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German Pages 168 [169] Year 2014
Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Band 95
Das Verhältnis der Erbschaft- und Schenkungsteuer zur Einkommensteuer
Von Fabian Friz
Duncker & Humblot · Berlin
FABIAN FRIZ
Das Verhältnis der Erbschaft- und Schenkungsteuer zur Einkommensteuer
Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Herausgegeben von Wo l f g a n g G r a f V i t z t hu m in Gemeinschaft mit J o c h e n v o n B e r n s t o r f f , M a r t i n He c k e l K a r l -He r m a n n K ä s t n e r, F e r d i n a n d K i r c h h o f H a n s v o n M a n g o l d t , M a r t i n Ne t t e s h e i m T h o m a s O p p e r m a n n , G ü nt e r P ü t t n e r Ba rba ra Remmer t, Michael Ronel lenf itsch Christia n Sei ler sämtlich in Tübingen
Band 95
Das Verhältnis der Erbschaft- und Schenkungsteuer zur Einkommensteuer Von Fabian Friz
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen hat diese Arbeit im Wintersemester 2012/2013 als Dissertation angenommen.
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© 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
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Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2012/2013 von der Juristischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Mehreren Personen gebührt mein besonderer Dank: Zunächst danke ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof, Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, der trotz der Vielzahl seiner beruflichen Verpflichtungen immer ein offenes Ohr für mich hatte und mir stets mit gutem Rat zur Seite stand. Des Weiteren danke ich Herrn Prof. Dr. Burkhard Binnewies für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Außerdem möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Christian Seiler und dem gesamten Lehrstuhl für die ständige Diskussionsbereitschaft sowie die schöne Zeit, die ich während meines Promotionsvorhabens als wissenschaftlicher Assistent dort erleben durfte, bedanken. Der Dr. Reinhard Kapp Stiftung danke ich für die großzügige Förderung des Promotionsvorhabens, die eine konzentrierte, umfassende und zügige Bearbeitung des Promotionsvorhabens ermöglicht hat. Mein Dank gebührt des Weiteren Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Graf Vitzthum, der mir die Aufnahme in die Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht ermöglicht hat. Ganz herzlich möchte ich mich auch bei meinem Vater bedanken, der mir während meiner Promotionsphase stets ein wertvoller Diskussionspartner war. Frankfurt am Main, im Oktober 2013
Fabian Friz
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 B. Begriffsbestimmung der Doppelbelastung mit Einkommen- und Erbschaftsteuer 16 C. Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 I.
Betriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
II.
Doppelbelastung des nicht entnommenen Gewinns im Sinne des § 34a Abs. 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
III. Einkünfte aus Kapitalvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 IV. Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 V.
Nachträgliche Einkünfte im Sinne des § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG . . . . . . . . . . 24
VI. Wiederkehrende Bezüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 VII. Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschaftern oder Dritten zur Gesellschaft 28 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2. Disquotale Leistungen zwischen Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 VIII. Scheinbare Doppelbelastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Unentgeltliche Zuwendungen an Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Überhöhte Testamentsvollstreckervergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 D. Allgemeine verfassungsrechtliche Vorgaben für die Besteuerung . . . . . . . . . . . . 32 I.
Notwendigkeit der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von Steuern . . . . . . 32
II.
Rechtfertigung der Einkommen- und Erbschaftsteuer als Einzelsteuern . . . . . . 33 1. Rechtfertigung von Finanzzwecksteuern durch das Leistungsfähigkeitsprinzip 34 2. Inhalt des Leistungsfähigkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3. Rechtfertigung der Einkommensteuer durch das Leistungsfähigkeitsprinzip 37 4. Rechtfertigung der Erbschaftsteuer durch das Leistungsfähigkeitsprinzip . . 37
E. Einkommensteuer und Erbschaftsteuer im Steuersystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 I.
Subjektsteuerprinzip und Grundsatz der Individualbesteuerung – Steuersubjekt der Einkommen- und Erbschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
10
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1. Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Erbschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 II.
Der Einkommensbegriff – Steuerobjekt der Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . 40
III. Steuerobjekt der ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 IV. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Betriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 a) § 45 Abs. 1 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 b) Einkommensteuerliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 c) Abweichende Zielrichtung der Gesamtrechtsnachfolge im Zivilrecht gegenüber der Zielrichtung des Einkommensteuergesetzes . . . . . . . . . . . . 50 d) Unterschied zur Einzelrechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 e) Notwendigkeit der Berücksichtigung der Verklammerung von Steuersubjekt und Steuerobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 f) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 g) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 h) § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2. Einkünfte aus Kapitalvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 3. Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 4. Nachträgliche Einkünfte im Sinne des § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG . . . . . . . 64 5. Wiederkehrende Bezüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 V.
Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
F. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Doppelbelastung eines Vermögenszuganges mit Erbschaft- und Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 I.
Grundsatz der Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 1. Systemgerechtigkeit der Doppelbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 aa) Unterschiedliche Gesamtbelastung trotz gleicher Leistungsfähigkeit 79 bb) Rechtfertigungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (1) Allgemeine Rechtfertigung der Doppelbelastung mit der unterbliebenen einkommensteuerlichen Erfassung beim Rechtsvorgänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (2) Rechtfertigungsmöglichkeit im Rahmen des unentgeltlichen Betriebsvermögensübergangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (3) Rechtfertigungsmöglichkeit bei privaten Einkünften . . . . . . . 84 2. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis II.
11
Vereinbarkeit der Doppelbelastung mit der Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) . . 86 1. Eingriff in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie durch die Einkommens besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 2. Eingriff in die Eigentumsfreiheit des Erwerbers durch die Erbschaftsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 a) Erbschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 aa) Die Testierfreiheit des Erblassers als zentrales Element der Erbrechtsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 bb) Einbeziehung des Erwerbers in den Schutzbereich der Erbrechts garantie zur Sicherung des Erwerbsvorganges von Todes wegen . . 92 cc) Erbschaftsteuer als Steuer auf das neu hinzuerworbene Eigentum . 93 b) Schenkungsteuer als Steuer auf das neu hinzuerworbene Eigentum . . . . 94 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 3. Doppelbelastung eines Vermögenszuganges mit Einkommen- und Erbschaft steuer als Eingriff in dieselbe Eigentumsposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 4. Gesetzesvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 5. Quantitative Begrenzung des Steuereingriffs – insbesondere der Halbteilungs grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 6. Verstoß gegen die Eigentumsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
G. Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 I.
De lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. § 35b EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. § 10 Nr. 1a EStG – § 23 ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Alte Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Geltende Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 3. § 10 Abs. 5 ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Der Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Einkommensteuerschulden des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 c) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4. Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 5. Wertermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 a) Die latente Einkommensteuerschuld als aufschiebend bedingte Last im Sinne des § 6 BewG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 b) Wertermittlung des Substanzerwerbs als Ausdruck individueller Leistungs fähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 aa) Grundgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
12
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis bb) (Daraus gezogene) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 cc) Unterschied zur Korrektur im Rahmen der Bemessungsgrundlage 121 dd) § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG als diesem Lösungsansatz entgegenstehende Norm? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 II.
De lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Abschaffung der Erbschaft- bzw. Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. Integration der Erbschaftsteuer in die Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . 126 3. Wertaufstockung auf den gemeinen Wert zum Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung – klare Abstimmung der beiden Steuergegenstände . . . . . . . . 130 a) Auswirkung im Betriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Auswirkung auf steuerverstrickte Wirtschaftsgüter im Privatvermögen . 132 c) Stundungs- und Tarifbegünstigung zur Milderung des zeitnahen Anfalls von Einkommen- und Erbschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 d) Abstimmung der Steuergegenstände bei nachträglichen Einkünften und wiederkehrenden Bezügen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 aa) Einmalige Vermögenszuflüsse im Sinne des § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 bb) Wiederkehrende Bezüge – Trennung in Kapital- und Ertragsanteil 136 4. Abzug der Erbschaftsteuer von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 5. Berücksichtigung der latenten Einkommensteuer im Rahmen der Wert ermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 6. Abschließende Würdigung der Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
H. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 I. Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
A. Einleitung Die Anregung zu dieser Arbeit geht zurück auf ein Seminar der Professo ren F. Kirchhof und H.-D. Assmann im Wintersemester 2006/2007 an der Eberhard Karls Universität Tübingen zum Thema „Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten für Unternehmen im Steuer- und Gesellschaftsrecht“. Die in diesem Zusammenhang zu erstellende Seminararbeit hatte die Aufgabenstellung „Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen Personengesellschafter und Personengesellschaft“. Im Mittelpunkt der Arbeit stand dabei die Umstrukturierung von Personen gesellschaften unter besonderer Berücksichtigung der Vorschriften des § 6 Abs. 3 und § 6 Abs. 5 EStG. Damals fiel auf, dass in der Wissenschaft ein Hang zum „Kästchendenken“ in der Weise besteht, dass Probleme, die mehrere rechtliche Fragen aufwerfen, oft nur eindimensional behandelt werden, d. h. Fragestellungen werden häufig allein zivilrechtlich oder allein steuerrechtlich behandelt. Literatur, die einen ganzheit lichen Ansatz verfolgt, ist nur spärlich vorhanden. Aber auch im Steuerrecht zeigt sich die Neigung, dass Problemkreise allein innerhalb einer einzelnen Steuerart behandelt werden; gerade auch bei Fragestellungen rund um die Umstrukturierung von Personengesellschaften. Obwohl z. B. die unentgeltliche Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen Personengesellschaftern nicht nur ertragsteuer liche, sondern aufgrund der Unentgeltlichkeit auch erbschafts- und schenkungssteuerrechtliche Fragen aufwirft, wird dieser Themenschwerpunkt meistens entweder allein ertragsteuerlich oder rein erbschaft- und schenkungsteuerlich betrachtet. Zur Zeit der Seminararbeit (2006/2007) war diese eindimensionale ertrag steuerliche Betrachtungsweise zum überwiegenden Teil folgenlos, da durch die Einführung der verlängerten Maßgeblichkeit1 zum 1.1.19932 für Wirtschaftsgüter, die sich im Betriebsvermögen eines Steuerpflichtigen befanden, die Bewertung der erbschaftsteuerlichen Bereicherung gem. §§ 10 Abs. 1 Satz 2, 12 Abs. 5 ErbStG a. F. in Verbindung mit § 109 Abs. 1 BewG a. F. auf Basis der Steuerbilanzwerte erfolgte. Dies hatte zur Folge, dass die stillen Reserven nicht Eingang in die erb-
1
Siehe hierzu N. Herzig, DB 1992, S. 1053. Gesetz zur Entlastung der Familien und zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen und Arbeitsplätze, Steueränderungsgesetz – StÄndG 1992 v. 25.2.1992, BGBl. I 1992, 297, 320. 2
14
A. Einleitung A. Einleitung
schaft- oder schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage des Rechtsnachfolgers fanden.3 Dieses Ergebnis wurde schon damals als überraschend und irritierend empfunden, da recht offensichtlich war, dass die Steuerbilanzwerte in den meisten Fällen nicht dem Wert entsprachen, um den der Erbe oder Beschenkte tatsächlich durch den Vermögenszufluss bereichert wurde. Durch das neue ErbStRG vom 24.12.20084 hat sich die Rechtslage nun erheblich geändert. Nach dem jetzt geltenden Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz findet regelmäßig eine Bewertung des Erbschaftsteuersubstrats unter Orientierung am gemeinen Wert statt. Mit dem ErbStRG setzte der Gesetzgeber im Kern die Vor gaben des Beschlusses des BVerfG vom 7.11.20065 um. Nach dem BVerfG habe die Ausgestaltung der deutschen Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer zur Kon sequenz, dass die im Vermögenszuwachs zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erfasst werden soll.6 Eine gleichheitsgerechte Belastung der Steuerpflichtigen erfordere für eine Erbschaft- und Schenkungsteuer, die an den Vermögenszuwachs anknüpft, dass die Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter und betrieblichen Einheiten, die zu einer Erbschaft oder Schenkung gehören, sich unabhängig von der Vermögensart einheitlich am gemeinen Wert auszurichten habe.7 Erst auf einer zweiten Ebene könne der Steuergesetzgeber entscheiden, ob er nach der grundsätzlich erfolgenden Steuerbelastung, Lenkungsziele verfolgen will z. B. durch unterschiedliche Steuersätze, Freibeträge oder andere Verschonungsregelungen.8 Daraus folgerte das BVerfG, dass die einheitlichen Steuersätze des § 19 Abs. 1 ErbStG mit dem Gleichheitsgrundsatz unvereinbar seien, da sie das Vermögen einheitlich belasten, obwohl nicht alle Vermögensgegenstände mit dem gemeinen Wert Eingang in die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage gefunden hätten.9 Obwohl das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der Erbschaft steuer anhand der vom Gesetzgeber getroffenen Belastungsentscheidungen festgestellt hat, hat es sich mit dem Verhältnis von Einkommen- und Erbschaftsteuer und einer möglichen Doppelbelastung, die durch die Bewertung der erbschaftsteuerlichen Bereicherung unter Orientierung am gemeinen Wert entstehen kann, nicht befasst. Hier möchte diese Dissertation ansetzen.
3
J. Hey, JZ 2007, S. 564, 566; N. Weinmann, in: Moench: ErbStG, Rn. 56; D. Gebel, in: Troll/Gebel/Jülicher: ErbStG, Einführung, Rn. 16; R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 127, 146 f. 4 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, S. 3018. 5 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 ff. 6 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 33. 7 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 33. 8 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 37. 9 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 37.
A. Einleitung A. Einleitung
15
Die Bewertung der erbschaftsteuerlichen Bereicherung unter Orientierung am gemeinen Wert kann nämlich heute zur Folge haben, dass der Rechtsnachfolger neben der Erbschaftsteuer auch mit der Einkommensteuer belastet wird, wenn für die Einkommensteuer weiterhin die Buchwerte oder Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers maßgeblich sind. In diesen Fällen hat der Erwerber neben der Erbschaftsteuer auch die Einkommensteuer auf die Differenz zwischen den Buch werten bzw. Anschaffungskosten und dem Veräußerungspreis zu zahlen, wenn er die steuerverstrickten Wirtschaftsgüter realisiert. Der BFH hat sich bereits mehrfach mit dem Verhältnis von Erbschaft- und Schenkungsteuer zur Einkommensteuer befasst. Nach seiner Auffassung10 stehen Erbschaft- und Einkommensteuer auf unterschiedlichen Ebenen. Erbschaftund Einkommensteuer hätten unterschiedliche Steuergegenstände. Daher dürften beide Steuern auch kumulativ erhoben werden. Diese Auffassung hat der BFH zuletzt bestätigt und den Abzug der Einkommensteuerlast als Nachlassverbindlichkeit verweigert. Erbschaft- und Einkommensteuer würden auf unterschiedliche Steuergegenstände zugreifen und ihrer eigenen Sachgerechtigkeit folgen.11 Ob diese These zutreffend ist oder ob nicht die einzelnen Steuern eines Systems in ihrer Wirkungsweise so abgestimmt werden müssen, dass sie sich zur Erreichung des Steuerzwecks gegenseitig ergänzen oder sich doch wenigstens nicht beeinträchtigen,12 wird zu untersuchen sein.
10 BFH v. 22.12.1976, II R 58/67, BStBl. II 1977, 423, 424; BFH v. 26.11.1986, II R 190/81, BStBl. II 1987, 175, 177; BFH v. 27.11.1985, II R 148/82, BStBl. II 1986, 265, 267; BFH v. 7.12.1990, X R 72/89, BStBl. II 1991, 350, 353. 11 BFH v. 17.2.2010, II R 23/09, BStBl. II 2010, 641, 643. 12 So G. Schmölders/K.-H. Hansmeyer, Allgemeine Steuerlehre (1980), § 31, S. 238; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II (2003), § 13, S. 882; R. Kleeberg, BB 1973, S. 1225. In diese Richtung geht auch die Entscheidung des VIII. Senats, BFH v. 12.9.2011, VIII B 70/09, DStRE 2012, 154, ohne auf die Auffassung der anderen Senate einzugehen.
B. Begriffsbestimmung der Doppelbelastung mit Einkommen- und Erbschaftsteuer Bevor auf das Verhältnis der Erbschaft- und Schenkungsteuer1 zur Einkommen steuer näher eingegangen werden kann, ist es notwendig, die Problematik thematisch und begrifflich klarzustellen. Zuerst ist es wichtig zu erkennen, dass bei der normalen Doppelbelastung von Vermögen, welches zuerst aus versteuertem Einkommen gebildet worden ist und anschließend beim Vermögensübergang auf einen anderen Steuerpflichtigen nochmals der Erbschaftsteuer unterliegt, aus steuerjuristischer Sicht keine Doppelbelastung vorliegt. Vielmehr ist diese doppelte Erfassung des Vermögens im Steuersystem angelegt und vom Gesetzgeber gewollt.2 Da bei der geltenden Ausgestaltung der Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer die Steuersubjekte verschieden sind, kann zwar eine betriebswirtschaftliche3 Doppelbelastung vorliegen, es liegt aber keine Doppelbelastung eines Vermögenszuwachses bei ein und demselben Steuersubjekt vor.4 Des Weiteren müssen von der hier zu untersuchenden Doppelbelastung eines Erwerbs mit Einkommen- und Erbschaftsteuer diejenigen Doppelbesteuerungsfälle unterschieden werden, die dadurch entstehen, dass zwei souveräne Staaten Steueransprüche erheben. Wenn der Wohnsitzstaat auf das Welteinkommen des Steuerpflichtigen zugreift und der Steuerpflichtige in einem anderen Staat eine weitere Einkunftsquelle besitzt, kann es vorkommen, dass derselbe Steuergegenstand sowohl vom Wohnsitzstaat als auch vom Quellenstaat der Besteue 1 Nachfolgend wird unter dem Begriff der „Erbschaftsteuer“ sowohl die Erbschaft- als auch die Schenkungsteuer verstanden, da die erbschaftsteuerlichen Vorschriften gem. § 1 Abs. 2 ErbStG für die Schenkungen entsprechend gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist. Nur in den Fällen, in denen nur eine freigebige Zuwendung in Betracht kommt, wird der Begriff der Schenkungsteuer verwendet. Vertiefend zum Verhältnis der Schenkungsteuer zur Erbschaftsteuer P. Ergenzinger, Schenkungsteuergesetz (2012). 2 N. Dautzenberg/R. Heyeres, StuW 1992, S. 302, 303; R. Heyeres, Zusammenwirken von Einkommensteuer und Erbschaftsteuer (1996), S. 135; L. Jesse, Liegen die Einkommensteuer und die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen“? (1992), S. 15; N. Weinmann, in: Moench: ErbStG, Einführung Rn. 54; R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 127, 132; T. Keß, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 35b Rn. A 39. 3 Dies wird beim betriebswirtschaftlichen Ansatz von N. Dautzenberg/R. Heyeres, StuW 1992, S.302, 304 ff. besonders deutlich. 4 K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II (2003), § 13, S. 874, 881; G. Crezelius, in: Wassermeyer: DStJG (1994), S. 135, 139; R. Seer, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 191, 194 f.; M. Birnbaum, Leistungsfähigkeitsprinzip und ErbStG (2007), S. 43. Siehe hierzu auch F. V. 1. a) und P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 2 Rn. 176 ff.
B. Begriffsbestimmung der Doppelbelastung B. Begriffsbestimmung der Doppelbelastung
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rung unterworfen wird.5 Damit kann eine vergleichbare Doppelbelastung desselben Steuergegenstandes bei einem Steuerpflichtigen entstehen. Anders als bei der hier im Mittelpunkt des Interesses stehenden Konstellation, in der derselbe Staat einen Erwerb mit zwei Steuern belastet, ist in diesem Sachverhalt die Doppel belastung durch den Zugriff zweier Steuerstaaten bedingt. Der doppelte Steuer zugriff zweier Staaten ist aber kein Problem bei der Abstimmung der Steuerarten im Steuersystem eines Staates, sondern eine völkerrechtliche Frage.6 Daher sind auch diejenigen Doppelbelastungen, die daraus resultieren, dass die Steuerarten in unterschiedlichen Staaten unterschiedlich ausgestaltet sind, etwa wenn die Erbschaftsteuer als Nachlasssteuer ausgestaltet ist oder die Erbschaftsteuer in die Einkommensteuer integriert ist, nicht Gegenstand dieser Arbeit.7
5
Siehe hierzu ausführlich G. Frotscher, Internationales Steuerrecht (2009), Rn. 1 ff. Dabei ist die Doppelbesteuerung durch den Steuerzugriff zweier Staaten nicht völkerrechtlich verboten (S. G. Frotscher, Internationales Steuerrecht (2009), Rn. 30), auch wenn sie wirtschaftlich unerwünscht ist, so dass die Staaten sowohl unilaterale wie § 34c EStG oder § 21 ErbStG als auch bilaterale Regelungen in Form Doppelbesteuerungsabkommen als völkerrechtliche Verträge vorsehen. 7 Siehe zu dieser Problematik z. B. die Frage der Anrechnung der „capital gains tax“ Ka nadas nach § 21 ErbStG in BFH v. 26.4.1995, II R 13/92, BStBl. II 1995, 540 ff.; kritisch M. Jülicher, ZEV 1996, S. 295, 296 f. 6
C. Fälle Wie ausgeführt, kann die Bewertung der Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert für die Erbschaftsteuer nach §§ 10 Abs. 1 Satz 2, 12 ErbStG zur Folge haben, dass in den Fällen, in denen der Rechtsnachfolger für die Einkommensteuer weiterhin die Buchwerte des Rechtsvorgängers anzusetzen hat oder ihm dessen Anschaffungskosten zugerechnet werden, für diese Wirtschaftsgüter sowohl Erbschaft- als auch Einkommensteuer bezahlt werden muss. In diesen Fällen kehrt sich die zeitliche Reihenfolge des Entstehens von Erbschaft- und Einkommensteuer um. Die Erbschaftsteuer entsteht mit dem Tod des Erblassers bzw. mit der Ausführung der Zuwendung, während die Einkommensteuer erst später mit der Verwirklichung des Einkommensteuertatbestandes entsteht.1 Die problematischste Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer ergibt sich bei stillen Reserven, die sich im Betriebsvermögen oder auch bei Grund- und Kapitalvermögen im Privatvermögen gebildet haben.2 Weitere Fälle der Doppelbelas tung mit Erbschaft- und Einkommensteuer sind rückständige Forderungen im Sinne des § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG sowie Renten und andere wiederkehrende Bezüge. Im Einzelnen sind folgende Fälle denkbar:3
I. Betriebsvermögen Werden einzelne Wirtschaftsgüter, die beim Rechtsvorgänger zum Betriebs vermögen gehört haben oder Sachgesamteinheiten wie Gewerbebetriebe, Teil betriebe oder Mitunternehmeranteile durch Erbfall oder Schenkung übertragen, so hat die Orientierung am gemeinen Wert gem. §§ 10 Abs. 1 Satz 2, 12 ErbStG zur Folge, dass die stillen Reserven, die sich im Betriebsvermögen gebildet haben, bei der Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer miterfasst werden. Einkommensteuerlich hat der Vermögensübergang dagegen in den meisten Fällen nicht die Aufdeckung der stillen Reserven zur Folge, da § 6 Abs. 3 EStG beim Rechtsnachfolger die Buchwertfortführung anordnet.
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N. Dautzenberg/R. Heyeres, StuW 1992, S. 303 f. H. Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009, S. 395. 3 Siehe hierzu auch L. Jesse, Liegen die Einkommensteuer und die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen“? (1992), S. 16 ff.; H. Ruppe, in: Herrmann/Heuer/ Raupach: EStG, Einführung Rn. 412; M. Birnbaum, Leistungsfähigkeitsprinzip und ErbStG (2007), S. 44 ff.; T. Keß, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 35b Rn. B 74 ff. 2
I. Betriebsvermögen
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Als Sonderfall4 des § 6 Abs. 3 EStG ist noch die unentgeltliche Anwachsung zu nennen. Scheidet ein Gesellschafter aus einer Personengesellschaft ohne Abfindung aus, so wächst sein Anteil den verbleibenden Gesellschaftern nach § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB5 zu, wenn im Gesellschaftsvertrag geregelt bzw. nicht abweichend geregelt6 ist, dass die Gesellschaft mit den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt wird.7 Auch diese Anwachsung ist eine unentgeltliche Mitunternehmeranteilsübertragung und fällt unter § 6 Abs. 3 EStG.8 Erbschaftsteuerlich hat die Anwachsung zur Folge, dass die übrigen Gesellschafter dadurch bereichert werden,9 wobei die Ermittlung der Bereicherung sich gem. §§ 10 Abs. 1 Satz 2, 12 ErbStG wiederum am gemeinen Wert zu orientieren hat. Die Schenkung von einzelnen Wirtschaftsgegenständen des Betriebsvermögens ist dagegen regelmäßig eine Entnahme, die gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG mit dem Teilwert zu bewerten ist und daher schon beim Erblasser bzw. Schenker zur Gewinnrealisierung führt.10 Eine abweichende Bewertung ist in den Fällen des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG für die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen Mitunternehmern einer Mitunternehmerschaft vorgegeben. Durch den zwingenden Buchwertansatz werden die stillen Reserven zum Zeitpunkt der Einbringung 4 Als weiterer Sonderfall ist die Einbringung einer betrieblichen Sachgesamtheit in eine Kapitalgesellschaft unterhalb des Verkehrswerts gem. § 20 UmwStG, die anschließende unentgeltliche Übertragung auf den Rechtsnachfolger und eine anschließende Veräußerung innerhalb von 7 Jahren seit der Einbringung im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG zu nennen, siehe hierzu G. Crezelius, Gutachten (2007), S. 22 ff. 5 Ggf. in Verbindung mit § 105 Abs. 3 oder §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB. 6 Siehe § 131 HGB (Gedanke der Unternehmenserhaltung) sowie P. Ulmer/C. Schäfer, in: Habersack/Säcker/Rixecker: MüKo BGB, § 723 Rn. 19; K. Hopt, in: Baumbach: HGB, § 131 Rn. 1. 7 T. Schöne, in: Bamberger/Roth: BGB, § 738 Rn. 5 f.; H. Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009, S. 396 f. 8 E. Kulosa, in: Schmidt: EStG, § 6 Rn. 654; K. Gratz, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 6 Rn. 1377; H. Brandenberg, DStZ 2002, S. 514. Entsprechendes gilt zumindest für die Konstruktion eines rechtsgeschäftlichen Eintritts in eine Personengesellschaft bei der Wahl der Treuhandalternative, während die Rechtslage bzgl. der Abfindungsvariante umstritten ist. Die Finanzverwaltung lässt bei Ausübung des Eintrittsrechts innerhalb von 6 Monaten nach dem Erbfall eine gewinnneutrale Nachfolge zu (BMF v. 14.3.2006, IV B 2-S 2242-7/06, Rn. 70), obwohl diese Konstellation als Veräußerungsvorgang beim Rechtsvorgänger und als Anschaffungsvorgang beim Eintretenden zu qualifizieren ist, vertiefend hierzu H. Hübner, ErbStB 2006, S. 17, 18 ff. 9 Während die Finanzverwaltung (R E 3.4 ErbStR 2011) davon ausgeht, dass die Anwachsung von § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz ErbStG erfasst wird, sprechen sich D. Moench/H. Hübner, Erbschaftsteuer (2012), Rn. 878 für einen Erwerb durch Erbanfall, gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG aus, da der Anteil bei der Anwachsung nicht übergeht, sondern untergeht. Für die Erfassung der Bereicherung sind die unterschiedlichen Tatbestände beim Erbfall nicht entscheidend, zum Ausscheiden aus der Gesellschaft unter Lebenden siehe H. Hübner/M. Maurer, ZEV 2009, S. 361, 365. 10 E. Wied, in: Blümich/Ebling: EStG. § 4 Rn. 166 und Rn. 175; H. Hübner, DStR 1995, S. 197, 198; H. Ruppe, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 45, 66; F. Wassermeyer, BB 1994, S. 1, 2.
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C. Fälle
nicht aufgedeckt und gehen auf die übrigen Mitunternehmer gemäß ihrer Betei ligung über,11 wenn die stillen Reserven nicht durch Ergänzungsbilanzen dem betreffenden Mitunternehmer zugeordnet werden.12 In bestimmten Einzelfällen kann die interpersonelle Verschiebung der stillen Reserven eine freigebige Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an die Mitunternehmer darstellen, wenn dieser eine Bereicherung der Mitgesellschafter beabsichtigt. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn sich unter den Mitgesellschaftern nahe Angehörige befinden.13 Werden später durch den Rechtsnachfolger die Wirtschaftsgüter realisiert, sei es durch Veräußerung,14 Entnahme oder Betriebsaufgabe, so ist die Differenz zwischen Buchwert und gemeinen Wert als Gewinn einkommensteuerpflichtig. Dies bedeutet, dass die stillen Reserven sowohl Eingang in die Bemessungsgrundlage der Erbschaft- als auch der Einkommensteuer finden und damit doppelt besteuert werden, da bei der späteren Einkommensbesteuerung unberücksichtigt bleibt, dass die stillen Reserven schon bei der Erbschaftsteuer erfasst und besteuert wurden.15
II. Doppelbelastung des nicht entnommenen Gewinns im Sinne des § 34a Abs. 2 EStG Ein weiterer Doppelbelastungsfall kann sich durch den mit dem UntStReformG 200816 neu geschaffenen § 34a EStG ergeben. Nach dieser Vorschrift können Einzelunternehmer oder Mitunternehmer, in Anlehnung an die Thesaurierungsmöglichkeit von Kapitalgesellschaften, den nicht entnommenen Gewinn auf Antrag einem besonderen Steuersatz in Höhe von 28,25 % unterwerfen. Bei der Gewinnentnahme kommt es dann zu einer Nachversteuerung in Höhe von 25 %.17 Wird jetzt vor der Gewinnentnahme der Betrieb oder Mitunternehmeranteil18 durch 11
E. Kulosa, in: Schmidt: EStG, § 6 Rn. 690; P. Fischer, in: Kirchhof: EStG, § 6 Rn. 208; W. Reiß, in: Kirchhof: EStG, § 15 Rn. 385a. 12 Ausführlich hierzu U. Niehus/H. Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 6 Rn. 1459a ff. 13 J. Meincke, in: Meincke: ErbStG, § 7 Rn. 74a; D. Gebel, in: Troll/Gebel/Jülicher: ErbStG, § 7 Rn. 188 f. 14 Auf die Erbauseinandersetzung als Sonderfall der Veräußerung wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen. Siehe hierzu, BFH v. 5.7.1990, GrS 2/89, BStBl. II 1990, 837. 15 Abgesehen vom Sonderfall der Veräußerung oder Entnahme von Einzelwirtschafts gütern innerhalb der Sperrfrist gem. § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG. Der rückwirkende Ansatz des Teilwerts beseitigt die Doppelbelastung. 16 UntStReformG 2008 v. 14.8.07, BGBl I 07, 1912, 1919 f.; BStBl I 2007, 630, 637 f. 17 R. Wacker, in: Schmidt: EStG, § 34a Rn. 4; K. Stein, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 34a Rn.1; T. Keß, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 35b Rn. A 29. 18 Zur Übertragung von Teilbetrieben und Teilunternehmeranteilen siehe K. Stein, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 34a Rn. 90.
III. Einkünfte aus Kapitalvermögen
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Erbfall oder Schenkung unentgeltlich übertragen, so hat der Rechtsnachfolger den nachversteuerungspflichtigen Betrag gem. § 34a Abs. 7 Satz 1 EStG fortzusetzen. Die Nachversteuerung wird durch den Betriebsübergang nicht ausgelöst.19 Dagegen ist der unentgeltliche Betriebsübergang erbschaftsteuerpflichtig, wobei die Wertermittlung der Bereicherung sich wiederum gem. §§ 10 Abs. 1 Satz 2, 12 ErbStG am gemeinen Wert zu orientieren hat, so dass der thesaurierte Gewinn20 Bestandteil der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage ist. Damit ist dieser nachversteuerungspflichtige Betrag nicht nur Gegenstand der erbschaftsteuer lichen Bemessungsgrundlage, sondern wird in Höhe von 25 % auch der Einkommensteuer unterworfen, wenn der Rechtsnachfolger den thesaurierten Gewinn entnimmt. Diese Doppelbelastung lässt sich allerdings vermeiden, wenn der Rechts nachfolger nach dem Erbfall einen Antrag gem. § 34 Abs. 6 Satz Nr. 4 EStG auf Nachversteuerung stellt. In diesem Fall wird im letzten Veranlagungszeitraum des Erblassers die Nachversteuerung durchgeführt, so dass die Einkommensteuer in Höhe von 25 % des nachversteuerungspflichtigen Betrags noch dem Erblasser zugeordnet wird und daher gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG als Nachlassverbindlichkeit21 von der Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer abgezogen wird.22 Genauso entfällt die Nachversteuerung gem. § 34a Abs. 4 Satz 3 EStG, wenn der Rechtsnachfolger die an sich nachversteuerungspflichtigen Beträge entnimmt, um damit die Erbschaftsteuer zu begleichen, die für den unentgeltlichen Betriebsübergang angefallen ist.23
III. Einkünfte aus Kapitalvermögen24 Gehen durch Erbfall oder Schenkung Anteile an Kapitalgesellschaften auf den Erwerber über, so ist gem. §§ 10 Abs. 1 Satz 2, 12 ErbStG für die Erbschafts besteuerung der gemeine Wert heranzuziehen. 19
E. Ratschow, in: Blümich/Ebling: EStG, § 34a Rn. 76. Bzw. der nicht entnommene Gewinn, der einem besonderen Steuersatz unterworfen wurde. 21 Ausführlich zur Einkommensteuerschuld des Erblassers im Jahr des Todesfalles siehe G. I. 3. b). 22 R. Wacker, in: Schmidt: EStG, § 34a Rn. 80; C. Seifried, ZEV 2009, S. 285, 288; T. Keß, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 35b Rn. A 31; E. Ratschow, in: Blümich/Ebling: EStG, § 34a Rn. 84. 23 T. Keß, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 35b Rn. A 30. 24 Hierunter werden nachfolgend sowohl die Einkünfte des § 17 EStG als auch die Einkünfte des § 20 EStG gefasst, auch wenn das EStG bei den Einkünften aus § 17 EStG von Einkünften aus Gewerbebetrieb spricht. Dies beruht auf der ursprünglichen Rechtfertigung des § 17 EStG, die Anteilseigner von Kapitalgesellschaften steuerlich den Mitunternehmern gleichstellen zu wollen. Diese Gleichstellung lässt sich bei der ursprünglichen Beteiligungsgrenze von 25 % noch nachvollziehen. Spätestens seit der Absenkung der wesentlichen Be 20
22
C. Fälle
Ein Sonderfall des unentgeltlichen Erwerbs von Anteilen an Kapitalgesellschaften stellt der Erwerb durch (Zwangs-)Einziehung gem. § 34 GmbHG25 oder Zwangsabtretung dar. Ist im Gesellschaftsvertrag die Einziehung von Geschäftsanteilen beim Vorliegen bestimmter Gründe26 vorgesehen, so hat die Einziehung zur Folge,27 dass sich die Geschäftsanteile der verbleibenden Gesellschafter entsprechend erhöhen, soweit nicht gleichzeitig eine Kapitalherabsetzung nach § 58 GmbHG vorgenommen wird.28 Steht dem ausscheidenden Gesellschafter im Ausnahmefall kein Abfindungsanspruch29 oder nur eine Abfindung unterhalb des gemeinen Werts zu, so ordnet § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 ErbStG30 für den Todesfall und § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG für den Schenkungsfall an, dass diese Bereicherung der verbleibenden Gesellschafter der Erbschaftsteuer unterliegt, wobei sich die Bewertung gem. §§ 10 Abs. 1 Satz 2, 12 ErbStG wiederum am gemeinen Wert zu orientieren hat.31 Entsprechendes gilt zumindest für den Erwerb von GmbH-Anteilen von Todes wegen gem. § 7 Abs. 7 Satz 3 ErbStG in Verbindung mit § 10 Abs. 10 Satz 2 Alt. 1 ErbStG durch Zwangsabtretung.32
teiligung auf 1 % kann von einer Gleichstellung nicht mehr gesprochen werden. Seit der Einführung der Abgeltungsteuer ist die Daseinsberechtigung des § 17 EStG noch fragwürdiger geworden, da auch die Veräußerung von Beteiligungen im Sinne des § 17 EStG den (subsidiären) Tatbestand des § 20 EStG erfüllen. Ob für § 17 EStG ein Anwendungsbereich über die Besteuerung der Veräußerung von wesentlichen Beteiligungen, die vor 1.1.2009 angeschafft wurden verbleibt, ist zweifelhaft. Siehe hierzu H.-J. von Beckenrath, in: Kirchhof: EStG, § 20 Rn. 21. 25 Zur fragwürdigen Beschränkung auf die Rechtsform der GmbH siehe H. Hübner/ M. Maurer, ZEV 2009, S. 428 f.; H. Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009, S. 398 ff. 26 Einziehungsgründe können etwa der Tod oder die Insolvenz eines Gesellschafters, die Pfändung des Geschäftsanteils oder Straftaten gegen die Gesellschaft oder Mitgesellschaftern sein. 27 Die gesellschaftsrechtliche Frage, ob dies automatisch passiert oder ein Gesellschafter beschluss erforderlich ist, spielt für die steuerrechtliche Würdigung keine Rolle. Siehe zu dieser Fragestellung: G. Hueck/L. Fastrich, in: Baumbach/Hueck: GmbHG, § 34 Rn. 17a f.; M. Lutter, in: Lutter/Hommelhoff: GmbHG, § 34 Rn. 3. 28 M. Lutter, in: Lutter/Hommelhoff: GmbHG, § 34 Rn. 2. 29 Zu den Fällen, in welchen ein Abfindungsausschluss möglich ist, siehe O. Sosnitza, in: Michalski: GmbHG, § 34 Rn. 66 ff. 30 Genauso ist § 7 Abs. 7 Satz 3 ErbStG in Verbindung mit § 10 Abs. 10 Satz 2 Alternative 2 ErbStG erfüllt, so dass diese Konstellation doppelt erfasst wird. Dies kann Auswirkungen auf die Steuerklasse (§ 15 ErbStG) und damit auch auf die Steuerbelastung haben, da hier eine Schenkung von dem durch die Einziehung betroffenen Gesellschafter an die übrigen Gesellschafter fingiert wird, während bei § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 ErbStG von einem Erwerb von Todes wegen des durch Tod ausscheidenden Gesellschafters ausgegangen wird. Siehe hierzu H. Hübner/M. Maurer, ZEV 2009, S. 428 ff. 31 M. Casper/C. Altgen, DStR 2008, S. 2319, 2321; H. Hübner, DStR 2007, S. 1013, 1019. 32 Die Finanzverwaltung (R E 3.3 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2011) will diesen Fall auch unter § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 ErbStG subsumieren. Damit wäre auch diese Konstellation doppelt erfasst. Siehe hierzu D. Moench/H. Hübner, Erbschaftsteuer (2012), Rn. 885; H. Hübner/ M. Maurer, ZEV 2009, S. 428 ff.
IV. Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften
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Veräußert der Rechtsnachfolger später den oder die Anteile an der Kapital gesellschaft, so wird der Veräußerungsgewinn der Einkommensteuer unterworfen.33 Obwohl der Erwerb durch Erbfall oder aufgrund einer Schenkung kein entgeltlicher Erwerb ist und der Rechtsnachfolger selbst keine Anschaffungskosten im Sinne des EStG hat,34 hat er die Wertsteigerung seit der Anschaffung des Rechtsvorgängers einkommensteuerlich zu versteuern, da § 17 Abs. 2 Satz 5 und § 20 Abs. 4 Satz 6 EStG für den Rechtsnachfolger die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers für maßgeblich erklären. Damit sind diese stillen Reserven sowohl erbschaft- als auch einkommen steuerpflichtig.
IV. Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften Ein weiterer Fall der Doppelbelastung stiller Reserven ergibt sich in den Fällen, in denen das Wirtschaftsgut gem. §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 EStG steuerverstrickt ist.35 Alleiniger Unterschied zu den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne der § 17 und § 20 EStG ist die zeitliche Befristung der Verstrickung. Geht ein Wirtschaftsgut durch Erbfall oder Schenkung auf den Rechtsnachfolger über, so hat sich die Ermittlung der damit verbundenen Bereicherung wieder gem. §§ 10 Abs. 1 Satz 2, 12 ErbStG am gemeinen Wert zu orientieren, so dass die stillen Reserven Bestandteil der Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer sind. Da der Erwerb des Wirtschaftguts durch Erbfall oder aufgrund einer Schenkung kein entgeltlicher Erwerb ist, hat der Rechtsnachfolger wiederum selbst keine Anschaffung im Sinne des EStG getätigt,36 so dass der Anwendungsbereich des § 23 EStG an sich gar nicht eröffnet wäre. Über § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG werden ihm aber wieder die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers zugerechnet.37 Veräußert also der Rechtsnachfolger das Wirtschaftsgut innerhalb der 33 Ob die Einkünfte nach § 17 EStG oder § 20 EStG steuerbar sind, hängt maßgeblich davon ab, ob die für § 17 EStG notwendige Beteiligungshöhe von einem Prozent erreicht worden ist. Werden die Anteile im Betriebsvermögen gehalten, so gehört der Veräußerungsgewinn zu den betrieblichen Einkünften. 34 BFH v. 3.8.1976, VIII R 192/74, BStBl. II 1977, 382; BFH v. 22.9.1987, IX R, 15/84, BStBl. II 1988, 250; BFH v. 13.1.1993, X R 53/91, BStBl. II 1993, 346, 347; H. Kube, in: Kirchhof: EStG, § 23 Rn. 11. Ausführlich hierzu unter E. IV. 2. Bei der Zwangseinziehung bzw. -abtretung hat der Rechtsnachfolger natürlich Anschaffungskosten, die Doppelbelastung ist in diesen Fällen auf die Differenz zwischen Buchwert und Veräußerungspreis beschränkt. 35 L. Jesse, Liegen die Einkommensteuer und die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen“? (1992), S. 18. 36 H. Weber-Grellet, in: Schmidt: EStG, § 23 Rn. 40, 43. 37 Anders T. Keß, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 35b Rn. A 25, der beim Rechtsnachfolger den gemeinen Wert als Anschaffungskosten ansetzen will. Damit wird die Doppelbelastung zutreffend vermieden (siehe G. II. 3.), allerdings lässt sich diese Auslegung schwer
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C. Fälle
Spekulationsfrist,38 die vom Anschaffungszeitpunkt des Rechtsvorgängers bis zur Veräußerung berechnet wird, so werden die stillen Reserven der Einkommensteuer gem. § 23 Abs. 1 EStG unterworfen, ohne dass berücksichtigt wird, dass diese schon Bestandteil der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage waren.
V. Nachträgliche Einkünfte im Sinne des § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG Bei nachträglichen Einkünften liegen zwar keine stillen Reserven vor, trotzdem kann sich eine Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer ergeben, und zwar dann, wenn die Einkünfte im Rahmen des Zu- und Abflussprinzips des § 11 EStG ermittelt werden. Befinden sich im Nachlass rückständige Forderungen, die beim Erblasser zu einer der sieben steuerbaren Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG gehört haben, so ordnet § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG nach h. M.39 an, dass diese vom Erblasser erwirtschafteten, aber noch nicht zugeflossenen Einkünfte beim Rechtsnachfolger zum Zeitpunkt des Zuflusses zu den Einkünften des § 2 Abs. 1 EStG gehören,40 obwohl dieser den Einkommenstatbestand nicht ver wirklicht hat.41 Allerdings ist die rückständige Forderung auch Bestandteil der erbschaftsteuer lichen Bemessungsgrundlage gem. §§ 10 Abs. 1, 12 Abs. 1 ErbStG, da die erbschaftsteuerliche Bereicherung alle vermögenswerten Positionen des Rechtsvorgängers umfasst, also auch noch nicht beglichene Forderungen.42 Damit ist die rückständige Forderung beim Rechtsnachfolger sowohl einkommen- als auch erbschaftsteuerpflichtig.43
mit dem Wortlaut der Norm vereinen, da der Rechtsnachfolger gerade keine Anschaffungskosten hat, sondern allein der Rechtsvorgänger. Zudem bleibt offen, warum dieses Auslegungsergebnis nicht auch bei §§ 17 Abs. 2 Satz 5, 20 Abs. 4 Satz 6 EStG angewendet wird. 38 Welche bei Grundstücken 10 Jahren seit der Anschaffung und bei anderen Wirtschaftsgütern 1 Jahr beträgt, vgl. § 23 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG. 39 Die umfassende Streitdarstellung wird später bei der Ursachenanalyse der Doppelbelas tung mit Erbschaft- und Einkommensteuer vorgenommen, siehe E. IV. 4. 40 Und zwar zu der Einkunftsart, die der Rechtsvorgänger verwirklicht hat. 41 R. Wacker, in: Schmidt: EStG, § 24 Rn. 51; R. Mellinghoff, in: Kirchhof: EStG, § 24 Rn. 25, 44. 42 G. Crezelius, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 73, 78; D. Gebel, in: Troll/Gebel/Jülicher: ErbStG; § 10 Rn. 16; J. Meincke, in: Meincke: ErbStG, § 10 Rn. 10 und 12. 43 H. Ruppe, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, Einf. ESt, Rn. 412.
VI. Wiederkehrende Bezüge
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VI. Wiederkehrende Bezüge Weitere Fälle der Doppelbelastung mit Einkommen- und Erbschaftsteuer können bei der Besteuerung von privaten44 Renten und anderen wiederkehrenden Bezügen auftreten. Erwirbt der Rechtsnachfolger ein Recht auf Rentenzahlung, ein Nutzungsrecht oder andere wiederkehrende Bezüge, so entsteht die Erbschaftsteuer vom Grundsatz her mit dem Erwerb des Rechts, wobei die Bereicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 ErbStG durch Kapitalisierung und Abzinsung der laufenden künftigen Erträge nach den §§ 13 ff. BewG zu ermitteln ist.45 Dies kann für den Erwerber zu Schwierigkeiten bei der Begleichung der Erbschaftsteuerschuld führen, da die Bezüge oder Nutzungen nur sukzessiv zufließen, während die Erbschaftsteuerschuld bereits mit dem Vermögensübergang entsteht.46 Hier eröffnet § 23 ErbStG dem Erwerber ein Wahlrecht, ob er den Kapitalwert des Rechts beim Erwerb sofort versteuern oder das Recht im vollen Umfang nach einem Jahreswert jährlich der Erbschaftsteuer unterwerfen will, wobei die Jahressteuer im Voraus zu entrichten und der maßgebliche Zeitpunkt die Vermögenszuwendung ist.47 Zugleich erfüllen private Renten und andere Bezüge regelmäßig den Tatbestand der wiederkehrenden Bezüge nach § 22 Nr. 1 EStG, so dass die Bezüge auch einkommensteuerlich steuerbar sind. Bei wiederkehrenden Leistungen, die in voller Höhe mit Einkommensteuer belastet werden (z. B. andere Hinterbliebenenbezüge auf vertraglicher Grundlage im Sinne des § 3 Nr. 4 ErbStG48, Nießbrauchrechte49, Erbbaurechtsverhält 44
Gesetzliche Renten im Sinne des § 22 Satz 3 Nr. 1 lit. a, aa EStG sind dagegen nicht übertragbar, so dass hier eine Doppelbelastung mit Einkommen- und Erbschaftsteuer nicht besteht. Siehe hierzu G. Stuhrmann, in: Blümich/Ebling: EStG, § 22 Rn. 90; M. Huber/ E. Reimer, DStR 2007, S. 2042, 2045, Fn. 41. 45 J. Meincke, in: Meincke: ErbStG, § 23 Rn. 1. 46 M. Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher: ErbStG, § 23 Rn. 1; J. Meincke, in: Meincke: ErbStG, § 23 Rn. 1; R. Geck, in: Kapp/Ebeling: ErbStG, § 23 Rn. 1. 47 M. Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher: ErbStG, § 23 Rn. 1 und 8; R. Geck, in: Kapp/Ebeling: ErbStG, § 23 Rn. 1 f. 48 Bei den Hinterbliebenenbezügen auf vertraglicher Grundlage verneint der BFH bei Arbeitsverträgen die Erbschaftsteuerpflicht gem. § 3 Nr. 4 ErbStG. Erst aufgrund einer analogen Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG 1959. Nach dessen Wegfall aufgrund einer teleo logischen Reduktion, BFH v. 17.11.1974 II R 175/64, BStBl II 1975, 539; BFH v. 20.5.1981, II R 11/81, BStBl. II 1981, 715; dies zeigt das Unbehagen des BFH solche Bezüge der Erbschaftsteuer zu unterwerfen. Zu dieser Inkonsequenz und den Folgen bzgl. der Hinterbliebenenbezüge aufgrund gesellschaftsvertraglicher Abrede, siehe D. Gebel, in: Troll/Gebel/ Jülicher: ErbStG, § 3 Rn. 304 ff. 49 Bei der Einräumung eines Nießbrauchrechts erzielt der Nießbraucher dann den Einkünftetatbestand, wenn er den Einkommenstatbestand vollumfänglich selbst verwirklicht. Für die Qualifikation der Bezüge als Einkünfte aus einer mitunternehmerischen Tätigkeit ist dafür Voraussetzung, dass der Nießbraucher als Mitunternehmer anzusehen ist, J. Lang, in: Tipke/ Lang: Steuerrecht (2010), § 9 Rn. 161; R. Wacker, in: Schmidt: EStG, § 15 Rn. 306 ff.; BFH
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C. Fälle
nisse50 und sonstige Nutzungsrechte), wird die Doppelbelastung mit Erbschaftund Einkommensteuer sofort deutlich: Der Erbschaftsteuer wird ein nach § 13 ff. BewG ermittelter Betrag unterworfen; dieser Betrag ist dem Erben unentgeltlich zugeflossen. Bei der Einkommensteuer des Erben werden aber nicht nur die Zinserträge aus diesem Kapital besteuert, sondern auch die Rückflüsse aus diesem Kapital, da sich die laufenden Rentenzahlungen aus dem Kapital- und Zinsanteil zusammensetzen. Diese Kapitalanteile unterliegen damit sowohl der Erbschaft- als auch der Einkommensteuer. Bei privaten Leibrenten51 nach § 22 Nr. 1 Satz 3 lit. a, bb EStG wird dagegen (pauschal52) nur der Ertragsanteil einkommensteuerlich besteuert. Entscheidet sich der Rechtsnachfolger bei diesen privaten Leibrenten für die gewöhnliche Kapitalwertbesteuerung im Sinne der §§ 13 f. BewG, so wird zum Teil vertreten, dass die wiederkehrenden Bezüge nicht doppelt belastet werden, da von der Einkommensteuer nur der Ertragsteil besteuert wird und bei der Erbschaftsteuer nur der Kapitalanteil als Vermögenssubstanz besteuert werde.53 Daher v. 28.2.1961, BStBl. III 1961, 252 f.; BFH v. 11.4.1973, IV R 67/69, BStBl. II 1973, 528, 530; FG Baden-Württemberg v. 27.9.2005, 4 K 469/99, EFG 2006, 793. Erfüllt der Nießbraucher den Tatbestand nicht vollumfänglich, sind die Bezüge bei schenkungs- bzw. vermächtnisweiser Zuwendung regelmäßig nicht einkommensteuerpflichtig. Davon unberührt bleibt natürlich die Verwirklichung des Einkünftetatbestand durch den Nießbrauchbesteller. 50 Erbbauzinsen sind nach Auffassung des BFH als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu qualifizieren, BFH v. 20.10.1980, IV R 126/78, BStBl. II 1981, 398 f.; BFH v. 20.1.1983, IV R 158/80, BStBl. II 1983, 413, 416. 51 Gesetzliche Renten werden dagegen nicht von der Erbschaftsteuer erfasst, da diese gesetzlichen Leistungsansprüche unmittelbar in der Person des versorgten Hinterbliebenen entstehen, so dass sich in diesen Fällen die Frage der Doppelbelastung nicht stellt. Auch private Leibrenten auf das Leben des Erblassers enden regelmäßig mit dem Tod des Erblassers, so dass eine solche Rente nicht vererbt, sondern nur verschenkt werden kann. Allerdings gibt es auch beim Erbfall Konstellationen, in denen eine Übertragung möglich ist. Dazu gehört etwa die Leibrente auf das Leben des Erblassers, die eine vertragliche Mindestlaufzeit beinhaltet. Tritt der Erbfall während dieser Mindestlaufzeit ein, so wird diese Rente bis zum Ablauf der Mindestlaufzeit an den Erben gezahlt. Aus einer lebenslangen Rente wird hier im Erbfall eine abgekürzte Rente. Eine weitere Möglichkeit ist, dass die im Todesfall (des Versicherungs nehmers) übergehende Rente auf das Leben eines Dritten abgeschlossen ist. Beim Erwerb von Todes wegen ändern sich allerdings für den Erben die statistischen Eckdaten (Restlaufzeit; Ertragsanteil), da die versicherte Person am Tag des Erbfalls älter ist, als beim ursprünglichen Rentenbeginn. 52 In der Pauschalierung des Ertragsanteils kann aber eine Doppelbelastung mit Einkommenund Erbschaftsteuer gesehen werden. Zu Beginn der Rentenzahlung ist der Kapitalstock hoch und erwirtschaftet entsprechend hohe Zinserträge. Gegen Ende der Rentenzahlungen ist das Kapital weitgehend aufgebraucht, die Zinsen sind entsprechend gering und die Rentenbezüge setzen sich überwiegend aus Kapitalrückflüssen zusammen. Der Ertragsanteil, der „pauschal“ diese Zinsanteile für die Einkommensteuer erfasst, ist bei Renten, die gegen Ende der Laufzeit geerbt werden, höher als der rechnerische Zinsanteil. Der Ertragsanteil erfasst damit auch Kapitalanteile, die bereits mit Erbschaftsteuer belastet wurden. 53 H. Ruppe, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, Einf. ESt, Rn. 412; R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 127, 162; M. Huber/E. Reimer, DStR 2007, S. 2042, 2046.
VI. Wiederkehrende Bezüge
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würden die wiederkehrenden Bezüge zwar sowohl von der Einkommen- als auch Erbschaftsteuer erfasst, aber jeweils nur anteilig. Eine Doppelbelastung läge daher nicht vor.54 Bei der Wahl der Jahresbesteuerung wäre dagegen der Zinsanteil doppelt belastet.55 Diese Betrachtungsweise ist allerdings kritisch zu sehen, da nicht allein die Höhe der Beträge verglichen werden dürfen.56 Bei der Jahresversteuerung nach § 23 ErbStG darf die Erbschaftsteuer, die normalerweise am Stichtag im Sinne des § 11 ErbStG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 ErbStG in voller Höhe fällig ist, in zukünftigen Jahresraten bezahlt werden. Demgemäß hat § 23 ErbStG eine vergleichbare Wirkung wie eine Stundung.57 Geht man aber davon aus, dass in dem Abzinsungszinssatz von 5,5 % bei der Ermittlung des Kapitalwerts auch der Umstand mitberücksichtigt wird, dass die Erbschaftsteuer erst in späteren Jahreszahlungen fällig wird, dann ist die Ursache der höheren Beträge der Jahresversteuer lediglich darauf zurückzuführen, dass für das Hinausschieben der Fälligkeit ein entsprechender Stundungszins mitberücksichtigt wird.58 Jahreszahlung und Sofortzahlung sind dann ökonomisch gleichwertig, durch Auf- bzw. Abzinsung werden lediglich zeitlich verschiedene Zahlungsströme auf einen Stichtag umgerechnet: die Abzinsung der jährlichen Erbschaftsteuerzahlungen ergibt als Kapitalwert dann auch genau den Betrag, der bei Sofortzahlung der Erbschaftsteuer fällig werden würde.59 Im Ergebnis lässt sich damit festhalten, dass unabhängig davon, ob der Rechtsnachfolger die Jahreserbschaftsteuer gem. § 23 ErbStG oder die Kapitalwert 54
H. Ruppe, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, Rn. 412; R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 127, 162; M. Huber/E. Reimer, DStR 2007, S. 2042, 2046. 55 H. Ruppe, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, Rn. 412; M. Huber/E. Reimer, DStR 2007, S. 2042, 2046. 56 Man darf nicht den Fehler machen und den nur wegen der Abzinsung auf den Barwert geringeren Betrag der Erbschafsteuer isoliert betrachten. Der Betrag ist nur deshalb geringer, weil er sofort fällig ist, während bei der Jahresbesteuerung die zu versteuernden Beträge erst in den Folgejahren fließen. 57 M. Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher: ErbStG, § 23 Rn. 2. 58 Nur unter der Annahme, dass das Hinausschieben der Fälligkeit zinslos erfolgt, kann von einer Doppelbelastung gesprochen werden, da dann die (in der Gesamtsumme) höheren Jahresraten der Erbschaftsteuer (im Vergleich zur Sofortzahlung) nur damit erklärt werden können, dass in die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer auch Zinsanteile, die bereits von der Einkommensteuer erfasst werden, eingehen. Berücksichtigt man, dass der Erwerber bei der Wahl der Jahresversteuerung Darlehenszinsen spart (für einen Kredit, den er für die Begleichung der sofortigen Steuerschuld auf den Kapitalwert aufzunehmen hat), wenn er nicht über weiteres Vermögen verfügt oder aber mit diesem verfügbaren Vermögen Zinsen in dem Zeitraum erwirtschaften kann, in welchem die Fälligkeit durch die Jahresbesteuerung hinausgezögert wurde, dann ist das zinslose Hinausschieben der Fälligkeit aber nicht angemessen. 59 Bei dieser Betrachtung wurden Freibeträge außen vor gelassen (bzw. wurde unterstellt, dass die Freibeträge durch weitere erbschaftsteuerpflichtige Vermögenszuflüsse aufgebraucht worden wären), da diese bei Wahl der Jahresversteuerung und Aufzehrung (ökonomisch nicht korrekt) unverändert bleiben, was erstaunliche Folgen haben kann, siehe D. Moench, ZEV 2001, S. 303, 304.
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C. Fälle
besteuerung wählt, es zu einer Doppelbelastung mit Einkommen- und Erbschaftsteuer kommt, wenn von der Einkommensteuer der volle Nennwert der Bezüge erfasst wird.60
VII. Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschaftern oder Dritten zur Gesellschaft Die am meisten umstrittene Konstellation, in der es möglicherweise zu einer Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer kommen kann, sind Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschaftern oder Dritten zur Gesellschaft. 1. Grundsatz Geklärt ist im Grundsatz, dass Leistungen eines Gesellschafters an die Gesellschaft und umgekehrt, die ihre Grundlage im Gesellschaftsverhältnis haben, nicht von der Erbschaftsteuer61 erfasst werden, so dass Einlagen und Ausschüttungen nicht erbschaftsteuerlich steuerbar sind.62 Durch Einlagen wird zwar der Wert der Gesellschaft erhöht, gleichzeitig erhöht sich aber auch regelmäßig der Wert der Beteiligung des Gesellschafters, so dass die Bereicherung sich nicht auf Kosten des Gesellschafters vollzieht.63 Umgekehrt vermindert eine Zuwendung der Gesellschaft an den Gesellschafter den Wert der Beteiligung an der Gesellschaft. Zugleich können Zuwendungen der Gesellschafter an die Kapitalgesellschaft nicht als freigebige Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG qualifiziert werden, wenn diese zur Erfüllung des Gesellschaftszweckes (causa societatis) erbracht werden; insoweit ist sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht erfüllt.64
60 C. Heinz, Vermögensübergänge im Spannungsfeld von Erbschaftsteuer und Einkommensteuer (2003), S. 195; R. Heyeres, Zusammenwirken von Einkommensteuer und Erbschaftsteuer (1996), S. 235 Fn. 271. 61 In diesen Konstellationen kommt regelmäßig nur Schenkungsteuer in Betracht, da das Gesetz aber Erbschaft- und Schenkungsteuer in einem Gesetz zusammenfasst, wird weiterhin von der Erbschaftsteuer gesprochen. 62 J. Meincke, in: Meincke: ErbStG, § 7 Rn. 70 ff.; RFH v. 21.1.1943 III e 38/41, RStBl. 1943, 589. 63 R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 127, 142; B. Binnewies, GmbHR 2011, S. 1022, 1023. 64 BFH v. 17.10.2007, II R 63/05, BStBl. II 2008, 381; D. Gebel, in: Troll/Gebel/Jülicher: ErbStG, § 7 Rn. 186; J. Meincke, in: Meincke: ErbStG, § 7 Rn. 87; B. Binnewies, GmbHR 2011, S. 1022, 1023.
VII. Leistungsbeziehungen
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2. Disquotale Leistungen zwischen Gesellschaftern Höchst umstritten ist dagegen, ob disquotale Leistungen des Gesellschafters in eine Kapitalgesellschaft oder umgekehrt Schenkungsteuer auslösen.65 Leistet ein Gesellschafter eine Einlage, die über das hinausgeht, was er nach Beteiligungsverhältnis hätte erbringen müssen und wird seine Beteiligungshöhe nicht ent sprechend angepasst, so könnte darin eine freigebige Zuwendung an die übrigen Gesellschafter gesehen werden. Während die Finanzverwaltung66 und ein Teil des Schrifttums67 eine freigebige Zuwendung des leistenden Gesellschafters an die anderen Gesellschafter bejahen, verneinen die Rechtsprechung68 und der andere Teil des Schriftums69 die frei gebige Zuwendung, da die Bereicherung der übrigen Gesellschafter nur ein Reflex der Bereicherung der Gesellschaft sei. Der Gesetzgeber hat diesen Streit durch das Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie70 inzwischen entschärft und § 7 Abs. 8 ErbStG eingefügt, der anordnet, dass als Schenkung auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft gilt, die ein Gesellschafter durch eine Leistung einer anderen Person an die Gesellschaft erlangt.71 Bei Personengesellschaften kann eine freigebige Zuwendung angenommen werden, wenn ein Gesellschafter ohne Einlage aufgenommen wird und das Haftungsrisiko und der Arbeitsaufwand dem Wert der Aufnahme nicht entsprechen72 oder die Beteiligungsverhältnisse zwischen den bestehenden Gesellschaftern ohne Gegenleistung verändert werden. Veräußert der um die disquotale Leistung bereicherte Gesellschafter später seine Anteile an der Gesellschaft, so gehört diese Wertsteigerung mangels weiterer An-
65 Aus der umfangreichen Literatur zu dieser Frage: B. Binnewies, GmbHR 2011, S. 1022 ff.; P. Gottschalk, Leistungen in das Gesellschaftsvermögen einer GmbH als freigebige Zuwendung (2001); H. Hübner, DStR 2008, S. 1357 ff.; H. Hübner, DStR 2007, S. 1747 ff.; H. Daragan, DStR 1998, S. 1240 ff.; E. Wälzholz, ZEV 2008, S. 273 ff.; D. Gebel, DStR 1996, S. 685; H.-U. Viskorf, DStR 1998, S. 150 ff. 66 BStBl. I 1995, 350; R 18 ErbStR 2003 und H 18 ErbStH 2003. 67 H. Hübner, DStR 2008, S. 1357, 1360; H. Hübner, DStR 2007, S. 1747, 1750; H. Daragan, DStR 1998, S. 1240, 1241 ff.; P. Gottschalk, DStR 2002, S. 377, 386 f.; P. Gottschalk, Leistungen in das Gesellschaftsvermögen einer GmbH als freigebige Zuwendung (2001), S. 334 ff. 68 BFH v. 25.10.1995, II R 67/93, BStBl. II 1996, 160, 161; BFH v. 19.6.1996, II R 83/92, BStBl. 1996, 616, 618; BFH v. 9.12.2009, II R 28/08, BStBl. II 2010, 566, 567. 69 H.-U. Viskorf, DStR 1998, S. 150, 152; D. Gebel, in: Troll/Gebel/Jülicher: ErbStG; § 7 Rn. 187, 199. 70 BT-Drs. 17/7469 v. 26.10.2011, Art. 11, S. 81. 71 Siehe zur Neuregelung G. Crezelius, ZEV 2011, S. 393 ff.; H. Daragan, DStR 2011, S. 2079 ff.; B. Binnewies, GmbHR 2011, S. 1022 ff.; M. Fischer, ZEV 2012, S. 77 ff. 72 Hierbei wird regelmäßig von einer gemischten Schenkung auszugehen sein.
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C. Fälle
schaffungskosten einkommensteuerlich zum Veräußerungsgewinn, mit der Folge, dass diese Wertsteigerung erbschaft- und einkommensteuerlich erfasst wird.73
VIII. Scheinbare Doppelbelastungen 1. Unentgeltliche Zuwendungen an Personengesellschaften Zu einer weiteren Doppelbelastung mit Erbschaft- und Schenkungsteuer kommt es bei unentgeltlichen Zuwendungen an eine Personengesellschaft, wenn man mit dem BFH74 unentgeltliche Zuwendungen an Personengesellschaften als Betriebseinnahme qualifiziert. In dem vom BFH zu entscheidenden Fall hatte der Erblasser ein Altenheim, das als GbR organisiert war, als Erbe eingesetzt. Die Gesellschafter der GbR hatten den erbschaftsteuerlichen Erwerb entsprechend ihrer Beteiligung an der GbR erbschaftsteuerlich zu versteuern.75 Gleichzeitig ist der Vermögenszufluss nach Auffassung des BFH als Betriebseinnahme bei der GbR zu erfassen, so dass der Vermögenszufluss bei den Gesellschaftern sowohl einkommen- als auch erbschaftsteuerlich erfasst wurde. Bei näherer Betrachtung ist der Zufluss bei der GbR einkommensteuerlich erfolgsneutral. Wenn sowohl einkommen- als auch erbschaftsteuerlich gesehen die Gesellschafter als natürliche Personen Steuersubjekt sind76 und der Vermögenszufluss bei den Gesellschaftern zu einem erbschaftsteuerlichen Erwerb führt,77 dann muss die Zuwendung in das Gesamthandsvermögen als steuerneutrale Einlage qualifiziert werden.78 2. Überhöhte Testamentsvollstreckervergütung Eine weitere Fallgruppe, in der früher eine Doppelbelastung diskutiert wurde, sind überhöhte Testamentsvollstreckervergütungen. In einem vom BFH zu entscheidenden Fall, in dem eine nicht familiär verbundene Person als Testamentsvollstrecker eingesetzt wurde, qualifizierte das Wohnsitzfinanzamt die volle Vergütung des Testamentsvollstreckers als einkommensteuerpflichtig, das Betriebsfinanzamt des Testamentsvollstreckers setzte für den – nach seiner Sicht – die angemessene Höhe im Sinne des § 2221 BGB übersteigenden Teil Erbschaft 73 Die Einkunftsart hängt wieder davon ab, ob der Gesellschafter zu mindestens mit 1 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt war oder nicht oder ob er die Beteiligung im Betriebsvermögen gehalten hat. 74 BFH v. 14.3.2006, VIII R 60/03, BStBl. II 2006, 650 f. 75 G. Crezelius, ZEV 2006, S. 421, 422. 76 Siehe § 1 EStG und § 2 ErbStG. 77 FG Baden-Württemberg v. 25.6.2003, 13 K 26/02, EFG 2003, 1465. 78 G. Crezelius, ZEV 2006, S. 421, 422.
VIII. Scheinbare Doppelbelastungen
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steuer gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG fest.79 Eine solche Beurteilung der Rechtslage hätte zur Folge, dass der Teil der Vergütung, der als unangemessen hoch ange sehen wird, sowohl der Erbschaftsteuer als auch der Einkommensteuer unterliegen würde. Zutreffenderweise hat der BFH80 den als unangemessen hoch eingestuften Teil der Vergütung nur der Einkommensteuer unterworfen. Denn soweit zivilrechtlich dieser überhöhte Teil als Vermächtnis qualifiziert wird, beruht dies auf einer Fiktion, die der Sicherheit der Nachlassgläubiger im Falle der Insolvenz dient.81 Diese Fiktion gilt aber nicht für das Erbschaftsteuerrecht. Daher ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfüllt sind. Dies ist im Ergebnis zu verneinen, da der Testamentsvollstrecker die Vergütung allein für die Amtsausführung erhält; insoweit fehlt die Unentgeltlichkeit als Tatbestandsmerkmal.82 Mit dieser (richtigen) Auslegung des Sachverhaltes wird eine Überschneidung der Tatbestände vermieden. Sind dagegen ausnahmsweise tatsächlich Anhaltspunkte83 dafür gegeben, dass dem Testamentsvollstrecker unabhängig von seiner Tätigkeit ein Vorteil zugewendet werden sollte, dann ist diese Konstellation nach den Grundsätzen der gemischten Schenkung zu lösen, so dass auch keine Doppelbelastung mit Einkommen- und Erbschaftsteuer vorliegt.84
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Aufgrund der Qualifikation des überhöhten Teiles der Vergütung als Vermächtnis. BFH v. 2.2.2005, II R 18/03, BStBl. II 2005, 489 f.; BFH v. 6.9.1990, IV R 125/89, BStBl. II 1990, 1028, 1029. 81 BFH v. 2.2.2005, II R 18/03, BStBl. II 2005, 489, 490. 82 BFH v. 2.2.2005, II R 18/03, BStBl. II 2005, 489, 490. 83 Etwa ein besonderes Näheverhältnis zwischen Erblasser und Testamentsvollstrecker. 84 M. Huber/E. Reimer, DStR 2007, S. 2042, 2043; R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 127, 140; G. Crezelius, ZEV 2006, S. 421, 422. 80
D. Allgemeine verfassungsrechtliche Vorgaben für die Besteuerung Bei der Beurteilung dieser Doppelbelastungsfälle sind zunächst die allgemeinen verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Besteuerung zu untersuchen.
I. Notwendigkeit der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von Steuern Steuern als hoheitliche, zwangsweise auferlegte Geldzahlungspflicht greifen zumindest in die allgemeine Handlungsfreiheit des Steuerpflichtigen ein1 und bedürfen daher der Rechtfertigung. Hierbei sind jedoch zwei Fragestellungen zu unterscheiden. Die erste und vorrangige Frage ist die, ob der Staat überhaupt berechtigt ist, Steuern zu erheben2 – die Frage der Steuerrechtfertigung dem Grunde nach.3 Von dieser Fragestellung zu trennen ist die Frage, ob der Staat gerechtfertigt ist, eine konkrete Steuerart zu erheben und ob die Ausgestaltung und Belastungshöhe dieser Steuer gerechtfertigt ist.4 Im modernen Staat bedürfen Steuern dem Grunde nach keiner besonderen Rechtfertigung.5 Das grundgesetzliche Steuerstaatsprinzip6 setzt diese vielmehr voraus, um den Staat in die Lage zu versetzen, seine staatlichen Aufgaben zu erfüllen.7 Dabei kann offen bleiben, ob der moderne Staat Steuerstaat ist, weil durch 1 F. Kirchhof, in: Handbuch der Grundrechte, § 59 Rn. 12, 78; U. Di Fabio, JZ 2007, S. 759, 752; BVerfG v. 12.10.1994, 1 BvL 19/90, BVerfGE 91, 207, 221; BVerfG v. 25.9.1992, 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153, 169; BVerfG v. 31.5.1988, 1 BvL 22/85, BVerfGE 78, 232, 244. 2 K. Tipke, Die Steuerordnung, Bd. I (2000), § 7, S. 228; J. Lang, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 4 Rn. 60. 3 M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem (1994), S. 12. 4 F. Kirchhof, Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts (2001), Rn. 28; F. Kirchhof, in: Handbuch der Grundrechte, § 59 Rn. 27, 32; K. Tipke, Die Steuerordnung, Bd. I (2000), § 7, S. 232; J. Lang, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 4 Rn. 60. 5 D. Birk, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 8; H. Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat (2001), S. 4; F. Kirchhof, Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts (2001), Rn. 28. 6 J. Isensee, in: Stödter/Thieme: Festschrift Ipsen (1977), S. 409 ff.; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof: HStR (2007), § 118, Rn. 1, 6; K. Vogel, in: Isensee/Kirchhof: HStR (2005), § 30, Rn. 51 ff., 69 ff.; bestätigt durch BVerfG v. 8.6.1988, 2 BvL 9/85 und 3/86, BVerfGE 78, 249, 266 f.; BVerfG v. 31.5.1990, 2 BvL 12, 13/88, 2 BvR 1436/87, BVerfGE 82, 159, 178; BVerfG v. 24.1.1995, 1 BvL 18/93 und 5, 6, 7/94, 1 BvR 403, 569/94, BVerfGE 92, 91, 113. 7 K. Tipke, Die Steuerordnung, Bd. I (2000), § 7, S. 232.
II. Rechtfertigung der Einkommen- und Erbschaftsteuer als Einzelsteuern
33
die Steuererhebung auf die staatliche Mittelbeschaffung durch eigenes Wirtschaften verzichtet werden kann8 oder weil nur durch die Steuererhebung gewisse Bedürfnisse der im staatlichen Verbund lebenden Individuen ausreichend befriedigt werden können.9 Ihre allgemeine Rechtfertigung kann nicht im schlichten Finanzbedarf des Staates liegen,10 da vom Bedarf nicht auf die Rechtfertigung geschlossen werden kann.11 Die Legitimation des Staates, Steuern zu erheben, ist vielmehr darin zu sehen, dass der Staat für die Gesellschaft und die Bürger eine Rechtsordnung zur Verfügung stellt, für Sicherheit sorgt und Daseinsvorsorge betreibt.12 Die Steuern sind der Beitrag des einzelnen Bürgers, um die Funktionsfähigkeit dieses Gemeinwesens zu gewährleisten.13 Mit der Rechtfertigung der Steuer dem Grunde nach können aber noch keine konkreten Aussagen über die Rechtfertigung der einzelnen Steuerarten und deren Ausgestaltung gewonnen werden.14 Diese müssen zuerst für jede Steuerart isoliert betrachtet werden.15
II. Rechtfertigung der Einkommen- und Erbschaftsteuer als Einzelsteuern Für die Frage, ob die Doppelbelastung eines Vermögenszugangs mit Einkommen- und Erbschaftsteuer zulässig ist, ist zunächst zu klären, wie die Einzelsteuern isoliert zu rechtfertigen sind.
8
P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof: HStR (2007), § 118, RdNr. 1,6; C. Seiler, in: Kluth/ Krings: Handbuch der Gesetzgebung, A. II. (im Erscheinen). 9 A. Steichen, in: Lang: Festschrift Tipke (1995), 365, 377 f. 10 P. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat (2000), S. 19. 11 P. Kirchhof, in: Kirchhof/Birk/Lehner/Vogel: Steuern im Verfassungsstaat (1996), S. 28, 32; F. Kirchhof, Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts (2001), Rn. 28. 12 F. Kirchhof, Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts (2001), Rn. 28; F. Kirchhof, in: Handbuch der Grundrechte, § 59 Rn. 28. 13 P. Selmer, in: Thieme: Umweltschutz im Recht (1988), 24, 41; H. Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat (2001), S. 5; F. Kirchhof, Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts (2001), Rn. 28. 14 J. Lang, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 4 Rn. 60; F. Kirchhof, Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts (2001), Rn. 28. 15 K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II (2003), § 11, S. 569, 576; K. Tipke, Die Steuerordnung, Bd. I (2000), § 7 S. 232; F. Kirchhof, in: Handbuch der Grundrechte, § 59 Rn. 27, 32.
34
D. Allgemeine verfassungsrechtliche Vorgaben für die Besteuerung
1. Rechtfertigung von Finanzzwecksteuern durch das Leistungsfähigkeitsprinzip Belastungsgrund aller Finanzzwecksteuern ist die Finanzierung des Haushalts.16 Dieser Finanzbedarf, welcher zum überwiegenden Teil durch Steuer abgaben gedeckt wird, muss zwischen allen Steuerpflichtigen gerecht verteilt werden.17 Die Steuergerechtigkeit wird aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitet.18 „Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet es, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln“.19 Das Problem des Gebots der Gleichbehandlung von Gleichem und der Ungleichbehandlung von Ungleichem ist, dass dieser Aussage nicht entnommen werden kann, wie Gleiches von Ungleichem unterschieden werden soll, d. h. der Vergleichsmaßstab bzw. der Bezugspunkt (tertium comparationis) selbst lässt sich dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nicht entnehmen.20 Dieser Bezugspunkt kann nicht abstrakt und allgemein für die gesamte Rechtsordnung festgelegt werden, sondern bedarf einer bereichsspezifischen Konkre tisierung.21 Für das Steuerrecht ist als Vergleichsmaßstab heute nahezu einhellig das Leistungsfähigkeitsprinzip als „Fundamentalprinzip der Besteuerung“ an
16
K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II (2003), § 11, S. 578; F. Kirchhof, in: Handbuch der Grundrechte, § 59 Rn. 1, 13; J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel (2008), S. 563. 17 K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II (2003), § 11, S. 578; J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel (2008), S. 563. 18 Ständige. Rechtsprechung des BVerfG seit BVerfG v. 17.1.1957, 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, 57, 70; BVerfG v. 3.12.1958, 1 BvR 488/57, BVerfGE 9, 3, 9; BVerfG v. 7.5.1968, 1 BvR 420/64, BVerfGE 23, 242, 253; BVerfG v. 9.7.1969, 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302, 310; BVerfG v. 8.12.1970, 1 BvR 95/68, BVerfGE 29, 326, 335; BVerfG v. 3.7.1973, 1 BvR 368/65, 1 BvR 369/65, BVerfGE 35, 324, 335; BVerfG v. 23.11.1976, 1 BvR 150/75, BVerfGE 43, 108, 118; BVerfG BVerfG v. 6.12.1983, 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325, 354; BVerfG v. 27.6.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, 268. 19 Ständige Rechtsprechung seit BVerfG v. 17.12.1953, 1 BvR 147/52, BVerfGE 3, 58, 135; siehe auch BVerfG v. 10.10.1978, 2 BvL 10/77, BVerfGE 49, 280 283; BVerfG v. 19.10.1982, 1 BvL 39/80, BVerfGE 61, 138, 147; BVerfG v. 13.5.1986, 1 BvL 55/83, BVerfGE 72, 141, 150. 20 R. Jüptner, Leistungsfähigkeit und Veranlassung (1989), S. 47; F. Klein, Gleichheitssatz und Steuerrecht (1966), S. 94; J. Lang, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 4 Rn. 76; R. Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem (2005), S. 215. 21 BVerfG v. 8.10.1963, 2 BvR 108/62, BVerfGE 17, 122, 130; BVerfG v. 8.4..1987, 2 BvR 909/82, 2 BvR 934/82, 2 BvR 935/82, 2 BvR 936/82, 2 BvR 938/82, 2 BvR 941/82, 2 BvR 942/82, 2 BvR 947/82, 2 BvR 64/83, 2 BvR 142/84, BVerfGE 75, 108, 157; BVerfG v. 8.6.1988, 2 BvL 9/85, 2 BvL 3/86, BVerfGE 78, 249, 287; BVerfG v. 30.9.1987, 2 BvR 933/82, BVerfGE 76, 256, 329 f.; BVerfG v. 8.4..1987, 2 BvR 909/82, 2 BvR 934/82, 2 BvR 935/82, 2 BvR 936/82, 2 BvR 938/82, 2 BvR 941/82, 2 BvR 942/82, 2 BvR 947/82, 2 BvR 64/83, 2 BvR 142/84, BVerfGE 75, 108, 157.
II. Rechtfertigung der Einkommen- und Erbschaftsteuer als Einzelsteuern
35
erkannt.22 Das Leistungsfähigkeitsprinzip dient dabei als Bezugsgröße, wie die Steuerlast zwischen allen Steuerpflichtigen gerecht zu verteilen ist.23 In diesem Leistungsfähigkeitsprinzip finden die Finanzzwecksteuern ihren typischen Rechtfertigungsgrund.24 Dies bedeutet, dass eine Finanzzwecksteuer dann gerechtfertigt ist, wenn sie so ausgestaltet ist, dass ihr Aufkommen gerecht nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zwischen den einzelnen Steuerpflichtigen verteilt wird.25 2. Inhalt des Leistungsfähigkeitsprinzips Obwohl das Leistungsfähigkeitsprinzip schon selbst eine bereichsspezifische Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes für das Steuerrecht ist, bedarf selbst diese Konkretisierung einer weiteren Konkretisierung, da das Leistungsfähigkeitsprinzip keine Aussage beinhaltet, worin diese Leistungsfähigkeit zum Ausdruck kommt und mit welchen Maßstäben diese zu messen ist.26 Insoweit kann von mehreren Konkretisierungsstufen gesprochen werden.27 Die erste notwendige Konkretisierungsstufe betrifft das rechtswissenschaft liche Verständnis28 von wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit als Fähigkeit, Geld zahlungen erbringen zu können (Ist-Leistungsfähigkeit) und nicht die Fähigkeit, Geld erwirtschaften zu können (Soll-Leistungsfähigkeit).29 Mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip soll die gleichmäßige und gerechte Verteilung der Steuerlast 22 BVerfG v. 5.2.2002, 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93, BVerfGE 105, 17, 46; BVerfG v. 27.6.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, 268 f.; D. Schneider, StuW 1979, S. 38 f.; K. Tipke, Die Steuerordnung, Bd. I (2000), S. 491; D. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip (1982), S. 6 ff.; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof: HStR (2007), § 118 Rn. 168 ff.; P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 2 Rn. A 275 ff. 23 D. Schneider, StuW 1979, S. 38, 39. 24 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 30; BVerfG v. 21.6.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, 180; BVerfG v. 8.6.2004, 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412, 433 f.; BVerfG v. 10.2.1987, 1 BvL 18/81 und 20/82, BVerfGE 74, 182, 199 f.; BVerfG v. 17.10.1984, 1 BvR 527/80, 1 BvR 528/81, 1 BvR 441/82, BVerfGE 68, 143, 152 f.; BVerfG v. 22.2.1984, 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214, 223; BVerfG v. 23.11.1976, 1 BvR 150/75, BVerfGE 43, 108, 118 ff.; F. Kirchhof, StuW 2002, S. 185, 187; F. Kirchhof, in: Handbuch der Grundrechte, § 59 Rn. 84. 25 K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II (2003), § 11, S. 581. 26 J. Lang, in: Drenseck/Seer: Festschrift Kruse (2001), S. 313, 326. 27 Die Zuordnung zu den einzelnen Stufen erfolgt dabei aber nicht einheitlich: vgl. nur die beiden unterschiedlichen Ansäte von D. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip (1982), S. 54 ff. und R. Wernsmann, in: Hübschmann/Heinz/Spitaler: AO, § 4 Rn. 487 ff. 28 Zu den zahlreichen finanzwirtschaftlichen Ansätzen zur Erfassung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit siehe D. Schneider, Finanzarchiv 1979, S. 26 ff.; D. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip (1982), S. 23 ff. 29 D. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip (1982), S. 167; R. Wernsmann, in: Hübschmann/ Heinz/Spitaler: AO, § 4 Rn. 487.
36
D. Allgemeine verfassungsrechtliche Vorgaben für die Besteuerung
zwischen den Steuerpflichtigen angeleitet werden. Verteilt werden kann aber nur das, was tatsächlich auch vorhanden ist. Daher kann sich die Leistungsfähigkeit rechtswissenschaftlich nur auf die tatsächliche vorhandene Zahlungsfähigkeit beziehen.30 Auch die Freiheitsgrundrechte verbieten eine reine Anknüpfung am Erwerbspotential, da sonst zum einen Zwang zur einkunftsorientierten Arbeit ausgeübt werden würde und zum anderen auch auf das Existenzminium zugegriffen werden könnte, dessen Steuerfreiheit verfassungsrechtlich garantiert ist.31 Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit bedeutet danach, dass Steuerpflichtige bei gleicher Zahlungsfähigkeit auch gleich besteuert werden (horizontale Steuergerechtigkeit), während eine unterschiedliche individuelle Zahlungsfähigkeit auch eine unterschiedliche Steuerbelastung zur Folge haben muss (vertikale Steuergerechtigkeit).32 Die zweite Konkretisierungsstufe betrifft die Entscheidung des Gesetzgebers, wie er die Leistungsfähigkeit, die sich in der tatsächlichen Zahlungsfähigkeit des Steuerpflichtigen widerspiegelt, erfassen will.33 Als Indikatoren der steuerlichen Leistungsfähigkeit kommen dabei das Einkommen, das Vermögen und der Konsum in Betracht.34 Auf zweiter Stufe wird also festgelegt, mit welcher Steuerart welcher Indikator erfasst werden soll.35 Das Einkommen36 wird von den drei Indikatoren als der geeignetste Maßstab zur Erfassung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen angesehen, da bei der Besteuerung des Einkommens die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen am exaktesten berücksichtigt werden können.37
30
D. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip (1982), S. 167. Siehe hierzu BVerfG v. 8.6.2004, 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412, 433; BVerfG v. 29.5. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, 85 ff.; BVerfG v. 10.11.1998, 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, 264; F. Kirchhof, Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts (2001), Rn. 56; R. Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem (2005), S. 292. 32 BVerfG v. 8.6.2004, 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412, 433; BVerfG v. 29.5.1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, 89; D. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip (1982), S. 165, 170; D. Birk, Steuerrecht (2011), Rn. 192. 33 R. Wernsmann, in: Hübschmann/Heinz/Spitaler: AO, § 4 Rn. 488. 34 J. Lang, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 4 Rn. 95; R. Wernsmann, in: Hübschmann/Heinz/Spitaler: AO, § 4 Rn. 488, 495. 35 R. Wernsmann, in: Hübschmann/Heinz/Spitaler: AO, § 4 Rn. 488; D. Birk, Leistungs fähigkeitsprinzip (1982), S. 55; J. Lang, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 4 Rn. 92. 36 Zum Einkommensbegriff siehe zugleich unter E. II. 37 K. Tipke, in: Vogel/Tipke: Festschrift Wacke (1972), S. 211, 215 f.; K. Tipke, Die Steuer rechtsordnung, Bd. II (2003), § 12, S. 619; W. Burger, Der Einkommensbegriff im öffent lichen Schuldrecht (1991), S. 50; H. Hessler, Finanzwissenschaftliches System der Besteuerung (1976), S. 33 f.; J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer (1988), S. 104; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof: HStR (2007), § 118 Rn. 232; BVerfG v. 3.11.1982, 1 BvR 620/78, 1335/78, 1104/79 und 363/80, BVerfGE 61, 319, 343 f.; BVerfG v. 29.5.1990, 1 BvL 20, 26, 184 und 4/86, BVerfGE 82, 60, 86 f.; BVerfG v. 27.6.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, 269, 271; BVerfG v. 30.9.1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88, 95. 31
II. Rechtfertigung der Einkommen- und Erbschaftsteuer als Einzelsteuern
37
Beim Einkommen als Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit wird dabei an den Mittelerwerb angeknüpft.38 Derjenige, der mehr Mittel erworben hat, ist zahlungsfähiger und damit leistungsfähiger als derjenige, der weniger Mittel erworben hat.39 Auf der dritten Konkretisierungsstufe hat der Gesetzgeber zu entscheiden, wie er die einzelne Steuerart ausgestaltet, um die steuerliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen optimal zu erfassen.40 3. Rechtfertigung der Einkommensteuer durch das Leistungsfähigkeitsprinzip Steuergegenstand41 der Einkommensteuer ist gem. § 2 Abs. 1 EStG das Einkommen aus den dort enumerativ aufgelisteten Einkunftsarten. Die Einkommensteuer greift also auf den Mittelerwerb zu, der den sieben Einkunftsarten zugeordnet werden kann, und knüpft damit an die sich im Einkommen als Vermögenszugang (=Mittelerwerb) widerspiegelnde Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen an.42 Die Einkommensteuer als Finanzzwecksteuer ist also dann gerechtfertigt, wenn sie so ausgestaltet ist, dass die Besteuerung des Einkommens gerecht nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Steuerpflichtigen verteilt wird.43 4. Rechtfertigung der Erbschaftsteuer durch das Leistungsfähigkeitsprinzip Steuergegenstand44 ist bei der geltenden Ausgestaltung der Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer, die durch den Erbfall bzw. durch den Schenkungsfall eingetretene Bereicherung beim Erwerber.45 Die Erbschaftsteuer erfasst also das Einkommen, welches dem Empfänger durch den Erbfall oder durch die Schenkung zufließt. 38
Da die Zuordnung zu den einzelnen Konkretisierungsstufen nicht einheitlich erfolgt, wird diese Konkretisierung zum Teil auch im Rahmen der ersten Konkretisierungstufe vor genommen. 39 D. Schneider, StuW 1979, S. 38, 39; P. Ergenzinger, Schenkungsteuergesetz (2012), S. 31 f. 40 R. Wernsmann, in: Hübschmann/Heinz/Spitaler: AO, § 4 Rn. 488; D. Birk, Leistungs fähigkeitsprinzip (1982), S. 55 f. 41 Ausführlich zum Steuergegenstand zugleich unter E. II. 42 R. Wernsmann, in: Hübschmann/Heinz/Spitaler: AO, § 4 Rn. 500. 43 K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II (2003), § 11, S. 581. 44 Ausführlich hierzu E. III. 45 BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165, 167; BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1; R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 127,137; D. Moench/ H. Hübner, Erbschaftsteuer (2012), Rn. 41; R. Kapp, StbJb 1960/61, S. 293.
38
D. Allgemeine verfassungsrechtliche Vorgaben für die Besteuerung
Die Erbschaftsteuer knüpft also genauso wie die Einkommensteuer an den Vermögenszugang (=Mittelerwerb) an und will die sich in diesem Einkommen widerspiegelnde Leistungsfähigkeit erfassen und besteuern.46 Damit ist die Erbschaftsteuer als Finanzzwecksteuer ebenso wie die Einkommensteuer durch das Leistungsfähigkeitsprinzip gerechtfertigt.47 Die Erbschaftsteuer ist also gerechtfertigt, wenn sie in ihrer Ausgestaltung geeignet ist, zu einer gleichmäßigen Besteuerung des Einkommens entsprechend der Leistungsfähigkeit beizutragen.48
46
BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, . H.-U. Viskorf, in: ErbStG, Einführung Rn. 19; P. Naarmann, Das Verhältnis der Schenkungsteuer zur Erbschaftsteuer (1985), S. 245; A. Löhle, Verfassungsrechtliche Gestaltungsspielräume und -grenzen bei der Besteuerung (2001), S. 9; F. Klein-Blenkers, Die Bedeutung subjektiver Merkmale im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrecht (1991), S. 82 ff.; F. Kirchhof, StuW 2002, S. 185, 193; D. Moench/H. Hübner, Erbschaftsteuer (2012), Rn 4; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II (2003), S. 872; H. Kobor, Die Auslegung im Erbschaftsteuergesetz (2000), S. 57; R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 127, 135; G. Crezelius, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 73, 103; M. Schindhelm, ZEV 1997, S. 8, 10; P. Ergenzinger, Schenkungsteuergesetz (2012), S. 36 f. 48 K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II (2003), § 11 S. 581. 47
E. Einkommensteuer und Erbschaftsteuer im Steuersystem I. Subjektsteuerprinzip und Grundsatz der Individualbesteuerung1 – Steuersubjekt der Einkommen- und Erbschaftsteuer 1. Einkommensteuer Gem. § 1 EStG sind nur natürliche Personen einkommensteuerpflichtig. Subjekt der Einkommensteuer ist damit immer die natürliche Person als Individuum. Die Einkommensteuer ist also als Personensteuer konzipiert, die die im Einkommen2 sich widerspiegelnde individuelle Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen erfassen will.3 Aus diesem Grundsatz der Individualbesteuerung4 folgt zum einen, dass Bemessungsgrundlage und Tarif sich an den Verhältnissen des Steuerpflichtigen als Subjekt der Einkommensteuer zu orientieren haben5 und zum anderen, dass die Person, die die Einkünfte erwirtschaftet hat, diese auch versteuern muss.6
1 Ausführlich zum Subjektsteuerprinzip sowie zum Grundsatz der Individualbesteuerung E. Ratschow, in: Hey: DStJG 34 (2011), S.35 ff. allerdings ohne Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben, siehe auch die Kritik von M. Lehner, in: J. Hey: DStJG 34 (2011), S. 126. 2 Ob hierbei das Lebenseinkommen der ideale Leistungsfähigkeitsindikator ist, so J. Lang, in: Ebling: DStJG 2001 (2001), S. 45, 64 ff.; J. Lang, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 4 Rn. 120 oder das Jahresprinzip nach § 2 Abs. 7 Satz 1 EStG ein materielles Besteuerungsprinzip ist, so P. Kirchhof, in: Kirchhof: EStG, § 2 Rn. 120; P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff: EStG, § 2 Rn. A 136, kann offen bleiben, da das Erlöschen der persönlichen Steuerpflicht mit dem Tod des Steuerpflichtigen unbestritten ist und damit die Einkommensbesteuerung nicht über den Tod hinausgehen, d. h. auf den Rechtsnachfolger übergehen kann. So auch H. Ruppe, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 45, 56. 3 BVerfG v. 6.3.2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73, 126; BFH v. 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608, 612; M. Lehner/C. Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG; § 1 Rn. A 89,99; T. Stapperfend, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 1 Rn. 5;H. Ruppe, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 45, 56. 4 Siehe hierzu R. Könemann, Der Grundsatz der Individualbesteuerung im Einkommensteuerrecht (2001), S. 34 ff.; F. Schmitt-Homann, Die Vererbung einkommensteuerlicher Rechtspositionen (2005), S. 24 f.; J. Lang, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 9 Rn. 22. 5 BVerfG v. 17.1.1957, 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, 55, 67; BVerfG v. 14.4.1959, 1 BvL 23, 34/57, BVerfGE 9, 237, 242 ff.; BVerfG v. 3.4.1962, 1 BvL 35/57, BVerfGE 14, 34, 38 ff. 6 J. Lang, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 9 Rn. 22; J. Hey, in: Tipke: Gedächtnisschrift Trzaskalik (2005), S. 219, 221 f.; J. Hey, in: Schön/Osterloh-Konrad: Kernfragen des Unternehmenssteuerrechts (2010), S. 1, 7, 12.
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E. Einkommensteuer und Erbschaftsteuer im Steuersystem
2. Erbschaftsteuer Auch die Erbschaftsteuer ist eine Personensteuer,7 die an das Einkommen als Leistungsfähigkeitsindikator anknüpft. Die Erbschaftsteuer richtet sich nach den persönlichen Verhältnissen des Bereicherten, die etwa bei der Steuerklasse und den Freibeträgen berücksichtigt werden, und will die in der Bereicherung zum Ausdruck kommende individuelle Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen erfassen. Steuersubjekt ist dabei grundsätzlich8 die bereicherte Person.9 3. Zusammenfassung Sowohl die Einkommen- als auch die Erbschaftsteuer sind Personensteuern, die an die im Einkommen als Vermögenszugang zum Ausdruck kommende individuelle Leistungsfähigkeit anknüpfen. Wenn aber beide Steuern an denselben Leistungsfähigkeitsindikator anknüpfen, so ist klärungsbedürftig wie die beiden Steuern voneinander abgegrenzt werden können, um den Vermögenszufluss entweder der Einkommen- oder der Erbschaftsteuer zuordnen zu können. Dafür sollen die Steuergegenstände der Einkommenund der Erbschaftsteuer nochmal genauer untersucht werden.
II. Der Einkommensbegriff – Steuerobjekt der Einkommensteuer Die Einkommensteuer ist gerade im Vergleich zur Erbschaftsteuer eine relativ junge Steuer, die sich in Deutschland erst im 19. Jahrhundert entwickelt hat.10 Par 7 BFH v. 18.1.2011, X R 63/08, BStBl. II 2011, 680; BFH v. 27.7.2000, X R 42/97, BFH/ NV 2001, 307, 308; BFH v. 9.8.1983, VIII R 35/80, BStBl. II 1984, 27, 28; C. Seiler, in: Kirchhof: EStG, § 12 Rn. 10; R. Krüger, in: Schmidt: EStG, § 12 Rn. 52; H.-U. Fissenwert, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 12 Rn. 128. Die frühere Qualifizierung der Erbschaftsteuer als Verkehrsteuer (siehe BFH v. 22.9.1982, II R 61/80, BStBl. II 1983, 179, 180) wird inzwischen auch vom BFH nicht mehr vertreten, da diese Qualifikation dem materiellen Gehalt der Steuer, die an den Mittelerwerb (Bereicherungsteuer) anknüpft, nicht gerecht wird, siehe hierzu BFH v. 18.1.2011, BStBl. II 2011, 680, 682 f.; R. Seer, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 13 Rn. 104. 8 Die Steuerpflicht des Schenkers gem. § 2 ErbStG in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG stellt dagegen aus systematischer Sicht einen Fremdkörper dar, da der Schenker an Leistungsfähigkeit verliert. Daher darf dieser auch nur subsidiär herangezogen werden. Siehe J. Meincke, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 39, 55 f.; J. Meincke, in: Meincke: ErbStG, § 20 Rn. 6 ff.; R. Geck, in: Kapp/Ebeling: ErbStG, § 20 Rn. 4; D. Gebel, in: Troll/Gebel/Jülicher: ErbStG, § 20 Rn. 26. 9 M. Birnbaum, Leistungsfähigkeitsprinzip und ErbStG (2007), S. 78; D. Birk, Steuerrecht (2011), Rn. 1562. 10 Zur geschichtlichen Entwicklung siehe P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 2 Rn. A 380 ff.
II. Der Einkommensbegriff – Steuerobjekt der Einkommensteuer
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allel mit der Entwicklung der Einkommensteuer geht der Streit über den richtigen steuerjuristischen Einkommensbegriff einher. Da es keinen steuerjuristischen Einkommensbegriff gab, musste auf finanzwissenschaftliche Theorien zurückgegriffen werden.11 Einkommen ist daher ein ursprünglich ökonomischer Begriff, der nicht nur für das Steuerrecht, sondern für das gesamte öffentliche Schuldrecht von Bedeutung ist.12 Für die Bestimmung des steuerlichen Einkommensbegriffes sind dabei zwei Theorien von Bedeutung: Die Quellentheorie und die Reinvermögenszugangstheorie.13 Nach der Quellentheorie14 gehören nur regelmäßige, aus einer dauernden Quelle fließende Einkünfte zum Einkommen. Der Vermögensstamm wird dagegen nicht erfasst, so dass Wertsteigerungen dem Privatvermögen zuzuordnen sind und damit nicht zum steuerbaren Einkommen gehören.15 Die Reinvermögenszugangstheorie16 erfasst dagegen jegliche Vermögens steigerung. Einkommen ist daher der Reinvermögenszugang innerhalb einer bestimmten Periode einschließlich Nutzungen und geldwerten Leistungen Dritter.17 Damit zählen auch Erbschaften, Schenkungen oder Lotteriegewinne zum Einkommen. Weder die Quellentheorie noch die Reinvermögenszugangstheorie konnten sich in ihrer Ursprungsform durchsetzen. Die Quellentheorie definiert das Einkommen zu eng. Die Nichterfassung von Einkünften aus der Veränderung im Stammvermögen zeichnet die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen unzureichend ab, da Gewinne aus der Veräußerung des Stammvermögens zu einem Vermögenszugang führen und damit die Leistungsfähigkeit erhöhen.18
11 F. Neumark, Theorie und Praxis der modernen Einkommenbesteuerung (1947) S. 34, 37 f.; R. Wittmann, Das Markteinkommen (1992), S. 8. 12 K. Tipke, JuS 1985, S. 345, 347; J. Lang, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 9 Rn. 49. 13 Zu den zahlreichen weiteren Theorien siehe P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 2 Rn. A 285 ff. 14 Dazu grundlegend B. Fuisting, Die preussischen direkten Steuern (1902), S. 110: „Hiernach ist Einkommen die Gesamtheit der Sachgüter, welche in einer bestimmten Periode (Jahr) dem einzelnen als Erträge dauernder Quellen der Gütererzeugung zur Bestreitung der persönlichen Bedürfnisse für sich und für die auf den Bezug ihres Lebensunterhaltes angewiesenen Personen (Familie) zur Verfügung stehen.“ 15 Ausführlich hierzu P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 2 Rn. A 313 ff. 16 Dazu grundlegend: G. Schanz, Finanzarchiv 1896, S. 1, 23: „Der Begriff erweist sich als Reinvermögenszugang eines bestimmten Zeitabschnitts inkl. der Nutzungen und geldwerten Leistungen Dritter.“ 17 G. Schanz, Finanzarchiv 1896, S. 7. 18 J. Lang, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 9 Rn. 51; K. Tipke, StuW 1971, S. 10 f.; D. Schneider, DStR 1998, S. 1287, 1288.
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E. Einkommensteuer und Erbschaftsteuer im Steuersystem
Wenn die Bezugsgröße von steuerlicher Leistungsfähigkeit der Mittelerwerb sein soll, also die Fähigkeit, Steuern mit diesem Einkommen zahlen zu können, dann ist Einkommen der gesamte Reinvermögenszugang einer Person während einer Periode.19 Damit entspricht die Reinvermögenszugangstheorie der theoretisch totalen Maßgröße von Leistungsfähigkeit,20 da es unter dem Aspekt des Leistungsfähigkeitsprinzips ohne Bedeutung ist, ob das Einkommen durch einen einmaligen Vorgang oder aus einer ständig fließenden Quelle stammt.21 Allerdings lässt sich der weite Einkommensbegriff der Reinvermögenszugangstheorie rechtspraktisch nicht umsetzen. Die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des privaten Konsumvermögens ist kaum vollständig durchführbar.22 Die Freiheitsgrundrechte verhindern die Erfassung der Veräußerung von privaten Konsumvermögen im absoluten Kernbereich der privaten Lebensführung.23 Des Weiteren führt die Absolutheit des Einkommensbegriffes in den Grenzbereich zwischen Erwerbs- und Privatsphäre hinein, also dem Erwerb der Einkünfte und dem Verbrauch der Einkünfte.24 Aufgrund dieser Schwächen in beiden Ansätzen, löste sich der Gesetzgeber schon mit dem EStG 192525 davon, das Einkommen durch eine allgemeine Definition zu bestimmen und listete in § 2 EStG enumerativ auf, welche Einkünfte der Einkommensteuer unterliegen sollen. Dieses Konzept hat der Gesetzgeber beim EStG 193426 fortgeführt und ist bis heute beibehalten worden. Die Reinvermögenszugangstheorie, die die theoretisch totale Maßgröße der Leistungsfähigkeit aufzeigt, ist daher auf ein praktikables Maß zurückgestuft worden.27 Mit dieser pragmatischen Lösung des Gesetzgebers zur Bestimmung des Einkommensbegriffs im EStG hat sich das steuerjuristische Schrifttum nicht zufrieden gegeben und weiterhin versucht, eine allgemeine Einkommensdefinition zu finden und hierzu in den letzten drei Jahrzehnten die Markteinkommenstheorie28
19 D. Schneider, StuW 1979, S. 38, 39; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II (2003), § 12, S. 629. 20 J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer (1988), S. 43. 21 K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II (2003), § 12, S. 629; W. Schön, in: Kirchhof/ Jakob/Beermann: Festschrift Offerhaus (1999), S. 385, 396. 22 J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer (1988), S. 40. 23 Ähnlich S. Homburg, Allgemeine Steuerlehre (2010), S. 201.; J. Lang, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 8 Rn. 33. 24 J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer (1988), S. 43. 25 Einkommensteuergesetz v. 15.8.1925, RGBl. I 1925, 189. 26 Einkommensteuergesetz v. 16.10.1934, RGBl. I 1934, 1005, 1006. 27 J. Lang, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 4 Rn. 108; J. Lang, in: Tipke/Lang: Steuer recht (2010), § 8 Rn. 33; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II (2003), § 12, S. 630 f.; S. Homburg, Allgemeine Steuerlehre (2010), § 39, S. 200 f. 28 Siehe hierzu R. Wittmann, Das Markteinkommen (1992), S. 5 ff.; H. Ruppe, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, Einführung Rn. 17; J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer (1988), S. 19; E. Biergans/R. Stockinger, FR 1982, S. 1, 5 f.
II. Der Einkommensbegriff – Steuerobjekt der Einkommensteuer
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entwickelt.29 Nach der Markeinkommenstheorie gehören zum Einkommen nur die Einkünfte, die durch entgeltliche Verwertung von Leistungen am Markt erwirtschaftet worden sind.30 Allerdings gelingt es auch der Markteinkommenstheorie nicht, umfassend diejenigen Einkünfte zu erfassen, die gem. § 2 EStG der Einkommensteuer unterliegen. So müssen wiederkehrende Bezüge im Sinne des § 22 Nr. 1 EStG nicht zwingend am Markt erwirtschaftet sein; Unterhaltszahlung im Sinne des § 22 Nr. 1a EStG sind nicht von dem Steuerpflichtigen erwirtschaftet, der diese zu versteuern hat,31 auch nachträgliche Einkünfte im Sinne des § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG hat nicht der Rechtsnachfolger, der die Einkünfte zu versteuern hat, am Markt erwirtschaftet. Damit lassen sich zwei Feststellungen treffen: Zum einen, dass der Steuer gegenstand der Einkommensteuer von keiner Einkommenstheorie vollständig erfasst wird. Zum anderen, dass der Steuergegenstand der Einkommensteuer nicht mit dem Einkommensbegriff als Quelle steuerlicher Leistungsfähigkeit identisch ist.32 Das Einkommen bzw. das Besteuerungsgut oder Steuergut33 muss also vom Steuergegenstand der Einkommensteuer unterschieden werden. Während also zum Einkommen bzw. Besteuerungsgut oder Steuergut der gesamte Reinvermögenszugang einer Person unabhängig von der Herkunft der Mittel gehört, ist Steuergegenstand allein das Einkommen, entsprechend den Tat beständen des EStG.34 Damit steht zugleich fest, dass es Einkommen gibt, welches nicht Gegenstand der Einkommensteuer ist. Obwohl der Steuergegenstand des § 2 EStG also keiner der Einkommens theorien voll entspricht, ist die Feststellung35, dass das verbindende Merkmal der 29 Der Anstoß zur Markteinkommenstheorie kam von Ruppe, der damit ein Zurechnungskriterium für die Zurechnung und Qualifikation von Einkünften entwickelt hat. Falsch ist dagegen die Annahme, dass Ruppe nur Einkünfte, die am Markt erzielt werden, zum Einkommen zählen wollte. Ruppe stellt lediglich fest, dass die entgeltliche Verwertung von Leistungen am Markt die „meisten Einkunftsquellen des Einkommensteuergesetz verbindet“, H. Ruppe, in: Tipke: DStJG 1 (1978), S. 7, 16. Siehe auch seine eigenen Ausführungen zur Markteinkommenstheorie in H. Ruppe, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, Einführung Rn. 17. 30 H. Ruppe, in: Tipke: DStJG 1 (1978), S. 7, 16. 31 H. Söhn, in: Lang: Festschrift Tipke (1995), S. 346; W. Schön, in: Kirchhof/Jakob/Beermann: Festschrift Offerhaus (1999), S. 385, 398; R. Wittmann, Das Markteinkommen (1992), S. 7, 38 f., 41. 32 L. Jesse, Liegen die Einkommensteuer und die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen“? (1992), S. 34. 33 Siehe zu diesen Begrifflichkeiten L. Jesse, Liegen die Einkommensteuer und die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen“? (1992), S. 34. 34 J. Lang, Systematisierung der Steuervergünstigungen (1974), S. 34; J. Lang, in: Tipke/ Lang: Steuerrecht (2010), § 7 Rn. 23 ff.; L. Jesse, Liegen die Einkommensteuer und die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen“? (1992), S. 34. 35 H. Ruppe, in: Tipke: DStJG 1 (1978), S. 7, 16.
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E. Einkommensteuer und Erbschaftsteuer im Steuersystem
meisten Einkunftsquellen die entgeltliche Verwertung von Leistungen am Markt ist, unbestritten.36 Nach der Grundkonzeption will die Einkommensteuer die Einkünfte erfassen, die der Steuerpflichtige durch den entgeltlichen Leistungsaustausch erwirtschaftet hat.37 Die Einkommensteuer ist nur nicht auf diese erwirtschafteten Einkünfte beschränkt, sondern erfasst auch darüber hinausgehende Einkünfte, die nicht am Markt erwirtschaftet sind, aber in § 2 Abs. 1 EStG aufgenommen wurden, da der Zufluss dieser Einkünfte die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen erhöht.38
III. Steuerobjekt der ErbStG Das Erbschaftsteuergesetz enthält ähnlich wie das Einkommensteuergesetz keine abstrakte Definition des Steuergegenstandes der Erbschaftsteuer, sondern listet in § 1 ErbStG enumerativ vier Vorgänge auf, die der Erbschaftsteuer unterliegen.39 Dies sind der Erwerb von Todes wegen, die Schenkung unter Lebenden, die Zweckzuwendungen und das Vermögen von Familienstiftungen und -vereinen. Die Erbschaftsteuer hat daher streng genommen zwei Steuergegenstände: Den Vermögensanfall, der dem Erben bzw. Beschenkten von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden zufließt und das Vermögen von Familienstiftungen und -vereinen in Zeitabständen von je 30 Jahren.40 Der zweite Steuergegenstand, das Vermögen von Familienstiftungen und -vereinen stellt sich bei näherer Betrachtung als Fremdkörper dar,41 da bei § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG überhaupt kein Erwerb stattfindet, sondern allein der Zeitablauf die Besteuerung des Vermögens der Stiftung oder des Vereins auslöst. Der Gesetzgeber wollte mit dieser 1974 eingeführten „Erbersatzsteuer“ die seiner Ansicht nach bestehende Besteuerungslücke schließen, die sonst eröffnet wäre, wenn Vermögen über Generationen hinweg in einer Familienstiftung oder in einem -verein gehalten, d. h. an die nächsten Generationen übertragen werden könnte, ohne dass Erbschaftsteuer anfallen würde.42 Wesentliche Ursache für diese „Lücke 36
Dieser Aussage stimmen auch die Kritiker der Markteinkommenstheorie zu, siehe nur H. Söhn, in: Lang: Festschrift Tipke (1995), S. 346 f.; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II (2003), § 12, S. 630. 37 Ähnlich H. Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat (2001), S. 81; R. Wittmann, Das Markteinkommen (1992), S. 21. 38 H. Söhn, FR 1996, S. 81, 88 f.; H. Söhn, in: Lang: Festschrift Tipke (1995), S. 343, 351. 39 L. Jesse, Liegen die Einkommensteuer und die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen“? (1992), S. 44. 40 J. Meincke, in: Meincke: ErbStG, Einführung Rn.1; L. Jesse, Liegen die Einkommensteuer und die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen“? (1992), S. 44 f. 41 R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 127, 137. 42 BT-Drs. v. 3.12.1973, 7/1333, S. 4; BVerfG v. 8.3.1983, 2 BvL 27/81, BVerfGE 63, 312; BFH Urteil v. 8.4.1981, II R 47/79, BStBl. II 1981, 581, 582; BVerfG v. 8.3.1983, 2 BvL 27/81, BVerfGE 63, 312, 326.
III. Steuerobjekt der ErbStG
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im Erbschaftsteuerrecht“43 ist die Erfindung der juristischen Person im 19. Jahrhundert, deren Unsterblichkeit den Anknüpfungspunkt für die Erbschaftsteuer entfallen lässt.44 Profiteur dieser „Lücke im Erbschaftsteuerrecht“ ist aber nicht die juristische Person selbst, sondern sind die Familienangehörigen, die hinter der Stiftung stehen.45 Die Besteuerung des Vermögens der Stiftung ist daher ein atypischer Vorgang, der mit dem grundsätzlichen Besteuerungskonzept nicht zu vereinen ist.46 Für die grundlegende Bedeutung der Steuergegenstände von Erbschaft- und Einkommensteuer spielt dieser Sonderfall keine Rolle und soll daher bei der Analyse unberücksichtigt bleiben. Klammert man also die Besteuerung des Vermögens von Familienstiftungen und -vereinen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG aus, so bleibt als Steuergegenstand der Vermögensanfall durch Erbfall oder Schenkung, der beim Erwerber zu einer Bereicherung führt.47 Die Erbschaftsteuer ist also eine Bereicherungssteuer, die den derivativen außerordentlichen Vermögenszugang aufgrund eines Erbfalles oder einer Schenkung erfassen will.48 Im Unterschied zur Einkommensteuer, die von der Grundkonzeption die Einkünfte, die durch den entgeltlichen Leistungsaustausch erwirtschaftet worden sind, erfassen will, knüpft die Erbschaftsteuer von ihrer Grundkonzeption49 an den unentgeltlichen Vermögenszugang an; d. h. der 43
BT-Drs. v. 3.12.1973, 7/1333, S. 3. D. Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen (1973), S. 74 ff. 45 M. Birnbaum, Leistungsfähigkeitsprinzip und ErbStG (2007), S. 41 f.; J. Meincke, in: Meincke: ErbStG, § 1 Rn. 14 mit weiteren Kritikpunkten. 46 R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), 127, 137; J. Meincke, in: Meincke: ErbStG, § 1 Rn 14. 47 BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165, 167; BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 33; R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 127, 137; D. Moench/H. Hübner, Erbschaftsteuer (2012), Rn. 41; R. Kapp, StbJb 1960/61, S. 293. 48 O. Bühler, II. Einzelsteuerrecht (1958), S. 169; R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 127, 137; G. Crezelius, in: Lang: Festschrift Tipke (1995), S. 403, 405; R. Kapp, BB 1975, S. 933; E. Biergans/R. Stockinger, FR 1982, S. 1, 5. 49 Diese Grundkonzeption erfährt ähnlich wie bei der Einkommensteuer einige Durch brechungen. Zu nennen ist hier in erster Linie der Erbvertrag, bei welchem Gegenleistungen des Bedachten gegenüberstehen können und diese am steuerbaren Erwerbstatbestand nichts ändern. Daher ist die Unentgeltlichkeit hier kein objektives Tatbestandsmerkmal. Diese Gegenleistungen unterliegen aber nicht der Erbschaftsbesteuerung, da diese gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG bereicherungsmindernd berücksichtigt werden. Dagegen betreffen die in § 3 Abs. 2 ErbStG genannten „Entgelte“ lediglich Surrogate, die sich auf einen unentgeltlichen Erwerb von Todes wegen zurückführen lassen. Insoweit ist es möglich und formal juristisch auch richtig, den Gegenstand des Erwerb von Todes wegen als „formalisierten Erwerb“ (so L. Jesse, Liegen die Einkommensteuer und die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen“? (1992), S. 56 f.) zu bezeichnen. Berücksichtigt man zum einen aber, dass der Erbvertrag aufgrund seiner Doppelnatur (Vertrag sui generis) auch zivilrechtlich ein „eigentümliches Wesen“ ist (H.-J. Musielak, in: Säcker/Rixecker: MüKo BGB, Vorbemerkung, § 2274–§ 2302 Rn. 3) und der „Steuergegenstand eine Zwischenstufe auf dem Wege von der abstrakten Steueridee zur konkreten Bemessungsgrundlage ist“ (G. Schmölders/K.-H. Hansmeyer, Allgemeine Steuerlehre (1980), S. 77), so sprechen gute Gründe in diesen Sonderfällen 44
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E. Einkommensteuer und Erbschaftsteuer im Steuersystem
Vermögenszugang durch Erbfall oder Schenkung ist nicht erwirtschaftet;50 dem Steuerpflichtigen fällt der Vermögenszuwachs leistungslos zu.51
IV. Schlussfolgerungen Wie ausgeführt, wird von der Einkommensteuer nicht das gesamte Einkommen erfasst, das nach der Reinvermögenszugangstheorie als Basis steuerlicher Leistungsfähigkeit zum Einkommen gehört. Definiert man als Einkommen den gesamten Reinvermögenszugang einer Person innerhalb einer Periode, so gehören auch Erbschaften und Schenkungen zum Einkommen.52 Daher muss die Erbschaftsteuer als Einkommensteuer im weiteren Sinne verstanden werden53 oder anders formuliert erfasst die Erbschaftsteuer Einkommen, welches nicht zum Einkommen im Sinne des § 2 EStG zählt. Einkommen- und Erbschaftsteuer sind also jeweils Einkommensteuern, die sich durch ihre Steuergegenstände unterscheiden und ergänzen. Man kann in dem Zusammenhang von einer zweigeteilten Einkommensteuer sprechen, bei der ein Teil Erbschaftsteuer genannt wird.54 Die Einkommensteuer erfasst nur die Einkünfte, die einer der sieben Einkunftsarten zugeordnet werden können,55 wozu Erbschaften und Schenkungen nicht gehören.56 Die Erbschaftsteuer erfasst dagegen derivative Vermögensübergänge aus dem Vermögen des Erblassers oder Schenkers.57 Steuergegenstand und bereicherungsmindernd Entgelte in einer Gesamtbetrachtung zu werten. In diesem Fall bleibt es bei der gegenständlichen Trennung von „unentgeltlich“ und „entgeltlich“ (siehe nur D. Moench/H. Hübner, Erbschaftsteuer (2012), Rn. 41; R. Geck, in: Kapp/ Ebeling: ErbStG, Einführung Rn. 13; G. Crezelius, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 73, 112 ff.; M. Desens/D. Hummel, DStZ 2011, S. 710, 712). Anderenfalls lässt sich der Steuergegenstand der Erbschaftsteuer nur negativ beschreiben als Vermögenszufluss, der nicht erwirtschaftet worden ist, so R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 127, 137. 50 G. Crezelius, BB 1980, S. 1481, 1483; G. Crezelius, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 73, 112 f.; R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 127, 137. 51 H. Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat (2001), S. 94. 52 D. Schneider, StuW 1979, S. 38, 39 f.; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II (2003), § 13, S. 872 f.; G. Crezelius, in: Wassermeyer: DStJG (1994), S. 135, 187; D. Gebel, in: Troll/ Gebel/Jülicher: ErbStG, Einführung Rn. 15; K. Tipke, in: Vogel/Tipke: Festschrift Wacke (1972), S. 211, 217; M. Birnbaum, Leistungsfähigkeitsprinzip und ErbStG (2007), S. 38. 53 R. Seer, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 13 Rn. 103; J. Meincke, in: Meincke: ErbStG, Einführung Rn. 2; G. Crezelius, FR 2007, 613, 616; E. Röder, in: Beck: Unternehmensnachfolge (2009), S. 69, 85. 54 G. Crezelius, BB 1980, S. 1481, 1484. 55 Mit sog. Subsidiaritätserklärungen in §§ 15 Abs. 2, 20 Abs. 3, 21 Abs. 3, 22 Nr. 1 und Nr. 3 und 23. Abs. 3 EStG wird vermieden, dass eine Vermögensmehrung bei mehreren als Einkunftsart erfasst wird. 56 G. Crezelius, BB 1980, S. 1481, 1483; J. Meincke, in: Meincke: ErbStG, Einführung Rn. 2. 57 G. Crezelius, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 73, 106; G. Crezelius, in: Lang: Festschrift Tipke (1995), S. 403, 405.
IV. Schlussfolgerungen
47
Nach der Grundkonzeption dürften beide Steuerarten aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der Steuergegenstände nicht denselben Einkommenszufluss erfassen.58 Wenn von der Einkommensteuer die Einkünfte erfasst werden, die durch den entgeltlichen Leistungsaustausch erwirtschaftet worden sind, und durch die Erbschaftsteuer der Vermögenszugang erfasst wird, der dem Steuerpflichtigen durch Erbfall oder Schenkung zufließt, kann ein einzelner Vermögenszufluss an sich nicht beiden Steuergegenständen unterliegen, da er entweder entgeltlich erwirtschaftet oder unentgeltlich durch Erbfall oder Schenkung dem Steuerpflich tigen zugeflossen ist.59 Nicht aber beides zugleich. Somit stehen diese beiden Steuern in einem Exklusivitätsverhältnis.60 Dennoch haben die eingangs geschilderten Fallkonstellationen gezeigt, dass trotz unterschiedlicher Steuergegenstände in einigen Fällen der Vermögens zuwachs von beiden Steuern erfasst wird. Im Folgenden sollen die Ursachen untersucht werden, warum in den vor gestellten Fallvarianten das Exklusivitätsverhältnis nicht gewahrt wird. Dafür wird zu klären sein, ob der Rechtsnachfolger tatsächlich einkommensteuerlich in die Rechtsposition des Rechtsvorgängers eintritt. Diese Frage wird zuerst für den Erwerb von betrieblichen Sachgesamtheiten vom Rechtsvorgänger geprüft, bevor erörtert wird, ob sich Unterschiede ergeben, wenn der Erwerber lediglich einzelne Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen des ursprünglichen Betriebsinhabers erhält. Im Anschluss wird die Nachfolge in einkommensteuerliche Rechtspositionen in den weiteren Fallvariationen der anderen Einkunftsarten geprüft. 1. Betriebsvermögen Wie ausgeführt,61 ist mit dem Vermögensübergang durch Erbfall oder durch Schenkung einkommensteuerlich meist nicht die Aufdeckung der stillen Reserven verbunden. Ursache hierfür ist die in § 6 Abs. 3 EStG angeordnete Buchwertfortführung bei der unentgeltlichen Übertragung von Sachgesamtheiten wie Betrieben, Teilbetrie 58 G. Crezelius, BB 1979, S. 1342; G. Crezelius, BB 1980, S. 1481, 1484; C. Trzaskalik, StuW 1979, S. 97; H. Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat (2001), S. 94 f. 59 So inzwischen auch der 8. Senat des BFH, abweichend von der ständigen Rechtsprechung des zweiten Senats, siehe BFH v. 12.19.2011, VIII B 70/09, DStRE 2012, S. 154, 156 f.; M. Birnbaum, DStR 2011, S. 252, 255. 60 BFH v. 12.19.2011, VIII B 70/09, DStRE 2012, S. 154, 156 f.; H. Weber-Grellet, S teuern im modernen Verfassungsstaat (2001), S. 94 f.; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II (2003), S. 882 f.; G. Crezelius, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 73, 114; G. Crezelius, Gutachten (2007), S. 29; R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), S.127, 136; M. Birnbaum, DStR 2011, S. 252, 255. 61 Siehe C. I.
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E. Einkommensteuer und Erbschaftsteuer im Steuersystem
ben oder Mitunternehmeranteilen. So klar die damit verbundene Rechtsfolge der interpersonellen Übertragung der im Betriebsvermögen gebildeten stillen Reserven auf den Rechtsnachfolger ist, so umstritten ist die Bedeutung der Vorschrift. Im Kern geht es darum, ob die Buchwertanordnung nur die Bestätigung eines im System fehlenden Realisationstatbestandes bzw. einer fehlenden Entstrickung zum Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung ist und § 6 Abs. 3 EStG daher nur deklaratorisch ist, oder ob es sich bei der Buchwertanordnung um eine system widrige Ausnahmeregelung handelt, die eine abweichende Bewertung von den allgemeinen Regeln anordnet. Im Schrifttum62 und in der Rechtsprechung63 ist die Auffassung verbreitet, dass die unentgeltliche Übertragung von Sachgesamtheiten weder eine Entnahme im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG noch eine Betriebsaufgabe im Sinne des § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG sei. Dies beruht primär auf dem Transfer des Gedankens der erbrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge in das Einkommensteuerrecht, d. h. der Rechtsnachfolger soll auch einkommensteuerlich in die Rechtsstellung des Rechtsvorgängers eintreten.64 Bei der schenkungsweisen Übertragung wird die Betriebsaufgabe bzw. Entnahme damit verneint, dass der Betrieb beim Rechtsnachfolger fortbestehe,65 d. h. der Betrieb wird objekt- bzw. funktionsbezogen betrachtet.66 a) § 45 Abs. 1 AO Zur Begründung der Geltung des Gesamtrechtsnachfolgeprinzips im Einkommensteuerrecht wird zum Teil § 45 Abs. 1 AO herangezogen.67 Dem Wortlaut nach ordnet § 45 Abs. 1 AO nur den Übergang der Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis an. Allerdings wird der Wortlaut des § 45 AO
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G. Stuhrmann, in: Blümich/Ebling: EStG, § 16 Rn. 16; K. Gratz, in: Herrmann/Heuer/ Raupach: EStG, § 6 Rn. 1330; W. Reiß, in: Kirchhof: EStG, § 16 Rn. 15, 82 f. P. Fischer, in: Kirchhof: EStG, § 6 Rn. 188; R. Wacker, in: Schmidt: EStG, § 16 Rn. 590. 63 BFH v. 7.10.1965, IV 346/61 U, BStBl. III 1965, 666, 667; BFH v. 12.3.1992, IV 29/91, BStBl. II 1993, 36, 39 f.; BFH v. 28.8.01, VIII B 54/01, BFH/NV 2002, 24 f.; BFH v. 30.8.2007, IV R 5/06, BStBl. II 2008, 113, 114; BFH v. 6.5.2010, IV R 52/08, BStBl. II 2011, 261. 64 BFH v. 21.3.1969, VI R 208/67, BStBl. II 1969, 520, 521; BFH v. 11.11.1971, V R 111/68, BStBl. II 1972, 80; G. Stuhrmann, in: Blümich/Ebling: EStG, § 16 Rn. 16. 65 BFH v. 19.2.1981, IV R 116/77, BStBl. II 1981, 566, 568; BFH v. 6.5.2010, IV R 52/08, BStBl. II 2011, 261, 264; G. Stuhrmann, in: Blümich/Ebling: EStG, § 16 Rn. 98. 66 BFH v. 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608, 614; BFH v. 6.5.2010, IV R 52/08, BStBl. II 2011, 261, 264; C. Trzaskalik, in: Ruppe: DStJG 4 (1981), S. 145, 150; W. Reiß, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 16 Rn. B 79; Untersuchungen zum Einkommensteuerrecht – Bericht der Einkommensteuerkommission, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 7, S. 91. 67 H. Boeker, in: Hübschmann/Heinz/Spitaler: AO, § 45 AO Rn. 8.
IV. Schlussfolgerungen
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als zu eng angesehen und die Norm so ausgelegt, dass über den Wortlaut hinaus der Rechtsnachfolger in die gesamte Rechtsposition des Rechtsvorgängers eintrete.68 Zum Teil wird dies mit der Entstehungsgeschichte der Norm begründet. Die Rechtsprechung habe stets, d. h. schon zur Vorgängervorschrift, die Auffassung vertreten, dass der Rechtsnachfolger verfahrens- und materiellrechtlich in die Rechtsstellung des Rechtsvorgängers eintrete.69 Mit der Übernahme dieser Regelung in § 45 Abs. 1 AO habe der Gesetzgeber diese Auslegung gesetzlich sanktioniert.70 Allerdings spricht die Entstehungsgeschichte nicht für, sondern gegen eine solche Auslegung.71 § 45 AO geht auf § 8 StAnpG72 zurück. Die Vorschrift regelte schon damals nur den Übergang der Steuerschuld vom Rechtsvorgänger auf den Rechtsnachfolger im Falle der Gesamtrechtsnachfolge und wollte damit nur Zweifel beseitigen, ob die zivilrechtlichen Regelungen schon allein den Übergang der Steuerschuld begründen würden.73 Eine darüber hinausgehende Regelung gab es in der Vorgängervorschrift nicht74 und auch in den Gesetzesmaterialien wird lediglich ausgeführt, dass sich aus dem Wesen der Gesamtrechtsnachfolge der Übergang der Steuerschuld vom Rechtsvorgänger auf den Rechtsnachfolger ergebe.75 Systematisch ist zu berücksichtigen, dass § 45 AO für sämtliche Steuerarten gilt. Die Anordnung einer einheitlichen Gesamtrechtsnachfolge für sämtliche Steuerarten lässt sich, angesichts der erheblichen Unterschiede in deren Ausgestaltung als Personen- und Realsteuern, kaum umsetzen.76 Die Geltung der Gesamtrechtsnachfolge im Einkommensteuerrecht kann daher nicht mit § 45 AO begründet werden; vielmehr bedarf es in den Einzelsteuer
68 E. Ratschow, in: Klein: AO, § 45 Rn. 8; H. Boeker, in: Hübschmann/Heinz/Spitaler: AO, § 45 AO Rn. 8. 69 H. Boeker, in: Hübschmann/Heinz/Spitaler: AO, § 45 AO Rn. 8. 70 H. Boeker, in: Hübschmann/Heinz/Spitaler: AO, § 45 AO Rn. 8. 71 Siehe hierzu auch H. Ruppe, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 45, 55. 72 Steueranpassungsgesetz v. 16.10.1934, RGBl. I 1934, 925, 927. § 8 Abs. 1 StAnpG hatte folgenden Wortlaut: „Bei Gesamtrechtsnachfolge (zum Beispiel bei Erbfolge oder bei Verschmelzung von Gesellschaften) geht die Steuerschuld des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über.“ 73 R. Fischer, Rechtsnachfolge in einkommensteuerliche Positionen auf dem Gebiet der Privatausgaben im Erbfall (1991), S. 18. 74 Daher kann H. Boeker, in: Hübschmann/Heinz/Spitaler: AO, § 45 AO Rn. 8, die die Entstehungsgeschichte mit der ständigen Rechtsprechung gleichsetzt, nicht gefolgt werden. Rechtslage und ständige Rechtsprechung sind nicht identisch. 75 Begründung zum StÄndG, RStBl. II 1934, 1398, 1403. 76 H. Ruppe, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 45, 55; J. Schmitt, Zur interpersonalen Übertragung stiller Reserven beim Erbfall im Einkommensteuerrecht (1993), S. 60; R. Fischer, Rechtsnachfolge in einkommensteuerliche Positionen auf dem Gebiet der Privatausgaben im Erbfall (1991), S. 18 f.
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E. Einkommensteuer und Erbschaftsteuer im Steuersystem
gesetzen selbst einer speziellen Rechtsgrundlage für das Einrücken des Rechtsnachfolgers in die Position des Rechtsvorgängers.77 b) Einkommensteuerliche Regelungen Es ist daher zu fragen, ob das EStG Regelungen enthält, die das Eintreten des Rechtsnachfolgers in die verfahrens- und materiellrechtliche Position anordnen oder ob wegen abweichender gesetzlicher Regelungen ein Übergang ausgeschlossen ist.78 Eine Vorschrift, die die Gesamtrechtsnachfolge ausdrücklich anordnet, gibt es im Einkommensteuergesetz allerdings nicht.79 Die §§ 6 Abs. 3 EStG, 6 Abs. 5 Satz 3 EStG, 17 Abs. 2 Satz 5 EStG, 20 Abs. 4 Satz 6 EStG, und 23 Abs. 1 Satz 3 EStG regeln lediglich die interpersonelle Verschiebung stiller Reserven, indem der Rechtsnachfolger die Buchwerte oder Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers beim unentgeltlichen Erwerb anzusetzen hat. § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG sichert die einkommensteuerliche Erfassung von Einkünften beim Rechtsnachfolger im Falle der gespaltenen Tatbestands verwirklichung.80 Ein umfassendes Einrücken in die Rechtsposition des Rechtsvorgängers ist damit nicht verbunden.81 c) Abweichende Zielrichtung der Gesamtrechtsnachfolge im Zivilrecht gegenüber der Zielrichtung des Einkommensteuergesetzes Gegen die Geltung des Prinzips der Gesamtrechtsnachfolge im Einkommensteuerrecht spricht, dass die logische Folge des Einrückens des Rechtsnachfolgers in die einkommensteuerliche Position des Rechtsvorgängers an sich wäre, dass dann auch dessen persönliche Verhältnisse für die Besteuerung maßgeblich sein müss 77
H. Ruppe, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 45, 55 f.; C. Trzaskalik, StuW 1979, S. 97, 98; J. Schmitt, Zur interpersonalen Übertragung stiller Reserven beim Erbfall im Einkommensteuerrecht (1993), S. 61; J. Meincke, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 19, 33. Der Große Senat des BFH hat im Beschluss v. 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608, 614 f. zur Frage der Vererblichkeit von Verlusten ausdrücklich offen gelassen, ob daran festgehalten wird, dass der Rechtsnachfolger verfahrens- und materiellrechtlich in die Rechtsstellung des Rechtsvorgängers eintrete und die Vererblichkeit des Verlustvortrags ausschließlich damit begründet, dass der Verlustvortrag höchstpersönlich sei. Die Entscheidung vom 6.5.2010, IV R 52/08, BStBl. 2011, 261, 264 zeigt aber, dass zumindest manche Senate des BFH weiterhin von der Geltung der Gesamtrechtsnachfolge im Einkommensteuerrecht ausgehen. 78 U. Koenig, in: Pahlke/Koenig: AO, § 45 Rn. 6; C. Trzaskalik, StuW 1979, S. 97, 98. 79 R. Könemann, Der GrundSatz der Individualbesteuerung im Einkommensteuerrecht (2001), S. 87 f.; C. Wasmer, Die Zurechnung von Einkünften bei der unentgeltlichen Über tragung von Betriebsvermögen (1985), S. 40. 80 BFH v. 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608, 614. 81 Ähnlich F. Schmitt-Homann, Die Vererbung einkommensteuerlicher Rechtspositionen (2005), S. 39.
IV. Schlussfolgerungen
51
ten.82 Allerdings sollen auch nach der Rechtsprechung die persönlichen Verhältnisse des Rechtsnachfolgers und nicht die des Rechtsvorgängers maßgeblich sein.83 Allein diese Inkonsequenz zeigt, dass sich die Übertragung des zivilrechtlichen Gesamtrechtsnachfolgeprinzips in das Einkommensteuergesetz steuerlich kaum umsetzen lässt, und dass die finanzrechtliche Rechtsprechung aus der Gesamtrechtsnachfolge auch unzutreffende Schlüsse zieht. Besonders deutlich wird dies bei der Entscheidung des BFH vom 21.3.1969.84 Darin führt der BFH aus, dass der Erbe nicht nur zivilrechtlich, sondern auch einkommensteuerrechtlich die Person des Erblassers fortsetze. Er trete in jeder Beziehung in dessen Rechtsstellung ein und ist wie der Rechtsvorgänger zu behandeln.85 Tatsächlich hat zivilrechtlich die Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB nicht zur Folge, dass der Erbe die Person des Erblassers fortsetzt, also eine Personennachfolge stattfindet.86 Vielmehr geht nur das Vermögen87 des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über, um den Nachlass im Interesse der Erben, der Nachlassgläubiger, aber auch der Allgemeinheit zunächst als Einheit zu erhalten, auch wenn mehrere Erben berufen sind.88 Hieran wird deutlich, dass das Zivilrecht und das Einkommensteuerrecht gerade im Erbfall eine unterschiedliche Zielrichtung haben.89 Während das Zivilrecht mit der Gesamtrechtsnachfolge das Vermögen im Interesse der Erben, Nachlassgläubiger und Allgemeinheit als Einheit erhalten will, ist die Einkommensteuer als Personensteuer konzipiert, die die im Einkommen90 sich widerspiegelnde individuelle Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen erfassen will.91 Aus 82 C. Trzaskalik, StuW 1979, S. 97, 98; C. Wasmer, Die Zurechnung von Einkünften bei der unentgeltlichen Übertragung von Betriebsvermögen (1985), S. 40. 83 BFH v. 22.6.1962, VI 49/61 S, BStBl. III 1962, 386, 387. 84 BFH v. 21.3.1969, VI R 208/67, BStBl. II 1969, 520, 521. 85 BFH v. 21.3.1969, VI R 208/67, BStBl. II 1969, 520, 521. 86 H. Jakobs, DB 1970, S. 1099, 1100; H. Stöcker, WM 1981, S. 570, 577; M. Birnbaum, Leistungsfähigkeitsprinzip und ErbStG (2007), S. 81. 87 Wozu natürlich der Eintritt in Rechte und Pflichte des Rechtsvorgängers gehört, da diese vermögensrechtliche Positionen darstellen, vgl. D. Leipold, in: Säcker/Rixecker: MüKo BGB, § 1922 Rn. 119 f. 88 D. Leipold, in: Säcker/Rixecker: MüKo BGB, § 1922 Rn. 3, 117 f.; J. Meincke, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 30. 89 C. Trzaskalik, StuW 1979, S. 97, 99; J. Schmitt, Zur interpersonalen Übertragung stiller Reserven beim Erbfall im Einkommensteuerrecht (1993), S. 57 f. 90 Ob hierbei das Lebenseinkommen der ideale Leistungsfähigkeitsindikator ist, so J. Lang, in: Ebling: DStJG 2001 (2001), S. 45, 64 ff.; J. Lang, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 4 Rn. 120 oder das Jahresprinzip nach § 2 Abs. 7 Satz 1 EStG ein materielles Besteuerungsprinzip ist, so P. Kirchhof, in: Kirchhof: EStG, § 2 Rn. 120; P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff: EStG, § 2 Rn. A 136, kann offen bleiben, da das Erlöschen der persönlichen Steuerpflicht mit dem Tod des Steuerpflichtigen unbestritten ist und damit die Einkommensbesteuerung nicht über den Tod hinausgehen, d. h. auf den Rechtsnachfolger übergehen kann. So auch H. Ruppe, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 45, 56. 91 BFH v. 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608, 612; M. Lehner/C. Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG; § 2 Rn. A 89, 99; T. Stapperfend, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 1 Rn. 5; H. Ruppe, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 56. Siehe E. I. 1.
52
E. Einkommensteuer und Erbschaftsteuer im Steuersystem
diesem Grundsatz der Individualbesteuerung92 folgt zum einen, dass Bemessungsgrundlage und Tarif sich an den Verhältnissen des Steuerpflichtigen als Subjekt der Einkommensteuer zu orientieren haben93 und zum anderen, dass die Person, die die Einkünfte erwirtschaftet hat, diese auch versteuern muss.94 Berücksichtigt man, dass stille Reserven schon entstandene,95 aber noch nicht realisierte Einkünfte sind, so müssen auch diese stillen Reserven von der Person versteuert werden, die diese Einkünfte erzielt hat. Dies gilt unabhängig davon, ob die stillen Reserven beim Rechtsnachfolger verstrickt bleiben, da die Verstrickung subjektund nicht objektbezogen zu bestimmen ist.96 Daraus folgt, dass das Einrücken des Rechtsnachfolgers in die Position des Rechtsvorgängers, mit den Prinzipen der Einkommensbesteuerung, insbesondere mit dem Leistungsfähigkeits- und dem Subjektsteuerprinzip nicht zu vereinen ist und die Gesamtrechtsnachfolge im Einkommensteuerrecht keine Geltung be anspruchen kann.97 d) Unterschied zur Einzelrechtsnachfolge Kann eine Betriebsaufgabe also nicht mit dem Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge verneint werden, so ist zu klären, worin der Unterschied zur unentgeltlichen Übertragung von einzelnen Wirtschaftsgütern besteht. Wird ein einzelnes Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen eines Steuerpflichtigen unentgeltlich auf einen anderen Steuerpflichtigen bei privater Veranlassung98 übertragen, so ist dieser Vorgang unstreitig als Entnahme zu werten.99 92
Siehe hierzu R. Könemann, Der Grundsatz der Individualbesteuerung im Einkommensteuerrecht (2001), S. 34 ff.; F. Schmitt-Homann, Die Vererbung einkommensteuerlicher Rechtspositionen (2005), S. 24 f.; J. Lang, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 9 Rn. 22. 93 BVerfG v. 17.1.1957, 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, 55, 67; BVerfG v. 14.4.1959, 1 BvL 23, 34/57, BVerfGE 9, 237, 242 ff.; BVerfG v. 3.4.1962, 1 BvL 35/57, BVerfGE 14, 34, 38 ff. 94 J. Lang, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 9 Rn. 22; J. Hey, in: Tipke: Gedächtnisschrift Trzaskalik (2005), S. 219, 221 f. 95 Ausführlich hierzu C. Wasmer, Die Zurechnung von Einkünften bei der unentgeltlichen Übertragung von Betriebsvermögen (1985), S. 48 ff.; J. Schmitt, Zur interpersonalen Übertragung stiller Reserven beim Erbfall im Einkommensteuerrecht (1993), S. 34 ff.; J. Lang, in: Ruppe: DStJG 4 (1981), S. 45 ff. 96 J. Hey, in: Tipke: Gedächtnisschrift Trzaskalik (2005), S. 219, 222; G. Luckey, StuW 1979, S. 129, 136. 97 C. Wasmer, Die Zurechnung von Einkünften bei der unentgeltlichen Übertragung von Betriebsvermögen (1985), S. 40; H. Ruppe, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 45, 61, 68; C. Trzaskalik, StuW 1979, S. 106 f., 112. 98 Zur betrieblichen Veranlassung, die an dieser Stelle keine Rolle spielt, siehe E. Wied, in: Blümich/Ebling: EStG, § 4 Rn. 166 und 175. 99 Siehe hierzu E. Wied, in: Blümich/Ebling: EStG, § 4 Rn. 166 und 175; H. Hübner, DStR 1995, S. 197, 198; H. Ruppe, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 45, 66; F. Wassermeyer, BB 1994, S. 1, 2.
IV. Schlussfolgerungen
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Worin liegt jetzt genau der Unterschied zwischen der Übertragung eines einzelnen Wirtschaftsguts zur Übertragung einer Sachgesamtheit? Bei der Entnahme eines einzelnen Wirtschaftsguts bleibt der bestehende Betrieb als Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen erhalten, lediglich das einzelne Wirtschaftsgut wird aus dem betrieblichen Zusammenhang herausgelöst. Bei der unentgeltlichen Übertragung einer Sachgesamtheit wird dagegen der gesamte Betrieb übertragen. Auch wenn unter einem Betrieb ein selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens verstanden wird,100 darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass aus einkommensteuerlicher Sicht der Betrieb nur eine Anhäufung von Wirtschaftsgütern im Betriebsvermögen des Steuersubjekts ist.101 Obwohl also der Betriebsbegriff in zahlreichen Stellen im EStG auftaucht und dort auch objektbezogen verstanden wird,102 muss die Zuordnung zum Steuersubjekt gewährleistet bleiben, wenn nicht das Subjekt steuerprinzip103 der Einkommensteuer durchbrochen werden soll. e) Notwendigkeit der Berücksichtigung der Verklammerung von Steuersubjekt und Steuerobjekt Verbindendes Merkmal zwischen dem objektbezogenen Betrieb und dem Steuersubjekt ist dabei die betriebliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG.104 Die betriebliche Tätigkeit wird regelmäßig unter Einsatz von Wirtschaftsgütern ausgeübt mit der Folge, dass diese Wirtschafsgüter damit Bestand des Betriebsvermögens des Gewerbebetriebs werden.105 Dies zeigt sich auch daran, dass § 16 EStG überwiegend als klarstellend und damit als deklaratorisch erachtet wird und sich die Steuerpflicht der Betriebs 100 BFH v. 7.10.1974, GrS 1/73, BStBl. II 1975, 168, 171; BFH v. 24.6.1976, IV R 199/72, BStBl. II 1976, 670, 671; BFH v. 11.12.1980, I R 119/78, BStBl. II 1981, 460; BFH v. 5.7.1984, IV R 36/81BStBl. II 1984, 711; BFH v. 7.11.1991, IV R 50/90, BStBl II 1992, 380, 381. 101 C. Wasmer, Die Zurechnung von Einkünften bei der unentgeltlichen Übertragung von Betriebsvermögen (1985), S. 20; C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 4 Rn. B 70. 102 FG Hamburg v. 28.10.1980, I 25/80, EFG 1981, 346, 347; in Abgrenzung zu § 18 EStG: BFH v. 07.11.1985, IV R 44/83, BStBl. II 1986, 335; H. Hörger/S. Rapp, in: Littmann/Bitz/ Barein: EStG, § 16 Rn. 6; L. Jesse, Liegen die Einkommensteuer und die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen“? (1992), S. 61. 103 Allgemein zum Subjektsteuerprinzip siehe E. Ratschow, in: Hey: DStJG 34 (2011), 35 ff. 104 J. Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 6 Rn. J 13; W. Reiß, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff: EStG, § 16 Rn. B 214 ff.; so auch der 1. Senat im Urteil vom 3.10.1984, I R 119/81, BStBl. II 1985, 245, 246 ohne diesen Standpunkt später wiederholt oder aufge geben zu haben. Siehe hierzu J. Schmitt, Zur interpersonalen Übertragung stiller Reserven beim Erbfall im Einkommensteuerrecht (1993), S. 94 ff. 105 W. Reiß, in: Kirchhof: EStG, § 16 Rn. 43; J. Schmitt, Zur interpersonalen Übertragung stiller Reserven beim Erbfall im Einkommensteuerrecht (1993), S. 94 ff.; C. Wasmer, Die Zurechnung von Einkünften bei der unentgeltlichen Übertragung von Betriebsvermögen (1985), S. 20.
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E. Einkommensteuer und Erbschaftsteuer im Steuersystem
veräußerung schon aus den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften ergeben soll.106 § 16 EStG soll dabei überwiegend allein im Bereich der Tarifbegünstigung des § 16 Abs. 4 EStG in Verbindung mit § 34 EStG konstitutive Bedeutung haben.107 Ist also die betriebliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen das entscheidende Merkmal dafür, dass die betriebsnotwendigen Wirtschaftsgüter zum Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen werden, dann hat der Übergang des Betriebes durch Erbfall oder Schenkung zur Folge, dass der Steuerpflichtige diese Tätigkeit nicht mehr ausüben kann. Mit der Aufgabe der betrieblichen Tätigkeit hört auch der Betrieb einkommensteuerlich auf zu existieren, da die Verknüpfung zwischen Steuersubjekt im Sinne des § 1 EStG und der betrieblichen Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG gelöst wird.108 Die Wirtschaftsgüter im Betriebsvermögen, die den Betrieb bilden, verlieren ihre Zuordnung zum Betrieb und werden somit ins Privatvermögen überführt.109 Daher die zutreffende Beschreibung der Betriebs aufgabe als Totalentnahme.110 Einkommensteuerlich hat die unentgeltliche Betriebsübertragung also an sich zur Folge, dass der Betrieb beim Rechtsvorgänger beendet wird und durch den Rechtsnachfolger durch Einlage der Wirtschaftsgüter in dessen Betriebsvermögen neu gegründet wird.111 Die damit verbundene Entnahme- bzw. Betriebsaufgabe durch den Betriebsinhaber hätte zur Folge, dass gem. §§ 6 Abs. 1 Nr. 4 bzw. 16 Abs. 3 Satz 7 EStG der Teilwert bzw. gemeine Wert anzusetzen wäre, so dass die stillen Reserven aufgedeckt und besteuert werden würden.112 Der Rechtsnachfolger hätte dagegen die Wirtschaftsgüter bei der Betriebsgründung als Einlage gem.
106
BFH v. 16.9.1966, VI 118/65 u. VI 119/65, BStBl. III 1967, 70, 71; G. Stuhrmann, in: Blümich/Ebling: EStG, § 16 Rn. 4; J. Lang, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 9 Rn. 421; F. Dötsch, Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach Betriebsveräusserung und Betriebsaufgabe (1987), S. 13 f. 107 J. Lang, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 9 Rn. 422. 108 So im Ergebnis auch C. Trzaskalik, in: Ruppe: DStJG 4 (1981), S. 145, 159. 109 Ähnlich J. Schmitt, Zur interpersonalen Übertragung stiller Reserven beim Erbfall im Einkommensteuerrecht (1993), S. 97; R. Fischer, Rechtsnachfolge in einkommensteuerliche Positionen auf dem Gebiet der Privatausgaben im Erbfall (1991), S. 22; C. Wasmer, Die Zurechnung von Einkünften bei der unentgeltlichen Übertragung von Betriebsvermögen (1985), S. 23. 110 Siehe hierzu BFH v. 7.10.1974, GrS 1/73, BStBl. 1975, 168, 171; BFH v. 13.12.1983, VIII R 90/81, BStBl. II 1984, 474, 478; R. Wacker, in: Schmidt: EStG, § 16 Rn. 172. 111 W. Jakob, Einkommensteuer (2008), Rn. 929; C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 4 Rn. B 58; ähnlich H. Ruppe, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 45, 86; C. Wasmer, Die Zurechnung von Einkünften bei der unentgeltlichen Übertragung von Betriebsvermögen (1985), S. 22 f.; FG Berlin v. 22.9.1986, VIII 152/85, EFG 1987, 245.; a. A. BFH v. 24.10.1951, IV 233/51 U, BStBl. III 1952, 5, 6; BFH v. 28.08.2001, VIII B 54/01, BFH/ NV 2002, 24 f. 112 So im Ergebnis auch C. Wasmer, Die Zurechnung von Einkünften bei der unentgelt lichen Übertragung von Betriebsvermögen (1985), S. 23.
IV. Schlussfolgerungen
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§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG mit dem Teilwert zu bewerten, was gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG keine Gewinnauswirkung hätte.113 f) Historische Auslegung Bestätigt wird dieses Ergebnis auch durch die historische Auslegung des § 6 Abs. 3 EStG. Die Vorschrift geht auf § 20 EStG 1925114 zurück. Nach dieser Vorschrift bestand ein Wahlrecht zwischen der Buchwertfortführung oder der Ansetzung des gemeinen Werts und der damit verbundenen Aufdeckung und Besteuerung der stillen Reserven. Motiv für die Einräumung der Möglichkeit der Buchwertfortführung im Falle der unentgeltlichen Übertragung von Sachgesamtheiten war für den Gesetzgeber, dass er eine Möglichkeit eröffnen wollte, eine zeitnahe Doppelbelastung mit Einkommen- und Erbschaftsteuer bei der unentgelt lichen Übertragung zu vermeiden.115 Nach Auffassung des Gesetzgebers wäre es also ohne die Möglichkeit der Buchwertfortführung zu einer wirtschaftlichen116 Doppelbelastung mit Einkommen- und Erbschaftsteuer gekommen. Er ging also davon aus, dass zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs die stillen Reserven ohne ausdrückliche Anordnung in § 20 EStG 1925 aufgedeckt werden würden. Dies deckt sich mit der Rechtslage bei den Einzelwirtschaftsgütern, bei der die unentgeltliche Übertragung bei privater Veranlassung als Entnahme zu qualifizieren ist (siehe oben), mit der Folge, dass es zur Gewinnrealisierung und somit zur Versteuerung kommt. g) Schlussfolgerungen Durch die Anordnung der Buchwertfortführung in § 6 Abs. 3 EStG wird die Rechtsfolge der Betriebsaufgabe modifiziert. Trotz Erfüllung des Tatbestandes der Betriebsaufgabe kommt es durch die unentgeltliche Übertragung des Betriebes zu keiner Gewinnrealisation, da kein Betriebsaufgabegewinn entsteht.117 Technisch gesehen wird der Rechtsnachfolger damit zumindest für einen Moment gezwungen,118 die Wirtschaftsgüter in sein Betriebsvermögen zu überführen, d. h. den Betrieb neu zu gründen. Erst in einem zweiten Schritt kann er sich ent 113
P. Fischer, in: Kirchhof: EStG, § 6 Rn. 172. Einkommensteuergesetz v. 15.8.1925, RGBl. I 1925, 189, 193 f. 115 Entwurf eines Einkommensteuergesetzes, RT-Drs. v. 23.4.1925, III. 1924/25, Nr. 795, S. 24. 116 Einkommen- und Erbschaftsteuer entstehen bei unterschiedlichen Steuersubjekten, so dass nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten von einer Doppelbelastung gesprochen werden kann. 117 C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 4 Rn. B 58. 118 Gezwungen da das Wahlrecht des § 20 EStG 1925 nicht mehr existiert. 114
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E. Einkommensteuer und Erbschaftsteuer im Steuersystem
scheiden, ob er den Betrieb weiterführen, aufgeben oder veräußern will, d. h. selbst wenn er den Betrieb zu keiner Zeit fortgeführt hat, entsteht erst in seiner Person ein Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn und nicht in der Person des Rechtsvorgängers.119 Über § 6 Abs. 3 EStG wird also verhindert, dass ein Aufgabegewinn entsteht, nicht aber kann mit dieser Bewertungsvorschrift die Betriebsaufgabe des Rechtsvorgängers verhindert werden.120 Rechtsdogmatisch muss klar zwischen dem Realisationsvorgang, d. h. der Betriebsaufgabe und der Bewertung dieses Vorgangs differenziert werden.121 Ohne ausdrückliche Anordnung der Buchwertfortführung in § 6 Abs. 3 EStG würde also der Betriebsaufgabegewinn noch in der Person des Aufgebenden entstehen. Damit verbunden wäre eine klare Trennung der stillen Reserven, die der ursprüngliche Betriebsinhaber erwirtschaftet hat und der stillen Reserven, die sich erst seit der Übertragung beim Rechtsnachfolger gebildet haben. Im Jahr der unentgeltlichen Betriebsübergabe wäre der Gewinn bis zum Betriebsübergang dem ursprünglichen Betriebsinhaber zuzurechnen, der danach erzielte Gewinn dem Rechtsnachfolger.122 Erst die Verhinderung des Entstehens eines Betriebsaufgabegewinnes beim ursprünglichen Betriebsinhaber durch die Buchwertverknüpfung führt im Ergebnis dazu, dass der Rechtsnachfolger die vom Rechtsvorgänger erwirtschafteten stillen Reserven neben der Erbschaft- auch der Einkommensteuer unterwerfen muss und somit doppelt belastet wird.
119 BFH v. 17.10.1991, IV R 97/89, BStBl. II 1992, 392, 394; R. Wacker, in: Schmidt: EStG, § 16 Rn. 590. Daran könnte man zweifeln, da man einwenden könnte, dass nicht von einer „unentgeltlichen Betriebsübertragung“ ausgegangen werden könne, wenn der Rechtsnach folger den Betrieb überhaupt nicht fortführt, so dass dann sämtliche Wirtschaftsgüter des Betriebes beim Rechtsnachfolger im Privatvermögen verbleiben würden. Die Regelung knüpft aber erkennbar an die Rechtsfolgen des zivilrechtlichen Eigentümerwechsels durch Erbfall oder Schenkung an. Dies wird besonders im Wortlaut des § 20 EStG 1925 klar: „im Fall des unentgeltlichen Erwerbs“. Zivilrechtlich findet gem. § 1922 BGB ein Betriebserwerb aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge statt (bei Schenkungen ist zumindest ein Übertragungsakt erforderlich). Eine Notwendigkeit in diesem Fall eine Betriebsneugründung und Betriebsaufgabe beim Rechtsnachfolger zu fingieren besteht aber nicht, da aufgrund der §§ 16 Abs. 4, 34 Abs. 3 EStG und der Möglichkeit der Berücksichtigung des Betriebsaufgabegewinns des Rechtsvorgängers als Nachlassverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG hier Rechtsnachfolger deutlich schlechter gestellt wird als bei der Entstehung des Betriebsaufgabegewinns in Person des Rechtsvorgängers. Insoweit war das Wahlrecht des § 20 EStG 1920 die bessere Lösung, da dem Rechtsnachfolger die Betriebsnachfolge nicht aufgezwungen wurde. 120 C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 4 Rn. B 58. 121 J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer (1988), S. 353, 356; C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 4 Rn. B 58. 122 BFH v. 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608, 612; H. Ruppe, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 45, 63; C. Wasmer, Die Zurechnung von Einkünften bei der unentgelt lichen Übertragung von Betriebsvermögen (1985), S. 62 f.
IV. Schlussfolgerungen
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Insoweit stellt sich die Vorschrift des § 6 Abs. 3 EStG als systemwidrige Ausnahmevorschrift dar, die im Interesse der Betriebskontinuität die Besteuerung des Betriebsaufgabegewinns verhindert, da beim unentgeltlichen Betriebsübergang anders als bei der Betriebsveräußerung regelmäßig kein Liquiditätszufluss stattfindet, mit dem die Steuer auf den Aufgabegewinn beglichen werden könnte.123 Ohne diese systemwidrige Buchwertverknüpfung hätte der Rechtsnachfolger die stillen Reserven nur erbschaftsteuerlich zu versteuern. Die herausgearbeiteten Grundsätze gelten sowohl für den Betriebsübergang durch Erbfall als auch durch Schenkung, da in beiden Fällen der Übertragende die betriebliche Tätigkeit einstellt und damit eine Betriebsaufgabe ohne Betriebsaufgabegewinn aufgrund der Buchwertanordnung vorliegt. h) § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG Den gleichen Gedanken wie § 6 Abs. 3 EStG verfolgt auch § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG. Obwohl die unentgeltliche Übertragung eines einzelnen Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen eines Steuerpflichtigen unentgeltlich auf einen anderen Steuerpflichtigen124 unstreitig als Entnahme zu qualifizieren ist,125 ordnet § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG als Bewertungsvorschrift eine Buchwertfortführung an und verhindert wie bei den Sachgesamtheiten die Entstehung eines Entnahmegewinns. Ebenso wie bei § 6 Abs. 3 EStG ist mit dieser Bewertungsvorschrift nichts über das Vorliegen des Entnahmetatbestands gesagt, sondern es wird allein das Entstehen eines Entnahmegewinns verhindert. Am Vorliegen einer Entnahme ändert dies nichts.126 123
J. Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 6 Rn. J 4; J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer (1988), S. 356. Diesen Aspekt würdigt C. Trzaskalik, in: Ruppe: DStJG 4 (1981), S. 145, 151 f. nicht ausreichend bei seiner Kritik an der betriebs bezogenen Auslegung des Betriebsbegriff, die auch bei der Betriebsveräußerung zu gelten hätte. 124 Mit der Übertragung des Wirtschaftsgutes in das Gesamthandsvermögen aus dem (Sonder)Betriebsvermögen oder umgekehrt findet ein Rechtsträgerwechsel statt, da die Personengesellschaft bezüglich der Einkünfteerzielung und Einkünfteermittlung als partielles Steuersubjekt anerkannt wird. Die dem Gesellschafter ideell anteilig zuzurechnendenWirtschaftsgüter stellen kein eigenes Betriesvermögen des jeweiligen Gesellschafters dar, so dass die Personengesellschaft als anderer Steuerpflichtiger anzusehen ist, siehe hierzu U. Niehus/H. Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 6 Rn. 1447b. Durch den zwingenden Buchwertansatz werden die stillen Reserven zum Zeitpunkt der Einbringung nicht aufgedeckt und springen auf die übrigen Mitunternehmer gemäß ihrer Beteiligung über, wenn die stillen Reserven nicht durch Ergänzungsbilanzen dem betreffenden Mitunternehmer zuge ordnet werden. 125 Siehe hierzu E. Wied, in: Blümich/Ebling: EStG, § 4 Rn. 166 und 175; H. Hübner, DStR 1995, S. 197, 198; H. Ruppe, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 45, 66; F. Wassermeyer, BB 1994, S. 1, 2. 126 So auch U. Niehus/H. Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 6 Rn. 1443; A. Raupach, in: Kruse: DStJG 2 (1979) (1979), S. 103 f.
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E. Einkommensteuer und Erbschaftsteuer im Steuersystem
Mit § 6 Abs. 5 EStG sollen Umstrukturierungen innerhalb einer Mitunter nehmerschaft steuerneutral ermöglicht werden, soweit die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist, auch wenn es durch die Umstrukturierung zu interpersonellen Verlagerungen von stillen Reserven auf andere Mitunternehmer kommt.127 Ohne diese Buchwertverknüpfung hätte also der Übertragende die bis zur Entnahme angesammelten stillen Reserven zu versteuern. Eine einkommensteuerliche Erfassung der stillen Reserven, die der Übertragende erwirtschaftet hat, wäre beim Rechtsnachfolger damit ausgeschlossen.128 2. Einkünfte aus Kapitalvermögen Ähnlich wie § 6 Abs. 3 EStG und § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG ordnen die § 17 Abs. 2 Satz 5 und § 20 Abs. 4 Satz 6 EStG an, dass die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers im Falle der unentgeltlichen Übertragung dem Erwerber zuzurechnen sind, mit der Folge, dass die stillen Reserven auf den Rechtsnachfolger übergehen. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass stille Reserven subjektgebunden129 sind und daher von der Person zu versteuern sind, die diese erwirtschaftet hat,130 sind § 17 Abs. 2 Satz 5 und § 20 Abs. 4 Satz 6 EStG genauso als systemwidrige Ausnahmevorschriften zu qualifizieren wie die Buchwertverknüpfungen in § 6 Abs. 3 und § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG.131 Dies wird schon bei einer näheren Betrachtung der Anschaffungskosten deutlich. Der Begriff wird in den §§ 17 Abs. 2, 20 Abs. 4 und 23 Abs. 3 EStG einheitlich im Sinne des § 6 EStG verwendet. Anschaffungskosten sind danach alle Aufwendungen, die der Erwerber tätigen musste, um das Wirtschaftsgut zu erwerben,132 vgl. auch § 255 Abs. 1 HGB. Der Erbe oder Beschenkte muss aber regelmäßig keine Aufwendungen tätigen, um das Wirtschaftsgut zu erhalten. Er erhält es unentgeltlich. Daher stellt der un 127
E. Kulosa, in: Schmidt: EStG, § 6 Rn. 690; P. Fischer, in: Kirchhof: EStG, § 6 Rn. 208 f.; H. Brandenberg, DStZ 2002, S. 551, 555. 128 Zur Frage, ob bei Umstrukturierungen eine freigebige Zuwendung vorliegen kann (bei § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG kommt regelmäßig nur eine Schenkung in Betracht), siehe J. Meincke, in: Meincke: ErbStG, § 7 Rn. 74 ff. 129 Ausführlich hierzu J. Schmitt, Zur interpersonalen Übertragung stiller Reserven beim Erbfall im Einkommensteuerrecht (1993), S. 45 f. Siehe auch E. IV. 1. c) und E. I. 1. 130 J. Lang, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 9 Rn. 22; J. Hey, in: Tipke: Gedächtnisschrift Trzaskalik (2005), S. 219, 222. 131 So auch zu C. Wasmer, Die Zurechnung von Einkünften bei der unentgeltlichen Übertragung von Betriebsvermögen (1985), S. 55. 132 BFH v. 13.1.1993, X R 53/91, BStBl. II 1993, 346 f.; S. Eilers/R. Schmidt, in: Herrmann/ Heuer/Raupach: EStG, § 17 Rn. 190; zu § 17 EStG: D. Gosch, in: Kirchhof: EStG, § 17 Rn. 86; H. Weber-Grellet, in: Schmidt: EStG, § 17 Rn. 156; zu § 20 Abs. 4 EStG: H.-J. von Beckenrath, in: Kirchhof: EStG, § 20 Rn. 150; zu § 23 EStG: H. Weber-Grellet, in: Schmidt: EStG, § 23 Rn. 31, 75.
IV. Schlussfolgerungen
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entgeltliche Erwerb auch keine Anschaffung im Sinne der §§ 17 Abs. 2, 20 Abs. 4, 23 Abs. 3 EStG dar.133 Ohne die Zurechnungsnormen der §§ 17 Abs. 2 Satz 5, 20 Abs. 4 Satz 6, 23 Abs. 1 Satz 3 EStG hätte der Rechtsnachfolger keine Anschaffungskosten. Die Folge wäre, dass der Rechtsnachfolger die stillen Reserven, die sich beim Rechtsvorgänger gebildet haben, zum Zeitpunkt des Erwerbs nur erbschaftsteuerlich zu versteuern hätte. Einkommensteuerlich würden allein die stillen Reserven beim Rechtsnach folger erfasst, die sich bei ihm seit dem Erwerb des Wirtschaftsgutes gebildet haben. Dies ergibt sich daraus, dass zum Zeitpunkt der Verstrickung der gemeine Wert anzusetzen ist, soweit im EStG keine besonderen Bewertungsvorschriften eingreifen, §§ 1, 9 BewG.134 Wie schon ausgeführt,135 muss die Steuerverstrickung subjektbezogen und nicht objektbezogen bestimmt werden,136 um das Individualsteuerprinzip zu wahren. Eine Bewertung unterhalb des Verkehrswertes hat zur Folge, dass der Rechts nachfolger die stillen Reserven, die der Rechtsvorgänger erwirtschaftet hat, zu versteuern hat, so dass die Subjektbindung der stillen Reserven missachtet wird.137 Verifiziert wird dieser Befund bei Vermögensumschichtungen von der betrieblichen in die außerbetriebliche Sphäre desselben Steuerpflichtigen durch die Bewertungsvorschriften des § 6 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 EStG. Über die Bewertung der Einlage zum Teilwert wird erreicht, dass allein der Gewinn im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit erfasst wird und Wertsteigerungen von Wirtschaftsgütern außerhalb dieses Betriebsvermögens138 sich auf den Betriebsgewinn nicht auswirken.139 Umgekehrt soll über die Bewertung der Entnahme zum Teilwert die 133 BFH v. 3.8.1976, VIII R 192/74, BStBl. II 1977, 382; BFH v. 22.9.1987, IX R, 15/84, BStBl. II 1988, 250, 252; BFH v. 13.1.1993, X R 53/91, BStBl. II 1993, 346, 347; H. Kube, in: Kirchhof: EStG, § 23 Rn. 11. 134 N. Sailer Khuepach, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 6 Rn. 1191 für Entnahmen und Einlagen. 135 Siehe E. IV. 1. c). 136 J. Hey, in: Tipke: Gedächtnisschrift Trzaskalik (2005), S. 219, 222. 137 J. Schmitt, Zur interpersonalen Übertragung stiller Reserven beim Erbfall im Einkommensteuerrecht (1993), S. 45 ff. 138 BFH v. 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348, 352; E. Kulosa, in: Schmidt: EStG, § 6 Rn. 553; P. Fischer, in: Kirchhof: EStG, § 6 Rn. 172. 139 Die abweichende Ansetzung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 HS 2 lit. a EStG ist dagegen als Ausnahmevorschrift zu qualifizieren. § 6 Abs. 1 Nr. HS 2 lit. a EStG soll verhindern, dass der Steuerpflichtige Wertsteigerungen von Wirtschafts gütern durch Hinausschieben des Einlagezeitpunkts oder durch zeitweilige Entnahme der nichtsteuerbaren Privatsphäre zuordnet. § 6 Abs. 1 Nr. 5 HS 2 lit. b EStG will verhindern, dass der Steuerpflichtige durch die Einlage einer wesentlichen Beteiligung die stillen Reserven, die durch § 17 EStG steuerverstrickt sind, der Besteuerung durch Einlage zum Teilwert entzieht, siehe hierzu E. Kulosa, in: Schmidt: EStG, § 6 Rn. 558, 561; P. Fischer, in: Kirchhof: EStG, § 6 Rn. 177 f.
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E. Einkommensteuer und Erbschaftsteuer im Steuersystem
Wertänderung des Wirtschaftsgutes während der Zugehörigkeit zum Betriebs vermögen erfasst werden, bevor mit dem Wechsel des Wirtschaftsguts in die außerbetriebliche Sphäre diese Wertänderung steuerlich nicht mehr oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten erfasst werden könnte.140 Durch die Bewertung der Einlage und Entnahme mit dem Teilwert wird also beim selben Steuerpflichtigen die Zurechnung der Wertveränderungen zu den unterschiedlichen Sphären des Steuerpflichtigen gewährleistet. Soll eine Zuordnung der Wertveränderungen nicht nur zu den einzelnen Sphären wie Betriebsvermögens- und Privatsphäre desselben Steuerpflichtigen erreicht werden, sondern die Wertveränderungen auch individuell der Person zugeordnet werden, bei welcher die Wertveränderung eintritt, so muss auch beim Rechts trägerwechsel eine Bewertung zum Verkehrswert erfolgen. Dies bedeutet, dass auch bei einer unentgeltlichen Übertragung einer Beteiligung an einer Kapital gesellschaft diese beim Rechtsnachfolger mit dem Verkehrswert bewertet werden muss, um die Subjektbindung der stillen Reserven zu wahren. Die historische Auslegung bestätigt diese Feststellung. Bzgl. einzelner Wirtschaftsgüter ordnete § 19 Abs. 2 Satz 2 EStG 1925141 ausdrücklich an, dass unentgeltlich erworbene Wirtschaftsgüter im Betriebsvermögen mit dem gemeinen Wert zu erfassen sind. Die Regelung des § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG ist durch das Steueränderungsgesetz 1965142 im Gesetz verankert worden. Den Änderungen gingen umfangreiche Arbeiten der Einkommensteuerkommission143 voraus, die vom Bundesfinanzminister Franz Etzel den Auftrag erhalten hatte, das Einkommensteuerrecht unter Einschluss des Lohnsteuerrechts zu „durchforsten“, um das EStG „einfacher, allgemeinverständlicher und vielleicht auch volkstümlicher zu fassen“.144 Zu § 17 EStG empfahl die Kommission u. a., bei unentgeltlichen Übertragungen von wesentlichen Beteiligungen die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers für maßgeblich zu erkären.145 Hintergrund dieser Empfehlung war die damals h. M.146, nach der beim unentgeltlichen Erwerb einer wesentlichen Beteiligung diese beim Rechtsnachfolger mit dem gemeinen Wert zu bewerten sei.147 140
C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 4 Rn. B 109; N. Sailer Khuepach, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 4 Rn. 1191. 141 Einkommensteuergesetz v. 15.8.1925, RGBl. I 1925, 189, 193. 142 StÄndG vom 14.5.1965, BStBl. I 1965, 217, 219. 143 Untersuchungen zum Einkommensteuerrecht – Bericht der Einkommensteuerkommission, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 7. 144 Untersuchungen zum Einkommensteuerrecht – Bericht der Einkommensteuerkommission, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 7, S. 25. 145 Untersuchungen zum Einkommensteuerrecht – Bericht der Einkommensteuerkommission, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 7, S. 186. 146 RFH v. 21.7.1937, VI A 377/37, RStBl. 1937, 1008; RFH v. 17.2.1937, VI A 485/36, RStBl. 1937, 963; RFH v. 14.12.1938, VI 732/38, RStBl. 1939, 212; W. Flume, StuW 1974, S. 188, 190. 147 So führt der RFH v. 21.7.1937, VI A 377/37, RStBl. 1937, 1008, 1009 ausdrücklich aus: „Die Einkommensteuer erfasst grundsätzlich und allgemein nur das Einkommen, d. h. vorliegend den Vermögenszuwachs, den der einzelne Steuerpflichtige selbst erlangt hat, und es
IV. Schlussfolgerungen
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Die Folge war, dass nur die Wertsteigerungen seit Übergang der Anteile beim Rechtsnachfolger bei einer Veräußerung einkommensteuerlich zu versteuern waren. Wertsteigerungen, die beim Rechtsvorgänger stattgefunden haben, unterlagen nicht der Besteuerung nach § 17 EStG.148 Damit war der Grundsatz der Individualbesteuerung gewahrt.149 Der Rechtsnachfolger hatte nur die stillen Reserven seit dem unentgeltlichen Erwerb einkommensteuerlich zu versteuern. Die beim Rechtsvorgänger angesammelten stillen Reserven wurden beim Rechtsnachfolger nur erbschaftsteuerlich erfasst. Durch die konsequente Berücksichtigung des Subjektsteuerprinzips war damit eine Doppelbelastung mit Einkommen- und Erbschaftsteuer ausgeschlossen. Die Steuerkommission sah in diesem Ergebnis dagegen eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Anteilseignern einer wesentlichen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gegenüber Mitunternehmern, da hier der Rechtsnachfolger sowohl die stillen Reserven seit dem Erwerb als auch die stillen Reserven des Rechtsvorgängers zu versteuern hatte. Sie schlug daher vor, eine dem § 7 Abs. 1 EStDV a. F. entsprechende Regelung in § 17 EStG aufzunehmen, nach der der Rechtsnachfolger bei der Veräußerung auch die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers anzusetzen habe. Der Gesetzgeber schloss sich der Auffassung der Einkommensteuerkommission an und verankerte die heute in § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG stehende Regelung, nach der sich der Rechtsnachfolger die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers zurechnen lassen muss.150 Wie schon ausgeführt, stellt aber § 7 Abs. 1 EStDV bzw. § 6 Abs. 3 EStG als dessen Nachfolgevorschrift eine systemwidrige Ausnahmevorschrift dar, die die interpersonelle Verlagerung der stillen Reserven auf den Rechtsnachfolger im Interesse der Betriebskontinuität zulässt, mit der Folge, dass der Rechtsnachfolger die stillen Reserven des Rechtsvorgängers zum Zeitpunkt des unentgeltlichen Erwerbs der Erbschaftsteuer und zum Zeitpunkt der eigenen Realisation der Einkommensteuer unterwerfen muss. Da § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG die Angleichung an § 7 Abs. 1 EStDV bzw. § 6 Abs. 3 EStG bezweckt, kann § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG nicht anders beurteilt werden; nämlich als systemwidrige Ausnahmevorschrift.151
nicht angängig, diesem Einkommen zuzurechnen, der gar nicht in seiner Person, sondern in der eines Dritten eingetreten ist.“ 148 Untersuchungen zum Einkommensteuerrecht – Bericht der Einkommensteuerkommission, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 7, S. 186. 149 Der RFH führte in seiner Entscheidung v. 21.7.1937 VI A 377/37, RStBl. 1937, 1008 zutreffend aus: „Die Einkommensteuer erfaßt grundsätzlich und allgemein nur das Einkommen, d. h. vorliegendenfalls den Vermögenszuwachs, den der einzelne Steuerpflichtige selbst erlangt hat, und es nicht angängig, diesem Einkommen des Steuerpflichtigen einen Vermögenszuwachs zuzurechnen, der gar nicht in seiner Person, sondern in der Person eines Dritten eingetreten ist.“ 150 Begründung zum StÄndG v. 14.5.1965, BT-Drs. IV/2400 S. 70. 151 So auch C. Wasmer, Die Zurechnung von Einkünften bei der unentgeltlichen Übertragung von Betriebsvermögen (1985), S. 55.
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E. Einkommensteuer und Erbschaftsteuer im Steuersystem
Entsprechendes gilt für die Vorschrift des § 20 Abs. 4 Satz 6 EStG, die die gleiche Rechtsfolge wie § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG bei der Veräußerung von unentgeltlich erworbenen nichtwesentlichen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften152 und weiterer Kapitalanlagen anordnet. 3. Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften Die vorherigen Ausführungen gelten im Grundsatz genauso für private Veräußerungsgeschäfte im Sinne des § 23 EStG. Einziger Unterschied gegenüber den von § 17 und § 20 EStG erfassten Fällen ist, dass die Doppelbelastung zeitlich auf die Spekulationsfrist beschränkt ist. Veräußert der Rechtsnachfolger das Wirtschaftsgut nach Ablauf der Spekulationsfrist, die mit der Anschaffung oder Herstellung durch den Rechtsvorgänger zu laufen beginnt,153 so ist der Rechtsnachfolger allein mit der Erbschafteuer zum Zeitpunkt des unentgeltlichen Erwerbs belastet. Die Veräußerung des privaten Wirtschaftsgutes ist einkommensteuerlich nicht mehr steuerbar. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG erst durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002154 im EStG verankert worden ist. Hintergrund der Einführung war, dass nach Auffassung des BFH eine unentgeltliche Einzelrechtsnachfolge keine Anschaffung im Sinne des § 23 EStG sei, mit der Folge, dass der Rechtsnachfolger die stillen Reserven des Rechtsvorgängers bei der Veräußerung des Wirtschaftsgutes nicht zu versteuern hatte, wenn in der unentgeltlichen Übertragung und anschließenden Veräußerung durch den Rechtsnachfolger nicht ausnahmsweise eine missbräuchliche Steuergestaltung gem. § 42 AO zu sehen sei.155 In den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge hat die Rechtsprechung auch beim § 23 EStG den Grundsatz vertreten, dass der Rechtsnachfolger in alle verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Positionen eintrete, sich daher die Anschaffung oder Herstellung des Rechtsvorgängers zurechnen lassen muss und bei der Veräußerung innerhalb der Spekulationsfrist sowohl die stillen Reserven des
152 Zu den unterschiedlichen steuerlichen Auswirkungen einer Veräußerung einer nichtwesentlichen Beteiligung durch die Abgeltungsteuer und einer wesentlichen Beteiligung unter Beibehaltung des § 17 EStG und dem damit verbundenen Teileinkünfteverfahren gem. §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG, siehe H.-J. von Beckenrath, in: Kirchhof: EStG, § 20 Rn. 21; C. Watrin/H. Benhof, DB 2007, S. 233, 234. 153 Da sich der Rechtsnachfolger die Anschaffung oder Herstellung des Rechtsvorgängers zurechnen lassen muss, siehe R. Wernsmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 23 Rn. B 84. 154 StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402, 410. 155 BFH v. 7.10.1986, IX R 93/82, BStBl. II 1987, 330, 333; BFH v. 12.7.1988, IX R 149/83, BStBl. II 1988, 942, 943.
IV. Schlussfolgerungen
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Rechtsvorgängers als auch die Wertsteigerungen seit dem unentgeltlichen Erwerb des Wirtschaftsgutes einkommensteuerlich zu versteuern habe.156 Wie schon ausgeführt,157 kann die zivilrechtliche Gesamtrechtsnachfolge nicht mit einer Personennachfolge gleichgesetzt und ins Einkommensteuerrecht übertragen werden, da diese mit dem Leistungsfähigkeits- und dem Subjektsteuerprinzip nicht zu vereinen ist.158 Dies hat zur Konsequenz, dass genauso wie bei §§ 17 Abs. 2 Satz 5, 20 Abs. 4 Satz 6 EStG erst die ausdrückliche Anordnung der Zurechnung der Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers dazu führt, dass der Rechtsnachfolger sowohl die stillen Reserven des Rechtsvorgängers als auch die Wertsteigerung seit dem unentgeltlichen Erwerb des Wirtschaftsgutes zu versteuern hat, wenn er dieses innerhalb der Spekulationsfrist veräußert. Ohne diese ausdrückliche Anordnung der Zurechnung der Anschaffung des Rechtsvorgängers wären dessen stillen Reserven beim Rechtsnachfolger nur erbschaft steuerpflichtig. Dies ist bei Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des heutigen § 23 EStG auch konsequent. Im EStG 1925159 war in §§ 41 Abs. 1 Nr. 1, 42 Abs. 1 EStG 1925 geregelt, dass Spekulationsgeschäfte der Besteuerung unterliegen sollen. Voraussetzung für ein Spekulationsgeschäft war, dass ein bestimmter Zeitraum zwischen Anschaffung des Wirtschaftsgutes und Veräußerung unterschritten wurde und der Veräußerer das Wirtschaftsgut in der Absicht der gewinnbringenden Wiederveräußerung erworben hatte.160 Diese Spekulationsfrist wurde widerlegbar vermutet, wenn die gesetzlichen Fristen des § 42 Abs. 1 EStG 1925 unterschritten wurden.161 Da beim unentgeltlichen Erwerb keine Anschaffung durch den Rechtsnachfolger vorlag, konnte dieser das Wirtschaftsgut auch nicht in Spekulationsabsicht angeschafft bzw. erworben haben. Ein Spekulationsgeschäft im Sinne der §§ 41 Abs. 1 Nr. 1, 42 Abs. 1 EStG 1925 setzte also Personenidentität zwischen dem in Spekulationsabsicht Anschaffenden und dem Veräußerer voraus.162 Fehlte diese, 156 BFH v. 21.3.1964, VI R 208/67, BStBl. II 1969, 520, 521; BFH v. 12.7.1988, IX R 149/83, BStBl. 1988, 942, 943. 157 E. III. 1. 158 Siehe E. IV. 1. Dies führt zu der Frage, ob die ausdrückliche Anordnung Zurechnung der Anschaffung des Rechtvorgängers im Falle der Einzelrechtsnachfolge auch für die Gesamtrechtsnachfolge gilt. Dies ist im Ergebnis wohl zu bejahen, da in der Gesamtrechtsnachfolge auch die Einzelrechtsnachfolge enthalten ist. So im Ergebnis wohl auch H. Weber-Grellet, in: Schmidt: EStG, § 23 Rn. 40. 159 Einkommensteuergesetz v. 15.8.1925, RGBl. I 1925, 189, 198. 160 H. Jakobs, DB 1970, S. 1099, 1101; R. Wernsmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 23 Rn. A 32; R.-M. Dechant, Die Besteuerung privater Veräusserungsgeschäfte (2006), S. 35 ff. 161 R. Wernsmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 23 Rn. A 32; G. Strutz, in: Strutz: EStG, § 42 Rn. 3; R.-M. Dechant, Die Besteuerung privater Veräusserungsgeschäfte (2006), S. 35 ff. 162 H. Ruppe, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 45, 68 f.; H. Jakobs, DB 1970, S. 1099, 1101.
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E. Einkommensteuer und Erbschaftsteuer im Steuersystem
war die Nichtsteuerbarkeit der Veräußerung mangels Spekulationsabsicht163 durch den Rechtsnachfolger die logische Folge; ähnlich wie die Auflösung der Ver strickung durch Zeitablauf.164 Erst die dem Rechtsnachfolger zuzurechnende Anschaffung durch den Rechtsvorgänger und die Veräußerung innerhalb der Spekulationsfrist durch den Rechtsnachfolger führt dazu, dass die stillen Reserven des Rechtsvorgängers beim Rechtsnachfolger der Erbschaft- und Einkommensteuer unterliegen, da mit der Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG die Subjektbindung der stillen Reserven missachtet wird. 4. Nachträgliche Einkünfte im Sinne des § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG Die einkommensteuerliche Berücksichtigung von nachträglichen Einkünften richtet sich nach § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG. Für die hier zu untersuchende Ursache der Doppelbelastung latenter Einkünfte ist der Regelungsgegenstand des § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG näher zu betrachten. Unstreitig trifft § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG eine Aussage zur sachlichen Steuerpflicht, indem klargestellt wird, dass die dem Rechtsnachfolger zufließenden Einkünfte zu der Einkunftsart gehören, die der Rechtsvorgänger verwirklicht hat und diese nicht dadurch der einkommensteuerlichen Besteuerung entgehen, weil sie nicht mehr der Person zufließen, die die Einkünfte erwirtschaftet hat.165 Uneinigkeit besteht dagegen über die Frage, ob § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG auch eine Aussage zur persönlichen Zurechnung trifft. Die h. M.166 sieht in § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG nicht nur eine sachliche Zurechnungsnorm, sondern dem Rechtsnachfolger werden über die Vorschrift auch personal die Einkünfte des Rechtsvorgängers als eigene Einkünfte zugerechnet. 163
Die Streichung Widerlegbarkeit der Spekulationsabsicht im EStG 1934 ohne wirkliche Begründung (vermutlich waren die erheblichen Beweisschwierigkeiten die Beweggründe) ist Ursache der Uneinigkeit darüber, ob Spekulationsabsicht weiterhin erforderlich ist (so H. Jakobs, DB 1970, S. 1099, 1102; H. Ruppe, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 45, 68 f.), lediglich Einkünfteerzielungsabsicht erforderlich ist (so R.-M. Dechant, Die Besteuerung privater Veräusserungsgeschäfte (2006), S. 296; H. Glenk, in: Blümich/Ebling: EStG, § 23 Rn. 13), oder sogar auch diese nicht erforderlich (so H. Weber-Grellet, in: Schmidt: EStG, § 23 Rn 2; R. Wernsmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 23 Rn. A 2; W. Walter/F.-P. Stümper, DB 2001, S. 2271, 2273). 164 C. Wasmer, Die Zurechnung von Einkünften bei der unentgeltlichen Übertragung von Betriebsvermögen (1985), S. 57. 165 W. Heinicke, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 99, 102; R. Wacker, in: Schmidt: EStG, § 24 Rn. 50. 166 BFH v. 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608, 614; W. Heinicke, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 99, 102; H. Ruppe, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 44, 56; R. Wacker, in: Schmidt: EStG, § 24 Rn. 68; R. Mellinghoff, in: Kirchhof: EStG, § 24 Rn. 46;
IV. Schlussfolgerungen
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Nach der Gegenauffassung167 ist der Regelungsgegenstand des § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG auf die Sicherungsfunktion beschränkt. § 24 Nr. 2 HalbSatz 2 EStG treffe dagegen keine Aussage darüber, wer diese Einkünfte zu versteuern habe. Dies richte sich nach dem allgemeinen Grundsatz, dass derjenige die Einkünfte zu versteuern habe, der diese erwirtschaftet habe. Die Folge dieser Auffassung ist, dass die Einkünfte dem Rechtsvorgänger zugerechnet werden.168 In diesem Zusammenhang soll zunächst untersucht werden, wie die Rechtslage ohne die Regelung in § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG aussehen würde. An der Zugehörigkeit der Forderung zur erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage würde sich nichts ändern, da die erbschaftsteuerliche Bereicherung alle vermögenswerten Positionen des Rechtsvorgängers umfasst, also auch noch nicht beglichene Forderungen.169 Der Rechtsnachfolger hat daher die rückständige Forderung erbschaftsteuerlich zu versteuern. Einkommensteuerlich wären die Einkünfte beim Rechtsnachfolger dagegen nicht steuerbar, da dieser den Einkünftetatbestand selbst nicht verwirklicht hat und ihm lediglich die Einkünfte zufließen. Der Zufluss alleine hat aber keine steuer begründende Wirkung. § 11 EStG trifft allein eine Aussage darüber, welchem Veranlagungszeitraum die Einkünfte zeitlich zugeordnet werden.170 Beim Rechtsvorgänger muss dagegen zwischen Betriebsvermögen und Privatvermögen differenziert werden. Bezüglich der betrieblichen Einkunftsarten kann auf die Ausführungen zum Betriebsvermögen verwiesen werden.171 Die Einstellung der betrieblichen Tätigkeit beim Betriebsinhaber führt zu einer Betriebsaufgabe. Das Entstehen eines Aufgabegewinns wird allein über die Bewertungsvorschrift des § 6 Abs. 3 EStG verhindert. Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 6 Abs. 3 EStG bleibt es dabei, dass über die Betriebsaufgabe und Entnahme der Rechtsträgerwechsel gewinnwirksam ist. Da § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG allein eine Sicherungsfunktion hat, d. h. Besteuerungslücken schließen will, die dadurch entstehen, dass die VerH. Stadie, Die persönliche Zurechnung von Einkünften (1983), S. 75; J. Jacobs-Soyka, in: Littmann/Bitz/Barein: EStG, § 24 Rn. 103. 167 E. Biergans, Einkommensteuer und Steuerbilanz (1990), S. 977 f.; C. Wasmer, Die Zurechnung von Einkünften bei der unentgeltlichen Übertragung von Betriebsvermögen (1985), S. 45 ff.; C. Trzaskalik, StuW 1979, S. 97, 105 ff.; C. Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 11 Rn. B 106; R. Vogt, Rechtsnachfolge im Steuerrecht (2006), S. 107 ff. 168 E. Biergans, Einkommensteuer und Steuerbilanz (1990), S. 977 f.; C. Trzaskalik, StuW 1979, S. 97, 112. 169 G. Crezelius, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 73, 78; D. Gebel, in: Troll/Gebel/Jülicher: ErbStG; § 10 Rn. 16; J. Meincke, in: Meincke: ErbStG, § 10 Rn. 12. 170 C. Seiler, in: Kirchhof: EStG, § 11 Rn. 1; R. Krüger, in: Schmidt: EStG, § 11 Rn. 1; L. Jesse, Liegen die Einkommensteuer und die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen“? (1992), S. 69. 171 E. IV. 1. c) und d).
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E. Einkommensteuer und Erbschaftsteuer im Steuersystem
wirklichung des Einkünftetatbestands und der Zufluss bei unterschiedlichen Steuersubjekten stattfinden, ist die Vorschrift nicht anwendbar, wenn originäre Einkünfte des Rechtsvorgängers oder Rechtsnachfolgers vorliegen.172 Die Besteuerung dieser Einkünfte richtet sich dann nach allgemeinen Regeln. Bei den Überschusseinkünften im Privatvermögen können dagegen zumindest im Todesfall173 die Einkünfte zum Zeitpunkt des Zuflusses beim Erblasser nicht mehr einkommensteuerlich erfasst werden, da die persönliche Steuerpflicht mit dem Tod endet.174 Genau diese einkommensteuerliche „Besteuerungslücke“ will § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG schließen, indem die Verwirklichung des Einkünftetatbestands durch den Rechtsvorgänger und der Zufluss beim Rechtsnachfolger verklammert werden.175 Damit ist freilich noch nicht gesagt, bei wem die Zurechnung zu erfolgen hat. Wird also dem Rechtsvorgänger der Zufluss beim Rechtsnachfolger oder wird die Verwirklichung des Einkünftetatbestands des Rechtsvorgängers dem Rechtsnachfolger zugerechnet? Für eine Zurechnung beim Rechtsnachfolger lässt sich zunächst der Wortlaut anführen, welcher vom „Steuerpflichtigen als Rechtsnachfolger“ spricht.176 Gegen eine Erfassung der Einkünfte beim Erblasser spricht auch die Grundsystematik des Einkommensteuergesetzes. Wenn die persönliche Steuerpflicht des Erblassers mit dessen Tod endet, können Einkünfte, die erst nach dem Tod zufließen, bei diesem zumindest zum Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses nicht mehr er-
172
W. Heinicke, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 99, 108 f.; H.-J. Horn, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 24 Rn. 97 ff. Daher ist der Entscheidung des BFH v. 29.4.1993, IV R 16/92, BStBl. II 1993, 716 im Ergebnis zwar richtig, nicht aber in der Begründung, da § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG diesen Fall nicht regelt. Die Steuerbarkeit ist allein deswegen gegeben, weil über § 6 Abs. 3 EStG bzw. § 7 EStDV der Rechtsnachfolger zur Überführung der Wirtschaftsgüter ins Betriebsvermögen gezwungen wird. Ebenso L. Jesse, ZEV 1994, S. 95, allerdings unter Heranziehung der Gesamtrechtsnachfolge. 173 Bei Rechtsgeschäften unter Lebenden ist die Problematik dagegen eine Frage der Zurechnung der Einkunftsquelle. In den Fällen der Abtretung von Einkunftsansprüchen liegt lediglich eine Einkommensverwendung vor. Wirtschaftlich betrachtet vollendet, d. h. bezieht hier der Rechtsvorgänger die Einkünfte zum Zeitpunkt des Zuflusses selbst und erst im Anschluss findet die Übertragung statt. Ausführlich hierzu H. Ruppe, in: Tipke: DStJG 1 (1978), S. 7, 25 ff.; W. Heinicke, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987). S. 99, 110 f.; H.-J. Horn, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 24 Rn. 103. 174 K. Ebling, in: Blümich/Ebling: EStG, § 1 Rn. 130; W. Jakob, Einkommensteuer (2008), Rn. 47; J. Lang, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 9 Rn. 20; W. Heinicke, in: Schulze- Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 99, 104. 175 BFH v. 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608, 614; R. Mellinghoff, in: Kirchhof: EStG, § 24 Rn. 44; H.-J. Horn, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 24 Rn. 96. 176 H. Ruppe, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 45, 57; W. Heinicke, in: Schulze- Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 99, 103.
IV. Schlussfolgerungen
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fasst werden.177 Ohne persönliche Steuerpflicht gibt es auch keine Steuerbarkeit der Einkünfte. § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG kann die persönliche Steuerpflicht des Erblassers nicht über den Tod verlängern.178 Die Beendigung der persönlichen Steuerpflicht mit dem Tod ist unter Berücksichtigung des Leistungsfähigkeitsprinzips auch folgerichtig. Wenn die Einkommensteuer sich konsequent am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen auszurichten hat,179 so muss die persönliche Steuerpflicht zwingend mit dem Tod des Steuerpflichtigen enden, da die Leistungsfähigkeit mit dem Tod erloschen ist, während sich die Leistungsfähigkeit, d. h. die Zahlungsfähigkeit des Rechtsnachfolgers durch den Zufluss erhöht hat, auch wenn dieser Zufluss vom Rechtsvorgänger veranlasst war.180 Man könnte erwägen, die nachträglichen Einkünfte im Sinne des § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG in den letzten Veranlagungszeitraum des Erblassers ein zubeziehen, wie dies vereinzelt vorgeschlagen wird.181 Mit dieser Lösung würde lediglich die zeitliche Zuordnung der Einkünfte abweichend von § 11 EStG mit § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG angeordnet werden. Dafür spricht, dass gerade bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gem. § 4 Abs. 1 EStG häufig Forderungen noch beim Erblasser einkommensteuerlich besteuert werden, die im Rahmen des Zu- und Abflussprinzips bei Auslegung des § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG im Sinne der h. M. beim Rechtsnachfolger erfasst werden würden. Wenn sich die Gewinnermittlungstechnik über die Totalperiode nicht auswirken soll,182 spricht dies sogar für diesen Ansatz. Insoweit erscheint es verkürzt, in diesem Lösungsansatz immer eine fingierte Leistungsfähigkeit zu erkennen,183 da der Zuwachs an Leistungsfähigkeit nicht zwingend mit dem Zufluss der Einkünfte im Sinne des § 11 EStG zeitlich zusammenfallen muss. Anderenfalls wäre die Leistungsfähigkeit nicht einheitlich zu verstehen und von der Ermittlungstechnik abhängig. Allerdings bleiben die Fälle, in denen auch beim Betriebsvermögensvergleich eine Realisation der Einkünfte zum Zeitpunkt des Todes noch nicht stattgefunden hat und daher der Einkünftetatbestand durch den Erblasser noch nicht vollen-
177 W. Heinicke, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 99, 104; L. Jesse, Liegen die Einkommensteuer und die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen“? (1992), S. 69. 178 E. Littmann, FR 1958, S. 506. 179 Beschlussfassung des 57. Deutscher Juristentag, Sitzungsberichte, 1988, N. 211; K. Tipke, JuS 1985, S. 345, 347. 180 R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 127, 156. 181 E. Biergans, FR 1982, S. 525, 531; C. Trzaskalik, StuW 1979, S. 97, 111 f. 182 Innerhalb der Gewinneinkünfte. Siehe hierzu C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 4 Rn. A 21. 183 So R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 127, 156; H. Ruppe, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 45, 57.
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E. Einkommensteuer und Erbschaftsteuer im Steuersystem
det wurde, unabhängig von der Einkünfteermittlungstechnik.184 In diesen Fällen würde mit der Erfassung beim Erblasser tatsächlich eine Leistungsfähigkeit fingiert, die bei diesem zu Lebzeiten gar nicht eingetreten ist.185 Des Weiteren kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich bei wiederkehrenden Bezügen die einkommensteuerliche Erfassung beim Erblasser nicht umsetzen lässt.186 Eine stetig anzupassende und damit zu erhöhende Einkommensteuerveranlagung im letzten Veranlagungszeitraum des Erblassers führt nicht nur zu praktischen Problemen, sondern zeigt auch deutlich, dass in dieser Konstellation bei einer vollständigen steuerlichen Erfassung der Bezüge wegen der fehlenden Verfügungsmacht eine Leistungsfähigkeit beim Erblasser fingiert werden würde, die bei diesem im letzten Veranlagungszeitraum nicht vorhanden war. Zuletzt spricht auch die Binnensystematik innerhalb der Einkunftsarten für die h. M. Bei Hinterbliebenenbezügen im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist un streitig, dass diese Bezüge der Begünstigte und nicht der Rechtsvorgänger zu versteuern hat, auf dessen originäre Tätigkeit die Begünstigung im Regelfall beruht.187 Eine unterschiedliche Auslegung von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG erscheint in diesem Zusammenhang nicht nachvollziehbar. In beiden Fällen wird also die sachliche Steuerpflicht des § 2 Abs. 1 EStG in der Weise erweitert, dass der Grundsatz, dass derjenige, der die Einkünfte erwirtschaftet, diese auch zu versteuern hat, durchbrochen wird und der Rechts nachfolger ausnahmsweise fremderwirtschaftete Einkünfte, die ihm als Rechtsnachfolger zufließen, als eigene Einkünfte versteuern muss.188 Insoweit kann von einer „achten“ Einkunftsart gesprochen werden.189 Durch § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG werden damit die vom Rechtsvorgänger erwirtschafteten Einkünfte, die dem Rechtsnachfolger unentgeltlich zufließen, zu Erwerbseinkünften um qualifiziert.190
184 Zu den einzelnen Sachverhaltskonstellationen, siehe R. Wacker, in: Schmidt: EStG, § 16 Rn. 371 ff.; H.-J. Horn, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 24 Rn. 76. 185 Dies gilt unabhängig davon, ob man das Realisationsprinzip als Subprinzip bzw. Bestandteil des Leistungsfähigkeitsprinzips versteht oder auch unrealisierte Vermögenszuwächse zum „Leistungseinkommen“ zählt, da z. B. schwebende Geschäfte nicht realisiert oder beliehen werden können. Zu dieser Streitfrage siehe K. Tipke, in: Ruppe: DStJG 4 (1981), S. 1, 2 f. sowie zu Recht ablehnend J. Lang, in: Ruppe: DStJG 4 (1981), S. 45, 66 f.; K. Vogel, StuW 1974, S. 193, 199 f. D. Schneider, Finanzarchiv 1984, S. 407, 417 ff.; D. Schneider, in: Baetge: Festschrift Leffson (1976), S. 103 ff. bzgl. des Einkommensbegriffes. 186 W. Heinicke, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 99, 104. 187 W. Heinicke, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 99, 103 f. 188 L. Jesse, Liegen die Einkommensteuer und die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen“? (1992), S. 70; H. Ruppe, in: Tipke: DStJG 1 (1978), S. 45, 57. 189 R. Könemann, Der Grundsatz der Individualbesteuerung im Einkommensteuerrecht (2001), S. 90; L. Jesse, Liegen die Einkommensteuer und die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen“? (1992), S. 70. 190 So auch L. Jesse, Liegen die Einkommensteuer und die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen“? (1992), S. 70.
IV. Schlussfolgerungen
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Für die Ursachenanalyse der Doppelbelastung lässt sich damit feststellen, dass es durch die in § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG angeordnete Umqualifizierung der Einkünfte in erwirtschaftete Einkünfte beim Rechtsnachfolger zu einer Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer kommt. Ohne diese Umqualifizierung hätte der Rechtsnachfolger die Einkünfte lediglich erbschaftsteuerlich zu versteuern. 5. Wiederkehrende Bezüge Die Ursache der Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer bei wiederkehrenden Bezügen ist grundsätzlich auf die Konturenlosigkeit des Begriffes der „wiederkehrenden Bezüge“ zurückzuführen. Allgemein werden wiederkehrende Bezüge als Geld- und Sachleistungen definiert, die in gewissen Zeitabständen wiederkehren und einer Person aufgrund eines einheitlichen Rechtsgrunds mehrmals hintereinander mit gewisser Regelmäßigkeit, wenn auch nicht in gleicher Höhe, zufließen, ohne dass es sich dabei um Kaufpreisraten handelt.191 Für die hier zu untersuchende Problematik ergibt sich aus dieser Definition sehr klar die Ursache der Doppelbelastung mit Erbschaft- und Schenkungsteuer. Zu den Steuergegenständen von Einkommen- und Erbschaftsteuer wurde herausgearbeitet, dass die Einkommensteuer vom Grundsatz her die Einkünfte erfassen will, die durch den entgeltlichen Leistungsaustausch erwirtschaftet worden sind, während die Erbschaftsteuer den unentgeltlichen außerordentlichen Reinvermögenszugang durch Erbfall oder Schenkung beim Erben bzw. Beschenkten erfassen will. In der von der Rechtsprechung entwickelten Definition zu den wiederkehrenden Bezügen ist aber kein Kriterium enthalten, welches bei den wiederkehrenden Bezügen zwischen erwirtschafteten und durch Schenkung oder Erbfall zugewendeten wiederkehrenden Bezügen unterscheidet. Dies hat zur Folge, dass nach dieser Definition neben den erwirtschafteten wiederkehrenden Bezügen auch die wiederkehrenden Bezüge aufgrund einer Schenkung oder eines Erbfalles einkommensteuerlich erfasst werden.192 Für die Suche nach der Ursache, warum das Exklusivitätsverhältnis zwischen Einkommen- und Erbschaftsteuer im Rahmen der wiederkehrenden Bezüge nicht gewahrt wird, soll ein Blick auf die Leibrentenbesteuerung bis zur Änderung durch das Alterseinkünftegesetz193 geworfen werden.
191 BFH v. 20.7.1971, VIII 24/65, BStBl. II 1972, 170, 171; BFH v. 13.3.1974, I R 180/72, BStBl. II 1974, 423, 424; EStR 2008, 22.1 Abs. 1; E. Biergans, Renten und Raten in der Einkommensteuer (1993), S. 1. 192 L. Jesse, Liegen die Einkommensteuer und die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen“? (1992), S. 71; M. Birnbaum, Leistungsfähigkeitsprinzip und ErbStG (2007), S. 49. 193 AlteinkG v. 5.7.2004, BStBl. I 2004, 554 = BGBl. I 2004, 1427.
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E. Einkommensteuer und Erbschaftsteuer im Steuersystem
Ursprünglich beurteilte die ältere Rechtsprechung194 die einkommensteuer liche Steuerbarkeit allein nach dem äußeren Merkmal der Periodizität und unterwarf die wiederkehrenden Bezüge in vollen Umfang der Besteuerung. Dagegen erkannte der BFH195, dass die volle Besteuerung der wiederkehrenden Bezüge dann problematisch ist, wenn damit auch die Kapitalrückzahlung der Besteuerung unterliegen würde, da dieses Kapital häufig schon der Einkommensteuer unterlegen hat. Der BFH entschied daher, dass eine einkommensteuerliche Steuerbarkeit der Bezüge erst dann anzunehmen sei, wenn diese die Höhe der Gegenleistung übersteigen würden. Bis zur Höhe der Gegenleistung sollten die Bezüge also steuerfrei sein und erst der Überschuss sollte der vollen Besteuerung unterliegen. Der Gesetzgeber nahm die Kritik der Rechtsprechung und deren Lösungsansatz zum Anlass für eine Gesetzesänderung.196 Allerdings wählte er einen anderen Lösungsansatz, indem er die Leibrente in einen Kapitalanteil und einen Ertragsanteil aufteilte und nur den Ertragsanteil der Einkommensteuer unterwarf. Die Beschränkung der einkommensteuerlichen Besteuerung auf den Ertragsanteil beruht auf dem Gedanken, dass im Kapitalwert lediglich eine vermögens umschichtende Kapitalrückzahlung zu sehen ist, der die Privatsphäre betrifft, während der Ertragsanteil den Zinsanteil abbildet und insoweit im einkommensteuerlichen System als entgeltliche Kapitalnutzung eingeordnet werden kann, vergleichbar mit einem Darlehen, bei welchem auch nur der Darlehenszins einkommensteuerlich relevant ist, während die Kapitalrückzahlung nicht steuerbar ist.197 Mit der Differenzierung zwischen Ertrags- und Kapitalanteil bei den wiederkehrenden Bezügen gelingt auch eine systematische Zuordnung der Bezüge zu den unterschiedlichen Steuergegenständen von Einkommen- und Erbschaftsteuer, so dass die gegenständliche Trennung von Einkommen- und Erbschaftsteuer gewahrt wird. Die entgeltliche Kapitalnutzung wird von der Einkommensteuer als erwirtschaftete Bezüge erfasst, während der Kapitalanteil als Vermögenssubstanz aufgrund des derivativen Vermögensüberganges allein der Erbschaftsteuer unterliegt.198 Die jetzige Ausgestaltung der Besteuerung der unentgeltlich erworbenen widerkehrenden Bezüge steht indes mit diesen Schlussfolgerungen nicht im Einklang. Unter Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse müsste die Vermögens substanz, die sich aus dem angesparten Kapital und den vom Rechtsvorgänger 194 RFH v. 7.5.1930, VI A 3/29, StuW 1930, 1422 f.; RFH v. 7.5.1930, VI A 518/30, StuW 1930 Nr. 783; RFH v. 7.12.1927, VI A 597/27, StuW 1928, 117 f.; RFH v. 14.3.1928, VI A 877/27, RStBl. 1928, 212. 195 BFH v. 18.9.1952, IV 70/49 U, BStBl. III 1952, 290, 292; BFH v. 5.2.1953, IV 41/49 U, BStBl. III 1953, 105, 106; BFH v. 9.7.1953, IV 289/52 U, BStBl. III 1953, 236. 196 StNOG 1954 v. 16.12.1954, BGBl. I 1954, 373, 378 f. 197 L. Jesse, Liegen die Einkommensteuer und die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen“? (1992), S. 71; R. Schmitz, Besteuerung wiederkehrender Bezüge (1999), S. 34 f.; W. Jakob, Einkommensteuer (2008), Rn. 493a. 198 R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 127, 162 f.
V. Ergebnis
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daraus erwirtschafteten Zinsen zusammensetzt, als derivativer Erwerb der Erbschaftsteuer unterliegen. Von einer entgeltlichen Kapitalnutzung kann beim Rechtsnachfolger nur bezüglich der Zinsen gesprochen werden, die seit dem unentgeltlichen Erwerb des Rechts entstanden sind. Diese sind als erwirtschaftete Bezüge zu qualifizieren und bei der Einkommensteuer zu erfassen. Zinsanteile,199 die vom Rechtsvorgänger erwirtschaftet aber noch nicht ver steuert worden sind, werden als unentgeltlich übergehende Vermögenssubstanz bei der Erbschaftsteuer berücksichtigt. Bei der Einkommensteuer des Rechtsnachfolgers werden diese Zinsanteile aber ebenfalls erfasst. Es bleibt unberücksichtigt, dass in diesem Fall die vom Rechtsvorgänger erwirtschafteten Zinsanteile als unentgeltlich übergehende Vermögenssubstanz schon als erbschaftsteuerpflichtiger Erwerb erfasst wurden. Würden dagegen nur die Zinsen beim Rechtsnachfolger einkommensteuerlich erfasst, die seit dem Erwerb des Rechts entstanden sind, so wäre die systematische Zuordnung der Anteile der wiederkehrenden Bezüge zur Einkommen- und Erbschaftsteuer gewährleistet und die Doppelbelastung vermieden. Für die Ursachenanalyse der Doppelbelastung kann für die wiederkehrenden Bezüge im Ergebnis festgehalten werden, dass die Einbeziehung von nicht erwirtschafteten Bezügen in die Einkommensbesteuerung dafür verantwortlich ist, dass die gegenständliche Trennung der beiden Steuerarten aufgehoben wird.
V. Ergebnis Die durchgeführte Analyse hat gezeigt, dass Systembrüche im EStG dafür verantwortlich sind, dass der Rechtsnachfolger bei einem unentgeltlichen Vermögens anfall sowohl mit der Erbschaft- als auch mit der Einkommensteuer belastet wird. Im EStG wird für jeden Einkünftetatbestand, in dem Wertveränderungen im Vermögensstamm steuerbar sind, angeordnet, dass im Falle des unentgeltlichen Vermögensüberganges der Rechtsnachfolger bei Wirtschaftsgütern im Betriebsvermögen die Buchwerte anzusetzen hat und er bei Wirtschaftsgütern, die im Privatvermögen verstrickt sind, er sich die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers zurechnen lassen muss. Folge dieser Regelungen ist, dass der Rechtsnachfolger die stillen Reserven, die der Rechtsvorgänger erwirtschaftet hat, einkommensteuerlich im Falle einer eigenen Realisation200 zu versteuern hat. Damit wird die Subjektbindung der stillen Reserven missachtet und der Grundsatz, dass der Steuerpflichtige, der die Einkünfte erwirtschaftet hat, diese auch versteuern muss, durchbrochen. Ohne diesen Systembruch würden die stillen Reserven des Rechts 199
Bei Zinsanteilen, die bis zur unentgeltlichen Übertragung vom Rechtsnachfolger erwirtschaftet, aber noch nicht zugeflossen und versteuert sind, kann man insoweit auch von stillen Reserven sprechen. 200 Es sei denn, er überträgt die Wirtschaftsgüter selbst unentgeltlich weiter.
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E. Einkommensteuer und Erbschaftsteuer im Steuersystem
vorgängers beim Rechtsnachfolger nur im Rahmen der Erbschaftsbesteuerung erfasst. Einkommensteuerlich hätte der Rechtsnachfolger allenfalls201 die stillen Reserven, die sich seit seinem Erwerb des Wirtschaftsguts bzw. der Wirtschaftsgüter gebildet haben, zu versteuern. Insoweit wäre die Subjektbindung der stillen Reserven gewahrt, da der Rechtsnachfolger diese Wertsteigerung auch erwirtschaftet hat. Wie aufgezeigt, gibt es für diesen Systembruch unterschiedliche Gründe. Bei den stillen Reserven im Betriebsvermögen soll durch den Buchwertansatz bei der unentgeltlichen Übertragung die Unternehmensnachfolge und die Umstrukturierung von Unternehmen erleichtert werden.202 Trotz des Vorliegens eines Entstrickungstatbestands, verzichtet der Gesetzgeber auf die Gewinnrealisierung, um die Unternehmensnachfolge und die Unternehmensumstrukturierung zu erleichtern, da bei solchen Umstrukturierungen meistens keine Liquidität freigesetzt wird.203 Die Durchbrechung der Subjektbindung der stillen Reserven bei den steuerverstrickten Wirtschaftsgütern im Privatvermögen beruht dagegen auf anderen Gründen. Die Zurechnung der Anschaffungskosten von wesentlichen Beteiligungen im Sinne des § 17 EStG wurde damit gerechtfertigt, dass man wesentlich beteiligte Anteilseigner von Kapitalgesellschaften den Mitunternehmern gleichstellen wollte, da hier der Rechtsnachfolger aufgrund der Buchwertfortführung des § 6 Abs. 3 EStG bzw. § 7 Abs. 1 EStDV a. F. die stillen Reserven des Rechtsvorgängers zu versteuern hat. Dies solle auch für die Rechtsnachfolger von Anteilseignern von Kapitalgesellschaften gelten, da eine Ungleichbehandlung zwischen Anteilseignern und Mitunternehmern nicht gerechtfertigt sei.204 Solange eine wesentliche Beteiligung nur bei einer Beteiligung von min. 25 % bzw. 10 %205 angenommen wurde, kann die Gleichstellung zumindest der Idee nach noch nachvollzogen werden. Seit der Herabsetzung der wesentlichen Beteiligungsgrenze auf 1 % durch das Steuersenkungsgesetz vom 23.10.2000206 ist zumindest diesen Gleichstellungs erwägungen die Grundlage entzogen.
201 Bei privaten Veräußerungsgeschäften wäre schon fraglich, ob die Veräußerung überhaupt steuerbar ist, da eine Anschaffung durch den Rechtsnachfolger gerade nicht vorliegt, siehe dazu G. II. 3. b). 202 Zu § 6 Abs. 3 EStG: J. Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 6 Rn. J 4; J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer (1988), S. 356; zu § 6 Abs. 5 EStG: E. Kulosa, in: Schmidt: EStG, § 6 Rn. 690; P. Fischer, in: Kirchhof: EStG, § 6 Rn. 208 f.; H. Brandenberg, DStZ 2002, S. 551, 555. 203 J. Lang, in: Ruppe: DStJG 4 (1981), S. 47 ff.; J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer (1988), S. 363; K. Tipke, in: Ruppe: DStJG 4 (1981), S. 1, 10 f.; siehe auch E. IV. 1. g). 204 Untersuchungen zum Einkommensteuerrecht – Bericht der Einkommensteuerkommission, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 7, S. 186. 205 Herabsetzung der wesentlichen Beteiligungsgrenze von 25 % auf 10 % durch das StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402, 409 f. 206 StSenkG v. 23.10.2000, BGBl. I 2000, 1433, 1435 f.
V. Ergebnis
73
Des Weiteren wurde bei dem Versuch der Gleichstellung der Anteilseigner von Kapitalgesellschaften mit den Mitunternehmern nicht ausreichend berücksichtigt, dass die wesentliche Beteiligung im Sinne des § 17 EStG im Privatvermögen gehalten wird, auch wenn die Einkünfte aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung im Sinne des § 17 EStG zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb zählen sollen.207 Anders als bei Wirtschaftsgütern im Betriebsvermögen, bei denen an sich ein Entstrickungstatbestand gegeben ist und der Gesetzgeber nur zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge auf die Realisation des Betriebsaufgabe- oder Entnahmegewinns verzichtet, fehlt dieser beim unentgeltlichen Übergang von steuerverstrickten Wirtschaftsgütern im Privatvermögen auf einen anderen Steuerpflichtigen, da ein Sphärenwechsel208 gerade nicht stattfindet. Hier muss berücksichtigt werden, dass die Steuerverstrickung von Wirtschaftsgütern im Privatvermögen eine Ausnahme vom Grundsatz der Nichtsteuerbarkeit von Wert steigerung von Wirtschaftsgütern innerhalb der Privatsphäre ist. Der Dualismus bei der Ermittlung der Einkünfte hat zur Folge, dass im Rahmen der Überschuss einkünfte Wertsteigerungen im Stammvermögen grundsätzlich nicht steuerbar sind.209 Dieser Grundsatz wird durch die Vorschriften der §§ 17, 20, 23 EStG nur punktuell durchbrochen, indem steuerverstrickte Wirtschaftsgüter im Sinne der §§ 17,20, 23 EStG nur im Falle der Veräußerung oder eines der Veräußerung gleichgestellten Vorganges besteuert werden. Die unentgeltliche Übertragung eines Wirtschaftgutes ist aber weder als Veräußerung noch als veräußerungsgleicher Vorgang zu qualifizieren.210 Insoweit sind die Zurechnungsvorschriften der §§ 17 Abs. 2 Satz 5, 20 Abs. 2 Satz 6, 23 Abs. 1 Satz 3 EStG als Versuche des Gesetzgebers zu werten, Be steuerungslücken zu schließen, die dadurch entstehen würden, dass die Steuerverstrickung durch den unentgeltlichen Übergang des Wirtschaftsguts durchbrochen wird, ohne dass diese stillen Reserven der Einkommensteuer unterlegen haben. Dies zeigt sich besonders klar bei der Einführung des § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz vom 24.3.1999.211 Während in Fällen der Gesamtrechtsnachfolge sich der Rechtsnachfolger die Anschaffungskosten zurechnen lassen musste,212 war in den Fällen der Einzelrechtsnachfolge eine Zurechnung der Anschaffung durch den Rechtsvorgänger mangels einer Regelung wie in § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG nicht möglich und eine Steuerbarkeit nach § 23 EStG nur
207
Ursache ist die bereits angesprochene Absicht des Gesetzgebers gewesen, wesentlich beteiligte Anteilseigener den Mitunternehmern gleichzustellen. 208 Also der Wechsel eines Wirtschaftsgutes vom Betriebsvermögen ins Privatvermögen desselben Steuerpflichtigen. 209 D. Birk, Steuerrecht (2011), Rn. 611; W. Jakob, Einkommensteuer (2008), Rn. 64 f. 210 W. Jakob, Einkommensteuer (2008), Rn. 525 f. zu § 23 EStG; W. Jakob, Einkommensteuer (2008), Rn. 1169, H. Weber-Grellet, in: Schmidt: EStG, § 20 Rn. 161 zu § 20 EStG. 211 StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402, 410. 212 BFH v. 21.3.1964, VI R 208/67, BStBl. II 1969, 520, 521 f.
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E. Einkommensteuer und Erbschaftsteuer im Steuersystem
in Missbrauchsfällen möglich.213 In Reaktion auf das Urteil des BFH v. 12.7.1988214 setzte der Gesetzgeber eine entsprechende Vorschrift der Zurechnung der Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers wie in § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG um, um die Schwierigkeiten durch die Anwendung des § 42 AO zu vermeiden.215 Wie unbedacht hierbei nur auf die Rechtsprechung des BFH reagiert wurde, zeigt sich allein darin, dass die Zurechnung der Anschaffungskosten nur für die Fälle der Einzelrechtsnachfolge normiert wurde und die Regelung auf die Gesamtrechtsnachfolge aufgrund der hier anders gelagerten Rechtsprechung nicht in § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG erstreckt wurde. Die Doppelbelastung bei den nachträglichen Einkünften im Sinne § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG beruht dagegen darauf, dass in dieser Vorschrift die vom Rechtsvorgänger erwirtschafteten Einkünfte dem Rechtsnachfolger als eigene Einkünfte zugerechnet werden. Ähnlich sieht die Rechtslage bei den wiederkehrenden Bezügen nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG216 aus. Auch hier ist die Erweiterung durch die Einbeziehung des Kapitalwertes des derivativ erworbenen Rechts in den Gegenstand der Einkommensteuer, welcher vom Erwerber nicht erwirtschaftet wurde, Ursache für die Doppelbelastung des Rechtsnachfolgers mit Erbschaft- und Einkommensteuer.
213 BFH v. 9.3.1982, VIII R 160/81, BStBl. II 1982, 540, 541; BFH v. 12.7.1988, IX R 149/83, BStBl. II 1988, 942, 943. 214 BFH v. 12.7.1988, IX R 149/83, BStBl. II 1988, 942. 215 Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 v. 9.11.1998, BT-Drs. 14/23, S. 180. 216 Oder der Zuordnung zu einer anderen Einkunftsart aufgrund der Subsidiaritätsanordnung.
F. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Doppelbelastung eines Vermögenszuganges mit Erbschaft- und Einkommensteuer Im vorliegenden Kapitel wurde herausgearbeitet, dass zahlreiche Systembrüche im Einkommensteuergesetz und die damit verbundene Einbeziehung von derivativen Einkünften in die Steuergegenstände der Einkommensteuer dafür ursächlich sind, dass das an sich bestehende Exklusivitätsverhältnis zwischen Einkommen- und Erbschaftsteuer durchbrochen wird und der Rechtsnachfolger zumindest bzgl. eines Teiles des Vermögenszuflusses mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer belastet wird. Die nun zu klärende Frage ist die, ob es verfassungsrechtlich zulässig ist, dass die Besteuerung eines Vermögenszuflusses, der beim Rechtsvorgänger nicht der Einkommensbesteuerung unterlegen hat, beim Rechtsnachfolger nachgeholt wird, obwohl dieser die Einkünfte nicht erwirtschaftet hat und dieser Vermögenszufluss als Leistungsfähigkeitszuwachs bei ihm bereits zu einem erbschafsteuerpflichtigen Erwerb geführt hat. Denn mit der Systemwidrigkeit einer Regelung ist die Verfassungswidrigkeit zwar indiziert, aber noch nicht festgestellt.1
I. Grundsatz der Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) 1. Systemgerechtigkeit der Doppelbelastung Die Doppelbelastung eines Vermögenszuganges mit Einkommen- und Erbschaftsteuer erscheint insbesondere vor dem aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz abgeleiteten Leistungsfähigkeitsprinzip problematisch. Wie ausgeführt,2 soll durch das Leistungsfähigkeitsprinzip die Steuerbelastung zwischen allen Steuerpflichtigen gerecht verteilt werden. Dabei wird Leistungsfähigkeit verstanden als Fähigkeit, Steuerleistungen erbringen zu können.3 Neben 1
Ständige Rechtsprechung des BVerfG seit BVerfG 16.12.1958, 1 BvL 3, 4/57, 8/58, BVerfGE 9, 20, 28; siehe u. a. BVerfG v. 27.1.1965, 1 BvR 213, 715/58 u. 66/60, BVerfGE 18, 315, 334; BVerfG v. 7.11.1972, 1 BvR 338/68, BVerfGE 34, 103, 115; BVerfG v. 15.5.1984, 1 BvR 464, 605/81 und 427, 440/82, BVerfGE 67, 70, 84 f.; BVerfG v. 22.2.1984, 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214, 224; siehe auch F. Kirchhof, StuW 2002, S. 185, 189; L. Osterloh, in: Sachs: GG, Art. 3 Rn. 99; R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 127, 134. 2 Siehe D. II. 3 R. Wernsmann, in: Hübschmann/Heinz/Spitaler: AO, § 4 Rn. 488; F. Kirchhof, Die steuerliche Doppelbelastung der Zigaretten (1990), S. 22.
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F. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Doppelbelastung
dem Einkommen gelten aber auch das Vermögen und der Konsum als Indikatoren steuerlicher Leistungsfähigkeit.4 Um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen daher umfassend bzw. richtig zu erfassen, ist das deutsche Steuersystem so konzipiert, dass der Steuerpflichtige nicht nur in der Einkommenserzielungsphase, sondern zumindest5 auch in der Vermögensverwendungsphase mit Steuern belastet wird.6 Denn derjenige, der über Vermögen verfügt, kann dieses auch einsetzen, um seine Bedürfnisse zu befriedigen.7 Die in diesem Konsum zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit soll erfasst werden.8 Eine erst in der Vermögensverwendungsphase eintretende Besteuerung hat unter freiheitsrechtlichen Gesichtspunkten den Vorzug, dass der Steuerpflichtige auf die Frage des „Ob“ und auf die Frage des „Wann“ durch die Konsumentscheidung einen größeren Einfluss nehmen kann als bei der Einkommensbesteuerung, die Konsumbesteuerung entzieht ferner dem Steuerpflichtigen die Geldmittel erst zu einem späteren Zeitpunkt.9 Da allerdings die persönlichen Verhältnisse des Steuerträgers10 bei den meist als indirekte Steuern ausgestalteten Verbrauchssteuern kaum berücksichtigt werden können, lässt sich die Leistungsfähigkeit im Konsum nicht so exakt wie bei den direkten Einkommensteuern im weiteren Sinne bestimmen.11 Daher ist sowohl die alleinige Ausrichtung der Besteuerung nach dem Einkommen als auch die alleinige Ausrichtung der Besteuerung am Konsum zur Erfassung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht geeignet. Vielmehr ist das Vielsteuersystem so auszurichten, dass der Steuerpflichtige sowohl in der Einkommenserzielungs- wie in der Konsumphase belastet wird.12 Die exakte Abstimmung der Steuern auf das Einkommen und auf die Vermögensverwendung zur Erfassung der steuerlichen Leistungsfähigkeit liegt dabei „im verfassunsgeleiteten Ermessen 4
J. Lang, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 4 Rn. 95; R. Wernsmann, in: Hübschmann/Heinz/Spitaler: AO, § 4 Rn. 488, 495. 5 Zur Frage, ob neben der Einkommensbesteuerung zugleich auch eine Vermögensbesteuerung zulässig ist, siehe D. Schneider, StuW 1979, S. 38, 39 ff. 6 J. Lang, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 4 Rn. 94 ff.; F. Kirchhof, Die steuerliche Doppelbelastung der Zigaretten (1990), S. 25. 7 J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel (2008), S. 586. 8 BVerfG v. 6.12.1983, 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325, 347 f.; BVerfG v. 11.10.2005, 1 BvR 1232/00, 1 BvR 2627/03, BVerfGE 114, 316, 334. 9 J. Lang, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 4 Rn. 94, 97; J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel (2008), S. 586. 10 Da Verbrauchssteuern regelmäßig als indirekte Steuern nicht den Steuerschuldner, sondern den Verbraucher als Steuerträger belasten. 11 F. Kirchhof, Die steuerliche Doppelbelastung der Zigaretten (1990), S. 22; C. Seiler, in: Kluth/Krings: Handbuch der Gesetzgebung, B. III. 3. a) (im Erscheinen). 12 Dadurch wird auch gewährleistet, dass sich niemand vollständig der Besteuerung ent ziehen kann, da auch derjenige, der die Steuern in der Phase der Einkommenserzielungsphase hinterzieht, zumindest beim Konsum durch die Steuererhebung belastet wird, siehe J. Lang, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 4 Rn. 94.
I. Grundsatz der Belastungsgleichheit
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des Gesetzgebers“,13 der allerdings sowohl die Gesamtbelastung im Auge behalten muss als auch die Belastung mit indirekten Steuern bei den existenzsichernden Aufwendungen zu berücksichtigen hat.14 Daran zeigt sich, dass die Mehrfachbelastung mit mehreren Steuern eines Steuerpflichtigen im Vielsteuersystem die Regel und nicht die Ausnahme ist, und die Belastung des Steuerpflichtigen mit mehreren Steuern wie z. B. mit Einkommen- und Umsatzsteuer auch vom Gesetzgeber gewollt ist, um die Leistungsfähigkeit zutreffend zu erfassen.15 Die Besonderheit bei der Doppelbelastung mit Einkommen- und Erbschaftsteuer ist, dass hier derselbe Mittelerwerb (Vermögenszugang) mit beiden Steuern beim selben Steuersubjekt belastet wird. Aber auch die Belastung desselben Steuergegenstandes mit mehreren Steuern ist möglich, wie dies die kumulative Belastung von speziellen Konsumgütern mit Umsatz- und weiteren Verbrauchsteuern zeigt.16 Allerdings bedarf die Doppelbelastung eines Steuergegenstandes einer besonderen Rechtfertigung.17 Hierfür kommen eine höhere Leistungsfähigkeit, die sich im Erwerb dieses Vermögensgegenstandes im Vergleich zu einmalig belasteten Vermögensgegenständen ausdrückt, oder Lenkungsziele in Betracht.18 So kann die höhere Besteuerung von Luxusgütern oder Waren des „gehobenen Bedarfs“ gegenüber anderen Waren, die nur mit Umsatzsteuer belastet werden, gerechtfertigt werden, da im Konsum solcher Genuss- und Luxusgüter eine besondere bzw. eine höhere Leistungsfähigkeit zum Ausdruck kommt als im Konsum von Wirtschaftsgütern des täglichen Lebens.19 Die vorherigen Ausführungen zeigen, dass nicht jedes Zusammentreffen verschiedener Steuern die gleichen Fragen und Probleme aufwirft und daher wie folgt zu differenzieren ist20 : 13
J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel (2008), S. 588. P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 2 Rn. A 175, 197. 15 P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 2 Rn. A 196. 16 F. Kirchhof, Die steuerliche Doppelbelastung der Zigaretten (1990), S. 25; P. Ergen zinger, Schenkungsteuergesetz (2012), S. 76. 17 F. Kirchhof, Die steuerliche Doppelbelastung der Zigaretten (1990), S. 24; P. Ergen zinger, Schenkungsteuergesetz (2012), S. 76. 18 F. Kirchhof, Die steuerliche Doppelbelastung der Zigaretten (1990), S. 24. 19 F. Kirchhof, Die steuerliche Doppelbelastung der Zigaretten (1990), S. 30; C. Seiler, in: Kluth/Krings: Handbuch der Gesetzgebung, B. III. 3. a) (im Erscheinen). Damit soll die grundsätzlich berechtigte Kritik von J. Englisch, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 16 Rn. 18 ff. bezüglich. des Fehlens einer im Konsum erhöhten Leistungsfähigkeit bei vielen Verbrauchssteuern nicht in Abrede gestellt werden. 20 Diese notwendige Differenzierung beim Zusammentreffen mehrere Steuerarten fehlt beim BFH (vgl. nur BFH v. 17.2.2010, II R 23/09, BStBl. II 2010, 641). Dies zeigt sich im Verweis auf den Nichtannahmebeschluss des BVerfG (BVerfG v. 8.1.1999 – 1 BvL 14/98, DStR 1999, 146, 150) in dem es um die Frage ging, ob neben den Steuern auf das Einkommen, der Steuerpflichtige auch in der Einkommensverwendungsphase belastet werden darf. Zutreffend T. Keß, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 35b Rn. A 124. 14
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F. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Doppelbelastung
–– zwischen Steuerkollision, die kein Fall der Doppelbesteuerung und Doppel belastung ist, da hier eine Mehrfachbelastung eines Steuergegenstandes bei unterschiedlichen Steuerpflichtigen stattfindet,21 –– zwischen individuell verursachter Steuerkonkurrenz, d. h. einer Doppelbelas tung eines Steuerpflichtigen mit mehreren Steuern bei verschiedenen Steuer gegenständen und –– normativ bedingter Konkurrenz, d. h. die mehrfache Belastung desselben Steuer gegenstandes beim selben Steuerpflichtigen.22 Die Doppelbelastung eines Vermögenszuganges mit Erbschaft- und Einkommensteuer gehört in die Gruppe der normativ bedingten Konkurrenz, da Systembrüche dazu führen, dass die Steuergegenstände in den Fällen der Doppelbelas tung des Erwerbers mit Erbschaft- und Einkommensteuer identisch sind.23 Dies bedeutet, dass diese Doppelbelastung einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Da sowohl Einkommen- als auch Erbschaftsteuer in ihrer grundsätzlichen Ausgestaltung24 Fiskalzwecksteuern sind, kommt eine Rechtfertigung durch Lenkungszwecke nicht in Betracht. Vielmehr ist zu prüfen, ob die Belastung eines Steuerpflichtigen, welcher neben der Erbschaftsteuer auch die latente Einkommensteuer des Rechtsvorgängers zum Zeitpunkt der Realisation zu tragen hat, Ausdruck einer höheren Leistungsfähigkeit im Vergleich zu der Steuerbelastung eines anderen Steuerpflichtigen ist, bei dem der Rechtsvorgänger die latenten Einkünfte noch selbst realisiert hat.
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P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 2 Rn. A 177. Ausführlich hierzu P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 2 Rn. A 177 f.; P. Kirchhof, DStR 1979, S. 275 f.; J. Lang, Systematisierung der Steuervergünstigungen (1974), S. 36 ff. 23 Andere Auffassung P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 2 Rn. A 178, der die Doppelbelastung mit Einkommen- und Erbschaftsteuer bei der Veräußerung eines Unternehmens der individuell verursachten Steuerkonkurrenz zuordnet. Ursächlich hierfür ist vermutlich die verfassungsrechtliche Ableitung des Markteinkommensprinzips. Dagegen weist L. Jesse, Liegen die Einkommensteuer und die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen“? (1992), S. 62 zutreffend auf die Deckungsgleichheit beider Steuergegenstände in dieser Konstellation hin. 24 Es können zwar auch innerhalb einer Fiskalzwecksteuer Regelungen mit Lenkungszwecken aufgenommen werden, wie dies die §§ 13a, 13b ErbStG zeigen (siehe BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 31 ff.). Allerdings ist vorliegend offensichtlich, dass der Gesetzgeber nicht in der Weise lenkend eingreifen wollte, dass er die unentgeltliche Nachfolge erschweren, sondern diese vielmehr erleichtern wollte und dabei allein die Steuern zum Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung im Blick hatte und nicht die, die bei einer späteren Veräußerung bzw. weiteren Realisation entstehen, so dass insoweit Lenkungszwecke nicht zu erörtern sind. 22
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a) Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip aa) Unterschiedliche Gesamtbelastung trotz gleicher Leistungsfähigkeit Wenn sowohl die Erbschaft- als auch die Einkommensteuer an die im Mittel erwerb zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit anknüpfen, ist die Konsequenz, dass mit wachsendem Mittelerwerb auch die Leistungsfähigkeit steigt und damit auch die Steuerbelastung zu steigen hat.25 Umgekehrt müssen Steuerpflichtige, deren Mittelerwerb gleich hoch ist, nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip26 auch gleich hoch besteuert werden. Für den Vergleich der Steuerbelastung eines Steuerpflichtigen, welcher neben der Erbschaftsteuer zusätzlich auch die latente Einkommensteuer des Rechtsvorgängers zum Zeitpunkt der Realisation zu tragen hat, mit der Steuerbelastung eines anderen Steuerpflichtigen, bei der der Rechtsvorgänger die latenten Einkünfte noch selbst realisiert hat, soll beispielhaft der unentgeltliche Betriebsübergang nach § 6 Abs. 3 EStG an einen Abkömmling untersucht werden. Eine höhere Gesamtbelastung des einen Steuerpflichtigen gegenüber dem anderen, müsste auf einen höheren Mittelerwerb zurückzuführen sein. Ein gleich hoher Mittelwerb müsste dagegen zu einer gleich hohen Besteuerung führen. Wird ein Einzelunternehmen unentgeltlich übertragen, so hat der Rechtsnachfolger die Buchwerte des bisherigen Betriebsinhabers anzusetzen mit der Folge, dass die stillen Reserven auf den Rechtsnachfolger übergehen27 und er diese erst zum Zeitpunkt einer eigenen Realisation einkommensteuerlich zu versteuern hat. Diese stillen Reserven waren aber auch schon Bestandteil der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage, so dass der Mittelerwerb und der damit verbundene Zuwachs an steuerlicher Leistungsfähigkeit bereits erfasst wurden. Die stillen Reserven werden daher doppelt besteuert und der Steuerpflichtige ist bezüglich dieser stillen Reserven doppelt belastet.28 Diese unentgeltliche Betriebsübertragung lässt sich allerdings auch anders29 gestalten. Zumindest im Wege der vorweggenommenen Erbfolge besteht die Möglichkeit, dass der Rechtsvorgänger, anstatt das Unternehmen an den Rechtsnachfolger unentgeltlich zu übertragen, dieses an den Rechtsnachfolger zum Verkehrswert veräußert und dem Rechtsnachfolger den erforderlichen Kaufpreis 25 Die Ausgestaltung der Progression liegt dabei wiederum im verfassungsgeleiteten Ermessen des Gesetzgebers. 26 D. h. ungeachtet der Vorgaben des Art. 6 GG oder anders formuliert: die zu vergleichen den Erwerber müssen das gleiche Näheverhältnis zum Rechtsvorgänger aufweisen. 27 Die bisherigen stillen Reserven des Rechtsvorgängers werden sozusagen zu stillen Reserven des Rechtsnachfolgers. 28 Ausführlich hierzu C. I. 29 Zum Vergleich sind nur Konstellationen geeignet, in welchen dasselbe Vermögen übergeht. Daher sind die meisten Gestaltungsvarianten, die in der Praxis üblich sind (z. B. Zurückbehaltung eines wesentlichen Betriebsgrundstückes), für den Vergleich nicht geeignet.
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unentgeltlich zuwendet.30 Die anschließende Veräußerung löst nur insoweit Einkommensteuer aus, inwieweit der Rechtsnachfolger eigene stille Reserven gebildet hat. Mit den stillen Reserven des Rechtsvorgängers ist der Rechtsnachfolger nicht belastet, da die Realisation und Versteuerung noch durch den Rechtsvorgänger erfolgt.31 In beiden Fällen erhält der Erwerber im Endeffekt das Unternehmen unentgeltlich zugewendet. Im ersten Fall direkt, im zweiten Fall erwirbt der Erwerber das Unternehmen im Rahmen des sogenannten Schenkungskaufes. Die Gestaltung der Unternehmensübertragung in Form des Schenkungskaufes hat für den Rechtsvorgänger zur Folge, dass dieser den Veräußerungsgewinn bezüglich des Unternehmens einkommensteuerlich zu versteuern hat. Wenn der Unternehmer diese Einkommensteuerschuld nicht aus seinem Privatvermögen begleichen kann oder möchte, dann hat er zwei Möglichkeiten, die Einkommensteuerschuld zu finanzieren. Entweder er entnimmt dem Betriebsvermögen des Unternehmens Liquidität32 in Höhe der zu erwartenden33 Einkommensteuerschuld oder er nimmt ein betriebliches Darlehen in entsprechender Höhe auf.34 Beide Gestaltungsmöglichkeiten haben zur Folge, dass der Wert des über gehenden Betriebes sich um die Einkommensteuerschuld bzw. um die Liquidität, die dem Betrieb entzogen wird, gemindert ist. Der Rechtsnachfolger ist nur um den Nettowert des Betriebes bereichert. Plastisch lässt sich die unterschiedliche Gesamtbelastung in Zahlen darstellen: Wenn das Einzelunternehmen einen Buchwert von 1 Million und einen Verkehrswert von 2 Millionen hat, zu welchem der Rechtsnachfolger dieses anschließend 30
Siehe hierzu C. Heinz, Vermögensübergänge im Spannungsfeld von Erbschaftsteuer und Einkommensteuer (2003), S. 265 ff. 31 Ähnlich stellt sich die Lage bei einer Betriebsaufgabe durch den Schenker und anschließenden unentgeltlichen Übertragung der Vermögensgegenstände dar. Hierbei ist allerdings ein Wechsel der Vermögensgegenstände vom Betriebsvermögen ins Privatvermögen beim Betriebsinhaber verbunden, so dass trotz gleicher Vermögensgegenstände nicht von einem „going concern“ ausgegangen werden kann. Daher wurde eine Fallkonstellation gewählt, in welcher sich der Vermögensübergang vom Betriebsvermögen des einen Steuerpflichtigen in das Betriebsvermögen eines anderen Steuerpflichtigen vollzieht. 32 Entweder durch die Entnahme von Barmitteln oder durch die Veräußerung von Wirtschaftsgütern. 33 Die Einkommensteuer entsteht erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in welchem der Betriebsinhaber den Betrieb veräußert, § 36 Abs. 1 EStG. 34 Bei der Betriebsübergabe mit entsprechender Schuldübernahme ist zu berücksichtigen, dass von einer gemischten Schenkung auszugehen ist, wobei hier allerdings nicht die Darlehensverbindlichkeit abgezogen wird (so die neue Regel, siehe R E 7.4 ErbStR 2011), sondern vielmehr schon im Rahmen der Wertermittlung des Unternehmenswerts die Darlehens verbindlichkeit berücksichtigt wird. Zur Förderung des Leseflusses wurde auf diese Differenzierungen im Rahmen des Leistungsfähigkeitsprinzips verzichtet. Siehe zur Wertermittlung G. I. 5. b) sowie zur Betriebsübergabe gegen Schuldübernahme D. Gebel, in: Troll/ Gebel/Jülicher: ErbStG, § 7 Rn. 219 ff.
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auch veräußert, so ergibt sich in der ersten Konstellation eine Gesamtsteuerbelastung beim Rechtsnachfolger von 690.000 EUR (240.000 EUR Erbschaftsteuer35 + 450.000 EUR Einkommensteuer36). Geht man davon aus, dass der Rechtsvorgänger denselben Steuersatz von 45 % zu zahlen hat37, so beträgt in der zweiten Konstellation der Wert des übergehenden Unternehmens lediglich 1,55 Millionen EUR, da die Einkommensteuerschuld entweder als Schuld den Wert des Unternehmens mindert oder der Unternehmenswert entsprechend durch den Entzug von Liquidität niedriger ausfällt. Der Rechtsnachfolger hat in diesem Fall lediglich die Bereicherung von 1,55 Millionen EUR zu versteuern, was zu einer Erbschaftsteuerschuld von 172.500 EUR führt.38 In der ersten Konstellation beträgt die Gesamtbelastung also 690.000 EUR, während die Gesamtbelastung des Betriebsüberganges in der zweiten Konstellation 622.500 EUR beträgt,39 obwohl in beiden Fällen wirtschaftlich gesehen dasselbe Unternehmen übergeht. Für die unterschiedliche Steuerbelastung ist der Umstand verantwortlich, dass in der zweiten Konstellation die Einkommensteuerschuld in der Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer berücksichtigt wird, während in der ersten Konstellation eine Berücksichtigung unterbleibt und damit eine Bereicherung beim Erwerber fingiert wird, die bei diesem gar nicht eingetreten ist, da die tatsächliche Bereicherung beim Erwerber nur in Höhe des Nettovermögenszuwachs gegeben ist. Damit verstößt die Nichtberücksichtigung der latenten Einkommensteuer gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz und steht mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht im Einklang. bb) Rechtfertigungsmöglichkeit Zu klären ist, ob es zu rechtfertigen ist, dass der gleiche Mittelerwerb und der damit verbundene Zuwachs an Leistungsfähigkeit zu einer solch unterschiedlichen 35 Bereicherung gem. § 10 Abs. 1 ErbStG in Höhe von 2 Millionen EUR, abzüglich eines Freibetrages von 400.000 EUR gem. § 16 ErbStG und einen Steuersatz von 15 % gem. § 19 Abs. 1 ErbStG im Rahmen der Steuerklasse I gem. § 15 Abs. 1 ErbStG. 36 Bei einem Veräußerungsgewinn von 1 Million und einem Steuersatz von 45 % ohne Berücksichtigung der §§ 16 Abs. 4, 34 EStG (weitere Einkünfte wurden unterstellt, so dass weder das Existenzminimum noch unterschiedliche Tarifzonen berücksichtigt worden sind). 37 Oder man ersetzt den Übergang eines Einzelunternehmens durch Wertpapiere im Privatvermögen, da hier der gleiche Steuersatz von 25 % gem. § 32d gewährleistet ist, soweit kein Antrag gem. § 32Abs. 6 auf individuelle Veranlagung gestellt wird. 38 Bereicherung gem. § 10 Abs. 1 ErbStG in Höhe von 1,55 Millionen EUR, abzüglich eines Freibetrages von 400.000 EUR gem. § 16 ErbStG und einen Steuersatz von 15 % gem. § 19 Abs. 1 ErbStG im Rahmen der Steuerklasse I gem. § 15 Abs. 1 ErbStG. 39 450.000 Einkommensteuer + 172.500 EUR Erbschaftsteuer.
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Gesamtbelastung des Vermögenszuwachses für den Erwerber führt, je nachdem, ob der Rechtsvorgänger die latenten Einkünfte noch selbst realisiert bzw. diese ihm noch selbst zufließen oder nicht. Dabei ist zunächst zu klären, welcher Maßstab für die Rechtfertigung bei einem Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip anzuwenden ist. Da das Leistungsfähigkeitsprinzip aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz abgeleitet wird, stellt sich die Frage, ob Verstöße gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip lediglich einer Willkürkontrolle oder einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nach der „Neuen Formel“40 standhalten müssen. Je mehr sich der Eingriff in Art. 3 Abs. 1 GG auf die Ausübung von Freiheitsrechten nachteilig auswirkt, umso intensiver wird die Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt.41 Da sich sowohl Einkommensteuer als auch Erbschaftsteuer in erheblichem Maße auf die Freiheit des Steuerpflichtigen auswirken (siehe oben), ist bei einem Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip eine intensive Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen.42 Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz ist jedenfalls verletzt, „wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt“.43 Zudem ist Art. 3 Abs. 1 GG auch dann verletzt, „wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können“.44 (1) Allgemeine Rechtfertigung der Doppelbelastung mit der unterbliebenen einkommensteuerlichen Erfassung beim Rechtsvorgänger Auf den ersten Blick liegt es nahe, die Doppelbelastung des gleichen Erwerbs des Bereicherten mit Erbschaft- und Einkommensteuer mit der unterbliebenen Besteuerung des Rechtsvorgängers zu rechtfertigen.45 Allerdings wurde schon ausführlich dargelegt, dass sowohl die Einkommenals auch die Erbschaftsteuer Personensteuern sind, die die individuelle Leistungs fähigkeit des Steuerpflichtigen erfassen wollen, so dass eine personenübergreifende Betrachtungsweise nicht möglich ist. 40
BVerfG v. 07.10.1980, 1 BvL 50, 89, 240/79, BVerfGE 55, 72, 88. BVerfG v. 06.07.2004, 1 BvL 4, 5, 6/97, BVerfGE 111, S. 160, 169; L. Osterloh, in: Sachs: GG, Art. 3 Rn. 25 ff. 42 F. Kirchhof, StuW 2002, S. 185, 187; P. Ergenzinger, Schenkungsteuergesetz (2012), S. 31, allerdings allgemein für Abweichungen vom Leistungsfähigkeitsprinzip bei Steuern. 43 Ständige Rechtsprechung seit BVerfG v. 23.10.1951, 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, 14, 52. 44 BVerfG v. 4.12.2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27, 46. 45 So R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 127, 159. 41
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(2) Rechtfertigungsmöglichkeit im Rahmen des unentgeltlichen Betriebsvermögensübergangs Wenn der Gesetzgeber zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge bzw. der Umstrukturierung von Mitunternehmerschaften trotz Entstrickung auf eine sofortige Gewinnrealisierung durch Bewertungsvorschriften wie § 6 Abs. 3 EStG oder § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG verzichtet, da anders als bei der Veräußerung dem Über tragenden keine Liquidität zufließt, so kann mit diesen Erwägungen bzw. durch die damit verbundenen Gemeinwohlgründe46 der Verzicht auf die Besteuerung der stillen Reserven beim ursprünglichen Betriebsinhaber begründet werden. Mit diesen Erwägungen kann aber eine über die Leistungsfähigkeit hinausgehende Besteuerung des Rechtsnachfolgers nicht gerechtfertigt werden. Vielmehr muss die Steuerbelastung des Rechtsnachfolgers losgelöst von der Besteuerung des Rechtsvorgängers betrachtet werden. Ein Rechtfertigungsgrund, der eine übermäßige, d. h. eine über die Leistungsfähigkeit hinausgehende Belastung beim Rechtsnachfolger gegenüber anderen Rechtsnachfolgern rechtfertigt, deren Erwerb nicht mit latenten Ertragssteuern des Rechtsvorgängers belastet ist, ist aber nicht ersichtlich. Eine Gesamtbetrachtung verbietet sich. Auch wenn der Erwerber von der unterbliebenen Einkommensbesteuerung beim Rechtsvorgänger in der Weise profitiert, dass das übergehende Vermögen entsprechend größer sein kann47 und im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ein Stundungseffekt gegeben ist, bleibt es dabei, dass Einkommen- und Erbschaftsteuer Personensteuern sind, die an die im Vermögenszugang zum Ausdruck kommende individuelle Leistungsfähigkeit anknüpfen. Der höhere Vermögenszuwachs beim Erwerber führt daher auch zu einer höheren Erbschaftsteuer.48
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Die Gemeinwohlgründe bei § 6 Abs. 3 EStG decken sich mit denen der §§ 13a, 13b ErbStG, da beide Regelungen die unentgeltliche Unternehmensnachfolge im Auge haben. Dazu gehört die „Erhaltung der Unternehmen als Garanten von Arbeitsplätzen, als Stätten des produktiven Wachstums und in ihrer gesellschaftlichen Funktion als Ort beruflicher und sozialer Qualifikation“, Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge v. 3.11.06, BR-Drs. 778/06, S. 13 sowie Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (Erbschaftsteuerreformgesetz – ErbStRG) v. 28.1.2008, BTDrs. 16/7918, S. 33. 47 Dies ist allerdings nicht zwingend. Dies wird bei der Einzelrechtsnachfolge durch Schenkung besonders deutlich. 48 Damit ist nicht gesagt, dass auf die einkommensteuerliche Erfassung der stillen Reserven verzichtet werden muss. In diesem Fall ist allerdings entweder zu berücksichtigen, dass der derivative Mittelwerb um die latente Einkommensteuer niedriger war oder aber es ist zu berücksichtigen, dass die später zufließenden Einkünfte schon im Rahmen der Erbschaftsteuer erfasst wurden. Nur die Nichtberücksichtigung dieser geminderten Leistungsfähigkeit ist verfassungsrechtlich unzulässig. Zu den Lösungsmöglichkeiten, siehe G.
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(3) Rechtfertigungsmöglichkeit bei privaten Einkünften In den Fällen des §§ 17 Abs. 2 Satz 5, 20 Abs. 4 Satz 6, 23 Abs. 1 Satz 3 EStG ist die Doppelbelastung des Rechtsnachfolgers mit Erbschaft- und Einkommensteuer noch schwieriger zu rechtfertigen, da in diesen Konstellationen nicht einmal ein Realisationstatbestand beim Rechtsvorgänger gegeben ist.49 Denn von den §§ 17, 20 Abs. 2 und 23 EStG werden nur Veräußerungen und veräußerungsgleiche Vorgänge erfasst, wozu die unentgeltliche Übertragung nicht gehört.50 Die Ansetzung der Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers beruht allein auf dem Grund, die Erfassung der stillen Reserven im Rahmen der Einkommensbesteuerung zu sichern und damit die vom Gesetzgeber beabsichtigte Gleichbehandlung von wesentlich beteiligten Anteilseignern gegenüber Mitunternehmern zu gewährleisten.51 Dabei ist die unterschiedliche Behandlung von steuerverstrickten Wirtschaftsgütern im Privatvermögen gegenüber steuerverstrickten Wirtschaftsgütern im Betriebsvermögen Folge des Nebeneinanders der Quellen- und Reinvermögenszugangstheorie und des schon erwähnten Dualismus bei der Ermittlung der Einkünfte als Gewinn- und Überschusseinkünfte.52 Da die Gewinneinkünfte der Reinvermögenszugangstheorie folgen, wird jegliche Vermögensmehrung innerhalb einer Periode erfasst. Dies wird bei der unentgeltlichen Übertragung auf einen Rechtsnachfolger durch die Realisationstatbestände der Entnahme und Betriebsaufgabe gewährleistet,53 wovon im Rahmen des § 6 Abs. 3 EStG und § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG aus den dargelegten Gründen abgewichen wird.54 Dagegen beruhen die Überschusseinkünfte auf der Quellentheorie, wonach nur die Früchte, also die Einkünfte, die aus der Quelle resultieren, zu erfassen sind und der Vermögensstamm für die Besteuerung außen vor bleibt. Durch die §§ 17, 23 und 20 Abs. 2 EStG wird dieser Grundsatz der Quellentheorie durchbrochen und auch der Vermögensstamm der Besteuerung unterworfen.55 Veräußert ein Steuerpflichtiger ein durch die §§ 17, 20 und 23 EStG steuerverstricktes Wirtschaftsgut, so ist der dabei entstandene Gewinn bzw. Überschuss ausnahmsweise steuerbar. Damit findet über die §§ 17, 20 und 23 EStG auch im Rahmen der Privatsphäre
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Siehe auch E. V. Siehe nur D. Gosch, in: Kirchhof: EStG, § 17 Rn. 59 f. zu § 17 EStG; G. Stuhrmann, in: Blümich/Ebling: EStG, § 20 Rn. 351, 354 zu § 20 EStG; H. Glenk, in: Blümich/Ebling: EStG, § 23 Rn. 121 zu § 23 EStG. Siehe hierzu auch E. IV. 51 Für § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG, die Anpassungen in § 23 Abs. 1 Satz 3 und 20 Abs. 4 Satz 6 EStG haben sich an dieser Konzeption orientiert. Ausführlich hierzu Siehe E. III. 2. 52 F. Kirchhof, Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts (2001), Rn. 135; D. Birk, Steuerrecht (2011), Rn. 608 ff. 53 Ausführlich hierzu C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 4 Rn. B 40 f.; B 58 und B 108 ff. 54 Siehe E. IV. 1. 55 D. Birk, Steuerrecht (2011), Rn. 611. 50
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eine Annäherung an die Reinvermögenszugangstheorie statt.56 Außerhalb dieser Durchbrechungen bleibt es beim Grundsatz, dass Wertsteigerungen im Privat vermögen nicht steuerbar sind.57 Da der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Steuergegenstandes einen weiten Gestaltungsspielraum hat,58 ist eine über die Quellentheorie hinausgehende Erfassung von Wertsteigerungen im Privatvermögen durchaus möglich. Wenn die Einkommensteuer sich konsequent am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen auszurichten hat,59 ist die Einbeziehung von privaten Veräußerungsgewinnen in den Steuergegenstand unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden, da diese Gewinne die Leistungsfähigkeit des Steuer pflichtigen erhöhen.60 Durch die Zurechnung der Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers beim Rechtsnachfolger wird aber der Steuergegenstand der Einkommensteuer nicht in der Weise erweitert, wie es unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten erfolgen müsste. Die durch den derivativen Erwerb des Vermögensgegenstandes eingetretene Erhöhung der Leistungsfähigkeit wird durch die daran anknüpfende Erbschaftsteuer erfasst. Eine darüber hinausgehende Leistungsfähigkeit, die beim Rechtsnachfolger durch den Ansatz der Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers erfasst werden könnte, ist nicht gegeben. Wie ausgeführt,61 stellen die stillen Reserven schon erwirtschaftetes, aber noch nicht realisiertes Einkommen dar. Erwirtschaftet hat dieses Einkommen der Rechtsvorgänger, mit der Folge, dass nach dem Grundsatz der Individualbesteuerung und dem Subjektsteuerprinzip dieser diese stillen Reserven auch zu versteuern gehabt hätte. Dies bedeutet, dass eine Erweiterung des Einkommensteuergegenstands so ausgestaltet werden müsste, dass dieses erwirtschaftete Einkommen beim Rechtsvorgänger zum Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung erfasst wird. Bezüglich der Erfassung der stillen Reserven des Rechtsvorgängers beim Rechtsnachfolger durch die Zurechnung der Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers kann auf die Feststellungen zur Buchwertverknüpfung verwiesen werden. Sowohl die Einkommen- als auch die Erbschaftsteuer sind Personensteuern, die die individuelle steuerliche Leistungsfähigkeit erfassen wollen. Mit der un 56 W. Jakob, Einkommensteuer (2008), Rn. 524. Für eine umfassendere Ausrichtung an der Reinvermögenszugangstheorie D. Schneider, DStR 1998, S. 1287, 1288. 57 W. Jakob, Einkommensteuer (2008), Rn. 64. 58 BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 136; BVerfG v. 4.12.2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27, 47; BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 30 59 Beschlussfassung des 57. Deutscher Juristentag, Sitzungsberichte, 1988, N. 211; K. Tipke, JuS 1985, S. 345, 347. 60 D. Schneider, DStR 1998, S. 1287 spricht plastisch von „Killerviren steuerlicher Gerechtigkeit“ bei einer unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten unterschiedlichen Besteuerung wirtschaftlich vergleichbarer Sachverhalte. 61 Siehe E. IV. 1.
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terbliebenen Besteuerung der stillen Reserven beim Rechtsvorgänger kann daher eine doppelte Erfassung eines Erwerbs und des damit verbundenen einmaligen Zuwachses an Leistungsfähigkeit beim Rechtsnachfolger nicht gerechtfertigt werden. Entsprechendes gilt für die rückständigen Forderungen im Sinne des § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG und andere wiederkehrende Bezüge. Der einmalige Vermögenszufluss beim Rechtsnachfolger rechtfertigt lediglich die einmalige Erfassung des damit verbundenen Zuwachses an steuerlicher Leistungsfähigkeit. Die unterbliebene Besteuerung beim Rechtsvorgänger kann einen weiteren Zugriff beim Rechtsnachfolger nicht rechtfertigen. 2. Zwischenergebnis Die Doppelbesteuerung der latenten Einkünfte beim Rechtsnachfolger mit Erbschaft- und Einkommensteuer verstößt gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip und kann nicht gerechtfertigt werden, mit der Folge, dass der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt ist.
II. Vereinbarkeit der Doppelbelastung mit der Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) Weiter ist zu prüfen, ob die Doppelbelastung eines Vermögenszugangs mit Einkommen- und Erbschaftsteuer mit der Eigentums- und Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar ist. Dafür ist zunächst zu klären, ob sowohl die Einkommen- als auch die Erbschaftsteuer in den Schutzbereich des Art. 14 GG fallen. In einem weiteren Schritt ist dann zu analysieren, ob Einkommen- und Erbschaftsteuer isoliert auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 14 GG zu überprüfen sind oder ob die kumulierte Steuerbelastung mit Einkommen- und Erbschaftsteuer zu berücksichtigen ist. 1. Eingriff in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie durch die Einkommensbesteuerung Steuern als hoheitliche, zwangsweise auferlegte Geldleistungspflicht greifen unbestritten in die Freiheit des Steuerpflichtigen ein. Bis heute ist allerdings nicht abschließend geklärt, ob der mit dem Steuerzugriff bewirkte Vermögensentzug in den Schutzbereich des Art. 14 GG fällt oder lediglich an der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG zu messen ist. Das BVerfG vertrat lange Zeit die Auffassung, dass öffentlich-rechtliche Ab gaben und Steuerpflichten nicht in den Schutzbereich des Art. 14 GG fallen, da
II. Vereinbarkeit der Doppelbelastung mit der Eigentumsgarantie
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dieser nicht das Vermögen als solches schütze.62 Nur dann, wenn die Steuer den Steuerpflichtigen übermäßig belaste, d. h. eine erdrosselnde Wirkung habe, könne die Eigentumsgarantie verletzt sein.63 Die neuere Rechtsprechung des BVerfG ist dagegen nicht einheitlich. Während der Erste Senat64 weiterhin darauf beharrt, dass Art. 14 GG nicht vor Auferlegung von Geldleistungspflichten schütze, vertritt der Zweite Senat65 seit einigen Jahren die Auffassung, dass der Schutzbereich des Art. 14 GG eröffnet sein kann. Auch die Literatur ist gespalten. Vereinzelt wird immer noch die Auffassung vertreten, dass der Schutzbereich Art. 14 GG nicht eröffnet sei, es sei denn die Steuerbelastung habe konfiskatorische bzw. erdrosselnde Wirkung.66 Demgegenüber teilt das überwiegende Schrifttum die Auffassung des Zweiten Senats des BVerfG, dass bei der Auferlegung von Steuern als Geldleistungspflicht der Schutzbereich des Art. 14 GG eröffnet sein kann. Allerdings variieren die dogmatischen Ansätze zur Begründung der Eröffnung des Schutzbereiches von Art. 14 GG zum Teil erheblich,67 wobei häufig mehrere Ansätze kombiniert werden. Zum Teil wird die Eröffnung des Schutzbereiches von Art. 14 GG mit der Notwendigkeit des Grundrechtsschutzes durch Art. 14 GG gegen den permanenten Staatseingriff befürwortet. Durch Art. 14 GG solle dem Bürger ein staatsfreier Raum offen gehalten werden, in dem sich der Steuerpflichtige ohne staatliche Einmischung selbst verwirklichen können soll. Bei einer exzessiven Steuerbelastung könne die Freiheitssphäre der Bürger ausgehöhlt werden, wenn der Schutz durch Art. 14 GG versagt werde.68 Eng hiermit verbunden ist ein weiterer Ansatz, der die Funktion des Art. 14 GG in den Vordergrund stellt. Danach sei die Funktion des Art. 14 GG, den Schutz 62
BVerfG v. 20.7.1954, 1 BvR 459/52, BVerfGE 4, 7, 17; BVerfG v. 29.7.1959, 1 BvR 394/58, BVerfGE 10, 89, 116; BVerfG v. 25.2.1960, 1 BvR 239/52, BVerfGE 10, 354, 371; BVerfG v. 10.5.1960, 1 BvR 190/58, 1 BvR 363/58, 1 BvR 401/58, 1 BvR 409/58, 1 BvR 471/58, BVerfGE 11, 105, 126; BVerfG v. 24.9.1965, 1 BvR 228/65, BVerfGE 19, 119, 128 f.; BVerfG v. 14.5.1968, 2 BvR 544/63, BVerfGE 23, 288, 314 f. 63 BVerfG v. 24.7.1962, 2 BvL 15, 16/61, BVerfGE 14, 221, 241; BVerfG v. 7.10.196, 2 BvL 3/66 und 2 BvR 701/64, BVerGE 27, 111, 131; BVerfG v. 31.5.1988, 1 BvL 22/85, BVerfGE 78, 232, 243; BVerfG v. 29.11.1989, 1BvR 1402, 1528/87, BVerfGE 81, 108, 122. 64 BVerfGE v. 12.10.1994, 1 BvL 19/90, BVerfGE 91, 207, 220; BVerfG v. 8.4.1997, 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267, 300; BVerfG v. 12.11.1997, 1 BvR 479/92 und 307/94, BVerfGE 96, 375, 397. 65 BVerfG v. 25.9.1992, 2 BvL 5,8, 14/91, BVerfGE 87, 153, 169; BVerfGE 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 137; BVerfG v. 18.5.2004, 2 BvR 2374/99, BVerfGE 110, 370, 394; BVerfGE v. 18.1.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, 114 f. 66 J. Wieland, in: Ebling: DStJG 24 (2001), S. 29, 38 ff.; R. Wernsmann, in: Hübschmann/ Heinz/Spitaler: AO, § 4 Rn. 545, 549. 67 Ausführlich hierzu J. Englisch, StuW 2003, S. 237 ff., der zwischen fünf unterschiedliche Ansätzen differenziert. 68 F. Kirchhof, in: Handbuch der Grundrechte, § 59 Rn. 48; R. Herzog, in: 75 Jahre Reichsfinanzhof--Bundesfinanzhof (1993), S. 105, 111; B. Schmidt-Bleibtreu/H.-J. Schäfer, DöV 1980, S. 489, 491.
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F. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Doppelbelastung
des Bürgers in ökonomischer Hinsicht zu gewährleisten.69 In diese Freiheit werde durch die Auferlegung einer Geldleistungspflicht genauso eingegriffen wie durch den konkreten Entzug einer Geldforderung.70 Die Eigentumsfreiheit des Art. 14 GG sei danach primär als Eigentümerfreiheit zu verstehen.71 Die durch den Steuereingriff bewirkte Vermögensbelastung habe zur Folge, dass die Freiheit des Eigen tümers, frei und autonom zu verfügen, unmittelbar eingeschränkt werde.72 Andere sehen in der Eigentumsgarantie zugleich eine Vermögenswertgarantie. Aus der Erkenntnis, dass Bargeld und die Inhaberschaft von Forderungen in den Schutzbereich des Art. 14 GG fallen, wird der Schluss gezogen, dass dann der Vermögenswert jedes einzelnen Gegenstandes in den Schutzbereich des Art. 14 GG fallen müsse, da nur so die Eigentumsfunktion und somit der Schutzgegenstand der Eigentumsgarantie erfüllt werden kann.73 Ein weiterer Ansatz orientiert sich enger an den von Art. 14 GG unstreitig geschützten vermögenswerten Rechten. Die mit den Steuern auferlegte Geld leistungspflicht begründe zwar nur eine Geldsummenschuld. Zur Begleichung müsse der Steuerpflichtige aber konkrete Vermögenswerte, die durch Art. 14 GG geschützt werden, aufgeben oder übertragen.74 Zum Teil wird dabei das Voll streckungsverfahren in die Argumentation einbezogen. Bei Nichtbegleichung der Steuerschuld durch den Steuerpflichtigen würde in konkrete Eigentums gegenstände des Steuerpflichtigen vollstreckt, wodurch unstreitig in die Eigentumsfreiheit eingegriffen werden würde. Der Grundrechtsschutz dürfe aber nicht danach variieren, ob der Steuerpflichtige seine Steuerschuld freiwillig begleicht oder sich seiner Steuerpflicht widersetzt.75 Zuletzt wird darauf verwiesen, dass bei zahlreichen Steuerpflichten an die Innehabung und Nutzung des Eigentums angeknüpft werde.76 So sei von Art. 14 GG nicht nur der Eigentumsbestand geschützt, sondern dieser beinhalte auch eine Be 69 M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem (1994), S. 92 ff.; F. Kirchhof, in: Handbuch der Grundrechte, § 59 Rn. 49; ähnlich P. Selmer, Steuerinterven tionismus und Verfassungsrecht (1972), S. 315. 70 M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem (1994), S. 92 f. 71 P. Kirchhof, in: Korinek/Müller/Schlaich: VVDStRL 39 (1981), S. 213, 233 f.; F. Kirchhof, in: Handbuch der Grundrechte, § 59 Rn. 49. 72 M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem (1994), S. 93. 73 H. v. Armin, in: Korinek/Müller/Schlaich: VVDStRL 39 (1981), S. 286, 301; K. Friauf, Juristische Analysen 1970, 299, 308. 74 R. Seer, in: Pelka: DStJG 23 (2000), S. 87, 99; F. Kirchhof, in: Handbuch der Grundrechte, § 59 Rn. 50; P. Kirchhof, in: Korinek/Müller/Schlaich: VVDStRL 39 (1981), S. 236 ff.; H. v. Armin, in: Korinek/Müller/Schlaich: VVDStRL 39 (1981), S. 301. 75 F. Kirchhof, StuW 2002, S. 185, 191; F. Kirchhof, in: Handbuch der Grundrechte, § 59 Rn. 51; R. Herzog, in: 75 Jahre Reichsfinanzhof-Bundesfinanzhof (1993), S. 105, 111. 76 H.-J. Papier, Der Staat 1970, S. 483, 498 f.; M. Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz (1970), S. 47 f.; J. Faehling, Die Eigentumsgewährung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung (1965), S. 96; W.-R. Schenke, in: Polter/Burkei: Festschrift Armbruster (1976), S. 177, 190.
II. Vereinbarkeit der Doppelbelastung mit der Eigentumsgarantie
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standsgarantie in der Form, dass der Eigentümer sein Eigentum etwa durch Vermietung, Belastung oder Veräußerung nutzen kann.77 Wenn von Art. 14 GG das Recht geschützt sei, dieses gewinnbringend zu nutzen, so würde der Gewinn aus diesem Fruchtnutzungsrecht durch die Einkommensteuer in nicht unerheblichem Maße gemindert.78 Der ganze Streit darüber, ob bei der Auferlegung von Abgaben der Schutz bereich des Art. 14 GG eröffnet ist, krankt daran, dass größtenteils bei dieser Frage abstrakt versucht wird, die grundrechtliche Relevanz des Art. 14 GG bei Abgabenpflichten zu bestimmen, ohne zu berücksichtigen, dass die einzelnen Steuerarten ganz unterschiedlich ausgestaltet sind. Dabei liegt es nahe, dass die Frage, ob der Schutzbereich des Art. 14 GG eröffnet ist, auch von der Ausgestaltung der einzelnen Steuerarten abhängt. So wird bei der Umsatzsteuer oder anderen besonderen Verbrauchsteuern der Steuerpflichtige bei der Einkommensverwendung indirekt besteuert, während die Einkommen- und Erbschaftsteuer direkt an den Mittelerwerb des Steuerpflichtigen anknüpfen. Es liegt auf der Hand, dass die unterschiedliche Ausgestaltung der Steuerarten auch zur Folge hat, dass nicht alle dogmatischen Ansätze zur Begründung der Eröffnung des Schutzbereiches des Art. 14 GG gleich geeignet sind und jeder Steuerzugriff jeweils für sich an der Eigentumsfreiheit zu messen ist. Für die vorliegende Arbeit muss nicht geklärt werden, ob durch die Auferlegung jeglicher Abgabenpflicht der Schutzbereich des Art. 14 GG eröffnet ist. Vielmehr ist allein von Bedeutung, ob bei der Einkommen- und Erbschaftsbesteuerung der Schutzbereich des Art. 14 GG tangiert wird. Für die Frage, ob durch die Einkommensbesteuerung in die Eigentumsfreiheit eingegriffen wird, ist zuerst zu klären, wie der Eigentumsbegriff des Art. 14 GG zu verstehen ist. Als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG werden „alle vermögenswerten subjektiven Rechte verstanden, die ihrem Inhaber von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf“.79 Darunter fallen auch Forderungen wie Kaufpreisansprüche oder steuerliche Erstattungsansprüche. Der Einkommensteuer unterliegen bereits erzielte Einkünfte des Steuerpflichtigen. Diese Einkünfte sind konkrete vermögenswerte Rechtspositionen, die in den Schutzbereich des Art. 14 GG fallen. Der Arbeitnehmer hat nach seiner ver-
77 H.-J. Papier, Der Staat 1970, S. 483, 498 f.; P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht (1972), S. 346. 78 P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht (1972), S. 346; H.-J. Papier, Der Staat 1970, S. 483, 498; F. Kirchhof, in: Handbuch der Grundrechte, § 59 Rn. 50. 79 BVerfG v. 9.1.1991, 1 BvR 929/89, BVerfGE 83, 201, 208 f.; W. Leisner, in: Isensee/ Kirchhof: HStR (2010), § 173 Rn. 10; B.-O. Bryde, in: von Münch/Kunig: GG, Art. 14 Rn. 11; O. Depenheuer, in: von Mangoldt/Klein/Starck: GG, Art. 14 Rn. 11.
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richteten Arbeit eine Gehaltsforderung gegenüber dem Arbeitgeber; der Wohnraumvermieter hat für die Überlassung des Wohnraums eine Forderung gegenüber dem Mieter in Höhe des vereinbarten Mietzinses, der Rechtsanwalt hat nach Beratung gegenüber seinem Mandanten eine Honorarforderung etc.80 Diese Forderungen fallen in den Schutzbereich des Art. 14 GG. Durch die Einkommensbesteuerung greift der Staat auf diese konkreten vermögenswerten Rechts positionen zu und entzieht dem Steuerpflichtigen einen Teil des Vermögenswerts durch die Besteuerung.81 Die Einkommensbesteuerung greift gerade nicht auf einen jährlich zu schätzenden Vermögenswertzuwachs zu, sondern belastet die Summe der durch Art. 14 GG geschützten Einkünfte.82 Der Belastungsgrund der Einkommensteuer ist also nicht die Verfügungsgewalt über ein Gesamtvermögen, sondern das Erwirtschaften konkreter, in Rechtspositionen verdichteter Einkünfte.83 Der häufig vorgebrachte Einwand gegen diesen Ansatz, dass die Anknüpfung der Einkommensbesteuerung an diese von Art. 14 GG geschützten konkreten vermögenswerten Rechtspostionen nichts daran ändere, dass die Steuerschuld nur eine Geldsummenschuld begründe und der Steuerpflichtige die durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition nicht aufgeben müsse,84 berücksichtigt nicht aus reichend, dass das von Art. 14 GG geschützte Hinzuerworbene Anknüpfungspunkt für die Einkommensteuerbelastung bleibt. Mit der Auferlegung der Steuer ist die Entscheidung, dass konkrete Wertgegenstände aufzugeben sind, schon getroffen. Dem Steuerpflichtigen bleibt allein die Entscheidungsmöglichkeit, welche konkrete Eigentumsposition er aufgeben will.85 Damit lässt sich weder die Er öffnung des Schutzbereiches des Art. 14 GG bei der Einkommensbesteuerung noch der mittelbare Eingriff in die geschützten Eigentumspostionen verneinen. Denn heute ist allgemein anerkannt, dass nicht nur Rechtsakte des Staates, welche final, unmittelbar, und imperativ wirken, einen Grundrechtseingriff darstellen (klassischer Eingriffsbegriff), sondern jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, welches in den Schutzbereich des Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht, unabhängig davon, ob diese Wirkung final oder
80 BVerfG v. 18.1.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, 111; R. Seer, in: Pelka: DStJG 23 (2000), S. 87, 99; P. Kirchhof, in: Korinek/Müller/Schlaich: VVDStRL 39 (1981), S. 213, 237. 81 BVerfG v. 18.1.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, 111; P. Kirchhof, in: Korinek/ Müller/Schlaich: VVDStRL 39 (1981), S. 213, 237 f. 82 P. Kirchhof, in: Korinek/Müller/Schlaich: VVDStRL 39 (1981), S. 213, 237; P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 2 Rn. A 162. 83 BVerfG v. 18.1.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, 111; P. Kirchhof, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff: EStG, § 2 Rn. A 162. 84 So J. Englisch, StuW 2003, 237, 242; ähnlich P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht (1972), S. 308 f. 85 BVerfG v. 18.1.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, 111; F. Kirchhof, in: Handbuch der Grundrechte, § 59 Rn. 50.
II. Vereinbarkeit der Doppelbelastung mit der Eigentumsgarantie
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unbeabsichtigt, unmittelbar oder mittelbar, rechtlich oder tatsächlich, mit oder ohne Zwang erfolgt (erweiterter Eingriffsbegriff).86 Auch die weiteren Voraussetzungen der Zurechenbarkeit und Vorhersehbarkeit für den erweiterten Grundrechtseingriff liegen vor, da der gesamte Besteuerungsprozess vom Staat ausgeht und für den Staat ohne weiteres erkennbar ist, dass er in konkrete von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtspositionen eingreift.87 2. Eingriff in die Eigentumsfreiheit des Erwerbers durch die Erbschaftsbesteuerung Bis jetzt wurde unter dem Begriff der Erbschaftsteuer sowohl die Erbschaft- als auch die Schenkungsteuer behandelt, da gem. § 1 Abs. 2 ErbStG die Vorschriften zum Erwerb von Todes wegen auch für Schenkungen gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist. Auch die Rechtfertigung des Steuerzugriffs ist bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer identisch, nämlich der Zuwachs an steuerlicher Leistungsfähigkeit,88 unabhängig davon, ob dieser Zuwachs von Todes wegen oder unter Lebenden erfolgt. Diese einheitliche Behandlung von Erbschaft- und Schenkungsteuer muss im Rahmen der Würdigung der Vorgaben und Grenzen des Art. 14 Abs. 1 GG für die Erbschaft- und Schenkungsbesteuerung nun aufgegeben werden. Wie sich schon aus dem Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 GG ergibt, schützt Art. 14 GG sowohl das Erbrecht als auch das Eigentum. Während beim Erwerb von Todes wegen sich damit offensichtlich Fragen der Vereinbarkeit und Grenzen der Erbschaftsbesteuerung mit der Erbrechtsgarantie stellen, kann die Erbrechtsgarantie bei Schenkungen mangels Erbfall nicht betroffen sein, sondern allenfalls das Eigentum. Daher sollen die Vorgaben und Grenzen der Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 GG getrennt analysiert werden.
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BVerfG v. 24.5.2005, 1 BvR 1072/01, BVerfGE 113, 63, 76 f .; F.-J. Peine, in: Merten/Papier: HGR (2008), § 57 Rn. 31; B. Pieroth/B. Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, Rn. 251 ff.; V. Epping, Grundrechte (2010), Rn. 378 ff. Die Subsumtion unter den klassischen Grundrechtsbegriff ist wohl bis heute die Ursache für die ablehnende Haltung bzgl. der Einschlägigkeit von Art. 14 GG. Dies wird besonders deutlich bei R. Wernsmann, in: Hübschmann/ Heinz/Spitaler: AO, § 4 Rn. 557, der sich ausdrücklich auf den klassischen Grundrechts eingriffsbegriff bezieht und die Hürden in Rn. 555 für einen mittelbaren faktischen Eingriff deutlich höher ansetzt. Dagegen zutreffend BVerfG v. 18.1.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, 111. 87 Siehe hierzu D. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip (1982), S. 198 f.; V. Epping, Grundrechte (2010), Rn. 380 f. Ein Rechtsakt und die Imperativität liegen bei der Einkommens besteuerung unproblematisch vor. 88 Siehe hierzu P. Ergenzinger, Schenkungsteuergesetz (2012), S. 36 f.
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a) Erbschaftsteuer aa) Die Testierfreiheit des Erblassers als zentrales Element der Erbrechtsgarantie Beim Erwerb von Todes wegen sind mit dem Erblasser und dem Erben zwei Personenkreise betroffen. Grundrechtsträger des Erbrechts des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG ist in erster Linie der Erblasser.89 Zentrales Element der verfassungsrechtlichen Erbrechtsgarantie ist dabei die Testierfreiheit des Erblassers. Diese beinhaltet das Recht des Erblassers, durch letztwillige Verfügung eine von der gesetzlichen Erbfolge abweichende Vermögensübertragung nach seinen persön lichen Wünschen und Willen anzuordnen, insbesondere auch gesetzliche Erben von der Erbfolge auszuschließen und diese wertmäßig auf den gesetzlichen Pflichtteil zu beschränken, sofern diese pflichtteilsberechtigt sind.90 bb) Einbeziehung des Erwerbers in den Schutzbereich der Erbrechtsgarantie zur Sicherung des Erwerbsvorganges von Todes wegen Für die hier zu klärende Frage, ob derselbe Erwerb sowohl der Erbschaft- als auch der Einkommensteuer unterliegen darf, ist dagegen von besonderer Bedeutung, ob auch der Erwerber in den Schutzbereich des Art. 14 Abs.1 GG fällt, da bei diesem die Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer entsteht. Die Einbeziehung des Erben in den Schutzbereich der Erbrechtsgarantie ist heute anerkannt.91 Der tragende Grund hierfür ist, dass ansonsten eine Lücke im Grundrechtsschutz entstehen würde, wenn nicht auch der Erbe in den Schutz bereich des Art. 14 Abs. 1 GG fallen würde. Da mit dem Tod des Erblassers dessen Grundrechtsfähigkeit und damit auch sein Grundrechtsschutz endet, wäre das Recht des Vererbens nicht gewährleistet, wenn nicht auch der Erwerb des Erben von der Erbrechtsgarantie geschützt wäre. Die Einbeziehung des Erben ist also erforderlich, um den Vermögensübergang vom Erblasser zum Erben zu gewähr leisten. Der Erbrechtsschutz des Erblassers lässt sich damit nicht vom Eigentumserwerbsrecht des Erben trennen, da beide zusammen untrennbare Bestandteile der grundrechtlichen Erbrechtsfreiheit sind.92 89 BVerfG v. 30.10.2010, 1 BvR 3196/09 u. a., NJW 2011, 366, 367; BVerfG v. 14.12.1994, 1 BvR 720/90, BVerfGE 91, 346, 358; P. Axer, in: Epping/Hillgruber: GG, Art. 14 Rn. 146. 90 BVerfG v. 19.4.2005, 1 BvR 1644/00, 1 BvR 188/03, BVerfGE 112, 332, 349; BVerfG v. 3.11.1981, 1 BvL 11/77, 1 BvL 85/78, 1 BvR 47/81, BVerfGE 58, 377, 398. 91 BVerfG v. 22.06.1995, 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165, 174; R. Wendt, in: Sachs: GG, Art. 14 Rn. 194; H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig: GG, Art. 14 Rn. 297; O. Kimminich, in: Dolzer: BK GG, Art. 14 Rn. 125. 92 BVerfG v. 22.06.1995, 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, S. 165, 174; R. Wendt, in: Sachs: GG, Art. 14 Rn. 194; H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig: GG, Art. 14 Rn. 297; O. Kimminich, in: Dolzer: BK GG, Art. 14 Rn. 125.
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Die Unzertrennlichkeit des Rechts des Erblassers, Vermögen zu vererben, vom Recht des Erben Vermögen zu erben ist dadurch bedingt, dass das Erbrecht die Vermögensübertragung vom Erblasser an den Erben durch Erbfolge als Rechtsvorgang gewährleisten will. Aus dem Umstand, dass der Grundrechtsschutz des Erblassers mit dessen Tod endet, folgt, dass der Erbe spätestens mit dem Erbfall sich auf sein Erbrecht berufen können muss, damit der Vermögensübergang vom Erblasser auf den Erben gewährleistet ist.93 Da mit der Testierfreiheit aber primär die Freiheit des Erblassers geschützt werden soll, durch letztwillige Verfügung die Erbfolge nach seinen Wünschen anzuordnen,94 ist für den zukünftigen Erben der Schutzbereich erst dann eröffnet, wenn dieser eine Rechtsposition erlangt hat, die diesem nicht mehr einseitig entzogen werden kann und sich seine Rechtsstellung derart verdichtet hat, dass zivilrechtlich von einer Anwartschaft gesprochen werden kann.95 cc) Erbschaftsteuer als Steuer auf das neu hinzuerworbene Eigentum Für die Frage, ob die Doppelbelastung eines Vermögenszuganges mit Einkommen- und Erbschaftsteuer mit Art. 14 GG vereinbar ist, stehen allerdings nicht die grundrechtlichen Vorgaben für den Schutz des Erwerbsvorganges in Form der Erbfolge im Mittelpunkt, vielmehr ist klärungsbedürftig, ob die Erbschaftsteuer als Steuer auf das Einkommen in den Bestand der durch Erbfall erworbene Eigentumspositionen des Erben eingreift. Zur Einkommensteuer wurde bereits herausgearbeitet, dass mit dieser in den Bestand bereits erwirtschafteter konkreter Rechtspositionen eingegriffen wird. In den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG fallen sowohl neu hinzuerworbene Eigentumspositionen als auch Rechtspositionen, die dem Eigentümer schon für einen längeren Zeitraum zugeordnet sind.96 Wenn aber sowohl die Einkommen- als auch die Erbschaftsteuer in ihrer jetzigen Ausgestaltung als Erbanfallsteuer an den im Einkommen zum Ausdruck kommenden Leistungsfähigkeitszuwachs anknüpfen und sich nur im Grund des Leis-
93 BVerfG v. 21.2.2000, 1 BvR 1937/97, NJW 2000, 2495, 2496; BVerfG v. 19.1.1999, 1 BvR 2161/94, BVerfGE 99, 341, 349; BVerfG v. 14.12.1994, 1 BvR 720/90, BVerfGE 91, 346, 360. 94 BVerfG v. 19.4.2005, 1 BvR 1644/00, 1 BvR 188/03, BVerfGE 112, 332, 349; BVerfG v. 3.11.1981, 1 BvL 11/77, 1 BvL 85/78, 1 BvR 47/81, BVerfGE 58, 377, 398. 95 BVerfG v. 21.2.2000, 1 BvR 1937/97, NJW 2000, 2495, 2496. 96 Besonders plastisch P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof: HStR, 1999, 2. Aufl., § 88 Rn. 96: „Auch die Besteuerung des neu hinzuerworbenen Eigentums (Einkommen) […] erfaßt nicht „werdendes Eigentum“, sondern das in individueller Zuordnung rechtlich verfestigte Wirtschaftsgut.“
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tungsfähigkeitszuwachses unterscheiden, liegt es nahe, dass mit der Besteuerung bei beiden in den Bestand der neu hinzuerworbenen Eigentumspositionen eingegriffen wird. Denn für Art. 14 Abs. 1 GG ist unerheblich, ob die Eigentumsposition durch den entgeltlichen Leistungsaustausch am Markt erwirtschaftet worden ist oder ob der Eigentümer diese Eigentumsposition unentgeltlich durch Erbfall erhalten hat. Der unterschiedliche Grund des Leistungsfähigkeitszuwachses ist nur für den Steuertatbestand wesentlich, nicht für den Eigentumsschutz. Damit wird durch die Erbschaftsteuer genauso wie mit der Einkommensteuer in den Bestand der neu hinzuerworbenen Eigentumspositionen eingegriffen.97 b) Schenkungsteuer als Steuer auf das neu hinzuerworbene Eigentum Mit der Erkenntnis, dass sowohl mit der Einkommen- als auch mit der Erbschaftsteuer in den Bestand des neu hinzuerworbenen Eigentums eingegriffen wird, lässt sich auch der Eingriff durch die Besteuerung von freigebigen Zuwendungen als Eingriff in das neu hinzuerworbene Eigentum qualifizieren.98 Erbschaft- und Schenkungsteuer unterscheiden sich in dem Punkt allein dadurch, dass die Erbschaftsteuer das durch Erbanfall erworbene Eigentum belastet, während die Schenkungsteuer das durch freigebige Zuwendung unter Lebenden erworbene Eigentum belastet.99 Ob in den Bestand des durch Erbfall neu erworbenen Eigentums oder durch eine freigebige Zuwendung erworbene Eigentum eingegriffen wird, hat für die Eröffnung des Schutzbereiches der Eigentumsgarantie aber keine Relevanz. c) Zwischenergebnis Die vorhergehende Analyse der Relevanz des Art. 14 GG für die Einkommensund Erbschaftsbesteuerung hat vor allem zwei Erkenntnisse gebracht. Speziell beim Erwerb von Todes muss zwischen der Frage, ob der Erwerbsvorgang durch Erbfolge als Rechtsvorgang grundrechtsrelevant ist, und der Frage, ob durch die Erbschaftsteuer in den Bestand des durch Erbfall erworbenen Eigentums des Erben eingegriffen wird, unterschieden werden.
97 Ähnlich P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof: HStR (1999), 2. Aufl., § 88 Rn. 96; M. Schubert (2011), S. 202, allerdings allein für die Schenkungsteuer gegen den Beschenkten während er die dabei gewonnene Erkenntnis nicht auf den Erben ausdrücklich erstreckt. 98 Im Ergebnis ebenso M. Schubert (2011), S. 202. 99 Eine andere Frage ist, ob der Eigentumserwerbsvorgang durch Schenkung den gleichen grundrechtlichen Schutz genießt wie der Eigentumserwerbsvorgang durch Erbanfall. Siehe hierzu M. Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz (1970), S. 46 ff.; P. Ergenzinger, Schenkungsteuergesetz (2012), S. 110 f.
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Der Vermögensübergang vom Erblasser auf den Erben durch Erbfolge wird durch die Erbrechtsgarantie geschützt. Die Erbrechtsgarantie ergänzt insoweit das Eigentum als Seitenstück,100 um die Vermögensübertagung vom Erblasser auf den Erben zu gewährleisten. Denn ohne Ergänzung des Eigentums durch das Erbrecht wäre dieser Vermögensübergang nicht umfassend geschützt, da Grundrechts fähigkeit und Grundrechtsschutz des Erblassers mit dessen Tod untergehen, ohne dass der Eigentumserwerb beim Erben gesichert wäre.101 Mit der Erbschaftsteuer wird dagegen an die durch den Erbfall neu hinzu erworbenen Eigentumspositionen angeknüpft. In diesem Punkt unterscheiden sich Einkommen-, Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht. Alle drei knüpfen an die im Vermögenszugang zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit an und greifen in den Bestand des neu hinzuerworbenen Eigentums ein. Die unterschiedlichen Gründe des Leistungsfähigkeitszuwachses spielen für den Eigentumsschutz keine Rolle, sondern sind für die einfachgesetzlichen Steuertatbestände wesentlich. Allerdings stehen Erbrechtsgarantie und Eigentumsgarantie nicht völlig isoliert nebeneinander, sondern sind eng miteinander verzahnt. Denn wenn die durch Erbanfall erworbene und mit Erbschaftsteuer belasteten Eigentumspositionen übermäßig beeinträchtigt werden, dann ist auch der Vermögensübergang vom Erb lasser an den Erben als Rechtsvorgang nicht mehr gewährleistet, da faktisch kein Vermögen durch Erbanfall als zuwendbare Masse übergeht. Diese Verklammerung der Eigentums- und Erbrechtsgarantie wird auch in den Ausführungen des BVerfG deutlich, wenn einerseits darauf hingewiesen wird, dass die Erbschaftsteuer die zugewendeten Vermögenswerte [(Eigentumspositionen)] nicht grundlegend beeinträchtigen darf, und andererseits hervorgehoben wird, dass die Erbschaftsteuer „das Vererben [(Übertragung als Rechtsvorgang)] vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Eigentümers nicht als ökonomisch sinnlos erscheinen lassen [darf].“102 3. Doppelbelastung eines Vermögenszuganges mit Einkommen- und Erbschaftsteuer als Eingriff in dieselbe Eigentumsposition Für die Frage, ob die Doppelbelastung eines Vermögenszuganges mit Einkommen- und Erbschaftsteuer mit der Eigentumsgarantie zu vereinen ist, ist zu klären, ob dieselbe Eigentumsposition durch die kumulierte Steuerbelastung mit beiden Steuern betroffen ist. Wenn dies zu bejahen ist, so muss die Gesamtbelastung 100
F. Kirchhof, in: Handbuch der Grundrechte, § 59 Rn. 56. Ähnlich W. Leisner, in: Isensee/Kirchhof: HStR (2010), § 174 Rn. 4; W. Leisner, Verfassungsrechtliche Grenzen der Erbschaftsbesteuerung (1970), S. 73. 102 BVerfG v. 22.06.1995, 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, S. 165, 172, unter Bezugnahme auf H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig: GG, Art. Rn. 304 (damals Rn. 297). 101
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F. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Doppelbelastung
mit Einkommen- und Erbschaftsteuer auf ihre Vereinbarkeit mit der Eigentumsfreiheit überprüft werden. Regelmäßig sind die Eigentumspositionen, die bei der Einkommen- und Erbschaftsteuer betroffen sind, nicht identisch. Dies ist auf die unterschiedlichen Steuergegenstände der beiden Steuerarten zurückzuführen. Die Einkommensteuer knüpft an konkrete, individuelle erwirtschaftete Eigentumspositionen wie z. B. die Gehaltsforderung oder die Forderung aus Vermietung und Verpachtung an (siehe oben).103 Bei der Erbschaftsteuer ist dagegen die Eigentumsposition betroffen, die der Erbe oder Beschenkte durch den Übertragungsvorgang erhalten hat. Dies hat zur Folge, dass in den Bestand unterschiedlicher Eigentumspostionen eingegriffen wird. Anders ist die Situation allerdings in den hier zu untersuchenden Fällen der Doppelbelastung eines Erwerbs mit Erbschaft- und Einkommensteuer, in denen sich die Steuergegenstände von Einkommen- und Erbschaftsteuer überschneiden. In diesen Fällen wird in die Eigentumsposition, die der Bereicherte durch Erwerb von Todes wegen oder durch Schenkung erhalten hat, durch die Ein kommensbesteuerung ein weiteres Mal eingegriffen. Im systematischen Teil der Arbeit wurde dargelegt, dass die Einkommensteuer als Personensteuer dem Grundsatz der Individualbesteuerung folgt und die Person, die die Einkünfte erwirtschaftet hat, diese auch versteuern muss.104 In den Fällen, in denen es zur Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer kommt, wird dieser Grundsatz durchbrochen. Hier hat der Rechtsnachfolger Einkünfte, die der Rechtsvorgänger erwirtschaftet aber noch nicht versteuert hat, einkommensteuerlich zu versteuern.105 Insoweit wird die Ertragsbesteuerung, die beim Rechtsvorgänger unterblieben ist, beim Erben bzw. Beschenkten nachgeholt.106 In diesen Konstellationen wird nicht an den am Markt erwirtschafteten Leistungsfähigkeitszuwachs des Erwerbers angeknüpft, Anknüpfungspunkt für die Einkommensbesteuerung ist hier vielmehr die Realisation bzw. der Zufluss der durch Erbanfall oder Schenkung übergegangenen – in Rechtspositionen verdichteter – Einkünfte, deren Besteuerung beim Rechtsvorgänger unterblieben ist. Dieser Besteuerung kann er nur entgehen, indem er die Vermögensgegenstände, die latent
103
Siehe F. I. 2. Siehe E. I. 1. sowie E. IV. 1. c). 105 BFH v. 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608, 614: „So hat der Rechtsvorgänger mit der Anschaffung der (aktiven) Wirtschaftsgüter sowie der Bildung der in deren Buchwertansätzen ruhenden stillen Reserven den Grundstein dafür gelegt, dass der die Buchwerte fortführende unentgeltliche Betriebsübernehmer im Fall der späteren Erfüllung eines Realisationstatbestandes (Veräußerung, Betriebsveräußerung) oder Ersatzrealisationstatbe standes (Entnahme, Betriebsaufgabe) oder über die Minder-AfA betriebliche Einkünfte erzielt.“ 106 R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 127, 159. 104
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mit der Einkommensteuer belastet sind, selbst wieder vererbt oder durch Schenkung weitergibt oder den Vermögensgegenstand verliert.107 Dies bedeutet, dass in diesen Fällen die konkrete Eigentumsposition, die durch Erbfall oder Schenkung an den Bereicherten übertragen wird, identisch ist mit der Eigentumsposition, die später bei der Realisation bzw. dem Zufluss zu weiteren einkommensteuerbaren Einkünften führt. Daraus folgt, dass die Erbschaftsteuer- und Einkommensteuerbelastung nicht isoliert an der Eigentumsfreiheit zu messen sind; vielmehr ist zu prüfen, ob die Gesamtbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer mit der Eigentumsfreiheit vereinbar ist, da beide Steuern in dieselbe Eigentumsposition eingreifen. In letzter Zeit wurde die Frage, ob verschiedene staatliche Eingriffe, die jeweils für sich allein verfassungsrechtlich gerechtfertigt sind, kumulativ auf die Ver fassungsmäßigkeit der Gesamtbelastung zu überprüfen sind, unter dem Begriff des „additiven Grundrechtseingriffs“ diskutiert.108 Dabei sind die Details und Folgen eines solchen additiven Grundrechtseingriffs noch völlig unklar. So ist ungeklärt, ob lediglich diejenigen Eingriffe zu einem Gesamteingriff zusammengefasst und gewürdigt werden müssen, die den Grundrechtsträger im selben Grundrecht beeinträchtigen und die Eingriffe dem gleichen Zweck dienen müssen109 oder ob auch Eingriffe mit unterschiedlichen Eingriffszwecken in unterschiedliche Grundrechte auf die grundrechtliche Zumutbarkeit in einer Prüfung addiert werden müssen.110 Für die Überprüfung der Gesamtbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer können diese Fragen offen bleiben, da beide Steuern Fiskalzwecksteuern sind, die nicht nur dasselbe Grundrecht, sondern dieselbe Eigentumsposition betreffen.111 107
Abgesehen der Auflösung der Verstrickung durch Zeitablauf bei § 23 EStG. J. Lücke, DVBl. 2001, S. 1469 ff.; BVerfG v. 12.4.2005, 2 BvR 581/01, BVerfGE 112, 304, 320; BVerfG v. 13.09.2005, 2 BvF 2/03, BVerfGE 114, 196, 247; BVerfG v. 10.6.2009, 1 BvR 706, 814, 819, 832, 837/08, BVerfGE 123, 186, 265 f., BSG v. 21.01.2009, B 12 R 11/06 R, NZS 2010, S. 30, 32; sowie G. Kirchhof, NJW 2006, S. 732 ff. und N. Bernsdorff, SGb 2011, S. 121 ff., die der Wortwahl des additiven Grundrechtseingriffs aber kritisch gegenüberstehen und daher von einer kumulierten Belastung sprechen. 109 So J. Lücke, DVBl. 2001, S. 1469, 1470. 110 In diese Richtung G. Kirchhof, NJW 2006, S. 732, 734. 111 Zweifeln könnte man am Vorliegen der Voraussetzungen eines additiven Grundrechtseingriffs, wenn die Wirkung der Eingriffe gleichzeitig sein muss (so G. Kirchhof, NJW 2006, S. 732, 734), da Erbschaft- und Einkommensteuer zu unterschiedlichen Zeitpunkten entstehen. Allerdings ist wie ausgeführt, in den Fällen der Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer schon zum Zeitpunkt des unentgeltlichen Vermögensübergang die Einkommensteuerbelastung vorgegeben, nur auf den Zeitpunkt hat der Steuerpflichtige noch Einfluss. Damit wirkt der Eingriff durch die Erbschaftsteuer fort. Dass die Gleichzeitigkeit bzw. Fortwirkung in dem Zusammenhang anders zu verstehen ist, zeigt sich allein daran, dass G. Kirchhof, NJW 2006, S. 732, 733 und J. Lücke, DVBl. 2001, S. 1469, 1475 f. die kumulierte Gesamtsteuerbelastung zu den additiven Grundrechtseingriffen zählen, obwohl die unterschiedlichen Steuerschulden zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten entstehen. 108
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Der additive Grundrechtseingriff ist dabei – im Anschluss nach der punktuellen Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Einzelmaßnahme – ein weiterer Prüfungspunkt, bei dem die vorangegangenen Grundrechtseingriffe im Rahmen der Verhältnismäßigkeit mitberücksichtigt werden.112 Die Notwendigkeit der Überprüfung der Gesamtbelastung mehrerer Grundrechtseingriffe folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips und findet auch in Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 GG eine Stütze.113 Nach dieser Vorschrift ist bei der Festsetzung der Umsatzsteueranteile von Bund und Ländern eine Überbelastung der Steuerpflichtigen zu vermeiden. Aus dieser Vorschrift ergibt sich nach dem BVerfG, dass die Vermeidung einer Überbelastung als verfassungsgerechter Grundsatz zu gelten hat.114 Zum Teil wird auch dem Art. 103 Abs. 3 GG das Verbot einer übermäßigen Gesamtbelastung entnommen.115 4. Gesetzesvorbehalt Mit der Bejahung eines Eingriffes in den Schutzbereich des Art. 14 GG ist noch nichts darüber ausgesagt, dass die Eigentumsgarantie auch verletzt ist. Vielmehr bedarf der Eingriff der Rechtfertigung.116 Die Eigentumsfreiheit wird nicht vorbehaltslos gewährleistet, sondern steht unter einem einheitlichen Gesetzes vorbehalt.117 Art. 14 Abs. 2 GG dient dabei als Richtschnur für den Gesetzgeber zur Ausgestaltung dieses Gesetzesvorbehalts. Der Gesetzgeber hat also im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmung auch die Sozialbindung des Eigentums zu beachten und setzt damit der Privatnützigkeit des Eigentums auch Grenzen.118 Eigentumsfreiheit und Staatsfinanzierung durch Steuern als besondere Ausprägung der Sozialbindung des Eigentums bedingen sich daher gegenseitig.119 Der Steuergesetzgeber hat daher einfachge 112 J. Lücke, DVBl. 2001, S. 1469, 1476; P. Ergenzinger, Schenkungsteuergesetz (2012), S. 78. 113 J. Lücke, DVBl. 2001, S. 1469, 1477; P. Ergenzinger, Schenkungsteuergesetz (2012), S. 79. 114 BVerfG v. 18.01.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, 115 f. 115 So J. Lücke, DVBl. 2001, S. 1469, 1477; P. Ergenzinger, Schenkungsteuergesetz (2012), S. 79. 116 R. Seer, in: Pelka: DStJG 23 (2000), S. 87, 100 f. 117 H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig: GG, Art. 14 Rn. 306; W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums (1972), S. 44; W. Leisner, DVBl. 1983, S. 61, 67; so auch BVerfG v, 30.11.1988, 1 BvR 1301/84, BVerfGE 79, 174, 198; anders wohl noch BVerfG v. 17.11.1966, 1 BvL 10/61, BVerfGE 20, 351, 361. 118 BVerfG v. 1.3.1979, 1 BvR 532/77, 1 BvR 533/77, 1 BvR 419/78, 1 BvL 21/78, BVerfGE 50, 290, 339 f.; BVerfG v. 10.3.1981, 1 BvR 92/71, 1 BvR 96/71, BVerfGE 56, 249, 260; BVerfG v. 15.7.1981, 1 BvL 77/78, BVerfGE 58, 300, 338; H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig: GG, Art. 14 Rn. 306. 119 M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem (1994), S. 62 f.; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof: HStR (2007), § 118 Rn. 124.
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setzlich die Steuergesetze so auszugestalten, dass sowohl die Privatnützigkeit des Eigentums als auch der Steueranspruch des Staates als besondere Ausprägung der Sozialbindung des Eigentums gewährleistet wird.120 5. Quantitative Begrenzung des Steuereingriffs – insbesondere der Halbteilungsgrundsatz Wie bei allen Freiheitsgrundrechten mit Gesetzesvorbehalt wird der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Schrankenbestimmung durch die allgemeinen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit – dem Übermaßverbot – begrenzt.121 Allerdings versagt das Übermaßverbot als Kontrollmaßstab regelmäßig bei Finanzzwecksteuern, da weder die Geeignetheit noch die Erforderlichkeit höherer Steuern für ein höheres Steueraufkommen in Frage gestellt werden können.122 Lediglich der Prüfungspunkt der Zumutbarkeit, unabhängig davon, ob man diesen als Teil der Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne oder als eigenständigen, personenbezogenen und wertungsmäßigen Prüfungsmaßstab ansieht,123 kann der Besteuerung Grenzen setzen, ohne dabei aber eine konturenscharfe und quantifizierbare Belastungsobergrenze bestimmen zu können.124 Daher stellt sich die Frage, ob dem Art. 14 GG selbst eine quantifizierbare Belastungsobergrenze für die Besteuerung entnommen werden kann. In diese Richtung ging die Entscheidung des Zweiten Senats des BVerfG zur Vermögensteuer. In dieser Entscheidung leitete der Senat aus dem Wort „zugleich“ in Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG ab, dass die Vermögensteuer zu den übrigen Ertragssteuern nur hinzutreten dürfe, wenn die „Gesamtbelastung des Sollertrags bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand“ verbleibe.125
120
BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 138; BVerfG v. 18.1.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, 111; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof: HStR (2007), § 118 Rn. 124; R. Seer, in: Pelka: DStJG 23 (2000), S. 101. 121 BVerfG v. 18.1.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, 113 f.; R. Seer, in: Pelka: DStJG 23 (2000), S. 87, 102 f. 122 H.-J. Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip (1973), S. 78; D. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip (1982), S. 189; F. Kirchhof, in: Handbuch der Grundrechte, § 59 Rn. 36; R. Seer, in: Pelka: DStJG 23 (2000), S. 103. 123 Siehe zu dieser Fragestellung D. Merten, in: Merten/Papier: HGR (2008), § 68 Rn. 75 f.; M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem (1994), S. 61; P. Selmer, AöR 1976, S. 415 f. 124 F. Kirchhof, in: Handbuch der Grundrechte, § 59 Rn. 36; M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem (1994), S. 61. 125 BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 138.
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Allerdings hat diese Entscheidung mehr Fragen aufgeworfen als gelöst,126 so dass die Resonanz auf die Entscheidung sehr geteilt ausgefallen ist.127 Der Zweite Senat jedenfalls rückte in der darauffolgenden Entscheidung zu einer zulässigen Belastungsobergrenze mit Einkommen- und Gewerbesteuer von diesem Halbteilungsgrundsatz wieder ab.128 Aufgrund der Verwerfung des Halbteilungsgrundsatzes durch das BVerfG sollen die Kritikpunkte an diesem Grundsatz nur kurz wiedergegeben werden: Das Wort „zugleich“ in Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG sei nicht im Sinne einer zahlenmäßigen Relation, sondern eher als räumliches oder zeitliches Nebeneinander zwischen der Privatnützigkeit und Sozialbindung des Eigentums zu verstehen.129 Des Weiteren müsse dann in dem Zusammenhang auch das Wort „soll“ berücksichtigt werden, so dass dann dem Staat nicht nur eine Belastungsobergrenze, sondern auch eine hälftige Regelbesteuerung zukommen müsse.130 Zudem ist die Eigentumsnutzungsbeschränkung in Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG nicht auf Steuerzugriffe beschränkt, sondern soll vielmehr allgemein als Eigentumsnutzungsbeschränkung verstanden werden.131 Neben dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck des Art. 14 GG spricht gegen eine starre Belastungsobergrenze auch der Umstand, dass die Steuerbelastung nicht nur durch die Höhe des Steuersatzes, sondern auch immens von der Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage abhängt.132 Auch ist zu keinem Zeitpunkt beim Halbteilungsgrundsatz klar geworden, ob in die Gesamtsteuerbelastung sämtliche Steuern, nur die Ertragsteuern oder nur einzelne Ertragsteuern einbezogen werden sollen. Die Ermittlung einer exakten Gesamtsteuerbelastung eines Steuerpflichtigen ist allerdings allein aufgrund der zahlreichen indirekten Steuern, bei denen Steuerschuldner und Steuerträger auseinanderfallen, nicht möglich, da die Erfassung der indirekten Steuern nur bei den Steuerschuldnern, nicht aber bei den Steuerträgern als tatsächlich Belasteten sichergestellt ist. Allerdings verbietet es sich, die Gesamtbelastung allein an den direkten Ertragsteuern zu messen, da gerade die Bezieher von kleineren Einkommen durch die direkten Steuern wie Einkommenoder Erbschaftsteuer kaum betroffen sind, während sie sich der Umsatzsteuer und weiterer Verbrauchsteuern aufgrund einer hohen Konsumquote des Einkommens nicht entziehen können und durch die Verbrauchssteuern daher in hohem Umfang 126 K. Tipke, Die Steuerordnung, Bd. I (2000), § 8, S. 446; R. Seer, in: Pelka: DStJG 23 (2000), S. 87, 108. 127 Zustimmend J. Lang, NJW 2000, S. 457 ff.; R. Seer, FR 1999, S. 1280, 1282; ablehnend D. Birk, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 7, 20 f.; K. Tipke, MDR 1995, S. 1177, 1179; J. Wieland, in: Ebling: DStJG 24 (2001), S. 29, 37 ff.; H. Weber-Grellet, BB 1996, S. 1415, 1417 f. 128 BVerfG v. 18.1.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, 114. 129 K. Tipke, Die Steuerordnung, Bd. I (2000), § 8, S. 452; T. Beyer, Freiheitsrechte als Kontrollmaßstab für die Einkommensbesteuerung (2004), S. 147 f. 130 T. Beyer, Freiheitsrechte als Kontrollmaßstab für die Einkommensbesteuerung (2004), S. 148; K. Tipke, Die Steuerordnung, Bd. I (2000), § 8, S. 453. 131 K. Tipke, Die Steuerordnung, Bd. I (2000), § 8, S. 452. 132 BVerfG v. 18.1.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, 116.
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belastet werden können.133 Aufgrund dieser Gesichtspunkte kann es keine quantitative abstrakte Obergrenze im Sinne einer Halbteilung des Eigentums zwischen Privatnützigkeit und Sozialbindung geben. Vielmehr muss jeder Steuereingriff im Einzelfall konkret auf die Wahrung der Zumutbarkeitsgrenze überprüft werden, welche im Rahmen einer Abwägung zwischen staatlichem Finanzbedarf und individuellen Eigentumsinteressen ermittelt werden muss, auch wenn diese Zumutbarkeitsgrenze nicht die Konturenschärfe besitzt, die der Halbteilungsgrundsatz zumindest auf den ersten Blick hat. 6. Verstoß gegen die Eigentumsgarantie Nachdem geklärt ist, dass die kumulierte Steuerbelastung eines Vermögens zuganges mit Einkommen- und Erbschaftsteuer in dieselbe Eigentumsposition eingreift und die Vorgaben für eine Belastungsobergrenze erörtert wurden, ist nun im Folgenden zu prüfen, ob die Doppelbelastung eines Vermögenszuganges konkret gegen die Eigentumsfreiheit verstößt. Während die Prüfung, ob die Doppelbelastung eines Erwerbers mit Erbschaftund Einkommensteuer mit dem Gleichheitsgrundsatz zu vereinen ist, regelmäßig einen Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip ergibt, da nur ein die Leistungsfähigkeit erhöhender Vermögenszugang stattgefunden hat, ist die Verletzung der Eigentumsgarantie durch die Gesamtbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer nur bei höheren Vermögenszugängen möglich, da hier aufgrund des progressiven Tarifes eine entsprechend hohe Steuer entsteht. Als Beispiel soll die freigebige Zuwendung einer Kommanditbeteiligung im Rahmen der Steuerklasse III134 mit anschließender Veräußerung durch den Erwerber dienen. Der Verkehrswert und damit auch der Veräußerungspreis der Kommanditbeteiligung soll einen Wert von 21 Millionen EUR haben, die Anschaffungskosten beim Rechtsvorgänger sollen bei 1 Million gelegen haben. In diesem Fall hat der Rechtsnachfolger den derivativen Erwerb in Höhe von 21 Millionen mit einem Steuersatz von 50 % zu versteuern135; bei der anschließenden Veräußerung der Beteiligung müssen die stillen Reserven, also 20 Millionen EUR, wiederum mit einem Steuersatz von knapp bei 50 %136 bei Mitberücksichtigung des Solidaritätszuschlages versteuert werden. 133
C. Seiler, in: Kluth/Krings: Handbuch der Gesetzgebung B. III. 3. a.) (im Erscheinen). Realistische Fälle wären die unentgeltliche Übertragung im Rahmen einer nichtehe lichen Lebensgemeinschaft oder die Übertragung an einen qualifizierten Mitarbeiter im Unternehmen mangels geeigneten Nachfolgers im familiären Umfeld. 135 Bei einem vernachlässigbaren Freibetrag von 20.000 EUR gem. § 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG. Aufgrund der sofortigen Veräußerung kommt ein VerschonungsAbschlag wegen Verstoß gegen die Behalteregelung des § 13a Abs. 5 ErbStG nicht in Betracht. 136 §§ 16 Abs. 4 und 34 EStG sollen dabei ausgeblendet werden. 134
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In diesem Fall ist die Gesamtbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer konfiskatorisch.137 Oder um es mit den Worten des BVerfG auszudrücken: die Steuerbelastung aus Einkommen- und Erbschaftsteuer macht „das Vererben vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Eigentümers […] sinnlos“.138 Auch aus Erwerbersicht ist der Anteil, der ihm verbleibt, im Verhältnis zum Wert des übergehenden Vermögens nicht mehr angemessen.139
137 Von dem unentgeltlichen Erwerb im Wert von 21 Millionen EUR Erwerb verbleiben dem Erben weniger als 1 Million, d. h. die Gesamtbelastung beträgt über 90 %. 138 BVerfG v. 22.06.1995, 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, S. 165, 172, unter Bezugnahme auf H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig: GG, Art. 14 Rn. 304 (damals Rn. 297). 139 H.-J. Papier, Der Staat 1970, S. 483, 512.
G. Lösungsmöglichkeiten Wie dargelegt, liegt in allen Fällen, in denen der Rechtsnachfolger latente Einkünfte des Rechtsvorgängers der Erbschaft- und der Einkommensteuer unterwerfen muss, ein nicht zu rechtfertigender Verstoß gegen das Leistungs fähigkeitsprinzip vor. Zusätzlich kann beim Erwerb von größerem Vermögen die Gesamtbelastung gegen die Eigentumsgarantie verstoßen. Zu klären ist, wie diese Verfassungsverstöße beseitigt werden können. Dabei sollen zunächst die vorhandenen Lösungsmöglichkeiten im geltenden Recht untersucht werden. Falls diese nicht ausreichen, um eine verfassungskonforme Besteuerung zu gewährleisten, sollen Lösungsvorschläge de lege ferenda erörtert werden.
I. De lege lata Die Doppelbelastung eines Erwerbs mit Erb- und Einkommensteuer beim selben Steuersubjekt ist auch vom Gesetzgeber erkannt worden. Dieser hat versucht die Problematik durch die Vorschriften der § 35b EStG und § 10 Nr. 1a EStG zu lösen. Daneben wird im Schrifttum auch die Möglichkeit des Abzugs der Ein kommensteuerlast von der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage in Betracht gezogen. Darüber hinaus könnte erwogen werden, die latente Einkommensteuer bei der Wertermittlung zu berücksichtigen. 1. § 35b EStG Die Vorschrift des § 35b EStG ist durch das ErbStRG v. 24.12.2008 in das EStG aufgenommen worden. Die Regelung entspricht wortgleich der Vorschrift des § 35 EStG a. F.1, welche von 1975 bis einschließlich 1998 zur Anwendung kam und durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.3.19992 ersatzlos gestrichen wurde. Neben neuen Problempunkten leben damit auch die alten Zweifelsfragen des § 35 EStG a. F. im neuen § 35b EStG wieder auf.3 Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Gesetzgeber bei der Streichung des § 35 1 Die Vorgängervorschrift geht auf die Vorschrift des § 16 Abs. 5 EStG EStG 1934 v. 16.10.1934 zurück (RGBl. I 1934, 1005), die wiederum auf § 31 EStG 1925 v. 10.8.1925 (RGBl. I 1925, 189) zurückgeht. Zur geschichtlichen Entwicklung siehe U. Schallmoser, in: Blümich/Ebling: EStG, § 35b Rn. 3; C. Heinz, Vermögensübergänge im Spannungsfeld von Erbschaftsteuer und Einkommensteuer (2003), S. 273. 2 StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402. 3 N. Herzig/C. Joisten/S. Vossel, DB 2009, S. 584 f.; C. Levedag, in: Herrmann/Heuer/ Raupach: EStG, § 35b Rn. 3.
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G. Lösungsmöglichkeiten
EStG a. F. erkannte, dass damit eine dem Leistungsfähigkeitsprinzip widersprechende Doppelbelastung beseitigende Norm gestrichen wurde, dies aber aus Vereinfachungsgründen für vertretbar gehalten wurde.4 § 35b EStG sieht eine Einkommensteuerermäßigung in der Form vor, dass der erbschaftsteuerliche Durchschnittssteuersatz, welcher auf die Einkünfte entfällt, die schon Bestandteil der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage waren, von dem anteiligen Einkommensteuertarif abgezogen wird. Der erbschaftsteuerliche Durchschnittssatz wird ermittelt, indem man zur erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage die Freibeträge der §§ 16, 17 ErbStG sowie den steuerfreien Zugewinn gem. § 5 ErbStG addiert und so die tatsächliche Bereicherung erhält. Diese wird dann zur festgesetzten Erbschaftsteuer ins Verhältnis gesetzt. Im Anschluss wird dann die anteilige Einkommensteuerschuld um diesen erbschafsteuerlichen Durchschnittssatz ermäßigt.5 Wird die Gesamtsteuerbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer des Rechtsnachfolgers mit der Gesamtsteuerbelastung verglichen, die entstehen würde, wenn der Rechtsvorgänger die stillen Reserven noch selbst realisiert bzw. ihm die Einkünfte zufließen, so ist festzustellen, dass trotz Anwendung des § 35b EStG die Steuer belastung des Rechtsnachfolgers höher ist als die Gesamtsteuerbelastung, wenn der Rechtsvorgänger die stillen Reserven noch selbst realisiert bzw. ihm die Einkünfte zufließen.6 Dies ist darauf zurückzuführen, dass gem. § 35b Satz 2 EStG die Tarif ermäßigung auf die durchschnittliche Erbschaftsteuerbelastung des gesamten Erwerbs angewendet wird und nicht auf die Erbschaftsteuergrenzbelastung, indem die Freibeträge der §§ 5, 16, 17 ErbStG addiert werden und damit unterstellt wird, dass die latente Einkommensteuerschuld auch den erbschaftsteuerfreien Erwerb betrifft.7 Folglich wird durch § 35b EStG die Doppelbelastung gemildert, aber nicht beseitigt.8 4 Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 v. 9.11.1998, BT-Drs. 14/23, S. 183: „Die Steuerermäßigung bei Belastung mit Erbschaftsteuer (§ 35 EStG) wird aufgegeben. Zwar milderte die Vorschrift eine dem Leistungsfähigkeitsprinzip widersprechende Doppelbelastung von Einkünften mit Einkommen- und Erbschaftsteuer. Eine Aufhebung wird jedoch aus Vereinfachungsgründen für vertretbar gehalten.“ 5 Siehe hierzu C. Seifried, ZEV 2009, S. 285; N. Herzig/C. Joisten/S. Vossel, DB 2009, S. 584, 585. Zum alten § 35 EStG a. F. siehe C. Heinz, Vermögensübergänge im Spannungsfeld von Erbschaftsteuer und Einkommensteuer (2003), S. 273 ff. 6 Siehe hierzu die konkreten Beispiele bei N. Herzig/C. Joisten/S. Vossel, DB 2009, S. 582, 589; C. Seifried, ZEV 2009, S. 285 f. 7 N. Herzig/C. Joisten/S. Vossel, DB 2009, S. 584, 589; C. Seifried, ZEV 2009, S. 285 f.; E. Kulosa, in: Schmidt: EStG, § 35b Rn. 25. Inkonsequent ist dabei dann aber, dass der bedeutendere Verschonungsabschlag nach §§ 13a, 13b ErbStG sowie Steuerbefreiungen der §§ 13 und 13c ErbStG nicht hinzuaddiert wird, siehe hierzu C. Levedag, in: Herrmann/Heuer/ Raupach: EStG, § 35b Rn. 33. Daneben wird die Tarifermäßigung auf die anteilige Einkommensteuer angewendet und nicht auf die Einkommensteuergrenzbelastung. Damit wird das Ergebnis verzerrt, wenn der Steuerpflichtige weitere positive Einkünfte hat und damit den Grenzsteuersatz zu zahlen hat. Ausführlich hierzu C. Seifried, ZEV 2009, S. 285 f. 8 Eine weitere Verzerrung würde sich ergeben, wenn die Freibeträge der §§ 5, 16, 17 ErbStG addiert werden würden, obwohl diese nicht voll genutzt werden konnten. Allerdings
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Neben dem Befund, dass selbst bei Anwendung des § 35b EStG die Doppel belastung nicht vollständig beseitigt wird, weist auch die Ausgestaltung des Anwendungsbereiches des § 35b EStG zahlreiche Zweifelsfragen auf: Zuerst fällt auf, dass § 35b EStG nur beim Erwerb von Todes wegen anwendbar ist und bei Schenkungen, bei denen sich beim Rechtsnachfolger die gleiche Doppelbelastung ergibt, die Tarifermäßigung nicht gewährt wird. Die vorliegende Arbeit hat aber gezeigt, dass sowohl beim Erwerb von Todes wegen als auch bei Schenkungen ein nicht zu rechtfertigender Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip vorliegt und in Einzelfällen auch die Eigentumsgarantie verletzt sein kann. Die Beschränkung des Anwendungsbereiches auf Doppelbelastungen mit Erb- und Einkommensteuer beim Erwerb von Todes wegen ist daher nicht nachvollziehbar.9 Weiter wurde bei der Einführung des § 35b EStG nicht berücksichtigt, dass durch die Ausgliederung der Einkünfte aus Kapitalvermögen aus der tariflichen Einkommensteuer des § 32a EStG und der Einführung eines gesonderten Steuer tarifs gem. § 32d EStG für diese Einkünfte § 35b EStG nicht zur Anwendung kommt, da § 35b EStG auf die tarifliche Einkommensteuer des § 32a EStG verweist.10 Zudem wird in § 2 Abs. 5b EStG ausdrücklich angeordnet, dass Normen des EStG, die an die Begriffe Einkünfte, Summe der Einkünfte, Einkommen, zu versteuerndes Einkommen anknüpfen, bei der Abgeltungsteuer nach § 32d Absatz 1 EStG keine Anwendung finden.11 Auch der zeitlich begrenzte Anwendungsbereich von fünf Jahren seit Ent stehung der Erbschaftsteuerschuld ist unverständlich. Zwar ist inzwischen die fehlende Abstimmung des § 35b EStG mit der „Behaltefrist“ im § 13a Abs. 5 ErbStG durch die Reduktion auf fünf Jahre beseitigt worden, so dass bei einer Veräußerung nach Ablauf der 5-Jahresfrist zumindest die Doppelbelastung durch die 85 %ige Verschonung bei der Erbschafsteuer erheblich begrenzt ist. Allerdings führt bei der Option zur völligen Steuerverschonung gem. § 13a Abs. 8 Nr. 2 ErbStG eine Veräußerung nach Ablauf der 5-Jahresfrist des § 35b EStG aber vor
ist der insoweit offene Wortlaut so auszulegen, dass nur die Freibeträge nur insoweit addiert werden müssen, wenn diese auch tatsächlich genutzt worden sind. Siehe hierzu auch C. Levedag, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 35b Rn. 33. 9 H. Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009, S. 396; C. Seifried, ZEV 2009, S. 285; N. Herzig/C. Joisten/S. Vossel, DB 2009, S. 584. C. Levedag, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 35b Rn. 3; E. Kulosa, in: Schmidt: EStG, § 35b Rn. 11; E. Röder, in: Beck: Unternehmensnachfolge (2009), S. 69, 97. 10 C. Levedag, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 35b Rn. 6 und 20; BMF-Schreiben v. 22.12.2009, IV C 1-S 2252/08/10004, 2009/0860687, Tz. 132, BStBl. I 2010, 94, 112; andere Auffassung H. Gauß/M. Schwarz, BB 2009, S. 1387, 1389 f. allerdings mit einer allein ergebnisorientierten Auslegung unter Ausblendung des § 2 Abs. 5b EStG. 11 T. Keß, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 35b Rn. A27 und B 8, der allerdings eine analoge Anwendung befürwortet, siehe Rn. B 11.
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Ablauf der Behaltensfrist des § 13a Abs. 8 Nr. 2 ErbStG dazu, dass in diesem Fall die Steuermäßigung des § 35b EStG nicht mehr greift.12 Im Übrigen ist die zeitliche Beschränkung insgesamt zweifelhaft. Wenn im Erbschaftsteuerrecht zur Verschonung gerade ein langfristiges Engagement und damit das Behalten gefordert wird, ist es nicht überzeugend, für eine verfassungskonforme Besteuerung eine zeitnahe Realisation der betrieblichen Einkünfte zu fordern.13 Gerade in diesem bedeutenden Fall der Doppelbelastung der stillen Reserven mit Erbschaft- und Einkommensteuer ist mit keiner zeitnahen Realisation der stillen Reserven zu rechnen, so dass bei der Realisation in vielen dieser Fälle eine Steuerermäßigung nach § 35b EStG nicht in Betracht kommt.14 Die Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer ist zeitlich nicht auf einen 5-Jahreszeitraum begrenzt, so dass die zeitliche Begrenzung für die Beseitigung einer verfassungsrechtlich gebotenen Doppelbelastung keinen Sinn ergibt. Genauso ist die Ausgestaltung des § 35b EStG als Antragsrecht fragwürdig. Da die Beseitigung der Doppelbelastung aus verfassungsrechtlichen Gründen ge boten ist, kann die Beseitigung bzw. Milderung der Doppelbelastung nicht von der Stellung eines Antrags abhängig gemacht werden. Zugleich besteht die Gefahr, dass Steuerunkundige diesen Antrag nicht stellen, da sie einerseits die Vorschrift des § 35b EStG nicht kennen könnten und/oder ihnen auch die konkrete Doppelbelastung eines Vermögenszuganges bei der Realisation der latenten Einkünfte verborgen bleibt. Völlig unverständlich ist § 35b Satz 3 EStG, der die Tarifermäßigung ausschließt, wenn der Sonderausgabenabzug § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG zur Anwendung kommt. Es liegt der Verdacht nahe, dass der Gesetzgeber § 35 EStG a. F. unreflektiert übernommen hat, ohne zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch das Jahressteuergesetz 200815 den Sonderausgabenabzug auf Versorgungsleistungen beschränkt hat.16 Zuletzt ist die Korrektur der Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer im Rahmen des Einkommensteuertarifes auch systemwidrig. Wenn Erb 12 Ähnlich zur Rechtslage vor der Anpassung der § 13a Abs. 5 und Abs 8 Nr. 2 ErbStG C. Levedag, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 35b Rn. 3; E. Röder, in: Beck: Unternehmensnachfolge (2009), S. 69, 97. 13 Ähnlich H. Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009, S. 396; E. Röder, in: Beck: Unter nehmensnachfolge (2009), S. 69, 97. 14 Auch wenn bei optimierter Gestaltung die Doppelbelastung, aufgrund des 85 %igen Verschonungsabschlag des § 13a Abs. 1 ErbStG in Verbindung mit § 13b Abs. 4 ErbStG, erheblich reduziert wird. Allerdings sind einige Fälle möglich in denen der Verschonungsabschlag nicht gewährt wird und ohne kostspielige Beratung hier die Doppelbelastung bestehen bleibt. Zu diesen Fällen siehe H. Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009, S. 386. 15 JStG 2008 v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150. 16 So auch H. Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009, S. 396; R. Geck, DStR 2010, S. 1977. Dazu gleich mehr unter G. I. 2. b).
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schaft- und Einkommensteuer beide als Einkommensteuern zu qualifizieren sind, muss konsequenterweise berücksichtigt werden, dass das Einkommen, welches dem Steuerpflichtigen tatsächlich zur Disposition steht, um den Teil der Einkünfte niedriger ist, welcher schon Eingang in die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage gefunden hat. Daher ist der systematisch richtige Ansatz die Korrektur im Rahmen der Bemessungsgrundlage und nicht im Rahmen des Einkommensteuertarifs.17 2. § 10 Nr. 1a EStG – § 23 ErbStG a) Alte Rechtslage Bei der Wahl der Jahreserbschaftsbesteuerung gem. § 23 ErbStG wurde bis zum 31.12.1998 die auf die wiederkehrenden Bezüge gezahlte Erbschaftsteuerschuld als dauernde Last qualifiziert und nach der „spezialgesetzlichen Regelung“ des § 35 Satz 3 EStG a. F. in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG wurde diese Erbschaftsteuerschuld von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer abgezogen.18 Durch diese Regelung wurde erreicht, dass die system- und verfassungswidrige Doppelbelastung beim Rechtsnachfolger beseitigt wurde.19 Dieser Lösungsansatz wurde ab dem Veranlagungszeitraum 1999 in Frage gestellt, da durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/200220 § 35 EStG a. F. gestrichen wurde. Mit der Streichung der Norm kam anschließend die Frage auf, ob damit das allgemeine Abzugsverbot des § 12 Nr. 3 EStG bezüglich der Erbschaftsteuer als Personensteuer einer Anwendung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a. F. entgegensteht, da in § 12 EStG eine Ausnahme vom Abzugsverbot nicht erwähnt wurde und mit der Streichung des § 35 EStG a. F. die Sonderanknüpfung in § 35
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So im Ergebnis auch H. Hübner, DStR 2007, S. 1013, 1019. Zur gleichen Systemwidrigkeit der Verortung des Existenzminimum im Tarif siehe F. Kirchhof, Grundriß des Steuerund Abgabenrechts (2001), Rn. 149; zur Notwendigkeit eines Abzugs der Kirchensteuer von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, siehe P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 2 Rn. A 204 f. 18 BFH v. 23.2.1994, X R 123/92, BStBl. II 1994, 690, 693; zuvor haben BFH und RFH den vollständigen Abzug der Erbschaftsteuer als Sonderausgabe auch zugelassen, wenn die wiederkehrenden Bezüge nur mit dem Ertragswert einkommensteuerpflichtig waren. so dass es zu einer Überkompensation gekommen ist, siehe hierzu RFH v. 14.8.1935, RStBl. I 1935, 1496; BFH v. 15.11.1957, VI 79/55 U, BStBl. III 1958, 103, 104; BFH v. 5.4.1965, VI 339/63 U, BStBl. III 1965, 360, 361. Ausführlich hierzu R. Heyeres, Zusammenwirken von Einkommensteuer und Erbschaftsteuer (1996), S. 289 ff.; C. Heinz, Vermögensübergänge im Spannungsfeld von Erbschaftsteuer und Einkommensteuer (2003), S. 276 ff. 19 R. Heyeres, Zusammenwirken von Einkommensteuer und Erbschaftsteuer (1996), S. 302, 309 f.; R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 127, 162; C. Heinz, Vermögensübergänge im Spannungsfeld von Erbschaftsteuer und Einkommensteuer (2003) S. 278. 20 StEntlG v. 24.3.1999, BStBl. I 1999, 304, 314.
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Satz 3 EStG a. F. entfallen ist.21 Die Finanzverwaltung hat bis zum Veranlagungszeitraum 2004 den Sonderausgabenabzug allerdings mit Berufung auf die Entscheidung des BFH v. 23.2.199422 zugelassen und erst durch EStH 10.3 2005 auf die geänderte Rechtslage reagiert. Der BFH hat sich inzwischen der Auffassung, die sich gegen den Abzug der Erbschaftsteuer als Sonderausgabe ausgesprochen hat, angeschlossen.23 b) Geltende Rechtslage Durch das Erbschaftsteuerreformgesetz24 ist mit der Wiedereinführung der Tarifermäßigung des § 35b EStG auch wieder die Verweisung in Satz 3 auf § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG ins Gesetz gekommen. Damit stellt sich die Frage, ob damit bei der Wahl der Jahreserbschaftsbesteuerung gem. § 23 ErbStG der Abzug der auf die wiederkehrenden Bezüge entfallenden Erbschaftsteuer wieder möglich ist. Dies erscheint vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber durch das Jahres steuergesetz 200825 das Rechtsinstitut der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleisten eingeschränkt hat, zweifelhaft. Durch die Beschränkung des Übergabesubstrats auf betriebliche Einheiten und Anteile von mindestens 50 % an Gesellschaften mit beschränkter Haftung wurde gleichzeitig die Abziehbarkeit von „auf besonderen Verpflichtungen beruhenden Renten und dauernden Lasten“ aufgehoben. Mit dieser gesetzlichen Änderung wollte der Gesetzgeber das Rechtsinstitut wieder „auf seinen Kernbereich, die Übertragung von land- und forstwirtschaft lichen Betrieben, Gewerbebetrieben und von Betriebsvermögen Selbständiger in der Rechtsform des Einzelunternehmens oder der Personengesellschaft“ zurückführen.26 Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll der Grundfall des Rechtsinstituts der sein, dass Eltern zu Lebzeiten einen Betrieb auf ihre Kinder übertragen und im Gegenzug eine monatliche Geldrente erhalten, die sich an den Versorgungsbedürfnissen der Eltern und nicht an kaufmännischen Gesichtspunkten orientiert. Diese Versorgungsleistungen können dann von den Kindern gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG als Sonderausgabe abgezogen werden und führen auf der Kehrseite bei den Eltern zu sonstigen Einkünften, die diese zu versteuern haben.27
21
Für den Wegfall des Sonderausgabenabzugs E. Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 10 Rn. 104; C. Levedag, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 35b Rn. 37; dagegen P. Bauschatz, in: Korn: EStG, § 10 Rn. 142. 22 BFH v. 23.2.1994, X R 123/92, BStBl. II 1994, 690. 23 BFH v. 18.1.2011, X R 63/08, BStBl. II 2011, 680, 682. 24 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 25 JStG 2008 v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150. 26 Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2008 v. 10.8.2007, BR-Drs. 544/07, S. 66. 27 Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2008 v. 10.8.2007, BR-Drs. 544/07, S. 65 f.
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Die Rechtsprechung28 hatte diesen Anwendungsbereich erheblich erweitert, mit der Folge, dass „entgegen des § 12 Nr. 1 und 2 EStG Unterhaltsleistungen von Kindern an ihre Eltern allein aus dem Grund abziehbar waren, dass die Eltern in der Lage waren, ihren Kindern Vermögen zu übertragen“.29 Daraus folgt, dass in den Anwendungsbereich des neu konzipierten Rechts instituts der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen nur noch die Leistungen fallen, die der Versorgung des Vermögensübergebers oder einer zum begünstigten Personenkreis30 gehörenden Person dienen und der Verpflichtete nur in diesem Fall die Versorgungsleistung als Sonderausgabe abziehen darf.31 Die Jahressteuer gem. § 23 ErbStG wird aber nicht zur Versorgung des Ver mögensübergebers oder einer begünstigten Person gezahlt. Vielmehr wird der Erwerber aufgrund der im Erwerb der wiederkehrenden Bezüge im Sinne des § 23 ErbStG zum Ausdruck kommenden Leistungsfähigkeit zur Staatsfinanzierung durch die Steuerabgabe herangezogen.32 Daher kommt ein Sonderausgabenabzug der Jahreserbschaftsteuer gem. § 23 ErbStG nicht mehr in Betracht.33 Die Verweisung in § 35b Satz 3 EStG auf § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG ist allein darauf zurückzuführen, dass der Gesetzgeber § 35 EStG a. F. ohne Änderung in § 35b EStG übernommen und dabei schlichtweg nicht beachtet hat, dass § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG inzwischen auf Versorgungsleistungen beschränkt worden ist.34 3. § 10 Abs. 5 ErbStG a) Der Lösungsansatz Das überwiegende Schrifttum plädiert zur Lösung der Doppelbelastung mit Einkommen- und Erbschaftsteuer dafür, die latente Einkommensteuerschuld von der Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen. Entweder, indem die latente Einkommensteuer direkt unter § 10 Abs. 5
28
BFH v. 12.5.2003, GrS 1/00, BStBl. II 2004, 95, 99 f. Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2008 v. 10.8.2007, BR-Drs. 544/07, S. 66. 30 Siehe hierzu BMF v. 11.3.2010, IV C 3-S 2221/09/10004, 2010/0188949, BStBl. I 2010, 227, Rn. 50. 31 R. Geck, DStR 2010, S. 1977, 1978. 32 R. Geck, DStR 2010, S. 1977, 1978. 33 N. Herzig/C. Joisten/S. Vossel, DB 2009, S. 584, 590 f.; R. Geck, DStR 2010, S. 1977, 1978 f.; M. Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher: ErbStG, § 23 Rn. 43; E. Kulosa, in: Schmidt: EStG, § 35b Rn. 27. 34 So auch H. Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009, S. 396; N. Herzig/C. Joisten/S. Vossel, DB 2009, S. 584, 590 f.; R. Geck, DStR 2010, 1977, 1979; C. Levedag, in: Herrmann/Heuer/ Raupach: EStG, § 35 Rn. 37; E. Kulosa, in: Schmidt: EStG, § 35b Rn. 27. 29
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Nr. 1 ErbStG zu subsumieren ist oder durch eine verfassungskonforme Auslegung der Norm oder aber indem eine Ergänzung des § 10 Abs. 5 ErbStG gefordert wird.35 Hinter diesem Ansatz steht der Gedanke, dass die beim Erben bzw. Beschenkten eingetretene Bereicherung tatsächlich nur in der Höhe des Wertes abzüglich der latenten Einkommensteuerschuld gegeben ist.36 Zudem wird darauf hingewiesen, dass die Bereicherung auch genau in dieser Höhe beim Erben bzw. Beschenkten eingetreten wäre, wenn der Rechtsvorgänger die Einkünfte noch selbst realisiert hätte bzw. die Einkünfte diesem vor der unentgeltlichen Übertragung noch zugeflossen worden wären. Wenn die Erbschaftsteuer durch die im Mittelerwerb zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit gerechtfertigt wird, müsse das materielle Bereicherungsprinzip dem formellen Stichtagsprinzip vorgehen.37 Gerade dieser Lösung widersetzt sich der BFH38 in ständiger Rechtsprechung. Als Begründung wird angeführt, dass die Einkommensteuerschuld zum Zeitpunkt des Zuflusses bzw. der Realisation beim Erben bzw. Beschenkten diesen als Bezieher der Einkünfte nach dessen persönlichen Verhältnissen und nicht als Erben bzw. Beschenkten treffe.39 Daher sei die Einkommensteuerschuld eine persönliche Schuld des Erben als Einkünftebezieher und keine Erblasserschuld, die gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden könne. b) Einkommensteuerschulden des Erblassers Zumindest in den Fällen, in denen der Rechtsvorgänger die Einkünfte noch selbst realisiert oder diese ihm zufließen und lediglich die Einkommensteuer noch nicht veranlagt ist, stellt sich die Rechtslage anders dar. Unstreitig stellen Einkommensteuerschulden, die aus Veranlagungszeiträumen resultieren und die schon vor dem Todeszeitpunkt abgeschlossen sind (vgl. § 36 Abs. 1 EStG), eine Steuerschuld des Rechtsvorgängers dar.40 Diese gehen gem. § 45 Abs. 1 Satz 1 AO auf den Erben im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge über
35
G. Kröger, BB 1971, S. 647, 648 f.; R. Kapp, FR 1970, S. 1, 3; G. Crezelius, BB 1979, S. 1342, 1344; G. Crezelius, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 73, 123 f.; R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 127, 161; J. Meincke, in: Meincke: ErbStG, § 10 Rn. 32; M. Birnbaum, Leistungsfähigkeitsprinzip und ErbStG (2007), S. 52 ff. 36 B. Keuk, DB 1973, S. 635, 635; G. Crezelius, BB 1979, S. 1342, 1344. 37 R. Kapp, FR 1970, S. 1, 3; G. Crezelius, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 73, 124. 38 BFH v. 22.12.1976, BStBl. II 1977, 420; BFH v. 5.7.1978, BStBl. II 1979, 23; BFH v. 6.12.1989, BFH/NV 1990, 643; BFH v. 26.11.1986, II R 190/81, BStBl. II BStBl. II 1987, 175; BFH v. 17.2.2010, II R 23/09, BStBl. II 2010, 641. 39 BFH v. 22.12.1976, BStBl. II 1977, 420, 423; BFH v. 5.7.1978, BStBl. II 1979, 23, 24; BFH v. 6.12.1989, BFH/NV 1990, 643; BFH v. 26.11.1986, II R 190/81, BStBl. II BStBl. II 1987, 175, 176; BFH v. 17.2.2010, II R 23/09, BStBl. II 2010, 641, 643. 40 Fin.Min. Baden-Württemberg v. 18.1.2010, 3–3810/28, DStR 2010, 226; A. Kämper/ J. Milatz, ZEV 2011, S. 70.
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und sind als Nachlassverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG mindernd zu berücksichtigen. Umstritten ist die Rechtslage für die Einkommensteuerschulden im Veranlagungszeitraum des Todesjahres des Erblassers. Zum Teil wird aus der Vorschrift des § 36 Abs. 1 EStG abgeleitet, dass auch im Jahr des Todes des Erblassers hier die Einkommensteuer mit Ablauf des Kalenderjahres entstehen würde, mit der Folge, dass ein Abzug als Nachlassverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG mangels Einkommensteuerschuld nicht in Betracht komme.41 Richtigerweise entsteht die Einkommensteuer hier nicht mit Ablauf des Kalenderjahres des Todesjahres, sondern schon mit dem Tod.42 Wenn die persönliche Steuerpflicht auf die Lebenszeit des Steuerpflichtigen beschränkt ist, dann muss diese mit dem Tod zwingend enden, so dass die Veranlagung auf das bis zum Tod erzielte Einkommen beschränkt ist.43 Mit dem Wegfall der Steuerpflicht entsteht damit die Einkommensteuerschuld. Dies ergibt sich aus der Natur der Sache und bedarf keiner gesetzlichen Verankerung.44 Aus den §§ 36 Abs. 1, 25 Abs. 1 EStG können keine anderweitigen Schlüsse gezogen werden. § 36 Abs. 1 EStG enthält lediglich die Aussage, dass die Steuerschuld mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht. Allein aus der systematischen Eingliederung der Norm im VI. Abschnitt des EStG, welcher sich mit der Einkommen steuererhebung beschäftigt, ergibt sich, dass mit der Vorschrift nur geregelt werden soll, wann die Einkommensteuer grundsätzlich entsteht und erhoben werden darf.45 Auch aus § 25 Abs. 1 EStG als Veranlagungsvorschrift46 können keine anderweitigen Erkenntnisse gewonnen werden. Da gem. § 2 Abs. 7 Satz 1 EStG die Einkommensteuer als Jahressteuer ausgestaltet ist, ordnet § 25 Abs. 1 EStG an, dass auch die Veranlagung erst mit Ablauf des Jahres zu erfolgen hat. Die Vorschrift ist erkennbar auf die Grundkonstellation ausgerichtet, dass die Steuer-
41 FG Niedersachsen v. 23.2.2011, 3 K 332/10, EFG 2011, 1342; FG Niedersachsen v. 23.2.2011, 3 K 220/10, DStRE 2011, 1264; Fin.Min. Baden-Württemberg v. 18.1.2010, 3-3810/28, DStR 2010, 226; B. Heuermann, in: Blümich/Ebling: EStG, § 25 Rn. 59; R. Ettlich, in: Blümich/Ebling: EStG, § 36 Rn. 74; W. Seibel, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 36 Rn. 12. 42 FG Düsseldorf v. 2.11.2011, 4 K 2263/11, EFG 2012, 259; D. Gebel, BB 1999, S. 135, 136 f.; D. Gebel, in: Troll/Gebel/Jülicher: ErbStG, § 10 Rn. 140; A. Kämper/J. Milatz, ZEV 2011, S. 70, 71 f.; D. Brenner, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 36 Rn. B 7; H. Kruse, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 1, 7, allerdings zur Rechtslage des § 25 Abs. 2 EStG. 43 So ausdrücklich BFH v. 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608, 612; S. Schuck, in: ErbStG, § 10 Rn. 67. 44 A. Kämper/J. Milatz, ZEV 2011, S. 70, 72. 45 FG Düsseldorf v. 2.11.2011, 4 K 2263/11, EFG 2012, 259. 46 Die Frage wann die Veranlagung durchzuführen ist, ist von der Frage der Entstehung der Einkommensteuerschuld zu trennen, so auch D. Gebel, BB 1999, S. 135, 136. Siehe zu dieser Frage S. Seeger, in: Schmidt: EStG, § 25 Rn. 16.
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pflicht während des gesamten Kalenderjahres bestanden hat.47 Im Todesjahr besteht aber die Besonderheit, dass wegen des Wegfalls der persönlichen Steuerpflicht die Steuer für einen abgekürzten Entrichtungszeitraum geschuldet wird.48 In diesem letzten Veranlagungszeitraum sind mit dem Erblasser und Erben vielmehr zwei Steuerpflichtige vorhanden, deren Einkünfte getrennt ermittelt und dem richtigen Steuersubjekt zugerechnet werden müssen.49 Daher sind in diesem Jahr Rumpfjahre zu bilden, wonach die Einkünfte, die der Erblasser bis zum Tod erzielt hat, diesem zuzurechnen sind, während die Einkünfte, die der Erbe nach dessen Tod erzielt, diesem als Einkünftebezieher zuzurechnen sind.50 Auf diese Konstellation ist § 25 Abs. 1 EStG erkennbar nicht zugeschnitten, so dass aus § 25 Abs. 1 EStG keine anderweitigen oder gar weitergehenden Erkenntnisse gewonnen werden können.51 Werden also die latenten Einkünfte noch vom Erblasser selbst realisiert bzw. fließen ihm die Einkünfte zu, ohne dass er die daraus resultierende Einkommensteuerschuld vor seinem Tod beglichen hat, so kann der Erbe diese gem. § 45 Abs. 1 AO übergehende Schuld als Nachlassverbindlichkeit von der Bemessungsgrundlage gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abziehen.52 c) Schlussfolgerung Der entscheidende Unterschied zu den Fällen, in denen der Rechtsnachfolger die Einkünfte realisiert bzw. diese ihm zufließen, ist also, dass hier die Einkommensteuerschuld noch in der Person des Rechtsvorgängers entsteht, während die Realisation durch den Rechtsnachfolger oder der Zufluss bei diesem dazu führt, dass bei diesem eine eigene Einkommensteuerschuld begründet wird, die sich nach seinen persönlichen Verhältnissen richtet. Gegen die Berücksichtigung der latenten Einkommensteuerschuld des Rechtsnachfolgers im Rahmen des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG und für die Auffassung des
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A. Kämper/J. Milatz, ZEV 2011, S. 70, 71 f.; S. Seeger, in: Schmidt: EStG, § 25 Rn. 16 für die Veranlagung. 48 BFH v. 4.7.2012, II R15/11, DStR 2012, 1698; BFH v. 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608, 612; D. Gebel, BB 1999, S. 135, 136 f.; S. Schuck, in: ErbStG, § 10 Rn. 67. 49 BFH v. 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608, 612; A. Kämper/J. Milatz, ZEV 2011, S. 70, 71 f. 50 BFH v. 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608, 612. 51 D. Gebel, BB 1999, S. 135, 136 f.; A. Kämper/J. Milatz, ZEV 2011, S. 70, 71; R. Geck, in: Kapp/Ebeling: ErbStG, § 10 Rn. 82. 52 So im Ergebnis inzwischen auch der BFH v. 4.7.2012, II R15/11, DStR 2012, 1698, allerdings beharrt der II. Senat weiter darauf, dass der Erbe sowohl materiell- als auch verfahrensrechtlich in die Rechtstellung des Erblassers eintritt und folgt nicht der Auffassung, dass die Einkommensteuerschuld des Erblassers mit dessen Tod entsteht, sondern stellt allein darauf ab, dass der Erblasser den Einkünftetatbestand schon vollständig verwirklicht hat.
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BFH spricht, dass von keiner Nachlassverbindlichkeit53 gesprochen werden kann, wenn die Verbindlichkeit erst in der eigenen Person als eigene Verbindlichkeit entsteht, wie dies bei der jetzigen Ausgestaltung bei der latenten Einkommensteuerschuld der Fall ist. Diese in der Person des Erben bzw. Beschenkten als Einkünftebezieher ent stehende Einkommensteuerschuld ist zum erbschaftsteuerlichen Stichtag gem. § 11 ErbStG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 ErbStG noch nicht entstanden, sondern entsteht erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erben die Einkünfte rea lisieren oder diese ihnen zufließen und nicht mit dem Tod des Erblassers.54 Soweit in diesem Zusammenhang darauf verwiesen wird, dass bei Zugewinnausgleichsansprüchen oder Pflichtteilsansprüchen die latente Einkommensteuer schuld berücksichtigt wird, wenn sich im Nachlass Vermögensgegenstände befinden, die mit einer latenten Einkommensteuerschuld belastet sind,55 so ist darauf hinzuweisen, dass hier nicht die latente Einkommensteuerlast als Nachlass verbindlichkeit, sondern vielmehr im Rahmen der Nachlassbewertung die latente Einkommensteuerschuld berücksichtigt wird. Insoweit wird auf die dortigen Ausführungen verwiesen.56 4. Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzug Als weiterer Lösungsansatz könnte in Erwägung gezogen werden, dass der Teil der Erbschaftsteuerschuld, welcher zum Zeitpunkt der Realisation bzw. des Zuflusses beim Erbwerber erneut der Einkommensteuer unterliegt, zu den Werbungskosten oder Betriebsausgaben zu zählen ist. Dahinter steht der Gedanke, dass der Erbe bzw. Beschenkte die Erbschaftsteuer zu zahlen hat, um in den Besitz der einkommensteuerlichen Einkunftsquelle und der damit verbundenen Einkünfte zu kommen.57 Mit dieser Fragestellung hatte sich der BFH im Jahre 1957 im Zusammenhang mit der Doppelbelastung eines Nießbrauchers mit der Jahreserbschaftsteuer im Sinne des § 23 ErbStG und gleichzeitiger Erfassung dieses Zuflusses als Einkünfte aus Kapitalvermögen befasst.58 Nach seiner Auffassung scheiterte ein 53 Der Begriff ist dabei nicht deckungsgleich mit der Nachlassverbindlichkeit i. S. d. § 1967 BGB, siehe hierzu D. Gebel, in: Troll/Gebel/Jülicher: ErbStG, § 10 Rn. 108; B. Keuk, DB 1973, S. 634, 635. 54 H. Kruse, in: Schulze-Osterloh: DStJG 10 (1987), S. 1, 7. 55 G. Crezelius, Gutachten (2007), S. 60. 56 Siehe hierzu G. I. 5. 57 G. Crezelius, Gutachten (2007), S. 62; ähnlich R. Könemann, Der Grundsatz der Individualbesteuerung im Einkommensteuerrecht (2001), S. 95 f., allerdings unter Prämisse, dass die Einkünfte, die der Rechtsvorgänger erwirtschaftet hat und der Rechtsnachfolger zu versteuern hat, als eigene Einkunftsart im Sinne des § 2Abs. 1 EStG zu qualifizieren sind. 58 BFH v. 15.11.1957, VI 79/55 U, BStBl. III 1958, 103, 104.
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Werbungskostenabzug gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG daran, dass die jährlichen Erbschaftsteuerzahlungen zu den Nutzungen in einem kausalen und nicht wie von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG geforderten finalen Zusammenhang stehen würden. Bezüglich der dauernden Last gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG sei zwar kein finaler Zusammenhang erforderlich, hier scheitere der Werbungskostenabzug aber daran, dass die Aufwendungen mit einer einzelnen Einkunftsart im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen müssten. Dies sei bei der Einräumung eines Nießbrauchrechts am Nachlass nicht der Fall, da hier der Gesamtnießbrauch mit der Erbschaftsteuer belastet werde, welcher mehreren Einkunftsarten zugeordnet werden könne, wenn der Nachlass aus mehreren Einkunftsquellen besteht. Dies gelte selbst dann, wenn die Nutzungen aus dem Nießbrauch tatsächlich nur einer Einkunftsart zugeordnet werden könne.59 Mit dieser Argumentation des BFH könnte heute der Werbungskostenabzug60 nicht mehr verneint werden. Nach inzwischen gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung61 und herrschender Lehre62 wird entgegen dem finalen Wortlaut, § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in Anlehnung an den Betriebsausgabenbegriff gem. § 4 Abs. 4 EStG aus gleichheitsrechtlichen Gründen auch kausal verstanden. D. h. Werbungskosten sind alle Aufwendungen, die durch die jeweilige Einkunftsart veranlasst sind. Auch die Ausführung, dass Aufwendungen nicht als Werbungskosten abge zogen werden können, wenn sie nicht konkret einer Einkunftsart zugeordnet werden können, sondern vielmehr mit mehreren Einkunftsarten im Zusammenhang stehen, ist inzwischen überholt. Auch hier ist in Rechtsprechung63 und Lehre64 inzwischen geklärt, dass Aufwendungen, die mit mehreren Einkunftsarten in Verbindung stehen, den einzelnen Einkunftsarten anteilig – ggf. im Schätzungswege – zuzurechnen sind. Ist eine Aufteilung im Wege der Schätzung nicht möglich, so sind die Aufwendungen der Einkunftsart zuzuordnen, zu denen sie die engste Beziehung haben, d. h. die Aufwendungen sind insgesamt abzugsfähig.65 59
BFH v. 15.11.1957, VI 79/55 U, BStBl. III 1958, 103, 104. Auf den Betriebsausgabenabzug konnte diese Rechtsprechung aufgrund des kausalen Wortlauts des § 4 Abs. 4 EStG ohnehin nicht angewendet werden. 61 BFH v. 28.11.1980, VI R 193/77, BStBl. II 1981, 368, 369; BFH v. 21.7.1981, VIII R 154/76, BStBl. II 1982, 37, 38 f.; BFH v. 13.1.1984, VI R 194/80, BStBl. II 1984, 315, 316; BFH v. 4.3.1986, VIII R 188/84, BStBl. II 1986, 373, 375; BFH v. 12.1.1990, VI R 29/86, BStBl. II 1990, 423, 424. 62 W. Jakob, Einkommensteuer (2008), Rn. 200 f.; V. Kreft, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 9 Rn. 23; F. Loschelder, in: Schmidt: EStG, § 9 Rn. 2, 7; K. Bornhaupt von, in: Söhn: DStJG 3 (1980), S.149, 179 ff. 63 BFH v. 15.3.1994, X R 58/91, BStBl. II 1994, 516, 518; BFH v. 10.6.2008, VIII R 76/05, BStBl. II 2008, 937, 939. 64 K. Bornhaupt von, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 9 Rn. B 8 f.; V. Kreft, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 9 Rn. 236; F. Loschelder, in: Schmidt: EStG, § 9 Rn. 80; B. Thürmer, in: Blümich/Ebling: EStG, § 9 Rn. 200 f.; R. Heyeres, Zusammenwirken von Einkommensteuer und Erbschaftsteuer (1996), S. 269. 65 BFH v. 15.3.1994, XR 58/91, BStBl. II 1994, 516, 518; V. Kraft, in: Hermann/Heuer/Raupach: EStG, § 9 Rn. 236; F. Loschelder, in: Schmidt: EStG, § 9 Rn 80. 60
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Gegen die Qualifizierung der anteiligen Erbschaftsteuerschuld als Werbungskosten spricht aber der Umstand, dass Erbfälle und Schenkungen, die der Erbschaftsteuer unterliegen66 immer der Privatsphäre zuzuordnen sind.67 Auch beim Übergang von Betriebsvermögen nach § 6 Abs. 3 EStG oder § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG wurde festgestellt,68 dass eine Betriebsaufgabe bzw. eine Entnahme bei einem einzelnen Wirtschaftsgut und eine anschließende Betriebsneugründung bzw. Einlage durch den Rechtsnachfolger stattfindet und über § 6 Abs. 3 EStG bzw. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG nur das Entstehen eines Betriebsaufgabegewinns bzw. Entnahmegewinns verhindert wird. D. h. es findet kein direkter Übergang der Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens des Rechtsvorgängers in das Betriebsvermögen des Rechtsnachfolgers statt, vielmehr vollzieht sich der Vermögensübergang allein in der Privatsphäre. Gegen diese Argumentation lässt sich einwenden, dass man über die zwingende Buchwertfortführung gem. § 6 Abs. 3 EStG den Steuerpflichtigen zumindest für eine juristische Sekunde zur Betriebsneugründung zwingt und damit den Betriebsaufgabegewinn in seiner Person entstehen lässt, unabhängig davon, ob er diesen jemals fortgeführt hat. Auch zeigen die Überschusseinkünfte der §§ 20, 22, 23 EStG69, bei denen sowohl die Einnahmen als auch die Werbungskosten in der Privatsphäre entstehen, dass die Sphärenzugehörigkeit nicht das alleinige Kriterium für die Qualifikation als Erwerbsaufwendung ist.70 Das entscheidende Kriterium, ob Aufwendungen als Erwerbsaufwendung qualifiziert werden können, ist die Frage nach der Veranlassung. Aufwendungen sind dann steuerlich berücksichtigungsfähig, wenn diese betrieblich oder beruflich veranlasst sind.71 Vergleichbar mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip ist auch das Veranlassungsprinzip als unbestimmter Rechtsbegriff im hohen Maße interpretations- und konkretisierungsbedürftig und damit auch streitanfällig.72 Bei einem rein kausalen Verständnis des Veranlassungszusammenhangs im Sinne einer conditio-sine-qua-non-Formel lässt sich die Erbschaftsteuer als Auf 66
Der Verzicht auf eine Forderung aus betrieblichen Gründen stellt z. B. mangels Frei gebigkeit keine freigebige Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. 67 C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 4 Rn. B 58; R. Heyeres, Zusammenwirken von Einkommensteuer und Erbschaftsteuer (1996), S. 269. 68 E. IV. 1. e). 69 Entsprechendes gilt an sich auch für die Einkünfte bei der Veräußerung von wesentlichen Beteiligungen im Sinne des § 17 EStG, die aber aufgrund der beAbsichtigten Gleichstellung mit Mitunternehmern zu den Gewinneinkünften gehören und damit zu Betriebsausgaben führen. 70 Siehe hierzu auch W. Jakob, Einkommensteuer (2008), Rn. 59. 71 C. Seiler, in: Hey: DStJG 34 (2011), S. 61, 73; V. Kreft, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 9 Rn. 140. 72 C. Seiler, in: Hey: DStJG 34 (2011), S. 61, 73. Zu den einzelnen Veranlassungstheorien und den einzelnen Voraussetzungen siehe V. Kreft, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 9 Rn. 142 ff.
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wendung qualifizieren, die aufgebracht werden muss, um in den Besitz der einkommensteuerlichen Einkunftsquelle zu kommen (siehe oben). Gerade die Vorschrift des § 12 Nr. 3 EStG zeigt allerdings, dass das Veranlassungsprinzip nicht mit der Verursachung im Sinne der Äquivalenztheorie identisch ist.73 § 12 Nr. 3 EStG bringt klarstellend zum Ausdruck, dass Personensteuern grundsätzlich privater Natur und nicht beruflich veranlasst sind.74 Für die Einkommensteuer ist geklärt, dass diese der Privatsphäre zuzuordnen und nicht abziehbar ist, da sich die Einkommensteuer nach den persönlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen richtet, auch wenn für die Entstehung der Einkommensteuer Einkünfte vorausgesetzt werden, die in der Erwerbsphase er wirtschaftet worden sind.75 Für die Erbschaftsteuer als Steuer auf das Einkommen kann nichts anderes gelten. Auch die Erbschaftsteuer richtet sich nach den persönlichen Verhältnissen des Bereicherten, wie etwa Steuerklasse, Freibeträge etc. und ist damit als Personensteuer zu qualifizieren.76 Die Erbschaftsteuer ist keine Aufwendung zum Erwerb des Wirtschaftsgutes durch Erbfall oder Schenkung, sondern Folge der damit verbundenen Bereicherung und des damit verbundenen Zuwachses an Leistungsfähigkeit.77 Würde man einen Verursachungszusammenhang ausreichen lassen, so müsste man auch die Einkommensteuer als Erwerbsaufwendung qualifizieren. § 12 Nr. 3 EStG hätte dann keine deklaratorische, sondern konstitutive Bedeutung. Denn ohne die Erwirtschaftung von positiven Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG entsteht auch keine Einkommensteuerschuld.78 Dies zeigt, dass der Veranlassungszusammenhang als unbestimmter Rechtsbegriff im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung zu verstehen ist, in welche „objektive und subjektive Elemente, Kausalität und Finalität als Teilkriterien einzubeziehen sind und darüber 73 V. Kreft, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 9 Rn. 142; W. Jakob, Einkommensteuer (2008), Rn. 192; C. Seiler, in: Hey: DStJG 34 (2011), S. 61, 74 f. 74 H.-U. Fissenwert, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 12 Rn. 122, C. Seiler, in: Kirchhof: EStG, § 12 Rn. 10; R. Geck, ZEV 1996, S. 376, 377. 75 BFH v. 28.11.1991, IV R 122/90, BStBl. II 1992, 342, 343; BFH v. 22.1.1992, X R 155/90, BFH/NV 1992, 458; BFH v. 18.6.1998, IV R 61/97, BStBl. II 1998, 621, 622; R. Krüger, in: Schmidt: EStG, § 12 Rn. 50; P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 2 Rn. A 192; J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer (1988), S. 80. 76 BFH v. 18.1.2011, X R 63/08, BStBl. II 2011, 680, 682; BFH v. 27.7.2000, XR 42/97, BFH/NV 2001, 307, 308; BFH v. 9.8.1983, VIII R 35/80, BStBl. II 1984, 27, 28; C. Seiler, in: Kirchhof: EStG, § 12 Rn. 10; R. Krüger, in: Schmidt: EStG, § 12 Rn. 52; H.-U. Fissenwert, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 12 Rn. 128. Siehe hierzu E. I. 3. 77 BFH v. 18.1.2011, BStBl. II 2011, 680, 682 f.; P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 2 Rn. A 192. 78 Oder aber die Kosten einer Haushaltshilfe müssten als Werbungskosten oder Betriebsausgaben qualifiziert werden, wenn der Steuerpflichtige ohne seine berufliche Tätigkeit auf diese verzichtet hätte und die Haushaltstätigkeit selbst verrichtet hätte. Siehe C. Seiler, in: Hey: DStJG 34 (2011), S. 61, 74, Fn. 46.
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hinaus auch nach der Zugehörigkeit zur einen oder anderen Lebenssphäre“ zu fragen ist.79 Bei einer solchen wertenden Gesamtbetrachtung muss sowohl die Qualifizierung der Einkommen- als auch der Erbschaftsteuer als Erwerbsaufwendung ausscheiden. 5. Wertermittlung a) Die latente Einkommensteuerschuld als aufschiebend bedingte Last im Sinne des § 6 BewG Zuletzt könnte erwogen werden, die Doppelbelastung des Vermögenserwerbs auf der Bewertungsebene zu lösen. Als ein Lösungsansatz auf Bewertungsebene wird vorgeschlagen, die latente Einkommensteuerschuld als aufschiebend bedingte Last im Sinne des § 6 BewG einzuordnen.80 Dahinter steht die Idee, dass zum erbschaftsteuerlichen Stichtag noch völlig unklar sei, ob die latente Einkommensteuerschuld tatsächlich jemals in der Person des Rechtsnachfolgers überhaupt entsteht und ein Abzug der latenten Einkommensteuerschuld zum Zeitpunkt des erbschaftsteuerlichen Stichtags daher nicht angebracht sei. Bei Qualifizierung der latenten Einkommensteuerschuld als aufschiebend bedingte Last im Sinne des § 6 BewG würde gem. § 6 Abs. 2 BewG in Verbindung mit § 5 Abs. 2 BewG eine Berichtigung in dem Zeitpunkt stattfinden,81 in welchem das „Ob“ und die Höhe der Einkommensteuerschuld tatsächlich feststeht.82 Mit diesem Lösungsansatz hat sich auch der BFH in mehreren Entscheidungen auseinandergesetzt und diesen Ansatz verworfen, da aufschiebend bedingte Lasten im Sinne des § 6 BewG nur rechtsgeschäftliche Bedingungen seien. Die latente Einkommensteuerschuld entstehe aber durch Verwirklichung des Tatbestandes, an den das Gesetz die Steuerschuld knüpft, und hänge damit nicht von einer rechts geschäftlichen Bedingung ab.83 Dagegen wird eingewandt, dass von § 6 BewG auch Rechtsbedingungen erfasst werden. Eine solche sei die Einkommensteuerschuld, da diese entsteht, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen, also die Rechtsbedingungen erfüllt seien. Wie bei 79
C. Seiler, in: Hey: DStJG 34 (2011), S. 61, 75. G. Kröger, BB 1971, S. 647, 649; B. Keuk, DB 1973, S. 634, 636 f. 81 D. h. nachträgliche Korrektur der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage durch den Abzug der Einkommensteuerschuld von der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage. 82 B. Keuk, DB 1973, S. 634, 636. 83 BFH v. 11.1.1961, II 272/58 U, BStBl. III 1961, 162; BFH v. 5.7.1978, II R 64/73, BStBl. II 1979, 23, 24; BFH v. 6.12.1989, II B 70/89, BFH/NV 1990, 643; BFH v. 17.2.2010, II R 23/09, BStBl. II 2010, 641, 643. 80
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einer rechtsgeschäftlich bedingten Schuld wäre der Grund bzw. die Grundlage der Einkommensteuerbelastung des Erben bzw. Beschenkten zum erbschaftsteuer lichen Stichtag schon vorhanden.84 Dabei wird verkannt, dass die Einkommensteuerschuld erst in der Person des Rechtsnachfolgers mit Ablauf des Veranlagungszeitraumes entsteht, in welchem dieser den einkommensteuerlichen Tatbestand vollendet hat. Grund bzw. Grundlage der Einkommensteuerbelastung lagen zum erbschaftsteuerlichen Stichtag also gerade noch nicht vor. Grund für die Doppelbelastung des Rechtsnachfolgers ist vielmehr die Anordnung der Fortsetzung der Buchwerte bzw. Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers beim Rechtsnachfolger gem. §§ 6 Abs. 3, 6 Abs. 5 Satz 3, 17 Abs. 1 Satz 4, 17 Abs. 2 Satz 5, 20 Abs. 4 Satz 6, 23 Abs. 1 Satz 2 EStG, die einkommensteuerliche Tatbestandserweiterung gem. § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG und die fehlende Abstimmung der Tatbestände von EStG und ErbStG im Rahmen von wiederkehrenden Bezügen. Diese Gründe sind aber keine Rechts bedingungen, sondern Systembrüche im Einkommensteuersystem. Daher ist die Lösung der Doppelbelastung des Rechtsnachfolgers mit Erbschaftund Einkommensteuer im Rahmen des § 6 BewG abzulehnen.85 b) Wertermittlung des Substanzerwerbs als Ausdruck individueller Leistungsfähigkeit aa) Grundgedanke Allerdings ist mit der Ablehnung der latenten Einkommensteuerschuld als aufschiebend bedingte Last im Sinne des § 6 BewG nicht gesagt, dass die Lösung der Problematik nicht auf der Bewertungsebene gefunden werden kann. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 7.11.2006 gefordert, dass die Anknüpfung an die im Mittelerwerb zum Ausdruck kommende steuerliche Leistungsfähigkeit eine Bewertung des Vermögenszuwachses zum gemeinen Wert erfordere, da nur der gemeine Wert den durch Substanzerwerb vermittelten Zuwachs an steuerlicher Leistungsfähigkeit zutreffend abbilde und damit eine gleichheitsgerechte Ausgestaltung der Belastungsentscheidung ermögliche.86 Gem. § 9 Abs. 2 BewG wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Der gemeine Wert wird also durch den „bei einer Veräu-
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B. Keuk, DB 1973, S. 634, 636. Siehe BFH v. 11.1.1961, II 272/58 U, BStBl. III 1961, 162; BFH v. 5.7.1978, II R 64/73, BStBl. II 1979, 23, 24; BFH v. 6.12.1989, II B 70/89, BFH/NV 1990, 643; BFH v. 17.2.2010, II R 23/09, BStBl. II 2010, 641, 643. 86 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 33 f. 85
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ßerung unter objektivierten Bedingungen erzielbaren Preis“ bemessen87 oder mit anderen Worten, bei der Bewertung ist die Perspektive eines gedachten Erwerbers zugrunde zu legen.88 Wenn mit der Erbschaftsteuer die individuelle Leistungsfähigkeit des Er werbers erfasst werden soll, die in dem Geldwert besteht, den er bei einer gedachten Veräußerung des zugeflossenen Vermögens realisieren könnte,89 könnte erwogen werden, dass die latente Einkommensteuerschuld diesen Geldwert beeinflusst. Dies soll am Beispiel des unentgeltlichen Erwerbs von Kapitalvermögen bei Anwendung des besonderen Steuersatzes des § 32d Abs. 1 EStG verdeutlicht werden. Will jemand börsennotierte Wertpapiere privat erwerben, so muss er als Kaufpreis den Kurswert zum Zeitpunkt des Erwerbs zahlen. Bei einer späteren Ver äußerung der börsennotierten Wertpapiere hat er lediglich die Differenz zwischen dem Kaufpreis als Anschaffungskosten und dem Kurswert zum Zeitpunkt der Veräußerung als Veräußerungsgewinn gem. § 20 Abs. 4 EStG zu versteuern. Da beim Käufer der Kurswert zum Zeitpunkt des Erwerbs als Anschaffungskosten berücksichtigt wird, entspricht der Kurswert zum Zeitpunkt des Erwerbs den „bei einer Veräußerung unter objektivierten Bedingungen erzielbaren Preis“.90 Anders sieht die Rechtslage beim unentgeltlichen Erwerb von börsennotierten Wertpapieren (mit Kursgewinnen) aus. Zur Ermittlung der erbschaftsteuerlichen Bereicherung wird zwar der Kurswert zum Stichtag herangezogen, einkommensteuerlich muss sich der Erwerber aber die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers gem. § 20 Abs. 4 Satz 6 EStG zurechnen lassen, d. h. die Anschaffungskosten werden einkommensteuerlich nicht auf den Kurswert zum erbschaftsteuerlichen Stichtages aufgestockt. Dies hat zur Folge, dass die Differenz zwischen den Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers und dem Kurswert zum erbschaftsteuerlichen Stichtag zum späteren Veräußerungsgewinn im Sinne des § 20 Abs. 4 EStG gehört. Hier würde ein gedachter Erwerber genau diese zusätzliche 25 %ige Ab geltungssteuer in die Kalkulation des Preises einfließen lassen, d. h. der erzielbare Preis wäre nicht der Kurswert am Stichtag im Sinne des § 11 Abs. 1 BewG, sondern der Kurswert am Stichwert abzüglich der latenten 25 %igen Einkommen steuerbelastung aus der Differenz zwischen den Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers und dem Kurswert am erbschaftsteuerlichen Stichtag. Für diesen Ansatz spricht, dass bei manchen Bewertungsmethoden zur Ermittlung des Verkehrswertes die zukünftige Ertragsbesteuerung bei der Wertermittlung mitberücksichtigt wird, etwa im Rahmen der Unternehmensbewertung nach dem IDW Standard91. Des Weiteren werden die latenten Steuern bei der Ermitt 87
BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 34. H. Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009, S. 475. 89 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 34. 90 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 34. 91 IDW S1 vom 2.4.2008, Rn. 28 f., 43 f. 88
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lung des Unternehmenswerts im Zivilrecht, bei der Ermittlung der Höhe von Zugewinn- und Pflichtteilsansprüchen wertmindernd berücksichtigt.92 bb) (Daraus gezogene) Schlussfolgerungen Aus dem Umstand, dass die Ertragsteuern bei der Unternehmungsbewertung mindernd berücksichtigt werden, wird vereinzelt der Schluss gezogen, dass die Doppelbelastung auf seltene Fälle beschränkt sei, insbesondere auf Fälle der zeitnahen Veräußerung im Wege des Share-Deals nach dem unentgeltlichen Erwerb der Beteiligung.93 Dem kann in dieser Absolutheit nicht zugestimmt werden. Zuerst ist darauf hinzuweisen, dass nicht in jedem Fall bei der Bewertung von Wertpapieren, Kapitalgesellschaftsanteilen und betrieblichen Einheiten eine Bewertungsmethode zum Einsatz kommt, in welcher die Ertragsteuern mitberücksichtigt werden. Die Bewertung nach den Ertragsaussichten ist subsidiär ausgestaltet. Ist für den Erwerb des betroffenen Wirtschaftsgutes ein Kurswert an einer deutschen Börse vorhanden oder hat ein Verkauf des betroffenen Wirtschaftsguts unter fremden Dritten innerhalb eines Jahres seit dem unentgeltlichen Erwerb stattgefunden, so ist der dabei ermittelte gemeine Wert zugrunde zu legen.94 Beim Kurswert oder Verkaufspreis unter fremden Dritten findet eine Berücksichtigung der latenten Einkommensteuer aber gerade nicht statt, da bei einer solchen Veräußerung der Verkäufer die stillen Reserven zu versteuern hat, während der Erwerber Anschaffungskosten hat (siehe oben). Zuletzt darf nicht außer Acht gelassen werden, dass über das Ertragswert verfahren der Unternehmenswert, den ein Erwerber aufgrund der zukünftigen Erträge des Unternehmens zu zahlen bereit ist, als Zukunftserfolgswert durch Prognose der finanziellen Überschüsse und anschließenden Diskontierung gebildet wird.95 Daher ist die Schlussfolgerung richtig, dass die zukünftigen laufenden Erträge nicht bzw. nur anteilig96 mit Erbschaft- und Einkommensteuer doppelbelastet sind, wenn diese im Rahmen der Unternehmensbewertung mindernd berücksichtigt worden sind.97
92 Siehe hierzu zugleich unter G. I. 5. b) cc) und dd) sowie D. Moench/H. Hübner, Erbschaftsteuer (2012), Rn. 987, 994; BGH v. 2.2.2011, XII ZR 185/08, BGHZ 188, 249, 265. 93 M. Rave/M. Mannweiler/J. Kühnold, BB 2008, S. 753, 758. 94 Siehe § 11 Abs. 1 BewG oder § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG. 95 IDW S1 vom 2.4.2008, Rn. 7, 68, 85. 96 Da die Ertragssteuerbelastung nur pauschaliert berücksichtigt wird, kann die tatsäch liche Steuerbelastung höher als auch niedriger ausfallen. 97 N. Herzig/C. Joisten/S. Vossel, DB 2009, S. 584, 586 f.; C. Levedag, in: Herrmann/ Heuer/Raupach: EStG, § 35b Rn. 17 ff.; M. Rave/M. Mannweiler/J. Kühnold, BB 2008, S. 753, 755.
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Die Konstellationen, in denen es zu einer Doppelbelastung mit Einkommenund Erbschaftsteuer kommen kann, betreffen aber regelmäßig solche Fälle, in denen das Unternehmen, der Gesellschaftsanteil oder einzelne Wirtschaftsgüter realisiert und die dabei aufgedeckten stillen Reserven einkommensteuerlich erfasst werden. In diesen Fällen wird also nicht primär nach den Erträgen gefragt, die mit dem Unternehmen in Zukunft erwirtschaftet werden können. Vielmehr soll über die Prognose der zukünftigen Erträge der Wert ermittelt werden, den ein Erwerber bei einer gedachten Veräußerung zu zahlen bereit gewesen wäre, um damit den Wert ermitteln zu können, der in der übergehenden Vermögenssubstanz verkörpert wird.98 Stille Reserven bilden sich regelmäßig im Anlagevermögen und werden im laufenden Ertrag grundsätzlich nicht erfasst.99 Dies zeigt sich besonders deutlich an der Vorschrift des § 202 Abs. 2 Nr. 2b BewG für das vereinfachte Ertragswertverfahren, wonach einmalige Veräußerungsgewinne sowie außerordentliche Erträge vom Betriebsergebnis abzuziehen sind. D. h. die Gewinne aus der Veräußerung des Anlagevermögens werden im Rahmen des Ertragswertverfahrens überhaupt nicht abgebildet. Daher kann der Aussage, dass wegen der Berücksichtigung der Ertrags besteuerung im Rahmen der Bewertung, die Doppelbelastung eines Erwerbs mit Einkommen- und Erbschaftsteuer auf eher seltene Konstellationen beschränkt ist, nicht zugestimmt werden. cc) Unterschied zur Korrektur im Rahmen der Bemessungsgrundlage Allerdings soll mit diesen Einschränkungen nicht der Kern dieser Aussage in Frage gestellt werden, nämlich dass die latente Ertragsbesteuerung Einfluss auf den Wert der übergehenden Vermögenssubstanz hat. Gerade dies zeigt die Mitberücksichtigung der Ertragsteuern im Rahmen der Unternehmensbewertung nach dem IDW S1 sowie der vergleichbare Lösungsansatz zur Ermittlung des Unternehmenswerts im Zivilrecht, bei der Berechnung von Zugewinn- und Pflicht teilsansprüchen. Dieser Lösungsansatz weist eine gewisse Ähnlichkeit zu dem Lösungsansatz auf, der die latente Einkommensteuerschuld als oder wie eine Nachlass verbindlichkeit in § 10 Abs. 5 ErbStG berücksichtigen will. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Ansätzen besteht darin, dass bei der Berücksichtigung der latenten Einkommensteuerschuld im Rahmen des § 10 Abs. 5 ErbStG zuerst der gemeine Wert gem. §§ 10 Abs. 1, 12 ErbStG in Verbindung mit dem BewG
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BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 34. IDW S1 vom 2.4.2008, Rn. 106.
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ermittelt und anschließend von diesem gemeinen Wert die latente Einkommen steuerschuld als oder wie eine Nachlassverbindlichkeit abgezogen wird. Beim anderen Ansatz wird dagegen davon ausgegangen, dass die Einkommensteuerschuld, die bei einer gedachten Veräußerung entsteht, den Marktpreis, der durch Erbanfall oder Schenkung übergehende Vermögenssubstanz nachhaltig beeinflusst und sich wertmindernd auswirkt. Dieser Lösungsansatz hat den entscheidenden Vorteil, dass er schon im Rahmen der Bewertung ansetzt und damit weder im Widerspruch zum Stichtagsprinzip des § 11 ErbStG steht, noch dem Vorwurf ausgesetzt ist, dass er nicht in das System des § 10 Abs. 5 ErbStG passe. Vielmehr zeigt diese Lösung, dass die wertmindernde Berücksichtigung gerade die logische Folge davon ist, dass der Wert ermittelt werden soll, der dem Bereicherten nach einer gedachten Veräußerung verbleibt. Damit widerspricht die Berücksichtigung der latenten Ertragsbesteuerung nicht dem Stichtagsprinzip, sondern verlangt diese vielmehr gerade. Dies deckt sich insoweit mit den Erwägungen der höchstrichterlichen Zivilrechtsprechung bei ähnlichen Bewertungsfragen im Rahmen der Ermittlung der Höhe von Zugewinn- und Pflichtteilsansprüchen beim Bestehen von betrieblichen Einheiten.100 Vergleichbar mit der hierzu relevanten Frage wird nach dem Wert gefragt, der im Falle der Veräußerung der betrieblichen Einheit auf dem Markt zu erzielen wäre.101 Tatsächlich ist aber nicht der mögliche Kaufpreis, den ein Erwerber zahlt, von Interesse, sondern vielmehr geht es um den Wert, der dem Verkäufer nach einer Veräußerung als Erlös verbleiben würde. Dabei werden die unvermeidbaren Veräußerungskosten wertmindernd berücksichtigt. Dazu gehören auch die Steuern, die bei einer gedachten Veräußerung nach den persönlichen Verhältnissen des Veräußerers zum Stichtag entstehen würden.102 Dies ist logische Folge der Ermittlung des Wertes, der dem Erwerber bei einer gedachten Veräußerung
100 Anders – wie manchmal angenommen (siehe G. Crezelius, in: Birk: DStJG 23 (1999) –, S. 73, 123 f.) wird auch hier nicht für eine Berücksichtigung als Nachlassverbindlichkeit oder ähnlich wie eine Nachlassverbindlichkeit plädiert. Vielmehr sprechen sich Rechtsprechung und das Schrifttum dafür aus, dass die latente Einkommensteuerlast im Rahmen der Bewertung zu berücksichtigen ist, siehe BGH v. 26.4.1972, IV ZR 114/70, NJW 1972, 1269 f.; BGH v. 17.3.1982, IVa ZR 27/81, NJW 1982, 2497, 2498; OLG Düsseldorf v. 4.11.1988, 6 UF 27/88, FamRZ 1989, 1181, 1183 ff.; BGH v. 24.10.1990, XII ZR 101/89, NJW 1991, 1547, 1551; BGH v. 2.2.2011, XII ZR 185/08, BGHZ 188, 249, 265; K. Tiedtke, FamRZ 1989, S. 1188, 1191 f.; W. Jaeger, in: Familienrecht, § 1376 Rn. 19; W. Kogel, NJW 2011, S. 3337 ff. 101 BGH v. 2.2.2011, XII ZR 185/08, BGHZ 188, 249, 265. 102 BGH v. 2.2.2011, XII ZR 185/08, BGHZ 188, 249, 265. Daraus ergibt sich auch, dass Zinseffekte zwischen tatsächlicher Realisation und dem Bewertungsstichtag entgegen N. Dautzenberg/R. Heyeres, StuW 1992, S. 302, 310 gerade nicht zu berücksichtigen sind. So auch E. Röder, in: Beck: Unternehmensnachfolge (2009), S. 69, 91 f. Aufgrund dieses Umstandes ist die Erbschaftsteuer auch nicht nachträglich gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern, wenn tatsächlich die Einkommensteuerschuld des Rechtsnachfolgers entsteht. Zu diesem Lösungsansatz siehe auch G. I. 5. a), der auf den gleichen Gedanken beruht.
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verbleiben würde, mit der Konsequenz, dass die Veräußerungskosten unabhängig von einer geplanten Veräußerung zu berücksichtigen sind.103 Die Berücksichtigung dieser latenten Steuern ist insoweit logische Konsequenz der Bewertungsmethode.104 Die Steuern gehören dabei zu den unvermeidbaren Veräußerungskosten, die wertmindernd berücksichtig werden müssen.105 dd) § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG als diesem Lösungsansatz entgegenstehende Norm? Fraglich ist, ob diesem Lösungsansatz § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG im Wege steht. Danach sind die persönlichen Verhältnisse des Erwerbers bei der Wertermittlung nicht zu berücksichtigen. Die Einkommensteuer als Personensteuer könnte zu den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers zählen. Dagegen spricht die Ratio des § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG. Mit dieser Vorschrift sollen die Umstände ausgeschlossen werden, die nicht mit dem objektiven Wert zusammenhängen und sich im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nicht wertbeeinflussend auswirken.106 Zu diesen persönlichen Verhältnissen gehört etwa ein besonderes Näheverhältnis zwischen Verkäufer und Käufer, welches ursächlich dafür sein kann, dass ein anderer Kaufpreis vereinbart wird wie unter fremden Dritten.107 Die latente Einkommensteuer gehört aber zu den Umständen, die sich im gewöhnlichen Geschäftsverkehr wertbeeinflussend auswirkt. Dies zeigt sich ins besondere bei der Berücksichtigung der Steuern im Rahmen der Berechnung von Zugewinn- und Pflichtteilsansprüchen108 sowie bei der Unternehmensbewertung
103 BGH v. 24.10.1990, XII ZR 101/89, NJW 1991, 1547, 1551; BGH v. 2.2.2011, XII ZR 185/08, BGHZ 188, 249, 265. 104 Das Stichtagprinzip des § 11 ErbStG verbietet also nicht die Berücksichtigung, sondern gebietet diese vielmehr, um die individuelle Bereicherung am Stichtag zu ermitteln. Daher ist es zutreffend im Stichtagprinzip ein Subprinzip des Bereicherungsprinzips zu sehen und nicht umgekehrt. Zutreffend T. Keß, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 35b Rn. A 137; D. Moench/H. Hübner, Erbschaftsteuer (2012), Rn. 985. 105 BGH v. 9.2.2011, XII ZR 40/09, BGHZ 188, 282, 292 f.; BGH v. 2.2.2011, XII ZR 185/08, BGHZ 188, 249, 265; BGH v. 24.10.1990, XII ZR 101/89, FamRZ 1991, 43, 48. 106 M. Knittel, in: Gürsching/Stenger: BewG, § 9 Rn. 88; R. Halaczinsky, in: Troll/Halaczinsky/Tess/Rössler: BewG, § 9 Rn. 12. 107 M. Knittel, in: Gürsching/Stenger: BewG, § 9 Rn. 97; R. Halaczinsky, in: Troll/Halaczinsky/Tess/Rössler: BewG, § 9 Rn. 12. 108 BGH v. 9.2.2011, XII ZR 40/09, BGHZ 188, 282; BGH v. 2.2.2011, XII ZR 185/08, BGHZ 188, 249; BGH v. 6.2.2008, XII ZR 45/06, BGHZ 175, 207; BGH v. 8.9.2004, XII ZR 194/01, FamRZ 2005, 99, 101; BGH v. 24.10.1990, XII ZR 101/89, FamRZ 1991, 43; BGH v. 22.10.1986, IVa ZR 143/85, BGHZ 98, 382.
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nach dem IDW S1, bei denen insbesondere die persönlichen Ertragsteuern109 mitberücksichtigt werden.110 Der IDW S1 differenziert zwischen einem objektivierten Unternehmenswert und einem subjektiven Entscheidungswert.111 Dabei „stellt der objektivierte Unternehmenswert einen intersubjektiv nachprüfbaren Zukunftserfolg aus Sicht der Anteilseigner dar“.112 Zu diesen objektiven Bewertungsfaktoren gehören aber gerade auch die persönlichen Verhältnisse des Anteilseigners zum Betrieb, wie etwa die latente Einkommensteuerbelastung.113 Wenn mit der Erbschaftsteuer die individuelle Leistungsfähigkeit des Erwerbers erfasst werden soll, die in dem Geldwert besteht, den er bei einer gedachten Veräußerung des zugeflossenen Vermögens realisieren könnte,114 dann kann aber nicht die Einkommensteuerschuld, die bei einer solchen Veräußerung entstehen würde, unberücksichtigt bleiben. Vielmehr müssen die persönlichen Verhältnisse des Erwerbers zugrunde gelegt werden, die sich bei einer gedachten Veräußerung des zugeflossenen Vermögens zum erbschaftsteuerlichen Stichtag ergeben würden.115 Allerdings lässt sich die Berücksichtigung der latenten Einkommensteuerschuld im Rahmen der Wertermittlung nicht ohne weiteres umsetzen, da diese in den einzelnen Vermögensarten unterschiedlich erfolgt. Für börsennotierte Wertpapiere schreibt § 11 Abs. 1 Satz 1 BewG zwingend vor, dass der Kurswert anzusetzen ist, so dass eine Berücksichtigung der latenten Einkommensteuer im Rahmen der Wertermittlung hier nicht möglich ist. Die Leistungsfähigkeit, die im Vermögenszugang zum Ausdruck kommt, ist aber einheitlich nur in der Höhe des Geldwertes gegeben, die der Erwerber bei einem Verkauf des zugeflossenen Vermögens tatsächlich realisiert. Die bei einer solchen Veräußerung anfallenden Steuern sind daher als wertmindernde Faktoren zu berücksichtigen. Wenn die gleichmäßige Erbschaftsteuerbelastung der Steuerpflichtigen gewährleistet sein soll, dann muss bei der Wertermittlung eine einheitliche Berücksichtigung der latenten Steuern erfolgen, unabhängig davon, ob es sich um Wertpapiere, Kapital- oder Personengesellschaftsanteile, Einzelunternehmen, Grundstücke oder andere Wirtschaftsgüter handelt.
109 IDW S1 vom 2.4.2008, Rn. 28 f., 43 f. sowie § 202 Abs. 3 BewG für das vereinfachte Ertragswertverfahren. 110 So auch D. Moench/H. Hübner, Erbschaftsteuer (2012), Rn. 994. 111 H. Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009, S. 474 f. 112 IDW S1 vom 2.4.2008, Rn. 29 113 H. Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009, S. 475. 114 H. Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009, S. 475. 115 H. Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009, S. 475.
II. De lege ferenda
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II. De lege ferenda Bei allen dargestellten Lösungsmöglichkeiten hat sich gezeigt, dass entweder gesetzliche Bestimmungen oder Beschränkungen in der Norm selbst dazu führen, dass kein Lösungsansatz zu einer umfassend befriedigenden Lösung führt. Daher sollen nun die Möglichkeiten de lege ferenda zur Lösung der Doppelbelastung des Rechtsnachfolgers mit Erbschaft- und Einkommensteuer näher betrachtet werden. Dabei werden zuerst die radikalen Vorschläge – wie die Abschaffung einer Steuer oder die Integration einer Steuer in die andere – näher untersucht, bevor punktuelle Korrekturen erörtert werden. 1. Abschaffung der Erbschaft- bzw. Einkommensteuer Die einfachste Möglichkeit zur Lösung der Vermeidung der Doppelbelastung wäre die Abschaffung einer der beiden Steuern. Dafür kommt aus realistischer Sicht nur die Erbschaftsteuer in Betracht. Zum einen, da die Einkommensteuer mit der Umsatzsteuer zu den aufkommensstärksten Steuern zählt und aufgrund der Haushaltslage auf das Aufkommen der Einkommensteuer nicht verzichtet werden kann. Zum anderen ist der Staat auf den Zufluss von regelmäßigen Einnahmen angewiesen, wofür eine aufkommensschwache Steuer wie die Erbschaftsteuer, die an einmalige außerordentliche Vorgänge anknüpft, nicht geeignet ist.116 Die Möglichkeit der Abschaffung der Erbschaftsteuer ist insbesondere wieder in den Blickpunkt gerückt, nachdem diese in Österreich seit dem 1.8.2008 nicht mehr erhoben wird. Die Situation in Österreich ist mit der in Deutschland insoweit vergleichbar, dass auch in Österreich der Verfassungsgerichtshof am 7. März 2007117 entschieden hat, dass die Bewertungsvorschriften für Grundstücke gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen würden. Anders als in Deutschland hat Österreich die Frist bis zum 1.8.2008 verstreichen lassen, ohne ein neues Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz auf den Weg zu bringen. Bei einem Aufkommen von ca. vier Milliarden bewegt sich das Erbschaft steueraufkommen in der Bandbreite der konjunkturbedingten Schwankungsbreite von Einkommen- und Umsatzsteuer,118 so dass ihre Bedeutung für den Haushalt als gering einzustufen ist. Neben den gesellschaftspolitischen Widerständen119 gegen die Abschaffung der Erbschaftsteuer spricht aber auch das Leistungsfähigkeitsprinzip für deren Bei 116 Neben dem Umstand, dass gem. Art. 106 Abs. 2 Nr. 2 GG das Aufkommen der Erbschaftsteuer allein den Ländern zusteht. 117 Verfassungsgerichthof, v. 7.3.2007, G 54/06, ZEV 2007, 237. 118 W. Möschel, in: Kirchdörfer/Lorz/Kögel: Festschrift Hennerkes (2009), S. 57; M. Birnbaum, Leistungsfähigkeitsprinzip und ErbStG (2007), S. 27 f. 119 W. Möschel, in: Kirchdörfer/Lorz/Kögel: Festschrift Hennerkes (2009), S. 58.
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behaltung. Wie dargelegt,120 knüpfen sowohl Einkommen- als auch Erbschaftsteuer an die im Mittelerwerb zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit an und finden darin auch ihren Rechtfertigungsgrund. Wenn beide Steuern an den Mittelerwerb anknüpfen und die Herkunft der Mittel keine Rolle spielt, dann kann unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten leistungslos zufließendes Einkommen nicht unbesteuert bleiben, während erwirtschaftete Einkünfte der Besteuerung unterliegen.121 Allerdings hat der Gesetzgeber einen weiten Entscheidungsspielraum bei der Auswahl des Steuergegenstandes und damit auch bei der Bestimmung der Sachverhalte, die er der Besteuerung unterwerfen will.122 Ähnlich wie die Nichtbesteuerung von privaten Veräußerungsgewinnen außerhalb der §§ 17, 20, 23 EStG trotz gestiegener Leistungsfähigkeit vom weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt ist, wäre der Verzicht auf die Besteuerung der im unentgeltlichen Mittelerwerb zum Ausdruck kommenden Leistungsfähigkeit vom weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt. Unter Leistungsfähigkeits gesichtspunkten sollte allerdings an der Erfassung der Leistungsfähigkeit durch den Mittelerwerb bei Erbfall oder Schenkung festgehalten werden.123 2. Integration der Erbschaftsteuer in die Einkommensteuer Wenn sowohl die Einkommen- als auch die Erbschaftsteuer zu den Steuern auf das Einkommen zählen, dann liegt der Gedanke nahe, die Erbschaftsteuer in die Einkommensteuer zu integrieren.124 Der Erwerb durch Erbschaft und Schenkung könnte insoweit als achte Einkunftsart in § 2 EStG aufgenommen werden. Hindernisse hierfür stellen die hohen Freibeträge, das Stichtagsprinzip und die Abhängigkeit des Steuersatzes vom Verwandtschaftsgrad des Rechtsnachfolgers vom Rechtsvorgänger im ErbStG dar.
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F. III. 1. D. Schneider, DStR 1998, S. 1287, 1288; J. Meincke, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 39, 40 f.; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II (2003), § 13, S. 872 f.; G. Schanz, Finanzarchiv 1900, S. 171, 172.; F. Kirchhof, Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts (2001), Rn. 165. 122 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 30; BVerfG v. 4.12.2002, 2 BvR 400/98, 1735/00, BVerfGE 107, 27, 46; BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 136. 123 J. Meincke, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 39, 40 f.; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II (2003), § 13, S. 872 f.; D. Schneider, DStR 1998, S. 1287, 1288; F. Kirchhof, Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts (2001), Rn. 165, der sogar von einer Besteuerungspflicht ausgeht. 124 C. Heinz, Vermögensübergänge im Spannungsfeld von Erbschaftsteuer und Einkommensteuer (2003), S. 289 ff.; C. Heinz, ZEV 2004, S. 221, 225 f.; R. Seer, GmbHR 2002, S. 873, 878; R. Seer, RIW 2001, S. 664, 673; R. Seer, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 13 Rn. 103; E. Röder, ZEV 2008, S. 169, 170; E. Röder, in: Beck: Unternehmensnachfolge (2009), S. 69, 85; G. Crezelius, FR 2007, S. 613, 616; H. Timm, Finanzarchiv 1984, S. 553, 663 ff.; J. Meincke, in: Meincke: ErbStG, Einführung, Rn. 2. 121
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Allerdings ließen sich diese Hindernisse überwinden. Die Einführung des besonderen Steuersatzes des § 32d EStG für Kapitalvermögen hat gezeigt, dass es zumindest möglich ist, unterschiedliche Steuertarife im EStG zu verankern; § 16 Abs. 4 EStG und § 20 Abs. 9 EStG zeigen des Weiteren, dass auch spezielle Freibeträge einzelnen Einkunftsarten zugeordnet werden können. Insoweit könnten die Freibeträge der §§ 5, 13 und 16 ErbStG dieser Einkunftsart zugeordnet werden, um dem Verwandtenerbrecht bzw. Familienprinzip Rechnung zu tragen. Auf das Stichtagsprinzip des § 11 ErbStG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 ErbStG würde insoweit verzichtet werden und der Erwerb würde in dem einkommen steuerlichen Veranlagungszeitraum erfasst, in dem die Vermögenszuwendung dem Steuerpflichtigen durch Erbfall oder Schenkung zufließt, mit der entsprechenden Milderung durch gesonderte Freibeträge und durch einen gesonderten Tarif. Als weiteres Problem müsste gelöst werden, dass zum Zeitpunkt der Realisation der latenten Einkünfte diese zu weiteren Einkünften führen würden, die einer der anderen der in § 2 Abs. 1 EStG genannten Einkunftsarten zugeordnet werden würden, so dass die Doppelbelastung bis dato nur in das EStG transferiert und nicht beseitigt wäre. Innerhalb des EStG wird die Zuordnung von Einkünften zu mehreren Einkunftsarten dadurch verhindert, dass bestimmte Einkünfte subsidiär ausgestaltet sind, vgl. §§ 15 Abs. 2 Satz 1, 20 Abs. 8 Satz 1, 21 Abs. 3 EStG. Allerdings betreffen diese Vorschriften nur denselben Vermögenszufluss innerhalb des gleichen Veranlagungszeitraums, der auch der Höhe nach übereinstimmt. In den Fällen der Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer sind dagegen häufig die Veranlagungszeiträume verschieden. Zudem ist von der Doppelbelastung regelmäßig nur ein bestimmter Teil des Vermögenszuflusses betroffen.125 Dem könnte in der Weise Rechnung getragen werden, dass die Subsidiarität so aus gestaltet wird, dass diese sich auf den Teil der Einkünfte beschränkt, der von der achten Einkunftsart „Erbschaft und Schenkungen“ erfasst worden ist. Diese Konzeption erinnert stark an den Lösungsansatz des § 35b EStG mit der Besonderheit, dass die Kollision innerhalb des EStG beseitigt wird und nicht mehr zwei unterschiedliche Steuern betrifft. Eine andere Möglichkeit wäre, den für die erbschaftsteuerliche Einkunftsart ermittelten gemeinen Wert auch für die anderen Einkunftsarten für maßgeblich zu erklären. Dies bedeutet, dass der unentgeltliche Erwerb wie ein Anschaffungsvorgang behandelt werden würde, mit der Besonderheit, dass dieser Vorgang aufgrund der Anordnung selbst steuerpflichtig wäre. Insoweit würden nach der Besteuerung des unentgeltlichen Vermögenszuwachses die Buchwerte bzw. die
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Die Doppelbelastung ist regelmäßig auf die stillen Reserven beschränkt.
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Anschaffungskosten auf den gemeinen Wert aufgestockt und diese wären dann für alle Einkunftsarten anschließend verbindlich (sog. „step up“126). Alternativ wird vorgeschlagen, dass mit dem unentgeltlichen Erwerb zugleich die Realisation der latenten Einkünfte angeordnet werden könnte127 oder aber zum Zeitpunkt, in dem die Realisation bzw. der Zufluss zu weiteren Einkünften im Sinne der § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG führt, solle die Bemessungsgrundlage oder der Tarif um die schon gezahlte Erbschaftsteuer als achte Einkunftsart entsprechend korrigiert werden.128 Die „Sofortbesteuerungsvariante“, d. h. die Anordnung der Realisation der latenten Einkünfte zum Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung, würde dazu führen, dass sowohl der Rechtsvorgänger als auch der Rechtsnachfolger nach ihrer individuellen Leistungsfähigkeit besteuert werden, da eine interpersonelle Übertragung von latenten Einkünften vermieden würde.129 Der Umstand, dass zum Zeitpunkt der Realisation der Einkünfte keine Liquidität zufließt, könnte durch Steuerstundungsvorschriften und einem besonderen Tarif entsprechend dem § 34 EStG begegnet werden.130 Bei der „Endbesteuerungsvariante“, d. h. bei der Berücksichtigung der schon erbschaftsteuerlich erfolgten Besteuerung des unentgeltlichen Erwerbs zum Zeitpunkt der Realisation bzw. des Zuflusses der Einkünfte, wäre die zuvor geübte Kritik an der Berücksichtigung der latenten Einkommensteuerschuld im Rahmen der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage gegenstandlos, da insoweit die Korrektur innerhalb der Einkommensteuer erfolgen würde.131 Diese Ausführungen machen aber auch deutlich, dass zahlreiche Änderungen notwendig wären, um die Erbschaftsteuer in die Einkommensteuer zu integrieren. Wenn aber zahlreiche abweichende Vorschriften notwendig sind,132 um eine Steuer in eine andere Steuer zu integrieren, so stellt sich die Frage, ob
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Siehe hierzu R. Seer, StuW 2005, S. 353, 358; R. Seer, ZEV 2007, S. 101, 103 f., H. Hübner, DStR 2007, S. 1017, 1019. 127 C. Heinz, Vermögensübergänge im Spannungsfeld von Erbschaftsteuer und Einkommensteuer (2003), S. 306 ff. (Sofortbesteuerungsalternative); sowie M. Birnbaum, Leistungsfähigkeitsprinzip und ErbStG (2007), S. 51 f., allerdings ohne die Erbschaftsteuer in die Einkommensteuer integrieren zu wollen. 128 C. Heinz, ZEV 2004, S. 221, 225 f.; C. Heinz, Vermögensübergänge im Spannungsfeld von Erbschaftsteuer und Einkommensteuer (2003), S. 306 ff. 129 C. Heinz, ZEV 2004, S. 221, 225 f.; C. Heinz, Vermögensübergänge im Spannungsfeld von Erbschaftsteuer und Einkommensteuer (2003), S. 306 ff.; M. Birnbaum, Leistungsfähigkeitsprinzip und ErbStG (2007), S. 51 f. 130 C. Heinz, ZEV 2004, S. 221, 225; C. Heinz, Vermögensübergänge im Spannungsfeld von Erbschaftsteuer und Einkommensteuer (2003), S. 308. 131 C. Heinz, ZEV 2004, S. 221, 225 f. 132 Wobei die zweifelhaften Regelungen der §§ 13a, 13b ErbStG noch nicht mal mitberücksichtigt worden sind.
II. De lege ferenda
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die Ausgliederung der Einkunftsart in einem gesonderten Gesetz nicht doch sinnvoll ist. So gehört auch die Körperschaftsteuer zu den Einkommensteuern, was sich unschwer am selben Steuergegenstand gem. § 7 Abs. 1 KStG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 KStG erkennen lässt. Trotzdem rechtfertigen die zahlreichen Unterschiede zwischen natürlichen und juristischen Personen, wie etwa die fehlenden persön lichen Bedürfnisse von juristischen Personen, eine Sondereinkommensteuer für juristische Personen oder zumindest eine Unternehmensbesteuerung.133 Daher ist der Vorschlag, die Körperschaftsteuer in das EStG zu integrieren, wie es vor der Erzbergerschen Steuerreform 1920 z. B. im preußischen EStG 1891 der Fall war,134 vereinzelt geblieben.135 Von den Vertretern, die eine Integration der Erbschaftsteuer in das EStG fordern, wird zudem überhaupt nicht berücksichtigt, dass das Aufkommen der Erbschaftsteuer gem. Art. 106 Abs. 2 Nr. 2 GG den Ländern zusteht, während das Aufkommen der Einkommensteuer gem. Art. 106 Abs. 3 GG, nach Abzug des Anteils der Kommunen gem. Art. 106 Abs. 5 GG in Verbindung mit § 1 Gemeindefinanzreformgesetz, Bund und Ländern gemeinschaftlich zusteht. Dies bedeutet, dass die Integration der Erbschaftsteuer in das EStG nicht nur die Beseitigung des ErbStG und eine entsprechende Änderung des EStG bedarf, sondern vielmehr auch eine Änderung der Finanzverfassung mit sich bringen würde, wenn das Aufkommen der Erbschaftsteuer nach dem Misch system des Art. 106 Abs. 3 GG verteilt werden würde. Damit müssten die hohen Anforderungen des Art. 79 Abs. 2 GG für eine Verfassungsänderung erfüllt werden.136 Zudem können die Befürworter einer Integration der Erbschaftsteuer in die Einkommensteuer nicht erklären, wieso einzelne Gesetzesänderungen ohne Inte gration der Erbschaftsteuer in die Einkommensteuer nicht ausreichen, um die 133 G. Crezelius, Steuerrecht II (1994), § 13 Rn. 2; G. Crezelius, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 73, 108. 134 Zur Geschichte siehe H. Ruppe, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, Einf. ESt, Rn. 400; G. Crezelius, Steuerrecht II (1994), § 13 Rn. 2; ausführlich C. Rasenack, Die Theorie der Körperschaftsteuer (1974), S. 19 ff. 135 Dafür P. Kirchhof, Bundessteuergesetzbuch (2011), S. 15 f. sowie § 42 BStGB, S. 364 f.; P. Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch (2003), § 1 EStGB sowie Begründung zu § 11; C. Seiler/C. Spengel 2006, Rn. F 48. Davon zu unterscheiden ist die Forderung einer einheitlichen und selbstständigen Unternehmensbesteuerung. Siehe hierzu auch H.-J. Pezzer, in: Seeger: DStJG 25 (2002), S. 37, 50 ff. 136 Eine andere Frage wäre, ob es trotz Einbeziehung der Erbschaftsteuer in die Einkommensteuer möglich wäre, den Ertrag dieser „achten“ Einkunftsart weiter den Ländern zuzuweisen, um eine Änderung und Neuausrichtung der Finanzverfassung zu vermeiden. Technisch ließe sich dies ohne weiteres umsetzen. Sicher keine Änderung der Finanzverfassung wäre notwendig, wenn auf die Erhebung der Erbschaftsteuer verzichtet werden würde und stattdessen der jetzige Steuergegenstand des EStG z. B. durch eine unbefristete Erfassung von privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG erweitert werden würde.
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G. Lösungsmöglichkeiten
Doppelbelastung eines Vermögenszuwachses bei einer Person zu beseitigen. Dies soll nun im Anschluss untersucht werden. 3. Wertaufstockung auf den gemeinen Wert zum Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung – klare Abstimmung der beiden Steuergegenstände Der im Rahmen der Diskussion um die Integration der Erbschafteuer in die Einkommensteuer erwähnte Gedanke der Aufstockung der Buchwerte bzw. Anschaffungskosten zum Zeitpunkt des unentgeltlichen Vermögensübergang soll nun bei Beibehaltung der Trennung von Einkommen- und Erbschaftsteuer erörtert werden. Der Gedanke ist nicht neu. In Kanada137 und in den USA138 wird ein sog. „step up“ zum Zeitpunkt des unentgeltlichen Vermögensübergangs vollzogen. Während in Kanada die Erbschaftsteuer abgeschafft wurde und dagegen die „capital gains tax“ auf Tod, Schenkung oder Wegzug durch eine Gleichstellung dieser Vorgänge mit einer Veräußerung erweitert wurde, wird in den USA die Erbschaftsteuer als Sondersteuer auf den Nachlass erhoben. Beide haben gemeinsam, dass der Rechtsvorgänger zum Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung besteuert wird und der Erwerber die Vermögenswerte mit dem Verkehrswert anzusetzen hat. Durch den Ansatz der Verkehrswerte beim Rechtsnachfolger wird bei diesem eine klare Trennung der Steuergegenstände von Erbschaft- und Einkommensteuer bewirkt. Der unentgeltliche Mittelwerb wird von der Erbschaftsteuer erfasst, während der Ansatz des Verkehrswerts der Wirtschaftsgüter zum Zeitpunkt des unentgeltlichen Erwerbs beim Rechtsnachfolger zur Folge hat, dass dieser nur die Einkünfte einkommensteuerlich zu versteuern hat, die er selbst erwirtschaftet hat. Der mit den §§ 6 Abs. 3, 6 Abs. 5 Satz 3, 17 Abs. 2 Satz 5, 20 Abs. 4 Satz 6 und 23 Abs. 1 Satz 3 EStG verbundene Systembruch wäre beseitigt und eine klare gegenständliche Trennung der Steuergegenstände von Einkommen- und Erbschaftsteuer wäre gewährleistet. Auch in Deutschland wurde zumindest für die meisten Einkunftsarten diese Wertaufstockung der Anschaffungskosten bzw. Buchwerte auf den gemeinen Wert zum Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung zu Zeiten des Reichseinkommensteuergesetzes vollzogen. So ordnete § 19 Abs. 2 Satz 2 EStG 1925139 ausdrücklich an, dass unentgeltlich erworbene Wirtschaftsgüter im Betriebsvermögen mit dem gemeinen Wert zu erfassen sind. Beim unentgeltlichen Erwerb von wesentlichen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften ging die 137 Siehe hierzu H. Wilde, ZEV 1997, S. 488, 490; M. Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher: ErbStG, § 21 Rn. 108. 138 R. Seer, RIW 2001, S. 664, 675; M. Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher: ErbStG, § 21 Rn. 136. 139 Einkommensteuergesetz v. 15.8.1925, RGBl. I 1925, 189, 193.
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h. M. davon aus, dass der Rechtsnachfolger diese mit dem Verkehrswert anzusetzen hat, da nur so gewährleistet sei, dass der Steuerpflichtige nur mit dem Vermögenszuwachs zur Einkommensteuer herangezogen wird, den er auch erwirtschaftet hat.140 Erst sukzessiv wurde der mit der Möglichkeit der Buchwertverknüpfung in § 20 EStG 1925 begangene Systembruch auf die weiteren Einkunftstatbestände ausgeweitet.141 Beim Transfer von Wirtschaftsgütern zwischen der Betriebs- und Privatsphäre eines Steuerpflichtigen wird diese Wertaufstockung allerdings schon im geltenden Recht durch die Bewertung der Einlage und Entnahme mit dem Teilwert bewirkt.142 a) Auswirkung im Betriebsvermögen Die steuerlichen Folgen für den Rechtsvorgänger durch die Wertaufstockung auf den gemeinen Wert zum Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung bedürfen einer näheren Betrachtung. Bezüglich der stillen Reserven, die sich im Betriebsvermögen gebildet haben, wurde schon herausgearbeitet, dass über die §§ 6 Abs. 3, 6 Abs. 5 Satz 3 EStG das Entstehen eines Betriebsaufgabe- bzw. Entnahmegewinns verhindert wird.143 Durch diese Bewertungsvorschriften wird die Besteuerung der stillen Reserven zeitlich und personell vom Rechtsvorgänger auf den Rechtsnachfolger verschoben. Allerdings ist dieser Systembruch zumindest bei § 6 Abs. 3 EStG bzw. bei seinen Vorgängervorschriften § 20 EStG 1925 und § 7 EStDV dem Gesetzgeber bewusst gewesen und gewollt umgesetzt worden. Der Gesetzgeber erkannte, dass bei einer unentgeltlichen Übertragung eines Unternehmens zeitnah sowohl Ein kommensteuer als auch Erbschaftsteuer anfallen würden, ohne dass dem Erben entsprechende Liquidität zufließt.144 Um die Unternehmensnachfolge zu erleichtern, wurde also bewusst auf die Besteuerung des Betriebsaufgabegewinns zum Zeitpunkt der Unternehmensnachfolge verzichtet und damit die Besteuerung interpersonell auf einen späteren Zeitpunkt beim Rechtsnachfolger verschoben. Ohne den Buchwertansatz würde es zu einer Gewinnrealisierung kommen, da der gemeine Wert oder der Teilwert145 anzusetzen wäre, d. h. der Rechtsvorgänger würde den Einkünftetatbestand in seiner Person erfüllen. Dies hätte zur Folge, dass bei einer Schenkung unter Lebenden der Rechtsvorgänger diesen Entnahme- oder Betriebsaufgabegewinn zu versteuern hätte, während beim Erwerb 140 RFH v. 21.7.1937, VI A 377/37, RStBl. 1937, 1008; RFH v. 17.2.1937, VI A 485/36, RStBl. 1937, 963; RFH v. 14.12.1938, VI 732/38, RStBl. 1939, 212; W. Flume, StuW 1974, S. 188, 190. 141 Ausführlich hierzu schon E. IV. 2. und 3. 142 Siehe hierzu schon E. IV. 1. d) und V. 143 Siehe hierzu E. IV. 1. g). 144 Siehe hierzu schon E. IV. 1. g). 145 Vgl. §§ 6 Abs. 1 Nr. 4, 16 Abs. 2 Satz 7 EStG.
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G. Lösungsmöglichkeiten
von Todes wegen der Rechtsnachfolger gem. § 45 Abs. 1 Satz 1 AO diese Steuer zu zahlen hätte, allerdings nicht als seine persönliche Steuer, sondern als Nachlass verbindlichkeit.146 Insoweit könnte zumindest147 der Systembruch in § 6 Abs. 3 EStG behoben werden und deklaratorisch eine Bewertung mit dem Teilwert vorgeschrieben werden. b) Auswirkung auf steuerverstrickte Wirtschaftsgüter im Privatvermögen Anders ist die Rechtslage bei einer Wertaufstockung von Wirtschaftsgütern im Privatvermögen auf den gemeinen Wert zum Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung zu beurteilen. Der schon erwähnte Dualismus bei der Ermittlung der Einkünfte hat zur Folge, dass im Rahmen der Überschusseinkünfte Wertsteigerungen im Stammvermögen grundsätzlich nicht steuerbar sind. Da dieser Grundsatz durch die Vorschriften der §§ 17, 20, 23 EStG nur punktuell durchbrochen wird, indem die nach diesen Vorschriften steuerverstrickten Wirtschaftsgüter nur im Falle der Veräußerung oder eines der Veräußerung gleichgestellten Vorganges besteuert werden und die unentgeltliche Übertragung weder als Veräußerung noch als veräußerungsgleicher Vorgang qualifiziert werden kann,148 hätte eine Wertaufstockung zum Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung auf den gemeinen Wert zur Folge, dass die beim Rechtsvorgänger gebildeten stillen Reserven der Einkommensbesteuerung entzogen wären. Aus Sicht des Rechtsnachfolgers ist der Verzicht auf die einkommensteuerliche Erfassung der stillen Reserven systemkonform. Der Rechtsnachfolger erwirbt die Wirtschaftsgüter unentgeltlich. Er hat die Wertsteigerung nicht erwirtschaftet. Die in diesem derivativen Erwerb zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit wird durch die Erbschaftsteuer erfasst. Einen darüber hinausgehenden Vermögenszuwachs, der durch die Einkommensteuer erfasst werden könnte, ist bei ihm nicht gegeben.149
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Die Problematik des zeitnahen Entstehens von Einkommen- und Erbschaftsteuer wird unter G. II. 3. c) einheitlich dargestellt, da beim hier favorisierten Lösungsansatz dieses Problem für betriebliche wie private Einkünfte einheitlich gelöst wird. 147 Die Umstrukturierung innerhalb einer Personengesellschaft kann eine abweichende Behandlung rechtfertigen, da abgesehen von dem zu weit gefassten § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 EStG mit dem Rechtsträgerwechsel nicht zwingend ein Subjektwechsel im Sinne des § 1 EStG verbunden ist. 148 Siehe hierzu schon E. V. 149 Siehe hierzu F. I. 1. a) bb) (2).
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Soll die Besteuerung der stillen Reserven im Privatvermögen im Rahmen der Einkommensbesteuerung sichergestellt werden, so muss die steuerliche Erfassung der stillen Reserven bei dem Steuerpflichtigen ansetzen, der diese stillen Reserven erwirtschaftet hat, also dem Rechtsvorgänger.150 Auf dieser Idee beruht die „capital gains“-Besteuerung in Kanada, die den Tod, die Schenkung und den Wegzug einer Veräußerung gleichstellt und somit eine Gewinnrealisierung bei steuerverstrickten Wirtschaftsgütern im Privatvermögen bewirkt (siehe oben). Auch dem EStG ist eine solche Regelung nicht völlig fremd. Das EStG kennt allerdings keine Entstrickungstatbestände im Falle der unentgelt lichen Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Privatvermögen bei rein inländischen Sachverhalten. Beim Verlust des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland ordnen aber die §§ 4 Abs. 1 Satz 3, 17 Abs. 5 EStG, § 12 Abs. 1 KStG und § 6 Abs. 1 AStG die Realisation der stillen Reserven an. Speziell die Vorschrift des § 6 AStG beruht auf dem Gedanken, die stillen Reserven von wesentlichen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften im Privatvermögen einkommensteuerlich zu erfassen, bevor diese der deutschen Besteuerung durch den Wegzug des Steuerpflichtigen oder durch die unentgeltliche Übertragung der wesentlichen Beteiligung auf einen nicht unbeschränkt Steuerpflichtigen entzogen werden, ohne dass es zu einer Realisation dieser stillen Reserven durch eine Veräußerung kommt.151 Insoweit liegt es nahe, die Besteuerung der stillen Reserven nicht durch eine Zurechnung der Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers beim Rechtsnachfolger zu sichern, sondern die Entstrickung im Erbfall oder bei einer Schenkung in §§ 17 Abs. 2 Satz 5, 20 Abs. 4 Satz 5 und 23 Abs. 1 Satz 3 EStG anzuordnen und zugleich die Bewertung der Wirtschaftgüter mit dem gemeinen Wert beim Rechtsnachfolger vorzuschreiben.152 Denn der Ansatz der Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers beim Rechtsnachfolger ist erkennbar vom Willen des Gesetzgebers getragen, die Besteuerung der stillen Reserven zu sichern.153 Allerdings mit dem Systemfehler, dass die stillen Reserven nicht bei der Person gesichert werden, die diese erwirtschaftet hat, so dass die Subjektbindung der stillen Reserven missachtet wird. Daher bietet es sich an, die Entstrickung subjektgebunden auszugestalten, wenn auf die Besteuerung der stillen Reserven bei einer unentgeltlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Privatvermögen nicht verzichtet werden soll.
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Aber auch der Verzicht auf die steuerliche Erfassung der stillen Reserven wäre vom weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt, genauso wie die Steuerfreiheit von privaten Veräußerungsgewinnen außerhalb der §§ 17, 20 Abs. 2, 23 EStG. 151 Siehe hierzu M. Elicker, in: Blümich/Ebling: AStG, § 6 Rn. 1. 152 Entweder in der Vorschrift selbst oder in § 6 EStG. 153 Siehe E. IV. 2. und E. V. sowie Untersuchungen zum Einkommensteuerrecht – Bericht der Einkommensteuerkommission, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 7, S. 186 f. Die Regelungen in §§ 20 Abs. 4 Satz 6 und 23 Abs. 1 Satz 3 EStG sind in Anlehnung an § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG entstanden.
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G. Lösungsmöglichkeiten
c) Stundungs- und Tarifbegünstigung zur Milderung des zeitnahen Anfalls von Einkommen- und Erbschaftsteuer Mit diesem aus systematischer Sicht zu befürwortenden Ansatz ist allerdings das Folgeproblem verbunden, dass zum Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung sowohl die Einkommen- als auch die Erbschaftsteuer zeitnah154 entstehen, wenn auch bei unterschiedlichen Personen. Beim Rechtsvorgänger die Einkommensteuer und beim Rechtsnachfolger die Erbschaftsteuer, wobei der Rechtsnachfolger im Erbfall wegen § 45 Abs. 1 AO auch die Einkommensteuerschuld des Rechtsvorgängers zu begleichen hätte, wenn auch als Nachlassverbindlichkeit und nicht als eigene Einkommensteuerschuld. Da die Einkommen- und Erbschaftsteuer aber bei unterschiedlichen Steuer subjekten entstehen, entsteht keine Doppelbelastung beim selben Steuersubjekt, selbst wenn der Rechtsnachfolger die Einkommensteuerschuld als Nachlassverbindlichkeit zu zahlen hat, da diese gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG bereicherungsmindernd berücksichtigt wird. Allerdings bleibt eine betriebswirtschaftliche Doppelbelastung. Durch § 16 Abs. 4 und § 34 EStG wird diese ökonomische Härte, die durch die punktuelle Besteuerung entsteht, obwohl die stillen Reserven häufig in einem deutlich längeren Zeitpunkt entstanden sind, abgemildert. Zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge sollte dieser Gedanke weiterverfolgt werden. Dies bedeutet, dass die geballte einkommensteuerliche Besteuerung der stillen Reserven durch Freibetrags- und besondere Tarifvorschriften abgeschwächt werden sollte.155 Die zeitnahe erbschaftsteuerliche Erfassung der stillen Reserven beim Rechtsnachfolger stellt nur dann ein Problem dar, wenn das Hochsteuerkonzept mit Steuersätzen von bis zu 50 % beibehalten wird und die Voraussetzungen der §§ 13a, 13b ErbStG nicht erfüllt werden können. Bei Beibehaltung der §§ 13a, 13b ErbStG oder einem Alternativkonzept mit einer breiten Bemessungsgrundlage, moderaten Steuersätzen und einer großzügigeren Steuerstundungsregelung als § 28 ErbStG156 lässt sich die ökonomische Doppelbelastung mit Einkommen- und Erbschaftsteuer bewältigen. 154 Bei einer Schenkung würde die Einkommensteuerschuld beim Rechtsvorgänger mit Ablauf des Kalenderjahres gem. § 36 Abs. 1 EStG in Verbindung mit § 25 Abs. 1 EStG entstehen und nicht mit dem Tod. Zur Frage bezüglich des Entstehens der Einkommensteuerschuld beim Tod des Steuerpflichtigen siehe G. I. 3. b). 155 Auch in Kanada werden entgegen dem „Carter-Report“ nur 50 % der capital gains der Besteuerung unterworfen, siehe H. Wilde, ZEV 1997, S. 488, 489; M. Jülicher, in: Troll/ Gebel/Jülicher: ErbStG, § 21 Rn. 108. 156 Von der Stundungsregelung wird der unentgeltliche Erwerb von Anteilen an Kapital gesellschaften im Privatvermögen nicht erfasst. Zu Recht kritisch H. Hübner, Erbschaft steuerreform 2009, S. 386.
II. De lege ferenda
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Dabei ist die zweite Alternative vorzuziehen, da es unter Gleichheitsgesichtspunkten zweifelhaft ist, ob ein kleiner Teil von Steuerpflichtigen mit Steuersätzen von bis zu 50 % zur Erbschaftsteuer herangezogen werden kann, um damit die Verschonungsregeln und die hohen Freibeträge für das Gros der Steuerpflichtigen zu finanzieren.157 d) Abstimmung der Steuergegenstände bei nachträglichen Einkünften und wiederkehrenden Bezügen Als Doppelbelastungsfälle, die durch die Wertaufstockung auf den gemeinen Wert zum Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung nicht gelöst werden, bleiben die Fälle der rückständigen Forderungen158 und der wiederkehrenden Bezüge.159 Bei näherer Betrachtung sind diese beiden Fälle durch eine stringentere Ausrichtung an den Steuergegenständen der Einkommen- und der Erbschaftsteuer zu lösen, wobei zwischen einmaligen und wiederkehrenden Bezügen differenziert werden sollte. aa) Einmalige Vermögenszuflüsse im Sinne des § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG Durch § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG soll die einkommensteuerliche „Besteuerungslücke“ geschlossen werden, die dadurch entstehen würde, dass dem Rechtsvorgänger, der die Einkünfte erwirtschaftet hat, diese nicht mehr zufließen und der Rechtsnachfolger, dem die Einkünfte zufließen, nicht den Einkünftetatbestand verwirklicht hat. Dies wird erreicht, indem die Verwirklichung des Einkünfte tatbestands durch den Rechtsvorgänger und der Zufluss beim Rechtsnachfolger verklammert werden.160 Bei genauer Reflexion liegt aber keine Besteuerungslücke vor. Von einer Besteuerungslücke kann nur bei isolierter Betrachtung der einkommensteuerlichen Situation gesprochen werden. Bezieht man die Erbschaftsteuer aber in die Gesamtbetrachtung mit ein, so besteht keine Lücke. Beim Rechtsnachfolger findet exakt ein Vermögenszufluss statt. Dieser hat diese Einkünfte nicht erwirtschaftet, sondern sie fließen dem Steuerpflichtigen aufgrund seiner Erbenstellung zu. Erwirtschaftet hat sie der Rechtsvorgänger. 157 Zur Kritik siehe auch BFH v. 5.10.2011, II R 9/11, DStR 2011, 2193 ff., D. Piltz, in: Spindler/Tipke/Rödder: Festschrift Schaumburg (2009), S. 1057, 1066 ff.; D. Piltz, DStR 2010, S. 1913 ff.; G. Crezelius, ZEV 2009, S. 1, 2 ff.; J. Lang, StuW 2008, S. 189, 197 ff.; H. Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009, 384 ff. 158 Siehe hierzu C. V. und E. IV. 4. 159 Siehe hierzu C. VI. und E. IV. 5. 160 BFH v. 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608, 614; R. Mellinghoff, in: Kirchhof: EStG, § 24 Rn. 44; H.-J. Horn, in: Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, § 24 Rn. 96.
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G. Lösungsmöglichkeiten
Trotzdem ordnet § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG die einkommensteuerliche Er fassung beim Rechtsnachfolger an. Aufgrund des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung des Steuergegenstandes bleibt es dem Gesetzgeber unbenommen, diesen Vermögenszufluss, der die Leistungsfähigkeit des Empfängers erhöht, im Rahmen der Einkommensteuer zu erfassen, auch wenn dieser von diesem nicht erwirtschaftet ist. Entscheidet sich der Gesetzgeber aber, die Leistungsfähigkeit, die nicht vom Steuerpflichtigen erwirtschaftet worden ist, in einer weiteren Steuer zu erfassen, so hat er in dieser Steuer zu berücksichtigen, dass er diesen Vermögenszufluss schon in der Einkommensteuer erfasst hat. Für die einkommensteuerliche Erfassung der nachträglichen Einkünfte spricht, dass die nachträglichen Einkünfte in manchen Fällen dem Rechtsnachfolger erst nach der Festsetzung der Erbschaftsteuer zufließen und die Forderung bei der Erbschaftsteuerveranlagung unberücksichtigt geblieben ist. Für eine Erfassung der rückständigen Forderung im Rahmen der Erbschaftsteuer sprechen aber die besseren Argumente. Zum einen ist der Zufluss beim Erben derivativer Natur und gehört daher systematisch zum Vermögensanfall, der von der Erbschaftsteuer erfasst werden soll. Zugleich besteht die Gefahr bei einer einkommensteuerlichen Erfassung dieser Forderung, dass die besonderen Vorgaben des Verwandtenerbrechts für den Vermögensübergang im Rahmen der Kern familie unberücksichtigt bleiben. Eine mögliche Nichtberücksichtigung einer solchen Forderung bei einer zuvor erfolgten Erbschaftsteuerfestsetzung lässt sich ohne weiteres durch eine Änderung des Steuerbescheids bewältigen. Eine zwingende Notwendigkeit, darüber hinaus diese Forderungen beim Erblasser einkommensteuerlich zu erfassen, besteht nicht, so dass auf die Regelung des § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG verzichtet werden kann. Allerdings bleibt es dem Gesetzgeber unbenommen, in den Fällen, in denen die Einkünfte schon erwirtschaftet161 sind und damit zum Einkommen des Erblassers gehören, die Einbeziehung in den letzten Veranlagungszeitraum des Erblassers anzuordnen, wie dies vereinzelt schon zur geltenden Rechtslage vorgeschlagen wurde.162 bb) Wiederkehrende Bezüge – Trennung in Kapital- und Ertragsanteil Die Analyse der Ursache für die Doppelbelastung von wiederkehrenden Bezügen mit Einkommen- und Erbschaftsteuer hat die Lösung schon vorgezeichnet. Wiederkehrende Bezüge lassen sich in einen Ertrags- und Kapitalanteil auf teilen, ähnlich wie eine Darlehensrsate in einen Zins- und einen Tilgungsanteil. 161
Sind lediglich Teilakte des Einkünftetatbestands verwirklicht ist dagegen der Verzicht auf die einkommensteuerliche Erfassung zwingend. 162 Siehe hierzu E. IV. 4.
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Während der Ertragsanteil als entgeltliche Kapitalnutzung und damit zu den Erwerbsbezügen gezählt werden kann, betrifft der Kapitalwert nur den Vermögensstamm.163 Allerdings muss beim unentgeltlichen Erwerb des Rechts berücksichtigt werden, dass nur die Zinsen, die seit dem unentgeltlichen Erwerb des Rechts entstehen, als entgeltliche Kapitalnutzung und damit als Erwerbsbezüge des Rechtsnachfogers qualifiziert werden können. Die Zinsen, die vor dem Rechtsübergang entstanden sind, sind dagegen als Erwerbsbezüge des Rechtsvorgängers zu qualifizieren. Diese gehören zur derivativ erworbenen Vermögenssubstanz, welche zum erbschaftsteuerlichen Erwerb des Rechtsnachfolgers gehört. Die Folge ist, dass beim Rechtsnachfolger der Ertragsanteil nur aus den Zinsen seit dem unentgeltlichen Erwerb des Rechts ermittelt werden darf. Der Übergang der Vermögenssubstanz, welche sich aus dem angesparten Kapital und dem vom Rechtsvorgänger daraus erwirtschafteten Zinsen ergibt, ist allein als derivativer Erwerb im Rahmen der Erbschaftsteuer zu erfassen. Will der Gesetzgeber die Zinsen, die der Rechtsvorgänger erwirtschaftet, aber mangels Zuflusses noch nicht versteuert hat, einkommensteuerlich erfassen, so muss er die unentgeltliche Übertragung wiederum einer Veräußerung oder Kündigung des Rechts gleichstellen, mit der Folge, dass die Zinserträge noch der Einkommensteuer beim Rechtsvorgänger unterliegen. Genauso wie auf die steuerliche Erfassung der Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften außerhalb der §§ 17, 20 Abs. 2, 23 EStG verzichtet werden kann, wäre es auch vom weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt, auf die einkommensteuerliche Erfassung der Erträge zum Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung zu verzichten. 4. Abzug der Erbschaftsteuer von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer Die gerade dargestellte optimale Lösung, die schon auf Tatbestandsebene eine Überschneidung der Steuergegenstände verhindert, hat auch deutlich gemacht, dass zahlreiche Änderungen im geltenden Recht notwendig wären, um diese Lösung zu verwirklichen, da zahlreiche Systembrüche für die Doppelbelastung des Rechtsnachfolgers mit Einkommen- und Erbschaftsteuer verantwortlich sind. Deutlich weniger Änderungen wären notwendig, wenn allein die Kritikpunkte des geltenden § 35b EStG beseitigt werden würden. Die größten Schwachstellen des jetzigen § 35b EStG sind der begrenzte Anwendungsbereich auf den Erwerb von Todes wegen und die zeitliche Begrenzung auf fünf Jahre. Für beide Einschränkungen gibt es keine Rechtfertigungsgründe. Die 163
Ausführlich E. IV. 5.
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G. Lösungsmöglichkeiten
Doppelbelastung mit Einkommen- und Erbschaftsteuer beim Rechtsnachfolger stellt sich bei Schenkungen genauso wie beim Erwerb von Todes wegen. Die zeitliche Befristung auf fünf Jahre steht im Widerspruch mit den Zielen der §§ 13a Abs. 5 und Abs. 8 Nr. 1 ErbStG, das betriebliche Engagement zu fördern. Aber auch die Ausgliederung der Kapitaleinkünfte im Sinne des § 20 EStG aus dem tariflichen Einkommensteuertarif wäre zu berücksichtigen, da sich auch bei den Einkünften aus Kapitalvermögen die Doppelbelastung des Rechtsnachfolgers mit beiden Steuern stellt. Diese Probleme lassen sich am einfachsten dadurch beseitigen, dass die Vorschrift nicht den Tarif ermäßigt, sondern systematisch korrekt an der Bemessungsgrundlage ansetzt.164 Trotzdem hat auch diese korrigierte Lösung auf der Einkommensteuerebene Schwachstellen. Zum einen wird die Überschneidung der beiden Steuergegenstände nicht beseitigt, sondern nur korrigiert. Zum anderen kann die latente Einkommensteuer bis zur Realisation über Jahrzehnte in der Schwebe bleiben. In diesen Fällen könnte das Anrechnungsvolumen durch Zinseffekte massiv entwertet werden.165 Des Weiteren setzt die Korrektur auf der Ebene der einkommen steuerlichen Bemessungsgrundlage voraus, dass positive Einkünfte vorhanden sind, von denen die latente Einkommensteuerschuld abgezogen werden kann. Dies ist bei hohen Verlusten aus anderen Einkünften nicht selbstverständlich gegeben. Dieses Problem könnte nur durch eine Anwendbarkeitserklärung des § 10d EStG oder aber durch eine Ausgestaltung als fiktive Werbungskosten oder Betriebsausgaben verhindert werden, selbst wenn die Erbschaftsteuer keine betriebliche Aufwendung ist.166 5. Berücksichtigung der latenten Einkommensteuer im Rahmen der Wertermittlung Da der hier präferierte Lösungsansatz, mit welchem Überschneidungen von Erbschaft- und Einkommensteuer schon auf Tatbestandsebene ausgeschlossen werden, einige Änderungen im EStG notwendig macht, soll als Alternativansatz die Lösung im Rahmen der Wertermittlung nochmal näher betrachtet werden. Theoretisch möglich wäre es zwar auch, de lege ferenda den Abzug als Nachlassverbindlichkeit in § 10 Abs. 5 ErbStG anzuordnen, wie dies vielfach gefordert wird;167 dagegen spricht aber, dass von § 10 Abs. 5 ErbStG allein Nachlassver 164
Ausführlich hierzu siehe G. I. 1. E. Röder, in: Beck: Unternehmensnachfolge (2009), S. 69, 89. 166 Siehe G. I. 4. 167 G. Kröger, BB 1971,, S. 647, 648 f.; R. Kapp, FR 1970, S. 1, 3; G. Crezelius, BB 1979, S. 1342, 1344; G. Crezelius, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 73, 123 f.; R. Mellinghoff, in: 165
II. De lege ferenda
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bindlichkeiten erfasst werden. Die latente Einkommensteuerschuld ist aber keine Schuld, die den Rechtsnachfolger als Bedachten trifft, sondern sie trifft ihn als Einkommensbezieher nach seinen persönlichen Merkmalen,168 auch wenn die Buchwertverknüpfung oder die Zurechnung der Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers maßgeblich für die Doppelbelastung und damit für den Systembruch verantwortlich ist. De lege ferenda könnte dieser Einwand überwunden werden. In § 10 Abs. 5 ErbStG könnte der Abzug der latenten Einkommensteuerschuld angeordnet werden, obwohl die latente Einkommensteuerschuld systematisch nicht zu den Nachlassverbindlichkeiten passt. Mit der ausdrücklichen Anordnung des Abzugs der latenten Einkommensteuerschuld wäre auch der Einwand entkräftet, dass das Stichtagsprinzip der Berücksichtigung entgegensteht. Mit dem materiellen Bereicherungsprinzip ließe sich der Vorrang vor dem formellen Stichtag prinzip rechtfertigen.169 Allerdings lässt sich die Berücksichtigung der latenten Einkommensteuerschuld auch systemgerecht im Rahmen der Wertermittlung umsetzen, wie die vorherigen Ausführungen gezeigt haben.170 Aktuell scheitert eine einheitliche Berücksichtigung der latenten Einkommensteuer im Rahmen der Wertermittlung an den unterschiedlichen Wertermittlungs methoden für die unterschiedlichen Vermögensarten. Die leichteste Umsetzung wäre, in § 12 ErbStG ausdrücklich anzuordnen, dass die latente Einkommensteuerschuld im Rahmen der Wertermittlung mindernd zu berücksichtigen ist. 6. Abschließende Würdigung der Lösungsansätze Die vorhergehenden Lösungsansätze zeigen, dass die Doppelbelastung eines Erwerbes mit Erbschaft- und Einkommensteuer auf unterschiedliche Weise gelöst werden kann. Dabei hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Auch mit einem systemwidrigen Lösungsansatz kann die Doppelbelastung eines Erwerbs mit Einkommen- und Erbschaftsteuer beseitigt werden.171
Birk: DStJG 23 (1999), S. 127, 161; N. Dautzenberg/R. Heyeres, StuW 1992, S. 302, 309; J. Meincke, in: Meincke: ErbStG, § 10 Rn. 32. 168 So ausdrücklich der BFH v. 17.2.2010, II R 23/09, BStBl. II 2010, 641, 643. 169 Siehe G. I. 3. a). 170 G. I. 5. b). 171 Die bloße Systemwidrigkeit begründet keinen Gleichheitsverstoß, indiziert diesen aber. Ständige Rechtsprechung des BVerfG seit BVerfG 16.12.1958, 1 BvL 3, 4/57, 8/58, BVerfGE 9, 20, 28; siehe u. a. BVerfG v. 27.1.1965, 1 BvR 213, 715/58 u. 66/60, BVerfGE 18, 315, 334; BVerfG v. 7.11.1972, 1 BvR 338/68, BVerfGE 34, 103, 115; BVerfG v. 15.5.1984, 1 BvR 464, 605/81 und 427, 440/82, BVerfGE 67, 70, 84 f.; BVerfG v. 22.2.1984, 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214, 224; siehe auch F. Kirchhof, StuW 2002, S. 185, 189; L. Osterloh, in: Sachs: GG, Art. 3 Rn. 99; R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 127, 134.
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G. Lösungsmöglichkeiten
Nach der Grundkonzeption beider Steuerarten dürfte derselbe Vermögenszugang nicht sowohl von der Einkommen- als auch der Erbschaftsteuer erfasst werden, da er nicht zugleich erwirtschaftet und zugleich unentgeltlich dem Steuerpflichtigen zufließen kann und die beiden Steuern daher in einem Exklusivitätsverhältnis stehen.172 Daher sollte ein systemgerechter Lösungsansatz forciert werden. Jeder Lösungsansatz, der nicht zu einer vollständigen gegenständlichen Trennung der Steuergegenstände von Einkommen- und Erbschaftsteuer führt, ist dem Vorwurf ausgesetzt, dass er die Entstehung der Doppelbelastung nicht verhindert, sondern nur beseitigt, das an sich gegebene Exklusivitätsverhältnis nicht wiederherstellt und damit Folgefragen und -probleme auslöst.173 Die Berücksichtigung der schon erfolgten erbschaftsteuerlichen Erfassung der latenten Einkünfte im Rahmen der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer oder im Rahmen des Einkommensteuertarifes174 hätte zur Folge, dass die Korrektur bei der Einkommensteuerveranlagung bis zur Realisation über Jahrzehnte in der Schwebe bleiben und das Anrechnungsvolumen durch Zinseffekte massiv entwertet werden könnte.175 Insoweit ist die Berücksichtigung der latenten Einkünfte im Rahmen der Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer oder im Rahmen der Wertermittlung vorzuziehen. Auch das materielle Bereicherungsprinzip des ErbStG spricht für diesen Lösungsweg. Ein weiterer Vorteil dieses Lösungsansatzes ist, dass die Doppelbelastung hier ohne administrative Schwierigkeiten nach dem unentgeltlichen Erwerb beseitigt werden würde und der Vorgang damit abgeschlossen wäre. Unter systematischen Gesichtspunkten ist die Berücksichtigung der latenten Einkünfte auf der Bewertungsebene zu präferieren, da mit dieser Lösung gerade berücksichtigt wird, dass der Wert ermittelt werden soll, der dem Bereicherten nach einer gedachten Veräußerung verbleibt. Die Berücksichtigung dieser latenten Steuern ist insoweit die logische Konsequenz der Bewertungsmethode. Die Erkenntnisse dieser Arbeit sprechen aber für die große Lösung, d. h. für den systemkonformen Ansatz, der die Doppelbelastungsfälle schon auf Tatbestands 172
Siehe E. IV. Der Aussage von G. Crezelius, Gutachten (2007), S. 61, dass die Lösungsansätze, die bei der Bemessungsgrundlage bzw. bei der Bewertung ansetzen, die Doppelbelastung mildern, aber nicht beseitigen, kann dagegen nicht zugestimmt werden. Da der Regelfall der ist, dass die Einkommensteuerschuld zum Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung beim Rechtsvorgänger entsteht und dann als Nachlassverbindlichkeit auf den Erben übergeht. Insoweit wird auch der Erbe mit den latenten Einkünften belastet; systematisch richtig aber als Nachlassverbindlichkeit und nicht in Form einer eigenen Einkommensteuerschuld. Wirtschaftlich spielt es für den Erben aber keine Rolle, ob er die Steuer des Erblassers als übergehende Verbindlichkeit oder als eigene Einkommensteuerschuld bezahlen muss. Entscheidend ist, dass diese Verbindlichkeit sich bereicherungsmindernd auswirkt. Nur insoweit kann von einer Doppelbelastung gesprochen werden, als dieser Umstand im Rahmen der Bereicherung nicht berücksichtigt wurde. Die anders gelagerte Belastung des Beschenkten, der nur mit der Schenkungsteuer belastet wird, beruht darauf, dass hier der Schenker als Steuerpflichtiger nicht wegfällt und selbst die Einkommensteuer trägt. 174 Wenn man die Mängel des geltenden § 35b EStG beseitigen würde. 175 E. Röder, in: Beck: Unternehmensnachfolge (2009), S. 69, 89. 173
II. De lege ferenda
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ebene verhindert. In der Arbeit wurde dargelegt, dass jede tatbestandliche Überschneidung und damit Doppelbelastung eines Erwerbs mit Einkommen- und Erbschaftsteuer beim selben Steuersubjekt auf einen Systembruch zurückzuführen ist und dieser die tatbestandliche Trennung beider Steuern aufhebt. Ein systemwidriger Lösungsansatz, der die aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotene Doppelbelastung beseitigt, ist immer der Gefahr ausgesetzt, dass bei einer Gesetzesänderung aufgrund des Kästchendenkens eindimensional nur die Folgen innerhalb eines Steuergesetzes betrachtet werden und die Auswirkungen der Gesetzesänderung für andere Steuergesetze unberücksichtigt bleiben. Ein Paradebeispiel ist die Vorschrift des § 35b EStG. Neben der fehlenden Abstimmung der Behaltefrist des § 13a Abs. 5 ErbStG mit dem zeitlichen Anwendungsbereich des § 35b EStG wurde bei deren Wiedereinführung selbst innerhalb des Einkommensteuergesetzes nicht berücksichtigt, dass durch das Jahressteuergesetz 2008176 der Sonderausgabenabzug auf Versorgungsleistungen beschränkt worden ist und durch die Ausgliederung der Einkünfte aus Kapitalvermögen aus der tariflichen Einkommensteuer des § 32a EStG für diese Einkünfte § 35b EStG nicht zur Anwendung kommt.177 Verstärkt wird diese Problematik dadurch, dass im Bundesfinanzministerium für die unterschiedlichen Steuern unterschiedliche Referate zuständig sind. Erkennt man die Notwendigkeit der „Einheit der Steuerrechtsordnung“178 bzw. eines inneren Systems als Wertungsordnung179 an, in welcher jede Steuer eine Teilsteuer ist, die in ein systematisches Gesamtgefüge mit den anderen Steuern gebracht werden muss, so müssen die Steuern systemgerecht aufeinander abgestimmt werden, um eine „von der Belastungsgleichheit angeleitete, steuergerechte Gesamtbelastung jedes Bürgers zu erreichen“.180 Die doppelte Belastung eines Steuergegenstandes desselben Steuersubjektes muss auf eine bewusste Wert entscheidung des Gesetzgebers zurückzuführen sein, wie die Belastung eines besonderen Konsumgegenstands mit der Umsatzsteuer und einer besonderen Verbrauchsteuer und ist im besonderen Maße rechtfertigungsbedürftig.181 Ist die Doppelbelastung eines Steuergegenstandes nicht auf eine bewusste Wertentscheidung des Gesetzgebers zurückzuführen und ist diese auch nicht gerechtfertigt, so sind die Tatbestände beider Steuern so aufeinander abzustimmen, dass diese sich nicht überschneiden.
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JStG 2008 v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150. Ausführlich hierzu G. I. 1. 178 K. Tipke, Die Steuerordnung, Bd. I (2000), § 4, S. 95; K. Tipke, in: Wendt/Höfling/Karpen/Oldiges: Festschrift Friauf (1996), S. 741 ff. 179 F. Kirchhof, Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts (2001), Rn. 87. 180 F. Kirchhof, Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts (2001), Rn. 87; R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 127, 134; K. Tipke, Die Steuerordnung, Bd. I (2000), § 4, S. 95. 181 R. Mellinghoff, in: Birk: DStJG 23 (1999), S. 127, 134. Ausführlich hierzu F. IV. 1. a). 177
H. Ausblick Die Doppelbelastung eines Erwerbers mit Einkommen- und Erbschaftsteuer war erst kürzlich wieder Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung.1 Den BFH haben die geänderten Vorgaben des BVerfG bezüglich der Bewertung des Erbschaftsteuersubstrates unter Orientierung am gemeinen Wert nicht zu einem Umdenken bewogen. Er steht weiterhin auf dem Standpunkt, dass Erbschaft- und Einkommensteuer auf unterschiedlichen Ebenen stehen und ihrer eigenen Systemgerechtigkeit folgen würden. Daher dürften beide Steuern auch kumulativ erhoben werden. Die doppelte Erfassung der Zinsen mit Einkommen- wie Erbschaftsteuer würde auch nicht zur Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes führen.2 Des Weiteren betont der BFH, dass die Doppelbelastung eines Erwerbs mit Erbschaft- und Einkommensteuer im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung geltend zu machen sei.3 Da in den Fällen, in denen der Rechtsnachfolger mit beiden Steuern belastet wird, die Erbschaftsteuer zeitlich vor der Einkommensteuer entsteht, sei die Doppelbelastung im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung zu überprüfen. Denn zum erbschaftsteuerlichen Stichtag wäre noch völlig offen, ob und in welcher Höhe Einkünfte, die Bestandteil der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage waren, Einkommensteuer auslösen würden.4 Da sowohl Einkommen- als auch Erbschaftsteuer an die im Vermögenszugang als Einkommen zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit anknüpfen und darin auch ihren Rechtfertigungsgrund finden, stehen die beiden Steuern auf gleicher Stufe in einem Exklusivitätsverhältnis.5 Die neuerdings abweichende Rechtsprechung des VIII. Senats6 weckt die Hoffnung, dass auch in der Rechtsprechung die „zwei Ebenen-These“7 nicht in Stein gemeißelt ist, sondern zumindest von anderen Senaten in Frage gestellt wird. Der Gleichheitssatz und die Freiheitsgrundrechte fordern nicht nur eine gleichheitsgerechte und freiheitsrechtskonforme Ausgestaltung einer einzelnen Steuer 1
BFH v. 17.2.2010, II R 23/09, BStBl. II 2010, 641. BFH v. 17.2.2010, II R 23/09, BStBl. II 2010, 641, 644. 3 BFH v. 17.2.2010, II R 23/09, BStBl. II 2010, 641, 644. 4 BFH v. 17.2.2010, II R 23/09, BStBl. II 2010, 641, 644. 5 L. Jesse, Liegen die Einkommensteuer und die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen“? (1992), S. 107 f.; H. Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat (2001), S. 94 f.; M. Birnbaum, DStR 2011, S. 252, 255; G. Crezelius, BB 1979, S. 1342; G. Crezelius, BB 1980, S. 1481, 1484; C. Trzaskalik, StuW 1979, S. 97. 6 BFH v. 12.9.2011, VIII B 70/09, DStRE 2012, S. 154, 156 f. 7 BFH v. 26.11.1986, II R 190/81, BStBl. II 1987, 175, 177. 2
H. Ausblick H. Ausblick
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art, sondern vielmehr ist auch die Gesamtbelastung am Gleichheitssatz und am Übermaß zu messen, da der Steuerpflichtige durch die Gesamtbelastung mit allen Steuern und weniger durch die Ausgestaltung einzelner Steuern belastet ist.8 Näherer Betrachtung bedarf noch die letzte Behauptung des BFH, dass die Doppelbelastung eines Erwerbs mit Erbschaft- und Einkommensteuer im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung geltend zu machen sei. Dem BFH ist zwar zuzustimmen, dass regelmäßig die Doppelbelastung mit Einkommen- und Erbschaftsteuer im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung zu überprüfen ist, da in den Fällen, in denen der Rechtsnachfolger mit beiden Steuern belastet wird, die Erbschaftsteuer zeitlich vor der Einkommensteuer entsteht. Allerdings bestand in dem vom BFH zu beurteilenden Sachverhalt die Besonderheit, dass die Einkommensteuer im Jahr 2002 festgesetzt und bestandskräftig wurde, während die Erbschaftsteuer erst im Jahr 2004 festgesetzt wurde, obwohl die Erbschaftsteuer bereits im Jahr 2001 entstanden ist. Auch in dieser Konstellation sieht der BFH die Einkommensteuerfestsetzung als Prüfungsort einer Doppelbelastung eines Erwerbs mit Erbschaft- und Einkommensteuer, da die Einkommensteuer nach der Erbschaftsteuer entstehen würde.9 Die Auffassung des BFH kann nicht überzeugen: Wenn die Überprüfung des additiven Grundrechtseingriffs im Anschluss an den punktuellen Grundrechtseingriff zu erfolgen hat, dann kann diese Überprüfung erst erfolgen, wenn der Grundrechtsträger durch mehrere punktuelle Eingriffe betroffen ist. Dies bedeutet, dass es nicht auf die Entstehung der Steuer, sondern auf die unmittelbare Betroffenheit ankommen muss. Diese ist nicht schon mit der Entstehung der Steuer gegeben, sondern erst mit der Festsetzung der Steuer durch die Finanzbehörde, wenn die Steuer der Festsetzung bedarf, wie dies bei Einkommen- und Erbschaftsteuer der Fall ist.10 Die Folge ist, dass die Überprüfung der Doppelbelastung dann zu erfolgen hat, wenn die zweite Steuer festgesetzt worden ist. Die Auffassung des BFH führt zu unhaltbaren Ergebnissen. Dies zeigt gerade der vom BFH entschiedene Fall. Wenn man die Auffassung des BFH konsequent zu Ende denkt, bedeutet dies, dass der Steuerpflichtige zum Zeitpunkt der Einkommensteuerfestsetzung nicht nur wahrnehmen muss, dass die entstandene Erbschaftsteuer zu einer späteren Erbschaftsteuerfestsetzung führt,11 sondern er muss zugleich erkennen, dass in der festgesetzten Einkommensteuer auch 8 P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: EStG, § 2 Rn. A 175; F. Kirchhof, StuW 2002, S. 185, 189. 9 BFH v. 17.2.2010, II R 23/09, BStBl. II 2010, 641, 644. 10 BVerfG v. 19.12.1951, 1 BvR 220/51, BVerfGE 1, 97, 102; B. Pieroth/B. Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, Rn. 1252 f.; V. Epping, Grundrechte (2010), Rn. 183; A. Pahlke, in: Pahlke/Koenig: AO, § 350 Rn. 25; R. Seer, in: Tipke/Lang: Steuerrecht (2010), § 22 Rn. 15; G. Morgenthaler, in: Epping/Hillgruber: GG, Art. 93 Rn. 66. 11 Was wegen den Freibeträgen und den Steuerbefreiungen nicht selbstverständlich ist.
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H. Ausblick H. Ausblick
Einkünfte enthalten sind, die später im Rahmen der Erbschaftsteuerfestsetzung nochmal der Besteuerung unterliegen, wenn die Festsetzung der Einkommensteuer vor der Festsetzung der Erbschaftsteuer erfolgt. Dies kann bei nicht betrieblichen Einkünften kaum verlangt werden und bei betrieblichen Einkünften wäre insoweit eine Rechtsberatung fast zwingend, da die wenigsten Steuerpflichtigen selbst prüfen können, ob sie die Voraussetzungen der §§ 13a, 13b ErbStG erfüllen. Zu skurrilen Ergebnissen führt die Auffassung des BFH auch gerade bei der Inanspruchnahme der Vollbefreiung gem. § 13a Abs. 8 ErbStG. Der Steuerpflichtige müsste dann nach der Einkommensteuerfestsetzung eine mögliche Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer geltend machen, obwohl diese dann tatsächlich überhaupt nicht entsteht, wobei der Antrag bis zur materiellen Bestandskraft des Steuerbescheids hinausgezögert werden kann und mit dieser Optionsausübung auch so lange wie möglich gewartet werden sollte.12 Zumindest den betroffenen Steuerpflichtigen hat die Argumentation des BFH nicht überzeugt, so dass er im Anschluss an diese Entscheidung Verfassungsbeschwerde eingelegt hat.13 Es bleibt abzuwarten, ob das BVerfG der Argumentation des BFH folgen wird. Gerade die anhängige Verfassungsbeschwerde enthält eine besondere verfassungsrechtliche Brisanz aus dem Umstand, dass in den streitentscheidenden Veranlagungszeiträumen § 35 a. F. EStG nicht mehr galt und § 35b EStG erst ab dem Veranlagungszeitraum 2009 anzuwenden ist.14 Selbst wenn das BVerfG sich der zweifelhaften Argumentation des BFH anschließen wird, ist es sicherlich nur eine Frage der Zeit, bis ein anderer Steuerpflichtiger, die Doppelbelastung im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung rügen wird und verfassungsrechtlich überprüfen lässt, wenn das ErbStG nicht schon aus anderen verfassungsrechtlichen Bedenken seine Gültigkeit eingebüßt hat.15
12 F. Hannes/W. Onderka/C. Oerzten von, ZEV 2011, S. 642, 643; R E 13a.13 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2011. 13 Az: 1 BvR 1432/10. 14 E. Kulosa, in: Schmidt: EStG, § 35b Rn. 2. 15 Der BFH hat das BMF aufgefordert dem Verfahren beizutreten (BFH v. 5.10.2011, II R 9/11, DStR 2011, 2193 ff.), da er berechtigterweise Zweifel an der Verfassungskonformität bezüglich der Privilegierung des Betriebsvermögens nach §§ 13a, 13b ErbStG hat.
I. Zusammenfassung in Thesen 1. Einkommen ist der Reinvermögenszugang innerhalb einer bestimmten Periode einschließlich Nutzungen und geldwerter Leistungen Dritter. 2. Einkommen- und Erbschaftsteuer sind als Personensteuern konzipiert, die die im Vermögenszugang als Einkommen zum Ausdruck kommende individuelle Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen erfassen wollen. 3. Einkommen- und Erbschaftsteuer stehen in einem Exklusivitätsverhältnis. Von der Grundkonzeption her erfasst die Einkommensteuer erwirtschaftete Einkünfte, während von der Erbschaftsteuer der derivative Vermögensanfall durch Erbfall oder Schenkung erfasst wird. Da ein Vermögenszugang nicht sowohl erwirtschaftet als auch unentgeltlich zufließen kann, schließen sich Einkommenund Erbschaftsteuer systematisch gegenseitig aus. 4. Die Einkommen- und die Erbschaftsteuer gehören beide zu Steuern auf das Einkommen, die sich durch ihre Steuergegenstände unterscheiden und ergänzen. 5. Zahlreiche Systembrüche im EStG sind dafür verantwortlich, dass die an sich klar gegebene Trennung der Steuergegenstände aufgehoben wird, mit der Folge, dass beim Rechtsnachfolger die stillen Reserven, die der Rechtsvorgänger erwirtschaftet aber noch nicht versteuert hat, nicht nur erbschaftsteuerpflichtig, sondern – wenn er diese Einkünfte realisiert – auch einkommensteuerpflichtig sind: a) Im EStG wird für jeden Einkünftetatbestand, in dem Wertveränderungen im Vermögensstamm steuerbar sind, angeordnet, dass im Falle des unentgelt lichen Vermögensüberganges der Rechtsnachfolger bei Wirtschaftsgütern im Betriebsvermögen die Buchwerte anzusetzen hat und bei Wirtschaftsgütern, die im Privatvermögen verstrickt sind, er sich die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers zurechnen lassen muss. b) Bei nachträglichen Einkünften im Sinne des § 24 Nr. 2 Alt. 2 EStG und bei wiederkehrenden Bezügen hat der Zufluss beim Rechtsnachfolger für die Einkommensteuer steuerbegründende Wirkung, erwirtschaftet hat der Rechtsnachfolger diesen Vermögenszufluss jedoch nicht. c) Diese Regelungen lassen sich nicht mit der Gesamtrechtsnachfolge rechtfertigen, da das Einrücken des Rechtsnachfolgers in die Position des Rechtsvorgängers mit den Prinzipen der Einkommensbesteuerung, insbesondere mit dem Leistungsfähigkeits- und dem Individualsteuerprinzip nicht zu vereinen ist.
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I. Zusammenfassung in Thesen I. Zusammenfassung in Thesen
d) Das Individualsteuerprinzip erfordert für die Einkommensteuer eine Verklammerung von Steuersubjekt und Steuerobjekt. Verbindendes Element ist dabei die betriebliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen. Wird diese Tätigkeit durch den Tod oder durch die vorweggenommene Erbfolge aufgegeben, so kommt es grundsätzlich zur Entstrickung, d. h. die Unternehmensnachfolge ist einkommensteuerlich eine Betriebsaufgabe beim ursprünglichen Betriebsinhaber und eine Betriebsneugründung beim Rechtsnachfolger. Über § 6 Abs. 3 EStG als Bewertungsvorschrift wird allein das Entstehen eines Betriebsaufgabegewinns zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge verhindert. Auch bei der unentgeltlichen Übertragung eines einzelnen Wirtschaftsguts auf einen anderen Steuerpflichtigen wird die Verklammerung zwischen Steuerobjekt und -subjekt gelöst, so dass es zur Entstrickung kommt. e) Für steuerverstrickte Wirtschaftsgüter im Privatvermögen fehlen vergleichbare Entstrickungstatbestände wie die Betriebsaufgabe und -entnahme für betriebliche Einkünfte. Dies hat zur Folge, dass die unentgeltliche Übertragung dieser steuerverstrickten Wirtschaftsgüter beim Übertragenden keinen Einkünftetatbestand der Einkommensteuer erfüllt, da über die §§ 17, 20 Abs. 2, 23 EStG nur eine punktuelle Annäherung an die Reinvermögens zugangstheorie stattfindet. 6. Die Einheit der Steuerrechtsordnung bzw. das innere System als Wertungsordnung fordert, dass jede Teilsteuer mit den anderen Teilsteuern in ein systematisches Gesamtgefüge gebracht werden muss. Dies bedeutet, dass die Steuern so aufeinander abgestimmt werden müssen, dass diese sich nicht überschneiden, wenn der doppelte Zugriff auf denselben Steuergegenstand nicht von einer bewussten Wertentscheidung des Gesetzgebers getragen und gerechtfertigt ist. 7. Die Doppelbelastung eines Steuergegenstandes mit mehreren Steuerarten bedarf einer besonderen Rechtfertigung. Hierfür kommen eine höhere Leistungsfähigkeit, die sich im Erwerb dieses Vermögensgegenstandes im Vergleich zu einmalig belasteten Vermögensgegenständen ausdrückt oder Lenkungsziele in Betracht. 8. Die Belastung eines Vermögenszuganges mit Einkommen- und Erbschaftsteuer beim selben Steuersubjekt ist nicht Ausdruck einer erhöhten Leistungsfähigkeit dieses Erwerbers im Vergleich mit Steuerpflichtigen, die allein mit der Erbschaftsteuer belastet werden, wenn deren Rechtsvorgänger die Einkünfte noch selbst realisiert und versteuert haben. Daher ist die Doppelbelastung eines Vermögenszuganges mit Einkommen- und Erbschaftsteuer mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinen und verstößt gegen das Gebot der Besteuerung nach der steuerlichen Leistungsfähigkeit. Gründe, die diesen Verstoß rechtfertigen könnten, sind nicht gegeben. 9. Sowohl die Einkommen- als auch die Erbschaftsteuer in der Ausgestaltung als Erbanfallsteuer greifen beim Erwerber in den Bestand der neu hinzuerwor benen Eigentumspositionen ein, so dass bei beiden Steuern die Eigentumsfreiheit tangiert ist.
I. Zusammenfassung in Thesen I. Zusammenfassung in Thesen
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10. Während regelmäßig die Eigentumspositionen, die durch die Einkommensteuer belastet werden, nicht mit den Eigentumspositionen identisch sind, die durch die Erbschaftsteuer erfasst werden, wird in den Fällen, in denen derselbe Vermögenszugang mit Einkommen- und Erbschaftsteuer belastet wird, in dieselbe Eigentumsposition eingegriffen. Dies hat zur Folge, dass in diesen Fällen die kumulierte Steuerbelastung aus Einkommen- und Erbschaftsteuer auf ihre Vereinbarkeit mit der Eigentumsfreiheit zu überprüfen ist. 11. Wird ein Vermögenszugang sowohl bei der Erbschaft- als auch bei der Einkommensteuer mit hohen Steuersätzen besteuert, erreicht die Gesamtbelastung eine erdrosselnde Wirkung, so dass die Eigentumsfreiheit verletzt ist. 12. Die Vorschrift des § 35b EStG reicht nicht aus, um die Doppelbelastung beim selben Steuersubjekt so zu beseitigen, dass damit den verfassungsrechtlichen Vorgaben genüge getan ist. Insbesondere bei freigebigen Zuwendungen sowie bei Einkünften, die der Abgeltungsteuer unterliegen, bleibt die Doppel belastung bestehen. 13. Die latente Einkommensteuerschuld kann nicht als Nachlassverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abgezogen werden, wenn erst der Rechtsnachfolger den Einkünftetatbestand verwirklicht. Insoweit liegt keine Verbindlichkeit des Rechtsvorgängers, sondern eine eigene Verbindlichkeit des Rechtsnachfolgers vor. 14. Verwirklicht der Erblasser dagegen selbst noch den Einkünftetatbestand, ohne dass die Einkommensteuerschuld schon beglichen wurde, geht diese Einkommensteuerschuld gem. § 45 Abs. 1 Satz 1 AO auf den Rechtsnachfolger über und dieser kann sie als Nachlassverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG mindernd berücksichtigen. 15. Die Erbschaftsteuer kann wie die Einkommensteuer nicht als Erwerbsaufwendung qualifiziert werden, da beide Steuern Personensteuern sind, die sich nach den persönlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen richten. 16. Die latente Einkommensteuerschuld hat Einfluss auf den Substanzwert, welcher auf den Erwerber durch Erbanfall oder Schenkung übergeht. Die in diesem Substanzerwerb zum Ausdruck kommende individuelle Leistungsfähigkeit ist Anknüpfungspunkt für die Erbschaftsteuer, so dass die latente Einkommensteuer bei der Bewertung zu berücksichtigen ist. 17. Die Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer eines Vermögenszugangs könnte vermieden werden, wenn eine der beiden Steuerarten abgeschafft würde. Unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten gebietet es sich aber, sowohl den erwirtschafteten als auch den unentgeltlichen Vermögenserwerb zu besteuern. 18. Die alleinige Integration der Erbschaftsteuer in die Einkommensteuer beseitigt die Doppelbelastung nicht, sondern verlagert diese lediglich in die Ein-
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I. Zusammenfassung in Thesen I. Zusammenfassung in Thesen
kommensteuer. Es sprechen ferner gute Gründe für die gesonderte Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen. 19. Da sich die Steuergegenstände von Einkommen- und Erbschaftsteuer gegenseitig ausschließen, muss ein systemgerechter Ansatz schon die Überschneidung der Steuergegenstände auf Tatbestandsebene ausschließen. Diese Lösung lässt sich verwirklichen, indem: a) die Wirtschaftsgüter zum Zeitpunkt des unentgeltlichen Erwerbs beim Rechtsnachfolger mit dem gemeinen Wert oder Teilwert bewertet werden. Soll die einkommensteuerliche Erfassung der stillen Reserven im Privatvermögen gesichert werden, muss die Entstrickung zum Zeitpunkt der unentgetlichen Übertragung des Wirtschaftsguts angeordnet werden. b) wiederkehrende Bezüge in einen Ertrags- und Kapitalwert aufgeteilt werden. Insoweit darf der Ertragsanteil für die Einkommensteuer allein aus den Zinsen ermittelt werden, welche seit dem unentgeltlichen Erwerb des Rechts entstanden sind. Nur diese sind vom Rechtsnachfolger erwirtschaftet worden. Die Vermögenssubstanz, welche sich aus dem angesparten Kapital und den daraus entstandenen Zinsen zusammensetzt, ist als derivativer Erwerb allein im Rahmen der Erbschaftsteuer zu erfassen. Soll auf die einkommensteuerliche Erfassung der Zinseneinnahmen, die der Rechtsvorgänger erwirtschaftet, aber mangels Zufluss noch nicht besteuert hat, nicht verzichtet werden, so ist die unentgeltliche Übertragung mit einer Kündigung oder Veräußerung des Rechts gleichzusetzen. c) auf eine einkommensteuerliche Erfassung von nachträglichen Einkünften im Sinne des § 24 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG beim Rechtsnachfolger verzichtet wird, da dieser Vermögenszufluss schon im Rahmen der Erbschaftsteuer erfasst wurde. Eine Erfassung des Zuflusses beim Rechtsvorgänger steht im Gestaltungsspieltraum des Gesetzgebers. 20. Als Alternativlösung ist eine Korrektur im Rahmen der einkommen- oder erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage oder im Rahmen der Wertermittlung möglich. Der Nachteil dieser Lösung besteht darin, dass bei diesem Ansatz die systematisch gegebene Trennung der Steuergegenstände nicht erreicht, sondern die Doppelbelastung nur nachträglich beseitigt wird. Vorteilhaft daran ist, dass nur eine Änderung des einfachen Gesetzes notwendig wäre.
Für eine Berücksichtigung der latenten Einkommensteuerschuld auf Bewertungsebene spricht zum einen, dass die latente Einkommensteuer den Geldwert, der dem Erwerber nach einer gedachten Veräußerung verbleibt, nachhaltig beeinflusst. Zum anderen würde damit die vergleichbare Problematik im Zivilrecht etwa bei Zugewinnausgleichsansprüchen einheitlich angegangen und gelöst werden.
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Sachverzeichnis Abstimmung der Steuergegenstände 135 additiver Grundrechtseingriff 97, 143 Anschaffungskosten 58 ff., 63, 71 ff., 84 f., 119 ff. aufschiebend bedingte Last 117 f. Ausnahmevorschrift 57, 61 Bemessungsgrundlage 104, 137 f. Bereicherung 37, 45, 116, 119 Betriebsaufgabe 48, 54 ff., 65, 84 Betriebsaufgabegewinn 55 f., 115, 131 Betriebsausgaben 113, 138 Betriebseinnahme 30 Betriebsgründung 54 Betriebsübergang 21, 56 f., 79 Betriebsvermögen 18, 47 f., 60, 65, 71 ff., 130 f. Bewertung 59 f., 118 ff. Bewertungsvorschrift 56 f., 65 Buchwertverknüpfung 56 f., 131
ff., 97 ff., 141, Gesamtbelastung 77, 79 143 Gesamtrechtsnachfolge 48 ff., 62 f. Gesetzesvorbehalt 98 f. Gestaltungsmöglichkeiten 80 Gestaltungsspielraum 85, 139 Gewinnrealisierung 55, 72, 131 ff. Gleichheitsgrundsatz 14, 34, 81 f. Grundsatz der Belastungsgleichheit 75 Halbteilungsgrundsatz 99 ff. IDW S1 121 ff. Indikatoren steuerlicher Leistungsfähigkeit 36 Individualbesteuerung 39, 52, 85 Integration der Erbschaftsteuer 126, 129 f. Kanada 130, 133 kumulative Belastung 77
capital gains tax 130 dauernde Last 107 disquotale Leistungen 29 Eigentumsfreiheit 88 ff., 97 f., 101 Eigentumsposition 90, 94 ff., 101 Einkommen 36 ff., 51, 76 Entnahme 48, 52 ff., 59, 84 Entstrickung 48, 83, 133 Erbanfallsteuer 14, 37 Erbe 51, 92 f., 112 Ertragsanteil 26, 70, 136 f. erweiterter Eingriffsbegriff 91 Erwerber 15, 37, 45, 58, 82, 92, 119 ff. Exklusivitätsverhältnis 47, 140, 142
latente Einkommensteuer 78 f., 123, 138 Leistungsfähigkeitsprinzip 34 ff., 75, 79, 81 f., 125 Markteinkommenstheorie 42 f. Mehrfachbelastung 77 f. Nachlassverbindlichkeit 109 ff., 121, 132, 134, 138 neu hinzuerworbenes Eigentum 93 f. nicht realisiertes Einkommen 85 normativ bedingte Konkurrenz 78 Personensteuern 40, 82 f., 116 private Veräußerungsgeschäfte 62 Privatvermögen 65 f., 71 ff., 84, 132 f.
Fiskalzwecksteuern 78, 97 folgerichtig 67
Quellentheorie 41, 84 f.
gemeiner Wert 60, 118, 130 ff.
Realisation 71, 73, 106, 127 ff., 133
Sachverzeichnis Sachverzeichnis Rechtfertigung –– der Doppelbelastung mit Einkommenund Erbschaftsteuer 77 ff., 82 ff. –– der Einkommensteuer 37 f. –– der Erbschaftsteuer 37 f. –– des Eigentumseingriffs 98 ff. –– von Steuern 32 f. Rechtsnachfolger 62, 72, 118 Reinvermögenszugangstheorie 41 f., 46, 84 scheinbare Doppelbelastungen 30 Spekulationsfrist 24, 62 ff. step up 128, 130 Steuergegenstand 17, 44, 77 f., 141 Steuerkollision 78 Steuerkonkurrenz 78 Steuerobjekt 40, 44, 53 f., 53 ff., 112, Steuersubjekt 39 141 Steuersystem 76 Stichtagsprinzip 110, 122, 127, 139 stille Reserven 52, 58, 80, 121 Subjektsteuerprinzip 39, 52 f., 85 Systembruch 71 f. 141
systemwidriger Lösungsansatz 141 f. Tarifermäßigung 104 ff. Testierfreiheit 92 f. unentgeltlich 47, 58, 60, 71 unterschiedliche Ebenen 15, 142 USA 130 Veranlassungsprinzip 115 f. Veräußerung 73, 118 f., 132 f. Verhältnismäßigkeitsprinzip 98 Verstrickung 23, 52, 59
134,
Werbungskosten 113 ff., 138 Wertaufstockung 130 ff. Wertsteigerungen 63, 72 f., 85, 132 Wertveränderungen 60, 71 wesentliche Beteiligung 72 f. wiederkehrende Bezüge 25, 69, 135 Wirtschaftsgut 23 f., 52, 58, 62 f., 84 Zinsanteil 26 f., 70 Zufluss 44, 65 f., 112, 135 f.
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SUMMARY Certain transactions involving an inflow of assets can trigger both the inheritance or gift tax and income tax. Whether or not this is permissible from a systematic point of view and under constitutional law or whether these two taxes are mutually exclusive is the subject of this dissertation. At first various constellations are described in which a single inflow of assets can trigger inheritance or gift tax as well as income tax. Subsequently, it is argued that these two taxes are mutually exclusive from a systematic point, since the same inflow of assets may not be classified as earnings, i.e. as consideration, and at the same time as an inheritance or a gift, i.e. an inflow of assets that is without consideration. Based on this conclusion it is shown that it is not permissible under constitutional law either that a single inflow of assets triggers inheritance or gift tax as well as income tax. In the final section, suggestions are provided how a double burden of a single inflow of assets with both the inheritance or gift tax and income tax may be avoided.
RÉSUMÉ Il peut arriver dans certaines constellations qu’un afflux de fonds soit soumis à la fois à l’impôt sur les successions et les donations et à l’impôt sur le revenu. Si c’est légal systématiquement et du droit constitutionnel ou si les deux impôts s’excluent, fait l’objet de cet œuvre. Dans un premier temps, les constellations pouvant aboutir à une double imposition seront expliquées. Ensuite, il sera montré que l’impôt sur les successions et les donations et l’impôt sur le revenu s’excluent systématiquement, parce que le même afflux de fonds ne peut pas passer au contribuable par une réalisation à titre onéreux et à la fois, à titre gratuit dans le cadre d’une succession ou donation. Sur cette base, il sera expliqué qu’il ne soit pas légal du droit constitutionnel, qu’un afflux de fonds soit soumis autant à l’impôt sur les successions et les donations que à l’impôt sur le revenu. Pour conclure, des solutions seront dissertées pour éliminer qu’un afflux de fonds soit imposé doublement.