196 101 70MB
German Pages 748 [752] Year 1975
de Gruyter Lehrbuch
Schuldredit von
Dr. jur. Wolfgang Fikentsdier o. Professor an der Universität München
5., unveränderte Auflage
w DE
G
1975 de Gruyter • Berlin • New York
ISBN 3 11 006584 3
© Copyright 1975 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung, J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer, Karl J . Trübner, Veit & Comp., Berlin 30. — Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomedianisdien Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen und der Ubersetzung, vorbehalten. — Printed in Germany. — Satz und Druck: Saladruck, 1 Berlin 36 Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer, 1 Berlin 61
Meinem Lehrer ALFRED
HUECK
Vorwort zur 5. Auflage Wesentlich schneller als erwartet wurde eine 5. Auflage notwendig. D a das Erscheinen der Vorauflage erst ein gutes Jahr zurückliegt, glaubte ich es verantworten zu können, die Neuauflage als „unveränderte" vorzulegen. Es scheint, daß das systematische Lehrbuch alter Art, entegegen manchen Vorhersagen, wieder zunehmend Gebrauch und Anerkennung findet. Das ist bemerkenswert, weil sich der Stil der Vorlesung an den meisten Juristischen Fakultäten in den letzten Jahren —- wie idi meine, erfreulicherweise —- erheblich geändert hat. Die einzelnen Stoffbereiehe werden vor allem den Studienanfängern nicht mehr unverbunden nebeneinander vorgetragen, sondern Dozent und H ö r e r erarbeiten gemeinsam ein zusammenhängendes Gebiet, etwa in einem „Grundkurs Zivilrecht", zu dem dann auch das Schuldrecht gehört. Die früher getrennt neben den Vorlesungen laufenden praktischen Übungen werden heute häufig in die „Kurse" integriert. Es war von Anfang an selbstverständlich, daß diesem neuen Arbeitsstil das klassische Lehrbuch allein nicht mehr genügt. Darum wurden in Ergänzung dieses Lehrbuchs die beiden Sammlungen schuldrechtlicher Entscheidungen (ESJ Schuldrecht I Allgemeiner Teil und E S J Schuldrecht II Besonderer Teil, Verlag C. H . Beck) und das methodische Hinweise enthaltende „Schuldrechtspraktikum" innerhalb der Sammlung Göschen (Verlag W. de Gruyter) vorgelegt. Aber gerade wegen der komplexen Darstellungsweise in „Kursen" und ähnlichen Veranstaltungen ist das systematische Lehrbuch heute offenbar noch wichtiger als früher geworden. Denn während der Aufbau der Vorlesung alten Stils dem eines Lehrbuchs weitgehend entsprach, so daß der Studierende eigentlich nur ein System kennenlernte, das ihm — auf doppelte Weise — vermittelt wurde, muß er sich heute aus dem Material des „Kurses" sein eigenes System aufbereiten. Das systematische Lehrbuch soll dabei als Anregung und Vorlage dienen, und es gewinnt dadurch eine selbständigere, aktivierende Bedeutung als in den Zeiten, in denen es gegenüber der Vorlesung nur eine Wiederholung und Vertiefung sein konnte. Das Lehrbuch hat also die R e f o r m nicht nur „überlebt", es kann auf die genannte Weise sogar zu ihrem Gelingen beitragen. München, im April 1975
Wolf gang Fikentscher
Aus dem Vorwort zur 1. Auflage Die wesentliche Schwierigkeit der Vorlesungen über das Sdiuldrecht liegt im Umfang des Stoffes. Dabei ist es nicht nur und nicht einmal in erster Linie die große Zahl der Einzelheiten, die Lehrer und Lernenden zu schaffen machen, sondern der Überblick über das Ganze. Auf welche Fälle z. B. der Treu-undGlauben-Satz des § 242 oder die Generalklausel des Bereicherungsrechts in § 812 1 1 anzuwenden ist, auf welche nicht, läßt sidi nicht aus einer noch so gründlichen Kenntnis der Einzelheiten, sondern nur aus einem Verständnis des Zusammenhangs erfassen. Die vorliegende Darstellung des Sdiuldredits will vor allem ein Leitfaden zum Lernen sein. Zu den beiden Vorlesungen über den Allgemeinen und Besonderen Teil des Schuldrechts soll das Budi dem Studierenden die für seine Ausbildung und sein rechtliches Verstehen nötigen Grundkenntnisse der Schuldrechtsprobleme vermitteln. Die Methode der Darlegung weicht vom Üblichen ab. Sie ist ausgerichtet am nicht-streitigen Gutachten, an der juristischen Technik also, die vom Kandidaten im ersten Examen erwartet wird. Auf die Gliederung wirkt sich das vor allem beim Leistungsinhalt und bei den Leistungsstörungen aus. Man wird dieses Vorgehen damit rechtfertigen müssen, daß die Universität in praktisch-methodischer Hinsicht dem Studierenden bislang manches schuldig bleibt. Im Bereich des Besonderen Teils wurde eine Beschränkung des Stoffes dadurch versucht, daß auf eine systematische Durcharbeitung jedes einzelnen Schuldverhältnisses außer bei Kauf, ungerechtfertigter Bereicherung und unerlaubter Handlung verzichtet wurde. Statt dessen .findet sich bei jedem Schuldverhältnis eine ausführliche Darstellung seines Wesens, die ergänzt wird durch eine Aneinanderreihung der wichtigsten Einzelprobleme, die bei dem betreffenden Schuldverhältnis erfahrungsgemäß schon für den Studenten auftauchen. Zu diesem abgekürzten Vorgehen bestand um so mehr Grund, als das Dienst-, Werkvertrags* und Gesellschaftsrecht in drei weiteren Vorlesungen wieder aufgegriffen werden: Im Arbeitsrecht, im Recht der Handelsgeschäfte und im Gesellschaftsrecht. Hinzu kommt als vierte Ergänzungsvorlesung des Schuldrechts das Wertpapierrecht, welches das Recht des Schuldversprechens, des Schuldanerkenntnisses, der Anweisung und der Inhaberschuldverschreibung vertieft. Das Schuldrecht wurde in dieser Lehrbuch- und Grundrißreihe bisher von Justus Wilhelm Hedemann betreut. Gerade im Vergleich mit dem zügig geschriebenen Schuldrecht von Hedemann zeigt sich, daß mit der zunehmenden Verfeinerung eines Rechtsgebietes seine Lehrbarkeit und Erlernbarkeit abIX
Vorwort nehmen. Insofern geht es dem heutigen Zivilrecht nicht anders als dem Pandektenrecht des vorigen Jahrhunderts, von dem das B G B und die zu ihm geschriebenen Erläuterungsbücher uns vorübergehend zu befreien schienen. Wenn daher heute in einem vorgegebenen räumlichen Umfang das Schuldrecht beschrieben werden soll, bedarf es der Hervorhebung der Grundlinien, eines Überblicks über das Ganze und der beispielsweisen Vertiefung der Problematik an einigen bedeutsamen schuldrechtlichen Einrichtungen. Auf Vollständigkeit darf es demgegenüber nicht ankommen. Lehren sollte nicht bedeuten, alles vorzutragen, sondern das lebendige Zusammenwirken von Ganzem und Teil begreiflich zu machen. Erst durch das ständige In-Beziehungsetzen von Ganzem und Teil, von System und Einzelproblem wächst das Lernen aus einer Stoffsammlung zu einem selbständigen Anwenden. Diesem Ziel versucht die vorliegende Darstellung des Schuldrechts zu dienen. Münster/Westfalen, im November 1964
Inhalt Seite
Abkürzungen
XIX Einleitung
§ 1 §2 §3 §4
Begriff, Stellung, rechtspolitische Aufgabe und Grundgedanken des Schuldrechts Rechtsquellen Sdirifttum Plan der Darstellung
1 9 11 13
1. Hälfte:
Der Allgemeine Teil des Sdiuldredits (Die allgemeinen Lehren) 1. Abschnitt Begriff, Arten und Eigenschaften des Schuldverhältnisses
§ § § § §
5 6 7 8 9
1. Unterabschnitt: Das Schuldverhältnis Das Schuldverhältnis in der Rechtsordnung Das Gutachten (der Fallaufbau) Begriff des Sdiuldverhältnisses Die Leistung Die wirtschaftliche Bedeutung der Schuldverhältnisse
15 23 24 28 35
2. Unterabschnitt: Arten der Schuldverhältnisse § 10 §11 § 12 §13
Arten der Schuldverhältnisse: Beteiligung am Schuldverhältnis. Gegenseitiger Vertrag (Überblick) Fortsetzung: Typische und atypische Schuldverhältnisse Fortsetzung: Konsensual- und Realverträge Fortsetzung: Kausale und abstrakte Schuldverhältnisse
37 41 42 43
3. Unterabschnitt: Abgrenzungen § 14 §15 §16
Verpflichtung und Verfügung Relative Wirkung der Forderung Unvollkommene Verbindlichkeiten und verbindlichkeitsähnliche stände
Tatbe-
45 46 48
XIII
Inhalt 2. Abschnitt Begründung des Sdtuldverhältnisses $ 17 $18 $ 19 $ 20 § 21 $22 5 23 $ 24 $ 25
Vorbemerkung Überblick über die Entstehungsarten Entstehung durch Vertrag Vorvertraglidie Sorgfaltspflichten. Culpa in contrahendo Verfassungsrecht und Schuldredit. Die Vertragsfreiheit und ihre Grenzen Form des Vertrags Vorvertrag und andere vorläufige Verträge Rahmenvertrag Draufgabe und Vertragsstrafe
Seite
50 51 63 65 70 79 86 89 91
3. Abschnitt Inhalt des Sdiuldverhältnisses $ 26 $ 27 $ 28 $ 29 $ 30 $31 $ 32 $ 33 $ 34 S 35 $ 36 $ 37
Bestimmung des Leistungsinhalts im allgemeinen Treu und Glauben. Die Bedeutung des § 242 Gattungssdiuld, Wahlschuld und Ersetzungsbefugnis (Relative Unbestimmtheit der Leistung) Geldschulden und Zinsen Teilleistungen AufWendungsersatz und Wegnahmerecht Rechnungslegung, Herausgabe von Gegenstandsinbegriffen, Auskunft und Versicherung an Eides Statt Einfluß der Rechtshängigkeit auf den Herausgabeanspruch und Vorlegung von Sachen Zeit der Leistung. Kündigung O r t der Leistung Leistung durdi Dritte Vertrag zugunsten Dritter
92 109 125 131 134 135 135 136 137 139 145 147
4. Abschnitt Erlöschen von Sdiuldverhältnissen $38 Erfüllung 156 $ 39 Erfüllungsersetzungen 163 $ 40 Inhaltsänderung, Schuldersetzung, Vergleidi (gleichzeitige Beendigung und Begründung von Schuldverhältnissen) 177
5. Abschnitt Leistungstörungen $ 4 1 Vorbemerkung $ 42 Überblick über die Leistungsstörungen
XIV
181 182
Inhalt 1. Unterabschnitt: Tatbestände und Rechtsfolgen der Leistungsstörungen § 43 Anfängliche objektive Unmöglichkeit und anfängliches Unvermögen $ 44 Nachträgliche objektive Unmöglichkeit und nachträgliches Unvermögen („Unmöglichwerden der Leistung") bei einfachen Leistungspflichten und in gegenseitigen Verträgen $ 45 Schuldnerverzug bei einfachen Leistungspflichten und in gegenseitigen Verträgen. Fixgeschäft 5 46 Gläubigerverzug § 47 Schlechterfüllung (»positive Forderungsverletzung") $ 48 Sonstige Störungen im Ablauf von Schuldverhältnissen, insbesondere Zurückhaltungsrecht und vertraglicher Rücktritt
Seite
190 195 212 223 229 239
2. Unterabschnitt: Die zusätzlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs § 49 §50 $51 $52 $ 53 § 54 § 55
Theorie der Schadenszurechnung in Grundzügen Schaden Verursachung Reditswidrigkeit Vertretenmüssen, insbesondere Verschulden Haftung für fremdes Verschulden: Der Erfüllungsgehilfe Umfang und Art des Schadensersatzes (Lehre vom Interesse)
246 261 270 276 281 288 291
6. Abschnitt Übertragung der Forderung und Sdiuldübernahme § 56 $ 57 $ 58 § 59
Vorbemerkung 308 Forderungsübertragung 310 Gesetzliche Übertragung der Forderung und Übertragung anderer Rechte 325 Schuldtibernahme und Verwandtes 325 7. Abschnitt Mehrheit von Berechtigten und Verpflichteten
§60 § 61 § 62 § 63
Übersicht. Begriffe Teilschuldverhältnisse (reale Teilung von Berechtigung und Verpflichtung Gesamtschuldverhältnisse (Gesamtberechtigung, Gesamtverpflichtung) Gläubiger- und Schuldnergemeinsdiaften (Bruchteils- und Gesamthandsgemeinschaften)
332 334 335 342
XV
Inhalt
2. Hälfte:
Der Besondere Teil des Schuldrechts (Die einzelnen Schuldverhältnisse) 8. Abschnitt Einleitung § 64 § 65
Überblick über das besondere Schuldrecht Vertragsverbindungen und gemischte Verträge
Sehe
346 349
9. Abschnitt Veräußerungsverträge § 66 § 67 § 68 § 69 § 70 § 71 §72 § 73
Kauf, Begriff, Abschluß, Pflichten im allgemeinen Gefahrtragung. Verwendungen, Nutzungen, Lasten, Zinsen, Kosten Leistungsstörungen beim Kauf im allgemeinen Rechtsmängelgewährleistung Sachmängelgewährleistung Besondere Arten des Kaufs Tausch Schenkung, Schenkungsversprechen
352 359 368 369 375 403 427 428
10. Abschnitt Gebrauchsüberlassungsverträge §74 §75 §76 § 77
Miete Pacht Leihe Darlehen. Darlehensversprechen
433 448 450 452
11. Abschnitt Schuldverhältnisse über geschuldete Tätigkeiten §78 § 79 § 80 §81 § 82 § 83 § 84 § 85 § 86 § 87
XVI
Übersicht Dienstvertrag Werkvertrag. Werklieferungsvertrag Auftrag Geschäftsbesorgung. Raterteilung Geschäftsführung ohne Auftrag Mäklervertrag Auslobung Verwahrung Einbringung von Sachen bei Gastwirten
455 458 476 486 491 493 504 506 507 509
Inhalt 12. Abschnitt Sdiuldrecfatlidie Personenvereinigungen
Seite
§ 8 8 Gesellschaft § 89 Gemeinschaft
512 526 13. Abschnitt Besondere Versprechen
§90 § 91 § 92 §93 § 94 § 95 § 96
Leibrente 527 Spiel, Wette, Differenzgeschäft 528 Sichernde Versprechen (Bürgschaft, Garantie, Versicherungsvertrag, Sicherungsabrede, Sicherungstreuhand) 529 Vergleich 541 Schuldversprechen, Schuldanerkenntnis 541 Anweisung 543 Schuldverschreibung auf den Inhaber 545 14. Abschnitt Ungerechtfertigte Bereicherung und unerlaubte Handlung im Überblick
§ 97
Gemeinsame Grundlagen und Unterscheidung von ungerechtfertigter Bereicherung und unerlaubter Handlung. Die Systeme 549 15. Abschnitt Ungerechtfertigte Bereicherung
§ 98 § 99 § 100 § 101
Grundgedanken und gesetzlicher Aufbau des Bereicherungsrechts Arten und Voraussetzungen der Bereicherungsansprüche im einzelnen . . . . Rechtsfolgen des Bereicherungsanspruchs: Der Gegenstand der Bereicherung Fortsetzung: Der Verpflichtete. Die Bereicherungseinrede. Konkurrenzen
564 566 594 603
16. Abschnitt Unerlaubte Handlung § 102 Übersicht. Der Handlungsbegriff. Verhältnis zu den vertraglichen Ansprüchen, zur ungerechtfertigten Bereicherung und zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis 605 1. Unterabschnitt: Die Tatbestände der unerlaubten Handlung I. Die Verletzungshandlung A. Die Verschuldungshaftung 1. Die allgemeinen Deliktstatbestände § 103 Eingriffsdelikte, § 823 I § 104 Schutzgesetzdelikte, § 823 II § 105 Sittenwidrige Vermögensschädigungen § 826
612 646 649
XVII
Inhalt 2. Die besonderen Deliktstatbestände § 106 Kreditgefährdung. Verletzung Amtspflichtverletzung
der
Geschlechtsehre.
Seite
Gebäudehaftung.
652
3. Haftung für unerlaubte Handlungen anderer §107 Verrichtungshilfe, Haftung in Großbetrieben, Haftung für Aufsichtsbedürftige 660 § 108 Mehrere Schädiger 668 B. Die Gefährdungshaftung § 109 Tierhaftung, Verkehrshaftpflichtgesetz, Energiehaftung, Haftung für Gewässerschäden 670 C. Die Billigkeitshaftung §110
674 II. Die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen
§ 111 Schaden, Verursachung Rechtswidrigkeit, Verschulden
675
§ 1 1 2 2. Unterabschnitt: Erlaubte, aber zum Schadenersatz verpflichtende Eingriffe in fremde Rechte 678 § 113 3. Unterabschnitt: Die Rechtsfolgen unerlaubter und erlaubter, aber zum Schadenersatz verpflichtender Handlungen 681 §114 4. Unterabschnitt: Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch 685 17. Abschnitt Räumliche und zeitliche Bezüge des Schuldrechts § 115 Der räumliche Bezug des Schuldrechts: Hauptprobleme des deutschen internationalen Schuldrechts 688 §116 Der zeitliche Bezug des Schuldrechts: Zur Geschichte des deutschen Schuldrechts 694 Register Verzeichnis der Gesetzesstellen Sachregister
XVIII
702 712
Abkürzungsverzeichnis
Art. AT AtomG Aufl. AWD
anderer Ansicht am angeführten Ort Gesetz betreffend die Abzahlungsgeschäfte v. 16. 5.1894 Archiv für die civilistische Praxis Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen am Ende alter Fassung Aktiengesellschaft Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch American Journal of Comparative Law Allgemeine Immobilienzeitung Alternative Anmerkung Anordnung Archiv für öffentliches Recht Arbeit und Recht Archiv für bürgerliches Recht Argumentum aus Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts und der Landesarbeitsgerichte Artikel allgemeiner Teil Atomgesetz Auflage Außenwirtschaftsdienst
BAG BAnz. BB Bd. betr. BetrVerfG BFH BFHE BGB
Bundesarbeitsgericht Bundesanzeiger Der Betriebsberater Band betreffend Betriebsverfassungsgesetz vom 11. 10. 1952 Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch
a. A. a. a. O. AbzG AcP ADSp. a. E. a. F. AG AG AGB AHGB AJCL AIZ Alt. Anm. AO AÖR ArbuR ArchBürgR arg. ARS
XIX
Abkürzungsverzeichnis
BGBl. BGHSt. BGHZ BVerfG bzw.
= = = = =
D DAR, DArbR DAutR DB DEMV ders. DGWR d. h. Diss. DJ DJT DJZ DNotZ DÖV DR DRiZ DRWiss. DStR DVBl. DVO
= Digesten = Deutsches Arbeitsrecht = Deutsches Autorecht = Der Betrieb = Deutscher Einheitsmietvertrag = derselbe = Deutsches Gemein- und Wirtschaftsrecht = das heißt = Dissertation — Deutsche Justiz = Deutscher Juristentag = Deutsche Juristenzeitung = Deutsche Notarzeitschrift = Die öffentliche Verwaltung = Deutsches Recht = Deutsche Richterzeitung = Deutsche Rechtswissenschaft = Deutsches Steuerrecht = Deutsches Verwaltungsblatt = Durchführungsverordnung
EGBGB EhrenbergsHb. EinlPrALR
= Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch = Ehrenbergs Handbuch = Einleitung zum Allgemeinen Landredit für die Preußischen Staaten von 1794
f., ff. FamRZ
= folgende Seite(n) = Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht (Zeitschr.)
GewO GG GmbH GmbHG Gruchot
= = = = =
GrundE GRUR XX
Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof, Entscheidungen in Strafsachen Bundesgerichtshof, Entscheidungen in Zivilsachen Bundesverfassungsgericht beziehungsweise
Gewerbeordnung Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz, betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begründet von Gruchot = Das Grundeigentum (Zeitschrift) = Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht
Abkürzungsverzeichnis
GVG GWB G2S
Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Großer Senat in Zivilsachen
HdWbdR, HdwbRW HGB Hirths Ann. h. M.
Handwörterbuch der Rechtswissenschaft Handelsgesetzbuch Hirths Annalen herrschende Meinung
i. d. F. i. d. R. IPR i. S. i. ü. i. V. m.
Iherings Jahrbücher für die Dogmatik des Bürgerlichen Rechts in der Fassung in der Regel Internationales Privatrecht im Sinne im übrigen in Verbindung mit
JbAKDR JR JurAnal. JurBl. JurFak. JuS Justizbl. JW JZ
Jahrbuch der Akademie für Deutsches Recht Juristische Rundschau Juristische Analysen Juristische Blätter Juristische Fakultät Juristische Schulung Justizblatt Juristische Wochenschrift Juristenzeitung
KO KUG
Konkursordnung Gesetz, betr. das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie Kraftverkehrsordnung für den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen
Ihjb., Iherjb.
KVO LG LM LZ
Landgericht Lindenmaier-Möhring, Nachschlagwerk richtshofs Leipziger Zeitschrift für Deutsches Redit
MDR MSdiG MuW
Monatsschrift für Deutsches Recht Mieterschutzgesetz Markenschutz und Wettbewerb
des Bundesge-
XXI
Abkürzungsverzeidinis
n. F. NJW ÖZBl. OHG OLG
neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift
= =
österreichisches Zentralblatt für die juristische Praxis offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht
—
= =
Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794
PrALR RabelsZ
=
RAbgO RAG RdA RdJ RdW RGBl. RGSt. RGZ RHpflG RLG ROHG Rspr. RvglHWB
=
-
= = -
= =
= = =
RVO
=
SachSdiHaftpflG
=
SAE SeuffA SeuffBl. SJZ s. o. SozPr. StGB StVG StVZO
Gesetz über die Haftpflicht der Eisenbahnen und Straßenbahnen für Sachschaden = Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den Deutschen Staaten - Seufferts Blätter für Rechtsanwendung = Süddeutsche Juristenzeitung = siehe oben = Soziale Praxis = Strafgesetzbuch = Straßenverkehrsgesetz Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung
TVG u. a. u. ä. XXII
Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begründet von Ernst Rabel Reichsabgabenordnung vom 22. 5. 31 Reichsarbeitsgericht Recht der Arbeit Recht der Jugend Recht der Wirtschaft Reichsgesetzblatt Reichsgericht, Rechtsprechung in Strafsachen Reichsgericht, Entscheidungen in Zivilsachen Reichshaftpflichtgesetz Reichsleistungsgesetz Reichsoberhandelsgericht Rechtsprechung Rechtsvergleichendes Handwörterbuch für das Zivil- und Handelsrecht des In- und Auslandes Reichsversicherungsordnung
Tarifvertragsgesetz -
=
unter anderem und ähnliches
Abkürzungsverzeichnis
üb. Kaus. usw. u. U. UWG
überholende Kausalität und so weiter unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
VerglO VerlG VersR
Vergleichsordnung Gesetz über das Verlagsrecht Versicherungsrecht, Juristische Rundschau für die Individualversicherung Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland Verordnung Verordnung Nummer 71/51 über Maßnahmen auf dem Gebiet des Mietpreisrechts Gesetz über den Versicherungsvertrag Vorbemerkung
VerwR VO V O P R 71/51 VVG Vorbem. WarnRspr., R G Warn. WiGBl. WobauG WRV WuW
Warneyer, Die Rechtsprechung des Reidisgeridits Gesetzblatt der Verwaltung des vereinigten Wirtschaftsgebietes Wohnungsbaugesetz Weimarer Reichsverfassung Wirtschaft und Wettbewerb
ZADR, 2 A K D R z.B. ZBJV ZBIHR ZfA ZfVerkR ZGB ZHR Ziff. ZMR ZösterrR ZPO ZSchweizR ZStW zust. ZZP
Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht zum Beispiel Zeitschrift des Berner Juristenvereins Zentralblatt für Handelsrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für das Verkehrsrecht Schweizerisdies Zivilgesetzbuch Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht Ziffer Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zeitschrift für österreichisches Recht Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Schweizerisches Recht Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft zustimmend Zeitschrift für Zivilprozeß
XXIII
Einleitung Si Begriff, Stellung, reditspolitisdie Aufgabe und Grundgedanken des Schuldrechts I. Begriff des Schuldrechts 1. Das Schuldrecht ist ein Teil der Privatrechtsordnung. Es ist das Recht der Beziehungen zwischen Personen, kraft deren der eine (Gläubiger, Berechtigter) von dem andern (Schuldner, Verpflichteter) eine Leistung verlangen kann, die im allgemeinen dem rechtsgeschäftlidi-wirtschaftlichen Lebensbereich zugehört. 2. Etwas schuldig sein heißt: Einem andern etwas geben müssen, was ihm nadi den Regeln des Rechts zusteht. In diesem Sinne ist das gesamte Recht Schuld-Recht; denn das Recht hat dafür zu sorgen, daß jedem das Seine zukommt. Das Schuldrecht im technischen Sinne ist aber nur ein kleiner, wenn auch besonders wichtiger Teil der Gesamtrechtsordnung. Nur mit dem Schuldrecht im technischen Sinne beschäftigt sich dies Buch. 3. Das Schuldrecht regelt die Beziehungen von Person zu Person, z. B. zwischen Käufer und Verkäufer, Mieter und Vermieter, Gesellschafter und Mitgesellschafter, Dienstverpflichtetem und Dienstherrn. Im Unterschied dazu ordnet das Sachenrecht die Rechtsbeziehungen zwischen einer Person und einer Sache. Rechtsbeziehungen zu einer anderen Person entstehen dort in der Regel nicht unmittelbar, sondern mittelbar auf dem Umweg über eine Sache, z. B. 987 ff. Sachenrechte sind absoluter Natur, d. h. sie entfalten ihre Wirkungen gegen jedermann. So kann der Eigentümer von jedem Besitzer die Rückgabe der Sache und von jedem Störer die Beseitigung der Störung seines Eigentums verlangen, 985, 1004. Schuldrechtliche Beziehungen sind dagegen relativ, d. h. sie wirken nur zwischen Gläubiger und Schuldner. Sachenrechte sind also stärker und umfassender wirksam als Schuldrechte. Ein Unternehmer, der seinem Konkurrenten Arbeitnehmer abwirbt, indem er ihnen höheren Lohn bietet, verletzt nidit die Dienstverträge dieser Arbeitnehmer mit dem Konkurrenten, 611 ff. Näher zur Relativität einer Forderung, zum Vertragsbruch und der Verleitung dazu unten § 15. — Nimmt dagegen der Unternehmer seinem Konkurrenten mit Gewalt Maschinen weg, so verletzt er das Eigentumsrecht des Konkurrenten, 985, 992, 823 ff.
4. Der wichtigste Begriff des Schuldrechts ist das Schuldverhältnis (im engeren Sinne). Es besteht in einer Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner auf eine Leistung, 241 S. 1. Näher zur Terminologie des Sdiuldverhältnisses unten § 7. Die geschuldete Leistung ist meist wirtschaftlicher Art, wobei häufig (aber nicht immer) ein Rechtsgeschäft zur Erbringung der Leistung nötig ist: z.B. Darlehensrück1
F i k e n t s c h e r ,
Sdiuldrecht, 4. A u f l a g e
1
§1
Stellung des Sdhuldrechts
112
Zahlung, 607; der Käufer schuldet die Zahlung des Kaufpreises, 433 I I ; der Verkäufer die Übereignung einer Sadie, 433 I; der Schädiger die Zahlung von Schadensersatz, 823 ff.; der Gesellschafter die Leistung von Beiträgen, 705. Es handelt sich also um Vorgänge des Wirtschafts- und Geschäftslebens, die das Schuldrecht regelt. Audi in anderen Rechtsgebieten finden sich Ansprüche wirtschaftlicher Art: Schadensersatzanspruch des Anfeditungsgegners, 122; Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung zur Verwirklichung des Hypothekenredits, 1147; Anspruch der Ehefrau auf Haushaltsgeld, 1360 a II 2; Herausgabeanspruch des wahren gegen den falschen Erben, 2018. Doch liegt das Schwergewicht der Ansprüche des täglichen Wirtschaftslebens eindeutig im Schuldrecht. Ansprüche auf Zahlungen, z. B. §§ 433 II, 607; auf Warenlieferungen, vgl. §§ 433 1 1, 480. Manchmal wird audi nur eine tatsächliche Handlung geschuldet. Beseitigung eines Sachmangels beim Werkvertrag, 633 II 1; Leistung von Diensten beim Dienstvertrag, 611, und bei der Gesellschaft, 706 III; Benachrichtigung, 384 II 1; Auskunft, 402, 666; Unterlassungen verschiedener Art, 241 S. 2. Auch die im Schuldrecht so häufig geschuldeten Besitzeinräumungen und Besitzabnahmen sind keine Rechtsgeschäfte: Einräumung z. B. bei Miete, 535; Rückgabe der entliehenen oder verwahrten Sache, 604, 695. Abnahmen: Kauf, 433 II, Werkvertrag, 640; Rücknahme der verwahrten Sache, 696. 77. Stellung des Schuldrechts im Rahmen der
Rechtsordnung
1. Von den fünf Büchern des BGB umspannt das Schuldrecht sachlich die meisten Lebensbereiche. Das Schuldrecht stellt die Rechtsregeln bereit, die zum Austausch von Vermögensgegenständen und zum Ausgleich von Benachteiligungen und Schäden benötigt werden. Das Schuldrecht dient also, neben allgemeinen Ordnungsinteressen, zur Befriedigung persönlicher Interessen in der Welt der Güter und des Geldes. Das Sachenrecht regelt die Rechte der Person an den sie umgebenden Sadien, das Familienrecht die Beziehungen zwischen Ehegatten, Eltern und Kindern, das Erbrecht die Folgen des Todes einer Person. Der allgemeine Teil des BGB enthält „vor die Klammer gezogene" Regeln für das Schuld-, Sachen-, Familien- und Erbrecht, ferner das Personenrecht. Dabei liegt das Gemeinsame und Kennzeichnende des Sdiuldrechts vor allem in der Rechtsfolge: Dem schuldrechtlichen Anspruch. Woraus ein solcher Anspruch entsteht, wird im Sdiuldrecht einzeln bestimmt. Die 4 wichtigsten Möglichkeiten sind: Ansprüche aus Vertrag, unerlaubter Handlung, ungerechtfertigter Bereicherung oder Geschäftsführung ohne Auftrag. Neben der Entstehung gehören Inhalt, Veränderung, Untergang und Störung solcher Ansprüche in den Bereich des Schuldrechts. 2. Die Beziehungen des Schuldrechts sich wie folgt kennzeichnen:
zu den anderen
Rechtsgebieten
lassen
a) Das Verhältnis zum Allgemeinen Teil des BGB besteht darin, daß die Tatbestandsvoraussetzungen schuldrechtlicher Ansprüche fast immer von Regeln
2
Stellung des Schuldrechts
§1 II 2
des Allgemeinen Teils beeinflußt werden. Für die vier möglichen Arten der Ansprudisbeeinflussung je ein Beispiel: Beispiele: Vertragsschluß, 145 ff. (Anspruchsbegründung); Einfluß der Minderjährigkeit auf einen Vertrag, 107 ff. (Anspruchshinderung); Verjährung eines Kaufpreisansprudis, 433 II, 194 ff. (Anspruchshemmung, vgl. § 222); Vernichtung eines Kaufvertrags durch Irrtumsanfechtung, 433, 119, 142 (Anspruchsvernichtung). Dies Zusammenspiel von Ansprüchen des Schuldrechts mit Anspruchsbeeinflussungen des Allgemeinen Teils des BGB ist für den Aufbau des Gutachtens zur Lösung eines Falles von entscheidender Bedeutung. b) Damit Sachenrechte (z. B. Eigentum, Hypothek) von einer Person auf eine andere bleibend übertragen werden können, bedarf es in der Regel zuvor schuldreditlicher Verpflichtungen (vgl. § 433 und § 929). Zwar sind sachenrechtlidie Verfügungen vermöge ihrer abstrakten Natur auch ohne vorangegangene schuldrechtliche Verpflichtungen wirksam. Doch ist derjenige, an den ohne schuldrechtliche Verpflichtung verfügt wird, um das erworbene Sachenrecht ungerechtfertigt bereichert und zur Rückübertragung verpflichtet, 812 I 1. Beispiel: A einigt sich mit B darüber, daß B das Auto des A haben soll. Bei der Übergabe sagt A zu B: „Uber den Kaufpreis werden wir uns schon noch unterhalten." Nach § 929 wird B Eigentümer des Autos. Da aber mangels Einigung über den Kaufpreis kein Kaufvertrag zustandegekommen ist, besteht die — abstrakt wirksame (!) — Eigentumsverschiebung zu Unrecht. B muß das Auto als ungerechtfertigte Bereicherung (nach § 812 I 1) an A zurückübereignen. Näheres zu den rechtsgrundlosen Verfügungen unten § 99. Während also das Sachenrecht die endgültige Zuordnung einer Sache in den Vermögensbereich einer Person regelt, bereitet das Schuldrecht diese Zuordnung durch Verpflichtungsgeschäfte vor und rechtfertigt sie für Gegenwart und Zukunft. Eine Forderung kann ein Recht „auf" eine Sache geben (z. B . § 433 1 1). Ein dingliches Recht ist ein Recht „an" einer Sache. Das Verpflichtungsgeschäft ist zugleich der Rechtsgrund (causa) im Sinne der §§ 812 ff. für die sachenrechtliche Güterverschiebung. Sachenrechtliche und schuldrechtliche Ansprüche können in der Regel nebeneinander geltend gemacht werden (h. M.): Der Verleiher verlangt nach Ablauf der Leihe vom Entleiher die verliehene Sache nach § 604 und § 985 zurück. Sachenrechte genießen den Schutz des § 823 I, nicht dagegen Forderungen. Forderungen sind grundsätzlich keine „sonstigen Rechte" im Sinne des § 823 I (fast allgem. Meinung). Doch besteht deliktischer Schutz von Forderungen nach § 826 (sittenwidrige Schädigung). Im einzelnen siehe unten § 103 I 6 a. Man hat versucht, die scharfe begriffliche Trennung zu überbrücken, die nach geltendem Recht zwischen den absoluten, d. h. gegen alle wirkenden Sachenrechten, und den relativen, d. h. in ihrer Wirkung auf Gläubiger und Schuldner beschränkten Forderungsrechten besteht; Dulckeit, Die Verdinglichung obligatorischer Rechte, 1951; Löning, Die Grundstücksmiete als dingliches Recht, 1930. Ähnliche Bemühungen zielen darauf ab, die Grenzen zwischen Forderungs- und dinglichen Rechten anders zu ziehen; Wieacker, Die Forderung als Mittel und Gegenstand der Vermögenszuordnung, DRW 1941, S. 49; 1»
3
§1 112
Stellung des Schuldrechts
ders., Zum System des deutschen Vermögensrechts, 1941; ders., AcP 148, 57. Allein das Gesetz hat Gründe, den Unterschied zu machen. Zahlreiche Rechtseinrichtungen, z. B. der Eigentumsvorbehalt, die Hypothek, das Pfandrecht und viele andere Sidierungsredite lassen sidi gerade wegen der Trennung dinglicher und obligatorischer Rechte leichter deuten und handhaben. Ob eine neue Grenzziehung de lege ferenda nötig ist, kann hier offenbleiben. Eigenartige Schnittpunkte des Schuld- und Sachenrechts sind: Die „Verdinglidiung" obligatorischer Ansprüche in 556 III, 604 IV, 571; 1 IVMSchG; die dingliche Sicherung obligatorischer Ansprüche durch die Vormerkung in 883 und 1098 II, ferner durch einstweilige Verfügung, 935 ZPO i. V. m. 136 BGB; die Einwirkung Dritter auf eine Forderung gem. 407, 408, 793 1 2, 807, 808 BGB (Verkehrsschutz); der Schutz des mittelbaren Besitzers gem. 771 ZPO bei beweglichen Sachen; die übrigen Fälle dinglichen Schutzes obligatorischer Rechte durch Besitzvorschriften, 1007, 823 I. Es handelt sich um fünf verschiedenartige Gruppen von Sondervorschriften, die einer Verallgemeinerung de lege lata nicht ohne weiteres zugänglich sind. So wäre es insb. verfehlt, aus diesen Bestimmungen herauszulesen, die schuldrechtlidie Forderung gewähre ein Herrschaftsrecht an der Person des Schuldners, an den Handlungen des Schuldners oder am Leistungsgegenstand, oder ein Abwehrrecht gegen Dritte (ius ad rem des Pr. ALR.). Doch folgt aus diesen Bestimmungen immerhin, daß die Innehabung einer Forderung (Gläubigerschaft) in einem gewissen Umfang deliktischen Schutz genießen muß. Die Innehabung ist zwar kein absolutes Recht, das als solches nach $ 823 I schützbar ist. Die Absolutheit eines Rechts ergibt sich nämlich nicht aus der bloßen Zuordnung an einen Gläubiger, sondern aus der Verletzbarkeit des Rechts durch Eingriffe beliebiger Dritter. Sie fehlt bei Forderungen. Es sind immer nur ganz bestimmte Dritte (z. B. der Zedent), die eine Forderung aufgrund einer Spezialbestimmung (z. B. 407) verletzen können. Dennoch muß, eben soweit dritte Personen nach gesetzlicher Bestimmung auf Forderungen schädigend einwirken können, der Deliktsschutz offenstehen. Auch das ist aber eine Besonderheit, die der Verallgemeinerung de lege lata nicht zugänglich ist; vgl. zum Streitstand Enneccerus-Lehmann §1111; Larenz I § 2 1 1 ; ferner Diederichsen, Das Recht zum Besitz aus Schuldverhältnissen, 1965; Rehbein, Die Verletzung von Forderungsrechten durch Dritte, Diss. Freiburg, 1968, 7 ff.; sowie unten § 103 16 a. c) Audi das Familienrecht kennt Forderungsrechte, insb. Unterhaltsansprüche, 1360 ff., 1601 ff., 1766; Auseinandersetzungsansprüche, 1476, 1497; Zugewinnausgleich, 1378. Sie entspringen besonderen Familienbindungen, nicht allgemeinen Schuldbindungen. d) Ähnlich liegt es im Erbrecht. Dort finden sich Forderungsrechte, die ebensogut im Schuldrecht geregelt sein könnten, z. B. das Vermächtnis, 2147, 2174; Anspruch des wahren gegen den falschen Erben, 2018 ff. Aber sachlich gehören diese Ansprüche zu den Regeln über das Schicksal des Vermögens im Todesfalle. Zu b)—d): Gewisse allgemeine Grundsätze des Schuldrechts beanspruchen aber auch in anderen Teilen der Rechtsordnung Beachtung. Die Geltung dieser allgemeinen Schuldrechtsgrundsätze im Sachen-, Familien- und Erbrecht ist aber teilweise unsicher. Der Satz von Treu und Glauben (242) gilt stets, er verdient allgemeine Achtung. Ebenso gilt Verzugsrecht in § 990 II, Zessionsrecht in § 931 und § 986. Im Sachenrecht unanwendbar ist § 281 auf den Eigentumsherausgabeanspruch, siehe dazu Westermann, Sachenrecht, § 31 IV 4; BGH NJW 68, 788 mit Anm. Reinicke; unt. § 44 II, III. Im
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Wirtschaftliche Bedeutung des Sdiuldredits
§1 112
Familienrecht und Erbrecht sind Schuldrechtsgrundsätze überall anzuwenden, wo Vermögensinteressen auf dem Spiel stehen: Beispiele oben c) und d); nidit aber im persönlichen Bereich, z. B. 1353 I, 1632, 1634. e) Das Handelsrecht ist das Sonderrecht des Kaufmanns und als solches im wesentlichen ein speziell geregelter Teil des Sdiuldredits. Die Trennung hat historische Gründe und ist rechtspolitisch de lege ferenda nicht mehr vertretbar. Wo in einer Handelsreditsfrage das HGB keine Sonderregeln enthält, gilt bürgerliches Recht. Die handelsrechtlichen Besonderheiten, insb. im Recht der Handelsgeschäfte, werden daher im folgenden jeweils angedeutet. Allgemein lassen sich die Besonderheiten des Handelsrechts gegenüber dem Sdiuldredit auf drei Kategorien zurückführen: Der Handelsverkehr verlangt im Verhältnis zum bürgerlichen Redit (1) Spezialisierungen, die (a) entweder Vereinfachungen (Standardisierungen) oder (b) nähere Ausgestaltungen (Komplizierungen) bedeuten. Weiterhin bedarf der Verkehr unter Kaufleuten weithin (2) anderer Risikoverteilungen als das BGB sie vorsieht. Da durdi (1) und (2) ein neuer Rechtskörper neben dem bürgerlichen Recht entsteht, braucht das Handelsrecht eine dritte Art von Normen, die sich mit der (3) Abgrenzung der Geltungsbereiche von bürgerlichem und Handelsrecht beschäftigen. — Der von den Verteidigern eines besonderen Handelsrechts oft ins Feld geführte Begriff der Rationalisierung ist mehrdeutig und gefährlich. Er verdeckt häufig, namentlich auch bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen, daß mit einer angeblich erforderlichen Standardisierung oder Komplizierung einseitig eine andere Risikoverteilung angestrebt wird. S. a. unten § 26 V 5 (AGB); ferner Ratsch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1965. f) Das Arbeitsrecht ist das Sonderrecht der in sozial abhängiger Stellung zu Dienstleistungen verpflichteten Personen und ihrer Dienstherren. Es ist darum ein Sonderbereich zum Recht des Dienstvertrags, 611 ff. Die Trennung vom allgemeinen bürgerlichen Recht ist wegen der vielfach kollektivrechtlichen Besonderheiten des Arbeitsredits (Tarifvertrag, Betriebsverfassung) berechtigt. Manche legen umgekehrt das entscheidende Gewicht auf den „kollektiven Kern" des Arbeitsrechts und lassen die dienstrechtlichen Normen des BGB als arbeitsrechtliche Besonderheit gelten (siehe im einzelnen dazu die Lehrbücher des Arbeitsrechts, unten vor § 79). g) Das Wirtschaftsrecht ist das Sonderrecht der „Wirtschaftspersonen", ein Ausdruck, mit dem man die Träger von Rechten und Pflichten wirtschaftsrechtlicher Rechtsverhältnisse bezeichnen kann. Im Vordergrund stehen die Beziehungen zwischen den Unternehmern einerseits und den ihnen gegenübertretenden Kunden oder Lieferanten andererseits. Auch das Wirtschaftsrecht baut maßgeblich auf dem Schuldrecht auf (insb. Kaufund Gesellschaftsrecht). Das moderne Wirtschaftsrecht beruht auf dem Spannungsverhältnis zwischen dem rechtlichen Schutz der wirtschaftlichen Betätigung und dem der erworbenen Güter. Hinzu tritt das Arsenal bewirtschaftender und planender Eingriffe in dies Spannungsverhältnis durch den Staat (vgl. dazu Fikentsther in: Rechtsfragen der Planifikation, Stuttgart 1967, S. 81 ff.). Insofern regelt das Wirtschaftsrecht also die Bedingungen, unter denen die Schuldrechtsvorsdiriften in der Praxis arbeiten. h) Das Wertpapierrecht ist die Weiterentwicklung der in §§ 780, 781, 783 ff., 793 ff. geregelten schuldrechtlichen Papiere (vgl. auch das Legitimationspapier Quittung, 368 ff.). Im Wertpapierrecht gelten viele sachenrechtliche Grundsätze (z. B. verbreitet der Gutglaubensschutz). Es ist eine schwierige, auf der Grenze von Schuld- und Sachenrecht stehende Materie.
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Rechtspolitische Aufgabe des Sdiuldredits
§1
III 2
i) Im öffentlichen Recht gibt es zahlreiche Forderungsredite, auch Verträge. Die Anwendbarkeit schuldrechtlicher Grundsätze ist jeweils im Einzelfall zu prüfen. Weitgehend ist sie für die bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln anerkannt. Ob überhaupt und in welchem Umfang § 242 im öffentlichen Recht anzuwenden sei, ist bestritten, vgl. Forsthoff, Verwaltungsrecht, § 9. Die Aufrechnungsvorschriften des BGB sind — soweit sie sich nicht auf bürgerlich-rechtliche Besonderheiten beziehen (§§ 393—395) — auch im Bereich des öffentlichen Rechtes anwendbar. Verträge sind dann dem öffentlichen Redit zuzurechnen, wenn sie einen der öffentlich-rechtlichen Regelung unterworfenen Sachverhalt betreffen und eine von der gesetzlichen Ordnung abweichende Verteilung öffentlicher-rechtlicher Lasten und Pflichten vorsehen, BGHZ 35, 69 im Anschluß an BGHZ 32, 214 und 34, 88. Nach BGHZ 4, 192, 195 ist § 282 auf das öffentlich-rechtliche Verwahrungsverhältnis entsprechend anzuwenden.
III.
Rechtspolitische
Aufgabe
des
Schuldrechts
1. Für die Personen im Rechtssinne stellt das Schuldredit die Regeln bereit, mit deren Hilfe sie in eigener Verantwortung ihre wirtschaftlichen Bedürfnisse decken und dabei über die Gradskala ihrer Bedürfnisse frei entscheiden können. Durch diese Betonung der Selbstverantwortlichkeit birgt das Schuldredit einen sittlichen Gehalt, der nicht unterschätzt werden sollte. Ohne das Schuldrecht wäre eine Güterverteilung und -Verschiebung unter Staatsbürgern und zwischen Staat und Bürgern nur durch den Einsatz einer alles vorausdenkenden Planungsund Verteilungsbehörde denkbar. Das schuldrechtliche Vertragswesen ist somit unentbehrliches Mittel einer Rechts- und Wirtsdiaftsauffassung, in welcher dem einzelnen grundsätzlich zugemutet wird, seine wirtschaftlichen Verhältnisse selbstverantwortlich zu gestalten. Die Grenzen des Systems liegen einerseits in den guten Sitten und den von moralischen Grundsätzen getragenen gesetzlichen Verboten, andererseits im Mangel an eigener Wirtschaftskraft. Im ersten Fall muß der Staat verbietend (Sittengebot der §§ 138, 826, Währungsrecht, Kontrolle wirtschaftlicher Macht), im zweiten helfend eingreifen (Fürsorge, Lastenausgleich, Sozialversicherung, steuerrechtliche Vermögensumverteilung, Vermögensbildung und andere die Sozialbindung des Eigentums verwirklichende Vorschriften). Daneben sorgt das Schuldrecht für Ausgleich ungerechtfertigter Bereicherung und für den Ersatz rechtswidriger Schädigungen. Hier geht es nicht um Befriedigung laufenden Bedarfs, sondern um die Wiedergutmachung ungewöhnlicher und ungerechter Vermögenseinbußen. 2. Für den demokratischen Staat ist ein funktionierendes Schuldrecht eine Voraussetzung des geordneten Zusammenlebens. Es entlastet ihn von Verteilungsaufgaben, weil die Bedarfsbefriedigung grundsätzlich im freien Spiel der Kräfte erfolgt. Je arbeitsfähiger, je sozialer und wirtschaftsgemäßer ein Schuldrecht, desto gleichmäßiger der Wohlstand. Hieraus folgt für den Staat die Pflicht, für eine stabile Währung als allgemeinen Wertmesser der Bedürfnisse, sowie für die notfalls zwangsweise Durchsetzung berechtigter Ansprüche zu sorgen (Zivilprozeß, Zwangsvollstreckung). Auch die Begrenzung wirtschaftlicher Macht „nach oben" (Kartellrecht, Monopolkontrolle) und wirtschaftlicher Ohnmacht „nach unten" (Fürsorge, Lastenausgleich, Rentenversicherung) ist staatliche Pflicht, ohne deren Erfüllung die Grundvoraussetzung eines funktionieren-
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Grundgedanken des Schuldrechts
§1 IV 2
den Schuldrechts entfällt: Die grundsätzlich gleiche Startbedingung der Wirtschaftenden (par conditio concurrentium). Das Schuldrecht setzt also die Planung und Durchführung einer bestimmten freiheitlichen Wirtschaftspolitik voraus, umgekehrt bedient sidi eine solche Wirtschaftspolitik eines bestimmten Schuldrechts. Entsprechen sich Wirtschaftspolitik und Schuldredit nicht, sind soziale Ungerechtigkeiten die unausweichliche Folge. Die Brücke zwischen Wirtschaftspolitik und bürgerlicher Reditsordnung schlägt das Wirtschaf tsrecht. — Die politische Bedingtheit der bürgerlichen Rechtsordnung, und damit des Schuldrechts, wurde bis zum Ende des zweiten Weltkriegs kaum erkannt und wird auch heute noch weithin geleugnet. Zu unrecht, wie ein Blick auf zentrale Schuldreditsgedanken beweist: Vertragsfreiheit (§ 305), Mark = Mark (§ 244), Einbeziehung der Forderungszuständigkeit in die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, usw. Die liberalistische Grundhaltung des BGB, besonders des Schuldrechts, ist eben nicht fraglos, sie bedarf aber politischer Bejahung, wenn die bürgerlichen Rechtsnormen ihren Sinn behalten sollen. Diese politische Bejahung ermöglicht dann die erforderlichen Begrenzungen, insb. durch Kartellrecht, Planung und staatliche Intervention; vgl. oben II 2 g. IV.
Grundgedanken
des
Schuldrechts
U n t e r den Grundgedanken des deutschen Sdiuldredits sind h e r v o r z u h e b e n : 1. Gläubige!: u n d Schuldner sollen grundsätzlich rechtlich u n d wirtschaftlich in gleichem Maß gesdiützt w e r d e n . D a s Gesetz ergreift f ü r keinen der beiden P a r t e i , vgl. 254, 264, 274, 320, 322, 348, 387, 426, 705, 706, 723, 742. ( A n d e r s J . W . Hedemann 8 f., d e r im B G B eine allgemein sdiuldnerfreundliche H a l t u n g z u erkennen glaubt.) D e r Grundsatz von Treu und Glauben des § 242 gilt auch z u Lasten des Gläubigers (allgemeine M e i n u n g ) : D e r Schuldner m u ß nach T r e u u n d G l a u b e n leisten, der Gläubiger d a r f n u r nach T r e u u n d G l a u b e n f o r d e r n . Einen besonderen Sdiuldnersdiutz kennt das Mietnot-, Paditnot- und das Zwangsvollstredkungsnotrecht, siehe unten § 74 IV u. § 75 II 6, er wurde durch außergewöhnliche Wirtsdiaftsumstände veranlaßt. Es ist die Frage, ob die grundsätzliche Gleichbehandlung von Schuldner und Gläubiger gerechtfertigt ist. Mandie neigen dazu, im Gläubiger den wirtschaftlich Stärkeren und darum weniger Schutzbedürftigen zu sehen. Allein, der Gläubiger hat sein Vertrauen in den Sdiuldner gesetzt, er ist es, der etwas zu bekommen hat. Sein Vertrauen verdient Schutz. Das Recht tut daher solange gut daran, Schuldner und Gläubiger im gleichen Maß zu schützen, wie die Teilnehmer am Wirtschaftsleben von grundsätzlich gleichen wirtschaftlichen Voraussetzungen ausgehen können. Im modernen Wirtschaftsleben ist zumeist jeder zugleich Sdiuldner und Gläubiger. Unterschiede der Schutzbedürftigkeit entstehen daher nicht so sehr daraus, auf welcher Seite des Schuldverhältnisses die Person steht, sondern aus ihrer hiervon häufig unabhängigen Wirtschaftskraft. Erweisen sich z. B. gewisse Wirtsdiaftsbereiche bleibend als Käufer- oder Verkäufermärkte, oder bevorteilen bestimmte Wirtschaftsabläufe bleibend nur die eine Seite der f ü r die Abläufe benutzten Schuldverhältnisse, bedarf es der Änderung des Schuldrechts im Sinne eines Gläubiger- oder Schuldnerschutzes; Beispiele: Abzahlungsgeschäft, Mietnotrecht, Arbeitsrecht. 2. D e r Schuldner m u ß also die Leistung so erbringen, u n d d e r Gläubiger d a r f sie n u r so f o r d e r n , wie T r e u u n d G l a u b e n m i t Rücksicht auf die Verkehrssitte es der Angemessenheit verlangen, 242. D a r a u f b a u t sidi auf d e r Grundsatz 7
§1
Grundgedanken des Schuldrechts
IV13
{Philipp Hede,) der besagt, daß das Schuldredit bestrebt ist, allen Beteiligten unter Berücksichtigung der häufig widersprechenden Interessen das ihnen Gebührende in angemessener Weise zukommen zu lassen. Der Grundsatz von Treu und Glauben ist die subjektive, auf Gläubiger und Schuldner bezogene Formulierung des Angemessenheitsgrundsatzes. 3. Forderungsrechte wirken relativ. Sie berechtigen nur den Gläubiger. Sie binden nur den Schuldner. Für Dritte sind sie unbeachtlich (Ausnahmen 556 III, 571 ff., 604 IV, 826). Näheres dazu unten § 15. Die Forderung ist auf eine Leistung gerichtet. Sie muß sachlich begrenzt und bestimmbar sein, unten § 8, 5. 4. Schulden sind grundsätzlich Holschulden, d. h. der Gläubiger muß sidi die Leistung abholen, 269. Ausnahmen müssen vereinbart werden oder aus den Umständen hervorgehen. Außerdem kennt das Gesetz Ausnahmen: 261, 270, 447, 697, 700, 811; 36 W G ; Art. 4, 38, 75, 77 WechselG; 28, 29 SdieckG. 5. Es gibt Verträge zugunsten, nicht aber zulasten Dritter, 328 ff. (sonst könnte man sich schnell seiner Schulden entledigen!). 6. Man kann sich seinem Gläubiger nicht ohne dessen Zustimmung entziehen, wohl aber seinem Schuldner. Das bedeutet: Forderungen sind ohne Zustimmung des Schuldners abtretbar, 398 ff. Aber Schulden können nur unter Mitwirkung des Gläubigers übernommen werden, 414 ff.
7. Grundsätzlich sind die Staatsbürger frei, ob und wozu sie sich verpflichten wollen, 305 BGB, Art. 2 II GG (Grundsatz der Vertragsfreiheit). Es herrscht unter den Vertragsformen kein Typenzwang. Im Sachenrecht gilt dagegen ein numerus clausus der dinglichen Rechte. 8. Nur in seltenen Ausnahmefällen greift der Staat korrigierend in ein vertragliches Schuldverhältnis ein, 343, Vertragshilfegesetz v. 26. 3.1952, BGBl. I 198. 9. Schuldverträge sind grundsätzlich formfrei (Ausnahmen z.B. 310, 313, 518, 564). 10. Wenn nichts Besonderes vereinbart ist, sind Sdiuldverträge entgeltlich, 433, 516, 518, 535, 598, 612, 632, 653, 662, 689.
11. Ein bloß rechtswidriger Eingriff führt nur zur Beseitigungs- oder Unterlassungsklage. Dagegen verlangt ein Schadensersatzanspruch grundsätzlich Verschulden des Schädigers, 823 ff., 1004, 12 (Verschuldensgrundsatz). Doch haben Haftungen ohne Verschulden außerhalb des BGB, besonders bei Unfällen, erhebliche praktische Bedeutung erlangt, dazu unten §§ 107, 109. 12. Nicht jede Schädigung gibt ein Recht auf Unterlassung oder Schadensersatz (es gilt nicht der Grundsatz des neminem laedere). Nur unter zusätzlichen Voraussetzungen sind diese Ansprüche gegeben (Rechtsgutverletzung 823 1, Schutzgutverletzung 823 II, sittenwidrige Schädigung 826, 1 UWG, Amtspflichtverletzung 839 u. a.). Dagegen gilt für ungerechtfertigte Bereicherungen eine Generalklausel, 812 11. 13. Auch der Gedanke des Verkehrssdiutzes ist im Schuldrecht stellenweise verwirklicht, wenngleich schwächer als im Sachenrecht (gutgläubiger Erwerb) und im Allgemeinen Teil (Scheinvollmacht). Grundsätzlich wirken Forderungen eben nur zwischen 8
Rechtsquellen
§2
112
Gläubiger und Schuldner. Das Problem, wie der Rechtsverkehr auf Kosten eines Berechtigten geschützt werden soll, stellt sich daher nicht mit gleichem Gewicht. Forderungen können grundsätzlich nicht gutgläubig erworben werden. Hier gilt der Satz nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet. Dem Gedanken des Verkehrsschutzes entspringen aber die §§ 370, 405, 793, 794, 796. Auch die Lehre der „faktischen" Gesellschaft und des „faktischen" Arbeitsverhältnisses (unten § 1 8 III 2 b) sind verkehrsfreundlich. Verkehrsfeindlich sind dagegen die meisten Bestimmungen des sog. Schuldnerschutzes bei der Übertragung von Forderungen: 407, 408, 409—411, nicht dagegen 808 1 1. 14. Es gibt allgemeine Schuldrechtsregeln, 241—432, und besondere „einzelne" Schuldverhältnisse, 433—853. Doch liegt das Schwergewicht des vertraglichen Schuldrechts auf dem Kauf, 433—514. Er ist der Prototyp aller Verträge. Neben den einzelnen vertraglichen Schuldverhältnissen stehen Geschäftsführung ohne Auftrag, ungerechtfertigte Bereicherung und unerlaubte Handlung, 677 ff., 812 ff., 823 ff. §2 Rechtsquellen
I. Vorbemerkung Das heutige Schuldrechtssystem geht in seinen Anfängen auf das Schema personaeres-actiones des nachklassischen römischen Rechts zurück (Gaius, Institutiones). Aus den „actiones" entwickelten sich mit Erkenntnis des Unterschiedes von materiellem und Verfahrensrecht die „obligationes". Die Naturrechtler unterschieden innerhalb der obligationes contractus (Verträge), quasi contractus (ungerechtfertigte Bereicherung, Geschäftsführung ohne Auftrag), delicta (vorsätzliche unerlaubte Handlungen) und quasi delicta (Fahrlässigkeitsdelikte und Tatbestände der Gefährdungshaftung). Diese Einteilung findet sich daher z. B. später bei Pothier, Savigny und auch noch bei Windscheid, der ihr aber keine Bedeutung mehr beimißt. Der Unterschied zwischen dem Allgemeinen und Besonderen Teil des Schuldrechts ist begrifflich so alt wie die Unterscheidung von obligatio und contractus. Die Ausbildung des Allgemeinen Teils des Schuldrechts in heute geläufiger Form erfolgte in spät-naturrechtlicher Zeit, dann vor allem bei den Anhängern der historischen Rechtsschule (Hofadeer, Hugo, Heise, Puchta, Savigny). Erstmals im BGB wurde das Schuldrecht vor das Sachenrecht gestellt; Andreas B. Schwan, Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, Zeitschrift der SavignyStiftung, rom. Abt., 42. Band, S. 578 (1921). Im ganzen nahm die Bedeutung des Schuldrechts in Rechtslehre und Praxis mit zunehmender Industrialisierung und der Ausbreitung der Verkehrswirtschaft seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ständig zu, während das ursprünglich breiter behandelte Sachenrecht relativ an Gewicht verlor. II. Das heutige Schuldrecht 1. Es ist stofflich zum größten Teil im 2. Buch des BGB enthalten. Die ersten sechs Abschnitte ( 2 4 1 — 4 3 2 ) behandeln allgemeine Fragen des Schuldverhältnisses. Der umfangreiche 7. Abschnitt regelt die 25 „einzelnen Schuldverhältnisse": Kauf, Darlehen, unerlaubte Handlungen usw. Man nennt ihn den besonderen Teil des Schuldrechts (433—853), er betrifft die konkreten Lebensvorgänge. Seine innere Struktur ist unten in § 64 besprochen. 2. Schuldrechtliche Nebenvorschriften finden sich zum Allgemeinen Teil des Schuldrechts in geringerer, zum Besonderen Teil in großer Zahl. Nachstehend •werden nur die wichtigsten, zum Teil auch nur in Gruppen, genannt:
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§2 112
Rechtsquellen
a) Zum Allgemeinen Teil des Schuldrechts — Aus dem EGBGB: Art. 11, 12 (internationales Privatrecht), Art. 88 (Fremdenrecht). Ferner Art. 77—81, 93, 95—107 (Vorbehaltsklauseln bei einzelnen Sdiuldverhältnissen). — Die Währungs- und Umstellungsgesetze, beginnend 1948 (Währungsreform). — Vertragshilfegesetz vom 26.3.1952, BGBl. I 198 (Einschränkung der Vertragsfreiheit). — Hinterlegungsordnung vom 10. 3.1937, RGBl. I 285 (Verfahrensrechtliche Ergän_ zung zu §§ 372 ff.). — 'Schiffsgesetz vom 15. 11.1940, RGBl. I 1499, mit DVO. b) Zum Besonderen Teil des Schuldrechts — Das Preisrecht. Es handelt sich um öffentlich-rechtliche Eingriffe in die grundsätzliche freie Vereinbarkeit des Kaufpreises. Im Laufe der Jahre sind zuerst Verschärfungen, dann 'wesentliche Lockerungen eingetreten. Vgl. die Beispiele unten S 66 V 3 weiterveräußert, schuldet der Antiquar 40,—, wenn erkenntlich war, daß es sich um einen Händler handelte. Ließ der Käufer erkennen, daß er Kunstsammler ist, sind 20 000,— geschuldet. Dann lief der Antiquar das Risiko, einem Erfahreneren gegenüberzustehen, der den Wert des Bildes richtiger einzuschätzen wußte; möglich ist jedoch eine Anfechtung wegen Irrtums über die Echtheit des Bildes, 119 II. Entscheidend ist also immer, inwieweit das Risiko in den Vertrag mit Wirkung gegen beide Partner eingefügt wurde. 2. Deliktische festgelegt.
Schäden werden artmäßig durch die verletzte Verhaltensnorm
Wer mit einem Bagger bei Ausschachtungsarbeiten schuldhaft ein Stromkabel beschädigt, haftet nach § 823 I dem Kabeleigentümer, nicht aber einem dritten Unternehmer, dessen Betrieb durch den Stromausfall stillsteht, BGHZ 29, 65. Das Recht am Unternehmen erstreckt sich nicht auf eine ungestörte Stromzuführung, die bei außerhalb des Unternehmens vorgenommenen Schachtarbeiten unterbrochen wird. Wird aber durch den Stromausfall Eigentum zerstört, so ist ein subjektives Recht verletzt, so daß Ersatz zu leisten ist, BGHZ 41, 123 (Küken verenden im elektrischen Brutkasten). — Wer den Vorschriften der Straßenverkehrszulassungsordnung zuwider Bauarbeiter dichtgedrängt auf offenem Lkw zur Baustelle fährt, haftet bei einem Unall für die dadurch entstehenden zusätzlichen Verletzungen, aber nicht für Erkältungen, die sich die Arbeiter während der Fahrt zuziehen. — Audi der Fall des Naturschutzbaumes
269
Verursachung
§51 I
(oben II 2) zählt hierher. — Wenn ein Apotheker vorschriftswidrig auf ein Rezept das Medikament mehrfach abgibt, so daß der Patient stirbt, so entlastet es den Apotheker, wenn er nachweisen kann, daß der Arzt auf Befragen mit Sicherheit das Rezept zur Wiederholung «zugelassen hätte und daß die tödliche Gefahr einer mehrfachen Verabfolgung weder dem Arzt noch der Medikamentenfirma bekannt war. Das Verbot, bestimmte Rezepte zu wiederholen, soll dagegen sichern, daß vom Arzt nicht geprüfte und verordnete Medikamente verabreicht werden, nicht aber gegen die Unkenntnis des Arztes, der pharmazeutischen Industrie oder der Wissenschaft. §51 Verursachung Bydlinsky, Probleme der Schadensverursachung, 1964; ders., JurBl. 1958, 1; v. Caemmerer, Das Problem des Kausalzusammenhangs im Privatredit, 1956; Crispin, Kausalitätsprobleme im Bereich der unerlaubten Handlungen, Diss. 1953; Deutsch, JZ 66, 556; ders., JZ 67, 641; Dunz, NJW 66, 134; Esser, Karlsruher Forum 1959, 20; Fabry, Der Rechtswidrigkeitszusammenhang, Diss. 1955; Frommherz, AcP 110, 23; Gernhuber, JZ 61, 148; Kühlewein, NJW 55, 1581; Lange, Heinrich, AcP 156, 114; Henning Heuer, Der richtige Bezugspunkt des Adäquanzurteils, Diss. Münster 1964; Larenz, Hegels Zurechnungslehre und der Begriff der objektiven Zurechnung, 1927; ders., NJW 53, 686; ders., NJW 55, 1009; ders., Karlsruher Forum 1959, 10; ders., NJW 58, 627; Lindenmaier, ZHR 113, 207; Müller, Max-Ludwig, Die Bedeutung des Kausalzusammenhangs im Straf- und Schadensersatzrecht, 1912; Piegler, Karlsruher Forum 1959, 54; Prosser, Kausalzusammenhang und Fahrlässigkeit, 1958; Raiser, Thomas, JZ 63, 462; Rother, NJW 65, 177; Rühl, NJW 49, 568; Rümelin, Max, Die Verwendung der Kausalbegriffe im Straf- und Zivilrecht, 1900; ders., AcP 90, 171; Stoll, Hans, Festsdir. Dölle I 1963, 371 ff.; ders., Recht u. Staat, 1968, 364/365; Traeger, Der Kausalbegriff im Straf- und Zivilrecht, 1904; ders., Der Kausalbegriff im Straf- und Zivilrecht, 1929; Wendt, AcP 92,1; Wussow, VersR 57, 9. I. Begriffe und
Abgrenzungen
Zwischen der Verletzungshandlung und dem Schaden muß ein rechtlicher Zusammenhang bestehen, der das Unglück zum Schaden im Reditssinne macht und die Sdiadenstragung dem Verletzer auferlegt. Dieser Zusammenhang zwischen Verletzungshandlung und Schaden, durdi den die Verletzungshandlung erst zu einer solchen und eine Unbill zu einem Schaden im Rechtssinne werden, besteht aus drei Elementen: Aus einer äußerlichen Ursachenverknüpfung zwischen der Verletzungshandlung und dem Schaden (Verursachung, Kausalität), aus einer rechtlichen Bewertung, daß der Schaden von dem Verletzer getragen werden muß (Rechtswidrigkeit) und von der Verantwortlichkeit des Schuldners für den Schaden im subjektiven Sinne (Schuld, Verschulden); diese subjektive Verantwortlichkeit geht davon aus, daß die Verletzungshandlung nidit bloß ein äußerliches Geschehen, sondern eine willensgetragene menschliche Handlung ist. Man kann nun diese drei Elemente der Verknüpfung von Verletzungshandlung und Schaden, Kausalität, Rechtswidrigkeit und Verschulden zusammen oder getrennt behandeln, man kann die drei Elemente auch verschieden zueinander ordnen. Hierauf beruhen viele theoretische Streitigkeiten. Die in der Praxis übliche Anordnung wurde oben § 42 zugrunde gelegt.
270
Verursadiung
§51 II
Entscheidend ist die Norm, die das mensdilidie Verhalten normiert und Verstöße ahndet. Ebenso wie der Schaden normerheblich sein muß, um ersetzt zu werden, muß das Herbeiführen des Schadens durch die Handlung normgemäß sein, so daß außernormative Herbeiführungsweisen außer Betracht zu bleiben haben. Sie begründen keine Schadenshaftung. Das »Herbeiführen" wird üblicherweise als Verursachung, Kausalität, bezeichnet, wobei früher die Vorstellung dahin ging, die naturwissenschaftliche Kausalität sei für die Haftungsbegründung entscheidend (Äquivalenztheorie) oder bilde zumindest die Grundlage für die Auswahl rechtlich bedeutsamer Ursachen (Adäquanztheorie). Die Normzwecktheorie lehrt zu Recht, daß natürliche Verursadiung noch nicht von rechtlichem Belang zu sein braucht, daß vielmehr die Norm wertend über die Verknüpfung von Handlung und Schaden entscheidet. Nun hat aber nicht jede Norm ihren eigenen Begriff der Herbeiführung. Es wäre praktisch unerträglich, wenn jede einzelne Schadensersatznorm nach einer eigenen „Kausalitätstheorie" verfahren würde. So sehr es richtig ist, daß letztlich die Norm die Schadensverursachung zu einer Frage rechtlicher Bewertung macht und die Verursadiung damit nach Maßgabe der Norm qualifiziert und individualisiert, so sehr bedarf es zumindest für große Gruppen von Schadensfällen generalisierender Kausalitätstheorien. Nur ist dabei der Jurist nicht an naturwissenschaftliche Logik gebunden. Aber auch für den Juristen gibt es gleichbleibende Antworten auf die Frage: Was folgt aus was? Im Rahmen des Normzwecks gilt es daher, generalisierende Kausalitätsbegriffe für das Zivilrecht zu ermitteln. Soweit ersichtlich, gelten im Zivilrecht drei Kausaltheorien, je für verschiedene Normgruppen. II.
Die
Äquivalenztheorie
N a c h der Ä q u i v a l e n z t h e o r i e ist kausal jede Bedingung, die nicht h i n w e g gedacht w e r d e n k a n n , ohne d a ß der E r f o l g e n t f ä l l t . Es h a n d e l t sich hierbei u m den naturwissenschaftlichen Begriff der K a u s a l i t ä t . Alle Bedingungen, die z u m E r f o l g f ü h r e n , wiegen gleich schwer, sind also ä q u i v a l e n t . I m Ergebnis zieht die Ä q u i v a l e n z t h e o r i e den R a h m e n der ursächlichen Bedingungen sehr weit. D i e Ä q u i v a l e n z t h e o r i e gilt im Strafrecht. D e r T ä t e r im Sinne des Strafrechts ist o b j e k t i v f ü r alle A u s w i r k u n g e n verantwortlich, f ü r die sein H a n d e l n ursächliche Bedingung im Sinne d e r Ä q u i v a l e n z t h e o r i e ist. Allerdings m u ß , b e v o r d e r T ä t e r b e s t r a f t w i r d , h i n z u k o m m e n , d a ß er persönlich schuldhaft gehandelt h a t . D i e strafrechtliche Vorstellungsweise ist die einer weitgezogenen K a u s a l i t ä t m i t Einschränkungen durch einen persönlichen Verschuldensbegriff. ¿¿¿(Verursachung ist also Verursachung. Bei den schwierigen Fällen der Rentenneurosen fehlt es nur dann an einer Kausalität, wenn die seelische Störung erst durch die — wenn auch unbewußte — Begehrensvorstellung nach einer Lebenssicherung oder die Ausnutzung einer vermeintlichen Reditsposition ihr Gepräge erhält und wenn der Unfall zum Anlaß genommen wird, den Schwierigkeiten des Arbeitslebens auszuweichen, BGHZ 20, 137. I m Zivilrecht gilt nach § 276 B G B ein wesentlich weiterer Verschuldensbegriff (vgl. d a z u u n t e n § 53). Es k o m m t nicht auf die Person des H a n d e l n d e n , sondern auf die „verkehrserforderliche S o r g f a l t " a n . N i c h t die S o r g f a l t des k o n k r e t H a n d e l n d e n , sondern die eines ordentlichen Staatsbürgers, K a u f m a n n s , T a x i 271
Verursachung
§51 III
diauffeurs, Dachdeckers usw. ist der Maßstab. Schon daraus ergibt sich, daß man für die Zwecke des Zivilrechts die naturwissenschaftliche Kausalität grundsätzlich einengen muß. Dies geschieht durch die sog. Adäquanztheorie, dazu unten II. Wo jedoch die Äquivalenztheorie selbst geeignet ist, zu einer vernünftigen Haftungseingrenzung zu führen, gilt sie in den gesetzlich festgelegten Einzelfällen, z. B. wo ein sog. „gemischter Zufall" (casus mixtus) ausnahmsweise eine Schadenshaftung verhindert: Der Schaden wäre auch bei Beachtung der verkehrserforderlichen Sorgfalt eingetreten; zwei äquivalente Bedingungen, von denen nur eine die Sorgfaltspflichtverletzung ist, haben ihn verursacht, 287 S. 2, 848, 831 I a. E., 832, 833. Beispiel: Auf einem Schulausflug kaufen Lehrer und die 30 Kinder an einem Stand „Eis am Stiel". Als der Lehrer wegschaut, gelingt es einem besonders Geschickten eine Schachtel mit Speiseeis zu stehlen. Es wäre ihm aber auch bei sorgfältigster Aufsicht gelungen, da er in diesen Dingen Übung hatte, 832. Verallgemeinern läßt sich dieser in den §§ 287 S. 2, 848, 832 und 833 enthaltene Grundsatz aber nicht. Folgen allerdings die „Reserveursachen" der Sorgfaltspflichtverletzung zeitlich nach, so kann eine Haftungsminderung nach den Grundsätzen der Interesseermittlung („überholende Kausalität") eintreten (unten § 55). In Schwierigkeiten kommt die Äquivalenztheorie in den Fällen der sog. alternativen (a) und kumulativen (b) Kausalität. Beispiel zu (a): A und B reichen dem C je eine Dosis Gift, wobei jede für sich tödliche Wirkung hätte. Beispiel zu (b): Die Dosis des A und B war, jede für sich betrachtet, nicht tödlich, beide Dosen zusammen führen aber den Tod herbei. Denkt man im Falle (a) die Tat des A hinweg, so wäre C an der Dosis des B gestorben und umgekehrt. Die Handlungen von A und B sind also gleichzeitig kausal und nicht kausal. Hier muß die Bedingungsformel modifiziert werden: ursächlich ist jede Bedingung, die zwar alternativ, nicht aber kumulativ hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele. (Voraussetzung ist aber die Gleichzeitigkeit der Wirkung. Bewirkt eine Ursache den Erfolg vor der anderen, so ist nur die erste Ursache kausal.) Im Falle (b) entfällt dagegen der Erfolg, wenn man die Handlung des A oder B hinwegdenkt. Die Handlung ist also kausal im Sinne der Bedingungslehre. Jeder Tatbeitrag hätte aber, für sich gesehen, nicht diesen Erfolg herbeiführen können. Daher gilt: In den Fällen kumulativer Kausalität sind Tatbeiträge nicht kausal, die für sich allein genommen den Erfolg nicht herbeigeführt hätten.
III.
Die
Adäquanztheorie
Die große Masse der zivilrechtlichen Schadenshaftungen kann aber mit der Äquivalenztheorie nicht befriedigend begründet werden. Sie zieht den Kreis der Ursachen zu weit. 'Wertend — und zwar aus der Summe der Normen und nicht aufgrund einer mathematischen Wahrscheinlichkeitsrechnung — müssen ungewöhnliche äquivalente Bedingungen als zivilnormenfremd ausgeschieden werden. Dadurch entsteht, über die naturwissenschaftliche Kausalität hinaus, eine rechtswertende Betrachtung des Oh und auch des Wie der Herbeiführung eines Schadens, R G Z 171, 242; R G H Z 1, 387; 3, 261; 14, 136; 18, 288. 272
Verursachung
§51 III
"Während also die Äquivalenztheorie aus einem einzigen Satz besteht, kann man die Adäquanztheorie nur in zwei Sätzen ausdrücken, die man nebeneinanderstellen muß .Ursächlich im Sinne der Adäquanztheorie ist zunächst wiederum jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfällt.' Die Äquivalenztheorie ist also die Grundlage der Adäquanztheorie. An der Äquivalenz fehlt es bereits z . B . in dem Fall BGHSt. 11, 1 = J Z 58, 280 (zust. Anm. Mezger)-. Ein Lastzugfahrer überholte auf gerader, übersichtlicher Strecke mit etwa 27 km/h einen Radfahrer. Der Abstand war zu gering, nur 75 cm. Der Radfahrer, der betrunken war (1,95 °/oo), torkelte, wurde überfahren und verstarb an der Unfallstelle. Es wurde festgestellt, daß der betrunkene Radfahrer auch dann gestürzt und unter den Lastzug gekommen wäre, wenn der Fahrer den gebotenen Seitenabstand von 1,5 m eingehalten hätte. — Die Bedingung für den Tod ist hier nicht das „Überholen" schlechthin, sondern das Überholen des Radlers in zu geringem Abstand von 75 cm. Denkt man das Fehlverhalten hinweg, nimmt man also das richtige Uberholen an, so wäre der Tod nach dem Urteil der Sachverständigen auch unter den gleichen Umständen eingetreten. Also ist das fehlerhafte Uberholen nidit äquivalente Ursache für den Tod. Eine Adäquanz braucht nicht mehr geprüft zu werden (noch viel weniger ein „Rechtswidrigkeitszusammenhang", a. A. v. Caemmerer, Das Problem der überholenden Kausalität im Schadensersatzrecht 1962, 31 m. w. Angaben). Audi liegt kein Fall der Berufung auf verkehrsrichtiges Verhalten vor, denn der Lkw-Fahrer hat sich nicht richtig verhalten. Er handelte verkehrsordnungswidrig, aber dies war keine mitursädilidie Bedingung für den Tod des Radfahrers. Es liegt wie in den Fällen des casus mixtus. Zunächst ist also auch im Zivilrecht die Äquivalenz der fraglichen Bedingungen zu prüfen, B G H Z 2, 1 3 8 : „Conditiones sine quibus non." Dann aber folgt ein einschränkender Satz: „Solche Umstände sind im Sinne des Zivilrechts grundsätzlich nidit kausal, die nach ihrer allgemeinen Natur für den Eintritt dieses Erfolgs gleichgültig waren und nur infolge außergewöhnlicher Umstände zu einer Bedingung des Erfolgs wurden." (Formulierung der h. M. im Anschluß an Traeger.) Von den äquivalenten Bedingungen werden also die inadäquaten ausgeschieden. Die Kausalität wird also im Zivilrecht enger als in den Naturwissenschaften und im Strafrecht gezogen. Außergewöhnliche Kausalzusammenhänge bleiben außer Betracht. Die Vorhersehbarkeit spielt, nach herrschender Lehre, für die Adäquanz grundsätzlich keine Rolle, jedenfalls nicht im subjektiven Sinne. Nur objektiv außergewöhnliche Kausalzusammenhänge scheiden aus. Das Wort „Adäquanztheorie" wird in seiner vorstehenden Bedeutung aber in einem andern Sinne als im Sinne der überkommenen Adäquanzlehre gebraucht. Während in der bisherigen herrschenden Lehre die „Adäquanz" auf das in natürlichem Sinne Übliche und Wahrscheinliche bezogen wurde, bedeutet „Adäquanz" in dem hier verwendeten Sinne „der durchschnittlichen zivilistischen Sdiadensersatznorm angemessen". Die durchschnittliche zivilistische Verursachung muß nicht etwa „nicht unüblidi", sie muß, allgemein beurteilt, normangemessen, normrelevant sein. Der Bezugspunkt des Adäquanzurteils hat sich in der neueren Schadensersatzlehre geändert (Henning Heuer). Dies, nicht etwa die Ersetzung jeglichen Kausalitätsurteils, ist die Errungenschaft der 18
F i'k t n l i c h t r , Sdiuldredit, 4. Auflage
273
§51
IV
Verursachung
„Normzwecklehre", oder wie hier gesagt wird: der Lehre von der Normrelevanz der Schadenskomponenten. In diese Richtung deutend: BGHZ 18, 288. Beispiele, Vertragsrecht: Wer die verkaufte Wanduhr vor Lieferung zertrümmert, verursacht den Nichterfüllungsschaden des Käufers. Der Gesellschafter, der die ihm übertragenen Bilanzaufgaben schlecht löst, verursacht den Sdilediterfüllungsschaden der anderen Gesellschafter. Hätten sich die Schuldner richtig verhalten, wären die Schäden nicht eingetreten. Es ist auch nicht ganz ungewöhnlich, daß bei derartigem Verhalten solche Schäden entstehen. Wenn sidi nun aber der Käufer der Wanduhr oder ein Mitgesellschafter aus Kummer über die Vertragsverletzung das Leben nehmen wollen und, da der Selbstmordversuch mißlingt, erwerbsunfähig werden, ist der' Zusammenhang dieses Schadens mit der Art der jeweiligen Vertragsverletzung so ungewöhnlich, daß er für die normale schadensersatzreditlidie Betrachtungsweise unberücksichtigt bleiben muß. Die Geschädigten haben sich die Folgen ihrer ungewöhnlichen Gemütsaufwallung selbst zuzuschreiben. Das auch dann, wenn etwa der nachlässige Gesellschafter wußte, daß sein Mitgesellschafter akut gemütskrank war und keine Aufregung haben durfte. Denn es kommt auf den allgemeinen Normzweck an. (Möglicherweise besteht aber nun deliktische Haftung.) — Deliktsrecht: S überfährt den D mit dem Auto. D muß ins Krankenhaus. Der Schaden des D ist durch S verursacht. Das Oberfahren kann nicht hinweggedacht werden, ohne daß der Krankenhausaufenthalt entfällt. Wegen der 5tägigen Verzögerung muß D eine Geschäftsreise per Flugzeug um 5 Tage verschieben. Das Flugzeug, das er nun 5 Tage später benutzt, stürzt ab. Die Witwe des D verlangt von S eine Rente. Ist das Oberfahren äquivalente Bedingung für den Tod? Diese Frage muß bejaht werden. Aber es ist ein außergewöhnlicher Kausalverlauf, daß ein Autounfall wegen des Krankenhausaufenthaltes zu einer Flugzeugumbestellung führt, wobei das nun gewählte Flugzeug abstürzt. Das Überfahren ist also keine adäquate Bedingung für den Tod durch Flugzeugabsturz. — A gibt B eine Ohrfeige. B stirbt daran, weil er eine anomal dünne Schädeldecke hat. Der Tod ist durch A im Sinne der Äquivalenztheorie verursacht worden, aber auch im Sinne der Adäquanztheorie, da es nicht ganz ungewöhnlich ist, daß jemand eine anomal dünne Schädeldecke besitzt, die schon wegen einer Ohrfeige zum Tode führt. Besondere körperliche Konstitutionen kommen vor und schließen den Kausalzusammenhang im Sinne der Adäquanztheorie nicht aus (so die allerdings nicht unbestrittene Rechtsprechung des RG, RGZ 155, 41). Das gleiche gilt für anomale geistige Verfassungen, soweit es sich nicht um Selbstverstümmelungen und Selbstmorde handelt (s. o.): Ein Mops bellt eine ältere Dame an, die wegen ihrer besonderen Ängstlichkeit daraufhin den Halt verliert und die Treppe hinabstürzt. IV. Bloßes
Wahrscheinlichkeitsurteil
Während die Äquivalenztheorie in den Fällen des haftungshindernden casus mixtus und die Adäquanztheorie in praktisch allen übrigen Schadensersatzfällen normrelevant erscheinen, können besondere Sdiadensumstände einen dritten Maßstab für die Prüfung fordern, ob eine Handlung einen Erfolg „herbeigeführt" hat: Die bloße statistische Wahrscheinlichkeit. Dieser Maßstab ist namentlich dann angemessen, wenn Beweisschwierigkeiten den Geschädigten am Nachweis hindern, daß der Schaden von einem bestimmten unter mehreren in Frage kommenden Schädigern herrührt. Das ist der Fall, wenn sehr viele Schädiger in Frage kommen, wenn die Art der Schädigung technisch oder wissenschaft-
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Verursadiung
§51 V2
lieh kompliziert ist oder wenn möglicherweise ein einzelner, möglicherweise aber audi nur die Mehrheit mehrerer Schädiger den Schaden herbeigeführt hat und sich weder das eine noch das andere beweisen läßt. Bekannt ist das Problem der „summierten Immissionen" (Westermann, Sachenrecht, § 63 II 3 d), vor allem bei Rauchschäden in industriellen Ballungsräumen. Hinzu tritt neuerdings die Haftung für Atomschäden (Schülli, Rechtsprobleme beim Kausalitätsnachweis von Strahlenschäden, Diss. Münster 1964). In diesen Fällen versagt die Frage nach der „Bedingung, die nicht wegzudenken ist, ohne daß der Erfolg entfiele". Dadurch werden Äquivalenz- und Adäquanztheorie unbrauchbar. Angemessen ist eine statistische Durchschnittsberechnung, oder, wo eine solche mangels Erfahrungen noch nicht vorliegt, eine einfache Wahrscheinlichkeitsschätzung. Doch müssen dies, wegen der Gefahr von Fehlsdiätzungen, Sonderfälle bleiben. Auch muß dem einzelnen der (schwer zu erbringende) Beweis offen bleiben, daß seine Handlung für den Schaden nicht äquivalent kausal war. Vgl. auch § 830 I 2. V.
Besonderheiten
Im Zusammenhang mit der Verursadiung im Zivilrecht sind noch einige besondere Probleme darzustellen. 1. Vorsätzliches (oder fahrlässiges) Eingreifen Dritter „unterbricht" als solches den Kausalzusammenhang nicht, B G H Z 17, 159; 43, 178 (Auffahrunfälle im Nebel). A verursacht einen Autozusammenstoß. Der betroffene Wagen des B brennt. Ein hinzuspringender Passant P will den Brand löschen. Hierbei erleidet er Brandverletzungen. Diese Verletzungen sind durch die Handlung des A adäquat verursacht. Das vorsätzliche Eingreifen des P steht dem nicht entgegen. — BGHZ 37, 311: Ein Lkw-Halter leiht dem Dieb den Lkw zum Abtransport der Beute. Von einem Polizisten verfolgt, will der Dieb mit dem Lkw fliehen. Der Polizist springt auf, der Dieb fährt absichtlich so gegen einen Baum, daß der Polizist verletzt wird: Der Halter haftet gem. § 7 StVG auch dafür. — Es kommt nicht darauf an, ob das Eingreifen des Dritten rechtmäßig war oder nicht. Vielmehr entscheidet das vom Ansprudisschuldner gesetzte Risiko, das bei Gefährdungshaftung besonders umfangreich ist. 2. Auch Unterlassungen können kausal sein. Unterlassungen im Rechtssinne sind nicht einfaches Nichtstun, sondern ein Etwas-nicht-tun. Infolgedessen kann dies Unterlassen zu einem spezifischen Erfolg führen. Kausal ist die Unterlassung, wenn pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des schädigenden Erfolg mit Sidierheit oder mit einer an Sicherheit grenzenden „verdichteten Möglichkeit" verhindert hätte, B G H Z 7, 203; 34, 215. Ein Arzt unterläßt bei Bluttransfusionen, die erforderlichen Vorsichtsmaßregeln zu beachten. Der Patient erhält untaugliches Blut. Der Arzt hat hier nicht einfach nichts getan, sondern Vorsichtsmaßregeln nicht beachtet. Dieses Etwas-nicht-tun ist ursächlich für den Schaden, den der Patient erleidet. Vgl. BGH LM Nr. 4 zu § 31 BGB. Wäre trotz Tätigwerdens der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eingetreten, ist die Unterlassung nicht kausal. Es fehlt, im Sinne der obigen Adäquanztheorie, die Äquivalenz als Grundlage der Adäquanz: Obwohl man sich das Unterlassen hinwegdenkt, man also ein Tätigwerden annimmt, tritt der Erfolg ein, den man zunächst also fälschlich dem Unterlassen zuschrieb. Ein Beispiel ist der Fall des betrunkenen Radfahrers, oben III, BGHSt. 11, 1. 18*
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Rechtswidrigkeit
§52 11
3. Die Beweislast für die „Äquivalenz" trägt im allgemeinen der Geschädigte, die für die Inadäquanz von Ursachen der Schädiger. Bei Unübersichtlichkeit von Kausalabläufen können Beweislastumkehrungen Platz greifen. RGZ 171, 168 (ärztl. Kunstfehler); BGHZ 11, 227. §52 Rechtswidrigkeit Baumann, MDR 57, 646; v. Caemmerer, Wandlungen des Deliktsrechts, Festschrift zum 100jährigen Bestehen des DJT, Bd. II, 1960, 49; Deutsch, Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, 1963; Eser, Wahrnehmung berechtigter Interessen als allgemeiner Rechtfertigungsgrund, 1969; Esser, ZösterrR 1946 Heft 3/4; ders., Karlsruher Forum 1959, 15; Fischer, Hans Albrecht, Die Rechtswidrigkeit unter besonderer Berücksichtigung des Privatrechts, 1911; Hanau, Die Kausalität der Pflichtwidrigkeit, 1971; Heinitz, Das Problem der materiellen Rechtswidrigkeit, 1926; Horn, Untersuchungen zur Struktur der Rechtswidrigkeit, 1962; Kipp, Über den Begriff der Rechtsverletzung Festschrift f. O. v. Gierke, Bd. II, 1910, 1; Krüger-Nieland, Karlsruher Forum 1961, 15; Larenz, Rechtswidrigkeit und Handlungsbegriff im Zivilrecht, Festschrift f. H. Dölle, 1963, Bd. I, 169; Lehmann, Heinrich, Begrenzung der Rechtswidrigkeit unter vergleichender Berücksichtigung des schweizerischen Rechts, Festschrift f. Hedemann, 1958, 177; Löwisch, AcP 165, 421; Lorenz, JZ 61, 433; May, NJW 58, 1262; Münzberg, Verhalten und Erfolg als Grundlagen der Rechtswidrigkeit und Haftung, 1966; Niese, JZ 56, 457; Nipperdey, NJW 57, 1777; ders., Karlsruher Forum 1959, 3; ders., NJW 67, 1985; Petersen, VersR 1960, 883; Schreier, Schuld und Unrecht, 1935; Stoll, Hans, JZ 58, 137; ders., Handeln auf eigene Gefahr, 1961; Weimar, JuS 62, 133; Weitnauer, NJW 62, 1190; ders., VersR 61, 1057; Welzel, JuS 66, 421; Wieacker, J Z 57, 535; Wiethölter, Der Rechtfertigungsgrund des verkehrsrichtigen Verhaltens, 1960; Wolff, Karl, Verbotenes Verhalten, 1923; leuner, JZ 61, 41; Zippelius, NJW 57, 1707; ders., AcP 157, 390; Zitelmann, Ausschluß der Widerrechtlichkeit, 1906. /.
Begriff
1. Die Norm definiert die Rechtspflidit und für den Fall ihrer Verletzung Geschädigten und Schaden („wem gegenüber ist etwas unrecht?"). Die Norm begründet auch den Zusammenhang zwischen Verletzung und Schaden („wie kam es zu dem Unrecht?"). Endlich regelt die Norm auch die Folgen des Unrechts („mit Rücksicht auf welche Folgen ist etwas unrecht?"). Damit ist aber die Kernfrage noch nicht gestellt: „Weshalb ist etwas unrecht?" Dies ist die Frage der Rechtswidrigkeit (Widerrechtlichkeit). Die Antwort lautet: Rechtswidrig ist ein Verhalten, wenn es gegen eine Rechtsnorm verstößt. H a t man daher Verletzungshandlung, Schaden und Kausalität bejaht und auf diese Weise die Norm bereits angewandt, liegt die Rechtswidrigkeit in der Regel von selbst vor. Genauer: Sie ist indiziert, es können aber Rechtfertigungsgründe vorliegen, die die Rechtswidrigkeit ausnahmsweise beseitigen. Sowohl im Vertrags- als auch im Deliktsrecht bedeutet daher Rechtswidrigkeit praktisch das Fehlen von Rechtfertigungsgründen, und die Prüfung der Rechtswidrigkeit
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Rechtswidrigkeit
§52 12
im Gutadien besteht praktisch meist nur aus der Untersuchung, ob Rechtfertigungsgründe vorliegen, welche die Rechtswidrigkeit ausschließen könnten. Dies gilt nidit nur dann, wenn der Unrechtstatbestand in der Norm vollkommen erfaßt ist, wie bei den benannten Reditsgütern in § 823 I, in § 823 II und bei den meisten Vertragsverletzungen (Fälle „handlungstypischen Unrechts"), oben § 49 III 4. In den Fällen geringerer Unreditstypik hat der Gesetzgeber mit der Aufstellung einer allgemeinen Norm nodi nidit den Unrechtstatbestand konkretisiert. Dies gilt insbesondere für die Rahmenrechte als „sonstige Rechte" in § 823 I (Hauptfälle: Recht am Unternehmen und allgemeines Persönlichkeitsrecht) und für die Verkehrspflichtverletzungen. Hier ist der Richter gezwungen, durdi Aufstellung von Verhaltensnormen die tatbestandliche Grundlage für das Rechtswidrigkeitsurteil zu schaffen. Die Reditswidrigkeit wird aber wegen der tatbestandlichen Fixierung durch die Verhaltensnorm ebenso wie in § 823 I und II „indiziert" und allenfalls durch einen Rechtfertigungsgrund ausgeräumt. Siehe dazu oben § 49 III 4 c, wo gegen die herkömmliche Meinung Stellung bezogen wird, nadi der nur in § 823 I, II und allenfalls bei Vertragsverletzungen das Unrecht einer Verletzungshandlung „indiziert" wird. Die oben § 49 III 4 ebenfalls abgelehnte moderne Meinung (Welzel, Nipperdey, wohl auch Esser, Deutsch und Münzberg) will audi in den „geschlossenen" Tatbeständen des § 823 und bei Vertragspfliditen die Rechtswidrigkeit „positiv" festgestellt wissen, also jede Unrechtsindizierung vermeiden. Damit wird die unrechtsfixierende Funktion der Unrecht regelnden Tatbestände verkannt. Auch wird übersehen, daß die grundsätzlich zutreffende Entscheidung für ein Handlungsunrecht keineswegs dazu zwingt, von einer Unrechtsindizierung abzusehen. Die hier vorgetragene Auffassung deckt sich weitgehend mit der von Larenz, § 20 IV, mit dem Unterschied, daß das Rechtswidrigkeitsurteil entgegen Larenz (sowie Deutsch und v. Caemmerer) bei aller Differenzierung im einzelnen doch als Ergebnis einer strukturell einheitlichen Handlungs-Erfolgs-Bewertung anzusehen ist. Mit Larenz ist aber an der Unterscheidung handlungstypischen, durch Rechtsgüter indizierten Unrechts und verhaltensnormativ festzustellenden Unrechts festzuhalten, wobei die Grenze durch den Handlungsbegriff bestimmt wird (Larenz, Festschrift Dölle), allerdings nicht im natürlichen, „äußeren", sondern in einem bereits von der Verhaltensnorm geprägten Sinn. Uber Larenz hinausgehend ist schließlich auch bei handlungsuntypischen, also nur verhaltensnormativ festzustellendem Unrecht eine Indizierung durch die als Tatbestand fungierende Verhaltensnorm zu bejahen. 2. Steht nun fest, daß eine Handlung ursächlich einen Schaden herbeigeführt hat, so muß noch die rechtliche Mißbilligung hinzutreten, die, zumeist in Verbindung mit Verschulden, den Schaden auf den Schädiger überwälzt. Es genügt also nicht nur ein äußerliches, objektives Zurückführen des Schadens auf die Handlung des Schädigers, auch nicht ein subjektives Zurückführen des Schadens auf Vorstellung und Willen des Schädigers. Sondern hinzutreten muß die Mißbilligung der Schadenszufügung durch die Rechtsordnung. Dies geschieht durch den Ausspruch der Rechtswidrigkeit. Die Prüfung der Rechtswidrigkeit schließt an die Prüfung der Tatbestandsmäßigkeit an. Zur Tatbestandsmäßigkeit gehört im Bereich der Vertragsverletzung und im Deliktsrecht die Verletzungshandlung, die Kausalität und der Schaden, also das, was zum vertraglichen Schadensersatz bisher untersucht wurde. Ist die Schadenszufügung tatbestandsmäßig, d. h. hat die Verletzung einer Normpflicht einen Schaden kausal herbeigeführt, so ist zu fragen, ob diese Schadenszufügung rechtswidrig ist. Im Anschluß an die Rechtswidrigkeit ist das Vertretenmüssen zu prüfen. Darüber unten § 53.
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§52 113
Rechtswidrigkeit
3. Es gibt Ausnahmen, in denen ohne Verschulden gehaftet wird, z. B. §§ 279, 287 S. 2, 833. Es gibt sogar seltene Fälle, in denen Schadensersatz ohne Rechtswidrigkeit zu leisten ist. Dann verpflichtet ausnahmsweise ein rechtmäßiges Verhalten zum Schadensersatz, z. B. in §§ 228 S. 2, 904 S. 2 und in § 26 Gewerbeordnung. Siehe dazu unten § 112.
II. Wesen der
Rechtswidrigkeit
Grundsätzlich muß also die Verletzungshandlung rechtswidrig sein. Damit ist eine methodische und philosophische Grundfrage des Rechts angerührt: Was heißt rechtswidrig? 1. Rechtswidrig bedeutet dem Rechte zuwider. Das Recht regelt das Verhalten der Menschen untereinander. Rechtswidrigkeit ist also eine Aussage, die etwas besagt über die Rechtsstellung zweier oder mehrerer Personen zueinander. Es gibt keine abstrakte Rechtswidrigkeit, sondern man muß das Verhältnis der Person A zu der Person B beurteilen, wenn man zu dem Ergebnis eines rechtswidrigen Verhaltens von A gegenüber B gelangen will. 2. Das BGB gibt hierfür eine Reihe von Anhaltspunkten, wenngleich eine einheitliche Lehre der Rechtswidrigkeit im Gesetz nicht vorgetragen wird. Das BGB kennt absolut und relativ wirkende Rechte. Je nachdem, ob ein absolutes Recht oder ein relatives widerrechtlich verletzt ist, gestaltet sich nach bürgerlichem Recht die Rechtslage verschieden. Von absolut geschützten Rechten handelt § 823 I, von Schutzgesetzbüchern § 823 II. Wird eines der dort genannten Rechtsgüter verletzt, ist der Verletzer zum Schadensersatz verpflichtet. Der Kreis der Verletzer ist beliebig groß. Im Unterschied dazu sind Vertragsrechte Rechte mit relativem Charakter. Hier fehlt eine dem § 823 I entsprechende Vorschrift. Aber auch eine Vertragsverletzung muß rechtswidrig sein, um zu Schadensersatz zu führen. Man muß daher auch bei Forderungsverletzungen Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Vertretenmüssen unterscheiden. 3. Was heißt also Rechtswidrigkeit in § 823 I und bei Verletzung relativer Rechte? Rechtswidrig ist, wie erwähnt, ein menschliches Verhalten, das der Rechtsordnung widerspricht, d.h. ein Rechtsgebot oder ein rechtliches Verbot verletzt (EnneccerusLehmann). — Diese Begriffsbestimmung der Rechtswidrigkeit gilt gleich für § 823 I, für die Verletzung von Forderungsrechten und für das Strafrecht. Rechtswidrigkeit ist also ein Verstoß gegen ein Ge- oder Verbot. Durch die Zuerkennung absoluter oder relativer Rechte an Personen ergeht automatisch ein Verbot an alle anderen, im Falle des relativen Rechts an einen bestimmten anderen, das Recht nicht zu verletzen. Das bedeutet, daß durch die Verletzung absoluter Rechte und von Vertragspflichten die Rechtswidrigkeit nach Auffassung des BGB zunächst einmal von selbst eintritt, vgl. § 823 I. (Entsprechendes gilt für die Verletzung relativer Rechte.) Es ist nur die Rechtsverletzung nachzuweisen. Das genügt zunächst für den Nachweis der Widerrechtlichkeit. Die Folge ist, daß, wenn die Tatbestandsmäßigkeit einer Forderungsverletzung dargetan ist, die Rechtswidrigkeit vermutet wird, und nur noch die Schuld zu prüfen ist. Darum spielt die Prüfung der Rechtswidrigkeit bei Vertragsverletzungen eine verhältnismäßig geringe Rolle. Dennoch ist die Rechtswidrigkeit bei Vertragsverletzungen nicht entbehrlich. Denn Rechtfertigungsgründe können die Rechtswidrigkeit beseitigen. Der Verletzer muß sie vortragen und im Streitfall beweisen. Liegen Rechtfertigungsgründe vor, ist die Widerrechtlichkeit ausgeschlossen.
278
Rechtswidrigkeit
§52 1116
Bei den Schutzgesetzverletzungen (823 II) und im Bereich sonstiger Verhaltensnormen ohne formulierte Rechtsgüter (z. B. 826) wird die Rechtswidrigkeit aus der verletzten Norm entnommen. Auch hier sind Reditfertigungsgründe denkbar. 4. Unterlassungen sind rechtswidrig, wenn eine Rechtspflicht zum Tun besteht. Herkömmlicherweise können sidi derartige Rechtspfliditen gründen auf a) Gesetz b) Vertrag c) Gemeinschaft mit personenreditlicber Bindung (Ehe, Familie, Verlöbnis) d) Vorausgegangenes Tun, entweder als gefährdendes, oder als „vertragslose Pflichtenübernahme III.
Rechtfertigungsgründe
Die Zahl der Rechtfertigungsgründe ist grundsätzlich unbeschränkt. Sie gelten für Straf- und Zivilrecht und hier für Vertrags- und Deliktsrecht gleich. 1. Notwehr, 227 BGB; 53 StGB 2. Rechtfertigender gesetzlicher Notstand a) Verteidigungsnotstand, 228 BGB b) Angriffsnotstand, 904 BGB 3. Übergesetzlicher Notstand, seit RGSt. 61, 242 Rechtmäßig handelt, wer bei der Kollision zweier Rechtsgüter das höherwertige vorzieht oder sich für ein gleichwertiges entscheidet (Befugnis zum Handeln). 4. Unrechtausschließende Pflichtenkollision, seit RGSt. 20, 192 Rechtmäßig handelt, wer im Falle einer Pflichtkollision der höher- oder gleichwertigen Pflicht genügt (Pflicht zum Handeln). 5. Erlaubte Selbsthilfe, 229, 679 BGB, und Selbsthilfe im Rahmen der Familienpflege, seit BGHSt. 13, 197. 6. Einwilligung des Verletzten (volenti non fit iniuria), im Vertragsrecht der wichtigste Rechtfertigungsgrund. Sie darf nicht gesetz- oder sittenwidrig sein, BGHZ 7, 206. Sie kann stillschweigend erklärt, darf aber nicht zugunsten unentgeltlich Tätiger einfadi unterstellt werden, BGHZ 30, 40. Aus gemeinsamer Teilnahme an einer Motorsportveranstaltung läßt sich stillschweigende Einwilligung nicht ableiten, BGHZ 39, 156. a) Ärztliche Eingriffe bedürfen der Einwilligung des Behandelten. Sie sind nicht als solche „sozialadäquat", auch wenn sie kunstgerecht durchgeführt werden. Gegen die Lehre der „Sozialadäquanz" grundsätzlich unten § 97 VI. Selbst wenn man ihr folgte, sind ärztliche Behandlungen heute mit so vielen technischen, wissenschaftlichen und finanziellen Modalitäten verbunden, daß man die ärztliche Behandlung nicht einfadi und ununterscheidbar als „sozialadäquat" bezeichnen kann. Dem Patienten müssen hier Einwirkungsmöglichkeiten gegeben werden. b) Das „Handeln auf eigene Gefahr" wirkt, wenn objektive Verkehrspfliditen beachtet werden, «nrec^iausschließend (Hans Stoll). Beispiel: Sportverletzungen, wenn Spielregeln eingehalten werden, seit RGZ 141, 264. Das „Handeln auf eigene Gefahr als Unrechtausschließungsgrund" ist von BGHZ 34, 355 insoweit keineswegs aufgegeben worden. — Richtig ist allerdings, daß „Handeln auf eigene Gefahr" die Verletzung rechtswidrig sein läßt und höchstens die Schuld des Schädigers beseitigt, wenn die objektiven Verkehrspflichten nicht eingehalten werden, aber der Schädiger im Zuge
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§52 1119
Rechtswidrigkeit
einer echten Hilfeleistung tätig wurde (dann Begrenzung seiner Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit) oder irrig mit einer Einwilligung rechnete. — Durfte er auch das nicht, ist „Handeln auf eigene Gefahr" nach BGHZ 34, 355 schließlich danach zu beurteilen, ob der Geschädigte die Gefahrenlage und damit seinen Schaden mitherbeigeführt hat und sidi daher — wollte er diesen einem anderen aufbürden — mit seinem eigenen Verhalten in Widerspruch setzen würde. Dann erfolgt Abwägung nadi § 254, Umstände des Einzelfalles sind entscheidend. Wichtig ist, daß dabei das Handeln eines Minderjährigen nach den Grundsätzen über seine deliktisdie Verantwortlichkeit (828) bedeutsam wird. Wer sich also als unentgeltlicher Mitfahrer bei Glatteis einem betrunkenen Autofahrer anvertraut, kann nach diesen Grundsätzen von dem — an sich auch für leichte Fahrlässigkeit haftenden — Fahrer nicht den vollen Schaden ersetzt verlangen. Oben § 7 3. Zusammengefaßt lauten die Regeln zum Handeln auf eigene Gefahr wie folgt: Handeln auf eigene Gefahr kann wirken (Reihenfolge beachten) а) Rechtfertigend (bei Einhaltung der Verkehrs-, Sport- und Spielregeln). ß) Sdiuldformbegrenzend (auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, bei echter Hilfeleistung). y) Überhaupt entschuldigend (insb. bei unvermeidbarem Irrtum über Rechtfertigungsgrund: Regelwidrige, aber schuldlose Sportverletzung). б) Schadensmindernd, 254, 242 (keine Berufung auf selbstgeschaffene Gefahrenlage). 7. Mutmaßliche Einwilligung bei Handlungen a) im Interesse des Verletzten, Geschäftsführung ohne Auftrag, 677 ff. (Das Haus des verreisten A brennt ab, die Nachbarn betreten mit Löschgeräten das Grundstück; ärztliche Eingriffe bei Bewußtlosen; Züchtigung fremder Kinder; Wasserrohrbruch beim Nachbarn führt zu Hausfriedensbruch.) b) im Interesse des Täters. (Die Nachbarn reißen die brennende Ruine ein, um ihre eigenen Häuser gegen Funkenflug zu schützen; zuverlässiger Kassierer ißt vom kassierten Geld zu Abend und ergänzt es sogleich aus eigener Kasse.) 8. Wahrnehmung berechtigter Interessen, 193 StGB analog. Ausdehnung auf das Zivilrecht ist weniger streitig als auf andere Straftatbestände. Vgl. besonders BGHZ 3, 280, und 31, 308. Dies gilt insbesondere bei Ehrverletzungen. Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, der in allen Fällen zutreffen kann, wo im Widerstreit verschiedener Belange die Verletzung eines Rechtsgutes in Kauf genommen werden muß. Interessenabwägung. Besonders wichtig bei Presseveröffentlichungen, BGHZ 31, 308. Berufung auf Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht erforderlich bei Darlegungen im Prozeß (Prozeßvorbringen). Ähnlich bei Strafanzeigen. An die Schriftsätze im Zivilprozeß ist grundsätzlich ein anderer Maßstab anzulegen als an Schriften anderer Art. Siehe dazu grundlegend BGH N J W 62, 243. Anderer Unterfall: Grundrecht der freien Meinungsäußerung, Art. 5 GG (BVerfG N J W 58, 257 — Lüth-Urteil). 9. Handeln aufgrund öffentlich-rechtlicher Befugnisse a) aufgrund subjektiv-öffentlichen Rechts b) anstelle der Staatsgewalt, 127 StPO c) kraft amtlicher oder dienstlicher Stellung oder mit ordnungsmäßiger Ermächtigung der zuständigen Stelle d) auf rechtmäßig bindenden Befehl 280
Vertretenmüssen, insbesondere Verschulden
§53
I
10. Handeln aufgrund privatrechtlicher Befugnisse a) aufgrund subjektiv-privaten Rechts (903, Nießbrauch, Pfandrecht, Vertrag) b) kraft schuldvertraglicher Befugnis c) Züchtigungsrecht der Eltern und Vormünder (für Lehrer streitig), BGHSt. 6, 263; 11, 241; 12, 62 11. Zu den zumindest im Zivilrecht abzulehnenden Rechtfertigungsgründen gehören die Grundsätze a) der Sozialadäquanz, siehe unten § 97 V b) des verkehrsrichtigen Verhaltens, siehe unten § 107 I 2 a ß c) des „erlaubten Risikos", der mit den beiden vorgenannten verwandt ist. Zum Irrtum über einen Rechtfertigungsgrund siehe oben § 49 I I I 5.
IV. Rechtsgüterlehre als Kern der Lehre von der
Rechtswidrigkeit
Verständlich wird das Urteil der Reditswidrigkeit allerdings erst auf dem Hintergrund einer Norm- und Rechtsgüterlehre. Dazu unten § 97. §53 Vertretenmüssen, insbesondere Verschulden Aebi, Hans Kaspar, Der Begriff des Verschuldens im Privatrecht und im Strafrecht, 1957; Baumann, AcP 155, 495; Brodmann, AcP 99, 327; Buchner, NJW 67, 2381; Canaris, NJW 64, 1987; Deutsch, Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, 1963; ders., JZ 64, 86; ders., NJW 66, 705; ders., JuS 67, 496; Edlbacher, Wandel und Krise des Haftungsgrundes des Verschuldens, Festschr. Wilburg 1965, 81; Esser, Karlsruher Forum 1959, 28; Geilen, JZ 64, 6; Goldschmidt, Werner, Die Schuld im Straf- und Zivilrecht, 1934; Großmann, Die Grenze von Vorsatz und Fahrlässigkeit, 1924; Hafferburg, NJW 59, 1138; Krönig, MDR 53, 647; Larenz, Uber Fahrlässigkeitsmaßstäbe im Zivilrecht, Festschrift Wilburg 1965, 119; Leonhard, Fahrlässigkeit und Unfähigkeit, Marburger Festschrift f. Enneccerus, 1913, 70; Mayer-Maly, AcP 163, 114; Mühlhaus, Die Fahrlässigkeit in Rechtsprechung und Rechtslehre, 1967; Nipperdey, Der Begriff des Verschuldens, Festschrift f. Meyer, 1954, 95; Reinecke, Horst, Objektive Verantwortung im zivilen Deliktsrecht, 1960; Rittner, Rechtswissen und Rechtsirrtum im Zivilrecht, Festschr. v. Hippel, 1967, 391; Rümelin, Max, Das Verschulden im Strafund Zivilrecht, 1909; Sanden, VersR 67, 1013; Schmidt, Rudolf, NJW 58, 488; Sieverts, Beiträge zur Lehre von den subjektiven Unrechtselementen, 1934; Seride, Probleme zivilrechtlicher Verantwortlichkeit in rechtsvergleichender Sicht, Referate der Tagungen deutscher und französischer Juristen 1959, 43—50; Weimar, MDR 65, 263; Welzel, Fahrlässigkeit und Verkehrsdelikte, 1961; Weyl, System der Verschuldensbegriffe im BGB für das Deutsche Reich, 1905; Wohlfahrt, Gruchot 73, 451; Zeuner, ÖJZ 65, 23; ders., JZ 66, 1; Ziegler, Fahrlässigkeit und Gefährdung, 1935. I. Das deutsche bürgerliche Redit folgt dem Verschuldensgrundsatz. Das bedeutet, daß grundsätzlich nur dann Schadensersatz zu leisten ist, wenn der Verletzer den Schaden verschuldet, d. h. mit seiner subjektiven Einstellung zu verantworten hat. Es kommt nicht nur auf die äußerlich kausale Herbeiführung des Schadens durch die Verletzungshandlung und durdi die Bewertung dieser
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Schadenszufügung als rechtswidrig an, sondern auch auf die inneren Beziehungen des Täters zur Tat. Das Verschulden ist ein Willensfehler des Handelnden, aufgrund dessen er von der Rechtsordnung für das von ihm begangene Unrecht verantwortlich gemadit wird. Das Verschulden ist eine Verfehlung rechtlicher Pflichten infolge unzulänglicher Steuerung des Willens oder des nach dem Willen Handelns. Das BGB spricht aber grundsätzlich nicht von Verschulden, sondern von Vertretenmüssen und will damit andeuten, daß die persönliche Verantwortlichkeit des Schuldners für die Tat gelegentlich auch ohne persönliches Verschulden anerkannt wird. Das Vertretenmüssen ist also der weitere Begriff im Verhältnis zum Versdiulden. In der Regel hat der Schuldner, wie § 276 sagt, Vorsatz und Fahrlässigkeit, also die beiden Schuldformen zu vertreten. Es gibt aber auch Fälle, in denen ohne Verschulden eine Verletzungshandlung zu vertreten ist. Insoweit wird dann auch für Zufall, nicht aber für höhere Gewalt gehaftet, z. B. 279, 459, 463 S. 1. BGHZ 20, 3.
II. Das Verschulden besteht aus der Verschuldensfähigkeit (827, 828) und der Schuldform (276). Es gibt zwei Schuldformen: Vorsatz und Fahrlässigkeit. Damit ein Verschulden gegeben ist, müssen Schuldfähigkeit und eine der beiden Schuldformen vorliegen. 1.
Verschuldensfähigkeit
Wer das 18. Lebensjahr vollendet hat, ist voll verschuldensfähig, 828 II 1. Bis zum 7. Lebensjahr ist man verschuldensunfähig, zwischen dem 7. und dem 18. Lebensjahr bedingt schuldfähig. Es entscheidet in diesem Zeitraum nach § 828 II die Einsicht zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit. Regeln über die Versdiuldensfähigkeit bei geistigen Störungen enthält § 827. Wer sich im Zustand der Bewußtlosigkeit oder in einem anderen die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, ist verschuldensunfähig. Hat sich der Betreffende durch geistige Getränke oder andere Mittel in einen vorübergehenden Zustand dieser Art versetzt (Rausch), so ist er für den Schaden, den er in diesem Zustand widerrechtlich verursadit, nach Fahrlässigkeitsgrundsätzen verantwortlich. Er hat zumindest fahrlässig die Ursache zu den Schäden, die er angerichtet hat, gesetzt. Die Verantwortlichkeit tritt dementsprechend nicht ein, wenn er ohne Verschulden in den Rauschzustand geraten ist. §§ 827, 828 werden in § 276 I 3 für anwendbar auch auf die rechtsgeschäftliche Haftung erklärt. Vgl. BGH N J W 68, 1132 (Vertragsverletzung im vorübergehenden Zustand der Unzurechnungsfähigkeit). 2.
Schuldform
Nach § 276 1 1 bestehen zwei Schuldformen, Vorsatz und Fahrlässigkeit. Zunächst ist im Gutachten Vorsatz, danach Fahrlässigkeit zu prüfen. Die Feststellung, ein Verletzer habe unvorsätzlich gehandelt, bedeutet keineswegs, daß er dann notwendig fahrlässig war. Es ist immer nodi möglich, daß ihn überhaupt kein Verschulden trifft. Fahrlässigkeit ist also, falls Vorsatz verneint wird, stets getrennt zu prüfen. 282
Vertretenmüssen, insbesondere Verschulden
§53
1113
Ist ein Ereignis weder vorsätzlich noch fahrlässig herbeigeführt worden, ist es im Rechtssinne „zufällig". Man unterscheidet zwei Arten von Zufall, den gewöhnlichen (oder „niedrigen"), und die Fälle „ h ö h e r e r Gewalt". Höhere Gewalt liegt nur vor, wenn ein von außen kommendes, außergewöhnliches Ereignis eintritt, z. B. allg. Flutkatastrophe (vgl. R G Z 171, 104), nicht aber Stromschlag bei i. ü. unverschuldetem Berühren einer Hochspannungsleitung, vgl. B G H Z 7, 338. Die Unterscheidung ist wichtig für die Zufallshaftung, unten V., die nur den niedrigen Zufall erfaßt. Haftung für höhere Gewalt ist sehr selten, O G H Z 1, 110; 2, 202.
III.
Vorsatz
1. Im Unterschied zur Fahrlässigkeit ist der Begriff des Vorsatzes im BGB nicht definiert, sondern der Rechtswissenschaft und Rechtsprechung zur Klärung überlassen. Nach immer noch herrschender Auffassung handelt vorsätzlich, wer sich den Erfolg seiner Handlung vorstellt und ihn in Kenntnis der Pflichtwidrigkeit seines Handelns dennoch in seinen Willen aufgenommen hat (Larenz). Vorsatz ist also Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolgs, genauer: Wissen und Wollen des Erfolgs im Bewußtsein der Rechtswidrigkeit. 2. Man unterscheidet verschiedene Formen des Vorsatzes: a) Nicht notwendig ist das Bezwecken des Erfolgs. Handelt jemand erfolgsmotiviert, also um einen bestimmten rechtswidrigen Erfolg zu verwirklichen, so handelt er absichtlich. Eine gesteigerte Form des Vorsatzes ist also die Absicht. Absichtlich handelt, wer sich den Erfolg vorstellt, ihn in Kenntnis seiner Pflichtwidrigkeit in seine Vorstellung aufnimmt, ihn aber darüber hinaus zum Motiv seines Handelns macht. Eine solche Absicht ist nicht erforderlich, wo Vorsatz verlangt wird. Sie reicht aber zur Begründung des Vorsatzes aus.
b) Die Regelform des Vorsatzes ist der direkte Vorsatz, also das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolgs. Der Täter erkennt den Erfolg als notwendige Folge seines Handelns, billigt das und handelt im Bewußtsein der Pflichtwidrigkeit trotzdem. c) Ausreichend für den Vorsatzbegriff ist auch der bedingte Vorsatz, bei welchem sich der Verletzer den Erfolg als möglich vorstellt und seinen Eintritt zustimmend in Kauf nimmt. Er billigt den Erfolg für den Fall, daß er eintritt. 3. Zum Vorsatz gehört das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit. Es ist also erforderlich, daß außer der Vorstellung und dem auf den Erfolg gerichteten Willen ein Bewußtsein des pflichtwidrigen Handelns vorliegt (Vorsatztheorie). a) Hieran knüpft sich eine Streitfrage, die das Zivilrecht ebenso wie das Strafrecht durchzieht. Ausgehend von strafrechtlichen Überlegungen hat ein Teil der Rechtslehre den Vorsatz nicht mehr als Schuldform, sondern als Bestandteil der Verletzungshandlung angesehen. Das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit wird also aus dem Vorsatzbegriff nach dieser Lehre ausgeklammert. Dann bedarf es, wenn man nach dem Verschuldensgrundsatz verfährt, über diesen zum Tatbestand gezogenen Vorsatz hinaus eines Bewußtseins der Rechtswidrigkeit. Diese Lehre, die von Welzel (Strafrecht 8 , 1963, 120 ff. 148 ff.) be283
§53 1113
Vertretenmüssen, insbesondere Verschulden
gründet und von Nipperdey (Enn.-Nipperdeyu, § 213 III 2) in das Zivilrecht übernommen worden ist, trennt also die „Schuld" vom Vorsatz. Sie spricht, wenn wegen vorsätzlicher Verwirklichung eines Erfolges gehaftet wird, von einem „rechtswidrigen, vorsätzlichen und schuldhaften" Handeln des Verletzers. Vorsatz ist nach dieser sog. Schuldtheorie lediglidi das Wissen und Wollen der Tatumstände. Das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit muß, getrennt davon, hinzutreten. Demgegenüber stellt sich die ältere Vorsatztheorie, der auch § 276 BGB folgt, auf den Standpunkt, daß Vorsatz Wissen und Wollen im Bewußtsein der Reditswidrigkeit bedeutet, rechnet also den Schuldvorwurf zum Vorsatz. b) Abgesehen davon, daß die Schuldtheorie im BGB dem § 276, wo Vorsatz und Fahrlässigkeit als die beiden möglichen Schuldformen genannt sind, widerspricht, paßt sie ihrem Sinne nach grundsätzlich nicht ins Zivilrecht. Die Schuldtheorie ermöglicht im Strafrecht die Erfassung individueller Reditsfahrlässigkeit mit dem Ziel, den Straftäter grundsätzlich nach dem Vorsatzstrafrahmen zu bestrafen. Das zivile Haftungsrecht trennt nicht die Folgen von Vorsatz und Fahrlässigkeit und generalisiert den Schuldvorwurf. Es wird darum hier der Vorsatztheorie gefolgt, die zum Vorsatz das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit der Herbeiführung des Erfolgs zählt. Nach dieser Theorie ist der Vorsatz eine Sdiuldform ebenso wie die Fahrlässigkeit (wie hier auch Esser2 § 54, 3 b, c, Esser I 4 § 37 I I I ; Blomeyer4, 121 f.; Baumann, AcP 155, 495). c) Der Streit der Theorien ist im Zivilrecht unwichtiger als im Strafrecht. Nur in § 823 II ist er von Bedeutung, wenn das Schutzgesetz eine Vorschrift des Strafrechts ist. Da im Strafrecht zu Recht nach der Schuldtheorie verfahren wird, könnte es, namentlich in Nötigungs- und Erpressungsfällen, geschehen, daß der Täter, der sein Handeln fahrlässig irrig für rechtmäßig hält, zwar bestraft, aber nicht schadensersatzpflichtig wird. Denn nach der Schuldtheorie beseitigt sein fahrlässiger Reditsirrtum den Vorsatz in §§ 240, 253 StGB nicht, doch würde nach der Vorsatztheorie in § 823 II kein Schutzgesetz verletzt sein. In diesen Fällen, wo das zivile Unrecht direkt aus dem Strafrecht übernommen wird (dazu unten § 104), muß auch im Zivilrecht die Schuldtheorie gelten, kritisch Esser I 4 § 37 III 2 m. w. Nachw. Praktisch Wird dies nur für § 823 II gelten. Siehe dazu vor allem BGH J Z 63, 218. d) Bei Prüfung der Frage, ob die im Strafrecht heute wohl herrschende Schuldtheorie in das Zivilrecht übernommen werden soll, muß man sidi den Zweck der Schuldtheorie vor Augen halten (dazu insb. BGHSt. 2, 194). Das Strafrecht kennt Straftaten, die nur bei vorsätzlicher Begehung strafbar sind, z. B. Nötigung, 240 StGB. Glaubt der Täter einer solchen Straftat bei ihrer Begehung im Recht zu sein, unterliegt er also einem Verbotsirrtum, so handelt er nach der Vorsatztheorie unvorsätzlidi, es fehlt ihm das nach dieser Theorie zum Vorsatz zählende Unrechtsbewußtsein. Er kann dann nicht bestraft werden. — War sein Irrtum vermeidbar, also fahrlässig, kann er nur wegen fahrlässiger Begehung der Straftat bestraft werden. Das aber setzt voraus, daß die fahrlässige Begehungsform überhaupt strafbar ist (z. B. Körperverletzung: A züchtigt ein fremdes Kind und glaubt dabei irrig, im Recht zu sein: Fahrlässige Körperver-
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letzung nach der Vorsatztheorie). — Um aber auch bei nur vorsätzlich begehbaren Straftaten zu einer Bestrafung zu kommen, wenn der Täter sidi geradezu leichtfertig über das Unrecht seiner Tat irrte, anerkannte BGHSt. 2, 194 die Schuldtheorie mit der Folge, daß Wissen und Wollen für den Vorsatz ausreichen und als „Schuld" der vorwerfbare Irrtum über die Rechtswidrigkeit ausreicht. Zwedt der Sdiuldtheorie ist also die Erfassung der individuellen Rechtsfahrlässigkeit für die nur vorsätzlich begehbaren Straftaten. Dies Bedürfnis liegt, abgesehen von § 823 II, im Zivilrecht nicht vor, da die Schadensersatzfolge im Verschuldensfalle regelmäßig eintritt ohne Rädesicht darauf, ob die Schuld auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit beruht. Für die Erfassung der individuellen Rechtsfahrlässigkeit besteht daher im Zivilrecht kein Bedarf. Man kann dagegen auch vom begrifflich-konstruktiven Standpunkt nicht einwenden, der juristische Handlungsbegriff zwinge zur Anerkennung der Sdiuldtheorie. Der juristische Handlungsbegriff setzt im Unterschied zum philosophischen keine Finalität voraus (unten § 102 IV). Handlung im Rechtssinne ist ein — zum Zwecke der Anwendung einer Norm — wertend abgegrenzter, wirklicher oder audi nur denkbarer Vorgang der Außenwelt (grundsätzlich anders Welzel). Man kann also — von diesem wertenden Handlungsbegriff ausgehend — nicht sagen, die Finalität jedes menschlichen Handelns zwinge zur Einordnung des Vorsatzes (als Wissen und Wollen der Tat) bei der Handlung und damit zur Ausgliederung des Schuldvorwurfs einschließlich des Unreditsbewußtseins. Menschliches Handeln im philosophischen Sinne ist für den Juristen ebenso belanglos wie Ploetz' „Auszug aus der Geschichte* für die Anwendung des BGB. Der Jurist wertet menschliches Tun und Unterlassen als recht oder unrecht. Das veranlaßt ihn, die subjektive Komponente dieses Tuns oder Unterlassens, nämlidi die Schuld, als Verbindung faktisch-historischer Vorgänge mit dem Unrechtsbewußtsein zu begreifen. Noch weniger sollte der Sprachgebrauch stören. Es mag zwar wunderlich klingen, wenn man sidh wegen der Züchtigung eines fremden Kindes in vorwerfbar irrigen Glauben, man habe ein Redit dazu, einer fahrlässigen Körperverletzung schuldig macht. Aber da für das Recht jede zu prüfende menschliche Handlung unter dem Blickwinkel „recht oder unrecht" zu betrachten ist, wird es auch dem Laien verständlich sein, daß „fahrlässig", ein ihm ohnehin ungewohntes Wort, auch „rechtsfahrlässig" umschließt. Im Strafrecht lautet die Frage, welchen Inhalt man strafzweckmäßig dem Merkmal des Unrechtsbewußtseins geben soll. Verlangt man ein aktuelles Unrechtsbewußtsein, etwa nach der Art der „positiven Kenntnis" in § 990 I 2, so führt die Vorsatztheorie zu ungerechtfertigten Privilegierungen in den Fällen nur vorsätzlich begehbarer Straftaten (z. B. § 240 StGB). Läßt man aber als Unrechtsbewußtsein (als subjektiven Unrechtsbezug des Täters zur Tat) auch die Fälle gelten, in denen die Niditkenntnis des Verbots mit einer den guten Sitten entspredienden Auffassung von Recht und Unrecht unvereinbar ist, so ist kein Grund ersichtlich, das Unrechtsbewußtsein nidit zum Vorsatz zu zählen. Ob ein derart objektiv eingegrenzter Begriff des (grundsätzlich subjektiven) Unrechtsbewußtseins strafrechtlich brauchbar ist, kann hier dahinstehen (bejahend die „eingeschränkte Vorsatztheorie"). Für das Zivilrecht ist ein derartiger Unrechtsbegriff durchaus passend, da es den Schuldvorwurf ohnehin objektiv faßt. Dem Zivilredit gemäßer scheint daher die Vorsatztheorie, mit einem Begriff des Unrechtsbewußtseins als Vorsatzbestandteil, das zwar grundsätzlich nach der subjektiven Vorwerfbarkeit 285
§53
Vertretenmüssen, insbesondere Verschulden
IV
fragt, in Fällen sittenwidriger Verkennung der Rechtslage aber objektiv eingegrenzt wird.
4. Die Haftung für Vorsatz kann nach § 276 II dem Schuldner im voraus nicht erlassen werden, wohl aber einem Erfüllungsgehilfen des Schuldners, 278 S. 2. Der Grund für diese eigenartige Unterscheidung, die für allgemeine Geschäftsbedingungen von großer Bedeutung ist, besteht im Zweck des § 276 II. Man will nicht, daß dem Schuldner von vornherein die Möglichkeit offensteht, vorsätzlich das Schuldverhältnis zu sabotieren. Dies wäre sittenwidrig. Da aber der Schuldner nach § 278 ohne Entschuldigungsmöglichkeit für Handlungen seines Erfüllungsgehilfen haftet, besteht dies Bedenken bei der Haftung für den Erfüllungsgehilfen nicht. IV.
Fahrlässigkeit
Die Fahrlässigkeit ist in § 276 I 2 vom Gesetz definiert. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht läßt. Im Unterschied zum Strafrecht gilt im bürgerlichen Recht ein verallgemeinerter objektiver Fahrlässigkeitsbegriff. Es wird auf die Verkehrsmaßstäbe abgestellt. Ein Dachdecker haftet also für die Sorgfalt eines ordentlichen Dachdeckers, ein Kaufmann für die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns, ein Autofahrer für die Sorgfalt eines ordentlichen Fahrers. Wenn er bei der Fahrt nicht auf die Straße vor sich, sondern auf Schaufensterauslagen achtet, so verletzt er die verkehrsübliche Sorgfaltspflicht und handelt fahrlässig. Entsprechendes gilt für den Arzt (BGH2 4, 138; 7, 202; 8, 138), den Notar (17, 69), den Viehhändler (OGHZ 1, 253), die Bank (OGHZ 4, 81; BGHZ 22, 304), Jugendliche je nach Altersgruppe (BGHZ 39, 286), Versorgungsunternehmen bei der Unterhaltung ihrer Anlagen (Gasrohrnetz), RGZ 172, 156, usw. Fahrlässig handelt, wer eine Tätigkeit übernimmt, obwohl er weiß oder wissen muß, daß er nicht tauglich dazu ist. (Tauglich heißt dabei: So fähig, wie es für seinen Beruf objektiv noch als ausreichend angesehen werden muß.) Man nennt dies Übernahmeverschulden. Man unterscheidet verschiedene Formen der Fahrlässigkeit. a) Von grober Fahrlässigkeit spricht man, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße vernachlässigt wird (culpa lata). Grobe Fahrlässigkeit spielt eine Rolle in §§ 300 I, 521, 599, 932, 968. BGHZ 17, 199 definiert: „Eine grobe Fahrlässigkeit ist dann gegeben, wenn die Anstellung einfachster und ganz naheliegender Überlegungen versäumt ist und wenn das nicht beachtet wurde, was jedem einleuchten mußte." b) Im Gegensatz dazu steht die leichte Fahrlässigkeit (culpa levis). Sie ist von § 276 I 2 umschlossen. Alle Fahrlässigkeit, die nicht grob ist, ist in diesem Sinne leicht. Zu Überlegungen, die Haftung für leichte und leichteste Fahrlässigkeit de lege ferenda (§ 255 a) oder durch die Rechtsprechung zu mildern s. U. Lorenz-Meyer, Haftungsstruktur und Minderung der Schadensersatzpflicht durch richterliches Ermessen, 1971. c) Schließlich kennt das Gesetz noch den Begriff der Sorgfalt, die man in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, vgl. 277, 690, 708, 1359, 1664, 2131. Hier handelt es sich um einen rein subjektiven Sorgfaltsbegriff, bei dem es nicht auf die im Verkehr
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VI
erforderlichen Maßstäbe ankommt (diligentia quam in suis). Für Sorgfalt, die man in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, wird vor allem in besonders engen persönlichen Beziehungen gehaftet, so z. B. in der Gesellschaft, in der Ehe, im Eltern-KindVerhältnis. Hier spricht die Billigkeit dafür, die Haftung auf diesen Maßstab zu beschränken, weil man sich z. B. in der Gesellschaft die anderen Gesellschafter selbst aussuchen kann, ihnen also nicht den Vorwurf der Verletzung eines Sorgfaltsmaßstabs machen kann, an den man sich selbst nicht hält. Ähnlich liegt es aufgrund natürlicher Umstände in der Ehe und im Eltern-Kind-Verhältnis. Die Sorgfalt, die man in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, steht praktisch oft etwa in der Mitte zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit. Denn die Haftung für leichte Fahrlässigkeit wird durch die genannten Vorschriften im Ergebnis eingeschränkt, die Haftung für grobe Fahrlässigkeit bleibt nach §277 aber bestehen, BGHZ 21, 109. Die Beschränkung des Sorgfaltsmaßstabs bezieht sidi in § 277 usw. nur auf den Haftungsgrund. Der Schadensumfang braucht nidit verschuldet zu sein, oben § 49 III 2. Gegen diese Inkonsequenz Deutsch NJW 66, 705. Die Haftung für Fahrlässigkeit, auch für grobe Fahrlässigkeit, kann vertraglich ausgeschlossen werden. In allgemeinen Geschäftsbedingungen wird davon häufig Gebrauch gemacht. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob der Ausschluß gegen die guten Sitten verstößt, was z. B. dann angenommen wurde, wenn der Ausschluß durch Ausnutzung einer Monopolstellung geschah, vgl. oben § 26 V 5 d. Bei Annahme stillschweigenden Haftungsausschlusses ist Zurückhaltung geboten, BGHZ 15, 207.
V. Haftung ohne Verschulden Zum Vertretenmüssen zählt außer dem Verschulden das Haften ohne Verschulden in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen. Insoweit wird dann auch für Zufall gehaftet, nicht jedoch für höhere Gewalt. Die wichtigsten Beispiele, die das Gesetz bringt, sind: §287 S. 2 (Haftung für Zufall im Schuldnerverzug); §279 (Haftung für Gattungsschulden im Falle des Unmöglichwerdens, vgl. aber §§ 243 II und 300 II); §§ 459—463 (Haftung auf Wandlung, Minderung sowie auf Schadensersatz bei der Sachmängelhaftung im Kauf); ohne Verschulden wird ferner gehaftet bei Garantieversprechen, § 305, ebenso bei anfänglichem Unvermögen, vgl. oben §§ 11, 3 a; 43 III; zu den Fällen der Gefährdungshaftung (§§ 833—835; §§ 1, 2 der Reichshaftpflichtgesetze; § 7 des Straßenverkehrsgesetzes usw.) siehe unten § 109; zur Haftung ohne Verschulden für den Umfang des Schadens oben § 49 III 2. Es handelt sidi hier um Durchbrechungen des Verschuldensgrundsatzes, die ihre Rechtfertigung teils in dem Gefährdungsgedanken haben, vgl. dazu unten § 109 vor I, teils in der Vorstellung, daß der Schuldner bei Eingehung bestimmter Versprechen seine Leistungspflicht überprüfen muß, und, wenn er dagegen verstößt, dafür auch ohne Verschulden einzustehen hat (§§ 279, 463, Haftung bei anfänglichem Unvermögen).
VI. Entschuldigungsgründe Liegen Schuldfähigkeit (II 1) und eine Schuldform vor (II 2, III, IV), ohne daß ein Fall der Zufallshaftung gegeben ist (V), ist noch zu prüfen, ob das Handeln entschuldigt werden kann. Das Zivilrecht bedient sich der Entschuldigungsgründe des Strafrechts. Auch ein Rechtsirrtum, der nicht auf Fahrlässigkeit beruht, vermag den Schuldner zu entschuldigen, BGHZ 36, 346. 287
§54 II
Erfüllungsgehilfe §54 Haftung für fremdes Verschulden: Der Erfüllungsgehilfe
Blau, Verantwortlichkeit für fremdes Verschulden, 1902; Böhmer, Emil, JR 58, 18; den., MDR 61, 566; ders., NJW 61, 62; Brodmann, Iherjb. 58, 187; Brückner, Die Haftung für das rechtswidrige Verhalten anderer, insbesondere der Vertreter und Gehilfen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch und sonstigen Reichsgesetzen, 1901; Feder, Verantwortlichkeit für fremdes Verschulden, 1902; Fischer, Die nicht auf dem Parteiwillen gegründete Zurechnung fremden Verschuldens, 1904; Ho ff mann, Haftung des Schuldners für seine Gehilfen, 1902; Josef, NJW 1922, 786; Lattschke, DB 66, 137; Metzler, AcP 159, 143; Nußbaum, Arthur, Haftung für Hilfspersonen nach § 278 BGB in Vergleichung mit dem gemeinen und Landesrecht, 1898; Ostwald, Der Erfüllungsdiener, 1920; Roquette, DR 41, 148; Schmidt, Eike, AcP 170 (1970) 502; Uhlenbruch, NJW 64, 2187; Weimar, JR 59, 334; Westermann, JuS 62, 333, 382; Zunft, AcP 153, 373. I. Nach § 278 hat der Schuldner ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, im gleichen Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift enthält zwei unterschiedliche Fälle, von denen zunächst der Erfüllungsgehilfe als der weitaus wichtigere zu besprechen ist. § 278 will einen Ausgleich dafür schaffen, daß der Schuldner sich zur Erleichterung seiner Verbindlichkeiten Hilfspersonen bedienen kann. Will er dies tun, damit also dem Bedürfnis nach Arbeitsteilung entsprechen, so muß er auch das Verschulden dieser hinzugezogenen Personen so vertreten, als ob ihn selber das Verschulden träfe. Na dl § 278 muß sich also der Schuldner so behandeln lassen, als ob er die von dem Erfüllungsgehilfen vorgenommene schädigende Handlung selber vorgenommen hätte. Daraus folgt, was sehr wichtig ist, daß der Schuldner für ein Verschulden von Erfüllungsgehilfen ohne eigenes Verschulden und ohne die Möglichkeit einer Entschuldigung haftet. Hierdurch unterscheidet sich die Haftung für den Erfüllungsgehilfen nach § 278 von der Haftung für den Verrichtungsgehilfen im Bereich der unerlaubten Handlungen, 831. Die Hauptschwierigkeit bei der Anwendung des § 831 ist die dort vorgesehene Entschuldigungsmöglichkeit. Sie besteht in § 278 nickt. § 278 findet auf unerlaubte Handlungen keine Anwendung, weil § 278 ein bestehendes Schuldverhältnis voraussetzt. Ausreichend hierfür ist allerdings die rechtliche Sonderbindung im Rahmen einer culpa in contrahendo, B G H Z 16, 262. Dagegen kommt bei unerlaubten Handlungen das Schuldverhältnis erst durch die Handlung des Gehilfen selbst zustande. In dieser Weise schafft § 278 einen gerechten Ausgleich dafür, daß der Schuldner durch Heranziehung von Erfüllungsgehilfen seine Verdienstmöglichkeiten erweitern kann. Nach § 831 wird bei der Verwendung eines Verrichtungsgehilfen für vermutetes eigenes Verschulden in der Auswahl und Überwachung dieses Gehilfen gehaftet, daher der dort mögliche Entschuldigungs-(Exkulpations-) beweis eröffnet. I I . Für die Anwendung des § 278 ist es belanglos, ob zwischen dem Schuldner und dem Erfüllungsgehilfen rechtliche Beziehungen bestehen, und gegebe288
Erfüllungsgehilfe
§54
IV
nenfalls welche. Es ist ausreichend, daß der Erfüllungsgehilfe vom Sdhtuldner tatsächlich zur Hilfe bei der Erfüllung der schuldnerischen Verbindlichkeit verwendet wird. Im Begriff der „Verwendung" liegt ein subjektives Moment: Es genügt nicht ein bloßes Tätigwerden zum Nutzen des Geschäftsherrn, etwa durch einen ungebetenen Hilfsarbeiter. Ob der Erfüllungsgehilfe zu dem Schuldner in einem Dienst- oder Werkverhältnis steht, ob er eine Vollmacht hat usw., ist gleichgültig. Andererseits kommt es nicht darauf an, ob der Erfüllungsgehilfe weiß, daß er von einem andern zur Erfüllung dessen Verbindlichkeit verwendet wird, BGHZ 13, 113. Die Verwendung kann zur Erfüllung beliebiger Teile des Schuldverhältnisses erfolgen. Alles, was der Schuldner schuldet, kann Gegenstand der Verwendung des Erfüllungsgehilfen sein (Haupt- und Nebenpflichten). III. Es ist nicht entscheidend, ob der Erfüllungsgehilfe in abhängiger Stellung arbeitet oder selbständig ist. So ist z. B. bei der Bringschuld der selbständige Transportunternehmer, der die Verfrachtung der Ware vom Schuldner an den Gläubiger durchführt, Erfüllungsgehilfe. Bei der Holschuld ist die Transportperson dagegen nicht Erfüllungsgehilfe, weil nach § 447 der Verkäufer nur die Absendung der Ware schuldet und für ein Verschulden des Transporteurs nicht mehr einzustehen hat. Vgl. dazu unten § 67 IV 4. Bahn und Post sind keine Erfüllungsgehilfen des Versendungspflichtigen, da sie bezüglich ihrer Stellung als Transportpersonen Monopolstellungen innehaben, der Schuldner sich ihrer also bedienen muß und nicht nur bedienen kann. Es fehlt auch die Überwachungsmöglichkeit. Rechtspolitisch ist dies Ergebnis zweifelhaft. IV. Nach § 278 hat der Schuldner für ein Verschulden des Erfüllungsgehilfen im gleichen Umfang wie für eigenes Verschulden einzustehen. Die Handlung des Erfüllungsgehilfen ist also ihm persönlich zuzuredinen. Der Verschuldensmaßstab, der für den Schuldner gilt, ist auch für den Gehilfen maßgebend, BGHZ 31, 359: Verwendet ein Unternehmer einen Lehrling, ist Sorgfaltsmaßstab ordnungsgemäße gewerbliche Leistung, nicht Durchschnittsleistung von Lehrlingen. Der Arzt ist Erfüllungsgehilfe des Krankenhausträgers, der Partei des Behandlungsvertrages mit dem Patienten ist. Die Schwester, die dem Arzt bei der Behandlung hilft, ist Erfüllungsgehilfin des Erfüllungsgehilfen. Audi für diese Personen hat der Schuldner, also der Träger des Krankenhauses, einzustehen. — Von Erfüllungsgehilfen zu unterscheiden ist der Substitut. Um einen Substituten handelt es sich, wenn der Schuldner an seine Stelle eine andere Person setzt, wobei diese andere Person völlig in die Verantwortung des Schuldners einrückt. Bei einem Substituten wird lediglich für Auswahl gehaftet (culpa in eligendo), nicht für jedes Verschulden des Substituten, BGHZ 12, 75 (79), 13, 61. Wenn der Vater den Arzt für das erkrankte Kind holt, dann ist der Vater dem Kind gegenüber Schuldner in bezug auf die Behandlung, als Bestandteil seiner Unterhaltspflicht, 1601. Der herbeigerufene Arzt ist indes nicht Erfüllungsgehilfe des Vaters, sondern Substitut. Das folgt aus der besonderen Fachkunde, die für die Behandlung erforderlich ist. Der Vater hat also seine Pflicht getan, wenn er einen Arzt holt und dabei sorgfältig in der Auswahl ist. Für ein Verschulden des Arztes haftet 19
F i k e n t s c h e r ,
Sdiuldredit, 4. A u f l a g e
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Erfüllungsgehilfe
VII
der Vater daher nicht gemäß § 278. Nur wenn er einen Kurpfuscher holen würde, würde er für culpa in eligendo haften, vgl. RGZ 161, 68: Analogie zu § 664 I 2 (vgl. dazu unten § 81 II 2). Was hier für das Auftragsrecht speziell geregelt ist, enthält einen allgemeinen Gedanken, der auch für andere Schuldverhältnisse Verwendung finden kann. — Wenn die Sekretärin dem Chef eine geschäftliche Mitteilung nidit ausrichtet, muß der Chef für die Sekretärin als Erfüllungsgehilfin haften. Handelte es sidi bei der geschäftlichen Mitteilung um ein Vertragsangebot, mit dem aufgrund früheren Kontaktes zu rechnen war, und kommt der Vertrag darum nicht zustande, so ist an sich noch keine Verbindlichkeit vorhanden, innerhalb deren ein Erfüllungsgehilfe eingesetzt wird. Die Sekretärin ist dann nicht Erfüllungsgehilfin, sondern Abschlitßgehilfin. Da aber nach den Regeln über culpa in contrahendo schon beim Zustandekommen eines Vertrages ein Vertrauensverhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger besteht, das darauf gerichtet ist, den Vertrag nach Möglichkeit ordnungsgemäß zu besprechen und gegebenenfalls zustande zu bringen, wird der Abschlußgehilfe dem Erfüllungsgehilfen gleich behandelt. Das Verschulden der Sekretärin muß sich also der Chef zurechnen lassen. Vgl. audi Esser I 4 § 52 III 3 m. w. Nachw. V. Es genügt nicht, daß der Erfüllungsgehilfe die schädigende Handlung nur bei Gelegenheit der Erfüllungshandlung begeht. Vielmehr ist erforderlich, daß die schädigende Handlung mit der Erfüllungshandlung des Schuldners in unmittelbarem innerem Zusammenhang steht. Die Handlung muß im Pflichtenbereich des Gehilfen liegen, B G H Z 23, 319. A bestellt den Maler. Der Maler schickt seinen Gesellen G. G zerbricht aus Unachtsamkeit mit der Leiter einen Spiegel. § 278 ist anzuwenden, da die schädigende Handlung unmittelbar bei der Ausführung der Schuldnerhandlung begangen wurde. Stiehlt dagegen G gelegentlich der Arbeit eine goldene Uhr, so geschieht dies nicht „bei der Erfüllung". Hierfür hat der Malermeister nicht aufzukommen. Läßt der Malergeselle gelegentlich seiner Arbeiten einen Farbtopf aus dem Fenster auf einen Passanten fallen, so ist § 278 ebenfalls nidit anzuwenden, da mit dem Passanten kein Vertrag besteht. Hier gilt § 831. Wegen möglicher Sdiutzwirkungen für Dritte, siehe oben § 37 IV. Beim finanzierten Kauf gehört die Behandlung des Darlehensantrags zum Pflichtenkreis des Warenverkäufers, so daß die finanzierende Bank für ein Verschulden des Verkäufers dabei nach § 278 haftet, BGHZ 33, 293. VI. Die Haftung für den Erfüllungsgehilfen kann vertraglich ausgeschlossen werden, und zwar auch für den Vorsatz des Gehilfen, 278 S. 2 (nicht bei leitenden Angestellten). Haftet der Schuldner nur für grobe Fahrlässigkeit, so hat er auch nur für grobe Fahrlässigkeit des Erfüllungsgehilfen einzustehen. Ebenso liegt es bei der Haftung für die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten. Zu den Grenzen bei Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen oben § 26 V d. VII. Für den gesetzlichen Vertreter haftet der Schuldner ebenfalls nach § 278 ohne Möglichkeit einer Entschuldigung. Er muß sich die Handlung des gesetzlichen Vertreters als eigene Handlung anredinen lassen. Diese Vorschrift dient der Erleichterung des Verkehrs mit gesetzlich vertretenen Personen, insbesondere Minderjährigen, die im Geschäftsleben auftreten. Ohne § 278 wäre der geschäftliche Verkehr mit Minderjährigen und anderen in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Personen außerordentlich erschwert und risikoreich. Organe sind keine gesetzlichen Vertreter. § 278 ist daher auf sie grundsätzlich nidit anwendbar (streitig, vgl. BGH MDR 55, 216, wo der gegenteilige Stand-
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punkt vertreten wird). Auf Organe ist aber § 276 II entsprechend anzuwenden. Danach kann die Haftung für vorsätzlidie Schädigungen durch Organe nicht im voraus erlassen werden. Im übrigen richtet sich die Haftung für Organe nach § 31 BGB. VIII. Ob § 278 im nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis gilt, ist streitig (ablehnend BGHZ 42, 374). Grundsätzlich sollte § 278, seinem Risiko-Ausgleichs-Zweck entsprechend, für alle erfüllbaren Rechtspflichten in Sonderbindungen gelten, also auch im Nachbarverhältnis. §55 U m f a n g und Art des Schadensersatzes (Lehre v o m Interesse) Schrifttum siehe vor §§ 49, 50. Grundsätzliche Bemerkungen oben § 49 III 2. I.
Vorbemerkung
1. W a s das BGB fast ganz zu A n f a n g des Schuldrechts regelt, h a t seinen P l a t z im Sdiadensersatzgutachten ganz am E n d e : D e r U m f a n g u n d die A r t und Weise der Ersatzpflicht, 249—255. Diese Momente sind erst d a n n von Belang, w e n n feststeht, d a ß a u f g r u n d einer die H a f t u n g begründenden N o r m eine Ersatzpflicht eintritt. Die Fragen der H a f t u n g s b e g r ü n d u n g und der H a f t u n g s ausfüllung sind v o n der Frage der Bemessung des Schadensersatzes zu trennen, oben § 49 I I I 2 a. Bestände im deutschen Recht der Satz, daß jeder schuldhaft verursachte Schaden zu ersetzen sei, wäre verschuldeter und wiedergutzumachender Schaden dem Umfang nach der gleiche. Nun ist aber im geltenden Recht zwischen verschuldetem Verletzungsschaden einerseits und unverschuldeten Folgeschäden andererseits zu unterscheiden, oben §§ 49 III 2; 5 0 1 3 . Dadurch wird eine eigene Lehre vom Umfang und von der Art des zu ersetzenden Schadens erforderlich, eben eine Lehre vom „Interesse". Angedeutet wird dieser Unterschied von Haftungsbegründung und Interesseermittlung in der bisherigen Kausalitätslehre durch die Trennung „haftungsbegründender" und „haftungsausfüllender" Kausalität. Es geht aber nicht nur um „Haftungsausfüllung", sondern um das Ergebnis der Haftung schlechthin; es geht auch nicht bloß um Kausalität, sondern um die gesamte Haftungsgrundlage einschließlich Verletzungshandlung, Schaden, Kausalität, Rechtswidrigkeit und Verschulden, die das zu ersetzende Interesse bestimmt. In der Sache richtig Esset4 § 5910, der zwischen Haftungsbegründung und „Schadenszurechnung" unterscheidet. Doch ist das Wort „Schadenszurechnung" nicht deutlich, da auch in einem allgemeinen Sinne für die Begründung des Schadensersatzes aus der Normwidrigkeit, also ebenfalls für die Haftungsbegründung, verwendet wird. 2. D i e Feststellung, d a ß eine H a n d l u n g normwidrig u n d schuldhaft einen Schaden verursacht hat, besagt also noch nichts über U m f a n g u n d A r t der Wiedergutmachung dieses Schadens. Durch den Schaden w i r d der Geschädigte getroffen, sein Interesse geht auf Beseitigung der nachteiligen Lage, in die ihn die Schädigung versetzt h a t . D e r Geschädigte vergleicht 'den tatsächlichen Schadenshergang mit einem unwirklichen, hypothetischen, gedachten H e r g a n g , wie die Dinge jetzt ohne die Schädigung stünden. Diese Differenz zwischen realem u n d gedachtem H e r g a n g ist sein Interesse an der Wiedergutmachung des 291
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Schadens. Die Interesseermittlung beruht also auf einem Vergleich zweier Gesdiehnisabläufe, dem wirklichen Schadensverlauf und dem gedachten Normalverlauf, 249 S. 1. Der tatsächliche Verlauf ist beobachtbar, er umfaßt den eigentlichen Verletzungsschaden und die Folgeschäden. Der gedachte hypothetische Verlauf muß geschätzt werden. Beide Verläufe trennen sich in dem Augenblick, in dem der Verletzungsschaden beginnt. Sie laufen dann getrennt und stehen zum Vergleich, wenn der letzte Folgeschaden abgeschlossen ist. Geschehnisse, die danach eintreten, darf der Geschädigte nicht mehr in den Vergleich der Abläufe einbeziehen. Davor liegende Ereignisse muß sich der Geschädigte anrechnen lassen, sofern sie nicht ungewöhnlich sind. Denn Vergleichspunkt ist ein hypothetischer Normalverlauf. Mit dieser Definition des Interessebegriffs ist zugleich der Lösungsrahmen für das Problem der „überholenden Kausalität" abgesteckt, das in Wahrheit kein Kausalitäts-, sondern ein Interesseproblem ist (unten IV). Die Frage der Vorteilsausgleichung (unten V) fügt sich ebenfalls in diesen Rahmen ein. 3. Im folgenden ist zunächst die Art der Ersatzleistung (Natur, Geld) zu prüfen (II); danach ist der Umfang des Interesses zu ermitteln ( I I I ) ; sodann sind die notwendigen Korrekturen anhand der „überholende Kausalität" (IV) und der „Vorteilsausgleichung" (V) anzubringen; und endlich die allgemeine Haftungsminderung wegen mitwirkenden Verschuldens zu erörtern (VI). Dies ist auch der im Gutachten einzuschlagende gedankliche Weg. II. Art des
Schadensersatzes
Dunz, N J W 58, 1613; Esser, M D R 58, 7 2 6 ; Fabricius, JuS 62, 2 2 4 ; Frotz, 3 9 1 ; Meeske, BB 59, 1158; Rasehorn, N J W 57, 1058; v. Tuhr, Iherjb. 46, 39.
J Z 63,
1. Der Grundsatz: Naturalrestitution Nach § 249 S. 1 muß der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herstellen, der bestehen würde, wenn der zum Schadensersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Nach diesem Grundsatz der Naturalrestitution muß also der frühere Zustand wiederhergestellt werden. Das ist tatsächlich nicht möglich, sondern nur noch wirtschaftlich. Diese wirtschaftliche Wiederherstellung des früheren Zustands ist geschuldet. Das schlecht gedeckte Dach muß noch einmal gedeckt werden. — Das geliehene Buch, das während des Verzugs des Entleihers verbrennt und nach § 287, 2 zu ersetzen ist, muß durch ein gleiches ersetzt werden. — Der Gutsbesitzer G bestellt einen Bulldozer, um Wurzelstöcke entfernen zu lassen. Der Fahrer drückt versehentlich dabei die Hausmauer ein. Die Bulldozer-Gesellschaft kann den Gutsbesitzer nicht auf Geldersatz verweisen, sondern muß die Mauer wieder herrichten (bedeutsam bei Arbeitskräftemangel!) — Besteht der Schaden in kreditsdiädigenden Behauptungen, so erfolgt die Naturalrestitution durch einen geeigneten Widerruf mit entsprechender Veröffentlichung. — A soll für B Sammlerbriefmarken erwerben. A kauft die seltenen Exemplare für sich statt für B. A verletzt den Auftrag, 662, Schlechterfüllung. A muß dem B als Schadensersatz die Briefmarken herausgeben, nidit etwa den Sammlerwert. — Die Sekretärin S des A nimmt dem Dienstvertrag zuwider Einsicht in bestimmte Akten und fertigt Abschriften
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an. S muß wegen Schlechterfüllung des Dienstvertrages als Schadensersatz die Abschriften vernichten oder herausgeben, ferner ein Versprechen ablegen, die sidi rechtswidrig zugeeigneten Kenntnisse nicht anderen zugänglich zu machen. — Zum Rufschadensersatz BGHZ 44, 372. Zur Geldentwertung, die keinen vollen Ersatz bewirkt und daher Natural- oder Ersatznaturalberstellung erfordert, O G H Z 1, 128.
D e r G r u n d s a t z der Naturalrestitution legt also gerechterweise dem Schuldner die Verpflichtung auf, den Zustand vor dem Schaden so gut wie möglich wiederherzustellen, d. h. die d a z u Erforderlichen Mühen auf sich zu nehmen. D a r u m k a n n im Regelfall der Schuldner den Gläubiger nicht mit Geld abspeisen. Dies gilt auch nach Legalzession, etwa zugunsten der Versicherung — B G H Z 5, 105. Z u r Geldentwertung, die keinen vollen Ersatz bewirkt u n d daher N a t u r a l oder Ersatznaturalherstellung erfordert, O G H Z 1, 128. 2. Geldersatz
in
Ausnahmefällen
Ausnahmsweise erfolgt der Schadensersatz statt in n a t u r a in Geld, 249 S. 2, 250, 251. D a b e i ist jeweils zu p r ü f e n , ob Geldersatz ausnahmsweise geleistet werden m u ß oder k a n n u n d wer sich darauf berufen d a r f . Aus der unterschiedlichen Fassung der §§ 249 S. 2 und 251 Abs. 2 ergibt sich die Bevorzugung des Wiederherstellungsinteresses des Gläubigers. a) D e r Ersatzpflichtige m u ß von vornherein in Geld leisten, w e n n die H e r stellung in n a t u r a nicht ausreichend oder nicht möglich ist, 251 I. Der Restaurateur verdirbt ein wertvolles Ölgemälde bei der Wiederauffrischung so gründlich, daß das Gemälde unbrauchbar wird. Er haftet von vornherein auf Geldersatz. — Entgangene Nutzungen für die Vergangenheit können in natura überhaupt nicht herausgegeben werden. So liegt es z. B., wenn ein geliehenes Auto nicht rechtzeitig zurückgegeben wird. Die Nutzungen sind in Geld zu ersetzen, vgl. den in § 346 S. 2 niedergelegten Grundgedanken. —
b) N a c h § 249 S. 2 k a n n der Gläubiger statt der Herstellung in n a t u r a Geld verlangen, wenn wegen einer Beschädigung einer Sache oder einer Person Schadensersatz zu leisten ist. Es handelt sich um die sog. facultas alternativa des Gläubigers. Eine Käuferin wird im Laden von der Verkäuferin fahrlässig mit einem Faß Tinte überschüttet (Fall der culpa in contrahendo). Das Kleid ist völlig verdorben. Die Käuferin hat die Wahl zwischen „Naturalherstellung" — § 249 S. 1, neues Kleid — und Geldersatz nach § 249 S. 2.
c) Demgegenüber enthält § 251 I I eine facultas alternativa des Schuldners. D e r Ersatzpflichtige k a n n den Gläubiger in Geld entschädigen, w e n n die H e r stellung n u r mit unverhältnismäßigen A u f w e n d u n g e n möglich ist. Der Uhrmacher zerbricht bei der Reparatur der Uhr einen bestimmten Uhrteil, dessen Wiederherstellung in natura sehr viel kosten würde. Er darf den Gläubiger in Geld entschädigen, wofür sich der Gläubiger den neuen Uhrteil oder eine neue Uhr kaufen kann.
d) N a c h § 250 k a n n der Gläubiger dem Ersatzpflichtigen zur Herstellung in n a t u r a eine angemessene Frist mit der E r k l ä r u n g bestimmen, d a ß er die H e r 293
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Stellung nach dem Ablauf der Frist ablehne. Nach fruchtlosem Verstreichen der Frist kann der Gläubiger Ersatz in Geld verlangen. e) Wird Ersatz in Geld geleistet, stellen sich zwei allgemeine Probleme. a) Es entsteht die Frage, ob der Geldersatz als Kapital oder als Rente zu leisten ist. Vielfach enthält das BGB Vorschriften darüber, wann eine Rente zu zahlen ist, z. B. in den §§ 843 ff. Aber auch über die Vorschriften hinaus kann der Grundgedanke des Schadensersatzrechtes, daß der Schaden in natura wiedergutgemacht werden soll, die Zahlung einer Rente verlangen. Grundregel ist, daß eine Rente anstelle eines Kapitals verlangt werden kann, wenn sidi der Schaden stets erneuert, insbesondere bei Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit. ß) Ein insbesondere in Zeiten des Währungsverfalls wichtiges Problem ist die Frage des Ersatzes von Alt durch Neu. Die meisten fabrikmäßig hergestellten Artikel, wie Uhren, Autos, Radioapparate, aber auch Häuser, erleiden durch den Gebrauch eine Wertminderung. Sollte die Wertminderung zugunsten des Schädigers berücksichtigt werden? An sich ist dies billig, da die schädigende Handlung den bereits durch Gebrauch im Wert geminderten Gegenstand trifft. Andererseits ist dem Geschädigten mit der niedrigeren Summe für den Altwert meist nicht gedient. Er kann sich für das Geld, das er als Altwert erhält, noch keine neue Sadie kaufen. § 249 S. 1 gibt dem Wiederherstellungsinteresse des Gläubigers nach dessen Willen den Vorzug vor dem reinen Vermögensausgleichsinteresse. Geschuldet ist daher der Wiederbeschaffungswert — BGHZ 5, 138, der u. U. der Neuwert ist. Der in diesem Falle dem Gläubiger zugeflossene Mehrwert ist jedoch anzurechnen. Es handelt sich um einen besonderen Fall des Vorteilsausgleichs, hier nicht bei der Schadensberechnung, sondern bei der Sdiadensabwicklung. Der Vorteil ist vom Gläubiger dann nicht auszugleichen, wenn ihm wirtschaftlich nicht zugemutet werden kann, die Mehrkosten bei der Neubeschaffung zu tragen — BGHZ 30, 29, 34. Die Entscheidung nach der Billigkeit ist hier, anders als bei der Vorteilsausgleichung im eigentlichen Sinne (vgl. § 55 IV), unumgänglich, da speziellere rechtliche Wertmaßstäbe fehlen. Daher ist dem Gläubiger eine Neuwertversicherung grundsätzlich zu empfehlen. Wird z. B. ein neuwertiges Buch verliehen und dann durch Verschulden des Leihers zugrunde gerichtet, so geht der Schadensersatz nach § 249 S. 1 auf ein neues Buch der gleichen Art. Handelte es sich dagegen um ein gebrauchtes Buch, so ist nach § 249 S. 1 ein gebrauchtes Buch der gleichen Art zurückzugeben, und wenn dieses antiquarisch nicht zu haben ist, nach § 251 II Ersatz in Geld, und zwar in der Höhe des Altwertes, zu leisten. Den Verlust der Differenz muß der Gläubiger tragen, soweit es ihm wirtsdiaftlidi zugemutet werden kann. 3. Von Bedeutung im Prozeß ist die Vorschrift des § 2 8 7 1 ZPO, wenn unter den Parteien streitig ist, ob ein Schaden entstanden ist, und wie hoch sich ein Schaden beläuft. Dann entscheidet das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. 4. Nach § 253 sind immaterielle Schäden grundsätzlich nicht in Geld zu ersetzen. Soweit außerhalb des Geldersatzes der Ersatz eines Immaterialschadens möglich ist, bleibt er geschuldet. Dies gilt namentlich für Widerrufserklärungen bei Ehrenkränkungen. Ein Affektionsinteresse wird nicht ersetzt, es gehört nicht zum pretium singulare. Dagegen stellt der Wert einer Sammlerbriefmarke kein Affektionsinteresse, sondern einen objektiv meßbaren Wert dar. Der vorübergehende Verlust der Gebrauchsmöglich-
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keit einer Sache (z. B. eines Kraftwagens) ist Vermögenischaden. Der Ersatzpflichtige hat auch dann Entschädigung in Geld dafür zu leisten, wenn der Geschädigte sich keinen Ersatzwagen beschafft hat. BGHZ 40, 345, sehr differenziert BGHZ 45, 212, BGHZ 56, 214. Vorwiegend rechtspolitisch Pecher, AcP 171 (1971) 44. 5. In zeitlicher Hinsicht gilt: Für den Umfang der Ersatzpflicht entscheidet der Stand der Tatsachen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung unter Berücksichtigung der zu erwartenden weiteren Entwicklung des Schadens, BGHZ 27, 181, 188. 6. örtlich gilt der Wiederbeschaffungswert an dem Ort, an den die Gegenstände ohne die schädigende Handlung verbracht worden wären, ersparte Transportkosten wirken schadensmindernd, BGHZ 5, 138.
III. Das Interesse 1. Es ersetzt zunächst den eigentlichen, dem Versdiuldensgrundsatz, soweit Verschulden zur Haftungsbegründung erforderlich ist, unterliegenden Verletzungsschaden (dazu oben §§ 49 III 2, 50 I 3). Die Vertragsverletzung; das „Loch in der Außenwelt", z. B. im Kopf des bei einer Wirtshausrauferei Getroffenen.
2. Sodann umfaßt es die Folgeschäden (dazu oben §§ 49 III 2; 50 I 3). Sie sind ebenfalls zu ersetzen. Nur ihre Auslösung durch die Verletzungshandlung braucht in den Fällen der Verschuldenshaftung verschuldet zu sein, nidit der einzelne Schadensposten, der „Folgeschaden X", z. B. die Erwerbsminderung nadi einem Verkehrsunfall. Diese Haftung ohne Verschulden fällt ins Gewicht und kann den Verletzer hart treffen. De lege ferenda erwägenswert sind daher Vorschläge, entweder wenigstens für bestimmte Folgeschäden den Verschuldensgrundsatz einzuführen oder bei nur leicht verschuldeten Verletzungen Folgeschäden ganz oder z. T. nicht ersatzpflichtig zu machen. Vgl. dazu den Vorschlag eines § 255 a im Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensersatzrechtlicher Vorschriften (Entwurf 1967), zitiert bei Esser* § 40 II 4. Außerdem erschwert die subjektive Unübersehbarkeit der Folgeschäden ihre Versicherung, so daß man mit Schadenshöchstgrenzen arbeiten muß, um die Schadensversicherung zu erleichtern (so in der Kfz.-Haftpflichtversicherung; es ist nicht nur die Gefährdungshaftung, sondern vor allem die Ersatzpflicht für in ihrer Höhe unverschuldete Folgeschäden, die zu Schadenshöchstgrenzen geführt hat).
Für die Folgeschäden gilt das gleiche, was oben § 49 III 3 d über die Normrelevanz des Verletzungssdiadens gesagt wurde: Folgeschäden sind nur innerhalb des Inhalts und Zwecks der Norm zu ersetzen. Das bedeutet, daß nur der Folgeschaden bestimmter Personen zu ersetzen ist (a), daß nur normrelevante Schadensarten interessieren (b) und daß das Ob und Wie der Verursachung von Folgeschäden der Norm, die die Schadensersatzpflicht ausspricht, angemessen sein muß (c). Es wiederholt sich praktisch der Aufbau der Prüfung des normrelevanten, haftungsbegründenden Verletzungssdiadens, jetzt bezüglich der Folgeschäden, die nadi geltendem Recht nicht zur Haftungsbegründung zählen, sondern nur für die Interessenermittlung von Belang sind. 295
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a) Geschädigter: (Vertrag) Durch Verzug mit der Lieferung von Dachziegeln entsteht eine Verzögerung des Baus mit nachfolgenden Mietausfällen: Der Bauherr ist Folgegeschädigter und kann Ersatz verlangen, nidit dagegen ein in Aussicht genommener Mieter, der jetzt länger im Hotel wohnen muß, 286, 252. — (Delikt) Der Bauunternehmer, der bei Ausschachtungsarbeiten ein Stromkabel beschädigt, haftet nach § 823 Abs. 1 dem Kabeleigentümer, nidit aber einem dritten Unternehmer, dessen Betrieb durdi den Stromausfall stillsteht — BGHZ 29, 65. b) Art des Folgesdiadens: (Vertrag) Die Bank versendet versehentlich einen Kontoauszug statt an den Kontoinhaber an dessen Arbeitgeber. Als dieser die Verschuldung seines Angestellten erfährt, kündigt er ihm. Der Verdienstausfall des Kontoinhabers ist ein nicht zu ersetzender Folgeschaden. Er entsteht zwar dem Kontoinhaber, doch liegt er außerhalb des Risikoumfangs des Vertrags mit der Bank. Würde der Kontoinhaber wegen der fehlerhaften Übersendung eines Auszugs zu nachteiligen Wertpapierdispositionen veranlaßt, haftete die Bank. — (Delikt) Der an einem Autounfall Schuldige haftet nidit für die Kosten einer erfolgreichen Strafverteidigung, die dem Unfallverletzten entstehen, BGHZ 27, 137, 139 (dieser vieldiskutierte Fall mit seinen Vorläufern, LG Stade DAR 1958, 47 und OLG Karlsruhe NJW 1957, 874, verhalf der „Normzwedt"-Lehre zum Durchbruch). c) Art der Herbeiführung des Folgeschadens (Ob und Wie der Verursachung). Für die Herbeiführung von Folgeschäden finden die gleichen Verursachungsgrundsätze Anwendung wie bei eigentlichen Verletzungsschäden (Äquivalenztheorie, Adäquanztheorie oder Wahrscheinlidikeitsschätzung). Praktisch am wichtigsten ist dabei die Adäquanztheorie (im Sinne der Normadäquanz, siehe oben § 49 III 3 d). Die folgenden Beispiele beschränken sich auf sie. Folgeschäden sind also kausalitätsmäßig grundsätzlich nach den Regeln einer normerheblichen Adäquanz zu beurteilen. A deckt als Dachdecker das Dach des B schlecht. Es regnet durch. Das Durchregnen ist äquivalente und adäquate Folge des schlechten Dachdeckens. — Wegen des Durdiregnens bildet sich Schimmel. Durdi die Schimmelbildung verderben noch nach einigen Jahren einige Gemälde des B. Audi diese Schäden sind nodi adäquat verursacht, denn es ist nicht ungewöhnlich, daß beim Durchregnen Gegenstände durch Schimmelbildung und Nässe zugrunde gehen. — Aus Zorn über den Verderb der Gemälde begeht B Selbstmord. Die Witwe B verlangt von A Unterhalt. Der Selbstmord des B ist zwar durdi das schlechte Dachdecken äquivalent verursacht, doch stellt er eine inadäquate Folge dar. Es ist ein außerhalb des vertraglichen Normzwecks liegender Kausalverlauf, daß wegen eines schlecht gedeckten Dadies Bilder verderben und daß sich deswegen der Eigentümer das Leben nimmt. — Stets ist die konkrete Folge mit dem konkreten Ereignis, das die Ursache bildet, in Verbindung zu setzen. d) Folgende Fallgruppen von Folgeschäden sind zu unterscheiden: a) Entgangener Gewinn: Für Vertrags- und Deliktsschäden wichtig ist die Vorschrift über den Ersatz entgangenen Gewinns. Nach § 252 umfaßt der zu ersetzende Schaden audi den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge erwartet werden konnte (abstrakte Schadensberechnung). Der Geschädigte muß nur die Wahrscheinlichkeit nachweisen; der Schädiger hat zu beweisen, daß der Gewinn im Einzelfall nicht gemacht worden ist, BGHZ 29, 393. Als entgangen gilt aber auch der Gewinn, der nach den besonderen Umständen, insbesondere nadi den besonderen Anstalten und Vorkehrungen erwartet werden konnte (konkrete Schadensberechnung). Der Gläubiger kann zwischen abstrakter und konkreter
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Schadensberechnung wählen. Die Wahlmöglichkeit zwischen abstrakter und konkreter Schadenberechnung ist insbesondere von Bedeutung, wenn der Verkäufer schuldhaft die Ware nicht liefert. Der Käufer kann dann u. U. die Ware nicht mit Gewinn weiterveräußern. Kann der Gläubiger in einem solchen Falle wegen zu vertretender Unmöglidikeit oder Verzugs Schadensersatz verlangen, so kann er die Berechnung „konkret" vornehmen. Er weist dann nach, daß er nicht mit einem bestimmten nächsten Abnehmer abschließen konnte und daraus einen bestimmten Verlust erlitten hat. Ist ihm dies nicht möglich, so kann er den Schaden „abstrakt" berechnen. Er stützt sich dann auf die allgemeine Marktlage und weist nach, daß er Waren dieser Art nach allgemeiner Erwartung zu einem bestimmten Gewinn hätte weiterveräußern können, vgl. BGH JZ 61, 27 und dazu Steindorff, JZ 61, 12. Dieses Wahlrecht zwischen abstrakter und konkreter Schadensberechnung ist nicht zu verwechseln mit den Wahlmöglichkeiten des Gläubigers in den §§ 325, 326, es hat ferner nichts zu tun mit der Wahlmöglichkeit des Gläubigers des Schadensersatzanspruchs zwischen der Differenz und der Austauschberechnung. — Entgangener Gewinn kann beim Ersatz des Erfüllungsinteresses ebensogut eine Rolle spielen wie beim Ersatz des Vertrauensinteresses, z. B. Gewinn aus einem ausgeschlagenen Zwischengeschäft. Zum ganzen oben § 44 III 3 a. Vgl. ferner die gesetzliche Regelung abstrakter und konkreter Schadensberechnung in § 376 II, III HGB. ß) Ersatzpflichtige Folgeschäden im strengen Sinne sind auch die Fälle des Unmöglichwerdens der Leistung während des Schuldnerverzugs, oder während eines durch Schlechterfüllung ausgelösten vertragswidrigen Zustands und der Rückgabepflicht aufgrund eines Delikts, 287 S. 2, 848, vgl. oben § 53 V. Wer mit einer Leistung im Verzug ist, muß ihr Unmöglichwerden während des Verzugs auch ohne Verschulden vertreten, 287 S. 2. A schuldet die Rückgabe eines geliehenen Autos an B. Trotz Mahnung des B behält A das Auto. Jetzt wird es dem A ohne seine Schuld unwiderbringlich gestohlen. A haftet, 287 S. 2. Diese Zufallshaftung erstreckt sich nidit auf höhere Gewalt, dazu Lehmann — Hübner, Allg. T. des BGB1®, § 42. Der Zufall, der die Unmöglichkeit verursachte, braucht keine kausale Folge des Verzugs zu sein. Wohl aber müssen der Zufall und die Tatsache des Verzugs die Unmöglichkeit verursacht haben, denn die Haftung entfällt, wenn auch ohne den Verzug der Schaden eingetreten wäre (reine Äquivalenzprüfung, oben § 51 II, kein Fall hypothetischer Verursachung). Das gleiche gilt für Leistungen, die während eines vertragswidrigen Zustands unmöglich wurden, der durch eine Schlechterfüllung herbeigeführt wurde. A hat den Wagen von B bis zum 31.12. entliehen, aber nur zum Gebrauch im Stadtgebiet X. A fährt nach Y, wo er ohne Verschulden in einen Unfall verwickelt wird, bei dem das Auto zerstört wird. A haftet gemäß §§ 603, 280, 286, 276, 287 S. 2 entsprechend wegen schlechterfüllten Leihvertrags (str.; a. A. z. B. Palandt-Gramm, zu § 603). Die Interessenlage ist die gleiche wie bei Verzug und Delikt. Im Gasthaus des G gibt Kellner K dem Gast A fahrlässig den falschen Hut, was G nicht bemerkt. Der H u t gehört dem Gast B. Ein unerwarteter Sturmwind weht dem A den H u t vom Kopf und in den Fluß. Dem B haftet audi G : 433 (nicht 701!), 325, 326 entsprechend, 276, 278, 287 S. 2 entsprechend. (Wer haftet noch? Wie wäre es, wenn B mit großer Wahrscheinlichkeit das gleiche Mißgeschick passiert wäre?)
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Wer aus Delikt Rückgabe einer Sache schuldet, haftet — auch ohne Verzug — nach § 848 im gleichen Umfang („für semper in mora"). Dem Dieb wird die gestohlene Sadie gestohlen. y) „ Ubererfüllungsmäßiges
Interesse"
Nur bei Vertragsverletzungen hat sich für bestimmte, zu ersetzende Folgeschäden der Begriff des übererfüllungsmäßigen Interesses entwickelt, dazu oben § 47 III. Viehhändler V liefert Bauer B eine kranke Kuh. Der ganze Viehbestand des B wird angesteckt und muß notgesdilachtet werden. V haftet wegen der gelieferten Kuh nach SS 481 ff. (Viehmängelgewährleistung). Insoweit sind Schlechtleistungsansprüdie nadi den allgemeinen Grundsätzen ausgeschlossen. Unberührt bleiben aber vertragliche Schlechtleistungsansprüdie wegen weiterer, über das reine Erfüllungsinteresse hinausgehender Schäden an anderen Rechtsgütern des Verletzten, hier dem Eigentum am schon vorhandenen Vieh. Die Lieferung der kranken Kuh muß verschuldet sein (das ist für die Sachmängelhaftung bezüglich dieser Kuh nicht nötig!). Ist sie verschuldet, haftet V für den Umfang des übererfüllungsmäßigen Interesses ohne Verschulden. Es kommt also nicht darauf an, ob V wußte, wieviel Vieh angesteckt würde, d. h. wieviel Stück Vieh B im Stall hatte. Es genügt normrelevante Verursachung. Dazu gehört hier beim übererfüllungsmäßigen Interesse (1) die äquivalente Verursachung, (2) daß der Gläubiger der mangelhaften Leistung diese Leistung in verkehrsüblicher Weise verwendet hat und dadurch (3) die mit der mangelhaften Leistung verbundenen Gefahren für andere Rechtsgüter in einen nicht ungewöhnlichen Risikobereich ausgestrahlt haben. Vertragsübliche Verwendung und gewöhnlicher Risikobereich engen also den Ersatz übererfüllungsmäßigen Interesses ein. - e, b). Dies sind Fälle des Inhaltsirrtums (Unterfall: error in substantia), die zur Anfechtung nach § 1 1 9 1 berechtigen. Ein Sachmangel liegt nicht vor (str., anders Flume, vom Standpunkt seiner extrem subjektiven Theorie zu Redit; Larenz I I § 37 I will § 4 5 9 direkt anwenden; Fabricius JuS 64, 9 — 1 1 ist für Analogie. Gegen die Anwendung von § 4 5 9 z. B. Rud. Schmidt N J W 62, 710). — Bei beiderseitigem Inhaltsirrtum gilt nach h. M. das Lossagungsrecht jeder Partei ohne Schadensersatzfolge in Analogie zu § 1 1 9 , Lehmann-Hübner § 3 4 1 1 1 1 . War die wirkliche und erklärte Sachbeschaffenheit ausnahmsweise zugleich vertragsindividueller Wertmesser, sind die oben § 2 7 II 3 c ausgeführten Grundsätze zu beachten. Man muß aber zwei Fallgruppen dieser Inhaltsirrtümer beim Kauf unterscheiden: Artabweichungen: Ein Amerikaner kauft „Fall-Obst" und erhält es auch in der Qualität, die dem Angebot entspricht. Er dadite aber, es sei „Herbst-Obst", weil „fall" auf amerikanisch Herbst heißt, und es handele sidi deshalb um besonders ausgereifte, gepflückte Früchte. Er kann seinen Inhaltsirrtum über die erklärte Beschaffenheit nach §§ 1191, 122, 142 anfechten, ohne durch die §§ 459 ff., insb. 477 beschränkt zu sein. — Die Parteien schließen einen Kaufvertrag über eine bestimmte Schiffsladung Haifischfleisch in der Annahme, es sei Walfisch fleisch. Sie wünschen und wollen Walfisch fleisch, erklären aber objektiv („diese Schiffsladung") „Haifischfleisch". Es ist auch wirklich Haifischfleisch. Der Bruch läuft zwischen Geschäftswillen und Erklärung. Ein Sachmangel liegt — richtiger Ansicht nadi — nicht vor! (RGZ 99, 14 wendet trotzdem § 459 an.) Eine unrichtige Bezeichnung, die unschädlich wäre („falsa demonstratio non nocet") liegt ebenfalls nicht vor. Denn das würde voraussetzen, daß das Schiff Walfischfleisch enthält, und die Parteien, etwa in Unkenntnis der Fischereifadiausdrücke, fälschlich von Haifischfleisch reden. Jemand deutet auf einen bestimmten Ring, den er kaufen will, und sagt: „Ich will diesen goldenen Ring." Der Ring ist nur vergoldet. Wille und Erklärung divergieren, § 1 1 9 1 ist anzuwenden. In Fällen dieser Art ist die Erklärung widersprüchlich und daher auslegungsbedürftig. Da sich der Geschäftspartner nach § 157 regelmäßig auf den objektiven (verkehrsfreundlichen) Gehalt der Erklärung verlassen darf, verdient der Erklärungsteil „dieser" Ring (usw.) den Vorzug. Dann liegt ein Inhaltsirrtum vor. Legt man den Ton aufgrund der Auslegung im Einzelfall auf „goldenen", so führt dies, wenn der Partner „diesen" Ring meint, zum Dissens, wenn auch er einen goldenen meint, zum Sachmangel! Jemand kauft „diese Kiste Fallobst", die aber — was die Parteien nicht wissen — Datteln enthält. — Der verkaufte, genau bestimmte Sack Zucker enthält Salz. — Der Käufer deutet auf eine Tasche und sagt: Diese Rindledertasche kaufe ich. Der Vertrag kommt über diese Tasche zustande. Sie ist aber aus Kunstleder. — Immer erklärt der Käufer hier etwas, was von seinem Geschäftswillen (und seinen Motiven) abweicht: Inhaltsirrtum gem. § 119 I, nicht Sachmangel. 384
Sachmängelgewährleistung
Individ
§70 112
ualabweichungen:
(Hier stehen zum Vergleich dienende Gattungen nicht zur Verfügung.) A kauft das von dem berühmten Kunstprofessor Färber gemalte Stilleben „Fallobst". Dann stellt sich heraus: es ist die Kopie eines Färber-Schülers. A erklärte objektiv, er wolle „dies Bild", also die Kopie. Sein Gesdiäftswille hatte aber ein Bild von Prof. Färber zum Inhalt. Sein Inhaltsirrtum führt nach § 119 I zur Anfechtbarkeit (vgl. den Ruysdael-Fall RGZ 135, 340, wo allerdings wieder zu Unrecht Sachmangel angenommen wird. Ein Jakob S. Ruysdael ist nun einmal kein „fehlerhafter" Jakob ]. Ruysdael; hier versagt der Gattungsmaßstab angesichts der Individualität des Stücks. Fabriems spricht zu Recht von „Individualabweichung"). D i e Mangelfreiheit ist im allgemeinen kein Vertragsinhalt, so daß sidi Motiv-, Geschäftswille und Erklärung decken und nur die wirkliche Beschaffenheit abweicht. Hierfür ist § 4 5 9 geschaffen. Die Artzugehörigkeit und die Individualbestimmung sind aber schon im Wortsinne kein „Mangel". Sie sind gerade auch beim Stückkauf so wichtig, daß man sie zum Inhalt des Geschäftswillens zählen muß. Weil beim Stückkauf der K a u f einer bestimmten Sache erklärt wird, kommt es zur Abweichung von Geschäftswillen und Erlärung, also zum Inhaltsirrtum, wenn gewollte und erklärte Art bzw. Individualität der Sache voneinander abweichen. § 119 I gilt. Eine Lücke in § 4 5 9 liegt daher nicht vor (anders Fabricius). D e r Käufer erhält, was er erklärt hat, also liegt auch kein Sachmangel vor. E r erhält den Vertragsgegenstand, mithin ist auch keine Aliud(Falsch-)Lieferung gegeben. Es wurde erfüllt! D i e Unterscheidung SachmangelInhaltsirrtum über Beschaffenheit ist auch nicht schwer zu treffen (anders Latenz): Beim Sachmangel läuft der Bruch zwischen erklärter und wirklicher Beschaffenheit, beim Inhaltsirrtum über eine Beschaffenheit zwischen gewollter Beschaffenheit einerseits und erklärter und wirklicher Beschaffenheit andererseits. Die Frage kann also nicht lauten: Sind Beschaffenheitsirrtümer Sachmängel? Sie sind es nicht. Die Frage ist vielmehr allein so zu stellen: Liegen die Inter-
essen beim Inhaltsirrtum über eine Beschaffenheit der Kaufsache im Einzelfall derart ähnlich wie beim Sachmangel, daß man §§ 459 ff. ausnahmsweise analog
anwenden und daher die Regelung der § § 1 1 9 1 , 121 ff. zurücktreten lassen muß? Diese Frage ist deshalb nicht von der H a n d zu weisen, weil audi reine Qualitätsabweichurigen (im Sinne einer Nicht-Mangelfreiheit) Inhaltsirrtümer sein können, dann nämlich, wenn die Mangelfreiheit beim Stückkauf Geschäftswillensinhalt ist. Dann verdrängt, wie gezeigt ( I I 2 d), § 4 5 9 den § 1 1 9 1 . Es bestehen aber zwischen Qualitätsabweichungen i. S. des § 4 5 9 einerseits und A r t - und Individualabweichungen i. S. des § 1 1 9 1 manchmal fließende Übergänge, was insb. bei sehr subtil gegliederten Gattungen der Fall sein kann (verschiedene Holzarten für Möbelfurniere!). Die Frage ist also, ob man selbst dann, wenn man eine Abweichung von der vorgestellten Beschaffenheit nicht als Sachmangel, sondern als Inhaltsirrtum qualifiziert, die Analogie zu § 4 5 9 dem § 119 I vorziehen muß. 25
F i k e n t s c h e r ,
Sdiuldrecht, 4. Auflage
385
§70 112
Sachmängelgewährleistung
Das ist grundsätzlich zu verneinen. Beim Sachmangel ist die Willenserklärung in Ordnung, die Sache ist mangelhaft. Die Abweichung der Qualität ist vom Käufer festzustellen; sein Risiko ist es, den Mangel der Sache innerhalb der Fristen des § 477 zu entdecken. Beim Inhaltsirrtum über eine Beschaffenheit ist die Sache in Ordnung (gemessen an der Erklärung), aber die Willenserklärung ist mangelhaft. Der Käufer erklärt objektiv etwas, was er nicht will. Da er seinen Willen dem Vertrag einfügt, ihn also dem Verkäufer offenbart, ist seine Erklärung widersprüchlich („ich will diesen Sack Zucker" — objektiv erklärt der Käufer zugleich mit „diesem Sack", daß er einen Sack Salz will). Diesen Widerspruch kann der Verkäufer viel eher aufdecken als der Käufer. Der Verkäufer braucht sich nur über Art und Individualbesdiaffenheit seiner Sache zu orientieren. Tut der Verkäufer das nicht oder klärt er in Kenntnis der wahren Sachbeschaifenheit den Widerspruch in der Erklärung des Käufers nicht auf, so muß er billig die Anfechtbarkeit gegen sich gelten lassen, jedenfalls grundsätzlich (wie hier im Ergebnis Raape und R. Schmidt; anders Larenz und Fabricius). Das Ergebnis ist c) Jeder Teil aus einem sonstigen wichtigen Grund, 554 a bzw. 242. Z. B.: Der Mieter trachtet dem Vermieter nach dem Leben. Der Vermieter beleidigt gröblich den Mieter und stellt weitere Beleidigungen in Aussicht. Die wirtschaftliche Basis eines 30jährigen Miet- oder Pachtverhältnisses entfällt vorzeitig, BGHZ 44, 321, vgl. audi RGZ 94, 243 (Heugabel). Infragegestellt sind die vorgenannten Regeln durch § 554 b, der in Gebieten, in denen kein Mieterschutz mehr gilt dem Vermieter die Vereinbarung von Gründen fristloser Kündigung verbietet, die über die im Gesetz genannten Gründe hinausgehen. Doch ist § 554 b insoweit restriktiv auszulegen, als die Anwendung von § 242 im Einzelfall niemals ausgeschlossen werden darf. Nur die vorherige Vereinbarung zusätzlicher Gründe fristloser Kündigung ist zum Schutz des Mieters ausgeschlossen, Palandt § 554 a; Roquette, MietR § 554 a, 31; Weimar, MDR 66, 556; a. A. Larenz II, § 4 4 VIII d; Pergande, N J W 64, 1928; Soergel-Mezger, § 554 b 2. Auch die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum bedarf der Schriftform, 564 a I. 5. Stillschweigende
Verlängerung
Setzt nach abgelaufener Mietzeit der Mieter den Sachgebrauch fort, so gilt das Mietverhältnis als auf unbestimmte Zeit weiter vereinbart, wenn nicht ein Teil seinen entgegenstehenden Willen innerhalb zweier Wochen erklärt, 5 6 8 . Für Wohnraummiete gilt § 565 a. 6.
Rücktritt
Die allgemeinen Regeln der Rücktrittsrechte sind nur insoweit ausgeschlossen, als die Kündigungsbestimmungen eine besondere Regelung vorsehen, aber nicht vor Gebrauchsüberlassung und auch nicht bei Verletzung besonderer Verpflichtungen, z. B. Baukostenzuschuß des Mieters, B G H N J W 57, 5 7 ; vgl. auch § 5 7 0 a. 7.
Verjährung
Für einige Ansprüche aus dem Mietverhältnis gelten die kurzen Verjährungsfristen des § 558. Diese Vorschrift kürzt sinngemäß auch die Verjährung deliktischer Ansprüche aus den gleichen Sachverhalten ab (Einschränkung von § 852), str. Miet- und Pachtzinsen verjähren in 4 Jahren, 197, 198, 201. Im übrigen gilt die normale 30jährige Frist, namentlich für die Rückgabe der Sache selbst (Fristbeginn ist dabei Ende der Miete). IV.
Überblick
über das
Mietnotrecht
Seit dem ersten Weltkrieg galt neben dem Mietrecht nach BGB ein verzweigtes Mietnotrecht, das mit Ablauf des 31. 12. 67 außer Kraft getreten ist. Es ist daher hier nicht mehr darzustellen. Zum Grundsätzlichen sei bemerkt, daß es sich im wesentlichen in drei Bereiche gliederte: 1. Die Wohnraumbewirtschaftung (früher: Wohnungsmangelrecht) ist der Inbegriff der Rechtsvorschriften, die sich mit der Zuteilung des zu knappen Wohnraums an Wohnungssuchende beschäftigen. Die durch den Wohnungsmangel hervorgerufene Störung des freien Mietmarktes, die in einer im Verhältnis zum Wohnraumangebot
443
§74
Miete
V1
übergroßen Nachfrage besteht, erzwingt Korrekturen der Vertragsfreiheit, hauptsächlich zu Lasten des Vermieters. Deshalb besteht die Wohnraumbewirtschaftung erstens aus einer öffentlich-rechtlichen Erfassung des gesamten verfügbaren Wohnraums und zweitens in der Möglichkeit zwangsweiser Zuweisung von Mietern an bestimmte Vermieter unter Verfügung eines Zwangsmietvertrags (diktierter „Vertrag" [ N i p p e r d e y ] , privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt). Zur Geschichte der Wohnraumbewirtschaftungsgesetze siehe 1. Auflage, zur neuesten Entwicklung der Gesetzgebung § 2 II 2 b.
2. Der Mieterschutz ist die Zusammenfassung derjenigen Mietnotreditsbestimmungen, die eine Beschränkung der Kündigungsfreiheit zu Lasten des Vermieters vorsehen (Einzelheiten siehe Vorauflage und oben III 3 c). 3. Das Mietpreisrecht beseitigt die freie Mietpreisbildung, um die Ausnutzung der Mangellage durch den Vermieter zu verhindern. Man spricht vom „Mietpreisstop". Zu den zahlreichen Vorsdiriften vgl. die 1. Auflage und Soergel-Siebert-Mezger10, Anm. 84 vor § 535. Daneben besteht ein 4. Bereich von Vorschriften, der sich mit der öffentlichen Förderung des Wohnungsbaus beschäftigt und der — das Übel bei der Wurzel packend — nicht eigentlich zum Mietnotrecht und auch nicht zum bürgerlichen Recht gezählt werden kann. Die wichtigsten Wohnungsbaugesetze sind: a) 1. Wohnungsbaugesetz v. 24.4.1950, BGBl. I 83, i. d. F. v. 25. 8.1953, BGBl. I 1047, inzwischen vielfach geändert. b) 2. Wohnungsbaugesetz v. 27.6.1956, BGBl. I 523, i. d. F. vom 1.9.65, BGBl. I 945, geändert durch G. vom 23.12. 66, BGBl. I 697, 701.
Ferner trugen drei Maßnahmen entscheidend zur Entspannung des Wohnungsmarktes bei: c) § 7 b Einkommensteuergesetz macht die Kosten der Errichtung von Wohnungen steuerlich abzugsfähig. d) § 7 c Einkommensteuergesetz gestattete einem Unternehmer, zum Wohnungsbau bestimmte Darlehen von seinem zu versteuernden Gewinn abzuziehen. e) Das Wohnungseigentumsgesetz v. 15. 3.1951, BGBl. I 175, läßt die Begründung von Wohnungseigentum entgegen dem Akzessionsprinzip der §§ 93, 94 BGB zu.
V. Rechtliche Besonderheiten der Miete Jedes der besonderen Schuldverhältnisse hat — außer seiner Grundstruktur — ein oder mehrere typische Sonderprobleme, durch die es sich von allen anderen unterscheidet, vgl. oben die Darstellung des Schenkungsrechts, oben § 73. Die Grundstruktur der Miete wurde oben I—IV behandelt. Die rechtlichen Besonderheiten der Miete berühren sämtlich sachenrechtliche Zusammenhänge: Das Vermieter Pfandrecht; die Veräußerung der Mietsache („Kauf bricht nidit Miete"); und die Miete in der Zwangsversteigerung und im Konkurs. Die Problematik der Miete liegt in ihrer teilweisen Verdinglichung. 1. Das Vermieterpfandrecht, 559—563, 580, 1257 BGB; 49 KO. Bleibt der Grundstücks-, insb. der Wohnungsmieter die Miete sdiuldig, so soll sich der Vermieter an die eingebrachten Sachen halten können. In der Überlassung des Miet-
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Miete
§74
V1
raums liegt so viel Vertrauen, daß es gerechtfertigt scheint, den Vermieter gewöhnlichen Gläubigern vorzuziehen, deren Vertrauen enttäuscht wird. a) Darum bestimmt § 559, daß der Grundstücks-(Wohnungs-) Vermieter für grundsätzlich alle seine Forderungen aus dem Mietverhältnis ein gesetzliches Pfandrecht an den eingebrachten Sadien des Mieters mit dem tatsächlichen Vorgang der Einbringung erwirbt. Ausgenommen sind nur künftige Entschädigungsforderungen und Mietzinsen für eine spätere Zeit als das laufende und nächstfolgende Miet- (nicht K a l e n d e r j a h r . Auch bei unbefristeten Mierverhältnissen erstreckt sich also das Pfandrecht auf noch nicht fällige Mietforderungen (Hamburg OLGE 20, 110). Konkurriert das Vermieterpfandrecht mit einem Pfändungspfandrecht, so sichert das Vermieterpfandredit nur die Miete für das letzte Jahr vor der Pfändung und danach, nicht aber davor, 563.
Dem Pfandrecht unterliegen alle „eingebrachten" Sadien des Mieters (was voraussetzt, daß sie beweglich sind); nidit dagegen die Sadien der Ehefrau, die den Mietvertrag nicht mitunterschrieben hat; nidit die der Kinder; nicht die pfändungsfreien, die das Existenzminimum des Mieters darstellen (559 S. 3; 811 ZPO), das unverzichtbar und auch nicht durch ein vertragliches Zurückbehaltungsrecht antastbar ist; weiter nicht solche Sadien, für die der Mieter Sicherheit leistet, 562. Sadien, die dem Mieter nicht gehören, fallen nicht unter das Pfandrecht, wie z. B. Sachen des Untermieters oder unter Eigentumsvorbehalt erworbene Sadien. Behauptet der Mieter dem Vermieter gegenüber fälschlich, eine eingebrachte Sache gehöre ihm, so findet doch kein gutgläubiger Erwerb des Pfandrechts an der Sadie durch den Vermieter statt, da § 1207 nur auf das Vertragspfand Anwendung findet. § 1257 meint nur bereits entstandene Pfandrechte, nicht die Entstehung selbst. Da das Vermieterpfandrecht ohne Besitz des Pfandgläubigers erworben wird, war diese Rechtslage schon immer klar. Der BGH (BGHZ 34, 153) hat aber für jedes gesetzliche Pfandrecht, auch für die besitzgebundenen (wie z. B. das des Werkunternehmers, 647), ausgesprochen, daß ein gutgläubiger Erwerb an ihnen unmöglich sei.
Wohl aber erwirbt nach neuerer Rechtsprechung der Vermieter ein gesetzliches Pfandrecht an der Anwartschaft, BGHZ 35, 85 (94); anders noch RGZ 140, 223. Vor der vollen Bezahlung des Kaufpreises nützt dem Vermieter das Pfandrecht an der Anwartschaft nicht viel. Nach Vollzahlung wird es aber zum Pfandrecht an der Sache. Der Vermieter kann durch Zahlung des Restkaufpreises an den Vorbehaltsverkäufer das Pfandrecht an der Sache erlangen. Überträgt der Mieter die Anwartschaft weiter, bleibt das Pfandrecht grundsätzlich bestehen, BGHZ 35, 85, 87. b) Das Vermieterpfandredit gestattet dem Vermieter die Verwertung der Sache (1228—1249, auch § 1250 ist anwendbar, Str.). Veräußert der 'Mieter eine mit dem Vermieterpfandrecht belastete Sache, erwirbt der Erwerber die Sadie mit dem Pfandrecht belastet, wenn er nicht gutgläubig ist (böser Glaube ist nachzuweisen), 936. Wer Sachen erwirbt, die sich in Mieträumen befinden, muß mit dem Pfandrecht redinen, ist also vermutetermaßen bösgläubig, R G Warn 1913, 423.
445
§74 V2
Miete
c) Das Pfandrecht erlischt mit der Entfernung der Sache vom Grundstück (aus der Wohnung). Es erlischt nicht, wenn die Entfernung ohne Wissen oder unter Widerspruch des Vermieters erfolgt, was der Vermieter zu beweisen hat („es sei denn . . . " ) . In drei Fällen ist der Widerspruch des Vermieters unbeachtlich: Wenn die Entfernung geschäftsüblich ist (z. B. bei einem Warenlager), wenn sie den Lebensverhältnissen des Mieters entspricht (z. B. Erneuerung verschlissener Möbel) und wenn sie das Sicherungsinteresse des Vermieters nidit beeinträchtigt, 560. Der Vermieter hat ein Selbsthilferecht, durch das er die unberechtigte Entfernung von Sachen mit Gewalt und ohne Anrufung des Gerichts verhindern kann, 561 I, vgl. 229—231, 859, 860. Sind Sachen unberechtigt entfernt worden, so kann der Vermieter Riickschaffung oder Aushändigung an sich verlangen. Das hat, zur Vermeidung des Erlöschens des Pfandrechts, im Weigerungsfall des Dritten gerichtlich zu geschehen, 561 II 2 (vgl. 556 I I I : obligatorisdier Anspruch gegen Dritte!). Das gleiche gilt, wenn das Pfandrecht an der Anwartschaft auf die Sache besteht, BGHZ 35, 85. Mit Abtretung der Mietzinsforderung geht auch das Vermieterpfandrecht auf den Zessionar über, 401. d) Pfändet ein anderer Gläubiger des Mieters eine dem Pfandrecht unterliegende Sache, so kann der Vermieter nach § 805 ZPO vorzugsweise Befriedigung aus dem Erlös verlangen. Der Pfändungspfandgläubiger kann den Vermieter jedoch u. U. darauf verweisen, daß die übrigen, seinem Vermieterpfandrecht unterliegenden Sachen des Mieters, zu seiner Sicherung ausreichen, BGHZ 27, 227. (Rechtsgedanke des § 560 S. 2, 3. Fall). Im Konkurs des Mieters hat der Vermieter aufgrund seines Pfandrechts ein Recht zu abgesonderter Befriedigung (48, 49 Ziff. 2 KO). 2. Die Veräußerung der Mietsache („Kauf bricht nicht Miete"), 571—579 a) Um den Mieter wäre es schlecht bestellt, wenn sein obligatorisches Recht aus § 535 gegen den Vermieter mit dessen Eigentum an der Mietsache enden würde. Jede Übereignung würde zwar den Vertrag mit dem bisherigen Eigentümer fortbestehen lassen, diesem aber die Gewährung des Gebrauchs an den Mieter unmöglich machen. Der Mieter hätte statt des Anspruchs auf Gebrauchsüberlassung ein Redit auf Leistung von Schadensersatz wegen verschuldeten nachträglichen Unvermögens, 325 1 1, 535, 276, 249. Das aber ist an sich die Konsequenz der Relativität eines Schuldverhältnisses. Darum bestimmen § 986 II die Aufrechterhaltung der Besitzeinwendung gegen den Erwerber einer beweglichen Sache nach § 931 und § 571 eine Verdinglichung der Grundstücksmiete insoweit, als der Erwerber der Mietsache in die Stellung des Vermieters eintreten muß, wenn die Mietsache dem Mieter schon überlassen ist (nach dem Mieterschutzgesetz (1 IV) war das sogar schon der Fall, wenn der Mietvertrag abgeschlossen ist, der Mieter aber noch keinen Besitz erlangt hat). Das gilt auch hinsichtlich gewährter Sicherheiten, 571 I, 572. Der neue Eigentümer muß normal kündigen, bei befristeten Mietverhältnissen ihren Ablauf abwarten. „Kauf bricht nicht Miete". Es handelt sich um eine Ausnahme. Die Miete wird 446
Miete
§74
V3
d a d u r c h nicht z u m Sachenrecht (anders Löning).
Verständlich ist die V o r s c h r i f t
des § 5 7 1 1 als B e s t a n d t e i l eines Schuldnerschutzes,
vergleichbar den § § 5 7 3 bis
5 7 6 und §§ 4 0 4 — 4 1 1 , B G H Z 4 0 , 2 5 5 ; 4 2 , 3 3 3 ; 45, 1 1 ; 51, 2 7 3 . Entsprechendes gilt bei Grundstüdesbelastungen, die das Mieterrecht beeinträchtigen (z. B. Nießbrauch), 577. Wird die Mietsache vor Überlassung an den Mieter veräußert, ist dieser weniger schutzbedürftig. E r kann den Erwerber nur dann in der Vermieterstellung festhalten, wenn dieser vom Veräußerer die Vermieterpflichten übernommen hat, 578. Zustimmung des Mieters ist entgegen §§ 414 ff. nicht erforderlich. § 329 gilt nicht (§ 578 ist Sondervorschrift). Der Grundstücksveräußerer haftet dem Mieter zunächst nach Bürgschaftsrecht, bis er den Eigentumsübergang mitteilt und der Mieter durch Unterlassen einer Kündigung zu erkennen gibt, daß er mit dem neuen Vermieter einverstanden ist, 571 I I . Wird das Grundstück noch einmal veräußert, gelten die §§ 5 7 1 — 5 7 8 gegen den neuen Erwerber, 579. c) Die §§ 5 7 3 — 5 7 6
gewähren
d e m M i e t e r einen den § § 4 0 6 ff.
ähnlichen
Schuldnerschutz hinsichtlich der Mietzinsschuld. D a r ü b e r hinaus t r a g e n
diese
Vorschriften d e m wirtschaftlichen Interesse des V e r m i e t e r s Rechnung, über den M i e t z i n s i m v o r a u s und teilweise m i t W i r k u n g f ü r die Z e i t nach d e r V e r ä u ß e r u n g v e r f ü g e n z u k ö n n e n . D e r Sache nach h a n d e l t es sich u m A u s n a h m e n v o m G r u n d s a t z des § 5 7 1 . I m einzelnen gilt: а) Nach § 573 sind Verfügungen über den Mietzins (Abtretung, Verpfändung, nach h. M . auch Pfändung) gegenüber Erwerber und Mieter nur für den Kalendermonat des Eigentumswechsels gültig. Vorauszahlungen des Mieters sind daher ebenso unwirksam wie Zahlungen an einen Nichtberechtigten. Der Mieter muß also vorsichtig sein! D a gegen gilt § 573 des Mieters nicht für Baukostenzuschüsse, die tatsächlich für den Aufbau des Hauses verwendet worden sind; diese hat der Erwerber im Falle der Kündigung grundsätzlich zu erstatten, B G H Z 6, 202 (206); 15, 2 9 6 ; 16, 3 1 ; B G H N J W 59, 380. ß) § 574 schützt den Mieter bis zur Kenntnis vom Eigentumsübergang bezüglich des Mietzinses für den Monat der Kenntniserlangung vor der Gefahr, doppelt zahlen zu müssen. Also sollte ein Mieter nicht mehr als die fällige Miete zahlen. D e r Mieter ist auch nur in dem geringen Rahmen des § 574 geschützt, wenn eine Mietvorauszahlung, die nicht Baukostenzuschuß ist, bereits bei Vertragsschluß zu entrichten war, B G H Z 37, 346. Der Mieter erhält dann nur einen Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter, es sei denn, der Erwerber habe die Verpflichtung zur Verrechnung übernommen — B G H N J W 66, 1703. y) § 575 stellt dem Schutz vor doppelter Inanspruchnahme durch den Erwerber die Aufrechnung gegen den Erwerber an die Seite. Vgl. § 406. б) § 576 entspricht § 409 und ist eine ausgesprochene Vorschrift des Mietschuldnerschutzes. 3. Die Miete
in der Zwangsversteigerung
und im
Konkurs
a) D e r Ersteigerer in der Zwangsversteigerung hat grundsätzlich dieselbe Stellung wie der Erwerber nach §§ 571 ff. Zusätzlich kann er auch ein befristetes, also normaler447
Pacht
§75 11
weise nidit kündbares Mietverhältnis mit gesetzlicher Frist kündigen, aber nur für den ersten zulässigen Termin. § 57 a Z V G (»Kauf bricht Miete"). Dann hat der Mieter einen Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter, 541, 538. Bei Mietzinsverfügungen gelten §§ 573—576, wobei an die Stelle des Eigentumsübergangs die Beschlagnahme tritt, 57, 57 b ZVG. Eine Einschränkung des Kündigungsrechts nach § 57 a im Falle geleisteter Baukostenzuschüsse enthält § 57 c ZVG. b) Fällt der Vermieter in Konkurs, so ist zu unterscheiden, ob die Mietsache bei Konkurseröffnung dem Mieter schon überlassen war. a) Wenn ja, bleibt der Mietvertrag auch gegenüber dem Konkursverwalter bestehen, 21 K O . ß) Wenn nein, gilt — außer bei unter Mieterschutz stehenden Wohnungen — das Wahlrecht des Konkursverwalters nadi § 17 K O . Lehnt der Konkursverwalter Erfüllung ab, hat der Mieter eine normale Konkursforderung wegen seines Schadens. y) Für Vorausverfügungen über den Mietzins gilt § 21 II, für die Veräußerung durch den Konkursverwalter §§ 21 IV K O , 57 ZVG. c) Fällt der Mieter — bei mehreren Mietern alle (BGHZ 26, 102) — in Konkurs, so ist in gleicher Weise zu unterscheiden, ob die Sache bei Konkurseröffnung schon überlassen war. a) Wenn ja, so bleibt der Mietvertrag bestehen, kann aber vom Vermieter oder vom Konkursverwalter fristgemäß gekündigt werden, 19 KO, 26 MSchG. ß) Wenn nein, so hat der Vermieter ein Rücktrittsrecht, aus, so gilt § 17 K O .
20 K O . Übt er es nicht
§75 Pacht Crisolli, Reform der Landpacht, 1930; Fischer, SeuffBl. 78, 174; Hördmer, Die Abgrenzung von Miete und Pacht an Räumen nadi bürgerlichem Recht, 1936; Jonas, Das Pfandrecht an den landwirtschaftlichen Früchten, 1932; Krückmann, Die Inventarpacht mit Schätzungspraxis oder Kaufpreis und der Valutasturz, 1921; Nonhoff-Becker, Handbuch des Pachtwesens, 1954; Oertmann, Rechtsgutachten über die landwirtschaftliche Inventarfrage, 1921; Siber, Das gesetzliche Pfandrecht des Vermieters, des Verpächters und des Gastwirts nach dem BGB, 1900. /. Begriff
und
Wesen
1. D i e Pacht ist ein gegenseitiger Vertrag, durch den sich der eine T e i l (Verpächter) verpflichtet, dem anderen T e i l (Pächter) den Gebrauch eines Gegenstandes und den vertragsmäßigen Genuß der Sachfrüchte für bestimmte oder bestimmbare Zeit z u gewähren, wogegen sich der andere Teil zur Zahlung des Pachtzinses verpflichtet, 581 I . I m Unterschied zur Miete hat der Pächter nicht nur das Recht, den Gegenstand zu gebrauchen, sondern auch seine Früchte ihn also insgesamt zu nutzen (Nutzungen sind Früchte und Gezu ziehen, brauchsvorteile, 1 0 0 ) . D a man ein Recht — entgegen § 100 — z w a r nicht gebrauchen, wohl aber nutzen kann, können Rechte z w a r gepachtet, nicht aber 448
Pacht
§75 113
gemietet werden. Daher spricht § 581 I im Unterschied zu § 535 nicht von „Sache", sondern von „Gegenstand" (vgl. § 90). 2. Die Padit ist ein wirtschaftlich wichtiger Vertrag vor allem in der Land- und Forstwirtschaft, im Unternehmensrecht (Betriebspacht), und im gewerblichen Rechtsschutz (Lizenzverträge sind Rechtspachten, so zutreffend Esser2, § 124, 2 d, und BGHZ 2, 331 zum Filmverwertungsvertrag. Allerdings ergeben sich aus Patent- und Urheberschutz wesentliche Besonderheiten). Da die Pacht der Miete ähnelt, bedarf sie keiner ausführlichen Behandlung. II. Rechtliche Besonderheiten
der Pacht
Grundsätzlich gilt Mietrecht, 581 II. Die §§ 582—597 bringen eine Reihe von rechtlichen Besonderheiten der Padit, unter denen folgende wichtigere hervorzuheben sind: 1. Entsprechend dem Vermieterpfandredit kennt die Pacht auch ein Verpächterpfandrecht, 581 II, 559 ff. Es erstreckt sich gemäß § 585 auf mehr Gegenstände als bei der Miete. Die Beschränkung des § 563 gilt nicht. Eine Besonderheit ist das gesetzliche Pfandrecht des Pächters, 590. Es besteht für die mit dem Inventar zusammenhängenden Forderungen an den Inventarstücken, die sich im Pächterbesitz befinden (besitzgebundenes Pfandrecht im Unterschied zu Vermieter- und Verpächterpfandrecht). Das Paditkreditredit und das Saatgut- und Düngemittelrecht kennen weitere gesetzliche Pfandrechte, BGHZ 41, 6. 2. Die Vorschriften der Pacht regeln nur den Anspruch des Pächters auf Fruchterwerb und die Pflicht des Verpächters zur Gestattung des Fruchtgenusses. Dagegen bestimmen sie nicht, wer Eigentum an den Sachfrüchten (99 I, III) erwirbt, und wie dies geschieht. Dabei handelt es sich um einen sachenrechtlichen Vorgang, über den die Pachtvorschriften keine Auskünfte geben. Kraft des Pachtrechts erwirbt der Pächter die Früchte nicht. Da die Pacht kein Sachenrecht, kein beschränkt dingliches Recht, auch keine auf der Pachtsache ruhende Last, kein Recht an, sondern nur ein Recht auf die Pachtsache darstellt, ist der Pächter auch nicht dinglicher Aneignungsberecbtigter, 954. Vielmehr wird neben dem Pachtvertrag, aber meist mit den gleichen Erklärungen, eine persönliche Aneignungsgestattung im Sinne des § 956 I verliehen. Dies ist eine sachenrechtliche Verfügung, die nicht in einem bloß schuldrechtlichen Vertrag — wie der Pacht — selbst getroffen werden kann. Da der Pächter in aller Regel im Besitz der Sache ist, gewinnt er das Eigentum an den Früchten (Getreide, Obst, Bäume) mit der Trennung. Bei Rechtsfrüchten (99 II, III) erwirbt der Pächter die Rechtsinhaberschaft mit der Entstehung des die Frucht bildenden Rechts (z. B. Anspruch auf Zinsen, UnterlizenzGebühren). 3. Die Rechts- und Pflichtenstellung des Pächters ist im einzelnen in den §§ 582, 583, 584, 586, 591, 592, 593, 597 geregelt. Die Grundhaltung des Gesetzes ist, daß der Pächter zwar vollen Nutzen aus der Pachtsache ziehen soll, sie aber in ihrer Wirtschaftlichkeit und Ertragsfähigkeit erhalten und entsprechend bei Beendigung der Pacht zurückgeben soll. Zum Wettbewerbsverbot des Verpächters siehe OLG Celle, MDR 1964, 59, des Pächters BGHZ 24, 165; dazu allgemein oben 74 II 1 d. 29
F i k e n t s c h e r ,
S d i u l d r e d i t , 4. A u f l a g e
449
§76 14
Leihe
4. Bei Übernahme und Rüdegewähr zum Schätzwert gelten §§ 587—589, 594. 5. Sondervorschriften über Kündigung der Pacht enthalten §§ 595, 596. 6. Parallel zum Mietnotrecht besteht eine verzweigte Gesetzgebung zum Schutz des Pächters, die man als „Pachtschutzredit" oder als „soziales Pachtrecht" (Esser) bezeichnen kann. Gesetz über das landwirtschaftliche Pachtwesen (Landpachtgesetz) vom 25. 6.1952 (BGBl. I, 343) Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssadien vom 21. 7.1953 (BGBl. I, 667) Pachtkreditgesetz vom 5. 8.1951 (BGBl. I, 494) Verordnung über Kündigungsschutz und andere kleingartenrechtliche Vorschriften (Kündigungsschutzverordnung f ü r Kleingärten) in der Fassung vom 15.12.1944 (RGBl. I, 347) Kleingarten- und Kleinpachtlandverordnung vom 31. 7.1919 (RGBl. I 1371) 7. Das Jagdpachtrecht ist im Bundesjagdgesetz vom 29.11.1952 (BGBl. I 780) geregelt. 8. Das Gesetz über das Apothekenwesen vom 20. 8.1960 (BGBl. I 697) hat das Apothekenpachtrecht, ausgehend vom grundsätzlichen Verbot der Pacht, § 9, neu geregelt. §76 Leihe Blume, v., Redit 1908, 650; Boehmer, ArdiBürgR 38, 314; Klein, Die Rechtsformen der Gebraudisleihe im BGB, 1902; Kriickmann, Iherjb. 54, 107; Kuhlenbeck, JW 1904, 226; Reichel, LZ 1922, 543; Zabel, Der Leihvertrag, 1907. I. Begriff und Wesen 1. Die Leihe ist der zweiseitig verpflichtende, aber nicht gegenseitige Vertrag, durch den sich der eine Teil (Verleiher) verpflichtet, dem anderen Teil (Entleiher) den Gebrauch der Leihsache unentgeltlich zu gestatten, 598. Der Entleiher darf von der Leihsache keinen anderen als den vertragsmäßigen Gebrauch machen, 603 S. 1. 2. Von Miete und Pacht unterscheidet sich die Leihe vor allem durch ihre Unentgeltlichkeit. Wird gegen Entgelt „verliehen", liegt in Wahrheit Miete (seltener Pacht) vor. 3. Die wirtschaftliche Bedeutung der Leihe ist nicht gering. Nicht nur unter Freunden und Verwandten geschieht es, daß Sachen ausgeliehen werden. Die unentgeltliche Überlassung von Berufskleidung, eines Ferienhauses, eines Parks zum Spazierengehen ist Leihe. 4. Gegenstand der Leihe kann jede Sache sein, nicht aber ein unkörperlicher Gegenstand (z. B. Kundschaft) und nicht ein Recht (z. B. Forderung, Immaterialgüterrecht). Unentgeltliche Patentlizenzen und andere Reditsfruchtleihen sind grundsätzlich nach 450
Leihe
§76 113
Pachtrecht zu beurteilen, unter entsprechender Anwendung der aus der Unentgeltlichkeit folgenden Vorschriften des Leihrechts (insb. §§ 599, 600). Sachfruchtleihen können nach Leihrecht behandelt werden. Es ist auch, wie bei allen Veräußerungs- und Gebrauchsüberlassungsverträgen, nicht einzusehen, warum sich die Leihe nicht auch auf eine Sachmehrheit beziehen kann (die Sachen eines Unternehmens, eines Landguts; eine Bibliothek). Vgl. oben § 66 IV 1 (Kauf) und § 74 13 (Miete). 5. D i e Leihe ist ein zweiseitig begründeter und ein zweiseitig verpflichtender Vertrag. Denn nicht nur der Verleiher sdiuldet etwas (598), sondern auch der Entleiher, nämlich den sorgsamen Umgang mit der Sache und die Rückgabe nadi beendeter Leihe, 604, 605. Dieser obligatorische Anspruch kann neben dem des Eigentümers gegen den Besitzer geltend gemacht werden, 985. D a die Gebraudisgestattung und die Rückgabe nicht um einander willen versprochen werden, stehen die darauf gerichteten Pflichten in keinem Gegenseitigkeitsverhältnis. D i e Leihe ist daher kein gegenseitiger Vertrag, §§ 320 ff. sind unanwendbar. Für Leistungsstörungen, z. B. unmöglich gewordene oder verspätete Rückgabe, gelten §§ 275 ff., 284 ff., soweit nicht §§ 599—603 Sondervorschriften enthalten. Die Abgrenzung vom bloßen, nicht vertraglichen, Gefälligkeitsverhältnis, ist o f t schwer zu treffen — Beispiel: Überlassung eines Opernglases bei der Vorstellung (wenn vom Nachbarn, wohl nur Gefälligkeit). 6. Aus dem Wort „gestatten" entnimmt ein Teil der Lehre, die Leihe sei ein Realvertrag (oben § 12). Sonst müsse es heißen, der Verleiher sei verpflichtet, den Gebrauch unentgeltlich zu gewähren. Diese Meinung hat die historische Entwicklung für sich. Da aber nach heutiger Auffassung jeder Schuldvertag, auch der Realvertrag, eine Willensübereinstimmung zwischen den Parteien voraussetzt, notwendig also ein Konsensualvertrag ist, besteht die Besonderheit eines Realvertrags nur mehr darin, daß die Willenserklärung des einen Teils oder beider Teile typischerweise schlüssig in einer Tätigkeit enthalten ist (Realschenkung, Darlehen, Verwahrung), vgl. oben § 12. Nun wird man bei der Leihe in der Regel eine ausdrückliche Einigung erwarten dürfen, so daß kein Anlaß besteht, die Leihe als Realvertrag zu kennzeichnen. Daß die Pflicht des Verleihers nur „Gestattung", nicht »Gewährung" zum Inhalt hat, steht der konsensualen Natur des Vertrags nicht im Wege. Grundsätzlich kann alles Inhalt einer Schuldabrede sein. II. Besonderheiten
der Leihe
1. Wer unentgeltlich ein Recht erwirbt, verdient grundsätzlich geringeren Schutz seines Rechts, vgl. §§ 521, 523, 524, 690, aber § 662. Der Entleiher kann daher den Verleiher nur bei vorsätzlichen oder grobfahrlässigen Leistungsstörungen und nur wegen eines arglistig verschwiegenen Rechts- oder Sachmangels in Anspruch nehmen, 599, 600. 2. Gewöhnliche Erhaltungskosten, insb. Fütterungskosten trägt der Entleiher, andere Verwendungen (notwendige und nützliche) der Verleiher nach dem Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag, 601. 3. Veränderungen und Verschlechterungen aufgrund des vertragsmäßigen Gebrauchs trägt der Verleiher, 602, darüber hinausgehende im Verschuldensfall der Entleiher (Schlechterfüllung). 29»
451
Darlehen, Darlehensversprechen
§77 13
4. Gebraudosüberlassungen an D r i t t e b e d ü r f e n der Erlaubnis des Verleihers. Auch w e n n er sie erteilt, k a n n der Verleiher die Sache nach Beendigung der Leihe v o m D r i t t e n zurückverlangen, 604 IV, vgl. § 556 I I I und oben § 15, 3. 5. Die Leihe endet a) mit der vereinbarten Leihzeit, 604, wobei es gleichgültig ist, ob die zeitliche Begrenzung mit Vertragsschluß oder später durch Aufhebungsvertrag erfolgte; b) bei unbefristeter Leihe a) durch Kündigung wegen Eigenbedarfs, 605 Z. 1, ß) durch Kündigung wegen Sachgefährdung, 605 Z. 2, y) durch Kündigung beim Tod des Entleihers, 605 Z. 3, 8) nach Gebrauchsbeendigung, 604 II, e) ohne Kündigung und ohne Gebrauchsbeendigung durch einfache Rüdeforderung, wenn der Zweck der Leihe über deren Dauer nidits aussagt, 604 III. 6. Für Ersatzansprüche des Verleihers und Verwendungs- und Wegnahmeansprüche des Entleihers gilt die kurze Verjährungsfrist von 6 Monaten, 606, 558 II, III. §77
Darlehen, Darlehensversprechen Affolter, ArchBürgR 26, 1; Boehmer, ArchBürgR 38, 314; Crome, Die partiarischen Rechtsgeschäfte nach römischem und heutigem Recht, 1897; Farnbacber, SeuffBl. 63, 506; Genzmer, AcP 137, 194; Hohenstein, Zur Darlehenslehre nach dem BGB, 1908; Klausing, Der KrediteröfFnungsvertrag, Rabeis Z 6 (1932), Beiheft Landesreferate 77; Kohler, ArchBürgR 33, 1; Lübbert, Iherjb. 52, 313; v. Lübtow, Die Entwicklung des Darlehensbegriffs im röm. u. geltenden Recht, 1965; Neumann-Duesberg, NJW 70, 1403. I. Begriff,
Wesen
1. D a s Darlehen ist der schuldrechtlidie Vertrag, durch den sich der D a r lehensnehmer gegenüber dem Darleiher (Darlehensgeber) zur Rückzahlung empfangenen Geldes oder anderer v e r t r e t b a r e r Sachen verpflichtet. 2. D e r Unterschied zur Leihe besteht zunächst im geliehenen G e g e n s t a n d : §§ 607 ff. betreffen n u r Geld u n d andere v e r t r e t b a r e Sachen. Werden sie verliehen, so geht frühestens mit der Übereignung v o m Darleiher auf den D a r lehensnehmer, spätestens mit der Vermischung beim Darlehensnehmer (948 I, 947) oder bei Weiterübereignung gemäß § 932 das Eigentum des Darleihers a m Geld oder an den anderen vertretbaren Sachen unter. D a s deutsche Recht stellt sich deshalb v o n vornherein auf den S t a n d p u n k t , d a ß den Darlehensnehmer nicht die Pflicht zur Rückgabe derselben Geldstücke usw. trifft, sondern eine Rückerstattungspflicbt für Sachen von gleicher Art, Güte und Menge, 607. Die Darlehensschuld ist also eine Wertschuld. 3. a) D a s Gesetz behandelt das D a r l e h e n als Realvertrag, 607, siehe oben § 1 2 , Handdarlehen, Realdarlehen. § 607 meint also den Fall, d a ß der 452
Darlehen, Darlehensverspredien
§77
111
Darleiher mit der Hingabe des Geldes erklärt, dies solle ein Darlehen sein, und der Darlehensnehmer erklärt, er wolle es zurückzahlen. Daß auch in einem solchen Realvertrag der notwendige Konsens steckt, wurde bereits mehrfach betont (oben § 12, 2, 3). Nach § 607 ist das im Gesetz geregelte Darlehen ein zweiseitig begründeter, aber nur einseitig, nämlich den Darlehensnehmer zur Rückzahlung, verpflichtender Vertrag. Da einseitig, ist er erst recht nicht gegenseitig; §§ 320 ff. sind nicht anwendbar. b) Die allgemeine Vertragsfreiheit gestattet den Parteien auch, die Hingabe und Annahme eines Darlehens zu versprechen, Darlehensversprechen. Dann verpflichten sich beide Seiten zu etwas. Damit liegt ein zweiseitig verpflichtender Vertrag vor, der als solcher aber noch nicht gegenseitig ist. c) Grundtypus ist das zinslose Darlehen, vgl. §§ 607, 608. Es wird regelmäßig im ausschließlichen Interesse des Darlehensnehmers gegeben. Praktisch häufiger ist aber das verzinsliche Darlehen, bei dem der Zins ein Entgelt für die Hingabe der Darlehenssumme (Valuta) ist. Das verzinsliche Darlehen dient daher auch Interessen des Darlehensgebers: Er läßt sein Geld „arbeiten". Erst wenn Zinsen versprochen werden, besteht zwischen Hingabe- und Zinspflicht in der Regel das Gegenseitigkeitsverhältnis, das insoweit zur Anwendung der §§ 320 ff. führt. Denn der Zins ist (wie bei der Miete) die Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der Valuta. Das gleiche gilt, wenn als Gegenleistung für die Gewährung des Darlehens statt eines festen Zinses eine Beteiligung an dem Gewinn versprochen wird, den der Darlehensnehmer mit Hilfe des Darlehens erzielt (sog., partiarisches Darlehen). Zur häufig sehr schwierigen Abgrenzung des partiarischen Darlehens gegenüber der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung vgl. BGH WM 65, 1052; 67, 321. d) Schließlich sind Darlehensvorverträge zu den beiden Formen des Darlehens (a und b) möglich, vgl. oben § 23 I. Durch sie wird der Abschluß eines Darlehens (a) oder Darlehensversprechens (b) zur Pflidit gemacht. e) Für Darlehensversprechen (b) und hinreichend bestimmte Darlehensvorverträge (d) gilt § 610: Vermögensverscblechterungen beim Darlehensnehmer berechtigen den Verleiher zum Widerruf, vgl. oben § 2 3 1 3 . § 6 1 0 ist wie §§ 321, 519, 1133—1135 einer der seltenen Fälle gesetzlich geregelter clausula rebus sie stantibus. § 610 ist analog anwendbar auf andere Kreditzusagen, z. B. Wechseleinlösungsversprechen.
II. Besonderheiten des Darlehens 1. Das unverzinsliche Darlehen ist zur Rückzahlung fällig: a) wenn eine Zeit bestimmt ist (befristetes Darlehen) mit Ablauf der Zeit, 609 I. Der Schuldner darf aber im Zweifel schon vorher zahlen, 271 II. b) falls keine Zeit bestimmt ist (unbefristetes Darlehen), wenn der Gläubiger gekündigt hat, 609 I. Die' Kündigung, ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung (vgl. oben § 34, 3). Die Kündigungsfrist beträgt bei Darlehen bis zum Betrag von 300,— DM einschließlich einen Monat, ab 300,— 3 Monate, 609 II. 453
§77 III
Darlehen, Darlehensversprechen
c) Der Schuldner darf, da der Gläubiger mangels Verzinsung kein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Darlehens hat, audi ohne Kündigung jederzeit zurückerstatten, 609 III, Durch Nichtannahme gerät der Gläubiger in Verzug, 293 ff. § 609 III ist trotz seines überwiegenden Schutzcharakter nach h. M. nicht zwingenden Rechts. 2. Für das verzinsliche Darlehen, an dem also der Gläubiger verdienen will, gilt bezüglich der Fälligkeit: a) befristete Darlehen: Ablauf der Frist, 609 I, aber § 271 II, b) unbefristete Darlehen: Kündigung erforderlich (Fristen wie oben 1 b), wobei diesmal auch der Schuldner kündigen muß, wenn er zurückzahlen will, 609 II. Leistung vor Fälligkeit befreit nicht von der Zinspflicht und kann vom Gläubiger zurückgewiesen werden. Er hat ein schutzwürdiges Interesse am Lauf des Darlehens, weil es ihm Zinsen einbringt. c) § 609 II ist nachgiebiges Recht. Die Parteien können die Fristen anders regeln. Zwingend gilt aber nadi § 247 (neugefaßt durch Gesetze vom 5. 3. 53 und 14.1. 63), daß bei einem Zinssatz von mehr als 6 °/o der Schuldner nach 6 Monaten mit einer Frist von weiteren 6 Monaten kündigen kann.
3. „Wer Geld oder andere vertretbare Sachen aus einem andern Grund schuldet, kann mit dem Gläubiger vereinbaren, daß das Geld oder die Sachen als Darlehen geschuldet werden sollen", 607 II („ Vereinbarungsdarlehen"). Das kann, je nadi Parteiabsicht, entweder Schuldabänderung (unter Beibehaltung der sichernden Rechte wie Bürgschaft, Pfand), oder kausale Schuldneuschaffung (Novation, mit Untergang der sichernden Rechte) oder Schuldneufassung als abstraktes Schuldanerkenntnis (§ 781, Schriftform!) bedeuten, BGHZ 28, 164. Im Zweifel gilt Schuldabänderung vor Neuschaffung, kausal vor abstrakt; wer sich auf das Ungewöhnlichere beruft, muß es beweisen.
4. Häufig werden Darlehen gewährt und genommen im Rahmen öffentlicher Kreditprogramme. Grundsätzlich steht es der Leistungsverwaltung frei, ob sie das Kreditverhältnis in öffentlicher oder privater Form abwickeln will. Häufig wird eine zweistufige Abwicklung gewählt (Zweistufentheorie). Danach gehört die Bewilligung des Kredites dem öffentlichen Recht, der aufgrund des Bewilligungsbescheids abzuschließende Darlehensvertrag dagegen dem privaten Recht an. Im einzelnen ist streitig, inwieweit die öffentlich-rechtliche Beziehung auch nach dem Abschluß des Darlehensvertrages noch selbständig neben der privatrechtlichen bestehen bleibt, BGHZ 40, 206; BVerwGE 1, 308; 18, 47; 20, 136. III. Das Darlehen im Bankwesen Die wirtschaftliche Bedeutung des Darlehens im allgemeinen bedarf keiner Betonung. Im Bankwesen spielt es, außer in seiner gewöhnlichen Bedeutung als Bankkredit, noch drei wichtige Rollen, die nicht ohne weiteres einsichtig sind: 454
Übersicht
§78 I
1. Sparverträge werden nach herrschender Praxis nach Darlehensrecht (keine Verwahrung, 700) behandelt, soweit nicht besonders Vereinbartes gilt (insb. die Allgemeinen Sparvertragsbedingungen der Banken). Man nimmt an, daß wegen der regelmäßig höheren Zinsen eines Sparvertrags die Interessen des Einlegers (Sparers) am Zins und der Bank an den Möglichkeiten der Anlage das Verwahrungsinteresse überwiegen, so daß die Anwendung von Darlehensredit angemessen ist. Der Anspruch auf Rückzahlung einer Spareinlage ist also auf § 607 zu stützen. 2. Laufende Konten (Kontokorrent) mit regelmäßig sehr niedrigen Zinsen dienen hauptsächlich dem Einleger als sichere Aufbewahrung seines Geldes, verbunden mit der Möglichkeit, von seinem Konto „überweisen* zu können. Deshalb wendet die Praxis hier das Recht der Summenverwahrung (700) an, das — mit geringen Zusätzen — auf das Darlehensredit verweist. Der Anspruch auf Auszahlung einer Kontokorrenteinlage gründet sidi daher auf §§ 700, 607. Wird vom laufenden Konto an einen Gläubiger des Kontoinhabers überwiesen, so liegt eine Anweisung zur Zahlung an den Gläubiger vor. Der Gläubiger ist befriedigt und die durch Uberweisung getilgte Schuld geht unter (364 II, 362), sobald die Bank als Kontokorrentschuldner die in Gestalt der Uberweisung angewiesene Verbindlichkeit aus §§ 700, 607 befriedigt hat; das kann durch Barauszahlung oder durch Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers des Kontoinhabers geschehen. — Die Bank ist dem Kontoinhaber zu ihren Tätigkeiten aus Geschäftsbesorgung (675) verpflichtet; Einzelheiten bei der Anweisung, unten § 95; BGH BB 60, 343; Palandt-Gramm, $667, 2 b. — Sonderregeln des Kontokorrents für Kaufleute enthalten §§ 355 ff. HGB. 3. Ob die Gewährung eines Akzeptkredits nach Darlehens- oder nach Gesdiäftsbesorgungsredit zu beurteilen ist, ist streitig (vgl. Enn.-Lehmannli, § 142 III a. E. mit dem Streitstand). Richtiger Ansicht nach liegt eine „Vertragsverbindung mit innerer Abhängigkeit" vor (oben § 65 I 2): Darlehens- und Geschäftsbesorgungsrecht gilt nebeneinander, wie beim Bankkontokorrent (oben 2.). Dazu audi BGHZ 19, 288.
11. Abschnitt Schuldverhältnisse ü b e r geschuldete Tätigkeiten §78 Übersicht I. Neben die Veräußerungsund Gebrauchsüberlassungsverträge treten als dritte große Gruppe die Schuldverhältnisse über geschuldete Tätigkeiten. Das erklärt sich aus der Tatsache, daß es hauptsächlich drei Dinge sind, die in der modernen Wirtschaft ausgetauscht, „verkauft" werden: Gegenstände als solche, ihr Gebrauch oder ihre Nutzung allein, und menschliche Arbeit im weitesten Sinne. Von der Verwertung dieser drei Güterarten lebt die moderne Gesellschaft, die kapitalistische wie die kommunistische. Die später noch folgenden Gruppen „Gesellschaft, Gemeinsdiaft", und „Besondere Versprechen" regeln zwar auch wichtige Fragen, die aber von nicht so zentraler Bedeutung für die moderne Verkehrswirtschaft sind wie die drei erstgenannten. In der 455
§78 IV
Übersicht
„Gesellschaft" und in der „Gemeinschaft" geht es übrigens auch weithin um einander geschuldete Dienste, Tätigkeiten und Verhalten, dann nämlich, wenn sich mehrere zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks zusammentun („Gesellschaft"), oder wenn sich mehrere, meist ohne darauf gerichteten rechtsgeschäftlichen Willen, von selbst in einer Rechtsgemeinschaft befinden („Gemeinschaft"). — Die „Besonderen Versprechen" sind meist von den elementaren Tauschvorgängen abgelöste Schuldrechtsbindungen besonderer Art. I I . Von Schuldverhältnissen ist in der Überschrift die Rede, weil nicht alle hierher zählenden Schuldverhältnisse Verträge sind (oben § 10 I I 2). Die Auslobung (§§ 657 ff.) ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§677 ff.) überhaupt kein Rechtsgeschäft, sondern ein gesetzliches Schuldverhältnis. — Von Tätigkeiten handelt dieser Abschnitt, und zwar im weiten Sinne. Man könnte auch von menschlicher Arbeit im weitesten Sinne sprechen (etwa im Sinne des Wortes „Arbeit" in § 631 II), nur bestünde dann die Gefahr der Verwechslung mit dem systematisch weit begrenzteren Arbeitsrecht (es ist aus dem Dienstvertragsrecht hervorgewachsen, §§611 ff.). Auch bei Veräußerungen und Gebrauchsüberlassungen sind häufig Tätigkeiten als Haupt- oder Nebenpflichten geschuldet (z. B. die Ubergabe der Kaufsache). Bei den nun zu besprechenden Schuldverhältnissen steht aber die Tätigkeit ganz im Vordergrund. Darum werden sie hier Schuldverhältnisse über geschuldete Tätigkeiten genannt. I I I . Die bürgerlichrechtliche Regelung der auf eine Tätigkeit gerichteten Schuldverhältnisse (§§ 611—704) ist weder systematisch noch inhaltlich befriedigend gelungen. Die wichtigste Materie des ganzen Bereichs, das Arbeitsrecht, hat sich, da auch die Spruchpraxis der Gerichte die Schwierigkeiten nicht zu bewältigen und die Lücken nicht zu füllen vermochte, überhaupt neben dem B G B entwickelt. Aber auch die andern, im B G B geregelten wichtigen Komplexe des Dienst-, Werk-, Geschäftsbesorgungs- und Auftragsrechts sind nur unzureichend durchdacht worden. (Warum gibt es z. B. nach dem Gesetz Auslagenersatz nur beim unentgeltlichen Tätigkeitsvertrag, dem Auftrag, 670? Als ob Dienst- und Werkverpflichtungen nicht auch Auslagen mit verursachen können!) Hinzu treten unglückliche Verweisungsparagraphen, wie z . B . beim Werklieferungsvertrag (§ 651) und bei der Geschäftsbesorgung (§ 675). Man kann diesen Abschnitt des sonst so gediegen gearbeiteten Schuldrechts als den am wenigsten gelungenen bezeichnen. IV. Der Grund liegt in der römisch-rechtlichen Tradition, die sonst die Stärke des Schuldrechts bildet. Die Römer ließen Arbeit, vor allem in abhängiger Stellung, meist von Sklaven verrichten. Ein Schuldrecht mit Verträgen über Hausarbeit, landwirtschaftliche Arbeit, die meisten Handwerke, über die Herstellung von künstlerischen Werken, das Abschreiben von Büchern, über öffentliche Arbeiten wie Straßen- und Städtebau usw. konnte sich nicht entwickeln, da allenthalben Privat- oder Staatssklaven Verwendung fanden, die ihre Arbeit nicht aufgrund von Verträgen verrichteten. So beschränkt sich das klassische römische Recht auf vier Vertragsformen, die Tätigkeiten betreffen, von denen die beiden wichtigsten bezeichnenderweise als Anhängsel zur Miete behandelt werden: Iocatio conductio operarum (Dienstvertrag, „Dienst456
Übersicht
miete"), locatio-conductio operis (Werkvertrag, „Werkmiete"), mandatum und depositum (Verwahrung).
§78 V4 (Auftrag)
Selbst noch in der 9. und letzten Auflage des führenden Pandektenlehrbudis von Wind scheid (bearbeitet von Kipp) aus dem Jahre 1909 sind dem Dienst- und Werkvertragsrecht ganze 5 Seiten innerhalb der Darstellung des Mietredits gewidmet (!). Vor allem auf die als außenseiterisch empfundene Kritik Otto v. Gierkes und Anton Mengers („Das bürgerliche Redit und die besitzlosen Volksklassen", 1898) hin wurde im BGB das Dienstvertragsrecht etwas sachnäher geregelt.
V. Diese Unvollkommenheiten bedingen, daß die Abgrenzungen der Schuldverhältnisse über Tätigkeiten untereinander zufällig bis an die Grenze des Willkürlichen sind. Das BGB-System der Schuldverhältnisse über Tätigkeiten ist das folgende: 1. Zu unterscheiden sind Schuldverhältnisse kraft Rechtsgeschäfts und kraft Gesetzes. Die ersten überwiegen weit. Ein Schuldverhältnis kraft Gesetzes ist lediglich die Geschäftsführung ohne Auftrag, 6 7 7 — 6 8 7 , deren wichtigste Vorschrift die Verweisungsnorm des § 683 ist. Man hat die Geschäftsführung ohne Auftrag zusammen mit der ungerechtfertigten Bereicherung im Gemeinen Recht als „Quasikontrakt" bezeichnet. 2. Innerhalb der Schuldverhältnisse kraft Rechtsgeschäfts sind die zweiseitigen Rechtsgeschäfte ( = Verträge) von dem einseitigen der Auslohung zu unterscheiden, 6 5 7 — 6 6 1 . Der praktisch wichtigste Fall der Auslobung ist der des Preisausschreibens
(§661).
3. Unter den auf eine Tätigkeit gerichteten Verträgen scheiden sich die entgeltlichen von den unentgeltlichen. Unentgeltlich ist (entgegen dem Sprachgebrauch!) der Auftrag, 662—676. — Dienstvertrag, Werkvertrag, Mäklervertrag und Verwahrung können unentgeltlich sein, doch vermutet das Gesetz bei Vorliegen entsprechender Umstände widerleglidi die Entgeltlichkeit, 612, 632, 653, 689. Die Entgeltlichkeit ist also nicht unabdingbares Tatbestandsmerkmal des Dienst-, Werk-, Mäklervertrags und der Verwahrung. (Anders die wohl herrschende Meinung beim Dienstvertrag, die im Fall unentgeltlichen Dienstvertrags stets Auftrag annimmt. Zu Unrecht, denn aus der Unentgeltlichkeit folgt z. B. nicht notwendig der Wegfall der Schutzvorschriften der §§ 617, 618). 4. Die entgeltlichen, auf eine Tätigkeit gerichteten Verträge gliedern sich in eine Haupt- und eine Nebengruppe. a) Die Hauptgruppe umfaßt die beiden wichtigen Vertragsformen Dienstund Werkvertrag. Dienst- und Werkvertrag unterscheiden sich nach Art der geschuldeten Tätigkeit: Ist ein Tätigwerden in der Zeit, d. h. ein Tun als soldies geschuldet, liegt Dienstvertrag vor, §§ 611—630 (Hauptbeispiel: Arbeitsvertrag des gewerblichen Arbeitnehmers.) Ist ein auf einen bestimmten Erfolg gerichtetes Tätigwerden geschuldet, handelt es sich um den Werkvertrag, §§ 631—651 (Beispiele: Schneidern eines Anzugs, Schuhbesohlen, Abschleppen eines Autos). Ein Sonderfall des Werkvertrags ist, systematisch gesehen, der Werklieferungsvertrag, auf den teilweise Kaufrecht Anwendung findet, 651. 457
§79
Dienstvertrag
Ein Schlagwort besagt, beim Dienstvertrag trag ein Werk Vertragsgegenstand.
sei ein Wirken,
beim Werkver-
Diese Unterscheidung findet sich nur hier bei der Trennung von Dienst- und Werkvertrag; nicht bei der Geschäftsführung ohne Auftrag, bei der Auslobung, beim Auftrag, und nicht bei der nun zu besprechenden Nebengruppe entgeltlicher Tätigkeitsverträge. b) Die Nebengruppe besteht aus drei Sonderformen entgeltlicher Tätigkeitsverträge, deren Regeln — wenn sie gegeben sind — Dienst- und Werkvertragsrecht verdrängen, soweit es nicht ausdrücklich für anwendbar erklärt wird. Nur insoweit es für anwendbar erklärt wird, spielt die Unterscheidung „zeit- und erfolgsbezogen" eine Rolle, im übrigen nicht. a) Die Geschäftsbesorgung, § 675 („Das selbständige Tätigwerden wirtschaftlicher Art für einen andern und in dessen Interesse", RG 109, 301; Beispiele: Tätigwerden der Bank, des Anwalts, des Wirtschaftsprüfers). ß) Der Mäklervertrag, §§ 652—656, mit zusätzlichen Sondervorschriften für Handelsmäkler, §§ 93 ff. HGB. y) Die Verwahrung, §§ 688—699, mit den zwei Unterfällen der Summenverwahrung, § 700 (für die Darlehensredit gilt, s. o.), und der Einbringung von Sachen bei Gastwirten, §§ 701—704. Damit ist das BGB-System von Tätigkeits-Schuldverhältnissen erschöpft. Das Arbeitsrecht kennt eine Fülle weiterer Einteilungen. Sein ZentralbegrifT ist der Arbeitsvertrag mit seinen zahlreichen Unterteilungen. §79 Dienstvertrag Achterberg, AcP 164, 14; Bötticher, Waffengleichheit und Gleichbehandlung der Arbeitnehmer, 1956; ders., Zum Obergang des Arbeitsverhältnisses auf den Betriebsnadifolger, Festschrift f. Nikisch, 1958, 3; Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnissen, 1948; Below, Die mangelhafte Arbeitsleistung im Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Festsdirift f. Lebmann, Bd. II, 1956, 646; Brecher, Das Arbeitsrecht als Kritik des Bürgerlichen Rechts, Festschrift f. Molitor, 39 ff.; ders., Vertragsübergang, Betriebsnachfolge und Arbeitsverhältnis, Festschrift Schmidt-Rimpler, 1957, 181; Canaris, RdA 1966, 41; Frey, Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Arbeitsrecht, 1954; Grell, Der Betriebsinhaberwechsel, 1957; Helm, AcP 160, 134; Herschel, DArbR 1942, 96; ders., Arbeitsrecht, 1963; Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. 1, 7. Aufl. 1963, Bd. 2, 6. Aufl. 1959; dies., Grundriß des Arbeitsrechts, 2. Aufl. 1962; Hueck, Alfred, Iherjb. 74, 356; ders., Der Treugedanke im modernen Privatrecht, 1947; ders., Die Pflicht des Unternehmers zur Fürsorge, Festschrift f. Hedemann, 1938, 321; Hueck, Götz, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958; Jörns, Das Betriebsrisiko unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung nach dem 2. Weltkrieg, 1957; Kaskel-Dersdi, Arbeitsrecht, 5. Aufl. 1957; Lotmar, Der Arbeitsvertrag, Bd. I 1902, Bd. II 1908; Mayer-Maly, Z. f. Arb. u. SozR 66, 1; Molitor, Die Kündigung, 1951; ders., Das 458
Dienstvertrag
§79 11
Wesen des Arbeitsvertrages, 1925; Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, 3. Aufl. 1961, Bd. 2, 2. Aufl. 1959; ders., Dienstpflicht und Arbeitspflicht, Festschrift f. Nipperdey, 1955, 65; Oertmann, Deutsches Arbeitsvertragsrecht, 1923; Kaiser, ZHR 111, 75; Ramm, Die Anfechtung des Arbeitsvertrages, 1955; Schnorr v. Carolsfeld, Arbeitsrecht, 2. Aufl. 1954; Schröder, Der Dienstversdiaffungsvertrag, 1914; Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, 1966; ders., Zur Typologie zulässiger Zeitarbeitsverträge, Festschr. Heinr. Lange 1970, 395. I. Begriff und Wesen Der Dienstvertrag ist der privatrechtliche, schuldrechtliche, gegenseitige Vertrag, durch den der eine Teil (Dienstverpflichteter) dem andern Teil (Dienstberechtigter, Dienstherr) Leistung von Diensten verspricht, wogegen sich der andere Teil zu einer Vergütung (Dienstlohn) verpflichtet. 1.
Dienste
a) Unter Diensten ist die Leistung von Arbeit zu verstehen, ohne Rücksicht auf einen bestimmten Erfolg. Im Unterschied dazu ist Inhalt des Werkvertrags die Zusage eines bestimmten Erfolgs. Beim Dienstvertrag kann deshalb das Entgelt verlangt werden, wenn der Dienst als solcher geleistet worden ist — auch wenn der Erfolg nicht eintritt. Beim Werkvertrag entfällt dagegen das Entgelt, wenn die Bemühungen mißlingen. Jede Arbeit zielt zwar auf einen Erfolg, aber nur beim Werkvertrag ist Gegenstand der Verpflichtung ein bestimmter herbeizuführender Erfolg. Beispiele: Dienstvertrag: Tätigkeit des Anzugschneiders in der Konfektionsfabrik Taxifahrt „eine Stunde lang irgendwie durch die Stadt" Putzhilfe der Hausfrau »dreimal die Woche" Werkstudent hilft beim Umzug für DM 2,— pro Stunde Tätigkeit des Arztes in der Sprechstunde, beim Krankenbesuch, im Operationssaal zur Entfernung des Blinddarms, Geburtshilfe, Lebensrettung (für den Erfolg kann nicht eingestanden werden!) Vom Krankenhaus geschuldete Heilbehandlung (BGHZ 5, 321 — gespaltener Arzt-Krankenhausvertrag) Tätigkeit des Vertragsschauspielers Berufsreporter Steuerberatung gegen Monatspauschale (S 675)
Werkvertrag: Das Schneidern eines Maßanzugs Taxifahrt vom Hotel zum Bahnhof „Putzkommando" zur Reinigung eines Neubaus Möbeltransport in die neue Wohnung durch eine Umzugsfirma Entfernung einer Warze, sonstige Schönheitsoperation
Transport ins Krankenhaus im Unfallwagen Gastspiel Gelegenheitsreportage Ausfüllen einer Steuererklärung den Steuerberater (§ 675)
durdi
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§79 11
Dienstvertrag
Arbeit des Maurers bei der Baufirma Anstellung eines Architekten im Ardiitekturbüro b) Keine sind:
Erstellung eines Hauses durch den Bauunternehmer Architektenplan für den Bau eines Hauses, Oberleitung und örtliche Bauaufsicht durch den Architekten (BGHZ 31, 224).
zwingenden Abgrenzungsmerkmale von Dienst- und Werkvertrag
a) Entlohnung nach Zeit oder nach Stück („Akkordlohn"): Auch Akkordverträge sind in aller Regel Dienstverträge (anders noch Lotmar). Bei der Lohnberechnung nach hergestellten Stücken ist lediglich die Berechnungsweise anders als beim Zeitlohn (zur Vereinfachung oder aus Gründen des Leistungsansporns). Freilidi erfolgt beim Werkvertrag die Bezahlung nach dem Erfolg, aber es gibt auch Dienstverträge mit erfolgsbezogener Entlohnung. ß) »Gattungsarbeit — SpeziesarbeitDie Unterscheidung Gattungs- und Stücksdiuld ist hier unhaltbar. Sie paßt nur für Güter, nidit für menschliche Arbeit. Audi beim Dienstvertrag ist nicht irgendeine Arbeit, sondern die einzig in Frage kommende, für den Vertragszweck beste geschuldet (Heilmethode!). y) Gefahrtragung für den Untergang des Werks bis zu seiner Fertigstellung: Da beim Dienstvertrag überwiegend fremdbestimmte, beim Werkvertrag eigenbestimmte Arbeit geleistet wird, trägt i. d. R. beim Dienstvertrag der Dienstherr, beim Werkvertrag der (arbeitende) Unternehmer die Leistungsgefahr. Wenn die Durchführung der halberledigten Arbeit unmöglich wird, braudit der Dienstverpflichtete nicht noch einmal von vorn anzufangen, es sei denn, der Dienstherr weist ihn dazu an und zahlt ihn dafür. Der Werkunternehmer muß auf seine Kosten von vorn anfangen, 631 I, 644 I. Aber dies ist eher eine Folge der Bejahung eines Dienst- oder Werkvertrags als ein Mittel zu ihrer Unterscheidung und Bestimmung. Als Hilfsmittel bei der Auslegung der Parteierklärungen ist der Gesichtspunkt aber wertvoll. — Die Preisgefahr liegt übrigens bei Dienst- und Werkvertrag im wesentlichen Punkt gleich: Wenn die Fortsetzung der Dienste unmöglich wird, gehen Ansprüche auf Dienste und auf Lohn für die Zukunft unter, 275, 323. Wenn das nodi nicht fertige Werk undurchführbar wird, hat der Werkunternehmer keinen Anspruch auf Werklohn, 6441 1. S) Wirtschaftliche Selbständigkeit. Oft sind Dienstverpflichtete in wirtschaftlich unselbständiger Stellung tätig, z. B. der Fabrikarbeiter, die Hausgehilfin. Werkunternehmer sind, wie schon das Gesetz formuliert, häufig wirtschaftlich selbständige „Unternehmer". Auch das ist aber kein entscheidendes Merkmal. Ärzte, Privatlehrer, Schauspieler schließen in aller Regel Dienstverträge, obwohl sie wirtschaftlich selbständig sind; auch die Vorstände einer großen Kapitalgesellschaft stehen im Dienstverhältnis zu ihr, sie sind aber wirtschaftlich die mächtigsten Personen im Unternehmen. Auf der anderen Seite sind Gelegenheitslektoren eines Verlags, porträtierende Künstler und viele Handwerker zwar rechtlich Werkunternehmer, wirtschaftlich aber oft unselbständig. e) Soziale Abhängigkeit. Von der wirtschaftlichen Selbständigkeit ist die Frage der sozialen Unabhängigkeit zu trennen. Die erste betrifft die finanzielle Planung, die zweite die Weisungsgebundenheit bezüglich der Einteilung der Arbeit. Freilidi trifft oft
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Dienstvertrag
§79 II
finanzielle Unselbständigkeit mit sozialer Abhängigkeit zusammen. Ebensowenig wie die wirtschaftliche Selbständigkeit gibt die soziale Unabhängigkeit etwas f ü r die Unterscheidung Dienst- und Werkvertrag her. Es gibt zwar wenige sozial abhängige Werkunternehmer, aber neben sozial abhängigen Dienstverpflichteten (Fabrikarbeiter, Hausgehilfin) finden sich sozial unabhängige (Arzt, Schriftsteller, Architekt). Die soziale Abhängigkeit ist allein f ü r den Arbeitsvertrag, den wichtigsten Unterfall des Dienstvertrags, wesentliches Element.
Somit verbleibt als einzig tauglidies Kriterium der Unterscheidung von Dienst- und Werkverträgen die Bestimmtheit der Erfolgsrichtung. Ist ein bestimmter Erfolg geschuldet, liegt Werkvertrag vor, sonst Dienstvertrag. c) Das Verhältnis von Dienst- und Arbeitsvertrag ist für die Kennzeichnung eines ganzen Rechtsgebietes von Bedeutung: Das Arbeitsrecht. Alle Schuldverhältnisse dieses 11. Abschnitts betreffen irgendwie menschliche Arbeit, und zwar Arbeit für andere. Das jedoch ist mit dem „Arbeitsrecht" nicht gemeint. Das Arbeitsrecht — dies praktisch ungemein wichtige Gebiet, von dem das BGB schweigt — ist vielmehr eine Weiterentwicklung des Dienstvertragsrechts der SS 611 ff.
Dementsprechend ist der Arbeitsvertrag ein Unterfall des Dienstvertrags des BGB. Viele bürgerlichrechtliche, handelsrechtliche und öffentlichrechtliche Vorschriften, fast alle außerhalb des BGB, prägen den Arbeitsvertrag. N u r seine Grundlage wurzelt in den §§ 611 ff. (und selbst das ist bestritten). Der Arbeitsvertrag im technischen Sinne ist daher der Dienstvertrag, durch den sich der Dienstverpflichtete (Arbeitnehmer) zu Dienstleistungen für einen Dienstberechtigten (Arbeitgeber) in sozial abhängiger Stellung verpflichtet. Die soziale Abhängigkeit gründet sich in der Regel auf eine Eingliederung in einen fremden Betrieb oder Haushalt. Aus der Eingliederung folgen Pflichten von Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die neben der Dienst- und Lohnzahlungspflicht des $611 bestehen: Den Arbeitnehmer trifft eine auf die Eingliederung bezogene Gehorsamspflicht, der ein Weisungs-(Direktions-)recht des Arbeitgebers entspricht. Den Arbeitgeber trifft die Fürsorgepflicht für seinen Arbeitnehmer, der einen entsprechenden Fürsorgeanspruch hat. Rechtsgrundlage dieser zusätzlichen arbeitsrechtlichen Pflichten ist, wo kein Sondergesetz besteht, 242. Die arbeitsrechtlichen Treue- und Fürsorgepflichten haben auf die moderne Auffassung vom Dienstvertrag eingewirkt, unten II 3 b; zur Abgrenzung Dienstvertrag — Arbeitsvertrag vgl. BAG JZ 67, 607. Der Arbeitsvertrag wird in seinem Inhalt wesentlich durch das kollektive Arbeitsrecht mitgeprägt. In erster Linie sind dabei die Tarifverträge zu nennen, deren Normen (betr. den Lohn, den Urlaub usw.) unmittelbar und normativ auf den einzelnen Arbeitsvertrag einwirken (Tarifvertragsgesetz von 1949). In zweiter Linie sind die Vorschriften der Betriebsverfassung für die Arbeitsverträge von Bedeutung (insb. Betriebsverfassungsgesetz von 1952). Streiks sind Arbeitskämpfe, die meist auf Verbesserungen der Arbeitsbedingungen gerichtet sind. Sie enden regelmäßig mit einem Tarifvertrag, der dann wieder 461
Dienstvertrag
§79 12
auf die Einzelarbeitsverträge einwirkt. (Siehe zu diesen Fragen das Schrifttum des Arbeitsrechts; ein Beispiel: B G H Z 14, 347.) d) Die wichtigsten Gruppen Dienstverpflichteter sind also: Dienstverpflichteter (611 ff. BGB)
Arbeitnehmer (611 ff., Arbeitsrecht)
gewerbliche (insb. GewO)
| gewerbl. Arbeiter (105 ff GewO)
sonstige, z. B. Arzt in der Sprechstunde, Handelsvertreter, 84 ff. HGB
kaufmännische (insb. HGB)
sonstige, z. B. Hausgehilfin, Privatchauffeur, Organe von Kapitalgesellschaften (BGHZ 10,187) (insb. BGB)
| Lehrlinge I Lehrlinge gewerbl. („Auszubildende" kaufm. („AuszubilAngestellte i. S. d. BerufsAngestellte, dende", kein (133 ff. GewO) bildungs„HandlungsUntersdiied gesetzes v. gehilfen" (59 ff. mehr zu den 14. 8. 69 i. d. F. HGB, wichtig: „gewerblichen": v. 12. 3. 71, 83 HGB) s. dort) BGBl. I 185)
e) Vom Dienstvertrag ist der Dienstverscbaffungsvertrag zu unterscheiden, bei dem sich jemand verpflichtet, einem andern die Dienste eines Dritten zu verschaffen, was meist gegen Entgelt geschieht (Miete eines Ferienappartements „mit Bedienung"); R G Z 164, 399; K G N J W 65, 976. 2. Vergütung a) Der Dienstvertrag ist in aller Regel entgeltlidi. § 612 stellt bei Vorliegen entsprechender Umstände eine Vermutung dafür auf. Die Vermutung ist widerleglich. b) Das Entgelt bestimmt sich grundsätzlich nach den vertraglichen Vereinbarungen. Doch gehen Gesetz und Tarifvertrag vor. Die Reihenfolge der Geltungskraft ist die folgende: Zwingendes Gesetz (z. B. Gesetz über Mindestarbeitsbedingungen v. 11. 1. 1952), Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung (selten, 59 BVG), Arbeitsvertrag, 612 I und II, 315 III. Doch wird die Skala der Geltungsstärke überlagert vom arbeitsrechtlichen Günstigkeitsprinzip: Gesetz und Tarifvertrag gelten als Mindestnotmen. Günstigere Arbeitsverträge gehen vor. c) Die Berechnungsweise und Form der Vergütung sind sehr unterschiedlich. Verbreitet ist der Zeitlohn. Sein Gegenstück bildet der nach der Zahl der hergestellten oder bearbeiteten Stücke berechnete Akkordlohn (s. o.). Wird der Dienstverpflichtete am
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Dienstvertrag
§79 14
Geschäftsertrag des Dienstherrn beteiligt, so spricht man vom partiarischen Dienstvertrag (commis intéressé, z. B. Abteilungsleiter der Exportabteilung mit „Umsatzbonus"). Sonderformen der Entlohnung sind Trinkgelder, die ebenfalls Lohn- oder Lohnbestandteil sein können (je nach Branchenbrauch), sowie Gratifikationen (das sind zusätzlich zum eigentlichen Lohn aus bestimmten Anlässen gewährte Zahlungen, die aber nicht als Schenkung, sondern als Lohnbestandteile zu werten sind): Weihnadits-, Mai-, Jubiläumsgratifikationen, dreizehntes Gehalt der Bankbeamten.
3. Privatrechtlicher Vertrag Der Dienstvertrag ist ein privatrechtliches auf Leistung menschlicher Dienste gerichtetes Schuldverhältnis. Dadurch unterscheidet er sich z. B. vom öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis des Beamten und von der Zwangsarbeit der Zuchthäusler (letzteres str.). Gewisse Grundsätze des Dienstvertragsrechts sind aber auch in öffentlichrechtlichen Arbeitsverhältnissen zu beachten, wie die Treue- und Fürsorgepflichten und der Arbeitsschutz der §§ 617, 618. Zur Abgrenzung öffentlich-rechtlicher Anstaltsbenutzung von privatrechtlichem Dienstvertrag BGHZ 4, 138; 9, 145.
4. Schuldrechtlicher
Vertrag
a) Der Dienstvertrag ist schuldrechtlicher Vertrag. Die §§ 1356 I, I I , 1360, 1617 kennen im Unterschied dazu familienrechtlidie Dienst- und Arbeitspflichten. Auch Reallasten (§§ 1105 ff.) können Dienste zum Inhalt haben. Für Dienstverhältnisse dieser Art gelten die §§ 611 ff. grundsätzlich weder direkt noch analog. Die auch dort erforderlichen Treue-, Fürsorge-, Schutz- und Rücksichtspflichten folgen aus familien- und sachenrechtlichen Gesichtspunkten, auch wo sie inhaltlidi den dienstvertraglichen Pflichten ähneln (str.). b) Die verstärkte Beachtung, welche die Treue- und Fürsorgepflichten des Dienstvertrags nach dem ersten Weltkrieg und während (aber keineswegs nur wegen) des nationalsozialistischen Systems gefunden haben, ließen grundsätzliche Zweifel aufkommen, ob der Dienstvertrag überhaupt dem Schuldredit zuzurechnen sei. Der deutliche personenrechtliche Bezug des Dienst- und namentlich des Arbeitsvertrags, gab Anlaß zu Theorien, die den Dienstvertrag zusammen mit dem Familien-, Gesellschafts- und Vereinsrecht zu einem Personenverbandsrecht verknüpfen wollten. Die Erkenntnis der personenrechtlichen Elemente des Dienst- und Gesellschaftsvertrags über die rein schuldrechtlichen Güteraustauschbeziehungen hinaus war ein unleugbarer Fortschritt der Zivilrechtsdogmatik. Angesichts der Betonung der Schutz-, Obhuts-, Sorgfalts- und Treuepfliditen auch in anderen schuldrechtlichen Verträgen (vgl. oben § 26 V I I ) besteht aber kein Grund, den Dienstvertrag systematisch aus dem Zusammenhang der besonderen Schuldverhältnisse herauszulösen. Die auf § 242 gestützten schuldrechtlichen Treuepfliditen sind Allgemeingut der Zivilrechtslehre geworden (s. insb. A. Hueck, Der Treuegedanke im modernen Privatrecht, München 1947). Die schuldrechtlichen Treuepflichten sind zwar beim Dienstvertrag besonders wichtig und leicht zu erkennen, sie sind aber doch jeder schuldreditlichen Bin463
Dienstvertrag
§79 15
dung in stärkerem oder schwächerem Maß eigen. Der Grund liegt in dem Zusammenhang zwischen der Treue zum gegebenen Versprechen und dem Vertrauen in ein gegebenes Versprechen (oben § 5 I). Der Gedanke, daß man das, was man schuldet, nicht nur irgendwie, sondern auf anständige Weise und der Verkehrssitte entsprechend schuldet, ist — angeregt durch § 242 — ein besonders im deutschen Recht entwickelter und in seinen Anwendungsmöglichkeiten entfalteter Beitrag zur Zivilrechtswissenschaft. Diese Überlegung berechtigt zur Belassung des Dienstvertrags im Verband des Besonderen Schuldrechts. c) Der Dienstvertrag unterliegt als schuldrechtlicher Vertrag grundsätzlich der Vertragsfreiheit (s. o.). Sie folgt beim Dienstvertrag nicht nur aus § 305 BGB und Art. 2 I GG, sondern, was die Freiheit der Berufswahl und -ausübung anbelangt, aus Art. 12 GG mit den dort in den Grenzen des Art. 19 II zugelassenen Einschränkungen. Das Arbeitsrecht kennt aber wesentliche und typische Beschränkungen der Vertragsfreiheit:
a) Die Beschränkungen der Abschlußfreiheit haben ihren Grund entweder in der Monopolstellung gewisser Unternehmen oder in der Schutzbedürftigkeit bestimmter Personengruppen. So unterliegen Bahn und Post gemäß §§ 453 HGB; 3 PostG und 5 TelegrG dem Kontrahierungszwang für Bahn- und Postleistungen, die ihrer Natur nach Dienst- und Werkverträge sein können. Zugunsten von Schwerbeschädigten besteht die Möglichkeit zwangsweiser Zuweisung durch die Behörde an einen bestimmten Unternehmer, dem ein Dienstvertrag mit dem Schwerbeschädigten vorgeschrieben wird (Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag durch privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt; Sdiwerbeschädigtengesetz i. d. F. vom 14. 8.1961, BGBl. I, 1233).
ß) Die Einschränkungen der Inhaltsfreiheit bilden den Hauptinhalt des Arbeitsrechts. Sie haben ihren Grund in dem wirtschaftlichen und sozialen Schutzbedürfnis der meisten Dienstverpflichteten, insb. der gewerblichen Arbeiter. Die allgemeine Freiheit der Parteien, den Inhalt von Dienstverträgen zu bestimmen, wird durch Normen auf drei Stufen eingeschränkt: durch Gesetze, vornehmlich durch die sog. durch
Arbeitsschutzgesetze
Tarifverträge
durch die Betriebsverfassung 5. Gegenseitiger Vertrag Der Dienstvertrag ist gegenseitiger Vertrag, da die Dienste um des Lohnes willen und der Lohn wegen der Dienste versprochen werden. Die §§ 320—327 gelten (str.), sind jedoch den Besonderheiten des Dienstrechts anzupassen. Namentlich erleiden im Dienstrecht die §§ 320 ff. zwei bedeutsame Ausnahmen: (1) Nach ganz herrschender Meinung werden die Rücktrittsvorschriften durch das Kündigungsrecht verdrängt, und zwar auch schon für noch nicht in Vollzug gesetzte Arbeitsverhältnisse (letzteres str.). (2) Ferner unterliegen die Regeln der Unmöglichkeit und des Verzugs Besonderheiten aus dem Gesichtspunkt des Betriebsrisikos (zu beidem sogleich). 464
Dienstvertrag
§ 79 112
6.
Form
Als schuldreditlicher Vertrag ist der Dienstvertrag grundsätzlich formfrei. Eine wichtige Ausnahme ist die Schriftform des Ausbildungsvertrags nach § 4 des Berufsbildungsgesetzes vom 14. 8. 69 i. d. F. v. 12.3.71, BGBl. I 185. Ist Beurkundung, Sdiriftform oder eine andere Form, z. B. die Hingabe eines Angeldes in der Landwirtschaft, bedungen (dies kann sich audi aus der Ortsüblidikeit ergeben), so ist der Vertrag im Zweifel solange nicht geschlossen, bis die Form erfüllt ist, §§ 154 II (auch analog), 336—338. 7. Ist ein Arbeits- oder Dienstvertrag nicht wirksam zustandegekommen (insbesondere wegen Verstoßes gegen die §§ 134, 138, 125) oder mit ex-tuncWirkung angefochten ( 1 1 9 ff., 142), so wird vom Dienstherrn für die von ihm angenommene Arbeitsleistung im Grundsatz volles Arbeitsentgelt geschuldet. Zur Begründung dieses Ergebnisses bedarf es nicht der Anerkennung eines — statt auf Vertrag — auf Eingliederung oder Gemeinschaftsverhältnis beruhenden sog. „faktischen" Vertragsverhältnisses (oben § 18 I I 2 b), es reichen vielmehr die Bereicherungsvorschriften aus. Bereichert ist der Dienstherr um das volle Entgelt, das er bei wirksamem Vertrag hätte zahlen müssen. D i e Empfangnahme der Leistung hat bereits ein Treueverhältnis zwischen den Parteien begründet, das die Berufung auf § 818 I I I ausschließt, so daß es auf die K e n n t nis der Unwirksamkeit (819, 2 9 2 , 9 8 7 ff.) seitens des Dienstherrn nicht ankommt. Dieses Treueverhältnis ist jedoch dann nicht begründet worden, wenn der Dienstherr durch Täuschung des Dienstverpflichteten zur Anfechtung ( 1 2 3 ) berechtigt war, so daß die allgemeinen Regeln — 812 ff., aber auch c. i. c., 823 ff. — uneingeschränkt gelten, Ertnan-Kiichenhoff, § § 6 1 1 Anm. 3 I I d, c ; B A G E 7, 3 0 2 . Entsprechend will B G H Z 53, 152 bei gewerbeverbotswidrigem ( 1 3 4 ) Dienstvertrag dem Dienstverpflichteten einen Vergütungsanspruch geben, wenn er im Bezug auf die Gesetzesübertretung unschuldig war. Bei Verschulden oder mangelndem sozialem Schutzbedürfnis soll das nicht gelten. B G H Z 37, 2 5 8 . Aus Vertragsrecht läßt sich das alles schwer begründen. D e r obige Vorschlag (Nichtberufung auf § 818 I I I in den Treuefällen) erscheint überzeugender. //.
Besonderheiten
des
Dienstvertrags
1. D i e Dienstpflicht ist, ebenso wie der Anspruch auf die Dienste, höchstpersönlich, 6 1 3 . D e r Dienstverpflichtete kann nicht seinen Bruder zur Arbeit schicken; die Hausfrau darf ihr Dienstmädchen nicht ausleihen. § 6 1 3 ist abdingbar. — D e r Wechsel des Betriebsinhabers ist in § 6 1 3 a geregelt (vgl. oben § 59 V ) . 2. Zu den Pflichten
des Dienstverpflichteten
ist namentlich zu bemerken:
a) D e r Dienstverpflichtete schuldet die Verrichtung der vertragsgemäßen Dienste, nicht nur die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft (so aber Nikisch Bd. 1, S. 271, der mit Rücksicht auf die Lehre vom Betriebsrisiko zwischen Dienst- und Arbeitspflicht unterscheidet). Das folgt auch aus dem Gesetz, 6 1 1 . D e r Arbeitende ist dabei vorleistungspflichtig, 6 1 4 . D e r Lohn wird im Zweifel postnumerando bezahlt. 30
F i k e n t s c h e r ,
Schuldrecht, 4. A u f l a g e
465
§79 112
Dienstvertrag
b) Der Dienstverpflichtete schuldet neben der Arbeitsleistung die Treue- und Gehorsamspflicht, die der persönlich-sachlichen Stellung zur Arbeits- oder Betriebsstätte angemessen ist, 242; vgl. oben § 2 6 VII. Die Treuepflicht ist Hauptpflicht wie die Dienstleistungspflidit. Beispiele: Schonender Umgang mit Maschinen und Geräten, sparsame Verwendung von Material und Energiequellen, Beachtung der Unfallverhütungsvorschriften, insb. eines Rauchverbots. Vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbote für die Zeit nach Beendigung des Vertragsverhältnisses sind nur im Rahmen der §§ 74 ff. HGB, 133 f. G e w O wirksam. Darüber hinaus kann ein Wettbewerbsverbot nicht mehr auf, „nachwirkende Treuepflicht" gestützt werden. Eine wichtige Konkretisierung der Treuepflicht ist im Gesetz über Arbeitnehmererfindungen vom 2 5 . 7 . 1 9 6 7 (BGBl. I 756) enthalten. c) Der Dienstverpflichtete haftet für jede sdiuldhafte, auch leicht fahrlässige Verletzung seiner Dienst- und Treuepflichten aus Schlechterfüllung. Das Dienstrecht kennt keine gesetzliche Mängelhaftung. Darum ist die Lehre von der Schlechterfüllung (oben § 47) gerade bei den Hauptpflichten des Dienstvertrags von besonderer Bedeutung. a) Der Dienstverpflichtete haftet im Rahmen dieser Grundsätze auch für „Übernahme verschulden". Beispiele: Ein Elektro-Installateur, der weiß, daß er nicht schwindelfrei ist, bewirbt sich bei einer Stromleitungsgesellschaft, wo er, was er voraussehen muß, für Mastenarbeiten verwendet wird. Beim Montieren eines Stromkabels am Mast wird er schwindlig und verursacht dadurch einen Unfall. Er haftet der Gesellschaft aus fahrlässig (!) schlecht erfülltem Dienstvertrag, §§611; 325, 326 entspr.; 276. ß) Wichtig ist als Einschränkung des Gesagten die Rechtsprechung über die „schadensgeneigte Arbeit": In manchen Betrieben und bei vielen Beschäftigungen sind die Dienstverrichtungen ihrer Natur nach „schadensgeneigt", d. h. mit der Gefahr von Schädigungen des Dienstherrn oder anderer verbunden. Diese „erfahrungsgemäß typischen Arbeitsversehen" (Esser) sollen nicht allein den Arbeitenden, sondern auch den Dienstherrn treffen. Das ist bejaht worden vor allem für Chauffeure, Lastwagenfahrer, Baggerführer, Kassierer, ist aber auch anzuwenden auf Tellerwäscher, Glaser und andere Berufe, bei denen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge immer ein gewisser Prozentsatz des verwendeten Materials zu Verlust geht. Die Rechtsprechung zur „schadensgeneigten Arbeit" stützt sich vor allem auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (§§ 611, 242) und besagt zumindest dreierlei: — Der zu schadensgeneigter Arbeit Dienstverpflichtete braucht leicht fahrlässig verursachte Schädigungen des Dienstherrn diesem nur in dem Umfang zu ersetzen, wie es den Umständen des Einzelfalles, insb. der Gefährlichkeit der Arbeit, der Stellung, Erfahrung, Ausbildung des Arbeiters und dem Grad seiner Fahrlässigkeit entspricht. Das kann bis zum völligen Wegfall der Schadensersatzpflicht gehen (Schadensverlagerung trotz Vorliegens sämtlicher Merkmale eines Schadensersatzanspruchs), st. Rspr. seit RAG ARS 30, 1; vgl. aus jüngerer Zeit BGH N J W 59, 1003; BAGE 7, 298; BGHZ 16, 116; zum Fall, daß Arbeitnehmer Versicherungsschutz genießt BGH N J W 72, 440, Nach der abzulehnenden Auffassung des BGH soll dieser Grundsatz nur für Arbeitsverträge, nicht für Dienstverträge allgemein gelten, BGH NJW 63, 1100 mit ablehnen466
Dienstvertrag
§79 112
der Anm. Isele. Auch die Beweislastregel des § 282 ist bei sdiadensgeneigter Arbeit nicht zu Lasten des Arbeitnehmers anwendbar, BAG JZ 67, 179. — Werden gegen den Dienstverpflichteten in derartigen Fällen Ansprüche Dritter geltend gemacht, so muß der Dienstherr den Dienstverpflichteten nach den gleichen Grundsätzen von diesen Ansprüchen teilweise oder ganz freistellen (wichtig vor allem für Autounfälle von Betriebsangehörigen während der Arbeit, sog. „Freistellungsanspruch", BAG AP Nr. 4 zu §§ 898, 899 RVO, BAGE 14, 226). An sich bleibt also die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Dritten bestehen, doch muß sie dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber abgenommen werden, als ob sich die schädigende Handlung gegen ihn gerichtet hätte. — Ist der Dritte ein Arbeitskamerad des Schädigers, so entstand zunächst eine eigenartige Lücke. Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung über die „schadensgeneigte Arbeit" mußte der gemeinsame Dienstherr den Schaden des Arbeitskollegen teilweise oder ganz tragen. Andererseits soll nach §§ 898, 899 RVO der Arbeitgeber durch Beitragszahlung an die Berufsgenossenschaft von Schadensersatzansprüchen Betriebsangehöriger aus Betriebsunfällen gerade befreit werden. Nach BAG 5, 1; BGH 27, 62 galt in solchen Fällen: Ist die Schuld des bei sdiadensgeneigter Arbeit beschäftigten Schädigers „nicht schwer", haftet er dem verletzten Arbeitskollegen nicht, weder aus Vertrag, weil ein Vertrag zwischen beiden nicht besteht, noch aus unerlaubter Handlung, weil die Arbeit eben mit typischen Gefahren verbunden war und der Arbeiter seinen Kollegen deliktisch keine größere Sorgfalt schuldet als Dritten. § 637 RVO n. F. (v. 30. 4. 63) hat diese Rechtsprechung bestätigt und sogar noch erweitert. Fügen sich Arbeitskollegen des gleichen Betriebes durch einen nicht vorsätzlichen Arbeitsunfall Personenschäden zu, so ist der geschädigte Arbeitnehmer auf seine Ansprüche gegen die Unfallversicherung beschränkt. Der Schädiger haftet nicht. Auf eine Schadensgeneigtheit der Arbeit kommt es nicht einmal an. Es handelt sich um eine auffällige Einschränkung der §§ 823 ff. Sie ist weder als Rechtfertigungsgrund (so Schnorr v. Carolsfeld), noch als Entschuldigungsgrund (so Esser) zu deuten, sondern als gesetzliche Schadensverlagerung trotz Vorliegens der übrigen Tatbestandsmerkmale eines Schadensersatzanspruchs. Der Arbeitgeber haftet dem geschädigten Arbeitskollegen wegen § 636 RVO ebenfalls nicht, entgegen den sonstigen Grundsätzen der Schadenstragung bei schadensgeneigter Arbeit. Der verletzte Arbeitskollege ist vielmehr auf seinen Versicherungsanspruch gegen die Berufsunfallgenossenschaft angewiesen. Damit dürfte die Rechtsprechung überholt sein (BAG NJW 58, 411; BGH 27, 62), nach der der Schädiger dem Arbeitskollegen auch bei „nicht schwerer" Schuld haftet, wenn eine gesetzliche (Privat-)Haftpflichtversicherung oder eine sonstige rechtliche Regelung dem Schädiger seine Haftpflicht abnehmen würde. Diese Ausnahme war, entgegen Esser1 § 131, 7, zu rechtfertigen, da es sich bei den Problemen der schadensgeneigten Arbeit, wie ausgeführt, um die Verlagerung von Schadenshaftpflichten trotz Vorliegens sämtlicher Merkmale eines Schadensersatzanspruches handelt. Die gesetzliche Haftpflichtversicherung greift aber schon bei Vorliegen eines Schadensersatzanspruchs gegen den Schädiger ein. Erst im Zusammenhang damit, also erst nach Berücksichtigung einer eventuellen Haftpflichtversicherung, ist die Schadensverlagerung nach den Grundsätzen der „sdiadensgeneigten Arbeit" zu prüfen. Der Grundsatz „Privatversicherung geht vor Sozialversicherung" ist infolge der unterschiedlichen Anknüpfung der Versicherungsleistung rechtssystematisch abgesichert. Die Haftpflicht des Schädigers für Personenschäden ist aber nun durch § 637 RVO n. F. weggefallen. — Ist durch die Schadensgeneigtheit der Arbeit der Arbeitnehmer selbst zu Schaden gekommen, so haftet der Arbeitgeber doch nur im Falle eines Verschuldens
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Dienstvertrag
(BAG — Gr. Senat — N J W 62, 411 = SAE 62, 193 Anm. Larenz). Gemäß § 636 R V O soll der Arbeitgeber von Ansprüchen aus Arbeitsunfällen, soweit es sich um Personenschäden handelt, freigestellt sein, es sei denn, er habe den Unfall vorsätzlich herbeigeführt. Bei außergewöhnlichen Schäden will das BAG durch analoge Anwendung des § 670 helfen. Gegen die Begründung mit Recht Larenz a. a. O. und II 9 216.
Das Haftungsprivileg des Arbeitgebers nach § 636 RVO soll nach BGH N J W 67, 982 sogar den Ausgleichsanspruch des Zweitschädigers, der außerhalb des Betriebes steht, gegen den Unternehmer im Falle eines Arbeitsunfalles abschneiden. Entgegen der Auffassung des BGH ist jedoch das gesetzliche Haftungsprivileg des § 636 RVO dem beamtenrechtlichen und rechtsgeschäftlich vereinbarten gleidizubehandeln, also ein Ausgleichsanspruch entsprechend dem Verschulden des Unternehmers zu gewähren. Der Gesichtspunkt der Wahrung des Betriebsfriedens kann nicht zu Lasten eines Nichtbetriebsangehörigen verwandt werden. Ihren Standpunkt hat die Rspr. zumindest für die Fälle des Rückgriffs der Berufsgenossenschaft inzwischen eingeschränkt, zuletzt BGHZ 58, 355. 3. Zu den Vertragspflichten des Dienstherrn ist folgendes zu sagen: a) Der Dienstlohn ist postnumerando geschuldet (abdingbar), 611, 614. b) Als zweite Hauptpflicht trifft den Dienstherrn die Fürsorgepflicht, 611, 242. Ihre nähere Aufgliederung gehört ins Arbeitsrecht. Das BGB enthält eine wichtige, in den weiten Bereich der Fürsorgepflicht gehörende Vorschrift, § 618: Danach muß der Dienstbereditigte die Räume, Vorrichtungen, Gerätschaften und die Betriebsorganisation („Dienstleistungen") so einrichten, daß Gefahren für Leib und Gesundheit des Dienstverpflichteten möglichst vermieden werden. Bei in die häusliche Gemeinschaft aufgenommenen Dienstpflichtigen erstreckt sich die Fürsorgepflicht auch auf Sicherung der Erholungszeit und die Rücksicht auf die Religion und sittlichen Schutz des Verpflichteten, 618 II. Bei Verletzung dieser Pflichten finden deliktische Schadensberechnungsvorschriften Anwendung (842—846), 618 III. § 618 ist nicht abdingbar, 619; BGHZ 26, 365. c) Der Dienstberechtigte muß — kraft der Fürsorgepflicht — Urlaub gewähren, 611, 242. Näheres bestimmen nicht das BGB, sondern vor allem das Bundesurlaubsgesetz v. 8.1. 1963 (BGBl. I 2) und die Tarifverträge. Sonderregelungen enthalten ferner das Schwerbeschädigtengesetz und das Jugendschutzgesetz. Daneben haben die Urlaubsgesetze der Länder nur noch geringe Bedeutung. Auch ein Ruhegeldanspruch kann im Einzelfall aus der Fürsorgepflicht abgeleitet werden, BGHZ 12, 337. d) Der Dienstberechtigte hat, rein schuldrechtlich betrachtet, nicht die Pflicht, die angebotenen Dienste anzunehmen. Ein Recht auf Arbeit besteht bundesrechtlich auch weder auf Verfassungs- noch auf Gesetzesebene, BGHZ 8, 45, str. Doch folgt aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, daß er einen Arbeitnehmer beschäftigen muß, wenn ihm dies möglich und zumutbar ist. Ein allgemeiner Beschäftigungsanspruch ist daher (mit der neueren Lehre, BAG AP 2 zu §611 BGB) in diesem Rahmen zu bejahen. Ein besonderes Recht auf Beschäftigtwerden kann sich überdies aus drei Gründen ergeben: 468
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a) wenn es vertraglich ausdrücklich oder stillschweigend bedungen ist; ß) aus der Natur des Vertrags, z. B. bei einem Lehrvertrag oder einem sonstigen auf Ausbildung gerichteten Vertrag; y) aus spezieller Fürsorgepflicht, wenn der Dienstverpflichtete zur Erhaltung seines Könnens oder seiner Verdienstfähigkeit auf regelmäßige Beschäftigung angewiesen ist (z. B. bei Künstlern), oder wenn die Beschäftigung aus einem andern persönlichen Grund (Erhaltung der körperlichen oder geistigen Gesundheit) geboten ist. e) Den Arbeitgeber trifft eine Pflicht zur grundsätzlichen Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer. Dieser Anspruch gründet sich zumindest auf die Fürsorgepflicht, doch drückt sich in ihm auch ein ganz allgemeines Gerechtigkeitsprinzip aus (Götz Hueck: Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958). Läßt daß Recht dem Arbeitgeber einen Entscheidungsspielraum, so muß er bei der Behandlung der Arbeitnehmer gleiche Maßstäbe anwenden und darf nur sachlich gerechtfertigte Unterschiede machen. Man kann drei Anwendungsfälle unterscheiden: — Vergünstigungen (wie zusätzlicher Urlaub, Weihnachtsgeld, Benutzung der Bibliothek, des Fabrikkindergartens usw.) müssen gleichmäßig verteilt werden. Sachliche Unterschiede sind aber z. B. Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, BGHZ 3, 248. — Benachteiligungen müssen gleichmäßig treffen (Torkontrollen müssen z. B. grundsätzlich Arbeiter und Angestellte erfassen. Aber: das Rauchverbot braucht nicht auf nichtbrandgefährdete Teile ausgedehnt zu werden). — „Wertneutrale" Organisationsbestimmungen müssen gleichmäßige Maßstäbe anwenden (Arbeitswege, Benutzung von Fabrikomnibussen, Benutzung der Stempeluhren). 4. Für Leistungsstörungen gelten grundsätzlich die allgemeinen Regeln, allerdings angepaßt an das Wesen des Dienstvertrags als Dauerschuldverhältnis über menschliche Arbeit (zu der diesbezüglichen Streitfrage oben I 4). Das bedeutet für die Pflicht zur Dienstleistung im einzelnen (hinsichtlich der Lohnzahlungspflicht gilt nichts Besonderes): Es ist nadi herrschender Meinung (a. A. Esser2 §131, 2) zwischen Dienstverträgen nach BGB und Arbeitsverträgen zu unterscheiden (zu dieser Unterscheidung oben 11 c). Auf Dienstverträge mit Ausnahme der Arbeitsverträge sollen die § § 2 7 5 ff., 320 ff. Anwendung finden, soweit die §§611 ff. Besonderheiten vorsehen. Insbesondere gelten die §§ 323, 615 über beiderseits unverschuldete Unmöglichkeit und Annahmeverzug, BGHZ 10, 187. Bei Arbeitsverträgen wendet die herrschende Meinung statt der angeblich nicht passenden Verzugs- und Unmöglidikeitsregeln der §§ 323, 615 die „Sphärentheorie" zur Verteilung des „Betriebsrisikos" an. Danach gehören zum Arbeitgeberrisiko Störungen in der Einsatzfähigkeit des Betriebs und seiner Mittel, Rohstoffe, Kraftquellen. Kommt es durch deren Fehlen nicht zur Dienstverrichtung, bleibt der Arbeitgeber lohnpflichtig. Das gleiche gilt für be-
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triebszugehörige und daher in die Arbeitgebersphäre fallende Störungen wie Absaufen einer Baugrube, Explosion in einer SprengstofFabrik, polizeiliches Verbot einer Aufführung. Zur Risikosphäre der Arbeitnehmer gehören Streiks und andere von der Arbeiterseite ausgehende Hindernisse wie Sabotageakte und ähnliche Gewalttätigkeiten. Hierzu hat das R G in der berühmten Entscheidung 106, 272, in welcher die Sphärentheorie zum ersten Mal angewandt wurde, den Grundsatz aufgestellt, daß beim Teilstreik auch den Arbeitswilligen kein Lohnanspruch zusteht, wenn durch den Teilstreik ihrer Kollegen nicht gearbeitet werden kann; hiergegen Nipperdey bei Hueck-Nipperdey«, Band II, S. 617, der dem Arbeitgeber als Lohnzahlungsrisiko aufbürden will, falls er nicht von seinem Aussperrungsrecht gegen die NichtStreikenden Gebrauch macht, dazu BAGE 1, 291 ff. und, gegen Nipperdey, BAG AP 2 zu § 615 BGB Betriebsrisiko. Im gleichen Sinne BAG AP 4 zu § 615 Betriebsrisiko, BAG BB 57, 365, 965. Zum gemeinsamen Risiko zählen nach dieser arbeitsrechtlichen Lehre Fälle höherer Gewalt wie allgemeine Naturkatastrophen, Hochflutüberschwemmungen, Kriegseinwirkungen, politische Kampfmaßnahmen (BGHZ 14, 347) und sonstige betriebsfremde, von außen kommende Störungen: Der Arbeitgeber braucht keinen Lohn zu zahlen. In neuerer Zeit mehren sich Zweifel an der Notwendigkeit und Richtigkeit der Sphärentheorie. Alles kommt nämlich darauf an, wie man die Risiken verteilt, und dabei tritt keine größere Sicherheit zutage als bei der Auslegung des Begriffs „Unmöglichkeit der Arbeitsleistung". Im Grunde ist die Sphärentheorie nichts anderes als eine Umschreibung und Auslegungsweise des Unmöglichkeitsbegriffs in § 323 und des Annahmeverzugsbegriffs in § 615. Der Grundgedanke dieser beiden Vorschriften wird durch die Sphärentheorie eher verwirklicht als ersetzt: Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer beide die Dienstleistung nicht vonstatten gehen lassen können, auch wenn sie es vielleicht wollen, weil ein den Vertragszweck vereitelndes Ereignis von außen eintritt, liegen Unmöglichkeit und Befreiung des Arbeitgebers von der Lohnzahlungspflicht vor. Wollen dagegen und können auch die Arbeitnehmer arbeiten, und nur der Arbeitgeber will oder kann nicht die Dienstleistung annehmen, ist er im Gläubigerverzug, der nach § 615 die Lohnzahlungspflicht (ausnahmsweise bei Dienstverträgen) fortbestehen läßt. In der Unterscheidung von Unmöglichkeit und Annahmeverzug liegt beim Dauerschuldverhältnis notwendig eine Aufteilung der Hinderungsgründe in die Sphären von Gläubiger und Schuldner. Die Lehre von den Leistungsstörungen läßt sich daher auch bei Dienst- und Arbeitsvertrag einheitlich darstellen, wobei die Sphärentheorie zur Auslegung der Unmöglichkeits- und Verzugsbegriffe verwendet werden kann. Das ergibt (im Schema der Leistungsstörungen) : a) Dienstverträge über anfänglich ug, 306.
objektiv
unmögliche
Leistungen sind nidl-
Um 11 Uhr wirbt A drei Tagelöhner zur Aberntung seines Obstgartens an. Um 10 Uhr hatte ein Hagelwetter die Ernte vollständig vernichtet. Wegen des Auslagenersatzes für die Anreisekosten hilft nur eine Analogie zu § 304, denn die Nichtigkeit steht direkter Anwendung im Weg, i. ü. siehe § 307. b) Bei Verträgen über anfänglich subjektiv unmögliche Dienstleistungen haftet der Dienstpflichtige ohne Verschulden auf Schadensersatz, Umkehrschluß zu §§ 306, 307, entspr. §§ 437, 4 4 0 I, 325, 326. Man muß sein eigenes Leistungs-
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vermögen kennen, daher die Garantiehaftung, vgl. oben § 4 3 I I I . Soweit die Dienstleistung teilweise möglidi ist, bleibt der Lohnanspruch arg. § 323 1 2 bestehen, doch kann sich der Gläubiger nadi § 3 2 5 I 2 vom Vertrag lösen. Ein nahezu Blinder läßt sich auf einem Posten einstellen, für den einwandfreie Augen unerläßlich sind (Einflieger, Förster im Walddienst usw.). Ein nicht schwindelfreier Werkstudent bewirbt sich bei einem Antennenreparaturdienst. c) Nachträgliche Unmöglichkeit (objektive und subjektive, 2 7 5 II) der Dienstleistung führt zunächst zum Wegfall der Leistungs- und der Gegenleistungspflicht, §§ 2 7 5 I, 3 2 3 I. Unmöglich geworden ist eine Dienstleistung — nadi dem Gesagten — aber nicht schon dann, wenn irgendein Umstand die Dienstleistung verhindert. Da die von keiner Seite zu vertretende Unmöglichkeit zum Wegfall audi der Lohnzahlungspflicht führt, und bei Dauerschuldverhältnissen wegen des Zeitfaktors nicht rechtzeitig geleistete oder angenommene Dienste dadurch auch unmöglich werden, bedarf der Unmöglidikeitsbegriff bei Dauerschuldverhältnissen einengender Auslegung. „Unmöglich geworden" ist eine Dienstleistung erst dann, wenn ein seiner allgemeinen N a t u r nach von außen kommendes, in die Sdiutzvorkehrungen der Vertragsteile üblicherweise nidit eingeplantes Ereignis beide Seiten hindert, die Dienste zu leisten und anzunehmen. Das Ereignis muß beide Sphären betreffen, die des Dienstherrn und des Dienstverpflichteten; und es darf, da es in § 323 um den Wegfall der Lohnzahlungspflicht geht, nicht aus der Sphäre des Dienstherrn kommen. a) Wird ein solches Unmöglichwerden vom Dienstherrn er zur Lohnzahlung verpflichtet, 3 2 4 I.
verschuldet,
bleibt
Ein Fuhrunternehmer stellt einen LKW-Fahrer auf ein Jahr fest ein. Dann verkauft er seinen LKW und zieht sich ins Privatleben zurück. — Siehe aber § 324 I 2 wegen der freigewordenen Arbeitskraft des Fahrers!' Verschuldet der Dienstherr einen Unfall, so nimmt ihm die Sozialversicherung grundsätzlich die Schadensersatzpflidit ab, § 636 R V O i. d. F. v. 30. 4.1963 (BGBl. I 241). Der Unternehmer haftet direkt nur bei Vorsatz, oder wenn der Unfall bei Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist. Von vorsätzlich oder grob fahrlässig handelnden Unternehmern verlangt der Träger der Sozialversicherung Zahlung im Regreßwege, § 640 RVO. ß) Verschuldet der Dienstpflichtige die Unmöglichkeit, bekommt er keinen Lohn und ist überdies ersatzpflichtig, 325. Bei einem Aufruhr äschern Arbeiter die Fabrik ein. Das Rücktrittsrecht ist aber durch die Kündigungsvorsdiriften ausgeschlossen, §§ 325, 327, 3 4 6 ff., 6 2 6 (durchaus herrschende Meinung). y) Im Vordergrund stehen aber die Fälle beiderseits unverschuldeter Unmöglichkeit. Sie befreien den Dienstpflichtigen von der Dienstleistungspflicht, 275, und den Dienstherrn von der Lohnzahlungspflicht, 3 2 3 I. 471
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Hierher zählen die Fälle „gemeinsamen Betriebsrisikos'' nach der Sphärentheorie: Allgemeine Naturkatastrophen, Überschwemmungen nach A r t der Hamburger Flutwelle, Kriegseinwirkungen. Hierher zählen aber auch die Teilstreiks (str.), die — z. B. durch Streikpostenketten — Dienstherrn und Arbeitswillige an der Fortführung der Arbeit hindern. Für beide kommt das Ereignis von außen. Es stammt nicht aus der Sphäre des Dienstberechtigten. D a ß die Unmöglichkeit vorübergehend sein kann, ändert nichts an ihrem zeitweiligen Vorliegen (Umkehrschluß aus § 308). Lohn ist nicht geschuldet, 323 I. Einer Aussperrung (die die Lage nur komplizieren würde) bedarf es nicht; sie wäre aber zulässig, B A G E — Großer Senat — 1, 291. Handelt es sich dagegen um einen Teilstreik ohne Streikpostenketten, bei dem ein für die notdürftige Fortsetzung der Arbeit ausreichender Teil der Belegschaft den Betrieb betreten will und kann, läßt aber der Arbeitgeber nicht arbeiten, weil ihn der Teilstreik erbittert hat, oder weil ohnehin wenig Aufträge vorliegen, oder weil er die Teilarbeit nicht für rentabel genug hält, so liegt keine Unmöglichkeit vor (die Dienstleistung könnte erbracht werden!), sondern Annahmeverzug, der zur Lohnzahlung verpflichtet, 615, dazu unten e). Der Arbeitgeber könnte aber aussperren und ist dann nicht mehr lohnzahlungspflichtig. Von der Regel des § 323 bestehen zwei bedeutsame dienstvertragsreditliche Ausnahmen: Nach § 6 1 6 1 geht der Lohnansprudi dadurch nicht verloren, daß der Dienstverpflichtete für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durdi einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. (Die Einschränkung in § 6 1 6 1 2 steht zu § 189 RVO, wonach der Anspruch auf Krankenund Hausgeld ruht, soweit Arbeitsentgelt geleistet wird, in teilweisem Widerspruch. Beide Vorschriften sind aber durch das Lohnfortzahlungsgesetz vom 27. 7. 69 ohne große praktische Bedeutung.) Der Dienstherr soll sich dem Grundsatz nach an den „Wechselfällen des Schicksals" (Esser) in angemessenem Umfang beteiligen. „In der Person liegende, nicht auf Verschulden beruhende Gründe" sind beispielsweise: Krankheit, Unfall, Polioimpfung, Tod eines nahen Angehörigen, Zugverspätung, nicht dagegen Landestrauer (kein persönlicher Grund) und „blauer Montag" (verschuldet). Für die Frage, ob die Zeit „nicht erheblich" ist, kommt es auf alle Umstände, insbesondere aber auf das Verhältnis der Zeit der Verhinderung zur Dauer des Dienstverhältnisses an. Ist die Verhinderung erheblich, wird nicht etwa für einen „nicht erheblichen Teil" Lohn geschuldet (anders BAG AP Nr. 2 zu § 6 1 6 BGB), sondern keiner, 320—323. — Der wichtigste Fall des § 616 I war früher eigene Krankheit des Dienstverpflichteten. Heute gilt für die meisten Arbeitnehmergruppen (günstigeres) Sonderrecht: Arbeiter im Sinne des Lohnfortzahlungsgesetzes v. 2 7 . 7 . 1 9 6 9 (BGBl. I 946): §616111 i. V. m. §§ 1—7, 9 des Gesetzes gewährt bis zur Dauer von sechs Wochen das volle Arbeitsentgelt bei regelmäßiger Arbeitszeit. Gem. § 4 des Gesetzes gehen Schadensersatzansprüche des Arbeiters gegen Dritte wegen des Verdienstausfalles auf den Arbeitgeber über, und zwar in Höhe des vom Arbeitgeber weitergezahlten Entgelts einschließlich des Arbeitgeberanteils zur Sozialversicherung; kaufmännische Angestellte: §§616 11; 63 HGB; gewerbliche Angestellte: § § 6 1 6 1 1 unabdingbar, BGHZ 7, 30; 133 c GewO. Hat der Dienstverpflichtete für die Zeit, in der er vom Arbeitgeber nach § 616 Lohn erhält, Ansprüche auf Schadensersatz gegen Dritte, z. B. aus einem
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Verkehrsunfall, so muß der Dienstverpflichtete diese Ansprüche, soweit sie nicht schon nadi § 4 Lohnfortzahlungsgesetz von Gesetzes wegen auf den Arbeitgeber übergehen (412), gem. § 255 analog an den Arbeitgeber abtreten, oder wenn er sie selbst eingezogen hat, sich anrechnen lassen, BGHZ 7, 49; B G H N J W 54, 1153. Siehe auch BAGE 8, 314; Isele, JuS 61, 87. Zur Nichtanrechnung der Lohnzahlung zugunsten des Schädigers im Wege der Vorteilsausgleichung siehe oben § 55 V und B G H Z 21, 112: Stehen einem körperlich geschädigten und deshalb arbeitsunfähigen Arbeitnehmer Ansprüche gegen seinen Arbeitgeber auf Fortzahlung der Arbeitsvergütung nadi § 616 BGB, § 63 H G B oder § 133 c Abs. 2 GewO zu, so wird hierdurch die Schadensersatzpflicht des verantwortlichen Schädigers nicht berührt. Der Arbeitnehmer, dem der Lohn fortbezahlt wird, erleidet einen „normativen" Schaden, dessen Ersatz er vom Schädiger verlangen kann. Damit steht ein abtretbarer Anspruch zur Verfügung, B G H Z 43, 378; 42, 76; 21, 112, 119; insoweit gegen 7, 30, 53; vgl. Palandt-Putzo, § 616, 4; Kollhosser, AcP 166 (1966) 277. Die zweite Ausnahme vom Grundsatz des § 323 enthält § 617. Bei einem für längere Zeit vereinbarten oder unbefristet auf längere Zeit angelegten Dienstverhältnis, das den Verpflichteten der häuslichen Gemeinschaft des Dienstherrn einfügt, muß der Dienstherr im Falle der Erkrankung Verpflegung und ärztliche Behandlung für 6 Wochen gewähren (nicht abdingbar, 619).
d) Gerät der Dienstpflichtige mit der Leistung der Dienste in Verzug, § 326 mit Ausnahme des Rücktrittsrechts des Dienstbereditigten, 326, 346 ff. Es wird durch die Kündigungsvorschriften ersetzt. Leistungsverzug nur ein, solange die Leistung noch möglich ist. Er setzt Verschulden voraus,
gilt 327, tritt 285.
Der gegen Monatspauschale für eine Firma tätige Steuerberater stellt die Steuererklärungen nicht rechtzeitig fertig. Er haftetet der Firma für die Mahnzuschläge und Verzugsgebühren, die das Finanzamt berechnet, 286, 675, 611, 285.
e) Die zumindest theoretisch wichtigste Leistungsstörung im Dienstvertrag ist der Annahmeverzug des Dienstberechtigten, 615. Während sonst der Annahmeverzug die Gegenleistungsgefahr nicht berührt und nur die Leistungsgefahr (nämlich bei noch nicht konkretisierten Gattungsschulden) auf den Gläubiger übergehen läßt (§ 300 II), bewirkt im Dienstvertrag der Annnahmeverzug des Dienstherrn ausnahmsweise und entgegen § 323 die Pflicht zur Lohnzahlung, also eine Art Verlagerung der Gegenleistungsgefahr, wenn man einmal die Gefahrbegriffe von den Unmöglichkeits- auf die Verzugsregeln übertragen will. § 615 steht damit in einer Linie mit § 324 II. Nun bedeutet, wie ausgeführt, im Dauerschuldverhältnis wegen der Erbringung der Leistung in der Zeit Verzug zugleich Unmöglichkeit in einem weiteren Sinne (vgl. den Sprachsinn!). Denn nicht geleistete oder nicht angenommene Arbeit kann jedenfalls in der Zeit, in der sie hätte geleistet werden sollen, nie mehr getan werden. Das führte oben II 4 c zu der einschränkenden Auslegung des Unmöglichkeitsbegriffs im Dienstvertragsrecht. Es führt aber auch in § 615 zu einer Haftung des Dienstherrn auf Lohn für nichtgeleistete Arbeit, deren Nichtleistung und Unwiederholbarkeit er nicht verschuldet hat. Denn Annahmeverzug setzt kein Verschulden des Gläubigers voraus, 293 ff., arg. S 299. Während nach § 324 I ein Gläubiger nur dann trotz Unmöglichkeit 473
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der Leistung auf das Entgelt haftet, wenn er die Unmöglichkeit verschuldet hat, schuldet der Dienstherr in derartigen Fällen (wegen des Zusammenfallens von Verzug und Unmöglichkeit im weiteren, üblichen Sinne) den Lohn auch, wenn er die Nichtleistung und Unwiederholbarkeit der Arbeit nidtt verschuldet hat. Hieran ist zu denken, wenn es darum geht, den Begriff des Annahmeverzugs in § 615 zu bestimmen und von der Unmöglichkeit abzugrenzen, die gemäß § 323 von der Lohnzahlungspflicht befreit. Unter § 615 fallen also diejenigen Fälle verhinderter Erbringung der Dienstleistung, in denen die Dienstpflichtigen zwar leisten wollen und, das Hindernis hinweggedacht, auch könnten, wo aber der Dienstberechtigte entweder die Dienste nicht annehmen will, oder, aus einem in seiner Sphäre liegenden Grunde, verschuldet oder unverschuldet, nicht annehmen kann. Die Fälle des Nichtkönnens werden von der „Sphärentheorie" dem Unternehmerrisiko zugerechnet, BGHZ 24, 96; BAG DB 69, 446. Der Gastwirt schickt den für Sonntag bestellten Aushilfskellner wieder nach Hause, weil es regnet und keine Gäste kommen. — Die Bauarbeiter können nicht anfangen, weil der Schlüssel zur Bauhütte verloren ist. — Die Aufträge gehen zurück, Personal wird ausgestellt. — Die mangelnde Kohlen-, Strom-, Wasserversorgung legt den Betrieb lahm. — (Bei Wirtschaftskrisen allgemeiner Art liegt allerdings Unmöglichkeit vor, siehe oben I I 4 y, 323.) — Audi betriebstypische Unglücksfälle zählen hierher: Umkippen eines Krans, Absaufen eines Bergwerks, einer Ziegelei, einer Baugrube, polizeiliches Verbot einer Aufführung, Explosion in der Sprengstofffabrik, i. d. R. Kurzschlußbrände, Blitzschläge. — Zurückweisung Arbeitswilliger beim Teilstreik, wenn Weiterarbeit physisch möglich und wirtschaftlich vielleicht unrentabel, aber nicht geradezu sinnlos ist (oben II 4 c y). f) Wird die Arbeit zeitlich richtig, aber qualitativ schlccht geleistet, liegt Scblechterfüllung vor, die im Verschuldensfall den Dienstherrn zum Schadensersatz berechtigt (siehe aber oben zur „schadensgeneigten Arbeit".) 5. Die Beendigung des Dienstvertrags ist im BGB in den §§ 620—629 geregelt. Hinzu treten arbeitsrechtliche Vorschriften. a) Befristete Dienstverhältnisse enden mit Ablauf der Frist, 620 I. Ist die Frist länger als 5 Jahre oder gleich der Lebenszeit, so kann nach fünf Jahren mit 6-monatiger Frist gekündigt werden (zwingend), 624. Wird ein befristetes Dienstverhältnis stillschweigend fortgesetzt, so gilt es als auf unbestimmte Zeit verlängert, 625. b) Im übrigen enden Dienstverhältnisse durch Kündigung, 620 II, die befristet oder fristlos sein kann. Daneben bleibt immer die Möglichkeit eines AufhebungsVertrags, 305. a) Die fristlose (außerordentliche) Kündigung ist — beiderseits — zulässig bei wichtigem Grund (§ 626). Zum Begriff und zur Bedeutung des wichtigen 474
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Grundes siehe oben § 74 I I I 4 beim Mietvertrag. § 626 definiert den wichtigen Grund als das Vorliegen von Tatsachen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Verschulden ist zwar häufig im Spiel, aber nicht erforderlich. Bei nichtarbeitsreditlichen Dienstverhältnissen, die ein besonderes Vertrauen in den Dienstverpflichteten zum Inhalt haben, setzt die außerordentliche Kündigung keinen wichtigen Grund voraus. Der Verpflichtete darf aber nicht zur Unzeit kündigen, andernfalls ist er ersatzpflichtig, 627. Der Dienstpflichtige kann z. B. fristlos kündigen, wenn ihn der Dienstherr beleidigt oder tätlich angegriffen oder zu Unrecht bei der Staatsanwaltschaft angezeigt hat; Heirat eines weiblichen Dienstverpflichteten berechtigt grundsätzlich nicht zur fristlosen Kündigung, noch weniger die eines männlichen. Der Dienstherr kann z. B. kündigen bei einer gegen ihn gerichteten Straftat des Dienstpflichtigen, etwa einer Veruntreuung von Geldern, auch bei dringendem Verdacht einer solchen (problematisch); wenn er sich dem Trunk ergibt; wenn er sich beharrlich und ohne Grund weigert, seiner Dienstleistungspflicht nachzukommen usw. Schwangerschaft und Verheiratung des Dienstpflichtigen ist in aller Regel kein Grund zu fristloser Kündigung (siehe auch Mutterschutzgesetz v. 2 4 . 1 . 1 9 5 2 , BGBl. I 69), ebensowenig eine unbegründete Mißbeliebigkeit eines leitenden Angestellten bei der Belegschaft, vgl. BGHZ 34, 392. Eigenes Unrecht hindert in der Regel das Recht zur fristlosen Kündigung, BGHZ 44, 271. Für die Abwicklung enthält § 628 ergänzende Bestimmungen, insb. in Abs. 2 eine Schadenersatzregelung, die neben die §§ 325, 326 tritt, str. Audi hier steht eigenes Unrecht dem Anspruch im Wege, BGH a. a. O. ß) Zur Berechnung der befristeten (ordentlichen) Kündigung gibt § 621 bei Dienstverhältnissen, die nicht Arbeitsverhältnisse im Sinne des § 622 sind, Regeln nachgiebigen Rechts, wobei der Entlohnungszeitraum den Maßstab bildet. Diese Vorschriften gelten z. B. für Hauslehrer und Privatchauffeure. Wesentlich wichtiger ist § 622, wo Kündigungsfristen für Arbeitsverhältnisse im Sinne des Arbeitsrechts geregelt sind (seit dem 1. Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz v. 14. 8. 69, BGBl. I 1106). Für Angestellte gelten sechs Wochen bis zum Vierteljahresende, für Arbeiter grundsätzlich zwei Wochen. Die Kündigungsfrist für Arbeiter erhöht sich mit der Länge seiner Beschäftigungsdauer bis auf drei Monate zum Vierteljahresende. Die Fristen können in bestimmten Grenzen einzel- und tarifvertraglich geändert werden, 622 I, III, IV, V. Das arbeitsrechtliche Sonderrecht der Kündigungsfristen, z. B. §§ 66—72 HGB, ist durch das 1. Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz aufgehoben worden. Bei höheren Diensten mit Vertrauensstellung ohne dauernde Beschäftigung (z. B. Steuerberater 475
§80
Werkvertrag. Werklieferungsvertrag
mit Monatspausdiale) kann grundsätzlich jederzeit gekündigt werden, 627, 628. Nach der Kündigung eines dauernden Dienstverhältnisses muß der Dienstverpflichtete Gelegenheit zum Aufsuchen einer neuen Stelle innerhalb der Arbeitszeit erhalten, 629. Die sog. „Änderungskündigung" will nicht das Dienstverhältnis als ganzes beenden, sondern einseitig eine Änderung der Arbeitsbedingungen, praktisch immer zum Nachteil des Partners, herbeiführen. Es gelten daher die Fristen wie für die normale Kündigung und alle Beschränkungen des Kündigungsrechts. Wenn sich der Partner auf die angebotene Änderung nicht einläßt, endet mit Ablauf der Frist das ganze Dienstverhältnis. y) Arbeitsrechtliche Sonderbestimmungen über die Kündigung gehen den §§ 620 ff. vor und ergänzen sie vielfach. Sie beschränken grundsätzlich nur die ordentliche Kündigung durch den Dienstherrn, nicht die außerordentliche aus wichtigem Grund. Vgl. z. B. Kündigungsschutzgesetz vom 10. 8. 1951, BGBl. I 499; Schwerbeschädigtengesetz i. d. F. vom 14. 8.1961, BGBl. I 1233; Mutterschutzgesetz vom 24. 1. 1952, BGBl. I 69. c) Der Dienstpflichtige eines dauernden Dienstverhältnisses hat Ansprud) auf ein schriftliches Zeugnis, 630. Es muß sich auf Verlangen über Führung und Leistung des Verpflichteten, in jedem Fall aber über die Äußerlichkeiten und die Dauer des Verhältnisses äußern, 630 S. 1, 2. d) Für arbeitsrechtliche Streitigkeiten sind die Arbeitsgerichte zuständig, ArbGG. §80
Werkvertrag. Werklieferungsvertrag Beuthien, BB 62, 983; Bindhardt, Die Haftung des Architekten, 1966; Dochnahl, Iherjb. 48, 241; Ehrenberg, Iherjb. 27, 253; Einfeld, BB 67, 147; Emmerich, Kauf- und Werklieferungsvertrag, 1899; Eplinius, Der Bauvertrag, 1940; Erman, JZ 65, 657; Flohn, AcP 161, 31; Fuchs, M D R 66, 9; Grimm, N J W 68, 14; Henle, Grenzbestimmung zwischen Kauf- und Werkvertrag nadi allgemeinen Grundsätzen und nach gemeinem Rechte, 1902; Henke, AcP 161, 1; Hofmann, M D R 63, 717; Korintenberg, Erfüllung und Gewährleistung beim Werkvertrag, 1935; ders., Der Mängelbeseitigungsanspruch und der Anspruch auf Neuherstellung beim Werkvertrag, 1927; Laufs-Schwenger, N J W 70, 1817; Lehmann, D J Z 1902, 491; Levy, Die Gewährleistung für Mängel beim Werkvertrag, 1903; Locher, H„ N J W 65, 1696; Lübtow, v„ Die Struktur der Pfandrechte und Reallasten, in: Das deutsche Privatredit in der Mitte des 20. Jahrhunderts, Festschrift f. H. Lehmann, Bd. I, 1956, 328; Moos, N J W 61, 197; Oberloskamp, Die Abnahmepflicht nach BGB, 1905; Oertmann, Recht 1920,153; ders., LZ 1914, 513; ders., DJZ 1914, 278; Rentner, Grudiot 56, 492; Petri, AcP 109, 202; Riezler, Der Werkvertrag nach dem BGB, 1900; Rümelin, Dienstvertrag und Werkvertrag, 1905; Schmalzl, N J W 65, 129; ders., N J W 67, 10; Schmidt, H.-W., N J W 66, 1494; Selb, N J W 64, 18; Striebinger, Begriff der Abnahme beim Kauf- und Werkvertrag, 1906; Tschernitschek, N J W 63, 1133; Weyer, N J W 67, 1998; Wittich, Grudiot 49, 276.
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Werkvertrag. Werklieferungsvertrag
I. Begriff und
§80 14
Wesen
1. Der Werkvertrag ist der gegenseitige Vertrag, durch den sich der eine Teil (Unternehmer) zur Herstellung eines Werks verpflichtet, während der andere Teil (Besteller) die Entrichtung einer Vergütung verspricht. 2. „Herstellung eines Werks" bedeutet Herbeiführung eines Erfolgs, 631 II, wobei der Unternehmer die Gefahr für das Gelingen übernimmt (RG H R R 37 Nr. 551). Zur Unterscheidung vom Dienstvertrag siehe oben § 791. Der Unternehmer ist sozial unabhängig und in der Regel wirtschaftlich selbständig. 3. Ursprünglich hat der Werkvertrag seine Hauptbedeutung für die Handwerker: Herstellung eines Bauwerks, eines Geräts, eines Gebraudisgegenstandes (Anzug, Schuhe), Veränderung und Ausbesserung von Sachen. — Dazu wurde er der Vertrag der meisten freischaffenden Künstler (Malen eines Bildes, Herstellung eines Drehbudis, einer Reklame). — Im industriellen Bereich traten hinzu: Brücken-, Schiffs-, Stauwerksbau. Sind allerdings die Materialien vom Unternehmer zu beschaffen, so liegt ein Werklieferungsvertrag vor, 651 (dazu unten III). — Audi geistige oder organisatorische Produkte können Inhalt des Werkvertrags sein: Gutachten, Reportage, Steuerberatung, Theateraufführung, Beförderung von Gütern oder Personen. Allerdings handelt es sich bei „selbständiger Tätigkeit wirtschaftlicher Art für einen andern und in dessen Interesse" um eine Geschäftsbesorgung, für die zusätzlich Auftragsregeln gelten, 675. — Liegen die herbeizuführenden Erfolge im kaufmännischen Bereidi, so wird das Recht des Werkvertrags ergänzt durch handelsrechtliche Bestimmungen (Verträge des Handelsmäklers, 93 ff. H G B ; Kommissionsgeschäft, 383 ff. H G B ; Speditionsgeschäft, 407 ff. H G B ; Frachtgeschäft, 425 ff. H G B ; Beförderungsverträge, z . B . der Eisenbahn, 453ff. HGB und Eisenbahnverkehrsordnung). Soweit das Handelsrecht keine Sonderregeln bietet, gilt Werkvertragsrecht. — Audi im BGB besteht Sonderrecht zum Recht des Dienst- und Werkvertrags: Geschäftsbesorgung, 675; bürgerlich-rechtlicher Mäklervertrag, 652 ff.; Verwahrung, 688 ff. — Einen Werkvertrag regelt auch das Verlagsgesetz v. 19. 6. 01, RGBl. 217. 4. Im Einzelfall ist genau darauf zu achten, was der vereinbarte Inhalt der Pflicht zur Herbeiführung des Erfolgs ist: Manchmal übernimmt der Unternehmer das Risiko dafür, daß der Erfolg günstig und dem Besteller nützlich ist: taugliche Schuhreparatur; Erkennbarkeit eines Portraits als Darstellung des Abgebildeten; Benutzbarkeit einer Brücke. Oft ist aber ein bewertungsfreier Erfolg geschuldet, so daß den Unternehmer keine Gewährleistungspflicht trifft (§ 633), wenn sich der erreichte Erfolg als ungünstig erweist: die Schönheitsoperation führt nicht zur Verschönerung (zu den sonstigen Verrichtungen des Arztes siehe oben § 79 1 1 a) ; der Drehbuchstoff eignet sich nicht zur Verfilmung, K G J W 35, 2 2 0 9 ) ; das Gemälde entspricht nicht den künstlerischen Vorstellungen des Bestellers, B G H Z 19, 382. Auch Werkverträge unterliegen einer Treu- und Fürsorgepflicht, 631, 242. Nadi BGHZ 5, 62 ist § 618 III auf einen Werkvertrag entsprechend anwendbar, wenn der Unternehmer zur Erfüllung der ihm obliegenden Verrichtungen Räume des Bestellers betreten muß und dabei infolge deren Beschaffenheit einen tödlichen Unfall erleidet. Die Schutzpflichten sind auch umgekehrt dem Besteller geschuldet, sie können auch Dritten geschuldet sein (oben § 37 IV). Dann muß sich aber der Dritte ein Mitverschulden des Bestellers entgegenhalten lassen, 254, 328 entspr., BGHZ 33, 247.
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§80
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5. Für Entgeltlichkeit besteht bei Vorliegen entsprechender Umstände eine widerleglidie Vermutung, 632. Unentgeltliche Werkverträge sind möglidi (str.), so daß z. B. trotz Unentgeltlidikeit eine Mängelhaftung mit Nadibesserungspflicht bestehen kann, die das Auftragsrecht nicht kennt, 633 II. Die Vergütung ist bei Abnahme des Werks zu entrichten, bei teilweiser Abnahme in Raten, 641, und wenn Abnahme nicht möglich ist, bei Vollendung, 646. Es gilt eine dem § 452 entsprechende Verzinsungspflicht, 641 II
II. Rechtliche Besonderheiten des Werkvertrags 1. Das Gewährleistungsrecbt des Werkvertrags Ebenso wie Kauf und Miete, aber anders als der Dienstvertrag, kennt der Werkvertrag (aus historischen Gründen) ein eigenes Gewährleistungsrecht, 633—639. Insoweit ist bezüglich des eigentlichen Schlechterfüllungsschadens Ersatz ausgeschlossen, vgl. oben § 70 IX. Ansprüche bezüglich des übererfüllungsmäßigen Interesses bei insoweit zu forderndem Verschulden in § 635 bleiben möglich; vgl. Larenz II § 4 9 I I b : „Mängelfolgeschaden". Dazu oben §§ 70 III 2 d, VI 9, IX 3; 74 II 6 a. a) Gekennzeichnet ist das Gewährleistungsrecht des Werkvertrags durch die Nachbesserungspflicht, die den Unternehmer trifft, wenn das Werk mangelhaft ist, 633 (zum Begriff des Mangels siehe das Recht des Kaufs § 70 II 2). Auf ein Verschulden kommt es nicht an. Daß der Werkvertrag im Unterschied zum Kauf einen Nachbesserungsanspruch gewährt, beruht auf dem unterschiedlichen Inhalt der Leistungspflicht bei beiden Verträgen. Zwar schuldet auch beim Kauf der Verkäufer — wie der Unternehmer beim Werkvertrag — Leistung einer mangelfreien Sache, aber der Verkäufer, der ja die Sadie nicht selbst produziert, braucht auch für die richtige Herstellung der Sache nicht einzustehen. Er schuldet Mangelfreiheit nur als Sacheigenschaft, nicht als Produktionsergebnis. Darum trifft ihn bezüglich einer einwandfreien Herstellung keine Erfüllungspflicht. Die Folge ist, daß er sich nur Wandlung (also Rückgabe), Minderung und Schadensersatzleistung, bei Gattungssachen auch Nachliefernmüssen gefallen lassen muß. Der Unternehmer im Werkvertrag sdiuldet dagegen die Fehlerfreiheit als Ergebnis seiner Vertragstätigkeit, der Herstellung des Werks. Also muß er Fehler ausbessern, und zwar, nach § 633, grundsätzlich zuerst. Dabei ist belanglos, ob er wegen der Schwere des Mangels ganz von vorn anfangen muß. Nur wenn die Nachbesserung einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordert, darf er sie verweigern, 633 II 2. Ist der Unternehmer mit der Mängelbeseitigung in Verzug, was i. d. R. Mahnung und Verschulden voraussetzt 284, 285, kann der Besteller selbst auf Kosten des Unternehmers ausbessern, 633 III, vgl. 538 II. Den Mangel muß der Besteller beweisen, BGHZ 42, 16. Ist die Nachbesserung nicht möglich oder mißlungen, die Neuherstellung des Werks aber ohne unverhältnismäßig hohen Aufwand noch möglich, muß der Unternehmer das Werk neu herstellen, z. B. den verschneiderten Anzug neu anfertigen, str. Audi diese Neuherstellung ist eine Folge des auf fehlerfreie 478
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Herstellung des Werks gerichteten Erfüllungsanspruchs (Larenz § 49 II). Ansprudisgrundlage ist daher § 631 i. V. m. einer analogen Anwendung des ganzen § 633. Ebenfalls gilt § 6 3 4 I entsprechend, vor allem der letzte Halbsatz. b) Außerdem hat der Besteller, regelmäßig nach fruchtlosem Ablauf einer Frist für die Mängelbeseitigung, die üblichen Gewährleistungsrechte: Wandlung (außer bei nur unerheblichem Mangel), Minderung und im Verschuldensfalle (also nicht nur in den Fällen des § 463) Schadensersatz wegen Nichterfüllung, 634, 635, 276. Ist die Setzung der Frist aus den in § 634 I I aufgezählten Gründen nutzlos, bedarf es ihrer nicht (allgemeiner Rechtsgedanke, vgl. § 326 II). Wird das Werk nicht rechtzeitig fertig, hat der Besteller, außer seinen Ansprüchen aus Verzug, die Mängelgewährleistungsredit^ der §§ 634, 636 (Rücktritt statt Wandlung). Das ist bedeutsam, weil es hierfür auf ein Verschulden des Unternehmers nicht ankommt (anders beim Verzug, 285). Bei Abnahme eines ihm als mangelhaft bekannten Werkes muß sich der Besteller seine Rechte vorbehalten, 640 II. Gegenüber dem Vergütungsanspruch des Unternehmers hat der Besteller aber auch nodi nadi Abnahme des mangelhaften Werkes das Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 BGB, BGHZ 26, 337. Auch bei unvollständigen Teilleistungen gilt § 320, BGHZ 45, 372. Die Verjährungsfrist aller Gewährleistungsrechte, einschließlich des Anspruchs auf Nachbesserung und auf Aufwendungsersatz nach § 6 3 3 III, B G H Z 19, 319, beträgt 6 Monate, bei Arbeiten an einem Grundstück 1 Jahr ( z . B . Anpflanzung), bei Bauwerken 5 Jahre (Herstellung oder Bearbeitung von Gebäudeteilen genügt i. d. R., B G H Z 19, 3 1 9 ; dazu gehören auch die Planung des Architekten, B G H Z 37, 341, 346, und Reparaturen am Haus, B G H Z 53, 43), 638, vgl. 4 7 7 . Für Unterbrechung und Hemmung der Verjährungsfrist gilt neben den allgemeinen Vorschriften (§§ 202 ff.) Kaufrecht, 6 3 9 1 , zusätzlidi zur Hemmung durch die Mängelprüfung, 6 3 9 II. Durch Anerkenntnis des Mängelbeseitigungsanspruchs, 633 II, wird auch die Verjährung des Schadensersatzanspruchs 635 unterbrochen, B G H Z 39, 189. Die Fristen können verlängert oder verkürzt werden, 638 II, 225. Uberhaupt ist das Werkvertrags-Mängelrecht grundsätzlich nachgiebig. Nur Haftung für Arglist kann nicht abbedungen werden, 637; vgl. wegen der Verjährung bei Arglist § 638 I. Zu beachten ist, daß für Ansprüche aus positiver Forderungsverletzung § 638 nicht gilt, sondern § 195. Das gleiche gilt für einen Spezialfall der positiven Forderungsverletzung, den Ersatz von Mängelfolgeschäden, den man am besten in Anlehnung an § 463 auf § 635 analog stützt, der auch insoweit Verschulden erfordert, oben §§ 70 III 2 d, VI 9, I X 3; 74 II 6 a; 80 II 1 vor a. Die Abgrenzung zum Schadensersatzanspruch aus § 635 „wegen Nichterfüllung", also hinsichtlich des Erfüllungsinteresses, ist daher von besonderer Bedeutung, was erhebliche Schwierigkeiten bereitet, wenn der Schaden im Zusammenhang mit einem Mangel steht. Unter § 635 (dir.) fallen nur Schäden am Werk selbst, sowie entgangener Gewinn, 252; unter positive Forderungsverletzung fallen sonstige, über das Erfüllungsinteresse hinausgehende Schäden („Begleitschäden") und, mit der erwähnten Begründung, die Mängelfolgeschäden, BGHZ 35, 130, BGH N J W 67, 400. Bezüglich der Mängelfolgeschäden besteht also in der Verjährungsfrage ein eigentümlicher Widerspruch zum Kaufrecht (oben § 70 VI 9), a. A. Laufs-Schwenger. Zur Frage der Garantie bestimmter Eigenschaften siehe oben § 70 II 3 und VI 8 und § 11, 3 a. Mit Rücksicht auf §§ 635, 638 ist bei der Bejahung einer selbständigen, über 479
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den normalen Inhalt eines Werkvertrages hinausgehenden Garantie, deren Nichterfüllung zu einem erst in 30 Jahren verjährenden Garantieerfüllungsanspruch führen würde, Zurückhaltung geboten, vgl. zuletzt O L G Köln M D R 63, 132 (Garantieversprechen in einem Architektenvertrag verneint). Siehe aber auch R G J W 19, 241 6 ; J W 21, 828 3 ; J W 39, 38, wo selbständige Garantien mit 30-jähriger Verjährungsfrist angenommen wurden, wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer bestimmten, aufgrund Werkvertrags zu erstellenden Anlage bindend zugesagt wurde. Bei rechtzeitiger Mängelanzeige bleibt dem Besteller Zurückbehaltungsrecht, 639, 478, 273, B G H Z 53, 123. 2. Die Abnahmepflicht
des Bestellers,
auch nach Verjährung
ein
640
a) Beim K a u f ist die Abnahmepflicht des Käufers nach § 4 3 3 II regelmäßig Nebenpflicht. Die Abnahmepflicht nach § 6 4 0 ist Hauptpflicht des W e r k vertrags. Ihre Unmöglichmachung, Verzögerung, Verweigerung lösen die A n sprüche aus §§ 3 2 0 — 3 2 7 aus. Die Abnahme selbst kann auch im Klagewege erzwungen werden (Vollstreckung nach § 888 Z P O ) . Die Nichtabnahme begründet zugleidi Annahmeverzug des Bestellers bezüglich seines Herstellungsanspruchs, 2 9 3 ff. Ferner gelten §§ 6 4 4 I 2, 3 7 2 , 3 8 3 . b) Die Annahme ist beides, körperliche Entgegennahme und Billigung der vertragsgemäßen Herstellung. Das schließt aber die Geltendmachung bei Abnahme nicht bekannter Mängel nicht aus, 640 II. Mit der Abnahme beginnt die Verjährung (§ 638 I 2), geht die Preisgefahr über (§ 644), wird die Vergütung fällig (§ 641). c) Ist nach Art des Werks eine Abnahme ausgeschlossen, so entfällt die Abnahmepflicht, 640 I. An die Stelle der Abnahme tritt die Vollendung des Werks, 646 (Beispiel: Vermittlung einer Anschrift). 3. Mitwirkungspflicht
des Bestellers,
642, 643
Ist bei der Herstellung eines Werks eine Mitwirkung des Bestellers erforderlich und unterläßt er sie, so gerät der Besteller gemäß § 2 9 5 in Annahmeverzug (Beispiele: Anzugprobe, Portraitsitzung, Bauunterlagen). Überdies stellt § 642 eine Mitwirkungsp/Zic^f auf, deren Verletzung den Unternehmer zu einer Entschädigung berechtigt (Zeitverlust wird vergütet). Es handelt sich bei der Pflicht nach § 642 also um mehr als eine Obliegenheit, vgl. oben § 8, 4. Dazu hat der Unternehmer in solchen Fällen ein Fristsetzungs- und Kündigungsrecht, 643, wobei sich seine Vergütung nach § 645 I 2 bemißt; R G Z 100, 47; B G H Z 50, 175. Hat der Unternehmer ausnahmsweise in den Räumen des Bestellers zu arbeiten oder mit dessen Geräten oder unter seiner Anleitung, so trifft den Besteller die Fürsorgepflicht aus § 618, BGHZ 5, 62. 4. Eigentumslage
und Gefahrtragung,
644—646, 950
Z u den Begriffen oben § 6 7 I. a) Die Sachgefahr für den Stoff, aus dem das W e r k hergestellt wird, trägt der Eigentümer. Das ist beim Werkvertrag regelmäßig der Besteller. § 6 4 4 I 3 bestätigt dies. Das Eigentum am hergestellten W e r k erwirbt der Besteller unmittelbar und originär. 480
W erkvertrag. W erklie terungsvertrag
§80
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Nach § 950 müßte unter den dort genannten Voraussetzungen eigentlich der Unternehmer Eigentum am Werk erwerben und es dann auf den Besteller in Vollzug des Werkvertrags übertragen (so audi unter Berufung auf den Sinn des § 9 5 0 : Planck4, § 950 A 1 c). Heute ist im Ergebnis, nicht in der Begründung, im Anschluß an RGZ 138, 88; 161, 113, unstreitig, daß, im Regelfall des Werkvertrags, direkter Eigentumserwerb des Bestellers eintritt. Begründet wird dieses Ergebnis überwiegend mit Vereinfachungsgründen und damit, daß den Gläubigern des Unternehmers der Zugriff auf Stoff und Werk zu verwehren, den Gläubigern des Bestellers dagegen zu erhalten sei. Der Besteller gilt als Hersteller im Sinne des § 950, der Unternehmer als unselbständiger Gehilfe der Ausführung, wenn die Verarbeitung mit vom Besteller gelieferten Stoffen geschieht. Audi beim Dienstvertrag erwirbt der Dienstpflichtige nicht Eigentum an der von ihm bearbeiteten Sache, sondern der Dienstherr bleibt Eigentümer. Den Gläubigern des Dienstpflichtigen beim Dienstvertrag und des Unternehmers beim Werkvertrag soll nicht zugutekommen, daß die hergestellte oder bearbeitete Sadie noch nicht, wie es sidi nach dem Vertrag gehörte, dem Dienstherrn und dem Unternehmer übereignet ist. Diese Gläubiger sollen keinen Vorteil aus Nachlässigkeiten und Vertragsverstößen ihrer Schuldner haben. § 950 sollte nur den Verarbeiter schützen, dem auch das Schuldrecht die Substanz der Früdite seiner Arbeit zuerkennt. Das ist beim Dienst- und Werkvertrag nicht der Fall. Also trägt der Besteller auch die Sac&gefahr für Stoff und Werk. § 644 I 3 deutet dies an. Doch trifft in § 644 I 3 den Unternehmer ein Entlastungsbeweis, RGZ 101, 153. Audi außerhalb eines Werkvertrags ist es zulässig, eine Verarbeitungsklausel zu vereinbaren, kraft deren sich der Eigentumsvorbehalt eines Rohstofflieferanten an den Verarbeitungsprodukten fortsetzt, BGHZ 14, 114; 46, 117. Beim Werklieferungsvertrag (unten III.) ist das anders. D a der Unternehmer den Stoff beschafft, gilt bei vertretbarer Sache Kaufrecht (also das oben §§ 6 6 ff. Ausgeführte), 651 I 2, 4 3 3 ; bei unvertretbarer Sache bleibt der Unternehmer, wenn er es war, Stoff- und Werkeigentümer bis zur Übereignung in Vollzug seiner Vertragspflicht, 651 I 2, 433, 631. Zwar hebt § 651 I 2 die Verweisung auf § 433 wieder auf. Doch ergibt sich daraus, daß auch beim Werklieferungsvertrag über eine unvertretbare Sadie das Werkunternehmerpfandrecht der §§ 647, 648 und damit eine dingliche Sicherung des Unternehmers ausgeschlossen ist, daß der Unternehmer audi in § 651 I 2 bis zur Ubereignung des Werks nach seiner Fertigstellung Eigentümer sein muß. In § 651 trägt daher der Unternehmer die Sadigefahr bis zur Ubereignung. b) Die Leistungsgefahr, also die Gefahr, trotz Untergangs des noch nidit erfüllten Werks nodi einmal leisten zu müssen, trägt der Unternehmer bei Werk- und Werklieferungsvertrag. Beim Werkvertrag folgt dies aus § 631. Der Unternehmer wird für das fertige Werk bezahlt, nicht für Versuche zu seiner Herstellung, mögen sie erfolgreich oder erfolglos verlaufen. Beim Werklieferungsvertrag über eine vertretbare Sache folgt es aus Kaufrecht, §§ 651 1 1, 433 (und oben § 67 I); beim Werklieferungsvertrag über eine unvertretbare Sache sind §§651 12, 631 maßgebend. c) Eine Preisgefahr, also die Gefahr, trotz Ausbleibens der Leistung zahlen zu müssen, trägt der Besteller grundsätzlich nicht. § 644 I I i. V. m. § 646 bestimmt, daß der Unternehmer nur für das fertige Werk seine Vergütung bekommt, vgl. § 446. Das bedarf nur bei Gefahren einer Einschränkung, die aus der Sphäre des Bestellers stammen, z. B. bei Arbeiten in dessen Räumen; 31
F i k e n t s c h e r ,
Sdiuldrecht, 4. Auflage
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§80 115
Werkvertrag. Werklieferungsvertrag
Rümelitt, Dienstvertrag und Werkvertrag 127; BGH NJW 63, 1824; es handelt sidi um sog. „vitia soli", d. h. um Umstände, die dem „Grund und Boden" oder anderen vom Besteller zur Verfügung gestellten Arbeitsunterlagen anhaften und die Erstellung des Werks unmöglich machen. § 645 bestimmt für diese Fälle, daß der Unternehmer einen seiner geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung verlangen kann. Der Rechtsgedanke des § 645 wird ausgedehnt auf die Fälle, in denen der Besteller selbst die Gefahr für den Untergang des Werks erhöht hat und ohne diese Erhöhung das Werk nicht untergegangen wäre, BGHZ 40, 71, Erman, JZ 65, 657; einen weiteren Analogiefall bringt BGH N J W 73, 318. Die Berücksichtigung der Beherrschung der jeweiligen Sphäre durch einen Vertragspartner ist auch für die Begründung von Schadensersatzansprüchen aus positiver Forderungsverletzung von Bedeutung, BGHZ 23, 288. — Wenn der Besteller im Annahmeverzug ist, geht die Preisgefahr auf ihn über, 644 12, 293 ff. § 6 4 4 1 2 ist eine überflüssige Vorschrift; §32411 sagt dasselbe. Auch wenn er Versendung verlangt, trägt der Besteller die Preisgefahr während des Transports, 644 II, 447. 5. Unternehmerpjandrefht
und Bauhandwerkerhypothek,
§§ 647, 648
a) § 647 gibt jedem Werkunternehmer ein gesetzliches Pfandrecht für seine Forderungen aus dem Werkvertrag an den von ihm hergestellten oder ausgebesserten beweglichen Sachen des Bestellers. Dadurch soll der Unternehmer für den Fall sichergestellt werden, daß der Besteller nicht zahlt. §§ 1257, 1228 ff. a) Das Pfandrecht ist besitzgebunden, 647, wie ein Vertragspfand, 1205, und anders als das Vermieter-, Verpächter- und Gastwirtspfandrecht, 559, 581 II, 704. Das Pfandrecht des Pächters ist zwar auch besitzgebunden, verlangt aber kein Eigentum des Verpächters, 590. ß) Es besteht für die Forderungen aus dem Werkvertrag. Das sind der Vergütungsanspruch, die Entschädigungsansprüche nach § 642 und Schadensersatzforderungen aus Leistungsstörungen (insb. Verzug und Schlechterfüllung). ;y) Es besteht nur an Sachen, die dem Besteller gehören (Sachen „des Bestellers". Damit ist Eigentum, nicht bloß Besitz gemeint; ganz herrschende Meinung). Häufig ist aber der Besteller nicht der Eigentümer; der Besteller kann die auszubessernde Sache geliehen, gemietet, unter Eigentumsvorbehalt gekauft haben. Der meisterörterte Fall ist der, daß der Ratenkäufer eines Autos das Auto reparieren oder den Kundendienst versehen läßt, noch ehe es voll bezahlt ist. Dann ist Eigentümer während und nach der Reparatur immer noch der Lieferant (§ 455) und nicht der Besteller, der den Werklohn schuldet. Die Frage lautet dann: Wie ist der Unternehmer gesichert? D i e Beantwortung dieser Frage gehört zu den gegenwärtig umstrittensten Problemen im Bereich des Ineinandergreifens von Schuld- und Sachenrecht. Sie rührt an Grundfragen des Begriffs des dinglichen Rechts. Zunächst versuchte ein Teil der Doktrin, mit einer „Verpflichtungsermächtigung" zu helfen, die der Vorbehaltsverkäufer und Eigentümer dem Ratenkäufer ausdrücklich oder stillschweigend gleichzeitig mit dem Kaufvertrag erteilt: Der Verkäufer ermächtigt den Ratenkäufer, bei erforderlich werdenden Reparaturen den Werkvertrag zugleich für und gegen den Eigentümer abzuschließen. Dieser wird dadurch Partei des Werkvertrags und damit Pfandgläubiger. So z.B. Bettermann, JZ 1951, 321. Dieser An482
Werkvertrag. Werklieferungsvertrag
§80 115
nähme steht aber tatsächlich der regelmäßig anzunehmende Wille des Verkäufers entgegen, aus dem Werkvertrag nidit verpflichtet zu werden (insb. nicht auf Zahlung des Werklohns); eine Spaltung von Berechtigung und Verpflichtung erscheint aber unmöglich. Rechtlich betraditet ist die Verpflichtungsermächtigung aber auch grundsätzlich abzulehnen, siehe oben § 57 IV 9. Da der Weg über die Verpflichtungsermächtigung abgelehnt wurde, schlug man eine sachenrechtlidie Ermächtigung gem. § 185 vor, durdi die der Vorbehaltsverkäufer und Eigentümer den Käufer ermächtigt, bei Reparaturen dem Werkunternehmer ein Unternehmerpfandrecht zu bestellen. Nun ist zwar die Ermächtigung zu rechtsgeschäftlichen sadienrechtlichen Verfügungen möglich, aber das Unternehmerpfandrecht entsteht kraft Gesetzes, 647. Eine Ermächtigung zu gesetzlichen Pfandrechten ist begrifflich schwer vorstellbar, so aber Medicus\ § 23 III 3 e. Die Ermächtigung zur Bestellung eines Vertragspfandes (1204 ff.) ist zwar möglich, aber für den Regelfall nicht anzunehmen, weil der Eigentümer dadurch zu große Risiken eingehen würde. Angesichts dieser Schwierigkeiten, dem Werkunternehmer bei Arbeiten an Sachen, die dem Besteller nicht gehören, eine hinreichende Sicherung zu verschaffen, vertrat die bisher durchaus herrschende Meinung, daß der Unternehmer das gesetzliche Pfandrecht des § 647 gutgläubig erwirbt, wenn er den Besteller ohne grobe Fahrlässigkeit für den Eigentümer hält. Der gutgläubige Erwerb wurde auf eine Analogie zu § 1207 gestützt, wobei man sich über das Wort „entstanden" in 1257 bei besitzgebundenen Pfandrechten wie dem Unternehmerpfandrecht glaubte hinwegsetzen zu dürfen. Außerdem bot sich die Analogie zu § 366 III HGB an. Der B G H ( B G H Z 34, 122, 153) hat die herrschende Meinung unter Berufung auf das Wort „entstanden" in § 1257 und die Entstehungsgeschichte des Gesetzes abgelehnt. Das allein wäre wohl nicht überzeugend. Das Urteil verdient aber Zustimmung, weil — wie es zutreffend ausführt — das Abstellen auf den guten Glauben bei der Entstehung gesetzlicher Pfandrechte nicht sinngemäß ist. Das zeigt sich u. a. bei der Überlegung, daß nicht nur bei einigermaßen neuen, sondern wegen des Gebrauchtwagenhandels praktisch bei jedem Kraftfahrzeug mit einem Eigentumsvorbehalt geredinet werden muß, was aber auf das Sicherungsbedürfnis des Werkunternehmers keinen Einfluß hat und haben darf. Nach der beizupflichtenden Auffassung des B G H ist die Rechtslage nunmehr wie folgt: Gegen den Besteller hat der Werkunternehmer bis zur Bezahlung des Werklohns ein Zurückbehaltungsrecht, 273. Hinsichtlich des Eigentümers ist zu unterscheiden: Ist der Vorbehaltsverkäufer aufgrund eines ausdrücklich oder stillschweigend vereinbarten Rücktrittsrechts vom Kaufvertrag zurückgetreten, weil der Käufer ihm gegenüber seine Pflichten nicht erfüllt hat (§§ 1 AbzG; 455), so hat der Eigentümer den Herausgabeanspruch des § 985. Weder der Käufer noch der Werkunternehmer sind dem Eigentümer gegenüber aus dem Kaufvertrag nach § 9861 zum Besitz berechtigt. Dem Werkunternehmer steht aber ein 31*
483
§80 115
Werkvertrag. Werklieferungsvertrag
Verwendungsanspruch und damit ein Zurückbehaltungsrecht gegen den Eigentümer zu, das zur Erhebung einer Einrede gem. § 9861 1 berechtigt, 994, 1000, bis er wegen seiner Verwendungen befriedigt ist. Das gilt auch für die Verwendungen, die noch vor dem Rücktritt, also zur Zeit der vertraglichen Besitzberechtigung des Käufers und des Werkunternehmers nach § 986 1 1 gemacht wurden. Sonst stünde ein von vornherein unberechtigter Besitzer besser als ein zunädist zum Besitz Berechtigter. Über das Verweigerungsrecht hinaus hat der Unternehmer gemäß § 1003 das Redit, sich aus der Sache im Wege des Pfandverkaufs zu befriedigen, falls der Eigentümer die Verwendungen nicht genehmigt. Somit ist der Unternehmer wirtschaftlich ausreichend abgesichert, so daß das Hauptargument für die Annahme des gutgläubigen Erwerbs des Pfandrechts nadi § 647 entkräftet ist. Nadi § 1002 gilt allerdings, daß eine zwischenzeitliche Rückgabe der Sache an den Besteller das Zurückbehaltungsrecht hindert, BGHZ 51, 250 (wo i. ü. BGHZ 34, 122, 153 bestätigt werden; dazu Berg, JuS 70, 15; Schwerdtner, JuS 70, 64). Der BGH greift damit zu Recht auf eine ältere Rechtsprechung zurück, BGHZ 27, 317, 326 (gegen RGZ 142, 417). Erfüllt dagegen der Käufer seine Pflichten gegenüber dem Vorbehaltsverkäufer und Eigentümer, nicht aber gegenüber dem Werkunternehmer, so kann der Vorbehaltsverkäufer nicht zutrücktreten, und Käufer und Werkunternehmer sind dem Eigentümer gegenüber besitzberechtigt, 985, 9 8 6 1 1 . Mithin fehlt es an der „Vindikationslage". Demzufolge finden auch §§ 994, 1000 keine Anwendung. Kaiser nimmt bei dieser Sachlage, mit welcher der BGH sich noch nicht auseinanderzusetzen hatte, ein gesetzliches Pfandrecht des Werkunternehmers nach § 647 an der Eigentumsanwartschaft (§§ 455, 158 I, 929) des Käufers an. Es handelt sich um ein Pfandrecht an einem Recht (§§ 1257, 1273 ff.), das sich im Falle der Vollzahlung in ein Pfandrecht an der Sache verwandelt. Tritt der Vorbehaltsverkäufer nach Entstehung des Pfandrechts an der Anwartschaft wirksam zurück, gehen Anwartschaft und Pfandrecht daran ex nunc unter; dem Werkunternehmer verbleibt das Zurückbehaltungsrecht gem. §§ 994, 1000, 986 11 gegen den nun an sich herausgabeberechtigten Eigentümer, 985, und zwar auch wegen der früheren Verwendungen (siehe oben). S) Das Pfandrecht besteht nur an beweglichen Sachen, 647, oder an Anwartschaften an beweglichen Sachen (oben y). e) Das Pfandrecht besteht für die Forderungen aus dem Werkvertrag, nicht für andere Forderungen, auch nicht für die Erfüllungshaftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht (179 I), der den Werkvertrag ohne Vollmadit schloß. Der Schutz des fälschlich Vertretenen geht vor; das Risiko des Mangels der Vertretungsmacht trifft den Werkunternehmer, „fremde" Sachen sollen ihm nidit haften. b) Der Unternehmer eines Bauwerks oder Bauwerkteils, praktisdi also der Bauunternehmer, der Bauhandwerker, nadi B G H Z 31, 2 2 4 ; 32, 206 auch der Architekt, kann für seine Forderung die Einräumung einer Sicherungshypothek an dem Baugrundstück des Bestellers verlangen, 648, 1184 ff. ( „ B a u h a n d werkerhypothek"). § 648 ist das Gegenstück zu § 647 für den Bereich der Immobilien. Die Hypothek entsteht also, anders als das Pfandrecht des § 647, nicht kraft Gesetzes, sondern kraft Bestellung auf Verlangen. Der Anspruch aus § 648 kann durch Vormerkung gesichert werden, 883, auch auf einstweilige Verfügung hin, 885. 484
Werkvertrag. Werklieferungsvertrag
6. Kündigungsrecht
des Bestellers,
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649
Ein allgemeines Kündigungsrecht ist dem Sdiuldrecht unbekannt. Zum Kündigungsredit wegen Unzumutbarkeit der Fortsetzung eines Dauerschuldverhältnisses siehe oben § 2 7 II 3 c ß. Das Kündigungsredit des § 6 4 9 hat einen anderen Sinn. Es ist nichts anderes als die ausnahmsweise hier einmal geregelte einseitige Vertragsaufsage, die „beharrliche Leistungsverweigerung", die sonst nach Verzugsregeln (insbes. § 3 2 6 II) zu behandeln ist. Die Regelung des § 649 läuft praktisch auf einen ähnlichen Ersatz hinaus, nur umgekehrt berechnet: Der Unternehmer erhält den Werklohn abzüglich seiner Ersparnisse und der anderweitigen Verwendung seiner Arbeitskraft. — § 649 findet auf den Werklieferungsvertrag über eine nicht vertretbare Sache keine Anwendung, so daß dort eine »Kündigung" nach § 326 II (analog) zu behandeln ist. Der Anspruch des Unternehmers aus § 649 BGB auf die vereinbarte Vergütung für die noch ausstehende Leistung entfällt, wenn der Besteller den Vertrag wegen eines den Vertragszweck gefährdenden Verhaltens des Unternehmers gekündigt hat, BGHZ 31, 229. 7. Kostenanschlag,
650
a) Wird ein »verbindlicher Kostenvoranschlag" überschritten, so geht die Überschreitung zu Lasten des Unternehmers. Der Besteller schuldet nur den vereinbarten Werklohn. Ob ein Voransdilag verbindlich gemeint ist, d. h. — wie § 650 es sagt — die Gewähr für seine Richtigkeit übernommen wurde, ist Auslegungsfrage. b) Meist sind Kostenanschläge unverbindlich. Hiervon handelt § 650. T r o t z Unverbindlichkeit hat ein Kostenanschlag zwei Wirkungen. a) Der Unternehmer muß, wenn Überschreitung droht, dem Besteller unverzüglich Anzeige machen. Unterläßt er dies schuldhaft, so haftet er wegen Schlechterfüllung der in § 650 II ausgesprochenen Pflicht auf den durch die Unterlassung entstandenen Schaden (nicht aber auf die Überschreitung!). ß) Der Besteller kann kündigen, §§ 6501, 649. Dann aber wird der Ersatz des Unternehmers nicht nach § 649, sondern nach § 645 I beredinet: Er enthält nur Teillohn und Auslagen, büßt also vom Gewinn etwas ein. III.
Der Werklieferungsvertrag,
651
1. Während beim Werkvertrag der Besteller den Stoff liefert, aus dem das Werk gemacht werden soll, schuldet beim Werklieferungsvertrag der Unternehmer Stoff und Werk. Wenn der Besteller den Stoff liefert und der Unternehmer nur Zutaten oder Nebensachen beisteuert, liegt kein Werklieferungs-, sondern ein Werkvertrag vor, 651 II. A gibt dem Schneider S Stoff für einen Maßanzug. S besorgt Knöpfe und Garn. 2. Geht der Werklieferungsvertrag über eine vertretbare Sache (§ 91), gilt Kaufrecht, nicht Werkvertragsrecht („Werkkaufvertrag"), 651 I 1. Es handelt sich einfach um einen Kauf. D a ß der Verkäufer die Sache nicht auf Lager hat oder sich nicht anderweit beschafft, sondern sie selbst herstellt, kann dem Käufer gleichgültig sein. 485
§81 I
Auftrag
A kauft 20 000 Ziegel von der Ziegelei; bestellt gespaltenes und gebündeltes Brennholz; läßt einen Druck oder Abzug herstellen; kauft bei der Möbelfabrik ein nach Katalog bestimmbares Möbel; bestellt eine serienmäßig herstellbare Maschine. Entscheidend ist für die Vertretbarkeit einer Sache nach § 91, daß sie im Verkehr nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmt zu werden pflegt. Damit läßt sich im konkreten Fall oft nicht viel anfangen. Im Zweifelsfall ist eine Sache vertretbar, die, wenn der Käufer sie nicht abnimmt, anderweit ohne Veränderung ihrer Qualität abgesetzt, oder wenn der Verkäufer sie zu liefern schuldig bleibt, in gleicher Qualität von woanders bezogen werden kann. Dadurch kommt es, daß auf Bestellung gefertigte Serien häufig nicht vertretbare Sachen enthalten. 3. Schuldet der Unternehmer Stoff und Werk einer nicht vertretbaren Sache, gilt, den praktischen Bedürfnissen entsprechend, eine Mischung von Werkvertrags- und Kaufrecht, 651 I 2 (Werklieferungsvertrag im eigentlichen, engeren Sinne). Die unglückliche Verweisungsvorschrift besagt im Überblick: Grundsätzlich gilt Kaufrecht. Aus dem Kaufrecht gelten nicht: § 433 (die Pflicht zur Übereignung ergibt sich aus § 6 5 1 1 1 unmittelbar); § § 4 6 6 1 1 , 447 über den Gefahrübergang (statt dessen gelten §§ 644, 645); §§ 459, 460, 462—464 über die Sachmängelgewährleistung (statt dessen gelten §§633—637); §§477—479 über die Verjährung (statt dessen §§ 638, 639). Audi sonst gilt Werkvertragsrecht (z. B. die Abnahmepflicht als Hauptpflicht, RGZ 171, 297, die Kündigung), soweit passend, denn in § 651 I 2 ist auf „die Vorschriften über den Werkvertrag" verwiesen. Dagegen gelten nicht §§ 647, 648 über das Unternehmerpfandrecht und die Bauhandwerkerhypothek. Der Unternehmer kann sich nämlich durch Zurückhaltung mit der Übereignung und durch Eigentumsvorbehalt sichern (oben II). Beispiele: Maßanzug aus Stoff des Schneiders; Herstellung eines Möbelstücks nach Angaben des Bestellers. §81 Auftrag Coing, AcP 167, 99; Dniestrzanski, Aufträge zugunsten Dritter, 1905; Härder, Zum transmortalen und postmortalen Auftrag nach römischem und geltendem Recht, Festschr. v. Lübtow, 1970, 515; Hartmann, Auftrag, Bevollmächtigung und Einwilligung, 1907; Liebich, Treuhand und Treuhänder im Wirtschaftsrecht, 1966; Nikiscb, ZAkDR 1940, 369; Swoboda, ZAkDR 1937, 333; ders., Bevollmächtigungsvertrag und Auftrag, Geschäftsführung ohne Auftrag, versio in rem, 1932. /. Begriff und Wesen 1. Der Auftrag ist der zweiseitig verpflichtende, aber nicht gegenseitige Vertrag, durch den sich der eine Teil (Beauftragter) verpflichtet, ein ihm von dem andern Teil (Auftraggeber) übertragenes Geschäft für diesen unentgeltlich zu besorgen, 662. Die den Auftraggeber treffenden Pflichten, z. B. zu Vorschuß (§ 669) und Auslagenersatz (§ 670) stehen zur Ausführungspflicht des Beauftragten in keinem Gegenseitigkeitsverhältnis, BGHZ 15, 105 und oben § 10 II 4. Für Leistungsstörungen gelten daher beiderseits §§ 275 ff., nicht §§ 320—327. 486
Auftrag
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2. Durch seine Unentgeltlichkeit unterscheidet sich der Auftrag i. d. R. vom Dienstund Werkvertrag. Die Unentgeltlichkeit ist wie bei der Schenkung im strengen Sinne zu verstehen: Ein geringes Entgelt ist ein Entgelt. Dann gilt kein Auftragsrecht. Der Sprachgebraudi der Wirtschaft ist ungenau: Unter „Auftrag" wird dort fast nie der Auftrag des BGB verstanden, sondern entgeltliche Verträge wie Kauf, Werklieferungsvertrag, Werkvertrag, Mäklervertrag. Häufig sind auch Weisungen im Rahmen eines anderen Rechtsverhältnisses gemeint, z. B. des Dienstherrn an den Angestellten, der Eltern an das Kind. 3. Der Beauftragte führt ein „Geschäft" aus. Jede tatsächliche oder rechtliche Handlung, die für den Auftraggeber irgendeinen Wert besitzt, kann „Geschäft" in diesem (weiten) Sinne sein. Eine andere, wesentlich engere Bedeutung hat das Wort „Geschäft" in § 675 (Geschäftsbesorgung), siehe u. § 82, 2. Die Geschäftsführung ohne Auftrag wiederum verwendet den weiten Geschäftsbegriff des Auftragsrechts, u. § 83 I 3. Beispiele: A bittet den in diesen Dingen erfahrenen B, für A beim Finanzamt bestimmte Formulare abzuholen; B verspricht dem A, eine wichtige Botschaft an C auszurichten und von C Antwort zu bringen; B reist für A ohne die dafür erforderliche Aufenthaltsgenehmigung in die Ostzone, um dort nach einem 1945 von A vergrabenen Schatz zu suchen. Der Trödelvertrag (oben § 11, 4 e) ist auftragähnlich, durch die Chance auf einen Mehrerlös aber entgeltlich, also auch kauf ähnlich, 445. 4. Der Auftrag ist Vertrag. Er kommt durch Angebot und Annahme zustande, 145 ff. Weder ist er ein einseitig erklärtes, noch ein nur einseitig verpflichtendes Rechtsgeschäft, noch ein bloßes — außerreditliches — Gefälligkeitsverhältnis. Viele Besorgungen im täglichen Leben sind Gefälligkeitsverhältnisse ohne rechtliche Bindung und Wirkung. Zum Auftragsvertrag gehört vor allem der rechtlich bindend gemeinte Wille des Beauftragten, den Auftrag durchzuführen, aber auch der rechtliche erhebliche Wille des Auftraggebers, die Bindung des Beauftragten anzunehmen und seinerseits die Pflichten eines Auftraggebers zu übernehmen. Entscheidend sind die Verkehrsauffassung und die Umstände des Einzelfalles. — Jemand verspricht, Mitreisende zu wecken. Er versäumt es, der Mitreisende fährt übers Ziel hinaus. Ein Geschäftstermin wird versäumt. — Nachbarin verspricht, abends nach den Kindern zu schauen. Sie versäumt es, eines der Kinder erkrankt, weil es nicht richtig zugedeckt war. — Ein Freund verspricht, einen Brief einzustecken, vergißt es aber. Ein Geschäftsabschluß unterbleibt dadurch. In diesen drei Fällen dürfte es am Verpflichtungswillen fehlen. Ein Auftragsvertrag liegt daher nicht vor. Es bleibt bei der deliktischen Haftung, 823 ff. Reine Vermögensschäden werden daher regelmäßig nicht ersetzt (826, vgl. den ersten und dritten Fall; im zweiten dagegen 823 I, II?). 5. Wirtschaftlich betrachtet findet sich der Auftrag darum häufig bei Dienstleistungen für andere, die aus irgendeinem Grunde unentgeltlich sein sollen, sei es wegen der Vertrauensstellung der Parteien zueinander, sei es wegen der geringfügigen oder persönlidien Art des Geschäfts:
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Auftrag
Nachbarin soll während der Sommerferien 4 Wochen lang Zimmerblumen gießen, unterläßt es aber. Ein Geschäftskollege soll Auskünfte von einer Behörde einholen. Zur Gefälligkeitsfahrt
siehe oben § 7 III a. E und § 52 III 6 b.
Häufig ist die Verbindung eines Auftrags mit einer Vollmacht. Der Auftrag regelt dann nur die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen Auftraggeber und Beauftragtem (Innenverhältnis), während des Vollmachtsrecht der §§ 164 ff. die Befugnisse bestimmt, mit denen der Bevollmächtigte (zugleich Beauftragter) Rechtsgeschäfte mit Dritten abschließen kann, deren Wirkung den Vollmachtgeber (zugleich Auftraggeber) treffen (Außenverhältnis). Diese grundsätzliche Trennung von Innen- und Außenverhältnis, von Auftrag und Vollmacht, bei der Betreuung eines anderen mit dem Abschluß von Geschäften mit Dritten ist für das deutsche Recht kennzeichnend und wichtig. Während das Außenverhältnis stets in einer Vollmacht besteht, kann das Innenverhältnis auf Auftrag, Dienst-, Werkvertrag, Geschäftsbesorgung u. a. beruhen, je nadi Entgeltlichkeit und Natur des auszuführenden Geschäfts. Große Bedeutung hat das Auftragsrecht der §§ 662 ff. schließlich durch die zahlreichen Verweisungen darauf an anderer Stelle des Gesetzes: Geschäftsführung ohne Auftrag (§§681 S. 2, 683 S. 1); Geschäftsbesorgung ( § 6 7 5 ) ; Vereinsorgane (§§27111, 48 II); Vorstand der Stiftung ( § 8 6 ) ; geschäftsführender Gesellschafter ( § 7 1 3 ) ; im Beistands- und Vormundschaftsrecht (§§ 1691 I, 1835 I, 1915 I); Testamentsvollstrecker
(§ 2218 I).
//. Besonderheiten des Auftrags 1. Einen Fall gesetzlich geregelter culpa in contrahendo enthält § 663: Wer zur Besorgung gewisser Geschäfte öffentlich (gemeint ist: im Wege öffentlicher Erklärung) bestellt ist oder sidi öffentlich oder dem Auftraggeber gegenüber erboten hat, ist, wenn er einen diesbezüglichen Auftrag nicht annehmen will, verpflichtet, die Ablehnung dem Auftraggeber unverzüglich (§ 121) anzuzeigen. Beispiel „öffentlicher Bestellung": Auskunftsperson eines Automobilclubs (privatrechtliche Bestellung genügt, sonst wäre § 663 neben § 839 praktisch bedeutungslos). Beispiele öffentlichen Erbietens: BGB-Mäkler, Schätzer, Versteigerer (Zeitungsanzeige, Schild am Geschäftslokal genügt). Nicht: Arzt und Hebamme, da ihre Geschäfte weder unentgeltlich angeboten werden, noch — als entgeltliche — unter § 675 fallen (siehe unten § 82). Beispiel des Sich-Erbietens gegenüber dem Auftraggeber: Steuerberater bietet Firma seine Hilfe an.
§ 663 hat für sich genommen wenig Bedeutung. Wichtig ist er in Verbindung mit § 675. Wer gegen § 663 verstößt, begründet durch die Unterlassung der Anzeige nicht etwa den Auftragsvertrag. Er ist nur zum Schadensersatz verpflichtet, und zwar auf das negative Interesse, da ein Vertrag eben nicht zustande kommt. 488
Auftrag
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Sieben Fälle zweifelhafter Vertragsannahmeerklärungen sind zu unterscheiden: (1) das Angebot wird nicht angenommen, der Vertrag kommt nidit zustande, 145 ff. (Regelfall: qui tacet dissentire videtur); (2) das Angebot wird stillschweigend angenommen, der Vertrag kommt zustande, 146; (3) die Annahme, wird zwar erklärt, aber es wird auf ihren Zugang verziditet, 130, 151; (4) das Unterlassen einer Anzeige der Nichtannahme führt zwar nicht zum Vertragssdiluß, aber zum Ersatz des negativen Interesses, 663; (5) Schweigen in Verbindung mit unterlassener Anzeige führt bei handelsrechtlicher Geschäftsverbindung zum Vertragsschluß (§ 362 HGB, handelsrechtliches Gegenstück zu § 663, qui tacet consentire videtur); (6) Schweigen auf ein unter Kaufleuten übersandtes Bestätigungsschreiben gilt nach gefestigter Rechtsprechung als Zustimmung zu dem darin enthaltenen Angebot, RGZ 95, 48; BGHZ 11, 1; 40, 44; Lehmann-Hübner, § 30 III 1; (7) in Fällen des allgemeinen Kontrahierungszwanges (§§ 826, 242, oben § 21) berechtigt Verweigerung des Vertragsschlusses den Begünstigten zum Schadensersatz aus § 826. Der Ersatz geht auf das positive Interesse, d. h. der unter Kontrahierungszwang Stehende muß den Vertrag schließen.
2. Berechtigung und Verpflichtung sind beim Auftrag wegen der bestehenden beiderseitigen Vertrauensstellung höchstpersönlich, 664 1 1, II, vgl. 613. Darf der Beauftragte einen Unterauftrag erteilen („substituieren"), haftet er nur für Auswahlverschulden, 664 I 2 (culpa in eligendo). Das Gesetz stellt in klarer Weise dem Substituten den Erfüllungsgehilfen gegenüber, für dessen Verschulden der Beauftragte nach § 278 wie für eigenes haftet, 664 I 3. Das Begriffspaar Substitut-Gehilfe begegnet in der Praxis auch außerhalb des Auftrags. § 664,1 2, 3 ist dann analog anzuwenden. Der Substitut handelt selbständig, er führt den Auftrag in eigener Verantwortung, wenn audi nach den allgemeinen Richtlinien des Beauftragten aus. Beispiele: Übertragung der Ausführung an einen Mitgesellschafter, Einschaltung einer „Lohnbuchhalterei", Vertreter einer Arztpraxis; vgl. auch § 691. Der Gehilfe handelt unselbständig nach den Weisungen und zur Unterstützung des Schuldners: Der Schlosser schickt den Lehrling, der Anwalt den Referendar. § 664 untersagt grundsätzlich die Substitution, nidit die Verwendung eines Gehilfen. 3. Den Beauftragten treffen folgende Pfliditen: a) die Ausführung des Auftrags, 662. Dabei hat er die Weisungen des Auftraggebers zu beachten, darf aber nach Maßgabe des § 665 abweichen. b) Auskunft über den Stand der Ausführung, 666 c) Herausgabe alles aus der Durchführung des Auftrags Erlangten, 667 d) Rechenschaft nach Ausführung des Auftrags, 666 e) Verzinsung herauszugebenden Geldes, 668. 4. Den Auftraggeber treffen folgende Pflichten: a) Vorschuß für die Aufwendungen auf Verlangen, 669 b) Ersatz der Aufwendungen des Beauftragten, 670. Dies ist die problematische Vorschrift des Auftragsredits. Zu den Aufwendungen rechnen nämlich 489
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nicht nur die üblichen Auslagen, wie Reisekosten, Trinkgelder, Abnützung verwendeten Materials. Aufwendung im Sinne des § 670 ist vielmehr jede die Ausführung des Auftrags bezweckende oder als notwendige Folge derselben erscheinende freiwillige Aufopferung von Vermögenswerten, also auch „Schäden", seit R G 75, 212 und 95, 53. Dazu zählen insbesondere a) Die genannten Auslagen (z. B. Reisekosten) ß) Gezielte Vermögensopfer zur Durchführung des Auftrags, wie ein aufgenommenes Darlehen, ein übernommenes Schuldversprechen, auch ein Verdienstausfall wegen des Auftrags, nicht aber die mit dem Auftrag selbst verbundene Arbeit. y) Nicht gezielte, aber voraussehbare und freiwillige, d. h. bewußt gemachte Opfer als notwendige Folge des Auftrags, z. B. eine Erkältungskrankheit als Folge einer winterlichen Suchaktion, ein verlorener Haftpfliditprozeß als Folge einer auftragsgemäß erteilten, aber unrichtigen Auskunft. S) Unfreiwillig erlittene Schäden (auch Zufallschäden), soweit sie aus einer Gefahrlage entstehen, die der Ausführung des Auftrags typischerweise anhaftet und der sich der Beauftragte im Interesse des Auftraggebers freiwillig aussetzt, können nur mit einer Analogie zu § 670 erfaßt werden. Die analoge Anwendung des § 670 ist aber geboten, weil der Auftraggeber vernünftigerweise damit rechnen mußte, daß sich aus der mit dem Auftrag verbundenen Gefahrlage Opfer für den Beauftragten ergeben würden. Wer für einen aus der Ostzone Geflüchteten unter Nichtbeachtung ostzonaler Vorschriften in die Ostzone geht, um dort Nachforschungen nach Vermögensgegenständen, Personen und dergl. anzustellen, muß mit spezifischen Risiken rechnen. Wird er inhaftiert und erleidet er dadurch einen Verdienstausfall, so ist auch dies „Aufwendung" im Sinne des § 670; Gesundheitsschäden, die sich während der Haft einstellen ebenfalls, ja sogar der Tod als Folge der Inhaftierung, vgl. RG 167, 89. Im letzten Fall haben Witwe, Kinder und Dienstberechtigte in entsprechender Anwendung von §§ 844, 845 i. V. m. § 670 Ansprüche gegen den Auftraggeber. Allerdings mindern sich alle diese Ansprüche auf Ersatz von Gefahraufwendungen gemäß § 254 nach den Grundsätzen über das Handeln auf eigene Gefahr (vgl. Hans Stoll, Das Handeln auf eigene Gefahr, 1961). Die Schadensverteilung ist damit Frage der Umstände im Einzelfall. e) Keine „Aufwendungen" im Sinne des § 670 sind nicht gefahrtypische Schäden. Bricht sich z. B. im obigen Fall der Ostzonenreisende beim Aussteigen aus dem Zug ein Bein, so muß er diesen Schaden selbst tragen. Auch im Dienstverhältnis können außergewöhnliche Schäden, die den Arbeitnehmer bei Verrichtung der Arbeit treffen, dem Arbeitgeber nicht nach § 670 auferlegt werden, anders BAG NJW 62, 411, dazu Larenz II* 216 u. 261 Fußn. 2; oben § 79 II 2 c ß. Hier gilt nur die Verschuldenshaftung aus Vertrag oder Delikt, wobei ein Verschulden auch in mangelhafter Betriebsorganisation begründet sein kann. Vgl. § 110 HGB, wo diese Begrenzung des Aufwendungsersatzansprudis ausdrücklich enthalten ist. Besonderheiten können sich im Arbeitsrecht aus dem Gesichtspunkt der Risikoverteilung bei schadensgeneigter Arbeit ergeben. Auch Immaterialschäden können nicht nach § 670 als Aufwendungen ersetzt verlangt werden, BGHZ 52, 115. c) Übernimmt ein Beauftragter Leistungen, die bei Vereinbarung einer Bezahlung dienstvertraglicher Art wären, so haftet der Auftraggeber für Schäden an Leben und
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Geschäftsbesorgung. Raterteilung
§82
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Gesundheit des Beauftragten ebenso, wie wenn er Dienstberechtigter wäre, 6 1 8 . Diese H a f t u n g ist unabdingbar, B G H Z 16, 2 6 7 .
5. Der Auftrag endet durch Widerruf von Seiten des Auftraggebers (6711); durch Kündigung von Seiten des Beauftragten, die bei Vermeidung einer Schadensersatzpflicht nicht zur Unzeit erfolgen darf, außer bei wichtigem Grund, dann aber auch, wenn der Beauftragte auf das Kündigungsrecht verzichtet hat (671 II, I I I ) ; ferner im Zweifel mit dem Tod des Beauftragten, wobei aber den Erben in Eilfällen eine Fortsetzungspflicht trifft (673). Der Auftrag erlischt im Zweifel nicht mit dem Tod oder dem Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des Auftraggebers. Erlischt der Auftrag, trifft den Beauftragten in Eilfällen eine Fortsetzungspflicht (672). Zum Schutze des Beauftragten, der von der Beendigung des Auftrags nichts erfahren hat, gilt der Auftrag als fortbestehend, bis der Beauftragte vom Erlöschen weiß oder fahrlässig nicht weiß (674, beachte auch § 169). Ist der Auftrag das Innenverhältnis einer Vollmacht, gelten §§ 671—674 in Verbindung mit § 168 S. 1 (wichtige Durchbrechung des Abstraktionsprinzips der Vollmacht). § 671 I I I ist ein treffendes Beispiel, wie in Fällen der Unzumutbarkeit der Vertragswille unbeachtlich wird. Beispiel: A erteilt dem B A u f t r a g und Vollmacht, auf der Kunstauktion für ihn ein Bild zu ersteigern. K u r z v o r Beginn der Auktion widerruft A den A u f t r a g telegraphisch. B ersteigert trotzdem im N a m e n des A und erhält den Zuschlag. A ist nicht gebunden; eines besonderen Widerrufs der Vollmacht bedurfte es nicht (beachte aber §§ 1 7 0 — 1 7 3 ) . 6. Beauftragter wie Auftraggeber haften für V o r s a t z und jede Fahrlässigkeit. Eine Einschränkung der H a f t u n g des Beauftragten wegen der Unentgeltlichkeit des V e r trages (vgl. § 6 9 0 ) besteht nicht. Beim Vorliegen entsprechender Bedingungen ist § 6 1 8 ebenso wie auf den W e r k v e r t r a g auch auf den A u f t r a g entsprechend anwendbar, B G H Z 16, 2 6 5 .
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Geschäftsbesorgung. Raterteilung Bertzel, A c P 158, 1 0 7 ; Dniestrzanski, Aufträge zugunsten Dritter, 1 9 0 5 ; ders., Iherjb. 77, 4 8 ; Dorn, J Z 64, 9 3 ; H. Isay, Die Geschäftsführung nach dem B G B für das Deutsche Reich, 1 9 0 0 ; Isele, Geschäftsbesorgung, 1 9 3 5 ; Lenel, A c P 109, 1 ; Lent, Wille und Interesse bei der Geschäftsführung, 1 9 3 8 ; Liebich, Treuhand und Treuhänder im Wirtschaftsrecht, 1 9 6 6 ; Mittelstein, M D R 58, 7 4 3 ; Pikart, W M 6 6 , 6 9 8 ; Sefrin, Die H a f t u n g für R a t s - und Auskunftserteilung, 1 9 2 8 ; Woite, H a f t u n g und allgemeine Geschäftsbedingungen der Banken, 1931.
1. Der Wortlaut des § 675 läßt seinen Sinn kaum erkennen. Das Auftragsrecht der §§ 662—674 mit seinen verschiedenen, der Vertrauensstellung der Parteien angemessenen Bestimmungen setzt unentgeltliches Tätigwerden voraus. Nun gibt es selbstverständlich auch entgeltliche Tätigkeiten, die aufgrund 491
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einer dem Auftragsrecht ähnlichen Vertrauensstellung ausgeübt werden. E n t geltliche Arbeit für andere gliedert sich nach Auffassung des BGB in Dienstund Werkverträge, je nadidem, ob Tun als soldies oder ein bestimmter Erfolg geschuldet ist. U m nun entgeltlidie Tätigkeiten mit auftragsähnlicher Vertrauensstellung regeln zu können, bedurfte es wieder einer Verkopplung von Dienst- und Werkvertrag unter ergänzender Heranziehung derjenigen Auftragsvorsdiriften, in denen das Vertrauensband zum Ausdrude kommt. Dies ist der Inhalt des § 675. 2. Dadurch engt sich der Begriff des „Geschäfts" in § 6 7 5 gegenüber § 6 6 2 erheblich ein. Die allgemeine Lehre und Praxis versteht unter der Besorgung eines Geschäfts im Sinne des § 6 7 5 jede „selbständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art für einen andern und in dessen Interesse". Hinzu kommt, daß es sich — wegen des Dienst- oder Werkvertrags als erforderliche Grundlage — um entgeltlidie Arbeit für andere handeln muß. So die allgemeine Meinung seit R G 2 109, 301. Dabei ergeben sich Abgrenzungsschwierigkeiten, z . B . zum Darlehen, B G H Z 19, 288, oder zum Werk- und Dienstvertrag, was wegen der Verjährungsbestimmungen wichtig ist, B G H Z 45, 223. Geschäftsbesorgungsverträge im Sinne des § 675 schließen Rechtsanwälte, Patentanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater (BGHZ 54, 106), Banken (die meisten Banktätigkeiten sind Geschäftsbesorgungen), Schiedsrichter, bauleitende Architekten, Einkäufer, Aufkäufer, Expeditionsleiter, Rechenzentren Sdiätzer, Finanzierungsbüros, Schiedsgutaditer (BGHZ 22, 343), Siedlungsträger (BGHZ 16, 338). Die Tätigkeit muß immer selbständig sein, daher fallen unter § 675 nicht gewerbliche Arbeiter und Angestellte, Hausangestellte, Vereins- und Gesellschaftsvorstände; die Tätigkeit muß wirtschaftlicher Alt sein, also Bezug zum Vermögen haben, daher fallen unter § 675 nicht Ärzte, Zahnärzte, Künstler, Erzieher, Forscher, Architekten (BGHZ 45, 223), Gartenarchitekten; die Tätigkeit muß für einen anderen geleistet werden, daher fallen unter § 675 nicht Leistungen an andere, etwa von Seiten eines Schneiders, Bauunternehmers, selbständigen Handwerkers; die Tätigkeit muß in der Wahrnehmung fremder Interessen bestehen, also einen gewissen beratenden, fürsorgenden Charakter tragen und darf nicht nur in Verfolgung eigenen Interesses geschehen, daher fallen unter § 675 nicht die selbständigen Unternehmer, Handwerker, Landwirte; die Tätigkeit muß entgeltlich sein, nämlich aufgrund Dienst- oder Werkvertrags geschuldet, daher fallen unter § 675 nicht die (wenn auch rechtlich verbindlich gemeinten) Freundschaftsdienste, Botschaften, Erledigungen ohne Entgelt; endlich wird § 675 durdi Sonderrecht verdrängt, z. B. durch das Mäklerrecht (§§ 652 ff. BGB und 93 ff. HGB), durch die Vorschriften über die Verwahrung (§§ 688 ff.), durch das Recht der Kommission (§§ 383 ff. HGB) usw. Die Verwaltungstreuhand ist in der Regel ebenfalls, in ihrem schuldrechtlichen Ziel, Geschäftsbesorgung gem. § 675, Liebich, a. a. O., S. 92. Wesen der Treuhand ist die Ausübung von Rechten in eigener Rechtszuständigkeit und in eigenem Namen, aber nicht — oder wenigstens nicht ausschließlich — im eigenen Interesse, RGZ 127, 344; BGHZ DB 56, 890; BGHZ 11, 37; 17, 140; 19, 69; 32, 67; LG Hamburg MDR 57, 684. Dabei bedingt die schuldrechtliche Interessebindung ein Minus im Verhältnis zur sachenrechtlichen Rechtsmacht („überschießende Außentendenz"). Treuhandschaften 492
Geschäftsführung ohne Auftrag
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werden entweder zu Verwaltungszwecken (einschließlich Aufsidit usw.) vereinbart (Verwaltungstreuhand oder einfach: Treuhand), oder um dem Treuhänder eine Sicherheit gegenüber dem Treugeber einzuräumen (Sidierungstreuhand). Die Verwaltungstreuhand ist Geschäftsbesorgung, die Sicherungstreuhand dagegen beruht auf einem (atypischen) Sicherungsvertrag, dazu unten § 92 V. 3. D i e Beispiele zeigen den nicht unwichtigen Bereich des § 675. Viele V o r schriften des Auftragsrechts erlangen erst ü b e r § 675 B d e u t u n g . So gilt f ü r eine Geschäftsbesorgung § 663 (wichtig insb. f ü r B a n k e n , soweit nicht § 362 H G B eingreift, oben § 8 1 1 1 1 ) ; § 665 (Abweichen v o n Weisungen); § 6 6 6 (Ausk u n f t s p f l i d i t ) ; § 6 6 7 (Herausgabepflicht); § 6 6 8 (Verwendungszinsen); § 6 6 9 (Vorschußpflicht); § 6 7 0 (Aufwendungsersatz, hier jedoch nicht so wichtig wegen des o h n e h i n geschuldeten Entgelts. Z u p r ü f e n ist also stets, i n w i e w e i t Auslagen schon durch das E n t g e l t abgegolten sind); §§ 6 7 2 — 6 7 4 , 671 I f ü r die Beendigung. 4. Systematisch richtig behandelt das Gesetz im Anschluß daran die Raterteilung (§ 676) : Ratschläge und Empfehlungen verpflichten, wenn aus ihrer Befolgung ein Schaden entsteht, nicht zum Schadensersatz. Sie gehören der außerrechtlichen, gesellschaftlichen Sphäre an. N u r wenn vertragliche Bindung oder unerlaubte Handlung, z. B. böswillige, sittenwidrige Irreführung (§ 826), vorliegen, ist der Beratende ersatzpflichtig. Wenn aufgrund besonderer Vereinbarung ein bindend gemeinter Beratungsvertrag entstanden ist, und die Verbindlichkeit im Einzelfall nicht ausgeschlossen wird, entsteht bei schuldhafter Falsdiberatung eine Ersatzpflicht wegen schlechterfüllten Beratungsvertrags. Die Beratungspflidit kann auch Nebenverpfliditung eines anderen Vertrages sein, es kann sich insbesondere aus längerer Geschäftsverbindung eine Pflicht zur Gewissenhaftigkeit der Beratung ergeben. Das ist z. B. häufig bei Banken der Fall, BGHZ 13, 198; auch 7, 371. Die Banken schützen sich aber in der Regel durch den Vermerk „sine obligo". Zur Begründung dieser Haftung für Verletzung eines Vertrauensverhältnisses aus dauernder Geschäftsverbindung oben § 20 VI (Parallelfall zur culpa in contrahendo). Zur Haftung für Auskünfte siehe allg. Baumbach-Duden, § 347, 5 HGB; BGHZ 12, 105; 13, 198.
§83 Geschäftsführung o h n e Auftrag Baur, JZ 52, 328; ders., DVB1. 65, 893; Belemann, MDR 63, 186; Bertzel, AcP 158, 107; ders., N J W 62, 2276; Böhmer, MDR 63, 184; Brückmann, Die Rechte des Geschäftsführers ohne Auftrag, 1903; Canaris, JZ 63, 655; Deutsch, AcP 165, 193; Dorn, N J W 64, 799; Ebbecke, Recht 1918, Ernst, AcP 96, 440; Hamann, N J W 55, 481; Imlau, N J W 63, 1039; Isele, Geschäftsbesorgung, 1935; Kalifelz, MDR 63, 544; Kohler, Iherjb. 25, 1; Knoche, MDR 64, 193; Lange, JZ 63, 547; Lent, Der Begriff der auftragslosen Geschäftsführung, 1909; ders., Wille und Interesse bei der Geschäftsbesorgung, 1938; Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939; Nipperdey, Der Eingriff in schuldreditlich festgelegte Interessensphären und § 687 II, Festschr. Böhm, 162; Schwarz, Th., JZ 66, 162; Streber, Wille und Interesse des Geschäftsherrn bei der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1907; Swoboda, Bevollmächtigungsvertrag und Auftrag, Geschäftsführung ohne Auftrag, versio in rem, 1932; Zitelmann, AcP 99, 104. 493
§83
Geschäftsführung ohne Auftrag
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I. Begriff
und
Bedeutung
1. D i e Gesdiäftsführung ohne Auftrag ist ein gesetzliches Schuldverhältnis, das den einen T e i l (Geschäftsführer) zu sorgfältiger Ausführung des von i h m übernommenen Geschäfts verpflichtet, aber auch berechtigt, und den anderen T e i l (Geschäftsherr) zum Ersatz der Aufwendungen des Geschäftsführers verpflichtet. 2. D i e Geschäftsführung ohne A u f t r a g ist kein Vertrag und nach herrschender Meinung nicht einmal ein Rechtsgeschäft; wohl aber ein Rechtsgrund im Sinne des § 8 1 2 . Die Geschäftsführung ist eine Rechtshandlung, und zwar eine reditsgeschäftsähnliche, vergleichbar der Wohnsitznahme nach § 7 und der Mahnung des § 284 I (vgl. EnnLehmann § 165 V). Die Geschäftsführung ruft Rechtswirkungen hervor, auch wenn diese nidit gewollt sind. (Dies ist das Kennzeichen der Rechtshandlungen.) Sie ist aber reditsgesdiäftsähnlidi. Die Geschäftsführung ist mehr als ein bloßer Realakt, wie z. B. Verbindung, Vermischung und Verarbeitung nadi §§ 946 ff. (alles recht str.). Inwieweit Geschäftsfähigkeit erforderlich ist, ist umstritten. Aus § 682 läßt sich schließen, daß Geschäftsfähigkeit des Geschäftsführers nidit erforderlich ist, der Geschäftsunfähige jedoch haftungsmäßig privilegiert ist. Ein Aufwendungsersatzanspruch steht ihm damit nadi §§ 683, 670 zu, deren Voraussetzungen den Gesdiäftsherrn in ausreichendem Maße schützen (a. A. die sehr bedenkliche Entscheidung des LG Aachen, N J W 63, 1252, wie hier Schulten N J W 63, 1878, Knocke M D R 64, 193, Diederichsen M D R 64, 889 und die wohl h. M.). Die Sorgfaltspflicht nach § 677 soll nur einen voll Geschäftsfähigen treffen, die Ersatzpflicht des § 683 dagegen darf, wegen ihres bereicherungsähnlichen Charakters, auch den Niditgeschäftsfähigen belasten: Darum bestimmt auch § 686, daß der wirkliche, nidit der vom Geschäftsführer vermutete Geschäftsherr berechtigt und verpflichtet wird. Der Geschäftsherr muß aber rechtsfähig sein; immerhin genügt, daß er einmal rechtsfähig wird: Die Geschäftsführung ohne Auftrag ist auch für nodi nidit bestehende Personen möglich, falls sie nur später entstehen, 158 I. 3. I h r e praktische Bedeutung hat die Geschäftsführung ohne A u f t r a g v o r allem bei Hilfeleistungen, von denen der Begünstigte zunächst nichts weiß. E s k o m m t häufig vor, daß jemand, ohne dazu berechtigt oder aufgefordert zu sein, die Angelegenheiten eines andern besorgt. E s k a n n sich um tatsächliche oder rechtliche Geschäfte handeln, und der A n l a ß k a n n ein überwiegend eigennütziger oder fremdnütziger, j a humanitärer sein: Einerseits muß die Rechtsordnung durch Gewährung eines Auslagenersatzanspruchs (§ 6 8 3 ) die allgemeine Hilfsbereitschaft fördern, andererseits durdi die H a f t u n g für Ü b e r nahmeversdiulden ( § § 6 7 8 — 6 8 0 ) und für schlechterfüllte Geschäftsführung (§§ 6 7 7 , 2 4 2 , 2 7 5 ff. entspr.) ungebetener Einmischung in fremde Belange entgegentreten. Beispiele: Zahlung fremder Schuld (fremder Steuern), Führung von Verhandlungen für einen Dritten, Hilfe für einen bewußtlosen Verunglückten, Brandbekämpfung beim verreisten Nachbarn (auch wenn überwiegend zum Schutz des eigenen Hauses), Verständigung der Brandversicherung des Nachbarn zur Wahrung der Termine, Füttern eines zugelaufenen, fremden Tieres, Bergung fremden Gutes in Notzeiten. 494
Geschäftsführung ohne Auftrag
§83 14
Immer aber ist der Geschäftsführung ohne Auftrag ein bewußtes Handeln für einen andern eigen, wenn auch neben anderen Motiven. Das ist für die Abgrenzung von der ungerechtfertigten Bereicherung von Bedeutung. Die Geschäftsführung ohne Auftrag kann ein „obiektiv fremdes" Geschäft zum Gegenstand haben, z. B. die Bezahlung fremder Schulden oder die Abwendung eines den anderen betreifenden Schadens. Hier wird der Wille, für den Geschäftsführer zu handeln, widerleglidi vermutet. Bei nur „subjektiv fremden" Geschäften ist der Charakter der Geschäftsführung für einen andern nicht äußerlich erkennbar, z. B. beim Einkauf eines Fotoapparats. Hier wird die Fremdrichtung des Handelns nicht vermutet. Sie muß vom Geschäftsführer nachgewiesen werden, ähnlich wie beim Geschäft für den es angeht, H. Lehmann, Allg. Teil des BGB16, § 36 IV 2 c. Man unterscheidet weiter die berechtigte und die unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag. Jede Geschäftsführung ohne Auftrag löst die Folgen der §§ 677, 681 aus, nur die berechtigte u. a. die des § 683. Die unberechtigte verpflichtet zum Schadensersatz, wobei Übernahmeverschulden genügt, 678; kommt Vorsatz hinzu, gilt §68711. Für Hilfeleistungen im öffentlich-rechtlichen Bereich des Staates hat die Geschäftsführung ohne Auftrag mit der Weiterentwicklung des Rechts der Aufopferung und der öffentlich-rechtlichen Entschädigung sowie der Einführung des Versicherungsschutzes nach § 539 I 9 RVO an Bedeutung verloren, wenngleich diese Ansprüche weiter bestehen und auf den Versicherungsträger nach § 1542 RVO übergehen können, BGHZ 38, 270, 281. 4. D i e rechtliche Bedeutung der Geschäftsführung ohne Auftrag liegt vor allem in fünf Gesichtspunkten : a) Sie ist, wenn ihre Voraussetzungen gegeben sind (unten II 1.), ein Rechtfertigungsgrund für den Eingriff in ein fremdes Recht. Zur Brandbekämpfung beim verreisten Nachbarn wird die Tür erbrochen (vgl. auch § 904. Die Ersatzpflicht nach § 904 S. 2 entfällt, wenn der Rechtfertigungsgrund der Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegt). b) Sie verpflichtet den Geschäftsführer (negotiorum gestor) zum Schadensersatz aus Übernahmeverschulden, und zwar auch für Zufallsschäden, wenn die Übernahme dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Gesdiäftsherrn widerspricht und der Geschäftsführer dies erkennen mußte, 678 (Ausnahmen in §§ 679, 680, 682). c) Sie verpflichtet den Geschäftsführer, „das Geschäft so zu führen, wie es das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen erfordert". Insoweit führt das Treu-und-Glauben-Gebot in § 242 zu einer Rechtspflicht aus vorausgegangenem Tun: Wer ungefragt eingreift, muß sorgfältig eingreifen. d) Sie begründet schließlich eine Pflicht zum Aufwendungsersatz,
683, 670.
(Dieser vierte Gesichtspunkt wird bisweilen nicht ganz zu Recht systematisch allein in den Vordergrund gestellt.) Grundsätzlich werden Auslagen und Aufwendungen nadi Bereicherungsrecht ersetzt (unten § 99 V 1 c, d). Der bereicherungsrechtliche Auslagenersatz beschränkt sich aber, der objektiven Gestaltung des Bereicherungsrechts ent495
§83 111
Geschäftsführung ohne Auftrag
sprechend, auf die wertmäßige, nodi vorhandene Bereicherung. Das erscheint zu wenig, wo wie beim Geschäftsführer bewußt im fremden Interesse gehandelt wird. Zutreffend geben daher §§ 683 S. 1, 670 dem Geschäftsführer Anspruch auf Ersatz aller Aufwendungen, die der Geschäftsführer den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Auf Bereicherungswegfall kann sich der Geschäftsherr gegenüber dem Anspruch aus §§ 683 S. 1, 670 nicht berufen. Das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag bringt insoweit eine zutreffende Ergänzung und (historisch gesehen) Weiterentwicklung des Bereicherungsrechts unter Berücksichtigung subjektiver Momente.
e) Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag ist ein Rechtsgrund Vermögensverschiebungen im Sinne des Bereicherungsrechts, 812 ff.
für
5. Die Konkurrenz der §§ 812 ff., 994 ff. und 677 ff. gestaltet sich demnach wie folgt: §§ 812 ff. und §§ 677 ff. sind nebeneinander anwendbar, soweit die jeweiligen Voraussetzungen vorliegen. Allerdings bildet die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag regelmäßig einen Rechtsgrund für erbrachte Leistungen, so daß §§ 812 ff. ausscheiden. Auf die unberechtigte erklärt § 684 Bereicherungsrecht für anwendbar. Die unechte Geschäftsführung ohne Auftrag (687) läßt aber Bereicherungsrecht unberührt; es ist daneben anwendbar (z. T. str.). Die §§ 812 ff. werden durch Sonderregeln über den Aufwendungsersatz nach Art der §§ 994 ff. verdrängt (unten § 99 V 1 d) nidit dagegen die §§ 677 ff. (vgl. § 994 II), auch nicht § 687 II, BGHZ 39, 186. Die §§ 677 ff. werden verdrängt von Sondervorschriften nach Art des Finderrechts, 965 ff., und des Rechts der Geschäftsführung im Prozeß, 89 Z P O (die §§ 677 ff. bleiben ergänzend anwendbar).
6. Erblickt man das Kennzeichen der Geschäftsführung ohne Auftrag in dem bewußten Tätigwerden für andere, so ist das Behandeln eines fremden Geschäfts in der irrigen Meinung, es sei das eigene, in der Tat keine (und nicht bloß unechte) Geschäftsführung ohne Auftrag, 6871. Die Behandlung des fremden Geschäfts als eigenes trotz Kenntnis der fehlenden Berechtigung dazu kann man als „unechte Geschäftsführung ohne Auftrag" bezeichnen, da zwar das Wissen von der Fremdheit des Geschäfts, nicht aber das Handeln in fremdem Interesse vorliegt, 687 II (unten III). Die Anwendung der §§ 677 ff. wird andererseits nicht gehindert durch einen Irrtum über die Person des Geschäftsherrn. 7. Ein Gegenstück zum Aufwendungsanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 683 S. 1, 670 ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, z.B. bei polizeilicher Ersatzvornahme, vgl. BGHZ 54, 21, 28; BVerwG 10, 282, 290; Hurst DVBl. 65, 757. II. Die Geschäftsführung ohne Auftrag im einzelnen 1. Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag a) Unter „Geschäft" im Sinne des § 677 ist jede nur denkbare, für andere möglicherweise zu erledigende Angelegenheit zu verstehen. Arbeit im weitesten Sinne ist gemeint (z. B. im Sinne des Wortes „Arbeit" in § 631 II). Der Geschäftsbegriff des § 677 deckt sich also mit dem des § 662, nicht aber mit dem engeren des § 675 (oben §§ 81 I 3 und 82, 2).
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Geschäftsführung ohne Auftrag
b) D i e Angelegenheit m u ß „für einen anderen
besorgt"
§83 111 w e r d e n , 677.
Dazu gehört zweierlei: Das Wissen, daß es sich um ein Geschäft des andern handelt, und die Behandlung des Geschäfts als das des andern, m. a. W., das gewollte Fremdinteresse. Hier unterscheidet sich die echte Geschäftsführung ohne Auftrag von der unechten im Sinne des §68711: Bei der unechten kennt zwar der Geschäftsführer die Fremdheit, er behandelt aber das Geschäft, als ob es sein eigenes wäre, also im gewollten Ei'geninteresse: Wer die entlaufenen Hühner seines verreisten Nachbarn einfängt, um sie ihm wieder abzuliefern, ist echter Geschäftsführer, 677 ff. Wer das gleiche tut, um sie zu schlachten, unechter 687 II. Das „im Interesse des andern handeln wollen" ist Begriffsmerkmal der Geschäftsführung ohne Auftrag. Es hat nichts damit zu tun, ob die Geschäftsführung auch wirklich „dem Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen" entspricht. Letzteres ist Rechtsfolge der berechtigten Geschäftsführung (§ 677) sowie regelmäßige Tatbestandsvoraussetzung des Aufwendungsersatzanspruchs (§ 683 S. 1). c) D e r G e s c h ä f t s f ü h r e r d a r f z u seiner T ä t i g k e i t w e d e r beauftragt n o d i sonstw i e d e m Geschäftsherrn gegenüber berechtigt sein, 677. D e r Ausdruck „ G e s c h ä f t s f ü h r u n g ohne A u f t r a g " ist also zu eng. Auch Dienst-, W e r k - , Geschäftsbesorgungsverträge, elterliche G e w a l t , V o r m u n d s c h a f t u n d Amtspflicht k ö n n e n Recht u n d Pflicht z u m T ä t i g w e r d e n begründen. Es k o m m t nicht d a r a u f an, o b der G e s c h ä f t s f ü h r e r eine Berechtigung irrig a n n a h m , es genügt die objektive f e h l e n d e Berechtigung, z . B . bei u n e r k a n n t nichtigem A u f t r a g , B G H Z 37, 2 5 8 ; 39, 90 (str.). Die allgemeine Pflicht, Hilfe zu leisten (§ 330 c StGB) ist aber weder „Auftrag" noch „sonstige Berechtigung". Dazu bedarf es stets eines besonderen Rechtsverhältnisses. Ist der Geschäftsführer zwar nicht dem Geschäftsherrn, wohl aber Dritten gegenüber zum Tätigwerden berechtigt oder verpflichtet, ist zu unterscheiden : a) Grundsätzlido b e w i r k e n Berechtigung u n d Verpflichtung gegenüber dem D r i t t e n noch keine Berechtigung gegenüber d e m Geschäftsherrn, B G H Z 40, 28. Der Hausmeister des A löscht beim abwesenden Nachbarn B einen Brand, der auf das Haus des A hätte übergreifen können. Für die dabei zugezogenen Verletzungen, soweit sie sich im Rahmen vernünftiger Risiken halten, haftet B dem Hausmeister aus §§ 683 S. 1, 670. — Die Ehefrau beansprucht außerhalb der Schlüsselgewalt die Dienste eines Arztes (§ 611). Der Arzt erfüllt damit zugleich die Unterhaltspflicht des Ehemannes (§ 1360), führt also auch dessen Geschäft. Er kann sich wegen des Honorars an den Mann halten. Im übrigen gilt bei Einspringen für fremde Unterhaltspflicht i. d. R. : Wenn ein Unterhaltspflichtiger einspringt, der jedoch noch nicht an der Reihe ist, liegt nur ungerechtfertigte Bereicherung vor, weil der Unterhaltspflichtige im Zweifel nur die eigene, nicht die fremde Unterhaltspflicht tilgen will (unten § 99 V 1. c). Springt ein Dritter ein, etwa ein Freund der Familie, liegt Geschäftsführung ohne Auftrag vor (679!). ß) Dagegen entfallen Ansprüche aus G e s c h ä f t s f ü h r u n g ohne A u f t r a g , w e n n der „ G e s c h ä f t s f ü h r e r " dem D r i t t e n gerade d a z u verpflichtet ist, Geschäfte des Geschäftsherrn z u besorgen. D a s gilt insb. beim V e r t r a g zugunsten D r i t t e r , w o D r i t t e r im Sinne des § 328 der „Geschäftsherr" ist. 32
F i k e n t s c h e r ,
Sdiuldredit, 4. Auflage
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§83 112
Geschäftsführung ohne Auftrag
Der Ehemann bestellt den Arzt für ärztliche Behandlung der Ehefrau. Der Arzt hat gegen die Frau keinen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag. d) Kein Geschäftsführer ohne Auftrag ist, wer nur im Rahmen eines Gefälligkeitsoder Geselligkeitsverhältnisses tätig wird, dazu oben § 7 III. Die h. M. übersieht dies Erfordernis des Tätigwerdens in der Reditssphäre. Es muß, wie bei Verträgen, auch hier gelten. Zweckmäßig legt man aber dem Geschäftsherrn die Beweislast dafür auf, der Geschäftsführer habe aus reiner Gefälligkeit handeln und nicht Ersatz haben wollen. (Denn auch ein Verzicht auf den Ersatzanspruch aus — rechtserheblidier — Geschäftsführung ohne Auftrag müßte nachgewiesen werden, und die Fälle ähneln sich sehr.) Freilich gehen dann aber die nobler Handelnden meist leer aus. Doch hat dieser Standpunkt, wie ein Blick auf das angloamerikanische Recht lehrt, seine Berechtigung. Die Geschäftsführung ohne Auftrag darf nicht zur Kommerzialisierung der Menschenfreundlichkeit führen. 2. Schadensersatzpflicht
aus Übernahmeverschulden,
678—680
a) „Steht die Übernahme der Geschäftsführung mit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Gesdiäftsherrn in Widerspruch und mußte der Geschäftsführer dies erkennen, so ist er dem Geschäftsherrn zum Ersatz des aus der Geschäftsführung entstehenden Schadens auch dann verpflichtet, wenn ihm ein sonstiges Verschulden (gemeint ist: bei der Durchführung des Geschäfts) nicht zur Last fällt" (678). Der Geschäftsführer haftet also bei bloß fahrlässigem Übernahmeverschulden auch für normrelevante Zufallsschäden. Das ist eine strenge Haftung, die ungebetener Einmischung einen Riegel vorschieben soll. Auf das wahre Interesse des Geschäftsherrn kommt es hier beim Übernahmeverschulden im Gegensatz zum Geschäftsführungsanspruch (§§ 677, 242) und zum Aufwendungsersatz (§ 683) nicht an. Sein entgegenstehender Wille genügt, mag er auch unvernünftig sein. Doch ist, wenn ein wirklicher Wille fehlt, der mutmaßliche Wille objektiv zu bestimmen: Ein vernünftiger Durchsdinittswille ist maßgebend, nicht unbekannte subjektive Willensbesonderheiten des Geschäftsherrn. Dadurch sind objektiv vertretbare Einmischungen in den Rechtskreis des Geschäftsherrn gedeckt, auch wenn sie dem nachträglich bekanntwerdenden wirklichen Willen des Gesdiäftsherrn widersprechen. Irrt der Geschäftsführer ohne Schuld über den wahren Willen des Geschäftsherrn, schadet dies dem Geschäftsführer insoweit nicht. Ein Irrtum aber über das, was der „objektive zu mutmaßende Wille" ist (Wertung!), ist wegen des objektiven Verschuldensbegriffs des Zivilrechts nur selten entschuldbar, §276 (kritisch Esser §185 1.b). — Die strenge Haftung des §678 wird durch zwei Vorschriften gemildert: b) Ein der Geschäftsführung entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn ist unbeachtlich, 679, a) wenn die Geschäftsführung in der Erfüllung einer Pflicht des Geschäftsherrn besteht, die im öffentlichen Interesse liegt. A streut bei Glatteis vor dem Haus des B. ß) wenn ohne die Geschäftsführung eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Geschäftsherrn nicht rechtzeitig erfüllt würde. Ein Familienfreund zahlt dem Vater den Unterhalt, den der gutverdienende Sohn schuldet. 498
Geschäftsführung ohne Auftrag
§83
114
y) wenn der entgegenstehende Wille des Geschäftsherrn aus einem sonstigen Grunde Verbots- oder sittenwidrig und daher unbeachtlich ist (§ 679 analog). A rettet einen Selbstmörder, BGHSt. 6, 147. c) Liegt nach objektiver Beobachtung eine Notlage vor, die den Geschäftsführer veranlaßt einzugreifen, wird sowohl die Übernahme- als auch die Durchführungshaftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit begrenzt, 680; § 2 5 4 findet dann grundsätzlich keine Anwendung, vgl. B G H Z 43, 188. Ist aber die Übernahme grob fahrlässig, wird für leicht fahrlässige und Zufallsschäden bei der Durchführung gehaftet, 678. 3. Die Geschäftsführungspflicht,
677, 242, 681, 666—668,
275
ff.
a) Liegen die Voraussetzungen einer Geschäftsführung ohne A u f t r a g v o r (oben 1.), so ist der Geschäftsführer k r a f t Gesetzes verpflichtet, „das Geschäft so z u führen, wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen es e r f o r d e r t " , 6 7 7 . I m Unterschied zur Ü b e r n a h m e wird bei der Durchführung zugunsten des Geschäftsführers das Interesse des Geschäftsherrn, nicht nur sein Wille berücksichtigt. Das Interesse ist dabei genau so vom Standpunkt des vernünftigen, objektiven Beobachters aus zu beurteilen wie der mutmaßliche Wille (oben 2. a). In der Regel werden sich daher Interesse und mutmaßlicher Wille decken, denn normalerweise will jeder seine Interessen wahren. Nur der wirkliche Wille führt, wo vorhanden und bekannt, zu Einschränkungen, nach denen sich der Geschäftsführer richten muß. b) Die Geschäftsführungspflicht ist nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu erfüllen, 242 (vgl. die systematische Stellung des § 242 zu § 677!). c) Daraus folgt die in § 681 genannte Pflicht, dem Geschäftsherrn, sobald tunlich, die Geschäftsführung anzuzeigen, und außer bei Gefahr die Entschließungen des Geschäftsherrn abzuwarten. Der Geschäftsführer ist auskunfts-, herausgabe- und zinspflichtig wie ein Beauftragter, 681 S. 2, 666—668. d) Macht sich der Geschäftsführer die Erfüllung der Hauptpflicht (a, b ) oder einer der Nebenpflichten (c) schuldhaft unmöglich, gerät er damit in V e r zug, oder erfüllt er sie schlecht, haftet er nach den Regeln der Leistungsstörungen, 2 7 5 ff.; die §§ 3 2 0 ff. gelten nicht, da kein gegenseitiger V e r t r a g vorliegt. § 6 7 8 gilt daneben. 4. Die Aufwendungsersatzpflicht
des Geschäftsberrn,
683—685
a) „Entspricht die Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn, so k a n n der Geschäftsführer wie ein Beauftragter E r s a t z seiner Aufwendungen verlangen", 6 8 3 S. 1, 6 7 0 . Das gleiche gilt, wenn der Geschäftsherrnwille nach § 679 unbeachtlich ist (oben 2 b), 683 S. 2, und wenn der Geschäftsherr eine ursprünglich seinem Interesse oder Willen zuwiderlaufende Geschäftsführung nachträglich genehmigt, 684 S. 2, 184. Unterbleibt aber in einem solchen Fall die Genehmigung, wird anstatt nach § 677 nach Bereicherungsrecht abgewickelt, 684 S. 2, 812 ff. b ) D e r Geschäftsführer erhält nach §§ 6 8 3 S. 1, 6 7 0 jede Aufwendung ersetzt, „die er den Umständen nach für erforderlich h a l t e n " dürfte. D a z u zählen 32*
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Geschäftsführung ohne Auftrag
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die gleichen Vermögensopfer wie beim A u f t r a g (oben § 81 1 1 4 ) . Z u beachten ist, daß der Aufwendungsbegriff weiter ist als der Schadensbegriff, Schäden also Aufwendungen sein k ö n n e n : a) Die üblichen Auslagen (z. B. Reise-, Porto-, Verhandlungskosten). ß) Gezielte Vermögensopfer zur Durchführung der Geschäftsführung (z. B. Eingehung von Schulden, Verdienstausfall durch die Geschäftsführung). Hinsichtlich eingegangener Verbindlichkeiten besteht grundsätzlich ein Befreiungsanspruch, im Falle des § 679 u. U. auch ein Anspruch auf Genehmigung eines im Namen des Geschäftsherrn abgeschlossenen Vertrages, B G H N J W 51, 398. y) Nicht gezielte, aber voraussehbare und freiwillige Vermögensopfer als notwendige Folge der Geschäftsführung, z. B. Verschmutzung der Autopolster durch Blut beim Abtransport eines bewußtlosen Verunglückten. Jemand zahlt bei unechter Gesamtschuld und kann sich nun an den andern halten, B G H Z 39, 264 (Ardiitekt und Bauunternehmer); B G H Z 33, 251.