Das Schuldrecht [Reprint 2017 ed.] 9783111538143, 9783111170039


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German Pages 711 [712] Year 1965

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Abkürzungsverzeicknis
Einleitung
1. Hälfte: Der allgemeine Teil des Schuldrechts (Die allgemeinen Lehren)
1. Abschnitt: Begriff, Arten und Eigenschaften des Schuldverhältnisses
2. Abschnitt: Begründung des Schuldverhältnisses
3. Abschnitt: Inhalt des Schuldverhältnisses
4. Abschnitt: Erlöschen von Schuldverhältnissen
5. Abschnitt: Leistungsstörungen
1. Unterabschnitt: Tatbestände und Kechtsfolgen der Leistungsstörungen
2. Unterabschnitt: Die zusätzlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs
6. Abschnitt: Übertragung der Forderung und Schuldübernahme
7. Abschnitt: Mehrheit von Berechtigten und Verpflichteten
2. Hälfte: Der besondere Teil des Schuldrechts (Die einzelnen Schuldverhältnisse)
8. Abschnitt: Einleitung
9. Abschnitt: Veräußerungsverträge
10. Abschnitt: Gebrauchsüberlassungsrerträge
11. Abschnitt: Schuldverhältnisse über geschuldete Tätigkeiten
12. Abschnitt: Schuldrechtliche Personenvereinigungen
13. Abschnitt: Besondere Versprechen
14. Abschnitt: Ungerechtfertigte Bereicherung und unerlaubte Handlung im Überblick
15. Abschnitt: Ungerechtfertigte Bereicherung
16. Abschnitt: Unerlaubte Handlung
17. Abschnitt: Anhang I
Verzeichnis der Gesetzesstellen
Sachregister
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Das Schuldrecht [Reprint 2017 ed.]
 9783111538143, 9783111170039

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FI K E N T S C H E R • SCHULDRECHT

Lehrbücher und Grundrisse der Rechtswissenschaft

Zweiter Band

Berlin 1965

WALTER DE G R U Y T E R & CO. vormals G. J . Göechen'sche Verlagshandlung • J . Guttentag, Verlags« buchhandlung • Georg Reimer • Karl J . Trübner • Veit & Comp.

Das Schuldrecht von

Dr. jur. Wolfgang Fikentscher o. Professor an der Universität Münster/Westf.

WALTER DE GRUYTER & CO. vormals G. J . Göscheii'sche Verlagshandlung * J . Guttentag, Verlags« buchhandlung • Georg Reimer • Karl J . Trübner • Veit & Comp.

Archiv-Nr. 23 05 65 1 Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin 30 Alle Rechte, einachl. des Rechts der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vorbehalten.

Meinem Lehrer ALFRED

HU

ECK

Vorwort Die wesentliche Schwierigkeit der Vorlesungen über das Schuldrecht liegt im Umfang des Stoffes. Dabei ist es nicht nur und nicht einmal in erster Linie die große Zahl der Einzelheiten, die Lehrer und Lernenden zu schaffen machen, sondern der Überblick über das Ganze. Auf welche Fälle z. B. der Treu-undGlauben-Satz des § 242 oder die Generalklausel des Bereicherungsrechts in § 812 1 1 anzuwenden ist, auf welche nicht, läßt sich nicht aus einer noch so gründlichen Kenntnis der Einzelheiten, sondern nur aus einem Verständnis des Zusammenhangs erfassen. Die vorliegende Darstellung des Schuldrechts möchte darum nicht alle Einzelheiten, sondern vornehmlich solche Zusammenhänge darstellen. Sie will somit vor allem ein Leitfaden zum Lernen sein. Zu den beiden Vorlesungen über den Allgemeinen und Besonderen Teil des Schuldrechts soll das Buch dem Studierenden die für seine Ausbildung und sein rechtliches Verstehen nötigen Grundkenntnisse der Schuldrechtsprobleme vermitteln. Ziel waren daher eine traditionelle Darstellung der sachlichen Fragen und Sparsamkeit im begrifflichen und systematischen Aufwand. Nur an den wichtigeren Stellen, wie bei § 242, zur Theorie der Schadenszurechnung, bei der ungerechtfertigten Bereicherung und im Recht der unerlaubten Handlungen finden sich umfangreichere selbständige Gedankengänge. Die Methode der Darlegung weicht vom Üblichen ab. Sie ist ausgerichtet am nicht-streitigen Gutachten, an der juristischen Technik also, die vom Kandidaten im ersten Examen erwartet wird. Auf die Gliederung wirkt sich das vor allem beim Leistungsinhalt und bei den Leistungsstörungen aus. Man wird dieses Vorgehen damit rechtfertigen müssen, daß die Universität in praktischmethodischer Hinsicht dem Studierenden bislang manches schuldig bleibt. Immer wieder lesenswert ist in diesem Zusammenhang der Anhang des Schuldrechts von Philipp Heck (1929). Im Bereich des Besonderen Teils wurde eine Beschränkung des Stoffes dadurch versucht, daß auf eine systematische Durcharbeitung jedes einzelnen Schuldverhältnisses außer bei Kauf, ungerechtfertigter Bereicherung und unVII

Vorwort erlaubter Handlung verzichtet wurde. Statt dessen findet sich bei jedem Schuldverhältnis eine ausführliche Darstellung seines Wesens, die ergänzt wird durch eine Aneinanderreihung der wichtigsten Einzelprobleme, die bei dem betreffenden Schuldverhältnis erfahrungsgemäß schon für den Studenten auftauchen. Zu diesem abgekürzten Vorgehen bestand um so mehr Grund, als das Dienst-, Werkvertrags- und Gesellschaftsrecht in drei weiteren Vorlesungen wieder aufgegriffen werden: Im Arbeitsrecht, im Recht der Handelsgeschäfte und im Gesellschaftsrecht. Hinzu kommt als vierte Ergänzungsvorlesung des Schuldrechts das Wertpapierrecht, welches das Recht des Schuldversprechens, des Schuldanerkenntnisses, der Anweisung und der Inhaberschuldverschreibung vertieft. Eine kleine Sammlung schuldrechtlicher Fälle soll die Überprüfung des Gelernten erleichtern. Die Fälle eignen sich zur Besprechung im kleinen Kreis, eine Art der Vorbereitung, die sich vielfach bewährt. Die Jurisprudenz gedeiht am besten im Kollegium. Ein einzelner hat eine Rechtsfrage noch selten allein richtig gelöst. Das Schuldrecht wurde in dieser Lehrbuch- und Grundrißreihe bisher von Justus Wilhelm Hedemann betreut. Hedemann starb, um die Zivilrechtswissenschaft hochverdient, im Alter von 84 Jahren am 13. März 1963. Die 3. Auflage des Hedemann'schen Schuldrechts aus dem Jahr 1949 ließ sich wegen der Fülle des inzwischen angefallenen Materials nicht mehr umarbeiten. Der noch zu Lebzeiten Hedemanns und mit seiner Zustimmung ausgesprochene Auftrag des Verlags, ein neues Lehrbuch des Schuldrechts in seiner Nachfolge zu schreiben, bedeutet eine schwer erfüllbare Verpflichtung. Wenigstens eine äußerliche Verbindung soll aber dieses Buch zu seinem Vorgänger aufweisen. Am Ende des Besonderen Teils finden sich einige gedrängte Bemerkungen zu den räumlichen und historischen Bezügen des deutschen Schuldrechts. Anstelle einer Dogmengeschichte des Schuldrechts gelangt dort mit Zustimmung des Autors ein Abschnitt aus dem Schuldrecht Hedemanns zum Abdruck. Möge er dazu beitragen, den Sinn der Studenten für das geschichtliche Werden des Rechts und seiner Lehren zu wecken und die Erinnerung an J. W. Hedemann wachzuhalten. Gerade im Vergleich mit dem zügig geschriebenen Schuldrecht von Hedemann zeigt sich, daß mit der zunehmenden Verfeinerung eines Rechtsgebietes seine Lehrbarkeit und Erlernbarkeit abnehmen. Insofern geht es dem heutigen VIII

Vorwort Zivilrecht nicht anders als dem Pandektenrecht des vorigen Jahrhunderts, von dem das BGB und die zu ihm geschriebenen Erläuterungsbücher uns vorübergehend zu befreien schienen. Wenn daher heute in einem vorgegebenen räumlichen Umfang das Schuldrecht beschrieben werden soll, bedarf es der Hervorhebung der Grundlinien, eines Überblicks über das Ganze und der beispielsweisen Vertiefung der Problematik an einigen bedeutsamen schuldrechtlichen Einrichtungen. Auf Vollständigkeit darf es demgegenüber nicht ankommen. Lehren sollte nicht bedeuten, alles vorzutragen, sondern das lebendige Zusammenwirken von Ganzem und Teil begreiflich zu machen. Erst durch das ständige In-Beziehungsetzen von Ganzem und Teil, von System und Einzelproblem wächst das Lernen aus einer Stoffsammlung zu einem selbständigen Anwenden. Diesem Ziel versucht die vorliegende Darstellung des Schuldrechts zu dienen. Auch an dieser Stelle möchte ich Herrn Dr. Bernhard Großfeld LL.M. für die kritische Durchsicht des Manuskriptes und Herrn Referendar Georg Sandberger für das Zusammenstellen der Literatur danken. Neben ihnen haben Fräulein Edm6e Holle, Herr Referendar Gerhard Eichelmann, sowie die Herren Hans Dingerdissen und Reimer Rohlff sich um die technischen Arbeiten am Manuskript, an den Korrekturen und Registern in sehr dankenswerter Weise verdient gemacht. M ü n s t e r / W e s t f a l e n , im November 1964 Wolfgang Fikentscher

IX

Inhalt Seite

Abkürzungen

XVI Einleitung

§1 §2 §3 §4

Begriff, Stellung, wirtschaftliche Bedeutung und Grundgedanken Schuldrechts Rechtsquellen Schrifttum Plan der Darstellung

des 1 9 10 12

1. H ä l f t e :

Der Allgemeine Teil des Schuldrechts (Die allgemeinen Lehren) 1. A b s c h n i t t Begriff, Arten und Eigenschaften des Schuldverhältnisses 1. Unterabschnitt: D a s S c h u l d v e r h ä l t n i s §5 §6 §7 §8 §9

Das Schuldverhältnis in der Rechtsordnung Das Gutachten (der Fallaufbau) Begriff des Schuldverhältnisses Die Leistung Die wirtschaftliche Bedeutung der Schuldverhältnisse

14 20 23 26 31

2. Unterabschnitt: A r t e n d e r S c h u l d v e r h ä l t n i s s e §10 Arten der Schuldverhältnisse: Beteiligung am Schuldverhältnis . . . . § 11 Fortsetzung: Typische und atypische Schuldverhältnisse §12 Fortsetzung: Konsensual- und Realverträge §13 Fortsetzung: Kausale und abstrakte Schuldverhältnisse

33 38 40 41

3. Unterabschnitt: A b g r e n z u n g e n § 14 § 15 § 16

X

Verpflichtung und Verfügung Relative Wirkung der Forderung Unvollkommene Verbindlichkeiten bestände

42 44 und

verbindlichkeitsähnliche

Tat46

Inhalt 2. A b s c h n i t t Begründung des Schuldverhältnisses 8 B § 17 § 18 § 19 § 20 § 21 § 22 § 23 § 24 § 2B

Vorbemerkung Überblick über die Entstehungsarten Entstehung durch Vertrag Vorvertragliche Sorgfaltspflichten. Culpa in contrahendo Verfassungsrecht und Schuldrecht. Die Vertragsfreiheit und ihre Grenzen Form des Vertrags Vorvertrag und andere vorläufige Verträge Rahmenvertrag Draufgabe und Vertragsstrafe

Seite

48 49 61 62 67 73 80 83 85

3. A b s c h n i t t Inhalt des Schuldverhältnisses § 26 Bestimmung des Leistungsinhalts im allgemeinen § 27 Treu und Glauben. Die Bedeutungen des § 242 § 28 Gattungsschuld. Wahlschuld und Ersetzungsbefugnis (Relative Unbestimmtheit der Leistung) § 29 Geldschulden und Zinsen § 30 Teilleistungen (266) § 31 Aufwendungsersatz und Wegnahmerecht § 32 Rechnungslegung, Herausgabe von Gegenstandsinbegriffen. Auskunft und Offenbarungseid § 33 Einfluß der Rechtshängigkeit auf den Herausgabeanspruch und Vorlegung von Sachen § 34 Zeit der Leistung §35 Ort der Leistung § 36 Leistung durch Dritte § 37 Vertrag zugunsten Dritter

86 101 117 122 124 125 126 126 128 130 136 138

4. A b s c h n i t t Erlöschen von Schuldverhältnissen §38 Erfüllung 145 § 39 Erfüllungsersetzungen 151 § 40 Inhaltsänderung, Schuldersetzung, Vergleich (gleichzeitige Beendigung und Begründung von Schuldverhältnissen) 166 5. A b s c h n i t t Leistungsstörungen § 41 § 42

Vorbemerkung Überblick über die Leistungsstörungen

170 171 XI

Inhalt 1. Unterabschnitt: T a t b e s t ä n d e u n d R e c h t s f o l g e n der L e i s t u n g s s t ö r u n g e n § 43 § 44

Anfängliche objektive Unmöglichkeit und anfängliches Unvermögen . . Nachträgliche objektive Unmöglichkeit und nachträgliches Unvermögen („Unmöglichwerden der Leistung") bei einfachen Leistungspflichten und in gegenseitigen Verträgen § 45 Schuldnerverzug bei einfachen Leistungspflichten und in gegenseitigen Verträgen. Fixgeschäft § 46 Gläubigerverzug § 47 Schlechterfüllung („positive Forderungsverletzung") § 48 Sonstige Störungen im Ablauf von Schuldverhältnissen, insbesondere Zurückbehaltungsrecht und vertraglicher Rücktritt

Seite

180

185 200 210 216 226

2. Unterabschnitt: Die z u s ä t z l i c h e n V o r a u s s e t z u n g e n eines S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h s § 49 §50 § 51 §52 § 53 §54 § 55

Theorie der Schadenszurechnung in Grundzügen Schaden Verursachung Rechtswidrigkeit Vertretenmüssen, insbesondere Verschulden Haftung für fremdes Verschulden: Der Erfüllungsgehilfe Umfang und Art des Schadensersatzes (Lehre vom Interesse)

232 240 248 254 258 265 268

6. A b s c h n i t t Übertragung der Forderung und Schuldübernahme §56 § 57 § 58 § 59

Vorbemerkung 283 Forderungsübertragung 285 Gesetzliche Übertragung der Forderung und Übertragung anderer Rechte 297 Schuldübernahme und Verwandtes 297

7. A b s c h n i t t Mehrheit von Berechtigten und Verpflichteten §60 Übersicht. Begriffe § 61 Teilschuldverhältnisse (reale Teilung von Berechtigung und Verpflichtung) § 62 Gesamtschuldverhältnisse (Gesamtberechtigung, Gesamtverpflichtung) . § 63 Gläubiger- und Schuldnergemeinschaften (Bruchteils- und Gesamthandsgemeinschaften) XII

302 304 305 310

Inhalt 2. H ä l f t e :

Der Besondere Teil des Schuldrechts (Die einzelnen Schuldverhältnisse) 8. A b s c h n i t t Einleitung § 64 § 65

Überblick über das besondere Scbuldrecht Vertragsverbindungen und gemischte Verträge

Seite

314 317

9. A b s c h n i t t Veräußerungsverträge § 66 Kauf. Begriff, Abschluß, Pflichten im allgemeinen 320 § 67 Gefahrtragung. Verwendungen, Nutzungen, Lasten, Zinsen, Kosten . . 327 § 68 Leistungsstörungen beim Kauf im allgemeinen 336 § 69 Rechtsmängelgewährleistung 337 § 70 Sachmängelgewährleistung 343 369 § 71 Besondere Arten des Kaufs §72 Tausch 382 § 73 Schenkung, Schenkungsversprechen 383 10. A b s c h n i t t GebrauchsfiberlassiinggyerMge §74 Miete §75 Pacht §76 Leihe § 77 Darlehen. Darlehensversprechen

387 405 407 409

11. A b s c h n i t t Schuldverhältnisse über geschuldete Tätigkeiten §78 §79 §80 §81 § 82 § 83 § 84 §85 §86 § 87

Übersicht Dienstvertrag Werkvertrag. Werklieferungsvertrag Auftrag Geschäftsbesorgung. Raterteilung Geschäftsführung ohne Auftrag Mäklervertrag Auslobung Verwahrung Einbringung von Sachen bei Gastwirten

412 416 432 442 447 448 457 469 469 463 XIII

Inhalt 12. A b s c h n i t t Schuldrechtliehe Personenvereinigungen §88 §89

Gesellschaft Gemeinschaft

Selte

466 480 13. A b s c h n i t t Besondere Versprechen

§90 Leibrente § 91 Spiel, Wette, Differenzgeschäft § 92 Bürgschaft §93 Vergleich § 94 Schuldversprechen, Schuldanerkenntnis § 95 Anweisung § 96 Schuldverschreibung auf den Inhaber

481 482 483 486 486 487 489

14. A b s c h n i t t Ungerechtfertigte Bereicherung und unerlaubte Handlung im Überblick § 97

Gemeinsame Grundlagen und Unterscheidung von ungerechtfertigter Bereicherung und unerlaubter Handlung. Die Systeme 494 15. A b s c h n i t t Ungerechtfertigte Bereicherung

§ 98 Grundgedanken und gesetzlicher Aufbau des Bereicherungsrechts . . . § 99 Arten und Voraussetzungen der Bereicherungsansprüche im einzelnen §100 Rechtsfolgen des Bereicherungsanspruchs: Der Gegenstand der Bereicherung § 101 Fortsetzung: Der Verpflichtete. Die Bereicherungseinrede

510 512 537 545

16. A b s c h n i t t Unerlaubte Handlung § 102 Übersicht. Der Handlungsbegriff. Verhältnis zu den vertraglichen Ansprüchen, zur ungerechtfertigten Bereicherung und zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis 546 1. Unterabschnitt: Die T a t b e s t ä n d e d e r u n e r l a u b t e n H a n d l u n g I. Die Verletzungshandlung A. Die V e r s c h u l d e n s h a f t u n g 1. Die allgemeinen Deliktstatbestände § 103 Eingriffsdelikte, § 823 I § 104 Schutzgesetzdelikte, § 823 II § 105 Sittenwidrige Vermögensschädigungen, § 826 XIV

554 574 577

Inhalt 2. Die besonderen Delittstatbestände

Seite

§ 106 Kreditgefährdung. Verletzung der Geschlechtsehre. Gebäudehaftung. Amtspflichtverletzung 579 3. Haftung für unerlaubte Handlungen anderer § 107 Verrichtungsgehilfe, Haftung in Großbetrieben, Haftung für Aufsichtsbedürftige 588 § 108 Mehrere Schädiger 596 B. Die G e f ä h r d u n g s h a f t u n g § 109 Tierhaftung, Verkehrshaftpflichtgesetz, Energiehaftung, Haftung für Gewässerschäden 597 C. Die B i l l i g k e i t s h a f t u n g §110

601 n . Die übrigen TatbestandsvorauBsetzungen

§ 111 Schaden, Verursachung, Rechtswidrigkeit, Verschulden

602

§112 2. Unterabschnitt: E r l a u b t e , a b e r zum S c h a d e n e r s a t z v e r p f l i c h t e n d e E i n g r i f f e in f r e m d e R e c h t e 605 §113 3. Unterabschnitt: Die R e c h t s f o l g e n u n e r l a u b t e r und e r l a u b t e r , a b e r zum S c h a d e n e r s a t z v e r p f l i c h t e n d e r H a n d l u n g e n . . . . 607 §114 4. Unterabschnitt: B e s e i t i g u n g s - und U n t e r l a s s u n g s a n s p r u c h .

. 611

17. A b s c h n i t t Anhang I § 115 Der räumliche Bezug des Schuldrechts: Hauptprobleme des deutschen internationalen Schuldrechts 614 620 § 116 Zehn Beispiele schöpferischer Monographien Anhang II Schuldrechtliche Fälle ohne Lösungen

624 Register

Verzeichnis der Gesetzesstellen Sachregister

666 677 XV

Abkürzungsverzeicknis aA a. a. 0. AbzG AcP ADSp a. E. a. F. AG AG AGB AHGB AiZ Alt. Anm. A0 AÖR ArchBürgR arg. ARS Art. AT AtomG Aufl. AWD BAG BAnz BB Bd. betr. BetrVerfG BGB BGBl. BGHSt. BGHZ XVI

=

= = = = =

-

= =

= =

= = = = =

=

-

-

=

-

= =

-

= = = =

anderer Ansicht am angeführten Ort Gesetz betreffend die Abzahlungsgeschäfte vom 16.5.1894 Archiv für die civilistische Praxis Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen am Ende alter Fassung Aktiengesellschaft Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch Allgemeine Immobilienzeitung Alternative Anmerkung Anordnung Archiv für öffentliches Recht Archiv für bürgerliches Recht Argumentum aus Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts und der Landesarbeitsgerichte Artikel allgemeiner Teil Atomgesetz Auflage Außenwirtschaftsdienst Bundesarbeitsgericht Bundesanzeiger Der Betriebsberater Band betreffend Betriebsverfassungsgesetz vom 11.10.1952 Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof, Entscheidungen in Strafsachen Bundesgerichtshof, Entscheidungen in Zivilsachen

Abkürzungsverzeichnis BVerfG bzw.

= =

Bundesverfassungsgericht beziehungsweise

D DAR, DArbR DAutR DB DEMV ders. DGWR d. h. Diss. DJ DJT DJZ DNotZ DÖV DR DRiZ DRWiss. DVB1. DVO

= = = = = = = = = = = = = = = = = = =

Digesten Deutsches Arbeitsrecht Deutsches Autorecht Der Betrieb Deutscher Einheitsmietvertrag derselbe Deutsches Gemein- und Wirtschaftsrecht das heißt Dissertation Deutsche Justiz Deutscher Juristentag Deutsche Juristenzeitung Deutsche Notarzeitschrift Die öffentliche Verwaltung Deutsches Recht Deutsche Richterzeitung Deutsche Rechtswissenschaft Deutsches Verwaltungsblatt Durchführungsverordnung

EGBGB EhrenbergsHb. EinlPrALR

= Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch = Ehrenbergs Handbuch = Einleitung zum Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794

f., ff.

= folgende

FamRZ

= Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht (Zeitschr.)

GewO

=

Gewerbeordnung

GG GmbH GmbHG Gruchot

= = = =

GrundE GRUR GVG GWB GZS

= = = = =

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz, betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begründet von Gruchot Das Grundeigentum (Zeitschrift) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Großer Senat in Zivilsachen XVII

Abkürzungsverzeichnis HdWbdR, HdwbRW HGB Hirths Ann. h. M.

= Handwörterbuch der Rechtswissenschaft = Handelsgesetzbuch = Hirths Annalen = herrschende Meinung

IhJb., IherJb. i. d. F. i. d. R. IPR i. S. i. ü. i. V. m.

= = = = = = =

Iherings Jahrbücher für die Dogmatik des Bürgerlichen Rechts in der Fassung in der Regel Internationales Privatrecht im Sinne im übrigen in Verbindung mit

JbAKDR JR JurBl. JurFak. JuS Justizbl. JW JZ

= = = = = = = =

Jahrbuch der Akademie für Deutsches Recht Juristische Rundschau Juristische Blätter Juristische Fakultät Juristische Schulung Justizblatt Juristische Wochenschrift Juristenzeitung

KO KUG

LG LM LZ

= Konkursordnung = Gesetz, betr. das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie = Kraftverkehrsordnung für den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen = Landgericht = Lindenmaier-Möhring, Nachschlagwerk des Bundesgerichtshofs = Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht

MDR MSchG MuW

= Monatsschrift für Deutsches Recht = Mieterschutzgesetz = Markenschutz und Wettbewerb

n. F. NJW

= neue Fassung = Neue Juristische Wochenschrift

ÖZB1. OHG OLG

= Österreichisches Zentralblatt für die juristische Praxis = offene Handelsgesellschaft = Oberlandesgericht

KVO

XVIII

Abkürzungsverzeichnis PrALR

= Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794

RabelsZ

= Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begründet von Ernst Rabel = Reichsabgabenordnung vom 22. 5. 31 = Reichsarbeitsgericht = Recht der Arbeit = Recht der Jugend = Recht der Wirtschaft = Reichsgesetzblatt = Reichsgericht, Rechtsprechung in Strafsachen = Reichsgericht, Entscheidungen in Zivilsachen = Reichshaftpflichtgesetz = Reichsleistungsgesetz = Reichsoberhandelsgericht = Rechtsprechung = Rechtsvergleichendes Handwörterbuch für das Zivil- und Handelsrecht des In- und Auslandes = Reichsversicherungsordnung

RAbgO RAG RdA RdJ RdW RGBl. RGSt. RGZ RHpflG RLG ROHG Rspr. RvglHWB RVO

SachS chHaftpflG = Gesetz über die Haftpflicht der Eisenbahnen und Straßenbahnen für Sachschaden SAE = Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen SeuffA = Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den Deutschen Staaten SeuffBl. = Seufferts Blätter für Rechtsanwendung SJZ == Süddeutsche Juristenzeitung s. o. = siehe oben SozPr. = Soziale Praxis StGB = Strafgesetzbuch StVG = Straßenverkehrsgesetz StVZO = Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung TVO

— Tarifvertragsgesetz

u. a. u. ä. üb. Kaus. usw. u. U. UWG VerglO

= = = = = = =

unter anderem und ähnliches überholende Kausalität und so weiter unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Vergleichsordnung XIX

Abkürzungsverzeichnis VerlG VersR VerwR VO VOPR 71/51 VVG Vorbem. WarnRspr., RGWarn. WiGBI. WobauG WRV WStrReiG WuW ZADR, ZAKDR z. B. ZBJV ZB1HR ZGB ZHR Ziff. ZMR ZösterrR ZPO ZSchweizR

zstw zust. ZZP

XX

Gesetz über das Verlagsrecht Versicherungsrecht, Juristische Rundschau für die Individualversicherung Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland Verordnung Verordnung Nummer 71/51 über Maßnahmen auf dem Gebiet des Mietpreisrechts Gesetz über den Versicherungsvertrag Vorbemerkung

Warneyer, Die Rechtssprechung des Reichsgerichts Gesetzblatt der Verwaltung des vereinigten Wirtschaftsgebietes Wohnungsbaugesetz Weimarer Reichsverfassung Gesetz zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen vom 17. 8. 60 Wirtschaft und Wettbewerb Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht zum Beispiel Zeitschrift des Berner Juristenvereins Zentralblatt für Handelsrecht Schweizerisches Zivilgesetzbuch Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht Ziffer Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zeitschrift für Österreichisches Recht Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Schweizerisches Recht Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft zustimmend Zeitschrift für Zivilprozeß

Einleitung Begriff, Stellung, wirtschaftliche Bedeutung und Grundgedanken des Schuldrechts

§ 1

I. B e g r i f f des S c h u l d r e c h t s 1. D a s S c h u l d r e c h t ist ein Teil der P r i v a t r e c h t s o r d n u n g . Es ist das Recht der B e z i e h u n g e n zwischen Personen, kraft deren der eine ( G l ä u b i g e r , Berechtigter) von dem andern ( S c h u l d n e r , Verpflichteter) eine L e i s t u n g verlangen kann, die im allgemeinen dem rechtsgeschäftlich-wirtschaftlichen Lebensbereich zugehört. 2. Etwas s c h u l d i g s e i n heißt: Einem andern etwas geben müssen, was ihm nach den Regeln des Rechts zusteht. In diesem Sinne ist das gesamte Recht S c h u l d - R e c h t ; denn das Recht hat dafür zu sorgen, daß jedem das Seine zukommt. Das Schuldrecht im technischen Sinne ist aber nur ein kleiner, wenn auch besonders wichtiger Teil der Gesamtrechtsordnung. Nur mit dem Schuldrecht im technischen Sinne beschäftigt sich dies Buch. 3. Das Schuldrecht regelt die B e z i e h u n g e n von P e r s o n zu P e r s o n , z. B. zwischen Käufer und Verkäufer, Mieter und Vermieter, Gesellschafter und Mitgesellschafter, Dienstverpflichtetem und Dienstherrn. Im Unterschied dazu ordnet das Sachenrecht die Rechtsbeziehungen zwischen einer Person und einer Sache. Rechtsbeziehungen zu einer anderen Person entstehen dort in der Regel nicht unmittelbar, sondern mittelbar auf dem Umweg über eine Sache, z . B . 987ff. Sachenrechte sind a b s o l u t e r Natur, d . h . sie entfalten ihre Wirkungen gegen j e d e r m a n n . So kann der Eigentümer von j e d e m Besitzer die Rückgabe der Sache und von jedem Störer die Beseitigung der Störung seines Eigentums verlangen, 985, 1004. Schuldrechtliche Beziehungen sind dagegen r e l a t i v , d. h. sie wirken nur zwischen G l ä u b i g e r und S c h u l d n e r . Sachenrechte sind also stärker und umfassender wirksam als Schuldrechte. Ein Unternehmer, der seinem Konkurrenten Arbeitnehmer abwirbt, indem er ihnen höheren Lohn bietet, verletzt nicht die Dienstverträge dieser Arbeitnehmer mit dem Konkurrenten, 611 ff. Näher zur Relativität der Forderung und zum Vertragsbruch und der Verleitung dazu: unten § 15. — Nimmt dagegen der Unternehmer seinem Konkurrenten mit Gewalt Maschinen weg, so verletzt er das Eigentumsrecht des Konkurrenten, 985, 992, 823 ff. 1

F i k e n t . s c h e r , Schuldrecht

1

§ 1 14;

m

Stellung des Schuldrechts

4. Der wichtigste Begriff des Schuldrechts ist das S c h u l d v e r h ä l t n i s (im engeren Sinne). E s besteht in einer F o r d e r u n g des G l ä u b i g e r s gegen den S c h u l d n e r auf eine L e i s t u n g , 241 S. 1. Näher zur Terminologie des Schuldverhältnisses: unten § 7. Die geschuldete Leistung ist meist w i r t s c h a f t l i c h e r Art, wobei häufig (aber nicht immer) ein R e c h t s g e s c h ä f t zur Erbringung der Leistung nötig ist: z. B. Darlehensrückzahlung, 607; der Käufer schuldet die Zahlung des Kaufpreises, 433 I I ; der Verkäufer die Übereignung einer Sache, 433 I ; der Schädiger die Zahlung von Schadensersatz, 823 ff.; der Gesellschafter die Leistung von Beiträgen, 705. E s handelt sich also um Vorgänge des W i r t s c h a f t s - und G e s c h ä f t s l e b e n s , die das Schuldrecht regelt. Auch in anderen Rechtsgebieten finden sich Ansprüche wirtschaftlicher Art. Schadensersatzanspruch des Anfechtungsgegners, 122; Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung zur Verwirklichung des Hypothekenrechts, 1147; Anspruch der Ehefrau auf Haushaltsgeld, 1360a I I 2; Herausgabeanspruch des wahren gegen den falschen Erben, 2018. Doch liegt das Schwergewicht der Ansprüche des täglichen Wirtschaftslebens eindeutig im Schuldrecht. Ansprüche auf Zahlungen, z. B. §§ 433 II, 607; auf Warenlieferungen, vgl. §§ 433 1 1 , 243 I, 480. Manchmal wird auch nur eine tatsächliche Handlung geschuldet. Beseitigung eines Sachmangels beim Werkvertrag, 633 I I 1; Leistung von Diensten beim Dienstvertrag, 611, und bei der Gesellschaft, 706 I I I ; Benachrichtigung, 384 I I 1; Auskunft, 402, 666; Unterlassungen verschiedener Art, 241 5. 2. Auch die im Schuldrecht so häufig geschuldeten Besitzeinräumungen und Besitzabnahmen sind keine Rechtsgeschäfte: Einräumungen z . B . Miete, 535; Rückgabe der entliehenen oder verwahrten Sache, 604, 695. Abnahmen: Kauf, 433 II, Werkvertrag, 640; Rücknahme der verwahrten Sache, 696. II. S t e l l u n g des S c h u l d r e c h t s i m R a h m e n d e r R e c h t s o r d n u n g 1. Von den fünf Büchern des B G B umspannt das S c h u l d r e c h t sachlich die meisten Lebensbereiche. Das Schuldrecht stellt die Rechtsregeln bereit, die zum Austausch von Vermögensgegenständen und zum Ausgleich von Benachteiligungen und Schäden benötigt werden. Das Schuldrecht dient also, neben allgemeinen Ordnungsinteressen, zur Befriedigung persönlicher Interessen in der Welt der Güter und des Geldes. Das Sachenrecht regelt die Rechte der Person an den sie umgebenden Sachen, das Familienrecht die Beziehungen zwischen Ehegatten, Eltern und Kindern, das Erbrecht die Folgen des Todes einer Person. Der allgemeine Teil des BGB enthält „vor die Klammer gezogene"

2

Stellung des Schuldiechts

§ 1 II 2

Regeln für das Schuld-, Sachen-, Familien- und Erbrecht, ferner das Personenrecht. Dabei liegt das Gemeinsame und Kennzeichnende des Schuldrechts vor allem in der R e c h t s f o l g e : Dem s c h u l d r e c h t l i c h e n Anspruch. Woraus ein solcher Anspruch e n t s t e h t , wird im Schuldrecht einzeln bestimmt. Die 4 wichtigsten Möglichkeiten sind: Ansprüche aus Vertrag, unerlaubter H a n d l u n g , u n g e r e c h t f e r t i g t e r Bereicherung oder G e s c h ä f t s f ü h r u n g ohne Auftrag. Neben der Entstehung gehören I n h a l t , Veränderung, Untergang und S t ö r u n g solcher Ansprüche in den Bereich des Schuldrechts. 2. D i e B e z i e h u n g e n d e s S c h u l d r e c h t s z u d e n a n d e r e n R e c h t s g e b i e t e n lassen sich wie folgt kennzeichnen: a) Das Verhältnis zum A l l g e m e i n e n T e i l d e s B G B besteht darin, daß die Tatbestandsvoraussetzungen schuldrechtlicher Ansprüche fast immer von Regeln des Allgemeinen Teils beeinflußt werden: Beispiele: Vertragsschluß, 146ff.; Einfluß der Minderjährigkeit auf einen Vertrag, 107 ff.; Verjährung eines Kaufpreisanspruchs, 433 II, 194 ff.; Vernichtung eines Kaufvertrags durch Irrtumsanfechtung, 433,119,142. b) Damit S a c h e n r e c h t e (z. B. Eigentum, Hypothek) von einer Person auf eine andere b l e i b e n d übertragen werden können, bedarf es in der Regel zuvor schuldrechtlicher Verpflichtungen (vgl. § 433 und § 929). Zwar sind sachenrechtliche Verfügungen vermöge ihrer a b s t r a k t e n N a t u r auch ohne vorangegangene schuldrechtliche Verpflichtungen wirksam. Doch ist derjenige, an den ohne schuldrechtliche Verpflichtung verfügt wird, um das erworbene Sachenrecht u n g e r e c h t f e r t i g t b e r e i c h e r t und zur Rückübertragung verpflichtet, 812. Beispiel: A einigt sich mit B darüber, daß B das Auto des A haben soll. Bei der Übergabe sagt A zu B: „Über den Kaufpreis werden wir uns schon noch unterhalten." Nach § 929 wird B Eigentümer des Autos. Da aber mangels Einigung über den Kaufpreis kein Kaufvertrag zustandegekommen ist, besteht die — abstrakt wirksame (I) — Eigentumsverschiebung zu Unrecht. B muß das Auto als ungerechtfertigte Bereicherung (nach § 812 11) an A zurückübereignen. Näher zu den rechtsgrundlosen Verfügungen siehe unten § 99. Während also das Sachenrecht die e n d g ü l t i g e Zuordnung einer Sache in den Vermögensbereich einer Person regelt, bereitet das Schuldrecht diese Zuordnung durch Verpflichtungsgeschäfte vor und rechtfertigt sie für Gegenwart und Zukunft. Eine Forderung kann ein Recht „auf" eine Sache geben (z. B. § 433 11). Ein dingliches Recht ist ein Recht „an" einer Sache. Das Verpflichtungsgeschäft ist zugleich der Rechtsgrund (causa) im Sinne der §§ 812 ff. für die sachenrechtliche Güterverschiebung. Sachenrechtliche und schuldrechtliche Ansprüche können in der Regel nebeneinander geltend gemacht werden (h. M.): l*

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Stellung des Schuldrechts

Der Verleiher verlangt nach Ablauf der Leihe vom Entleiher die verliehene Sache nach § 604 und § 985 zurück. Sachenrechte genießen den Schutz des § 823 I, nicht dagegen Forderungen. Forderungen sind grundsätzlich keine „sonstigen Rechte" im Sinne des § 823 I (fast allgem. Meinung). Doch besteht deliktischer Schutz von Forderungen nach § 826 (sittenwidrige Schädigung). Im einzelnen siehe unten § 103 I 6 a. Man hat versucht, die scharfe begriffliche Trennung zu überbrücken, die nach geltendem Recht zwischen den absoluten, d. h. gegen alle wirkenden Sachenrechten, und den relativen, d. h. in ihrer Wirkung auf Gläubiger und Schuldner beschränkten Forderungsrechten besteht; Dulckeit, Die Verdinglichung obligatorischer Rechte, 1951; Löning, Die Grundstücksmiete als dingliches Recht, 1930. Ähnliche Bemühungen zielen darauf ab, die Grenzen zwischen Forderungs- und dinglichen Rechten anders zu ziehen; Wieacker, Die Forderung als Mittel und Gegenstand der Vermögenszuordnung, DRW 1941, S. 49; ders., Zum System des deutschen Vermögensrechts, 1941; ders., AcP 148, 57. Allein das Gesetz hat Gründe, den Unterschied zu machen. Zahlreiche Rechtseinrichtungen, z. B. der Eigentumsvorbehalt, die Hypothek, das Pfandrecht und viele andere Sicherungsrechte lassen sich gerade wegen der Trennung dinglicher und obligatorischer Rechte leichter deuten und handhaben. Ob eine neue Grenzziehung de lege ferenda nötig ist, kann hier offenbleiben. Eigenartige Schnittpunkte des Schuldund Sachenrechts sind: Die Verdinglichung obligatorischer Ansprüche in 556 II, 604 IV, 571; lIVMSchG; die dingliche Sicherung obligatorischer Ansprüche durch die Vormerkung in 883 und 1098 II; ferner durch einstweilige Verfügung 935 ZPO i .V. m. 136 BGB; die Einwirkung Dritter auf eine Forderung gem. 407, 408, 793 I 2, 807, 808 BGB (Verkehrsschutz); der Schutz des mittelbaren Besitzers gem. 771 ZPO bei beweglichen Sachen; die übrigen Fälle dinglichen Schutzes obligatorischer Rechte durch Besitzvorschriften, 1007, 823 I. Es handelt sich um fünf verschiedenartige Gruppen von Sondervorschriften, die einer Verallgemeinerung de lege lata nicht ohne weiteres zugänglich sind. So wäre es insb. verfehlt, aus diesen Bestimmungen herauszulesen, die schuldrechtliche Forderung gewähre ein H e r r s c h a f t s r e c h t an der Person des Schuldners, an den Handlungen des Schuldners oder am Leistungsgegenstand, oder ein Abwehrrecht gegen Dritte (ius ad rem des Pr. ALR.). Doch folgt aus diesen Bestimmungen immerhin, daß die Innehabung einer Forderung (Gläubigerschaft) in einem gewissen Umfang deliktischen Schutz genießen muß. Die Innehabung ist zwar kein absolutes Recht, das als solches nach § 823 I schützbar ist. Die Absolutheit eines Rechts ergibt sich nämlich nicht aus der bloßen Zuordnung an einen Gläubiger, sondern aus der Verletzbarkeit des Rechts durch Eingriffe beliebiger Dritter. Sie fehlt bei Forderungen. Es sind immer nur ganz bestimmte Dritte (z. B. der Zedent), die eine Forderung aufgrund einer Spezialbestimmung (z. B. 407) verletzen können. Dennoch muß, eben soweit dritte Personen nach gesetzlicher Bestimmung auf Forderungen schädigend einwirken können, der Deliktschutz offenstehen. Auch das ist aber eine Besonderheit, die der Verallgemeinerung de lege lata nicht zugänglich ist; vgl. zum Streitstand Enneccerus-Lehmann § 1 1 1 1 ; Larenz I 6 § 2 II; ferner unten § 103 I 6a.

Wirtschaftliche Bedeutung des Schuldrechts

§ 1 III 1

c) Auch das F a m i l i e n r e c h t kennt Forderungsrechte, insb. Unterhaltsansprüche, 1360 ff., 1601 ff., 1708 ff.; Auseinandersetzungsansprüche, 1476, 1497; Zugewinnausgleich, 1378. Sie entspringen besonderen Familienbindungen, nicht allgemeinen Schuldbindungen. d) Ähnlich liegt es im E r b r e c h t . Dort finden sich Forderungsrechte, die ebensogut im Schuldrecht geregelt sein könnten, z. B. das Vermächtnis, 2147, 2174; Anspruch des wahren gegen den falschen Erben, 2018 ff. Aber sachlich gehören diese Ansprüche zu den Regeln über das Schicksal des Vermögens im Todesfalle. Zu b ) — d ) : Gewisse allgemeine Grundsätze des Schuldrechts beanspruchen aber auch in anderen Teilen der Rechtsordnung Beachtung. Die Geltung dieser allgemeinen Schuldrechtsgrundsätze im Sachen-, Familien- und Erbrecht ist aber teilweise unsicher. Der Satz von Treu und Glauben (242) gilt stets, er verdient allgemeine Geltung. Ebenso gilt Verzugsrecht in § 990 II, Zessionsrecht in § 931 und § 986. Im Sachenrecht unanwendbar sind § 269 und § 281 auf den Eigentumsherausgabeanspruch, siehe dazu Westermann, Sachenrecht4, § 31IV 4. Im Familienrecht und Erbrecht sind Schuldrechtsgrundsätze überall anzuwenden, wo Vermögensinteressen auf dem Spiel stehen: Beispiele oben c) und d); nicht aber im persönlichen Bereich, z. B. 1353 1,1632, 1634, mit Ausnahme des § 242. e) Das H a n d e l s r e c h t ist das S o n d e r r e c h t des K a u f m a n n s und als solches im wesentlichen ein speziell geregelter Teil des Schuldrechts. Die Trennung hat historische Gründe und ist rechtspolitisch de lege ferenda nicht mehr vertretbar. Wo in einer Handelsrechtsfrage das HGB keine Sonderregeln enthält, gilt bürgerliches Recht. f) Das A r b e i t s r e c h t ist das Sonderrecht der in sozial abhängiger Stellung zu Dienstleistungen verpflichteten Personen und ihrer Dienstherren. Es ist darum ein Sonderbereich zum Recht des Dienstvertrags, 611 ff. Die Trennung vom allgemeinen bürgerlichen Recht ist wegen der vielfach k o l l e k t i v r e c h t l i c h e n B e s o n d e r h e i t e n des Arbeitsrechts (Tarifvertrag, Betriebsverfassung) berechtigt. g) Das W e r t p a p i e r r e c h t ist die Weiterentwicklung der in §§780, 781, 783 ff., 793 ff. geregelten schuldrechtlichen Papiere (vgl. auch das Legitimationspapier Quittung, 368 ff.). Im Wertpapierrecht gelten viele sachenrechtliche Grundsätze (z. B. verbreitet der Gutglaubensschutz). Es ist eine schwierige, auf der Grenze von Schuld- und Sachenrecht stehende Materie. h) Im ö f f e n t l i c h e n R e c h t gibt es zahlreiche Forderungsrechte, auch Verträge. Schuldrechtliche Grundsätze sind überall dort anwendbar, wo nicht hoheitliche Gesichtspunkte zwingend entgegenstehen. So gilt § 242 stets auch im Verhältnis zum Staat, str. Die §§ 305 ff., 362 ff. gelten für öffentlichrechtliche Verträge. Unanwendbar sind grundsätzlich die Aufrechnungsbestimmungen, 395. III. W i r t s c h a f t l i c h e B e d e u t u n g des S c h u l d r e c h t s 1. Für die Personen im Rechtssinne stellt das Schuldreclit die Regeln bereit, mit deren Hilfe sie in eigener Verantwortung ihre wirtschaftlichen

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§ 1 HI 2; IT 1

Grundgedanken des Schuldrechts

Bedürfnisse decken und dabei über die Gradskala ihrer Bedürfnisse frei entscheiden können. Durch diese Betonung der Selbstverantwortlichkeit birgt das Schuldrecht einen sittlichen Gehalt, der nicht unterschätzt werden sollte. Ohne das Schuldrecht wäre eine Güterverteilung und -Verschiebung unter Staatsbürgern und zwischen Staat und Bürgern nur durch den Einsatz einer alles vorausdenkenden Planungs- und Verteilungsbehörde denkbar. Das schuldrechtliche Vertragswesen ist somit unentbehrliches Mittel einer Rechts- und Wirtschaftsauffassung, in welcher dem einzelnen grundsätzlich zugemutet wird, seine wirtschaftlichen Verhältnisse selbstverantwortlich zu gestalten. Die Grenzen des Systems liegen einerseits in den guten Sitten und den von moralischen Grundsätzen getragenen gesetzlichen Verboten, andererseits im Mangel an eigener Wirtschaftskraft. Im ersten Fall muß der Staat v e r b i e t e n d (Sittengebot der §§ 138, 826, Währungsrecht, Kontrolle wirtschaftlicher Macht), im zweiten h e l f e n d eingreifen (Fürsorge, Lastenausgleich, Sozialversicherung). Daneben sorgt das Schuldrecht für den Ausgleich ungerechtfertigter Bereicherung und für den Ersatz rechtswidriger Schädigungen. Hier geht es nicht um Befriedigung laufenden Bedarfs, sondern um die Wiedergutmachung ungewöhnlicher und ungerechter Vermögenseinbußen. 2. Für den demokratischen S t a a t ist ein funktionierendes Schuldrecht eine Voraussetzung des geordneten Zusammenlebens. Es entlastet ihn von Verteilungsaufgaben, weil die Bedarfsbefriedigung grundsätzlich im freien Spiel der Kräfte erfolgt. Je arbeitsfähiger, je sozialer und wirtschaftsgemäßer ein Schuldrecht, desto gleichmäßiger der Wohlstand. Hieraus folgt für den Staat die Pflicht, für eine s t a b i l e Währung als allgemeinen Wertmesser der Bedürfnisse, sowie für die notfalls zwangsweise D u r c h s e t z u n g b e r e c h t i g t e r Ansprüche zu sorgen (Zivilprozeß, Zwangsvollstreckung). Auch die Begrenzung wirtschaftlicher Macht „nach oben" (Kartellrecht, Monopolkontrolle) und wirtschaftlicher Ohnmacht „nach unten" (Fürsorge, Lastenausgleich, Rentenversicherung) ist staatliche Pflicht, ohne deren Erfüllung die Grundvoraussetzung eines funktionierenden Schuldrechts entfällt: Die grundsätzliche gleiche Startbedingung der Wirtschaftenden (par conditio concurrentium). Das Schuldrecht setzt also die Planung und Durchführung einer bestimmten freiheitlichen Wirtschaftspolitik voraus, umgekehrt bedient sich eine solche Wirtschaftspolitik eines bestimmten Schuldrechts. Entsprechen sich Wirtschaftspolitik und Schuldrecht nicht, sind soziale Ungerechtigkeiten die unausweichliche Folge.

IV. G r u n d g e d a n k e n des S c h u l d r e c h t s Unter den G r u n d g e d a n k e n des deutschen Schuldrechts sind hervorzuheben: 1. Gläubiger und Schuldner sollen grundsätzlich rechtlich und wirtschaftlich in g l e i c h e m Maß geschützt werden. Das Gesetz ergreift für keinen der beiden Partei, vgl. 254, 264, 274, 320, 322, 348, 387, 426, 705, 706, 723, 742. (Anders J. W. Hedemann 8 f., der im BGB eine allgemein schuldnerfreundliche

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Grundgedanken des Schuldrechts

§ 1 IV 2—6

Haltung zu erkennen glaubt.) Der G r u n d s a t z v o n T r e u u n d G l a u b e n des § 242 gilt auch zu Lasten des Gläubigers (allgemeine Meinung): Der Schuldner muß nach Treu und Glauben leisten, der Gläubiger darf nur nach Treu und Glauben fordern. Einen besonderen Schuldnerschutz kennt das Mietnot-, Pachtnot- und das Zwangsvollstreckungsnotrecht, siehe unten § 74 IV u. § 75 II 6, er wurde durch außergewöhnliche Wirtschaftsumstände veranlaßt. Es ist die Frage, ob die grundsätzliche Gleichbehandlung von Schuldner und Gläubiger gerechtfertigt ist. Manche neigen dazu, im Gläubiger den wirtschaftlich Stärkeren und darum weniger Schutzbedürftigen zu sehen. Allein, der Gläubiger hat sein Vertrauen in den Schuldner gesetzt, er ist es, der etwas zu bekommen hat. Sein Vertrauen verdient Schutz. Das Recht tut daher solange gut daran, Schuldner und Gläubiger im gleichen Maß zu schützen, wie die Teilnehmer am Wirtschaftsleben von grundsätzlich gleichen wirtschaftlichen Voraussetzungen ausgehen können. Im modernen Wirtschaftsleben ist zumeist jeder zugleich Schuldner und Gläubiger. Unterschiede der Schutzbedürftigkeit entstehen daher nicht so sehr daraus, auf welcher Seite des Schuldverhältnisses die Person steht, sondern aus ihrer hiervon häufig unabhängigen Wirtschaftskraft. Erweisen sich z. B. gewisse Wirtschaftsbereiche bleibend als Käufer- oder Verkäufermärkte, bedarf es der Änderung des Schuldrechts im Sinne eines Gläubiger- oder Schuldnerschutzes; Beispiele: Abzahlungsgeschäft, Mietnotrecht, Arbeitsrecht. 2. Der Schuldner muß also die Leistung so erbringen, und der Gläubiger darf sie nur so fordern, wie Treu und Glauben mit Bücksicht auf die Verkehrssitte es verlangen, 242. Darauf baut sich auf der G r u n d s a t z der A n g e m e s s e n h e i t (Philipp Heck), der besagt, daß das Schuldrecht bestrebt ist, allen Beteiligten unter Berücksichtigung der häufig widersprechenden Interessen das ihnen Gebührende in angemessener Weise zukommen zu lassen. Der Grundsatz von Treu und Glauben ist die subjektive, auf Gläubiger und Schuldner bezogene Formulierung des Angemessenheitsgrundsatzes. 3. Forderungsrechte wirken r e l a t i v . Sie b e r e c h t i g e n nur den G l ä u b i g e r . Sie b i n d e n nur den S c h u l d n e r . Für Dritte sind sie unbeachtlich (Ausnahmen 556 III, 571 ff., 604IV, 826). Näheres dazu unten § 15. 4. Schulden sind grundsätzlich H o l s c h u l d e n , d. h. der Gläubiger muß sich die Leistung abholen, 269. Ausnahmen müssen vereinbart werden oder aus den Umständen hervorgehen. Außerdem kennt das Gesetz Ausnahmen: 261, 270, 447, 697, 700, 811; 36 W G ; Art. 4, 38, 75, 77 WechselG; 28, 29 ScheckG. 5. Es gibt V e r t r ä g e z u g u n s t e n , nicht aber zulasten Dritter, 328 ff. (sonst könnte man sich schnell seiner Schulden entledigen!). 6. Man kann sich seinem Gläubiger nicht ohne dessen Zustimmung entziehen, wohl aber seinem Schuldner. Das bedeutet: Forderungen sind ohne Zustim-

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§ 1 IV 7—14

Grundgedanken des Schuldrechts

mung des Schuldners a b t r e t b a r , 398ff. Aber Schulden können nur unter Mitwirkung des Gläubigers ü b e r n o m m e n werden, 414 ff. 7. Grundsätzlich sind die Staatsbürger f r e i , ob und wozu sie sich verpflichten wollen, 305 BGB, Art. 2 I I GG (Grundsatz der Y e r t r a g s f r e i h e i t ) . E s herrscht unter den Vertragsformen kein Typenzwang. Im Sachenrecht gilt dagegen ein numerus clausus der dinglichen Rechte. 8. Nur in seltenen Ausnahmefällen greift der Staat korrigierend in ein vertragliches Schuldverhältnis ein, 343, Vertragshilfegesetz v. 2 6 . 3 . 1 9 5 2 , BGBl. 1 1 9 8 . 9. Schuldverträge sind grundsätzlich f o r m f r e i (Ausnahmen z. B. 310, 313, 618, 564). 10. Wenn nichts Besonderes vereinbart ist, sind Schuldverträge e n t g e l t l i c h , 433, 516, 518, 535, 598, 612, 632, 653, 662, 689. 11. Ein bloß rechtswidriger Eingriff führt nur zur Beseitigungs- oder Unterlassungsklage. Dagegen verlangt ein Schadensersatzanspruch grundsätzlich V e r s c h u l d e n des Schädigers, 823 ff., 1 0 0 4 , 1 2 (Verschuldensgrundsatz). 12. N i c h t j e d e S c h ä d i g u n g gibt ein Recht auf Unterlassung oder Schadensersatz (es gilt nicht der Grundsatz des neminem laedere). Nur unter zusätzlichen Voraussetzungen sind diese Ansprüche gegeben (Rechtsgutverletzung 823 I, Schutzgutverletzung 823 II, sittenwidrige Schädigung 8 2 6 , 1 UWG, Amtspflichtverletzung 839 u. a.). Dagegen gilt für ungerechtfertigte Bereicherungen eine Generalklausel, 812 1 1 . 13. Auch der Gedanke des V e r k e h r s s c h u t z e s ist im Schuldrecht stellenweise verwirklicht, wenngleich schwächer als im Sachenrecht (gutgläubiger Erwerb) und im Allgemeinen Teil (Scheinvollmacht). Grundsätzlich wirken Forderungen eben nur zwischen Gläubiger und Schuldner. Das Problem, wie der Rechtsverkehr auf Kosten eines Berechtigten geschützt werden soll, stellt sich daher nicht mit gleichem Gewicht. Forderungen können grundsätzlich nicht gutgläubig erworben werden. Hier gilt der Satz nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet. Dem Gedanken des Verkehrsschutzes entspringen aber die §§ 370, 405, 793, 794, 796. Auch die Lehre der „faktischen" Gesellschaft und des „faktischen" Arbeitsverhältnisses (unten §18 I I I 2b) sind verkehrsfreundlich. V e r k e h r s f e i n d l i c h sind dagegen die meisten Bestimmungen des sog. Schuldnerschutzes bei der Übertragung von Forderungen: 407, 408, 409—411, nicht dagegen 808 11. 14. Es gibt allgemeine Schuldrechtsregeln, 241—432, und besondere „einzelne" Schuldverhältnisse, 433—852. Doch liegt das Schwergewicht des vertraglichen Schuldrechts auf dem K a u f , 433—514. Er ist der Prototyp aller Verträge. Gedanklich unabhängig neben den einzelnen vertraglichen Schuldverhältnissen, und nur gesetzestechnisch mit ihnen verknüpft, stehen G e s c h ä f t s f ü h r u n g ohne A u f t r a g , u n g e r e c h t f e r t i g t e B e r e i c h e r u n g und une r l a u b t e Handlung, 677 ff., 812 ff., 823 ff.

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Rechtsquellen

§ 2 I; II 1,2

Rechtsquellen

§ 2

I. Vorbemerkung Das heutige Schuldrechtssystem geht in seinen Anfängen auf das Schema personae-res-actiones des nachklassischen römischen Rechts zurück (Gaius, Institutiones). Aus den „actiones" entwickelten sich mit Erkenntnis des Unterschiedes von materiellem und Verfahrensrecht die „obligationes". Die Naturrechtler unterschieden innerhalb der obligationes contractus (Verträge), quasi contractus (ungerechtfertigte Bereicherung, Geschäftsführung ohne Auftrag), delicta (vorsätzliche unerlaubte Handlungen) und quasi delicta (Fahrlässigkeitsdelikte und Tatbestände der Gefährdungshaftung). Diese Einteilung findet sich daher z. B. später bei Pothier, Savigny und auch noch bei Windscheid, der ihr aber keine Bedeutung mehr beimißt. Der Unterschied zwischen dem Allgemeinen und Besonderen Teil des Schuldrechts ist begrifflich so alt wie die Unterscheidung von obligatio und contractus. Die Ausbildung des allgemeinen Teils des Schuldrechts in heute geläufiger Form erfolgte in spät-naturrechtlicher Zeit, dann vor allem bei den Anhängern der historischen Rechtsschule (Hofacker, Hugo, Heise, P u c h t a , Savigny). Erstmals im BGB wurde das Schuldrecht vor das Sachenrecht gestellt; Andreas B. Schwarz, Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, Zeitschrift der Savigny-Stiftung, rom. Abt., 42. Band, S. 578 (1921). Im ganzen nahm die Bedeutung des Schuldrechts in Rechtslehre und Praxis mit zunehmender Industrialisierung und der Ausbreitung der Verkehrswirtschait seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ständig zu, während das ursprünglich breiter behandelte Sachenrecht relativ an Gewicht verlor. II. D a s h e u t i g e S c h u l d r e c h t 1. Es ist stofflich zum größten Teil im 2. B u c h des BGB enthalten. Die ersten sechs Abschnitte (241—432) behandeln a l l g e m e i n e F r a g e n des S c h u l d v e r h ä l t n i s s e s . Der umfangreiche 7. Abschnitt regelt die 25 „einzelnen Schuldverhältnisse": Kauf, Darlehen, unerlaubte Handlungen usw. Man nennt ihn den b e s o n d e r e n Teil des S c h u l d r e c h t s , (433—853), er betrifft die konkreten Lebensvorgänge. Seine innere Struktur ist unten in § 64 besprochen. 2. S c h u l d r e c h t l i c h e N e b e n v o r s c h r i f t e n finden sich zum A l l g e m e i n e n Teil des Schuldrechts in g e r i n g e r e r , zum B e s o n d e r e n Teil in großer Zahl. Nachstehend werden nur die wichtigsten, zum Teil auch nur in Gruppen, genannt: a) Zum Allgemeinen Teil des S c h u l d r e c h t s — Aus dem EGBGB: Art. 11, 12 (internationales Privatrecht), Art. 88 (Fremdenrecht). Ferner Art. 77—81, 93, 95—107 (Vorbehaltsklauseln bei einzelnen Schuldverhältnissen). — Die Währungs- und Umstellungsgesetze, beginnend 1948, (Währungsreform). — Vertragshilfegesetz vom 26. 3.1952, BGBl. 1198 (Einschränkung der Vertragsfreiheit).

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Schrifttum

— Hinterlegungsordnung vom 10. 3.1937, RGBl. I 285 (Verfahrensrechtliche Ergänzung zu §§ 372 ff.). — Schiffsgesetz vom 15.11.1940, RGBl. 11499, mit DVO. b) Zum Besonderen Teil des S c h u l d r e c h t s — Das Preisrecht. Es handelt sich um öffentlichrechtliche Eingriffe in die grundsätzliche freie Vereinbarkeit des Kaufpreises. Im Laufe der Jahre sind zuerst Verschärfungen, dann wesentliche Lockerungen eingetreten. — Gesetz, betr. die Abzahlungsgeschäfte vom 16. 5.1894, RGBl. 450 (beti. Ratenkauf). — Verordnung, betr. die Hauptmängel und Gewährfristen beim Viehhandel vom 27. 3.1899, RGBl. 219 (vgl. § 482 II). — Wohnungsbewirtschaftungs-, Mietpreis-, Mieterschutzrecht. Hierunter versteht man den ausgedehnten Bereich öffentlich-rechtlicher Regelungen im Mietwesen. Die Vorschriften lassen sich in drei große Gruppen teilen: Das Recht zur Einschränkung der freien Mieterwahl (Bewirtschaftung), das Mietpreisrecht zur Einschränkung der freivereinbarten Mietpreishöhe, und das M i e t e r s c h u t z r e c h t zur Beschränkung der freien Kündigung durch den Vermieter. Das umfangreiche Gebiet mietrechtlicher Nebenvorschriften unterliegt ständigem Wandel. Zur Zeit geht die Tendenz auf einen Abbau der öffentlich-rechtlichen Eingriffe. Näher unten § 74. — Gesetz betr. die Verbindlichkeit zum Schadensersatz für die bei dem Betriebe von Eisenbahnen, Bergwerken usw. herbeigeführten Tötungen und Körperverletzungen (Reichshaftpflichtgesetz) vom 7. 6.1871, RGBl. 207. — Gesetz über die Haftpflicht der Eisenbahnen und Straßenbahnen für Sachschaden vom 29. 4.1940, RGBl. I 691, in der Fassung des Gesetzes vom 16. 7.1957, BGBl. I 710 (Sachhaftpflichtgesetz). — Straßenverkehrsgesetz vom 19.12.1952, BGBl. I 837. — Luftverkehrsgesetz vom 10.1.1959, BGBl. 19. — Bundesjagdgesetz vom 30. 3.1961, BGBl. I 304. Diese Gruppe der Haftpflichtgesetze ergänzt die §§ 823 ff. insb. durch Regelung von Tatbeständen der Gefährdungshaftung. Dazu unten § 109. Über das Verhältnis des Schuldrechts zum Handels-, Arbeits- und Wertpapierrecht siehe oben § 1 II 2 e—g.

Schrifttum 1. L e h r b ü c h e r und Grundrisse Blomeyer, Allgemeines Schuldrecht, 3. Aufl. 1964 Cosack-Mitteis, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, Bd. I, Allgemeiner Teil und Schuldrecht, 8. Aufl. 1927 Crome, System des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. II, 1 und 2, Recht der Schuldverhältnisse, 1902

Schrifttum

§32

Dernburg, Die Schuldverhältnisse nach dem Rechte des deutschen Reichs und Preußens, 4. Aufl., herausgeg. von Raape, Bd. I, Allgemeine Lehren, 1909; Bd. II, Einzelne Obligationen, 1915 Enneccerus-Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, 15. Aufl. 1958 Esser, Schuldrecht, 2. Aufl. 1960 Feldmann, BGB, Schuldrecht, Allgemeiner Teil, 1946 Goldmann-Lilienthal, Das Bürgerliche Gesetzbuch, Bd. I, Allgemeiner Teil und Recht der Schuldverhältnisse, 12. Aufl. 1903 Heck, Grundriß des Schuldrechts, 1929 Hedemann, Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches, 3. Aufl. 1949 Henle, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, Bd. II, Schuldrecht, 1934 Hirsch, Einführung in das bürgerliche Vermögensrecht, 2. Aufl. 1959 Jung, Bürgerliches Recht, in: Stammler, Das gesamte deutsche Recht, Bd. 1,1931 Kohler, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, Bd. II/l, Schuldrecht, 1906 Ksoll, Schuldverhältnisse, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 1960 Kreß, Lehrbuch des Allgemeinen Schuldrechts, 1929; Lehrbuch des Besonderen Schuldrechts, 1934 Krückmann, Institutionen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 5. Aufl. 1929 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I, Allgemeiner Teil, 6. Aufl. 1963; Bd. II, Besonderer Teil, 6. Aufl. 1964 Larenz, Vertrag und Unrecht, Bd. 1,1936; Bd. II, 1937 Lehmann, R., Das Recht der Schuldverhältnisse I, Allgemeiner Teil, 1947 Leonhard, Allgemeines Schuldrecht des BGB, 1929; Besonderes Schuldrecht des BGB, 1931 Loewenwarter, Wegweiser durch das BGB, 18. Aufl., unter Mitwirkung von Bohnenberg, 1952 Molitor, Schuldrecht, Bd. I, Allgemeiner Teil, 6. Aufl., 1959, Bd. II, Besonderer Teil, 5. Aufl. 1961 Nikisch, Bürgerliches Recht, Das Recht der Schuldverhältnisse I, Allgemeine Lehren, 1947 Schmidt, Rud., Bürgerliches Recht, Bd. II, Das Schuldrecht, 2. Aufl. 1953 Siber, Schuldrecht, 1931 Stammler, Das Recht der Schuldverhältnisse in seinen allgemeinen Lehren, 1897 Stoll-Felgentraeger, Vertrag und Unrecht, 4. Aufl. 1944 Titze, Bürgerliches Recht, Recht der Schuldverhältnisse, 4. Aufl. 1948 Wiefels, Recht der Schuldverhältnisse, 1. Teil, Allgemeines Schuldrecht, 152.— 156. Aufl. 1964; 2. Teü, Einzelne Schuldverhältnisse, 146.—150. Aufl. 1963, in: Schaeffers Grundriß des Rechts und der Wirtschaft, Bürgerliches Recht 2. K o m m e n t a r e Achilles-Greif, Bürgerliches Gesetzbuch, 20. Aufl. 1958

11

§3

3;

§4

Plan der Darstellung

Böhle-Stamschräder u. a., Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, II. Buch: Recht der Schuldverhältnisse, 1. Lieferung (§§ 241—274), 1949 Erman, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl. 1962 Kommentar der Reichsgerichtsräte zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 11. Aufl., Bd. 1/2, Recht der Schuldverhältnisse (§§241—432), 1960; Bd. II, Einzelne Schuldverhältnisse, 1. Teü (§§433—704), 1959 ; 2. Teil (§§705—853), 1960 Loewenwarter, Lehrkommentar zum BGB, Bd. II, Recht der Schuldverhältnisse, 2. Aufl. 1928 Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse, 5. Aufl., Bd. I (§§ 241—432 ff.), 1928, Bd. II (§§ 433—853), 1929 Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 23. Aufl. 1964 Planck, Kommentar zum BGB, Bd. II, Recht der Schuldverhältnisse, 4. Aufl., I. Hälfte, Allgemeiner Teü, 1914; 2. Hälfte, Besonderer Teil, 1928 Schollmeyer, Recht der Schuldverhältnisse, Bd. 1,1900 Soergel-Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. I, (Allgemeiner Teil und Recht der Schuldverhältnisse, Allgemeiner Teil), 9. Aufl. 1959; Bd. II (Einzelne Schuldverhältnisse), 9. Aufl. 1962 Staudinger, Kommentar zum BGB, Bd. II, Recht der Schuldverhältnisse, 11. Aufl. Teil l c (nur §§ 249—277), 1959 ff., Teil 2 (§§ 433—610), 1955, Teil 3 (§§ 611—704), 1958, Teü 4 (nur §§ 705—822), 1958 ff. Im übrigen 9. Aufl., 1933; 10. Aufl. (nur §§ 241—245), 1944 Warneyer, Das BGB, Bd. I (Allgemeiner Teil und Recht der Schuldverhältnisse), II. Aufl., bearb. von Bohnenberg, 1950 3. F a l l s a m m l u n g e n Schönfelder, Prüfe dein Wissen, Recht der Schuldverhältnisse, 5. Aufl., bearb. von Hoche, 2. Heft, Allgemeine Lehren, 1958; 3. Heft, Einzelne Schuldverhältnisse, 1960 § 4

Plan der Darstellung Die Gliederung versucht, wo dies möglich ist, dem Gedankengang des unstreitigen Gutachtens bei der Lösung eines Schuldrechtsfalles zu folgen. Die Darstellung folgt der traditioneüen Einteüung in ein allgemeines und ein besonderes Schuldrecht. Im aügemeinen Teü behandelt ein erster Abschnitt Begriff, Arten und Eigenschaften des Schuldverhältnisses. Dabei geht es um die Bereitstellung des begrifflichen Instrumentariums, aber auch der wirtschaftlichen Grundvorstellungen, auf die es im folgenden ankommt (§§ 5—16). Dann folgt, so wie das bei der Lösung eines Schuldrechtsfalles stets zu geschehen hat, eine Untersuchung der Gründe, aus denen ein Schuldverhältnis e n t s t e h e n k a n n (§§17—25). Nachdem feststeht, daß ein Schuldverhältnis

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Plan der Darstellung

§4

entstanden ist, muß sein I n h a l t geprüft werden (§§26—37). Es geht hierbei um den Leistungsinhalt, die Bedeutung des Satzes von Treu und Glauben, sowie um die einzelnen Leistungsmodalitäten. Nach Entstehung und Inhalt ist die Abwicklung, und dabei zunächst das ordnungsgemäße E r l ö s c h e n eines Schuldverhältnisses zu untersuchen (§§ 38—40). Steht fest, daß nicht ordnungsgemäß erfüllt wurde, ist im Gutachten zu fragen, ob eine L e i s t u n g s s t ö r u n g vorliegt, also ein Tatbestand außergewöhnlicher Abwicklung eines Schuldverhältnisses (§§41—55). Vorab müssen in diesem Bereich die verschiedenen T a t b e s t ä n d e und R e c h t s f o l g e n der L e i s t u n g s s t ö r u n g e n behandelt werden (§§43—48). Danach wird die besonders wichtige Rechtsfolge des S c h a d e n s e r s a t z e s noch einmal aufgegriffen. Die zum Tatbestand einer Leistungsstörung hinzutretenden Voraussetzungen und die Rechtsfolgen eines Schadensersatzanspruchs sind im einzelnen darzustellen (§§ 49—55). In diesen Zusammenhang gehört auch die Lehre von der Haftung für Erfüllungsgehilfen und vom Inhalt des Ersatzanspruchs (§§ 54, 55). Nachdem in dieser Weise ein Schuldverhältnis zwischen einem Gläubiger und einem Schuldner von seiner Entstehung an über seinen Inhalt bis zur normalen oder außergewöhnlichen Abwicklung behandelt ist, bedarf es der Erweiterung durch Einführung neuer Gläubiger und Schuldner a n s t e l l e der alten. Es handelt sich um die Forderungsabtretung und die Schuldübernahme (§§ 56— 59). Noch weiter greift die Lehre von der g l e i c h z e i t i g e n Beteiligung m e h r e rer Gläubiger oder S c h u l d n e r an einem Schuldverhältnis (§§ 60—63). Der daran anschließende b e s o n d e r e Teil des Schuldrechts mit der Darstellung der einzelnen konkreten Schuldverhältnisse (Kauf, Darlehen, Dienstvertrag, unerlaubte Handlung usw.) bedarf einer eigenen systematischen Erläuterung (§ 64). Die einzelnen Typen werden nicht nach dem Schwergewicht ihrer praktischen Häufigkeit, sondern nach ihrer Bedeutung für die Ausbildung besprochen, wobei Kauf, ungerechtfertigte Bereicherung und unerlaubte Handlung in erster Reihe stehen (§§ 65—114). Den Beschluß des theoretischen Teils bildet ein Überblick über das internationale Schuldrecht (§ 115). Daran reiht sich die Fallsammlung.

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1. H ä l f t e

Der allgemeine Teil des Schuldrechts (Die allgemeinen Lehren) 1. A b s c h n i t t

Begriff, Arten und Eigenschaften des Schuldverhältnisses 1. U n t e r a b s c h n i t t : §5

Das

Schuldverhältnis

Das Schuldverhältnis in der Rechtsordnung B l o m e y e r , Arwed AcP 154, 527; D u l c k e i t , Die Verdinglichung obligatorischer Rechte, 1951; Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, 1956; Gierke, J u l i u s v., ZHR 111, 3ff.; Gierke, Otto v., Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 2. Aufl. 1948; Hippel, Fritz v., Zum Aufbau und Sinnwandel unseres Privatrechts, 1957; H o r s t m a n n , Untersuchungen über die Anwendbarkeit schuldrechtlicher Normen auf dingliche Ansprüche, 1938 (Abhandlungen aus dem gesamten Handelsrecht, Bürgerlichen Recht usw., Heft 13); Lorenz, JZ 61, 433; Larenz, JZ 62, 105; Wieacker, Das Bürgerliche Recht im Wandel der Gesellschaftsordnungen, 100 Jahre Deutsches Rechtsleben (Festschr. f. DJT) 1960 Bd. II S. 1; ders., Zum System des deutschen Vermögensrechts, 1941. I. D i e A u f g a b e ordnung

des

Schuldverhältnisses

in

der

Rechts-

1. Das Bürgerliche Recht will den einzelnen in dem schützen, was er von Rechts wegen h a t , und in seiner Freiheit, Güter zu e r w e r b e n . Verletzt jemand einen anderen in seinem rechtlich geschützten Haben oder Erwerbendürfen, so verhält er sich diesem andern gegenüber rechtswidrig. Erfolgt der Verstoß schuldhaft, ordnet das bürgerliche Recht grundsätzlich den Ersatz des Schadens an. Schaden ist Einbuße an rechtlich geschütztem Haben oder Erwerbendürfen. Näher dazu unten § 97. 2. Zu den rechtlich geschützten Gütern gehört nicht nur, was man bereits von Rechts wegen schon h a t , sondern — jedenfalls in unserer Rechtskultur — auch schon das, was einem rechtlich bindend v e r s p r o c h e n worden ist.

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Das Schuldverhältnis in der Rechtsordnung

§ 5 13—5

Versprochenes ist zum künftigen Haben versprochen, und darum grundsätzlich ebenso schutzbedürftig wie bereits Erworbenes. Hierin liegt der Grund der Vertragshaftung. Darum ist Versprochenes an den Versprechensempfänger zu leisten. Verletzt jemand sein rechtlich bindendes Versprechen, so muß er dies ebenso wieder gutmachen wie die Verletzung eines andern Gutes. 3. Die sinnentsprechende Wiedergutmachung eines nichtgehaltenen Versprechens ist seine (notfalls mit Zwang durchgesetzte) Erfüllung. Im Vordergrund der vertraglichen Haftung steht daher der Erfüllungsanspruch (pacta sunt servanda). Nur wenn Erfüllung nicht mehr möglich oder den Gläubigerinteressen dienlich ist, muß Geldersatz geleistet werden. Die Verletzung eines fremden Gutes außerhalb eines Vertragsanspruchs und sonstiges Fehlverhalten führt zum Schadensersatz, hier wiederum zunächst zur Naturherstellung und, wenn dies nicht möglich ist oder dem Gläubigerinteresse nicht entspricht, zum Geldersatz, 249 ff. 4. Der Sinn des „Schuldens" im Sinne des Schuldrechts ist also die Gutmachung von Gütervorenthaltungen oder Freiheitsverletzungen, wobei der Schutz gegen Bruch des gegebenen Versprechens in den Zusammenhang des Güterschutzes zählt. Das Schuldrecht wird demnach durch die Klammer des Gutmachungsgedankens zusammengehalten. So erklärt sich die Einheit der Rechtsfolge: Das SchuldVerhältnis. Es sind nicht einheitliche Lebensvorgänge oder gar Wirtschaftsabläufe, die dem Schuldrecht das einheitliche Gepräge geben (so zutreffend Larenz). Aber die Einheit der Rechtsfolge, das Schuldverhältnis, kann nicht zufällig sein. Die bindende Kraft des Schuldverhältnisses, auch des vertraglichen, läßt sich im Grunde aus dem Ersatzgedanken erklären. Im angloamerikanischen Recht ist die Erinnerung, daß sich das Vertragsrecht aus dem Recht der unerlaubten Handlungen ableitete, im Institut der consideration lebendig geblieben. Das Vertragserfordernis der consideration bedeutet im Grundsatz nichts anderes, als daß einen Schuldner nur der Gläubiger in Anspruch nehmen darf, der etwas im Hinblick auf seine Forderung g e o p f e r t h a t , an den also etwas gutzumachen ist. So ist der Entgeltgedanke des Schuldrechts eine Folge des allgemeinen Wiedergutmachungsgedankens. Das deutsche Recht verzichtet von seinem Standpunkt zu Recht auf den grundsätzlichen Nachweis der Entgeltlichkeit als Vertragsvoraussetzung. Es anerkennt auch unentgeltliche Verpflichtungen, z. B. beim Auftrag, 662. Durch diese Bevorzugung des Willenserfordernisses gegenüber dem Entgeltgedanken wurde aber der allgemeinere Ersatz- und Gutmachungsgedanke, der auch für unser Schuldrecht zutrifft, überschattet. Der im deutschen Recht im Regelfall gegebene vertragliche Erfüllungsanspruch und der Grundsatz der Naturalherstellung beim Schadensersatz sind durchaus sachgemäß. Das bedeutet aber nicht, daß unserem Vertragsrecht der Ersatzgedanke fehlt. Vielmehr ist die Erfüllung nur eine, und sogar besonders sinnvolle Art der Gutmachung eines Versprechens. 5. Somit heißt „schulden" im Sinne eines Schuldverhältnisses: Etwas zu Unrecht Vorenthaltenes geben, zurückgeben oder ersetzen müssen. Die V e r -

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§ 5 1 6 , 7 ; II

Das Schuldverhältnis in der Rechtsordnung

t r a g s s c h u l d betrifft dabei die Gutmachung eines Versprechens, dessen Bruch zur Vorenthaltung eines Gutes führen würde, das schon dem Versprechensempfänger zugerechnet wird. 6. Freilich ist der G u t m a c h u n g s g e d a n k e nur eine Wurzel der bindenden Kraft der Verträge. Daneben, in der Gestaltung des geltenden Rechts sogar davor, steht der Gedanke des Willens zur Bindung. Auf ihm beruht u. a. die Möglichkeit, wegen eines Willensmangels einen Vertrag anzufechten. Hinzu kommt eine dritte Wurzel der bindenden Kraft der Verträge, der R e c h t s s c h e i n : Kraft der Anscheinsvollmacht z. B. wird auf das Erfüllungsinteresse gehaftet. Der Wille aber ist nur insoweit von Belang, als er ein Versprechen begründet. Der Rechtsschein wirkt, wo der Schein eines Versprechens besteht. Das Versprochene, Zugesagte, aber begründet eine schützenswerte Position, ebenso wie ein rechtlich zugeordnetes Gut. Versprechensbruch ist Güterverletzung. Darum ist die bindende Kraft der Verträge im Grunde nichts als eine dem entwickelten Recht gemäße Form der Wiedergutmachung. 7. Da der Schutz vertraglicher Versprechen zur Gütersicherung im Sinne des Bestandsschutzes gehört, ist er vergleichbar mit der Pflicht zur Herausgabe einer Bereicherung, vgl. unten § 97. In beiden Fällen muß zu Unrecht Vorenthaltenes erstattet werden. In § 97 wird gezeigt werden, daß neben dem Unrecht der Bereicherung das Unrecht der unerlaubten Handlung steht. E s beruht nicht auf Gütervorenthaltung, sondern auf dem Verstoß gegen eine Verhaltensnorm. Das Unrecht der ungerechtfertigten Bereicherung betrifft Gütereinbußen, das der unerlaubten Handlung ein menschliches Falschverhalten, d. h. die Unrechtsbewertung einer Handlungs-Erfolg-Beziehung. Man kann also in den §§ 812, 823 ff. ein „Güterunrecht" und ein „Handlungsunrecht" unterscheiden. Ähnlich liegt es beim Vertrag. Die Nichterfüllung eines vertraglichen Versprechens ist die Vorenthaltung eines rechtlich bereits dem Empfänger zugesicherten Gutes, also „Güter-Unrecht". Auch im Vertrag bestehen aber Pflichten zu einem besonderen Wohlverhalten. Die Parteien dürfen nichts tun und unterlassen, was die Vertragserfüllung wider Treu und Glauben erschweren würde, 242. Der Satz von Treu-und-Glauben regelt also „Verhaltensunrecht". E s steht zum Erfüllungsanspruch in einem ähnlichen Verhältnis wie die §§ 823 ff. zu §§ 812 ff. Dem steht aber nicht entgegen, daß Erfüllung u n d Verhaltenspflichten aus § 242 z u s a m m e n die „Leistung" im schuldrechtlichen Sinne darstellen, die der Schuldner dem Gläubiger erbringen muß, 241, unten § 8. II. Die f o r m a l e S t e l l u n g Rechtsordnung

des

Schuldverhältnisses

in

der

Das Schuldverhältnis ist der Kernbegriff des Schuldrechts. Mit den anderen Grundbegriffen unseres Rechts ist das Schuldverhältnis in bestimmter Weise verbunden. E s läßt sich aus dem o b j e k t i v e n R e c h t in folgender Weise ableiten:

16

Das Schuldverhältnis in der Rechtsordnung

§ 5 II 1—4

1. Das o b j e k t i v e R e c h t ist gleichbedeutend mit der R e c h t s o r d n u n g , in der die Angehörigen eines Staates leben. Die Rechtsordnung ist die Ordnung, die für das Zusammenleben in einer menschlichen Gemeinschaft gegeben und von dieser Gemeinschaft mit Zwang ausgestattet ist. Das Schuldrecht ist Teil der deutschen Rechtsordnung. Diese Begriffsbestimmung der Rechtsordnung ist formal, wertfrei und verzichtet auf die Beschreibung eines I n h a l t s der für alle geltenden Ordnung. Sie gilt demnach auch für kommunistische Rechtsordnungen (z. B. Mitteldeutschland). Der Unterschied zwischen einer kommunistischen und einer demokratisch rechtsstaatlichen Ordnung besteht darin, daß im Rechtsstaat die G e r e c h t i g k e i t als zu verwirklichender, im Einzelfall allerdings oft nur beschränkt erkennbarer absoluter Wert anerkannt ist (Rechtsidee). Im Kommunismus gilt dagegen die Verwirklichung der R e v o l u t i o n als der von der politischen Führung zu konkretisierende, und darum notwendig relative Maßstab für Recht und Unrecht, „Recht ist, was der Revolution nützt", „sozialistische Gerechtigkeit". (Vgl. P e t z o l d , Grundzüge der sozialistischen Gesetzgebung in der DDR, Berlin 1962, S. 16ff. Ähnlich W y s c h i n s k y , Die Hauptaufgaben der Wissenschaft vom sozialistischen Sowjetrecht, 1938, in: Sowjetische Beiträge zur Staats- und Rechtstheorie, 1953: „Recht ist, was die herrschende Klasse will".) 2. Das objektive Recht besteht aus R e c h t s s ä t z e n . Ein Rechtssatz ist ein an den Staatsbürger gerichtetes Gebot, etwas zu tun oder zu unterlassen. Man unterscheidet v o l l s t ä n d i g e und u n v o l l s t ä n d i g e Rechtssätze. a) Ein v o l l s t ä n d i g e r R e c h t s s a t z (Norm) enthält das Gebot und seine Voraussetzungen in vollem Umfang. Sie sind sehr selten und bestehen streng genommen nur der Idee nach. § 826 BGB ist ein annäherndes Beispiel. § 826 enthält alle Tatbestandsvoraussetzungen der Schadensersatzfolge, aber was Vorsatz ist, wird in § 826 nicht gesagt. b) Weit häufiger, auch im Schuldrecht, sind die u n v o l l s t ä n d i g e n R e c h t s sätze. Sie enthalten entweder das Gebot nicht selbst, sondern erläutern Voraussetzungen eines Gebots (§ 903 erläutert das in § 823 I erwähnte Eigentum; § 90 die in § 433 erwähnte Sache). Oder sie enthalten ein Gebot, aber im Tatbestand werden Begriffe verwendet, die sich nicht aus sich selbst erklären lassen, sondern in anderen unvollständigen Rechtssätzen erklärt werden (z. B. 823 I, 433). Aus unvollständigen Rechtssätzen der einen und der anderen Art lassen sich vollständige zusammensetzen. 3. Man unterscheidet Rechtssätze des öffentlichen und des privaten Rechts. Das Schuldrecht besteht aus Rechtssätzen des P r i v a t r e c h t s , öffentlichrechtliche Rechtssätze ergänzen bisweilen das Schuldrecht, z. B. im Arbeits- und Mietrecht.

4. Gewährt ein (vollständiger oder unvollständiger) Rechtssatz des Privatrechts einer Person eine geschützte Stellung im Verhältnis zu einer anderen 2

F i k e n t s c h e r , Schuldrecht

17

§ 5 II 5,6

Das SchuldVerhältnis in der Rechtsordnung

Person oder einem Gegenstand, so spricht man von einem s u b j e k t i v p r i v a t e n R e c h t , sofern der Schutz der Stellung vom Willen der geschützten Person abhängt (über die Rechtsgüter Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit, die den subjektiven Rechten gleichgestellt werden, unten § 103 I). Im Unterschied zum objektiven Recht (oben 1.) ist das subjektive Recht die durch einen vollständigen oder unvollständigen Rechtssatz hergestellte günstige Stellung einer Person im Verhältnis zu einer anderen Person (Schuldner) oder einem Gegenstand (Sache, Immaterialgüterrecht), wenn der Schutz dieser günstigen Stellung vom Willen der geschützten Person abhängig ist (Beispiele: 433 II, 823 I, 903,122, 462). 5. Beruht das subjektive Privatrecht auf einem vollständigen Rechtssatz (der das Gebot enthält) oder auf einem unvollständigen Rechtssatz, der ein in seinen Voraussetzungen noch zu klärendes Gebot enthält, so spricht man von einem A n s p r u c h oder von einer A n s p r u c h s n o r m (Beispiele: 433 II, 604 I, 812 I, 823 I). Die Anspruchsnorm ist der zentrale Begriff für die Falllösung (Gutachten, siehe unten § 6). 6. Ein subjektives Privatrecht, das auf einem unvollständigen Rechtssatz beruht, der kein Gebot enthält, ist entweder ein H e r r s c h a f t s - oder ein Gestaltungsrecht. a) Der Zweck der unvollständigen (gebotslosen) Rechtssätze, Hilfsbegriffe für die Tatbestände vollständiger Rechtssätze zu schaffen, wird bei den H e r r s c h a f t s r e c h t e n in der Weise verwirklicht, daß Sachen oder Immaterialgüter in den Herrschaftsbereich einer Person f e s t e i n g e g l i e d e r t werden (Eigentum, beschränkte dingliche Rechte, Immaterialgüterrechte). Es entsteht ein Recht a n einem Gegenstand. Diese dingliche Stellung wird in der Anspruchsnorm als Tatbestandsvoraussetzung verwendet (das Eigentum in 985, 823 I; das Pfandrecht in 1227; das Patentrecht in 47 PatG und als „sonstiges Recht" in 823 I). Dagegen kennt das deutsche Recht, wie schon gesagt, kein Herrschaftsrecht an der Forderung. Ein E i g e n t u m an der Forderung ist unbekannt, die Inneh a b u n g einer Forderung ist kein dinglich geschütztes Recht, auch die Zuordnung der Forderung an eine Person nur in besonderen Fällen (darum nur ein begrenzter Schutz aus § 823 I), vgl. oben § 1 II 2 b. Das Zustandekommen eines Vertrags (145 ff.) ist durch unvollständige, gebotslose Rechtssätze geregelt. Der Vertragsbegriff ist Hilfsbegriff, wie das Eigentum und andere Herrschaftsrechte. Aber die Stellung im Vertrag ist dinglich nicht geschützt, ebensowenig wie die Forderung. Ein derartiger Schutz ist zwar denkmöglich, aber entbehrlich, weil der Schutz der berechtigten Person durch den v o l l s t ä n d i g e n Rechtssatz, nämlich den in der Forderung steckenden, gegebenenfalls auf Vertrag beruhenden Anspruch ausreicht. Eine Trennung von Anspruch und Hilfsbegriff wie z. B. in §§ 985, 903 ist hier aus praktischen Gründen nicht nötig.

18

Das Schuldverhältnis in der Rechtsordnung

§ 5 n 7—9

b) G e s t a l t u n g s r e c h t e sind Rechte, durch deren Ausübung unmittelbar auf eine Rechtslage eingewirkt wird, die auf anderen unvollständigen Rechtssätzen beruht (z. B. Anfechtung gemäß § 122 eines Vertrags, einer Übereignung, einer Eigentumsaufgabe). 7. Für das Schuldrecht haben vor allem die oben 5. aus dem objektiven Recht abgeleiteten A n s p r ü c h e Bedeutung. A n s p r ü c h e ( A n s p r u c h s n o r men) sind über das ganze bürgerliche Recht verstreut. Aus dem Allgemeinen Teil sind z. B. zu nennen § 39, der Anspruch aus der Mitgliederstellung im Verein, und § 122, der Anspruch auf Schadensersatz nach der Irrtumsanfechtung; aus dem Schuldrecht § 433 II, Anspruch auf den Kaufpreis; aus dem Sachenrecht § 1147, der Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus einer Hypothek in ein Grundstück; aus dem Familienrecht § 1601, Ansprüche auf Leistung von Unterhalt; aus dem Erbrecht §§ 2147, 2174, der Anspruch auf Leistung eines Vermächtnisses. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, daß es Ansprüche aus einer Mitgliedstellung (z. B. § 38), Haftungsansprüche (z. B. §§ 1147, 1235 II) und Ansprüche auf Leistung gibt (vgl. H. Lehmann, Allg. Teil, §§ 12,13). Die letztgenannte Gruppe (Ansprüche auf Leistung) ist praktisch die wichtigste. 8. Ansprüche auf Leistung heißen L e i s t u n g s r e c h t e . Sie richten sich gegen einen bestimmten Schuldner auf ein Tun, Dulden oder Unterlassen (194). 9. Es gibt s c h u l d r e c h t l i c h e L e i s t u n g s r e c h t e (241) sowie dingliche (z. B. 985, 1004, 1007, 1134, 1179), familienrechtliche (z. B. 1353 I), erbrechtliche (z. B. 2018), öffentlichrechtliche u. a. Die s c h u l d r e c h t l i c h e n Leistungsrechte nennt das Gesetz F o r d e r u n g e n oder F o r d e r u n g s r e c h t e (z. B. 387, 388). Sie sind entweder auf ein Tun oder einüntcrlassen gerichtet. Schuldrechtliche Leistungsrechte, also Forderungen, finden sich auch in anderen Rechtsgebieten außerhalb des Schuldrechts (z. B. 951, 970, 987—1002, 1601 ff., 2147,2174). Die geschuldete Leistung, also der Gegenstand der Forderung, kann auch in einem Unterlassen bestehen (194 I, 241 S. 2, 339 S. 2, 343 II, 358). Das Kennzeichen der Forderung, also des s c h u l d r e c h t l i c h e n Leistungsanspruchs, ist das Vorhandensein einer L e i s t u n g . Die Leistung muß schuldrechtlichen Charakter tragen (s. o. § 1 1 4), insb. „einziehbar" sein (Geld, vertretbare Sachen, auf Schuldgeschäft beruhender Anspruch auf Übertragung, Herausgabe oder Überlassung einer Sache usw.). — Daß das BGB die hier wiedergegebene Einteilung gewählt hat, ergibt sich u. a. aus §§ 1273 ff. § 1273 spricht von Rechten, § 1275 von Rechten auf Leistung, § 1279 von Forderungen. Also muß es nichtschuldrechtliche Leistungsrechte geben, auf die §§ 1280—1290 interessenmäßig nicht passen. Die F o r d e r u n g ist der Grundbegriff des Schuldrechts. So spricht §398 für die Regelfälle von der Übertragung der F o r d e r u n g , erst § 413 erklärt die vorstehenden Vorschriften auf die Übertragung anderer Rechte für anwendbar. Gemeint sind mit den „anderen Rechten" also Herrschafts- und Gestaltungsrechte, soweit nicht für diese besondere Übertragungsformen vorgesehen sind, 2'

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Das Gutachten (der Fallaufbau) oder die selbständige Übertragung (wie bei Gestaltungsrechten häufig) überhaupt ausgeschlossen ist; ferner leistungslose Ansprüche (Mitgliedschafts- und Haftungsrechte, soweit übertragbar); und nichtschuldrechtliche Leistungsansprüche. Gleichbedeutend mit A n s p r u c h auf s c h u l d r e c h t l i c h e L e i s t u n g = F o r d e r u n g s r e c h t = F o r d e r u n g ist endlich auch der Ausdruck „Schuldverhältnis" (im engeren Sinn). §241 verwendet das Wort „ S c h u l d v e r h ä l t nis" gleichbedeutend mit F o r d e r u n g . Darüber hinaus wird aber der Ausdruck „Schuldverhältnis" in einem weiteren Sinne verwendet, z. B. in der Überschrift vor § 241 „Recht der Schuldverhältnisse". Hier bedeutet Schuldverhältnis das gesamte Rechtsverhältnis zwischen einem Schuldner und einem Gläubiger, aus dem einzelne Forderungen = Schuldverhältnisse im engeren Sinn fließen. Der Kaufvertrag (§§ 433—514), das Dienstverhältnis (§§ 611—632), der Auftrag (§§ 662—676) sind solche Schuldverhältnisse im weiteren Sinne. Schuldverhältnisse im engeren Sinne (Forderungen), die aus diesen Schuldverhältnissen im weiteren Sinne fließen, sind z. B. der Kaufpreisanspruch (433 II), der Dienstlohnanspruch (611) und der Anspruch auf Auskunft (666). 10. Die Ableitung des Schuldverhältnisses (in beiderlei Sinn) aus dem objektiven Recht sollte zugleich die im bürgerlichen Recht gängige und im folgenden verwendete Terminologie vermitteln (objektives Recht; Rechtssatz; subjektives Recht; Anspruch = Anspruchsnorm; Herrschaftsrecht; Gestaltungsrecht; Leistungsrecht = Forderungsrecht = Forderung = Schuldverhältnis im engeren Sinn; Schuldverhältnis im weiteren Sinn). § 6

Das Gutachten (der Fallaufbau) Atzler, Materiellrechtliche Grundfälle, 1960; Berg, Übungen im Bürgerlichen Recht, 7. Aufl. 1963; B r a u e r , Der Zivilrechtsfall in Prüfung und Praxis, 1963; Esser, Fälle und Lösungen zum Schuldrecht, 1963; v. L ü b t o w , Richtlinien für die Anfertigung von Übungs- und Prüfungsarbeiten im Bürgerlichen Recht, Handels- und Arbeitsrecht sowie drei Lösungen praktischer Fälle, Frankfurt/M. 1962; S a t t e l m a c h e r , Bericht, Gutachten und Urteil, 1963; Schneider, Der Zivilrechtsfall in Prüfung und Praxis, 1963. 1. Aus der im vorstehenden Paragraphen skizzierten Struktur des geschriebenen Rechts folgt die Technik seiner Anwendung auf den Fall. Hierin liegt die Bedeutung der in § 5 dargelegten Begriffe. Es kann nicht die Aufgabe sein, hier eine erschöpfende Methodik der Fallbearbeitung zu geben. Dazu findet sich ausreichendes Spezialschrifttum. Dennoch sollen wenigstens einige Fingerzeige für die praktische Anwendung des zentralen Begriffs des Anspruchs, im besonderen der Forderung, gegeben werden.

20

Das Gutachten (der Fallaufbau)

§62,3

Ein vorgetragener Fall enthält immer ein Ersuchen um Rechtsauskunft. Man frage sich zunächst, wer von wem etwas will, und danach, was gewollt wird (z. B.: Y verlangt von K 3000.— für einen gebrauchten Kraftwagen, den K von V gekauft hat). Technisch ausgedrückt lautet die Frage: Welche Ansprüche werden geltend gemacht? Ist nach der Rechtslage gefragt, was häufig vorkommt, so sind sämtliche infrage kommenden Ansprüche aller im Sachverhalt genannten Personen gegen alle anderen Personen zu prüfen. Die Antwort darauf soll der Jurist anhand des Gesetzes finden können (hier: 433 II). Diese Antwort wird nun nicht im Stil eines deutschen Aufsatzes oder einer historischen Abhandlung erteilt, sondern nach ganz bestimmten, von der Zweckmäßigkeit und der Tradition geprägten Denk- und Darstellungsregeln. Erst ihre Beherrschung macht das Stoffwissen verwertbar. Entscheidend ist stets der oben beschriebene innere Aufbau des Gesetzes. 2. Die vornehmlichste und für den Studenten einzig wichtige Art der Rechtsauskunft heißt G u t a c h t e n . Man unterscheidet das streitige und das unstreitige Gutachten. Nur das letztere hat der Student im ersten Examen zu beherrschen. Das streitige Gutachten bildet den Kern der Referendarausbildung. Jedes Urteil und jeder Beschluß baut auf einem Gutachten auf. Beim unstreitigen Gutachten steht der Sachverhalt fest: V hat am 1. 4. dem K mündlich ein gebrauchtes Auto für 3000,— angeboten. K hat auf das Angebot gesagt: „Ja, ich bin einverstanden". Beim streitigen Gutachten gibt es einen Kläger und einen Beklagten. Beide Parteien tragen verschiedene Sachverhalte vor: V klagt auf 3000,— aus einem Kaufvertrag über ein gebrauchtes Auto, den er nach seiner Behauptung am 1. 4. mündlich mit K geschlossen hat. Der Beklagte K wendet ein, er habe zwar grundsätzlich zugestimmt, aber schriftliche Vereinbarung verlangt. Diese sei nicht zustandegekommen, mithin sei er nichts schuldig. Im folgenden interessiert nur das unstreitige Gutachten. Es darf Ausdrücke wie „Kläger", „Beklagter", „schlüssiger Anspruch", „erhebliche Einwendung" nicht enthalten. 3. Beim Urteil steht das Ergebnis am Anfang, weil die Prozeßparteien mit Spannung darauf warten. Ganz anders beim Gutachten. Hier geht es darum, daß der Bearbeiter aufzeigt, wie gedanklich Schritt für Schritt an die Lösung heranzugehen ist. Das Ergebnis steht daher am Schluß, nicht am Anfang oder in der Mitte. Das bedeutet, daß Urteil und Gutachten ihren eigenen Stil haben („Urteilsstil", „Gutachtenstil"). Der Gutachtenstil besteht darin, daß zunächst die Anspruchsnorm genannt wird, die das Verlangen der im Sachverhalt genannten Person (oder Personen) rechtfertigen k ö n n t e . Versuchsweise wird an das Verlangen einer Person der Maßstab einer Anspruchsnorm angelegt (im obigen Fall: 433 II). Im Gutachten wird gedanklich jede Schlußfolgerung an eine davorstehende Begründung mit einem „also" angeknüpft. Findet sich im Gutachten ein „denn", so liegt zumindest ein stilistischer, meist aber auch ein Denkfehler vor. Vielleicht kommen mehrere Ansprüche in Frage, die auf dasselbe hinaus-

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§64,5

Das Gutachten (der Fallaufbau)

laufen. Dann sind alle inbetracht kommenden Ansprüche zu nennen, ihr Verhältnis zueinander erst zu prüfen, und dann, von den verbleibenden, Anspruch nach Anspruch durchzuprüfen. 4. Dies Durchprüfen eines Anspruchs geschieht anhand der Tatbestandsvoraussetzungen, an deren Vorliegen das Gesetz die Rechtsfolge knüpft. J e d e Anspruchsnorm, jede Norm überhaupt, besteht aus einem Tatbestand (meist mit mehreren sich addierenden oder alternativ sich ausschließenden Voraussetzungen) und einer Rechtsfolge. Bei der Anspruchsnorm ist die Rechtsfolge, daß einer vom andern ein Tun, Dulden oder Unterlassen verlangen kann, vgl. 1 9 4 1 ; bei der Forderung ist die Rechtsfolge Leistung, 241 S. 1. Die Anspruchsnorm hat meist mehrere Tatbestandsvoraussetzungen, 433 I I z. B . den Vertragsschluß und die Kaufnatur dieses Vertragsschlusses. In welcher Reihenfolge diese Voraussetzungen geprüft werden, ist eine Frage des Stoffwissens. Entweder man wählt die Reihenfolge, die das Gesetz bietet (möglich z. B . für § 122 I), oder man hat sich an bestimmte Regeln zu halten, die das Gesetz nicht enthält, die aber von der Lehre und Praxis herausgebildet wurden (objektiver Tatbestand, Rechtswidrigkeit, subjektiver Tatbestand in § 823 I ) ; oder man darf sich ad hoc eine zweckmäßig erscheinende Reihenfolge zurechtlegen (z. B . das Einfachere zuerst). Die letztgenannte Art eignet sich für § 433 I I . 5. Im Autofall soll Ware (ein gebrauchter Kraftwagen) gegen Geld getauscht werden. A l s o ist der in Aussicht genommene Vertrag ein Kaufvertrag, so daß der Anspruch des § 433 I I das Begehren des V rechtfertigen k ö n n t e . Voraussetzung ist aber auch ein Vertragsschluß. Wie ein Vertrag zustande kommt, ist in der Anspruchsnorm des § 433 I I nicht geregelt. Die unvollständigen, gebotslosen Rechtssätze der §§ 145 ff. sind heranzuziehen. Danach verlangt ein Vertrag zwei sich inhaltlich deckende und aufeinander bezugnehmende Angebots- und Annahmeerklärungen der Vertragsparteien. I m Beispiel des unstreitigen Gutachtens hatte V Auto und Preis angeboten und K hatte mündlich „ j a " gesagt. Darin liegen die sich deckenden Angebots- und Annahmeerklärungen. Also ist der Vertrag zustande gekommen, 145 ff. Ergebnis : V hat den Anspruch auf 3 0 0 0 . — gegen K . Stünde im unstreitigen Sachverhalt, daß K zugleich mit seinem „ J a " die Forderung auf schriftliche Fixierung verband, und daß eine solche ausblieb, so wäre der unvollständige Rechtssatz des § 150 I I zu prüfen, siehe auch § 154 I I analog. Kommt der Bearbeiter des Falles zu dem (billigenswerten) Ergebnis, daß das Verlangen der Schriftlichkeit eine Annahme unter Abänderung des Angebots ist, wäre der Anspruch unbegründet. Im streitigen Gutachten wäre der Anspruch des V nach seinem Vorbringen „schlüssig"; daß K sich auf sein Verlangen nach Schriftlichkeit des Vertrags beruft, wäre eine „erhebliche Einwendung". Im unstreitigen Gutachten dürfen diese Ausdrücke nicht vorkommen; man kennt nur Anspruchsvoraussetzungen,

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Begriff des Schuldverhältnisses

§ 6 6; § 7 1

die entweder erfüllt sind oder nicht. Wenn daher im Falltext von allerlei „Einwendungen", „Entgegnungen" usw. die Rede sein sollte, ist dennoch das Gutachten unstreitig durchzuprüfen, und was als „Einwendung" usw. genannt wird, in den unstreitigen Sachverhalt als Material für eine e i n h e i t l i c h e Anspruchsvoraussetzungs-Prüfung gedanklich einzufügen. (Ganz anders im streitigen Gutachten!) 6. Mehr kann und soll im Rahmen dieses dem Stoff gewidmeten Lehrbuchs zur Falltechnik nicht gesagt werden. Alles Übrige muß die ständige Übung und das Studium der methodischen Anfängerliteratur ergänzen. Der Aufbau dieses Lehrbuchs (namentlich im Allgemeinen Schuldrecht) ist bemüht, die Reihenfolge einzuhalten, in der die Tatbestandsvoraussetzungen schuldrechtlicher Erfüllungs-, Schadensersatz- und sonstiger Abwicklungsansprüche zu prüfen sind. Darauf wird im folgenden nur gelegentlich hingewiesen. Begriff des Schuldverhältnisses

§ 7

B e k k e r , JherJb 49, 1; B i n d e r , J u l i u s , JherJb 77, 75; de B o o r , Die Kollision von Forderungsrechten, 1928; D i e t z , Anspruchskonkurrenz bei Vertragsverletzung und Delikt, 1934; E i c h l e r , AcP 162, 401; F e d d e r , Schuld und Haftung, 1942; G i e r k e , O t t o v., Schuld und Haftung im älteren deutschen Recht, 1910; Hellwig, Anspruch und Klagerecht, 1900; H e r h o l z , AcP 130,257; L e n t , AcP 152, 401; ders., Die Gesetzeskonkurrenz im bürgerlichen Recht und Zivilprozeß, Bd. I, 1912; N e u s s e l , Anspruch und Rechtsverhältnis, 1952; R e i c h e l , JherJb 59, 409; S c h m i d t , R e i m e r , Die Obliegenheiten, 1953; dazu Esser AcP 159, 49; S c h r e i b e r , Schuld und Haftung, 1914; S c h w e r i n , Claudius v., Schuld und Haftung im geltenden Recht, 1911; S i b e r , Der Rechtszwang im Schuldverhältnis, 1903; S t r o h a l , Schuldpflicht und Haftung, Festgabe für Karl Binding 1914, 3; W o l f , E r n s t , Zum Begriff des Schuldverhältnisses, Festgabe für H. Herrfardt, 197 ff.; Zepos, AcP 155, 486. 1. D e f i n i t i o n d e s S c h u l d v e r h ä l t n i s s e s . Das Schuldverhältnis ist ein Rechtsverhältnis, in dem sich zwei oder mehr Personen in der Weise gegenüberstehen, daß sie einander zu einer Leistung berechtigt und verpflichtet sind. Hingewiesen wurde bereits (§ 5 a. E . ) auf den Doppelsinn des Wortes Schuldverhältnis. Das Schuldverhältnis im engeren Sinn ist gleichbedeutend mit dem Recht auf eine Leistung (Forderung, 241), das Schuldverhältnis im weiteren Sinne bezeichnet das gesamte Rechts- und Pflichtenverhältnis zwischen zwei oder mehr Personen nach Art eines der sog. „einzelnen Schuldverhältnisse" der §§ 433—852, z. B . Kauf, Miete, Darlehen. E i n Schuldverhältnis im weiteren Sinne kann Entstehungsursache für v i e l e Schuldverhältnisse im engeren Sinn sein. Beispiele: Aus Kauf (433 ff.) hat der Verkäufer gegen den Käufer die Forderung auf Zahlung des Preises; der Käufer hat umgekehrt Anspruch auf Lieferung der Kaufsache, 433. Der Beauftragte ist zur Ausführung des Auftrages

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§ 7 2,3

Begriff des Schuldverhältnisses

verpflichtet, 662, und hat das Recht auf Ersatz der Auslagen, 670. In der Gesellschaft ist jeder Gesellschafter jedem Mitgesellschafter gegenüber berechtigt und verpflichtet, daran mitzuwirken, daß der Gesellschaftszweck erfüllt wird (Beispiel eines mehrseitigen Schuldverhältnisses), 705. 2. U n t e r s c h i e d e zu a n d e r e n

Rechtsverhältnissen

Von anderen Rechtsverhältnissen unterscheiden sich Schuldverhältnisse in mehrfacher Hinsicht: 1. Von allen Rechtsverhältnissen, die n i c h t s u b j e k t i v e R e c h t e e n t h a l t e n , unterscheiden sich Schuldverhältnisse durch die in ihnen enthaltene R e c h t s m a c h t , deren Verwirklichung in das Belieben des Gläubigers gestellt ist. Diese Rechtsmacht besteht weder in einem Herrschaftsrecht über die Person des Schuldners, noch über eine Leistungshandlung des Schuldners (Savigny), noch über den Leistungsgegenstand (falls eine gegenständliche Leistung geschuldet ist). (Näher Larenz I 6 § 2 II). Die dem Schuldverhältnis innewohnende Rechtsmacht bedeutet vielmehr, daß die Leistung des Schuldners dem Vermögen des Gläubigers durch eine zweiseitige Bindung zugewiesen wird. Der Gläubiger vermehrt dadurch den Kreis seiner Güter. Drei Machtbestandteile enthält diese Zuweisung. Das Forderndürfen, das Behaltendürfen und das notfalls zwangsweise Beitreibendürfen der Leistung. 2. Von H e r r s c h a f t s r e c h t e n unterscheiden sich Schuldverhältnisse durch ihre Zweiseitigkeit, ihren relativen Charakter (unten § 15). Herrschaftsrechte (Eigentum, Pfandrecht, Patentrecht) wirken zugunsten des Inhabers gegen jedermann, Schuldrechte nur für den Gläubiger und nur gegen den Schuldner. 3. Von G e s t a l t u n g s r e c h t e n unterscheiden sich Schuldverhältnisse sehr wesentlich. Schuldverhältnisse begründen Rechte und Pflichten, Gestaltungsrechte (Kündigung, Anfechtung, Rücktritt) gestalten eine Rechtslage durch einseitige Erklärung um. Eine Kündigung beendet z. B. ein Dienstverhältnis, 620; eine Anfechtung beseitigt einen Kaufvertrag rückwirkend, 123, 433, 142. Zum Rücktritt siehe unten § 48. 4. Von a n d e r e n A n s p r ü c h e n unterscheiden sich Schuldverhältnisse durch die Art des Inhalts, d. h. der begrenzten schuldrechtlichen Leistung (unten § 8). So gibt es familienrechtliche Ansprüche, die auf mehr gehen als auf die Zahlung von Geld oder Leistung einer Sache (z. B. 1353 — Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft). Man spricht hier von personenrechtlichen Verhältnissen. Ähnlich, aber sachbezogener ist der Anspruch aus Vereinsmitgliedschaft, 38. Nicht auf ein Tun gehen sachenrechtliche Haftungsansprüche, z. B. 1147 (Duldung der Zwangsvollstreckung in ein Grundstück aus der Hypothek, entspr. 1235 I). Dagegen rechnet man Dienstverhältnisse trotz ihres persönlichen Einschlags besser zu den Schuldverhältnissen. Auch Mietverhältnisse und Kaufverträge tragen Spuren persönlicher Beziehungen. 3. U n t e r s c h i e d zu G e f ä l l i g k e i t s v e r h ä l t n i s s e n Schuldverhältnisse gehören der Rechtssphäre an, Gefälligkeiten dem rechtsfreien Bereich des täglichen Lebens. Schuldverhältnisse binden und ver-

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Begriff des Schuldverhältnisses

§74

pflichten, Gefälligkeiten nicht. Wer seinem Freund aus Gefälligkeit den Rasen mäht oder ihn ein Stück auf dem Spazierweg begleitet, steht in keinem Schuldverhältnis. Er kann jederzeit damit aufhören, ohne vertragsbrüchig zu werden, er kann keine geschuldete Leistung „stören" (Leistungsstörung), er kann insoweit weder vorsätzlich noch fahrlässig handeln. Es fehlt der vertragliche Bindungswille. (Für Ratschläge und Empfehlungen siehe § 676). Es ist aber stets getrennt zu untersuchen, ob nur für die Leistung oder auch für den dabei zu gewährenden Schutz ein Verpflichtungswille fehlt. Eine Verletzung vertraglicher Schutz- und Erhaltungspflichten ist deshalb auch dort möglich, wo ein Erfüllungsanspruch auf Hauptleistung mangels Verpflichtungswillens fehlt. Beispiele: Der Jagdgast steht mit dem Jagdherrn bezüglich des Jagens grundsätzlich in einem GefäUigkeitsverhältnis. Veranstaltet aber der Jagdherr die Treibjagd fahrlässig so, daß der Gast angeschossen wird, besteht vertragliche Haftung wegen Verletzung einer übernommenen Schutzpflicht, was z. B. wegen § 278 wichtig ist, wenn ein Gehilfe des Jagdherrn statt seiner fahrlässig handelt. Dagegen hat der Gast keinen vertraglichen Anspruch, zu Schuß zu kommen oder gar, etwas zu treffen, vgl. RGZ 128, 42. — Der Cocktailgast gibt seinen Mantel dem Diener des Gastgebers, der ihn entwendet. Wird in Ausführung einer Gefälligkeit eine unerlaubte Handlung begangen, so haftet der Täter nach 823 ff. Eine Milderung der Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit tritt in Analogie zu §§ 521, 599, 680 nur in Fällen echter Hilfeleistung ein (ähnlich Larenz § 19 III). Darüber hinaus ist vertraglicher Haftungsverzicht im Rahmen des § 276 II möglich, aber nicht zu unterstellen. Wer einen „Anhalter" im Auto oder sonst jemand zu einer „Gefälligkeitsfahrt" mitnimmt, haftet also grundsätzlich auch für leichte Fahrlässigkeit. § 8a STVG schließt die Gefährdungshaftung gegenüber Insassen des Fahrzeugs aus. Also gilt allgemeines Deliktsrecht. Zu berücksichtigen sind aber noch die Grundsätze zum „Handeln auf eigene Gefahr". Zum „Handeln auf eigene Gefahr" siehe daher unten § 52 III 6b: Es kann unter mehreren Gesichtspunkten zum Haftungsausschluß führen. 4. S c h u l d e n u n d H a f t e n S c h u l d e n heißt: L e i s t e n m ü s s e n ; H a f t e n bedeutet: Z u g r i f f s o b j e k t in der Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g sein. Weder der tägliche Sprachgebrauch noch das Gesetz halten sich immer an diese Grundbedeutungen. In §§ 840 I, 1108 ist z. B. von „haften" die Rede und „schulden" gemeint. Normalerweise h a f t e t der S c h u l d n e r mit seinem ganzen Vermögen (Ausnahme z. B. 419 II). Auch der Bürge s c h u l d e t , 765 I. Er h a f t e t dem Gläubiger mit seinem Vermögen. Häufig ist die zusätzliche, sichernde H a f t u n g einer Sache für eine Schuld, z. B. 1147,1235 I. Insoweit ist Haftung für fremde Schuld möglich. Bei der Hypothek s c h u l d e t der persönliche Schuldner die Rückzahlung des Darlehens an den Hypothekengläubiger, und das Grundstück des Eigentümers h a f t e t dem Hypothekengläubiger zur Sicherung des Darlehens, 1147. (Eigentümer und persönlicher Schuldner können, brauchen aber nicht dieselbe Person zu sein.)

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Die Leistung

§ 7 5,6; § 8 5. K o l l i s i o n e n v o n

Forderungen

Gegen einen Schuldner können beliebig viele Forderungen bestehen. Die Forderungen stehen gleichberechtigt nebeneinander. Nur in einzelnen Fällen ordnet das Gesetz eine Reihenfolge der Befriedigung an: z. B. 265, 366, 519, 774, 1143, 1609. F ü r alle Schulden haftet der Schuldner bis zur vollen Höhe jeder Forderung mit seinem Vermögen. Reicht dieses nicht aus, so wird derjenige Gläubiger, der eher vollstreckt, voll befriedigt. Die zu spät Kommenden erhalten weniger oder nichts (Grundsatz der Priorität). Im Falle der Zahlungseinstellung (bei juristischen Personen im Falle der Überschuldung) muß aber der Schuldner Konkurs anmelden, § 102 KO. Im Konkurs gilt abweichend von der oben geschilderten Einzelzwangsvollstreckung der Grundsatz der anteilmäßigen Befriedigung aller Gläubiger (par conditio concurrentium). 6. T e r m i n o l o g i e

der

Schuldverhältnisse

1. Der aus dem Schuldverhältnis Berechtigte heißt G l ä u b i g e r , der Verpflichtete S c h u l d n e r . Gläubiger und Schuldner müssen bei Entstehung der Verbindlichkeit ihrer Person nach bestimmt oder zumindest durch deutliche Kennzeichen bestimmbar sein, sonst ist die Verbindlichkeit nichtig (Hedemann 17). Beispiele nur bestimmbarer Gläubiger: 657, 661, 331 bei Lebensversicherung; Art. 11 I I WechselG. Beispiele nur bestimmbarer Schuldner: Art. 15 I, 31 f. WechselG. Beim Schenkungsversprechen z. B. gibt es nur einen Gläubiger und einen Schuldner. Bei Kauf und Auftrag ist jede Partei Gläubiger und Schuldner des anderen, aber jeweils bezüglich verschiedener Leistungen. Bei der Gesellschaft ist jeder Gläubiger und Schuldner des anderen, und die Leistungen sind häufig gleicher Art. 2. Der Gläubiger nennt sein Recht die F o r d e r u n g (Anspruch auf Leistung, Forderungsrecht, Schuldverhältnis im engeren Sinn), der Schuldner seine Pflicht die S c h u l d (Verbindlichkeit, Obligation). Beides ist dasselbe, einmal vom Standpunkt des Gläubigers, einmal von dem des Schuldners aus betrachtet. 3. Das, was gefordert und geschuldet wird, ist die L e i s t u n g . Alles, was geschuldet wird, gehört zur Leistung. Es gibt neben der Leistung keinen anderen Inhalt eines Schuldverhältnisses. Dies ist jedenfalls der Standpunkt des Gesetzes (241). Er ist deutlich und für das Recht der Leistungsstörungen die brauchbarste Ausgangsstellung. Da diese Meinung nicht unbestritten ist, bedarf sie der Begründung. § 8

Die Leistung B e i t z k e , Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnissen, 1948; E i t z b a c h e r , Die Unterlassungsklage, 1906; G i e r k e , O t t o v., JherJb 65, 355; H u e c k , A l f r e d , Der Sukzessivlieferungsvertrag, 1918; Huss e r l , Negatives Sollen im Bürgerlichen Recht, Festschrift f. M. Pappenheim, 1931, S. 87; J a k o b s o h n , Die Unterlassungsklage, 1912; L e h m a n n , H e i n r i c h , Die Unterlassungspflicht im Bürgerüchen Recht, 1906; L e s s e r , Der Inhalt der

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Die Leistung

§8 1-3

Leistungspflicht, 1909; S c h ö n i n g e r , Die Leistungsgeschäfte des Bürgerlichen Rechts, 1906; S t e p h a n , Die Unterlassungsklage, 1908; W e n d t , AcP 92, 1.

1. Die L e i s t u n g ist, was der Gläubiger vom Schuldner verlangt und der Schuldner dem Gläubiger zu gewähren hat. Sie ist der gegenständliche Ausdruck für den Inhalt des Schuldverhältnisses. Die Bestimmung der Leistung, d. h. dessen, was konkret in einem Schuldverhältnis geschuldet ist, ist darum eine der praktisch bedeutsamsten Fragen des Schuldrechts. Zu dieser Frage unten §§ 25—37, im besonderen § 26. Hier dagegen geht es um die Eigenschaften der geschuldeten Leistung im allgemeinen. 2. Die Leistung kann in einem Tun oder U n t e r l a s s e n b e s t e h e n , 241 S. 2. Der Verkäufer schuldet ein Tun, nämlich die Übergabe der Sache und die Eigentumsverschaffung an ihr, 433 11. Gleichzeitig schuldet er ein Unterlassen, nämlich die Unterlassung aller Handlungen, die den Erfolg des Kaufvertrags wider Treu und Glauben vereiteln können. Diese Unterlassungspflicht steht zwar nicht in § 433, doch ergibt sie sich aus § 242, der für alle Schuldverhältnisse gilt (näher § 27 unten). Das Tun ist in diesem Falle Hauptpflicht, das Unterlassen Nebenpflicht. Es kann auch umgekehrt liegen: Ein Handelsvertreter verpflichtet sich ausdrücklich, der ihn beschäftigenden Firma keine Konkurrenz zu machen und im Zuwiderhandlungsfalle die Geschäftspapiere vorzulegen. In jedem Falle zählen Tun und Unterlassen zur Leistung.

3. Man hat versucht, sogenannte S c h u t z p f l i c h t e n (Stoll) oder (weiter) V e r h a l t e n s p f l i c h t e n (Larenz) der e i g e n t l i c h e n L e i s t u n g g e g e n ü b e r z u s t e l l e n und in einem Schuldverhältnis zwischen Leistung und diesen Nebenpflichten zu trennen. Ohne Zweifel sind der auf Erfüllung des Versprochenen gerichtete Hauptanspruch und die allgemeinen vertraglichen Verhaltenspflichten etwas grundsätzlich Verschiedenes, oben § 5. Die begriffliche Trennung hat auch den Vorteil, daß man diese Nebenpflichten als solche deutlicher erkennen und bezüglich des E r f ü l l u n g s a n s p r u c h s voneinander isoliert betrachten kann, und daß man entweder nur die Hauptpflichten oder nur diese Nebenpflichten in das G e g e n s e i t i g k e i t s v e r h ä l t n i s bei gegenseitigen Verträgen einzubeziehen braucht. Nur auf die in das Gegenseitigkeitsverhältnis (Synallagma) einbezogenen Pflichten finden nämlich die §§ 320 —327 Anwendung, dazu näher unten § 441. Ein dritter Vorteil ist, daß man bei V e r t r ä g e n z u g u n s t e n D r i t t e r entweder nur die Hauptpflichten oder nur diese Nebenpflichten zum Gegenstand der Berechtigung des Dritten machen kann. B e i s p i e l e : Der Verkäufer muß mit der noch nicht gelieferten Kaufsache bis zur Übergabe pfleglich umgehen (Schutzpflicht). Diese Nebenpflicht ist nicht selbständig einklagbar, es besteht kein Erfüllungsanspruch, es sei denn, daß die Parteien dies über die Erfüllungspflichten des § 433 hinaus so vereinbart haben. Geht der Verkäufer nachlässig mit der Sache um, so darf der Käufer auch nicht d e s w e g e n mit dem Preis zurückhalten (320), sondern nur, weil ihm die Sache

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§84

Die Leistung

noch nicht geliefert ist. Nur bezüglich Lieferung und Zahlung besteht mangels näherer Vereinbarung das Gegenseitigkeitsverhältnis, 320—327. Ist der Käufer vorleistungspflichtig, so muß er zahlen, es sei denn, daß die Wandlungsvoraussetzungen schon jetzt gegeben sind, 459 ff. Schließen die Mieter eines Hauses einen Ausbesserungsvertrag mit einem Handwerker, so hat der Hauseigentümer zwar keinen Erfüllungsanspruch, wohl aber schuldet auch ihm der Handwerker die nötige Sorgfaltspflicht, wenn die Mieter einen in bezug auf die Sorgfaltspflicht berechtigenden Vertrag zu seinen, des Dritten, Gunsten mit dem Handwerker schlössen (BGH NJW 54, 874 = LM 6 zu § 328). Wird die Sorgfaltspflicht verletzt, so haftet der Handwerker auch dem Hauseigentümer. Ein vierter (scheinbarer) Vorteil der Trennung von Leistungs- und allgemeinen Verhaltens-(Schutz-)pflichten besteht also in der Möglichkeit, an die Verletzung der einen oder der anderen Pflicht allein die S c h a d e n s e r s a t z f o l g e zu knüpfen. Gerade dieser Gesichtspunkt zwingt aber dazu, auch die Neben-, Schutz- und V e r h a l t e n s p f l i c h t e n dem L e i s t u n g s i n h a l t z u z u r e c h n e n . Denn nur dann läßt sich auch bei einer Verletzung dieser „Nebenpflichten" von einer „Leistungsstörung" sprechen. Dies rein terminologische Argument ist erlaubt, da die Ausgliederung der Nebenpflichten aus dem Begriff der Leistung auch nur eine Frage der Ausdrucksweise ist, sofern man nur eine rechtlich getrennte Behandlung zugesteht. Vor allem aber verhindert die hier vorgeschlagene Terminologie den verbreiteten, übrigens zu Unrecht aus der Gegenmeinung abgeleiteten Irrtum, die positive Vertragsverletzung sei (nur) eine Verletzung „sekundärer Nebenpflichten" und deshalb keine eigentliche Leistungsstörung. Es entspricht dem Bild unseres Schuldrechts mehr, von einem einheitlichen Leistungsbegriff auszugehen (§ 241 S. 1), um damit den Boden für eine einheitliche Behandlung der Leistungsstörungen zu gewinnen. Das hindert nicht eine mögliche unterschiedliche rechtliche Behandlung einzelner Leistungsbestandteile (in dieser Erkenntnis liegt das Verdienst der Lehre von den „Nebenpflichten"). Ferner ermöglicht der hier begangene Weg die Zuordnung der wichtigsten aller Schutzpflichten, der arbeitsrechtlichen Fürsorge- und Treuepflichten, zum Leistungsinhalt, wo sie schwerpunktmäßig, neben den Lohnzahlungs- und Dienstleistungspflichten, hingehört. Die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht ist nichts „Sekundäres". Ähnliche Erwägungen gelten für Gesellschafts-, Miet-, Handelsvertreterverträge u. a. (Wie hier: E. Wolf, AcP 153,113). 4. Die Leistung besteht also möglicherweise aus einem B ü n d e l v o n P f l i c h t e n , Tuns- und Unterlassenspflichten, Lieferungs-, Obhuts-, Schutzund allgemeinen Verhaltenspflichten. Die getrennte Betrachtung der einzelnen Leistungsbestandteile ist vor allem für den E r f ü l l u n g s a n s p r u c h , die Frage der G e g e n s e i t i g k e i t , der B e r e c h t i g u n g beim V e r t r a g z u g u n s t e n D r i t t e r und für die L e i s t u n g s s t ö r u n g e n von Bedeutung. Insgesamt bildet 28

Die Leistung

§8 6-7

das Pflichtenbündel „die Leistung". Auch Schutz, Fürsorge, Obhut und ein nicht den Vertragszweck gefährdendes Verhalten können „geleistet" werden. 5. Die Leistung muß b e s t i m m t oder zumindest b e s t i m m b a r sein, (denn sie soll regelmäßig einklagbar und vollstreckbar sein). Der mißratene, volljährige Sohn verpflichtet sich schriftlich gegenüber dem Vater, in Zukunft anständig zu leben. Der Liebhaber verspricht urkundlich seiner Geliebten, sie nicht länger mit Eifersuchtsszenen zu belästigen. Solche Versprechen sind moralisch löblich, aber rechtlich nichtig, weil ihnen die Bestimmbarkeit fehlt. Es handelt sich um einen Nichtigkeitsgrund, den das Gesetz nicht ausdrücklich enthält, und der unabhängig neben §§ 138,306 steht. Der Bestimmtheitsgrundsatz ist verwandt, aber nicht identisch mit der sachlichen Begrenztheit aller schuldrechtlichen Leistungen (im Unterschied z. B. zu familienrechtlichen Gemeinschaftspflichten, etwa der Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft, 1353). 6. Die L e i s t u n g muß nach herrschender Meinung einen V o r t e i l für den Gläubiger bedeuten, d. h. ihm Nachteiliges kann nicht Inhalt einer Leistung sein. Wertet man dabei Vor- und Nachteil objektiv, so kann man dem nicht zustimmen. Ein Vertrag bindet die Parteien auch dann, wenn er dem Gläubiger objektiv Nachteile bringt. Aber auch subjektiv aufgefaßt bleibt der Satz der herrschenden Meinung zweifelhaft. Ein Gläubiger kann sich nicht auf Nichtigkeit eines Vertrags mit der Begründung berufen, er habe sich von vornherein keinen Vorteil von dem Geschäft versprochen. Richtig ist, daß die Leistung jedenfalls n i c h t G e l d w e r t zu haben braucht. Auch ein Vertrag über eine Ehrenerklärung ist wirksam. Unser Recht kennt (im Unterschied zu manchen anderen historischen und geltenden fremden Rechten) neben der Vollstreckung wegen einer Geldforderung (803—882 a ZPO) auch die Vollstreckung zur Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen und zur Herausgabe von Sachen (883—898 ZPO). Hieraus folgt, daß man sich grundsätzlich zu jeder auch nicht Vermögenswerten Leistung verpflichten kann. Grenzen werden hier allerdings häufiger durch § 138 gezogen. 7. Die Leistung kann e i n m a l i g , i n m e h r e r e n T e i l e n (Raten), d a u ernd oder w i e d e r h o l t zu erbringen sein. a) Beim Kauf ist grundsätzlich e i n m a l i g e Übergabe und Eigentumsverschaffung geschuldet, 433 I. b) Eine Ware ist in 10 gleichen Partien zu je 1000 kg im Monat verkauft worden. Die Leistung beginnt am 1.1. und endet am 1.10. Man spricht von einem R a t e n - oder T e i l l i e f e r u n g s v e r t r a g . Sein Hauptproblem ist, daß das Kaufrecht oder Werklieferungsrecht sowohl auf jede einzelne Rate, als auch auf den Vertrag als ganzes Anwendung findet. Das kann z. B. bei der Mängelhaftung zu Schwierigkeiten führen, die sich aber durch sorgfältige Trennung von Einzellieferung und ganzem Vertrag auf der Grundlage der §§ 459 ff. lösen lassen: Für die einzelne mangelhafte Rate gelten die §§459 ff. direkt. Folgen den ersten ordnungsgemäßen Raten einige mangelhafte, die befürchten lassen, daß auch die noch ausstehenden restlichen Raten mangelhaft sind, so hat der 29

§87

Die Leistung

Käufer bezüglich der noch ausstehenden ein Rücktrittsrecht f ü r die Z u k u n f t , 242, 462, 467 analog, 346 ff. Das folgt aus der zeitlichen Teilung der Leistung. Der Ratenlieferungsvertrag ist gesetzlich nicht geregelt. Beim Ratenzahlungskauf liegt ratenweise Leistung auf der Preisseite vor, dazu das Abzahlungsgesetz vom 16. 5.1894, RGBl. 450, unten § 71 V 5. Ein Ratenvertrag ist nichts anderes als eine Wegbedingung des (nachgiebigen) § 266, der Teilleistungen grundsätzlich verbietet. c) D a u e r n d e L e i s t u n g i s t b e i D a u e r s c h u l d v e r h ä l t n i s s e n geschuldet: Die Gebrauchsgewährung bei Miete, P a c h t , D a r l e h e n und Leihe, die Verwahrungspflicht bei der V e r w a h r u n g , die Pflichten im Dienstvertrag, die des Beauftragten, des Geschäftsbesorgers (675), die der G e s e l l s c h a f t e r , die einzelnen Warenposten beim S u k z e s s i v l i e f e r u n g s v e r t r a g . Der Sukzessivlieferungsvertrag unterscheidet sich vom Teillieferungsvertrag dadurch, daß er d a u e r n d läuft, während der Teillieferungsvertrag eine bestimmte überschaubare Zahl von T e i l l e i s t u n g e n vorsieht. Beim Sukzessivlieferungsvertrag fehlt die Vorstellung der T e i l u n g einer von vornherein mengenmäßig genau festgelegten Leistung. Vielmehr soll eine Leistung d a u e r n d erbracht werden. Sukzessivlieferungsverträge laufen daher häufig auf unbestimmte Zeit. Doch steht ein ins Auge gefaßter endgültiger Schlußtermin nicht entgegen. Man unterscheidet Sukzessivlieferungsverträge mit gleichbleibend großen Leistungen („echte") und solche mit sich wandelnden Leistungen nach Maßgabe eines vom Käufer gemeldeten Bedarfs („Bedarfsdeckungs"-, „Bezugsverträge"). Solche laufenden Bezugsverträge auf der Grundlage des Kaufrechts sind daher Dauerschuldverhältnisse (z. B. Bierbezugsverträge der Gastwirte, vgl. RGZ 63,297). Die Preisbindung der zweiten Hand, „Reversvertrag", ist ebenfalls ein Dauerschuldverhältnis. Bei Dauerschuldverhältnissen ist stets zwischen den einzelnen Lieferungen und Leistungen einerseits und dem g a n z e n V e r t r a g zu unterscheiden. Nur für die e i n z e l n e n Lieferungen und Leistungen gelten die §§320 unbeschränkt. Für den ganzen Vertrag passen die oft zurückwirkenden Rechtsfolgen der §§320ff. nicht. Näheres insb. bei Kauf und Gesellschaft. Allgemeines Kennzeichen der Dauerschuldverhältnisse ist ihTe K ü n d b a r keit. Meist regelt das Gesetz die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen. Wo weder das Gesetz eine Kündigung vorsieht noch der Vertrag (wie häufig bei den dem Kaufrecht unterliegenden Sukzessivlieferungsverträgen), ist Kündigung aus wichtigem Grunde, d. h. wegen unzumutbaren Festhaltens am Vertrag nach § 242 möglich. Anwendbar ist auch eine R e c h t s a n a l o g i e zu §§626, 696, 723 12. (Mißverständlich ist das Wort Kündigung in § 649: Der Werkvertrag ist im allgemeinen kein Dauerschuldverhältnis. Kündigung meint hier: Vertragsaufsage im allgemeinen, nicht: Beendigung für die Zukunft). d) Es ist denkbar, daß sich Schuldverhältnisse innerhalb eines Rahmenvertrags von Zeit zu Zeit (z. B. an jedem Monatsersten) selbsttätig erneuern. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts hat solche W i e d e r k e h r s c h u l d v e r h ä l t n i s s e bei laufendem Bezug von Gas, Strom und Wasser durch den Verbraucher oder Abnehmer angenommen, RGZ 148, 326 (330), und dadurch die Anwendung des § 17 KO auf solche Verträge vermieden. Das bedeutet, daß Energiebetriebe nicht dadurch im Konkurs des Gemeinschuldners begünstigt 30

Die wirtschaftliche Bedeutung der Schuldverhältnisse § 8 8; § 9 1—3 werden, daß der Konkursverwalter auf Weiterlieferung mit Gas, Strom und Wasser besteht. Würde man in diesen Verträgen Sukzessivlieferungen, also einheitliche Kaufverträge erblicken, könnten die Energiebetriebe nach §§ 17, 59 Ziff. 1 KO die Rückstände als Masseschuld beitreiben und dadurch ihre volle Forderung erhalten. Die Gründe, die Larenz § 2 IV und Esser § 20, 3 gegen das Wiederkehrschuldverhältnis vorbringen, überzeugen in den Fällen nicht, wo der Konkursverwalter, z. B. weil er sich des Anspruchs auf Weiterbelieferung nicht sicher ist, den Rahmenvertrag nicht kündigen will. — Andere Wiederkehrschuldverhältnisse sind z. B. Verlagsverträge über Unterhaltungsheftchen, die ein fruchtbarer Autor aufgrund eines Rahmenvertrags an jedem Monatsersten im Manuskript beim Verlag abliefert. 8. Eine Leistung kann sich aufgrund gesetzlicher Vorschrift in bestimmter Weise u m w a n d e l n , ohne daß sich das Schuldverhältnis ändert. An die Stelle der p r i m ä r geschuldeten Leistung kann — bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen — S c h a d e n s e r s a t z oder ein R ü c k g e w ä h r a n s p r u c h nach Rücktrittsrecht treten. Dazu unten §§ 41—48. Die wirtschaftliche Bedeutung der Schuldverhältnisse 1. Dem Schuldrecht kommt von allen fünf Büchern des BGB die relativ größte wirtschaftliche Bedeutung zu. Freilich ist es das Zusammenwirken aller bürgerlichrechtlichen Bestimmungen und darüber hinaus anderer Bereiche, im besonderen des Handels- und Wirtschaftsrechts, das letzten Endes einen geregelten Ablauf des Wirtschaftslebens sicherstellt. Aber das Schuldrecht mit seinen allgemeinen Kegeln und besonderen Rechtsverhältnissen bildet den Schwerpunkt der wirtschaftlich erheblichen Rechtsbestimmungen. 2. Zusammen mit dem Sachenrecht bildet das Schuldrecht, nun rein wirtschaftlich betrachtet, das Recht der Güterordnung. Das Familienrecht behandelt die Rechtswirkungen der persönlichen Bindungen, das Erbrecht die Folgen, auch die güterrechtlichen, des Todes einer Person, der Allgemeine Teil enthält Vorbereitendes und Gemeinsames zu den folgenden vier Büchern. Während das Sachenrecht die Herrschaft von Personen über Sachen regelt und beschreibt, befaßt sich das Schuldrecht mit vermögensrechtlichen Beziehungen von Person zu Person: „Wer hat wem was zu leisten?" Diese Beziehungen sind großenteils selbstwählbar. Das Feld des Schuldrechts sind daher vor allem die Verträge. 3. Auf die nachstehend genannten wirtschaftlichen Bereiche erstreckt sich das Recht der Schuldverhältnisse im besonderen: a) V o r b e r e i t u n g und B e g r ü n d u n g s a c h e n r e c h t l i c h e r V e r f ü g u n g e n Wer ein Pfund Äpfel auf dem Markt kauft, wird dadurch Eigentümer der Äpfel, daß ihm soviel Äpfel (einzeln) übereignet werden, wie das Pfund Äpfel enthält, 929. Der Verkäufer wird umgekehrt nach § 929 Eigentümer der Geld-

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§98

Die wirtschaftliche Bedeutung der Schuldverhältnisse

scheine und Münzen, die zur Bezahlung aufgewendet werden. Jedesmal handelt es sich um sachenrechtliche Vorgänge, nämlich um Verfügungen über das Eigentum an beweglichen Sachen. Vorbereitet wird dieser aus m e h r e r e n Verfügungen bestehende sachenrechtliche Vorgang durch e i n e n Kaufvertrag, 433: Beide Parteien einigen sich über Ware und Preis und verpflichten sich zum Leistungstausch. Dies ist das beiderseitige V e r p f l i c h t u n g s g e s c h ä f t des Kaufs. Ist es durch die nach §929 zu vollziehenden Übereignungen erfüllt, was übrigens (wegen der rechtsgeschäftlichen Natur des Erfüllungsvorgangs) wiederum z w e i Verfügungen über die Ansprüche aus § 433 I, II bedeutet (362), so ist der Kaufvertrag beendet und im wesentlichen erfüllt, aber er wirkt als rechtliche Begründung (causa, Rechtsgrund) der sachenrechtlichen Verfügungen weiter. Ohne einen derartigen Rechtsgrund müßten die Verfügungen wegen der Abstraktheit aller Verfügungen nach den Regeln über die u n g e r e c h t f e r t i g t e B e r e i c h e r u n g rückgängig gemacht werden, 812 11. Entsprechend liegt es bei der Vorbereitung und Begründung anderer sachenrechtlicher Verfügungen, z. B. nach § 445 beim Vertrag über eine Hypothekenbestellung (contractus de hypothecando) und von Übereignungen aus anderem schuldrechtlichen Anlaß, z. B. beim Tausch oder bei der Schenkung, 515 ff., auch bei der Einbringung von Sachen in eine Gesellschaft, 706. Es bedarf keiner näheren Ausführung über die grundlegende Bedeutung dieser Verpflichtungen für das gesamte Wirtschaftsleben, vom Kauf der Äpfel auf dem Markt bis zur Einbringung von Fabrikgrundstücken in eine Aktiengesellschaft. „Jeder einzelne Mensch wird in dieses ökonomische Netz des Schuldrechts hineingezogen. Selbst wenn er betteln geht, tritt ihm das Schuldrecht in Gestalt der Schenkung entgegen (516). Die Zahl der Schuldverhältnisse, die an jedem einzelnen Tag abgeschlossen werden, erreichen Millionenziffern . . . " (Hedemann 11). b) G e b r a u c h s ü b e r l a s s u n g s v e r t r ä g e Ein anderer wichtiger Bereich des Schuldrechts unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind die G e b r a u c h s ü b e r l a s s u n g e n bei Miete, Pacht, Leihe und Darlehen. Es handelt sich im Unterschied zu den oben genannten Verträgen nicht um Vorbereitung und Begründung von endgültigen Vermögensverschiebungen, sondern um Vorbereitung und Begründung von Gebrauchsgestattungen. Nur beim Darlehen kommen Übereignungen vor, aber auch hier ist der Zweck nicht eine endgültige Güterverschiebung, sondern eine vorübergehende Gebrauchsgewährung in besonderer Form und unter besonderen Voraussetzungen (Geld oder vertretbare Sachen). Wirtschaftlich wichtig sind die Gebrauchsüberlassungen für das Zur-Miete-Wohnen, für die Auto- und Büchervermietung, für kurzfristige Überlassung von Sachen aller Art (Leihe), für das Kreditwesen (Darlehen) und für die Landwirtschaft und Gewerbetreibende (Pacht). c) D i e n s t l e i s t u n g e n Ein dritter außerordentlich wichtiger Bereich des Schuldrechts beschäftigt sich mit Rechtsverhältnissen (meist Verträgen) über menschliche Arbeit. Dienst-, Werk-, Werklieferungs-, Mäklervertrag, Geschäftsbesorgung, Auftrag, Geschäfts-

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Arten der Schuldverhältnisse: Beteiligung am Schuldverhältnis

§ 101

führung ohne Auftrag, Verwahrung und Auslobung betreffen diese Verhältnisse. Da die Mehrzahl der Rechtsgenossen Lohn- oder Gehaltsempfänger sind, und auch die anderen ihren Lebensunterhalt meist durch Arbeit für andere verdienen, liegt die Bedeutung dieser Schuldverhältnisse auf der Hand. Als Sonderrecht hierzu hat sich das A r b e i t s r e c h t entwickelt. d) R e c h t s g e m e i n s c h a f t e n Als vierter Bereich sind Gesellschaft und Gemeinschaft zu nennen, von denen vor allem die Gesellschaft für das Wirtschaftsleben unentbehrlich ist. Der weitaus überwiegende Teil des Wirtschaftsvermögens ist Eigentum von Gesellschaften, nicht von Einzelpersonen. Auch hier besteht ergänzend ein besonderes Rechtsgebiet, das G e s e l l s c h a f t s r e c h t . e) B a n k - , E f f e k t e n - , B ö r s e n - und V e r s i c h e r u n g s w e s e n Hierher zählen Schuldversprechen, Schuldanerkenntnis, das Differenzgeschäft (Spiel), Bürgschaft, Anweisung und Inhaberschuldverschreibung. Als Sondergebiet ist hier das W e r t p a p i e r r e c h t zu erwähnen. f) U n g e r e c h t f e r t i g t e B e r e i c h e r u n g Bisher war von wirtschaftlichen Zusammenhängen die Rede, in denen Schuldverhältnisse rechtsgeschäftlich, d. h. mit dem Willen der Beteiligten entstehen ( A u s n a h m e : Geschäftsführung ohne Auftrag). Daneben zu nennen sind noch zwei wirtschaftliche Bereiche, wo Schuldverhältnisse nichtrechtsgeschäftlich, nur kraft Gesetzes, und ohne einen darauf gerichteten Willen der Beteiligten entstehen. Der eine Fall ist die ungerechtfertigte Bereicherung, eine Gruppe von Ansprüchen, die bei unbegründeten Güterverschiebungen eingreifen (vgl. oben a). g) U n e r l a u b t e

Handlungen

Der andere Bereich gesetzlicher Schuldverhältnisse sind die unerlaubten Handlungen. Es handelt sich wirtschaftlich gesehen um Ansprüche, die schuldhaftes oder aus einer Gefährdung herrührendes Unrecht wiedergutmachen sollen.

2. U n t e r a b s c h n i t t :

A r t e n der

Schuldverhältnisse

Arten der Schuldverhältnisse: Beteiligung am Schuldverhältnis A d l e r , Leistungsverweigerung nach § 320, Festschrift f. Zitelmann, 1913,1; B l o m e y e r , Arwed, Studien zur Bedingungslehre, 1938, Bd. 1,104; B r o x , Die Einrede des nichterfüllten Vertrages beim Kauf, 1948; B y d l i n s k i , Die Einrede des nichterfüllten Vertrages bei Dauerschuldverhältnissen, Festschrift f. A. Steinwenter, 1958, 140; J u n g , JherJb 69, 61; M ü l l e r e i s e r t , Vertragslehre, 1947; O e r t m a n n , Entgeltliche Geschäfte, 1912. I. V e r s c h i e d e n e

Einteilungsgesichtspunkte

Man teilt die Schuldverhältnisse nach verschiedenen Gesichtspunkten ein: Nach der Art der B e t e i l i g u n g daran, nach Maßgabe der T y p e n l e h r e , nach Art der zu ihrer Entstehung führenden E r k l ä r u n g und nach dem Grad ihrer F i k e n t s c h e r , Schuldrecht

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§ 1 0 II 1—3

Arten der Schuldverhältnisse: Beteiligung am Schuldverhältnis

A b s t r a k t i o n von einem wirtschaftlichen Grund ihres Bestehens. Zur Einteilung der Schuldverhältnisse nach Art der geschuldeten Leistung siehe oben § 8.

II. Die B e t e i l i g u n g am S c h u l d v e r h ä l t n i s Die nachfolgende Einteilung betrachtet die Art der Beteiligung von Schuldner und Gläubiger an Begründung und Pflichtenverteilung der Schuldverhältnisse. Es handelt sich um die am häufigsten verwendete Einteilungsweise. Wird im Gutachten nach Ansprüchen gefragt, kann man nach Maßgabe dieser Einteilung vorgehen, um nichts zu übersehen.

1. Man unterscheidet Schuldverhältnisse aus Gesetz und aus Rechtsgeschäft. Aus G e s e t z , d. h. direkt aus dem Gesetz ohne rechtsgeschäftlichen Willen der Beteiligten, entstehen Schuldverhältnisse aus Geschäftsführung ohne Auftrag (677 ff.), ungerechtfertigter Bereicherung (812 ff.) und unerlaubter Handlung (823 ff.). Alle übrigen Schuldverhältnisse setzen Rechtsgeschäfte voraus. Siehe dazu im einzelnen unten § 17 (Begründung von Schuldverhältnissen). Praktisch bedeutsam ist daneben das gesetzliche Leistungsverhältnis zwischen Eigentümer und Besitzer (985 ff.), zwischen wahrem Erben und Erbschaftsbesitzer (2018 ff.) und aufgrund von familienrechtlichen Unterhaltsansprüchen (1600 ff.). Die soeben genannten sechs Gruppen sind die wichtigsten „Ansprüche aus Gesetz".

2. Bei den Schuldverhältnissen aus Rechtsgeschäft unterscheidet man einseitig und zwei- oder mehrseitig b e g r ü n d e t e . Der Sinn der Unterscheidung ist es festzustellen, ob nur ein Beteiligter (nämlich der Schuldner) eine rechtsgeschäftliche Erklärung abgibt, oder ob auch der Gläubiger mitwirkt. E i n s e i t i g b e g r ü n d e t ist nur das Schuldverhältnis der Auslobung (657 ff.). Alle übrigen Schuldverhältnisse sind zwei- oder mehrseitig begründet. Das gilt nach der herrschenden (durch Rechtsscheingrundsätze modifizierten) Vertragstheorie auch für die Inhaberschuldverschreibung (793) und die andern skripturrechtlichen Wertpapiere. Die sogenannte Kreationstheorie vertritt hier den Standpunkt der einseitigen Begründung. Andere nichtschuldrechtliche, einseitig begründete rechtsgeschäftliche Verhältnisse sind Stiftungsgeschäft (83 I) und Vermächtnis (2174).

3. Zwei-oder mehrseitig b e g r ü n d e t e Schuldverhältnisse heißen s c h u l d r e c h t l i c h e V e r t r ä g e . Es gibt auch sachen-, familien-, erbrechtliche Verträge, ferner öffentlichrechtliche Verträge. D e r V e r t r a g i s t ein zweioder mehrseitiges R e c h t s g e s c h ä f t . Die schuldrechtlichen Verträge teilt man ein in einseitig und zwei- oder mehrseitig v e r p f l i c h t e n d e Verträge (contractus unilaterales; bi-, multilaterales). Die einseitig verpflichtenden Verträge haben nur einen Schuldner und einen Gläubiger. Bei den zwei- oder mehrseitigen Verträgen ist jeder des anderen Schuldner u n d Gläubiger. Von den typischen Verträgen (dazu unten

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Arten der Schuldverhältnisse: Beteiligung am Schuldverhältnis

§ 10 II 4

§§ 11 und 65) sind einseitig verpflichtend nur das Schenkungsversprechen (518) und das als Realvertrag gedeutete Darlehen (607). Alle übrigen schuldrechtlichen Vertragstypen sind zwei- oder mehrseitig verpflichtend (z. B. Auftrag, Leihe, Kauf, Miete). Es ist also darauf zu achten, ob sich die Ein- oder Mehrseitigkeit auf die B e g r ü n d u n g bezieht (oben 2.) oder auf die V e r p f l i c h t u n g (oben 3.). 4. Bei den zwei- oder mehrseitig verpflichtenden Verträgen ist die Einteilung in die g e w ö h n l i c h e n zwei- oder mehrseitig verpflichtenden und in die g e g e n s e i t i g e n Verträge besonders wichtig. Man nennt die gewöhnlichen zwei- oder mehrseitig verpflichtenden Verträge auch die „unvollkommen zweioder mehrseitigen" (contractus bilaterales iniquales), z. B. Auftrag, Leihe. Die gegenseitigen Verträge heißen auch synallagmatische Verträge (contractus bilaterales aequales), z. B. Kauf, Miete. G e w ö h n l i c h e n zwei- oder mehrseitig verpflichtenden und g e g e n s e i t i g e n Verträgen ist g e m e i n s a m , daß die Beteiligten einander im Schuldverhältnis gleichzeitig oder in zeitlicher Abfolge als Schuldner u n d Gläubiger gegenübertreten. Der U n t e r s c h i e d zwischen beiden Vertragsarten liegt in dem M o t i v a t i o n s v e r h ä l t n i s , in dem die wechselseitige Verpflichtung und Berechtigung steht. Bei gewöhnlichen zwei- oder mehrseitig v e r p f l i c h t e n d e n Vert r ä g e n ergibt sich die wechselseitige Schuldner- und Gläubigerstellung als Folgeerscheinung im Ablauf des Schuldverhältnisses. So schuldet beim A u f t r a g zunächst der Beauftragte nach § 662 die unentgeltliche, ordnungsgemäße Ausführung des Auftrags, dann aber ist ihm der Auftraggeber nach § 670 zum Ersatz von Aufwendungen verpflichtet, die der Beauftragte für erforderlich halten durfte. Bei der Leihe folgt auf die Gebrauchsgestattung durch den Verleiher die Rückgabepflicht des Entleihers, 698, 604. I n g e g e n s e i t i g e n V e r t r ä g e n ist das Verhältnis der wechselseitigen Verpflichtung und Berechtigung nach dem Willen der Parteien von vornherein wesentlich e n g e r . Hier wird die Verpflichtung zur L e i s t u n g nur deshalb eingegangen, weil sich der Gegner zu einer G e g e n l e i s t u n g verpflichtet. Die eine Pflicht besteht u m d e r G e g e n p f l i c h t w i l l e n (sog. Synallagma). Beim Kauf wird die Lieferung der Ware n u r d e s h a l b zugesagt, weil ein Preis a l s G e g e n l e i s t u n g versprochen wird. Die Wohnung wird beim Mietvertrag nur darum vermietet, w e i l sich der Mieter zur Zahlung des Mietzinses verpflichtet. — N u r f ü r P f l i c h t e n , die in d i e s e m G e g e n s e i t i g k e i t s v e r h ä l t n i s s t e h e n , g e l t e n die §§ 320 f f . über gegenseitige Verträge (dazu unten § 44). Diese Vorschriften ziehen die r e c h t l i c h e n F o l g e r u n g e n aus dem „do ut des" der gegenseitigen Verträge. Unter einem gegenseitigen Vertrag versteht man also einen zwei- oder mehrseitig verpflichtenden Vertrag, bei dem die eine Verpflichtung um einer Gegen8»

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§ 1 0 114

Arten der Schuldverhältnisse: Beteiligung am Schuldverhältnis

Verpflichtung willen eingegangen wird. Beispiele sind Kauf, Miete, Pacht, Dienstvertrag, Werkvertrag, Versprechen eines verzinslichen Darlehens, Geschäftsbesorgung (675), entgeltliche Verwahrung, Gesellschaft (str.). Keine gegenseitigen, wenn auch zwei- oder mehrseitig verpflichtenden Verträge sind Leihe, ausgetauschte Versprechen der Gewährung und der Annahme eines unverzinslichen Darlehens, Auftrag, unentgeltliche Verwahrung.

Gegenseitige Verträge weisen hinsichtlich ihrer E n t s t e h u n g keine Besonderheit gegenüber anderen Verträgen auf: Auch sie setzen die Annahme eines noch wirksamen Angebots voraus, 145 ff. ( g e n e t i s c h e Abhängigkeit der Verpflichtungserklärungen). Gegenseitige Verträge zeigen aber in ihrem B e s t ä n d e sehr wesentliche Besonderheiten gegenüber anderen Verträgen. Das ist leicht einzusehen, wenn man sich als ihr Wesen vergegenwärtigt, daß bei ihnen eine Verpflichtung um einer Gegenverpflichtung willen eingegangen worden ist. Die Nicht- oder Schlechterfüllung der einen Pflicht muß sich notwendig auf die Gegenpflicht rechtlich auswirken, wenn man Rücksicht auf die Parteivorstellungen bei Vertragsschluß nimmt ( f u n k t i o n e l l e Abhängigkeit der Verpflichtungserklärungen im gegenseitigen Vertrag). Diese Besonderheiten der gegenseitigen Verträge sind geregelt in §§ 320—327. Da es sich um Tatbestände der Nicht- oder Schlechterfüllung einer Vertragspflicht handelt, gehört die Behandlung dieses Stoffes überwiegend zu den Leistungsstörungen, unten §§43—48. Hier soll nur eine Übersicht gegeben werden.

a) E i n r e d e des n i c h t e r f ü l l t e n V e r t r a g s , 320 I Man kann seine Leistung so lange zurückhalten, bis der Vertragspartner sie bewirkt. Man braucht also nur Zug um Zug zu leisten und braucht dem Partner keinen Kredit zu geben. Das Gesetz erwartet von keiner Vertragspartei eine Vorleistung. Kreditgebung wird niemandem zugemutet. Wer vorleistet, tut dies auf eigenes Risiko. Eine Einschränkung bei teilweiser Anleistung eines wesentlichen Teils enthält § 320 II. b) V e r u r t e i l u n g Z u g - u m - Z u g , 322 I Wenn nun keiner als erster mit der Leistung herausrücken will, muß geklagt werden. In Fortsetzung des Zug-um-Zug-Gedankens des § 320 sagt § 322 I, daß im gegenseitigen Vertrag auch die Verurteilung zur Leistung nur Zug um Zug gegen Gewährung der Gegenleistung erfolgt. Schickt der Käufer dem Verkäufer den Gerichtsvollzieher ins Haus, so muß er diesem den Kaufpreis mitgeben. Sonst wird der Gerichtsvollzieher nicht tätig, 726 II, 781 ZPO. Statt dem Gerichtsvollzieher die Gegenleistung mitzugeben, kann man, wenn die Voraussetzungen dazu vorliegen, auch im Leistungsurteil den Annalimeverzug des Schuldners der Leistung und Gläubigers der Gegenleistung feststellen lassen, 298. § 322 I I gehört zur Lehre des Gläubigerverzugs, unten § 46. 36

Arten der Schuldverhältnisse: Beteiligung am Schuldverhältnis

§ 1 0 II 5

c) E i n r e d e der V e r m ö g e n s v e r s c h l e c h t e r u n g , 321 Als seltener Einzelfall der sonst im Gesetz nicht allgemein enthaltenen clausula rebus sie stantibus (Einrede der veränderten Umstände) schreibt § 321 vor, daß sich der eine Teil, wenn er aufgrund besonderer Abrede v o r l e i s t u n g s p f l i c h t i g ist, durch die Einrede der Vermögensverschlechterung, die beim andern Teil eingetreten ist, nachträglich von seiner Vorleistungspflicht befreien kann. (Andere Fälle der clausula rebus sie stantibus: 610, 779).

d) S o n d e r r e g e l n f ü r die F ä l l e des U n m ö g l i c h w e r d e n s der Leis t u n g , 323, 324, 325 Diese Vorschriften befinden über das Schicksal der Gegenleistung in gegenseitigen Verträgen, wenn die Leistung ohne Verschulden einer Partei (323) oder durch Verschulden des Gläubigers der Leistung unmöglich wird (324 I). § 325 regelt für den Fall, daß der Schuldner der Leistung die Leistung unmöglich macht, sowohl das Schicksal der Leistung als auch das der Gegenleistung. Einzelheiten unten §§ 43 ff. e) S o n d e r r e g e l n f ü r den S c h u l d n e r v e r z u g , 326 § 326 sagt, welche Rechte der Gläubiger hat, wenn der Schuldner der Leistung im gegenseitigen Vertrag mit der Leistung in Verzug gerät. § 327 verweist für das dann u. U. entstehende Rücktrittsrecht auf §§ 346 ff. (vertragliches Rücktrittsrecht). f) §§ 320—325 f ü r H a u p t - u n d N e b e n p f l i c h t e n , 326 n u r f ü r Hauptpflichten Hervorzuheben ist, daß die Besonderheiten der §§ 320—325 für gegenseitige Verträge für Haupt- und Nebenpflichten gelten, wenn nichts anderes vereinbart ist. Nebenpflichten stehen also nicht denknotwendig außerhalb des Synallagmas. Oft werden allerdings Nebenpflichten nach dem Willen der Parteien nicht in das Synallagma einbezogen sein. Ist die Nebenpflicht synallagmatisch, kann ihretwegen die Einrede nach § 320 erhoben werden; wird nur die Nebenpflicht nicht erfüllt, gilt § 320 II. Ist die Erfüllung der Nebenpflicht durch Verschulden des Schuldners unmöglich geworden, gilt, falls sie synallagmatisch ist, § 325, sonst § 280. Für Nebenpflichten gelten aber im gegenseitigen Vertrag beim Verzug nicht §§ 326, 327, sondern die allgemeinen Vorschriften, 284ff. Wegen einer Nebenpflicht kann nicht Frist gesetzt und Ablehnung des ganzen Vertrags angedroht werden, h. M. Zum Begriff der Haupt- und Nebenpflichten siehe oben § 8. 5. Man kann die gegenseitigen Verträge weiter einteilen in A u s t a u s c h und G e s e l l s c h a f t s v e r t r ä g e . Durch Austauschverträge (Kauf, Miete, Versprechen eines verzinslichen Darlehens u. a.) verfolgen die Parteien wirtschaftlich entgegengesetzte Zwecke (z. B. Bedarfsdeckung, Versilberung). In Gesellschafts-

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§ 11 1—8

Fortsetzung: Typische und atypische Schuldverhältnisse

Verträgen verbindet die Beteiligten ein gemeinsamer wirtschaftlicher Zweck, der Gesellschaftszweck (animus societatis), 705 ff.; 105 ff. HGB; dazu einzeln unten § 88 I. Die Anwendbarkeit der §§ 320 ff. auf Gesellschaftsverträge ist sehr streitig, unten § 88 IX. § 11

Fortsetzung: Typische und atypische Schuldverhältnisse Hoeniger, Die gemischten Verträge in ihren Grundformen, 1910; W o l f f , E r n s t , Atypische Rechtsgeschäfte, Festschrift f. Hans Lewald, 1953, 633. 1. T y p i s c h werden Schuldverhältnisse genannt, die im Gesetz besonders geregelt sind, z. B. Kauf, Miete, Dienstvertrag, Verwahrung, Auslobung, unerlaubte Handlungen. Man spricht, wenn es sich dabei um Verträge handelt, von „Vertragstypen". Die meisten sind im 7. Abschnitt des 2. Buches des Bürgerlichen Gesetzbuches enthalten; einige gehören dem Allgemeinen Schuldrecht an (z. B. Schuldübernahme, 414; Vertragsstrafe, 339). Außerhalb des BGB finden sich Vertragstypen vor allem bei den arbeitsrechtlichen Vorschriften des HGB und der GewO. Die Auswahl der typischen Schuldverhältnisse obliegt dem Gesetzgeber. Die Tradition spielt dabei die Hauptrolle, vor allem die des römischen und gemeinen deutschen Rechts, z. B. bei Kauf, Miete, Dienstvertrag, Werkvertrag, ungerechtfertigter Bereicherung. Andere Schuldverhältnisse, wie z. B. die Inhaberschuldverschreibung, haben keine römischrechtliche Wurzel. 2. Bei den g e s e t z l i c h e n Schuldverhältnissen gibt es n u r die t y p i s c h e n : Geschäftsführung ohne Auftrag, ungerechtfertigte Bereicherung, unerlaubte Handlungen. Eine Ausdehnung ihrer Zahl kraft Parteivereinbarung ist begrifflich ausgeschlossen. Es besteht ein numerus clausus der gesetzlichen Schuldverhältnisse wie bei den Sachenrechten. Entsprechendes gilt für einseitig begründete Schuldverhältnisse (Auslobung), vgl. 305. 3. Verträge können a t y p i s c h sein. Den Parteien steht es frei, neue Vertragsarten zu erfinden. Das folgt aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit, 305; Art. 2 I GG. Häufiger vorkommende atypische Verträge sind: a) Der G a r a n t i e v e r t r a g . Durch ihn verspricht eine Partei der anderen, für einen bestimmten E r f o l g einstehen zu wollen. Kennzeichnend für den Garantievertrag ist ein aleatorisches (spielartiges) Moment: Eine Partei verpflichtet sich auf einen bestimmten Erfolg, ohne Rücksicht auf etwa eintretende, die Wirtschaftlichkeit des Erfolgs schmälernde Tatsachen. Der Garantievertrag bezieht sich entweder auf einen selbständigen, von einem andern Vertragsgegenstand unabhängigen Erfolg (sog. selbständige Gar a n t i e , vgl. BGH BB 62, 234). Beispiele sind die F o r d e r u n g s g a r a n t i e (entgegen § 438 garantiert der Abtretende auch für die Qualität — „Bonität" —• einer Forderung, dazu unten § 69 III 3b) und die A u s b i e t u n g s g a r a n t i e (Ver38

Fortsetzung: Typische und atypische Schuldverhältnisse

§11 3

sprechen, man werde für etwaige Verluste aufkommen, die ein Gläubiger in der Zwangsvollstreckung gegen seinen Schuldner oder in dessen Konkurs erleidet). Hierher zählen auch alle Fälle, in denen für einen „über den typischen Vertragsinhalt hinausgehenden Erfolg" garantiert wird: Der Hersteller einer Maschine garantiert einen bestimmten Mindestumsatz mit Waren, die auf der Maschine hergestellt werden. Oder der Garantie vertrag dient zur Bekräftigung eines Punktes in einem andern Vertrag (sog. unselbständige G a r a n t i e , Garantieklausel): Normalerweise ist der Kostenvoranschlag bei einem Werkvertrag unverbindlich, 650. Er kann aber auch bindend gemeint sein. Dann wird der Preis fest garantiert, etwaige Mehrkosten gehen zu Lasten des Unternehmers, der Besteller braucht nur mit einem bestimmten Preis zu rechnen. Das muß freilich besonders vereinbart sein. In Zweifelsfällen hilft nur die Auslegung, vgl. BGH NJW 60,1567, garantierte Bausumme). Andere Beispiele: Uber §§ 459, 633 hinaus wird eine bestimmte Eigenschaft der verkauften oder hergestellten Sache garantiert („10 Jahre auf den Federkern der Matratze"). Während bei der selbständigen Garantie ein eigener atypischer Vertrag entsteht, der im wesentlichen sein Eigenleben führt und z. B. die regelmäßige Verjährungsfrist von 30 Jahren aufweist, stellt sich bei der unselbständigen Garantie regelmäßig das Problem der Abstimmung mit den gesetzlichen Gewährleistungsrechten und -fristen, insb. §§459 ff., 477 und 633 ff. Hier gilt grundsätzlich, daß die Garantieklausel einfach zu den Gewährleistungsrechten und -fristen hinzutritt, sie also unberührt läßt. Die Sachmängelhaftung für die Federkernmatratze richtet sich also nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 459 ff., 477, nur für die Haltbarkeit des Federkerns wird 10 Jahre lang „garantiert". Die Auslegung kann aber im Einzelfall zu Fristanpassungen führen, vgl. z. B. PalandtGramm, § 477, 4; und unten § 70 VI 8. Inhaltlich bedeutet „Garantie" Einstehenmüssen für einen Erfolg. Das ist, auch wenn es im Einzelfall um Schadenstragung gehen sollte, stets ein E r f ü l lungs-, kein Schadensersatzanspruch. Sein Inhalt ist durch Auslegung zu ermitteln, die stets zwei Dinge im Auge haben muß: Den sachlichen Gehalt und die Frist. Im Matratzen-Fall dürfte z. B. gemeint sein, daß der Käufer alle Rechte der §§ 459 ff. zuzüglich eines Nachbesserungsrechts — aber nur wegen des Federkerns — hat, dies allerdings, entgegen § 477,10 Jahre lang, vgl. unten § 70 VI 8. Wirtschaftlich verwandte Tatbestände: Von der B ü r g s c h a f t unterscheidet sich der Garantievertrag durch die Nichtakzessorietät des Garantieanspruchs und das eigene wirtschaftliche Interesse des Garantierenden, vom S c h u l d b e i t r i t t durch das Fehlen einer schon bestehenden Schuld. Wird, wie etwa bei der Forderungsgarantie, eine bestehende Schuld garantiert, kommt die Garantie dem Schuldbeitritt zwar wirtschaftlich nahe, unterscheidet sich aber dennoch von ihm durch die alleinige Ausrichtung auf das Gläubigerinteresse. Wer einer Schuld beitritt, will i. d. R. zumindest auch dem Schuldner helfen. Von der V e r t r a g s s t r a f e unterscheidet sich die Garantie durch ihren auf Erfüllung selbst zielenden Charakter, während die Vertragsstrafe nur mittelbar die Erfüllung sichern soll; vom V e r s i c h e r u n g s v e r t r a g durch das Fehlen der Prämie.

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§114;§121, 2

Fortsetzung: Konsensual- und Realverträge

b) Die k u m u l a t i v e S c h u l d ü b e r n a h m e (Schuldmitübernahme, Schuldbeitritt). Das Gesetz regelt in §§ 414 ff. die privative Schuldübernahme, durch die an die Stelle eines Schuldners ein anderer tritt, ohne daß der alte Schuldner weiterhaftet. Bei der kumulativen Schuldübernahme tritt dagegen ein neuer Schuldner neben den alten Schuldner, der weiter zur Leistung verpflichtet bleibt. Dazu unten 59 I 2 a. c) Der T r ö d e l v e r t r a g . Jemand verspricht die Bemühung (ohne Einstehen für Erfolg), eine Sache im eigenen Namen für Rechnung eines Auftraggebers zu einem Mindestpreis zu verkaufen mit der Maßgabe, daß wenn der Verkauf gelingt, ein etwaiger Mehrerlös nicht an den Auftraggeber abgeführt zu werden braucht. Mißlingt die Bemühung, darf die Sache an den Auftraggeber zurückgegeben werden. 4. A t y p i s c h sind alle V e r t r a g s v e r b i n d u n g e n und g e m i s c h t e n V e r t r ä g e , wie z. B. Beherbergungs-, Schiffsreise- und Internatsvertrag, Vorführungsverträge (Kino, Theater, Kabarett). Bei ihnen werden aufgrund von Parteivereinbarungen mehrere Vertragstypen in lockerer oder fester Form zu neuen atypischen Verträgen zusammengefügt. Der Vertrag mit einer Schiffsagentur über eine Mittelmeer-Ferienreise mit voller Verpflegung enthält z. B. Elemente des Beförderungs-(Werk-), Dienst-, Miet- und Kaufrechts. Näher dazu unten § 65. § 12

Fortsetzung: Konsensual- und Realverträge 1. Verträge kommen nach heutiger Auffassung allein durch die Willenseinigung der Vertragsparteien zustande: Angebot und Annahme begründen den Vertrag, 145 ff. (Konsensualprinzip). Wo keine besondere Form vorgeschrieben ist (anders z. B. § 313) genügt formloser, d. h. mündlicher Vertragsschluß. Alle Verträge sind daher Konsensualverträge. 2. In nur scheinbarem Widerspruch dazu steht die Formulierung von § 516 (Realschenkung), § 607 (Darlehen) und § 688 (Verwahrung). Dort wird scheinbar zur Wirksamkeit des Vertrags die allein bereichernde Zuwendung, die Auszahlung der Darlehensvaluta bzw. die Übergabe der zu verwahrenden Sache, also jeweils eine reale Handlung verlangt (Realverträge). Das BGB folgt hier romanistischer Tradition. Nach richtiger, verbreiteter Auffassung binden Darlehen und Verwahrung auch schon vor Ausführung der Übergabehandlung. Denn das Willensprinzip hat sich heute im Vertragsrecht allgemein durchgesetzt. Allerdings muß stets genau geprüft werden, wozu sich die Parteien verpflichtet haben. Der als Konsensualvertrag aufgefaßte Darlehensvertrag des § 607 verpflichtet als solcher nur zur Rückzahlung des Darlehens, nicht zur Darlehensgewährung. Das kann aber bedungen werden. Das Darlehensrückzahlungs- und das Verwahrungsversprechen als Konsensualverträge sind darum auch nicht bloße Vorverträge (unten § 23). Die Auszahlung des Darlehens und Übergabe der zu verwahrenden Sache sind Tatbestandsvoraussetzungen für die Rückzahlungs- bzw. Rückgabepflicht

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Fortsetzung: Kausale und abstrakte Schuldverhältnisse

§ 1 2 B, 4; § 1 3 1, 2

(607, 695), aber n i c h t f ü r d e n V e r t r a g s e l b s t . Der Schenkungsvertrag besteht ebenfalls nur aus einem Konsens, nämlich dem über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung, 516; allerdings ist der Schenkungsvertrag formnichtig, wenn nicht entweder die Zuwendung vollzogen wird (was auch nachträglich geschehen kann) oder der Vertrag gerichtlich oder notariell beurkundet wird, 518. (Man könnte meinen, die Darlehenshingabe sei eine ähnliche Formvorschrift. Doch ließe sich diese Analogie nur für das — wirtschaftlich schenkungsähnliche — zinslose Darlehen halten, nicht aber für das ebenfalls unter § 607 fallende verzinsliche Darlehen.) 3. Bei Realschenkung, Darlehen und Verwahrung steht das BGB historisch sicherlich auf dem Standpunkt des Realvertrags, ohne daß das jedoch die moderne Auslegung bindet. Bestritten ist, ob es sich bei folgenden Verträgen um Realverträge handelt: Leihe, 598; Eisenbahnfrachtvertrag, 453 ff. HGB; Hingabe an Erfüllungsstatt, 364 I; Hingabe erfüllungshalber, 364 II; Übertragung einer Sparbuchforderung mit Übergabe des Sparbuchs, 398. — Auch in diesen Fällen ist daran festzuhalten, daß der bloße Konsens den Vertrag zustande kommen läßt. Reale Handlungen sind als V e r t r a g s v o r a u s s e t z u n g e n nicht erforderlich, allenfalls in Vollzug des Vertrags als E r f ü l l u n g s h a n d l u n g e n , wobei weitere Pflichten ausgelöst werden können. — Bei der Schenkung ist das bloße Versprechen ohne Beachtung der in §518 vorgeschriebenen Form f o r m n i c h t i g . Will man die Form nicht, so muß die Schenkung vollzogen werden. Aber im Vordergrund steht doch der K o n s e n s über die Unentgeltlichkeit, 516. 4. Da aber die Formulierung des Gesetzes in §§ 516, 607 und 688 (Realschenkung, Darlehen, Verwahrung) immerhin auf dem Begriff des Realvertrags beruht, ist er im geltenden Recht nicht zu leugnen. Im folgenden wird daher unter R e a l v e r t r a g ein K o n s e n s u a l v e r t r a g verstanden, bei dem die für den Vertragsschluß erforderliche Willenserklärung mindestens einer Partei t y p i s c h e r w e i s e (aber nicht notwendig) durch eine Handlung schlüssig erklärt wird. Unberührt bleibt das Formproblem bei der Schenkung, wo die tatsächliche Zuwendung die Beurkundung ersetzt (und umgekehrt).

Fortsetzung: Kausale und abstrakte Schuldverhältnisse

§

v. T u h r , Zur Lehre von den abstrakten Schuldverträgen nach dem BGB, 1903. 1. Der Gegensatz „kausal-abstrakt" wird im Zivilrecht in verschiedenen Zusammenhängen verwendet, die miteinander wenig zu tun haben. Zweckmäßig fragt man stets: Abstrakt wovon ? 2. So ist die Vollmacht gemäß § 164 abstrakt vom Innenverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigten, das in einem Auftrag, einem Dienstvertrag, einer Geschäftsbesorgung u. a. bestehen kann. (Eine Durchbrechung dieser Abstraktion findet sich aber in § 168 S. 1, eine weitere in § 714.) Die Übereignung (925, 929) ist abstrakt vom zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäft, z. B. von einem Kauf oder einer Schenkung.

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§ 1 3 3,4; § 1 4 1

Verpflichtung und Verfügung

In diesen Fällen bedeutet die Abstraktion vor allem, daß Mängel des zugrunde liegenden Kausalgeschäfts das abstrakte Geschäft grundsätzlich nicht beeinflussen. Der Abstraktionsgrundsatz ist in diesen Fällen vorwiegend rechtstechnischer Art. 3. Eine andere Zielrichtung hat der Abstraktionsgrundsatz bei sog. abstrakten Schuldverträgen. Das Gesetz kennt nur wenige: Schuldversprechen, 780; Schuldanerkenntnis, 781; Anweisung im Leistungs-, nicht aber im Dekkungs- und Valutaverhältnis, 783 f., 787, 788—790; Inhaberschuldverschreibung, 793 f.; abstrakt sind auch Wechsel und Scheck, ferner alle schuldrechtlichen Verfügungen, wie z. B. Erlaß, Forderungsabtretung, Aufrechnung, Schuldumschaffung (Novation). Alle übrigen Schuldverträge sind kausal. Im Vordergrund steht hier das Interesse der Parteien (vor allem des Gläubigers), die Begründung oder Beendigung einer Forderung unabhängig zu machen von schuldnerischen Einwendungen aus vorangegangenen Geschäften. Der Darlehensgläubiger, der sich zur Sicherung seines Anspruchs aus § 607 zusätzlich noch ein abstraktes Schuldanerkenntnis, eine Anweisung oder einen Wechsel geben läßt, will verhindern, daß der Schuldner Mängel des Darlehensvertrags (z. B. einen Dissens) einem Dritten entgegenhält, an den der Gläubiger etwa den Wechsel weiter überträgt: Eine abstrakte Forderung ist leichter übertragbar, weil der neue Gläubiger nicht mit Einwendungen aus dem Grundverhältnis zu rechnen braucht („Umlaufsfähigkeit"). Hinzu kommt, auch für den Erstgläubiger, eine günstige Umkehr der Beweislast. Abstrakte Forderungen sind einwendungsärmer als kausale, sie sind daher für den Gläubiger sicherer und für Abtretungen, d. h. für den allgemeinen Rechtsverkehr geeigneter. Hieran kann auch der kreditsuchende Schuldner ein Interesse haben (Wechsel!). Abstraktion im Sinne abstrakter Schuldverträge bedeutet also auch Befreiung von Einwendungen aus Mängeln zugrundeliegender Geschäfte, aber nicht in erster Linie aus rechtstechnischen Gründen, sondern aus Gründen der Verwertbarkeit von Forderungen. 4. Abstrakt und kausal sind relative Begriffe. So kann eine Darlehensforderung aus § 607 den Rechtsgrund für ein abstraktes Schuldanerkenntnis bilden. Wird bezahlt, dann ist das Schuldanerkenntnis der Rechtsgrund für die abstrakte Übereignung des Geldes. Hier wirkt ein abstraktes Geschäft als causa für ein weiteres abstraktes Geschäft. 3. U n t e r a b s c h n i t t : § 14

Abgrenzungen

Verpflichtung und Verfügung 1. Bei den wirtschaftlichen Aufgaben, die das Schuldrecht zu erfüllen hat, war oben § 9 an erster Stelle von der V o r b e r e i t u n g v o n V e r m ö g e n s v e r s c h i e b u n g e n , und zwar e n d g ü l t i g e r Vermögensverschiebungen, die 42

Verpflichtung und Verfügung

§ 1 4 2,8

Rede. Schuldrechtliche Verpflichtungen dienen also dazu, V e r f ü g u n g e n über Sachen und Rechte vorzubereiten und zu rechtfertigen. 2. Man muß sich einen solchen typischen Erwerbsvorgang in vier Phasen vorstellen: Ein Käufer kommt in den Laden, um ein Buch zu kaufen. Dann ist in der ersten Phase der Verkäufer V Eigentümer des Buches und der Käufer K Eigentümer seines Geldes (Scheine und Münzen), 903. Die zweite Phase besteht darin, daß V und K einen Kaufvertrag schließen, 433,145 ff. Die dadurch hervorgerufenen Pflichten ändern aber die Eigentumslage in keiner Weise. Zu ihren Eigentumsrechten haben V und K nur schuldrechtliche Ansprüche aus § 433 11 bzw. II hinzuerworben. K kann jetzt von V das Buch und V von K den Kaufpreis verlangen. V ist noch Eigentümer des Buches, K des Geldes. In der dritten Phase geschieht sowohl auf Seiten des Käufers als auch auf Seiten des Verkäufers ein Doppeltes: Der Käufer einigt sich mit dem Verkäufer über den Eigentumsübergang am Buch, und der Verkäufer übergibt es ihm, 929. Hierdurch verfügt der Verkäufer über sein (dingliches) Eigentumsrecht am Buch. Die Veräußerung eines Rechts ist also eine V e r f ü g u n g über dieses Recht. Der Erwerb eines Rechts ist keine Verfügung. — Umgekehrt v e r f ü g t der Käufer über sein (dingliches) Eigentumsrecht an seinen Geldscheinen und -münzen, indem er sich mit dem Verkäufer über den Eigentumsübergang bezüglich jeder Münze und jedes Scheines einigt und ihm die Scheine und Münzen übergibt, 929. Verkäufer und Käufer treffen aber mit diesen ihren Verfügungen je eine weitere Verfügung. Durch die Leistung des Buches geht nämlich der Anspruch des Käufers aus § 433 11, durch die Leistung des Geldes der Anspruch des Verkäufers aus § 433 II unter, 362 (Erfüllung), und zwar auf rechtsgeschäftliche Weise. Jede Seite begibt sich also ihres Anspruchs dadurch, daß sie die rechtsgeschäftliche Leistung der anderen Seite als Erfüllung annimmt. Auch hierin liegt eine Verfügung über jeden dieser obligatorischen Ansprüche. Denn die Ansprüche werden durch Erfüllung zum Erlöschen gebracht (ähnlich wie gleichzeitig durch die Übereignungen das Eigentum des Verkäufers am Buch und das des Käufers an den Scheinen und Münzen zum Erlöschen gebracht wird. Ein Recht zum Erlöschen bringen heißt aber: Darüber verfügen). Verkäufer und Käufer tätigen also in der dritten Phase je zwei Verfügungen. In der vierten Phase ist der Käufer Eigentümer des Buches und der Verkäufer Eigentümer des Geldes. Ihr Eigentum ist unangreifbar mit dem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, 812, weil für die Übereignungen Ansprüche aus § 433 I und II als Rechtsgründe vorlagen. So wirken die zum Erlöschen gebrachten obligatorischen Ansprüche als Rechtsgründe (causae) im Sinne der §§ 812 ff. in alle Ewigkeit weiter. Wäre der Kauf z. B. wegen Dissenses nichtig, so hätten Käufer und Verkäufer gegeneinander Ansprüche aus § 812 11, die auf Rückübereignung (nicht bloß Rückgabe) gerichtet sind, 929. Denn das Gewährte ist zurückzugewähren. 3. Die geschilderten 4 Phasen können sich zeitlich nacheinander abwickeln. Bei größeren Geschäften wird das häufig sein. Bei Handgeschäften dagegen fallen die Vorgänge in der 2. und 3. Phase zeitlich zusammen. Trotzdem bleiben die 43

§ 144; § 15 1

Relative Wirkung der Forderung

einzelnen Phasen r e c h t l i c h geschieden (abstrakte Übereignung). Was im Beispiel an der Veräußerung einer beweglichen Sache gezeigt wurde, gilt entsprechend für Grundstücksübertragungen, Forderungsübertragungen, Sacheinlagen in Gesellschaften usw. (Abstraktionsprinzip). 4. Folgende Grundsätze lassen sich demnach aufstellen: a) Eine V e r p f l i c h t u n g ist ein (auf Rechtsgeschäft oder Gesetz beruhendes) rechtliches Band zwischen Gläubiger und Schuldner, kraft dessen der Gläubiger vom Schuldner eine Leistung verlangen kann. b) Eine V e r f ü g u n g ist ein Rechtsgeschäft, durch das ein Recht übertragen, belastet, aufgehoben oder inhaltlich geändert wird. c) Ein Verpflichtungsgeschäft läßt Rechte e n t s t e h e n , ein Verfügungsgeschäft w i r k t auf bestehende Rechte ein. d) Eine Verpflichtung b e w i r k t beim Schuldner eine Vermehrung der Passiva, beim Gläubiger eine Vermehrung der Aktiva, niemals aber eine Verminderung der Aktiva. Eine Verfügung bewirkt beim Verfügenden eine Verminderung oder inhaltliche Veränderung der Aktiva, beim Verfügungsempfänger (falls ein solcher vorhanden ist) eine Vermehrung der Aktiva, niemals aber eine Vermehrung oder Verminderung der Passiva. e) Bei Vermeidung von Bereicherungsansprüchen (812 ff.) bedarf jede Verfügung des Rechtsgrundes einer bestehenden oder erfüllten Verpflichtung. f) Im Schuldrecht überwiegen die Verpflichtungen, im Sachenrecht die Verfügungen. Schuldrechtliche Verfügungen enthalten die §§ 398, 414, 387, 397, 779 (letzteres str.). g) Erfüllungen (362) sind nur Verfügungen über den erfüllten Anspruch, wenn es zur Erfüllung eines Rechtsgeschäfts bedarf (z. B. beim Kauf auf beiden Seiten, nicht dagegen beim Dienstvertrag auf seiten des Dienstverpflichteten); dazu unten § 38 II. § lg

Relative Wirkung der Forderung 1. F o r d e r u n g e n wirken r e l a t i v , d i n g l i c h e R e c h t e wirken a b s o l u t . Was ist die Bedeutung dieses wichtigen Unterschiedes? Dingliche Rechte sind Herrschaftsrechte. Das Eigentum z. B. gibt dem Eigentümer die grundsätzlich unbeschränkte Herrschaft über eine Sache. Diese Herrschaft behauptet sich gegenüber jedermann, 903. Wer dem Eigentümer die Sache wegnimmt, beschädigt, sein Eigentum an der Sache bestreitet oder sonstwie stört, ist den Ansprüchen aus §§ 985 ff., 823 I, 1004 ausgesetzt und danach zur Rückgabe, zum Schadensersatz, zur Unterlassung der Störung verpflichtet. Diese Ansprüche wirken gegen j e d e n , der sich mit fremdem Eigentum zu schaffen macht.

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Relative Wirkung der Forderung

§15 2

Ganz anders die Forderungen. Sie wirken grundsätzlich nur für den Gläubiger und nur gegen den Schuldner. Dritte Personen sind am Schuldverhältnis nicht beteiligt, sie brauchen es nicht zu beachten und können keine Vorteile daraus für sich herleiten. 2. Fünf B e i s p i e l e sollen das verdeutlichen: a) B e s c h r ä n k u n g des G l ä u b i g e r s b e i m L e i s t u n g s a n s p r u c h auf seinen Schuldner V verkauft sein Auto zuerst an Kj, ohne es ihm zu übereignen, danach verkauft und übereignet er es an K2. Beide Kaufverträge sind wirksam, denn man kann, weil Verpflichtungen die dingliche Rechtslage nicht berühren (oben § 14), eine Sache beliebig oft verkaufen, vermieten, verpachten usw. hat wegen der relativen Wirkung seiner Forderung Ansprüche nur gegen V, nicht gegen K2, der nun das Auto besitzt. Da V das Auto durch sein Verschulden nicht mehr liefern kann, verwandelt sich der Leistungsanspruch des K t in einen Schadensersatzanspruch aus §§ 440 I, 325 (verschuldetes nachträgliches Unvermögen im gegenseitigen Vertrag). An K2 kann sich K^ nicht halten; das gekaufte Auto erhält K t also nicht. b) B e s c h r ä n k u n g des G l ä u b i g e r s b e i der L e i s t u n g s s t ö r u n g auf s e i n e n S c h u l d n e r Frau F kauft beim Einzelhändler E ein Bügeleisen, das, wie sich herausstellt, an einem wesentlichen Konstruktionsfehler leidet. Mit ihren Gewährleistungsansprüchen wegen Sachmängeln (459 ff.) kann sich Frau F nur an E, nicht an den Hersteller H halten, dessen Konstrukteure den Fehler verschuldeten. Denn ihre Rechte aus dem Kauf richten sich nur gegen den E. (Die Sachmängelhaftung setzt ausnahmsweise kein Verschulden voraus 1) E muß, wenn Frau F ihn in Anspruch nimmt, seinen Rückgriff gegen H richten. Ist noch ein Großhändler G eingeschaltet, der Hs Produkte an die Einzelhändler verteilt, haftet G dem E, und H dem G. Ein direkter Weg vom Verbraucher zum Hersteller besteht im Rahmen der Vertragshaftung nicht (Relativität der Forderungen), nur bei der Haftung aus unerlaubter Handlung. Zur Produktenhaftung unten § 50 II 3d und § 107 I 2c. c) B e s c h r ä n k u n g des S c h u l d n e r s auf s e i n e n G l ä u b i g e r S schuldet 1000,— dem G, zahlt aber auf Bitten von Frau G an diese, damit G das Geld nicht vertrinkt. Frau G hatte keine Vollmacht für G. S befreit sich nicht, denn er kann nur an den Gläubiger G erfüllen, 362. G kann von S noch einmal 1000,— fordern, wenn seine Frau ihm das Geld vorenthält. Gegen Frau G hat S einen Bereicherungsanspruch, 812 I 2 (2). d) U n b e a c h t l i c h k e i t des S c h u l d v e r h ä l t n i s s e s f ü r D r i t t e : Zession G t hat eine Forderung gegen S, die er an G2 abtritt, 398, ohne S zu benachrichtigen. Danach kassiert er die Forderung bei S, dem er die Abtretung ver-

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§ 1 5 8,4; § 1 6

Unvollkommene Verbindlichkeiten

schweigt. Nach dem oben zu c) Gesagten müßte S noch einmal an G2 zahlen. Um den Schuldner in solchen Fällen zu schützen, sieht § 407 I ausnahmsweise befreiende Zahlung vor, wenn der Schuldner an den ihm allein bekannten (Alt-) Gläubiger zahlt. Hiernach würde G2 leer ausgehen. G2 kann sich aber nach § 816 II und aus verletztem Vertrag an G t halten (culpa post pactum perfectum). Der Anerkennung der Gläubigerschaft als absolutem Recht im Sinne des § 823 I bedarf es nicht (anders Larenz I 6 § 2 II. Dazu unten § 56 V; 103 I 6 a). e) U n b e a c h t l i c h k e i t des S c h u l d v e r h ä l t n i s s e s für D r i t t e : Abwerbung Gastwirt W bezieht aufgrund eines 20 Jahre laufenden Vertrags Bier von der Brauerei B. Nach Ablauf von 10 Jahren geht W zur Konkurrenzbrauerei K über. Wegen Vertragsbruchs kann sich B an W halten, nicht aber an K, da die Konkurrenzbrauerei den bestehenden Liefervertrag nicht zu beachten braucht. Nur bei sittenwidriger Verleitung zum Vertragsbruch oder sonstigem unlauterem Wettbewerb haftet K der B aus §§ 826; 1 UWG, nicht aber schon bei bloßer A u s n u t z u n g fremden Vertragsbruchs (sehr str.). 3. Es gibt Ausnahmen, in denen ein Schuldverhältnis für oder gegen Dritte wirkt: Berechtigender Vertrag zugunsten Dritter, 328; direkte Ansprüche gegen Dritte bei Miete und Leihe, 556 III, 604 IV (analog nach h. M. auch für Verwahrung); Drittschadensersatz. 4. Zwischen der Relativität von Schuldverhältnissen, dem Abstraktionsgrundsatz bei der Übereignung und den Regeln des gutgläubigen Erwerbs bestehen Zusammenhänge, die kennzeichnend für jede Rechtsordnung sind. Wenn A an B eine Sache verkauft, ohne sie zu übereignen, und danach dieselbe Sache an C verkauft und übereignet, wird C Eigentümer, B kann sich wegen der Relativität seines Kaufanspruchs nur an A, nicht an C halten. Nach französischem Recht, das das Eigentum durch Kauf übergehen läßt, würde erst B Eigentümer, aber C würde, wenn er A für den Eigentümer hält, das Eigentum gutgläubig erwerben, artt. 711, 1138, 1141, 1583, 2279 c. c.; B würde das Eigentum wieder verlieren. Das Ergebnis ist also das gleiche wie im deutschen Recht: Wer den Besitz bekommt und vertraut, gewinnt. Wer nur vertraut, muß die Enttäuschung seines Vertrauens büßen. B muß sich wegen seiner Schadensersatzforderung nach beiden Rechten an A halten. Die Relativität der Schuldverhältnisse ist also Ausdruck der Zweiseitigkeit von Vertrauensbeziehungen. Im Konflikt mit dem Schutz des redlichen Rechtsverkehrs ist die Relativität der Schuldverhältnisse mittelbar ein Teil des allgemeinen Prinzips: Beatus possidens. Vgl. dazu §§ 932 ff., 817 S. 2. § 16

Unvollkommene Verbindlichkeiten und verbindlichkeitsähnliche Tatbestände K l i n g m ü l l e r , Die Lehre von den natürlichen Verbindlichkeiten, 1905; M a h l e r , Die natürlichen Verbindlichkeiten des BGB, 1909; R e i c h e l , Unklagbare Ansprüche, 1911.

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Unvollkommene Verbindlichkeiten

§16

11,2

Zum Wesen der Forderung gehört regelmäßig ihre Durchsetzbarkeit: Der Staat stellt seine Gerichte und Vollstreckungsbehörden dem Gläubiger zur Verfügung, wenn der Schuldner nicht leisten will oder kann. Nicht jede Forderung richtet sich auf Erfüllung, so z. B. nicht die Nebenpflichten auf Auskunft und auf Unterlassung der Vertragszwecksgefährdung (dazu oben § 8, 3), vgl. auch 374 II, 545. Im Falle der Verletzung solcher Forderungen entstehen aber Schadensersatzansprüche wegen Schlechterfüllung. Deshalb handelt es sich auch hierbei um vollkommene, vollgültige Forderungen, die den Schuldner binden. Wegen dieses den Schuldner bindenden Charakters der Forderung spricht man auch von V e r b i n d l i c h k e i t . Es gibt aber Verbindlichkeiten, die nicht eingefordert werden können (unvollkommene Verbindlichkeiten), I. Ferner finden sich rechtserhebliche Tatbestände, die keine Verbindlichkeiten darstellen, ihnen aber ähneln, II. I. U n v o l l k o m m e n e V e r b i n d l i c h k e i t e n („Naturalobligationen", der Ausdruck ist veraltet): 1. N i c h t d u r c h s e t z b a r e F o r d e r u n g e n Bei ihnen kann die geschuldete Leistung gefordert, aber nicht erzwungen werden. Eine Verbindlichkeit besteht und kann erfüllt, gegebenenfalls auch gesichert, aufgerechnet usw. werden. a) V e r j ä h r t e F o r d e r u n g e n sind vollständige, erfüllbare Forderungen, doch sind sie nicht durchsetzbar, wenn der Schuldner die Einrede der Verjährung erhebt, 222, 223. Der Gläubiger soll die Rechtsverfolgung nicht über Gebühr verzögern, und der Schuldner soll nach Ablauf einer gewissen Zeit vor nicht mehr erwarteten Forderungen geschützt sein. b) Aus dem Verlöbnis kann nicht auf Eingehung der Ehe geklagt werden, 1297 I. Der sittliche Gehalt der Ehe widerspricht der Durchsetzbarkeit des Verlöbnisanspruchs. c) A u s f a l l f o r d e r u n g e n n a c h r e c h t s k r ä f t i g b e s t ä t i g t e m Zwangsv e r g l e i c h sind zum Schutze des Vergleichsschuldners nicht durchsetzbar, 82 VerglO, 193 KO. 2. E r f ü l l b a r e N i c h t f o r d e r u n g e n Die geschuldete Leistung kann nicht gefordert, aber erfüllt und dann nicht deswegen zurückgefordert werden, weil kein Forderungsrecht bestand. Das Gesetz spricht in diesen Fällen vom Fehlen einer „Verbindlichkeit". In Wahrheit liegt wegen der Erfüllungsmöglichkeit eine Verbindlichkeit vor, doch fehlt ihr das Forderungsrecht, d. h. die Fähigkeit, eingeklagt, gesichert, aufgerechnet usw. zu werden. Lediglich die Erfüllungsmöglichkeit besteht. a) Verbindlichkeiten aus Spiel, Wette, nicht staatlich genehmigter Lotterie und Differenzgeschäft können nicht eingefordert, sondern nur freiwillig erfüllt werden, 762—764. Die Rechtsordnung billigt solche Verbindlichkeiten nicht, doch wäre eine Rückforderung von bereits Geleistetem auch in diesen Fällen nicht anständig (in pari turpitudine melior est conditio possidentis, s. auch § 817 S. 2). Sondervorschriften gelten aufgrund der §§ 58—70 des Börsengesetzes v. 27. 5. 08, RGBl. 215 für Börsentermingeschäfte.

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§16111,2; § 1 7 1

Vorbemerkung

b) Entsprechend kann ein Ehemaklerlohn nicht eingefordert, nur erfüllt werden, 656. Die Kunden dieses Gewerbes sollen nach Ansicht des Gesetzgebers auf Vorleistung verwiesen werden. II. V e r b i n d l i c h k e i t s ä h n l i c h e T a t b e s t ä n d e Bei den nachstehenden Tatbeständen liegen keine Verbindlichkeiten vor, auch keine unvollkommenen. Es handelt sich um Rechtslagen, die mit Verbindlichkeiten eine jeweils sehr verschiedene Verwandtschaft aufweisen. 1. Nicht r ü c k f o r d e r b a r e A n s t a n d s z u w e n d u n g e n Was aus sittlicher Pflicht oder wegen einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht oder als Ausstattung geleistet wird, ohne daß eine Rechtspflicht zur Leistung besteht, kann aus Gründen des Anstands nicht zurückgefordert werden, 814, 1624. Auf Ausstattungen findet teilweise Schenkungsrecht Anwendung. 2. Lasten und Obliegenheiten Lasten und Obliegenheiten stehen unabhängig neben Verbindlichkeiten. Sie unterscheiden sich von Verbindlichkeiten dadurch, daß ihre Nichtbefolgung lediglich einen rechtlichen Nachteil für den mit sich bringt, den die Last oder Obliegenheit trifft. Erfüllung, Schadensersatz o. ä. kann aus einer Last oder Obliegenheit nicht verlangt werden. E r f ü l l b a r e P f l i c h t e n sind nur a n d e r e n Personen, nämlich den Gläubigern geschuldet. Pflichten gegen sich selbst gibt es n i c h t (wenn man von der Möglichkeit rechtswidrig nicht erfüllter Obliegenheiten absieht, siehe unten b). a) Wohl aber kennt das Gesetz Lasten (Molitor § 3 V). Lasten sind Tätigkeiten, die man zwar nicht von Rechts wegen vornehmen muß, deren Nichtbefolgung aber Rechtsnachteile mit sich bringt (Beispiele: 478, 479, 485; 377, 378 HGB; 33 ff. VVG). b) Auch setzt die Haftungsminderung durch mitwirkendes Verschulden nach § 254 logisch eine „Sorgfaltspflicht gegen sich selbst" voraus, die zwar keine Pflicht im Schuldrechtssinne, wohl aber eine Obliegenheit im eigenen und im Schuldnerinteresse ist. Der Unterschied zwischen Lasten und Obliegenheiten besteht darin, daß die Versäumung einer Last nicht rechtswidrig ist, die einer Obliegenheit dagegen wohl (Esser § 28, 5). Bei der Obliegenheit muß daher, aber nur für die Zwecke ihrer Feststellung als rechtswidrig, eine Rechtspflicht gegen sich selbst angenommen werden. Gegen die Zusammenfassung beider Gruppen unter einen einheitlichen Obliegenheitsbegriff zurecht Esser a. a. 0.

2. A b s c h n i t t

Begründung des Schuldverhältnisses § IV

Vorbemerkung

1. Die Fragen der Begründung eines Schuldverhältnisses sind nicht nur theoretischer Natur, sondern von unmittelbarer Bedeutung für die Lösung

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Überblick über die Entstehungsarten

§172,8; §18

eines Rechtsfalles. Fast jeder Rechtsfall wirft nach Schilderung eines historischen S a c h v e r h a l t s die Frage nach den A n s p r ü c h e n auf, die den Beteiligten untereinander zustehen (näher oben § 6). A hat sich in der städtischen Leihbücherei einen Roman geliehen und dafür 20 Pf. Leihgebühr bezahlt. A schenkt nach Entfernung der Stempel den Roman seinem gutgläubigen Freund F zum Geburtstag. Wer wird hier Ansprüche geltend machen? Bei der Prüfung, welche Ansprüche in Frage kommen, bildet den E i n s a t z p u n k t regelmäßig der Gedankengang, der in diesem Abschnitt zu entwickeln ist. Man muß sämtliche mögliche Entstehungsgründe der Ansprüche durchgehen, um die Beantwortung der im Fall gestellten Fragen vorzubereiten. Dazu gehört — in diesem Zusammenhang — auch die Prüfung aller Entstehungsmöglichkeiten von Schuldverhältnissen. 2. Die im Zivilrecht häufigsten Ansprüche beruhen auf Schuldverhältnissen ( s c h u l d r e c h t l i c h e A n s p r ü c h e ) . Die zweitwichtigste Gruppe sind die sachenrechtlichen. Schuldrechtliche Ansprüche, so lautet die allgemeine Wendung, beruhen e n t w e d e r auf V e r t r a g o d e r G e s e t z . Beides ist nicht ganz genau. Statt „Vertrag" müßte es heißen „Rechtsgeschäft", denn es gibt einige wenige Fälle rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse, die nicht auf Verträgen beruhen (Auslobung, vgl. dazu auch oben § 10 I). Statt „Gesetz" müßte es heißen „lediglich auf Gesetz", denn daß Rechtsgeschäfte die Quelle von Schuldverhältnissen sind, steht auch im Gesetz, 305. Mit diesen Einschränkungen ist die Formel, Schuldverhältnisse beruhten auf Vertrag oder Gesetz, brauchbar und prägnant. Im Fall des „Vertrags" ist es menschlicher Wille, der zu rechtlicher Bindung führt, in dem des „Gesetzes" tritt die Bindung ohne einen darauf gerichteten Willen, lediglich kraft gesetzlicher Vorschrift ein. 3. Der folgende § 18 muß die Einteilung der Begründungsarten von Schuldverhältnissen weiterführen. Dabei wird sich zeigen, daß es neuerdings ein eigenartiges Mischgebiet gibt, bei dem man die Begründung von Schuldverhältnissen mit gutem Grund sowohl der Vertragssphäre als auch der Gesetzessphäre zurechnen kann (insb. die sog. faktischen Vertragsverhältnisse, unten § 18 III). Danach sind die Entstehungsgründe eines Schuldverhältnisses durch Vertrag noch einmal gesondert zu betrachten, § 19, sowie die damit eng zusammenhängenden vorvertraglichen Sorgfaltspflichten, §20. Verfassungsrechtliches Kernproblem ist dabei die sog. Vertragsfreiheit, § 21. Anschließend werden noch vier Spezialprobleme der Begründung von Schuldverhältnissen erörtert: Die Form des Vertrags, § 22; der Vorvertrag, § 23; der Rahmenvertrag, § 24; und Draufgabe und Vertragsstrafe, § 25. — Die Ausführungen beschäftigen sich (von § 19 an) mit vertraglichen Schuldverhältnissen. Die gesetzlichen Schuldverhältnisse werden, vom Überblick in § 18 abgesehen, nur im besonderen Schuldrecht, also als einzelne Schuldverhältnisse behandelt, unten §§ 83, 97—101,102—114. Überblick über die Entstehungsarten B e t t i , Über sogenannte faktische Vertragsverhältnisse, Festschrift für H. Lehmann 1956, Bd. I, 253; Blomeyer, Arwed, MDR 57,153; Dölle, ZStW 4

Fikentscher, Schuldrecht

49

§1811,2

Überblick über die Entstehungsarten

103, 67; E i c h l e r , Die Rechtslehre vom Vertrauen, 1950; E i t z b a c h e r , Das rechtswirksame Verhalten, 1903; Esser, AcP 157, 86; F l u m e , Rechtsgeschäft und Privatautonomie, Festschrift f. den DJT 1960, 135, 183; ders., AcP 161, 52; H a u p t , Über faktische Vertragsverhältnisse, 1941; H i l d e b r a n d t , Erklärungshaftung, 1931; J a c o b i , JherJb 35, 1; K r a u s e , Schweigen im Rechtsverkehr, 1933; L a r e n z , NJW 56,1897; d e r s . , MDR 54, 515; ders., DRiZ 58, 245; L e h m a n n , H., JherJb 90, 131; d e r s . , NJW 58, 1; Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939; N i k i s c h , Über faktische Vertragsverhältnisse, Festschrift f. Dölle, Bd. 1,1963, 79; N i p p e r d e y , MDR 57,129; S i e b e r t , Faktische Vertragsverhältnisse, Abwandlungen des Vertragsrechts in den Bereichen der Daseinsvorsorge, des Gesellschaftsrechts und des Arbeitsrechts, 1958; S i m i t i s , Die faktischen Vertragsverhältnisse als Ausdruck der gewandelten sozialen Funktionen der Rechtsinstitute des Privatrechts, 1957; W i e a c k e r , JZ 57, 61; ders., Willenserklärung und sozialtypisches Verhalten, Festschrift f. das OLG Celle, 263ff. Dazu die vor §20 und §21 zitierte Literatur. I. S c h u l d v e r h ä l t n i s s e aus R e c h t s g e s c h ä f t 1. E i n s e i t i g e R e c h t s g e s c h ä f t e , die Schuldverhältnisse begründen, sind selten: Im Schuldrecht findet sich nur die Auslobung, 657, im BGB ferner das Stiftungsgeschäft (80, 82) und das Vermächtnis (2174). Im übrigen kann man sich nicht einseitig zu etwas verpflichten (über die umstrittenen Fälle siehe oben § 10 I). Wer einem anderen 100,— verspricht, schuldet sie ihm erst, wenn der andere das Versprechen angenommen hat. Dann liegt ein zweiseitiges Rechtsgeschäft vor (Vertrag). Das Recht will grundsätzlich verhindern, daß man einem andern eine Forderung aufdrängt. Jeder soll grundsätzlich Herr sein über seine Bilanz von Aktiven und Passiven. (Das ist vor allem für das Steuerrecht, aber auch in anderm Zusammenhang, z. B. für die Berechnung des Zugewinns nach §§ 1371 ff. von Bedeutung). Es gibt darum auch keinen einseitigen Verzicht auf eine Forderung, sondern lediglich den Erlaßvertrag, 397. Nur dem aus einer Auslobung Berechtigten, der die Handlung ohne Rücksicht auf die Auslobung vorgenommen hat, muß man, um dem Grundsatz treu zu bleiben, eine einseitige Verzichtmöglichkeit zubilligen, näher unten § 85. Bei der Stiftung kann die staatliche Genehmigung verweigert werden, § 80. Ein Vermächtnis kann ausgeschlagen werden, 2176. 2. V e r t r a g l i c h e S c h u l d v e r h ä l t n i s s e stehen im Vordergrund. Ihre Begründung ist gesondert zu besprechen (unten §§ 19 ff.). Wird im Fall nach Ansprüchen gefragt, so ist zu prüfen, aus welchem Vertrag die Ansprüche entstanden sein können. Hat sich A gegen 20 Pf. Leihgebühr aus der städtischen Leihbücherei einen Roman geliehen, den er seinem Freund F zum Geburtstag schenkt, so wird die Stadt, die als juristische Person die Leihbücherei betreibt, das Buch zurückzuerhalten bestrebt sein. Ihr Rückgabeanspruch kann einem Mietverhältnis entstammen,'556 I (nicht Leihe, da entgeltlich!). Dieser Anspruch richtet sich aber nur gegen den Mieter A, der das Buch nicht mehr besitzt. Dem F hat A auch nicht bloß den Gebrauch, sondern die Sache

50

Überblick über die Entstehungsarten

§ 1 8 3; I I I

selbst g e w ä h r t , so d a ß der A n s p r u c h aus § 5 5 6 I I I gegen F nicht gegeben ist. E i n vertraglicher A n s p r u c h steht der S t a d t gegen F also nicht zu. Allerdings h a f t e t A g e m ä ß §§ 5 5 6 I, 3 2 5 1 1

auf Schadensersatz (dazu u n t e n § 4 4 I I ) .

Gegen A u n d F müssen weiter gesetzliche A n s p r ü c h e geprüft werden. 3. In Notzeiten oder Notfällen bedient sich der Gesetzgeber gelegentlich zwangsweise den Parteien auferlegter „vertraglicher" Schuldverhältnisse. Das ist vor allem dann erforderlich, wenn sich ein wirtschaftliches Ungleichgewicht zwischen den Partnern eingestellt hat, das auf andere Weise vorerst nicht beseitigt werden kann (diktierte Verträge). Das Bewirtschaftungsrecht der Kriegsund Nachkriegszeit kannte diktierte Verträge in großer Zahl. Heute sind sie noch in der Wohnungsbewirtschaftung (Zuweisung eines Zwangsmieters), bei der zwangsweisen Einstellung Schwerbeschädigter und bei der landwirtschaftlichen Zwangspacht von Bedeutung, unten §§ 74 I V ; 75 I I 6 ; 79 I 4 c tx. In diesen Fällen wird den Parteien durch behördlichen Anspruch ein privater Vertrag mit einem von Gesetz und Behörde festgestellten Inhalt auferlegt. II. S c h u l d v e r h ä l t n i s s e

aus

G e s e t z . Man kann im Schuldrecht drei

wichtigere Gruppen unterscheiden, die ergänzt werden d u r c h die A n s p r ü c h e aus d e m sachenrechtlichen E i g e n t ü m e r - B e s i t z e r v e r h ä l t n i s u n d eine K a t e g o r i e der „ s o n s t i g e n " wichtigen Ansprüche aus Gesetz. I s t n a c h Ansprüchen gefragt, sind in aller Regel neben den Schuldverhältnissen „ a u s V e r t r a g " zumindest diese fünf wichtigen Anspruchsgruppen „ a u s G e s e t z " durchzuprüfen. Die fünf wichtigen Kategorien sind: Unerlaubte Handlung, ungerechtfertigte Bereicherung, Geschäftsführung ohne Auftrag, die Ansprüche des Eigentümers gegen den Besitzer und „sonstige" gesetzliche Ansprüche. 1. S c h u l d v e r h ä l t n i s s e

aus

unerlaubter

Handlung

(„zurechen-

bare S c h ä d i g u n g " ) , 8 2 3 — 8 5 3 , dazu die Sondergesetze der Gefährdungshaftung. Hier entstehen Schuldverhältnisse,

weil einer d e m andern eine unerlaubte

Schädigung zugefügt h a t . D a s Schuldverhältnis zielt auf W i e d e r g u t m a c h u n g des Schadens ab, indem es den Geschädigten z u m Gläubiger u n d den Schädiger zu seinem Schuldner m a c h t . D e r Anspruch geht auf Schadensersatz. Man unterscheidet die V e r s c h u l d e n s - , die G e f ä h r d u n g s - und die B i l l i g k e i t s h a f t u n g . Die erste bildet die Regel (insb. aufgrund der § § 8 2 3 — 8 2 6 , dazu unten §§ 102—108). Die zweite und dritte bilden nach dem B G B die Ausnahmen. Dabei kommt aber der Gefährdungshaftung eine immer größere B e deutung zu. B e i ihr wird nicht wegen s c h u l d h a f t e r Schadenszufügung, sondern auch wegen schuldloser Schädigung im Verlauf einer erlaubten, aber g e f ä h r l i c h e n Tätigkeit gehaftet. Die Haftung des Kraftfahrzeughalters und -fahrers gemäß dem Straßenverkehrsgesetz (zuletzt vom 1 9 . 1 2 . 1 9 5 2 ) ist das bedeutsamste Beispiel. Im einzeln unten § 109. Die Billigkeitshaftung des § 829 ist selten und h a t subsidiäre Natur (dazu unten § 110). Neben seiner Haftung auf Schadensersatz aus § 325 1 1 trifft im Beispiel des aus der städtischen Leihbücherei „entliehenen" Buches den A auch die Haftung 4

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§18112,3

Überblick über die Entstehungsarten

auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung wegen schuldhafter Verletzung des Eigentums der Stadt am Buch, 823 I, 903, 929, 935, 932, und des mittelbaren Besitzes (der ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 I ist), §§ 823 I, 868. Ferner haftet A wegen der von ihm begangenen Unterschlagung, 823 II; 246 StGB; sowie wegen der sittenwidrigen Schädigung der Stadt, 826. Da F gutgläubig ist, kommt er als Mittäter einer unerlaubten Handlung nicht in Betracht, §§ 830, 840. — A ist zwar möglicherweise nicht mehr zum Besitz berechtigt, als er das Buch verschenkt. Das spielt aber nach der unten § 102 V 2, 3 und §1031 4c gerade mit Rücksicht auf diese Fälle gegebenen Begründung für die direkte Anwendbarkeit der §§ 823 ff. keine Rolle; siehe auch unten 4. 2. S c h u l d v e r h ä l t n i s s e aus u n g e r e c h t f e r t i g t e r B e r e i c h e r u n g , 812—822 Auch hier entstehen Schuldverhältnisse ohne rechtsgeschäftlichen Willen, allein durch die Erfüllung bestimmter, vom G e s e t z aufgestellter Tatbestände. Während bei der unerlaubten Handlung zurechenbare Schädigungen in bestimmten, vom Gesetz aufgezählten Fällen wiedergutgemacht werden sollen (Enumerationsprinzip), stehen die Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung unter einem allgemeinen Grundsatz (Generalklausel): Wer ohne rechtlichen Grund etwas erlangt hat, muß das Erlangte (hilfsweise seinen Wert) zurückerstatten (im einzelnen siehe unten §§ 97—101). Da zwischen der Stadt (durch ihren Vertreter, den Bücherausleiher, 164) und A ein Mietvertrag über den „entliehenen" Roman zustande kam, erhielt A den Besitz des Buches nicht ohne Rechtsgrund. A haftet daher der Stadt aus §§ 812 ff. nicht. Die Bereicherung erfolgte nicht ungerechtfertigt. F hat gemäß §§ 929, 935, 932 von A als nichtberechtigt Verfügendem gutgläubig das Eigentum an dem Buch erworben, während es die Stadt im gleichen Augenblick verlor. Die Stadt könnte nach § 816 11 von A den Erlös verlangen, den A von F erhält, bis zur Höhe des Buchwerts (str., dazu unten § 99 IV 2a ß; anders wohl die z. Zt. herrschende Meinung, BGHZ 29, 157, wo allerdings § 242 zur „Milderung" herangezogen wird). Da aber A das Buch verschenkt, ist ein Erlös nicht vorhanden. Die Stadt kann statt dessen von F gemäß § 816 I 2 Übereignung des Buches nach § 929 an sich selbst verlangen. Gelingt ihr das, hat sie insoweit keinen Schaden, so daß A in diesem Rahmen von den Schadensersatzansprüchen frei geworden ist. 3. S c h u l d v e r h ä l t n i s s e 677—687

aus G e s c h ä f t s f ü h r u n g ohne

Auftrag,

Auch ohne Vertrag (insb. Auftrag) entstehen die Pflichten aus §§ 677, 678, 682, 683, 684, 687 II. Ein gesetzliches Schuldverhältnis wird zwischen einem „Geschäftsherrn" und einem „Geschäftsführer" allein dadurch begründet, daß der Geschäftsführer aus eigener Initiative etwas im Interesse des Geschäftsherrn tut, z. B. in seiner Abwesenheit Polizei und Versicherung von einem Einbruchdiebstahl verständigt. Auch der böswillige („unechte") Ge-

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Überblick über die Entstehungsarten

§ 18II4,6; D i l

schäftsführer haftet, 687 II. Das Veräußern des Buches war nicht Sache des A, sondern allenfalls Recht der Stadt als Eigentümerin. Hätte A von F etwas für das Buch bekommen, so müßte A den vollen erlangten Preis als unechter Geschäftsführer ohne Auftrag nach §§ 687 II, 681 S. 2, 667 an die Stadt herausgeben. So verbleibt es bei der Schadensersatzpflicht aus § 678. 4. L e i s t u n g s v e r h ä l t n i s s e aus den B e z i e h u n g e n zwischen E i g e n t ü m e r u n d B e s i t z e r e i n e r S a c h e , 985—1007 Man kann darüber streiten, ob es sich bei diesen Ansprüchen um schuldrechtliche Ansprüche handelt, die im Sachenrecht geregelt sind, oder um sachenrechtliche Leistungsansprüche. Das letztere ist richtig, vgl. oben § 1 1 3 und I I 2 b. Der Streit hat keine tiefere Bedeutung. Wichtig ist, daß diese Ansprüche neben denen aus Vertrag, und zum Teil auch neben denen aus unerlaubter Handlung und ungerechtfertigter Bereicherung geltend gemacht werden können. Sie müssen daher bei Erstellung eines Gutachtens stets mit in Erwägung gezogen werden. Die Erörterung der Ansprüche gehört ins Sachenrecht. Zu den Konkurrenzen unten § 102 V. Solange die „Leihfrist" läuft und A das Buch bei sich hat, kann A dem Anspruch der Stadt aus § 98B auf Rückgabe des Buches die Einwendung der Berechtigung zum Besitz aus §§ 986 11, 535 S. 1 entgegenhalten. Nach Ablauf der „Leihfrist" schuldet A Rückgabe des Buches aufgrund der §§ 556 I, 985. Macht sich A diese Rückgabe vor oder nach dem Ende der „Leihfrist" durch Verschenken des Buches unmöglich, so haftet er neben §§ 556 I, 325 1 1 auch aus §§ 823 ff. (oben 1.). Die herrschende Meinung wendet statt dessen bei Eintritt der Unmöglichkeit nach Ende der Leihfrist §§ 990 I 2, 990 11, 989 an und versagt Ansprüche aus §§ 823 ff. Dazu unten § 102 V und § 103 I 4. Gegen F, der gemäß §§ 929, 935, 932 gutgläubig erworben hat, kann die Stadt als Nichteigentümerin nichts unternehmen.

5. S o n s t i g e S c h u l d v e r h ä l t n i s s e aus G e s e t z (Beispiele) a) b) c) d) e) f) g) h)

Zwischen Finder und Verlierer, 965 ff. Aufgrund Pfandrechts, 1215 ff. Aufgrund Nießbrauchs, 1030 ff. Innerhalb von Gemeinschaften, 741 ff., 2032 ff. Zwischen Vormund und Mündel, 1793 ff. Bei Vermögensverwaltungen, 1985 Zwischen Erben und Erbschaftsbesitzer, 2018 ff. Familienrechtliche Unterhaltspflichten, 1600 ff.

III. Die s o g e n a n n t e n f a k t i s c h e n V e r t r a g s v e r h ä l t n i s s e 1. Bei vier Fallgruppen ist zweifelhaft, ob sie sich in die Zweiteilung „Schuldverhältnisse aus Vertrag und aus Gesetz" einordnen lassen. Man kann die vier Fallgruppen im Anschluß an Haupt zusammenfassend die f a k t i schen V e r t r a g s v e r h ä l t n i s s e nennen. Ihnen ist gemeinsam, daß zumindest

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§ 18 ras

Überblick über die Entstehungsarten

vertragsähnliche Schuldverhältnisse entstehen, obwohl die Beteiligten keinen oder keinen fehlerfreien r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e n W i l l e n geäußert haben. Man müßte diese Schuldverhältnisse also als g e s e t z l i c h e bezeichnen. Doch scheint das Gesetz keine passenden Vorschriften zu enthalten. Ein großer Teil der Lehre und Rechtsprechung nimmt daher an, daß bei den sogenannten faktischen Vertragsverhältnissen vertragliche Schuldverhältnisse aus rein tatsächlichem Verhalten entstehen (u. a. Larenz, Esser, BGH). In systematischer Hinsicht hat man versucht, neben Schuldverhältnissen aus Vertrag und aus Gesetz eine dritte Art festzustellen, die man „Schuldverhältnisse aus rechtlich relevantem Verhalten" oder „rechtlich wirksamem Verhalten" nannte (Flume). Dieser Weg ist wenig erfolgversprechend, da auch die §§ 812 ff., 823 ff. rechtlich wirksames Verhalten regeln und eine überzeugende Abgrenzung daher nicht möglich erscheint. So ist die Eingliederung der faktischen Vertragsverhältnisse in das Schuldrechtssystem heute noch eine offene Frage.

Es bleibt somit nur diese Alternative: Entweder muß man zur Erfassung der sog. faktischen Vertragsverhältnisse als V e r t r ä g e den klassischen willensgetragenen Vertragsbegriff zu einem objektiven, willensunabhängigen Vertragsbegriff erweitern (Betti, anders wiederum Bärmann), oder es liegen im Bereich der sog. faktischen Vertragsverhältnisse Gesetzeslücken innerhalb der g e s e t z l i c h e n Schuldverhältnisse vor. Da man den willensgetragenen Vertragsbegriff als eine der entscheidenden Errungenschaften des modernen Privatrechts nicht ohne Not fallen lassen sollte (L. Raiser), ist der zweite Weg der Suche und der Schließung von Gesetzeslücken im Bereich der gesetzlichen Schuldverhältnisse vorzuziehen. In diese Richtung scheint die bisher herrschende Meinung zu gehen. Unabhängig davon und zuvor aber ist zu prüfen, wie weit sich die vier Fallgruppen nach bewährten Regeln des Zivilrechts lösen lassen, ohne auf die Theorie der Lückenfüllung zurückgreifen zu müssen. Hiernach wird im folgenden verfahren. 2. Es handelt sich um folgende vier Fallgruppen, wobei von der Einteilung Haupts ausgegangen wird: a) „ S c h u l d v e r h ä l t n i s s e a u s s o z i a l e m K o n t a k t " Gemeint sind vor allem die Fälle des Verschuldens bei Vertragsschluß, deren Lösung aber prinzipiell keine Schwierigkeiten mehr macht, vgl. unten § 20. Sie als „faktische Vertragsverhältnisse" aufzufassen, wird überwiegend und mit Recht abgelehnt. Außerdem erscheint der Ausdruck „sozialer Kontakt", jedenfalls in diesem Zusammenhang, zu weit gespannt, um sachlich etwas auszusagen (H. Lehmann).

b) „ S c h u l d v e r h ä l t n i s s e aus „ E i n g l i e d e r u n g s Verhältnisse"

Gemeinschaftsverhältnissen",

Wird aufgrund eines v e r t r a g l i c h nicht wirksam zustande gekommenen D i e n s t - (insb. A r b e i t s v e r h ä l t n i s s e s Arbeit geleistet, so erscheint die

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Überblick über die Entstehungsarten

§ 18 m s

Berufung des aus § 812 auf Zahlung eines „Lohnes" in Anspruch genommenen Dienstherrn auf § 818 III (Wegfall der Bereicherung) unbillig. Doch untersteht auch der Schuldner des Bereicherungsanspruchs dem Gebot von Treu und Glauben, 242, das ihm in solchen Fällen die Entreicherungseinrede in der Regel versagt (näher unten § 79). Die Annahme eines faktischen Dienstvertrags erfolgte hier bei einigen Rechtslehrern (Siebert, Haupt) zur Behebung rechtsgeschäftlicher Mängel. Da sich aber diese Mängel, wie noch auszuführen sein wird, nach Bereicherungsrecht und nach dem Treu-und-Glauben-Satz ausgleichen lassen, erscheint insoweit die Bejahung eines faktischen Vertrags wohl unnötig. Wird ein vertraglich nicht wirksam zustande gekommener G e s e l l s c h a f t s v e r t r a g von den Parteien praktisch doch ausgeführt, so lassen sich meist die Verhältnisse nach einer Weile — wenn die Nichtigkeit zutage tritt — nicht mehr auf den status quo ante zurückführen, was an sich rechtens wäre, 812 ff., 142. Die Gesellschafter haben auf den Bestand der Gesellschaft vertraut, ebenso die Gläubiger. Hier ist mit den Regeln des Rechtsscheins zu helfen, die nach außen oder innen getrennt anzuwenden sind und so unbillige Ergebnisse vermeiden helfen (242). (Im einzelnen unten § 88.) Eine Gesellschaft kommt durch die Rechtsscheinregeln aber nicht zustande. N u r soweit n a c h V e r t r a u e n s g r u n d s ä t z e n n ö t i g , wird die Lage so angesehen, „als ob" eine Gesellschaft trotz Nichtigkeit bestanden habe. Die Annahme einer wirklich bestehenden faktischen Gesellschaft wäre mehr als die Umstände und die Interessen der Beteiligten verlangen. Sie ist unnötig und abzulehnen. Die Meinungen im Schrifttum schwanken. Die Rechtsprechung neigt wohl der hier vertretenen Meinung zu. Die Auffassung einer faktischen Gesellschaft als einer wirklich bestehenden ist aber verbreitet. Entsprechendes gilt für Miet- u n d P a c h t v e r h ä l t n i s s e , die man vereinzelt ebenfalls zu den „Eingliederungsverhältnissen" gerechnet hat (Esser). Wo die Berufung auf die Nichtigkeit zu untragbaren Folgen führt, ist ihr gemäß §§ 242, 826 keine Folge zu geben. Bei allen sog. „Schuldverhältnissen aus tatsächlichen Gemeinschaftsverhältnissen" sollte also, wenn trotz Nichtigkeit Rechtsfolgen wünschbar sind, keine Gleichstellung mit wirksamen Verträgen vorgenommen werden, sondern eine differenzierte Lösung unter Heranziehung der Gesichtspunkte des Rechtsscheins, des Vertrauensschutzes und von Treu und Glauben erfolgen. c) „ S o z i a l t y p i s c h e s V e r h a l t e n i m B e r e i c h v o n ü b l i c h e r w e i s e massenhaft geschlossenen Verträgen" Dies ist die theoretisch und praktisch wichtigste Gruppe, deren Behandlung in der Tat Schwierigkeiten bereitet. Hier sind es vor allem drei Fälle, in denen ein großer Teil von Lehre und Rechtsprechung annimmt, daß Verträge ohne rechtsgeschäftlichen Willen, allein durch „sozialtypisches Verhalten" entstehen. — Anschluß an das Gas-, Wasser- oder Stromnetz, ohne daß zwischen dem Benutzer und der Versorgungsanstalt ausdrückliche Erklärungen ausgetauscht werden (vgl. RGZ 111, 310).

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§i8ms

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— Parken auf gebührenpflichtigem Parkplatz, wobei der Parkende dem Wächter sagt, er lehne die Bewachung ab und zahle daher nicht (BGHZ 21, 319 [333]). — Benutzung von Straßenbahn, Eisenbahn, Omnibus, ohne daß mit dem Schaffner Worte gewechselt werden. Zu Unrecht zählen manche hierher noch den Fall der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Wo sie verwendet werden (Bank, Versicherung, Beförderungsgewerbe, Autokauf u. a.) kommen durch Inanspruchnahme der Lieferung oder Leistung zu den allgemein festgelegten Bedingungen keine faktischen Verträge zustande. Vielmehr enthalten Allgemeine Geschäftsbedingungen zur Vereinfachung der einzelnen Abschlüsse v o r f o r m u l i e r t e V e r t r a g s i n h a l t e , auf die beide Parteien willentlich verweisen müssen, damit sie Bestandteil des Einzelvertrags werden. Im einzelnen unten § 26 V 5. Die Lösung der Fälle des sozialtypischen Verhaltens im Bereich von üblicherweise massenhaft abgeschlossenen Verträgen ist lebhaft umstritten. Das Für und Wider ist unter 3. und 4. darzustellen. Zuvor ist noch die vierte — neueste — Fallgruppe der sog. faktischen Verträge zu erwähnen. d) „ F a k t i s c h e H o f ü b e r g a b e - u n d E r b v e r t r ä g e " . Wenn der älteste Sohn schon jahrzehntelang mit der eigenen Familie auf dem Hof des Vaters gearbeitet hat und von jedermann als Erbe betrachtet wurde, erscheint es unbillig, wenn der Vater in seiner letzten Stunde den Hof testamentarisch einem Fremden vermacht. Kann man einen aus dem tatsächlichen Verhalten begründbaren Hofübergabevertrag unter Lebenden annehmen, der den Hof aus dem testamentarisch verfügbaren Vermögen des Vaters herausnimmt? BGHZ 12, 286 nimmt einen vom rechtsgeschäftlichen Willen unabhängigen faktischen Hofübergabevertrag zu Lebzeiten des Vaters an. Das Ergebnis befriedigt, die Begründung aus § 242 überzeugt nicht voll. Für einen Erbvertrag vgl. BGHZ 23, 249. 3. Die Lehre von den sog. faktischen Vertragsverhältnissen hat die moderne Zivilrechtsdogmatik um wichtige Gesichtspunkte bereichert. Die Meinungen sind noch im Fluß. Feste Standpunkte haben sich noch nicht herausgebildet. Die neue Lehre nimmt für sich in Anspruch, moderne Sachverhalte lebensnah zu lösen. Dieser Vorteil wiegt aber wohl im ganzen gesehen die systematische Unsicherheit nicht auf, die durch diesen Zwischenbereich zwischen vertraglichen und gesetzlichen Schuldverhältnissen hervorgerufen wurde. Zugunsten der neuen Lehre wird angeführt, sie ermögliche sachgerechte Entscheidungen vor allem im Bereich der Daseinsvorsorge (Simitis), wo es auf Geschäftsfähigkeit nicht ankommen könne. Auch das 6jährige Kind stehe in einem faktischen Vertragsverhältnis, wenn es die Straßenbahn besteige. Nur müsse das tatsächliche Verhalten zurechenbar sein (Larenz). Insofern widerspricht aber die Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen, was sie nicht bestreitet, Grundprinzipien des deutschen bürgerlichen Rechts, das Min-

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Überblick über die Entstehungsarten

§181114

derjährige, Kinder und Geisteskranke auch dort schützt, wo der Rechtsverkehr darunter leidet. Die Fälle des sozialtypischen Verhaltens im Bereich von üblicherweise massenhaft abgeschlossenen Verträgen und die sog. faktischen Hofübergabeverträge lassen sich auf der Grundlage des geltenden bürgerlichen Rechts lösen, wenn man zugesteht, daß das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung in einem bestimmten Punkte, nämlich im Hinblick auf die Entgelthaftung aus beanspruchter Leistung, der Lückenfüllung bedarf. Dieser Weg soll im folgenden beschritten werden. 4. Der Gedankengang, in dem die genannten Fälle geprüft werden sollten, ist folgender: a) Zunächst ist zu fragen, ob nicht doch ausdrücklich oder stillschweigend ein Vertrag geschlossen wurde, dessen Erklärungen zugegangen sind. Wer mit der Straßenbahn oder Eisenbahn fährt, sagt fast immer etwas, z. B . : „Geradeaus, zum Bahnhof, zur X-Straße, nach Y, umsteigen". Möglicherweise erklärt er etwas, indem er einem Fahrausweisautomaten betätigt (stillschweigende, aber vorhandene Erklärung!). Es ist nicht lebensnah, vom „schweigsamen", sich nicht über sein Fahrziel ausdrücklich oder stillschweigend erklärenden Verkehrsteilnehmer auszugehen. In vielen Fällen kommt sogar ein Vertrag mit ausdrücklichen Erklärungen zustande. Nach der Lehre vom sozialtypischen Verhalten gäbe es übrigens keine Schwarzfahrer mehr. Auch sie ständen, gegen ihren Willen, in einem Beförderungsvertrag. Das ist ebensowenig lebensnah wie Schwarzfahren sozialtypisch ist. b) Fehlt ein ausdrücklicher Vertrag, ist nach einem stillschweigenden Abschluß eines Vertrags zu fragen. E r Hegt vor, wenn wortlos Fahrscheine geknipst, Fahrausweisautomaten betätigt oder Autos zum Parken aufgestellt werden. Ein stillschweigender Hofübergabevertrag kommt zustande, wenn beide Seiten über den Ubergang einig sind und ihren Willen durch Handlungen Ausdruck verleihen (zu den Formvorschriften siehe unten § 22). In diesen Fällen gehen die Erklärungen auch zu. c) Ausdrückliche und stillschweigende Annahmeerklärungen brauchen nicht zuzugehen, wenn das nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende darauf verzichtet hat, 151. Schließt sich jemand stillschweigend an ein Versorgungsnetz an, ist grundsätzlich Verzicht der Versorgungsanstalt auf eine den Anschluß begleitende Erklärung anzunehmen, für den Fall, daß der durchaus übliche Formularweg nicht eingehalten wird. Das Angebot liegt in der Bereitstellung der Leistung mit der Möglichkeit des Anschlusses. Zapft der Benutzer eine für ihn nicht bereitgestellte Leitung an, liegt Diebstahl oder Betrug vor. Ein Vertrag scheidet dann aus (zur Bereicherungshaftung siehe unten e): Es liegt wie beim Schwarzfahrer: Ein-

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§ 18 III 4

Überblick über die Entstehungsarten

richtungen des bürgerlichen Rechts sollten aus — u. U. sogar absichtlichen — Unrechtshandlungen kein Recht machen. Man stelle sich die Überraschung eines routinierten Schwarzfahrers oder Leitungsanzapfers vor, wenn ihm gesagt wird, er stehe in einem rechtlich anerkannten Schuldverhältnis! Oder handeln der Schwarzfahrer und der Anzapfer nach der Lehre vom faktischen Vertrag etwa nicht sozialtypisch? Wenn nicht, wegen ihrer inneren Einstellung? Dann aber gelangt man wieder zur Willenserklärung. d) Die bisherigen Fälle wären also nicht Grund genug, die neue Lehre zu rechtfertigen. Sie lassen sich auf der Grundlage des klassischen Vertragsrechts lösen. Ihre sog. Sozialtypik ist auch andern Verträgen eigen, z. B. dem Abzahlungsgeschäft (Nipperdey). Problematisch ist einzig die Inanspruchnahme einer Leistung unter ausdrücklicher Betonung, man wolle keinen Vertrag schließen (Parkplatzfall, BGHZ 21, 319, 333), p r o t e s t a t i o f a c t o c o n t r a r i a . Hier glaubt die Lehre von der Sozialtypik, vom erklärten Willen absehen und das Verhalten allein den Vertrag begründen lassen zu sollen. Doch ist zu unterscheiden: Richtet sich der Protest, k e i n e n Vertrag schließen zu wollen, gegen eine eigene E r k l ä r u n g , einen Vertrag schließen zu wollen, so liegt eine widersprüchliche Willenserklärung vor, „protestatio declarationi contraria". Dabei kann sowohl die Erklärung, abschließen zu wollen, als auch der Protest dagegen, ausdrücklich oder stillschweigend sein. Widersprüchliche Willenserklärungen bedürfen der Auslegung nach allgemeinen Grundsätzen. J e massenhafter der in Frage stehende Vertrag üblicherweise abgeschlossen wird, desto verkehrsfreundlicher muß die Auslegung der widersprüchlichen Erklärung sein, 157. Im übrigen ist der wahre Wille des Erklärenden zu erforschen, 133. Wer sein Grundstück verkauft, sich aber das Eigentum an den darauf stehenden Obstbäumen vorbehält, wird wahrscheinlich auch die Bäume verkaufen wollen, aber ein Nutzungsrecht an Frucht und Holz meinen, 140. Wer stillschweigend die Hofübergabe erklärt, sie aber ausdrücklich abstreitet, will nicht übergeben. Wer aber bei einer Stromtarifänderung gegen die Änderung protestiert und dennoch weiterbezieht, erklärt ausdrücklich zu den alten, aber auch stillschweigend, zu den neuen Bedingungen beziehen zu wollen. Liegt dem stillschweigenden Anschluß ein r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e r W i l l e zugrunde (Tatfrage), so ist bei derartigen massenhaft vorkommenden Erklärungen die Erforschung des wahren Willens des Sich-Anschließenden durch den Versorgungsträger nicht zumutbar. Bei der für jede Auslegung von Vertragserklärungen nötigen objektiven Betrachtung entscheidet hier die Auslegung zugunsten der verkehrsfreundlicheren, stillschweigenden Erklärung, also für den neuen Tarif. D i e S o z i a l t y p i k i s t also k e i n e R e c h t s q u e l l e , s o n d e r n ein A u s l e g u n g s k r i t e r i u m . Das Verdienst der neuen Lehre liegt in der Erkenntnis, daß massenhaft abgegebene Erklärungen verkehrsfreundlich zu beurteilen sind.

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Überblick über die Entstehungsarten

§ 18 III 4

Der Irrtum ist dabei, daß man diese Auslegungsfrage für ein Rechtsquellenproblem hält. Die Sozialtypik einer Erklärung ist ein Beurteilungsmaßstab für sie; nicht aber ersetzt die Sozialtypik die Erklärung selbst. Hier, nämlich in der Entscheidung für den verkehrsfreundlicheren Teil einer gegen sich selbst protestierenden, also widersprüchlichen Willenserklärung, wenn der Protest verkehrsfremd ist, liegt auch der richtige Kern des im übrigen viel zu weit gespannten und daher meist zu Unrecht zitierten Satzes: Protestatio facto contraria non valet. Es gibt, wie die Beispiele zeigten, viele Proteste, die beachtlich sind. Nur verkehrsunübliche Proteste gegen anderslautende, verkehrsübliche Erklärungen gelten — im Auslegungswege — nicht. Voraussetzung ist hier aber stets eine widersprüchliche Willenserklärung, also auch ein auf den Abschluß gerichteter Willensteil (der stillschweigend abgegeben sein kann). e) Richtet sich dagegen der Protest, keinen Vertrag schließen zu wollen, nicht gegen eine Erklärung, sondern gegen die mögliche Mißdeutung eines V e r h a l t e n s als Erklärung, so ist ein rechtsgeschäftlicher Wille in Richtung auf einen Vertrag nicht vorhanden, e c h t e „protestatio f a c t o contraria". Auch eine Auslegung ist daher nicht möglich. Wird trotz des Protestes e i n e zu b e s t i m m t e n B e d i n g u n g e n a n g e b o t e n e Leistung beansprucht, so entsteht ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, 812 1 1 . Da der die Leistung Beanspruchende den Mangel des rechtlichen Grundes kennt, haftet er nach §§ 819 I, 818 I V nach den allgemeinen Vorschriften. Soweit er, wie meist, die in Anspruch genommene Leistung in natura nicht wieder herausgeben kann, besteht vom Augenblick der Inanspruchnahme an der Wertersatzanspruch gemäß § 818 I I . Da der Wert in Geld, also einer Gattung, ausgedrückt ist, findet als allgemeine Vorschrift im Sinne des § 818 IV die Vorschrift des §279 Anwendung. Der Inanspruchnehmende haftet demnach von der Inanspruchnahme an auf den Wert der Leistung ohne Entreicherungseinrede. — (Deliktsansprüche bestehen möglicherweise auch, §§ 823 I, I I ; 123 StGB usw.). Gleichzeitig mit der Inanspruchnahme entsteht also: (1) Der Anspruch aus § 8 1 2 1 1 ; (2) die Kenntnis gemäß § § 8 1 9 1 , 818 I V ; (3) in den meisten Fällen dazu die Unmöglichkeit der Rückgewähr gemäß § 818 I I und in diesem Umfang die Gattungsschuld nach § 279. Dabei ist aber zu beachten, daß die Werthaftung des § 818 I I in ihrem üblichen Sinne (Zeitwert, gemeiner Wert) nicht paßt. Das, was geschuldet ist, ist der G e g e n w e r t , das Entgelt. Man kann nun den Gegenwert, das Entgelt, als Unterfall des Wertes im Sinne des § 818 I I auffassen. Dann läge in der hier vorgeschlagenen Konstruktion lediglich eine Auslegung des § 818 I I . So verfährt die Praxis schon seit langem bei der Haftung für Eingriffe in geistiges Eigentum a u f die ü b l i c h e L i z e n z , vgl. Baumbach-Hefermehl,

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§ 18 III 5

Überblick über die Entstehungsarten

Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht I 9 Einl. v. § 1 UWG, Ziff. 289. — Richtiger ist, eine Lücke unseres Bereicherungsrechts anzuerkennen, welche die Entgelthaftung für unter bestimmten Bedingungen angebotene und in Anspruch genommene Leistungen betrifft. Nirgends steht, daß das Entgelt begrifflich auf den rechtsgeschäftlichen Bereich beschränkt und dem Bereicherungsrecht fremd ist. So gesehen sind die Fälle der Protestation gegen eine tatsächliche Inanspruchnahme mit einer Analogie zu § 818 II zu lösen. Hierher gehört auch der Parkplatzfall (BGHZ 21, 333). Zu den Rechtsfolgen im einzelnen unten § 100 VII 2. Die Parallelen zur ßAaßfj des altgriechischen Rechts, zu den Innominatverträgen des römischen Rechts und zu den Frühformen der consideration (quid pro quo) des englischen Rechts können hier nicht gezeigt werden. Dazu Hans J. Wolff, Die Grundlagen des griechischen Vertragsrechts, Zeitschrift der SavignyStiftung, Rom. Abt. 1957, 66 ff. 5. Die V o r t e i l e dieser Lösung sind: a) Minderjährige, Kinder und Geisteskranke bleiben, soweit sie rechtsgeschäftlich tätig werden, so geschützt, wie das Gesetz es im allgemeinen will. Bereichern sie sich, so ist über §§ 819 I, 827, 828 eine abgestufte Lösung der Entreicherungsfrage auf gewohntem zivilrechtlichem Boden möglich. Die schwierige Frage der „Zurechenbarkeit" des faktischen Verhaltens (Larenz) entfällt. b) Da es darauf ankommt, daß die angebotene und in Anspruch genommene Leistung zu bestimmten Bedingungen angeboten war, läßt sich der Inhalt der Bereicherung genau umreißen. Beim Parkplatzfall ist der Parkende auch um die Versicherung und alle sonstigen Vorteile der vertragsmäßig Parkenden bereichert, so daß das Vertragsentgelt für die Entgelthaftung gemäß § 818 II (analog) maßgebend ist. Entgelt ist z. B. auch die Zustimmung zur Gerichtsstandvereinbarung in den Parkplatz-Versicherungsbedingungen. — Nur wenn Bedingung für die jahrzehntelange Arbeit des Bauernsohnes war, daß er dafür den Hof bekommt, entsteht zu Lasten des Vaters die Entgelthaftung, die auf Übertragung des Hofes gerichtet ist (hier zeigt sich, daß der Wertbegriff des § 818 II nicht ausreicht, und daß es einer Lückenfüllung des Bereicherungsrechts in Richtung auf eine Entgelthaftung bedarf 1). Wer eine Leitung anzapft, in der Strom, Gas oder Wasser zu bestimmten Bedingungen angeboten werden, haftet nach Bereicherungsrecht auf das tarifliche Entgelt nach tariflichen Bedingungen, ist aber auch um alle tarifmäßigen Vorteile bereichert. c) Soweit Verträge zustande kommen, gilt § 119 für Irrtümer. Soweit der Inanspruchnehmende nach § 818 II analog haftet, kann er nicht anfechten. d) Da § 819 I positive Kenntnis fordert, genügt für die Haftung nach § 818 II analog das Kennenmüssen der die Haftung begründenden Umstände nicht. Das eigenartige Ergebnis der Lehre vom sozialtypischen Verhalten, daß der Beförderungsvertrag aufgrund einer Monatskarte nur mit Willen, der aufgrund einer einfachen (in der Straßenbahn gelösten) Fahrkarte auch fahrlässig zustande kommen kann, wird vermieden. Diese Einbeziehung des Kennenmüssens ist im

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Entstehung durch Vertrag

§ 18 EQ 6; § 191, 2

Hinblick auf § 819 I ohnehin nicht zu rechtfertigen, denn wenn schon die Bereicherungshaftung Kenntnis verlangt, darf für die grundsätzlich schärfere vertragliche Haftung fahrlässige Unkenntnis nicht genügen. 6. Zusammengefaßt zeigt sich die Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen als zumindest hinsichtlich des „sozialen Kontakts", der „faktischen Gemeinschaftsverhältnisse" und der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu weit gefaßt. Diese Erscheinungen gehören an andere Stellen des Zivilrechtssystems. Bezüglich des „sozialtypischen Verhaltens" im Bereich üblicherweise massenhaft abgeschlossener Verträge läßt sich die Mehrzahl der Fälle nach der herkömmlichen Vertragstheorie lösen. Die problematischen Fälle sind die der Protestationen. Von ihnen erledigen sich die widersprüchlichen Willenserklärungen nach den anerkannten Auslegungsregeln, wenn man der Tatsache der Massenhaftigkeit der Erklärungen das richtige Gewicht beimißt. Als nicht nach hergebrachtem Recht befriedigend lösbar verbleiben die Protestationen gegen tatsächliches Verhalten. Hier und nur in diesem Bereich hat man zu entscheiden, ob man eine neue Kategorie von Schuldverhältnissen zwischen Rechtsgeschäft und Gesetz bilden, oder ob man das Bereicherungsrecht (unter historischen und fremdrechtlichen Vergleichen) im Hinblick auf eine Entgelthaftung fortentwickeln will. Der zweite Weg erscheint als der systemgemäßere und weniger aufwendige. Jedenfalls bringt er weniger konstruktive Schwierigkeiten mit sich als die Lehre vom sozialtypischen Verhalten, vor allem im Feld der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen. Entstehung durch Vertrag 1. Von den im vorgehenden § 18 besprochenen Begründungsarten eines Schuldverhältnisses bedarf die durch V e r t r a g noch näherer Betrachtung. Das Gesetz selbst räumt der vertraglichen Begründung von Schuldverhältnissen den Vorrang ein, 305. Danach ist zur B e g r ü n d u n g eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Ä n d e r u n g des I n h a l t s eines Schuldverhältnisses ein V e r t r a g zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt (so bei der Auslobung, 657; nicht aber bei der Annahme der Anweisung, 784, und Schuldverschreibung auf den Inhaber, 793, bestr. von der „Kreationstheorie", dazu unten § 96, 2). 2. Das gleiche gilt, ohne daß das Gesetz es sagt, für die A u f h e b u n g eines Schuldverhältnisses. Die Parteien eines vertraglichen Schuldverhältnisses können es jederzeit vertraglich ändern oder aufheben, so als ob es nie oder so, daß es nur eine Weile bestanden hat (liberatorischer Vertrag, contrarius actus). Aufhebungsverträge sind bei Gesellschafts- und Dienstverträgen nicht selten. Von Kündigung spricht man technisch nur, wenn Gesellschaftoder Dienstvertrag durch e i n s e i t i g e Erklärung gelöst wird. Kündigungsmöglichkeiten müssen vertraglich oder gesetzlich vorgesehen sein, Aufhebungsverträge nicht.

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§193; §201

Vorvertragliche Sorgfaltspflichten

3. Ein V e r t r a g kommt zustande durch zwei oder mehr sich i n h a l t lich d e c k e n d e , a u f e i n a n d e r Bezug n e h m e n d e W i l l e n s e r k l ä r u n g e n , die von einem Verpflichtungswillen getragen sind, 146 ff. Für Einzelheiten ist auf den Allgemeinen Teil zu verweisen. Hier sei nur kurz hervorgehoben: a) Zwei oder mehr W i l l e n s e r k l ä r u n g e n sind nötig, je nach Zahl der am Vertrag Beteiligten. Die erste nennt man Angebot oder Antrag, die folgenden A n n a h m e . Das gilt auch für Realverträge, oben § 11. b) Die Willenserklärungen müssen sich i n h a l t l i c h decken. A sagt: „Ich biete Ihnen meinen gebrauchten Kraftwagen Marke X für 3000,— zum sofortigen Kauf an." B antwortet: „Einverstanden." Die Erklärungen decken sich. Zu beachten ist, daß ein wirksames Angebot nur vorliegt, wenn es annahmefähig ist und keiner weiteren Präzisierung durch Rückfragen bedarf. Man erkennt ein annahmefähiges Angebot daran, daß man mit einem „einverstanden" darauf antworten kann. c) Die Willenserklärungen müssen a u f e i n a n d e r Bezug nehmen. Wenn A und B in zwei sich kreuzenden Briefen die gleiche Sache verkaufen und kaufen wollen, liegen nur zwei Angebote vor, aber keine Annahme. d) Die Willenserklärungen müssen von einem rechtsgeschäftlichen Verp f l i c h t u n g s w i l l e n getragen sein. Sonst kommt nur ein Gefälligkeitsverhältnis zustande. Die Einladung zum Abendessen ist kein Schenkungsangebot, die zur Treibjagd kein Auftragsantrag, die an den „Anhalter" zum Mitfahren kein Angebot zu einem Beförderungs-(Werk-)vertrag (RGZ 128, 42; 65, 17; 65, 313; 145, 394). Zu den trotzdem bestehenden Möglichkeiten einer Haftung entweder aus verletzter vertraglicher Schutz- und Erhaltungspflicht oder aus unerlaubter Handlung, jeweils mit der weiteren Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung in Hilfeleistungsfällen und kraft Vereinbarung, siehe oben § 7 III.

§ 20

Vorvertragliche Sorgfaltspflichten. Culpa in contrahendo B a l l e r s t e d t , AcP 151, 501; v. C a e m m e r e r , Festschrift zum 100jährigen Bestehen des DJT, 1960, Bd. II, 56; D ö m p k e , Die Grundlagen und der Umfang der Haftung für Verhalten bei Vertragsverhandlungen, 1933; E r m a n , AcP 139, 273; I h e r i n g , IherJb 4,1; Keller, Max, Das negative Interesse im Verhältnis zum positiven Interesse, 1948; L a r e n z , MDR 54, 515; L e o n h a r d , Verschulden bei Vertragsschluß, 1910; N i r k , RabelsZ 18, 352; O e r t m a n n , LZ 1914, 513; R a i s e r , Rolf, AcP 127, 1; Stoll, H e i n r i c h , LZ 1923, 532; S t e i n b e r g , Die Haftung für culpa in contrahendo, 1930. I. R e c h t s g e s c h ä f t l i c h e s oder g e s e t z l i c h e s

Schuldverhältnis?

Schuldverhältnisse können nur aus Rechtsgeschäft oder aus Gesetz entstehen, § 18 oben. Auch die sog. faktischen Vertragsverhältnisse lassen sich, wie gezeigt, in diese beiden Bereiche aufgliedern. Man schuldet, weil man sich

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Vorvertragliche Sorgfaltspflichten

§201

verpflichtet hat (Rechtsgeschäft) oder weil man etwas bekommen hat, was einem nicht zusteht (677 ff., 812 ff. — Gesetz) oder weil man einen Schaden tragen muß, für den man aus irgendeinem Grunde verantwortlich ist (823 ff. — Gesetz). E s bedarf jedoch noch der Einordnung der v o r v e r t r a g l i c h e n S o r g f a l t s p f l i c h t e n , vgl. oben § 1 8 I I I 2 a . Bei der Anbahnung von Verträgen müssen die späteren Vertragsparteien in besonderer Weise sorgfältig sein, vor allem, was den S c h u t z , die Aufklärung und das Sich-zur-Verfügung-Halten anlangt. Werden diese Pflichten verletzt, und kommt der in Aussicht genommene Vertrag später trotzdem zustande, so liegt eine V e r t r a g s v e r l e t z u n g vor (meist Schlechterfüllung, vgl. unten § 47). Denn die bei der Vertragsanbahnung den Parteien zuzumutenden Sorgfaltspflichten entsprechen den während und nach Ablauf des Vertrags bestehenden Sorgfaltspflichten so sehr, daß die Zusammenziehung zu einem einheitlichen Begriff der vertraglichen Sorgfaltspflicht geboten ist. Die Verletzung vorvertraglicher Sorgfaltspflichten verursacht in diesen Fällen keine rechtlichen Schwierigkeiten: Bs wird gehaftet wie bei jeder Vertragsverletzung. K o m m t der Vertrag nicht zustande, sei es wegen der verletzten Sorgfalt bei seiner Anbahnung selbst oder aus einem sonstigen Grunde, s c h e i d e t e i n e v e r t r a g l i c h e H a f t u n g a u s . Die dann noch verbleibende Haftung aus unerlaubter Handlung (823) reicht vielfach nicht aus. Sie setzt die Verletzung absoluter Rechtsgüter (823 I), gesetzlicher Schutzgüter (823 I I ) oder sittenwidriges Handeln (826) voraus, woran es bei der Verletzung vorvertraglicher Sorgfaltspflichten fehlen kann. Bei der Haftung für Verrichtungsgehilfen (831) gelingt zumeist der Entschuldigungsbeweis. Die Deliktshaftung stellt an die Sorgfalt des Bürgers im ganzen geringere Anforderungen, als die Anbahnung von Verträgen es in bezug auf den in Aussicht genommenen Partner gebietet. Dies enge, über den normalen deliktsrechtlich gesicherten Bereich hinausgehende Vertrauensband zwischen Personen, die sich einen Vertragsschluß miteinander überlegen, fordert eine v e r t r a g s ä h n l i c h e H a f t u n g bei Handlungen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem beabsichtigten oder angebotenen Vertragsschluß stehen. Sie muß eine Haftung auch bei reiner Vermögensschädigung und — ohne Entschuldigungsbeweis — auch für Erfüllungsgehilfen (278) ermöglichen. Das BGB schweigt über das vorvertragliche Schuldverhältnis als solches. Die Rechtslehre und Rechtsprechung haben aber Grundsätze entwickelt, nach denen bei Verletzung vorvertraglicher Sorgfaltspflichten nach vertragsähnlichen Grundsätzen gehaftet wird. Damit wird eine im BGB enthaltene Lücke geschlossen. Es handelt sich, obwohl im Gesetz selbst nicht geregelt, um ein gesetzliches S c h u l d v e r h ä l t n i s , das mit dem Deliktsrecht wegen der Stärke der in Frage stehenden Sorgfaltspflichten nicht befriedigend gelöst werden kann, sondern v e r t r a g s ä h n l i c h e n G r u n d s ä t z e n unterliegt, weil auch die Tatbestände vertragsähnlich sind.

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§ 20 n 1—3; m 1, 2

Vorvertragliche Sorgfaltspflichten

II. B e i s p i e l e Eröffnet jemand einem andern die Möglichkeit zu einem Vertragsschluß, so muß er sich diesem andern gegenüber in mehrfacher Hinsicht sorgfältig verhalten. 1. S c h u t z p f l i c h t e n . Der Ladeninhaber muß für sichere Bedienung seiner Kunden sorgen. Löst sich eine Deckenlampe, stürzt ein Warenstapel um, wobei der Kunde verletzt wird, so vernachlässigt der Ladeninhaber vorvertragliche Sorgfaltspflichten, RGZ 78, 239. Überschüttet eine Verkäuferin die Kundin mit einem Faß Tinte, so verletzt ein Erfüllungsgehilfe des Ladeninhabers eine diesem zuzurechnende Sorgfaltspflicht (278). 2. M i t t e i l u n g s - und A u f k l ä r u n g s p f l i c h t e n . Wer ein Fabrikationsgeheimnis in eine Gesellschaft einbringt, muß die anderen, die mit ihm die Gesellschaft begründen wollen, über den wahren Wert des Geheimnisses sorgfältig unterrichten. Wer ein Gewehr verkauft, muß beim Probeschuß die Bedienung erläutern. 3. Die P f l i c h t , sich zu weiteren V e r h a n d l u n g e n oder zu einer V e r t r a g s a n n a h m e zur V e r f ü g u n g zu halten. Wer dem Partner die telefonische Zusage auf ein Vertragsangebot bis 3 Uhr nachmittags erlaubt, muß sich bis zu dieser Zeit zur Verfügung halten oder für einen Vertreter oder Empfangsboten sorgen. Wer andere zu Verhandlungen eingeladen hat, darf sich nicht in unüblicher Weise grundlos zurückziehen. III. R e c h t l i c h e B e g r ü n d u n g d e s v o r v e r t r a g l i c h e n S c h u l d v e r h ä l t n i s s e s u n d der A n s p r ü c h e bei seiner V e r l e t z u n g 1. Ist ein Schuldverhältnis einmal zustande gekommen, so wird sein Inhalt, soweit nicht rechtsgeschäftliche Abmachungen oder gesetzliche Vorschriften eingreifen, durch T r e u u n d G l a u b e n mit R ü c k s i c h t a u f d i e V e r k e h r s s i t t e bestimmt, 242. Der Schuldner muß nicht nur irgendwie, sondern nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte leisten, und der Gläubiger darf nur so fordern. § 242 setzt also in der Regel ein schon bestehendes Schuldverhältnis voraus, das durch § 242 inhaltlich ausgestaltet wird, nicht wird im allgemeinen durch § 242 ein neues begründet, vgl. näher unten § 26 VII, § 27. Trotzdem stützt man, in erweiternder Auslegung, das vorvertragliche Schuldverhältnis mit der Erwägung auf § 242, daß wer einmal Gläubiger oder Schuldner werden will, sich schon v o r h e r gemäß Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verhalten muß. Diese Erweiterung verdient Zustimmung, weil sie treffend die erhöhte Sorgfaltspflicht eines Vertragswilligen beschreibt, die über das normale, durch §§ 823 ff. gesicherte Maß hinausgeht. 2. Daneben kann das vorvertragliche Schuldverhältnis — ebenso zutreffend — auf eine R e c h t s a n a l o g i e zu anderen Vorschriften gestützt werden, die schon bei Anbahnung von Rechtsgeschäften ein sorgfältiges Vorgehen verlangen 64

Vorvertragliche Sorgfaltspflichten

§ 2 0 m 8—5; IV1—3

oder im Verletzungsfalle Schadensersatzfolgen vorsehen (122,179, 307, 309, 463, 523 I, 524 I, 600, 694). 3. Schließlich ist das vorvertragliche Pflichtenverhältnis heute schon g e w o h n h e i t s r e c h t l i c h anerkannt. Es besteht eine dahingehende, seit Jahrzehnten praktizierte Rechtsüberzeugung. 4. Durch Vernachlässigung der Sorgfaltspflichten wird das vorvertragliche Schuldverhältnis v e r l e t z t (culpa in contrahendo — Ihering). Denkbar wären sowohl deliktische als auch vertragliche Sanktionen. Aus den unter I. dargelegten Gründen hat man sieh für die schärferen v e r t r a g l i c h e n Sanktionen entschieden. Das vorvertragliche Schuldverhältnis wird also Vertrags ähnlich behandelt. Seine Verletzung ist einer vertraglichen L e i s t u n g s s t ö r u n g gleichzustellen (unten §§ 43 ff.). Ganz im Vordergrund steht dabei die S c h l e c h t e r f ü l l u n g (unten § 47). Doch auch Unmöglichkeit und Verzug sind denkbar. Die Anspruchsgrundlage bei verletztem vorvertraglichem Schuldverhältnis ist demnach gleich der entsprechenden Anspruchsgrundlage auf dem Gebiet der vertraglichen Leistungsstörung, nun angewandt auf das vorvertragliche Schuldverhältnis, das sich seinerseits auf die oben 1.—3. genannten Rechtsgrundlagen stützt. In allen obigen Beispielen entstehen also im Verschuldensfalle vorvertragliche Ersatzpflichten, 325, 326 analog; 242, 276. 5. Der besondere Vorteil der Haftung aus culpa in contrahendo ist für den Verletzten die strenge Haftung für den Erfüllungsgehilfen, 278. Sein Verschulden wird dem in Aussicht genommenen Vertragspartner als eigenes zugerechnet. Der in § 831 meist gelingende Exkulpationsbeweis war rechtspolitisch gesehen einer der Hauptgründe für die Anerkennung des vorvertraglichen, nach Vertragsgrundsätzen zu behandelnden Schuldverhältnisses. Doch auch ohne dies Argument ist es nicht bedeutungslos. IV. D e r G e g e n s t a n d d e s

Schadensersatzanspruchs

1. Hier zeigen sich Abweichungen von der reinen Vertragshaftung. Sie rühren daher, daß das vorvertragliche Schuldverhältnis k e i n Vertrag ist und daß es ohne Rücksicht auf ein späteres Scheitern der Vertragsverhandlungen besteht. 2. Wo ein Vertrag zustande kommt, haftet der Schuldner auf Erfüllung und grundsätzlich immer auf das E r f ü l l u n g s i n t e r e s s e , wenn er schuldhaft nicht erfüllen kann. Das heißt, er muß den Gläubiger so stellen, wie dieser stände, wenn ordentlich erfüllt wäre. Hätte der Gläubiger mit dem Vertrag ein gutes Geschäft gemacht, so besteht das Erfüllungsinteresse für den Gläubiger in dem entgangenen Gewinn. Diesen muß der Schuldner leisten. Darüber hinaus schuldet er bei Schlechterfüllung das schuldhaft verursachte ü b e r e r f ü l l u n g s m ä ß i g e I n t e r e s s e , § 47 unten. 3. Kommt trotz Verschuldens vor Vertragsschluß der Vertrag zustande, gilt das gleiche. Auch im Hinblick auf den durch das Verschulden vor Vertrags5

F i k e n t s c h e r , Schuldrecht

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§ 2 0 I V 4, 5

Vorvertragliche Sorgfaltspflichten

Schluß entstandenen Schaden besteht ein Anspruch auf Erfüllungsinteresse und übererfüllungsmäßiges Interesse (dazu unten § 47). 4. K o m m t ein Vertrag nicht zustande, greift die H a f t u n g aus verletztem vorvertraglichem Schuldverhältnis ein. Da ein erfüllbarer Vertrag nicht vorliegt, k a n n d a s E r f ü l l u n g s i n t e r e s s e u n d e i n ü b e r e r f ü l l u n g s m ä ß i g e s I n t e r e s s e g r u n d s ä t z l i c h n i c h t e r s e t z t v e r l a n g t w e r d e n . Geschuldet ist daher das V e r t r a u e n s i n t e r e s s e (negatives Interesse, Vertrauensschaden). Das ergibt sich auch aus der Rechtsanalogie zu §§ 122, 307, 309. Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er stände, wenn er sich auf die Vertragsverhandlungen niemals eingelassen hätte. Denn das ist der Schaden, den er dadurch erleidet, daß er auf den guten Fortgang u n d Abschluß der Vertragsverhandlung v e r t r a u t , vgl. § 122. Inhalt des Schadensersatzanspruchs in den obigen Beispielen (II.) sind also Arzt- u n d Reinigungskosten bei Schädigung im Laden; Zinsverluste durch Bereitstellung des f ü r die geplante Gesellschaft erforderlichen Kapitals, wenn wegen mangelnder Aufklärung durch einen Beteiligten die Gesellschaft nicht zustande k o m m t ; Schaden aus mangelnder Zur-Verfügung-Haltung, wenn im Vertrauen auf das geplante Geschäft eine andere günstige Chance ausgeschlagen wurde. Das positive Interesse kann nicht verlangt werden, also nicht das, was aufgrund der gescheiterten Verträge verdient worden wäre. Das positive Interesse bildet auch keine Grenze f ü r das negative, anders als in §§ 122, 179, 307, 309. Denn da der Vertrag noch nicht geschlossen war, als die Schädigung erfolgte, h a t t e der Geschädigte seinen — billigerweise liquidierbaren — Risikoumfang noch nicht durch ein positives Vertragsinteresse begrenzt. 5. Die Rechtsprechung gibt aber zu Recht einen Anspruch auf des Erfüllungsinteresse dann, wenn der Geschädigte nachweist, er h ä t t e ohne die culpa in contrahendo seines Partners einen bestimmten Erfüllungsanspruch gehabt, RGZ 132, 76 (80) mit der früheren Rechtsprechung; RGZ 159, 33 (57). Umgekehrt bildet hier das negative Interesse keine Begrenzung des positiven. Der Schädiger t r ä g t also bei Vertragsverhandlungen das volle Risiko einer Schädigung, u n d er kann sich weder darauf berufen, der Vertrag sei geschlossen worden, noch er sei nicht geschlossen worden: E r muß mit Abschluß u n d Nichtabschluß rechnen. I m U n t e r s c h i e d zu §§ 122, 307, 309 wird beim Ersatz des negativen Interesses aufgrund des Verschuldens vor Vertragsschluß durch das positive Interesse also k e i n e G r e n z e g e z o g e n . Diese Begrenzung ist in §§ 122, 307, 309 vorgesehen, weil der Geschädigte durch die Anfechtung oder Nichtigkeit des Vertrags kein Geschäft machen soll. Sonst bekäme der Geschädigte Aufwendungen ersetzt, die über das hinausgehen, was er an dem Vertrag verdient hätte, was also — objektiv betrachtet — freiwilliger und unnützer Aufwand war.

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Verfassungsrecht und Schuldrecht

§ 20 V; § 2 1 1

Das negative Interesse ist aufgrund der culpa in contrahendo unbegrenzt und ohne Rücksicht auf das Erfüllungsinteresse zu ersetzen, h. M. Hier zeigt sich, daß die Haftung aus vorvertraglichem Schuldverhältnis nur v e r t r a g s ä h n l i c h und in Wahrheit eine nur zum großen Teil nach Vertragsgrundsätzen behandelte D e l i k t s h a f t u n g ist. Auch die Deliktshaftung (Haftung aus Gesetz) kennt keine Begrenzung durch ein vertragliches Erfüllungsinteresse. Darum wurde auch oben I. von einem gesetzlichen Schuldverhältnis gesprochen, das v e r t r a g s ä h n l i c h zu behandeln ist. V. Das Gegenstück zur culpa in contrahendo ist die culpa post p a c t u m p e r f e c t u m . Auch ein abgewickelter Vertrag kann noch Treuepflichten zwischen den Parteien bestehen lassen. Die Parteien eines abgewickelten Vertrags sind einander nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verpflichtet, das durch den Vertrag Erhaltene nicht nachträglich zu gefährden. Die rechtliche Behandlung ist ganz entsprechend (242, Leistungsstörang). Das wichtigste Beispiel ist die Doppelzession, vgl. unten § 57. Verfassungsrecht und 8chuldrecht Die Vertragsfreiheit und ihre Grenzen

§

B ä r m a n n , Typisierte Zivilrechtsordnung der Daseinsvorsorge, 1948; Bierm a n n , IherJb 32, 267; B ü l c k , Vom Kontrahierungszwang zur Abschlußpflicht, 1940; D i l c h e r , NJW 60, 1040; D ü r i g , Grundrechte und Zivilrechtsprechung, Festschrift für Nawiasky 1956, 157; F i k e n t s c h e r , Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz, 1958, S. 76ff; F l u m e , Rechtsgeschäft und Privatautonomie, Hundert Jahre Deutsches Rechtsleben (Festschrift f. DJT), Bd. I, 1960, 135; H i p p e l , F r i t z v., Das Problem der rechtsgeschäftlichen Privatautonomie, 1936; Kessler, Freiheit und Zwang im nordamerikanischen Vertragsrecht, Festschrift f. M. Wolff, 1952, 67; L a u f k e , Vertragsfreiheit und Grundgesetz, Festschrift f. H. Lehmann, Bd. 1,1956,145; L e i s n e r , Grundrechte und Privatrecht, 1960; Manigk, Die Privatautonomie, 1935; N i p p e r d e y , Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, 1920; d e r s . , Soziale Marktwirtschaft und Grundgesetz, 2. Aufl. 1961; R a i s e r , Ludwig, Vertragsfunktion und Vertragsfreiheit, Hundert Jahre Deutsches Rechtsleben (Festschrift f. DJT), Bd. 1,1960,101; ders., Kontrahierungszwang im Monopolrecht, Kartelle und Monopole im modernen Recht, Bd. II, 1961, 532; ders., JZ 1958,1; R e i m e r , Die Bedeutung der Grundrechte für das Privatrecht, 1958;Reinhardt,Die Vereinigung sub j ektiver und obj ektiver Gestaltungskräfte im Vertrag, Festschrift f. Schmidt-Rimpler 1957,115; S c h m i d t R i m p l e r , AcP 147,130; Siber, IherJb 70, 223. I. D a s S c h u l d r e c h t schaftsordnung

als

Teil

der

grundgesetzlichen

Wirt-

Das Grundgesetz schreibt weder eine völlig freie (liberalistische) Marktwirtschaft vor, noch eine Planwirtschaft (Zentralverwaltungswirtschaft). Das Grundgesetz ist allerdings nicht in dem Sinne wirtschaftspolitisch neutral, daß 5*

67

§21 n

Verfassungsrecht und Schuldrecht

es zu den grundlegenden Fragen einer Wirtschaftsordnung nichts enthält. Vielmehr bekennt sich das Grundgesetz zu einer Reihe ausdrücklich aufgezählter, mehr oder weniger weitgespannter, persönlicher Freiheitsrechte, die nur unter bestimmten, vom Grundgesetz vorgesehenen Voraussetzungen durch staatlichen Eingriff eingeschränkt werden können (Nipperdey). Darüber hinaus ist die Wirkung dieser Freiheitsrechte zwischen Privatpersonen zum Teil anerkannt, zu einem weiteren Teil bestritten. D a das Grundgesetz den individuellen Freiheitsrechten bewußt Grundsätze der sozialen Verbundenheit entgegensetzt, ist es gerechtfertigt, von einer Verankerung der sozialen Marktwirtschaft im Grundgesetz in einem weitverstandenen Sinn zu sprechen. Damit ist freilich weder für noch gegen ein bestimmtes wirtschaftspolitisches Programm Stellung genommen, noch läßt sich anhand des Grundgesetzes dazu Stellung nehmen. In der folgenden Skizze interessieren die für das Schuldrecht des B G B bedeutsamen Freiheitsrechte und geschützten Rechtsgüter. Dabei muß für die erforderliche Vertiefung auf verfassungsrechtliches Schrifttum verwiesen werden. II. Die für das S c h u l d r e c h t b e d e u t s a m e n , geschützten F r e i h e i t e n und R e c h t s g ü t e r

vom

Grundgesetz

Unter den Freiheitsrechten ist an erster Stelle die Entfaltungsfreiheit des Art. 2 I G G zu nennen. Hiernach hat jedermann ein Recht zur freien E n t faltung seiner Persönlichkeit, soweit nicht Rechte anderer, das Sittengesetz oder die verfassungsmäßige Ordnung eine Schranke ziehen. Das Recht auf Entfaltungsfreiheit des Art. 2 I ist Grundrecht, Art. 1 I I I GG. E s unterliegt, wie die genannten Einschränkungen zeigen, nicht einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt, sondern kann nur nach Maßgabe der drei genannten Rechtsbereiche (Sittengesetz, Rechte anderer, verfassungsmäßige Ordnung) eingeschränkt werden. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gewährleistet die allgemeine Handlungsfreiheit im weitesten Sinne. Im Rahmen dieses allgemeinen Freiheitsrechts bestehen verschiedene geschützte Freiheiten als Unterfälle der Entfaltungsfreiheit des Art. 2 I GG. Einer der wichtigsten Bestandteile der Entfaltungsfreiheit im schuldrechtlichen Bereich ist die V e r t r a g s f r e i h e i t . Sie ist dementsprechend ein Grundrecht, unterliegt nicht dem allgemeinen Gesetzesvorbehalt, sondern nur den in Art. 2 I genannten Schranken. Die Vertragsfreiheit gibt den Staatsbürgern die Möglichkeit, Verträge nach ihrem Gutdünken zu schließen. Die in der Vertragsfreiheit zum Ausdruck kommende P r i v a t a u t o n o m i e ist ein unentbehrlicher Grundsatz auch einer sozial verstandenen Marktwirtschaft. Zur wirtschaftlichen Bedeutung der Vertragsfreiheit siehe oben § 1 I I I , zum Rechtsbegriff und zur rechtlichen Bedeutung der Vertragsfreiheit siehe unten I I I .

68

Verfassungsrecht und Schuldrecht

§21 III!

Eine andere Freiheit, die Bestandteil der allgemeinen Entfaltungsfreiheit des Art. 2 I ist und die für das Schuldrecht praktische Bedeutung hat, ist das Recht auf f r e i e w i r t s c h a f t l i c h e B e t ä t i g u n g (allgemeine Unternehmerfreiheit, Nipperdey: Gewerbefreiheit im weiteren Sinne). Während die Vertragsfreiheit jeden Staatsbürger begünstigt, spielt die allgemeine Unternehmerfreiheit, das Recht auf wirtschaftliche Betätigung im gewerblichen, wirtschaftlichen Bereich eine entscheidende Rolle. Beim Recht auf freie wirtschaftliche Betätigung sind verschiedene Ausprägungen zu beachten. Nach § 1 der Gewerbeordnung ist die freie wirtschaftliche Betätigung vom S t a a t als s u b j e k t i v - ö f f e n t l i c h e s R e c h t zugesichert. Soweit es um die A u f n a h m e eines Berufes oder seiner Ausübung geht, ist Art. 12 des Grundgesetzes lex specialis zu Art. 2 I (Nipperdey: Gewerbefreiheit im engeren Sinne). Ein dritter Gesichtswinkel ist die auch gegen Private gerichtete W e t t b e w e r b s f r e i h e i t . Sie ist nach Maßgabe des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen geschützt. Ein Unterfall der Wettbewerbsfreiheit ist die Kunden- oder Konsumfreiheit, die in gewissem Umfang den gleichen Schutzgesetzen unterliegt. Zwischen der Vertragsfreiheit und dem Recht auf wirtschaftliche Betätigung können Konflikte entstehen, die dann also Konflikte innerhalb des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sind. Wenn man sich vertraglich verpflichtet, bestimmte Verträge nicht mehr abzuschließen, schränkt die Vertragsfreiheit nicht nur sich selbst, sondern auch die wirtschaftliche Betätigung ein. Solche Konflikte zwischen den einzelnen nach Art. 2 IGG geschützten Freiheiten sind nach Maßgabe der einschlägigen Gesetze (hier Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) zu entscheiden. In Ermangelung eines Gesetzes ist eine Abwägung der Grundgesetzgüter vorzunehmen. Diese Abwägung kann auch zur Kontrolle der Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit dienen. Durch Ausübung der Vertragsfreiheit kommen Verträge und damit vertragliche Rechte zustande. Durch die Ausübung der allgemeinen Unternehmerfreiheit werden Unternehmen begründet, Vermögen und Eigentum gebildet. Auf diese Weise entstehen Rechtsgüter, die als solche wiederum zivilrechtlich und grundgesetzlich geschützt sind. Es handelt sich um das, was Art. 2 I „Rechte anderer" nennt, also vertragliche Rechte, Eigentumsrechte und das Recht am Unternehmen. Zu diesem Spannungsverhältnis zwischen den Freiheiten einerseits und den geschützten Einzelrechtsgütern andererseits ist im Recht der ungerechtfertigten Bereicherung und der unerlaubten Handlungen (unten § 97 II) noch Näheres zu sagen. III. B e g r i f f u n d B e d e u t u n g der V e r t r a g s f r e i h e i t 1. Durch Gewährung der Vertragsfreiheit überläßt der Staat die Regelungen der speziellen Bedürfnisse der einzelnen den Beteiligten selbst. Die Vertragsfreiheit ist die Freiheit, die den Rechtsgenossen die Möglichkeit zuerkennt, Verträge zu schließen und dadurch andere und auch sich selbst rechtlich zu binden.

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§21 m 2

Verfassungsrecht und Schuldrecht

Es handelt sich um eine rechtsschöpferische Tätigkeit (Privatautonomie), durch die aber nicht objektives Recht, mithin keine allgemein bindende Norm, sondern nur subjektive Rechte geschaffen werden. Der Staat stellt sich zur Verfügung, die von den Rechtsgenossen geschlossenen Verträge im Prozeß- und Vollstrekkungswege notfalls zwangsweise durchzusetzen. Ohne die Freiheit, Verträge schließen zu können, und ohne die Gewißheit, daß staatliche Organe zur Erzwingung vertraglicher Pflichten zur Verfügung stehen, kann ein auf selbstverantwortlicher Entscheidung aufgebautes und in diesem Sinne freiheitliches Staatswesen nicht existieren.

2. Die Rechtsgrundlage der Vertragsfreiheit ist, wie ausgeführt, Art. 2 I GG. Schon früher stützte man die Vertragsfreiheit auf § 305 BGB. Da die Vertragsfreiheit auch Angriffen Privater ausgesetzt sein kann, ist es erforderlich, dem Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit jedenfalls grundsätzlich insoweit Drittwirkung zuzuerkennen. Freilich sind die Grenzen im einzelnen zweifelhaft, dazu Fikentscher, Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz S. 76 ff., 89. Gemäß Art. 2 I wird die Vertragsfreiheit eingeschränkt durch die Sittenordnung. Dementsprechend sind nach § 138 BGB Verträge, die gegen die guten Sitten verstoßen, nichtig. Ferner verpflichten vorsätzlich begangene sittenwidrige Schädigungen zum Schadensersatz, 826 BGB. Die zweite in Art. 2 I G G genannte Begrenzung der Vertragsfreiheit sind die „Rechte anderer". Diese Schranke ist im Bereich der Vertragsfreiheit ohne praktische Bedeutung, weil Verträge nur zwischen den Vertragsparteien wirken, so daß Rechte Dritter nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Soweit Rechte der Vertragsparteien angetastet werden, steht es ihnen im Rahmen der Privatautonomie und der Gesetze (z. B. § 1 GWB) frei, über diese zu verfügen. Die dritte Begrenzung des Art. 2 I GG ist die verfassungsmäßige Ordnung. Die Bedeutung dieses Ausdrucks ist umstritten. Abzulehnen ist die Auffassung, verfassungsmäßige Ordnung bedeute verfassungsmäßig zustande gekommene Rechtsordnung. Wäre dies richtig, so enthielte Art. 2 I einen allgemeinen Gesetzesvorbehalt (so Mangoldt-Klein). Die anderen Einschränkungen (Rechte anderer, Sittengesetz) hätten dann keine Bedeutung mehr. Außerdem ist nicht anzunehmen, daß der Grundgesetzgeber den Art. 2 I auf diese Weise einschränken wollte. Jedenfalls wäre dieser allgemeine Gesetzesvorbehalt in ganz ungewöhnlicher Form erlassen worden. Den Vorzug verdient deshalb die Auffassung, die unter der verfassungsmäßigen Ordnung die Zusammenfassung von Grundgesetz und solchen einfachen gesetzlichen Vorschriften erblickt, in denen Verfassungs- und Rechtsprinzipien näher ausgeführt werden (Nipperdey, Larenz). So sind die zwingenden Vorschriften zugunsten des Dienstverpflichteten (617, 618) und des Mietnotrechts zwar Einschränkungen der Vertragsfreiheit, sie sind aber durch den Gedanken des Sozialrechtsstaats gedeckt. 70

Verfassungsrecht und Schuldrecht

§21IV; VI,2

gehören demnach zur verfassungsmäßigen Ordnung und sind nicht grundgesetzwidrig. Ob alle Fälle des gesetzlichen Abschlußzwangs heute noch durch die Verfassung gedeckt sind, kann zweifelhaft sein. IV. E i n t e i l u n g der V e r t r a g s f r e i h e i t Die Vertragsfreiheit ist einzuteilen in die A b s c h l u ß f r e i h e i t und I n h a l t s f r e i h e i t . Die Abschlußfreiheit garantiert, daß jedermann frei ist zu entscheiden, ob er einen Vertrag schließen will, und wenn ja, mit wem. Die Inhaltsfreiheit bedeutet, daß die Parteien frei sind, dem Vertrag einen beliebigen Inhalt zu geben, soweit nicht gesetzliche und durch die Vorbehalte in Art. 2 I gedeckte Einschränkungen bestehen. Beide Bestandteile zusammengenommen ergeben erst den vollen Inhalt der Vertragsfreiheit. Im wirtschaftlichen Bereich ist die Abschlußfreiheit geschützt nach Maßgabe der §§ 18, 19 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Die Inhaltsfreiheit ist geschützt nach §§ 15—17 des gleichen Gesetzes. Danach sind Absprachen zwischen Unternehmern, welche die Abschlußfreiheit beschränken, grundsätzlich wirksam, doch unterliegen sie einer Mißbrauchskontrolle durch das Bundeskartellamt. Beschränkungen der Inhaltsfreiheit sind grundsätzlich nichtig. V. Die A b s c h l u ß f r e i h e i t und ihre S c h r a n k e n 1. Die Bedeutung der Abschlußfreiheit besteht darin, daß jeder frei entscheiden kann, ob er Verträge schließen will, und wenn ja, mit wem. 2. Trotzdem gibt es ausnahmsweise Fälle, in denen eine rechtliche Abschlußpflicht besteht. Insoweit handelt es sich um eine Schranke der Abschlußfreiheit. Vier Fälle sind als Beispiele zu nennen: a) öffentliche Versorgungsträger wie Bahn, Post, Elektrizitätswerke, öffentliche Verkehrsunternehmen (Straßenbahn, Omnibus), Wasserwerke und Apotheken unterliegen nach der Rechtsprechung, die teilweise auch gesetzlichen Niederschlag gefunden hat, einem Abschlußzwang. Die Versorgungsaufgabe dieser zum Teil öffentlich betriebenen Unternehmen zwingt dazu, ihnen eine Pflicht zum Abschluß aufzuerlegen. Kommen diese Unternehmen der Pflicht nicht nach, so entstehen Schadensersatzansprüche und im öff.-rechtl. Bereich Vornahmeansprüche. Die Schadensersatzansprüche stützen sich, soweit die Abschlußpflichten gesetzlich vorgesehen sind (wie etwa bei der Bahn) auf § 823 II wegen Verletzung eines Schutzgesetzes, wo die Abschlußpflicht gesetzlich nicht vorgesehen ist (wie z. B. bei den Apotheken), auf § 826. b) Abschlußzwang besteht auf Grund von besonderen Gesetzen im Bereich der Bewirtschaftung. Trotz weitgehenden Abbaus bestehen auch heute noch aus sozialen Gründen Reste von Bewirtschaftung, z. B. bei Wohnräumen, bei der Beschäftigung Schwerbeschädigter, nach dem Milch- und Fettgesetz. Man kann diese Dinge nicht als überflüssig oder als systemwidrig abtun. Wo ein wirkliches Bedürfnis besteht (z. B. bei der Beschäftigung Schwerbeschädigter), hat der Gesetzgeber in Durchführung verfassungsmäßiger Prinzipien und Forderungen

71

§ 2 1 VI 1 , 2

Verfassungsrecht und Schuldrecht

das Recht und die Pflicht, die Vertragsfreiheit einzuschränken (sozialer Rechtsstaat, verfassungsmäßige Ordnung in Art. 2 I GG). Unberechtigt sind Bewirtschaftungsvorschriften aber dann, wenn Interessenten bevorteilt werden sollen. Soweit Bewirtschaftung besteht, unterliegen die Rechtsgenossen der Pflicht, den Vertrag nach Maßgabe der Vorschriften abzuschließen. Im Weigerungsfalle ist meist ein privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt zulässig, durch den die Behörde einen Vertrag mit gesetzlichem Inhalt den Parteien „über den Kopf stülpt". c) Abschlußzwang besteht als Folge des Diskriminierungs Verbots in § 26 II des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Nach dieser Vorschrift sind marktbeherrschende Unternehmen, Kartelle und preisbindende Unternehmen gehalten, andere Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherwiese zugänglich ist, nicht unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund gegenüber gleichartigen Unternehmen unterschiedlich zu behandeln. Unternehmen, die eine besonders wichtige Stellung im Markte haben, sollen diese Stellung nicht dazu mißbrauchen, Marktverschiebungen auf der Marktgegenseite hervorzurufen. Soweit das Diskriminierungsverbot des § 26 I I besteht, besteht Abschlußzwang für die genannten Unternehmer. — Eine dem § 26 II GWB entsprechende Vorschrift enthält für den EWG-Bereich Art. 86 I I c) EWG-Vertrag. d) Nach § 826 BGB ist zum Abschluß eines Vertrags verpflichtet, wer im Weigerungsfalle dem anderen in vorsätzlich sittenwidriger Weise einen Schaden zufügen würde. Der Landarzt, der nachts gerufen wird, würde in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich dem Kranken Schaden zufügen, wenn er sich aus einem nichtigen Grunde weigern würde, den Kranken aufzusuchen. Entscheidend ist auch hier der Gedanke der Monopolstellung, wie er schon unter a) und c) begegnete. VI. D i e I n h a l t s f r e i h e i t u n d i h r e

Schranken

1. Die Inhaltsfreiheit hat die Bedeutung, daß die Parteien ihrem Vertrag grundsätzlich jeden behebigen Inhalt geben können. Die Schranken zieht das Gesetz, das mit Art. 2 I GG übereinstimmen muß. Im Schuldrecht besteht wegen dieser Inhaltsfreiheit kein Typenzwang, d. h. die Parteien können sich grundsätzlich Verträge beliebigen Inhalts ausdenken. Im Sachenrecht herrscht dagegen Typenzwang, d. h. der Kreis der vom Gesetz zur Verfügung gestellten Sachenrechte ist durch Privatautonomie nicht zu erweitern. 2. Unter den Schranken der Inhaltsfreiheit sind als wichtigste Beispiele zu nennen: a) Nach § 138 sind Verträge nichtig, die gegen die guten Sitten verstoßen. Ein Vertrag, in dem sich die Beteiligten dazu verpflichten, einen Dritten zu berauben, bindet nicht. Desgleichen völlige Haftungsausschlüsse und dem wirtschaftlich gleichkommende Haftungsbegrenzungen, vgl. RGZ 108, 82 (überholt durch ADSp, aber noch von grundsätzlicher Bedeutung). Auf gleicher Linie liegen Einzelbestimmungen (z. B. §§ 276 II, 310 und 312 BGB). Nach § 310 ist ein Vertrag nichtig, durch den sich der eine Teil verpflichtet, sein k ü n f t i g e s

72

Form des Vertrags

§22

Vermögen oder einen Bruchteil davon zu übertragen oder mit einem Nießbrauch zu belasten. Dagegen sind Verträge, in denen man sich verpflichtet, sein gegenwärtiges Vermögen zu übertragen, gültig. Als nicht den guten Sitten entsprechend empfindet man auch Verträge über den Nachlaß eines noch lebenden Dritten. Darum erklärt § 312 solche Verträge für nichtig. Das gleiche gilt für einen Vertrag über den Pflichtteil oder ein Vermächtnis aus dem Nachlaß eines noch lebenden Dritten. b) Eine Schranke der Inhaltsfreiheit ist auch § 134 BGB. Danach sind Verträge nichtig, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen. So ist z. B. ein Vertrag grundsätzlich nichtig, in dem mehrere Unternehmer übereinkommen, Waren nur noch zu einem bestimmten Mindestpreis an die Kunden abzugeben (Preiskartell), § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Zahlreiche andere Verbote, deren Verfassungsmäßigkeit z. T. zweifelhaft ist, weil sie durch die Einschränkungen des Art. 2 I GG möglicherweise nicht gedeckt sind, enthält das Devisenrecht. c) Eine Begrenzung erfährt die Inhaltsfreiheit durch Verträge mit normiertem Inhalt (Nipperdey: Diktierte Verträge). Wichtig sind solche Verträge mit normiertem Inhalt in der Bewirtschaftung (Zwangsmietvertrag, Zwangsarbeitsvertrag des Schwerbeschädigten, Zuweisung an eine Molkerei nach dem Milchund Fettgesetz), vgl. oben V b. Dagegen handelt es sich bei allgemeinen Geschäftsbedingungen und Tarifverträgen des Arbeitsrechts nicht um Verträge mit normiertem Inhalt. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind vorformulierte Vertragsinhalte, auf die im Einzelvertrag verwiesen wird. Tarifverträge sind Normenverträge im Bereich einer vom Staat den Sozialpartnern gewährten Autonomie. Ihre Bedingungen wirken direkt und unmittelbar auf die unter ihrem Bereich abgeschlossenen Arbeitsverträge ein. d) Eine Einschränkung der Inhaltsfreiheit, die zugleich eine Einschränkung der Abschlußfreiheit sein kann, findet sich im Bereich genehmigungsbedürftiger Verträge. Genehmigungen sind zum Abschluß von Verträgen in weitem Umfang erforderlich. So bedarf nach § 2 des Grundstücksverkehrsgesetzes vom 28. 7.1961 (BGBl. I S. 1091, berichtigt S. 1652) die Veräußerung eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücks der Genehmigung. Siehe dazu auch § 19 des Bundesbaugesetzes vom 23. 6.1960, BGBl. I 341. e) Nach § 3 des Währungsgesetzes von 1948 ist es ohne Genehmigung der zuständigen Landeszentralbank unzulässig, in einem Vertrag eine die Stabilität der Währung sichernde Klausel aufzunehmen (Goldklausel, Kaufkraftklausel). Auch hier handelt es sich um eine nicht unbedeutende Einschränkung der Inhaltsfreiheit, die aber aus grundgesetzlichen Prinzipien heraus (Währungshoheit des Bundes) als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung gerechtfertigt ist. Form des Vertrags B o e h m e r , G u s t a v , Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung, Bd. II, 2. Teil, 1951, S. 93; F r a n z , Die formbedürftigen Geschäfte des Reichsprivatrechts, 1907; H e l d r i c h , AcP 147, 89; Hoche, DNotZ 1958, 346; Lorenz, AcP 156, 381.

73

§221—6

Form des Vertrags

1. Grundsätzlich sind Verträge „formfrei", d. h. sie können in mündlicher Form geschlossen werden. Die in den §§ 125 ff. vorgesehenen „Formen", d. h. die s c h r i f t l i c h e , ö f f e n t l i c h b e g l a u b i g t e und g e r i c h t l i c h oder n o t a r i e l l b e u r k u n d e t e Form, müssen vom G e s e t z im Einzelfall v o r g e s e h e n oder v e r t r a g l i c h v e r e i n b a r t sein. 2. Die grundsätzliche Formfreiheit ist bei bestimmten Geschäften und in gewissen Kreisen nicht volkstümlich. So besteht gelegentlich der Irrtum, was nicht s c h r i f t l i c h niedergelegt sei, gelte nicht. Manchmal wird auch angenommen, etwas müsse „notarisch" sein, um Wirkung zu entfalten. Trotzdem sind Miet-, Kauf-, Dienst- und Werkverträge und die in ihnen enthaltenen Klauseln grundsätzlich „formfrei", also aufgrund mündlicher Absprache gültig. 3. Möglich ist, daß die Parteien eine bestimmte Form vereinbaren. Die Vereinbarung kann auch stillschweigend sein (das ist z. B. dann anzunehmen, wenn b e i d e Seiten stillschweigend von der Voraussetzung ausgehen, der Vertrag sei nur bei Einhaltung einer bestimmten Form wirksam). Ist in solchen Fällen die Form nicht beachtet worden, ist der Vertrag im Zweifel nicht geschlossen, bis die Form erfüllt worden ist, 154 II. Dort ist zwar nur von der Beurkundung die Rede, doch ist § 154 II auf Schriftform und öffentliche Beglaubigung, auch auf eine gewillkürte besondere Form (Druck, gesiegelte Urkunde, doppelte Unterschrift) analog anzuwenden. Macht nur e i n e Seite das Formbedürfnis zum Inhalt ihrer Erklärung, gilt Dissensrecht. § 154 1 1 betrifft auch die vereinbarte Form, str. 4. Sieht das Gesetz ausnahmsweise Formvorsehriften vor, so kann das zwei Gründe haben, die einzeln oder gemeinsam, und dann in jeweils verschieden starkem Grade gegeben sein können. Der eine Grund ist die B e w e i s s i c h e r u n g , der andere der S c h u t z des sich Erklärenden vor Ü b e r e i l u n g . Es ist zweckmäßig, sich bei jeder im Gesetz vorkommenden Formvorschrift zu fragen, ob der eine oder der andere Grund gemeint ist oder, falls beide zutreffen, welcher im Vordergrund steht. Die Auslegung der Erklärung und die Entscheidung, ob die gewählte Form ausreicht, ferner ob und wodurch ein Formmangel geheilt werden kann, kann davon abhängen. 5. Im besonderen Schuldrecht (433—853) gibt es einige Formvorsehriften, die bei dem betreffenden Schuldverhältnis zu besprechen sind, z. B. §518 (Schenkungsversprechen); §781 (Schuldanerkenntnis); § 783 (Anweisung). In all diesen Fällen steht der Gesichtspunkt des Schutzes vor Übereilung wegen wirtschaftlicher Gefährlichkeit des Geschäfts an erster Stelle. Anders dagegen § 566, wo der Beweissicherungszweck im Hinblick auf § 571 im Vordergrund stehen dürfte. 6. I m a l l g e m e i n e n S c h u l d r e c h t bestehen nur 3 Formvorschriften, die übrigens alle gerichtliche oder notarielle Beurkundung vorsehen: 311, 312, 313. Weitaus am wichtigsten ist § 313.

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Form des Vertrags

§227

7. Nach § 313 S. 1 bedarf ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verp f l i c h t e t , das E i g e n t u m an einem G r u n d s t ü c k zu übertragen, der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung. Der Beweiszweck und der Gedanke des Schutzes vor Übereilung tragen die Vorschrift. a) Die Vorschrift betrifft nur das V e r p f l i c h t u n g s g e s c h ä f t , also den Grundstückskauf (433), n i c h t das V e r f ü g u n g s g e s c h ä f t , durch das im Wege der Auflassung und Eintragung (873, 925) das E i g e n t u m am Grundstück ü b e r g e h t und die Verpflichtung aus §433 I I e r f ü l l t wird. Das V e r f ü g u n g s g e s c h ä f t , das den Eigentumsübergang bewirkt, besteht aus d i n g l i c h e r E i n i g u n g und E i n t r a g u n g im Grundbuch, 873 11. Die dingliche Einigung h e i ß t bei Grundstücksveräußerungen A u f l a s s u n g und bedarf nach § 925 gleichfalls der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung. Die Erklärung einer Auflassung soll nur entgegengenommen werden, wenn die nach § 313 S. 1 erforderliche Urkunde über den K a u f v e r t r a g vorgelegt oder gleichzeitig errichtet wird, 925a. Diese Vorschrift verknüpft in durchaus eigenartiger und für das BGB einmaliger Weise Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft (zur Unterscheidung, siehe oben § 14). Die Verbindung der Kauf- und Auflassungserklärungen in einer einzigen Urkunde ist häufig und wird vom Laien als selbstverständlich empfunden, weil ihm der grundlegende Unterschied zwischen Verpflichtung und Verfügung nicht einleuchtet. Meist werden in eben derselben Urkunde die dazu noch erforderlichen Erklärungen nach § 13 (Antrag) und § 19 GBO (Eintragungsbewilligung) aufgenommen, ohne die der Grundbuchrichter (zumeist Rechtspfleger) die Eintragung gemäß §873 nicht vornimmt, vgl. §20 GBO; dazu §§22, 29, 39, 40 GBO. Das Recht der Grundstücksveräußerung besteht also aus dem geschilderten Zusammenspiel folgender Vorschriften: 313 S. 1,433 (Kauf); 873, 925,925a (Übereignung); 13,19, 20, 29, 39, 40 GBO; § 925 ist dabei als Sondervorschrift zu § 127 zu verstehen, weil § 925 über § 127 hinaus gleichzeitige Anwesenheit beider Teile verlangt. Nach Landesrecht tritt anstelle der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung in §§ 313 S. 1, 925 aufgrund der in Art. 142 EGBGB ausgesprochenen Vorbehalts in manchen Ländern die Beurkundung n u r d u r c h den N o t a r (z. B. Bayern) oder auch durch andere Behörden. Der Gesetzgebungsvorbehalt des Art. 142 EGBGB wurde durch Art. 7 des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiet des Notarrechts vom 16. 2.1961 (BGBl. I S. 77) eingeschränkt, b) § 313 S. 1 betrifft nur die Verpflichtung zur Ü b e r t r a g u n g des Eigentums an einem Grundstück, nicht etwa die Verpflichtung zur Belastung oder zur Eigentumsaufgabe (Dereliktion) eines Grundstücks. Für Belastungen gilt § 873 (Einigung grundsätzlich formfrei), für die Eigentumsaufgabe § 928. 75

§227

Form des Vertrags

c) § 313 S. 1 betrifft nicht die Verpflichtung zur Übertragung von sonstigen dinglichen Hechten an einem Grundstück, vgl. für die Hypothek beim dinglichen Geschäft §§ 1153 ff. d) §313 S. 1 betrifft nur G r u n d s t ü c k e und ideelle Anteile an Grundstücken, nicht grundstücksgleiche Rechte (vgl. statt dessen aber §§ 1015, 1017 bzw. § 11 der VO über das Erbbaurecht vom 15.1.1919, RGBl. I 72, 122.) e) Wird die Form des § 313 S. 1 verletzt, so tritt weder Vollnichtigkeit noch schwebende Unwirksamkeit ein (str.), vielmehr besteht eine h e i l b a r e N i c h t i g k e i t . Der nicht gerichtlich oder notariell beurkundete Grundstückskauf ist von vornherein nichtig, aber vollständig heilbar, wenn Auflassung und Eintragung erfolgen, 313 S. 2. Die Heilung des Vertrages kann dadurch verhindert werden, daß im Wege der einstweiligen Verfügung nach § 935 ZPO auf Antrag des Verkäufers gegen den Käufer ein Erwerbsverbot erlassen wird. Die dennoch erfolgte Eintragung ist dann dem Veräußerer gegenüber analog §§ 136, 135 relativ unwirksam. Dadurch wird Heilung verhindert, RGZ 117,290; 120, 118. f) Die heilbare Nichtigkeit betrifft den Vertrag in v o l l e m Umfang. Ist also ein Teil eines Grundstückskaufs schriftlich niedergelegt und ein anderer Teil mündlich vereinbart, so ist alles nichtig. g) Von Bedeutung ist der Fall, daß ein Teil des Grundstückskaufs der Form des § 313 S. 1 entspricht, aber ein anderer Teil bewußt oder unbewußt nur schriftlich oder mündlich vereinbart wurde. Dann ist der nichtformgerechte Teil nach § 313 S. 1 nichtig und der formgerechte nach § 139, wonach bei Teilnichtigkeit grundsätzlich Vollnichtigkeit angenommen wird. Man muß also darauf achten, daß bei einem Grundstückskauf alle für die Parteien wesentlichen Punkte in den beurkundeten Text aufgenommen werden. Wird aus Gründen der Hinterziehung von Grunderwerbssteuer ein zu niedriges Entgelt in den notariellen Text aufgenommen und ein höheres mündlich vereinbart, so ist grundsätzlich der ganze Vertrag nichtig: Der beurkundete Vertrag als Scheingeschäft, §117; der in Wahrheit gewollte Vertrag wegen Formmangels, § 313 S. 1. Vergleiche aber die Sonderregelung in § 4 VO v. 7. 7.1942, aufgehoben seit 29.10.1960 durch § 186 1 1 Nr. 65 Bundesbaugesetz v. 23. 6.1960. Im einzelnen siehe Erman 3 § 313 Anm. 12c, bb, und Anhang zu § 313. § 313 BGB gilt also heute auch hinsichtlich der Preisabrede beim Grundstückskauf wieder unbeschränkt. Damit ist die heutige Rechtslage wie folgt zu kennzeichnen: Die Formpflicht des § 313 erfaßt den „Vertrag", d. h. den ganzen Vertrag mit allen nach dem Willen der Parteien wesentlichen Bestandteilen. Zu letzteren gehört bei Kaufverträgen die Abrede über den Kaufpreis.

76

Form des Vertrags

§227

1. Erfolgt trotz übereinstimmenden Willens versehentlich falsche Beurkundung, so sind die Grundsätze der falsa demonstratio anzuwenden, d. h. die Falschbeurkundung wird die Wirksamkeit des Vertrages nicht beeinträchtigen. 2. Lassen die Parteien dagegen den Kaufpreis — gleichgültig, ob zu hoch oder, wie in der Regel, zu niedrig — bewußt unrichtig beurkunden, so ist der beurkundete Vertrag als Scheingeschäft nach § 117 BGB, der wirklich gewollte Vertrag wegen der fehlenden Beurkundung nach §§ 313,125 BGB nichtig. Dieses Ergebnis wird weder durch § 117 II BGB noch durch § 139 BGB beeinflußt: Der gewollte Vertrag kann nicht nach § 117 II als „verdecktes" Geschäft wirksam sein, da nach h. M. sämtliche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, es hier aber gerade an der Form des § 313 fehlt. Der beurkundete Vertrag ist nicht etwa nach § 139 hinsichtlich des Versprechens des Verkäufers wirksam, da — wie aus dem Scheingeschäft ersichtlich — der tatsächlich gewollte Kaufpreis nach dem Willen der Parteien wesentlicher Bestandteil des Kaufvertrages ist. 3. Grundsätzlich kann sich jeder der Vertragspartner auf die Nichtigkeit wegen Formmangels berufen. Liegt nichts weiter vor, als daß beide Parteien bewußt oder unbewußt gegen die gesetzlichen Formvorschriften verstoßen haben, so kann sich keiner darauf berufen, daß die Geltendmachung der Nichtigkeit wegen Formmangels sitten- oder treuwidrig sei. Das bedeutet: Ist der Vertrag noch nicht erfüllt, so kann keiner Erfüllung verlangen. Ist teilweise erfüllt (Kaufpreis gezahlt, Besitz übertragen, Auflassung erklärt, Eintragungsbewilligung erteilt — aber noch nicht eingetragen), so gilt folgendes: Eine Kondiktion nach § 812 11 BGB entfällt in aller Regel wegen der Kenntnis der Parteien von der Nichtigkeit des Kausalgeschäftes, § 814 BGB. Die erbrachten Leistungen können jedoch nach §812 12 BGB (condictio causa data causa non secuta) zurückgefordert werden, wenn die Parteien sie in der Annahme erbracht haben, daß der nichtige Vertrag nach § 313 S. 2 nachträglich geheilt werden würde. § 815 steht nicht entgegen, da eine Heilung des formnichtigen Vertrages trotz § 925 a möglich ist und die Parteien davon ausgehen. 4. Nur ausnahmsweise ist nach der einengenden Rechtsprechung des BGH und der ihr folgenden herrschenden Lehre die Berufung auf die Nichtigkeit wegen Formmangels unzulässig. Nachdem das RG gegenüber der Geltendmachung der Nichtigkeit in immer weiterem Maße die exceptio doli zugelassen hatte (diese — venire contra factum proprium — sollte bereits dann durchgreifen, wenn der eine Teil den anderen mit oder ohne böse Absicht[I],in den Irrtum versetzt oder in dem Irrtum gehalten hat, daß der nichtbeurkundete Vertrag auch formlos gültig sei oder doch jedenfalls erfüllt werden solle), hat der BGH (16,334 ; 23, 254) im Anschluß an OGH 1, 217 den Grundsatz der Formnichtigkeit wieder in den Vordergrund gestellt. Im übrigen trennt der BGH zwei Fälle: die exceptio doli läßt er nur noch gegenüber dem Bereicherungsanspruch zu. Bei Erfüllungsansprüchen stützt er sich nicht mehr auf sie, sondern auf eine „Einengung des § 125 durch § 242 BGB" in der Art, daß von Amts wegen dem Mangel der Form die Rechtsfolge der Nichtigkeit mit Rücksicht auf Treu und Glauben zu versagen ist. Eine derartige Einschränkung des § 125 durch die Grundsätze von Treu und Glauben hält er nur in besonders gelagerten Fällen für zulässig, nämlich dann, wenn die Nichtig77

§228

Form des Vertrags

keit „zu schlechthin untragbaren Ergebnissen führen würde". Die Entscheidung darüber, wann diese Voraussetzungen vorliegen, ist auf den Einzelfall abzustellen. Für die — angesichts der meist im beiderseitigen Interesse liegenden Falschbeurkundung des Kaufpreises — seltenen Fälle, in denen die Berufung auf den Formmangel entsprechend obigen Grundsätzen versagt ist, gilt folgendes: Dem redlichen Vertragspartner steht ein Anspruch auf Erfüllung zu. Macht er ihn geltend, muß er seinerseits auch erfüllen. Das Erfüllungsbegehren des anderen greift wegen der Nichtigkeit des Vertrages nicht durch. Soweit der Redliche bereits erfüllt hat, kann er nach § 812 I 2 kondizieren, dem anderen dagegen ist der Bereicherungsanspruch aus § 812 I 1 schon wegen Kenntnis nach § 814 BGB, der aus § 812 I 2 nach § 242 (exceptio doli) verwehrt. h) Die H e i l u n g erfolgt durch Auflassung des Grundstücks und Eintragung im Grundbuch, 313 S. 2. Der dingliche Vollzug des Kaufs schafft eine Rechtslage, die aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit nicht wieder rückgängig gemacht werden soll. Ein H e i l u n g s w i l l e ist nicht erforderlich, die Heilung tritt ex lege ein. Hieraus leitet ein Teil der Lehre eine ex-tuncWirkung der Heilung ab (Larenz, Oertmann). E s besteht aber kein triftiger Grund vom Wortlaut des Gesetzes („wird . . . wirksam") abzuweichen, der eine ex-nunc-Heilung — von der Eintragung im Grundbuch an — vorschreibt. Das Gesetz will lediglich den Bereicherungsanspruch ausschließen, dazu genügt die Heilung ex nunc. i) Die Heilung umfaßt, was leicht übersehen wird, den Vertrag in v o l l e m U m f a n g , also einschließlich aller schriftlichen oder m ü n d l i c h e n N e b e n a b r e d e n , soweit sie im Zusammenhang mit dem Kauf stehen und für beide Parteien vertragswesentlich sind. Die Heilung versagt, wenn eine behördliche Genehmigung (z. B . nach § 1 8 2 1 1 4 ) zum Kaufvertrag fehlt. Die Heilung ersetzt nicht die Genehmigung. Wird nur ein Teil der Kaufvereinbarungen genehmigt, fehlt die Genehmigung des g a n z e n Vertrags. Das ist wichtig, wenn die Parteien aus irgendwelchen Gründen nicht alles, was sie vereinbaren, in die Urkunde aufnehmen, so daß die Genehmigungsbehörde, der die Urkunde vorliegt, nicht den ganzen Vertrag genehmigen kann. j ) Ursprünglich gemäß § 313 S. 1 formnichtige, dann aber nach § 313 S. 2 geheilte Abreden können nachträglich in der g l e i c h e n oder in einer stärkeren Form wirksam abgeändert werden, in der sie zuerst nichtig und dann geheilt waren. Die Berufung auf § 313 S. 1 liefe insoweit dem Sinn des § 313 S. 2 zuwider. Das ist auch bei ursprünglich gültig beurkundeten Verträgen so, allerdings nur, wenn keine „Verschärfung der Übereignungspflicht" eintritt, vgl. Soergel-Siebert § 313,22. 8. Nach § 311 bedarf ein Vertrag der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung, durch den sich ein Teil v e r p f l i c h t e t , sein gegenwärtiges Vermögen oder einen Bruchteil des gegenwärtigen Vermögens zu übertragen oder mit einem

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Form des Vertrags

§229—11

Nießbrauch zu belasten. § 419 regelt die Wirkung des Erfüllungsgeschäfts (dazu unten § 59 IV). Doch verwenden §§ 311, 419 verschiedene Vermögensbegriffe. § 311 bestimmt die Form zu Überlegungszwecken und meint daher nur den Fall, daß jemand sein „Hab und Gut", sein „Vermögen", als solches bezeichnet, oder einen Bruchteil davon veräußern will. Verpflichtet sich jemand zur Übertragung bestimmter, benannter Vermögensgegenstände (z. B. Haus, Hof, Grundstücke), die aber zusammen sein Vermögen ausmachen, so bedarf es der Form des § 311 nicht, da der Schuldner sich durch die Aufzählung die Bedeutung seines Schrittes klarmachen muß. Dann aber ist, soweit Grundstücke betroffen sind, § 313 zu beachten. § 419 will dagegen die Gläubiger des Übertragenden schützen. Hier kommt es darauf an, ob das Übertragene tatsächlich das Vermögen ausmacht und nicht auf Global- oder Einzelbenennung. In § 311 gilt ein formeller, in § 419 ein materieller Vermögensbegriff. 9. Verpflichtungsverträge über das künftige Vermögen sind gemäß § 310 nichtig. Ein Vertrag unter künftigen gesetzlichen Erben über ihre Erb- oder Pflichtteile ist entgegen § 312 I nicht nichtig, bedarf aber der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung, 312 II. 10. Soweit Formzwang besteht, unterliegen ihm auch V o r v e r t r ä g e , R a h m e n v e r t r ä g e und u n w i d e r r u f l i c h e Vollmachten (Ausnahme von § 167 II) zum Abschluß formgebundener Verträge, wenn dadurch bereits die Bindung eintritt. Sonst läge eine Gesetzesumgehung vor § 134, RGZ 104, 326. Zu Formfragen des Vorvertrags Larenz I 6 § 6 a. E. 11. Die Berufung auf einen Formmangel kann nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte oder aus dem Sinn der Formvorschrift heraus u n z u l ä s s i g sein, so daß das Rechtsgeschäft trotz Formmangels gilt. Hier sind zwei Fälle zu unterscheiden: a) Der Schuldner hat, z. B. durch Zureden und feierliche Beteuerungen, er werde sein Versprechen halten, den Gläubiger bestimmt, auf Einhaltung der Form zu verzichten. Beruft sich der Schuldner dann später auf den Formmangel, so handelt er arglistig. § 242 schränkt insoweit § 125 materiellrechtlich ein, und zwar als Einwendung, nicht nur im Sinne einer Einrede (ebenso Larenz I 6 § 10 III und BGHZ 12, 304). Dazu näher unten § 27 II 12 a. b) Es gibt Fälle, in denen es objektiv grob unbillig wäre, ein Rechtsgeschäft an einer Formvorschrift scheitern zu lassen. Dabei handelt es sich dann aber nicht um die Anwendung des Treu-und-Glauben-Satzes auf § 125, sondern um eine einengende Auslegung oder Restriktion der Formvorschrift selbst aus ihrem Sinn und Zweck heraus. Hat der Bauer seinen Ältesten als Hofnachfolger bestimmt, hat dieser Sohn mit seiner Familie daraufhin lange Jahre auf dem Hof gearbeitet, und war die Nachfolge bei den beteiligten Geschwistern und Verwandten schon stets als sicher angesehen worden, so entspricht es, falls die Übergabe schon unter Lebenden erfolgte, nicht dem Sinn des § 313 S. 1, und falls sie erst nach dem Tod des Bauern geschehen 79

§2311,2

Vorvertrag und andere vorläufige Verträge

sollte, nicht dem Sinn des § 2247, die Hofnachfolge wegen eines Formmangels rechtlich zum Scheitern zu bringen und damit das Lebenswerk einer Familie zu zerstören. Denn die Übergabe stand unter den Beteiligten fest. Wem sollen §§ 313, 2247 dann noch dienen ? (Wenn es an einer Erklärung des Bauern überhaupt fehlt, kann nur noch Bereicherungshaftung helfen, oben § 18 I I I 5 b ) ; anders B G H Z 12, 286, wo ein faktischer Vertrag angenommen wird. (Meist werden aber zumindest stillschweigende Erklärungen vorliegen, so daß nur die Formfrage im Wege steht). Die Nichtanwendung von Formvorschriften in Fällen, wo ihre Anwendung geschäftszweckstörend ist, muß aber seltene Ausnahme bleiben. Es muß sich um Grenzfälle handeln, in denen die Formbeachtung zu „untragbaren" Ergebnissen führen würde, BGHZ 35, 279 in Fortsetzung einer ständigen Rechtsprechung des E G ; beide Gerichte berufen sich aber auch in dieser Fallgruppe auf § 242. Das ist nicht richtig, weil zu dem, der sich auf das Fehlen der Form beruft, insoweit keine schuldrechtliche Sonderbindung besteht. Besteht sie, zählt der Fall zu oben a) und es muß eine Abwägung der Zumutbarkeit stattfinden. Besteht sie nicht, kann trotzdem die Anwendung der Formvorschrift in sich sinnwidrig sein. Sinnwidrig wird die Anwendung einer Formvorschrift vor allem dann, wenn die wirtschaftlich Betroffenen schon (u. U. langjährige) Lebensoder Vermögensdispositionen mit Rücksicht auf ein (bloß) formnichtiges Geschäft getroffen haben. Liegen derartige Ausnahmetatbestände nicht vor, beansprucht § 125 Geltung. Es bestehen grundsätzlich auch keine sittlichen oder Anstandspflichten zur Erfüllung formnichtiger Geschäfte, so daß Leistungen nach § 812 zurückgefordert werden können. Das gilt nicht, wenn der Leistende die Nichtigkeit kannte, § 814, RGZ 107, 360.

§ 23

Vorvertrag und andere vorläufige Verträge W . L o r e n z , Vorzugsrechte beim Vertragsschluß, Festschr. Dölle 1963 I, 103ff.; R o t h , Der Vorvertrag, 1928; W a b n i t z , Der Vorvertrag in rechtsgeschichtlicher und rechtsvergleichender Betrachtung, Diss. Münster 1962. I. V o r v e r t r a g 1. Im Anschluß an die in diesem Kapitel bisher behandelten a l l g e m e i n e n Fragen, die sich bei der Begründung von Schuldverhältnissen ergeben, bedürfen im folgenden noch einige besondere Vertragsarten und Vertragsbestandteile der Erörterung, die bei der Begründung von Schuldverhältnissen eine Rolle spielen: Vorvertrag, Rahmenvertrag, Draufgabe und Vertragsstrafe. 2. Ein V o r v e r t r a g ist ein Vertrag, durch den sich die Vertragschließenden verpflichten, einen anderen Vertrag zu schließen ( H a u p t v e r t r a g ) . Der Vorvertrag (Leonhard: Abschließungsvertrag) will den Hauptvertrag, sowohl was seinen Abschluß als auch was seinen Inhalt anlangt, vorbereiten.

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Vorvertrag und andere vorläufige Verträge

§2313,4

Die Vorvertragsparteien versprechen einander, später — etwa nach Klärung weiterer sachlicher Voraussetzungen — einen Hauptvertrag einzugehen. A und B kommen überein, daß A dem B für eine noch zu bestimmende Gebühr die Lizenz an dem Patent einräumen wird, das A für eine Erfindung anmelden möchte, die sich noch im Entwicklungsstadium befindet (Lizenzvorvertrag). — X, Y und Z versprechen einander, im Herbst nächsten Jahres eine Eisengroßhandelsgesellschaft in der Form einer oHG zu gründen, deren Sitz noch bestimmt und deren Satzung noch ausgearbeitet werden soll (Gesellschaftsvorvertrag). 3. Der Vorvertrag ist als solcher gesetzlich nicht geregelt. Gleichwohl ist er aufgrund der Vertragsfreiheit (Art. 2 I GG, § 305 BGB) zulässig, allgemeine Meinung. Im Gegensatz zu einer verbreiteten Auffassung spricht § 610 BGB nicht nur von einem Darlehensvorvertrag, sondern auch und in erster Linie von einem Darlehensversprechen (jemand sagt die Gewährung eines Darlehens zu; § 607 meint den Darlehensvertrag, der nur den Nehmer zur Rückzahlung verpflichtet, vgl. unten § 77 13 d). Denn in § 610 ist nicht davon die Rede, daß die Darlehensbedingungen noch im einzelnen ausgehandelt werden sollen, was das allgemeine Kennzeichen eines Vorvertrags wäre. Daraus folgt, daß § 610 auf jedes Darlehensversprechen, aber auch auf hinreichend bestimmte Darlehensvorverträge anwendbar ist. — Entsprechendes wie für § 610 gilt für Leih- und Verwahrungsverträge (so auch Esser, § 149, 5). 4. Der Vorvertrag bietet regelmäßig zwei Rechtsprobleme, das der F o r m und das der B e s t i m m t h e i t ; vgl. RGZ B6,116; oben § 22,10. a) Wo für den Hauptvertrag zwingend Formen (z. B. § 313) vorgeschrieben sind (oben § 22), darf keine Umgehung auf dem Weg über den Vorvertrag zugelassen werden. Wo der Inhalt des Vorvertrages bereits zu einer Bindung führt, und sei es auf dem Umweg über den noch zu schließenden Hauptvertrag, sind für den Vorvertrag dieselben Formvorschriften einzuhalten, die zur Anwendung kommen, wenn die Bindung im Hauptvertrag stände. So ist ein Vorvertrag über eine Grundstücksveräußerung nach § 313 S. 1 formgebunden, wenn die Bindung des Veräußerers versprochen und nur noch die genaue Höhe des Kaufpreises offengelassen wird. Andererseits ist der Vorvertrag formfrei, wenn gerade der Punkt noch offengelassen ist, der — stände er im Hauptvertrag — den Formzwang auslösen würde. Entscheidend ist der Gesichtspunkt, Gesetzesumgehungen zu verhindern. b) Der Vorvertrag begründet f ü r die Parteien eine (meist) gegenseitige, privatreehtliche Abschlußpflicht. Die Pflicht wird durch Abschluß des Hauptvertrags von den Parteien erfüllt (362 I). Grundsätzlich kann jede Seite den Abschluß verlangen (Klage auf Abgabe einer Willenserklärung, Vollstreckung nach § 884 ZPO). Dem Erfüllungsverlangen kann aber nur entsprochen werden, wenn der Inhalt des Hauptvertrags im Vorvertrag schon hinlänglich bestimmt 6

F i k e n t s c h e r , Schuldrecht

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§ 23 II A 1

Vorvertrag und ander vorläufige Verträge

worden ist. Die Absprache: „Wir wollen ein Unternehmen gründen", genügt nicht. Zweck, Sitz und Rechtsform sind noch offen. Ist die durch den Vorvertrag begründete Abschlußpflicht nicht hinreichend b e s t i m m t oder durch Auslegung des Vorvertrags b e s t i m m b a r , ist die Pflicht und damit der Vorvertrag insoweit unwirksam (zur Bestimmtheit der Leistung oben § 8, 5), 139 BGB. Welche Anforderungen an die B e s t i m m t h e i t des Vorvertrags zu stellen sind, entscheiden die Umstände des Falles unter Berücksichtigung der Parteiinteressen. II. A n d e r e v o r l ä u f i g e V e r t r ä g e Wirtschaftlich verfolgen die Parteien mit dem Vorvertrag ein beiderseitiges Interesse, sich vorläufig an etwas zu binden, unter Vorbehalt oder unter zeitlicher Verschiebung der späteren endgültigen Regelung. Der Vorvertrag ist zur Regelung einer derartigen Interessenlage nur eine Möglichkeit unter vielen. Die wichtigeren v o r l ä u f i g e n V e r t r ä g e sind die folgenden: A. V o r l ä u f i g e V e r t r ä g e mit a u f g e s c h o b e n e m H a u p t v e r t r a g 1. An den H a u p t v e r t r a g b i n d e n d e v o r l ä u f i g e V e r t r ä g e a) Zweiseitig bindend ist der V o r v e r t r a g (oben I.). Es entstehen gegeneinander gerichtete Ansprüche auf Abschluß des Hauptvertrags. b) e i n s e i t i g bindende Verträge «) Die A n b l e t u n g s p f l i c h t (Larenz: Vorhand). Die Parteien vereinbaren, daß wenn die eine z. B. verkauft, das erste Angebot der andern Partei zu machen ist. Diese kann a n n e h m e n oder nicht. Erst mit der Annahme kommt der Hauptvertrag zustande. ß) Die Option. Der einen Partei wird ein G e s t a l t u n g s r e c h t eingeräumt, durch einseitige, empfangsbedürftige Erklärung an die andere Partei einen Vertrag zu vorfixierten Bedingungen zustande zu bringen. Drei Unterfälle sind bedeutsam: a