicht „geräumt“. Aus dieser Räumung im Marktgleichgewicht folgt die Selektion, also der Ausschluss der Anbieter, die zu zu hohen Kosten produzieren bzw. der Nachfrager die den Marktpreis nicht bezahlen können oder wollen. Weiterhin hat der Preis eine Lenkungs- bzw. Allokationsfunktion inne. Der Preis bestimmt in welcher Menge produziert wird. Geldpreise sind am Markt nicht erworbene Einheiten anderer Güter, weshalb das Verhältnis der Preise zweier Güter in Geld wiederum den relativen Preis zwischen den Gütern angibt, also die Opportunitätskosten beim Tausch der beiden Güter.9 Liegt kein universales Tauschmittel wie Geld vor, sondern ein aktuelles Tauschverhältnis, dann offenbaren die Preise die Opportunitätskosten in nicht produzierten Einheiten anderer Güter.10 c) Ergebnis In den Wirtschaftswissenschaften wird also dann ein Markt angenommen, wenn die Voraussetzungen des Aufeinandertreffens von Angebot und Annahme erfüllt sind. Das Herausbilden des Preises ist hierbei eine logische Konsequenz, die im Zusammenspiel des Marktes gewisse Funktionen erfüllt, sodass das Wirken des Wettbewerbs auf dem betreffenden Markt an dem Parameter „Preis“ abgelesen und 5 Springer Gabler Verlag (Herausgeber), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Markt, online: wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/4487/markt-v12.html (zuletzt abgerufen am 30. 10. 2020). 6 Springer Gabler Verlag (Herausgeber), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Angebot, online: wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/54631/angebot-v6.html (zuletzt abgerufen am 30. 10. 2020). 7 Springer Gabler Verlag (Herausgeber), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Preis, online: wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/preis-46701 (zuletzt abgerufen am 30. 10. 2020). 8 Dies und das nachfolgende Hayek, The American Economic Review 1945, 35(4), 519 (525). 9 Nicklisch/Towfigh, in: Towfigh/Petersen, Ökonomische Methoden im Recht, S. 45. 10 Im Falle von Daten sind dies die Opportunitätskosten „Datenschutz“.
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
somit auch kontrolliert werden kann. Sollten bei unentgeltlichen Leistungen Preisfunktionen gegeben sein, ist zumindest aus ökonomischer Sicht auch eine Gleichbehandlung mit analogen Märkten möglich, da dann ebenfalls Angebot und Nachfrage unter einer Preisbildung aufeinandertreffen.
II. Der Markt aus kartellrechtlicher Sicht Der wohlfahrtstheoretische Begründungsansatz des Kartellrechts knüpft an preistheoretische bzw. industrieökonomische Erkenntnisse an.11 Der Markt ist auch hiernach ein Ort an dem Waren oder vielmehr Informationen ausgetauscht werden.12 Ökonomische Begriffsvorstellungen lassen sich aber nicht unreflektiert auf das Kartellrecht übertragen. Dieser Umstand gestaltet es schwierig, ökonomische Kriterien bei der praktischen Anwendung des Kartellrechts plausibel zu verorten. Bildhaft gesprochen kann es im Kartellrecht nur um die Erhaltung eines level playing fields für antagonistisches Konkurrenzverhalten – ein dynamisches Wettbewerbsgeschehen – gehen und darum die Freiheit der Wettbewerber im Konkurrenzkampf durch kompetente Wettbewerbsbehörden zu sichern.13 Dafür ist aber zu entscheiden, ob der Schutz des Wettbewerbs überhaupt möglich und nötig ist. Beachtenswert ist, dass im Gegensatz zur deskriptiven Tätigkeit der Wirtschaftswissenschaft mit der Darstellung der möglichen und beobachtbaren Funktionen des Marktes bei der kartellrechtlichen Definition ein wettbewerbspolitischer und normativer Appell enthalten ist. Ziel des Kartellrechts ist es, den Wettbewerb zu ermöglichen und die Wettbewerbskräfte als beste Möglichkeit zur Erlangung der Gesamtwohlfahrt ungestört walten zu lassen. Der Markt sollte damit der Ort sein, an dem die Wettbewerbskräfte bestehen und durch das Wettbewerbsrecht geschützt bestehen bleiben. Er ist Tatbestandsmerkmal der §§ 18, 19 Abs. 1, 20 Abs. 1, 20 Abs. 3 GWB; auch in Art. 102 AEUV bezieht sich die beherrschende Stellung auf einen Markt.14 In § 36 Abs. 1 GWB knüpft das Regelbeispiel an die marktbeherrschende Stellung an und auch in Art. 2 Abs. 2 und Abs. 3 FKVO muss die beherrschende Stellung auf einem Markt bestehen.15 Eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs i.S.v. § 36 Abs. 1 S. 1 GWB und Art. 2 Abs. 2 und Abs. 3 FKVO bezieht sich ebenfalls auf Märkte. Im Rahmen des § 1 GWB ist für die Bejahung des Spürbarkeitsmerkmals und für eine mögliche Freistellung im Rahmen der GVOSchwellen ein Marktanteil zu berechnen.
11 12 13 14 15
Glöckner, Kartellrecht, S. 44. Nicklisch/Towfigh, in: Towfigh/Petersen, Ökonomische Methoden im Recht, S. 44 f. Kling/Thomas, Kartellrecht, § 2 Rn. 30. Bulst, in: Langen/Bunte, Art. 102 AEUV Rn. 32 f. Bulst, in: Langen/Bunte, Art. 102 AEUV Rn. 32 f.
§ 4 Vorliegen eines Marktes trotz unentgeltlich erbrachter Leistung
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Der „normative Zweckbegriff“ des Marktes dient also der Bestimmung von Marktanteilen und Marktmacht16 in den Bereichen der Feststellung von Schwellenwerten für die Zusammenschlusskontrolle und der Quantifizierung von Marktbeherrschung im Rahmen der Missbrauchs- und Zusammenschlussprüfung. Im Kartellrecht wird der Markt damit vorrangig mit dem Ziel bestimmt, zu eruieren, wer ihn beherrscht und dadurch der freien Marktdynamik entgegenstehen könnte. Dem Preis kommt dabei hohe Bedeutung zu; zum einen im Kartellverbot, andererseits auch in den Regelbeispielen des § 19 Abs. 2 GWB.17 Die in § 19 Abs. 2 Nr. 2, 3 GWB normierten Missbräuche lassen jedoch auch erkennen, dass der Preis sowohl in einem Entgelt, aber auch in anderen Konditionen oder Geschäftsbedingungen bestehen kann. Aber auch die Wohlfahrtsverbesserung außerhalb der Preisbildung– hier gerade die Innovation – muss durch das Kartellrecht geschützt werden. Dieser Relevanz des Preises für die Bestimmung des Marktes als Quantifizierung der Austauschsituation muss auch der normative Marktbegriff Rechnung tragen. Ob dies neben analogen Märkten auch auf digitalen und unentgeltlichen Märkten geschehen kann, ist hingegen fraglich. Beachtet man die Auswirkungen des Preises, ist erkennbar, dass der Preis die vom Kartellrecht zu schützenden Parameter beeinflusst oder darstellt. Fraglich ist, ob auf Elemente dieser wirtschaftswissenschaftlichen Definition – etwa „Preis“ und „Austausch“ – im Rahmen des normativen Begriffs verzichtet werden kann.
B. Behandlung unentgeltlich erbrachter Leistung Um zu erläutern, ob und unter welchen Umständen die Unentgeltlichkeit einer Konstellation der Einordnung als Markt nicht entgegensteht, muss zunächst das Situationsgefüge auf datenbasierten Märkten eingeordnet werden.
I. Unentgeltliche Leistung Die Unentgeltlichkeit kann in dreierlei Weise Bedeutung in der kartellrechtlichen Prüfung haben: Zunächst kann das betreffende Unternehmen selbst Nachfrager haben, denen es unentgeltlich Leistungen anbietet.18 Fraglich ist dann, ob die Sichtweise der unentgeltlichen Nachfrager, also ihre Wechselbereitschaft, in die 16
So Motta, Competition Policy, S. 102; Podszun/Franz, NZKart 2015, 121 (125). Nr. 2 „Ausbeutungsmissbrauch Entgelte und Geschäftsbedingungen“, Nr. 3 „Entgelte (Preis- und Konditionenspaltung)“. 18 So z. B. HRS als Anbieter von Übernachtungsvermittlungen OLG Düsseldorf 9. 1. 2015, VI Kart 1/14, NZKart 2015, 148 „HRS“. 17
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
Bestimmung der Macht gegenüber der entgeltlichen Seite einzubeziehen ist. Weiterhin kann sich die Frage stellen, ob diesen Nachfragern, denen das Unternehmen unentgeltlich anbietet, gegenüber Macht missbraucht werden kann. Dieser Missbrauch kann entweder durch Macht auf dem Markt der unentgeltlichen Leistung ermöglicht werden oder aber durch Macht auf dem entgeltlichen Markt. Es können aber auch Dritte Produkte unentgeltlich anbieten, die mit den Produkten des betreffenden entgeltlich anbietenden Unternehmens verwandt sind.19 Zu klären ist auch dann, ob man die Wechselbereitschaft der Nachfrager des unentgeltlich anbietenden Unternehmens würdigt.20 Diese Würdigung findet direkter statt, wenn man den relevanten Markt so abgrenzt, dass auch die Anbieter der unentgeltlichen Leistung als Substitut zur entgeltlichen gesehen werden. Dafür muss die unentgeltliche Leistung aber Marktqualität haben. Als unentgeltlich bezeichnet werden zunächst einmal solche Leistungen, für die der Leistungsempfänger keine finanzielle Gegenleistung entrichtet.21 Diese Definition widerspricht jedoch der allgemein-zivilrechtlichen: Denn unentgeltlich ist eine Leistung i.S.d. § 516 BGB, wenn sie unabhängig von einer Gegenleistung (auch von oder an einen Dritten) geschieht.22 Diese Unabhängigkeit ist dem Inhalt des Rechtsgeschäfts zu entnehmen, wobei Unentgeltlichkeit nicht „kostenlos“ bedeutet.23 Kostenlos bedeutet in diesem Kontext, dass dem Gegenüber keinerlei Kosten durch den Erhalt der Leistung entstehen.24 Entgeltlich ist die Zuwendung, wenn sie um der Gegenleistung Willen erbracht wird (also eine synallagmatische Verknüpfung i.S.d. § 320 vorliegt), ferner, wenn die Zuwendung unter der Bedingung einer Gegenleistung oder als Zweck derselben erfolgt.25 Eine Schenkung liegt ebenfalls nicht vor, wenn der Leistende, wenn auch ohne rechtlichen Anspruch, von vornherein erkennbar eine Vergütung fordert, die ihm später tatsächlich gewährt wird.26 Wird in der bisherigen Diskussion27 über eine „unentgeltliche“ Leistung gesprochen, wird hiermit meist die Leistung bezeichnet, die nach tradiertem, kartell19
Z. B. im Fall Bertelsmann/Brockhaus, das Online-Lexikon Wikipedia. Mit nur zwei Anwendungsfeldern Pohlmann/Wismann, NZKart 2016, 555 (558). 21 So auch Podszun/Franz, NZKart 2015, 121 (121). 22 BGH 11. 11. 1981, IV a ZR 182/80, NJW 1982, 436; BGH 28. 5. 2009, Xa ZR 9/08, NJW 2009, 2737. 23 Palandt/Weidenkaff, § 516 Rn. 8. 24 Die nicht mit Kostenlosigkeit gleichzusetzende Unentgeltlichkeit liegt z. B. vor, wenn der Beschenkte mit dem Erwerb verbundene Anwalts- und Beurkundungsgebühren oder Reisekosten zu tragen hat, RGZ 163, 148 (153); 163, 348 (355); Gehrlein, in: BeckOK BGB, § 516 BGB Rn. 7. 25 BGH 11. 11. 1981, IV a ZR 182/80, NJW 1982, 436; BGH 17. 6. 1992, XII ZR 145/91, NJW 1992, 2566 (2567); OLG Hamm 11. 12. 1992, 29 U 214/91, NJW-RR 1993, 1412; BGH 28. 5. 2009, Xa ZR 9/08, NJW 2009, 2737. 26 Gehrlein, in: BeckOK BGB § 516 BGB Rn. 7; BGH 17. 6. 1992, XII ZR 145/91, NJW 1992, 2566 (2567); BGH 5. 7. 2005, VII ZB 16/05, NJW-RR 2005, 1716 Rn. 14. 27 Bardong, in: Langen/Bunte, § 18 GWB Rn. 57; Podszun, in: Kersting/Podszun, Kap. 1 Rn. 1 ff.; Franz/Podszun, NZKart 2015, 121. 20
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rechtlichem Verständnis sichtbar vorliegt.28 Mithin ist in der Diskussion eine sprachliche Ungenauigkeit auszumachen, die das Fehlen einer finanziellen Gegenleistung als unentgeltlich bezeichnet, damit aber keine völlige Freiheit der Leistung von einer erwarteten Gegenleistung meint. Aus diesem Grund muss genau differenziert werden, ob mit der Unentgeltlichkeit das Fehlen eines finanziellen Tauschmittels gemeint ist, das Fehlen eines Gegenseitigkeitsverhältnisses oder sogar das Fehlen jeglicher Bindung (also auch einer Bedingung), was erst die objektive Unentgeltlichkeit i.S.d. § 516 BGB beschreiben würde.
II. Behandlung unentgeltlicher Leistung in der nationalen Fallpraxis Zunächst ist fraglich, wie die nationale Fallpraxis unentgeltliche Leistungsbeziehungen beurteilt. 1. Zweiseitige Märkte und spiegelbildliche Finanzierung In einigen, vor allem älteren, Fällen gingen Behörden und Gerichte davon aus, dass bei der Unentgeltlichkeit des Leistungsaustausches kein Markt vorliegt. Im Jahr 1996 entschied der BGH, dass „eine unentgeltliche Abgabe von Waren oder Leistungen im geschäftlichen Verkehr die Ausnahme ist, ihre Erbringung daher in der Regel nicht erwartet werden kann.“29 Aus dieser Formulierung wird ersichtlich, dass der BGH die unentgeltliche Abgabe von Waren im Jahre 1996 als nicht wirtschaftlich und deshalb als Ausnahmesituation einordnete. Klassische Beispiele sind Medienmärkte. Diese finanzieren sich häufig durch die zahlende Werberseite. Aus diesem Grund nimmt das BKartA und wohl auch die Rechtsprechung einen Fernsehzuschauermarkt nur bei Pay-TVAngeboten an.30 Im frei empfangbaren Fernsehen fehle es mangels Entgelts an einer für den Leistungsaustausch im Marktprozess wesentlichen Voraussetzung.31 Dennoch müsse die Anzahl der Zuschauer aufgrund ihres wesentlichen Einflusses auf den Fernsehwerbemarkt berücksichtigt werden, denn sie hätten Auswirkungen auf die Anteile am Fernsehwerbemarkt.32 Bei den klassischen Leser- und Anzeigenmärkten wurden dem Anzeigenmarkt Titel zugerechnet, die – 28
Also bspw. die Such-Dienstleistung von Google, die Kommunikationsdienstleistung von WhatsApp und für die auf analogen Märkten klassischerweise bezahlt würde. 29 BGH 19. 3. 1996, KZR 1/95, GRUR 1996, 808 (811) „Pay-TV Durchleitung“. 30 BKartA 11. 04. 2006, B6-142/05, Beck RS 2006,17163 = WuW 2006, 814; BKartA 13. 08. 2007, B 7-61/07, BeckRS 2007, 31956 = WuW 2007, 1143; zur Position der Monopolkommission einerseits Hauptgutachten VI., Rn. 584, andererseits Hauptgutachten XI., Rn. 240 und 936. Allerdings kritisch und den Gesamtzuschauermarkt aus anderen Gründen verneinend OLG Düsseldorf 18. 10. 2006, Kart 2/05, Beck RS 2006,14195 = WuW 2007, 65. 31 BKartA 19. 01. 2006, B6-103/05, Beck RS 2009,27546 „Springer/ProsiebenSat1“. 32 BKartA 19. 01. 2006, B6-103/05, Beck RS 2009,27546 „Springer/ProsiebenSat1“.
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wie die sog. Anzeigenblätter – kostenlos an die Leser abgegeben werden33 und deshalb keinem Lesermarkt zugerechnet wurden.34 Dies wird häufig auch damit begründet, dass aufgrund einer direkten Beziehung zwischen den Marktseiten eine gesonderte Betrachtung der Zuschauermärkte unnötig sei.35 Gleiches gilt für die Entscheidung des BKartA in einem telekommunikationsrechtlichen Fall, bei welchem zu entscheiden war, ob die unentgeltliche Übertragung von Fernsehsignalen via Satellit an Endkunden im Wettbewerb zur leitungsgebundenen Signalvermittlung steht und damit im Rahmen des Fusionskontrollverfahrens berücksichtigt werden müsste. Das Amt erkannte, dass der Satellitenbetreiber und der Kabelnetzbetreiber hierbei in einem Wettbewerbsverhältnis stünden. Apodiktisch stellte das BKartA jedoch fest, „[e]ine unentgeltliche Leistung kann […] nicht als Marktleistung angesehen werden, da letztere begrifflich eine entgeltliche Austauschbeziehung voraussetzt.“36 Dies bestätigte das OLG Düsseldorf mit der Begründung, dass bei zweiseitigen Märkten nur die entgeltliche Seite Teil des kartellrechtlich relevanten Marktes sei.37 Jüngstes Beispiel dieser Rechtsprechung ist der Beschluss HRS des OLG Düsseldorf. Die Parteien vertraten die Auffassung, für die Marktabgrenzung sei auf die Sicht der Endkunden abzustellen. Das OLG verneinte dies und befand, dass „[d]as Such- und Buchungsverhalten der Hotelkunden […] nur insoweit von Bedeutung [ist], als die funktionelle Austauschbarkeit der Vermittlungsdienstleistungen […] durch den sog. Netzwerkeffekt beeinflusst ist.“38 Eine unternehmerische Tätigkeit sei dann einem Markt zuzuordnen, wenn sie entgeltlich erfolge. Bei zweiseitigen Märkten sei nur die entgeltliche Seite Teil des juristischen, sachlich relevanten Marktes. Die Netzwerkeffekte der unentgeltlichen Seite müssten dementsprechend auf der entgeltlichen Seite berücksichtigt werden.39 Damit hatte das OLG Düsseldorf erkannt, dass es sich zwar um eine unternehmerische Tätigkeit handelt, dennoch auf die Entgeltlichkeit als marktkonstitutiven Faktor abgestellt.
33 Im Fall der kostenlos vertriebenen Tageszeitungen haben die Verleger von vornherein nicht die Absicht, das Produkt jemals entgeltlich abzugeben, die Gratisverteilung ist aber Teil des ständigen Vertriebskonzepts der Verleger. 34 Vgl. BGH 10. 11. 1987 WuW/E BGH 2443, 2449 „Singener Wochenblatt“; KG 15. 1. 1988 WuW/E OLG 4095, 4103 „W+I Verlag/Weiss-Druck“; s. auch BKartA 19. 1. 2006 WuW/ E DE-V 1163, 1175 „Springer/ProSiebenSat1“; BKartA 26. 1. 2006 WuW/E DE-V 1191 f. „SZ/ Lokalzeitung“. 35 So vor der 9. GWB-Novelle Wiedemann, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 23 Rn. 10 (3. Aufl.). 36 BKartA 3. 4. 2008 – B7-200/07, BeckRS 2009, 08244 „Kabel Deutschland/Orion“. 37 OLG Düsseldorf 14. 8. 2013, VI Kart 1/12 (V), NZKart 2013, 465; ähnlich schon BKartA 19. 1. 2006 – B6-103/05, S. 23 „Springer/Pro7“. 38 OLG Düsseldorf 9. 1. 2015, VI Kart 1/14, WuW 2016, 394 (398). 39 OLG Düsseldorf 9. 1. 2015, VI Kart 1/14, WuW 2016, 394 (398).
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Berücksichtigt wurden unentgeltliche Leistungen im Rahmen des Parship/Elitepartner Zusammenschlusses.40 Gegen den Wettbewerb durch andere Portale sprach auch nicht die Unentgeltlichkeit der Vermittlung für eine Nutzergruppe, die einige der Geschäftsmodelle für Online-Dating vorsehen. Dies ist der Fall, wenn nur die Männer für die Vermittlungsleistung bezahlen müssen, die Frauen dagegen nicht. Dieser Umstand führte aus Sicht des BKartA weder dazu, dass die Nutzergruppen (Frauen und Männer) zu trennen sind, noch dazu, dass die unentgeltliche Vermittlungsleistung keine Marktqualität habe und bei der Marktabgrenzung außer Betracht bleiben müsse. Das Amt erkannte die differenzierende Bepreisungsstrategie der Plattform auf dem – ansonsten durch entgeltliche Leistungen gekennzeichneten – Markt, die der Internalisierung der indirekten Netzwerkeffekte dient.41 Aufgrund der einheitlichen Betrachtung der Marktgegenseite zahle also mindestens die Hälfte der Nutzer ein Entgelt für die konkrete Leistung des Zugangs zur Plattform. Im Rahmen der Fusionskontrollentscheidung Krankenhaus Bad Neustadt erkannte der BGH, dass die verpflichtende Zahlung der Krankenkassen, die reflektorisch zu § 108 SGB V an die Krankenhäuser erfolgt, dennoch ein Entgelt für die Inanspruchnahme der Behandlungsleistung durch den Patienten sei.42 Der BGH führte aus, dass ein relevanter Markt für gewerbliche Leistung nicht voraussetze, dass es die Leistungsempfänger sind, die das Entgelt für die Leistung zahlen. Es reiche aus, wenn sie eine autonome Auswahlentscheidung unter mehreren konkurrierenden Leistungserbringern treffen, die wettbewerbliche Handlungsspielräume haben.43 Denn solange die Nachfragedisponenten Auswahlmöglichkeiten haben, lägen die typischen Markenwettbewerbsmechanismen vor. Gleichzeitig sei die Finanzierung aber durch ein Umlagesystem gesichert. Jüngst untersagte das BKartA Facebook die Verwendung seiner Datennutzungskonditionen. Facebook bietet seinen überwiegend privaten Nutzern die Erfahrung eines digitalen Raumes zur Selbstdarstellung und Vernetzung mit Freunden. Die Nutzung dieser Dienste wurde von der Einwillung in die weitreichende Verarbeitung und Verknüpfung von Eigen- und Drittdaten abhängig gemacht oder Daten der konzerneigenen Dienste gar ohne Einwilligung verknüpft. Eine Finanzierung des Dienstes findet über den Verkauf zielgenauer Online-Werbeplätze statt.44 Das BKartA stellte fest, dass die unentgeltliche Nutzung durch private Nutzer der Zuordnung zu einem Markt nicht entgegen stehe, da eine Verknüpfung mit einer
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BKartA 22. 10. 2015 – B6-57/15, Rn. 24 „Parship/Elitepartner“. BKartA 22. 10. 2015 – B6-57/15, Rn. 24 „Parship/Elitepartner“. 42 BGH 16. 1. 2008, KVR 26/07, NJW-RR 2008, 1426 (1428) „Kreiskrankenhaus Bad Neustadt“. 43 BGH 16. 1. 2008, KVR 26/07, NJW-RR 2008, 1426 (1428) „Kreiskrankenhaus Bad Neustadt“. 44 BKartA 6. 2. 2019 – B6-22/16 „Facebook“ Rn. 14 ff. 41
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
zahlungspflichtigen Nutzerseite zu einem einheitlichen Erwerbszweck bestehe.45 Dies bestätigte der BGH.46 2. Einseitige Verhältnisse Im Rahmen der Entscheidung Reisestellenkarte47 störte der BGH sich nicht an der Unentgeltlichkeit der bislang nur dem Tochterunternehmen angebotenen Leistung, da die unentgeltliche Leistung ohne Schwierigkeiten in eine entgeltliche umgewandelt werden könnte.48 Diskutiert wurde zudem eine Zugangsverweigerung zu einer Leistung auf dem nachgelagerten Markt, sodass es sich um einen kartellrechtlich relevanten Markt handeln musste. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kündigten im Rahmen der Umstellung auf digitale Ausstrahlung ihre Einspeiseverträge gegenüber privaten Kabelnetzanbietern. In der Folge zahlten sie für die Einspeisung ihrer Fernsehprogramme kein Entgelt mehr, stellten ihre Rundfunksignale den privaten Kabelnetzbetreibern aber weiterhin kostenlos zur Verfügung.49 Entgegen der Ansicht der Instanzgerichte bejahte der BGH einen Markt.50 Der Annahme eines Marktgeschehens stehe es nicht entgegen, dass sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dazu entschlossen haben, den Einspeisevertrag nicht fortzuführen.51 Es ist davon auszugehen, dass gerade die ehemalige Entgeltlichkeit und der wirtschaftliche Leistungsaustausch sowie die Tatsache, dass Verweigerung einer fortgesetzten Zahlung einen möglichen Missbrauch der Nachfragemacht darstellen könnte, eine Nichtanwendung des Kartellrechts ad absurdum geführt hätte.52 In der Fusionsentscheidung Bertelsmann AG/F.A. Brockhaus53 hatte das BKartA über die Einbeziehung der unentgeltlichen54 Online-Lexika wie Wikipedia, Knol55, 45
BKartA 6. 2. 2019 – B6-22/16 „Facebook“ Rn. 238, 241. BGH 23. 6. 2020 – KVR 69/19 „Facebook“ Rn. 27 f. 47 BGH 3. 3. 2009, KZR 82/07, NJW-RR 2010, 392 „Reisestellenkarte“. 48 BGH 3. 3. 2009, KZR 82/07, NJW-RR 2010, 392 (396) „Reisestellenkarte“. 49 Siehe dazu Podszun, in: Frankfurter Kommentar, Sonderbereich Telekommunikationssektor, Rn. 228. Rechtsprechung vgl. etwa OLG Brandenburg 20. 3. 2002, 7 U 27/01, MMR 2002, 621; OLG Düsseldorf 21. 5. 2014, VI-U Kart 16/13, BeckRS 2014, 12742; OLG Düsseldorf 30. 4. 2014, VI-U Kart 15/13, BeckRS 2014, 11564; OLG Stuttgart 21. 11. 2013, 2 U 46/ 13, BeckRS 2013, 22052; so auch die französische Wettbewerbsbehörde: Autorité de la concurrence, 26. 1. 2010, 10-DCC-11 Rn. 33 „TF1 NT1 Monte-Carlo Participations“. 50 BGH 16. 06. 2015, KZR 3/14, ZUM-RD 2015, 569 Rn. 53; OLG München 28. 11. 2013, U 2094/13 Kart, MMR 2014, 201 (203); OLG Stuttgart 21. 11. 2013, 2 U 46/13, BeckRS 2013, 22052. 51 BGH 16. 06. 2015 – K ZR 83/13, MMR 2015,762 (764) „Einspeiseentgelte für öffentlichrechtliche Rundfunkprogramme“. 52 BGH 16. 06. 2015 – K ZR 83/13, MMR 2015,762 (765) „Einspeiseentgelte für öffentlichrechtliche Rundfunkprogramme“. 53 BKartA 29. 4. 2009 – B6-09/09 „Bertelsmann AG/F.A. Brockhaus“. 46
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Meyers56 und Wissen.de57 zu entscheiden. Das BKartA wies darauf hin, dass nach seiner ständigen Praxis Konstellationen, bei denen für ein Angebot keine Gegenleistung zu erbringen ist, nicht die Anforderungen eines Marktes erfüllen.58 Das Amt erkannte allerdings den Unterschied zu den Fällen von Fernsehen und Rundfunkmärkten darin, dass in Fällen des Pay-TV und Free-TV jeweils unterschiedliche Marktgegenseiten bezahlen würden. Die Anbieter von gedruckten Nachschlagewerken und von unentgeltlichen Online-Lexika würden jedoch um die gleichen Kunden konkurrieren.59 Letztlich ließ das Amt die Entscheidung aufgrund des Bagatellmarktes offen. 3. Mangelnde Nachfrage/Vorleistung Weiterhin existieren Fälle, in denen lediglich eine Vorleistung zum späteren Marktmodell getätigt wird. Das LG Berlin befasste sich vor dem Hintergrund des Leistungsschutzrechtes für Presseverlage gem. § 87 f ff. UrhG mit der Frage, ob die unentgeltliche Leistung des Anbietens von Snippets durch Google einen Markt darstellt.60 Das Gericht hat diese Frage bejaht und die Annahme eines Marktgeschehens mit dem besonderen Interesse der Webseitenbetreiber an der Wiedergabe ihrer Inhalte in den Suchergebnislisten von Suchmaschinen sowie den erheblichen wirtschaftlichen Vorteilen begründet, die eine Suchmaschine für alle Beteiligten erbringe.61
54 Für die Nutzung von Internet-Nachschlagewerken, auf die unentgeltlich zugegriffen werden kann, entstehen dem Nutzer auch Kosten, bspw. für Computer und Internetzugang. Als Bündelprodukte werden diese aber nicht nur für einen, sondern für viele unterschiedliche Verwendungszwecke angeschafft und bezahlt. So entstehen in der Wahrnehmung des Verbrauchers beim Zugriff auf unentgeltliche Internet-Portale keine Kosten. Schon gar nicht ist der Nutzer in der Lage, die Kosten für den Zugriff auf Internet-Nachschlagewerke getrennt anzugeben. Die Kosten für den Internetzugang können wie die Gebühren für den ÖffentlichRechtlichen Rundfunk als Gebühr für den Zugang zum Medium angesehen werden, dessen konkrete Nutzung dann unentgeltlich erfolgt. Darstellung bei Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, 4. Auflage, § 19 GWB Rn. 30. 55 Google. 56 Brockhaus. 57 Wissenmedia/Bertelsmann. 58 BKartA 29. 4. 2009 – B6 09/09 Rn. 63 „Bertelsmann AG/F.A. Brockhaus“. 59 BKartA 29. 4. 2009 – B6 09/09 Rn. 63 „Bertelsmann AG/F.A. Brockhaus“. 60 LG Berlin 19. 2. 2016, O 5/14 Kart, ZUM 2016, 879. 61 LG Berlin 19. 2. 2016, O 5/14 Kart, ZUM 2016, 879, (882); Anmerkung zum Urteil Kersting/Dworschak, ZUM 2016, 840; mit einer weiteren Einordnung der Thematik m.w.N Kersting/Dworschak, NZKart 2013, 46 (47 f.).
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
Das OLG Düsseldorf hingegen hielt die Veröffentlichung von kostenlosen Standardeinträgen in Telefonbücher ohne jeglichen Werbeeffekt nicht für eine Marktleistung, weil es keine Nachfrage nach solchen Standardleistungen gebe.62 Im Blutspendewesen wurde erkannt, dass sich die Marktstellung bei der Nachfrage nach den unentgeltlich erbrachten Blutspenden und die Marktstellung auf dem nachgelagerten entgeltlichen Markt für Blutkonserven unmittelbar entsprechen, da das Sammeln eine unabdingbare Voraussetzung für die Weiterveräußerung des Blutes seien.63 Hier bestand die Möglichkeit von einem Nachfragemarkt für Blut auszugehen. Das OLG Jena fasste die unentgeltliche Beschaffung von „Rohblut“ und den Vertrieb des entgeltlichen Endprodukts zu einem einheitlichen Markt zusammen.64 4. Zwischenergebnis Diese Rechtsprechungsübersicht zeigt ein sehr differenziertes Bild bei der Berücksichtigung kostenfreier Leistungen. Es handelt sich überwiegend um Fälle auf analogen Märkten. Demensprechend müssen die Argumentationsmuster der Rechtsprechung auf die Besonderheiten der datenbasierten Märkte übertragen werden. Hierbei fällt insbesondere ins Gewicht, dass es sich bei einem Großteil der datenbasierten Märkte um mehrseitige Märkte handelt. In vielen Entscheidungen wird erkannt, dass die unentgeltlichen Leistungen wettbewerbliche Auswirkungen haben. Dennoch wird größtenteils an der Verknüpfung der konkreten Leistung mit einem Entgelt festgehalten. Immer noch wird auf die Entgeltlichkeit als marktkonstitutiver Faktor abgestellt, mit der Begründung, dass bei zweiseitigen Märkten nur die entgeltliche Seite Teil des kartellrechtlich relevanten Marktes sei. Im Gegensatz zu frei empfangbaren Fernsehprogrammen bejahte der BGH auch im Rahmen der Fusionskontrollentscheidung Krankenhaus Bad Neustadt ein Marktgeschehen, da die jeweils konkrete Behandlungsleistung, wenn auch von einem Dritten, bezahlt würde. Im Gegensatz dazu zahlt die Werbewirtschaft für die Ausstrahlung des Werbespots, für das Fernsehprogramm selbst wird kein Entgelt verlangt. Entscheidungen, die sich nicht mit zweiseitigen Märkten befassten, hatten häufig die Unentgeltlichkeit der Leistung selbst zum Gegenstand, sodass eine Verneinung des Marktgeschehens zu einem Zirkelschluss geführt hätte. Lediglich die mögliche Berücksichtigung Wikipedias stellt hierbei eine echte Abweichung dar.
62 So OLG Düsseldorf 14. 9. 2016, VI-U (Kart) 3/16, NZKart 2016, 592 (594) „Das Örtliche“, a.A. Podszun, in: Kersting/Podszun, Kap. 1 Rn. 16. 63 OLG Jena 27. 9. 2006, 2 U 60/06, BeckRS 2006, 13794. 64 OLG Jena 27. 9. 2006, 2 U 60/06, BeckRS 2006, 13794.
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III. Diskussionstand in der Literatur Schon bevor der Gesetzgeber die Notwendigkeit der Klarstellung durch § 18 Abs. 2a GWB sah, wurde über die Frage, ob unentgeltliche Leistungen wettbewerbsrechtlich relevante Marktbeziehungen darstellen, diskutiert. Einige Stimmen lehnen einen Markt im datenbasierten Kontext auf der nichtmonetären Seite ab. So sollen Waren und gewerbliche Leistungen nur einem Markt zuzuordnen sein, wenn und soweit sie entgeltlich erfolgen.65 Wird eine Leistung auf der einen Marktseite entgeltlich, auf der anderen unentgeltlich erbracht, so sei sie nur mit der entgeltlichen Seite Teil des Marktes, die Effekte der unentgeltlichen Seite sollen bei der Bestimmung der entgeltlichen Seite berücksichtigt werden.66 Auch wird kritisiert, dass kein echtes Verhältnis bestehe, das Angebot und Nachfrage darstelle und die Marktannahme am gänzlichen Fehlen einer Gegenleistung scheitern müsse.67 Auf die Argumentation, dass die Nutzer stets Aufmerksamkeit oder Zeit investierten,68 erläutern Kersting/Dworschak, dass beide Seiten den Bereich der Unverbindlichkeit hierdurch nicht verließen; keine Seite verpflichte sich zu einer Leistung. Ein rein tatsächliches Verhältnis, in dem keiner der Beteiligten eine rechtliche Bindung eingehe als relevanten Markt zu betrachten und einer kartellrechtlichen Regulierung zu unterwerfen, erscheine nicht angemessen.69 Wiedemann wies vor der 9. GWB-Novelle darauf hin, dass eine Berücksichtigung der unentgeltlichen Seite auch nicht nötig sei, da keinerlei Schutzlücken entstünden, weil die betreffenden Unternehmen regelmäßig Erlöse auf Werbemärkten erzielten.70 Im Laufe der Diskussion und beinahe korrespondierend mit den steigenden Nutzerzahlen Googles mehrten sich die Stimmen, die der Seite der nicht-monetären Gegenleistung eine Marktqualität zukommen lassen wollen. Hierbei gibt es grundsätzlich drei Ansatzpunkte. Die beiden ersten verlangen eine Austauschbeziehung zwischen dem Anbieter der unentgeltlichen Leistung und der nicht-monetären Gegenleistung, der dritte Ansatz verzichtet gänzlich auf die Austauschbeziehung als konstitutives Merkmal. 65
Kühnen, in: Loewenheim et al., § 18 GWB Rn. 25. Kühnen, in: Loewenheim et al., § 18 GWB Rn. 25. 67 Schulz/Held/Laudien, Suchmaschinen als Gatekeeper, S. 58 ff. 68 Höppner, WRP 2012, 625 (626). 69 Kersting/Dworschak ifo Schnelldienst 16/2014, 7 f. Schulz/Held/Laudien differenzieren hierbei bezüglich der Vermittlung von Aufmerksamkeit durch Indexierung bzw. Ranking und Contentvermittlung. Sie verneinen einen Markt mangels Bindungswillens seitens Google gegenüber den gerankten Webseitenbetreibern. In Bezug auf mögliche Drittmärkte im Contentbereich halten sie einen Rezipientenmarkt aufgrund der Messbarkeit für vertretbarer als im Bereich des Free-TV, Schulz/Held/Laudien, Suchmaschinen als Gatekeeper, S. 58, 64. 70 Wiedemann, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 23 Rn. 10 (3. Aufl.), vertritt nach der 9. GWB-Novelle die gegenteilige Ansicht, § 23 Rn. 10. 66
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
Wird eine Austauschbeziehung als notwendig erachtet, wird diese gerade in der älteren Literatur in dem Austausch unentgeltlicher Leistung gegen Aufmerksamkeit oder Lebenszeit gesehen.71 Wegen des Fernsehprogramms als unentbehrlichem Medium für die Übermittlung der Werbebotschaft stelle bspw. die Rezeption des Programms durch den Zuschauer für den Fernsehveranstalter trotz der Nicht-Monetarität einen ökonomischen Wert dar.72 Die Rezeption des Fernsehprogramms durch die Zuschauer stelle für den Fernsehveranstalter ökonomisch im weitesten Sinne ein Gut dar, das er gleichsam als Vorprodukt für die Herstellung und das Angebot des Gutes Werbesendezeit benötige.73 Die Hingabe von Aufmerksamkeit sei eine „hedonistische“ Form des Preises.74 In der neueren Diskussion bezüglich der Sachverhalte auf datenbasierten Märkten wird die nicht-monetäre Gegenleistung in der Aufmerksamkeit für die kontextsensitive Werbung gesehen. Ein Teil der Suchmaschinen-Nutzer „investiere“ seine Aufmerksamkeit nach dem Betrachten der kontextsensitiven Werbung durch das Anklicken der Werbung. Dies führe (anders als bei der herkömmlichen Werbung im Free-TV) zu einer Vermögensverfügung zu Gunsten des Suchmaschinenanbieters, da dieser pro Klick einen festen Betrag erhalte (Pay-per-Click-Verfahren). Insoweit liege eine enge Überschneidung zwischen dem Suchmaschinen- und dem komplementären Online-Werbemarkt vor. Entscheidend sei, dass eine gesteigerte Aufmerksamkeit auch zu höheren Werbeeinnahmen führe.75
71 So sah die Monopolkommission in Bezug auf den Fernsehrezipientenmarkt im Jahre 1994/95 bereits die ökonomische Gegenleistung für den Programmempfang in der „Opferung“ der Zeit des Rezipienten für den Fernsehkonsum. Die Fernsehveranstalter konkurrierten um das „Zeitbudget“ der Rezipienten, Monopolkommission, Hauptgutachten XI, S. 69. 72 Schmidt, ZUM 1997, 472 (474, 477): Die Herstellung und Ausstrahlung des Programms diene einzig und allein dem Ziel des Veranstalters, möglichst viele Zuschauer zu veranlassen, sein Programm anzuschauen, um ihnen auch die Werbebotschaft übermitteln zu können. Der Preis der angebotenen Werbesendezeit und damit die Erlöse des Fernsehveranstalters hingen unmittelbar von der Zuschauerreichweite des Programms ab. 73 Die Eigenschaft des Gutes – im ökonomischen Wortsinn – hafte körperlichen Gegenständen und Dienstleistungen nicht von Natur aus an; sie würden erst Güter, wenn Menschen sie nachfragen, um damit Bedürfnisse zu befriedigen. Der Fernsehveranstalter habe einen Bedarf danach, dass möglichst viele Zuschauer sein Programm anschauen. Im Ergebnis vertritt Schmidt also, dass die Austauschbeziehung auch ohne ein allgemeines Tauschmittel, sondern vielmehr auch bei einem Naturaltausch (Gut gegen Gut) vorliegen kann. Er billigt hierbei auch dem wirtschaftlichen Vorteil den Charakter eines Gutes im weitesten ökonomischen Sinne zu. 74 Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387 (389). 75 Kühling/Gauß, MMR 2007, 751 (752). Höppner vertritt, dass die User mit ihrer Aufmerksamkeit und mit Informationen über sich und ihre Interessen zahlen, die sie durch die Benutzung der Suchmaschine preisgeben. Nach der in dieser Arbeit getroffenen Einordnung sind die von ihm bezeichneten Information auch Daten, sodass er ebenfalls in dem Zusammenspiel beider „Güter“ die nicht-monetäre Gegenleistung sieht; vgl. Höppner, WRP 2012, 625 (626).
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Stattdessen sollen die (werbe)relevanten Informationen, die einen eigenen wirtschaftlichen Wert aufweisen, die Gegenleistung darstellen.76 Im Unterschied zum Rundfunk – und anderen vergleichbaren Sektoren – bestehe z. B. bei Suchmaschinen damit eine unmittelbare Interaktion zwischen Betreibern und Nutzern.77 In den übermittelten Daten sieht auch Körber den entscheidenden Unterschied zu den Fällen, in denen Nutzer Print- oder TV-Werbung konsumieren und mangels unmittelbarer Interaktion nur die Aufmerksamkeit als nicht-monetäre Gegenleistung in Betracht käme.78 Die Werthaltigkeit der Suchanfrage und damit der Gegenleistung bestehe zwar auch darin, dass jede Anfrage helfe die Suchqualität und damit den Erfolg der Suchmaschine zu verbessern.79 Zudem bestimme der Kunde durch sein Verhalten über Erfolg und Wert der Werbung auf der Suchseite.80 Dieser Zusammenhang werde aber auf dem Gebiet des Privatfernsehens allgemein für unzureichend erachtet, da auch dort der Zuschauer über die Zuschauerquote den Preis der Werbeblöcke bestimme (sog. „Tausender-Kontakt-Preis“, kurz: TKP). Der dritte Ansatz verzichtet grundsätzlich auf die Idee der Austauschbeziehung und legt den Fokus vor allem auf das gewünschte Ergebnis.81 Dieser offene Marktbegriff soll das Kartellrecht von der Beschränkung auf ein Instrument zur Preissetzungskontrolle frei machen und sich folglich nicht mehr primär an Preiseffekten ausrichten.82 Ergebnisorientiert argumentiert hierbei die Monopolkommission, die eine stärkere Berücksichtigung der „unentgeltlichen“ Marktseite in der Kartellrechtsprüfung anregt und eine Klarstellung in der Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes verlangt.83 Die konkrete Preissetzung sei nur eine Entscheidung zur Internalisierung von Netzwerkeffekten.84
76
Ibid. Paal, AfP 2011, 521 (525). 78 Körber, WRP 2012, 761 (764). 79 Körber, WRP 2012, 761 (764). 80 So auch Kühling/Gauß, K&R 2007, 751, (752) unter Hinweis darauf, dass mit dem Klick auf eine Werbeanzeige Google unmittelbar Geld zufließt; a.A. Schulz/Held/Laudien, Suchmaschinen als Gatekeeper, S. 84. 81 Aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive argumentieren Dewenter/Rösch/Terschüren mit der Begründung, dass zumindest auf einer Marktseite ein Preis verlangt werde, der eine Finanzierung der zweiseitigen Plattform ermögliche, für die Qualifikation nicht monetärer Relationen als Markt. Dies mache deutlich, dass der relevante Markt immer über alle Marktseiten entsteht, Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387 (389). 82 Podszun/Franz, NZKart 2015, 121 (126 f.) sehen darüber hinaus in einigen Gerichtsentscheidungen, unter anderem den Entscheidungen BGH 20. 11. 2003, I ZR 151/01, NJW 2004, 2083 „20 Minuten Köln“ (zum UWG ergangen) und BGH 16. 01. 2008, KVR 26/07, NJW-RR 2008, 1426 „Kreiskrankenhaus Bad Neustadt“ eine wirksame Öffnung der deutschen Rechtsprechung. 83 Monopolkommission, Sondergutachten 68, Rn. 471 ff. 84 Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387(389); ähnlich Höppner/Grabenschröer, NZKart 2015, 162 (163). 77
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
Auch das BKartA will nicht-monetäre Gegenleistungen als marktqualifizierende Leistungen ansehen, wenn eine Verknüpfung mit einer entgeltlichen Seite vorliegt.85 Die besondere Bepreisungsstrategie führe zur Marktqualität.86 Maßgeblich sei, dass die Plattformleistungen auf den einzelnen Seiten durch indirekte Netzwerkeffekte eng miteinander verknüpft seien und einem einheitlichen Erwerbszweck dienen.87 Hierbei will das BKartA aber unabhängig von dieser Bepreisungsstrategie die Prüfung ermöglichen, ob nicht vielleicht doch ein Austausch und damit eine Gegenleistung in Form von Daten oder Aufmerksamkeit vorliegt.88 Das BKartA sieht in beiden Systemen die Ausprägung des gleichen Ansatzes: Bei Betrachtung der konkreten geldwerten Leistung werde lediglich nach dem konkreten Grund für die Monetisierbarkeit der Nutzung auf einer Werbeseite gefragt, sodass eine Verknüpfung mit der entgeltlichen Seite ausreiche.89 Die indirekte Berücksichtigung der unentgeltlichen Nutzerseite auf der entgeltlichen Marktseite erschwere die kartellrechtliche Prüfung und messe dem Preiswettbewerb größere Bedeutung bei als dem Qualitäts- und Innovationswettbewerb.90
IV. Stellungnahme Beginnend bei dem engsten Marktverständnis ist also zu fragen, ob ein Marktgeschehen nur dort gegeben ist, wo der Austausch „Gut gegen monetären Preis“ stattfindet. Braucht es eine synallagmatische Austauschbeziehung, die ein rechtlich einklagbares Pflichtenverhältnis begründet oder genügt ein faktisch vorliegender Austausch von gegenseitig begehrten Leistungen? Die Fixierung der älteren Rechtsprechung auf einen monetären Austausch ist auch im begrifflichen Verständnis des (Geld-)Preises begründet, der eine herausragende konzeptionelle Stellung im Rahmen der Marktabgrenzung und Marktmachtbestimmung hat. Deshalb liegt es im Lichte der Bestrebungen der Europäischen Union91 nahe, den quantifizierbaren Preisparameter „Geld“ durch einen anderen zu ersetzen, zumal Daten häufig als die „Währung“92 des Internets bezeichnet werden. 85
BKartA, Arbeitspapier, 40 f. BKartA, Arbeitspapier, 41. 87 BKartA, Arbeitspapier, 40. 88 BKartA, Arbeitspapier, 41. 89 BKartA, Arbeitspapier, 42. 90 BKartA, Arbeitspapier, 40 f.; BKartA 25. 6. 2015 – B6-57/15 Rn. 81 ff. „Online-Datingplattformen“; BKartA Fallbericht 25. 6. 2015 – B6-39/15 S. 3 „Online-Immobilienplattformen“. 91 Die Anerkennung von „Daten als Entgelt“ mit dem Ziel der Stärkung des Verbraucherschutzes durch Regelungen zum Austauschvertrag: Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekten der Bereitstellung digitaler Inhalte, SWD (2015) 274 final. 92 So z. B. Staudenmayer, NJW 2016, 2719 (2721). 86
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Daten können aber keine Geldfunktion erfüllen.93 Zwar lässt sich die Menge der abgegeben Daten bei einer Interaktion quantifizieren, auch lassen sich Kontakte mit Datenaustausch zählen, sodass auch hier auf den ersten Blick eine Absatzmenge und damit eine Beurteilung von Marktstellung und -macht ermöglicht wird. Wie bereits ausgeführt ist der Preis der üblicherweise in Geldeinheiten realisierte Wert eines Gutes oder einer Dienstleistung, also die Opportunitätskosten beim Tausch der beiden Güter. Liegt kein universales Tauschmittel vor, sondern ein aktuelles Tauschverhältnis, dann offenbaren die Preise die Opportunitätskosten in nicht produzierten Einheiten anderer Güter. Die Hergabe von Daten kann also rein tatsächlich eine Preisfunktion erfüllen.94 Allerdings ist die Hergabe von Daten dennoch als Naturaltausch und nicht als Teil der Geldwirtschaft zu verstehen. Denn Geld oder Zahlungsmittel sind Aktiva, die aufgrund von Marktkonvention oder gesetzlicher Verpflichtung vom Gläubiger zur Abdeckung von Verbindlichkeiten angenommen werden.95 Geld ist Zahlungsmittel, Wertaufbewahrungsmittel und Recheneinheit.96 In der modernen Geldverfassung findet die Geldschöpfung durch die Zentralbank (Zentralbankgeld) oder das Banksystem (Giralgeld) statt,97 in Deutschland sind gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 BbankG „auf Euro lautende Banknoten das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel“. Damit kommt dem Geld als gesetzlich legitimiertes Rechenmittel ein immer gleicher, festgelegter Wert zu. Denn Geld wird ohne Abschlag zum Nominalwert angenommen, den Marktteilnehmern werden Transaktions- sowie Informationskosten erspart.98 Die Funktion als legitimierte Recheneinheit können Daten nicht erfüllen. Dies ist vor allem in der Tatsache der unterschiedlichen Werthaltigkeit für unterschiedliche Anwender begründet. Auch sind Daten nicht zwingend wertstabil.99 Sie können also nicht geldgleich zur objektiven Preisbestimmung genutzt werden. Neben diesen wirtschaftlichen Definitionen der Geldfunktion sind Daten grundsätzlich nicht knapp, nicht exklusiv, nicht verbrauchbar.100 Zudem sind die Verfügungsbefugnisse unklar, sodass die Erfassung der Hergabe von Daten technisch wie datenschutzrechtlich problematisch ist. 93 Ebenso Körber, ZUM 2017, 93 (96); mit abweichender Begründung ebenso Grothe, Datenmacht in der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle, S. 96 f. 94 Allerdings auch das nicht immer. Die statischen Daten wie das Geburtsdatum haben keine Opportunitätskosten in nicht produzierten Einheiten anderer Güter. Anders ist dies bei flüchtigen Daten wie dem konkreten Suchinteresse bei Suchmaschinen. Dieses Gut hätte auch wo anders produziert werden können und steht jetzt nur einer Suchmaschine zur Verfügung. 95 Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Geld, online im Internet: wirtschaftslexikon.gab ler.de/Definition/geld.html (zuletzt abgerufen am 30. 10. 2020). 96 Körber, ZUM 2017, 93 (96). 97 Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Geld, online im Internet: wirtschaftslexikon.gab ler.de/Definition/geld.html (zuletzt abgerufen am 30. 10. 2020). 98 Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Geld, online im Internet: wirtschaftslexikon.gab ler.de/Definition/geld.html (zuletzt abgerufen am 30. 10. 2020). 99 Vgl. § 2 B. III., V. 100 Vgl. § 2 B. I., II.
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
Ein monetärer Preis kann der dargestellten Argumentation folgend aber auch nicht Voraussetzung für einen Markt sein. Sonst entzieht man nicht-monetäre Leistungen der kartellrechtlichen Kontrolle und vernachlässigt die Tatsache, dass auch diese „unentgeltlichen“ Leistungen den Wettbewerb und die Wohlfahrt beeinflussen können.101 Unabhängig von der Monetarität könnte aber eine Entgeltlichkeit i.S.e. synallagmatischen Tauschverhältnisses zu fordern sein. Einige Stimmen kritisieren das Fehlen eines Pflichtenverhältnisses bei der Hergabe von Daten oder Aufmerksamkeit und bezweifeln deshalb die Annahme eines Marktes.102 Tatsächlich ist der Umstand, dass sich weder Nutzer noch Plattform zur Leistungserbringung verpflichten, unschädlich, denn auch ohne rechtliche Verbindlichkeit können Angebot und Nachfrage aufeinandertreffen, sodass ein Marktprozess entsteht.103 Das Kartellrecht soll die tatsächlichen Marktprozesse und nicht nur die rechtlich einklagbaren Abhängigkeitsbeziehungen darstellen. Es bedarf keines synallagmatischen Verhältnisses, eine faktische Erwartbarkeit eines Austausches genügt. Dies ist schon im Vergleich mit der tatsächlichen Bindung in Form eines gentlemen’s agreements104 als Vereinbarung i.S.d. Art. 101 AUEV, § 1 GWB offensichtlich. Wenn schon zur Bejahung des Tatbestandes einer Sanktionsnorm eine faktische Bindung und der von den Parteien intendierte Zweck ausreichen, muss dies a fortiori für die bloße Eröffnung des Kontrollraums des Kartellrechts genügen. Auch für den Unternehmensbegriff herrscht die Auffassung vor, den Unternehmensbegriff für die umfassende Wirkung des Schutzzwecks des Gesetzes möglichst weit auszulegen.105 Ein Marktgeschehen kann deshalb schon bei einem faktischen Austausch angenommen werden. Gut dieses Austauschs könnten Aufmerksamkeit oder Daten sein.
101
So auch Podszun/Schwalbe, NZKart 2017, 98 (99). Podszun/Franz, NZKart 2015, 120 (121) bemängeln bei Ansätzen, die auf die Hingabe von Aufmerksamkeit abstellen, ein nachweisbares synallagmatisches Pflichtenverhältnis. 103 Höppner/Grabenschröer, NZKart 2015, 162 (164). 104 Beim gentlemen’s agreement wird die Erfüllung der getroffenen Vereinbarungen durch Sanktionen gesellschaftlicher, moralischer oder wirtschaftlicher Art gesichert, Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, § 1 GWB Rn. 31, Art. 101 Rn. 70.. 105 BGH 22. 3. 1976, WuW/E BGH 1469 „Autoanalyzer“ = BGHZ 67, 81; BGH 19. 9. 1974, WuW/E BGH 1325 „Schreibvollautomat“ = NJW 1974, 2236; BGH 14. 3. 1990, WuW/E BGH 2627, 2632 „Sportübertragungen“ = BGHZ 110, 371, 380; BGH 11. 12. 1997, WuW/E DE-R 17, 19 „Europapokalheimspiele“ = WRP 1998, 188; BGH 9. 3. 1999, WuW/E DE-R 289, 291 „Lottospielgemeinschaft“; vgl. EuGH 17. 12. 1993, Slg. 1993 I-664, 669 Rn. 17 „Poucet“ = NJW 1993, 2497; EuGH 18. 6. 1998, Slg. 1998 I-3886, 3895 Rn. 36 „CNSD“ = WuW/E EU-R 71; EuGH 19. 2. 2002, Slg. 2002 I-1653, 1676 f. Rn. 47 „Wouters“= NJW 2002, 877; Krauß, in: Langen/Bunte, § 1 Rn. 32; Nordemann, in: Loewenheim et al., § 1 Rn. 4. 102
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V. Ergebnis Insgesamt wird die Diskussion in der Literatur auf verschiedenen Ebenen geführt und unter Verwendung mehrdeutiger Terminologie. Ein weiteres Problem ist die häufig fallbezogene Argumentation und Betrachtung.106 Im Ergebnis ist sowohl die Geldfunktion von Daten als auch die Notwendigkeit eines Geldpreises zu verneinen. Wenn die Unentgeltlichkeit i.S.e. fehlenden monetären Preises mit der nun wohl herrschenden Meinung der Annahme eines Marktes nicht entgegenstehen soll, ist zu fragen, was dann die konstitutiven Elemente eines Marktes sind. Fraglich ist, inwieweit der neue § 18 Abs. 2a GWB hier Klarheit schaffen kann.
C. Die Bedeutung des § 18 Abs. 2a GWB I. Normziel und Aussagegehalt für den Marktbegriff Um die Frage, ob unentgeltliche Markt(seiten) einen Markt im kartellrechtlichen Sinne darstellen, zu klären, normierte der Gesetzgeber im Rahmen der 9. GWB Novelle § 18 Abs. 2a GWB. Dieser statuiert: „Der Annahme des Marktes steht es nicht entgegen, dass eine Leistung unentgeltlich erbracht wird.“
1. Normziel Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung Rechtssicherheit schaffen und ein schnelles kartellbehördliches Eingreifen im Rahmen der Missbrauchs- und Fusionskontrolle auch im Bereich der datenbasierten Märkte ermöglichen.107 Damit beabsichtigte er, den bislang noch zögerlichen Gerichten einen Weg zur Berücksichtigung zweiseitiger Märkte zu eröffnen. Die Regelung sollte vor allem Geschäftsmodelle erfassen, die ohne monetäre Gegenleistung angeboten werden und im Plattformbereich angesiedelt sind.108 Tatsächlich wählte der Gesetzgeber aber eine allgemeingültige Formulierung. Der Gesetzesentwurf nennt auch konkrete Konstellationen, in denen die Unentgeltlichkeit dem Marktbegriff nicht entgegenstehen soll. Zum einen sollten mehrseitige Märkte, bei denen eine Seite die andere mitfinanziert, bedacht werden. Zum anderen sollten Fälle erfasst werden, in denen zunächst kein Entgelt verlangt, dann aber nach der Marktetablierung die Bepreisungsstrategie autonom seitens des Unternehmens angepasst wird, sodass die
106 107 108
Vgl. Schulz/Held/Laudien, Suchmaschinen als Gatekeeper, S. 84. BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, 51. BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, 51.
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Kunden anschließend für die Leistung bezahlen müssen.109 Ziel war es, die kartellrechtliche Beurteilung und Kontrolle auch in Bereichen zu ermöglichen, die zwar von wirtschaftlichem Handeln geprägt sind, die aber eine modifizierte Monetisierungsstrategie aufweisen. Letzteres verdeutlicht die gesetzgeberische Entscheidung, nur genuin wirtschaftliches Handeln auch einer Kontrolle zu unterwerfen.110 2. Aussagehalt für den Marktbegriff Die Formulierung des § 18 Abs. 2a GWB hat aufgrund ihres mehrdeutigen Wortlauts zu Spekulationen geführt.111 Wortlautgetreu verbietet es § 18 Abs. 2a GWB aus der Unentgeltlichkeit einer Leistungsbeziehung auf das Fehlen eines Marktes zu schließen. Klar ist also, dass das Vorliegen der Unentgeltlichkeit beim Aufeinandertreffen von Angebot und Nachfrage kein Hindernis mehr sein kann. Es muss gefolgert werden, dass, wenn im Übrigen alle Tatbestandsmerkmale eines Marktes gegeben sind, es keinen Unterschied macht, ob der Anbieter vom Nachfrager für seine Leistungserbringung Geld verlangt. Mehr als das Verbot, aus der Unentgeltlichkeit auf den Ausschluss der Markteigenschaft zu schließen, kann die Norm an sich nicht leisten. Fraglich ist, welche Tatbestandsmerkmale neben Angebot und Annahme konstitutiv für den Rechtsbegriff des Marktes sind. Hierbei ist zu beachten, dass die Gesetzesbegründung den Eindruck erweckt, dass nicht immer ein Markt vorliegt, wenn eine unentgeltliche Leistung gegeben ist,112 sondern, dass es auch im Ermessen der Kartellbehörde stehen könnte, ob ein Markt anzunehmen ist.113 Dies kann aber nicht der Fall sein, wenn es sich bei der Marktbeschreibung nicht (mehr) um ein bloß deskriptives Unterfangen handelt. Die Kartellbehörden und -gerichte können also nicht einzelfallabhängig über die Marktqualität entscheiden. Gerade bei der möglicherweise weitreichenden Eröffnung der kartellrechtlichen Kontrolle auf weitere Wirtschaftsbereiche entstünde so eine gravierende Rechtsunsicherheit. Unternehmen können so nicht den an sie gestellten, erhöhten Anforderungen an den Marktbeherrscher gerecht werden, wenn sie nicht wissen, ob bestimmte ihrer Leistungen überhaupt dem Kartellrecht unterfallen.114
109 Der Gesetzgeber hatte dabei laut Gesetzesbegründung werbefinanzierte Produkte und die Einführungsphase von Produkten vor Augen, BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/ 10207, 48. 110 Pohlmann/Wismann, NZKart 2016, 555 (557). 111 Vgl. Pohlmann, WuW 2016, 563. 112 So z. B. Pohlmann, WuW 2016, 563. 113 Darauf deuten laut Podszun, in: Kersting/Podszun, Kap. 1 Rn. 5 einige Sätze in der Regierungsbegründung hin BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, 46. 114 Podszun, in: Kersting/Podszun, Kap. 1 Rn. 5.
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II. Konstitutive Marktmerkmale Aufgabe der Rechtswissenschaft ist es also zu ermitteln, was noch als ein Markt gesehen werden kann und wo die kartellrechtliche Kontrolle ihre Grenzen findet. Angebot und Nachfrage reichen nicht aus, um privates oder altruistisches von unternehmerischem Handeln abzugrenzen. 1. Unvollständige Legaldefinition Der Wortlaut des § 18 Abs. 2a GWB spricht von der Unentgeltlichkeit, die im normierten juristischen Kontext anders als im wirtschaftlichen nicht „ohne monetäre Gegenleistung“, sondern „ohne jegliche Gegenleistung i.S.d. § 516 BGB“ bedeutet. Dies bedeutet, dass weder ein synallagmatisches noch ein rein tatsächliches, weil erwartetes Austauschverhältnis, bestehen muss. Daraus resultiert zunächst einmal die totale Öffnung des Marktbegriffs. Das Betrachten von Plakatwerbung auf der Straße, die Lebensmittelausgabe der Tafeln und das Einwerben von Spenden stellen damit, wenn sie von einem Unternehmen i.S.d. Kartellrechts getätigt werden, Markttätigkeiten dar. Die Öffnung des Marktbegriffs ist damit überschießend zum eigentlichen Regelungsziel der Anwendung kartellrechtlicher Vorschriften auf datenbasierte Märkte. Diese überschießende Umsetzung ergibt sich, wenn der Begriff der Unentgeltlichkeit im Gleichzug zum zivilrechtlichen ausgelegt wird.115 a) Die Austauschbeziehung Die Gesetzesbegründung beschreibt das Vorliegen einer Austauschbeziehung als Merkmal für die Annahme eines Markts.116 Dies ist auch Bestandteil der klassischen Marktdefinition. Als mögliches Austauschgut wird zum einen die Aufmerksamkeit der Nutzer, zum anderen eventuell hergegebene Daten diskutiert. Dies wird kritisiert, da aufgrund des uneingeschränkten Wortlauts der Norm eine Gegenleistung des Produktnutzers gerade nicht notwendig sei.117 Aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive, so heißt es in der Regierungsbegründung, entstehe ein Markt durch das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage und sei „durch das Vorliegen einer Austauschbeziehungen gekennzeichnet“.118 „Demzufolge“ könne ein Markt auch vorliegen, „wenn bei der Transaktion kein Entgelt übertragen wird“.119 Es bedürfe
115 Die Regierungsbegründung überlässt die Klärung dieser Fragen der Praxis, s. BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, 52. 116 Begr. RegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, S. 47. 117 Esser/Höft, NZKart 2017, 259 (262); Pohlmann/Wissmann, NZKart 2016, 555 (558). 118 BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, 46. 119 BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, 46.
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keiner „direkte[n] monetären Gegenleistung“.120 In seinem Beschluss zu Facebook ließ das BKartA offen, ob es eines Austauschverhältnisses bedarf.121 aa) Aufmerksamkeit Zum Teil wird die wirtschaftlich wertvolle Gegenleistung des Suchmaschinennutzers in der Rezeption der eingeblendeten Werbung gesehen, da die Aufmerksamkeit, die der Nutzer der Werbung schenke, einen Tauschwert und damit Währungscharakter habe.122 Die Einordnung der Aufmerksamkeit als Gegenleistung ist viel Kritik ausgesetzt. Dem Bild von Leistung und Gegenleistung als Kern des wirtschaftlichen Geschehens entspricht eine solche kaum greifbare und nicht überprüf- oder quantifizierbare Gegenleistung nämlich nicht.123 Auch die Argumentation, die geleistete Aufmerksamkeit werde anschließend durch das Klicken auf die kontextbasierte Werbung investiert und führe zu einer mittelbaren Vermögensverfügung über die Werbeseite, verwischt die erforderliche Abgrenzung betreffend die einzelnen Beziehungen zwischen werbenden Anbietern, Nutzern und Suchmaschinenbetreibern. Zumal es gerade nicht in jedem Fall zu einem Anklicken der Werbung kommt.124 Nach Paal gelte auch in datenbasierten Märkten, dass bloße Interdependenzen zwischen Nutzeraufkommen und Werbeerlösen für sich genommen gerade noch keinen wettbewerbsrechtlich relevanten Markt konstituieren.125 Überzeugend erscheint zwar der Gedanke, dass es durch das Pay-per-Click-Verfahren zu einer indirekten Bezahlung der Suchmaschinen durch den Werbekunden komme. Es ist aber nicht gesagt, dass der Nutzer eines der gesponserten Ergebnisse tatsächlich anklickt. Kritisiert werden muss hier zudem die Einordnung der Aufmerksamkeit als geeignetes Tauschmittel, da der Klick nicht zwingend auch gewährleistete Aufmerksamkeit bedeutet. Der Suchmaschinenbetreiber kann bspw. nicht erkennen, ob der Nutzer sich vielleicht nur ein Überblick über die Ergebnisliste verschaffen will. Weiterhin ist auch nicht klar, ob die Nutzer Werbung von der Anzeige normaler Suchergebnisse unterscheiden und der Klick somit aus generierter Aufmerksamkeit resultiert oder die angezeigte Webseite ohnehin Ziel der Suche war.126 Weiterhin kann ein Großteil der Werbeanzeigen durch technische Hilfsmittel auch völlig ausgeblendet werden.
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BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, 47. BKartA 6. 2. 2019 – B6-22/16 „Facebook“ Rn. 244. 122 Vgl. dazu im Einzelnen oben. 123 Paal, Medienvielfalt und Wettbewerbsrecht, S. 196 f. 124 So auch Paal, AfP 2011, 521 (525). 125 Paal, AfP 2011, 521 (525). 126 Dies resultiert v. a. aus der Nutzung Googles als Substitut für das Adressfeld des Browsers. 121
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bb) Daten Die Übertragung und Nutzung personenbezogener Daten wird im BDSG bzw. in der DSGVO geregelt.127 Diese Daten können bewusst oder auch unbewusst übermittelt werden.128 Gem. § 241 Abs. 1 BGB kann jedes Tun, Dulden oder Unterlassen eine Leistung darstellen,129 sodass es schuldrechtlich unproblematisch ist, die Hergabe personenbezogener Daten als Leistung zu subsumieren.130 Tatsächlich ist die Übermittlung und die Verarbeitung der Daten aber einem generellen Verbot mit Erlaubnisvorbehalt unterstellt, Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO. Erst die Einwilligung gemäß Art. 7 DSGVO öffnet die personenbezogenen Daten für eine kommerzielle Verwertung. Aus diesem Grund ist es für die Einordnung als Leistung völlig unerheblich, ob das Datensubjekt seine Daten aktiv übermittelt oder das Unternehmen sich diese anderweitig verschafft. Denn auch letzteres ist ausreichend für die Begründung einer Erlaubnispflichtigkeit.131 Zwar ist die Einwilligung jederzeit widerruflich gemäß Art. 7 Abs. 3 S. 1 DSGVO, allerdings schließt das Datenschutzrecht damit nicht den Behaltensgrund für die bereits erfolgte Nutzung aus. Angesichts der Zustimmung des Internetnutzers zu den Datenschutzrichtlinien der Anbieter könnte deshalb eine individuelle Einwilligung und damit wirtschaftliche Geschäftsbeziehung anzunehmen sein.132 Zwar lässt sich bezweifeln, ob ein tatsächlich synallagmatisches Austauschverhältnis angenommen werden kann,133 in jedem Falle ist aber ein Austausch zu bejahen. Denn für eine Abgrenzung zwischen Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit ist auch das Interesse des Zuwendenden an der Gegenleistungen relevant; je stärker sein Interesse ist, desto eher muss von einer Entgeltlichkeit ausgegangen werden.134 Statt der Einwilligung stellen einige Stimmen auf Daten als die Gegenleistung ab, da diese auch in der DInhRL, in Art. 3 Abs. 1 2019/770/EU, als Gegenleistung und Alternative zu Geld bezeichnet werden.135 Auch das BKartA deutet in Facebook an, 127 Personenbezogene Daten sind Name, Anschrift, Familienstand, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Konfession, Erscheinungsbild, Leistung, Arbeitsweisen, Gesundheitszustand, Überzeugung, Personenkennzeichen, IT-Adressen, biometrische Daten. Buchner, in: Taeger/ Gabel, § 3 BDSG Rn. 4. Genauer zur Unterscheidung und Art der Gewinnung in § 2. 128 Vgl. dazu § 2. 129 Mansel, in: Jauernig, § 241 Rn. 7 f. Bachmann, in: MüKo § 241 BGB Rn. 17 f. 130 Schmidt-Kessel/Grimm, ZfPW 2017, 84 (89). 131 So auch Schmidt-Kessel/Grimm, ZfPW 2017, 84 (89); anders Faust, in: Verhandlungen des 71. deutschen Juristentages, Essen 2016, A 30. 132 So auch Weber, Zugang zu Softwarekomponenten von Google, S. 194. 133 Hier zu Recht kritisch Körber, ZUM 2017, 93 (97). 134 Chuisi, in: Staudinger, § 516 BGB Rn. 44. 135 Schmidt-Kessel/Grimm, ZfPW 2017, 84 (89), Grothe, Datenmacht in der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle, S. 93 f. bejaht ein – wohl auch synallagmatisches – Austauschverhältnis zwischen Daten und Leistung.
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dass die Datenhingabe als Teil einer Austauschbeziehung anzusehen sein könnte.136 Dagegen spricht, dass die DInhRL nur dann gelten soll, wenn die Daten aktiv als Gegenleistung für den Dienst zur Verfügung gestellt werden, Art. 3 Abs. 1 DInhRL. Werden die Daten als Beobachtungsdaten „mitgeschnitten“, käme die Richtlinie gar nicht zur Anwendung. Die Ökonomisierung der Daten durch den Verbraucher widerspricht auch dem Leitbild der DSGVO. Erwägungsgrund 43 DSGVO bringt zum Ausdruck, dass bei einem großen Ungleichgewicht eine Einwilligung schon gar keinen Wert haben soll und deshalb als nicht freiwillig gelten sollte. Explizit angesprochen sind zwar Behörden, dennoch wird von einem solchen Ungleichgewicht auch bei großen Internetunternehmen auszugehen sein. Es genügt allerdings nicht, dass die Leistung von einem bestimmten Verhalten abhängig gemacht wird. Erst wenn der Vertrag damit steht und fällt, ob infolge der Zuwendung ein erwarteter wirtschaftlicher Vorteil auch für den Zuwendenden eintritt oder nicht eintritt, entfällt der Grund für die Annahme der Unentgeltlichkeit.137 Dies ist Einfallstor für die Kritik, dass der Nutzer auf den Umfang der Datenübertragung durch die Anonymisierungseinstellung seines Browsers oder weit kompliziertere Systeme Einfluss nehmen kann.138 Diesem Einwand steht entgegen, dass die Unternehmen Umgehungsmechanismen zu verhindern suchen und zumindest von einer Datenübertragung im Großteil der Fälle ausgehen. Inwiefern bei erheblich eingeschränkter oder verfälschter Datenübertragung ein wirtschaftlicher Wert verbleibt, ist ungewiss. Ebenfalls fraglich ist, inwieweit trotz des Wissens um die Manipulierbarkeit der zur Verfügung gestellten Daten noch von einer zwingenden Gegenleistung ausgegangen werden kann. Auch kommt es zu einer Friktion mit dem Datenschutzrecht bei der Annahme, Daten könnten eine Gegenleistung darstellen. Denn die DSGVO scheint einem Einsatz von Daten als Gegenleistung kritisch gegenüberzustehen. So ist zum einen die Kopplung der Leistung an die Hergabe der Daten verboten, Art. 7 Abs. 4 DSGVO. Zum anderen dürfen Daten, die als Gegenleistung bereitgestellt wurden nur verarbeitet werden, wenn dies zur Vertragserfüllung notwendig ist, Art. 7 Abs. 4 i.V.m. Erwägungsgrund 43 S. 2 DSGVO.139 Im Falle nicht-personenbezogener Daten findet eine rechtliche Zuweisung oft durch Vertrag statt.140 Eine gesetzliche Zuweisung des „Dateneigentums“ existiert nicht. Größtenteils wird vertreten, dem Dienstleister, der die Daten sammelt und 136
BKartA 6. 2. 2019 – B6-22/16 „Facebook“ Rn. 241. Reuter, in: Staudinger, § 598 Rn. 5. 138 Weber, Zugang zu Softwarekomponenten von Google, S. 194. 139 Im praktischen Ergebnis für die überschießende Verarbeitung ein striktes Koppelungsverbot annehmend Dammann, ZD 2016, 307 (311); Härting, DS-GVO, Rn. 393: vom Verordnunggeber „gewollt“; a.A. Paal/Pauly/Frenzel, DS-GVO Art. 7 Rn. 18, für eine Einzelfallprüfung, „ob die über den Vertragszweck hinausgehende Datenverarbeitung in einer Weise überschießend oder sachwidrig ist“. 140 Thalhofer, GRUR-Prax 2017, 225 (227). 137
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planmäßig strukturiert, die Rechte an diesen zuzusprechen.141 Andere sprechen sich für die Zuordnung eines Ausschließlichkeitsrechts des Datenerzeugers aus.142 Solange eine Übertragung der Daten vertraglich vereinbart ist, ist ein (sogar synallagmatisches) Austauschverhältnis gegeben; nicht jedoch, wenn die Daten ohnehin den aufzeichnenden Unternehmen gehören. Zwar lässt sich anführen, dass auch in analogen Werbemärkten eine Verknüpfung von Nutzung des Angebots und Verbesserung desselben existiert. Hohe Einschaltquoten, die durch Hochrechnungen ermittelt werden,143 führen zu höheren TKPs, welche wiederum in das Programm reinvestiert werden können. Bei digitalen Angeboten und dem Austausch von Nutzerdaten existiert jedoch eine Überprüfbarkeit und Quantifizierbarkeit der Interaktion durch die bei der Interaktion via Internet übertragenen Daten. Es kommt erst bei erfolgtem Klick zur Bezahlung, also wenn die investierte Aufmerksamkeit nachgewiesen wird. Auch ist bekannt, welche IPAdresse potentiell der Werbung ausgesetzt ist.144 cc) Zwischenergebnis Somit ist nicht grunsätzlich eine Austauschbeziehung anzunehmen, da es an einem geeigneten Austauschgut fehlen kann. Dies kann dahinstehen, wenn es trotz der Formulierung im Gesetzesentwurf keiner Austauschbeziehung bedarf. b) Der Begriff der Unentgeltlichkeit Dafür ist zu klären, ob die „Unentgeltlichkeit“ des § 18 Abs. 2a GWB dazu führt, dass fehlende Wirtschaftlichkeit als Ablehnungsgrund für das Vorliegen eines Marktes ausgeschlossen ist. Die Unentgeltlichkeit im Wortsinne des § 516 BGB eröffnet den Marktbegriff für jede Tätigkeit eines Unternehmens. Die Pauschalität des § 18 Abs. 2a GWB überzeugt nicht. In der § 18 Abs. 2a GWB vorangegangenen Diskussion sollte wohl häufig nicht die Entgeltlichkeit, sondern das Geld adressiert werden.145 Auch die Gesetzesbegründung verstärkt diesen Eindruck. Eine andere Möglichkeit ist deshalb die – im Kartellrecht durchaus anerkannte – unabhängige Auslegung des Begriffs der „Unentgeltlichkeit“. So wird auch be141 Entweder über § 87a ff. UrhG, Peschel/Rockstroh, DSRITB 2014, 309 (315); oder über einen „sui generis Schutz“, Kraus, DSRI-Tagungsband 2014, S. 377 (381 ff.); dagegen: Dorner, CR 2014, 617 (618); Hoeren, MMR 2013, 486 (488 ff.). 142 Zech, CR 2015, 137; EU-Kommission, COM(2017) 9 fin., S. 14, abrufbar unter http://ec. europa.eu. 143 Auf Basis von Befragungen oder Teleskopie, Braun, brand eins 2007, 126 (126). 144 So spielen beispielsweise einige Video-On-Demand Portale Videos erst ab, wenn die Werbung vollständig abgespielt wurde, ohne dass die Möglichkeit besteht, das Browserfenster zu wechseln, ohne dass die Werbung stoppt und somit zwingend konsumiert werden muss. www.vidyard.com/blog/trigger-video-playback-player-visibility/. 145 So Körber, ZUM 2017, 93 (96).
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züglich des Unternehmensbegriffs argumentiert, dass dieser sich nicht deduktiv anhand eines vorgefassten bzw. aus anderen Gesetzestexten übernommenen Begriffsinhalts bestimmen ließe, da dadurch stillschweigend über wettbewerbsrechtliche Fragen mitentschieden würde.146 Vielmehr muss der Unternehmensbegriff aus dem Gesetzeszusammenhang sowie Sinn und Zweck des Gesetzes bestimmt werden.147 Während die am Handelsrecht orientierte Interpretation des Unternehmensbegriffs den Schutz des Wettbewerbs in vielen Bereichen behindern würde, könnte bei einer Öffnung des Marktbegriffes die Ausuferung des Wettbewerbsrechts zu befürchten sein. Dem Gesetzesentwurf ist zu entnehmen, dass bloße Schenkungen gerade nicht berücksichtigt werden sollten, sondern die Verknüpfung zwischen Angebot und unternehmerischer Tätigkeit entscheidend ist.148 Ein Unentgeltlichkeitsverständnis, dass sich an Sinn und Zweck der Missbrauchs- und Fusionskontrolle orientiert, muss es ermöglichen weiterhin zwischen altruistischem, privatem und wirtschaftlichem Handeln zu unterscheiden. Hierzu existieren verschiedene Ansätze. Zum Teil wird die Notwendigkeit einer Austauschbeziehung für die Marktdefinition verneint.149 Es komme nur auf das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage in einem wirtschaftlichen Kontext an.150 Es stehe dem Staat nicht zu, die Sinnhaftigkeit eines ökonomischen Überlebensmodells zu beurteilen.151 Eine solche Argumentation besteht in einer völligen Abkehr von jeglicher Art von Austauschbeziehung, sei sie nun synallagmatisch oder konditional. Es müsse lediglich ein „Erwerbszweck im gesamtwirtschaftlichen Kontext“ vorliegen. Auch der BGH in Facebook lässt anklingen, dass es auf die Frage eines Austauschgutes nicht ankomme, sondern nur auf die Sicht des Nachfragers, der Angebot und Nachfrage in freier Entscheidung zusammenführt.152 Einer strikten Auslegung nach dem Wortlaut folgend liegen deshalb auch Märkte vor, wenn TV-Sender kostenlos Programme für Zuschauer ausstrahlen oder Entsorgungsunternehmen ohne Bezahlung Müll einsammeln. Ebenso würde dann eine wirtschaftliche Aktivität auf einseitigen Märkten trotz Unentgeltlichkeit immer die Kontrolle des Kartellrechts eröffnen. Diese Annahme schränkt aber der Wortlaut der Gesetzesbegründung ein.153 146 Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, § 1 GWB Rn. 23 (4. Aufl. 2014); Krauß, in: Langen/ Bunte, § 1 Rn. 32; Grave/Nyberg, in: Loewenheim et al., Art. 101 AEUV Rn. 98. 147 Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, § 1 GWB Rn. 23 (4. Aufl. 2014). 148 Begr. RegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, S. 48. 149 So das OLG München 27. 7. 2017, U 2879/16 Kart. „Frequenzwechsel“ =NZKart 2017 538 (539), welches die Austauschbeziehung nur als Merkmal des klassischen Marktes sieht, deren Fehlen § 18 Abs. 2a GWB überwindet. 150 Podszun, in: Kersting/Podszun, Kap. 1 Rn. 10. 151 Podszun, in: Kersting/Podszun, Kap. 1 Rn. 9. 152 BGH 23. 6. 2020 – KVR 69/19 „Facebook“ Rn. 29. 153 „Allerdings rechtfertigt die Feststellung einer unentgeltlichen Austauschbeziehung nicht stets die Annahme, dass ein wettbewerbsrechtlich relevanter Markt vorliegt. Das gilt insbe-
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Pohlmann/Wismann sehen die Auflösung des Konflikts in der teleologischen Reduktion der Norm, wobei zwischen einer Entgeltlichkeit im engeren und einer Entgeltlichkeit im weiteren Sinne zu differenzieren sei.154 Es müsse nur ein Entgelt i.w.S.155 vorliegen, welches indirekt oder zeitlich versetzt gezahlt würde und den langfristigen Erwerbszweck darstellt. I.e.S. – bezogen auf den einzelnen Kontakt – könne aber eine echte Unentgeltlichkeit, also der Verzicht auf eine Austauschbeziehung, vorliegen.156 Diese Argumentation fügt sich in das Erfordernis eines mittelbaren oder längerfristigen Erwerbszwecks. Nach Pohlmann/Wismann wollte der Gesetzgeber zum einen die Konstellation auf mehrseitigen Märkten mit Finanzierung der unentgeltlichen Marktseite erfassen (verlagertes Entgelt), aber auch Märkte in denen eine Leistung erst unentgeltlich angeboten und nach einer gewissen Marktdurchsetzung mit Entgelt belegt wird (aufgeschobenes Entgelt).157 Eines Austausches bedürfe es also nicht. Zu einem anderen Ergebnis kommen Stimmen, die eine Austauschbeziehung mit Blick auf ein Entgelt nicht-monetären Charakters, das von der Nutzerseite entrichtet würde, bejahen.158 Der Begriff „Unentgeltlichkeit“ sei vielmehr als „ohne unmittelbare monetäre Gegenleistung“ zu verstehen.159 Es bedürfe also weiterhin einer Austauschbeziehung. Dieser Ansicht ist zu widersprechen. Das Abstellen auf ein solches Tauschgut führt je nach Art und Weise der technischen Bereitstellung der Leistung zu einer unterschiedlichen Markteinordnung. Video-on-Demand-Portale, welche einen LiveStream des Fernsehprogramms senden, hätten dann einen Zuschauermarkt, da die IPAdresse und die Cookies der Nutzer aufgenommen würden, Fernsehsender weiterhin nicht. Das gleiche müsste für klassische Radiofunkwellen und Online-Radiostreams gelten. Hierdurch kommt es zu einem nicht hinnehmbaren Auseinanderfallen wirtschaftlich gleicher Geschehnisse. Das Vorliegen eines Austauschverhältnisses darf also kein konstitutives Merkmal darstellen. Stattdessen ist auf den langfristigen Erwerbszweck abzustellen. Wird zu sehr vom Gedanken des Ausbeutungsmisssondere außerhalb von mehrseitigen Märkten“, Begr. RegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/ 10207, S. 47. 154 Pohlmann/Wismann, WuW 2017, 257 (257); Pohlmann/Wismann, NZKart 2016, 555 (559). 155 Pohlmann/Wissmann, NZKart 2016 555 (558). 156 Esser/Höft, NZKart 2017 259 (262). 157 Pohlmann/Wissmann, NZKart 2016 555 (557). 158 Die Unentgeltlichkeit sei vielmehr als „ohne unmittelbare monetäre Gegenleistung“ zu verstehen. Paal, in: BeckOK InfoMedienR § 18 Rn. 6; ders., WuW 2016, 453; ders., GRUR Int. 2015 997, 1000. Auch Pohlmann/Wismann, WuW 2017, 257 (258) merken an, dass möglich ist „das Entgelt nicht monetären Charakter hat, dass also andere Vermögenswerte erlangt werden, wie insbesondere Daten.“ Diese Möglichkeit generell bejahend BKartA, Arbeitspapier S. 41 f.; Höppner, WRP 2012, 625 (626); Kühling/Gauß, MMR 2007, 751 (752); zurückhaltender Körber, ZUM 2017, 93 (95 ff.); kritisch Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014 387 (390); Klasse/Wiethaus, WuW 2017, 354 (362); Podszun/Franz, NZKart 2015, 121 (121 f.). 159 Paal, AfP 2011, 521 (525).
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brauchs her gedacht,160 versperrt die Fixierung auf das Austauschgut den Blick darauf, dass das Kartellrecht auch die Aufnahme von Marktätigkeiten schützt. Der Behinderungsmissbrauch kann auch gänzlich ohne Austausch stattfinden, wenn einem Unternehmen der Zugang zu einer dem Wettbewerb vorgelagerten Tätigkeit verwehrt wird. Der Gedankenschritt aus Netzen i.S.d. § 19 Abs. 2 Nr. 4 GWB einen wettbewerblich zu kontrollierenden (hypothetischen) Markt zu machen, wird vom Kartellrecht vollzogen. Kostenlose, vorbereitende Tätigkeiten, die längerfristig einem Erwerbszweck dienen sollen, sind aber ebenso ein (hypothetischer) Markt, welcher durchaus hart umkämpft ist. Ein Handeln dort kann Auswirkungen auf die nachfolgenden Stufen haben, ohne dass sich die Realitäten dieser Bereiche direkt in der tatsächlichen, vom Austausch geprägten folgenden Stufe, widerspiegeln müssen. Es handelt sich dabei auch nicht um eine Eigenproduktion der benötigten Daten, welche i.S.e. captive use nach herkömmlichem Verständnis nicht dem Markt zugerechnet würden.161 Das Kartellrecht, welches das Ziel verfolgt den „wirksamen Wettbewerb“ zu schützen, soll eine Plattform für antagonistisches Konkurrenzverhalten schaffen, also ein level playing field, auf welchem die gleichen rechtlichen Spielregeln162 für alle Teilnehmer gelten. Werden aber wettbewerblich handelnde, allerdings kurzfristig oder unmittelbar unentgeltlich leistende Akteure hiervon ausgeschlossen, können sie sich durch die Wahl ihrer Geschäftsstrategie diesen Spielregeln entziehen. Konkurrieren diese im Wettbewerb mit Akteuren, die aufgrund einer anderen Strategie dem kartellrechtlichen Regime zweifelsohne unterfallen, kommt es zu einer Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen.Stimmen, die darauf hinweisen, dass es keine Schutzlücken gäbe und eine etwaige Wettbewerbsbeeinträchtigung auf unentgeltlichen Märkten durch die korrespondierende Stellung auf dem Werbemarkt berücksichtigt werden könnte, ist zu widersprechen. Aufgrund möglicher asymmetrischer Substitutionsbeziehungen können unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen auf den Marktseiten herrschen, sodass Missbräuche ohne eigene Marktqualität nicht adressiert werden können. Weiterhin können auch die Wettbewerbsverhältnisse auf der unentgeltlichen Seite Ausgangspunkt für Behinderungsstrategien sein. Der Markt als normativer Zweckbegriff163 soll vor allem dem Zweck dienen, den Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts zu eröffnen und gleichzeitig eine Schablone zu bieten, auf der die Einflusssphäre der Unternehmen gemessen werden 160
Ähnlich Podszun, in: Kersting/Podszun, 9. GWB-Novelle, Kap. 1 Rn. 9. Unternehmensintern erbrachte Eigenleistungen sind zwar ein relevanter Marktfaktor, jedoch nicht Bestandteil des Marktes und schlagen sich so bspw. auch nicht in der prozentualen Bestimmung der Marktanteile nieder; BKartA TB 2011/2012, S. 90; Wiedemann, in: Wiedemann, Handbuch Kartellrecht, § 23 Rn. 10. 162 Der Begriff wird verwendet von Kling/Thomas, Kartellrecht § 2 Rn. 29; Zäch, WuW 2010, 139. 163 Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 65. 161
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kann. Wird Marktmacht jedoch primär über den Preis definiert, knüpft verständlicherweise auch der Markt als Steuerungsinstrument eines preisorientierten Wettbewerbskonzepts an der Entgeltlichkeit der Leistung an.164 2. Der Erwerbszweck als konstitutives Marktmerkmal Die Gesetzesbegründung ergänzt, dass eine unentgeltliche Leistungsbeziehung die Annahme eines Marktes nur rechtfertige, wenn „zumindest mittelbar oder längerfristig“ ein Entgelt angestrebt werde.165 Der inhaltliche Zusammenhang mit der Begründung lässt erkennen, dass die Unentgeltlichkeit bei mehrseitigen Märkten der Annahme eines Marktes entgegenstehen können soll, wenn kein Erwerbszweck verfolgt wird. Der Erwerbszweck166 wäre damit entscheidendes Merkmal der Marktdefinition, welcher bei entgeltlichen Leistungen zweifelsohne zu bejahen und bei unentgeltlichen zunächst positiv aufzuzeigen ist.167 Damit fordert § 18 Abs. 2a GWB eine rechtliche Wertung im Rahmen des deskriptiven Unterfangens der reinen Marktbeschreibung.168 Das Handeln des Unternehmens muss also im Hinblick auf einen mit der Handlung verknüpften Erwerbszweck überprüft werden. Dieser lässt sich wie folgt definieren: Erwerbszwecke verfolgt, wer mit einer Leistung mittelbar oder unmittelbar Geld erwerben will.169 Es kommt dabei nicht auf die kurzfristige Finanzierung an, sondern auf den langfristig mit der Tätigkeit verfolgten Zweck.
So existiert ein Markt für Krankenhausdienstleistungen, auch wenn die Patienten nicht selbst zahlen, sondern nur durch ihre freie Krankenhauswahl die Zahlung der Kassen veranlassen.170 Ein Markt ist also dort, wo die Gegenseite durch ihre Nutzung über die Monetisierung entscheidet. Aus diesem Grund steht es der Annahme kartellrechtsrelevanter Märkte auch nicht entgegen, wenn ein Preiswettbewerb durch staatliche Intervention ausscheidet, etwa wenn ein Angebotspreis öffentlich-rechtlich reguliert171 ist und die Auswahl von Subjekten in Unkenntnis des Preises getroffen wird. So ergibt sich der Preis für Krankenhausdienstleistungen aus dem 164
Podszun/Franz, NZKart 2015, 121 (124). Begr. RegE, BT-Drucks. 18/10207, S. 48. 166 Oder die Gewinnerzielungsabsicht nach Bardong, in: Langen/Bunte, § 18 Rn. 58. 167 Ausführlich Pohlmann/Wismann, NZKart 2016, 555 (557); Pohlmann/Wismann, WuW 2017, 257 (257). Kritik am Wortlaut des § 18 Abs. 2a GWB z. B. Klasse/Wiethaus, WuW 2017, 354 (358). 168 Podszun, in: Kersting/Podszun, Kap. 1 Rn. 5. 169 Ähnlich Pohlmann/Wismann, NZKart 2016, 555 (557), die allerdings den mehrdeutigen Begriff des Entgelts verwenden. Stattdessen muss auf den endgültigen Realisierungswillen eines monetären Umsatzes abgestellt werden. 170 BGH 16. 1. 2008, KVR 26/07, NJW-RR 2008, 1426 (1428) „Kreiskrankenhaus Bad Neustadt“. 171 So auch Klotz, WuW 2017, 58 (60). 165
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KHEntgG und dem KHG. Dennoch erkannte der BGH, dass zum einen ein erheblicher Qualitätswettbewerb vorliegt und dass zum anderen schutzwürdige Wettbewerbsstrukturen existieren, wenn Leistungsempfänger eine autonome Auswahlentscheidung unter mehreren konkurrierenden Leistungserbringern mit wettbewerblichen Handlungsspielräumen, haben.172 Anders ist dies zu beurteilen, wenn nicht mit der Leistung ein Entgelt erworben werden soll, sondern Geld für die Ausführung der Leistung zur Verfügung gestellt wird. Wird eine Radiosendung in Erfüllung eines rundfunkrechtlichen Grundversorgungsauftrags ausgestrahlt, so kommt die Annahme eines Marktes bspw. nicht in Betracht.173 Wegen des Grundversorgungsauftrags erhält der Sender das Entgelt, die Kausalität ist umgekehrt. Es liegt also keine Handlung zu Erwerbszwecken vor. a) Mittelbarkeit Fraglich ist, wie weit die Erwerbsabsicht zu definieren ist. So kann man annehmen, dass grundsätzlich alles Handeln eines Unternehmens ausschließlich zu Erwerbszwecken stattfindet und nur Maßnahmen aus dem Bereich der unternehmerischen Sozialverantwortung davon auszunehmen sind.174 Bei unternehmerischem Handeln besteht dann also die Vermutung, dass mit der konkreten Maßnahme auch ein Erwerbszweck verfolgt wird, also eine Marktaktivität ausgeübt wird. Podszun argumentiert, dass Fälle in denen kein Erwerbszweck vorliege, schon an der Unternehmenseigenschaft scheitern würden.175 Dies ist aber zu kurz gegriffen und führt zu einem Zirkelschluss. Denn die funktionale Definition des Unternehmensbegriffs umfasst jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende (in deutscher Terminologie: im geschäftlichen Verkehr handelnde) Einheit.176 Die wirtschaftliche Tätigkeit wiederum wird als das Anbieten und Nachfragen177 von Gütern oder Dienstleis-
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BGH 16. 1. 2008, KVR 26/07, NJW-RR 2008, 1426 (1428) „Kreiskrankenhaus Bad Neustadt“; wonach es ausreiche, wenn eine autonome Auswahlentscheidung unter mehreren konkurrierenden Leistungserbringern, die wettbewerbliche Handlungsspielräume haben, zu treffen ist. 173 I. E. richtig OLG München 27. 7. 2017 @ U 2879/16 Kart Rn. 51 „Frequenzwechsel“ = NZKart 2017 538 (539). 174 Dies bejahend Podszun, in: Kersting/Podszun, Kap. 1 Rn. 8. 175 Podszun, in: Kersting/Podszun, Kap. 1 Rn. 10. 176 EuGH 23. 4. 1991, C-41/90, Slg. 1991, 1979 Rn. 21 „Höfner und Elser“; vgl. auch Krauß, in: Langen/Bunte, § 1 GWB Rn. 32; Glöckner, Kartellrecht, Rn. 329. 177 Im deutschen Recht Krauß, in: Langen/Bunte, § 1 GWB, Rn. 33 ff.; Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht § 1 GWB, Rn. 20 ff. jeweils m.w.N.; anders im europäischen Recht EuG 4. 3. 2003, Slg. 2003 II-357 „FENIN“ = WuW/E EU-R 688, bestätigt durch EuGH 11. 7. 2006, Slg. 2006 I-6295 „FENIN“ = WuW/E EU-R 1213; ebenso EuG 12. 12. 2006 Slg. 2006 II-4797, 4830 Rn. 65 ff. „SELEX“ = WuW/E EU-R 1250, bestätigt durch EuGH 26. 3. 2009 Slg. 2009 I-2207 Rn. 102 „SELEX“.
§ 4 Vorliegen eines Marktes trotz unentgeltlich erbrachter Leistung
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tungen auf einem bestimmten Markt definiert.178 Ohne Marktbezug liegt also kein wirtschaftliches Handeln vor. Allein auf das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage abzustellen und aufgrund der Unternehmenseigenschaft einen Erwerbszweck abzuleiten, erscheint zwar praktikabel. Wenn man aber berücksichtigt, dass es nicht erforderlich ist, dass die Unternehmenseigenschaft aktuell vorliegt, da auch potentielle Unternehmen Normadressat sind,179 erweitert sich der Anwendungsbereich des Kartellrechts umfassend. Im Übrigen ist der Marktbegriff auch insofern vom Unternehmensbegriff zu trennen, als hier nicht die Frage beantwortet wird, ob ein Unternehmer auch vorliegen kann, wenn es seine Leistungen unentgeltlich erbringt. Stattdessen lässt sich eine aussagekräftige Abgrenzung anhand der Definition des Erwerbszwecks ermitteln. Erwerbszwecke verfolgt, wer mit einer Leistung mittelbar oder unmittelbar Geld erwerben will. Unmittelbar wird Geld erworben, wenn die Leistung direkt bezahlt wird, entweder vom Leistungsempfänger oder einem Dritten für die konkrete, in Anspruch genommene Leistung. Mittelbar wird ein Entgelt erworben, wenn die Leistung monetisiert wird durch eine Verlagerung der Finanzierung. Dies ist der Fall, wenn Netzwerkeffekte internalisiert werden und deshalb die Kosten für die andere Seite mitgetragen werden oder aber die hergestellte Reichweite bezahlt wird. Der Zugang zur Leistung selbst wird aber nicht bezahlt.180 Ebenso ist ein mittelbarer Gelderwerb anzunehmen, wenn Güter durch die Leistung erlangt werden, die im nachgelagerten Markt direkt verkauft werden, bspw. Daten bei Databrokern oder Entsorgungsgut, das von Entsorgungsunternehmen weiterverkauft wird. Liegt ein mittelbarer Gelderwerb aber auch dann schon vor, wenn Maßnahmen, das Markenimage verbessern sollen? Reine Nebenleistungen oder aber auch Imagetätigkeiten der Unternehmen müssen am Erfordernis der Mittelbarkeit des Erwerbszwecks scheitern und können keine (eigene) Marktleistung darstellen. Zwar kann mit einer Nebenleistung die Auswahlentscheidung der Marktgegenseite im Rahmen des Qualitätswettbewerbs beeinflusst werden. Ist die Nachfrage aber grundsätzlich auf das Hauptprodukt gerichtet, so ist das Merkmal der Mittelbarkeit überspannt. b) Langfristigkeit Die Gesetzesbegründung nennt neben mittelbaren Strategien auch längerfristige Strategien zum Erreichen von Erwerbszwecken als Qualifikationsmerkmal für die 178 St. Rspr. BGH 19. 9. 1974, NJW 1974, 2236 „Schreibvollautomat“; 14. 3. 1990 BGHZ 110, BGHZ 110 371, 380 „Sportübertragungen“; 9. 3. 1999, WuW/E DE-R 289, 291 „Lottospielgemeinschaft“. 179 Krauß, in: Langen/Bunte, § 1 Rn. 60 m.w.N. 180 Vgl. oben BGH 16. 1. 2008, KVR 26/07, NJW-RR 2008, 1426 (1428) „Kreiskrankenhaus Bad Neustadt“.
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
Markttätigkeit.181 Das BKartA hält es in einer ersten Marktphase mehrseitiger Unternehmen ebenfalls für ausreichend, wenn eine Monetisierung innerhalb des der konkreten Kartellrechtsprüfung zugrunde zu legenden Zeitraums zu erwarten ist.182 Der Gesetzesentwurf spricht zusätzlich Modelle an, die unentgeltlich eingeführt werden, bei der das Unternehmen aber über die Entgeltlichkeit entscheiden kann.183 Im Gegensatz zum Arbeitspapier beschränkt die Gesetzesbegründung diese Ausnahme jedoch nicht auf zweiseitige Märkte, sondern adressiert auch einseitige Märkte. Es wird wohl auf Vorleistungen abgestellt, mit denen selbst kein Entgelt erworben werden soll, die aber langfristig zu einem Entgelt führen sollen.184 Dies ist der Fall, wenn eine freie Version eines Produktes angeboten wird, um zum Kauf einer besseren Version oder eines Updates zu motivieren.185 Damit stellen dann auch Freemiumprodukte eine Marktätigkeit dar. Dies gilt insbesondere, wenn sie mit der eigenen Premiumvariante in Wettbewerb stehen. Fraglich ist dann aber, wie diese längerfristige Erwerbsstrategie bestimmt werden soll. Wann ist dem Unternehmen also eine Erwerbs- oder Monetisierungsabsicht zu unterstellen und bis zu welchem Zeitpunkt muss diese vorliegen? Relevant ist diese Frage nur, wenn nicht schon ein zum kostenfreien Produkt vorliegendes PremiumProdukt gegeben ist.186 Deshalb wird die Frage vor allem bei Open-Source-Produkten zu thematisieren sein. Der Gesetzesentwurf gibt den Hinweis, dass eine Längerfristigkeit gegeben ist, wenn das Unternehmen eine Monetisierung plant und die Entscheidung über die die Entgeltpflicht jederzeit treffen kann.187 Die Behörden müssen hierbei eine Prognose treffen. Dabei darf unternehmerisches Handeln nicht zum Gegenstand von Spekulationen werden.188 Das BKartA spricht von einer erwartbaren Monetisierung innerhalb des der konkreten Kartellrechtsprüfung zugrunde zu legenden Zeitraums.189 Im Rahmen der Fusionskontrolle wird für die erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs ein
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BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, 48. BKartA, Arbeitspapier S. 41. So bspw. jüngst im Zusammenschlussfall ProSiebenSat1/ Lovoo: „Insbesondere für innovative Plattformen im Bereich der Dating-Apps existieren Geschäftsmodelle, die zunächst zum Ziel haben, eine hohe Nutzerzahl zu erreichen. In einem zweiten Schritt soll diese dann monetarisiert werden, z. B. durch Werbeerlöse oder eine Einschränkung der kostenfreien Nutzung bestimmter Funktionalitäten.“, S. 2. 183 BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, 48. 184 BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, 48. 185 So auch Pohlmann/Wismann, NZKart 2016, 555 (557). 186 Wenn also überprüft werden soll, ob ein Produkt als Wettbewerber zu den etablierten kostenpflichtigen Programmen zu sehen ist. 187 BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, 48. 188 Ähnlich zum fusionskontrollrechtlichen Prognosezeitraum KG 21. 07. 1995, WuW/E OLG 5495, 5496 „Vorratsanmeldung“. 189 BKartA, Arbeitspapier, S. 41. 182
§ 4 Vorliegen eines Marktes trotz unentgeltlich erbrachter Leistung
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Prognosezeitraum von drei bis fünf Jahren angenommen.190 Hierbei sollte der Prognosezeitraum kurz bemessen sein, da dieser üblicherweise auch von den Markt- und Wettbewerbsbedingungen abhängt.191 Da es sich häufig um noch dynamische Märkte handeln wird, ist ein kürzerer Prognosezeitraum sachgerechter. Bei der Beurteilung einer zukünftigen Entgeltlichkeit besteht die Gefahr, dass diese Prüfung in eine vorgelagerte Marktmachtprüfung ausartet. Denn folgt man dem Gesetzesentwurf, dass das Unternehmen, zur Bejahung der Langfristigkeit jederzeit frei über die Entgeltlichkeit entscheiden können muss, sind die auf das Unternehmen wirkenden Wettbewerbskräfte zu ermitteln, die diese Entscheidungsfreiheit begrenzen könnten. Stattdessen sollte deshalb in einem Prognosezeitraum nach den objektiven Merkmalen des aktuellen Marktgeschehens entschieden werden. Neben dem tatsächlichen und konkreten Plan des Unternehmens spricht für eine erwartbare Monetisierung zum Beispiel das übliche Marktgeschehen, die Größe des Unternehmens und durch die Leistung eingeworbene, monetisierbare Elemente oder Netzwerkeffekte. 3. Marktfunktionen auf unentgeltlichen Märkten Die Zielfunktionen des Wettbewerbs, v. a. die Markträumung – sprich das ständige Vorliegen von Angebot und Nachfrage, welche bei einem bestimmten Preisniveau zum Ausgleich gebracht werden192 – können auch von unentgeltlichen Märkten erreicht werden. Erforderlich hierfür ist, dass ein Handeln aufgrund eines Erwerbszwecks und eine freie Entscheidung für die Faktorallokation auf Seiten der Marktteilnehmer vorliegen. Stehen sich nämlich Angebot und Nachfrage gegenüber, werden diese bei einem bestimmten Preisniveau zum Ausgleich gebracht, wenn es sich um ein mit Erwerbsabsicht festgelegtes Preisniveau handelt. Dieses Preisniveau ist zum Teil über den Gesamtmarkt zu ermitteln und nicht über die konkrete Beziehung „Angebot – Nachfrage“. Liegt kein universales Tauschmittel wie Geld vor, sondern ein aktuelles Tauschverhältnis, dann offenbaren die Preise die Opportunitätskosten in nicht produzierten Einheiten anderer Güter. Es findet dabei trotz allem eine Markträumung statt, also auch ein Ausschluss solcher Nachfrager, die nicht bereit sind, das Preisniveau mitzugehen (bspw. das Ertragen von Werbung oder aber die Speicherung ihrer Daten). Dass gerade bei letzterem aufgrund einer großen Informationsasymmetrie und des sogenannten privacy paradox‘193 eine Markträumung zu einem von einer Marktseite 190
Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 GWB Rn. 521 m.w.N. BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn. 12; KG 21. 7. 1995 WuW/E OLG 5495, 5496 „Vorratsanmeldung“; Bechtold/Bosch, § 36 GWB Rn. 11. 192 Vgl. § 4 A. I. 1. 193 Das sog. privacy paradox beschreibt, das Auseinanderfallen von abstrakt empfundener Relevanz des Datenschutzes des Verbrauchers und seinem konkreten Verhalten auf dem Markt. 191
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
nicht genau bekannten Preis stattfindet, steht den Marktfunktionen an sich nicht entgegen. Zu beachten ist, dass es in in jedem Fall Angebot und Nachfrage nach der datenbasierten Leistung gibt und in diesem Sinne auch zu schützender Wettbewerb besteht, unabhängig von der Qualität eines Tauschguts auf der anderen Seite. Ob daneben Angebot und Nachfrage nach Geld existiert, ist eine von Angebot und Nachfrage nach der datenbasierten Leistung zu unterscheidende Fragestellung. In Fällen, in denen lediglich wettbewerbsvorbereitende Tätigkeiten stattfinden, ist der Markt darüber hinaus unvollkommen. Hier treffen zwar immer noch Angebot und Nachfrage aufeinander, es soll jedoch nie eine Markträumung stattfinden, auch eine Preisbildung ist nicht angesetzt. Dennoch tritt das Unternehmen hiermit aus dem innerbetrieblichen Bereich (im Sinne einer Deckung des Eigenbedarfs durch Produktion) heraus, zumal wenn diese Produkte mit Bezahlversionen konkurrieren. Es handelt sich bei den diskutierten Konstellationen zwar um Märkte, aber um defizitäre Märkte, auf denen die Preisfunktion nicht eindeutig ist. Fakt ist, dass der Preis für das Kartellrecht hohe Relevanz hat. Dieser und die Austauschbeziehung sind aber nicht zwingender Bestandteil des Marktes, sondern müssen erst im Rahmen des Missbrauchs thematisiert werden. Für datenbasierte Märkte kommt hinzu, dass eine der Datenerhebung nachgelagerte Marktstufe als Teil der Wertschöpfungskette für personenbezogene Daten durch das Datenschutzrechtes stark eingeschränkt ist. Für Unternehmen, die Zugriff auf personenbezogene Daten erlangen wollen, haben daher die vorgelagerten Plattformseiten, auf denen die Datensubjekte agieren, eine große praktische Bedeutung. Aufgrund der freien Entscheidung für die Faktorallokation durch die Plattformnutzer findet für die Marktgegenseite ein – wenn auch durch die eingeschränkte Rivalität der Daten verminderter – Wettbewerb um die Faktorallokation der Datensubjekte und damit der assets statt. 4. Hypothetische Datenmärkte? Datenbasierte Märkte bestehen oft aus einem vorgelagerten Markt, auf welchem Daten eingeworben und einem nachgelagerten Markt, auf welchem Dienstleistungen auf Grundlage dieser Daten angeboten werden.194 Die jeweiligen Marktseiten sind produktbezogen zu betrachten. Die Annahme hypothetischer Datenmärkte, wie bspw. von Graef angedacht,195 ist aber abzulehnen, da es sich hierbei auch nach der 9. GWB-Novelle nicht um Märkte i.S.d. Kartellrechts handelt. In Zahlen heißt das, dass 2014 bspw. 75 % der Nutzer die kommerzielle Verwendung ihrer Daten ablehnen, aber nur ca. 14 % entsprechende Services deshalb meiden oder bereit wären, dafür ein geringes Entgelt zu bezahlen; Acquisti/Grossklags, in: IEEE Security & Privacy 2005, 3 (1), 27 ff.; Buxman, Wirtschaftsdienst 2015, 810 (812). 194 Der nachgelagerte Markt wird hierbei hauptsächlich in den § 2 C II und IV benannten Verhaltensweisen bestehen. 195 Graef, World Competition 2015, 38 (4), 473 (493).
§ 4 Vorliegen eines Marktes trotz unentgeltlich erbrachter Leistung
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Zwar könnte die Definition eines zugrunde liegenden Datenmarktes eher der Natur von Plattformmärkten entsprechen, da diese Unternehmen sich nicht über die angebotene Dienstleistung definieren würden, sondern über die Daten, die sie dabei einwerben.196 Der Relevanz zukünftiger theories of harm aufgrund großer und exklusiver Datenmengen ist v. a. in der Fusionskontrolle zuzustimmen.197 Die Begründung eines eigenständigen Datenmarktes wird durch den Vergleich mit Forschungsmärkten, die mit Forschungskooperationen konfrontiert sind, geführt.198 Adressiert ist hierbei die Innovationskonkurrenz, v. a. in Form des Technologiewettbewerbs.199 Hier werden die nach der Kooperation bestehenden, unabhängigen Forschungspole, die sich mit einem ähnlichen Forschungsschwerpunkt befassen, begutachtet.200 Sie bilden zusammen mit den kooperierenden Forschungseinheiten die Teilnehmer des Forschungsmarktes. Hypothetische Datenmärkte, die auf die bei den Wettbewerbsteilnehmern bestehenden Ressourcen als Gesamtmarkt, abgekoppelt vom Markt auf welchem sie erlangt wurden, fußen, gehen jedoch zu weit. Denn es liegt ein Fall des captive use vor.201 Im Gegensatz zu den Forschungsinstituten treten datensammelnde Unternehmen, solange es bei einer Eigenverwendung bleibt, nicht aus dem innerbetrieblichen Bereich hinaus.202 Auch wenn es sich bei Forschungsmärkten um unvollkommene Märkte handelt, liegen Angebot und Nachfrage nach der jeweiligen, erwarteten Forschungsleistung vor.203 Dies ist bei hypothetischen Datenmärkten nicht der Fall, weshalb schon in Ermangelung dieses Tatbestandsmerkmals kein Markt angenommen werden kann. 5. Zwischenergebnis Das Kartellrecht dient der Ermöglichung und dem Schutz des Wettbewerbs. Der Wettbewerb wird nicht (nur) als Institution geschützt, sondern als Mittel zur Erreichung allokativer Effizienzen gesehen. Unentgeltliche Leistungen, die aus einem Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage entstehen und zu wirtschaftlichen 196
Graef, World Competition 2015, 38 (4), 473 (493); Dissenting Statement of Commissioner Harbour, Google/DoubleClick, F.T.C. File No. 071-0170; Harbour/Koslov, Antitrust Law Journal 2010, 769 (773 f.). 197 Graef, World Competition 2015, 38 (4), 473 (494) ist zuzustimmen. 198 Graef, World Competition 2015, 38 (4), 473 (494). 199 Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, § 1 GWB Rn. 136; grundlegend Fuchs, Kartellrechtliche Grenzen der Forschungskooperation, S. 249 f.; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rn. 189. 200 Komm. Horizontalfusion-Leitlinien, ABl. 2004 Nr. C031, Rn. 119 f. 201 Unternehmensintern erbrachte Eigenleistungen sind zwar ein relevanter Marktfaktor, jedoch nicht Bestandteil des Marktes und schlagen sich so bspw. auch nicht in der prozentualen Bestimmung der Marktanteile nieder; BKartA TB 2011/2012, S. 90; Wiedemann, in: Wiedemann, Handbuch Kartellrecht, § 23 Rn. 10. 202 Für den Forschungsmarkt Fuchs, Kartellrechtliche Grenzen der Forschungskooperation, S. 294. 203 Ibid.
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
Zwecken stattfinden, müssen insofern zumindest als Markttätigkeit erkannt werden, wie sie einen Beitrag zum Wettbewerb leisten. Denn dort, wo Wettbewerb besteht, soll er auch geschützt werden. Unerheblich ist hierbei, dass es sich aufgrund der (tatsächlichen) Unentgeltlichkeit nicht um einen Preis-, sondern Qualitätswettbewerb handelt. Denn auch die Qualität ist ein Aktionsparameter im Konzept des wirksamen Wettbewerbs.204 Hierbei umfasst die Qualität ceteris paribus die Entwicklung neuer oder die Veränderung bereits bestehender Erzeugnisse.205 Das Wettbewerbsrecht soll die Wettbewerbsfreiheit in der Ausgestaltung der Sicherung der Handlungs- und Entscheidungsfreiheit der Wirtschaftssubjekte wahren.206 Wird zu sehr vom Gedanken des Ausbeutungsmissbrauchs her gedacht,207 versperrt die Fixierung auf das Austauschgut den Blick darauf, dass das Kartellrecht auch die Aufnahme von Marktätigkeiten schützt. Orientiert man sich aber an der eigentlichen Definition der Marktmacht (ein überragender, einseitiger Verhaltensspielraum bei der Entwicklung von Marktstrategien oder auch beim Einsatz einzelner Aktionsparametern208), dann erkennt man, dass ein Markt dort vorliegt, wo Angebot und Nachfrage zur Erfüllung eines Erwerbszwecks aufeinandertreffen und die Marktakteure frei über ihre Ressourcenallokation entscheiden können. Bei Betrachtung der geldwerten Leistung wird nach dem konkreten Grund für die Monetisierbarkeit der Nutzung auf der Werbeseite gefragt, sodass eine Verknüpfung mit der entgeltlichen Seite ausreicht.209 Damit handelt es sich auch um eine wettbewerbliche Ausrichtung der rechtlichen Würdigung. So entscheiden die Marktakteure, ob es sich um einen Wettbewerbsmarkt handelt.
III. Ergebnis Die klassischen datenbasierten Märkte wie Suchmaschinenmärkte können schon gar nicht als unentgeltlich bezeichnet werden, da es zumindest in großen Teilen zu einem Austausch kommt. Dass die Gegenleistung für eine Leistung auch aus anderen Gütern als Geld bestehen kann, ergibt sich unstreitig aus den Vorschriften über Tauschgeschäfte. Von der Einordnung als Austauschgeschäft allein deswegen abzusehen, weil die Gegenleistung im Vergleich zur klassischen Tauschleistungen 204
Schmidt/Haucap, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 80. Schmidt/Haucap, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 80. 206 Hierin ist ein Ausfluss der Freiheitsgarantie und des Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 GG zu sehen. 207 Ähnlich Podszun, in: Kersting/Podszun, 9. GWB-Novelle, Kap. 1 Rn. 9. 208 BGH 3. 7. 1976, WuW/E BGH 1435 (1439) „Vitamin B-12“; BGH 16. 12. 1976, WUW/E BGH 1445 (1449 f.) „Valium“; BGH 21. 2. 1978, WUW/E BGH 1501 (1506 ff.) „KFZ-Kupplungen“; KG 28. 8. 1979, WuW/E OLG 2182(2185) „Hydraulischer Schreitausbau“. 209 BKartA, Arbeitspapier, 42. 205
§ 4 Vorliegen eines Marktes trotz unentgeltlich erbrachter Leistung
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schlechter überprüfbar oder berechenbar ist, überzeugt nicht. Grundsätzlich kommt es auf diese Frage jedoch nicht an, da es keiner Austauschbeziehung bedarf. So ist auch die Tätigkeit zu berücksichtigen, wenn sich Angebot und Nachfrage zur Erfüllung eines Erwerbszwecks treffen.
D. Der Markt trotz unentgeltlicher Leistung im europäischen Recht I. Grundlagen Die Kommission äußert sich in ihrer Bekanntmachung für die Definition des relevanten Marktes nicht zur Definition des Marktbegriffs selbst. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Markt im ökonomischen Sinne der Ort, an dem Angebot und Nachfrage nach Wirtschaftsgütern zusammentreffen.210 Auch hier muss der Marktbegriff unter Berücksichtigung des analytischen Zwecks dem er dient, erarbeitet werden.211 Das Verständnis der Begrifflichkeit des Marktes steht deshalb ebenso unter dem Einfluss des Schutzzwecks der Norm im Rahmen welcher er geprüft wird.
II. Behandlung unentgeltlicher Leistung in der europäischen Fallpraxis Auch in der europäischen Rechtsprechung lässt sich eine Entwicklung ausmachen. Während sich die älteren Entscheidungen vorrangig um Fernsehwerbemärkte drehen, hat sich der Fokus und damit auch die Einordnung der Nicht-Monetärität von Gegenleistungen verschoben. So wurde die Frage Mitte der neunziger Jahre nur implizit bei der Diskussion des Werbemarktes beantwortet und ein Rezipientenmarkt aufgrund des fehlenden Entgeltes verneint.212 Die Kommission verlangte früher eine trade relationship, damit die Effekte des Zusammenschlusses auf der Seite des Marktes berücksichtigt werden können.213 Auch in Bezug auf Tageszeitungen hatte die Kommission 2005 noch ein ähnliches Verständnis.214 Hier wurden kostenlose
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EuGH 14. 11. 1996, Rs. C-333/94 P, Rn. 10 „Tetra Pak“; Beckmann/Müller, in: Hoeren/ Sieber/Holznagel, Teil 10, Rn. 28. 211 Rittner/Dreher/Kulka, Wettbewerbs- und Kartellrecht, Rn. 755 ff. m.w.N. 212 Komm. 17. 5. 1995, COMP/M.566, Rn. 14 „CLT Disney Super RTL“; Komm. 18. 2. 2000, COMP/M.1889, Rn. 12 „CLT-UFA Canal+Vox“. 213 Komm. 21. 03. 2000, COMP/JV.37-B, Rn. 24 „SKY B/Kirch PAY TV“ 214 Komm. 7. 7. 2005, COMP/M.3817, Rn. 15, 19, 29 f. „Wegener/PCM/JV“.
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
Zeitungen nicht berücksichtigt. Die Kommission hat in einer Vielzahl von Entscheidungen festgestellt, dass Pay-TV und Free-TV separate Märkte darstellen.215 Die ersten datenbasierten Sachverhalte wurden ebenfalls zurückhaltend beurteilt. So wurde der Suchmarkt bei dem Zusammenschluss Microsoft/Yahoo nicht als selbstständiger Markt gesehen, ein solcher auch nicht abgegrenzt und die Effekte der Marktseite nur bei der konglomeraten Zusammenschlusswirkung berücksichtigt.216 In der Microsoft/Skype Entscheidung thematisierte weder die Kommission noch das EuG das Vorliegen des Marktes trotz mangelnder Entgeltlichkeit.217 Die Kommission grenzte hier einen Markt für consumer communications services und enterprise communications services ab.218 Das EuG sprach jedoch die Tatsache an, dass es eine große Anzahl von Geschäftsmodellen geben könne und die „Beurteilung eines Zusammenschlusses nicht die Funktion haben kann, das Modell vorherzusagen, das die Videotelefonie praktisch rentabel mache“.219 Auch in der Kontrolle des Zusammenschlusses Facebook/WhatsApp grenzte die Kommission drei relevante sachliche, z. T. unentgeltliche Märkte ab: consumer communication services, social networking services und den Online-Werbemarkt.220 Die Kommission ließ sich dabei nur bezüglich der social networking services dazu hinreißen, anzusprechen, dass die große Mehrzahl dieser sozialen Dienste „free of monetary charges“ angeboten würden.221 Diese könnten jedoch durch andere Mittel monetisiert werden. Solche Mittel seien Werbung oder kostenpflichtige Premiumangebote.222 Die Kommission enthielt sich also einer genauen Stellungnahme bezüglich der dogmatischen Einordnung von unentgeltlichen Leistungen als Marktgeschehen. Seit 2010 waren immer wieder Ermittlungen gegen Google anhängig. Die Kommission ging dabei davon aus, dass Google eine marktbeherrschende Stellung auf dem Indexierungsmarkt innehabe.223 Während in den vorangegangenen Fusionskontrollen zu entscheiden war, ob die Wettbewerbskräfte unentgeltlicher Anbieter bei der Beurteilung der Stellung eines Unternehmens mit entgeltlicher Leistung berücksichtigt werden sollten, wurde hier der Missbrauch auf einem insgesamt unentgeltlichen Markt beurteilt. Damit rückt die unentgeltliche Leistungserbringung in den Fokus. Im letztendlich entschiedenen Missbrauchsverfahren Google Search (Shopping) äußerte die Kommission, dass die Unentgeltlichkeit eines Angebots nicht 215
Komm. 13. 7. 2006, COMP/M.4204, Rn. 8 ff. „Cinven/UPC France“; Komm. 20. 3. 2006, COMP/M.4066, Rn. 31 ff. „CVC/SLEC“; Komm. 18. 7. 2007, COMP/M.4504, Rn. 17 ff. „SRF/Tele2 France“; Komm. 25. 6. 2008, COMP/M.5121, Rn. 15 „News Corp/Premiere“. 216 Komm. 18. 2. 2010, COMP/M.5727, Rn. 85 „Microsoft/Yahoo! Search Business“. 217 Komm. 22. 11. 2011, COMP/M.6281 „Microsoft/Skype“; EuG 11. 12. 2013, Rs. T-79/12 „Cisco Systems und Messagenet/Kommission“. 218 Komm. 7. 10. 2011, COMP/M.6281, Rn. 18 – 63 „Microsoft/Skype“. 219 EuG 11. 12. 2013, Rs. T-79/12, Rn. 93 „Cisco Systems und Messagenet/Kommission“. 220 Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217, Rn. 47 „WhatsApp/Facebook“. 221 Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217, Rn. 47 „WhatsApp/Facebook“. 222 Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217, Rn. 47 „WhatsApp/Facebook“. 223 Komm. 27. 6. 2017, COMP/AT.39740, Rn. 264 „Google Search (Shopping)“.
§ 4 Vorliegen eines Marktes trotz unentgeltlich erbrachter Leistung
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der wirtschaftlichen Aktivität, welche eine Anwendung der Wettbewerbsregeln auslöst, entgegensteht.224 Es würde sich dabei vielmehr um einen in der Marktmachtbestimmung zu berücksichtigenden Faktor handeln. Die wirtschaftliche Aktivität machte die Kommission im Falle des Suchmaschinenservices daran fest, dass die Kunden zwar nicht mit Geld zahlen, aber ihre Daten zur Monetisierung zur Verfügung stellen.225 Durch das Eintippen einer Suchanfrage gehe der Suchende eine vertragliche Bindung mit dem Suchanbieter ein, was durch die Datenschutzrichtlinie des Unternehmens belegt würde.226 Da Google die Daten nutzen, also lagern und wieder benutzen darf, und diese genutzt werden um die Dienstleistung von Google zu verbessern, seien die Daten für Google wertvoll.227 Weiterhin könne es sich auch um eine Wettbewerbsstrategie zur Internalisierung von Netzwerkeffekten handeln.228 Auch faktisch existiere ein Wettbewerb zwischen den Suchmaschinen.229 Welche Grenzen der Marktbegriff haben soll, ist damit aber nicht geklärt. Die Adressateneigenschaft lässt sich auch im europäischen Recht aufgrund des funktionalen Unternehmensbegriffs nicht als vorgeschalteter Filter verstehen. Denn hier ist jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit erfasst.230 Eine wirtschaftliche Tätigkeit kann im Angebot von231 oder in der Nachfrage nach Gütern oder Dienstleistungen bestehen, wenn diese wiederum auf anderen Märkten angeboten werden.232 Ausreichend ist, dass sie – wie z. B. die Forschung und Entwicklung von Erzeugnissen – die Marktteilnahme vorbereiten oder – wie z. B. die Einziehung von Forderungen – die Marktteilnahme abschließen.233 Aus diesem Grund muss die Abgrenzung zwischen zu kontrollierenden Marktbeziehungen und nicht dem Kartellrecht zu unterwerfendem Handeln auf der Ebene der Marktdefinition stattfinden. 224
Komm. 27. 6. 2017, COMP/AT.39740, Rn. 152 „Google Search (Shopping)“. Ibid. Rn. 158. 226 „By using our Services, you agree that Google can use such data in accordance with our privacy policies.“ 227 Google’s Privacy Policy, siehe „Information we collect“ und „How we use information we collect“. 228 Komm. 27. 6. 2017, COMP/AT.39740, Rn. 159 „Google Search (Shopping)“. 229 Ibid. Rn. 160. 230 Vgl. EuGH 23. 4. 1991, Rs. C-41/90, Slg. 1991 I 1979 Rn. 21 „Höfner und Elser“; EuGH 17. 2. 1993, verb. Rs. C-159 u. 160/91, Slg. 1993 I 637 Rn. 17 „Poucet et Pistre“; EuGH 16. 11. 1995, Rs. C-244/94, Slg. 1995 I 4013 Rn. 14 „Fédération française des sociétés d’assurance u. a. (,FFSA‘)“; EuGH 12. 7. 2012, Rs. C-138/11 Rn. 35 „Compass Datenbank“. 231 EuGH 16. 6. 1987, Rs. 118/85, Slg. 1987, 2599 Rn. 7 „Kommission/Italien (,Transparenz-Richtlinie II‘)“; EuGH 18. 6. 1998, Rs. C-35/96, Slg. 1998 I 3851 Rn. 36 „Kommission/ Italien“; EuGH 12. 9. 2000, verb. Rs. C-180 bis 184/98, Slg. 2000 I 6451 Rn. 75 „Pavlov u. a.“; EuGH 19. 2. 2002, Rs. C-309/99, Slg. 2002 I 1577 Rn. 47 „Wouters u. a.“. 232 Zur Anknüpfung der Unternehmenseigenschaft nur an die Angebotstätigkeit s. EuGH 11. 7. 2006, Rs. C-205/03 P, Slg. 2006 I 6295 Rn. 25 „FENIN“; Grave/Nyberg, in: Loewenheim et al., Art. 101 AEUV Rn. 112; a.A. Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 101 Abs. 1 AEUV Rn. 18 (4. Aufl.). 233 Schröter, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Vorbemerkung Art. 102 Rn. 67. 225
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
Die Erwähnung der Monetisierbarkeit der unentgeltlichen Marktseite über andere Mittel seitens der Kommission legt nahe, dass auch die Kommission eine Erwerbsstrategie als Anknüpfungspunkt präferieren könnte.
III. Kriterien für das Vorliegen eines Marktes auf europarechtlicher Ebene Das Abstellen auf die wirtschaftliche Aktivität begründet die Kommission mit einem alternativen Austauschverhältnis, der Internalisierung von Netzwerkeffekten, also der Monetisierung durch die Verlagerung des Entgelts und der faktischen Existenz von Wettbewerb. Die Kommission selbst führt aus, dass sie hier keinem rigiden Prüfungsschema folgt, sondern einen Gesamteindruck berücksichtigen will.234 Auch wenn es sich nicht zwingend aus dem Wortlaut des Art. 102 AEUV ergibt, ist die Bestimmung des sachlich und räumlich relevanten Marktes doch ständige Praxis im europäischen Kartellrecht.235 Das europäische Recht ist frei von einer partiellen Legaldefinition des Marktes, sodass sich argumentieren ließe, dass die Unentgeltlichkeit sehr wohl der Annahme eines Marktes entgegenstehen kann. Dies ergibt sich allerdings weder aus dem Gesetz, noch aus der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis.236 Stattdessen ist davon auszugehen, dass die Unentgeltlichkeit der Annahme eines Marktes entgegensteht, wenn nicht wenigstens ein mittelbarer Erwerbszweck damit erfüllt wird. Die Mittelbarkeit ist hierbei ebenso wie im deutschen Recht zu ermitteln. Auch wenn das EuG in Skype erläutert, es gebe eine Reihe von Modellen zur Monetisierung und es stehe dem Gericht nicht zu, einzuschätzen, ob diese rentabel seien, so ist doch zumindest davon auszugehen, dass es final zu einer Monetisierung kommen soll. Auch die Kommission führte in Facebook/WhatsApp aus, dass durch andere Mittel, bspw. Werbung oder kostenpflichtige Premiumangebote, monetisiert werden könne.237 Es soll also zu einer dauerhaften Monetisierung in Verbindung mit der kostenlos angebotenen Dienstleistung kommen. In dieses Schema gehören auch Freemiumangebote. Sie führen direkt zu einer Monetisierung über die Nutzer, die den Schritt zum Premiumprodukt gehen. Auch stehen diese Produkte im Wettbewerb mit anderen entgeltlichen und unentgeltlichen Produkten (auch zum eigenen Premiumprodukt). Obwohl sich die Unionsorgane zur Frage der Langfristigkeit bei der Betrachtung des Marktes nicht äußern, ist davon
234
Komm. 27. 6. 2017, COMP/AT.39740, Rn. 152 „Google Search (Shopping)“. Hierzu ausführlicher Hahne, Das Erfordernis der Marktabgrenzung, S. 212, 215. 236 Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Markt im ökonomischen Sinne der Ort, an dem Angebot und Nachfrage nach Wirtschaftsgütern zusammentreffen, EuGH 14. 11. 1996, Rs. C-333/94 P, Rn. 10 „Tetra Pak“. 237 Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217, Rn. 47 „WhatsApp/Facebook“. 235
§ 4 Vorliegen eines Marktes trotz unentgeltlich erbrachter Leistung
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auszugehen, dass sich aufgrund des weiteren Verständnisses die Ausführungen zur Langfristigkeit anwenden lassen.
IV. Stellungnahme Das Kartellrecht dient der Ermöglichung und dem Schutz des Wettbewerbs. Der Wettbewerb wird hier nicht (nur) zum Selbstzweck geschützt, sondern als Mittel zur Erreichung allokativer Effizienzen gesehen. Mit dem more economic approach ist der Fokus hierbei v. a. im europäischen Recht auf die Maximierung der Konsumentenwohlfahrt gelegt.238 Dies ist verbunden mit der Forderung nach einer stärkeren Einbeziehung ökonomischer Theorien und Methoden in die wettbewerbliche Praxis. Während die Berücksichtigung quantitativer (ökonometrischer) Analysen durch eine Unentgeltlichkeit erschwert ist, so ist die Betrachtung tatsächlicher wirtschaftlicher Beziehungsgeflechte unabhängig vom formal juristischen Austauschbegriff durch einen wirkungsbasierten Ansatz erleichtert. Der Gleichlauf des Marktverständnisses im nationalen und europäischen Recht ist auch für die Rechtspraxis relevant. Zwar können einseitige Maßnahmen mit potentiell zwischenstaatlichen Auswirkungen gem. Art. 3 Abs. 2 S. 2 VO 1/2003, § 22 Abs. 3 S. 3 GWB strenger sein als Art. 102 AEUV.239 Auch im Rahmen der Fusionskontrolle bestehen zwei unabhängige Regimes, die letzten Jahre waren aber von einer Angleichung an die europäische FKVO geprägt.240 Aufgrund der häufig grenzüberschreitenden Sachverhalte im Datenkontext ist ein Gleichlauf der Regelungen vorteilhaft.
E. Ergebnis Durch die verlagerte Monetisierung auf datenbasierten Märkten sind diese häufig unentgeltlich. Doch nicht nur, wenn es zu einer direkten aber mittelbaren Verlagerung der Monetisierung durch die Daten kommt, muss eine Markttätigkeit bejaht werden. Auch wenn der Markt erst durchdrungen werden soll und es so zu einer langfristigen Monetisierungsstrategie nach dem Aufbau von Netzwerkeffekten oder Bekanntheit kommt, ist von einer Markttätigkeit auszugehen.
238
Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 3 Rn. 43 m.w.N. Bechtold/Bosch, Vorb § 18 GWB Rn. 3; Nothdurft, in: Langen/Bunte, § 19 Rn. 30 ff.; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 Rn. 15 GWB. Näher zur Auslegung der Zwischenstaatlichkeitsklausel im Kontext des europäischen Missbrauchsverbots Fuchs, in: Immenga/ Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 22 ff. m.w.N. 240 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, Vorbem. § 35 Rn. 7. 239
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
§ 5 Methoden der Marktabgrenzung auf datenbasierten Märkten A. Die Marktabgrenzung I. Ziel der Marktabgrenzung Die Frage, ob ein Unternehmen marktbeherrschend ist, beantwortet sich nicht allgemein aus seiner Größe, seiner Wirtschaftskraft oder anderen abstrakten Unternehmenskriterien, sondern stets in Bezug auf einen konkret abzugrenzenden Markt.241 Die Abgrenzung dieses Marktes dient der Ermittlung der maßgeblichen Wettbewerbskräfte, denen sich Unternehmen gegenübersehen, mithin der Bestimmung der „area of effective competition“.242 Mittels der Marktabgrenzung werden diejenigen Unternehmen identifiziert, die (aktuell oder potenziell) mit dem zur Beurteilung stehenden Unternehmen in Wettbewerb stehen.243 Der relevante Markt ist jedoch nicht nur ein Indikator, um möglichst genau die Wettbewerbsbeziehungen zu ermitteln, sondern dient auch als Werkzeug, um die Marktanteilsberechnung vornehmen zu können.244 Damit umschreibt der relevante Markt den maßgeblichen Prüfungsbereich der kartellrechtlichen Beurteilung.245 Da die Marktabgrenzung am Anfang der ökonomischen Wettbewerbsanalyse steht, ist sie auch richtungsweisend für den weiteren Verlauf der Untersuchung. Im deutschen Recht ergibt sich die Notwendigkeit der Marktabgrenzung aus § 18 Abs. 1 GWB, wonach eine marktbeherrschende Stellung auf einem sachlich und räumlich relevanten Markt besteht.246 Im europäischen Recht ist spätestens seit dem Urteil United Brands unumstritten, dass auch Art. 102 AEUV die Abgrenzung eines relevanten Marktes im Sinne des Marktmachtkonzepts voraussetzt, auch wenn die Norm selbst nicht von einem relevanten Markt spricht.247 Nach der Definition des EuGH setzt der relevante Markt 241
Kühnen, in: Loewenheim et al., § 18 GWB Rn. 11. Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes, Abl. Nr. C 372 vom 9. 12. 1997, S. 5 – 13, Rn. 2 (zitiert als „Komm, Marktdefinitionsbekanntmachung“); Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 Rn. 28; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 47. 243 Kühnen, in: Loewenheim et al., § 18 GWB Rn. 12. 244 Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S. 165. 245 Hahne, Das Erfordernis der Marktabgrenzung, S. 28. 246 Kühnen, in: Loewenheim et al., § 18 GWB Rn. 11. 247 EuGH 14. 2. 1978, Rs. C-27/76, Slg. 1978, I-207 „United Brands/Kommission“. Diese Voraussetzung ist in der Praxis und von der ganz herrschenden Meinung anerkannt. Praxis: so vor dem Fall United Brands bereits EuGH 30. 6. 1966, Rs. C-56/65, Slg. 1966, I-281 „Société Téchnique minére“; EuGH 9. 7. 1969, Rs. C-5/69, Slg. 1969, I-295, Rn. 7 „Völk/Vervaecke“; später dann EuGH 9. 11. 1983, Rs. C-322/81, Slg. 1983, I-3461, Rn. 37 „N.V. NederlandscheBanden–Industrie-Michelin/Kommission“; EuGH 13. 2. 1979, Rs. C-85/76, Slg. 1979, I-461, Rn. 38, 47 „Hoffmann-La Roche/Kommission“ (schiere Unternehmensgröße stellt keine Ein242
§ 5 Methoden der Marktabgrenzung auf datenbasierten Märkten
117
„die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs zwischen den zu ihm gehörenden Erzeugnissen voraus, so dass ein hinreichender Grad von Austauschbarkeit zwischen allen zum gleichen Markt gehörenden Erzeugnissen im Hinblick auf die gleiche Verwendung erforderlich ist.“248
Auch die Kommission erkannte an, dass die Definition des relevanten Marktes „bei der Würdigung eines Wettbewerbsfalles häufig ausschlaggebend“ sei.249 Aufgrund der unterschiedlichen Zielrichtungen der Missbrauchsaufsicht – retrospektive Verhaltenskontrolle – und der Zusammenschlusskontrolle – prospektive Einschätzung – wird das in beiden Fällen zentrale Instrument der Marktabgrenzung unterschiedlich nuanciert.250 Der für die Zwecke der Untersuchung vorzugswürdigen einheitlichen Darstellung der Abgrenzungskonzepte stehen diese Abweichungen jedoch nicht entgegen; werden abweichenden Konnotationen relevant, wird gesondert darauf hingewiesen. Der Markt kann sowohl sachlich – im Hinblick auf Produkte und Dienstleistungen – und nach seiner geographischen Dimension – räumlich – bestimmt werden. Eine zeitliche Abgrenzung rundet die Einschätzung ab, steht jedoch selten in Frage.251 Im Fokus der Bearbeitung wird demnach die sachliche Marktabgrenzung stehen.252
II. Die sachliche Marktabgrenzung als Instrument 1. Wettbewerbsrechtliche Relevanz Um Marktmacht feststellen zu können, muss der Markt, auf welchem sie bestehen soll, zunächst abgegrenzt werden, um anschließend strukturelle Analysen anhand dieses begrenzten Marktes vornehmen zu können. Es stellt sich bei einer marktmachtbezogenen Marktabgrenzung also die Kontrollfrage: griffsvoraussetzung dar); EuGH 17. 7. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449 Rn. 36 „GT-Link/ De Danske Statsbaner“; ganz h.M. Bergmann/Fiedler, in: Loewenheim et al., Art. 102 AEUV Rn. 35; vgl. Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 Rn. 42; Scholz, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 22 Rn. 27; für die Fusionskontrolle siehe Körber, in: Immenga/ Mestmäcker, Art. 2 FKVO Rn. 16 ff.; für eine wettbewerbsökonomische Erläuterung des marktmachtbezogenen relevanten Marktes im europäischen Kartellrecht siehe Bishop/Walker, Rn. 4.01 ff. 248 EuGH 13. 2. 1979, Slg. 1979, 461, 516 „Hoffmann-La Roche“; vgl. auch EuG 12. 12. 1991, Slg. 1991, II-1439, 1472 ff. „Hilti“. 249 Komm., Marktdefinitionsbekanntmachung Rn. 4. 250 Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 17 Rn. 2. 251 Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 102 Rn. 55; Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 102 Rn. 5, 17. 252 Da die vorliegende Untersuchung sich konzeptionell mit der Anwendbarkeit der Instrumente zur Marktabgrenzung auseinandersetzt, lassen sich im Zuge der Untersuchung gewonnene Erkenntnisse prinzipiell auf die räumliche oder gar zeitliche Marktabgrenzung übertragen, da diese die gleiche Grundfrage nach dem (Ausweich-)Verhalten der Marktgegenseite stellen, Rittner/Dreher/Kulka, Wettbewerbs- und Kartellrecht, Rn 645.
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
„Welche Wettbewerbskräfte muss ein Marktteilnehmer kontrollieren, um sich tatsächlich und umfassend unabhängig von Konkurrenten und Nachfragern verhalten zu können?“253
Die Abgrenzung des Marktes in der sachlichen Dimension ist eine Abgrenzung im Hinblick auf die gehandelten Produkte und Dienstleistungen,254 es soll also das konkrete Marktobjekt ermittelt werden.255 Die sachliche Marktabgrenzung dient mithin der Identifikation der konkreten Produkte,256 die dazu geeignet sind, durch ihre Eigenschaften Wettbewerbsdruck auf das zu untersuchende Produkt auszuüben.257 Anknüpfungspunkt der den in Frage stehenden Adressaten kontrollierenden Wettbewerbskräfte ist das Produkt des Unternehmens. Der relevante Markt wird abgesteckt bis zu dem Produkt, von dem keine bzw. zu vernachlässigende kontrollierende Wettbewerbskräfte ausgehen.258 Ziel der Untersuchung ist die Identifizierung eines beherrschbaren, mithin eines ökonomisch aussagekräftigen Marktes: Methodisch gibt es verschiedene Ansätze zur Abgrenzung derartiger Tauschgruppen. Der deutsche Gesetzgeber hat bewusst auf eine gesetzliche Implementierung des Bedarfsmarktkonzeptes verzichtet, um einem möglichen ökonomischen Erkenntnisgewinn nicht normativ entgegenzutreten. Es sollte vielmehr eine offene Entwicklung des Marktbegriffs im Kartellrecht ermöglicht werden.259 Die Rechtsanwendung hat, wie erhofft, verschiedene Ansätze zur Abgrenzung im Rahmen des Marktmachtkonzepts herausgebildet, die nun zunächst vorgestellt werden sollen.260
253
Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S. 69. Der Europäischen Kommission zufolge umfasst der sachlich relevante Produktmarkt „sämtliche Erzeugnisse und/oder Dienstleistungen, die von den Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als austauschbar oder substituierbar angesehen werden“. 255 Lenßen, Der kartellrechtlich relevante Markt, S. 69. 256 Im Folgenden wird nur noch von Produkten gesprochen, auch wenn Produktbündel und vor allem Dienstleistungen betroffen sind, womit diese Alternative stets mit abgedeckt sein soll. 257 Hahne, Das Erfordernis der Marktabgrenzung, S. 37. 258 Schmidt/Haucap, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 61. 259 Vgl. BegrRegE (3. GWB-Novelle), BT-Drucks. 7/2954, 5. 260 Hierbei werden nur die relevantesten Konzepte für die Erfassung datenbasierter Märkte dargestellt, sodass auf das Konzept der Wirtschaftspläne, Säcker, ZWeR 2004, 1 (14 ff.); grundlegend hierzu Mestmäcker, Das marktbeherrschende Unternehmen, S. 9 ff. Säcker, The Concept of the Relevant Product Market, S. 50 ff., und der subjektive Vorstellungen der Anbieterseite, Zimmerlich, Dynamische Märkte, S. 218 ff., hier lediglich verwiesen sei. 254
§ 5 Methoden der Marktabgrenzung auf datenbasierten Märkten
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2. Ansätze zur Marktabgrenzung im Rahmen des Marktmachtkonzepts a) Das Bedarfsmarktkonzept Das Bedarfsmarktkonzept beruht auf der Annahme, dass eine Segmentierung der Wirtschaft in sogenannte Bedarfsmärkte möglich ist, welche jeweils der Deckung eines bestimmten „gesellschaftlichen Bedarfs“ gewidmet sind.261 Um den relevanten Markt abgrenzen zu können, sind also die Substitute zum Produkt des betroffenen Unternehmens aus der Sicht der Nachfrager zu bestimmen.262 Das Bedarfsmarktkonzept ermittelt hierfür einen Bedarf und wägt zu dessen Befriedigung die verschiedenen Produkte der Marktgegenseite in ihrer Austauschbarkeit gegeneinander ab.263 Die Konkretisierung der Austauschbarkeit erfolgt aus Sicht der Gegenseite. Nachdem also ein bestimmter, konkreter Bedarf ermittelt wurde, muss die jeweilige Substituierbarkeit bestimmt werden. Der deutschen Rechtsprechung zufolge gehören zum relevanten Markt „[s]ämtliche Erzeugnisse, die sich nach ihren Eigenschaften, ihrem wirtschaftlichen Verwendungszweck und ihrer Preislage so nahestehen, daß der verständige Verbraucher sie als für die Deckung eines bestimmten Bedarfs geeignet in berechtigter Weise abwägend miteinander vergleicht und als gegeneinander austauschbar ansieht“.264
Austauschbar sind nach der Auffassung des EuGH „Erzeugnisse, die sich zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs besonders eignen und mit anderen Erzeugnissen nur in geringem Maße austauschbar sind“.265
Relevant ist die funktionelle, nicht die technische, Austauschbarkeit.266 Demnach ist nicht entscheidend, wie genau der Bedarf befriedigt wird, nur dass er in einer dem Kern des Bedarfs entsprechenden deckenden Art befriedigt wird.267 Wie schon angeführt, legen auch Kommissionspraxis und Rechtsprechung auf europäischer Ebene das Bedarfsmarktkonzept zugrunde.268 Man kann zwischen einem der Kommission
261
Vgl. Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S. 74 f., Schmidt/Haucap, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 62. 262 Wingerter, Abgrenzung des relevanten Marktes, S. 36. 263 Vahrenholt, Marktabgrenzung und Systemwettbewerb, S. 78. 264 KG 18. 2. 1969, Kart V 34/67, WuW/E OLG 995f „Handpreisauszeichner“. 265 EuGH 11. 12. 1980, Rs. 31/80, „L’Oreal“, Slg. 1980, 3776, Rn. 32; EuGH 21. 2. 1973 – Rs. 6/72, „Continental Can/Kommission“, Slg. 1973, 215, Rn. 32; EuG 30. 1. 2007 – Rs. T-340/ 03, „France Telecom“, Slg. 2007, II-117, Rn. 78. 266 Z. B. BGH 26. 5. 1987, WuW/E BGH 2406, 2408 „Inter Mailand-Spiel“; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 Rn. 37; bloße Eignung lassen genügen Kleinmann/Bechtold, § 22 Rn. 14. 267 Vahrenholt, Marktabgrenzung und Systemwettbewerb, S. 82. 268 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 48.
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
zugeschriebenen Prinzip der „subjektiven Äquivalenz“269 und dem der „funktionalen Äquivalenz“270 des Gerichtshofs differenzieren.271 Bis auf unterschiedliche Akzentuierungen272 hat diese Abweichung aber kaum praktische Bedeutung.273 Die Fälle Hilti, Michelin und Tetra Pak II belegen, dass eine nur begrenzte Austauschbarkeit nicht genügt.274 Damit ermittelt werden kann, ob ein bestimmtes Produkt den gleichen Bedarf deckt, wird auf die überwiegende Mehrheit der Marktgegenseite abgestellt, die den Durchschnitt der Gesellschaft reflektiert.275 Optimalerweise ist auf das tatsächliche Marktgeschehen abzustellen.276 Fehlt es an feststellbaren Tatsachen277, ist auf die Sichtweise des Verbrauchers abzustellen. Um eine Objektivierung des Verbraucherinteresses zu erreichen, wird in Bezug auf den Informationsstand der Marktgegenseite, der die Ausweichmöglichkeiten hinsichtlich eines bestimmten Bedarfs beeinflusst auf den vernünftigen durchschnittlichen Verbraucher abgestellt.278 Bei der Feststellung der funktionellen Austauschbarkeit steht der Verwendungszwecks und damit die Eigenschaften der Waren und Dienstleistungen im Vordergrund.279 Das Merkmal Preis bzw. der Preisunterschied tritt demgegenüber zurück und wird eher als Indiz für mangelnde disziplinierende Einflüsse gesehen.280 269 Es wird abgestellt auf: Erzeugnisse, die von den Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften etc. als substituierbar angesehen werden, Komm., Marktdefinitionsbekanntmachung Rn. 7; s. auch Komm. 26. 7. 1988, ABl. 1988, L 272/27, 33 ff. „Tetra Pak I“; Komm. 4. 11. 1988, ABl. 1988, L 317/47, 49 f. „SABENA“; Komm. 2. 6. 2004 COMP/38.096, Rn. 135 „Clearstream“. 270 Es wird abgestellt auf einen „hinreichenden Grad von Austauschbarkeit zwischen allen zum gleichen Markt gehörenden Erzeugnissen im Hinblick auf die gleiche Verwendung“, EuGH 13. 2. 1979, Slg. 1979, 461, 516 „Hoffmann-La Roche“; vgl. auch EuG 12. 12. 1991, Slg. 1991, II-1439, 1472 ff. „Hilti“. 271 Die Begriffe erläuternd Hoppmann, Abgrenzung des relevanten Marktes, S. 39 ff.; Lenßen, Der kartellrechtlich relevante Markt, S. 192 f. 272 So Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 48. 273 Vgl. Schröter/Bartl, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 102 Rn. 134; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 Rn. 48. 274 Vgl. aus jüngerer Zeit Komm. 16. 7. 2003, COMP/38.233, Rn. 193 ff. „Wanadoo Interactive“, bestätigt durch EuG 30. 1. 2007, Rs. T-340/03, Slg. 2007, II-107, Rn. 88 „France Télécom/Kommission“ (grundsätzlich vorhandene, aber nicht hinreichend ausgeprägte Austauschbarkeit von schmalbandigen und breitbandigen Internetzugängen). 275 Vahrenholt, Marktabgrenzung und Systemwettbewerb, S. 82 f. 276 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 49. 277 Zur Erhebung von Belegmaterial durch die Kommission s. Komm., Marktdefinitionsbekanntmachung Rn. 33 f. 278 Müller, Abschied vom Bedarfsmarktkonzept, S. 73. Flüchtige oder irrationale Verbraucherauffassungen werden in der Regel nicht berücksichtigt; Fuchs, in: Immenga/ Mestmäcker, Art. 102 Rn. 49; a.A. Schröter/Bartl, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 102 Rn. 133. 279 Vgl. KG 23. 5. 1991, WuW/E OLG 4771 „Folien und Beutel“; Fuchs, in: Immenga/ Mestmäcker, § 18 Rn. 39. 280 Vgl. KG 28. 8. 1979, WuW/E OLG 2182, 2183 „Hydraulischer Schreitausbau“; dazu auch BGH 20. 4. 2010, WuW/E DE-R 2905 „Phonak/GN Store“ vor dem Hintergrund der
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Weiterhin müssen die Produkte aus Sicht der Abnehmer nicht in jeder Hinsicht vollständig untereinander austauschbar sein.281 Das Bedarfsmarktkonzept weist jedoch verschiedene Schwachstellen auf: So ist ein Markt nach dem Bedarfsmarktkonzept aus der Sicht der Marktgegenseite abzugrenzen, die Marktgegenseite richtet sich jedoch wiederum nach der Bestimmung des relevanten Marktes. Es ergibt sich also ein Zirkelschluss.282 Zudem werden nicht alle wettbewerblichen Einflussfaktoren erfasst. So findet zum Beispiel die aus ökonomischer Sicht relevante Preiselastizität der Nachfrage eines Produktes keine Berücksichtigung.283 Das tatsächliche Verhalten der Verbraucher kann außerdem erheblich von der subjektiven Definition abweichen.284 Ein weiteres Problem ist in der stark ausgeprägten Subjektivität des Bedarfsmarktkonzepts zu sehen.285 Das Ergebnis der Marktabgrenzung hängt somit auch in besonderem Maße von der Definition des Durchschnittsverbrauchers ab. b) SSNIP-Test und Kreuz-Preis-Elastizität Als Alternative oder unterstützende Modellerwägung286 kommt der SSNIP-Test (small but significant non-transitory increase in price) oder hypothetische Monopoltest287 in Betracht. Die Idee des Konzepts des „hypothetischen Monopolisten“ ist es, dass zumindest ein Monopolist in der Lage sein müsste, auf dem als relevanten Markt identifizierten Marktauschnitt Marktmacht auszuüben. In diesem Kontext wird Marktmacht als die Fähigkeit angesehen, dauerhaft höhere Preise im relevanten Markt realisieren zu können.288 Der SSNIP-Test ist ein im US-amerikanischen Kartellrecht verankertes Konzept zur Marktabgrenzung.289 Hierbei wird der relevante Markt mit der Erwägung abgegrenzt, ob für einen gewinnmaximierenden, hypothetischen Monopolisten eine kleine, aber signifikante, konstante Preiserhöhung vorteilhaft wäre. Begonnen wird mit dem denkbar kleinsten Markt. Dann wird ermittelt, ob ein hypothetischer Monopolist auf diesem kleinen Markt den Preis seines Produkts signifikant, dauerhaft und profitabel erhöhen kann. Als Preiserhöhung wird eine Spanne von 5 – 10 % angenommen. Ist diese nicht profitabel wird das Produkt- und Preissegmente auf dem Hörgerätmarkt; vgl. dazu Kirchhoff, WuW 2011, 1174 (1177); Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 GWB Rn. 40. 281 EuG 9. 9. 2009, Rs. T-301/04, Rn. 64 „Clearstream/Kommission“. 282 Traugott, WuW 1998, 929 (935); Vahrenholt, Marktabgrenzung und Systemwettbewerb, S. 83. 283 Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, S. 271. 284 Traugott, WuW 1998, 929 (937). 285 Hahne, Das Erfordernis der Marktabgrenzung, S. 74; Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, S. 271. 286 BGH 4. 3. 2008, KVR 21/07, WuW/E DE-R – 2270 – 2279, Rn. 18 „Soda-Club II“. 287 Vertiefend hierzu O’Donoghue/Padilla, Art. 102 TFEU, S. 76 ff. 288 Ewald, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 7 Rn. 76. 289 US Horizontal Merger Guidelines S. 8 ff.
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Produkt(-bündel) um benachbarte Produkte erweitert, bis die Profitabilität einer solchen Preiserhöhung feststeht.290 Wenn eine Preiserhöhung über 5 % im Vergleich zur Ausgangssituation immer noch profitabel ist, ist das Produktbündel ein eigener Markt.291 Während der Test in der deutschen Rechtsprechung und Behördenpraxis eher als unterstützende Modellerwägung betrachtet wird,292 spielt der Test im europäischen Recht eine größere Rolle und findet regelmäßig neben dem Bedarfsmarktkonzept Anwendung.293 So rügte das EuG im Fall CEAHR/Kommission, dass die Kommission bei der Prüfung hinreichender Austauschbarkeit eine genaue Analyse der Kreuz-Preis-Elastizität mittels des SSNIP-Tests nicht durchführte.294 Im europäischen Recht gibt es zudem Tendenzen, weitere ökonometrische Modelle bei der sachlichen Marktabgrenzung – orientiert am Beispiel der US-amerikanischen Praxis – anzuwenden.295 Der SSNIP-Test unterscheidet sich vom Bedarfsmarktkonzept im Wesentlichen dadurch, dass bei letzterem nicht auf den marginalen Nachfrager, sondern auf das Substitutionsverhalten des durchschnittlichen Verbrauchers abgestellt wird.296 Wegen der Orientierung an den Verhaltensweisen der Durchschnittsabnehmer kann das Bedarfsmarktkonzept zu engeren Marktabgrenzungen führen als der SSNIPTest.297 Dies ist darin begründet, dass schon der Verlust marginaler Nachfrager der Profitabilität eines SSNIP entgegenstehen kann und folglich die Einbeziehung weiterer Produkte in den sachlich relevanten Markt rechtfertigt. Der SSNIP-Test 290 Komm., Marktdefinitionsbekanntmachung Rn. 17; Kerber/Schwalbe, in: MüKo Einl. EuWettbR Rn. 235. 291 Wingerter, Abgrenzung des relevanten Marktes, S. 41. 292 BGH 4. 3. 2008, KVR 21/07, WuW/E DE-R – 2270 – 2279, Rn. 18 „Soda-Club II“. S. z.B. BKartA 30. 9. 2005, WuW/E DE-V 1113 „Railion/RBH“; zusammenfassend WuW/E DE-V 1113; BKartA 2. 7. 2008 – B-2359/07 S. 35 „Loose/Poelmeyer“, zusammenfassend WuW/E DE-V 1591; BKartA 8. 10. 2009 – B2-75/09 Rn. 36 „Bay/WurthAgrar“; BKartA 27. 12. 2010 – B2-71/10 Rn. 63 f. und 123 – 128 „Van Drie Holding/Alpuro Holding“; einschränkend und auf die begrenzte Aussagekraft des SSNIP-Tests hinweisend BKartA 24. 08. 2009 – B8-67/ 09, Rn. 70 „EnBW/VNG“. 293 Die europäische Kommission stellt auch auf den SSNIP-Test in der Definition des sachlich relevanten Marktes ab. Komm., Marktdefinitionsbekanntmachung Rn. 15 und 19. 294 Die Kommission sei deshalb ihrer Darlegungslast bei der sachlichen Marktabgrenzung nicht gerecht geworden, EuG 15. 12. 2010, Rs. T-427/08, Rn. 106 ff. und 116 ff. „CEAHR/ Kommission“; insgesamt bestätigt durch EuGH 19. 4. 2012, Rs. C-549/10 P „Tomra Systems u. a./Kommission“. 295 Dazu umfassend und eine stärker ökonomisch fundierte Marktabgrenzung grundsätzlich befürwortend Bishop/Walker, Kap. 4; überwiegend kritisch dagegen Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, S. 300 ff.; Hahne, Das Erfordernis der Marktabgrenzung, S. 78 ff. 296 Klein, WuW 2010, 169 (173). Das BKartA führte aus, dass es bei der Frage der Austauschbarkeit nicht auf die marginalen Kunden ankomme, BKartA 30. 5. 2005, WuW/E D-V 1113, „RAILION/RBH“. 297 Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S. 216 f.; Klein, WuW 2010, 169 (173 ff.).
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wird jedoch aufgrund seiner zahlreichen Anwendungsprobleme kritisiert.298 So bedarf es einer gesicherten Datenlage zur Anwendung.299 Diese liege nicht immer vor und könne in Märkten mit hoher Innovationsgeschwindigkeit zudem schnell veralten.300 Weiterhin geht der SSNIP-Test, der einzig auf den Parameter „Preis“ abstellt, von gegebenen Preis-Nachfragebeziehungen aus und verkennt in dieser statischen Beschränkung, dass die Preispolitik ein Aktionsparameter der Unternehmen ist, so dass die Kreuz-Preis-Elastizitäten nicht nur Determinanten, sondern Ergebnis dieser Preisstrategien sein können.301 Auch müssen die verglichenen Güter zuvor wieder ausgewählt werden, sodass doch eine subjektive Abgrenzung – wenn auch auf vorgelagerter Stufe – zum Tragen kommt.302 Auch die sog. cellophane fallacy ist ein dem SSNIP-Test immanentes Problem.303 c) Angebotssubstituierbarkeit Da das Bedarfsmarktkonzept im Fall von Angebotsmärkten allein die Nachfragesubstituierbarkeit als unmittelbar wirkende Wettbewerbskraft erfasst, wird es in der Kartellrechtspraxis regelmäßig um das Konzept der Angebotssubstituierbarkeit ergänzt.304 Es beschreibt die Möglichkeit bestehender Unternehmen, ihre Produktion beziehungsweise ihr Angebot kurzfristig und ohne erheblichen Aufwand auf Substitute zu dem in Frage stehenden Produkt umzustellen oder auszudehnen.305 Im Gegensatz zum potentiellen Wettbewerb, der verkürzt als die „Neuaufnahme der Produktion“ beschrieben werden kann, ist die Angebotssubstituierbarkeit als „Produktionsumstellung“ zu verstehen. Nur wenn die Anbieter ähnlicher Produkte bereit und in der Lage sind, ihr Angebot kurzfristig und mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand umzustellen, also ein Markteintritt in kurzer Zeit möglich ist,306 kann davon ausgegangen werden, dass bereits gegenwärtig ein so erheblicher Wettbewerbsdruck auf die im Markt aktuell tätigen Unternehmen ausgeübt wird, dass die Anbieter ähnlicher Produkte wie aktuelle Wettbewerber zu behandeln sind.307 Dann wirken 298 Bardong, in: Langen/Bunte, § 18 Rn. 27; Frenz, NZKart 2013, 285 (286 f.); Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, §18 GWB Rn. 52; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 50. 299 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 Rn. 50. 300 Dreher, ZWeR 2009, 149 (158). 301 Dazu Hoppmann, Die Abgrenzung des relevanten Marktes, S. 38 ff.; vgl. auch Ewald, ZWeR 2004, 512. 302 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 GWB Rn. 52. 303 Dreher, ZWeR 2009, 149 (157); Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 GWB Rn. 52. 304 Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, S. 273. 305 EuGH 21. 2. 1973, Rs. 6/72, Slg. 1973, 215, 248 f.; EuGH 13. 2. 1979, Rs. 85/76, Slg. 1979, 461, Rn. 48 „Hofmann-La Roche/Kommission“. 306 BGH 16. 1. 2007, KVR 12/06, BGHZ 170, 299 – 311, Rn. 20 „National Geographic II“. 307 Komm., Marktdefinitionsbekanntmachung, Rn. 20; Lenßen, Der kartellrechtlich relevante Markt, S. 100.
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ähnliche Kräfte, wie bei Produkten mit hinreichender Austauschbarkeit.308 Die europäische Kommission berücksichtigt die Angebotssubstituierbarkeit dann, wenn sie sich genauso wirksam und unmittelbar auswirkt wie die Nachfragesubstituierbarkeit.309 Dies ist nicht der Fall, wenn die Umstellung der Produktion erhebliche Investitionen, strategische Entscheidungen oder zeitliche Verzögerungen mit sich bringt.310 Generell ist aber die Berücksichtigung der Angebotsumstellungsflexibilität für die Normadressaten problematisch. Dies liegt vor allem in der begrenzten Datengrundlage, die den Unternehmen selbst zur Verfügung steht. Denn die betroffenen Unternehmen können die Flexibilität ihrer (zukünftigen) Wettbewerber nicht verlässlich einschätzen und so auch nicht verlässlich zwischen tatsächlicher Angebotsumstellungsflexibilität und potentiellem Wettbewerb unterscheiden, um damit rechtssicher ihre kartellrechtlichen Verpflichtungen zu bestimmen. Eine Angebotssubstiutierbarkeit lässt sich durch eine Anpassung unterstellter Kreuz-Preis-Elastizitäten auch in den hypothetischen Monopoltest integrieren.311 Empirisch ist dies jedoch nur schwer operationalisierbar und wird deshalb nicht in der Praxis angewandt.312 d) Gänzlicher Verzicht auf die Marktabgrenzung Immer wieder gibt es Stimmen, die eine direkte Identifizierung und Beurteilung von restringierenden Faktoren, die das Verhalten des potenziell dominierenden Unternehmens wirksam begrenzen können, bevorzugen. Die Befürworter einer direkten Bestimmung von Marktmacht kritisieren, dass das Konzept der Marktabgrenzung über begrenzte Aussagekraft verfüge.313 So halten Bechtold/Bosch/Brinker die Marktabgrenzung für einen „überkommenen Ansatz“.314 Die direkte Ermittlung kompetitiver Effekte müsse vielmehr auf Grundlage ökonometrischer Modelle erfolgen.315 Tatsächlich werden hierfür vorrangig mathematische Zusammenhänge zwischen Preissetzungsspielraum und Marktmacht herzustellen versucht; das bekannteste Modell zur direkten Quantifizierung von Marktmacht ist hierbei der Lerner Index.316 Der Lerner Index geht davon aus, dass Marktmacht mit der Preissetzungsfreiheit gleichzusetzen ist. Im idealen Wettbewerb ist der realisierbare Preis gleich der Grenzkosten. Eine Festsetzung der Preise oberhalb der Grenzkosten ist 308
Komm., Marktdefinitionsbekanntmachung, Rn. 20. Komm., Marktdefinitionsbekanntmachung, Rn. 20. 310 Komm., Marktdefinitionsbekanntmachung, Rn. 23. 311 Briglauer, Journal of Competition Law and Economics 2008, 4(2), 311 (323 ff.). 312 Krämer, Wirtschaftsdienst 2016, 231 (233). 313 Die Abgrenzung stelle eine Tautologie dar Kaplow, Harv. L. Rev. 2010, 124(2), 437 (471); so auch Schmidtchen, WuW 2011, 923; Stellenwert der Marktabgrenzung zu hoch bemessen Hahne, Das Erfordernis der Marktabgrenzung, S. 126. 314 Bechtold/Bosch/Brinker, Art. 102 AEUV Rn. 6. 315 Vgl. m.w.N. Hahne, Das Erfordernis der Marktabgrenzung, S. 130 ff. 316 Vertiefend hierzu Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S. 58. 309
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also ein Hinweis auf Marktmacht und je größer das Delta zwischen Preis und Grenzkosten wird, desto höher ist der Grad an Marktbeherrschung.317 Der Lerner Index ist dabei konzeptionell auf eine langfristige Betrachtung der Kosten ausgelegt.318 Äußert sich die Marktmacht des Unternehmens nicht in Preisen oder übt das Unternehmen diese Marktmacht nicht aus bleibt der Test fruchtlos.319 Eine weitere theoretische Möglichkeit zur direkten Bestimmung von Marktmacht ist die Ermittlung der Elastizität der Residualnachfrage. Hierbei wird die prozentuale Veränderung des Absatzes eines Unternehmens nach einer Preisänderung betrachtet, da die Residualnachfrage die gesamte Marktnachfrage abzüglich der Produktion aller anderen Hersteller bezeichnet.320 Hierbei wird sowohl die nachfrageseitige als auch die angebotsseitige Substituierbarkeit für ein Produkt berücksichtigt.321 Doch auch die direkte Bestimmung von Marktmacht weist Probleme auf. Denn auch hier müssen die erforderlichen Daten für die entsprechenden Analysen vorhanden sein.322 Zudem sind ökonometrische Verfahren fehleranfällig, da sie eines konstanten Nachfrage- und Angebotsverhaltens bedürfen, um robuste Ergebnisse liefern zu können.323 Über einen reinen Verzicht auf die Marktabgrenzung hinaus gehen die Ansätze, die die wettbewerbsschädliche Wirkung von bestimmten Verhaltensweisen direkt ermitteln wollen, ohne vorher einen Markt und eine generelle Marktmacht abzugrenzen. Dieser direct effects approach stellt einen starken Kontrast zum formalistischen Dreischritt Markt-Marktmacht-Missbrauch dar und wird vor allem in den USA anerkannt.324 Schweitzer/Haucap/Kerber/Welker haben einen solchen Verzicht auf die Marktabgrenzung erwogen, mit dem Ziel, das kartellbehördliche Verfahren der Missbrauchsaufsicht mit Blick auf datenbasierte Märkte zu vereinfachen.325 Im Rahmen der Fusionskontrolle wird auf Märkten, auf denen Marktanteile nur eine geringe Aussagekraft haben, mithilfe von Indikatoren des Preissteigerungsdrucks wie UPP (Upward Pricing Pressure) und GUPPI (Gross Upward Pricing Pressure Index) direkt auf die Auswirkungen eines Zusammenschlusses abgestellt.326 317
Lerner, Rev. Econ. Stud. 1934, 1(3), 157 (169). Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S. 54. 319 Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, S. 264. 320 Kaplow, Harv. L. Rev. 2010, 124(2), 437 (449); m.w.N. Hahne, Das Erfordernis der Marktabgrenzung, S. 138. 321 Hahne, Das Erfordernis der Marktabgrenzung, S. 138. 322 Lenßen, Der kartellrechtlich relevante Markt, S. 283. 323 Hahne, Das Erfordernis der Marktabgrenzung, S. 141. 324 Vertiefend Hahne, Das Erfordernis der Marktabgrenzung, S. 142 ff. 325 Schweitzer/Haucap/Kerber/Welker, Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen, S. 34. 326 Im nationalen Recht diskutiert Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 Rn. 254; Zimmer, WuW 2013, 928; im europäischen Recht annerkannt Komm. 12. 12. 2012, COMP/ M.6497 Rn. 346 f. „Hutchison 3G/Orange“; Esser/Höft, NZKart 2013, 447 (449); im US318
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Für einen direct effects approach spricht, dass kein unnötiger Aufwand für eine Marktabgrenzung anfällt und die für die kartellrechtliche Untersuchung relevanten wettbewerblichen Effekte im Fokus stehen. Allerdings ist gerade die Rechtssicherheit bei einer solchen direkten Bestimmung problematisch. Für die betroffenen Unternehmen bietet das unmittelbare Heranziehen antikompetitiver Effekte weniger Klarheit hinsichtlich des erlaubten Verhaltens als Verbote, die ab Erreichen eines bestimmten Marktanteils greifen.327 Die Dichotomie der Analysen in die Abgrenzung des relevanten Marktes einerseits und die anschließende Bestimmung des Beherrschungsgrades andererseits, bei der die Wirkungen des potenziellen Wettbewerbs berücksichtigt werden können, erhalten Transparenz und Rechtssicherheit.328 Weiterhin hat der deutsche Gesetzgeber mit § 18 Abs. 1 GWB die Marktabgrenzung als Prüfungsschritt im deutschen Recht normiert329 und auch wenn im europäischen Recht nicht zwingend ein gesetzgeberischer Zwang zur Marktabgrenzung besteht,330 so hat der EuGH jüngst im Urteil Tomra die Notwendigkeit der Marktabgrenzung bestätigt.331 3. Zwischenergebnis Das Bedarfsmarktkonzept ist auch trotz seiner Erweiterung um angebotsseitige Kriterien nicht in allen Fällen in der Lage, eine umfassende Marktabgrenzung zu ermöglichen, bietet dafür aber praktische Umsetzbarkeit und eine gewisse Rechtssicherheit. Industrieökonomische Tests wie der hypothetische Monopolisten-Test können nach ihrer Anwendung zwar ein mathematisch exaktes Ergebnis liefern, zeichnen sich aber zum einen durch eine starke Preisfixierung aus und sind deswegen nur bedingt im Rahmen von Marktmissbrauchsfällen anwendbar und benötigen zum anderen umfangreiche und belastbare Daten zur erfolgreichen Implementierung. Der gänzliche Verzicht auf eine Marktabgrenzung wird de lege lata aufgrund des entgegenstehenden Wortlauts im deutschen sowie teleologischen Erwägungen im europäischen Wettbewerbsrecht nicht umsetzbar sein.332
amerikanischen Recht als fester Bestandteil der Prüfung DoJ/FTC, Horizontal Merger Guidelines, unter 6.1 (S. 21). 327 OECD, Market Definition, S. 76; Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, S. 267 f.; Hahne, Das Erfordernis der Marktabgrenzung, S. 146. 328 Bestrebungen auf eine Marktabgrenzung zu verzichten sollten daher nicht weiterverfolgt werden, vgl. zur Darstellung und Kritik entsprechender Ansätze Lenßen, Der kartellrechtlich relevante Markt, S. 28 ff., 39 ff.; sowie Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 47 m.w.N. 329 Kühnen, in: Loewenheim et al., § 18 GWB Rn. 11 f.; Paschke, in: Frankfurter Kommentar § 18 GWB Rn. 27. 330 Vertiefend hierzu Hahne, Das Erfordernis der Marktabgrenzung, S. 206 ff. 331 EuGH 19. 4. 2012, C-549/10 P, Rn. 38, 42 „Tomra“; vgl. auch Frenz, NZKart 2013, 285. 332 Ebenso Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, S. 289.
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B. Der sachlich relevante Markt I. Adaptionsproblematik in Bezug auf datenbasierte Märkte Inwieweit die markttypischen Abweichungen datenbasierter Märkte zur Unanwendbarkeit der soeben dargestellten klassischen Marktabgrenzungsmethoden führen können, wird im Folgenden ermittelt. Zunächst sollen jedoch die mit den jeweiligen Charakteristiken verbundenen Probleme gesondert erläutert werden. 1. Die datenspezifische Problematik Es sind mehrere Probleme für die Abgrenzung des sachlichen Marktes erkennbar: Zunächst in Form der Unentgeltlichkeit der Leistungsbeziehung. Betrachtet man quantitative Marktabgrenzungsverfahren fällt auf, dass bei Daten als Tauschgut in einer Leistungsbeziehung die Bezugsgröße, auf welche diese Verfahren abstellen würden, unklar ist. Plakativ lässt sich dies am SSNIP-Test illustrieren. Soll ein Markt abgegrenzt werden, auf dem eine unentgeltliche Leistung angeboten wird, ist der Preis 0. Eine Erhöhung des Preises um 5 – 10 % durch den hypothetischen Monopolisten ist weiterhin 0. Unabhängig vom spezifischen Testverfahren müssen in jedem Fall die tatsächlich wirkenden Wettbewerbskräfte ermittelt und berücksichtigt werden. Fraglich ist, wie man unentgeltliche (Substitutions-)Beziehungen berücksichtigt und wie man solche Substitutionsbeziehungen identifiziert, die zu schwach sind – gerade wenn diese Schwäche auf der Unentgeltlichkeit der Leistung beruht, aufgrund des § 18 Abs. 2a GWB aber Unentgeltlichkeit kein Grund sein darf, einen Markt zu verneinen. Sind Daten die nicht-monetäre Gegenleistung, so stellt sich aber die Frage nach der Quantifizierbarkeit des Wertes der getauschten Daten. Daten verfügen über eine abweichende Werthaltigkeit, die sich nicht nur nach dem verarbeitenden Unternehmen und dem Verwendungszweck richtet, sondern auch nach der Art der Daten, deren Alter sowie der Kombinationsmöglichkeit des Unternehmens. Das bedeutet, dass zum Zeitpunkt des Austausches die Daten möglicherweise weniger oder mehr wert sind, als zu einem späteren Zeitpunkt. Die mangelnde Vergleichbarkeit der Werthaltigkeit der Daten erschwert die Identifikation der Wettbewerbskräfte. 2. Auf der Marktdynamik beruhende Probleme Auf Märkten mit hoher Marktdynamik ist das Verhältnis von Innovation und Wettbewerb enger geknüpft als auf Märkten mit langsamerer und verstetigter Marktentwicklung.333 Auf datenbasierten Märkten existiertzum Teil eine höhere
333 Vier Marktphasen nach Heuss, Allgemeine Markttheorie, S. 6 ff.; vertiefend hierzu Zimmerlich, Dynamische Märkte, S. 10.
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Marktdynamik,334 der von einigen Stimmen nachgesagt wird, sie würde marktmächtige Positionen ohnehin schnell wieder auflösen.335 Fraglich ist also, wie sich die wettbewerblichen Wirkkräfte im konkreten Fall identifizieren lassen, wenn sich die area of effective competition nach der Idealvorstellung eines dynamischen Marktes fortlaufend ändert und deren Grenzbereiche aufgrund geringer Marktzutrittsgrenzen geradezu pulsieren. Die Marktabgrenzung ist vor allem eine Bestandsaufnahme: Die wirtschaftlichen Bedingungen für den möglichen Normadressaten werden erfasst und als Sachverhaltsschilderung so zugeschnitten, dass sie als Grundlage einer juristischen Prüfung dienen können. Sowohl das Bedarfsmarktkonzept als auch ökonometrische Modelle sind vor allem statische Beobachtungen dieser Koordinationsprozesse, die bei der Abbildung dynamischer, sich rasch entwickelnder Prozesse an ihre Grenzen stoßen.336 Nicht klar einzuordnen ist das Problem der Multifunktionalität der Produkte auf datenbasierten Märkten auf Anbieterseite, welche durch die Heterogenität der Nutzerinteressen gespiegelt wird. Dies zeigt sich exemplarisch auf Suchmaschinenmärkten. Informationen zu Hotels lassen sich nicht nur bei Google, Yahoo! oder Bing finden, sondern auch bei Expedia, Booking.com und anderen Reiseportalen. Die verschiedenen Suchmöglichkeiten lassen sich bei der Nachrichtensuche auf Welt und Bild oder Bücher bei Thalia und Amazon weiter ausweiten. Das bedeutet, dass die vielfältigen Substitutionsbeziehungen aufgrund von Konvergenz und Multifunktionalität der Produkte datenbasierter Märkte die Erhebung der Nachfragesubstitution deutlich erschweren. Denn häufig wird lediglich ein Produkttyp vorrangig genutzt und nur bei Ausfall desselben wird auf die anderen Produkttypen zurückgegriffen – es besteht also eine sequentielle Nutzung. Dies birgt die Gefahr, dass Märkte zu weit gefasst werden und so die Missbrauchskontrolle nicht greift337 oder aber nur mit Blick auf die primäre Nutzungsmöglichkeit zu eng abgegrenzt werden. Wenn man diejenigen Wettbewerbskräfte zu finden sucht, die gegebenenfalls Verhaltensspielräume eines Unternehmens beschränken, ist deshalb zwischen einer Vielfalt von Wettbewerbsdimensionen zu differenzieren. Darüber hinaus können Nachfragesubstitutionsbeziehungen asymmetrisch ausgeprägt sein. Dies ist der Fall, wenn ein Dienst mit niedriger Funktionalität (z. B. SMS) durch einen solchen mit hoher Funktionalität (z. B. WhatsApp) substituiert wird, jedoch nicht umgekehrt.338 Demgegenüber versuchen Anbieter auf datenbasierten Märkten sich insbesondere durch exklusive Inhalte oder personalisierte Angebote zu differenzieren. Das erschwert die Bestimmung der hypothetischen 334
§ 3. Haucap/Heimeshoff, International Economics and Economic Policy 2014, 11(1 – 2), 49; Körber, WuW 2015, 120 (126). 336 Dreher, ZWeR 2009, 149 (156 ff. und 163) mit besonderer Analyse des Microsoft-Falles; zustimmend Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 Rn. 50. 337 Vgl. Krämer, Wirtschaftsdienst 2016, 231 (234). 338 Krämer, Wirtschaftsdienst 2016, 231 (234). 335
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Nachfragesubstituierbarkeit und könnte ebenfalls zu weit gefassten Marktabgrenzungen führen, da die aus der Nutzung der Daten gewonnenen Netzwerkeffekte nicht bei der Marktabgrenzung berücksichtigt werden.339 3. Auf der Mehrseitigkeit datenbasierter Märkte beruhende Probleme Ein zentraler Punkt bei der Marktabgrenzung von datenbasierten Märkten ist die Konzeption als Plattform und damit die Behandlung der verschiedenen Marktseiten. Fraglich ist, ob bei mehrseitigen Märkten ein einziger Markt vorliegt, der sich auf zwei Seiten erstreckt oder ob für jede Seite ein getrennter Markt existiert und wie dieser Markt bzw. diese Märkte dann abgegrenzt werden sollen.340 Da laut Definition zwei Nutzerseiten bestehen, wäre eine funktionelle Austauschbarkeit aus Sicht der jeweiligen Nachfragergruppe zu bestimmen. Nicht selten führt die Abgrenzung zweier separater Märkte dann aber zu einer asymmetrischen Marktdefinition in der Art, dass in beiden Märkten den Nachfragern unterschiedliche Anbieter gegenüberstehen. Dies geschieht vor allem, wenn aus Sicht einer Nachfragergruppe Leistungen zweiseitiger Plattformen mit Leistungen branchenfremder Anbieter austauschbar sind. Evans und Noel veranschaulichen am Beispiel von Printmedien, dass Verlage nicht nur mit anderen Druckerzeugern, sondern auch mit Plattformen aus anderen Medienbranchen (Fernsehen, Hörfunk, Internet) sowie mit Unternehmen, die einseitige Leistungen wie Werbeschilder und Plakatflächen anbieten, im Wettbewerb um Werbekunden stehen.341 Die Plattformen konkurrieren also in den beiden Märkten, in denen sie tätig sind, mit unterschiedlichen Wettbewerbern. Dies würde für eine grundsätzliche Abgrenzung zweier separater Märkte sprechen.342 Die Abgrenzung zweier separater Märkte impliziere nach einer weiteren Ansicht allerdings nicht zugleich eine isolierte Betrachtung dieser Märkte. Vielmehr erfordere eine wirklichkeitsgetreue Beurteilung zweiseitiger Wirtschaftszweige, dass die zwischen den Nachfragern in den beiden relevanten Märkten bestehenden Netzwerkeffekte zwingend in die wettbewerbliche Analyse einzubeziehen sind.343 339
Vgl. Krämer, Wirtschaftsdienst 2016, 231 (234). Vgl. Filistrucchi/Geradin/van Damme/Affeldt, Journal of Competition Law and Economics 2014, 10(2), 293 (307 ff.) mit einer ausführlichen Analyse verschiedener Kommissionsentscheidungen und Entscheidungen nationaler Wettbewerbsbehörden zur Marktabgrenzung bei zweiseitigen Märkten; Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387 (388 ff.). Dieselbe Frage stellt sich, wenn nicht zwei, sondern noch mehr Marktseiten gegeben sind. 341 Evans/Noel, Columbia Business Law Review 2005, 667 (697). 342 So Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, S. 58. 343 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten XVIII, Rn. 620; Stellungnahme der Australian competition and Consumer Commission in OECD Competition Comitee, Two-Sided Markets, S. 82; Wright, Review of Network Economics 2004, 3(1), 44 (61). 340
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Eine einseitige Marktabgrenzung umfasst hingegen in jedem Fall die Austauschbeziehung zwischen den Anbieter- und beiden Nachfragergruppen, vernachlässigt aber den Wettbewerbsdruck unterschiedlicher Wettbewerber. Vereinfacht lässt sich sagen, dass das Problem darin besteht, dass bei Abgrenzung eines einheitlichen Marktes zwar die Netzwerkeffekte berücksichtigt werden können, der Rechtsanwender aber zumindest auf einer Marktseite Substitutionsmöglichkeiten unterschlägt. Dies führt dazu, dass ein Teil des Marktes betreffend die spezifische Nutzergruppe zu eng abgegrenzt wird. Grenzt man hingegen zwei separate Märkte ab, so vernachlässigt man die wirkenden Netzwerkeffekte, die die Macht der Plattform gegenüber der jeweils anderen Nutzergruppe begrenzen oder verstärken können. Aufgrund verschiedener Schwerpunkte lassen sich verschiedene Subtypen an Plattformen unterscheiden. Ihre Kategorisierung und Behandlung i.R.d. Marktabgrenzung ist ebenfalls umstritten und erschwert somit zusätzlich die Marktabgrenzung auf datenbasierten Märkten.344 Eine weitere Frage, die sich stellt, ist die korrekte Berücksichtigung der unentgeltlichen Marktseite. Wie bereits festgestellt wurde, stellt ein von unentgeltlichen Leistungen geprägter Wettbewerb einen eigenen Markt dar.345 Unabhängig davon gestaltet sich die Frage, ob diese Marktseite im Gefüge mehrseitiger Märkte mit den anderen Marktseiten zusammen oder getrennt abgegrenzt werden sollte. Je nach Behandlung unterschiedliche Subtypen der Plattformen muss dennoch eine gleichwertige Berücksichtigung stattfinden. Eine gewichtige Implikation einer einheitlichen Marktabgrenzung ist nämlich, dass unentgeltliche Leistungen automatisch mit der entgeltlichen Seite und den damit verbundenen Gewinnen verknüpft werden. Bei der Abgrenzung separater Märkte wird die Verbindung der unentgeltlichen Seite mit den verlagerten Gewinnen auf der entgeltlichen Seite nicht berücksichtigt. Hierbei wird lediglich auf das Ausweichverhalten von Nutzern der unentgeltlichen bzw. der entgeltlichen Leistung abgestellt. 344
So wird zwischen Matchingplattformen und Aufmerksamkeitsplattformen oder aber Transaktions- und Nichttransaktionsplattformen unterschieden. Transaktionsplattformen ermöglichen nach Definition des BKartA „eine auf individuellen Präferenzen abgestimmte und von allen Nutzergruppen angestrebte Vermittlung zwischen Mitgliedern zweier oder mehr Nutzergruppen“, die auf eine direkte Interaktion gerichtet ist, BKartA, Arbeitspapier, S. 23 f. Bei Transaktionsplattformen sei dies eine Transaktion im ökonomischen Sinne, bei NichtTransaktionsplattformen eine andere, z. B. soziale Interaktion, BKartA Arbeitspapier S. 24, 31. Bei dieser Art von Plattformen wirkten hauptsächlich wechselseitige indirekte Netzwerkeffekte, die in Selbstverstärkungseffekten münden, sodass sich die beiden Nutzergruppen gegenseitig stark beeinflussen. Der Begriff der Nicht-Transaktionsplattform wird aber auch synonym verwendet, für das, was das BKartA als Aufmerksamkeitsplattform bezeichnet. Dies sind Plattformen, die einer Nutzergruppe die Aufmerksamkeit der anderen Nutzergruppe und damit Reichweite ermöglichen, BKartA. S. 24. Auf diesen treten typischerweise nur einseitige indirekte Netzwerkeffekte auf; somit führt nur das Anwachsen einer Nutzergruppe zu einer gesteigerten Attraktivität für die korrespondierende Nutzergruppe. 345 S. § 4.
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II. Anwendbarkeit der gängigen Modelle auf datenbasierten Märkten Diese durch die Charakteristika datenbasierter Märkte bedingten Hindernisse bei der Marktabgrenzung müssen nun mit den gängigen Marktabgrenzungskonzepten in Einklang gebracht werden. Hierbei sind nicht sämtliche aufgezählten Hindernisse, die im Kontext datenbasierter Märkte auftreten, gänzlich neu. Insbesondere aus der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur gibt es bereits konzeptionelle Lösungsansätze. Wie bereits erläutert, treten diese Hindernisse auf datenbasierten Märkten jedoch in Kombination auf, sodass die konzeptionellen Lösungsansätze in der Regel hohe Anforderungen an die verfügbare Datenmenge und -qualität stellen und somit in der Praxis selten operationalisierbar sein werden.346 1. Nachfragesubstituierbarkeit a) Bedarfsmarktkonzept/Kriterium der funktionalen Austauschbarkeit Zunächst kann die erhöhte Marktdynamik eine Abgrenzung mittels Nachfragesubstituierbarkeit erschweren. Das Bedarfsmarktkonzept beruht grundsätzlich auf einer statischen Betrachtung der Märkte. Weiterhin besteht die Problematik, dass auf innovationsgetriebenen Märkten die reale Marktgegenseite nicht so umfassend über Produkte und die jeweiligen Ausweichmöglichkeiten informiert ist, wie die Anbieter.347 Die Erwartungen der Nachfrager beruhen nämlich auf einer gewissen Kohärenz von Innovationsanstrengungen und Nachfragerpräferenzen.348 Tatsächlich werden die Nachfragerinteressen häufig erst durch die Produktinnovationen generiert. Die Nachfragesubstituierbarkeit, ermittelt durch die Befragung der Marktgegenseite, würde also ein verzerrtes Bild wiedergeben, da sie neueste Ausweichmöglichkeiten nicht erkennt. Die Besorgnis ist eine Regulierung schon entmachteter oder aufgrund dieser Dynamik in ihrer Handlungsfähigkeit begrenzter Unternehmen. Ebenso könnte das Kippen der Märkte aufgrund der internalisierten Netzwerkeffekte datenbasierter Märkte zur Folge haben, dass die potentiellen Substitute sehr schnell unattraktiv oder sogar unbrauchbar werden, ohne dass angesichts fließender Übergänge bereits Anlass bestünde, die Märkte insofern zeitlich abzugrenzen.349 Aufgrund der Multi-Funktionalität existieren unvollständige Substitute. Sind bestimmte Produkte für verschiedene Zwecke verwendbar, können sie nach der Rechtspraxis auch mehreren, separaten Märkten angehören, sodass ein eigener
346 Vgl. Filistrucchi/Geradin/van Damme/Affeldt, Journal of Competition Law and Economics 2014, 10(2), 293 (338). 347 Dreher, ZWeR 2009, 149 (156); Zimmerlich, Dynamische Märkte, S. 10. 348 Dreher, ZWeR 2009, 149 (156). 349 Dreher, ZWeR 2009, 149 (156).
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sachlich relevanter Markt abgegrenzt werden kann.350 Im Fall AKZO nahm der Gerichtshof allerdings eine weite Marktabgrenzung vor, die mehrere Verwendungszwecke organischer Peroxyde umfasste.351 So steht der Rechtsanwender bei der Marktabgrenzung mittels des Bedarfsmarktkonzepts vor dem Problem, entweder weite Märkte abzugrenzen und regulierende Wettbewerbskräfte zu überschätzen, da sie nur für einen Teil der Marktgegenseite, aber wiederum nur für bestimmte Nutzungen relevant sind oder aber den Markt zu eng abzugrenzen und so die unterschiedlichen Nutzergruppen zu trennen. So besteht die Gefahr einer atomisierten Marktbetrachtung. Einen Vorteil bietet das Bedarfsmarktkonzept bei der Betrachtung von unentgeltlichen Leistungen. Da es einen Bedarf ermittelt und zu dessen Befriedigung die verschiedenen Produkte der Marktgegenseite in ihrer Austauschbarkeit gegeneinander abwägt, kommt es nicht darauf an, warum die Nachfrager das Produkt erhalten. Die Konkretisierung der Austauschbarkeit erfolgt aus Sicht des Verwendungszwecks der Gegenseite und nicht aufgrund der Überlegung, für welche Gegenleistung die Anbieter das Produkt hergegeben haben. Wenn die Marktgegenseite ein unentgeltliches Angebot ebenso zur Bedarfsdeckung verwendet wie ein entgeltliches, sind beide Leistungen austauschbar. Die Frage, ob unentgeltliche Leistungen im Rahmen der Marktabgrenzung berücksichtigt werden sollen, ist also vielmehr eine vorgelagerte Entscheidung. Das Merkmal Preis bzw. Preisunterschied tritt zurück. Er ist eher als Indiz für mangelnde disziplinierende Einflüsse zu sehen, sodass von zwei getrennten Märkten auszugehen ist.352 Problematischer ist die Marktabgrenzung mittels des Bedarfsmarktkonzepts aufgrund der Mehrseitigkeit der Märkte. Die funktionelle Austauschbarkeit der angebotenen Leistung ist aus Sicht der jeweiligen Nachfragegruppe zu bestimmen. Eine einheitliche Marktabgrenzung und damit eine Berücksichtigung der internalisierten Netzwerkeffekte ist nur möglich, wenn eine einheitliche Marktabgrenzung in der Form gestaltet wird, dass für beide Nutzergruppen ein einziger Bedarfsmarkt gefunden wird. Ist dies nicht der Fall, kann das Bedarfsmarktkonzept Netzwerkeffekte im Rahmen der Marktabgrenzung nicht berücksichtigen. b) SSNIP/Kreuz-Preis-Elastizität Die Dynamik datenbasierter Märkte kollidiert mit der punktuell-statischen Betrachtungsweise des SSNIP-Tests. Die alleinige Betrachtung von Preisen bzw. Preiserhöhungen könnte zudem zu einer falschen Marktdefinition führen, da der Wettbewerb zwischen Plattformen typischerweise aufgrund von Produktinnovationen, Qualitäten oder anderen Merkmalen stattfindet.353 Zu kritisieren ist also, dass 350 351 352 353
EuGH 13. 2. 1979, Slg. 1979, 461, 514 ff. „Hoffmann-La Roche“. EuGH 3. 7. 1991, Slg. 1991, I-3359, 3451 f. „AKZO“. Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 GWB Rn. 40. Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387 (390).
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der rein hypothetische Charakter des Tests nicht so belastbar ist, ebenso wie die daraus geschlossenen Folgerungen.354 Diese mangelnde Belastbarkeit wird durch die ungewisse Datenlage auf dynamischen Märkten noch verstärkt. Auch versagt der Preiserhöhungstest, wenn der Preis auf besonderen Bepreisungsstrategien beruht. Dies ist dann der Fall, wenn die Einstiegsprodukte sehr gering bepreist sind und weitere Folgeprodukte oder komplementäre Güter erhöht bepreist werden oder aufgrund der Internalisierung der Netzwerkeffekte eine Marktseite bei Plattformmärkten subventioniert wird.355 Auch die feingliedrige Produktdifferenzierung für verschiedenste Kundengruppen aufgrund der Anpassbarkeit der Produkte auf Grundlage der Datenbasis der jeweiligen Nutzergruppe könnte den SSNIP-Test überfordern. Der SSNIP-Test geht von klar quantifizierbaren Leistungsbeziehungen aus, welche um Faktoren erhöht werden können. Es fehlt ein essentieller Faktor zur Vergleichbarkeit der abzugrenzenden Produkte untereinander. Zudem zeigt der SSNIP-Test Schwächen bei der Abbildung von Marktmechanismen, wenn zunächst hohe Fixkosten und geringe variable Kosten markttypisch sind. Liegen durch die Fixkosten beispielsweise sinkende Durchschnittskosten vor, so kann der SSNIP-Test nicht mehr verwendet werden, weil diese im Test nicht umgesetzt sind.356 In der Folge wird der Markt (zu) eng abgegrenzt. Gleiches gilt für endogene versunkene Kosten. Denn auch hier kommen andere Wettbewerbsparameter zum Einsatz als nur der Preis.357 Datenbasierte Märkte sind aber u. a. durch (relativ) hohe Fixkosten und geringe Grenzkosten, sowie durch geringe variable Kosten gekennzeichnet.358 Weiterhin ist der SSNIP-Test für einseitige Märkte konzipiert worden.359 Die gesamte mengenmäßige Auswirkung einer Preiserhöhung auf einer Marktseite kann der originäre SSNIP-Test nicht darstellen, da er – auf nur eine Nutzerseite angewendet – lediglich die direkte Verbidung zwischen Preiserhöhung und Mengenveränderung auf der untersuchten Seite berücksichtigt. In zweiseitigen Märkten führt eine Preiserhöhung nicht allein zu einem Rückgang der Nachfrager, denen gegenüber die Preiserhöhung erfolgt ist. Aufgrund der positiven Netzwerkeffekte zwischen beiden Nachfragergruppen verliert die Plattform zugleich ihren Wert für die Mitglieder der korrespondierenden Nachfragergruppe. Die Preiselastizität der Nachfrage dieser Gruppe nimmt daher zu, wenn die Zahl der Nachfrager auf der anderen
354 Vgl. z. B. Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. 2004, § 25 Rn. 20. 355 S. § 3 A. 356 Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387 (390). 357 Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387 (390). 358 S. § 3 A. III. Nr. 5; so auch Dreher, ZWeR 2009, 149 (152 ff.); Körber, WuW 2015, 120 (123). 359 Evans/Noel, Defining Antitrust Markets, 101 (133); Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387 (389).
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Seite zurückgeht.360 Das heißt, auch die zweite Nutzergruppe ist mit sinkender korrespondierender Nachfragerzahl eher wechselbereit, sodass es in der Folge zu einem Rückgang der Nachfrage auch auf Seiten der nicht unmittelbar von der Preiserhöhung betroffenen Gruppe kommt.361 Bei wechselseitigen positiven Netzwerkeffekten hat dieser Rückgang auf der korrespondierenden Seite auch wieder Auswirkungen auf die Nachfragergruppe, der gegenüber ursprünglich der Preis erhöht wurde, sodass die Plattform für diese noch unattraktiver wird. Der Gesamteffekt einer Preiserhöhung kann also größer sein, als bei einseitiger Anwendung des SSNIP-Tests ermittelt wird. Damit besteht die Gefahr, die Profitabilität von Preiserhöhungen zu überschätzen, sodass der Markt zu eng abgegrenzt würde. Auch bei nur einseitigen positiven Netzwerkeffekten oder gar bei negativen Netzwerkeffekten kann es ebenfalls zu Rückkopplungen kommen, die die Einschätzung verzerren. Erfolgen Preiserhöhungen gegenüber Nachfragern, von denen die negativen Netzwerkeffekte ausgehen und sinkt dementsprechend ihre Anzahl, ist auf der anderen Nutzerseite kein Absatzrückgang, sondern vielmehr eine Absatzsteigerung zu erwarten. Die Zunahme der korrespondierenden Nachfrage führt wiederum zu einer Steigerung des Absatzes gegenüber der Nutzergruppe, die unmittelbar von der Preiserhöhung betroffen war, da das Unternehmen nun trotz der Preiserhöhung wieder attraktiver wird. Bei Preiserhöhungen gegenüber Nachfragern, von denen negative Netzwerkeffekte ausgehen, wird die unmittelbare Reduktion der Nachfrage also zumindest durch die Steigerung des Absatzes gegenüber der korrespondierenden Nachfrage und die anschließende Verringerung des Absatzrückgangs auf der von der Preiserhöhung unmittelbar betroffenen Seite relativiert.362 Damit könnte der SSNIP-Test nur den kurzzeitigen Effekt der Preiserhöhung abbilden, würde ansonsten aber die Abwanderungswirkung der Preiserhöhung überschätzen, da die bepreiste Seite wahrscheinlich wieder zurückkehrt. Die Profitabilität der Preiserhöhung würde also unterschätzt und der Markt zu weit abgegrenzt. Auf datenbasierten Märkten treten die Schwächen des Testes damit noch stärker als auf analogen Austauschmärkten hervor. 2. Die Angebotssubstituierbarkeit Die alleinige Berücksichtigung der Nachfragesubstituierbarkeit ist auf datenbasierten Märkten im Ergebnis weniger geeignet als auf analogen Märkten, um die möglicherweise zu enge Marktabgrenzung zu kontrollieren und die Flexibilität der Marktstruktur einzuschätzen. Fraglich ist, inwieweit die Angebotssubstituierbarkeit in typischen datenbasierten Märkten für eine ergänzende Anwendung geeignet ist. 360 Vgl. Evans/Schmalensee, in: ABA Section of Antitrust Law, Issues in Competition Law and Policy, 667 (688). 361 Vgl. O’Donoghue/Padilla, Art. 102 TFEU, S. 139; Lindstädt, ZweR 2010, 53 (62). 362 Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, S. 79.
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Grundsätzlich könnten eine erhöhte Marktdynamik sowie ein starker Innovationsdruck der Angebotsumstellungsflexibilität hohe Relevanz zukommen lassen. Es wird eine größere Angebotsumstellungsflexibilität vermutet.363 Grundsätzlich ist diese v. a. in Märkten mit differenzierten Gütern für einen typisierten Bedarf anzunehmen, wenn die marktnahen Unternehmen über Know-How und vergleichbare Produktionstechnologien verfügen.364 Auf datenbasierten Märkten, denen zur Verarbeitung der Daten und Anbieten der Leistung Algorithmen und Programmierungen zugrunde liegen, ist die Dienstleistung oder das Angebot bei entsprechendem KnowHow ohne großen Arbeitsaufwand adaptier- und erweiterbar. Sie kann allerdings begrenzt werden, wenn das jeweils andere Produkt rechtlich oder faktisch geschützt ist und dieser Schutz das Anbieten eines Konkurrenzprodukts durch die Wettbewerber verhindert. Diese rechtlichen Grenzen und faktischen Hindernisse können entweder der Kurzfristigkeit der Umstellung entgegenstehen oder den wirtschaftlichen Aufwand derart steigern, dass vielmehr von einem potentiellem als von einem aktuellen Wettbewerb auszugehen ist. Als rechtliche Hindernisse kommen auf datenbasierten Märkten der immaterialgüterrechtliche Schutz der Marke, der Produkte, Produktionsmethoden und Rohstoffe in Betracht. Konkret bedeutet dies neben dem üblichen Schutz der Marken wie auf analogen Austauschmärkten den urheber- oder patentrechtlichen Schutz der Dienstleistungen der Plattformen, den Schutz der zugrundeliegenden Programme oder Algorithmen aus den §§ 69a ff. UrhG und 87a ff. UrhG oder gem. § 17 UWG und den immaterialgüterrechtlichen Schutz der den Dienstleistungen zugrunde liegenden Daten. So könnten Anbieter als Hersteller von Datenbanken auftreten (wenn sie z. B. den geordneten Zugriff auf Websites ermöglichen).365 Hierbei muss das Recht am Datenbankwerk vom Recht an den Daten innerhalb der Datenbank unterschieden werden. Da jedoch lediglich die Nutzung entweder der Datenbank insgesamt oder eines wesentlichen Teils hiervon von § 87b UrhG umfasst ist, ist ein Unternehmen am Aufbau einer eigenen Datenbank unter Nutzung der gleichen, nicht-rivalen Daten nicht gehindert. Die einzelnen Algorithmen und auch das gesamte Computerprogramm könnten unter den Schutz des § 69a UrhG fallen.366 Soweit sich ein Algo363 Geringe Kosten, wenig Produktionsaufwand, kein Vertriebsnetz, hohe Flexibilität. Dem gegenüber stehen die Schranken der Netzwerkeffekte und des Datenschutzes. 364 Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, S. 296. 365 Vogel, in: Schricker/Loewenheim, Handbuch des UrhR, § 87a Rn. 28. 366 Algorithmen sind präzise Verarbeitungsvorschriften, die von einem elektronisch oder mechanisch arbeitenden Gerät durchgeführt werden können. Jedes Computerprogramm ist damit sowohl in seiner Gesamtheit ein Algorithmus. Als auch alle seiner einzelnen Routinen. Diese stellen jeweils eigenständige Algorithmen dar, BeckOK UrhR/Kaboth/Spies, § 69a UrhG Rn. 12. Schutzfähig können aber im Einzelfall die konkrete Anwendung und Verknüpfung von Algorithmen in einem Programm sein sowie die Art und Weise ihrer Implementierung und Zuordnung zueinander (BGH GRUR 1991, 449 (453) – Betriebssystem; OLG Celle, CR 1994, 748 (749 f.)).
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rithmus bei der Lösung bestimmter Aufgaben bewährt hat und bei diesen allgemein üblich verwendet wird, gehört er zum Standardrepertoire der Programmiertechnik und ist urheberrechtlich nicht geschützt.367 Bei kurzen Entwicklungszyklen kann also zusätzlich der immaterialgüterrechtliche Schutz erhöht sein. Der immaterialgüterrechtliche368 oder lauterkeitsrechtliche369 Schutz von sowie die Verfügungsbefugnis370 über personenbezogenen oder maschinengenerierten Daten371 wird kontrovers diskutiert. Im Ausgangspunkt ist zunächst festzuhalten, dass Daten „als solche“ immaterialgüterrechtlich nicht geschützt sind Die Kommission beabsichtigt laut ihrer Mitteilung über den zukünftigen Regelungsrahmen für datengetriebene Märkte Schutzrechte allenfalls als Mittel zur Förderung des Datenzugangs anzuerkennen.372 Damit soll auch der Datenhandel gefördert werden. Somit kommt es zumindest für nicht-personenbezogene Daten nicht zu einer erhöhten Hürde für die Angebotsumstellung. Im Gegensatz hierzu kann der verstärkte Zweckbindungsgrundsatz im Rahmen der DSGVO i.V.m. dem Verbot einer Generaleinwilligung in die Datenverarbeitung einer Angebotsumstellung auf Basis von Daten, die zu einem anderen Zweck eingeworben wurden, im Weg stehen.373 Ebenso in Betracht kommen jedoch auch tatsächliche Hindernisse, die eine unverzügliche Umstellung ohne spürbare Zusatzkosten verhindern. Befürchtet wird die Hürde der nicht-reproduzierbaren Leistung aufgrund eines mangelnden Datengrundstocks.374 Erschwerend können hier also fehlende Daten zur Abwandlung des eigenen Produkts oder als Grundlage zur Erschaffung des Wechselprodukts sein. Auch wenn diese Daten nicht-rival und nicht-ausschließlich sind, müssen sie trotz allem zur Verfügung stehen. Ein relevantes Hindernis für ein schnelles Gewinnen der zu monetisierenden Daten und Datenerzeuger sind wiederum Netzwerkeffekte, die das Aufbauen der notwendigen Nutzerbasis verhindern können. Einen weiteren Faktor könnten also die durch die Mehrseitigkeit zu internalisierenden Netzwerkeffekte darstellen. Diese müssen bei der Fähigkeit zur Produktionsumstellung zwingend beachtet werden. So hält das BKartA die Angebotsum367 BeckOK UrhR/Kaboth/Spies, § 69a UrhG Rn. 12; Loewenheim, in: Schricker/Loewenheim, Handbuch des UrhR, § 69a UrhG Rn. 12a; Dreier/Schulze/Dreier § 69 UrhG Rn. 22. 368 Fezer, MMR 2017, 3; Härting, CR 2016, 646. 369 Becker, GRUR 2017, 346. 370 Drexl/Hilty/Desaunettes/Greiner/Kim/Richter/Surblyte˙ /Wiedemann, GRUR Int. 2016, 914. 371 Ehlen/Brandt, CR 2016, 570 m.w.N.; Wiebe, GRUR 2017, 338; Zech, CR 2015, 137 m.w.N. 372 Komm., Ordnungsrahmen Datenmärkte, COM(2017) 9 fin. 373 Vgl. § 2 A. II. 1. 374 Monopolkommission, Hauptgutachten XX, Rn. 20 ff.; Monopolkommission, Sondergutachten 68, Rn. 108 ff.; Holzweber, NZKart 2016, 104.
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stellungsflexibilität vor allem im Kontext großer Plattformen für relevant.375 Gerade für große Plattformen,376 die bereits über Netzwerkeffekte verfügen, stelle sich die Frage, ob sie ihr Angebot leicht auf benachbarte Internetdienste umstellen könnten. Die Umstellung ist im Hinblick auf die bereits erfolgte Einrichtung der digitalen Infrastruktur377 sowie die kostengünstige Verbreitbarkeit im Internet technisch realisierbar. Eine kurzfristige Umstellung sei aber wegen des Erfordernisses einer kritischen Masse und der Netzwerkeffekte selten möglich.378 Hierbei warnt das BKartA zu Recht vor pauschalen Schlüssen, dass große Plattformen jederzeit in benachbarte Märkte eindringen könnten und somit ein einheitlicher InternetDienstleistungsmarkt abzugrenzen sei. Vielmehr zeige sich in der Praxis, dass die erzielte Reichweite des Unternehmens nicht in andere Dienste mitgenommen werden könne; hinsichtlich der kritischen Masse beginne sie vielmehr wieder von vorn.379 Die Unentgeltlichkeit ist für die Frage der Angebotsumstellungsflexibiliät als Ergänzung des Bedarfsmarktkonzepts irrelevant. Adressat und Wettbewerber können einschätzen, wie sie selbst die entsprechenden Daten nutzen und monetisieren. 3. Gänzlicher Verzicht auf die Marktabgrenzung Wie bereits dargestellt, wird der Verzicht auf den Prüfungsschritt der Marktabgrenzung immer wieder propagiert, ist aber de lege lata zumindest im deutschen Recht nicht möglich. Fraglich ist, ob er de lege feranda nötig und hilfreich wäre. Die erhöhte Schwierigkeit der Marktabgrenzung durch die Gegebenheiten auf datenbasierten Märkten lässt einen solchen Verzicht attraktiver erscheinen.380 So könnte die Prüfung der wettbewerblichen Kontrolle mit Blick auf eine ganz konkrete Wettbewerbsdimension vorgenommen werden. Dann würde beispielsweise eine fehlende Kontrolle in der Zusammenschau mit den wettbewerbswidrigen Wirkungen der Marktmacht – in dieser spezifischen Hinsicht – implizieren. Der Rechtsanwender würde mit konkreten theories of harm, also Behinderungs- und Verdrängungsstrategien, als Ausgangspunkt nach dem Missbrauch der Marktmacht forschen.381 Damit wäre die wettbewerbsbeschränkende Wirkung der Nachweis für die marktbeherrschende Stellung im jeweiligen Kontext. Dies könnte sich gerade bei unentgeltlichen Leistungen als praktikabel herausstellen. Hinzu kommt die Über375
BKartA, Arbeitspapier, 46. Die Frage stellt sich sowohl für generelle Aufmerksamkeitsplattformen (wie Google und YouTube) als auch spezialisierte Transaktionsplattformen (wie ImmoScout), BKartA, Arbeitspapier, 46. 377 BKartA, Arbeitspapier, 48. 378 BKartA, Arbeitspapier, 48. 379 Ibid. 380 Podszun/Schwalbe, NZKart 2017, 98 (102 f.). 381 Podszun/Schwalbe, NZKart 2017, 98 (102 f.). 376
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legung, dass Marktmacht relativ sein kann, also auch nur im Hinblick auf einzelne Verhaltensweisen oder Dimensionen wettbewerblichen Handelns in Betracht kommen kann. Dem vom Marktmachtprinzip durchdrungenen nationalen Kartellrecht widerspricht der faktische Verzicht auf die Marktmachtbestimmung. Eine solche Theorie verkennt, dass ein Abstellen auf Marktverhalten immer mit der problematischen Aufgabe einhergeht, den Ausfluss des wirksamen Wettbewerbs vom Handeln des unbegrenzten Marktbeherrschers zu unterscheiden.382 4. Ergebnis Nach einer Konfrontation der gängigen Modelle mit den Gegebenheiten auf datenbasierten Märkten ist zu erkennen, dass die hohe Komplexität der datenbasierten Märkte zwangsläufig auch zu einer geringeren Robustheit der erlangten Ergebnisse führt. Im Rahmen der Nachfragesubstituierbarkeit ist das Bedarfsmarktkonzept geeignet, die Unentgeltlichkeit einer Marktseite in das Konzept zu integrieren. Die Mehrseitigkeit datenbasierter Märkte ist hingegen für das Bedarfsmarktkonzept nur abbildbar, wenn man einen einheitlichen Bedarfsmarkt für beide Nutzergruppen definieren kann. Wie diese Zuordnung vorzunehmen und ein einheitlicher Bedarf zu ermitteln ist, ist fraglich. Welcher Ansatz die wirtschaftliche Realität am besten abbildet und im kartellrechtlichen Verfahren die belastbaren Ergebnisse liefert, ist anschließend zu eruieren. Nicht in das Modell des Bedarfsmarktkonzepts zu integrieren sind allerdings die Netzwerkeffekte zwischen den Marktseiten und die diese Netzwerkeffekte vermittelnden Datenströme. Fraglich ist, ob es genügt, die Bedeutung der Netzwerkeffekte bei der Bestimmung der Marktmacht zu berücksichtigen. Der hypothetische Monopolisten-Test in Form des SSNIP-Tests ist hingegen geeigneter, unterschiedliche Marktseiten zu beschreiben, solange sie ein gleicher Faktor eint, der den Gewinn des Monopolisten abbildet. Problematisch ist dies aufgrund der Besonderheit datenbasierter Märkte, die eine unentgeltliche Seite aufweisen, die das Vergütungssystem der Plattformen beeinflusst. Während also die Mehrseitigkeit generell abbildbar erscheint, ist fraglich, ob die Abkopplung des SSNIP-Tests von einem monetären Faktor operabel ist. An sich ist der SSNIP-Test wie das Bedarfsmarktkonzept statisch und vermag somit im Hinblick auf die Marktdynamik nicht zwingend ein angemessenes Bild wiederzugeben. Die Angebotssubstituierbarkeit als ergänzendes Instrument zur Nachfragesubstituierbarkeit erscheint als eine vielversprechende Möglichkeit, die Marktdynamik und die Nicht-Rivalität der Daten darzustellen. Generell ist aber darauf zu achten, 382 So im Ergebnis auch Schweitzer/Haucap/Kerber/Welker, Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen, S. 45 ff. Für die Anknüpfung an eine bestimmte Größe, Umsätze oder Multinationalität des Unternehmens Vahrenholt, Marktabgrenzung und Systemwettbewerb, S. 50.
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dass diese Flexibilität nicht wieder durch Netzwerkeffekte verhindert wird. Die Angebotssubstituierbarkeit sollte also verstärkt berücksichtigt werden, da sie – soweit vorhanden – einen starken Einfluss auf die Marktabgrenzung üben kann, gleichzeitig aber nicht überbewertet werden darf, wenn Netzwerkeffekte rechtliche Freiheit faktisch ad absurdum führen.
III. Deutsche und europäische Abgrenzungspraxis auf datenbasierten Märkten 1. Nachfragesubstitution in der Abgrenzungspraxis Die Frage, ob bei zweiseitigen Märkten ein einziger kartellrechtlicher Markt vorliegt, der sich auf zwei Seiten erstreckt oder ob für jede Seite ein getrennter Markt existiert, wird in der Fallpraxis unterschiedlich beantwortet.383 Es zeichnet sich aber in der jüngeren Praxis eine Tendenz ab. So wird zwischen Matchingplattformen und Aufmerksamkeitsplattformen oder aber Transaktions- und Nichttransaktionsplattformen unterschieden. Plattformen ermöglichen nach Definition des BKartA „eine auf individuellen Präferenzen abgestimmte und von allen Nutzergruppen angestrebte Vermittlung zwischen Mitgliedern zweier oder mehr Nutzergruppen“,
die auf eine direkte Interaktion gerichtet ist.384 Bei Transaktionsplattformen sei dies eine Transaktion im ökonomischen Sinne, bei Nicht-Transaktionsplattformen eine andere, z. B. soziale Interaktion.385 Bei ersteren wirkten hauptsächlich wechselseitige indirekte Netzwerkeffekte, die in Selbstverstärkungseffekten münden würden, sodass sich die beiden Nutzergruppen gegenseitig stark beeinflussen. Der Begriff der Nicht-Transaktionsplattform wird aber auch synonym verwendet, für das Geschäftsmodel, welches das BKartA als Aufmerksamkeitsplattform bezeichnet. Dies sind Plattformen, die einer Nutzergruppe die Aufmerksamkeit der anderen Nutzergruppe und damit Reichweite ermöglichen.386 Auf diesen treten typischerweise nur einseitige indirekte Netzwerkeffekte auf – somit führt nur das Anwachsen einer Nutzergruppe zu einer gesteigerten Attraktivität für die korrespondierende Nutzergruppe. Im ökonomischen Schrifttum wird vertreten, bei zweiseitigen Transaktionsmärkten grundsätzlich von einem einzigen Markt auszugehen, bei Nicht-Transaktionsmärkten sollen hingegen zwei eigenständige, aber
383 Vgl. Filistrucchi/Geradin/van Damme/Affeldt, Journal of Competition Law and Economics 2014, 10(2), 293 (307 ff.) mit einer ausführlichen Analyse verschiedener Kommissionsentscheidungen und Entscheidungen nationaler Wettbewerbsbehörden zur Marktabgrenzung bei zweiseitigen Märkten; Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387 (388 ff.). 384 BKartA, Arbeitspapier, S. 23 f m.w.N. 385 BKartA Arbeitspapier S. 24, 31 m.w.N. 386 BKartA, Arbeitspapier, S. 24.
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miteinander zusammenhängende Märkte definiert werden.387 Das BKartA hingegen unterscheidet zwischen Aufmerksamkeits- und Matchingplattform.388 Die Fusionsentscheidung Health & Beauty389 des BKartA betraf die Zusammenführung der damals erfolgreichsten und marktstärksten Kosmetikfachzeitschriften, deren Verlagshäuser gleichzeitig auch einschlägige Fachmessen organisierten. Somit sollten die stärksten Werbe- und Informationsplattformen in diesem Bereich zusammengelegt werden. Hier waren zwei Nutzergruppen vorhanden, wobei von den Lesern positive einseitige Netzwerkeffekte auf die Anzeigenseite ausgingen. Es lag also je nach Begrifflichkeit eine Aufmerksamkeitsplattform bzw. ein NichtTransaktionsmarkt vor. Neben den Fachzeitschriften waren von dem Zusammenschluss zudem Kosmetikfachmessemärkte betroffen. Hier unterschied das BKartA Besucher- und Ausstellermarkt.390 Das Amt bezeichnete die Unternehmen in beiden Fällen (Messe und Zeitschrift) als Handelsplattformen und Intermediäre, weshalb generell zwei getrennte Märkte anzunehmen seien.391 Diese Einordnung ist gerade im Hinblick auf die Fachmessen beachtenswert. Denn hier bestehen zwischen Aussteller- und Besuchermarkt klar wechselseitige positive Netzwerkeffekte, da die Besucher gerade an der Werbung interessiert sind. Zudem kommt es nicht nur zu Werbefolgenkontakten, sondern auch zu direkten Transaktionen auf der Messe selbst. Weiterhin beachtlich erscheint die bloße Berücksichtigung positiver Netzwerkeffekte, die stärker oder schwächer ausgeprägt sind, ohne negative Netzwerkeffekte der Werber auf die Leserseite zu beachten.392 Im Fall Travelport/Worldspan äußerte sich die Kommission recht undeutlich zu den Märkten der Global Distribution Services (Reise-Buchungssysteme). Die Kommission stellte fest, dass die sogenannten GDS-Betreiber als Vermittler zwischen zwei getrennten Kundenkategorien auftreten würden, ordnete die Reiseleistungsanbieter jedoch als vorgelagerten und die Reisebüros als nachgelagerten Markt ein.393 Aufgrund der asymmetrischen räumlichen Marktabgrenzung geht Blaschczok von einer Abgrenzung zweier Märkte aus.394 Dem ist zuzustimmen.395 387 Vgl. ausführlich Filistrucchi/Geradin/van Damme/Affeldt, Journal of Competition Law and Economics 2014, 10(2), 293 (296 ff.); ebenso Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387 (388 ff.). 388 BKartA, Arbeitspapier, 22 ff. Filistrucchi/Geradin/van Damme/Affeldt, Journal of Competition Law and Economics 2014, 10(2), 293 (307 ff.) Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387 (388 ff.). 389 BKartA, 29.8.3008, B6-52/08, „Health& Beauty“. 390 BKartA, 29.8.3008, B6-52/08, S. 22 „Health& Beauty“. 391 Ibid. 392 BKartA, 29.8.3008, B6-52/08, S. 22 f. „Health& Beauty“. 393 Komm. 21. 8. 2007, COMP/M.4523, Rn. 11 „Travelport/Worldspan“. 394 Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, S. 59. 395 Dies ist gerade auch an der räumlichen Marktabgrenzung (eine Marktseite EPR-übergreifend die nachgelagerte Marktseite national) festzumachen, s. Komm. 21. 8. 2007, COMP/ M.4523, Rn. 71 „Travelport/Worldspan.
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Ähnlich formulierte auch das OLG Hamburg mit Verweis auf die vorgenannte Kommissionsentscheidung die Einordnung des Reisevermittlungsportals CRS als „zweiseitige Plattform“, die eine Schaltstelle zwischen den Anbietern von Reiseleistungen, welche ihren Reiseinhalt an Reisebüros verkaufen, und Reisebüros, welche auf den Reiseinhalt zugreifen und ihn für den Endverbraucher buchen, darstellt. Das OLG stellte hierbei auf die Sicht des CRS-Betreibers ab und grenzte die Informationen, die die Flugunternehmen den Betreibern zur Verfügung stellten, in ihrer Gesamtheit ab.396 Die nachgelagerte Marktseite wurde nicht berücksichtigt. Schon während der aktuellen Diskussion um zweiseitige Märkte entschied das BKartA im Fall HRS, wobei der Vermittlungsmarkt zwischen Hotelplattformen und Übernachtungsinteressenten abgegrenzt werden musste.397 Die Plattform vermittelt Hotelübernachtungsmöglichkeiten und ermöglicht zugleich einen Vergleich zwischen den verschiedenen Hotelanbietern. Es ist also davon auszugehen, dass eine Matching- bzw. eine Transaktionsplattform398 vorliegt.399 Als das OLG Düsseldorf sich mit dem Fall HRS befasste, sah es nur die entgeltliche Seite der Vermittlungsleistung für die Hotels als Teil des Marktes an und trennte somit die unentgeltliche Seite in gewisser Weise ab.400 Das Gericht ging davon aus, dass Hotels und Übernachtungsinteressenten verschiedene Stufen eines Marktes darstellen würden, vergleichbar mit der bisherigen Rechtsprechung zu Reisevermittlungsportalen.401 Mithin wurde eine separate Marktabgrenzung vorgenommen. In der jüngeren Fallpraxis zeichnet sich die Entwicklung ab, für Matchingplattformen einheitliche Märkte und für Aufmerksamkeitsplattformen separate Märkte abzugrenzen. Bei der Fusionsentscheidung des BKartAs Immonet/Immowelt402 sollten die Aktivitäten beider Online-Immobilienplattformen in einem neu gegründeten Ge396 OLG Hamburg 4. 6. 2009, 3 U 203/08, NJOZ 2009, 3601 (3604) „CRS“ = WuW/E DE-R 2831 (2833). 397 BKartA 20. 12. 2013 – B9-66/10 „HRS“. 398 AK Kartellrecht, Digitale Ökonomie, S. 12. 399 Das BKartA hatte im HRS-Beschluss implizit einen Markt für die Vermittlungsdienstleistung von Hotelportalen (nämlich einen „Hotelportalmarkt“) zugrunde gelegt. Mangels ausdrücklicher, getrennter Betrachtung zweier Seiten lässt sich von einem einheitlichen Markt für Vermittlungsleistungen sprechen. Allerdings sah das BKartA für die Zwecke des Verfahrens die Sichtweise der Hotels als maßgeblich. Mit dem Beschluss im Parallelverfahren gegen das Portal Booking.com stellte das BKartA fest, dass es für die kartellrechtliche Beurteilung der verfahrensgegen-ständlichen Bestpreisklauseln offenbleiben kann, inwieweit die unentgeltliche Seite des Marktes selbst Teil dieses Marktes bildet. Auch wenn nicht eindeutig ist, ob das Amt sich hier bewusst für eine einheitliche Marktabgrenzung bei Matchingplattformen ausgesprochen hat, sind diese Entscheidungen als Indiz für die Abgrenzungspraxis zu werten. BKartA 20. 12. 2013 – B9-66/10, Rn. 111 ff. „HRS“ sowie BKartA 22. 12. 2015 – B9121/13 Rn. 141 „Booking“. 400 OLG Düsseldorf 9. 1. 2015, VI Kart 1/14, NZKart 2015, 148 „HRS“. 401 OLG Düsseldorf 9. 1. 2015, VI Kart 1/14, NZKart 2015, 148 „HRS“. 402 BKartA Fallbericht 20. 4. 2015 – B6-39/15 „Immonet/Immowelt“.
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meinschaftsunternehmen zusammengeführt werden. Das BKartA bezeichnet die Online-Immobilienplattformen als Transaktionsmärkte und hielt eine separate Betrachtung der Nutzergruppen wegen der ausgeprägten Netzwerkeffekte zwischen den Gruppen für nicht sinnvoll.403 Noch zögerlich hielt es das Amt für möglich, nicht zwischen den verschiedenen Marktseiten zu trennen, da das Produkt nicht aufteilbar sei. Das Produkt sei die Vermittlung der Immobilie.404 Immobilienanbieter und Nachfrager (auf der unentgeltlichen Seite) haben danach einen weitgehend einheitlichen Bedarf nach der Vermittlungsleistung. Auch aus Sicht der Marktgegenseite sei eine Aufspaltung der Marktseiten gerade nicht zwingend, da eine Marktseite auch aus mehreren Nutzergruppen bestehen könne, wenn der Bedarf der Nutzergruppen einheitlich sei und die Austauschmöglichkeiten nicht wesentlich voneinander abweichen, könne ein einheitlicher Markt abgegrenzt werden. Beide Nutzergruppen würden sich bei den denkbaren Ausweichmöglichkeiten der Vermittlung wieder treffen müssen.405 Dieser Begründung folgend betrachtete das BKartA in der Entscheidung Parship/ Elitepartner explizit einen einheitlichen Markt für die Vermittlungsleistung.406 Auch im Zusammenschlussverfahren über den Erwerb der Vergleichsplattform Verivox407 ging das Amt von einer Transaktionsplattform aus und betrachtete die verschiedenen Marktseiten einheitlich,408 wobei es die genaue Marktabgrenzung offen ließ. Auch die Europäische Kommission befasste sich jüngst verstärkt mit mehrseitigen Märkten. Im Zusammenschlussverfahren Facebook/WhatsApp409 stellte letzteres ein Netzwerk dar, das bis zur Übernahme durch Facebook eine jährliche Mitgliedsgebühr von seinen Nutzern forderte. Facebook hingegen stellt, auf der Nutzerseite, sowohl ein Netzwerk dar als auch in seiner Verknüpfung mit und Finanzierung durch die Werbeseite, eine Plattform. Denn Facebook vermittelt die Aufmerksamkeit und Daten seiner Nutzer an eine Werberseite, so dass hier von einer klassischen Aufmerksamkeit oder Nicht-Transaktionsplattform gesprochen werden kann. Für Facebook identifizierte die Kommission zwei unterschiedliche Märkte, sodass davon auszugehen ist, dass sie eine separate Marktabgrenzung vornahm. Auch der Fusionsfall Microsoft/Yahoo! Search Business betraf die Märkte „Internetsuche“ und „Search Advertising Services“.410 Die Kommission erkannte sowohl die Unentgeltlichkeit als auch einen Zusammenhang zwischen den Nutzerseiten,411 ging jedoch nicht auf Netzwerkeffekte und Plattformspezifika ein. Die 403 404 405 406 407 408 409 410 411
BKartA Fallbericht 25. 6. 2015 – B6-39/15, S. 1. „Immonet/Immowelt“. Ibid. BKartA Fallbericht 25. 6. 2015 – B6-39/15, S. 3. „Immonet/Immowelt“. BKartA 22. 10. 2015 – B6-57/15, Rn. 71 ff. „Parship/Elitepartner“. BKartA 24. 7. 2015 – B8-75/15, S. 3 „Online-Vergleichsplattformen“. BKartA 24. 7. 2015 – B8-75/15, S. 2 „Online-Vergleichsplattformen“. Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217, Rn. 47 „Facebook/WhatsApp“. Komm. 18. 2. 2010, COMP/M. 5727, Rn. 29 „Microsoft/Yahoo! Search Business“. Komm. 18. 2. 2010, COMP/M. 5727, Rn. 33, 48 „Microsoft/Yahoo! Search Business“.
§ 5 Methoden der Marktabgrenzung auf datenbasierten Märkten
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aufgeworfene Frage, ob die Internet-Suche, i.S.d. Anzeige von Suchergebnissen einen eigenen Markt darstellen könnte, ließ die Kommission offen.412 Auch im Google Missbrauchsverfahren erkannte die Kommission eine beherrschende Stellung auf dem Markt der allgemeinen Internetsuche.413 In der deutschen Rechtsprechung zu Suchmaschinen, VG Media, war fraglich, ob Google marktmächtig bei der Onlinesuche- und Webseitendarstellung sei.414 Das LG Berlin ermittelte Beziehungen Googles zu drei verschiedenen Marktteilnehmern und grenzte einen Internetsuchmaschinenmarkt ab.415 Denn nach dem Bedarfsmarktkonzept seien die Leistungen Googles austauschbar mit denen anderer Suchmaschinen.416 Unklar ist, ob das Gericht einen einheitlichen Markt abgrenzte oder nur die Nutzerseite betrachten wollte.417 In der vorangegangenen Entscheidung führte das Amt aus, dass es sich bei der Anzeige der Webseiten um eine Vorleistung handeln könnte,418 eine einheitliche Abgrenzung schloss es aus.419 Dabei stellte die Behörde allerdings auch fest, dass aufgrund des engen inneren Zusammenhangs bei zugleich einheitlichem wirtschaftlichem Zweck ein einheitlicher Markt mit dem Produkt Suchmaschine denkbar wäre.420 Zwischen Nutzer und Webseite bestehe aber eine Matchingplattform, wobei die spezifische Vermittlungsleistung gerade das Produkt darstelle;421 zwischen Nutzern und Werbern eine Aufmerksamkeitsplattform. Bei der Einordnung der Aufmerksamkeitsplattform Facebook422 bestätigte das Amt die marktbeherrschende Stellung Facebooks in einem „gesondert abzugrenzenden Markt für soziale Netzwerke“, ohne dass ein Bezug zu einem entgeltlichen Markt für Werbung erkennbar wäre. Es bestehe ein spezifischer Bedarf nach privatem Austausch und kein Intermediationsprodukt, welches die Einbeziehung einer zweiten Marktseite notwendig mache. Diese Einordnung wurde durch den BGH im einstweiligen Rechtsschutz bestätigt.423
412
Komm. 18. 2. 2010, COMP/M. 5727, Rn. 85 f. „Microsoft/Yahoo! Search Business“. Komm. 27. 6. 2017, COMP/AT.39740, Rn. 155 ff. „Google Search (Shopping)“. 414 LG Berlin 19. 2. 2016, O 5/14 Kart, = GRUR-RR 2016, 426 „Google/VG Media“. 415 LG Berlin 19. 2. 2016, O 5/14 Kart, 13 „Google/VG Media“. 416 LG Berlin 19. 2. 2016, O 5/14 Kart, 13 „Google/VG Media“. 417 Kersting/Dworschak, ZUM 2016, 840 (842). 418 BKartA 8. 9. 2015 – B6-126/14, Rn. 123 „Google/VG Media“. 419 BKartA 8. 9. 2015 – B6-126/14, Rn. 124 „Google/VG Media“; Schnelle/Kollmann, GRUR-Prax 2016, 113, nach denen das BKartA zu erkennen gab, einen einheitlichen Plattformmarkt annehmen zu wollen. 420 BKartA 8. 9. 2015 – B6-126/14, Rn. 125 „Google/VG Media“. 421 Ibid. Rn. 126. 422 BKartA 19. 12. 2017 Hintergrundinformationen zum Facebook Verfahren, S. 2. 423 BKartA 6. 2. 2019 – B6-22/16 „Facebook“ Rn. 231, 233, 249 ff.; BGH 23. 6. 2020 – KVR 69/19 – „Facebook“ Rn. 30 ff. 413
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
Im Fusionsfall CTS Eventim/FKP Scorpio nahm das BKartA eine TicketingPlattform mit verschiedenen Marktseiten an, der sie in der Sache einen MatchingCharakter bescheinigte. Unterschieden wurden ein Markt für Ticketsystemdienstleistungen gegenüber Vorverkaufsstellen und ein Markt für Ticketsystemdienstleistungen gegenüber Veranstaltern.424 Während das BKartA noch den Matching-Charakter von Messen verkannte, etablierte sich beginnend bei der Entscheidung Immonet eine einheitliche Abgrenzung für Matchingplattformen, mit der Begründung, dass nach dem Bedarfsmarktkonzept einheitlich auf die Vermittlungsleistung der Plattform abzustellen sei. Beachtlich ist die mögliche Einordnung der Websites als Vorprodukt eines vertikal integrierten Unternehmens. Während die europäische Rechtsprechung noch keine Gelegenheit hatte, zu den aktuellen Entwicklungen Stellung zu nehmen, hat sich die Kommission in den (aktuellen) Entscheidungen nicht ausdrücklich mit der Marktabgrenzung bei Plattformen beschäftigt. Dies mag auch darin begründet sein, dass die entschiedenen Fälle vorrangig Netzwerke oder aber Aufmerksamkeits- bzw. Nicht-Transaktionsplattformen betrafen. Der einzige Fall einer Matching-Plattform, Travelport, wurde als vertikale Integration gewertet. 2. Angebotssubstituierbarkeit in der Abgrenzungspraxis Das BKartA sieht die Angebotsumstellungsflexibilität auf datenbasierten Märkten zwar nicht durch die technischen Möglichkeiten gehindert, diese sei aber wegen des Erfordernisses einer kritischen Masse und der Netzwerkeffekte selten möglich.425 Beim Zusammenschluss der Handelsplattform ebay und der Kfz-Plattform mobile.de426 prüfte das Amt, inwieweit ein einheitlicher Markt für „OnlineAnzeigen-Portale“ im Hinblick auf die Produktionsumstellungsflexibilität abzugrenzen sei, ob also Anzeigengenres gewechselt werden könnten.427 Es verneinte eine solche Wechselfähigkeit, da sich in der Praxis zeige, dass die meisten OnlineAnzeigen-Portale gerade nicht sämtliche klassischen Anzeigen-Rubriken bedienten, sondern sich auf einen Bereich spezialisierten. Begründet hatte das BKartA diese Spezialisierung mit einem erhöhten Bedarf an Kundenbindung und -betreuung im bundesweiten Wettbewerb und den praktizierten Preismodellen sowie den technischen Erfordernissen. Es spreche daher viel dafür, hier von getrennten Märkten für 424
BKartA 3. 1. 2017 – B6-53/16, Rn. 151 „CTS Eventim/FKP SCORPIO“. BKartA, Arbeitspapier, 48; BKartA 6. 2. 2019 – B6-22/16 „Facebook“ Rn. 298 ff. 426 BKartA B6-19/04 (nicht veröffentlicht), BKartA, Arbeitspapier, 47. 427 BKartA, Arbeitspapier, 47. In der Praxis zeige sich, dass die meisten Online-AnzeigenPortale wie Mobile.de gerade nicht sämtliche klassischen Anzeigen-Rubriken bedienten, sondern sich auf ein Segment spezialisierten. Grund für diese Spezialisierung sei offenbar der Bedarf für eine stärkere Kundenbindung und -betreuung, der sich aus dem bundesweiten Wettbewerb, aus den praktizierten Preismodellen und den technischen Erfordernissen ergebe. Es spreche daher viel dafür, hier von getrennten Märkten für die verschiedenen Online-Rubriken auszugehen. 425
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die verschiedenen Online-Rubriken auszugehen.428 Im Falle des sehr dynamischen Marktes des EDV-Kundendienstes zu Beginn der 90er Jahre hatte die Kommission in einem Zusammenschlussfall ausdrücklich die besonders schwierige Marktabgrenzung festgestellt. Sie begründete dies damit, dass die Grenzen der verschiedenen Dienstleistungen nicht klar zu bestimmen sei, weil die Fähigkeit zur Erbringungen der fraglichen Dienstleistungen in allen Segmenten vergleichbar sei.429 Der Grad der Angebotsumstellungsflexibilität sei sehr hoch. Bei der Fusionsentscheidung Immonet/Immowelt430 prüfte das Amt die Produktionsumstellungsflexibilität anderer Plattformen, wie z. B. eBay oder mobile.de oder Google. Auch wenn dies im Ergebnis mangels Wettbewerbsproblemen keine Rolle spielte, war zu erkennen, dass die infrage kommenden Plattformen zwar eine sehr hohe Nutzerreichweite aufwiesen, die Akquisition von Immobilienanbietern jedoch erheblichen Aufwand verursachte.431 Im Fall Facebook hätten die Angebote Snapchats und Instagrams als Plattformen zum Austausch von Bildern und Videos unter befreundeten Nutzern mit zusätzlichen Kommunikationselementen auch unter dem Gesichtspunkt der Angebotsumstellungsflexibilität berücksichtigt werden können, da eine graduelle Verschiebung des Dienstes näher an die Funktionalitäten eines sozialen Netzwerks nicht den Aufbau vollkommen neuer direkter Netzwerkeffekte bedürfte. Das BKartA verneinte aber die Einbeziehung Snapchats unter dem Gesichtspunkt der Angebotsumstellungsflexibilität, auch weil Snapchat trotz Annäherungen an soziale Netzwerke in seinem Produkt und seiner Unternehmensphilosophie nicht in der Lage und Willens sei, das Angebot umzustellen.432 3. Abgrenzung zum Handelsvertreter Das BKartA unterscheidet zwischen vertikalen Handelsbeziehungen und horizontalen Plattformbeziehungen. Die Stellung als Handelsvertreter (und Kommissionär) führe in jedem Fall zu einer Trennung der Marktseiten i.R.d. Marktabgrenzung, möglicherweise auch zum Ausschluss der Plattformeigenschaft.433 Dies führte dazu, dass das Amt die Vermittlung von Konzerttickets zwischen Konzertanbietern und Vorverkaufsstellen zwar als Matching ansah, jedoch keinen einheitlichen Plattformmarkt für die Ticketvermittlung, sondern zwei
428
BKartA, Arbeitspapier, 47. Komm. 17. 7. 1991, COMP/V/M.112, „EDS/SD Scicon“ = WuW/E EV1670. 430 BKartA Fallbericht 20. 4. 2015 – B6-39/15 „Immonet/Immowelt“. 431 BKartA, Arbeitspapier, S. 48. 432 BKartA 6. 2. 2019 – B6-22/16 „Facebook“ Rn. 302. 433 BKartA 23. 11. 2017, B6-35/17, Rn. 63 „CTS Eventim/Four Artists“. Laut BKartA Arbeitspapier S. 16 sei die Frage der Plattformeigenschaft von der Frage, ob aufgrund einer Handelsvertretertätigkeit eine vom normalen Matching abweichende Marktabgrenzung stattfinden muss, zu unterscheiden. 429
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
Märkte, einmal gegenüber den Veranstaltern und einmal gegenüber den Vorverkaufsstellen abgrenzte.434 4. Competitive Bottlenecks Als competitive bottlenecks werden Konstellationen bezeichnet, in denen die von einem Unternehmen gehaltene Infrastruktureinrichtung – physisch oder digital – der einzige Zugriffsweg auf den nachgelagerten Markt darstellt.435 Bekannt sind diese Konstellationen aus den regulierten Netzwirtschaften, wenn Verteilerkästen oder Hafenanlagen den Flaschenhals für den nachgelagerten Angebotsmarkt darstellen.436 Allerdings kann es auch bei horizontalen Wettbewerbsverhältnissen zu einer Flaschenhalssituation kommen, die unabhängig von zwingenden Infrastrukturgegebenheiten aus dem Verhalten der Marktseiten resultiert. Dies ist gegeben, wenn die Nachfrage der einen Seite Geschäftsbeziehungen mit mehreren Anbietern unterhält (Multi-Homing), während die andere Seite ihre Nachfrage lediglich auf die Leistung einer vermittelnden Plattform beschränkt.437 Beispielhaft sind Betriebssysteme für Handys zu nennen. Handyeigentümer nutzen lediglich ein einziges Betriebssystem, wohingegen die Hersteller von Anwendungsapplikationen diese für verschiedene Betriebssysteme programmieren müssen, wenn sie sichergehen wollen, dass ihre App die entsprechende Verbreitung erfährt. Trotz des Single-Homings auf der einen Seite gewährleistet die Präsenz der anderen Marktseite auf allen Plattformen, dass alle Nachfrager miteinander interagieren können. Für die Single-Homing praktizierenden Nachfrager besteht folglich keine Notwendigkeit zum Abschluss von Verträgen mit weiteren Anbietern, sodass sich die Marktstruktur verstetigt. Deshalb unterscheiden sich die Wettbewerbsbedingungen gegenüber den verschiedenen Nachfragergruppen. Die Multi-Homer sind gegenüber der Plattform in einer schwachen Position: Sie wissen, dass sie auf die Plattform angewiesen sind, um die Single-Homer zu erreichen. Dementsprechend besteht eine größere Abhängigkeit mangels alternativer Anbieter für den Zugang zu Single-Homern. Somit kann trotz geringer Marktanteile am Gesamtmarkt eher Marktmacht vorliegen als auf der anderen Seite. Denn dem Plattformbetreiber ist bewusst, dass seine Macht gegenüber den Multi-Homern auf der Vermittlung besonders vieler Single-Homer beruht. Folglich besteht eine gegengewichtige „Nachfragemacht“ der Single-Homer, sodass die Wettbewerbsbedingungen auf beiden Seiten geradezu diametral sein können.438
434 BKartA 3. 1. 2017, B6-53/16 Rn. 112 ff. „CTS Eventim/FKP Scorpio“; BKartA 23. 11. 2017, B6-35/17, Rn. 63 ff. „CTS Eventim/Four Artists“. 435 Gersdorf, in: Spindler/Schuster, § 9 TKG Rn. 28. 436 Z. B. BKartA 27. 01. 2010 – B9-188/05 „Scandlines“ = WuW/E DE-V 1879. 437 Beschrieben von Armstrong RAND Journal of Economics 2006, 668 (677 f.); Peitz, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2006, 317 (328 f.). 438 Ebenso BKartA, Arbeitspapier, S. 70; Peitz, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2006, 317 (328 f.); Volmar, ZWeR 2017, 386 (393); Volmar, Digitale Marktmacht, S. 257 ff.
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Es besteht somit die Gefahr, dass mit einer einheitlichen Maktabgrenzung die Realitäten der Wettbewerber nicht abgebildet werden können.439 Im Fall Travelport/Worldspan lag das competitive bottleneck in der Position der GDS-Betreiber als Vermittler zwischen Reiseleistungsanbieter und Reisebüros.440 Die Reisebüros nutzten immer nur ein Buchungssystem, weil über jeden GDS-Betreiber alle Reiseleistungsanbieter erreichbar waren. Diese wiederum mussten bei jedem Vermittler präsent sein. Gleiches gilt für die CRS-Entscheidung des OLG Hamburg.441 Im Fall CTS Eventim/FKP Skorpio nutzten viele Veranstalter das Ticketvermittlungssystem CTS als Single-Homer, weshalb die Vorverkaufsstellen zwingend an das CTS-System angeschlossen sein mussten. Diese Vorverkaufsstellen betrieben jedoch aufgrund der hohen Marktanteile nur sequenzielles Multi-Homing.442 Die mit der 10. GWB-Novelle für § 18 Abs. 3b und § 20 Abs. 1 S. 2 GWB geplante Einführung der Intermediationsmacht stellt nur eine Klarstellung bezüglich der durch diese Situation vermittelte Machtposition dar443 und kann die divergierenden Wettbewerbsbedingungen nicht auffangen. Sie vermag lediglich den Blick des Rechtsanwenders für die auch bei geringeren Marktanteilen bestehende Machtposition gegenüber den Multi-Homern schärfen. 5. Zwischenergebnis Während sich in Deutschland die Abgrenzungspraxis hin zu einem an Plattformkategorien orientierten Bedarfsmarktkonzept entwickelt hat, ist noch kaum systematische EU-Rechtsprechung vorhanden. Es handelte sich bei den bisherigen Entscheidungen – bis auf die Travelport-Entscheidung – nur um Werbeplattformen.
439 Zu alternativen und ergänzenden Berücksichtigungsansätzen, Volmar, Digitale Marktmacht, S. 258 ff.; Schweitzer/Haucap/Kerber/Welker, Modernisierung der Missbrauchsaufsicht, S. 66 ff. 440 Komm. 21. 8. 2007, COMP/M.4523, Rn. 11 „Travelport/Worldspan“. 441 OLG Hamburg 4. 6. 2009, 3 U 203/08, NJOZ 2009, 3601 (3604) „CRS“ = WuW/E DE-R 2831 (2833). 442 BKartA 03. 01. 2017, B6-53/16, Rn. 181 „CTS Eventim/FKP Scorpio“. In diesem Fall war die Vermachtung des Marktes derart weit fortgeschritten, dass ein Multi-Homing zunehmend überflüssig wurde, da auch auf dem Markt der Single-Homer kaum noch Wettbewerb bestand. Dementsprechend glichen sich die Wettbewerbsbedingungen beider Plattformseiten wieder. Ein weiteres Zeichen hierfür war die Tatsache, dass CTS Eventim von beiden Marktseiten Entgelte erheben konnte, also nicht mehr um die Single-Homer konkurrieren musste. 443 Bundesregierungsentwurf des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen für ein fokussiertes, proaktives und digitales Wettbewerbsrecht 4.0 und anderer wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen (GWB-Digitalisierungsgesetz), BT-Drucks.19/ 23492, 79 f. (nachfolgend BegrRegE (10. GWB-Novelle), BT-Drucks. 19/23492).
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IV. Bewertung verschiedener Instrumente zur Marktabgrenzung auf datenbasierten Märkten Zum einen stellt sich die Frage nach einer einheitlichen oder getrennten Marktabgrenzung bei Mehrseitigkeit. Hierbei muss Trennschärfe und Praktikabilität des Instruments zur Marktabgrenzung gewährleistet werden. Zum anderen muss berücksichtigt werden, dass es nicht zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung unentgeltlicher und entgeltlicher Leistungsbeziehungen kommt, also die Monetisierung der Daten in der typischen auf datenbasierten Märkten vorherrschenden Art und Weise – also der Internalisierung der Netzwerkeffekte – nicht als Geschäftsmodell verkannt wird. Schließlich muss der Rechtsanwender darauf achten, dass auch die Marktdynamik berücksichtigt eine Marktabgrenzung also nicht zu eng vorgenommen wird. Wie oben ausgeführt birgt bei Vorliegen einer hohen Marktdynamik eine enge Marktabgrenzung die Gefahr einer unrealistischen Marktdarstellung. 1. Abgrenzungspraxis des BKartA Grundsätzlich sieht das BKartA das Bedarfsmarktkonzept als geeignetes Instrumentarium zur Marktabgrenzung. Allerdings entwickelte das Amt eine wirtschaftsspezifische Ausprägung des Konzepts, die die Mehrseitigkeit der Plattformmärkte und die existierende Wechselwirkung schematisch abbildet. Die Marktabgrenzung erfolgt dabei anhand des zuvor festgestellten Plattformtyps.444 a) Schematisierte Einordnung der Markttätigkeit Das BKartA unterscheidet deshalb Matchingplattformen von Aufmerksamkeitsplattformen und sieht eine einheitliche Marktabgrenzung nur als gegeben, wenn die verschiedenen Marktseiten gegenüber der Plattform betrachtet eine einheitliche Marktgegenseite darstellen.445 Daraus folge, dass Aufmerksamkeitsplattformen grundsätzlich als zwei separate Märkte abgegrenzt werden und Matchingplattformen so lange einheitlich betrachtet werden, wie die verschiedenen Marktseiten im Wesentlichen dieselben Austauschmöglichkeiten haben, die Nutzergruppen also einen im Wesentlichen einheitlichen Bedarf nach einer „Vermittlung“446 zu anderen 444
BKartA, Arbeitspapier Zusammenfassung, 6 f. BKartA 20. 12. 2013 – B9-66/10 Rn. 111 ff. „HRS“; AK Kartellrecht, Digitale Ökonomie, S. 17. 446 Dies begründet das BKartA damit, dass nicht auf das vermittelte Produkt abzustellen ist, für das die Plattform den Kontakt oder die Transaktion der Nutzergruppen vermittelt, sondern auf die Vermittlungsleistung zwischen den Nutzergruppen. Damit besteht die Markt-Gegenseite aus zwei oder mehr Nutzergruppen, wie dies auch auf vielen einseitigen Märkten der Fall ist. Wozu für das Produkt Vermittlungsleistung benötigt wird, ist zunächst irrelevant, solange alle Nutzergruppen den Bedarfsmarkt „Vermittlungsleistung“ haben. Die Plattformleistung mag für die Nutzergruppen zwar jeweils eine unterschiedliche Funktion erfüllen; die Bedarfserfüllung 445
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Nutzergruppen haben und sich deshalb die funktionale Austauschbarkeit beider Gruppen größtenteils decke.447 Eine Ausnahme hiervon bilde die Einordnung als Handelsvertreter, welche als up- oder downstream betrachtet wird.448 Aufmerksamkeitsplattformen seien im Gegensatz dazu durch asymmetrische Netzwerkeffekte gekennzeichnet.449 Hier sei es deshalb wahrscheinlich, dass die Nutzergruppen die funktionelle Austauschbarkeit nicht einheitlich betrachten würden. Durch die Zielgruppenorientiertheit der Werberseite könne es aber zu einer ähnlichen Marktabgrenzung kommen, wie auf der anderen Nutzerseite, da die Werbung den Vorstellungen der Zielgruppe weitgehend folgen würde.450 Der Bedeutung der Unentgeltlichkeit einer Seite wird keine gesonderte Aufmerksamkeit geschenkt. Netzwerkeffekte werden damit, abgesehen von der vorgenannten Begründung, erst im Rahmen der Marktmachtbestimmung berücksichtigt. Lediglich wenn die Plattform einen competitive bottleneck darstellt, also durch unterschiedliches Multi- und Single-Homing auf Matchingplattformen unterschiedliche Wettbewerbsverhältnisse auf den Marktseiten befürchtet werden, sollen die Märkte entlang der Plattformseiten separat abgegrenzt werden.451 b) Kritik an der Praxis des BKartA Die aus der Behördenpraxis resultierende Systematisierung kann jedoch kritisiert werden.452 aa) Kategorisierungsunschärfe In der ökonomischen Literatur wird argumentiert, dass Online-Werbeplattformen – im Gegensatz zu Offline-Werbeplattformen – einer Pay-per-Click-Kompensation für die erfolgreiche Vermittlung eines Nutzers an einen Werbekunden unterliegen. Aus diesem Blickwinkel hätten Online-Werbeplattformen ebenfalls einen Matchingcharakter, da sie potentielle Käufer mit Verkäufern zusammenbringen.453 Beachtet man zusätzlich, dass auf Matchingplattformen nicht jeder Kontakt in einer Transaktion mündet und häufig bevor ein Kontakt zustande kommt viele Optionen begutachtet werden, ist eine gewisse Nähe zwischen dem Vermittlungsfür die eine Gruppe hängt aber davon ab, ob der Bedarf der korrespondierenden Gruppe erfüllt wird; BKartA, Arbeitspapier, 32. 447 BKartA, Arbeitspapier, 31. 448 BKartA, Arbeitspapier, 31 f. 449 BKartA, Arbeitspapier, 33. 450 So auch BKartA 25. 4. 2015 – B6-98/13 „Funke/Springer (Programmzeitschriften)“. 451 BKartA, Arbeitspapier, S. 70. 452 Klasse/Wiethaus, WuW 2017, 354; Volmar, ZWeR 2017, 386 (388 ff.). 453 S. bspw. Ratliff/Rubinfeld, Journal of Competition Law and Economics 2014, 10(3), 517.
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
charakter der Werbeplattformen und dem der „klassischen“ Matchingplattformen zu erkennen.454 Auch wenn die Streuverluste bei vielen Aufmerksamkeitsplattformen größer sein dürften als bei den üblichen Vermittlungsportalen, der Unterschied besteht darin, dass die Nutzer der Aufmerksamkeitsplattformen vorrangig die Plattformdienstleistung nutzen wollen und sich nur nachrangig der Werbung aussetzen.455 Diese Unschärfe zeigt sich bei Grenzfällen, wie Health&Beauty456, bei welcher der Messemarkt als Aufmerksamkeitsplattform dem Zeitschriftenmarkt gleichgesetzt wurde. Tatsächlich wird die Messe aber genau mit der Intention besucht, sich der Werbung auszusetzen und mögliche Kontakte zu nutzen. Die Tatsache, dass hierbei Aufmerksamkeit einer Werberseite entgegengebracht wird, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass zwischen den Parteien positive wechselseitige Netzwerkeffekte wirken. Je mehr Aussteller die Messe besuchen, desto mehr Kunden kommen und vice versa. Auch ist keine der beiden Seiten an einer von der Vermittlung abweichenden Plattformdienstleistung interessiert. Weiterhin zu beachten ist, dass sich häufig auch Matchingplattformen über Anzeigenwerbung finanzieren und somit ein Zubrot zu den zum Teil erhobenen einseitigen Entgelten erwirtschaften. Bei diesen Überschneidungen wird kritisiert, dass nicht ersichtlich ist, warum bei Aufmerksamkeitsplattformen aufgrund von größeren Streuverlusten der Werbung grundsätzlich eine andere Abgrenzung vorzunehmen wäre.457 Laut Volmar könne eine Plattform zeitgleich Matching- als auch Werbeplattform sein. Dies gelte nicht nur für den Fall, wenn eine Plattform auf verschiedenen Ebenen agiert458 (als Aufmerksamkeitsplattform gegenüber den Werbern und als Matchingplattform gegenüber den Nutzern, deren Aufmerksamkeit den Werbern vermittelt wird), sondern auch, wenn in der gleichen Wettbewerbsbeziehung sowohl Werbeelemente als auch Vermittlungselemente existieren (Werbefolgenkontakt). bb) Berücksichtigung der Netzwerkeffekte Die BKartA-Praxis ist problemlos in das Bedarfsmarktkonzept integrierbar. Weiterhin muss keine Anpassung der Methoden zur Ermittlung der Nachfragesubstituierbarkeit (Bedarfsmarktkonzept oder SSNIP-Test) erfolgen. Sie veranschaulicht aber auch, dass die Kategorisierung in entweder Matching- oder Werbeplatt454
Volmar, ZWeR 2017, 386 (396). So auch Klasse/Wiethaus, WuW 2017, 354 (360). 456 BKartA, 29.8.3008, B6-52/08 S. 22 „Health& Beauty“ = WuW 2009, 75. 457 Vergleichbar argumentiert Google, wenn es sich im Wettbewerb mit anderen Werbe- und Shoppingportalen wie Amazon oder eBay, sieht, statt als Hauptakteur auf dem Suchmaschinenmarkt. Vgl. Ratliff/Rubinfeld, Journal of Competition Law and Economics 2014, 10(3), 517; andererseits sieht bspw. Luchetta Google nicht als zweiseitigen Markt, sondern als Ein- und Weiterverkäufer von Daten, Luchetta Journal of Competition Law and Economics 2014, 10(1), 185. 458 So auch Mandrescu, E.C.L.R. 2017, 410 (411); Volmar, ZWeR 2017, 386 (396). 455
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form Einfluss darauf haben kann, ob bzw. inwiefern Netzwerkeffekte berücksichtigt werden können. So werden durch die einheitliche Abgrenzung der Matchingplattform die starken wechselseitigen Externalitäten berücksichtigt, wohingegen bei der getrennten Abgrenzung der Nutzer von der Werberseite bei Aufmerksamkeitsplattformen die starken positiven Netzwerkeffekte der Nutzerseite auf die Werber erst im Rahmen der Marktmachtbestimmung berücksichtigt werden können. Wenn aber schon die Einordnung in die zugrundeliegenden Kategorien nicht eindeutig zu treffen ist, erscheint eine daraus folgende unterschiedliche Behandlung im Rahmen der Marktabgrenzung kritisch. Dies gilt insbesondere, wenn sie der vorangegangenen Einordnung schematisch folgt, ohne die spezifische, ökonomische Realität abzubilden. Dies wäre der Fall, wenn Netzwerkeffekte nur teilweise Berücksichtigung finden, es aber keinen Grund für die Ungleichbehandlung gibt. Bei Matchingplattformen wirken wechselseitige positive Netzwerkeffekte, bei Aufmerksamkeitsplattformen jeweils die einseitigen Effekte. Die unterschiedliche Berücksichtigung der Netzwerkeffekte resultiert aus den unterschiedlichen Bedarfsmärkten der Plattformseiten. Während Matchingplattformen die Vermittlungsleistung gegenüber einer inhomogenen aber gesamt abzugrenzenden Marktgegenseite anbieten würden, müsste bei Aufmerksamkeitsplattformen die Nutzerseite als gänzlich uninteressiert an der Werbung eingeordnet werden. Dies ist aber nicht immer der Fall. Die nicht-kaufinteressierten Nutzer einer Aufmerksamkeitsplattform sind damit in der glücklichen Situation, von einem Service zu profitieren, den es ohne die potenziell kaufenden Nutzer nicht gäbe. Aufmerksamkeitsplattformen grundsätzlich anders als Matchingplattformen abzugrenzen bedeutet letztlich, das Geschäftsmodell erstgenannter nicht von denjenigen Nutzern abzuleiten, die das Modell finanzieren.459 Ob diese Ungleichbehandlung begründet ist, wird sogleich erörtert.460 cc) Berücksichtigung der unentgeltlichen Seite Auch wird kritisiert, dass die unterschiedliche Marktabgrenzung durch das BKartA zu einer unterschiedlichen Berücksichtigung der unentgeltlichen Marktseite je nach Plattformkategorie führen würde.461 Nach der Praxis des BKartA werden entgeltliche Leistungen und unentgeltliche Leistungen Teil eines gemeinsamen Marktes, wenn es sich um eine Matchingplattform handelt. Der Gesetzeswortlaut ermöglicht eine unabhängige Abgrenzung von Märkten mit ausschließlich unentgeltlichen Leistungen. Daraus muss aber keine separate Marktabgrenzung folgen.462
459 460 461 462
Vgl. Klasse/Wiethaus, WuW 2017, 354 (360). § 5 B. IV. 4. a). Klasse/Wiethaus, WuW 2017, 354 (360). So auch Klasse/Wiethaus, WuW 2017, 354 (358).
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
Diese Probleme erkannte auch der Gesetzgeber und gab in der Regierungsbegründung zu bedenken: „Eine Trennung der unentgeltlichen von der entgeltlichen Seite bei der Marktabgrenzung wird der wirtschaftlichen Realität jedoch nicht gerecht. […] Eine nur mittelbare Erfassbarkeit der unentgeltlichen Austauschseite und die isolierte Betrachtung von Teilbereichen kann die effektive kartellrechtliche Prüfung erschweren.“463
Mit dem Vorgenannten adressierte der Gesetzgeber die Marktqualität und nicht die Frage der verschiedentlichen Abgrenzung. Stattdessen sollen die indirekten Netzwerkeffekte bei der Marktmachtbestimmung berücksichtigt werden.464 dd) Sonderkonstellationen Die typisierte Marktabgrenzung nach Plattformtypen durchbricht das BKartA allerdings für zwei Sonderkonstellationen: (1) Handelsvertreterausnahme Wenn nach der präferierten Definition des BKartA eine Plattformtätigkeit vorliegt, nimmt das BKartA bei Vorliegen einer Handelsvertretertätigkeit trotz Matchings eine Abgrenzung entlang der Plattformseiten vor. Dies ergebe sich zwingend aus der Rechtsprechung der Unionsgerichte in Anwendung des Art. 1 Abs. 1 lit. h Vertikal-GVO und des Art. 101 AEUV.465 Die CEPSA Rechtsprechung zeige, dass Gegenstand der Vermittlungsleistung die Beziehung zwischen Vertreter und Prinzipal sei und dort Wettbewerbsverbots- und Ausschließlichkeitsregelungen berücksichtigt werden müssten. Dem sei ein Markt für den Verkauf des Produkts an den Käufer nachgelagert.466 Die Vertikal-GVO ordne also die Marktfunktion des Vermittlers an. Diese Argumentation des BKartA lässt sich jedoch anzweifeln.467 Zum einen folgt diese Auslegung nicht zwingend aus dem Urteil. Zum anderen ist fraglich, ob eine entsprechende Ausführung des Gerichts überhaupt für die nationale Marktabgren-
463
Begr. RegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, 48. Kersting/Dworschak, Ifo Schnelldienst 16/2014, 7; Kersting/Dworschak, ZUM 2016, 840 (842): „Die hohen Nutzeranteile Googles auf dem Suchmarkt sind nämlich auch bei der Beurteilung von Googles Marktstellung auf dem Markt für das Auffindbarmachen von Webseiten und Inhalten zu berücksichtigen, weil die Anzahl der Nutzer über das Ausmaß der Auffindbarkeit von Webseiten entscheidet.“ 465 BKartA, Arbeitspapier, S. 16. 466 EuGH 14. 12. 2006, Rs. C-217/05, Slg. 2006, I-11987, Rn. 62 „CEPSA I“; GAin Kokott 17. 5. 2005, Rs. C-217/05, Slg. 2006, I-11987, Rn. 44 f. „CEPSA I“; BKartA, Arbeitspapier, S. 32; BKartA 03. 01. 2017, B6-53/16, Rn. 122 „CTS Eventim/FKP Scorpio“; BKartA 23. 11. 2017, B6-35/17 Rn. 63 ff. „CTS Eventim/Four Artists“. 467 I. E. mit vergleichbarer Kritik Volmar, ZWeR 2017, 387 (397 ff.). 464
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zung bindend ist. Zuletzt ist eine wettbewerbsrechtliche Sinnhaftigkeit dieser Ausnahme anzuzweifeln. Zunächst ist auszuführen, dass die Bezeichnung eines „Marktes“ für die Produkte der Geschäftsherren und eines vorgelagerten „Marktes“ für Vermittlerdienste lediglich in den Schlussanträgen der Generalanwältin genannt wurden,468 der EuGH jedoch lediglich die „Beziehung“469 zwischen dem Vertreter und seinem Geschäftsherrn im Hinblick auf den Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV beleuchtete.470 Hierbei muss beachtet werden, dass die Unterscheidung der Beziehungen auf dem Produktmarkt und auf dem Vermittlungsmarkt zwischen Prinzipal und Agent dazu diente, Beschränkungen in dem Bereich wettbewerblichen Handelns zwischen Prinzipal und Agent Art. 101 AEUV zu unterstellen. Bei der Abgrenzung des relevanten Marktes geht es stattdessen um die Ermittlung der Machtstellung des Unternehmens auf dem fraglichen Markt, also auch um die aus dem Markt stammenden, restringierenden Faktoren für die Handlungsfreiheit des Unternehmens. Selbst wenn man in dem Urteil eine Äußerung zur Bestimmung der marktbeherrschenden Stellung und der vorgelagerten Marktabgrenzung sehen wollte,471 lässt sich doch anführen, dass trotz des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts der EuGH gar keine Kompetenz im Rahmen des Vorlageverfahrens gemäß Art. 267 AEUV hatte, Tatsachenfeststellungen zu treffen.472 Letztlich spricht vor allem die Sinnhaftigkeit gegen eine derartige Ausnahme von der einheitlichen Marktabgrenzung bei Matchingplattformen.Wenn sowohl Käufer als auch Verkäufer des Produkts in der Tätigkeit der Plattform die Vermittlungsleistung sehen und auf beiden Seiten gleichartige Wettbewerbsbedingungen herrschen, erschließt sich eine Aufspaltung nicht. Diese führt stattdessen zu einer komplizierten Prüfung, bei welcher das BKartA zur Bestimmung des sachlich und räumlich relevanten Marktes auf die zuvor für die andere Marktseite getätigten Ausführungen verwies.473 Hinzu kommt, dass der gesamte Aufbau der Ausnahme zu mehr Rechtsunsicherheit als -klarheit führt. So ist schon nicht ersichtlich wo bereits der Plattformcharakter aufgrund der juristischen Abhängigkeit des Geschäfts von der Plattform verneint und wo die Plattformeigenschaft bejaht werden kann, die Marktabgrenzung nach CEPSA aber getrennt erfolgen soll. 468
GAin Kokott 17. 5. 2005, Rs. C-217/05, Slg. 2006, I-11987, Rn. 44 f. „CEPSA I“. EuGH 14. 12. 2006, Rs. C-217/05, Slg. 2006, I-11987, Rn. 42 f.; 62 „CEPSA I“. 470 So Volmar, ZWeR 2017,386 (399); EuGH 14. 12. 2006, Rs. C-217/05, Slg. 2006, I11987, Rn. 62 „CEPSA I“. 471 Ellger, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 2 Vertikal-GVO Rn. 26; Jestaedt/Zöttl, in: MüKo Art. 1 Vertikal-GVO Rn. 83 (2. Aufl.). 472 So Volmar, ZWeR 2017, 386 (400); zur Auslegungskompetenz des Unionsrechts durch den EuGH Gaitanides, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 267 AEUV Rn. 30 f. 473 BKartA 03. 01. 2017 – B6-53/16, Rn. 178 ff „CTS Eventim/FKP Scorpio“; BKartA 23. 11. 2017 – B6-35/17 Rn. 217 ff. „CTS Eventim/Four Artists“. 469
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
Diese Ungenauigkeiten erkennt man in den abweichenden Ausführungen zwischen den Entscheidungen CTS Eventim/FKP Scorpio und CTS Eventim/Four Artists. So führte das BKartA mehrfach aus, dass die Handelsvertretertätigkeit nicht die Berücksichtigung der Merkmale des § 18 Abs. 3a GWB im Rahmen der Marktmachtbestimmung verhindere und indirekte Netzwerkeffekte auch bei Handelsvertretertätigkeiten auftreten würden.474 Gleichzeitig stellte das BKartA klar, dass CTS nicht als Nachfrager der Tickets auftreten würden, sondern nur der Markt der Vermittlerdienste relevant sei.475 Aufgrund der Anwendbarkeit der § 18 Abs. 3a GWB auch außerhalb der Plattformeigenschaft ist eine derartige Argumentation auch nicht notwendig. Stattdessen sollte auf die Marktgegenseite abgestellt werden. Steht der bloße Erwerb der Kaufsache für die Marktgegenseite im Vordergrund, so werden vor- und nachgelagerte Märkte anzunehmen seien. Ist tatsächlich die Notwendigkeit der Vermittlung des Verkäufers relevant (bspw., weil der Käufer die Vermittlung mit dem Angebot und der Vergleichsmöglichkeit mehrerer Kontakte versteht), dann wird eine einheitliche Abgrenzung nötig sein. (2) Competitive Bottlenecks Stellt eine Matchingplattform ein competitive bottleneck dar, macht das BKartA eine Ausnahme von der einheitlichen Betrachtungsweise und nimmt stattdessen zwei oder mehr separate Märkte entlang der Plattformseiten an.476 Trotz eines einheitlichen Bedarfs und fehlender Teilbarkeit des Vermittlungsprodukts könnten dann unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen zwischen den Seiten herrschen, die es rechtfertigen würden, nur gegenüber der Multi-Homing betreibenden Seite eine Marktbeherrschung der Plattform anzunehmen.477 Dies könnte nur mittels einer getrennten Marktabgrenzung berücksichtigt werden. Weder das Phänomen der competitive bottlenecks noch das des sequentiellen Multi-Homings sind ausreichend wirtschaftswissenschaftlich definiert. Besonders problematisch erscheint die Annahme eines Zirkelschlusses aus vermuteter Marktmacht, Annahme eines bottlenecks, einseitiger Marktabgrenzung und aufgrund dessen Bestätigung der Marktmachtvermutung.
474 475 476 477
BKartA 23. 11. 2017 – B6-35/17, Rn. 81, 82, 62 „CTS Eventim/Four Artists“. BKartA 23. 11. 2017 – B6-35/17, Rn. 86 „CTS Eventim/Four Artists“. BKartA, Arbeitspapier, S. 70. BKartA, Arbeitspapier, S. 70.
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2. Der modifizierte SSNIP-Test Mit dem modifizierten SSNIP-Test sollen die Auswirkungen der indirekten Netzwerkeffekte im Rahmen der Marktabgrenzung abgebildet werden können.478 Mithilfe dieses Tests könnten dann die Veränderungen der gesamten Gewinne unter Berücksichtigung der Nachfrageelastizitäten und der indirekten Netzwerkeffekte berücksichtigt werden. Auch bildet dieser die Abwanderung der marginalen Nachfrage ab. a) Einordnung der Markttätigkeit Filistrucchi/Geradin/van Damme/Affeldt wollen den Eigenschaften zweiseitiger Märkte Rechnung tragen, indem bei zweiseitigen Transaktionsmärkten der Anwender einen einheitlichen Markt abgrenzt, bei Nicht-Transaktionsmärkten zwei separate, aber zusammenhängende Märkte bestimmt werden.479 Eine Transaktionsplattform sei ein Vermittler, der zwischen den Marktseiten stehe, um eine direkte (beobachtbare) Transaktion zu ermöglichen. Die daraus resultierenden wechselseitig wirkenden, positiven indirekten Netzwerkeffekte werden dabei von der Transaktionsplattform internalisiert.480 Nur eine Nutzerseite rechtfertige die Existenz der Plattform nicht, könnte diese doch keine (vermittelnde) Leistung anbieten.481 Die Zweiseitigkeit dieser Plattformen sei also zwingender Ausdruck der Marktstruktur.482 Nicht-Transaktionsplattformen vermittelten ebenfalls zwischen mehreren Seiten, das Aufeinandertreffen der Nutzergruppen sei jedoch eher eine unspezifische Interaktion (z. B. Betrachtung von Werbung) als eine direkte Transaktion.483 Die Nutzergruppen haben hierbei unterschiedliche Gründe die Plattform zu nutzen. Deshalb wirken sich die positiven indirekten Netzwerkeffekte regelmäßig nur in eine Richtung aus; das Wachsen der Nutzergruppe sei also nur für eine der Nutzergruppen positiv.484 Somit ist es für Nicht-Transaktionsplattformen nicht zwingend erforderlich, beide Nutzergruppen zeitgleich miteinzubeziehen, da derartige Angebote auch 478 Filistrucchi/Geradin/van Damme/Affeldt, Journal of Competition Law and Economics 2014, 10(2), 293 (319 ff.). 479 Filistrucchi/Geradin/van Damme/Affeldt, Journal of Competition Law and Economics 2014, 293 (302). 480 Vgl. § 3 A. II. 481 BKartA, Arbeitspapier, 20. 482 BKartA, Arbeitspapier, 20. 483 Ibid. 484 BKartA, Arbeitspapier, 21 am Beispiel einer Zeitung: eine steigende Leserzahl wirkt zwar positiv für Werbende, umgekehrt wird aber ein steigender Prozentsatz Werbung oft nicht als positiv durch die Leser angesehen und kann sich sogar negativ auf die Leserzahl auswirken. Leser interessieren sich für redaktionelle Inhalte, während Werbende die Aufmerksamkeit der Leser erreichen wollen.
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
ohne eine der beiden Nutzerseiten, also ohne Plattformcharakter, existieren könnten.485 Es handelt sich oft auch um Märkte mit stark differenzierten Gütern auf denen Marktanteile nur eine geringe Aussagekraft haben. Im Rahmen der Fusionskontrolle wird in solchen Fällen mithilfe von Indikatoren des Preissteigerungsdrucks486 direkt auf die Auswirkungen eines Zusammenschlusses abgestellt.487 b) Berücksichtigung der Netzwerkeffekte Nur Marktseiten, von denen keine Effekte auf die andere Seite ausgingen, könnten als einseitiger Markt abgegrenzt werden, ohne dass die Externalitäten berücksichtigt werden müssten.488 Liegen wechselseitige positive indirekte Netzwerkeffekte vor, soll der Markt einheitlich abgegrenzt werden, indem die Profitabilität einer Erhöhung des Preisniveaus beider Seiten, d. h. die Erhöhung der Preissumme für die Vermittlungsleistung489 betrachtet wird.490 Dies geschehe unter Beachtung einer optimalen Anpassung der Preisstruktur (d. h. unter Anpassung des Verhältnisses zwischen den von beiden Seiten gezahlten Preisen für die angebotene Transaktion).491 Märkte mit negativen indirekten Netzwerkeffekten sollten zwar getrennt abgegrenzt, aber zusammenhängend betrachtet werden.492 Die Begrenzung der Marktmacht bzw. der durch die Netzwerkeffekte bestehende indirekte Wettbewerbsdruck wird dann bei der jeweiligen Marktabgrenzung berücksichtigt. Unter Anwendung des Bedarfsmarktkonzepts mit Fokus auf die Eigenschaftsvergleiche aus Sicht der Nutzerseite könnte eine enge Marktabgrenzung zur Nichtberücksichtigung relevanten indirekten Wettbewerbsdrucks führen.493 Wenn 485
BKartA, Arbeitspapier, 21. UPP (Upward Pricing Pressure) und GUPPI (Gross Upward Pricing Pressure Index). 487 Im nationalen Recht diskutiert Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 Rn. 293; im europäischen Recht annerkannt Komm. 12. 12. 2012, COMP/M.6497 Rn. 346 f. „Hutchison 3G/Orange“; Esser/Höft, NZKart 2013, 447 (449); im US-amerikanischen Recht als fester Bestandteil der Prüfung DoJ/FTC, Horizontal Merger Guidelines, unter 6.1 (S. 21). 488 Filistrucchi/Geradin/van Damme/Affeldt, Journal of Competition Law and Economics 2014, 293 (322). 489 Nach dem Vokabular von Filistrucchi/Geradin/van Damme/Affeldt die Preissumme für die Transaktion. 490 Emch/Thompson, Review of Network Economics 2006, 5(1), 45 (54). 491 Wohl Emch/Thompson, Review of Network Economics 2006, 5(1), 45 (53). 492 Klasse/Wiethaus, WuW 2017, 354 (360); Monopolkommission Sondergutachten 68 , Rn. 59 ff.; beispielhaft für die wettbewerbsökonomische Literatur Filistrucchi/Geradin/van Damme/Affeldt, Journal of Competition Law and Economics, 2014, 10 (2), 293; Evans/Noel, Columbia Business Law Review 2005, 667; Emch/Thomson Review of Network Economics (2006), 45. 493 Klasse/Wiethaus, WuW 2017, 354 (360); Monopolkommission Sondergutachten 68, Rn. 59 ff. 486
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man sich hingegen vorstellt, wie viele Nutzer ein hypothetischer Monopolist als Aufmerksamkeitsvermittler bei Einführung eines Preises (oder missbräuchlichen Verhaltens) verlieren würde und wie hoch die potenziellen Werbeausfälle wären, wird die Wirkung des indirekten Wettbewerbsdrucks offensichtlich. Am Beispiel der Nutzermärkte, von denen die positiven indirekten Netzwerkeffekte ausgehen, bedeutet das: Man definiert den unentgeltlichen Nutzermarkt weit, indem man die Profitabilität der Preiserhöhung anhand des Gewinnrückgangs im Gesamttätigkeitsfeld (also auch beim Verlust bei den Werbern) berechnet. Damit muss der Preis über beide Marktseiten erhöht werden. Umstritten ist jedoch die Frage, ob zwischen der Preiserhöhung auf der einen und der anderen Seite eine Anpassung der optimalen Preisstruktur erlaubt sein sollte.494 Dies bedeutet, dass die jeweilige Erhöhung des Preises auf der betrachteten Seite unter der Prämisse stattfindet, dass jeweils die Preisstruktur vor der Erhöhung vom hypothetischen Monopolisten angepasst werden kann, sodass er die Netzwerkeffekte jeweils optimal nutzen kann.495 Komme es nicht zu einer Anpassung der Preisstruktur, grenzte man einen zu weiten Markt ab, unter Verwendung des klassischen Tests gerate der Markt zu eng.496 c) Berücksichtigung der unentgeltlichen Seite Eine weitere Anpassung des Verfahrens wird für die Problematik der unentgeltlichen Leistungen angedacht. Betrachtet man zunächst nur die Frage der Unentgeltlichkeit, so könnte statt auf den monetären Preis auf die für die Abnehmer stattdessen relevanten Produktmerkmale abgestellt werden. Die Marktgegenseite orientiere sich stattdessen am Innovationsgrad – vulgo der Neuheit – des Produkts, der Qualität und der Privatsphäre des Angebots.497 So könnte anstelle einer Preiserhöhung eine Qualitätsreduktion betrachtet werden, sozusagen ein „small but significant decrease in quality“-Test498 oder ein SSNIC-Test (small but significant nontransitory increase in cost), bei dem nicht der Preis erhöht wird, sondern andere
494 Bejahend Emch/Thompson, Review of Network Economics 2006, 5(1), 45 (54); Filistrucchi/Geradin/van Damme/Affeldt, Journal of Competition Law and Economics 2014, 293 (331); Evans/Noel, Journal of Competition Law and Economics 2008, 4(3), 663 (674 f.), aber dennoch zur vorsicht mahnend. 495 Emch/Thompson, Review of Network Economics 2006, 5(1), 45 (54); Filistrucchi/ Geradin/van Damme/Affeldt, Journal of Competition Law and Economics 2014, 293 (331); Klasse/Wiethaus, WuW 2017, 354 (361). 496 Filistrucchi/Geradin/van Damme/Affeldt, Journal of Competition Law and Economics 2014, 293 (332). Zur Abhängigkeit von zusätzlichen Faktoren wie der Wahl der Berechnungsmethode und Assymetrie der Marktseiten Evans/Noel, Journal of Competition Law and Economics 2008, 4(3), 663 (674 f.). 497 Körber, WuW 2015, 120 (123 f.). 498 Gebicka/Heinemann, World Competition 2014, 37(2), 149 (156 ff.).
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
Kosten für den Nutzer, wie z. B. eine größere Werbefläche oder eine längere Darstellung der Werbung.499 Im Gegensatz zum Vorgenannten sind die von den Nutzern bei der Transaktion hergegebenen Daten quantifizierbare Größen. Hier ließe sich also auf die Reaktion der Nutzer abstellen, wenn die abgefragte Datenmenge um 5 bis 10 % erhöht würde. Die Quantifizierbarkeit der Daten ist jedoch nicht entscheidend. Die Datenpakete sind zwar in Einheiten steigerbar, nicht jedoch vergleichbar. Wie bereits erwähnt, handelt es sich nicht um eine kontrollierte, vereinheitlichte Währung.500 Damit fehlt auch beim Abstellen auf Datenpakete ein essentieller Faktor zur Vergleichbarkeit der abzugrenzenden Produkte untereinander. Eine andere Modifikation ist die Beachtung des Nutzerverhaltens bei erstmaliger Einführung eines positiven Geldpreises. So könnten sowohl die indirekten Netzwerkeffekte berücksichtigt werden und es bestünde eine quantifizierbare, dem System des SSNIP-Test zugängliche Maßeinheit. Klasse/Wiethaus schlagen deshalb vor, diesen Geldpreis 5 – 10 % des Umsatzes auf der entgeltlichen Seite entsprechen zu lassen.501 Hierfür müsse jedoch beachtet werden, ob in der Branche eine solche Preiseinführung überhaupt gangbar wäre. Einige redaktionelle Erzeugnisse sind dazu übergegangen, neben kostenlosen Artikeln auch vermehrt entgeltliche Beiträge via Abonnement anzubieten. Nach einer Preiseinführung auf der Leserseite durch den hypothetischen Monopolisten sei zu ermitteln, ob diese profitabel wäre oder ob es hinreichenden Wettbewerbsdruck durch alternative Plattformen bzw. Produkte gäbe. Hierbei müsse aber die korrespondierende Nachfragergruppe berücksichtigt werden. Betrachtet man die Preiserhöhung von 0 auf X separat, so ist nämlich ein Gewinn zwingend zu bejahen.502 Entscheidend sei deshalb die gleichzeitige Berücksichtigung der Entwicklung der Gewinne auf der Werberseite.503 Konkret stellt sich also die Frage, zu welchem Grad die Nutzung auf der unentgeltlichen Seite bei einer Preiseinführung zurückginge und welchen Einfluss dieser Rückgang aufgrund der positiven indirekten Netzwerkeffekte der Leser- auf die Werberseite und auf die Werbeeinnahmen hätte.504 Es dürfte deshalb häufig profitabler – und auch durch den modifizierten SSNIPTest abbildbar – sein, die Preise für die Werbung zu erhöhen, statt Preise auf der unentgeltlichen Seite einzuführen.
499
Podszun/Schwalbe, NZKart 2017, 98 (103). § 2 B. I.; § 4 B. IV. 501 Vgl. Klasse/Wiethaus, WuW 2017, 354 (360). 502 Klasse/Wiethaus, WuW 2017, 354 (360). 503 Klasse/Wiethaus, WuW 2017, 354 (360); Filistrucchi/Geradim/van Damme/Affeldt, Journal of Competition Law & Economics 2014, 10 (2), 293 (331 f.). 504 Filistrucchi/Geradin/van Damme/Affeldt, Journal of Competition Law and Economics 2014, 10(2), 293 (332). 500
§ 5 Methoden der Marktabgrenzung auf datenbasierten Märkten
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d) Sonderkonstellationen Ein modifizierter SSNIP-Test ist auch in der Lage competitive bottlenecks abzubilden. Bei einer erlaubten Optimierung zu den jeweiligen Marktseiten hin kann der SSNIP-Test die immer engere Marktabgrenzung bis zur Reduktion auf einen Plattformanbieter darstellen, der unter Umständen dennoch mit einem hohen Wettbewerbsdruck auf der einen und einem geringen auf der anderen Plattformseite einhergeht. e) Kritische Würdigung Ein erweiterter SSNIP-Test erfordert damit aber erheblich mehr Informationen als der reguläre SSNIP-Test und ist noch deutlich komplexer in der Anwendung.505 Es stellt sich die Frage, ob ein solches Vorgehen noch praktikabel ist und von Wettbewerbsbehörden in adäquater Weise angewendet werden kann. Als vorgelagerter Prüfungsschritt, welcher die Fehleranfälligkeit des Prozesses erhöht, muss zudem zuvor analysiert werden, ob eine symmetrische oder asymmetrische Abgrenzung erforderlich ist.506 Sind jedoch tatsächlich alle benötigten Daten in ausreichendem Umfang und in der gewünschten Qualität verfügbar, sei es in Form von Marktdaten oder in Form von Informationen aus Konsumentenbefragungen, ist eine Definition des relevanten Marktes trotz Mehrseitigkeit grundsätzlich anhand des SSNIP-Tests möglich. Wenn die Daten nicht aus Experimenten ermittelt werden können, wird von einigen Stimmen auf entsprechende Befragungen verwiesen.507 Einige der modifizierten SSNIP-Tests sind allerdings nur für besondere – entgeltliche – Konstellationen entwickelt worden.508 Das Instrument des SSNIP-Tests vom Geldpreis zu lösen und dadurch auch für unentgeltliche Märkte fruchtbar zu machen, hat viel Kritik erfahren.509 Nicht zuletzt fehlt es an einer geeigneten Maßeinheit, um eine entsprechende Reduktion zu analysieren.510 Diese Modelle kranken daran, dass sowohl Qualität als auch andere 505
Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387 (389). Filistrucchi/Geradin/van Damme/Affeldt, Journal of Competition Law and Economics 2014, 10(2), 293 (300) schlagen z. B. vor, zunächst nach Transaktions- und Nicht-Transaktionsmärkten zu unterscheiden. Im ersten Fall würde es ausreichen, eine Erhöhung der Summe beider Preise zu unterstellen, während in Nicht-Transaktionsmärkten eine Erhöhung der Preise beider Märkte untersucht werden muss. Grund dafür ist die mögliche asymmetrische Marktabgrenzung von Nicht-Transaktionsmärkten. 507 Klasse/Wiethaus, WuW 2017, 354 (361). 508 Emch/Thompson haben ihre Abwandlung des SSNIP Test nur für die Marktabgrenzung in Kreditkartenbranche sowie weitere kartenbasierte Zahlungssysteme entwickelt, Emch/ Thompson, Review of Network Economics 2006, 45 (53 ff.). 509 Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387 (390); Dreher, ZweR 2009, 149 (159); wohl auch Körber, WuW 2015, 120 (125, Fn. 32); Podszun, in: Kersting/Podszun, Kap. 1 Rn. 24; Podszun/Schwalbe, NZKart 2017, 98 (103). 510 Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387 (390). 506
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
Kosten der Nutzer nicht quantifizierbar sind und somit eine prozentuale Erhöhung problematisch erscheint.511 Die von Klasse/Wiethaus thematisierte Optimierung führt, wenn eine Preiserhöhung wieder nur auf der Werberseite erfolgen darf, auf der unentgeltlichen Seite tendenziell zu einer engeren Marktabgrenzung als bei der hypothetischen Einführung eines Preises auf einer unentgeltlichen Nutzerseite, da bei letzterem die Wechselbereitschaft der Nutzer höher ist. Unentgeltliche Marktseiten würden so wieder enger abgegrenzt.512 Unabhängig davon besteht aufgrund der cellophane fallacy die Gefahr, aufgrund eines zu hohen zugrunde gelegten Preisniveaus den Markt tendenziell zu weit abzugrenzen. Auf datenbasierten Märkten liegt der Preis auf einer Marktseite unterhalb des Monopolpreises einseitiger Märkte und auf der anderen Seite oberhalb desselben.513 Der Test müsste die Preissetzungslogik datenbasierter Märkte also exakt berücksichtigen, da er ansonsten zu falschen Ergebnissen führt.514 Vermögen die theoretischen Konzepte noch zu überzeugen, so stellt sich die praktische Umsetzung anhand empirischer Daten als nahezu unmöglich heraus.515 Daten sind zur Abbildung der Marktrealität notwendig und die korrekte Verknüpfung dieser Daten miteinander erhöht die Fehleranfälligkeit des Verfahrens.516 Dies läuft dem Transparenzanspruch und der Rechtssicherheit, die sich bisher aus der Anwendung des Tests ergeben haben, zuwider.517 Der erhöhte Datenbedarf könnte zudem etwaige Verfahren noch verlängern, was gerade bei den befürchteten theories of harm auf datenbasierten Märkten – Behinderungsmissbräuche von aufkommenden Wettbewerbern im dynamischen Umfeld – die Reaktionsschwäche des Kartellrechts verstärken würde.518 Zu beachten ist jedoch, dass der SSNIP-Test die Randnachfrage und damit auch die Substitutionsbeziehung der Randnachfrage abbildet. Wenn es gerade diese Randnachfrage ist, die im dynamischen Markt am ehesten abwandert und sich neuen Produkten und Dienstleistungen zuwendet, ist zwar kein Prognoseelement im SSNIP-Test integriert, die tatsächliche Marktdynamik wird aber durch die weitere Marktabgrenzung eher berücksichtigt.
511
So auch Podszun/Schwalbe, NZKart 2017, 98 (103). Klasse/Wiethaus, WuW 2017, 354 (361). 513 Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387 (390). 514 Vgl. Dewenter/Rösch, Einführung in die neue Ökonomie der Medienmärkte, S. 103 f.; Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387 (390). 515 BKartA, Arbeitspapier, S. 44, 46. 516 So aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht Krämer, Wirtschaftsdienst 2016, 231 (234). 517 Ibid. 518 Ibid. 512
§ 5 Methoden der Marktabgrenzung auf datenbasierten Märkten
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3. Das zweigliedrige Bedarfsmarktkonzept nach Volmar Volmar plädiert für ein zweigliedriges Bedarfsmarktkonzept unter Anwendung einer nachgeschalteten Komplementaritätsregel.519 Diese soll zu einer einheitlichen Markabgrenzung führen, wenn die Bedarfe aller Nutzergruppen komplementär sind, da dies bedeute, dass sich die Wettbewerbsbedingungen gleichen und somit klar die Abgrenzung eines einheitlichen Marktes möglich sei. a) Art der Abgrenzung/Einordnung der Markttätigkeit Statt die Wettbewerbsbeziehungen anhand der aufgrund des Plattformtyps vermuteten Wechselwirkungen zu bestimmen, rückt Volmar die Wettbewerbsbedingungen auf den verschiedenen Plattformseiten in den Fokus. Gleichen sich die Wettbewerbsbedingungen auf den Plattformseiten, sei eine einheitliche Marktabgrenzung sinnvoll, unterschieden sie sich, müsse eine Abgrenzung separater Märkte entlang der Plattformseiten erfolgen. Die Wettbewerbsbedingungen würden sich dann gleichen, wenn die Bedarfe komplementär seien.520 Dies führe dazu, dass auf Plattformen, auf welchen geworben wird, mangels komplementärer Wettbewerbsbedingungen mehrere separate Märkte angenommen werden müssen,521 wohingegen bei Vermittlungsplattformen die Bedarfe Verkauf bzw. Kauf eines Produktes komplementär seien, sodass ein einheitlicher Markt angenommen werden müsse. Damit soll Rechtsunsicherheit in Konstellationen vermieden werden, in denen gleichzeitig Elemente von Matching- und Aufmerksamkeitsplattformen gegeben sind. Diese Elemente können in verschiedenen Wettbewerbsbeziehungen der Plattform vorliegen, also gegenüber verschiedenen Nutzerseiten. Andererseits können diese Elemente aber auch innerhalb derselben Wettbewerbsbeziehung auftreten. Dies sei der Fall, wenn beispielsweise auf Suchmaschinen ein Werbefolgekontakt durch Anklicken der angezeigten Werbung zustande komme. Dieses Matching sei ebenso (un-) verbindlich wie das Matching auf Datingplattformen.522 Somit müsste jede Werbeplattform eigentlich auch als Matchingplattform angesehen werden, was eine große Rechtsunsicherheit berge.523 Laut Volmar könne aber auch die erste Konstellation, Matching- und Aufmerksamkeitsbeziehung gegenüber verschiedenen Marktseiten, auf unterschiedlichen Ebenen zu Einordnungsproblemen führen. Denn im Gegensatz zur Missbrauchskontrolle könne in der Fusionskontrolle nicht wie von Mandrescu vorgeschlagen eine Einordnung je nach begutachteter Beziehung vorgenommen werden.524 Dort müssten 519 Volmar, ZWeR 2017, 386 (403), sowie vertiefend Volmar, Digitale Marktmacht, Kap. 3 B, S. 174 ff. 520 Volmar, ZWeR 2017, 386 (402). 521 Volmar, ZWeR 2017, 386 (403). 522 Volmar, ZWeR 2017, 386 (396). 523 Volmar, ZWeR 2017, 386 (397). 524 Volmar, ZWeR 2017, 386 (396); Mandrescu, E.C.L.R. 2017, 410 (411).
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
nämlich alle Märkte berücksichtigt werden, auf die sich der Zusammenschluss auswirkt. So käme es zur unnötigen Analyse überzählig abgegrenzter Märkte.525 Im Ergebnis führt eine Anwendung der Komplementaritätsregel bei der Matchingtätigkeit auf der einen und Aufmerksamkeitsvermittlung auf der anderen Ebene aber zur selben Marktabgrenzung wie die Abgrenzugspraxis des BKartA. b) Berücksichtigung der Netzwerkeffekte Die Lösung bildet die wirkenden Netzwerkeffekte nicht ab, während die Lösung des BKartA dies in schematisierter Form i.S.e. Unterscheidung zwischen wechselseitigen und einseitigen indirekten Netzwerkeffekten tut. Volmar geht hier wohl davon aus, dass wenn wechselseitige indirekte Netzwerkeffekte wirken, gleichzeitig auch gleiche Wettbewerbsbedingungen auf beiden Seiten herrschen.526 c) Berücksichtigung der unentgeltlichen Seite Das Konzept trifft aufgrund seiner Konzeption keinerlei Unterscheidung zwischen entgeltlicher und unentgeltlicher Leistungserbringung, lässt aber in Fällen, in denen die Komplementarität zu verneinen ist, die unentgeltliche Marktseite bei der Beurteilung der entgeltlichen unberücksichtigt. d) Sonderkonstellationen Tatsächlich ist gerade bei competitive bottlenecks die Komplementaritätsregel fruchtlos. Denn die Bedarfe stehen sich, trotz Single- und Multi-Homings komplementär gegenüber. Vielmehr unterscheidet sich das Vorgehen zur Deckung des komplementären Bedarfs voneinander. Dementsprechend bedürfte es auch hier Ausnahmen und damit einer getrennten Marktabgrenzung entlang der Plattformseiten, wenn die abweichenden Wettbewerbsverhältnisse nicht auch anders abgebildet werden können. Zu Recht lehnt Volmar die Verkäuferausnahme ab.527 Er stellt heraus, dass sowohl die Bindungswirkung der unionsgerichtlichen Rechtsprechung auf die nationale Marktabgrenzung fraglich ist, als auch die Tatsache, dass die CEPSA-Rechtsprechung des EuGH nicht als auf die Abgrenzung des relevanten Marktes bezogen verstanden werden muss.528 Die abweichende Behandlung der Handelsvertreter ergibt sich allerdings auch nicht zwingend aus der Plattformlehre des BKartAs.
525 526 527 528
Volmar, ZWeR 2017, 386 (401). Volmar, ZWeR 2017, 386 (390). Volmar, ZWeR 2017, 386 (404). Volmar, ZWeR 2017, 386 (400).
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163
e) Kritische Würdigung Der Mehrwert dieser Komplementaritätsregel ist im Hinblick auf die Trennschärfe des Begriffs fraglich. Zwar führt Volmar aus, dass es für die Vergleichbarkeit der Wettbewerbsbedingungen nur auf die Hauptleistung und nicht auf die als Annex zur Vermittlungsleistung angebotenen Zusätze ankommen dürfe.529 Inwieweit aber unterschiedliche Preiselastizitäten oder Vertragsgeflechte zu einer anderen Beurteilung der Komplementarität führen, ist unsicher.530 Denn auch wenn für die Bedarfe auf die Hauptleistung abgestellt werden kann, sind die Bedarfe doch nur Synonym für die gleichen Wettbewerbsbedingungen. Begrifflich können die Bedarfe aber komplementär sein, obwohl stark disparate Wettbewerbsbedingungen vorliegen. Gerade dies ist der Grund, warum sich die Situation der competitive bottlenecks nicht in das Merkmal der Komplementarität integrieren lässt.531 Damit verbleibt als Vorteil gegenüber der plattformspezifischen Abgrenzung die Beseitigung der Unsicherheiten, wenn eine Plattform sowohl Aufmerksamkeits- als auch Matching-Leistungen auf der gleichen oder zwei unterschiedlichen Ebenen tätigt. 4. Die Notwendigkeit eines neuen Marktabgrenzungsmodells? Fraglich ist, ob es eines neuen Werkzeugs zur Abgrenzung des relevanten Marktes bedarf, welches die diversen Abweichungen von Austauschmärkten in der Realwirtschaft abbildet. Der Zweck der Marktabgrenzung ist die Identifikation des relevanten Marktes. Er muss diejenigen (aber auch nur die) Wettbewerbskräfte umfassen, welchen sich ein Marktteilnehmer aussetzen und welche er kontrollieren muss, wenn er unabhängig von Konkurrenten und Nachfragern agieren will. Wenn auf datenbasierten Märkten andere Wettbewerbsbeziehungen betrachtet werden müssen, kann sich dies auf den ökonomisch aussagekräftigen Markt auswirken. Fraglich ist, ob diese Wettbewerbskräfte durch Marktabgrenzungsmodelle umfasst und wie ihre Kontrolle an den potentiellen Normadressaten adressiert werden können. a) Notwendigkeit der Berücksichtigung der Netzwerkeffekte im Rahmen der Marktabgrenzung Wie bereits dargestellt, fürchten Stimmen in der juristischen und industrieökonomischen Literatur, dass durch die hergebrachte Marktabgrenzung nicht alle Wettbewerbskräfte erfasst werden. Die Schadenstheorien sind hierbei ein entweder zu weit oder zu eng abgegrenzter Markt. Wird er zu weit abgegrenzt, dann wird die Marktmacht eines Unternehmens unterschätzt, es kommt zu einem Fehler erster 529
Volmar, ZWeR 2017, 386 (404). Zur gegenteiligen Entscheidung Volmar, ZWeR 2017, 386 (406); Komm. 19. 12. 2007, COMP/34.579, Rn. 263 ff., 274, 278 ff. „Mastercard I“. 531 Dies erkennt auch Volmar, ZWeR 2017, 386 (402 ff.). 530
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Ordnung. Wird er zu eng abgegrenzt, wird wettbewerbliches Handeln sanktioniert, obwohl das Unternehmen noch demselben wettbewerblichen Druck ausgesetzt ist, wie seine Wettbewerber. Ein Fehler zweiter Ordnung ist die Folge.532 Die vielgeäußerte Befürchtung auf datenbasierten Märkten ist, dass es aufgrund der Eigenschaften – hohe Marktanteile, tipping, Dynamik – zu einem Fehler zweiter Ordnung kommt, weil Wettbewerbskräfte nicht korrekt berücksichtigt werden.533 Auf datenbasierten Märkten sind dies vor allem indirekte Netzwerkeffekte. Wird der Markt fälschlicherweise zu eng abgegrenzt, steigt die Gefahr eines overenforcements. Andere Stimmen befürchten, dass die positiven wechselseitigen Netzwerkeffekte zu einem Quasi-Monopol führen würden, weshalb Wachstumstendenzen früher berücksichtigt werden müssten.534 Tatsächlich haben die Netzwerkeffekte einen Einfluss auf die ökonomische Relevanz des Marktes. Vernachlässigt man die mehrseitigen positiven indirekten Netzwerkeffekte, verkennt man eine mögliche Tippinggefahr und selbstverstärkende Effekte.535 Betrachtet man ceteris paribus beide Seiten separat, führt es in diesem Fall zu einer unterschätzten Marktmacht. Die Nichtbeachtung einseitiger positiver Netzwerkeffekte führt gegenüber der aussendenden Seite zu einer Überschätzung der Marktmacht.536 Ermittelt man die Marktmacht gegenüber der Leserseite von Aufmerksamkeits-/Werbeplattformen, so gehen von der Werberseite geringe positive, keine oder negative Netzwerkeffekte aus,537 von der Leserseite positive Netzwerkeffekte. Bloße Eigenschaftsvergleiche wie beim Bedarfsmarktkonzept berücksichtigen nicht, wie viel Aufmerksamkeit (und damit Werbeeinnahmen) ein Diensteanbieter bei Einführung eines Preises verlieren würde und klammern daher einen wichtigen Wettbewerbsaspekt aus, überschätzen also die Marktmacht.538 Gegenüber der Seite, von welcher die negativen Effekte ausgehen, auf die aber die positiven Netzwerkeffekte wirken (weil sie von einer großen Dienstenutzerseite wegen der damit verbundenen Reichweite profitieren), kann bei Nichtberücksichtigung dieser Effekte die Marktmacht unterschätzt werden. Hieraus folgt auch, dass wenn die Plattform gegenüber der Dienstenutzerseite schon mächtig ist, die Datensubjekte 532
Albers, in: Ahrens/Behrens/Dietze, Marktmacht und Missbrauch, S. 13 m.w.N. Körber, WuW 2015, 120 (126 ff.); Paal, GRUR Int. 2015, 997 (1000). 534 Rock, NZKart 2016, 166 (168); Paal, GRUR Beilage 2014, 69 (70). 535 BKartA, Arbeitspapier, S. 50; hierzu § 3 A. III. 2. 536 Anders BGH 23. 06. 2020, KVR 69/19 – „Facebook“, Rn. 43: Die indirekten Netzwerkeffekte motivierten Facebook dazu, die vorhandenen unkontrollierten Verhaltensspielräume zugunsten der Werbemarktseite auszunutzen. Dies gölte jedenfalls hinsichtlich des Zugangs zu den für den Werbemarkt wettbewerbsrelevanten Daten, da keine gegenwirkenden Wettbewerbskräfte existieren. Allerdings wird hier die besondere Situation angesprochen, dass die die Nutzerseite „schützenden“ Netzwerkeffekte nicht mehr relevant sind, weil es quasi keine Alternativen zu Facebook gibt. Diese wären aber die vom BGH angesprochenen entgegengesetzt wirkenden Wettbewerbskräfte. 537 Die Datensubjekte sind vielmehr an der – in der Regel – redaktionellen Leistung der Plattform interessiert. 538 Klasse/Wiethaus, WuW 2017, 354 (361), Schwalbe/Podszun, NZKart 2017, 98 (99). 533
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also keine Ausweichmöglichkeiten haben, es gar zu einer Marktverengung auf eine Plattform kommen kann.539 Negative Netzwerkeffekte schränken die Funktionalität aus Sicht der Plattformseite auf die sie wirken nicht ein. Sie erhöhen tatsächlich die Marktmacht gegenüber der Gruppe von der sie ausgehen. Positive Netzwerkeffekte können allerdings die Substitutionsbeziehung begrenzen. Die Netzwerkeffekte beeinflussen nicht nur die Ausübung von Marktmacht, sondern können auch Auswirkungen auf die horizontale und vertikale Produktdifferenzierung haben. Die Marktabgrenzung kann z. B. bei Zeitungen also nicht nur vom Preis abhängen, sondern auch von der Leserschaft der Zeitung und damit von der Zielgruppe, die erreicht werden soll.540 Durch die Verwendung von Daten wird die Personalisierung noch verstärkt, sodass dieser Faktor zu berücksichtigen ist. Genau dies vermag das Bedarfsmarktkonzept. In der juristischen Diskussion ist der aktuelle Stand der wettbewerbsökonomischen Forschung zu mehrseitigen Märkten abgebildet. Da die zugrundeliegende Diskussion noch nicht abgeschlossen ist und nur vorläufig gesicherte Aussagen möglich sind, bedarf es einer gewissen Zurückhaltung.541 aa) Netzwerkeffekte als indirekter Wettbewerbsdruck Üblicherweise betrachtet das Kartellrecht im Rahmen der Marktabgrenzung aufgrund der Konzeption des Wettbewerbs als antagonistisches Konkurrieren um die Auswahl (Freiheit) der Marktgegenseite die direkten competitive restraints542. Es handelt sich dabei um die Erfassung des Wettbewerbsdrucks der aktuellen und potentiellen Wettbewerber. Im Rahmen ihrer wirtschaftswissenschaftlichen Forschung stellen Inderst/Valletti fest, dass im Rahmen von Vorleistungsmärkten indirect competitive constraints wirken, die trotz hoher Marktmacht zu einer begrenzenden Handlungsfähigkeit des potentiellen Normadressaten führen. Aufgrund einer abgeleiteten Nachfrage der Großhandelsstufe vor der Endkundenstufe sei eine Schlechtbehandlung der Großhandelsstufe auf dem Vorleistungsmarkt, die durch diese an die Endkunden weitergegeben werde, schädlich für den Monopolisten, wenn die Endkundenstufe Ausweichmöglichkeiten hat.543
539 So auch BKartA, Arbeitspapier, S. 58. Je nach Marktanteil wird damit durch die starken positiven ind. Netzwerkeffekte auch die Substituierbarkeit der Angebote zur Bedarfsdeckung beeinflusst. Denn eine Plattform, die die andere Marktseite nicht vermitteln kann, stellt irgendwann kein Substitut mehr dar bzw. nur eine Ergänzung zur Hauptplattform. 540 Filistrucchi/Geradin/van Damme/Affeldt, Journal of Competition Law and Economics 2014, 10(2), 293 (320). 541 Esser/Höft, NZKart 2017, 259 (263). Hinzu kommt, dass laut Kirchhoff, in: FS Tolksdorf 2014 S. 527, die Ökonomie stärker als andere Wissenschaften Denkmoden unterliegt, was in einem Spannungsverhältnis zur Rechtssicherheit stehen kann. 542 Inderst/Valletti, Journal of Competition Law and Economics 2007, 3 (2), 203 (206). 543 Inderst/Schwarz, WuW 2008, 637 (641).
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
Netzwerkeffekte können eine ähnliche Wirkung haben. Am Beispiel von Aufmerksamkeitsplattformen erläutert: Die Abhängigkeit der Plattform vom „Vorleistungsmarkt“ des redaktionellen Inhalts schützt diesen und führt gleichzeitig zu einer Schlechtbehandlung der Werbenden.544 Insoweit kann auch von einem indirekten Wettbewerbsdruck gesprochen werden. bb) Die Berücksichtigung indirekten Wettbewerbsdrucks im Rahmen der Marktabgrenzung Inderst/Valletti und auch Schwarz argumentieren final, dass indirect competitive restraints i.R.d. Marktabgrenzung berücksichtigt werden sollten.545 Eine Berücksichtigung der Abwanderungstendenzen der Marktgegenseite aufgrund indirekten Wettbewerbsdrucks kann nur ein ökonometrisches Modell leisten. Der – vorrangig – aus der Wirtschaftswissenschaft stammende Vorschlag, die Netzwerkeffekte bei der Marktabgrenzung zu berücksichtigen, ist auch Ausdruck der dort üblichen rechnerischen Marktmachtbestimmung. Dass der SSNIP-Test Netzwerkeffekte abbilden kann, ist seiner Konzeption als Kontrolle der Nachfrageelastizität geschuldet. Der SSNIP-Test definiert nämlich nicht den Markt gleichartiger Waren, sondern den Bereich, in welchem die machtbeschränkenden Faktoren so gering sind, dass ein Monopolist die Preise erhöhen könnte. Dem System ist also eine Fixierung auf ein signifikantes Maß an Macht und dessen Ausübung immanent.546 Die Ermittlung der konkreten Ausweichbewegungen hat die Berücksichtigung der diese Ausweichbewegungen beschränkenden oder fördernden Einflüsse i.R.d. Marktabgrenzung zur Folge. Klasse/Wiethaus argumentieren, dass durch ihn alle Quellen von Wettbewerbsdruck (auch über die andere Marktseite) berücksichtigt werden könnten.547 Tatsächlich handelt es sich bei diesem Wettbewerbsdruck aber nicht um solchen, der aus dem abgegrenzten Markt stammt, sondern um indirekten Wettbewerbsdruck. Eine Beschränkung der Analyse auf direkt wirkenden Wettbewerbsdruck kann die tatsächliche Wettbewerbssituation am Markt nicht wiedergeben und ist verfehlt.548
544
Auch bei Transaktionsplattformen kann von indirekten Wettbewerbsdruck gesprochen werden, auch wenn die Anzahl korrespondierender Nutzer auch ein Qualitätsmerkmal des Angebots darstellt. Nichtsdestotrotz führt die Schlechtbehandlung einer Seite zu einer Disziplinierung der Plattform durch die andere. 545 Inderst/Valletti, Journal of Competition Law and Economics 2007 3(2), 203 (206); Inderst/Schwarz, WuW 2008, 637 (641); ebenso Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 GWB Rn. 53. 546 Der SSNIP-Test fußt zudem auf dem amerikanischen Antitrust-Recht und damit einem rein verhaltensorientierten Marktmachtkonzept, Lenßen, Der kartellrechtlich relevante Markt, S. 202 f. 547 Ibid. 548 Ebenso Inderst/Schwarz, WuW 2008, 637 (645).
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Fraglich ist aber, ob die Berücksichtigung indirekten Wettbewerbsdrucks zwingend in der Marktabgrenzung stattfinden muss. Aus ökonomischer Sicht ist laut Inderst/Valletti und Schwarz festzuhalten, dass die Entscheidung – Berücksichtigung von indirect constraints im Rahmen der Marktabgrenzung oder der Marktbeherrschung – eigentlich keine Auswirkung auf das erzielte Ergebnis haben dürfte.549 Dem ist zuzustimmen, denn letztlich dient die Berücksichtigung jeglichen Wettbewerbsdrucks der korrekten Bestimmung der Marktmacht des potentiellen Normadressaten.550 Inderst/Valletti sowie Schwarz führen aber an, dass selten eine ausreichende Datenlage vorliege und Marktanteile als erstes Indiz zur Beurteilung551 des Sachverhalts eine hohe Relevanz hätten.552 Aufgrund dieser Relevanz für die nachgelagerte Entscheidung – auch im Rahmen der Marktanteile – sei eine angemessen weite Marktabgrenzung nötig, sodass die limitierenden Wettbewerbskräfte mittels SSNIPTest bereits in diesem Schritt der Marktabgrenzung berücksichtigt werden müssten.553 Dem stehen aber sowohl faktische als auch systematische Einwände entgegen. So thematisierten sowohl die Kommission in ihrer Marktabgrenzung nur die nachfrageseitige sowie ergänzend die angebotsseitige Substituierbarkeit ebenso wie das BKartA in seiner Entscheidungspraxis.554 Noch deutlicher ist die Entscheidung des Gesetzgebers die Berücksichtigung der direkten und indirekten Netzwerkeffekte als Plusfaktoren i.R.d. Marktmachtbestimmung zu normieren. Will man Wettbewerbskräfte differenziert berücksichtigen, sollten diese aus der Marktabgrenzung herausgehalten werden.555 Systematisch sind sie dann vielmehr bei der Prüfung der beherrschende Stellung oder des Missbrauchs zu verorten.556 Die etwaigen Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite wurden bereits mittels des Bedarfsmarktkonzepts ermittelt, die Fähigkeit die Nachfrage kurzfristig i.S.d. potentiellen Wettbewerbs zu verlagern und die Abhängigkeit des Anbietenden von der 549
Inderst/Schwarz, WuW 2008, 637 (645); Inderst/Valletti, Journal of Competition Law and Economics 2007 3 (2), 203 (229) unter der Prämisse einer umfassenden Datenlage und eines korrekten Marktmachtkonzepts. 550 So auch Inderst/Valletti, Journal of Competition Law and Economics 2007 3 (2), 203 (229). 551 Und daran angeschlossen vertieften Prüfung. 552 So könnten hohe Marktanteile vorliegen und trotzdem limitiertes Verhalten aufgrund indirekten Wettbewerbsdrucks. 553 Inderst/Schwarz, WuW 2008, 637 (645); Inderst/Valletti, Journal of Competition Law and Economics 2007 3 (2), 203 (229); ebenso für den Fall gesicherter Wirkungszusammenhänge Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 Rn. 53. 554 Komm. Bekanntmachung Definition des sachlich relevanten Marktes, Rn. 15 ff.; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 GWB Rn. 37 ff. zur Abgrenzung durchs BKartA. 555 So für den potentiellen Wettbewerb Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, S. 296. 556 Ibid.
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
Nachfrage werden typischerweise der Frage zugeordnet, ob der potentielle Normadressat seine Marktanteile auch ausnutzen kann. Vergleichbare Erwägungen, die Relativierung der Marktstellung aufgrund einer starken Verhandlungsposition der Gegenseite,557 liegen der Berücksichtigung der gegengewichtigen Nachfragemacht zugrunde, § 18 Abs. 3 Nr. 8 GWB. Auch ist die Berücksichtigung von Wettbewerbskräften außerhalb des relevanten Marktes im Rahmen der Berücksichtigung des potentiellen Wettbewerbs und der Marktzutrittsschranken in das System der Marktmachtanalyse integriert, § 18 Abs. 3 Nr. 5, 6 GWB. Letztlich streiten auch praktische Gründe dafür. Die wirtschaftswissenschaftliche Forschung steht noch am Anfang, die Wirkweise der Netzwerkeffekte ist vorwiegend im Rahmen enger Modelle untersucht.558 Fest steht ihre differenzierte Wirkweise. Während negative Netzwerkeffekte direkt auf die Marktseite wirken, von welcher sie ausgehen, schützen positive einseitige Netzwerkeffekte die Seite, von der sie ausgehen und belasten die andere. Auch das BKartA führt an, dass viele gegengewichtige und unterstützende Faktoren bei der Beurteilung der Stärke der Netzwerkeffekte abgewogen werden müssen.559 Eine solche Abwägung ist im Rahmen der Marktabgrenzung schwerlich abzubilden. Da die Marktabgrenzung zeitgleich den Grundstein für die weiteren Prüfungsschritte legt, ist das Interesse an Rechtssicherheit und Prognostizierbarkeit der Entscheidungen hoch. Letztlich lässt sich daraus ableiten, dass statt der Anwendung eines komplizierten und mangels Datenlage selten durchführbaren Tests das Bedarfsmarktkonzept weiterhin sinnvolle Arbeit leistet. Die Problematik zu eng abgegrenzter Märkte ist im Hinblick auf die hohe Bedeutung, die der deutsche Gesetzgeber und die kartellrechtliche Praxis Marktanteilen zuweisen, ein nachgelagertes Problem. In Kombination mit weiteren Malaisen560 bei der Marktanteilsbestimmung ist eine näherungsweise Marktabgrenzung mittels des Bedarfsmarktkonzepts und eine anschließende umfassende Marktmachtbestimmung, die sich von der Deutungshoheit der Marktanteile freigemacht hat, angezeigt.
557 Bardong, in: Langen/Bunte, § 18 GWB Rn. 150. Da diese Marktgegenseite stark zersplittert ist und die dort wirkende gegengewichtige Macht, so man sie bejahen würde, auch andere Unternehmen der Marktgegenseite träfe, lässt sich die Situation auf Plattformmärkten aber nicht passgenau unter § 18 Abs. 3 Nr. 8 GWB subsumieren. 558 So wurde die Ausführungen von Evans/Schmalensee, CPI 2007, 3 (1), 151, für analoge zweiseitige Märkte getätigt. Da die zugrundeliegende Diskussion noch nicht abgeschlossen ist und nur vorläufig gesicherte Aussagen möglich sind, bedarf es einer restriktiven Handhabung, ebenso Esser/Höft, NZKart 2017, 259, 263. Hinzu kommt, dass laut Kirchhoff, in: FS Tolksdorf 2014 S. 527, die Ökonomie stärker als andere Wissenschaften Denkmoden unterliegt, was in einem Spannungsverhältnis zur Rechtssicherheit stehen kann. 559 BKartA, Arbeitspapier, S.54 ff. 560 S. dazu § 6 V.
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b) Anwendung des Bedarfsmarktkonzepts Konsequenz des ausgeführten ist, dass das Bedarfsmarktkonzept in Ansehung des de lege lata zwingenden Dreischritts aus Markt-Marktabgrenzung-Marktmacht weiterhin ein valides Konzept darstellt und auch de lege feranda beibehalten werden sollte. aa) Bedarfsmarktkonzept Der typologischen Praxis des BKartAs lässt sich zu Recht eine Ungenauigkeit i.R.d. Bestimmung der Plattformtypen entgegenhalten. Wenn diese Typisierung lediglich als pauschale Kategorisierung und damit als „Hilfestellung“ zur Ermittlung der relevanten Gegenseite erkannt wird,561 ergibt sich, dass weiterhin auf den Bedarf abzustellen ist.562 Die von Volmar adressierten Probleme der Mischformen auf gleicher und verschiedener Ebene lassen sich gleichfalls in das Bedarfsmarktkonzept integrieren. (1) Mischformen Der Bedarf wird anhand des verständigen Verbrauchers ermittelt und auf die überwiegende Mehrheit der Marktgegenseite abgestellt, die den Durchschnitt der Gesellschaft reflektiert.563 Bei der Frage nach der Beurteilung eines Werbefolgenkontaktes lässt sich anführen, dass es dort ebenso zu einer möglichen Transaktion kommt wie bei Datingplattformen und einige Kunden gerade die Werbeanzeigen wünschen (als Suchergebnis bei den Suchmaschinen bspw.). Klasse/Wiethaus führen an, dass die Orientierung an der Mehrheit der Kunden nicht einleuchte. Schließlich würde das Modell finanziert durch die Kunden, die die Werbung anklickten.564 Es besteht aber ein relevanter Unterschied. Während bei einer Matchingplattform der Bedarf in der Vermittlung potentieller Partner besteht und die Leistung – nämlich die mögliche Kontaktaufnahme – bereits vor Anbahnung einer unspezifischen Interaktion zwischen den Parteien erfolgt ist, findet durch den Werbefolgenkontakt zwar eine mögliche Transaktion i.S.e. eines Klicks oder gar Kaufs statt, diese ist jedoch nicht das primäre Ziel bei Verwendung einer Suchmaschine. Die Ermittlung des Bedarfs der Marktgegenseite wird regelmäßig ergeben, dass die Mehrheit der Marktgegenseite die Anzeige der Suchergebnisse (also durchaus ein Matching mit den Homepageanbietern) wünscht, nicht jedoch eine Vermittlung zu etwaigen Werbetreibern oder Werbeanzeigen. Gerade die Tatsache, dass bspw. 561
S. 31.
Was wohl auch der Intention des BKartA entsprechen dürfte, BKartA, Arbeitspapier,
562 Im Ergebnis ebenso: Grothe, Datenmacht in der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle, S. 130. 563 Vahrenholt, Marktabgrenzung und Systemwettbewerb, S. 82 f. 564 Klasse/Wiethaus, WuW 2017, 354 (360).
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
Google bis es behördlich dazu aufgefordert wurde, die Werbung ohne Kennzeichnung an prominenter Stelle in die Ergebnisliste aufnahm, legt den Schluss nahe, dass die Marktgegenseite gerade keine Werbung, sondern Information wünscht.565 Der Nutzer unterscheidet aber nicht zwingend zwischen unbezahlter und bezahlter Information vulgo Werbung.566 Dieses Abstellen auf den verständigen Verbraucher ist in der Kategorisierung des BKartA schon vorweggenommen. Tatsächlich darf anhand der Typologisierung des BKartA aber nicht der Blick für eine saubere Bestimmung der Marktgegenseite verstellt werden. Liegt ein unterschiedlicher Bedarf auf den verschiedenen Ebenen der Plattformbeziehungen vor, bspw., weil die Plattform sich sowohl über Werbung als auch über Vermittlungsgebühren finanziert, so ist eine Einschätzung anhand der einzelnen Bedarfe geboten. Stimmen diese nicht überein, ist ein separater Markt abzugrenzen.567 Diese Herangehensweise ist auch für die Marktbestimmung in der Fusionskontrolle angemessen.568 Ist unsicher, ob es sich um eine Aufmerksamkeits- oder Matching-Plattform handelt, ist im Zweifel auf den Schwerpunkt der Leistung aus Sicht des verständigen Verbrauchers abzustellen. So erscheint es ungenau, davon auszugehen, dass es sich bei Suchmaschinen um Matching-Plattformen handelt. Folgt man der Ansicht dieser Arbeit, ist Aufmerksamkeit keine Gegenleistung. Dementsprechend kann hier schon nicht Aufmerksamkeit „gematcht“ werden. Es bleibt also die Berücksichtigung der tatsächlich durch ein Klicken ausgelösten Monetisierung der Werbung/Werbeleistungen der Suchmaschinen. (2) Abgrenzung zum Handelsvertreter Wie bereits ausgeführt, bedarf es einer Abgrenzung zum Handelsvertreter als solchen nicht. Wird das Hauptprodukt durch die Marktgegenseite in der Vermittlungsleistung gesehen, ist eine Transaktionsplattform anzunehmen, sonst handelt es sich um einen vertikal integrierten Händler. (3) Netzwerkeffekte Nach den vorangegangenen Ausführungen ist ersichtlich, dass Netzwerkeffekte im Rahmen der Marktabgrenzung nur dann Berücksichtigung finden sollten, wenn die Substituierbarkeit des Gutes von ihnen beeinflusst wird, weil Produkte mangels Reichweite nicht mehr als austauschbar gesehen werden. 565 Pressemitteilung der FTC vom 25. 06. 2013; zuvor schon in den Guidelines for search enginge advertising, Juni 2002 (aktualisiert 24. Juni 2013). 566 http://www.seobook.com/consumer-ad-awareness-search-results. 567 Ähnlich Mandrescu ECLR 2017, 410 (411). 568 Vgl weiter oben B. IV. 3. a).
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(4) Unentgeltlichkeit Auch das Bedarfsmarktkonzept beurteilt die Substituierbarkeit unter Einbeziehung der Preislage verschiedener Produkte.569 Der Preis und damit auch die Unentgeltlichkeit spielt jedoch eine geringere Rolle als bei ökonometrischen Abgrenzungsmodellen.570 Ein sehr starker Preisunterschied wird aber als Indiz für mangelnde disziplinierende Einflüsse gesehen, sodass von zwei getrennten Märkten auszugehen ist.571 Dieser Preisunterschied schlägt sich zudem häufig auch aus Verbrauchersicht in unterschiedlichen Eigenschaften und damit unterschiedlicher Substituierbarkeit nieder. So sind bspw. professionelle Anwendungen mit stark erweitertem Portfolio für gewerbliche Anwender kostenpflichtig. Anders ist dies jedoch bei Freemium-Produkten zu beurteilen, bei denen durch den Preis lediglich die Werbefreiheit oder zusätzliche Features in geringem Umfang beurteilt werden. Die Anknüpfungspunkte „Verwendungszweck“ und „Eigenschaft“ lassen die Aufmerksamkeit (und damit Werbeeinnahmen) eines Diensteanbieters unberücksichtigt.572 Der mögliche Verlust, den ein Anbieter bei Einführung eines Geldpreises erleidet, ist aber im Rahmen der Berücksichtigung der Netzwerkeffekte als marktmachtbegrenzender Faktor ausreichend abgebildet. bb) Competitive Bottlenecks Mit der Erkenntnis, dass eine Marktgegenseite als heterogene Nutzergruppe trotzdem einen einheitlichen Bedarf i.S.e. Vermittlung zum Abschluss einer gleichgerichteten Aktion haben kann, geht eine Fehlstelle im System des Bedarfsmarktkonzepts einher. In den Fällen des Single-Homings auf der einen und des MultiHomings auf der anderen Seite können sich die Wettbewerbsbeziehungen trotz gleichen Bedarfs unterscheiden. Problematisch ist schon, dass der Begriff der bottlenecks bzw. synonym die beschriebene Situation nicht klar kategorisiert ist. So thematisiert Volmar die Aufmerksamkeitsplattformen, also das Vorliegen lediglich einseitiger positiver Netzwerkeffekte ebenfalls in diesem Kontext. So ginge es den Plattformen darum, möglichst viele Single-Homer an sich zu binden, denen wiederum wäre der Kontakt mit dem Multi-Homern nicht so wichtig, weshalb ihnen eine
569
KG 18. 02. 1996, WuW/E OLG 995,996 „Handpreisauszeichner“; zuletzt etwa BGH 24. 01. 2017, KZR 2/15 Rn. 20 (juris) „Kabelkanalanlagen“: „Danach sind dem relevanten Markt alle Produkte und Dienstleistungen zuzurechnen, die aus der Sicht der Nachfrager nach Eigenschaft, Verwendungszweck und Preislage zur Deckung eines bestimmten Bedarfs austauschbar sind.“ 570 Vgl. KG 28. 8. 1979, WuW/E OLG 2182, 2183 „Hydraulischer Schreitausbau“; dazu auch BGH 20. 4. 2010, WuW/E DE-R 2905 „Phonak/GN Store“ vor dem Hintergrund der Produkt- und Preissegmente auf dem Hörgerätmarkt; vgl. dazu Kirchhoff, WuW 2011, 1174 (1177); Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 GWB Rn. 40. 571 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 GWB Rn. 40. 572 Esser/Höft, NZKart 2017, 259 (263).
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Plattform genüge.573 In diesem Fällen deckt sich jedoch schon der Bedarf nicht, eine getrennte Abgrenzung ist unproblematisch. Dem Ergebnis des Bedarfsmarktkonzeptes widerspricht lediglich eine abweichende Abgrenzung der Fälle, in denen beide Seiten eine Vermittlung wollen, der Bedarf einer Marktseite jedoch schon durch eine Plattform befriedigt ist, die andere Seite aber auf allen Plattformen präsent sein muss. Dort wird vermutet, dass das Unternehmen Single-Homern gegenüber abhängig ist und den Multi-Homern gegenüber nicht. Es besteht somit die Gefahr, dass mit einer einheitlichen Maktabgrenzung die Realitäten der Wettbewerber nicht abgebildet werden können. Fraglich ist, wie mit dieser Konstellation umzugehen ist. Diese in der Rechtsprechung rare Frage wurde – in Kenntnis der Zweiseitigkeit der Märkte – bislang mittels Annahme einer vertikalen Marktintegration, also eines upstream/downstream Markts574 oder einer engen sachliche Marktabgrenzung575 gelöst. Es ist davon auszugehen, dass die Single-Homing betreibende Marktseite die anderen Transaktionsplattformen zwar hypothetisch als Substitut erkennt, aber nur sequentielles Multi-Homing betreibt. Sequentielles Multi-Homing ist aber nicht ausreichend definiert. So ließe sich auch auf Seiten der Single-Homer eine Abgrenzung auf einen Anbieter konstruieren. Tatsächlich verbleibt aber gerade für die Single-Homer die Möglichkeit des Wechsels, da alle Plattformen die von ihnen begehrte Vermittlung zu einer ausreichend umfangreichen Marktgegenseite vermitteln. Die sequentielle Nutzung kann auch lediglich auf Nutzergewohnheiten oder gar Bequemlichkeit beruhen. Besonders problematisch erscheint die Annahme eines Zirkelschlusses aus vermuteter Marktmacht, Annahme eines competitive bottlenecks, einseitiger Marktabgrenzung und aufgrund dessen Bestätigung der Marktmachtvermutung. Im deutschen Recht ließe sich das abweichende Phänomen auch i.R.d individualisierenden Betrachtung der relativen Marktmacht gem. § 20 Abs. 1 S. 1 GWB thematisieren. Die mit der 10. GWB-Novelle geplante Aufnahme der Intermediationsmacht in § 20 Abs. 1 S. 2 GWB erleichtert hierbei zumindest die Feststellung einer relativen Marktmacht aufgrund einer Vermittlungsposition. Allerdings sind nicht alle missbräuchlichen Verhaltensweisen für Normadressaten des § 20 Abs. 1 S. 1, 2 GWB anwendbar. Für das europäische Recht regt Blaschczok die Annahme mehrerer Einzelmarktbeherrschungen nebeneinander an.576 Eine parallele Einzelmarktbeherrschung mehrerer Unternehmen kann es nach der gesetzlichen
573
So Volmar, ZWeR 2017,486 (392); dies ist aber wenig überzeugend. Volmar hat hier die typische Konstellation unterschiedlich wirkender Netzwerkeffekte (wie bei Suchmaschinen der Fall) im Blick. In diesem Fall überschneidet sich Multi- und Single-Homing mit der Problematik der indirekten Netzwerkeffekte. Vielmehr führt das Vorliegen der unterschiedlichen indirekten Netzwerkeffekte zu dieser Nutzung des Multi- bzw. Single-Homings. 574 Komm. 21. 8. 2007, COMP/M.4523, Rn. 11 „Travelport/Worldspan“; OLG Hamburg 4. 6. 2009, 3 U 203/08, NJOZ 2009, 3601 (3604) „CRS“ = WuW/E DE-R 2831 (2833). 575 BKartA 23. 11. 2017 – B6-35/17, Rn. 125 „CTS Eventim/Four Artists“. 576 Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, S. 103.
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Konzeption im deutschen Recht nicht geben,577 während im europäischen Recht zumindest die Argumentation einer Abgrenzung zu § 20 Abs. 1 S. 1 GWB entfällt. Überzeugender erscheint daher eine zweigeteilte Marktabgrenzung. Der oben genannte Zirkelschluss kann unter Berücksichtigung des sequentiellen Multi-Homings i.R.d. § 18 Abs. 3a Nr. 2 GWB als marktmachtbegrenzender Faktor vermieden werden. Insbesondere muss eine vermutete Bottleneck-Konstellation jeweils im Einzelfall betrachtet werden. Dies zeigt die Entscheidung des BGH im Fall Facebook. Stimmen aus der Literatur folgerten, dass eine marktbeherrschende Stellung Facebooks gegenüber den Single-Homing betreibenden Nutzern nahezu ausgeschlossen sei. Zwar verfüge Facebook derzeit nicht über „echte“ Wettbewerber, sehe sich aber stets unter dem Druck potentieller Wettbewerber und sei so gezwungen, sich gegenüber den Nutzern wettbewerbskonform zu verhalten. Facebook könne sich also nicht unabhängig vom Wettbewerb verhalten.578 Der BGH führt im Fall Facebook hingegen an, die positiven indirekten Netzwerkeffekte, welche von der Nutzerseite ausgehen, motivierten Facebook dazu, die vorhandenen unkontrollierten Verhaltensspielräume zugunsten der Werbemarktseite auszunutzen. Dies gölte jedenfalls hinsichtlich des Zugangs zu den für den Werbemarkt wettbewerbsrelevanten Daten. Die Attraktivität des den Werbekunden zur Verfügung stehenden Leistungsangebots Facebooks steige mit der Qualität und Quantität der Daten. Daraus ergebe sich für Facebook der Anreiz, Verhaltensspielräume auf dem Nutzermarkt auszunutzen, um den Umfang der Datennutzung zu vergrößern. Gegenwirkende Wettbewerbskräfte auf dem Markt der sozialen Netzwerke sah der BGH nicht.579 Diese Ausführungen widersprechen zunächst den bei bottlenecks vermuteten Wirtschaftskräften. Allerdings wird hier die besondere Situation angesprochen, dass die die Nutzerseite „schützenden“ Netzwerkeffekte nicht mehr relevant sind, weil es quasi keine Alternativen zu Facebook gibt. Diese wären aber die vom BGH angesprochenen entgegengesetzt wirkenden Wettbewerbskräfte. Im vorliegenden Fall ergab sich die getrennte Marktabgrenzung bereits aus den unterschiedlichen Bedarfen der Marktseiten. Der Fall zeigt aber, dass das bloße Vorliegen des Phänomens nicht zur zwingenden Annahme unterschiedlicher Wettbewerbsbedingungen für die Single- und Multi-Homer führen darf. cc) Angebotsumstellungsflexibilität Auf datenbasierten Märkten sollte dem Wettbewerbsdruck, der von Angebotssubstitution und potenziellem Wettbewerb ausgeht, eine größere Bedeutung beige577 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 GWB Rn 162; zust. Bechtold, § 18 GWB Rn. 56; im Ergebnis ebenso Paschke, in: FK § 19 Rn. 185, 218. 578 M.w.N. Volmar, NZKart 2020, 170 (173). 579 BGH 23. 06. 2020, KVR 67/19 – Facebook, Rn. 43.
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
messen werden. So führt Krämer aus, dass aufgrund der geringen Fixkosten sowie existenter Standardprogrammierwerkzeuge stärkerer Wettbewerbsdruck auch von Start-Ups580 und vergleichbaren Internetkonzernen581 ausgehen kann. Dem ist in seiner Pauschalität aber mit dem BKartA aufgrund der ebenso benötigten kritischen Masse und indirekten Netzwerkeffekte entgegenzutreten.582 Da die Angebotsumstellungsflexibilität danach fragt, ob die Angebotsumstellung innerhalb kurzer Zeit (zumeist eines Jahres) möglich ist, kann das Vorliegen der Netzwerkeffekte in der Abwägung berücksichtigt werden. Die Angebotssubstituierbarkeit erweitert nur dann den Markt, wenn zugleich auch Nachfragesubstiutierbarkeit gegeben ist, d. h., wenn die kurzfristige Angebotserweiterung von der Nachfrage auch angenommen werden kann. Besteht ein Lock-In z. B. aufgrund von Netzwerkeffekten oder der fehlenden Migrierbarkeit von Daten, ist die kontrollierende Wirkung marktnaher Unternehmen zu verneinen. Es muss aber auch berücksichtigt werden, dass sich aufgrund der Dynamik datenbasierter Märkte auch bereits bestehende Produkte innerhalb eines kurzen Zeitraums zu austauschbaren Produkten entwickeln können, die in diesem Fall ihre bereits bestehende Nutzerbasis nicht migrieren, sondern das Produkt anpassen müssen.583 Vor dem Hintergrund der Möglichkeit, die Lock-In-Wirkung der direkten und indirekten Netzwerkeffekte zu berücksichtigen, ist auch die ausgeprägte Produktdifferenzierung i.R.d. Angebotsumstellungsflexibilität abbildbar. Datenbasierte Angebote können stark auf die jeweiligen Kundenbedürfnisse zugeschnitten und kostengünstig mit differenzierten Funktionen ergänzt werden, sodass auch spezifische Wünsche kleiner und verstreuter Gruppen von Nachfragern erfüllt werden. Dadurch ist die Bestimmung der relevanten Märkte schwieriger. Dies führt zu immer mehr einander überlappenden sachlichen und räumlichen Märkten. 580
Krämer, Wirtschaftsdienst 2016/4, 231 (234 f) „so gibt es dennoch eine (gut organisierte und ausgebildete) Start-up-Szene, die weitgehend ortsunabhängig und mit standardisierten Hardware- und Software-Werkzeugen sowie kurzfristig anmietbaren Serverkapazitäten in der Lage sein könnte, etablierten Dienstanbietern den Rang abzulaufen“. 581 Krämer, Wirtschaftsdienst 2016/4, 231 (234 f). „Empirisch substantiiert sind diese Vermutungen bisher jedoch nicht, wenngleich es anekdotische Evidenz gibt. Beispielsweise erfuhr Threema, ein Messengerdienst mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, der aufgrund von Datenschutzbedenken bei etablierten Messengerdiensten wie WhatsApp entwickelt wurde, kurzfristig eine starke Nachfrage, als im Februar 2014 bekannt wurde, dass WhatsApp an Facebook übergeht. Threema führte daraufhin bereits im Februar 2014 die iTunes-Charts in Deutschland und Österreich an. Mutmaßlich veranlasste dies Facebook, WhatsApp noch 2014 ebenfalls mit einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung auszustatten.“. 582 Vergleiche auch die anekdotischen Ausführungen BKartA Arbeitspapier S. 48. 583 Am Beispiel des Falles Facebook könnte die Plattformen Snapchat und Instagram auch unter dem Gesichtspunkt der Angebotsumstellungsflexibilität berücksichtigt werden, da eine graduelle Verschiebung des Dienstes näher an die Funktionalitäten eines sozialen Netzwerks nicht den Aufbau vollkommen neuer direkter Netzwerkeffekte bedürfte. Das BKartA verneinte die Einbeziehung Snapchats unter dem Gesichtspunkt der Angebotsumstellungsflexibilität auch, weil Snapchat trotz Annäherungen an soziale Netzwerke in seinem Produkt und seiner Unternehmensphilosophie nicht in der Lage und Willens sei, das Angebot umzustellen, BKartA 6. 2. 2019 – B6-22/16 „Facebook“ Rn. 302.
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Diese asymmetrische Austauschbarkeit kann jedoch gerade im Hinblick auf etwaige Ausbeutungsmissbräuche i.R.d. Angebotssubstituierbarkeit abgebildet werden. dd) Ergänzende Berücksichtigung ökonometrischer Modelle Die Anwendung des Bedarfsmarktkonzepts führt allerdings gerade in dynamischen Märkten zu einer engen Marktabgrenzung und kann eine mögliche Randsubstitution nicht abbilden. Dies ist auch der asymmetrischen bzw. sequenziellen Substituierbarkeit geschuldet.584 Bei einer befürchteten zu engen Marktabgrenzung kann so die Abfrage zum Wechselverhalten von Plattformnutzern einer Kontrollfrage gleichkommen.585 Ergibt diese Abgrenzung zum Bedarfsmarktkonzept einen weiteren Markt, sind die – relativen – Marktanteile kritischer zu beurteilen. Zur Berücksichtigung der Dynamik und hohen Individualisierung könnte eine Kreuz-Preis-Elastizität ermittelt werden, wobei der Preis nicht notwendig monetär, sondern als nicht nur vorübergehende signifikante Verschlechterung etwaiger Nutzungsparameter verstanden werden sollte.586 Faktisch geht es um die Parameter, mit welchen das Geschäftsmodell am Markt auftritt. Der Wettbewerbsdruck wird ermittelt, indem die Unternehmen, welche ein ähnliches Geschäftsmodell ausüben und als Alternative in Betracht kommen, betrachtet werden.587 In Betracht kommt hier sowohl eine tatsächliche Nutzerbefragung als auch eine näherungsweise Identifikation der Wettbewerbskräfte über einen modifizierten SSNIP-Test. Für Plattformen, deren Produkt die Vermittlungsleistung darstellt und die deshalb als ein Gesamtmarkt abzugrenzen sind, lässt sich ein modifizierter SSNIP-Test aufgrund der plattformübergreifenden Entgeltlichkeit anwenden. So kommt der SSNIP-Test als Näherungsmethode in Betracht. Auch für Marktseiten, die getrennt abgegrenzt werden, wurde herausgearbeitet, dass der klassischen SSNIP-Test zum Verneinen einer marktbeherrschenden Stellung für entgeltliche zweiseitige Märkte tauge.588 Würde dieser keine Marktmacht des Unternehmens ergeben, so müsste a fortiori erst recht bei einer weiteren Marktabgrenzung durch einen adaptierten Test die marktbeherrschende Stellung zu verneinen sein.589 Umgekehrt gelte dies nicht.
584
Vgl. oben § 5 B. I. 2. Ähnlich BKartA, Arbeitspapier, S. 45. 586 Wird der Trade-Off bei der Nutzung von Messengern zu hoch, könnte wieder auf SMS zurückgegriffen werden. Krämer Wirtschaftsdienst 2016/4, 231 (234). 587 Podszun, in: Kersting/Podszun, 9. GWB-Novelle Kap. 1 Rn 30 f. 588 Klasse/Wiethaus, WuW 2017, 354 (361); Filistrucchi/Geradin/van Damme/Affeldt, Journal of Competition Law and Economics 2014, 293 (333); kritisch Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, S. 79. 589 Filistrucchi/Geradin/van Damme/Affeldt, Journal of Competition Law and Economics 2014, 293 (333). 585
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
Allerdings sind diese Feststellungen nicht auch für die zusätzlichen Probleme in Bezug auf die Unentgeltlichkeit einer Marktseite getroffen worden.590 Dennoch wird vertreten, dass, auch wenn die Wirkungszusammenhänge im Einzelnen nicht messbar sind, eine Anwendung klarstellen könnte, in welche Richtung die Einbeziehung zusätzlicher Effekte die Ergebnisse beeinflussen würde.591 Dies erscheint unter Rechtssicherheitsgesichtspunkten problematisch. Liegen nämlich auch negative Netzwerkeffekte vor, könnte die Preiserhöhung gegenüber der Marktseite, von der positive Netzwerkeffekte ausgehen, dort und damit auch auf der gegenüberliegenden Marktseite zu einem Absatzrückgang führen, was dann aber wiederum von der ersten Marktseite aufgrund der negativen Netzwerkeffekte der zweiten Marktseite positiv aufgenommen wird.592 Dieser Effekt dürfte regelmäßig nicht stark ausgeprägt sein, verdeutlicht aber auch in Ermangelung quantitativer Methoden zur Bestimmung der Netzwerkeffekte die entsprechenden Unsicherheiten. Für unentgeltliche Marktseiten kann stattdessen auf Marktbefragungen zurückgegriffen werden.593 Kreuz-Preis-Elastizitäten sind nicht notwendig durch eine ökonometrische Studie nachzuweisen, allgemeines statistisches Material genügt.594 Ebenso können Kunden und Wettbewerber befragt595 sowie auf Marktforschungsund Marketingstudien zurückgegriffen werden.596 Allerdings hielt der BGH Befragungen zu möglichem Verhalten für wenig zuverlässig.597 Diese Skepsis scheint sich in der Entscheidung zur Facebook nicht fortzusetzen.598 Auch wenn Verkehrsbefragungen mit unterschiedlicher Begründung kritisiert wurden,599 so können solche Studien, gerade wenn die Grenzziehung im Bereich der Randsubstitution unsicher ist, Anhaltspunkte liefern.600 Neben der Frage der Austauschbarkeit für die Mehrheit, wird durch die Befragung gleich die Minderheit, welche den Randwettbewerb abbildet, dargestellt. Kritisch erscheint hingegen die verbundene Verzögerung gerade in zeitkritischen Verfahren zu datenbasierten Märkten. Ebenfalls zu beachten sind Phänomene wie das privacy paradox, welches dazu führen könnte, dass die Verbraucher dem Datenschutz 590
(361). 591
Anders die Einführung eines erstmaligen Preises Klasse/Wiethaus, WuW 2017, 354
Klasse/Wiethaus, WuW 2017, 354 (361). Dazu Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, S. 79. 593 BKartA, Arbeitspapier, S. 46. 594 EuG, Rs. T-30/89, Slg. 1991, II-1439, Rn. 75 „Hilti“; bereits EuGH, Rs. 27/76, Slg. 1978, 207, Rn. 23, 33 „United Brands“. 595 Etwa für die Beibehaltung eines Breitband-Internetzugangs bei 10 %iger Erhöhung der Anschlussgebühren, Komm. 16. 7. 2003, COMP/38.233, Rn. 199 „Wanadoo Interactive“. 596 Frenz, NZKart 2013, 285 (286). 597 BGH 16. 01. 2008, WuW/E DE-R 2327, 2336 „Kreiskrankenhaus Bad Neustadt“. 598 BGH 23. 06. 2020, KVR 69/19 – Facebook, Rn. 44. 599 Mit Gegenargumenten Fischötter, in: FS Pfeiffer, S. 627 ff. 600 Fischötter, in: FS Pfeiffer, S. 627 (641). 592
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in Umfragen deutlich mehr Gewicht beimessen, als in der Marktrealität.601 Aus diesem Grund verbleibt es bei einer rechtlichen Würdigung der vorgelegten Studien und Befragungen durch das Gericht bzw. die Kartellbehörde.602 c) Zwischenergebnis Dadurch, dass Handeln, welches einem Erwerbszweck dient, als Marktgeschehen zu berücksichtigen ist, können alle Substitutionsbeziehungen am Markt beachtet werden. Hierdurch genügt es, das Bedarfsmarktkonzept ohne zusätzliche Filter anzuwenden. Eine Ausnahme muss wie in allen diskutierten Fällen für die Probleme so genannter competitive bottlenecks gemacht werden. Diese müssen sauber definiert und im Einzelfall betrachtet werden. Ist unsicher, ob es sich um eine Aufmerksamkeits- oder Matching-Plattform handelt, muss auf den Schwerpunkt aus Sicht der Marktgegenseite geachtet werden. Netzwerkeffekte sind als ein Faktor, der außerhalb des Marktes liegend die Handlungsfreiheiten des Unternehmens beeinflusst, im Rahmen der Marktmachtbestimmung zu berücksichtigen. Aufgrund der dargelegten Defizite des SSNIP-Tests bleibt es bei der Zugrundelegung des erweiterten Bedarfsmarktkonzepts. Es darf jedoch nicht mechanisch angewendet werden, sodass das explizite Auseinanderfallen der Wettbewerbsbedingungen zu einer Abgrenzung zweiter Marktseiten führen muss. Wechselverhalten der Nutzer i.S. von Kreuz-Preis-Elastizitäten können als Korrektiv zum engen Bedarfsmarktkonzept dienen. Diese orientieren sich nämlich an der Randsubstitution, nicht an der Mitte der Marktgegenseite. Die Marktabgrenzung läuft damit gerade aufgrund der Charakteristika datenbasierter Märkte auf eine Gesamtschau verschiedener, durch die Abgrenzungsmodelle abbildbare Wettbewerbskräfte hinaus. 5. Ergebnis Es bedarf weiterhin einer Marktabgrenzung. Denn der thematisierte Wettbewerbsdruck entspringt dem zuvor abgegrenzten Markt und den Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite sowie den Zwängen, denen das Unternehmen auf der anderen Seite in einem verbundenen Markt unterliegt. Um diesen Markt zu erfassen, bleibt die Marktabgrenzung sinnvoll. Angesichts des Ausfalls der modernen ökonomischen Instrumente aufgrund der Unentgeltlichkeit und Mehrseitigkeit rettet nur die Rückbesinnung auf den Kern des Unterfangens – die Identifikation der wettbewerblichen Wirkkräfte im konkreten 601
S. § 4 C. II. 4. Lademann, in: FIW, Schwerpunkte des Kartellrechts 1999, 67, 91; Wurmest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, S. 294. 602
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
Fall.603 Das Ergebnis der empirischen Tatsachenermittlung muss aufgrund der Komplexität wirtschaftlicher Beziehungen beschnitten werden, indem normativ ausgewählt wird, welche Verhältnisse so wesentlich sind, dass sie zur Grundlage der rechtlichen Bewertung gemacht werden müssen.604 Faktisch sind dies die Parameter, mit welchen das Geschäftsmodell am Markt auftritt. Der Wettbewerbsdruck wird ermittelt, indem die Unternehmen, welche ein ähnliches Geschäftsmodell ausüben, betrachtet werden.
C. Der räumlich relevante Markt I. Darstellung Die räumliche Marktabgrenzung dient dazu, den geographischen Markt zu definieren, da die marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens in einem bestimmten Gebiet besteht.605 Nur so können die konkreten Wettbewerber des betroffenen Unternehmens identifiziert werden. Das GWB enthält keine Legaldefinition für den räumlich relevanten Markt. Art. 9 Abs. 7 FKVO normiert, dass der räumliche Referenzmarkt aus einem Gebiet besteht, auf dem die beteiligten Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen auftreten, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von den benachbarten Gebieten unterscheidet. Die Vorschrift wird trotz ihrer Zugehörigkeit zum europäischen Fusionskontrollrecht sowohl generell von der europäischen Kommission angewandt, als auch vom BGH für das deutsche Kartellrecht genutzt.606 Die Bestimmung des geografischen Marktes verfolgt den gleichen Zweck wie die Feststellung der sachlichen Marktabgrenzung und vollzieht sich dementsprechend ebenfalls nach den Austauschmöglichkeiten der Abnehmerdisponenten.607 Folglich müssen die gleichen Wettbewerbsbedingungen innerhalb des Wirtschaftsraums vorliegen, damit Unternehmen auf dem sachlich relevanten Markt auch
603
Podszun, Antitrust Bull. 2016, 61(1), 121 (129). Podszun, in: Kersting/Podszun, 9. GWB-Novelle, Kap. 1 Rn. 30 ff. 605 Lenßen, Der kartellrechtlich relevante Markt, S. 70. 606 Komm., Marktdefinitionsbekanntmachung, Rn. 8, der räumlich relevante Markt ist demnach „das Gebiet, in dem die beteiligten Unternehmen die relevanten Produkte oder Dienstleistungen anbieten, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet“; BGH 16. 1. 2008, WuW/E DE-R 2327, Rz. 69 „Kreiskrankenhaus Bad Neustadt“; Paschke, in: Frankfurter Kommentar § 19 Rn. 127 auch für das deutsche Kartellrecht „richtungweisend“; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 Rn. 53. 607 BGH 13. 7. 2004, WuW/E DE-R 1301, 1302 „Sanacorp/ANZAG“; Fuchs, in: Immenga/ Mestmäcker, § 18 Rn. 53; Götting, in: Loewenheim et al., § 18 Rn. 57; Paschke, in: Frankfurter Kommentar § 19 Rn. 128; Wiedemann, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 23 Rn. 18. 604
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faktisch im Wettbewerb mit dem relevanten Unternehmen stehen.608 Die Bestimmung des räumlichen Marktes orientiert sich also grundsätzlich an demselben Kriterium wie die Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes,609 sodass etwaige Anpassungen des Bedarfsmarktkonzepts aufgrund des Plattformcharakters auch auf die Abgrenzung des räumlich relevanten Marktes zu übertragen sind. Auch hier muss sowohl die Mehrseitigkeit des Marktes als auch die Finanzierung – über Werbung oder direkte Bezahlung – der Leistung berücksichtigt werden. In geographischer Hinsicht ist auch die Transportleistung des Internets zu bedenken. Dienstleistung und Produkt können – etwaige gesetzliche Vorgaben nicht berücksichtigt – weltweit transportiert werden. Die in diesem Kontext erworbenen Daten können dann ebenfalls ceteris paribus grenzüberschreitend erhoben und verwendet werden. Weiterhin kann, abgesehen von gesetzlichen Begrenzungen, auf den Großteil aller IP-Adressen weltweit zugegriffen werden. Aufgrund der Ubiquität des Internets ist deshalb eine ökonomische Abgrenzung i.S.d. § 18 Abs. 2 GWB, die nicht an den Landesgrenzen hält, notwendig. Die räumliche Marktabgrenzung von internetbasierten Angeboten wird allerdings nicht einheitlich beurteilt. Während aufgrund dieser allgemeinen Zugreifbarkeit auf datenbasierte Produkte über das Internet, wie Suchmaschinen oder soziale Netzwerke, die mittels Dropdownmenü an die einzelnen Sprachen angepasst werden, im Extremfall weltweite Märkte angenommen werden könnten,610 ließe sich auf der anderen Seite vertreten, dass aufgrund der jeweils länderspezifische Domains und der Tatsache, dass die übermittelte IP die Funktionalität des Produkts ändern kann, eine Abgrenzung nach Land oder Sprachraum stattfinden müsste.611
II. Deutsche und europäische Behördenpraxis Die nationale und europäische Rechtsprechung beantwortet die Frage nach der räumlichen Marktabgrenzung differenziert und produktbezogen.
608
Laut OLG Düsseldorf hat aber die Berücksichtigung der hinreichend homogenen Wettbewerbsbedingungen bei abweichenden Ergebnissen hinter dem Bedarfsmarktkonzept zurückzustehen; OLG Düsseldorf 1. 7. 2015, VI-Kart 8/11 (V), NZKart 2015, 358 „Sauenschlachtung“. In dem Fall waren die Niederlande aufgrund abweichender Wettbewerbsbedingungen vom BKartA nicht zum räumlich relevanten Markt gezählt worden, obwohl von dort rund 50 % aller Lebendsauen zur Schlachtung nach Deutschland gelangten, BKartA 16. 11. 2011 – B2-36/11, WuW 2012, 157, Rn. 127 ff. 609 BGH 13. 7. 2004, WuW/E DE-R 1301, 1302 „Sanacorp/ANZAG“; Kühnen, in: Loewenheim et al., § 18 Rn. 57; Paschke, in: Frankfurter Kommentar § 18 Rn. 121; krit. Wiedemann, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 23 Rn. 18. 610 Klotz vertritt bspw., dass der Markt für soziale Netzwerke abhängig vom tatsächlichen Zugang zum Internet weltweit abzugrenzen ist, Klotz, WuW 2016, 58 (62). 611 Heinemann, Google als kartellrechtliches Problem, S. 29 f.; Ott, MMR 2006, 195 (199); Höppner/Grabenschröer, NZKart 2014, 162 (166).
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
Für die Onlinewerbung vertrat die Kommission erstmals in der Entscheidung Google/Doubleclick die Ansicht, dass der Werbemarkt national oder entlang sprachlicher Grenzen abgegrenzt muss.612 Sie begründete dies damit, dass sich Angebot und Nachfrage von Werbeplätzen an nationalen Vorlieben, der Sprache und kulturellen Besonderheiten orientieren, und sowohl ein nationaler Support als auch Vertrieb existiert und Werbekampagnen häufig national ausgerichtet sind.613 In Bezug auf die Internet-Suche entschied die Kommission in Microsoft/Yahoo! Search Business, dass große Suchmaschinen global agierten und Englisch als Weltsprache einen nationalitätenunabhängige Nutzbarkeit der Suchleistung ermöglichen würde.614 Für nationale Märkte würde wiederum sprechen, dass die Marktgegenseite eine Suchmaschine bzw. Suchergebnisse in der eigenen Sprache am sinnvollsten fände.615 Diese Argumentation führte die Kommission in Google Search (Shopping) mit der zusätzlichen Begründung fort, dass landesspezifische Domains existieren würden. Weiterhin führte die Kommission aus, dass für eine nationale Abgrenzung spräche, dass viele Marktzutrittsschranken für ein weltweites Suchangebot existierten. Indiz hierfür sei, dass kleinere horizontale Suchmaschinen nur über länderspezifische Algorithmen verfügen.616 Für den zusätzlichen Service, auf andere Länderseiten zuzugreifen, bzw. diese in ihrer Suche zu erfassen, müssten die kleineren Anbieter auf Google oder Bing Ergebnisse zurückgreifen.617 Vergleichbar argumentiert das BKartA: So unterscheide sich nicht nur das Anbieten von Suchfunktionen, sondern auch die Vermittlung von Besucherverkehr aus Sicht eines Webseitenbetreibers je nach Land bzw. Sprachraum.618 Tiefergreifende Ausführungen tätigte die Kommission für die spezialisierte bzw. vertikale Internetsuche.619 So existierten auch dort nationale Domains, die Sprache sei gerade bei der Produktsuche für die Suchenden und damit spiegelbildlich für die Anbieter von hoher Relevanz,620 da ein Produkterfolg häufig national und kulturell bestimmt sei. Dementsprechend orientiere sich die Abgrenzung der Marktgegenseite auch nach einer muttersprachlichen Ausrichtung. Vertikale Preisvergleiche selbst würden häufig lediglich Produkte anzeigen, die für den Kunden aufgrund seines IP612 Komm. 11. 03. 2008, COMP/M.4731, Rn. 82 ff. „Google/DoubleClick“; zustimmend/ ebenso: nationale Märkte entlang sprachlicher Grenzen, Komm. 18. 2. 2010, COMP/M. 5727, Rn. 88 ff. „Microsoft/Yahoo! Search Business“; Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217, Rn. 82 „Facebook/WhatsApp“, zusätzlicher Grund differenzierte Preise je nach Land, Komm. 16. 12. 2016, COMP/M.8124, Rn. 163 „Microsoft/LinkedIn“. 613 Komm. 11. 03. 2008, COMP/M.4731, Rn. 82 ff. „Google/DoubleClick“. 614 Komm. 18. 2. 2010, COMP/M. 5727, Rn. 96 „Microsoft/Yahoo! Search Business“. 615 Komm. 18. 2. 2010, COMP/M. 5727, Rn. 97 „Microsoft/Yahoo! Search Business“. 616 Komm. 27. 6. 2017, COMP/AT.39740, Rn. 254 „Google Search (Shopping)“. 617 Ibid. Dies ist aber eigentlich kein Argument für das Bedarfsmarktkonzept. Es könnte aber ein Argument für nicht homogene Wettbewerbsbedingungen sein. 618 BKartA 8. 9. 2015 – B6-126/14 Rn. 152 „Google/VG Media“. 619 Komm. 27. 6. 2017, COMP/AT.39740, Rn. 256 „Google Search (Shopping)“. 620 Ibid. Rn. 258 f.
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Bereichs erhältlich sind621 und länderspezifisch unterschiedliche Verkaufsregulierungen entsprechen;622 hierauf würden die Preisvergleichsdienste durch entsprechendes Design ihrer Dienste, z. B. Links auf die nationalen Webseiten der relevanten Online-Händler, reagieren.623 Weiterhin bedürfe es einer aktiven Vertriebseinheit, welche Verträge mit den im Preisvergleichsdienst angezeigten Onlinehändlern abschließt. Diese wären bei den Preisvergleichsdiensten häufig länderspezifisch organisiert.624 Im Bereich der Consumer Communications Services (z. B. Skype oder WhatsApp) ließ die Kommission die Marktabgrenzung offen, sprach sich aber für einen mindestens EWR-weiten Markt aus.625 Es bestünden keine rechtlichen oder legalen Hindernisse für eine weltweite Ausbreitung.626 Aufgrund der typischen Softwarenatur gebe es keinen lokalen Vertrieb oder Support,627 die Anwendungsgewohnheiten würden sich auf der Welt gleichen628 und es gebe nur begrenzt länderspezifische Unterschiede in Qualität oder Funktionalität der Anwendung.629 In der Entscheidung Facebook/WhatsApp argumentierte die Kommission vergleichbar,630 allerdings gebe es länderspezifisch eine unterschiedliche Ausbreitung verschiedener Kommunikationsapps.631 Dies könne für unterschiedliche Nutzerpräferenzen sprechen. Für eine nationale Abgrenzung könne sprechen, dass EWRNutzer im Gegensatz zu US-Nutzern für Cross Border Communication Roaminggebühren zahlen müssen, was das Nutzungsverhalten beeinflussen könnte.632 Allerdings seien geringe Anpassungen für die jeweilige Sprache und einige eingeschränkte Funktionalitäten je nach Region vorhanden. Außerdem gebe es unterschiedliche Marketingkosten, rechtliche Anforderungen und Verbraucherpräferenzen, welche für eine nationale Märkte sprechen würden.633 Das BKartA hingegen grenzte den Markt für soziale Netzwerke national ab, da dort überwiegend deutsche Freunde und die Verknüpfung deutscher Bekanntschaften 621
Ibid. Rn. 261 bspw. werden nicht alle Produkte in allen Ländern angeboten. Ibid. Rn. 262. 623 Ibid. Rn. 259. 624 Ibid. Rn. 260. 625 Wenn nicht gar global: Komm. 7. 10. 2011, COMP/M.6281 Rn. 64 „Microsoft/Skype“; Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217, Rn. 36 „Facebook/WhatsApp“; konservativ einen EWR Raum abgegrenzt, obwohl ein weltweiter Markt auch möglich wäre für online communication Services, Komm. 16. 12. 2016, COMP/M.8124, Rn. 86 „Microsoft/LinkedIn“. 626 Komm. 7. 10. 2011, COMP/M.6281 Rn. 64 „Microsoft/Skype“. 627 Ibid. 628 Ibid. Rn. 65. 629 Ibid. Rn. 66. 630 Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217, Rn. 36 „Facebook/WhatsApp“. 631 Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217, Rn. 38 „Facebook/WhatsApp“. 632 Ibid. Rn. 38; zu diesem Zeitpunkt war allerdings die Roaming-Verordnung noch nicht in Kraft getreten. Roaming-Verordnung vom 25. 11. 2015 2015/2120. Im Ergebnis offen gelassen. 633 Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217, Rn. 65 „Facebook/WhatsApp“. 622
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
von der Marktgegenseite nachgefragt würden.634 Dem stimmte der BGH im einstweiligen Rechtsschutz im Fall Facebook zu.635 LinkedIn als sogenanntes professionelles Netzwerk grenzte die Kommission national ab, da aufgrund der Orientierung am Arbeitsmarkt eher nationale bzw. EWR-weitere Kontakte gesucht würden.636 Außerdem könnten unterschiedliche datenschutzrechtliche und andere gesetzliche Vorgaben zu unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen führen.637 Zudem seien bis auf LinkedIn alle anderen Anbieter national orientiert638 und es wurden Schranken für den Zutritt in andere nationale Märkte vermutet.639 Vergleichbar argumentiert das BKartA in der Entscheidung OCPE II/Elite Medianet. Die Partnersuche finde in einem bestimmten Radius um den eigenen Wohnort herum statt,640 weshalb die Märkte deutschlandweit abzugrenzen seien.641 Gegen eine Abgrenzung nach dem Sprachraum (und damit Einbeziehen österreichischer oder schweizerischer Angebote) spreche, dass die Anbieter die Nutzer, sobald der Standort via IP oder Eingabe bekannt wird, auf die nationale Seite umleiten.642 Mit Vermittlungsplattformen setzte sich das BKartA in drei Verfahren auseinander.643 Bei Vermittlungsplattformen für Immobilien wurde (wohl) ein nationaler Markt abgegrenzt, bei Vergleichsplattformen wurde die räumliche Marktabgrenzung offen gelassen.644 Weit beachteter war die Entscheidung des OLG Düsseldorf HRS, welches einen nationalen Portalmarkt in Deutschland, mit Verweis auf die BKartAEntscheidung, annahm.645 Zuvor hatte das BKartA entschieden, dass die einzig zu beachtende Marktgegenseite die zahlenden Hotelbetreiber seien und dass die bloße weltweite Abrufbarkeit der Webseite lediglich das Charakteristikum des Internets, jedoch nicht der Bedarfsmärkte sei.646 Der Bedarf der Hotelportale sei es, in der Region präsent zu sein, die Hotelbetreiber sähen ihren Zimmervermittlungsbedarf erfüllt von Unternehmen, die ihren Tätigkeitsschwerpunkt in Deutschland haben, da diese die meisten Betten in deutsche Hotels vermitteln.647 Die meisten Betten würden
634 BKartA 19. 12. 2017 Hintergrundinformationen zum Facebook Verfahren, S. 3; BKartA 6. 2. 2019 B6-22/16 „Facebook“ Rn. 344 ff. 635 BGH 23. 6. 2020 – KVR 69/19 „Facebook“ Rn. 33 – 36. 636 Komm. 16. 12. 2016, COMP/M.8124, Rn. 125 „Microsoft/LinkedIn“. 637 Ibid. Rn. 121. 638 Ibid. Rn. 122. 639 Ibid. Rn. 123. 640 BKartA 22. 10. 2015 – B6-57/15, Rn. 123, 125 „Parship/Elitepartner“. 641 BKartA 22. 10. 2015 – B6-57/15, Rn. 123 „Parship/Elitepartner“. 642 Ibid. Rn. 127. 643 Immobilien, Strom und Hotelübernachtungen. 644 BKartA Fallbericht 25. 06. 2015 B6-39/15, S. 3 „Online-Immobilienplattformen“. 645 OLG Düsseldorf 9. 1. 2015, VI Kart 1/14, NZKart 2015, 148 (150) „HRS“. 646 BKartA 20. 12. 2013 – B9-66/10, Rn. 113. „HRS“. 647 Ibid. Rn. 114 f.
§ 5 Methoden der Marktabgrenzung auf datenbasierten Märkten
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durch Inländer gebucht, weshalb nationale Märkte abgegrenzt werden müssen.648 Zudem liege der wirtschaftliche Schwerpunkt der Hotelportale in Deutschland, auch gebe es ein speziell auf den nationalen Markt zugeschnittenes Marketing.649 Im Fall Amazon hatte das Amt einen Markt für Plattformdienstleistungen zum Vertrieb eines allgemeinen Warensortiments zugrunde gelegt650 und national abgegrenzt.651
III. Schlussfolgerungen zur Bestimmung des räumlich relevanten Marktes Mit der Abgrenzung des räumlichen Marktes soll das Gebiet umschrieben werden, auf welchem die Marktstellung beurteilt, also Wettbewerbsdruck auf den Normadressaten ausgeübt werden kann. Weiterhin müssen hinreichend homogene Wettbewerbsbedingungen vorliegen. Auch sind Bezugsalternativen nicht zu berücksichtigen, wenn sie von den Nachfragern tatsächlich nicht wahrgenommen werden.652 Die Beachtung der drei Elemente führt zu folgenden Schlussfolgerungen: 1. Die Omnipräsenz des Internets Dem BKartA ist zuzustimmen, dass die bloße Abrufbarkeit der Angebote aufgrund des Internets nicht reflexhaft zu einer Annahme eines weltweiten Marktes führen darf. Zwar sind die Produkte ohne etwaige prohibitive Transportkosten zu erlangen. Gleichzeitig darf die Existenz verschiedener Seiten und nationaler Adressendungen „.de“ nicht überbewertet werden und spricht allein nicht für nationale Märkte.653 Die geographische Abgrenzung vollzieht sich nach Maßgabe der räumlich gegebenen Austauschmöglichkeiten aus Sicht der Abnehmer.654 Für den Fall eines Angebotsmarkts hat der BGH in Sanacorp entschieden, dass all diejenigen Anbieter demselben räumlich relevanten Markt angehören, die aus Sicht der
648
BKartA 20. 12. 2013 – B9-66/10, Rn. 113. „HRS“. BKartA 20. 12. 2013 – B9-66/10, Rn. 133. „HRS“. 650 Ohne Auktionsplattformen (z. B. eBay), Preisvergleichsmaschinen und Online-Werbung, BKartA, Fallbericht 9. 12. 2013 – B6-46/12, S. 3 „Amazon“. 651 BKartA, Fallbericht 9. 12. 2013 – B6-46/12, S. 3 „Amazon“. 652 Paschke, in: Frankfurter Kommentar § 18 Rn. 129; Bardong, in: Langen/Bunte, § 18 Rn. 50. 653 So aber BKartA 20. 12. 2013 – B9-66/10, Rn. 123. „HRS“; BKartA 22. 10. 2015 – B6-57/ 15, Rn. 126 „Parship/Elitepartner“. 654 BGH 13. 7. 2004, WuW/E DE-R 1301, 1302 „Sanacorp/ANZAG“; Kühnen, in: Loewenheim et al., § 18 Rn. 57; Bardong, in: Langen/Bunte, § 18 GWB Rn. 44; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Rn. 53; Paschke, in: Frankfurter Kommentar § 18 Rn. 121; krit. Wiedemann, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 23 Rn. 18; zu alternativen und ergänzenden Kriterien Steinvorth, WuW 2014, 924. 649
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
Nachfrager, die im Versorgungsgebiet der beteiligten Unternehmen liegen, zur Deckung ihres Bedarfs in Betracht kommen.655 Zuerst sind also die betroffenen Nachfrager zu identifizieren. Dies geschieht aus Sicht der Anbieter, die im Mittelpunkt der Untersuchung stehen.656 Hierbei ist das Absatzkerngebiet zu identifizieren.657 Gefragt wird, welche Nachfrager im Versorgungsgebiet der beteiligten Unternehmen liegen. Aus Sicht dieser Nachfrager sind die räumlichen Ausweichalternativen zu den beteiligten Unternehmen zu identifizieren und ob diese zur Deckung des jeweiligen Nachfragebedarfs in Betracht kommen und austauschbar sind.658 In der Praxis wird deshalb oftmals auf das konkrete Tätigkeitsgebiet des Unternehmens abgestellt.659 Dieses wird aufgrund des Internets zunächst die Welt sein, abzüglich der Länder, welche eine Sperrung etwaiger Anwendungen vornehmen. Aus wirtschaftlichen oder rechtlichen Gründen kann aber eine Teilmarktabgrenzung notwendig sein. Das weltweit verfügbare Internet stellt also zunächst einmal das Tätigkeitsgebiet des Unternehmens dar. Anschließend ist zu identifizieren, ob inhomogene Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen vorliegen, also Teilmärkte anzunehmen sind. 2. Wettbewerbsbedingungen Diese Wettbewerbsbedingungen sind Transportkosten, Handelsstrukturen und unterschiedliche Wettbewerbsstrukturen. Zu diesen zählen auch Marktzutrittsschranken.660 Bestehen nur geringe Unterschiede in den vorgenannten Bereichen, ist von einem weltweiten Markt auszugehen.661 Im Zusammenhang mit datenbasierten Märkten spielen die Transportkosten keine Rolle. Zur Abgrenzung wurden in den oben genannten Fällen bisher die Gebietspräsenz, sowie die nationalen Vertriebsstrukturen, Marktanteile und Werbebemühungen herangezogen. Der Bedarf einer Gebietspräsenz genügt dabei nicht für eine nationale Abgrenzung – gerade wenn das Unternehmen sich auf länderübergreifende Netzwerkeffekte
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BGH 13. 7. 2004, KVR 2/03, WuW/E DE-R 1301, 1302 „Sanacorp/ANZAG“. Komm. Bekanntmachung relevanter Markt Rn. 28; Steinvorth, WuW 2014, 954 (955). 657 Steinvorth, WuW 2014, 954 (955). Nicht alle von den Unternehmen jemals bedienten oder theoretisch bedienbaren Nachfrager werden zum Versorgungsgebiet gezählt. 658 Komm. Bekanntmachung relevanter Markt, Rn. 28; Steinvorth, WuW 2014, 954 (955). 659 Bechtold/Bosch, § 18 GWB Rn. 24; ähnlich BKartA 21. 4. 2009, WuW/E DE-V 1745 „NPG/Detjen“. 660 Zur Fusionskontrolle Mestmäcker/Schweitzer, § 26 Rn. 57 661 Für das europäische Recht: Komm. 24. 4. 2004, COMP/37.792, Rn. 427 „Microsoft“; Komm. 22. 2. 2006, COMP/B-2/38.381, Rn. 22 „Alrosa/De Beers“; Komm. 9. 12. 2009, COMP/ 38.636, Rn. 17 – „Rambus“; Komm. 16. 12. 2009, COMP/C-3/39.530, Rn. 23 „Microsoft (Koppelung)“; Komm. 13. 5. 2009, COMP/37.990, Rn. 836 „Intel“. 656
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stützt.662 Vielmehr könnten gesetzliche Vorschriften, wie unterschiedliche Datenschutzniveaus, zu berücksichtigen sein.663 So gilt die DSGVO EWR-weit. Die Erhebung und Nutzung der Daten z. B. zur Umsetzung des Targetings und die daraus resultierende Geldmenge divergieren stark zwischen dem EWR-Raum und den USA. Der Entwurf der Kommission für einen einheitlichen Datentransfer spricht – so er denn umgesetzt wird – ebenfalls für die Annahme eines EWR-weiten Marktes. Grenzen Staaten den Zugang zum Internet durch hoheitliche Maßnahmen ein, schließt dies die konkrete Marktwirtschaft aus der räumlichen Marktabgrenzung aus,664 nicht jedoch grundsätzlich eine länderübergreifende Marktabgrenzung.665 Horizontale Suchmaschinen sind weltweit, allerdings unter landesspezifischen Domains und Sprachen, aufrufbar und zeigen länderspezifische Suchergebnisse an.666 Fraglich ist, ob die Ausgabe länderspezifischer Suchergebnisse aufgrund automatischer Filtereinstellungen, die aber auf demselben Algorithmus, also unter denselben Bedingungen zustande kommen, nationale Märkte für horizontale Suchmaschinen rechtfertigen können.667 Die Anpassung der datenbasierten Angebote an nationale Gegebenheiten oder kulturelle Präferenzen ist nur als Indiz für eine nationale Marktabgrenzung zu sehen, wenn es sich tatsächlich um relevante Eigenschaftsunterschiede aufgrund geänderter Funktionalitäten handelt. Bereits in der Programmierung berücksichtigte, alternative Ausgabesprachen oder leicht abgewandelte Plattformoberflächen fallen nicht darunter. Dies vertrat die Kommission schon bei Computerprogrammen.668
662 Vgl. schon für Software OLG 4. 6. 2009, 3 U 203/08, NJOZ 2009, 3601 (3604) „CRS“ = WuW/E DE-R 2831 (2833). Der Umstand, dass die Antragsstellerin selbst lediglich deutsche Vertriebsorganisation war, führe nicht zu einer Beschränkung, weil die Bildung eines nationalen Teilmarkts dem Netzwerkcharakter des CRS widerspräche. 663 Die Bedeutung der verfügbaren Daten für die Effektivität von Internetwerbung wurde untersucht. Allerdings noch vor Geltung der DSGVO, wurde nachgewiesen, dass OnlineWerbung unter dem strikten EU-Datenschutzregime die Kaufabsicht von Konsumenten zu 65 % weniger beeinflussen kann als in den USA; Goldfarb/Tucker, Manag. Sci. 2011, 57. Derart unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen könnten also für eine getrennte räumliche Marktabgrenzung sprechen. 664 So aber Weber Waller, 90 North Carolina Law Review (2012), 1772, 1779 f. 665 Klotz, WuW 2016, 58 (62). 666 BKartA 8. 9. 2015 – B6-126/14, Rn. 152 „Google/VG Media“; Heinemann, Google als kartellrechtliches Problem, S. 28 f.; Höppner/Grabenschröer, NZKart 2014, 162 (166 f.). 667 Verneinend Klotz, WuW 2016, 58 (62); so aber Heinemann, Google als kartellrechtliches Problem, S. 29; Hopf, Die marktbeherrschende Stellung von Internet-Suchmaschinen, S. 73. 668 Komm. 16. 12. 2016, COMP/M.8124, Rn. 16 „Microsoft/LinkedIn“ für Betriebssysteme, ebenso wie Komm. 13. 2. 2012, COMP/M.6381, Rn. 34 „Google/Motorola Mobility“ und Komm. 4. 12. 2013, COMP/M.7047, Rn. 69 „Microsoft/Nokia“ mindestens EEA.
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
3. Räumliche Austauschbarkeit aus Nachfragersicht Schließlich muss berücksichtigt werden, ob die Austauschbarkeit vonseiten der Nachfrager auch tatsächlich wahrgenommen wird.669 Dies ist nicht der Fall, wenn eine nicht-muttersprachliche Version zwar als Substitut genutzt werden könnte, aufgrund der Sprachhürde aber nicht tatsächlich genutzt wird.670 Ebenso wie verschiedene Tageszeitungen aufgrund ihrer Lokalberichterstattung für die Leser in räumlicher Hinsicht nicht austauschbar sind,671 ist dies auch auf Netzwerke bzw. Plattformen zu übertragen. Zwar existieren im Bereich der Kommunikationsapps verschiedene Alternativen, es haben sich jedoch nationale Präferenzen herausgebildet. Je nach räumlicher Lokation kann keine Austauschbarkeit gegeben sein. Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen erscheint die Marktabgrenzung in der Entscheidung HRS zu eng.672 Alle großen Hotelplattformen (HRS, Booking, Expedia) sind EU-weit tätig, verfügen über ein grenzüberschreitendes Hotelangebot673 und mehrsprachige Portale. Das europaweite Tätigkeitsgebiet wird auch nicht durch inhomogene Wettbewerbsbedingungen gespalten.674 So verlangen die Hotelportale meist einen einheitlichen Provisionssatz und die Rechtsregeln sind innerhalb der EU harmonisiert.675 Das BKartA führt den wirtschaftlichen Schwerpunkt, die Gebietspräsenz sowie Ausrichtung der Portale und eine auf Deutschland fokussierte Werbung an.676 Schließlich verfügen die großen Plattformen über eigene Vertriebsstrukturen in Deutschland.677 Aufgrund der begrenzten Datenlage, die sich aus der Entscheidung des BKartA ergibt, ist wohl davon auszugehen, dass zwar eine Gebietspräsenz erforderlich ist, diese aber dennoch nicht zu derart divergierenden
669 Paschke, in: Frankfurter Kommentar § 18 Rn. 129; Bardong, in: Langen/Bunte, § 18 Rn. 50. 670 Laut Klotz ist dies für Suchmaschinen zu bejahen, denn jedenfalls die englische Sprachversion einer Suchmaschine sei für die allgemeine Websuche weltweit ein taugliches Substitut, Klotz, WuW 2016, 58 (62). 671 Bardong, in: Langen/Bunte, § 18 GWB Rn. 52. 672 Ebenso Galle/Nauck, WuW 2014, 587 (592 f.). 673 Bspw. werden auf HRS (Stand 16. 2. 2014) für eine Übernachtung am 1. 3. 2014 (2 Personen im Doppelzimmer) in Berlin 515 Hotels geführt, während in Barcelona (318), London (339), Paris (664), Rom (365) und Wien (287) ein vergleichbar großes Angebot erhältlich ist; Information Fn. 49. Ebenso Galle/Nauck, WuW 2014, 587 (592). 674 Ebenso Galle/Nauck, WuW 2014, 587 (592). 675 Dies gilt v. a. für den Internetbereich (z. B. die Richtlinie 2011/83/EU (Fernabsatz)), den Datenschutz (Richtlinie 95/46/EG) und das Reiserecht (Richtlinie 90/314/EWG (Pauschalreiserichtlinie), Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastverordnung)). Auch sonst sind keine rechtlichen Hindernisse für den grenzüberschreitenden Handel erkennbar, vgl. BKartA. 20. 12. 2013 – B9-66/10, Rn. 109 „HRS“. 676 Diese sind laut Galle/Nauck, WuW 2014, 587 schon tatsächlich fraglich. 677 BKartA. 20. 12. 2013 – B9-66/10, Rn. 121 „HRS“.
§ 5 Methoden der Marktabgrenzung auf datenbasierten Märkten
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Wettbewerbsbedingungen führt, dass eine nationale Abgrenzung zwingend anzunehmen ist.678 Anderes gilt für Datingplattformen. Diese sind aus Nachfragersicht nur sinnvoll, wenn der Nutzer davon ausgehen kann, Kontakte im Rahmen seiner im Regelfall regionalen Suche zu erhalten.679 Aufgrund der Allzugreifbarkeit ist aber statt von regionalen von nationalen Märkten auszugehen.680 Gleiches soll für soziale Netzwerke gelten, da hauptsächlich nationale Bekanntschaften kontaktiert würden.681 Sprachbarrieren sind hierbei nicht überzeugend im Falle von Facebook, da Facebooks Wettbewerbsvorteil gegenüber StudiVZ gerade der internationale Kontakt war und sich das Interface von Facebook auf über 100 Sprachen einstellen lässt.682 Zutreffend ist eine solche (nationale) Abgrenzung aber, wenn aufgrund der Sprachunterschiede und automatischer Einstellungen der Suchmaschine ausländische Domains nicht als Bezugsalternative berücksichtigt werden. Für suchgebundene Online-Werbung ist von einem Markt entlang der Sprachbarrieren auszugehen,683 für nationale Märkte sprechen kulturelle Besonderheiten der jeweiligen Länder und nationale Vorlieben.684 Die Vermittlung suchegebundener Online-Werbung ist wohl EWR-weit zu fassen,685 der Indexierungsmarkt, der auf weltweit einheitlich erstellten Suchmaschinenindizes beruht, ist hingegen global abzugrenzen686. 4. Auswirkungen der Mehrseitigkeit des Marktes Aufgrund der Mehrseitigkeit des Marktes können – auch bei einem einheitlichen sachlichen Markt – aufgrund der heterogenen Marktgegenseite unterschiedliche 678 Weiterhin hat laut OLG Düsseldorf die Berücksichtigung der hinreichend homogenen Wettbewerbsbedingungen bei abweichenden Ergebnissen hinter dem Bedarfsmarktkonzept zurückzustehen. OLG Düsseldorf 1. 7. 2015, VI-Kart 8/11 (V), NZKart 2015, 358 „Sauenschlachtung“. 679 BKartA 22. 10. 2015 – B6-57/15, WuW 2016, 32, Rn. 126 „Online-Datingplattformen“. 680 Zutreffend BKartA 22. 10. 2015 – B6-57/15, WuW 2016, 32, Rn. 126 „Online-Datingplattformen“. 681 BKartA 19. 12. 2017 Hintergrundinformationen zum Facebook-Verfahren, S. 3; dies lässt sich aber aufgrund der konkreten Nutzung Facebooks als internationales Netzwerk bestreiten, Klotz, WuW 2016 58 (62). A.A. BKartA 19. 12. 2017 Hintergrundinformationen zum Facebook Verfahren, S. 3; BKartA 6. 2. 2019 B6-22/16 „Facebook“ Rn. 344 ff.; BGH 23. 6. 2020 – KVR 69/19 „Facebook“ Rn. 33 – 36. 682 Klotz, WuW 2016, 58 (62). 683 Heinemann, Google als kartellrechtliches Problem, S. 29 f; Ott MMR 2006, 195 (199). 684 Höppner/Grabenschröer, NZKart 2014, 162 (166). 685 Komm. 11. 3. 2008, COMP/M.4731, Rn. 83 f. „Google/DoubleClick“; Heinemann, Google als kartellrechtliches Problem, S. 30. 686 Heinemann, Google als kartellrechtliches Problem, S. 30; a.A. Höppner/Grabenschröer, NZKart 2014, 162 (168); Ott MMR 2006, 195 (199).
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Kap. 2: Marktbestimmung auf datenbasierten Märkten
Ansichten bezüglich der räumlichen Austauschbarkeit vorliegen.687 Aus diesem Grund müssen bspw. verkaufte Werbeplätze, wenn diese weltweit angeboten werden, aufgrund der Orientierung an der anderen Marktseite trotz allem EWR-weit oder national abgegrenzt werden. Diese Berücksichtigung der Wechselwirkungen durch Netzwerkeffekte wird ermöglicht, wenn auf der Prüfungsebene der Marktabgrenzung keine zu strengen Anforderungen an den Bestand eines (Teil-)Marktes gestellt werden.
D. Ergebnis Die Marktabgrenzung stellt – auch aufgrund der gesetzlichen und teleologischen Verankerung des Marktmachtkonzepts – nach wie vor einen zwingenden Schritt im Rahmen der Bestimmung der Normadressatenstellung dar. Die sich z. T. gegenseitig verstärkenden Charakteristika datenbasierter Märkte – Unentgeltlichkeit, Dynamik, Mehrseitigkeit – zwingen zu einer Rückbesinnung auf den Zweck der Marktabgrenzung und eine sorgfältige Anwendung gegebener Abgrenzungsmodelle. Eine schematische Abgrenzung i.S.e. Kategorisierung verbietet sich allein aufgrund der Komplexität der ökonomischen Sachverhalte. Dennoch bedarf es einer Reduktion der ökonomischen Komplexität dergestalt, dass mathematisch schwer fassbarer Wettbewerbsdruck statt in einer Zustandsbeschreibung des Marktes in der einer der Abwägung zugänglichen Marktmachtbestimmung Berücksichtigung finden. Dies fügt sich auch in die Kartellrechtsdogmatik. Für die Netzwerkeffekte bedeutet dies eine Berücksichtigung im Rahmen der Marktmachtbestimmung. Das Bedarfsmarktkonzept ist – im Gegensatz zu preisfixierten ökonomischen Modellen – ein überzeugendes Werkzeug für die Entscheidungsfindung. Die selektive Rezeption ökonomischer Erkenntnisse und flankierende Anwendung wirtschaftswissenschaftlicher Werkzeuge wie des SSNIP-Tests lassen sich aber als Hilfestellung zur Einordnung des Ergebnisses des Bedarfsmarktkonzepts heranziehen. Für die räumliche Marktabgrenzung bedeutet dies v. a. die Berücksichtigung der Interdependenzen der Marktseiten untereinander, sowie die Abstraktion der tatsächlichen homogenen Wettbewerbsbedingungen von der Allverfügbarkeit des Internets.
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BKartA, Arbeitspapier, S. 32 f.
Kapitel 3
Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht § 6 Der Zugang und die Kombination von Daten als Ausdruck von Marktmacht A. Das Vorliegen von Marktmacht Der Begriff der Marktbeherrschung hat eine grundlegende Bedeutung für das gesamte Kartellrecht,1 denn er begründet zum einen die Normadressatenschaft von Unternehmen für das in § 19 GWB und Art. 102 AEUV festgelegte Missbrauchsverbot und beschreibt zum anderen den rechtstatsächlich zentralen Untersagungstatbestand im Bereich der kartellbehördlichen Zusammenschlusskontrolle.2
I. Definition von Marktmacht Nach der Identifikation des relevanten Marktes in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht lässt sich feststellen, ob ein Unternehmen oder auch mehrere über Macht auf diesem Markt verfügen. Mit dem Konzept der Marktmacht wird in der ökonomischen Theorie die Fähigkeit eines Unternehmens beschrieben, für sein Angebot einen Preis zu erzielen, der oberhalb des Wettbewerbspreises im Idealmodell der vollkommenen Konkurrenz liegt, d. h. oberhalb der Grenzkosten.3 Im Fall der vollkommenen Konkurrenz hat ein einzelner Anbieter keinen Einfluss auf die erzielbare Preishöhe und verhält sich als reiner Preisnehmer (und Mengenanpasser). Im gegenteiligen Fall des Monopols wird das stärkste Ausmaß an Marktmacht erreicht, in dem ein einziger Anbieter autonom und unabhängig von seinen Wettbewerbern den für sich gewinnmaximierenden Preis (und damit zugleich die ge1
Bechtold/Bosch, § 18 GWB Rn. 2. Kühnen, in: Loewenheim et al., § 18 GWB Rn. 9. Nach Anpassung des § 36 GWB an den SIEC-Test entscheidet sich die Untersagungsentscheidung zwar an der Erwartung einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs. Das Marktbeherrschungskriterium stellt aber immer noch ein relevantes Regelbeispiel dar und führt nach dem Willen des Gesetzgebers zur Untersagung, BegrRegE (8. GWB-Novelle), BT-Drucks. 17/9852, 28. 3 Dies und das nachfolgende BKartA, Leitfaden zur Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle, S. 3. 2
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
winnmaximale Menge) für eine gegebene Struktur der Gesamtmarktnachfrage festsetzen kann. Dieses ökonomische Konzept bildet den Grundstein der rechtlichen Terminologie der „überragenden Marktstellung“ des § 18 Abs. 1 Nr. 3 GWB, ist jedoch deutlich enger als das juristische Verständnis.4 Hiernach beherrscht ein Unternehmen den Markt, wenn ein Monopol5 vorliegt, das Unternehmen keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist6 oder aber eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung innehat7. Auch das europäische Kartellrecht verlangt in Art. 102 AEUV eine beherrschende Stellung auf dem Binnenmarkt. Anders als das deutsche Recht kennt der AEUV keine gesetzliche Definition der Marktbeherrschung.8 Doch auch Kommission9 und Rechtsprechung10 definieren den Begriff der Marktbeherrschung in ständiger Praxis „als wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens, die dieses in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten.“
Aufgrund des Telos des Wettbewerbsrechts ist eine Marktbeherrschung also gegeben, wenn ein Unternehmen (oder mehrere Unternehmen gemeinsam) über eine so starke Machtstellung im relevanten Markt verfügen, dass der Wettbewerb seine Funktionen nicht mehr hinreichend erfüllen kann.11 Für das Vorliegen einer überragenden Marktstellung i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 GWB ist nach der Rechtsprechung entscheidend, ob eine Gesamtschau aller relevanten Umstände ergibt, dass das Unternehmen „einen überragenden (einseitigen) Verhaltensspielraum bei der Entwicklung von Marktstrategien oder auch beim Einsatz einzelner Aktionsparameter“
4
Hahne, Das Erfordernis der Marktabgrenzung, S. 32. § 18 Abs. 1 Nr. 1 GWB. 6 § 18 Abs. 1 Nr. 2 GWB. 7 § 18 Abs. 1 Nr. 3 GWB. 8 Bergmann/Fiedler, in: Loewenheim et al., Art. 102 AEUV Rn. 114. 9 Komm. 14. 12. 1985, COMP/IV/30.698, Rn. 67 „ECS/AKZO; 5. 12. 1988, COMP/IV/ 31.900, Rn. 114 „BPB Industries“; 19. 12. 1990, COMP/IV/33.133–C, Rn. 40 „Soda-Solvay“; 19. 12. 1990, COMP/IV/33.133-D, Rn. 41 „Soda–ICI“; 26. 2. 1992, COMP/IV/33.544 Rn. 21, 23 „British Midland/Air Lingus“; 14. 5. 1997, COMP/IV/34.621, 35.059/F-3, Rn. 100 „Irish Sugar“. 10 EuGH 8. 6. 1971 – 78/70, Slg. 1971, 487, Rn. 17 „Deutsche Grammophon/Metro“; EuGH 16. 12. 1975, verb. Rs. 40 bis 48, 50, 54 bis 56, 111, 113 und 114/72, Slg. 1975, 1663, Rn. 381/ 382 „Suiker Unie“; EuGH 14. 2. 1978, Rs. 27/76, Slg. 1978, 207, Rn. 63/66 „United Brands“; EuGH 13. 2. 1979, Rs. 85/76, Slg. 1979, 461 Rn. 38 „Hoffmann-La Roche“; EuGH 11. 12. 1980, Rs. 31/80, Slg. 1980, 3775, Rn. 26 „L’Oréal/PVBA“; EuGH 9. 11. 1983, Rs. 322/81, Slg. 1983, 3461, Rn. 30“Michelin“; EuG 12. 12. 1991, Rs. T-30/89, Slg. 1991, II-1439 „Hilti“; EuG 6. 10. 1994, Rs. T-83/91, Slg. 1994, 755 Rn. 109 ff. „Tetra Pak II“; zuletzt EuGH 2. 4. 2009, Rs. C-202/ 07 P, Slg. 2009, I-2369, Rn. 103 „France Télécom/Kommission“. 11 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 GWB Rn. 88. 5
§ 6 Zugang und Kombination von Daten als Ausdruck von Marktmacht
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besitzt.12 Die Gesamtbewertung der marktbeherrschenden Stellung und die Frage, ob das betreffende Unternehmen noch hinreichend vom Wettbewerb kontrolliert wird, stellt immer auch eine normative Betrachtung dar.13 Diese orientiert sich an den Schutzzielen der jeweils anzuwendenden Norm und äußert sich in der Relativität des deutschen Marktbeherrschungsbegriffs, welcher sich auf die Bestimmung der Marktmacht auswirkt.14 Der Kerngehalt der Vorschriften der Missbrauchskontrolle liegt darin, Unternehmen, die über ein gesteigertes Maß an wirtschaftlicher Macht verfügen, besonderen Verhaltensanforderungen zu unterwerfen.15 Die darin liegende Begrenzung des Selbstständigkeitspostulats findet ihre Rechtfertigung darin, dass der Wettbewerb bereits in einem Maße seine Funktionsfähigkeit eingebüßt hat, dass „die Neutralisierung wirtschaftlicher Macht nicht mehr dem Markt überlassen werden kann, sondern zur Aufgabe des Rechts wird“16. In der Tradition des deutschen Ordo-Liberalismus soll das Wettbewerbsrecht auch die Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer schützen – seien es Kunden oder Unternehmer.17 Das europäische Wettbewerbsrecht dient natürlich auch der Integration in den Markt.18 Diesem Schutzzweck entsprechend erfasst die Missbrauchskontrolle das Horizontalverhältnis und das Vertikalverhältnis.19 Das Ziel des § 36 GWB und des Art. 2 FKVO ist der Schutz und die Sicherung des Wettbewerbs und damit die Wahrung gesamtwirtschaftlicher Belange.20 Auch wenn die oben genannte Marktbeherrschungsdefinition im Rahmen des Missbrauchstatbestands lediglich auf den überragenden Verhaltensspielraum abstellt, orientiert die Praxis sich bei der Anwendung der Definition der überragenden Marktstellung häufig an dem freien Aktionsparameter „Preis“ und somit an der nicht vom Wettbewerb kontrollierten Preissetzungsfreiheit.21 Im Rahmen der datenbasierten Märkte muss von dieser Fixierung auf den entgeltlichen Preis mangels Entgeltlichkeit auf einer Marktseite aber Abstand genommen werden. Andere Aktionsparameter, die den Unternehmen zur Verfügung stehen, um die Nachfrage an ihren Produkten zu sichern, sind der Qualitäts- und der Servicewettbewerb, ebenso 12
BGH 3. 7. 1976, WuW/E BGH 1435 (1439) „Vitamin B-12“; BGH 16. 12. 1976, WUW/E BGH 1445 (1449 f.) „Valium“; BGH 21. 2. 1978, WUW/E BGH 1501 (1506 ff.) „KFZ-Kupplungen“; KG 28. 8. 1979, WuW/E OLG 2182 (2185) „Hydraulischer Schreitausbau“. 13 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 GWB Rn. 89. 14 BGH 26. 10. 1972, WuW/E BGH 1238 (1242) „Registrierkassen“; BGH 22. 10. 1973, WuW/E BGH 1288 (1291) „EDV-Ersatzteile“; BGH 12. 2. 1980, WuW/E BGH 1729 „Ölbrenner“; BGH 23. 2. 1988, WuW/E BGH 2479 (2481) „Reparaturbetrieb“; BGH 21. 2. 1989, WuW/E BGH 2589 „Frankiermaschinen“. 15 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 GWB Rn. 5. 16 Mestmäcker, Das marktbeherrschende Unternehmen im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 8. 17 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 GWB Rn. 4. 18 Podszun/Kreifels, EuCML 2016, 33 (34). 19 Kühnen, in: Loewenheim et al., § 18 GWB Rn. 3. 20 Bechtold/Bosch, § 36 GWB Rn 2. 21 M.w.N. Hahne, Das Erfordernis der Marktabgrenzung, S. 31.
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
wie der Innovationsswettbewerb.22 Auf datenbasierten Märkten wird dies häufig der Parameter „Qualität“ sein, also die Fähigkeit und Freiheit, auch qualitativ geringwertige Produkte anzubieten, ohne dass der Wettbewerb entsprechend reagieren kann. Ebenso kann der überragende (einseitige) Verhaltensspielraum darin bestehen, dem Markt Innovationen nur verzögert zur Verfügung zu stellen oder ganz darauf zu verzichten.23 Mithin unterstrich auch der Gesetzgeber, dass sich Marktmacht nicht zwangsläufig in Preissetzungsspielräumen spiegeln muss, sondern bspw. auch mit dem ungehinderten Zugang zu Datenobjekten oder der Verzögerung von Innovationen einhergehen kann.24
II. Die Bedeutung von Marktmacht im Wettbewerb Wirksamer Wettbewerb wird mittels einer Kombination von Struktur- und Verhaltensnormen definiert, wobei es das Ziel des Kartellrechtes ist, dieses „Such- und Entdeckungsverfahren“25 als Institution aufrechtzuerhalten. Das Zusammenspiel von Marktstruktur und Marktverhalten ermöglicht die Definition der Marktprozesse, da Marktstruktur und Marktverhalten das Marktergebnis bedingen,26 weshalb bei der Frage, ob wirksamer Wettbewerb vorliegt oder ob dieser gefährdet ist, sowohl Marktstruktur als auch Marktverhalten Aufschluss geben können. Unternehmen, die über „einen überragenden (einseitigen) Verhaltensspielraum bei der Entwicklung von Marktstrategien oder auch beim Einsatz einzelner Aktionsparameter“27 verfügen, können sowohl die Konkurrenz behindern als auch Marktpartner ausbeuten. Einer der maßgeblichen Faktoren des Marktstrukturtests, mit welchem die überragende Marktstellung festgestellt wird, ist die Zahl der selbstständigen Wirtschaftssubjekte.28 Deshalb kommt im Rahmen des Strukturansatzes dem morphologischen Faktor eine besondere Bedeutung zu. Dieser Aspekt der Marktstruktur kann auch mithilfe von statistischen Konzentrationsmessungen quantifiziert werden.29 Eine 22
Schmidt/Haucap, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 78 ff. Körber, WuW 2016, 171 (172). 24 BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, 53. 25 von Hayek, Recht, Gesetzgebung und Freiheit, S. 97 ff. 26 Schmidt/Haucap, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 71. 27 BGH 3. 7. 1976, WuW/E BGH 1435 (1439) „Vitamin B-12“; BGH 16. 12. 1976, WUW/E BGH 1445 (1449 f.) „Valium“; BGH 21. 2. 1978, WUW/E BGH 1501 (1506 ff.) „KFZ-Kupplungen“; KG 28. 8. 1979, WuW/E OLG 2182 (2185) „Hydraulischer Schreitausbau“. 28 Schmidt/Haucap, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 177. 29 „Bei dem Versuch, adäquate Konzentrationsmaße zu finden, sind – ausgehend von einem bestimmten wettbewerbspolitischen Vorverständnis – die Anzahl der Unternehmen und ihre Marktanteile (absolute Konzentration) sowie deren gleichmäßige oder ungleichmäßige Verteilung (relative Konzentration bzw. Disparität) zu berücksichtigen. Als kritischer Konzentrationsgrad eines Marktes sind Werte für den Herfindahl-Index zu betrachten, bei deren Überschreiten die Gefahr besteht, dass das Verhalten nicht mehr kompetitiv ist und die 23
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hohe Konzentration ist zwar nicht eine hinreichende, jedoch eine notwendige Voraussetzung für die Gefährdung des Wettbewerbs durch unilaterale Effekte.30 Die oben bezeichnete Definition der Marktbeherrschung enthält in ihren beiden Kriterien aber zusätzlich Verhaltenselemente,31 auch wenn grundsätzlich die Prüfung der Marktstruktur im Vordergrund steht.32
B. Marktmacht auf datenbasierten Märkten Die Monopolkommission wies darauf hin, dass die Konzentration wettbewerbsrelevanter Daten erhebliche wettbewerbsrechtliche Auswirkungen auf den Online-Werbemarkt haben würde, wenn sowohl Qualität als auch Quantität von Daten erfolgskritische Faktoren seien.33 Daten können den Wettbewerb und die Konsumentenwohlfahrt steigern, wenn neue Produkte und Dienste geschaffen oder verbessert werden können.34 Werden Wettbewerber durch den Datenvorsprung aber vom Wettbewerb ausgeschlossen, bleibt der Verwender unkontrolliert zurück. Die Mehrseitigkeit und Unentgeltlichkeit der Märkte in Verbindung mit der vermuteten hohen Marktdynamik führt zu Unsicherheiten im Rahmen der Marktmachtbestimmung.
I. Eingeschränkte Aussagekraft der Marktstrukturanalyse Ein Unternehmen hat nach dem EuGH eine beherrschende Stellung auf dem relevanten Markt inne, „wenn es ihm gelungen ist, über einen nicht unerheblichen Teil dieses Marktes zu verfügen.“35 Aus diesem Grund bilden Marktanteile auch nach Ansicht des BKartA einen geeigneten Ausgangspunkt zur Einschätzung von Marktmacht36 und sind der wichtigste37 Faktor bei der Prüfung der MarktbeherrMarktergebnisse nicht länger wettbewerbsgerecht sind“, siehe dazu Schmidt/Haucap, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 177. 30 Schmidt/Haucap, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 177. 31 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 108. 32 Denn es besteht die Gefahr, die Marktbeherrschung aus bestimmten Verhaltensweisen abzuleiten und diese dann zirkelschlussartig aufgrund der so festgestellten Marktbeherrschung als missbräuchlich zu qualifizieren, vgl. hierzu Ritter/Braun, European Competition Law, S. 407; Faull/Nikpay, Rn. 4.93; Jones/Sufrin, EU Competition Law, S. 424; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 109. 33 Monopolkommission, Sondergutachten 68, Rn. 161 ff. 34 Monopolkommission, Sondergutachten 68, K. 55 ff. 35 EuGH 14. 2. 1978, Rs. 27/76, Rn. 107 f. „United Brands“. 36 BKartA, Leitfaden zur Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle, S. 10. 37 Bzgl. Marktstruktur vgl. Mäger, Europäisches Kartellrecht, S. 287; bzgl. Marktanteilen vgl. Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 102 AEUV Rn. 88; Kling/Thomas, Kartellrecht,
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
schung. Dabei nehmen die Marktanteile die Rolle eines ersten Filters ein, der einen vertieften Prüfungsbedarf oder eine Unbedenklichkeit indiziert. Sie geben Auskunft darüber, wie leistungsfähig ein Unternehmen in der Vergangenheit war und wie gut die Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite auf seine Konkurrenten derzeit sind.38 Hierbei wird zunächst das Gesamtmarktvolumen des zuvor abgegrenzten Marktes bestimmt. Dieses und der Anteil des fraglichen Unternehmens werden nach Menge und Umsatz bestimmt.39 An dem Ergebnis orientieren sich die Marktbeherrschungsvermutungen des GWB. Auch der EuGH nimmt bei Überschreiten eines Marktanteils von 50 % regelmäßig Marktbeherrschung an.40 Relevant ist außerdem die Entwicklung des Marktanteils über die Zeit41 und das Verhältnis der Marktanteile42 zueinander. Das Ausmaß des Problems, wie datenbasierte Märkte in ihrer klassischen Kombination aus Unentgeltlichkeit und Plattformcharakter einer kartellrechtlichen Kontrolle zu unterziehen sind, entfaltet bei der Marktmachtbestimmung seine volle Bedeutsamkeit. Die Problematik der Marktabgrenzung setzt sich sowohl in der Bestimmung des Volumens des abgegrenzten Marktes als auch bei der Bewertung der daraus resultierenden Marktanteile fort. Zudem muss die Bedeutung der Marktanteile mit Blick auf die Marktdynamik interpretiert werden.43 Fraglich ist deshalb, ob die angesprochene Filterfunktion der Marktanteile noch gegeben ist und die Marktbeherrschungsvermutungen gem. § 18 Abs. 4 bis 6 GWB sowie die Praxis des EuGH operabel sind. Marktanteile sind ebenfalls im Rahmen der Einschätzung der Spürbarkeit wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens relevant. Gerade die dort gegebene kleinschrittige Unterteilungen – zwischen 5 % und 3,38 %
§ 20 Rn. 35; Kühnen, in: Loewenheim et al., § 18 GWB Rn. 79; Bergmann/Fiedler, in: Loewenheim et al., Art. 102 AEUV Rn. 118. 38 BGH 2. 12. 1980, WuW/E 1749 (1755) „Klöckner-Becorit“; BGH 13. 7. 2004, WuW/E DE-R 1301 (1303) „Sanacorp/ANZAG“. 39 Vgl. Bechtold/Bosch, § 18 GWB Rn. 34 m.w.N. 40 „Danach stellen Marktanteile von über 50 % regelmäßig hohe Marktanteile dar“, EuGH 03. 07. 1991, C-62/86 Rn. 60 „Akzo/Kommission“; ein Marktanteil von 70 – 80 % stellt danach für sich genommen bereits ein klares Indiz für eine beherrschende Stellung dar, EuG 01. 07. 2001, T-321/05, Rn. 243 „Astra/Kommission“. 41 Bechtold/Bosch, § 18 GWB Rn. 33; BKartA 14. 7. 2000, WuW/E DE-V 331, 333 „Flowserve/Ingersoll-Dresser“ stellt bei starken Schwankungen auf einen dreijährigen Durchschnitt ab. 42 Komm. Prioritätenmitteilung, Rn. 15. Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 GWB Rn. 121; BGH 26. 6. 1979, WuW/E BGH 1620, 1621 „Revell Plastics“; BGH 16. 12. 1976, WuW/E BGH 1445, 1450 „Valium“; BGH 25. 6. 1985, WuW/E BGH 2150, 2155 „Edelstahlbestecke“; BGH 10. 12. 1991, WuW/E BGH 2731, 2735 „Inlandstochter“; BGH 7. 7. 1992, WuW/E BGH 2783, 2790 „Warenzeichenerwerb“; BGH 24. 10. 1995, WuW/E BGH 3026, 3031 „Backofenmarkt“. Fundestelle für Art. 102 AEUV Komm. 9. 6. 1976, COMP/IV/29.020 „Vitamine“; 29. 7. 1983, COMP/IV/30.698, „ECS/AKZO“; 5. 12. 1988, IV/31.900 „BPB Industries“. 43 Komm. Prioritätenmitteilung, Rn. 15.
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als Vermutungsgrenzen des EuGH44 – sind zwar ebenso wie die de-minimis-Bekanntmachung45 der Kommission nicht ausschließlich und für die Gerichte bindend, haben aber erhebliche Signalwirkung. Die Marktanteilsgrenzen der Gruppenfreistellungsverordnungen sind zwingend, weshalb sich die Frage der Bestimmung der Marktanteile dort noch drängender stellt.46
II. Ungenauigkeiten bei der Bestimmung von Marktanteilen Das BKartA berechnet die Marktanteile nach Umsatz oder Absatz, welchen die Unternehmen auf dem relevanten Markt erzielen, ermittelt also preis- oder volumenbasierte Marktanteile. Abhängig von Art und Beschaffenheit der fraglichen Produkte kann eine umsatzwertbasierte oder eine absatzmengenbasierte Betrachtung geeigneter sein, gegebenenfalls ist auch ein Vergleich der beiden Betrachtungsweisen aufschlussreich.47 Umsatzbasierte Marktanteile geben die relative Wettbewerbsposition und Bedeutung der Anbieter häufig genauer wieder, da den bestehenden Preis- und Qualitätsunterschieden bei heterogenen Produkten automatisch Rechnung getragen wird.48 Auf unentgeltlichen Märkten sind umsatzbezogene Anteile jedoch schwer zu identifizieren, da die Umsätze, die das Unternehmen erzielt, zwangsläufig nicht direkt dem Auftreten im Markt zugeordnet werden können. Werden die entgeltliche und unentgeltliche Plattformseite getrennt abgegrenzt, so existiert kein Umsatz in dem unentgeltlichen Markt. 1. Problemstellung Eine allein mengenbasierte Betrachtung wird anerkannt, wenn diese z. B. wegen geringer Preis- und Qualitätsunterschiede ein (ebenso) aussagekräftiges Abbild der Marktstruktur liefert.49 Stellt der Rechtsanwender eine absatzbasierte Betrachtung an, muss eine geeignete Bezugsgröße gefunden werden. Die Anzahl der Nutzerkonten kommt als Bezugsgröße für Plattformangebote in Betracht. Fraglich ist jedoch, ob diese Zahlen belastbar sind. Dafür müssten alle Nutzer tatsächlich50 und auch gleichmäßig aktiv sein. 44 EuGH 1. 2. 1978, Rs. 19/77, Slg. 1978, 131, Rn. 10 „Miller“ (5 % und mehr); 7. 6. 1983, Verb Rs. 100 – 103/80, Slg. 1983, 1925, Rn. 82 ff. „Pioneer“ (3,38 %); 21. 2. 1984, Rs. 86/82, Slg. 1984, 883, Rn. 19 „Hasselblad“ (hoher Marktanteil für Spezialprodukt); 25. 10. 1983, Rs. 107/82, Slg. 1983, 3151, Rn. 58 „AEG“ (5 %). 45 Komm. de minimis-Bekanntmachung, ABl. EG Nr. C 368 22. 12. 2001, S. 13. 46 Keine Alternative Ellger, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 3 Vertikal GVO Rn. 4. 47 Komm. 03. 10. 2014, COMP/M.7217, Rn. 97, Fn. 44 „Facebook/Whatsapp“. 48 BKartA, Leitfaden zur Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle, S. 12. 49 BKartA, Leitfaden zur Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle, S. 12; Komm. Bekanntmachung Definition des sachlich relevanten Marktes, Rn. 55. 50 Man beachte Verzerrungen durch falsche oder Mehrfach-Profile oder „Karteileichen“.
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass bei der Addition aller Marktanteile innerhalb eines Marktes ein absoluter Wert über 100 % keine Seltenheit sein wird. Aufgrund der Kostenlosigkeit des Angebots neigen Nutzer zum Multi-Homing. Des Weiteren können bestehende Konten unterschiedlich stark genutzt werden. So ist nur knapp ein Viertel (540 Mio.) der ca. 2,4 Mrd. registrierten Google+-Nutzer tatsächlich mindestens einmal im Monat im Netzwerk aktiv.51 Dies ist auch dem Markt bewusst. So achten die Werber auf die tatsächliche Nutzerinteraktion, welche in den Nutzungs- und Zugriffsanalysen der sog. Mediakits52 mit der Anzahl der Seitenaufrufe angegeben wird. Sog. reach data werden als Vergleichsmaßstab für die tatsächliche Nutzung angeführt. Hierbei werden die Nutzer berücksichtigt, die ihr Appkonto einmal pro Monat nutzen.53 Als andere Bezugsgrößen werden die vorgenommenen Interaktionen auf der Plattform und die auf der Plattform verbrachte Zeit diskutiert.54 Volumenbasierte Marktanteile lassen sich ebenso nicht zwingend sauber ermitteln, da bei unentgeltlichen Leistungen verlässliche Stückzahlen nicht immer vorliegen oder aussagekräftig sind. Laut Kommission wurden bspw. im Fusionsfall Facebook/WhatsApp keine verlässlichen Datensätze zur Ermittlung der Marktanteile vorgelegt.55 Auch sind absatzbasierte Anteile grundsätzlich nur bei geringen Qualitätsunterschieden angebracht. Im Qualitätswettbewerb auf unentgeltlichen Märkten existieren solche aber durchaus. In der vorgenannten Fusionsentscheidung ermittelte die Kommission Marktanteile nach verschiedenen Methoden und stellte schließlich auf die Berechnung der Marktanteile nach den reach data als am ehesten geeigneten Proxy für die Marktwirklichkeit ab.56 Die Kommission war sich der Schwächen der Marktanteilsberechnung aber bewusst.57 Problematischer ist die Vergleichbarkeit der Bezugsgrößen bei Netzwerken und Plattformen, bei denen keine Nutzerkonten angelegt werden. Auf die Anzahl der Nutzungsvorgänge – also Suchanfragen – stellte das BKartA im Google/VG Media-
51
Zur geschätzten Anzahl von Google+-Profilen vgl. Monopolkommission Sondergutachten 68, Rn. 296. Zur Anzahl aktiver Nutzer vgl. Google Official Blog. 52 Mediakits enthalten die oben genannten Kennzahlen und stellen diese potentiellen Werbekunden auf dem Online-Auftritt der Plattform zur Verfügung, www.academy.blogfoster. com/was-ist-ein-mediakit-blogger/. 53 Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217, Rn. 97, Fn. 45 „Facebook/Whatsapp“. 54 Vgl. Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217, Rn. 95 ff. „Facebook/WhatsApp“. 55 Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217, Rn. 97 „Facebook/WhatsApp“, zum Markt für Consumer Communications Services. 56 Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217, Rn. 98 „Facebook/WhatsApp“. 57 Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217, Rn. 97 „Facebook/WhatsApp“, kann trotzdem zu einer Freigabe führen.
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Verfahren ab.58 Auch die Kommission ermittelte volumenbasierte Marktanteile im Missbrauchsverfahren Google Search (Shopping), da aufgrund der Unentgeltlichkeit kein Umsatz pro Suchanfrage zu ermitteln war.59 Weiterhin orientiere sich der Wettbewerb an den Suchanfragen, wenn er entscheide, wo er seine Werbung platziere. Wie die Kommission die Marktanteile nach Volumen berechnet, lässt sie offen.60 Die Kommission diskutierte Zahlen basierend auf page views61 und basierend auf site visits62. Das BKartA scheint die volumenbasierte Marktanteilsberechnung nach unique visitors63 zu präferieren.64 Im Fall Facebook zeigten sich bei der Betrachtung der unterschiedlichen Parameter täglich aktiver, monatlich aktiver oder registrierter Nutzer relevante Unterschiede. Dabei sieht das Bundeskartellamt die täglich aktiven Nutzer als maßgebliche Kennzahl und aussagekräftige Messgröße für die wettbewerbliche Bedeutung und den Markterfolg des Netzwerks an, da der Erfolg eines sozialen Netzwerks durch die hohe Nutzungsintensität bestimmt werde.65 Sowohl die Kommission als auch das BKartA haben sich an der Umrechnung des Umsatzes auf einzelne Nutzerinteraktionen, also der Ermittlung einer revenue per search, versucht.66
58 BKartA 8. 9. 2015 – B6-126/14, Rn. 154 ff. „Google/VG Media“. Vgl. auch Monopolkommission, Sondergutachten 68, Rn. 297. 59 Komm. 27. 6. 2017, COMP/AT.39740, Rn. 275 „Google Search (Shopping)“. 60 Ibid. Rn. 276. 61 Ibid. Rn. 277. Page views, auch page impressions genannt, ist die Zahl der Nutzeraktionen einer einzelnen (Unter-)Seite eines Webangebots durch das Klicken auf einen Link; Die Messgröße kann jedoch unscharf sein, da die Zahl der page impressions u. a. vom Webseitenaufbau abhängt. Auch sagen die page impressions nichts über die Zahl der hinter den Seitenabrufen stehenden Personen aus, BKartA, Arbeitspapier, Fn. 166. 62 Ibid. Rn. 278. Ein site visit ist eine Reihe von (aufeinander folgenden) Interaktionen zwischen einem Nutzer und einer Website. In der Praxis werden bei der Beurteilung der Beendigung eines visits unterschiedliche Zeiträume angelegt; der IVW etwa sieht einen visit als beendet an, wenn länger als 30 Minuten keine weitere page impression durch den Nutzer erzeugt worden ist. Beachten sollte man jedoch, dass der Zeitraum, in dem jeder Besuch nur einmal gezählt wird, stark variieren kann, www.blog.atinternet.com/de/generelle-definition-furuser-visitors-visits-und-reichweite-einer-website/. 63 Zahl unterschiedlicher Endgeräte, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums mindestens einmal mit einem Webangebot in Kontakt getreten sind. Die Kennzahl wird als Indikator für den Umfang des Nutzerkreises eines Webangebots genutzt. Endgeräte sind allerdings nicht mit Nutzern gleichzusetzen (so kann ein Nutzer unterschiedliche Endgeräte nutzen, ein Endgerät kann von mehreren Nutzern genutzt werden), BKartA, Arbeitspapier, Fn. 168. 64 BKartA, Arbeitspapier, S. 79; BKartA 22. 10. 2015 – B6-57/15, Rn. 132 ff. „Parship/ Elitepartner“. 65 BKartA 6. 2. 2019 – B6-22/16 „Facebook“ Rn. 400. 66 BKartA, Arbeitspapier, S. 78; Komm. 27. 6. 2017, AT.39740 Rn. 275 „Google Search (Shopping)“, konnte aber keinen Revenue per Search ermitteln.
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
2. Stellungnahme Die Berechnung mengen- und umsatzbezogener Anteile ist für die Praxis essentiell. Werden Marktseiten getrennt abgegrenzt, führt das Ergebnis einer Ermittlung des revenue per search zwar zu einer Vergleichbarkeit mit anderen Suchmaschinen, ist aber nicht zwingend zur Beurteilung der Marktanteile auf dem OnlineWerbemarkt geeignet. Abstrakt gesprochen nivelliert eine solche plattformübergreifende Betrachtung die unterschiedlich weit abgegrenzten Marktseiten wieder. Existiert bei Plattformen eine beobachtbare entgeltliche Transaktion, lässt sich der wertmäßige Anteil am Transaktionsvolumen berechnen und vergleichen. Auch dies ist jedoch nur realisierbar, wenn die Finanzierung der Plattform ebenfalls transaktionsgebunden ist und sich nicht aus einer Grundgebühr oder einer Gebühr pro Vermittlungstätigkeit, aber nicht -erfolg bemisst.67 Zusätzlich zu den Praktikabilitätsproblemen ist eine solche Umrechnung auch gar nicht notwendig. Das Abstellen auf branchenspezifische Größen zur Marktanteilsberechnung wird auch ganz grundsätzlich vom BKartA berücksichtigt,68 sodass in Ermangelung eines Umsatzes auf andere Größen zur Ermittlung des Volumens abzustellen ist. Die Berechnung nach typischen Kennzahlen der Branche ist ein sehr marktnahes und damit wettbewerbliches Merkmal. In den Nutzungs- und Zugriffsanalysen der Mediakits ist dies die Anzahl der unique visitors (vergleichbar mit den reach data für eine kontenbasierte Bestimmung). Nachteilhaft hieran ist, dass diese Kennzahl vielmehr die allgemeine Durchdringung des Marktes angibt, aber vom Multi-Homing stark verzerrt werden kann, sodass die relative Größe des Marktanteils nicht korrekt ermittelt werden kann. Zudem werden kleinere Wettbewerber, die nur einmal während des Beurteilungszeitraums genutzt werden, in ihrer Relevanz überschätzt.69 Bei der Angabe von 200.000 unique visitors im Monat lässt sich aus einem Vergleich mit Zahlen der Wettbewerber nicht entnehmen, ob die Kunden nur einen Anbieter nutzen oder mehrere. Am Beispiel der Anwender von Kommunikationsapps lässt sich verdeutlichen: Bei der Beurteilung der Kommunikationsapp A zählt ein Nutzer 1, der ausschließlich und täglich App A nutzt, genau so viel wie ein Nutzer 2, der 4 Kommunikationsapps nutzt und hierbei lediglich einmal im Monat auf die App A zugreift. Ist die Monetisierung oder Verbesserung des Anbieters aber an die Menge der Interaktionen und/oder übermittelten Daten gekoppelt, wird Nutzer 1 wertvoller sein als Nutzer 2. Auch wird die Wechselbereitschaft von Nutzer 1 geringer sein, als die von Nutzer 2. Je nach Finanzierungsmodell
67 So beispielsweise bei den Immobilienplattformen, BKartA 25. 06. 2015 B6-39/15 S. 2 „Online-Immobilienplattformen“. 68 Vgl. BKartA, Leitfaden zur Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle, S. 11 f.: In bestimmten Fällen kann es sinnvoll sein, Marktanteile auch auf andere Weise, z. B. anhand von Produktionskapazitäten bzw. von branchenspezifischen oder sonstigen im Einzelfall geeigneten Größen zu bestimmen. 69 Vgl. Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217, Fn. 44 „Facebook/WhatsApp“.
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(z. B. pay per click) hängt der wirtschaftliche Erfolg aber wiederum von der Intensität der Nutzung ab, welche gerade nicht abgebildet wird. Eine andere Möglichkeit wäre also – dem Markt folgend – mindestens zusätzlich zur Zahl der Nutzer die Häufigkeit der Nutzerinteraktion mit einzubeziehen.70 Bestehen Nutzerkonten, lassen sich auch die tatsächlichen Log-Ins zählen und die Anzahl der vorgenommenen Interaktionen auf der Plattform. Eine solche Berücksichtigung stellt die jüngst durch das BKartA in Facebook vorgenommene Beachtung der täglich aktiven Nutzer dar. Es muss bei der Wahl der relevanten Kennzahl auch auf das Geschäftsmodell und den Zweck des Unternehmens bzw. den durch es gedeckten Bedarf abgestellt werden. Handelt es sich um eine Monetisierungsform, bei der die Dauer des Besuchs/der Nutzung ebenfalls relevant ist, so kann auch die auf der Plattform/in der App verbrachte Zeit berücksichtigt werden.71 Dies hat mehrere Gründe. Zum einen stellt die tatsächlich eingeloggte/auf der Seite verbrachte Zeit die Relevanz der Dienstleistung viel eher dar, als die unique visitors, die nur einmal für einen bestimmten Zeitraum gemessen werden, unabhängig davon, ob sie Stunden oder nur einen Klick auf der Seite verbringen. Zum anderen spiegelt die tatsächlich dort verbrachte Zeit bzw. die Anzahl an Interaktionen auch die Relevanz des Angebots für die das Angebot finanzierende Marktseite wieder. Denn je mehr Aktionen die Nutzer tätigen und je öfter sie die Dienstleistung pro Monat nutzen, desto mehr Daten geben sie preis und desto mehr Aufmerksamkeit können sie der ihnen gegenüber dargestellten Werbung entgegenbringen.72 Eine relativ einfache Lösung ist hierbei die Verkleinerung des Beurteilungszeitraums von monatlicher auf tägliche Nutzung. Ein weiterer Vorteil dieser Betrachtungsweise ist die teilweise Berücksichtigung des Multi-Homings. Durch den Vergleich der tatsächlich getätigten Interaktionen ist die für den Nutzer und die korrespondierende Marktseite relevanteste App identifizierbar.73 Für Homepages würde dies durch die Kombination der Daten von unique visitors und page impressions ermöglicht. In Bezug auf Suchmaschinen reflektiert die Anzahl der Suchanfragen pro Monat als Transaktion von Information und Dienstleistung den Erfolg der Suchmaschine und die Anzahl der unique user im selben Zeitraum die Durchdringung im gesamten Markt. Im Rahmen der Industrie 4.0 hingegen bestehen keine Abweichungen zu Austauschmärkten in der Realwirtschaft. Wenn vom Kauf der smart devices abtrennbare Dienstleistungen unentgeltlich angeboten werden, so muss auf die mit dem daten70
So auch Monopolkommission, Sondergutachten 68, Rn. 297. Vgl. Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217, Rn. 95 ff. „Facebook/WhatsApp“. 72 In Ansätzen Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217, Fn. 45 „Facebook/WhatsApp“. So jüngst auch BKartA 6. 2. 2019 – B6-22/16 „Facebook“ Rn. 410. 73 Hierbei muss allerdings je nach Monetisierungsart der Plattform berücksichtigt werden, welches Merkmal relevant ist. So kann Werbung etwa bei jeder neuen Pageimpression neu gesendet werden, Daten zur Optimierung des Dienstes oder Ermöglichung der Werbung mit jeder Interaktion oder aber abhängig von der Verwendungsdauer genannt werden. 71
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
sammelnden System verbundenen Devices abgestellt werden. Dies deckt sich auch mit der Nennung des Zugangs zu wettbewerbsrelevanten Daten in § 18 Abs. 3a GWB. Wenn die smart devices einen kontinuierlichen Datenfluss aufrechterhalten, sind nicht die einzelnen Log-Ins, sondern die Anzahl dieser Zugänge zum kontinuierlichen Datenfluss zu vergleichen. Eine Absicherung der Ergebnisse einer nutzerbasierten Marktanteilsbestimmung durch eine umsatzbezogene Berechnung der Marktanteile erscheint möglich, birgt aber die obengegannten Risiken hinsichtlicher abweichender Umrechnungsmethoden. Die bestehenden Umsätze können daher auch im Rahmen des Merkmals der Finanzkraft berücksichtigt werden.
III. Die Berücksichtigung des Wettbewerbsdrucks durch unentgeltliche Angebote 1. Der Wettbewerbsdruck durch unentgeltliche Angebote Bei einer reinen mengenbezogenen Assetbetrachtung kann es allerdings zu einer starken Verzerrung der Marktanteile kommen, der den Wettbewerbsdruck der unentgeltlichen Angebote überschätzt. Deshalb wurden Anzeigenblätter in der älteren Rechtsprechung lediglich anhand ihrer Anzeigenseite im Markt berücksichtigt.74 Dies lässt sich anhand kostenlos ausgegebener Anzeigenblätter illustrieren. Diese werden ungefragt verteilt und finanzieren sich komplett über den Anzeigenmarkt, sodass die Menge der gedruckten Exemplare keine Aussage über die Akzeptanz auf der Leserseite treffen kann. Ginge man also nach der reinen Auflage, würde die Bedeutung marktschwacher Verlagsobjekte überzeichnet.75 Auf datenbasierten Märkten mit einer nutzerinduzierten Finanzierung durch die andere Plattformseite korreliert die Finanzierung mit der Assetmenge. Auch ist die angegebene Nutzermenge eine durch den Markt determinierte Menge, da es zu einer Interaktion mit der Suchmaschine kommt. Bei einer ausgelegten kostenlosen Zeitschrift(enbeilage), enthält die Zahl der produzierten Einheiten keine Aussage über die tatsächliche Nutzeranzahl.76 Die angegebene Nutzerzahl bildet bei Internetdiensten hingegen den tatsächlichen Wettbewerbsdruck ab. 2. Vergleichbarkeit von Marktanteilen entgeltlicher und unentgeltlicher Angebote Zusätzliche Probleme birgt eine Marktanteilsberechnung auf datenbasierten Märkten, wenn entgeltliche und unentgeltliche Angebote miteinander konkurrieren. 74 75 76
BKartA, 29.8.3008 – B6-52/08 „Health& Beauty“ = WuW 2009, 75 (80). Ibid. Vgl. auch Hoppner/Grabenschröer, NZKart 2015, 162 (163, 166).
§ 6 Zugang und Kombination von Daten als Ausdruck von Marktmacht
201
Das BKartA will dann die Marktanteile anhand des Erlöses pro Nutzer vergleichen.77 Unklar hierbei bleibt, inwieweit das Amt die Nachhaltigkeit der nutzerbasierten Marktanteile prüfen will. Eine Rolle soll hier v. a. die gesicherte Monetisierung der Plattform spielen.78 Wie oben ausgeführt, ist dies bereits bei Transaktionsplattformen schwerlich realisierbar, bei Aufmerksamkeitsplattformen und Mischformen kaum möglich. Auch erschließt sich nicht, warum die gesicherte Monetisierung der Plattform ein relevantes Merkmal sein soll und wie der Anteil am Markt zu berücksichtigen ist, wenn noch keine gesicherte Finanzierung feststeht (beispielsweise beim Aufbau einer Nutzerbasis mit späterer Kopplung an eine Werberseite oder die Einführung eines Freemiumprodukts). Sollten diese nutzerbasierten Marktanteile dann nicht berücksichtigt werden und konsequenterweise auch keine umsatzbasierten Anteile zu ermitteln sein, könnten die Wettbewerber nicht berücksichtigt werden. Dies widerspräche allerdings § 18 Abs. 2a GWB. Vielmehr wird auch hier eine nutzerbasierte Marktanteilsberechnung sowohl für den entgeltlichen als auch für den unentgeltlichen Dienst stattfinden müssen. Die größeren finanziellen Ressourcen des entgeltlichen Anbieters lassen sich im Rahmen des Marktmachtkriteriums „Finanzkraft“ berücksichtigen.79 Eventuell ist aufgrund der unterschiedlichen Finanzierungsmodelle bereits die Substituierbarkeit der Angebote zu verneinen.80 Jüngst betrachtete das BKartA im Zusammenschluss ProSiebenSat1/Lovoo sowohl die umsatz- als auch die nutzerbasierten Marktanteile, da der Erwerber aufgrund überwiegend klassischer Markttätigkeiten und das Zielunternehmen mit hauptsächlich datenbasierten unterschiedlich begutachtet werden mussten.81 Begründet wurde dieses Vorgehen daneben mit den unterschiedlichen Geschäftsmodellen der Plattformmärkte und der Dynamik des Marktes.82
77
BKartA, Arbeitspapier, 78. BKartA, Arbeitspapier, 78. 79 Auch kann sich spätestens an dieser Stelle die Frage stellen, ob der Markt korrekt abgegrenzt wurde oder die Marktgegenseite eben doch keine Substituierbarkeit sieht, vgl. Komm. 19. 2. 2008, COMP/M.4726 Rn. 103 ff. „Thompson Corporation/Reuters Group“. Wonach kostenlose Angebote wie Google eben nicht zur Deckung eines professionellen Bedarfs genügen. 80 Wie bereits ausgeführt – vgl. § 5 – spielt der Preis im Rahmen des Bedarfsmarktkonzepts bei der Substituierbarkeit eine untergeordnete Rolle, kann aber im Premiumsegment zu einer getrennten Marktabgrenzung führen, „Markenkoffer“ Entscheidung. 81 BKartA 6. 7. 2020 – B6-29/20 – „Lovoo“, S. 3. 82 BKartA 6. 7. 2020 – B6-29/20 – „Lovoo“, S. 2. 78
202
Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
IV. Besondere Anforderungen an die Feststellung der Marktbeherrschung auf mehrseitigen Märkten? Angesprochen wurde die Frage, ob Plattformen auf beiden Seite über Marktmacht oder zumindest einen gewissen Grad an Marktmacht verfügen müssen.83 Hohe Marktanteile auf einer Seite müssten immer im Zusammenspiel mit dem Anteil auf der anderen Seite betrachtet werden und würden häufig relativiert.84 Gerade bei Aufmerksamkeitsplattformen ist dies der Fall, wenn die Marktseiten unterschiedlich weit abgegrenzt werden. Eine entsprechende Verknüpfung widerspricht in dieser Pauschalität der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung zu Netzwerkeffekten85 und competitive bottlenecks86. Die disziplinierende Wirkung positiver Netzwerkeffekte ist gerade auch vom existierenden Marktanteil und anderen Marktzutrittsschranken abhängig, während die negativen Netzwerkeffekte einen umgekehrten Effekt haben können.87 Wie gezeigt kann Marktmacht dann gerade wegen der geringen Marktanteile auf einer Marktseite vorliegen. Berücksichtigt werden muss aber ebenso die Gefahr einer mehrseitigen Marktmachtverfestigung, die schlussendlich marktverschließender Wirkung hätte.
V. Geringe Aussagekraft der Marktanteile auf datenbasierten Märkten Wenn es gelingt, das Gesamtvolumen des Marktes zu beziffern und den Marktteilnehmern Anteile hieran zuzuordnen, ist fraglich, ob der Aussagekraft dieser Anteile auf datenbasierten Märkten die gleiche Bedeutung wie im „analogen“ Kartellrecht zukommt. Durch die ungenaue Bemessung sind die Anteile zunächst einmal grundsätzlich ein unsichereres Strukturmerkmal. Dies erkennt auch der Gesetzgeber.88 In der ökonomischen und juristischen Literatur wird vertreten, dass auch hohe Marktanteile praktisch keine Aussagekraft bei Plattformmärkten hätten,89 da diese eine generelle Konzentrationstendenz aufgrund der indirekten Netzwerk-
83
Körber Marktbeherrschung in der digitalen Ökonomie, Folie 9 (www.uni-goettingen.de/ de/…/Körber%20BKartA%20Oktober%202015.pdf.). 84 Bardong, in: Langen/Bunte, § 18 Rn. 99; BKartA Leitfaden Marktbeherrschung Rn. 36. 85 Vgl. § 3 A. III. 2. und § 5 B. III. 4. 86 Vgl. § 5 B. III. 4., sowie die Ausführungen zur parallelen Einzelmarktbeherrschung, Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, S. 106 ff. 87 Vgl. § 3 A. III. Nr. 2 und § 5 B. III. 4. 88 Prominente Nennung i.R.d. § 18 Abs. 3; Vermutung des § 18 Abs. 4 GWB und § 18 Abs. 6 GWB. 89 Endres/Martiensen, Mikroökonomik, S. 613; vgl. Katz/Shapiro, Journal of Economic Perspectives 1994, 8 (2) 93 (105 f.); Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387; Körber, WuW 2015, 120 (125).
§ 6 Zugang und Kombination von Daten als Ausdruck von Marktmacht
203
effekte aufwiesen oder hochdynamisch seien.90 Je nach Schwerpunkt wird eine Unter- oder Überregulierung befürchtet. Denn hohe Marktanteile seien in dynamischen Märkten oftmals Ausdruck eines wettbewerblichen Erfolgs um den Markt, aber nicht mit Marktversagen gleichzusetzen.91 Die Internalisierung der Netzwerkeffekte führe zudem zu einer Marktverengung auf wenige Anbieter, was eine effiziente Marktstruktur für Plattformmärkte darstelle, sodass hohe Marktanteile keine Marktmacht implizieren würden.92 Im Rahmen der Erforschung des Schumpeterschen Wettbewerbs wurde erkannt, dass das Gewicht, das dem Marktanteil im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung aller relevanten Marktstrukturkriterien zukommt, wesentlich von der Entwicklungsstufe eines Marktes abhängen kann.93 Auf einem jungen Markt, der durch ein großes Wachstumspotential, Dynamik und eine schnelle technologische Entwicklung geprägt wird, eröffnet ein hoher Marktanteil kaum einen unkontrollierten Verhaltensspielraum, wenn zudem mit einem Marktzutritt von Wettbewerbern zu rechnen ist. Auf Märkten, auf denen Wettbewerbsimpulse durch Innovation und Marktzutritt wenig wahrscheinlich sind, legt ein hoher absoluter Marktanteil eher die Annahme eines nicht hinreichend kontrollierten Verhaltensspielraums nahe.94 In diesem Fall stellt also das Vorliegen von Markteintrittsbarrieren ein wichtiges Korrektiv dar. Der Kommission ist allerdings in ihrer Kritik zuzustimmen, dass ein schlichter Verweis auf die hohe Innovationsdichte und das Internet als Schauplatz des Falles nicht zur Unbedeutsamkeit der Marktanteile führen kann.95 Gerade wenn, wie es auf Suchmärkten der Fall ist, relativ stabile Marktanteilsabstände bestehen, ist ihre Relevanz immer noch mit der auf klassischen Austauschmärkten vergleichbar.96 Der dritte und weniger von der bisherigen Praxis berücksichtigte Faktor ist die Unentgeltlichkeit vieler datenbasierter Märkte. Den Kunden ist nicht bewusst, dass sie ihre Daten hergeben oder sie weisen ihnen nicht die Bedeutung oder den Wert zu, die er für die Unternehmen hat.97 Dies führt neben einer ubiquitären Nutzung auch zu 90
Vgl. § 3 A. III. 2. Heinemann, Google als kartellrechtliches Problem, S. 31; Körber, WuW 2015, 2 8; ders., WuW 2015, 121 (122); ders., WRP 2012, 761 (765); Kersting/Dworschak, NZKart 2013, 46 (48). 92 King, The Australian Economic Review 2013, 46(2), 247 (253), Körber, WuW 2015, 121 (126); ders., WRP 2012, 761 (765). 93 Kühnen, in: Loewenheim et al., § 18 GWB Rn. 83. 94 Vgl. KG WuW/E OLG 1745 (1752) „GKN/Sachs“; 3051 (3058) „Morris/Rothmans“. 95 Komm. 27. 6. 2017, AT.39740, Rn. 267 „Google Search (Shopping)“. 96 Im Hinblick auf den Suchmaschinensektor wird man beispielsweise berücksichtigen müssen, dass die Marktdynamik und der Innovationsdruck dort nicht mehr so stark ausfallen wie auf anderen datenbasierten Märkten. 97 Vgl. privacy paradox, § 4 C II 3. Komm. 7. 10. 2011, COMP/M.6281 Rn. 108 ff. „Microsoft/Skype“. Bestätigt durch EuG 11. 12. 2013, Rs. T-79/12, Rn. 69 ff. „Cisco Systems und Messagenet/Kommission“. 91
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
einer extensiven. Viele Kunden tippen Anfragen mehrfach in Suchmaschinen ein, statt sich die Suchergebnisse zu merken oder nutzen Google statt der Adresszeile ihres Browsers. Aufgrund dieser Unentgeltlichkeit ist aber auch die Kundenbindung eine geringere.98 Dies führt ebenfalls zu einer geringeren Aussagekraft schlaglichtartig betrachteter Marktanteile. Der Marktanteil hat bei der Beurteilung von Marktmacht auf datenbasierten Märkten aber insoweit eine wichtige Funktion, weil er die Marktstruktur und damit auch das Verhältnis der Wettbewerber zueinander beschreibt. Daher ist der relative Marktanteil statt des absoluten zu berücksichtigen.99 Gerade aus diesem Grunde ist eine Marktanteilsberechnung, welche das Multi-Homing berücksichtigt, relevant. Dies bildet auch die Relevanz für die Beurteilung der Größen- und Netzwerkeffekte ab. Denn auch wenn das Phänomen der marginalen Größenvorteile existiert, weshalb ein Marktführer ab einer gewissen Größe keinen Vorteil daraus zieht,100 hat er immer noch einen Vorteil vor seinem Wettbewerber, falls dieser zu klein ist, um diese Schwelle bereits erreicht zu haben. Ebenso ist die Marktanteilsentwicklung schon lange ein Bestandteil der Kartellrechtsprüfung und kann auf datenbasierten Märkten einen guten Ausgangspunkt für eine vertiefte Prüfung bieten. Auch wenn hohe Marktanteile in dynamischen Märkten Ausdruck eines wettbewerblichen Erfolgs um den Markt sein könnten, ändert dies nichts an der Tatsache, dass, wenn sich der Gewinn verstetigt hat, auch ein solcher Marktführer der Missbrauchskontrolle unterliegen muss. Für das deutsche Recht ist der Marktmachtansatz zwingend, weshalb die Marktmacht auf zuvor abgegrenzten Märkten bestimmt werden muss. Sie muss allerdings nicht zwingend an Marktanteile geknüpft werden, weshalb den anderen Kriterien des Abs. 3 und 3a eine größere Bedeutung zukommt.
VI. Marktzutrittsschranken auf datenbasierten Märkten Eines der wichtigsten Kriterien bei der Beurteilung von Marktmacht ist das Bestehen von rechtlichen oder tatsächlichen Schranken für den Marktzutritt anderer Unternehmen, im deutschen Recht gem. § 18 Abs. 3 Nr. 5 GWB.101 Im Rahmen junger Märkte sind (geringe) Marktzutrittsschranken noch entscheidender, da sie hohe bestehende Marktanteile relativieren. So wurde in der Fusionskontrollentscheidung Microsoft/Skype trotz 90 % Marktanteils eine Freigabe mangels Wettbewerbshindernissen für den Marktzutritt neuer Unternehmen erteilt.102 Die Kommission argumentierte, dass in einem solchen dynamischen Umfeld, bei für den 98
Körber, WuW 2016, 171 (172). So jüngst in Anklängen auch der BGH 23. 6. 2020 – KVR 69/19 „Facebook“ Rn. 39. 100 Grave, in: Podszun/Kersting Kap. 2 Rn. 48. 101 Kling/Thomas, Kartellrecht, § 20 Rn. 40. 102 Komm. 7. 10. 2011, COMP/M.6281, Rn. 108 ff. „Microsoft/Skype“.
99
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Nutzer kostenlosen Services ein derart hoher Marktanteil nicht hinderlich sei.103 Ähnlich argumentierte auch das BKartA in ProSiebenSat1/Lovoo hinsichtlich der in Summe relativ hohen Marktanteile. Eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs sei wegen des verbreiteten Multi-Homings, den vergleichsweise geringen Markteintrittshürden und der Bedeutung des Neukundengeschäfts nicht zu erwarten.104 Gerade auf datenbasierten Plattformmärkten sind geringe Substitutionskosten zu nennen. Marktzutrittsschranken entscheiden auch über die Frage, inwieweit potentieller Wettbewerb als ein bereits aktuell relevanter Wirkungsfaktor mit in die Betrachtung einzubeziehen ist.105 Tatsächliche oder drohende Marktzutritte müssen als Begrenzung der Handlungsfreiheit berücksichtigt werden.106 Dennoch kann disruptiver Wettbewerb nicht nur Marktschranken niederreißen, sondern auch fördern, da gerade auch auf neu entstehenden Märkten Zutrittsschranken entstehen können,107 insbesondere wenn ein Wettbewerb um den Markt stattfindet. Deshalb müssen Unternehmen beobachtet werden, die sich auch im disruptiven Wettbewerb behaupten, ihre Tätigkeit auf neu entstehenden Märkten fortsetzen und das Aufbauen neuer Schranken ermöglichen. Die tatsächlichen Wettbewerbsbedingungen sind das relevante Kriterium für die Prüfung einer marktbeherrschenden Stellung.108 In den stark dynamischen und schnelllebigen Märkten sind die Flexibilität und die Innovationskraft Fähigkeiten, die den jetzigen und den fortlaufenden Erfolg garantieren. Die Ressource auf der sich beide Fähigkeiten auf datenbasierten Märkten gründen, sind häufig Daten und Algorithmen, denn auf ihnen fußen die Innovationen und Prognosen, die die Möglichkeit eröffnen, neue Märkte zu erkennen. Der Zugang zu Daten kann ein Machtkriterium sein, das Schranken in Innovationsmärkten aufbaut und damit disruptiven Wettbewerb hemmt oder steuert. Dies ist der Fall, wenn die Innovation und die Neueröffnung der Märkte immer durch die gleichen ressourcenstarken Marktteilnehmer stattfinden, welche dann durch die Marktzutrittsschranken auf den neuen Märkten geschützt werden.109
103
Komm. 7. 10. 2011, COMP/M.6281, Rn. 108 ff. „Microsoft/Skype“. BKartA, 6. 7. 2020, Fallbericht B6-29/20 – Lovoo, S. 1. 105 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 GWB Rn. 132. 106 Komm. Prioritätenmitteilung, Rn. 16. 107 Podszun/Kreifels, EuCML 2016, 33 (34). 108 BKartA, Leitfaden zur Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle, S. 12. 109 So Wiebe, GRUR 2017, 338 (345); BKartA, Arbeitspapier, S. 91; Monopolkommission, Sondergutachten 68, Rn. 77 ff.; BKartA/Autorité de la Concurrence, Competition Law and Data, S. 9 ff. 104
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
VII. Die Marktanteilsschwellen der Gruppenfreistellungsverordnungen Zwingend sind konkrete Marktanteile für die Gruppenfreistellungsverordnungen, die oberhalb der Marktanteilsgrenzen nicht anwendbar sind. § 2 Abs. 2 GWB stellt die Anwendung auch für nationale Sachverhalte ohne spürbare Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels klar.110 Lassen sich die Marktanteile nicht bestimmen, können die Verordnungen nicht angewendet werden.111 Materiell rechtlich gelten für die Gruppenfreistellungsverordnungen dieselben Voraussetzungen, wie für die Freistellung einer Vereinbarung im Einzelfall maßgeblich sind.112 Die Marktanteilsschwellen sind dabei Indikator dafür, inwieweit die Unternehmen dem Wettbewerbsdruck dritter Unternehmen ausgesetzt sind. Das Analogieverbot, welches nach Auffassung des EuGH113 und dem Großteil des Schrifttums114, die Ausdehnung auch auf Fälle, die nicht unter die Verordnung fallen verhindert, steht einer Anwendung entgegen, die sich an anderen Merkmalen als Marktanteilen orientiert. Das Analogieverbot konfligiert jedoch nicht mit einer abweichenden Marktanteilsberechnung. Lassen sich die Marktanteile gar nicht berechnen, ist stattdessen gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV freizustellen. Zweck der nicht höher als 30 % ausgestalteten Marktanteilsschwellen ist es dem Erfordernis des Art. 101 Abs. 3 lit. b) AEUV, wonach eine Vereinbarung nicht zum Ausschluss des Wettbewerbs für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren führen darf, Rechnung zu tragen.115 Sind aufgrund der Charakteristika des jeweiligen Marktes die 30 % näherungsweise zu bestimmen, aber nur in Wechselwirkung mit qualitativen Merkmalen aussagekräftig, so ist im Rahmen einer Einzelfreistellung zu prüfen, ob es durch die fragliche Vereinbarung nicht zum Ausschluss des Wettbewerbs für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren kommt. Eine direkte Anwendung der Gruppenfreistellungsverordnung ist demgegenüber nicht angezeigt. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung müsste es nämlich zu einer Anwendung oberhalb der Marktanteilsschwelle kommen. Dies wäre nur durch eine teleologische Extension der Verordnung möglich, gegen welche nicht nur eine mangelnde Regelungslücke, sondern auch der Eingriff in die Rechtsetzungsbefugnis der Kommission spricht.116 110
Ellger/Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 2 GWB Rn. 232. Die Gruppenfreistellungsverordnungen sind Verordnungen im Sinne von Art. 288 Abs. 2 AEUV. Sie sind damit in allen ihren Teilen verbindlich und gelten in jedem Mitgliedstaat der Union unmittelbar. Die Gruppenfreistellungsverordnungen sind daher durch die Wettbewerbsbehörden und die Gerichte der Mitgliedstaaten anzuwenden. 112 Ellger, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 101 Abs. 3 AEUV Rn. 368. 113 EuGH 28. 2. 1991, Rs. C-234/89, Slg. 1991, I-935, Rn. 46 „Delimitis/Henninger Bräu“. 114 Schuhmacher, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 101 AEUV, Rn. 361; Hengst, in: Langen/Bunte, Art. 101 AEUV Rn. 423; Saria, in: Liebscher/Flohr/Petsche, § 1 Rn. 95. 115 Ellger, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 101 Abs. 3 AEUV Rn. 368. 116 Saria, in: Liebscher/Flohr/Petsche, § 1 Rn. 96 m.w.N. 111
§ 6 Zugang und Kombination von Daten als Ausdruck von Marktmacht
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VIII. Ergebnis Marktanteile haben als relative Größe immer noch hohe Relevanz für die Bestimmung von Marktmacht, noch mehr als auf analogen Märkten sind sie aber nur ein erstes Indiz. Die Berechnung der Marktanteile ist problematisch, gerade im Vergleich zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Angeboten. Die durch den more economic approach angelernte Fixierung auf Umsätze und Preise muss für datenbasierte Märkte aufgegeben werden.117 Für die Bestimmung von Marktmacht müssen daher Kriterien aus § 18 Abs. 3 und 3a GWB herangezogen werden, die ohne unmittelbaren Preisbezug auskommen. Dennoch können hohe Marktanteile auch auf datenbasierten Märkten bedenklich sein und eine (sich entwickelnde) Vermachtung abbilden. Ebenfalls relevant sind die Marktanteile für die Einschätzung der Wirkkraft von Größen- oder Netzwerkeffekten. Bei der Betrachtung der Marktanteile ist dabei weniger auf die absoluten Anteile als auf das Verhältnis der Anteile zueinander abzustellen. Zwingend zu betrachten sind konkrete Marktanteile hingegen im Rahmen der Gruppenfreistellungsverordnungen, die unterhalb gewisser Marktanteile safe harbours eingerichtet haben. Hier wird im Zweifel mangels Anwendbarkeit der GVOs eine Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV, § 2 Abs. 1 GWB erfolgen müssen. Es muss verhindert werden, dass die Behörden und Gerichte zu früh eingreifen und eine Marktmacht, die keine ist, beziehungsweise im Begriff ist sich aufzulösen, regulieren. Mit der Beachtung von Marktbeherrschungsmerkmalen, die eine gewisse zukünftige Komponente beinhalten, wird der Dynamik der Märkte ebenso Tribut gezollt wie der Gefahr ihres Tippings. Aus diesem Grund sind zusätzliche Marktmachtindizien, die neben Marktanteile und Marktzutrittsschranken treten, notwendig.
C. Der Zugang zu Daten als Marktmachtkriterium gem. § 18 Abs. 3a Nr. 4 GWB Im Rahmen der 9. GWB-Novelle sah der deutsche Gesetzgeber die Gelegenheit, die zuvor diskutierten Probleme für die Einschätzung der Marktmacht gesetzgeberisch aufzufangen. Bei den in § 18 Abs. 3a Nummern 1 bis 5 eingeführten Kriterien handelt es sich um spezielle Faktoren, die insbesondere für mehrseitige Märkte und Netzwerke kennzeichnend sein sollen und diese von traditionellen Märkten unterscheiden. Im Gesetzgebungsprozess änderte sich, dass die neuen Kriterien nicht mehr vorrangig bei der Prüfung datenbasierter Märkte anzuwenden, sondern den bisherigen gleichgestellt sind („auch“ statt „in besonderer Weise“).118 Die Gewichtung sämtlicher Kriterien ist daher Sache der Rechtsanwendung im Einzelfall. 117 118
So auch Podszun, in: Kersting/Podszun, Kap. 1 Rn. 41. So auch Grave, in: Kersting/Podszun, Kap. 2 Rn. 9.
208
Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
Die zwingende Verpflichtung für Behörden und Gerichte sämtliche Kriterien des Abs. 3a zu prüfen, ergibt sich aus dem Wortlaut des Absatzes insoweit, wie sich der Formulierung des Abs. 3 eine solche Verpflichtung entnehmen lässt.119 Auch wenn alle in § 18 Abs. 3a aufgenommenen Merkmale die Marktmacht auf datenbasierten Märkten quantifizierbarer machen sollen, ist im Zuge dieser Untersuchung ein besonderes Augenmerk auf den Zugang zu Daten zu legen. Dieses Kriterium ist ein direkter Ausdruck der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung zu Daten als ökonomische Wertkategorie, weshalb es eine direkte Aussage über die Berücksichtigung dieser Wertkategorie in der kartellrechtlichen Analyse birgt. Die anderen Merkmale wie direkte und indirekte Netzwerkeffekte120, die parallele Nutzung mehrerer Dienste und der Wechselaufwand für die Nutzer121 (Multi-Homing), Größenvorteile im Zusammenhang mit Netzwerkeffekten122 und innovationsgetriebener Wettbewerbsdruck123 sollen nur dort thematisiert werden, wo es einer Gesamtschau der Merkmale zur Erläuterung der Marktmacht auf datenbasierten Märkten bedarf. Die Relevanz der durch Daten vermittelten Macht unterstreicht auch, dass das BKartA eine spezielle Ausprägung der Marktmacht in dem in Facebook als Datenverarbeitungsspielraum bezeichneten Verhaltensspielraum sieht.124
I. Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten Die Aufnahme des Kriteriums des „Zugangs zu wettbewerbsrelevante Daten“ in § 18 Abs. 3a Nr. 4 und § 18 Abs. 3 Nr. 4 GWB-E mit der 10. GWB-Novelle soll der wirtschaftlichen Relevanz von Daten als Rohstoff Rechnung tragen. Zunächst war hier noch die Rede vom Zugang zu Daten jedweder Art.125 Durch die Digitalisierung und das Internet haben die Möglichkeiten der Datengewinnung und -nutzung aber eine neue Dimension erhalten. Ein Unternehmen ohne einen erheblichen Zugang zu Daten beliebiger Art ist nur noch schwer vorstellbar. Deshalb wurde im Gesetzgebungsverfahren die Wettbewerbsrelevanz als Merkmal ergänzt. Zu untersuchen ist somit zunächst das Kriterium „Zugang“, seine Reichweite und generelle Faktoren für die Wettbewerbsrelevanz um ein Ausufern des Kriteriums in die Beliebigkeit zu 119 So Grave, in: Kersting/Podszun, Kap. 2 Rn. 9 aufgrund der Formulierung „sind zu berücksichtigen“; dem folgend Paal, in: BeckOK InfoMedienR § 18 Rn. 9; ähnlich BegrRegE (9. GWB-Novelle) BT-Drs. 18/10207, 39 („gehören damit fortan ausdrücklich zum Prüfungsprogramm“). 120 § 18 Abs. 3a Nr. 1 GWB. 121 § 18 Abs. 3a Nr. 2 GWB. 122 § 18 Abs. 3a Nr. 3 GWB. 123 § 18 Abs. 3a Nr. 5 GWB. 124 BKartA 6. 2. 2019 – B6-22/16 „Facebook“ Rn. 379. 125 RefE des BMWi (9. GWB-Novelle), 11, www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/M-O/ neunte-gwb-novelle.html.
§ 6 Zugang und Kombination von Daten als Ausdruck von Marktmacht
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verhindern und Rechtssicherheit zu gewähren. Anschließend sind Kombinationsund Verarbeitungsmöglichkeiten zu thematisieren. 1. Bedeutung des Kriteriums „Zugang zu Daten“ Die Relevanz der Daten in den datenbasierten Märkten und die Möglichkeit an ihnen Marktmacht zu messen, wurde lange unter dem politischen Schlagwort „Datenmacht“ diskutiert.126 „Datenmacht“ beschreibt aber eine Datenressource, über die eine aktuelle und absolute Verfügungsgewalt besteht. Insbesondere mit Blick auf die Marktmachtbestimmung in der Fusionskontrolle muss der Zugang zu Daten als Marktmachtkriterien aber mehr als den aktuellen, klar abgrenzbaren Datenbankinhalt umfassen. Die Bestimmung der Maktmacht stellt auch immer eine normative Betrachtung dar,127 welche sich unter anderem an den Schutzzielen der jeweils anzuwendenden Norm orientiert. Diese Relativität des deutschen Marktbeherrschungsbegriffs führt dazu, dass das Merkmal des Zugangs zu wettbewerbsrelevanten Daten im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle ebenso auf den Zugang zu Datensubjekten ausgelegt werden muss.128 Der Datenzugang beschreibt damit einen fortdauernden Zugang zu Daten, die den Geschäftsgang positiv beeinflussen können. Dies ergibt sich aus der Auslegung des Plusfaktors. a) Wortlautverständnis Der Begriff „Zugang“ beschreibt den Weg, der in einen Raum hinein- oder zu einem Ort hinführt und ebenso das Betreten jenes Raums.129 Im Falle des Gesetzes beschreibt dieser Raum den Ort, an welchem die wettbewerbsrelevanten Daten erlangt werden können. Dies kann auch im übertragenen Sinne verstanden werden. Abhängig davon, wie man „Raum“ definiert, sehr konkret als Speicherplatz und Serverraum oder abstrakter als Wettbewerbs- und Marktfeld, auf dem sich Daten befinden, ergeben sich unterschiedliche Verständnismöglichkeiten des Begriffs „Zugang“. In Betracht kommt zum einen „die jederzeitige Zugriffsmöglichkeit auf den bereits vorhandenen Datenpool“ als konkretes Verständnis. Andererseits könnte gleichermaßen „die jederzeit mögliche Abfrage und Erlangung der benötigten Daten und Integration in den vorhandenen Datenpool“ umfasst sein, wenn man den Begriff
126
FAZ vom 24. 4. 2014; Süddeutsche Zeitung vom 2. 9. 2013; Spiegel vom 18. 5. 2017. Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 GWB Rn. 89. 128 BGH 26. 10. 1972, WuW/E BGH 1238 (1242) „Registrierkassen“; BGH 22. 10. 1973, WuW/E BGH 1288 (1291) „EDV-Ersatzteile“; BGH 12. 2. 1980, WuW/E BGH 1729 „Ölbrenner“; BGH 23. 2. 1988, WuW/E BGH 2479 (2481) „Reparaturbetrieb“; BGH 21. 2. 1989, WuW/E BGH 2589 „Frankiermaschinen“. 129 Duden, Schlagwort „Zugang“. 127
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
abstrakter auslegt.130 Während das erstgenannte Verständnis den status quo bezüglich der nutzbaren Datenmenge beschreibt, umfasst die weitere Auslegung den Zugang zu den Datensubjekten, die zusätzliche Daten liefern werden, hat also ein zukunftsgerichtetes Element. Vergleicht man das neue Merkmal mit dem Merkmal „Zugang zu Absatz- und Beschaffungsmärkten“ gem. § 18 Abs. 3 Nr. 3 GWB, fällt auf, dass statt eines Zugriffs auf die Ressource der Zugang zu den entsprechenden Märkten adressiert ist. Der Wortlaut des Abs. 3a Nr. 4 spricht also zunächst dafür, dass der Zugriff auf die Ressource gemeint war, nicht der Zugriff auf Märkte, auf welchen die Ressource vorhanden ist. b) Systematik Vergleicht man das Kriterium mit den bereits vorhandenen, die es flankieren und deren Anwendungsbereich es klarstellen soll, fällt die Nähe zu den Merkmalen „Finanzkraft“ und „Zugang zu Absatz- und Beschaffungsmärkten“ auf. Das Merkmal „Finanzkraft“ ist unternehmensbezogen und setzt sich aus der Eigenfinanzierungskraft eines Unternehmens und seiner Möglichkeit zur Fremdfinanzierung zusammen.131 Das Merkmal ist deshalb geeignet, die Marktverhältnisse abzubilden, weil die Finanzkraft Auskunft gibt über die einem Unternehmen zur Verfügung stehenden Verhaltensspielräume beim Einsatz seiner Wettbewerbsparameter.132 Diese größeren Verhaltensspielräume können aktuelle oder potentielle Wettbewerber entmutigen. Betrachtet man Daten auch als Tauschgut, liegt ein Vergleich mit dem Merkmal der Finanzkraft nahe. Die Analyse der Unternehmensstruktur hebt auf die Identifikation individueller Merkmale ab, welche Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten begründen können. Diese Merkmale sind daraufhin zu untersuchen, ob sie eine Fähigkeit zu wettbewerbsunabhängigen Verhaltensweisen oder zur Verhinderung des Restwettbewerbs begründen oder wenigstens indizieren.133 Unternehmensbezogene Merkmale weisen nicht von vornherein einen konkreten Bezug zu den aktuellen Wettbewerbsbedingungen oder Marktpositionen auf, sondern betonen den großen Vorsprung des Unternehmens vor seinen Konkurrenten. Damit wird der Blick eher auf die Gefährdung künftiger Wettbewerbsprozesse gerichtet als bei der Betrachtung, ob das Unternehmen gegenwärtig Wettbewerb ausgesetzt ist.134 Diese Prognose nehmen auch die Wettbewerber vor, woraus die Abschreckungswirkung resultiert. Ordnet man § 18 Abs. 3a Nr. 4 als unternehmensbezogenes Merkmal ein, 130
Der Begriff Zugang ist hierbei weniger deutlich als das Wort Zugriff – Zugriff beschreibt die Möglichkeit oder das Recht etwas für sich zu nutzen und ist damit direkter an den Erfolg des Einverleibens geknüpft als der Zugang, welcher zunächst nur das physische oder digitale Betreten des Ortes an dem sich die Möglichkeit des Zugriffs bietet, darstellt. Gemeint ist vom Gesetzgeber wohl der Zugriff auf die Daten, weshalb er innerhalb dieser Bearbeitung als synonym für den Begriff Zugang verwendet wird. 131 Bardong, in: Langen/Bunte, § 18 Rn. 121. 132 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 GWB Rn. 125. 133 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 102. 134 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 GWB Rn. 95.
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rückt im Rahmen der Marktmachtbestimmung in der Fusionskontrolle auch die Gefährdung zukünftiger Wettbewerbsprozesse in den Fokus, also der Zugriff auf noch zu generierende Daten bzw. auf deren Quellen. Dies würde den Vorsprung des Unternehmens vor seinen Konkurrenten betonen und damit die Abschreckungswirkung aufgrund des festgestellten (nicht Cash- aber) Datenflows betonen. Der Zugang zu Daten hätte ebenso im Rahmen des Abs. 3 Nr. 3 berücksichtigt werden können,135 da dieser eine gesicherte Rohstoffbeschaffung umfasst.136 Im Kern geht es dabei um die vertikale Integration des Unternehmens.137 Aufgrund der Marktstruktur von Plattformmärkten ist der sonst durch die vertikale Integration gegebene Effekt des erleichterten und kostengünstigeren Bezugs von Vorprodukten der Plattform selbst immanent. Beim Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten wird eine Konzernstruktur deshalb nicht in vertikaler Hinsicht, sondern vielmehr im Sinne eines Konglomerates relevant. Ein Unternehmen kann einen Wettbewerbsvorteil beim Zugang zu Daten haben, wenn es in mehreren Märkten tätig ist und daher seinen Datenvorrat aus verschiedenen Quellen speisen kann.138 Dementsprechend kann i.S.e. Gleichlaufs der Merkmale auch hier auf den Zugang zu den Märkten auf welchen die Daten erlangbar sind, abgestellt werden. c) Sinn und Zweck Das Telos des neu eingefügten Merkmals ist die Abbildung des Marktschließungseffekts durch den jederzeitigen Zugriff auf Material, welches Ausgang für die hieraus generierte Leistung darstellt. Adressiert ist der ungehinderte Zugang zur Ressource im Vergleich zu den Wettbewerbern. Andererseits sollte die Gesetzesänderung den neuen Herausforderungen der sich dynamisch entwickelnden datenbasierten Märkte begegnen.139 Während die Auslegung des Merkmals als die „jederzeitige Zugriffsmöglichkeit auf den bereits vorhandenen Datenpool“ den status quo bezüglich der nutzbaren Datenmenge anspricht, enthält die weitere Definition „die jederzeit mögliche Abfrage und Erlangung der benötigten Daten und Integration in den vorhandenen Datenpool“ eine Prognose. Antizipiert werden muss hierbei nämlich die Fähigkeit, nutzbare Datenmengen zu generieren und damit auch zukünftig einen ungehinderten Zugriff und damit einen erweiterten Verhaltensspieltraum zu haben. Nun könnte bezweifelt werden, ob eine solche zukunftsgerichtete Betrachtung dem Sinn und Zweck der Marktmachtanalyse entspricht. Im Rahmen der Missbrauchskontrolle ist hauptsächlich das Gegebene zu identifizieren und nicht, wie im Rahmen der Zu-
135 136 137 138 139
So auch Grave, in: Kersting/Podszun, Kap. 2, Rn. 51. BGH 7. 3. 1989, WuW/E BGH 2575, 2581 „Kampffmeyer-Plange“. Bardong, in: Langen/Bunte, § 18 Rn. 112. Vgl. BKartA 8. 9. 2015, B6-126/14, Rn. 161 „Google“. So auch BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 13/9720, 41.
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
sammenschlusskontrolle, das Künftige zu prognostizieren.140 Hierbei muss beachtet werden, dass der Status quo der Daten in gewissen Fällen dem status quo des Datensubjektes als Datenquelle gleichsteht. Wie bereits dargestellt, verlieren einige Daten ihren Wert mit ihrem Alter, sodass für einige datenbasierte Angebote die Aktualität der Daten entscheidend ist.141 Durch die hohen Verarbeitungsfähigkeiten der Big Data Programme findet bei vielen Programmen ein automatischer Datenabgleich und eine kontinuierliche Datenerhebung statt.142 Daraus folgt für die Missbrauchskontrolle, dass im Sinne einer Abschottung auf den bisherigen Zugang zu Datenbanken abzustellen ist. Für die Marktmachtbestimmung in der Fusionskontrolle bedeutet dies, dass der Zugang zur Datenquelle relevant ist. In diesen Fällen ist die Datenquelle vielmehr die Ressource als die Daten an sich. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 18 Abs. 3a GWB. Die Norm entstand, nachdem Literatur143 und Institutionen144, angeregt durch den popularjournalistischen Diskurs145, die Konzentration von Daten in den Händen großer Unternehmen erörtert hatten. Befürchtet wurde, dass eine große Verfügungsgewalt über Daten als zentraler Input vieler Unternehmen auf datenbasierten Märkten zu einer immer stärkeren Konzentration von Daten bei einzelnen Marktteilnehmern führen könne. Dieser nicht einholbare Datenvorsprung würde dann eine Barriere für Wettbewerber darstellen und den Markt abschotten. Daten sind nicht-rival und genuin nicht-ausschließlich. Entscheidend sind deshalb nicht die Daten an sich, sondern der Zugang zu ihnen im Verhältnis zum Wettbewerber. Da das Telos der Norm die Abbildung von Marktverschließungsgefahren unter Beachtung der Dynamik der datenbasierten Märkte ist, muss also der Zugang zu Datenquellen dem Zugang zu fixen Datenbänken gleichstellt werden, auch wenn der Wortlaut etwas Anderes vermuten ließe. d) Historische Auslegung Auch die Gesetzgebungsmaterialien lassen eine Gleichstellung vom Zugang zu Daten und Datenquellen erkennen. So ist in der Kommentierung zu § 18 Abs. 3a Nr. 4 GWB zwar nur von Datenpools und den eingeschränkten Möglichkeiten der
140
Komm. Definition des relevanten Marktes, Rn. 12; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AUEV Rn. 45. 141 Damit ist der Zugang zu den Datensubjekten ein garantierter Zugang zu sich aktualisierenden Daten. Damit ist der Zugriff auf die Ressource nur dann gefährdend, wenn die Ressource noch werthaltig, also aktuell ist. 142 Anwendungen wie Staumeldungen oder kurzfristige Suchanfragen. 143 Holzweber, NZKart 2016, 104; Körber, NZKart 2016, 303; Körber, NZKart 2016, 348. 144 BKartA, Arbeitspapier, S. 91; Monopolkommission, Sondergutachten 68, Rn. 64 ff.; BKartA/Autorité de la concurrence, Competition law and Data; UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data. 145 FAZ vom 24. 4. 2014; Süddeutsche Zeitung vom 2. 9. 2013; Spiegel vom 18. 5. 2017.
§ 6 Zugang und Kombination von Daten als Ausdruck von Marktmacht
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Wettbewerber, sich ähnlich umfangreiche Datenpools aufzubauen, die Rede.146 Die Gesetzesbegründung warnt in der generellen Normierungsbegründung aber, dass in der digitalen Zeit Daten und der Zugang zu Datenquellen eine erhebliche Bedeutung für die Marktstellung der Unternehmen haben können.147 Diese Formulierung wurde auch in den Regierungsentwurf übernommen.148 Zwar findet sich in der direkten Erläuterung des Merkmals kein Verweis auf Datenquellen, als Teil des zu lösenden Problems scheint dieses aber auch dem Gesetzgeber bekannt zu sein. e) Zwischenergebnis Der Wortlaut enthält nur vordergründig eine klare Aussage, ob die existierende Datenherrschaft oder der Zugriff auf entstehende Daten, im Sinne eines Zugangs zum Datensubjekt oder -objekt, Gegenstand des § 18 Abs. 3a GWB ist. Während für die Marktmachtanalyse auf die Datenressource zum Zeitpunkt des missbräuchlichen Verhaltens zu blicken ist, ermöglicht eine extensive Auslegung eine der Fusionskontrolle angemessene Betrachtung. Im Vergleich mit dem Merkmal der Finanzkraft und der Notwendigkeit, die Gegebenheiten auf dynamischen Märkten zu berücksichtigen, sprechen Systematik und Telos dafür. Damit ist das Merkmal nicht nur zu bejahen, wenn eine bereits bestehende Herrschaft über abgeschlossene Datenpools besteht, sondern auch, wenn die Unternehmen einen gesicherten Zugang zu Datensubjekten oder -objekten als Quelle sich erneuernder Daten haben. Adressiert ist also ebenso der Zugang zu Datenquellen, welche Daten generieren. 2. Merkmal der Wettbewerbsrelevanz Wie beim Zugang zu beschaffungsbasierten Märkten resultiert auch aus dem genuinen Datenzugang kein Indiz für Marktbeherrschung,149 stattdessen wird vertreten, dass ein verbesserter Zugang zu Datenquellen als innovativer Faktor wettbewerbsfördernd sei, da durch ihn Dienstleistungen und Produktinnovationen entstünden.150 In der Aufnahme des Merkmals Wettbewerbsrelevanz sehen einige Stimmen v. a. eine Klarstellung, dass allein der Wettbewerbsschutz Aufgabe der Kartellbehörden sei und nicht etwa der allgemeine Datenschutz.151 Obwohl dieser Einschätzung bezüglich des Aufgabenbereichs des Wettbewerbsrechts zuzustimmen ist, soll das Merkmal der Wettbewerbsrelevanz vor allem illustrieren, dass es sich um einen Zugang zu besonderen Daten handeln muss und sich das Unternehmen deshalb 146
BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, 51. BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, 39. 148 BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, 41. 149 BKartA, Antworten „Kartellrecht und Plattform“, Ausschuss Digitale Agenda, Ausschuss-Drucksache 18 (24) 98, S. 13. 150 So Wiebe, GRUR 2017, 338 (345); BKartA, Arbeitspapier, S. 91; Monopolkommission, Sondergutachten 68, Rn. 77 ff. 151 Körber, ZUM 2017, 93 (98). 147
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
dem Wettbewerbsdruck entziehen kann. In der Gesetzesbegründung wird darauf verwiesen, dass der Einfluss des Kriteriums in gleichem Maße davon abhänge, wie Art und Umfang der Daten bemessen seien und welche Bedeutung diese für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens hätten.152 Die Wettbewerbsrelevanz der Daten gibt dem Marktmachtkriterium folglich die notwendige Trennschärfe, die zur Wahrung der Rechtssicherheit der Marktteilnehmer von Nöten ist. Ebenso wie beim Zugang zu den Absatz- und Beschaffungsmärkten muss bei § 18 Abs. 3a Nr. 4 GWB die wettbewerbliche Relevanz konkret festgestellt werden.153 Laut deutsch-französischem Arbeitspapier soll erstens die Datenmenge und -breite sowie zweitens die Datenverfügbarkeit berücksichtigt werden.154 Laut BKartA soll der Zweck die Datenerhebung und Nutzung für das Unternehmen bewertet werden, um anschließend zu analysieren, ob die gesammelten Daten auch von Wettbewerbern zu erlangen seien.155 Nach dem Referentenentwurf zur 9. GWB Novelle soll es im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller Umstände auf Art und Umfang der vorhandenen Daten sowie ihre Bedeutung für die Geschäftstätigkeit ankommen.156 Damit ist im Grunde eine zweistufige Prüfung angesprochen. Die Daten müssen zuerst produktrelevant sein. Produktrelevanz ist dabei die Erheblichkeit der Daten in Bezug auf die Produkte auf den konkret betroffenen Märkten, auf welchen das Unternehmen agiert oder einzutreten plant. Liegt die Produktrelevanz vor, ist fraglich, ob der Zugang zu Daten geeignet ist, den Handlungsspielraum des Unternehmens gegenüber seinen Wettbewerbern zu vergrößern. Berücksichtigt werden muss hierbei die Nicht-Rivalität, Nicht-Ausschließlichkeit und Ubiquität der Daten. Anhand der bereits thematisierten und eingeordneten Charakteristika auf datenbasierten Märkten ist der Zugang zu Daten dann wettbewerbsrelevant im engeren Sinne, wenn die produktrelevanten Daten nicht duplizierbar sind, sodass Wettbewerber sie nicht in derselben Menge sammeln können, die Menge aber aufgrund der entstehenden Größen- und Skaleneffekte notwendig ist. a) Produkt- und Marktrelevanz Die Daten müssen einen signifikanten Input für das Unternehmen darstellen. Dies ergibt sich auch aus der Parallele zum Kriterium „Finanzkraft“. Dort muss a priori 152
BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, 56. Kühnen, in: Loewenheim et al., § 18 GWB Rn. 92. 154 BKartA/Autorité de la concurrence, Competition law and Data, 26, 36 ff. 155 BKartA, Arbeitspapier, 95 f.; ebenso BMWi, Grünbuch Digitale Plattformen, S. 51. 156 RefE des BMWi (9. GWB-Novelle), 51, www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/M-O/ neunte-gwb-novelle.html. 153
§ 6 Zugang und Kombination von Daten als Ausdruck von Marktmacht
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festgestellt werden, ob die vorhandenen finanziellen Ressourcen des Unternehmens für den wettbewerblichen Erfolg überhaupt eine Bedeutung besitzen. Dies ist der Fall, wenn der Markt kapitalintensiv ist, die Ressourcenstärke also tatsächlich zu einer Vergrößerung des Handlungsspielraums des Unternehmens führt. Diese Erwägung lässt sich übertragen. Die Kontrolle über Daten ist ein wesentlicher Aspekt, wenn es sich um ein datenbasiertes Produkt handelt.157 Dies ist bei vielen Internetprodukten, aber auch bei zusätzlichen Services zu Hardwareprodukten der Fall. Das BKartA158 und der Referentenentwurf159 fordern eine Einschätzung des Zwecks der Datenerhebung. Die Einordnung des konkreten Zwecks der Nutzung ist für die Frage der Wettbewerbsrelevanz nicht notwendig. Neben dem Umfang und der Art des Datenvorrats sind die Art der Nutzung und die Relevanz für das Unternehmen im Einzelfall zu berücksichtigen.160 Solange der Dateninput aber eine unabdingbare Vorstufe darstellt, müssen die weiteren Prüfungsstufen eröffnet werden. Dies ist schon allein aus dem Grunde zu fordern, damit flexibel auf die Gegebenheiten auf dem Markt einzugehen ist. Während im Rahmen der Missbrauchskontrolle retrospektiv die Produkte und Zwecke ermittelt werden könnten, hat der Rechtsanwender nicht zwingend die Fähigkeit die Produktrelevanz der Daten für zukünftige Produkte zu prognostizieren. Weiterhin kann im Rahmen der Missbrauchskontrolle von der Datenmenge eine Abschreckungswirkung ausgehen, welche unabhängig von der Zweckgebundenheit der Daten wirkt. Ist ein Gut ein wichtiger Bestandteil des angebotenen Produkts oder der Leistung, ist es zunächst produktrelevant. Haben die Wettbewerber Zugang zu diesen Daten, weil sie frei verfügbar sind und sich nicht verbrauchen, ist der Zugang zwar produkt- nicht jedoch wettbewerbsrelevant. b) Duplizierbarkeit/Substituierbarkeit Wie schon dargestellt, können Daten trotz ihrer Nicht-Rivalität knapp sein.161 Damit der Zugang zu den Daten wettbewerbsrelevant ist, dürfen sie nicht mit geringem Aufwand allverfügbar sein. Zu fragen ist, ob die Wettbewerber die Daten nicht in selber Menge oder Qualität sammeln konnten wie der marktmächtige Amtsinhaber. Hierbei muss beachtet werden, dass aus unterschiedlichen Daten die gleichen Schlüsse gezogen werden können.162 Es müssen also sowohl die Daten des
157
BKartA, Arbeitspapier, 94. BKartA, Arbeitspapier, 95. 159 RefE des BMWi (9. GWB-Novelle), 51, www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/M-O/ neunte-gwb-novelle.html. Im Regierungsentwurf wird im Gegensatz zum Referentenentwurf allerdings nicht mehr genannt, dass es auch darauf ankäme, welchen Zweck die Datenerhebung und die Datennutzung für das Unternehmen besitzt. 160 BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drs. 18/10207, 51; ebenso Bardong, in: Langen/ Bunte, § 18 Rn. 158. 161 S. Kapitel 1 § 2 B. II. 162 Vgl. § 2 B. II. 158
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
potentiellen Marktbeherrschers knapp sein, als auch mögliche Substitute für diese Daten. Hierbei ist relevant, dass die Daten tatsächlich verfügbar sein müssen und nicht nur hypothetisch. Der Zugang zu den Datenquellen kann aufgrund von Netzwerkeffekten eingeschränkt werden, wenn diese nur durch große oder bestimmte Nutzerzahlen generiert werden können, was wiederum die Internalisierung der Netzwerkeffekte voraussetzt. Berücksichtigt werden muss hierbei, das aufgrund des strikten Datenschutzrechts mit Erlaubnisvorbehalt ein Erhalt über Dritte kaum möglich ist. Die in § 29 BDSG enthaltenen Erlaubnistatbestände für die geschäftsmäßige Verarbeitung von Daten zur Übermittlung zu Zwecken der Werbung, der Tätigkeit von Auskunfteien und des Adresshandels entfallen. Die Generalklausel des Art. 6 I f DSGVO birgt – zurzeit – zu viel Rechtsunsicherheit für einen Handel.163 Für Unternehmen, die Zugriff auf personenbezogene Daten erlangen wollen, haben daher die Primärmärkte für Daten eine große praktische Bedeutung, also diejenigen Märkte, auf denen Unternehmen im direkten Kontakt mit Betroffenen personenbezogene Daten sammeln. Der Anspruch auf Datenportabilität in Art. 20 DSGVO soll einen oben beschriebenen Lock-In durch Netzwerkeffekte entgegenstehen. Allerdings darf nicht einfach auf die Gesetzeslage verwiesen werden, um die Substituierbarkeit der Daten zu bejahen, wenn die Portabilität nicht tatsächlich zu einer Reduzierung des Lock-Ins durch Netzwerkeffekte führen kann. So ergibt sich aus Art. 20 Abs. 1 DSGVO nicht die Pflicht, technisch kompatible Datenverarbeitungssysteme zu unterhalten, sondern lediglich die Verpflichtung, die Daten in irgeneinem gängigen, strukturierten und maschinenlesbaren Format auszugeben. Eine direkte Übertragung der Daten auf den Wettbewerber, wie sie Art. 20 Abs. 2 DSGVO vorsieht, ist nur gegeben, wenn dies technisch umsetzbar ist. Die Duplizierbarkeit der Daten darf weiterhin nicht mit einem generellen Hinweis auf große Online-Plattformen bejaht werden, wenn die genannten Unternehmen nicht aktuelle oder potentielle Wettbewerber sind.164 Nicht-personenbezogene Daten, die nur durch den Hersteller oder den direkt Berechtigten erstellt werden können, sind dagegen häufig aufgrund rechtlicher oder faktischer Hindernisse nicht duplizierbar. In diesem Fall verfügte das innehabende Unternehmen über einen exklusiven Zugang. Dies kann in Fällen relativer oder überlegener Marktmacht noch zusätzlich verstärkt werden, wenn also eine besondere Abhängigkeit eines Unternehmens von der Einrichtung besteht.
163 Näher European Data Protection Supervisor, Preliminary Opinion: Privacy and competitiveness in the age of big data, March 2014, 27. 164 Deshalb korrekt BKartA 23. 11. 2017 – B6-35/17, Rn. 195 „CTS Eventim/Four Artists“.
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c) Notwendige Skalen- und Verbundeffekte Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Daten in großer bzw. ausreichender Menge nötig sein müssen, um die Dienstleistung zu ermöglichen. Dies ergibt sich u. a. aus der Gesetzgebungshistorie: so wurde zum einen nicht gefürchtet, dass die Wettbewerber gar keine Daten haben, sondern vielmehr, dass die Wettbewerber nicht den Umfang der Datenpools des Normadressaten erreichen können. Die Norm ist im Hinblick auf Big Data entwickelt worden. Es geht also nicht um die bloße Existenz von relevanten Geschäftsgeheimnissen, vielmehr sollte die Notwendigkeit einer sich durch den Schneeballeffekt selbstverstärkenden Datenmenge adressiert werden, von der Konzentrationstendenzen ausgehen. Hierbei muss also das Zusammenspiel mit Skalen-, Verbund- und Netzwerkeffekten berücksichtigt werden. Dies hatte das BKartA schon in seiner Entscheidung zu Google/VG Media berücksichtigt und die Frage aufgeworfen, inwieweit die Marktstellung Googles dadurch beeinflusst werde, dass der Google-Konzern über seine unterschiedlichen Konzernunternehmen über einen umfangreichen Zugang zu differenzierten Daten verfüge.165 Diese könnte Google zu dem Zweck nutzen, seinen Suchalgorithmus kontinuierlich zu verbessern.166 Berücksichtigt werden muss hierbei, dass die schiere Datenmenge nicht ausschlaggebend ist und die Speicherung und Pflege der Daten Kosten verursachen können. Dass etwaige Skaleneffekte ab einer gewissen Menge an zu verarbeitenden Daten abnehmen mögen, sei allerdings nur begrenzt bedeutend.167 Dies ist erst ab einer gewissen Größe des datenverarbeitenden Unternehmens relevant, während neue bzw. kleine Wettbewerber dieser Markteintrittsbarriere trotz allem gegenüber stehen.168 d) Exklusivität des Zugangs? Es wird vertreten, dass das Unternehmen einen exklusiven Zugang zu den Daten haben muss169 was auch aus den Formulierungen der Regierungsbegründung hervorgeht.170 Eine solche Auffassung entspricht auch der älteren Praxis in welcher die Datensätze früherer Monopolisten als Marktmachtindiz identifiziert wurden.171 165
BKartA 08. 09. 2015 – B6-126/14, Rn. 160 ff. „Google/VG Media“. Ibid. 167 Gänzlich ablehnend in Facebook, mit dem Argument, dass dieser Grenznutzen zumindest für die Neuentwicklung von Produkten nie erreichbar sei, BKartA 6. 2. 2019 – B6-22/ 16 „Facebook“ Rn. 493. 168 Vgl. Komm. 27. 6. 2017, COMP/AT.39740, Rn. 286 „Google Search (Shopping)“. 169 Esser/Höft, NZKart 2017, 259 (264). 170 BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drs. 18/10207, 49, 51. 171 Etwa Kundendaten von Energieversorgern, die diese unter Geltung der ehemaligen Gebietsmonopole gesammelt haben, oder Kundendaten von staatlichen Lotterieanbietern. Autorité de la Concurrence 17. 12. 2013 n813-D-20, „EDF“ bestätigt durch Berufungsgericht 21.5. 2015; Autorité de la Concurrence 7. 2. 2012, n812-DCC-20 „Enerest/Electricité de 166
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
Tatsächlich wurde der Zugang zu Datenbanken bereits in Fällen auf nicht-datenbasierten Märkte diskutiert, wenn in zuvor monopolisierten oder regulierten Industrien, wie der Telekommunikationsbranche, die Unternehmen Datenbanken mit Kundendaten als Input für ihre Tätigkeiten auf einem nachgelagerten Markt nutzten.172 Das Merkmal der Wettbewerbsrelevanz soll v. a. illustrieren, dass es sich um den Zugang zu besonderen Daten handelt und sich das Unternehmen deshalb dem Wettbewerbsdruck entziehen kann. Dem Wettbewerbsdruck kann sich aber nicht nur der Inhaber der exklusiven Herrschaft über Daten entziehen; erst recht nicht müssen die Daten aus einer vorherigen Monopolstellung stammen. Esser/Höft173 und die Autorité de la concurrence wollen aber die Umstände, unter denen das Dataset aufgebaut wurde, bspw. im Leistungswettbewerb174 oder außerhalb dessen, für die Frage berücksichtigen, ob aus dem Zugang zum Dataset Marktmacht abzuleiten ist.175 Ein Unternehmen kann sich jedoch nicht nur dem Wettbewerbsdruck entziehen, wenn es ausschließlichen Zugang zu Daten hat,176 ebenso schwer mag der Vorsprung wiegen, wenn ein Unternehmen sich den Zugang zu besonders vielen und/ oder besonders guten Datenquellen erarbeitet hat, die grundsätzlich auch den Wettbewerbern zugänglich sind. Ebenso wie beim Zugang zu Absatz- und Beschaffungsmärkten genügt ein überlegener Zugang zu den Datenquellen.177 Ebenso kommt es, wie im Rahmen des § 18 Abs. 3 Nr. 2 nicht darauf an, unter welchen Umständen das Unternehmen die Ressource erlangt hat, insbesondere kann ein Anhäufen der Daten im Leistungswettbewerb kein Ausschlussgrund für die Wettbewerbsrelevanz des Datenzugangs sein. Auch darf man nicht die Anforderungen ähnlich einer essential facility an das Marktbeherrschungskriterium stellen. § 18 Abs. 1 Nr. 3 GWB, für welchen die Marktmachtkriterien streiten, ist schließlich ein Minus zum § 18 Abs. 1 Nr. 1 GWB.
Strasbourg“. Komm. 25. 6. 2014, COMP/M. 7137 „EDF/Dalkia en France“; bejahte aber die Duplizierbarkeit der Datenbank. Rn. 462 ff. 172 Autorité de la Concurrence 17. 12. 2013 n813-D-20, bestätigt durch Berufungsgericht 21. 5. 2015; Autorité de la Concurrence 7. 2. 2012, n812-DCC-20 „Enerest/Electricité de Strasbourg“. 173 So aber Esser/Höft, NZKart 2017, 259 (264), mit Verweis auf die bisherige Gerichtspraxis. 174 Autorité de la Concurrence/BKartA, Competition Law and Data, S. 31; French Competition Authority, Opinion n810-A-13 of 14 Rn. 19. 175 Autorité de la Concurrence/BKartA, Competition Law and Data, S. 31; French Competition Authority, Opinion n810-A-13 of 14 Rn. 19. 176 Vgl. BegrRegE (9. GWB-Novelle) BT-Drs. 18/10207, 51: exklusive Herrschaft über Daten kann eine Markteintrittsbarriere sein. 177 So auch Grave, in: Kersting/Podszun, Kap. 2, Rn. 51.
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e) Zwischenergebnis Damit ist der Zugang zu Daten dann wettbewerbsrelevant, wenn die Daten produktrelevant und nicht duplizierbar sind, sodass Wettbewerber sie nicht in derselben Menge sammeln können, die Menge aber aufgrund der entstehenden Größen- und Skaleneffekte notwendig ist. Durch das Merkmal der Duplizierbarkeit ist das typische Merkmal der Nicht-Ausschließbarkeit und Omnipräsenz der Daten berücksichtigt, die Notwendigkeit der Datenmenge und wirkender Mengeneffekte berücksichtigen die Nicht-Rivalität und die geringen Kosten pro Datum. So kommt es nicht zu einer Überbewertung der Dateninhaberschaft und des Datenzugriffs. Zu weitgehend erscheint deshalb die Einschätzung des BKartA im Fall CTS Eventim/FKPScorpio, bei welchem die im Onlineshop gesammelten Standarddaten178 als wettbewerblicher Vorteil für die direkte Ansprache per Mail für aktuelle Angebote und vertiefte Marketingzwecke und Marktanalysen genutzt werden könnten.179 Der besondere Wert läge in der zielgerichteten Kundenansprache, da Veranstalterkunden so eine bessere Vermittlungsleistung angeboten bekämen.180 Die Daten seien auch nicht duplizierbar.181 Während dies auf die Daten über die Veranstaltungen, die die Veranstalter den Ticketsystemdienstleistern zur Verfügung stellen, zutreffen mag, ist dies zumindest für die klassischen Standarddaten zu bezweifeln. f) Berücksichtigung der Kombinationsund Analysemöglichkeiten von Daten Ebenso relevant sind die Kombinations- und Analysefähigkeiten der Unternehmen. In der öffentlichen Diskussion wird insoweit teilweise auf die reine Datenmenge abgestellt182 oder die Berücksichtigung der Kombinations- und Analysemöglichkeiten rücken in den Hintergrund.183 Können die Daten nicht entsprechend durch Algorithmen verarbeitet werden, dann resultiert aus dem überlegenen Zugang zum Rohstoff keine Minderung des Wettbewerbsdrucks. Denn ungeachtet ihrer Menge, Breite bzw. Qualität und Verfügbarkeit sind gesammelte Daten in nicht aufbereiteter Form für Unternehmen im Wettbewerb häufig ohne oder von allenfalls geringem wirtschaftlichem Wert. Weiterhin werden die Daten häufig für einen an-
178 E-Mail-Adresse, Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Ort, Land, Geburtsdatum (optional), Telefon, Zahlungsdaten. 179 BKartA 03. 01. 2017 – B6-53/16, Rn. 172 f. „CTS Eventim/FKP SCORPIO“. 180 BKartA 23. 11. 2017 – B6-35/17, Rn. 191 „CTS Eventim/Four Artists“. 181 BKartA 23. 11. 2017 – B6-35/17, Rn. 195 „CTS Eventim/Four Artists“. 182 Hierauf weist Körber, NZKart 2016 303 (305 f.) zutreffend hin. 183 Im Referentenentwurf wird dieses Kriterium bestenfalls nachrangig behandelt. RefE des BMWi (9. GWB-Novelle), 51, www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/M-O/neunte-gwb-no velle.html.
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
deren Zweck verwandt, als sie gesammelt wurden.184 Die Monopolkommission erkennt, dass die Fähigkeit zur Erhebung und Analyse von Daten ein zentraler Antriebsfaktor der Innovationskraft von Unternehmen auf datenbasierten Märkten ist.185 Deshalb wird in der Literatur ein mahnender Blick auf die Analysefähigkeit als eigentliche Fähigkeit geworfen.186 Ein „prall gefüllter Datenschrank“ bedeute nicht automatisch ein verbessertes Leistungsangebot, entscheidend sei die Werthaltigkeit.187 Diese Nutzungsmöglichkeiten können technisch oder rechtlich beschränkt sein.188 Die Algorithmen zur Datenverarbeitung können zum einen als Teil der Produktrelevanz gesehen werden. Die Relevanz der gespeicherten Daten für das Unternehmen hängt auch davon ab, wie viel Nutzen dieses aus den Daten mithilfe von Analysetools ziehen kann und inwieweit das nachfolgende Produkt von dieser Analyse- und Kombinationsfähigkeit abhängt. Algorithmen und Verarbeitungsfähigkeiten können auch als Marktzutrittsschranken gesehen werden.189 Die Analysefähigkeit, die durch Mining Algorithmen und andere Programme ermöglicht wird, kann am Markt eine rechtliche, tatsächliche und wirtschaftliche Schranke für den Marktzutritt oder die Expansion anderer Unternehmen darstellen. Das Merkmal der Marktzutrittsschranken knüpft nicht unmittelbar an die individuelle Stärke eines Unternehmens an, sondern an die äußeren Wettbewerbsbedingungen des relevanten Marktes, denen sowohl die Wettbewerber als auch die Marktgegenseite unterworfen sind.190 Konkret bedeutet dies den Schutz der zugrunde liegenden Programme oder Algorithmen aus den §§ 69a ff. UrhG und 87a ff. UrhG oder gem. § 17 UWG. Hierbei müssen sowohl die Fähigkeit der Auswertung durch die Algorithmen als auch die rechtlichen Grenzen191 bei der Kombination berücksichtigt werden.
184
Vgl. § 2 C. Monopolkommission, Sondergutachten 68, Rn. 78; ebenso BKartA, Arbeitspapier, 94. 186 Nuys, WuW 2016, 512 (515); Ebenso Graef World Competition Law and Economics Review 2015, 38(4), 473 (479): „Furthermore, the value of data often does not lie in the collected information itself but instead depends on the knowledge that can be extracted from it.“ 187 Nuys, WuW 2016, 512 (515). 188 Grave, in: Kersting/Podszun, Kap. 2, Rn. 53. Zur ähnlichen Fragestellung in der Fusionskontrolle, siehe Komm. 16. 12. 2016, COMP/M.8124, Rn. 255 „Microsoft/LinkedIn“. 189 So auch BKartA 6. 2. 2019 – B6-22/16 „Facebook“ Rn. 495. 190 Kühnen, in: Loewenheim et al., § 18 GWB Rn. 94; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 GWB Rn. 127. 191 Aus dem Datenschutzrecht folgen allerdings Beschränkungen für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten, was für den Verhaltensspielraum des möglicherweise marktbeherrschenden Unternehmens zu bedenken ist. Evtl. gibt es auch Beschränkungen bei der Nutzung von Daten, die ein Unternehmen sich selbst auferlegt hat oder zu denen es sich gegenüber seinen Nutzern vertraglich verpflichtet hat. 185
§ 6 Zugang und Kombination von Daten als Ausdruck von Marktmacht
221
II. Ergebnis Der Zugang zu Daten muss extensiv auslegt werden, als tatsächlicher Zugang zu Datenquellen, welcher potentiell generierte Daten mit einbezieht. Durch die Definition der Wettbewerbsrelevanz wird das Merkmal enger umrissen. Mittels dieses Konzeptes werden Marktmachtansprüche durch Zugang zu Datenquellen nicht von vorneherein ausgeschlossen, sondern ebenfalls der Beachtung durch das BKartA unterworfen, sehen sich aber dann streng definierten Voraussetzungen gegenüber, damit es nicht zu einer Überbewertung des Kriteriums kommt. Die Wettbewerbsrelevanz berücksichtigt nach der hier vorgegebenen Definition die widerstreitenden Charakteristika der Daten. Die Feststellung bedarf einer zweistufigen Prüfung, ob die Daten produktrelevant sind und Handlungsfreiheit vermitteln. Die Analysemöglichkeiten müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Sie sind ein Teil der Produktrelevanz oder können, wenn sie zwingende Voraussetzung für den Marktzutritt darstellen, auch als Marktzutrittsschranken berücksichtigt werden. Durch den hier vorgestellten Prüfungskatalog wird das Merkmal Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten automatisch in einer Gesamtschau gesehen.
D. „Datenmacht“ auf nicht-mehrseitigen Datenmärkten Die Merkmale des § 18 Abs. 3a GWB sind auch außerhalb von mehrseitigen Märkten und Netzwerken anwendbar.192 Die mit der 10. GWB-Novelle geplante Ergänzung der Marktbeherrschungskriterien des § 18 Abs. 3 GWB um den Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten ist somit nur eine Klarstellung, dass der Zugang zu Daten in allen Wirtschaftsbereichen zu berücksichtigen ist. Im Rahmen von IoT und Industrie 4.0 können v. a. direkte Netzwerkeffekte wirken. Je mehr Unternehmen ihre Daten in einen Datenpool einfließen lassen, desto genauer werden die vom Algorithmus getätigten Prognosen.193 Die Daten sind entweder asset für die eigene Dienstleistung, wichtiger Bestandteil für eine andere Dienstleistung oder werden für die Forschung und Entwicklung des Datensammlers genutzt. Hierbei gibt es Märkte, die Daten anderweitig monetisieren, z. B. wenn die Dienstleistung gegenüber der einen Seite auf den Daten der anderen Seite fußt.194 Auf nicht-datenbasierten Märkten ist die Produktrelevanz jedoch sorgfältiger zu begründen und die Vorleistungseigenschaft der Daten muss hinterfragt werden.
192
BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drucks. 18/10207, 52. UK Competition & Markets Authority, The commercial use of consumer data, Juni 2015, 75; Kraus, Big Data, Arbeitspapiere der FOM, Nr. 41, Oktober 2013, S. 4 ff. 194 Vgl. § 2 C. 193
222
Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
E. „Datenmacht“ marktstarker Unternehmen I. Adressierte Situation Gerade im Hinblick auf die Entwicklungs- und Innovationsrelevanz von Daten ist zu befürchten, dass Unternehmen, die gegenüber ihrer Konkurrenz auf einem vorgelagerten Markt tätig sind, ihren Zugang zu Daten abschotten und Innovationen verzögern oder ihre bottleneck Situation im Rahmen ihrer Vertragsbeziehungen missbrauchen. So kann sich im IoT-Kontext der Maschinenhersteller strafbewehrt die Verfügungsrechte auf die von den Maschinen- oder Plattformnutzern erzeugten Daten vorbehalten um eine umfassende Kontrolle über die Wertschöpfungskette der Datenverarbeitung zu behalten. Diese Kontrolle könnte auch technisch realisiert werden. Folglich könnte das datengenerierende Unternehmen externen Wartungsunternehmen oder Mehrwertdienstleistern den Datenzugang verwehren – entweder weil es diese nicht abgeben darf oder selbst gar keinen Zugriff auf seine Daten hat.195 So kann das vorgelagerte Unternehmen seine Kunden zwingen, über das einzelne Produkt hinaus auch nachgelagerte Analysedienstleistungen nur von ihm zu beziehen. Konkret war eine solche Behinderung im Fall CTS Eventim/Four Artists plattformbasiert zu beobachten. Denn CTS stellte konzernfremden Veranstaltern die Buchungsdaten für ihre Veranstaltungen grundsätzlich nur in aggregierter Form zur Verfügung, so dass diesen jedenfalls der Aufbau einer eigenen Datenbank über den Kundenstamm nicht möglich war. Für wechselwillige CTS-Kunden besteht keine Möglichkeit ihre Kundendaten aus dem CTS-System zu migrieren.196 Befürchtet wird in bottleneck Situationen auch bei getrennter Marktabgrenzung entlang der Plattformseiten eine erschwerte Bestimmung der Frage, ob die Verhaltensspielräume der Plattform noch vom Wettbewerb kontrolliert sind.197
II. § 20 Abs. 1 GWB Die adressierten Unternehmen, am Beispiel von Maschinenherstellern, werden hierbei aber häufig keine beherrschende Stellung auf dem Markt der Maschinenherstellung oder Analysedienstleistung innehaben. Ein Datenhandelsmarkt für die fraglichen Maschinendaten ist auch nicht abzugrenzen. Das deutsche Recht ermöglicht aber eine Würdigung relativer Marktmacht in bilateralen Beziehungen über § 20 Abs. 1 GWB.198 195
Vgl. § 3 A. II. 2.; ähnlich Drexl, NZKart 2017, 339 (342). BKartA 23. 11. 2017 – B6-35/17, Rn. 195 „CTS Eventim/Four Artists“. 197 Hierzu § 5 B. IV. 4. b) bb). 198 Zur Anwendung des § 20 Abs. 3 GWB zur Offenhaltung und Bestreitbarkeit der Märkte Schweitzer/Haucap/Kerber/Welker, Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen, S. 54. 196
§ 6 Zugang und Kombination von Daten als Ausdruck von Marktmacht
223
§ 20 GWB unterwirft Unternehmen mit relativer oder überlegener Marktmacht gegenüber bestimmten Wettbewerbern, Anbietern und Nachfragern Verhaltensbindungen wie marktbeherrschende Unternehmen, indem er den Adressatenbereich von § 19 Abs. 1, Abs. 2 und § 19 Abs. 2 Nr. 5 GWB erweitert. Relative Marktmacht darf nicht zur Behinderung oder Diskriminierung missbraucht werden, § 20 Abs. 1 GWB. Rechtsfolge wäre ein Belieferungsanspruch der datengenerierenden Unternehmen oder die Nichtigkeit der Verwendungsklausel gem. § 134 BGB i.V.m. §§ 20 I, 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB. Reine Ausbeutungsmissbräuche werden nicht erfasst. Voraussetzung ist die Feststellung einer Abhängigkeitslage eines kleinen oder mittleren Unternehmens. Neben der unmittelbaren Behinderung der datengenerierenden Unternehmen würde § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB auch die mittelbare Behinderung externer Analysedienstleister – durch Abnehmern auferlegte ausschließliche Bezugs- oder Verwendungsbindungen, die diese daran hindern, gleiche Waren von anderen Unternehmen zu beziehen, sodass es zu einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf dem betreffenden Angebotsmarkt käme, erfassen.199 Durch ausschließliche Datenbindungen vertraglicher oder faktischer Art werden die gebundenen Abnehmer zudem im Nachfragewettbewerb behindert, da sie Waren oder Leistungen anderer Lieferanten nicht beziehen können.200 1. Relevanter Markt Die Abhängigkeit muss sich auf die Stellung der als abhängig in Betracht gezogenen Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder Leistungen beziehen.201 Der sachlich relevante Markt relativ marktmächtiger Anbieter ist deren Absatzmarkt,202 also im Beispiel der IoT-Anbieter der Markt der Analysedienstleistung. Hierbei dürfte auf den generellen Dienstleistungsmarkt abzustellen sein, denn die Analysedienstleistungen sind untereinander austauschbar. Zu einer Begrenzung durch den Datenpool als notwendiges Asset kommt es aufgrund der maßgebenden Beurteilung durch den überwiegenden Teil der Marktgegenseite, des verständigen Abnehmers, nicht an203, sie ist vielmehr im
199
Markert/Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 19 Rn. 187. Markert/Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 19 Rn. 177. 201 Markert, in: Immenga/Mestmäcker, §20 Rn. 14; Loewenheim, in: Loewenheim et al., § 20 GWB Rn. 12. Demgegenüber verzichtete der BGH jüngst in der Entscheidung Hochzeitsboni auf eine Marktabgrenzung und prüfte direkt die Ausweichmöglichkeiten der vermuteten von Edeka abhängigen Sektherstellern, BGH 23. 1. 2018 – KVR 3/17 „Hochzeitsboni Edeka/Plus“ Rn. 42. 202 Markert, in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 14. 203 KG 18. 2. 1969, WuW/E OLG 995, 996 „Handpreisauszeichner“; KG 14. 4. 1978, WuW/ E OLG 1983, 1984 m.w.N. „Rama-Mädchen“; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 Rn. 94; Kühnen, in: Loewenheim et al., § 18 GWB Rn. 20. 200
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
Rahmen der Abhängigkeit zu berücksichtigen.204 Ausweichmöglichkeiten auf andere sachlich relevante Märkte sind für die Beurteilung der Abhängigkeit irrelevant.205 2. Abhängigkeitslage Die Abhängigkeit i.S.d. § 20 Abs. 1 S. 1 GWB ist als die mangelnde Fähigkeit des betroffenen Unternehmens definiert, auf andere Bezugsquellen oder Absatzkanäle ausreichend und zumutbar ausweichen zu können.206 Die ausreichenden Ausweichmöglichkeiten sind primär objektiv zu ermitteln.207 Die Zumutbarkeit ist aus der Sicht und Interessenlage des Betroffenen anhand seiner individuellen Verhältnisse zu beurteilen.208 Dabei sind vier Arten der Abhängigkeit anerkannt: sortimentsbedingte, unternehmensbedingte, knappheitsbedingte und nachfragebedingte Abhängigkeit.209 Ausreichende Ausweichmöglichkeiten bieten nur Anbieter oder Nachfrager von Substituten, also Unternehmen, die, wenigstens potentiell, auf demselben sachlich und räumlich relevanten Markt tätig sind.210 Am Beispiel des Maschinenherstellers dargestellt, hat das abhängige Unternehmen je nach Fallkonstellation vor der Entscheidung für das Produkt ausreichende Ausweichmöglichkeiten. Nach dem Kauf des Produkts ist der Maschinenbetreiber aufgrund der Investitionskosten aber an seine Wahl gebunden. Der Maschinenbetreiber kann möglicherweise seine eigenen bisherigen Daten nicht nutzen. Um Daten aus anderer Quelle zu generieren, müsste das Unternehmen Sensoren in den smart products nachrüsten. Dies ist allerdings unter Wahrung gewährleistungsrechtlicher Ansprüche oder generell nicht möglich. Damit wären mit dem Ausweichen „unverhältnismäßige Belastungen“211 finanzieller Art verbunden. Ein solcher Lock-In kann im Rahmen der unternehmensbedingten Abhängigkeit adressiert werden.212 Unternehmensbedingte Abhängigkeit liegt vor, wenn ein Anbieter oder Nachfrager seinen Geschäftsbetrieb im Rahmen langfristiger Vertragsbeziehungen so stark auf ein bestimmtes anderes Unternehmen auf der anderen Marktseite ausgerichtet hat, dass er nur unter Inkaufnahme gewichtiger Wettbewerbsnachteile auf dem betreffenden 204 Vergleichbar BGH 6. 10. 2015 – KZR 87/13, Rn. 52 „Porsche-Tuning“ = WRP 2016, 229 Rn. 52. 205 Ibid. 206 Lübbert/Schöner, in: Wiedemann, Handbuch Kartellrecht, § 24 Rn. 8. 207 Markert, in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 18. 208 Markert, in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 19. 209 Markert, in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 28 ff. 210 Marktert, in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 14 f.: Nothdurft, in: Langen/Bunte, § 20 Rn. 23 ff. 211 Markert, in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 20; Bericht zur 2. GWB-Novelle 1973, zu § 26 Abs. 2. 212 Vergleichbar auch Schweitzer/Haucap/Kerber/Welker, Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen, S. 52 f.
§ 6 Zugang und Kombination von Daten als Ausdruck von Marktmacht
225
Markt auf andere Unternehmen überwechseln kann.213 Differenzierter ist dies zu beurteilen, wenn keine Hardwareinvestition getätigt wird, wie im Falle der durch den Plattformbetreiber aggregierten Kundendaten. Hier muss geprüft werden, ob eine unternehmensbedingte Abhängigkeit dergestalt vorliegt, dass der Plattformkunde seinen Geschäftsbetrieb im Rahmen langfristiger Vertragsbeziehungen so stark auf die aggregierende Plattformmarktseite ausgerichtet hat, dass er nur unter Inkaufnahme gewichtiger Wettbewerbsnachteile auf dem betreffenden Markt auf andere Unternehmen überwechseln kann.214 Nimmt eine Matchingplattform in seiner Vermittlungsfunktion eine Stellung als competitive bottleneck ein, so könnte mit Schweitzer/Haucap/Kerber/Welker auch eine nachfragebedingte bzw. quasi-sortimentsbedingte Abhängigkeit des anbietenden Unternehmens anzunehmen sein.215 Eine solche nachfragebedingte Abhängigkeit liegt vor, wenn Anbieter von Nachfragern ihrer Ware oder Dienstleistung abhängig sind, weil sie im Verhältnis zu dem mutmaßlich relativ marktmächtigen Nachfrager keine ausreichenden und zumutbaren Ausweichmöglichkeiten auf andere Nachfrager haben.216 Hierbei muss beachtet werden, dass die Matchingplattformen jedoch keine Nachfrager sind, sondern Anbieter der Vermittlungsleistung. Aus diesem Grund wird auch mit der quasisortimentsbedingten Abhängigkeit, wie sie von Nothdurft217 dargestellt wird, argumentiert, welche die Situation adressiert, dass ein Anbieter von Waren oder Dienstleistungen von mehreren Nachfragern geführt werden muss, um den Endkundenmarkt durchdringen zu können.218 Sofern der mit der 10. GWB-Novelle geplante § 20 Abs. 1 S. 2 GWB Eingang ins Gesetz findet, stellt dieser ausdrücklich klar, dass eine Abhängigkeit mit Blick auf den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten von einer Vermittlungsleistung vorliegen kann, wenn ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen.219
213 Markert, in: Immenga/Mestmäcker, § 20 GWB Rn. 38; Nothdurft, in: Langen/Bunte, § 20 Rn. 52; Loewenheim, in: Loewenheim et al., § 20 Rn. 30. 214 Die Abhängigkeit von Vermittlungsplattformen könnte laut Schweitzer/Haucap/Kerber/ Welker auch als Fallgruppe der quasi-sortimentsbedingten oder nachfragebedingten Abhängigkeit gesehen werden, Schweitzer/Haucap/Kerber/Welker, Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen, S. 51, 53. 215 Schweitzer/Haucap/Kerber/Welker, Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen, S. 51 f. 216 Markert, in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 45. 217 Nothdurft, in: Langen/Bunte, § 20 Rn. 40 f. 218 Vertiefend Schweitzer/Haucap/Kerber/Welker, Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen, S. 51 f. 219 BegrRegE (10. GWB-Novelle), BT-Drucks. 19/23492, 92.
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
3. Kleines oder mittleres Unternehmen Bei vertikaler unternehmensbedingter Abhängigkeit kommt es mit dem BGH nicht auf einen horizontalen Größenvergleich zwischen dem behinderten Unternehmen und seinen Wettbewerbern an, denn regelmäßig ist nicht entscheidend, wie groß das abhängige Unternehmen im Vergleich zur eigenen Konkurrenz ist, sondern wie es dem relativ marktstarken Unternehmen gegenübertritt.220 Hierbei ist bspw. die Vermittlertätigkeit der Plattformen zu berücksichtigen, welche neben die Marktanteile tritt. Anders bestimmt wird die Größe des Unternehmens jedoch in den anderen Fällen der Abhänigkeit. Das Horizontalverhältnis zu den Wettbewerbern auf der Nachfragerseite ist in den Fällen der sortimentsbedingten Abhängigkeit ausschlaggebend, das Horizontalverhältnis zu den Wettbewerbern auf der Anbieterseite in den Fällen der nachfragebedingten Abhängigkeit.221 Mit der 10. GWB-Novelle ist eine Abkehr von der Beschränkung des Schutzbereichs auf kleine und mittlere Unternehmen beabsichtigt. Dies ermöglichte unabhängig von der Art der Abhängigkeit eine flexiblere Handhabung des Tatbestandes, auch im Rahmen datenbasierter Märkte.
III. Geplante Anpassungen durch die 10. GWB-Novelle Um die Unsicherheiten der als zeitaufwändig angesehenen Marktmachtbestimmung zu umgehen, wurde im Kontext datenbasierter Märkte im Hinblick auf ihre Tippinggefahr die Absenkung der Eingriffschwelle auf wettbewerbliche Verhaltensweisen, die erst eine Monopolstellung herbeiführen sollen, diskutiert.222 Auch wenn das tipping durch „Datenmacht“ nur verstärkt wird, tritt es oft auf Plattformmärkten im datenbasierten Bereich auf. Diese Überlegungen haben Eingang in die Novellierung des § 20 GWB sowie die Schaffung des § 19a GWB gefunden. § 19a GWB soll dem BKartA ermöglichen Digitalkonzerne zu kontrollieren, denen eine überragende, marktübergreifende Bedeutung zukommt. So sollen Gatekeeper bzw. competitive bottleneck Situationen adressiert und die strategische Positionierung und Erweiterung der Geschäftstätigkeit auf immer neue Märkte verhindert werden. Damit soll der Wettbewerbsprozess auch im Hinblick auf noch nicht beherrschte Märkte durch Untersagungsverfügungen des BKartA geschützt werden.223 Ob die Absenkung der Eingriffsschwelle in Verbindung mit einer geplanten Beweislastumkehr geeignet ist, diese Ziele zu erreichen ohne die Gefahr eines over 220
Lübbert/Schöner, in: Wiedemann, Handbuch Kartellrecht, § 24 Rn. 10; BGH 24. 9. 2002 – KVR 8/01, Rn. 28; sowie BGH, EuGH-Vorlage 19. 1. 1993 – KVR 25/91, Rn. 30. 221 Loewenheim, in: Loewenheim et al., § 20 GWB, Rn. 9. 222 Vgl. Schweitzer/Haucap/Kerber/Welker, Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen, S. 40, 59 ff. 223 BegrRegE (10. GWB-Novelle), BT-Drucks. 19/23492, 84.
§ 6 Zugang und Kombination von Daten als Ausdruck von Marktmacht
227
enforcements zu bergen, bleibt, ebenso wie die Entwicklung im Gesetzgebungsprozess, abzuwarten.224 Auch um die Problematik der competetive bottlenecks zu adressieren, soll in § 18 Abs. 3b und § 20 Abs. 1 S. 2 GWB die Intermediationsmacht eingeführt werden. Der Gesetzgeber spricht mit Schweitzer/Haucap/Kerber/Welker von „Intermediationsmacht“, wenn Anbieter auf die Vermittlungsdienstleistungen von Plattformen für den Zugang zur Marktgegenseite also den Beschaffungs- oder Absatzmarkt angewiesen sind.225 Damit ist u. a. auch die Problematik der Erfassung von competitive bottlenecks im Spannungsfeld von Marktabgrenzung und Marktmacht angesprochen.226 Es handelt sich hierbei um eine Klarstellung, die eine stärkere Konturierung des Phänomens und wohl auch die Aufmerksamkeit des Rechtsanwenders bewirken soll.227 Von ihr geht auch kein negativer Effekt aus und sie stellt auch nicht die Einführung einer dritten Machtart neben Angebots- und Nachfragemacht dar.228 Eine Berücksichtigung der Vermittlungsleistung von Plattformen auf datenbasierten Märkten ist auch ohne eine solche Klarstellung möglich. Wenn man nämlich eine enge Marktabgrenzung vornimmt oder die Relevanz der Vermittlungstätigkeit als Marktmachtfaktor mit § 18 Abs. 3b GWB n.F. berücksichtigt, so ist zumindest die marktbeherrschende Stellung eines vermittelnden Unternehmens als bottleneck adressiert. So hat das BKartA die Problematik eines möglichen Multi-Homings dadurch gelöst, dass es nur solche Substitute zur Vermittlungsleistung von CTS Eventim berückichtigt hat, die einen etwa gleich starken Absatz ermöglichten.229 Mit der Verschiebung des Fokusses weg von absoluten Marktanteilen und der Berücksichtigung des Phänomens der competitive bottlenecks kann auch im bestehenden System des § 18 GWB der Umstand Berücksichtigung finden, dass die Kontrolle über den Marktzugang bereits bei niedrigeren Marktanteilen zu einer kartellrechtlich relevanten Position führen kann.230 Darüber hinaus bleibt die oben angesprochene Möglichkeit der Erfassung durch § 20 Abs. 1 GWB.
F. Die Marktbeherrschungsvermutungen § 18 GWB enthält sowohl für das Vorliegen von Einzelmarktbeherrschung (Abs. 4) als auch für die Oligopolmarktbeherrschung (Abs. 6) Vermutungstatbe224
Kritisch Polley/Kaup, NZKart 2020, 113 (115 ff.). BegrRegE (10. GWB-Novelle), BT-Drucks. 19/23492, 79 f. Schweitzer/Haucap/Kerber/ Welker, Modernisierung der Missbrauchsaufsicht, S. 66 ff. 226 Insgesamt kritisch Volmar, Digitale Marktmacht, S. 459 f. 227 BegrRegE (10. GWB-Novelle), BT-Drucks. 19/23492, 80. 228 So aber Volmar, Digitale Marktmacht, S. 460. 229 BKartA 23. 11. 2017 – B6-35/17, Rn. 123 ff. „CTS Eventim/Four Artists“. 230 So auch Schweitzer/Haucap/Kerber/Welker, Modernisierung der Missbrauchsaufsicht, S. 72. 225
228
Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
stände, wobei für letztere auch die Voraussetzungen einer Widerlegung explizit normiert (Abs. 7) sind. Die Vermutungstatbestände knüpfen hierbei ausschließlich an den absoluten Marktanteil als Indikator für Marktmacht an. Grundsätzlich ist das strukturelle Merkmal der Marktanteile für betroffene Unternehmen, Kartellbehörden und Gerichte vergleichsweise rechtssicher feststellbar, sodass die Vermutungen zur Vereinfachung der Rechtsanwendung beitragen sollten.231 Die Marktbeherrschungsvermutung des § 18 Abs. 4 GWB ist für die datenbasierte Ökonomie gleich aus zweierlei Gründen unpassend.232 Zum einen sind die Marktanteile schwerer zu bestimmen, zum anderen ist ihre Bedeutung umstritten.233 Berücksichtigt werden sollte, dass auf Märkten mit wechselseitigen positiven Netzwerkeffekten ein hoher Marktanteil auf einen Tippingprozess hindeutet und auf Märkten mit einseitigen positiven Netzwerkeffekten ein hoher Marktanteil bei den Nutzern, von welchen diese Effekte ausgehen, unkontrollierten Verhaltensspielraum gegenüber der korrespondierenden Seite indiziert.234 Dennoch schließt eine rein strukturelle Betrachtung des Marktes aus, es bedarf vielmehr einer umfassenden Betrachtung. Die Marktbeherrschungsvermutung des § 18 Abs. 4 GWB scheint deshalb für die datenbasierten Märkte durchaus unpassend zu sein. Die Wirkung der Marktbeherrschungsvermutung erschöpft sich aber ohnehin im Verwaltungsverfahren in ihrer Funktion als Beweislastregel; materiellrechtliche Wirkungen kommen ihr dagegen nicht zu.235 Im Verwaltungsverfahren tragen die Behörden trotz der Vermutung weiterhin die formelle Beweislast, der Amtsermittlungsgrundsatz bleibt also bestehen.236 Die Vermutung entbindet die Kartellbehörden allerdings ohnehin nicht von einer umfassenden Ermittlung aller relevanten Faktoren um eine Marktbeherrschung nachzuweisen.237 Erst wenn es insoweit zu einem non liquet kommt, kann auf die Vermutung des § 18 Abs. 4 GWB zurückgegriffen werden.238 Im Ordnungswidrigkeitenrecht, also im Bußgeldverfahren, kann die Vermutung keine Wirkung entfalten.239 Noch nicht abschließend geklärt ist die Wirkung des Abs. 4 in Kartell-Zivilverfahren,240 mit der wohl herr231
Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 GWB Rn. 194. So auch Körber, WuW 2015, 120 (123). 233 Ebenso BKartA Arbeitspapier, 78. 234 Ebenso BKartA, Arbeitspapier, 78. 235 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 GWB Rn. 197; dazu im Einzelnen Wolf, in: MüKo § 18 GWB Rn. 74 m.w.N. (insbes. keine Regelvermutung und kein Instrument der Beweiswürdigung). 236 Bechtold/Bosch, § 18 GWB Rn. 69; Kühnen, in: Loewenheim et al., § 18 GWB Rn. 125; Wolf, in: MüKo § 18 GWB Rn. 74 ff. 237 Vgl. etwa OLG Düsseldorf 30. 7. 2003, V Kart 35/02, WuW/E DE-R 1159, 1161 „BASF/ NEPG“ (zu § 19 Abs. 3 S. 1 GWB a.F.). 238 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 Rn. 200; Kühnen, in: Loewenheim et al., § 18 Rn. 125. 239 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 Rn. 200. 240 Ausführlich zum Meinungsstand Wolf, in: MüKo § 18 GWB Rn. 77 ff. m.w.N. 232
§ 6 Zugang und Kombination von Daten als Ausdruck von Marktmacht
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schenden Meinung ist aus § 18 Abs. 4 GWB aber nur eine Verpflichtung des Unternehmens zu einer substantiierten Darlegung herzuleiten, warum trotz Erfüllung der Vermutungswirkung keine marktbeherrschende Stellung vorliegen soll.241 So kommt der Vermutung im Verwaltungs- und im Zivilverfahren eine vergleichbare Wirkung zu, sodass auch hier kein Handlungsbedarf besteht. Eine über die Anpassung der Praxis hinausreichende Änderung des Gesetzes durch die 9. GWB Novelle war für die Anpassung auf die datenbasierte Ökonomie deshalb nicht geboten.242 Die Oligopolvermutung in § 18 Abs. 5, 6 GWB hingegen stellt eine echte Beweislastumkehr dar.243 Tatsächlich ist aber ein wettbewerbsloses Oligopol auf datenbasierten Märkten aufgrund der zu einem tipping tendierenden Netzwerkeffekte zumindest auf Matchingplattformen unwahrscheinlich, da eine implizite Koordinierung und Überwachung hinsichtlich eines möglichen Abweichens nicht nur auf einer, sondern auf mehreren Seiten erfolgen müsste.244
G. Datenzugang als Kriterium im europäischen Recht Das in Art. 102 AEUV enthaltene Missbrauchsverbot gilt nur für Unternehmen, die – alleine oder gemeinsam mit anderen Unternehmen – eine beherrschende Stellung zumindest auf einem wesentlichen Teil des EU-Binnenmarktes einnehmen. Damit kommt der Frage, wann eine solche Marktposition vorliegt, auch im europäischen Recht entscheidende Bedeutung für die Tragweite des Missbrauchsverbots zu.245 Die Implementierung neuer Gegebenheiten in den Prüfkatalog zur Feststellung von Marktmacht gestaltet sich jedoch – durch den EU-Gesetzgeber bewusst ermöglicht – leichter als im deutschen Recht. Auf EU-Ebene ist die Bestimmung von Marktmacht der Behördenpraxis überlassen.
241
Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, § 18 Rn. 200; Bechtold/Bosch, § 18 Rn. 70; Bardong, in: Langen/Bunte, § 18 Rn. 213; Lübert/Schöner/Wiedemann, Kartellrecht, § 23 Rn. 42; Kühnen, in: Loewenheim et al., § 18 Rn. 126; a.A. Paschke, in: Frankfurter Kommentar § 19 Rn. 463. In diese Richtung tendiert auch der BGH 23. 2. 1988, WuW/E BGH 2483, (2488) „Sonderungsverfahren“ zur Vorgängerregelung. 242 So auch Körber, WuW 2015, 120 (128). 243 Bardong, in: Langen/Bunte, § 18 Rn. 234 f.; Bechtold/Bosch, § 18 GWB Rn. 74; mit Einschränkungen im Verwaltungsverfahren Wolf, in: MüKo § 18 GWB Rn. 94 f. 244 BKartA 24. 7. 2015 – B8-75/15, S. 3 „Online-Vergleichsplattformen“. 245 Fiedler/Bergmann, in: Loewenheim et al., Art. 102 AEUV Rn. 113.
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
I. Unternehmensstrukturanalyse und Marktstrukturanalyse Für den Nachweis der Marktbeherrschung ist auch im europäischen Recht eine Vielzahl unterschiedlicher Kriterien auszuwerten, die sich als Analyse der Marktstruktur, der Unternehmensstruktur sowie des Marktverhaltens systematisieren lassen.246 Die Marktstruktur hat dabei das größte Gewicht, hierbei ist wiederum der Marktanteil zentrales Kriterium für den Grad des Wettbewerbs im Markt.247 So geht auch der EuGH seit seiner Grundsatzentscheidung in der Rechtssache Hoffmann-La Roche in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass „besonders hohe Anteile – von außergewöhnlichen Umständen abgesehen – ohne weiteres den Beweis für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung liefern können“.248
Daneben haben die Möglichkeit potenziellen Wettbewerbs und die damit verknüpfte Existenz von Marktzutrittsschranken große Bedeutung.249 Die Unternehmensstrukturanalyse hebt auf die Identifikation individueller Merkmale ab, welche Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten begründen können, weil sie die Fähigkeit vermitteln, sich wettbewerbsunabhängig zu verhalten oder Restwettbewerb zu verhindern.250 Maßgebend ist deshalb, welche Ressourcen, Mittel und Methoden das Unternehmen zur Beschaffung, Herstellung und Vermarktung seines Produkts einsetzen kann.251 Regelmäßig dient die Unternehmensstrukturanalyse der Absicherung der Ergebnisse aus der Marktstrukturanalyse.252 Zu berücksichtigen bleibt immer, ob etwaige Effizienzvorsprünge nicht kurzfristig von Konkurrenten eingeholt werden können.253 Faktoren der Unternehmensstruktur sind technologischer Vorsprung,254 vertikale Integration,255 ein gut ausgebautes Ver246 Klassische Systematisierung nach Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 86; Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 102 Rn. 88; Bergmann/Fiedler, in: Loewenheim et al., Art. 102 Rn. 117; Bulst, in: Langen/Bunte, Art. 102 AEUV Rn. 44. 247 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 86; laut EuGH „in hohem Maße kennzeichnend“, 13. 2. 1979, Slg. 1979, 461, 520 Rn. 39 „Hoffmann-La Roche“; ebenso EuG 12. 12. 1991, Slg. 1991, II-1439, 1480 Rn. 90 „Hilti“. 248 EuGH 13. 2. 1979, Slg. 1979, 461, 521 „Hoffmann-La Roche“; ebenso EuGH 3. 7. 1991, Slg. 1991, I-3359, 3453 Rn. 60 „AKZO“; aus der Praxis der Kommission s. z. B. Komm. 24. 3. 2004, COMP/37.792 Rn. 429 ff. „Microsoft“. 249 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 97. 250 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 102. 251 Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 102 AUEV Rn. 97. 252 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 102. 253 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 102. 254 Vgl. Komm. 9. 12. 1971, L 7/25, 35 f. „Continental Can“; 14. 12. 1985, L 374/1, Rn. 69 „ECS/AKZO II“, bestätigt durch EuGH 3. 7. 1991, Slg. 1991, I-3359, 3453, Rn. 61; Komm. 24. 7. 1991, ABl. 1992, L 72/1, 19 Rn. 101 „Tetra Pak II“, Komm. 13. 5. 2009, COMP/37.990, Rn. 854 ff. „Intel“, in der die Kommission den technologischen Vorsprung des Chipherstellers Intel gegenüber potenziellen Wettbewerbern allerdings aus deren Perspektive als Marktzutrittsschranke erfasst hat.
§ 6 Zugang und Kombination von Daten als Ausdruck von Marktmacht
231
triebsnetz,256 sowie die Ressourcen des Unternehmens257 (bspw. in Form des Zugangs zu Rohstoffmärkten)258. Die Marktverhaltensanalyse ist eher nachrangig zu berücksichtigen, da die Gefahr eines Zirkelschlusses besteht.259 Berücksichtigt werden muss auch, ob das Unternehmen aufgrund einer miteinander verzahnten Produktpalette die Abnehmer binden kann und durch die so bewirkte Abhängigkeit einen Vorsprung vor seinen (potentiellen) Wettbewerbern begründen kann.260
II. Berücksichtigung des Datenvorteils in der bisherigen Rechtsprechung Der Zugang zu Daten hat auch in der bisherigen Praxis Beachtung gefunden.261 Im Fall von Google erkannte die Kommission zwingende Investitionen in Zeit und Ressourcen für Forschung und Entwicklung als Markteintrittsbarrieren.262 Die Kommission hielt die Menge von Daten als der Dienstleistung zugrunde liegenden Ressource für besonders relevant.263 Auch könne die Relevanz von Markteintrittsbarrieren nicht bestritten werden durch die Tatsache, dass Google in der Lage war die Führerschaft von AltaVista zu übernehmen.264 Zu diesem Zeitpunkt waren die Skaleneffekte mangels technologischer Möglichkeiten der Berücksichtigung des Nutzerverhaltens kaum relevant.265 In Kombination mit den positiven Rückkopplungseffekten bzw. Schneeballeffekten komme es so zu Marktzutrittsschranken.266
255 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 11; Schröter/Bartl, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 102 Rn. 111. 256 Komm. 9. 6. 1976, ABl. 1976, L 223/27, 30 Rn. 8 „Vitamine“, bestätigt durch EuGH 13. 2. 1979, Slg. 1979, 461, 524 Rn. 48 „Hoffmann-La Roche“; Komm. 22. 12. 1987, ABl. 1988, L 65/19, 34 Rn. 69 „Eurofix-Bauco/Hilti“; insgesamt bestätigt durch EuG 12. 12. 1991, Slg. 1991, II-1439 und EuGH 2. 3. 1994, Slg. 1994, I-667; Komm. 14. 12. 1985, ABl. 1985, L 374/1, 18 Rn. 69 „ECS/AKZO II“, bestätigt durch EuGH 3. 7. 1991, Slg. 1991, I-3359, 3453 Rn. 61. 257 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 107. 258 Komm. 9. 12. 1971, ABl. 1972, L 7/25, 35 Rn. 3 „Continental Can“; EuGH 14. 2. 1978, Slg. 1978, 207, 287 ff. „United Brands“. 259 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 109. 260 Ibid, Rn. 107. 261 Vertiefend hierzu auch Schmidt, Zugang zu Daten nach europäischem Kartellrecht, 2020. 262 Komm. 27. 6. 2017, COMP/AT.39740 Rn. 286 „Google Search (Shopping)“. 263 Komm. 27. 6. 2017, COMP/AT.39740 Rn. 287 f. „Google Search (Shopping)“. 264 Komm. 27. 6. 2017, COMP/AT.39740 Rn. 289 „Google Search (Shopping)“. 265 Wonach maschinelles Lernen erst durch modern Suchmaschinen entwickelt wurde, Komm. 27. 6. 2017, COMP/AT.39740 Rn. 290 „Google Search (Shopping)“. 266 Komm. 27. 6. 2017, COMP/AT.39740, Rn. 292 „Google Search (Shopping)“.
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
Die Kommission erkennt an, dass mit der Zahl der Nutzer auf der Suchseite auch die Wahrscheinlichkeit eines Klicks und damit der Finanzierung steigt. Dies erlaube eine Reinvestition in die Verbesserung der Produkte und Akquise.267 In der Fusionsentscheidung Facebook/WhatsApp prüfte die Kommission den Zugriff auf die Daten als theory of harm, jedoch nicht als mögliche Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung.268 Ebenso bei der Entscheidung Microsoft/Yahoo! Search Business, wo die Zahl der Suchvorgänge als wichtige Ressource für die Performance gesehen wurde und deshalb die Nutzung der Skaleneffekte bei der Datensammlung der zusammengeschlossenen Einheit ein relevanter Faktor sei.269 Im Fall Google/DoubleClick wurde nicht auf die schiere Größe beider Datenbanken abgestellt, sondern auf den ökonomischen Wert der dort kumulierten Daten und ihrer möglichen Reproduzierbarkeit für (potentielle) Wettbewerber.270 Dieser Wert sei bei Daten von Internet Service Providern oder bei Anbietern von Betriebssystemen hoch, weil es sich um werberelevante Daten handeln würde, zu denen ein begrenzter Zugang bestünde.271
III. Zugang zu Daten als Marktzutrittsschranken Die Rolle als substantieller Wettbewerbsfaktor für Unternehmen wird also von den Unionsbehörden anerkannt. Es kann sich somit um eine Marktzutrittsschranke handeln,272 die sich aus der Kombination von Markt und Unternehmensstruktur ergibt. Marktzutrittsschranken ergeben sich nach Unionsverständnis aus den Kosten, die ein Unternehmen tragen muss, das in einen Markt eintreten will, die von den dort schon tätigen Unternehmen aber nicht getragen werden müssen.273 Solche sind irreversible Kosten, economies of scale und scope, ein privilegierter Zugang zu Rohstoffen, ein gut ausgebautes Distributionsnetzwerk, Reputationseffekte oder vertikale Integration.274 Ebenso wie im deutschen Recht kann der Zugang zu Daten dann als Marktzutrittsschranke gesehen werden, wenn diese für den Markt und das Unternehmen wettbewerbsrelevant sind. Dies ergibt sich aus dem Zweck des Art. 102 AEUV, der 267
Komm. 27. 6. 2017, COMP/AT.39740, Rn. 293 f. „Google Search (Shopping)“. Komm. 03. 10. 2014, COMP/M.7217, Rn. 180 „Facebook/Whatsapp“. 269 Komm. 18. 2. 2010, COMP/M. 5727, Rn. 225 f. „Microsoft/Yahoo! Search Business“. 270 Komm. 11. 03. 2008, COMP/M.4731, Rn. 268 „Google/DoubleClick“. 271 Komm. 11. 03. 2008, COMP/M.4731, Rn. 272 „Google/DoubleClick“. 272 Etwa EDPS, Privacy and competitiveness in the age of big data, Rn. 66; Monopolkommission, Hauptgutachten XX, Rn. 23; für die Fusionskontrolle Holzweber, NzKart 2016, 105 (108). 273 Mestmäcker/Schweitzer, § 26 Rn. 75 ff. Kommission, Prioritätenmitteilung Behinderungsmissbrauch, Rn. 17. 274 Mestmäcker/Schweitzer, § 17 Rn. 43. 268
§ 6 Zugang und Kombination von Daten als Ausdruck von Marktmacht
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den Schutz des Leistungswettbewerbs und der Abnehmer ermöglichen soll.275 Der Datenschutz und damit ein Einschreiten des Kartellrechts gegen eine große Datenmenge in den Händen eines Unternehmens gehört nicht zu den Aufgaben des Kartellrechts.276 Auch aus dem in jüngerer Zeit relevanter werdenden Aspekt der Verbraucherwohlfahrt277 lässt sich ein allgemeiner Datenschutzgedanke nicht herleiten.278 Deshalb vermitteln Daten nur Marktmacht, wenn sie wettbewerbsrelevant sind. Dies ist der Fall, wenn die Daten produktrelevant sind, schwerlich substituierbar und aufgrund der Skalen- und Verbundeffekte eine gewisse Größe des Datenschatzes notwendig ist. Neben dem Eintritt neuer Wettbewerber in den Markt muss zudem die Expansion bereits vorhandener Wettbewerber berücksichtigt werden. Der nicht aufholbare Zugang zu Daten kann bereits im Markt agierende kleine Wettbewerber als barriers to expansion279 daran hindern, ihre Marktanteile auszubauen. Diese Wettbewerber müssen zwar nicht mehr die Kosten für den Markteintritt investieren, sie können aber mangels Größe, wirkender Skalen-, Verbund- und Netzwerkeffekte die ihnen auf dem Markt zur Verfügung stehenden Informationen nicht in gleicher Weise verarbeiten. Durch die bereits erläuterten Schneeballeffekte sinken dadurch auch ihre Ressourcen für die Forschung und Entwicklung besserer Produkte. Deshalb darf der Rechtsanwender nicht der Einschätzung des EuG und der Kommission folgen und die Marktzutrittsschranken sowie die Marktmacht aufgrund der Unentgeltlichkeit des Marktes als gering einschätzten.280 Das EuG vertrat, dass die Verbraucher damit rechneten, private Kommunikationsdienste kostenlos zu nutzen, weshalb die Möglichkeiten der neuen Einheit, ihre Preispolitik frei zu bestimmen, erheblich eingeschränkt seien.281 Dies betrifft aber auch die kleineren Wettbewerber, die in Ermangelung der Möglichkeit eines Preisnachlasses für geringere Qualität mit geringeren Datenmengen versuchen müssen, ähnliche Qualität zu leisten. In der Unternehmensstrukturanalyse wird die vertikale Integration als Wettbewerbsvorteil gesehen, weil ein erleichterter Zugang zu den Rohstoffen eine erhöhte Versorgungssicherheit garantiert und gleichzeitig hierdurch der Marktzutritt anderer 275 Eilmannsberger/Bien, in: MüKo Art. 102 AEUV Rn. 3; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 Rn. 4. 276 Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217, Rn. 164 „Facebook/WhatsApp“ „(d)atenschutzspezifische Bedenken, die sich aus dem Umstand ergeben, dass nach dem geplanten Zusammenschluss größerer Datenmengen unter der Kontrolle von Facebook stehen, […] nicht in den Anwendungsbereich des EU-Wettbewerbsrechts (fallen).“ 277 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 Rn. 4. 278 Anders aber der Europäische Datenschutzbeauftragte; es solle ein Konzept des Verbraucherschadens durch Verletzung des Datenschutzrechts erarbeitet werden, Privacy and competitiveness in the age of big data, Preliminary Opinion, März 2014, Rn. 71. 279 Kommission, Prioritätenmitteilung, Rn. 16. 280 So EuG 11. 12. 2013, Rs. T-79/12, Rn. 73 „Cisco Systems/Messagenet“; Komm. 3. 10. 2014 COMP/M.7217, Rn. 94 „Facebook/WhatsApp“. 281 EuG 11. 12. 2013, Rs. T-79/12, Rn. 73. „Cisco Systems und Messagenet/Kommission“.
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
erschwert wird.282 Dieser Zugang zu den Daten als Rohstoff ist durch die Mehrseitigkeit des Marktes häufig gegeben, sodass das Geschäftsmodell an sich schon als Unternehmensstrukturvorteil in der Unternehmensstrukturanalyse berücksichtigt werden kann. Damit kann der Zugang zu Daten auch im europäischen Recht im Rahmen der Markteintrittsbarrieren aufgrund der Unternehmensstruktur berücksichtigt werden, wie es in der Entscheidungspraxis geschieht.
IV. „Datenmacht“ überlegener Unternehmen Das europäische Wettbewerbsrecht kennt keine Vorschriften zur relativen Marktmacht und kann so der oben adressierten Situation de lege lata nicht wettbewerbsrechtlich begegnen. Stattdessen diskutiert die Kommission neue Datenhersteller- und Datenzugangsrechte, um den Datensubjekten die wirtschaftliche Verwendung ihrer Nutzungsdaten zu ermöglichen.283 Aktuell plant die Kommission mit dem Digital Services Act die verbesserte Regulierung digitaler Angebote. Dies soll neben der Möglichkeit einer ex ante Regulierung von digitalen Plattformen die Schaffung eines New Competition Tools umfassen. Mit diesem Werkzeug sollen Lücken im System des Wettbewerbsschutzes geschlossen werden, um besser auf aktuelle Entwicklungen, v. a. auf datenbasierten Märkten, reagieren zu können.284 Die erste Maßnahme, eine ex ante Regulierung digitaler Plattformen, soll die Frage der gleichen Wettbewerbsbedingungen auf den europäischen Märkten angehen, auf denen zurzeit einige wenige große Online-Plattformen als Torwächter agieren.285 Die zweite Maßnahme soll der Kommission ermöglichen, bei der Feststellung struktureller Wettbewerbsprobleme Unternehmen verhaltensbezogene und gegebenenfalls strukturelle Abhilfemaßnahmen aufzuerlegen. Die Benennung von Verstößen und Verhängung von Geldbußen soll nicht Teil des New Comeptetion Tools sein. Die Kommission erkennt dabei zwei Kategorien von strukturellen Wettbewerbsproblemen: Die strukturellen Risiken für den Wettbewerb und den struktu282
Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 105. Komm., COM(2017) 9 fin., 11 f. (14); auch adressiert die Kommission die Problematik der Asymmetrie kleinen Händler gegenüber den Online-Handelsplattformen und erkennt, dass die zunehmende Vermittlung von Transaktionen über Online-Plattformen in Verbindung mit starken indirekten Netzeffekten verbunden ist, die durch die von den Online-Plattformen genutzten Daten noch verstärkt werden können. Diese größere Abhängigkeit der Unternehmen von Online-Plattformen kann das europäische Kartellrecht nicht adressieren. Komm., SWD(2017) 2 fin., 33 ff. 284 Komm. Pressemitteilung 2. 6. 2020, IP/20/962; Komm. Single Market – new complementary tool to strengthen competition enforcement. 285 Komm. Pressemitteilung 2. 6. 2020, IP/20/962. 283
§ 7 Berücksichtigung externen Datenwachstums in der Fusionskontrolle
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rellen Mangel an Wettbewerb. Letzteres umfasse u. a. mangelnden Datenzugang oder Datenakkumulation, was zu einem systemischen Marktversagen führen könne.286 Durch die Entkopplung der Verhängung von Abhilfemaßnahmen, auch im Bereich des Datenzugangs und der Datenakkumulation, von der Frage der Marktmacht, kann de lege feranda auch im europäischen Recht die Problematik „datenmächtiger“ Unternehmen adressiert werden. Freilich bleiben hierbei zahlreiche offene Fragen, wie beispielsweise eine Rechtssicherheit bergende Definition und Prüfungsprogramm der „strukturellen Wettbewerbsprobleme“ oder die Beweislast in einem solchen Verfahren.
H. Endergebnis Üblicherweise dient die Prüfung der Unternehmensstruktur dazu, das in der Marktstrukturanalyse gewonnene Ergebnis abzusichern.287 Eine unternehmensbezogene Betrachtung wird der Dynamik des Wettbewerbsgeschehens eher gerecht. In datenbasierten Märkten sind die Unternehmen z. T. flexibler und auch die Marktstrukturen können sich durch disruptive Innovationen ändern. Der Zugang zu Daten stellt deshalb einen wichtigen Marktmachtindikator dar, da er ebenso zur Unternehmensstruktur gehörend auch auf andere Märkte übertragbar ist. Die Rolle der Daten sollte dabei aber im Rahmen der Marktabgrenzung und Marktmachtbestimmung berücksichtigt werden.
§ 7 Die Berücksichtigung externen Datenwachstums in der Fusionskontrolle Die Vorschriften der Fusionskontrolle begrenzen externes Unternehmenswachstum und sollen so die Entstehung von Marktstrukturen verhindern, die dauerhaft den Fortbestand oder die Entstehung von Wettbewerb erschweren.288 Auch wenn externes Unternehmenswachstum durch Effizienzen prokompetitiv wirken kann, ermöglicht das Kartellrecht eine Marktstrukturkontrolle der Fusionsauswirkungen auf der Grundlage einer Prognoseentscheidung.289 Kernstück der materiellen Zusammenschlussprüfung ist der mit der 8. GWB-Novelle eingeführte SIEC-Test als Grundtatbestand, sowie der Marktbeherrschungstest als Regelbeispiel. Das Kriterium der erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs erlaubt nicht nur bestimmte Zusammenschlusswirkungen als Wettbewerbsbehinderung zu erfassen, die nach dem gängigen Verständnis nicht als Begründung oder Verstär286 287 288 289
Komm. Pressemitteilung 2. 6. 2020, IP/20/977. Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 102. Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, Vorbemerkung zu § 35 GWB, Rn. 1. Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, Vorbemerkung zu § 35 GWB Rn. 1 f.
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
kung von Marktbeherrschung hätten qualifiziert werden können, sondern auch die konkreten Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb und die Verbraucher in die Prüfung einfließen zu lassen (effects based-approach).290 Die Anwendung sowohl der formellen als auch der materiellen Fusionskontrolle auf datenbasierten Märkten bedarf der Berücksichtigung der aus der Natur der Märkte resultierenden Charakteristika. Neben den in den vorherigen Kapiteln bearbeiteten Fragestellungen der zu definierenden Märkte und ihrer Abgrenzung, stellt sich im Rahmen der materiellen Zusammenschlusskontrolle vor allem die Frage, wie die Betrachtung externen Größen- und Datenwachstums in die kartellrechtliche Prüfung eingebunden werden kann.291 Für den als Regelbeispiel weiterhin das zentrale Untersagungskriterium292 darstellenden Marktbeherrschungstests ist größtenteils auf die Ausführungen des § 6 zu verweisen. Dennoch muss das externe Datenwachstum zusätzlich im Hinblick auf eine künftige Marktentwicklung betrachtet werden. Eine Ausrichtung der Prüfung an hergebrachten Leitlinien birgt das Risiko, dass die konkreten Plattformgegebenheiten ebenso wie die Effekte, die durch die Datencharakteristika vermittelt werden, tendenziell zu wenig berücksichtigt werden. Geradezu plakativ erscheint hier die gegen Facebook verhängte Geldbuße der Kommission, nachdem das Unternehmen 2014 im Rahmen der durchgeführten Prüfung seiner Übernahme von WhatsApp fälschlicherweise behauptet hatte, dass es nicht in der Lage sei, einen zuverlässigen automatischen Abgleich zwischen den bei Facebook bzw. bei WhatsApp unterhaltenen Benutzerkonten vorzunehmen.293 Im August 2016 kündigte WhatsApp im Rahmen einer Aktualisierung seiner Nutzungsbedingungen und seiner Datenschutzbestimmungen jedoch die Möglichkeit an, die Telefonnummern der WhatsApp-Nutzer mit den jeweiligen Facebook-Nutzerprofilen zu verknüpfen. Hier hatte die Kommission, unabhängig von den falschen Informationen, Entwicklungsmöglichkeiten nicht ausreichend in ihre Prognose einbezogen. Durch die Datenkombination, so wird befürchtet, könnte es Plattformbetreibern möglich werden, sich (auch) unabhängig von ihrer Marktmacht langfristig vom Wettbewerb abzuschotten oder neue Märkte schon zu besetzen, bevor ihre Wettbewerber eine effektive Reaktionsmöglichkeit haben.294 In der aktuellen Diskussion wird vorrangig die Ermittlung von Nutzerpräferenzen aus personenbezogenen Daten
290
Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, Vorbemerkung zu § 35 GWB, Rn. 5. Die Ausführungen zu den Besonderheiten der Marktdefinition und Marktabgrenzung beanspruchen auch für die Zusammenschlusskontrolle Geltung. 292 Dazu auch Stellungnahme der Bundesregierung zu BKartA TB 2011/2012, BT-Drucks. 17/13675, S. VIII: „Die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung wird auch im Rahmen des SIEC-Tests das maßgebliche Regelbeispiel bleiben“, sowie Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, Vorbemerkung zu § 35 GWB Rn. 6. 293 Komm. Pressemitteilung, 18. 5. 2017, IP/17/1369. 294 Monopolkommission, Sondergutachten 68, Rn. 478 f.; 22 ff., 244 ff., 316 ff.; Weck, NZKart 2015, 290 (295). 291
§ 7 Berücksichtigung externen Datenwachstums in der Fusionskontrolle
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berücksichtigt, ähnlichen Umfang könnten jedoch auch die Kenntnisse durch maschinengenerierte Daten im Bereich der Produktion haben. Ebenso wird befürchtet, dass Marktbeherrscher Unternehmen aufkaufen, die sich zu Wettbewerbern des erwerbenden Unternehmens hätten entwickeln können oder dass die Akquisition der Identifikation neuer Märkte und der Expansion in diese dient. So würden bestehende Datenzugänge, Datenbanken und inkorporierte Netzwerkeffekte gekauft und somit Marktzutrittsschranken umgangen.295 Die Abschottung der Märkte könnte die Folge sein. Zu untersuchen sind damit die bestehenden (und zukünftigen) Möglichkeiten der Einbeziehung von Daten in die kartellrechtliche Beurteilung von Zusammenschlussvorhaben.296
A. Berücksichtigung von Datenbeständen und ihrer Kombination in der materiellen Fusionskontrolle I. Die erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs durch externes Datenwachstum Fraglich ist, inwieweit aus der Kombination von Daten der fusionierenden Unternehmen eine Behinderung des Wettbewerbs resultieren kann. Hierbei müssen nicht nur die bereits bestehenden Datenbestände berücksichtigt werden, sondern auch der Zugang zu den Quellen dieser Datenbestände.297 Denn neben den gesammelten Daten und daraus abgeleiteten Metadaten können bei einer Kombination der Geschäftsfelder auch die Zugänge zu den Datensubjekten und -objekten verknüpft werden, sodass in Zukunft generell bessere Datenprodukte entwickelt werden können. Dieser Wettbewerbsvorteil resultiert dann nicht auf dem Erfolg im Leistungswettbewerb, sondern auf dem Zukauf externer Daten. Mangels Legaldefinition und aussagekräftigen Praxisentscheidungen lässt sich die Definition der Behinderung erheblichen Wettbewerbs anhand des Ziels der Fusionskontrollverordnung sowie anhand der Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse folgendermaßen bestimmen298: Mit der Fusionskontrolle sind Zusammenschlüsse zu verhindern, die geeignet wären, den Verbrauchern die Vorteile wirksamen Wettbewerbs, wie niedrige Preise, hochwertige Produkte, eine große Auswahl an Waren und Innovationen, vorzuenthalten, indem die Marktmacht der Unternehmen spürbar
295 Innovationen müssten geschützt und Märkte vor strukturellen Verschließungen bewahrt werden, Monopolkommission, Sondergutachten 68, Rn. 108 f.; BegrRegE (9. GWB-Novelle), BT-Drs. 18/10207, 70 ff. 296 Für eine verstärkte Berücksichtigung der Daten Monopolkommission, Sondergutachten 68, Rn. 109. Zum Größenwachstum und der Berücksichtigung der competitive bottlenecks Blaschzock, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, S. 189. 297 Vgl. § 6. 298 Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim et al., Art. 2 FKVO Rn. 53.
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
erhöht würde.299 Die Prüfung der Wettbewerbswirkungen beinhaltet hierbei eine Gesamtbetrachtung der Umstände.300 Angesprochen werden zum einen die durch die externe Datenkombination vermittelte Marktmacht und die hiermit einhergehenden Schadenstheorien. Da es den einen, allumfassenden Datenmarkt nicht gibt, müssen die zu verknüpfenden Datenbestände konkret zueinander in Verhältnis gesetzt werden. Weiterhin muss auch hier die Datenkombination wettbewerblich relevant – also hypothetisch problembehaftet – sein, da mehr Daten nicht automatisch mehr Macht bedeuten. Grundsätzlich kann der Zugang zu den kombinierten Daten also im Rahmen einer Marktmachtbestimmung i.S.d. § 18 Abs. 3 a Nr. 4 GWB berücksichtigt werden. In diesem Abschnitt sollen divergierende Punkte der Datenkombination im Rahmen der Fusionskontrolle abweichend von der bloßen Marktmacht durch Datenzugang diskutiert werden.
II. Erhöhte Wahrscheinlichkeit des Auftretens bestimmter Schadenstheorien Auf datenbasierten Märkten könnte durch die Kombination unterschiedlicher Datenbanken die erhöhte Wahrscheinlichkeit bestimmter Schadenstheorien bestehen. Hier kommen vorrangig zwei Schadenstheorien in Betracht: Aufgrund des Plattform- und Netzwerkcharakters können solche Märkte unter bestimmten Umständen zur Konzentration tendieren.301 Der Monopolkommission folgend ist dabei im Rahmen der Fusionskontrolle zwischen den plattforminhärenten Konzentrationstendenzen und der durch den Zusammenschluss bedingten Stärkung der Marktmacht zu differenzieren.302 Die zweite spezifische Schadenstheorie ist die direkte Kombination bereits bestehender Datenbanken oder Datenzugänge. Fraglich ist, ob die Datenkombination neben der Erhöhung der Marktmacht zu weiteren wettbewerbsschädlichen Effekten führen kann. Big Data wird häufig als Input für nachgelagerten Märkte und Services genutzt, weshalb in Big Data Fällen häufig vertikale Abschottungsstrategien eine Rolle spielen werden. Auch die Effekte auf verschiedenen Ebenen der Versorgungskette, welche aus horizontalen Überschneidungen bei der Datenkollektion bestehen, sind anzutreffen.303 Die Berücksichtigung beider Schadenstheorien im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle ist deshalb problematisch, weil diese in der Vergangenheit von den europäischen und nationalen Leitlinien kaum thematisiert wurden.304 Diese äußerten 299 300 301 302 303 304
Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim et al., Art. 2 FKVO Rn. 54. Monopolkommission, Sondergutachten 68, Rn. 464. Weck, NZKart 2015, 290 (294); BKartA, Arbeitspapier, 48; vgl. § 3 A. III. 2. Monopolkommission, Sondergutachten 68, Rn. 472 ff. Tamke, ZWeR 2017 358 (380). Monopolkommission, Sondergutachten 68, Rn. 476.
§ 7 Berücksichtigung externen Datenwachstums in der Fusionskontrolle
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sich nur rudimentär zu den auf mehrseitigen Märkten zu beachtenden Besonderheiten.305 Jüngst kündigte die Kommission an die Folgen einer umfangreichen Datenakkumulation im Rahmen der Fusionskontrolle berücksichtigen zu wollen.306 1. SIEC-Test Unter Anwendung des SIEC-Tests ist die Berücksichtigung der vorgenannten Schadenstheorien in die Fusionskontrolle zu integrieren. Dieser erlaubt, im Gegensatz zum Marktbeherrschungstest, über die Strukturanalyse hinaus zu berücksichtigen, wie der Marktteilnehmer etwaige zusammenschlussbedingt vergrößerte Verhaltensspielräume nutzen wird.307 Das Kriterium der Einzel- oder Kollektivmarktbeherrschung orientiert sich an der durch den Zusammenschluss entstehenden Marktstruktur, der SIEC-Test stellt hingegen auch auf das nach dem Zusammenschlussverfahren zu erwartende Marktverhalten der Beteiligten und ihrer Konkurrenten ab. Denn bei einer Fusion im Oligopol ist beim Zusammenschluss großer Wettbewerber durchaus mit einem Rückgang kompetitiver Prozesse, also mit einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs zu rechnen.308 Auf diese Konstellation der sog. gap cases zielte 2004 die FKVO-Novelle ab, die den Beurteilungsmaßstab einführte und die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung nur noch als ein Regelbeispiel des neuen Beurteilungsmaßstabs normierte.309 Mit der 8. GWBNovelle wurde der SIEC-Test auch § 36 Abs. 1 S. 1 übernommen. Umstritten ist das Verhältnis des Regelbeispiels der Enstehung oder Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung zur Berücksichtigung unilateraler Effekte im Oligopol als erhebliche Behinderung. Die Kommission geht, ebenso wie der deutsche Gesetzgeber, wohl davon aus, dass das Regelbeispiel stets auch zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führt.310 In der Literatur wird die „Erheblichkeit“ oder „Spürbarkeit“ teilweise als zusätzliches Tatbestandskriterium auch für die marktbeherrschende Stellung oder nur für die Behinderung des wirksamen Wettbewerbs gesehen.311 305
Vgl. Komm. Nichthorizontalleitlinien, ABl. 2008 Nr. C 265, Rn. 62, 101; Komm. Horizontalfusionleitlinien, ABl. 2004 Nr. C031, Rn. 72 (jeweils zu Netzeffekten); BKartA, Leitfaden zur Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle, Rn. 36, 66. 306 Mitteilung der Kommission, Eine europäische Datenstrategie, 19. 2. 2020 COM(2020) 66 final, S. 16. 307 Steinvorth, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 20 Rn. 4. 308 Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 2 FKVO Rn. 3. 309 Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 2 FKVO Rn. 4 ff. 310 Komm. Leitlinien Horizontalfusionen, Rn. 22 ff.; vertiefend zum deutschen Recht und im Ergebnis ablehnend Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 GWB Rn. 13. 311 Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht, Art. 2 Rn. 24, Kahlenberg, in: Loewenheim et al., § 36 GWB Rn. 7; differenzierend Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 2 FKVO, Rn. 203 ff.; zögerlich für die unilateralen Effekte bejahrend Wagemann, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 16 Rn. 5; a.A. Bardong, in: Langen/Bunte, Art. 2 FKVO, Rn. 125.
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
Die Kommission nennt in ihren Leitlinien verschiedene Faktoren, die zu einer Verringerung des Wettbewerbsdrucks in oligopolistischen Märkten führen kann. Neben hohen Marktanteilen ist dies der Zusammenschluss naher Wettbewerber, begrenzte Wechselmöglichkeiten der Kunden, die Beseitigung einer wichtigen Wettbewerbskraft oder die Fähigkeit der fusionierten Einheit, die Wettbewerber am Wachstum zu hindern.312 In der Entscheidung zum Fall CK Telecoms stellte das EuG klar, dass ein gleichwertiges Ausmaß der Beeinträchtigung durch die unilateralen Effekte wie durch die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung vorliegen muss, sodass die Kommission mithin von keinen geringeren Auswirkungen bei der Prüfung der erheblichen Behinderung durch unilaterale Effekte ausgehen könne.313 Mit dem EuG muss für die Annahme einer erheblichen Behinderung des Wettbewerbs der Zusammenschluss erstens einen starken Wettbewerbsdruck beseitigen, den die fusionierenden Unternehmen aufeinander ausgeübt haben und zweitens eine Verringerung des Wettbewerbsdrucks auf die verbleibenden Wettbewerber zur Folge haben. Eine bloße Verringerung des Wettbewerbsdrucks genüge für sich genommen nicht.314 Oligopolistische Märkte mit differenzierten Gütern könnten gerade bei NichtTransaktionsmärkten vorliegen. So gibt es sowohl auf dem Leser-, als auch auf dem Werbe-/Anzeigenmarkt differenzierte Güter und verschiedene Arten von Informations- oder Werbekanälen.315 Ein weiterer Anwendungsfall des SIEC-Tests sind Portfolio- oder Markterweiterungsfälle, in denen bei konglomeraten Zusammenschlüssen die fusionierte Einheit durch Kopplung oder Bündelungsmaßnahmen die Wettbewerbssituation auf benachbarten Märkten substantiell verschlechtert, ohne dass es zur Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung kommt.316 Auf datenbasierten Märkten, auf welchen Marktanteilen eine geringere Aussagekraft zukommt, ermöglicht er die Beachtung unilateraler Effekte im Rahmen einer wirkungsorientierten Analyse unter Berücksichtigung widerstreitender Effekte und damit eine dynamischere und angemessenere Einschätzung, als dies bei strikter Orientierung am Marktstrukturtest möglich ist.
312
Komm. Leitlinien Horizontalfusionen, Rn. 25 ff. EuG 28. 5. 2020 – T-399/16, NZKart 2020, 378 – „Fusion Hutchinson/Telefonica UK“ Rn. 90 – Das Urteil ist zum Zeitpunkt der Bearbeitung noch nicht rechtskräftig. 314 EuG 28. 5. 2020 – T-399/16, NZKart 2020, 378 – „Fusion Hutchinson/Telefonica UK“ Rn. 96 f. 315 Vgl. § 2 C II. 316 Steinvorth, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 20 Rn. 95, dazu Säcker, WuW 2010, 370 (373). 313
§ 7 Berücksichtigung externen Datenwachstums in der Fusionskontrolle
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2. Schadenstheorien Die von der Monopolkommission angesprochenen plattforminhärenten Konzentrationstendenzen sind von den fusionsbedingten Konzentrationstendenzen abzugrenzen. Die Monopolkommission stellt damit auf die Wechselwirkungen ab, die abhängig von den Verbindungen zwischen den Plattformseiten zur Konzentration der Märkte beitragen.317 Sie zielt dabei hauptsächlich auf den ganzheitlichen Effekt des tippings ab. Es seien also vor allem die plattforminhärenten Konzentrationstendenzen unterhalb der Marktmacht zu berücksichtigen. Diese Konzentrationstendenzen führen dazu, dass ceteris paribus nur diese eine fusionierte Einheit Zugriff auf die Daten und damit auf die Vorprodukte zu Leistungen für die andere Plattformseite hat. Damit ist die Berücksichtigung der Konzentrationstendenzen jedenfalls mit Datenbezug zu sehen. Auch direkte Netzwerkeffekte können, soweit sie vorliegen, zu Lock-In Effekten führen. Die Nutzung von Daten kann Wechselkosten erhöhen.318 Da die Verwendung von Daten zu Verbesserungen und Innovationen im Bereich des Produkts im Vergleich zu Wettbewerbern ohne Zugriff auf Daten führen kann, besteht die Besorgnis, dass gerade den Unternehmen, die schon über viele Daten verfügen noch mehr Daten angetragen werden, da sie immer mehr Nutzer auf sich vereinen können.319 Wenn die Produkte und Dienstleistungen weiterhin ohne einen monetären Preis angeboten werden, konkurrieren die Anbieter nur durch und über die Qualität ihrer angebotenen Produkte, welche auch auf den ihnen laufend zur Verfügung gestellten Daten fußt.320 Angreifende Unternehmen können so aber nicht durch geringere Preise mit den großen Anbietern konkurrieren.321 Auf den neuen Märkten stellt sich die Frage, ob die Konzentrationstendenzen auf diesen Märkten zu wettbewerbsschädlichen Zusammenschlusswirkungen beitragen können.322 Die zweite Schadenstheorie ist die zusammenschlussbedingte Kombination von Datenbeständen auf der Plattform des Erwerbers, da diese den Erwerber mit einer dauerhaft überlegenen Kenntnis ausstatten kann.323 Dies könne dazu genutzt werden, in direkt benachbarte digitale Märkte wie auch in sonstige Märkte zu expandieren, die nicht den bisherigen Kernbereich des Unternehmens darstellen.324 Durch die zusammenschlussbedingte Kombination von Daten könne auch unterhalb der Marktmachtschwelle die Möglichkeit bestehen, langfristig den Wettbewerb abzu317
Monopolkommission, Sondergutachten 68, Rn. 464. Dies und das folgende Monopolkommission, Sondergutachten 68, Rn. 79. BKartA/ Autorité de la concurrence, Competition law and Data, 28. 319 OECD, Data driven Innovation for Growth and well-being, S 25 f. 320 BKartA/Autorité de la concurrence, Competition law and Data, 29. 321 BKartA/Autorité de la concurrence, Competition law and Data, 29. 322 Monopolkommission, Sondergutachten 68, Rn. 472; Blaschzock, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, S. 195; Weck, NZKart 2015, 290 (294). 323 Monopolkommission, Sondergutachten 68, Rn. 478. 324 Ibid. Auf solche Entwicklung hat die Kommission in folgenden Randnummern hingewiesen: Rn. 22 ff., 244 ff., 316 ff.; ferner Rn. 393, 396 ff. 318
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
schotten oder neue Märkte zu besetzen.325 Auch hier bedürfte es eines eigenen Prüfungspunktes: der Abschottungsstrategie durch Datenkombination. Die Prüfung unilateraler Effekte gestaltet sich, je nach Wirkrichtung des Zusammenschlusses, unterschiedlich.326 Gerade im Hinblick auf die Dynamik datenbasierter Märkte ist die Gefahr von Marktabschottungen durch vertikale und konglomerate Zusammenschlüsse bei sich neu entwickelnden Märkten zu berücksichtigen.327 Unternehmen, die sich nach erfolgreicher Marktdurchdringung als Pioniere im Markt etablieren, können von einem first mover advantage profitieren. Dieser Vorsprung muss aber auf Leistung und nicht auf bloßer Kaufkraft beruhen. Die Märkte müssen offengehalten werden, damit der Wettbewerbsdruck durch potentielle Wettbewerber erhalten bleibt. Zu berücksichtigen ist, dass Schadenstheorien nach der Entscheidung CK Telecoms durch die Kommission als hinreichend realistisch und plausibel dargelegt werden müssen und nicht bloß theoretisch denkbar sein dürfen.328 3. Horizontale Zusammenschlüsse a) Einführung Unilaterale Effekte horizontaler Zusammenschlüsse entstehen dadurch, dass die strukturelle Verbindung zwischen den ehemaligen Wettbewerbern den Wettbewerbsdruck zwischen diesen eliminiert. Dies führt zum Anreiz zur Preiserhöhung für die Einheit selbst, aber auch zum Zweitrundeneffekt; also dem Anreiz zur Preiserhöhung für die Wettbewerber.329 Auf den Qualitäts- und Innovationswettbewerb übertragen, bedeutet dies eine Verringerung der Qualität und der Anstrengung zur Innovation. b) Die Schaffung einer neuen Ressource Eine typische Konstellation ist die Fusion zweier Plattformen; im deutschen Recht beispielsweise „Immonet/Immowelt“.330 Hierbei handelte es sich um zwei auf dem gleichen Markt tätige Plattformen, bei welchen jeweils ein einheitlicher Markt für die Vermittlungsleistung abgegrenzt wurde. Andererseits können aber auch 325 Monopolkommission, Sondergutachten 68, Rn. 479. Hierbei empfiehlt die Monopolkommission eine fortlaufende genauere Beobachtung der Marktveränderungen auf datenbasierten Märkten, welche die Wahrscheinlichkeit solcher Risiken aufdecken sollen. 326 Steinvorth, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 20 Rn. 70. 327 Dies und das nachfolgende generell für Medienmärkte feststellend Jungheim, Medienordnung und Wirtschaftsrecht, S. 204. 328 EuG 28. 5. 2020 – T-399/16, NZKart 2020, 378 – „Fusion Hutchinson/Telefonica UK“ Rn. 117. 329 Steinvorth, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 20 Rn. 98. 330 BKartA, Fallbericht 20. 04. 2015 – B6-39/15 „Online-Immobilenplattformen“.
§ 7 Berücksichtigung externen Datenwachstums in der Fusionskontrolle
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Plattformen fusionieren, die zueinander in einem Horizontalverhältnis stehen, aber Intermediäre zwischen zwei separat abgegrenzten Marktseiten sind.331 Grundsätzlich sind drei Schadenstheorien denkbar. So kann die bloße Datenfülle durch Kombination der Datenbanken einen Marktmachtfaktor darstellen,332 die nun erhaltene Datenressource kann einen Anreiz zur Reduktion des Qualitätswettbewerbs bergen oder die Schaffung einer neuen, exklusiven Ressource könnte aus dem Zusammenschluss folgen. Der reduzierte Qualitätswettbewerb könnte aus der nun verfügbaren Datenressource resultieren. Datenschutzbemühungen könnten einen relevanten Faktor für die Beurteilung von Zusammenschlüssen darstellen,333 da die Einhaltung verschärfter Datenschutzbestimmungen einen kostenintensiven Mehraufwand darstellen kann. Ein Zusammenschluss könnte einen solchen Mehraufwand nötig machen. Zudem kann die Reduktion des Datenschutzniveaus i.S.e. Qualitätswettbewerbs zu berücksichtigen sein.334 Außerdem könnte durch den horizontalen Zusammenschluss eine neue Art der Ressource335 geschaffen werden, die zum Angebot einer stark optimierten Dienstleistung führen könnte und auf die nur das entstehende Unternehmen Zugriff hat.336 Durch das Mehr an Daten ist es möglich, dass es zu economies of scale (durch positive feed back loops und die Verbesserung der Produkte durch mehr Daten, die dann wiederum mehr Nutzer, ergo Datensubjekte, anziehen) kommt.337 Die Monopolkommission hebt hervor, dass die Wettbewerbsbehörden bislang die Auswirkungen einer stärkeren Datenkonzentration auf die Position auf Werbemärkten prüfen, die Bedeutung von Daten für die Weiter- und Neuentwicklung von Produkten aber nicht näher beleuchten würden.338 Tatsächlich wurde die Kombination von Daten auch schon in Fällen auf nichtdatenbasierten Märkte diskutiert. Angesiedelt waren diese Fälle zumeist in zuvor 331
Bspw. zwei Suchplattformen. Vgl. hierzu § 6. 333 BKartA, Big Data und Wettbewerb, S. 12. 334 Ähnlich BKartA, Big Data und Wettbewerb, S. 24 f. 335 So sprach die Kommission bezüglich der Datenkombination vom „creating a unique database“, Komm. 4. 9. 2012, COMP/M.6314, Rn. 539 „Telefonica UK/Vodafone UK/Everything Everywhere/JV“. 336 Holzweber, NZKart 2016, 109. 337 Vgl. § 3 auch zum Schneeballeffekt bzgl. der Qualität der Produkte. 338 Monopolkommission, Sondergutachten 68, Rn. 110; so zum Beispiel auch nach der 9. GWB Novelle im Verfahren CTS Eventim/Four Artists, in welchem der Zugang zu Daten als Marktmachtfaktor, aber nicht eine mögliche Kombination der Datenbanken der Zusammenschlussparteien geprüft wurden, BKartA 29. 3. 2017 – B6-35/17 Rn. 190 ff. „CTS Eventim/Four Artists“; BKartA 8. 9. 2015 – B6-126/14, Rn. 160 ff. „Google/VGMedia“ prüfte inwieweit die Marktstellung Googles dadurch beeinflusst wird, dass es über unterschiedliche Konzernunternehmen und Dienstleistungen über einen umfangreichen Zugang verschiedenen Datenquellen verfügt und dies zu dem Zweck nutzen könnte, seinen Suchalgorithmus kontinuierlich zu verbessern. 332
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
monopolisierten oder regulierten Industrien, wie der Telekommunikationsbranche. In den Fällen GDF und auch EDF entschied das französische Wettbewerbsamt, dass die Daten nicht aus einer Eigenleistung des Unternehmens resultieren würden, nicht duplizierbar seien und somit eine marktbeherrschende Stellung im Gas-/Elektrizitätssektor vermitteln würden.339 Hierbei handelte es sich um vertikal integrierte Unternehmen, die die (Kontakt-)Daten nutzten, um in nachgelagerten Märkten kostengünstig maßgeschneiderte Lösungen und Substitute zu bewerben. In Fusionsfällen erkannte die Kommission die Relevanz der Daten für das Entwickeln von Optimierungsservices als nachgelagerte Dienstleistung zur Versorgung mit Stromund Kartendatenbanken als wichtige Vorleistung an.340 Auch bei der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens Telefonica UK/Vodafone UK/Everything Everywhere/ JV musste die Abschottung von Kundendaten auf vorgelagerter Ebene für einen nachgelagerten Dienst beurteilt werden.341 In Fällen der klassischen vertikalen Integration erkannte die Kommission also die durch Daten vermittelte Fähigkeit zur Marktabschottung an. Bei dem Zusammenschluss Google/DoubleClick prüfte die Kommission, welche Folgen die Kombination von Googles Suchmaschinendaten mit den von DoubleClick im Rahmen seiner ad serving services gesammelten Daten haben könnte, wobei DoubleClick auf einer nachgelagerten Stufe zur Suchmaschinendienstleistung tätig war und erkannte die Relevanz der Daten als Vorleistung an, verneinte aber deren Einzigartigkeit.342 In dem vor der 9. GWB Novelle geprüften Zusammenschluss mit CTS Eventim thematisierte das BKartA zwar den Zugriff auf relevante Daten, jedoch lediglich im Rahmen bestehender Marktmacht.343 Fraglich ist, ob schon bei horizontalen Fusionen aufgrund der besonderen Gestaltung datenbasierter Märkte Abschottungsstrategien im Sinne einer vertikalen Integration zu befürchten sind, weil dann durch economies of scale und scope in Verbindung mit Datenanalysetools i.R.v. Big Data eine eigene Art von asset geschaffen werden kann, das auf dem freien Markt nicht verfügbar ist. Generell können Abschottungseffekte sowohl durch die Verbindung zweier vertikal zusammenhängender Märkte als auch durch einen Horizontalzusammenschluss und damit das Anwachsen der Marktmacht auf dem Angebots- oder Beschaffungsmarkt eintre-
339 Autorité de la Concurrence 17. 12. 2013 n813-D-20, bestätigt durch Berufungsgericht 21. 5. 2015; EDF Entscheidung; Autorité de la Concurrence 7. 2. 2012, n812-DCC-20 „Enerest/ Electricité de Strasbourg“. 340 Komm. 25. 6. 2014, COMP/M. 7137 „EDF/Dalkia en France“; bejahte aber die Duplizierbarkeit der Datenbank, Rn. 462 ff. 341 Komm. 4. 9. 2012, COMP/M.6314, Rn. 255 „Telefonica UK/Vodafone UK/Everything Everywhere/JV“. 342 Komm. 11. 3. 2008, COMP/M.4731, Rn. 111 und 368 „Google/DoubleClick“. 343 So verfüge CTS Eventim aufgrund des stark frequentierten Online-Shops über einen umfangreichen Datenbestand, der einen wettbewerblich relevanten Vorteil für MarketingZwecke und Marktanalysen darstelle, sowie ein Vorsprung des Unternehmens im Vergleich zu Wettbewerbern beim Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten, BKartA 3. 1. 2017 – B6-53/16 Rn. 172 „CTS Eventim/FKP Skorpio“.
§ 7 Berücksichtigung externen Datenwachstums in der Fusionskontrolle
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ten.344 Die Berücksichtigung eines möglicherweise entstehenden neuen assets wurde in zwei Fällen diskutiert. Bei der Entscheidung Publicis/Omnicom musste die Kommission das Ziel der Parteien, eine Big Data Analytics Plattform auf Grundlage gemeinsamer Daten zu erstellen, beurteilen.345 Diese sollten wie schon vor dem Zusammenschluss nur inhouse genutzt werden, um den Kunden bessere Dienstleistungen zu ermöglichen.346 Es stellt sich die Frage, ob – isoliert von der sonstigen Beurteilung – die Datenbankkombination in die wettbewerbsrechtliche Beurteilung eingehen kann, wenn zwar nicht faktisch der Zugang zu den Datensubjekten abgeschottet wird, weil diese sich – theoretisch – auch für den Wettbewerber entscheiden könnten, aber gerade durch die Kombination der Daten und ihrer verarbeitenden Algorithmen ein neues Einsatzmittel geschaffen wird, auf das nur zusammengeschlossene Unternehmen zugreifen kann.347 Faktisch ist der Wettbewerb – wie im Falle Googles – nur einen Klick entfernt,348 aufgrund des bereits thematisierten Schneeballeffekts349 und der Lerneffekte, die den Fusionsparteien aufgrund der Besonderheit der Datenanalyse i.R.v. Big Data zur Verfügung stehen, kann es aber dazukommen, dass sie über ein gesondertes Einsatzmittel anderer Güte verfügen. Die Wirkung wäre vergleichbar zur klassischen Abschottung von Einsatzmitteln: der Zugang zu dieser Art der Vorleistungen ist erschwert, die Kosten der Wettbewerber auf dem nachgelagerten Markt erhöhen bzw. die Wettbewerbsfähigkeit verringert sich.350 So können auch Effekte außerhalb der Marktbeherrschungsprüfung adressiert werden. Die Prüfung eines solchen Abschottungstests bietet sich deshalb auch auf horizontaler Ebene an. Hierbei kann auf den klassischen Abschottungstest zurückgegriffen werden. Es bedarf der Möglichkeit zur Abschottung, eines Anreizes und eines Abschottungseffekts. c) Zwischenergebnis Relevant ist, dass es sich bei dieser Datenkombination noch nicht um eine relevante Marktätigkeit, sondern um einen unternehmensinternen Vorgang handelt. Der captive use der Daten durch die Kombination kann eine relevante Ressource darstellen, sodass unter den vorgenannten Voraussetzungen eine Abschottung geprüft werden sollte. Diese eigentlich nicht aus der Sphäre des Unternehmens tretende Tätigkeit kann mit dem nachfolgend dargestellten Schema der vertikalen Marktabschottung adressiert werden. Etwaigen Anpassungen dieses Schemas an Kon344 345 346 347 348 349 350
Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 Rn. 381. Komm. 9. 1. 2014, COMP/M.7023, Rn. 620 „Publicis/Omnicom“. Komm. 9. 1. 2014, COMP/M.7023, Rn. 618 ff. „Publicis/Omnicom“. So auch Holzweber, NZKart 2016, 104 (108). BKartA, Arbeitspapier, S. 61. § 3 A. III. 2. Komm. Nichthorizontalleitlinien, Rn. 31.
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
stellation werden nachfolgend zusammen mit vertikalen Zusammenschlüssen thematisiert. 4. Vertikale Zusammenschlüsse Bei vertikalen Zusammenschlüssen findet eine Fusion zwischen Unternehmen der vor- oder nachgelagerten Wirtschaftsstufen statt,351 die Beurteilung der Auswirkungen ist mangels des Wegfalls an aktuellem oder potentiellem Wettbewerb352 aber schwieriger.353 Erst wenn der Zusammenschluss die Marktstruktur dergestalt verändert, dass die Zusammenschlussbeteiligten die Möglichkeiten und den Anreiz erhalten, ihre Wettbewerber zu behindern und damit mittelbar ihre Marktmacht zu erhöhen, treten wettbewerbsschädigende unilaterale Effekte auf.354 Zu befürchten ist die Erhöhung der Kosten, die Verringerung der Erlösaussichten des Wettbewerbers oder die Schaffung von Marktzutrittsschranken.355 Diese Effekte sind vor allem durch Marktabschottungsstrategien356 i.S.e. Abschottung von Einsatzmitteln oder Kunden zu erreichen.357 Dies kann sowohl den Markteintritt oder das Wachstum der Wettbewerber verhindern als auch den Marktaustritt der Wettbewerber veranlassen, wobei es genügt, wenn die Konkurrenzfähigkeit der Wettbewerber nachlässt358 bzw. dass die Einschränkung der Rentabilitätschancen zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führt.359 Ein datenbasiertes Fallbeispiel ist der Zusammenschluss eines Anbieters von Maschinen und Sensorik i.S.d. Industrie 4.0 und eines Anbieters von auf diesen Daten fußenden Dienstleistungen, z. B. predictive maintenance.360 351
Komm. Nichthorizontalleitlinien, Rn. 4; Satzky, WuW 2006, 872. Steinvorth, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts § 20 Rn. 142. 353 Expertenausschuss der OECD für wettbewerbsbeschränkende Praktiken, Marktmacht und Recht, S. 52; Hirsbrunner/Hacker, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 2 FKVO, Rn. 420. 354 Steinvorth, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts § 20 Rn. 142. 355 BKartA, Leitfaden zur Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle, Rn. 133. 356 Komm. Nichthorizontalleitlinien, Rn. 18; Denzel/Hermann, WuW 2007, 567 (570). 357 Steinvorth, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 20 Rn. 142. Bei der Schadenstheorie der Kundenabschottung berücksichtigt die Kommission Auswirkungen sowohl auf vor- als auch auf nachgelagerter Stufe. So kann es zu einer Verschlechterung der Lieferantenwettbewerber kommen, aber durch das Wegbrechen der Lieferantenwettbewerber auf dem vorgelagerten Markt auch zu einer Behinderung für die nachgelagerten Wettbewerber, da diese nicht mehr so gut an Einsatzmittel kommen, wenn sie von dem fusionierten Lieferanten nicht die gleiche Menge bekommen. Deraus kann ein Rückgang des Wettbewerbsdrucks resultieren, sodass auch den Endkunden gegenüber ein Preiserhöhungsspielraum bestehen könnte; Komm., Nichthorizontalleitlinien, Rn. 58. 358 Hirsbrunner/Hacker, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 2 FKVO, Rn. 420. 359 Steinvorth, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 20 Rn. 143; BKartA, Leitfaden zur Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle, Rn. 135. 360 Ein anderes Beispiel ist die Fusion einer Aufmerksamkeitsplattform mit einem Anbieter für Werbeleistungen – Google/Doubleclick. 352
§ 7 Berücksichtigung externen Datenwachstums in der Fusionskontrolle
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Die Prüfungsschritte der Kommission361 und des BKartA362 fragen zunächst, ob das Unternehmen die Möglichkeit363 zur Abschottung hat, daneben den Anreiz364 zur Abschottung und zu guter Letzt prüft, zumindest365 die Kommission, die Erheblichkeit der antikompetitiven Effekte366. a) Möglichkeit Die Möglichkeit zur Marktabschottung resultiert daraus, dass das Unternehmen auf einem der Märkte über ein erhebliches Maß an Marktmacht verfügt und diese als Hebel zum Erreichen der Macht auf der anderen Marktstufe nutzt.367 Zumindest jedoch muss das auf zwei Märkten tätige Unternehmen durch die vertikale Integration über wesentliche Wettbewerbsvorteile gegenüber den nicht integrierten Konkurrenten verfügen.368 Im Fall von Datenbanken geht es um die Abschottung von Einsatzmitteln (input foreclosure), bei welcher die Kosten der Wettbewerber auf dem nachgelagerten Markt dadurch erhöht werden, dass ihr Zugang zum vorgelagerten Beschaffungsmarkt eingeschränkt wird. Mangels vertikaler Integration wird häufig keine Marktmacht auf einem vorgelagerten Markt vorliegen, die alleinige Zugriffsmöglichkeit auf das Einsatzmittel ist dieser aber gleichzustellen. Bei horizontalen Fusionen existiert allerdings keine Abhängigkeit der Wettbewerber auf einer nachgelagerte Ebene vom Vorprodukt „Daten“ der fusionierten Einheit. Untechnisch gesprochen besteht vielmehr eine Abhängigkeit des Wettbewerbers von der Seite der Datensubjekte/Nutzer. Sind diese aber nicht mehr zugänglich wegen starker Lock-In Effekte oder aber, weil durch die Datenbankkombination ein neues, einzigartiges Einsatzmittel geschaffen wurde, ist ein vergleichbarer Effekt gegeben. Der captive use stellt zwar keine Markttätigkeit dar, dennoch verfügt das Unternehmen auf diesem hypothetischen Markt über eine Monopolstellung. Dies ist aber nur der Fall, wenn die Daten zur Bildung eines solchen Einsatzmittels geeignet und in ihrer Kombination nicht duplizierbar sind.369 Dies 361
Komm. Nichthorizontalleitlinien, Rn. 33 ff. BKartA, Leitfaden zur Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle, Rn. 134 genauer ausgeführt in 138 ff. 363 Komm. Nichthorizontalleitlinien, Rn. 33 ff. 364 Komm. Nichthorizontalleitlinien, Rn. 40 ff. 365 Zur Frage, ob eine solche Prüfung angesichts der Abwägungsklausel notwendig ist, Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 GWB Rn. 398 ff.; i.E. verneinend, Effizienzen sollten vielmehr i.R.d. Frage nach der Erheblichkeit der Wettbewerbsbehinderung berücksichtigt werden, Rn. 473. 366 Komm. Nichthorizontalleitlinien, Rn. 47 ff.; Steinvorth, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 20 Rn. 142. 367 BKartA, Leitfaden Fusionskontrolle, Rn. 137; Komm., Nichthorizontalleitlinien, Rn. 23 ff. 368 Für das europäische Recht Hirsbrunner/Hacker, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 2 FKVO, Rn. 396. 369 Vgl. hierzu schon § 6 D. I. 2. 362
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
muss im konkreten Einzelfall anhand der bei dem Zusammenschluss involvierten Daten ermittelt werden. Bei einer vertikalen Integration setzt die Strategie zur Abschottung von Einsatzmitteln voraus, dass die Wettbewerber von den Waren des vertikal integrierten Unternehmens abhängig sind und diese aufgrund der marktbeherrschenden Stellung von ihm beziehen müssen, wenig Bezugsalternativen haben.370 Bisher wird die Einholbarkeit üblicher Kundendaten (Name, Alter, Zahlungsdaten, E-Mailadresse) sowie Online-Beobachtungsdaten in den bisherigen Entscheidungen angenommen.371 Berücksichtigt werden muss neben der generellen Reproduzierbarkeit auch die tatsächliche Reproduzierbarkeit. Diese kann an Lock-in Effekten oder mangelndem Multi-Homing scheitern oder aber aufgrund der Skaleneffekte wettbewerblich erst ab einer Mindestgröße sinnvoll erscheinen.372 Begrenzte Reproduzierbarkeit könnte laut Kommission bei den Daten von Betriebssystemanbietern vorliegen.373 Gleiches ist beim Zusammenschluss eines Anbieters von Maschinen und Sensorik i.S.d. Industrie 4.0 und eines Anbieters von auf diesen Daten fußenden Dienstleistungen anzunehmen. b) Anreiz Der Anreiz zur Abschottung der Einsatzmittel beurteilt sich wiederum aus einem Vergleich der Kosten dieser Strategie mit dem aus ihr resultierende Gewinn, also klassischerweise aus einem Vergleich des abschottungsbedingten Gewinnrückgangs auf der vorgelagerten Stufe mit der Gewinnsteigerung durch das erwartete Absatzwachstum auf der nachgelagerten Stufe.374 Mangels vertikaler Integration kann es bei der Schadenstheorie einer neuen Ressource nicht zu einem Absatzrückgang kommen. Stattdessen müssen bei Datenbankkombination die Kosten der Kombination gegen die erwarteten Gewinne durch den Zugang zu optimalen assets abgewogen werden. Dies umfasst die technische Möglichkeit der Kombination375 und deren Kosten, sowohl für die initiale
370
Steinvorth, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 20 Rn. 144. Komm. 11. 03. 2008, COMP/M.4731, Rn. 272 „Google/Doubleclick“; Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217, Rn. 188 „Facebook/WhatsApp“. Anders allerdings für den TicketSystemmarkt BKartA 29. 3. 2017 – B6-35/17, Rn. 193 ff. „CTS Eventim/Four Artists“, zurückhaltender noch BKartA 03. 01. 2017 – B6-53/16, Rn. 172 f. „CTS Eventim/FKP SCORPIO“. 372 Komm. 27. 6. 2017, COMP/AT.39740 Rn. 287, 306 „Google Search (Shopping)“. 373 Komm. 11. 03. 2008, COMP/M.4731, Fn. 139 „Google/Doubleclick“. 374 Steinvorth, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 20 Rn. 144; BKartA, Leitfaden Fusionskontrolle, Rn. 141; Komm., Nichthorizontalleitlinien, Rn. 40; vgl. BKartA 20. 5. 2010 – B5-17/ 10, Rn. 114 „Hunter Douglas/Faber-Benthin“ (Abschottung unwahrscheinlich wegen geringer Umsätze auf dem nachgelagerten Markt). 375 Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217, Rn. 185 „Facebook/WhatsApp“. 371
§ 7 Berücksichtigung externen Datenwachstums in der Fusionskontrolle
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Zusammenführung als auch für die folgende Kombinationspflege376, als auch die ökonomische Sinnhaftigkeit in Erwartung des möglichen Kundenverhaltens.377 Berücksichtigt werden muss ggf., ob mehr Daten – jenseits einer bestimmten Grenze – einen Wettbewerbsvorteil bewirken oder vielmehr der Grenznutzen zusätzlicher Daten abnimmt und irgendwann irrelevant klein wird.378 Liegt tatsächlich eine vertikale Integration vor, wie beim Zusammenschluss eines Anbieters von Sensoren und eines Anbieters von predictive maintenance-Dienstleistungen, muss der Absatzrückgang, der durch eine Abschottung der Dienstleistung entstünde, berücksichtigt werden. Eine Anreizkontrolle kann auch von bestehenden rechtlichen Bindungen oder gesetzlichen Schranken ausgehen. Diese Schranken können sich wie im Fall Google/ DoubleClick aus Verträgen mit Dritten ergeben. Vorliegend gehörten die Daten nicht DoubleClick, sondern seinen Kunden und es bestand kein Anreiz dieses Geschäftsmodell zu ändern.379 Auch datenschutzrechtliche Implikationen, die zusätzlichen Aufwand verlangen, können der Datenbankkombination entgegenstehen. c) Vertikaler Marktabschottungseffekt Zuletzt muss aus der Abschottung ein überragender Verhaltensspielraum auf dem betroffenen Markt resultieren.380 Die Zusammenschlusswirkung – entweder die Wettbewerbsbehinderung oder ein wettbewerblich negativer Effekt – tritt in seiner Stärke abhängig vom Grad der Marktmacht auf.381 Im Falle einer vertikalen Integration ist die Marktmacht auf dem vorgelagerten Markt sicher zu bestimmen, anders als im Falle einer Abschottung durch Schaffung eines neuen Einsatzmittels. Da dieses nur der kombinierenden Einheit zur Verfügung steht, kann – um einen Zirkelschluss zu vermeiden – nicht auf diesen hypothetischen Markt abgestellt werden. Dieses würde auch der allgemeinen Betrachtung des captive use im Kartellrecht widersprechen, der grundsätzlich nicht als Markt angesehen wird.382 Vielmehr muss sich die Abschottungswirkung auf die Seite der Datensubjekte beziehen. Ist das fragliche Unternehmen Vertragspartner eines Großteils der Datensubjekte, so wird den Wettbewerbern die Möglichkeit genommen, zwar schlechtere, weil nichtkombinierte, aber überhaupt nützliche Vorleistungsdaten zu erlangen. Bei der Be376 Vgl. Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217, Rn. 185 „Facebook/WhatsApp“; Körber, NZKart 2016, 303 (309), wonach die unterschiedlichen Grenzerträge berücksichtigt werden müssen. 377 Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217, Rn. 186 „Facebook/WhatsApp“. 378 Komm. 18. 2. 2010, COMP/M.5727, Rn. 171 „Microsoft/Yahoo! Search Business“. 379 Vgl. Komm. 11. 03. 2008, COMP/M.4731, Rn. 257 ff., 361 ff. „Google/Doubleclick“. 380 Hirsbrunner/Hacker, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 2 FKVO, Rn. 397; Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 GWB Rn. 378. 381 BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung Fusionskontrolle, Rn. 138, 151. 382 BKartATB 2011/2012, S. 90; Wiedemann, in: Wiedemann, Handbuch Kartellrecht, § 23 Rn. 10.
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
urteilung der marktbeherrschenden Stellung sollte berücksichtigt werden, dass vor allem die relative Überlegenheit bei der Menge der Datentransaktionen erheblich ist, um erfassen zu können, wer den Zugriff auf die relevanten Daten hat. Ob das rein nach Marktanteilen mächtige Unternehmen sich auch unabhängig gegenüber der Marktseite der Datensubjekte i.S.e. marktbeherrschenden Stellung verhalten kann, ist dabei nicht relevant. 5. Konglomerate Zusammenschlüsse Reine Marktdiversifikationszusammenschlüsse, bei welchen die Unternehmen ihre Ressourcen und Finanzkraft kumulieren, werden als die unbedenklichste Zusammenschlussform klassifiziert, da lediglich das Abschreckungspotenzial zu beachten sei.383 Grundsätzlich gilt, dass konglomerate Zusammenschlüsse überhaupt nur Anlass für Wettbewerbsbedenken geben können,384 wenn die Unternehmen auf eng verwandten Märkten tätig sind.385 Dies ist der Fall, wenn Kunden oder Lieferanten größtenteils identisch, wenn die Produkte der Zusammenschlusspartner komplementär386 nutzbar sind oder zwischen ihnen Substitutionsbeziehungen bestehen.387 Adressiert wird die Gefahr des Wegfalls des potenziellen Wettbewerbs.388 Ein Beispiel ist der Aufkauf vielversprechender Plattformen durch Google, die in anderen Bereichen der Internetökonomie tätig sind und über den Zugang zu einer anderen Art von Daten oder einen relevanten Algorithmus verfügen. Aktuellstes Beispiel ist das von der Kommission eröffnete eingehende Prüfverfahren im Zusammenschluss Google/Fitbit.389 Google plant die Übernahme Fitbits, eines Her383
Nothhelfer, EuZW 2007, 332 (333); Nothdurft, ZWeR 2006, 315; BKartA, Leitfaden zur Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle, Rn. 177. Dazu kritisch: Satzky, WuW 2006, 872 (880); Denzel/Hermann, WuW 2007, 566 (574). 384 Zumal kein Wettbewerber wegfällt, Herrmann, BB 1989, 1214; BKartA, Konglomerate Zusammenschlüsse in der Fusionskontrolle, S. 1; Nothhelfer, EuZW 2007, 332. 385 Steinvorth, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 20 Rn. 148. Sonst werden konglomerate Zusammenschlüsse aber positiv und damit als wettbewerbsfördernd betrachtet, da sie Effizienzen – wie Verbundeffekte – hervorrufen, Komm., Nichthorizontalleitlinien, Rn. 13, 93, 117 f. 386 Steinvorth, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 20 Rn. 148. 387 BKartA, Konglomerate Zusammenschlüsse in der Fusionskontrolle, S. 2; Komm., Nichthorizontalleitlinien, Rn. 91. Bei Markterweiterungsfusionen bieten Unternehmen das gleiche Produkt auf unterschiedlichen Märkten an, hingegen bieten die Unternehmen bei Produkterweiterungsfusionen auf demselben räumlich relevanten Markt oder zumindest in sich überschneiden Märkten Produkte an, welche jedoch eine gewisse Produktions- oder Absatzflexibilität aufweisen, Satzky, WuW 2006, 872. 388 BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung Fusionskontrolle, Rn. 164, wo Zusammenschlüsse mit potentiellen Wettbewerbern abhängig vom relevanten Markt als konglomerate Markterweiterungszusammenschlüsse eingeordnet werden, wohingegen die Kommission auch Zusammenschlüsse mit „rein potentiellen“ Wettbewerbern als horizontale Zusammenschlüsse einordnet, Komm. Leitlinien Horizontalfusionen, Rn. 5. 389 ABl. C 2020 268/03, Komm. Fall M.9660 – Google/Fitbit.
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stellers von wearables, wie Smartwatches und fitness trackern, welche die Aktivitäten und bestimmte Körperparameter des Trägers aufzeichnen. Google entwickelt unter anderem Betriebssysteme für Smartwatches und Gesundheitsapps, ist daneben aber vor allem im Online-Werbemarkt mindestens marktstark.390 Auch bei der Fusion Facebook/Whatsapp waren konglomerate Effekte zu berücksichtigen.391 Übliche Schadenstheorien sind neben der Abschreckungswirkung und Markterweiterungsfusionen vor allem Kopplungs- oder Bündelungsstrategien sowie Portfolioeffekte.392 Auf datenbasierten Märkten ist die Kombination komplementärer Datenbanken zu berücksichtigen. Von diesen kann gerade für die Partei mit der geringer diversifizierten Datenbank eine erhebliche Steigerung der economies of scope einhergehen. Neben der Steigerung der finanziellen Ressourcen ist der Abschreckungseffekt aufgrund von Datenressourcen zu sehen. Während ein Zuwachs gleichartiger Daten über unterschiedliche Datensubjekte zwar die Skalenerträge erhöhen, in diesem Effekt aber möglicherweise auf Grenzen treffen kann, ermöglicht die Kombination mit unbekannten Daten neue Metadaten. Der Grundsatz, dass konglomerate Zusammenschlüsse unproblematisch sind, ist im Falle von Daten wegen der expliziten economies of scope zu überdenken. Zum einen kann aus dem Wissen um derart diversifizierte Ressourcen eine Abschreckungswirkung resultieren. Zum anderen kann dies auch für die unterschiedlichen Datenschutzniveaus gelten. So berücksichtigte die Kommission in der Entscheidung Microsoft/LinkedIn, dass die Fusion negative Auswirkungen auf den Datenschutz haben könnte, weil Unternehmen mit einer besseren Datenschutzpolitik als LinkedIn abgeschreckt werden könnten, in den Markt einzusteigen.393 Zusätzlich müssen andere unilaterale Auswirkungen berücksichtigt werden. Auf datenbasierten Märkten kommen hierbei Portfolioeffekte, also Effekte, die aus der Erweiterung der Produktpalette resultieren, in Betracht. Diese führen zu Effizienzen und werden deshalb grundsätzlich wettbewerblich positiv beurteilt.394 Die Wettbewerbsbedenken bestehen wiederum in Abschottungsstrategien.395 Dabei ist die Bedeutung der jeweiligen Daten als Einsatzmittel nicht auf den Markt, auf dem sie erhoben werden, begrenzt. Durch die Rekombination eröffnen sich unabhängig vom Erhebungszweck neue Einsatzfelder. Dies kann zu Abschre390
Komm. Pressemitteilung 04. 8. 2020, IP/20/1446. Auch hier hätte WhatsApp Nutzerdaten liefern können, die Facebook bei der Verbesserung seines sozialen Netzwerkes und der dort eingebundenen Werbeplatzierung helfen könnte. Komm. 3. 10. 2014, COMP/M. 7217 Rn. 180 ff. „Facebook/WhatsApp“. 392 von Bonin, WuW 2006, 466 (470); Denzel/Hermann, WuW 2007, 566 (574); Expertenausschuss der OECD für wettbewerbsbeschränkende Praktiken, Marktmacht und Recht, S. 52 f. 393 Komm. 16. 12. 2016, COMP/M.8124, Rn. 350 „Microsoft/LinkedIn“. 394 Steinvorth, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 20 Rn. 148. 395 Steinvorth, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 20 Rn. 149. 391
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
ckungs- und Entmutigungseffekten führen.396 So äußerte die Kommission im Fall Google/Fitbit Bedenken hinsichtlich der Online-Werbemärkte in den Bereichen Online-Suche und Online-Anzeigen397 sowie der Markt der Erbringung von AdTech-Diensten. Diese umfassen die Analyse von und digitale Werkzeuge zur Erleichterung von automatisiertem Verkauf und Kauf digitaler Werbung. Google könne durch die von Fitbit geführte Datenbank noch genauer personalisierte Werbung anbieten.398 Weitere befürchtete negative Wettbewerbseffekte waren die Auswirkungen einer möglichen Datenbankkombination im Bereich der digitalen Gesundheitsdienste und die Frage, ob Google die Fähigkeit und den Anreiz hätte, die Interoperabilität tragbarer Geräte seiner Konkurrenten mit dem Google-Betriebssystem Android für Smartphones zu beeinträchtigen.399 Voraussetzung ist, dass aufgrund Ressourcenzugewinns die Möglichkeit und der wirtschaftliche Anreiz für eine wettbewerbsbehindernde Verdrängungsstrategie bestehen.400 Gleiches gilt für Kopplungs- und Bündelungsstrategien. a) Möglichkeit Die Kopplung kann sowohl gegenüber den Datensubjekten als auch gegenüber den Dienstleistungsnutzern vorliegen. Die Möglichkeit von Kopplungs- und Bündelungsstrategien hängt davon ab, dass die Zusammenschlussbeteiligten wenigstens auf einem der betroffenen Märkte über erhebliche Marktmacht verfügen. Nur wenn die Kunden für das betreffende Produkt keine ausreichenden Ausweichmöglichkeiten haben, kann ihre Nachfrage im Wege der Kopplung- oder Bündelung auf das andere Produkt gelenkt werden.401 Die Portfolioeffekte ermöglichen, ebenso wie die Kopplung und Bündelung, dann eine Abschottungsstrategie, wenn der Anteil der gemeinsamen Kunden für beide Produkte hoch ist402 oder eine Präferenz der Kunden für den Kauf von Produktbündeln403 besteht. 396
BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung Fusionskontrolle, Rn. 172. Verkauf von Werbeflächen auf der Ergebnisseite einer Internet-Suchmaschine oder auf anderen Internetseiten. 398 Komm. Pressemitteilung 04. 8. 2020, IP/20/1446. 399 Komm. Pressemitteilung 04. 8. 2020, IP/20/1446. 400 Steinvorth, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 20 Rn. 152. 401 BKartA, Leitfaden Fusionskontrolle, Rn. 169; Komm., Nichthorizontalleitlinien, Rn. 99. 402 Vgl. BKartA Fallbericht 10. 11. 2014 – B1-208/14 „Geberit/Sanitec“ (keine Bündelung von Spülsystemen und Sanitärkeramik, da erstere vom Installateur und letztere vom Kunden ausgewählt werden). 403 Hieran fehlt es z. B., wenn Kunden die Produkte nicht gleichzeitig beschaffen, ihnen die Qualität der einzelnen Produkte wichtiger ist als Preisnachlässe für gebündelte Angebote oder sie Mehr-Lieferanten-Strategien verfolgen, BKartA 12. 11. 2014 – B5-138/13, Rn. 270 ff., 281 ff. „Tokyo Electron/Applied Materials“. 397
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Im Fall Springer/ProSiebenSat1 wurde die Möglichkeit eines „Hebels“ bereits in der Gefahr der cross-medialen Werbung gesehen.404 Aufgrund der relativ schwachen Kopplung bedurfte es aber wohl einer bereits marktbeherrschenden Stellung auf den betroffenen Märkten.405 Eine solche Kopplung kann bei einem diversifizierten Angebot auf datenbasierten Märkten ebenfalls bestehen.406 Wenn die Kunden für das betroffene Produkt keine ausreichende Ausweichmöglichkeit haben, können die Unternehmen über umfassende Datenbestände verfügen und diese auch für die Entwicklung verwandter Produkte nutzen. Aufgrund personifizierter Anwendungen kann so die Präferenz der Kunden für Produktbündel erhöht werden. b) Anreiz Der Anreiz für eine Kopplungs- oder Bündelungsstrategie besteht, wenn der zu erwartende Absatzrückgang407 an Kunden geringer ausfällt, als der mögliche Gewinn einer solchen Strategie, welcher sowohl aus Gewinnmargen als auch der Tatsache, dass die zusammengeschlossene Einheit zusätzlich Marktmacht auf den verknüpften Markt erhält, besteht.408 Mögliche Gewinne auf den verbundenen Märkten sind tendenziell höher, wenn dort Skalen- oder Netzwerkeffekte auftreten.409 Wenn eines der betroffenen Produkte von einem Netzwerkeffekt betroffen ist, kann das fusionierte Unternehmen von der durch die Bündelung erreichten, noch größeren Verbreitung des Produktes gegebenenfalls auch nach Beendigung der Strategie profitieren.410 Der Anreiz für Kopplungs- und Bündelungsstrategien scheint auf datenbasierten Märkten erhöht. So existieren aufgrund der Plattformstruktur häufig Netzwerkeffekte und im Rahmen der Datenbankkombination kann es aufgrund der Lerneffekte weiterhin zu Schneeballeffekten kommen. Neben den Datenschutzvorgaben gibt es weig anreizhemmende Faktoren. Die Kopplung wird selten zu einem Absatzrückgang führen. Auf der unentgeltlichen Marktseite wird eine Kopplung voraussichtlich als Vorteil empfunden.411 Ob eine Kopplung auf der anderen Marktseite zu einem Absatzrückgang führt ist v. a. von der Marktstruktur abhängig.
404 BGH WuW/E DE-R 3067, Rn. 46 ff. „Springer/ProSieben II“; krit. dazu Satzky, WuW 2006, 870, (877 ff.). 405 Steinvorth, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 20 Rn. 151. 406 Z. B. die Bewerbung eigener Apps oder Preisvergleichsdienste. 407 Kunden, die nur an einem der gekoppelten oder gebündelten Produkte interessiert sind, werden auf den Erwerb des Produktpakets verzichten oder ihre Nachfrage zurückfahren. 408 Steinvorth, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 20 Rn. 152. 409 BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung Fusionskontrolle, Fn. 239 bei Rn. 173. 410 Ibid. 411 Beachte hierbei auch das sog. privacy paradox, § 4 C. II. 3. Eine Kopplung reduziert nicht zwangsläufig den Rückgang der Nutzer, sondern wird auch als praktisch empfunden, vgl. Lock-In mit dem Google- oder Facebook-Account bei anderen Angeboten.
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
c) Erhebliche Behinderungswirkung Die erhebliche Behinderungswirkung kann darin bestehen, dass die zusammengeschlossen Einheit an Marktmacht auf einem der betroffenen Märkte gewinnt oder aber die Zutrittsschranken für potentielle Wettbewerber spürbar angehoben werden.412 Bei der Kombination von komplementären Datenbanken ist dies zu befürchten. Im Fall Google/Fitbit bestand die Besorgnis in der Nutzung des Datenvorteils zur derartigen Optimierung der Werbeangebote, dass es für Wettbewerber schwieriger wäre, mit den Online-Werbediensten von Google mitzuhalten.413 6. Ergebnis Ein Zusammenschluss auf datenbezogenen Märkten kann vertikale oder konglomerate Effekte hervorrufen, falls es einem großen Unternehmen durch die Fusion möglich wird, Wettbewerber auf vor- oder nachgelagerten Marktstufen den Datenzugang zu erschweren oder gar zu verweigern. In jedem Fall gilt, dass die Wettbewerbsprobleme umso eher in Betracht kommen, je weniger die Daten replizierbar sind. Aufgrund der Besonderheit der Abschottung eines eigenen Einsatzmittels i.S.e. selbst zum captive use hergestellten Produkts wird allerdings selten ein Absatzrückgang für das Unternehmen zu erwarten sein, sodass ein hoher wirtschaftlicher Anreiz zur Abschottung besteht. Ein Absatzrückgang ist auch auf der nicht-zahlenden Marktseite unwahrscheinlich. Verknüpfte Dienste, für die kein Geld gezahlt wird, könnten aufgrund des privacy paradox eher positiv gesehen werden. Die Netzwerkeffekte können hier zusätzlich anreizverstärkend auf die Fusionsparteien wirken. Inzwischen plant die Kommission im Rahmen der Ausübung ihrer Fusionskontrollbefugnisse eingehend zu prüfen, welche möglichen Folgen eine umfangreiche Datenakkumulation infolge von Akquisitionen auf den Wettbewerb hätte und ob Abhilfemaßnahmen in Bezug auf Datenzugang oder Datenweitergabe für die Ausräumung etwaiger Bedenken nützlich wären. Die Kommission plant Hinweise zur wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit von Vereinbarungen über die gemeinsame Nutzung und die Zusammenführung von Daten zu geben und dazu ihre Leitlinien für die horizontale Zusammenarbeit zu überarbeiten.414
412
Steinvorth, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 20 Rn. 154. Komm. Pressemitteilung 04. 8. 2020, IP/20/1446. 414 Mitteilung der Kommission, Eine europäische Datenstrategie, 19. 2. 2020 COM(2020) 66 final, S. 16. 413
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B. Efficiency Defense I. Einleitung Die Annahme der erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs kann gem. Art. 2 Abs. 2 FKVO abgewendet werden, wenn die mit dem Zusammenschluss einhergehenden Effizienzgewinne wettbewerbsbegrenzende Wirkungen desselben ausgleichen.415 Diese Effizienzgewinne müssen einen Vorteil für die Verbraucher darstellen, weshalb sie beweisbar vorliegen, erheblich und zeitnah realisierbar sein müssen und in den relevanten Märkten generiert werden, in denen der Zusammenschluss wettbewerbliche Bedenken hervorruft.416 Diese Bewertungskriterien gelten sowohl bei der Bewertung der Effizienzen horizontaler und nicht-horizontaler Fusionen.417 In der Literatur wird über die möglichen Vorteile durch Datenfülle im Hinblick auf die Ermöglichung von Innovationswettbewerb diskutiert. Die Erhebung und Aufbereitung von Nutzerdaten ermöglicht es Unternehmen, einerseits auf der Nutzerseite die Qualität von Diensten (z. B. der Internetsuche) zu verbessern oder bestimmte innovative Dienste überhaupt erst anzubieten, auf der anderen Seite kann so z. B. den Werbetreibenden zielgenauere Werbeschaltung geboten werden.418 So könne die Datennutzung die Konsumentenwohlfahrt steigern, indem Produktverbesserungen und -innovationen möglich sind.419 Die üblicherweise von der Kommission berücksichtigten Effizienzen sind Kosteneinsparungen bei Produktion oder Vertrieb, die Anreize geben können, die Kosten zu senken und gleichzeitig mehr zu produzieren, bspw. Cournot-Complements-Effekte oder der Ausschluss von double mark ups420. Der wichtigste Faktor zur Beurteilung der Wohlfahrtsaspekte ist deshalb oftmals das Preisniveau nach Zusammenschluss.421 Fraglich ist, ob der Anreiz zur Entwicklung neuerer und besserer Produkte als Ausgleichfaktor im Sinne einer efficiency defense bei der Prüfung der Untersagungsvoraussetzungen zu berücksichtigen ist.422 Dem BKartA ist zuzustimmen, dass auf datenbasierten Märkten nicht allein die Kontrolle der Preissetzungsspielräume berücksichtigt werden darf,423 die Effizienz also nicht nur in Form von gesenkten Preisen oder erhöhtem Ausstoß an die Verbraucher weitergegeben werden kann, sondern auch durch optimierte Dienste und
415
FKVO, Abl. 2004 Nr. L 24/1 Erwägungsgrund Nr. 29; Komm. Leitlinien Horizontalfusionen, S. 18, Rn. 76 f.; Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S. 435. 416 Komm. Leitlinien Horizontalfusionen, Rn. 79 ff. 417 Komm. Leitlinien Horizontalfusionen, Rn. 55. 418 Weber, ZWeR 2014, 169 (171). 419 BKartA/Autorité de la concurrence, Competition law and Data, 9; Körber, NZKart 2016, 303 (305). 420 Komm. Nichthorizontalleitlinien, Rn. 56 f. Hierbei handelt es sich um anerkannte wirtschaftswissenschaftliche Phänomene. 421 Dewenter/Rösch, Einführung in die neue Ökonomie der Medienmärkte, S. 256 f. 422 Körber, NZKart 2016, 303 (309 f.). 423 BKartA, Arbeitspapier, 57.
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
gesteigerte Innovationsraten.424 So nutzten Unternehmen die aus der Datenkombination hervorgehenden Skaleneffekte bereits als efficiency defense oder brachten an, dass sie durch die Datenkombination schneller bessere Produkte herstellen und entwickeln könnten.425 Da die variablen Kosten je Dienstleistung durchaus geringer sind als die in die Fixkosten einzurechnenden Entwicklungskosten der Algorithmen, führt der erhöhte Ausstoß zu einem größeren Gewinn.426
II. Voraussetzungen 1. Fusionsspezifität Die durch die Kombination der Datenzugänge der Fusionsbeteiligten entstehenden Effizienzgewinne müssen fusionsspezifisch sein. Die Effizienzgewinne müssen also eine conditio sine qua non-Kausalität i.d.S. erfüllen, dass sie unmittelbare Folge des Zusammenschlusses darstellen und nicht durch ebenfalls praktikable aber weniger wettbewerbswidrige Alternativen als durch den Zusammenschluss erzielt werden können.427 Da Daten auch erst in der Rekombination im Dataminingprozess neue Erkenntnisse liefern können, können die Erkenntnisse fusionsspezifisch sein. Die Kombination von Daten zur Entwicklung neuer Produkte könnte auch durch weniger wettbewerbswidrige Alternativen kooperativer Art gelingen. In Betracht kommen Vereinbarungen zur wechselseitigen Nutzung der Kundendaten oder der Ankauf vergleichbarer Daten über Databroker. Für die Beurteilung der Fusionsspezifität spielt auch die tatsächliche Umsetzbarkeit der Alternativen eine Rolle. Ist die Umsetzung der kooperativen Möglichkeiten nicht praktikabel, sind die Effizienzen fusionsspezifisch.428 Während nicht personenbezogene Daten nur einem rudimentären Schutz unterliegen und sich somit über Kooperationsvereinbarungen ähnliche Effekte erzielen lassen, sind Vereinbarungen über personenbezogene Daten aufgrund der DSGVO nur mit großem Aufwand möglich. Anders mag dies für fusionierte Einheiten erscheinen, auch wenn diese ebenfalls durch den Grundsatz der Zweckgebundenheit beschränkt sind.429 424 So können nach den Nichthorizontalleitlinien, Rn. 57 auch „Anreize für die Parteien hinsichtlich Investitionen neue Produkte, neue Herstellungsprozess und Vermarktung des Produkts“ berücksichtigt werden. 425 Komm. 18. 2. 2010, COMP/M.5727, Rn. 184 „Microsoft/Yahoo! Search Business“; Komm. 14. 5. 2008 COMP/M.4854, Rn. 245 ff. „TomTom/TeleAtlas“. 426 § 2 B. V. 427 Komm. Nichthorizontalleitlinien, Rn. 85. 428 Dieses Tatbestandsmerkmal darf jedoch nicht zu eng ausgelegt werden, handelt es sich bei der Berücksichtigung etwaiger Effizienzen um einen integralen Bestandteil der Prüfung der Untersagungsvoraussetzungen und nicht um eine Ausnahme von den Untersagungsvoraussetzungen des Art. 2 FKVO; Kling/Thomas, Kartellrecht, § 8 Fn. 601; Thomas, in: Immenga/ Mestmäcker, § 36 GWB Rn. 502. 429 Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO.
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Die Frage, ob die Parteien in TomTom/Teleatlas vergleichbare Effizienzgewinne auch im Wege von Verträgen erzielen könnten, wurde in Anbetracht des sogenannten hold-up-Problems verneint.430 Weiterhin wurde bezweifelt, ob die Parteien Investitionen in der Größenordnung tätigen würden wie das integrierte Unternehmen.431 Gerade die Unsicherheiten der Unternehmen, die mit einem langfristigen Vertrag unter Berücksichtigung aller erforderlichen Investitionen zusammenhängen, können in einem dynamischen Marktumfeld abschreckend wirken. Dieses volatile Marktumfeld wird die Kommission bei Datenbankkombinationen berücksichtigen müssen. Daneben ist zu beachten, dass die Praktikabilität alternativer Kombinationsmöglichkeiten auch dann fehlen dürfte, wenn die Zusammenführung der Datenbanken und Zugänge ansonsten unabhängig bleibender Unternehmen nicht mit vertretbarem technischem Aufwand umsetzbar wäre oder aus anderem Grunde geschäftsstrategisch nicht sinnvoll ist.
2. Erheblichkeit und Rechtzeitigkeit Die Effizienzvorteile müssen erheblich sein und sich schnell einstellen. Je weiter sie in der Zukunft liegen, desto weniger Gewicht will ihnen die Kommission einräumen.432 Auf datenbasierten Märkten wird es sich häufig nicht um Effizienzen handeln, die zur Senkung der Preise führen, sondern vielmehr um die Belebung des Innovationswettbewerbs und die kontinuierliche Verbesserung der (tw. unentgeltlich) angebotenen Produkte. Da Qualität und Innovation auf datenbasierten Märkten eine ähnliche Entscheidungserheblichkeit haben können wie der Preis, ist die Verbesserung des Produkts oder die inkrementelle433 Produktinnovation ebenfalls erheblich. Durch die Auslastung und Nutzung der Algorithmen durch beide Unternehmen können zudem die initialen Entwicklungskosten amortisiert werden. Da die variablen Kosten je Dienstleistung durchaus geringer sind als die Fixkosten in Form von Entwicklungskosten der Algorithmen, führt der erhöhte Ausstoß zu einem größeren Gewinn. Dies kann zu Preissenkungen gegenüber der datenbereitstellenden Marktseite führen oder aber gegenüber der monetisierenden Marktseite.434 Die Rechtzeitigkeit erscheint bei der Aussicht auf Innovationen problematisch. Hierbei wird zwischen solchen Situationen, in denen das bloße Mehr an Informationen zu einer Produktverbesserung führt von solchen zu unterscheiden sein, in denen sich nicht schon aus der Kombination der Daten, sondern erst aus nachfolgenden Entwicklungsschritten daraus abgeleitete Verbesserungen und Innovationen ergeben. 430
Komm. 14. 5. 2008, COM P/M.4854, Rn. 249 „TomTom/Teleatlas“. Komm. 14. 5. 2008, COM P/M.4854, Rn. 249 „TomTom/Teleatlas“. 432 Komm. Leitlinien Horizontalfusionen, Rn. 83, 86. 433 Inkrementelle Innovationen werden meist als schrittweise Fortentwicklungen verstanden, sie rufen häufig keine extremen Marktwirkungen hervor. BKartA, Schriftenreihe Digitales – Innovationen, S. 5. 434 Zur Frage der Berücksichtigung von Preissenkungen auf der anderen Marktseite bei Plattformmärkten sogleich. 431
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
Der Zugang zu mehr Suchanfragen, Verkehrsdaten oder Maschinenausfalldaten kann dem bereits bestehenden Algorithmus zu einer erhöhten Präzision verhelfen. So ermöglichte oder präzisierte Voraussagen oder Trefferwahrscheinlichkeiten verbessern eindeutig rechtzeitig das bereits bestehende Produkt. Sollen aber durch die Kombination der Datenbanken neue Geschäftsfelder erschlossen oder gänzlich neue Produkte aufgrund der Analyse der kombinierten Daten ermöglicht werden, kann die Rechtzeitigkeit nicht ohne weiteres bejaht werden. 3. Verbrauchervorteile Die Effizienzvorteile müssen weiterhin geeignet sein, Fähigkeit und Anreiz der Fusionspartner zu erhöhen, den Wettbewerb zum Vorteil der Verbraucher zu intensivieren.435 Die Verbesserung der Leistungsfähigkeit des fusionierten Unternehmens gilt als prokompetitiv, da es seine Wettbewerber dazu anregt, durch eine Verbesserung des eigenen Angebots den Vorsprung zu mitigieren.436 Auch wenn die Unternehmen durch die Effizienzvorteile die Fähigkeit gewonnen haben, den Wettbewerb zu beleben, müssen sie zusätzlich den Anreiz verspüren dies durch die Weitergabe der Effizienzen an ihre Abnehmer zu tun. Dies ist zweifelhaft, wenn ein geringer Wettbewerbsdruck herrscht.437 Die behandelten Effizienzgewinne dürften den Verbrauchern nur dann zugute kommen, wenn die Neuerungen oder Produktoptimierungen für die Nachfrage vorteilhafter sind, als die Nachteile, die sich daraus für sie (Zugriff auf große Mengen personenbezogener Daten) oder die korrespondierende Marktseite (Preiserhöhungen) ergeben können.438 Problematisch im Kontext mehrseitiger Märkte ist die Ansicht der Kommission, dass die Effizienzgewinne den Verbrauchern auch in dem Markt zugutekommen müssen, in welchem ansonsten die Wettbewerbsbedenken entstünden.439 Diese Konstellation ist aber, wie die Ausführungen zu competitive bottlenecks zeigen, nicht zwingend gegeben.440 Sie konfligiert mit der aus ökonomischen Gründen nötigen Berücksichtigung der Verbindung zwischen den Plattformseiten.441 Die Kommission selbst hat jedoch erklärt, dass dieser Grundsatz Ausnahmen zugänglich 435
Komm. Leitlinien Horizontalfusionen, Rn. 77. Kling/Thomas, Kartellrecht, § 8 Rn. 319. 437 Komm. Leitlinien Horizontalfusionen, Rn. 84. 438 Filistrucchi/Geradin/van Damme, in: TILEC/Howrey, Mergers in Two-Sided Markets, S. 105 (127). 439 Komm. Leitlinien Horizontalfusionen, Rn. 79. Generell kritisch hierzu: Bardong, in: Langen/Bunte, Art. 2 FKVO Rn. 213; Kling/Thomas, Kartellrecht, § 8 Rn. 318. 440 Vgl. § 5 B. III. 4. 441 So im Hinblick auf die Berücksichtigung indirekter Netzwerkeffekte Monopolkommission, Sondergutachten 68, Rn. 56 ff.; Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, S. 206. 436
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sei.442 Dementsprechend könnten Effizienzgewinne, die in einem relevanten Markt einer Plattform wirken, berücksichtigt werden, wenn sie die wettbewerbswidrigen Wirkungen des Zusammenschlusses in dem korrespondierenden relevanten Markt auszugleichen vermögen.443 Gerade im Hinblick auf die unterschiedliche Abgrenzung mehrseitiger Märkte, als einheitlicher relevanter Markt oder separate Märkte,444 könnte es sonst zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung kommen. Nichtsdestotrotz muss eine Abwägung zwischen Effizienzgewinnen auf der einen Seite und der wettbewerbsbegrenzenden Wirkung auf der anderen über die Marktgrenzen hinweg stattfinden. Fraglich ist, wie der Anreiz zur Weitergabe der Effizienzvorteile an die Abnehmer im Hinblick auf die Konzentrationstendenzen445 vieler datenbasierter Märkte zu beurteilen ist. Dieser ist zweifelhaft, wenn ein geringer Wettbewerbsdruck herrscht.446 Datenzugang kann Marktmacht vermitteln, wenn er einer Marktzutrittsschranke gleicht, die nur schwer von den Wettbewerbern eingeholt werden kann.447 In einem solchen Umfeld erscheint es unwahrscheinlich, dass die Unternehmen versuchen die Effizienzvorteile der Zusammenschlussparteien zu mitigieren, da sie selbst nicht unbedingt über vergleichbare Daten verfügen und schlechtere Dienste nicht über einen geringeren Preis ausgleichen können. Andererseits kann der potentielle Wettbewerb in dynamischen Märkten eine größere Rolle spielen. Sofern sich der Wettbewerbsdruck also nicht aus der aktuellen Stärke etwaiger Wettbewerber ergibt, ist in einem volatilen Wettbewerbsfeld dennoch davon auszugehen, dass das neue Unternehmen einen (Innovations-)Druck zur Weitergabe der Effizienzen spürt. 4. Nachprüfbarkeit/Beweisbarkeit Schließlich müssen die Effizienzgewinne nachprüfbar und nach Möglichkeit quantifizierbar sein.448 Im Gegensatz zu etablierten Vorteilen wie dem CournotComplements-Effekt haben sich vergleichbare Erfahrungssätze im noch jungen Big Data-Umfeld noch nicht herauskristallisiert. So ist ebenfalls nicht erwiesen, ob auch Daten abnehmenden Grenzerträgen unterliegen und so ab einem gewissen Grad die Steigerung der Datenmenge keinen Vorteil mehr bietet.449 Da laut Kommission die 442 Stellungnahme der europäischen Kommission, in: OECD, Two-Sided Markets, S. 168; vgl. auch die englische Fassung der Leitlinien Horizontalfusionen Rn. 79. 443 Stellungnahme der europäischen Kommission, in: OECD, Two-Sided Markets, S. 168. 444 Vgl. § 5. 445 Weck, NZKart 2015, 290 (294); BKartA, Arbeitspapier, 48; vgl. § 3 A. III. 2. 446 Komm. Leitlinien Horizontalfusionen, Rn. 84. 447 Vgl. § 6. 448 Ibid. Rn. 86. 449 Die Speicherung und Verarbeitung von Daten verursacht Kosten, die ab einer bestimmen Menge nicht mehr lohnenswert sein könnte, da der Qualitätsgewinn im Verhältnis zum er-
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
Darlegungslast bei den Unternehmen liegt,450 erscheint eine Geltendmachung der efficiency defense aufgrund von dateninduzierten Verbesserungen unabhängig von ihrer rechtlichen Zulässigkeit schwer möglich.451 TomTom/Teleatlas versuchte die Effizienzgewinne durch zwei Ansätze quantitativ zu bestimmen: zum einen wurden die Kosteneinsparungen berechnet, die nach der Firmenfusion bei gleichbleibender Qualität angeboten werden könnten, zum anderen wurden die zusätzlichen Kosten berechnet, die aufgebracht werden müssten um ohne Fusionen die gleiche Qualität anbieten zu können, wie sie nach der Fusion angeboten werden sollte.452 Die Kommission schien von dieser Berechnung nicht überzeugt.453 Die Quantifizierung der Verbesserung der Produktqualität ist außerhalb der oben genannten Umrechnung kaum möglich. Bei der Verschiebung eines Preis- und Mengenwettbewerbs hin zu einem Innovationswettbewerb ist die Darlegung der Notwendigkeit der Fusion und Kombination für die Erzielung der behaupteten wirtschaftlichen Vorteile aber ein valides Mittel.
III. Berücksichtigung in der nationalen Fusionskontrolle Die Angleichung des Untersagungskriteriums im deutschen Recht an die FKVO hat wohl nicht zu einer Übernahme der efficiency defense ins deutsche Recht geführt.454 In § 36 Abs. 1 S. 2 GWB verblieben ist aber die Abwägungsklausel, nach welcher dem BKartA die Untersagung eines Zusammenschlusses verwehrt ist, wenn durch den Zusammenschluss auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen auf einem anderen Markt eintreten, die die Behinderungswirkung überwiegen. Hierbei werden die Vor- und Nachteile aller betroffenen Märkte abgewogen.455 Die Monopolkommission geht deshalb im Kontext mehrseitiger Plattformen davon aus, dass das BKartA flexibler bei der Berücksichtigung von Effizienzen sei als die Kom-
forderlichen Aufwand zu gering wird. So Körber, NZKart 2016, 303 (305); a.A. Newman, Yale Journal on Regulation 2014, 30 (3), 401 (421, 424). 450 Komm. Leitlinien Horizontalfusionen, Rn. 86. 451 Die Anforderungen generell für sehr streng haltend Bardong, in: Langen/Bunte, Art. 2 FKVO Rn. 260; Kling/Thomas, Kartellrecht, § 8 Rn. 321, die für die Fusionskontrolle erforderliche Prognosesicherheit genüge, bei Zweifeln der Kommission greife der Amtsermittlungsgrundsatz. 452 Komm. 14. 5. 2008, COMP/M. 4854, Rn. 247 „TomTom/Teleatlas“. 453 Komm. 14. 5. 2008, COMP/M. 4854, Rn. 248 „TomTom/Teleatlas“, welche letztendlich nicht entscheidungserheblich war. 454 So Knebel/Christiansen, in: MüKo § 36 GWB Rn. 74 ff.; Monopolkommission, Sondergutachten, 63, Rn. 30 ff.; Barke/Stransky, WRP 2014, 674 (676 f.); Ritter/Käseberg, WuW 2012, 661 (665); Immenga, EuZW 2013, 722; a.A. Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 Rn. 488 ff.; 444 ff.; Kling/Thomas, Kartellrecht, § 22 Rn. 135; Esser/Höft, NZKart 2013, 455; Lettl, WuW 2013, 706 (711). 455 Knebel/Christiansen, in: MüKo § 36 GWB Rn. 217.
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mission,456 lässt dabei aber scheinbar die Beschränkung der Abwägungsklausel auf Strukturbedingungen außer Acht. Denn nach der ganz überwiegender Meinung werden grundsätzlich nur solche Umstände berücksichtigt, die sich auf die Marktstruktur auswirken,457 die Ermäßigung der Preise oder die Erweiterung der Produktpalette hingegen genügen nicht.458 Ebenso blieb ein behaupteter Beitrag zum technischen Fortschritt aufgrund fusionsoptimierter Kostenstrukturen unberücksichtigt, da die Fusion zur Beendigung des herrschenden Wettbewerbs geführt hätte. Der Wettbewerbsdruck sei aber ein wichtiger Garant für den Erhalt des technischen Fortschritts.459 Betriebswirtschaftliche Verbesserungen seien dementsprechend nur dann zu berücksichtigen, wenn „zu erwarten ist, dass von der gesteigerten Wettbewerbsfähigkeit tatsächlich Gebrauch gemacht werden wird“460 bzw. sofern von ihnen „eine strukturelle Wirkung ausgeht“.461 Letzteres wurde bei der Förderung des Wettbewerbs auf vor- bzw. nachgelagerten Märkten als Freigabegrund anerkannt;462 so glich die Vereinfachung der Kapazitätsbuchung und des Erdgashandels die Wettbewerbsverschlechterung auf dem Markt für Handelsplattformen aus.463 Die Datenkombination zur Produktverbesserung und Innovation müsste also strukturelle Wirkung entfalten, um berücksichtigt zu werden. Ebenso müsste zu erwarten sein, dass die Ressourcen auch in strukturverbessernder Weise genutzt464 werden. Aufgrund der Plattformstruktur vieler datenbasierter Märkte ist bei getrennter Abgrenzung der Märkte zumindest eine Anwendung i.S.d. Förderung des Wettbewerbs auf vor- bzw. nachgelagerten Märkten denkbar. Faktisch wird dies aber selten der Fall sein, wie sich an einem Beispiel aus der Werbeindustrie darstellen lässt. Aufgrund der plattformimmanenten Netzwerkeffekte wird mit einer Verbesserung der Produkte auf der Nutzerseite (marktstarke Position durch Fusion) auch die Position auf 456 Monopolkommission Sondergutachten 68, Rn. 475; BKartA, Leitfaden zur Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle, Rn. 186. 457 BGH WuW/E BGH 2425m 2431 „Niederrheinische Anzeigenblätter“; WuW/E BGH 2899, 2902 „Anzeigenblätter II“; wohl auch Christiansen, in: MüKo 36 GWB Rn. 220; unklar Lettl, WuW 2013, 706 (711 f.); a.A. für den SIEC-Test Kahlenberg, in: Loewenheim et al., § 36 GWB Rn. 191. 458 KG WuW/E OLG 1921, 1924 „Thyssen/Hüller“; Kallfaß, in: Langen/Bunte, § 36 GWB Rn. 121. 459 BKartA WuW/E BKartA 2405, 2411 „MAN/Sülzer“. 460 KG 18. 2. 1985, WuW/E OLG 3469, 3473 „Thüringer Gas/Westerland“; ferner BKartA 4. 2. 1974, WuW/E BKartA 1475, 1481 „Haindl/Holtzmann“; BKartA 29. 5. 1974, WuW/E BKartA 1517, 1520 „Bitumen Verkaufsgesellschaft“; BKartA 21. 4. 1999, WuW/E DE-V 145, 148 „Pfleiderer/Coswig“. 461 BKartA Leitfaden Marktbeherrschung Rn. 190. Das Amt führt als Beispiel an, dass „die Zusammenführung von Netzen die Voraussetzung für das Angebot von Internetzugängen erleichtert bzw. schafft, das vorher auf die Nutzung von Monopolinfrastruktur angewiesen war.“ 462 BKartA WuW/E DE-V 1567, 1572 f. „Kabel Deutschland“; Knebel/Christiansen, in: MüKo § 36 GWB Rn. 222. 463 BKartA WuW/E DE-V 1500, 1505 „trac-x“. 464 Vgl. auch BGH 8. 2. 1994, WuW/E BGH 2899, 2902 „Anzeigenblätter II“; Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 GWB Rn. 616.
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
der Werberseite verstärkt (positive indirekte Netzwerkeffekte). Ein Zusammenschluss auf der Werberseite hingegen würde lediglich die Marktmacht auf der Werberseite und generell die finanziellen Ressourcen erhöhen, nicht aber zu intensiverem Wettbewerb auf der Nutzerseite führen. Zudem ähneln sich die Marktpositionen auf den korrespondierenden Märkten trotz asymmetrischer Marktabgrenzung häufig. Auch muss im Einklang mit der zuvor genannten Rechtsprechung berücksichtigt werden, dass das Vorliegen von Wettbewerbsdruck ein Faktor zur Förderung des Innovationswettbewerbes ist. Fällt dieser weg, ohne das ausreichend Wettbewerbsdruck durch potentiellen Wettbewerb verbleibt, ist gerade das Zurückhalten potentieller Innovation ein Merkmal von Marktmacht. Ein positives Abwägungsergebnis aufgrund der Produktverbesserung durch Datenkombination ist im deutschen Recht also nicht zu erwarten.
IV. Ergebnis Damit ist erkennbar, dass eine efficiency defense aufgrund gesteigerter Innovationsanreize sowie Kosteneinsparungen durch den Datenzugang des Fusionspartners im europäischen Recht zwar ungewöhnlich und nur aufwendig zu beweisen, aber rechtlich möglich ist. Immer muss jedoch eine Abwägung mit der Marktabschottungswirkung durch Datenbankkombinationen erfolgen. Dies dürfte v. a. bei Aufholfusionen der Fall sein. Im deutschen Recht ist eine solche Abwägung aufgrund der Strukturfokussierung der Abwägungsklausel nicht möglich, eine Auslegungsänderungaber anzuraten.
C. Bedingungen und Auflagen zur Beseitigung wettbewerbsrechtlicher Bedenken aufgrund von „Datenmacht“ Entspricht ein Zusammenschluss den Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 3 FKVO nicht, kann das Unternehmen durch Verpflichtungszusagen gem. Art. 8 Abs. 2 UAbs. 2 FKVO bzw. Art. 6 Abs. 2 UAbs. 2 FKVO die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission ausräumen. Die beteiligten Unternehmen haben das Recht, den angemeldeten Zusammenschluss nach Übermittlung der Beschwerdepunkte durch von ihnen angebotene Verpflichtungen so zu ändern, dass dieser unbedenklich wird.465 Die Kommission kann dann die Genehmigungsentscheidung an Bedingungen und Auflagen knüpfen, um sicherzustellen, dass die beteiligten Unternehmen den von ihnen übernommenen Verpflichtungen nachkommen.466 Auch im deutschen Recht kann das BKartA den Vorschlägen der beteiligten Unternehmen folgen und das Vorhaben unter Nebenbestimmungen freigeben, § 40 Abs. 3 S. 1 465 466
Siehe auch Erwägungsgrund 30 FKVO; Mestmäcker/Schweitzer, § 26 Rn. 205. Mestmäcker/Schweitzer, § 26 Rn. 206.
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GWB. Seit der Einführung dieser Bedingungs- und Auflagenkompetenz durch die 6. GWB-Novelle folgt die deutsche Fusionskontrolle der Technik der FKVO.467 Während Bedingungen die Änderung der Marktstruktur zur Voraussetzung der Genehmigung machen, betreffen Auflagen hauptsächlich468 Verhaltensweisen, die notwendig sind, um Bedingungen zu vollziehen.469 Vom BKartA erlassene Nebenbestimmungen müssen dazu geeignet sein, den wettbewerblichen Bedenken i.S.v. § 36 Abs. 1 abzuhelfen.470 Sie können deshalb entweder darauf abzielen, den Eintritt einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs auf einem betroffenen Markt zu verhindern oder aber überwiegende Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen i.S.d. Abwägungsklausel herbeizuführen.471 Zu unterscheiden sind drei Gruppen von Zusagen: die Veräußerungsverpflichtung, andere Abhilfemaßnahmen struktureller Art und Verpflichtungen hinsichtlich des zukünftigen Verhaltens.472 Für die deutsche Fusionskontrolle schränkt § 40 Abs. 3 Satz 2 GWB insoweit ein, dass Bedingungen und Auflagen nicht darauf gerichtet sein dürfen, die beteiligten Unternehmen einer laufenden Verhaltenskontrolle zu unterstellen.473 Laufende Verhaltenskontrollen sind nach Aussage der Mitteilung der Kommission zu Abhilfemaßnahmen in der europäischen Fusionskontrolle nur „ausnahmsweise unter ganz besonderen Umständen zulässig“.474 In der Praxis überwiegen Verpflichtungen zur Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen oder Vermögenswerten,475 mit denen die durch den Zusammenschluss bewirkten Marktanteilsadditionen ausgeglichen werden.476 Andere Abhilfemaßnahmen struktureller Art sind zumeist die Gewährung des Zugangs zu wichtiger
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Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 40 GWB Rn. 97. Komm. Mitteilung zu Abhilfemaßnahmen, Rn. 19. 469 Mestmäcker/Schweitzer, § 26 Rn. 206. 470 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 40 GWB Rn. 102; Dubberstein, in: MüKo § 40 GWB Rn. 59. 471 BGH 7. 2. 2006, WuW/E DE-R 1681, 1692 „DB Regio/Üstra“: „Die Nebenbestimmungen müssen somit geeignet und erforderlich sein, um die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung zu verhindern oder zu bewirken, dass durch den Zusammenschluss auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten, die die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen (§ 36 Abs. 1 GWB).“; zur Zusagenpraxis bezüglich der Herbeiführung von Wettbewerbsverbesserungen i.S.d. Abwägungsklausel s. BKartA TB 1999/ 2000, BT-Drucks. 14/6300, S. 22. 472 Mitteilung der Kommission über nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 der Kommission zulässige Abhilfemaßnahme, Rn. 17. 473 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 40 GWB Rn. 97. 474 Mitteilung der Kommission über nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 der Kommission zulässige Abhilfemaßnahme, Rn. 17. 475 Z. B. Betrieben oder Betriebsteilen, gewerblichen Schutzrechten oder anderen Rechtspositionen der beteiligten Unternehmen, vgl. BKartA, WuW/E DE-V 483 „Lufthansa/Eurowings: Übertragung von Flugfrequenzen und Start- und Landerechten“. 476 Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim et al., § 40 GWB Rn. 32, 34. 468
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
Infrastruktur oder zu wichtigen Vorleistungen zu diskriminierungsfreien Bedingungen.477 Um einer Zusammenschlussuntersagung aufgrund externen Datenwachstums zu begegnen, können drei verschiedene Verpflichtungszusagen diskutiert werden. Die erste mögliche Zusage ist es die Datenportabilität der Kunden der Fusionspartner zu ermöglichen oder zu erhöhen; sprich den Kunden einen Wechsel zu den Wettbewerbern, so er denn gewünscht ist, zu vereinfachen und so die Wechselkosten niedrig zu halten. Einen Schritt weiter geht der Verzicht auf die Kombination der Datenbanken, also das Versprechen die Vorteile der Fusion im Hinblick auf die „Datenschätze“ der Zusammenschlusspartner nicht zu nutzen. Die dritte Möglichkeit ist die Offenlegung der Datenbanken und der enthaltenen Daten gegenüber Wettbewerbern, sodass die Fusionspartner die Vorteile der Fusion nutzen können und zugleich Marktzutrittsschranken gesenkt werden.478 Im Folgenden sollen diese drei Abhilfemaßnahmen auf ihre Umsetzbarkeit in der deutschen und europäischen Fusionskontrolle und im Hinblick auf ihre wettbewerbspolitische Sinnhaftigkeit zur Bewahrung des Wettbewerbs auf datenbasierten Märkten überprüft werden.
I. Systeme zur Datenportabilität Zunächst einmal könnten die Fusionspartner anbieten, ihren Kunden den Wechsel zu Wettbewerbern möglichst einfach zu gestalten, ergo Datenportabilität zu ermöglichen. Für personenbezogene Daten handelt es sich nicht um eine geeingete Zusage. Nach Art. 20 DSGVO hat die betroffene Person ohnehin das Recht, die sie betreffenden personenbezogenen Daten in einem strukturierten gängigen und maschinenlesbaren Format zu erhalten. Dadurch steht es den Nutzern frei, ihre Daten zu einem anderen Dienstleistungsanbieter zu migrieren, ein etwaiges Lock-In wird verhindert und Marktzutrittsbarrieren in Form von Datenverfügbarkeiten abgebaut. Mit der Möglichkeit eines freien und einfachen479 Wechsels zwischen den Anbietern kann ein Leistungswettbewerb um Kunden und deren personenbezogene Daten ermöglicht werden. So kann ein überlegener aber neuer Wettbewerber die kritische Schwelle an Werbeeinnahmen durch die übertragenen Nutzerdaten schneller erreichen. Auch die Pflicht zur Entwicklung eines Migrationstools zur direkten Übertragung der Daten ergibt sich bereits aus Art. 20 Abs. 2 DSGVO. Möglich wären solche Verhaltenszusagen im Bereich der nicht-personenbezogenen Daten. Betroffen wären hier v. a. Unternehmen, die Daten ihrer Produkte oder Geräte i.R.v. Dienstleistungen aus der Industrie 4.0 an die Zusammenschlussparteien 477
Mitteilung der Kommission über nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 der Kommission zulässige Abhilfemaßnahme, Rn. 17. 478 So auch Holzweber, NZKart 2016, 104 (110 ff.). 479 Zum Beispiel ist es möglich mithilfe verschiedener Tools Daten direkt zwischen Apples iOS und Android zu migrieren.
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übermitteln. Die Zusage eine Übertragbarkeit solcher Daten an andere Dienstleister zu ermöglichen, könnte hierbei Marktzutrittsschranken aufbrechen (und neben dem Wettbewerb um den Markt auch noch den Wettbewerb auf dem Markt ermöglichen). Im Grunde ist diese Art der garantierten Datenportabilität für nicht-personenbezogene Daten eine Verpflichtung, die Interoperabilität zwischen einem Grundprodukt und einer gekoppelten Dienstleistung zu ermöglichen.480 Interoperabilitätszusagen haben in der Fusionskontrolle der Kommission bereits in Technologiemärkten Anwendung gefunden. Die Fusion Intel/McAfee beinhaltete eine ähnliche Konstellation, wie sie im Rahmen der Industrie 4.0 zu erwarten ist.481 Intel als führender Hersteller von Prozessoren, Chipsätzen und Plattformen und McAfee, Anbieter von IT-Sicherheitslösungen, waren auf benachbarten, teils komplementären Märkten tätig. Die Kommission erkannte, dass hier vor allem die eventuellen konglomeraten Effekte berücksichtigt werden mussten. Auch musste untersucht werden, ob Anbieter von Sicherheitslösungen Zugang zu den für die Entwicklung neuer Lösungen erforderlichen Informationen über die Prozessoren hatten.482 Die Parteien verpflichteten sich, ihre Hardware den Mitbewerbern von McAfees Software nicht vorzuenthalten und so aufgrund der Interoperabilität Produktkopplungen zu verhindern.483 Hervorzuheben ist hier der Verzicht Intels gerade auch auf fusionsspezifische Innovationen, also die Tatsache, dass Intel keine Produkte verkaufen könnte, die sich aus einer aufgrund der Fusion erlangten Informationsmonopolstellung begründen.484 Erst hierdurch sah die Kommission die Wettbewerbsbedenken ausgeräumt. So wurde Intel nicht an neuen Produkten gehindert, Wettbewerber hatten aber die Möglichkeit, alternative Software zu entwickeln.485 Im europäischen Recht dürfen Verhaltenszusagen nicht nur das bloße Versprechen, die erlangte oder verstärkte marktbeherrschende Stellung nicht zu missbrauchen, darstellen.486 In diesem Falle ist also zu prüfen, ob die Zusage einer Datenportabilität nicht ohnehin eine aus seiner besonderen Verantwortung gegenüber dem Wettbewerb entspringende Pflicht des marktmächtigen Unternehmens ist. Ein Datenportabilitätssystem ist lediglich eine Senkung der Wechselkosten der Kunden, sie werden auch ohne Datenportabilitätssystem nicht missbräuchlich gebunden. Eine solche Verweigerung ist nur schwerlich als missbräuchliche Marktabschottung zu sehen. Ein Nichtwiederholbarkeitseffekt stellt noch keine Beeinträchtigung der 480
So in Ansätzen auch Holzweber, NZKart 2016, 104 (111). Hierbei sind aber auch die gesetzlichen Vorgaben zu berücksichtigen, vgl. die Überlegungen zur Datenportabilität nichtpersonenbezogener Daten in Komm., Ordnungsrahmen Datenmärkte, COM(2017) 9 fin. 481 Komm. 26. 1. 2011, COMP/M.5984 „Intel/McAfee“. 482 Komm. 26. 1. 2011, COMP/M.5984, Rn. 337 „Intel/McAfee“. 483 Komm. 26. 1. 2011, COMP/M.5984, Rn. 338 ff. „Intel/McAfee“. 484 Komm. 26. 1. 2011, COMP/M.5984, Rn. 338 ff. „Intel/McAfee“. 485 Komm. 26. 1. 2011, COMP/M.5984, Rn. 342 „Intel/McAfee“. 486 Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 8 FKVO Rn. 164; Immenga/Immenga, WuW 2011, 337 zu Intel/McAfee.
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
Wettbewerber dar.487 Auch ist der Datenbestand wechselkostenscheuer Kunden keine essential facility.488 Damit handelt es sich bei einer Zusage, ein Datenportabilitätssystem einzurichten nicht um eine sich ohnehin aus Art. 102 AEUV ergebende Pflicht. Reine Verhaltenszusagen stehen mit dem Verbot des § 40 Abs. 3 GWB in Konflikt und werden auch von der Kommission kritisch gesehen.489 Die Überwachung der Gewährung der Portabilität der Daten würde eine laufende Verhaltenskontrolle durch die Kartellbehörden darstellen. Die europäische Kommission hatte jedoch im Fall Areva/Unrenco/ETC die Kontrolle durch eine Dritte Behörde akzeptiert.490 Die Kommission scheint bei Verhaltenszusagen großzügiger zu werden und diese auch ohne strukturelle Zielrichtung zu gestatten.491 Im deutschen Recht wird dies abgelehnt. Nebenbestimmungen, die der laufenden Überwachung, auch durch externe Dritte bedürfen, sind ungeeignet und durch den Gesetzgeber ausgeschlossen.492 Allerdings erkennt das Amt, dass Nebenbestimmungen, die den Zusammenschlussbeteiligten punktuell oder wiederholt ein bestimmtes Verhalten abverlangen, geeignet sind, wenn durch die Beeinflussung des Verhaltens ein struktureller Effekt erzielt wird, der hinreichend wirksam und nachhaltig ist, um die Wettbewerbsbeschränkung zu heilen.493 Dieser strukturelle Effekt müsse durch einmaliges oder in wenigen, zusammenhängenden Schritten umsetzbares Verhalten dauerhaft eintreten.494 Diesen Voraussetzungen wird der Erlass einer Freigabe unter der aufschiebenden Bedingung bis zur Erstellung eines Datenportabilitätssystems gerecht. Hierbei handelt es sich um Wahrung der Interoperabilität zwischen verschiedenen Anbietern. Durch das verhinderte Lock-In kann der Nutzer frei im Qualitäts- oder Innnovationswettbewerb entscheiden.495 Das System muss einmal aufgesetzt werden und ist 487
Kling/Thomas, Kartellrecht, § 20 Rn. 131. Anders mag dies höchstens in Fällen zu sehen sein, in denen die Daten eine zwingende Vorleistung für sich anschließende Wartungsdienste darstellen und keine Substituierbarkeit gegeben ist. Ein Zeichen hierfür ist auch die geplante Änderung des § 19 Abs. 2 Nr. 4 GWB durch die 10. GWB-Novelle, aus welcher sich ergibt, dass ohne eine Aufnahme der Zugangsgewährung zu Daten eine Subsumtion unter den Begriff des Netzes und Infrastruktureinrichtungen nur in Ausnahmefällen möglich ist. 489 Komm., Mitteilung über zulässige Abhilfemaßnahme, Rn. 17. 490 Komm. 6. 10. 2004, COMP/M.3099 Annex C „Areva/Urenco/ETC JV“. 491 Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 8 FKVO Rn. 164; Immenga/Immenga, WuW 2011, 337. 492 BKartA, Leitfaden – Zusagen in der Fusionskontrolle, S. 12; Kallfaß, in: Langen/Bunte, § 40 GWB Rn. 36. 493 BGH WUW/E DE-R 1681, Rn. 58 f. „DB Regio/üstra“; Kallfaß, in: Langen/Bunte, § 40 GWB Rn. 36. 494 BKartA, Leitfaden – Zusagen in der Fusionskontrolle, S. 13. 495 Die gegebenen Verhaltenszusagen werden dabei nach Rspr. des EuG in das Prüfungsschema zur Marktabschottung einbezogen, sodass bei geeigneten Zusagen der Anreiz oder die 488
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dann dauerhaft implementiert. Diese Verpflichtung kann zumindest flankierend eingesetzt werden, um Marktzutrittsschranken zu senken. Auf datenbasierten Märkten ist dies, gerade auch im Hinblick auf die diskutierten Eigentumsrechte von nicht-personenbezogenen Daten und schwerlich vorherzusehenden strukturellen Entwicklungen ein möglicherweise gangbarer Weg, wettbewerbsrechtliche Bedenken auszuräumen. Die Gewährung einer Datenportabilität, so sie denn nicht ohnehin gesetzlich verpflichtend ist, schützt bereits bestehende Wettbewerber bzw. ermöglicht ihnen eine Erweiterung ihres Geschäfts, ohne dass die Nutzer – ähnlich wie in Systemmärkten – durch hohe Wechselkosten gefangen sind.
II. Trennung von Datenbanken oder die Untersagung ihrer Zusammenführung Während die Garantie der Datenportabilität einen Wettbewerb um Daten ermöglicht, verbleibt den Fusionspartnern die alleinige Möglichkeit durch die Zusammenführung der Datenbestände und -zugänge Metadaten abzuleiten und weitere marktüberlegene Produkte zu entwickeln. Das Versprechen, die Datenbestände gar nicht erst zu kombinieren, verhindert das Entstehen möglicher neuer Marktzutrittsschranken. Ein Marktmachttransfer wäre nicht zu befürchten. Da die europäische Kommission die Möglichkeit der Datenkombination bereits in mehreren Zusammenschlussverfahren geprüft hat, ist zu diskutieren, ob eine solche Zusage möglicherweise geeignet wäre, wettbewerbliche Bedenken zu zerstreuen.496 Besonderheit war hierbei aber, dass die Kombination dabei auch als technisch oder rechtlich unmöglich angesehen wurde. Bei einer technisch möglichen Kombination wurde in der Literatur die Errichtung einer chinesischen Mauer als Trennung der Datenbanken zwischen den verschiedenen Teilen eines horizontal oder vertikal integrierten Unternehmens vorgeschlagen.497 Sie soll die Unabhängigkeit verschiedener Einheiten vertikal integrierter Unternehmen wahren, so dass keine geheimen, wettbewerbsrelevanten Informationen ausgetauscht werden können.498 Diese Verpflichtungszusage wurde im Fall Areva/Unrenco akzeptiert, damit empfindliche Daten auf der unteren Vertriebsebene liegender Wettbewerber nicht
Fähigkeit zur Marktabschottung verneint werden kann, EuG 25. 10. 2002, T-5/02, Slg. 2002, II4381, Rn. 161 = WuW 2002, 1241 „Tetra Laval“. 496 Siehe dazu genauer § 6; Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217 Rn. 180 ff. „Facebook/ WhatsApp“; Komm. 11. 03. 2008, COMP/M.4731, Rn. 359 „Google/DoubleClick“, Komm. 4. 9. 2012, COMP/M.6314 Rn. 529 ff. „Telefónica UK/Vodafone UK/Everything Everywhere/ JV“. So auch Holzweber, NZKart 2016, 104 (111). 497 Holzweber, NZKart 2016, 104 (111). 498 Paas ECLR 2006, 27(5), 209 (212).
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
über das Gemeinschaftsunternehmen an die Parteien übertragen werden könnten.499 Eine solche Zusage bewegt sich im Grenzbereich einer laufenden Verhaltenskontrolle.500 Nach der Gencor Rechtsprechung des EuG soll im europäischen Recht nicht generell ausgeschlossen werden, dass verhaltensbestimmende Verpflichtungen durchaus geeignet sein können, die Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung zu unterbinden.501 Um die Notwendigkeit einer fortlaufenden (unzulässigen) Kontrolle zu verhindern, werden deshalb regelmäßig Schiedsklauseln vereinbart.502 In der nationalen Fusionskontrolle dürfen Nebenbestimmungen nicht nur nicht eine laufende Verhaltenskontrolle darstellen, es ist jegliche Auflage hinsichtlich des Verhaltens unzulässig, solange sie keine strukturelle Maßnahme darstellt.503 Strukturelle Maßnahmen sind solche, die an den Wettbewerbsbedingungen und nicht am Wettbewerbsverhalten anknüpfen. Maßnahmen, die auf die Beseitigung unternehmerischer Einflussmöglichkeiten, Verflechtungen oder Marktzutrittsschranken gerichtet sind, bergen die Gefahr, zu einer Verhaltenskontrolle zu führen. Aus diesem Grund stellen chinesische Mauern aus Sicht des BKartA keine adäquate Zusage dar; denn ihre Einhaltung kann außerhalb einer laufenden Kontrolle nur unzureichend überwacht werden.504 Die Trennung von Datenbanken bzw. das Versprechen, diese nicht zusammenzuführen, sind deshalb nicht mit dem deutschen Recht vereinbar. Wenn ein relevanter Teil der Datenbanken nicht durch klassische Veräußerung getrennt bzw. an einer Kombination gehindert wird, so verbleibt nur die reine Verhaltenszusage. Auch wenn die Verschmelzung ganzer Datenbanken zum Zwecke vertiefter Datenanalysen vom Umfang und Aufwand nicht vergleichbar ist mit dem typischen Informationsaustausch innerhalb einer Unternehmensgruppe, auf den das BKartA in seinem Leitfaden zur Zusagenpraxis abstellt, bedarf die Einhaltung von Geheimhaltungspflichten einer laufenden Kontrolle. Selbst wenn diese Geheimhaltungspflichten mit einer Schiedsklausel abgesichert und deren Überwachung einer externen Behörde
499 Komm. 6. 10. 2004, COMP/M.3099, Rn. 34 ff. „Areva/Urenco/ETC JV“: Der Austausch solcher Informationen führe zu unfairem Wettbewerb, so dass die Kommission fordern kann, dass solche Informationen nicht geteilt werden und dies über non-disclosure provisions garantiert wird. Im vorgenannten Fall verlangte die Kommission, dass die Unternehmen auf jegliches Vetorecht im Bezug auf Kapazitätsanpassungen im Tochterunternehmen verzichteten und dass der Informationsfluss zwischen den Unternehmen gestoppt würde (streng überwacht durch die europäische Lieferagentur ESA). 500 Käseberg, in: Langen/Bunte, Art. 8 FKVO, Rn. 44. 501 EuG 25. 3. 1999, Rs. T-102/96, Slg. 1999, 753, Rn. 319 „Gencor/Kommission“; so auch Mitteilung der Komm., Mitteilung über zulässige Abhilfemaßnahme, Rn. 15. 502 Komm., Mitteilung über zulässige Abhilfemaßnahme, Rn. 66. 503 Kallfaß, in: Langen/Bunte, § 40 GWB Rn. 36. 504 BKartA, Leitfaden Zusagen in der Fusionskontrolle, Rn. 87.
§ 7 Berücksichtigung externen Datenwachstums in der Fusionskontrolle
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auferlegt würde,505 müssten die Kontrollmaßnahmen vermutlich unverhältnismäßig stark in innerbetriebliche Vorgänge eingreifen.506 Auch im flexibleren europäischen Verfahren erscheint die Kontrolle der Einhaltung einer Verpflichtungszusage, die Datenbanken nicht zusammenzuführen, problematisch. Selbst wenn also durch Schiedsklauseln der Problematik einer fortlaufenden Überwachungstätigkeit durch die Kommission begegnet werden kann, verbleibt das Problem, dem Unternehmen eine Verletzung seiner Verpflichtungszusage nachzuweisen, insbesondere wenn es sich nicht um personenbezogene Daten handelt, also keine Änderung der Datenschutzbestimmungen nötig ist.507 Der erforderliche Grad an Wirksamkeit wäre durch eine solche Abhilfemaßnahme folglich nicht gegeben.508 Eine Verpflichtungszusage, für die Trennung bestehender Datenbanken Sorge zu tragen, wird wettbewerbliche Bedenken im Rahmen der europäischen und deutschen Zusammenschlusskontrolle nur unter zusätzlichen Voraussetzungen, wie der Zugangserleichterung zu aggregierten Daten für Wettbewerber lindern können. So bot Google der Kommission im Fall Google/Fitbit jüngst an, ein Datensilo zu schaffen, in dem Daten virtuell gespeichert werden und bestimmte, über tragbare Geräte erhobene Daten getrennt von den übrigen Datensätzen von Google aufbewahrt würden. Diese Daten dürften von Google nicht für Werbezwecke genutzt werden. Zum Zeitpunkt der Bearbeitung reichte der Kommission dies nicht aus. Dies begründete die Kommission unter anderem damit, dass die in einem Datensilo bestehende Abhilfemaßnahme nicht alle Daten abdecken würde, zu denen Google infolge der geplanten Übernahme Zugang hätte und die für Werbezwecke geeignet wären. Auch wettbewerbspolitisch kann eine solche Zusage dann nicht gewollt sein, wenn sie Innovation verhindert: Die Kombination von Daten kann auch einen Vorteil für die Marktgegenseite darstellen, da so Innovationen und Effizienzen ermöglicht werden. Wird also durch eine solche Verpflichtungszusage die Kombination von Datenbanken verhindert, profitiert weder das neu entstandene Unternehmen von einer Datenkombination noch die Verbraucher. Das BKartA hat zudem beobachtet, dass durchaus mit dieser Zusage vergleichbare Stilllegungsverpflichtungen Wettbewerber auch nicht zu Markteintritten animieren.509 Denn gerade wenn die neuen 505
Bundesnetzagentur oder Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit statt der ESA. 506 BKartA, Leitfaden Zusagen in der Fusionskontrolle, Rn. 87. 507 S. die Entwicklung im Fall „Facebook/WhatsApp“. Hier war die angeblich nicht mögliche Kombination der Daten durch eine Änderung Nutzungsbedingungen und Datenschutzbestimmungen aufgefallen. 508 Eine Kontrolle kann sogar unmöglich sein und auch Wettbewerber können nicht mit dem erforderlichen Grad an Sicherheit feststellen, ob die fusionierten Unternehmen die Verpflichtung in der Praxis erfüllen. Außerdem besteht auch für die Wettbewerber nicht zwingend ein Anreiz, die Kommission zu informieren, wenn sie keinen unmittelbaren Vorteil von den Verpflichtungen haben. Komm., Mitteilung über zulässige Abhilfemaßnahme, Rn. 69. 509 BKartA, Leitfaden Zusagen in der Fusionskontrolle, Rn. 85.
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
Datenbestände oder Zugänge den Fusionspartnern die Möglichkeit zur Entwicklung neuer Produkte und damit Märkte darstellen, verhindert ein Kombinationsverbot Innovation. Beachtet man die wettbewerbspolitischen Ziele, die auf datenbasierten Märkten zu berücksichtigen sind, erscheint eine solche Trennung der Datenbestände also wenig wünschenswert.
III. Zugangserleichterung zu vorhandenen Daten durch Markteröffnungszusagen Weiterhin wird die Offenlegung der Daten oder die Einräumung des Zugangs zur Datensammlung für Mitbewerber als Linderung der Marktzutrittsschranken diskutiert.510 Durch Öffnungsverpflichtungen soll den Wettbewerbern der beteiligten Unternehmen der Marktzugang und die Expansion am betroffenen Markt erleichtert werden.511 Hierdurch würden Abschottungseffekte durch den Unternehmenszusammenschluss beseitigt werden können.512 Während der Verzicht auf die Nutzung der Daten des Fusionspartners und die Zusage, die Datenportabilität der Nachfrager zu ermöglichen relativ geringe Zugeständnisse an aktuelle Wettbewerber sind, ist die Zusage zur Offenlegung der Daten geeignet, Marktzutritte zu ermöglichen. Die Kommission hat in Fällen, in denen der Zugang zu wichtiger Infrastruktur, Netzen, Schlüsseltechnologie (einschließlich Patenten, Know-how und sonstigen Rechten an geistigem Eigentum) sowie zu Vorleistungen von wesentlicher Bedeutung vorgesehen war, Abhilfemaßnahmen genehmigt.513 Ihnen muss aber eine vergleichbare Wirksamkeit wie der Veräußerung von Marktanteilen zukommen. Dies ist der Fall, wenn aufgrund dieser Verpflichtungen der rechtzeitige Markteintritt einer ausreichenden Zahl neuer Wettbewerber wirklich wahrscheinlich ist.514 Daten sind zumindest auf datenbasierten Märkten als essentielle Ressource einzuordnen. Fußen die Leistungen auf Analysen und Statistiken – wie im Bereich des predictive maintenance oder der Werbung – so sind sowohl die rezenten als auch die historischen Daten Vorleistung für das nachgelagerte Produkt. Strittig ist vielmehr die Nicht-Duplizierbarkeit der Daten, welche anders als die Urheberrechte im Fall Magill515 und die Betriebsgeheimnisse im Fall Microsoft516 zumeist weder rechtlich noch faktisch ausschließlich einem Unternehmen gehören. Zu berücksichtigen ist hierbei also die Zugänglichkeit der Daten. Vermittelt die – ausnahmsweise – vorliegende Ausschließlichkeit der Daten jedoch Marktmacht, so wäre die 510 Im Rahmen einer essential facilities doctrine Körber, NZKart 2016, 303 (308) oder im Rahmen der Fusionskontrolle Holzweber, NZKart 2016, 104 (110). 511 Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim et al., § 40 GWB Rn. 34. 512 Käseberg, in: Langen/Bunte, Art. 8 FKVO, Rn. 39. 513 S. Komm., Mitteilung über zulässige Abhilfemaßnahme Rn. 62, Rn. 65. 514 S. Komm., Mitteilung über zulässige Abhilfemaßnahme Rn. 63. 515 EuGH 6. 4. 1995, verb. Rs. 241/91 und 242/91, Slg. 1995, I 743, Rn. 48 ff. „Magill“. 516 Vgl. EuG 22. 12. 2004, Rs. T-201/04 R, Rn. 192 ff. „Microsoft“.
§ 7 Berücksichtigung externen Datenwachstums in der Fusionskontrolle
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Offenlegung der Datenbanken ein adäquates Instrument, da es die Grundlage für potentielle Markteintritte bilden könnte. Dies wurde im Verfahren Thomson/Reuters berücksichtigt. Bei den Unternehmen der Finanzindustrie, welche mit Daten handelten, konnte die Zusage, wettbewerbsrelevante Daten an Mitbewerber weiterzugeben, die wettbewerblichen Bedenken nivellieren.517 Die Fusionsparteien waren in unterschiedlichem Maße auf verschiedenen Informationsmärkten der Finanzindustrie tätig und vertrieben hier z. B. Rohdaten (Echtzeitdateneinspeisungen), Brokerberichte von Drittanbietern und auch verarbeitete Daten, sowie darauf fußende Dienstleistungen.518 Die Daten waren nicht ausnahmslos exklusiv519 und die Fusionspartner auch nicht die einzigen Anbieter der Dienste.520 Dennoch seien die Datenbanken der anderen Unternehmen nicht mit denen der Parteien zu vergleichen gewesen, sodass der Verkauf von vier Datenbanken zugesagt wurde, um wettbewerbliche Bedenken zu zerstreuen.521 Die Situation ist hinsichtlich der Art, Nicht-Rivalität und Verfügbarkeit für Wettbewerber durchaus mit der Situation auf datenbasierten Märkten vergleichbar. Im Verfahren Oracle/Sun kündigte Oracle an, wettbewerbsrelevante Datenbanken zur Verfügung zu stellen, um auf der Basis weiterführende Speichergeräte zu entwickeln und die Funktionalität von MySQL auszuweiten.522 Eine Zugangserschwerung zu wichtigen gewerblichen Schutzrechten sei nur begrenzt möglich. Auch im deutschen Recht sind Öffnungsverpflichtungen üblich, welche den Wettbewerbern der beteiligten Unternehmen den Marktzugang erleichtern sollen.523 Zu diesen gehört auch die Öffnung von Kundenbindungsprogrammen.524 Im deutschen Recht geht das BKartA einschränkend davon aus, dass als strukturell wirkende Nebenbestimmung nicht jeglicher Zugang als Markteröffnungszusage fungiert, sondern nur der Zugang zu essential facilities zum Gegenstand einer Bedingung oder Auflage gemacht werden könne.525 So hatte das Amt im Fall Tön517
Komm. 19. 2. 2008, COMP/M.4726, Rn. 480 ff. „Thompson Corporation/Reuters Group“. Dieselbe Maßnahme wurde – wie auch schon in vorherigen Entscheidungen – von den US-amerikanischen Behörden akzeptiert. M.w.N. zu US-amerikanischen Fallkonstellationen Harbour/Koslov, ALJ 2010, 76(3), 769 (787). 518 Komm. 19. 2. 2008, COMP/M.4726, Rn. 65 ff., 70 ff., 74 ff. „Thompson Corporation/ Reuters Group“. 519 Vgl. z. B. die öffentlich zugänglichen Fundamentaldaten Komm. 19. 2. 2008, COMP/ M.4726, Rn. 82. „Thompson Corporation/Reuters Group“. 520 Komm. 19. 2. 2008, COMP/M.4726, Rn. 119 ff. „Thompson Corporation/Reuters Group“. 521 Vgl. Komm. 19. 2. 2008, COMP/M.4726, Rn. 275 – „Thomson Corporation/Reuters Group“: „Also, there is no other close substitute product on the market since no other company offers the breadth and depth of Reuters and Thomson databases.“ 522 Komm. Pressemitteilung 21. 1. 2010, IP/10/40. 523 Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim et al., § 40 GWB Rn. 34. 524 BKartA, WuW/E DE-V 483 „Lufthansa/Eurowings“. 525 BKartA, Leitfaden Zusagen in der Fusionskontrolle, Rn. 77 ff.
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
nies/Tummel die Verpflichtungszusage zurückgewiesen, Wettbewerbern vorübergehend Schlachthofkapazitäten zur Verfügung zu stellen, da solche bloßen Kapazitäts-Nutzungsmöglichkeiten den Konkurrenten keine strukturelle Basis für nachhaltige Expansionen böten.526 Auch wenn die Qualität der Datenbanken als essential facility immer wieder in die Diskussion um Marktmachtmissbräuche auf datenbasierten Märkten eingebracht wird, ist aufgrund der Charakteristika der Daten als genuin nicht-rival und nichtexklusiv grundsätzlich nur unter besonderen zusätzlichen faktischen und rechtlichen Voraussetzungen eine wesentliche Einrichtung i.S.d. § 19 Abs. 1 GWB anzudenken.527 Für diese Einschätzung spricht auch die mit der 10. GWB-Novelle geplante Aufnahme der Daten in § 19 Abs. 2 Nr. 4 GWB als Alternative zu Netzwerken und Infrastruktureinrichtungen. Aufgrund des engen Verständnisses des Begriffs der Infrastruktureinrichtungen sieht der Regierungsentwurf die sprachliche Erweiterung des Tatbestandes durch die Nennung der Daten vor.528 Dennoch kann die Offenlegung von Datenbanken strukturelle Effekte erzielen, die die Wettbewerbsbedenken – Abschreckungswirkung und erhöhte Marktzutrittsschranken – hinreichend wirksam und nachhaltig adressieren. Denn im Gegensatz zu den zeitlich befristeten Möglichkeiten, die Kapazitäten der neuen Einheit zu nutzen, ist das einmalige Teilen des Zugangs zu Datenbanken und damit auch zu historischen Daten nicht mehr umkehrbar. Denn sind die Daten einmal geteilt und kopiert, verbleiben diese beim Wettbewerber. Dieser kann Metadaten aus der Kombination mit den eigenen Daten entwickeln. Somit werden die Marktzutrittsschranken wirksam gesenkt und die Wettbewerber stehen auf dem gleichen Stand wie die Fusionsparteien. Werden nur die Daten freigegeben und nicht die verwendeten Algorithmen selbst, ist zudem die Gefahr eines Verlustes des Innovationsanreizes gemindert. Aufgrund der gleichen Ausgangslage, kommt es verstärkt auf die Qualität der Datenverarbeitung und gekoppelten Dienstleistung an. Die mit der 10. GWB-Novelle angedachten Anpassung des § 19 Abs. 2 Nr. 4 GWB unterstreicht damit die Vergleichbarkeit der strukturellen Effekte einer Datenbankoffenlegung mit denen, die das BKArtA für die Annahme einer Bedingung oder Auflage fordert. Im Einklang mit der Zusagenpraxis ist daher der Zugang zu den Datenbanken der Parteien mit der Lizensierung von Technologien und Know-How vergleichbar. So könne in Ausnahmefällen die Gewährung von Lizenzen eine geeignete Zusage darstellen, wenn die Effekte des Zusammenschlusses darauf beschränkt sind, Marktzutrittsschranken zu erhöhen.529 Hierbei muss nach dem Leitfaden des BKartA schon die Übertragung der lizenzierten Technologie allein den Marktzutritt eines 526 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 40 GWB Rn. 118; genauer dazu Krueger, NZKart 2013, 130 (132). 527 Hierbei ist bei personenbezogenen Datenbeständen inbs. an die sachliche Rechtfertigung der Verweigerung des Zugangs aufgrund des entgegenstehenden Datenschutzrechts zu denken. 528 BegrRegE (10. GWB-Novelle), BT-Drucks. 19/23492, 83 f. 529 BKartA, Leitfaden über Zusagen in der Fusionskontrolle, S. 46.
§ 7 Berücksichtigung externen Datenwachstums in der Fusionskontrolle
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Wettbewerbers ermöglichen oder entscheidungserheblich erleichtern.530 Bei der Gewährung von Schnittstelleninformationen ist dies der Fall, wenn vertikal nichtintegrierte Anbieter ohne Kenntnis der Schnittstellen nicht auf einen vor- oder nachgelagerten Markt eintreten können.531 Das BKartA fordert, dass die Lizenzen unwiderruflich und zeitlich unbefristet übertragen werden.532 In der Tat kann die Vergabe einer Lizenz für kurze Zeit keine adäquate Verpflichtungszusage darstellen, da nach Ablauf der Lizenzierungspflicht der Wettbewerber nicht mehr konkurrenzfähig ist,533 weshalb auch die Kommission längere Laufzeiten verlangt.534 Die Öffnung der Datenbank zum Zeitpunkt der Fusion kann jedoch genügen, da – wie bereits skizziert – mit dem Verkauf der Daten sämtliche Wettbewerber den Stand der Unternehmen zum Fusionszeitpunkt erlangen und diesen dauerhaft behalten. Hierbei muss das (mögliche) Eigentumsrecht an den Daten berücksichtigt werden.535 Sollten vertragliche Regelungen i.S.v. Besitzverhältnissen dem entgegenstehen – vor allem in der Industrie 4.0 zu erwarten – müssen Sonderkündigungsrechte eingeräumt werden.536 Bei personenbezogenen Daten ist zu berücksichtigen, dass die Zustimmung zur Datenverarbeitung nur einem Unternehmen gegeben wurde. Eine Datenverarbeitung durch einen Dritten ohne Zustimmung des Datensubjektes darf nicht erfolgen, ohne dass dieses der Verarbeitung durch die von der Verpflichtungszusage begünstigten Unternehmen zustimmt. Im Thomson/Reuters-Verfahren forderte die Kommission von den Parteien für die Zustimmung der Rechteinhaber zu sorgen.537 Dies ist sowohl für nicht-personenbezogene als auch für personenbezogene Daten möglich, da Nebenbestimmungen auch an das Verhalten Dritter anknüpfen können.538 Bei letzteren müssten alle Datensubjekte der Nutzung der Daten durch die Wettbewerber 530
BKartA, Leitfaden über Zusagen in der Fusionskontrolle, S. 46 f. Vgl. z. B. Komm. 26. 1. 2011, COMP/M.5984, Rn. 128 ff., 306 f., 336 ff. „Intel/McAfee“, Im Kontext der deutschen Fusionskontrolle wäre zusätzlich zu prüfen, ob die Zusagen der Verpflichtung entsprechen, die Unternehmen keiner laufenden Verhaltenskontrolle zu unterwerfen. 532 BKartA, Leitfaden über Zusagen in der Fusionskontrolle, S. 46. 533 Paas, ECLR 2006, 27(5), 209 (211). 534 Z. B. 3 – 5 Jahre, Komm. 11. 11. 2003, COMP/M.2621 „SEB/Moulinex“; Komm. 30. 7. 2003, COMP/M.3149 „Procter&Gamble/Wella“. 535 Chirco, InTeR 2016, 11 m.w.N.; Ehlen/Brandt, CR 2016, 570 m.w.N.; Zech, CR 2015, 137 m.w.N. 536 Komm. 17. 12. 2002, COMP/M. 2822 „EnBW/ENI/GVS“; BGH WUW/E DE-V 195, 196 und 200 „Westfälische Ferngas“ (Reduktion der Laufzeiten und Liefermengen in Kundenverträgen); WUW/E DE-V 395 – „Schwäbisch Gmünd“ (Zugang zum Gasversorgungsnetz für Wettbewerber, Sonderkündigungsrecht für Kunden); WUW/E DE-V 444 „Stadtwerke Viersen“ (Zugang zum Gasversorgungsnetz, Sonderkündigungsrechte). 537 Komm. 19. 2. 2008, COMP/M.4726, Rn. 480. „Thompson Corporation/Reuters Group“. 538 § 40 Abs. 3 S. 1 GWB ermöglicht Auflagen und Bedingungen, letztere sind gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG Bestimmungen, nach denen „der Eintritt oder der Wegfall einer Vergünstigung oder einer Belastung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses“, also auch von einem Dritten, abhängt; Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, § 40 GWB Rn. 121. 531
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Kap. 3: Die Rolle der Daten bei der Bestimmung von Marktmacht
zustimmen. Das in Art. 6 Nr. 1a DSGVO normierte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt beinhaltet den Grundsatz der Zweckbindung, der sich gem. Art. 5 Abs. 1 lit. b Hs. 2 DSGVO auch auf die Weiterverarbeitung erstreckt.539 So weist Erwägungsgrund 25 DSGVO darauf hin, dass sich eine Einwilligung nur auf die jeweils angegeben Verarbeitungszwecke bezieht, weshalb für sämtliche Verarbeitungszwecke eine Einwilligung abgegeben werden soll. Problematisch erscheint die vom BKartA geforderte Unwiderruflichkeit der offengelegten assets. Denn die Einwilligung ist jederzeitig widerrufbar.540 Allerdings gilt dies ebenso für das fusionierte Unternehmen und ist dem asset personenbezogener Daten immanent. Damit ist die Möglichkeit des Widerrufs kein Wettbewerbsvorteil für das abgebende Unternehmen, sondern eine alle Marktteilnehmer betreffende Gegebenheit. Ebenfalls möglich ist die Überlassung aggregierter, anonymisierter Datensätze, die aus personenbezogenen Daten abgeleitet werden. Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese nicht für jede Anwendung gleich geeignet sind, wie die der fusionierten Einheit zur Verfügung stehenden personenbezogenen Daten. Schließlich müssen bei der Preisgabe wettbewerbsrelevanter Daten auch die Implikationen des Kollusionsverbots berücksichtigt werden. Dennoch machen die praktischen Probleme eine Öffnung der Datenbanken im Hinblick auf personenbezogene Daten impraktikabel, für nicht-personenbezogene Daten aber zu einer operablen Verpflichtungszusage. Der Zugang ließe sich wohl am besten als Schnittstelle gestalten, auf welche die Wettbewerber selbsttätig und gegen angemessenes Entgelt zugreifen können.541
IV. Ergebnis Die thematisierten Verpflichtungszusagen befinden sich in einem Spannungsverhältnis zwischen Kartell- und Datenschutzrecht. Zusätzlich erschwert wird die Beseitigung der Wettbewerbsbedenken durch den Grundsatz des Verbots einer laufenden Verhaltenskontrolle. Die Gewährung von Datenportabilität kann nur für 539 Allerdings ist nur die Weiterverarbeitung „in einer mit diesen Zwecken nicht zu vereinbarenden Weise“ verboten. 540 Gem. Art. 7 Abs. 3 DS-GVO hat der Betroffene das Recht, seine Einwilligung jederzeit zu widerrufen, und wird vor Abgabe der Einwilligung hiervon in Kenntnis gesetzt. 541 Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV, bzw. § 1 GWB durch die Offenlegung der Daten ist insofern nicht gegeben, wenn zum einen kein Gleichlauf der deduzierten Ergebnisse für die Wettbewerber besteht und Dritten der Zugang zu FRAND-Bedingungen gewährt wird, Komm., Leitlinien Horizontalfusionen, Rn. 280, 301 ff.; Telle, DSRITB 2017, S. 421 (432). Zum anderen ist davon auszugehen, dass es ohne Schnittstelle nicht möglich wäre, bestimmte Produkte anzubieten, was laut Kommission ein Indiz dafür ist, dass die wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen i.S.v. Artikel 101 Abs. 1 sehr unwahrscheinlich sind, Komm., Leitlinien Horizontalfusionen, Rn. 304.
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nicht-personenbezogene Daten überhaupt als Verpflichtungszusage in Betracht kommen. Um dem Verbot einer laufenden Verhaltenskontrolle gerecht zu werden, käme eine Freigabe unter der aufschiebenden Bedingung bis zur Erstellung eines Datenportabilitätssystems als flankierende Maßnahme im nationalen und europäischen Recht in Betracht. Die Trennung der Datenbanken ist weder im deutschen Recht eine geeignete Verpflichtungszusage, noch im europäischen, da es ihr als fortdauernd zu überwachender Nebenbestimmung an Effektivität mangelt. Vielversprechender ist die Eröffnung des Zugangs zu den relevanten Datenbankelementen zum Fusionszeitpunkt. Hierbei handelt es sich zwar um eine atypische Zusage, sie kann jedoch – freilich abhängig vom Einzelfall – strukturelle Wirkung entfalten. Aufgrund des Datenschutzrechts ist sie jedoch nur im Bereich nicht-personenbezogener Daten operabel. Grundsätzlich erscheinen Verhaltenszusagen mit strukturellen Auswirkungen auf datenbasierten Märkten relevanter als auf klassischen Austauschmärkten. Zum einen kann es auf solchen zur Konzentration neigenden Märkten unwahrscheinlicher sein, Anteilsverkäufe umzusetzen.542 Auch in Hochtechnologie-Märkten werden Lizensierungen gegenüber strukturellen Verpflichtungszusagen bevorzugt, da die FuEErgebnisse in verschiedenen Märkten relevant sein können.543 Die durch die Fusion erlangten Daten können ebenfalls auf verschiedenen Märkten Relevanz haben. Im Rahmen der in der Fusionskontrolle vorzunehmenden Prognoseentscheidung ist zu berücksichtigen, dass der Einsatz der Daten und ihre Kombinierbarkeit zum Zeitpunkt der Fusion häufig anders beurteilt werden als am Ende des Prognosezeitraums. Wenn es sich um dynamische Märkte handelt, ist eine Öffnung der Daten gegenüber den Wettbewerbern u. U. wettbewerbsfördernder als ein Anteilsverkauf. Gerade im Hinblick auf die Unberechenbarkeit dynamischer, datenbasierter Märkte können Verhaltenszusagen im Sinne der wettbewerbspolitischen Ziele sein, da so die Gefahr der Überregulierung verringert wird. Zudem ist anerkannt, dass Verhaltenszusagen gerade bei wettbewerblichen Bedenken hinsichtlich vertikaler oder konglomerater Strukturen geeignet sind.544 Dort resultieren die Wettbewerbsbedenken nicht aus der Marktanteilsaddition, sondern aus geänderten Verhaltensanreizen für die beteiligten Unternehmen.545 Aus den Datencharakteristika der Nicht-Rivalität und der möglichen Rekombination entstehen durchaus auch konglomerate und aus der Struktur datenbasierter Märkte vertikale Effekte.
542
Generell Sullivan, The Antitrust Bulletin 2003, 48(2), 377 (402). Motta/Polo/Vasconcelos, Merger Remedies in the European Union: An Overview, S. 11. 544 Komm., Mitteilung über zulässige Abhilfemaßnahme, Rn. 69; Steinvorth, in: Wiedemann, Handbuch Kartellrecht, § 21 Rn. 134. 545 Komm., Mitteilung über zulässige Abhilfemaßnahme, Rn. 17; Steinvorth, in: Wiedemann, Handbuch Kartellrecht, § 21 Rn. 134. 543
Kapitel 4
Datenrechtlicher Ausblick und Ergebnisse § 8 Ausblick auf datenrechtliche Entwicklungen und ihre Implikationen für den Wettbewerb Eine Zähmung des Marktgebarens großer digitaler Marktbeherrscher versprechen sich Teile des Schrifttums von einer verschärften Anwendung des Daten(schutz) rechts.1 Denn die daten(schutz)rechtlichen Implikationen sind ausschlaggebend für die Beurteilung von Positionen und Verhaltensweisen auf datenbasierten Märkten. Hierbei beschränken sie sowohl die Marktteilnehmer in ihren Verhaltensweisen als auch die Kartellbehörden in ihren Anordnungen.2 Eine Datenregulierung hat auch wettbewerbliche Auswirkungen. So können direkte Auswirkungen im Rahmen des Parameterwettbewerbs haben und als Wettbewerbsschranken Niederschlag finden. Datenschutzbestimmungen und immaterialgüterrechtliche Schranken können aber ebenso die Art und Umfang des Zugriffs der Unternehmen auf jene Daten, die ihren Geschäftsmodellen zugrunde liegen, einschränken, sodass es zu einer starken Regulierung der Datenhandelsmärkte kommen kann.
A. Datenschutz als Wettbewerbsparameter und -hindernis Ob Datenschutz ein Parameter im Qualitätswettbewerb sein kann, ist fraglich. Zum einen ist das Datenschutzniveau seit der Gültigkeit der DSGVO sehr hoch, sodass ein signifikanter Unterschied zum gesetzlich Vorgeschriebenen schwerlich zu erzielen ist. Dennoch könnte bspw. Datensparsamkeit zumindest theoretisch ein relevanter Wettbewerbsparameter sein. Auch ist die Datenschutzpolitik des Unternehmens für die Marktgegenseite oft schwer einzuschätzen.3 Sie weiß vielfach nicht genau welche Daten tatsächlich gesammelt werden und was konkret aus ihnen abgeleitet und wie ihre Werthaltigkeit bemessen werden kann. In Verbindung mit dem privacy paradox ist davon auszugehen, dass dieser Wettbewerbsparameter zumindest faktisch nicht als sonderlich relevant eingeschätzt wird. Dass die Einordnung der Datenschutzpolitik als Marktparameter noch nicht abschließend geklärt ist, zeigt der 1 2 3
Jaeger, WuW 2015, 702 (714); Drexl, NZKart 2017, 339 (343). Vgl. § 7 C. Körber, NZKart 2016, 348 (349).
§ 8 Ausblick auf datenrechtliche Entwicklungen
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Fall Facebook. Während das OLG Düsseldorf argumentierte, dass Datennutzung und -sparsamkeit durchaus Berücksichtigung findet in der freien Entscheidung, Facebook zu nutzen, was sich auch durch die Rate von 32 Mio. Nutzern zu 50. Mio. NichtNutzern zeigen würde,4 geht das BKartA von dem privacy paradox aus, welches die Freigiebigkeit bezüglich personenbezogener Daten bei der tatsächlichen Nutzung von Internetdiensten erklären könnte.5 Die Gefahr einer wettbewerbshindernden Wirkung aufgrund staatlich unterschiedlicher Datenschutzrechte ist zumindet im EWR-Raum durch das level playing field der DSGVO gebannt. Da Unternehmen auf datenbasierten Märkten häufig weltweit agieren, kann ein großes Gefälle der staatlichen Datenschutzregimes den Wettbewerb verzerren.6 Die strengen Anforderungen der DSGVO können zudem eine Marktzutrittsschranke für kleine Unternehmen darstellen.7 Im Gegensatz dazu kann die Behandlung nicht-personenbezogener Daten, wie bspw. die Überlassung an das datengenerierende Unternehmen, einen Wettbewerbsparameter darstellen, der für die Unternehmen relevanter sein dürfte, als für Verbraucher, da er ersteren den Zugang zu bspw. Wartungsarbeiten ermöglicht. Gleichzeitig kann ein strenges Datenschutzrecht Auswirkungen auf die Innovationsfähigkeit von Unternehmen haben, wenn ein großer und frei verknüpfbarer Datenbestand eine entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung neuer Produkte darstellt.8
B. Die wettbewerbsrechtlichen Implikationen des verschärften Datenschutzrechts Das Kartellrecht und das Datenschutzrecht haben unterschiedliche Schutzzwecke, weshalb die Rechtsprechung und Behördenpraxis regelmäßig betonen, dass sie keine generellen Marktbehörden, die auch mit der Durchsetzung des Datenschutzrechts betraut sind, darstellen.9 Unabhängig von der Frage, ob das Kartellrecht auch zur Wahrung des Datenschutzrechtes genutzt werden sollte,10 hat der deutsche Gesetzgeber durch die 9. GWB Novelle mit § 50c I 1 GWB die Kooperation zwischen Datenschutz- und Kartellbehörden ausgeweitet.
4
OLG Düsseldorf, 26. 08. 2019 – Kart 1/19 (V), „Facebook“ Rn. 37, Rn. 71. BKartA 6. 2. 2019 – B6-22/16, „Facebook“ Rn. 384. 6 Ebenso Körber, NZKart 2016, 348 (349). 7 Ibid. 8 Monopolkommission, Sondergutachten 68, S. 53. 9 EuGH 23. 11. 2006, C-238/05, Rn. 63 „Asnef-Equifax und Administración del Estado“. Komm. 11. 3. 2008, COMP/M.4731, Rn. 368 „Google/DoubleClick“; Komm. 3. 10. 2014, COMP/M.7217, Rn. 164 „Facebook/WhatsApp“. 10 Rock, NZKart 2016, 166 (167); Podszun/De Toma, NJW 2016, 2987 (2992). 5
278
Kap. 4: Datenrechtlicher Ausblick und Ergebnisse
Darüberhinaus können datenschutzrechtliche Wertungen durchaus bei der Auslegung kartellrechtlicher Tatbestände herangezogen werden, wie im Fall Facebook geschehen. Das Datenschutzrecht hat als Regulierung des Hauptassets datenbasierter Märkte und Datenmärkte eine große Auswirkung auf die wettbewerbliche Situation und muss i.R.d. kartellrechtlichen Prüfung berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick des durch das Datenschutzrecht beinahe untersagten Handels mit personenbezogenen Daten. Die sich aus dem Zweckbindungsgrundsatz und Einwilligungsvorbehalt ergebenden Rechtsunsicherheiten machen mithin auf datenbasierten Märkten einen direkten Zugang zu den Datensubjekten auf dem vorgelagerten Markt essentiell. Dieser eingeschränkte Austausch personenbezogener Daten ist Folge und Ziel der Assetregulierung. Das Datenschutzrecht kann dabei Marktmacht beschränken, wenn durch den Zweckbindungsgrundsatz und die gewährte Datenportabilität das marktmächtige Unternehmen aus seiner Fülle an Daten keinen Vorteil mehr ziehen kann. Die Substituierbarkeit der Daten für andere Unternehmen wird erhöht. Aus diesem Grunde sind Datenschutzverstöße besonders hart zu ahnden, wenn der Verstoß gegen das Datenschutzrecht einen Wettbewerbsvorteil darstellt.11
C. Die wettbewerbsrechtlichen Auswirkungen von Datenverfügungsrechten Wie gezeigt wurde, können Verfügungsrechte an Daten ebenso wie immaterialgüterrechtliche Normen Marktzutrittsschranken darstellen, die die Machtverhältnisse auf dem Markt zementieren. Feste Datenverfügungsrechte sind damit für die Gewährleistung gerade des Innovationswettbewerbs kritisch zu hinterfragen. Insbesondere im Hinblick auf IoT sind deshalb Vorstöße der EU zu begrüßen, die ein Recht auf Datenportabilität auch für nicht-personenbezogene Daten anstreben. Die Reformvorschläge der Kommission sollen frei von datenschutzrechtlichen Implikationen den Datenhandel stärken.12 Dieses Ziel ist zu begrüßen, entkoppelt es doch die Marktstellung auf dem vorgelagerten Markt und die auf dem nachgelagerten Dienstleistungsmarkt ein stückweit voneinander. Bisher greifen in Ermangelung gesetzlicher Regelungen weitestgehend vertragliche Vereinbarungen. Die Mitteilung diskutierte 2017 sowohl sektorenfreiwillige Vereinbarungen oder Rahmenabkommen,13 aber auch die Einführung eines neuen Eigentumsrechts an maschinenerzeugten Rohdaten14 oder die Einführung neuer Datenzugangsrechte15. Marktge11 BGH 23. 6. 2020 – KVR 69/19 „Facebook“ Rn. 77 ff.; BKartA 6. 2. 2019 – B6-22/16 „Facebook“ Rn. 573 ff. 12 Komm., Ordnungsrahmen Datenmärkte, COM(2017) 9 fin. 13 Komm., Ordnungsrahmen Datenmärkte, COM(2017) 9 fin., S. 11. 14 Komm., Ordnungsrahmen Datenmärkte, COM(2017) 9 fin., S. 14.
§ 8 Ausblick auf datenrechtliche Entwicklungen
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stützte Lösungen können bei starken Imparitäten aber fruchtlos bleiben, insbesondere ist dabei an das Verhältnis zwischen Maschinenherstellern und -nutzern bzw. Diensteanbietern und unternehmerischen Dienstenutzern zu denken.16 Die Einführung eines klassischen Eigentumsrechts an nicht-personenbezogenen Daten ist wettbewerbspolitisch kritisch zu sehen.17 Erstens ist es rechtstechnisch kompliziert umzusetzen; so sind schon der Anknüpfungspunkt und Eigentumsberechtigte umstritten.18 Gegen die Schaffung eines exklusiven Verfügungsrechts spricht insbesondere die mangelnde Ausschließlichkeit der Daten.19 Zweitens kann durch die gesetzliche Zuordnung eine Marktposition zementiert werden, wenn das Eigentum dem Devicehersteller zugesprochen wird.20 Schließlich bedarf es aufgrund der vertragsrechtlichen und technischen Möglichkeiten auch keines immaterialgüterrechtlichen Schutzes um Handel zu ermöglichen. Die Unternehmen könnten bei bestehender Absicht bereits jetzt in den Datenhandel eintreten. Als fruchtbare Lösung erscheint ein der Datenportabilität nachgestaltetes Recht. Aufgrund der Charakteristika datenbasierter Dienstleistungen besteht eine größere Angebotsumstellungsflexibilität.21 Allerdings erweitert die Angebotssubstituierbarkeit nur dann den Markt, wenn zugleich auch Nachfragesubstituierbarkeit gegeben ist, d.h wenn die kurzfristige Angebotserweiterung von der Nachfrage auch angenommen werden kann. Durch die Datenportabilität – auch personenbezogener Daten – wird die Angebotssubstituierbarkeit gestärkt, gerade wenn Netzwerkeffekte die Nachfragesubstituierbarkeit begrenzen. Fraglich ist, ob hier eine zwingende Regelung oder lediglich eine Anreizschaffung das bessere Steuerungsinstrument darstellt. Eine zwingende Portabilität ist initial mit erheblichen Kosten und technischer Entwicklung verbunden.22 Zudem greift sie erheblich in die Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer ein. Auch kann das Wissen, erhobene Daten teilen zu müssen, die Innovationsanreize zur Entwicklung neuer Sensoren oder Erhebungsverfahren hemmen. Die Kommission schlägt deshalb
15
Komm., Ordnungsrahmen Datenmärkte, COM(2017) 9 fin., S. 15. Ebenso Komm., Ordnungsrahmen Datenmärkte, COM(2017) 9 fin., S. 11. 17 Ebenso Drexl, NZKart 2017, 339; Kerber, GRUR Int 2016, 989 (996). 18 Drexl, NZKart 2017, 339 (341 ff.); Ehlen/Brandt, CR 2016, 570; Härting, CR 2016, 646; Kerber, GRUR Int 2016, 989; Specht, CR 2016, 288; Wiebe, GRUR Int 2016, 877; Zech, GRUR 2015, 1151; ders., CR 2015, 137, m.w.N. 19 Stender-Vorwachs/Steege, NJOZ 2018, 1361 (1365). 20 Oder aber, sollten sie dem Datenhersteller zugesprochen werden, ohnehin durch vertragliche Konstruktionen übereignet werden, sodass die Verfügungsmacht wiederum in den Händen des Deviceherstellers liegt. 21 Geringe Kosten, kaum Produktion, kein Vertriebsnetz, hohe Flexibilität. Dem gegenüber stehen die Schranken der NWE und des Datenschutzes. 22 Komm., Ordnungsrahmen Datenmärkte, COM(2017) 9 final, S. 17. 16
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Kap. 4: Datenrechtlicher Ausblick und Ergebnisse
Standardisierungsinitiativen für Zugangsverhältnisse zu Daten vor, vergleichbar einer FRAND-Erklärung.23 Außerhalb vermachteter Vertragsverhältnisse scheint deshalb eine Anreizgewährung zu genügen. Die beschriebene Notwendigkeit, Märkte offen zu halten und die Ermöglichung der Beweglichkeit der Nachfrage kommt vor allem zum Tragen, wenn auf dem vorgelagerten Markt Vermachtung besteht. In dieser Konstellation kann sowohl bei Marktmacht als auch – im deutschen Recht – im Falle abhängiger Unternehmen die Öffnung des Datenpools diskutiert werden.24 Für personenbezogene Daten wird ein Eigentumsrecht schon durch die Regelungen der DSGVO und ihren Schutzzweck torpediert. Durch den Widerruf der datenschutzrechtlichen Einwilligung kann das Datensubjekt Verträge leerlaufen lassen, eine Verwertung im Rahmen der Zwangsvollstreckung erscheint unmöglich.25 Am 25. 04. 2018 hat die Kommission schließlich die Mitteilung „Aufbau eines gemeinsamen europäischen Datenraums“ verabschiedet. Dieser Datenraum ist ein „nahtlose[s] digitale[s] Gebiet in einer Größenordnung, die die Entwicklung neuer auf Daten beruhender Produkte und Dienstleistungen ermöglicht“.26 Insbesondere soll der Zugang zu großen Datenmengen und damit Innovation, bspw. im Bereich des maschinellen Lernens, ermöglicht werden.27 Nach den Leitlinien zur Verordnung über einen Rahmen für den freien Verkehr nicht-personenbezogener Daten in der Europäischen Union unterstützt die Kommission verschiedene, von privaten Arbeitsgruppen zu erarbeitende Selbstregulierungskonzepte im Hinblick auf den Anbieterwechsel und die Übertragung von Daten.28 Bei der Ausarbeitung der Verhaltensregeln sollen insbesondere eine mit Art. 20 DSGVO vergleichbare Datenportabilität, Zertifizierungsansätze und Vorschriften für vorvertragliche Mindestangaben berücksichtigt werden. Letztere sollen sicherstellen, dass berufliche Nutzer vor dem Abschluss eines Datenverarbeitungsvertrags hinreichend genaue und klare Informationen in Bezug auf die Prozesse, technischen Anforderungen und Kosten erhalten, die bei einem Dienstean23 Komm., Ordnungsrahmen Datenmärkte, COM(2017) 9 final, S. 13; Komm., COM(2017) 9 final, S. 39; Wiebe, CR 2017, 87 (89); ausführlich hierzu Telle DSRITB 2017, S. 421. 24 Vgl. § 6; vgl. zur essential facility bspw. Körber, NZKart 2016, 303 (308); Weber, ZWeR 2014, 169 (181 ff.). 25 Stender-Vorwachs/Steege, NJOZ 2018, 1361 (1366). 26 Europäische Kommission, Mitteilung „Aufbau eines europäischen Datenraums“; COM(2018) 232 fin., S. 1. 27 Europäische Kommission, Mitteilung „Aufbau eines europäischen Datenraums“; COM(2018) 232 fin., S. 3. 28 Z. B. SWITO-Arbeitsgruppe zur Selbstregulierung von Cloud-Diensteanbietern und CSPCERT-Arbeitsgruppe zur Cloud-Sicherheitszertifizierung, Mitteilung der Kommision, 29. 5. 2019, Leitlinien zur Verordnung über einen Rahmen für den freien Verkehr nicht-personenbezogener Daten in der Europäischen Union, COM(2019) 250, final, S. 16 ff.
§ 9 Ergebnisse
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bieterwechsel oder einer Datenübertragung in ein anderes System anfallen. Eine umfassende und schnelle Implementierung der Verhaltensregeln soll durch Mustervertragsklauseln, welche Ende des Jahres 2020 entwickelt werden sollen, gesichert werden.29 Es bleibt abzuwarten, ob diese Mindestangaben dazu führen, dass Datenschutz bzw. Datenfreizügigkeit zu einem stärker beachteten Wettbewerbsparameter wird.
§ 9 Ergebnisse In dieser Arbeit sollten die Auswirkungen der Verarbeitung und Monetisierung von Daten mittels Geschäftsmodellen der Internetökonomie auf die Bestimmung von Marktbegriff, Marktabgrenzung und Marktmacht ermittelt werden. Es hat sich gezeigt, dass Daten einen ökonomisch relevanten Rohstoff darstellen, der häufig ein Monetisierungsvehikel für Geschäftsmodelle, aber auch ein Vorprodukt darstellt. Bei den adressierten Konstellationen handelt es sich um datenbasierte Märkte. Die Daten auf diesen Märkten sind sowohl die Basis als auch der Erfolgsgrund der fortentwickelten Marktkonzepte. Sie ziehen sich durch alle Wertschöpfungsstufen und sind damit eine wettbewerbsrelevante Ressource. Die abweichenden ökonomischen Charakteristika, allen voran die Nicht-Rivalität der Daten, stehen in einem Spannungsverhältnis zum klassischen Modell der Ressourcenallokation. Nichtsdestotrotz können zusätzliche Parameter zu einer Knappheit der Daten und damit zu einem Mangel der Wettbewerbsressourcen führen. Die Werthaltigkeit selbiger ist ex ante allerdings kaum zu beurteilen und muss deshalb immer auch im Kontext des jeweils zu prüfenden Tatbestandes begutachtet werden. Besondere Relevanz hat die Verwendung von Daten auf Plattformmärkten und bei Big Data-Anwendungen. Im Gegensatz zu klassischen Austauschmärkten zeichnen sich diese durch Konzentrationstendenzen, insbesondere durch Netzwerkeffekte, aus. Diese können der Nicht-Rivalität der Daten entgegenstehen. Die Internalisierung der Netzwerkeffekte führt dabei zu typischen Geschäftsmodellen und auch zur Unentgeltlichkeit vieler Leistungen. Dabei spielt die Mehrseitigkeit des Marktes für das Modell der verlagerten Monetisierung eine entscheidende Rolle. Deshalb sollte die Definition der Plattform und ihrer konstitutiven Merkmale möglichst weit erfolgen, um bei der Behandlung mehrseitiger und datenbasierter Märkte ein flexibles Werkzeug darzustellen. Aufgrund dieser Charakteristika war zu eruieren, ob eine neue Leistungs- oder Marktdefinition notwendig ist, wie der Markt sachlich und räumlich abgegrenzt werden
29 Mitteilung der Kommision, 29. 5. 2019, Leitlinien zur Verordnung über einen Rahmen für den freien Verkehr nicht-personenbezogener Datenin der Europäischen Union, COM(2019) 250, final, S. 17.
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Kap. 4: Datenrechtlicher Ausblick und Ergebnisse
kann und zu untersuchen, inwiefern internes und externes Macht- und Datenwachstum i.R.d. Marktmachtbestimmung berücksichtigt werden muss. Zunächst ist festzustellen, dass Daten kein Entgelt darstellen, das eine Währungsfunktion erfüllen könnte. Dennoch können sie – im Gegensatz zur Aufmerksamkeit – getauscht werden. § 18 Abs. 2a GWB hat den Konflikt der Identifikation der relevanten Leistungsbeziehungen nicht aufgelöst, sondern lediglich vorverlagert. Tatsächlich muss auf eine Austauschbeziehung im synallagmatischen Sinne verzichtet werden. Andernfalls unterfallen Geschäftsmodelle je nach Ausgestaltung willkürlich dem Kartellrecht. Diese Ungleichbehandlung würde dann zum Ausschluss des Wettbewerbsdrucks zumindest teilweise substituierbarer Güter führen. Ein Markt im kartellrechtlichen Sinne ist vielmehr gegeben, wenn Angebot und Nachfrage zur Realisierung von Erwerbszwecken aufeinandertreffen. Erwerbszwecke verfolgt, wer mit einer Leistung mittelbar oder unmittelbar Geld erwerben will. Dabei kommt es nicht auf die kurzfristige Finanzierung an, sondern auf den langfristig mit der Tätigkeit verfolgten Zweck. Die vom Kartellrecht zu schützenden Marktfunktionen können auch außerhalb des Vorliegens einer klassischen Austauschbeziehung bejaht werden. Bei der Identifikation des relevanten Wettbewerbsdrucks auf datenbasierten Märkten müssen die gewählten Abgrenzungsmodelle Anwendungsprobleme in datenspezifischer und marktdynamischer Hinsicht sowie im Hinblick auf die Mehrseitigkeit abfedern. Es bedarf keiner Abbildung der indirekten Netzwerkeffekte im Rahmen der Marktabgrenzung. Eine Verknüpfung der Marktseiten durch die indirekten Netzwerkeffekte hat aus dogmatischen Gründen im Rahmen der Marktmachtanalyse Berücksichtigung zu finden. Eine schematische Abgrenzung der Märkte nach den ihnen zugrundeliegenden Plattformtypen darf nicht stattfinden. Unter Rückbesinnung auf den Zweck der Marktabgrenzung ist das erweiterte Bedarfsmarktkonzept anzuwenden. Hierbei ist auf die Einheitlichkeit der Wettbewerbsbedingungen für die Marktseiten zu achten und bei erheblichen Unterschieden eine getrennte Marktabgrenzung vorzunehmen. Im Rahmen der räumlichen Marktabgrenzung mittels des Bedarfsmarktkonzepts findet zunächst das Tätigkeitsgebiet des Unternehmens – aufgrund des Internets die Welt, abzüglich sperrender Länder – und dann die Homogenität der Wettbewerbsbedingungen Berücksichtigung. Im Anschluss ist die räumliche Austauschbarkeit aus Nachfragersicht zu kontrollieren. Die Marktabgrenzung muss wegen der vorgenannten Unsicherheiten als eine im permanenten Wandel begriffene Bestandsaufnahme der wirtschaftlichen Kräfte im konkreten Fall verstanden werden. Eine einseitige Fixierung auf genaue Abgrenzungen verbietet sich. Durch die Charakteristika datenbasierter Märkte und die Unsicherheiten i.R.d. Marktabgrenzung verlieren die absoluten Marktanteile als Marktmachtindikator an Relevanz. Dies ist auch der problematischen Ermittlung der Marktanteile im Einzelfall geschuldet. Statt der absoluten Marktanteile eignen sich die absatzbezogenen,
§ 9 Ergebnisse
283
relativen Marktanteile und die Marktanteilsentwicklung für die Bestimmung der marktbeherrschenden Stellung. Weiterhin kann außerhalb zwingender gesetzlicher Vorgaben auf relevantere Marktmachtindikationen, insbesondere auf die Plusfaktoren des § 18 Abs. 3a GWB zurückgegriffen werden. Neben den bereits im Rahmen der Marktabgrenzung thematisierten Netzwerkeffekten und ihrer gegengewichtigen Faktoren, ist das Merkmal des Datenzugangs relevant. Bei seiner Anwendung ist insbesondere im Rahmen der Fusionskontrolle nicht nur auf vorhandene Daten, sondern auch auf den Zugriff auf Datenquellen abzustellen. Der Zugang zu Daten stellt ein Marktmachtkriterium dar, wenn die Daten auf dem fraglichen Markt und für das adressierte Unternehmen so erheblich sind, dass sie den Handlungsspielraum des Unternehmens gegenüber seinen Wettbewerbern vergrößern, mithin ein überlegener Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten vorliegt. Die Voraussetzung der Wettbewerbsrelevanz verleiht dem Merkmal Kontur. Dafür müssen die Daten produktrelevant und wettbewerbsrelevant im engeren Sinne sein. Produktrelevanz ist die Erheblichkeit der Daten in Bezug auf die Produkte auf den konkret betroffenen Märkten, auf welchen das Unternehmen agiert oder einzutreten plant. Anhand der bereits thematisierten und eingeordneten Charakteristika auf datenbasierten Märkten ist der Zugang zu Daten dann wettbewerbsrelevant im engeren Sinne, wenn die produktrelevanten Daten nicht duplizierbar sind, sodass Wettbewerber sie nicht in derselben Menge sammeln können, die Menge aber aufgrund der entstehenden Größen- und Skaleneffekte notwendig ist. Die Exklusivität des Zugangs ist hingegen kein konstitutives Merkmal. Zu berücksichtigen sind trotz des schweigenden Gesetzgebers die Analyse- und Kombinationsmöglichkeiten. Im europäischen Recht lassen sich die für das GWB entwickelten Kriterien i.R.d. Unternehmensanalyse als Marktzutrittsschranken integrieren. Im Rahmen der Fusionskontrolle müssen auf datenbasierten Märkten gewisse Schadenstheorien verstärkt berücksichtigt werden. Aufgrund der Konzeption datenbasierter Märkte kann es durch Zusammenschlüsse zu vertikalen und konglomeraten Effekten kommen, wenn auf der anderen Marktseite der Marktzugang erschwert wird. Dies ist im Zusammenspiel mit den Netzwerkeffekten insbesondere der Fall, wenn durch die Kombination der Daten ein ganz neues Einsatzmittel geschaffen wird. Da Daten im Rahmen von Big Data Produktoptimierungs- und Innovationsmotoren sind, diese Systeme aber auf die Bearbeitung großer Datenmengen und die Internalisierung von Skaleneffekten angewiesen sind, ist eine efficiency defence zumindest in Abwägung zur Abschottungswirkung zu erwägen. Ein besonderes Spannungsfeld weisen Daten und Verpflichtungszusagen auf. Denn die daten(schutz)rechtlichen Implikationen beschränken auch die Kartellbehörden in ihren Anordnungen. Die wettbewerbsfördernde Wirkung von Verpflichtungszusagen geht hierbei vom ermöglichten Zugang zum Fusionszeitpunkt aus. Angesichts der verstärkten Dynamik der Märkte ist auch hier verstärkt der Fokus auf
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Kap. 4: Datenrechtlicher Ausblick und Ergebnisse
die Unternehmensstrukturmerkmale zu legen. Dies umfasst im geringen Umfang auch die Gewährung verhaltensbezogener Zusagen. Schließlich muss konstatiert werden, dass die diskutierten Datenregimes starke Auswirkungen auf die datenbasierten Märkte als solche haben. Der europäische Gesetzgeber sollte aufgrund der (noch) unbekannten Materie nicht in eine Überregulierung verfallen, welche die bestehenden Strukturen zementiert und das Wirken freier Wettbewerbskräfte sowie den Eintritt neuer Wettbewerber hemmt. Statt eines verpflichtenden Datenzugangs für jedermann, der der Datenportabilität als Verbraucherschutzelement nachempfunden ist, ohne über ein entsprechendes Schutzziel zu verfügen, sollte er sich vielmehr an einer kartellrechtlichen ex-post Kontrolle im Zusammenhang mit relativer Marktmacht orientieren.
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Stichwortverzeichnis Angebotssubstituierbarkeit 144 f., 173 Bedarfsmarktkonzept 169 Big Data 58, 238 f.
123 ff., 134 f.,
119 ff., 131, 139 ff.,
Competitive bottlenecks
146, 154 f., 171
Daten 22, 97, 127, 189 ff., 207, 221 f., 229 ff., 235 ff. Datenbasierter Markt 42, 193 ff. Datenportabilität 24, 264 ff. Efficiency Defense Handelsvertreter
255 ff. 50, 145, 152
Industrie 4.0 60 Internet of Things (IoT) Konzentrationstendenz Lock-In-Effekt
60, 222 ff. 61 f., 238 f.
61 f., 241 f.
Marktabgrenzung – räumliche 178 ff. – sachliche 117 ff., 127 ff.,
Marktanteile 195 ff., 202 Marktbegriff 78, 94 ff., 114 Marktdynamik 68 f., 127 Marktmacht 189 ff. Mehrseitigkeit, mehrseitige Märkte 81 f., 129, 187 f., 202 Monetarisierung siehe Monetisierung Monetisierung 37, 75 Multi-Homing 63 f., 67 ff. Netzwerk 55 ff. Netzwerkeffekte 48 ff., 156 f., 163 ff. Nicht-Rivalität 27, 215 Plattform 45 ff., 129 f., 148 ff. Preis 77 SIEC-Test 239 ff. Skaleneffekte 32 ff., 70 f., 217 f. SSNIP-Test 121 ff., 132 ff., 155 f. Unentgeltlich erbrachte Leistungen 99 ff., 111 ff., 157 f., 200 ff. Verbundeffekte
79 f.,
32 ff., 70 f., 217 f.
Zweiseitige Märkte siehe Mehrseitigkeit