Das Verfassungs- und Verwaltungsrecht von Elsass-Lothringen: Band 1 [Reprint 2019 ed.] 9783111432335, 9783111066806


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German Pages 417 [420] Year 1908

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen
Erstes Kapitel. Die Entstehungsgeschichte des Reichslandes
Zweites Kapitel. Die rechtliche Natur des Reichslandes
Drittes Kapitel. Die Verfassung und das rechtliche Verhältnis des Reichslandes zu dem Deutschen Reich und dem Ausland
Viertes Kapitel. Gebiet und Staatsangehörige
Fünftes Kapitel. Die Organisation des Reichslandes
Sechstes Kapitel. Die Gesetzgebung des Reichslandes
Siebentes Kapitel. Die Kommunalverbände
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Die Gemeindeordnung für Elsaß-Lothringen
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Das Verfassungs- und Verwaltungsrecht von Elsass-Lothringen: Band 1 [Reprint 2019 ed.]
 9783111432335, 9783111066806

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Bon demselben Verfasser erschienen im gleichen Verlag:

Die Gemeindeordnung für Elsaß-Lothringen vom 6. Juli 1895. Zweite, auf Grund des Halley'schen Kommentars neu bearbeitete Auflage. 8°. X, 444 S. 1905. Geheftet 5.—, in Leinwand geb. Die prozeßrechtltchen Bestimmungen des Vertrages sind von der Zivil­ prozeßordnung nicht berührt worden. MtchaöltS, Landesrechtliche Zivllprozeßnormen (1904), S. 244 Bem. 1 und die dort Zitierten. Der französisch-schweize­ rische Rechtshtlfevertrag vom 15. Juni 1869 hat für Elsaß-Lothringen seine Geltung verloren. Zeitschrift Bd. 11 S. 306; Bd. 19 S. 182.

§ 2. Die völkerrechtliche und staatsrechtliche Bereinigung des Reichslandes mit dem Deutschen Reich.

n

'

d) Staatsvertrag zwischen den Rheinuferstaaten vom 17. Oktober 1868; die sogenannten „revidierten Rheinschiffahrtsakte" (Bulletin des Lois Serie XI Nr. 16894).

§ 2. Die völkerrechtliche und staatsrechtliche Vereinigung des Reichslandes mit dem Deutschen Reich. I. In Artikel I der Versailler Friedenspräliminarien zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich vom 26. Februar 1871 (Reichsgesetz­ blatt S. 215) wurde die Grenze zwischen den beiden Staaten im wesentlichen in Übereinstimmung mit einer bereits im September 1871 durch die geographische und statistische Abteilung des Großen General­ stabes heransgegebenen Karte des Generalgouvernements Elsaß bestimmt. Jedoch wurden die im ehemaligen Mvseldepartement gelegenen Dörfer St. Marie-aux-Chenes bei St. Privat-la-Montagne und Vionville, westlich von Rezonville, an Deutschland abgetreten, während Stadt und Festungs­ werke von Belfort mit einem später festzusetzenden Rayon bei Frankreich verblieben. Der Austausch der Ratifikationen hat am 2. März 1871 stattgefunden. An diesem Tage ist auf das Deutsche Reich die Sou­ veränität über Elsaß-Lothringen übergegangen.4) Der Friedensvertrag vom 10. Mai 1871 (Reichsgesetzblatt S. 223) bestätigte die in den Präliminarfriedensvertrag zugesagte Ge­ bietsabtretung; die deutsche Regierung erklärt sich bereit, den Rayon um Belfort so zu erweitern, daß er die Kantone Belfort, Delle, Giromagny und den westlichen Teil des Kantons Fontaine umfaßt, während Frankreich die Grenze der Kantone Kaltenhöfen und Diedenhofen berichtigt.^) Der Zusatzartikel III zum Friedensvertrage (Reichsgesetz­ blatt 1871 S. 237) erweiterte nochmals das Frankreich verbleibende Gebiet bei Belfort um zwanzig Gemeinden und schließlich wurden in der •) So die herrschende Ansicht, Lüning S. 182. Auch der Friedensvertrag vom 10. Mai 1871 Art. 13, die Zusatzkonvention vom I I. Dezember 1871 Art. 2, Art. 10 rechnet die endgültige Abtretung von der Ratifikation des Präliminar­ friedens ab- ebenso die Bekanntmachung des Oberpräsidenten, betreffend die Option vom 7. März 1872 (Straßburger Zeitung Nr. 80). Unrichtig wird in der Zirkularverfügung des Oberpräsidenten vom 2. Dezember 1871 (Straßburger Zeitung Nr. 290) der 26. Februar als der Tag der Abtretung Elsaß-Lothringens an Deutschland bezeichnet. — Nur für die Rechtskraft der gerichtlichen Urteile, die Zuständigkeit der Gerichte und die hypothekarischen Einschreibungen wird der 20. Mai (Ratifikation des Friedens) als Normaltag bezeichnet. Zusatzkonvention vom 11. Dezember 1871 Art. 3 und 7. *) Art. 1 des Friedensvertrages.

8

1. Kapitel.

Die Entstehungsgeschichte des Reichslandes.

zusätzlichen Übereinkunft vom 12. Oktober 1871 (Reichsgesetzblatt S. 665) die Gemeinden Raon-les-Leaux und Raon-sur-Plaine ausschließlich der dem Staate gehörigen Grundstücke und des von diesen eingeschlossenen Gemeinde- und Privateigentums und die Gemeinden Jgney und ein Teil der Gemeinde Avricourt einschließlich der Bahnen an Frankreich abge­ treten. Die nähere Festsetzung der Hoheitsgrenze in den zuletzt gedachten Gemeinden erfolgte durch die Übereinkunft der internationalen Grenzregulierungskvmmission

vom 24.—27.

Elsaß-Lothringen 1878

S. 288)

Anglist

und

vom

1872 (Gesetzblatt 28.—81. August

für

1872

(Gesetzblatt für Elsaß-Lothringen 1878 S. 287). Der Fricdensvertrag ist von der französischen Nationalversammlung am 18. Mai genehmigt, die Ratifikationen sind am

20. Mai

(Reichsgesetzblatt S. 240) ausgetauscht worden.

durch Artikel

Die

1871 I

des Präliminarfriedens eingesetzte Kommission zur Bestimmung der Grenz­ linie an Ort und Stelle begann ihre Arbeiten im Juni 1871, beendigte sie Frühjahr 1877.

Der Austausch der Ratifikationsurkunde des Grenz­

rezesses ist in Metz am 31. Mai 1877 erfolgt.') II. War dnrch den Friedcnsvertrag zwar die völkerrechtliche Ver­ einigung des zurückeroberten Landes mit dem Deutschen Reich erfolgt, so bedurfte es noch eines besonderen staatsrechtlichen Aktes, um es dem Deutschen Reich einzuverleiben. *)

Verschiedene Formen boten sich hierfür

dar: nian konnte das von Frankreich abgetretene Gebiet zu einem Staat nach dem Vorbild der übrigen deutschen Bundesstaaten erheben oder es einem oder mehreren deutschen Staaten zuteilen. Aus zwingenden Gründen der Politik ist weder der eine noch der andere Weg eingeschlagen worden. ^) Das viel umstrittene Gesetz vom 9. Juni 1871 (Reichsgesetzblatt S. 212)*4)* * •)

Abgedruckt

mit sämtlichen

Elsaß-Lothringen 1877 Nr. 16ff.

Anlagen

in

der

Gemeinbezeitnng

für

Statistisches Handbuch für Elsaß-Lothringen

(1902) S. 8. *) Zorn, Staatsrecht Bd. I S. 523 Anm. 15 polemisiert mit Unrecht gegen die Annahme, daß das Gesetz vom 9. Juni 1871 der staatsrechtliche Er­ werbstitel des Reichs für Elsaß-Lothringen sei.

Da eine Erweiterung des Reichs­

gebietes Art. 1 der Reichsverfassung abändert, so bedurfte es eines besonderen Reichsgesetzes, uni Elsaß-Lothringen den, Reiche einzuverleiben. Hirth'S Annalen 1896.

E. Mayer in

S. 250.

•’) Jacob, S. 92ff. 4) Abgedruckt mit sämtlichen Vorarbeiten und legislatorischen Verhand­ lungen in Hirth's Annalen 1871 2. 846ff.

Das Gesetz ist nicht weniger als

dreimal publiziert worden,- das erstemal am 14. Juni im Reichsgesetzblatt, dann am 2. Juli in der Straßburger Zeitung und Amtlichen Nachrichten und endlich am 5. Juli in dem Gesetzblatt für Elsaß-Lothringen.

Ganz ohne Bedeutung im

§ 2. Die völkerrechtliche und staatsrechtliche Vereinigung des Reichslandes mit dem Deutschen Reich.

q

J

sprach aus, daß die von Frankreich abgetretenen Gebiete Elsaß und Lothringen mit dem Deutschen Reiche für immer vereint werden. Damit war Elsaß-Lothringen „Reichsland" geworden.') Der sofortigen Einführung der Reichsverfassung standen schwerwiegende Bedenken entgegen. Man mußte eine Übergangsperiode schaffen, damit sich die rechtlichen und politischen Verhältnisse in ElsaßLothringen klären konnten. Infolgedessen wurde das Inkrafttreten der Reichsverfassung auf den 1. Januar 1873 festgesetzt mit Ausnahme von Artikel 3, der sofort Gültigkeit bekam. *) Durch Verordnung des Kaisers mit Zustimmung des Bundesrates konnten einzelne Teile der Verfassung jedoch schon früher eingeführt werden.*3) 2 Von dieser Befugnis ist zu wiederholten Malen Gebrauch gemacht worden. So wurden durch Gesetz vom 17. Juli 1871 (Reichsgesetzblatt S. 247) mit Wirkung vom 1. Januar 1872 Artikel 33 (Einheit des Zoll- und Handelsgebiets),4) durch Gesetz vom 11. Dezember 1871 (Reichsgesetzblatt S. 371) mit Wirkung vom 1. Januar 1872 Abschnitt VII (Eisenbahnwesen), durch Gesetz vom 14. Oktober 1871 (Reichsgesetzblatt S. 347) mit Wirkung vom 1. Januar 1872 Abschnitt VIII (Post- und Telegraphenwesen), durch Gesetz vom 23. Januar 1872 (Reichsgesetzblatt S. 83) mit Wirkung vom 15. Fe­ bruar 1872 Artikel 57—59, 61, 63—65 (Reichskriegswesen) eingeführt. staatsrechtlichen Sinne ist die Verkündigung in dem Gesetzblatt für Elsaß-Lothringen gewesen, denn wie R osend erg in Hirth's Annalen 1899 S. 387 treffend hervor­ hebt, beruht das Gesetz vom 3. Jnli 1871, welches die Herallsgabe eines Gesetz­ blattes für Elsaß-Lothringen anordllet, auf dem Gesetz vom 9. Julli 1871, infolgedessen kann nicht lungekehrt die verbindliche Kraft des Gesetzes vom 9. Juni 1871 von dem Gesetz vom 3. Juli 1871 abgeleitet werden. Die Berkündigmrg im Reichsgesetzblatt war für Elsaß-Lothringen wirkungslos, da die Reichsversassung noch keine Geltung hatte- die Publikation in den Amt­ lichen Nachrichten bildet den Rechtsgrund für die Geltung des Gesetzes im Reichsland, denll zllr Zeit seiner Erlassung waren sie das offizielle Publikations­ organ. Rosenberg a. a. O. S. 386f.; widerspruchsvoll Laband Bd. II S. 239 und S. 247. ') Der Ausdruck „Reichsland" findet sich zuerst in den Motiven Ziffer I zu bei» Vereinigungsgesetz. Hirth's Annalen S. 849. 2) Das Gesetz vom 20. Juni 1872 (Reichsgesetzblatt S. 208) verschob das Inkrafttreten der Reichsversassung auf den 1. Januar 1874. s) Zu Änderungeil und ErgänzlUlgen der Verfassung ist die Zustimmung des Reichstages notwendig. Gesetz vom 9. Juni 1871 § 2. 4) Infolge Einführung des Art. 33 ist Elsaß-Lothringen in die zwischen den Staaterr des deutschen Zollgebietes und anderen Staaten abgeschlossenen Verträge eingetreten. Erlaß des Reichskalizleramtes boni 13. Januar 1872. Leoni S. 8 Bem. 1.

10

1. Kapitel.

Die Entstehungsgeschichte des Reichslandes.

Solange die Reichsverfassung in Elsaß-Lothringen keine Gültigkeit hatte, bedurfte es besonderer Bestimmungen über die Ausübung der Gesetzgebung, denn die Gesetze, die auf Grund der Reichsverfassung für

das Gebiet des

weiteres

Deutschen Reichs erlassen wurden,

keine Wirksamkeit

in Elsaß-Lothringen.

Das

hatten ohne Gesetz

vom

9. Juni 1871 hat die Gesetzgebung in folgender Weise geregelt.') 1. Die Feststellung des Gesetzentwurfs liegt dem Kaiser im Verein mit dem Bundesrat ob; ohne die Zustimmung des Bundesrates kann kein Gesetz erlassen werden.

Die Zustimmung des Reichstages ist

nur dann erforderlich, wenn es sich um Aufnahine von Anleihen oder Übernahme von Garanticen für Elsaß-Lothringen handelt, durch tvelche irgend eine Belastung des Reiches herbeigeführt >vird (§ •'! Absatz 2). Die Sanktion der Gesetze steht dem Kaiser zu, denn er übt in Elsaß-Lothringen die Staatsgewalt aus.*2)

Der Kaiser hat also in jedem

Falle darüber zu befinden, ob der Gesetzentwurf, auch wenn er die Zu­ stimmung des Bundesrates gefunden hat, zum Gesetz erhoben werden soll oder nicht.

Während nach Artikel 5 der Reichsverfassung die Reichs-

gcsetzgebung ausgeübt wird durch Bundesrat und Reichstag, der Kaiser mithin ein Gesetzentwurf, der vom Bundesrat und Reichstag beschlossen ist, ausfertigen muß, ist er in

Elsaß-Lothringen der Gesetzgeber, der

prinzipiell nur an die Zustimmung des Bundesrates, ausnahmsiveise auch an die des Reichstages gebunden ist?)

Die Gesetzgebungskompetenz des

Kaisers war materiell unbeschränkt, nur zeitlich insofern begrenzt, als mit Einführung der Reichsverfassung seine

Funktionen erlöschen.

Da die

Befugnis, Gesetze zu erlassen, dem Kaiser von deni Reich durch das Gesetz vom 9. Juni 1871 delegiert war, so konnte er nur dieses Gesetz nicht *) Bei dem Weg der Gesetzgebung wird im Anschluß an die von Laband (Bd. IIS. 21 sf.) begründete und seitdem herrschende Lehre unterschieden: die Fest­ stellung des Gesetzentwurfs, die Sanktion, die Ausfertigung und die Verkündigung. 2) Datz für die hier in Betracht kommende Periode der Kaiser die Gesetze für Elsaß-Lothringen zu sanktionieren hatte, ist von keiner Seite bestritten worden, abgesehen von den Äußerungen einiger Parlamentarier bei den Beratungen des Vereinigungsgesetzes.

Richtig

hat Fürst Bismarck

aufgefaßt; er tat den oft zitierten Ausspruch:

die

Stellung

des

Kaisers

„Als Reichskanzler könne er int

Bundesrat nicht majorisiert werden; ohne Zustimmung des Kaisers ist kein Gesetz möglich" (Sten. Ber. S. 924). s) Laband Bd, II S. 242 sagt daher, bis zum Eintritt der Wirksamkeit der Reichsverfassung ist die unter Zustiminnng des Bundesrates erlassene kaiser­ liche Verordnung die Form, in welcher die Gesetzgebung int Reichslande aus­ geübt wird.

Präziser läßt sich das

nicht hervorheben.

Charakteristische dieser Gesetzgebungsepoche

§ 2.

Die völkerrechtliche und staatsrechtliche Bereinigung des Reichslandes mit dem Deutschen Reich.

11

11

ändern, er war auch mit Zustimmung des Bundesrates nicht befugt, den Eintritt der Gültigkeit der Reichsverfassung hinauszuschieben und damit seine Rechte zeitlich zu verlängern.

Infolgedessen kam das Gesetz vom

20. Juni 1872 auf dem Wege des Artikel 5 der Reichsverfassung zustande.*) Die Ausfertigung des Gesetzes erfolgt durch den Kaiser unter Gegenzeichnung des Reichskanzlers.8)

Der Reichskanzler tibernimmt da­

durch die Verantwortung, daß das Gesetz wortgetreu mit dem Entwurf übereinstimmt, daß es die Zustimmung des Bundesrates gefunden hat, daß der Reichstag nicht zustinunen mußte. Für die Verkündigung der Gesetze waren für eine kurze Zeit noch

die

stimmt.

„Straßburger Zeitung

und

die

Amtlichen Nachrichten"

be­

Aber bereits das Gesetz vom 8. Juli 1871 (Gesetzblatt 8.2)

ordnete an, daß die für Elsaß-Lothringen erlassenen Gesetze ihre verbind­ liche Kraft durch ihre Verkiindigung in einem Gesetzblatt, das den Titel „Gesetzblatt für Elsaß-Lothringen" führt, erlangen. Das Gesetzblatt wird in dem Ministerium herausgegeben.8)

Sofern nicht in dem verkündigten

Gesetz ein anderer Anfangstermin seiner verbindlichen Kraft bestimmt ist, beginnt diese mit dem vierzehnten Tage nach Ablauf desjenigen Tages, an welchem das betreffende Stück des Gesetzblattes in Straßburg aus­ gegeben ist. 2. Zum Erlaß von Rcchtsvervrdnungen ist der Kaiser nur auf Grund besonderer gesetzlicher Ermächtigung befugt, die in einer ganzen Anzahl von Fällen erteilt worden ist.

Die Zustimmung des Bundes­

rates ist nicht erforderlich; ist sie erteilt worden, dann braucht sie in den einleitenden Worten der Ausfertigung nicht erwähnt zu werden.

Die

Verordnung ist vom Reichskanzler zu koutrasiguieren1 4) 2 und * im Gesetzblatt für Elsaß-Lothringen zu publizieren.8) Verwaltungsverordnungen kann der Reichskanzler, als elsaß1) Ernst Mayer,

Staatsgewalt und Gesetzgebung in Elsaß-Lothringen.

Marburger Jng.-Diss. 1896 behauptet S. 17, der Kaiser habe nur die Gesetz­ gebung?-, nicht die Berfassungskompetenz

gehabt.

Die ausdrückliche Hervor­

hebung lind Motivierung der Negative lväre nicht nötig gewesen, beim es ist unbestritten, daß die Verfassung von Elsaß-Lothringen nur im Wege der Reichs­ gesetzgebung geändert werden kann.

Da dem Kaiser die Gesetzgebungsbefugnis

nur vom Reich delegiert ivar, so konnte nicht er, sondern nur ein Reichsgcsetz über die Dauer seiner Rechte befinden. 2) § 4 Abs. 1. Gesetz voni 9. Juni 1871. ')

Gesetz vom 4.

4)

Gesetz vom 9. Juni 1871 § 4 Abs. 1.

Juli 1879. (R.G.Bl. S. 165) § 22.

6)

Gesetz vor» 3.

Juli 1871 § 1.

12

1. Kapitel.

Die Entstehungsgeschichte des Reichslandes.

lothringischer SOiinifter, stets, Rechtsverordnungen nur dann erlassen, wenn er gesetzlich hierzu ermächtigt ist. Sie müssen int Gesetzblatt verkündigt werden.') 3. Der Charakter der auf Grund des Gesetzes vom 9. Juni 1871 vom Kaiser erlassenen Gesetze ist bestritten. Drei Ansichten werden ver­ treten. tieont*2) behauptet, die Gesetze, die im Herrschaftsgebiet der Reichs­ verfassung als Reichsgesetze galten, seien Reichsgesetze, deren Geltung auf Elsaß-Lothringen ausgedehnt wurde, itnb die Gesetze, die int Herrschafts­ gebiet der Reichsverfassung nicht galten, seien Landesgesetze. Daß diese Theorie vollkommen unhaltbar ist, daß insbesondere das Hauptargument Leonis, int § 2 des Gesetzes vom 9. Juni 1871 sei unter „Verfassung" nicht bloß das Verfassnngsgesetz vom 16. April 1871, sondern das gesamte Reichsrecht — die Reichsverfassung mit allen auf Grund derselben erlassenen Reichsgesetzen — zu verstehen nicht stichhaltig ist, ist von Rosenberg treffend hervorgehoben. Es genügt, auf seine Ausführungen hinzuweisen.3)4 Eine Gruppe von Schriftstellern nimmt an, ') sämtliche Gesetze, die in der Zeit vom 28. Juni 1871 bis 31. Dezember 1873 in ElsaßLothringen verkündet wurden, seien Landesgesetze, denn „Landesgesetz im materiellen Sinne bedeute entweder partikuläres Recht für einen Teil des Reichsgebietes, oder eine Rechtsnorm, die auf einer partikulären Rechts­ quelle beruht."3) Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit diese Auslegung des Begriffs „Landesgesetz" in der Terminologie der Gesetzgebung ihre Stütze findet, jedenfalls ist ein elsaß-lothringisches „Landes"gesetz im staatsrechtlichen Sinne völlig verschieden von den Landesgesetzen der übrigen deutschen Bundesstaaten, es ist partikuläres Reichsrecht. Nach richtiger Ansicht sind die in Betracht kommenden Gesetze Reichsgefetze.°) Es muß späteren Ausführungen überlassen bleiben, den Nachweis zu erbringen, daß es in Elsaß-Lothringen seit seiner Ver­ einigung mit dem Deutschen Reiche keine Landesgesetze gibt. Ein materieller Unterschied zwischen Reichsgesetzen und Landesgesetzen kann nur dann vvr') Laband Bd. II S. 245. ') Leoni 10

Handen sein, wenn sie von einer Staatsgewalt erlassen werden, die sich im Gegensatz zu der Reichsgewalt befindet.

Da in Elsaß-Lothringen niemals

eine von der Reichsgewalt subjektiv verschiedene

Staatsgewalt bestand,

so

nun

gibt es

auch

keine Landesgesetze.

Trotzdem

alle

auf Grund

des Gesetzes von« 9. Juni 1871 erlassenen Gesetze Reichsgesetze sind — das Gesetz vom 9. Juni 1871 ist selbst Reichsgesetz —, so haben sie in prozessualer Beziehung nicht die Kraft von Reichsgesetzen. Ihre Verletzung begründet nicht die Revision in Zivilsachen (§ 549 Zivilprozeßordnung), offenbar

aus

dem Grunde, weil die Rechtsnorinen zur Regelung der

inneren Verhältnisse von Elsaß-Lothringen prozessual denjenigen in den übrigen deutschen Bundesstaaten gleichgestellt wurden?) Da zur Zeit der Herrschaft des Absatz 2 des § 8 des Vereinigungsgesetzes die Reichsversassung als solche noch keine Wirksamkeit in ElsaßLothringen hatte,

so traten die für das

übrige

Gebiet des Deutschen

Reiches erlassenen Reichsgesetze im Reichsland nicht dadurch in Kraft, daß sie

im Reichsgcsetzblatt publiziert

wurden.

Es bedurfte,

Gültigkeit auch in Elsaß-Lothringen sicherzustellen, noch eines lichen Gesetzesbefehls, erteilte.

um ihre ausdrück­

den der Kaiser mit Zustimmung des Bundesrates

Auf diesen Einführnngsgesetzen beruht die verbindliche Kraft der

Reichsgesetze in Elsaß-Lothringen.

Wurde ein Reichsgesetz unverändert

eingeführt, so geschah dieses regelinäßig in der Form: des anliegenden Reichsgesetzes wird

„die Wirksamkeit

auf Elsaß-Lothringen

ausgedehnt".

§ 3. Me Wandlungen in der Organisation des Reichslandes. I. Das Vereinigungsgesetz vom 9. Juni 1871 überträgt die Aus­ übung der Staatsgewalt dem Kaiser; alle seine Verordnungen und Ver­ fügungen bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Reichs­ kanzlers, der dadurch die Verantwortlichkeit dem Kaiser und Reichstag gegenüber übernimmt. Es wurde also kein besonderer Minister für ElsaßLothringen ernannt, sondern der Reichskanzler war zugleich der oberste Chef

der

reichsländischen

Verwaltung.

Zur Bearbeitung

lothringischen Angelegenheiten wurde Abteilung eingerichtet.

III

der

elsaß­

des Reichskanzleramtes

Da die Zentralabteilung des Reichskanzleramtes Gegenstände

von allgemeinem, politischem, handelspolitischem oder finanziellem Interesse mitzubearbeiten hatte, die Erledigung des Post- und Telegraphenwesens der *) Rosenberg in Hirth's Annalen 1899, S. 384ff. will aus diesem Unterschiede auf prozessualem Gebiet den Nachweis erbringen, daß die Gesetze Landesgesetze sind.

14

1. Kapitel. Die Entstehungsgeschichte des Reichslandcs.

Abteilung I und II, das Justizwesen der Abteilung IV, der auswärtigen Angelegenheiten dem Auswärtigen Ainte oblag, so war die Zuständigkeit der Abteilung III auf die inneren Angelegenheiten Elsaß-Lothringens be­ schränkt?) Die Organisation der inneren Verwaltung begann mit dem Gesetz vom 30. Dezember 1871 (Reichsgesetzblatt 1872 8.49). Die bisherige territoriale Einteilung in Departement und Arrondissement blieb beibehalten, nur wurden die geographischen Grenzen der „Bezirke" und „Kreise" anders gezogen. An die Spitze der Bezirke traten Bezirkspräsidentcn, an die der Kreise Kreisdirektoren. Als Vcrwaltungsgerichte wurden in erster Instanz die Bezirksräte, die durch den Bezirkspräsidenten und die ihm beigegebenen Räte einschließlich des Oberforstineisters gebildet ivcrden, in zweiter Jnstallz der „Kaiserliche Rat" bestellt?) Völlig neu war die Einsetzung des Ob er Präsidenten mit dem Amtssitze zu Straßblirg. Damit war die lokale Trennung der Verwaltung des Reichslandes von der des Reichs angebahnt. Der Oberpräsident vereinigte eine Fülle verschiedenartigster Befugnisse in seiner Person. Er hatte die Behörden und Beamten der Landesverwaltung zu beaufsichtigen, er mußte für die planmäßige Ausführung der Gesetze und Verordnungen, sowie der Anordnungen des Reichskanzlers sorgen und darüber wachen, daß die Verwaltung regelmäßig und nach übereinstimmenden Grundsätzen gehandhabt wird. Er entschied bei Meinungsverschiedenheiten der ihm unmittelbar unterstellten Behörden über Gegenstände gemeinschaftlichen Ressorts, er hatte die Beschwerden gegen die Behörden und deren Ent­ scheidungen zu untersuchen und zu entscheiden oder die Entscheidung des Reichskanzlers herbeizuführen. Ihm war die Aufstellung des Etats und dessen rechtzeitige Vorlage an den Reichskanzler anvertraut?) Zur un­ mittelbaren Verwaltung waren ihm überwiesen?) a) alle nicht dem Reichskanzler vorbehaltenen Angelegenheiten, welche mehrere Bezirke betreffen und eine örtliche Trennung nach Grenzen der Bezirke nicht zulassen; b) alle öffentlichen Anstalten, welche für mehrere Bezirke be­ stimmt sind; c) die Strombauten des Rheins und der Mosel, sowie der Schiff') Laband Bd, II S. 217. Die Abteilung III verwaltete bis zum 27. Mai 1878 (R.G.Bl. S. 193) auch die Reichseisenbahnen. *) Gesetz vom 30. Dezember 1871 §§ 1, 2, 8, 11, 13. -) a. a. O. § 5. 4) a. st. O. § 6.

§ 3.

fahrtskanäle,

15

Die Wandlungen in der Organisation des Reichslandes.

soweit letztere nicht durch den Reichskanzler den Bezirks­

behörden zugewiesen werden; d) alle Angelegenheiten, welche das Ressort oder das Interesse der Militär- und Zivilbehörden gemeinschaftlich betreffen und militärischerseits zur Kompetenz des kommandierenden Generals gehören. Jhln waren ferner bei Gefahr für die öffentliche Sicherheit außer­ ordentliche Befugnisse („Diktaturgewalt") übertragend) Weiter war er der Chef der Unterrichtsverwaltung^) und Oberbergbehörde8).

Endlich wurde

der Reichskanzler für berechtigt erklärt, ihm die Befugnisse ganz oder teil­ weise zu übertragen, welche nach der geltenden französischen Gesetzgebung von den Ministerien auszuüben waren. *) übertrug

der Reichskanzler

Auf Grund dieser Ermächtigung

vorbehaltlich

der Bestimmungen des Ver­

einigungsgesetzes durch Bekanntmachung vom 29. Januar 1872 (Gesetz­ blatt S. 122) ihm alle Befugnisse, soweit sie nicht bereits durch Reichs­ oder Landesgesetze oder

durch Kaiserliche Verfügung

geregelt

waren,^)

oder den Ministeriell der auswärtigen Angelegenheiten oder des Krieges zustanden oder die Verwaltung der indirekten Steuern betrafen. sehen hiervon behielt der Reichskanzler nur

noch

Abge­

die Befugnisse

des

Justizministers,1 6) 2 der * 4 5obersten Forstbehörde,7)* 9der 10 obersten Bergbehörde,8) die obere Leitung und Aufsicht über die Universität,8) endlich die Vorbereitllng der Gesetzentwürfe und ihre Vertretung im Bundesrat und die Berichterstattung an den Kaiser überall da, wo dessen Entscheidung einzu­ holen war. Überschaut man den Machtbereich des Oberpräsidenten, ">) so er­ gibt sich, daß er mit wenig Ausnahmen für die gesamte Landesverwaltung 1) a. a. O. § 10. 2) st. o. O. § 15.

Verfügung des Reichskanzlers vom 10. Juli 1873

(G.Bl. S. 166;. 8) Gesetz vom 16. Dezember 1873 (G Bl. S. 426) § 166. 4) st. st. 0. § 6 Abs. 2. 5) Beispielsweise ist durch Kstiserliche Verfügung .vom 9. Dezember 1871 die Generstldirektion der Reichseisenbsthnen in Elsaß-Lothringen eingesetzt und dem Reichskanzler unmittelbar unterstellt

worden;

infolge

dessen konnte

der

Reichskanzler durch die Bekanlltmachmlg vom 29. Januar 1872 seine diesbe­ züglichen Befugnisse nicht auf den Oberprästdenten übertragen. 6) Gesetz vom 14. Juli 1871 (G.Bl. S. 165) § 3. 7) Gesetz vom 30. Dezeuiber 1871 (G.Bl. 1872 S. 57) § 1; Erlaß des Reichs­ kanzlers vom 21. Februar 1872. «) Gesetz vom 16. Dezember 1873 (G.Bl. S. 426) §§ 164, 167. 9) Gesetz vom 28. April 1872 (G.Bl. S. 166) § 3. 10) Über weitere Rechte vgl. die Zusammenstellung bet Leoni S. 84 Bem. 2.

16

1. Kapitel. Die Entstehungsgeschichte des Reichslandes.

die Stellung eines Ministers versah, die noch durch Befugnisse, welche nach französischem Recht dem Staatsoberhaupt zustehen, erheblich verstärkt war. Trotz alledem war er doch nicht die oberste Verwaltungsbehörde von Elsaß-Lothringen, denn er war dem Reichskanzler untergeben;1) der Reichskanzler behielt nach wie vor die Verantwortung für alle ElsaßLothringen betreffenden Anordnungen und Verfügungen des Kaisers, die er, lind nicht der Oberpräsident, zu kontrasignieren hatte. Damit blieb aber auch das „Reichskanzleramt für Elsaß-Lothringen" 2) bestehen, es waren infolgedessen zwei oberste Instanzen vorhanden, die eine in Berlin, die andere in Straßburg, die noch lim eine dritte und vierte vermehrt wurden, als der Chef des Reichskanzleramtes für Elsaß-Lothringen und des Reichsjustizamtes zu verantwortlichen Stellvertretern des Reichskanzlers für den Umfang der Landcsverwaltnng ernannt wurden?) Die Aufhebung dieser auf die Dauer natürlich unhaltbaren Organi­ sation brachte im Anschluß an eine im Reichstag am 27. Mai 1879 angenommene ResolutionJ) das Gesetz vom 4. Juli 1879 (Reichsgesetz­ blatt S. 165), welches das Reichskanzleramt für Elsaß-Lothringen und das Oberpräsidinm in Elsaß-Lothringen auflöst, Elsaß-Lothringen unter die oberste Verwaltung des Statthalters stellt und ein Ministerium zur Wahrnehmung der bisher dem Reichskanzleramt, Reichsjustizamt und dem Oberpräsidenten übertragenen Obliegenheiten einrichtet. II. Trotzdem die Verfassung des Deutschen Reichs das Vorhanden­ sein einer Landesstaatsgewalt voraussetzt, eine Voraussetzung, die im Reichsland nicht erfüllt ist, wurde durch Reichsgesetz vom 25. Juni 1873 (Reichsgesetzblatt S. 161) die Reichsverfassung mit Wirkung vom 1. Januar 1874 ab, unbeschadet der Geltung der bereits in Kraft getretenen Be­ stimmungen, eingeführt. Von nun an tritt das Gebiet des Reichslandes Elsaß-Lothringen dem in Artikel 1 der Reichsverfassung bezeichneten Bundes­ gebiete hinzu?) Mitgliedschaftsrcchte wurden Elsaß-Lothringen nicht verliehen; dagegen erhielt es die Befugnis, bis zu der in Artikel 20 der Reichsverfassung vorbehaltenen gesetzlichen Regelung fünfzehn Abgeordnete zum Deutschen Reichstag zu wählen. Infolgedessen trat auch das Wahlge') a. a. O. § 4 Abs. 2. *) Eingerichtet seit 1. Januar 1877 (Laband I S. 362). 3) Gesetz vom 17. Mai 1878 (R.G.Bl. S. 7). *) Sten. 33er. d. Reichstages 1879 33b. I S. 557 ff. 6) Die Bedeutung dieser Vorschrift ist lediglich eine formelle,' es mußte der Hinzutritt des Reichslandes zum Bundesgebiet formell ausgesprochen werden; weil eine Reihe von Bestimmungen der Reichsverfaffung als ihr Geltungsbereich das Bundesgebiet bezeichnen. Sten. 33er. 1873 33b. IV S. 912.

§ 3.

17

Die Wandlungen in der Organisation deS Reichslandes.

setz für den Deutschen Reichstag mit dem 1. Januar 1874 in ElsaßLothringen in Kraft. Abgesehen von der Ausschließung des Reichslandes von der Biersteuergemeinschaft und dem Jnkraftlassen der Bestimmungen über das Oktroi brachte das Gesetz vom 25. Juni 1873 eine wichtige Änderung der Gesetzgebung. Während bis jetzt der Kaiser unter Zu­ stimmung des Bundesrates — und nur in wenigen Fällen auch mit Zustimmung des Reichstages — zur Ausübung der Gesetzgebung berufen war, geht nunmehr das Recht der Gesetzgebung auch in den der Reichs­ gesetzgebung in den Bundesstaaten nicht unterliegenden Angelegenheiten auf das Reich über.l)* Damit ist also die Gesetzgebungsbefugnis sowohl in den Ange­ legenheiten, die in den übrigen deutschen Bundesstaaten zur Kompetenz des Reichs gehören, als auch in den der Reichsgesetzgebung in den Bundes­ staaten nicht unterliegenden Angelegenheiten dem Reich übertragen. Das Reich übt die Gesetzgebung in der int Artikel 5 der Reichsverfassung vorgesehenen Form aus. Sämtliche für Elsaß-Lothringen gültigen Ge­ setze müssen Dom Kaiser ausgefertigt werden, wenn Bundesrat und Reichs­ tag zugestimmt haben. Die Sanktion steht dem Bundesrat und nicht mehr wie in der Epoche vor Eintritt der Wirksamkeit der Reichsverfassnngz) dem Kaiser zu.3) Wenn Leoni4) behauptet, daß auch in diesem Zeitraum der Kaiser die Befugnis gehabt habe, den vom Bundesrat und Reichstag beschlossenen Gesetzen die Sanktion zu erteilen, sofern es sich um Angelegenheiten handelte, die der Kompetenz der Reichsgesetzgebung in den übrigen deutschen Bundesstaaten entzogen waren, so hat er, wie von verschiedenen Seiten überzeugend dargetan worden ist,ä) den Gesetzes­ text, die Motive und parlamentarischen Verhandlungen gründlichst miß­ verstanden. Alle Gesetze, die vom 1. Januar 1874 bis zum Inkrafttreten des ') Gesetz born 9. Juni 1871 § 3 Abs. 4. *) Gesetz vom 9. Juni 1871 § 3 Abs. 2. 3) Vgl. namentlich die Äußerungen Lasters in Hirth's Annalen 1871 S. 905. — So die herrschende Meinung: Laband Bd. II S. 250. Stoeber im Archiv f. öffentliches Recht Bd. I S. 662; Ernst Mayer, Staatsgewalt und Gesetzgebung. Marbnrger Jng.-Diss. S. 18ff.; Rosenberg, in Hirth's Annalen 1899 401 ff.; Haenel, Staatsrecht (1872) Bd. I S. 827 und viele andere. 4) Leoni S. 5,162. °) Ernst Mayer, Staatsgewalt und Gesetzgebung, S. 21 ff., S. 26. Rosenberg, Die staatsrechtliche Stellung von Elsaß-Lothringen, @. 25ff., und in Hirth's Annalen 1899 S. 401 ff. Bruck, Versassungk- u. Berwallungsrcchl ». Elsaß-Lolhr. I.

2

18

1. Kapitel.

Die Entstehungsgeschichte des Reichslandes.

Gesetzes vom 2. Mai 1877 betreffend die Landesgesetzgebung von ElsaßLothringen für das Reichsland erlassen worden sind, sind Reichsgesetze, deren Publikation im Reichsgesetzblatt zu erfolgen hatte.') Außer diesen! Weg der ordentlichen Gesetzgebung kann der Kaiser unter Zustinunung des Bundesrates versammelt ist —

Verordnungen



während der Reichstag nicht

mit gesetzlicher Kraft erlassen.

Sie

dürfen jedoch nichts bestimmen, was die Verfassung oder den in ElsaßLothringen geltenden Reichsgesetzen zuwider ist und sich nicht auf Ange­ legenheiten beziehen, in

welchen die Zustimmung des Reichstages

nach

dem Gesetz vom 9. Juni 1871 erforderlich ist.2) III. Die eigene Landesgesetzgebung in dem später zu entwickelnden Sinne hat das Gesetz vom 2. Mai 1877 Elsaß-Lothringen gebracht.

(Reichsgesetzblatt

S. 491)

Nunmehr können Landcsgesetze voni Kaiser

mit Zustimlnung des Bundesrates und Landesausschusses erlassen werden; jedoch bleibt die Erlassung von Landesgesetzen im Wege der Reichsgesetz­ gebung vorbehalten. IV. Die Aufhebung der Diktatur. vom 00. Dezember

1871 (Gesetzblatt 1872

Durch § 10 des Gesetzes S. 49)3) war der Ober­

präsident, später der Statthalter,4) ermächtigt, bei Gefahr für die öffent­ liche Sicherheit alle Maßnahmen zu treffen, ivelche er zur Abwendung der Gefahr für erforderlich erachtet.

Er >var insbesondere befugt, inner­

halb des der Gefahr ausgesetzten Bezirks diejenigen Gewalten auszuüben, welche der § 9 des Gesetzes vom 9. August 1840 (Bulletin des Lois Serie X Nr. 1511) der Militärbehörde für den Fall des Belagerungs­ zustandes zuweist.

Von der erlassenen Verfügung mußte dem Reichs­

kanzler unverzüglich Anzeige erstattet werden.

Der § 9 des angeführten

Gesetzes gibt der Militärbehörde das Recht, Haussuchungen bei Tag und

*) Rosenberg in Hirth's Annalen 1899 S. 404ff. weist darauf hin, daß in der Praxis oftmals die Gesetze sowohl in dem Reichsgesetzblatt als auch in dein Gesetzblatt für

Elsaß-Lothringen, oftmals auch nur in bent Gesetzblatt für

Elsaß-Lothringen publiziert worden sind.

Die letzte Publikationsart wählte man

bei den Gesetzen, die in den übrigen Bundesstaaten $ur Kompetenz der Landes gesctzgebung gehörten.

Die Verkündigung int Gesetzblatt für Elsaß-Lothringen

ist ohne jede staatsrechtliche Bedeutung. s) Gesetz vom 25. Juni 1873 § 8. 8) Bor Erlaß des Gesetzes vom 4. Juli 1879 ist streitig gewesen, ob § 10 nicht durch Artikel 68 der Reichsverfassnng aufgehoben sei.

Durch die Berweisung

in § 2 des Gesetzes vom 4. Juli 1879 ans § 10 ist die Kontroverse gegenstands­ los geworden. *) Gesetz vom 4. Juli 1879 § 2.

§ 3.

Die Wandlungen in der Organisation des RcichSlandcs.

19

Nacht vorzunehmen, Personen, die schon gerichtlich bestraft sind oder ihren Wohnsitz nicht in dem vom Belagerungszustände betroffenen Orte haben, zu entfernen, die Ablieferung von Waffen und Schießbedarf anzu­ befehlen, die Aufsuchung und Wegnahine vorzunehmen und endlich Veröffentlichungen und Versainnilungen zu verbieten, welche nach ihrem Ermessen geeignet sind, Unordnung hervorzubringen oder zu erhalten. Es ist oftmals behauptet worden, der „Diktaturparagraph" habe schrankenlose Rechte gegeben, er habe jede Maßnahme gestattet.') Zu dieser irrigen Auffassung gelangte man durch die Gleichstellung der in § 10 vorgesehenen Befugnisse mit den „mesures de haute police“ oder „actes des gouvernements“ des französischen Verwaltungsrechtes. Richtig verstanden war der § 10 weiter nichts als eine Nachbildung des § 11 der für die preußischen Oberpräsidenten unter dem 30. Dezember 1825 (Gesetz-Sammlung für die preußischen Staaten 1826 Nr. 1) er­ lassenen Instruktion. Hiernach umreit bei Gefahr für die öffentliche Sicherheit nur die Maßnahmen gestattet, die nach geltendem Recht sonst die obersten Behörden vornehmen dürfen. **) Wie des öfteren nachgewiesen worden ist,3) bedeuteten infolgedessen die außerordentlichen Gewalten praktisch recht wenig; mit der Einführung des Reichspreßgesetzes sind sie fast ganz gegenstandslos geworden. Die Aufhebung des Diktaturparagraphen durch das Reichsgesetz vom 18. Juni 1902 (Reichsgesetzblatt S. 231) hat daher nur formell eine Gesetzesvorschrift beseitigt, die materiell schon längst außer Kraft gesetzt war. In Geltung geblieben ist die Befugnis des Statthalters, zu polizei­ liche» Zwecken die in Elsaß-Lothringen stehenden Truppen requirieren zu können. ') Leoni S. 91 — in Marqnardsens Handbuch S. 241 vertritt er die ent­ gegengesetzte Ansicht — Reichstagsverhandlungen 1874 (Sten. Sei. S. 195 ff., 212ff.), 1895 (Sten. Bei. S. 602). Otto Mayer, Theorie des französischen Derwaltungsrechts S. 10 Anm. 6. Zeitschrift Bd. XI S. 184ff. Löning, Ver­ waltungsrecht S. 294. Entgegengesetzter Ansicht sind: Mitscher, Elsaß-Loth­ ringen unter deutscher Verwaltung S. 36ff.- Recht der Wiedergewonnenen S. 25, 28; v. Stengel, Die Machtbefugnisse des Oberpräsidenten in Hirth's Annalen 1878 S. 116 ff. — Streitig war insbesondere, ob die Ausweisung von Reichsangehörigen aus dem Reichsgebiet zulässig wäre — die Frage ist zu ver­ neinen, Laband Bd. I S. 141 nnd die dort Zitierten — und ob Zeilschrifte» vor ihreni Erscheinen unterdrückt werden könnten. *) Rosenberg im Archiv f. öffentliches Recht Bd. 12 S. 539ff., Otto Mayer in der Deutschen Juristen-Zeitung 1899 S. 25, Theorie des französischen Verwaltungsrechtes S. 11, Anm. 6. 3) Rosenberg a. a. O. 580.

Zweites Kapitel.

Die rechtliche Natur -es Neichslan-es. § 4. Kritik. Die Frage nach der juristischen Natur Elsaß-Lothringens gehört zu den umstrittensten des modernen Staatsrechtes. Ihre Lösung bietet der Theorie so ungeheure Schwierigkeiten, weil die Praxis unbekümmert um alle Bedenken das Reichsland immer mehr und mehr als Staat behandelt und damit die Rechtslage verdunkelt, die sich auf Grund der Verfassungs­ gesetze ergibt. Das Vorgehen in der Praxis hat zur Voraussetzung, daß Elsaß-Lothringen ein Staat ist. Die Frage, wodurch es zum Staat geworden ist, kann die Theorie nicht beantworten. Die Widersprüche zwischen Theorie und Praxis sind die Folge davon, daß bei den Beratungen des Gesetzes vom 9. Juni 1871 die größte Unklarheit über den Inhalt und die Tragweite seiner Bestimmungen, insbesondere über den Begriff „Reichsland" geherrscht hat, wie von verschiedenen Seiten unumwunden eingestanden worden ist. Aus dem Provisorium, das das Gesetz von 1871 bilden sollte, ist ein Definitivum geworden: das Gesetz ist die Basis geblieben, auf der sich noch heute die reichsländische Verfassung aufbaut. Schwankt das Fundament, so schwankt der Bau, auch wenn er noch so solide errichtet wird. Alle späteren verfassungsrechtlichen Bestim­ mungen haben nicht vermocht, die Zweifel zu beseitigen, ob ElsaßLothringen ein Staat oder kein Staat ist. Solange eine ausdrückliche Bestimmung über den Charakter Elsaß-Lothringens fehlt, werden die Für und Wider erörtert werden, wird die Theorie finden, daß die Praxis, und die Praxis, daß die Theorie unrichtig ist. Beide in Einklang zu bringe», ist unmöglich. Daher ist auch keine der juristischen Konstruktionen, die das Unmögliche möglich machen wollen, völlig zutreffend, gegen jede lassen sich schwerwiegende Bedenken geltend machen. Ich habe infolgedessen davon abgesehen, zu versuchen, eine neue Erklärung der staatsrechtlichen Ge­ staltung Elsaß-Lothringens zu geben, und mich darauf beschränkt, mich einer Ansicht anzuschließen. Decken sich auch kaum zwei Lösungen des Problems, so lassen sie sich doch in Gruppen zusammenstellen. Die eine bejaht, die andere verneint

§ 4.

Kritik.

21

die Frage, ob Elsaß-Lothringen ein Staat ist; die dritte hält ElsaßLothringen für ein staatsähnliches Gebilde. I. Als Vertreter der ersten Gruppe ist vor allem Seoiti1) zu nennen. Er geht davon aus, daß die Reichsgewalt ihre gesetzlichen Grenzen in den Bestimmungen der Reichsverfassung, ihre natürlichen Grenzen in den Zwecken des Bundesstaates findet. Die Gewalt, welche dem Deutschen Reiche über Elsaß-Lothringen übertragen wurde, habe die Gesamtheit staat­ licher Herrschaftsbefugnisse, die früher Frankreich zugestanden habe, die unbeschränkte souveräne Macht des Einheitsstaates in sich geschlossen. Durch den Friedensvertrag seien in der Rechtspersönlichkeit des Reiches zwei nicht identische Staatsgewalten vereinigt worden, die beschränkte Reichsgewalt über die Bundesstaaten, die unbeschränkte Landesstaatsgewalt über Elsaß-Lothringen. Dadurch, daß § 8 des Gesetzes vom 9. Juni 1871 die Ausübung der Staatsgewalt dem Kaiser übertragen habe, sei aus Elsaß-Lothringen ein besonderes und zwar monarchisches Staatswesen ge­ bildet worden. Träger und Inhaber der Rechte der neu konstituierten Persönlichkeit sei der Kaiser, welcher durch Reichsgesetz zum Herrscher über das Land eingesetzt sei. Das in dieser Weise geschaffene Staatswcsen sei indessen nur ein unvollkommenes und unselbständiges, denn die konstitutionelle Ausbildung der Landesverfassung stehe nur dem Reiche zu und auch da, wo die Willensmacht des Kaisers Platz greift, werde sie von Faktoren beschränkt, welche außerhalb des Landes und seiner Be­ völkerung ständen und nach Entstehung itttb Zusammensetzung die Repräsen­ tanten eines anderen Staatsorganismns seien. Leoni schließt seine Betrachtungen: „trotzdem ist aber Elsaß-Lothringen ein Staat, denn wo die Gesamtheit der Einwohner eines Gebietes und nur dieses Gebietes unter einem höchsten Herrscherwillen vereinigt sind, besteht ein Staat.2) Ten Ausführungen Leonis ist fast von keiner Seite zugestimmt worden,3) sie haben die denkbar schärfste Kritik selbst bei denjenigen Schrift­ stellern erfahren, welche zu gleichen oder ähnlichen Resultaten gelangt sind. *) S. 3 ff. *) In Marquardsens Handbuch des öffentlichen Rechtes Bd. II, 1 S. 226 ff. ist Leoni auf Grund ähnlicher Deduktionen zu dem Resultat gekommen, daß Elsaß-Lothringen die Bezeichnung als Staat verweigert werden muß- es seien jedoch alle diejenigen Beziehungen eiues werdenden Staates, für welchen die gleichen Bedingungen wie in dem vollkomnienen Staate vorliegen, auch nach denselben Grundsätzen zu beurteilen. *) Eine Ausnahnie macht Nehm in Hirth's Annalen 1885, S. 71 ff. Mandel-Grünewald, Die Berfassung und Verwaltung von Elsaß-Lothringen (Straßburg 1905) S. 3 ff.

22

2. Kapitel. Die rechtliche Natur des Reichslandes.

Abgesehen von den vielen Widersprüchen in seinen Deduktionen und ab­ gesehen davon, daß der Ausgangspunkt seiner Erörterungen vollkommen unrichtig ist, *) liegt der Hauptfehler in der falschen Behauptung, durch § 3 Absatz 1 des Gesetzes voin $). Juni 1871 sei der Kaiser Landesherr von Elsaß-Lothringen geworden. Nur bei oberflächlicher Betrachtung der er­ wähnten Gesetzesbestimmung kann man zu den von Leoni gezogenen Schluß­ folgerungen gelangen. Ihre Unrichtigkeit ergibt sich, wenn man die übrigen Vorschriften des § 3 nicht unbeachtet läßt, wenn man die legislatorischen Verhandlungen über das Gesetz von 1871 durchsieht und sich die Absicht des Gesetzgebers klar macht. Der Entwurf des § 3 bestimmte in Absatz 1 und 2, wem bis zum Eintritt der Wirksamkeit der Reichsverfassung und von da an das Recht der Gesetzgebung in Elsaß-Lothringen zusteht und fügte in Absatz 3 hinzu: „alle andere» Rechte der Staatsgewalt übt der Kaiser ans." Die Motive (unter Ziffer VI) wiederholen noch einmal diesen Gedanken des Gesetzes, daß „sämtliche übrigen Hoheitsrechte außer der Gesetzgebung vom Kaiser ausgeübt werden". Wäre der Ent­ wurf des § 3 zum Gesetze erhoben worden, so könnte schwerlich eine Meinungsverschiedenheit über seinen Inhalt bestehen, leider wurde aber bei den späteren Verhandlungen der Absatz 3 in der Fassung: „Die Staats­ gewalt in Elsaß-Lothringen übt der Kaiser aus" an die Spitze des Para­ graphen gestellt. Absatz 1 und 2 des Entwurfs blieben inhaltlich unver­ ändert. Daß durch diese Umstellung keine materielle Änderung des Gesetzes beabsichtigt wurde, ergibt der logische Sinn des § 3, der auch von ver­ schiedenen Rednern bei den parlamentarischen Debatten richtig erkannt worden ist. *) Hiernach hat der Kaiser nicht die Landeshoheit über ElsaßLothringen. Landesherren sind die verbündeten deutschen Staaten, welche die Staatsgewalt demKaiser delegierthaben. Ist aber der Kaiser nicht der Landesherr von Elsaß-Lothringen, so ist auch das Resultat, das Leoni aus dieser Prämisse zieht, falsch: Elsaß-Lothringen ist kein Staat. Außer Leoni haben noch eine Reihe von Schriftstellern die Ansicht vertreten, daß Elsaß-Lothringen ein Staat, aber keine Monarchie, sondern eine Pleonarchie sei. Träger der Staatsgewalt seien die deutschen Bundes■) Laband Bd. II, S. 201 Anm. 2) Vgl. die Äußerung vo» Delbrück: „Der Präsideur des Bundeskanzler­ amtes erklärt sich dahin, daß er in der beantragten Umstellung keine sachliche Änderung erblicke". (Hirth's Annalen 1871, S. 869). — Auch Leoni gibt zu, daß bei den Verhandlungen über das Gesetz von 1871 die im Text wieder­ gegebene Ansicht vertreten worden ist. Jedoch beruft er sich zur Unterstützung seiner entgegengesetzten Meinung merkwürdigerweise auf die Äußerung eines Ab­ geordnete», »velche bet den Beratungen des Gesetzes vom 2. Mai 1877 fiel.

§ 4.

staaten.

23

Kritik.

Seydel folgert den staatlichen Charakter des Reichslandes aus

seiner juristischen Konstruktion des Deutschen Reiches: das Reich als Staaten­ bund aufgefaßt, schließt logisch die Annahme, daß Elsaß-Lothringen etwas anderes als ein Staat sei, aus.! )

Nur diejenigen, welche dem Seydel-

schen Grundgedanken zustirninen, können die Richtigkeit seiner Meinung über das Reichsland nicht in Abrede stellen. Ähnlich hat auch der ano­ nyme Verfasser des

„Rechtes der Wiedergewonnenen" (S. 76)

seine Auffassung von der staatlichen Natur Elsaß-Lothringens begründet.*2) Zu demselben Resultat kommt ferner Rosenberg.3)* * Der Ausgangspunkt seiner Betrachtungen ist die Bestimmung des Begriffs „Staat", für den drei Erfordernisse wesentlich sein sollen: ein Herrschaftssubjekt, ein Herrschastsobjckt und selbständige Herrschaftsrcchte.H

Diese drei Bedingungen

seien in Elsaß-Lothringen erfüllt und zwar schon in der Zeit vom Ab­ schluß des Präliminarfriedens (2. März 1871) an.“)

Die Vereinigung

Elsaß-Lothringens mit dem Deutschen Reiche habe den Charakter ElsaßLothringens nicht verändert; sic habe nur bewirkt, „daß die Souveränität von

der Landesstaatsgewalt

an

die Reichsgewalt übergegangen sei."6)*

Rosenberg faßt die Ergebnisse seiner Darlegungen in folgenden Sätzen zusammen:') das Deutsche Reich ist eine Mischform zwischen Bundesstaat und Staatenstaat, denn Elsaß-Lothringen hat keinen Anteil an der Reichs­ gewalt. Das Herrschaftssubjckt in Elsaß-Lothringen ist dasselbe wie im Reiche. Die Kriterien, die Rosenberg (ebenso wie Leoni) für den Begriff „Staat" aufstellt, sind nach herrschender Ansicht nicht richtig,8) denn sonst wäre jede Provinz, jeder Bezirk, jede Gemeinde ein Staat. Die wesent­ lichen Merkmale, die den Staat vor den Kommunalverbänden auszeichnen, sind seine eigenen Hcrrschaftsrechte, die Möglichkeit, freien Personen ■) Zeitschrift für die gesamte Staatswiffenschaft 1872, S. 252. Kommentar zur Berfassungsurkunde für das Deutsche Reich.

(Freiburg 1897) S. 39.

*) Der Verfasser des Rechtes der Wiedergewonnenen behauptet, Elsaß-Lothringen sei ein Staat nicht im Reiche, sondern unter dem Reiche. Hiergegen polemisiert Stoebcr im Archiv für öffentliches Recht Bd. I S. 655.

Auch Mitscher, Elsaß-Lothringen unter deutscher Verwaltung (Berlin

1874) S. 13 hält Elsaß-Lothringen für einen Staat. s) Die staatsrechtliche Stellung von Elsaß-Lothringen.

Metz 1896.

4) ci. ci. O. S. 31. 6) Rosenberg in Hirth's Annalen 1899, S. 397 ff. Bind ing, Recht­ liche Stellung des Kaisers im heutigen Deutschen Reiche (Dresden 1898) S. 10. •) Rosenberg, Staatsrechtliche Stellung S. 40. ') a. a. O. S. 41 s. *) Rosenberg hat später seine Ansicht vom Staat rektifiziert. für öffentliches Recht Bd. 14 S. 828; Hirth's Annalen 1905 S. 281.

Archiv

24

2. Kapitel. Die rechtliche Natur des Reichslandes.

mit zwingender Gewalt zu befehlen.') Gegen die Theorie Rosenbergs sprechen aber auch noch andere Erwägungen: zunächst läßt die Ent­ stehungsgeschichte des Gesetzes vom 9. Juni 1871 keinen Zweifel zu, daß nach der Absicht des Gesetzgebers Elsaß-Lothringen keinen Staat bilden sollte. Zu verweisen ist in dieser Beziehung auf die Ziffer I der Motive:**) „das von Frankreich abgetretene Gebiet ist nicht bestimmt, einen mit eigener Staatshoheit bekleideten selbständigen Bundesstaat zu bilden". Auch bei den Reichstagsverhandlungen wurde wiederholt diese Ansicht aus­ gesprochen. b) Durch die Äußerungen, die Rosenberg zur Unterstützung seiner entgegengesetzten Meinung anführt, kann er nur beweisen, daß bei den Beratungen über das Vereinigungsgesetz von 1871 in weiten Kreisen eine hoffentlich nicht häufig vorkommende Unklarheit über den Inhalt und die Tragweite von gesetzlichen Bestimmungen geherrscht hat, den Beiveis ist er aber schuldig geblieben, daß Elsaß-Lothringen als Staat aufgefaßt worden ist. Wichtiger als dieses Arguinent ist die Hervorhebung eines Versehens in den Schlußfolgerungen Rosenbergs. Er führt aus:') „aus dem Begriff des Staates folgt, daß ein Unterstaat von seinenl Obcrstaat im Wege der Gesetzgebung nicht beliebig vernichtet werden kann, sondern ein selbständiges Recht auf Existenz hat. Elsaß-Lothringen hat daher dem Reiche gegenüber dasselbe Recht aus Existenz ivie jeder andere zum Reiche gehörige Staat." Wäre Elsaß-Lothringen ein Staat, dann könnte es allerdings nicht ohne weiteres aufgehoben werden. Der Beweis für die Voraussetzung kann nicht aus dem Resultat erbracht werden. Die Existenz des Reichslandes beruht auf Reichsgesctz; durch Reichsgesctz kann sie jederzeit vernichtet werden. Elsaß-Lothringen ist durch den Versailler Frieden an das Deutsche Reich (l’empire allemand) abgetreten worden. Die Ansicht Rosenbergs unter l’empire allemand in diesem Zusammen­ hang einen von dem Deutschen Reich zu unterscheidenden Bund der Souveräne der deutschen Bundesstaaten zu verstehen, ist unriä)tig. Durch die Ab­ tretung an das Deutsche Reich sind Inhaber der Staatsgewalt die ver') Laband Bd. I S. 53ff., S. 67. *) Hirth's Annalen 1871 S. 847. 3) Zu vergleichen sind die Äußerungen von Treitschke (Hirth's Annalen 1871 S. 889): „Zu den unerfüllbaren Wünschen rechne ich zum ersten den unter den Notabeln geäußerten Wunsch, es soll die Provinz Elsaß-Lothringen zu einem Staat umgewandelt werden", von BiSmarck(a. a. O. S. 946): „denGedanken aus Elsaß-Lothringen ein staatliches Gebilde zu machen, habe ich nicht. Der Begriff eines Reichlandes ist mit dem eines selbständigen Staatswesens nicht kongruent". *) o ci 0. S. 57.

§ 4.

Kritik.

25

Kündeten deutschen Staaten geworden. Die Personalunion zwischen den Souveränen des Deutschen Reiches und den von Elsaß-Lothringen besteht nicht. Würde ein deutscher Bundesfürst aus irgend einem Grunde aus dem Deutschen Reiche ausscheiden, so würde er auch seine Rechte über Elsaß-Lothringen verlieren. Den Ausführungen Rosenbergs hat sich Nehm angeschlossen.') Zu der Charakterisierung des Reichslandes als Staat gelangt endlich auch Bechers) weil die von Elsaß-Lothringen abgeschlossenen Staatsverträge und eine Reihe seiner staatsrechtlichen Institutionen das Vorhandensein eines Staates voraussetzen/) Wie die späteren Ausführungen beweisen werden, hat Elsaß-Lothringen selbständig noch keine Staatsverträge ab­ geschlossen, hat es keine eigenen Organe. Der Grundfehler von Becher beruht darin, daß er, ähnlich wie Rosenberg, behauptet)/ das Wesen eines Staates bedingen drei Erfordernisse: das Vorhandensein einer organisierten Mehrheit von Menschen nebst eineni Landgebicte, auf dem sie wohnen können, ein Organ, welches die Herrschaft über dieses Land selbständig und unabhängig ausübt, und Herrschaftsrechte des Landesherrn über das Land. Wer so genügsam wie Becher ist und immer noch diese drei Elemente als Charakteristika des Staates aufführt, wird zwar die staatliche Natur Elsaß-Lothringens leicht bejahen können, er muß aber die Antwort auf die Frage schuldig bleiben, worin der Unterschied zwischen einem solchen Staate und einem Kommunalverbande niederer oder höherer Ordnung besteht. II. Nahe verwandt den Ansichten über die staatliche Natur ElsaßLothringens sind die Ausführungen Jellin eks, nach denen das Reichsland ein Staatsfragment ist/) Unter Staatsstagmenten werden politische Ge­ bilde verstanden, die einige, aber nicht alle Kennzeichen des Staates an sich tragen, demnach von Staat und Staatsteil (Staatsglied) wesentlich ') Allgemeine Staatslehre (Freibnrg 1899) S. 167. „Elsab-Lothringen ist wie das einzelne deutsche Schutzgebiet ein Staat, der seiner rechtlichen Natur nach zu den einseitigen Herrscliaftsverhältnissen zählt. Das Subjekt der Reichs­ gewalt daselbst ist nicht die Gesamtheit der Elsaß-Lothringer als Anstalt oder Korporation, sondern die Korporation der 25 deutschen Bundesstaaten, das Reich." s) Die rechtliche Natur der internationalen Beiträge Elsaß-Lothringens. Erlanger Diss. (Berlin 1897). 3) S. 39 a. a. O. J) S. 42 ff. a. a. O. °) Über Staatsfragmente, in der Festgabe der Universität Heidelberg (Heidel­ berg 1896). Allgemeine Staatslehre R.G.Bl, S. 165) § 5; Verordnung vom 23. Juli 1879 (G.Bl. S. 81) §§ 7-10. — Über die Befugnis des Staatssekretärs zur Stellung eines Strafantrages für das Ministerium vgl. die Entscheidung des Reichsgerichts vom 1. März 1900 in Zeitschrift Bd. 25 S. 297.

§ 30. Die Verwaltungsbehörden.

141

Abteilungsvorstandes, insoweit nicht der Staatssekretär sich die Entscheidung bestimmter Angelegenheiten vorbehält. x) Das Ministerium zerfällt in vier Abteilungen, an deren Spitze Unterstaatssekretäre stehen; dem Staatssekretär kann die Leitung einer Abteilung übertragen werden.**) Die Abteilungsvorstände leiten die Geschäfte der ihnen unterstellten Abteilungen und treffen in den ihnen überwiesenen Angelegenheiten Entscheidung. Jeder Abteilungsvorstand ordnet den inneren Geschäftsgang im Einklang mit der allgemeinen Ge­ schäftsordnung und bearbeitet die Personalien der der Abteilung zuge­ teilten Subaltern- und Unterbeamten; er ernennt die Referenten und vollzieht die Entwürfe und Reinschriften in den von der Abteilung zur Erledigung gebrachten Sachen.s) Er ist der unmittelbare Vorgesetzte der der Abteilung zugelviesenen Beamten und berechtigt, gegen dieselben, soweit sie nicht vom Kaiser ernannt sind, Diszipliirarstrafen bis zu der im § 81 Nr. 2 des Beamtengcsetzes bezeichneten Grenze zu verhängen. Er erteilt den Abteilungsbeamten, abgesehen von den Ministerialräten, Urlaub, vorbehaltlich der Genehmigung des Staatssekretärs, wenn er vier Wochen überschreitet. Der Staatssekretär, die Unterstaatssekretärc (Ministerialdirektor) und die Räte werden von« Kaiser unter Gegenzeichnung des Statthalters, die übrigen höheren Beamten vom Statthalter, die Subaltern- und Unter­ beamten vonl Staatssekretär ernannt. Sämtliche Beamte des Ministe­ riums sind „Landesbeamte" in dem später zu entwickelnden Sinne. Der Staatssekretär und die Unterstaatssekretärc können jederzeit einstweilig in den Ruhestand versetzt und entlassen werden.3) Das Ministeriuni gliedert sich in vier Abteilungen. I. Die Abteilung des Innern.3) Ihr Geschäftsbereich umfaßt die oberste Leitung und Aufsicht über die gesamte innere Verwaltung mit Ausschluß der der Abteilung IV zugewiesenen Angelegenheiten, insbesondere: ') Verordnung vom 31. März 1905 (G Bl. S. 37). Die Verordnung regelt ferner die Vergütung für Dienstreisen, die Tagegelder und Uinzugskosten des Ministerialdirektors. *) Gesetz vom 4. Juli 1879 (R.G.Bl. S. 165) § 5. ») Verordnung vom 23. Juli 1879 (G Bl. S. 81) § 11, § 12. 4) Gesetz vom 4. Juli 1879 § 6; Beamtengesetz §§ 25, 35. *) Nach der Verordnung vom 23. Juli 1879 § 1 hieß die Abteilung für „Inneres, Kultus und Unterricht". Nach der Abtrennung des Unterrichtswesens (Verordnung vom 29. Juli 1881 G.Bl. S. 95) wurde die Abteilung „für Inneres und Kultus" genannt und nachdem die Kultusangelegenhelten dem Geschäfts­ bereich der Abteilung II zugewiesen waren (Verordnung vom 5. Juni 1882 G.Bl. S. 81), erhielt sie die heutige Bezeichnung.

5. Kapitel. Die Organisation des Reichslandes. 5. Abschnitt: Die Landesbehörden und Landesbeamten.

142

1. die Handhabung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung; 2. die auf die Wahlen zum Reichstag und auf den Landesausschuß bezüglichen Angelegenheiten; 3. die Angelegenheiten der Bezirke, Kreise, Gemeinden, öffentlichen Anstalten und Stiftungen; 4. die den Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit betreffenden Angelegenheiten; 5. die Militärsachen: 6. das Medizinalwesen: 7. die Landesstatistik; 8. das Armenwesen und die Wohltätigkeitsanstalten: 9. das Bergwesen; 10. die ans Pflege »md Förderung der Gewerbe bezüglichen An­ gelegenheiten. 2) II. Die Geschäftsbereich

Abteilung fallen

für

Justiz

und Kultus.a)

sämtliche Angelegenheiten

In ihren

der Justizverwaltung,

insbesondere: 1. die Oberaufsicht über die gesamte Zivil- und Strafrechtspflege, über die Beurkundung der Perfonenstandsverhältnisse und über die Straf­ vollstreckung ; 2. die Bearbeitung von Begnadigungssachen, Rehabilitationen und Auslieferungssachen; 3. Erteilung der Dispense von Ehehindernissen; 4. das juristische Prüfungswesen; ferner die Abgabe von Rechtsgutachten, welche vom Statthalter oder vom Staatssekretär eingefordert werden,4) die Gefängnisverwaltung und Kultus-

') Verordnung vom 23. Juli 1879 § 2.

Die Bearbeitung der ursprünglich

der Abteilung zugewiesenen Angelegenheiten über das Bergwesen und die Ge­ fängnisverwaltung sind der Abteilung IV (Verordnung vom 29. Juli 1881) und der Abteilung II (Verordnnug vom 8. Juni 1882) zugewiesen worden.

Bei der

Auflösung der Abteilung IV wurde das Dezernat über das Bergwesen wiederum der Abteilung I übertragen, bei der es geblieben ist. *j Verordnung vom 22. Januar 1906 (G.Bl. S. 19). Der Abteilung beö

Innern sind die Zuständigkeiten übertragen worden, welche durch die Dienstaitivcisung für die Konservatoren der geschichtliche» Denkmäler in Elsaß-Lothringen vom 18. März 1903 (21.931. S. 29) des näheren geregelt sind. Verordnung vom 17. Mai 1907 (A.Bl. S. 109). a) Ihre ursprüngliche Bezeichnung ivar „Justiz-Abteilung"; die heutige Benennung erhielt sie durch die Verordnung vom 5. Juni 1882 (G.Bl. S. 81). 4) Verordnung vom 23. Juli 1879 § 3.

§ 30.

143

Die Verwaltungsbehörden.

angelegenheiten, >) die Erziehungs- und Besserungsanstalten, sowie die Arbeitshausverwaltung als Zweige der Gefängnisverwaltung, die Diszi­ plinarkammern. 2) III. Die Abteilung für Finanzen. Handel und Domänen?) Zu ihr gehören: 1. die Finanzangelegenheiten, insbesondere die oberste Leitung der Verwaltung der Steuern und Gefälle und aller sonstigen Staatseinnahmen, das Etats-, Kassen- und Rechnungswesen der Staatsverwaltung, das Staats­ schuldenwesen, die Verfügung über Staatsausgaben, welche nicht für die den Abteilungen I, II und IV überwiesenen Geschäftszweige etatsmäßig vor­ gesehen sind; 2. die Mitwirkung in den Angelegenheiten,

welche das Etats-

Rechnungs- und Schuldenwesen der Bezirke, Gemeinden und Stiftungen betreffen, bei Ausgaben in den Ressorts der anderen Abteilungen, welche über den Etat oder außerhalb desselben geleistet werden sollen, bei Pen­ sionierungen von Beamten und bei Bearbeitung aller Personalien von Beamten, soweit das Finanzinteresse dabei in Frage kommt, ferner die Verwaltung der Forsten und anderen Staatsgüter, soweit letztere nicht einzelnen Ressorts besonders überwiesen sind, das Kataster- und Ver­ messungswesen, 4) die geologische Landesuntersuchung,5) die auf Grund des Gesetzes

vom

30.

Juli

1890

der

Verwaltungsbehörde

übertragenen

Geschäfte?) IV. Der Abteilung

für

Landwirtschaft

und

öffentliche

Arbeiten') fallen zu die Angelegenheiten, welche auf Pflege und Förde') Verordnung vom 5. Juni 1882 (G Bl. S. 81). *) Verordnung hont 12. Juni 1889 (A.Bl. S. 153). •’) Die Abteilung trug anfänglich die Bezeichnung für „Finanzen und Domänen"; bei Aushebung der Abteilung IV und Zuteilung der landwirtschaft­ lichen Angelegenheiten erhielt sie die Bezeichnung: „für Finanzen, Landwirtschaft und Doniänen" lBerordnung vom 25. April 1887 (G Bl. S. 43). Abteilung IV wiederhergestellt wurde,

Als die

wurden ihr die in der Zwischenzeit von

der Abteilung I bearbeiteten auf Pflege und Förderung von Handel und Gewerbe bezüglichen Angelegenheitetr überwiesen und dementsprechend die Abteilung für „Finanzen, Gewerbe und Domänen" benannt ^Verordnung vom 16. Januar 1895. G Bl. S. 3).

Die heutige Bezeichnung beruht auf der Verordnung vom 22.

Januar 1906 (G.Bl. S. 19). 4) Verordnung vom 23. Juli 1879 $ 4. 6) Verordnung vom 12. Juni 1889 (A.Bl. S. 153). ®) Verordnung vom 29. September 1891 (G.Bl. G. 111). ’) Bei der Einrichtung des Miitistcriums hieß die Abteilung für „Gewerbe, Landwirtschaft und öffentliche Arbeiten".

Durch die Verordnung vom 25. April

144

5. Kapitel. Die Organisation des Reichslandes. 5. Abschnitt: Die Landesbehörden und Landesbeamten.

rung von Gewerbe und Landwirtschaft Bezug haben, die oberste Leitung und Aufsicht über die dazu eingerichteten Staatsverwaltungen und An­ stalten, insbesondere Schiffahrt und Flößerei, Maß- und Gewichtswesen, Bau- und Betrieb von Eisenbahnen, Erfindungspatente, Landeskultur, Meliorationswesen/) Pferdezucht, Fischerei, das gesamte Wasser-, Wegeund Hochbauwesen,*2)* ferner die auf den Bau und Betrieb von Eisen­ bahnen bezüglichen Angelegenheiten?) Berühren Angelegenheiten die Interessen mehrerer Ressorts, so werden sie von den betreffenden Abteilungen gemeinschaftlich Bearbeitet;4)5 ist es zweifelhaft, welcher Abteilung die Bearbeitung obliegt, so entscheidet der Staatssekretär?) Eine mit dem Ministerium in Verbindung6) stehende technische Zentralbehörde, eine fünfte Abteilung des Ministeriums, ist der Ober­ schulrat, dem die Beaufsichtigung und Leitung des gesamten höheren und niederen Unterrichtswesens, mit Ausnahme der Universität, der land­ wirtschaftlichen und gewerblichen Fachlehranstalten, obliegt.7) Der Ober­ schulrat besteht aus dem Staatssekretär als Vorsitzenden, einem mit der Direktion beauftragten Ministerialrat, sieben ordentlichen und einer Anzahl außerordentlicher Mitglieder. Ordentliche Mitglieder sind drei vom Kaiser zu ernennende Oberschulräte, der jeweilige Vorsitzende der dilrch Verordnung vom 23. Oktober 1872 (G.Bl. S. 767) eingesetzten wissenschaftlichen Prüfungskommission und die jeweiligen Regierungs- und Schulräte bei den 1887 (G.Bl. S. 43) wurde die Abteilung aufgelöst mit) ihre Angelegenheiten wurden, abgesehen von den landwirtschaftlichen, welche der Finanzabteilung zu­ gewiesen wurden, der Abteilung I zugeteilt. Mit Verordnung vom 16. Januar 1895 (G.Bl. S. 3) wurde sie int wesentlichen in ihrem früheren Umfange wieder­ hergestellt. *) Verordnung vom 22. Januar 1906 (G.Bl. S. 19). *) Verordnung vom 23. Juli 1879 § 5. s) Verordnung vom 2. April 1902 (G.Bl. G. 29). 4) Verordnung vom 23. Juli 1879 § 6. 5) Verordnung vom 23. Juli 1879 § 7. 6) Zeitschrift Bd. 8 S. 441 ff. 7) Das Unterrichtswesen gehörte anfänglich in das Reffort der Abteilung des Innern (Verordnung vom 23. Juli 1879 § 1). Die Verordnung vom 29. Juli 1881 (G.Bl. S. 95) übertrug die Leitung des Unterrichtswesens dem Staatssekretär. Der Oberschulrat wurde errichtet durch die Verordnung vom 21. April 1882 (G.Bl. S. 67); ins Leben getreten ist er am 15. Mai 1882 (Erlast vom 11. Mai 1882 A.Bl. des Minister. 1882 S. 70). Die Verordnung vom 12. Juni 1889 (A.Bl. S. 153) hat die geologische Landesunter­ suchung der Verwaltung des Unterrichts zugewiesen.

§ 30.

145

Die Verwaltungsbehörden.

drei Bezirkspräsidien. Die außerordentlichen Mitglieder beruft der Statthalter aus den Professoren der Universität, dem höheren Lehramt oder sonstigen sachverständigen Kreisen auf bestimmte Zeit oder auf die Dauer ihres Hauptamtes.

Die Geschäftsführung des Oberschulrates wird durch eine

besondere Instruktion geregelt, für die als Grundsatz zu gelten hat, daß alle organisatorischen Maßregeln und alle wichtigeren Gegenstände der laufenden Verwaltung kollektiv bearbeitet werden, im übrigen entscheidet der Staatssekretär oder in seiner Vertretung der Direktor.

Jedes Mit­

glied ist befugt, Anträge zu stellen und sich über den Zustand der Schulen an Ort und Stelle zu unterrichten.') Über die Zuständigkeit des Ministeriums sind die früheren Aus­ führungen S. 129ff. zu vergleichen.

Auf den Oberschulrat sind die Be­

fugnisse der Bezirks-Unterrichtsräte, insoweit sie das höhere Schulwesen betreffen, und alle Befugnisse, die nach den französischen Gesetzen in Betreff der Anstellung und Disziplin der Beamten an den Staats-Unterrichts­ anstalten dem Unterrichtsminister, den Akademierektoren und -Inspektoren und dein akadennschen Rate zustehen, übergegangen. *) Da, abgesehen von der Universität, deren Beaufsichtigung dem Statthalter untersteht, die Auf­ sicht und Leitung über das gesamte niedere Unterrichtswesen den Bezirks­ präsidenten anvertraut ist, bildet der Oberschulrat keine Zentralbehörde in dem Sinne, daß er die Ministerialinstanz für alle Unterrichtsangelegen­ heiten bildet.

Die Zuständigkeit des Oberschulrates zur Erledigung der

Rekurse gegen Entscheidungen der Bezirkspräsidenten über Eröffnung oder Schließung einer Schule, Anstellung eines Schulvorstehers oder Lehrers oder Erteilung von Privatunterricht ist durch die Verordnung vom 22. April 1902 (G.Bl. S. 32) beseitigt; an seine Stelle ist der Kaiserliche Rat getreten. Von dem Ministerium ressortieren und zwar von der Abteilung I das Statistische Bureau, welches das auf die Bewegung der Bevölke­ rung bezügliche Material zu bearbeiten hat, von der Abteilung II das Rechnungsbureau für das Gerichtskostenwesen und die Gefängnisverwaltung, von der Abteilung III das Forsteinrichtungsbureau, dem die Leitung und Ausführung der Forstvermessungs- und Betriebs­ einrichtungsarbeiten obliegt.

*) Verordnung vom 21. April 1882 §§ 1—3. ’) Gesetz vom 30. Dezember 1871 (G.Bl. 1872 S. 49) § 15. nung von» 2. Februar 1872 (Straßburger Zeitung Nr. 31). Bruck. Verfassung-- u. Verwaltung-recht v.Elsaß-Lothr. I.

Verord­

10

146

5. Kapitel. Die Organisation deS Reichslandes. 5. Abschnitt: Die Landesbehörden und Landesbeamten.

Zur Unterstützung des Ministeriums dient der Landwirtschafts­ rat, der die Gesamtinteresscn der Landwirtschaft in Elsaß-Lothringen wahrzunehmen hat und dazu berufen ist, das Ministerium in landwirt­ schaftlichen Angelegenheiten zu beraten. Innerhalb seines Wirkungskreises kann er selbständige Anträge an das Ministerium stellen. Der Land­ wirtschaftsrat hat seinen Sitz in Straßburg. Jeder landwirtschaftliche Kreisverein wählt ein Mitglied auf die Dauer von vier Jahren. Anderen im Interesse der Landwirtschaft tätigen Vereinen und genossenschaftlichen Verbänden kann der Statthalter das Wahlrecht verleihen. Die übrigen Mitglieder ernennt der Statthalter. Der Landwirtschaftsrat bildet aus seiner Mitte ständige Kommissionen; er wird zu seinen Sitzungen durch das Ministerium berufen. Der Vertreter des Ministeriums und die von dem Ministerium abgeordneten Kommissare und Auskunftspersonen können den Sitzungen beiwohnen. Er faßt seine Beschlüsse nach Stimmenmehrheit.') Ebenso ist auch zur „Erörterung von Fragen und Angelegenheiten, welche den ärztlichen Beruf und die öffentliche Gesundheitspflege, sowie die Wahrnehmung imb Vertretung der ärztlichen Standesinteressen be­ treffen," eine Ärztekammer mit dem Sitz in Straßburg errichtet, die von der Regierung gutachtlich gehört werden soll.2) Sie besteht aus ge­ wählten Mitgliedern; je 35—50 Ärzte wählen ein Mitglied und ein stellvertretendes Mitglied. Die Mitglieder der Kammer wählen aus ihrer Mitte den Vorstand (Vorsitzenden, stellvertretenden Vorsitzenden, Schrift­ führer). Der Vorstand vertritt die Ärztekammer nach außen und ver­ mittelt den Verkehr mit der Regierung. Zur Beschlußfähigkeit ist die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder oder der stell­ vertretenden Mitglieder notwendig. Die Beschlüsse werden mit absoluter Stimmenmehrheit gefaßt; bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Endlich besteht ein Apothekerrat2) mit dem Sitze zu Straß­ burg, der die Aufgabe hat, der Regierung in Angelegenheiten, die das Apothekerwesen betreffen, als Beirat zu dienen, insbesondere die von ihm erforderten Gutachten zu erstatten. Er wird gebildet aus einem Vor­ sitzenden, sowie aus vierzehn Mitgliedern und deren Stellvertretern. Den ') Ksl. Verordnung vom 6. November 1895 (G.Bl. S. 111) §§ 7 ff. in der Fassung der ksl. Verordnung vom 12. März 1900 (G Bl. S. 51). — Über die weitere Organisation des Landwirtschaftsrates sind die späteren Ausführungen int Bd. II zu vergleichen. *) Ksl. Verordnung Dem 13. Juni 1898 (G.Bl. S. 57). *) Ksl Verordnung vom 14. Juli 1898 (G.Bl. S. 69).

§ 30. Die Verwaltungsbehörden. § 31. Die selbständigen Finanzbehörden.

Vorsitzenden und seinen Stellvertreter ernennt der Statthalter. Drei Mit­ glieder sind aus den beamteten Ärzten oder Pharmazeuten, sieben aus den Apothekenbesitzern, vier aus den eine Apotheke nicht besitzenden Apothekern zu entnehmen. Die Mitglieder aus dem Stande der Apotheken­ besitzer werden gewählt. Der Apothekerrat tritt regelmäßig jährlich ein­ mal auf Einladung des Ministeriums hin zusammen. Er ist beschluß­ fähig, wenn außer dein Vorsitzenden mindestens sieben Mitglieder oder stellvertretende Mitglieder anwesend sind. Die Beschlüsse werden mit absoluter Stimmenmehrheit gefaßt: bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. § 31. Die selbständigen Financhehörden. 1. Die Landesschuldenverwaltung. Das Gesetz vom 10. Juni 1872, betreffend die Entschädigung der Inhaber verkäuflicher Stellen im Justizdienste (Gesetzblatt S. 171) hat zwar die Ausgabe verzinslicher, auf den Inhaber lautender Schuldverschreibungen für Elsaß-Lothringen angeordnet und bestimmt, daß die auszugebenden Obligationen durch den Oberpräsidenten auszufertigen und mit Zinskupons zu versehen seien, aber keine Regelung darüber getroffen, in welcher Weise die Verwaltung des Schuldendienstes zu erfolgen hat. Infolgedessen übertrug der Oberpräsi­ dent die Sorge für die Anfertigung, Aushändigung, Verzinsung, Tilgung und Wiedereinziehung der Obligationen einem von ihm eingesetzten „Bureau für die Landesschuldenverwaltung", das sämtliche Einnahmen und Aus­ gaben an Geld oder Effekten durch die Landeshauptkasse zu Straßburg bewirken ließ. An dieser Einrichtung wurde auch nach dem Erlaß der Gesetze vom 24. März 1881 (Gesetzblatt S. 15) und vom 19. März 1886 (Gesetzblatt S. 11) festgehalten. Einen wesentlichen Wandel brachte das Gesetz vom 19. Juni 1901 betreffend die Verwaltung der Landesschulden (Gesetzblatt S. 43), welches analog der Reichsschuldenverwaltung eine Landesschuldenverwaltung schuf. Die Landesschuldenverwaltung mit dem Sitz in Straßburg besteht aus einem Vorsitzenden und zwei Mit­ gliedern im Nebenamte, die der Statthalter ernennt. *) Unter Oberaufsicht des Ministeriums hat sw mit eigener Verantwortung für die Aus­ fertigung, Ausstellung, Ausreichung der Schuldverschreibungen und die Verwaltung des Schuldenwesens Sorge zu tragen. Die Leitung und ') Gesetz vom 19. Juni 1901 § 4 Abs. 1. Die Landesschuldenvcrwaltung hat am 26. Juli 1901 ihre Wirksamkeit begonnen. Min. Bek. vom 16. Juli 1901 ) Ebenso hat auch das Reichsgesetz über die Gewerbegerichte vom 30. Juni 1901 (Reichsgesctzblatt S. 249) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. September 1901 (Reichsgesetz­ blatt S. 353) die Rechtslage nicht verändert. 3. Kaufmannsgerichte °) müssen für Gemeinden errichtet werden, welche nach der jeweilig letzten Volkszählung mehr als zwanzigtausend Einwohner haben; im übrigen können sie bei vorhandenem Bedürfnisse für den Bezirk einer Gemeinde durch Ortsstatut nach Maßgabe des § 142 der Gewerbeordnung errichtet werden. Sie sind zuständig zur Entscheidung von Streitigkeiten aus dem Dienst- oder Lehrverhältnisse zwischen Kaufleuten einerseits und ihren Handlungsgehilfen oder Hand') § 18, § 26, § 28 n. o. O. ') § 19 Abs. 2 a. a. O. ») §§ 40, 42 a. a. O. 4) § 3 o. a. O. °) Zeitschrift Bd. 18 S. 222; Bd. 25 S. 222ff.; Bd. 23 S. 200. *) Reichsgesetz vom 6. Juli 1904 (R G Bl. S. 266 ff.). Ausführungsbesttmmungen vom 20. August, 3. Dezember 1904 (2t.331. S. 125, S. 179), vom 12. Mai 1906 (21.931. S. 68). Kaufmannsgerichte sind in Straßburg, Colmar, Mülhaltsen und Metz errichtet.

154

5. Kapitel. Die Organisation des Reichslandes. 5. Abschnitt: Die Landesbehörden und Landesbeamten.

lungslehrlingen andrerseits, sofern der Jahresarbeitsverdienst dieser an Lohn oder Gehalt den Betrag von fünftansend Mark nicht übersteigt.') Die Zuständigkeit des Kaufmannsgerichtes schließt die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte aus. Die Kosten der Einrichtung und der Unter­ haltung des Gerichts sind, soweit sie in dessen Einnahmen ihre Deckung nicht finden, von der Gemeinde zu tragen. Gebühren, Kosten und Strafen bilden Einnahmen des Kaufmannsgerichts. Jedes Kaufmannsgericht besteht aus einem Vorsitzenden (seinem Stellvertreter) und wenigstens vier Beisitzern. Den Vorsitzenden (Stell­ vertreter) wählt der Gemeinderat auf mindestens ein Jahr. Der Vor­ sitzende soll die Fähigkeit zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungs­ dienste besitzen. Die Beisitzer müssen zur Hälfte aus den Kaufleuten, welche wenigstens einen Handlungsgehilfen oder Handlungslehrling regel­ mäßig das Jahr hindurch oder zu gewissen Zeiten des Jahres beschäftigen, zur Hälfte aus den Handlungsgehilfen entnommen werden. Die Beisitzer werden nach einem bestimmten Verfahren gewählt. Das Verfahren vor den Kaufmannsgerichten stimmt int wesentlichen mit dem vor den Gewerbegerichten überein. Berufung gegen die Urteile der Kaufmannsgerichte ist nur zulässig, wenn der Wert des Streitgegen­ standes den Betrag von 300 Mk. übersteigt. Das Kaufmannsgericht ist verpflichtet, auf Ansuchen von Staats­ behörden oder des Vorstandes der Gemeinde, für welche es errichtet ist, Gutachten über Fragen abzugeben, welche das kaufmännische Dienst- oder Lehrverhältnis betreffen. Es kann zu diesem Zweck Anträge an Be­ hörden, Vertretungen von Kommunalverbänden, die gesetzgebenden Körper­ schaften der Bundesstaaten oder des Reichs richten. B. Disziplinargerichte. Die Disziplinargerichte treten nur im Falle eines Bedürfnisses zusammen. Ihre Mitglieder werden für die Dauer der zur Zeit ihrer Ernennung von ihnen bekleideten Reichs- oder Staatsämter vom Bundesrat gewählt, vom Kaiser ernannt und für die Erfüllung der Obliegenheiten ihres Amtes verpflichtet. **) Sie erhalten keine besondere Besoldung, nur Reisegelder und Diäten, wenn sie an dem Sitze des Disziplinargerichts nicht wohnen. Die Geschäftsordnung ist am 18. April 1880 (Zentral­ blatt S. 203) erlassen worden. ') Für die in Apotheken beschäftigten Gehilfen unb Lehrlinge sind die Kaufmannsgerlchte nicht zuständig. §4. *) § 93 Beamtengesetz.

§ 32.

Die richterlichen Behörden.

155

MS Disziplinargerichte erster Instanz für die elfaß-lothringifchen Landesbeamten und Lehrer fungieren die Disziplinarkammern in Straßburg, Colmar und Metz') und für die Reichsbeamten in Elsaß-Lothringen, einschließlich derjenigen Beamten der Reichseisenbahn­ verwaltung, die ihren dienstlichen Wohnsitz im Auslande haben, ist eine besondere Disziplinarkammer in Straßburg eingerichtet.*3) * Zuständig im einzelnen Falle ist die Disziplinarkammer, in deren Bezirk der Angeschuldigte zur Zeit des förmlichen Disziplinarverfahrens seinen dienstlichen Wohnsitz hat. Bei Streitigkeiten über die Zuständigkeit verschiedener Disziplinarkammern und bei Ablehnung einer Disziplinar­ kammer wegen Befangenheit entscheidet der Disziplinarhof.3) Jede Disziplinarkammer besteht aus sieben Mitgliedern ; der Präsident und wenigstens drei andere Mitglieder müssen in richterlicher Stellung sein. Die mündliche Verhandlung und Entscheidung erfolgt jedoch nur durch fünf Mitglieder; der Vorsitzende und wenigstens zwei Beisitzer müssen zu den richterlichen Mitgliedern gehören. ^) Die Reihenfolge, in der die richterlichen Mitglieder an der mündlichen Verhandlung teilnehmen, be­ stimmt das Dienstalter; die nichtrichterlichen Mitglieder bezeichnet der Präsident. Er hat sie tunlichst aus dem Verwaltungszweige zu wählen, welchem der Angeschuldigte angehört.3)* 7Bei Entscheidungen und Be­ schlüssen, welche auf Grund einer mündlichen Verhandlung erlassen werden, dürfen nur Mitglieder mitwirken, vor welchen die mündliche Verhandlung stattgefunden hat. *) Den Vorsitz in den Sitzungen führt der Präsident; ihm liegt die Leitung und Beaufsichtigung des ganzen Geschäftsganges und der Verhandlung ob.') Die Verhandlung, zu der der Angeschuldigte geladen werden muß, ist regelmäßig öffentlich, nur bei Verhandlungen gegen Universitäts­ professoren ist die Öffentlichkeit ausgeschlossen.8) Die Ausfertigung der Entscheidungen ist mit der Überschrift: „im Namen des Reichs" zu versehen.3) ') Verordnung vom 10. Juni 1874 (G.Bl. S, 15). *) Verordnung vom 7. Januar 1874 (R.G.Bl. S. 3), Gesetz vom 5. No­ vember 1874 (R.G.Bl. S. 128). *) § 88 Abs. 2 und 3, § 90 Bcnmtengesetz. ) Gesetz vom 26. März 1892 (G.Bl. S. 13) § 11. 6) Verordnung vom 17. Dezember 1899 (G.Bl. S. 247). ’) Gesetz vom 30. Dezember 1871 § 21 Abs. 2; Verordnung vom 29. Juli 1881 (G.Bl. S. 95) § 2; Min.-Verf. vom 9. Mai 1887. 8) Verordnung vom 23. November 1874 (R.G Bl G. 135).

§ 34.

Die Anstellung der Landesbeamte».

171

3. Die Befähigung, als Beamter angestellt zu werden, setzt Unbe­ scholtenheit, den Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte voraus. Eine ausdrückliche Anerkennung haben diese Bedingungen im Strafgesetzbuch gefunden: die Ver­ urteilung zur Zuchthausstrafe hat die dauernde Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter von Rechtswegen zur Folge; die Aberkennung der bürger­ lichen Ehrenrechte bewirkt die Unfähigkeit, während der im Urteil bestimmten Zeit öffentliche Ämter zu erlangen (§§ 31, 34 Ziffer 3 Strafgesetzbuch). Andere generelle Voraussetzungen müssen nicht erfüllt sein, so ist insbe­ sondere nicht notwendig, daß der Anzustellende die deutsche Staatsangehörig­ keit besitzt, einer bestimmten Konfession angehört') oder großjährig ist. Jedoch können gewisse Ämter nur von einer bestimmten Altersgrenze an bekleidet werden. Die Übertragung

der meisten Äinter erfolgt beim Nachweis der

besondere» Befähigung, der durch praktische Vorbildung oder durch Ab­ legung von Prüfungen erbracht wird; Richteramt verlangt.

oftmals wird Befähigung zuin

Welche Kenntnisse in den Prüfungen nachzuweisen

sind, ist in den Prüfungsordnungen bestinlint.

Hat der Anzustellende

bereits in einem anderen Bundesstaate die zur Erlangung der entsprechenden Stelle notwendigen Voraussetzungen erfüllt oder dasselbe Aint bekleidet, so kann er gemäß einer in fast allen Prüfungsordnungen wiederkehrenden Vorschrift ohne weiteres angestellt werden; insbesondere gilt dieser Grund­ satz bei Besetzung solcher Stellen, für die keine Prüfungsordnungen erlassen sind.")

Von den Erfordernissen kann diejenige Behörde, die sie aufgestellt

hat, absehen;") eine Ausnahme tritt bei den Ämtern ein, deren Anstel­ lungsbedingungen durch Gesetze geregelt

sind.

So

kann die Fähigkeit

zum Richteramt nur entsprechend §§ 2ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes erlangt werden.

Es sind zu vergleichen für: Justizverwaltung:

Regulativ über die juristischen Prüfungen

und die Vorbereitung zum höheren Justizdienst vom 27. Dezember 1905 (Gesetzblatt S. 5). als

Regulativ betreffend die Erfordernisse zur Anstellung

Gerichtsschreiber

und Gerichtsvollzieher

') Dekret vom 24. Dezember 1789.

in Elsaß-Lothringen

vom

Das Gesetz vom 3. Juli 1869 hat

in Elsaß-Lothringen keine Gültigkeit. *) Leoni S. 134.

Vorschriften über die Ausbildung und Prüfung der­

jenigen Anwärter für den höheren Baudienst in der elsaß-lothringischen Ver­ waltung, die die Staatsprüfung in Preußen abzulegen beabsichtigen vom 1. Sep­ tember 1906 (91.581. S. 188). -) Leoni S. 134.

179

5. Kapitel. Die Organisation des Reichslandes. 5. Abschnitt: Die Landesbehörden und Landesbeamten.

12. April

1898 (Gesetzblatt S. 41).

Gerichtsvollzieherordnung

vom

24. Mai 1902 (Amtsblatt S. 169), 5. Juni 1906 (Amtsblatt S. 100). Verwaltung des Innern und der direkten Steuern:

Re­

gulativ betreffend die Befähigung zur Anstellung im höheren Verwaltungs­ dienste vom 6. September 1872 (Gesetzblatt S. 724). Vorschriften betreffend Ausbildung, Prüfung und Anstellungsfähigkeit der Subaltern- und Unter­ beamten vom 29. Juli direkten Steuern

1878 (Bekanntmachungsblatt S. 31), bei den

vom 19. Januar 1894 (Amtsblatt S. 69),

13. Ja­

nuar 1904 (Amtsblatt S. 5). Regulativ betreffend die Erfordernisse zur öffentlichen Bestallung als Feldmesser vom 23. Januar 1907 (Amtsblatt S. 15). wärter

Verordnung betreffend die Annahme und Prüfung der An­ für

den

Steuerveranlagungs-

und

Steuerempfangsdienst

vom

14. Dezember 1888 (Amtsblatt S. 239). Verwaltung der Zölle, indirekten Steuern und der Verkehrs steuern: Regulativ betreffend die Befähigung zur Anstellung in den höheren Dienststellen bei der Direktion der Zölle und indirekten Steuern vom 24. Juli 1888 (Amtsblatt S. 190).

Vorschriften be­

treffend die Ausbildung, Prüfung und Anstellung der Beamten in der Verwaltung der Zölle und indirekten Steuern, mit Arrsschluß derjenigen des höheren Verwaltungsdienstes, vom 19. Juli 1901 (Amtsblatt S. 279), der Verkehrssteuern vom 29. März 1901 (Amtsblatt S. 111). Forstverwaltung: Bestimmungen über Ausbildung und Prüfung für den Forstverwaltungsdienst vom 19. Juli 1888 (Beilage zum Zentralund Bezirksamtsblatt Nr. 35); Regulativ über Ausbildung, Prüfung und Anstellung für die unteren Stellen des Forstdienstes vom 15. Februar 1879 (Bekanntmachung des Oberpräsidenten vom 19. Juni 1879) und hierzu Verordnung vom 31. März 1880 (Ministerialblatt S. 24), Ver­ ordnung vom 20. Juni 1883 (Zentral- und Bezirksamtsblatt S. 261) und Bekanntmachung vom 11. Oktober 1887 (Zentral- und Bezirksamts­ blatt S. 222). Technische Verwaltungen: Regulativ über die Ausbildung der Kandidaten für die Wegemeisterstellen vom 5. Februar 1875 (Straß­ burger Zeitung Nr. 36 vom 12. Februar 1875); Verordnung betreffend die Prüfung

und Ernennung der Eichmeister

vom

Straßburger Zeitung Nr. 149 vom 29. Juni 1875); die Ausbildung der Anwärter für die Damm-

und

24. Juni

1875

Regulativ über Brückenmeister-,

Stromaufseher- und Kanalaufseherstellen vom 22. August 1876 (Straß­ burger Zeitung Nr. 201 vom 29. August 1876). Medizinalwesen: Verordnung betreffend die Befähigung zur An-

§ 34. Die Anstellung der Landesbeamten.

173

stellung als Kreisarzt vom 26. September 1885 (Zentral- und Bezirks­ amtsblatt S. 195). Schulverwaltung: Verordnung betreffend die Prüfung für das Lehramt in höheren Schulen vom 4. März 1899 (Amtsblatt S. 23), 8. April 1901 (Amtsblatt S. 115), vom 12. Februar 1907 (Amtsblatt S. 42). Prüfungsordnung für Seminardirektoren, Seminarlehrer, Vor­ steher von Präparandenschulen, Mittelschulen und höheren Mädchenschulen vom 13. April 1876 (Straßburger Zeitung Nr. 94). Prüfungsordnung für Handarbeitslehrerinnen vom 5. September 1887 (Amtsblatt S. 195). Prüfungsordnung für Lehrerinnen und Vorsteherinnen höherer Mädchen­ schulen vom 4. Dezember 1891 (Amtsblatt S. 201), für Turnlehrer und Turnlehrerinnen vom 26. November 1892 (Amtsblatt S. 424), für Zeichenlehrerinnen vom 19. Januar 1894 (Amtsblatt S. 75), Elementar­ lehrer und Lehrerinnen vonl 11. Januar 1895 (Amtsblatt S. 19), Vor­ steherinnen der Kleinkinderschulen vom 24. Mai 1895 (Amtsblatt S. 162), Lehrer an Mittelschulen und höheren Mädchenschulen vom 7. April 1898 (Amtsblatt S. 132), Lehrerinnen und Vorsteherinnen an höheren Mädchen­ schulen vom 24. November 1898 (Amtsblatt S. 226), Zeichenlehrer vom 19. November 1901 (Amtsblatt @.333), Oberlehrerinnenprüfung vom 31. Juni 1902 (Amtsblatt S. 176). Prüfungsordnung für die Meisterprüfung vom 22. Januar 1903 (Amtsblatt S. 116), vom 27. Juli 1905 (Amtsblatt S. 281), für Landwirtschaftslehrer vom 13. Oktober 1899 (Amtsblatt S. 110), vom 14. Juli 1907 (Amtsblatt S. 201). Ein Recht auf Anstellung besteht auch dann nicht, wenn alle Be­ dingungen erfüllt sind. Durchbrochen ist dieser Grundsatz zugunsten der Militär« n Wärter,') d. h. der Inhaber des Zivilversorgungsscheines. Der Zivilversorgungsschein wird Kapitulanten nach zwölfjähriger Dienstzeit erteilt, wenn sie zum Beamten würdig und brauchbar erscheinen; Kapi­ tulanten von kürzerer Dienstzeit erhalten ihn nur, wenn sie wegen körper­ licher Gebrechen im aktiven Dienst nicht mehr verwendet werden können?) Der Zivilversorgungsschein gibt dem Inhaber kein Recht auf eine be­ stimmte Dienststelle **) und entbindet nicht von der Ablegung gewisser •) Hahn-Nienaber, Anstellungsgrundsätze Berlin 1899, 1900. — Die vom Bundesrat genehmigten Grundsätze vom 7. und 21. März 1882 (Zentral­ blatt d. Deutschen Reichs 1882 S. 123 ff.) und von 1899 (21.931. S. 126) sind in neuer Fassung nebst Anlagen und Erläuterungen bekarmt gemacht vom Ministerium ant 22. August 1907 in der Beilage zum A.Bl. Nr. 36, Jahrgang 1907. *) Reichsgesetz vom 31. Mai 1906 (R.G.Bl. S. 593) §§ 15, 16. *) Hahn-Nienaber S. 4.

5. Kapitel. Die Organisation des Reichslandes. f>. Abschnitt: Die Landesbehörden und Landesbeamten.

174

Prüfungen. Die den Militäranwärtern vorbehaltenen Stellen dürfen mit anderen Personen nicht besetzt werden, sofern sich Militäranwärter finden, welche z» deren Übernahme befähigt und bereit sind. ’) Die Einberufung der Stellenanwärter hat in der Folgeordnung zu geschehen, daß bei gleicher Befähigung zunächst die in Elsaß-Lothringen geborenen, sodann die aus den in Elsaß-Lothringen garnisonierenden Truppenteilen einschließlich der Gendarmerie und der Schutzmannschaften hervorgegangenen und endlich sonstige Militäranwärter einzuberufen sind. -) 4. Jeder, der dem Beamtengesetz untersteht, niuß vor dem Dienst­ antritt den Diensteid leisten.3) Die vorherige Ableistung des Eides bedingt aber nicht die Eigenschaft als Beamter; daher ist eine Amts­ handlung, die ein nicht vereidigter Beamter vornimmt, grundsätzlich nicht ungültig.*) Der Diensteid verpflichtet die Beamten nicht nur für die zur Zeit der Eidesleistung von ihnen bekleideten, sondern auch für alle ihnen etwa später zu übertragenden Ämter. '') Die Eidesnorm lautet: „Ich . . schwöre zu Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser treu und gehorsam ‘) Grundsätze 8 9 Abs. 1. Allerhöchster Erlaß vom 14. Oktober 1884 enthaltend die Grundsätze für die Besetzung der Subaltern- und Unterbeamtenstellen bei den Reichs- und Staats­ behörden mit Militäranwärteru nebst den für die elsaß-lothringische LaudcSvertvaltung geltenden besonderen Bestimnlungcn (A.Bl. Beilage I zu Nr. 47). Die Verzeichnisse der vorbehaltencn Stellen und der Anstcllungsbehörden stehe in der Bekanntmachung des Ministeriums vom 11. November 1907 (91.581. S, 217). Min.-Berf. vom 15. Mat 1886 (A.Bl. S. 115), vom 2. März und 20. Oktober 1887 (A.Bl. S. 51, 227), vom 15. Mai 1888 (A.Bl. S. 125), von, 15. April 1889 (A.Bl. S. 149), A.Bl. 1898 S. 189, vom 11. Mai 1900 (A.Bl. S. 157), vom 27. März 1902 (A.Bl. S. 145), vom 28. April 1905 (A.Bl. S. 177), vom 14. Mai 1906 (A.Bl. S. 87), vom 18. Juli 1907 (A.Bl. S. 163). Allerhöchster Erlaß vom 2. Februar 1903 (A.Bl. S. 29). Grundsätze für die Besetzung der Subalternund Unterbeamtenstcllen bei den Komniunaldehörden vom 31. Oktober 1899 (A.Bl. S. 126). ”) Beamtengcsetz § 3. Die für die Lehrer an öffentlichen Elementarschule» und Kleinkinderschulen gemachte Ausnahnie (Gesetz von, 23. Dezember 1873 Art. V) ist beseitigt durch Gesetz vom 6. Juni 1900 (G Bl. S. 105) Art. I Abs. 3. *) Gesetz vom 20. Septemter 1871 (G Bl. S. 339) § 4. ES ist fraglich, ob diese Bestimmung auch bei richterlichen Geschäften gilt (Zivilprozeßordnung §551 Ziffer 13; Strafprozeßordnung § 377 Ziffer 1). Laband Bd. IS. 425 Bem. 3. •) Gesetz vom 20. September 1871 § 3. •) Gesetz vom 20. September 1871 § 1. *)

§ 34. Die Anstellung der Landcebeamten.

17',

fein, die Gesetze beobachten und alle mir vermöge meines Amtes obliegenden Pflichten nach meinem besten Wissen und Gewissen genau erfüllen will, so wahr mir Gott helfe." 5. Verschiedene Beamte müssen vor ihrem Dienstantritt eine Kaution hinterlegen.\) Kautionspflichtig sind die Beamten, welchen die Verwaltung einer dem Staate gehörigen Kasse oder eines dem Staate gehörigen Magazins oder die Annahme, die Aufbewahrung oder der Transport von dem Staate gehörigen oder ihm anvertrauten Geldern oder geldwerten Gegenständen obliegt. *) Die Beamtenklassen, die hier­ nach Kaution zu leisten haben, und die Höhe der von ihnen zu be­ stellenden Kaution, sowie der Gesamtkaution, wenn ein Beamter gleich­ zeitig mehrere kautionspflichtige Ämter verwaltet, bestimmt eine Kaiserliche Verordnung.3) Tie Kaution kann nur durch Verpfändung von auf den Inhaber lautenden Schuldverschreibungen des Landes, des Deutschen Reichs oder eines deutschen Bundesstaates nach deren Nennwerte geleistet werden.4) Die Bestellung hat vor der Einführung des Beamten in das kautions­ pflichtige Amt zu erfolgen. Sie ist regelmäßig von dem Beamten selbst vorzunehmen und kann nur durch einen Dritten vorgenommen werden, wenn dem Staate dieselben Rechte garantiert werden, die er hat, wenn die Kaution von dem Beamten hinterlegt wird.3) Die Verpfändung er­ folgt durch Hinterlegung bei der Staatsdepositenkasse.6) Außer den Wert­ papieren sind die Zinserneuerungsscheine und Zinsscheine zu hinterlegen. ’) Die Zinsscheine für vier Jahre sind dem Besteller zu belassen. Aus­ nahmsweise kann die Kaution durch Ansammlung von Gehaltsabzügen bewirkt werden; die näheren Bestimmungen hierüber trifft eine Kaiserliche ') Gesetz vom 15. Oktober 1873 (G Bl. S. 273), aufrechterhalten durch Art. 90 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Das Reichsgesetz vom 20. Februar 1898 (R.G.Bl. S. 29), welches die Verpflichtung der Relchsbeamteu — mit Ausnahme der Reichsbankbeamten — zur Kautionsleistung aufhob, ist in Elsaß-Lothringen noch nicht eingeführt. *) § 1 des Gesetzes. 3) Gesetz §§ 2, 7. Verordnung vom 22. November 1873 (G Bl. S. 292), vom 2. Mai 1881 (G.Bl. S. 81), vom 7. Juli 1882 (G.Bl. S. 85), vom 18. März 1885 (G.Bl. S. 5), vom 26. Mai 1891 (G.Bl. S. 37), vom 12. April 1893 (G.Bl. S. 45). . Abschnitt: Die Landesbehörden und Landesbeamten.

Hiernach sind Anträge auf Bewilligung von Urlaub unter Angabe der Veranlassung und des Zweckes der unmittelbar vorgesetzten Behörde oder dem unmittelbar vorgesetzten Beamten einzureichen. Der Statthalter hat die Stellen zu bestimmen, welche zur Erteilung des Urlaubs berechtigt sind, sowie die Zeiträume, für welche von denselben Urlaub gewährt werden darf.') Wird ein Urlaub zur Wiederherstellung der Gesundheit nachgesucht, so ist dem Antrage eine ärztliche Bescheinigung beizufügen: die Beibringung einer solchen kann ausnahmsweise die Stelle, welcher die Entscheidung über den Antrag zusteht, erlassen. Die Stelle, die den Urlaub erteilt, hat zunächst für die Vertretung eines beurlaubten Beamten Sorge zu tragen. Dieselbe setzt zugleich fest, inwieweit die dem Beur­ laubten zur Bestreitung von Dienstaufwandskosten bewilligten Bezüge dem Vertreter zu überweisen sind. Der beurlaubte Beamte hat Vorkehrung zu treffen, daß ihm während der Abwesenheit von seinem Wohnort Verfügungen der vorgesetzten Behörde zugestellt werden können, den» die Urlaubsbcwilligung kann jederzeit, wenn es das dienstliche Interesse verlangt, zurückgenommen werden.*) Zum Eintritt in den Reichstag bedarf der Beamte keines Urlaubs;s) ist er in den Landesausschuß gewählt worden, so muß er, wenn er die Wahl annimnlt, sich beurlauben lassen und die Kosten seiner Stellvertretung wie jeder andere beurlaubte Beamte tragen.*4) * * Bei Krankheit, wenn der Beamte seinen Amtssitz nicht verläßt, in Abwesenheitsfällen, bei denen die Beainten keinen Urlaub nötig haben, sowie bei einem Urlaub von weniger als sechs Woche»! findet ein Abzllg vom Gehalt nicht statt; die Stellvertretungskosten trägt die Landeskasse.5) Bei einem Urlaub von mehr als eineinhalb bis zu sechs Monaten findet für den eineinhalb Monate übersteigenden Zeitraum ein Abzug von dem Diensteinkommen des Beurlaubten im Betrage der Hälfte desselben statt; ') Verordnung des Statthalters enthaltend Bestinnnnngen über die Urlaubsbe»villigung vom 1. Juli 1885 (A.Bl. S. 139), 23. Februar 1880 (A.Bl. Nr. 5). Min.-Erl. vom 9. Mai 1887 (A.Bl. S. 97). Für die Beamten des Ministeriums ist 8 12 Abs. 3 der Verordnung von» 23. Juli 1879 (G Bl. S. 81), die Universitäts­ professoren § 81 des Statuts der Universität, die Gerichtsassessoren § 6 der Ver­ ordnung vom 7. April 1899 (G Bl. S. 39) maßgebend. *) Verordnung vom 26. April 1876. §§ 3—5, 7 s) Art. 21 Reichsverfassung. § 14 Abs. 2 Beamtengesetz. 4) Eine Ausnahme gilt für die Notare. Gesetz vom 8. Juni 1892 (G.Bl. S. 52) § 10. *) 8 14 Abs. 2 Beamtengesetz. Über die Fortgewährung des Einkommens an außeretatsmäßige Beamte während ihrer Einberufung zu gewöhnlichen Friedens­ übungen vgl. Minister.-Erl. voin 11. Februar 1900 (A.Bl. S. 57).

8 35. Die Pflichten und Beschränkungen der Beamten.

179

bei fernerem Urlaub wird das ganze Diensteinkommen einbehalten. Eine Abweichung hiervon ist nur mit Genehmigung des Statthalters zulässig?) Ein Beamter, welcher sich ohne den vorschriftsmäßigen Urlaub von feinem Amte entfernt hält oder den erteilten Urlaub überschreitet, ist, wenn ihm nicht besondere Entschuldigungsgründe zur Seite stehen, für die Zeit der unerlaubten Entfernung seines Diensteinkommens verlustig?) Zur Erfüllung allgemeiner staatsbürgerlicher Pflichten (als Ge­ schworener, Zeuge, bei Einziehung zu militärischen Übungen) bedarf es keiner Erlaubnis, jedoch ist die Benachrichtigung der unmittelbar vorgesetzten Behörde notwendig. Für Lehrer, welche nicht unmittelbare Landesbeamte sind, greifen abweichende Bestimmungen Platz. Sie erleiden unter denselben Voraus­ setzungen wie die übrigen Beamten keinen Abzug vom Diensteinkommen, jedoch kann der an der Wahrnehmung seines Amtes verhinderte Lehrer durch den Beschluß der vorgesetzten Behörde verpflichtet werden, einen Teil seiner Dienstwohnung seinem Stellvertreter einzuräumen. Die Stell­ vertretungskosten fallen denjenigen zur Last, welche int übrigen für die Bedürfnisse der Schule aufzukommen haben. Zu den Kosten leistet die Landeskasse in bestimmten Fällen Beihilfe?) 2. Die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit und zum Gehorsam. a) Jeder Beamte hat über die vermöge seines Amtes ihm bekannt gewordenen Angelegenheiten, deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erfor­ derlich oder von seinem Vorgesetzten angeordnet ist, Verschwiegenheit zu beobachten, auch nachdem das Dienstverhältnis aufgelöst ist (§ 11 Be­ amtengesetz). Eine absolute Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit besteht hiernach nur, wo sie durch Gesetz oder von einem Vorgesetzten vorgeschrieben ist. Sonst beschränkt sie sich auf Angelegenheiten, deren Geheimhaltung ihrer Natur nach oder auf Anweisung des Vorgesetzten hin notwendig ist. Der Beamte muß also in jedem Falle prüfen, ob „die Natur" einer Ange') Verordnung vom 26. April 1875 § 6. Über die Vertretung von Rentmeistem vgl. § 7 Abs. 2 Gesetz vom 22. Dezember 1876 (G.Bl. S. 31); Min.-Berf. vom 13. Mai 1889 (A.Bl. S. 124). *) § 14 Abs. 3 Beamtengesetz. Überschreitet ein Richter seinen Urlaub oder bleibt er ohne Urlaub seinem Amte fern, so verfügt daS Ministerium den ein­ tretenden Verlust des Dieusteinkommens. Auf Einspruch, welcher von dem Richter nur binnen Monatsfrist boit der Zustellung der Verfügung an erhoben werden kann, ist Int Disziplinarwege zu entscheiden. Gesetz vom 13. Februar 1899 . Abschnitt: Die Vandeöbehörden und ^andeSbeamten.

Dritten, der seine Tätigkeit in Anspruch nimmt, nach den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs wie jede Privatperson verant­ wortlich. Der Staat haftet in der rechtlichen Stellung eines Bürgen nur dann für den Notar, wenn ihm die Verrichtung, in deren Ausübung der Schaden verursacht ist, durch das Gericht übertragen worden ist.1)* 3 * In demselben Umfange, in dem die staatliche Haftung für eine von einem Notar begangene zum Ersatz verpflichtende Handlung besteht, in dem ist der Notar auch dem Staat gegenüber regreßpflichtig. Beruht also die Verrichtung des Notars auf einem Aufträge des Gerichts, so kann der Staat ihn verantwortlich mache», wenn der Notar hierbei seine Pflichten versäumt und den Staat geschädigt hat. Mangels besonderer Vorschriften finden auf das Rechtsverhältnis zwischen Staat und Notar die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechende Auwcndung, die für die rechtlichen Beziehungen zwischen Notar und Dritten gelten; insbesondere kommen also die Vorschriften über die „unerlaubten Hand­ lungen" in Betracht. Es kann hier aus frühere Darstellungen verwiesen werden (oben Seite 182 ff.). Die disziplinarische» Folge». Disziplinarbestrafung ist ver­ wirkt, wenn der Notar irgendwie seine Pflichten verletzt, insbesondere wenn er den ihm auferlegten Verpflichtungen nicht nachkommt,-) wen» er sich eine Überschreitung der gesetzlichen Gebühren oder eine Gebühren­ häufung zuschulden kommen läßt.^) Die Disziplinarstrafen bestehen in Ordnnngsrilf, einfachem Tadel, Tadel mit Verweis durch den Vor­ sitzenden der Notariatskammer vor versammelter Kammer an den Notar in Person, Entziehung des Stimmrechtes in der Generalversammlung, Verbot des Eintritts in die Sammet das erstemal auf höchstens drei Jahre, im Rückfall auf höchstens sechs Jahres) ferner in Geldstrafen, Suspension und Dienstentlassung. Im Fall der zeitweiligen Amtsent­ hebung kann auf Antrag des Ersten Staatsanwalts von dem Land­ gerichtspräsidenten ein anderer Notar mit der einstweiligen Verwahrung der Urkunden und Dienstbücher und mit der Erteilung von Ausfertigungen beauftragt werden.5) Zur Verhängung von Geldstrafen, Suspension und ') § 40 Abs. 3 Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch in der Fassung des Gesetzes vom 13. Februar 1905. G.Bl. S. 3. Die Aufführung der einzelnen Fülle vgl. bei Molitor, Das Gesetz für Elsaß-Lothringen betreffend die Änderung verschiedener Justizgesetze S. 16. *) Art. 13 Ordonnanz vom 4. Januar 1843. 3) Gesetz betreffend die Notariatsgebühren vom 4. Dezember 1899 § 1 Abs. 2. *) Art. 14 Ordonnanz vom 4. Januar 1843. ->) Gesetz vom 8. Juni 1892 (G.Bl S. 52) 8 12.

§ 42. Die Rechtsverhältnisse der Beamten nach französischem Recht.

-21

Dienstentlassung sind die Landgerichte, in allen übrigen Fällen die No­ tariatskammern zuständig. Wegen der Bildung der Stimmern und des Gangs des Disziplinarverfahrens ist auf die Ausführungen auf Seite l-> 7 Bezug zu nehmen. Gegen die Entscheidung der Disziplinarkammer kann von dem Syndik, dem Oberstaatsanwalt und dem Disziplinarbeklagten binnen zwei Wochen sofortige Beschwerde an das Oberlandesgericht ein­ gelegt werden.') 5. Die Notare genießen denselben Schutz wie alle übrigen Be­ amten; werden sie bei Ausübung ihres Amtes tätlich angegriffen oder werden sie zur Vornahme oder Unterlassung einer Amtshandlung genötigt, so finden die Vorschriften der §§ 113, 114 des Strafgesetzbuchs An­ wendung. Für ihre Tätigkeit sind sic befugt, Gebühren zu verlangen, die sich innerhalb der durch das Gesetz vom 4. Dezember 181)9 iGesetz­ blatt S. 222)-) gezogenen Grenzen halten müssen. Ei» Notar, der ununterbrochen 20 Jahre hindurch sein Amt aus­ geübt hat, kann zum Ehrennotar ernannt werden. Die Ehrennotare haben das Recht, den Generalversammlungen mit beratender Stimme beizuwohnen.*3)4* (). Unterläßt ein Notar, der infolge körperlicher und geistiger Ge­ brechen zur Erfüllung seiner Amtspflichten dauernd unfähig ist, seine Entlassung zu beantragen, so hat der Oberstaatsanwalt nach Anhörung der Notariatskanimer ihn aufzufordern, binnen einer bestimmten Frist den Antrag zu stellen. Wird dieser Aufforderung nicht Folge geleistet, so hat das Plenum des Oberlandesgerichts nach Anhörung des Ober­ staatsanwalts und des Notars die Dienstentlassung auszusprechen.') Im Fall der Erledigung eines Notariats wird die vorläufige Verwahrung der Urkunden und Dienstbücher (Archiv) bis zur Wieder­ besetzung oder Aufhebung der Stelle auf Antrag des Ersten Staats­ anwalts durch den Landgerichtspräsidenten angeordnet, sofern nicht das Ministerium zur Verwaltung der Stelle bis zu deren Wiederbesetzung oder Aufhebung einen Amtsverweser3) bestellt. Das zu der erledigten *) Gesetz vom 13. November 1899 (G.Bl. 1905 S. 3) §§ 13ff. *) Das Gesetz ist in der nach dem Gesetze vom 13. Februar 1905 sich ergebenden Fassung im Gesetzblatt 1905 S. 3 publiziert. 3) Verordnung vom 4. Januar 1843 Art. 29. 4) Gesetz vom 8. Juni 1892 (G.Bl. S. 52) § 11. *) Die Fähigkeit zum Amtsverweser ernannt zu werden, sowie dessen Rechte und Pflichten bestimmen sich nach § 2 Abs. 1 und § 6 des Gesetzes vom 8. Juni 1892 (G.Bl. S. 52). Für die von dem Amtsverweser wahrgenommenen Verrichtungen stehen ihm die Gebühren nach Maßgabe der Gebührenordnung für Notare zu.

222

5. Kapitel. Die Organisation des Reichslandes. 5. Abschnitt: Die Landesbehörden und Landesbeamtcn.

Stelle gehörige Archiv geht von Rechts wegen auf den Nachfolger über; wird die Stelle aufgehoben, fo bestimmt das Ministerium das Notariat, welchem das Archiv zu übergeben ist.1) Nach Beendigung des Dienstverhältniffes haben die Notare An­ spruch auf Rückgabe der Kaution. Der Rückgabe hat eine öffentliche Bekanntmachung vorauszugehen, die auf Betreiben der Beteiligten wäh­ rend drei Monaten am zuständigen Landgericht angeheftet und binnen derselben Frist ein- bis dreimal in einer zu öffentlichen Bekanntmachungen bestimmten Zeitung nach Anordnung des Ersten Staatsanwalts einge­ rückt wirb.2) B. Gerichtsvollzieher. 1. Die Ernennung der Gerichtsvollzieher und die Bestimmung ihres Wohnsitzes erfolgt durch das Ministerium?) Fiir jeden Amtsgerichtsbczirk wird mindestens ein Gerichtsvollzieher ernannt. Er hat feinen Amtssitz, sofern das Ministerium nicht anders bestimmt, am Sitz des betreffenden Gerichts. ') Zum Gerichtsvollzieher kann ernannt werden?) wer das 21. Lebens­ jahr vollendet, feiner Militärpflicht genügt und eine Prüfung bestanden hat. Der Prüfung muß eine Vorbereitungszeit von mindestens zwei Jahren vorangehen; Militärainvärter könne» bereits nach einjähriger Vorbereitungszeit die Prüfung ablegen. Zur Vorbereitung ist nur zu­ zulassen, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat. Die Prüfung ist eine schriftliche und mündliche; sie erfolgt durch eine Kommission, deren Vor­ sitzender und Mitglieder auf die Dauer von drei Jahren durch das Ministerium ernannt werden. Denjenigen, die die erste Prüfung für den höheren Justizdienst bestanden haben, kann nach einjähriger praktischer Beschäftigung bei einem Gericht vom Ministerium das Zeugnis der Be­ fähigung für das Gerichtsschreiberamt erteilt werden. In der Befähigung zu diesem ist auch zugleich die Befähigung für das Gerichtsvollzieheramt enthalten. Die zur Anstellung befähigten Kandidaten haben sich vorfchriftsgemäß zu ihrer Fortbildung bis zur Anstellung weiter zu beschäftigen. *) § 9 Gesetz vom 26. Dezember 1873 in der Fassung des Gesetzes vom 13. Februar 1905 (@.931. S. 3) Art. 1. Allgemeine Verfügung vom 28. Februar 1905. *) Gesetz vom 15. Oktober 1873 § 14. 8) Gesetz vom 30. Juli 1880 (G Bl. S. 128). 4) Gerichtsvollzieherordnung vom 24. Mai 1902 (A.Bl. S. 169) § 3. 6) Regulativ betr. die Erfordernisse zur Anstellung als Gerichtsschreiber und Gerichtsvollzieher in Elsaß-Lothringen vom 12. April 1898 (@.931. S. 41). Min -Berf. vom 15. April 1898 betr. die Erfordernisse zur Anstellung als Gerichts­ schreiber und Gerichtsvollzieher (A.Bl. S. 129).

42.

223

Die Rechtsverhältnisse der Beamten »ach französischem Recht.

Kandidaten, welche nicht innerhalb drei Monaten nach Ausstellung des Befähigungszeugnisses sich einer den bestehenden Vorschriften entsprechenden Beschäftigung widmen oder nach Beendigung eines solchen Dienstverhält­ nisses länger als drei Monate ohne die vorgeschriebene Beschäftigung bleiben, sind von der Kandidatenliste zu streichen.

Die Wiederaufnahme

in die Liste bleibt dem Ministerium vorbehalten. Vor ihren» Amtsantritt haben sie den Diensteid der Staatsbeamten in öffentlicher Sitzung des Amtsgerichts zu leisten') und eine Kaution in Höhe von 600 Mark zu hinterlegen. ?) 2. Die örtliche Zuständigkeit der Gerichtsvollzieher umfaßt den Landgerichtsbezirk, zu dem das Aintsgericht,

bei dem sie ernannt sind,

gehört?» Sic dürfen innerhalb ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit keinen erhaltenen Auftrag ablehnen ausgcnoinmcn die gleich zu erwähnenden Fälle. Bei ihrer amtlichen Tätigkeit habe» sic den vom Ministeriuin erlassenen Vorschriften Folge zu leiste». '» Die Dienstaufsicht über die Gerichtsvollzieher führen der Amts­ richter, der Präsident und Erste Staatsanwalt des örtlich zuständigen Landgerichts, der Präsident des Oberlandesgcrichts und der Oberstaatsamvalt und das Ministerium?) 3. Der Gerichtsvollzieher ist verpflichtet, das ihm übertragene Amt den Gesetzen entsprechend gewissenhaft »vahrzunehinen?') Er verletzt seilte Pflicht, »venu er im einzelnen Falle die Vornahme einer ihm zuge­ wiesenen Amtshandlung venveigert oder »venn er ohne Erlaubnis seinem Amte fernbleibt.

Er darf einen Auftrag nur ablehnen, »venu er kraft

Gesetzes von der Ausübung seines Aintes ausgeschlossen ist.r) Zum Ver­ lassen seines Amtssitzes auf länger als 24 Stunden bedarf er eines

') Dekret vom 14. Juni 1813. S. 339) § 1.

Gesetz vom 20. September

1871

(G.Bl.

Verordnung des Reichskanzlers vom 14. September 1872.

*) Gesetz vom 15. Oktober 1873 (G.Bl. S. 273) §§ 1, 2. Verordnung vom 22. November 1873 (G.Bl. S. 292)

§ 2 Ziffer VII.

*) Dekret vom 14. Juni 1813 Art. 24—36. 4) Vorschriften über die Geschäftsführung und die Dienstregister der Ge­ richtsvollzieher vom 20. Mai 1902 (Sammlung 1902 S. 151) und Gerichtsvollzieherordnung vom 24. Mai 1902 (2t.öl. S. 169). 6) Gesetz vom 20. April 1902 (G.Bl. S. 35) § 1. *) § 3 Abs. 1 ebenda. ’) Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher § 18; Gerichtsverfassungsgesetz § 156.

Ausführungsgesetz zu diesem § 31. — Ans Zustellungen von Amts wegen

und a»»f die in §§ 138,144 Gerichtskostengesetz bezeichneten Angelegenheiten finden die Bestinimungen keine Anwendung.

224

~).

f>. Lkapitel. Die Crganitation des Reichslcmdes. Abschnitt: Die ^andesbetiörden und Vnnbcö&eamten.

Urlaubs. Der Urlaub wird erteilt bis zu einer Woche von dem Amts­ richter, bis zu vier Wochen von dem Landgerichtspräsidenten und dem Ersten Staatsanwalt, über vier Wochen von dem Ministerium.') Für die Zeit seines Urlaubs kann sich der Gerichtsvollzieher aus der Zahl derjenigen, die die

Befähigung zum

Amt

eines Gerichtsvollziehers besitzen,

mit

ministerieller Genehmigung einen Amtsverweser bestellen?) Wie die dem Beamtengesetz unterstehenden Beamten sind die Gerichts­ vollzieher zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet?)

Sie müssen sich

in und außer dem Amte der A ch t u n g, die ihr Berus erfordert, würdig zeigen?) 4. Mit der Stellung eines Gerichtsvollziehers find eine ganze Reihe von Beschränkungen verknüpft. Zur Übernahme von Nebenämtern und Nebenbeschäftigungen, zum Betriebe von Gewerben und zum Eintritt in den Vorstand, Verwaltungs- oder Aussichtsrat einer auf Erwerb ge­ richteten Gesellschaft oder Genossenschaft ist die Genehmigung des Mini­ steriums notwendig. Die Genehmigung kann jederzeit widerrufen werden.") Verschiedene Rechtsgeschäfte darf er nicht vornehmen.

So ist ihm ver­

boten, Gegenstände, die er versteigern soll, zu kaufen oder

kaufen zu

lassen u. a. m?) 5. Ob die Pflichtverletzung eines Gerichtsvollziehers eine straf­ bare Handlung ist, bestimmt sich nach de» Vorschriften des Strafgesetzbuchs. Beamte im Sinne des Strafgesetzbuchs sind sie nicht.

Bei den privat­

rechtlichen Folgen sind dieselben Unterscheidungen wie bei den Notaren zu machen toben Seite 219).

Hiernach kann der Staat von einem

Gerichtsvollzieher nur dann Ersatz verlangen, wenn die Verrichtung, in deren Ausübung der Schaden verursacht worden ist, durch das Gericht übertragen wurde?)

In allen übrigen Fällen sind zwischen Staat und

Gerichtsvollzieher keine Rechtsbeziehungcn vorhanden, die privatrechtliche Wirkungen äußern können. Die disziplinarischen Strafen bestehen in Ordnungsstrafen und ') Auf die Urlaubserteilung finden im übrigen die §§ 1,3, 4,7 der Kaiser­ lichen Verordnung vom 26. April 1875 Anwendung. Gerichtsvollzieherordnung §21. *) Über die Rechte und Pflichten des Anusverwesers § 22 der Gerichts­ vollzieherordnung. 3) §§ 11, 12 Beamtengesetz.

Gerichtsvollzieherordnung § 16.

)

muß durch Kaiserliche vom Statthalter zu vollziehende Verordnung zum Bürgermeister oder Beigeordneten ernannt werden.

Wird die Ernennung

verweigert, so kann der Gemeinderat zu einer zweiten Wahl schreiten. Wird diesem zweiten Vorschlag wiederum nicht stattgegeben oder schlägt der Gemeinderat von neuem die durch die erste Wahl bezeichnete Person vor oder hat es der Gemeinderat abgelehnt, überhaupt einen Vorschlag — sei es von vornherein, sei es nachdem der zuerst Vorgeschlagene nicht *) § 10 Gemeindeordnung. *) Der Gemeinderat ist befugt, zunächst die öffentliche Ausschreibung der Stelle zu beschließen. geordneten zu erlassen.

Die Ausschreibung ist von dem Bürgermeister oder Bei­ Halley

45 Nr. 3.

’) Ausf.-Best. zu § 10 Gemeindeordnung. 4) § 50 Abs. 3 Gemeindeordnung. •) Dem Bericht, in dem die Ernennung beantragt wird, sind die beglaubigte Abschrift der Wahlhandlung, die Bescheinigung des Bürgermeisters über die recht­ zeitige Berufung des Gemeinderats und über die Anzahl der im Amt befindlichen Gemeinderatsmitglieder beizufügen.

268

7. Kapitel.

Die Kommunalverbände.

1. Abschnitt: Die Gemeinden.

ernannt wurde — zu machen, so kann das Ministerium die einstweilige Verwaltung der Stelle durch einen von ihm zu ernennenden Verwalter anordnend)

Der einstweilige Verwalter, bet ausnahmslos die Rechte

und Pflichten eines Bürgermeisters oder Beigeordneten hat, wird längstens auf ein Jahr ernannt und kann je auf ein Jahr von neuem ernannt werden; sein Amt endigt jedenfalls, wenn auf Vorschlag des Gemeinde­ rats, der jederzeit gemacht werden kann, ein Bürgermeister oder Beige­ ordneter ernannt roirb.*2)3 4 In den kleinen Gemeinden ^) werden Bürgermeister und Beigeordnete durch den Bezirkspräsidenten aus der Zahl der Gemeinderatsmitglieder ernannt.

Dadurch, daß die Ernennung grundsätzlich aus der Mitte des

Gemeinderats zu erfolgen hat, ist der

Gemeinde wenn auch nur eine

mittelbare Mitwirkung bei der Bekleidung dieser Stellen eingeräumt. Weist der Gemeinderat keine geeigneten Persönlichkeiten auf, so kann die Er­ nennung sich auf Personen erstrecken, die nicht zuni Gemeinderat gehören; in der Regel sollen sie dann der Zahl der wahlberechtigten Gemeinde­ einwohner entnommen werden. die Ernennung.

In diesem Fall vollzieht das Ministerium

Die Einrichtung einer einstweiligen Verwaltung ist nicht

zugelassen. Das einzige Erfordernis, an das die Gemeindeordnung die Be­ fähigung zum Bürgermeister oder Beigeordneten knüpft, ist die Vollendung des 25. Lebensjahres;t) hinzu kommt das Erfordernis für die Bekleidung jedes öffentlichen Amtes: der Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte?) Weitere Schranken sind ihrer Ernennung von dem geltenden Recht nicht mehr errichtet.

Sie müssen weder in die Wählerliste noch in die Rolle einer

der direkten Steuern für die Gemeinde eingetragen sein/) oder in der betreffenden Gemeinde ihren Wohnsitz haben, noch müffen sie die deutsche ') Das Gesetz vom 24. Februar 1872 ;G.Bl.S.147) unterscheidet sich sehr er­ heblich von § 10 Abs. 1 der Gemcindeordnung. Nach ihm konnte der Bezirkspräsident die erledigte Stelle eines Bürgermeisters (Beigeordneten) durch einen außer­ ordentlichen Kommissar verwalten lassen, wenn ein zur Ausübung geeignetes und bereites Mitglied des Muntzipalrates nicht vorhanden ist, ohne zuvor den Vor­ schlag des Gemeinderats eingeholt zu haben.

Nach der Gemeindeordnung müssen

die Verwalter außerdem von Jahr zu Jahr ernannt oder bestätigt werden und der Gemeinderat ist befugt, jederzeit einen neuen Vorschlag zu machen. *) § 10 Gemeindeordnung. 3) § 11 ebenda. 4) § 12 Gemeindeordnung. 6) Eine Ernnennung, die gegen diese Bedingungen verstoßen würde, ist ohne weiteres rechtsungültig. «) So Art. 1 u. 2 Gesetz vom 22. Juli 1870.

§ 50.. Gemeindevorsmnd.

269

Staatsangehörigkeit besitzen. Durch die Anstellung im Kommunaldienst erwerben sie die elsaß-lothringische Landesangehörigkeit. *) Die Mitglied­ schaft im Gemeinderat spielt nur bei der Ernennung von Bürgermeistern kleiner Gemeinden eine Rollet) Eine indirekte Beschränkung der Ernennung von Bürgermeistern (Beigeordneten) ist aber dadurch gegeben, daß die Bekleidung einer ganzen Reihe von Stellen gleichzeitig mit der Stelle als Bürgermeister') oder Beigeordneter als unvereinbar gilt. (Jnkompatibilität.) Erfolgt trotzdem die Ernennung, so ist sie nicht rechtsunwirksam, sondern ihre Wirksamkeit ist davon abhängig, daß zuvor das Hindernis durch Niederlegung des Amtes beseitigt wirb.*4) *Bürgermeister * und Beigeordnete können nicht sein:5) a) Beamte und Mitglieder der Gemeindeaufsichtsbehörden; b) die für die Gemeinde bestellten Gemeindebeamten ohne Unter­ schied, ob sie besoldet oder unbesoldet sind; c) die Mitglieder der ordentlichen Gerichte und der Staatsanwalt­ schaft mit Ausnahme der Handelsrichter und Ergänzungsrichter; d) die Beamten der Forstverwaltung und die Rentmeister; e) die Beamten der Reichseisenbahnverwaltung; f) die im Amte befindlichen Rcligionsdiener und die Lehrer an öffentlichen Elementarschulen; g) die Polizeibeamten und die Gendarmen. Ferner können Vater und Sohn, Schwiegervater und Schwieger­ sohn, Brüder nicht zugleich Bürgermeister und Beigeordnete sein. Ent­ steht die Schwägerschaft6) im Laufe der Amtszeit, so scheidet beim Mangel einer gütlichen Einigung dasjenige Mitglied aus, durch welches das Hinder­ nis herbeigeführt worden ist. Endlich kann niemand gleichzeitig Bürger­ meister oder Beigeordneter in mehreren Gemeinden sein. ') Gesetz vom 1. Juni 1870 § 9. *) Wird also in einer kleinen Gemeinde ein Gemeinderatsmitglied zum Bürgermeister ernannt, so bleibt der Bürgermeister int Amt, wenn er auch nach einer in seine Amtszeit fallenden Auflösung des Gemeinderats in ihn nicht wiedergewählt wird. Leoni-Mandel S. 57 Anm. 7. a) Nicht mit der Stelle als Bürgermeistereiverwalter. 4) Derselben Ansicht Leoni-Mandel S. 57 Anm. 2. 5) § 12 Gemcindeordnung. Details siehe bei Bruck S. 65ff. Nach dem früheren Recht (Art. 5 Gesetz vom 5. Mai 1855) bestand eine noch größere Anzahl von Ausschließungsgründen. •) Die Schwägerschaft dauert fort auch wenn die Ehe, durch die sie be­ gründet wurde, durch Tod. Scheidung oder gemäß § 1348 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch aufgelöst ist. § 1590 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch. War die Ehe nichtig, so hört die Schwägerschaft auf. § 1343 Bürgerliches Gesetzbuch.

270

7. Kapitel. Die Kommunalverbände. 1. Abschnitt: Die Gemeinden.

Die Ernennung der unbesoldeten Bürgermeister und Beigeordneten erfolgt längstens auf sechs Jahre; erhalten sie Besoldung, so können sie auch für eine längere Dauer ernannt werden?) Ihre Amtszeit läuft mit der Amtszeit der Gemeinderäte ab, wenn nicht von der ernennenden Behörde bei der Ernennung oder nachträglich eine Abweichung bestimmt wird?) Um eine Unterbrechung in der Verwaltung der Gemeindeange­ legenheiten tunlichst auszuschließen, müssen die Bürgermeister und Bei­ geordneten ihr Anlt nach Ablauf der Amtszeit bis zuin Dienstantritt ihrer Nachfolger fortführen?) Die Übernahme des Amtes als Bürgermeister ist abhängig von der Leistung des Diensteides, sofern der Bürgermeister nicht bereits als Be­ amter oder Mitglied einer politischen Körperschaft vereidigt ist.*4)**Der б* Eid, der durch die Gemeindeaufsichtsbehörde") abgenommen wird, lautet: „Ich schwöre Gehorsain der Verfassung und Treue dem Kaiser"?) Die rechtlichen Wirkungen des Dienstverhältnisses sind ähnliche wie für jeden Beamten. Die Pflichten des Bürgermeisters sind dreifacher Art: er ist ver­ pflichtet zur Amtsführung, zur Treue und zum Gehorsam, zum achtungs­ würdigen Verhalten. а) Die Pflicht zur Erfüllung der ihm übertragenen Funktionen ergibt sich. insofern dem Bürgermeister Geschäfte der allgemeinen Landes­ verwaltung, der Bezirks- und Kreisverwaltung anvertraut sind, aus der Bestimmung des § 16 der Gemeindeordnung, nach der ihm obliegt, „die durch Gesetz und Verordnungen, sowie durch Verfügungen der Aufsichts­ behörde ihm überwiesenen Geschäfte" zu besorgen; aber auch die eigent­ lichen Gemeindeangelegenheiten muß er gewissenhaft erledigen, andernfalls die Gemeindeaufsichtsbehörde befugt ist, die Amtshandlung selbst vorzu') § 15 Abs. 1 und 2 Gemeindeordnung. *) Ausf.-Best. zu § 15. s) § 15 Abs. 3 Gemeindeordnung. 4) Auch die einstweiligen Verwalter sind unter denselben Voraussetzungen zu vereidigen. б) Der Bezirkspräsident kann den Kreisdtrektor mit der Vorname der Vereidigung beauftragen. Ausf.-Best. zu § 13 Gemeindeordnung. 4) § 13 Gemeindeordnung. Die Vereidigung erfolgt gebührenfrei. Über die Vereidigung braucht eine besondere Urkunde nicht aufgenommen zu werden; es genügt ein Vermerk in den Akten. Ausf.-Best. zu § 13. Die Eidesformel ist gleichlautend mit der des Senatsbeschlusses vom 25. Dezember 1852 (Bulletin des lois S6rie IX Nr. 28) Art. 16, nach der alle öffentlichen Beamten vereidigt würden. Gesetz vom 14./22. Januar 1852 Art. 14 (Bulletin des lois Serie X Nr. 3552).

§ 50.

271

Gemeindevorstand.

nehmen oder durch einen Beauftragten vornehmen zu lassen.')

Ist zwar

die Pflicht zur Amtsführung gesetzlich ausgesprochen, so ist merkwürdiger­ weise ihrer Verletzung durch Verlassen des Amtes nirgends mit einem Worte gedacht.

Die Bürgermeister und Beigeordneten können auf Urlaub

gehen, ohne zuvor um seine Bewilligung nachgesucht zu habend) b) Die Pflicht zur Treue und zum Gehorsam wird dem Bürger­ meister (Beigeordneten) durch den Eid, den er zu leisten hat, ausdrücklich ins Gedächtnis gerufen.

Bei den Geschäften der Staatsverwaltung, deren

Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich oder vorgeschrieben ist, und bei

den der Gemeindeverwaltung, bei welchen die Verschwiegenheit ihm

besonders auferlegt ist, hat er Stillschweigen zu beobachten.

In demselben

Umfange ist auch seine gerichtliche Vernehmung als Zeuge oder Sachver­ ständiger nur mit Genehmigung des Kreisdirektors oder Bezirkspräsidenten zulässig.")

Die Pflicht zum Gehorsam ist für den Bürgermeister als

Organ der Staatsgewalt ohne weiteres tote für jeden Beamten, der staat­ liche Geschäfte ausführt, gegeben; aber auch der Gemeinderat hat insofern Gehorsam von ihm zu beanspruchen, als er verpflichtet ist, die Gemeinde­ ratsbeschlüsse zur Ausführung zu bringen, die Gemeinde in der Weise zu verwalten, die ihm von dem Gemeinderat vorgeschrieben ist. e) Der Bürgermeister (Beigeordnete) muß ein achtungswürdiges Verhalten in und außer dem Amte beobachten. ist seine Doppelstellung ohne Bedeutung. trennen,

Für diese Verpflichtung

Es läßt sich naturgemäß nicht

ob er als Organ der Gemeinde oder als Organ der Staats­

verwaltung ein unmoralisches Betragen zur Schau trägt. Die Beschränkungen,

die

dem Bürgermeister (Beigeordneten)

obliegen, bestehen in dem Verbot, Geschenke*4)* 3oder Belohnungen in bezug auf sein Amt

ohne Genehmigung der Gemeindeaufsichtsbehörde anzu­

nehmen; ferner dürfen die besoldeten Bürgermeister und Beigeordneten kein

keine Nebenbeschäftigung,

mit welcher eine fort­

laufende Vergütung verbunden ist, übernehmen,

ein Gewerbe betreiben,

in

Nebenamt

den

oder

Vorstand,

Verwaltungs-

oder Aufsichtsrat einer auf Erwerb

') § 72 Abs. 2 Gemeindeordnung. *) Derselben Ansicht Halley S. 81 Bemerkung 4. Es wird der Stellung des Bürgermeisters zum Gemeiriderat entsprechen, wenn er ihm vor Verlassen des Amtes eine Mitteilung macht. 3) 88 376, 383 Nr. 5, 408 Abs. 2 Zivilprozeßordnung §§ 53, 76 Abs. 2 Strafprozeßordnung; §§ 189, 212 Abs. 2 Militärstrafgerichtsordnung. 4) Zur Annahme von Ehrengeschenken, die nicht in Geld oder Geldeswert bestehen (Orden, Adressen usw.), bedürfen sie keiner Genehmigung. bericht S. 548.

Kommisstons­

272

7. Kapitel.

Die Kommunalverbände.

1. Abschnitt: Die Gemeinden.

gerichteten Gesellschaft eintreten, ohne die Genehmigung der Gemeinde­ aufsichtsbehörde zu haben.') Die Rechte des Bürgermeisters (Beigeordneten) äußern sich a) unter allen Umständen in dem Anspruch auf Ersatz der durch die

Verwaltung verursachten sächlichen Ausgaben,

wie beispielsweise

sämtlicher Bureaubedürfnisse, Kosten auswärts vorzunehmender Dienst­ geschäfte u. a. m.;*2) für die Gemeinden sind

die

Ausgaben Pflicht­

ausgaben. 3)4 * b) in dem

Anspruch

auf

Lebensunterhalt.

Prinzipiell sind

Bürgermeister (Beigeordnete) Ehrenbeamte;') von dem Grundsatz können jedoch die Gemeinden abweichen und die Stellen mit einer angemessenen Besoldung ausstatten.^)

Hält die Regierung die Besoldung gegen die

Ansicht des Gemeinderats für notwendig, so kann sie aus diesem Grunde die Ernennung versagen. Gemeinderats über

Bei der Verhandlung und Beschürßfassung des

die Ausstattung der Stellen mit einer Besoldung

haben in den kleinen Gemeinden

die Höchstbesteuerten

mitzuwirken; 6)*

der die Erhöhung der Dienstbezüge aussprechende Gemeinderatsbeschluß erfordert die Genehmigung des Bezirkspräsidenten.')

Hält das Mini­

sterium es den Umständen nach für angemessen, daß in kleinen Ge­ meinden mit mindestens 2000 Einwohnern die Bürgermeister (nicht auch die Beigeordneten) eine Besoldung erhalten, so bestimmt es sie nach Anhörung des Gemeinderats; die gleiche Befugnis hat das Ministerium bei Ernennung des Bürgermeistereiverwalters. 8)

Die festgesetzten und

bewilligten Dienstbezüge gehören zu den Pflichtausgaben der Gemeinden.9) Fernerhin ist der Gemeinderat befugt, dem Bürgermeister (Beigeordneten) auch nach Beendigung seines Dienstverhältnisses ein Ruhegehalt zu ge­ währen. 10) *) § 22 Gemeindeordnung. *) § 14 Abs. 2 Gemeindeordnung.

Bruck S. 73 Beni. 7 und 8.

s) § 65 Nr. 3 ebenda. 4) So auch Art. 1 Gesetz vom 5. Mai 1855; Gesetz vom 4. Juli 1887 (G.Bl. S. 67). •) § 14 Abs. 2 Gemeindeordnung. Das Recht auf Besoldung beginnt mit dem Amtsantritt oder dem in der Anstellungsurkunde angegebenen Zeitpunkt. •) § 44 Gemeindeordnung. ’) § 75 Abs. 1 Nr. 8 ebenda- auch in kleinen Gemeinden ist die Genehmi­ gung des Beztrkspräfidenten, nicht die des Kreisdirektors notwendig. •) § 14 Abs. 3 und 4 Gemeindeordnung. ®) § 65 Nr. 1 ebenda. Über die besonderen Rechtssätze, die für die Besoldung in Betracht kommen, vgl. Bruck S. 72 Bem. 3 und 4. 10) § 56 Nr. 9 („Freigebigkeitshandlung") Gemeindeordnung.

§ 50.

273

Gemeindevorstand/

c) in dem Anspruch auf Tragen besonderer Dienstzeichen, die für den Bürgermeister und Beigeordneten in einer Schärpe in den Landesfarben (schwarz, weiß, rot) bestehen, *) und zwar die Bürgermeister mit goldenen, die Beigeordneten mit silbernen Fransen. d) in dem Anspruch auf Schutz, der ihm in demselben Umfange wie den Gemeindebeamten (S. 264 ff.) gewährt wird.

Der Kreisdirektor *2)

oder der Bezirkspräsident hat das Recht, Strafantrag wegen Beleidigung zu stellen. Die straf- und privatrechtlichen Folgen einer Pflichtverletzung sind die gleichen wie bei den Gemeindebeamten (oben S. 262 ff.).3)4 Die *67 disziplinarischen Folgen äußern sich nur in Dienstenthebung und Dienst­ entlassung;^) Ordnungsstrafen (Warnung, Verweis, Geldstrafen) können über den Bürgermeister (Beigeordneten) nicht verhängt werden.

Dagegen

sind Ermahnungen, Zurechtweisungen, Rügen, die die Gemeindeaufsichts­ behörde auf Grund der ihr zustehenden Aufsichtsgewalt ausspricht, zu­ lässig. b)

Die Dienstenthebung erfolgt in allen Fällen

durch den

Bezirkspräsidenten; während der Dienstenthebung wird besoldeten Bürger­ meistern (Beigeordneten) die Hälfte ihres Diensteinkommens innebehalten. Folgt der Dienstenthebung nicht die Dienstentlassung, so ist der inne­ behaltene Teil des Diensteinkommens nachzuzahlen.°)

Die Dienstent­

lassung der Bürgermeister (Beigeordneten) in großen Gemeinden wird durch Kaiserliche vom Statthalter zu vollziehende Verordnung, in kleinen Gemeinden durch die Ernennungsbehörde mtsgesprochcn.')

In welchen

■) Ausf.-Best. zu § 13 Gemeindcordnung. *) Zeitschrift 33b. 28, S. 606 (O.L.G. Colmar vom 7. Juni 1902). 3) Ob mau beit Bürgermeister als Gemeiiibebeamtcn ober nur als Landesbeamten auffaßt, ist für bte Frage bet Haftpflicht bet Gemeinbe auf Grunb bes § 10 Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch belanglos, ba er im Umkreis bet §§ 17ff. bet Gemeindeordnung immer für die Gemeinbe handelt. Kisch S. 347. 4) § 23 Gemeinbcorbnung.

Die Dienstenthebung und Dienstentlassung

können nicht nur bei Pflichtverletzungen, sondern stets nach betn Ermessen der zuständigen Behörde ausgesprochen werden. 6) Derselben Ansicht Halley S. 87. — Dem Bürgermeister steht gegen­ über dem Beigeordneten keinerlei Disziplinargewalt zu; die Bestrafung der Beigeordneten kann der Bürgermeister durch entsprechende Antragsstellung bei der Aufsichtsbehörde herbeiführen. ®) § 23 Abs. 2 Gemeinbeorbnung. 7) § 23 Abs. 1 Gemeinbeorbnung. Die Ernennungsbehörde ist der BezirksPräsident, wenn der Bürgermeister (Beigeordnete) aus der Zahl der Gemeinderatsmitglieder ernannt wirb, andernfalls das Ministerium § 11 ebenda. Bruck, Verfassung»- u. BerwaltimgSrecht ». Elsab-Loihr. L

18

274

7. Kapitel.

Die Kommunalverbände.

1. Abschnitt: Die Gemeinden.

Formen sich das „Disziplinarverfahren" abzuspielen hat, ist nicht vor­ geschrieben; namentlich ist dem Bürgermeister (Beigeordneten) nicht das Recht verliehen,

vor

der Verhängung

der

Strafe

gehört

werden

zu

müssen, fernerhin kann die Verfügung, die die Strafe ausspricht, mit oder ohne Gründe, Nur eine

schriftlich ausgefertigt oder zu Protokoll erklärt werden.

formelle Beschwerde steht dem Bürgermeister (Beigeordneten)

gegen die Strafverfügung zu. Die Aufhebung des Dienstverhältnisses erfolgt abgesehen von der Dienstentlassung freiwillig oder kraft Gesetzes.') Freiwillig kann der Bürgermeister (Beigeordnete) jederzeit sein Amt niederlegen; die Niedcrlegung wird mit Annahme des Entlassungsgesnchs durch die Aufsichtsbehörde wirksam. ?) Kraft Gesetzes endigt sein Amt unter denselben Voraussetzungen wie das der Gemeindebeamten. II. Die Zuständigkeit.**) Wie bereits des öfteren angedeutet, bekleidet der Bürgermeister eine Doppelstellung: er ist Organ der Gemeinde als Selbstverwaltungskörper und er ist Organ der allgemeinen Landesvcrwaltung?) Beide Stellen weisen ihm nicht nur zwei wesentlich von einander verschiedene Kreise von Funk­ tionen zu, sondern er ist auch in beiden Stellungen nicht gleichmäßig selb­ ständig.

Als Organ der Landesverwaltung ist der Bürgermeister in allen

Gemeinden dem Kreisdirektor als unmittelbaren Vorgesetzten unterstellt,4) in Straßburg und Metz dem Bezirkspräsidenten?) Er muß dem Kreisdirektor oder Bezirkspräsidenten und den ihnen vorgesetzte» Behörden unbedingt Folge leisten.

Seine Maßnahmen können im Dienstaufsichtswege abgeändert oder

aufgehoben werden. Dem Gemeinderat gegenüber ist er für diesen Kreis von Geschäften weder verantwortlich noch kann der Gemcinderat in seine Tätigkeit ändernd oder ergänzend eingreifen.

Als Organ der Gemeinde führt

er die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten selbständig, soweit der Gemeinderat dabei nicht mitzuwirken hat.6) Allerdings ist für die wichtig­ sten Angelegenheiten dem Gemeinderat die Mitwirkung zugesichert; in ') Die einstweiligen Verwalter können jederzeit durch das Ministerium entlassen werden.

§ 23 Abs. 4 Gemetndeordnung.

*) Halley S. 59 Bemerkung 2. *) Eine alphabetische Zusammenstellung gibt Hintz. Der elsaß-lothringische Bürgermeister.

Straßburg 1896 und Nachtrag von 1897.

g) Die Doppelstellung spricht zuerst das Gesetz vom 28. Pluviöse VIII aus. *) § 16 Abs. 2 Gemeindeordnung und Ansf.-Best. zu § 16. °) § 14 Abs. 2 Gesetz vom 30. Dezember 1871. *) § 17 Gemeindeordnung.

§ 50.

275

Gemeindevorstand.

diesen Fällen muß er ausführen, was der Gemeinderat beschlossen hat, sofern er seine Zuständigkeit nicht überschreitet. aller

Für die Verwaltung

Gemeindeangelegenheiten ist der Bürgermeister

dem Gemeinderat

verantwortlich und kann von ihm zur Rechenschaft gezogen werden. In beiden Stellen dienen zur Unterstützung und Vertretung des Bürgermeisters die Beigeordneten;') die einheitliche Leitung der ge­ samten Geschäftsführung bleibt aber in der Hand des Bürgermeisters. Bürgermeister

und

Beigeordnete

bureankratische Behörde.

bilden

keine

kollegiale,

sondern

eine

Die Beigeordneten gelten von dem Bürger­

meister als „beauftragt", auch ohne daß sie in dem einzelnen Falle die Auftragserteilung nachweisen müssen. unter seiner Verantwortlichkeit. Beigeordneten

unter

Alle Geschäfte führen sie mithin

Andrerseits ist aber die Unterstellung der

den Bürgermeister keine derartige, daß sie seiner

Disziplinargewalt unterworfen wären.

Die Disziplinargewalt über sie

ruht, wie die obigen Ausführungen ergeben, bei der Stelle, von der auch die Disziplin liber die Bürgermeister gehandhabt wird. In

welcher

Weise

die Beigeordneten

den Bürgermeister

unter*

stützen, ob sie ganze Verwaltungszweige übertragen bekommen, bestimmt der Bürgermeister nach seinem Gutdünken.*2)3 * Die Übertragung gibt dem Beigeordneten niemals ein Recht auf ausschließliche Ausführung, vielmehr kann der Bürgermeister trotzdem die Angelegenheit selbst erledigen oder durch einen anderen erledigen lassen.2) Die Tätigkeit des Beigeordneten spielt sich neben dem Bürgermeister und unter seiner Leitung ab, außerdem sind die Beigeordneten dazu be­ rufen, ihn in Verhinderungsfällen zu vertreten.

Hat der Bürgermeister

seine Vertretung nicht geregelt, so erläßt die Aufsichtsbehörde die erforder­ liche Bestimmung.'') verhindert,

Sind Bürgermeister und Beigeordnete gleichzeitig

so übernimmt die Vertretung ein von ihm bezeichnetes Ge­

meinderatsmitglied. 5) ') § 9 Gemeindcordnliiig.

Für die Zahl der Beigeordneten ist bei jeder

Gemeinde bas Bedürfnis nach Maßgabe der besonderen Verhältnisse bestimmend. Für Gemeinden bis 2500 Einwohnern ist ein Beigeordneter, für Gemeinden bis 10000 Einwohnern zwei Beigeordnete und für jede weiteren 20000 Einwohner noch ein Beigeordneter zu ernennen, Ausf.-Best. zu § 9 Gemeindcordnung. *) Ausf.-Best. zu § 9 Genieinbeordnung. 3) Weigert sich der Beigeordnete ohne zulässigen Grund, das ihm über­ tragene Geschäft auszuführen, so muß der Bürgermeister auf dem Beschwerdewege seine Entlassung herbeiführen. Nelken S. 12 Slum. 4. *) Ausf.-Best. zu § 9 Gemeindeordnung. *) § 9 Gemeindcordnung.

Bei der Auswahl des Gemeinderatsmitgliedes 18*

276

7. Kapitel.

Die Kommunalverbände.

1. Abschnitt: Die Gemeinden.

Als Organ der Gemeinde leitet der Bürgermeister ihre gesamte Verwaltung; inwieweit er hierbei selbständig ist oder der Gemeinderat mitzuwirken hat, wird sich aus den späteren Darstellungen ergeben. Nach außen hin ist er der Vertreter der Gemeinde: er führt den Schriftwechsel mit den Behörden und Privatpersonen,

er vertritt die

Gemeinde als Äfägerin!) oder Beklagte 2) im ordentlichen oder im Ver­ waltungsstreitverfahren, er ist Zustellungsempfänger im Sinne des 8 171 der Zivilprozeßordnung; b) er erläßt die Einnahme- und Ausgabeanweisungen;4) er ist in dringenden Fällen auch ohne Ermächtigung des Gemeinderats befugt, Besitzklagen zu erheben, sich auf diese Klagen einzulassen, sowie jede Rechtshandlung vorzunehmen, die notwendig ist, um die Rechte der Gemeinde zu wahren oder die aus dem Ablauf von Fristen entstehenden Nachteile 311 vermeiden; jedoch muß er hiervon dem Gemeinderat in dessen nächster Sitzung Kenntnis

gebend)

Der Bürgermeister

kleiner

Gemeinden kann auf Grund eines Gemeinderatsbeschlusses die der Ge­ meinde gemachten Schenkungen und letztwilligen Verfügungen, sofern sie sind die Vorschriften des § 12 zu beobachten,' die dort angeführten Jnkomptabilitäten gelten auch für den Vertreter des Bürgermeisters.

Bruck S. 58.

*) Die Gemeinde kann als Klägerin vor den ordentliche!! Gerichten, zu denen auch die Rheinschtffahrts- und die Gewerbegerlchte gehören, nur auftreten, wenn der die Erhebung der Klage aussprechende Gemeinderatsbeschtuß vom Bezirkspräsidenten genehmigt wird § 56 Nr. 15, § 75

Abs. 1 Nr. 6 Gemeinde­

ordnung. Die Genehmigung gilt für alle Instanzen. Zeitschrift Bd. 26 S. 197. Juristische Wochenschrift 1900 S. 770 Nr. 58.

Bei dringenden Besitzklagen

gilt die Ausnahmebestimmung des § 19 Gemetndeordnung. *) Eine gerichtliche Klage kann gegen eine Gemeinde nicht erhoben werden, ohne daß zuvor dem Bezirkspräsidenten eine Denkschrift eingereicht

ist, die die

Gründe der Klage auseinandersetzt (Zeitschrift Bd. 11 S. 376); dem Kläger wird eine Empfangsbescheinigung ausgehändigt.

Der Bezirkspräsident übersendet die

Denkschrift dem Bürgermeister, der unverzüglich die Beschlußfassung des Gemeinde­ rates herbeizuführen hat (§ 56 Abs. 2 Nr. 15). Über die prozessuale Bedeutung der Denkschrift vgl. Bruck S. 245 Bem. 35.

Ausnahmen gelten für die Ein­

lassung auf dringende Besitzklagen (§ 75 Abs. 1 Nr. 6), auf Klagen, durch die Einsprüche gegen Forderungen der Gemeinde, die dem Rechtswege unterliegen, geltend gemacht werden (§ 69), sowie für das Verfahren vor den Verwaltungsgertchten. — Über die gerichtliche Zwangsvollstreckung in das Gemeindevernlögen vgl. 8 77 Gemeindeordnung und Bruck, Bemerkungen zu biefein Paragraph. s) Bei einem Prozeß zwischen Gemeinde und Gemeinde durch einen Beigeordneten vertreten.

Bürgermeister wird die

So auch Ne lken S. 32 Anm. 3.

4) § 17 Abs. 2 Gemeindeordnung; soweit seine eigene Person in Betracht kommt, erfolgt die Anweisung durch einen Beigeordneten. S. 108. 6) § 19 Abs. 1 Gemeindeordnung.

Bull. d. l’Int. 1859

§ 50.

277

Gemeindevorstand.

über 5000 Mark sind und sich an sie für die Gemeinde Auflagen, Lasten oder Bedingungen knüpfen/) zur Wahrung ihrer Rechte vorläufig ohne Genehmigung der Aufsichtsbehörde annehmen: die später erfolgende Ge­ nehmigung wirkt auf den Tag der Annahme durch den Bürgermeister zurück.3)

Er schließt auf Grund von Gemeinderatsbeschlüssen alle Ver­

träge für die Gemeinde ab.3) — Zu den öffentlichen Versteigerungen der Gemeinde hat der Bürgermeister zwei Gemeinderatsmitglieder zuzu­ ziehen und den Gemeinderechner zu benachrichtigen, falls er dessen An­ wesenheit nicht anordnet.4) Einwendungen, welche die dem Zuschlag vor­ ausgehenden Verhandlungen oder-den Zuschlag betreffen, sind spätestens am Tage der Erteilung des Zuschlages bei dem Bürgermeister einzu­ reichen oder zu Protokoll zu erklären.

Die Entscheidung über die Ein­

wendungen erfolgt nach Stimmenmehrheit durch den Bürgermeister und die beiden Gemeinderatsmitglicder; gegen ihre Entscheidung ist Beschwerde binnen drei Tagen an den Gemeinderat zulässig. Über die Beschwerde entscheidet endgültig3) der Gemeinderat.3) Der Bürgermeister ist allein berechtigt, den Gemeind erat zu den Sitzungen einzuberufen, so oft es die Geschäftslage erfordert;') er be­ reitet

die

hebungen

Beschlüsse des vor.8)

Er

Ordnung in den

Gemeinderats

eröffnet,

schließt

Versammlungen.

Bei

durch Berichterstattung, die

Sitzungen,

handhabt

Er­ die

Stimmengleichheit gibt seine

') Artikel 86 Einführungsgesetz jnm Bürgerlichen Gesetzbuch. *) 8 19 Abs. 2 Gemeindcordnung. Die vorläufige Annahnie ermächtigt bereits zur Erhebung der Klage auf Überlieferung der geschenkten Gegenstände. Zeitschrift Bd. 21 S. 87. 3) Die

Vergebung von Arbeite» und Lieferungen erfolgt nach Maßgabe

der von benl Ministerium erlassenen allgemeinen Bedingungen § 17 Abs. 3 Genlclndcordnnng und Ausf.-Best. hierzu. 4) § 21 Abs. 1 Gemeindeordnung. Durch die Geschäftsordnung kan» bestimmt werben, in welcher Weise die Bezeichnung der zu den Versteigerungen zuzu­ ziehenden Gemeinderatsmitglicder zu erfolgen hat. Ausf.-Best. zu 8 21. •) Über die Fälle, in denen die Aufsichtsbehörde auf Grund des § 72 Abs. 3 Gemcindeordnung die Möglichkeit hat, die Entscheidung aufzuheben, vgl. Bruck S. 111. •) § 21 Abs. 2 Gemeindeordnung. — Auf die öffentliche Versteigerung von Holz aus den Gemeindewaldunge» finden die Bestimmungen des § 15 der von dem Ministerinm unter dein 25. Oktober 1894 erlassenen Vorschriften für die Verwaltung und Bewirtschaftung der Waldungen der Gemeinde und öffentlichen Anstalten Anwendung.

Ausf.-Best. zu § 21 Gcmeindeordnung.

S. 219 ff. ’) § 47 Gemeindeordnung. 8) § 17 ebenda.

A.Bl. 1894

278

7. Kapitel.

Die Kvmmurialverbände.

Stimme den Ausschlag.1) tung,

sämtliche

1. Abschnitt: Die Gemeinden.

Er allein hat das Recht und die Verpflich­

Gemeinderatsbeschlüsse zur

Ausführung

und muß die etwa erforderliche Genehmigung einholen.

zu

bringen2)3 4 * 6

Faßt jedoch der

Gemeinderat einen Beschluß^) der seine Zuständigkeit überschreitet, so hat der Bürgermeister ihn hierauf aufmerksam zu machen und die Entscheidung der Aufsichtsbehörde herbeizuführen, falls der Gemeinderat Beschluß beharrt.

bei seinem

Vor Eingang der Entscheidung darf der Beschluß

nicht zur Ausführung gebracht werden.^) Er hat jederzeit dem Ge­ meinderat auf dessen Verlangen die Überzeugung von der Ausführung seiner Beschlüsse durch Einsicht der Akten und Rechnungen zu verschaffen.^) Er erstattet jedes Jahr dem Gemeinderat einen ausführlichen Bericht über den Gang und die Ergebnisse seiner Verwaltung. °) Die überaus vielseitige Tätigkeit des Bürgermeisters (Beigeordneten) als Organ der Landes-, Bezirks-, Kreisverwaltung erstreckt sich auf fast alle Gebiete der inneren Verwaltung. Eine Katalogisierung seiner Befugnisse ist unnötig,7) da bei der Darstellung der einzelnen Verwaltungszweige seine Rechte und Pflichten Erwähnung finden werden. daß

dem Bürgermeister die

örtliche

Hervorzuheben ist,

Polizeiverwaltungb) zusteht.

Die wichtigsten Angelegenheiten sind jedoch in Straßburg und Metz dem Polizeidirektor (Präsident), in Mülhausen dem Krcisdirektor übertragen.") 1) 8 50 ebenda. 2) Auch Beschwerden über die Gemeindeverwaltung ('§ 61) hat er weiter­

zugeben. 3) Die Beratung von Angelegenheiten, die außerhalb der Kompetenz des Gemeinderats liegen, ist unzulässig. Der Bürgermeister hat derartige Überschreitungen zu verhindern. Bruck S. 96 Bem. 6. 4) § 17 Abs. 1 Gemeindeordnung. — Das frühere Recht ging viel weiter. Der Bürgermeister konnte fast immer die Aufhebung des Beschlusses bei bem Kreisdirektor beantragen oder die Entscheidung des Kreiödirektors herbeiführen, indem der Bürgermeister dem Beschluß nicht beitrat.

Gesetz vom 18. Juli 1837

Art. 18; Gesetz v. 24. Juli 1867 Art. 6 und 9, Art. 1 Nr. 1—9, Art. 3. 6) § 61 Gemeindeordnung. G) § 20 Gemeindeordnung. — Auf Verlangen des Gemeinderats ist der Verwaltungsbericht zu veröffentlichen. 7)

Vgl. die Aufzählung bei Bruck S. 89ff.

y) Karl, Die Verordnungsgewalt der Bürgermeister in Elsaß-Lothringen. Saargemünd 1890. ö) Gesetz vom 30. Dezember 1871 § 14 Abs. 2 und 3.

Die Abgrenzung

der Kompetenz ist erfolgt für Metz durch Verfügung vom 11. August 1872 (A.Bl. für Lothringen 1879 S. 47), für Straßburg durch Verfügung vom 28. Februar 1873 (Straßburger Zeitung Nr. 60) und Erlaß vom 23. August 1892, für Mühl­ hausen durch Verfügung vom 28. Mai 1889 (A.Bl. S. 141).

§ 50.

Die Hauptquelle

der

279

Gemeindevorstand.

Ortspolizeibefugnisse bilden das Gesetz über die

Gerichtsverfassung vom 16.—24. August 1790 Artikel

3 und 4 und

das Gesetz betreffend die Einrichtung einer Gemeinde- und Zuchtpolizei vom 22. Juli 1791 Artikel 46.')

Innerhalb dieser Gebiete hat der

Bürgermeister das Verordnungsrecht.

Er betätigt es durch Erlaß von

Beschlüssen (arretes), die entweder allgemein verbindlich sind (arretes generaux et reglementaires) oder nur bestimmte Personenkreise oder Personen (arretes speciaux et individuels) betreffen. Polizeiverordnunge», diese Polizeiverfügungen.

Jene heißen

Beide Gruppen können

dauernde oder nur vorübergehende Geltung haben.

Die Strafandrohung

bestimmt entweder das Gesetz, das den Erlaß von Polizeiverordnungen vorsieht, oder sie richtet sich nach Artikel 471 Nr. 15 des Code penal. Die Polizeiverordnungen

müssen

ordnungsgemäße)

verkündigt

werden.

Einer Bestätigung durch die Gemeindeaufsichtsbehörde bedürfen sie nicht. Sie hat zwar das Recht, die Verordnungen außer Kraft zu setzen (§ 72 Absatz 3 Gemeindeordnung), kann sie aber niemals abändern, ergänzen oder selbständig erlassen.

Jin übrigen wird die eingehende Darstellung der

polizeilichen Befugnisse des Bürgermeisters (Beigeordneten) in anderem Zusammenhange vorgenommen werden. Ferner hat der Bürgerineister die Verrichtung eines Hilfsbeamten der gerichtlichen Polizei zu erfüllen;^) er hat weiter in Dringlichkeitsfällen die Funktionen des verhinderten Amtsanwalts warzunehinen') und ist die zuständige Polizeibehörde im Sinne der §§ 965—976 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.*5)* 3 4 Endlich gehört auch die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung zu den Geschäften des Bürgermeisters, Standesbezirk den Gemeindebezirk nicht überschreitet.

sofern

der

Jedoch kann der

Bürgermeister mit Genehmigung des Bezirkspräsidenten die Geschäfte einem anderen Gemeindebeamten widerruflich übertragen. Immer ist der Bezirks­ präsident befugt, für die Geschäfte einen besonderen Beamten zu bestellen, und der Gemeinderat kann die Ernennung von besonderen Standesbeamten beschließen.

In diesem Falle erfolgt die Ernennung durch den Bürger-

*) Vgl. die weiter in Betracht kommenden Gesetze bet Bruck S. 79ff. *) Slugs. - Best, zu § 16 Gemeindeordnung.

Ministerial - Verfügung vom

19. Dezember 1887 (A.Bl. S. 273). 3) § 153 Gerichtsvcrfassungsgesetz.

Verordnung des Reichskanzlers vom

13. Juni 1879 § 14. 4) § 26 Ausf.-Ges. zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 4. November 1878. 5) Für Straßburg, Metz, Mülhausen vgl. Ministerial-Berfügung vom 19. Dezeniber 1899 (A.Bl. S. 381).

280

7. Kapitel. Die Kommunalverbünde. 1. Abschnitt: Die Gemeinden.

Meister mit Genehmigung des Bezirkspräsidenten. Die Genehmigung und Bestellung sind jederzeit widerruflich. Die Aufsicht über die Amtsführung der Standesbeamten führt die Staatsanwaltschaft bei den Landgerichten, bei dem Oberlandesgericht und das Ministeriums) 2. Der Gemeinderat. § 51. titlbmtg des Gemeinderats. Das zweite Organ der Gemeinde, der Gemeind erat, ist dazu berufen, an Stelle der Genieindebürger die Gemeindcangelegenheiten zu besorgen. Er leitet feine Rechte nicht von den Gemeindebürgern ab, sondern seine Befugnisse wurzeln in den Gesetzen; er ist kraft Gesetzes zur Aus­ übung bestimmter Befugnisse berufen. Der Gcmcinderat ist eine politische Körperschaft, die als solche beleidigt werden kann (§ 197 Strafgesetzbuch);*3) * juristische Persönlichkeit besitzt er nicht. Wie bei jeder Volksvertretung, so besteht auch bei dem Gemeinderat zwischen seinen Mitgliedern und seinen Wählern nicht das Rechtsverhältnis der Vertretung, des Auftrags, wenn auch die Gemeinderatsmitglicder die Vertreter der Gemeindebürger heißen. Es bedarf wohl keiner besonderen Ausführnng, daß die Gemeinde­ ratsmitglieder nicht an Instruktionen, Aufträge ihrer Wähler gebunden sind. Die Gemeinderatsmitglieder sind fernerhin keine Beamte des Staates oder der Gemeinde, denn sie stehen in keinem öffentlich-rechtlichen Dienst­ verhältnis zu irgend jemandem. Die Grundsätze des Beamtenrechtes finden mithin auf sie keine Anwendung; sie sind ohne weiteres nicht zur Amts­ verschwiegenheit verpflichtet,3) sie erhalten keinen Gehalt oder eine Remu­ neration ; nur die im Dienste der Gemeinde erwachsenen Auslagen werden ihnen erstattet.4)5) Der Gemeinderat wird entweder durch Wahl gebildet oder die Wahl­ berechtigten sind der Gemeinderat. ') Gesetz vom 6. Februar 1875 (R.G.Bl.S. 23). AuSf.-Best. des Bundes­ rats Bek. v. 25. Mürz 1899 (R.G Bl. S. 225). Landes-Ausf.-Gesetz vom 16. Mat 1892 (G.-Bl. S. 51). Dienstanweisung vom 2. Dezember 1899 (91.93s. S. 153ff.). Ausf.-Ges. zum Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichts­ barkeit §§ 19 ff. *) Der Gcmeinderat kann mangels Deliktsfähigkeit nicht beleidigen. 3) Die Geheimhaltung bestimmter Angelegenheiten kann durch den Ge­ meinderat beschlossen werden. 4) § 46 Gemeindeordnung. °) Zugunsten der Gemeinderatsmitglieder besteht keine parlamentarische llnverfolgbarkeit wegen ihrer Abstimmung oder wegen der in Ausübung ihres Berufs gemachte» Äuherungen.

§ 51

Bildung des Gemeinderats.

281

A. Die Bildung des Gemeinderats durch die Wahlberech­ tigten erfolgt nur in denjenigen Gemeinden, in denen nach Ausweis der Wählerliste zwanzig oder weniger Wahlberechtigte vorhanden sind. **) So­ lange in einer Gemeinde nicht zwanzig Wahlberechtigte sind, treten die Gemeindeeinwohner, die erst im Laufe der gesetzlichen Amtsdauer des Gemeinderats die Wahlberechtigung erhalten, dem Gemeinderat hinzu. 2) Wird in einer Gemeinde, in der kein Gemeinderat zu wählen ist, die Zahl von zwanzig Wahlberechtigten tiberschritten, so hat die Gemeindeaufsichts­ behörde dafür zu sorgen, daß unverzüglich Gemeinderatswahlen vorge­ nommen werden, b) Sinkt in einer Gemeinde, die ihren Gemeinderat zu wählen hat, .während der Amtszeit des Gemeinderats die Zahl der Wahl­ berechtigten auf zwanzig oder weniger, so bleibt der Gemeinderat bis zum Ablauf seiner Amtszeit doch in Tätigkeit.^) B. Die zweite, bei weitem überwiegende Art und Weise, in der der Gemeinderat gebildet wird, ist die Wahl.

Der Gemeinderat geht aus

allgemeinen direkten Wahlen mit geheimer Abstimmung hervor.") I. Das aktive Wahlrecht.")

Wahlberechtigt sind die männ­

lichen Einwohner der Gemeinde, die die Reichsangehörigkeit besitzen, ’) das 25. Lebensjahr zurückgelegt haben und in der Gemeinde „seßhaft" sind. Das letzte Erfordernis ist erfüllt bei mindestens dreijährigem Wohnsitz2) in der Gemeinde oder bei einjährigem Wohnsitz in der Gemeinde, sofern der Wahlberechtigte gleichzeitig ein Wohnhaus besitzt oder ein stehendes Gewerbe °) oder Landwirtschaft selbständig betreibt oder ein öffentliches Amt ausübt") oder Religionsdiener, Lehrer an öffentlichen Schulen oder Rechtsanwalt ist. *) § 29 Abs. 2 Gemelndeordnung. *) Wahlordnung § 27 Abs. 3. 3) Wahlordnung § 27 Abs. 4. *) § 29 Abs. 2 Satz 2 Gemelndeordnung. *) § 32 Gemeindeordnung. *) § 30 Gemeindeordnung.

Über die historische Entwickelung des aktiven

Gemeindewahlrechtes vgl. Bruck Sem. 1 zu §30. ’) Mithin ist die elsaß-lothringische Landesangehörigkeit kein Erfordernis des aktiven Wahlrechtes. •) Für die Bestimmung des Begriffs „Wohnsitz" können die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht maßgebend sein, weil sie nur für die Ausübung bürgerlicher Rechte von Bedeutung sind. Ausführ.-Best. Nr. 1 Abs. 1 und 2 zu § 30. *) Stehendes Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung, also alle Gewerbe, die nicht Gewerbe im Umherziehen sind. Daher genügt beispielsweise für Ärzte einjähriger Wohnsitz. *°) Ein öffentliches Amt üben Reichs-, Landes-, Bezirks-, Gemeindebeamte

282

7. Kapitel.

Die Konimunalverbände.

1. Abschnitt: Die Gemeinden.

Weitere Beschränkungen der Wahlberechtigung kennt die Gemeinde­ ordnung nicht.

Es kann aber die Wahlberechtigung ausgeschlossen sein

entweder, weil zwar das Recht zum Wählen quoad jus vorhanden ist, die Ausübung aber (quoad exercitium) ruht oder weil die Berechtigung quoad jus und quoad exercitium nicht vorhanden ist. Die Wahlberechtigung ist quoad jus vorhanden, ruhl aber:**) 1. für die zum aktiven Heere gehörigen Militärpersonen 2) mit Ausnahme der Militärbeamten;3) 2. für die Personen, die in keine Wählerliste einge­ tragen sind;*) 3. für die Personen, die am Tage der Wahl nicht in der Gemeinde sich aufhalten, in der sie wahlberechtigt sind. Das Wahlrecht ist quoad jus und quoad exercitium auf­ gehoben:^) für Personen, welche entmündigt sind; für Personen, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet lvorden ist, lvährend der Dauer des Konkursverfahrens sowie auf die Dauer von fünf Jahren nach Be­ endigung des Verfahrens,

sofern zugunsten des Gemeinschuldners nicht

ein Beschluß des Landgerichts gemäß § 12 des Gesetzes vom 13. Novem­ ber 1899 (Gesetzblatt S. 157) ergangen ist; für Personen, die eine Armen­ unterstützung ails öffentlichen oder Gemeindenlitteln beziehen oder in dem letzten, der Wahl vorhergegangenen Jahre bezogen haben; °) für Personen, welche die Gemeindeabgaben für die beiden letzten Reä)nungsjahre nicht vollständig berichtigt haben; ’) für Personen, welche wegen eines Ver­ gehens oder ivegen eines Verbrechens, das die Aberkennung der bürger­ lichen Ehrenrechte zur Folge haben kann, zu einer Zuchthaus- oder Gefäng­ nisstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind, für die Dauer von fünf aus gleichviel, ob sie mit einer Amtsgewalt betraut sind oder nicht; ferner Personen, die als Organe öffentlicher Anstalten tätig sind wie Mitglieder der Armenräte. der Verwaltungskominisstonen der Spitäler. Ausfuhr.'Best zu § 30 Ziffer 3. Auch die Vorstandsmitglieder einer Sparkasse gehören hierher. Entscheidung des Kaiser­ lichen Rates Nr. 356. ') § 30 Abs. 2 Gemeindeordnung. *) Welcher Kreis von Personen hierunter fällt, ergibt sich aus § 38 des Reichsmilitärgesctzes vom 2. Mai 1874. s) Auch

die Zivilbeamten

der Militärverwaltung

sind

wahlberechtigt.

Ausfiihr.-Best. zu § 30 Nr. 4. *) 8 33 Gemeindeordnung. •j § 30 Abs. 3 ebenda. ®) Was als Armenunterstützung zu geltenchat, stehe in Ausführ.-Best. zu § 30 Nr. 5. Über die Berechnung der Frist vgl. Bruck Beut. 20 S. 149. ’) Details bei Bruck S. 150. Der Verpflichtung zur Zahlung der Abgabe muß in der Gemeinde, in der die Wahlbeteiligung erfolgen soll, nicht rechtzeitig nachgekommen sein. Entscheidung des Kaiserlichen Rates Nr. 136.

§ 51.

Bildung des Gemeinderats.

283

Jahren von dem Tage an gerechnet, an dem die Strafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist, sofern nicht der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf eine längere Dauer ausgesprochen ist;') für Personen, welche wegen Landstreichens oder Bettelns rechtskräftig verurteilt worden sind, für die Dauer von drei Jahren

von dem Tage an gerechnet,

an welchem die

Strafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist. II. Die Wählbarkeit. Die Wählbarkeit hat zum ersten Erfordernis die Wahlberechtigung. Mithin sind diejenigen Personen, für die das aktive Wahlrecht vorhanden ist, die nur in seiner Ausübung verhindert sind, wählbar, dagegen sind nicht »vählbar alle die, für die das Wahlrecht quoad jus und quoad exercitium ausgeschlossen ist (incapacitcs).

Also können zu Gemeinde­

ratsmitgliedern gewählt werden die in die Wählerliste irrtümlich nicht Eingetragenen") und die von der Gemeinde, in der sie wahlberechtigt sind, am Tage der Wahl Abwesenden.

Die dritte Gruppe, die zum aktiven

Heere gehörigen Militärpersonen können um desivillen nicht gewählt »verden, weil sie nach der Auffassung der Gemeindeordnung nicht „Einwohner" der Gemeinde sind und daher die zweite Bedingung der Wählbarkeit nicht erfüllen. Denn der Wahlberechtigte muß entweder Einwohner der Gemeinde und zu einer der direkten Staatssteuern veranlagt sein") oder er muß, wenn er in der Gemeinde nicht wohnt, der Eigentümer eines Grundstücks sein und in irgend einer anderen Gemeinde des Landes den Wohnsitz haben und daselbst wahlberechtigt sein.') Eine indirekte Beschränkung der Wählbarkeit ist dadurch gegeben, daß der § 40 der Gemeindeordnung eine ganze Reihe von Ämtern aufführt, deren Bekleidung gleichzeitig mit dem eines Gemeinderatsmit­ gliedes unvereinbar ist (incomptabilite).

Die Wahl derartiger Personen

ist gültig, mit die Mitgliedschaft im Gemeinderat ist durch die vorherige Beseitigung des Hindernisses bedingt.

Die Jnkomptabilitäten betreffen

alle Beamten und Mitglieder der Gemeindeaufsichtsbehörde, die Militär­ personen des Friedensstandes mit Ausnahme der Militärbeamten, den Gemeinderechner und die besoldeten Gemeindebeamten, die im Amt befind') Eine Übersicht der in Betracht kommenden Delikte befindet sich im 91.931. 1896 S. 20ff. Berichtigt bei Bruck Anlage Nr. 3. •) Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 355. *) § 31 Nr. 1 Gemelndeordnnng. Als veranlagt haben auch die Personen zu gelten, die von der Steuer befreit sind, weil die Gemeinde die Steuerbeträge auf daS Oktroi übernimmt. 4) § 31 Nr. 2 Gemeindeordnung.

284

7. Kapitel.

Die Kommunalverbände. 1. Abschnitt: Die Gemeinden.

lichen Religionsdiener und die Lehrer an öffentlichen Elementarschulen, die Polizeibeamten und Gendarmen. Außerdem kann niemand Mitglied in den Gemeinderäten mehrerer Gemeinden und endlich können in Gemeinden von 500 und mehr Einwohnern nicht Vater und Sohn, Schwiegervater und Schwiegersohn, sowie Brüder Mitglieder desselben Gemeinderats sein. Beim Mangel einer gütlichen Einigung ist der an Jahren ältere zuzu­ lassen; bei gleichem Alter entscheidet das Los. Entsteht die Schwäger­ schaft erst im Laufe der Amtszeit, so scheidet beim Mangel einer gütlichen Einigung dasjenige Mitglied aus, welches das Hindernis herbeigeführt hat. Wird es streitig, ob eine Jnkomptabilität vorliegt, so wird int Verwaltungsstreitverfahren entschieden.') Legitimiert zur Erhebung der­ artiger Einsprüche ist ohne an eine Frist gebunden zu sein jeder Wahl­ berechtigte und die Aufsichtsbehörde. Der Einspruch ist bei der Auffichts­ behörde einzureichen und dem Bezirksrat zur Entscheidung vorzulegen. Der Bezirksrat entscheidet endgültig; ein Rekurs an den Kaiserlichen Rat ist nicht zulässig. Erkennt der Bezirksrat auf Verlust des Rechtes der Mit­ gliedschaft im Gemeinderat, so sind die im Beisein dieses Mitgliedes gefaßten Beschlüsse, selbst wenn sie mit einer Majorität von nur einer Stimme zustande kamen, nicht unwirksam. Der Einspruch hat keinen Suspensiveffekt. III. Die Zahl der Gemeinderatsmitglieder richtet sich nach den bei der letzten amtlichen Volkszählung ermittelten Zahlen der orts­ anwesenden Zivilbevölkerung. In Gemeinden bis zu 500 Einwohnern sind zehn Mitglieder zu wählen; die Anzahl der Mitglieder steigt nach der in § 43 der Gemeindeordnung?) angegebenen Skala bis auf 36, die Ge­ meinden mit mehr als 50 000 Einwohnern wählen. Die Zahl der hiernach in den einzelnen Gemeinden zu wählenden Mitglieder bestimmt die Aufsichtsbehörde. Die Vermehrung oder Verminderung der Bevölke­ rung wird erst bei den nächsten Erneuerungswahlen berücksichtigt?) IV. Wahl- und Stimmbezirke. Jede Gemeinde kann nach Anhörung des Gemeinderats von dem Bezirkspräsidenten durch einen im Bezirksrat zu fassenden Beschluß in Wahlbezirke eingeteilt werden.*4) * Bei * ihrer Bildung ist davon auszugehen, daß sie örtlich zusammenhängen; der Wahlbezirk muß also einen bestimmt *) §§ 42, 70 Gemeindeorbnung. *) Sehr ähnlich ist die Tabelle des Art. 6 Gesetz vom 5. Mai 1855. Auch sie bewegt sich zwischen 10 und 36. s) § 43 Abs. 2 Gemeindeorbnung. 4) § 34 ebenda.

Bildung des Gemeinderats.

285

abgegrenzten geographischen Gemeindeteil umfassen.

Auf die Wahlbezirke

§ 51.

wird die Gesamtzahl der zu wählenden Gemeinderatsmitglieder unter Be­ rücksichtigung der Zivilbevölkerungsziffern') verteilt.

Die Zahl, die Ab­

grenzung der Wahlbezirke ist lediglich dem Ermessen

der betreffenden

Behörden überlassen; nur eine Ortschaft mit eigenem Vermögen soll einen besonderen Wahlbezirk bilden, falls es von ihren Wahlberechtigten bean­ tragt wird und auf die Ortschaft nach dem Verhältnis ihrer Bevölkerungs­ ziffer mindestens ein Gemeinderatsmitglied entfällt?) Jede Gemeinde und jeder Wahlbezirk kann von dem Bürgermeister mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde in Stimmbezirke eingeteilt werden. Der Stimmbezirk dient dazu, um die Stimmenabgabe zu erleichtern. Während jeder Wahlbezirk einen anderen Teil des Gemeinderats selb­ ständig wählt, wählen alle Stimmbezirke gemeinschaftlich denselben Teil. Die Zugehörigkeit eines wahlberechtigten Gemeindebürgers zu einem Wahl­ oder Stimmbezirk ist davon abhängig gemacht, das; der Wahlberechtigte mindestens drei Monate in den; betreffenden Bezirk wohnt.

Tritt ein

Wohnungswechsel zur Zeit der Wahl ein, so wählt er in dem Bezirk, in dem er drei Monate vor Schluß der Wählerliste gewohnt hat?) V. Das Wahlverfahren ist geregelt auf Grund der im § 38 der Gemeindeordnung dem Ministerium erteilten Befugnis durch Verord­ nung vom 28. Dezember 1895 (Zentral- und Bezirks-Amtsblatt 1896 Seite 7 ff.). 1. Das Wahlverfahren wird eingeleitet mit der Festsetzung des Wahltages durch die Aufsichtsbehörde.

Der Wahltag, in der Regel ein

Sonntag,*4)* 6 *wird einheitlich für das ganze Land bestimmt.

Eine Aus­

nahme von den allgemeinen Wahlen tritt bei den Ersatzwahlen ein. 2. Die Ausübung des Wahlrechtes hat zur Voraussetzung, daß der Wahlberechtigte in die Wählerliste") eingetragen ist.

Die Wähler­

liste, die von dem Bürgermeister und zwei von dem Gemeinderat aus

') Art. 7 Gesetz vom 5. Mai 1855 schrieb als Maßstab der Verteilung die Zahl der eingeschriebenen Wähler vor. *) § 34 Gemeindeordnung. s) § 34 a. E. Gemeiudeordnung. § 6 Wahlordnung. 4) § 35 Gemeindcordnung.

Nur wenn ganz besondere Gründe hiergegen

sprechen, soll von dem Sonntag als Wahltag abgesehen werden. Ausf.-Best. zu § 35. 6) § 33 Gemeiudeordnung.

Die Eintragung in die Liste begründet die

aktive Wahlberechtigung, selbst wenn sie materiell nicht gegeben ist, nicht aber die Wählbarkeit. Wird diese bestritten, so muß nachgewiesen werden, ob der Gewählte sie besitzt.

Entscheidungen deS Kaiserlichen RatS Nr. 136.

286

7. Kapitel. Die Kommunalverbändc.

1. Abschnitt: Die Gemeinden.

seiner Mitte zu wählenden Mitgliedern aufgestellt wird, *) hat in alpha­ betischer Reihenfolge nach Wahl- oder Stimmbezirken alle Personen auf­ zuführen, die das aktive Wahlrecht besitzen*3)**oder bei denen noch vor dem Tage der Wahl die Voraussetzungen bezüglich ihres Alters und Wohnsitzes erfüllt werden. Die Wählerliste wird spätestens sechs Wochen vor dem Wahltage von einem von der Aufsichtsbehörde zu bestimmenden Sage3) an während zehn Tagen zu jedermanns Einsicht ausgelegt. Spätestens drei Tage vorher») ist von beut Bürgermeister zur öffentlichen Kenntnis zu bringen, wann und wo dieses geschehen wird.5)6 Die Offenlegung der Wählerliste dient dazu, eine möglichst genaue Aufstellung der Wahlberech­ tigten herbeizuführen. Jeder Wahlberechtigte und die Aufsichtsbehörde sind daher befugt, während der zehn Tage Einwendungen gegen die Richtigkeit der Liste bei dem Bürgermeister einzureichen oder zu Protokoll zu erklären. Die Einwendungen können ans Streichung von eingetragenen Wahlbe­ rechtigten, auf Eintragung Nichteingetragener u. a. m. gerichtet sein. Nach Ablauf der zehntägigen Frist ist die Erhebung von Einwendungen ausgeschlossen.3) Wird die Wahlberechtigung einer Person bestritten, so ist sie von dem Bürgermeister sofort zu benachrichtigen.') Die Entschei­ dung über die Einwendungen ist in höchst sonderbarer Weise geregelt.3) Obwohl die Aufftellnng und Berichtigung der Wählerliste ohne Zweifel Juris publici sind, sind die ordentlichen Gerichte mit der Entscheidung betraut. In erster Instanz erkennt allerdings die Kommission des Ge­ meinderats, welche die Liste aufgestellt hat: gegen ihre Entscheidung ist Beschwerde an das Amtsgericht und gegen dessen Entscheidung weitere Beschwerde an das Landgericht zulässig. Das Landgericht entscheidet endgültig. ®) Mit Ablauf der Auslegefrist wird die Liste geschlossen, vorbehaltlich derjenigen Änderungen, welche die Entscheidungen über erhobene Einwendungen ') Über die Aufstellung der Wählerliste in Gemeinden mit weniger als zwanzig Wahlberechtigten Wahlordnung § 27. ’) Bezüglich der Führung von Militärpersonen in den Wählerlisten vgl. Druck § 33 Bei». 4. 3) Wahlordnung § 1. *) Die Nichtbeobachtung hat die Ungültigkeit der Wahl zur Folge. Ent­ scheidungen des Kaiserlichen Rats Nr. 329. 6) § 33 Abs. 1 Genieindcordnung. 6) Ebenda Abs. 2. ’) Wahlordnung § 3 Abs. 2. *) 8 33 Abs. 3 ff. Gemeindeordnung. ”) Über die Einzelheiten des Verfahrens Druck @. 158—160.

§ 51.

notwendig machen.')

Bildung des Gemeinderats.

287

So können noch bis zum Tage der Wahl Personen,

deren Wahlberechtigung anerkannt worden ist, in die Liste aufgenommen und umgekehrt Personen, die aufgenommen waren, gestrichen werden, wenn dementsprechende endgültige Entscheidungen ergangen sind. Eine Berichtigung der Liste von Amts wegen, ohne daß Einspruch erhoben ist, ist unzulässig?) Die Wählerlisten müssen vor jeder Wahl von neuem aufgestellt werden.

Nur bei Ersatzwahlen, die innerhalb eines Jahres nach Wahlen

stattfinden, für die die Liste neu aufgestellt war, bedarf es keiner neuen Anfstellung und Auslegung?) Die Wahlberechtigten werden durch den Bürgermeister mittete orts­ üblicher Bekanntmachung spätestens zehn Tage vor dem Wahltage berufen. Die Bekanntmachung muß^) den Wahlraum, Tag, Stunde,8) Dauer der Wahl und, falte die Gemeinde in Wahl- oder Stinnnbezirke eingeteilt ist, die Abgrenzung derselben und die Zahl der in jedem Wahlbezirk zu wählenden Mitglieder des Gemeinderats bezeichnen.") 3. Eine weitere Vorbereitung ist die Bildung des Wahlvorstandes, der ans dem Wahlvorsteher, drei bis sechs Beisitzern und dem Protokoll­ führer besteht.

Für jeden Wahl- oder Stimmbezirk ist ein besonderer

Wahlvorstand einzusetzen.

Der Wahlvorsteher des erste» Wahl- oder

Stimmbezirks ist der Bürgermeister, in dessen Verhinderung sein gesetz­ licher Vertreter.

Die Wahlvorsteher der übrigen Bezirke ernennt der

Bürgermeister; der Wahlvorsteher ernennt die Beisitzer und den Protokoll­ führer aus der Zahl der Wahlberechtigten der Gemeinde oder des Bezirks, die lesen und schreiben können.')

Die Stellen des Wahlvorstehers, Pro­

tokollführers und der Beisitzer sind Ehrenämter.

Der Wahlvorstand leitet

die Wahlhandlung; der Wahlvorsteher handhabt die Ordnung in dem Wahllokale.8) Der Wahlvorstand konstituiert sich, indem der Wahlvorsteher den Protokollführer und die Beisitzer mittels Handschlag an Eidesstatt ver-

') § 33 Abs. 7 Gemeindeordnung. *) Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 130. *) § 33 Abs. 8 Gemeiudeordnung. § 5 Wahlordnung. *) Ist die Bekanntmachung nicht vollständig erfolgt, so ist die Wahl un­

gültig.

Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 118. *) Hat das Wahlgeschäst vor der angekündigten Stunde begonnen, so ist

die Wahl ungültig. Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 111. *) § 35 Abs. 1 Gemeindeordnung. § 7 Abs. 1 Wahlordnung. ’) § 8 Wahlordnung. *) § 9 ebenda.

288

7. Kapitel.

pflichtet.') vorstandes

Die Kommunalverbände.

1. Abschnitt: Die Gemeinden.

Es müssen immer mindestens drei Mitglieder des Wahl­ gegenwärtig sein.

Der Wahlvorsteher und Protokollführer

dürfen sich während der Wahlhandlung nicht gleichzeitig entfernen.

Ver­

läßt einer von ihnen vorübergehend das Wahllokal, so ist mit seiner zeit­ weiligen Vertretung ein anderes Mitglied des Wahlvorstandes zu beauf­ tragen.^)

Der Wahlvorstand nimmt an einem Tische Platz, der von

allen Seiten zugänglich ist.

Auf diesen Tisch wird eine verschlossene

Wahlurne zum Hineinlegen der Stimmzettel gestellt.

Vor dem Beginn

der Abstimmung hat sich der Wahlvorstand davon zu überzeugen, daß die Wahlurne leer ist. 4. Die Gemeindeordnung Zur Sicherung

der

schreibt geheime Abstimmung

geheimen Abstimmung

sind eine Reihe

vor.

von Be­

stimmungen getroffen. Das Wahlrecht wird durch Stimmzettel ausgeübt, die von weißem Papier ohne jedes äußere Kennzeichen sein müssen und bereits ausgefüllt in das Wahllokal mitzubringen finb.*3)*

Sie sind derart zusammenzufalten,

daß die darauf verzeichneten Namen verdeckt ftnb.4) Das Wahlrecht kann nur in einer Gemeinde und nur in Person ausgeübt werden; jede Stellvertretung ist ausgeschlossen.3)

Wer wählen

will, tritt an den Tisch, an dem der Wahlvorstand sitzt, nennt seinen Namen und seine Wohnung.

Erst wenn der Protokollführer seinen Namen

in der Wählerliste aufgefunden hat und feststeht, daß der Wähler nach dem Schluß der Wählerliste nicht wegen eines Verbrechens oder Vergehens, das die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte zur Folge haben kann, zu einer Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist, wird der Wähler zur Stimmabgabe zugelassen.3)

Er übergibt seinen

Stimmzettel dem Wahlvorsteher oder dessen Vertreter, der ihn uneröffnet in die verschlossene Wahlurne zu legen hat.')

Der Protokollführer ver­

merkt die erfolgte Stimmabgabe jedes Wählers neben dem Namen des­ selben in der Wählerliste.3) ') Unterbleibt die Verpflichtung, so ist die Wahl nicht ohne weiteres un­ gültig.

Diese Ordnungswidrigkeit müßte von erheblichem Einfluß auf die Wahl

gewesen fei«. Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 343. *) Wahlordnung § 11. 3) § 13 Abs. 2 ebenda. 4) § 36 Gemeindeordnung. 6) § 30 letzter Absatz Gemelndeordnung. § 12 Abs. 2 Wahlordnung. •) § 12 Wahlordnung. ') § 36 Gemeindeordnung. •) §§ 14, 15 Wahlordnung.

§ 51.

289

Bildung des Gemeinderats.

Der Wahlvorsteher hat Stimmzettel, bei welchen die verzeichneten Namen nicht verdeckt oder welche nicht von weißem Papier oder mit äußeren Kennzeichen versehen sind, zurückzuweisen; insbesondere muß er darauf achten, daß nicht statt eines mehrere Stimmzettel abgegeben werden.') Die Wahl dauert mindestens vier und höchstens acht Stunden?) sie beginnt in der Regel nicht vor acht Uhr morgens und muß vor sechs Uhr abends geschlossen sein. Der Schluß der Wahl wird ausdrücklich von dem Wahlvorsteher verkündet. Der Schließung hat die Feststellung des Wahlergebnisses unmittelbar zu folgen?) Die Feststellung des Wahl­ ergebnisses vollzieht sich in einer öffentlichen Verhandlung;^) die Stimm­ zettel werden aus der Wahlurne genommen und uneröffnet gezählt; gleichfalls wird die Zahl der Wähler festgestellt, bei deren Namen der Abstimmungs­ vermerk in der Liste eingetragen ist. Ergibt sich trotz wiederholter Zählung eine Differenz zwischen beiden Zahlen, so ist dieses Ergebnis nebst dem etwa zur Aufklärung Dienlichen im Protokoll anzugeben?) Ein Bei­ sitzer entfaltet jeden Stimmzettel einzeln, übergibt ihn dem Wahlvorsteher, der denselben nach lauter Verlesung an einen anderen Beisitzer weitergibt, der die Stimmzettel bis zum Ende der Wahlhandlung aufbewahrt. Der Protokollführer nimmt den Namen jedes Kandidaten in eine Stimm­ zählungsliste auf, vermerkt neben demselben jede dem Kandidaten zufallende Stimme und zählt dieselben laut. In gleicher Weise führt einer der Beisitzer eine Gegenliste. Diese beiden Listen sind bei dem Schluß der Wahlhandlung von dem Wahlvorstand zu unterschreiben und dem Proto­ koll beizufügen.*6)7*Ungültig 3 4 5 sind Stimmzettel die nicht von weißem Papier sind oder ein äußeres Kennzeichen') an sich tragen, *) § 14 Abs. 3 Wahlordnung. 8) Wird die Wahl über die äußerst zulässige Grenze ausgedehnt, so ist die Mahl ungültig, >veil anzunehmen ist, daß nur durch die ungesetzliche Verlängerung der Wahlzeit die nötige Stinimzahl erreicht worden ist. Entscheidung des Kaiser­ lichen Rats Nr. 118. 3) § 35 Abs. 2 Gemeindeordnung. 4) § 37 ebenda. 5) § 16 Wahlordnung. •) § 17 Abs. 2 und 3 ebenda. Die Eröffnung und Zählung der Stimm­ zettel kann auch besonderen Stinnnzählern überlassen werden (§ 17 Abs. 4 und 6 Wahlordnung), nicht jedoch die Entscheidung über die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Stimnizettel, die allein dem Wahlvorstand zusteht. Entscheidung des Kaiser­ lichen RatS Nr. 137. 7) Was ein äußeres Kennzeichen ist, ist Tatfrage. Vom Kaiserlichen Rat ist an­ genommen worden, daß ein solches vorliegt, wenn äußerlich nur erkennbar war, Druck, DerfaffungS- u. BerwaltungSrecht v. Elsaß-Lothr. I.

19

290

7. Kapitel.

Die Kommunalverbände.

1. Abschnitt: Die Gemeinden.

die keinen oder keinen lesbaren Namen enthalten, die einen Protest oder Vorbehalt enthalten, insoweit sie nicht lesbare Namen enthalten, insoweit aus ihnen die Person des Gewählten nicht unzweifelhaft zu erkennen ist, insoweit

sie

den

Namen

einer nicht

wählbaren

Person

ent­

halten, insoweit sie denselben Namen mehr als eininal enthalten, insoweit sie mehr Nanien enthalten, als Gcmcinderatsmitglieder in der Gemeinde oder in dem Wahlbezirk zu wählen sind und zwar werden die zuletzt eingeschriebenen Namen nicht gezählt.') Die ganz ungültigen Stimmzettel werden bei der Feststellung der Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen nicht mitgezählt, die nur teilweise ungültigen kommen dagegen in Anrechnung?) Über die Gültigkeit der Stimmzettel entscheidet vorläufig der Wahlvvrstand nach Stimmenmehrheit seiner Mitglieder. stehers

Bei Stiininenglcichheit ist die Stimme des Wahlvor­

ausschlaggebend.

Die

Stimmzettel,

über deren

Gültigkeit ein

Beschlus; gefaßt wird, werden mit fortlaufenden Nmnmcrn versehen und dem Protokoll

beigeheftet, in »velchcm die Gründe kurz anzugeben sind,

ans denen die Ungültigkcitscrklärnng erfolgt oder nicht erfolgt ist?) Alle übrigen Stimmzettel hat der Wahlvorsteher in Papier einzuschlagen und zu versiegeln.

Dieselben sind nuf dem Bürgermeisteramt solange aufzu­

bewahren, bis feststeht, das; die Wahl nicht angefochten oder bis über die Wahl endgültig

entschieden ist.

Nach diesem Zeitpunkt sind sie zu ver­

nichten. j) 5. Gewählt sind diejenigen, die in der Gemeinde oder in dem Wahlbezirk die

meisten Stimmen und zugleich mehr als die Hälfte der

abgegebenen gültigen Stimmen erhalten haben (absolute Majorität). Er­ halten mehrere Kandidaten dieselbe Anzahl von Stimmen und sind nicht mehr so viel Stellen zu besetzen als Kandidaten mit gleicher Stimmen-

daß die Stimmzettel handschriftlich hergestellt (Entscheidung Nr. 104), daß sie auf der Innenseite bedruckt sind (Nr. 116,124). Das äußere Kennzeichen muß sich nicht aus der Außenseite befinden, es genügt die besondere Beschaffenheit des Papiers, attßergewöhnliches Forniat, eigentümliche Faltung der Zettel (Nr. 165, 314). ') § 18 Wahlordnung. Dagegen sind Stinnnzetlel, ivelche weniger Namen enthalten als Gemcinderatsniitglieder zu wählen sind, vollgültig. *) § 19 Abs. 3 Wahlordnung. s) § 19 Wahlordnung. 4) § 20 ebenda.

§ 51.

291

Bildung des GememderatS.

zahl vorhanden sind, so entscheidet das von dem Wahlvorsteher zu ziehende Los,') wer gewählt ist.*2)3 4 * Hat sich eine absolute Majorität überhaupt nicht oder nicht für alle zu wählenden Personen ergeben, so findet ein zweiter Wahlgang am siebenten Tage nach der ersten Wahl auf Grund derselben Wählerliste und genau in den Formen des ersten Wahlganges statt. diejenigen, die die meisten Stimmen erhalten.

Gewählt sind

Bei dem zweiten Wahl­

gang gilt also das Prinzip der relativen Majorität?)®) 6. Das Wahlergebnis wird von dem Wahlvorsteher unmittelbar nach Schluß der Wahl festgestellt und verkündet. Bei einer Einteilung in Stimmbezirke übernimmt diese Funktionen der Wahlvorsteher des ersten Stimmbezirks.

Der Bürgermeister läßt das Wahlergebnis öffentlich an­

schlagen und überreicht der Aufsichtsbehörde") sofort ein Exemplar des Wahlprotokolls mit sämtlichen Anlagen sowie einer Bescheinigung über die Zeit der Auslegung der Wählerliste und über die Zeit der Berufung zur Wahl. 7. Die Kosten der Abhaltung der Wahlversammlungen trägt die Gemeinde, in der die Wahl stattfindet; die Druckkosten der Formulare für die Wählerlisten und die Zusaninienstelluiig der Wähler fallen dem Bezirk zur Saft.6)* 8 VI. Die Wahlprüfung. Über die Gültigkeit der Wahl wird im Verwaltungsstreit­ verfahren entschieden.') Die Einsprüche sind binnen einer Ansschluß­ frist von zehn Tagen, die nach Ablauf des Tages, an welchen! die Wahl, die angefochten wird, *) stattgefunden hat,

zu laufen beginnt, bei der

Aufsichtsbehörde einzureichen2) und von ihr an den Bezirksrat abzu­ geben.

Aktiv legitimiert ist jeder Wahlberechtigte der Gemeinde und die ') Ist die Losziehiing unterblieben, so kann sie weder von der Verwaltungs­

behörde angeordnet, noch nach Beendigung der Wahlhandlung vorgenommen werden. Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 127. *) § 21 Wahlordnung. 3)

§ 22 ebenda.

4) Wird der erste Wahlgang für nichtig erklärt, weil er ungenügend be­ kannt gemacht oder ungesetzlich lang ausgedehnt worden ist, so ist auch der zweite Wahlgang ungültig.

Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 118.

6) §§ 23, 25 Wahlordnung. ®) Gesetz vom 7. August 1850 Art. 1. ’) 88 37, 70 Gemeindeordnung. 8) Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 126. *) Der Einspruch kann nach Ablauf der werden.

Frist noch näher begründet

Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 340.

292

7. Kapitel. Die Kommunalverbände. 1. Abschnitt: Die Gemeinden.

Gemeindeaufsichtsbehörde;') die Aktivlegitimation ist von Amtswegen zu prüfen.**) Gegen die Entscheidung des Bezirksrates ist Rekurs an den Kaiserlichen Rat zulässig. Der Rekurs ist binnen dreißig Tagen nach der Zustellung des Urteils bei dem Bezirksrat einzureichen und zu be­ gründen. Aufschiebende Wirkung hat der Rekurs nur dann, wenn er innerhalb zehn Tagen nach Zustellung der Entscheidung eingereicht ist. Der Bezirksrat kann aber seine Entscheidung für vorläufig vollstreckbar erklären. Derjenige, dessen Wahl angefochten wird, ist zur Verhandlung zu laden oder wenigstens zu benachrichtigen. Wenn auch eine förmliche Ladung nicht vorgeschrieben ist, so ist die Unterlassung der Benachrichti­ gung ein wesentlicher Verfahrensmangel, denn man hat das Recht, die Gültigkeit seiner Wahl zu vertreten.*) Der Entscheidung der Verwaltungsgerichte ist nur die Frage nach der Gültigkeit der Wahl überlassen; sie können daher niemals eine Person als gewählt erklären, die von dem Wahlvorsteher als gewählt nicht ver­ kündet worden ist, dagegen können sie die Wahl jemandes für ungültig erklären, der von dem Wahlvorsteher als gültig gewählt bezeichnet ist. Eine Ausnahme von dem Grundsätze, nach dem im Verwaltungs­ streitverfahren nieinand als gewählt erklärt wird, der nicht von dem Wahlvorsteher als gewählt verkündet ist, wird nach der konstanten, zweifelsohne richtigen Rechtsprechung des Kaiserlichen Rates nur dann gemacht, wenn die Richtigstellung formaler Mängel die Bezeichnung eines anderen als gewählt veranlaßt. Ist die Berechnung der Stimmen irr­ tümlich, wie sofort erkannt werden kann, von dem Wahlvorsteher vor­ genommen worden^) oder hat der Wahlvorstand unterlassen, einen Be­ schluß über die Gültigkeit oder Ungültigkeit von Stimmen zu fassen,*) so kann auch der Bezirksrat und Kaiserliche Rat diesen Mängeln ab­ helfen und die Wahlproklamation vornehmen. Die von dem Wahlvorsteher als gewählt Bezeichneten haben nun nicht wie bei den meisten parlamentarischen Körperschaften solange Sitz und Stimme im Gemeinderat, als bis ihre Wahl für ungültig erklärt worden ist, sondern umgekehrt: die neu gewählten Mitglieder treten ihr l) Der Bürgermeister (Beigeordnete) kann nur als Wahlberechtigter Ein­ spruch einlegen. Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 132, 339. *) Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 134. ’) Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 105,264. D a ll oz, R6p. Organis. administrat. Nr. 1005. 4) Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 120, 128, 344, 357. Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 123.

§ 51.

293

Bildung des Gemeinderats.

Amt erst an, sobald durch eine Mitteilung der Aufsichtsbehörde feststeht, daß die Wahl nicht beanstandet oder im Verwaltungsstreitverfahren für gültig erklärt worden ist.') Ist durch eine endgültige Entscheidung des Bezirks- oder Kaiser­ lichen Rates die Wahl eines oder aller Mitglieder für ungültig erklärt worden, so ist eine neue Wahl von der Aufsichtsbehörde tunlichst bald anzuordnen. Die Wahl, die von den Wahlberechtigten des Wahlbezirks, in welchem die für ungültig erklärte Wahl erfolgt war, vorzunehmen ist, vollzieht sich genau in den eben geschilderten Formen?) VII. Die Mitgliedschaft im Gemeinderat hört auf: 1. durch Ablauf der Amtszeit, die sechs Jahre beträgt; jedoch bleiben die ausscheidenden Mitglieder bis zum Eintritt der neu gewählten Mitglieder in Tätigkeit?) 2. durch

Auflösung

des

Gemeinderats

Verordnung, die der Statthalter vollzieht?)

im

Wege Kaiserlicher

Binnen drei Jahren vom

Tage der Auflösungsverordnnng an sind Neuwahlen anzuordnen und vor­ zunehmen. Ist der Gemeinderat aufgelöst, so kann der Bezirkspräsident ent­ weder einen Ausschuß ernennen, der die Rechte und Pflichten des Gemeindcrats besitzt, oder er kann dem Bürgermeister die Ausübung der Rechte und Pflichten des Gemeinderats übertragen.

Der Bürgermeister

kann auf längstens ein Jahr, der Ausschuß dreimal auf je ein Jahr die Funktionen übertragen bekommen. Dieselben Befugnisse hat der Bezirks­ präsident,

wenn die Bildung des Gemeinderats durch Wahlenthaltung

vereitelt wird. 3. dur ch freiwillige Amtsniederlegung. Sie ist dem Bürger­ meister schriftlich anzuzeigen; sie tritt erst nach Erteilung einer Empfangs­ bescheinigung durch den Bürgermeister in Kraft.

Von der eingetretenen

Amtsniederlegung hat der Bürgermeister den Gemeinderat in Kenntnis zu setzen?) •) Aiisf.-Bcst. zu § 45 Nr. 3. Die gesetzliche Zulässigkeit dieser Bestimmung unterliegt den größten Bedenken. Sie ist keine Ausführung einer ii» der Gemeindeordnung enthaltenen Vorschrift, sondern eine gesetzliche Interpretation. Wäre sie nicht ergangen,

so würden die Mitglieder ihr Amt sofort antreten.

Auch dem

französischen Recht (Gesetz born 5. Mai 1855 Art. 45) ist der Suspensiv-Effekt der Beschwerde unbekannt. *) § 26 Wahlordnung. *) § 45 Gemetndeordnung. 4) § 63 Gemeindeordnung. ->) Ausf.-Best. zu § 45 Nr. 3.

294

7. MnpttcL Die Mommuimluetbänbe. 1. Abschnitt: Die Gemeinden.

4. durch Ausschluß aus dem Gemeinderat.') Der Ausschluß kaun erfolgen durch einen Beschluß des Gemeinderats und er kann ipso iure eintreten. Im ersten Falle samt die Ausschließung zeitweilig oder auf die Dauer der Amtszeit ausgesprochen tverden. Die Ausschließung durch Beschluß ist zulässig, wenn ein Mitglied drei aufeinander folgende Sitzungen ohne genügende Entschuldigung versäumt oder wiederholt der Zurechtweisung des Borsitzenden ungeachtet die Ordnung stört. Die Mitgliedschaft im Gemcindcrat hört ohne weiteres aus, wenn das Mitglied fünf aufeinander folgende Sitzungen unentschuldigt versäumt. Die Tatsache, daß fünf aufeinander folgende Sitzungen unentschuldigt versäuntt wurden, muß in dem Protokoll durch besonderen Vermerk fest­ gestellt tverden. Gegen die Ausschließung steht dem unmittelbar Beteiligten der Einspruch zu, über den im Berwaltungsstrcitversahren entschieden miri). '*2) * 4 Da die Erhebung des Einspruchs au eine Ausschlußfrist von zehn Tagen gebunden ist, die nach Ablauf des Tages zit laufen beginnt, an dem der Beschluß gefaßt, die Feststellung erfolgt ist, so ist cs dem Bürgermeister zur Pflicht gemacht, das Gemciuderatsmitglied von seiner Ausschließung unverzüglich in Kenntnis zu setzen, dainit das Mitglied die Einspruchsfrist wahren kann.'') Über den Einspruch entscheidet der Bczirksrat endgültig; er hat auszusprcchcn, ob der Betreffende als Gcmeinderatsmitglied an­ zuerkennen ist oder nichts) 5. durch Wegfall derjenigen Voraussetzungen, an deren Er­ füllung die Wählbarkeit zum Gemciuderatsmitglied geknüpft ist,5) beispiels­ weise wenn einem Mitglied die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt werden. Wird es streitig, ob der Verlust der Wählbarkeit eingetreten ist, so kann jeder Wahlberechtigte und die Gemcindcaufsichtsbehörde Einspruch einlegen, über den tut Verwaltnngsstreitverfahren entschieden wird. Die Einlegung ist an keine Frist gebunden; der Bezirksrat entscheidet endgültig.u) Erreicht aus den angegebenen Gründen die Zahl der erledigten Stellen ein Viertel der gesetzlichen Zahl der Gemeinderatsniitglieder, so *) § 62 Gemeindeordnung. s) 8 62 Abs. 2 Genieindcorduung. ’) Ausf.-Best. zu § 62 Gemelndcordming. 4) Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 205. 6) § 41 Gemcindeordnnng. Der Verlust der Wählbarkeit must nach der Wahl zuni Gemeinderatsmitglied eingetreten sein. Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 138, 341. ®) §§ 42, 70 Gemeindeordnung.

§ 51. Bildung des Gemeinderats. § 52. Organisation des Gemetnderats.

hat der Bürgermeister hiervon sofort der Aufsichtsbehörde Kenntnis zu geben, damit sie schleunigst die erforderlichen Ersatzwahlen anordnet.

Die

Ersatzwahlen werden von denjenigen Wahlbezirken vollzogen, von denen die Ausgeschiedenen gewählt waren.') Finden die Ersatzwahlen innerhalb eines Jahres nach Wahlen statt, für die die Wählerliste neu aufgestellt war, so bedarf es keiner neuen Aufstellung, sondern nur einer Berichtigung.^) Die Ersatzgemeinderatsmitgliedcr werden für den Rest des Zeit­ raumes gewählt, für welchen die Ausgeschiedenen gewählt waren, so daß bei

den allgemeinen

Ernencrungswahlen

auch die Stellen der Ersatz­

gemeinderatsmitglieder wiederum zur Wahl stehen.

8 52. Organisation des Gemcinderats. Nur der Bürgermeister hat das Recht, den Gemeinderat, so oft es die Geschäftslage erfordert, zu den Sitzungen zu berufen.a) Jedem auf andere Weise veranlaßten Zusammentritt des Gemcinderats fehlt die Gesetzmäßigkeit.

Nicht

nur

unterliegen

derartige

Versammlungen

des

Gemcinderats als Vcrsaininlungcn von Privatpersonen de» einschlägigen allgemeine» Vorschriften, sondern die Versammlung ist auch nicht befugt, irgend welche Gcmeindeangclcgcnheitcn zu erledigen. Der Bürgermeister ist zur Einberufung des Gemcinderats ver­ pflichtet, wenn die Berufung mindestens von einem Drittel der Mit­ glieder schriftlich unter Anführung des Zwecks und der Gründe beantragt wird.

Weigert sich der Bürgermeister, die Einbcrustlng vorzunehmen, so

kann die Aufsichtsbehörde die Gemeindcräte selbst einberufen oder durch einen Beauftragten einberufen lassen. ^) Die Berufung hat unter Mitteilung der Tagesordnung spätestens am dritten Tage vor der Sitzung, in dringenden Fällen am Tage vor der Sitzung zu erfolgen. Ob der Fall dringlich ist, inuß der Gemeinde-

') Die Ersatzwahlen werden von denjenigen Wahlbezirken vollzogen, von denen die Ausgeschiedenen gewählt waren. Wird eine Änderung der Wahlbezirke vorgenommen, so ist bezüglich der Ersatzwahlen gleichzeitig ^Bestimmung zu treffen. § 45 Abs. 3 Gemeindcordnung. *) § 33 Gemeindeordnuug. 3) Nach dem früheren Recht traten die Gemeindcräte viermal int Jahr zusammen - die außerordentliel e Zusammcnbcrufung der Gcmeinderäte ordnete der Bezirkspräsident oder Kreisdirektor an oder genehmigte sie auf Antrag. Gesetz vom 5. Mai 1855 Art. 15. Verordnung vom 20. September 1873. 4) § 72 Abs. 2 Gemeindeordnung.

296

7. Kapitel. Die Kommurinlverbände. 1. Abschnitt: Die Gemeinden.

rat nach Eröffnung der Sitzung ausdrücklich durch Beschluß feststellen.') Wird die Dringlichkeit verneint, so muß der Gemeinderat zu einer neuen Sitzung unter Jnnehaltung der dreitägigen Frist einberufen werden?) Die Art der Berufung ist dem Ermessen des Bürgermeisters überlassen,

sofern nicht die

stimmung enthält.

Geschäftsordnung eine diesbezügliche Be­

Eine schriftliche Berufung ist nicht erforderlich, nur

müssen die Gemeinderatsmitglieder einzeln und persönlich berufen werden?) Von der Berufung jedes Einzelnen ist abzusehen, wenn durch Beschluß des Gemeinderats ein regelniäßiger Sitzungstag festgesetzt ist. Die Tages­ ordnung ist auch hier — dringende Fälle ausgenommen — spätestens am dritten Tage vor der Sitzulig bekannt zu geben?) Über die Art und Weise, in der der Gemeinderat die ihm über­ tragenen Geschäfte zu erledigen hat, sind in der Gemeindeordnung eine ganze Reihe von Vorschriften getroffen. Im übrigen ist es jedem Gemeinde­ rat selbst überlassen, sich eine Geschäftsordnung zu geben?) Daraus, daß dem Gemeinderat das Recht vorbehalten ist, über die formelle Er­ ledigung seiner Geschäfte selbständig Bestilnmungen zu treffen, folgt, daß die Aufsichtsbehörde bei dem Erlaß der Geschäftsordnung keinerlei Mit­ wirkungsbefugnisse hat. Der Gemeinderat ist vollkommen selbständig, nur darf er nicht Bestimmungen treffen, die den gesetzlichen Anordnungen zuwiderlaufen. Vorsitzenden

So werden beispielsweise die Disziplinarbefugnisse des gegenüber

den Gemeinderatsmitgliedern nicht weiter aus­

gedehnt werden können, als sie durch § 62 der Gemeindeordnung be­ grenzt sind?) Die Geschäftsordnung ist nur für den Gemeinderat verbindlich, der sie

erlassen hat.

Solange sie besteht, hat die Verletzung ihrer Be­

stimmungen zur Folge, daß die Verhandlungen oder Beschlüsse ungültig sind.

Die Geschäftsordnung kann aber jederzeit mit Stimmenmehrheit

aufgehoben oder abgeändert werden. ') § 47 Abs. 2 Gemeindeordiniiig. *) Bruck S. 193 Bein. 6; anderer Ansicht Leoni-Mandel 3.64Sinnt.3. rj Ausführ. Best, zu § 47 Gemeindeordnung. 4) § 47 Abs. 3 Gemeindeordnung.

*) § 52 Gemeindeordnung. •) Derselben Ansicht Nelken S. 72 A»n>. 2. — Die Geschäftsordnung kann regeln die Bestinininngen der Sitzungstage, Mitteilung der Tagesordnung, Drucklegung der Verhandlungen, Handhabung der Redeordnung, die Wahl deS Bürgermeisters, die Bildung der Kommissionen, die Zuweisung der Geschäfte an die Komnüsstonen u. a. m. vgl. die Geschäftsordnung des Gemeinderats für Strajzbnrg vom 6. Mai 1896, 20. Januar 1897 in den Verhandlungen des Gemcinderats 1896 S. 137; 1897 S. 19.

§ 52.

297

Organisation des Gemcinderats.

Unter den Vorschriften der Gemeindeordnung über die Geschäfts­ formen des Gemeinderats sind folgende hervorzuheben: 1. Die Sitzungen des Gemeinderats sind nicht öffentlich.') Das Verbot der Öffentlichkeit erstreckt sich nicht auf Beamte, die zu der Gemeindeaufsichtsbehörde gehören und in dieser Eigenschaft als Auskunfts­ personen den Sitzungen beiwohnen, ferner braucht der Schriftführer nicht Mitglied des Gemeinderats zu fein2) und endlich können die Beigeordneten, welche nicht Mitglieder des Gemeinderats sind, sowie die Gemeindebeamten auf Anordnung des Bürgermeisters den Sitzungen beiwohnen?) Daraus, daß der Kreis der Personen, die obwohl sie nicht Gemeinderatsmitglieder sind

bei den Sitzungen des Gemeinderats zugegen sein dürfen, genau

umgrenzt ist, ergibt sich, daß der Zutritt jeder anderen Person zu ver­ sagen ist?)

Trotzdem ist in letzter Zeit von verschiedenen Gemeinde­

räten den Vertretern der Presse der Zutritt gestattet worden. Da jedem Einwohner und Steuerpflichtigen der Gemeinde das Recht zusteht, von den Beschlüssen des Gemeinderats an Ort und Stelle Einsicht zu nehmen und sich Abschrift derselben anzufertigen,") und eine Veröffent­ lichung der Sitzungsberichte stattfinden darf,

so

kann eine

Amtsverschwiegenheit für die Gemeinderatsmitglieder

allgemeine

nicht

ange­

nommen werden; dagegen kann sie durch einen besonderen Gemeinderats­ beschluß für bestimmte Angelegenheiten den Mitgliedern auferlegt werden. Die Geschäftsordnungen pflegen im allgemeinen Geheimhaltung der Ver­ handlungen in den Kommissionen und der nicht veröffentlichten Verhand­ lungen des Plenum vorzuschreiben?) 2. Die Verhandlungen des Gemeinderats werden in deutscher Sprache geführt; nur in den Gemeinden, in denen als amtliche Ge­ schäftssprache die französische Sprache weiter gestattet ist') oder auf Grund besonderer ministerieller Genehmigung sind Ausnahmen zulässig?) ') § 48 Gemeindeordnung. *) Ausführ.-Best. zu § 51 Gemeindeordnung. 3) § 50 Abs. 1 Gemeindeordnung. Die Beigeordneten erhalten hierdurch aber kein Stimmrecht. 4) Daher ist auch die Bereinigung mehrerer Gemeinderäte zur gemein­ samen Beschlußfassung beispielsweise über Vermöge»,

das die Gemeinden in

ungeteilter Gemeinschaft besitzen, ungesetzlich. ,*) § 51 Abs. 2 Gemeindeorbnung. *) Vgl. Geschäftsordnung für den

Gemeinderat von

6. Mai 1896 § 17. ’) Gesetz vom 31. März 1872 (G.Bl. S. 159) § 4. *) § 48 Abs. 2 Gemeindeordnung.

Straßburg

vom

298

7. Kapiiel.

Die Kommunalverbände.

1. Abschnitt: Die Gemeinden.

3. Den Vorsitz in dem Gemeinderat führt der Bürgermeister oder sein gesetzlicher Vertreter (Beigeordneter oder Gemeinderatsmitglied). Der Vorsitzende eröffnet nnd schließt die Sitzungen; er handhabt die Ordnung in der Versammlung?)

Nur den Verhandlungen über die Prüfung der

Jahresrechnung kann der Bürgermeister zwar beiwohnen, sie finden aber nicht unter seinem Vorsitz, sondern unter deni Vorsitz eines von dein Geineinderat zu wählenden Mitgliedes statt und vor der Beschlußfassiing muß sich der Bürgermeister jedenfalls zurückziehen?) 4. Zur vorbereitenden Erörterung einzelner zu seiner Zuständigkeit gehöriger Angelegenheiten,

sowie zur Vorberatung seiner Beschlüsse kann

der Gemeinderat Ausschüsse tzKvminissionen) aus seiner Mitte wählen. Ob ständige Ausschüsse zur Vorberatung

bestimmter Zweige der Ge­

meindeverwaltung gebildet oder ob Ausschüsse nur iin Bcdürfnisfalle ein­ gesetzt, mit wieviel Mitgliedern die Ausschüsse besetzt werden, ob die Be­ richte der Ausschüsse fassen sind



an

das

über diese

Plenum

Punkte

Gemeinderat vorbehalten?)

schriftlich

oder

mündlich abzu­

Bcstimmungcn zu treffen,

ist

dem

Die Gcincindeordnung hat sich darauf be­

schränkt, zwei Rcchtsätzc auszustellen: den Vorsitz in den Ausschüssen führt der Bürgermeister oder ein von ihm beauftragter Beigeordneter oder ein von ihm beauftragtes Gemeinderatsmitglied. Stimmenmehrheit gefaßt;

bei

Die Beschlüsse werden mit

Stimmengleichheit gibt die Stimme des

Vorsitzenden den Ausschlag?» 5. Die Verhandlungen des Gemcinderats und die Namen der in der Sitzung ainvescnd gewesene» Mitglieder sind in ein besonders dazu bestimmtes Buch in der Reihenfolge,

in der die Beschlüsse gefaßt sind,

einzlltragen. Alle amvesendcn*5)2 3Geincinderatsmitglieder 4

müssen die

Sitzungs­

berichte »lnterzeichnen oder es ist der Grund anzugeben, der die Mit­ glieder diese

an

der Unterzeichnung

verhindert

hat?')

Ein

Verstoß

gegen

Vorschriften hat die rechtliche Umvirksamkeit des Beschlusses zur

Folge;

selbst der Nachweis

durch

Zeugen

über die Abstimmilng des

') § 50 Gemeiiideordming. 2) § 68 Gcmeindeordnung. 3) Der Gemeinderat darf jedoch nicht seine gesetzlichen Befugnisse einer Kommission übertragen.

Die Kommission ist nicht befugt, an seiner Stelle einen

der in« §§ 53 ff. Gemeindeordnung ausgeführten Beschlüsse zu fassen. 4) § 60 Gcmeindcordnung. •') Gleichgültig, ob sie mit abgestimmt haben oder nicht. °j § 51 Abs. 1 Gemeindeordnung.

299

§ 52. Organisation des Gemeinderats.

Gemeinderats ersetzt nicht den Mangel der schriftlichen Feststellung des Beschlusses. *) Die Eintragung der Sitzungsberichte kann einem Gemeinderatsmitgliede oder einem besonders ernannten Schriftführer, der nicht Ge­ meinderatsmitglied sein muß, übertragen werden.^) Den Sitzungsberichten ist der Charakter einer öffentlichen Urkunde über die Gemeinderatsbeschlüsse zuzusprechen.

Ob und in welchem Umfange die Sitzungsberichte ver­

öffentlicht werden, ist der Beschlußfassung des Gemeinderats überlassen. 6. An den Verhandlungen und Beschlüssen des Gemeinderats können der ^Bürgermeister,

die Beigeordneten und Gemeinderatsmitglieder nicht

teilnehmen, wenn sie in eigener Sache oder als Bevollmächtigte ein Privatinteresse haben. ') Nehmen die betreffenden Personen trotzdem teil, so steht jedein Wahlberechtigten der Geineinde sowie der Anfsichtsbehörde frei,

binnen zehn Tagen nach Ablauf des Tages, an dem der Beschluß

gefaßt wurde,

Einspruch einzulegen,

über den der Bezirksrat endgültig

entscheidet.*4)* * Entscheidet der Bezirksrat,

daß bei der Beschlußfassung

„interessierte" Geineinderatsmitglieder mitgewirkt haben, so kann auf Un­ gültigkeit des gefaßten Beschlusses erkannt, nicht jedoch an Stelle des für ungültig erklärten ein anderer Beschluß gesetzt werden. 7.

Zur Beschlußfähigkeit

des Gemeinderats

ist

grundsätzlich

erforderlich, daß mindestens ein Gemeinderatsmitglied mehr als die Hälfte der im Amte befindlichen Mitglieder anwesend ist. ')

Da nur die An­

wesenheit verlangt ist, so sind auch die Mitglieder, die ihre Stimme nicht abgeben, mitzuzählen,

andrerseits sind der Bürgermeister oder der ihn

vertretende Beigeordnete, die nicht Geineinderatsmitglieder find, nicht initzurechnen.

Die erforderliche Zahl der Mitglieder ist bei jeder Beschluß­

fassung ausdrücklich durch den Sitzungsbericht zil konstatieren.

Für Ver­

handlungen ist die Anwesenheit einer bestimmten Anzahl von Mitgliedern überhailpt nicht erforderlich. Von dem angegebenen Grundsatz sind nach zwei Richtungen hin Ausnahmen gemacht.

Für manche Verhandlungen genügt nicht die An­

wesenheit von mehr als der Hälfte der im Amte befindlichen Gemeinde­ ratsmitglieder,

in

inanchen Fällen ist der Gemeinderat beschlußfähig,

auch wenn diese Zahl nicht erreicht ist. ') Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 167; anderer Ansicht Nelken S. 74 Stunt. 6; Halle», S. 144 Nr. 3. *) Ausfuhr.-Best. zu § 51 Gemeindeordnung. *) § 50 Abs. 2 Gemeindeordnung. 4) 8 50 Abs. 2 § 70 Gemcindeordnung. 6) § 49 Abs. 1 Gemeindeordnung.

300

7. Kapitel. Die Kommunalverbände. 1. Abschnitt: Die Gemeinden.

Der verstärkte Gemeinderat wird dadurch gebildet, daß in der Zahl der im Amte befindlichen Mitglieder diejenigen wählbaren/) dem Gemeinderat nicht ungehörigen Personen hinzutreten, welche in der Ge­ meinde zu der Gesamtheit der direkten Staatssteuern mit dem höchsten Betrage veranlagt sind; bei gleichen Steuerbeträgen entscheidet erforder­ lichenfalls das Los. Sind mehrere Personen gemeinsam veranlagt, so ist der Berechnung der Steuerbeträge das auf dieselben gleichmäßig verteilte Steuersoll zugrunde zu legen?) Die Höchstbesteuerten treten nur in den kleinen Gemeinden*3)4* * 6 7 dem Gemeinderat *) hinzu bei der Verhandlung und Beschlußfassung über: a) die Aufnahme von Anleihen, b) die Erhebung von Zuschlägen zur Deckung einmaliger Ausgaben, c) die Errichtung ständiger Gemeindeämter, d) die Ausstattung der Stellen der Bürgermeister und Beigeordneten mit einer Besoldung/) e) Anträge auf Abänderung der Gemeindebezirke/) f) über die Auferlegung eines vierten Frontages/) g) über die Übernahme einer Bürgschaft für die Verbindlichkeiten einer Sparkasse,8) ') Dagegen können als Höchstbesteuerte bei der Beschlußfassung die Per­ sonen mitwirken, die nach § 40 Gemeindeordnung nicht Mitglieder des Gemeinde­ rats sein können Ausführ.-Best. zu § 44 Gemeindeordnung. 8) § 44 Abs. 1 Gemeindeordnung. s) Es kann nach der Gemeindeordnung zweifelhaft sein, ob die Zuziehung der Höchstbesteuerten nur in kleinen Gemeinden zu erfolgen hat oder ob sie auch in großen Gemeinden möglich ist. Für die Richtigkeit der ersten Alternative spricht die Fassung des Abs. 2 § 44, der ein allgemeines Prinzip aufstellen will, nach dem die Zuziehung in großen Gemeinden nicht statthaft ist. Daher ist auch bei Abänderung von Gemeindegrenzen (§ 3) eine Verstärkung des Gemeinderats durch die Höchstbesteuerten unzulässig. Derselben Ansicht Leoni-Mandel S. 63. Nelken S. 67 Anm. 15. Bruck S. 181 ff. Auch im französischen Recht sind die Höchstbesteuerten miT den Gemeinderäten der Gemeinden hinzugetreten, die weniger als 100000 Fr. Einnahmen hatten. Gesetz vom 18. Juli 1837 Art. 42. 4) Die Höchstbestenerten können auch einem Gemeinderat, der nach § 29 Abs. 2 Gemeindeordnung besteht, hinzutreten. Halley S. 132 Anm. 9 begründet seine entgegengesetzte Ansicht damit, daß er die Wahlberechtigten, die den Gemeinde­ rat bilden, nicht als Mitglieder des Gemeinderats auffaßt. ö) § 44 Gemeindeordnung. 6) § 3 Abs. 2 Gemeindeordnung. 7) Gesetz vom 17. Juli 1884 (G.Bl. S. 105). 8) Gesetz vom 14. Juli 1895 § 31; Verordnung vom 19. Januar 1897 § 1 venn die Gemeinden zu ver­ schiedenen Bezirken gehören?) Uber

Veräußerungen der ungeteilten

Güter

und

Rechte,

Ver­

pfändungen, Teilungen, Erwerbungen und Vergleiche haben die beteiligten Gemeinde rate

zu

beschließen?)

sie können

dem Vorsitzenden

der

Syndikatskomniission die Ermächtigung erteilen, die zur Ausführung der Beschlüsse erforderlichen Akte aufzunehmen?)

Desgleichen nehmen die

Gemeinderäte die Verteilung der von der Kommission beschlossenen Aus­ gaben unter die beteiligten Gemeinden der Aufsichtsbehörde

vor;

vorbehaltlich der Genehmigung

bei Meinungsverschiedenheiten

zwischen den

Gemeinderäten entscheidet die Aufsichtsbehörde über die Verteilung.

Die

Ausgaben sind Pslichtausgaben der Gemeinden und können mithin zwangs­ weise etatisiert werden?) Der Gedanke, der zur Bestellung einer besonderen Kommission für die Verwaltung von gemeinschaftlichem Vermögen mehrerer Gemeinden ') Die Stimme des Vorsitzenden gibt bei Stimmengleichheit den Ausschlag. 8 50 Abs. 2 Gemeindeordinnig. •) §§ 8 Abs. 1, 9 n. n. O. ’) § 11 ebenda. 4) Die Beschlußfassung der Gcmeinderäte darf nicht in einer Sitzung der vereinigten Gemeinderäre erfolgen, sondern sie muß von jedem Gcmcinderat ge­ trennt vorgenom mm werden. 6) § 8 Abs. 2 ebenda. 6) § 10 ebenda. Die Befugnisse nimmt gegebenenfalls der Bezirkspräsident oder das Ministerium wahr § 11.

§ 53.

307

Zuständigkeit deS Gemeinderats.

geführt hat, ist in dem Gesetz vom 11. Juni 1902 (Gesetzblatt S. 55) noch weiter ausgedehnt worden. meinden die gemeinschaftliche wässerungs-, und

Nach ihm kann, wenn mehrere Ge­

Ausführung

Bewässerungsanlagen

von

beschlossen

späteren Unterhaltung und Verwaltung

Wasserleitungen, haben,

Ent-

zur Ausführung

der Anlagen auf Antrag

einer der Gemeinden durch Beschluß des Ministeriums eine Syndikats­ kommission

gebildet werden,

deren

Zusammensetzung,

Befugnisse ') sich

nach den oben erörterten Regeln bestimmt; nur übt das Ministerium die Befugnisse des Bezirkspräsidenten und der Aufsichtsbehörde mtS.e) Auch neben dieser Kommission bleiben die Gemeinderäte

in den eben

gezogenen Grenzen zuständig. 2.

Ter

Gemeinderat

beschließt

ferner unbeschadet der auf be­

sonderem Rechtsgrunde beruhenden Privatrechte über die Art der Be­ nutzung der

öffentlichen

Einrichtungen

und

Anstalten der Ge­

meinde, 3* )*4 sowie über die dieser Benutzung zugrunde liegenden Bedingungen und über die Art der Nutzung der

Gemeindegüter,

sowie die Ver­

wendung und Verteilung der Erträgnisse derselben einschließlich derjenigen der Gemeindewaldungen, sowie über die dieser Nutzung und Verteilung zugrunde liegenden Bedingungen.'') In beiden Fällen ist die Beschlußfassung keine uneingeschränkte, sondern es

sind die Grenzen gesetzlich

bestimmt,

innerhalb deren der

Gemeinderat beschließen darf. Die

Voraussetzungen

für

die

Zulassung zur Benutzung

der

öffentlichen Einrichtungen und Anstalten und zur Nutzung der Gemeinde­ güter müssen für alle Einwohner die gleichen sein.

Ferner darf keine

Abgabe für den

werden.

Erwerb

der

Berechtigung

erhoben

Da

die

Gemeindeordnung die Rechte der Gemeindeeingesessenen nach dem Grundsatz

*) Die Kommission beschließt über die Vergebung von Arbeiten ans Grund der von der Meliorationsbauverwaltung gelieferten Pläne, über die Übernahme der Ausführung des Baues; sie leitet das Rechnungswesen usw. *) § 1 Gesetz vom 11. Juni 1902. — Das Ministerium ist auch zuständig für die spätere Unterhaltung und Verwaltung der geschaffenen Anlage; es kann daher die bestehende Koinmisston auch für die Verwaltung der Wasserleitungen, Ent- und Bewäfferunganlagen in Tätigkeit bleiben. 3) In Betracht kommen Bildungsanstalten, Schlachthäuser, Wohltätigkeits­ anstalten usw. 4) § 54 Gemeindeordnung. — In der gemeinsamen Benutzung der Gemcindegüter tritt der frühere genoffenschaftliche Charakter der Gemeinde (Ver­ fassung vom 3. September 1791, Gesetz vom 10. Juni 1793 Art. 2, Code civil Art. 542) noch deutlich hervor.

308

7. Kapitel.

Die Kommunalverbände.

1. Abschnitt: Die Gemeinden.

„der Einwohnergemeinde" verliehen hat, ist die Erhebung einer besonderen Abgabe

für den

Erwerb

der Nutzungsrechte

ausgeschlossen.

Wie die

politischen sind auch die Nutzungsrechte kraft Gesetzes gegeben; sie er­ wachsen beide aus einem besonders gearteten Wohnsitz in der Gemeinde. Steht die Mitbenutzung der

öffentlichen

Einrichtungen

und Anstalten

bei der Erfüllung der für sie erlassenen Bedingungen allen Gemeinde­ einwohnern zu, gleichgültig welche Staatsangehörigkeit sie besitzen, ob sie lange oder kurze Zeit in der Gemeinde wohnen, so sind von dem Mitgenusse an den

Gemeindenutzungen drei Gruppen von Gemeinde­

einwohnern ausgeschlossen:

I. die Militärpersonen des Friedensstandes

mit Ausnahme der Militärbeamten; angehörigkeit sind; 3. die, dem die Nutzungen

zur

2. die nicht im Besitz der Reichs­

welche zu Beginn') des Kalenderjahres, in

Verteilung

gelangen,

in

der

Gemeinde

nicht

bereits seit drei Jahren eine eigene Haushaltung mit eigener Feuerstelle 2) geführt habe». Die Festsetzung der Bedingungen,

von deren

Erfüllung die Be­

nutzung der öffentlichen Einrichtungen und Anstalten abhängig gemacht wird, ist dem Ermessen des Gcmeinderats überlassen, nur der Grundsatz der gleichmäßigen Berechtigung darf nicht verletzt werden.

Ist die Benutzung

zur Zwangspflicht gemacht geworden, so bedarf der Gemeinderatsbeschluß, der die Erhebung von Gebühren für die Benutzung zum Gegenstand hat, der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.3) Nicht so frei ist der Gemeinderat in der Feststellung von Bedingungen für die Mitbenutzung der Allmende, vielmehr ist in drei Beziehungen seine Beschlußfassung eingeschränkt. Die Bedingungen3) sind mit der Maßgabe zu bestimmen, daß a) die Nutzungen in stets widerruflicher Weise gewährt werden; b) die Abgabe von Nutzholz

aus

den

der Forstordnung unter­

worfenen Gemeindewaldungen nur gegen Zahlung des durch Sachver­ ständige abzuschätzenden Wertes desselben erfolgen kann; c) falls Gemeindegüter dem Herkommen gemäß in bestimmte Teile geteilt werden und die Zahl der Berechtigten größer ist als die der Teile, das ') Fällt im Laufe deö Kalenderjahres eine der Vorbedingnngen der Be­ rechtigung weg, so bleibt das mit Beginn des Kalenderjahres erworbene Recht bestehen. Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 316, Nr. 353. *) Über die Merkmale vgl. Bruck 2>. 217ff. s) § 75 Abs. 2 Nr. 1 Gemeiiideordnung. 4) In kleinen Gemeinden bedarf der Genieinderatsbeschluß, der zum Gegen­ stände hat die Gewährung von Nutzungen, sofern dieselben neu eingeführt oder die Grundsätze verändert werden, nach welchen die Gewährung bisher erfolgt ist, der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.

§ 76 Nr. 13 Gemeindeordnung.

§ 53.

Einrücken erst

309

Zuständigkeit des Gemeinderats.

stattfindet,

wenn

ein Teil

erledigt ist.

Sind

mehrere

Gleichberechtigte vorhanden, so entscheidet das Herkommen, welcher von ihnen einzurücken hat.

Besteht kein Herkommen, so entscheidet das Los.

Nicht ohne Schwierigkeiten lassen sich die Grenzen ziehen, inner­ halb deren ein Herkommen bei Verteilung der Allmendlose noch maß­ gebend und

der

Gemeinderat zur Beschlußfassung über die der Ver­

teilung zugrunde zu legenden

Bedingungen zuständig

ist.

Weder das

Herkomnlen noch die Bedingungen dürfen sich in Widerspruch mit den Rechtsregeln der Gemeindeordnung setzen, *) vor allem muß der Grundsatz der Gleichberechtigung*3)*4 beobachtet werden.

Mithin ist ein Herkommen

oder eine Bedingung rechtsungültig, die dahin gehen,

daß nur der Be­

sitzer eines Hauses3) oder nur verheiratete Hausbesitzer teilnahmeberechtigt sind oder daß den bei Beginn des Kalenderjahres gesetzlich zur Teilnahme an den Gemeindcnutzungen berechtigten Personen ein Anspruch nicht zu­ steht, wenn sie nicht auch zur Zeit der Allmendverteilung ihren Wohnsitz in der Gemeinde Habens oder daß der Zuzulassende ein bestimmtes Alter hat.

Rechtsgültig ist dagegen ein Herkommen, nach dem die Teilnahme­

berechtigten in der zeitlichen Reihenfolge, in der sie die Vorbedingungen für die Teilnahmeberechtigung erfüllen, treten sollen.3)

in den Besitz freiwerdender Lose

Rechtswirksam kann der Gemeinderat beschließen, daß

die Nutzungen nur gegen Abgaben gewährt werden, daß die Nutzung nicht übertragbar ist, daß ein Verzicht auf ein Los den Übergang des Loses auf den nächsten Anwärter zur Folge hat und der Verzichtende endgültig aus der Reihe der Anwärter ausscheidet, daß die erledigten Lose zum Vorteile der Gemeinde verpachtet werden u. a. nt. Eine

teilweise

Abweichung von diesen Grundsätzen tritt für die

Gemeinden Lothringens ein,

in denen das Edikt

von Marly vom

Juni 1769 über die Teilung der Gemeindegüter zur Ausführung ge­ kommen ist.

In diesem von der Gemeindeordnung nicht aufgehobenen

Edikt3) ist unter anderm im Widerspruch mit der Gemeindeordnung ') Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 353. *) Es kann daher nicht unter Anerkennung des GenußrechteS der Bezug nur auf ein halbes Los herabgesetzt werden.

Entscheidung des Kaiserlichen Rats

Nr. 369. 3) So das Dekret vom 9. Brumaire XIII, das durch § 80 der Gemeindeordnung aufgehoben ist. Entscheidung des Kaiserlichen RatS Nr. 168, Nr. 197. 4) Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 353. 6) Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 268. *) Ausf.-Best. zu § 54 Gemcindeordnung. Nr. 11.

Abgedruckt bei Bruck Anlage

310

7. ilnpitet. Die Kommunalverbände. 1. Abschnitt: Die Gemeinden.

und verschiedenen Rechtsgrundsätzen, also ungültig, bestimmt, „die Anteile gehen nur auf die Erben in gerader Linie über", „eine testamentarische Verfügung ist unbeschadet des der Witwe zustehenden Nutzgenusses zu­ gunsten eines Kindes, welches einen besonderen Hausstand hat, zulässig". Für die Zuteilung der Lose ist nur verlangt, daß die Person an dem Orte seßhaft ist d. h. daß sie dort ihren Wohnsitz hat') und daß kein Ein­ wohner zwei Anteile besitzt.

Die Zuteilung erfolgt nach der Reihenfolge der

erworbenen Anwartschaft, eine Auswahl unter den Losen ist nicht ge­ stattet.

Nimmt der an der Reihe befindliche Anwärter das frei gewordene

Los nicht an, so liegt in der Nichtannahme ein endgültiger Verzicht auf den Anspruch,

andernfalls wäre eine Auswahl unter den Losen doch

möglich.3) Gegen Anordnungen des Bürgermeisters oder gegen Gemeinderats­ beschlüsse, die die Mitbenutzung der öffentlichen Einrichtungen und An­ stalten sowie den Mitgcnuß der Nutzungen betreffen,

sönnen Einsprüche

binnen einer Ausschlußfrist von drei Monaten nach Ablauf des Tages, an dem die Anordnung des Bürgermeisters erlassen oder der Gemeinde­ ratsbeschluß gefaßt ist, erhoben werden.3)

Legitimiert zur Erhebung sind

die Organe der Gemeindeverwaltung, die Gemeindeaufsichtsbehörde und jeder Gemeindcangehörige. Über die Einsprüche erkennt in erster In­ stanz der Bezirksrat, in zweiter der Kaiserliche Rat.

Die Entscheidung

kann aussprechcn, daß die Vorschriften über die Nutzungen falsch ange­ wendet worden sind und kann die Reihenfolge der Berechtigten bestimmen.4) Über Ansprüche, durch welche ein auf besonderem Rechtsgrunde beruhendes Privatrecht geltend gemacht wird, erkennen die ordentlichen Gerichte. 3. Der Gemeinderat beschließt über die Einnahmen und Aus­ gaben der Gemeinde.3) schränkungen.

Richtig

Dieser Grundsatz bedarf sehr weitgehender Ein­ ist,

daß jeder

Posten

im

Beschlußfassung des Gemeinderats unterworfen ist.

Gemeindebudget der Die Beschlußfassung

hat aber einen wesentlich verschiedenen Charakter je nach der Art der zu bewilligenden Ausgabe oder Eingabe. Die Pflichtausgaben müssen in das Budget eingestellt und die zu

ihrer Bestreitung

erforderlichen

Beträge

müssen

bewilligt

werden,

*) Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 286. *) Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 285.

Der Verzicht

auf ei»

bereits angetretenes Los ist zulässig. Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 239. 3) § 54 Abs. 4, § 70 Gemeindeordnung. 4) Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 232. ö) § 55 Abs. 1 Gemcindeordnung.

§ 53.

Zuständigkeit des Gemeinderats.

811

widrigenfalls die Aufsichtsbehörde das Recht der Zwangsetatisierung hat. Der Beschluß, der eine Pflichtausgabe zum Gegenstand hat, ist daher nur formell ein Beschluß, materiell drückt er das Anerkenntnis aus, daß die Ausgabe dem Grunde und der Höhe nach gerechtfertigt ist. Den Pflicht­ ausgaben stehen die freiwilligen Ausgaben gegenüber. Sie können allerdings nur gemäß einem Gemeinderatsbeschlusse geleistet werden und der Gemeinderat ist nicht verpflichtet, die Ausgabeposition zu bewilligen, falls sie von dem Bürgermeister vorgeschlagen wird. Dieselbe Unterscheidung läßt sich bei den Einnahmen machen. Alle Einnahmen, die auf Grund der der Gemeinde zustehenden Finanzgewalt von ihr eingenommen werden, ferner die Zuwendungen, die die Gemeinde von dem Staate oder Bezirk erhält, sind der Beschlußfassung des Ge­ meinderats entrückt. Zu der ersten Gruppe gehören Gebühren, Straf­ gelder, Oktroi, Hundesteuer. Auch die Höhe der Zuschläge zu den Staatssteuern zu bestimmen, ist dem Gemeinderat nicht überlassen, viel­ mehr muß er sie so festsetzen, daß das Budget balanciert.') Andrerseits gibt es auch Einnahmen, die, wie die Kontrahierung von Anleihen, der Verkauf von Gcmeindewerte», nur auf Beschluß des Gemeinderats er­ hoben werden dürfen. 4. Außer den von dem Gemeinderat zu ernennenden Mitgliedern der Verwaltungsräte der öffentlichen Kranken- und Pflegehäuser, der öffentlichen Pfandhäuser, der Armenräte,**) ist ihm noch in vielen anderen Fällen eine Ernennungsbefugnis verliehen worden. Beispielsweise sei erwähnt: die Gemeinderäte von Straßburg, Mülhausen, Metz und Colmar wählen aus ihrer Mitte je ein Mitglied des Landesausschusses?) Bei der Veranlagung der Staatssteuern wirkt der Gemeinderat mit indem er die Mitglieder der Kommission für Neueinschätzung der Gebäude wählt, wenn die Gemeinde einen Schätzungsdistrikt für sich bildet;') auch bei Einschätzung der Grundstücke ist der Gemeinde durch das Recht, den Ortsschätzer für die Schätzungskommission zu wählen, eine Mitwirkung eingeräumt^) einzelnen Gemeinden kann von dem Direktor der direkten Steuern das Recht beigelegt werden, von den zwei durch ihn zu er­ nennenden Mitgliedern der Kreiskommission zur Veranlagung der Gewerbe*) Anweisung über das Gemeinderechnungswesen § 14 a Nr. I I. *) Gemeindeordnung § 58. ») Gesetz vom 4. Juli 1879 (R.G.Bl. S. 165) §§ 13, 14. *) Gesetz vom 6. April 1892 (G.Bl. S. 33) § 46 Abs. 3. 6) § 34 ebenda.

312

7. Kapitel.

Die Kommunalverbände.

1. Abschnitt: Die Gemeinden.

steuer ein Mitglied für die Dauer von drei Jahren durch den Gemeinderat wählen zu lassen?)

In Straßburg, Mülhausen, Metz, Colmar werden

von dem Gemeinderat in geheimer Abstimmung zwei zu den direkten Steuern

veranlagte Mitglieder

kommission zur

(und

ihre

Stellvertreter)

Veranlagung der Kapitalsteuer

Besoldungssteuer gewählt?)

und

der

Kreis­

der Lohn-

und

Außerdem kann von dem Ministerium ein­

zelnen Gemeinden das Recht beigelegt werden, noch ein weiteres Mitglied derselben Kominission und der Bezirkskommission für die Dauer von drei Jahren durch den Gemeinderat wählen zu lassen?) Ferner wählt der Gemeinderat jeweils im Einverständnis mit den Pächtern der Gemeindejagd bei Beginn einer Jagdperiode für deren Dauer einen Schätzer, dem die Feststellung des Wildschadens mit Ausnahme desjenigen, der durch Schwarzwild angerichtet wird, obliegt.

Seine Er­

nennung erfolgt vorbehaltlich der jederzeit widerruflichen Genehmigung der Gemeindeaufsichtsbehörde durch den Bürgermeister.

Kommt eine Einigung

zwischen dem Gemeinderat und den Jagdpächtcrn nicht zustande, so erfolgt die Ernennung des Schätzers durch die Gemeindeanfsichtsbehörde?) Weiterhin sind die Gemeinderäte befugt, die Gcmeindewaisenräte vorzuschlagen?)

Wird die Bestätigung eines Gemeindewaisenrates

von dem Amtsgericht abgelehnt, so ist der Bürgermeister ohne Ermäch­ tigung des

Gemeinderats

oder

der

Aufsichtsbehörde befugt,

Beschwerde gegen die Verfügung einzulegen?)

sofortige

Haben die Gemeinderäte

mit Ermächtigung des Ministeriunis das Amt eines Gemeindewaisenrates als ständiges Gemeindeamt errichtet, so erfolgt die Ernennung unabhängig von dem Amtsgericht durch den Bürgermeister.

Das Amtsgericht ist

zwar zur Erteilung von Weisungen an den Gemeindewaisenrat befugt, nicht aber zu dessen Entlassung.

Die Entlassung kann auf Antrag des

') Gesetz vom 8. Juni 1896 (G.Bl. S. 31) § 18 Abs. 3. ')

§ 16 Nr. 3 Gesetz vom 13. In« 1901 (G.Bl. S. 55) und § 13 Gesetz

vom 13. Juli 1901 (G.Bl. S. 69). a) § 16 Abs. 4, § 17 Abs. 4 und § 13 ebenda. 4)

§ 19

Ausf.-Gcsetz

zum

10. November 1899 (A.Bl. S. 139).

Bürgerlichen

Gesetzbuch.

Verordnung vom

Der Schätzer ist aus den Einwohnern einer

benachbarten Gemeinde zu nehmen. -) § 131 Abs. 1 Ansf.-Gesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Verordnung vom 6. Dezember 1899 (A.Bl. S. 293). In jeder Gemeinde ist niindestens ein Gcmeindewaisenrat zu bestellen.

Verordnung vom 17. November 1899 (A.Bl. S. 151),

Anweisung für die Gemeindewaisenräte in der Verordnung vom 30. März 1900 (A.Bl. S. 136). ”) § 17 Ausf.-Gesetz zum Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

Dem Bürgermeister ist die Verfügung zuzustellen. § 15 ebenda.

§ 53. Zuständigkeit des Gemeinderats. § 54. Gemeindevermögen und Gemeindeschulden.

Amtsgerichts durch das Ministerium und von dem Bürgermeister nach den früher erörterten Grundsätzen verfügt werden.') Dadurch, daß in Straßburg und Metz die Gemeinderäte als Kreis­ vertretungen fungieren,2) nehmen die beiden Gemeinderäte die Rechte der Kreistage in dem später darzustellenden Umfange wahr?) Die genehmigungsbedürftigen Beschlüsse ergeben sich aus den §§ 74—76 der Gemeindeordnung. Es ist bereits ausgeführt worden, wer die Genehmigung erteilt und welche Bedeutung sie hat. Die begutachtende Tätigkeit des Gemeinderats ist eine obli­ gatorische oder fakultative. Seine Begutachtung muß außer in den in § 59 der Gemeindeordnung aufgeführten Fällen beispielsweise eingeholt werden bei den wichtigsten Geschäften der Kranken- und Pflegehäuser; 4) vor Erteilung der Naturalisationsurkunde hat der Bezirkspräsident den Gemeinderat der Gemeinde, in der sich der Aufzunehmende niederlassen will, über bestimmte Erfordernisse zu befragen?) Rehabilitationsgesuche sind von dem Gemeinderat und Bürgermeister der Gemeinde, in der der Verurteilte gewohnt hat, zu begutachten;G) vor Errichtung einer Apotheke ist das Gutachten des Gemeinderats einzuholen usw?) Außerdem können dem Gemeinderat im Auftrag der Aufsichtsbehörde alle möglichen Ange­ legenheiten zur Begutachtung überwiesen werden?) III. Das Finanzwesen der Gemeinde. § 54. Gemeindcvrrmögeu und Gemeinde schulden. I. Das Vermögen der Gemeinde besteht aus zwei Gruppen aus dem öffentliche« (gebundenen) und dem privaten (freien) Gut.2) Das öffentliche Gut (domaine public municipal) ist verkehrsunfähig; ') 135 AuSf.-Gesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch. ’) Gesetz vom 24. Januar 1873 (G.Bl. S. 17) § 2 Abs. 1. *) Ist der Gemeinderat aufgelöst, so stehen dem Ausschuß oder dem Bürger­ melster die Rechte des Kreistages zu. § 63 Abs. 2 Gemelndeordnung. 4) Gesetz vom 7. August 1851 Art. 10. *) Gesetz vom 1. Juni 1870 § 8 Abs. 2. 6) Französische St. P.O. Art. 624, 625. -) Art. 1 Ausf.-Best. vom 18. August 1903 (A.Bl. S. 133). *) § 59 Gemeludrorduung. •) Es mag richtiger sei», von „Berwaltungsvermögen" und .Finanz­ vermögen" zu sprechen. Jedoch empfiehlt sich diese Terminologie im Hinblick auf § 44 Ausf.-Gesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch nicht.

314

7. Kapitel.

Die Komimiiialvcrbände.

1. Abschnitt: Die Gemeinden.

keinerlei Rechte können an ihm erworben werden.') Die Verkehrsunfähigkeit hat zur Folge, daß es dem privatrechtlichen Verkehr entzogen ist; es kann nicht verkauft, werden.

vertauscht, belastet, von dritten Personen erworben

Die Zwangsversteigerung von Gegenständen, die zum öffentlichen

Gut gehören, ist ausgeschlossen.^) vorübergehend

und

stets

Jedoch ist es zulässig, daß Einzelnen

widerruflich

eine

über

den Gemeingebrauch

hinausgehende Benutzung der öffentlichen Sache gestattet wird. die Erlaubnis erteilt werden,

So kann

daß Straßen und Plätze zur Lagerung

von Waren, zum Aufstellen von Verkaufsbuden, von Masten für elektrische Leitungen u. a. in. benutzt werden.

Das öffentliche Gut kann nur Gegen­

stand eines Rechtsgeschäftes sein, dessen Inhalt sich nach den Grundsätzen des öffentlichen Rechtes bestimmt.

So kann das Eigentum einer

Straße von der Gemeinde auf den Staat oder Bezirk übertragen werden. Hört die Widmung zu dem öffentlichen Zweck aus, so fallen die Be­ schränkungen weg: aus dem öffentlichen Gut wird privates Gut. private

Eigentum

kommen

die

Bestimmungen

Für das

des Bürgerlichen

Rechtes in Betracht, insoweit nicht besondere Ausnahmen getroffen sind. So brauchen

Gemeindegrundstücke in die Grllnd-Eigentumsbücher nicht

eingetragen zu werden;^) eine gerichtliche Zwangsvollstreckung wegen Geld­ forderungen ist nur bei Verfolgung dinglicher Rechte möglich.l4)* * Nicht zu dem Gemeindevermögen gehören die mit juristischer Persönlichkeit ausge­ statteten öffentlichen Anstalten,

wie Kranken-Pflegehäuser,

Armenräte,

bei deren Verwaltung zwar der Gemeinderat erheblich mitwirkt, die aber Eigentümer der betreffenden Vermögenskomplcxe sind. Die Frage, welche Objekte zu dem öffentlichen Gemeindever­ mögen gehören, läßt sich nur von Fall zu Fall im Anschluß an die Auszählung des § 44 Abs. 2 Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetz­ buch durch die Beziehung, in der die Objekte zu den Bedürfnissen des öffentlichen Verkehrs stehen, entscheiden.^)

Im allgemeinen ist mit den

modernen Rechtsanschauungen nur die Auffassung vereinbar, die die Grenzen des öffentlichen Gutes möglichst eng zieht. liegenden Vizinalstraßen und Wege,

Die im Bann der Gemeinde

die öffentlichen Straßen,

Plätze

mit allem Zubehör, wie Brücken, Brunnen, Böschungen, Beleuchtungs-, Kanalisationsanlagen, Denkmäler,

die Häfen und die sonstigen von der

l) § 44 Abs. 1 Ausf.-Ges. zum Bürgerlichen Gesetzbuch. *) § 77 Gemeindeordnung. s) Kaiserliche Verordnung vom 11. Dezember 1899 (@.331. S. 247). 4) Ausf.-Ges. zur Zivilprozeßordnung § 4 Abs. 1. 6) Die Frage unterliegt der Entscheidung der ordentlichrir Gerichte.

§ 54.

315

Gemeindevermögen und Gemeindeschulden.

Gemeinde an Flüssen errichteten Kunstbauten,

die Gemeindekirchen, die

Gemeindekirchhöfe, Mauern, Tore gehören zu dem öffentlichen Gut, da­ gegen wohl nicht Bibliotheken und Museen. Das

private Gemeindevermögen ist,

je

nachdem

ob

seine

Erträgnisse zur Bestreitung der der Gemeinde zugewiesenen Aufgaben ver­ wendet oder ob sie bestimmten Gemeindeeinwohnern überlassen werden, in biens patrimoniaux und in biens communaux zu trennen.

Die biens

patrimoniaux — das Privateigentum der Gemeinde — bilden Gegen­ stände, die einem öffentlichen Dienst gewidmet sind, wie Rathäuser, Pfarr­ häuser,

Gemeindeschulen, Gemeindegefängnisse; ferner gehören zu ihnen

sämtliche Gemeindeanstalten und -Einrichtungen wie Schulen und andere Bildungsanstalte», Theater, Gas-, Wasserwerke,

Schlachthäuser, Markt­

hallen, Wagen, Straßenbahnen, Gebäude, die vermietet werden u. a. nt. Endlich sind auch hierher die Vcrmögensmassen zu bestimmten Zwecken, die Wertpapiere, Forderungen, Grundrenten, Jachtpachtsgelder, sofern sie der Gemeinde verbleiben,') zu rechne». Die Nutzungen

biens

communaux,

Almend,

ant Walde (Gabholz, Laub,

bestehen

vornehmlich in

Gras) oder am Felde.

Die

Nutzungen am Felde werden entweder gemeinsam genutzt an der unge­ teilten Almend (Weideland, Ödland, Sümpfe, Torfmoore) oder die Al­ mend ist in Lose geteilt und jeder Berechtigte nutzt

lediglich das ihm

zugeteilte Los.**) II. Gemeindeschulden.

Die zahlreichsten Gemeindeschulden sind

die, welche durch die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten in jedem Augenblick eingegangen werden müssen.

Zu ihrer Kontrahierung ist der

Bürgermeister auf Grund des ihm int Budget erteilten Kredites befugt.*) Sie spielen, wenn sie bei der Rechnungslegung werden, werter keine Rolle.

genügend nachgewiesen

Anders aber ist es bei den Finanzgeschäften,

die dem Gemeindevermögen gefährlich werden können und die es auf lange Zeit hin belasten. Daher ist die Übernahme einer Bürgschaft und die Aufnahme einer Anleihe nur unter erschwerenden Bedingungen zulässig.*) 1. Der Abschluß des Bürgschaftsvertrages erfordert die schrift*) § 4 Abs. 3 Gesetz vom 7. Februar 1881 (G.Bl. S. 5). *) Vgl. § 54 Gemeindeordnung und oben S. 307 ff. 8) § 17 Abs. 2 Gemeindeordnung. 4) Jedes Jahr hat der Bezirkspräsident dem Bezirkstag eine Übersicht über die finanzielle Lage der Gemeinden, insbesondere ein Verzeichnis der Gemeindeanleihen, vorzulegen. Gesetz vom 18. Juli 1866 Art. 5.

316

7. Kapitel. Die KommunalverbSnde. 1. Abschnitt: Die Gemeinden.

liche Erteilung der Bürgschaftserklärung.*) Die Bürgschaftserklärung muß in einem Gemeinderatsbeschluß ausgesprochen fein, *) der der Geneh­ migung des Bezirkspräsidenten bedarf;^ er bedarf der Genehmigung des Ministeriums, wenn es sich um Übernahme von Bürgschaften für Spar­ kassen handelt.4) Das Rechtsverhältnis zwischen der Gemeinde als Bürgin auf der einen Seite und dem Gläubiger und dem Hauptschuldner auf der anderen Seite bestimmt sich nach den Vorschriften der §§ 765ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs, insoweit nicht abweichende Vereinbarungen getroffen werden. Von der freiwillig übernommenen Bürgschaft ist die Bürgschaft zu unterscheiden, die ex lege zu Lasten der Gemeinde entsteht, wenn einer ihrer Beamten in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt einem Dritten einen Schaden zufügt/') Ihre Gültigkeit ist naturgemäß von der Genehmigung einer der Gemeinde übergeordneten Behörde unabhängig. 2. Über die Aufnahme einer Anleihe") beschließt der Gemeinderat7) und zwar in den kleinen Gemeinden unter Hinzuziehung der Höchstbesteuerten.") Die weiteren Rechtsgrundsätze, die zur Anlvendung zu kommen haben, sind verschieden je nach der Art der Anleihe. Wird durch die Anleihe der Schulden bestand der Gemeinde nicht belastet oder der bereits vorhandene Schuldenbestand nicht vergrößert, so ist eine Genehmigung des Gemeinde­ ratsbeschlusses über die Aufnahme der Anleihe überhaupt nicht erforderlich. Mithin ist von der Genehmigung abzusehen: a) bei Anleihen, vermittelst deren Gemeinden nur eine augenblickliche Geldverlegenheit beseitigen wollen und welche in kurzer Zeit wieder zurückgezahlt werden sollen. Die letzte Voraussetzung ist als ge­ geben zu erachten, wenn die Anleihe spätestens in dem folgenden Rechnungsjahr zurückgezahlt werden soll. ') § 766 Bürgerliches Gesetzbuch. *) § 56 Nr. 14 Gemcindeordnung. •1) § 75 Nr. 9 ebenda. 4) I» kleine» Gemeinden ist die Zuziehung der Höchstbesteuerten notwendig. Gesetz vom 14. Jult 1895 sG.Bl. S. 87) § 32. Verordnung vom 19. Januar 1897 (A.Bl. ©.81) § 1. «) § 40 A G. B.G.B. ®) Friedrich, Die in Elsaß-Lothringen geltenden Bestimmungen über Gemeindeanleihen. Gebweiler 1906. ’) § 56 Nr. 5 Gemeindeordnung. a) § 44 ebenda. Die Höchstbesteuertcn sind bei den Verhandlungen über alle Anleihen, ohne Rücksicht, ob sie genehmigungspflichtig sind oder nicht, zuzu­ ziehen. Min.-Erl. vom 29. Dezember 1896. Friedrich S. 8.

§ 54. Gemeindevermögcn und Genleindeschulden.

317

b) bei Anleihen, deren Rückzahlung in vollem Betrage durch vorher zugesicherte Beihilfen aus Landes- oder Bezirksfonds erfolgen soll. c) bei Anleihen, durch welche eine bereits früher aufgenommene Anleihe in mindestens der gleichen Höhe zurückgezahlt werden soll. Da die Entscheidung, ob hiernach für die Anleihe Genehmigung notwendig ist oder nicht, nicht dem Gemeinderat, sondern der Gemeinde­ aufsichtsbehörde zusteht, so ist der Gemeinderatsbeschluß vor seiner Aus­ führung entweder dem Kreisdirektvr oder Bezirkspräsidenten vorzulegen.') Wird durch die Aufnahme der Anleihe die Gemeinde mit einem Schnldenbestande belastet oder der bereits vorhandene vergrößert, so muß der Gemeinderatsbeschluß, sofern die Tilgungsstist zehn Jahre nicht überschreitet, von der Gemeindeaufsichtsbehörde,*2)*andernfalls, 4*6 wenn die Tilgungsfrist sich über zehn Jahre hinaus erstreckt, durch Kaiserliche vom Statthalter zu vollziehende Verordnung genehmigt werden.2) Die weiteren Bedingungen der Aufnahmen unterliegen in beiden Fällen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Die Verzinsung und Tilgung der Anleihen sind Pflichtausgaben. *) Die Aufnahme der Anleihe erfolgt durch Ausstellung von Schuld­ verschreibungen auf den Inhaber,2) die auf bestimmte festgesetzte Beträge lauten, in welche der Gesamtbetrag der Anleihe zerlegt worden ist. Die Jnhaberschuldverschreibungen dürfen nur mit Genehmigung des Ministe­ riums in Verkehr gebracht werden. °) Für das Rechtsverhältnis zwischen der Gemeinde und ihren Gläubigern kommen, insoweit nicht abweichende Bestimmungen in der Anleihe getroffen sind, die Vorschriften der §§ 793 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur An­ wendung. Die Voraussetzungen und Wirkungen des Aufgebots abhanden gekommener oder vernichteter Schuldverschreibungen richten sich »ach den §§ 799 und 800 Bürgerliches Gesetzbuch, das Verfahren ist in den *) Ausf.-Best. zu § 74 Gemeindcordnung. *) § 75 Abs. 2 Nr. 4 Geineindeordiiung. s) § 74 Nr. 2 ebenda. 4) § 65 Nr. 11 Gemeindcordnung. °) Sic gehören zu den zur Anlegung von Mündelgeld geeigneten Wert­ papieren, wenn sie entweder seitens der Inhaber kündbar sind oder einer regel­ mäßigen Amortisation unterliegen. § 1807 Bürgerliches Gesetzbuch § 141 Nr. 1 Ausf.-Ges. zum Bürgerlichen Gesetzbuch Art. 212 Einführungsgesetz zum Bürger­ lichen Gesetzbuch. 6) § 795 Bürgerliches Gesetzbuch. Die Genehniigung erteilt das Ministerium für Finanzen, Gewerbe u. Domänen. Bekanntniachung vom 17. März 1906. (A.Bl. S. 33ff.)

318

7. Kapitel.

Die Äommunalverbände.

1. Abschnitt: Die Gemeinden.

.§§ 946 ff., 1003 Zivilprozeßordnung geregelt.

Zu bemerken ist, daß für

das Verfahren ausschließlich das Amtsgericht Straßburg zuständig ist. *)

§ 55.

Gememdeeinulchinen und Gememdeausgaben.

A. Die Gemeindeeinnahmen^) scheiden sich je nachdem, ob sie durch eigene Wirtschaft der Gemeinde erarbeitet oder von Korporationen, die der Gemeinde übergeordnet sind, der Gemeinde überlassen werden, in eigene Gemeindeeinnahmen und in Zuschüsse. Die eigenen Gemeindeeinnahmen zerfallen nach der Art ihrer Wiederkehr und dem Grunde ihrer Entstehung in verschiedene Gruppen. Das erste Kriterium trennt sie in ordentliche und außerordentliche, das zweite in privatrechtliche und öffentlich-rechtliche Einnahmen. Ordentliche Einnahmen sind solche, die periodisch wiederkehren, außerordentliche solche, die vorübergehend, zufällig sind.

Die ordent­

lichen und außerordentlichen privatrechtlichen Einnahmen zieht die Gemeinde wie eine juristische Person des Privatrechts ständig oder nur zufällig aus ihrem Gemeindevermögen.

Die ordentlichen und außerordent­

lichen öffentlich-rechtlichen Einnahmen stellen die Beträge dar, die die Gemeinde kraft ihrer öffentlichen Gewalt zwangsweise dauernd oder nur vorübergehend einnimmt. Die Zuschüsse scheiden sich je nachdem, ob sie als Entgelt für gewisse der Gemeinde auferlegte Aufgaben oder unentgeltlich zugewiesen werden, in Zuschüsse im engeren Sinne und in Dotationen. Die ersten

bilden

die Zuwendungen,

die

die Gemeinde vom Bezirk

oder

Staat oder von beiden nach einem bestimmten Maßstabe für ihre Mit­ wirkung bei der Erfüllung einer ganzen Reihe von Verwaltungsausgaben erhält. Die Dotationen sind Überweisungen an die Gemeinde, um ihre finanzielle Leistungsfähigkeit zu stärken oder um die Gemeinde für nicht mehr zur Erhebung gelangende Steuern zu entschädigen. I. Die ordentlichen Einnahmen, die die Gemeinde im Bereich ihrer privatrechtlichen Sphäre bezieht, sind der Ertrag des Gemeinde­ vermögens.

Hierunter fallen die Grundrenten und die Zinsen aus Kapi­

talien, ferner die Nutzbarmachung des Gemeindeeigentums. kommt in Betracht:

Als solche

die Miets- und Pachtzinse der Gemeindegebäude

und -Grundstücke, die Einnahmeüberschüsse aus den gewerblichen Betrieben, wie beispielsweise des Wasserwerkes, des Schlachtviehhofes, der Bade- und ‘) § 8 AuSführungsgesctz zur Zivilprozeßordnung von» 13. November 1899. 4) Schönberg, Handbuchd.pol.Ökonomie.Tübingen 1898Bd.Hl,2S.61ff.

§ 55.

Gemeindeeinnahmen und Gemeindeausgaven.

319

Waschanstalten, des Gaswerkes, der Hafenanlagen usw.; ferner gehören hierher die Erträgnisse für verkauftes Holz und für Forstnebennutzungen, der Jagdpachterlös des Gemeindebannes, sofern von mindestens zwei Dritteln der Beteiligten, die zugleich mehr als zwei Drittel der dem Jagdrecht unterliegenden Grundflächen des Gemeindebannes besitzen, beschlossen wird, daß der Jagdpachterlös der Gemeinde verbleibt *) u. a. nt. Außerordentliche Einnahmen sind streng genommen nur Schen­ kungen und letztwillige Zuwendungen (Vermächtnisse und Erbeinsetzungen);^) die sonst noch in den Gemeindebudgets als außerordentliche Einnahmen aufgeführten Erlöse für veräußerte Grundstücke, Wertpapiere, für außer­ ordentliche Holzschläge sind keine Einnahmen, da ihnen ein ebenso großer Vermögensverlust gegenübersteht. II. Die der Gemeinde als öffentlich-rechtliche Korporation auf­ erlegte Verpflichtung zur Erfüllung von Aufgaben, die im allgemeinen staatlichen oder im besondereit Gemeindeinteresse liegen, hat zur Folge, daß die Gemeinde mit Finanzgewalt ausgestattet, daß ihr das Recht ver­ liehen werden muß, den einzelnen Gemeindeeinwohner finanziell in Anspruch nehmen zu können.

Die Jnansprtlchnahme erfolgt durch Erhebung von

Gebühren und Steuern; beide Einnahmequellen bilden die ordent­ lichen öffentlich-rechtlichen Einnahmen. 1. Von den Gebühren, die die Gemeinde bezieht, sind zu erwähnen die für Vorlegungen und Ausfertigungen von Zivilstandsurkunden,3)4 für *6 Benutzung öffentlicher Maß- und Wägeanstalten, die Faßeichungsgebühren/) das Standgeld in Hallen auf Märkten und Messen und sonstige Platz­ gelder, die Gebühren für Lagerung und Stapelung auf öffentlichen Straßen, an Flüssen, Häfen und anderen öffentlichen Orten, °) zwei Drittel der

') Gesetz vom 7. Februar 1881 (G.-Bl. S. 5) §4 Abs. 3. 8) Über ihre Annahme beschließt der Gemeinderat § 56 Nr. 8 Gemeindeordnung.

In den kleinen Gcincindeit bedarf der Beschluss der Genehmigung der

Aufsichtsbehörde, wenn der Gegenstand der Zuwendung niehr als 5000 Mark beträgt und mit Auflagen, Lasten und Bedingungen verknüpft ist § 76 Nr. 7 Gemeindeordnung. Etnführuugsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Art. 86. Der Bürgermeister ist zur vorläufigen Annahme befugt. § 19 Abs. 2 Gemeindeordnung. 8) § 70 Personenstandsgesetz vom 6. Februar 1875.

4) Arrest’1 *v. 7. Brumaire IX. Gesetz vom 29. Floreal X. Rcichsgesetz v, 19. Dezember 1874. Die Gebühren stellt der Genicinderat fest, die Faßcichungsgebühreu werden für Rechnung der Gemeinden erhoben. 6) In den kleinen Gemeinden bedürfen die betreffenden Gemeinderatsbeschlüffe der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Gemcindeordnung § 76 Nr. 10 und 11.

320

7. Kapitel.

Die Kommunalverbände.

1. Abschnitt: Die Gemeinden.

Gebühren für Grabstätten auf Kirchhöfen,') Fähr- und Brückenabgaben,8) das Schulgeld,*3) *Beiträge für die Anlegung von Straßen,4)5endlich werden auch vereinzelt (z. B. in Straßburg) Baugebühren erhoben.3) 2. Das Recht der Gemeinde, Gemeindesteuern zu erheben, äußert sich auf zweierlei Weise: in der Erhebung von Zuschlägen zu den Staatssteuern und in der Erhebung selbständiger Kommunalsteuern. Das Zwiespältige dieses Systems läßt sich auf die geschichtliche Entwickelung, die die Kommunalbesteuerung in Frankreich genommen hat, zurückführen; auch auf ihr Schicksal hat die große Revolution bestimmend eingewirkt. Dem Geist der Revolution entsprechend sollten die Kommunen in der Entfaltung einer selbständigen Tätigkeit möglichst gehindert und dieses Ziel unter anderem auch durch die Einheit der Staats- und Kommunalsteuern, insoweit es sich unt direkte Steuern handelt, erreicht werden. Erst als die Zuschläge nicht ausreichten, um die Bedürfnisse der Gemeinde zu decken, ging man zur Erhebung selbständiger Gemeindesteuern über, ohne daß die Gemeindesteuern von den Staatssteuern getrennt wurden. Das Nebeneinanderbestehen von unselbständigen und selbständigen Gemeinde­ steuern bildet das charakteristische Merkmal des französischen Kommunal­ steuersystems. Es konnte bei der Einführung der deutschen Gesetze in Elsaß-Lothringen, insbesondere bei denk Erlas; der Geineindeordnung, keine Frage sein, daß ein Bruch mit diesem System nicht nur einen schroffen Gegensatz zu den lang eingebürgerten Gewohnheiten geschaffen hätte, sondern daß auch die Finanzlage der meisten Gemeinden durch Streichung der Zuschläge zu den Staatssteuern oder durch das Verbot der Erhebung selbständiger Steuern aus ihrem Gleichgewicht gebracht worden wäre. a) Die Zuschläge zu den direkten Staatssteuern. Nach dem bis zur Einführung der Geineindeordnung in Geltung gewesenen System mußten die Zuschläge von Fall zu Fall für einen besonderen gesetzlich bestimmten Zweck erhoben werden und zwar wurden ordentliche Zuschläge zur Deckung der jährlichen Ausgaben, Zuschläge zur Bestreitung der Kosten der Vizinalwege, des Elementarunterrichts, der Besoldung des Feldhüters und außerordentliche Zuschläge für verschiedene Zwecke erhoben.3) *) Ordonnanz vom 6. Dezember 1843 Art. 3. *) Gesetz vom 14. Florval X Art. 9. Die Tarife müssen durch Kaiserliche vom Statthalter zu vollziehende Verordnung genehmigt werden. 3) Gesetz vom 29. März 1889 § 5 Abs. 2. 4) Gesetz vom 21. Mai 1879 § 4. 5) Bruck S. 226 Bein. 14. Der Gemeinderatsbeschluß bedarf der Ge­ nehmigung des Bezirkspräsidenten § 75 Nr. 10 Gemeindcordming. «) v. Reichlin, S. 40ff. 51 ff.

321

§ 55. Gemeindeeinnahmen und Gemeindeausgaben.

Mit diesem System der besonderen Zuschläge bricht die Gemeindeordnung; sie geht vielmehr von dem Gesichtspunkte aus, daß grundsätzlich der Ertrag der Zuschläge zur Deckung der Gemeindeausgaben in ihrer Gesamtheit zu verwenden ist. Ausnahmsweise kann der Gemeinderat von kleinen Gemeinden unter Hinzuziehung der Höchstbesteuerten die Erhebung von Zuschlägen zur Deckung bestimmter außerordentlicher Ausgaben beschließend) Abgesehen von diesem einen Falle besonderer Zuschläge werden die Zuschläge erhoben, ohne daß die Zwecke, für die sie bestimmt sind, genau angegeben sein müssen. Zu ihrer Erhebung ist abgesehen von der Zwangsetatisierung9) ein Gemeinderatsbeschluß erforderlich, der der Genehmigung der Gemeinde­ aufsichtsbehörde bedarf, sobald die Zuschläge über ein Drittel des Gesamt­ betrages (Prinzipal) der direkten Staatssteuern hinausgehen/) der von dem Bezirkspräsidenten genehmigt werden muß, wenn die Zuschläge den Gesamtbetrag der Staatssteuern überschreiten.*4) * * Die direkten Staatssteuern, zu denen Zuschläge erhoben werden dürfen, sind die Grundsteuer, die Gebäudesteuer. Zu den Berg­ werkssteuern können Zuschläge mit der Einschränkung erhoben werden, daß die Zuschläge den Betrag der Bergwerkssteuern nicht überschreiten.5)* * Keiner Einschränkung unterliegt die Erhebung von Zuschlägen zu der Kapitalsteuer9) und zu der Lohn- und Besoldungssteuer.') Jedoch ist bezüglich der letzteren zu bemerken: trotzdem die Lohn- und Besoldungssteuer sowohl von außerhalb Elsaß-Lothringens wohnenden Personen, sofern sie aus der Landeskasse Besoldung, Pension oder Warte­ geld beziehen,8) als auch von aktiven Militärpersonen geschuldet wird, sind diese Personen von der Leistung der Gemeindezuschläge befreit.9) Andrerseits sind Personen mit Lohn- und Besoldungsbezügen von jähr­ lich 500—700 Mark, die der Lohn- und Besoldungssteuer nicht unter­ liegen, zu den Gemeindezuschlägen heranzuziehen. Dabei bleiben Steuer•) § 44 Genieindeordnung. Der Gemeinderat hat zwei getrennte Beschlüsse zu fassen: den einen Beschluß über die Zuschläge zur Deckung der laufenden ordentlichen Ausgaben, den anderen über die Zuschläge zur Deckung der einmaligen außerordentlichen Ausgaben. Aniveisung über das Gemeinderechnungswesen § 14 B. Nr. 3. *) § 73 Genieindeordnung. s) § 75 Abs. Nr. 3 Gemeindeordnung. 4) § 75 Abs. 1 Nr. 4 Gemeindeordnung. ») Gesetz vom 2. November 1896 (G Bl. S. 77) Art. I 8 5 Abs. 2. •) § 35 Kapitalsteuergesetz vom 13. Juli 1901. ') § 29 Abs. 1. Lohn- und Besoldungssteuergesetz vom 13. Juli 1901. 8) § 3 Nr. 3 ebenda. 8) § 29 Abs. 4 ebenda.

Bruck, Verfassung»- u. Berwaltungirecht b. Elfoß-Lothr. I.

21

322

7. Kapitel.

Die Kommunalverbände.

1. Abschnitt: Die Gemeinden.

betrüge unter 50 Pfennig außer Ansatz; desgleichen sind die von der Gemeinde fortlaufend unterstützten Personen ohne Rücksicht auf ihre Lohnund Besoldungsbezüge von den Gemeindezuschlägen befreit. Jedoch kann der Gemeinderat — in kleinen Gemeinden unter Zuziehung der Höchst­ besteuerten — auf die Veranlagung aller Personen, deren Lohn- und Besoldungsbezüge unter 700 Mark bleiben, zu den Gemeindezuschlägen verzichten.') Zu der Gewerbesteuer ist die Erhebung von Zuschlägen zulässig.') Auch die Reichsbank hat, obwohl sie von der Gewerbesteuer befreit ist, die Gemeindezuschläge zu entrichten;") desgleichen sind der Staatssteuer nicht unterliegende Gewerbebetriebe mit einer Ertragsfähig­ keit bis zu 700 Mark zu den Gemeindeznschlägen heranzuziehen, sofern nicht der Gemeinderat — in kleinen Gemeinden unter Zuziehung der Höchstbesteuerten — auf die Veranlagung der Steuerpflichtigen zu den Gemeindezuschlägen verzichtet. Jedenfalls sind Gemeindezuschläge unter 50 Pfennig nicht zu veranlagen.') Ausgeschlossen ist die Erhebung von Zuschlägen zu der Wandergcwerbcsteuer-') und zu den Abgaben von den Gütern der toten H a n d. Alle Zuschläge sind ausnahmslos zu den gleichen Sätzen zu erhebend) Die Zahl der Zuschläge zu den einzelnen Staatssteuern kann nur dadurch verschieden werden, daß die Zuschläge zu den Bergwerksstenern nach der oben erwähnten Vorschrift keinesfalls einhundert Prozent übersteigen dürfen, während für die Zuschläge zu den übrigen Staatssteuern keine derartige Beschränkung besteht. Die Zahl der Zuschläge wird durch Vermittelung der Gemeinde­ aufsichtsbehörde dem Direktor der direkten Steuern mitgeteilt.') Als Grundlage für die Berechnung dient das Prinzipal der Staatssteuern des Jahres, welches demjenigen unmittelbar vorhergeht, für welches die Festsetzung erfolgt. Die erforderlichen Nachweisungen über die Ver­ anlagungsergebnisse der einzelnen Gemeinden hat der Direktor der direkten Steuern den Gemeindeanfsichtsbehörden rechtzeitig mitzuteilen.") l) § 29 Abs. 2 ebenda; Ausf.-Best. vom 10. Februar 1902 Art. 61 Nr. 3. *) § 40 Gcwerbestenergesetz vom 8. Juli 1896. 3) § 3 Nr. 4 ebenda J) Gesetz vom 13. Juli 1901 (G.Bl. S. 80) § 5 Abs. 3. Ausf.-Best. vom 16. Februar 1902 Art. 5, Art. 8. 6) Wandergewerbesteuergesetz § 23 Abs. 2. •) Ausf.-Best. zu § 66 Gemeindeordnung. ’) Bekanntmachung vom 11. August' 1896 (A.Bl. S. 193). 8) Ausf.-Best. vom 16. Februar 1902 Art. 9.

Die Mitteilung hat bis

§ 55.

323

Gemeindeeinnahmen und Gemetndeausgaben.

Die Erhebung der

Zuschläge

geschieht

gleichzeitig

mit der der

Staatssteuern durch den Rentmeister?) Die Zuschläge sind als Belastungen der Staatssteuern allen Schicksalen, die sie jede Veränderung in

dem Prinzipal

Gemeindezuschlägc zurück.

erfahren, mitunterworfen;

der Staatssteuer

wirkt auf die

Jedes Privilegium für eine Staatssteuer hat

auch die Freiheit von Steuerzuschlägen zur Folge. Der Grundsatz, nach dem die Gemeindezuschläge von allen zu einer Staatssteuer veranlagten Gemeindeeinwohnern2) erhoben werden, erleidet eine Ausnahme: die Personen, die sich nicht drei Monate lang in einer Gemeinde aufgehalten haben, sind zwar sofort bei ihrem Anzug den

Gemeindelasten

unterworfen

gewesen,

müssen

aber die erhobenen

Gemeindezuschläge wieder zurückerstattet erhalten?) b) Die zweite Gruppe der Gemeindesteuern bilden die selbständigen Gemeindesteuern.

Das sind direkte Steuern: Abgabe für Wander­

lager, Hundesteuer und Fronen und eine indirekte Steuer: die Verbrauchs­ abgaben. a) Die Gemeindeabgabe

für Wanderlager d. h. für „Unter­

nehmungen, bei welchen außerhalb des Wohnortes des Unternehmers und außer dem Meß- und Marktverkehr, ohne Begründung einer dauernden gewerblichen Niederlassung, von einer festen Verkaufsstätte aus vorüber­ gehend Waren, gleichviel ob zum Verkauf aus freier Hand oder im Wege der Versteigerung feilgeboten werden" wird neben gewerbesteuer für

der Wander­

jeden Ort des Betriebes besonders erhoben?)

Als

Wanderlager gilt nicht der Verkauf aa)

von Ausstellungsgegenständen auf öffentlichen, von zuständiger Be­ hörde genehmigten Ausstellungen;

znni 15. August jedes Jahres zu erfolgen. Außerdem sind bis zum 1. November die Ergebnisse der Veranlagung der Bergwerkssteuer für das neue Steuerjahr bekannt zu geben, damit etwaige wesentliche Änderungen gegen das Vorjahr soweit nötig, bei der Feststellung des Prozentsatzes für die Gcmeindezuschläge oder der Aufstellung der Steuerrolle »och Berücksichtigung finden. •) Die Überweisung und Verrechnung der Gemeinde-Zuschläge und der den Gemeinden zustehenden Anteile der Gewerbe- und Waudergewerbesteuer erfolgt nach der Amveisung vom 14. Oktober 1903 (A.-Bl. S. 171). *) Die Einwohner der auf elsaß-lothringischem Hoheitsgebiet gelegenen Teile badischer Gemarkungen sind von der Zahlung der Gemeindezuschläge befreit, denn die Gemarkungsteile gehören keinen, elsaß-lothringischen Genieindeverbande an. Bruck S. 281 Bem. 15. *) Gesetz vom 1. November 1867 § 8 (Gesetz vom 8. Januar 1873). 4) § 24 Abs. 1 Gesetz vom 8. Juni 1896 (S. 44), in Kraft getreten an, 1. April 1897. § 30 Gesetz.

324

7. Kapitel. Die Kommunalverbände. 1. Abschnitt: Die Gemeinden.

ßß) von Waren in festen Verkaufsstätten während der Dauer der Kur­ zeit an Bade-, Brunnen- und ähnlichen Orten; Ts) von gepfändeten Waren durch Pfändungsbeamte (Gerichtsvollzieher und Steuerboten). *) Außerdem kann das Ministerium ausnahmsweise für gewisse Gewerbsarten oder in besonderen Fällen den Betrieb eines Waren­ lagers steuerfrei gestatten und demgemäß den Bürgermeister zur Erteilung von Wanderlagersteuerfreischeinen ermächtigen. *) Die Anmeldung hat der Gewerbetreibende an jedem Orte des Betriebes und für jede getrennte Betriebsstätte in der Weise zu bewirken, daß er vor Beginn des Betriebes den Wandergewerbeschein sowie den Steuerschein dem Bürgermeister vorlegt und ihm auf Verlangen jedwede weitere Auskunft über Art, Umfang, Dauer des Betriebes erteilt?) Die Höhe der Wanderlagerabgabe ist abgestuft in vier Klassen ent­ sprechend der Einwohnerzahl der Gemeinden; sie beträgt für jede Woche der Dauer des Wanderlagerbetriebes an einer Verkaufsstätte in Orten bis zu 2000 Einwohnern 20 Mark und steigt in Orten mit über 50000 Einwohnern auf 80 Mark. Für Warenlager mit Roherzeug­ nissen der Land- und Forstwirtschaft, gewöhnlichen Lebensmitteln, gering­ wertigen Haushaltungs-und Wirtschaftsbedürfnissen und anderen Gebrauchs­ waren von geringerem Werte können die Gemeinden Ermäßigung der Abgabensätze eintreten lassen; für solche Wanderlager hat das Gesetz den Höchstbetrag der zu erhebenden Abgabe bestimmt?) Die Abgabe muß für die ganze Betriebsdauer im voraus entrichtet werden; eine Teilung der Abgabensätze für einen kürzeren als einen Wochenbetrieb findet nicht statt; eine Unterbrechung oder Beendigung des Betriebes vor Ablauf der Woche, die vom Tage der Eröffnung des Betriebes bis zum Anfang des entsprechenden Tages der nächsten Kalenderwoche gezählt wird, bleibt un­ berücksichtigt?) Die Veranlagung erfolgt durch den Bürgermeister der Gemeinde des Betriebsortes oder durch den gesetzlichen Vertreter des Bürgermeisters. Der Bürgermeister stellt nach einem bestimmten Muster für die Dauer des beabsichtigten Betriebes einen Wanderlagerschein aus und läßt den *) § 28 a. a. O. s) § 28 Abs. 2, §8 Abs. 5 ebenda. -) § 24 Abs. 2 ebenda- Ausf.-Best. vom 5. Marz 1897 (21.93s. S. 138ff.) Nr. 17. 4) § 25 ebenda. 6) § 25 ebenda.

§ 55. Aemeindeeinnahmen und Gemeindeausgaben.

325

Abgabebetrag erheben. Erst gegen Lösung dieses Scheines darf der Be­ trieb eröffnet werden.') Die Erhebung durch den Gemeinderechner und die Kontrolle erfolgt nach den allgemeinen Vorschriften für die Gemeindegefälle. Gegen den Betrag der vom Bürgermeister festgesetzten Abgabe steht dem Steuerpflichtigen binnen einer Ausschlußfrist von einem Monat vom Tage der Aushändigung des Wanderlagerscheines ab der Einspruch zu, der bei dem Direktor der direkten Steuern einzulegen ist und von ihm entschieden wird. Er entscheidet nach Anhörung des Bürgermeisters und des zuständigen Steuerkontrolleurs. Gegen seine Entscheidung ist binnen einem Monat vom Tage der Zustellung der Entscheidung ab Berufung**) an die Gewerbesteuerberufungskommissivn zulässig. Die Kommission ent­ scheidet endgültig. °) Die Strafbestimmungen und die Vorschriften über das Straf­ verfahren sind dieselben wie bei der Wandcrgewerbesteuer. 4) Es kann mithin auf die späteren Darstellungen verwiesen werden. Der Bürger­ meister macht dem Bezirks-Steuerkontrolleur die erforderlichen Mitteilungen, dieser stellt den Strafantrag bei dem Direktor der direkten Steuern. Die Strafen fließen in die Gemeindekasse.ä) Durch die Verlegung des Wohnsitzes an den Betriebsart oder durch die polizeiliche Anmeldung des Betriebes als stehendes Gewerbe wird der Inhaber des Wanderlagers von der Entrichtung der Wandergewerbesteuer oder der Wanderlagerabgabe nicht befreit, wenn die obwaltenden Um­ stände erkennen lassen, daß die Verlegung des Wohnsitzes oder die polizei­ liche Anmeldung zur Verdeckung des Wanderlagerbetriebes erfolgt ist.6) ß) Die Hundesteuer ist obligatorisch in allen Gemeinden durch das Gesetz vom 2. Mai 1855 (Bulletin des Lois, Ser. XI Nr. 2613) eingeführt. Sie ist eine direkte Steuer, die den Charakter einer Luxus­ steuer hat; sie soll aber auch die Gefahren in sanitätspolizeilicher Hinsicht mindern, die durch das Halten von Hunden verursacht werden. Die Steuer schwankt zwischen 80 Pfennig und 8 Mark,') innerhalb dieser *) § 26 ebenda und Ausf.-Best. Nr. 17. *) Die Berufung ist bei dem Direktor der direkten Steuern einzulegen § 16 Abs. 4, § 26 Abs. 2. ») § 26 Abs. 2 und § 16. *) § 26 Abs. 2. ») Ausf.-Best. Nr. 17. •) § 27 Gesetz vom 8. Juni 1896. ’) Art. 2 Gesetz vom 2. Mai 1855. Die Maximalgrenze sollte auf 20 Mark erhöht werden. Landesausschuß-Berhandlungen 22. Session 1895 Bd. II S. 385, 392, 572.

326

7. Kapitel.

Die Komiinmalverbände.

1. Abschnitt: Die Gemeinden.

Grenzen dürfen nur zwei Steuersätze gebildet iverden. Der höhere Steuer­ satz trifft die Hunde, die zum Vergnügen oder zur Jagd dienen,') der niedrige alle Hunde, die zur Aufsicht bestimmt sind und zwar entweder zur Führung der Blinden, Bewachung von Wohnungen, von Herden usw?) Da alle Hunde, die in beide Klassen eingereiht werden können, unter den höheren Steuersatz fallen, so wird der niedrige Steuersatz nur ausnahms­ weise zur Anwendung zu kommen haben.

Die Steuersätze werden auf

Vorschlag der Geincinderäte nach Begutachtung durch die Bezirkstage von den Bezirkspräsidenten für die einzelnen Gemeinden festgesetzt; in Er­ mangelung

eines Vorschlages

ist der Bezirkspräsident befugt, sie von

Amts wegen zu bestimmen?) Die einmal festgestellten Steilersätze können nur alle drei Jahre abgeändert werden?) Die Steuer, die für das ganze Jahr zu entrichten ist, ist ge­ schuldet für die Hunde, die jemand am 1. April im Besitz hat, mit Ansnahine der Hunde,

die mit diese Zeit noch von der Mutter genährt

werden. '') Maßgebend ist nicht, daß am 1. April die tatsächliche Gewalt über einen steuerpflichtigen Hund ausgeübt ivird, sondern daß zu der fraglichen Zeit ein Recht zum Besitz eines Hundes vorhanden ist. Läuft mithin jemandem Ende März ein Hund zu, der in der Absicht der Rück­ gabe an den Eigentümer aufgenommen wird, so ist der Hund nicht steuer­ pflichtig?) andrerseits hat derjenige die Steuer zu entrichten, dem am 1. April das Recht zum Besitz zusteht, auch wenn der Hund ihm ent­ laufen oder mit seiner Zustimmung vorübergehend aus seiner Gewalt gegeben ist?) Jeder Besitzer eines Hundes hat zwischen dem

1. Januar und

15. April auf dem Bürgermeisteramt eine Erklärung abzugeben?) wie

*) Der höhere Steuersatz ist für alle Hunde zu zahlen, die Personen ge­ hören, die ihrer Lebensstellung, Beschäftigung, Lage der Wohnung oder sonstigen maßgebenden Uniständen nach keinen ernsten Anlaß haben, einen Wachhund zu haben. *) Art. 1 Dekret vom 4. August 1855. *) Gesetz vom 2. Mai 1855 und § 1 Nr, 8 Gesetz vom 10. Februar 1875 (G.Bl. S. 57). 4) Art. 3 und 4 Gesetz vom 2. Mai 1855. 6) Art. 2 Dekret vom 4. August 1855.

Verordnung vom 1. Oktober 1878.

*) Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 41. ’) Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 333. ®) Da eine besondere Form für die Erklärung nicht vorgeschrieben ist, so wird auch eine mündliche Mitteilung an den Gemeindeschreiber des Bürgermeister­ amtes unter Umständen genügen.

Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 38,

§ 55.

327

Gemeindceinnahmen und Gemeindeausgabe».

viel Hunde er besitzt und ob sie zur Aufsicht bestimmt sind oder nicht?) Der Anmeldende erhält eine Empfangsbescheinigung; die Anmeldung ist in ein besonderes Register einzutragen?)

Die Erklärung braucht nicht

jedes Jahr erneuert zu werden; sie gilt, solange sie nicht widerrufen wird?) Die Veranlagung der Hunde erfolgt durch den Bürgermeister (oder seinen Vertreter) und einen Steuerverteiler unter Zuziehung des Rentmeisters^) durch Aufstellung einer Mutterrolle.

Weder die Steuer­

behörde noch eine andere staatliche Behörde hat die Möglichkeit, die ver­ anlagten Sätze abzuändern oder Beschwerde gegen sie einzulegen?) Die Erhebung, Beitreibung, 6) * l *Beschwerde 34* gegen die Veranlagung7) der Hundesteuer erfolgt in gleicher Weise wie bei den früheren direkten Staatssteuern?) Die Unterlassung der Abgabe der Erklärung oder die Abgabe einer unvollständigen oder unrichtigen Erklärung hat die Erhöhung der Abgabe zur Folge und zwar wird die Abgabe verdoppelt für die nicht oder falsch angemeldeten Hunde, die Abgabe wird verdreifacht, wenn überhaupt keine Erklärung abgegeben worden ist.")

War der Steuerpflichtige trotz vor-

Nr 217; es nitts; aber stets die Erklärung ä la mairie ober wenigstens einem Gemeiudebeamten gegenüber abgegeben sein.

Entscheidung des Kaiserlichen Rats

Nr. 255. l) Art. 5 Dekret vom 4. August 1855 und Verordnung vom 1. Oktober 1878. *) Art. 6 ebenda. 3) Art. 1 Dekret vom 3. August 1861.

Alle durch die Veranlagung der

Steuer verursachten Kosten trügt die Gemeinde.

Dekret vom 4. August 1855

Art. 12. 4) Verordnung vom 4. März 1903 (ABl. S. 23).

Über die von der

Gemeinde an beit Rentmeister hierfür zu zahlende Vergütung vgl. Bekanntmachung vom 31. März 1906 (A Bl. S. 39) § 6. 6) Darin, daß die Entscheidung unanfechtbar ist, dürfte der Hauptgrund liegen, wenn die Hundesteuer in Elsaß-Lothringen nicht die Ertragsfähigkeit hat, die der Allzahl der Hullde entspricht.

Auch in Frankreich, wo sich dieselben

Mißstände zeigen, ist durch Dekret born 22. Dezember 1886 dem Steuerempfänger (Steuerkontrolleur) ein Widerspruchsrecht eingerällmt und die Entscheidung dem Präfekten übertragen worden. 6) Im Falle des Wegzuges des Steuerpflichtigen aus dem Empfangsbezirk ist die Steuer für das ganze (anfenbe Jahr sofort beitreibbar.

Dekret

vom 4. August 1855 Art. 4. 7) Im Falle der Doppelveranlaglmg läuft die Reklamationsfrist nicht von der Auflegung der Rolle, sondern von der Anforderung der doppelten Steuer ab. Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 37. #) Gesetz vom 2. Mai 1855 Art. 6.

Dekret vom 4. August 1855 Art. 9.

e) Dekret vom 4. August 1855 Art. 10 Abs. 1 und 2. Gesetz vom 2. Mai 1855 Art. 5.

328

7. Kapitel. Die Kommunalverbände. 1. Abschnitt: Die Gemeinden.

jähriger Anmeldung zur erneuten Anmeldung verpflichtet, weil er in eine andere Gemeinde oder einen anderen Steuerempfangsbezirk verzog oder eine Änderung in der Zahl oder Bestimmung der Hunde eintrat, so ver­ vierfacht sich die Abgabe, wenn überhaupt keine Erklärung abgegeben wurde, sie verdreifacht sich, wenn die Erklärung unvollständig oder un­ genau war.') Werden Tatsachen, die zu einer Erhöhung der Abgabe führen, erst nach Aufstellung der Mutterrolle bekannt, so ist eine Ergänzungsrolle genau nach der Art der Mutterrolle aufzustellen.^) Y) Als direkte Gemeindesteuer erweisen sich drittens die Gemeinde­ dienste (Fronen).3) Da die Fronen in Geldleistungen bestehen und nur auf ausdrückliche Erklärung des Verpflichteten in Natur geleistet werden,^) so stellen sich die Fronen als Geldsteuer dar, die die Gemeinde kraft ihrer Finanzgewalt von einem bestimmten Kreis von Personen erhebt. Der charakteristische Unterschied, der zwischen dieser Steuer und allen übrigen Gemeindesteuern besteht, liegt darin, daß die Fronen nur zu Zwecken der der Gemeinde obliegenden Wegeverwaltung erhoben und verwendet lverden dürfen, sie bilden mithin eine Ausnahme von dem Prinzip, das nach geltendem Rechte die Finanzwirtschaft der Gemeinde beherrscht, demzufolge alle Eiunahnien zur Deckung aller Ausgaben ver­ braucht werden dürfen; dagegen passen sie in das System der Spezial­ steuern. Es muß späteren Erörterungen vorbehalten bleiben, inwieweit den Gemeinden die Erhaltung der Wege des Landes aufgebürdet ist, und welches eigentümliche Konkurrenzverhältnis zwischen Staat, Bezirk und Gemeinde bei dem Unterhalt der Landesstraßen besteht; an dieser Stelle sind die Fronen nur unter dem Gesichtspunkt der Gemeindesteuern zu betrachten. Reichen die Erträgnisse der Gemeinde aus ihren Einnahmequellen nicht aus, um den für die Vizinalwege zu leistenden Beitrag decken zu können, so kann der Gemeinderat die Auferlegung von Fronen be­ schließen.") Ihr Höchstbetrag war ursprünglich auf drei Arbeitstage be‘) Dekret vom 4. August 1855 Art. 10 Abs. 3 und Dekret vom 3. August 1861 Art. 1 Abs. 2. Gesetz vom 2. Mai 1855 Art. 5. *) Dekret vom 4. August 1855 Art. 11. ') Über Notfronen vgl. Bruck Ben«. 25 zu § 66. 4) Gesetz vom 21. Mai 1836 Art. 4. Entscheidung des Kaiserlichen Rats vom 18. Dezember 1896 Nr. 50. *) Gesetz vom 21. Mai 1836 Art. 1 und 2. Sie können auch von Amts­ wegen durch den Bezirkspräsidenten miferlegt werden, wenn der Gemeinderat sich weigert, sie zu bewilligen. Art. 5 ebenda.

§ 56. Gemeindeeinnahmen und Gemeindeausgaben.

329

messen, ist aber durch das Gesetz vom 17. Juli 1884 (Gesetzblatt S. 105) um einen Tag erhöht worden.') Der vierte Frontag darf nur für die Anlage und Unterhaltung der Gemeindefeldwege verwendet werden. Zu seiner Auferlegung ist die Beschlußfassung des Gemeinderats, in kleinen Gemeinden unter Zuziehung der Höchstbesteuerten, und die Zustimmung des Bezirkstages 2) erforderlich. Fronenpflichtig ist*3) *jeder ledige oder verheiratete Gemeinde­ einwohner, 4)* der Vorstand einer Familie oder Haushaltung und zu einer direkten Staatssteuer veranlagt ist aa) für seine Person und für jede männliche gesundes) mindestens 18 höchstens 60 Jahre alte Person, die als Mitglied oder Dienst­ bote seiner Familie in der Gemeinde wohnhaft ist;6) ßß) für jeden bespannten Wagen oder Karren, für jedes Last-, Zug­ oder Reittier,7)8 welches in der Gemeinde im Dienste der Familie oder Haushaltung verwendet wird.3) *) Beschließen die Gemeinderäte einen fünften oder ferneren Frontag, so besteht für die Gemcindeetnwohner keine Verpflichtung, die Fronen zu leisten. *) Die Bezirkstage haben die Bezirkspräsidenten ermächtigt, die Zustim­ mung zu erteilen. Vgl. beispielsweise Verhandlungen des Bezirkstages des OberElsaß 1885 S. 25. ') Art. 3 ebenda. Bizinalwegereglement vom 21. Juli 1854 Art. 63 ff. 4) Gemeindeeinwohner sind nicht die zum aktiven Heere gehörigen Militär­ personen, Gendarmen, Wehrpflichtige während der aktiven Dienstzeit. Entscheidung des Kaiserlichen Rates Nr. 48; ein zur Verfügung seines Truppenteils vorläufig aus dem aktiven Militärdienst Entlassener ist fronenpflichtig ebenda Nr. 44. — Die Heranziehung der Gendarmen zur Fronenleistung erscheint als ungerecht­ fertigt. Vgl. Verordnung vom 14. Februar 1879 (Bekanntmachung des OberPräsidenten S. 1). 6) Nach feststehender Rechtsprechung des Kaiserlichen Rates hat die Frei­ stellung von Fronenleistung zu erfolgen, wenn der Veranlagte infolge körper­ licher Gebrechen zu Arbeiten, welche bei der Instandsetzung oder Unterhaltung der Wege in Frage kommen, unfähig ist. Daher sind nicht fronenpflichtig bei­ spielsweise: Geisteskranke (Entscheidung Nr. 274), Herzkranke (Entscheidung Nr. 302), derjenige, der Finger an der rechten Hand verloren hat (Entscheidung Nr. 207); dagegen sind fronenpflichtig Einäugige. Entscheidung Nr. 47,150,216,254. •) Die Familienmitglieder usw. müssen nicht zu einer direkten Staats­ steller veranlagt sein, um fronellpflichtig zu sein. Entscheidung des Kaiserlichen Rates vom 7. April 1900 (Nr. 253), vom 30. Mai 1903 (Nr. 374). 7) Luxuswagen und -Tiere sind zu veranlagell, auch wenn sie tatsächlich zu Arbeitell an Wegen nicht geeignet wären. Entscheidung Nr. 50. 8) Dienstpferde eines Beamten werden llicht veranlagt. Entscheidung Nr. 49. — Die Tiere müssen zur Arbeit verwendbar sein; zu junge Tiere oder zu alte Tiere sind steuerfrei. Entscheidung Nr. 52—54, 208, 375.

330

7. Kapitel.

Die Konununalverbände.

1. Abschnitt: Die Gemeinden.

Die Fronpflicht bemißt sich nach dem Wohnsitz') und Besitzstand am 1. April jeden Jahres. Änderungen, die nach diesem Zeitpunkt ein­ treten, können nicht Berücksichtigung finden?)

Eine Befreiung von der

Fronpflicht ist zugunsten keiner Person anerkannt.

Die Fronen müssen

von jedermann ohne Rücksicht auf Berus und Stellung geleistet werden. Die Veranlagung der Fronen erfolgt wie früher die der direkten Steuern?)

Die Grundlage bildet die Fronenmutterrolle, die von drei

zu drei Jahren durch den Bürgermeister und die Steuerverteiler von neuem aufgestellt und von den Wege me i ft c t n*4)* 6 3geprüft *8 wird.

Auf

Grund der Fronenmutterrolle werden von dem Bürgermeister die Heberollen angefertigt, die der Kreisdirektor für vollstreckbar erklärt; der Gemeindcrechner fertigt gemäß dieser Rolle die Fronzettcl (Fronbenachrichtigung) an. Reklamationen gegen die Fronveranlagung sind bis zuin 1. Juli bei dem Bürgermeister^) oder Kreisdirektor geltend zu machen?)

Sie

werden von beiden begutachtet unb dann dem Bezirksrat übersandt, der in erster Instanz entscheidet; gegen seine Entscheidung ist der Rekurs an den Kaiserlichen Rat zulässig. Der Wert der Frontagc für den Fall der Ableistung der Frone» in Geld wird nach Vorschlag der Kreistage jährlich von den Bezirks­ tagen für die einzelnen Gemeinden festgesetzt?)

Die Geldfronen sind in

Zwölfteln wie die direkten Steuern beitreibbar?) gleichfalls werden die ') Hat der Eigentümer verschiedene Wohnsitze, so ist er an seiner Haupt­ niederlassung oder an bem Ort, an dem er am längsten wohnt, zu veranlagen. Unter llmständen kann er in verschiedenen Gemeinden herangezogen werden. s) Entscheidungen des Kaiserlichen Rats Nr. 151—153, 199. 3) Art. 57 ff. Gesetz vom 21. Mai 1836. Bizinalwegereglement vom 21. Juli 1854 Art. 57 ff. 4) Verordnung vom 4. März 1903 (31.331. S. 23). 6) Die Bürgermeister haben die Reklamationen in eine Reklamationsliste einzutragen.

Min.-Berfügung vom 4. Mai 1880.

Sie werden instruiert von

den Wegenicistern (Verordnung vom 4. März 1903 31.331. S. 23), jedoch kann von ihrer Heranziehung abgesehen werden. I. A. 5916.

Min.-Berfügung vom 26. Mai 1903

Die Vergütung der Wcgemeister für Aufstellung der Mutterrollen

und Prüfung der Reklamationen ist auf 10 Pfg. für den Artikel und zwar auf 7 Pfg. für die im ersten Jahre stattsindende Neuaufstellung und auf 3 Pfg. für die in den beiden folgenden Jahren festgesetzt. 6) Sie können mündlich geltend gemacht werden- die Beifügung der Fron­ zettel ist nicht wesentlich.

Entscheidung des Kaiserlichen Rats Nr. 42, 154.

-) Art. 4 Abs. 1 Gesetz vom 21. Mai 1836. 8) Die Gemeinderechner sind den Bizinalstraßenfonds und den Gemeinden gegenüber für ihre Geschäftsführung nach § 6 der Anweisung über das Gemeinderechnungswesen haftbar.

§ 55.

331

Gemeindeeinnahmen und Gemeindeausgaben.

Anteile in Geld eingezogen, welche die Verpflichteten zwar in natura ableisten wollten, aber nicht abgeleistet haben. Die Ableistung der Fronen in natura erfolgt in Tag- oder in Werkaufgaben.

Die Entscheidung über die Art der Ableistung steht für

Vizinalwege dem Bürgermeister, für Vizinalstraßen dem Bezirkspräsidenten zu; die Tagaufgaben erfordern Leistungen in Spann- und Handdiensten. Grundsätzlich brauchen diese nur innerhalb der Geineindegemarkung ge­ leistet zu werden, jedoch können auch die Pflichtigen für den Ban an Vizinalstraßen außerhalb ihrer Gemeinde fronen. Für (Stückarbeit)

die ist

Umwandlung ein

der

der

Naturalleistungen

Genehmigung

in

Werkaufgaben

des Bezirkspräsidenten unter­

liegender Tarif aufzustellen. d) Die einzige indirekte Gemeindesteuer find die Verbrauchsab­ gaben (Oktroi).

Durch den Zollvereinigungsvertrag vom 8. Juli 1807,

dessen Bestimmungen der Art. 40 der Reichsverfassung aufrecht erhalten hat, ist den Kommunen die Erhebung von Verbrauchssteuern nur inner­ halb bestimmter Grenzen und nur für Gegenstände, die zur örtlichen Konsumption bestimmt sind, gestattet.')

Diese Einschränkungen des kom­

munalen Besteuerungsrechtes sind „auf die in Elsaß-Lothringen bestehenden Bestimmungen über das Oktroi bis auf Weiteres" nicht anwendbar. ^) Hiernach ist die Erhebung des Oktroi in Elsaß-Lothringen durch Reichs­ gesetz weder in den Arten der abgabepflichtigen Gegenstände noch in der Höhe der Abgabe beschränkt, jedoch hat die Erhebung nach Maßgabe der für das Oktroi bestehenden Gesetze zu geschehen. Die Verbrauchsabgabe ist eine Aufwandssteuer, die die Gegen­ stände des örtlichen Konsums belastet.

Während in älteren Gesetzen den

Gemeinden Beschränkungen in der Ausivahl der steuerpflichtigen Gegen­ stände auferlegt sind und

noch

das Dekret vom 9. Dezember

1814

Artikel 11 die oktroipflichtigen Gegenstände in fünf Gruppen (Getränke und Flüssigkeiten, Eßwaren, Brennstoffe, Viehfutter, Baumaterialien) auf') Art. 5 des Zollvereinigungsvertrages vom 8. Juli 1867. vom 27. Mai 1885 (R.G.Bl. S. 109).

Reichsgesetz

Vom 1. April 1910 an sind diese Be­

stimmungen jedoch aufgehoben- Abgaben auf Getreide, Hülsenfrüchte, Mehl und andere Mühlfabrikate, desgleichen auf Backwaren, Vieh, Fleisch, Fleischwaren und Fett dürfen nicht mehr erhoben »verden.

Zolltarifgesetz vom 25. Dezember 1902

§ 13 (R.G.Bl. S. 303). *) Gesetz vom 25. Juni 1873 (R.G.Bl. S. 161) § 5. — Unter „bestehenden Bestimmungen über das Oktroi" ist die Oktrotgesetzgebung im allgemeinen zu ver­ stehen, nicht etwa die zur Zeit des Erlasses des Gesetzes zur Erhebung gelangten Oktroislitze.

332

7. Kapitel.

Die Äommunalverbünde.

1. Abschnitt: Die Gemeinden.

zählt, hat das Gesetz vom 28. April 1816 Artikel 148 im allgemeinen bestimmt „les droits d’octroi continueront ä n’etre imposes que sur les objets destines ä la consommation locale“.

Nach der Ansicht

des Kassationshofes hat die letztgedachte Bestimmung die Gruppeneinteilung des Dekretes von 1814 aufgehoben,') so daß nunmehr beispielsweise die Besteuerung des Getreides, von Parfümerien für zulässig zu erachten ist. Die einzige Beschränkung enthält das Gesetz vom 15. Juli 1872 (Ge­ setzblatt S. 562), nach dem verzollter ausländischer Wein und Obstwein bei der ersten Einlage?) von jeder inneren Steuer, sei es für Rechnung des Staates oder für Rechnung von Kommunen, befreit ist. Die Einführung des Oktroi ist nur auf Grund eines Gemeinde­ ratsbeschlusses möglich; eine Einführung wider den Willen des Gemeinde­ rates etwa zur Deckung von Pflichtausgaben ist ausgeschlossen?)

Der

Gemeinderatsbeschlnß muß die steuerpflichtigen Gegenstände, die „objets destin6s ä la consommation locale“, die Bestimmung der Tarife, die Grenzen des Oktroigebietcs, sämtliche bei der Erhebung zu beobachtende Formen, die Dauer der Erhebung usw. in der Form einer Steuerord­ nung — Oktroireglement — enthalten.

Er bedarf der Genehmigung

durch Kaiserliche vom Statthalter zu vollziehende Verordnung.

Auch jede

Veränderung der Steuerordnung (die Erhebung von Verbrauchsabgaben von bisher nicht besteuerten Gegenständen, Tariferhöhung) ist nur auf demselben Wege Herbeiführbar. 4)

Findet die Steuerordnung in irgend

einem Punkte nicht die Genehmigung, weil etwa die beschlossenen Tarife zu

hoch

erscheinen

oder

bestimmte

Gegenstände

nicht

steuerpflichtig

sein sollen, so ist der Gemeinderat zwar insofern gebunden, als er nur bei Erfüllung dieser Bedingungen die Verbrauchsabgaben einführen darf, aber er ist nicht verpflichtet, seinen Beschluß zur Ausführung zu bringen, er kann vielmehr unter diesen Umständen von der Einführung oder Ver­ änderung der Verbrauchsabgaben absehen?) — Die Aufhebung oder Herab*) v. Reitzenstein, Das Kommunalsteuersystem Frankreichs und die Reform in Preußen. Schriften des Vereins für Sozialpolitik Bd. XII S. 152 und eben­ derselbe in Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik (herausgegeben von Conrad) Bd.42S. 43ff. *) Unter der „ersten Einlage" ist diejenige zu verstehen, welche dem direkten Bezüge aus dem Auslande oder dem Bezüge aus einer unter Verschluß der Zollverwaltung stehenden Niederlage unmittelbar folgt. § 1 Abs. 2 Gesetz vom 15. Juli 1872. s) § 73 Abs. 3 Gemeindeordnung; anders das frühere Recht. Verordnung vom 9. Dezember 1814 Art. 5. 4) §§ 66 Nr. 2, 74 Nr. 1 Gemeindeordnung. 6) Verordnung vom 9. Dezember 1814 Art. 105.

§ 65. Gemeindeeinnahmcn und Gemeindcausgaben.

333

setzung der Verbrauchsabgaben geschieht durch einen von dem Bezirks­ präsidenten zu genehmigenden Gemeinderatsbeschluß. 0 Die Abgabepflicht entsteht, sobald die in der Steuerordnung aufgeführten Gegenstände in das Oktroigebiet **) eingeführt oder innerhalb dieses produziert werden; für beide Fälle müssen die Tarife die gleichen (ein.s) Die Verpflichtung, die Abgabe zu zahlen, liegt dem ob, der die oktroipflichtigen Gegenstände einführt (porteur ou conducteur) oder der sie innerhalb des Oktroigebietes erntet, herstellt oder verarbeitet?) Mithin zahlt die Verbrauchsabgaben nicht der Warenempfänger, auch wenn er der Besteller ist, noch der Absender, sondern derjenige, der die Gegen­ stände tatsächlich einbringt; er allein ist der Oktroibehörde gegenüber zur Leistung der Steuer verpflichtet?) Dementsprechend müssen die Waren bei der nächsten Oktroihebestelle6) nach Art, Menge, Gewicht angemeldet und die zum Nachweise dieser Angaben dienenden Schriftstücke von dem­ jenigen vorgelegt werden, der die Waren einführt oder sie innerhalb des Gebietes produziert. Um die Erhebung des Oktroi zu sichern, dürfen die steuerpflichtigen Gegenstände nur auf bestimmten Straßen und Wegen in das Oktroigebiet eingebracht werden; den Oktroibeamten ist das Recht eingeräumt, Fuhr­ werke, mit Ausnahme der Brief- und Paket-Posten,7) nicht nur an den Hebestellen, sondern auch anderwärts?) gegebenenfalls auch außerhalb des Oktroigebietes anzuhalten, die Führer nach dem Vorhandensein oktroi­ pflichtiger Gegenstände zu befragen, Ballen, Kisten usw. zu durchsuchen; ') § 75 Abs. 1 Nr. 3 Gemeindeordnung. ’) Das Oktroigebiet muß sich nicht mit dem Gemeindebann decken. Es kann sowohl über mehrere Gemeindebezirke ausgedehnt (Verordnung vom 17. Mai 1809 Art. 10), als auch enger als ein Gemeindebezirk abgegrenzt werden. Die Steuerordnung hat das Oktroigebiet zu bestimmen. s) Verordnung vom 9. Dezember 1814 Art. 24. Verordnung vom 12. Fe­ bruar 1870 Art. 10. 4) Gesetz vom 27. Frimaire VIII. Art. 11. Verordnung vom 9. Dezember 1814 Art. 28 und 36. *) So konstante Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Colmar Zeit­ schrift Bd. 17 S. 36, 203; Bd. 19 S. 107; Bd. 22 S. 474. •) Die Hebestellen sollen am Eingang in das Gemeindcgebiet liegen, jedoch ist eö auch zulässig, Hebestellen im Innern des Gemelndebannes zu errichten. Verordnung vom 9. Dezember 1814 Art. 34; Gesetz voni 28. April 1816 Art. 152. ’) Die Oktroibeamten dürfen aber der Ausladung der Frachtstücke bei­ wohnen und diejenigen Pakete bezeichnen, die ohne vorherige Versteuerung dem Adressaten nicht behändigt werden dürfen. Art. 33 Verordnung vom 9. Dezember 1814. •) Beispielsweise an den Bahnhöfen, die innerhalb des Oktroirayons liegen.

!>;54

7. Kapital.

Die Kommunalverbände.

1. Abschnitt: Die Gemeinden.

die Wagenführer sind verpflichtet, dieses zu dulden und den Beamten die Durchsuchung zu ermöglichen. Wird trotzdem versucht, oktroipflichtige Gegenstände ohne Anmeldung oder unter falscher Anmeldung einzuführen, so sind sie in Beschlag zu nehmen.') Das Befragen und Anhalten von Fußgängern und Reitern ist, ohne daß besondere Verdachtsgründe vor­ liegen, nicht gestattet,*2)* verdächtige * * 6 * Personen können von den Beamten festgenommen und, falls keine Bürgschaft geleistet wird, die ihr Er­ scheinen vor Gericht oder die Bezahlung der Geldstrafe sichert, unter Ver­ mittelung der Ortspolizeibehörde dem zuständigen Amtsgericht vorgeführt werden?) Ferner sind die Beamten berechtigt, in den Behausungen die geernteten, hergestellten oder verarbeiteten Gegenstände zu besichtigen*) und als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft^) bei Gefahr im Verzüge Durchsuchungen gemäß der §§ 105 ff. Strafprozeßordnung vorzunehmen. Die Gemeinde erhebt entweder das Oktroi in eigener Regie oder sie liberträgt die Erhebung auf Grundlage eines besonderen der ministeriellen Genehmigung unterliegenden Vertrages der Verwaltung der Zölle und indirekten Steuern") oder sie verpachtet die Erhebung. Die Verpachtung kann in der Überlassung des Ertrages des Oktroi gegen Entrichtung eines bestiminten Pachtzinses bestehen') oder die Gemeinde bekoinmt außer dem Pachtzins einen bestimmten Anteil an dem Ertrage, insoweit er den Pacht­ zins und die als Entschädigung für die Erhebungskosten ausbedungene Summe übersteigt (regle int6resse)8).9 Streitigkeiten zwischen der Ge­ meinde und den Oktroipächtern über die Verwaltung und Erhebung des Oktroi oder, im Fall der gewöhnlichen Verpachtung über den Sinn der Pachtbedingungen werden von den Bezirkspräsidenten entschieden?) Von der Aufwandssteuer sind befreit die steuerpflichtigen Gegen­ stände, die durch das Steuergebiet lediglich durchgeführt (passe-debout) *) Verordnung vom 9. Dezember 1814 Art. 28, 29, 33. Bei der Durch­ suchung ist den Beaniten verboten, eine Sonde zu gebrauchen- ebenda Art. 35. “) Gesetz vom 27. Frimaire VIII Art. 12. Verordnung vom 9. Dezember 1814 Art. 28, 30. ») Ebenda Art. 31. «) Ebenda Art. 36 Abs. 2. 6) Ausführungs-Verordnung zum Gerichtsverfassungsgesctz vom 13. Juni 1879 (G Bl. S. 61) Art. 14. ") Verordnung vom 9. Dezember 1814 Art. 94—98. Gesetz vom 28. April 1816 Art. 158. ') Verordnung vom 17. Mai 1809 Art. 108. 8) Ebenda Art. 104ff. 9) Ebenda Art. 136.

§ 55.

335

Gemeindeeinnahmen und Gemeindeausgaben.

oder längstens vierundzwanzig Stunden innerhalb des Steuergebietes ge­ lagert werden; die Anmeldepflicht besteht aber auch für die nur durchzu­ führenden Waren. *)

Die steuerfreie Durchfuhr ist nur gegen Ausstellung

eines Durchfuhrscheines und Hinterlegung der Abgabe in bar*2)* oder Bürg­ schaftsleistung zulässig.

Andernfalls findet eine amtliche Begleitung auf

Kosten der Beteiligten statt?) nicht unter Strafe gestellt.4)

Die Verletzung dieser Vorschrift ist aber Wird die Beförderung auf länger als vier­

undzwanzig Stunden 5)6 7unterbrochen,

so

kann

ein

Transitschein

Hinterlegung der Oktroigefälle oder Bürgschaftsleistung erteilt werden.

gegen Die

Transitgüter stehen bis zu ihrer Ausfuhr unter der Aufsicht der Oktroi­ behörde. o)

Die zu Messen

oder Märkten

eingeführten

Waren

sind

Transitgüter ; wird ihre Ausfuhr nicht binnen vierundzwanzig Stunden nach Beendigung der Messe oder des Marktes nachgewiesen, so sind die für sie hinterlegten Gebühren der Oktroiverwaltung verfallen. Von der Oktrviabgabe sind ferner befreit diejenigen Personen, die das Niederlage recht (entrepöt) besitzen, d. h. denen die Befugnis er­ teilt ist, in dem Oktroigebiet steuerpflichtige Waren, die einen auswärtigen Bestimmungsort haben, zu lagern?)

Die Erlaubnis erteilt der Bürger­

meister, gegen dessen Entscheidung Beschwerde bei der Gemeindeaufsichts­ behörde zulässig ist.

Die Steuerordnung hat die Gegenstände zu be­

zeichnen, für die das Niederlagerecht bewilligt wird und die Minimal­ mengen, unter denen es nicht beansprucht werden kann. die eine öffentliche oder private sein darf, ist von Niederlagescheines abhängig,

der auszustellen

Die Niederlage,

der Erteilung eines

ist, nachdem die vorge-

!) Zeitschrift Bd. 23 S. 455 (O.L.G. Eolmar vom 8. März 1898).

Der

Absendungs- und Bestimmungsort muß angegeben werden. *) Für alle Gegenstände, deren Ausfuhr nachgewiesen wird, werden die Abgaben zurückgezahlt.

Die erfolgte Ausfuhr ist auf der Rückseite des Durch­

fuhrscheines zu bestätigen. ') Verordnung vonr 9. Dezember 1814 Art. 37. 4) Eine analoge Allsdehnung der Strafen für Zuwiderhandlungen gegen die Einfuhrbestimmungen ist unzulässig. Zeitschrift Bd. 22 S. 473f. — Die Frachtstücke, die unter Zollkontrolle oder Übergangsscheinkontrolle ttnb mit zolloder steueramtlichem Verschluß versehen durch das Oktroigebiet geführt werden, unterliegen nicht der Untersuchung durch die Beamtell. 6) Transit dauert 30 Tage- die Frist ist aber verlängerbar. 6) Verordnung vom 9. Dezember 1814 Art. 38. 7) Die Niederlagen werden stetig voll den Oktroibeamten überwacht- die Versendung der zll einer Niederlage gehörigen Gegenstände darf nur bei Tag nach vorheriger Anmeldung bei der Oktroihebestelle stattfinden. waltung führt ein Zugangs- und Abgallgsregister.

Die Oktroiver­

336

7. Kapitel. Die Kommunalverblinde.

1. Abschnitt: Die Gemeinden.

schriebene Anmeldung erfolgt und die Verpflichtung übernommen ist, von den Mengen, für die die Wiederausfuhr nicht nachgewiesen werden kann, die Abgabe zu entrichten. **) Jede unrichtige Anmeldung hat nicht den dauern­ den Verlust des Niederlagerechtes zur Folge, *) sondern bedingt nur neben einer Geldstrafe die Einziehung der unrichtig angemeldeten Gegenstände und die sofortige Entrichtung der Abgabe für alle zur Zeit eingelagerten Waren?) Endlich sind einer Oktroiabgabe nicht unterworfen das im Oktroi­ gebiet unterhaltene Vieh, die Waren, die zum Verkauf auf Messen und Märkten ausgeführt, aber unverkauft wieder eingebracht werden, Gerüst­ hölzer, die außerhalb des Oktroigebietes benutzt werden, Gegenstände, die zur Ausbesserung nach auswärts geschickt waren. Die Besitzer müssen, um die Befreiung zu erhalten, die Gegenstände bei der Ausfuhrhebestelle anmelden. Anderweitige Befreiungen von den Verbrauchsabgaben sind nur im Wege der Gesetzgebung zulässig;*) insbesondere sind diese auch von den Personen zu entrichten, die von Zahlungen der Reichs- und Staats­ steuern befreit sind?) Daher sind beispielsweise die für den Kaiserlichen Haushalt, wenn er in Straßburg geführt wird, nötigen steuerpflichtigen Gegenstände den Verbrauchsabgaben unterworfen. Als Entschädigung dafür, daß die Gemeinden auch Oktroi von den Verbrauchsgegenständen der Truppen zu erheben berechtigt sind, müssen sie die Kasernierungskosten­ beiträge leisten. Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen über das Oktroi werden, wenn oktroipflichtige Gegenstände nicht oder nicht richtig ange­ meldet oder wenn sonst die Vorschriften nicht beobachtet werden, mit Ein­ ziehung der beschlagnahmten Gegenstände °) und mit Geldstrafen von 80 ') Verordnung vom 9. Dezember 1814 Art. 41 ff. Bestimmte Gegenstände, die zu einer Niederlage gehören, sind von der Oktroiabgabe befreit/ beispielsweise die für Armee lind Marine bestimmten Lebensmittel, sofern sie innerhalb des Oktroigebietes nicht verbraucht werden, die für den Betrieb der Eisenbahnen, die Arbeiten in den Werkstätten und den Bau des Bahnkörpers bestimmten Brenn­ stoffe und Materialien. Dekret vom 12. Februar 1870 Art. 11 und 13. *) Leydhecker, Die Zölle und indirekten Steuern in Elsaß-Lothringen. Bd. II S. 590 Anm. 5. 3) Verordnung vom 17. Mai 1809 Art. 95. 4) Zu vergleichen sind die Handelsverträge. 6) Art. 105 Verordnung vom 9. Dezember 1814. •) Beschlagnahme ist die Vorbedingung der Einziehung. Zeitschrift Bd. 27 S. 308 (OLG. Colmar vom 13. März 1900), Bd. 9 S. 39 (OLG. Colmar vom 12. Juli 1882.

337

§ 55. Gemeindeeinnahmen »nd Gemeindeausgaben.

bis 160 Mark geahndet.') Über jede Zuwiderhandlung ist ein Proto­ koll aufzunehmen.*3) * Bei Streitigkeiten über die Höhe der Abgaben, der Anwendung des Tarifs hat der Begleiter der Waren den Betrag der geforderten Abgaben zu hinterlegen, widrigenfalls ihm nicht gestattet wird, die Gegenstände einzuführen. Der Bürgermeister ist mit Genehmigung des Bezirkspräsidenten berechtigt, Geldstrafen ganz oder teilweise im Ver­ gleichswege zu erlassen,3) solange die Akten der Staatsanwaltschaft noch nicht zur weiteren Veranlassung abgegeben sind. Erhebt die Staatsan­ waltschaft die Anklage, so kann sich der Bürgermeister der Verfolgung anschließen, lehnt sie den Antrag auf Verfolgung ab, so ist der Bürger­ meister berechtigt, die Anklage selbst zu erheben. In beiden Fällen richtet sich das Verfahren nach den §§ 464 ff. der Strafprozeßordnung. Treffen Zuwiderhandlungen gegen die Oktroivorschriften mit solchen gegen die Ge­ setze über die indirekten Steuern zusammen, so finden die Bestimmungen über letztere Anwendung, insbesondere steht das Recht des Vergleichs aus­ schließlich der Steuerverwaltung p.4)5 * * 8 Wird ein Schmuggel mittels Übersteigend durch unterirdische Gänge, mit bewaffneter Hand begangen, so kann außer der Geldstrafe und Ein­ ziehung eine sechsmonatliche Gefängnisstrafe verhängt werden?) Alle Streitigkeiten über die Oktroigefälle werden von den ordent­ lichen Gerichten entschieden;3) sie werden nach den gewöhnlichen Zu­ ständigkeitsnormen behandelt.') Die Oktroibeamten sind Gemeindebeamte,3) die unter der Disziplinargewalt des Bürgermeisters stehen,3) außerdem sind sie aber *) Verordnung vorn 9. Dezember 1814 Art. 29. Die Strafe richtet sich nach Gesetz vom 28. April 1816 Art. 27 und 46. Gesetz vom 29. März 1832 Art. 8. Gesetz vom 24. Mai 1834 Art. 9. *) Verordnung vom 9. Dezember 1814 Art. 75. 3) Ebenda Art. 83. 4) Verordnung vom 9. Dezember 1814 Art. 83. Gesetz vom 5. Juli 1872 § 1 (@.581. S. 465). 5) Gesetz vom 28. April 1816 Art. 46. Gesetz vom 29. März 1832 Art. 8. Gesetz vom 24. Mat 1834. •) So auch das französische Recht. Gesetz vom 27. Frimaire VIII Art. 13, Verordnung vom 17. Mai 1809 Art. 164, Verordnung vom 9. Dezember 1814 Art. 81. ’) Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 4. November 1878 (G.Bl. S. 65) § 16 Abs. 2. 8) Sie sind auch befugt, Fuhrkontraventionen festzustellen. Dekret vom 18. August 1810 Art. 1. ®) §§ 18, 27 Gemeindeordnung.

Bruck, Berfassungr- x. Berioaltungirecht v. «rlsatz-üothr. I.

22

338

7. Kapitel.

Die Kommunalverbände.

1. Abschnitt: Die Gemeinden.

dem Direktor der Zölle und indirekten Steuern unterstellt, der die allge­ meine Aufsicht über die Erhebung und Verwaltung des Oktrois führt?) Sie werden ernannt durch den Bürgermeister, in kleinen Gemeinden be­ darf die Ernennung der Oktroieinnehmer und Oktroidirektoren •) der Be­ stätigung der Gemeindeaufsichtsbehörde, b) — Wird den Oktroibeamten bei Ausübung ihres Amtes Widerstand geleistet, z. B. der Wagenführer weigert sich, solange zu halten, bis die Beamten die Revision vorge­ nommen haben,*4) *so3 ist der Täter mit 40 Mark zu bestrafen;5) bei ge­ waltsamem Widerstand finden die Vorschriften des Strafgesetzbuchs §§ 113 ff. Anwendung. Die Äassenbeamten der Oktroiverwaltung sind in gleicher Weise wie die rechnungspflichtigen Gemeindebeamten kautionspflichtig;6)* es8 kann daher hier ans die späteren Darstellungen (S. 352) verwiesen werden. Um die ärmeren Klassen der Bevölkerung durch die Erhebung von Verbrauchsabgaben neben den zahlreichen übrigen Steuern nicht allzusehr finanziell zu belasten, sind die Gemeinden mit Oktroi berechtigt, die für die Landeskasse und den Bezirk veranlagten Lohn- und Besoldungssteuer­ beträge der untersten Stufen bis zum Betrage von 1300 Mark auf das Oktroi zu übernehmen. ’) Voraussetzung ist dabei, daß die betreffenden Steuerpflichtigen außer den Lohn- und Besoldungsbezügen und den Ein­ nahmen ans sonstigen Erwerbsquellen zusammen nicht mehr als 1300 Mark beziehen *) In kleinen Gemeinden bedarf der betreffende Gemeinderats­ beschluß der Genehmigung der Gemeindeaufsichtsbehörde.9) Außerordentliche öffentlich-rechtliche Einnahmen sind bloß die bereits ') Verordnung vom 5. germinal XII Art. 1,4; Verordnung vom 9. Dezember 1814 Art. 88. *) Oktroidirektoren können in allen Gemeinden eingesetzt werden, deren jährlicher Ertrag cmS dem Oktroi sich auf mindestens 16000 Mk. beläuft. Art. 155 Gesetz vom 28. April 1816. 3) § 25 Gemeindeordnung. — Die Vereidigung der Oktroibeamten ergibt sich aus § 28 Abs. 2 ebenda- ebenso auch nach Gesetz vom 27. Frimaire VIII Art. 7; Verordnung vom 9. Dezember 1814 Art. 58. 4) Zeitschrift Bd. 25 S. 548 (OLG. Colmar vom 21. November 1899). 5) Gesetz vom 27. Frimaire VIII Art. 15. *) Gemeindeordnung § 25 Abs. 3; Gesetz vom 15. Oktober 1873 (G Bl. S. 273). Gesetz vom 17. April 1895 (G.Bl. S. 49). ’) § 29 Abs. 3 Gesetz vom 13. Juli 1901 (G.Bl. S. 69); § 57 Gemeinde­ ordnung ist hierdurch inhaltlich aufgehoben. *) Ausf.-Best. vom 10. Februar 1902 Art. 61 Nr. 36; Min.-Verordnung vom 11. Mai 1904 (A.Bl. S. 65). 8) § 76 Nr. 12 Gemcindeordnung.

§ 55.

Gemeindeeinnahmen und Gemeindeausgaben.

339

erwähnten Steuerzuschläge zur Deckung außerordentlicher Ausgaben. An­ leihen bilden keine außerordentlichen Einnahmen, weil sie nur das Äquivalent einer ebensogroßen Vermögensbelastung darstellen. Die Zuschüsse und Dotationen. 1. Die Erfüllung der Aufgaben, die der Gemeinde obliegt, ist durch die Zuschläge zu den direkten Staatssteuern und durch die selbständigen Kommunalsteuern umsoweniger gesichert als das Oktroi, die ergiebigste der selbständigen Steuern, nur in wenigen großen Gemeinden erhoben wird und auch nur in diesen von Bedeutung werden kann. Aber auch dem System der Zuschläge fehlt die Fähigkeit, sich entsprechend dem ewigen Wachsen der an die Gemeinde gestellten Ansprüche ausdehnen zu können. Es ist mithin eine durch die finanzielle Lage der Gemeinde gebotene Pflicht des Staates und des Bezirkes, der Gemeinde dauernd Zuschüsse zu leisten, um die Erfüllung wichtiger Aufgaben zu sichern. Eine derartige Unterstützung wird der Gemeinde in der Armen-, Elementar­ schul- und Wegebauverwaltung zuteil; ferner kann den Gemeinden, welche zur Deckung des ihnen zur Last bleibenden Fünftels des Schwarzwild­ schadens mehr als zwanzig Prozent des Jagdpachterlöses aufgewendet haben, von dem Ministerium eine Beihilfe gewährt werden.') Man kann diese Zuschüsse zu besonderen Zwecken sehr wohl als eine charakteristische Eigen­ schaft des französisch-elsaß-lothringischen Finanzrechtes gegenüber dem deutschen Finanzrecht bezeichnen. In Altdeutschland werden fast überall den Gemeinden Zuschüsse nur in besonderen Notlagen zuteil, in ElsaßLothringen sind die Staats- und Bezirkszuschüsse dauernde Einnahmen, die ausgleichen müssen, wenn die finanziellen eigenen Kräfte der Gemeinde nicht imstande sind, den an sie gestellten Ansprüchen zu genügen. Der Maßstab, nach dem die Zuschüsse der Gemeinde zugewendet werden, ist in den angegebenen drei Verwaltungen verschieden. Es muß hier auf die späteren Darstellungen verwiesen werden. 2. Stehen die Zuschüsse immerhin in einem Verhältnisse zu den Aufwendungen der Gemeinde in den gedachten Verwaltungen, so ist der letzten Gruppe der Gemeindeeinnahmen, den Dotationen, eigentümlich, daß sie eine reine Vermögensvermehrung aus Mitteln, die der Gemeinde nicht entstammen, darstellen. a) Die Dotationen bilden einmal die Gebühren, Strafen usw., die der Gemeinde lediglich zur Verbesserung ihrer Finanzen von dem •) Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch § 36.

Die Beihilfe wird

aus dem Ertrage der für die Ausstellung von Jagdscheinen erhobenen Zuschlagsgebühren (§ 1 Gesetz vom 9. Juli 1888 G Bl. S. 89) gewährt.

340

7. Kapitel. Die Kommunalverbände. 1. Abschnitt: Die Gemeinden.

Staate überlassen werden. Hierher gehören die Gebühren für Ausstellung von Angel- und Fischereikarten,') von Jagdscheinen;*) ferner bekommt die Gemeinde die Polizeistrafgelder,*) die Schulversäumnisstrafen,^) die Geld­ strafen, die die Oktroiverwaltung erhebt und die wegen Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen über die Wanderlagerabgabe*5) *verhängt 34 werden, die gegen Gemeindebeamte ausgesprochenen Geldstrafen,6) die Geldstrafen, die auf Grundlage des Personenstandsgesetzes erhoben werden.7)* *Hier ist auch zu erwähnen der Anfall des bei der Auflösung einer Erwerbs­ und Wirtschaftsgenossenschaft verbleibenden unverteilbaren Reinvermögens, sofern dasselbe nicht durch Statut einer physischen oder juristischen Person zu einem bestimmten Vermögenszweck überwiesen ist, an die Gemeinde, in der die Genossenschaft ihren Sitz hatte. Die Zinsen dieses Fonds sind zu gemeinnützigen Zwecken zu verwenden.*) Endlich erhalten die Gemeinden einen Betrag von acht vonr Hundert der in den Heberollen zum Ansatz gebrachten Gewerbe-*) und Wandergewerbesteuer;10) und zwar sind bezugsberechtigt für die Wandergewerbesteuer die Gemeinden, in welchen der Wandergewerbetreibende seinen Wohnsitz hat oder, falls er in Elsaß-Lothringen keinen Wohnsitz hat, die Gemeinde, in welcher der Steuerschein ausgestellt ist.") b) Die zweite Gruppe der Dotationen — ein Entgelt für eine Änderung des Steuersystems — stellen die Beihilfen an solche Gemeinden dar, deren Aufbringen an Gemeindezuschlägen gegenüber dem bisherigen Aufkommen infolge der Aufhebung der Personal-Mobiliarsteuer ohne entsprechenden Ersatz durch die Kapital-, Lohn- und Besoldungssteuer geblieben ist. Der erforderliche Fonds wird gebildet durch den Ausfall­ fonds des zuletzt abgeschlossenen Rechnungsjahres und wird alljährlich in ') Gesetz betreffend die Fischerei vom 2. Juli 1891 (G Bl. e Gesetze von 1881—1885 enthaltend, mit alphabetischem Register für alle 4 Bände. Bearbeitet von R. Förtsch. Lex. 8° XXXII, 815 Seiten. 1886. (JL 18 —) Vergriffen; V. Band, die Gesetze von 1886—1890 enthaltend, mit Register. Be­ arbeitet von R. Förtsch, Retchsgerichtsrat. Lex. 8°. XXXVIII, 981 Seiten. 1892. ^ 17 — VI. Band, die Gesetze von 1891—1895 mit Gesamtregister für alle Bände enthaltend. Bearbeitet von C. Jacob, Ministerialrat. Lex. 8°. XXXV, 1073 Seiten. 1896. Geheftet JL 20 —, gebunden JL 22 — Ausführungsgesetze.

Das Gesetz, betreffend die Ausführung des Bürgerlichen Ge­ setzbuchs in Elsaß-Lothringen vom 17. April 1899 m der Fassung der Bekanntmachung des Kaiserlichen Statthalters vom 22. Dezember 1899. Erläutert von Hugo Molitor, Kaiser!. Landgerichtsrat in Straßburg. 8°. XXIV, 595 S. 1900. (JL 10 50.) Vergriffen. Neue Auflage iu Vorbereitung.

Gesetzgebung von Elsaß-Lothringen. Ausführungsgesetze (Fortsetzung).

Das elsaß-lothringische Gesetz, betreffend die Ausführung des Reichsgesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Ge­ richtsbarkeit Vom 6. November 1899. Siehe Seite 5 dieses Verzeichnisses. Die Elsaß - Lothringischen Ausfübrungsgesetze und Verordnungen zu den Reichs-Justizgesetzen nebst einigen weiteren Gesetzen über Gewerbe­ gerichte, Forststrafrecht, Erbbescheinigungen, Feld- und Fährpolizei-Uebertretungen, Vormundschaften und Zivangsentetgnung. Textausgabe mit französischer Uebersetzung und Anmerkungen. Zweite verbesserte und ver­ mehrte Auflage. 8°. 445 S. 1887. Geheftet *4 5 —, gebunden *4 6 80 Siehe auch Justiz-Gesetze und Bürgerliches Gesetzbuch.

Baurecht. Das Elsaß-Lothringische Baurecht, enthaltend eine systematische Darstellung der aus Bauten bezügl. Vorschriften des öffeiulicfjen und Privatrechts, sowie eine Zusammenstellung der zugehörigen Gesetze und Verordnungen in deutscher Uebersetzung. Herausgegeben von R. Förtsch, Kammerpräsident in Metz, und M. Caspar, Abtheilungsbaumeister in Siraßburg. 8°. XII, 394 S. 1879. (Ji 8 — herabgesetzt auf *4 5 —) Eine neue Bearbeitung des Bauvechts ist in Vorbereitung.

Vergriffen.

Bergrecht. Entstehung und Beendigung des Bergwerkseigentums nach dem in Elsaß - Lothringen geltenden Rechte, von Dr. Otto Kusenberg. 8°. 115 S. 1905. Geheftet *4 2Bürgerliches Gesetzbuch. Das Bürgerliche Gesetzbuch mit den dazu gehörigen Nebengesetzen für Elsaß-Lothringen. Bearbeitet von Karl Paffrath und Franz Großmann. Handausgabe in Sedezformat. XVI, 848 S. 1901. Geheftet .4 3—, gebunden *4 4 — Inhalt: Bürgerliches Gesetzbuch. Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Ge­ richtsbarkeit, Grundbuchordnung. Gesetz über bie Zwangsversteigerung und die ZwangSverwaltung nebst den EinführungSgesetzen und den für Elsaß-Lothringen erlassenen Aus­ führungsgesetzen. Borwort: Die vorliegende Ausgabe ist ein Abdruck aus der Systematischen Samm­ lung der in Elsaß-Lothringen geltenden Gesetze. Das Bedürfnis einer Handausgabe des Bürgerlichen Gesetzbuchs bedarf keiner weiteren Begründung Daß dieses Bedürfnis zur Zeit schon mehr oder weniger Befriedigung erfahren hat, dürfte der vorliegenden Ausgabe ihre Berechtigung nicht nehmen. Sie enthält neben dem Bürgerlichen Gesetzbuch auch noch die wichtigeren Nebengesetze und die für Elsaß-Lothringen erlassenen Ausführungsgesetze und beschränkt sich nicht auf die bloße Wiedergabe des GesetzeStextes. sondern verweist in den Bemerkungen auf verwandte und ergänzende Bestimmungen und erleichtert dadurch den praktischen Gebrauch der Gesetze.

Molitor, H., Das Gesetz betreffend die Ausführung des Bürgerlichen Gesetz­ buchs siehe unter Ausführungsgesetze.

Erbbeschein igungen. Gesetz, betreffend die Ausstellung gerichtlicher Erbbescheinigungen und die Zuständigkeit der Amtsgerichte vom 10. Mai 1886. Mit französischer Übersetzung. 8°. 11 S. 1886. kart. *4 — 50 Feld- und Fährpolizei. Feldpolizeistrafgesetz vom 9. Juli 1888. Erläutert von Dr» A. Stiebe, Gerichtsassessor. 8'. XIV, 100 S. 1907. Kartoniert *4 1 60 Dieses Buch ist in der amtlichen Straßburger Korrespondenz vom 5. April 1907 den Gemeindeverwaltungen zur Anschaffung für die Feldhüter bestens empfohlen.

Gesetz, betr. die Bestrafung von Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften der Feld- und Fährpolizei, vom 30. März 1887. Siehe: Ausführungsgesetze zu den Reiehyustizgesetzen.

8

VERLAG von KARL J. TRÜBNER in Straßburg.

Gesetzgebung von Elsaß-Lothringen (Fortsetzung).

Fischereigesetz. Das Gesetz für Elsaß-Lothringen, brit. die Fischerei, vom 2. Juli 1891. Im Auftrag des Ministeriums, Abtheilung für Finanzen, Land­ wirthschaft und Domänen, erläutert und herausgegeben von Freiherrn von Bibra, Ministerialrath, und Lichtenberg, Regierungsassessor. 8°. VI, 111 S. 1893. Amtliche Ausgabe. Geheftet Jk 3 —, in Ganz-Leinwand gebunden Jk 3 50

Forststrafrecht. Gesetz, betr. das Forststrafrecht und das Forststrafversahren, vom 28. April 1880. Siehe: Ausführungsgesetze zu den Reichsjustizgesetzen.

Freiwillige Gerichtsbarkeit. Molitor, H., Das Gesetz betreffend die Ausführung des Reichsgesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit siehe unter Aus­ führungsgesetze. Siehe auch Bürgerliches Gesetzbuch.

Fuhrwesen. Die in Elsaß-Lothringen geltenden Gesetze über das Fuhrwesen. Uebersetzt und herausgegeben im Aufträge des taiserl. Oberpräsidiums. 8°. 52 S. 1877. kart. Ji - 60

Gemeindegesetzgebung.

Siehe Seite 3 dieses Verzeichnisses.

Gewerbegerichte. Gesetz, betr. die Gewerbegerichte, vom 23. März 1880. Siehe: Ausführungsgesetze zu den Reichsjustizgesetzen.

Grundbuchordnung.

Siehe Bürgerliches Gesetzbuch.

Grundeigentum. Die elsaß-lothringischen Gesetze betreffend Grundeigenthum und Hypothekenwesen sowie die Einrichtung von Grundbüchern nebst den Kostengesetzen und Ausführungsverordnungen. Mit Erläuterungen heraus­ gegeben von A. Leoni, k. Ministerialrath. 8°. VIII, 248 S. 1892. In Ganz-Leinwand gebunden Jk 4 —

Hypothekenwesen. Siehe Grundeigentum. Jagdgesetzgebung. Justizgesetze.

Siehe Seite 4 dieses Verzeichnisses.

Siehe Seite 5 dieses Verzeichnisses.

Kaiastergesetz. DaS Elsaß-Lothringische Katastergeseh vom 31. März 1884 und das Gesetz vom 6. April 1892 betreffend. Abänderung deS KatastergefeheS sowie Ausgleichung der Grundsteuer. Text mit französischer Uebersehung und Anmerkungen von Dr. Wilhelm Gunzert, Mitglied des Landesaus­ schusses. 8°. 102 S. 1892. kart. Jk 1 —

Kirchenrecht. Das StaatSkirchenrecht in Elsaß-Lothringen. Zusammenstellung der betr. Gesetze, Verordnungen, StaatSratsgutachten und Ministerialverfügungen. Im Auftrage des Oberpräsidenten übersetzt und herausgegeben von E. Dursy, kaiserl. Ministerialrath. I. Katholischer CultuS. 8°. XIII. 395 S. 1876. (Jk 5.-) Vergriffen. II. Protestantischer Cultus. 8°. XXII, 624 S. 1879. Jk 8 —

Gesetzgebung von Elsaß-Lothringen (Fortsetzung). Strafgesetze. Sammlung der in Elsaß-Lothringen in Geltung gebliebenen französischen Strafgesetze, mit Erläuterungen und Sachregistern herausgegeben von R. Förtsch und A. Leoni. 2 Teile. 8°. 1875, 1876. I. Teil: Presse, Fischerei, Feldpolizei, Vereins- und Versammlungsrecht. VI, 210 S. Vergriffen. II. Teil: Die übrigen Materien enthaltend. XI, 432 S. Jt 6 — Schöffenbüchlein für Elsaß-Lothringen. Ein Hilfsbuch für Schöffen, Amtsrichter, Amtsanwälte, Rechtsanwälte, Bürgermeister und Polizeikom­ missare, von R. Förtsch, Landgerichtsdirektor in Metz. Mit französischer Übersetzung. 8°. 432 S. 1881. fort. Jk 2 40.

Unschädlichkeitserklärung.

Siehe Seite 5 dieses Verzeichnisses.

Verordnungen und amtliche Nachrichten. Amtliche Nachrichten für Elsaß-Lothringen. Verordnungen und Bekanntmachungen des General-Gouverneurs, deS Civil-Commifsars und des Oberpräsidenten. August 1870 bis Ende März 1879. 4°. XXIV, 198 S. 1879. Jk 6 — Verordnungen und amtliche Nachrichten für Elsaß-Lothringen aus der Zeit vom Beginn der deutschen Occupation bis Ende März 1872. Heraus­ gegeben vom Oberpräsidial-Bureau. 8°. XLIII, 592 S. 1872. Jk 4 —

Vormundschaften. Gesetz betr. die Vormundschaften, vom 16. Juni 1887 mit den Aus­ führungs-Verfügungen. Siehe: Ausführungsgesetze zu den Reichsjustiz­ gesetzen. Die Einzelausgabe ist vergriffen.

Wassergesetz. Das Gesetz für Elsaß-Lothringen, betreffend Wasserbenutzung und Wasserschutz, vom 2. Juli 1891. Im Auftrag des Ministeriums, Abtheilung für Finanzen, Landwirthschaft und Domänen, erläutert und herausgegeben von den Ministerialräthen Jacob und Fecht. Mit Anhang, enthaltend die sonstigen wassergesetzlichen Vorschriften, die Ausführungs­ bestimmungen und eine Uebersicht über die Eintheilung der Wasser- und der Meliorationsbauverwaltung. 8°. IV, 180 S. 1892. Amtliche Ausgabe. Geheftet Jk 3 —, geb. in Ganz-Leinwand 3 50

Zwangsenteignung und Zwangsvollstreckung. Gesetz, betr. die Feststellung der Entschädigungen im Falle der Zwangsenteignung, vom 20. Juni 1887. Gesetz, betr. die Zwangsvollstreckung in daS unbewegliche Vermögen, einschließlich der Vollziehung des Arrestes und einstweiliger Verfügungen, über das Hypotheken-Reinigungsverfahren und über das Verteilungsver­ fahren, vom 30. April 1880. Siehe: Ausfilhrungsgesetze zu den Reichyustizgesetzen.

Zwangsversteigerung und Zivangsverwaltung. Siehe unter Bürgerliches Gesetzbuch.

Amira, K. von, Grundriß des germanischen Rechts. Der zweiten verbesserten Auflage zweiter Abdruck. Lex. 8°. VI, 184 S. 1901. Geheftet JL 4 —, in Leinwand gedunden JL 5 —

(Sonderabdruck aus der zweiten Auflage von Pauls Grundriß der germanischen Philologie, III. Band.) „Das umfangreiche Material ist mit Umsicht und Gewissenhaftigkeit zu­ sammengestellt, mit Geschick und Einsicht verwerthet, weil vorzugsweise nur das wichtigste und Entscheidendste ausgewählt wurde; selbst die Schlussfolge­ rungen aus jahrelangen Forschungen sind öfters in einen Satz zusammen­ gedrängt. Die neueren, rechtshistorischen Forschungen sind nach Gebühr berücksichtigt... Die Darstellung ist klar, gleich anregend, wie wissenschaftlich verständlich sowohl in der Wiedergabe der bereits vorliegenden, wie der eigenen neuen Ergebnisse ....“ Deutscher Reichsanzeiger 1891 Nr. 194.

Bremer, Dr. F. P., Geschichte des Römischen Rechts unter Vergleichung des Deutschen bis zu Karls des Großen Katserkrönung. Ein Grundriß. I. Abtheilung: Die Zeit des Augustus und Tiberius, mit Einleitung. 8°.

160 S.

1876.

JL 3 —

Du Prel, Max (Kaiser!. Regierungsrath), Die deutsche Verwaltung in Elsaß-Lothringen 1870—79. Denkschrift mit Benutzung amtlicher Quellen bearbeitet. 1. Lieferung. 8°. 128 S. 1879. JL 2 50 Inhalt: Geschichtliche Rückblicke. 1. Die alten Territorien (Übersicht über die französi­ schen Gebietserweiterungen in Elsaß Lothringen) 1552—1829. 11. Die Revolution im Elsaß. III. Die Wanderungen in Elsaß-Lothringen. Die deutsche Verwaltung. Erster Theil. I. Über­ blick über die gesammte Thätigkeit der Landesverwaltung (Bibliographie der amtlichen Publi­ cationen). II. Das Territorium. 1. Die Grenzen. 2 Die administrative Eintheilung. III. Die Sprache. 1. Die letzten Kämpfe um die deutsche Sprache. 2. Die Sprachgrenze. 3. Die Geschäftssprache. 4. Die Ortsnamen.

Festgabe zum Doctor-Jubiläum des Herrn Geh. Justizrathes Professor Dr. Heinrich Thöl in Göttingen, überreicht von der rechts-und staats­ wissenschaftlichen Facultät zu Strassburg. Gr. 8°. VI, 118 S. 1879. JL 3 50 Inhalt: I. Die juristische Natur der Lebens-und Rentenversicherung von Paul Laband. II. Zur Geschichte des Handelsrechts und der Handelspolitik im Anfange der römischen Kaiserzeit von F. P. Bremer. III. Zur Geschichte der Auffassung von Rudolf Sohm.

— zum Doctor-Jubiläum des Herrn Geh. Rathes Professors Dr. Joh. Jul. Wilhelm von Planck in München. Überreicht von der rechts-und staatswissenschaftlichen Facultät zu Strassburg. Gr. 8°. 113 S. 1887. JL 3 50 Inhalt: I. Von den processualischcn Zeitbestimmungen, insbesondere von den Fristen. Von Prof. Dr. Schultze. II. Die Einziehung. Von Prof. Dr. Ad. Nissen.

— Rudolf von Ihering zu seinem Doctor-Jubiläum überreicht von der rechts- und staatswissenschaftlichen Facultät zu Strassburg. 8°. 174 S. 1892. JL 3 50 Inhalt: [O. Lenel: Das Sabinussystem. — A. Merkel: Vergeltungsidee und Zweckgedanke im Strafrecht.

Gilson, J., L'Stude du Droit Romain compare aux autres droits de l’antiquitc. Gr. 8°. 295 8. 1899. (Habilitationsschrift.) JL 4 — Goehrs, Dr. jur. 0., Der Rechtsfrieden als besonderes Rechtsgut im modernen Strafrechtssystem und seine Stellung im geltenden Reichsstrafrecht. 8°. X, 297 S. 1900. JL 1 — Haas, Dr. Fritz, Die Sicherstellung durch Übereignung einer Geldsumme nach deutschem bürgerlichem Recht. 8°. 69 8. 1899. (Dissertation.) Jl 1 50 Jolly, Julius, Recht und Sitte [in Indien] einschliesslich der einheimi­ schen Litteratur (Grundriss der indo-arischen Philologie und Altertums­ kunde II. Band, 8. Heft). Lex. 8°. 160 S. und 6 8. Indices. 1896. JL 8 30

Inhalt: 1. Die Quellen, 2. Familien- und Erbrecht, 8. Sachen- und Obligationen­ recht, 4. Vergehen, Bussen und Strafen, 5. Das Gerichtsverfahren, 6. Sitten und Gebräuche. — Wortindex, Sachindcx.

Kisch, Dr. Wilhelm, Begriff und Wirkungen der besonderen Streit­ genossenschaft. Gr. 8°. 124 8. 1899. (Dissertation.) JL 2 50 Kremer, Dr. Heinrich, Die Mit bürg sch pst Mit Beiträgen zur Lehre von Bürgschaft und Gesamtschuld. Gr. 8°. IV, 213 8. 1902. JL 4 —

Löning, Dr. Edgar, Geschichte des deutschen Kirchenrechts. I. Band: Einleitung, Kirchenrecht in Gallien von Constantin bis Chlodovech (XIX, 579). II. Band: Das Kirchenrecht im Reiche der Merovinger (XII, 758). 8°. 1878. Jl 25 — ------ Die Verwaltung des Generalgouvernements tm Elsaß. Ein Beitrag zur Geschichte des Völkerrechts. 8°. 265 S. 1874. JL 5 — Löning, Dr. jur. Richard, Der Vertragsbruch und seine Rechtsfolgen. 1. Band. Der Vertragsbruch im deutschen Recht. 8°. XX, 604 S. 1876.

JL 12 — — — Ueber Ursprung und rechtliche Bedeutung der in den alt­ deutschen Urkunden enthaltenen Strafklauseln. Habilitations­ schrift. 8°. 71 S. 1875. Separat-Abdruck aus dem vorhergehenden Werke.

JL 1 50 Merkel, Adolf, Hinterlassene Fragmente und gesammelte Abhand­ lungen. I. Teil: Fragmente zur Sozialwifsenschast. Mit einem Bildnis des Ver­ fassers in Heliogravüre. Gr. 8°. VIII, 356 S. 1898. Ji 9 — II. Teil: Gesammelte Abhandlungen aus dem Gebiet der allgemeinen Rechts­ lehre und deS Strafrechts. 1. und 2. Hälfte. Gr. 8°. VIII, S. 1—428 und VI, S. 429-896. 1899. Jl 23 —

Mittelarmenisches Rechtsbuch, herausgegeben, übersetzt und erläutert von Josef Karst. I. Band: Sempadscher Kodex aus dem 13. Jahrhundert oder Mittel­ armenisches Rechtsbuch. Nach der Venediger und der Etschmiadziner Version unter Zurückführung auf seine Quellen herausgegeben und übersetzt. Gr. 4°. XXXII, 218 S. 1905. II. Band: Sempadscher Kodex aus dem 13. Jahrhundert in Verbindung mit dem Großarmenischen Rechtsbuch des Mechithar Gosch (aus dem 12. Jahrhundert). Unter Berücksichtigung der jüngeren abgeleiteten Gesetzbücher erläutert. Gr. 4°. VIII, 424 8. 1905. Beide Bände zusammen M 70 — „Dieses mit Unterstützung der Kgl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin veröffentlichte umfangreiche Werk, das sich in zwei mächtigen Bänden ganz prächtig präsentiert, macht seinem Verfasser alle Ehre. Schon durch seine ,Historische Grammatik des Kilikisch-Armenischen4 in den Kreisen der Armenisten als würdiger Schüler seines verehrten Lehrers Hübschmann bekannt, sichert sich J. Karst mit der vorliegenden Arbeit nicht bloß den Dank und die An­ erkennung seiner Fachgenossen, sondern gewiß auch die Aufmerksamkeit und den Beifall aller Juristen als wohlverdienten Lohn . . .‘ Literarische* Zentralblatt 1906, Xr. 5.

Schmoller, Gustav, Strassburgs Blüte und die volkswirtschaft­ liche Revolution im XIII. Jahrhundert. (Quellen und For­ schungen, Heft VI.) 8°. 35 8. 1875. JL 1 — -------Strassburg zur Zeit der Zunftkämpfe und die Reform seiner Verfassung und Verwaltung im XV. Jahrhundert. Rede, gehalten zur Feier des Stiftungsfestes der Universität Strass­ burg am 1. Mai 1875. Mit einem Anhang, enthaltend die Refor­ mation der Stadtordnung von 1405 und die Ordnung der Fünfzehner von 1433. (Quellenund Forschungen, HeftXI.) 8°.IX, 1648. 1875. »A3 — -------Die Strassburger Tücher- und Weberzunft. Urkunden und Darstellung nebst Regesten und Glossar. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Weberei und des deutschen Gewerberechts vom XIII.-XVII. Jahrhundert. 4'\ XXI, 588 S. 1879. JL 25 — -------Die Strassburger Tücher- und Weberzunft und das deutsche Zunftwesen vom XIII.—XVII. Jahrhundert. 4°. XI, 238 S. 1881. JL 8 — (Separat-Abdruck aus vorstehendem Werke.)

Soeben erschien:

DAS IMPERIUM DES RICHTERS. EIN VERSUCH KASUISTISCHER DARSTELLUNG NACH DEM ENGLISCHEN RECHTSLEBEN IM JAHRE 1906/7. NEBST ZWEI ANHÄNGEN: CRIMINAL APPEAL ACT 1907 UND PROBATION OF OFFENDERS ACT 1907. VON

A. MENDELSSOHN BARTHOLDY. 8°. XI, 236 S. M 6.—, in solidem Leinwandband Jl 7.—. (Heft II der Zivilrechtlichen und prozeßrechtlichen Abhandlungen heraus­ gegeben von Wilhelm Kisch).

Als Heft I dieser Abhandlungen erschien im Jahre 1907:

DAS SAMMELVERMÖGEN. Von Dr. jur. Oscar Fischbach. 8°. XII, 171 S. 1907. Jt 4.50. „.. . Die Abhandlung legt einen trefflichen Grundstein für die neue von Professor Kisch herausgegebene Sammlung. Mit Gründlichkeit und Scharf­ sinn wird die interessante, noch nicht abgeschlossene Rechtsbildung des Sammelvermögens der juristischen Beurteilung unterworfen................ " Juristisches Literaturblatt Bd. XIX, Nr. 6 vom 1. Juli 1907. . . Fischbachs Arbeit geht weit über den Rahmen der gewöhnlichen Dissertationen hinaus, er hat ein gründliches, wissenschaftliches Werk über das bisher wenig beachtete Rechtsgebiet, die Rechtsverhältnisse der Vermögen, die zu irgend einem Zwecke (z. B. Wohltätigkeit, Errichtung eines Denkmals u. a.) gesammelt werden, geschrieben. Da die bisherigen Rechtsauffassungen der ernsten Kritik nicht standhalten, stellt der Verfasser eine eingehend be­ gründete eigene Theorie auf." Juristische Zeitschrift für Elsaß-Lothringen 1907.