Das Verfassungs- und Verwaltungsrecht von Elsass-Lothringen: Band 2 [Reprint 2019 ed.] 9783111432328, 9783111066790


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German Pages 294 [296] Year 1909

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Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen
Achtes Kapitel. Das Finanzwesen des Landes
Erster Abschnitt. Das Landesvermögen Erster Abschnitt: Das Landesvrrmögen
Zweiter Abschnitt. Die Finanzwirtschaft
Neuntes Kapitel. Das Polizeirecht
Erster Abschnitt. Allgemeiner Teil.
Zweiter Abschnitt. Die Sicherheitspolizei
Dritter Abschnitt. Die Sittenpolizei
Vierter Abschnitt. Baupolizei. Feuerpolizei
Zehntes Kapitel. Die öffentliche Gesundheitspflege
Erster Abschnitt: präventive Gesundheitspflege
Zweiter Abschnitt: Reparierende Gesundheitspflege
Elftes Kapitel. Das Unterrichtswesen
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Das Verfassungs- und Verwaltungsrecht von Elsass-Lothringen: Band 2 [Reprint 2019 ed.]
 9783111432328, 9783111066790

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Das Verfassungs- und Verwaltungsrecht von Elsaß-Lothringen. Erster Band. Lex. 8°. X, 396S. 1908. Geheftet 11.—, in Leinwand geb. ) *) ’) 4)

Gesetz vom 23. Mai 1877 § 9. Dienstvorschriften § 39. Zeitschrift Bd. 21 S. 451. Wer als Versender anzusehen ist, ergibt § 46 der Dienstvorschriften. Über den Inhalt und die Form der Anmeldung, Dienstvorschriften § 49.

6) Gesetz vom 20. März 1873 § 8. *) Ebenda § 15. *) Gesetz vom 23. Mai 1877 § 5.

§ 81.

Die Weinsleuer.

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Zollausland oder nach Staaten deutschen Zollgebietes, in denen keine Weinsteuer erhoben wird, von dem Eintritt in den Gewahrsam der Eisen­ bahn oder Post an.') 3. Der Steuerschein kommt in Anwendung als Transportschein bei der Versendung von Wein in Fällen, in welchen der Versender Wein­ steuer zu entrichten hat, als Begleitschein bei der Versendung von Wein innerhalb Elsaß-Lothringens in den Fällen, in welchen der Empfänger die Steuer zu entrichten hat oder die Versendung von der Steuer frei zu lassen ist, als Ausfuhrschein bei der Versendung von Wein nach anderen Teilen des deutschen Zollgebietes oder nach dem Zollausland. Für jeden Schein ist von dem Versender eine Stempelgebühr von 10 Pfennig zu entrichten?) 4. Weinbauer und Weingroßhändler, die keinen Kleinverkauf be­ treiben, können von dem Direktor der Zölle und indirekten Steuern widerruflich ermächtigt werden, unter Beobachtung bestimmter For­ malitäten, Begleit- und Ausfuhrscheine für Wein, den sie versenden» auszufertigen.3) 5. Die mit dem Steuerschein abgefertigte Ware muß innerhalb der vorgeschriebenen Frist auf gewöhnlichem Wege dem angemeldeten Empfänger zugeführt werden. Der Frachtführer hat den Schein während der Dauer der Versendung als Ausweis bei sich zu führen und auf Verlangen den Beamten der Zölle und indirekten Steuern und der Oktroiverwaltung vorzuzeigen?) Die Unterbrechung des Transports ist bei der nächsten Steuerbehörde anzumelden?) 6. Die Begleitscheine sind von den Empfängern in den ersten drei Tagen nach der Einlage des Weins an die Steuerbehörde des Einlage­ orts abzuliefern?) Weingroßhändler, die kein steuerfreies Lager besitzen, und Kleinverkäufer von Wein müssen binnen 24 Stunden anzeigen, wenn Wein ohne Schein oder ohne ordnungsmäßigen Scheins bei ihnen ein­ trifft?) *) Dienstanweisung § 44 Ziffer c—i. *) Gesetz vom 20. März 1873 §§ 9, 16. Über den weiteren Inhalt der Steuerscheine, Dienstvorschriften §§ 50 ff. *) Gesetz vom 20. März 1873 § 11. 4) Ebenda § 17. °) Ebenda § 18. •) Ebenda § 13. Ausnahme: Gesetz vom 23. Mai 1877 § 6. ’) Ebenda § 14. 0) Zeitschrift Bd. 9 S. 222; Bd. 31 S. 206.

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8. Kapitel.

Das Finanzwesen des Landes.

2. Abschnitt:

Die Finanzwirtschaft.

C. Steuerfreie Weinlager. 1. Steuerfreie Weinlager werden nur Weingroßhändlern, d. h. Per­ sonen, die gewerbsmäßig Wein ankaufen und in Mengen von fünfzehn Litern oder mehr verkaufen, gestattet.') Über die Lager wird von der Steuer­ behörde ein Buch geführt, in das die Zu- und Abgänge nach den Steuer­ scheinen eingetragen werden?)

Ende des Jahres werden die „Kellerbücher­

abgeschlossen; von den vorhandenen Weinmengen ist die Steuer zu ent­ richten?) D. Wein-Kleinverkäufer. Weinklcinverkäufer, das sind Personen, die gewerbsmäßig Wein in Mengen von weniger als fünfzehn Liter verabfolgen, müssen, bevor sie den Betrieb beginnen, eine Anzeige bei der Steuerbehörde des Verkaufs­ ortes machen und dabei nachweisen, daß sie die im Gesetz vorgeschriebene Lizenz für den Kleinverkauf besitzen?)

Die Steuerbeamten dürfen ihre

Weinvorräte prüfen und den Nachweis der Versteuerung dieser Vorräte durch Vorzeigung von Steuerquittungen verlangen?)

Wollen Weinbauer

oder Weingroßhändler den Weinverkauf im kleinen betreiben, so müssen sie entweder das gesamte Weinlager versteuern oder sie dürfen den Ver­ kauf nur aus abgesonderten Kellern betreiben. Ausnahmsweise kann Wein­ bauern, die nur zeitweise selbstgewonnenen Wein ausschenken wollen, aber abgesonderte Keller nicht besitzen, die vorgängige Versteuerung ihres ge­ samten Weinvorrats erlassen und die Versteuerung nur derjenigen Menge zugestanden werden, die zum Kleinverkauf bestimmt ist.

Diese Weinbauer

haben sich jedoch den von der Steuerverwaltung hinsichtlich der Dauer des Ausschanks und zum Schutz der Steuerinteressen zu treffenden Anord­ nungen zu unterwerfen?) E. Unversteuerte Weinvorräte von Weinbauern. Wenn unversteuerte Vorräte von Weinbauern in solcher Nähe von steuerfreien Lagern der Weingroßhändler oder den Vorratsräumen der Kleinverkäufer aufbewahrt werden, daß die Überführung von Wein der Beobachtung leicht entzogen werden kann, so können jene Vorräte auf An‘) Gesetz born 20. Mürz 1873 § 19. *) Ebenda § 20. s) Ebenda § 24.

Über die Führung der Kellerbücher, Dienstvorschriften

§§ 147 ff. 4) Gesetz vom 20. März 1873 § 26. Gesetz vom 5. Mai 1880 (13. Juni 1903) § 2. •) Gesetz vom 20. März 1873 § 28. 6) Ebenda § 27. Über den Inhalt der zustellenden Anträge, Dienstvor­ schriften §§ 124 ff.

§ 81.

Die Weinsteuer.

§ 82.

Die Lizenzgebühren.

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ordnung des Steuerdirektors der regelmäßigen Beaufsichtigung mit der Wirkung unterstellt werden, daß von den nicht nachgewiesenen Abgängen nach Abzug einer von der Steuerverwaltung zu bestimmenden Vergütung für Haustrunk und Lagerabgänge die Weinsteuer zu entrichten ist.1) VII. Strafen und Strafverfahren. 1. Die Zuwiderhandlungen zerfallen in Defraudationen und Ord­ nungswidrigkeiten. Die Defraudationen sind in § 31 des Gesetzes vom 20. März 1873 im einzelnen aufgeführt; sie werden mit einer Geld­ strafe bestraft, die dem zehnfachen Betrag der hinterzogenen Weinsteuer gleichkommt, mindestens aber drei Mark beträgt; im Rückfall wird die Strafe verdoppelt. Kann der Beschuldigte nachweisen, daß er eine De­ fraudation nicht habe verüben können oder wollen, so ist nur eine Ord­ nungsstrafe verwirkt. Der Wein, in bezug auf welchen eine Defraudation verübt worden ist, unterliegt einschließlich der Gefäße und Transport­ mittel, wenn es zur Sicherung des Beweises für die Untersuchung oder zur Sicherstellung der Abgaben, Strafen, Untersuchungskosten erforderlich ist, der Beschlagnahmet) Ordnungsstrafen können bis zur Höhe von 120 Mark verhängt werden.3) Der Anspruch auf Nachzahlung defraudierter Weinsteuer verjährt in drei Jahren.1) 2. Das Strafverfahren richtet sich nach den Bestimmungen des Gesetzes vom 24. Juli 1907 (Gesetzblatt S. 80), auf die in anderem Zusammenhange eingegangen werden wird. (Seite 124 ff.)

§ 82. Die Lizenzgebühren. I. Gewerbe, die in Beziehung zu verbrauchssteuerpflichtigen Gegen­ ständen stehen, müssen von der Steuerverwaltung eine besondere Erlaubnis (licence) haben, bevor sie den Betrieb beginnen dürfen. Für die Lizenz ist eine Abgabe zu entrichten. Der Lizenzschein ist bei Personen, die den Kleinverkauf geistiger Getränke betreiben, an einer in die Augen fallenden Stelle ihres Verkaufslokals derart anzubringen, daß von dessen Inhalt leicht Kenntnis genommen werden kann?) Abgesehen von den Kleinver­ käufern geistiger Getränke sind steuerpflichtig (kleine Lizenz) die Speise­ wirte, Bierbrauer, Branntweinbrenner, Destillateure (mit Ausnahme der *) Ebenda § 29. *) Gesetz vom 20. März 1873 §§ 32-34. 8) Ebenda § 35. *) Ebenda § 36. ‘) Gesetz vom 5. Mai 1880 (13. Juni 1903) § 6.

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8. Kapitel. Das Finanzwesen des Landes. 2. Abschnitt: Die Finanzwirtschaft.

Eigenbrenner) und die Großhändlerx) mit Getränken. Die Steuer beträgt für die Brauer im Bezirk Unter-Elsaß 12 Mk., in den beiden anderen Bezirken 7,20 Mk., für die Brenner und Destillateure 2,40 Mk., für die Großhändler mit Getränken 12 Mk. *) Die auf französischen Bestim­ mungen beruhenden Lizenzgebühren für Kleinverkäufer (zwischen 1,44 Mk. und 4,80 Mk.) finden nur Anwendung noch bei Speisewirten, Kaffeewirten, Besitzern möblierter Logierhäuser, die Speisen verabreichen.l3) * II. Steuerpflichtig (große Lizenz) ist der Kleinverkäufer geistiger Getränke, das ist derjenige, welcher Wein, Ster,4)* Met, Branntwein ^) oder Likör zum Verzehren auf dem Platz oder in Mengen unter fünfzehn Liter über die Straße verkauft.6) Von der Steuer befreit sind die Grundbesitzer oder Pächter, 7) die ausschließlich aus ihrer eigenen Ernte herrührenden Trauben- oder Obstwein, Hefe, Trestern, Obst (Kern-, Steinobst), Beerenfrüchte oder Enzian zu Branntwein verarbeiten und ihn in Mengen von drei Litern und darüber verkaufen und die Kleinverkäufer von denaturiertem Brannt­ wein. 8) l) Zeitschrift Bd. 9 S. 220. *) Leoni-Mandel S. 31. Gesetz vom 28. April 1816 Art. 50, 51, 97, 144,171. Gesetz vom 23. April 1836. Gesetz vom 16. Mai 1877 (G.Bl. S. 20). — Die Fabrikation von Rosinenwein ist seit dem Reichsgesetz vom 24. Mai 1901 (R.G.Bl. S. 175) verboten. 3) Zeitschrift Bd. 16 S. 276. Die Speisewtrte, die gewohnheitsmäßig Tischwein verabfolgen, sind unter Umständen „Kleinverkäufer" im Sinne des Weingesetzes. Zeitschrift Bd. 16 S. 82. 4) Auch der Verkauf von Flaschenbier über die Straße ist steuerpflichtig. Zeitschrift Bd. 23 S.562. 6) Als Branntwein gilt auch Spiritus, der mit Zusatz von Wasser ge­ trunken werden kann. Zeitschrift Bd. 12 S. 423. 6) Gesetz vom 5. Mai 1880 in der Fassung vom 13. Juni 1903 (G.Bl. S. 37) § 2 Abs. 1. Ausführungsbesttmmungen vom 5. September 1903 (A.Bl. S. 145), abgeändert durch Verordnung vom 30. Januar 1907 (A.Bl. S. 27). — Konsumvereine unterliegen gleichfalls unter den im Text angegebenen Voraus­ setzungen der Lizenzgebühr. Gesetz vom 27. Juli 1894 (G.Bl. S. 45). — Wer den Kleinverkauf gleichzeittg in mehreren getrennten Gelverbslokalen betreiben will, hat die Lizenzgebühren für jedes Lokal getrennt zu entrichten. Der vorüber­ gehende Kleinverkauf außerhalb des gewöhnlichen Gewerbelokals verpflichtet zur Entrichtung der Gebühren nach dem für die betreffende Gemeinde geltenden Mtttelsatz. Ausf.Best. Art. 7, 8. 7) Die Steuerfreiheit ist nur elsaß-lothringischen Grundbesitzern zuerkannt. Zeitschrift Bd. 21. S. 406. 8) § 2 Abs. 2 und 3 ebenda.

§ 82.

Die Lizenzgebühren.

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Steuerermäßigungen können gewährt werden: a) von dem Ministerium Personen, die den Kleinverkauf geistiger Getränke in abgelegenen Gegenden und kleinen Ortschaften betreiben, wo nachgewiesenermaßen der Bestand einer Wirtschaft für den Verkehr not­ wendig ist, ohne daß jedoch der Betrieb einer solchen lohnend wäre. Die Lizenzgebühren dürfen auf eine jährliche Abgabe von 5 bis 50 Mk. er­ mäßigt werden. *) b) von dem Direktor der Zölle und indirekten Steuern Steuer­ pflichtigen, die bei besonderen Anlässen den Kleinverkauf geistiger Getränke außerhalb des Geschäftslokals betreiben wollen. Die Steuer kann bis auf den Betrag von 5 bis 25 Mk. für jeden Tag, auf welchen sich dieser Gelegenheitsbetrieb erstreckt, herabgesetzt werden. Gegen die Ent­ scheidung des Steuerdirektors ist Beschwerde an das Ministerium zulässig; die Beschwerde hat keinen Suspensiveffekt.*3) * III. Die Veranlagung, Höhe u»d Einziehung der ©teuer.3) Die Gemeinden sind in drei Gruppen eingeteilt: in solche mit weniger als 2000 Seelen, in solche mit 2000 bis 10000 Seelen nnd in solche mit mehr als 10000 Seelen.4) Die Einwohnerzahl bestimmt sich nach den bei der letzten amtlichen Volkszählung ermittelten Zahlen der ortsan­ wesenden Bevölkerung. Der Mittelsatz der Gebühren beträgt in der ersten Gruppe von Gemeinden 25 Mk., in der zweiten Gruppe 50 Mk., in der dritten Gruppe 75 Mk. Dieser Mittelsatz wird multipliziert mit der Zahl der Steuerpflichtigen;3) die Summe, die sich hieraus ergibt, bildet das Gemeindekontingent, das von den steuerpflichtigen Gewerbe­ treibenden der Gemeinde aufzubringen ist. Die Kontingente werden all­ jährlich im Monat Januar für das mit dem 1. April beginnende Steuer­ jahr auf Grund von Verzeichnissen derjenigen lizenzpflichtigen Kleinverkäufer von geistigen Getränken, die ihren Gewerbebetrieb bis zum Ende des Monats Dezember nicht eingestellt oder abgemeldet haben, von dem Steuerdirektor festgestellt.3) Die Umlegung des Kontingents in den ein>) Gesetz vom 23. März 1882 (G.Bl. S. 61) § 1. *) Ebenda § 2. 3) §§ 1, 3, 4 des Gesetzes in der Fassung vom 13. Juni 1903. 4) Das Ministerium kann bestimmen, daß Teile einer Gemeinde, die von dem Hauptbestandteile derselben weit entfernt liegen, als selbständige Gemeinden behandelt werden. Gesetz vom 23. März 1888 (G.Bl. S. 15) § 11. Bek. vom 29. April 1888 (A.Bl. S. 107). °) Unberücksichtigt bleiben die Betriebe in abgelegenen Gegenden und kleinen Ortschaften. Gesetz vom 23. März 1882 § 1 Abs. 2. ®) Ausführungsbestimmungen Art. 1 ff.

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8. Kapitel. Das Finanzwesen des Landes. 2. Abschnitt: Die Finanzwirtschaft.

zelnen Gemeinden auf die Steuerpflichtigen erfolgt durch die zur Ver­ anlagung der Gewerbesteuer zuständige Kreiskommission (o. S. 37). Sie bildet unter Berücksichtigung der niedrigsten gesetzlichen Steuersätze, die 15, 25 und 30 Mk betragen, verschiedene Steuerklassen, in die sie die Steuerpflichtigen nach dem Umfang und der Beschaffenheit des Geschäfts­ betriebes einreiht. Als Grundlage dienen hierbei die Ergebnisse der Ge­ werbesteuerveranlagung, die Mitteilungen des Hauptzoll- und Haupt­ steueramtes. Das Steuerjahr läuft vom 1. April bis 31. März. Personen, die im Laufe des Abgabejahrs den Kleinverkauf beginnen wollen, haben zuvor den für den Ort ihres Geschäftsbetriebes geltenden Mittelsatz bis zur erfolgten Einschätzung zu entrichten. Die Steuer ist in Vierteljahrs­ raten fällig; die Einstellung des Geschäftsbetriebes befreit den Gewerbe­ treibenden von der Verpflichtung zur Steuerentrichtung für die übrigen Quartale des Abgabejahrs. Für die vorschriftsmäßige Einziehung der Steuern haben die Steuerämter Sorge zu tragen. **) Wenn Personen, die die Lizenz besitzen, vor dem Beginn eines Quartals weder den Klein­ verkauf abmelden noch die geschuldeten Steuerbeträge entrichten, so sind diese unbeschadet der Einleitung des Strafverfahrens im Wege des Zwangsverfahrens beizutreiben.2) IV. Rechtsmittel. Der Steuerpflichtige kann gegen den Steuer­ ansatz, zu dem er eingeschätzt ist, binnen einer Ausschlußfrist von drei Monaten nach Bekanntgabe der Einschätzung Einspruch bei dem Direktor der direkten Steuern einlegen, über ihn entscheidet die Kreiskommission. Gegen ihr Erkenntnis ist binnen einer Ausschlußfrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Rechtsmittels Berufung bei dem Direktor der direkten Steuern an die durch das Gewerbesteuergesetz geschaffene Berufungskom­ mission (S. 43) zulässig. Einspruch und Berufung haben keinen Suspensiv­ effekt ; sie unterliegen dem Dimensionsstempel.3) Die Rechtsmittel können nur auf den Nachweis gegründet werden, daß dem Beschwerdeführer ein größerer Teil des in der betreffenden Gemeinde aufzubringenden Kon­ tingents zur Last gesetzt ist, als nach dem Umfang und der Beschaffenheit der Betriebe der sämtlichen in der Gemeinde vorhandenen der Einschätzung unterstellten Kleinverkäufer von geistigen Getränken auf den Beschwerde­ führer zu kommen hat. Im übrigen finden die bereits früher bei dem Rechtsmittelverfahren gegen die Gewerbesteuerveranlagung erörterten Grund*) Ausführungsbestimmungen Art. 7. *) Ebenda Art. 9. s) Gesetz in der Fassung vom 13. Juni 1903 § 5.

§82. Die Lizenzgebühren. §83. Kasernierungs-Kostenbeiträge. § 81. Die Einziehung der indirekten Steuern usw.

ino °

sähe Anwendung. **) Die durch erfolgreich eingelegte Rechtsmittel ent­ stehenden Ausfälle an dem Kontingent des laufenden Jahres werden dem Kontingent des folgenden Abgabejahres zugeschlagen. ?) V. Strafen und Strafverfahren. Das Gesetz belegt die dolose Steuerhinterziehung mit einer Geldstrafe, die übrigen Pflichtwidrigkeiten mit einer Ordnungsstrafe.^) Für das Strafverfahren kommen die Be­ stimmungen des Gesetzes vom 24. Juli 1907 (Gesetzblatt S. 80) in Betracht (S. 124 ff.). § 83. Üascrnicrungs-Lostenbeiträge. Die Gemeinden, die von dem Militär Oktroi erbeben, müssen einen Beitrag zu den Kasernierungskosten entrichten, der jährlich höchstens für den Mann 5,60 Mk., für das Pferd 2,40 Mk. betragen darf. Die Beträge können in Form von Abfindungen, die der Genehmigung des Bezirkspräsidenten unterliegen, gezahlt werden; sie werden von der Ver­ waltung der Zölle und indirekten Steuern erhoben und durch Bermitte­ lung der Landeshauptkasie den Zahlstellen der Armeekorps überwiesen. In dem Landeshaushaltsetat bilden sie mithin nur einen durchlaufenden Posten?) § 84. Die Einziehung der indirekten Steuern und das Verwaltungsftrafverfahren in Zoll- und Steuersachen. I. Die indirekten Steuern werden von den Steuerstellen erhoben; der Anspruch auf Entrichtung der Steuer verjährt binnen Jahresfrist vom Fälligkeitstermine ab?) Die Anordnung des Zwangsverfahrens und der einzelnen Zwangshandlungen, sowie die Leitung der letzteren erfolgt für die Zollgefälle und indirekten Steuern einschließlich der im Verwaltungs­ wege erkannten Strafen, Kosten und Einziehungen mit Genehmigung des Oberinspektors bezw. des Zollinspektors oder des Oberkontrolleurs durch die Kasse derjenigen Zoll- oder Steuerstelle, die den Einzug des geschuldeten *) Ausführungsbestimmungen Art. 11.

*) Gesetz § 4 Abs. 3. s) Gesetz § 7. Die Strafverjährung beginnt erst mit der Beendigung des strafbaren Zustandes. Zeitschrift Bd. 9 S, 368. *) Dekret vom 7. August 1810 Art. 3,4. Gesetz vom 15. Mai 1818 Art. 46. Gesetz vom 5. August 1818. 6) Dekret vom 1. Germinal XIII Art. 50.

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8. Kapitel. Das Finanzwesen des Landes. 2. Abschnitt: Die Finanzwirtschaft.

Gefälles zu bewirken hat. Die vorgesetzte Dienstbehörde kann die Ob­ liegenheiten der leitenden Kasse übernehmend) Im übrigen gelten dieselben Bestimmungen wie bei der Einziehung der direkten Steuern?). Ein­ wendungen, die die Verpflichtung zur Entrichtung der Steuer betreffen, sind von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden?) II. Das administrative Strafverfahren bei Zuwiderhatidlungen gegen die Zoll- und Steuergesetze ist durch das Gesetz vom 24. Juli 1907 (Gesetzblatt S. 80) unter Aufhebung des die gleiche Materie regelnden Gesetzes vom 5. Juli 1872 neu geordnet?) Es kann eingeleitet werden bei allen strafbaren Verletzungen der Zollgesetze und der Gesetze über die indirekten Reichs- und Landessteuern. Es ist also insbesondere auf landes­ rechtlichem Gebiet maßgebend bei Überschreitungen des Biersteuergesetzes, der Weinsteuergesetze, der Gesetze über die Lizenzgebühren, über den Über­ gangsverkehr mit steuerpflichtigen Gegenständen (vom 30. Juni 1873; Gesetzblatt S. 129) und des Landeserbschaftssteuergesetzes. ^) Bei den hiernach in Betracht kommenden Zuwiderhandlungen sind die Zoll- und Steuerbehörden und Beamten allgemein zum ersten Angriff und zur vor­ läufigen Feststellung des Tatbestandes befugt; dagegen ist die Zuständig­ keit zur Entscheidung auf Zuwiderhandlungen beschränkt, die nur mit Geldstrafe oder Einziehung allein oder in Verbindung mit einander be­ droht sind, es sei denn, daß der Beschuldigte festgenommen und dem zu­ ständigen Richter vorgeführt ist, oder daß Jdealkonkurrenz mit anderen Strafgesetzen vorliegt. Die Zuständigkeit zur Entscheidung gegen Täter und Teilnehmer umfaßt auch die Zuständigkeit zur Entscheidung gegen denjenigen, der einen rechtlichen Anspruch auf den der Einziehung unter­ liegenden Gegenstand besitzt (Einziehungsbeteiligten) und gegen denjenigen, der nach den Zoll- und Steuergesetzen für die dem Täter oder Teilnehmer auferlegten Geldstrafen oder Untersuchungskosten haftet. Jedoch bestehen *) Berwaltungs-Zwangsvollstreckungsordnung vom 26. Mai 1905 (31.931. S. 241) § 3. *) Oben S. 67 ff. Anträge aus Zwangsverwaltung dürfen nur mit Ge­ nehmigung des Hauptzoll- und Hauptsteueramtes gestellt werden. Beiordnung § 42 Abs. 2.

s) Dufour, Traitö general de droit administratif. Bd. IV Ztff. 111. Leoni-Mandel S. 33 Anm. 1. 4) Materialien: Verhandlungen des Landesausschusses 34. Session (1907) Bd. I, Vorlage Nr. 4; Bd. II, S. 326 f., 447 f., 528 f., 563. Ausführungs­ bestimmungen vom 19. September 1907 (91.531 S. 187). Vollzugsanweisung vom 25. September 1907 (31.931. b. Direktors der Zölle S. 180). *) Gesetz vom 29. Juni 1907 (G.Bl. S. 71) Art. 6.

§ 84. Die Einziehung der indirekten Steuern usw.

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hier einige Ausnahmen,- so kann auf Grund des Branntwein-, Zucker-, Schaumwein-, Biersteuer-Gesetzes nur durch richterliches Erkenntnis die Vertretungsverbindlichkeit festgesetzt werden.') Die Staatsanwaltschaft und das Gericht haben in den Fällen, in denen der Verwaltungsbehörde die Entscheidung zusteht, nicht einzugreifen, sofern nicht die zuständige Verwaltungsbehörde sich der Entscheidung ent­ halten und die Sache zum gerichtlichen Verfahren abgegeben hat. Neben der Untersuchungsberechtigung der Verwaltungsbehörden besteht jedoch die Möglichkeit, gerichtlich einzuschreiten. Alle Behörden und Beamten haben Zuwiderhandlungen unverzüglich dem Hauptzoll- oder Hauptsteueramt anzuzeigen; vor allem liegt diese Verpflichtung den Beamten des Polizeiund Sicherheitsdienstes ob?) Sachlich zuständig sind ohne Rücksicht auf das Höchstmaß der in Betracht kommenden Strafen die Hauptzoll- und Hauptsteuerämter; gegen ihre Entscheidungen ist Beschwerde an den Direktor der Zölle und indirekten Steuern zulässig, der endgültig entscheidet. Jedoch kann eine Abänderung seiner Entscheidung im Gnadenwege durch das Ministerium oder durch die Gerichte, wenn die Beteiligten gerichtliche Entscheidung be­ antragen (§ 459 Strafprozeßordnung), herbeigeführt werden?) Örtlich zuständig ist neben dem Hauptamt, in dessen Bezirk die Zuwiderhandlung begangen worden ist, dasjenige Hauptamt, in dessen Bezirk der Beschuldigte zur Zeit der Einleitung des Verfahrens seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines im Deutschen Reich belegenen Wohn­ sitzes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Unter mehreren zuständigen Hauptämtern hat dasjenige den Vorzug, das die Untersuchung zuerst er­ öffnet hat. Aus besonderen Gründen kann die Untersuchung und Ent­ scheidung einem anderen zuständigen Hauptamt von der vorgesetzten Dienst­ behörde übertragen werden. Die Untersuchung und Entscheidung kann auf alle Zuwiderhandlungen desselben Beschuldigten und auf alle bei einer Zuwiderhandlung beteiligten Personen, für die die Verwaltungsbehörde sachlich zuständig ist, ausgedehnt werden?) Für die Zustellungen und ') Gesetz vom 24. Juli 1907 §§ 1, 2. *) Ebenda § 3. 3) Ebenda §§ 4—6. *) Ebenda § 7. Der Absatz 3 des § 7 gilt nur für die Elsatz-Lothringen angehörenden Beteiligten. Für die Beteiligten, die einem anderen Bundesstaat angehören, kommen in Betracht § 7 des Reichsgesetzes vom 9. Juni 1895 (R.G.Bl. S. 256), § 19 des Wechselstempelgesetzes, § 36 des Reichsstempelgesetzes. Ausf. Best. Ziffer 4. Entscheidung des Reichsgerichts in Strafsachen Bd. XI, S. 331.

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8. Kapitel. Das Finanzwesen deS Landes. 2. Abschnitt: Die Finanzwirtschast.

Ladungen kommen im wesentlichen die Vorschriften der Zivilprozeßord­ nung in Betracht, die Zustellungen können auch durch Beamte der Ver­ waltung der Zölle und indirekten Steuern bewirkt werden.') Für die Fristen sind die entsprechenden Bestimmungen der Strafprozeßordnung maßgebend?) Gegenstände, die der Einziehung unterliegen oder als Beweisinittel von Bedeutung sein können, sind in Beschlag zu nehmen. Außerdem können zur Sicherung der den Beschuldigten voraussichtlich treffenden Geldstrafe, der Kosten des Verfahrens und der Abgaben die bei Begehung der Zuwiderhandlung in seinem Gewahrsam befindlichen Transportmittel und sonstigen von ihm mitgeführten pfändbaren Gegenstände mit Beschlag belegt werden, wenn sein Wohnsitz unbekannt oder außerhalb des Deutschen Reichs gelegen ist. Die Beschlagnahme steht dem untersuchungsführenden Hauptamt, bei Gefahr im Verzüge jedem Zoll- und Steuerbeamten zu?) Die Voraussetzungen für die Durchsuchungen sind in einigen Steuer­ gesetzen, wie Bier- und Weinsteuergesetzen, ausdrücklich angegeben; die Anord­ nung und Leitung von Durchsuchungen steht dem Bezirksoberkontrolleur, dem Bezirksoberinspektor oder dem untersuchenden Hauptamte zu, wenn in den Zoll- und Steuergesetzen nichts anderes bestimmt ist. Sind in diesen Durchsuchungen im Verwaltungswege nicht vorgesehen, so können die nach den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen zuständigen Behörden und Beamten um Anordnung und Ausführung ersucht werden, die als­ dann nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung zu erfolgen haben?) Die vorläufige Festnahme richtet sich nach den betreffenden Vor­ schriften der Strafprozeßordnung. Der Beschuldigte kann zuerst der nächsten Zoll- und Steuerstelle behufs seiner Vernehmung zugeführt werden. Sie hat ihn sofort wieder in Freiheit zu setzen, wenn er sich der Strafe unter Einzahlung des erforderlichen Geldbetrages unterwirft oder für Abgaben, Strafe und Kosten volle Sicherheit bestellt oder sich für seine Person ausweist und eine Sicherheitsleistung nicht erforderlich erscheint. Auf Ver­ langen ist er dem zuständigen Amtsgericht vorzuführen?) Die freiwillige Unterwerfung, das heißt die Einräumung der Zuwiderhandlung und die Unterwerfung unter die in dem Vernehmungs') Ebenda §§ 8—11. Über die Zuständigkeit der Zoll- und Steuerbehörden zur Aburteilung von Milttärpersonen § 2 der Milttärstrafgerichtsordnung. *) Ebenda § 12. ») Ebenda §§ 13-16. ‘) Ebenda § 17. *) Ebenda § 18.

§ 84. Die Einziehung der indirekten Steuern usw.

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Protokoll festzusetzende Strafe unter Verzicht auf den Erlaß eines Straf­ befehls bedarf der Genehmigung des zuständigen Hauptzoll- oder Haupt­ steueramtes; mit der Genehmigung erlangt die Unterwerfungshandlung die Wirkung eines vollstreckbaren Strafbescheids.') Für das Verfahren gelten folgende Bestimmungen: a) Das administrative Strafverfahren ist von dem Offizialprinzipe beherrscht. Die Zoll- und Steuerbeamten haben die Zuwiderhandlungen zu erforschen und innerhalb ihrer Zuständigkeit alle keinen Aufschub ge­ stattenden Maßregeln zu treffen, um eine Verdunkelung der Sache zu verhüten; über jede Ermittelungshandlung ist ohne Verzug ein Protokoll aufzunehmen oder schriftlich Anzeige zu erstatten. Das Protokoll oder die Anzeige ist der zuständigen Untersuchungsbehörde einzureichen?) b) Die Anzeigen und Protokolle sind, nachdem nötigenfalls noch weitere Ermittelungen vorgenommen sind, von den Hauptämtern dahin zu prüfen, ob Anlaß zu strafrechtlichem Einschreiten wegen einer Zuwider­ handlung vorliegt. Ist dieser Anlaß gegeben, so ist der Antrag auf Er­ hebung der öffentlichen Klage zu stellen. Lehnt die Staatsanwaltschaft die Erhebung ab, so richtet sich das weitere Verfahren nach den Vorschriften in §§ 464 ff. der Strafprozeßordnung: das Hauptamt kann mit Genehmigung des Direktors selbst Klage erheben. In wichtigeren Fällen ist das Hauptamt befugt, sich der öffentlichen Klage anzuschließen. Wird die Sache nicht an das Gericht abgegeben, so ist das administrative Verfahren weiterzubetreiben. Es spielt sich im wesentlichen in denselben Formen wie das gerichtliche Verfahren ab?) c) Das Verwaltungsstrafverfahren endigt entweder mit der Ein­ stellung des Verfahrens, die dem Beschuldigten, wenn er vernommen ist, mitzuteilen ist, oder es ergeht ein Strafbescheid. Eine Freisprechung ist in dem administrativen Verfahren ausgeschlossen?) Der Strafbescheid muß außer der Festsetzung der Strafe und den in § 459 der Strafprozeß­ ordnung vorgesehenen Erfordernissen die Entscheidungsgründe und die Be­ lehrung über die zulässigen Rechtsmittel enthalten; er hat über die Ver­ pflichtung des Einziehungsbeteiligten, die von dem Beschuldigten verwirkte ') Ebenda §§ 19, 20. *) Ebenda §§ 21, 22. Über die Form und den Inhalt des Protokolls Ausf. Best. Ziffer 17. *) Ebenda §§ 28—32. Der Beschuldigte, Einziehungsberechtigte und Bertretungspflichtige können sich durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Beauftragten vertreten laffen. Zugelassen werden nur volljährige, geschäftsfähige Personen. Ausf. Best. Ziffer 21. 4) Argum. aus §§ 34, 35.

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8. Kapitel. Das Finanzwesen des Landes. 2. Abschnitt: Die Finanzwtrtschast.

Einziehung, gegen sich gelten zu lassen, ferner über die Vertretungsver­ bindlichkeit zu erkennen und endlich zu bestimmen, wer die Kosten des Ver­ fahrens zu tragen hat?) d) Gegen den Strafbescheid kann von dem Beschuldigten, Ein­ ziehungsbeteiligten und Vertretungspflichtigen entweder Antrag auf ge­ richtliche Entscheidung gestellt (§ 462 Strafprozeßordnung) oder Beschwerde im Verwaltungswege binnen einer Woche 2) nach Bekanntgabe des Be­ scheides ergriffen werden. Sie ist schriftlich oder zu Protokoll bei dem Hauptamt, das den Bescheid erlassen hat, oder bei dem Direktor der Zölle und indirekten Steuern einzulegen. Die Beschwerde darf binnen einer weiteren Woche gerechtfertigt werden. Über sie entscheidet der Direktor der Zölle und indirekten Steuern. Der Beschwerdebescheid, der mit Gründen zu versehen ist, kann den Strafbescheid aufrecht erhalten, aufheben oder zugunsten des Beschwerdeführers abändern; Verschärfung der Strafe ist unzulässig?) e) Die vollstreckbaren Straf- und Beschwerdebescheide haben die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils; insbesondere findet wegen derselben Tat eine fernere Anschuldigung nicht statt, es sei denn, daß die Tat eine strafbare Handlung darstellt, zu deren Bestrafung die Verwaltungsbe­ hörden nicht zuständig wären. In diesem Falle ist die Vollstreckung des Straf- oder Beschwerdebescheids während des gerichtlichen Verfahrens ein­ zustellen. Nimmt in diesem Verfahren das Gericht rechtskräftig seine Zuständigkeit an, so tritt der Straf- oder Beschwerdebescheid außer Kraft?) Die Vollstreckung der administrativen Strafbescheide erfolgt durch die Haupt­ ämter nach den Vorschriften über das Verwaltungs-Zwangsverfahren. Ein Grundstück, das einem Deutschen gehört, kann nicht versteigert werden; die Eintragung einer Sicherungs-Hypothek (nur bei 300 Mk. übersteigenden Forderungen) ist zulässig.') Kann die Geldstrafe nicht beigetrieben werden, so hat das Hauptamt die Umwandlung der Strafe gemäß § 463 Strafprozeßordnung herbeizuführen, wenn die Umwandlung nach den ge­ setzlichen Bestimmungen statthaft ist und gegebenenfalls auf die Geltend­ machung der Vertretungsverbindlichkeit verzichtet wird oder diese erfolg­ los geblieben ist. Außerhalb des Deutschen Reichs wohnende Personen, von welchen eine Geldstrafe nicht eingezogen werden kann, dürfen, wenn nicht die Umwandlung in Freiheitsstrafe unzulässig ist, beim Be') Ebenda §§ 35, 44. *) Über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 39. ') §§ 37-50. 4) § 52 ebenda. °) §§ 53-55 ebenda.

§ 85.

Die Ausgaben.

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Matrikularbeitrag.

treffen im Jnlande festgenommen, müssen aber binnen 24 Stunden der gerichtlichen Strafvollstreckungsbehörde vorgeführt werden. Die Haft darf niemals länger dauern als der Höchstbetrag der Freiheitsstrafe beträgt, in welche die Umwandlung der Geldstrafe erfolgen kann.') f) Über den Erlaß und die Niederschlagung der Strafen enthält die Verordnung vom 19. September 19072) die näheren Vorschriften. II. Die Ausgaben. § 85. Ute Ausgaben. Matrikularbeitrag.

I. Außer den Ausgaben für die eigene Landesverwaltung trägt Elfaß-Lothringen wie jeder deutsche Bundesstaat anteilsmäßig sämtliche Ausgaben des Reichs. Ausnahmen bestehen nur in folgenden Beziehungen: 1. Elsaß-Lothringen hat nicht die Kosten für die Kontrolle der Biersteuer zu entrichten, da es der Biersteuergenieinschaft nicht angehört. 2. Solange das Reichsgesetz über den Unterstützungswohnsitz in Elsaß-Lothringen nicht eingeführt ist, hat es nicht die Kosten des Bundes­ amtes für das Heimatswesen mitzubezahlen. 3. Elsaß-Lothringen trägt zu den Gesamtausgaben des Rechnungs­ hofes mit einem Aversionalbetrage bei, durch den die Kosten für die Kontrolle des Landeshaushaltes gedeckt sind.2) 4. Es leistet einen Beitrag zu den Ausgaben des preußischen Zivil­ kabinetts in Höhe von 3150 Mk.^) 5. Es hat einen Ausgleichungsbetrag für die Biersteuer zu entrichten, der sich von dem Rechnungsjahr 1909 ab nach der Höhe der Brausteuereinnahme in der Brausteuergemeinschaft richtet.") II. Nach der früheren Fassung des Artikel 70 der Reichsverfassung sollten die Ausgaben des Reichs, die durch die gemeinsamen Einnahmen nicht gedeckt werden, solange keine Reichssteuern eingeführt sind, durch Beiträge der Bundesstaaten nach Maßgabe ihrer Bevölkerung aufgebracht werden. Der subsidiäre Charakter der Matrikularbeiträge wurde von der sogenannten Frankensteinschen Klausel ignoriert. Trotzdem Reichssteuern eingeführt wurden, blieben die Matrikularbeiträge bestehen; die Erträgnisse der Reichssteuern wurden nicht zur Deckung der gemeinsamen Ausgaben ') § 56 ebenda. ») 31.931. S. 183.

*) Bgl. die Anlage XIX zum Reichsetat für 1900. *) Etat des Reichsschatzamtes Ausgabe Kap. 68, Tit. 7. *) Retchsgesetz vom 3. Juni 1906 (R G Bl. ©.620) § 6. Bruck, Versassungs- und BcrroeltungStedjt ». Elsaß-Lothr. II.

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130 8. Kapitel. Das Finanzwesen des Landes. 3. Abschnitt: Der LandeShaushaltsetat. des Reichs verwendet, sondern den Bundesstaaten „überwiesen". Die un­ haltbaren Zustände, die sich hieraus für die Finanzen des Reichs und der Bundesstaaten ergaben, sind teilweise beseitigt worden durch das Reichs­ gesetz vom 14. Mai 1904 (Reichsgesetzblatt S. 169), das den Artikel 70 der Reichsverfassung mit der wirklichen Lage in Einklang bringt: werden die gemeinschaftlichen Ausgaben durch die gemeinschaftlichen Einnahmen nicht gedeckt, so sind sie durch die Matrikularbeiträge auszubringen. „In­ soweit diese Beiträge in den Überweisungen keine Deckung finden, sind sie den Bundesstaaten am Jahresschlüsse in dem Maße zu erstatten, als die übrigen ordentlichen Einnahmen des Reichs dessen Bedarf übersteigen". Ergänzend bestimmt das Reichsgesetz vom 3. Juni 1906 (Reichsgesetz­ blatt S. 621) tz 3 Abs. 1, daß, soweit die Matrikularbeiträge in einem Rechnungsjahr den Sollbetrag der Überweisungen um mehr als 40Pfg. auf den Kopf der Bevölkerung übertreffen, die Erhebung des Mehrbetrages für dieses Rechnungsjahr ausgesetzt wird und erst im Juli des drittfolgenden Rechnungsjahres zu erfolgen hat. Dritter Abschnitt.

Der Landeshanshaltsetat. § 86. Die Bedeutung, Feststellung und Wirkung des Landeshanshaltsetats. I. Der Landeshaushaltsetat ist ein Voranschlag für alle im Laufe einer bestimmten Periode voraussichtlich eingehenden Einnahmen und voraus­ sichtlich zu leistenden Ausgaben. Er bezeichnet die Grenzen, innerhalb deren sich die gesamte Finanzwirtschaft des Landes während eines Zeit­ raumes bewegen soll und bildet somit die Grundlage für die definitive Abrechnung über die wirklichen Einnahmen und Ausgaben des abgelau­ fenen Wirtschaftsjahres. II. Nach § 5 Absatz 5 des Gesetzes vom 30. Dezember 1871 (Gesetz­ blatt 1872 S. 49) liegt es dem Oberpräsidenten ob, „für die Aufstellung des jährlich im Wege der Gesetzgebung festzustellenden Etats für die Ein­ nahmen und Ausgaben des Landes zu sorgen und denselben vor Beginn des Etatsjahrs dem Reichskanzler vorzulegen". Aus dieser Bestimmung ergeben sich folgende Rechtssätze. 1. Für die Feststellung des Etats ist der Weg der Gesetzge­ bung vorgeschrieben. Er hat alle Phasen eines Gesetzes durchzumachen.

§ 86.

Die Bedeutung, Feststellung und Wirkung deS Landeshaushaltsetats.

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Der Etat wird vorbereitet in den einzelnen Ministerialabteilungen und in dem Bureau des Statthalters und alsdann nach seiner Zusam­ menstellung in der Finanzabteilung von dem Statthalter festgesetzt. Darauf gelangt er nach der Begutachtung durch den Staatsrat mit der Ermäch­ tigung des Kaisers an den Bundesrat und wird endlich von dem Statt­ halter dem Landesausschuß zur Beschlußnahme vorgelegt. Zur Feststellung des Etats ist die vollkommene Übereinstimmung des Bundesrates und Landesausschusses, gegebenenfalls des Reichstages (Bd. IS. 234), notwendig. Solange diese nicht über alle Punkte herbeigeführt ist, müssen die Ver­ handlungen in den beiden Körperschaften fortgesetzt werden. Der endgültig angenommene Etat ist vom Kaiser unter Gegenzeichnung des Statthalters auszufertigen und im Gesetzblatt zu verkündigen. 2. Die Wirtschaftsperiode, auf die sich jeder Etat erstreckt, läuft vom 1. April bis 31. März. *) Der Etat wird benannt nach dem Jahre, in dem der größte Teil der Periode liegt.*2) 3. Für jede Wirtschaftsperiode muß ein Etat aufgestellt werden, der sämtliche Einnahmen und Ausgaben des betreffenden Jahres zu enthalten hat. Einnahmen und Ausgaben, die in mehreren Raten zu zahlen sind, sind mit den Beträgen, die in dem einzelnen Rechnungsjahr zur Verwendung kommen, in Ansatz zu bringen, andernfalls würde die Übersichtlichkeit über die Finanzlage leiden. Von der Aufstellung eines Etats wird in der Paxis dann abgesehen, wenn sich nach Fertigstellung des Etats die Notwendigkeit zur Bewilligung neuer Ausgaben oder Ein­ nahmen für dasselbe Wirtschaftsjahr ergibt. In diesen Fällen wird in denselben Formen und auf demselben Wege wie der Etat ein Nach­ tragsetat aufgestellt. 4. Der Etat soll vor dem 1. April festgestellt werden. Ist dieser Termin aus irgend einem Grunde nicht innegehalten worden, so kann nicht ohne weiteres der Etat der abgelaufenen Periode der Wirtschafts­ führung der neuen Periode zugrunde gelegt werden, vielmehr sind durch die Natur der Einnahmen und Ausgaben begründete Unterscheidungen zu machen, auf die weiter unten eingegangen werden wird. 5. Die Form des Etats ist bisher nicht gesetzlich geregelt, sondern hat sich im Anschluß an die preußischen Vorbilder entwickelt. a) Es ist zu unterscheiden zwischen dem Gesetz betreffend die Fest­ stellung des Landeshaushaltsetats und dem als Anlage beigefügten Landes­ haushaltsetat. >) Gesetz vom 18. März 1878 (©.931. S.7) § 1. 2) Min. Bekanntmachung vom 12. Juli 1898 (A.Bl. S. 163).

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8. Kapitel. Das Finanzwesen des Landes. 3. Abschnitt: Der Landeshaushaltsetat.

Das Etatsgesetz muß sich keineswegs nur auf die Anführung der Endziffern des Etats und auf Bestimmungen, die in erster Linie mit EtatsPositionen im Zusammenhange stehen, beschränken, sondern kann Vor­ schriften jeder Art enthalten. Gewöhnlich werden Anordnungen über die Ausgabe von Schatzanweisungen, über die Aufnahme von Anleihen und bergt, getroffen. Der Grundsatz des französischen Staatsrechtes,') nach dem die Erhebung der direkten Steuern alljährlich von neuem angeordnet werden muß, ist seit ihrer Umwandlung in Quotitätssteuern als aufge­ hoben anzusehen. Trotzdem enthalten, wie bereits früher bemerkt, die Etatsgesetze die stereotype Formel: „Die direkten Steuern werden für das Rechnungsjahr---- in Prinzipale und Zuschlägen nach Maßgabe der als Anlage B beigefügten Übersicht den Bestimmungen der Gesetze gemäß erhoben." Die Erhebung der indirekten Steuern, der Verkehrssteuern und Gebühren ist ausdrücklich auch ohne Ermächtigung zulässig?) Ferner muß jedes Etatsgesetz den Satz der für die Verbesserung der Kanäle zu er­ hebenden Abgaben bestimmen. Ist aus irgend einem Grunde, etwa weil das Gesetz nicht rechtzeitig zustande kam, die Bestimmung unterblieben, so können die Gebühren auf Grund der für die vergangene Periode erteilten Ermächtigung nicht weiter erhoben werden, weil die Festsetzung jährlich erfolgen tttujj.l3)* Endlich bestimmen regelmäßig die Etatsgesetze den Gesamtbetrag, bis zu welchem den Vorschußkassen durch die Staats­ depositenverwaltung Betriebsmittel als Darlehen zu gewähren sind. Falls der Betrag einmal nicht angegeben wird, bleibt die diesbezügliche An­ ordnung in dem früheren Etatsgesetz in Kraft, da nicht jährlich von neuem der Betrag festgesetzt werden muß. 4) b) Der Etat zerfällt in zwei Hauptteile: in den ordentlichen und außerordentlichen Etat. Dieser Unterscheidung, die zum ersten Mal in dem Etatsjahr 1883/84 durchgeführt wurde, liegt die Erwägung zugrunde, daß es zweckmäßig ist, Ausgaben, die ihrer inneren Natur nach eine Verteilung auf mehrere Generationen zulassen und daher weniger geeignet sind, aus den laufenden Jahresmitteln bestritten zu werden, von Ausgaben zu trennen, für welche die Gegenwart aufzukommen hat?) Der Charakter der Ausgabe bildet also das Kriterium, ob sie in den ordent­ lichen oder außerordentlichen Etat eingestellt wird; auf die Deckung der l) Leoni-Mandel S.46 (Ducrocq Ziffer271). -) Gesetz vom 10. Juni 1872 (G.Bl. @.177) §2. -) Gesetz vom 26. Mai 1892 (G.Bl. @.49) § 4 Abs. 3. *) Gesetz vom 18. Juni 1887 (G.Bl. @.59) § 5 Abs. 1. *) Die bei Leoni-Mandel S. 45 angeführte Denkschrift.

§ 86. Die Bedeutung, Feststellung und Wirkung des LandeshauShaltsetats.

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Ausgaben kommt es nicht an, denn mit den Überschüssen des ordentlichen Etats werden, wenn notwendig, die außerordentlichen Ausgaben bezahlt. Der ordentliche und außerordentliche Etat teilen sich in „Ausgaben" und in „Einnahmen" und der ordentliche Ausgabenetat wiederum in „Fortdauernde" und „Einmalige" Ausgaben. Alle Einnahmen und Aus­ gaben werden in Kapitel und diese in Titel zerlegt. Der Etat, der als Anlage dem Etatsgesetz beigefügt ist, führt nur die Summen, die Bezeich­ nung der Kapitel und die Anzahl der Titel eines jeden Kapitels an, während der Etat, der den gesetzgebenden Körperschaften vorgelegt wird, eine detaillierte Aufstellung jedes Titels oder Spezialetats enthält. Die Einnahmen und Ausgaben sind nach den einzelnen Verwaltungszweigen gruppiert. III. Wenn auch sämtliche Etatspositionen der formellen Bewilligung des Bundesrates und Landesausschusses (Reichstages) unterliegen, so hat die Bewilligung materiell je nach dem Charakter der Einnahme und Aus­ gabe eine verschiedene Bedeutung. 1. Die meisten Einnahmen beruhen auf gesetzlichen oder vertrag­ lichen Titeln. Sie fließen in die Landeskasse auch ohne besondere Er­ mächtigung. Die Aufführung der Einnahmen in dem Etat dient der Über­ sichtlichkeit. Die Zustimmung hat hier nur die Bedeutung des Einver­ ständnisses über die veranschlagte Höhe, die mit der Ist-Einnahme jedoch oftmals nicht übereinstimmt. Dagegen ist zur Erhebung aller bisher im Etat nicht vorgesehenen Einnahmen oder zur Änderung der Grundsätze, die für ihre Erhebung in Betracht kommen, die Bewilligung notwendig. So unterliegt auch der Verkauf von Grundstücken der Genehmigung der gesetzgebenden Faktoren; alljährlich werden den Etatsgesetzen in einer be­ sonderen Anlage (c) die „Nachweisungen der Veräußerungen von Staats­ eigentum" angefügt. Da nach der Grundregel jeder geordneten Finanzwirtschaft die Ein­ nahmen und Ausgaben balancieren müssen, so muß, wenn keine anderen Deckungsmittel vorhanden sind und die Ausgaben sich nicht kürzen lassen, die Ermächtigung zur Ausgabe einer Anleihe erteilt werden, die die Diffe­ renz deckt. 2. Bei den Ausgaben lassen sich die willkürlichen von den not­ wendigen trennen.1) Jene dürfen nur geleistet werden, wenn sie zuvor ge­ nehmigt sind. Der Bundesrat und Landesausschuß (Reichstag) haben frei darüber zu entscheiden, ob eine nicht notwendige Ausgabe gemacht werden soll oder nicht; in diesen Fällen steht ihnen ein materielles Be«) Lab and, Bd. IV. S. 4SI.

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8. Kapitel. Das Finanzwesen des Landes. 3. Abschnitt: Der Landeshaushaltsetat.

willigungsrecht zu. Dagegen können alle übrigen Ausgaben, die wie die Pflichtausgaben der Gemeinden und Bezirke auf gesetzlicher oder vertrag­ licher Basis beruhen, nicht verweigert werden. Solange die rechtlichen Grund­ lagen nicht beseitigt sind, ist die Bewilligung der Ausgabe eine Pflicht. Der Landesausschuß (Reichstag) oder Bundesrat kann beispielsweise nicht den Gehalt der Beamten streichen; die Gehaltsbewilligung in früheren Jahren bindet die spätere Entschließung. IV. Der Etat ist ein Gesetz int formellen, nicht materiellen Sinne. Durch seine Annahme seitens der gesetzgebenden Faktoren wird die Re­ gierung verpflichtet, alle Positionen in der Weise auszuführen, die in dem Etat vorgesehen ist. Sie darf nicht nach freiem Belieben über die Bestände verfügen, sondern muß sie genau gemäß den Angaben in den Titeln ver­ wenden. Es genügt also nicht, daß die Regierung die Gesamtsumme der Ausgaben nicht übersteigt, sondern sie muß die Ausgaben zu den vorgesehenen Zwecken leisten. Andererseits ist die Regierung, solange sie die Etats­ ansätze befolgt, von jeder Verantwortung befreit. Da der Etat aber ein Voranschlag ist, so sind die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben oftmals von den Soll-Einnahmen und -Aus­ gaben erheblich verschieden nicht nur, weil die Berechnung und Aufstellung irrtümlich war, sondern weil im Laufe des Etatsjahres Umstände ein­ getreten sind, die eine Verschiebung der Einnahmen oder Ausgaben ver­ ursacht habend) Die Erhebung einer Einnahme höher als ihre Veran­ schlagung, und die Erhebung einer Einnahme, die im Etat überhaupt nicht vorgesehen war oder eine Minderausgabe und die Nichtleistung einer im Etat vorgesehenen Ausgabe können, wenn die notwendigen Belege bei der Rechnungskontrolle beigebracht und die übrigen Beweise für die Abweichung von dem Etat geführt werden, zu weiteren Beanstandungen keine Veran­ lassung geben. Auch der Überschreitung eines Ausgabepostens, die durch veränderte Tatumstände herbeigeführt ist, darf die Genehmigung nicht ver­ sagt werden; nur wenn die Etatsüberschreitung hätte vermieden werden können, wenn sie also durch freie Entschließung der Regierung veranlaßt ist, trägt diese die Verantwortung, solange sie nicht vom Bundesrat und Landesausschuß (Reichstag) genehmigt ist. Eine in diesem Sinne genehmi­ gungspflichtige Etatsüberschreitung liegt auch dann vor, wenn die MehrAusgabe bei einem Titel durch eine Minder-Ausgabe bei einem anderen Titel ausgeglichen wird, es sei denn, daß die betreffenden Titel ausdrücklich als unter sich übertragungsfähig bezeichnet sind?) ') Laband, Bb. IV, S. 498 ff. «) Gesetz vom 27. März 1872 (G. Bl. 1875 S. 50) § 19 Abs. 1.

§ 86. Die Bedeutung, Feststellung und Wirkung des LandeshauShaltsetats.

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Beruht die Erhebung einer Einnahme auf Gesetz (Steuern, Ge­ bühren), so ist ihre Nichterhebung unzulässig; war dagegen die Regierung nur ermächtigt, sich die Einnahme zu verschaffen (Aufnahme einer Anleihe), so kann sie für das Unterlassen niemals zur Verantwortung gezogen werden, sofern die übrigen Einnahmequellen die Ausgaben decken. Für die Leistung einer nicht im Etat vorgesehenen Ausgabe ist stets die nach­ trägliche Genehmigung nachzusuchen;**) derartige außeretatsmäßige Aus­ gaben werden besser in einem Nachtragsetat nachgewiesen, wenn die Möglichkeit besteht, ihn rechtzeitig dem Landesausschuß vorlegen zu können. Endlich sind Abweichungen von dem Etat dadurch denkbar, daß tatsächlich nicht alle Ausgaben am Ende des Etatsjahres geleistet sein können (Resteverwaltung). Auf einen Ausgabeposten dürfen Zahlungen bis zum Ende des auf das Etatsjahr folgenden Jahres geleistet werden; was zu diesem Zeitpunkt erübrigt ist, gilt als erspart. Nur wenn ein Fonds zu einer einmaligen Ausgabe bestimmt ist, ist er, solange der Zweck dem er dient, nicht erfüllt ist, aus die folgenden Jahre übertragbar?) Außerdem erklärt der Etat manchen Posten ausdrücklich von einem Jahr auf das andere für übertragbar. Die ersparten Beträge sind in dem Etat des folgenden Jahres als Einnahmen einzusetzen?) V. Um dem Landesausschuß möglichst bald Kenntnis von allen Etatsabweichungen zu verschaffen, ist der Regierung zur Pflicht ge­ macht, eine Nachweisung der Etatsüberschreitungen und außeretatsmäßigen Ausgaben jedesmal im nächsten Jahre, nachdem sie entstanden sind, dem Landesausschuß zur nachträglichen Genehmigung vorzulegen; durch diese Genehmigung werden die Erinnerungen bei der Rechnungslegung nicht berührt?) In der Nachweisung werden die Minderausgaben, die Mehrund Mindereinnahinen, soweit sie von Erheblichkeit sind, erläutert, die Etatsüberschreitungen und außeretatsmäßigen Ausgaben eingehend begründet; außerdem wird bei den übertragbaren Fonds angegeben, ob und gegebenen­ falls in welcher Höhe von den am Jahresschlüsse verbliebenen Beständen Beträge zur freien Verfügung geblieben sind. Die Nachweisung unterliegt l) Über die rechnungsmäßige Darstellung Min. Berf. vom 14. Oktober 1881 (9t. Bl. des Minist. S. 85). *) Leoni-Mandel, S, 48. Die Entscheidung, ob der Zweck erfüllt ist, hat die den Fonds vertvaltende Behörde. s) Min. Vers. v. 9. April 1880 (9t. Bl. des Ministeriums S. 24). Über die rechnungsmäßige Behandlung der auf das folgende Jahr übertragbaren Fonds Min. Vers, vom 29. September 1882 (9t. Bl. des Minister. S. 161). *) Gesetz vom 27. März 1872 § 19 Abs. 3.

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8. Kapitel. Das Finanzwesen deS Landes. 3. Abschnitt: Der LandeshauShaltsetat.

der Genehmigung des Landesausschusses, Bundesrates und Kaisers. Wird die Genehmigung versagt, so muß die Regierung die notwendigen Schritte tun, um die Rechnung richtig zu stellen. YI. Kommt der Etat nicht rechtzeitig am 1. April zustande, so entsteht die Frage, wie die Finanzwirtschaft weiter zu führen ist, wenn sich die Regierung nicht mit einem „Notgesetz" behilft, durch das der Etat der vergangenen Periode auf einen Zeitraum des neuen Etatsjahrs erstreckt wird.') Alle Einnahmen, wie direkte und indirekte Steuern, Ver­ kehrssteuern, Gebühren dürfen weiter erhoben werden. Von den Ausgaben sind diejenigen zu vermeiden, die nicht „Pflichiausgaben" sind. Die Pflicht­ ausgaben müssen auch ohne ausdrückliche Ermächtigung geleistet werden, denn sie beruhen nicht auf der Einsetzung des betreffenden Postens in den Etat, sondern auf Gesetz oder Vertrag, deren Weitergeltung von dem Etat unabhängig ist. § 87. Die Kassen- und Rechnungsführung und die RechnungsKontrolle. — Die Ltaatsdepofitenverwaltnug. I. Durch Verfügung des Zivilkommissars vom 14. Oktober 1870 (Straßburger Zeitung Nr. 15) wurden „Departemental-Hauptkasien" er­ richtet, die an Stelle der bisherigen General-, Schatz- und Zahlmeister und der Arrondissements-Einnehmer das Kassen- und Rechnungswesen nach den für die preußischen Regierungshauptkassen geltenden Grundsätzen führten; mit der Departemental-Hauptkasse für den Niederrhein war die General­ kasse für Elsaß verbunden, an welche die übrigen Departementalkassen ihre Überschüsse abzuliefern hatten. Auch bei der späteren Organisation der Verwaltung wurde diese Vielheit von Landeskassen beibehalten; nur die Namen wurden in „Bezirkshauptkasse" und in „Landeshauptkasse" um­ gewandelt?) Erst das Gesetz vom 14. März 1882 (Gesetzblatt S. 57) hat die drei Bezirkshauptkassen aufgehoben und ihre Obliegenheiten auf die Landeshauptkasse in Straßburg, an deren Spitze ein Landrentmeister steht, übertragen. In die Landeshauptkasse fließen alle Einnahmen des Landes und sie leistet alle Ausgaben. Neben ihr gibt es noch eine Reihe von Spezial­ kassen, wie die Hauptbuchhalterei der Verkehrssteuern, die Hauptzollund Hauptsteuerkassen, die selbständig Einnahmen und Ausgaben besorgen und auch selbständig Rechnung legen, während die Lokal lassen zwar •) Die Bestimmung in § 3 des Gesetzes vom 18. März 1878 (G. Bl. S. 7) ist mit der Beseitigung der Repartitionssteuern gegenstandslos geworden. ' ') Gesetz vom 30. Dezember 1871 (G. Bl. 1872 S. 49) § 19.

§ 87. Die Kaffen- und Rechnungsführung und die Rechnungskontrolle. Die Staatsdepositenverwaltung.

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Einnahmen einziehen und Ausgaben leisten, aber durch die Landeshaupt­ kasse Rechnung legen. Die Spezial- und Lokalkassen liefern ihre Über­ schüsse an die Landeshauptkasse ab. Der Geschäftsgang bei der Landeshauptkasse') bestimmt sich im wesentlichen nach der Geschäftsanweisung für die preußischen Regierungs­ hauptkassen vom 1. Juni 1857.r) Die Buchführung erfolgt chronologisch durch Tage- und Kassenbücher und systematisch (nach Verwaltungszweigen) durch Handbücher und das Hauptbuch. Am Ende jedes Tages, Monats, Quartals und Jahres sind Kassenabschlüsse (Extrakte) anzufertigen, die eine genaue Übersicht über den Kassenbestand ermöglichen. Die Monats­ abschlüsse aller Kassen werden dem Ministerium eingereicht; in ihnen sind die Einnahmen und Ausgaben des abgelaufenen Monats, die verbliebenen Vorschüsse, Asservate und Kassenbestände, bei dem Finalabschluß auch die Einnahme- und Ausgabereste nachzuweisen.^) Jede Ausgabe und Einnahme muß entweder durch gesetzliche Be­ stimmung oder durch Anweisung gerechtfertigt sein; bei Leistung von Aus­ gaben sind die Belege und Quittungen beizubringen?) Durch Kassen­ kuratoren werden jeden Monat alle Kassen revidiert; außerdem ist jährlich mindestens einmal unvermutet eine außerordentliche Revision durch einen besonderen Beamten vorzunehmen?) II. Eine besondere elsaß-lothringische Behörde, der die Rechnungs­ kontrolle obliegt, gibt es nicht. Vielmehr wird von Jahr zu Jahr die *) Leont-Mandel, S. 49. *) Es kommen ferner in Betracht für die Kaffen» und Buchführung der Hariptzoll- und Hauptsteuerümtcr Verordnung vom 26. Januar 1879 und 7. Sep­ tember 1883 (A. Bl. 6. Direktors der Zölle S. 55, S. 127); der Berkehrssteuer­ ämter und Forstkaffen, Verordnung vom 20. Juni 1888 (A. Bl. des Direktors der Zölle S. 295) für die Steuerkassen Verordnung vom 13. Januar 1892 (A. Bl. S. 21). 3) Vers, des Oberpräsidenten vom 22. Juni 1874, des Ministeriums vom 25. Oktober 1879 (Bekanntmachungsblatt S. 67 und A. Bl. des Minister. S. 2). 4) Leoni-Mandel S. 49. Min. Vers, vom 21. Dezember 1882 (A. Bl. des Minist. S. 191) über die Verrechnung von Einnahmen und Ausgaben; über die Zahlung von Bauausgaben der Wasserbau- und Wegeverwaltung Vers, vom 19. März und 9. April 1873 (Bekanntmachungsblatt S. 11, 17), Minist. Vers, vom 8. Mai 1886 (A. Bl. S. 106). Über die Abrechnung zwischen Landeshaupt­ kaffe und Spezialkaffen Minist. Vers, vom 28. März 1883 (A. Bl. S. 100), über den Geschäftsverkehr der Steuerkaffen mit der Landeshauptkaffe Min. Berf. vom 14. August 1890 (A. Bl. S. 144). 6) Berf. des Oberpräsidenten vom 31. Juli 1879 (Bekanntmachungsblatt S. 61) und die bei Leoni-Mandel S.50 Sinnt. 1 angeführten Verordnungen.

138 8. Kapitel. Das Finanzwesen des Landes. 3. Abschnitt: Der LandeshauShaltsetat. Kontrolle des Landeshaushalts der Preußischen Ober-Rechnungskammer unter der Benennung „Rechnungshof des Deutschen Reiches" übertragen?) Maßgebend für seine Rechte und Pflichten ist das preußische Recht, vornehmlich das Gesetz vom 27. März 1872, das in ElsaßLothringen durch Gesetz vom 11. Februar 1875 (Gesetzblatt S. 49) publiziert wurde?) 1. Die Revision des Rechnungshofes erstreckt sich a) auf alle Rechnungen, durch welche die Ausführung des festge­ stellten Landeshaushaltsetats und der säintlichen Etats und sonstigen Unterlagen, auf welchen derselbe beruht, dargetan wird, vor allem also auf die Rechnungen der Landesbehörden, Landesbetriebsanstalten und Landesinstitute über Einnahmen und Ausgaben von Staatsgeldern, soweit nicht in einzelnen Fällen statutarische oder vertragsmäßige Bestimmungen eine Ausnahme begründen, auf die Rechnungen aller derjenigen Institute, die aus Landesmitteln erhalten werden oder veränderliche Zuschüsse nach Maßgabe des Bedürfnisses aus der Landeskasse erhalten oder mit Gewähr­ leistung des Landes verwaltet werden, sobald und solange diese Garantie verwirklicht werden soll?) Der Kontrolle sind nur die „zu allgemeinen politischen Zwecken" bestimmten Fonds entzogen?) Die Verwendung des Dispositionsfonds des Statthalters unterliegt dagegen der Kontrolle. b) auf alle Rechnungen der Landesbehörden, Landesbetriebsan­ stalten und Landesinstitute über Naturalien, Vorräte, Materialien, über­ haupt über das gesamte nicht in Geld bestehende Landeseigentum?) Ob den Rechnungen die Inventarien beizufügen sind oder nur deren regelmäßige Führung nachzuweisen ist, bestimmt der Rechnungshof nach Verschiedenheit der Kassen und Institute?) c) auf die Rechnungen derjenigen Institute, Anstalten, Stiftungen, die lediglich von Landesbehörden oder durch von Landes wegen angestellte Beamte, ohne Beteiligung der Interessenten bei der Rechnungsabnahme •) Über die Klassifizierung des Rechnungshofes als selbständige Finanz­ behörde Bd. I S. 148. *) Außerdem kommt die „Instruktion für die Oberrechnungskammer vom 18. Dezember 1824" in Betracht. -) Gesetz vom 27. März 1872 § 9 Abs. 1. *) Ebenda Abs. 3. Ein solcher Fonds findet sich im Etat des Ministeriums Kapitel 5 Titel 24. °) Ebenda § 10 Absatz 1 Ziffer 1. ®) Ebenda § 10 Abs. 2. Instruktion vom 18. Dezember 1824 § 20.

§ 87.

Die Kaffen- und Rechnungsführung und die Rechnungskontrolle, Die Staatsdepositenverwaltung.

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und Quittierung, verwaltet werden, gleichviel ob sie Zuschüsse vom Land erhalten oder nicht?) Der regelmäßigen Prüfung des Rechnungshofes sind in den bisher bestandenen Grenzen die Rechnungen von untergeordneter Be­ deutung entzogen; ihre Revision und Dechargierung ist den Verwaltungs­ behörden überlassen. Jedoch soll der Rechnungshof von Zeit zu Zeit die Rechnungen und Nachweijungen einfordern, um sich zu überzeugen, daß die Verwaltung der Fonds, worüber sie geführt werden, vorschriftsmäßig erfolgt?) 2. Dem Rechnungshof liegt eine dreifache Kontrolle über die Rechnungen, über die Finanzwirtschaft und über die Verwaltung ob. a) Die Rechnungen nebst sämtlichen Belegen sind kalkulatorisch zu prüfen und zu justifizieren?) Jede Rechnung niuß, bevor sie dem Rechnungshof vorgelegt wird, von der Verwaltungsbehörde auf das genaueste geprüft und ihre Richtigkeit muß ausdrücklich bescheinigt werden.') All­ gemeine Anordnungen über die Kassenverwaltung und Buchführung sind schon vor ihrem Erlaß zur Kenntnis des Rechnungshofes zu bringen, damit er auf Bedenken seinerseits aufmerksam machen kann. Er erläßt im Einverständnis mit dem Statthalter (als Departementschef) die Vorschriften über die formelle Einrichtung der Jahresrechnungen und bestimmt die Termine zur Einsendung der Rechnungen und die Fristen zur Erledigung der dagegen aufgestellten Erinnerungen?) b) Die gesamte Finanzwirtschaft wird auf Grund des festge­ stellten Landeshaushaltsetats, dem der Nachtragsetat oder sonstige Finanz­ gesetze gleich stehen, eingehend geprüft. Bei jedem Posten des Etats wird kontrolliert, inwieweit der Sollbestand mit dem Jstbestand übereinstimmt, ob die Abweichung genügend belegt ist, ob die Etatsüberschreitungen und außeretatsmäßigen Ausgaben von dem Landesausschuß genehmigt sind, ob die Ausgaben bei den betreffenden Fonds verrechnet sind. Erscheint es dem Rechnungshof notwendig, so werden die beanstandeten Fondsver­ wechslungen durch Richtigstellung der Buchung ausgeglichen?) ') Gesetz vom 27. März 1872 § 10. In Betracht kommen die Bezirke und Bezirksanstalten. ') Ebenda § 11. -) Ebenda § 12. 4) Instruktion vom 18. Dezember 1824 § 47. 5) Gesetz vom 27. März 1872 §§ 14, 15. 8) Über die Fondsverwechslungen von Beträgen unter 20 Mk. vgl. Be­ merkung III zu der Allgemeinen Rechnung über den Landeshaushalt 1902.

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8. Kapitel. Das Finanzwesen des Landes. 3. Abschnitt: Der Landeshaushaltsetat.

c) Die Kontrolle der Verwaltung besteht darin, daß geprüft wird, „ob bei der Erwerbung, der Benutzung und der Veräußerung von Landes­ eigentum und bei der Erhebung und Verwendung der Landeseinkünfte, Abgaben und Steuern nach den bestehenden Gesetzen und Vorschriften unter genauer Beachtung der maßgebenden Verwaltungsgrundsätze verfahren worden ist, und ob und wo nach den aus den Rechnungen zu beurteilenden Ergebnissen der Verwaltung zur Beförderung des Staatszweckes Abände­ rungen nötig oder ratsam ftnb".1) Zu diesem Zweck kann der Rechnungs­ hof alle notwendigen Informationen einziehen und seinen Verfügungen durch Strafbefehle innerhalb der für die obersten Verwaltungsbehörden bestimmten Grenzen die schuldige Folgeleistung sichern?) 3. Hat der Rechnungshof zu Erinnerungen keine Veranlassung ge­ funden oder sind die Erinnerungen ordnungsgemäß erledigt, so erteilt er Entlastung, die die im Preußischen Allgemeinen Landrecht vorgesehenen Wirkungen einer Quittung hat?) Ist von dem Rechnungshof eine Erinnerung ausgestellt worden, die von der elsaß-lothringischen Verwaltung für begründet erachtet wird, so hat sie dafür zu sorgen, daß die Erinnerung erledigt, gegebenenfalls daß gegen den schuldigen Beamten vorgegangen wird; nötigenfalls ordnet der Rechnungshof die Eintragung des fehlenden Betrages in das Soll der Einnahmen an. Bestehen jedoch Meinungsverschieden­ heiten zwischen dem Rechnungshof und dem Statthalter als Chef der Landesverwaltung über die Zulässigkeit der Erinnerung, so hat der Kaiser die Entscheidung zu treffen. Auch im elsaß-lothringischen Verwaltungsrecht entsteht die Frage, inwieweit der Erlaß von „justifizierenden Kabinettsorders" zulässig ist. Unter justifizierenden Kabinettsorders versteht man die Befugnis des Landesherrn zum Erlaß von Steuern, Gebühren, Gefällen, zur Nieder­ schlagung von Kassendefekten und fiskalischen Forderungen. Es handelt sich also stets um Gnadenakte im Gebiete der Verwaltung. Alle diese Maß­ nahmen sind vom Kaiser auf den Statthalter übertragen worden?) Die Frage nach der Gültigkeit der Kabinettsorders des Statthalters ist daher abhängig von der Entscheidung der Vorfrage, ob nach geltendem Recht *) Gesetz vom 27. März 1872 § 12. Gutachtliche Vorschläge können dem Bericht an den Kaiser (§ 20) beigefügt werden.

*) Ebenda §§ 13—16. *) Ebenda § 17. Die Haftung wegen Rechnungsfehler oder „unredlicher" Handlungen wird durch Erteilung der Quittung nicht beseitigt. Allg. Landrecht Teil I Titel 14 § 146.

4) Verordnung vom 23. November 1907 (R.G.Bl. S. 759) Ziffer 2 Absatz 2.

§ 87.

Die Kassen- und Rechnungsführung und die Rechnungskontrolle. Die Staatsdeposilenverwaltung.

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diese Befugnisse dem Staatsoberhaupt zustehen. Für diese Entscheidung sind das französische und elsaß-lothringische Landesrecht maßgebend, denn der Kaiser übt hierbei als designiertes Organ des Reichs Befugnisse aus, die dem elsaß-lothringischen Staatsoberhaupt vorbehalten sind?) Keinen rechtlichen Bedenken unterliegt die Niederschlagung von Kassendefekten und fiskalischen Forderungen. Ob eine Forderung geltend gemacht werden soll oder nicht, ist in das Belieben der Berechtigten gestellt. Auch für den Staat muß die Möglichkeit bestehen, von diesem Recht Gebrauch zu machen, wenn unter den gegebenen Umständen die Geltendmachung des Anspruchs eine Härte oder Unbilligkeit in sich schließen würde. Ebenso ist auch die Niederschlagung von Regreßansprüchen gegen Beamte (Kassen­ defekte) rechtlich nicht zu beanstanden. Der Staatssekretär, der also der­ artige Verordnungen des Statthalters gegenzeichnet, ist nicht nur ihm gegenüber von jeder Verantwortung frei, sondern ihm wird auch von dem Landesausschuß und Bundesrat die Entlastung nur dann zu verweigern sein, wenn es sich um ein Mißbrauch des Gnadenrechtes l2) handelt. Dagegen ist der Erlaß von Steuern, Gebühren und Gefällen nur in den vom Gesetz zugelassenen Fällen gestattet. Bei der Darstellung des Steuer­ rechtes ist darauf hingewiesen worden, unter welchen Voraussetzungen der Erlaß von Steuern möglich und wer hierfür zuständig ist. Diese Grenzen müssen auch die justifizierenden Kabinettsorders innehalten; insbesondere darf der Statthalter nicht in die gesetzlich bestimmte Kompetenz der Behörden eingreifen. Jeder Steuererlaß, der die gesetzlichen Schranken mißachtet, stellt sich als eine Außerkraftsetzung eines Gesetzes im einzelnen Falle dar, die nach allgemeinen staatsrechtlichen Grundsätzen unstatthaft ist?) Eine generelle Klausel, die derartige Erlasse ermöglicht, findet sich an keiner Stelle des geltenden französischen oder elsaß-lothringischen Landesrechtes. Ihre Zu­ lässigkeit kann auch nicht aus dem Reichsstaatsrecht hergeleitet werden, denn da es dem Kaiser derartige Befugnisse nicht verleiht, so kann er sie auch nicht auf den Statthalter übertragen. Der Staatssekretär, der solche Ver­ ordnungen gegenzeichnet, müßte daher, um seine Entlastung herbeizuführen, die besonderen Umstände nachweisen, die die Aufhebung des Gesetzes recht­ fertigen sollen. III. Die von dem Rechnungshof geprüfte Rechnung nebst den ent­ standenen Bemerkungen muß den gesetzgebenden Körperschaften vorgelegt l) Derselben Ansicht Lab and Bd. IV. S. 526 Anm.2. ») Laband Bd. IV