Das Schloß als Bild des Fürsten: Herrschaftliche Metaphorik in der Residenzarchitektur des Alten Reichs (1470-1618) 9783666367052, 3525367058, 9783525367056


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German Pages [560] Year 2004

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Das Schloß als Bild des Fürsten: Herrschaftliche Metaphorik in der Residenzarchitektur des Alten Reichs (1470-1618)
 9783666367052, 3525367058, 9783525367056

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Historische Semantik

Herausgegeben von Gadi Algazi, Bernhard Jussen, Christian Kiening, Klaus Krüger und Ludolf Kuchenbuch Band 6

Vandenhoeck & Ruprecht 2

Matthias Müller

Das Schloß als Bild des Fürsten Herrschaftliche Metaphorik in der Residenzarchitektur des Alten Reichs (1470–1618) Mit 208 Abbildungen

Vandenhoeck & Ruprecht 3

Für Melanie

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über < http://dnb.ddb.de > abrufbar. ISBN 3-525-36705-8 Gedruckt mit Hilfe der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein. © 2004 Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen/www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Satz: Dörlemann, Lemförde Druck und Bindung: Hubert und Co., Göttingen Umschlagkonzeption: Markus Eidt, Göttingen Umschlagabbildung: Lucas Cranach d. Ä., Melancholie (1532) (Ausschnitt) © Musée d’Unterlinden Colmar, photo O. Zimmermann Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

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Editorial

Historische Semantik erforscht die Bedingungen, Medien und Operationen der Sinnerzeugung in vergangenen Gesellschaften. Sie fragt nach den epistemischen oder ontologischen, den anthropologischen, psychologischen, soziologischen wie technischen Voraussetzungen jener Bedeutungsgeflechte, mit denen Kulturen ihr Wissen, ihre Affekte und Imaginationen ausdrückten. Sie richtet den – vergleichenden – Blick auf die Verschiedenheit der Ausdrucksmittel: sprachliche und textliche, bildliche, klangliche, rituelle und habituelle. Sie durchleuchtet das Mit- und Nebeneinander der Medien kultureller Orientierung und Wissensorganisation, lotet ihre unterschiedlichen Potentiale und Semantisierungsmöglichkeiten aus. Grundlage ist stets die Annahme, dass Bedeutung situativ bedingt und instabil ist, gleichwohl in ihrer Fluktuation immer wieder (und über längere Zeit) eingeschränkt oder stillgestellt werden kann. Historisch spezifische Semantiken sind nur als Dimensionen von Sozialstrukturen erforschbar. In den Blick rücken damit die Techniken und Diskurse, Regeln und Strategien, mit denen Bedeutungen erzeugt, durchgesetzt oder bekämpft, reguliert, stabilisiert oder habitualisiert, marginalisiert oder transformiert wurden. Ständig neu ausgehandelt zwischen situativer Vielfalt und diskursiver Fixierung, sind Bedeutungen zugleich mikrohistorische und makrohistorische Phänomene. Sie fordern dazu heraus, mikroskopische Tiefenbohrung und makroskopischen Kulturvergleich zu kombinieren. Die Reihe Historische Semantik fördert dieses breit angelegte Konzept einer Historischen Semantik und entwickelt damit Instrumentarien, die der Grundlegung historischer Kulturwissenschaften dienen. Sie vereint geschichts-, kunst- und literaturwissenschaftliche Arbeiten und hat ihren zeitlichen Schwerpunkt in der Vormoderne. Die Herausgeber

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Inhalt

Inhalt

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Einleitung

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2. Landesherrliche Residenzschlösser im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit. Eine funktionale, symbolische und künstlerische Bauaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Landesherrliche Residenzschlösser im mitteldeutschen Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3.1 Die Wettiner als politischer und baukünstlerischer »Hegemon« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Schloß Albrechtsburg in Meißen als Inkunabel eines neuen Konzepts fürstlicher Residenzarchitektur und Gründungsbau wettinischer Schloßbaukunst . . . . . 3.3 Schloß Hartenfels in Torgau: Fortschreibung des Meißener Architekturkonzepts . . . . . . . . . . . . 3.4 Das Dresdner Stadtschloß als Paradigmenwechsel . . 3.5 Schloß Augustusburg als Synthese . . . . . . . . . . 3.6 Die Reflexion des wettinischen »Anspruchsniveaus« in benachbarten Territorialherrschaften . . . . . . . . 3.6.1 Das Kurfürstentum Brandenburg . . . . . . . . 3.6.2 Das Fürstentum Anhalt . . . . . . . . . . . . . 3.6.3 Die Grafschaft Mansfeld . . . . . . . . . . . . . 3.6.4 Die Landgrafschaft Hessen . . . . . . . . . . .

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4. Das fürstliche Schloß und seine Gestalt. Zur konstitutiven äußeren Form landesherrlicher Residenzschlösser im Alten Reich unter besonderer Berücksichtigung Mitteldeutschlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4.1 Zwischen Vereinzelung und geometrischer Regularität: Gestaltungsprinzipien der Gebäudeanlage . . . . . . . .

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Inhalt

4.2 Die Hauptelemente des Schloßbaus . . . . 4.2.1 Der Turm und seine Derivate . . . . 4.2.2 Das fürstliche Haus und der Saalbau 4.2.3 Die Kapelle . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Das Schloßtor . . . . . . . . . . . . .

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5. Das Schloß als Ort von »Herrlichkeiten« und »Gerechtigkeiten« und als Ort des dynastischen »Gedechtnuß« . . . . .

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5.1 Schloßtürme als Gegenstand von Recht und »Gedechtnuß« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Mittelalterliche Bergfriede und Wohntürme in den Schlössern der frühen Neuzeit . . . . . . 5.1.2 Schloßtürme als Gefängnistürme . . . . . . . . . 5.1.3 Risalitartige Wohntürme, turmartige Wohnflügel 5.1.4 Treppentürme als Schaustücke fürstlicher Herrschaftlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Das fürstliche Haus als Inbegriff der Dynastie und Sitz des gerechten Herrschers . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Die Galerie als Ort des dynastischen »Gedechtnuß« . . 5.4 Die Kapelle als Ort des dynastischen »Gedechtnuß« . . 5.5 Das Schloßtor als rechtliche Schwelle zwischen der Innen- und Außenwelt des Hofes . . . . . . . . . . . . 5.6 Zeugnis von Dignität und Herrlichkeit: das ›alte Erscheinungsbild‹ und die bauliche Kontinuität als Repräsentationsformen im reichsfürstlichen Schloßbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7 Das Schloß in Güstrow als künstlicher Altbau und die Funktion des »Manieristischen« . . . . . . . . . . .

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6. Das Schloß als Sitz des tugendhaften, weisen und wachsamen Fürsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6.1 Der Turm als Sinnbild fürstlicher Tugendhaftigkeit 6.2 Orte fürstlicher Sapientia: die hochgelegenen Rückzugsräume und Studierstuben . . . . . . . . 6.3 Orte fürstlicher Patriarchalität: die Hof- und Tafelstuben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Ort fürstlichen Gottesgnadentums: die Kapelle . . 6.5 Ort fürstlicher Wachsamkeit und Wehrhaftigkeit: das Schloßtor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

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Inhalt

6.6 Das tugendhafte und gerechte Regiment als Gegenstand der Wanddekoration: das Beispiel Schloß Wilhelmsburg in Schmalkalden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7 Abbilder von Orten gottgewollter Herrschaft: zur allegorischen Funktion von Schloßdarstellungen in der Malerei und Graphik des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7.1 Schloßdarstellungen bei Cranach und Dürer . . . 6.7.2 Die freie Reichsstadt als ›Schloß‹: der Sitz des tugendhaften, gerechten Regiments im Bild der res publica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.8 Gegenbilder von Orten gottgewollter Herrschaft: das Motiv des zerstörten Schlosses und der brennenden Festung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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7. Das Schloß als Mittelpunkt des territorialen Ordnungssystems. Rathäuser landesherrlicher Städte als Repräsentanten fürstlicher Herrschaft im städtischen Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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8. Hofordnungen als eine normative Grundlage für den Schloßbau: Anmerkungen zu einer höfischen Quellengattung aus architekturhistorischer Sicht . . . . . . . . . . .

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9. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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10. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Anhang Abbildungsverzeichnis . . . . . . Abbildungsnachweis . . . . . . . Quellen- und Literaturverzeichnis Ortsregister . . . . . . . . . . . .

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Bildteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorbemerkung

Das vorliegende Buch ist die nur leicht veränderte und ergänzte Fassung meiner Habilitationsschrift, die im Juni 2001 von der Philosophischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald angenommen wurde. Zu seinem Gelingen haben zahlreiche Menschen und Institutionen mit Rat und Tat auf unterschiedliche Weise beigetragen. Nur einigen wenigen kann ich an dieser Stelle mit ihrer namentlichen Erwähnung für die geleistete Mühe herzlich danken: Uwe Albrecht, Ernst Badstübner, Jörg Jochen Berns, Frank Druffner, Patrick Ettighofer, Werner Freitag, Peter-Michael Hahn, Reiner Haussherr, Christofer Herrmann, Stephan Hoppe, Bernhard Jussen, Claudia Kajatin, Klaus Krüger, Wolfgang Latzel, Michael Lissok, Hellmut Lorenz, Michael Losse, Heinrich Magirius, Matthias Meinhardt, Michael North, Werner Paravicini, Friedrich Polleroß, Andreas Ranft, Jörg Rogge, Marc Rohrmüller, Jürgen Römer, Uwe Schirmer, Ulrich Schütte, Karl-Heinz Spieß, André Thieme, dem Rudolstädter Arbeitskreis für Residenzkultur, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Sekretariat und Bibliothek des Historischen Instituts, der Forschungsstelle Mitteldeutschland und des Kunstgeschichtlichen Seminars der Universität Marburg, dem Bildarchiv Foto Marburg und seiner langjährigen Leiterin Frau Brigitte Walbe, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Museen und Einrichtungen in den untersuchten Schlössern und der konsultierten Staats-, Landes- und Stadtarchive. Den Herausgebern der Reihe »Historische Semantik« danke ich für die Aufnahme des Buches in ihre Reihe. Die Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften hat die Drucklegung dankenswerterweise durch einen Druckkostenzuschuß unterstützt. Mein abschließender Dank gilt Gudrun Müller, Melanie Ehler sowie Roland und Brigitte Ehler für ihre vielfältige Unterstützung. Matthias Müller, September 2003

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Einleitung

1. Einleitung

Anläßlich der von ihm veranlaßten Baumaßnahmen im Vatikan bekannte Papst Nikolaus V. (reg. 1447–1455) seinen Glauben an die Bildmächtigkeit von Architektur: »Um im Bewußtsein des einfachen Volkes feste und unverrückbare Überzeugungen zu schaffen, muß etwas vorhanden sein, das zum Auge spricht; ein Glaube, der nur durch Dogmen unterstützt ist, wird stets schwächlich und wankelhaft bleiben. Wenn es aber gelänge, die Autorität des Heiligen Stuhls in majestätischen Bauten sichtbar zu machen, in unverwüstbaren Denkmälern, die so aussehen, als wären sie von Gott selbst errichtet, würde der Glaube von selbst wachsen und erstarken«.1 Das architektonische Glaubensbekenntnis Nikolaus V. galt mutatis mutandis auch für den weltlichen Fürsten. Auf seine Herrschaft und Residenzen bezogen, läßt sich die päpstliche Forderung an die Baukunst dahingehend abwandeln, daß in den Schlössern mit ihren eindrucksvollen Toren, Türmen und Repräsentationsräumen die juristisch, dynastisch und politisch-religiös begründete Autorität des Landes- und Stadtherrn sichtbar gemacht werden sollte. Im 18. Jahrhundert hat diese Aufgabe Julius Bernhard von Rohr in seiner Einleitung zur Ceremonial-Wissenschaft der Grossen Herren anhand des Zeremoniells (und dazu gehört auch der architektonische Rahmen) schließlich unmißverständlich formuliert. Er hatte dabei – ähnlich wie Papst Nikolaus V. – nicht zuletzt den durchschnittlichen Betrachter im Blick gehabt, dessen intellektuelles Einsichtsvermögen hin und wieder einer äußeren Wegmarke bedürfe: »Der gemeine Mann, welcher bloß an den äusserlichen Sinnen hanget, und die Vernunft wenig gebrauchet, kan sich nicht allezeit recht vorstellen, was die Majestät des Königs ist, aber durch die Dinge, so in die Augen fallen, und seine übrigen Sinne rühren, bekommt er einen klaren Begriff von seiner Majestät, Macht und Gewalt«.2 Sowohl der Papst als auch der in höfischen Diensten stehende Julius Bernhard von Rohr sprechen den Zeichencharakter von quasi staatsrepräsentativer Architektur an und erklären die glaubens- und staatstragende Metaphorik zur Hauptaufgabe kirchlicher und höfischer Baukunst. 1 Lodovico Antonio Muratori, Rerum Italicarum Scriptores, 25 Bde., Rom 1723ff., III, 2, Sp. 932 ff. Deutsche Übersetzung zit. nach St. von Moos, 1974, S. 71. 2 J. B. von Rohr, 1729, S. 2.

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Einleitung

Das künstlerische Moment hatte in ihren Augen der Sichtbarmachung einer den Sinnen an sich nicht zugänglichen religiösen Dogmenlehre bzw. eines monarchischen Systems zu dienen und die Architektur zum Abbild einer überzeitlich gültigen religiösen wie politischen Glaubensvorstellung werden zu lassen. Für den Bereich fürstlicher Herrschaft bedeutete dies, den Regenten in seiner Funktion als vicarius christi, als Stellvertreter des himmlischen Königs auf Erden, sichtbar zu machen und die Architektur des Schlosses als das symbolträchtige Gehäuse weltlichen Regententums zu gestalten. »[…] le fabriche sono i ritratti dell’animo dei principi« – die Schloßgebäude sind die Porträts von der Seele der Fürsten,3 hatte Gian Lorenzo Bernini 1664 anläßlich der Neukonzeption des Louvre formuliert und damit den metaphorischen Kern herrschaftlicher Schloßarchitektur, die nach allgemeiner Auffassung als ein Bild des Fürsten betrachtet wurde,4 auch aus der Sicht des entwerfenden Architekten präzise benannt. Bernini teilt dabei die Ansicht des Surintendant des Bâtiments du Roi, Colbert, der den italienischen Architekten zuvor brieflich für das Louvre-Projekt instruiert hatte, daß für den französischen König, den »grandissimo rè, grande di cervello, grande di animo, et grande di forza […]«, ein großartiges und majestätisches Palastgebäude (»una grandissima e maestosa fabbrica«) errichtet werden müsse.5 Im Unterschied zur Schloßarchitektur des Absolutismus, dessen bildhaft-zeremonieller Charakter nicht zuletzt durch die Studien von Norbert Elias allgemein ins Bewußtsein gerückt wurde,6 ist die Frage nach dem metaphorischen Charakter von Schloßbauten des späten Mittelalters und der beginnenden frühen Neuzeit in der kunsthistorischen Forschung bislang nur sehr vereinzelt aufgeworfen worden. Erste Ansätze, die vor etwa zehn bis dreißig Jahren anhand der italienischen, französischen und deutschen Adelsarchitektur entwickelt wurden,7 fanden keine systematische Fortführung. Vor allem der deutsche Schloß-

3 P. F. de Chantelou, 1981, S. 258 (8. 10. 1665). 4 Zur Situation unter Ludwig XIV. siehe K. Krause, 1996, S. 90 ff. 5 P. F. de Chantelou, 1981, S. 32 (9. 6. 1665) (aus Berninis »Considerazioni da farsi sopra la fabbrica, che vuol far sua Maestà«). Siehe hierzu auch K. Krause, 1996, S. 35. 6 Siehe vor allem N. Elias, 1983. 7 Siehe St. von Moos, 1974; W. Prinz / R. G. Kecks, 1994 (1. Aufl. 1985); U. Albrecht, 1986; U. Schütte, 1994. Ein wichtiger Einzelaspekt, die architektonische Manifestation der Bildungs- und Sammlungstätigkeit des Herrschers, wird in der grundlegenden Dissertation von Wolfgang Liebenwein zu den Studier- und Sammlungsräumen im Schloßbau untersucht (W. Liebenwein, 1977).

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Einleitung

bau der Zeit vom späten 15. Jahrhundert bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges steht nach wie vor im Schatten der höfischen Bauleistungen seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Erst mit der verstärkten Rezeption von Baumustern des französischen Absolutismus und Dekorationsprogrammen italienischer Provinienz, so der vorherrschende Eindruck, habe sich die Schloßarchitektur des Alten Reichs endgültig vom Erbe des Burgenbaus gelöst und zu einem Niveau von staatstragender Qualität gefunden. Unterstützt wird diese Ansicht durch die seit dem 17. Jahrhundert zahlreicher vorhandene Traktatliteratur, in der Architekten und Architekturtheoretiker wie Nikolaus Goldmann und Joseph Furttenbach das Verhältnis von fürstlichem Amt und fürstlicher Architektur erörterten und für den deutschen Schloßbau entsprechende ästhetische Normen formulierten.8 In ihnen vermittelt sich das Bild, als habe erst das barocke Schloß Ansprüchen fürstlicher Repräsentation genügt, die »Der geöffnete Ritterplatz« (Hamburg 1700) in seinem »Vorbericht« wie folgt beschreibt: »[…] So werden denn auch prächtige Gebäuden nothwendig erfordert / alß vortreffliche Zeugen der Fürsten und Regenten Macht / Hoheit und magnificence.« An dem Bild, daß der frühe deutsche Schloßbau gewissermaßen eine entwicklungsgeschichtliche Übergangsphase darstellt, in der repräsentative Funktionen immer noch hinter dem Primat des Militärischen zurückzustehen hatten, konnten in den letzten Jahren immerhin wichtige Korrekturen vorgenommen werden. Zum einen vermochte Ulrich Schütte nachzuweisen, in welch hohem Maß das militärische Element bereits im frühen Schloßbau repräsentative Funktionen zu erfüllen hatte und auch darüber hinaus, im Schloßbau des 17. und 18. Jahrhunderts, auf den militärischen Habitus als zentraler Bestandteil der damaligen Adelskultur nicht verzichtet werden konnte.9 Zum anderen gelang es Stephan Hoppe durch die Rekonstruktion des Innenraumsystems von fünf bedeutenden Residenz- bzw. Jagdschlössern des mitteldeutschen Raums nachzuweisen, das diese frühen deutschen Schlösser über ausgesprochen aufwendige und innovative Raumprogramme auf zum Teil internationalem höfischen Anspruchsniveau verfügten.10 Die in diesen Arbeiten für den frühen deutschen Schloßbau aufgezeigten Perspektiven lassen den Wunsch nach einer nochmaligen Erweiterung des Blickfeldes und einer weitergehenden Differenzierung 8 Siehe hierzu Architekt und Ingenieur, 1984; U. Schütte, 1986; G. Germann, 1987; H. Günther, 1988; U. Schütte, 1998. 9 U. Schütte, 1994. 10 St. Hoppe, 1996.

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Einleitung

der bislang gewonnenen Erkenntnisse aufkommen. Dies gilt in besonderer Weise für die Bauaufgabe des Residenzschlosses in seiner Funktion als Sitz der fürstlichen Familie, Regierung und des zugehörigen Hofes, womit zugleich die ideengeschichtliche Seite der Schloßarchitektur angesprochen ist. Von der Architekturforschung wurden Dynastie, fürstliches Regiment und Hoforganisation als konstitutive Parameter der höfischen Architektur des späten Mittelalters und der beginnenden frühen Neuzeit im Alten Reich bislang nicht ausreichend beachtet und somit auch nicht systematisch zur Analyse der Baugestalt herangezogen. Entsprechend blieben Fragen nach dem möglichen Einfluß von adligen Rechtsnormen und Grundwerten weitgehend ausgeklammert, wenn es auch wichtige Ansätze – wie derjenige von Ulrich Schütte zur höfischen Norm des Militärischen und in jüngerer Zeit von Michael Schmidt zum repräsentativen Wert der Tradition11 – gegeben hat. Die Schwierigkeit besteht darin, die Einzelaspekte nicht nur für sich zu betrachten, sondern aufeinander zu beziehen und als zusammengehörige Teile eines übergeordneten Systems adliger Kultur und adligen Selbstverständnisses zu verstehen. Dies beginnt bereits bei der Beachtung der religiösen, heilsgeschichtlichen Dimension adliger Herrschaft, die im Alten Reich seit dem hohen Mittelalter besonders dem Reichsfürstenstand eine überragende, aus der biblischen und mythologischen Überlieferung bezogene moralische Aufgabe zuwies. Das fürstliche Selbstverständnis, als Vicarius Christi ein göttliches Stellvertreteramt auf Erden auszuüben und im vorherrschenden politischen System als Inkarnation der Sapientia Dei zu dienen, war im 15. und 16. Jahrhundert noch ungebrochen. Gleiches galt prinzipiell auch für den übrigen europäischen Adel, wenn auch in Frankreich das monarchische das adlige bzw. fürstliche Element seit dem späten Mittelalter immer mehr zu verdrängen begann. Aus dem besonderen Status adliger Herrschaft, die sich vom Hof über das Territorium bis auf das Reich erstreckte, leitete sich wiederum die besonders für das Alte Reich charakteristische zentrale Stellung des dynastischen Moments her. Dessen Pflege ermöglichte zum einen ununterbrochene Teilhabe an der politischen Macht, zum anderen bildete es für die hierzu notwendige Dignität eines Adelshauses die wesentliche Grundlage. An der Dignität hatte schließlich auch das adlige Rechtswesen Anteil: Die Legitimität von seit alters her verliehenen adligen Gerichts-, Besitz- und Befestigungsrechten stützte sich nicht so sehr auf abstrakte Normen, als vielmehr auf die

11 M. Schmidt, 1999.

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Einleitung

Stärke der Tradition, der ›Angestammtheit‹, wenn auch seit dem späten 15. Jahrhundert eine zunehmende juristische Normierung des Rechtswesens festgestellt werden kann. In ihrer Gesamtheit sind diese ideellen Grundlagen fürstlicher Herrschaft in jener Sphäre adligen Selbstbewußtseins verankert, die Kaiser Maximilian I. mit seinem »Gedechtnuß«-Konzept zu fassen suchte und für die in der jüngeren Forschung der Begriff der »Erinnerungskultur« entwickelt worden ist. Für alle diese Aspekte diente das Residenzschloß als zentraler Kommunikationsort, an dem auf bildhafte Art die religiösen, dynastischen und rechtlichen Normen adliger und speziell fürstlicher Herrschaft in eine sinnfällige Form überführt wurden. Die Kommunikation ereignete sich dabei zum einen über bildkünstlerische Medien, wie sie vor allem in der Ausstattung der Außenfassaden und Innenräume sowie beim höfischen Fest zum Tragen kamen, und zum anderen über das Medium der Architektur. Bereits das deutsche Residenzschloß des späten Mittelalters und der beginnenden frühen Neuzeit war ein hochkomplexes Gebilde, dessen äußere Gestalt beredtes Zeugnis für das angeführte adlige Normen- und Wertesystem und die politische wie religiöse Definition fürstlicher Territorialherrschaft im Alten Reich ablegt. Auf der Grundlage der altüberlieferten Muster adligen Bauens entwickelten die fürstlichen Auftraggeber und ihre Architekten seit dem späten 15. Jahrhundert im Alten Reich neue Grundtypen des Residenzschlosses, die geeignet waren, neben den gestiegenen, von Frankreich und Italien her bestimmten Repräsentationsansprüchen sowohl die Anforderungen des tradierten Normen- und Wertesystems als auch die neuen Anforderungen einer festen, ortsverbundenen Hofhaltung im Rahmen eines umfassenden Territorialisierungsprozesses zu erfüllen. Dadurch entstand zwischen etwa 1470 und 1570 eine bis in das 17. Jahrhundert hinein im ganzen Reich rezipierte höfische Architekturästhetik, die auf den ersten Blick wie eine moderne Variante des überlieferten Burgenbaus erscheint, in Wirklichkeit jedoch die anspruchsvolle Transformation mittelalterlicher Baumuster in ein frühneuzeitliches Konzept zeichenhaft wirksamer vormoderner »Staatsarchitektur« darstellt. Dieses Konzept, in dem der Komplex der fürstlichen »Erinnerungskultur« eine zentrale, von der Forschung jedoch bislang kaum beachtete Stellung einnimmt, sollte zugleich die Grundlage für den vor allem nach dem Dreißigjährigen Krieg entwickelten Schloßbau des Absolutismus’ bilden. Die ästhetische Vergegenwärtigung fürstlichen Regententums im Medium der Schloßbaukunst, ihre Ausgestaltung zu einem Gegenstand von hoher metaphorischer Aussagekraft im Dienst früher fürst16

Einleitung

licher Staatlichkeit steht im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit. Sie stützt sich zum einen auf die Aussagekraft der gebauten Architektur und zum anderen auf schriftliches und bildkünstlerisches Quellenmaterial, dessen Inhalt bislang als wenig aussagekräftig für das Verständnis der programmatischen Seite von spätmittelalterlich-frühneuzeitlicher Schloßbaukunst galt. Zu den schriftlichen Quellen gehören vor allem Rechtsurkunden, Hofordnungen und Fürstenspiegel, zu den bildkünstlerischen Quellen Bildwerke unterschiedlicher thematischer Ausrichtung, in denen die Darstellung von Schloßbauten einen wesentlichen Raum einnimmt. Mit Hilfe der Bauwerke selbst und des genannten Quellenmaterials sollen zunächst die für die fürstlichen Residenzschlösser konstitutiven Einzelelemente herausgearbeitet werden, um in einem weiteren Schritt die diesen Elementen zugeordnete metaphorische Wertigkeit zu analysieren. Dabei gilt das besondere Augenmerk einerseits den Inhalten der architektonischen Form und andererseits dem Verhältnis aus tradierter, bedeutungsbehafteter Grundform und ihrer innovativen künstlerisch-ästhetischen Interpretation. Denn nicht nur das Verständnis der einzelnen architektonischen Elemente als Bedeutungsträger im Kontext fürstlicher Repräsentation ist wichtig, sondern ebenso das Verständnis der ihnen innewohnenden künstlerischen Momente. Erst mit ihrer Hilfe vermag die visuelle Darstellung der funktions- und ideengeschichtlich verankerten Leitthemen des fürstlichen Schloßbaus über die Erfüllung einer schlichten kommunikativen Aufgabe hinauszuwachsen und einen ästhetischen Eigenwert zu entfalten. Ihren Ausgang nimmt die Untersuchung von der wettinischen Residenzarchitektur im sächsischen Kurfürsten- und Herzogtum, dessen höfische Bauprojekte von der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts im Alten Reich als besonders innovativ gelten dürfen. Mit ihnen werden sodann die Residenzschlösser der anderen bedeutenden mitteldeutschen12 Territorien verglichen. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse werden schließlich anhand von zentralen Einzelaspekten vertieft und durch die Hinzunahme von ausgewählten Beispielen anderer Residenzschlösser aus dem gesamten Alten Reich auf ihren repräsentativen Aussagewert hin überprüft. Dabei kommt es immer wieder zu aufschlußreichen Gegenüberstellungen mit der zeitgleichen Baukultur des französischen Königs und seines Adels. Deren Schloßbauten bildeten bereits seit dem ausgehenden 12 Zum historischen und geographischen Begriff »Mitteldeutschland« siehe den grundlegenden Beitrag von Kh. Blaschke, 1999.

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Einleitung

15. Jahrhundert einen wichtigen Maßstab im nördlichen Europa, für dessen Herausbildung gleichermaßen die baukünstlerische wie die metaphorische Qualität der französischen Schloßarchitektur verantwortlich zeichnete.13

13 Siehe hierzu die Studien von U. Albrecht, 1986; Ders., 1995; W. Prinz, 1980; Ders. / R. G. Kecks, 1994.

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Residenzschlösser im Mittelalter und der frühen Neuzeit

2. Landesherrliche Residenzschlösser im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit Eine funktionale, symbolische und künstlerische Bauaufgabe

Obwohl es sein in vielen Fällen unprätentiöses, bescheidenes Erscheinungsbild nicht unmittelbar erwarten läßt, besitzt der frühe deutsche Schloßbau eine Schlüsselstellung für die Entwicklung des fürstlichen Adelssitzes hin zu einer hochkomplexen Staatsarchitektur im Alten Reich.1 Ohne die wegweisende Erneuerung und Veränderung der Bauaufgabe Schloß, wie sie seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert in Residenzen wie Meißen, Wittenberg, Celle und Prag verwirklicht wurde, hätte es das ausdifferenzierte Barockschloß des 17. und 18. Jahrhunderts nicht gegeben. Diese Feststellung mag zunächst wenig glaubwürdig erscheinen, führt doch auf den ersten Blick kein direkter Weg von einer spätmittelalterlichen Anlage wie der Meißener Albrechtsburg oder dem Celler Schloß zu einer monumentalen, hochartifizellen Anlage wie dem württembergischen Schloß Ludwigsburg oder der Würzburger Residenz. Rein äußerlich, d. h. mit dem vergleichenden Blick auf Stilistik, Dekorum und Proportionen, wird man eine solche Behauptung auch nicht ausreichend untermauern können. Erst wenn die Blicke quasi hinter die Fassaden gerichtet und strukturelle Kriterien als Vergleichsmaßstab herangezogen werden, zeigt sich die grundsätzliche Verwandschaft zwischen dem spätmittelalterlichen und dem barocken fürstlichen Residenzschloß. Strukturelle Gemeinsamkeiten bestehen vor allem bei bestimmten architektonischen bzw. räumlichen Kernelementen, deren Vorhandensein in den deutschen Barockschlössern sich nicht ohne weiteres aus den ansonsten wirksamen Vorbildern der italienischen und französische Hofkultur erklären läßt. So erinnert beim Residenzschloß des Würzburger Fürstbischofs (Abb. 1) zwar Vieles an das neue Residenzschloß Ludwigs XIV. in Versailles, doch ist es eher der atmosphärische Gesamteindruck, der sich bei näherem Hinsehen in eine Vielzahl von Gegensätzen nahezu auf-

1 Zu ersten grundsätzlichen Überlegungen siehe M. Müller, 2002.

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Residenzschlösser im Mittelalter und der frühen Neuzeit

löst. Während beispielsweise der Cour d’honneur oder die Dachgestaltung noch unzweifelhaft als Übernahmen aus der französischen Residenzarchitektur des 17. und 18. Jahrhunderts gelten dürfen, richtet sich der Blick bereits fragend auf die turmartigen Eckrisalite und Pavillonbauten im Zentrum des Corps de logis und der Seitenflügel. Im Inneren gelten die Zweifel dem Großen Treppenhaus sowie den beiden übereinanderliegenden Hauptsälen, dem Gartensaal und dem darüber angeordneten Kaisersaal. Im Gegensatz zu ihrer architektonischen Instrumentierung und dekorativen Ausstattung lassen sich diese Elemente und Räume nicht ohne weiteres von Italien oder Frankreich herleiten. Dafür ergeben sich, ohne das dies hier im Einzelnen ausgeführt werden kann, bemerkenswerte Parallelen zur Typologie weitaus älterer deutscher Residenzschlösser. Sie legen es nahe, diese im barokken Gewand sich präsentierenden Elemente und Räume auch auf ihre Anbindung an die Bautradition des Alten Reichs hin zu untersuchen. Hier besitzen das Festhalten an der für den Adelsbau konstitutiven Turmarchitektur und ihre gestalterisch-formale Weiterentwicklung aber auch die Zuordnung bestimmter Raumfunktionen eine eigene, lange Tradition.2 Die Berücksichtigung der im Alten Reich über Jahrhunderte gepflegten und weiterentwickelten Bau- und Nutzungsgewohnheiten bei der Analyse der deutschen Barockschlösser entspricht im übrigen auch ganz der zeitgenössischen Baupraxis:3 Wurde die barocke Anlage auf dem Terrain einer vorhandenen Vorgängeranlage errichtet, blieben in der Regel Teile des Altbaus – häufig gut sichtbar – bewahrt oder man setzte den Neubau in gebührendem Abstand zum Altbau daneben, wofür die Stuttgarter Residenz oder die Meersburger Bischofsresidenz Beispiele darstellen. Der streiflichtartige Vergleich zwischen dem frühen und dem späten deutschen Schloßbau, der am Schluß der vorliegenden Studie noch einmal in einem Ausblick aufgegriffen werden soll,4 läßt sich außer auf der formalen auch auf der inhaltlichen Ebene führen: Auch der in den barocken Residenzschlössern visualisierte Anspruch, zentraler Ort für eine ausgreifende Territorialherrschaft mit ihren umfassenden administrativen, legeslativen und repräsentativen Aufgaben zu sein, findet sich in den frühen deutschen Residenzschlössern des 15. und 16. Jahrhunderts vorformuliert. Mit ihrem funktionalen und gestalterischen

2 Siehe hierzu weiter unten Kap. 5.1. 3 Siehe hierzu weiter unten Kap. 5.2, 5.6. 4 Siehe das Kap. 10.

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Konzept wurde sprichwörtlich der Grundstein zu einer Residenzarchitektur gelegt, die in ihrem Äußeren wie Inneren als Ausweis einer übergeordneten, staatsbildenden Landesherrschaft gelten und auf diese Weise zum adäquaten Sitz des frühneuzeitlichen Fürsten werden konnte. Die Ursachen für diesen gegenüber dem mittelalterlichen Burgenund Schloßbau offenkundigen Paradigmenwechsel lagen in sich wandelnden Bedingungen fürstlicher Herrschaft und einem daraus resultierenden veränderten herrscherlichen Selbstverständnis. Aus den territorial zersplitterten Fürstentümern entwickelten sich zusehends geschlossene Herrschaftsräume, in denen die ursprünglich weit gefächerten Herrschaftsrechte und -instanzen nicht zuletzt durch eine zielstrebige Mediatisierungspolitik mehr und mehr auf den fürstlichen Landesherrn konzentriert wurden. Die historische Forschung hat diesen Prozeß in den letzten Jahren umfassend darzustellen versucht und dabei auch auf die sichtbaren Auswirkungen für den Fürstenhof hingewiesen.5 Zu diesen gehörte vor allem die Aufgabe der Reiseherrschaft und die Einrichtung von festen Residenzen.6 An den zentralen Residenzorten bündelte sich nun eine Vielzahl von Regierungs- und Verwaltungsfunktionen, die zuvor an mehreren Orten im Land angesiedelt waren. Doch gingen die gewachsenen Anforderungen an die fürstliche Regierung weit über den Aufbau effektiver Herrschaftsstrukturen in einem sich verdichtenden territorialen Raum hinaus. Wie die Einrichtung von zentralen Kanzleien und neuen Personalstellen für fürstliche Räte im 16. Jahrhundert zeigt,7 war der Territorialisierungsprozeß gleichzeitig mit dem Entstehen einer neuen Rechtskultur verbunden, die fürstliches Regierungshandeln stärker denn je an rechtliche Normen band und die Herausbildung von Zwischeninstanzen wie die Landstände förderte.8 Die Zentralisierung der fürstlichen Herrschaft bedeutete zwar einerseits die Entmachtung weiter Teile des

5 Zur Entstehung der frühen Residenzen siehe die grundlegenden Beiträge (u.a. auch von K. Neitmann, 1990) in: P. Johanek, 1990; siehe auch K.-H. Ahrens, 1991; K. Andermann, 1992, sowie R. A. Müller, 1995. 6 Am Beispiel des wettinischen Hofes hat dies Brigitte Streich aufgezeigt: siehe B. Streich, 1990; siehe auch die Fallstudie von K.-H. Ahrens, 1990, für den Hof der Markgrafen von Brandenburg. 7 Ein frühes, auch quellenkundlich gut faßbares Beispiel ist das brandenburgische Kurfürstentum unter Joachim II. Siehe hierzu zuletzt W. Neugebauer, 1999, S. 9 ff. (mit Hinweisen auf die ältere Literatur). 8 Siehe hierzu M. Stolleis, 1990; siehe auch die Fallstudie zu Bayern von M. Lanzinner, 1980.

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landsässigen Adels und so gesehen eine Konzentration von Macht, doch andererseits auch den Aufbau neuer partizipatorischer Herrschaftsstrukturen mit einem bis dahin nicht gekannten Maß an Rechtssicherheit.9 Weite Teile dieser tiefgreifenden Veränderungen waren eingebunden in den umfassenden Erneuerungsprozeß, den die Reformation mit sich brachte. Sie hat einerseits Vorgänge befördert, die bereits Jahrzehnte zuvor in Gang gesetzt worden waren (z.B. das verstärkte Bildungswesen innerhalb des Hochadels10 oder die Mediatisierung des niederen Adels), und sie hat andererseits Vorgänge angestoßen, die nur aus dem besonderen religiös-politischen Impuls des Reformationsgeschehens heraus erklärbar sind. Hierzu gehört maßgeblich die Definition des Fürsten als landes- und kirchenherrliche Autorität.11 Auf diese Weise avancierte der protestantische Landesfürst zur selbständigen politischen wie religiös-moralischen Führungsinstanz, was zwangsläufig zu Widersprüchen im Verhältnis zur königlichen und kaiserlichen Zentralmacht führen mußte. Auf dramatische Weise hat sich dies im Konflikt zwischen Kaiser Karl V. und Johann Friedrich dem Großmütigen von Sachsen gespiegelt: Während das vom sächsischen Kurfürsten bekleidete Amt eines Erzmarschall des Reiches Loyalität gegenüber dem Kaiser verlangte, mußte das Bekenntnis zum Protestantismus und seiner Auffassung vom Landesfürstentum die Illoyalität geradezu provozieren.12 Bekanntermaßen endete in diesem Fall der Konflikt auch tragisch, und Johann Friedrich wurde 1547 von Karl V. militärisch besiegt und als Kurfürst entmachtet. Doch aufhalten konnte der Kaiser die Entfremdung der protestantisch gesonnenen Fürstentümer von der königlichen bzw. kaiserlichen Zentralmacht dadurch nicht, so daß am 9 Siehe hierzu die Fallstudie von P.-M. Hahn, 1989, zum ländlichen Raum zwischen Elbe und Aller; siehe auch allgemein K. Kroeschell, 1981; zum Verhältnis von Gesetzeserlassen und Gesetzesanwendung J. Schlumbohm, 1997. 10 Siehe hierzu die Beiträge der Tagung »Erziehung und Bildung bei Hofe« (Celle, 23.–26. 9. 2000), abgedruckt in der Reihe Residenzenforschung, Bd. 13, Sigmaringen 2002. 11 Vgl. hierzu Melanchthons Ausführungen »De magistratu politico« in seiner Confessio Saxonica (oder Repetitio confessionis Augustanae, deutsche Ausgabe Wittenberg 1555, abgedruckt im Corpus reformatorum, Bd. XXVII, bes. Sp. 482–566). zum Obrigkeitsverständnis bei Melanchthon siehe G. Weber, 1962; G. Kisch, 1967, bes. S. 91–101; R. B. Huschke, 1968; zum Verhältnis von protestantischem Landeskirchentum und Territorialherrschaft siehe J. Sieglerschmidt, 1987; W. Sommer, 1988; D. Stievermann, 1989. 12 Zu Johann Friedrich dem Großmütigen siehe die grundlegende Monographie von G. Mentz, 1903–08; siehe auch K. Brandi, Bd. 1, 1937, S. 272 ff.

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Ende sogar sein Bündnispartner von 1547, Moritz von Sachsen, auf die Seite der Gegner wechselte.13 Gefördert durch den hohen Modernisierungsdruck, den die Reformation im Bereich des religiösen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens erzeugte, und begünstigt durch die dynastischen Verflechtungen des Adels vermochten sich selbst die katholischen Fürstentümer dem protestantischen Gedankengut nicht völlig zu verschließen.14 Ohne die kaiserliche und päpstliche Autorität in Frage zu stellen, beanspruchten auch sie größere Unabhängigkeit von der zentralen Reichsgewalt und ihre Fürsten ein Selbstverständnis, das sich im wesentlichen nur kirchenpolitisch von dem der protestantischen Fürsten unterschied. Hierfür bieten die zeitgenössischen Fürstenspiegel und Hofordnungen aufschlußreiches Belegmaterial, werden in ihnen doch unabhängig vom konfessionellen Bekenntnis grundsätzlich dieselben Ansprüche an eine zeitgemäße, von Gottesfurcht, Tugendhaftigkeit, Gebildetheit und Rechtlichkeit bestimmte Fürstenherrschaft gestellt.15 So hatte der skizzierte Wandel fürstlicher Territorialherrschaft im ausgehenden 15. und im Verlauf des 16. Jahrhunderts unmittelbare Auswirkungen auf das überlieferte Herrscherbild. Einerseits war es noch ganz dem mittelalterlichen Bild des vicarius christi und seines Gottesgnadentums verpflichtet, doch andererseits bereits mit Elementen einer neuartigen Rationalität (etwa in den Bereichen von Wirtschaft, Verwaltung und Recht) ausgestattet.16 Neben die von alters her geforderten Fähigkeiten zu Kampfeswille und Gottesfurcht traten so in immer stärker werdendem Maße die Fähigkeiten zu geistiger Tatkraft und umsichtiger Fürsorge für die am Hof, in der Stadt und im Land lebenden Menschen. Der Fürst als gebildeter, von göttlicher Sapientia sichtbar geprägter Herrscher und patriarchalisch denkender Haus- und Landesvater wurde im 16. Jahrhundert im Alten Reich zum Leitbild des guten Regenten. Quellengattungen wie die Fürstenspiegel, Hofordnungen und die Hausväterliteratur legen hiervon beredtes Zeugnis ab.17 Sie ermöglichen es zugleich, auch den architektonischen Ort des

13 Zum Scheitern Karls V. an den Herausforderungen der Reformation siehe F. Seibt 1992. 14 W. Reinhard, 1977; Ders., 1981. Siehe auch die Darstellungen bei A. Schindling / W. Ziegler, 1989–1997. 15 Siehe hierzu Anm. 17. 16 Siehe hierzu u. a. L. Schrader, 1990 (mit weiterer Literatur). 17 Zu den Fürstenspiegeln siehe die Studien und Editionen von W. Berges, 1938; B. Singer, 1981; H.-O. Mühleisen / T. Stammen, 1990; H.-O. Mühleisen u.a.,

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solchermaßen in die Verantwortung genommenen Regenten, das Schloß, als Bestandteil der Veränderungen zu begreifen und seine architektonische Form sowie Teile seiner wandfesten Ausstattung einer inhaltlichen Betrachtung zu unterziehen. Denn die in ihnen sichtbar werdende enge Verbindung von höfischer Architektur und höfischem Ordnungs- und Wertesystem öffnet auf faszinierende Weise den Blick für die komplexe Funktionalität spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Schloßbaukunst, in der sich unmittelbar die gewachsenen Ansprüche an das fürstliche Regententum manifestieren. Da sind zum einen die auf den praktischen Nutzen ausgerichteten Funktionen, d. h. die Bereitstellung von Bauten und Räumlichkeiten für das tägliche Hofleben in seinen vielfältigen, auf Repräsentieren, Regieren, Verwalten, Wirtschaften und Wohnen bezogenen Ausprägungen und seinen militärischen Schutz. Und da sind zum anderen die zeichenhaften, symbolischen Funktionen, die die praktischen Funktionen überhöhen und das Schloß in seiner baulichen Gestalt zu einem Bedeutungsträger von staatspolitischem Rang werden lassen. Zum Verständnis seiner Ikonographie reichen die genannten Textquellen allerdings nicht aus, sondern es müssen zusätzliche schriftliche aber auch bildliche Quellen herangezogen werden. Hierzu gehören vor allem Rechtsurkunden und Darstellungen von Schlössern in der Graphik, Buch- und Tafelmalerei, aber ebenso die vielfältigen bildlichen Applikationen am Äußeren und im Inneren der Bauwerke selbst: heraldische Zeichen, Inschriftentafeln, Bildmedaillons oder ganze Bildfriese. Und es gilt, die Formensprache der Architektur zu analysieren, in ihrem Umgang mit altehrwürdigen, von der Tradition geprägten Bautypen und -elementen, in der schöpferischen Rezeption fremder, außerhalb des Alten Reichs gelegener höfischer Baukultur und in der Präsentation einer charakteristischen, zwischen Altertümlichkeit und Modernität oszillierenden Ästhetik. Bedeutende Residenzschlösser wie im sächsischen Torgau oder Dresden, im pfälzischen Heidelberg oder im mecklenburgischen Güstrow, auf die im Verlauf dieser Arbeit noch näher eingegangen wird, stellen auch heute noch eindrucksvoll den im 16. Jahrhundert im ganzen Alten Reich vollzogenen Paradigmenwechsel in der Kunst des Residenzenbaus unter Beweis. Das Raumprogramm dieser beispielhaft genannten Residenzschlösser bietet auf der Grundlage einer zweiräumigen 1997. Zu den Hofordnungen die Edition von A. Kern, 1905 u. 1907, sowie den Tagungsband Höfe und Hofordnungen (1200–1600), 1999. Zur Hausväterliteratur siehe jüngst V. Bauer, 1997.

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Appartementeinheit aus Stube und Kammer, wie sie sich seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts im deutschen Schloßbau etablierte,18 ein ausgesprochen variables Nutzungssystem. Es erlaubte ohne größere bauliche Veränderungen in denselben Räumen sowohl Funktionen der Regierung, Verwaltung und des Wirtschaftens als auch des privaten wie offiziellen Lebens unterzubringen. Dieses moderne, vielseitige Raumsystem wurde ergänzt durch eine kleinere Zahl von traditionellen, funktional mehr oder weniger festgelegten Repräsentations- und Gemeinschaftsräumen, zu denen etwa die Kapelle, die Hof- und Tafelstuben oder der Festsaal gehörten. Stephan Hoppe hat dieses strukturelle Konzept anhand von ausgewählten landesherrlichen Residenzschlössern des mitteldeutschen Raums eingehend untersucht und anhand von Inventaren schlüssig rekonstruieren können.19 Die Multifunktionalität als Geheimnis des Erfolgs und Garant für die bis weit ins 17. Jahrhundert hinein erfolgte Beibehaltung des »Stubenappartements« wurde in dieser Arbeit jedoch noch nicht mit der notwendigen Deutlichkeit ins Bewußtsein gehoben. Doch erst sie bietet wiederum die Möglichkeit, zu der neuartigen, gegenüber dem mittelalterlichen Schloß- und Burgenbau straff organisierten Raumbildung zu gelangen und dabei zugleich die Voraussetzungen für Veränderungen im Erscheinungsbild der Baukörper und ihrer Fassaden zu schaffen. Es liegt gewissermaßen in der Konsequenz der rational durchorganisierten Raumstruktur, daß auch das Äußere des Schlosses in den Prozeß der Straffung und Vereinheitlichung eingebunden wurde. Funktionsbereiche, die zuvor in mehreren vereinzelten Bauten untergebracht waren, wurden unter dem Dach eines großen Hauptgebäudes versammelt, wodurch sich zugleich die Zahl der Gebäude reduzierte und das mehrteilige Erscheinungsbild der Schloßanlage eine Verdichtung erfuhr. Das Fassadenbild der Schloßgebäude konnte eine größere Regularität erhalten, da die nach einem festen Plan systematisch angeordneten Räume eine ebenso systematische Fensterverteilung gestatteten. Der Verdichtungs- und Regularisierungsprozeß der Baukörper und Fassadenstrukturen besaß allerdings auffällige Grenzen: Bis auf ganz wenige Ausnahmen wurde selbst im ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhundert niemals eine derartige geometrische Strenge verwirklicht, wie sie für einen großen Teil des italienischen Palastbaus im Quattro-, Cinque- und Seicento charakteristisch gewesen ist und von den Architekturtheoretikern unter Berufung auf Vitruv gefordert 18 Siehe hierzu grundlegend St. Hoppe, 1996, S. 365 ff. 19 St. Hoppe, 1996.

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wurde.20 Eine gewisse, noch zu hinterfragende Unregelmäßigkeit leisteten sich daher selbst so streng proportionierte, dem Kastellschema verpflichtete Bauten wie z. B. das kurmainzische Residenzschloß von Aschaffenburg (Abb. 2). Obwohl seine vier Flügel in ihrer Aufrißgestaltung absolut symmetrisch aufgebaut und aufeinander bezogen sind, bricht der Nord-Flügel zur Innenhofseite hin aus dem vorgegebenen Ordnungsrahmen in auffälliger Weise aus: Statt einer einheitlich fluchtenden, nur von den Treppentürmen in den Gebäudewinkeln unterbrochenen Fassade (wie sie ansonsten für alle Flügel gestaltprägend ist) wird das Fassadenbild des Nord-Flügels von einem kubischen, hoch über die Trauflinie aufragenden Turm bestimmt, der noch nicht einmal in der Fassadenmitte sitzt, sondern nach rechts verschoben ist. Die akkurat sortierte Instrumentierung der Fassade mit Fenstern, Portalen und Gesimsen bringt dieser Turm gehörig aus dem Lot, ohne daß eine Notwendigkeit für den gestalterischen Regelbruch ersichtlich wäre. Nicht weniger erstaunlich wirkt der Umstand, daß es sich bei dem sprichwörtlich ›aus der Reihe‹ tretenden Aschaffenburger Schloßturm um einen mittelalterlichen Wohnturm handelt,21 der bereits zu den Vorgängeranlagen des erzbischöflichen Residenzschlosses gehörte.22

20 Siehe hierzu die Traktate von Alberti, Serlio, Palladio u.a. Zur Rezeption Vitruvs in der deutschen Architekturtheorie siehe W. Oechslin, 1984; zur Reflexion der Schloßarchitektur in den deutschen Architekturtraktaten des 16. und 17. Jahrhunderts siehe U. Schütte, 1994, S. 141 ff.; zum Verhältnis von Theorie und Praxis im Schloßbau am Beispiel des Mathematikers, Architekturtheoretikers und Architekten Leonhard Christoph Sturm siehe H. Lorenz, 1995; zur Rezeption der italienischen Architekturtheorie im deutschen und französischen Schloßbau des 15. und 16. Jahrhunderts siehe M. Müller, 2003. 21 Der heutige Bergfried des Aschaffenburger Schlosses besitzt in seinem untersten Bereich staufisches Buckelquadermauerwerk. Bei Grabungen wurde an der südlichen Ecke eine bossierte Eckquaderung gefunden, die zwei Schichten unter das jetzige Hofniveau reicht. Darunter folgt ein Fundamentmauerwerk aus Bruchsteinen (siehe G. Ermischer, 1996, S. 37). 22 In der Literatur wurde die Bewahrung des mittelalterlichen Wohnturms immer wieder vermerkt, ohne jedoch eine schlüssige Erklärung anbieten zu können (siehe O. Schulze-Kolbitz, 1905, S. 9, 15, 87 f.; KDM Aschaffenburg, 1918, S. 241; G. Czymmek, 1978, S. 51). Symptomatisch ist die Einschätzung durch Fritz Bernstein, der diesen Vorgang noch rein ästhetisch bewertet: »[…] es hat den Anschein, als habe Riedinger es freudig begrüßt, mit diesem Überrest [d.i. der Bergfried, Anm. M.M.] ein wenig Bewegung und Unregelmäßigkeit in seinen allzu mathematischen Grundriß hineinzutragen« (F. Bernstein, 1933, S. 85). Erst Ulrich Schütte gelang mit der Vermutung, daß der »Bergfried« des alten Schlosses auch im neuen Schloß die Tradition der wehrhaften Burgen und Schlösser lebendig halten sollte, ein erster wichtiger Erklärungsansatz (U. Schütte, 1994, S. 114).

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Weshalb er auch 1604, beim Neubau des Schlosses, erhalten blieb und in seiner wuchtigen Körperlichkeit die Ästhetik der Architektur vor allem im Bereich des Innenhofs dominieren durfte, ist eine wichtige Frage. Sie betrifft ganz allgemein den unübersehbaren Wunsch der Bauherren und ihrer Architekten, der äußeren Gestalt eines Schlosses – unabhängig vom erreichten Maß an Geschlossenheit der Grundkörper – mit turmartigen Elementen (sei es als Wehrturm, Treppenturm, Risalit oder Dachaufbau) einen vielgliedrigen Anblick zu verleihen, der unweigerlich an das ästhetische Leitbild des mittelalterlichen Burgenund Schloßbaus erinnert. Im Bereich der Dachgestaltung läßt sich dies exemplarisch an Schloß Augustusburg bei Chemnitz studieren (Abb. 3+4). Obwohl sich seine Anlage aus einer streng-geometrischen quadratischen Grundform mit ebenfalls quadratischen, vollkommen einheitlich gestalteten Ecktürmen zusammensetzt, wird diese Gleichförmigkeit im Dachbereich nicht beibehalten: Über jedem Eckturm erhob sich einst ein vielgliedriger Dachaufbau, dessen Zusammensetzung aus Zwerchhäusern, Laternen und Schornsteinen von Turm zu Turm variierte.23 Da es sich hierbei um ein grundsätzliches Phänomen handelt, das sowohl die Architekturästhetik als auch den Umgang mit der Bausubstanz von Vorgängerbauten betrifft, ist ihm in dieser Arbeit ein eigener Untersuchungsschwerpunkt gewidmet. Er soll zugleich den programmatischen Rahmen aufzeigen, in den dieses Phänomen gestellt ist und der es weit über eine bloße gestalterische Äußerlichkeit oder schlichtes ökonomisches Vernunftsdenken hinaushebt. Der früheste Schloßbau, an dem sich das beschriebene Spannungsverhältnis aus neuartiger, moderner Regularisierung und Verdichtung auf der einen und traditioneller ›Regellosigkeit‹ und Vielgliedrigkeit auf der anderen Seite beobachten läßt, ist Schloß Albrechtsburg in Meißen (Abb. 5+6). Seine Innenraumbildung und seine Fassadengestaltung verkörperten ein im deutschen Schloßbau bis dahin nicht gekanntes Anspruchsniveau, daß das wettinische Stammschloß zu einer Inkunabel des frühen Residenzenbaus im Alten Reich werden ließ. Seine für das letzte Drittel des 15. Jahrhunderts exzeptionelle Stellung ergibt sich darüber hinaus durch die Rezeption charakteristischer Elemente aus dem französischen Schloßbau, die in dieser Form im Alten Reich bis dahin unbekannt war. Die Lukarnen auf den Dächern, der Kapellenturm mit den beiden mutmaßlichen Studierräumen und der 23 Vgl. etwa die ursprüngliche Ansicht auf einer Zeichnung Wilhelm Dilichs (Anfang 17. Jh., Abb. als Ausschnitt bei U. Schütte, 1994, S. 69, Abb. 44) oder anhand des im Museum der Augustusburg aufbewahrten Rekonstruktionsmodells.

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repräsentative Treppenturm vor der Hoffassade des Schlosses sind die markantesten Elemente, die die gute Kenntnis des ausführenden Architekten und seiner Auftraggeber von den zeitgenössischen französischen Schlössern verraten. Im sächsischen Territorium sollte die eigenschöpferische Auseinandersetzung mit den Gestaltungsprinzipien des französischen Schloßbaus und die Integration von Teilen seines funktionalen und ästhetischen Konzepts in die Leitvorstellungen des deutschen Schloßbaus eine eigene Tradition entfalten, die über die Residenzen von Wittenberg, Torgau und Dresden bis hin zur Augustusburg bei Chemnitz reichte. Das Dresdner Schloß steht zugleich für eine bemerkenswerte Zäsur innerhalb dieser Kette, da in ihm das französische Element in auffälliger Weise wieder so weit zurückgedrängt wird, daß der Eindruck der Applikation anstelle der Integration entsteht.24 Doch auch außerhalb Sachsens, daß in dieser Hinsicht zunächst eine Leitbildfunktion übernimmt, wird der hochentwickelten höfischen Baukunst Frankreichs bereits im 16. Jahrhundert Beachtung geschenkt. So rezipieren der Kurfürst von Brandenburg, Joachim II., beim Neubau des Berliner Stadtschlosses, die Fürsten von Anhalt in ihren Residenzen von Dessau, Zerbst und Köthen, die Grafen von Mansfeld in ihren Mansfelder Schlössern, die Herzöge von Mecklenburg in den Schlössern von Schwerin und Güstrow oder – im Umfeld der pommerschen Herzöge – die Herren von Schwerin in ihrem Schloß Landskron grundlegende Elemente französischer Schloßarchitektur. Von Mecklenburg und Pommern ist es nicht mehr weit nach Dänemark, dessen Adel unter Führung von König Christian IV. in auffälliger Weise à la française baut, ohne dabei die eigene Bautradition außer acht zu lassen.25 Nicht immer wird man bei den genannten Beispielen von einem direkten Rezeptionsverhältnis zu Frankreich ausgehen dürfen, sondern wird nach vermittelnden Zwischengliedern fragen müssen. So liegt es beispielsweise nahe, für den Neuen Saalbau des Berliner Stadtschlosses (Abb. 7+8) zunächst auf das Kurfürstentum Sachsen zu blikken. Dessen Hofbaumeister Konrad Krebs hatte wenige Jahre zuvor für die Torgauer Residenz ein sehr ähnliches Konzept verwirklichte und war auch am Berliner Entwurf beratend beteiligt.26 In diesem Fall hätte die französische Schale des Berliner Neuen Saalbaus gewissermaßen einen sächsischen Kern besessen oder anders formuliert: die Orientie24 Siehe hierzu weiter unten das Kap. 3.4. 25 Erste Beobachtungen und Überlegungen hierzu finden sich bei U. Albrecht, 1995. 26 O. Wanckel / C. Gurlitt, 1895; A. Geyer, 1936, S. 24.

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rung des brandenburgischen Kurfürsten Joachims II. an Standards der französischen Hofarchitektur wird erst durch den Umweg über den kursächsischen Schloßbau richtig verständlich, was ein bezeichnendes Licht auch auf andere Rezeptionsbeispiele wirft. Hier ist vor allem an die norddeutschen und nordeuropäischen Territorien und Reiche zu denken, deren entschieden protestantische Grundausrichtung nicht nur eine starke Bindung an Sachsen als dem ›Mutterland‹ des Protestantismus mit sich brachte, sondern auch gelegentlich den Wunsch, für bestimmte Planungsphasen eines Residenzschlosses sächsische Baumeister ausleihen zu dürfen. Letzteres ist beispielsweise für die mecklenburgischen Herzöge Christoph und Johann Albrecht I. bezeugt, deren Bitte an Kurfürst August von Sachsen, für Bauprojekte (u. a. das Schweriner Schloß) den kursächsischen Baumeister Caspar Vogt von Wierandt unter Vertrag nehmen zu dürfen, jedoch abschlägig beschieden wird.27 So stellt sich die Frage, ob nicht besonders in den protestantischen Territorien des 16. Jahrhunderts die hier zu beobachtende Frankreich-Rezeption in Wirklichkeit eine Ausrichtung an den Vorbildern sächsischer Residenzarchitektur darstellt, deren Hintergrund das im sächsischen Kurfürstentum erstmals verwirklichte und eine enorme Ausstrahlungskraft entwickelnde protestantische Landesfürstentum war. Dies schließt die grundsätzliche Bedeutung der französischen Residenzarchitektur nicht aus, besaß doch die Hofkultur Frankreichs in weiten Teilen Europas eine hohe Anziehungskraft. Politisch kam sie im zeitweiligen Bemühen deutscher protestantischer Fürsten um den Beistand König Heinrichs II. gegen Kaiser Karl V. auf durchaus pikante Weise zum Ausdruck.28 Das Problem der FrankreichRezeption wird daher im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit immer wieder angesprochen werden. Die weiter oben getroffene Feststellung, daß auch das frühneuzeitliche Schloß in der Regel nicht auf ein vielgliedriges, von Türmen,

27 Zur Korrespondenz zwischen den Herzögen Johann Albrecht und Christoph von Mecklenburg und Kurfürst August I. von Sachsen siehe Hauptstaatsarchiv Dresden (HSAD ), Loc. 8504, Mecklenburgk Hertzog Johann Albrechts und Christophs Schreiben an Churfürst Augusten zu Sachsen von dem 1553 biß uf das 1583ste Jahr. Darin Bitte der Mecklenburger Herzöge an August von Sachsen um Entsendung des sächsischen Baumeisters Caspar V. v. Wierandt nach Schwerin für Bauprojekte; die Bitte wird von Kurfürst August I. abgewiesen (vgl. ebd., S. 4; siehe auch Werner, 1970, S. 196 sowie Anm. 184). 28 Siehe hierzu Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen, Berlin 1998, Nr. 311, Chambord 1552 Januar 15, Vertrag von Chambord, S. 574–583); siehe auch G. Wartenberg, 1987.

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Toren, Erkern und Zwerchhäusern bestimmtes Erscheinungsbild verzichtet, lenkt unseren Blick auf den militärischen Bereich des Residenzschlosses. Den auch hier seit dem letzten Drittel des 15. Jahrhunderts vollzogenen Paradigmenwechsel im Schloßbau hat Ulrich Schütte vor einigen Jahren aufgezeigt: Ungeachtet der veränderten Militärtechnik und neuartiger, dem Schloß vorgelagerter Bastionärssysteme bewahrt auch das frühneuzeitliche Schloß noch den Charakter einer Wehranlage, doch zumeist auf einem ausgesprochen zeichenhaften Niveau.29 Paradebeispiele hierfür sind das sächsische Schloß Augustusburg (1568 ff.) bei Chemnitz (Abb. 3+4+9) und das Residenzschloß des Mainzer Erzbischof in Aschaffenburg (1604ff.) (Abb. 10). Obwohl sich beide Bauwerke über ihre kastellartige Grundform und ihre architektonische Instrumentierung (u. a. geböschtes Mauerwerk und Cordongesims) als Festungen bzw. befestigte Schlösser geben, signalisieren reduzierte Bastionärswerke, zahlreiche Repräsentations- und Wohntrakte sowie überwiegend reich durchfensterte Außenwände den vorwiegend symbolischen Gehalt des militärischen Habitus’.30 Eine tatsächliche Festung verkörperte dafür in jener Zeit beispielsweise die Pleißenburg in Leipzig (ca. 1550 ff.), deren Wehranlagen ganz auf den frühneuzeitlichen Belagerungskrieg ausgerichtet waren.31 Doch selbst sie leistet sich eine symbolische Geste, indem der machtvoll aufragende und in die landseitig vorstoßende Spitze der Festungsanlage gesetzte Rundturm sich bei näherem Hinsehen als der alte Schloßturm entpuppt, dessen Mauerwerk in den Neubau der Pleißenburg integriert wurde. Welchen Sinn aber enthielten diese symbolischen Gesten? Der im neuen Schloßturm aufbewahrte Überrest des alten Schloßturms berührt wieder den bereits angesprochenen Umgang mit alter Bausubstanz im adligen Baugeschehen und das Phänomen des offensichtlich gezielten Erhalts von Teilen der Vorgängerbauten. Dieses auffällige Bauverhalten, für das bislang keine umfassende Erklärung vorliegt, wird in nachfolgenden Kapiteln dieser Arbeit noch eingehend unter29 U. Schütte, 1994. 30 Siehe hierzu U. Schütte, 1994, S. 66 ff. (Augustusburg), S. 108 ff. (Aschaffenburg). Zu recht verweist Schütte darauf, daß selbst dort, wo die Fortifikation der modernen Kriegstechnik nicht mehr entspricht und die symbolische Funktion in den Vordergrund tritt, dennoch eine begrenzte militärische Tauglichkeit bestehen bleibt. Sie war ausreichend, um etwa kleinere Scharmützel oder Angriffe von »marodierenden Soldaten oder Räuberbanden« abwehren zu können (ebd., S. 245 ff.). 31 Ebd., S. 56 ff.

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sucht. Doch auch der Zeichenhaftigkeit von Wehrarchitektur lassen sich weitere Aspekte abgewinnen und so die grundlegenden Ergebnisse der Studie von Ulrich Schütte ergänzen. Nach Schütte entspricht die zur Schau getragene Wehrhaftigkeit »in vollkommener Weise dem kriegerisch-militärische[n] Habitus des Adels«.32 Die Tradierung von militärisch weitestgehend veralteter Wehrarchitektur im frühen deutschen Schloßbau hätte somit ihre Begründung im weiterhin aktuellen emblematischen Charakter gefunden und als Ausweis für das kämpferische Ethos der damaligen gesellschaftlichen Elite sowie des politischen Leitbildes jener Epoche gedient, Friedens- und Herrschaftssicherung durch das Führen von Kriegen zu gewährleisten. Solche Überlegungen weisen grundsätzlich in die richtige Richtung, doch verbleiben sie noch sehr im Allgemeinen bzw. begreifen die vorgeführte Wehrhaftigkeit auch in ihrer Symbolik noch vorrangig als Spielart des Militärischen. Rein militärisches Denken spielt in diesem Bereich aber eine weitaus geringere Rolle, als zunächst vermutet. Demgegenüber wird bei näherem Hinsehen ein vielschichtiger ideeller Komplex sichtbar, der von besonderen herrschafts- und staatsethischen Überzeugungen getragen wird und damit letztlich die Sphäre des religiösen, dynastischen und rechtlichen Denkens betrifft. Dieses Denken, das sich außer im wehrhaften auch im übrigen Erscheinungsbild des spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Residenzschlosses manifestiert, führte in der Adelsarchitektur des Alten Reichs zu einer bis dahin nicht gekannten Synthese aus funktionalen, symbolischen und künstlerischen Aspekten. Denn nicht das Vorhandensein der für die Einzelaspekte notwendigen Elemente prägte den Charakter der fürstlichen Residenzschlösser jener Zeit, sondern ihre auch ästhetisch anspruchsvolle Verbindung in einem durchaus allgemeinverständlichen, wiedererkennbaren Gesamtbild des altdeutschen Fürstenschlosses. Nur so, als baukünstlerisch-visuelles Objekt, vermochte sich das Schloß als ›Bild‹ des Fürsten in das kulturelle Gedächtnis der Menschen einzuprägen und bis weit in die frühe Neuzeit hinein zum Sinnbild für den zentralen Ort der von Gott eingesetzten weltlichen Regierung zu werden.

32 Ebd., S. 300.

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Residenzschlösser im mitteldeutschen Raum

3. Landesherrliche Residenzschlösser im mitteldeutschen Raum

Für die Herausbildung der neuen Residenzarchitektur, die geeignet war, die vielfältig miteinander verbundenen funktionalen und symbolischen Aspekte zu visualisieren, kam den mitteldeutschen Territorien eine Schlüsselstellung zu. Sie erwuchs ihnen zum einen aus der politischen Vormachtstellung des wettinischen Fürstenhauses und zum anderen aus der besonderen historischen Situation, für Jahrzehnte Hauptschauplatz des Reformationsgeschehens und seines vielfältigen Einflusses auf die Vorstellungen von fürstlicher Territorialgewalt gewesen zu sein. Als entscheidende Triebkraft und maßgeblicher Impulsgeber trat zwar das sächsische Kurfürstenhaus und damit die ernestinischen Wettiner in Erscheinung, doch gewann der mitteldeutsche Raum erst durch das Zusammen- und auch Gegenspiel der übrigen weltlichen wie geistlichen Territorialherren und der Städte seine Bedeutung für die umwälzenden politischen wie geistesgeschichtlichen Veränderungen. Auf der territorialherrlichen Ebene konkurrierten außer Kursachsen, Brandenburg und – zumindest bis 1539 – das Magdeburger Erzstift auch das kleinere Fürstentum Anhalt, die reichsunmittelbaren Grafen von Mansfeld und die reichsfreien Herren von Schönburg um die vorhandenen Einflußsphären. Vor allem die reichsunmittelbaren Grafen von Mansfeld und Herren von Schönburg standen vor der Herausforderung, ihre Eigenständigkeit gegenüber den mächtigeren Reichsfürstenhäusern zu wahren und gleichzeitig mit ihnen zu kooperieren.1 Doch selbst innerhalb des politisch und wirtschaftlich machtvoll auftretenden wettinischen Fürstenhauses bestanden Spannungen und Rivalitäten, die nur schwer zu einem Ausgleich gebracht werden konnten. Auf dem Höhepunkt der konfessionellen Auseinandersetzungen zwischen den protestantischen Ständen und dem katholischen Kaiser führten sie das konfessionell ebenfalls gespaltene Haus Wettin sogar in eine Art ›Bruderkrieg‹, der 1547 mit der Entmachtung der Ernestiner und der Usurpation der Kurwürde durch die Albertiner endete. 1 Zum Verhältnis zwischen dem sächsischen Adel und dem eine umfassende Mediatisierungspolitik betreibenden sächsischen Fürstenhaus siehe J. Rogge, 2002.

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Auf den Residenzenbau im mitteldeutschen Raum wirkte sich das vielschichtige machtpolitische und ideengeschichtliche Konkurrenzverhältnis der Landesherren und seine Ausstrahlung auf die Reichspolitik ausgesprochen vorteilhaft aus. So wie die wechselseitigen Ansprüche und Herausforderungen auf relativ eng begrenztem Raum ausgetragen wurden, traten auch die Konzepte für die adäquaten Residenzbauten in einen sehr unmittelbaren Wettbewerb bzw. läßt sich eine direkte Wechselwirkung zwischen dem Setzen entsprechender Standards durch den einen Territorialherrn und der hierauf erfolgenden Reaktion durch den anderen Territorialherrn beobachten. Diese Entwicklung beginnt sogleich mit dem ersten ›modernen‹ Schloßbau dieser Region, ja des ganzen Reichs: Schloß Albrechtsburg in Meißen (Abb. 5+6). Noch während sie unter der Federführung des sächsischen Hofbaumeisters Arnolds von Westfalen errichtet wird, wünschen bereits die Bauherren von Schlössern innerhalb und außerhalb Sachsens, den innovativen und repräsentativen Glanz der Albrechtsburg auf ihre eigenen Schloßbauten zu übertragen. So erscheinen typische Formen und Elemente des wettinischen Stammschlosses in Meißen – wie die Vorhangbogenfenster, die Lukarnen, die Zellengewölbe oder der Treppenturm – im letzten Viertel des 15. und den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts in dem neuerbauten erzbischöflichen Residenzschloß (Moritzburg) in Halle, dem umgebauten bischöflichen Residenzschloß in Merseburg (Abb. 11), den Mansfelder Schlössern Vorder-, Mittelund Hinterort (Abb. 12), dem anhaltischen Residenzschloß in Dessau, dem schönburgischen Schloß Hinterglauchau und auf der Rochsburg, die sich zu jener Zeit im Besitz des kursächsischen Oberhofmarschalls Hugold von Schleinitz befand. Letzterer ließ sich durch Arnold von Westfalen sogleich nach der Grundsteinlegung zum neuen Meißener Markgrafenschloß ein neues Haupthaus für die Rochsburg konzipieren und auf diese Weise sein Schloß nicht nur als Wohnsitz, sondern vor allem auch als kursächsischen Amtssitz mit den neuen architektonischen Elementen wettinischer Repräsentation ausstatten.2 Auch bei den anderen genannten Rezipienten fällt die enge politische wie dynastische Bindung an die Wettiner ins Auge und läßt es wahrscheinlich werden, daß die Übernahme spezifischer Formen der Albrechtsburg neben dem Bedürfnis nach Angleichung an das gesetzte repräsentative Niveau nicht zuletzt dieser besonderen Verbundenheit Ausdruck ver2 Zur Geschichte und Baugeschichte der Rochsburg siehe Die Rochsburg und ihre Umgebung, o. J.; K.-H. Karsch, 1993, S. 7–10; Ders., 1996; sowie jüngst W.-D. Röber, 1999, S. 77–90 (mit weiterer Literatur).

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leihen sollte. Hierauf und auf die unterschiedliche Rezeption und Weiterentwicklung des Architekturkonzepts der Albrechtsburg innerhalb des wettinischen Residenzenbaus werden nachfolgende Kapitel näher eingehen.3 Einen eminent politischen Anstrich erhält dieses Rezeptionsverhalten durch die Reformation. Diejenigen Fürsten und Herren, die sich dem lutherischen Bekenntnis anschlossen, nahmen damit zugleich dezidiert Partei für das sächsische Kurfürstenhaus. So mußte in dieser Zeit auch die zitathafte Integration von Bauformen, die unverkennbar dem Repertoire kursächsischer Residenzschlösser entlehnt waren, wie ein in der Sprache der Architektur formuliertes Bündnissignal wirken. Die Beispiele von Dessau, Bernburg, Mansfeld und Berlin, aber auch das weiter entfernt liegende nassauische Residenzschloß von Weilburg (Abb. 13+14), die Elemente wie den Torgauer Großen Wendelstein oder die von Konrad Krebs entwickelten Erkertypen in ihren neuen fürstlichen Häusern bzw. Saalbauten rezipieren, demonstrieren in ihrer Konzeption zugleich den notwendigen Balanceakt zwischen offenem Bekenntnis im Sinne von Anlehnung und offensichtlicher Eigenständigkeit im Sinne von Abgrenzung gegenüber der auch im Schmalkaldischen Bund führenden kursächsischen Territorialgewalt. Dieser Balanceakt läßt sich exemplarisch am Berliner Stadtschloß Joachims II. von Brandenburg ablesen: Auf den ersten Blick erscheint der ab 1538 errichtete Neue Saalbau (»Stechbahnflügel«) (Abb. 7+8) wie die leicht modifizierte Kopie des Neuen Saalbaus im sächsischen Torgau (Abb. 15–17). Und tatsächlich hat der dortige Hofbaumeister, Konrad Krebs, wie bereits angemerkt, beim Ausbau des kurbrandenburgischen Residenzschlosses beratend mitgewirkt und vermutlich auch die Pläne für das Gesamtkonzept geliefert.4 Der zweite Blick offenbart dann aber Differenzen zwischen dem Torgauer Urbild und seinem Berliner Abbild, die sich nicht allein aus der zu jener Zeit sehr eingeschränkten künstlerischen Freiheit des Architekten erklären lassen. Zu diesen Differenzen gehören ganz wesentlich die in ihren Ausmaßen alternierenden Zwerchgiebel sowie das Fehlen eines Turmhauses im Zentrum der zur ehemaligen Stechbahn hingewendeten Fassade. Statt seiner tritt aus der Fassadenmitte im Erdgeschoß eine Loggienarchitektur hervor, über der sich in Höhe des ersten und zweiten Obergeschosses ein Altan aus erkerartig gerundeten Balkonelementen erhebt. Von diesen Balkonen aus konnten sich der Kurfürst und sein Gefolge wäh3 Siehe Kap. 3.1 ff. 4 Siehe Kap. 2, Anm. 26.

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rend der Darbietungen auf der Stechbahn dem Publikum präsentieren. Solche Unterschiede mögen zunächst sehr formal erscheinen oder sogar in der Topographie begründet liegen: Das abschüssige Gelände hinter dem Torgauer Saalbau machte dessen Nutzung für Turniere etc. unmöglich, während sich das flache Gelände auf der Rückseite des Berliner Saalbaus für höfische Festlichkeiten geradezu anbot. Doch wird die genaue Analyse von Funktion und Ausstattung des Torgauer Turmbaus zeigen, daß sein Fehlen am Saalbau Joachims II. auch den Verzicht auf eine inhaltliche Komponente im architektonischen Konzept darstellte.5 Möglicherweise existierten auch Unterschiede beim Großen Wendelstein auf der Hofseite der neuen Saalbauten in Torgau und Berlin: Auf den überlieferten Ansichten erscheint der hochaufragende Turmkörper in Berlin kreisförmiger zu sein als sein ansonsten weitgehend nachgeahmtes Torgauer Vorbild, dessen Treppenturm konchenartig aus der Fassade des Saalbaus ›herauswächst‹ (Abb. 15). Da sich dieser nur aus Abbildungen ergebende Eindruck jedoch nicht mehr am Baubefund verifizieren läßt, kann ihm bei der Herausarbeitung eines gegenüber dem sächsischen Residenzenbau eigenständigen Konzepts der Brandenburger Kurfürsten keine größere Aussagekraft zugemessen werden. Schroffe Abgrenzung bestimmte schließlich das Verhalten der albertinischen Linie des sächsischen Fürstenhauses, das unter Georg dem Bärtigen in erklärter Gegnerschaft zum Protestantismus und seiner Protektion durch die Ernestiner stand. Hier vermag der konfessionelle, in letzter Konsequenz aber staatsethische und -politische Gegensatz zwischen den beiden miteinander verwandten dynastischen Linien in den Jahren von 1530 bis 1568 sogar den Ehrgeiz beflügeln, in den architektonischen Konzepten für den Neu- bzw. Ausbau der jeweiligen Residenzen die divergierenden politisch-religiösen Konzepte zu reflektieren. Den glanzvollen Auftakt bildet in Dresden der Neubau eines geradezu monumentalen Schloßtors zur Elbe: der nach seinem Erbauer genannte Georgenbau (Abb. 18+19). Im Sinne eines Mahnmals für die Bewahrung des altgläubigen Bekenntnisses formuliert es auf seinen beiden Fassaden das Bild des in der Erbsünde gefangenen und dem Tode verfallenen Menschen, der sein Heil nur auf dem von der katholischen Kirche vorgezeichneten Erlösungsweg zu finden vermag. Herzog Georg schuf dieses noch eingehender zu würdigende Monument6 aus großer Sorge um den Bestand der alten, von ihm als gottgewollt 5 Siehe S. 69, S. 183 f. 6 Siehe hierzu Kap. 6, S. 252.

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verstandenen kirchlichen und weltlichen Ordnung und als Appell zur Umkehr an seinen Verwandten im protestantischen Torgau, Kurfürst Johann den Beständigen. Die Antwort erhielt er zwei Jahre später, als der Nachfolger Johanns im Kurfürstenamt, Johann Friedrich der Großmütige, mit dem neuen Saalbau seiner Torgauer Residenz (Abb. 15–17) ein geradezu überwältigendes Architekturdenkmal für ein auf dem Evangelium fußendes und von Luther und Melanchthon getragenes sächsisches Kur- und Landesfürstentum verwirklichte.7 Ohne es zum damaligen Zeitpunkt wissen zu können, begründeten Georg und Johann Friedrich mit ihren Dresdner und Torgauer Bauwerken in Sachsen eine regelrechte Tradition, Schloßbaukunst in den Rang von Denkmälern politisch-religiöser Bekenntnisse zu erheben. Denn zu architektonischen Denkmälern für die Überzeugungen und Ansprüche ihrer Bauherren wurden auch das Dresdner Stadtschloß unter Moritz sowie der Neubau des Schlosses auf dem Schellenberg bei Chemnitz, die Augustusburg, unter August von Sachsen.8 Die Schlösser von Dresden und Augustusburg markieren zugleich eine Zäsur in der Grundrißbildung sächsischer Residenzschlösser (Abb. 20+21), zu denen vom Raumkonzept und der politischen Bedeutung her gesehen grundsätzlich auch die Augustusburg gerechnet werden darf. Wurden noch die Neubauten des Torgauer Schlosses über dem unregelmäßigen Grundriß der mittelalterlichen Vorgängeranlage konzipiert, so integrierten zwar auch das Dresdner Stadtschloß und die Augustusburg ältere Bauteile, doch folgte ihre Grundrißbildung dem Konzept der regelmäßigen Vierflügelanlage. Vor allem die Augustusburg verkörpert hierin ein mit mathematischer Akuratheit durchgezeichnetes Gebilde, dessen geometrische Strenge sich erst im etwa vierzig Jahre später erbauten Aschaffenburger Schloß wiederfinden sollte. Inwiefern dieser Wechsel in der Grundrißform innerhalb der sächsischen Schloßbaukunst einen Paradigmenwechsel darstellt, der schließlich auch mit programmatischen Implikationen behaftet war, wird weiter unten zu klären sein.9 Hierbei gilt das Augenmerk nicht nur dem Zeitpunkt dieser formalen Veränderungen, der Übertragung der Kurwürde auf den Albertiner Moritz von Sachsen, sondern auch der Verwendung derselben Grundrißform bei den hessischen Landgrafen, die als bedeutende protestantische Territorialherren ein enges Bündnis mit Kursachsen eingegangen waren. Während das Kasseler Residenz7 Siehe hierzu Kap. 3.3, 5.1.4. 8 Siehe hierzu Kap. 3.5. 9 Siehe Kap. 3.4, 3.5, 3.6.4.

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schloß des 16. Jahrhunderts (Abb. 22) und das Rotenburger Schloß (Abb. 23) nicht mehr bestehen, kann anhand des weitestgehend unverändert überlieferten Schlosses von Schmalkalden (Abb. 24) noch heute die enge Bindung an die im Dresdner Stadtschloß vorgebildete Kastellanlage mit saalraumartiger »protestantischer« Schloßkapelle studiert werden. Der kurze Überblick über die wesentlichen Entwicklungslinien des Residenzenbaus im mitteldeutschen Raum kann nicht beendet werden, ohne einige Bemerkungen zum übrigen Schloßbau der Landesfürsten und zum Schloßbau des Adels hinzuzufügen. Denn obwohl sich diese Arbeit in erster Linie mit der Bauaufgabe des fürstlichen Residenzschlosses beschäftigt, läßt sich die Qualität und Wertigkeit seiner Architektur und die Herausbildung einer spezifisch fürstlichen bzw. landesherrlichen Residenzenbaukunst erst durch den vergleichenden Blick auf die übrigen, nachgeordneten Schloßbauten richtig einschätzen. Zu nennen sind hier einerseits die zahlreichen fürstlichen Jagdund Lustschlösser sowie Amtssitze und andererseits die Schlösser von nicht gefürsteten Adelsfamilien. Bei ihnen ist wiederum eine strenge Unterscheidung zwischen landesherrlich gebundenen und nur der Reichsgewalt zu Lehen verpflichteten Familien vorzunehmen. Zu den ersteren gehören die Herren von Schleinitz, die weiter oben als zeitweilige Besitzer der Rochsburg genannt wurden, zu letzteren dagegen die ebenfalls bereits weiter oben erwähnten Mansfelder Grafen sowie die Herren von Schönburg. Fungierten die Schlösser der in Diensten des Fürsten stehenden Familien in der Regel als private Wohnsitze und landesherrliche Amtssitze zugleich, so erfüllten die Hauptschlösser der reichsunmittelbaren und Territorialherrschaft ausübenden Familien durchaus eigenständige Residenzfunktionen, wenn auch in bescheidenerem Rahmen. Nur so kann eine großzügige und moderne Anlage wie die der drei Mansfelder Schlösser eine angemessene Würdigung erfahren, wobei gleichzeitig auch das Problem der Annäherung an das gestalterische Niveau der benachbarten fürstlichen Residenzschlösser sichtbar wird. Solange das Gesamterscheinungsbild den gebotenen Abstand zu den Residenzbauten der Reichsfürsten wahrte, ließen sich einzelne dem fürstlichen Kontext entlehnte Formen und Elemente tolerieren und im günstigsten Fall als Zeichen der politischen oder dynastischen Verbundenheit werten. Suchte jedoch auch das Gesamtbild eines Adelssitzes Anschluß an das Niveau des Fürstenschlosses zu gewinnen, dann handelte es sich um eine Provokation, der zumeist auch auf der machtpolitischen Ebene eine gefährliche Eigenmächtigkeit entsprach. Für diese Grat37

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wanderung bieten die Mansfelder Grafen und ihre Schlösser ein anschauliches Beispiel: Weil sie zu Beginn des 16. Jahrhunderts zu einer ernstzunehmenden politischen, wirtschaftlichen und militärischen Größe im mitteldeutschen Raum geworden waren, verfolgten die angrenzenden Territorialmächte, vor allem Sachsen und Magdeburg, konsequent eine Politik der Eingrenzung, die nicht zuletzt Erfolg hatte durch das Mittel der Lehensbindung und durch offensiv betriebene Erbteilungen zwischen den Mansfelder Grafen.10 Eine vergleichbare Einflußnahme von seiten der Wettiner hatten zwar auch die reichsfreien Herren von Schönburg zu befürchten, doch vermochten sie durch eine geschickte Politik des Ausgleichs zwischen ihren eigenen territorialen Interessen und denjenigen der benachbarten sächsischen Territorialherren ihre Eigenständigkeit zu bewahren. Wenn auf ihrem Hauptsitz Glauchau das Schloß Hinterglauchau Formen der Albrechtsburg, des wettinischen Stammsitzes, zitiert (z.B. das Vorhangbogenfenster), dann entspricht diese architektonische Geste gleichsam der Verpflichtung von Mitgliedern des Hauses Schönburg, als sächsische Hauptmänner oder Feldmarschälle in ein enges, dienstbares Verhältnis zu den Wettinern zu treten. Aufschlußreich im Vergleich zwischen der reichsfürstlichen Residenzarchitektur und dem Schloßbau des Adels im mitteldeutschen Raum ist aber nicht nur das Rezeptionsverhalten, sondern auch der Umgang mit dem baulichen Erbe, d. h. der Substanz von Vorgängerbauten einer Schloßanlage. Fiel bereits beim fürstlichen Schloßbau der pflegliche Umgang mit bestimmten Teilen alter Bauten (vor allem Türmen) ins Auge, so ist der noch weitergehende Erhalt ganzer überkommener Bautenensembles bei zahlreichen Schlössern des Adels (in Sachsen z. B. Schloß Weesenstein) besonders auffällig. Offenkundig handelt es sich bei diesem weiter oben bereits angesprochenen Phänomen um ein grundsätzliches Merkmal herrschaftlichen Bauens, dessen Ausprägung jedoch auf der Ebene des adligen Bauens stärker erscheint, als auf der des fürstlichen. In gewissen Maßen lassen sich sogar Abstufungen innerhalb des Fürstenstandes konstatieren, wie ein Vergleich zwischen den Schloßbauten des sächsischen Fürstenhauses, der unbestrittenen mitteldeutschen Führungsmacht, und dem anhaltischen Fürstenhaus, einer deutlich schwächeren Territorialherrschaft, zeigen kann. Die Gründe hierfür und das Phänomen als solches sollen im Zusammenhang mit den metaphorischen Aspekten des Schloßbaus 10 C. Krumhaar, 1872; H. Grössler, 1889; K. Schmidt, 1927; siehe hierzu auch Kap. 3.6.3, S. 103 ff.

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näher erörtert werden.11 Auch hierfür bietet sich der mitteldeutsche Raum als Untersuchungsfeld an, da in seinen Grenzen ein dichtes, bis heute noch nicht zufriedenstellend bearbeitetes Geflecht aus reichsfürstlichen Hegemonialmächten auf der einen und adligen, häufig alteingesessenen Regional- und Lokalmächten auf der anderen Seite bestand. Die Widerspiegelung des dynastischen, politischen, rechtlichen und kulturellen Status’ dieser verschiedenrangigen adligen Herrschaftsträger und ihres untereinander bestehenden Beziehungsgeflechts im Medium der Schloßbaukunst kann in dieser Arbeit allerdings nur ansatzweise aus der Perspektive der Reichsfürsten untersucht werden. Für eine tiefergehende vergleichende Untersuchung wäre zunächst eine eigene Studie zum Bauverhalten und zu den Schlössern des Adels notwendig, die allerdings an jüngst geleistete Vorarbeiten von historischer Seite anknüpfen könnte.12

3.1 Die Wettiner als politischer und baukünstlerischer »Hegemon« Angesichts ihrer territorialpolitischen Erfolge im mitteldeutschen Raum hat Peter Moraw vor einigen Jahren die Wettiner mit dem Begriff des »Hegemons« zu charakterisieren versucht.13 Er umschrieb damit den stetigen Aufstieg Sachsens unter Führung der ernestinischen und albertinischen Linien der Wettiner seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert zu einem der einflußreichsten deutschen Territorialstaaten, der als wirtschaftlich und kulturell hochentwickeltes Land schließlich auf das ganze Alte Reich auszustrahlen vermochte.14 Vor und nach 1547, als mit dem Sieg bei Mühlberg und dem Ende des Schmalkaldischen Bundes die Kurfürstenwürde auf den Albertiner Moritz von Sachsen überging, erhielt das Kurfürstentum Sachsen den Rang eines 11 Siehe hierzu und grundsätzlich zum Erhalt alter Bausubstanz Kap. 5.6. 12 Siehe hierzu die einleitenden Bemerkungen von K.-D. Wintermann, 1997, S. 192 ff.; siehe J. Rogge, 2002, und demnächst auch die Habilitationsschrift von Uwe Schirmer (Dresden) zu den dynastischen und wirtschaftlichen Verflechtungen des sächsischen Adels und seinen Beziehungen zu den Wettinern. 13 P. Moraw, 1985. 14 Siehe H. Patze, 1986, S. 315–336; zur verfassungsgeschichtlichen Bedeutung Sachsens für das Reich siehe W. Dotzauer, 1989, S. 105 ff.; zur Wirtschaftsgeschichte siehe künftig die im Druck befindliche Habilitationsschrift von Uwe Schirmer (Dresden).

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Leitbildes an den deutschen Höfen, mit dem sich ansonsten nur noch das bayerische Herzogtum messen konnte. Die Charakterisierung Sachsens als »Hegemon« möchte ich an dieser Stelle aufgreifen und in den folgenden Kapiteln aus dem architekturgeschichtlichen Blickwinkel einer erneuten Befragung unterziehen. Dabei geht es nicht um die Frage, inwieweit der Aufstieg des wettinischen Fürstenhauses seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zur unbestrittenen Territorialmacht in den mitteldeutschen Landen und weit darüber hinaus sein Äquivalent im zugehörigen Schloßbau fand. Denn daß dies so war, darin besteht in der kunsthistorischen Forschung grundsätzlich Einigkeit. Die führende Rolle der Wettiner auch im Schloßbau kann nicht bezweifelt werden.15 Von Interesse ist vielmehr die Frage, mit welchen architektonischen Mitteln dies geschah und wie sich demgegenüber die Dynastien der angrenzenden landesherrlichen Territorien in ihrer Baupolitik verhielten. Zu klären sind demnach zum einen die Konsequenzen des politischen Aufstiegs der Wettiner für ihren eigenen Residenzenbau und zum anderen die Reaktion der wettinischen Nachbarn auf diesen Vorgang einer architektonischen und zugleich repräsentativ-politischen Hegemonie. Die Ergebnisse der interdisziplinären Residenzenforschung zeigen immer stärker, daß die Auswirkungen dieser Vorgänge sowohl in der architekturästhetischen Form zu suchen sind als auch in den damit untrennbar verbundenen ideengeschichtlichen und funktionalen Konzepten.16 Weitaus stärker als bislang vermutet, dürfen die Veränderungen der baulichen Gestalt im frühen mitteldeutschen Schloßbau nicht als vordergründiger Versuch der Architekten gewertet werden, die mittelalterliche Festung in ein elegantes Schloß zu verwandeln, sondern vielmehr als ambitionierte Aufgabe, dem tradierten Bild vom Herr15 Inwieweit dieser Maßstab über die protestantischen Landesherrschaften hinaus auch bei katholischen Territorialherren Geltung besaß oder aber kaiserliche Residenzen wie z. B. in Wien und Wiener Neustadt zum Vorbild genommen wurden, gehört zu den in der kunsthistorischen Forschung bislang nicht tiefer erörterten Fragen, wie z. B. der nur oberflächliche Vergleich in der einschlägigen Literatur zwischen dem Dresdner Schloß und Schloß Johannisburg in Aschaffenburg zeigt. Zu grundsätzlichen Überlegungen zur Vorbildlichkeit kaiserlicher Schloßbauten für kastellartige Anlagen siehe U. Schütte, 1994, S. 205, sowie M. Müller, 2000b. Siehe hierzu auch weiter unten in dieser Arbeit. 16 Siehe hierzu vor allem die Tagungsbände der Residenzenkommission der Akademie der Wissenschaften in Göttingen (z. B. Zeremoniell und Raum, 1997; Principes, 2002) sowie des Rudolstädter Arbeitskreises zur Residenzkultur (z.B. Die Künste und das Schloß in der frühen Neuzeit, 1998; Bildnis, Fürst und Territorium, 2000).

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schaftssitz angesichts sich wandelnder staatstheoretischer und funktionaler Ansprüche zu neuer Anschaulichkeit zu verhelfen. Wie die architekturhistorische Forschung seit mehreren Jahrzehnten immer wieder zu Recht herausstreicht, bildet der Residenzenbau der Wettiner seit dem Bau der Albrechtsburg in Meißen den Maßstab des mitteldeutschen Schloßbaus.17 Doch bezieht man dieses Urteil gemeinhin ausschließlich auf die gestalterischen Qualitäten der seit 1470 entstandenen Schloßbauten, so daß der Zusammenhang mit den aus der Adelskultur entwickelten funktionalen und ideengeschichtlichen Prämissen weitgehend unbeachtet blieb. In jüngerer Zeit hat Stephan Hoppe in seiner Dissertation wichtige Aufschlüsse über die funktionale und räumliche Struktur von vier prominenten sächsischen und einem bedeutenden anhaltischen Residenzschloß geben können,18 doch blieb auch in dieser Arbeit die Frage nach der historischen Bedingtheit der architektonischen Form ausgeklammert. Das im zeitgenössischen Vergleich ungewöhnlich Neue, Andersartige im sächsischen Schloßbau des ausgehenden 15. Jahrhunderts und fast des ganzen 16. Jahrhunderts ist aber nicht so sehr das gebotene ästhetische Erlebnis an sich, als vielmehr die Gebundenheit der anspruchsvollen ästhetischen Entwürfe an die sich wandelnde Auffassung von fürstlicher Territorialherrschaft im Alten Reich und besonders im mitteldeutschen Raum. Unauflösbar miteinander verwoben, betrieben baukünstlerischer Ehrgeiz und territorial- bzw. herrschaftspolitische Herausforderungen und Ansprüche die durchgreifende Veränderung einer alten, zutiefst symbolischen Bauaufgabe: der Burg bzw. des Schlosses als Sitz des gerechten Herrschers von Gottes Gnaden. Hier markiert das Stammschloß der Wettiner auf dem Meißener Burgberg eine für den deutschen Raum durchaus epochale architektonische Zäsur. Eine weitere Zäsur – da einer anderen Formentradition folgend – bildet das unter Kurfürst Moritz umgebaute Dresdner Residenzschloß, während die Augustusburg bei Chemnitz in architektonischer Hinsicht Höhepunkt und Synthese der in Meißen und Dresden angestoßenen Entwicklungen darstellt. Dazwischen liegen Wittenberg und das glanzvolle Residenzschloß von Torgau, deren baulicher Organismus und baukünstlerische Ausführung das Bild von der sächsischen Residenzarchitektur des 16. Jahrhunderts am nachhaltigsten geprägt haben.

17 Dieses durch G. F. Koch, 1960, erstmals umfassend begründete Urteil hat zuletzt D. Fuhrmann (Ders. / J. Schöner, 1996) bekräftigt. 18 St. Hoppe, 1996.

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In den drei folgenden Kapiteln wird die von den sächsischen Herzögen und Kurfürsten am Ausgang des Mittelalters und dem Beginn der frühen Neuzeit initiierte neue Residenzarchitektur eingehend vorgestellt. Die detaillierte Betrachtung der für das ganze Alte Reich bedeutenden Residenzschlösser der Wettiner bildet zugleich die Voraussetzung für die anschließende Analyse der konstitutiven Einzelelemente des reichsfürstlichen Schloßbaus. Denn welche Elemente im Erscheinungsbild eines frühneuzeitlichen fürstlichen Residenzschlosses unverzichtbar und mit entsprechendem Zeichenwert ausgestattet waren und wie sie aus der prinzipiellen Vereinzelung in ein synthetisierendes, ästhetisch geschlossenes Gesamtkonzept eingebunden werden konnten, läßt sich sowohl für den mitteldeutschen Raum als auch das übrige Alte Reich erstmals anhand der Albrechtsburg in Meißen studieren.

3.2 Schloß Albrechtsburg in Meißen als Inkunabel eines neuen Konzepts fürstlicher Residenzarchitektur und Gründungsbau wettinischer Schloßbaukunst Seit dem Erscheinen von Wilhelm Lübkes zweibändigem Werk zur deutschen Renaissance19, d. h. seit mehr als einem Jahrhundert, gehören die frühen Residenz- und Jagdschlösser Sachsens für die Kunstgeschichte zu den Inkunabeln der deutschen Renaissancearchitektur. Besondere Aufmerksamkeit erfuhr Schloß Albrechtsburg in Meißen,20 dessen elegant-expressive Stilistik den Neubau des wettinischen Stammschlosses als vornehmlich deutsche Formschöpfung erscheinen ließ (Abb. 5+6). Georg Friedrich Koch ist es zu verdanken, daß seit dem Erscheinen seines wegweisenden Aufsatzes von 1963 auch der internationale Rang der Meißener Albrechtsburg und des nachfolgenden mitteldeutschen und vor allem sächsischen Schloßbaus ins Bewußtsein der Forschung gerückt ist. Seine »Beobachtungen an mitteldeutschen Schloßbauten der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts […] möchten«, so schrieb Koch, »einiges zur Revision der herrschenden Ansichten beitragen«.21 Kernpunkt der zu revidierenden Ansichten war die vorherr19 W. Lübke, 1873. 20 Siehe hierzu die grundlegenden, wenn auch heute in Vielem überholte monographischen Abhandlungen von Cornelius Gurlitt, 1881, und O. Wanckel / C. Gurlitt, 1895. 21 G. F. Koch, 1963, S. 156.

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schende Überzeugung, daß nicht die höfische, sondern die bürgerliche Baukunst des späten Mittelalters und der beginnenden frühen Neuzeit im Alten Reich von geistiger Avantgarde zeuge und Ansätze einer europäischen, von der Kleinstaaterei losgelöste Geisteshaltung vertreten würde. Für Koch wurde in diesem Denken die Wirklichkeit von den Füßen auf den Kopf gestellt: Eine kritische Überprüfung »würde nicht nur einen bedeutenden Komplex der Geschichte deutscher Baukunst neu und im rechtem Licht erstehen lassen, sondern auch von Deutschland her den Beweis erbringen, daß im 16. Jahrhundert zum ersten Male im großen durch die gesamte europäische Kunst durchgehende ›internationale‹ Züge sichtbar werden, die auf der Ebene der höfischen Kunst, nicht der bürgerlichen, europäisches Bewußtsein verkünden«.22 An den Anfang dieser Entwicklung innerhalb der deutschen Baukunst stellt auch Koch die Albrechtsburg in Meißen, jedoch betont er ihren Wert als »das früheste Beispiel für die Einwirkung französischer Bauten« im deutschen Schloßbau.23 Das grundlegend Urteil von Georg Friedrich Koch hat bis heute seine Gültigkeit bewahrt. Selbst wenn es das ganze Mittelalter hindurch im höfischen Bauwesen des Alten Reichs Rezeptionen französischer Adelsarchitektur gegeben hat,24 so bezeichnet die Albrechtsburg doch eine Zäsur: Etwa zweihundert Jahre nach dem Ausbau des Marburger Schlosses zur neuen Residenz der hessischen Landgrafen, bei der mit Schloßkapelle und Saalbau französische Vorbilder auf ungewöhnlich deutliche Weise sichtbar werden,25 vertritt das Meißener Fürstenschloß den ersten ambitionierten Versuch, die Hofarchitektur Frankreichs im gestalterischen wie funktionalen Konzept umfassend

22 Ebd. 23 Ebd., S. 157. 24 Auf die Rezeption französischer Donjonarchitektur im deutschen Burgenbau des Mittelalters hat erst jüngst für den mitteldeutschen Raum G. Strickhausen, 1998, S. 60 ff., hingewiesen. Zur Verarbeitung der Donjontypologie in spätmittelalterlichen Wohntürmen des Rhein-Mosel-Gebietes siehe Chr. Herrmann, 1995. 25 Die Bedeutung des Marburger Schlosses als frühe Rezeption französischer Königsresidenzen im Deutschen Reich ist von der Forschung bislang nicht gewürdigt worden. Lediglich die Schloßkapelle wurde mit Hofkapellen wie der SteChapelle verglichen, ohne jedoch den Gesamtkontext zu berücksichtigen, in den sie in Marburg gestellt ist. Denn auch der außergewöhnliche doppelstöckige Saalbau folgt in seiner Grundkonzeption vergleichbaren königlichen bzw. hochadeligen Saalbauten wie in Blois, Coucy oder Montargis, womit die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts errichtete Residenz der hessischen Landgrafen wesentliche Teile der französischen Vorbilder rezipiert. Zum Marburger Schloß siehe K. Justi, 1942; C. Meiborg / H. Roth, 1992, S. 47–48.

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wirksam werden zu lassen. Daß es dabei nicht um eine schlichte Übernahme französischen Formenguts, sondern um den anspruchsvollen Versuch einer feinsinnigen Synthesebildung aus den Elementen der eigenen und einer fremden Baukultur handelt, darf ebenfalls als wegweisend für den deutschen Schloßbau gelten. Zu diesem synthetisierenden schöpferischen Entwurfsprozeß gehört ganz wesentlich die von Koch und anderen eher problematisch empfundene »noch in der Spätgotik verhaftete Baustruktur« der Albrechtsburg. Bei näherer Betrachtung erweist sie sich als unverzichtbarer Bestandteil des innovativen Gesamtentwurfs, in dem der Rückbezug auf die Tradition adligen Bauens eine programmatische Funktion erfüllt. Auf das sächsische Kurfürsten- und Herzogtum bezogen, avancierte die Albrechtsburg durch ihr besonderes ästhetisches und funktionales Konzept sogar zum Gründungsbau einer spezifisch ›wettinischen‹ Residenzarchitektur: Charakteristische architektonische Grundauffassungen, die noch näher erläutert werden, festigen sich in der Folgezeit zu einer eigenen Tradition im sächsischen Schloßbau, die selbst unter August dem Starken prinzipiell noch gültig blieb.26 Der herausragende architektonische Anspruch, den die Meißener Albrechtsburg im ausgehenden 15. Jahrhundert verkörperte und der sie zum Maßstab im Schloßbau des Alten Reichs erhob,27 läßt sich bis heute am bestehenden Bau ganz objektiv nachvollziehen.28 Bereits ein oberflächlicher Blick auf die Hoffassade (Abb. 6) offenbart die Großzügigkeit und Eleganz, die das Erscheinungsbild der Albrechts-

26 Diese traditionelle Haltung findet ihren Ausdruck beispielsweise in dem ausdrücklichen Wunsch Augusts des Starken, bestimmte Schlösser der Vorväter erhalten zu wissen (H. Lorenz, 1998, S. 1–23) oder in der Bewahrung charakteristischer Merkmale (wie z. B. Grund- und Aufrißformen) des alten Schlosses im Neubau, wie es etwa anhand der Moritzburg bei Dresden studiert werden kann. 27 In diesem Urteil herrscht in der Forschung seit langem Einigkeit, die durch die folgenden Ausführungen erneut Bestätigung findet. Von der zahlreichen Literatur zur Albrechtsburg sei hier nur auf die vor wenigen Jahren erschienene Monographie von D. Fuhrmann / J. Schöner, 1996, verwiesen, in der sich Hinweise auf die bisher erschienene Literatur finden (es fehlt allerdings der Verweis auf die im gleichen Jahr erschienene Dissertation von Stephan Hoppe zur Raumstruktur im frühen mitteldeutschen Schloßbau [St. Hoppe, 1996], obwohl Fuhrmann die neuen Erkenntnisse zur Raumstruktur der Albrechtsburg einem Einblick in das Druckmanuskript verdankt). Zu nennen ist auch der von Hans-Joachim Mrusek 1972 herausgegebene Aufsatzband (H.-J. Mrusek, 1972), ebenfalls mit ausführlicher Bibliographie zur älteren Literatur. 28 Zum Nachfolgenden siehe auch die zusammenfassenden Darstellungen bei M. Müller, 2003a und 2003b.

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burg ausstrahlt. Hohe und breite, mehrbahnige Fenster sitzen mit ihren fein profilierten Gewänden ohne jegliche Schwere in der Wand, die diesen Eindruck durch den hellen, weiß-grauen Farbauftrag noch unterstützt. Die festliche Unbeschwertheit des Fassadenbildes erfährt seine Steigerung in den schlanken Zwerchhäusern bzw. Lukarnen auf dem Dach und schließlich in dem aufsehenerregenden Treppenturm, dem sog. Großen Wendelstein, an der rechten Fassadenseite. Er ist nicht nur optisch, sondern auch technisch ein Meisterwerk, konstruiert und erbaut unter der Leitung von Arnold von Westfalen. In Zusammenarbeit mit seinen fürstlichen Auftraggebern ist es diesem Architekten zu verdanken, daß Schloß Albrechtsburg zur Inkunabel des frühen deutschen Schloßbaus werden konnte. Dies gilt nicht nur für das Äußere, sondern ebenso für das Innere (Abb. 25), wo die schräg angeschnittenen Pfeilerprofile und die kristallin wirkenden Zellengewölbe optische Effekte von geradezu expressionistischer Qualität bieten. Allerdings würden wir die erbrachte Bauleistung gründlich mißverstehen, sähen wir in ihr nur das Resultat eines begnadeten Baumeisters im Dienst eines höfischen Wettbewerbs um das schönste Schloß im Reich! Ohne Beachtung der Aufgaben und des Ranges eines Residenzschlosses wie es die Albrechtsburg verkörperte und ohne die Einbeziehung des historischen Geschehens müssen alle baukünstlerischen Anstrengungen als vordergründige Prachtentfaltung erscheinen. Rufen wir uns jedoch die Geschichte des Ortes, an dem die Albrechtsburg errichtet wurde, in Erinnerung, so erkennen wir recht deutlich, welchen Zwecken das ambitionierte Neubauprojekt auf dem Meißener Burgberg dienen sollte. Es genügt, wenn wir uns stichwortartig die wesentlichen Fakten vergegenwärtigen: Als König Konrad die Wettiner 1089 mit der Markgrafschaft Meißen belehnte, erhielten sie zugleich die markgräfliche Burg übereignet, die auf diese Weise zum neuen Stammsitz der Wettiner in der Markgrafschaft avancierte.29 Ungefähr 350 Jahre nach diesem Ereignis, 1423, erfuhren die Wettiner eine entscheidende Rangerhöhung: Sie wurden durch König Sigmund mit dem heimgefallenen Lehen von Kursachsen belehnt und gelangten dadurch in den exklusiven Kreis der Kurfürsten. In dieser Zeit entschloß sich das Fürstenhaus unter Friedrich dem Streitbaren, auf dem Meißener Burgberg die Familiengrablege einzurichten und an die Westseite des Doms eine Grabka-

29 R. Kötzschke / H. Kretzschmar, 1965, S. 72 ff.; Kh. Blaschke, 1990, S. 143 ff.; W. Hoppe, 1919, S. 1–53.

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pelle anzubauen.30 Fast fünfzig Jahre später rückte für die Wettiner ein weiterer Macht- und Prestigegewinn in greifbare Nähe: Als 1471 König Podiebrad von Böhmen starb, konnten die Wettiner aus dynastischen Gründen darauf hoffen, sein Erbe anzutreten und in den Besitz der böhmischen Königskrone zu gelangen. Zwar verhinderte die Wahl Wladislaws II. Jagiello dieses Ziel, doch gaben die Wettiner ihre ehrgeizigen Pläne deswegen nicht auf. 1471 war aber auch das Jahr des Baubeginns von Schloß Albrechtsburg. Selbst wenn zwischen dem Neubau der Markgrafenburg und den Ereignissen in Böhmen kein unmittelbarer Zusammenhang bestand, so verlieh die in Reichweite gelangte böhmische Königskrone dem reichs- und kurfürstlichen Status der Wettiner doch zusätzlichen Glanz, der auch architektonisch widergespiegelt werden wollte. Diesem Glanz konnte die alte Markgrafenburg aber nicht mehr genügen. Ein Neubau war erforderlich, der auf der einen Seite den im 15. Jahrhundert erlangten Status der Wettiner zum Ausdruck bringen sollte und auf der anderen Seite geeignete Räumlichkeiten für die gemeinsame Hofhaltung der herzoglichen und kurfürstlichen Linie bereithielt. Mit diesen inhaltlichen Vorgaben oder wie es der Berliner Kunsthistoriker Otto von Simson einmal formulierte: mit diesem »Thema«31 hatte sich der Baumeister auseinanderzusetzen. Arnold von Westfalen fand hierauf die kongeniale Antwort. Seine große Leistung besteht darin, alle für den spätmittelalterlichen und auch noch frühneuzeitlichen Schloßbau notwendigen, unverzichtbaren Elemente zu berücksichtigen und dennoch etwas völlig Neues, im deutschen Schloßbau bis dahin nicht Gesehenes zu schaffen. Wie sieht seine Leistung im Einzelnen aus? Betrachten wir zunächst den Fenstertyp (Abb. 6), der in seiner Grundform für alle Fenster der Albrechtsburg maßgeblich war und dem ich – da er symptomatisch für Arnold von Westfalens Vorgehen ist – im folgenden eine eingehendere Analyse widmen möchte. Er ist grundsätzlich als mehrbahniges Rechteckfenster angelegt, dessen oberer Abschluß jedoch statt eines geraden Sturzes ein einschwingendes, mehrfach in die Höhe gestuftes Profil besitzt. Diese Form wiederholt sich nochmals im Fenster selbst, wo im oberen Bereich ein entsprechend geformter Profilstab das Fenster unterteilt. Der von der Kunstgeschichte für diese Formgebung gewählte Terminus »Vorhang30 Zu Baugeschichte, Ausstattung und historischem Kontext der Meißener Fürstenkapelle siehe die Monographie von E. Hütter u.a., 1999. 31 O. von Simson, 1993, S. 124.

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bogenfenster«32 klingt zwar sehr anschaulich, trifft jedoch nicht den formgeschichtlichen Kern. Zutreffender wäre es, von einer Abstraktion des mittelalterlichen Maßwerkfensters zu sprechen,33 wie es als repräsentativste Fensterform im 13. und 14. Jahrhundert den Kirchen- und Schloßbau, im Verlauf des 15. Jahrhunderts dann fast ausschließlich nur noch den Kirchenbau bestimmte. Im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts, als die Albrechtsburg in Meißen entstand, blieben Maßwerkfenster im deutschen Schloßbau so gut wie ausschließlich auf den Sakralbereich, die Schloßkapellen, beschränkt.34 In allen übrigen Räumen hatten sich die schlichteren Rechteck- bzw. Kreuzstockfenster durchgesetzt. Wenn nun Arnold von Westfalen zusammen mit seinen Auftraggebern diesen gestalterischen ›Konsens‹ durchbricht und statt dessen einen Fenstertyp entwickelt, der unübersehbar mit Elementen des gotischen Maßwerks ausgestattet ist, dann wirkt dieser Vorgang wie ein Signal. Signalisiert wird in der Sprache der Architektur ein doppelter Anspruch: Während die großzügige, mit viel Glas sich membranhaft in der Wandfläche spannende Gesamtform des Fensters Modernität ausdrückt, verleiht die festlich-geschwungene, ›gotische‹ Linienführung des oberen Abschlusses dem Fenster auf elegante Weise Altehrwürdigkeit. Durch die abstrahierende Vergegenwärtigung spätgotischen Maßwerks werden die Fenster der Albrechtsburg gleichsam nobilitiert und mit ihnen zugleich die ganze übrige Architektur auch.35 Nicht zufällig besitzen alle Fenster der Albrechtsburg dieselbe Grund32 Siehe u. a. H. Magirius, 1972, S. 67–83. 33 Die Grundform entspricht einem spätgotischen Kielbogen. Ein solcher erscheint an prominenter Stelle im Festsaal der Albrechtsburg als Türsturz des Verbindungsportals zwischen Festsaal und Großem Wendelstein. Ein vergleichbarer Kielbogen bildet auch den Sturz der Tür im repräsentativen Maßwerkfenster oberhalb des Südportals des Prager Veitsdoms. In beiden Fällen werden auf diese Weise Zugänge ausgezeichnet, die zu verschieden bedeutsamen Orten führen: In Meißen gelangte man über den Treppenturm in die kurfürstlichen und herzoglichen Gemächer, in Prag über das Südportal in die Kapelle des Hl. Wenzels. 34 Siehe beispielsweise so unterschiedliche Schlösser wie diejenigen von Celle, Berlin, Wittenberg oder Rochsburg. Zum mitteldeutschen Raum siehe auch den Beitrag von I. Roch, 1993; zu den Burg- und Schloßkapellen grundsätzlich siehe den Tagungsband Burg- und Schloßkapellen, 1995. 35 Vergleichbares läßt sich für die Verwendung von bestimmten altertümlichen Wehrelementen oder Mauerwerksarten (z.B. Schloß Niederalfingen, das durch die Fugger 1577 über den Grundmauern einer älteren Anlage neuerrichtet und dabei u. a. mit ›staufischem‹ Buckelquadermauerwerk ausgestattet wurde) konstatieren (hierzu und zur Rezeption ›alter‹ Formen durch geadelte Bürgerfamilien bzw. das städtische Patriziat siehe U. Schütte, 1994, S. 271 ff.; zu diesem Thema jüngst auch M. Schmidt, 1999, S. 101 ff., zu Niederalfingen: S. 118 ff.).

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form. Man könnte von einem Prozeß der Vereinheitlichung sprechen und damit die seriellen Qualitäten der Fenstergestaltung beschreiben, doch würde dies zu kurz greifen. Die Verwendung des Fenstertyps in nachfolgenden sächsischen Residenzschlössern wie z.B. Wittenberg (Abb. 26) und Torgau (Abb. 15+46) und sogar im obersächsischen landesherrlichen Kirchenbau (z. B. Freiberg und Annaberg) belegt vielmehr, daß hier nicht nur ein formaler, sondern auch ein ikonographischer Typus erfunden wurde. Gebrauchen wir an dieser Stelle einmal den mittlerweile zum Schlagwort gewordenen Begriff der »politischen Ikonographie«,36 dann hätte das Meißener Fenster an ihr insoweit Anteil, als es in den Jahrzehnten vor und nach 1500 zu einem Kennzeichen landesherrlicher Architektur in Sachsen wurde. Auf die Bedeutung Meißens als Stammsitz der Wettiner wurde bereits verwiesen. Die Symbolkraft eines solchen Ortes haftete zwangsläufig auch der Architektur des zugehörigen Stammschlosses an. Wenn nach der Leipziger Teilung von 1485, die für die Ernestiner den Verlust Meißens an die Albertiner mit sich brachte, in den neu errichteten ernestinischen Residenzschlössern in Wittenberg und Torgau der Meißener Fenstertyp erneut Verwendung fand, dann mußte diese Übertragung wie eine Erinnerung an den Stammsitz der Wettiner wirken. Eine Erinnerung an Meißen findet sich übrigens auch im Grundriß des Wittenberger Schlosses (Abb. 27): Die Anordnung von Haupthaus, Treppentürmen und Kapelle entspricht genau derjenigen von Albrechtsburg (mit großem und kleinem Wendelstein) und Dom auf dem Meißener Burgberg. Gleichsam auf optische Weise haben Friedrich der Weise und sein Architekt somit den Versuch unternommen, nach der Leipziger Teilung den Verlust Meißens zu kompensieren.37 Daß ein charakteristisches Motiv der wettinischen (und hier vor allem: ernestinischen) Schloßbaukunst wie das Vorhangbogenfenster darüber hinaus auch in Residenzschlössern benachbarter Territorien oder Herrschaften eingebaut wurde, steht hierzu in keinem Wider36 Siehe hierzu den Hamburger Tagungsband Architektur als politische Kultur, 1996. 37 Eine mit Wittenberg vergleichbare Gebäudedisposition besitzt die Moritzburg in Halle, worauf bereits Otto Wanckel und Cornelius Gurlitt hingewiesen haben (Dies., 1895, S. 15). Ab 1484 von Erzbischof Ernst von Wettin, einem Bruder Friedrichs des Weisen, erbaut, verfügt damit auch dieses Schloß zugleich über bemerkenswerte Parallelen mit der Meißener Albrechtsburg. Wie in Wittenberg sollte möglicherweise auch in Halle über die Rezeption des Meißener Grundschemas eine Verbindung zum wichtigsten Stammschloß der Wettiner hergestellt werden.

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spruch: Die Bauherren der betreffenden Schlösser (z.B. das Mansfelder Schloß Hinterort als Bestandteil des mansfeldisch-gräflichen Stammschlosses [zwischen 1511 und 1523],38 das Schönburgische Stammschloß Glauchau [um 1470],39 Thilo von Trothas Ausbau des Merseburger Bischofsschlosses [nach 1470 bis 1510],40 Erzbischof Ernst von Wettins Neubau der Moritzburg in Halle [ab 1484]41 oder der sog. Schloßplatzflügel des Berliner Schlosses [ab 1538]42) standen alle in einer politisch, juristisch, dynastisch und auch kulturell sehr engen Verbindung zu den Wettinern. So unterschiedlich die Rezipienten waren, so unterschiedlich werden auch ihre Intentionen für die Übernahme einer wichtigen architektonischen Leitform aus dem wettinischen Stammschloß bzw. aus den nachfolgenden ernestinischen Residenzschlössern gewesen sein. Sie dürften von der Teilhabe am repräsentativen Niveau des ranghöheren fürstlichen Landesherrn (im Falle der ebenfalls mit landesherrlichen Funktionen ausgestatteten reichsunmittelbaren Schönburger43) über die Anzeige eines besonderen Schutzverhältnisses zu den Wettinern (so bei den Merseburger Bischöfen44) bis hin zum Bekunden eines politisch und religiös bedeutsamen Bündnisses mit dem wichtigsten protestantischen Kurfürstentum (so bei Joachim II. von Brandenburg45) gereicht haben. Allen gemein-

38 Zur Baugeschichte siehe nach wie vor die grundlegende, jedoch ergänzungsbedürftige Arbeit von I. Roch, 1966 (eine überarbeitete Fassung wird von der Verfasserin derzeit für den Druck vorbereitet); zu den Fensterformen ebd., S. 143 f., S. 171 f. 39 Zur Baugeschichte siehe C. von Metzsch-Reichenbach, 1910, S. 349–357, sowie W. Röber, 1999, S. 34–54 (mit weiterer Literatur). 40 Zur Baugeschichte siehe zusammenfassend P. Ramm, 1997, S. 19 ff. 41 Zur Baugeschichte nach den Schriftquellen siehe neuerdings M. Scholz, 1998, S. 154 ff. 42 Zur Baugeschichte siehe zuletzt G. Peschken, 1992. 43 C. Müller, 1931; Die Schönburger, 1990/1991. Nach Carl von Metzsch-Reichenbach standen die spätmittelalterlichen Bauherren von Glauchau, Veit II. und Friedrich IX. von Schönburg, überdies mit den ihnen befreundeten sächsischen Fürsten in regem Austausch (C. von Metzsch-Reichenbach, 1910, S. 354). 44 Die Wettiner (seit der Landesteilung von 1485 die albertinische Linie) waren seit dem 12. Jahrhundert die weltlichen Schutzherren des Merseburger Bistums (A. Schmekel, 1858, S. 6 ff.). 45 Der Umbau des Berliner Schlosses unter Joachim II. vollzog sich zu einem Zeitpunkt, als der brandenburgische Kurfürst in ein enges Bündnis mit dem sächsischen Kurfürsten eintrat. Dieses Bündnis hatte neben politischen Konsequenzen u. a. auch zur Folge, daß Konrad Krebs, der Architekt Johann Friedrichs von Sachsen, den Entwurf für den Saalbau des neuen Berliner Residenzschlosses des brandenburgischen Kurfürsten lieferte.

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sam ist jedoch die Anerkennung der Wettiner als normsetzende politische und kulturelle Macht, deren Wirksamkeit nicht zuletzt in der Akzeptanz einer unter Herzog Albrecht und Kurfürst Ernst von Sachsen begründeten ästhetischen Norm sichtbar wird. Und wie nachfolgend zu zeigen sein wird, erschöpft sich diese nur vordergründig ästhetische Norm im Schloßbau keineswegs in der Entwicklung eines neuen Fenstertypus’! Der nicht nur formale, sondern durchaus auch programmatische Dialog zwischen modernen und traditionellen Formen beschränkt sich in Meißen nicht auf die Fensterform allein. Vielmehr durchzieht er wie ein Leitthema das Residenzschloß in allen seinen Teilen. Eindrucksvoll läßt sich dies an der Turmarchitektur in ihren verschiedenartigen Gestaltbildungen studieren. Mit ihr sah sich Arnold von Westfalen mit dem wohl wichtigsten äußeren Gestaltmittel im Bereich des Burgenund Schloßbaus konfrontiert. Der Turm ist gleichsam die Urzelle des Schloßbaus und das prominenteste Würdezeichen adliger Architektur überhaupt. Selbst als die Entwicklungen der Militärtechnik seit dem 15. Jahrhundert Turmbauten als Bollwerke gegen andringende Feinde weitestgehend untauglich machten, hielten die adligen Bauherren an der Errichtung von Türmen unbeirrt fest. Seit Ulrich Schüttes wichtiger Abhandlung über »Das Schloß als Wehranlage«46 ist uns ein Teilaspekt dieser Baupraxis bekannt: Die Auftraggeber von turmbewehrten Schlössern wußten sehr wohl um die militärische Belanglosigkeit, doch benötigten sie immer noch die tradierten Zeichen adliger Wehrhaftigkeit als Standesmerkmale.47 Weitere, noch grundsätzlichere Sinnschichten lagen bislang nicht oder nur rudimentär im Blickfeld der Forschung, doch lassen sie sich durch die Auswertung unterschiedlichen Quellenmaterials verifizieren. Ohne hier auf Details eingehen zu können,48 möchte ich drei entscheidende Bedeutungsmomente adliger Turmikonographie kurz benennen: zum einen das allegorische Moment des Turmes als Sinnbild herrschaftlicher bzw. fürstlicher Stärke, Weisheit und Gerechtigkeit (gemäß der Tugenden Fortitudo, Sapientia und Justitia), zum anderen das Moment der herrschaftlichen

46 U. Schütte, 1994. 47 Bezeichnend hierfür ist eine Bemerkung von Pietro Sardi in seinem 1622 erschienenen Architekturtraktat »Corona imperialis architecturae militaris« über die Türme an zeitgenössischen Schlössern. Türme seien ein »vhraltes Glied der Fortification«, die aber »mehr zum Gedächtniß der Antiquitet« erhalten blieben, als daß sie militärischen Ansprüchen genügten (P. Sardi, 1622, S. 51). 48 Siehe Kap. 5.1 ff., 6.1 f., 6.7 ff.

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bzw. fürstlichen Rechtlichkeit und Gerichtsbarkeit und schließlich noch den Zeichencharakter des Turmes als Inbegriff altehrwürdiger adliger Wehr- und Wohnarchitektur, wie sie in Gestalt des Wohnturms bzw. der Turmburg seit dem ausgehenden 10. Jahrhundert in Europa überliefert ist.49 Die ersten beiden Bedeutungen lassen sich durch die Auswertung von Tugendallegorien, Märtyrer- und Rechtsbildern, Fürstenspiegeln, Hofordnungen sowie Rechtsurkunden schlüssig nachweisen. Die dritte Bedeutung erschließt sich über die formale und funktionale Analyse entsprechender Turmbauten. Auch wenn die genannten Bedeutungsebenen adliger Turmarchitektur in eigenen Kapiteln noch ausführlich abgehandelt werden, soll an dieser Stelle bereits ein kleiner Einblick gegeben werden. So existiert eine ganze Reihe von Tugendbildern, in denen Burg- bzw. Schloßtürme den personifizierten Tugenden zugeordnet werden. Unter ihnen erscheinen besonders häufig Fortitudo und Justitia (Abb. 28).50 Von diesen rein allegorischen Bildern führt nun ein direkter Weg zu Schloßdarstellungen, die zunächst wie kulissenartige Staffageelemente in der Hintergrundslandschaft von Märtyrer- und Rechtsbildern erscheinen. Thema dieser Bilder ist in der Regel ein Hinrichtungsakt, der im Beisein des zuständigen Regenten und seiner Amtsleute durchgeführt wird (Abb. 29+30).51 Die im Hintergrund gut sichtbar plazierte Burg- bzw. Schloßanlage mit ihrem hohen Turm erhält hier einen zweifachen Sinn: Allgemein verweist sie auf den Sitz der herrschaftlichen Rechtsinstitution und bei den Märtyrerbildern darüber hinaus auch auf die Fortitudo des Delinquenten. Wenn dann – wie in großer Zahl bei den sächsischen Kurfürsten im 16. Jahrhundert üblich – die abgebildete

49 T. Biller, 1993, S. 112 ff.; Ders. / G. U. Großmann, 2002, S. 50 ff., sowie U. Albrecht, 1995, S. 37 ff. 50 Von den zahlreichen Beispielen seien hier nur zwei genannt: Als frühes Beispiel eine Miniatur mit Justitia und Fortitudo aus dem Ambraser Codex für König Robert den Weisen von Neapel (14. Jh., Wien, Kunsthistorisches Museum, Cod. ser. nov. 2639, fol. 33, Abb. 142); als spätes Beispiel »Der Palast der Gerechtigkeit« in einem Stich aus »Civitas veri« des Bartolommeo Delbene (Paris 1609, Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel, Abb. 28). 51 Wiederum sollen von den zahlreichen Beispielen hier nur zwei genannt werden: eine Miniatur mit der Stephanus-Marter (dargestellt als zeitgenössische Hinrichtungsszene) aus dem Stundenbuch des Etienne Chevalier, Chantilly, Musée Condé, ms. 71 (Nantes um 1450/55, Abb. 29), sowie eine Miniatur aus Georg Spalatins Chronik der Sachsen (Werkstatt des Lucas Cranach d. Ä.), auf der vor dem Hintergrund einer Burg- bzw. Schloßanlage gezeigt wird, wie Heinrich der Löwe 1164 den Obodritenfürsten Wertislaw durch den Strang hinrichten läßt (Abb. 30).

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Schloßanlage keinen Typus, sondern eine identifizierbare Residenz der Auftraggeber der Bilder repräsentierte, wird mit einem Mal auch der konkrete dynastische Zusammenhang solcher innerbildlichen Verweissysteme deutlich. Die eigentümliche Zugehörigkeit des Burg- bzw. Schloßturms zur Sphäre des Rechts und der Gerichtsbarkeit läßt sich anhand von Rechtsurkunden und Hofordnungen schließlich auch in Form der Schriftquelle nachweisen: Dort erfährt man, daß bestimmte Türme eines Schlosses Träger von Herrschaftsrechten bzw. Gerichtsbarkeiten waren52 oder als üblicher Ort für das Gefängnis dienten.53 Im Wissen um das komplexe Bedeutungsgefüge adliger Turmarchitektur kann es dann nicht mehr verwundern, wenn im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Denken der Schloßturm zum Sinnbild und materiellen Zeugnis für den wachsamen und weisen Herrscher avancierte. In Türmen eingerichtete hochgelegene Studierräume54 mit oftmals weitem Blick über Hof, Stadt und Territorium sowie gewaltige Turmknöpfe mit Räumen für exklusive Panoramaausblicke55 verhelfen vor allem im 15. und 16. Jahrhundert der Turmarchitektur zu einer neuen Ikonographie, die zugleich von den intellektuellen und militärischen Anforderungen fürstlichen Regierens künden.56 Daß an solchen Rückzugsorten auch der pure Landschaftsgenuß gepflegt wurde57 und die angesprochenen zeichenhaften Aspekte somit ihre spielerisch-heitere Ergänzung fanden, belegen Beschreibungen, wie sie beispielsweise für 52 Verwiesen sei nur auf die mit dem Bergfried (sog. Mantelturm) des Altenburger Schlosses verbundenen burggräflichen Rechte (Altenburger Urkundenbuch Nr. 329; siehe hierzu A. Thieme, 1999) sowie auf die Abhaltung von Gerichten unter dem Roten Turm der Meißener Albrechtsburg (hierzu mit Quellenangaben M. Kobuch, 1997. Die sich hieraus ergebende Notwendigkeit, solche Türme über Jahrhunderte zu erhalten und bei einem Schloßumbau in die Neubauten zu integrieren, wird weiter unten ausführlich dargelegt werden (siehe Kap. 5.1; siehe hierzu auch M. Müller, 2000b). 53 Siehe Kap. 5.1.2. 54 Siehe z. B. die estude-ähnlichen Räume im elbseitigen Kapellenturm der Meißener Albrechtsburg oder die ofenbeheizte Turmstube über dem Großen Wendelstein des Torgauer Schlosses. 55 Diese nicht mehr erhaltenen und nur noch über zeitgenössische Abbildungen rekonstruierbaren »Knöpfe« waren offensichtlich vor allem in Sachsen und den angrenzenden Territorien verbreitet (so z. B. in Lochau bzw. Annaburg, Torgau, Dresden und Mansfeld). Zu den herrschaftlichen Rückzugsräumen, Turmstuben und Aussichtsknöpfen im frühen mitteldeutschen Schloßbau siehe grundsätzlich St. Hoppe, 1996, S. 453 ff. 56 Siehe Kap. 6.1, 6.2. 57 Zum hierin vorbildlichen französischen Schloßbau siehe U. Albrecht, 1986, S. 28 ff., S. 50 ff.

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ein mit Spiegeln ausgestattetes herrschaftliches Appartement in den oberen Geschossen des Torgauer Schlosses überliefert sind. Über die Spiegel konnte gleichsam die ganze Welt ins Innere der beiden Räumen dieses Appartements geholt und wie auf Bildern in Ruhe betrachtet werden, »was im hof oder gassen, item auch uf dem landt, uf dem wasser die Elb, was für schiff uff und ab fahren und was außerhalb der zimmer geschieht und auch in ettlich gegenüber zimmer […]«.58 Diese Vielzahl von Sinnschichten trägt mehr oder weniger jede im Schloßbau an prominenter Stelle erscheinende Turmarchitektur in sich – eine mit Traditionen schwer belastete Hypothek, die auch bei der Albrechtsburg in Meißen zu spüren ist. Ihr auf den ersten Blick so kompakt und geschlossen wirkender Baukörper (Abb. 5+6) ist bei näherem Hinsehen mit einer Vielzahl unterschiedlicher Turmarchitekturen bestückt, die jedoch nicht alle sogleich als solche ins Auge fallen. Hier läßt sich ein weiteres Mal die Meisterschaft des Architekten, Arnold von Westfalen, studieren, traditionsreiche Formen neu zu interpretieren und in ein modernes Konzept zu integrieren. Wir können auch von einer Syntheseleistung sprechen, durch die traditionsreiche Vergangenheit stets gegenwärtig bleibt ohne daß deshalb auf aktuelle Ansprüche verzichtet werden müßte. Dies gilt fürs Ästhetische wie fürs Politische. Denn Arnolds Neuformulierung des Themas »Turm« bedeutet – wie vorhin bereits angesprochen – letztlich die bildhafte Neufassung adligen und hier ganz konkret wettinischen Selbstverständnisses – dynastisch wie institutionell. Der Turm als militärisches Objekt war obsolet geworden; den entstandenen Freiraum nutzt nun der Architekt, um stärker als je zuvor möglich, den emblematischen, zeichenhaften Charakter herauszustellen.59 58 August von Mörsperg, Reisebuch. Das dritte Buch von Anno 1587 – Beschreibung des churfürstlichen Schloßpalast und haus samt zugehör. Enthalten in: Johanniterchronik und Reiseberichte, Kreisbibliothek Sondershausen Ms. 1602 und 1589, zit. nach M. Noll-Minor, 1996, S. 216 (Noll-Minor identifiziert jedoch irrtümlich die im Reisebericht genannten Räume mit der Turmstube des Großen Wendelsteins, von der aus lediglich der Hofbereich des Schlosses eingesehen werden kann!). 59 In diesem Bemühen ergeben sich bemerkenswerte Beziehungen zum zeitgleichen französischen Schloßbau. Auch dort ist seit dem 15. Jahrhundert zu beobachten, wie altüberlieferte Bauformen – wie z. B. der Donjon oder die Wehrgalerie – zu einem zeichenhaften Erscheinungsbild umgewandelt und in ein neues, die Einzelteile und -formen eines Schlosses bewußt integrierendes Gesamtkonzept eingebunden werden. Obwohl der gestalterische Entwurf der Meißener Albrechtsburg unübersehbar von der französischen Baukultur geprägt wurde, wäre es eine unzulässige Vereinfachung, hierin lediglich den Vorgang einer Nachah-

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Dies gilt besonders für die beiden elbseitigen, im Norden und Süden gelegenen Flügelbauten (Abb. 5), die dem rückwärtigen Fassadenbild der Albrechtsburg ein zerklüftetes, unregelmäßiges Aussehen geben. In der architekturgeschichtlichen Forschung hat sich denn auch der Eindruck verfestigt, hier quasi der unmodernen, noch ›mittelalterlichen‹ Seite der Albrechtsburg gegenüberzustehen. Als Grund und gleichzeitige Entschuldigung für diesen ›Rückfall‹ Arnolds von Westfalen wird zumeist die notwendige Rücksichtnahme auf die schwierige Geländebildung und vorhandene Fundamente der abgebrochenen Vorgängerburg genannt.60 Während die Geländesituation als Begründung weniger plausibel erscheint, wenn man an die umfangreichen Neubaumaßnahmen im Substruktionsbereich der Albrechtsburg denkt, vermag das Argument der vorhandenen älteren Fundamente eher zu überzeugen. Nur sollte die Rücksichtnahme auf ältere Baustrukturen nicht so sehr technisch-konstruktiv als vielmehr formgeschichtlich und damit letztlich historisch begründet werden. Denn durch die Übernahme der im nördlichen und südlichen Bereich risalitartig vorspringenden Fundamente akzeptierten die Bauherren und ihr Architekt zugleich die hiermit zwangsläufig festgelegte Gestalt der darüber aufgeführten neuen Gebäudeteile. Deren Gestalt aber wirkt in ihrer Grundform bei näherem Hinsehen wie der Wohnturm einer mittelalterlichen Burg- oder Schloßanlage. Daß wir nicht sofort an Turmbauten denken, ist dem Kunstgriff Arnolds von Westfalen zu verdanken, durch einheitliche Traufenhöhen und eine einheitliche Dach- und Fenstergestaltung bei allen Gebäudeteilen des Schlosses der vollständigen optischen Loslösung einzelner Teile aus dem Ganzen entgegenzuwirken. Doch kann es keinen Zweifel geben, daß die Zeitgenossen in dem turmartigen Nord- und Südflügel tatsächlich auch Turmbauten gesehen haben. Das Beispiel des Schlosses von Freiberg, dessen kompakter Wohntrakt (Abb. 109) im 16. Jahrhundert »der grosse thurm zu Freybergk«61 genannt wurde, belegt eine solche Betrachtungsweise anschaulich. Über die äußere Form des Meißener Nord- und Südflügels wird somit ein althergebrachter und vermutlich als altehrwürdig empmung sehen zu wollen. Wie im folgenden auszuführen sein wird, entstammen viele Einzelelemente der Albrechtsburg einer auch im Alten Reich gültigen Bautradition, so daß sich der sächsische Hofbaumeister Arnold zwar in Frankreich Anregungen holte, letztlich aber ein eigenständiges ästhetisches Konzept für den Neubau des wettinischen Stammschlosses entwickelt hat. 60 H.-J. Mrusek, 1972, in: Ders., 1972, S. 27; U. Czeczot, 1975. 61 Graf Rochus von Lynar in einem Brief an den Kurfürsten, zit. nach C. Gurlitt, 1878a, S. 1405; siehe auch U. Schütte, 1994, S. 72.

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fundener Architekturtypus vergegenwärtigt, der geeignet war, den dynastischen Rang des wettinischen Fürstenhauses adäquat zu veranschaulichen.62 Im Fall der Albrechtsburg war dieser Rezeptionsvorgang sogar an einem konkreten Vorbild ausgerichtet, wodurch die Turmikonographie der elbseitigen Fassade weitaus mehr darstellt, als einen allgemeinen architekturtypologischen Verweis: Bis gegen 1500 stand im Hofbereich der Albrechtsburg, südwestlich vor der heutigen Fürstenkapelle und an der Grenze zum sich anschließenden bischöflichen Bezirk, der sogenannte »Rote Turm«, der seinen Namen möglicherweise dem Steinmaterial aus rotem Granophyr verdankt.63 Als mittelalterlicher herrschaftlicher Wohnturm64 verkörperte er den letzten Rest der alten 62 Zum Stellenwert der Turmbauten im ausgehenden Mittelalter und der frühen Neuzeit siehe U. Schütte, 1994, S. 265 ff., sowie die Studie von C. Herrmann, 1995. Eine mit der Albrechtsburg vergleichbare Lösung findet sich im französischen Schloß Baugé, das zwischen 1454/55 und 1465 von René d’Anjou errichtet wurde (siehe hierzu U. Albrecht, 1995, S. 133 f.). Dort, wo bei der Albrechtsburg zur Elbseite hin der Südflügel emporragt, erhebt sich in Baugé ein mächtiger, rechteckiger Wohnturm im Stil des traditionellen Donjons. Nur die regelmäßigen, großen Fenster sowie die Gestaltung des Daches mit ›moderner‹ Lukarne lassen ihn zweifelsfrei als Architektur der Mitte des 15. Jahrhunderts erscheinen. (Zu den formalen Bezügen zwischen der Albrechtsburg und Schloß Baugé siehe auch D. Fuhrmann, 1995, S. 168–178). 63 Hierzu und zum folgenden M. Kobuch, 1997, S. 53–89; zum Steinmaterial S. 67; siehe außerdem die Kurzfassung dieses Aufsatzes: M. Kobuch, 1999. Nach Auswertung der bisherigen historischen und archäologischen Forschungen versucht Manfred Kobuch den einstigen Standort des »Roten Turms« im Bereich vor der Fürstenkapelle (»Westchor« des Domes) zu lokalisieren und mit den in den 1950er Jahren ergrabenen Resten eines quadratischen Turmes zu identifizieren (vgl. zu diesem Vorschlag die kritische, auf der neuerlichen Bewertung von Keramikfunden basierende Entgegnung von Y. Hoffmann, 1999, S. 134–140). Unabhängig von der strittigen Identifizierung des Roten Turms mit den ergrabenen Turmfundamentresten ist es das große Verdienst von Manfred Kobuch, die Geschichte dieses wichtigen, in der Forschung jedoch nahezu vergessenen Bauwerks umfassend dargelegt und wieder ins Bewußtsein gerückt zu haben. Der Standort des Roten Turms im Schloßhof im Bereich der Fürstenkapelle dürfte hingegen unstrittig sein: »[…] uf unsern slosse Missen hinter dem thurme under dem Roten thorme« heißt es in einer landesherrlichen Urkunde von 1428 über den Standort der Kapelle (J. G. Horn, 1733, S. 590). Herrn Dr. Manfred Kobuch möchte ich an dieser Stelle für wichtige Hinweise danken. 64 Daß es sich bei dem Roten Turm – falls die umstrittene, von Manfred Kobuch vertretene Identifizierung mit einem ergrabenen Turmfundament zutrifft (siehe Kap. 3.2 Anm. 63) – nicht um einen Bergfried gehandelt hat, wird bereits aus den Proportionsverhältnissen deutlich: Das ergrabene quadratische Turmfundament

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Markgrafenburg und diente bis zu seinem Abbruch als symbolträchtige Architektur für die alteingesessene Präsenz der Wettiner auf dem Meißener Burg- und Domberg. Diese Präsenz besaß ein ganz wesentliches juristisches Fundament, das sprichwörtlich im Bauwerk des »Roten Turms« enthalten war: So bildete der Turm den zentralen Gegenstand lehensrechtlicher Vorgänge, d. h. er stand pars pro toto für die ganze wettinische Burg- bzw. Schloßanlage in Meißen und fungierte als Träger des entsprechenden, an die Wettiner (von der Reichsabtei Hersfeld) vergebenen Lehens. Hinzu kommt die Verbindung des »Roten Turms« mit dem markgräflichen bzw. fürstlichen Hofgericht, das im 14. und 15. Jahrhundert »zu Füßen des Roten Turms« tagte:65 Bereits 1588 heißt es in dem auf ältere Quellen zurückgreifenden Meißener »Geschicht- und Zeit-Büchlein« von Pfarrer Lorenz Faust, daß »ein rohter Thurm, nicht weit von der Kirch auffm Schloshofe gestanden, bey welchem das Gericht […] gehalten worden« sei.66 Von der langwährenden herausragenden Bedeutung des »Roten Turms« zeugt möglicherweise auch seine in abstrahierter Form gestaltete Wiedergabe auf einem Brakteaten, der bereits unter Markgraf Konrad im 2. Viertel des 12. Jahrhunderts geprägt wurde, sowie auf dem zweiten Stadtsiegel von Meißen, das 1422 entstand und dessen Typar »mindestens bis 1573 Verwendung fand«.67 Wie quellenkundliche Nachrichten belegen, versuchten die Wettiner so lange wie möglich, diesen alten Turmbau zu erhalten. Erst Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts ließen sie ihn

besitzt eine Seitenlänge von jeweils 12 Metern, woraus sich eine Mauerhöhe von ca. 30–40 Metern errechnen läßt (siehe hierzu die Zusammenfassung der bauarchäologischen Forschungsergebnisse bei M. Kobuch, 1997, S. 57 ff.; kritisch hierzu Y. Hoffmann, 1999, S. 134–140). 65 M. Kobuch, 1997, S. 87. Zum Verhältnis von Hofgerichtsbarkeit und Rotem Turm in Meißen beabsichtigt Manfred Kobuch, im Rahmen einer gesonderten Studie näher einzugehen. Die Abhaltung des Hofgerichts unter dem Roten Turm läßt sich zweifelsfrei durch Quellenmaterial erschließen: siehe hierzu die Belege bei J. F. Klotzsch / G. I. Grundig, 1767, S. 234 (1398/99), S. 247 f. u. 251 (1437), S. 241 f. (um 1480), S. 261 f. (1485), S. 248 u. 263 f. (1488). Lesenswert ist in diesem Zusammenhang auch der Abschnitt über »Ein[en] Freybergischer RechtsHandel aus dem vierzehenden Jahrhunderte. Nebst einigen hieraus flißenden Erläuterungen, zu der Geschichte des rothen Thurmes, auf dem Schloße zu Meißen« (ebd., S. 240). (Zu den genannten und weiteren Belegen siehe auch M. Kobuch, 1997, S. 87, Anm. 196). 66 [Lorenz Faust], Geschicht- und Zeit-Büchlein der weitberühmeten Churfürstlichen Stadt Meissen, Dreßden 1588, S. 23, zit. nach M. Kobuch, 1997, S. 54 f. 67 M. Kobuch, 1997, S. 86; zur Geschichte des »Roten Turms« als wettinisches Brakteaten-, Siegel- und Wappenmotiv siehe ebd., S. 60 ff., S. 83 ff.

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schließlich nach vorheriger intensiver Diskussion68 abbrechen, nicht ohne jedoch zuvor – wie an der elbseitigen Fassade der Albrechtsburg ablesbar – im modernen Süd- und Nordflügel des neuen wettinischen Stammschlosses gewissermaßen für Ersatz gesorgt zu haben. Hinweise auf diese inhaltliche Funktion der Flügelbauten, die für ihre Errichtung ebenso maßgeblich gewesen sein wird wie der Wunsch nach mehrseitiger Belichtung der Innenräume,69 vermag ihre Baugeschichte und Raumausstattung zu geben. So wurde der Südflügel nicht nur im Zug des ersten Bauabschnitts fertiggestellt,70 sondern in seinem Inneren aufwendige Appartements eingerichtet (Abb. 6). Das im ersten Obergeschoß neben dem Festsaal gelegene Appartement besaß als einziges der Albrechtsburg eine kaminbeheizte Schlafkammer. Inwieweit die nach 1576 erfolgte Nutzung dieser Räume als »Unsers gnedigsten Churfürsten undt herrn gemach« und »Cammer«71 auf eine ursprünglich intendierte Raumnutzung hindeutet, muß jedoch offen bleiben.72 Ein weiteres wichtiges Indiz vermag der sog. »Wappensaal« zu geben, der zwischen 1521 und 1524 unter Herzog Georg dem Bärtigen im zweiten Geschoß des Nordflügels eingerichtet wurde. Durch den Bildhauer Christoph Walther I. mit den Wappen- und Regalienschilden der Wettiner ausgestattet,73 übernimmt er die Aufgabe einer Stammstube,74 so wie sie im Wittenberger Schloß unter Friedrich dem Weisen im Südwestturm (Abb. 31) eingerichtet wurde75 und wenig später im elbseiti68 Überliefert in einer Fürstenkorrespondenz aus dem Jahr 1493 (SächsHStA, Geh. Rat (Geh. Archiv), Loc. 8182, Friesländische Sachen, 1482–1497, Bl. 48, gedruckt bei: F. A. von Langenn, 1838, S. 404; T. Distel, 1878, S. 327f.; sowie C. Gurlitt, 1881, S. 37. 69 Der Aspekt der mehrseitigen Belichtung wird von Stephan Hoppe favorisiert, wobei die grundsätzliche Bedeutung der Turmikonographie jedoch unberücksichtigt bleibt (siehe St. Hoppe, 1996, S. 471 f.). 70 Zum Bauverlauf siehe S. Harksen, 1972, in: H.-J. Mrusek, 1972, S. 31–34. 71 Inventar der Albrechtsburg von 1612 (SächsHStA Dresden, Rep. XX Acta Meißen Nr. 23 [Loc. 32460, Nr. 12]), zit. nach St. Hoppe, 1996, S. 54 f. 72 Hierzu St. Hoppe, 1996, S. 55 f. 73 Zu den einzelnen Wappen siehe U. Czeczot, 1975, S. 176. 74 In der Rekonstruktion der Innenraumsituation der Albrechtsburg durch St. Hoppe, 1996, S. 58, erhält dieser Raum zutreffend die Funktion einer herrschaftlichen Schlafkammer. Daß in einen solchen Raum darüber hinaus auch die Funktion der »Stamkammer« (so die Bezeichnung im Inventar des Schlosses Torgau von 1563, fol. 10v [SächsHStA Dresden, Rep. A 25 a I, I, Nr. 2336], für das Pendant in Torgau) integriert werden konnte, belegt die Raumsituation im elbseitigen Turmrisalit des Torgauer Neuen Saalbaus (siehe hierzu Kap. 3.3). 75 Im Wittenberger Schloßinventar von 1618 (SächsHStA Dresden, Rep. A 25 a I, I, Nr. 2396, Inv. 1618, fol. 22v-23r) wird ausdrücklich die heraldische Ausstattung genannt: »Inn dieser Stuben rings herümb Taffelwergk, darann der Stamb Sachßenn ge-

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gen Turmrisalit des Torgauer Neuen Saalbaus (Abb. 32) zur Raumausstattung gehören wird. Ich komme auf dieses bemerkenswerte Rezeptionsverhältnis zwischen dem altehrwürdigen Meißener Stammschloß und dem ein halbes Jahrhundert jüngeren Saalbau des Torgauer Residenzschlosses noch einmal zurück.76 An der zur Elbe gelegenen Rückseite der Albrechtsburg und von den zuvor besprochenen beiden Flügelbauten regelrecht eingerahmt, befindet sich noch ein weiterer Turmbau, der als solcher auch für Laien ohne weiteres zu erkennen ist. Die Bezeichnung dieser Fassadenseite als Rückseite ist eigentlich irreführend wenn man bedenkt, daß sich mit dieser Seite das Schloß zum freien Land hin ausrichtet und somit die Verbindung zum umgebenden Territorium hergestellt wird. Deshalb sollte man die elbseitige Fassadenansicht, die für viele Besucher Meißens die erste Begegnung mit dem Schloß überhaupt darstellt, besser als eine weitere Hauptfassade der Albrechtsburg bezeichnen. Nicht ohne Grund betrieben Auftraggeber und Architekt an dieser Stelle besonderen Aufwand: Quasi als Gelenkstück der beiden sich nach Norden und Süden erstreckenden Flügelbauten plazierten sie in die Mitte des Fassadenbildes einen schlanken, polygonal gebrochenen Turm. In seinem Inneren enthält er auf der Ebene der Hauptgeschosse der Albrechtsburg jeweils drei nahezu identische kleine Räume: Im Saalgeschoß die Schloßkapelle und in den beiden darüberliegenden Wohngeschossen jeweils einen Estude-artigen, ofenbeheizten Raum (Abb. 33). Seine projektierte Nutzung als Studierstube oder privates Oratorium77 ist zwar quellenkundlich nicht gesichert, doch läßt die räumliche Disposition kaum eine andere Möglichkeit zu: Unmittelbar im Anschluß an diese kleinen Räume befindet sich im zweiten und dritten Obergeschoß jeweils ein herrschaftliches Appartement, das Stephan Hoppe mit guten Argumenten als Appartement des Kurfürsten bzw. als Appartement seines herzoglichen Bruders identifiziert hat.78 Die beiden Estude- bzw. oratoriumsartigen Räume sind nur durch diese herrschaft-

mahlet, / Obenn eine […] decke, daran die Chur- und Fürstlichen wappenn gemahlett […]«. Vgl. hierzu auch die Beschreibung bei A. Meinhard, 1508 (siehe hierzu E. C. Reinke, 1976, S. 137). 76 Siehe hierzu Kap. 3.3. 77 Stephan Hoppes Bestimmung der kleinen Räume im Kapellenturm als Estudes bzw. Studierräume (St. Hoppe, 1996, S. 62 f.) weist grundsätzlich in die richtige Richtung, sollte aber um die Oratorienfunktion erweitert werden. Siehe hierzu Anm. 80. 78 St. Hoppe, 1996, S. 63, S. 69

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lichen Appartements zu erreichen, ein Umstand, der ihnen neben der architektonischen Gestaltung zwangsläufig ein hohes Maß an Exklusivität verleiht. Für eine solche räumliche Situation lassen sich im 15. Jahrhundert eine ganze Reihe von französischen Vorbildern finden, wie z. B. die Schlösser von Saumur (Abb. 34) und Paris (Stadtschloß) (Abb. 35) oder Chaumont (Loire), Gayette (Allier) und Vaux (Maine-et-Loire) (Abb. 36), deren rückwärtige sog. Kabinettürme79 ähnlich wie der elbseitige Turm der Albrechtsburg kleine, abgeschlossene Privaträume besitzen. In Meißen wird ihre Exklusivität noch dadurch gesteigert, daß sie unmittelbar über der Kapelle, dem sakralen Zentrum des Schlosses, gelegen sind.80 Exklusiv ist aber nicht nur die Lage, sondern auch der Ausblick: Weit blickt man hinaus in die umgebende Landschaft, und wir werden in Torgau noch sehen,81 wie sich durch solche Blickbeziehungen zwischen Schloß und Territorium eine neue Auffassung von Territorialstaatlichkeit bzw. fürstlicher Landesherrschaft im Alten Reich ihren architektonischen Ausdruck zu suchen beginnt. Sie läßt es schließlich auch fraglich erscheinen, den intimen, auf persönliche Zurückgezogenheit angelegten Charakter der hochgelegenen Studierstuben als Merkmal einer modern verstandenen Privatheit des Herrschers in Anspruch zu nehmen.82 Wie sehr selbst in diesen abgeschiedenen, in aller Regel in Türmen untergebrachten Räumlichkeiten noch der von Ernst Kantorowicz ins Bewußtsein gehobene »Amtskörper«83 das Verhalten des Fürsten bestimmte, belegen die Studierkammern im Wittenberger Schloß. Diese nach Meißen frühesten nachweisbaren Rückzugsräume werden in den Inventaren als

79 Zu den Kabinettürmen an Schlössern wie Gayette und Vaux siehe U. Albrecht, 1995, S. 94 ff. 80 Vor allem die Disposition unmittelbar über der Schloßkapelle verleiht diesen kleinen Räumen sakralen Charakter und verweist auf einen seit dem hohen Mittelalter im Burgen- bzw. Schloßbau gebräuchlichen Architekturtypus, bei dem Kapelle und herrschaftlicher Raum übereinander angeordnet wurden (als prominentes Beispiel aus dem frühen 13. Jahrhundert nenne ich hier den Kapellenturm des Trifels bei Annweiler). Zur oftmals nicht eindeutigen Bestimmung solcher kleinen Nebenräume als Oratorien oder Studierräume im französischen Schloßbau siehe W. Prinz / R. G. Kecks, 1994, S. 146 ff.; zur Tradition herrschaftlicher Oratorien seit dem späten Mittelalter siehe auch W. Liebenwein, 1978, S. 189–193. 81 Siehe Kap. 3.3. 82 Zur nicht abgeschlossenen Diskussion um den Anteil des Privaten im herrscherlichen Hofleben siehe G. Duby, 1990; P. Ariès / R. Chartier, 1991; R. van Dülmen, 1990. 83 E. Kantorowicz, 1990.

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»Baccalauria stuben« (für einen Sohn des Kurfürsten) und »Drehstubenn« (für den Kurfürsten) bezeichnet84 und geben somit Hinweise auf die in der Fürstenerziehung zunehmend wertgeschätzte Aneignung von Bildung und auf die in Fürstenkreisen als Sinnbild für Regentenkunst verstandene Beherrschung des Drechslerhandwerks.85 Beide Rückzugsräume befanden sich bis zu ihrer Abtragung 1547 in den Turmhelmen des zur Landseite gelegenen Nordwest- und des Südwestturmes (Abb. 26).86 Ein weiterer, dem zurückgezogenen Studium bzw. Schreiben vorbehaltener Ort befand sich im Wittenberger Schloß aller Wahrscheinlichkeit nach in der sog. Stammstube des Südwestturmes und damit im Wohnbereich des Kurfürsten. Sie läßt sich über das Inventar von 1618 rekonstruieren, in dem ein »Ercker«, verschlossen durch eine »Thür mit Buchshörnern«, erwähnt wird.87 Hierbei kann es sich nur um eine der Turmnischen gehandelt haben, die durch einen hölzernen Einbau vom Hauptraum abgetrennt worden war. Eine andere, im deutschen Schloßbau bis dahin unbekannte Form der Türme läßt sich auf den Dächern der Albrechtsburg ausfindig machen (Abb. 5+6). Dort sitzen über den Fenstern der Wandflächen schlanke, hohe Zwerchhäuser, die ebenfalls mit dem charakteristischen sog. Vorhangbogenfenster ausgestattet und mit gotischen Kreuzblumen bekrönt sind. Durch ihre Gestalt geben sie sich als Ableger einer französischen Architekturerfindung von großer ästhetischer und ikonologischer bzw. heraldischer Bedeutung zu erkennen: der sog. Lukarne, die als zumeist aufwendig gestalteter Aufsatz die Dachlandschaft französischer Schlösser seit dem späten 14. Jahrhundert prägte. Ein typisches Beispiel aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, daß in seiner insgesamt relativ schlichten Grundform gut mit den Lukarnen der Albrechtsburg vergleichbar ist, verkörpern die Lukarnen von Schloß 84 Siehe Wittenberger Schloßinventar von 1539 (ThHStA Weimar, EGA , Reg. Bb. 2818c, Inv. 1539, fol. 12r u. 13v). Ein weiterer nachweisbare Werkraum an der Spitze eines Treppenturms existierte einst im Torgauer Schloß. Dort besaß der heute nicht mehr vorhandene Wendelstein vor dem alten Hofstubenbau (dem heutigen Kapellenflügel) vermutlich bereits 1474, spätestens aber seit den 1530er/40er Jahren »ein gewelbete stuben, ubern Wendelstein«, in der sich nach den Angaben des Inventars von 1610 u.a. »1 grüner schlechter Cachelofenn« und »1 stargke eichene Hobelbangk« befanden. Bemerkenswert ist auch die aufwendige Sicherung dieses Raumes durch »1 starcke eichene thuer […] außwendindig mit Blech verschlagenn« und »1 gannz eisern thuer« (Torgauer Schloßinventar von 1610). 85 Zur fürstlichen Drechseltätigkeit siehe K. Maurice, 1985; D. Syndram, 1995. 86 Vgl. hierzu auch die Innenraumrekonstruktionen von St. Hoppe, 1996, S. 119 ff. 87 Siehe Wittenberger Schloßinventar von 1618 (SächsHStA Dresden, Rep. A 25 a I, I, Nr. 2396, Inv. 1618, fol. 22v-23r). Siehe auch St. Hoppe, 1996, S. 96.

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Baugé (zwischen 1454/55 und 1465 durch René d’Anjou erbaut, Abb. 37).88 Doch erst Lukarnen in der Form, wie sie das spätmittelalterliche corps de logis von Schloß Meillant (südlich von Bourges gelegen, Abb. 38) besitzt, offenbaren das reiche ikonographische Potential dieser französischen Architekturform (Abb. 9).89 In Meillant, das um 1500 von dem königlichen Marschall und Haushofmeister Charles II. d’Amboise errichtet wurde, dienen die hohen Dachaufbauten nicht allein der standesgemäßen Belichtung herrschaftlicher, unter dem Dach gelegener Räume, sondern zugleich als Träger von heraldischen Elementen (wie z. B. den Familienwappen, Namensinitialen oder der französischen Königslilie). Hochrangige architektonische Schmuckelemente, wie beispielsweise die filigranen Maßwerkbögen, bilden hierzu einen adäquaten Rahmen.90 Daß es sich bei diesen reich dekorierten Lukarnen um den oberen Abschluß einer eigenwilligen Variante des Turmes handelt, ist für heutige Betrachter nicht mehr ohne weiteres zu erkennen. Erst wenn man die für französische Schlösser charakteristische lotrechte Verbindung mit den darunter liegenden Fenstern der Wandflächen beachtet, wird deutlich, daß es sich um eine abstrahierende Form oder besser: eine zeichenhafte Abbreviatur der alten Adelstürme handelt. Wie bedeutsam dieses Architekturelement als Würdemotiv und Träger wesentlicher heraldisch-symbolischer Informationen für den französischen König und seinen Adel bis hinein ins 17. und 18. Jahrhundert blieb, läßt sich eindrucksvoll an den Innenhoffassaden des Louvre (Abb. 39) demonstrieren: Zwar wurden in der Zeit von Franz I. bis zu Ludwig XIV. sämtliche Flügel des alten Pariser Stadtschlosses in der Formensprache der Hochrenaissance und des Frühbarock erneuert, doch behielt man wesentliche Elemente der französischen Schloßbautradition bei. Hierzu gehörten u. a. auch die charakteristischen Achsenbildungen aus Fenstern und Dachgaube, die nunmehr als säulenbesetzte und mit Segmentgiebeln bekrönte Risalite dem Motiv der Turmabbreviatur zu neuer Aktualität verhalfen. Auch im deutschen Schloßbau wurde die Lukarne, aus der sich im 16. Jahrhundert das Zwerchhaus entwickelte, als Turm aufgefaßt. Dies belegt eine quellenkundliche Überlieferung aus dem beginnenden 17. Jahrhundert, in der die spätmittelalterlichen Zwerchhäuser des 88 Zum formalen Vergleich siehe auch D. Fuhrmann, 1995, S. 168–178. 89 W. Prinz / R. G. Kecks, 1994, S. 85 ff. 90 Zum Motiv der Gaube bzw. Lukarne im französischen Schloßbau siehe ebd., S. 190 ff.

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Merseburger Schlosses ausdrücklich als »kleine Türme« bezeichnet werden!91 Wenn das wettinische Fürstenhaus bei der Neukonzeption des Meißener Stammschlosses auf dieses besondere, im französischen Schloßbau etablierte architektonische Rangabzeichen zurückgreift (bei weniger konsequenter Beachtung der lotrechten Anordnung von Lukarne und Fenstern92), dann ist diese Übernahme sowohl aus formalen und ikonologischen als auch aus funktionalen Gründen bedeutsam. Denn durch die Lukarnen verwandelt sich nicht nur das Schloßdach in eine heraldische Zone nach französischem Muster, sondern wird zugleich die Möglichkeit geschaffen, den Raum unter dem Dach als einen Bereich hochherrschaftlicher Appartements zu gestalten. So finden wir über das gesamte Geschoß verteilt eine Vielzahl von sog. StubenAppartements, u. a. auch das oben bereits genannte zweite große Appartement mit einem eigenen Estude-artigen, aufwendig gewölbten Kabinettraum im elbseitig angebauten Turm.93 Folgen wir der Rekonstruktion von Stephan Hoppe, dann sollte sich nach der ursprünglichen Planung in diesem exklusiven Appartement der Wohn- und Arbeitsbereich des kurfürstlichen Bruders, Herzog Albrecht, befinden.94 Vor lauter Abwandlungen und Sonderformen des Adelsturmes darf schließlich nicht der sog. Große Wendelstein (Abb. 6) an der Hoffas-

91 In der »Geschichte der Kirche im Stift Merseburg seit der Einführung des Evangeliums«, 1913, (lateinisches, nicht mehr vorhandenes Originalmanuskript 1544–1611; Abschrift mit Ergänzungen 1611ff.) heißt es anläßlich des Schloßumbaus unter Johann Georg I. von Sachsen zum Altbaubestand: »Gedeckt war das Schloß mit Schieferplatten und mit vielen kleinen Thürmen geziert« (ebd., S. 56). Die Übersetzung der Textpassage folgt A. Schmekel, 1858, S. 176. Zur Ableitung der Lukarnen im deutschen Schloßbau vom Zinnenkranz siehe die Überlegungen von Stephan Hoppe, 2001. 92 Bei der Albrechtsburg sind die Lukarnen – aus Rücksicht auf die innere Raumaufteilung – immer leicht gegenüber den Fensterachsen verschoben. Überdies fehlt hier auch die für den französischen Schloßbau zwar nicht durchgängig vorhandene aber doch typische Unterbrechung der Dachkante bzw. des Traufgesimses im Bereich der Lukarnen, deren Mauerwerk mit der darunterliegenden Fassadenwand in Frankreich eine ununterbrochene Einheit darstellt und aus ihr herauszuwachsen scheint (vgl. die Schlösser von Baugé [Maine-et-Loire] [Abb. 37], Le Plessis-Bourré [Maine-et-Loire] sowie Langeais [Indre-et-Loire]). In Meißen trennt Lukarnen und Fassadenwand ein kräftiges Traufgesims, wodurch der versatzstückhafte Eindruck der Dachaufsätze, die aus dem ursprünglichen Zusammenhang herausgelöst worden sind, noch verstärkt wird. 93 Zur Raumrekonstruktion siehe St. Hoppe, 1996, S. 66 ff. 94 Ebd., S. 69.

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sade vergessen werden, dessen Architektur an anderer Stelle noch ausführlicher analysiert werden soll.95 Auch wenn er von allen Turmbauten der Albrechtsburg unserer Vorstellung von einem Turm am stärksten entspricht, so ist er doch ebenfalls ein Paradebeispiel für die Fähigkeit Arnolds von Westfalen, das traditionsreiche Turmmotiv bedeutungsvoll zu variieren. Sieht man ihn nur von außen und kennt nicht die nachfolgende Entwicklung im deutschen Schloßbau, dann erscheint er wie ein festlich dekorierter Wehrturm, den man gleichsam von der Gebäudeecke des Schlosses weggenommen und vor die Fassade gestellt hat. Um so größer ist die Überraschung, bei näherem Hinsehen und beim Betreten des Turminneren (Abb. 40) eine zartgliedrige, in offener Bauweise kühn um eine ebenso offene Spindel herum konstruierte und großzügig dimensionierte Treppenanlage als des Turmes Kern zu erblicken, die in elegantem Schwung in die oberen Stockwerke der Albrechtsburg führt. Im Alten Reich war ein solches Turmgebilde an einem Schloß bis dahin unbekannt.96 Dafür konnte wiederum das benachbarte Frankreich im ausgehenden 15. Jahrhundert bereits auf eine mehr als hundertjährige Tradition von vergleichbaren, wenn auch konstruktiv weniger aufwendigen Treppentürmen verweisen. Ihre beiden wichtigsten, in den 1370er Jahren entstandenen Protagonisten waren die in einem Eckturm des Donjons untergebrachte Wendeltreppe von Schloß Vincennes (Abb. 41) sowie die berühmte »Grand viz« des Louvre, ein Treppenturm, der im Innenhof des Schlosses unmittelbar vor den Wohn- und Repräsentationstrakt gesetzt wurde. Für beide Turmbauten zeichnete als Bauherr der französische König, Karl V., verantwortlich, der zugleich die Gelegenheit nutzte, vor allem die Louvre-Treppe als Trägerin eines politisch-dynastischen Bildprogramms gestalten zu lassen. Die beiden Treppentürme von Paris und Vincennes hatten für den französischen Schloßbau bahnbrechende Bedeutung. Denn in der Folgezeit wollte und konnte in Frankreich kein Bauherr königlicher oder auch nur adliger Provenienz auf diese symbolträchtige Architektur verzichten. Ein prominentes, bereits

95 Siehe Kap. 5.1.4. 96 Jedoch wurden bereits seit dem 14. Jahrhundert im Kirchenbau prinzipiell vergleichbare Treppenanlagen mit gitterartig aufgelösten Wänden errichtet. Als bedeutende Beispiele sind zu nennen: die Südquerhausfassade des Prager Doms von Peter Parler (1372/73), der Westturm des Ulmer Münsters von Ulrich von Ensingen (1392–99) sowie der einzigartige Turmaufsatz auf dem Westbau des Straßburger Münsters von Ulrich von Ensingen (1399–1419) und Johannes Hültz (1419–39). Siehe hierzu auch F. Mielke, 1966, S. 6 ff.

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von Georg Friedrich Koch97 zitiertes Beispiel ist der Stadtpalast von Jacques Coeur, dem Schatzmeister Karls VII., in Bourges (Abb. 42).98 Im Innenhof dieses Adelssitzes aus den Jahren 1443–53 steht vor dem Corps de logis ein reich dekorierter Treppenturm, über den man in die Wohn- und Repräsentationsräume der Obergeschosse gelangt. Was aber bewog das Fürstenhaus der Wettiner, gleichfalls den Grundgedanken der königlichen Architekturinvention aufzugreifen und sich auf diese Weise mit einem zentralen Element des französischen Residenzenbaus zu schmücken? Die gleiche Frage gilt ebenso dem elbseitigen Turm mit der Kapelle und den intimen Kabinetträumen sowie den von der Turmarchitektur abgeleiteten Lukarnen auf den Dächern: Weshalb stellten die Wettiner das Französische auch hier derart prominent in den Vordergrund ohne dabei jedoch grundsätzlich – wie anhand der Fenster und der elbseitigen Flügelbauten vorhin exemplarisch aufgezeigt – auf den Rückbezug auf deutsche Bautraditionen zu verzichten?99 Da der Schloßbau grundsätzlich eine ausgesprochen konservative, von starken Beharrungskräften geprägte Bauaufgabe darstellte, sollte man die unverkennbar an französischen Standards ausgerichtete Disposition in Meißen nicht einfach nur als Modeerscheinung werten. Die naive Übernahme von Moden verbietet sich für eine politische Architektur von selbst. Wenn sich die Albrechtsburg einen französischen Anstrich gibt, dann ist auch das Königreich Frankreich und seine damals in Europa führende Adelskultur gemeint. Ihr höfisches Prestige sollte gleichsam der »Imagebildung« des wettinischen Fürstenhauses dienstbar gemacht und die Albrechtsburg als Stammsitz auf das Niveau französischer Königsschlösser gehoben werden. »Es ist wirklich ein königlicher Hof und durchaus vergleichbar 97 G. F. Koch, 1960, S. 155–186. 98 Zu Jacques Coeur und seinem Stadtpalast siehe U. Albrecht, 1986, S. 85–91. 99 Es hieße die Leistung der Wettiner und ihres Architekten in unzulässiger Weise schmälern zu wollen, würde man im Großen Wendelstein der Albrechtsburg lediglich die gekonnte Rezeption französischer Vorbilder sehen. Ebenso wichtig ist die Übernahme wesentlicher ästhetischer und konstruktiver Elemente aus dem spätmittelalterlichen Kirchenbau (Beispiele siehe oben, Anm. 96). Dadurch ergibt sich das Bild einer äußerlich ausgesprochen modernen und innovativen Turmarchitektur, die in ihren Einzelbestandteilen (Altane, durchbrochene Treppenturmwand, aus einzelnen Stäben zusammengesetzte Treppenspindel) jedoch unübersehbar der Bautradition des 14. Jahrhunderts verpflichtet ist. Ähnlich wie bei den »Vorhangbogenfenstern« erleben wir auch hier wieder den Versuch, die gestalterische Modernität an die architektonische Tradition des späten Mittelalters zurückzubinden und ihr so gewissermaßen die Autorität der Altehrwürdigkeit zu verleihen. Siehe hierzu auch M. Müller, 1998, S. 131 ff.

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Schloß Albrechtsburg in Meißen

mit allem, was ich kenne«100 – dieses Urteil schrieb 1508 Andreas Meinhard zwar über das Wittenberger Schloß, doch läßt es sich ohne weiteres auch für die Albrechtsburg in Anspruch nehmen, deren Konzept ja in mancherlei Hinsicht in Wittenberg rezipiert worden ist.101 Der Rekurs auf die französische Bautradition bedeutet somit die effektvolle und zugleich elegante Lösung, die hochgesteckten politischen und kulturellen Ansprüche einer landesfürstlichen Herrschaft im Medium der Architektur zu veranschaulichen und zugleich das Stammschloß als exklusives Zentrum des Herrschaftsbereichs präsent zu halten. Wir können auch von einem Rezeptionsvorgang mit zweifacher Zielwirkung sprechen: Die fremden Formen werden einerseits zur Kenntlichmachung einer internationalen, ja dezidiert französischen Ausrichtung der Auftraggeber eingesetzt (wie sie in den regen diplomatischen Verbindungen der Wettiner zum französischen Königshof vor allem im 16. Jahrhundert – und hier besonders während der Reformation – dann auch ihren politischen Ausdruck fand102); andererseits aber ist die Verarbeitung französischer Schloßbauelemente, die im spätmittelalterlichen Alten Reich noch keine übliche Praxis war, ein geeignetes Mittel, um Exklusivität vorzuführen. Es ist ein ästhetischer Gestus des triumphierenden Selbstbewußtseins, der nicht nur den konkurrierenden Adelshäusern im Reich, sondern ebenso den alteingesessenen sächsischen Adelsfamilien galt. Es dürfte kein Zufall sein, daß nach Fertigstellung der Albrechtsburg in ihren wesentlichen Teilen ausge-

100 Andreas Meinhard, Dialogus illustrate et augustissime urbis Albiorene vulgo Vittenberg dicte, Leipzig 1508; hier zitiert nach der Ausgabe A. Meinhard, 1986, S. 158. 101 Siehe oben, S. 48. 102 Politischer Höhepunkt dieser Verbindungen dürfte die Vertragsaushandlung zwischen Moritz von Sachsen und Heinrich II. von Frankreich über ein Schutzbündnis zwischen dem französischen König und den protestantischen deutschen Fürsten gegen Kaiser Karl V. gewesen sein (siehe hierzu Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen, 1998, Nr. 311, Chambord 1552 Januar 15, Vertrag von Chambord, S. 574–583). Die größtmögliche Annäherung der protestantischen Fürsten an Frankreich kommt nicht zuletzt in der Antragung der Kaiserwürde zum Ausdruck. Der betreffende Passus lautet: »So wollen wir vnsers vormugens hinwidder sein Mt: [gemeint ist die Majestät des französischen Königs, Anm. M.M.] zu erlangung Jrer entwehrten erblichen Poßeßion trewlich befordern, Auch Jn erwöhlung eines zukunfftigen Keysers, Vnd Christlichen haupts, die masse halten, die seiner Mt: woll gefellet, vnd keinen wehlen, der nit seiner Mt: guter frund sey, […] Da auch seiner Mt: gelegenheit sein wolt, ein solche burden Vnnd Dignitet selbst auff sich zunemen vnd zutragen, So möchten wir Jr die woll gönnen« (ebd., S. 582).

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rechnet eine in Diensten der Wettiner stehende Adelsfamilie den fürstlichen Baumeister engagieren durfte, um ihr Schloß – das gleichzeitig als wettinischer Amtssitz diente – repräsentativ umbauen zu lassen: Ab 1471103 errichtete Arnold von Westfalen für den kurfürstlichen Oberhofmarschall Hugold von Schleinitz auf der Rochsburg (nahe Burgstädt gelegen) einen neuen Wohn- und Saaltrakt; dessen Mittelpunkt bildete ein Treppenturm, der auf bescheidenerem Niveau die für Meißen charakteristische Formensprache wiederholte. In fragmentierter Gestalt ist diese Treppenanlage bis heute erhalten geblieben.104 Ich möchte die Analyse der Albrechtsburg an dieser Stelle nicht fortführen. Anhand der vorgenommenen intensiveren Betrachtung von Einzelelementen ihrer baulichen Gestalt konnte die beachtliche Leistung herausgestellt werden, die Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht zusammen mit ihrem Architekten Arnold von Westfalen mit der Neukonzeption des wettinischen Stammschlosses erbracht haben. Die Leistung liegt im allgemeinen in der wegweisenden Modernisierung des deutschen Schloßbaus am Ende des Mittelalters und im besonderen in der Kreation eines unverwechselbaren, die reichs- und territorialpolitischen Ansprüche der Wettiner auf anspruchsvollste Weise visualisierenden Schloßbaustils, der nicht nur für den mitteldeutschen Raum im 16. Jahrhundert maßgeblich werden sollte. Es erscheint mir nicht übertrieben, die Errichtung der Albrechtsburg mit der Begründung einer spezifisch wettinischen Architektursprache gleichzusetzen! Viel stärker als von der Forschung bislang zur Kenntnis genommen, diente die Neugestaltung des wettinischen Stammschlosses vor allem den im 16. Jahrhundert errichteten neuen Residenzen der Wettiner als Maßstab. Es wäre daher verfehlt, in der Funktionslosigkeit der Albrechtsburg als Residenz seit der Leipziger Teilung zugleich auch ihre Funktionslosigkeit als eminent wichtiger symbolischer Ort sehen zu wollen. Das Gegenteil ist der Fall, ein Umstand, den ich durch eine eingehendere Analyse von Schloß Hartenfels in Torgau verdeutlichen möchte.

103 Die kurfürstliche Bestallungsurkunde als Baumeister datiert auf den 4. Juni 1471 (W.-D. Röber, 1999, S. 87). Auf der Rochsburg ist Arnold zwischen 1472 und 1475 nachweisbar (ebd., S. 88). 104 Zur Baugeschichte siehe K.-H. Karsch, 1993, S. 7–10; Ders., 1996; sowie jüngst W.-D. Röber, 1999, S. 77–90 (mit weiterer Literatur).

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Schloß Hartenfels in Torgau

3.3 Schloß Hartenfels in Torgau: Fortschreibung des Meißener Architekturkonzepts Ähnlich wie bei der Albrechtsburg in Meißen wird auch das Ausbauprojekt für Schloß Hartenfels in Torgau nur verständlich, wenn wir es als Bestandteil des historischen und politischen Geschehens betrachten, das in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts das Reich und besonders die Wettiner vor vollkommen neue Herausforderungen stellte. Als Johann Friedrich sich nach seinem Regierungsantritt 1532 dazu entschloß, seiner Residenz Torgau ein neues Aussehen zu verleihen, konnte er die Tragweite der u. a. auch von ihm betriebenen politischen wie religiösen Veränderungen zwar nur erahnen. Doch erweist sich die Neukonzeption des Torgauer Schlosses als das in Stein umgesetzte Manifest eines Fürsten, der sich des vollziehenden Paradigmenwechsels in territorial- wie reichspolitischer Hinsicht vollauf bewußt war. Wie wir gleich sehen werden, knüpft Johann Friedrich an den architekturgeschichtlichen Paradigmenwechsel, den das neuerrichtete Meißener Stammschloß für die Wettiner und das Reich bedeutete, unmittelbar an, um ihn in entschiedener Weiterentwicklung dem politisch-religiösen Paradigmenwechsel eines nunmehr protestantischen Landesherrn und Kurfürsten dienstbar zu machen.105 Eindrucksvolles Zeugnis hierfür ist der neue Große Saalbau des Torgauer Schlosses, der zwischen 1532 und 1538 von Konrad Krebs an Stelle einer Wehrmauer und der alten Martinskapelle errichtet wurde (Abb. 15–17).106 In Konrad Krebs fand der Kurfürst einen ähnlich begabten Architekten, wie sechzig Jahre zuvor die beiden Brüder Ernst und Albrecht in Arnold von Westfalen. Mit großem technischen Aufwand verbreiterte Konrad Krebs das zur Elbe gelegene Schloßterrain, um über dem so gewonnenen Fundament einen gewaltigen Baukörper aufzuführen, der denkmalhaft sich in die Elbniederungen vorzuschieben scheint. Selbst wenn der heutige, in Vielem fragmenthafte Zustand nicht mehr die volle Strahlkraft des 16. und 17. Jahrhunderts entfaltet, so vermag allein das Volumen des Baukörpers und seine immer noch erkennbare Grundkomposition zu beeindrucken. Dank der recht genauen Ansichten, die von Lucas Cranach d. Ä. und seinem Sohn von Schloß Torgau angefer-

105 Zum Nachfolgenden siehe auch die zusammenfassenden Darstellungen bei M. Müller, 2003a und 2003b. 106 Zur Baugeschichte siehe P. Findeisen / H. Magirius, 1976, S. 105 ff.

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Residenzschlösser im mitteldeutschen Raum

tigt wurden (Abb. 17),107 läßt sich zumindest die zur Elbseite ausgerichtete Fassade des Saalbaus in ihrer einstigen Pracht rekonstruieren. Damals wie heute prägte das Fassadenbild der langgestreckte Baukörper, der in der Mitte von einem mächtigen kubischen Risalit unterteilt und an den Seiten von jeweils einem Runderker flankiert wird. Wieder erkennen wir die gezielte Präsentation von Turmarchitekturen an einer Schloßarchitektur, die ansonsten unverkennbar auf die Grundform des fürstlichen Hauses rekurriert. Doch erst durch die Berücksichtigung der alten Ansichten von Lucas Cranach wird deutlich, wieweit das für die Adelsarchitektur mit hohem Symbolwert verbundene Turmmotiv auch die Dachzone des Torgauer Schlosses bestimmte, um nicht zu sagen: dominierte. Neben den von der Albrechtsburg her bekannten, nun aber zu monumentalen Zwerchhäusern ausgewachsenen Lukarnen108 sind es vor allem der ursprünglich über den Dachfirst hinausragende Mittelrisalit und die seitlichen, in die Dachzone hineinstoßenden Runderker, die das Bild bestimmen. Unübersehbar werden hierdurch optische Akzente gesetzt, die sich bei näherem Hinsehen schließlich auch als programmatische zu erkennen geben. Denn sowohl die seitlichen Erker als auch die Giebel der Zwerchhäuser und des kubischen Mittelturms sind bzw. waren entweder mit Bildreliefs oder mit Figuren und Gegenständen besetzt, die sämtliche allegorischen Charakter besitzen bzw. besaßen.109 Zeichenhaft erinnerten sie den Fürsten und seine Regierung an die ethische Verantwortung einer weisen und gerechten Herrschaft und markierten das Schloß nach außen als Sitz eines tugendhaften Regenten.110 Dies gilt auch für den sog. Schönen Erker, der beim Ausbau des Kapellenflügels zum kurfürstlichen Wohn- und Arbeitstrakt den Stubenräumen des Kurfürsten und der Kurfürstin vorgebaut und u. a. mit Reliefs der Lucretia und Judith dekoriert wurde (Abb. 43). Setzen wir die solchermaßen allegorisch ausgezeichneten Erker- und Giebelfassaden in eine Beziehung zu den

107 Siehe die Jagdbilder von Lucas Cranach d.Ä. bzw. d.J. von 1540 (Cleveland Museum of Art), 1544 (Wien, Kunsthistorisches Museum, sowie Madrid, Prado) und 1545 (Wien, Kunsthistorisches Museum). 108 In den Bauakten zu Torgau werden die Zwerchhäuser übrigens als »Erker« aber auch »Soller« bezeichnet (H. Hancke, 1992, S. 283 f.). Wie Béatrice Keller in ihrer Untersuchung zur Begriffsgeschichte des Erkers aufzeigen konnte, läßt sich die Bezeichnung Erker etymologisch vom »Ecktürmchen« als Wehrelement herleiten; siehe hierzu B. Keller, 1981, S. 160 ff. (Zusammenfassung der Ergebnisse). 109 Zu Details siehe S. 253 f. 110 Siehe hierzu unten Kap. 6.

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Schloß Hartenfels in Torgau

dahinterliegenden Räumlichkeiten, wird deutlich, daß sich Bildprogramme und Raumfunktionen logisch entsprechen: Sämtliche Räume (Abb. 44) besaßen offiziellen Charakter, sei es als Hofstube, fürstliche Tafelstube, Festsaal, Gerichtsraum oder aber als Appartement für den kurfürstlichen Hausherrn bzw. seine herrschaftlichen Gäste. Sprichwörtlich im Mittelpunkt des Raumprogramms steht aber der hohe risalitartige Turm111 an der Elbseite des Neuen Saalbaus. Sein auffälliges Erscheinungsbild ist außen wie innen von hohem Symbolwert: Übereinander angeordnet befanden sich in diesem Turm einst das kurfürstliche Archiv sowie zwei herrschaftliche, vermutlich ursprünglich dem Kurfürstenpaar dienende Appartements,112 deren oberstes zugleich die dynastisch bedeutsame Stammstube enthielt. Bereits die Albrechtsburg in Meißen enthielt in ihrem nördlichen turmartigen Flügel die Stammstube,113 so daß im Torgauer Turmanbau die Tradition des wettinischen Stammschlosses fortgeführt wird. An Meißen erinnert im übrigen auch der imposante Große Wendelstein an der Hofseite des Torgauer Neuen Saalbaus (Abb. 45): Wieder stehen wir vor einem künstlerisch und konstruktiv staunenerregenden Treppenturm, der sich zudem auf einer Achse mit dem Turmrisalit auf der Elbseite befindet. Wieder werden wir an die Albrechtsburg in Meißen erinnert, wo der repräsentative Treppenturm unmittelbar auf den turmartigen Südflügel auf der Elbseite ausgerichtet ist. Gegenüber ihrem Meißener Vorbild bedeuten die für Torgau charakteristische Achsenbildung aus Treppenturm und Turmrisalit und die Form des Großen Wendelsteins jedoch eine enorme Steigerung – quantitativ wie quali-

111 Im Inventar von 1610 wird dieser Turm als »Ergker« bezeichnet (Inv. Torgau 1610, SächsHStA Dresden, Rep. A 25 a I, I, Nr. 2343), ein Terminus, der noch in der Tradition der alten Bedeutung »Wehrturm« bzw. »Ecktürmchen« steht (siehe hierzu B. Keller, 1981). 112 So die Vermutung von St. Hoppe, 1996, S. 174 ff., S. 189, S. 242 f. In seinem noch unpublizierten Vortrag auf einem 1999 abgehaltenen Kolloquium des Rudolstädter Arbeitskreises zur Residenzkultur (siehe demnächst: Das Schloß und seine Ausstattung. Zur Zeichenhaftigkeit höfischer Innenräume, hg. von PeterMichael Hahn / Ulrich Schütte [Rudolstädter Forschungen zur Residenzkultur, Bd. 3] [im Druck]) erweiterte Hoppe seine Rekonstruktion um einen interessanten Aspekt: Spätestens nach Fertigstellung des Kapellentraktes mit den dort befindlichen kurfürstlichen Appartements seien die repräsentativen Appartements im Turm für hochrangige Gäste genutzt worden. 113 Zwar wurde der entsprechende Raum erst zwischen 1521 und 1524 unter Herzog Georg dem Bärtigen entsprechend ausgestattet, doch schließt dies eine frühere Projektierung nicht aus, die dann durch die Bauunterbrechung aufgrund der Landesteilung von 1485 zunächst unverwirklicht blieb.

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tativ.114 Die im Vergleich zur Albrechtsburg zu beobachtende stärkere Regularisierung und Zusammenbindung von hofseitigem Treppenturm und landseitigem Turmrisalit ist dabei nicht so sehr einer innersächsischen Entwicklung im Schloßbau geschuldet, sondern läßt sich zwanglos auf französische Vorbilder zurückführen. So verfügen bereits in der Mitte und in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts Schlösser wie die von Gayette (Allier), Vaux (Maine-et-Loire) (Abb. 36) und Beauregard (Loir-et-Cher) über die für Torgau charakteristische Aufeinanderfolge von Treppenturm, Corps de logis sowie rückwärtigem, turmartigem Anbau für Kabinetträume in der Mittelachse des Gebäudekörpers.115 Rein formal gesehen entspricht das äußere Erscheinungsbild des unter Johann Friedrich I. entstandenen Saalbaus in diesem Punkt sehr genau französischen Vorstellungen. Dies trifft ebenso auf den Großen Wendelstein zu: Zum ersten Mal im deutschen Schloßbau wird ein herrschaftlicher Treppenturm derart konsequent für dynastische, juristische und politische Zwecke genutzt, daß man durchaus von der ›Emblematisierung‹ und ›Politisierung‹ des Treppenturms sprechen kann. Nur in Frankreich finden wir – ausgehend von der berühmten Louvre-Treppe Karls V.116 – einen vergleichbaren Vorgang, der unter Franz I. in den Wendeltreppen der Schlösser von Blois und Chambord (Abb. 121+145) seinen vorläufigen Höhepunkt fand.117 An diesem Niveau richtet sich der Architekt des sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich aus und knüpft zugleich an die durch Arnold von Westfalen auf der Albrechtsburg begründete wettinische Bautradition an.118 Doch was in Meißen nur angedeutet bzw. angelegt war, wird in Torgau nun in allen Facetten ausgespielt: Über einem mächtigen, tribünenartigen Unterbau erhebt sich ein luftigtransparentes Turmgehäuse, in das eine dynamisch sich nach oben schwingende Treppenanlage eingehängt wurde. Ihr spektakuläres Zentrum bildet die offene, am Boden nicht verankerten Spindel, durch die man von der obersten Plattform wie durch einen Trichter nach unten blicken kann. Bravouröse Konstruktion und capricciohafte Ästhetik 114 Siehe hierzu auch Kap. 5.1.4. 115 Abb. bei U. Albrecht, 1995, S. 96 ff. 116 Entworfen und errichtet 1365 durch den königlichen Architekten Raymond du Temple. 117 Siehe hierzu M. Müller, 1998. 118 Peter Findeisen, der ebenfalls einen Zusammenhang zwischen dem Großen Wendelstein der Albrechtsburg und demjenigen von Schloß Torgau erkennt, wertet m. E. die Vorbildlichkeit französischer Architektur zu gering (P. Findeisen, 1974, S. 4).

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Schloß Hartenfels in Torgau

sind jedoch kein Selbstzweck, sondern ergeben den effektvollen Rahmen für eine gezielte dynastisch-politische Selbstinszenierung des wettinischen Kurfürsten.119 So trägt die Brüstung der Tribüne (Abb. 46) zu seiten des kurfürstlichen Wappens die Wappen der Ururgroßeltern der mütterlichen und väterlichen Linie Johann Friedrichs des Großmütigen und veranschaulicht im Sinne einer Ahnenprobe die Altehrwürdigkeit des regierenden Kurfürsten und seiner Familie. Links und rechts von dem tribünenartigen Unterbau des Treppenturms flankieren lebensgroße Standbilder von Johann Friedrich und seinem Halbbruder Johann Ernst die geradläufig nach oben führenden Seitentreppen. Weitere Porträtdarstellungen finden sich in Medaillonform in das Rankenwerk der Turmpilaster eingearbeitet. Doch damit nicht genug: Hat man die tribünenartige Plattform bestiegen und möchte durch das Hauptportal in den ehemaligen Festsaal eintreten, dann erblickte man einst im Gebälk des Portals (Abb. 47) eine Messingbüste mit dem Bildnis des ersten protestantischen Kurfürsten Sachsens, Friedrich dem Weisen. Zu seiten dieser Büste zeigten zwei Kalkschiefertondi die Porträts von Johann Friedrich selbst und seiner Frau, Sybille von Cleve.120 Auf den Säulchen aber, die das Portal flankieren, sind schließlich die wichtigsten Vertreter des Protestantismus, Martin Luther und Philipp Melanchthon, abgebildet. Sie sind sprichwörtlich als Träger der Portalarchitektur und der mit ihr verbundenen Bildnisse Friedrichs des Weisen, Johann Friedrichs und seiner Frau zu verstehen und aktualisieren damit eine Tradition, die zurückreicht bis zu den gemalten Aposteln auf Säulen als Träger der materiellen und geistigen Kirche.121 In Torgau ist die Kirche aber gleichsam die gesamte, sich neu formierende protestantische Landesherrschaft, die maßgeblich im Bündnis Luthers und Melanchthons mit dem wettinischen Ernestinern begründet worden war. Luthertum und wettinisch-ernestinisches Fürstentum verstanden sich als Träger der neuen religiösen und politischen Ordnung. Der hochartifizielle Treppenturm aber wird zum überwältigenden politisch-religiösen Monument, das beinahe jede Sinnschicht des protestantischen Fürstentums reflektiert: Der Unterbau mit den Wappentafeln als sprichwörtliches dynastisches Fundament, das im Portalbogen unterhalb des eigentlichen Treppenturms sinnbildlich ergänzt wird durch die Lehre Luthers und Melanchthons; darüber der hochaufragende Turm, der vordergründig 119 Zum Folgenden siehe auch Kap. 5.1.4, S. 207. 120 Zur Rekonstruktion dieses heute nicht mehr in situ erhaltenen Bildnisprogramms vgl. P. Findeisen, 1974, S. 3ff; Ders. / H. Magirius, 1976, S. 159. 121 Siehe hierzu B. Reudenbach, 1980.

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die Funktion der Treppenanlage erfüllt, tatsächlich aber als Turmbau das ehrwürdigste und symbolkräftigste Element adligen Bauens repräsentiert. Als Sinnbild für die Tugenden der Fortitudo und Justitia des Fürsten – eine Bedeutung, die an anderer Stelle in dieser Arbeit noch ausführlich thematisiert wird122 – trägt der Torgauer Große Wendelstein an seiner Spitze denn auch einen Raum von besonderer Exklusivität: eine ofenbeheizte, ursprünglich durch die Cranach-Werkstatt reich ausgemalte und mit Spiegeln versehene Turmstube (Abb. 45), zu der man nur über eine kleine, abgelegene Treppe gelangte.123 Hier oben konnte sich der Fürst diskret zurückziehen. Es war der verborgene, exklusive Rückzugsort des Landesherrn, der sprichwörtlich das Haupt des Turms besetzte, um von hier aus das Hofgeschehen zu überblicken (wobei die Spiegel raffinierte optische Effekte ermöglicht haben dürften) oder aber Studien zur Vervollkommnung seiner Regierungskunst nachzugehen. Unübersehbar sind die funktionalen wie programmatischen Berührungspunkte zu den bereits genannten, ebenfalls mit allegorischen Motiven ausgestatteten Erker-, Dach- und Turmräumen auf der gegenüberliegenden Elbseite: In Torgau werden die hochgelegenen Räume (bis hin zu den nur noch bildlich überlieferten begehbaren Turmknäufen [Abb. 17]) systematisch als Orte herrschaftlicher Ausblicke definiert, die weite Einblicke in das umgebende Territorium ermöglichen. Wir erinnern uns: Erste Hinweise auf eine solche Nutzung fanden sich bereits bei der Albrechtsburg in Meißen in Gestalt der Lukarnen und des elbseitigen Turmanbaus mit den kleinen Studierräumen in den Obergeschossen. Nur vordergründig dürfte die in Torgau zu beobachtende Systematisierung einem gesteigerten »Schaubedürfnis« der frühneuzeitlichen Schloßbewohner geschuldet gewesen sein.124 Denn seit dem letzten Viertel des 14. Jahrhunderts existierte im französischen Schloßbau eine Tradition, die mit den hochgelegenen Turmstuben des Königs zugleich den Ort des salomonischen Herrschers verband, der sein Reich von hier aus weise und gerecht regiert.125 Die recht genaue Kenntnis des französischen Schloßbaus durch die Wettiner und ihre Architekten

122 Siehe Kap 6.1. 123 Zur Turmstube (sog. »Prinzengemach« oder »Spiegelstube«) und ihrer ursprünglichen Ausstattung siehe M. Noll-Minor, 1996; eine Diskussion der dort rekonstruierten Nutzung erscheint notwendig (siehe hierzu auch weiter oben, Anm. 58). 124 Siehe hierzu Anm. 69. 125 Siehe hierzu ausführlich Kap. 6.2.

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Das Dresdner Stadtschloß

gibt zu der Vermutung Anlaß, daß ihnen dieser staatstheoretische Aspekt nicht unbekannt gewesen ist und die Rezeption französischer Elemente im wettinischen Schloßbau auch deshalb mehr bedeutete, als eine oberflächliche Modeerscheinung. Weitere Hinweise auf ein solches Denken finden sich in den zeitgenössischen Fürstenspiegeln.126 Wüßten wir nicht um die genannte allegorische literarische wie ikonographische Tradition in Frankreich und besäßen wir nicht die von vergleichbaren Vorstellungen geleiteten Gedanken des Erasmus von Rotterdam, Reinhard Lorichs und anderer Autoren von Fürstenspiegeln, wir könnten eine solche Interpretation von Teilen des Torgauer Schlosses als reine Spekulation abtun. So aber wird es zur Gewißheit, daß Johann Friedrich der Großmütige mit seinem Torgauer Residenzschloß nicht nur ein steinernes Manifest für das protestantische Landesfürstentum, sondern ebenso ein Manifest für ein umfassendes, von einem Landesherrn zentral gelenktes Territorium verwirklicht sehen wollte. Beide Momente, die protestantisch definierte wie die territorial verdichtete Landesherrschaft, gehören in der historischen Entwicklung zusammen. Für den mitteldeutschen Raum des ausgehenden 15. und des 16. Jahrhunderts haben die wettinischen Kurfürsten diesen Prozeß hin zu einer neuen Territorialstaatlichkeit politisch aktiv betrieben und künstlerisch innovativ veranschaulicht. Sie dürfen dabei als Wegbereiter gelten, deren territorialpolitischen und (bau-)künstlerischen Anstrengungen auch von den benachbarten landesherrlichen Territorien aufmerksam registriert wurden.127

3.4 Das Dresdner Stadtschloß als Paradigmenwechsel Zehn Jahre nach der Fertigstellung des glanzvollen Neuen Saalbaus der Torgauer Residenz und nur drei Jahre nach der Weihe der Schloßkapelle durch Martin Luther wurde der Hauptsitz des kurfürstlichsächsischen Hofes nach Dresden verlegt. Dieser Vorgang und seine politisch-religiösen wie dynastischen Hintergründe bezeichnen das katastrophale Scheitern der zuletzt von Johann Friedrich dem Großmütigen betriebenen Konfrontation mit dem katholischen Reich und der Exponierung Kursachsens unter den Ernestinern als Führungsmacht des Protestantismus’. In der schließlich auch militärisch geführ126 Siehe hierzu Kap. 6.2, S. 274 f. 127 Siehe hierzu Kap. 3.6 ff.

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Residenzschlösser im mitteldeutschen Raum

ten Auseinandersetzung zwischen Johann Friedrich dem Großmütigen und dem Kaiser sah sich der sächsische Kurfürst nicht nur von der katholischen Reichsgewalt, sondern auch von seinem ebenfalls protestantischen Vetter, Herzog Moritz von Sachsen, besiegt und degradiert. Die Ernestiner mußten mit der Kurwürde auf weite Teile ihres seit der Leipziger Teilung verwalteten Territorialbesitzes verzichten, mit der Folge, daß sie sich im wesentlichen auf die thüringischen Besitzungen beschränkt sahen. Torgau, das in den Jahren vor der entscheidenden Schlacht bei Mühlberg 1547 immer mehr zum symbolischen Ort für ein dezidiert gegen Kaiser Karl V. gerichtetes Kurfürstentum geworden war und dessen Amtsinhaber den Bund protestantischer Territorien und Städte angeführt hatten, verlor seine Funktion als Kurfürstensitz. An seine Stelle trat Dresden. Das hier seit alters her bestehende Schloß ließ der neue Kurfürst, Moritz von Sachsen, unmittelbar nach der Übertragung der Kurwürde von den Ernestinern auf die Albertiner vollkommen umgestalten (Abb. 48).128 Entgegen den Gepflogenheiten im Schloßbau jener Zeit begnügte sich Moritz dabei nicht mit partiellen Neubaumaßnahmen, die den bestehenden Gebäudekomplex ergänzten und modernisierten, sondern veranlaßte einen tiefgreifenden Umbau, der dem Schloß bis auf wenige bewahrte ältere Teile ein vollkommen neues Aussehen und Raumkonzept gab. Dieser Ausbau der Dresdner Herzogsresidenz zum kurfürstlichen Hauptsitz war sicherlich ›von Amts wegen‹ notwendig und somit zunächst Gründen der Funktionalität und des Status’ geschuldet. Das in einem Bericht von 1549 geforderte »prächtigere Aussehen«129 vermochte das bestehende Schloß nicht zu vermitteln (Abb. 49). Doch besteht der Eindruck, als habe Moritz von Sachsen mit dem umgebauten Dresdner Schloß zugleich ein politisches Denkmal setzen wollen, das allen Besuchern von dem Anbruch einer neuen Epoche im sächsischen Kurfürstentum künden sollte. Die neue Epoche sollte zwar weiterhin von einem protestantischen sächsischen Kurfürstenhaus bestimmt sein, doch den Ausgleich mit dem Kaiser suchen und auf diese Weise – anders als unter den Ernestinern – wieder zu einem zuverlässigen Stützpfeiler der Reichsgewalt werden.130 Denn nur mit großer Mühe und dem in der

128 Siehe hierzu die immer noch grundlegende Baumonographie von B. Werner, 1970; siehe desw. C. Gurlitt, 1878; Das Dresdner Schloß, 1989. 129 Siehe B. Werner, 1970, S. 98. 130 In diesem Sinne wurde auch der Lobpreis auf den Nachfolger von Moritz, August I., im Altarbild der Augustusburger Schloßkapelle formuliert. Siehe hierzu unten S. 91.

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Das Dresdner Stadtschloß

Schlacht bei Mühlberg erbrachten Treuebeweis durch die albertinischen Wettiner konnte Kaiser Karl V. davon überzeugt werden, dem sächsischen Fürstenhaus die Kurwürde zu belassen und nicht – wie ebenfalls erwogen – an die Wittelsbacher weiterzureichen. Daß bereits wenige Jahre später ausgerechnet Kurfürst Moritz ein eigenes Bündnis gegen Karl V. schmieden und ihn maßgeblich zur Abdankung zwingen würde, war 1548, im Jahr der Grundsteinlegung zum neuen Dresdner Schloß, noch nicht abzusehen gewesen. Ansonsten hätten vielleicht auch die mit den Ernestinern eng verbundenen protestantischen Parteigänger zurückhaltender auf die Übertragung der Kurwürde von Johann Friedrich auf Moritz von Sachsen reagiert, der in ihren Augen zunächst wie der illegitime Usurpator erscheinen mußte. Vor dem angedeuteten Hintergrund, der für Sachsen weitreichende politische und dynastische Veränderungen mit sich brachte, erscheint es nur konsequent, wenn Moritz von Sachsen das in Torgau ausgeprägte Schloßbaukonzept in seiner äußeren Form nicht fortführt. Statt dessen greift er für die Grundgestalt des Dresdner Schlosses auf die traditionsreiche Form des Kastells zurück,131 eine Tradition, die von den Wettinern bis dahin nicht gepflegt wurde und auch in den übrigen mitteldeutschen Territorien keine größere Beachtung gefunden hatte. Neben der Moritzburg in Halle, die ab 1484 als neue Residenz und Festung des Magdeburger Erzbischofs entstand132 und deren zweiflügeligen Wohn- und Repräsentationsgebäude ein Mauergeviert mit vier runden Ecktürmen umgibt, ist hier das Mansfelder Schloß Hinterort (Abb. 12) eine wichtige, bislang wenig beachtete Ausnahme.133 Als Folge der Erbteilung von 1501 als Sitz für den Grafen Albrecht IV. zwischen 1511 und 1523 errichtet, vertritt Schloß Hinterort nicht nur die erste Vierflügelanlage in Mitteldeutschland, sondern auch den hohen politischen wie kulturellen Anspruch der Grafen von Mansfeld. Dieser wurde einerseits durch eine außerordentliche, den Bergwerksregalien zu verdankende Prosperität und andererseits durch die einst reichsunmittelbare Stellung der Grafen bestimmt, die sich jedoch einer zunehmenden Gefahr der Mediatisierung u. a. durch die Kurfürsten von 131 Siehe hierzu U. Schütte, 1994, S. 48 ff., S. 204 f.; M. Müller, 2000b, S. 326 f. 132 A. Hüneke, 1978; M. Scholz, 1998. 133 Zu den wenigen, die sich über Jahrzehnte intensiv mit dem Mansfelder Schloßkomplex beschäftigt haben, gehört Irene Roch. Ihre grundlegende aber unveröffentlichte Dissertation (I. Roch, 1966) wird z.Z. umfassend zur Publikation überarbeitet. Siehe bis dahin neben dem maschinenschriftlichen Exemplar der Dissertation die zahlreichen Aufsätze von Irene Roch: u.a. I. Roch, 1991, 1995a, 1997.

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Sachsen ausgesetzt sahen. Von daher muß der von den Mansfelder Grafen betriebene Bauaufwand in ihren Schlössern Vorder-, Mittelund Hinterort wie eine politische Geste gegenüber den Wettinern und auch dem Magdeburger Erzbistums erscheinen, auf die noch zurückzukommen sein wird.134 Für die kastellartige Vierflügelanlage des Dresdner Schlosses haben Schloß Moritzburg in Halle und Schloß Hinterort in Mansfeld jedoch nicht das direkte Vorbild abgegeben. Hier erlaubten es allein schon der politische Status und die dynastische Dignität des Bauherren, sich an höherrangigen Leitbildern zu orientieren. Auch prinzipiell vergleichbare Vierflügelanlagen in Italien oder Frankreich erscheinen als Vorbilder nicht überzeugend, so sehr sich die Wettiner auch sonst mit französischer Baukunst auseinandergesetzt haben. Richtig ist, daß in diesen Ländern die Kastellform als Bautypus für Schloß- und Festungsanlagen seit der Antike und dem Mittelalter gebräuchlich war und italienische Architekturtheoretiker seit dem 15. Jahrhundert das regelmäßige Viereck als mathematisch-geometrische Idealform propagierten.135 Doch erscheint es nicht zwingend zu sein, daß alle Bemühungen deutscher Bauherren seit dem 16. Jahrhundert, regelmäßige Vierflügelanlagen mit vierkantigen Ecktürmen zu konzipieren, unbedingt von Bauten wie den staufischen Kastellen, der Villa Poggio Reale bei Neapel oder Schloß Ancy-le-Franc bei Troyes (Abb. 50) angeregt sein müssen.136 Seit dem hohen Mittelalter existierte auch im alten Reich eine Bautradition, für die die Umschließung eines Schloßhofes mit vier Flügeln und vierkantigen Ecktürmen kennzeichnend ist.137 Auf diesen Umstand verwies bereits Ulrich Schütte in seiner Studie zum »Schloß als Wehranlage«: »Kastellschema und Ecktürme begründen eine mit fürstlich-imperialen Gehalten besetzte Ikonographie, die in Italien wie im 134 Zu Mansfeld siehe Kap. 3.6.3. 135 Siehe hierzu die immer noch anregende Arbeit von St. von Moos, 1974, S. 43 ff., S. 173 ff. 136 Zur Frage der Vorbildlichkeit französischer und italienischer Schloßbauten über regelmäßigem Grundriß siehe auch U. Schütte, 1994, S. 204 ff. 137 Siehe hierzu T. Durdík, 1994, S. 140 ff. Durdík bezeichnet diesen Typus als »Kastell mitteleuropäischen Typs« (ebd., S. 140) und ersetzt damit den älteren, topographisch weniger offenen Begriff des »italienischen Kastells«. Burgen dieses Typs unterscheiden sich nach Durdík grundsätzlich vom »Kastell französischen Typs«, der sich durch runde Flankiertürme auszeichnet (ebd., S. 9). Die Herkunft der Kastellburg mit vierkantigen Ecktürmen leitet Durdík mit der gebotenen Vorsicht von den süditalienischen Stauferkastellen und den mitteleuropäischen Kastellburgen in Böhmen und Österreich ab (ebd., S. 147).

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Das Dresdner Stadtschloß

Deutschen Reich gleichermaßen Gültigkeit besitzt. Sie war hier durch die staufischen Burgen des hohen Mittelalters wie auch durch die Bauten des Deutschen Ordens des 14. Jahrhunderts ausgebildet worden«.138 Und diese Tradition, so Schütte, ist auch noch in den Umbauten der kaiserlichen Residenzen in Wien und Wiener Neustadt am Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts lebendig.139 Der Streit, ob nun Italien, Frankreich oder gar Schloß- bzw. Burgenbauten im Deutschen Reich selbst für die deutschen Kastellschlösser der frühen Neuzeit vorbildlich wirkten, muß solange akademisch bleiben, wie der historische und funktionale Hintergrund der Schloßbaukunst ausgeblendet wird. Berücksichtigt man jedoch den historischen Kontext und die anhand der zeitgenössischen »Gedächtniskultur«140 nachvollziehbare Präge- und Bindekraft formaler architektonischer Muster, dann gewinnt die bewußte Rezeption der Wiener Hofburg (Abb. 51) als symbolträchtigem Habsburger Stammsitz und kaiserlicher Residenz in bestimmten Schlössern wie Dresden und Augustusburg aber auch Aschaffenburg an Wahrscheinlichkeit.141 In Dresden wird das Schloß (Abb. 9) in dem Augenblick zur repräsentativen, vierflügeligen und mit turmartigen Zwerchhäusern an den Ecken versehenen Residenz der Wettiner ausgebaut, als Herzog Moritz von Sachsen durch Karl V. 1547 die Kurwürde und das Amt des Reichserzmarschalls übertragen bekommt. Und die Augustusburg nahe bei Chemnitz (1568–1573),142 deren kastellartige Grundform (Abb. 3+4) das Schema des Dresdner Schlosses fortführt, errichtet der Nachfolger von Moritz, Kurfürst August I. von Sachsen, nach der Niederschlagung der Grumbachschen Händel ausdrücklich als Zeichen des »ewigen Gedächtniss des gemachten Friedens«.143 Dieses »ewige Gedächtnis« aber war unauflöslich verbunden mit dem Habsburger Kaiser Maximilian II., in dessen Auftrag August von Sachsen das Reichsexekutionsheer gegen

138 U. Schütte, 1994, S. 235. Zur fürstlich-imperialen Ikonographie des Kastelltypus siehe St. von Moos, 1974, S. 48 ff.; zu den Burgen des Deutschen Ordens siehe M. Kutzner, 1996, sowie die ebenfalls jüngst erschienene grundlegende Arbeit von T. Torbus, 1998 (zur Kastellform siehe S. 25, S. 124 ff., S. 296 f.). 139 U. Schütte, 1994, S. 235. Zu den mittelalterlichen Ursprungsbauten in Wien und Wiener Neustadt und ihrer Bedeutung für das Kastellburgschema in Österreich siehe T. Durdík, 1994, S. 217 ff. 140 Siehe hierzu Kap. 5. 141 Siehe hierzu auch M. Müller, 2000b, S. 326 f. 142 Zur Augustusburg siehe auch Kap. 3.5. 143 Der vollständige Text der Urkunde zur Grundsteinlegung ist abgedruckt in: KDM Flöha, 1886, S. 10 f.

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die mitteldeutsche Adelsopposition befehligte und der im April 1575 das Schloß besuchte.144 Grundsätzlich bot schon allein das politisch einflußreiche Amt des Reichserzmarschalls den sächsischen Kurfürsten genügend Anlaß, die Grundform der Wiener Habsburgerresidenz in den bis dahin wichtigsten Schloßneubauten der albertinischen Wettiner zu rezipieren. Die Wahl der Vierflügelanlage brachte für das Dresdner Schloß wie für die Augustusburg den Verzicht auf einen zentralen Treppenturm mit sich, wie er für die Schlösser von Meißen und Torgau charakteristisch gewesen war. Für die Erschließung der einzelnen Schloßflügel standen nunmehr in jedem Winkel des Schloßhofes einzelne Treppentürme bereit, die jedoch ungeeignet waren, monumental in Szene gesetzt zu werden.145 Im Dresdner Schloß mußte Kurfürst Moritz dennoch nicht auf einen zentral angeordneten Turm von wahrhaft denkmalhafter Statur verzichten: So rückt der erhalten gebliebene Schloßturm (sog. Hausmannsturm) der spätmittelalterlichen Residenz durch die Erweiterungen in die Mitte des Nordflügels und wird dort zum Ort einer vielschichtigen politisch-theologischen Fürstenrepräsentation ausgestaltet (Abb. 48). Repräsentativen Wert besitzt bereits

144 C. von Metzsch-Reichenbach, 1902, S. 287; Ders., 1910, S. 338. Die Erinnerung an den kaiserlichen Besuch hielten Deckengemälde im großen Festsaal der Augustusburg wach, auf denen Maximilian II. zusammen mit seiner Familie abgebildet war (C. von Metzsch-Reichenbach, ebd., nach Angaben aus den im Hauptstaatsarchiv Dresden erhaltenen Inventaren von 1576ff.). 145 Über die Wendelsteine des Dresdner Schlosses schrieb Friedrich Mielke: »Die vertikalen Verbindungswege scheinen jedoch vorwiegend aus optischen Gründen geschaffen worden zu sein, um den Zusammenstoß der unterschiedlichen Fassaden in den Ecken zu kaschieren« (F. Mielke, 1996, S. 204 f.). Die Ergebnisse von Stephan Hoppe, 1996, zur Raumstruktur im mitteldeutschen Schloßbau lassen eine solche Bewertung jedoch aus funktionalen Gründen fraglich erscheinen. Keinesfalls trifft die Bewertung von Irene Roch u.a. zu, daß mit Blick auf Dresden, Schmalkalden und Aschaffenburg die in den Hofwinkeln plazierten Treppentürme »entwicklungsgeschichtlich fortgeschrittener als der einzelne Treppenturm in der Mitte der Fassade [sind], da […] die Entwicklung des Renaissanceschloßbaues zur regelmäßigen Vierflügelanlage mit Ecktreppentürmen führt« (I. Roch, 1966, S. 169). Zum einen stellten die beispielhaft genannten Schlösser von Dresden, Schmalkalden und Aschaffenburg exzeptionelle Residenzschlösser dar, die keinen allgemeingültigen Anspruch im deutschen Schloßbau des 16. und frühen 17. Jh.s erheben können, und zum anderen belegen selbst repräsentative Schloßbauten wie das anhaltische Coswig, daß selbst im ausgehenden 17. Jahrhundert den Hauptflügeln eines Schlosses noch zentral plazierte Treppentürme vorgelegt werden konnten (zu Coswig siehe H. Dauer, 1999, S. 135 ff.).

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der Turm an sich, obwohl seine altertümliche, noch aus dem späten 14. Jahrhundert stammende Gestalt146 bei modernen Betrachtern den gegenteiligen Eindruck zu erwecken mag. Doch der Eindruck, vor einem Relikt aus der Vorzeit des frühneuzeitlichen Dresdner Schlosses zu stehen, war gewollt, da er an die Dignität des Schlosses und seiner fürstlichen Bewohner erinnerte. Darüber hinaus galten die alten Haupttürme von Schlössern im allgemeinen als Rechtsdenkmäler, da mit ihnen – wie zahlreiche Beispiele belegen – die von alters her bestehenden Herrlichkeiten und Gerichtsbarkeiten der Schloßherrschaft verbunden waren.147 Der Erhalt des Dresdner Schloßturms ist somit zunächst ein recht gewöhnlicher Bestandteil herrschaftlicher Repräsentation. Ungewöhnlich wenn auch im Blick auf den Zeichenwert des Turmes konsequent ist hingegen die funktionale wie dekorative Ausgestaltung eines solchen alten Turmes zum repräsentativen architektonischen Schaustück. So erhält der Dresdner Hausmannsturm eine dreigeschossige Renaissanceloggia, von der aus das fürstliche Gefolge und seine Gäste Staatsakten und höfischen Festlichkeiten beiwohnen konnten.148 Ohne daß dies dem heutigen Betrachter noch bewußt ist, tradiert diese im anspruchsvollen italienischen Gewand erscheinende Loggia den mehrstöckigen Altan des spätmittelalterlichen Schlosses. Auf dem Holzmodell des alten Schlosses von 1535 (Abb. 49) ist der Altan detailliert dargestellt als dreigeschossiger, loggienartiger Turm, der wie ein Vorbau in der nordwestlichen Ecke des Nordflügels und damit in unmittelbarer Nachbarschaft zum westlich anschließenden Hausmannsturm stand. Verbunden mit einer Freitreppe bildete dieser Turm zugleich den Zugang zum Haupttrakt des Schlosses mit den Repräsentationsräumen.149 So sollten wir uns von dem im Stil der italienischen Hoch146 Der Hausmannsturm ist der ehemalige Wohnturm der Dresdner Schloßanlage des späten 14. Jahrhunderts. Zusammen mit dem östlichen Teil des heutigen Nordflügels (zwischen Hausmannsturm und Georgentor), der ebenfalls aufrecht stehendes Mauerwerk aus der mittelalterlichen Bauzeit des Schlosses besitzt, verkörpert er die ältesten Teile der heutigen Anlage. 1676 wurde der Hausmannsturm erhöht und mit einer hohen barocken Haube abgeschlossen. Zur Datierung und einstigen Funktion des Hausmannsturms siehe zuletzt H. Magirius, 1997, S. 147 f. 147 Siehe hierzu Kap. 5.1. 148 Zur Nutzung der Loggia bei höfischen Festen siehe bspw. die Bildfolgen zur Tierhatz im Schloßhof von ca. 1670. 149 Möglicherweise besteht zwischen dieser turmartigen Loggia und den spätgotischen Loggien am Großen Wendelstein der Meißener Albrechtsburg ein Bezug, so daß sich das Motiv der mit einem Turm verbundenen Loggia u. U. als beson-

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renaissance gehaltenen Äußeren der neuen Loggia auf keine falsche Fährte setzen lassen: Ihre Gestalt rekurriert zwar auf die Architektur italienischer Loggien,150 doch war ihr unmittelbares Vorbild ihre eigene Vorgängerin.151 Neben dem Hausmannsturm ist damit auch die Loggia ein wichtiges Element der Kontinuitätswahrung in der Gestalt des Dresdner Schlosses, zu der im übrigen die bereits im Vorgängerschloß vorhandene räumliche Nähe von Turm und Altan gehört.152 Ohne Vorbild in der Geschichte des Dresdner Schlosses ist hingegen die bildkünstlerische Ausschmückung der Loggia (Abb. 53). Sie umfaßt sowohl den Loggienbau als solchen, der mit Bildreliefs geschmückt wurde, als auch die dahinter liegende, mit farbigen Fresken bemalte Außenwand des Hausmannsturms, die nun die Rückwand der Loggia bildet und für die hier einst stehenden Personen eine bemerkenswerte Kulisse abgab. Dekorum und Bildschmuck der Loggia und das an-

deres Merkmal wettinischer Residenzarchitektur im späten 15. Jahrhundert darstellen ließe. Seine Fortführung hätte dieses Merkmal schließlich in Torgau gefunden, wo dem Hausmannsturm des dortigen Schlosses nach 1532 ebenfalls eine mehrstöckige Loggia vorgelegt wurde (siehe auch Anm. 53). 150 Vgl. etwa die Loggien am Palazzo Ducale in Urbino, am Palazzo Piccolomini in Pienza oder die Loggien an der Stadtseite des römischen Papstpalastes (zur Gestalt siehe Marten van Heemskerck, Ansicht des Vatikan, Stadtfront des päpstlichen Palastes, um 1534, Abb. bei St. von Moos, 1974, Abb. 55) und am Belvedere von Bramante im Vatikan. 151 Ulrike Heckner zieht für Dresden eine Rezeption des Torgauer Hausmannsturms mit seiner vorgelagerten Loggia (Abb. 52) in Erwägung (U. Heckner, 1995, S. 25). Auch wenn wegen der in Dresden bereits vorgeprägten Loggien- bzw. Altanarchitektur ein solches Rezeptionsverhältnis nicht zwingend ist, sollte Torgau als ein weiterer Bezugspunkt deshalb nicht ausgeschlossen werden. Zwar sind die topographischen und quantitativen Verhältnisse in Torgau ganz andere (der Hausmannsturm steht in dem Winkel zwischen Altem und Neuen Saalbau und wird erst ab dem ersten Obergeschoß von einer zudem recht zierlichen Renaissanceloggia umfangen), doch prinzipiell gut miteinander zu vergleichen. Angesichts der hohen symbolischen und – so ist zu vermuten – auch juristischen Bedeutung der Hausmannstürme für die Schlösser von Dresden und Torgau (vgl. dazu weiter unten, S. 160 f.), das Beispiel des Altenburger Hausmannsturms) und dem besonderen politischen Rang der beiden Residenzen erscheint der von Ulrike Heckner zunächst nur anhand von formalen Kriterien vorgenommene Vergleich durchaus auch programmatisch evident. 152 Zur Ummantelung von (älteren) Türmen mit repräsentativen Loggien vgl. auch das französische Beispiel von Schloß Blois: Auf der Gartenseite wurde der in den neuen Flügel Franz’ I. (ab 1515 ff.) integrierte äußere Wehrturm, der sichtbar aus der Fassadenflucht heraustritt, mit einer Loggia ummantelt. Die Loggia folgt der Rundung des Turms, um anschließend als gerade fluchtende Fassadenwand den neu errichteten Flügel Franz’ I. zum Garten hin zu öffnen.

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spruchsvolle politisch-religiöse Bildprogramm machen sie in den Worten von Ulrike Heckner zu einem »Kernstück und Höhepunkt der Schloßdekoration«.153 »Hier kulminierte die Selbstdarstellung von Moritz als Fürst und Herrscher, die durch die Dekoration des Schlosses zum Ausdruck gebracht wurde.«154 In Kenntnis der oben angedeuteten Bedeutung des Hausmannsturms als rechtlich und dynastisch bedeutsames Kernstück des Schlosses dürfen wir hinzufügen, daß es keinen symbolträchtigeren Ort für den Höhepunkt des Dekorationsprogramms hätte geben können. Der herausgehobene Stellenwert des hier versammelten Bildprogramms wurde bereits durch die Farbigkeit der auf die Loggienrückwand bzw. Turmaußenwand gemalten Fresken angezeigt: Im Unterschied zur übrigen Fassadenmalerei des Schlosses, die ausschließlich in schwarzweißer Sgrafittotechnik ausgeführt wurde, besaßen die Fresken ein buntfarbiges Kolorit. Der hierdurch hervorgerufene Kontrasteffekt lenkte unweigerlich die Aufmerksamkeit der Betrachter vom monumentalen ›Einerlei‹ der Sgrafittomalerei an den Außen- und Hoffassaden auf die theatralisch-bunt leuchtende Loggia im Mittelpunkt der nördlichen Hoffassade. Die Themen ihrer Fresken behandelten einst biblische Geschichten,155 unter denen die Anbetung der Hll. Drei Könige an exponierter Stelle erschien, ebenso wie eine Darstellung der Bekehrung Pauli und des salomonischen Urteils. In ihrer grundlegenden Studie zur Fassadendekoration des Dresdner und Neuburger Schlosses vermochte Ulrike Heckner den ikonologischen Gehalt dieser Fresken plausibel zu rekonstruieren.156 Leitgedanke war das Herrscherbild von Moritz von Sachsen als eines Fürsten, der auch in seinem protestantischen Bekenntnis ein rechtmäßiger Stellvertreter Christi auf Erden und Nachfolger Salomonis zu sein beanspruchte. Damit präsentierte er sich zugleich als legitimer Nachfolger des mit seiner Hilfe gestürzten Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen und als Erbe des politisch-religiösen Bekenntnisses der Ernestiner. Vermutlich sollte hierauf das Bild der Verwandlung des Saulus zum Paulus anspielen. Als Anspielung auf die in den Augen von Moritz berechtigte Entmachtung seines ernestinischen Vetters, der mit seiner 153 U. Heckner, 1995, S. 52. 154 Ebd. 155 Diese Information verdanken wir Johann Christian Hasche, der 1781 berichtet, daß man die Rückwand der Loggia »mit biblischen Geschichten im guten Stil fresco gemahlet erblicket« (J. Chr. Hasche, 1781, Bd. 2, S. 18). Zur Ausmalung vgl. ausführlich U. Heckner, 1995, S. 50 ff. 156 Zur politischen Ikonographie siehe ebd.; eine Zusammenfassung findet sich bei Ders., 1997.

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unnachgiebigen Politik gegen den Kaiser den Zusammenhalt des Reiches, das sächsische Kurfürstentum und die evangelische Konfession zu gefährden schien, kann wohl auch das Bildprogramm der Loggienbrüstung gedeutet werden: Die Brüstung zwischen den Arkaden im ersten Obergeschoß setzte sich aus sieben Relieftafeln zusammen, auf denen die Kämpfe Josuas gegen die Amoriter zu sehen waren. Durch die Gleichsetzung der Bekämpfung des Schmalkaldischen Bundes durch die Reichsheere mit dem Kampf der Israeliten gegen die abtrünnigen Amoriter157 versuchte Moritz offensichtlich seiner Rolle im Schmalkaldischen Krieg eine positive Deutung zu geben und sich im Medium der Bilder von dem Makel des Usurpators zu befreien. Dieser Wunsch, nicht als Usurpator, sondern als Erbe der protestantischen Führungsrolle Sachsens zu erscheinen, findet darüber hinaus in der nach Torgauer Vorbild gestalteten Dresdner Schloßkapelle seinen Ausdruck.158 Durch seinen topographischen Ort in der Mitte des Nordflügels (Abb. 54), der sich dem Betrachter unmittelbar nach Durchschreiten des Schloßtors im Südflügel präsentiert,159 und durch seine Funktion als Träger eines hochpolitischen wie religiösen fürstlichem Bildprogramms erweist sich der Dresdner Hausmannsturm letztlich als ebenbürtiges Pendant zum Torgauer Großen Wendelstein (Abb. 45). Zwar fehlen ihm die ikonographisch bedeutsame Treppe und die abschließende Turmstube, doch verkörpert er dafür den authentischen, auch für das Rechts- und Dynastieverständnis der Zeit wesentlichen Kernbau des mittelalterlichen Dresdner Schlosses.160 Wenn seinem altehr-

157 Siehe hierzu Dies., 1995, S. 47. 158 D. Großmann, 1990, S. 131. 159 Vom südlichen Schloßtor her gesehen, das bis zu seinem Abriß 1682/83 und dem Neubau des südöstlichen Treppenturms (zur Baugeschichte siehe B. Werner, 1970) noch das spätgotische Torhaus verkörperte, bildeten Hausmannsturm und Loggia zugleich den markantesten Blickpunkt für die Besucher des Schlosses. Es wäre daher zu überlegen, ob nicht der mittelalterliche Hausmannsturm mit dem modernen Loggienvorbau sowie das südliche, ebenfalls mittelalterliche Schloßtor beim Umbau des Residenzschlosses unter Kurfürst Moritz als bewußte Eingangsachse gestaltet wurden, ähnlich wie bei französischen Schlössern wie Blois, Fontainebleau, Verger oder auch beim Palais de Jacques Coeur in Bourges aus der Mitte des 15. Jh.s. Letztlich gilt diese Überlegung auch schon für den Zustand des Dresdner Schlosses von 1470/80, bei dem die Achse aus Torturm und turmartigen Vorbau mit Freitreppe und Altan bereits ausgeprägt war. 160 Eine mit Dresden vergleichbare Situation besitzt das Aschaffenburger Schloß (1604–1614). Dieses ebenfalls als Vierflügelanlage errichtete und in seiner Zeit außergewöhnlich regelmäßig gebaute Schloß (Abb. 2+10) bewahrt inmitten

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würdigen Mauerwerk nicht nur eine herrschaftliche Loggia, sondern darüber hinaus ein Bildprogramm mit der persönlichen Herrschaftsauffassung des Kurfürsten Moritz von Sachsen vorgeblendet werden, dann erhält er damit ein ikonologisches Gewicht, das jenes des Großen Wendelsteins im Torgauer Schloß sogar noch übertrifft. Nicht ohne Grund wurde in Torgau daher während des Schloßumbaus unter Johann Friedrich dem Großmütigen auch der alte Hausmannsturm, der nicht weit entfernt im Winkel zwischen Neuem und Altem Saalbau steht (Abb. 15), in das vom Großen Wendelstein dominierte ikonographische Programm einbezogen. Der Zusammenhang wird dabei bemerkenswerterweise durch eine mit Bildnissen der sächsischen Kurfürstenfamilie geschmückte Loggia hergestellt (Abb. 52+55), die dem Hausmannsturm vorgeblendet und durch einen Laufgang mit dem Wendelstein verbunden wurde.161 Die Schauarchitektur des Dresdner Hausmannsturms findet ihre Ergänzung im Dekorationsprogramm der Treppentürme. Ursprünglich standen nur in drei Hofwinkeln der vierflügeligen Schloßanlage Treppentürme, da der südöstliche Winkel bis 1683 vom spätmittelalterlichen Torbau eingenommen wurde. Durch ihr aufwendiges, Architektur, Skulptur und Sgraffito integrierendes Dekorationssystem im Stil

seines Nordflügels den mittelalterlichen Wohnturm der Vorgängeranlage. Gegenüber, im Südflügel, befindet sich das Schloßtor, von dem aus der Blick beim Eintritt in den Schloßhof unmittelbar auf den alten Wohnturm fällt. Doch nicht nur die Achsenbildung und die topographische Situation sind mit Dresden vergleichbar (auch in Dresden sitzt der Hausmannsturm im Nordflügel und das Schloßtor im Süden), auch die Schloßkapelle folgt mit ihrer Einbettung in den westlichen Teil des Nordflügels, unmittelbar angrenzend an den Wohnturm, dem in Dresden vorgeprägten Muster. Inwiefern der Bauherr des Aschaffenburger Schlosses, das Mainzer Erzstift und sein Bischof Johann Schweikard von Kronberg, sowie der Architekt, Georg Ridinger, sich bewußt an dem wichtigsten Residenzschloß des sächsischen Kurfürsten orientiert haben, ist quellenkundlich nicht zu eruieren. Allerdings erscheint es nicht ausgeschlossen, daß mit dem Neubau der Aschaffenburger Residenz des Mainzer Erzbischofs neben der Rezeption imperialer Kastellarchitektur nach dem Vorbild der Wiener Hofburg (siehe hierzu M. Müller, 2000b, S. 326 f.) auch das Dresdner Schloß Beachtung fand: Dieses Schloß, daß als Vierflügelanlage mit turmartigen Eckbauten gleichfalls dem Typus des Kastellschlosses verpflichtet ist, verkörperte die Hauptresidenz des wichtigsten protestantischen Kurfürsten und damit ein Bauwerk, dessen Anspruchsniveau es im Reich zu übertrumphen galt. Allein durch die Ausmaße und die mit mathematischer Strenge konzipierten vier Flügel von gleichem Maß und Aufriß ist dies mit dem Aschaffenburger Residenzschloß des Mainzer Erzbischofs auch gelungen. 161 Siehe auch Anm. 151.

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der italienischen Renaissance und durch die zur Anschauung gebrachten ikonographischen Themen werden der nordöstliche (Abb. 56) und der nordwestliche (Abb. 57) Treppenturm, die zum einen den Saalbauund zum anderen den Kapellentrakt erschließen, besonders ausgezeichnet. Beide Treppentürme befinden sich zudem am Nordflügel und flankieren somit gleichsam den zentral angeordneten Hausmannsturm. Von Interesse ist die bildplastische Ausgestaltung mit figürlichen Reliefs an den Pilastern, Kapitellen und Friesen, die jedoch bei den Erneuerungs- und Umbaumaßnahmen zwischen 1883–1888 größtenteils überarbeitet oder sogar ersetzt wurden.162 Dennoch vermögen sie uns einen anschaulichen Eindruck von dem Bemühen des Bauherren, Moritz von Sachsen, zu geben, neben dem monumentalen Hausmannsturm auch die Treppentürme zu Trägern eines herrschaftlichen Bildprogramms werden zu lassen und im Bereich der Hauptzugänge in das Schloß die seit alters her überlieferte Fürstenethik ins Bild zu setzen. In dieser Hinsicht verdient der nordöstliche Treppenturm besondere Aufmerksamkeit, da an ihm mit den Figuren von Samson und Herkules, Adam und Eva sowie Kain und Abel auf zentrale Aspekte der fürstlichen Tugendlehre und christlichen Heilsgeschichte verwiesen wird, aus der das fürstliche Handeln seine Maßstäbe herleiten sollte.163 Das in den Zwickeln der Arkaden angebrachte sächsische Wappen erweist sich hier neben seiner Funktion als heraldisches Zeichen auch als Besiegelung der in den Bildreliefs zum Ausdruck gebrachten religiös-ethischen Verpflichtung des sächsischen Kurfürstenhauses. Falls die Bildnismedaillons auf den Postamenten der Pilaster Fürstenporträts zeigen, wie sie auch die Postamente der Kolossalpilaster des nordwestlichen

162 C. Gurlitt, 1900/1901, S. 360. 163 Die mittlere Arkade des Erdgeschosses stützen Samson mit dem Eselskinnbakken und Herkules mit der Keule als Trägerfiguren; in den Zwickeln des dahinter befindlichen Portals sitzen die Figuren von Adam und Eva, die im übrigen ein weiteres Mal in der Ornamentfüllung des linken Pfeilers mit dem Baum der Erkenntnis abgebildet sind. Am linken Pfeiler finden wir – eingebettet in das vegetabile Dekorum – Kain und Abel dargestellt. Die rechte Arkade schließlich wird von den Figuren eines wilden Mannes und einer wilden Frau, die linke Arkade von zwei Kriegern gestützt. Bemerkenswerte Schöpfungen stellen die Kapitelle dar: sie bilden Füllhörner, denen nackte Kinder entsteigen. Auf den Pilastern ruht ein kräftiges, sich verkröpfendes Gebälk, an dessen Stirnseite sich ein figurenreicher Fries mit einer Schlachtendarstellung entlangzieht; Waffen, Helmzier und die nackten Körper der Krieger rezipieren unverkennbar antike Bildvorlagen. So vermutete bereits Brunhild Werner, 1970, S. 240, daß die Szenerie die Schlacht von Alexander gegen Darius zum Thema haben könnte.

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Treppenturms tragen,164 wäre hierdurch ein weiterer persönlicher Bezug des Gesamtprogramms auf das sächsische Kurfürstenhaus gegeben.165 Das geschilderte Bildprogramm ist einer Treppenturmarchitektur eingeschrieben, die zwar mit italienischem Renaissancedekorum ausstaffiert wurde, sich in ihrer Struktur jedoch unverkennbar an französischen Vorbildern ausrichtet. Ein Vergleich mit den nur wenige Jahre älteren Treppentürmen in den Innenhöfen von Schloß Chambord (Abb. 58) belegt, daß Moritz von Sachsen und seine Baumeister, Caspar Vogt von Wierandt und Bastian Kramer, die entsprechende architektonische Lösung im damals symbolträchtigsten Schloß Frankreichs sehr gut kannten.166 Hier wie dort bestehen die kreisförmigen Treppentürme aus einem sockelartigen, mit Pilastern bzw. Halbsäulen besetzten Unterbau, einem darüber aufragenden hohen Turmschaft aus Bogenstellungen, hinter denen sich der Treppenlauf nach oben windet, und einem abschließenden Turmaufsatz mit Kuppel und Laterne. Der wesentliche Unterschied zwischen den Treppentürmen von Chambord und Dresden besteht darin, daß in Dresden die Bogenstellungen des Turmschaftes mit dünnem Mauerwerk verschlossen wurden, dessen schräg eingeschnittenen, spiralförmig ansteigenden Fenster den in Chambord offen sichtbaren Treppenlauf allerdings trotzdem erkennbar werden lassen. Die Rezeption der in Chambord vorgeprägten Treppentürme im Dresdner Schloß erscheint schon deshalb bemerkenswert, da 164 Brunhild Werner schlägt eine Identifizierung der Porträts mit Kurfürst Moritz und seiner Frau Agnes vor (B. Werner, 1970, S. 130). Der nordwestliche Treppenturm unterscheidet sich in seinem Aufbau und dem Dekorationssystem nur im Detail von seinem nordöstlichen Pendant. Wesentliche Unterschiede sind die Ausbildung der Trägerfiguren als Hermen und der Voluten der Pilasterkapitelle als Panfiguren; der gleichfalls vorhandene Schlachtenfries wurde dagegen mit Szenen aus dem Trojanischen Krieg bestückt. C. Gurlitt, 1900/1901, S. 360, nennt als Einzelbilder den Kampf an den Schiffen (rechts), eine weitere Kampfszene (in der Mitte) und die Erstürmung Trojas mit der Flucht des Aeneas (links). 165 Der dritte, südwestliche Treppenturm im Innenhof des Schlosses besitzt gegenüber den beiden nördlichen Türmen ein deutlich sparsameres Dekorum. Er muß nicht nur mit einer einfachen Gliederung aus Pilastern und Gesimsen, die mit dem Treppenlauf ansteigen, auskommen, sondern verfügt auch über keinen reichen bildplastischen Schmuck. Von Interesse sind dafür die Kapitelle im Erdgeschoß, die mit den Bildnissen eines bärtigen Mannes mit Maßstab und Zirkel und eines Mannes mit Winkel und Klöppel versehen waren. In den Augen von Cornelius Gurlitt waren es Baumeisterbildnisse, die Caspar Vogt von Wierandt und Bastian Kramer abbildeten (C. Gurlitt, 1900/1901, S. 361 f.). 166 Zur Vergleichbarkeit der Treppentürme siehe auch B. Werner, 1970, S. 184 ff.

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seine Architektur ansonsten keine Anleihen an der französischen Schloßbaukunst nimmt. Zudem ergeben sich nicht unwesentliche Bezüge zur Architektur des Torgauer Großen Wendelsteins, dessen Turmschaft ebenfalls aus hohen Bogenstellungen besteht, die in ihrer offenen Bauweise und der dahinter gut sichtbaren Treppe ebenfalls die Kenntnis der Treppentürme von Chambord voraussetzen.167 So finden sich auch in dem ansonsten so andersartigen Dresdner Schloß noch Reminiszenzen an die vielbeachtete Bau- und Repräsentationskunst der abgesetzten sächsischen Kurfürsten aus ernestinischem Haus. Der Bruch mit dem zuletzt in Torgau zur Anschauung gebrachten Architekturkonzept der Ernestiner ist zwar vollzogen, doch wurden dabei nicht alle Traditionsstränge gekappt. Bestimmte, seit dem Neubau des Meißener Stammschlosses sich etablierende baukünstlerische Prinzipien und Formen besaßen unverändert ihre Prägekraft und wurden auch in das neue Grundschema des vierflügeligen Kastellschlosses integriert. Waren es in Dresden vor allem der zentral angeordnete, zu einem Ort höchster politischer und dynastischer Repräsentation gestaltete Turm, die an Chambord und Torgau geschulten Ecktreppentürme und auch die nach Torgauer Vorbild konzipierte Schloßkapelle, so wird bei der 1568 gleichfalls über kastellförmigem Grundriß begonnenen Augustusburg schließlich auch wieder im äußeren Gesamtbild an die ›französische Linie‹ innerhalb des wettinischen Schloßbaus angeknüpft. Schloß Augustusburg und seiner auffallend ›synthetisierenden‹ Architektur soll als nächstes unser Augenmerk gelten.

3.5 Schloß Augustusburg als Synthese Der mit dem Ausbau des Dresdner Stadtschlosses vollzogene architektonische Paradigmenwechsel entwickelte sich keineswegs zu einem Konzept, das die älteren Bautraditionen der Wettiner auch künftig weitestgehend zu ignorieren versuchte. Vielmehr scheint es, als habe bereits der Nachfolger von Moritz von Sachsen im Kurfürstenamt, August I., versucht, eine Brücke zu schlagen zwischen dem ästhetischen, an Frankreich ausgerichteten Konzept im Residenzenbau vor der entehrenden Degradierung der Ernestiner 1547 und danach, als die Alber-

167 Siehe hierzu auch Kap. 5.1.4.

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tiner die Kurwürde erhielten und sich von Amts wegen stärker gegenüber dem Kaiser verpflichteten. Das wichtigste Zeugnis für dieses synthetisierende Denken, bei dem zwei Architekturstränge in ihren unterschiedlichen baukünstlerischen wie inhaltlichen Eigenheiten zusammengeführt wurden, stellt Schloß Augustusburg bei Chemnitz dar (Abb. 3+4). Dieses Schloß, das als Höhepunkt der symbolträchtigen wettinischen Hofbaukunst im Reformationszeitalter gelten darf und in seiner Funktion zwischen festungsartigem Erinnerungsmal, Residenz und Jagdschloß oszilliert, möchte ich an den Schluß meiner Überlegungen zur Herausbildung einer spezifisch ›wettinischen‹ Residenzarchitektur unter den ernestinischen Wettinern und ihrer Neugestaltung unter den Albertinern stellen. Die Augustusburg wurde zwischen 1568 und 1573 als Zeichen des »ewigen Gedächtniss des gemachten Friedens«168 nach der Niederschlagung der »Grumbachschen Händel« und der Schleifung des Gothaer »Grimmensteins«, der zwischenzeitlichen Residenz der ernestinischen Wettiner, errichtet.169 Somit war der Nachfolgebau der alten Burg auf dem Schellenberg weitaus mehr als ein besonders repräsentatives Jagdschloß: Sie war in erster Linie ein Siegesmal für Kurfürst August I. gegenüber Wilhelm von Grumbach, dem Vertreter des rebellierenden Landadels, und gegenüber seinem seit 1547 degradierten und daher die Aufrührer unterstützenden ernestinischen Verwandten Herzog Johann Friedrich; darüber hinaus war sie ein Mahnmal an alle, die den soeben erreichten Landfrieden zu stören bereit waren170. Vor diesem hier nur angedeuteten historischen Hintergrund muß die architektonische Gestalt von Schloß Augustusburg aufmerksames Interesse finden, ist es doch selten genug, daß ein Bauherr sich in der schriftlichen Überlieferung derart dezidiert zum politischen Anlaß eines Schloßneubaus äußert.171 Einen wesentlichen Aspekt hinsichtlich der ikonologischen Aussagekraft des Bauwerks konnte bereits Ulrich Schütte aufzeigen: Er lenkte das Augenmerk auf die wehrtechnischen Aspekte und befragte auffällige Details wie die kastellartige Grundrißform (Abb. 21), das schmuck168 Der vollständige Text der Urkunde zur Grundsteinlegung ist abgedruckt bei J. G. Harnisch, 1860, S. 45 f., sowie in KDM Flöha, 1886, S. 10 f. 169 Zur Planungsgeschichte des ungewöhnlichen Bauwerks, die offensichtlich stark von den Wünschen seines Bauherrn, Kurfürst August I., bestimmt wurde, siehe zuletzt St. Hoppe, S. 293 ff. u. S. 358 ff. 170 Zum »Grumbachschen Händel« siehe V. Press, 1977. 171 Zum Briefwechsel zwischen dem Kurfürsten und seinem Architekten, Hieronymus Lotter, siehe L. Unbehaun, 1989, S. 113–139.

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lose, geböschte Mauerwerk (Abb. 9) oder die vorspringende Schloßkapelle (Abb. 3+4) auf ihren militärischen wie zeichenhaften Nutzen172. Schüttes Überlegungen aufgreifend, könnten besonders die drei gestaltprägenden Grundelemente – Grundriß, Kapelle und Turmhäuser – weiteren Aufschluß über die Art und Weise geben, wie Kurfürst August sein ›Gedächtnismal‹ verstanden wissen wollte. Denn neben dem von Schütte genannten Bezugspunkt Wien gehört auch Frankreich wieder zum kulturell wie politisch bedeutsamen Gestaltungsanreger. Sehr gut läßt sich dies an der Außengestaltung der Turmhäuser demonstrieren: Nehmen wir die ursprünglich beabsichtigte, in reduzierter Form nur ausgeführte und seit 1800 fast ganz verschwundene Dachgestaltung hinzu (siehe Modell auf Abb. 4 sowie die Zeichnung Wilhelm Dilichs auf Abb. 3), so präsentieren sich die vier Ecktürme der Augustusburg im Stil französischer Turm- oder Pavillonarchitekturen der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts173. Da bei diesem Vergleich das gestalterische Grundprinzip von Bedeutung ist, können wir Unterschiede in der Grundrißform außer acht lassen und in die Betrachtung französischer Turmbauten sowohl Türme mit kubischer als auch runder Grundrißform einbeziehen. Auch bei den französischen Beispielen (z. B. Gaillon, Chemazé, Ecouen [Abb. 59], Valençay [Abb. 153], Chambord [Abb. 60]) sitzt auf dem mehr oder weniger geschlossenen turmartigen Unterbau eine mit Kaminen und Gauben reich durchgliederte Dachzone, die zudem ein schweres Gesims bzw. ein Umgang massiv gegenüber dem Unterbau abriegelt. Es handelt sich hierbei um einen für den französischen Schloßbau charakteristischen Dualismus aus fortifikatorischen und heiter-verspielten Bereichen, dessen Tradition bis in die Zeit Karls V. zurückreicht. Das Kastellartige, Wehrhafte des Turmmauerwerks wird bei der Augustusburg durch die fast vollständige Schmucklosigkeit allerdings noch stärker betont.

172 Konstitutiv für den äußeren Charakter als ›Siegeszeichen‹ sind für Schütte hierbei in erster Linie die Rezeptionen aus der Festungsarchitektur (Mauerböschung, Türme), die auffällige Positionierung der Kapelle (als Zeichen für den christlichen Landesherrn) und der kastellartige Grundriß, dessen mathematisch präzise Ausgestaltung nicht nur innerhalb der sächsischen Schloßbaukunst singulär erscheint (siehe U. Schütte, 1994, S. 70 ff.). 173 Interessanterweise wurde Schloß Augustusburg im 18. Jahrhundert von französischen Gelehrten mit einer Aufmerksamkeit bedacht, die ansonsten in Frankreich gegenüber deutschen Schloßbauten nicht üblich war. So erwähnt Thomas Corneille in seinem Dictionaire das »Chateau d’Augustusburg« und beschreibt dessen architektonische Schönheit (siehe P. Heinicke, 1920, S. 10; E. von Schütz, 1770, S. 10).

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Doch auch in ihrem Inneren sind die Türme der Augustusburg von einem ›französischen‹ Gestaltungskonzept angeregt. Das ist durchaus erstaunlich. Denn wie die früheren Beispiele Meißen, Wittenberg und Torgau gezeigt haben, ist diese Konsequenz nicht selbstverständlich. Stephan Hoppe, dem wir auch in diesem Fall wieder die exakte Rekonstruktion der Raumstruktur verdanken, mußte feststellen, daß das ansonsten im mitteldeutschen Reichsgebiet übliche Raumprogramm nur unter Schwierigkeiten und Kompromissen in den vorgegebenen Grundriß- und Raumzuschnitt einzupassen gewesen war174. Und Hans-Joachim Krause konstatierte: »Ein festes inhaltliches Programm für die Verteilung der Räume, das auch auf die Baustruktur im Detail Einfluß gehabt hätte, scheint es nicht von vorneherein gegeben zu haben«175, ein Umstand, der durch den Briefwechsel des Kurfürsten mit seinem Architekten Lotter nachgewiesen werden kann176. Das, was auf den ersten Blick wie der problematische Versuch aussieht, eine traditionelle Raumfolge in eine außergewöhnliche Grundform zu ›pressen‹, gibt sich bei genauerem Hinsehen als gelungener Kompromiß zu erkennen, ein bestimmtes, durchaus eigenwilliges Vorbild für das französische Appartementsystem mit den einheimischen Anforderungen zu verbinden177. Denn die Grundgestalt der Türme ist nach meinem Dafürhalten nicht einfach nur die Umsetzung eines allgemeinen künstlerischen, »architektonisch-geometrischen Idealbildes«178, sondern die modifizierende Rezeption des quadratischen Kernbaus von Schloß Chambord (Abb. 61). Auch dort finden wir die für Frankreich an sich untypische Einrichtung von jeweils kompletten Appartements in den Eckhäusern, deren Eigenständigkeit nicht nur im Grundriß sondern auch am Außenbau durch getrennte Dächer zum Ausdruck kommt (Abb. 62). Die auf jeder Etage eines Eckhauses vorhandene Raumanordnung entspricht interessanterweise recht genau

174 St. Hoppe, 1996, S. 359 ff. 175 H.-J. Krause, 1972, S. 19. 176 Brief Hieronymus Lotters an Kurfürst August I., Leipzig den 16. 10. 1567 (SächsHStA Dresden, Loc. 4450, fol. 3r-5r). 177 Mit dieser Beobachtung möchte ich auch anregen, Steffen Delangs Verdikt über den sächsischen Schloßbau unter Kurfürst August I. in seiner Grundsätzlichkeit noch einmal zu überdenken: »Durch die Beschränkung auf oft nur durchschnittliche ästhetische und funktionale Ansprüche und das Fehlen einer Orientierung an der Spitze der Architekturentwicklung in Europa büßte die sächsische Schloßbaukunst ihre führende Rolle im Reich ein« (St. Delang, 1987, S. 21). 178 H.-J. Krause, 1972, S. 19.

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dem vollständigen Raumprogramm eines französischen Manoirs! Nehmen wir am modular aufgebauten Zentralbau von Chambord, dem sog. Donjon, gedanklich die vier runden Ecktürme fort und isolieren auf diese Weise den quadratischen Kernbau von Chambord, dann stehen wir im übrigen vor einem ganz ähnlichen Grundrißgebilde wie bei der Augustusburg. Der folgende Gedankengang muß natürlich hypothetisch bleiben, doch wäre zu überlegen, ob Kurfürst August bei der wohl auf ihn zurückgehenden Grundkonzeption der Augustusburg179 einerseits den Typus der kaiserlichen Kastellburg (in jener Zeit prominent vertreten durch die Wiener Hofburg [Abb. 51] und Schloß Wiener Neustadt, bei denen die Flankentürme allerdings nach außen vorspringen) und andererseits das einzigartige Jagdschloß Franz’ I., Chambord, vergegenwärtigt sehen wollte. Und ebenso wie der französische König mit Chambord sein politisches und religiöses Bekenntnis in Stein umsetzte und sich als neuer König Salomo mit Anspruch auf die Kaiserkrone präsentierte180, so dürfte auch der sächsische Kurfürst versucht haben, im Erscheinungsbild der Augustusburg sein politisches und religiöses Manifest zu visualisieren: auf der einen Seite den Status als Erzmarschall des Reiches in den Ländern sächsischen Rechts und Befehlshaber des Reichsexekutionsheeres gegen die mitteldeutsche Adelsopposition, auf der anderen Seite den Anspruch, rechtmäßiger Nachfolger der Ernestiner als Bewahrer des protestantischen Erbes und Führungsmacht unter den evangelischen Landesterritorien zu sein. Dies gelang Moritz von Sachsen durch die geschickte und in dieser Form einzigartige Verbindung von zwei in ihren jeweiligen Reichen symbolträchtigen Schloßbaukonzepten, in denen zugleich die alte, in Meißen begründete Bautradition der ernestinischen Wettiner mit ihrem unverkennbar französischem Akzent und die neue, im Dresdner Stadtschloß begründete Bautradition der Albertiner mit ihrer kaiserlich-imperialen Note zu einer Synthese fanden. Das Zentrum des Ganzen bildet aber die Schloßkapelle: Aus der Mauerflucht herausgeschoben (Abb. 3+4), vermittelt ihr an der Torgauer Schloßkapelle orientiertes Erscheinungsbild nicht nur das Regiment eines »Christ-

179 Auch L. Unbehaun, 1989, S. 114, und St. Hoppe, 1996, S. 361, ziehen den Kurfürsten als Hauptverantwortlichen für das architektonische Grundkonzept in Erwägung. 180 Siehe hierzu W. Prinz / R. G. Kecks, 1994, S. 390; siehe auch M. Müller, 1998, S. 139 ff.

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lichen vnd Löblichen Chur vnd Landesfürsten«181 sondern in besonderer Weise die protestantische Rechtgläubigkeit der albertinischen Wettiner und ihr landeskirchliches Regiment. Denn als August von Sachsen bei der Belagerung der Gothaer Festung Grimmenstein den Entschluß zur Errichtung von Schloß Augustusburg faßte, geschah dies zwar aus dem Siegeswillen heraus gegenüber seinem Verwandten aus der ernestinischen Linie, Johann Friedrich II. Doch dahinter steckte offensichtlich auch der Wunsch, ein für allemal das Stigma des Usurpators zu überwinden, dessen Dynastie erst durch den Pakt mit Karl V. und die Schlacht bei Mühlberg 1547 die Kurwürde erlangte und zu einem entschiedenen Anhänger des Protestantismus und seines Landeskirchentums geworden war. Vielsagend heißt es über August I. von Sachsen in den Versen unterhalb des Cranachschen Altarbildes in der Augustusburger Schloßkapelle: »Acer et iniusti vindex dignusque vocari / Dextra Regis, Regni firma columna sacri / Artibus excellit Facis fouet arte fideque, / Sincerum verae Relligionis opus«.182 Der Balanceakt Augusts I. zwischen den Interessen der Reichspolitik und denjenigen des protestantischen sächsischen Landesfürstentums hätte nicht besser in entsprechende Worte gefaßt werden können. Und es konnte kein eindrucksvolleres architektonisches Bild geben, den Anspruch des sächsischen Kurfürsten als eines »Reiches Stützer« und »Beschützer der Religion« zu visualisieren, als die Gestalt von Schloß Augustusburg.

3.6 Die Reflexion des wettinischen »Anspruchsniveaus« in benachbarten Territorialherrschaften 3.6.1 Das Kurfürstentum Brandenburg Die rezeptive Auseinandersetzung mit der vom sächsischen Kurfürstenhaus betriebenen Baupolitik wurde erwartungsgemäß in erster Linie auf der Ebene der protestantischen Länder und hier wieder in 181 Titulierung Augusts von Sachsen durch den Hofprediger Philipp Wagner in seiner Einweihungspredigt der Augustusburger Schloßkapelle (Ph. Wagner, 1572, fol. B4b.). 182 Zit. nach J. G. Harnisch, 1860, S. 60; die barocke Übersetzung von Julius Ernst Schütz in seiner Chronik von Augustusburg und Schellenberg aus dem Jahr 1770 lautet: »Er [Kurfürst August I., Anm. M.M.] ist ein gerechter Rächer dessen, was man Unrecht nennt, / Eines Königs rechte Hand und des Röm. Reiches Stützer, / Heißt ihn vor die Friedenskünste, so er wohl studiret, kennt, / Hier hat die Religion einen Gönner und Beschützer« (zit. nach ebd., S. 60).

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den mitteldeutschen Territorien geführt. Nicht zufällig ist der sächsische Baumeister Konrad Krebs nach der Vollendung des Torgauer Neuen Saalbaus (Abb. 15–17) für den Hof des brandenburgischen Kurfürsten Joachims II. tätig, wo er nach dem Torgauer Vorbild für das Berliner Schloß einen neuen Saalbau mit offenem Treppenturm, bildnisgeschmücktem Laufgang,183 hohen Zwerchhausgiebeln und runden Eckerkern entwirft (Abb. 7+8).184 Daß dieser ab 1538 errichtete sog. Joachimsbau des Berliner Schlosses nicht zu einer Kopie des Torgauer Vorbildes wurde, verdankt er markanten Abweichungen in seiner Fassaden- und Dachgestaltung. Hierzu gehören vor allem an der Hoffassade der abgeänderte, giebellose Abschluß des Großen Wendelsteins, an der Fassade zur Stechbahn geöffnete Eckerker und eine turmartige Loggia statt eines Turmbaus und schließlich auf dem Dach alternierende hohe und niedrige Zwerchhäuser. Die von Torgau übernommenen jedoch abgeänderten Elemente unterstreichen einerseits mit der notwendigen Deutlichkeit, daß Joachim II. zwar den Anschluß an das repräsentative (und das heißt auch: metaphorische) Niveau der Baukunst seines sächsischen Verbündeten suchte, dabei jedoch auch im Ästhetischen nicht zu dessen Vasallen werden wollte.185 Und andererseits lassen sich manche Abänderungen des Torgauer Konzepts auch einfach funktional begründen: So fehlt an der zur Stechbahn ausgerichteten Fassade des Joachimsbau (Abb. 8) ein mächtiger Turmanbau mit Archiv und Stammstube vermutlich in erster Linie deshalb, da der hier vorhandene Turnierplatz eine repräsentative Loggia für die herrschaftlichen Zuschauer viel sinnvoller erscheinen läßt, als die Errichtung eines symbolträchtigen Turms. Einen solchen Turm besaß das Berliner Stadtschloß, durchaus in der aus Torgau bekannten Funktion, bereits an anderer, nicht weit entfernter Stelle: Im Zentrum des spreeseitigen Schloßflügels (Abb. 63) standen bis zu ihrer Sprengung eng beieinander zwei Türme, der sog.

183 Im zweiten Obergeschoß lief vor den Fenstern ein Laufgang entlang, der – ähnlich wie in Torgau – mit fürstlichen Bildnissen geschmückt war. Neben den brandenburgischen Kurfürsten erschienen auch die sächsischen Kurfürsten in Porträtmedaillons. Das Konterfei von Moritz von Sachsen saß – seinem Rang als Reichserzmarschall entsprechend – unmittelbar neben demjenigen des Kaisers (L. Wiesinger, 1989, S. 41). 184 Die Ausführung oblag vorwiegend dem in Torgau ausgebildeten Kaspar Theiss (L. Wiesinger, 1989, S. 43). 185 Dies hätte auch kaum zu Joachims II. territorial- und reichspolitischen Ambitionen gepaßt; siehe hierzu W. Neugebauer, 1996, S. 85 ff., 95 f. mit weiterer Literatur S. 234 f.

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»Grüne Hut«, ein mittelalterlicher, ursprünglich zur Stadtmauer von Cölln-Berlin gehörender Wehrturm,186 der den Kern des unter Friedrich II. Eisenzahn begründeten Stadtschlosses bildete, und der ebenfalls unter Friedrich II. erbaute Kapellenturm. Beide Türme besaßen bis ins 18. Jahrhundert hinein hohen Zeichenwert, diente doch der »Grüne Hut« u. a. als Ort für das Archiv187 und enthielt der Kapellenturm neben der Schloßkapelle, in der die verstorbenen Mitglieder des Hauses Hohenzollern-Brandenburg zur Fürbitte und zum Gedächtnis aufgebahrt wurden,188 auch noch nach 1650 vermutlich das kurfürstliche Appartement mit der »Cammer«.189 Daher darf man den Spreeflügel des Berliner Schlosses als das eigentliche Herzstück der Residenz der Hohenzollern in Brandenburg und des späteren preußischen Königshauses betrachten. Er verlor zwar spätestens nach den Umbauten Schlüters und Eosanders zur monumentalen Königsresidenz an äußerer Pracht, doch gewann er dafür mehr denn je an bildmächtiger Individualität: In diesem spreeseitigen, von den beiden Türmen, der vorspringenden Kapelle und dem Herzoginhaus vielgestaltig geformten Flügel besaß das Berliner Stadtschloß sein individuelles, unverwechselbares und vor allem beständiges Gesicht,190 in dessen jahrhundertealten Zügen auch die Tradition und Altehrwürdigkeit der Berliner Residenz und des Hohenzollernhauses ablesbar waren. Dieser Aspekt, der in seiner Grundsätzlichkeit in den Kapiteln zum Erhalt von Altbausubstanz in umgebauten Schlössern noch weiter ausgeführt wird,191 verdient bei den brandenburgischen Hohenzollern besondere Beachtung. Da das Haus Hohenzollern in der Mark Brandenburg erst im 15. Jahrhundert und damit recht spät ansässig wurde, fehlten ihm die Grundlagen zur Präsentation einer weit zurückreichenden Tradition im brandenburgischen Territorium. Der Nachweis von Dignität im Medium der Architektur – und hierzu gehörte am Berliner Schloß auch bis zuletzt

186 A. Geyer, 1936, S. 11 ff.; siehe auch G. Peschken / H.-W. Klünner, 1982, S. 17 sowie L. Wiesinger, 1989, S. 8 f. 187 Zu dieser seit dem späten 15. Jahrhundert nachweisbaren Funktion siehe K.-H. Ahrens, 1990, S. 152. 188 L. Wiesinger, 1989, S. 46 ff. 189 A. Geyer, 1936, S. 27, 32; G. Peschken / H.-W. Klünner, 1982, S. 24 ff. (ebd., S. 45 f., ist für die Zeit des Großen Kurfürsten, bevor er 1679/80 »neue Privatzimmer« bezog, von »vermutlich ein oder zwei private[n] Räume[n] im Turm Kurfürst Friedrichs II.« die Rede). 190 Auf die besondere Ästhetik dieser Bautengruppe im Sinne eines ›mittelalterlichen‹ Fassadenbildes wies bereits U. Schütte, 1994, S. 125 f. sowie S. 273, hin. 191 Siehe Kap. 5.1.1 und 5.6.

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die Bewahrung der Hauptstruktur des Flügels zur Stechbahn sowie der Erhalt des alten, mehrfach umgebauten Münzturms aus der Zeit Kurfürst Friedrichs II. – stellte daher ein unverzichtbares Element in der Repräsentation der Hohenzollern als ehrwürdige Dynastie dar.192 Die Burg Friedrichs II., die ab 1443 zugleich als erste Residenz der Hohenzollern und erstes Stadtschloß in Berlin errichtet worden war und den alten, im 13. Jahrhundert begründeten Residenzbezirk mit dem »Hohen Haus« beim Franziskanerkloster ersetzte,193 wurde erstmals durch Joachim II. ab 1538 um- und ausgebaut. Dabei ließ er den Neubau nach den Aussagen des kurfürstlichen Archivars Johann Cernitz »a primis fundamentis«194 (auf den ersten, d. h. älteren Fundamenten) aufführen, womit bereits ein deutlicher Bezug zwischen dem Alten und Neuen hergestellt werden sollte. Und dieser Bezug des Neuen auf das Alte war nach Ausweis bauarchäologischer Untersuchungen sehr weitreichend. Wie Goerd Peschken aufzeigen konnte, blieb nicht nur im Spreeflügel ein wesentlicher Teil des Schlosses Friedrichs II. Eisenzahn erhalten (vor allem der sog. Grüne Hut mit Archivräumen195 und der Kapellenturm mit der unter Joachim II. umgebauten Erasmuskapelle), sondern darüber hinaus auch im Saalbau Joachims II. ein großer Teil des an gleicher Stelle plazierten, jedoch kürzeren Saalbaus des spätmittelalterlichen Schlosses.196 Die Wahrung der Kontinuität geht beim neuen Saalbau Joachims II. soweit, daß auch die spätmittelalterliche Raumstruktur mitsamt ihrer Erschließung über eine äußere Trep192 Siehe hierzu auch weiter unten Kap. 5.6, S. 243 f., 245. Zur Bedeutung des alten Kurfürstenschlosses für die Erweiterung zum königlichen Residenzschloß siehe M. Müller, 2004. 193 Hierzu G. Peschken / H.-W. Klünner, 1982, S. 12 ff. 194 J. Cernitz, 1612, S. 59. 195 Zu dieser seit dem späten 15. Jahrhundert nachweisbaren Funktion siehe K.-H. Ahrens, 1990, S. 152. Dieser besonders wehrhafte Turm zwischen Kapellenturm und Herzoginnenhaus ist sogar noch älter als das Schloß Friedrichs II. Eisenzahn, da er ursprünglich zum Bestand der Stadtmauer von Cölln-Berlin gehörte (A. Geyer, 1936, S. 11 ff.; siehe auch G. Peschken / H.-W. Klünner, 1982, S. 17 sowie L. Wiesinger, 1989, S. 8 f.). 196 G. Peschken, 1992, S. 28 ff. »Der Flügel stand gewiß auf der Hofwand, höchstwahrscheinlich auch auf der Außenwand des älteren Schlosses. Höchstwahrscheinlich auch wiederholte er in seinem östlichen Drittel den älteren Palas, dessen mittlere Stützenreihe sich im Kellergrundriß [Aufmaß der Keller von 1838/40 in der Plankammer von Sanssouci, Anm. M.M.] noch abzeichnete« (ebd., S. 35). Demgegenüber hatte noch Raoul Nicolas angenommen, der Saal habe sich im Spreeflügel befunden, während das Gelände des späteren Stechbahnflügels Joachims II. mit Wirtschaftsgebäuden bebaut gewesen wäre (R. Nicolas, 1937, S. 62).

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penanlage in der Konzeption von Konrad Krebs grundsätzlich rezipiert wird: Bereits im Schloß Friedrichs II. Eisenzahn lag das kurfürstliche Appartement über dem Saal, allerdings in einem Bauteil – dem Spreeflügel – direkt nebenan.197 Von dort führte über einen außen vor dem Saalbau aufgeführten Treppenturm über quadratischem Fundament eine Treppe hinab in den Saal198 (ob darüber hinaus der Treppenturm auch für den Zugang vom Hof aus diente oder hierfür eine gesonderte, danebenliegende Treppenanlage errichtet worden war,199 entzieht sich genauerer Kenntnis). Konrad Krebs hätte in seinem Erweiterungsbau des alten Saalbaus somit strukturell das zuvor in einem angrenzenden Flügel gelegene fürstliche Appartement in den neuen Saalbau integriert (unter Wahrung der Superposition über dem Saal) und in der repräsentativen, spektakulären Formgebung des an Torgau orientierten Großen Wendelsteins die spätmittelalterliche Treppensituation neu gefaßt.200 Daß die Tradition des Ortes durch die Bewahrung von Teilen des Vorgängerschlosses bewußt gepflegt wurde, belegt der Erhalt sowohl des Stechbahnflügels (Joachimsbau) als auch des Spreeflügels selbst in den Zeiten weitreichendster Umbaupläne. Der Stechbahnflügel wurde durch Schlüter ›lediglich‹ barock überformt201 und später auch verlängert: Schlüters hofseitige Galerie, das Treppenhaus und der stadtseitige Risalit sowie die runden Eckerker befanden sich nach wie vor am Platz ihrer renaissancezeitlichen Vorgänger. Der Spreeflügel wiederum blieb auch in seiner Grundsubstanz unangetastet, so daß seine Kernstücke, der Kapellenturm, der Grüne Hut und das unter Kurfürst Johann Georg Ende des 16. Jahrhunderts für seine Schwester Elisabeth Magdalena erbaute »Herzogin Haus« als materiell erlebbare Bauzeugnisse für 197 Siehe hierzu und zur bemerkenswerten Rekonstruktion als ›Dreiraumappartement‹ (im Sinne des königlichen Appartements französischer Schlösser) G. Peschken, 1992, S. 25 ff. (Beitrag von Hans Juneke). 198 G. Peschken, 1992, S. 29. 199 Dies vermutet G. Peschken, 1992, S. 29. 200 Goerd Peschken hat diesen Gedanken bereits auf anschauliche Weise vorformuliert: »Krebs hat ein Appartement oder, altmodischer, eine Kemenate mit der dazugehörigen Wendeltreppe auf den Saalbau – altmodisch: den Palas – mit seiner Rampentreppe obenaufgesetzt« (ebd., S. 29 f.). 201 Siehe zur Verkleidung des Renaissancemauerwerks mit dem Material der Barockfassade auch die Schilderung des Hofbaurats Albert Schadow von 1857 anläßlich von Instandsetzungsarbeiten am Schloßplatzflügel: »Das größtenteils an alte Kalksteinwände [d.i. das Mauerwerk des Joachimbaus, Anm. M.M.] angeklebte Mauerwerk [d.i. die Verkleidung Schlüters, Anm. M.M.] […] war seit den 150 Jahren sehr in Auflösung begriffen« (zit. nach A. Geyer, 1992, S. 8).

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die Frühzeit der Berliner Residenz in die Neubauten des 17. und 18. Jahrhunderts integriert werden konnten. Selbst die neue Treppenanlage Schlüters im Spreeflügel, die als moderne rechtwinklig über Wendepodeste geführte Treppe den Wendelstein Joachims II. ersetzte, behielt den alten, sachlich nun offenkundig paradoxen Namen »Wendeltreppe« bei!202

3.6.2 Das Fürstentum Anhalt Ein anderes mitteldeutsches protestantisches Fürstentum, daß sich mit der Baupolitik und dem architektonischen Anspruchsniveau der sächsischen Kurfürsten auseinandersetzen mußte und dessen Konfessionspolitik überwiegend unterstützte, war Anhalt. Bereits zwei Jahre vor der Grundsteinlegung zum Neuen Saalbau der Torgauer Residenz begann Fürst Johann 1530 in seiner Dessauer Residenz mit dem Bau eines neuen fürstlichen Hauses, dem sog. Johannbau (Abb. 64).203 Das auf die Grundmauern seines mittelalterlichen Vorgängers gesetzte Bauwerk besitzt in der Disposition des Gebäudekörpers, der Grundform des zentralen Treppenturms und der Anordnung der Zwerchhausgiebel eine Reihe von Gemeinsamkeiten mit dem Torgauer Neuen Saalbau (Abb. 15–17), dessen Bauzeit sich ab 1532 mit der des Dessauer Johannbaus überschneidet. Immer wieder ist mit guten Argumenten darauf hingewiesen worden, daß der in anhaltischen Diensten tätige Architekt, Ludwig Binder, vor allem in der Gestaltung der Zwerchhausgiebel auf dem Dach des Johannbaus auf Vorbilder aus dem Hallenser Raum, nicht zuletzt auf die unter Kardinal Albrecht von Brandenburg veränderte Gestalt der Moritzburg, des Domes (Abb. 65) und der Neuen Residenz in Halle, zurückgegriffen hat. Doch muß festgehalten werden, daß dies nur für die äußere Form der Giebel, d.h. ihre Bekrönung mit Halbkreisbögen, zutrifft. Die großen Zwerchhäuser an sich, als typologische Form, sind ein innovatives Element des wettinischen Residenzenbaus und dort aus den noch französisch anmutenden Lukarnen der Albrechtsburg entwickelt worden. Wichtiger und auf den ersten Blick auch komplizierter für unseren Vergleich ist aber ein anderes Bauteil: der Treppenturm (Abb. 64). Seine Grundform mit altanartigem Podest, zwei geradläufigen Treppen 202 L. Wiesinger, 1989, S. 140. 203 Zur Baugeschichte des Dessauer Schlosses siehe zuletzt L. Meixner, 1993, S. 82–91.

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und konchenartig vortretendem Turmhaus erscheint wie eine verkleinerte und auch vereinfachte Kopie des Großen Wendelsteins in Torgau (Abb. 45). Jedoch stiften zwei am Unterbaus eingelassene Jahreszahlen Verwirrung: So lesen wir über dem Portal des Unterbaus »1530«, auf dem heute nicht mehr in situ erhaltenen Brüstungsgeländer hingegen »1533«. Wie sollen wir das verstehen? Und wie sollen wir den hier gebotenen Datierungsspielraum mit dem für 1533 bezeugten Baubeginn des Torgauer Wendelsteins in Einklang bringen? Ließen wir die akademische Stilgeschichte entscheiden, müßte die Priorität zweifelsfrei dem Dessauer Treppenturm zukommen: Seine in großen Teilen noch spätgotischen Dekorationsformen lassen ihn auf den ersten Blick älter als sein Torgauer Pendant erscheinen. Allerdings sollten wir dem von der Stilgeschichte postulierten Entwicklungsdenken hier nicht allzu viel Vertrauen schenken: Rückgriffe auf gestalterische Traditionen, die für unser modernes Empfinden oftmals rücksichtslos mit zeitgenössischen Formen verbunden wurden, gehörten zum üblichen Bild vormoderner Ästhetik. Selbst am Torgauer Wendelstein sind sie zu finden, sieht sich doch seine nach modernsten italienischen und französischen Mustern im Renaissancestil gestaltete Außenwand im Inneren mit spätgotischen Schlingrippengewölben konfrontiert! Der offene Wettstreit zwischen Dessau und Torgau um den frühesten Treppenturm mit Altan und geradläufigen Treppen an den Seiten kann hier nicht entscheiden werden.204 Doch möchte ich zweierlei zu Bedenken geben: Zum einen ist der zeitliche Abstand – nicht zuletzt wenn wir die Planungsphasen mitberücksichtigen – derart knapp, daß ein grundsätzlicher Gedankenaustausch zwischen dem sächsischen und dem anhaltischen Fürstenhaus und ihren Baumeistern über die beiden neu zu errichtenden Treppentürme durchaus möglich erscheint,205 und zum anderen gab es im fürstlichen Bauwesen eine strenge Hierarchie der dem jeweiligen adligen Stand angemessene Bauform. Und hier offenbaren sich zwischen dem Dessauer und dem Torgauer Wendelstein dann doch so große Differenzen, daß von einer zwar ähnlichen, aber letztlich im entscheidenden Detail doch verschiedenartigen Konzeption gesprochen werden muß.206 Oder anders gesagt: unabhängig von

204 Siehe hierzu auch S. Harksen, 1962. 205 Bereits A. Stange, 1926, S. 68, und A. Geyer, 1936, S. 28, stellten die Überlegung an, ob man den Entwurf für den Dessauer Treppenturm nicht ebenfalls Konrad Krebs zuschreiben sollte. 206 Formale Bedenken gegenüber einer Reklamierung Dessaus als direktes Vorbild für Torgau äußerte auch F. Mielke, 1966, S. 70.

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der zeitlichen Stellung muß der Dessauer Treppenturm als die auf sozusagen ›einfaches‹ fürstliches Niveau herabgestufte Variante bezeichnet werden. Das betrifft nicht nur die schlichtere Gestalt und Konstruktion (ich weise nur auf das geschlossene, wenig dekorierte Turmgehäuse mit der einfacheren Treppenanlage hin), sondern auch den funktionalen Aufbau und die ikonographische Ausstattung. Funktional ergibt sich der wohl größte und bedeutsamste Unterschied durch das Fehlen der für Torgau konstitutiven Turmstube als herrscherlicher Rückzugsort. In Dessau war ein solcher abgeschiedener und doch von außen sichtbarer Raum nicht vorhanden. Bei der ikonographischen Ausstattung ist zunächst bemerkenswert, daß auch der Dessauer Turm die in Torgau beschriebenen Möglichkeiten nutzt, den Turm als Sinnbild dynastischer Altehrwürdigkeit und politischer Stärke zu gestalten: Ähnlich wie in Torgau prangten an den Brüstungen der Treppengeländer des Altans (Abb. 66) und im Gewölbe des darunter liegenden Raumes (Abb. 67) einst die Wappen der Fürsten von Anhalt und der Herzöge von Münsterberg (aus deren Geschlecht die Gemahlin von Fürst Ernst von Anhalt, Margarete von Münsterberg, stammte).207 Doch anders als in Torgau wird das Mittelfeld der Altanbrüstung von einer Inschriftentafel besetzt, auf der als erstes ein Lob auf Kaiser Karl V. ausgesprochen wird, um dann die Erbauer des Turmes mit der Jahresangabe »1533« zu nennen.208 Hinweise auf das protestantische Bekenntnis des regierenden Fürstenhauses – wie es für den Torgauer Turm charakteristisch war – fehlen vollständig. So ergeben sich zwischen dem Dessauer und dem Torgauer Treppenturm Übereinstimmungen nur in der architektonischen Form und in der Nutzung für die fürstliche Heraldik, nicht jedoch hinsichtlich des in Torgau dezidiert protestantischen Bildprogramms. Dabei waren die Anhalter Fürsten in ihrem konfessionellen Bekenntnis eng dem sächsischen Kurfürsten-

207 Südliches Treppengeländer: Beringer, Anhalt, Askanien, Ballenstedt und Münsterberg; nördliches Treppengeländer: Mühlingen, Regalia, Warmsdorf, Waldersee und Bernburg (Wappennamen in Spruchband eingemeißelt). Im unter dem Podest liegenden Raum tragen die vier Gewölbeschlußsteine je ein Wappen: südlich = Münsterberg und Bernburg, nördlich = Anhalt und Askanien. 208 A HIESU CHRISTI NATIVITATE / ANNO 1533 HABENAS IMPER /RII ROMANI CAROLO QVIN / TO PACIFICE AC FELICITER / MODERANTE ILLVSTRISS / PRINCIPES JOHANNES GEORG / IVS ET JOACHIMUS AB ANHALT / FRATRES ERNESTI QVONDAM / PRINCIPIS ET MARGARETE E / PROGENIE DVCVM MVNSTER / BERGENSIVM FILII HANC / TESTVDINVM EXSTRV / ERE FECERVNT. (Neben der Inschrift sitzen links das anhaltische, rechts das Münsterberger Wappen).

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haus verbunden und hatten nach 1547 ebenfalls unter den Folgen des verlorenen Schmalkaldischen Kriegs zu leiden. Die am Dessauer Schloß geübte konfessionelle Zurückhaltung ist wohl in erster Linie als diplomatische Geste gegenüber dem Haus Habsburg zu verstehen, da die Anhalter wegen ihrer vom Kaiser verliehenen Privilegien (u.a. Fürstung und kaiserliches Fahnlehen) stets auf den politischen Ausgleich bedacht sein mußten.209 Nicht ohne Grund wird der Kaiser in der Inschrifttafel genannt und prangt an der Nordseite des Johannbaus (und damit in enger Nachbarschaft zum Treppenturm) ein großes kaiserliches Wappen (Abb. 68) mit der Inschrift »CAROLVS QVINTVS RO / MANOR IMPATOR 1530«. Neben dem Ausweis der Treue gegenüber dem Kaiser ist dieses Wappen aber zugleich auch als Botschaft an die umgebenden kurfürstlichen ›Großmächte‹ zu verstehen, den Status und die territoriale Integrität des anhaltischen Fürstenhauses zu respektieren.210

209 Siehe hierzu W. Freitag, 2003, S. 211 ff. 210 Zur politischen und rechtlichen Bedeutung des kaiserlichen Wappens am Johannbau in Dessau sowie der kaiserlichen Wappen- und Bilddarstellungen in Zerbst und Bernburg siehe W. Freitag, 2003, S. 211 ff.; Ders., 2003a, S. 13 f. Die Anbringung des kaiserlichen Wappens an Bauten des anhaltischen Fürstenhauses ist auch an einem anderen, vom Dessauer Schloß nicht weit entfernten Gebäude zu beobachten: So prangt das Kaiserwappen zusammen mit dem anhaltischen Wappen oben an der Südseite des 1554 neu errichteten Turms der Marienkirche, die zugleich als Schloß- und Begräbniskirche diente, sowie im Inneren am Fürstenstuhl. Einen anderen Akzent setzt Irene Roch, wenn sie darauf hinweist, daß es sich bei der Vergegenwärtigung des Kaisers »um eine Huldigung an ihn handeln [dürfte] in einer Zeit, da der Kaiser sich im Krieg mit Frankreich befand und durch die Osmanen (Türken) bedrängt wurde, während der Schmalkaldische Bund seine Macht und sein Selbstverständnis ausdehnen konnte, die religiösen Kräfte insgesamt in einem gewissen Gleichgewicht standen« (I. Roch, 1995, S. 324). Daß hierbei u. U. auch ›vorauseilender Gehorsam‹ der Anhalter Fürsten mit im Spiel war, legen die Bemühungen Karls V. in jener Zeit nahe, seine Oberhoheit über die Reichsfürsten umfassend zur Geltung zu bringen. Eine Parallele findet das Verhalten der Anhalter 1532 beim sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich: Unmittelbar nach seinem Regierungsantritt 1532 versucht er seine Belehnung nicht zuletzt durch sechzig Bildnisse seiner Vorgänger mit inschriftlichen Hinweisen auf ihre Verdienste für Kaiser und Reich durchzusetzen (zu den in der Cranach-Werkstatt hergestellten Bildnissen siehe C. Dörr, 1993, S. 69). 1538/39 schließlich präsentierten die Anhaltiner Karl V. abermals: Diesmal erscheint der Kaiser in Form einer reliefierten Porträtbüste am WolfgangBau des Bernburger Schlosses, eingebunden in eine Folge von Porträtbüsten wichtiger protestantischer Fürsten (hierzu I. Roch, 1995). Ob der Wunsch nach bzw. die Bitte um kaiserliches Wohlwollen zu diesem Zeitpunkt darüber hinaus

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In diesem Sinne muß wohl auch die Präsentation des kaiserlichen Brustbildnisses am Wolfgangbau, der sog. Leuchte, des Bernburger Schlosses gedeutet werden (Abb. 69). Nur so ergibt sich jedenfalls eine sinnvolle Erklärung für den Umstand, daß der grundsätzlich reformationsfeindliche Karl V. inmitten eines Bildzyklus’ erscheint, der ansonsten von den Porträts der anhaltischen Fürsten und der führenden protestantischen Fürsten im Reich bestimmt wird.211 Bis zu ihrer Verteilung auf beide Erker der Leuchte befanden sich diese Porträts ausschließlich auf dem südlichen, zum Schloßhof ausgerichteten Erker und konnten von hier aus problemlos betrachtet werden. Unter ihnen erblicken wir auch den sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich den Großmütigen, dessen Neuen Saalbau in Torgau wir bereits kennengelernt haben. Die Präsentation dieses schon zu Lebzeiten berühmten Fürsten sollten wir aber nicht allein als Referenz an die bis zur Selbstaufgabe betriebene Unterstützung Johann Friedrichs für das protestantische Landesfürstentum werten, sondern ebenso als Bekenntnis zu dem von Johann Friedrich ermöglichten neuen formalen und ideengeschichtlichen Konzept fürstlicher Schloßbaukunst. Denn als Fürst Wolfgang von Anhalt ab 1538 die sog. Leuchte als neues Fürstenhaus erbauen ließ, folgte er sowohl in Teilen der äußeren Gestaltung als auch der inneren Raumkonzeption dem Aufsehen erregenden Vorbild des Neuen Saalbaus in Torgau. Ursprünglich stand der Wolfgangbau bzw. die sog. Leuchte (Abb. 70) als kompakter, dreigeschossiger Turmbau frei an der Nordseite des Kernschlosses. Hochaufragend präsentierte es sich zum Hof hin mit mächtigen Zwerchhausgiebeln und dem einen, hier in ganzer Höhe sichtbaren Erker, an dem sich auch die erwähnten Fürstenbildnisse befanden. Dieser Erker und auch sein auf der Nordseite gelegenes Pendant sind ohne die Eckerker des Torgauer Saalbaus nicht denkbar. Die unter der Bauleitung von Andreas Günther entwickelte Grundform und der Gedanke, sie zu Trägern eines dynastischen und politisch-religiösen Bildprogramms werden zu lassen, auch noch einen ordnungspolitischen Aspekt besessen haben könnte, ist unwahrscheinlich. Diese Vermutung äußerte Irene Roch. Ihrer Meinung nach schwangen in der Vergegenwärtigung des Reichsoberhauptes durch Schrift und Bild »die Hoffnungen aller […] auf den Kaiser, in dem man eine Art Hoffnungsträger sah, der auch auf religiösem Gebiet Entscheidungen zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung im Reich treffen sollte« (I. Roch, 1995, S. 324). Siehe neuerdings auch I. Roch-Lemmer, 2003. 211 Irene Roch hat hierzu kürzlich in der Festschrift für Heinrich Magirius neue Überlegungen mitgeteilt (I. Roch, 1995); siehe auch I. Roch-Lemmer, 2003; zur Diskussion siehe Kap. 3.6.2, Anm. 210.

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stehen in der wettinischen Bautradition. Doch begnügten sich Fürst Wolfgang und sein planender Architekt, Andreas Günther, nicht mit einer schlichten Übernahme. Denn während die Torgauer Erker dem Neuen Saalbau an den Ecken nur anhängen, werden sie in Bernburg zu Türmen umkonzipiert, die den ganzen Bau umklammern und die den Wolfgangbau wesentlich stärker dominieren, als es die beiden ebenfalls nicht kleinen Torgauer Eckerker am gewaltigen Saalbau (Abb. 16+17) je vermocht hätten. Obwohl sich die beiden turmartigen Erker in Bernburg auch vor der Erweiterung unter Fürst Joachim Ernst (ab 1567) nur an einer Giebelseite befanden, rücken sie das Erscheinungsbild des Wolfgangbaus doch nahe heran an die Typologie des von vier Ecktürmchen umstellten sog. festen Hauses. Soweit es die überlieferten Ansichten erkennen lassen,212 avancierte die von Ecktürmen flankierte Giebelfassade in begrenztem Rahmen zu einer Leitform im anhaltischen Schloßbau: Sowohl das 1541–1545 von Ludwig Binder für Fürst Johann von Anhalt errichtete und erst 1743 abgebrochene fürstliche Haus (sog. Johannbau) im Hof von Schloß Zerbst (Abb. 71),213 als auch das von Fürst Wolfgang vor seinem Wechsel nach Bernburg (1538) und nach seiner Rückkehr nach Zerbst (1564) bewohnte fürstliche Haus (sog. Wolfgangbau) zeigten die von polygonalen (Johannbau) bzw. runden (Wolfgangbau) Ecktürmchen gerahmten Giebelseiten.214 Da eine genaue Datierung des Zerbster Wolfgangbaus nicht möglich ist, muß es offen bleiben, ob Wolfgang von Anhalt u. U. schon vor 1538,215 als der Grundstein zum Bernburger Wolfgangbau gelegt wurde, sein fürstliches Haus in Zerbst mit den charakteristischen Ecktürmchen ausstatten ließ, womit die Bernburger Lösung neben Torgau auch dem Zerbster Vorbild verpflichtet wäre. Falls die Ecktürmchen jedoch erst 1564, nach der Rückkehr Fürst Wolfgangs nach Zerbst, im Zuge eines Umbaus entstanden sind, müß-

212 Vgl. Merian-Stich von 1650 und Stich bei Johann Christoph Beckmann, Historie des Fürstenthums Anhalt, 7. Abt., Zerbst 1710 (Abb. bei H. Dauer, 1999, Abb. 13, S. 34). 213 Zur Baugeschichte und -gestalt des Zerbster Schlosses siehe H. Dauer, 1999, S. 26 ff. 214 Der Wolfgangbau besaß nach Ausweis der erhaltenen Abbildungen (siehe Kap. 3.6.2, Anm. 212) jedoch nur an der stadtseitigen Giebelfassade Ecktürmchen. 215 Horst Dauer, auf den der Zerbster Wolfgangbau »einen älteren vielgestaltigen bescheideneren Eindruck« als der zwischen 1541 und 1545 datierte Zerbster Johannbau macht, erwägt eine Datierung »vor 1538«; H. Dauer, 1999, S. 31 f.

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ten wir umgekehrt eine Rezeption des Bernburger Wolfgangbaus für Zerbst in Erwägung ziehen. Ein wesentlicher Grund für die gegenüber den Torgauer Eckerkern erfolgte Veränderung dürfte in Bernburg das Fehlen eines repräsentativen Wendelsteins gewesen sein,216 dessen Architektur ansonsten einen großen Teil des notwendigen heraldischen und ikonographischen Programms hätte übernehmen können. Doch auf ein solch exklusives und teures Schaustück, wie es der Große Wendelstein in Torgau darstellt, wollte oder mußte Fürst Wolfgang verzichten. Dafür übernahm er vom Torgauer Neuen Saalbau den in Höhe des ersten Obergeschosses außen entlang laufenden Gang und nutzte auch im Inneren seines fürstlichen Hauses wichtige Neuerungen des in Torgau entwickelten Raumprogramms (Abb. 72). So sind die Erker wie in Torgau mit der Tafelstube im Erdgeschoß und den herrschaftlichen Appartements aus Stube und Kammer in den Obergeschossen verbunden und bieten einen vielleicht noch überwältigenderen Ausblick, als wir es bereits für Torgau feststellen konnten. Wie in Torgau war dieser Ausblick nur zu einem Teil purer Landschaftsgenuß: Mindestens ebenso wichtig war ihre Nutzungsmöglichkeit als separate Aufenthalts-, Schreib- und Studierräume, auf deren Funktion als Sinnbilder fürstlicher Gelehrsamkeit und Sapientia in gewisser Weise bereits von außen die Bildnisgalerie mit den Anführern des protestantischen Fürstenbundes hinweist. Und wer von unten, vom Saaleufer nach oben auf die Bernburg blickt (Abb. 73), wird durch die auch farblich herausgehobenen Erker des Wolfgangbaus sogleich auf den Sitz des Fürsten aufmerksam gemacht. Als schließlich ab 1567 unter Fürst Joachim Ernst die Erweiterung des Wolfgangbaus zu einem langgestreckten, mit weiteren Appartements, einer neuen Hofstube und einem Festsaal ausgestatteten Hauptflügel der Bernburg vorgenommen wurde (Abb. 70), hat der Architekt, Nickel Hoffmann, im Grunde genommen das 1538ff. entwickelte Konzept fortgeführt, ja vielleicht noch sichtbarer herauszuarbeiten versucht: Vor den Erweiterungsbau von 1567 wurden zwei prachtvolle Erker auf hohen Postamenten gesetzt, die in ihren Brüstungsfeldern die fürstlichen Tugenden (Justitia, Temperantia, Caritas und Fides) als Bildreliefs zeigen (Abb. 70+74). Diese Erker sind demon-

216 Ein einfacherer Wendelstein, der jedoch im 18. Jahrhundert abgebrochen wurde und dessen Äußeres im Detail unbekannt ist, befand sich an der südöstlichen Ecke des Wolfgangbau. Sein Treppenlauf führte lediglich auf den Gang, der vor dem ersten Obergeschoß entlanglief (zum entsprechenden Inventartext siehe St. Hoppe, 1996, S. 271).

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strativ auf den Schloßhof hin ausgerichtet und mit viel Bedacht als Bestandteile der herrschaftlichen Appartements des Bauherren, Fürst Joachim Ernst, konzipiert. Denn wie der sächsische Kurfürst Johann Friedrich das Leben im Schloßhof aus seinem Schönen Erker in Torgau und hoch oben aus der Turmstube des Großen Wendelsteins beobachten konnte, so vermochten die anhaltischen Fürsten aus ihren Erkern einen wachsamen Blick auf das Leben am Hofe zu richten. Und umgekehrt hatten die im Schloßhof stehenden Betrachter in den Tugendbildnissen stets die Verpflichtung des anhaltischen Fürstenhauses auf ein christliches, gerechtes Regiment vor Augen.217

3.6.3 Die Grafschaft Mansfeld Unmittelbar an das anhaltische Territorium grenzte die Herrschaft der Grafen von Mansfeld. Obwohl es nie den Rang eines Fürstentums errang, gehörte das Mansfelder Grafenhaus doch bis in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts zu den politisch wie wirtschaftlich einflußreichsten Territorialmächten des mitteldeutschen Raums.218 Ihren Mansfelder Stammsitz bauten sie nach 1501 zu einer glanzvollen Residenz aus, die durch den betriebenen architektonischen Aufwand sichtbar an das Niveau fürstlicher Residenzen Anschluß zu finden versuchte (Abb. 12). Politisches Gewicht und repräsentativer Aufwand gründeten jedoch auf einem nur äußerlich starken Fundament, dessen Stabilität vor allem seit dem 15. Jahrhundert durch die Eingrenzungspolitik der mächtigeren sächsischen und magdeburgischen Landesherren nachhaltig gefährdet war. Aus diesem Grund bemühten sich die Grafen von Mansfeld stets um ein ausgeglichenes Verhältnis zu den benachbarten Territorialherrschaften und auch zum Kaiser, eine Politik, die während der Reformation zwar zum protestantischen Bekenntnis, nicht aber zu einer klaren Bündnishaltung im Schmalkaldischen Krieg führte.219 Um die im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts entstandene mansfeldische Hauptresidenz in ihrer architektonischen, aus drei eigenständigen Schlössern bestehenden Gestalt angemessen würdigen und in ihrem Verhältnis zu den wettinischen Residenzen differenziert beurteilen zu

217 Zu diesen Aspekten siehe auch Kap. 6. 218 C. Krumhaar, 1872; K. Schmidt, 1927; J. Vötsch, 2003 (mit Diskussion der älteren und jüngeren Forschungsliteratur). 219 Die Mansfelder Linien kämpften sowohl auf der Seite des sächsischen Kurfürsten als auch auf der Gegenseite des Kaisers und des sächsischen Herzogs.

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können, bedarf es daher einer wenigstens rudimentären Kenntnis der Geschichte des Mansfelder Grafenhauses. Ihr im folgenden ausführlicher geschilderter Verlauf soll zudem veranschaulichen, welches Schicksal ein über Jahrhunderte erfolgreiches kleineres Adelshaus erleiden konnte, wenn es in seinen territorialpolitischen Bestrebungen einerseits die Interessensphären eines benachbarten Kurfürstenhauses, eines Erzstiftes und eines Bistums berührte, andererseits aber durch die eigenständigen Interessen der erbberechtigten Söhne zu Herrschaftsteilungen gezwungen war, die das Grafenhaus durch eine wenig sorgfältige Fiskalpolitik schließlich in den finanziellen Ruin trieben. In der zunächst nur als Äußerlichkeit erscheinenden Pracht der drei Mansfelder Residenzschlösser fanden alle diese Aspekte – die politischen Ambitionen des Mansfelder Grafenhauses aber auch ihre Herrschaftsteilungen und die ausgabenintensive Hofhaltung – ihr baukünstlerisches Äquivalent, ein Äquivalent, dessen Zeichenhaftigkeit sowohl Kursachsen, das Magdeburger Erzstift als auch der Halberstädter Bischof nicht übersehen konnten. Allein schon durch die Altehrwürdigkeit ihres Hauses220 und die über Jahrhunderte aufrecht erhaltene Reichsunmittelbarkeit gehörten die Mansfelder Grafen zu den angesehensten, mit umfangreichen königlichen Rechten ausgestatteten Adelsgeschlechtern im Reich. Bereits im 11. Jahrhundert gelangten die Edelherren von Mansfeld in den Besitz der Grundherrschaft Mansfeld und der zugehörigen Burg, die seitdem als ihr Stammsitz diente.221 Nach dem zwischenzeitlichen Verlust der Reichsfreiheit und ihrer Zurückgewinnung im 13. Jahrhundert unter dem Grafen Burchard III. von Mansfeld-Querfurt222 und der Hinzuge-

220 Hierzu gehörte auch die beanspruchte Abkunft aus kaiserlichem Haus; siehe hierzu Anm. 246. 221 Die Nennung eines Grafen Hoyer von Mansfeld erfolgt 1060 (Urkunde über Güterabtretung an den Magdeburger Erzbischof) (H. Grössler, 1889, S. 61; K. Schmidt, 1927, S. 31 f.; KDM Mansfelder Gebirgskreis, S. XXIX). Vermutlich erhielt Graf Hoyer von Mansfeld in Nachfolge der Wettiner 1069 die Gaugrafschaft im nördlichen Hassegau (H. Grössler, 1889, S. 62; K. Schmidt, 1927, S. 31, 40 f.); das Gebiet umfaßt die späteren Ämter Mansfeld, Friedeburg, Salzmünde, Seeburg und Eisleben und damit im wesentlichen das Gebiet des späteren Mansfelder Seekreises). 222 Vermutlich im 12. Jahrhundert (Schlacht am Wolfesholz bei Mansfeld 1115) erlitten die Grafen den Verlust der Reichsfreiheit und erfolgte die Annahme ihrer Herrschaft von dem Hochstift Halberstadt zu Lehen (H. Grössler, 1889, S. 65; gegen eine Halberstädter Lehenshoheit zu diesem Zeitpunkt argumentiert K. Schmidt, 1927, S. 34, 44f., 137, Anm. 19). Mit dem Aussterben des alten Mansfelder Grafengeschlechts im Jahr 1229 (Tod Burchard I.) gelangten Burchards I.

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winnung freien Eigentums sowie magdeburgischer und Halberstädter Lehen gelang den Mansfelder Grafen bis zu Beginn des 16. Jahrhunderts der Aufbau einer bedeutenden mittelgroßen Territorialherrschaft. Ihr Umfang umfaßte neben der höheren Gerichtsbarkeit und dem Bergregal als Reichslehen auch den Besitz von 184 bewohnten Ortschaften.223 Vor allem den Einnahmen aus den Bergwerken verdankte die Herrschaft ihren überdurchschnittlich hohen wirtschaftlichen Wohlstand. Wiederholte Erbteilungen seit dem 15. Jh. bedrohten jedoch immer wieder den geschlossenen Machtbereich,224 der sich vor allem den Mediatisierungsbestrebungen der sächsischen Herzöge ausgesetzt sah. Obwohl die Mansfelder Grafen diesem Druck von seiten der Wettiner zu entgehen suchten, indem sie ihre Herrschaft dem Erzstift Magdeburg zu Lehen auftrugen und damit erneut die Reichsfreiheit verloren, hatte ihre Strategie keinen Erfolg: 1484 erhielten die Wettiner vom Grafenhaus vertraglich die Lehenshoheit über die Herrschaft Morungen und über sämtliche bis dahin als Reichslehen geführte Bergwerke in Mansfelder Besitz.225 Aus diesen weitreichenden Rechten der sächsischen Fürsten über die Grafschaft Mansfeld erwuchs in den darauffolgenden Jahrzehnten eine Oberhoheit in allen wesentlichen Fragen des Grafenhauses und seiner Herrschaft (so etwa bei Erb- und Vormundschaftsstreitigkeiten). Wettinische Bemühungen (und die Unterstützung des magdeburgischen Erzbistums) sind auch dafür verantwortlich, daß bei Schwiegersöhne, Burggraf Hermann von Neuenburg (bei Freyburg a.d.U.) und Burggraf Burchard von Querfurt, in den Besitz der Mansfelder Grafschaft; indem Burchard von Querfurt 1264 auch den Anteil der Neuenburger Linie erwarb, wurde er zum Alleinbesitzer und alleinigen Grafen von Mansfeld; er ist somit der Begründer der Mansfeld-Querfurtischen Linie des Mansfelder Grafenhauses. Seit 1267 besaßen die Grafen von Mansfeld wiederum ihre reichsunmittelbare Stellung, waren also Reichsgrafen, da Burchard III. gegen Überlassung von Schloß und Stadt Nebra die Burg Mansfeld als freies Eigentum vom Bistum Halberstadt zurückerhielt (K. Schmidt, 1927, S. 44 f.). 223 U.a. die Städte Allstedt, Artern, Eisleben, Gerostedt, Heldrungen, Hettstedt, Leimbach und Mansfeld sowie – neben ihrem Stammsitz Mansfeld – die Burgen Allstedt, Arnstein, Artern, Bornstedt, Eisleben, Friedeburg, Heldrungen, Leimbach, Morungen, Rammelburg, Rothenburg/Saale, Schraplau, Seeburg und Wippra (C. Krumhaar, 1872, S. 53; siehe auch I. Roch, 1966, S. 13 f.). 224 Ausgenommen von den Teilungen – so auch 1501 – blieben »Bergwerke, Jagden, Fischereien, die beiden See, die Städte Eißleben, Heckstett und Mansfelth« (C. Spangenberg, 1912, S. 248.); ein Turm bzw. Bergfried, der üblicherweise ebenfalls im Gemeinschaftsbesitz eines Schlosses und seiner Herrschaft verblieb (Beispiele sind Zerbst, Bernburg und das hessische Büdingen; siehe hierzu Kap. 5.1.1), wird für Mansfeld nicht genannt; offensichtlich war er nicht vorhanden. 225 C. Krumhaar, 1872, S. 42 f.

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der Erbteilung von 1501 insgesamt fünf voneinander unabhängige Herrschaftsbereiche im mansfeldischen Territorium entstanden. Bereits zuvor, 1420, 1430, 1450 und 1495, war die Herrschaft Mansfeld zwischen den erbberechtigten Söhnen der Mansfelder Grafen aufgeteilt und auf diese Weise drei Mansfelder Linien gebildet worden.226 Sichtbares Zeichen dieser solchermaßen ›portionierten‹ Mansfelder Herrschaft ist die Errichtung von mehreren eigenen Adelssitzen auf dem Gelände der alten Stammburg Mansfeld (Abb. 12).227 Denn im Vertrag von 1501 erhielten die Brüder Günther III., Ernst II. und Hoyer IV. »das hohe Haus nächst der Kirche« (d.i. der spätere »Vorderort«), ihre Vettern, die Brüder Gebhard VII. und Albrecht IV., »das alte Haus« zum Tor hin (d.i. der spätere »Mittelort«).228 Zu weiteren Residenzen wurden die Schlösser Arnstein, Heldrungen und Seeburg bestimmt. Graf Albrecht IV. wiederum beanspruchte den Bau eines neuen, eigenen Hauses auf dem Gelände der Mansfelder Burg, worüber es zu heftigem Streit zwischen den Grafen kam. Die Einigung sah dann schließlich vor, daß Albrecht IV. die Erlaubnis zum Neubau (dem sog. »Hinterort«, erbaut zwischen 1511 und 1523229) erhält, dafür jedoch seinem Bruder den Anteil am »Mittelort« abtritt. Erst mit dem Neubau des Hauses von Albrecht IV. erhielten die nunmehr drei eigenständigen gräflichen Häuser die Bezeichnung »Vorder-, Mittel- und Hinterort«.230 Gleichsam auf dem Höhepunkt ihrer Macht und in ihrer unabhängige Stellung gegenüber den ›Großmächten‹ Kursachsen und Magdeburg bedroht, erbauten die drei Mansfelder Grafen im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts einen ausgesprochen aufwendigen, in vielen Details an fürstliche Residenzen erinnernden Schloßkomplex. Seine eingehende, wenn auch immer noch nicht abgeschlossene Erforschung231 226 Hierzu mit Beschreibung des Umfangs der einzelnen Teile C. Spangenberg, 1925, S. 33 ff.; siehe zusammenfassend und mit weiterer Literatur auch I. Roch, 1966, S. 14 ff. 227 Die Burganlage von Mansfeld reicht in ihren Ursprüngen bis ins 10. Jh. zurück; eine erste urkundliche Erwähnung von Mansfeld 973 findet sich in einem Tauschvertrag zwischen dem Magdeburger Erzbischof und dem Abt von Fulda (H. Grössler, 1889, S. 61; K. Schmidt, 1927, S. 31 f.; KDM Mansfelder Gebirgskreis, S. XXIX). 228 Zum Vertrag siehe C. Krumhaar, 1872, S. 48 f.; C. Spangenberg, 1925, S. 35. 229 C. Spangenberg, 1925, S. 35. 230 Ebd., S. 35 f.; C. Krumhaar, 1872, S. 48. 231 Vor allem unter den Fragestellungen der modernen Residenzenforschung und ihrer Berücksichtigung des Beziehungsgeflechts zwischen kleineren und größeren Landesherrschaften in einem eng umgrenzten Raum (siehe hierzu die Habilitationsschriften von Uwe Schirmer [im Druck] und Jörg Rogge, 2002, zu den dyna-

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ist das Verdienst der Halleschen Kunsthistorikerin Irene Roch, die mit ihrer 1966 vorgelegten Dissertation und zahlreichen Aufsätzen Grundlagenarbeit betrieben hat.232 Bereits Irene Roch verwies auf die hochherrschaftliche, für gräfliche Adelssitze durchaus ungewöhnliche Ausgestaltung der drei Schloßbauten, deren Repräsentationsgebäude über relativ aufwendige Wendelsteine, rundbogig übergiebelte Zwerchhäuser, prachtvoll dekorierte Erker, eine reich ausgestattete spätgotische Schloßkapelle und ein großzügiges Raumprogramm verfügten. Für ein gräfliches Schloß ungewöhnlich war nicht zuletzt das Erscheinungsbild des vollkommen neu konzipierten Schlosses Hinterort (1511–23 erbaut). Dessen vierflügelige Kastellform233 nahm nicht nur gewissermaßen die Grundform des dreißig Jahre später errichteten Dresdner Schlosses vorweg, sondern stellte sich auch wie dieses unübersehbar in die Tradition imperialer Schloßbaukunst.234 Selbst wenn wir keine dezidierte Aussage des gräflichen Bauherren, Albrecht IV., über die Beweggründe für die Grundrißwahl besitzen, so lassen spätere Aussagen der Grafen über die ihnen von alters her zustehende Reichsständigkeit und die vermeintliche kaiserliche Abkunft235 vermuten, daß der Bezug auf die kaiserlich geprägte Kastellanlage im Wissen um ihre repräsentative Qualität geschah. Von den vier Flügeln des Hinterorts, dessen Raumprogramm ebenfalls hohen repräsentativen Standards entsprach,236 wurde der zum Tal hin gelegene Westflügel als Hauptflügel

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stischen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen in Sachsen) verdienen die Mansfelder Schlösser eine weitergehende Untersuchung. Darüber hinaus sind weitere bauarchäologische Untersuchungen bspw. zur mittelalterlichen Burg Mansfeld und ihren baulichen Überresten in den Neubauten des 16. Jahrhunderts notwendig (Ergebnisse hierzu werden demnächst von Irene Roch publiziert). Siehe Kap. 3.4, Anm. 133. In der Beschreibung des Theologen und Geschichtsschreibers Cyriacus Spangenberg aus dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts (die Mansfeldische Chronica des Cyriacus Spangenberg erschien 1572ff. in Eisleben; zur Person Spangenbergs siehe C. Rühlemann, 1925) liest sich das folgendermaßen: »[…] hat er an dieselbe Stätte vier schöne Steine Häuser ins Gevierte alle mit Schiefern und drei zierlichen Türmen daran, mit Kupfer gedecket, aufgeführet« (C. Spangenberg, 1925, S. 41). Siehe auch Anm. 237. Siehe hierzu auch Kap. 3.4. Mit Graf Peter Ernst von Mansfeld und seinem Sohn Carl erlangten 1594 zwei Mitglieder des Hauses für ihre Verdienste um Kaiser und Reich sogar die Reichsfürstenwürde. Siehe hierzu und zur beanspruchten Reichsunmittelbarkeit unten, S. 111. Zur propagierten Abkunft aus kaiserlichem Haus siehe Kap. 3, Anm. 246. Das Haupthaus enthielt – wie auch in ähnlicher Weise die Hauptgebäude der Schlösser Vorder- und Mittelort – nach der Beschreibung von Cyriacus Spangenberg »unten [= EG ] die Sommer Hofstuben, die Schneiderei und andere Gemach«; dar-

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mit zentral davor plaziertem, hohen, polygonalen Treppenturm ausgestaltet,237 eine Anordnung, die sich grundsätzlich mit dem in der Meißener Albrechtsburg angelegten und in Torgau wenige Jahre später auf unvergleichliches Niveau getriebenen Fassadenbild vergleichen läßt. Zwei weitere Treppentürme standen in der Südost- und Südwestecke des Schloßhofes. Auch bei den anderen beiden, auf den Fundamenten ihrer Vorgänger errichteten Schlösser ist der politische Gestus der Architektur unverkennbar und der Wille, mit ihrer Hilfe die Würden eines alteingesessenen, einstmals reichsunmittelbaren Adelshauses anzuzeigen. Die hierfür eingesetzten architektonischen Elemente waren bei Schloß Vorderort (1518) vor allem der frei und annähernd zentral vor die Fassade des Haupthauses gestellte strebepfeilerbesetzte und mit einer separaten Turmstube versehene Treppenturm (Abb. 75), dessen Typus den Großen Wendelstein der Meißener Albrechtsburg zum Vorbild nimmt,238 sowie die Zwerchhäuser, deren segmentbogenbekrönte Gie-

unter gute, tiefe Keller, drüber [im OG ] einen schönen, großen Saal, dafür [davor] eine große Stube, so etwan auch der Kanzley gewesen, und zu Ende am Saal die künstlich getäfelte Saalstube [= Tafelstube?] und im andern Tabular [zweites OG bzw. Dachgeschoß] viel kleine Stuben, darneben Kammern, eine Notdurft« (C. Spangenberg, 1925, S. 41). Auch der angrenzende Südflügel, nach Spangenberg das »dritte Haus«, besaß herrschaftliche Räume: »[…] unten die Winterhofstuben und etliche Gewölbe, auch die Badstube, Backstube usw. Im ersten Tabular [= Stockwerk, Anm. M.M.] darüber des Herren Gemach, das Frauen Zimmer und auf beiden Seiten ziemliche Säle und andere Stuben. Im andern Tabular [= zweiter Stock bzw. Dachgeschoß, Anm. M.M.] darneben G. Hansen Stuben, Saal und Kammern, die alte Schule, der Freulin Stube, G. Carlen Stube und etliche andere mehr fur frembde Gäste. An dieses Haus hat hernach G. Hans, Graven Albrechts Sohn, nach dem Tal wärts einen besonderen Nebenbau aufgeführet mit etlichen schönen, herrlichen Stuben und Gemachen [möglicherweise ein turmartiger Risalit, Anm. M.M.; zur Lokalisierung und zum Baubefund siehe I. Roch, 1966, S. 66.]. Dahinter G. Volrath sein Bruder hernach ein Probier Haus und Schmelzerey für die Alchumisten gebauet« (C. Spangenberg, 1925, S. 41 f.). Die beiden übrigen Flügel bzw. »Häuser« dienten als Torhaus (wegen der unmittelbaren Angrenzung des Hinterorts an das Schloß Mittelort erfolgte der Zugang durch eine tonnengwölbte Durchfahrt; dieser Flügel war mit Amtsstube und Küche im EG , der Kanzlei im 1. OG . und Kammern und Stuben im 2. OG bzw. Dachgeschoß ausgestattet) und als Gebäude für die Stallungen (C. Spangenberg, 1925, S. 41 f.). 237 Zur Baugestalt von Schloß Hinterort siehe grundsätzlich die Beschreibung des späten 16. Jahrhunderts von Cyriacus Spangenberg, 1925, S. 41 f.; siehe auch I. Roch, 1966, S. 62, 167 f.; des weiteren siehe auch die Abbildungen der Mansfelder Schlösser bei Merian und Cranach d. Ä. 238 Neben dem von Strebepfeilern umstellten Turmkörper und den schräg eingeschnittenen, den Wendeltreppenlauf anzeigenden Fenstern gehört auch die Turmstube zu den mit dem Meißener Treppenturm vergleichbaren Merkmalen

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bel an die zeitgleichen oder sogar wenig späteren Giebelformen der Residenz in Halle erinnern.239 Mit diesen Giebeln, die in einfacher oder gestufter Bauweise ausgeführt und mit waagerechten und senkrechten Unterteilungen, Palmettierungen sowie kugelförmigen Aufsätzen geschmückt waren, wurden auch die Dachabschlüsse und Zwerchhäuser der Schlösser Hinterort und Mittelort architektonisch ausgezeichnet. Von der Talseite her gesehen (Abb. 12), trat neben dem giebelbekrönten Sakristeianbau der Kapelle vor allem der mit einem hohen, gestuften Giebel versehene Risalit des Schlosses Mittelort in Erscheinung. Seine zum Tal ausgerichtete Lage und seine turmartige Bauform lassen unweigerlich an das elbseitige Erscheinungsbild der Albrechtsburg denken, deren Süd- und Nordflügel zwar ›nur‹ zierlichere Lukarnen und keinen monumentalen Ziergiebel als Abschluß trugen, in der Grunddisposition jedoch ansonsten vergleichbar sind.240 Da der turmartige Anbau des Schlosses Mittelort ähnlich wie in Meißen u.a. herrschaftliche Wohnräume enthielt, wäre es interessant zu erfahren, welche (wandfeste) Ausstattung einst in Mansfeld vorhanden war. In Meißen enthielt der Nordflügel (Abb. 5) ab 1521 eine mit gemeißelten Wappen dekorierte Stammstube, die den turmartigen Flügel damit zu einem symbolträchtigen ›Stammturm‹ werden ließ.241 Schloß Mittelort, dessen prachtvoll ausgestattetem Festsaal das Schloß auch seinen Namen »Goldener-Saal-Bau« verdankt, besaß nach Ausweis des Merian-Stichs von ca. 1650 an seiner talseitigen Fassade noch eine weitere Repräsentationsarchitektur: Es ist ein mehrgeschossiger Runderker, der in die 1530er Jahre zu datieren ist und dem Typus der Runderker am Neuen Saalbau des Torgauer Schlosses entspricht. Aus dem Jahr der

(in Meißen wurde die Turmstube erst im frühen 16. Jahrhundert vollendet; siehe hierzu Kap. 5.1.4). Die Turmstube öffnet sich in vier wandfüllenden, mit Stabwerk besetzten und rundbogig abschließenden Fenstern zur Hofseite und wird von einem vierteiligen Kreuzgratgewölbe überfangen. Wie Cranachs d.Ä. »Hirschjagd« und auch noch der spätere Merianstich zeigen, saß auf dem Treppenturm im 16. und 17. Jh. eine zwiebelförmige Haube, die von einem »Knopffe« mit »vergüldete[m] Griff« bekrönt wurde (E. C. Francke, 1723, S. 21). »Ehmals starck vergüldet« (E. C. Francke, 1723, S. 20) war auch die Wappen- und Inschriftentafel über dem Sturz des stabwerkgerahmten Turmportals (»HOIER G.V.H.Z.M. 1518« = Hoier Graf und Herr zu Mansfeld 1518). Das heute abschließende vierte Geschoß mit seinen gotischen Spitzbogenfenstern ist eine Zutat der Wiederherstellungsarbeiten von 1860–1862. 239 Zur ursprünglichen Fassadengestaltung des 1860–62 stark überformten vorderortischen Haupthauses (Fenster, Zwerchgiebel etc.) siehe I. Roch, 1966, S. 47. 240 Zu Meißen siehe Kap. 3.2. 241 Siehe hierzu Kap. 3.2, S. 57.

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Grundsteinlegung zu diesem wichtigen Neubau der Torgauer Kurfürstenresidenz stammt schließlich der kostbar ausgestaltete und heute nur noch fragmentarisch erhaltene Erker an der Nordostecke des Goldenen-Saal-Baus von Schloß Mittelort (Abb. 76). Auf 1532 inschriftlich datiert, bestand dieser auf den Schloßhof gerichtete und in seinem Inneren von einem Rippengewölbe überfangene Erker einst aus vier aneinandergesetzten Trommelsegmenten, deren Last von antikisierenden Säulchen getragen wurde. Antikisierendes Renaissancedekorum schmückt auch die Gesimse, Brüstungselemente und Fenstereinfassungen des Erkers, der darin und in seiner tourellenartigen Grundform wiederum an die zeitgleich entstandenen Eckerker des Torgauer Neuen Saalbaus erinnert (Abb. 16+17+77). Auch wenn es angesichts der geringen oder gar nicht vorhandenen zeitlichen Differenz schwer fällt, eine Vorbildlichkeit Torgaus für die Runderker von Schloß Mittelort überzeugend zu postulieren, so ist es doch möglich, die erstaunliche Übereinstimmung zwischen beiden Residenzschlössern in gestalterischen Details als erneuten Beleg für das hohe bauliche Anspruchsniveau der Mansfelder Grafen zu werten. Wie bereits bei der Grundrißform des Schlosses Hinterort, dem Treppenturm und turmartigen Anbau von Schloß Vorderort und den an allen Schlössern vorhandenen Segmentbogengiebeln und Zwerchhäusern gesehen, sind auch die Runderker von Schloß Mittelort dem Kontext fürstlicher Residenzarchitektur entlehnt, so wie sie den Mansfelder Grafen in Sachsen, Anhalt und Halle unmittelbar vor Augen stand. Die Vorbildlichkeit Torgaus kann dabei durchaus ernsthaft in Erwägung gezogen werden, vor allem dann, wenn wir den Austausch von Informationen zwischen den Höfen bereits im Planungsstadium in Rechnung stellen: Dann spräche nicht nur die zeitliche Nähe für die Orientierung der Mansfelder Bauherren an dem Residenzschloß der sächsischen Kurfürsten, sondern auch das gemeinsame protestantische Bekenntnis. Und wie anhand der Residenz des wichtigsten protestantischen Fürsten zu studieren und zuletzt in Bernburg gesehen, könnten auch in Mansfeld die unübersehbar ins Land wie auf den Schloßhof gerichteten Erker neben der vorteilhaften Aussicht auch dem wachsamen Blick des weisen Regenten zur Veranschaulichung gedient haben.242 Der in den Mansfelder Schlössern vorgeführte Wille zu fürstengleicher Herrschaft wurde jedoch schon wenige Jahrzehnte später nachhaltig gebrochen. Nach dem Ende des Schmalkaldischen Krieges, in

242 Siehe Kap. 6 ff.

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dem die Mansfelder Linien sowohl auf der Seite des sächsischen Kurfürsten als auch auf der Gegenseite des Kaiser und des sächsischen Herzogs kämpften, ereignete sich 1563 abermals eine Teilung der Grafschaft. Diesmal teilten sich die sechs Söhne des Grafen Ernsts II. den zum »Vorderort« gehörigen Besitz und damit Dreifünftel der gesamten Grafschaft. Sechs neue Linien entstanden: die Bornstedter, Eislebener, Friedeburger, Arnsteiner, Arternsche und Heldrungensche Linie. Diese abermalige Teilung bedeutete für das Mansfelder Grafenhaus die endgültige Zerstörung ihrer materiellen wie politischen Grundlage: Angetrieben von den zahlreichen Gläubigern der Herrschaft »Vorderort«, die auf Rückzahlung der Schulden drängten, führten die zuständigen Lehensherren – Kursachsen, Magdeburg und Halberstadt – 1570 schließlich die Sequestration der Grafen des »Vorderorts« durch, d. h. ihnen wurden »sämtliche Güter und Bergwerke mit deren Verwaltung, Regierung, Jurisdiktion, Zwang, Botmäßigkeit, Dienst, Steuer, Folge«243 entzogen und den Lehnsherren übereignet. Gegen diese auferlegte Zwangsherrschaft legte vor allem Graf Peter Ernst I. Protest ein und verklagte seine Lehnsherren 1590 beim Kaiser mit dem Hinweis darauf, daß die Grafen von Mansfeld »von Anfang an eigentliche Reichsgrafen, nicht bloss Landsassen gewesen [seien], weshalb die Sequestration derselben nicht Sache der Lehnsherren, sondern des Reiches sei«.244 Seine Klage wurde jedoch abgewiesen mit der Begründung, »dass gerade Peter Ernst gar nichts gethan habe, um die auf seinem Amte ruhende Schuldenlast zu tilgen«.245 Ein Trost blieb ihm denn doch noch im hohen Alter: Wegen ihrer Verdienste in kaiserlichen Diensten wurden Graf Peter Ernst, der inzwischen als Statthalter in Luxemburg residierte, und sein Sohn Carl vom Kaiser 1594 in den Reichsfürstenstand erhoben.246 Den verbliebenen Rest der Grafschaft, die Herrschaft der Grafen des »Mittel- und Hinterorts«, hingegen traf das Schicksal der Mediatisierung.

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C. Krumhaar, 1872, S. 56. Ebd., S. 68. Ebd. Ebd., S. 67 f. Bemerkenswert für die Selbsteinschätzung Peter Ernsts und seiner Familie ist der Hinweis auf seinem Epitaph (das nach seinem Tod am 25. Mai 1604 in Luxemburg, wo er als kaiserlicher Statthalter lebte, angefertigt wurde), daß er entsprossen sei »ex ea Stirpe, quae et seriem Caesarum auxit«. Der Hinweis auf den Kaiser bezieht sich auf Lothar von Süpplingenburg, von dem man annahm, daß er unmittelbar vom Hause Querfurt abstammte; tatsächlich bestand hierzu nur durch seine Großmutter Ida eine Verbindung (siehe hierzu ebd., S. 68).

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Im Endergebnis verfügten die sächsischen Kurfürsten über Dreifünftel und der Magdeburger Erzbischof über Zweifünftel des mansfeldischen Besitzes; zum Magdeburger Anteil gehörte auch Schloß Mansfeld. Durch die Einsetzung von Oberaufsehern in ihren jeweiligen Gebieten, die alle administrativen und rechtlichen Aufgaben übernahmen, gelang den kursächsischen und magdeburgischen Lehensherren der Mansfelder Grafen deren vollständige Neutralisierung. Selbst wenn im 17. und 18. Jahrhundert einige Mitglieder aus dem Hause Mansfeld einflußreiche Stellungen in Diensten der Kurfürsten, des Kaisers und ausländischer Mächte (Spanien) und sogar unter Kaiser Joseph I. erneut die Reichsfürstenwürde erlangten,247 so lebten sie in ihren angestammten Territorien (so auch auf Schloß Mansfeld) bis zu ihrem Aussterben 1780 nur noch als quasi machtlose ›Privatpersonen‹.248 Schloß Mansfeld aber wurde bis zum Aussterben des Grafengeschlechts ausdrücklich als »Stamhauß Manßfeldt«249 bewahrt und blieb wegen dieser Bedeutung auch von der 1774 begonnenen Schleifung der gewaltigen Bastionärswerke verschont, die das Schloß zwischenzeitlich in eine uneinnehmbare Festung verwandelt hatten.

3.6.4 Die Landgrafschaft Hessen Bis zu seiner verheerenden Niederlage im Schmalkaldischen Krieg sah sich das hessische Landgrafenhaus nicht genötigt, auf die bahnbrechenden baukünstlerischen Innovationen der Wettiner unmittelbar zu reagieren. Mit dem kursächsischen Haus in der Führung der protestantischen Mächte verbündet und Mitglied einer im Reich angesehenen, sich auf die Hl. Elisabeth zurückführenden Dynastie, konnte Landgraf Philipp der Großmütige im Schloßbau offensichtlich eine konservative Haltung einnehmen und auf großangelegte Neubauprojekte zunächst verzichten. Seine wichtigsten Residenzschlösser in Kassel, Marburg und Darmstadt, deren Baubestand teilweise noch aus dem Mittelalter stammte, erfuhren daher nur einen behutsamen Um- und Ausbau,

247 Ebd., S. 74. 248 Zur Geschichte der Mansfelder Grafen im 18. Jahrhundert siehe Ebd., S. 74 ff. 249 So der Wortlaut in einem Schreiben der Mansfelder Grafen, in dem sie beantragen, daß anläßlich der Schleifung der Festungswerke 1674ff. »die Gräfl. wohnungen daselbst geschonet« werden (StA Magdeburg, Rep. A 32 a Nr. 406, Bl. 188v; StA Dresden, Loc. 9738, Kriegssachen Nr. 10, Bl. 205 f., zit. nach I. Roch, 1966, S. 32).

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während dafür die Landesfestungen auf den Stand der Militärtechnik gebracht wurden.250 In dieser retardierenden Vorgehensweise nimmt das Marburger Schloß (Abb. 78) als Stammsitz der hessischen Dynastie eine gewisse Vorrangstellung ein, werden doch die zentralen Repräsentationsbauten der Ausbauphase des 13. Jahrhunderts so gut wie unangetastet gelassen und der für lange Zeit wichtigste Neubau, das fürstliche Haus des Landgrafen Wilhelms III., 1493–97 in respektvollem Abstand zum Kernschloß an den Rand des Bergplateaus gesetzt (Abb. 78+83). Ebenso verfuhr achtzig Jahre später Landgraf Ludwig IV. von Hessen-Marburg, als er 1573 für das großdimensionierte, äußerlich im Stil eines fürstlichen Hauses mit zentralem Treppenturm gehaltene Kanzleigebäude der Marburger Residenz (Abb. 78) einen Bauplatz am Abhang des Schloßgeländes zuwies, statt es in das Ensemble der Hauptgebäude zu integrieren. Auf die besonderen Hintergründe für diesen respektvollen Umgang mit älteren Bauteilen von Schlössern wird an anderer Stelle ausführlich eingegangen.251 Erst 1557 änderte sich das Bauverhalten des hessischen Landgrafenhauses grundlegend. In diesem Jahr begann Philipp der Großmütige mit dem weitestgehenden Neubau seines Kasseler Residenzschlosses (Abb. 79) und schuf damit einen der monumentalsten Schloßbauten der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Ursache für die gewandelte Baugesinnung dürfte die eben erst wiedererlangte persönliche wie politische Freiheit gewesen sein, die Philipp als einer der Anführer des Schmalkaldischen Bundes mit dessen Kapitulation 1547 verloren hatte. Fünf Jahre mußte der hessische Landgraf in kaiserlicher Gefangenschaft und in völliger Ungewißheit über sein persönliches Schicksal und das seines Landes verbringen. 1552 gelang schließlich seine Freilassung, nicht zuletzt auf Intervention seines ehemaligen Widersachers im Schmalkaldischen Krieg, Moritz von Sachsen. Der neue sächsische Kurfürst aber hatte sich – wie oben dargestellt – unmittelbar nach seinem Regierungsantritt mit dem kompletten Umbau des Dresdner Schlosses (Abb. 48) zwischen 1548 und 1554 eine der größten Residenzen im damaligen Reich geschaffen, deren Architektur unübersehbar die neuerlangten Reichswürden der wettinischen Albertiner und ihren Führungsanspruch unter den protestantischen Territorien visualisierte.252 Nach Ausweis der Bauformen und in Kenntnis des politi-

250 Siehe hierzu G. U. Großmann, 1979, S. 126 ff. 251 Siehe Kap. 5 ff. 252 Siehe hierzu Kap. 3.4.

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schen Selbstverständnisses Philipps des Großmütigen253 versuchte der hessische Landgraf an dieses ehrgeizige Residenzprojekt des sächsischen Kurfürsten unmittelbar anzuknüpfen und die Schloßbaupolitik der Landgrafschaft gleichsam mit einem Paukenschlag auf das im Reich höchste Anspruchsniveau zu heben. So wurde das Kasseler Schloß zwar keine Kopie des Dresdner, doch übernahm es von dort derart viele Grundelemente, daß man mit Recht von einer unmittelbaren Vorbildlichkeit der aktuellsten sächsischen Schloßbaukunst für das damals wichtigste hessische Residenzschloß sprechen kann.254 In seiner grundlegenden Dissertation zum hessischen Schloßbau zwischen 1530 und 1630 hat Georg Ulrich Großmann dieses Rezeptionsverhältnis in der Architektur detailliert aufgezeigt. Dorothea Heppe hat diese Ergebnisse in ihrer Monographie zum Kasseler Schloß fortgeführt.255 Zu den wesentlichen Merkmalen gehören: der kastellartige Grundriß (Abb. 22), über dem sich eine annähernd gleichförmige Vierflügelanlage mit eckenbetonenden pavillonartigen Zwerchhausaufbauten erhebt, die mit Volutengiebeln verzierten Zwerchhäuser, die teilweise mit einer Blendarkatur und Pilastern gegliederten Treppentürme in den Hofwinkeln256 und eine über den gesamten Nordflügel sich erstreckende mehrstöckige Galerie, die sich typologisch ohne weiteres von der schmaleren, nur am Hausmannsturm befindlichen Galerie bzw. Loggia des Dresdner Nordflügels ableiten läßt. Die Erstreckung der Galerie über den gesamten Schloßflügel findet ihre Erklärung in Kassel zum einen in dem geringeren Breitenmaß des schmalseitig gelegenen Nordflügels (so daß sich wie in Dresden nur fünf Arkaden ergaben) und zum anderen in dem Fehlen eines Schloßturms. Während in Dresden der mittelalterliche Hausmannsturm bewußt in den Schloßneubau integriert wurde, mußte man in Kassel auf eine solche

253 Zum politischen Selbstverständnis Philipps des Großmütigen siehe die grundlegenden Arbeiten von C. von Rommel, 1830; Ders., 1850. 254 Auf diese Vorbildlichkeit hat erstmals eingehender G. U. Großmann, 1979, S. 134 ff., hingewiesen. 255 Ebd., S. 130 ff.; D. Heppe, 1995 (mit Darstellung der Baugeschichte bis 1811); siehe auch Moritz der Gelehrte, 1997. 256 Im Gegensatz zum Dresdner Schloß, dessen einer Hofwinkel vom spätmittelalterlichen Torhaus eingenommen wurde, besaß das Kasseler Schloß in jedem der vier Hofwinkel Treppentürme. Weitere Unterschiede zu Dresden waren ihre polygonale Grundform (in Dresden kreisförmig) sowie die nur an einem der Treppentürme vorhandene Außenwandgliederung durch Blendarkaden und Pilaster (in Dresden an den beiden Treppentürmen des Nordflügels) (G. U. Großmann, 1979, S. 135).

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Lösung verzichten, da bereits das Vorgängerschloß keinen Schloßturm mehr besaß.257 Obwohl Philipp der Großmütige von Hessen und Moritz von Sachsen, die Bauherren der beiden sich in Vielem so ähnlichen Schlösser, in den reformatorischen Auseinandersetzungen unerbittliche Gegner waren, sollte die Rezeption der Dresdner Residenz in der Kasseler Residenz nicht nur als Gestus der Konkurrenz oder des Selbstbehauptungswillens des hessischen Landgrafen gewertet werden. Beides ist gewiß eine wesentliche Motivation beim kostspieligen und in seiner Radikalität symbolträchtigen Umbau des alten Kasseler Landgrafenschlosses gewesen, mit dessen Errichtung Philipp der Großmütige mit sichtlichem Nachdruck seine Rückkehr auf die politische Bühne anzeigen und der Rückgewinnung der einst beherrschenden Stellung unter den protestantischen Kräften im Reich auch eine repräsentative Grundlage verschaffen wollte.258 Doch gerade die Behauptung als protestantische Führungsmacht ließ sich nicht ohne Unterstützung des sächsischen Kurfürsten verwirklichen, auf dessen Hilfe Philipp der Großmütige ja bereits in besonderer Weise während seiner Zeit als kaiserlicher Gefangener angewiesen war. Landgraf Philipp verdankte Kurfürst Moritz seine Existenz, und so ist es sehr wahrscheinlich, daß sich in der ›Dresdner Formensprache‹ der neuen Kasseler Residenz, die unmittelbar nach der Wiedergewinnung der persönlichen und politischen Freiheit Philipps konzipiert und in nur fünf Jahren aufgeführt wurde, vor allem das neuerliche Bündnis der beiden traditionsreichen protestantischen Fürstentümer widerspiegeln sollte. Auf der dynastischen Ebene fand dieses erneuerte Bündnis sein Äquivalent in der Namensgebung des Enkels von Landgraf Philipp: Auf den Namen Moritz getauft, sollte dieser begabte Sohn des hessischen Landgrafen Wilhelms IV. die in ihn gesetzten Erwartungen jedoch nicht erfüllen, sondern vielmehr die gerade erst konsolidierte Landgrafschaft durch seine radikale calvinistische Konfessionspolitik in eine neue Krise führen.259 Philipps des Großmütigen Sohn, Landgraf Wilhelm IV., der nach dem Tod seines Vaters und der anschließenden Erbteilung den ober- und niederhessischen Teil regierte, hatte diese Entwicklung mit allen Mit-

257 Ebd., S. 136. 258 G. U. Großmann spricht in diesem Zusammenhang von dem »Glanz der gegenwärtigen Macht Kursachsens«, die »auf Hessen abfärben« sollte (ebd.). 259 G. Menk, 1986; Ders., 1993. Zur Person Moritz des Gelehrten siehe auch Moritz der Gelehrte, 1997, sowie die beiden jüngeren historischen und kunsthistorischen Arbeiten von M. Lemberg, 1994, und B. Kümmel, 1996.

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teln zu verhindern versucht und durch die konsequente Fortsetzung der Politik seines Vaters und die testamentarisch verfügte Unantastbarkeit von dessen politischem wie konfessionellem Erbe der Landgrafschaft insgesamt politische Stabilität sichern wollen.260 Das Bemühen um die Bewahrung des Vermächtnisses Philipps des Großmütigen und den Ausbau der unter seiner Regentschaft wiedererlangten Stellung Hessens im Reich läßt sich auch in den Schloßbauprojekten Wilhelms IV. wiedererkennen. Ähnlich konsequent wie in der Politik folgt er auch hier den Vorgaben seines Vaters und errichtet die beiden unter seiner Bauherrschaft neu errichteten Schlösser von Rotenburg (ab etwa 1570, Abb. 23)261 und Schmalkalden (ab 1585, Abb. 24+80)262 nach dem in Kassel bzw. Dresden begründeten Muster. Daß es Wilhelm IV. dabei nicht schwer fiel, sich mit diesem Muster vollkommen zu identifizieren, lag neben der besonderen Symbolkraft des Kasseler Residenzneubaus auch in der persönlichen Bindung des Landgrafen an dieses Schloß. So war das Kasseler Schloß zwar unter Philipp dem Großmütigen konzipiert und ausgeführt worden, doch die Bauaufsicht hatte Philipp damals seinem Sohn Wilhelm übertragen.263 Wilhelm stand nun mit dem Neubau des Schmalkaldener Schlosses ab 1585 vor einer nicht minder symbolträchtigen Herausforderung, als es das Kasseler Schloß ab 1557 für seinen Vater gewesen war. Mit dem Umbau des alten Schlosses von Schmalkalden wurde nicht nur ein neues, zeitgemäßes Residenzschloß verwirklicht, sondern zugleich am Tagungsort des Schmalkaldischen Bundes ein architektonisches Bekenntnis des wiedererstarkten hessischen Landgrafenhauses abgelegt. In der Wahl der kastellartigen Vierflügelanlage nach Dresdner bzw. Kasseler Vorbild, in der Übernahme des berühmten Torgauer Schloßkapellentypus264 (Abb. 81) und in der Ausstattung mit einem komplexen protestantisch-fürstlichen Bildprogramm265 bekennt Wilhelm IV. von Hessen-Kassel unmißverständlich die unter Philipp dem Großmütigen begründete protestantische Grundhaltung der Landgrafschaft und ihre im Bündnis mit Sachsen wiedergewonnene Stärke. Nur wenige Jahre zuvor, 1568–1573, hatte sich der politische und dynastische Bündnis260 261 262 263 264

Chr. Röth, 1886, S. 264 ff., S. 286 ff. G. U. Großmann, 1979, S. 143 f. Zur Bau- und Ausstattungsgeschichte siehe die Literaturhinweise in Kap. 6.6. G. U. Großmann, 1979, S. 131. Zur konfessionspolitisch aufschlußreichen Rezeption dieses Kapellentypus in den Dorfkirchen der ehemaligen Herrschaft Schmalkalden am Ende des 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts siehe E. Badstübner, 1995, S. 95–112. 265 Siehe hierzu ausführlich Kap. 6.6.

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partner Wilhelms IV., Kurfürst August von Sachsen, mit dem Neubau von Schloß Augustusburg seinerseits auf das Vorbild des Dresdner Schlosses bezogen, um ebenfalls ein politisch-religiöses Monument in die Landschaft zu setzen. Auch bei diesem Schloßbau spielte der Schmalkaldische Krieg in seinen Nachwirkungen eine wesentliche Rolle und sollte einem politischen Vermächtnis, nun allerdings demjenigen von Moritz von Sachsen, in der architektonischen Bildhaftigkeit zu »ewigem Gedächtnis« verholfen werden.266

266 Zu Schloß Augustusburg siehe Kap. 3.5.

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Das fürstliche Schloß und seine Gestalt

4. Das fürstliche Schloß und seine Gestalt Zur konstitutiven äußeren Form landesherrlicher Residenzschlösser im Alten Reich unter besonderer Berücksichtigung Mitteldeutschlands

Die vergleichende Betrachtung der bedeutenden Residenzen der Wettiner und der ihnen benachbarten Territorialherren hat nicht nur das hohe und für die deutsche Residenzarchitektur außerordentlich innovative Niveau des mitteldeutschen Schloßbaus gezeigt, sondern auch eine ganze Reihe von Aspekten ins Bewußtsein gerückt, die das fürstliche Residenzschloß als eine hochkomplexe ästhetische, funktionale und metaphorische Bauaufgabe kennzeichnen. Diese Aspekte sollen nun in den folgenden Kapiteln eine vertiefende Analyse erfahren, wobei über die bislang behandelten Schloßbauten hinaus auch Beispiele aus anderen Territorien des Alten Reichs Berücksichtigung finden werden. Auf diese Weise ist es möglich, die an den Schloßbauten der mitteldeutschen Landesherrschaften gewonnenen Erkenntnisse auf ihre Gültigkeit auch für andere Territorien zu überprüfen und darüber schließlich zu einem neuen Gesamtverständnis des Residenzenbaus der beginnenden frühen Neuzeit im Alten Reich zu gelangen. Den Auftakt der Einzelanalysen bildet die äußere Gestalt der Residenzschlösser, deren Erscheinungsbild bis in das 17. Jahrhundert hinein nur selten von der in den Architekturtraktaten geforderten Regelmäßigkeit und Regelhaftigkeit geprägt war.1 Eine Vielzahl von Gebäuden und Architekturelementen bildeten in der Regel ein architektonisches Konglomerat, das für den modernen Betrachter zwar den Eindruck des Malerischen, nicht aber den der staatstragenden, fürstlichen Repräsentation zu vermitteln mag. Daß die Bewertung einer solchermaßen zergliederten Architektur vor allem im 15. und 16. Jahrhundert aber auch noch in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine grundsätzlich andere war und in der Regel nur ein in unseren Augen ›pasticciohaftes‹ Residenzschloß als der angemessene Sitz eines Fürsten bzw. Landesherren angesehen wurde, zeigen die nachfolgenden Kapi1 Zu den Traktaten siehe Kap. 2, Anm. 20.

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Gestaltungsprinzipien der Gebäudeanlage

tel. In ihnen werden zunächst – ausgehend von den Gestaltungsprinzipien der Gebäudeanlage – die für den landesherrlichen Schloßbau in funktionaler wie metaphorischer Hinsicht konstitutiven Einzelelemente herausgearbeitet und dabei die in diesem Zusammenhang bislang unbeachtet gebliebenen Hofordnungen als wichtige normative Quellengrundlage ausgewertet.2

4.1 Zwischen Vereinzelung und geometrischer Regularität: Gestaltungsprinzipien der Gebäudeanlage Als maßgebliches Unterscheidungsmerkmal zwischen einer Burg und einem Schloß galt lange Zeit die vielfältige und die geschlossene Form der Baugestalt. Dieser Ansicht folgend, schrieb 1960 Georg Friedrich Koch als Einleitung zu seinem wegweisenden Aufsatz über die mitteldeutsche Schloßarchitektur: »Die Burg ist nur in wenigen Typen ein geschlossenes Ganzes. Vielmehr verwandelt sich häufig die ursprüngliche Anlage im Laufe der Jahrhunderte in ein Konglomerat von Bauten, das, von vielen Geschlechtern errichtet, sich schließlich auch im Geschichtlichen in die Anonymität der Generationsfolgen zu einer malerischen Vielfalt zusammenfindet. Der Schloßanlage liegt eine in sich abgeschlossene Bauidee zugrunde, deren Verwirklichung die unveränderliche Ordnung einer bestimmten geschichtlichen Situation repräsentiert, die der fürstliche Auftraggeber, bereits im 16. Jahrhundert sich als der eigentliche Bauherr ausbildend, verkörpert. Jede spätere Erweiterung und Veränderung deutet die geprägte Gestalt um oder zerstört sie (Residenzschloß Dresden), erzeugt jedoch nicht wie die Burganlage eine durch die Zeiten geschaffene vielfältige Einheit (Wartburg). Der Gegensatz zwischen Burg und Schloß ist größer nicht denkbar.«3 Zwischen Burg und Schloß typologisch, funktional und ideengeschichtlich eine klare Abgrenzung vornehmen und die bauliche Gestalt als Sinnbild eines bestimmten Herrschaftsmodells (Adelsherrschaft versus Frühabsolutismus) verstehen zu können, ist ein alter, über Koch weit hinausreichender Wunsch der Kunstgeschichte. Aus der Vielzahl der Stimmen zu den äußeren Unterscheidungsmerkmalen 2 Zum Quellenwert der Hofordnungen des 16. und 17. Jahrhunderts für die Schloßbauforschung siehe unten Kap. 8. 3 G. F. Koch, 1960, S. 155.

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Das fürstliche Schloß und seine Gestalt

von Burg und Schloß seien hier nur zwei repräsentative ältere und jüngere herausgegriffen.4 Zunächst die älteren Definitionen: Die Burg »ist ein mittelalterlicher, von Mauern und vielfach auch Gräben vollständig umschlossener bewohnter Wehrbau, der einem territorialen Herrschaftsanspruch diente«;5 demgegenüber tritt beim Schloß die »militärische Note völlig in den Hintergrund. […] Das Haus ist das eigentliche Anliegen des Schloßbaus, wie es der Turm für die Burg war«.6 Und die jüngeren Stimmen aus dem Leipziger Lexikon der Kunst bewundern vor allem die Genese des Schlosses »aus dem mittelalterlichen Burgenbau, unter Einfluß sowohl der Blüte städt.[ischer] Kultur, neuer Möglichkeiten luxuriöser Lebensführung […] und weil die Kriegstechnik die Burgen weniger notwendig machte«.7 Bereits Georg Ulrich Großmann äußerte sein Unbehagen an solchen Abgrenzungsversuchen, die ihm – vor allem hinsichtlich des von Walter Hotz herangezogenen Turmkriteriums – »doch sehr simplifiziert«8 erschienen und in der ernüchternden Feststellung endeten: »Zwar ließen sich verschiedene Aspekte des Schloß- und Burgenbaues bei weiteren Definitionen näher kennzeichnen, man wird aber nicht zu einer genaueren Unterscheidung von Burg und Schloß gelangen«.9 Das Eingeständnis, letztlich gar nicht recht sagen zu können, wo die Burg aufhört und das Schloß beginnt, wird beim Lesen zeitgenössischer Quellen und Lexikadefinitionen auf den Punkt gebracht: Begrifflich waren Burg und Schloß für die frühe Neuzeit Synonyme: »Schloß, Arx, Castrum, Chateau, ein Fürstliches oder Herren-Hauß, mit Mauren und Thoren, oder mit Gräben und Brücken versehen«, definiert Johann Heinrich Zedlers »Universal Lexicon« noch 1743 klar und präzise.10 Dennoch versucht auch Großmann ein Unterscheidungskriterium einzuführen, das eine wenigstens grobe Differenzierung zwischen Burg und Schloß ermöglichen soll. Und ähnlich wie Georg Friedrich Koch dient auch Großmann die regelmäßige äußere Gestalt – der »Geviertbau als Bautyp«11 – als Anhaltspunkt: »Wenn man die unregelmä4 5 6 7 8 9 10 11

Siehe darüber hinaus grundsätzlich auch F. Bernstein, 1933. Glossarium Artis, 1977, S. 39. W. Hotz, 1970, S. 1. Lexikon der Kunst, begr. von Gerhard Strauss, hg. von Harald Olbrich, Bd. 6 (R-Stadt), Neubearb. Leipzig 1994, Art. Schloß, S. 491. G. U. Großmann, 1979, S. 38. Ebd., S. 204, Anm. 10. J. H. Zedler, Großes vollständiges Universal Lexicon, Bd. 1–64, Halle und Leipzig 1732–1754, hier: Halle und Leipzig 1743, Bd. 35, Sp. 210 f. G. U. Großmann, 1979, S. 39 ff.

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Gestaltungsprinzipien der Gebäudeanlage

ßige Anlage, den Gruppenbau, als ein wesentliches Charakteristikum der Burg bezeichnet, müßte im Gegensatz dazu die regelmäßige Anlage, vor allem der Geviertbau, für das Schloß kennzeichnend sein. Da sich eine Unterscheidung von Burg und Schloß allein auf Grund der Wehranlagen als weniger sinnvoll herausgestellt hat, wäre hiermit eine für die kunsthistorische Klassifizierung weiterführende Definition gefunden, wenn man nicht auf das Wort ›Burg‹ zugunsten des Begriffs ›festes Schloß‹ ganz verzichten will«.12 Eben dieses hat zehn Jahre später Ulrich Schütte in seiner grundlegenden Studie zum »Schloß als Wehranlage«13 getan und systematisch das auch in der frühen Neuzeit noch bestehende enge Verhältnis zwischen Schloßbau und Wehrarchitektur nachweisen können.14 Großmanns Vorschlag aber, in Anlehnung an die ältere Literatur die regelmäßige, am Kastelltyp orientierte Vierflügelanlage zum maßgeblichen Erkennungszeichen eines Schlosses zu erheben, da »im 16. Jahrhundert in Deutschland der Geviertbau zur beherrschenden Gebäudeform wird«,15 vermag nicht recht zu überzeugen, da ihn die Mehrzahl der überlieferten Schloßbauten in ihrer Gestalt letztlich ebenfalls wieder als kunsthistorisches Konstrukt erweisen.16 Obwohl im Verlauf des 16. Jahrhunderts eine Reihe von regelmäßigen Vierflügelanlagen entsteht, die in der Landshuter Residenz, der Jülicher Zitadelle, im Dresdner und Kasseler Schloß sowie der Augustusburg bei Chemnitz ihre anspruchsvollsten Vertreter besitzt, bleibt auch die Mehrzahl der Residenzschlösser der aus dem Mittelalter überlieferten unregelmäßigen Baugestalt treu. Selbst bei prominenten Residenzprojekten wie dem Ausbau des Torgauer Schlosses unter Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen oder des Heidelberger Schlosses unter den Pfalzgrafen Ottheinrich und Friedrich IV. wird auf die regelmäßige Vierflügelanlage verzichtet. So bewahren auch die meisten Schloßbauten im mitteldeutschen Raum bis auf die bereits genannten sächsischen und hessischen Schlösser (Dresden, Augustusburg, Kassel, Rotenburg und Schmalkalden), das anhaltische Residenzschloß in Dessau (in seinem Ausbauzustand ab 1575/77) und bedingt, da aus recht verschiedenartigen Flügeln gebildet, das Mansfelder 12 13 14 15 16

Ebd., S. 41. U. Schütte, 1994. Siehe hierzu auch Kap. 4.2.1. G. U. Großmann, 1979, S. 40. Georg Ulrich Großmann korrigiert sich bei seinem Definitionsversuch sogar selbst, wenn er wenige Seiten später feststellt: »Gruppenbauten haben in der deutschen Architekturgeschichte noch im 16. Jahrhundert eine beherrschende Stellung« (ebd., S. 47).

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Das fürstliche Schloß und seine Gestalt

Schloß Hinterort (nicht jedoch die drei Mansfelder Schlösser als Ganzes) sowie das Berliner Schloß die in der Burgenarchitektur vorgeprägte Gestalt des »Gruppenbaus«. Paradebeispiele sind die beiden anhaltischen Residenzen von Bernburg und Zerbst (Abb. 71+73). Auf dem Areal dieser beiden noch aus slawischer Zeit stammenden Schlösser stehen bzw. standen zur gleichen Zeit die Repräsentations-, Wohnund Wirtschaftsgebäude von bis zu fünf Fürsten aus z.T. verschiedenen Generationen, ein durch Wohn- und Wehrtürme noch zusätzlich bereichertes ›Häuserkonglomerat‹, das durch seine Vielgestaltigkeit jeder architekturtheoretischen Forderung nach Regelmäßigkeit geradezu demonstrativ widersprach.17 Die von Georg Friedrich Koch für die Burgenarchitektur angeführte »malerische Vielfalt«18 vermag somit auch die vorherrschende Gestalt des frühen deutschen Schloßbaus zu charakterisieren und besitzt – ohne daß dies hier im Einzelnen ausgeführt werden könnte – auch in den angrenzenden mitteleuropäischen Territorien wie z. B. Frankreich oder Dänemark ihre Gültigkeit.19 Und es wird sich durch die nachfolgende Analyse derjenigen Elemente, die den »malerischen« Eindruck in den Augen des modernen Betrachters hervorrufen (Tore, Türme, fürstliche Häuser etc.), zeigen, daß dem vermeintlich Pittoresken in der Vergangenheit geradezu staatstragender Charakter zugemessen wurde. Das »Konglomerat von Bauten«, wie es Koch nannte,20 bzw. das »additive Konglomerat«, als das es Renate Wagner-Rieger definierte,21 hatte Methode und diente außer der klaren, anschaulichen Herausarbeitung verschiedener Funktions- und Repräsentationsbereiche der Zeichenhaftigkeit des Schlosses, die es nicht zuletzt auf dem Gebiet des spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Rechtswesens und auch des dynastischen Gedächtnisses entfaltete.22 Demgegenüber wollte Koch, in Unkenntnis der entsprechenden Quellen, die vereinzelt auf dem Burgareal stehenden und über die Jahrhunderte errichteten Gebäude mitsamt ihren Bauherren noch in der »Anonymität der Generationsfolgen« versinken sehen.23 17 Zu Bernburg und Zerbst siehe auch Kap. 5.2. 18 G. F. Koch, 1960, S. 155. 19 Für Frankreich vgl. z. B. die königlichen Residenzschlösser von Paris (Stadtschloß, Louvre), Blois, St.-Germain-en-Laye und Fontainebleau, deren Gesamtanlagen ein ›Pasticcio‹ aus Bauteilen verschiedener Jahrhunderte bilden. 20 G. F. Koch, 1960, S. 155. 21 R. Wagner-Rieger, 1975, S. 58. 22 Siehe hierzu die Kap. 5 ff. 23 G. F. Koch, 1960, S. 155.

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Gestaltungsprinzipien der Gebäudeanlage

Die Vielgestaltigkeit der Schloßanlage und die Möglichkeit, anhand der Bauten aus unterschiedlichen Zeiten das altehrwürdige Gewachsensein einer Residenz erkennen zu können, entsprach offenkundig bestimmten Aufgabenstellungen und einem hieraus abgeleiteten Ideal adliger Architekturästhetik im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Dabei lassen sich zwischen dem landesherrlichen Residenzenbau und dem Schloßbau des Adels aber auch innerhalb der Residenzschlösser des in seinem Status abgestuften Reichsfürstenstandes24 gewisse Unterschiede in der Intensität feststellen, mit der das Bild »malerischer Vielfalt« gepflegt und der ›Wachstumsprozeß‹ einer Schloßanlage sichtbar vorgeführt wird.25 Sowohl die gemeinsame Grundhaltung als auch die partiell feststellbaren Differenzen im Umgang der fürstlichen und adligen Bauherren mit dem ererbten ›Gebäudepasticcio‹ lassen sich durch die bloße formale Analyse nicht verstehen. Daher gehört die Herausarbeitung derjenigen inhaltlichen Vorstellungen und Normen, die das ästhetische Ideal und seine differenzierte Anwendung begründeten, zu den zentralen Aufgabenstellungen der vorliegenden Arbeit. Ebenso zentral ist schließlich die Würdigung der von den Architekten erbrachten Leistung, auf der Grundlage dieses seit dem Mittelalter tradierten Ideals neue baukünstlerische Lösungen zu entwikkeln und es mit den zeitgenössischen, besonders von Italien aber auch Frankreich her angeregten Vorstellungen einer vereinheitlichenden, mathematisch-geometrisch begründeten Gestaltungsweise zu verbinden. Die Inkunabel für diese neue Baugesinnung verkörpert die Albrechtsburg, das wettinische Stammschloß in Meißen (Abb. 5+6),26 während einen Höhepunkt in dieser Entwicklung das mecklenburgische Residenzschloß in Güstrow (Abb. 82) markiert. Seine in der Forschung bislang nur unzureichend als »manieristisch« eingeschätzte Architekturgestalt wird daher eine neue Bewertung erfahren müssen.27 Als nächstes sollen nun die wesentlichen Elemente vorgestellt werden, die das Schloß architektonisch konstituieren. Sie erschließen sich teilweise durch die Analyse der architektonischen Gestalt. Doch kann ihre Benennung nur bis zu einem gewissen Grad anhand des baulichen

24 Zum Reichsfürstenstand siehe den Band zur Greifswalder Tagung (15.–19.6.2000) »Principes. Höfe und Dynastien im Spätmittelalter«, hg. von C. Nolte / K.-H. Spieß / R. G. Werlich 2002. 25 Siehe hierzu Kap. 5.6. 26 Zu Meißen siehe Kap. 3.2. 27 Siehe Kap. 5.7.

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Das fürstliche Schloß und seine Gestalt

Befundes erfolgen, da hierzu auch die Kenntnis der zeitgenössischen Bewertungsmaßstäbe für die einzelnen Bauteile erforderlich ist. Wichtige Quellen hierfür sind Rechtsurkunden, in denen die konstitutiven Bauteile eines Schlosses unter juristischen Aspekten aufgezählt werden. Eine andere wichtige Quelle stellen die von der Architekturforschung bislang nur unzureichend beachteten Hofordnungen des 16. und 17. Jahrhunderts dar, in denen die für das Hofleben bedeutsamen Gebäudeteile und Raumbereiche im Kontext der ihnen zugeordneten Verhaltensnormen Erwähnung finden. In diesem unauflösbaren Wechselverhältnis zwischen Verhaltensvorschriften und Architektur kommt den Hofordnungen eine regelrecht normsetzende Funktion für die bauliche Organisation eines Residenzschlosses zu. Ein Kapitel am Ende dieser Arbeit wird sich diesem Aspekt der Hofordnungen gesondert widmen.

4.2 Die Hauptelemente des Schloßbaus Wenn im folgenden die Hauptelemente des Schloßbaus vorgestellt werden, dann geschieht dies unter bewußtem Verzicht auf die Bereiche des höfischen Wirtschaftslebens. Mit Ausnahme des Speise- und Weinkellers, der sich in vielen Fällen direkt unter dem fürstlichen Haupthaus mit den Versammlungs- und Repräsentationsräumen (u.a. Hofstube und Festsaal) befand, werden die Ökonomiegebäude in dieser Arbeit ausgeklammert. Sie sind zwar fraglos wichtig für das Hofleben und damit in gewisser Weise sogar konstituierende Elemente des höfischen Alltags, doch konstituieren sie nicht das Schloß in seinem spezifischen Charakter als Sitz eines fürstlichen Landesherrn. Denn wenn auch keine landesherrliche Residenz ohne weiträumige Wirtschaftsund Speichergebäude auskommen kann und besonders die Pferdeställe durchaus repräsentative Qualitäten besaßen, die allein in der Zuordnung der Pferde und Knechte zu den einzelnen Hofämtern ihren Ausdruck findet,28 so bilden sie doch nicht den unverzichtbaren da gleichsam symbolischen Kern eines Residenzschlosses. Dieser läßt sich letztlich auf vier Elemente reduzieren, die allerdings in verschiedenen

28 Vgl. hierzu die einschlägigen Hofordnungen des 16. und 17. Jahrhunderts bei A. Kern, 1905 und 1907, sowie den Tagungsband Höfe und Hofordnungen (1200–1600), 1999.

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Die Hauptelemente des Schloßbaus

Variationen in Erscheinung treten können. Die vier Kernelemente sind: der Turm, das Haus, die Kapelle und das Tor. Da alle diese Elemente grundsätzlich auch die Schloßbauten des rangniederen Adels besitzen können, vermag allein ihr Vorhandensein für das fürstliche Residenzschloß noch keine auszeichnende Qualität zu entfalten. Erst ihre heraldische, bild- und baukünstlerische Ausgestaltung sowie ihr Raumprogramm erheben die Kernelemente zu exklusiven Kennzeichen fürstlichen Bauens und den einfachen Adelssitz zum angemessenen Sitz des Fürsten.

4.2.1 Der Turm und seine Derivate Würde man einen Laien danach fragen, woran man eine Burg erkennt, so erhielte man zur Antwort: am Turm! Wie die Analyse der mitteldeutschen Residenzschlösser gezeigt hat, bleibt der Turm jedoch auch im frühen Schloßbau des Alten Reichs das markanteste Abzeichen und wird selbst in den unbefestigten Schloßbauten des 17. und 18. Jahrhundert als charakteristisches Motiv beibehalten. Bereits Ulrich Schütte stellte fest: »Ein großer Residenzbau ohne jegliche Turmform – wie in Linz – bleibt die Ausnahme.«29 Nicht selten ragt aus den über die Jahrhunderte immer wieder um- und neugebauten Schloßanlagen sogar noch der mittelalterliche Schloßturm heraus und steht trotz des ›Stilbruchs‹ wie selbstverständlich neben den Turmschöpfungen der frühen Neuzeit.30 Deren äußere Gestalt wiederum befindet sich selbst bei Schlössern wie der barocken Würzburger Residenz (Abb. 1), die nur noch über Eckrisalite und Pavillons verfügt und deren innere Raumorganisation nichts mehr mit den mittelalterlichen Wohntürmen gemein hat, unverkennbar in der Tradition des Turmbaus. Welchen Stellenwert besonders der hochaufragende Schloßturm besaß, belegt ein erhaltener Brief von Herman Wolff, dem Kasseler Bauleiter Landgraf Moritz’ von Hessen, an seinen fürstlichen Herrn. Am 21. November 1603 berichtet er dem Landgrafen über den Stand von Bauplanungen für das Kasseler Residenzschloß, deren Grundlage von Moritz selbst verfertigte Risse bildeten. Nach Ausweis der Zeichnungen wie des Briefes bestand die Überlegung, dem seit längerer Zeit turmlosen Kasseler Schloß wieder einen hohen, gut sichtbaren Schloßturm in der Fassa-

29 U. Schütte, 1994, S. 233. 30 Hierauf hat bereits U. Schütte, 1994, S. 198 ff., hingewiesen.

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Das fürstliche Schloß und seine Gestalt

denmitte (nordöstliche Fassade) des Hauptgebäudes anzubauen, an dessen Spitze dann auch die Uhr ihren Platz gefunden hätte.31 Neuschöpfungen von Turmtypen bzw. die Umformung von tradierten Turmtypen lassen sich verstärkt seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts im deutschen Schloßbau beobachten. Bereits die weiter oben vorgestellte Albrechtsburg in Meißen war mit einer Vielzahl unterschiedlicher Turmformen bestückt, die ihr Architekt, Arnold von Westfalen wie die Variation eines altbekannten Themas am wettinischen Stammschloß vorführte.32 Zu den wichtigsten, unter der Aufsicht Arnolds und seiner fürstlichen Auftraggeber Ernst und Albrecht von Sachsen in den deutschen Schloßbau eingeführten Neuerungen gehört die Lukarne bzw. das hiervon abgeleitete Zwerchhaus. Bei der Albrechtsburg (Abb. 6) ist das Vorbild, die Lukarnen französischer Schlösser des 15. Jahrhunderts (z. B. das Palais Jacques Coeur in Bourges oder die Schlösser von Baugé, Loches und Meillant [Abb. 42+37+38]), noch unverkennbar, obwohl die für Frankreich typische lotrechte Anordnung von Lukarnen und darunter liegendenden Fenstern zu einer Achse nicht ganz verwirklicht wird. Bereits in Wittenberg (1485) (Abb. 26) und möglicherweise Celle (ca. 148533), später in Halle (Dom 1521; Moritzburg 1525) (Abb. 65), Mansfeld (1501–1523) (Abb. 12), Dessau (ab 1530) (Abb. 64) und Torgau (1483 und 1533 ff.) (Abb. 17) – um nur einige Stationen und Beispiele zu nennen – hat sich die schlanke Lukarne in ein breitgelagertes Zwerchhaus verwandelt, dessen oftmals reich dekorierter Baukörper34 von nun an die Dachlandschaft der Schloßbauten im Reich als charakteristisches, auch auf Fernwirkung berechnetes Abzeichen dominieren sollte.35 Diesen an Frankreich orientierten Rezeptionsvorgang begünstigte vermutlich eine weitestgehend vergessene Tradition im deutschen Schloß- und auch Rathausbau: Wie noch heute der Saalbau des Marburger Schlosses (1295) (Abb. 83) oder das Rathaus von Goslar (1250) (Abb. 84) zeigen, konnte bereits im 13. Jahrhundert die Dachlandschaft solcher repräsentativer Großbauten mit Giebel- bzw. Wimpergaufbauten versehen werden, die einzeln (Marburg) oder in Reihung (Goslar) das Fassadenbild prägten. So bekrönt am Saalbau des Marburger Schlosses ein

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D. Heppe, 1995, S. 123 f. Siehe Kap. 3.2, S. 50 ff. H. Masuch, 1983, S. 23–34; Ders., 2000. Siehe hierzu weiter oben die Beispiele des Torgauer und Dessauer Schlosses. U. Schütte, 1994, S. 200 f., betont zurecht die hiermit erzielte architekturbildhafte Fernwirkung der Schloßfassaden.

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mächtiger Stufengiebel den in der Fassadenmitte turmartig vortretenden Risalit und thronen an der Fassadenseite des Goslarer Rathauses Dreiecksgiebel bzw. Wimperge oberhalb einer wehrgangartigen Maßwerkgalerie, die zugleich das Traufgesims bildet. Formal erinnern bereits diese aus dem Hochmittelalter überlieferten Beispiele an kleine Türme bzw. sind, wie anhand des Marburger Schlosses zu sehen, sogar direkt mit Turmarchitekturen verbunden. Die Verbindung von Giebel und turmartigem Fassadenrisalit sollte bis in die frühe Neuzeit tradiert werden und findet sich beispielsweise auch an der stadtseitigen Fassade des Torgauer Schlosses (Abb. 85). Aus der seit dem späten 15. Jahrhundert für den deutschen Schloßbau verstärkt vorbildlichen französischen Schloßbaukunst läßt sich für die Mitte des 15. Jahrhunderts ein besonders anschauliches Beispiel für das enge Verhältnis von Turm- und Giebelaufsatzarchitektur anführen. Es ist das unter Karl VII. erweiterte Schloß in Loches, wo am jüngeren Flügel die Achsen aus Fassadenfenstern und Lukarnen exakt die Position einnehmen, die im älteren Flügel kleine Rundtürmchen besetzen (Abb. 86). Die Metamorphose des Fassadenturmes zur Fassadenachse aus lotrecht übereinander sitzenden Fenstern und abschließender Lukarne und damit der Abstraktionsprozeß vom körperhaften Rundturm zum in der Fläche verbleibenden turmartigen Fassadenelement ließe sich nicht besser darstellen.36 Doch müssen wir uns nicht mit der durch Anschauung gewonnenen Begrifflichkeit begnügen. Dafür, daß die Dachaufbauten deutscher Schlösser zumindest seit dem 15. Jahrhundert als eine Form von »kleinen Türmen« aufgefaßt wurden, gibt es sogar quellenkundliche Belege, beispielsweise die Beschreibung des Merseburger Schlosses anläßlich des Schloßumbaus unter Johann Georg I. von Sachsen. Über die äußere Gestalt des renaissancezeitlichen Altbaus heißt es: »Gedeckt war das Schloß mit Schieferplatten und mit vielen kleinen Thürmen geziert«.37

36 Diese Überlegungen – angeregt durch Beobachtungen von U. Schütte, 1994, S. 201 – sind das gemeinsame Ergebnis eines Gesprächs mit Stephan Hoppe, mit dem der Verfasser Herleitung und Bedeutung des Zwerchgiebelmotivs in der deutschen Baukunst verschiedene Male erörtert hat. Siehe daher auch St. Hoppe, 2001. Der von Hoppe geäußerte Vorschlag, in den aneinandergereihten Zwerchgiebeln des 16. Jahrhunderts eine Aufnahme des spätmittelalterlichen Zinnenkranzmotivs zu sehen, bedarf der weiteren Diskussion. 37 Geschichte der Kirche im Stift Merseburg seit der Einführung des Evangeliums, 1913 (lateinisches, nicht mehr vorhandenes Originalmanuskript 1544–1611; Abschrift mit Ergänzungen 1611 ff.), S. 56. Die Übersetzung der Textpassage folgt A. Schmekel, 1858, S. 176.

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In den Bauakten des 16. Jahrhunderts zum Torgauer Schloß werden die zwerchhaus- bzw. lukarnenartigen Dachaufbauten des 1483 von Konrad Pflüger errichteten Saalbaus (östlicher Teil von Flügel D) als »Erker« oder aber »Soller« bezeichnet.38 Ebenso findet sich der Begriff »Erker« für die Zwerchhäuser in den Verträgen zum Um- und Neubau des Dessauer Schlosses zwischen Fürst Joachim Ernst von Anhalt und dem Baumeister Graf Rochus zu Lynar. Im Bestallungsvertrag von 1576 (Januar 24) heißt es: »[…] in dem geschoß das vnder das tach kommett, Soll div Mauer anderthalb eln dickv behalten vnd mit gleichen gewelben oder Erckern vber den fenstern [!] durchaus einen elln dickv gemauertt werden […]«.39 Auch in diesen Quellen werden die Zwerchhäuser als Turmform benannt. Wie Béatrice Keller darlegen konnte, läßt sich der Begriff »Erker« etymologisch vom Ecktürmchen als Wehrelement ableiten.40 Die hoch- und spätmittelalterliche Vers- und Prosadichtung verwendet den »Erker« bis hinein ins 15. Jahrhundert im Sinne eines solchen turmartigen Wehrelements,41 eine Auffassung, die sich durch vergleichsweise herangezogene zeitgenössische Bildquellen auch für die gebaute Architektur bestätigen läßt.42 Und so vermag es nicht zu verwundern, daß die Zwerchhäuser des Torgauer Schlosses (alter Saalbau, heute östlicher Teil des Flügels D), die in den Bauakten des 16. Jahrhunderts als »Erker« bezeichnet werden, in einer anderen Quelle aus dem Jahr 1533 ausdrücklich als »welsche Türmlein«43 tituliert werden. Durch die Ableitung des Begriffs »Erker« vom wehrhaften Ecktürmchen ist ein anderes im deutschen Schloßbau des 16. Jahrhunderts verbreitetes Architekturelement ganz nebenbei ebenfalls als Turmform entschlüsselt worden: der runde bzw. polygonale oder kastenförmige Erker, der an den Ecken oder aber auch an der Fassadenseite eines

38 P. Findeisen / H. Magirius, 1976, S. 132; H. Hancke, 1992, S. 283 f. Die Quelle stammt von 1507. 39 Bestallungsurkunde für Rochus Graf zu Lynar (1576 Januar 24), Herzogliches Haus- und Staatsarchiv Zerbst, zit. nach K. Ehrlich, 1914, S. 16. 40 Siehe hierzu die grundlegende Arbeit von B. Keller, 1981; Zusammenfassung S. 160 ff. In dieser Studie werden auch die formalen architektonischen Aspekte von Erkern anhand der Text- und Bildquellen besprochen. 41 B. Keller, 1981, S. 61 ff. 42 Ebd., S. 118 ff. Erst für das späte 15. Jh. ist der Erker auch für den Wohnhausbau zweifelsfrei quellenkundlich gesichert, dann jedoch – wie im zeitgleichen Schloßbau – offensichtlich nicht mehr wehrtechnisch sondern repräsentativ-zeichenhaft verstanden (Ebd., S. 151). 43 Siehe H. Magirius / P. Findeisen, 1976, S. 132.

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Schloßgebäudes angebracht wurde.44 Obwohl Erker zu den charakteristischen Elementen im Schloßbau zählen, ist ihre Verwendung im Alten Reich keineswegs selbstverständlich. So verzichtete das sächsische Fürstenhaus beim innovativen Neubau ihres Meißener Stammschlosses noch vollständig auf diese Bauform, während die Habsburger zur gleichen Zeit ihre Innsbrucker Residenz mit einer Vielzahl von Erkern ausstatteten, die vor allem die östliche, zum Graben gelegene Fassade wie aneinandergereihte Türme durchgliederten (Abb. 87). Ein halbes Jahrhundert später setzen jedoch auch die Wettiner die Erkerarchitektur am Torgauer Kurfürstenschloß gezielt und exponiert ein, so daß die Eckerker des Neuen Saalbaus (Abb. 16+77) und der sog. Schöne Erker (Abb. 43) vor den kurfürstlichen Appartements im Kapellenflügel im mitteldeutschen Schloßbau zu häufig rezipierten Vorbildern avancierten.45 Rezipiert wurde dabei auch die Funktion der Erker, durch die Anbringung von Bildreliefs als ikonographische Medien zu dienen. Anhand der Eckerker und hofseitigen Kastenerker am Torgauer und Bernburger Schloß (Abb. 69+74) ließ sich bereits eindrucksvoll studieren, wie eine zunächst nur raumkörperlich wirksame Architekturform durch die Dekoration mit allegorischen, mythologischen oder biblischen Darstellungen sowie Fürstenporträts bei näherer Betrachtung unvermittelt zu einem Bedeutungsträger werden kann.46 Einen weiteren wichtigen Turmtypus, der für moderne Betrachter nicht ohne weiteres als solcher erkennbar ist, verkörpert der turmbzw. risalitartig aus dem Schloßgebäude hervortretende Flügelbau, dessen Inneres überwiegend Wohn- und Repräsentationsräume barg. In prominenter Form und mit der dynastisch bedeutsamen Stammstube eingerichtet, haben wir ihn bereits anhand der beiden sächsischen Residenzschlösser in Meißen und Torgau kennengelernt.47 Dort bestimmte er als kompakter, aus der Flucht des Hauptbaus heraustretender Baukörper das elbseitige Fassadenbild und verlieh besonders in Meißen (Abb. 5) dem Schloß den Charakter einer zergliederten, mehrteiligen Anlage, wie sie prinzipiell auch mittelalterlichen Burgen eigen war. Die allzu starke Auflösung des Gebäudekörpers der Albrechtsburg wußte ihr Architekt, Arnold von Westfalen, allerdings zu verhindern, indem er auf neuartige Weise alle Gebäudeteile unter einem einheit-

44 Zum Erker im frühen deutschen Schloß- und patrizischen Hausbau siehe W. Haubenreisser, 1961; E. Mulzer, 1965; U. Wirtler, 1987, S. 176 ff. 45 Vgl. die Schlösser von Mansfeld, Dessau, Berlin etc. 46 Siehe hierzu Kap. 6. 47 Siehe Kap. 3.2, S. 57, sowie Kap. 3.3, S. 69.

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lich hohen Traufgesims vereinigte. In Torgau (Abb. 17) wiederum vermied der dortige Architekt, Konrad Krebs, eine zu weitgehende Separierung des in der Fassadenmitte aufragenden Risalits bzw. Turmes, indem er sowohl dessen Fenster als auch die abschließenden Zwerchgiebel konsequent an die Formgebung der Fenster- und Zwerchgiebel des Neuen Saalbaus anpaßte und die Fenster auf derselben Horizontallinie anordnete. Obwohl sich die risalitartig aus dem Gebäudekörper herauswachsende Turmform im mitteldeutschen Schloßbau häufiger finden läßt (wenn auch nur selten der Turm derart monumental aus dem Gebäudekörper des Hauptbaus herauswächst, wie es in Meißen und Torgau beobachtet werden kann)48 und sie vor allem in Sachsen auffällig häufig rezipiert wird, gehört sie nicht unbedingt zum Standardrepertoire der Schlösser im Alten Reich. Neben den regelmäßigen, mit Ecktürmen versehenen Vierflügelanlagen, deren Typus sich einer solchen Gestaltung prinzipiell ›widersetzt‹,49 verzichten außerhalb Mitteldeutschlands im Alten Reich auch die meisten Schloßanlagen über unregelmäßigem Grundriß und auch Einflügelanlagen auf Fassaden mit risalitartig vorgesetzten Turmbauten. Zu den wenigen Ausnahmen zählt der sog. Wilhelmsbau (1493–97) des Marburger Schlosses (Abb. 78+83), an dessen westlicher Schmalseite sich ein solcher Turmbau befindet. In Marburg besteht für diese Bauform allerdings eine eigene Tradition, wurde doch bereits der hochmittelalterliche Saalbau (Abb. 83) an seiner talseitigen Fassade mit einem zentral plazierten und von einem Stufengiebel bekrönten turmartigen Risalit ausgestattet.50 Sein Gegenstück besaß dieser Risalit ursprünglich in einem Treppenaufgang, dessen Anlage sich im Innenhof des Marburger Schlosses befand und zum heute zugesetzten Außenportal des »Fürstensaales« in der Mittelachse der Hofwand

48 Wichtige Beispiele sind die sächsischen Schlösser Freiberg, Dippoldiswalde, Dobrilugk oder auch Annaburg, das mansfeldische Schloß Mittelort, das brandenburgische Schloß Küstrin oder auch der Wilhelmsbau des Marburger Schlosses. 49 Dies bezieht sich vor allem auf die Gestaltung der Außenfassaden. Daher können das Dresdner und das Aschaffenburger Schloß, deren regularisierte Innenhoffassaden durch integrierte ältere Schloßtürme ›gestört‹ werden, nicht als Ausnahme angesehen werden, da diese Turmbauten die Flucht der Außenfassaden nicht durchbrechen. 50 Auf die typologische Übereinstimmung verwies prinzipiell bereits G. U. Großmann, 1979, S. 129, wobei er allerdings nicht den rückwärtigen Turmrisalit des Wilhelmsbau, sondern den Treppenturmrisalit mit dem Risalit des Fürstensaals verglich.

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des Saalbaus führte.51 Die Fassadengliederung des gotischen Saalbaus der hessischen Landgrafen erinnert im übrigen auffällig an das etwa 250 Jahre später am Torgauer Neuen Saalbau gewählte Gestaltungsschema, das darüber hinaus die Achsenbildung aus turmartigem Risalit und Treppenturm aufweist (Abb. 44). Zwar läßt sich keine direkte Vorbildwirkung behaupten, da die Architektur des Torgauer Saalbaus unübersehbar auch auf die zeitgenössische französische Schloßbaukunst rekurriert, jedoch immerhin eine bemerkenswerte Vorwegnahme dieses für die Torgauer Kurfürstenresidenz charakteristischen Fassadenbildes der Hof- wie der Talseite feststellen. Die bis auf Mitteldeutschland weitgehende Abstinenz deutscher Schlösser gegenüber risalitartigen Türmen steht in fundamentalem Gegensatz zum Schloßbau Frankreichs, wo der an der Außenfassade ansetzende rechteckige oder (seltener) auch gerundete Kabinetturm seit dem 14. Jahrhundert ein Grundelement bildet (Abb. 34–36).52 Obwohl sich der Umkehrschluß verbietet, in den überwiegend auf Mitteldeutschland konzentrierten Schloßbauten mit Turmrisaliten grundsätzlich ein auf Frankreich bezogenes Rezeptionsverhalten zu erkennen, ist die französische Schloßbaukunst seit der Albrechtsburg in Meißen ein wesentlicher Einflußfaktor im mitteldeutschen Schloßbau. Vor allem anhand der sächsischen Schlösser in Meißen, Torgau und Augustusburg aber auch – in Grenzen – Dresdens konnte weiter oben bereits die Vorbildlichkeit der höfischen Architektur Frankreichs aufgezeigt werden. Ihr sind besonders in Meißen und Torgau nicht zuletzt die rückwärtigen turmartigen Anbauten zu verdanken, deren Zuordnung zu einem gegenüberliegenden, hofseitigen Treppenturm überdies die für französische Schlösser charakteristische Achsenbildung bewirkt.53 Bemerkenswerterweise wird sowohl diese Achsenbildung aus Treppenturm und Wohn- bzw. Kabinetturm als auch der rückseitige Wohn- bzw. Kabinetturm für sich allein im nördlichen Nachbarreich des Deutschen Reichs, in Dänemark, seit den 1530er Jahren ebenfalls rezipiert. Wir stehen hier vor einem erst ansatzweise untersuchten 51 Siehe hierzu K. Justi, 1942. 52 Vgl. Saumur und Paris (Stadtschloß) oder Chaumont (Loire), Gayette (Allier) und Vaux (Maine-et-Loire), deren rückwärtige sog. Kabinettürme über rechtekkigem Grundriß aufgeführt wurden (siehe hierzu U. Albrecht, 1995, S. 94 ff.). Demgegenüber verfügen die Kabinettürme der um 1500 entstandenen Schlösser von Beauregard (Loir-et-Cher) oder Le Moulin (bei Lassay-s.-Croisne, Loir-etCher) über konchenartig gerundete Grund- und Aufrißformen (Abb. zu diesen Schlössern bei U. Albrecht, 1995, S. 101 und 104 f.). 53 Siehe Kap. 3.3, S. 69.

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Phänomen.54 Genauso wie für die im Umkreis der sächsischen Residenzen entstandenen mitteldeutschen Schlösser ist daher eine differenzierte Bewertung französischer Leitbilder geboten und sollten diese gegenüber der Möglichkeit einer partiell wirksamen Vorbildlichkeit symbolträchtiger protestantischer Schloßbaukunst (wie etwa in Torgau) abgewogen werden.55 Den Abschluß dieser überblickshaften Betrachtung wichtiger Turmformen im reichsfürstlichen Schloßbau bilden der Torturm und der repräsentative Treppenturm. Während der Torturm bei manchen Schlössern auch durch ein massives Torhaus ersetzt bzw. in einen Schloßflügel integriert werden kann und somit der Bezug zur Turmarchitektur nicht in jedem Fall sofort ersichtlich ist,56 ist die typologische Zuordnung des Treppenturms eindeutig: Obwohl die repräsentative Haupttreppe grundsätzlich auch ins Innere eines Schloßgebäudes hätte verlegt werden können, wird ihr Lauf bei den meisten deutschen Schlössern bis ins beginnende 17. Jahrhundert in das Gehäuse eines separat vor der Fassade oder in den Hofwinkeln stehenden Turmes eingepaßt.57 Beide Turmtypen sind zwar räumlich voneinander getrennt, doch häufig über die Wegeführung aufeinander bezogen. Mit dem Torturm wird der Besucher eines Schlosses spätestens beim Betreten des Kernschlosses und des Schloßhofes konfrontiert. Als Einzelbauwerk hochaufragend (wie beispielsweise bei der Moritzburg in Halle [Abb. 88] und dem Schloß Schwarzenberg bei Scheinfeld [Abb. 89]) oder in einen Schloßflügel integriert und nur als kleinerer Turmaufsatz kenntlich gemacht (wie beispielsweise bei Schloß Augustusburg [Abb. 9]

54 Zu ersten Beobachtungen und Überlegungen siehe U. Albrecht, 1995, S. 189 ff. 55 Siehe hierzu Kap. 2, S. 28 f. Inwieweit die aus dem Hauptflügel heraustretenden Turmbauten an deutschen Schlössern die Typologie des französischen Donjons aufgreifen, ist strittig: Seit bauarchäologische Untersuchungen im Bereich der deutschen Burgenkunde (siehe Biller, 1993, S. 112 ff.; U. Albrecht, 1995, S. 37 ff.) nachgewiesen haben, daß parallel zum französischen Donjon sich im Reichsgebiet der Wohnturm herausbildete, können die donjonähnlichen Gebilde im deutschen Schloßbau des Spätmittelalters und der Frühneuzeit nicht mehr ohne weiteres als Rezeptionen französischer Vorbilder angesehen werden. Statt dessen ist davon auszugehen, daß ein traditionsbewußter Rückgriff auf eine eigene Turmikonographie vorgenommen wurde, deren Urbild die Turmburg darstellt. Siehe hierzu auch Gerd Strickhausen, der in seiner Untersuchung zu den Burgen der Ludowinger in Thüringen, Hessen und dem Rheinland für die Form der Rundtürme französische Vorbilder annimmt (G. Strickhausen, 1998, S. 60 ff.). 56 Siehe hierzu unten Kap. 4.2.4. 57 Zur Geschichte der Treppe in der deutschen Architektur siehe immer noch grundlegend F. Mielke, 1966.

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oder dem Aschaffenburger Schloß [Abb. 10]) markiert er die Grenze zwischen dem inner- und außerhöfischen Bereich. Da diese Aufgabe auch ein schlichtes, turmloses Portal erfüllen kann, das etwa als Durchfahrt durch einen Schloßflügel angelegt wurde, oder aber auch Torhäuser für die grenzsichernde Funktion geeignet waren, soll der Torturm an dieser Stelle nicht weiter besprochen und dafür auf das Kapitel über das Schloßtor verwiesen werden.58 Hat der Schloßbesucher den Torturm bzw. das Schloßtor passiert, blickt er in vielen Fällen sogleich auf die gegenüberliegende Fassade des Saalbaus oder fürstlichen Hauses. Mit Ausnahme der regelmäßigen Vierflügelanlagen nach dem Muster des Dresdner oder Aschaffenburger Schlosses steht vor dieser Fassade meist der repräsentative Treppenturm – der sog. Wendelstein – als Hauptzugang in die Wohn-, Arbeits- und Festräume des Schloßherrn. Unter der Vielzahl solcher vor die Fassade plazierter Treppentürme sind als herausragende Beispiele diejenigen in Meißen (Abb. 6), Torgau (Abb. 45), Berlin (Abb. 7) und Dessau (Abb. 64) zu nennen. Sie zeigen, daß auch Treppentürme zu architektonischen Schaustücken werden konnten, die durch die Ausschmückung mit bildlichen oder heraldischen Werken oftmals einen ähnlich herrschaftlichen Ausdruck erhielten, wie er auch für die Tortürme charakteristisch war.59 Grundsätzlich gilt diese Beobachtung auch für diejenigen Treppentürme, die bei regelmäßigen Vierflügelanlagen aus funktionalen Gründen in den Hofwinkeln der Schlösser errichtet wurden. Hierzu gehören beispielsweise die Vierflügelanlagen von Dresden (Abb. 48), Kassel (Abb. 22), Schmalkalden (Abb. 24+90) und Aschaffenburg (Abb. 2). Die vier Treppentürme des Aschaffenburger Residenzschlosses sind zugleich der Beleg dafür, daß noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts die kreisrund geführte und mit virtuosen Drehungen sich nach oben schraubende Wendeltreppe als würdig genug erachtet wurde, im Residenzschloß eines Erzbischofs und Erzkanzlers des Reiches den Hauptzugang in die oberen Etagen zu bilden. An dieser auffälligen Wertschätzung der vor der Fassade stehenden Wendeltreppentürme sollte sich erst durch den barocken Schloßbau etwas grundlegendes ändern.60 Umso bemerkenswerter erscheint daher das

58 Siehe Kap. 4.2.4. 59 Zu den repräsentativen Treppentürmen siehe unten Kap. 5.1.4. 60 Zwischen den Architekten und Bauherren war seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts allerdings schon längst eine Auseinandersetzung um die ›angemessene‹ Treppenform entbrannt. Beispielhaft sei hier auf die auch quellenkundlich faßbare Diskussion zwischen Hieronymus Lotter und Kurfürst August I. von

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anhaltische Residenzschloß von Coswig. Als 1670 der Baubefehl zur Errichtung dieses zwischen Dessau und Wittenberg gelegenen Schlosses erteilt wurde, verfolgte man ein sichtlich altertümliches Gestaltungskonzept, dessen Mittelpunkt ein fürstliches Haus bzw. corps de logis mit zentral davorgestelltem Wendeltreppenturm einnahm.61

4.2.2 Das fürstliche Haus und der Saalbau Wie der Turm gehörte auch das fürstliche Haus, d. h. der Hauptbau eines Schlosses zu den charakteristischen und unverzichtbaren Bestandteilen einer landesherrlichen Residenz. Prinzipiell gilt dies natürlich auch für rangniedere Adelssitze, doch wußten die fürstlichen Bauherren ihr wichtigstes Wohn- und Repräsentationsgebäude in besonders anspruchsvoller Weise auszugestalten. Eindrucksvolle Beispiele hierfür wurden bereits in Gestalt der mitteldeutschen Residenzen von Meißen, Torgau, Dresden, Dessau und Bernburg vorgestellt.62 Für das übrige Reich bieten u. a. die für gewöhnlich nur wegen ihres vierflügeligen Italienischen Hauses gewürdigte Landshuter Residenz (mit ihrem

Sachsen verwiesen, die sich bei der Augustusburg erst nach langem Zögern des Kurfürsten auf geradwinklig geführte Treppenläufe einigen konnten (siehe hierzu L. Unbehaun, 1989). Doch auch bei der Augustusburg verzichtete der fürstliche Bauherr noch nicht auf separate Treppentürme, die nun allerdings ein rechtwinkliges Gehäuse erhielten. Obwohl seit der Mitte des 16. Jahrhunderts mit der Jülicher Zitadelle (ab 1549), dem Schweriner Schloß (ab 1553) oder dem Wismarer Fürstenhof (ab 1553) Beispiele für geradläufige Treppenanlagen vorhanden sind, handelt es sich doch nur um sehr vereinzelte Versuche. Und auch sie rekurrieren häufig wieder auf den traditionsreichen Wendeltreppenturm, indem sie – wie bei der Augustusburg – die geradläufige Treppe in ein separat vor der Fassade stehendes turmähnliches Treppenhaus einbauen. Erst 1570 wird im Baden-Badener Markgrafenschloß eine »italienische«, d.h. geradwinklige Treppe in einem innenliegenden Treppenhaus installiert, die damit zu den frühesten Exemplaren im Alten Reich zählt. Noch bis in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts besaß die Wendeltreppe im Alten Reich einen prinzipiell höheren Rang als die geradläufige Treppe und wurde erst im barocken Schloßbau zur Nebentreppe degradiert (zu den unterschiedlichen Treppenanlagen siehe auch F. Mielke, 1966; Ders., 1985; Ders., 1993; Ders., 1996; Purbs-Hensel, 1975, S. 119 ff., sowie St. Hoppe, 1996, S. 442 ff.). 61 H. Dauer, 1999, S. 135 ff. (mit erstmaliger Auswertung der erhaltenen Archivakten, Inventare, Arbeitszettel und Hofkammer-Rechnungsbücher des 16.– 19. Jahrhunderts). Zu Coswig siehe auch weiter unten Kap. 9. 62 Siehe oben die Kap. 3.2 ff. und 3.6.2.

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sog. Deutschen Haus63), das Heidelberger Schloß (Abb. 91), das Neue Schloß in Baden-Baden (Abb. 92), das Schweriner Schloß (Abb. 93) und Schloß Gottorf bei Schleswig (Abb. 94) vorzügliche Anschauungsobjekte. Bezeichnenderweise bildeten beide, Haus- und Turmarchitektur, in der Regel ein integratives bauliches Konzept. Das haben die risalit- bzw. flügelartig aus dem Haus herauswachsenden Turmbauten, die vor allem im mitteldeutschen Raum oftmals virtuosen Treppentürme oder aber die als »kleine Türme« auf dem Hausdach aufsitzenden Zwerchhausgiebel einprägsam vorgeführt. Typologisch läßt sich das fürstliche Haus bis weit in das Mittelalter zurückverfolgen und bereits in den Saalgeschoßhäusern bzw. Palasbauten des 12. und 13. Jahrhunderts begründet finden.64 Ungeachtet der sich im Laufe der Zeit ändernden stilistischen Moden oder funktional bedingten äußeren Veränderungen bewahrt daher selbst ein frühneuzeitliches fürstliches Haus wie der Torgauer Neue Saalbau (1532 ff.) (Abb. 15–17) oder der Berliner Joachimsbau (1538ff.) (Abb. 7+8) in seiner hausähnlichen Grundgestalt noch die Erinnerung an die hochmittelalterlichen Palase, wie sie kennzeichnend für die Pfalzen von Goslar oder Gelnhausen und die reichsfürstlichen Residenzen von Eisenach (Wartburg), Weißensee (Runneburg) oder Marburg (Abb. 83) waren. Ein anschauliches Beispiel für diese formale wie inhaltlichfunktionale Tradition in modernem Gewand bietet das mecklenburgische Residenzschloß von Güstrow (1556ff.): An der Ostseite des Schloßhofes, gegenüber dem Torbauflügel, stand bis zu seinem Abbruch 1795 ein eigenständiges Gebäude (Abb. 95) mit Saalräumen und herrschaftlichen Appartements, daß ursprünglich als fürstliches Haus des Herzogs Ulrich III. genutzt wurde.65 Neben dem eigentlichen fürstlichen Haus wird in Güstrow aber auch der Südflügel (Abb. 82), in dem sich der große Festsaal und die Hofstube befanden, trotz zahlreicher 63 Nach den ursprünglichen Plänen Herzog Ludwigs X. sollte die Landshuter Stadtresidenz ursprünglich nur aus dem sog. Deutschen Haus bestehen; es wurde daher auch mit dem Baubeginn von 1536 als erstes errichtet. Erst nach der Italienreise des Herzogs im selben Jahr, auf der er u. a. den von Giulio Romano errichteten Palazzo del Té kennenlernte, wurde entschieden, zusätzlich noch das sog. Italienische Haus (1537 ff.) dem Deutschen Haus anzufügen. Zum Deutschen und Italienischen Bau siehe die Beiträge von Klaus Endemann, Hubertus Günther und Christoph Luitpold Frommel in Die Landshuter Stadtresidenz, 1998. 64 Zum Saalgeschoßhaus als frühem Typus eines adeligen Repräsentationsbaus in Europa siehe zusammenfassend U. Albrecht, 1995, S. 22 ff. 65 Siehe hierzu Gernentz, 1963, S. 30 f., mit historischen Abbildungen (wichtig sind vor allem die Bauzeichnungen aus der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts, aufbewahrt im Schweriner Landesmuseum).

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moderner, u. a. an Frankreich und Italien orientierter Architekturelemente als Saalgeschoßhaus deutlich herausgearbeitet. So bleibt auch noch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und darüber hinaus das Saalgeschoßhaus ein konstitutives Element des landesherrlichen Schlosses. Als fürstliches Haus bildet es – zusammen mit dem Turm – seinen eigentlichen Kern. Die Stellung eines »pars pro toto« kommt überdies recht deutlich in den Bild- und Textquellen zum Ausdruck: In den bildlichen Darstellungen von Schlössern werden außer Tor, Turm und Kapelle vor allem der Wohn- bzw. Saalbau hervorgehoben66 oder es ist in den Schriftquellen bei rechtlichen oder wirtschaftlichen Angelegenheiten, die das ganze Schloß betreffen, über Jahrhunderte stets vom »Haus« des Fürsten die Rede.67 Auch die Hofordnungen des 16. und 17. Jahrhunderts schenken dem fürstlichen Haus hohe Aufmerksamkeit, versammelten sich in ihm doch verschiedene aufeinanderbezogene und für das Hofleben maßgebliche Funktionsbereiche.68 Sie reichten vom Wein- und Speisekeller und der Hofund Tafelstube über den Festsaal bis hin zu den herrschaftlichen Appartements für die fürstliche Familie und ihre Gäste. Eindrückliche Beispiele für eine solche funktionale Schichtung stellen die neuen Saalbauten des Torgauer und des Berliner Schlosses dar.69 Bei der quellenkundlichen Erwähnung einzelner fürstlicher Häuser fällt darüber hinaus auf, daß stets auch die Namen derjenigen Fürsten genannt werden, die es einst erbaut haben.70 Beide, Haus und fürst66 Siehe z. B. die Darstellung von Burg Hohenberg und der darunter gelegenen Stadt Rottweil in einer Hofgerichtsordnung von ca. 1430/35. Hierzu und zu weiteren Abbildungen siehe Burgen in Mitteleuropa, 1999, S. 23–29. Ein wichtiges französisches Beispiel enthält der Tapisserie-Zyklus der Apokalypse von Angers (2. H. 14. Jh.s), auf dem das Himmlische Jerusalem als spätmittelalterliches Schloß abgebildet wird. 67 Siehe hierzu unten Kap. 5.2. 68 Siehe hierzu ebd. 69 Zu Torgau siehe die Raumrekonstruktion anhand von Inventaren durch St. Hoppe, 1996, S. 167 ff. 70 Beispiele hierfür bieten die Schlösser von Berlin, Torgau, Dessau, Bernburg, Zerbst, Marburg, Heidelberg. In diesen Zusammenhang gehört auch die Benennung ganzer Schloßanlagen nach ihrem ursprünglichen Erbauer, wenn dieser – wie etwa bei der Meißener Albrechtsburg oder der Augustusburg – das gesamte Schloß untrennbar mit seinem Namen verknüpft hatte (wie bei der als Siegesmal Augusts von Sachsen gedachten Augustusburg) oder aber seine Nachfahren eine solche Verknüpfung posthum vornahmen (wie bei der Meißener Albrechtsburg, der Kurfürst Johann Georg II. 1676 im Gedächtnis an Albrecht von Sachsen, den Begründer der albertinischen Linie der Wettiner und mitbeteiligten Bauherrn, den Namen seines berühmten Vorfahren verlieh).

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licher Bauherr, gehören offensichtlich untrennbar zusammen. In der Konsequenz dieser Auffassung errichtete sich – zugespitzt formuliert – jeder Fürst bei seinem Regierungsantritt möglichst ein neues, eigenes »Haus« oder aber er baute zumindest ein bestehendes um bzw. aus (gleiches galt im Prinzip auch für die fürstlichen Witwen71), was im Laufe der Generationen und mancher Herrschaftsteilung zu einer recht stattlichen Ansammlung solcher Häuser auf engstem Terrain führen konnte. Auf diese Weise entstand beispielsweise die in unseren Augen malerische Schloßanlage von Heidelberg (Abb. 91). Auf dem Heidelberger Burgberg stehen gleichzeitig die fürstlichen Häuser verschiedener Generationen pfälzischer Kurfürsten, von Ruprecht III. bis zu Friedrich IV., und bieten zusammen mit den Wehr- und Wirtschaftsbauten das Bild malerischer Vereinzelung.72 Doch das regelrechte Lehrbuchbeispiel dürfte die einstige Anlage von Schloß Zerbst sein: Im fast kreisrunden Innenhof dieser früheren slawischen Wasserburg (Abb. 71+96) standen bis 1681 sechs und bis 1743 noch drei eigenständige fürstliche Häuser aus vier Jahrhunderten, die allesamt im Kreis angeordnet (bis zu seinem Abbruch) den alten Bergfried in der Mitte des Schloßhofes umstanden.73 Es ist keine Frage, daß wir hier vor einem im folgenden noch näher zu untersuchenden Phänomen stehen, das sich nicht als Ergebnis eines zufälligen Wachstumsprozesses einer Schloßanlage und damit rein deskriptiv behandeln läßt.74 Seine Ursachen sind vielmehr zutiefst im rechtlichen und dynastischen Denken verwurzelt und bildete auch ein wichtiges inhaltliches Element bei der Entwicklung des weiter oben bereits angesprochenen ästhetischen Ideals, der Residenz ein möglichst vielgestaltiges Erscheinungsbild zu verleihen.75 Die relativ wenigen regelmäßigen Vierflügelanlagen wie z. B. Dresden oder Aschaffenburg sollten daher nicht den Blick dafür verstellen, daß dieses gestalterische Ideal bis hinein ins 17. Jahrhundert seine Gültigkeit bewahrte und sich auch noch – ungeachtet der angewandten architektonischen Regelhaftigkeit – beim Neubau des Gothaer Schlosses Friedensstein beobachten

71 Siehe hierzu Kap. 5.2. 72 Eine moderne architekturgeschichtliche Darstellung des Heidelberger Schlosses fehlt; siehe daher immer noch grundlegend A. von Oechelhäuser, 1891. 73 H. Dauer, 1999, S. 26 ff. Zu Zerbst siehe ausführlich Kap. 5.2., S. 220 ff. 74 So auch in der hierin grundlegenden Arbeit von W.-B. Sternemann, 1940, oder auch bei H.-R. Hitchcock, 1981. 75 Siehe hierzu Kap. 5.6.

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läßt: Zwischen 1643 und 1654 errichtet, besitzt dieses Residenzschloß nicht nur zwei massive Turmhäuser, sondern zur Stadtseite gelegen auch ein separiertes fürstliches Haus.76

4.2.3 Die Kapelle Die Schloßkapelle des 15. und 16. Jahrhunderts ist in der Forschung bereits verschiedentlich ausführlich gewürdigt worden.77 Deshalb kann sich diese Arbeit darauf beschränken, mit Blick auf das Leitthema einzelne Aspekte zu vertiefen oder aber die ein oder andere Beobachtung und Überlegung den bislang erbrachten Ergebnissen hinzuzufügen. Hierzu gehören u. a. Lage und Erscheinungsbild der Schloßkapelle innerhalb der fürstlichen Residenz. Obwohl sie in den Residenzschlössern seit der Mitte des 16. Jahrhunderts in der Regel kein eigenes Gebäude mehr erhielt und dabei auch keine konfessionellen Unterschiede feststellbar sind,78 gehört die Kapelle doch weiterhin zu den zentralen Elementen einer Schloßanlage. In ihr manifestierte sich, wie noch aufzuzeigen sein wird, das Gottesgnadentum des Herrschers und der Ort seiner ständigen Fürbitte, zu deren intensiver Pflege alle Hofangehörigen in den Hofordnungen ausdrücklich angehalten waren.79 Als Aufbahrungsort für verstorbene Familienangehörige war die Kapelle darüber hinaus in das dynastische Gedächtnis eingebunden. Hierin bestand zunächst zwischen den protestantischen und katholischen Residenzen weitgehende da von der traditionellen Herrschaftsauffassung geprägte Übereinstimmung. Ihrer Bedeutung entsprechend wurde daher selbst bei Kapellen, die den Flügel einer Schloßanlage einnahmen, darauf geachtet, über die Gestaltung des Portals oder den 76 Obwohl sich die Residenz des sächsischen Herzogs Ernst des Frommen im Grundriß als regelmäßige Vierflügelanlage mit zwei pavillonartigen, den Nord- und Südflügel im Westen abschließenden Turmbauten gibt, ist der Ostflügel durch seine Höhe und Breite doch als Haupthaus hervorgehoben. Die vom Architekten Andreas Rudolphi ursprünglich vorgesehene Vierflügelanlage mit vier Ecktürmen kam bezeichnenderweise nicht zustande (siehe hierzu U. Schütte, 1994, S. 79 ff.; zur Planungs- und Baugeschichte des Gothaer Schlosses siehe künftig auch die Marburger Dissertation von Marc Rohrmüller). 77 N. Ohle, 1936; H.-J. Krause, 1989; I. Roch, 1993; D. Großmann, 1994; Ders. 1998; C. Jöckle, 1994; Burg- und Schloßkapellen, 1995. 78 Vgl. z. B. die Anlagen der protestantischen Residenzen von Neuburg, Torgau, Dresden, Kassel, Güstrow, Stettin und Schmalkalden sowie die katholische Residenz von München oder die erzbischöfliche Residenz von Aschaffenburg. 79 Siehe hierzu Kap. 5.4.

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Fensterschnitt einen Hinweis auf diesen wichtigen Gottesdienstraum zu geben. Dies war bereits in Torgau (Abb. 97) der Fall und läßt sich auch in der vollkommen regelmäßigen Vierflügelanlage der Aschaffenburger Residenz des Mainzer Erzbischofs (Abb. 2) beobachten. Sowohl in Torgau und Aschaffenburg (Abb. 97+2), als auch in Dresden und Schmalkalden (Abb. 48+80) wird die Kapelle überdies mit einem noch vom jeweiligen Vorgängerschloß erhalten gebliebenen Turm verbunden, ein Merkmal, das übrigens auch schon die ab 1489/90 errichtete Wittenberger Schloßkapelle besaß (Abb. 98). Für die metaphorische Seite der Residenzarchitektur wird diese Verbindung von Turm und Kapelle noch von Interesse sein.80 Auf einzigartige Weise erfolgt die Heraushebung der Kapelle beim sächsischen Schloß Augustusburg: Hier wird die Kapelle (Abb. 3+4+ 21+99) als eigenständiges Haus aus der ansonsten mit mathematischer Perfektion konzipierten Vierflügelanlage nach außen geschoben, um wie das bedeutsamste Bauteil des Schlosses in die Landschaft zu ragen.81 Daß diese exponierte Lage der Schloßkapelle keineswegs nur ein architektonisches Gestaltungsmittel darstellt oder aber ausschließlich in der Grundrißbildung begründet liegt,82 konnte bereits die Analyse der Augustusburg offenlegen.83 In ihrer Separatsetzung nimmt die Augustusburger Kapelle eine Tradition auf, wie sie – außer im hochmittelalterlichen Schloß- und Burgenbau – noch in der Moritzburg in Halle von 1484, dem Wittenberger Schloß von 1489/90 (Abb. 98) oder aber auch im Torgauer Schloß bis 1533, als die spätmittelalterliche Martinskapelle abgebrochen wurde,84 lebendig gewesen ist. Sie kennzeichnet ebenfalls alle diejenigen Schloßkapellen, die aus älterem Baubestand in neue Schloßbauten eingegliedert wurden und durch ihre andersartige Stilistik oder aber auch durch ihre bauliche Vereinzelung auffallen. Residenzen, die ihre Schloßkapellen auf diese Weise herausheben und als Überbleibsel aus vergangenen Tagen sichtbar präsentieren, sind beispielsweise Berlin (Abb. 63), Celle, Marburg (Abb. 78), 80 Siehe hierzu ebd., S. 231. 81 Zu dieser exponierten Lage der Kapelle siehe auch oben Kap. 3.5, S. 90 f. 82 Der kastellförmige Grundriß der Augustusburg bildet einen absolut gleichmäßigen kreuzförmigen Innenhof aus, der u.a. auch dadurch zustande kam, daß die gegenüber den übrigen Schloßflügeln breitere Kapelle nach außen verschoben wurde (zur Grundrißbildung siehe auch H.-J. Krause, 1972, S. 19, und St. Hoppe, 1996, S. 358 ff.). 83 Siehe Kap. 3.5. 84 Zur Martinskapelle siehe P. Findeisen / H. Magirius, 1976, sowie zuletzt H. Hancke, 1995.

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Würzburg (Feste Marienberg, Abb. 104) und auch Mansfeld (Abb. 12). Ein besonders prominentes und von Hellmut Lorenz in dieser Hinsicht erstmals angemessen gewürdigtes Beispiel verkörpert die Schloßkapelle der Wiener Hofburg.85 Wie bereits bei der Turmarchitektur oder dem fürstlichen Haus läßt sich auch bei der Konzeption der frühneuzeitlichen Schloßkapellen innerhalb des Alten Reichs ein hohes Maß an Homogenität feststellen. Dem mitteldeutschen Residenzenbau kommt hier wiederum eine gewisse Schlüsselstellung zu, da er zum einen bis zur Reformation in den Kapellen von Wittenberg und Halle sakrale Räume mit auch überregional ausstrahlenden Heiltumswerten besaß und zum anderen seit der Reformation vor allem für den protestantischen Bereich territorienübergreifende Leitbildwirkung entfaltete. Ein beredtes Dokument für diese Geltung ist die Korrespondenz der mecklenburgischen Herzöge Johann Albrecht I. und Christoph mit Kurfürst August I. von Sachsen, in der für den Ausbau der mecklenburgischen Residenzen der sächsische Hofbaumeister Caspar von Wierandt angefordert wird. Zwar schlägt der sächsische Kurfürst diese Bitte aus, doch entsteht im Schweriner Schloß auch ohne den sächsischen Hofbaumeister eine saalförmige Kapelle mit umlaufenden Emporen, die der Dresdner Schloßkapelle wie aus dem Gesicht geschnitten ist.86

4.2.4 Das Schloßtor Das Schloßtor bildet den Hauptzugang in den engeren Bereich einer Residenz. Abgesehen von kleineren Nebenzugängen wie etwa Ausfallpforten87 führt an ihm sprichwörtlich kein Weg vorbei. Diesem Rang entspricht auch meist die architektonische und ikonographische Ausstattung, die einerseits wehrhaft und andererseits repräsentativ erscheint. Hierzu tragen sowohl architektonische Elemente bei, die unverkennbar der Wehrarchitektur entlehnt sind, als auch Dekorum, Bildwerke und heraldische Zeichen, die das Schloßtor als Schwelle zwischen inner- und außerhöfischem Bereich kennzeichnen. Dabei ist es zunächst nicht weiter von Belang, in welchen architektonischen Kontext das Schloßtor eingebunden ist. Unabhängig davon, ob es als 85 H. Lorenz, 1997. 86 Zu den Quellenangaben siehe Kap. 2, Anm. 27. 87 Ein bis heute erhaltenes Beispiel bietet die Albrechtsburg in Meißen, die zur Elbseite hin neben dem Kapellenturm eine kleine Pforte besitzt.

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schlichte Durchfahrt durch einen Schloßflügel, als eigenständiges Torhaus oder als hochaufragender Torturm ausgebildet ist, kann es allein durch die ikonographische Ausstattung seine grenzziehende Funktion nach außen sichtbar werden lassen. Dennoch besaß die Wahl eines Torturms, der auch einfach nur durch einen Turmaufsatz auf einem Schloßflügel angedeutet werden konnte, auch im Residenzenbau der frühen Neuzeit Priorität, vermochte doch bereits seine bauliche Gestalt zeichenhaft Distanz zu schaffen.88 So erhielt noch Anfang des 17. Jahrhunderts das fränkische, bei Scheinfeld gelegene Schloß Schwarzenberg einen neuen, hochaufragenden Torturm (Abb. 89), der in seiner Gestalt und Proportion sowie seinem bossierten Mauerwerk wie ein altertümlicher Wachturm vor dem Schloß steht.89 Ein in seiner Zeit exponiertes und mit seinem ikonographischen Programm singuläres Beispiel verkörperte bis zu seinem Abbruch der als »Wappenturm« titulierte Torturm (Abb. 87) der Innsbrucker Residenz (1494–1496):90 Dieser mächtige, von vier Ecktürmchen flankierte Torbau, der zugleich auch die Funktion eines Stadttores ausübte, zeigte auf der Außenwand oberhalb der Durchfahrt in drei Reihen die Habsburger Wappen, die von den Wappen Maximilians I. und seiner Ehefrau, Maria von Burgund, abgeschlossen wurden. Unmittelbar darüber bot eine Scheinarchitektur aus Altan, dahinter liegendem kielbogenbekröntem Maßwerkfenster und seitlichen Baldachinen, die mit Porträts der Herrscherfamilie ausgestattet waren, die Möglichkeit zur permanenten herrschaftlichen Repräsentation. Daß dieser Altan die zivile, bildhafte Umdeutung eines ursprünglich militärisch genutzten Wurferkers ver-

88 U. Schütte, 1994, S. 202. 89 F. Andraschko, 1967. 90 M. Dreger, 1921; P. Werkner 1981. Ein mit dem Innsbrucker Torturm in seiner heraldischen und dezidiert dynastischen Ausgestaltung verwandter Bau ist der 1560 fertiggestellte Torbau von Schloß Brieg (Polen/Schlesien) (siehe hierzu D. Popp, 2000). Im Gegensatz zu Maximilian I. verzichtete Herzog Georg II. von Liegnitz-Brieg-Wohlau jedoch bei der Darstellung seines Stammbaumes auf Wappen, um dafür das sehr viel suggestivere Medium der Porträtbüste zu wählen: Angeordnet in zwei Reihen von jeweils zwölf frontal ausgerichteten Figuren, die auf den Gesimsen des doppelzonigen Gebälks des ersten Obergeschosses aufsitzen, blicken die Vorfahren des Piastenherzogs von oben auf den Betrachter der Torfassade herab und erwecken den Anschein wachsam-wehrhafter Torwächter. Zusammen mit den darunter, auf dem Abschlußgesims der Tordurchfahrt aufgestellten Standfiguren von Herzog Georg II. und seiner Ehefrau Barbara von Brandenburg wird das Bild einer geschlossenen, altehrwürdigen und wehrhaften Dynastie präsentiert, der jeder Besucher vor seinem Eintritt in das Schloß Referenz erweisen mußte.

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körpert,91 bleibt heutigen Betrachtern allerdings verborgen. Häufig wird die distanzschaffende Funktion zusätzlich durch Graben und Zugbrücke unterstrichen, die gleichzeitig wieder daran erinnern, daß der Torturm bis zur Errichtung befestigter Wallanlagen ursprünglich ein Element des Wehrbaus gewesen ist. Ulrich Schütte hat auf diese eigentümliche Zeichenhaftigkeit von militärisch an sich obsolet gewordenen Tortürmen hingewiesen.92 Unter den weiter oben eingehender besprochenen mitteldeutschen Schlössern besaßen bzw. besitzen beispielsweise die Albrechtsburg in Meißen, die Moritzburg in Halle (Abb. 88), die anhaltischen Schlösser Bernburg und Köthen (Abb. 100) sowie das Dresdner Schloß (Abb. 48+49) hochaufragende Tortürme, die durch Gräben und Zugbrücken zusätzlich gesichert waren. Mit Turmaufsätzen mußten sich hingegen die kastellartigen Schlösser von Augustusburg (Abb. 9), Schmalkalden (Abb. 80) oder Aschaffenburg (Abb. 10) begnügen, da ihre Tore unmittelbar in die Schloßflügel integriert waren. Doch auch zu diesen Schloßtoren gehörten ursprünglich Gräben und Zugbrücken als weitere Ausstattungsmerkmale. Daß diese Sicherungsmöglichkeit im höfischen Alltagsleben neben der von Schütte bereits angesprochenen symbolischen Funktion93 vor allem der Kontrolle des Publikumsverkehrs und der Aufrechthaltung der höfischen Ordnung diente, belegen anschaulich und durchaus amüsant die Hofordnungstexte für den Torwärterdienst.94

91 92 93 94

U. Schütte, 1994, S. 27 f. Ebd., S. 202. Ebd., S. 176. Siehe hierzu Kap. 5.5 sowie Kap. 6.5.

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Orte von »Herrlichkeiten«, »Gerechtigkeiten« und »Gedechtnuß«

5. Das Schloß als Ort von »Herrlichkeiten« und »Gerechtigkeiten« und als Ort des dynastischen »Gedechtnuß«

Die vorangegangenen Kapitel vermochten das spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Residenzschloß als ein vielgestaltiges Gebilde zu charakterisieren, für dessen differenziertes Erscheinungsbild gleichwohl nicht mehr als vier Kernelemente: Turm, Haus, Kapelle und Tor verantwortlich zeichnen. Diese Elemente sind für das Schloß und seine Gestalt konstitutiv und werden im wesentlichen ergänzt durch die hier nicht weiter berücksichtigten separaten Verwaltungs- und Wirtschaftsgebäude.1 Da sie jedoch zunächst zum allgemeinverbindlichen, über Jahrhunderte gepflegten Kanon adligen Bauens gehörten und prinzipiell auch der einfachere Adelssitz über Turm, Haus, Kapelle und Tor verfügen konnte, wie beispielsweise das von den Fuggern ausgebaute Schloß Niederalfingen belegt,2 kam der architektonischen, bildlichen und heraldischen Ausgestaltung sowie dem Raumprogramm umso größere Bedeutung zu. Erst durch ihre gestalterische Interpretation wurden die jahrhundertelang tradierten konstitutiven Elemente eines jeden Schlosses zu exklusiven Merkmalen des frühneuzeitlichen Fürstenschlosses geformt. Der Achtung gegenüber den tradierten Strukturen und Elementen im Formalen entsprach schließlich ein vergleichbarer Respekt im Materiellen: Vor allem Türme, Tore und fürstliche Häuser wurden in zahlreichen Fällen entweder in ihrer alten, nicht selten mittelalterlichen Gestalt unverändert stehen gelassen oder aber mit ihren Grundmauern in die Neubauten integriert. Was aber waren die Ursachen für diesen Konservatismus im Formalen wie im Materiellen? Weshalb bemühten sich Baumeister und Bauherren noch in der frühen Neuzeit, ihr ästhetisches und ikonographisches Gesamtkonzept auf der Grundlage der seit dem Mittelalter überlieferten Grundstruktur eines repräsentativen Adelssitzes zu ver-

1 Siehe hierzu oben Kap. 4.2. 2 Zu diesem Thema siehe U. Schütte, 1994, S. 271 ff., sowie jüngst M. Schmidt, 1999, S. 101 ff. (zu Niederalfingen: S. 118 ff.).

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wirklichen und dabei zwar Teile der französischen und italienischen Hofbaukunst zu rezipieren, aber so gut wie nie den zugehörigen architektonischen Kontext? Ausnahmen wie Landshut (und auch hier sind die Brüche bei genauerem Hinsehen unverkennbar3 bzw. wird die anhaltende Bedeutung der nahen Burg Trausnitz als fürstlicher Stammsitz von der Forschung meist übersehen4) bestätigen die Regel, daß selbst anspruchsvolle Residenzschlösser wie Torgau (Abb. 17+44), Dresden (Abb. 48), Güstrow (Abb. 82) oder Heidelberg (Abb. 91), die alle über einen hohen Neubauanteil verfügen, letztlich wie Metamorphosen der mittelalterlichen Adelsarchitektur erscheinen. Was also bewog die deutschen Fürsten und ihre Architekten, immer wieder die Forderungen der Architekturtheoretiker zu mißachten, um wie ihre Vorfahren ein Schloß von »malerischer Vielfalt« mit Türmen, Toren und verschiedenen Häusern zu errichten oder gar das Schloß der Altvorderen zu erhalten? Solche Fragen stellen sich auch unweigerlich bei der Betrachtung der Wiener Hofburg (Abb. 51), die als wichtigste habsburgische Residenz und Sitz des Kaisers herausgehobene Repräsentationspflichten zu erfüllen hatte.5 Die Antwort ist in dem Wert zu suchen, den die Zeitgenossen sowohl den Einzelelementen als auch dem Gesamterscheinungsbild eines Schlosses beimaßen. Wenn selbst große Mühen und Kosten nicht gescheut wurden, um alte Strukturen und Bausubstanz zu erhalten oder aber formale Traditionen in Neubauten künstlerisch neu zu interpretieren, dann muß dieser Wert außerordentlich hoch gewesen sein. Manche Hinweise wurden hierzu bereits bei der Analyse der mitteldeutschen Residenzarchitektur gegeben. Ausgehend von der Meißener Albrechtsburg ließ sich an den verschiedenen Residenzen der sächsischen, brandenburgischen, anhaltischen, hessischen und gräflichmansfeldischen Territorialherren überblickshaft aufzeigen, in welchem Maß die Schloßarchitektur ikonographische Aufgaben zu erfüllen hatte. Das frühneuzeitliche Schloß repräsentierte gewissermaßen Dynastie und Staat in einem und war hierin als Bedeutungsträger ebenso wichtig wie als funktionaler oder künstlerischer Gegenstand. So dien-

3 Beispielsweise besteht neben dem italienischen Bau noch der sog. Deutsche Bau als separates Gebäude in der Tradition des fürstlichen Hauses (zu Landshut siehe Die Landshuter Stadtresidenz, 1998). 4 Auf diese Bedeutung auch unter den Herzögen Ludwig X. und Wilhelm V. und ihre »ungebrochene Tradition und Wertschätzung für die alte Wittelsbacher Burg« hat G. Spitzlberger, 1998, S. 17, zu Recht hingewiesen. 5 Zu Wien siehe M. Müller, 2000b; zu Güstrow siehe Kap. 5.7.

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ten beispielsweise die architektonischen Konzepte, die Arnold von Westfalen, Konrad Krebs oder Hieronymus Lotter für die wettinischen Schlösser entwarfen, nicht allein der Befriedigung ästhetischer Ansprüche, sondern ebenso der Visualisierung von Ideen und Idealen, die unmittelbar Dynastie, Status und Amt, nicht selten aber auch entsprechende Ambitionen des Bauherrn und schließlich die Funktion des Schlosses als landesherrlichen Regierungssitz betrafen. In dieser Hinsicht hatte die spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Residenzarchitektur unmittelbaren Anteil an den politischen, religiösen und rechtlichen Vorstellungen und Normen der Zeit und reflektierte sie im Zusammenspiel von architektonischer Form und bildkünstlerischer Ausstattung.6 Um diese Ideen und Normen einer dynastisch, religiös und rechtlich gebundenen Fürstenethik in der Schloßarchitektur sichtbar werden zu lassen, bedurfte es einprägsamer, bildmächtiger Formen, die überdies möglichst genauso tief im Bewußtsein der Betrachter verankert sein sollten, wie die zu veranschaulichenden Inhalte. Dies haben die seit alters her im Schloßbau tradierten und kostitutiven Hauptelemente offensichtlich am besten zu leisten vermocht und dabei zugleich ihre Fähigkeit bewiesen, durch das interpretatorische Geschick der entwerfenden Architekten und Künstler auch zu Metaphern des frühneuzeitlichen Fürsten und seines Regententums werden zu können. Daß der bemerkenswerte strukturelle wie formale Konservatismus im frühneuzeitlichen Schloßbau nicht einfach nur als gedankenloses Festhalten an überliefertem Formengut zu werten ist und der ebenfalls auffällige Umgang mit alter Bausubstanz nicht allein ökonomischem Denken entsprang,7 kann durch die exemplarische Auswertung unterschiedlichen Quellenmaterials, von den Rechtsurkunden über die Hofordnungen bis zu den Architekturtraktaten, nachgewiesen werden. Hinzu kommen Bildquellen und die gebaute Schloßarchitektur selbst. Manches ist bereits in den Kapiteln zum mitteldeutschen Schloßbau angesprochen worden. Es soll nun in den folgenden Kapiteln vertieft und im Zusammenhang dargestellt werden. 6 Zum dynastischen bzw. genealogischen Aspekt siehe die Beiträge des jüngst erschienenen Sammelbandes von K. Heck / B. Jahn, 2000. 7 Eine Auswertung der überkommenen Baudenkmale muß mit großer Sorgfalt geschehen, um die bewußte, an der genealogischen und rechtlichen Tradition des Ortes ausgerichtete Konservierung von der nur bauökonomisch motivierten zu unterscheiden. Dies kann nur über die Erschließung von repräsentativen Einzelbeispielen bzw. Quellenäußerungen geschehen, anhand derer sich eine solche, inhaltlich begründete Konvention adligen Bauens glaubhaft belegen läßt.

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Als erstes gilt das Augenmerk der engen Verbindung des Schlosses mit der Sphäre des Rechts und der Dynastie. Beide Bereiche, der rechtliche wie der dynastische, existieren zwar auch unabhängig voneinander, doch manifestieren sie sich letztlich in denselben baulichen Elementen und sind vor allem bei einem über viele Generationen in Familienbesitz befindlichen Schloß kaum voneinander zu trennen. Hierfür bieten sowohl die Albrechtsburg in Meißen, die seit dem 12. Jahrhundert den Wettinern als neuer Stammsitz diente, als auch das Schloß Bernburg, dessen Bedeutung als anhaltischer Stammsitz noch im 17. Jahrhundert quellenkundlich faßbar ist,8 aufschlußreiche Beispiele. Bei beiden Schlössern standen bestimmte Bauteile – vor allem Türme – nicht nur im Mittelpunkt von Rechtsverträgen bzw. dienten gar als Orte der Rechtsprechung, sondern wurden offensichtlich auch als äußeres Zeichen für die dynastische Altehrwürdigkeit des jeweiligen Adelshauses aufgefaßt. Ein anderes Beispiel, Schloß Altenburg in Thüringen, kann mit wünschenswerter Deutlichkeit belegen, daß besonders Schloßtürme zu Trägern herrschaftlicher Rechte, sog. »Herrlichkeiten« und »Gerichtsbarkeiten«, werden konnten. Darüber hinaus besaß in manchen Residenzschlössern, wie z.B. Wittenberg, das Hofgericht im fürstlichen Haus seinen Tagungsraum.9 Noch in der Mitte des 18. Jahrhunderts besaß diese enge Verknüpfung von gebauter Schloßarchitektur und Rechtssphäre, ja gewissermaßen die Materialisierung herrschaftlicher Rechte im Schloßbau ihre Aktualität. So kann man in Johann Heinrich Zedlers »Universal Lexicon« von 1743 zum Stichwort »Schloß« lesen: »Schloß, Arx, Castrum, Chateau, ein Fürstliches oder Herren-Hauß, mit Mauren und Thoren, oder mit Gräben und Brücken versehen. Dergleichen Häuser haben allezeit gewisse Herrlichkeiten und Gerechtigkeiten, die ihnen ankleben, und mit ihnen veräussert werden, aber nicht allezeit die Landes-Obrigkeit. Es darf auch, ohne des Landes-Herrn Vorwissen und Bewilligung, niemand, der es nicht hergebracht, ein Schloß neu erbauen, und ist schuldig, wenn er eines hat, dasselbe dem Landes-Herrn auf Begehren zu öffnen. Ein Schloß, so auf des Landes-Herrn Befehl niedergerissen worden, verlieret seine Gerechtigkeit […]«.10 Mit anderen

8 Vgl. bspw. Regierungsschreiben aus den Jahren 1644 und 1650 (Landesarchiv Oranienbaum [LAO] Abt. Bbg. D 5 Nr. 1b.; LAO Abt. Bbg. C 10b Nr. 4, zit. nach F. Stieler, 1961, S. 48). 9 H. Lück, 1995, S. 238; zu Lage und Ausstattung siehe den Bericht von Andreas Meinhard, 1986, S. 147 ff., sowie F. Bellmann u. a., 1979, S. 238. 10 J. H. Zedler, Großes vollständiges Universal Lexicon, Bd. 1–64, Halle und Leipzig 1732–1754, hier: Halle und Leipzig 1743, Bd. 35, Sp. 210 f.

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Worten: Schlösser sind personenunabhängige Rechtsträger, von denen aus die Rechte auf den jeweiligen Schloßbesitzer übertragen werden. Für einen Adeligen ist das Recht auf Herrschaftsausübung und Rechtsprechung in einem bestimmten Territorium folglich nur dann möglich, wenn er sich im Besitz eines Schlosses befindet, dem diese Rechte inkorporiert wurden.11 Umgekehrt erlöschen die Rechte an Herrschaft und Gerichtsbarkeit für ein bestimmtes Territorium in dem Moment, in dem das mit den Rechten ausgestattete Schloß zu existieren aufhört: »Ein Schloß, so auf des Landes-Herrn Befehl niedergerissen worden, verlieret seine Gerechtigkeit […]«. Die unauflösliche Verbindung von Schloßarchitektur und herrschaftlichen Gerichts- und Besitzrechten12 findet ihre letztendliche Begründung in einer für das moderne Staatsverständnis nicht mehr nachvollziehbaren Identität von Herrscher und Recht. Für das 16. Jahrhundert läßt sich dies anhand der »Institutio principis christiani« (1515) des Erasmus von Rotterdam13 und einer Rede Kaiser Karls V. an seinen Sohn Philipp II. exemplifizieren. Erasmus schreibt über das fürstliche Regiment: »Obwohl es viele Staatsformen gibt, besteht doch bei fast allen Philosophen darin Übereinstimmung, daß die Monarchie die günstigste sei, nach dem Urbilde Gottes freilich, so daß die Fülle der Macht in der Hand eines einzigen liegt, aber nur wenn dieser ebenfalls nach dem göttlichen Urbild alle übrigen an Weisheit und Güte übertrifft und er keinen Makel aufweist und nach nichts anderem strebt, als

11 Siehe hierzu für das 15. und 16. Jahrhundert auch K.-H. Spieß 1995, S. 195–212. Für die mittelalterliche Situation siehe auch die Beiträge in: Hans Patze, 1976. Zur Bedeutung der Grundherrschaft für die Ausbildung des herrschaftlichen Rechtssystems vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit siehe K. Schreiner, 1983, S. 11–74; zur Vereinigung von Grundherrschaft und Hochgerichtsbarkeit in einer Hand und den daraus abgeleiteten Begriffen »Grundgerechtigkeit« (für aus dem Bodenbesitz abgeleitete Ansprüche und Kompetenzen) und »herlichkait« (für aus der Hochgerichtsbarkeit resultierende Rechte) siehe für das 15. und 16. Jahrhundert ebd., S. 39 ff. 12 Die Bewahrung von Teilen des Altbaus als Ausdruck von rechtmäßiger Gerichtsbarkeit läßt sich auch bei Schloßbauten beobachten, die zugleich die Funktion von Amtshäusern innehatten: siehe hierzu den Aufsatz von Chr. Renfer, 1998, zu den Verhältnissen in der schweizerischen Eidgenossenschaft der frühen Neuzeit (1450–1650). Für den in dieser Arbeit schwerpunktmäßig untersuchten mitteldeutschen Raum bietet die Rochsburg bei Burgstädt in Sachsen ein wichtiges Beispiel (Die Rochsburg und ihre Umgebung, 1978; K.-H. Karsch, 1996). 13 Zu Erasmus’ »Institutio« siehe auch Erasmus, The Education of a Christian Prince, 1936; siehe desw. L. K. Born, 1928, S. 520–543; F. Geldner, 1930; E. von Koerber, 1967; L. Schrader, 1990.

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dem Staat zu nützen«.14 Dies gelingt nur dann, wenn der Herrscher sich als Verkörperung des Gesetzes und damit als Justitia selbst begreift. So definiert Erasmus an anderer Stelle in der »Institutio« die Identität von Herrscher und Gesetz: »Ein guter, weiser und unbestechlicher Herrscher ist nichts anderes als ein lebendiges Gesetz. Er wird sich daher Mühe geben, nicht möglichst viele Gesetze zu erlassen, sondern möglichst gute, die für den Staat heilsam sind. Denn einer wohlgeordneten Bürgerschaft unter einem guten Herrscher und unter untadeligen Beamten werden sehr wenige Gesetze genügen […]«.15 Daß diese Definition im frühneuzeitlichen Reich Anerkennung fand und auch vom Kaiser akzeptiert wurde, belegen die Worte Karls V., der in seiner »Rede« von 1555 an seinen Sohn König Philipp zugleich die besondere Stellung des Herrschers »über den Gesetzen« anspricht: »Ob es aber wohl an deme, das, weil ein furst uber die gesetze ist, es alsso das ansehen hat, als sey er an dieselben nicht gebunden, so gebeuth ihme doch das höchste gesetz, welches die vernunfft selbst ist, das er einem jeden das seine tribuire, die frommen belohne, und die bösen straffe, und vorbeutet ihme zugleich, das er von dieser richtschnur und regel nicht abweiche, oder uff diese weise seines regiments grundtfest, welche in gericht und gerechtigkeit gleichmessiger administration stehet, nicht selbst rege und wandelbahr mache«.16 Für das genaue Verständnis des Schlosses als Rechtsträger ist die hier ausgesprochene Gleichsetzung des Regenten mit dem Recht von zentraler Bedeutung. Denn so wie der Regent die Verkörperung des von Gott gegebenen Rechts bedeutet, verkörpert das mit den Herrschaftsrechten behaftete Residenzschloß in letzter Konsequenz wiederum den Regenten. Das Schloß wird sozusagen zu seinem architektonischen Körper bzw. dem seiner Familie. An dieser Stelle kommt schließlich auch das dynastisch geprägte Verständnis von Schloßarchitektur zum Tragen und wird seine Einbindung in die adlige »Erinnerungskultur«17 und Vorstellung vom dynastischen »Gedechtnuß«18 sichtbar. Ausdrücklich kommt dieser Aspekt bei den Architekturtheoretikern des 14 Erasmus von Rotterdam, Institutio principis christiani [1515], zit. nach Erasmus Desiderius von Rotterdam – Ausgewählte Schriften, Bd. 5, 1968, S. 186 f. 15 Ebd., S. 280 ff. 16 »Keiser Carln des funfften rede, so er zu seinem sohn konig Philipssen gethan, wie ein rechtschaffen regiment von ihme könne angestellet werden« (1555), zit. nach B. Stübel, 1905, S. 207. 17 K. Graf, 1996, 1997. 18 Diesen Begriff verwandte u. a. Kaiser Maximilian I. in seinem Entwurf zum ewigen Gedenken an die Taten fürstlicher Regenten (siehe hierzu grundlegend J.-D. Müller, 1982; siehe auch neuerdings J. J. Berns / W. Neuber, 2000).

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17. Jahrhunderts zur Sprache. So bezeichnet Pietro Sardi in seinem 1622 erschienenen Ausgabe seines Architekturtraktats »Corona imperialis architecturae militaris« die Türme an zeitgenössischen Schlössern als ein »vhraltes Glied der Fortification«, die aber »mehr zum Gedächtniß der Antiquitet« erhalten blieben, als daß sie militärischen Ansprüchen genügten.19 Und Joseph Furttenbach entschuldigt in seiner Schrift »Architectura recreationis« von 1640 die Konservierung alter fürstlicher Häuser mit dem Respekt vor der Familientradition: »Es hat ein Adeliche Person ein altes Stammenhauß/ oder ein Schloß/ welches sie nit einreissen sonder vilmehr von dero lieben Seel: Voröltern wegen/ gern länger behalten wolte«.20 Erinnerung halten bzw. »Gedechtnuß« pflegen, bildete den Mittelpunkt adeligen Selbstbewußtseins. Von hier aus erschloß sich sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft eines Adelshauses. Außer den wegweisenden Studien Otto Gerhard Oexles zur mittelalterlichen Totenmemoria21 hat dies sehr anschaulich und immer noch grundlegend Jan-Dirk Müller in seiner Studie zu Maximilians I. »Weißkunig« darlegen und den Einsatz von Literatur und bildender Kunst für die Propagierung der fürstlichen Genealogie aufzeigen können.22 Jörg Jochen Berns vermochte diesen Ergebnissen vor kurzem den Aspekt der »enzyklopädischen Struktur« des Maximilianschen »Gedechtnuß«Konzeptes hinzufügen, der vor allem darin bestand, die »Gedechtnuß«-Leistung mit allen Bereichen des damaligen geistigen und materiellen Erkenntnisinteresses und seinen unterschiedlichen literarischen wie bildlichen Medien zu verknüpfen.23 »Erinnerung« bzw. »Gedechtnuß« besitzt somit zugleich eine retrospektive und prospektive Ausrichtung24 und umfaßt damit wesentlich mehr als nur den Respekt vor dem Vergangenen. Durch die Vergewisserung seiner dynastischen Herkunft und seiner Ahnen, seiner Rechte und seiner politischen, militä-

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P. Sardi, 1622, S. 51. J. Furttenbach, 1640, S. 21 f.; siehe auch U. Schütte, 1984a, S. 246. O. G. Oexle, 1983, 1985, 1995, 1998. J.-D. Müller, 1982. Berns entwickelt das von Maximilian initiierte »Gedechtnuß«-Modell aus dem »Konzenterschema« der officia rhetoris, so daß sich um einen sog. »inventio-Kern« aus Gedenkbüchern mehrere Ringe aus historia-Werken (in Form von Text und Bild) bis hin zu Werken der artes liberales, der artes mechanicae und der Hof- und oikos-Künste legen. Siehe J. J. Berns, 2000 (Jörg Jochen Berns danke ich an dieser Stelle für die freundliche Überlassung seines bislang unveröffentlichten Manuskriptes). 24 Hierzu K. Graf, 1997, S. 1 ff.

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rischen, wissenschaftlichen und kulturellen Verdienste vermochte sich ein Adelshaus die notwendige Grundlage zu schaffen, von der aus neben der Sicherung des Bestands auch die Expansion in Angriff genommen werden konnte.25 Als geeignete Elemente, mit deren Hilfe die Ausübung von »Gedechtnuß« möglich war, sind in der Forschung bislang überwiegend liturgische Memoria, religiöse Stiftungen und Gebetsdienst, Literatur und bildende Kunst, Altertümer sowie Erb- oder Hauskleinodien genannt worden.26 Hinzu kommen die oftmals sagenhaften Stammbäume, die sich die Familien seit dem ausgehenden Mittelalter aufstellen ließen.27 Demgegenüber fand die Schloßbaukunst als Gegenstand von »Gedechtnuß« nur vereinzelt Beachtung.28 Nicht nur die Aussagen von Pietro Sardi und Joseph Furttenbach, auch andere Quellentexte und schließlich die Schloßarchitektur selbst bezeugen aber, daß im dynastischen »Gedechtnuß« das Schloßgebäude einen ebenso festen Platz einnahm. In diesen Zusammenhang gehört auch die Rückkehr von Adelsfamilien auf alte Stammburgen und deren anschließender Wiederaufbau bzw. Restaurierung.29

25 Siehe hierzu auch die Beiträge in: K. Heck / B. Jahn, 2000. 26 J.-D. Müller, 1982; Ders., 1987, Sp. 208 f.; Ders., 1991; O. G. Oexle, 1983, 1985, 1995, 1998; siehe auch mit weiterer Literatur Klaus Graf, 1997. 27 Siehe hierzu u. a. M. Tanner, 1993; W. Hermann, 1995, S. 13–26; W. Brückle, 2000 (zur Rezeption der Trojasage in der spätmittelalterlichen französischen Staatstheorie); B. Jahn, 2000 (zur kritischen Reflexion genealogischer Legitimationsmuster bei Cyriacus Spangenberg). 28 G. U. Großmann, 1979, S. 61 ff., und J. Kastler, 1989, S. 113 (zur Bewahrung von Türmen); B. von Götz-Mohr, 1987, S. 67–73 (Anm. S. 93 f.). Erste Überlegungen zu diesem Thema finden sich auch bei H. Lorenz, 1997; Ders., 1998. Lorenz, der im erstgenannten Aufsatz das Phänomen von Traditionswahrung und Modernisierung im Schloßbau am Beispiel Berlin-Brandenburgs beschreibt, verweist in seinem grundsätzlichen und wichtigen Beitrag auch auf die Baupolitik Augusts des Starken in Sachsen und der Habsburger in Wien (siehe hierzu speziell auch den zuletzt genannten Aufsatz). Allerdings konzentrieren sich Lorenz’ Überlegungen vor allem auf den Aspekt der dynastischen Traditionspflege, so daß die vielschichtigen rechtshistorischen und politisch-religiösen Beweggründe ausgeklammert bleiben. 29 Siehe hierzu bspw. die elsässischen Schlösser in der Zeit um 1500, für die G. Bischoff, 1998, S. 85 ff., entsprechende Hinweise liefert. Als Beispiel nennt Bischoff u. a. die Wiederinbesitznahme und den Ausbau der Haut-Koenigsburg durch Oswald von Thierstein (ebd., S. 87).

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5.1 Schloßtürme als Gegenstand von Recht und »Gedechtnuß« Daß Schloßtürme ihr jahrhundertelanges Überleben – typologisch wie materiell – vor allem den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rechtsverhältnissen sowie einer bestimmten äußeren Form des dynastischen Gedächtnisses verdanken, ist so gut wie unbekannt. Zwar blieb die Eingebundenheit von Türmen in Gebäude mit Rechtsfunktionen (wie etwa Justizpalästen oder Rathäusern) von der Forschung durchaus nicht unbemerkt, doch daß der Turm selbst zum Träger von Rechten werden konnte, entzog sich bislang weitestgehend der architekturgeschichtlichen Kenntnis.30 Hier versucht die vorliegende Arbeit Neuland zu betreten, dessen Begehung durch wichtige Hinweise aus der historischen Forschung unterstützt wird.31 Eine vergleichbare terra incognita tut sich auf, wenn Überlegungen zur Verwendung von Türmen bzw. Schloßarchitektur allgemein für das dynastische Gedächtnis angestellt werden sollen. Auch hier fehlen systematische und übergreifende Untersuchungen.32 30 Dies gilt prinzipiell auch für die Türme von Sakralbauten, deren Rechtscharakter eine wichtige Parallele zu den Schloß- und Burgtürmen darstellt. Obwohl Kirchtürme in den Quellen immer wieder als Orte von Rechtshandlungen und zur Aufbewahrung von Rechtsbüchern und -urkunden genannt werden und besitzrechtlich selbst zu Rechtsträgern werden konnten, fehlt bislang eine gründliche, systematische Untersuchung. Eine wegweisende Einzelfallstudie bildet nach wie vor Wolfgang Beehs Abhandlung über den Rottweiler Kapellenturm (W. Beeh, 1961). 31 An dieser Stelle sei den Historikern Enno Bünz (Leipzig), Manfred Kobuch (Dresden), Andreas Ranft (Halle), Karl-Heinz Spieß (Greifswald) und André Thieme (Dresden) für das Gespräch gedankt. 32 Zu ersten wichtigen Ansätzen siehe oben Anm. 28. Siehe hierzu auch die grundsätzlichen, jedoch quellenkundlich nicht verifizierten und differenzierten Überlegungen von G. U. Großmann, 1979, S. 61 ff. Großmann erkennt in der Bewahrung alter Türme im frühneuzeitlichen Schloßbau einen »historisch-politischen« Anlaß. Der Turm, als »Abbreviatur der Burg schlechthin«, hat »die alteingesessene Herrschaft als solche zu symbolisieren«, d.h. er steht »für die Tradition der Rechtsgewalt und damit der herrscherlichen Macht«. Weiter führt Großmann aus, daß dem alten Turm die Funktion zukam, »dem Betrachter anzuzeigen, daß er es nicht mit einer vollständigen Neuanlage und womöglich einer neuen nicht etablierten Herrschaft zu tun hatte, sondern mit einer Herrschaft, die sich auf eine lange Tradition stützte, was durch den Schloßturm ›bewiesen‹ wurde.« Großmann spricht von einer »Legitimation durch Alter«, die nicht durch »historisierendes Neubauen« (das es auch gegeben hat, wie das Beispiel des Fuggerschlosses Niederalfingen bei Augsburg zeigt), »sondern durch die Erhaltung eines markanten Altbauteils verwirklicht« wurde (alle Zitate ebd., S. 62 f.).

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Wurden Fragen von Recht und Gedächtnis anhand von Schloßtürmen und Schloßarchitektur bislang nur sehr zurückhaltend besprochen, so fand die Turmarchitektur der frühneuzeitlichen europäischen Adelssitze unter dem Aspekt möglicher Zeichenhaftigkeit in den zurückliegenden Jahrzehnten dennoch immer wieder intensivere Beachtung. Eine wichtige Studie trug den Begriff des Turms sogar in ihrem Titel: »Turm und Bollwerk« formulierte Stanislaus von Moos 1974 und wies damit die Richtung, diesen zentralen Merkmalen von Adelsarchitektur besondere Aufmerksamkeit zu widmen.33 In seiner eigenen Arbeit, die sich vorzugsweise mit italienischen Anlagen der Renaissance beschäftigt, vermochte von Moos sodann den Blick über die vordergründig fortifikatorischen Aufgaben der Turmbauten hinauszulenken und eine Fülle von symbolischen bzw. zeichenhaften Sinnschichten in den italienischen Adelspalästen und Amtsgebäuden freizulegen. Allerdings blieben die Feststellungen zum metaphorischen Potential von Turmarchitektur notgedrungen recht oberflächlich: Der methodische, über die kunsthistorische Disziplin weit hinausreichende Neuansatz hätte eigentlich ein konsequent interdisziplinäres Vorgehen mit entsprechenden Archivarbeiten und Quellenstudien erfordert; dem setzten jedoch fehlende historische Grundlagenuntersuchungen sowie der äußere Rahmen dieser kunsthistorischen Arbeit enge Grenzen. So vermochte von Moos zwar Turmbauten als »eine Form der Repräsentation fürstlicher Souveränität«34 zu deuten, in der im Sinne einer »klassenspezifische[n] Bauform« »die Tradition mittelalterlicher Adelsburgen«35 fortlebt und die – wie an den Beispielen des Senatorenpalastes und des projektierten neuen Gerichtspalastes Julius’ II. in Rom gezeigt – auch als »adäquate Veranschaulichung der Justiz«36 gelten konnte,37 doch mußte er auf eine genaue quellenkundliche Begrün-

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Siehe St. von Moos, 1974. Ebd., S. 81. Ebd., S. 78. Ebd., S. 94. Von Moos verweist in diesem Zusammenhang auf Sebastiano Serlio, der im sechsten von seinen sieben Büchern zur Architektur auch eine architekturtypologische Klassifizierung des »Gerichtsgebäudes« vornimmt (die Münchner Fassung wurde als Faksimileausgabe herausgegeben von M. Rosci, 1966). Aufgeführt werden außer den Türmen (Campanile oder Ecktürme), deren praktische Funktion Serlio vor allem als Träger der Gerichtsglocke oder als Wach- und Wehrtürme gegenüber äußerer Bedrohung oder innerstädtischem Aufruhr beschreibt, auch zweiflügelige Freitreppen (siehe M. Rosci, 1966, fol. 59v, fol. 61v; siehe auch St. von Moos, 1974, S. 94 ff.).

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dung und präzise kunsthistorische Ableitung der Turmmetaphorik verzichten.38 An die Ergebnisse und Anregungen dieser Untersuchung knüpfte dann eine zwanzig Jahre später erschienene Arbeit an, die speziell das Verhältnis von scheinbarer und tatsächlicher Wehrhaftigkeit im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Schloßbau analysierte.39 Ihr Verfasser, Ulrich Schütte, vermochte anhand der Residenzschlösser im Alten Reich aufzuzeigen, wie sehr der Schloßbau bis hinein ins 17. Jahrhundert vom Gedanken der Wehrhaftigkeit bestimmt blieb, selbst wenn es sich schließlich nur noch um eine inszenierte Form, d. h. ein »Bild« von Wehrhaftigkeit handelte. In diesem »Bild« nahm der Turm eine zentrale Stelle ein, wobei seine von großzügigen Fensteröffnungen durchbrochenen Wände signalisierten, daß er nur noch eine zeichenhafte Erinnerung an die einstigen Wehrtürme darstellte.40 Auch in dieser Arbeit mußten zwangsläufig Fragestellungen nach solchen metaphorischen Sinnschichten, die über den engeren Bereich der Wehrhaftigkeit als Signum von Herrschaftlichkeit hinausweisen und etwa die Aspekte von Herrschaftsrechten und dynastischem Gedächtnis betrafen, weitestgehend ausgeklammert bleiben. Daß die Zeichenhaftigkeit von Türmen bereits im Mittelalter ihre Aktualität besaß, darauf hat Hans-Martin Maurer vor vielen Jahren hingewiesen: »Der Turm, das wird fast immer übersehen, ist nicht nur ein Zweckbau, ein Fluchtort, nein, es gibt kaum Berichte darüber, daß sich Burginsassen hier lange halten konnten, der Bergfried hatte noch eine ganz andere Bedeutung, er war ein Zeichen adliger und herrschaftlicher Macht, er war – wie die ganze Burg, aber noch konzentrierter – ein Statussymbol der Besitzer«.41 Auch Maurer vermochte jedoch nicht näher zu erklären, weshalb gerade der Turm diese Wertigkeit zugesprochen bekam und aus welchem konkreten Inhalt sich die Symbolkraft speiste. Gleiches gilt im übrigen für die wichtige Studie von Joachim Zeune zur Architekturmetaphorik mittelalterlicher Burgen: Über den Kenntnisstand von Hans-Martin Maurer vermag er nicht 38 Von Moos interpretiert den Kommentar Serlios über die Notwendigkeit von vier starken Ecktürmen beim »palazzo del governaro o luogo tenente« vollkommen zutreffend, wenn er feststellt, daß »die Strenge dieser Gerichtsbarkeit […] in der Stärke der vier Ecktürme zum Ausdruck« kommt (St. von Moos, 1974, S. 95). Doch vermag er nicht die historischen Wurzeln für diese praktische wie metaphorische Funktion der Turmarchitektur aufzuzeigen. 39 U. Schütte, 1994. 40 Ebd., S. 178 ff., 197 ff. 41 H.-M. Maurer, 1977, S. 125.

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hinauszukommen.42 Fehlen der architekturgeschichtlichen und bauarchäologischen Forschung somit nach wie vor konkrete Anhaltspunkte, so kann die historische Forschung auf den ein oder anderen Quellenfund verweisen, der vor allem den rechtlichen Kontext der Turmarchitektur sichtbar werden läßt.43 Da die Architektur jedoch naturgemäß nicht der zentrale Untersuchungsgegenstand von Historikern ist, wurden die vereinzelt aufgefundenen Quellenhinweise nicht systematisch ausgewertet und deshalb auch nicht für das inhaltliche Verständnis der Schloßtürme grundlegend nutzbar gemacht. Selbst wenn die vorliegende Arbeit eine Reihe von Quellen neu heranzieht und auf dieser Basis repräsentative Aussagen möglich sind, warten viele unedierte und edierte Quellen – unter ihnen besonders Urkundenbücher – noch auf ihre entsprechende Auswertung.44 Die Auswertung von urkundlichen Quellen ist der eine Schritt. Um in Erfahrung zu bringen, welche rechtlichen und dynastischen Sinnbezüge sich mit adliger Turmarchitektur im Zeitalter der praktischen Funktionslosigkeit von Wehrtürmen verbanden, bedarf es aber mehrerer Untersuchungsschritte zugleich: Zum einen ist das Augenmerk neben den in den Schlössern erhalten gebliebenen mittelalterlichen Türmen auf die verschiedenen Neuschöpfungen bzw. Neugestaltungen von Turmformen des Untersuchungszeitraums zu richten (hierzu gehören neben den repräsentativen Treppentürmen und turmartigen Risaliten auch die Erker und Zwerchhäuser) und die Position dieser Turmbauten innerhalb der Gesamtarchitektur des Schlosses sowie ihre räumliche und bildkünstlerische bzw. emblematische Ausstattung zu berücksichtigen, zum anderen muß weiteres unterschiedliches schriftliches wie bildliches Quellenmaterial herangezogen werden. Als aussagekräftige schriftliche Quellen bieten sich neben den genannten Urkundenbüchern vor allem Inventare, Hofordnungen und Fürstenspiegel an, als aufschlußreiche bildliche Quellen erweisen sich diverse Bildwerke aller Gattungen, in denen Schloßdarstellungen ein wichtiges Element bilden. Hier übernehmen die Tugend- und Gerechtigkeits-

42 J. Zeune, 1997, S. 42 ff. 43 Die Rechtlichkeit war seit dem Mittelalter ein wesentlicher Bedeutungsaspekt von Burgtürmen, vor allem dann, wenn die Burganlage mit einem oder mehreren Rechtsbezirken verbunden war. Siehe hierzu u. a. W. Bornheim, 1964, S. 62; H.-K. Pehla, 1974, S. 88 ff.; Binding 1980 (zum Bergfried); H. Maurer, 1976, und M. Kobuch, 1997. 44 Dies gilt vor allem für Urkunden, die Teilungen, Besitzumschreibungen und Herrschaftsrechte bestätigen.

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bilder sowie Bilder aus der Strafrechtspraxis eine Schlüsselfunktion. Mit ihrer Hilfe läßt sich die Bedeutung von Schloßdarstellungen auch in anderen thematischen Zusammenhängen (wie z.B. Märtyrer- und Heiligenbildern) ermitteln und über die Turmarchitektur im engeren Sinn hinaus das grundsätzliche metaphorische Potential von Schloßarchitektur aufzeigen.45 Als wesentliche Erkenntnis wird sich am Schluß ergeben, daß nahezu alle zentralen Aspekte fürstlicher Herrschaft im Turm ihren zugleich materiellen wie symbolischen Ort besessen haben. Der Turm, als Wohnturm oder Bergfried, war der Nukleus jeglicher Burg- bzw. Schloßanlage seit dem hohen Mittelalter.46 In ihm manifestierten sich einerseits die mit dem Schloß verbundenen Herrschaftsrechte bzw. Gerichtsbarkeiten und andererseits das vielschichtige dynastische, politische und religiöse Selbstverständnis des fürstlichen Regiments. Aus diesen Bedeutungsmomenten haben schließlich auch die übrigen Turmarchitekturen ihre Symbolkraft bezogen. Das gilt in besonderem Maße für den repräsentativen Treppenturm bzw. Wendelstein. Die Funktion der häufig nur visuell wirksamen Wehrhaftigkeit von Türmen darf in diesem Kontext als die Alles verbindende Klammer gelten: Sie verlieh dem Erscheinungsbild des fürstlichen Herrschaftssitzes, der über den kriegerischen Ernstfall hinaus vor allem gegenüber Angriffen auf sein ideelles Fundament, d. h. die Vorstellungen von einem gerechten und rechtmäßigen Regiment, wehrhaft sein mußte, den adäquaten Rahmen. Wenn, wie in den folgenden Kapiteln aufzuzeigen sein wird, Schloßtürme aufs engste mit den juristischen, dynastischen und politisch-religiösen Momenten fürstlicher Herrschaft verbunden und gewissermaßen ihre Ausdrucksträger waren, dann darf ihr wehrhafter Charakter auch im Sinne eines Bollwerks gegenüber Angriffen auf diese zentralen Bestandteile fürstlicher Macht verstanden werden. Die hierbei entstandene Form der »politischen Ikonographie« reicht somit in letzter Konsequenz weit über den Anspruch hinaus, das Selbstverständnis des Adels als Träger einer »kriegerisch-militärische begründeten Kultur«47 zu veranschaulichen. Visualisiert wird vielmehr der umfassende politische und kulturelle Anspruch auf ein frühneuzeitliches Staatsverständnis, dessen Grundlage die alten reichsfürst-

45 Siehe hierzu die Kap. 6.1 und 6.7 ff. 46 Siehe hierzu auch die Studien von J. Zeune, 1997, und Chr. Herrmann, 1995. 47 U. Schütte, 1994, S. 243.

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lichen Dynastien mit ihren angestammten oder hinzugewonnenen Gerichtsbarkeiten und ihrer legitimierenden Einbettung in die christliche Regententradition bilden.48

5.1.1 Mittelalterliche Bergfriede und Wohntürme in den Schlössern der frühen Neuzeit Der mittelalterliche Bergfried oder Wohnturm inmitten einer frühneuzeitlichen Schloßanlage gehört zu den einprägsamsten Bildern, die Architektur erzeugen kann. So beeindrucken bis heute der aus roten Ziegeln aufgemauerte sog. Mantelturm im Hof von Schloß Altenburg (Thüringen) (Abb. 101), der mächtige, aus Granitquadern aufgetürmte sog. Eulenspiegel in der Nordostecke des Hofes von Schloß Bernburg (Sachsen-Anhalt) (Abb. 102), der hochmittelalterliche runde Bergfried an der Ecke des frühneuzeitlichen Corps de logis von Schloß Weikersheim (Abb. 103) oder der gewaltige Rundturm im Innenhof der alten Würzburger Residenz und Feste auf dem Marienberg (Abb. 104). Es mag widersinnig erscheinen, bei einem so regelmäßig und nach den damals modernsten Gesichtspunkten eines symmetrischen Fassadenaufbaus gestalteten Schlosses wie der Aschaffenburger Residenz ausgerechnet den alten Bergfried bzw. Wohnturm zu erhalten (Abb. 2+10) und dadurch den vorherrschenden Eindruck kühler architektonischer Rationalität sogleich wieder in Frage zu stellen. Ebenfalls rätselhaft muß eine genauere Betrachtung des Wolfenbütteler Schloßturms wirken, dessen frühbarocker Turmschaft sich über dem Unterbau eines mittelalterlichen Bergfrieds erhebt. Dennoch besitzen solche Bilder ihren besonderen Reiz. Sie beziehen ihn aus der unmittelbar wirksam werdenden Sinneserfahrung von zwei verschiedenen Zeitebenen, die der Geschichte eines Schloßbaus zu fast schon suggestiver Anschaulichkeit verhelfen. Für zeitgenössische Betrachter besaß der erlebbare Kontrast darüber hinaus den Wert der persönlichen Gegenwartserfahrung: An dem Gegensatz zwischen der Erscheinung des mittelalter-

48 Es wäre sicherlich lohnend, ausgehend von den hier dargelegten Ergebnissen zur adligen Turmikonographie einen neuen Blick auf die Kirchtürme zu werfen und nach entsprechenden Analogien zu suchen. Dies gilt vor allem für die Rechtssphäre, in der Kirchtürme bildlich (erinnert sei an das Bild einer Gerichtssitzung im Sachsenspiegel) wie materiell (erinnert sei an die zahlreichen Beispiele erhalten gebliebener alter Kirchtürme in Kirchenneubauten) offensichtlich eine vergleichbare Bedeutung wie Schloßtürme besessen haben.

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lichen Schloßturms und der ihn umgebenden ›modernen‹ Schloßarchitektur vermochte er einerseits den Abstand seiner Gegenwart zur Frühzeit des Schlosses abzulesen und andererseits die Kontinuität zu erkennen, die durch alle Zeiten hindurch diesen Ort als Adelssitz bewahrt hat. Aus der Konfrontation des Alten mit dem Neuen ergab sich auf diese Weise eine eigene Form der politischen Ikonographie, die auch für die Ausprägung der bereits verschiedentlich angesprochenen spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Ästhetik im Residenzenbau verantwortlich zeichnete.49 49 Weitere interessante, hier nur anzuführende Beispiele sind die Schlösser von Sondershausen (Thür.) (H. Bärnighausen, 1998, S. 171), Crossen (Thür.) (J. Katerndahl, 1998) und Babenhausen (Hessen) (F. Lehmann, 1999). Zu Beispielen in den burgundischen Niederlanden siehe Krista De Jonge, 1999, S. 178 ff. Zu einer vergleichbaren Tradition in Frankreich siehe u. a. M. Melot, 1967; U. Albrecht, 1986, S. 22 (mit Anm. 36); W. Prinz / R. G. Kecks, 1994. Auch in Italien besaß die Tradition, alte Bausubstanz von Schloß- bzw. Palastbauten sichtbar zu erhalten, ihre Gültigkeit. Ein in seinem inszenatorischen Wert herausragendes Beispiel ist der Palazzo Vecchio in Florenz: Von diesem ursprünglich als Kommunalpalast errichtetem und im 16. Jahrhundert (ab 1540) als Herzogspalast genutztem Gebäude blieb der komplette Außenbau aus dem 13. und 14. Jahrhundert erhalten und wurde auf optisch raffinierte Weise in die von Vasari entworfenen neuen Verwaltungs- und Ministeriengebäude der Uffizien einbezogen. Der an der Arnoseite gelegene triumphbogenartige Zugang zu dem Florentiner Regierungskomplex wurde so gedreht, daß beim Durchblick durch die Arkatur vom gegenüberliegenden Ufer des Arno am Ende der Blickachse der Palazzo Vecchio erscheint. Auf diese Weise dient die Mittelarkatur dieses neuen Hauptzugangs zum Florentiner Regierungsviertel als moderner, renaissancezeitlicher Rahmen für den Anblick des altehrwürdigen Regierungssitzes von Florenz und dessen zugehörigem, unter Cosimo I. de Medici errichtetem Herzogtum. In seinen Ragionamenti (1567) nennt Vasari auch die Gründe für diese konservatorische und zugleich inszenatorische Haltung: Für Cosimo I., der mit seinem Herzogtum ab 1537 faktisch die altüberkommene florentinische Stadtrepublik okkupiert hatte, war es von großer Bedeutung, mit der erneuernden Bewahrung des alten Florentiner Kommunalpalastes eine sprachmächtige Metapher für das unter seiner Herrschaft erneuerte, traditionsreiche Florentiner Staatswesen zu schaffen: Statt Okkupation der alten Republik die Demonstration ihrer Renovatio und quasi Vollendung durch das neue Herzogtum Cosimos I. Zwar wäre es Cosimo I. ein leichtes gewesen, so Vasari, sich einen vollkommen neuen, modernen Herzogspalast zu erbauen, doch nur die Besetzung und Renovatio des alten Palastes bot die Möglichkeit, auf die historischen Voraussetzungen seiner Herrschaft hinzuweisen und vor aller Augen sprichwörtlich in das überlieferte Amtsgehäuse der alten Republik zu schlüpfen. Vasari zu Cosimos I. Handeln wörtlich: »[…] se il rispetto di non volere alterare i fondamenti e le mura maternali di questo luogo, per avere esse, con questa forma vecchia, dato origine al suo governo nuovo. Che poi che egli fu creato duca di questa repubblica, per conservar le leggi, e sopra quelle aggiunger que’ modi che

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Solche Überlegungen erscheinen zunächst recht impressionistisch und gewissermaßen aus der »Ruinensehnsucht« des 18. und 19. Jahrhunderts gewonnen, doch belegen zeitgenössische Bewertung und Behandlung von mittelalterlichen Schloßtürmen, daß die Impressionen moderner Betrachter durchaus eine Ahnung der frühneuzeitlichen Verhältnisse darstellen. Diese waren allerdings kaum von romantischen Gefühlen aber umso mehr von funktionalen und symbolischen Normen bestimmt: Der Erhalt mittelalterlicher Schloßtürme in frühneuzeitlichen Schlössern ist zuallererst dem Rechtscharakter dieser Türme (hinsichtlich von Rechtsprechung und Besitzrechten50) und ihrem Zeichenwert für das dynastische Gedächtnis zu verdanken. Noch im 18. Jahrhundert schreibt Johann Conrad Geisthirt in seiner Historia Schmalcaldica (1075–1734) über den ab 1584/85 erfolgten Neubau von Schloß Wilhelmsburg in Schmalkalden: »Zu diesem Bau [d.i. die Wilhelmsburg, Anm. M.M.] musten die rudera [= Fundamente, Anm. M.M.] sowohl von dem alten Baufälligen Collegial-Stifft als auch von dem alten Thurn des Schlosses Wa l d a s p e n , Wa l l u f oder Wa l r a b , (an dem man noch ao. 1517 reparirte, und von dem der erste alte Giebel 1566 vom Wind herab geworffen worden) ihre Dienste thun, welches Schloss vermuthlich die Burgk gewesen, darinn die ehemahligen Besitzer dieser Herrschafft die Herrn von Franckenstein ihre Residenz gehabt. Denn wenn es wahr ist, was in denen annalibus gelesen wird, dass Ao. 1584 d. 20. Nov. bey Abbrechung dieses Thurns (der sehr hoch rund und 8 Werckschuh dick gewesen) ein Zeddel gefunden worden, auf welchem gestanden nach Christi Geburt 311 so möchte die Erbauung dieses alten Schlosses etwan in die Zeiten fallen, da die Francken bekannt worden, unter welchen die Franckensteiner sich hervorgethan […]«.51 So war die Erinnerung an die uralte, für die Zeit Kaiser Konstantins angenommene Gründung der Schmalkaldener Burg und die ununterbrochene Tradierung der Besitzrechte von den Herren von Franckenstein bis zu den Landgrafen von Hessen dafür verantwortlich, daß auch der äußerlich vollständige Neubau des Schlosses sich noch auf die »rurettamente faccin vivere sotto la iustitia e la pace i suoi cittadini e che dependendo la grandezza sua da l’origine di questo palazzo e mura vecchie […]« (G. Vasari, 1882, S. 14). Zur Umwandlung des Palazzo Vecchio unter Cosimo I. und zum Freskenprogramm Francesco Salviatis in der Sala dell’Udienza siehe auch M. Kiefer, 2000, S. 59–87, hier: S. 63 ff. 50 In der zeitgenössischen Terminologie (siehe J. H. Zedler, wie Anm. 10) geht es um die Sichtbarmachung von alten »Herrlichkeiten«, d.h. Gerichtsrechten, und »Gerechtigkeiten«, d. h. Besitz- und Eigentumsrechten, die mit dem Adelssitz verbunden sind. 51 J. C. Geisthirt, 1881–1889, Heft 1, S. 66 f.

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dera«, die Fundamente des fast schon mythischen Vorgängerbaus stützt. Zu ihnen gehören neben Kelleranlagen vor allem der Schmalkaldener Hausmanns- bzw. Kapellenturm, der einen Turmstumpf der alten Burg Walrab und damit den einzigen sichtbaren Rest der angeblich bereits im Jahr 311 erbauten Vorgängerburg darstellt!52 In den alten Schloßtürmen, das wird aus dem zitierten Chroniktext deutlich, manifestierte sich sinnfällig ein Denken, das aus der Verbindung von Rechtspositionen bzw. -titeln mit Zeichen und Symbolen lebte und das in der alten Form, stärker als auch heute noch, den sichtbaren Beweis für Dignität erkannte. Obwohl sich besonders im 16. Jahrhundert das Rechtswesen immer weiter verschriftlichte und hierzu ein eigener Juristenstand ausgebildet wurde,53 wirkt in solchen äußeren Zeichensetzungen eine Rechtspraxis weiter, wie sie sich im berühmten Sachsenspiegel des Eike von Repkow noch heute staunend nacherleben läßt.54 Turmbauten – sei es als Wehrturm oder Kirchturm – besaßen in diesem epochalen Rechtsbuch den Wert von exklusiven Rechtsgegenständen bzw. Rechtsorten!55

52 Ebd.; P. Handy, o.J., S. 8 f.; KDM Kassel, 1913, S. 216; zum Namen der Burg siehe V. Wahl, 1974, S. 8 ff. 53 K. Kroeschell, 1981. 54 Der Sachsenspiegel. Die Heidelberger Bilderhandschrift, 1989; G. Kocher, 1993; D. Hüpper, 1993. 55 Auf fol. 26v findet unter dem Vorsitz des Bauernmeisters eine dörfliche Gerichtssitzung im Schatten eines hochaufragenden Kirchturms statt. Die Richterbank lehnt dabei unmittelbar an dem Turm des Kirchengebäudes. Auch wenn es sich bei diesem Turm um einen Kirchturm handelt, so hilft dieser Umstand dennoch auch den rechtsikonographischen Stellenwert der adeligen Turmarchitektur zu stützen. Offensichtlich stehen Adels- und Kirchtürme – was ihre rechtliche Aufgabenstellung anbelangt – auf einer gemeinsamen Grundlage, die sie über das äußere Erscheinungsbild hinaus als ›wesensverwandt‹ erscheinen läßt. Somit gehen auch Sinn und Zweck des Kirchengebäudes auf fol. 26v der Heidelberger Bilderhandschrift weit über die Funktion einer Kulissenarchitektur hinaus, mit der lediglich das Dorf als Ort des Geschehens angedeutet werden soll (der verbreiteten topographischen Lesart folgt auch Walter Koschorreck in seinem Kommentar zu dieser Bildseite: Der Sachsenspiegel. Die Heidelberger Bilderhandschrift, 1989, S. 220; siehe desw. die lesenswerten Aufsätze von Gernot Kocher über die Rechtsikonographie und von Dagmar Hüpper über die Bildersprache des Sachsenspiegels, in denen die Architektur als rechtsikonographische Realie ebenfalls keine eingehende Beachtung findet: G. Kocher, 1993, S. 107 ff.; D. Hüpper, 1993, S. 143–162). Zur Darstellung von Turm, Zugbrücke und Graben in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels als Elemente des herrschaftlichen Befestigungsrechts siehe J. Zeune, 1997.

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In allgemeiner Form kann die rechtliche und dynastische Bewertung in den Lexikonartikeln und Architekturtraktaten des 17. und 18. Jahrhunderts nachgelesen werden. Die weiter oben bereits zitierten Schriften Pietro Sardis und Joseph Furttenbachs sowie der ebenfalls zitierte Artikel aus Johann Heinrich Zedlers Universallexikon stellen entsprechende Beispiele dar.56 Konkreteres, da auf den Einzelfall bezogenes Material liefern die spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Urkundenbücher. Im folgenden sollen einige Fallbeispiele ausführlicher vorgestellt werden, die zugleich die enge Verbindung der beiden Aspekte Rechtlichkeit und dynastisches Gedächtnis illustrieren. Einen wesentlichen Anhaltspunkt für die juristische Begründung, alte Turmbauten zu erhalten, bietet das thüringische Schloß Altenburg. Hier wurde über die Jahrhunderte der aus Backstein errichtete57 ehem. Bergfried und spätere Hausmannsturm (sog. »Mantelturm«) erhalten. Die Begründung für diesen Beharrungswillen findet sich nicht nur in seiner Tauglichkeit als Wachtturm, sondern vor allem in der quellenkundlich nachweisbaren Bedeutung als Rechtssymbol: Am sog. »Mantelturm« (d.i. der ehem. Bergfried der burggräflichen Burg58) hing die Gerichtsbarkeit des Burggrafenamtes, weshalb der Turm in der Urkunde anläßlich der Belehnung des Burggrafen Dietrich II. von Altenburg durch König Rudolf mit dem Burggrafenamt (1289 Dez. 20)59 unmittelbar zu Beginn der Beschreibung des burggräflichen Gerichtsbezirks und nur in Zusammenhang mit den Gerichtsbarkeiten erwähnt wird!60 Diese behielten bis in die Neuzeit ihre Bedeutung. Mit dem Aussterben der Burggrafen von Altenburg gelangten die Wettiner als Markgrafen von Meißen und spätere Kurfürsten und Herzöge von

56 Siehe Kap. 5, S. 146, S. 149. 57 Der Turm stammt aus dem späten 12. oder frühen 13. Jahrhundert. Seine durch den Backstein hervorgerufene rötliche Färbung hat möglicherweise eine ikonographische Bedeutung besessen, die zuletzt für den Roten Turm in Meißen von Manfred Kobuch, 1997, aufgeworfen worden ist. Überlegungen zum ikonologischen Stellenwert der roten Färbung des Backsteins im mittelalterlichen Burgenbau finden sich auch bei Heinrich Magirius, bspw. zur Pfalzkapelle in Landsberg (bei Halle) (siehe H. Magirius, 2001). 58 Zur Identifikation des heutigen Hausmannsturms mit dem alten Bergfried (und nicht dem sog. Flaschenturm!) aufgrund von archäologischen Befunden siehe P. Sachenbacher / M. Rupp, 1994, sowie P. Sachenbacher, 1996. 59 Altenburger Urkundenbuch, Nr. 329. 60 Siehe AUB , Nr. 329, S. 260. Zur Neuinterpretation dieser Urkunde siehe A. Thieme, 1999, S. 321 ff.

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Sachsen in den Besitz von Stadt und Schloß Altenburg.61 Zugleich übernahmen sie auch die Aufgaben und Rechte der ehemaligen Burggrafen von Altenburg. Es darf daher vermutet werden, daß durch die Bewahrung des einstigen burggräflichen Bezirks auf dem Schloßberg (zu dem als zentrales Element der Bergfried gehörte) für die Wettiner zugleich die einstigen burggräflichen Rechte für alle sichtbar in Erinnerung gehalten werden sollten. Die Nutzung als Hausmannsturm ist in diesem Zusammenhang eher zweitrangig und vorwiegend der exponierten Lage des Turmes geschuldet. Die Funktion des Altenburger Bergfrieds und späteren Hausmannsturms als Rechtsdenkmal läßt auch den Rechtscharakter des bereits weiter oben angesprochenen sog. Roten Turm der Meißener Albrechtsburg besser verständlich werden.62 Der Rote Turm bildete den zentralen Gegenstand lehensrechtlicher Vorgänge, d. h. er stand »pars pro toto« für die ganze wettinische Burg- bzw. Schloßanlage in Meißen und fungierte als Träger des entsprechenden, an die Wettiner (von der Reichsabtei Hersfeld) vergebenen Lehens. Ebenso wichtig war die Verbindung des »Roten Turms« mit dem markgräflichen bzw. fürstlichen Hofgericht, das im 14. und 15. Jahrhundert »zu Füßen des Roten Turms« tagte:63 Bereits 1588 berichtet das auf ältere Quellen zurückgreifende Meißener »Geschicht- und Zeit-Büchlein« von Pfarrer Lorenz Faust, daß »ein rohter Thurm, nicht weit von der Kirch auffm Schloshofe gestanden, bey welchem das Gericht […] gehalten worden« sei.64 Angesichts dieser Symbolkraft verwundert es nicht, daß die Wettiner so lange wie möglich versuchten, diesen alten Turmbau zu erhalten. Als sie ihn dann schließlich doch Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts

61 Die ernestinische Linie der Wettiner behielt diesen Besitz bis zur Aufhebung des Herzogtums Altenburg im Jahr 1918. 62 Zum Roten Turm der Meißener Albrechtsburg siehe oben Kap. 3.2, S. 55 f. 63 M. Kobuch, 1997, S. 87. Auf das Verhältnis von Hofgerichtsbarkeit und Rotem Turm in Meißen beabsichtigt Manfred Kobuch, im Rahmen einer gesonderten Studie näher einzugehen. Die Abhaltung des Hofgerichts unter dem Roten Turm läßt sich zweifelsfrei durch Quellenmaterial erschließen: siehe hierzu die Belege bei J. F. Klotzsch / G. I. Grundig, 1767, S. 234 (1398/99), S. 247 f. u. 251 (1437), S. 241 f. (um 1480), S. 261 f. (1485), S. 248 u. 263 f. (1488). Lesenswert ist in diesem Zusammenhang auch der Abschnitt über: »Ein Freybergischer Rechts-Handel aus dem vierzehenden Jahrhunderte. Nebst einigen hieraus flißenden Erläuterungen, zu der Geschichte des rothen Thurmes, auf dem Schloße zu Meißen« (ebd., S. 240). (Zu den genannten und weiteren Belegen siehe auch M. Kobuch, 1997, S. 87, Anm. 196). 64 [Lorenz Faust], Geschicht- und Zeit-Büchlein der weitberühmeten Churfürstlichen Stadt Meissen, Dreßden 1588, S. 23, zit. nach M. Kobuch, 1997, S. 54 f.

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abbrechen ließen, ging dieser Zerstörung nicht nur eine intensive Diskussion voraus,65 sondern auch turmartige Neubauten, die gewissermaßen als Ersatz für den mittelalterlichen Wohnturm betrachtet werden dürfen: Es sind dies der Südflügel und der Nordflügel auf der zur Elbe hin gelegenen Seite der Albrechtsburg. Die Einrichtung des Nordflügels mit einer Stammstube (zw. 1521 und 1524) gehört möglicherweise schon zum Erstkonzept der Albrechtsburg.66 Inwiefern eine solche Bewertung zutrifft und welchen Stellenwert vergleichbare neu errichtete Turmbauten anderer Schlösser (z. B. in Torgau, Freiberg oder Marburg) besaßen, wird noch zu klären sein.67 Daß die Bemühungen der Wettiner um den Erhalt bestimmter altüberlieferter Schloßtürme kein Einzelfall war, belegt das Beispiel von Schloß Hermannstein in der hessischen Landgrafschaft. Die architekturgeschichtlich bedeutende Burganlage von Hermannstein68 bei Wetzlar setzt sich aus einem repräsentativen, mit Ecktourellen ausgestatteten Wohnturm aus den Jahren 1377/78 sowie einem ebenfalls repräsentativen Neubau eines herrschaftlichen Hauses aus den späten 1480er Jahren an der Südostseite des Wohnturms zusammen. Bauherren waren 1377/78 der hessische Landgraf Hermann II., der einen militärischen und administrativen Stützpunkt gegenüber der von Graf Johann IV. von Solms-Burgsolms besetzten Reichsstadt Wetzlar errichten wollte, sowie im ausgehenden 15. Jh. die Schenken zu Schweinsberg, die in Diensten des hessischen Landgrafen standen und sich im Pfandbesitz der landgräflichen Burg befanden. Nach Ausweis der Quellen erbauten die Schenken zu Schweinsberg nicht nur das neue Wohnhaus, sondern restaurierten bezeichnenderweise auch den mittelalterlichen Wohnturm, der »ganz verganglich und baufällig gewesen [sei]«.69 Diese Handlungsweise fügt sich nahtlos in die Reihe der bereits genannten und im folgenden noch weiter zu ergänzenden Beispiele ein, so daß auch ohne ausdrückliche Nennung der rechtlichen und dynastischen Gründe in den Quellen der Rechts- und Gedächtniswert des Hermannsteiner Turmes als Ursa65 Überliefert in einer Fürstenkorrespondenz aus dem Jahr 1493 (SächsHStA, Geh. Rat [Geh. Archiv], Loc. 8182, Friesländische Sachen, 1482–1497, Bl. 48, gedruckt bei: F. A. von Langenn, 1838, S. 404; T. Distel, 1878, S. 327 f.; sowie C. Gurlitt, 1881, S. 37). 66 Siehe hierzu oben Kap. 3.2, S. 57. 67 Siehe Kap. 5.1.3. 68 Zur Baugeschichte und architektonischen Gestalt siehe J. Friedhoff, 1999. 69 HStA Marburg, Best. 340 Schenck zu Schweinsberg-Hermannstein, Paket II, Fasz. 1, Acta das Bauen des Hermannsteiner Schlosses betr. (1486 Aug. 19). Siehe auch H. E. Scriba, 1848, Nr. 2571.

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che für seinen Erhalt angesehen werden darf. Einen Hinweis hierauf könnte zudem eine Bemerkung aus dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts liefern, die den Aspekt des Gedächtnisses betont. Mit Blick auf den damals erneut fortschreitenden Verfall des Turmes schreibt der Pfarrer Görtz in seinen Aufzeichnungen: »Schade, daß dieser Turm, der zum ewigen Andenken seiner Erbauer erhalten zu werden diente, nicht Zeit und Alter, sondern verwüstende Hände zum Theil zerstören«.70 Als zeichenhaft wirksamer Gegenstand von Rechtsvorgängen mit dynastischem Hintergrund begegnet uns der alte Schloßturm des weiteren bei Herrschaftsteilungen. Bei solchen Teilungsvorgängen, die neben den Besitz- auch die Rechtsverhältnisse umfaßten, wurde bestimmten, von alters her an ihrem Ort befindlichen Schloßtürmen die Aufgabe von Symbolen für den Zusammenhalt der Gesamtherrschaft zugesprochen. Mochte das im 16. Jahrhundert gültige Erbrecht mit seiner weitestgehend fehlenden Primogenitur den Territorial- und Schloßbesitz einer Herrschaft scheibchenweise an eine Vielzahl von Linien veräußern, so markierte der im Gemeinschaftsbesitz verbliebene Schloßturm die Grenzen der Zerteilung: Solange sich mehrere Linien das Areal eines Schlosses als Residenz teilten, stand der unteilbare bzw. gemeinschaftlich besessene Schloßturm für den in Gemeinschaftsbesitz verbleibenden Kernbestand der »Herrlichkeiten« und »Gerichtsbarkeiten« des Schlosses. Verkörperte das Schloß darüber hinaus den Stammsitz einer Dynastie, konnte mit dieser Regelung der Schloßturm zugleich in den Rang eines Erinnerungsmals erhoben werden, das die Bewahrung des gemeinsamen Familienerbes anmahnte. Hinweise auf eine solch differenzierte Funktion alter Schloßtürme finden sich sowohl in den Urkundenbüchern als auch in der Baupraxis. Die Beispiele der quellenkundlich sehr gut dokumentierten anhaltischen Residenzen von Zerbst und Bernburg sowie der freigräflichen Residenz Büdingen sollen dies veranschaulichen. Am 22. Mai 1452 besiegelte ein Schiedsspruch die Teilung der Herrschaft Anhalt-Zerbst zwischen den darüber zerstrittenen gräflichen Brüdern und ihren beiden Linien. Mit der Herrschaftsteilung verbunden ist auch die Besitzaufteilung des Schlosses von Zerbst (Abb. 71+96). In der Urkunde71 heißt es dazu: Das Schloß »Czerwest« soll in der Weise geteilt werden, daß Graf Jorge, seine Erben und Brüder »den eynen teyl 70 Zit. nach M. Mack, 1972, S. 53. 71 Regesten der Urkunden des Herzoglichen Haus- und Staatsarchivs zu Zerbst, 1909, Nr. 452 (Schiedsspruch Claus Latorffs, Matthias v. Redern, Johann Bücheners und Johann Bramigks), S. 197 ff.

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des slosses […]«, hingegen Graf Adolff, Graf Albrecht, sein Bruder, ihre Erben und Vettern die andere Hälfte des Schlosses, die zur Stadt hin liegt, erhalten sollen. Während das Schloß grundsätzlich so aufgeteilt wird, daß jeweils vollständige Funktionseinheiten entstehen bzw. Einzelbauwerke – wie das neuerbaute Torhaus – nur nach Auszahlung einer entsprechenden Ablösesumme durch die am Bau nicht beteiligte Partei in geteilten Besitz übergehen können, werden zwei Bauwerke – der »Turm auf dem Schloß« [= »Sidikum«] und der »Alte Turm« an der Vorburg – von vornherein in ihren Besitzverhältnissen zweigeteilt und somit von einem eventuellen Alleinbesitz ausgeschlossen. Über den Schloßturm heißt es in der Teilungsurkunde: Das Schloß Zerbst soll in der Weise geteilt werden, daß Graf Georg, seine Erben und Gebrüder »den eynen teyl des Slosses nach der Fingkenpforten gelegen und geneyget, mit der helffte des tormeß uffme slosse [!], so das man die helffte der Borg, alse die alde Dorntze gestanden hadt, anhebe, biß uff die ander sithe an die czynne in der muhre, daran die teylunge gescheiden ist, yttzundes mit zceychennen abegegrenitzet werdt […]«, daß hingegen Graf Adolf, Graf Albrecht, sein Bruder, ihre Erben und Vettern die andere Hälfte des Schlosses nach der Stadt zu gelegen »mit der andern helffte des gebuwes unde tormeß uff dem slosse [!] […]« erhalten sollen.72 Für den »Alten Turm« an der Vorburg lautet die Urkundenstelle in der Zusammenfassung: »Der A l t e Tu r m an der Vorburg [hierbei handelt es sich um den seit dem 14. Jahrhundert73 als Glockenturm der Schloßkirche St. Bartholomäi genutzten mittelalterlichen Wehrturm, Anm. M.M.] soll beiden Teilen zu gleichen Teilen zustehen. Damit soll das Schloß nun endgültig geteilt sein und keine Partei soll die andere um weitere Teilung angehen […]«.74 Die Bedeutung des im Schloßhof aufragenden und im gemeinschaftlichen Besitz aller Schloßherren verbleibenden Turms (»Turm auf dem Schloß« bzw. »Sidikum«) bis ins 17. und 18. Jahrhundert wird nicht zuletzt in der Neuerrichtung eines repräsentativen Treppenturms im Jahre 1614 (Fertigstellung 1616) sichtbar, kurze Zeit vor dem Abbruch des alten Schloßturms wegen Baufälligkeit im Jahre 1618 durch Fürst Rudolf von Anhalt-Zerbst.75 Möglicherweise sollte der neue Turm, des-

72 Ebd., S. 198 f. 73 D. Herrmann, 1998, S. 9. 74 Regesten der Urkunden des Herzoglichen Haus- und Staatsarchivs zu Zerbst, 1909, Nr. 452, S. 199. 75 Zur Baugeschichte und baulichen Gestalt der Schloßanlage des 16. bis 17. Jahrhunderts siehe ausführlich H. Dauer, 1999, S. 26–36; zur darauffolgenden Zeit mit den barocken Neubauten ab 1681 siehe ebd., S. 36 ff. Siehe auch die neue

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sen genaue Lage im Schloßbezirk unbekannt ist, ein symbolischer Ersatz für den alten Hauptturm der ursprünglich slawischen Burg sein und dessen Funktion für die zeichenhafte Vergegenwärtigung der Altehrwürdigkeit des Adelssitzes und seiner »Gerichtsbarkeiten« übernehmen. Ein Zusammenhang zwischen beiden Baumaßnahmen ist nicht zwingend, wegen der symbolischen und rechtlichen Bedeutung des alten Bergfrieds aber naheliegend. Mit der Fertigstellung des barocken Schloßturms am Corps de logis (Nordflügel) im Jahr 1725 geht diese Bedeutung schließlich auf den Hauptturm der im Ausbau befindlichen barocken Schloßanlage über.76 Das zweite, hier ausführlich vorgestellte Beispiel für die rechtliche und dynastische Bedeutung alter Schloßtürme betrifft die Residenz Bernburg. Am 28. November 1497 erfolgte urkundlich die Aufteilung des alten anhaltischen Stammschlosses Bernburg unter den fürstlichen Brüdern Waldemar, Georg, Ernst und Rudolf von Anhalt.77 In dieser Urkunde wird das Schloß Bernburg mitsamt seiner Herrschaft in vier Teile aufgeteilt, die sodann den vier Brüdern durch Losentscheid (»[…] ume sulche vier teile one alles geverde zulosen […]«78 zugesprochen werden sollen. Jedoch sollen bestimmte Teile und Bereiche des Schlosses von der Teilung ausgenommen und im Gemeinschaftseigentum bleiben: »Es sall auch die Capelle unden unde oben, unde so hoch wir die bauen wurden unde wolten mit aller yrer herligkeit, der weg neben den Buxssenhauße zu der Capellen, In massen der vormalet unde zu dem borne, wie oben davon berurt ist, der hofe mitten Im Slosse zwisschen allen vierteylen unde yrer vormalunge, der Thoerweg, daß thore, die thoerstuben, das Bolewergke darkegen ober die brugken die stege unde farewege byß gare vor das vorschlosse unde der hochMonographie zum Zerbster Schloß von D. Herrmann, 1998, S. 11. Das große Verdienst dieser Arbeit liegt in der detaillierten Darstellung von Baugeschichte, Erscheinungsbild und Ausstattung des 1945 zerbombten Residenzschlosses der Anhaltiner; dabei werden allerdings Fragestellungen und Methoden der gegenwärtigen Residenzenforschung weitestgehend ausgeklammert. 76 Fürst Johann August von Anhalt-Zerbst erteilte 1721 den Auftrag, den hofseitigen Mittelrisalit des mittlerweile um einen Westflügel erweiterten barocken Corps de logis zu einem hochaufragenden Schloßturm umzubauen. Ausgestattet mit den fürstlichen Wappen, dem Fürstenhut und einem aufwendigen Uhr- und Glockenwerk bildete dieser kubische, risalitartig vor die Fassade tretende Turm den Mittelpunkt der neuen Schloßanlage und übernahm damit dieselbe symbolische wie funktionale Aufgabe, die einhundert Jahre zuvor der mittelalterliche Bergfried besessen hatte. 77 Regesten der Urkunden des Herzoglichen Haus- und Staatsarchivs zu Zerbst, 1909, Nr. 1458, S. 638 f. 78 Ebd.

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torm ym vorschlosse [sic!], uns allen viren zu gleicher brauchunge zusteen unde bleiben […]«.79 Leider läßt sich aus den an sich sehr detaillierten Ortsangaben in der Urkunde die Lage der einzelnen Gebäude nicht immer zweifelsfrei rekonstruieren, so daß sich auch die Lage des »hochtorm ym vorschlosse« nicht zweifelsfrei erschließen läßt. Auch wenn in der Literatur immer wieder für den sog. Eulenspiegel-Turm (»keulichten thorm«) der runde Bergfried (Abb. 102) in Anspruch genommen wird,80 so geht aus der Teilungsurkunde diese Bezeichnung für den Bergfried nicht ohne weiteres hervor. Fest steht nur, daß in der Teilungsurkunde von 1497 insgesamt vier Türme eigens Erwähnung finden: »der spitzege thorm am thore, als man in das Sloss fereth«, »im vor Sloß der abgefalln thorm mit dem spitzigen Schyndel dache«, der »keulichten thorm« und der »hochtorm ym vorschlosse«. Weitere Türme mag es gegeben haben, sie wurden jedoch nicht gesondert aufgeführt da sie zu dem Schloßbesitz gehörten, der »hirinne [in der Teilungsurkunde, Anm. M.M.] mit namen nicht außgedrugkt unde zu den vier teilen geordent unde geschlagen ist, Das uns allen zusteen und geburen sall […]«81 Von den aufgeführten Türmen werden in der Teilungsurkunde dem ersten Besitzteil zwei Türme (»der spitzege thorm am thore, als man in das Sloss fereth« und »im vor Sloß der abgefalln thorm mit dem spitzigen Schyndel dache«), zugeschlagen und dem dritten Teil ein Turm, (»keulichten thorm«). Der vierte genannte Turm, der »hochtorm ym vorschlosse«, verbleibt ausdrücklich im Gemeinschaftseigentum. Somit erhalten die Besitzteile zwei und vier keinen eigenen Turmbesitz. Von den genannten vier Türmen haben im heutigen Gebäudebestand des Schlosses nur zwei überlebt. Von diesen ist wiederum nur der heute sog. Blaue Turm (Abb. 105) an der südlichen Toreinfahrt mit einiger Sicherheit einem der genannten Türme zuzuordnen: dem »spitzege[n] thorm am thore«.82 Der sog. »hochtorm ym vorschlosse«, der im Gemeinschaftsbesitz verblieb und damit zu einem Sinnbild und Rechtsmal für die Unveräußerbarkeit der gesamten Herrschaft Bernburg werden sollte, befand sich im heute überbauten nordöstlich vor der Haupt79 Ebd., S. 639. 80 Siehe bspw. H. Peper, 1938, S. 32. 81 Regesten der Urkunden des Herzoglichen Haus- und Staatsarchivs zu Zerbst, 1909, Nr. 1458, S. 639. 82 Von daher ist es von großem Interesse, wenn Hans Peper auf das wiederaufgefundene Fundament eines weiteren, »noch erheblich größeren Turms« in der Nähe des sog. »Eulenspiegel-Turms« hinweist, »über den sonst nichts bekannt ist«. H. Peper, 1938, S. 32.

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burg gelegenen Bereich und ist im aufgehenden Mauerwerk nicht mehr erhalten. Über die Qualität der Türme als Rechts- und Gedächtniszeichen wird in der Teilungsurkunde – wie auch in der Zerbster – keine ausdrückliche Angabe gemacht. Aus anderen sicher belegten Fällen, zu denen u. a. die oben besprochenen Bergfriede bzw. Wohntürme in Altenburg (sog. Mantelturm) oder Meißen (sog. Roter Turm) aber auch die Türme verschiedener Ganerbenburgen83 gehören, lassen sich jedoch recht sichere Rückschlüsse auf die Rechts- und Gedächtnisqualität vornehmen, die auch den alten Haupttürmen des Bernburger Residenzschlosses innegewohnt haben dürfte. In dieses Bild paßt zudem die frühneuzeitliche Nutzung sowohl des sog. Blauen Turms als auch vermutlich des sog. Eulenspiegels für Archiv- und Tresorzwecke. Während für den Blauen Turm auch durch den erhaltenen Baubestand gesichert ist, daß der mit einer Eisentür verriegelbare Raum im ersten und zweiten Obergeschoß zu Tresor- und Archivzwecken diente,84 kann eine solche Aufgabe für den Eulenspiegel-Turm nur im Rückschluß vermutet werden: Ganz sicher befand sich im ausgehenden 19. Jahrhundert in diesem Raum das Aktenarchiv des fürstlichen Amtes Plötzkau.85 Inwieweit eine ähnliche Funktion bereits für das 16. und 17. Jahrhundert angenommen werden darf, kann derzeit nicht beurteilt werden. Auch ist nicht näher erforscht, inwieweit der Eulenspiegel-Turm teilweise als Gefängnis genutzt wurde. Eine solche Nutzung ist jedoch für das Untergeschoß des Blauen Turms belegt,86 womit der Bezug zur Rechtssphäre einen weiteren Anhaltspunkt gewinnt. Im übrigen sind Gefängnisse in alten Schloßtürmen keine seltene Einrichtung, wie das nahe Bernburg gelegene anhaltische Schloß Plötzkau oder das sächsische Schloß Nossen im folgenden Kapitel zeigen werden. Sie bilden hierin sozusagen den Prototyp für diejenigen Schloßtürme, die keine mittelalterlichen Wurzeln besitzen, sondern im 16. und 17. Jahrhundert neu errichtet wurden und neben Verwaltungsund Repräsentationszwecken von Anfang an auch Gefängnisse enthalten sollten.

83 Siehe hierzu jüngst Karl-Heinz Spieß, 1998, S. 183–201. 84 Die Eisentür sitzt in einem Renaissancegewände, dessen Giebel über dem Sturz die Jahreszahl 1547 trägt. Im Inneren besitzt der gewölbte und damit relativ feuerfeste Raum verschließbare Wandschränke. Zur Raumrekonstruktion siehe auch St. Hoppe, 1996, S. 252 ff. 85 Nach Angaben von Franz Büttner Pfänner zu Thal im Denkmalinventar von 1894 (KDM Sachsen-Anhalt 13, S. 87). 86 KDM Sachsen-Anhalt 13, S. 74 ff.

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Die beiden ausführlich vorgestellten Beispiele von Zerbst und Bernburg sollen um ein drittes Beispiel aus dem reichsgräflichen Büdingen in der Wetterau ergänzt werden. Bei der Teilung der Grafschaft Büdingen wurde in den Verträgen von 1517 (Erbbrudervertrag) zunächst das ganze Schloß Büdingen (Abb. 106) und 1529 (Teilungsvertrag Schloß Büdingen) ausdrücklich der mittelalterliche Bergfried, in dem sich auch das Archiv befand, von der Teilung ausgenommen, da er im Gemeinschaftsbesitz der gräflichen Brüder verbleiben sollte.87 Aufschlußreich für den rechtlichen Hintergrund dieses Vorgangs ist eine Bemerkung von Hans Philippi in seiner Darstellung der Gerichte und Ämter in der Territorialherrschaft Büdingens: »Der Kristallisationspunkt des Gerichtes Büdingen war die landesherrliche Burg, an der die iurisdictio haftete«.88 Doch war die Burg bzw. das Schloß seit alters her nicht die Gerichtsstätte. Diese befand sich bis weit in die frühe Neuzeit am Ortsausgang der Stadt Büdingen zwischen Burg und Remigiuspfarrei.89 Die Vielzahl der quellenkundlich belegbaren Beispiele, bei denen mittelalterliche Schloßtürme wegen ihres Wertes als Erinnerungsmal an herrschaftliche Gerichts- und Besitzrechte sowie die Dignität der Dynastie bis in die Neuzeit hinein bewahrt wurden, wirft ein erhellendes Licht auf weniger gut dokumentierte Türme. Unter ihnen ragen besonders die prominenten Hausmannstürme der beiden sächsischen Residenzschlösser von Torgau und Dresden (Abb. 52+54+48) sowie das Zwillingspaar aus sog. Grünem Hut und Schloß- bzw. Kapellenturm des Berliner Stadtschlosses (Abb. 63) heraus. Zwar schweigen sich die Quellen über die Beweggründe ihres Erhalts aus, doch gibt – auch ohne Kenntnis der gesicherten Parallelfälle – allein das Dekorationsprogramm wichtige Aufschlüsse über ihre Bedeutung. Im Zentrum des spreeseitigen Schloßflügels der Berliner Residenz standen bis zu ihrer 1950 erfolgten Sprengung eng beieinander zwei Türme, der sog. »Grüne Hut«, ein mittelalterlicher, ursprünglich zur Stadtmauer von Cölln-Berlin gehörender Wehrturm,90 der den Kern 87 Büdinger Archiv, Urk. Nr. 5265 (Erbbrudervertrag), Urk. Nr. 5327 (Teilungsvertrag Schloß Büdingen) und Urk. Nr. 5772 (Teilung des Schlosses und Burgfrieden, abgedr. in Archiv für hess. Geschichte, NF 1, 1893, H. 1, S. 280–288); zum Inhalt des Erbbrudervertrags siehe auch G. Simon, 1865, Bd. II, S. 251 f., sowie H. Philippi, 1954, S. 174 f.; siehe desw. H.-Th. Michaelis, 1963, S. 15 ff. 88 H. Philippi, 1954, S. 133. 89 Ebd., S. 131. Zum Büdinger Schloß und seiner Baugeschichte siehe G. U. Großmann, 1979, S. 174 ff., sowie K.-P. Decker / G. U. Großmann, 1999. 90 A. Geyer, 1936, S. 11 ff.; siehe auch G. Peschken / H.-W. Klünner, 1982, S. 17, sowie L. Wiesinger, 1989, S. 8 f.

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des unter Friedrich II. Eisenzahn begründeten Stadtschlosses bildete, und der ebenfalls unter Friedrich II. erbaute Kapellenturm. Beide Türme besaßen bis ins 18. Jahrhundert hinein hohen Zeichenwert, diente doch der »Grüne Hut« u. a. als Ort für das Archiv91 und enthielt der Kapellenturm neben der Schloßkapelle, die als Privatkapelle diente und in der die verstorbenen Mitglieder des Hauses Hohenzollern-Brandenburg zur Fürbitte und zum Gedächtnis aufgebahrt wurden,92 auch noch nach 1650 vermutlich das kurfürstliche Appartement mit der »Cammer«.93 Von auffälliger Gestalt ist vor allem die Architektur des Schloßturms, bei dem die Kapelle (in ihren Grundmauern ein Teil der älteren Schloßanlage!) gleichsam das ›Fundament‹ für die darüber angeordneten herrschaftlichen Wohnräume bildete. Auf diese Weise stellte der in seinem Kernbestand spätmittelalterliche Schloß- bzw. Kapellenturm durch alle Zeiten hindurch einen zentralen Ort des Schlosses von hoher Symbolkraft und religiöser Aura dar: Neben der Grabstätte im Dom manifestierte sich in der Kapelle gleichsam die Dynastie, deren lebende Mitglieder an den aufgebahrten Verstorbenen ein wichtiges Stück Ahnengedächtnis zelebrierten.94 Die Aufbewahrung des Familienarchivs im angrenzenden und noch älteren Turm, dem sog. Grünen Hut, darf in diesem Zusammenhang als kongeniale funktionale Ergänzung des Schloßturms gelten.95 Nicht zufällig wird gerade dieser Bauabschnitt aus der Frühphase des Schlosses den barocken Neubaumaßnahmen nicht geopfert, sondern zusammen mit angrenzendem älteren Baubestand ›reliquienartig‹ in die neue Schloßanlage integriert. 91 Zu dieser seit dem späten 15. Jahrhundert nachweisbaren Funktion siehe K.-H. Ahrens, 1990, S. 152. 92 Diese Funktionen behielt die Erasmuskapelle trotz des zwischenzeitlich angelegten Doms bis weit ins 18. Jahrhundert hinein (L. Wiesinger, 1989, S. 46 ff.). 93 A. Geyer, 1936, S. 27, S. 32; G. Peschken / H.-W. Klünner, 1982, S. 24 ff. (ebd., S. 45 f., ist für die Zeit des Großen Kurfürsten, bevor er 1679/80 »neue Privatzimmer« bezog, von »vermutlich ein oder zwei private[n] Räume[n] im Turm Kurfürst Friedrichs II.« die Rede). 94 Siehe hierzu auch die grundsätzlichen Überlegungen von U. Schütte, 1995, zum herrschaftlichen Sakralkult. 95 Ernst Badstübner »gewinnt bei der Dominanz des Schloßturmes in der Stadtansicht den Eindruck, daß hier nicht nur die Residenz, sondern zugleich der Sitz des obersten Kirchenherrn, der der Kurfürst seit der Reformation ja war, angezeigt sein sollte« (E. Badstübner, 1995, S. 19). In Kenntnis der besonderen Ikonographie, die den alten Hauptturm eines Schlosses zum Sinnbild für »Herrlichkeiten«, »Gerechtigkeiten« und die »Dignität« des fürstlichen Hauses erhob, muß jedoch auch im Berliner Kapellenturm zunächst der Hauptturm des Schlosses mit seinen auf das fürstliche Amt und seine Dynastie bezogenen Sinnschichten gewürdigt werden. Hierzu steht die in den Turm integrierte Kapelle in keinem Widerspruch.

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In Torgau stand der Kern des heutigen Hausmannsturms bereits 1408, als die sog. Alte Kanzlei errichtet wurde.96 Beim Bau des Neuen Saalbaus unter Johann Friedrich I. erhielt der Hausmannsturm die noch heute vorhandene steinerne Loggia vorgeblendet, die in direkter Verbindung mit dem Laufgang des Neuen Saalbaus steht. Das an sich schon repräsentative Architekturmotiv der Loggia findet seine Ergänzung in einem aufwendigen Dekorum, zu dem u.a. Bildnisse des wettinischen Fürstenhauses und Tugenddarstellungen gehören (Abb. 52+55). Hierdurch wird die Loggia gleichsam mit Zeichen des dynastischen Gedächtnisses und der fürstlichen Ethik besetzt und die hohe symbolische Bedeutung des alten Hausmannsturms herausgestrichen. Die Fortführung der Bildnisse auf der Laufgangbrüstung des anschließenden Neuen Saalbaus (Abb. 15) läßt darüber hinaus auch diesen zu einem Teil der rechtlichen wie dynastischen Erinnerungskultur werden, ein Aspekt, der bereits auf das spätere Kapitel zum fürstlichen Haus verweist.97 Die in Torgau entwickelte Form, den alten Schloß- bzw. Hausmannsturm zum repräsentativen Monument umzugestalten, findet in Dresden unter Kurfürst Moritz von Sachsen ab 1547 eine überwältigende Steigerung. Auch hier müssen wir uns wieder auf die Aussagekraft der Dekoration und der Baupraxis verlassen, um den inhaltlichen Wert dieses noch aus der Zeit um 1400 stammenden alten Turms (Abb. 53+54) in Erfahrung zu bringen. Im Kapitel zum Dresdner 96 P. Findeisen / H. Magirius, 1976, S. 117. Das Mauerwerk der Alten Kanzlei wurde in den 1484/85 neuerrichteten Saalbau (sog. Flügel D) einbezogen. 97 Siehe Kap. 5.2. Zur Ummantelung von (älteren) Türmen mit repräsentativen Loggien und ihre Einbindung in ein anschließendes herrschaftliches Haus bzw. Corps de logis vgl. auch das französische Beispiel von Schloß Blois: Auf der Gartenseite wurde der in den neuen Flügel Franz’ I. (ab 1515ff.) integrierte äußere Wehrturm, der sichtbar aus der Fassadenflucht heraustritt, mit einer mehrgeschossigen Loggia ummantelt. Die Loggia folgt der Rundung des Turms, um anschließend als gerade fluchtende Fassadenwand den neu errichteten Flügel Franz’ I. zum Garten hin zu öffnen. Ähnlich wie in Torgau (Neuer Saalbau, Hausmannsturm) werden die Brüstungen der Loggien in Blois mit heraldischen und metaphorischen Bildnissen besetzt, zu denen neben dem königlichen Lilienwappen und der Krone auch die Taten des Herkules gehören. Da die Loggien in Blois an drei Stellen in der Fassade als Erker gebildet sind, läßt sich ein aufschlußreicher Vergleich mit dem Bildschmuck der Erker am Neuen Saalbau und am Kapellenflügel in Torgau sowie an den Erkern des Langen Baus in Bernburg anstellen: Hier wie dort wurden Themen aus dem Bereich fürstlicher Tugenden bzw. der christlichen Heilsgeschichte gewählt, woraus Rückschlüsse auf die hohe Zeichenhaftigkeit der Erker als Architekturform gezogen werden können.

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Schloß ist bereits Wesentliches angesprochen worden, so die bewußte Einbindung des alten Schloßturms in das Zentrum der neuen Schloßanlage und die hofseitige Verblendung mit einer architektonisch und bildnerisch aufwendigen Loggia.98 Das Bildprogramm in den Brüstungsfeldern und auf der Rückwand der Loggia (die gleichzeitig die Außenwand des Turmes bildet) ergab in der Zusammenfassung den Versuch, den neuen, nach dem Ende des Schmalkaldischen Krieges an die Regierung gekommenen sächsischen Kurfürsten Moritz als rechtmäßigen Regenten und Beschützer des protestantischen Glaubens darzustellen, der die Tradition der ernestinischen Wettiner fortsetzt. Daß dieser Anspruch in Verbindung mit dem alten Schloßturm, der Dignität und Rechte der wettinischen Herrschaft in Dresden repräsentierte und nicht nur symbolisch als Wachtturm diente, formuliert wurde, ist für sich allein schon bemerkenswert. Noch bemerkenswerter wird der Dresdner Hausmannsturm aber, wenn auch Teile seiner wandfesten Innenausstattung Beachtung finden. So war der Raum im ersten Obergeschoß wohl seit dem Umbau von 1547 ff. mit einem Jüngsten Gericht ausgemalt, ohne daß der Raum selbst aber als Kapelle diente.99 Dafür öffnete er sich emporenartig zur angrenzenden Schloßkapelle und diente als Empore für Ehrengäste (»junge frembde Herrschaft und Gesante«) und an hohen Festtagen für die Trompeter und Kesselpauker als Standort und wirkungsvoller Resonanzverstärker.100 Wie ungewöhn98 Siehe oben Kap. 3.4. 99 Siehe B. Werner, 1970, S. 146 f., die diese Ausmalung für die Zeit 1549–56 für wahrscheinlich hält (ebd., S. 147). Eine solche Vermutung findet ihre Bestätigung mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Auswertung eines in gezeichneten Studien überlieferten Bilderzyklus’ der Brüder Gabriel und Benedikt Tola, die vermutlich für den Turmraum im ersten Obergeschoß des Hausmannsturms des Dresdner Schlosses vorgesehen waren (G. Schweikhart / U. Heckner, 1995). 100 Von Philipp Hainhofer, einem Augsburger Patrizier, der über seine Besuche in Dresden 1617 und 1629 Tagebuchnotizen angefertigt hat, erfahren wir Näheres. 1617 schreibt Hainhofer: »Am 15. Oktober hat er (Giovanni Maria Nosseni, Anm. M.M.) mich in die Hofkürchen zur Morgen=Predigt gefuert, alda ich den Dr. Matthium Höe von Hornegg predigen und aine gute Music gehört, wie dan der Churfürst 40 Musicanten und 24 Trommeten zu 4 Heerbauggen helt; hinder der Orgel hat es ain Gewelblin, darinnen das jüngst Gericht gemahlt, und der Cardinal Clesel Predigdarinnen solle gehört haben, in disem stehn bisweilen die Trommeter und Heerbauggen, welche zu hohen Festen mit in die Orgel und Music spilen müssen. An disem Gewelblin ist ain Stublin und Cammerlin, so man das Prophetenstublin haisset, darin man junge frembde Herrschaft und Gesante losiert« (Ph. Hainhofer, 1837, S. 133 f.). Und 1629 heißt es im Tagebuch ergänzend: »An gedachten disen 3 Zimmern (gemeint sind: Elias Gemach, Salomonisstuben und Prophetenstüblein, Anm. M.M.) ist aine grosse kammer, mit darein gemahltem Jüngsten gericht, aus welcher man in die hofkirchen zue der grossen orgel gehen

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lich die Anbringung des Jüngsten Gerichts bzw. der Apokalypse im Turmraum des Dresdner Hausmannsturms war, stellten bereits Gunter Schweikhart und Ulrike Heckner fest: »Es fehlt nicht an Beispielen von Darstellungen des Jüngsten Gerichts in Schloßkapellen des 16. Jahrhunderts, worunter die protestantischen Schloßkapellen in Bückeburg oder in Celle zu zählen sind. Die Ausmalung in Dresden bezog sich jedoch nicht auf die Kapelle selbst, sondern auf einen Raum im angrenzenden Turm«.101 Rufen wir uns den engen Zusammenhang von Schloßturm und herrscherlicher Gerichtsbarkeit in Erinnerung, so wie er sich beispielsweise in den Schloßtürmen von Altenburg, Meißen oder auch Büdingen manifestierte, dann kann das Gemälde des Jüngsten Gerichts im Dresdner Schloßturm kaum noch verwundern: Es mochte in seiner Art einzigartig sein, doch veranschaulichte es nur die allgemeingültige heilsgeschichtliche Dimension des fürstlichen Regiments und seiner Gerichtsbarkeit! Der in das spätmittelalterliche bzw. frühneuzeitliche Schloß integrierte mittelalterliche Bergfried oder Wohnturm ist ein Thema mit manchen Variationen.102 Doch in welcher Form auch immer der alte Turm als Zeuge für Rechtlichkeit und Dignität über die Jahrhunderte in Erscheinung tritt, stets verkörpert er gewissermaßen auch ein Stück des Fürsten selbst, verleiht dem Regenten als Amtsperson in der Archi-

kan, vnd müssen in diser kammer die trommeter vnd kesselbaugger an hohen festen in die instrumental musicam musicieren, vnd echones machen […]« (Ph. Hainhofer, 1901, S. 210). 101 G. Schweikhart / U. Heckner, 1995, S. 317. 102 Hierzu gehört auch der spektakuläre und für unseren thematischen Zusammenhang noch nicht untersuchte Fall des erst vor wenigen Jahren entdeckten karolingischen bzw. ottonischen Turmbaus des Marburger Schlosses. In Marburg wurden in den späten 1980er Jahren unter dem ebenfalls markanten, turmartigen westlichen sog. Frauenbau die Reste einer Turmburg ausgegraben. Ihre ältesten Teile stammen noch aus karolingischer und ottonischer Zeit, während die oberste Mauerlage salischen Ursprungs ist. Trotz umfangreicher Baumaßnahmen in diesem Bereich scheint der alte Wohnturm bis ins 15. Jahrhundert hinein weitestgehend unangetastet stehen geblieben zu sein. Spätestens 1486, als der sog. Frauenbau als herrschaftliche Wohnarchitektur für die Frauenzimmer aufgeführt wurde, dürfte der jahrhundertealte Wohnturm überbaut worden sein. Merkwürdigerweise zerstörte man ihn dabei jedoch nicht vollständig, sondern ließ das meterhoch aufragende Mauerwerk unangetastet, um es lediglich mit Schutt zu verfüllen: »Die Erhaltung der ältesten Bausubstanz des Schlosses ausschließlich unter dem Westflügel bis zu einer Höhe von guten 8 m, ohne daß man in späterer Zeit diesen Bereich als willkommenen Steinbruch benutzt hätte, ist ein Phänomen, das zunächst lediglich festgestellt werden kann […]« (C. Meiborg u.a., 1990, S. 28; siehe auch C. Meiborg / H. Roth, 1992).

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tektur physische Präsenz und ist damit mehr als ein abstraktes Zeichen. Diese für moderne Betrachter ungewöhnliche Qualität wurde zuletzt beim Dresdner Schloßturm mit dem von Kurfürst Moritz geprägten Bildprogramm sichtbar. Sie läßt sich aber ebenso bei einem kleineren thüringischen Residenzschloß der Grafen (ab 1697 Fürsten) von Schwarzburg-Sondershausen erleben. Im Schloß von Sondershausen (Abb. 107) hat der Wohnturm (sog. Schloßturm) der mittelalterlichen Burg aus der Zeit um 1350 bzw. 1399103 alle Bauphasen überlebt und stellt heute den ältesten Bauteil des Schlosses dar. Als das Schloß zwischen 1534 und ca. 1555 umfangreich ausgebaut wurde, bezog man den Turm in die Neu- bzw. Umbaumaßnahmen ein, wobei er seinen Platz zwischen Nord- und Ostflügel erhielt.104 Ungefähr sechzig Jahre später, 1616, wird der Raum im ersten Obergeschoß des Turms (Abb. 108), das sog. »Gewölbe am Wendelstein«,105 mit einem aufwendigen Stuckgewölbe ausgestattet. Für unseren Zusammenhang von Interesse ist neben der bevorzugten Behandlung des alten Wohnturmes nicht zuletzt das Bildprogramm der Gewölbestukkaturen, das u.a. die fürstliche Tugendhaftigkeit zum Thema hat. In allegorischen Bildern werden neben den Jahreszeiten die vier Kardinalstugenden sowie die Alchemie präsentiert, die damals als höchste Form einer spirituellmateriellen Wissenschaft bei den Regenten hohes Ansehen genoß. Als weiteres Ausstattungsdetail des Turmraumes ist ein altertümliches, eher dem 16. Jahrhundert zugehöriges Herrscherporträt zu nennen, das sich auf dem Rauchabzug des Kamins befindet. Angesichts der auffälligen ikonographischen Ausstattung und der Lage des Raumes hat kürzlich Hendrik Bärnighausen vorgeschlagen, den Raum als Studierkammer im Sinne italienischer »Studioli« bzw. als Raum des dynastischen Gedächtnisses zu rekonstruieren.106 Diese 103 Die Datierung des Sondershäuser Wohnturms wird neuerdings um etwa 50 Jahre später angesetzt (frdl. Mitteilung von Dr. Hendrik Bärnighausen, Dresden). 104 Zur Baugeschichte von Schloß Sondershausen siehe H. Bärnighausen, 1990a, S. 5 ff., S. 16 ff.; Ders., 1990b, S. 15ff, S. 100 f. 105 Eine historische Bezeichnung dieses Raums konnte – von sekundären Bezeichnungen einmal abgesehen – bislang nicht in Erfahrung gebracht werden. Die heute gewählte Benennung ist eine Hilfskonstruktion, die während der archivalischen Untersuchungen zur Baugeschichte von Schloß Sondershausen in den Jahren 1986–91 entstand (siehe hierzu H. Bärnighausen, 1998, S. 186, Anm. 3). Zur Raumaufteilung des ersten Turmobergeschosses siehe die Dresdner Diplomarbeit von B. Busch, 1990; dort auch eine Beschreibung der malerischen Ausstattung der Räume des 16. Jahrhunderts. 106 H. Bärnighausen, 1998, S. 182 ff.

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Einschätzung läßt sich derzeit zwar nicht quellenkundlich nachweisen, doch die verschiedenen anderen in diesem Kapitel vorgestellten Beispiele und nicht zuletzt die von Pietro Sardi und Joseph Furttenbach gelieferten theoretischen Begründungen für den Erhalt alter Schloßtürme107 untermauern Bärnighausens Vermutung nachhaltig.

5.1.2 Schloßtürme als Gefängnistürme Die enge Verbundenheit der alten bzw. an ihrer Stelle neuerrichteten Schloßtürme mit der Sphäre herrschaftlicher Gerichtsbarkeit brachte es mit sich, daß manche dieser Türme sogleich auch den Ort des Strafvollzugs, das Gefängnis, in ihr Raumprogramm integrierten. Die Einrichtung von Gefängnissen in den erhalten gebliebenen symbolträchtigen Bergfrieden bzw. Wohntürmen läßt sich beispielhaft für das nahe Bernburg (Saale) gelegene Schloß Plötzkau108 und für die anhaltische Stammresidenz Bernburg selbst nachweisen. So barg der sog. Blaue Turm (Abb. 105), ein Überrest der mittelalterlichen Vorgängerburg, an der Torseite des Schlosses von Bernburg im Erdgeschoß ein Gefängnis. Direkt an den Turm, der in seinen Obergeschossen besonders abgesicherte und mit Wandschränken ausgestattete Gewölberäume zu Archiv- und Tresorzwecken enthält, schließt sich bemerkenswerterweise das Kanzleigebäude an, das wiederum mit dem Alten Haus (in dem sich neben Sälen und herrschaftlichen Appartements bis zur Errichtung des neuen »Langhauses« auch die Hofstube befand) verbunden ist.109 Andere Schlösser verwenden für das Gefängnis neuerbaute Türme, die entweder separat standen oder aber Teil der Verwaltungs- und Repräsentationstrakte – wie etwa Kanzleigebäude oder fürstliche Häuser – waren bzw. mit ihnen in unmittelbarer räumlicher Verbindung standen. So be107 Siehe S. 149. 108 Die jetzige Anlage von Schloß Plötzkau wurde ab 1556 durch Fürst Bernhard IV. im Bereich einer mittelalterlichen Burganlage errichtet. Von dieser Burganlage sind außer Resten der Grundmauern vor allem die unteren Geschosse des (Wohn-)Turmes in der Nordwestecke des Schlosses erhalten. Als Gefängnis dienten ursprünglich die unteren drei Geschosse des über viereckigem Grundriß sich erhebenden Turms; der Zugang zum Turminneren lag erst im vierten Geschoß. In die darüber liegenden Turmgeschosse führt eine zur Hälfte außen liegende Wendeltreppe, die an der Südseite als eigenständiger halbrunder Turm angesetzt ist. Vier Giebel bilden den krönenden Abschluß des Turmes. (Zum Schloß siehe auch KDM Sachsen-Anhalt 13, S. 197 ff.) 109 Zum Raumprogramm siehe zuletzt die Rekonstruktion von St. Hoppe, 1996, S. 252 ff.

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fand sich das Gefängnis im sächsischen Schloß Nossen, das als Amtshaus und Jagdschloß der sächsischen Kurfürsten diente, vermutlich in den Untergeschoßräumen der drei zum Marktplatz ausgerichteten Türme des Haupthauses,110 während beim ebenfalls sächsischen Schloß Hohnstein die Gefängnisräume im Turm des sog. Mittelschlosses lagen, das als Amtshaus genutzt wurde.111 Auch das Freiberger Schloß Freudenstein

110 Carl von Metzsch-Reichenbach hat die vielteilige Anlage des Nossener Schlosses beschrieben und dabei auch die vermuteten Gefängnisse erwähnt: »Die Burg […] oder das Schloß Nossen stellt, auf einem Felsvorsprung stehend, mit seinem riesigen Gebäudekomplex ein unregelmäßiges Viereck dar. Es wird gebildet aus der östlich gelegenen Dechantei, der sich südlich das Rentamt mit seinem achteckigen Turm und ein terrassenartiger Garten anreiht, daran schließt sich, die dritte Seite bildend, westlich das Gerichtsamtsgebäude mit seinen Türmen an, während als vierte Seite Teile des vorgenannten, ferner das Justizamt und das alte ehemalige Mönchsgebäude stehen, welches letztere an die Dechantei angebaut ist. Das südliche, dreitürmige Schloß stand somit isoliert und hat außer den gegen den Markt zu gelegenen drei Türmen noch einen mit Haube versehenen Treppenturm und drei Mansardgiebel. […] In dem unterirdischen Teil der drei Türme befand sich […] mutmaßlich je ein Gefängnis (wie es scheint, in den Felsen gehauen, wovon jetzt aber nichts mehr zu entdecken ist. Auf der rechten Seite des ersten Stockes [des mit den Türmen verbundenen Hauptgebäudes, Anm. M.M.] befinden sich Amtsgerichtsräume« (C. von Metzsch-Reichenbach, 1902, S. 209). 111 Schloß Hohnstein, das in der Nähe von Pirna und Stolpen liegt, ist ein imposantes Bergschloß, das in seinem Kern noch dem hohen Mittelalter angehört. Obwohl weite Teile heute Ruinen darstellen, läßt sich noch gut die einstige Zusammensetzung aus drei Hauptgebäuden erkennen: dem Alten Schloß (seit 1604 durch Blitzschlag Ruine), dem Mittelschloß (seit 1620 durch Blitzschlag Ruine) und dem Neuen Schloß. Das aus dem 15. Jahrhundert stammende sog. Mittelschloß diente als Amtshaus und – sein Turm – als Gefängnis; das ebenfalls im 15. und 16. Jahrhundert errichtete sog. Neue Schloß enthielt Räumlichkeiten für das Gericht. Daneben diente es seit dem Rückerwerb 1545 durch die Herzöge bzw. nachmaligen Kurfürsten von Sachsen als Jagdschloß (C. von Metzsch-Reichenbach, 1902, S. 136). Schloß Hohnstein kann auf eine sehr alte Geschichte zurückblicken. Die ältesten, in einer Urkunde des 12. Jh.s genannten Besitzer waren die Herren Birken von der Duba. Unter dem meißnischen Bischof Johann IV., der in Stolpen residierte, gelangte Hohnstein unter meißnisch-bischöfliche Hoheit; von dieser kam es durch Eroberung des Kurfürsten Friedrich des Sanftmütigen 1444 in die Hoheit des wettinischen Fürstenhauses. Diese setzten einen Amtshauptmannes ein, der von 1463 bis zum Tode des letzten erbberechtigten Familienmitglieds wieder von der Familie Birken von der Duba gestellt wurde. Nach dem Aussterben der Birken von der Duba fiel Hohnstein wieder an den Herzog Albrecht von Sachsen zurück, der es 1486 seinem Oberhofmarschall Heinrich von Schleinitz schenkte. Dessen Söhne überließen Hohnstein 1526 Ernst von Schönburg dem Jüngeren, der drei Jahre zuvor die Herrschaft Mehlen erworben hatte. Auf-

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(Abb. 109), das den sächsischen Herzögen und Kurfürsten als Nebenresidenz diente, besaß in seinem Schloßturm an der Südwestecke zwei Verließe in den Unter- bzw. Kellergeschossen und darüber Wohn- bzw. Verwaltungsräume.112 Dieser sog. runde Turm stand im Winkel der beiden hier zusammentreffenden zu Verwaltungszwecken genutzten sog. schmalen Häuser. Außerhalb des engeren mitteldeutschen Raums kann das Schweriner Schloß als Beispiel für die unmittelbare Nähe von fürstlichem Haus bzw. Verwaltungsgebäude und Gefängnis angeführt werden. Dort war dem sog. »großen neuen Haus« (Abb. 110) (unter Herzog Magnus II. Ende des 15. Jahrhunderts als fürstliches Haus erbaut und unter Johann Albrecht I. 1552–55 verändert) an der Seeseite ein turmartiger Anbau vorgelagert (sog. »Zwinger«), der im Untergeschoß das Gefängnis und in den Obergeschossen das Archiv beherbergte.113 In Schmalkalden errichtete man dagegen in den Jahren 1589–1592 für das Hofgericht und das Gefängnis einen eigenen, separaten Turmbau (sog. Kristallturm) an der Ostseite des Schlosses in der Mitte der Mauer, die die beiden Zwinger trennt (Abb. 111). In seinem Untergeschoß befindet sich ein überwölbtes Verließ mit Angstloch im Gewölbe, während die oberen Geschosse eine Gerichtsstube und weitere, vermutlich für Archivzwecke gedachte Räume enthielten.114 Die in Schmalkalden gewählte Lösung, das Gefängnis in einem vor dem Schloß freistehenden Turm unterzubringen, findet ihre Erklärung in der gleichzeitigen Funktion des Turms als Gerichtsort. Hier folgten der fürstliche Auftraggeber, der hessische Landgraf, und sein Architekt ganz der aus dem Mittelalter überlieferten Tradition, Gerichtssitzungen (mit Ausnahme des engeren Hofgerichts) nie im eigentlichen Schloß bzw. in der Burg abzuhalten, sondern möglichst

grund von Streitigkeiten zwischen den von Schleinitz und den von Schönburgs gaben die Erben Ernsts von Schönburg Schloß Hohnstein im Tausch gegen andere Besitzungen 1545 an den Herzog Moritz von Sachsen zurück; seitdem war es im ständigen Besitz der Albertiner (Angaben nach C. von Metzsch-Reichenbach, 1902, S. 135 ff.). 112 KDM Freiberg, 1884, S. 75; E. Heydenreich / P. Knauth, 1889, S. 64. 113 W. Jesse, 1913, S. 171. 114 Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel, Bd. V, 1913, S. 245. Die geäußerte Vermutung, daß die oberen Räume möglicherweise ebenfalls für Gefangene vorgesehen waren, kann als wenig wahrscheinlich zurückgewiesen werden. Vielmehr dürfte das Schema aus untenliegenden Verließ- und darüber angeordneten Gerichts- bzw. Archivräumen, wie es für die zahlreichen anderen Beispiele von Gefängnistürmen charakteristisch ist, auch für den Schmalkaldener »Kristallturm« Gültigkeit besessen haben.

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im Freien, außerhalb des fürstlichen Hauses oder Palases.115 Aus diesem Bewußtsein heraus wäre dann auch beim Berliner Schloß – sollte der Hinweis von Albert Geyer zutreffen – der Turm an der Dominikanerkirche unter Joachim II. als Sitz des Kammergerichts verwendet worden.116 Ähnlich wie der Schmalkaldener Gerichts- und Gefängnisturm lag er zwar noch innerhalb des Schloßareals doch bereits außerhalb des Kernschlosses, womit die tradierten topographischen Bedingungen eines Gerichtsortes erfüllt worden wären. Ob der Turm am Dominikanerkloster Gefängnisräume besaß, läßt sich nicht näher bestimmen. Das Berliner Hofgericht des brandenburgischen Kurfürsten tagte dagegen bis zu seiner Zusammenlegung mit dem Kammergericht 1540117 außerhalb des Schloßbezirks (»vor unnser Slos«118) im Rathaus von Berlin und Cölln.119 Ein weiteres interessantes Beispiel, das über die Planungsphase nie hinausgekommen ist und im Elsaß seinen Platz finden sollte, wurde kürzlich im Archiv entdeckt: Liliane Châtelet-Lange und Walther-Gerd Fleck vermochten auf Architekturzeichnungen des 16. Jahrhunderts bei einem Schloßbauprojekt in L’Isle-sur-le-Doubs (Elsaß) (gedacht als Vierflügelanlage mit runden Treppentürmen in den Hofecken und ebenfalls runden Ecktürmen an den Außenseiten) mehrfach die Nutzung von Turmunterräumen für Gefängniszwecke nachzuweisen, während die Obergeschosse für Rückzugs- oder Stubenräume (die Autoren vermuten die Nutzung als »Schlafkammern«) vorgesehen waren.120 Das nicht realisierte Projekt von um 1542/50 sollte vermutlich den württembergischen Herzögen als künftige Residenz im Elsaß 115 Siehe hierzu den grundlegenden Aufsatz von H.-M. Maurer, 1976. 116 So A. Geyer, 1936, S. 23, für das Jahr 1516; J. C. W. Moehsen, 1781, T. 2, S. 474 lokalisiert für die Zeit Joachims II. den Gerichtssitz »im Schloß«. 117 K.-H. Ahrens, 1990, S. 162. 118 So die Angabe in der Bestallungsurkunde des Frauenhofmeisters Paul von Kunersdorf zum obersten Hofrichter (datiert 1450/51; Codex Diplomaticus Brandenburgensis Continuatus, Bd. 1, S. 176). 119 K.-H. Ahrens, 1990, S. 157 f. Demgegenüber versammelte sich in Wittenberg im 16. Jahrhundert das Hofgericht im Schloß, das hierfür eine eigene Hofgerichtsstube bereit hielt (H. Lück, 1995, S. 238; zu Lage und Ausstattung siehe den Bericht von Andreas Meinhard, 1986, S. 147 ff., sowie F. Bellmann u. a., 1979, S. 238). Vermutlich wird man hier aber zwischen der beratenden Versammlung des Hofgerichts im Schloß und der eigentlichen öffentlichen Gerichtssitzung, die dann zwar noch im Schloßareal aber wohl außerhalb des Schloßgebäudes stattfand, unterscheiden müssen. 120 Siehe L. Châtelet-Lange / W.-G. Fleck, 1999, S. 25 ff. Die Gefängnisse sollten in den beiden stadtseitig gelegenen runden Ecktürmen eingerichtet werden, während die beiden rückseitigen Türme als Speisekammer und Archiv- und Tresorraum genutzt werden sollten.

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dienen, sobald sie L’Isle aus dem Besitz des Spaniers Gabriel von Salamanca und seiner Erben, den Grafen von Ortenburg, erhalten hätten.121 Durch die Aufgabe, auch als Ort des höfischen Gefängnisses zu dienen, erhielt der Schloßturm als Sinnbild herrschaftlicher Gerichtsbarkeit und dynastischer Dignität seine adäquate raumfunktionale Ergänzung. Vom zentralen Schloßturm konnte diese Funktion schließlich auch auf nachgeordnete Türme einer Schloßanlage übertragen werden, die in begrenzten Maßen ebenfalls von der Symbolkraft des Hauptturmes partizipierten. Und es scheint, als ob die Jahrhunderte lange Verwendung von Türmen zu Gefängniszwecken nicht zuletzt in diesem Zusammenspiel von symbolischen und praktischen Werten ihre Begründung besessen hat. Eine rein formale und funktionale Erklärung, etwa in dem Sinne, daß die Turmbauten per se für Gefängniszwecke besonders geeignet seien, reicht ganz sicher nicht aus. Gleiches gilt natürlich für die aufgezeigten rechtlichen und dynastischen Aspekte selbst, deren Manifestation in der Turmarchitektur ihre inhaltliche und wirkungsästhetische Grundlage vor allem in der Bedeutung von Türmen besitzt, die Urform adliger Wohn- und Wehrarchitektur darzustellen. Wie oben bereits angedeutet, ist die seit der Frühen Neuzeit in der Regel nur noch symbolisch wirksame Wehrhaftigkeit von Türmen in diesem Kontext auch als Bild des rechtlich starken und wehrhaften Fürsten anzusehen. In der Bildmächtigkeit der Schloßtürme spiegeln sich sozusagen die Herrschertugenden der Justitia und Fortitudo und erinnern daran, daß vor allem die Tugend der Standhaftigkeit allegorisch durch den Turm repräsentiert wird. Zudem finden sich unter den bildkünstlerischen Darstellungen von Schlössern eine Reihe von Tugendbildern, in denen die Schloßtürme ausdrücklich als Aufenthaltsorte der Kardinals- und der christlichen Tugenden erscheinen.122 Wie sehr gerade die Sanktionsfähigkeit der fürstlichen Herrschaft ihr Sinnbild im Schloßturm als Ort des Gefängnisses besaß, können auch 121 Der Erwerb dieser Grundherrschaft in unmittelbarer Nähe der eigenen Grafschaft blieb den Württembergern jedoch versagt (siehe hierzu ebd., S. 28 ff.). Daß sich die Pläne im Hausarchiv der Waldener zu Freudenstein fanden, ist nicht weiter verwunderlich: Das alteingesessene Rittergeschlecht der Waldner stand in Diensten des württembergischen Herzogshauses. Im Auftrag des württembergischen Herzogs Georg, der zugleich Graf zu Mömpelgard im Elsaß war, leisteten sie administrative Dienste, u.a. als Rat- und Hofmeister und ab 1561 als Statthalter in der Grafschaft (siehe hierzu ebd., S. 23). 122 Hierzu und zu Bildbeispielen siehe die Kap. 6.1 und 6.7 ff.

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die spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Hofordnungen belegen. In ihnen ist die »Turmstrafe« das übliche Disziplinierungsmittel bei geringen bis mittleren, d. h. alltäglichen Verstößen gegen die vom Fürsten erlassenen Ordnungsregeln. Wer »sich mit wortten oder wercken ungebüerlich halten, wie bißher offt bescheen, der soll von stund an inn Thurm gelegt und nach gelegenheit gestraafft und darin niemandt verschont werden.«123 Mit den mahnenden Worten aus der Hofordnung des Markgrafen Karl II. von Baden-Durlach (1568), die hier repräsentativ für die Hofordnungen des späten 15. und des 16. und 17. Jahrhunderts zitiert wird,124 ist der strafrechtliche Aspekt höfischer Turmarchitektur deutlich angesprochen. Deutlich wird auch, daß sich die strafrechtliche

123 Hofordnung des Markgrafen Karl II. von Baden-Durlach (1568), zit. nach A. Kern, 1907, S. 125 f. Die vollständige Passage in der Hofordnung des Markgrafen Karl II. von Baden-Durlach (1568) lautet: »Item, daß hofgesindt soll sich zu hof aller unchristlichen opinion und Secten zu disputieren gentzlich meßiegen, sonder ir Speiß und Tranck mit danksagung, Zucht unndt Erbarkeit, auch still one Rumor und geschrey, wie sich einem Erbarn und loblichem hofwesenn nach gebüert, nießen; und, welcher sich unzüchtig halten und erzeigen würdt, Es sey mit geschwetz und geschrey, mit vollsauffen, fluchen oder anderer ungebürlicher weiß, den soll der hofmeister, haußvogt oder, wer des inn irem abwesen bevelch hat, mit dem Thurm oder sonsten nach gelegenheit straaffen. […] Wurde sich aber jemandts hinfurter darwieder satzen und uff solch warnenn und stillen nichts geben, sonder sich mit wortten oder wercken ungebüerlich halten, wie bißher offt bescheen, der soll von stund an inn Thurm gelegt und nach gelegenheit gestraafft und darin niemandt verschont werden« (Hofordnung des Markgrafen Karl II. von Baden-Durlach (1568), zit. nach ebd.). Des weiteren wurde die Turmstrafe in der Hofordnung des Markgrafen Karl II. von Baden-Durlach bei folgenden Gebotsüberschreitungen verhängt: Zulassung von Fremden im Schloßbereich ohne Erlaubnis (»[…] Sonder, wo er [der Hofbedienstete, Anm. M.M.] jemandts dergleichen zu hof begreiffen würde, denselben wieder hinaußweisen und derjenig, so ine one bevelch hineinbescheiden, deßgleichen der Thorwart, deßhalb mit Thurn oder sonst, wie sich gebüert, gestraafft werden« [ebd., S. 126]), Mißachtung der Sitzordnung beim Essen, unrechtmäßiger Inanspruchnahme von Essen und Trinken, Forttragen von Essensüberresten aus der Hofstube und aus dem Schloß, Ausführen von Hunden im Hofbereich, widerrechtliches Betreten von Arbeits- und Wirtschaftsräumen (wie Schneiderei, Bäckerei, Küche, Keller), widerrechtlichem Aufenthalt des wartenden Dienstpersonals der Hofjunker und Herren vor den fürstlichen Gemächern, Belästigung und Schädigung der Stadtbürger (z.B. durch »einschlagung und einwerffung der fenster« [ebd., S. 131]). 124 Für das ausgehende 15. Jahrhundert ist ein ähnlicher Passus in der Hofordnung Herzog Georg des Reichen von Bayern aus dem Jahr 1491 für Burg Trausnitz bei Landshut überliefert: Wer im Schloß für »Rumor« sorgt oder sich anderer kleinerer Vergehen schuldig macht, soll »im Turm gestrafft und darzu vom Hof geschafft werdn« (zit. nach G. Spitzlberger, 1998, S. 17). Für das frühe 16. Jahrhundert siehe die Hofordnung des Markgrafen Friedrich d. Ä. von Brandenburg-Ansbach (1512) (abgedruckt bei A. Kern, 1907; zur Turmstrafe siehe ebd., S. 230).

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›Botschaft‹ der Türme nicht nur nach außen, sondern ebenso nach innen, an die Mitglieder des fürstlichen Hofes, richtet. So vermitteln die Hofordnungstexte neben den bereits genannten Urkundenbüchern und Rechtsverträgen wichtige quellenkundliche Anhaltspunkte, um die von Ulrich Schütte konstatierte zeichenhafte Wehrhaftigkeit in der frühneuzeitlichen Schloßarchitektur125 auf ihren rechtshistorischen Kern zurückzuführen. Außer der Turmarchitektur wird sich hierfür das Schloßtor als ein weiteres wichtiges Bauelement von hoher funktionaler und symbolischer Aussagekraft erweisen.126

5.1.3 Risalitartige Wohntürme, turmartige Wohnflügel Der Zeichenwert des Turms blieb in ungebrochener Kontinuität vom Mittelalter bis in die Neuzeit von gleichbleibender Aktualität und begründete sich in erster Linie rechtlich und dynastisch. Die vorhergehenden Kapitel haben beispielhaft eine Vielzahl von Anhaltspunkten nennen können, die den auffälligen Erhalt der mittelalterlichen Haupttürme (Bergfriede und Wohntürme) eines Schlosses auch in der frühen Neuzeit als wohlbedachte und letztlich rationale Entscheidung der adligen Bauherrn erkennen läßt. Ausgehend von dem hohen juristischen und dynastischen Aussagewert der alten Schloßtürme verdienen nun auch diejenigen Turmbauten Beachtung, die im Zuge der frühneuzeitlichen Um- und Erweiterungsbauten oder auch der kompletten Neubauten von Schlössern neu entstanden und als damals moderne Interpretation des alten Themas ›Adelsturm‹ bewertet werden müssen. Denn auch beim frühneuzeitlichen Schloß verzichteten Bauherren und Architekten nicht auf ein turmreiches Erscheinungsbild und entwickelten hierfür eigene Turmformen, die den damaligen ästhetischen Ansprüchen genügten, für heutige Betrachter aber nicht ohne weiteres als Turmarchitekturen zu identifizieren sind. Am Beispiel der Meißener Albrechtsburg, die mit ihren turmartigen Flügelbauten auf der Elbseite und den Lukarnen auf den Dächern durch den Architekten Arnold von Westfalen ein im Alten Reich innovatives Äußeres erhielt, ist dies bereits deutlich geworden.127 Diese Türme besaßen zwar nicht denselben Symbolwert wie ihr mittelalterlicher Urahn, der in der Regel als Schloßturm den Kern der gesamten Schloßanlage 125 U. Schütte, 1994. 126 Siehe Kap. 5.5. 127 Siehe Kap. 3.2, S. 50 ff.

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bildete, doch sie vermochten an dessen Aura wesentlich zu partizipieren. Darüber hinaus tradierten sie in zeitgemäßer Form das aus dem Mittelalter überlieferte Bild herrschaftlicher Wehrhaftigkeit. Zu den wichtigsten neuen Turmschöpfungen gehörten die risalitartigen Wohntürme bzw. turmartigen Wohnflügel. Auf sie wurde in dieser Arbeit erstmals bei der Albrechtsburg in Meißen hingewiesen, wo sich die elbseitige Fassade (Abb. 5) im Stil der vielteiligen, ›zerklüfteten‹ Ästhetik älterer Burgen bzw. Schlösser präsentiert. Auch die Hintergründe dieser Architekturästhetik, die in auffälligem Gegensatz zur wesentlich flächigeren Hoffassade (Abb. 6) steht, sind im Kapitel zur Albrechtsburg bereits genannt worden.128 Deshalb können wir uns hier auf die Wiederholung der wesentlichen Ergebnisse beschränken. Entscheidend für das Verständnis der turmartigen Flügelbauten der Albrechtsburg ist die Rekonstruktion ihres Innenraumprogramms sowie die Kenntnis des sog. Roten Turms und seiner Geschichte gewesen. So wurde der mit den »Gerichtsbarkeiten« und »Herrlichkeiten« (vor allem Hofgericht und Lehensrecht) der Meißener Schloßherrschaft verbundene alte Bergfried bzw. Wohnturm nach intensiver Beratung erst abgebrochen, als das neue Residenzschloß der Wettiner fertiggestellt und die elbseitigen Flügelbauten als herrschaftliche Appartements eingerichtet waren. Unter den beiden Flügeln ist der Südflügel besonders herausgehoben: Sowohl seine Lage unmittelbar am Meißener Dom (und mit diesem über einen Laufgang verbunden) als auch die Tatsache, daß er zum ersten Bauabschnitt der Albrechtsburg zählt und sich nur hier kaminbeheizte Schlafkammern (Abb. 33) befinden, weisen auf eine bevorzugte Stellung hin. Doch auch der Nordflügel wirkt durch seine beherrschende Lage auf dem Bergsporn und die auffällige Schrägstellung exponiert. Seiner würdevollen, turmartigen Gestalt entsprechend, läßt Herzog Georg zwischen 1521 und 1524 den Nordflügel zu einem Ort für die Erinnerung an die Dynastie und ihre Herrschaftsrechte ausbauen, indem er im zweiten Geschoß einen Raum des dortigen Appartements mit den Wappen- und Regalienschilden der Wettiner ausschmückt.129 Von seinem Raumkonzept her diente dieser Raum zugleich als herrschaftliche Schlafkammer.130 Dies ermöglicht eine interessante Beobachtung: Durch die Integration des sog. Wappensaals in die herrschaftliche (Schlaf-)Kammer wird der Ort des dynastischen Gedächtnisses in einen Raum verlegt, der innerhalb des Schlosses einer besonderen, durch 128 Siehe Kap. 3.2. 129 Zu den einzelnen Wappen siehe U. Czeczot, 1975, S. 176. 130 Siehe die Rekonstruktion anhand von Inventaren durch St. Hoppe, 1996, S. 58.

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strenge Zutrittsregeln gewahrten Schutzsphäre angehörte. Die Schutzsphäre genoß einen besonders hohen Stellenwert, wenn es sich um die fürstliche Kammer handelte.131 Eine von Anfang an intendierte Nutzung der ausgesprochen herrschaftlichen und großzügigen Appartements im Nordflügel der Albrechtsburg für die herzogliche Wohnung ist allerdings nicht nachweisbar.132

131 Über diesen besonderen Schutz der fürstlichen »Kammer« geben verschiedene deutsche aber auch speziell sächsische Hofordnungen des 16. Jahrhunderts Aufschluß, so daß die Ergebnisse auch auf die Albrechtsburg übertragen werden dürfen. Im folgenden drei repräsentative Beispiele: Ordnung der Kammer in der Hofordnung des Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg (undatiert, Martin Hass ermittelte für Redaktion A 1537, B ca. 1542/46, C ca. 1546/52 (vgl. M. Hass, 1910, S. 16 ff.): »Wir wollen, daß alle Unsere Cemerer ein fleißiger Aufwarten, dan bishero geschehen, auf Uns haben und sonderlich das dieselbigen alle Morgen, wan sie aufstehen, in irer Stuben und Cammer bey einander pleiben und auf Uns warten; es soll auch ir keiner des Nachts one sonderlich Unser Erleuben, Willen und Wißen vom Schlos liegen […] / Es sol auch unser Thurknecht, die weil Wir schlaffen, oder ehe Wir ausgehen, Nyemands ander, dan die Uns in die Cam[m]er geschworen einlaßen, es geschege dan aus sonderlichen Unserm Bevelch und Geheiß, desgleichen sollen die andern Unsere Cemerer auch thun, und ob Wir Unser Gesellicht [= Gefolge, Anm. M.M.] zu Uns in Unser Gemach wurden fordern, daß alsdan die Graffen, Herrn, Edelleuth oder wer sie sein, ire Knechte in die Hofstuben oder vor unser Gemach laßen« (zit. nach A. Kern, 1905, S. 3 f.). Hofordnung des Kurfürsten Christian I. von Sachsen (1586): »Dienst[-] und Auffwarttung. / […] Es soll sich aber niemandes außerhalb derer Cämmerer, so uff unsern Leib zu wartten bescheiden, und denen solches sonderlich angemeldet werden soll, in unser gemach dringen, er sey dann von uns erfordert oder hab uns nothwendiger gescheffte halben anzusprechen: uff solche felle soll Er sich durch unsern Thürknecht angeben laßen […]« (zit. nach Ders., 1907, S. 52). Kammerordnung Herzogs Wilhelm V. von Bayern (1589): »Camerthürhietter. / Diser solle seinem Dienst niechter, vleißig und bescheidenlich außwartten, also, daß Er bei der Vorcamer alzeit von morgens an biß zur Nacht und die merere Zeit nit in der Vorcamer, sondern, sovil miglich, sich vor der Thür stets finden laße, niemandt, so der orthen nit gehert […] hineinlaßen, doch auch niemandt, Ime wurde dann darzue genugsambe Ursach gegeben, rauch oder unwirsch anfahren […]« (zit. nach ebd., S. 220). 132 Die für die Albrechtsburg projektierte Funktion als Doppelresidenz für den kurfürstlichen und den herzoglichen Hof der Wettiner läßt jedoch folgende Überlegung zu: Ohne daß hierzu genauere Angaben möglich sind (St. Hoppe, 1996, S. 74 ff.), käme für den Herzog und die Herzogin am ehesten der nördliche Elbflügel in Frage, dessen Superposition von herrschaftlicher Stube und Kammer sich ungefähr sechzig Jahre später im elbseitigen, vermutlich dem Kurfürstenpaar vorbehaltenen Turm des Neuen Saalbaus von Schloß Torgau wiederfindet. Stephan Hoppe (1996, S. 63) hingegen schlägt vor, eines der beiden herrschaftlichen, mit Studierstuben versehenen Appartements im Mitteltrakt dem Herzog zuzuweisen. Mit Blick auf die vergleichbare Raumsituation im späteren Torgauer Kapellenflügel, in dem die Appartements von Kurfürst und Kurfürstin

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Innerhalb der sächsischen Residenzschlösser gehört der mit Stammstube und Stammkammer versehene Turm – an das Hauptgebäude angebaut entweder als Flügelbau, als rechteckiger risalitartiger Turm oder als runder Eckturm – bis in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts zu einem grundlegenden Element. So wurden unter Friedrich dem Weisen im Südwestturm des Wittenberger Schlosses eine »Stammstube«133 (Abb. 31) und wenig später – unter Johann Friedrich – im elbseitigen Turmrisalit des Torgauer Neuen Saalbaus (Abb. 32) ein vollständiges Appartement mit »Stammstube« und »Stammkammer« eingerichtet.134 Inwieweit der äußerlich mit Torgau vergleichbare aber erst im 17. Jahrhundert errichtete Turm an der Rückseite des Hauptgebäudes von Schloß Dobrilugk in Sachsen über Stammstube bzw. Stammkammer verfügte, läßt sich derzeit nur vermuten.135 Mit den sächsischen Turmbauten prinzipiell vergleichbar sind der risalitartige Turm an der Talseite des Mansfelder Schlosses Mittelort (Abb. 12) oder auch an der zum Tal hin gelegenen traufständigen Rückseite des Wilhelmsbaus (Abb. 83) auf dem Marburger Schloß.136 Über ihre ursprüngliche Raumausstattung lassen sich aber keine Aussagen treffen.

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ebenfalls übereinander lagen, erscheint mir die von Hoppe für die Albrechtsburg vorgenommene Zuordnung der herzoglichen Wohnräume jedoch fraglich zu sein (siehe hierzu auch M. Müller, 2003a). Im Wittenberger Schloßinventar von 1618 (SächsHStA Dresden, Rep. A 25 a I, I, Nr. 2396, Inv. 1618, fol. 22v-23r) wird ausdrücklich die heraldische Ausstattung genannt: »Inn dieser Stuben rings herümb Taffelwergk, darann der Stamb Sachßenn gemahlet, / Obenn eine […] decke, daran die Chur- und Fürstlichen wappenn gemahlett […]«. Vgl. hierzu auch die Beschreibung bei A. Meinhard, 1508 (siehe hierzu E. C. Reinke, 1976, S. 137). Im Torgauer Inventar von 1610 (Inv. Torgau 1610) wird als besondere heraldische Ausstattung der »Viereckichten Stamstuben« aufgezählt: »Oben rings herumb gemalete Taffelln, Darauff des Churf. undt Furstennstamms Sachssenn Uhrsprungk unndt herkunnfft vonn Anno 656 bieß uffs 1610 Jahr beschriebenn […]« (siehe hierzu St. Hoppe, 1996, S. 189 f.). Wie der Inventareintrag belegt, wurden die Stammtafeln der Wettiner in der Torgauer Stammstube stets auf dem neuesten Stand gehalten. Dies galt selbst dann noch, als Torgau unter Moritz von Sachsen nicht mehr zentrale kurfürstliche Residenz war. Das in seinen Formen auffällig retrospektive Wasserschloß von Dobrilugk ging aus einem in der Reformation säkularisierten Zisterzienserkloster hervor. Der Beginn des Klosterumbaus zum fürstlichen Residenzschloß erfolgte unter Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen, die Fertigstellung unter seinem Sohn Christian I. 1676. Christian I. nutzte dieses Schloß als seine zweite Residenz. Zur Geschichte Dobrilugks siehe R. Lehmann, 1917. Am Wilhelmsbau des Marburger Schlosses, 1493–97 als eigenständiges fürstliches Haus des Landgrafen Wilhelm III. errichtet, sind zwei turmartige Risalite vorhanden: an der rückwärtigen, nach Nordwesten ausgerichteten Schmalseite

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In allen Fällen handelte es sich um Turmbauten, die vorwiegend für Wohn- und Repräsentationszwecke konzipiert waren und in Torgau noch zusätzlich einen gewölbten, feuerfesten Archivraum enthielten.137 und an der südwestlichen Längsseite, die zugleich als Eingangsseite diente und über eine Galerie, die von dem längsseitigen Risalit ausging, mit dem älteren Hauptschloß (Saalbau-Flügel) verbunden war (der heutige Galeriebau ist ein relativ freier Wiederaufbau des 19. Jahrhunderts). Während der Risalit an der Längsseite als Gehäuse für die Wendeltreppe zwischen den einzelnen Stockwerken diente, ist die Funktion des rückwärtigen Risalits bislang nicht vollständig geklärt. Der Gebrauch als Repositur, der von Karl Justi angeführt wird (K. Justi, 1942, S. 56), ist durch das Inventar von 1749 zwar für das 18. Jahrhundert nachgewiesen, nicht jedoch für die Jahrhunderte davor. Die genannten, wenig späteren fürstlichen Saalbauten mit vergleichbaren Anbauten lassen jedoch den Schluß zu, daß der turmartige Risalit des Wilhelmsbaus ursprünglich in allen Geschossen kabinettähnliche Wohnräume besessen hat. Selbst das erwähnte Inventar von 1749 bezeichnet den entsprechenden Raum im zweiten Obergeschoß als »welsches Kabinett« (ebd., S. 57). Ein direktes formales Vorbild für den rückseitigen Risalit des Wilhelmsbaus könnte der auffällige turmartige Risalit des hochmittelalterlichen Saalbaus (Abb. 83) gewesen sein. Dieser in seiner Zeit durchaus ungewöhnliche Annex an einen Saalbau besaß möglicherweise bereits selbst eine retrospektive und damit zeichenhafte Wertigkeit. Errichtet gegen 1295 durch Heinrich I. von Hessen noch vor der Erhebung seiner Landgrafschaft zum Reichsfürstentum erinnert diese Architektur an die alten Turmhäuser bzw. Wohntürme und damit an die ältesten architektonischen Würdeformen des Adels. Diese Zeichenhaftigkeit kommt vor allem innerhalb der Gesamtkonzeption des Marburger Saalbaus zum Tragen. Denn in seiner Grundgestalt steht er zwar einerseits in der Tradition deutscher bzw. europäischer Saalgeschoßhäuser, doch in seiner spezifischen Form mit übereinanderliegenden Sälen, großen und hohen Maßwerkfenstern sowie flankierenden Ecktürmchen an den Gebäudekanten verweist er darüber hinaus auf die königlichen Saalbauten des 13. Jahrhunderts in Frankreich (z.B. Paris, Montargis, Blois [nur eingeschossig]). Keiner der in Frankreich überlieferten bzw. rekonstruierten gotischen Saalbauten verfügt aber über einen turmartigen Risalit in der Fassadenmitte. Hier weicht der Saalbau des Marburger Schlosses vollkommen von seinen französischen Vorbildern ab. Durch die Hinzufügung des risalitartigen Turmelements, das als Erinnerung an die Grundform adliger Repräsentationsarchitektur gewertet werden darf, wird in Marburg somit ein neuartiges Fassadenbild geschaffen, in dem der Typus des französischen Saalbaus auf charakteristische Weise mit der deutschen Tradition verbunden wurde. 137 Dieser Raum wird in einem Bericht des Torgauer Amtmanns von 1534, in dem er den Kurfürsten über den Baufortgang des Neuen Saalbaus informiert, als »das brifgewelbe, so neben der Hofstuben« bezeichnet (ThHStA Weimar, EGA , Reg. S, fol. 286r, Nr. 1s, fol. 12r). Das Torgauer Inventar von 1610 erwähnt als besondere Sicherungsmaßnahmen »1 gannz eysserne thuer« als Haupteingang von der angrenzenden Hofstube, eine weitere »stargke eyserne thuer in den Wendelsteine« und »3 stargke eyserne gietter« vor den »grosse außgeschweiffte scheubenfennster« (Inv. Torgau 1610, zit. nach St. Hoppe, 1996, S. 171).

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Auch ohne besondere Räume für das dynastische Gedächtnis verfügten die dem Haupthaus zugeordneten Turmbauten über ein herrschaftliches Raumprogramm, das alleine schon als Ausweis für die herausgehobene Stellung dieser Form der Wohntürme genügt. Hinzu kommt häufig die reichere Durchfensterung und Belichtung, wie sie nur bei Turmarchitekturen möglich ist und beispielsweise die entsprechenden Räume in Meißen, Wittenberg oder Torgau auszeichnete.138 Von daher lassen sich im frühen deutschen Schloßbau zahlreiche Türme diesem Typus des spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Wohnturms zuordnen, selbst wenn über eine Raumausstattung zu dynastischen Zwecken nicht immer Einzelheiten bekannt sind. Auch Position und Grundform der Türme sind zunächst für eine solche Bewertung ohne Belang. Neben den repräsentativen Ecktürmen von Vierflügelanlagen wie Wien (Abb. 51), Wiener Neustadt oder Aschaffenburg (Abb. 10) bzw. den turmartigen Eckhäusern der Vierflügelanlagen von Dresden (Abb. 48), Kassel (Abb. 79), Augustusburg (Abb. 3+4) und Schmalkalden gehört diesem Typus daher auch das turmartige fürstliche Haus des Freiberger Schlosses in Sachsen an (Abb. 109). Dessen Gestalt wurde bereits durch einen seiner Architekten als »thurm von Freybergk« bezeichnet139 und ersetzt offenbar die einst neben dem Tor gelegene mittelalterliche »Kemenate« der alten Burg.140 In seiner Grundform entspricht der sog. große

138 Der Aspekt der mehrseitigen Belichtung wird von Stephan Hoppe favorisiert, wobei die grundsätzliche Bedeutung der Turmikonographie jedoch unberücksichtigt bleibt (siehe St. Hoppe, 1996, S. 471 f.). 139 Graf Rochus von Lynar in einem Brief an den Kurfürsten, zit. nach C. Gurlitt, 1878a, S. 1405. 140 In der Teilungsurkunde vom 8. August 1454, die die Aufteilung der Freiberger Burg Freudenstein zwischen Kurfürst Friedrich II. und Herzog Wilhelm von Sachsen besiegelte, werden ausdrücklich drei Kemenaten, also Wohntürme, als Hauptbestandteile der Burg genannt (Codex diplomaticus Saxoniae Regiae, 1883, Nr. 296, S. 206). Zwei Kemenaten standen nebeneinander, sowohl zum Tor als auch zum Feld hin ausgerichtet und wurden dem einen Besitzteil zugeschlagen (»Item die zwo kemenaten, die an eynander stehen, der ein an das thore und die ander gein felde warts gehen, sullen sin fur einen teyl«). Die dritte Kemenate lag zwischen zwei Türmen und wurde zusammen mit diesen Bestand des zweiten Besitzteils (»Der ander teil sal sin die kempnate zwuschen den zweyen thurmen mitsampt denselben thurmen […]«). Da sich der auffällige sog. große Turm des frühneuzeitlichen Schlosses Freudenstein auf dem Gelände der alten Burg und in der Nähe zum Tor des alten Schloßhofes befindet, ist davon auszugehen, daß er den Platz der beiden alten Kemenaten des ersten Besitzteils einnimmt. In der Lage und äußeren Form des neuen Wohnturms leben somit die alten Wohntürme aus der Vorgängeranlage symbolisch fort und sollen, so darf vermutet werden, die Erinnerung an die Rechtlichkeit und Dignität des Ortes wachhalten.

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Turm des Freiberger Schlosses einem freistehenden Turmhaus, das mit seiner einen Seite unmittelbar an andere wichtige Schloßgebäude (u.a. das Torhaus und den Kapellenflügel) angefügt wurde und somit seinen Solitärcharakter verloren hat. Als ein solcher Solitär stand jedoch ab 1538 ff. am Nordrand des Bernburger Schloßhofes der Wolfgangbau bzw. die Leuchte (Abb. 70) als neuerrichtetes fürstliches Haus des anhaltischen Fürsten Wolfgang und vermittelte bis zur Anfügung des Johann Ernst-Baus (1567ff.) in seiner Grundform den Eindruck eines altertümlichen Wohnturms bzw. Turmhauses.141 Gleiches gilt für das sog. »Herzogin Haus« des Berliner Schlosses (Abb. 63). Von Kurfürst Johann Georg von Brandenburg Ende des 16. Jahrhunderts für seine Schwester Elisabeth Magdalena erbaut, erhob sich dieses Fürstenhaus als prächtiger Wohnturm, mit Zwerchhäusern und Erkern geschmückt, in unmittelbarer Nachbarschaft zum älteren Kapellenturm und dem »Grünen Hut«.142 Und schließlich ist bei den Schlössern von Güstrow und Brake (Lemgo) auf zwei Turmbauten hinzuweisen, die im ausgehenden 16. Jahrhundert als Ersatz für zerstörte mittelalterliche Schloßtürme neu erbaut worden sind. Im Schloßhof des Güstrower Schlosses steht auf der Nordseite ein Wohnturm (Abb. 112+134), der optisch zunächst nur als Pendant zum gegenüberliegenden runden Treppenturm des Südflügels erscheint. Obwohl architektonisch bis 1795 in den nördlichen Schloßflügel integriert, wirkt dieser Turm mit seiner kubischen, schlanken Grundform, seinem zum Hof hin weisenden Kastenerker und seiner Alles überragenden Höhe eigentümlich isoliert und altertümlich. Würden ihn nicht die gestalterischen Details und eine an der Erkerbrüstung angebrachte Bauinschrift als Werk des Jahres 1588 ausweisen, könnte man ihn durchaus für einen aus der mittelalterlichen Vorgängeranlage übernommenen alten Wohnturm halten. Und tatsächlich wurde dieser Turm zusammen mit dem übrigen Nordflügel als Ersatz für den letzten sichtbaren baulichen Überrest der alten Güstrower Burg Werle errichtet, die kurz zuvor, 1586, einem Brand zum Opfer gefallen war.143 Auf diesen Zusammenhang weist ausdrücklich die Inschrift auf der Brüstung des Turmerkers hin. Sie erwähnt neben Namen, Titel und Wappen des fürstlichen Bauherrn auch das durch Brand

141 Zum Wolfgang-Bau siehe oben Kap. 3.6.2, S. 100. 142 A. Geyer, 1936, S. 27 ff.; G. Peschken / H.-W. Klünner, 1982, S. 24 ff. 143 Eine neuere Monographie zur Baugeschichte des Güstrower Schlosses fehlt; siehe daher immer noch grundlegend W. Lesenberg, 1911; W. Gernentz, 1963.

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zerstörte »alte Haus« und bewahrt damit die Erinnerung an die alte Stammburg und Residenz der Fürsten von Mecklenburg-Werle.144 Das Wasserschloß Brake bei Lemgo empfängt den Besucher gleich am Eingang in den inneren Schloßbezirk mit einem siebengeschossigen, annähernd quadratischen Turm, dessen reiche Durchfensterung und Bestückung mit Renaissancedekorum ihn unschwer als repräsentativen Wohnturm des späten 16. Jahrhunderts (erb. 1584–1591) erkennen lassen. Außer durch sein monumentales Erscheinungsbild fällt der Braker Schloßturm auch deshalb ins Auge, da er direkt neben dem nördlichen Wohnflügel, dem fürstlichen Haus, plaziert wurde und so ein seit dem Mittelalter geläufiges bauliches Schema, das die Verbindung von Turm und Palas kennzeichnete, in der Formensprache der Frühen Neuzeit rezipiert. Ein Blick auf den Baubefund verrät schließlich, daß solche Assoziationen durchaus ihre materielle Grundlage besitzen und der frühneuzeitliche Schloßturm von Brake als Ersatz für den zerstörten mittelalterlichen Bergfried der Vorgängerburg verstanden werden will: In der Treppenanlage, die vom neuen Turm hinab in die Schloßkapelle führt, sind Teile der Grundmauern des alten Bergfrieds verbaut worden,145 so daß man beim Gang in die Kapelle sprichwörtlich auf dem Fundament des alten Burgturms läuft. Da sich mit diesem alten Turm ähnlich wie bei den oben vorgestellten Beispielen Rechtlichkeit und Dignität des Braker Adelssitzes verbanden, galt es seine spärlichen Überreste zu sichern und – gleich Reliquien – in einem exponierten Neubau für alle Zeiten zu konservieren. Nichts vermag die mit der Autorität des zerstörten alten Turms ausgestattete Symbolkraft des neuen Braker Schloßturms besser zu veranschaulichen, als seine funktionale Nutzung:146 in den ersten drei oberirdischen Geschossen befand sich die Bibliothek und vermutlich auch das Studiolo des Bauherrn, Graf Simon VI., darüber sein Wohnappartement und abschließend zwei weitere Wohnräume, die u. a. dem Hofmeister Arndt von Kerssenbrock aller Wahrscheinlichkeit nach als Appartement dienten. Auf diese Weise residierte im Schloßturm von Brake nicht nur die per144 1436 starb das Haus Mecklenburg-Werle aus, so daß bis 1477 Mecklenburg von den Teilherrschaften Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz regiert wurde; danach kam es zu einer Vereinigung sämtlicher Teilherrschaften unter dem Haus Mecklenburg-Schwerin, die faktisch durch die Erbteilung zwischen Johann Albrecht I. und Ulrich III. wieder aufgelöst wurde. Zur geschichtlichen Entwicklung siehe die Überblicksdarstellung von P.-J. Rakow, 1995 (mit weiteren Literaturhinweisen). 145 J. Kastler, 1989, S. 114. 146 Zum Raumprogramm siehe grundsätzlich J. Kastler, 1989.

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sonelle Spitze der gräflichen Herrschaft und Hofhaltung, sondern waren darüber hinaus auch die Orte geistiger Bildung und wissenschaftlichen Experimentierens hier versammelt.147 Freistehende, als fürstliche Wohngebäude konzipierte Türme wie in Freiberg, Bernburg, Berlin, Güstrow und Brake (Lemgo) bildeten im 16. Jahrhundert innerhalb des fürstlichen Residenzenbaus aber die Ausnahme. So kann Christofer Herrmann prinzipiell zugestimmt werden, der in seiner Studie zu den spätmittelalterlichen Wohntürmen im Rhein-Moselgebiet feststellt: »Am Ende des Mittelalters verschwindet […] der Wohnturm allmählich aus der europäischen Architekturgeschichte«.148 Als Gründe nennt Herrmann Veränderungen in der Wehrtechnik und gesteigerte Ansprüche an den Wohnkomfort.149 Tatsächlich wird der Wohnturm als freistehendes, in sich abgeschlossenes Gebilde in der Frühen Neuzeit aufgegeben, doch lebt er – wie wir sahen – in abgewandelter Form durchaus fort und setzt als Pavillonarchitektur im Schloßbau des 17. und 18. Jahrhunderts weiterhin markante Akzente. Das Gothaer Schloß Friedenstein (1643ff.) und die Würzburger Residenz (1719 ff.) (Abb. 1) bieten für diesen gestalterischen Transformationsprozeß wichtige Beispiele.150

5.1.4 Treppentürme als Schaustücke fürstlicher Herrschaftlichkeit Die überragende symbolische Bildmächtigkeit der Turmarchitektur ließ schließlich auch die Haupttreppentürme nicht unberührt. Bis auf ganz wenige Ausnahmen, zu denen die Jülicher Zitadelle (ab 1549), das Schweriner Schloß (1553), der Wismarer Fürstenhof (1553), die Augustusburg bei Chemnitz (1568) und das Baden-Badener Schloß (1571) gehören, wählte man im Alten Reich nicht die geradläufige italienische Treppe, sondern die Form der Wendeltreppe, ein Typus, der im deutschen Schloßbau bis in das 17. Jahrhundert hinein geschätzt wurde. Wie der Baubefund im deutschen Schloßbau aber auch die Korrespondenz zwischen Kurfürst August von Sachsen und seinem Baumeister Hieronymus Lotter über die Wahl der Treppenform bei

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Siehe hierzu grundsätzlich auch Kap. 6.2. Chr. Herrmann, 1995, S. 11. Ebd. Zur Pavillonarchitektur des Gothaer Schlosses Friedenstein siehe U. Schütte, 1994, S. 79 f.; zum Würzburger Residenzschloß siehe oben Kap. 2.

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Schloß Augustusburg151 belegen, besaßen die gedrehten Treppen gegenüber den geradwinkligen grundsätzlich einen höheren Wert. Und selbst dort, wo man auf die Wendeltreppe verzichtete, setzte man sie häufig dennoch in einen frei stehenden Treppenturm und wahrte damit wenigstens nach außen das traditionelle Erscheinungsbild (so bei der Augustusburg [Abb. 21+99], dem mecklenburgischen Residenzschloß von Schwerin oder dem Fürstenhof im Wismor). Erst mit der Konzeption barocker Schloßanlagen sollte sich diese Wertschätzung grundsätzlich zugunsten des Italienischen Treppenhauses wandeln.152 Durch ihre bereits funktional herausgehobene Stellung als repräsentativer Hauptzugang boten sich die Treppentürme als Bedeutungsträger geradezu an. Die überlieferten repräsentativen Treppentürme stehen überwiegend frei in der Mittelachse vor dem Haupthaus des Schlosses und werden von hochgelegenen Turmstuben bekrönt.153 Doch konnten auch die in den Winkeln von Vierflügelanlagen plazierten Treppentürme ästhetisch anspruchsvoll gestaltet werden, selbst wenn ihr Aufstellungsort für eine repräsentative Wirkung nicht eben günstig war.154 151 Siehe Brief von Hieronymus Lotter an Kurfürst August vom 16. 10. 1567 (SächsHStA Dresden, Loc. 4450, fol. 3r-5r); zum Antwortschreiben des Kurfürsten siehe den Brief an Lotter vom 24. 10. 1567 (SächsHStA Dresden, Cop. 345, fol. 63v ff.); siehe auch L. Unbehaun, 1989, S. 150. 152 Siehe hierzu auch F. Mielke, 1985; Ders., 1993; St. Hoppe, 1996, S. 445 ff. 153 Vgl. z. B. Torgau (Abb. 45), Dessau (Abb. 64), Mansfeld (Abb. 75), Berlin (Abb. 7), Weilburg (Abb. 13), Güstrow (Abb. 138). 154 Bei eingehender Betrachtung des architektonischen und räumlichen Kontextes, in dem sich diese in den Gebäudewinkeln stehenden Treppentürme befinden, wird deutlich, daß nicht nur praktische Überlegungen (Erschließung von zwei Flügeln von einem Punkt aus) zu der Favorisierung dieser Lösung geführt haben. Ebenso wichtig wenn nicht gar entscheidend wird der Umstand gewesen sein, daß die Ecksituationen der sog. Kastellschlösser als Turmbauten definiert wurden (bekrönende Zwerchgiebel, z.T. risalitartiges Heraustreten aus dem übrigen Mauerverband), in deren quadratischen Grundriß, der sich aus den rechtwinkelig aneinanderstoßenden Gebäudeflügeln konstruieren ließ, man herrschaftliche Wohnappartements einrichtete (vgl. z.B. Schmalkalden [Abb. 24+90]). Auf diese Weise stehen die Treppentürme der Kastellschlösser nicht einfach nur in den Winkeln von Gebäudeflügeln, sondern stehen – architektursystematisch gedacht – vor adligen Wohntürmen, deren Zugang sie bilden. Würde man diese in eine Vierflügelanlage gleichsam integrierte Architektureinheit aus ›Wohnturm‹ und vorgelagertem Treppenturm isolieren, so erhielte man ein ähnliches architektonisches Gebilde, wie es beispielsweise noch heute vor der Wilhelmsburg von Schmalkalden in Gestalt des Kristallturms – dem einstigen Gerichts- und Gefängnisturm – (Abb. 111) zu sehen ist. Im Vergleich zu dem oben beschriebenen einflügeligen Corps de logis, bei dem der Treppenturm in der Mittelachse des Flügels steht, ergibt sich bei den Vier-

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Im Dresdner Schloßhof (Abb. 54+56+57) läßt sich besichtigen, wie trotz der optisch nachteiligen Ecksituation eine überzeugende Lösung gefunden werden konnte, die sich gleichwohl dem Hausmannsturm als optischem Mittelpunkt des Schloßhofes unterordnen muß.155 Sowohl die exponierte Turmgestalt als auch der abschließende obere Turmraum binden die repräsentativen Treppentürme eng an die weiter oben behandelte Turmikonographie. Die Zeichenhaftigkeit, die allen Turmbauten zugrunde liegt und adlige Autorität als Wehrhaftigkeit, Rechtlichkeit und Dignität vermittelt, gilt prinzipiell auch für sie und läßt sie innerhalb des Schloßkomplexes zu einem besonderen Abzeichen fürstlicher Autorität werden. Denn während im Wehrbau die Wendeltreppe und die abschließende obere Plattform des Turmes in erster Linie militärische Sicherheitsfunktionen erfüllen, kommt ihnen in der repräsentativen Schloßbaukunst nurmehr symbolische Bedeutung zu: Jenseits seiner praktischen Funktionalität und vornehmen Eleganz verkörpert der auch heraldisch dekorierte Treppenturm die von Weisheit bestimmte Wachsamkeit und Wehrhaftigkeit des Fürsten als Garant eines geregelten tugendhaften und sicheren Hoflebens.156 Als solflügelanlagen also eine prinzipiell vergleichbare Situation: In beiden Fällen steht der repräsentative Treppenturm zentral vor einem herrschaftlichen Gebäudeteil, das im einen Fall ein langgestreckter Saalbau, im anderen Fall eine Art adliger Wohnturm ist. Daß die Verbindung eines Treppenturm mit einem Wohnturm oder einem Corps des logis auch zugleich in einem einzigen Gebäude in Erscheinung treten kann, belegen Saalbauten wie der sog. Neue Saalbau oder Johann-Friedrich-Bau von Schloß Hartenfels in Torgau. Dieses ab 1532 errichtete Gebäude, das in seiner Grundstruktur auf französische Vorbilder zurückgreift, besitzt auf der Hofseite einen repräsentativen Treppenturm und auf der zur Elbe gelegenen Rückseite einen ebenso repräsentativen Wohnturm. Beide Türme, die nur durch den Saalbau voneinander getrennt werden (Abb. 44), liegen auf einer Achse und sind somit sichtbar aufeinander bezogen! 155 Siehe hierzu oben Kap. 3.4. 156 Demgegenüber betonte Friedrich Mielke in seiner breitangelegten Monographie zur Geschichte des Treppenbaus den neuartigen Erlebnischarakter der höfischen Wendeltreppen. In ihm sieht er ein zivilisatorisches Element, das Gedanken an den ursprünglichen militärischen Kontext vollkommen in den Hintergrund drängt. Auf ausgesprochen poetische Weise formuliert Mielke: »Die Treppe hat alle martialischen Gedanken abgelegt und ist human geworden. Ihre Weite läßt es zu, daß die Kavaliere des Hofes an der Seite ihrer Damen hinaufschreiten. Die Zeit kampflustiger Ritter ist vorbei, das Staatmachen wird zur Pflicht. Hatte die Treppe vordem geholfen, durch ihre Enge die Existenz des Hauses zu schützen, so verteidigte sie jetzt sein Prestige durch die Bequemlichkeit des Aufstiegs und durch die großen Öffnungen der Außenwand, die das Gehäuse durchsichtiger, weiter, luftiger erscheinen lassen« (F. Mielke, 1966, S. 63).

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cher wird der Regent vor allem in den überlieferten Hofordnungen und Fürstenspiegeln des 16. und 17. Jahrhunderts charakterisiert. Auf diesen inneren Zusammenhang zwischen der architektonischen Form und der schriftlichen Manifestation und die hierin faßbare sinnbildliche Vergegenwärtigung der fürstlichen Sapientia wird in einem eigenen Kapitel noch zurückzukommen sein.157 Kein deutsches Fürstenhaus hat das den Treppentürmen innewohnende ästhetische und ikonographische Potential besser zu nutzen gewußt, als das sächsische, das hierin wiederum dem kurbrandenburgischen als Vorbild diente. Ausgehend von dem Großen Wendelstein der Meißener Albrechtsburg (Abb. 6) haben die Wettiner unter Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen mit dem Großen Wendelstein des Torgauer Residenzschlosses (Abb. 45) eine im Alten Reich unerreichte Treppenturmarchitektur verwirklichen lassen, deren Anspruchsniveau der Schloßbau König Franz I. von Frankreich darstellte. Ihre künstlerische und programmatische Bedeutung ist in einem eingehenden Vergleich mit den Wendeltreppentürmen der Schlösser von Blois und Chambord an anderer Stelle bereits grundsätzlich analysiert worden.158 Hier soll nun ein Teilaspekt, die Visualisierung von dynastischer Dignität und herrschaftlicher Autorität, Gegenstand der Betrachtung sein. Dabei wird sich zeigen, daß die repräsentativen Treppentürme im deutschen Schloßbau seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert zu einer architektonischen Form avancierten, in der sich die Altehrwürdigkeit und Autorität eines Fürstenhauses auf ähnlich sinnfällige Weise manifestieren konnte, wie im Vorweis alter Schloßtürme aus der Gründungszeit eines Schlosses. Während der alte Schloßturm die Rechtlichkeit und Dignität eines Adelshauses bereits in seiner materiellen Substanz zur Anschauung brachte, mußte dies der aufwendig gestaltete Treppenturm allein durch sein ästhetisches Erscheinungsbild leisten. So bildet der Treppenturm in gewisser Weise das ergänzende Gegenstück zum Schloßturm. Zwei Beispiele aus der Zeit um 1600 können dies schlaglichtartig veranschaulichen. In Weikersheim wurde im Zuge des Schloßumbaus unter Graf Wolfgang von Hohenlohe-Weikersheim ab 1586 der Südflügel als neues Hauptgebäude mit Festsaal und Kapelle errichtet.159 An seiner Hofseite steht ein Treppenturm, der die Besucher über eine 157 Siehe Kap. 6.2. 158 Siehe M. Müller, 1998. 159 Zu Weikersheim siehe die grundlegende Studie von W.-G. Fleck, 1954; siehe auch C. Gräter, 1967, und K. Merten, 1989.

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breite, bequeme Wendeltreppe nach oben führt. Haben sie die oberste Plattform erreicht, blicken sie auf das prächtige Wappen der Grafen von Hohenlohe-Weikersheim (Abb. 113), das den gesamten Raum der abschließenden Turmdecke einnimmt (inschriftlich datiert auf 1598). Auf diese Weise wird der repräsentative Treppenturm des Weikersheimer Schlosses zu einem Sinnbild für die regierende Dynastie und ergänzt den auf der gegenüberliegenden Hofseite stehengebliebenen mittelalterlichen Bergfried (Abb. 103) aus der Gründungszeit des Schlosses. Eine vergleichbare Situation bietet das wenige Jahre später unter Herzog Johann Georg I. von Sachsen umgebaute Merseburger Bischofsschloß (Abb. 11), das auf der Südseite den Dom mit seinem unter Kaiser Heinrich III. entstandenen runden Chorflankenturm in das Fassadenbild miteinbezieht.160 Da es sich in erster Linie nicht um einen fürstlichen Familiensitz handelte, sondern die Herzöge von Sachsen-Merseburg hier auch als Bistumsadministratoren residierten, mußte ihre Heraldik in die der ansässigen Domherren eingebunden werden. Dennoch folgt der sog. Kammerturm des östlichen Hauptflügels (Abb. 11), der als repräsentativer Treppenturm 1605 in der Nordostecke errichtet wurde und optisch das moderne Gegenstück zum gegenüberliegenden mittelalterlichen Chorturm bildet, grundsätzlich dem in Weikersheim beobachteten Schema: Der Treppenlauf führt auf eine abschließende Plattform, die von einem altertümlichen, in spätgotischen Formen ausgeführten Rippengewölbe überwölbt wird (Abb. 114), an dessen hängendem Schlußstein sich das Wappen des herzoglichen Bauherrn, Johann Georg I. von Sachsen, befindet. Über das heraldisch ausgezeichnete Rippengewölbe präsentiert sich der Herzog sprichwörtlich als ›Schirmherr‹ des Merseburger Domstifts, dessen Mitglieder konsequenterweise den sich nach oben windenden Treppenlauf besetzt halten: Seine Unterseite ist ab dem ersten Obergeschoß mit den Wappen derjenigen Domherren bestückt, die zur Erbauungszeit des Ostflügels im Amt waren (Abb. 115). An der Spitze des Treppenlaufs, direkt unter dem Gewölbe mit dem herzoglichen Wappenbild, befindet sich das Wappen des Dompropstes, das zudem als einziges durch ein Bildnismedaillon des Wappeninhabers ergänzt wird.161

160 Zum Merseburger Schloß siehe H.-J. Mrusek, 1962, S. 80 ff. (mit Angabe der bis dahin erschienenen Literatur im Anhang); P. Ramm, 1997, S. 18 ff., S. 25 ff. (Umbau des 16. Jahrhunderts). 161 Auch den übrigen Wappenfeldern sind Bildnismedaillons zugeordnet, doch nur in Form von Puttenköpfen.

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Die in Weikersheim und Merseburg beispielhaft zu beobachtende Inszenierung des Treppenturms als Sinnbild für Status und Würde des regierenden Fürstenhauses (und in Merseburg auch des Domkapitels) geht auf eine Tradition zurück, die mehr als einhundert Jahre zuvor in den mitteldeutschen Territorien ihren Ausgangspunkt genommen hatte. Die Gründungsbauten dieser letztlich auf den französischen Schloßbau rekurrierenden Tradition sind die hochartifiziellen Treppentürme der Residenzschlösser von Meißen, Torgau und Berlin (Abb. 6+45+7). Ihre sog. »Große Wendelsteine« stehen zugleich für eine Entwicklung in der Architektur deutscher Schloßtreppentürme, die zur Umwandlung des bis dahin von einer geschlossenen Außenmauer gebildeten Turmgehäuses in ein luftiges Traggerüst führte und die der bis dahin im Inneren verborgen liegenden Treppe zu öffentlichkeitswirksamer Präsenz verhalf.162 Interessanterweise beschränkte sich diese exponierte Gestaltungsweise nicht nur auf den relativ kurzen Zeitraum von etwa fünfzig Jahren, sondern auch auf im wesentlichen drei Territorien: das kursächsische und kurbrandenburgische Territorium sowie das französische Kronland. Der kurze Zeitraum ihrer Aktualität und die Konzentration auf einige wenige Schlösser in Mitteldeutschland (neben Meißen, Torgau und Berlin möglicherweise auch noch Querfurt163) sowie das Loiretal (Blois und Chambord) lassen die offenen Treppentürme in besonderem Maße zu einem exklusiven herrschaftlichen Architekturmotiv werden. Dabei kommt den französischen Turmbauten typologisch und ästhetisch eine Leitbildfunktion zu: Obwohl der ›aufgerissene‹, von konstruktiv überflüssigen Wänden befreite und kunstvoll gedrehte Treppenturm im Alten Reich ohne Kenntnis seiner französischen Pendants nicht denkbar ist,164 folgt er doch künstlerisch einer eigenen Gestaltungstradition, die

162 Erste Überlegungen zu diesem Thema habe ich auf einem Symposium in Rudolstadt (»Das Schloß und die Künste«, 3.–6. 10. 1996) dargelegt. Das überarbeitete und erweiterte Vortragsmanuskript wurde im Tagungsband publiziert (siehe M. Müller, 1998) und bildet die Grundlage für dieses Kapitel. 163 Unter Kardinal Albrecht von Brandenburg wurde das vor der Kapelle gelegene Fürstenhaus im Jahr 1528 umgebaut; an der Südostecke des Gebäudes führte eine Wendeltreppe empor, die nach der Vermutung von Hermann Wäscher und Hermann Giesau, 1941, ursprünglich durchbrochen gewesen sein könnte. Durch den Umbau des 17. Jahrhunderts ist die Situation des 16. Jahrhunderts jedoch zerstört. 164 Zum rezeptiven und innovativen Verhältnis der deutschen und der französischen Treppentürme siehe M. Müller, 1998; dort auch Diskussion der älteren Literatur.

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nicht zuletzt im deutschen Sakralbau des späten Mittelalters begründet liegt.165 Über mögliche inhaltlich-funktionale Anlässe, die zu der eigentümlich transparenten Bauweise dieser Treppentürme geführt haben könnten, gibt es keine genauen Kenntnisse.166 Wie so oft fehlt auch für die kunstvollen Wendelsteine hinreichendes Quellenmaterial, um über den ästhetischen oder funktionalen Kontext ihrer Entstehung eindeutige Aussagen zu treffen. Vor allem die Verankerung im höfischen Zeremoniell ist für die deutschen Beispiele schwer zu ermitteln. Dies liegt nicht allein an fehlenden Zeugnissen über ein mögliches Treppenzeremoniell an sich, sondern vor allem am grundsätzlich nur rudimentär ausgebildeten Zeremonialwesen an den deutschen Höfen des 16. Jahrhunderts.167 Hier ergeben sich fundamentale Unterschiede zur zeitgleichen Situation in Spanien, Burgund oder Frankreich.168 So können zeremonielle Aufgaben, die den auffälligen und an zentralem Ort plazierten Treppentürmen beispielsweise bei Empfängen oder höfischen Festen möglicherweise zugedacht waren, für das Alte Reich bislang nicht näher verifiziert werden. Umso mehr muß das Augenmerk der 165 Als prominente Beispiele für frühe Treppenkonstruktionen mit gitterartig aufgelösten Wänden nenne ich die Südquerhausfassade des Prager Doms von Peter Parler (1372/73), den Westturm des Ulmer Münsters von Ulrich von Ensingen (1392–99) sowie den einzigartigen Turmaufsatz auf dem Westbau des Straßburger Münsters von Ulrich von Ensingen (1399–1419) und Johannes Hültz (1419–39). Vgl. hierzu auch F. Mielke, 1966, S. 6 ff. Ungeachtet der in Grundform und Plazierung ablesbaren Bezüge zum französischen Schloßbau des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit sollte nicht darüber hinweggesehen werden, daß Formgebung und Ausstattung des Großen Wendelsteins in Meißen, auf den sich auch die späteren Wendelsteine in Torgau und Berlin beziehen, in ihrer Zeit letztlich einzigartig sind. Bis zum Neubau von Schloß Blois gibt es in Frankreich keinen freistehenden Treppenturm, dessen Außenwand sich aus einem durch Stabwerk gebildeten, der schrägaufsteigenden Drehbewegung der Treppe folgenden Rastersystem und einer Ummantelung aus mehrstöckigen Loggien zusammensetzt. 166 Zur Forschungssituation siehe u. a. C. Horst, 1928, S. 65; G. Dehio, 1930, S. 317 f.; R. M. Ludwig, 1939; G. F. Koch, 1960; F. Mielke, 1966; Ders., 1985, S. 189–206; Ders., 1993; Ders., 1996. 167 Zur zurückhaltenden Ausbildung festgeschriebener zeremonieller Regelwerke an deutschen Höfen und dem Verhältnis von tradierten Gewohnheitsregeln und erlassenen Ordnungen siehe P.-J. Heinig, 1997; M. A. Bojcov, 1997. 168 Zum spanischen Hofzeremoniell siehe Chr. Hofmann, 1985. Für das spätmittelalterliche Frankreich hat M. Whiteley versucht, Zusammenhänge zwischen dem Hofzeremoniell und der Herausbildung repräsentativer königlicher Treppenanlagen aufzuzeigen: M. Whiteley, 1989, S. 133–142. Siehe zudem U. Albrecht, 1995, S. 87 f.

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bildhaften Architektursprache und der mit ihr verbundenen heraldischen und bildkünstlerischen Ausstattung gelten. Die Inkunabel der offenen, repräsentativen Treppentürme im deutschen Schloßbau, der Große Wendelstein der Albrechtsburg in Meißen (Abb. 6+40), errichtete Arnold von Westfalen ab 1471 vor der Hoffront des neuen wettinischen Residenzschlosses.169 Seine herausragende Stellung kommt überdies in dem Reisebericht eines Augsburger »Korrespondenten« zum Ausdruck, den dieser 1617 für den pommerschen Herzog Philipp II. über die Stadt Meißen und die Albrechtsburg verfaßt hat: In diesem Bericht wird der Große Wendelstein mit seinen Altanen (»ausgehauene Gäng«) und Bildreliefs ausdrücklich als »Wahrzeichen dieses Schlosses« bezeichnet.170 Der grazile, hochaufragende Treppenturm, dem dieses Lob galt, sitzt nicht genau in der Mitte der Hoffassade, sondern ist um zwei Fensterachsen nach Süden, zum Dom hin, verschoben. Dennoch verhilft er der Fassade durch seine Gestaltung zu einem insgesamt ausgewogenen Erscheinungsbild.171 Arnold von Westfalen gestaltete die Seiten des Treppenturmes in Form von weitgespannten, loggienartigen Arkaden, die er nicht auf den Turm beschränkte, sondern auch vor die durchfensterte rechte Seite der Fassadenwand legte. Hier erfüllen die Arkaden die Aufgabe, Bindeglied zwischen dem höfischen und dem sakralen Bereich zu sein. Denn im Süden stößt die Albrechtsburg unmittelbar an den Dom, zu dessen Herrschaftsempore die Arkaden im ersten Obergeschoß einen verbindenden Laufgang herstellen und damit an ein altes Motiv in der Architekturgeschichte erinnern.172 Die Integration des Treppenturms in den Verbindungsgang zum Dom mittels einer gleichartigen Loggienform dürfte somit zum einen ästhetische, zum anderen aber auch inhaltliche Gründe besessen haben. Inhaltlich wird der Treppenturm über die Formgebung in

169 Zur Datierung siehe S. Harksen, 1972, S. 31 ff. 170 Abdruck bei F. Sieber, 1961; siehe auch U. Czeczot, 1975, S. 102 ff. 171 So verfügt die Fassade zwar durch die aus der Mittelachse gerückte Turmstellung über drei Fensterachsen auf der linken und nur eine Fensterachse auf der rechten Seite, doch wird dieses Ungleichgewicht durch das Grundrißsystem des Turmes und sein Arkadensystem ausgeglichen: Die sechseckige Grundrißform wurde so gedreht, daß keine Fläche sondern eine Kante frontal auf den Betrachter ausgerichtet ist. Dadurch gelingt es, zwei Seiten des Turmpolygons zugleich in den Blick zu rücken. 172 Vgl. die Analogien zu Anlagen wie der von Pfalz und Pfalzkapelle in Aachen, von Bischofspalast und Dom in Havelberg oder von Stiftsgebäuden und Stiftskirche bzw. Dom in Münster. Diesen Beispielen ist die Verbindung der Wohngebäude mit dem Kirchenbau durch einen gedeckten Gang gemeinsam.

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das sakrale Gefüge aus Schloß- und Dombezirk integriert und zu einem wichtigen Element der herrschaftlichen Wegeführung zwischen Schloß und Dom aufgewertet. Diese optische Verklammerung von Fürstenschloß und Bischofskirche ist nicht nur wegen des im Dom befindlichen Herrschaftsstandes und der an die Westseite angebauten fürstlichen Familiengrabkapelle von Bedeutung, sondern auch wegen der anhaltenden Bemühungen der Wettiner, den bischöflichen Machtbereich dem ihrigen zu inkorporieren und die Autorität des Bischofs zugunsten einer Frühform des Landeskirchentums zurückzudrängen.173 In dieses Bild fürstlicher Usurpationsbestrebungen gegenüber der bischöflichen Autorität paßt im übrigen das ästhetische Gesamtkonzept des Großen Wendelsteins der Albrechtsburg: In seiner offenen Bauweise rezipiert er die gitterhaft aufgelösten Wendeltreppentürme des spätmittelalterlichen Kirchenbaus,174 wie sie beispielhaft am Südquerhaus des Prager Doms (1372) sowie in den Westtürmen des Ulmer (1392 ff.) und des Straßburger Münsters (1399 ff.) ausgebildet worden sind. Selbst wenn diese Treppenschöpfungen in erster Linie dem Willen entsprungen sind, Funktionselemente künstlerisch aufzuwerten und zu adäquaten Bestandteilen anspruchsvoller Turm- bzw. Fassadenbauten zu machen, bleiben sie doch zugleich in einen sakral-repräsentativen Kontext eingebunden.175 Inwieweit diese sakrale Aura beim Bau des Großen Wendelsteins der Albrechtsburg über das aufgezeigte Maß hinaus von Wichtigkeit war und angesichts der wettinischen Anwärterschaft auf den böhmischen Thron sogar ein bewußter Bezug nach Prag hergestellt werden sollte,176 entzieht sich einer genaueren quellenkundlichen Kenntnis. Unbestritten dürfte aber sein, daß zumindest

173 Siehe hierzu E. Hütter u. a., 1999. 174 Siehe zu diesen Treppen grundsätzlich F. Mielke, 1981a, S. 38 ff. Mielkes Bewertung der Treppen als schlichte »l’art pour l’art« (ebd., S. 42) erscheint mir allerdings zu kurz gegriffen. 175 Bei der Treppe am Südquerhaus des Prager Doms ist die Zugehörigkeit zu einem solchen religiös wie politisch bestimmten Umfeld besonders eindrucksvoll gegeben: das Südquerhaus ermöglicht den direkten Zugang zum Grab des heiliggesprochenen böhmischen Königs Wenzel, so daß die gesamte, auf Burg und Stadt ausgerichtete Südquerhausfassade mit ihrem altanartigen Vorbau und besagter offen gestalteter Wendeltreppe zu architektonischen Zeichen dieses politischreligiös bedeutsamen Ortes werden. 176 Als König Podiebrad von Böhmen 1471 starb, beanspruchten neben dem ungarischen König Matthias Corvinus besonders die Wettiner sein Erbe. Obwohl schließlich Matthias Corvinus die böhmische Krone zugesprochen bekam, erhielten die Wettiner ihren Anspruch auch in der Folgezeit weiter aufrecht.

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das ›Image‹ des im Sakralbau entwickelten offenen Treppenturms auf den Großen Wendelstein übertragen werden sollte.177 Der hohe Zeichenwert des Meißener Wendelsteins wird schließlich auch im applizierten Bildprogramm sichtbar. Die Altanbrüstungen aller drei oberen Turmgeschosse sind mit Bildreliefs dekoriert worden (das unterste Obergeschoß erst unter Herzog Georg dem Bärtigen durch Christoph Walther I., das oberste laut Inschrift 1482), die sowohl ein moralisches als auch ein heraldisches Programm zeigen. Während die Reliefs des ersten Obergeschosses (Abb. 116) alttestamentliche und griechisch-mythologische Themen vorführen, die im Sinne von Exempla auf die Betörung der Sinne durch ›Wein und Weib‹ verweisen, präsentieren die Reliefs des dritten Obergeschosses Auszüge aus Schwänken des Minnesängers Neidhart von Reuental (um 1180–1241).178 Ihr Leitthema ist die Versuchung durch die Sinnlichkeit und die anschließende Verspottung derjenigen, die sie genossen haben und dadurch zu Schaden kamen. Zwischen diesen beiden Registern prangen an den Brüstungen des zweiten Geschosses (Abb. 116) die Regalienschilde des Hauses Wettin, die von Löwen, Hunden, Greifen, Engeln und Jünglingen getragen werden.179

177 Der sakrale Zusammenhang, in den die offenwandig konstruierten Kirchturmtreppen gestellt sind, wurde von der älteren Forschung durchaus gesehen, doch bislang nicht als ein Grund für die Übernahme der offenen Wendelsteine in den Schloßbau gewertet. Statt dessen sah man das Hauptmotiv in den raffinierten Konstruktionen, die »als Wahrzeichen höchsten Könnens« (F. Mielke, 1966, S. 64) nach dem Kirchenbau nun auch die Bauten des Adels schmücken sollten. Die Ansicht, daß die offenen Wendelsteine genealogisch vom Kirchenbau abzuleiten sind, wird von G. F. Koch, 1960, S. 158, aufgrund von formalen wie konstruktiven Unterschieden allerdings nicht geteilt und damit einer früheren Einschätzung von Carl Horst widersprochen (vgl. C. Horst, 1928, S. 65). Dem hält Friedrich Mielke vollkommen zu recht entgegen, daß es dabei »nicht notwendig« sei, »daß die technische Lösung und die künstlerische Gestaltung des Treppenturmes mit den mittelalterlichen Vorbildern an den Kirchen übereinstimmt«, da »allein der Wert, welcher der immanenten Bedeutung eines Architekturteiles zugemessen wird«, wichtig sei (F. Mielke, 1966, S. 64). 178 Zur Rezeption der Schwänke Neidharts in Literatur und bildender Kunst siehe G. Blaschitz, 2000 (für den Hinweis auf diesen Band und die Überlassung seines eigenen Textbeitrags danke ich Prof. Dr. Nikolaus Henkel, Hamburg). 179 Zur Darstellung im einzelnen siehe »Kurtze aufzehlung Was bey den weitberühmten Schloße Meissen merckwürdig zu sehen ist, Anno 1676« (HStADresden), abgedruckt bei O. Wanckel / C. Gurlitt, 1895, S. 27 f., und U. Czeczot, 1975, S. 101 f., S. 113 f.

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Vor allem die mit derbem Humor geschilderten Schwankszenen im dritten Geschoß können auf den ersten Blick verwundern. So meinte Ursula Czeczot: »Sowohl das sehr drastisch behandelte Thema als auch die dargestellten volkstümlichen Gestalten in Zeittracht verblüffen als Schmuck am Residenzschloß eines Landesfürsten«.180 Hält man sich jedoch die Intention des Bildprogramms vor Augen, die mit der moralisierenden Lektion offensichtlich vor den Auswirkungen von Einfalt und Narretei warnen wollte, dann erscheint die Gestaltung der Brüstungsreliefs ausgesprochen geeignet für ein Residenzschloß. Zusammen mit den Reliefs des ersten Umgangs, die erst unter Georg dem Bärtigen von dem Bildhauer Christoph Walther I. angebracht wurden, versinnbildlichen sie Exempla, nach denen sich die Tugendhaftigkeit des Fürsten und seines Hofes ausrichten sollten. Die metaphorische Bedeutung von Turmarchitektur als Sinnbild u. a. von fürstlicher Tugendhaftigkeit und Gerechtigkeit181 macht den Großen Wendelstein der Albrechtsburg zum adäquaten architektonischen Träger für ein solches Bildprogramm. Zu diesem gehören schließlich auch die Reliefs des zweiten Geschosses, auf denen in zwölf Schilden die Regalien des Hauses Sachsen abgebildet sind und die als verbindende Klammer zwischen dem unteren und oberen Zyklus fungieren. Durch sie wird das allegorische Programm des unteren und oberen Turmgeschosses eindeutig auf das sächsische Fürstenhaus bezogen und dem Großen Wendelstein zusätzlich zum Tugendturm die Bedeutung des Stammturmes zugewiesen. Da der Große Wendelstein seiner Funktion nach den repräsentativen Zugang zum Festsaal und den fürstlichen Gemächern und Amtsstuben des Schlosses bildete, besaß die metaphorische Komponente der Turmarchitektur und ihres Dekorums auch ihre sinnfälligen Auswirkungen für die Benutzer: Indem die Mitglieder des Hofes und ihre Gäste den Wendelstein beschritten oder auf seinen Altanen standen, wurden sie zum integralen Bestandteil von Architektur und Bildprogramm und erwiesen dadurch den Wettinern als rechtmäßige und tugendhafte Fürsten ihre Referenz. Erst eine Generation nach dem Wendelstein der Albrechtsburg und wenige Jahre vor der Konzeption des Torgauer Großen Wendelsteins entsteht in Frankreich ein Treppenturm mit vergleichbaren und dann doch wieder ganz anderen Merkmalen, deren genauere Kenntnis für das Verständnis des Torgauer Treppenturms notwendig erscheint. Er wurde von Franz I. zusammen mit dem neuen Flügel von Schloß Blois 180 U. Czeczot, 1975, S. 101. 181 Siehe hierzu auch Kap. 6.1.

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ab 1515 bzw. wenige Jahre danach errichtet.182 Dieser im Innenhof des Schlosses genau vor die Fassadenmitte des Neubaus plazierte Treppenturm (Abb. 82) ist das funktionale wie formale Glanzstück der unter Franz I. umgebauten Schloßanlage. Wer durch das erhalten gebliebene Ehrenportal des Vorgängers, Ludwigs XII., den Innenhof betritt, erlebt eine Architektur mit außergewöhnlichen Schauwerten. Einem Denkmal gleich, ragt der Treppenturm vor dem Schloßflügel auf und bildet einen auffallenden Kontrast zur Schloßfassade: Anstatt sich in die vornehm-zurückhaltende, von einem gezähmten Dekorum bestimmte Fassade zu integrieren, steht der Turm scheinbar losgelöst davor und entfaltet eine Rotationsbewegung, deren Dynamik den dahinter liegenden Schloßbau sprichwörtlich an die Wand spielt und erst im Dachbereich zur Ruhe kommt. Es ist schon erstaunlich, wie hier mit ästhetischen Mitteln Kräfte freigesetzt werden, die einerseits als unerschütterliche Ruhe, andererseits als ungebändigte Bewegungsenergie in Erscheinung treten. Mit seinen kräftigen Pfeilern steht der Turm wie ein festgefügter Gerüstbau im Schloßhof. Doch die schraubenförmig nach oben wirbelnde Drehung der Balustraden droht dieses Gefüge zu sprengen, wäre da nicht das überaus kräftige Kranzgesims, das den Turmkörper zusammenhält und ihn in der Dachzone auch fest an den Schloßflügel zurückbindet. In der Zone darüber aber herrscht Ruhe und majestätische Erhabenheit. Dem Kräftespiel des Unterbaus entzogen, sitzt oben auf dem Treppenturm ein kanzelförmiger Pavillon, von dessen terrassenartigen Plattformen der Blick über den Schloßhof hinweg in das Loiretal schweifen kann. Als ehemals privater Rückzugsort des Königs183 ist dieser Bereich des Turmes nur über eine separate, kleine Treppe im Dachbereich zugänglich. Pfeiler, Balustraden und Gesimse sorgen dafür, daß der Treppenturm von Blois mit einer Vielzahl von plastischen Werten glänzt. Er ist eine architektonische Skulptur, die ihrerseits wieder mit Skulpturenschmuck überzogen wurde: Vor al-

182 In der Literatur wird die genaue Datierung des Treppenturms offengelassen bzw. suggeriert, daß Treppenturm und Schloßflügel zeitgleich, d.h. ab 1515, aufgeführt wurden (vgl. in jüngerer Zeit W. Prinz / R. G. Kecks, 1985, S. 385 ff.) Der Annahme, bereits 1515 sei der Treppenturm in seiner heutigen Gestalt geplant gewesen, steht aber das ikonographische Programm entgegen: Wenn im Relieffeld rechts vom Turmeingang neben den Insignien Franz’ I. auch die Kaiserkrone erscheint, liegt es eigentlich nahe, für Konzeption und Ausführung des Turms die Zeit ab 1519, dem Todesjahr Maximilians I., anzusetzen, es sei denn, das Relief ist nachträglich ausgetauscht worden oder das Vorzeigen der Kaiserkrone war als frühzeitige Anspruchsformulierung gedacht. 183 Siehe hierzu grundsätzlich Kap. 6.2.

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lem an den Balustraden und im Inneren der Treppenanlage züngeln gekrönte Salamander und prangt in großer Zahl der von einem Kronreifen umfangene, sich aus einer Ranke entwindende Buchstabe F, die Namensinitiale von Franz I. Was sich von weitem wie eine ornamental-bewegte Dekoration ausnimmt, entpuppt sich also bei näherem Hinsehen als fast schon penetrante Zurschaustellung der königlichen Autorität Franz’ I. Der Treppenturm wird zum Werbeträger, der unübersehbar Macht und Stärke des französischen Königtums signalisiert. Dabei scheut sich Franz I. nicht einmal, sein Wappentier, den Feuersalamander, an gut sichtbarer Stelle184 durchaus provokant mit der Kaiserkrone zu überhöhen und auf diese Weise an seine Ansprüche auf kaiserliche Würden zu erinnern. Etwa fünfzehn Jahre nachdem Franz I. seinen Schloßflügel in Blois mit dieser virtuosen Wendeltreppe errichten ließ, begann 1533 im sächsischen Torgau Kurfürst Johann Friedrich mit dem Ausbau seiner Residenz. Kernstück des ersten Bauabschnitts war der Neue Saalbau, an dessen Hofseite ein dem Treppenturm von Blois ebenbürtiger Großer Wendelstein (Abb. 45) zu stehen kam.185 In der Kunstgeschichte ist es Tradition geworden, für den Torgauer Wendelstein vor allem französische Vorbilder in Anspruch zu nehmen. Meistens wird in der Literatur auf den eben vorgestellten Treppenturm von Blois verwiesen,186 den Konrad Krebs in seiner Funktion als sächsischer Hofbaumeister 1535 während eines Frankreichaufenthalts besichtigt haben könnte.187 Allein die Gestaltung der Außenwand unterscheidet den Torgauer Wendelstein jedoch auffällig vom postulierten französischen Vorbild. So sehr auch in Torgau das Monumentale vorherrscht, so wenig tritt das Skulpturale in Erscheinung. Dafür regiert die Fläche und die Öffnung. Wie ein Gliederbau, bei dem kein Zentimeter Wandfläche zuviel übriggeblieben ist, steht der Turm auf seinem Podest. In seine zarten, nur von flachen Pilastern verstärkten Stützen188 ist mit kühnem

184 So geschehen im unteren Bereich des Turmes, auf der rechten Seite direkt neben dem Eingang und somit im unmittelbaren Blickfeld von allen Herantretenden. 185 P. Findeisen / H. Magirius, 1976, S. 138 ff. 186 So bei G. F. Koch, 1960, S. 163 ff.; F. Mielke, 1966, S. 68; E. Ullmann, 1984, S. 213. 187 F. Mielke, 1966, S. 68. Mielke führt allerdings keine quellenkundlichen Belege für diese Frankreichreise an. 188 Die Gliederung der gestuften Pilaster durch Gelenkstücke in Höhe des zweiten Obergeschosses nimmt Bezug auf die Geschoßeinteilung bzw. die Portalöffnungen für den dort befindlichen Laufgang. Auf die Treppenführung nehmen diese Gelenkstücke dagegen keine Rücksicht.

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Schwung die Treppe eingehängt, deren Brüstungsfelder mit der Außenkante der Pilaster fast in einer Ebene liegen.189 Ein weiterer wichtiger Unterschied zum Treppenturm von Blois besteht auf der dekorativen Seite. Korrespondieren in Blois die Renaissanceformen des Architekturgehäuses mit den dazu passenden Kleinformen im Inneren, erleben wir in Torgau eine Überraschung: Während sich der Außenbau mit seinem vielbeachteten renaissancehaften Architektursystem, dessen Pilastergliederung und Ornamentik (Abb. 117) französische und italienische Formenkenntnis verrät, sozusagen auf der Höhe der Zeit befindet, blicken wir im Inneren auf spätgotische Netz- und Schlingrippengewölbe (Abb. 117), deren Ausdruckskraft einer international kaum mehr gefragten Ästhetik verpflichtet ist. Aus der kapriziösen Linienführung der obersächsischen Spätgotik ist letztlich auch die Gestalt der konstruktiv äußerst innovativen Treppenanlage entwickelt worden. Das heißt aber: So modern die spindellose, sich frei nach oben schwingende Treppe des Torgauer Wendelsteins (Abb. 45+118) auch ist, so sehr ist sie formal auf das gotische Schlingrippengewölbe des Turmes und damit auf die mittelalterliche Bautradition verwiesen. Das Wölbsystem konstituiert maßgeblich den Innenraum des Großen Wendelsteins, dessen Gewölbebildung in dem formalen Erscheinungsbild der Treppenanlage ihre adäquate Entsprechung findet. Sicherlich erfahren Kunsthistoriker mit ihrem stilgeschichtlichen Überblickswissen diesen Kontrast zwischen moderner und retrospektiver Ästhetik besonders stark, doch dürfte den Zeitgenossen nicht minder deutlich gewesen sein, daß das Formenvokabular des Torgauer

189 Auf den ersten Blick mag es verwunderlich erscheinen, daß der aufwendig gestaltete Treppenlauf der Torgauer Wendeltreppe erst auf dem Niveau des Festsaals ansetzt und von hier aus in die Obergeschosse mit ihren eher privaten Wohnappartements führt, während der Festsaal selbst nur über die schlichten Freitreppen zu erreichen ist. Daraus könnte zunächst ein Widerspruch abgeleitet und die kunstvolle Wendeltreppe als reines Schaustück ohne weitere öffentliche bzw. zeremonielle Funktion betrachtet werden. Doch abgesehen davon, daß der vor dem zweiten Obergeschoß befindliche laufgangartige Balkon von außen nur über die gedrehte Treppe betreten werden konnte, verweisen auch die kurfürstlichen Appartements, die bis zum Neubau des Kapellenflügels unmittelbar gegenüber dem Treppenturm in den Obergeschossen des elbseitigen Risalits gelegen waren, auf den repräsentativen Nutzen des Großen Wendelsteins. Diese Beobachtung ist vor allem für Überlegungen zu möglichen Formen des Treppenzeremoniells – wie sie von W. Prinz und R. G. Kecks (1994) für Frankreich angenommen werden – von Bedeutung. Zur Raumrekonstruktion des Johann-Friedrich-Baus vgl. St. Hoppe, 1996, S. 167 ff.

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Wendelsteins zwei Sprachen spricht: am Außenbau sozusagen italienisch-französisch, im Inneren sächsisch-böhmisch. Auf einer allgemeineren Ebene könnte man auch von der einerseits innovativ-modernen und andererseits konservativ-retrospektiven Ausrichtung des Dekorums sprechen. Daß es sich bei dieser Kombination von Stilelementen vollkommen gegensätzlicher Architekturauffassungen in Torgau um keine Ausnahme, sondern ein System handelt, zeigt ein Blick in die elbseitig plazierten Erker (Abb. 77) des Johann-Friedrich-Baus: dort wird die Öffnung zum Innenraum (Abb. 119) von einer Bogenstellung auf antikisierenden Pilastern gebildet, während dem Erkergewölbe Schlingrippen aufgelegt wurden, ein Kontrast, der ganz im Stil des Großen Wendelsteins gehalten ist. Man mag das hierdurch entstandene Erscheinungsbild als stilistisch ambivalent oder sogar als »beglükkende Synthese«190 aus dem Geist von Gotik und Renaissance werten und als Spielart des Manierismus betrachten,191 doch ist damit noch nicht die Frage beantwortet, warum Konrad Krebs mit dem antikisierenden Architektur- und Dekorationssystem am Außenbau und den gotisierend-mittelalterlichen Formen im Inneren zwei getrennte künstlerische Bereiche schuf. Die Frage berührt letztlich auch die ästhetischen Vorstellungen und Wertigkeiten (hinsichtlich des Dekorums) der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und das noch kaum untersuchte Phänomen einer Kontinuität mittelalterlicher Formen in der frühen Neuzeit.192 Für Torgau soll im weiteren Verlauf der Ausführungen ansatzweise eine Erklärung versucht werden. 190 F. Mielke, 1966, S. 70. 191 Siehe hierzu grundsätzlich auch D. Arass / A. Tönnesmann, 1997; zu Torgau siehe auch die unpublizierte Dissertation von St. Delang, 1982. 192 Auch an französischen Schlössern des 16. Jh.s läßt sich dieses Phänomen beobachten (z. B. am zweiten Treppenturm von Schloß Chateaudun [Abb. 120]), und selbst der Flügel Franz I. in Blois (Abb. 121) oder das Fassadenbild von Chambord (Abb. 60+62) verarbeiten die Renaissanceelemente durch den Verzicht auf eine regelhafte Struktur auf quasi mittelalterliche Weise. Anhand dieser und anderer Schlösser (wie z. B. Azay-le-Rideau [Abb. 122]) ließe sich der integrative Charakter der sog. »première renaissance« im franz. Schloßbau aufzeigen, wodurch auf elegante Weise in ein mittelalterliches Grundgerüst bzw. -konzept die moderne, frühneuzeitliche Formensprache integriert werden konnte. Siehe hierzu auch die Beobachtungen von St. von Moos, 1974, S. 128 ff.; F. Gébelin, 1927, S. 26 sowie W. Metternich, 1994, S. 114 (Metternichs Schlußfolgerungen, daß sich »im verbleibenden Rest des 16. Jahrhunderts die französische Baukunst unter dem Einfluß Italiens grundlegend [Hervorhebung: M.M.] verändern sollte« – ebd., S. 116 – vermag ich nicht zu folgen). Siehe neuerdings auch M. Müller, 2003C. Zu vergleichbaren Gestaltungsabsichten im französischen Kirchenbau des 16. Jahrhunderts siehe A.-M. Sankovitch, 1995.

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Außer durch das kontrastierende Dekorationssystem und die über eine offene Spindel geführte und damit konstruktiv vollkommen anders aufgefaßte Treppenanlage unterscheidet sich der Torgauer Treppenturm jedoch vor allem durch den altanartigen, mit zwei geradläufigen Freitreppen ausgestatteten Unterbau von den möglichen französischen Vorbildern. Dies gilt auch für die Hoftreppentürme des unweit von Blois gelegene Schlosses Chambord (Abb. 58), das von Franz I. ab 1519 als repräsentatives Jagdschloß angelegt wurde. In den Ecken der Flügelbauten, die den zentralen, donjonartigen Vierturmbau umgeben, stehen insgesamt zwei offene Wendelsteine, deren Treppen ähnlich der Torgauer in ein luftiges Arkadengerüst eingehängt wurden. Doch fehlt in Chambord außer der andersartigen Treppenkonstruktion das besondere Kennzeichen der Torgauer Lösung: der altanartige, kubische Unterbau (Abb. 46).193 Ein altanförmiges Postament, auf dem der eigentliche Turm wie ein Würdezeichen steht, sucht man zu diesem Zeitpunkt in Frankreich wie in Deutschland vergeblich, sehen wir einmal ab von dem wesentlich bescheideneren und kaum älteren Wendelstein am Johannbau des Dessauer Schlosses (Abb. 64+66).194 Doppelläufige Treppenanlagen mit Mittelpodest sind sowohl in der Antike als auch im Mittelalter als repräsentative Zugangswege und Stehplattformen errichtet worden, wie als prominente Beispiele die rekonstruierbare Treppensituation vor

193 Vgl. W. Prinz / R. G. Kecks, 1994, S. 406. Von den beiden Treppentürmen wurde bis zum Tod Franz’ I. im Jahr 1547 nur einer fertiggestellt. Es ist der Turm im nördlichen Innenhof, über dessen Treppe man zugleich in das auf der Außenseite des Schlosses gelegene Studierzimmer des Königs gelangen kann. In welchem Jahr genau dieser Turm fertiggestellt war, ist nicht zu sagen. Vermutlich wird er erst nach 1534, dem Jahr der Dacheindeckung des donjonartigen Zentralbaus, zusammen mit den nördlichen Flügelbauten begonnen worden sein, so daß eine Datierung in die späten 1530er Jahre realistisch erscheint. Trifft eine solche Datierung zu, käme es zu einer interessanten Gegenüberstellung des Großen Torgauer Wendelsteins und des kleineren Treppenturms im Hof von Chambord. Dann verkörperten beide Turmarchitekturen (den altanartigen Unterbau in Torgau einmal außer acht gelassen) zumindest die zeitgleiche Verwirklichung einer sehr ähnlichen Treppenturmgestalt, bei der sich die Frage nach der Vorbildlichkeit kaum klären ließe. Im direkten Vergleich unterscheiden sich die Treppentürme von Chambord und Torgau vor allem in der Grundrißform (in Chambord ein kreisrunder, in Torgau ein rechteckiger Turmbau mit halbrundem Abschluß) und im Dekorum (in Chambord eine Säulenstellung, in Torgau eine Pilastergliederung). 194 Zum Wendelstein des Dessauer Johannbaus siehe Kap. 3.6.2, S. 96 f.

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dem Palas der Gelnhausener195 oder der Goslarer Kaiserpfalz (Zustand von ca. 1230) zeigen. Innerhalb des frühneuzeitlichen Schloßbaus findet dieses Treppenkonzept jedoch seltsamerweise bis in die 1530er Jahre keine Verwendung.196 Eine doppelläufige Treppe, die ohne Altan direkt zu einem Treppenturm emporführt, ist übrigens in einem 1495 entstandenen Aquarell von Albrecht Dürer (Abb. 123) für den Saalbau der Innsbrucker Hofburg und damit für eine wichtige habsburgische Residenz überliefert.197 Zusammen mit den Freitreppen des Johannbaus in Dessau von ca. 1530 (Abb. 64), des Saalbaus im Hof des Weilburger Schlosses von 1532 (Abb. 13) sowie des Joachimbaus am Berliner Schloß von 1538 (Abb. 7) gehört der doppelläufige Treppenbau vor dem Johann-Friedrich-Flügel des Torgauer Schlosses zu den frühesten Beispielen. Erst 1541 entschließt sich der französische König Franz I., vor dem Hauptgebäude seines Schlosses Fontainebleau eine große doppelläufige Freitreppe mit Podest und Loggia zu errichten (Abb. 124) und greift damit ein Gestaltungskonzept auf, das genau in jener Zeit mit dem Neubau der repräsentativen Freitreppe am Senatorenpalast auf dem römischen Kapitol (Abb. 125) eine aufsehenerregende Verwirklichung erfahren hatte. Von Michelangelo entworfen, wurde sie unmittelbar nach dem Besuch Karls V. im Jahr 1536 errichtet. Als Siegeszeichen gegenüber der kaiserlichen Macht und als Ausdruck der zurückgewonnenen städtischen Souveränität erlebten diese Treppengebilde schließlich in den nördlichen Niederlanden eine Renaissance, wo sie nach dem Ende der spanisch-habsburgischen Besatzung am Ausgang des 16. Jahrhunderts in auffälliger Form die Fassaden der großen Rathausbauten, z.B. der Stadt Leyden (Abb. 126), zu schmücken beginnen.198 Die aufgezeigten architektonischen Traditionslinien legen den Schluß nahe, daß Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige bei der Planung des Treppenpodestes als Sockel für den Großen Wendelstein gegenüber seinem Baumeister Konrad Krebs eine bewußte Entschei195 Wie der Befund zeigt, bestand diese Freitreppe jedoch aus Holz (G. Binding, 1996, S. 274). 196 Eine Ausnahme bildet das wenig frühere Beispiel von Schloß Bury (Loire-etCher), dessen kurz nach 1515 begonnenes corps de logis zur Hof- wie zur Gartenseite doppelläufige Freitreppen besaß. Zu Bury siehe W. Prinz / R. G. Kecks, 1994, S. 545 ff. 197 Dürers Aquarell entstand während seines Innsbruckaufenthaltes auf seiner Reise nach Italien. Zur Identifikation der dargestellten Residenz vgl. M. Dreger, 1921, S. 133–201; F. Winkler, 1936, Nr. 67 u. 68. 198 Vgl. hierzu W. Kuyper, 1994, S. 227 ff.

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dung getroffen hat, bei der kaisernahe Saalbauten mit davorgelegten Freitreppen zumindest typologisch ein Leitbild abgaben.199 Hintergrund für diese Wahl und für die in der Architekturgeschichte bis dahin einmalige Verbindung von Freitreppe, Altan und Treppenturm ist meines Erachtens nicht nur der Wunsch nach einer Kombination von höfischer Ehrentribüne und fürstlicher Wendeltreppe gewesen,200 sondern auch das politische Selbstverständnis des kurfürstlichen Bauherrn.201 In seiner mit der sächsischen Kurwürde verbundenen Funktion als Erzmarschall des Reiches und Reichsvikar in den Ländern sächsischen Rechts zählte Johann Friedrich zur politischen Führungselite des Deutschen Reiches. Hieraus ergab sich konsequenterweise eine grundsätzlich kaisertreue Haltung, die den Kaiser als Oberhaupt eines ständisch verfaßten Reiches akzeptierte. Selbst in den reformatorischen Auseinandersetzungen zwischen dem Kaiser und den deutschen Territorialherren blieb diese politische Anbindung der Reichsfürsten an das Kaisertum bestehen und wurde auch von den evangelischen Fürsten in ihrem Konflikt mit Karl V. nicht ernstlich in Zweifel gezogen. Allerdings darf man nicht verkennen, daß durch die Politik Karls V., die einer Ständeverfassung feindlich gesonnen war, das Verhältnis zwischen Kaisertum und Fürstentum unübersehbaren Schaden genommen hatte. Ausdruck hierfür ist das politische Handeln des sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich selbst. 1532, zwei Jahre vor dem Bau des Großen Wendelsteins, als Nachfolger Johanns des Beständigen an die Regierung gekommen, trat er ein machtpolitisches Erbe an, daß gekennzeichnet war von den reformatorischen Auseinandersetzungen im Reich. Der sächsische Kurfürst stand dabei entschieden auf der Seite der protestantischen Stände, deren Kräftebündnis, den Schmalkaldischen Bund, er als unumstrittene Führungsgestalt bestimmte. Mit seinem religiösen wie politischen Bekenntnis befand sich

199 Die von Peter Findeisen, 1974, S. 9 ff., favorisierte Vorbildlichkeit des Vorbaus der Nürnberger Frauenkirche bleibt hiervon zunächst unberührt, wenngleich sie erneuter Diskussion bedarf. Dagegen kann ich die Vorstellung, daß der altanartige Unterbau des Treppenturms von Schloß Pierrefonds maßgeblich für die Herausbildung der Altanbauten z. B. in den Schlössern von Torgau oder Berlin gewesen sei, nicht teilen. Eine solche Ansicht vertritt in Anlehnung an ältere Literaturmeinungen Georg Friedrich Koch (1960, S. 158), wobei er aber übersieht, daß der Altan von Pierrefonds zum einen über keine Freitreppen verfügt und zum anderen sich über polygonalem, dem Turmkörper entsprechendem Grundriß erhebt. 200 G. F. Koch, 1960, S. 164. 201 Vgl. hierzu auch P. Findeisen, 1974.

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Johann Friedrich nicht nur in Gegnerschaft zu Karl V., dem Kaiser, sondern ebenso zu Ferdinand von Habsburg, gegen dessen Wahl zum römischen König 1531 bereits Kurfürst Johann der Beständige durch Entzug seiner Wahlstimme protestiert hatte. Berücksichtigen wir die geschilderte politische Lage, liegt es nahe, die im Torgauer Wendelstein zu beobachtenden Rückgriffe auf Formen der tradierten Herrschaftsarchitektur einerseits als Inszenierung der politischen Würden und des politischen Selbstverständnisses des sächsischen Kurfürsten als eines kaisertreuen Reichsvertreters zu werten und andererseits als selbstbewußte Antwort auf das Geschehen in den deutschen Ländern zu verstehen. Johann Friedrich der Großmütige trat als führendes Mitglied im Schmalkaldischen Bund entschieden für die Idee eines starken, ständisch aufgebauten deutschen Reiches ein und erteilte damit der von dynastischen Überlegungen getragenen Reichsidee Karls V. eine deutliche Absage. So gesehen verkündet die exzeptionelle Gestalt des Großen Wendelsteins in Torgau zwar kein ›antikaiserliches‹ wohl aber ein ›antihabsburgisches‹ Programm, das im Kontext der sich konsolidierenden evangelischen Territorien seinen tieferen Sinn hatte. Unterstützung erfährt eine solche Interpretation durch das oben ausführlich beschriebene kontrastierende Dekorationssystem des Wendelsteins und durch das Bildnis- und Wappenprogramm am Altan und am Portal, das vom Wendelstein aus einst den unmittelbaren Zutritt in den großen Saal des Johann-Friedrich-Baus ermöglichte. Seiner Aufgabe entsprechend, ein architektonisches Abzeichen für die reichsbezogenen Würden des Kurfürsten zu sein, präsentiert sich der Große Wendelstein – wie oben bereits angemerkt – äußerlich im Gewand der italienischen Renaissance202 und stellt damit einen sichtbaren Bezug zur römisch-antikisierenden Formensprache her. Die das Innere des Wendelsteins prägenden spätmittelalterlichen Formen (so das Schlingrippengewölbe und die Form der Wendeltreppe) aber auch die Vorhangbogenfenster des abschließenden Turmgeschosses stehen hierzu nur scheinbar in Widerspruch. Denn berücksichtigen wir die Genese

202 Die immer wieder zum Vergleich herangezogenen Renaissanceformen an den Schlössern des französischen Königs Franz I., Blois, Chambord und Fontainebleau, lassen sich gleichfalls unschwer auf Italien zurückführen, dessen Okkupation Frankreich in jener Zeit mit allen Mitteln durchzusetzen versuchte. Ein wesentliches strategisches Ziel dieser Unternehmungen war für Frankreich der Anspruch auf die Kaiserkrone und eine Schwächung der militärischen wie politischen Position der Habsburger.

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dieser Formen im mitteldeutschen und böhmischen Raum als charakteristische spätgotische Repräsentationsformen, lassen sie sich gewissermaßen als traditionsreiche, spezifisch ›sächsische‹ Elemente interpretieren, mit deren Hilfe die Altehrwürdigkeit des wettinischen Fürstenhauses angezeigt werden konnte. In diesen Kontext gehört auch die Wappengalerie an der Brüstung des Altans (Abb. 46): Durch die Wappenbilder der Ururgroßeltern Johann Friedrichs väterlicherund mütterlicherseits wird unübersehbar die Dignität der ernestinischen Dynastie demonstriert. Diese Schlußfolgerungen finden sich durch Beobachtungen im Bereich des Saalportals bestätigt: In der Attika des großen Portals (Abb. 47), das vom Wendelstein aus in den Festsaal führte, saßen nach der Rekonstruktion Peter Findeisens drei fürstliche Reliefbildnisse, deren mittleres Friedrich den Weisen zeigte, flankiert von Johann Friedrich I. und seiner Gemahlin Sibylle von Cleve.203 Doch nur die beiden Porträtscheiben des damals regierenden Kurfürstenpaares waren zeitgenössische Arbeiten und mit dem Wendelstein in den Jahren 1533–38 gemeinsam geschaffen worden. Das mittlere, an zentraler Stelle eingebaute Bildnis Friedrichs des Weisen, das hier nicht nur den Vorfahren, sondern auch den ersten protestantischen sächsischen Kurfürsten präsentiert, stammt dagegen noch aus dessen eigener Regierungszeit und ist eine Auftragsarbeit des italienischen Bildhauers Adriano Fiorentino von 1498.204 Der Stilbruch zwischen dem Bild aus dem späten 15. Jahrhundert und denjenigen aus den 1530er Jahren fällt sofort ins Auge, wozu außer der Büstenform die antikisierende, für die italienische Porträtkunst des späten 15. Jahrhunderts charakteristische Körperhaltung Friedrichs des Weisen maßgeblich beiträgt. Hinzu kommt der Materialunterschied: Sind die beiden Rundbildnisse des Kurfürstenpaares aus Kalkschiefer verfertigt worden, so besteht die Bildnisbüste Friedrichs des Weisen aus Messing. Unübersehbar als andersartiges, transferiertes Bildwerk wurde diese ältere Messingbüste in das neu konzipierte Portal eingebaut, so als ob man eine Spolie vor sich hätte. Genau denselben Eindruck vermittelt aber auch das Portal selbst, betrachten wir es in seinem architektonischen Kontext: Als mustergültig italianisierendes Renaissanceportal ist es umgeben von spätmittelalterlichen Architekturelementen, wie wir sie vor allem in der obersächsischen Sakralbaukunst wiederfinden. Das Treppenpodest vor dem Por203 Zur Rekonstruktion dieses heute nicht mehr in situ erhaltenen Bildnisprogramms vgl. P. Findeisen, 1974, S. 3ff; Ders. / H. Magirius, 1976, S. 159. 204 Siehe hierzu P. Findeisen, 1974, S. 5 ff.

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tal wird baldachinartig von einem Schlingrippengewölbe überfangen, dessen virtuose Kurvaturen ausgezeichnet zum kühnen Schwung der Treppenkonstruktion von Konrad Krebs passen. So stehen sich die ›spätmittelalterlich‹-exaltierte Formensprache von Treppe und Gewölbe und die in strenger antikisierender Ordnung errichtete Rahmung des Saalportals ebenso so unverbunden gegenüber wie die Bildnisse des Kurfürstenpaares demjenigen Friedrichs des Weisen, dem glänzenden Kurfürsten und entschiedenen Förderer der Reformation. In gewisser Weise ist daher auch das Saalportal eine antikisierende, auf Rom und das Reich verweisende ›Spolie‹ inmitten eines regional bzw. territorial verwurzelten architektonischen Umfelds.205 Das in der Messingbüste Friedrichs des Weisen anklingende reformatorische Bekenntnis des sächsischen Kurfürstenhauses findet seine eindrückliche Fortsetzung auf den Säulchen, die das Portal flankieren. Dort sind die wichtigsten Vertreter des Protestantismus, Martin Luther und Philipp Melanchthon, im Reliefbild vertreten und bezeugen die beanspruchte Unauflösbarkeit von ernestinischer Dynastie, sächsischer Kurwürde und protestantischem Fürstentum.206 Ihr Zeugnis legen die bildhaft präsenten Reformatoren und protestantischen Kurfürsten von Sachsen an einem Ort ab, der symbolträchtiger nicht sein könnte. Denn bis zur Errichtung des Neuen Saalbaus stand im Bereich des Großen Wendelsteins die mittelalterliche Schloßkapelle St. Martin. Ihr Abbruch 1533 und der Bau der von Luther eingeweihten berühmten neuen Schloßkapelle im Südflügel kam einem bilderstürmerischen Akt gleich: Von da an sollte, wie es das Programm der neuen Schloßkapelle postuliert, nur noch an einem Ort Gottesdienst gehalten werden, der niemals zuvor durch die »falsche Lehre« verunreinigt worden war!207 Die reformatorische Brisanz des Torgauer Wendelsteins erschließt sich vielleicht am deutlichsten über die vier einzigen Nachfolge- bzw.

205 Zum Problem der nur partiellen Rezeption italienischer Renaissancearchitektur im deutschen aber auch französischen Schloßbau in einem ansonsten traditionsgebundenen, spätmittelalterlichen Umfeld siehe M. Müller, 2003c. 206 Eine ähnliche Darstellung von Luther und Melanchthon, nun zusammen mit den beiden Kurfürsten Johann Friedrich dem Weisen und Johann dem Beständigen, befand sich ursprünglich über dem Türsturz derjenigen Tür des Großen Saals, die in die angrenzende Tafelstube führte. Im Torgauer Inventar von 1610 lautet die Beschreibung: »1 Steinern thürgerichte uber der Sahlstubenn thuer, Darüber Herzog Johann Friedrichs und seines Herrn Bruderß Conterfect, Im frieße darunter 2 Runndungenn, Im welche D. Martini Luthers undt Philippi Melanchthonis effigies alles mit öelfarbenn gemahlet« (Inv. Torgau 1610, zit. nach St. Hoppe, 1996, S. 173). 207 P. Findeisen / H. Magirius, 1976, S. 125.

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Parallelbauten, die allesamt in den Residenzen von Mitgliedern des Schmalkaldischen Bundes standen: Es sind dies der bemerkenswerte Wendelstein am Johannbau des Dessauer Schlosses, errichtet nach 1530, als die Dessauer Linie der Anhalter Fürsten auf die Seite Luthers wechselte,208 der von der Forschung wenig beachtete Wendelstein im Hof des Weilburger Schlosses der Grafen von Nassau (1532),209 der ebenfalls von Konrad Krebs entworfene Wendelstein am Berliner Schloß, den Joachim II. von Brandenburg ab 1538, ein Jahr vor seinem öffentlichen Bekenntnis zum Luthertum, erbauen ließ,210 und schließlich der Wendelstein der ehemaligen Burg Grimmenstein in Gotha. Sie ließ Johann Friedrich I. nach dem Verlust Torgaus und der Kurwürde durch die Niederlage in der Schlacht bei Mühlberg 1547 neben Weimar211 zur neuen Residenz der Ernestiner ausbauen. Dabei wiederholte er die Torgauer Schloßanlage in wesentlichen Teilen, indem er den Wendelstein, den Schönen Erker und die Schloßkapelle fast wörtlich zitierte212 und damit programmatisch an die einstige Kurwürde der Ernestiner wie an die Bedeutung dieser wettinischen Linie bei der Einführung des Luthertums erinnerte. Genau dies sollte offenbar auch ein wichtiger Rathausbau leisten, der nur wenige Jahre nach den geschilderten Ereignissen im ernestinischen Altenburg errichtet wurde (Abb. 127). Zwischen 1561 und 1564 durch Nikolaus Gromann konzipiert, präsentiert dieser aufwendige städtisch-fürstliche Verwaltungsbau neben dem Motiv der seitlichen Erker des Torgauer Neuen Saalbaus in der Mittelachse vor allem den kubischen, altanartigen Unterbau, auf dem sich hochaufragend ein polygonaler, geschlossener Treppenturm erhebt.213 Das Maß (kur-)fürstlicher Repräsentation im Altenburger Rathausbau veranschaulichen 208 Zum Wendelstein des Dessauer Johannbaus und seinem ikonographischen bzw. heraldischen Programm siehe ausführlich Kap. 3.6.2, S. 96 f. 209 Die heutige Treppenanlage ist ein barocker Neubau von 1701. Ein Stich von Merian hat uns jedoch die ursprüngliche Gestalt von Treppe und Altan überliefert (Abb. in: W. Hotz, 1970, S. 63). 210 Der wichtigste Unterschied zwischen dem Torgauer und Berliner Treppenturm ist der in Berlin gegenüber Torgau fortgelassene Abschlußgiebel. Dies hat Ernst Badstübner zu dem Urteil veranlaßt, daß »der Berliner Wendelstein den immer wieder als Vorbilder angesprochenen Treppentürmen von Schlössern an der Loire (Blois, Chambord) näher [stand] als der Torgauer (E. Badstübner, 1995, S. 18). 211 Geschichte der Stadt Weimar, 1975, S. 183f; F. Schmidt-Möbus / F. Möbus, 1998, S. 44 ff. 212 W. Ohle, 1936, S. 30. 213 Siehe hierzu auch Kap. 7., S. 371, Anm. 43.

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zusätzlich Medaillons mit den Bildnissen der ernestinischen Herzöge Johann Friedrich II., Johann Wilhelm und Johann Friedrich IV., die sich am rechten seitlichen Erker (Abb. 128) befinden. In ihnen und der zugehörigen Architektur manifestiert sich auf geradezu provozierende Weise der Anspruch der Ernestiner, die Kapitulation von 1547 zu revidieren und die verlorene Kurwürde zurückzugewinnen.214 Nur drei Jahre nach der Fertigstellung des ikonographisch bedeutsamen Rathauses von Altenburg sollte diesem Wunsch jedoch endgültig die Grundlage entzogen werden: Mit dem Sieg des Reichsexekutionsheeres unter Führung von Kurfürst August von Sachsen über die Grumbachsche Adelsrevolte zerschlugen sich 1567 nicht nur die politischen Hoffnungen der Reichsritterschaft, sondern ebenso die Ambitionen Herzogs Johann Friedrichs II. auf Rehabilitation und Restitution der verlorenen politischen Würden der Ernestiner. Der von seinem Gegenspieler August von Sachsen unmittelbar nach dem Sieg in Auftrag gegebene Neubau der Augustusburg, die ausdrücklich als Zeichen des »ewigen Gedächtniss des gemachten Friedens«215 verstanden wurde, sollte dieser totalen Niederlage der Ernestiner auch ein steinernes Denkmal hinzufügen.216

5.2 Das fürstliche Haus als Inbegriff der Dynastie und Sitz des gerechten Herrschers Neben dem Turm bildete das fürstliche Haus ein weiteres zentrales Element herrschaftlicher Repräsentation im Residenzenbau. Und ähnlich wie bei der besprochenen Turmarchitektur war auch die Architektur des Fürstenhauses eng mit der Sphäre von Recht und dynastischem Gedächtnis verbunden.217 So dürfte es auch keine Äußerlichkeit sein,

214 Auch nach der Kapitulation von 1547 läßt Johann Friedrich der Großmütige Münzen prägen, auf denen er sich »geborener Kurfürst« nennt, oder schreibt an den neuen Kurfürsten, August von Sachsen, Briefe, in denen er sich als »Kurfürst« tituliert (siehe hierzu A. Beck, 1858, Bd. 1, S. 519, S. 556, S. 570, S. 573). 215 Der vollständige Text der Urkunde zur Grundsteinlegung ist abgedruckt bei J. G. Harnisch, 1860, S. 45 f., sowie in KDM Flöha, 1886, S. 10 f. 216 Siehe hierzu Kap. 3.5. 217 Zur dynastischen und territorialpolitischen Definition des Terminus »Haus« siehe O. Brunner, 1980, 1984; siehe auch R. Stauber, 2002. In diesem Zusammenhang ist auch die Hausväterliteratur des 15. und 16. Jahrhunderts aufschlußreich (zur »Hausväterliteratur« siehe grundsätzlich J. Hoffmann, 1959;

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Das fürstliche Haus

wenn Turm und fürstliches Haus architektonisch und baulich in der Regel eine Einheit bildeten und nicht selten der Schloßturm in unmittelbarer Nachbarschaft zum fürstlichen Haus stand (so z.B. in Torgau, Bernburg, Heidelberg oder Celle) oder in dieses gar eingebaut wurde (so z. B. in Dresden, Weikersheim, Stuttgart [Altes Schloß] oder Aschaffenburg). Auf die zunächst nur rein funktional erscheinende, bei näherem Hinsehen aber ebenso im dynastischen Gedächtnis und in der herrschaftlichen Repräsentation begründete Verbindung von fürstlichem Haus und repräsentativem Treppenturm ist ausführlich im vorangegangenen Kapitel eingegangen worden. Der Begriff des »Hauses« wird im zeitgenössischen Sprachgebrauch synonym zum Begriff des Schlosses verwendet218 und erscheint als feststehender und rechtswirksamer Terminus seit dem Mittelalter in zahlreichen Urkunden und Verträgen. So heißt es anläßlich der Belehnung des Burggrafen Dietrich II. von Altenburg durch König Rudolf mit dem Burggrafenamt am 20. Dezember 1289: »Zu deme burchamechte gehorit der turm mit deme mantile zu Aldenburch uf deme hus unde der hof, da he inne lit.«219 Auch im weiteren Verlauf der Urkunde wird das Altenburger Schloß stets als »hus zu Aldenburch« bezeichnet. Ein weiteres Beispiel aus dem frühen 17. Jahrhundert zeigt die langwährende Gültigkeit des Terminus »Haus«: Im Vertrag vom 29. Mai 1617 zwischen den brüderlichen Herzögen Adolph Friedrich und Hans Albrecht von Mecklenburg wird die Teilung des Herzogtums Mecklenburg vorgenommen, »ausgenommen derer Stücke, welche […] von alters zu unsern Fürstl. Häusern Schwerin und Güstrow gehörig gewesen […]«.220 Sowohl in Altenburg als auch in Schwerin und Güstrow waren die Herrschafts-

G. Frühsorge, 1978, S. 110–123, S. 204–206; P. Münch, 1981, Bd. 2, S. 205–210; zum Verhältnis von Hausväterliteratur und ländlicher Adelsarchitektur siehe U. Schütte, 1984, S. 157, S. 193, S. 221 ff.). 218 Siehe beispielsweise die Schriftwechsel von Kurfürst Christian II. von Sachsen, die dieser anläßlich der Renovierungsarbeiten des Dresdner Schlosses 1602 geführt hat. In einem Brief des Dresdner Malers Zacharias Wehme an den Kurfürsten (24. 4. 1602), in dem der Kostenvoranschlag des Malers verhandelt wird, ist sowohl von der »ahngeordnette[n] Renovation des Churfürstlichenn Schlosses« als auch von »diesem Churf. hause« die Rede (SächsHStA Dresden, Loc. 7314, Cammersachen 1602, 2. Teil, S. 152b, zit. nach U. Heckner, 1995, S. 177). In seiner Beschreibung »Der churfürstlich sächsischen weitberufenen Residentz und Haupt-Vestung Dresden« (Nürnberg 1680) kennzeichnet Antonius Weck das Schloß des 15. und frühen 16. Jahrhunderts als »das alte Residentz=Hauß […] und andere Schloß« (ebd., S. 29). 219 AUB , Nr. 329, S. 260. 220 Zit. nach der Edition von H. Sachsse, 1900, Nr. 122, S. 321.

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und Besitzrechte somit unzweideutig den fürstlichen Häusern zugeordnet, wobei in der Altenburger Urkunde als weiteres Element der auch in anderen Urkunden genannte Schloßturm als Rechtsträger aufgeführt wird.221 Auch hier dürfen wir uns im übrigen an den bereits mehrfach zitierten Artikel aus Johann Heinrich Zedlers Universal-Lexikon von 1743 erinnern, indem nicht nur das Schloß u.a. als »Fürstliches oder Herren-Hauß«, sondern ausdrücklich als derjenige Gegenstand bezeichnet wurde, an dem die »Herrlichkeiten« und »Gerechtigkeiten«, d. h. die Gerichts- und Besitzrechte »ankleben«.222 Die dem fürstlichen Haus inkorporierten Gerichtsrechte und seine Funktion als Sitz des zur Rechtsprechung legitimierten tugendhaften Herrschers läßt sich auch ikonographisch fassen: Die Anbringung von allegorischen Bildnissen der Justitia an der Fassade, so wie es beispielsweise in Bernburg, Baden-Baden und Heidelberg (Abb. 74+129) zu sehen ist,223 kennzeichnet das fürstliche Haus für alle sichtbar als Ort der rechtsprechenden fürstlichen Institution. Den gleichsam symbolischen Überbau dieses zunächst nur rechtlich definierten fürstlichen Hauses bildete das dynastische Element, sozusagen das Fürstenhaus. Das fürstliche Haus als Gebäude und das Fürstenhaus als zugehöriger familiärer Personenverband bilden nicht zufällig auch sprachlich eine Einheit. Auf eindrucksvolle und in seiner formalen Ausprägung durchaus einzigartige Weise vermag dies im Alten Reich die Wiener Hofburg als Stammsitz der Habsburger seit dem 13. Jahrhundert zu visualisieren (Abb. 51). Die »Casa d’Austria«, das »Haus Österreich«, galt als Synonym sowohl für die Habsburger Dynastie als auch die Wiener Hofburg, deren kastellförmige Kernanlage aus dem hohen und späten Mittelalter, der sog. Schweizerhof, deshalb ganz bewußt bis in die Neuzeit erhalten blieb.224 Ähnlich wie bereits bei den Schloßtürmen eingehend analysiert, kommt auch beim fürst-

221 Siehe hierzu Kap. 5.1.1. 222 J. H. Zedler, 1732 ff., hier: 1743, Bd. 35, Sp. 210 f. Siehe auch S. 146. 223 In Bernburg befindet sich die Allegorie der Justitia auf dem westlichen, zum Hof ausgerichteten Erker des ab 1567 an den Wolfgangbau angefügten Joachim Ernst-Baus. Beim Baden-Badener Neuen Schloß sitzt die Figur der Justitia im Giebelfeld über dem Hauptportal des Haupthauses, während sie beim Heidelberger Schloß am Ottheinrichsbau (eingereiht in eine Folge von christlichen und weltlichen Kardinalstugenden) in der äußeren rechten Nische des zweiten Hauptgeschosses und am Friedrichsbau über der Traufkante des Daches zwischen den beiden Zwerchgiebeln und damit genau in der Mittelachse der gesamten hofseitigen Gebäudefassade thront. 224 Siehe hierzu meine Ausführungen an anderer Stelle (M. Müller, 2000b).

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lichen Haus der Bewahrung von materieller Substanz des Vorgängerbaus wesentliche Bedeutung zu. Hierfür stellt der sog. Johannbau des Dessauer Schlosses (Abb. 64) ein sprechendes Beispiel dar: Zwischen 1530 und 1549 ließ Fürst Johann für seine Hofhaltung auf dem Dessauer Schloßareal ein neues fürstliches Haus, den sog. Johannbau, errichten. Bemerkenswert ist zunächst, daß dieses neue einflügelige Gebäude zwar äußerlich als Neubau erscheint, in Wirklichkeit aber bis ins aufgehende Mauerwerk hinein den mittelalterlichen Saalbau von 1341 enthält. Außer in seiner Grundform ähnelt der Johannbau äußerlich zunächst nicht mehr seinem Vorgänger, doch ließ Fürst Johann II. an der Außenfassade diejenige Inschriftentafel anbringen, die bereits am mittelalterlichen Palastgebäude an dessen Bauherren (die Fürsten Albrecht I. von Köthen-Zerbst und Woldemar bzw. Waldemar I.) und die Fertigstellung erinnerte.225 Diese Bauinschrift ist nach Angaben des Saalbuchs des Sekretarius Urbanus Paris von 1549 anläßlich der Errichtung des Johannbaus wieder neu vergoldet worden!226 Nach den Ausführungen zum Umgang mit alten Schloßtürmen bzw. zur Wertschätzung alter tradierter Gestaltungsprinzipien selbst bei weitestgehenden Neubauten wie der Meißener Albrechtsburg kann das Verhalten Johanns II. von Dessau nicht mehr verwundern. Im Gegenteil: Nur indem er als regierender Fürst die Erinnerung an die Tradition des Ortes wach hielt und aus der Frühzeit der Residenz auch konkrete Bausubstanz bewahrte, vermochte er sein Schloß als Sitz eines gerechten und mit entsprechenden Rechten ausgestatteten Herrschers zu präsentieren. In dieses Bild fügt sich auch die bauplastische heraldische Ausstattung des Johannbaus, die bereits an anderer Stelle Erwähnung fand:227 Sowohl die Wappentafeln, angebracht am steinernen Geländer der Freitreppen, die auf den Altan des Treppenturms führen, und im Gewölbe des unter dem Altan liegenden Raumes, als auch das kaiserliche Wappen am Nordgiebel des Johannbaus künden sichtbar vom Al-

225 Der Wortlaut der Inschrift lautet: ANO DNI MCCCXLI INCLITI . PRINCIP. ALB . ET WOLD . DE . ANH . ME COSTRVXE . (zit. nach KDM Sachsen-Anhalt 13, S. 328; siehe auch K. Ehrlich, 1914, S. 7, sowie J. C. Beckmann, 1710, Bd. 3, S. 349). 226 KDM Sachsen-Anhalt 13, S. 328. J. C. Beckmann, 1710, Bd. 3, S. 349, berichtet unter Berufung auf das Saalbuch des Sekretarius Urbanus Paris von 1549, Fürst Joachim habe die Erbauer der alten Burg Dessau des Jahres 1341 ehren wollen, indem er die Inschrift »mit Golde hat lassen zieren / und die Buchstabe verneuern / doch unabbrüchlich dem Alten-Wesen und ohne Veränderung der Buchstaben«. 227 Siehe Kap. 3.6.2.

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ter des Hauses Anhalt und seinen vom Kaiser verliehenen Rechten und Privilegien.228 In gleicher Weise sind die Terrakottabildnisse an den Erkern des Bernburger Wolfgangbaus (Abb. 69), einem anderen bedeutenden fürstlichen Haus der Anhalter, zu bewerten, in denen außer der Dynastie und der Verbundenheit mit dem Kaiserhaus schließlich auch das protestantische Bekenntnis seinen Ausdruck findet.229 Die prägnanten Beispiele des Torgauer Neuen Saalbaus bzw. Johann Friedrich-Baus und des Nordflügels des Dresdner Schlosses sollen hier ebenfalls nur noch einmal kurz erwähnt werden.230 In beiden Fällen wurden die fürstlichen Häuser (in Dresden übernahm diese Funktion der östliche Teil des Nordflügels) mit den alten Schloßtürmen (Hausmannstürmen) verbunden (Abb. 48+52), deren unter den Kurfürsten Johann Friedrich I. bzw. Moritz appliziertes Bild- und Wappenprogramm einerseits das protestantische Herrschaftsverständnis und andererseits die Dignität der Dynastie zum Inhalt hatte. Während in Torgau das fürstliche Haus bzw. der Neue Saalbau Johann Friedrichs I. nur über den Hausmannsturm mit Bausubstanz aus der Frühzeit des Schlosses verbunden war, da es sich um einen kompletten Neubau auf zuvor weitestgehend unbebautem Gelände handelte, wurde das fürstliche Haus des Dresdner Schlosses ähnlich wie der Dessauer Johannbau in den Grundmauern seines mittelalterlichen Vorgängers errichtet.231 Gewissermaßen als Kompensation erhielt dafür der Torgauer Neue Saalbau mit dem Großen Wendelstein und dem rückwärtigen ›Stammturm‹ zwei Turmbauten, in dessen heraldischer Ausstattung sich Alter und Größe des wettinischen Fürstenhauses umso nachdrücklicher manifestierten.232 Die Dignität der Wettiner stand den Bewohnern und Gästen in Dresden und Torgau darüber hinaus im Festsaal vor Augen: Sowohl im »Riesensaal« des Dresdner Schlosses als auch im Großen Saal des Torgauer Schlosses befanden sich an den Wänden Bilder mit den Porträts »Keyserlicher, Königlicher, Chur- unndt Furstlicher Personenn«,233 darunter auch lebender und verstorbener Familienmitglieder. Darüber hinaus erwähnt das Torgauer Inventar von 1610 für den »grossen neuen 228 229 230 231

Siehe hierzu auch M. Müller, 2003d. Siehe hierzu Kap. 3.6.2, S. 100. Siehe ausführlich Kap. 3.3 und 3.4. Zur Baugeschichte des Dresdner Schlosses siehe B. Werner, 1970; Das Dresdner Schloß, 1989; H. Magirius, 1997. 232 Zum Torgauer Großen Wendelstein siehe auch Kap. 5.1.4, S. 200 ff. 233 So die Bezeichnung im Torgauer Inventar von 1610 (Inv. Torgau 1610); siehe auch M. Lewy, 1910; St. Hoppe, 1996, S. 173.

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Saal […] 38 guete große scheubenfennster, iedes mit 2 wolbeschlagenen thurichen sambt ringken unndt wirbeln unndt ein fache, Darinne Chur- unndt Furstl. gemalete wappenn« sowie »Rinngsherumb under der Degke ein frieß, Darinn Chur- unnd Frl. Item Graffen unndt Herrschafft wappenn gemahlett«.234 Daß innerhalb des fürstlichen Hauses besonders der Festsaal dafür genutzt wurde, die ruhmreiche Abstammung der Familie und ihre Verbindungen zu den großen Herrscherhäusern der christlichen Welt vor aller Augen zu stellen und im Medium des Porträts oder des Wappens nachzuweisen,235 kann auch an zwei Beispielen aus der hessischen Landgrafschaft gezeigt werden. Einige Jahre nach der Entstehung der Dresdner Gemälde läßt Landgraf Wilhelm IV. von Hessen den Goldenen Saal im sog. Backhausbau (erb. 1560–62) des Kasseler Residenzschlosses mit einem aufwendigen Porträtzyklus ausschmücken.236 Er sollte alle Kaiser, Könige, Kurfürsten und alle weltlichen Fürsten abbilden, die von 1530 bis 1581 in christlichen Ländern regierten. Vermutlich beim Brand des Schlosses 1811 vollständig zerstört, ist uns dieser Bildzyklus immerhin zu großen Teilen in Form von Kopien237 und durch Beschreibungen überliefert: An der Hofseite des prächtigen Saalbaus befanden sich in den Fensternischen Porträts deutscher Könige und Kaiser sowie von ausländischen Fürsten (u.a. Elisabeth von England, Alessandro und Ottavio Farnese und Cosimo de’ Medici). Gegenüber, an der Stadtseite, hingen in den Fensternischen die Bildnisse der Fürsten des Alten Reichs, mit Ausnahme derjenigen der Landgrafen von Hessen. Diese hatten ihre Familienbildnisse an den Wandpfeilern zwischen den Fenstern als Ganzfiguren gehängt oder als Porträtbüsten, aufgestellt in den Fensternischen, gestalten lassen und damit geschickt zu herausgehobenen Gegenständen der bildmedialen Inszenierung werden lassen. Das eigentliche Zentrum des Zyklus’ besetzte jedoch ein Bild Christi über der Eingangstür des Saals, versehen mit der erläuternden, auf die herrschaftlichen Porträts bezogenen Unterschrift: »Aber über diesen allen ist […] der König der Könige, der auf keinen Raum begrenzt ist und der keine Grenze und kein Ende hat. 1584«.238

234 Inv. Torgau 1610, zit. nach St. Hoppe, 1996, S. 173. 235 Die Verortung der fürstlichen Dynastie innerhalb eines Festsaals im Medium der Wappen kann noch heute im Güstrower Schloß des mecklenburgischen Herzogs Ulrichs III. besichtigt werden. Siehe hierzu K. Heck, 2000. 236 Zur Porträtsammlung siehe H. Schwindrazheim, 1937; D. Heppe, 1995, S. 105 ff. 237 Diese befinden sich heute im Hessischen Landesmuseum in Kassel. 238 Zit. nach H. Schwindrazheim, 1937.

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Mehr als ein halbes Jahrhundert zuvor hatte das hessische Landgrafenhaus bereits am Gründungsort ihrer Dynastie, in Marburg, durch die Ausgestaltung eines Festsaals mit Ahnenbildnissen mit Nachdruck auf die hohe Abkunft ihrer Familie hingewiesen. Als in der Regierungszeit Heinrichs III. und seines Sohnes Wilhelms III. Marburg für einige Jahrzehnte wieder fürstliche Hauptresidenz wurde, erbaute Wilhelm III. sein fürstliches Haus (sog. Wilhelmsbau, 1493–1497) (Abb. 78+83) außerhalb der im wesentlichen unangetastet gebliebenen Kernburg aus dem 13. Jahrhundert. Über eine Brücke war der Neubau dennoch mit dem alten Schloß und dessen symbolträchtigen Prachtbauten aus dem hohen Mittelalter verbunden. Das neue fürstliche Haus, der sog. Wilhelmsbau, verkörperte dagegen ebenso einprägsam die architektonische Gegenwart des ausgehenden 15. Jahrhunderts, wie sie auch das alte hessisch-hennebergische Residenzschloß Schmalkalden kennzeichnete.239 Daß dabei in Marburg dennoch Hinweise auf die dynastische Vergangenheit nicht fehlten, belegt neben der Gestalt des turmartigen Anbaus an der Rückseite240 besonders die Ausmalung des Festsaals im zweiten Obergeschoß. Dort, im sog. Wappensaal, sind nach Auskunft des Historiographen Johann Just Winkelmann (1620–1699) ursprünglich alte Malereien mit Darstellungen wichtiger Vorfahren aus der Gründungszeit der Dynastie und ihrer thüringischen Vorgänger zu sehen gewesen. Dank der Aufzeichnungen Winkelmanns aus dem Jahr 1649 sind wir sogar über die Textverse unterrichtet, die den spätmittelalterlichen Ahnenbildnissen beigegeben waren und besonders die königliche Abkunft des hessischen Hauses hervorhoben.241

239 In Schmalkalden, dessen Herrschaft sich die hessischen Landgrafen mit den Grafen von Henneberg teilten, besaß der Vorgängerbau der heutigen, ab 1584 errichteten Wilhelmsburg vermutlich eine ganz ähnliche Gestalt. Wenn die Darstellung Schmalkaldens auf dem Plan der Herrschaft Schmalkaldens von Juist Moers der Wirklichkeit entspricht, dann bestand der Hauptbau des alten sog. Schlosses Wallrab aus einem großen rechteckigen und dreigeschossigen Kubus mit hochaufragendem Satteldach und kleinen, spitzbehelmten Erkertürmchen über den vier Eckseiten. Im Hintergrund dieses wohnturmartigen Baus ist auf der Stadtansicht von Juist Moers der alte, runde Bergfried zu erkennen. Vgl. hierzu KDM Kassel, 1913, S. 217 f. 240 Siehe hierzu oben, Kap. 5.1.3. 241 Nach Johann Just Winkelmann konnten »in dem neuen Bau-Saal […] nebst den Fürstl. Contrefaiten folgende Reimen gelesen« werden: ›Ich Herold zeig auf dieser Fahrt Die erleuchten hohen Fürsten Art Der Landgrafen Hessen Herkommen recht / Und ist von Königlichem Geschlecht.

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Ein anderes, mehr als einhundert Jahre späteres Beispiel für die Inszenierung der Dynastie verkörpert der sog. Friedrichbau des Heidelberger Schlosses (Abb. 130). Anfang des 17. Jahrhunderts vom pfälzischen Kurfürsten Friedrich IV. als fürstliches Haus konzipiert und im Untergeschoß mit der Schloßkapelle ausgestattet, repräsentiert es architektonisch und bildkünstlerisch ein regelrechtes Erinnerungsmal für die altehrwürdige Dynastie der Pfalzgrafen. Bemerkenswert ist zunächst der Anlaß für den Neubau: Der Friedrichbau ist gewissermaßen kein vollständiger Neubau, sondern ersetzt ein spätmittelalterliches, wegen Einsturzgefahr abgebrochenes Gebäude, das im Obergeschoß fürstliche Wohn- und Repräsentationsräume (»Newen Baw«) und im Untergeschoß das sakrale Zentrum der Residenz, die alte, von Ruprecht I. 1346 gestiftete Schloßkapelle enthielt.242 Somit hatte der Friedrichbau ein für die Geschichte der Heidelberger Residenz wichtiges Bauwerk zu ersetzen. Vor diesem Hintergrund ist die Gestaltung der prachtvollen Hoffassade auffällig: Sie wurde als figurengeschmückte Schaufassade ausgebildet, die in ihrer Bedeutung einem genealogischen Ausweis der regierenden Mitglieder des PfalzgrafenLudwig Landgraf zu Hessen ein gewaltiger Held / Alzeit nach Ehr und Tugend stelt / Dem Elisabeth nach fürstlich Art Ein Königin zu Hungarn vertrauet ward. Hermann ihr Sohn / ein stolzer Mann Der edle Fürst ein Weib gewann / Als er achtzehn Jahr war am Leben / Da ward ihm zu Creutzburg vergeben. Herr Ludwigs Bruder / Landgraf Conrad / Teutschen Orden an sich genommen hat / Zu Preußen Hochmeister eins erwehlt / Darum ist er zun Seligen gezehlt. Conrads Bruder / Landgraf Henrich / Römischer König erwehlt dem Reich / Sein Gemahl Gertraut von Bayern Ererbten beyde dem Land kein Erben. Als diss Land zu Hessen kein Erben hät / Doch was ein Tochter von St. Elisabeth / Sie hieß Sophia wolerkand / ward vermehlt Herzog Henrich zu Braband.‹« (J. J. Winkelmann, 1711, zit. nach K. Justi, 1942, S. 56). 242 A. von Oechelhäuser, 1987, S. 63.

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hauses gleichkommt.243 Wichtig ist dabei die enge Verzahnung von Bild- und Architekturprogramm: Die Statuennischen rahmen genau die Wandfelder des Friedrichbaus, die sich in der Verlängerung der hochaufragenden, repräsentativen Zwerchgiebel befinden; d.h. ähnlich wie im französischen aber auch deutschen Schloßbau des 16. Jahrhunderts verkörpern die Zwerchgiebel Turmaufsätze, deren Turmkörper quasi in der Fläche der darunterliegenden Fassadenwand aufgegangen sind und nur noch durch die aus Fenstern und Pilastern gebildeten Achsen angedeutet und in Erinnerung gehalten werden.244 Auf diese Weise werden die mit den Pilastern verbundenen Standbilder der Pfalzgrafen zu sinnfälligen Trägern der Zwerchgiebel245 und diese zusammen mit den Figuren zum oberen Abschluß von ›Stammtürmen‹, ganz so, wie es der einstige, mit den habsburgischen Wappen geschmückte Torturm der Innsbrucker Residenz (Abb. 87) oder die Ehrenpforte Kaiser Maximilians I. (Abb. 131) vorgeprägt hatten.246 Die ikonologische Bedeutung der mit frühneuzeitlich-manieristischen Stilmitteln verwirklichten traditionsreichen ›Turmfassade‹ des Friedrich-Baus247 wird ergänzt und unterstützt durch große Wappenschilde an den Wandflächen der Zwerchgiebel (Abb. 130) und eine Justitia-Figur. Als Ausweis der gerechten Gerichtsbarkeit des Fürsten sitzt sie über der Traufkante des

243 Zur Darstellung, die die Pfalzgrafen in einen Zusammenhang mit verschiedenen anderen Herrscherpersönlichkeiten wie Karl den Großen, Ludwig den Bayern, Otto von Ungarn oder Christoph von Dänemark stellt, siehe A. von Oechelhäuser, 1987, S. 65 f.; L. Fehrle-Burger, 1961/62; in jüngerer Zeit hat sich Hanns Hubach in einer vergleichenden Untersuchung der Hoffassaden des Ottheinrich- und des Friedrichbaus mit dem Fassadenprogramm beschäftigt (H. Hubach, 1995). 244 Siehe hierzu oben Kap. 4.2.1. 245 Da nur diejenigen Pilaster der auf der Fassade aufliegenden Architekturordnung mit Pfalzgrafen-Figuren besetzt sind, die unterhalb der Außenkanten der Zwerchgiebel sitzen, entsteht der Eindruck einer doppelten Trägerschaft: Optisch gesehen, tragen zum einen die Pilaster, zum anderen die Pfalzgrafen-Figuren die Zwerchgiebel. 246 Zur Ehrenpforte siehe jüngst grundlegend T. U. Schauerte, 2001, sowie H. Lüken, 1998, S. 449–490, mit weiterführender Literatur. 247 Auch wenn sich beim Friedrichbau auf den ersten Blick der Eindruck einer geschlossenen, horizontal ausgerichteten Fassade ergibt, wird durch die Ausrichtung der Herrscherfiguren auf die Zwerchgiebel deutlich, daß dieses fürstliche Haus zwar eine moderne, italienisch-manieristische Fassadenstruktur besitzt, in einer tieferen kompositionellen wie ikonologischen Schicht jedoch die traditionelle mittelalterliche Turmfassade aktuell bleibt. Der Einsatz manieristischer Stilmittel zur Erzielung eines altertümlichen Fassadenbildes läßt sich auch am Güstrower Schloß beobachten (Kap. 5.7).

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Daches zwischen den beiden Zwerchgiebeln und damit genau in der Mittelachse des gesamten Gebäudes. Für dieses dynastische und rechtliche Programm bildet schließlich die im Erdgeschoß liegende Kapelle als sakrales Zentrum des Schlosses nicht nur den Sockel im architektonischen, sondern auch im heilsgeschichtlichen Sinn. Der Friedrichbau ist jedoch nicht das einzige fürstliche Haus auf dem Heidelberger Schloßareal (Abb. 91). Als er errichtet wurde, bildete er vielmehr das letzte Glied in einer ganzen Reihe von älteren fürstlichen Häusern, die von Ruprecht III. über Ottheinrich bis zu Friedrich IV. innerhalb des engeren Schloßbezirks in Auftrag gegeben worden waren. Entstanden war so ein ganzes Ensemble fürstlicher Häuser, die in ihrer baulichen Verschachtelung zwar den bekannten Eindruck malerischer Vielfalt erzeugten, andererseits jedoch dem Schloß ein ausgesprochen zusammengestückeltes Erscheinungsbild verliehen. Hierin ist das Heidelberger Schloß, wie an anderer Stelle bereits aufgezeigt, kein Einzelfall. Im Gegenteil: Das Vorhandensein mehrerer fürstlicher Häuser aus unterschiedlichen Epochen und von verschiedenen Schloßherren innerhalb einer Schloßanlage zeugt von einem bestimmten Bauprinzip im hochadligen Schloßbau, daß bis ins Mittelalter zurückreicht und auch noch in der Frühen Neuzeit Gültigkeit besaß. Diesem Prinzip entsprechend, versuchte sich jeder regierende Fürst durch ein eigenes fürstliches Haus einen eigenen Herrschaftssitz zu schaffen. Das gleiche Prinzip galt im übrigen für die Gemahlin des Fürsten, deren Mitgift und Wittumgut teilweise in Form eines eigenen Hauses angelegt wurde, das die Fürstin nicht zuletzt im Falle ihrer Witwenschaft als eigenen Sitz beziehen konnte.248 Sowohl der regierende Fürst als auch seine Ge248 Zu Dessau ist aus dem späten 15. Jahrhundert (1470, Juni 25) eine Urkunde überliefert, in der – neben anderen Häusern und Gütern – die Errichtung eines eigenen Hauses innerhalb des Schloßareals zur Versorgung der fürstlichen Ehefrau beispielhaft genannt wird. Der Urkundentext erwähnt darüber hinaus auch den Neubau eines fürstlichen Hauses im Dessauer Schloßbezirk für den gerade an die Regierung gelangten Fürsten selbst: »Wir, Jorge, v. G. G. Fürst zu Anhalt usw., bekennen hierdurch, daß wir Frau Annen, unsrer lieben Gemahlin, nach Einbringung ihrer Mitgift von 3000 Gulden ihr diese gesichert haben mit dem Schloß Lippen, Ragun und Gesznitz mit Zubehör, wie ihr das zu Leibgedinge gegeben ist; da dies aber zur Erfüllung der Mitgift noch nicht ausreichte, geben wir ihr hierdurch die genannten Güter […]. […] Ferner wollen wir verpflichtet sein, ihr ein Wohnhaus am Kirchhofe zu Dessaw (Dessau) zu bauen, das ihr nach unserm Tode zum Leibgedinge überwiesen wird, sowie eins der Häuser auf der Burg zu Dessaw, die jetzt gebaut werden und woran wir und unsre liebe Gemahlin die Wahl haben sollen […]«. Zusammenfassende Transskription von Archivrat Dr. Wäschke (Regesten der Urkunden des Herzoglichen Haus- und Staatsarchivs zu Zerbst, 1909, Nr. 720, S. 332).

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mahlin sahen sich dabei gehalten, die Häuser ihrer Vorfahren nach Möglichkeit in die Neubauten zu integrieren. Denn sowohl das dynastische Gedächtnis als auch die rechtlichen Verhältnisse ließen es nicht zu, die älteren Häuser einfach zu zerstören. So galt es, nach Möglichkeit die bereits bestehenden Häuser der Vorfahren vollständig zu erhalten und daneben ein neues Haus zu erbauen oder aber ein bestehendes älteres Haus unter Bewahrung von Teilen seiner Substanz zu einem neuen fürstlichen Haus umzubauen.249 Nicht zuletzt bei Herrschaftsteilungen konnte auf diese Weise eine ganze Ansammlung von Häusern entstehen, in denen sich zugleich die Generationenfolge der regierenden Fürsten versinnbildlichte. Zur Illustration dieses Vorgangs ist das anhaltische, bei Dessau gelegene Schloß Zerbst in seiner Anlage des 16. bis 18. Jahrhunderts (Abb. 71+96) ein vorzügliches und in seiner Anschaulichkeit beeindruckendes Beispiel.250 Es soll daher im folgenden ausführlich vorgestellt werden. Aufgrund der Herrschaftsteilung von 1520 bauten sich bis um 1550 Johann IV. (1504–1551), Georg III. (1507–1553), Joachim I. (1509–1561) und Wolfgang (1492–1566),251 die drei Söhne Ernsts I. (nach 1456–1516) und ein Sohn seines Bruders, Waldemars VI. (1450–1508), jeder sein eigenes Haus auf dem Gelände der Hauptburg. Dort standen bereits verschiedene ältere Gebäude (neben fürstlichen Häusern und dem Marstall auch ein Richterhaus), die z.T. abgebrochen wurden, z. T. aber auch stehen blieben (u. a. die vermut249 Neben dem bereits oben genannten Dessauer Johannbau stellt der Neue Saalbau Joachims II. in Berlin, dessen Mauerwerk weite Teile des spätmittelalterlichen Saalbaus von Friedrich II. Eisenzahn inkorporierte und auch noch im Schlüterbau des 17. Jahrhunderts bewahrte, hierfür ein besonders prominentes Beispiel dar (siehe hierzu auch unten Kap. 3.6.1, S. 94 ff. Für die rangniedere Ebene der Reichsgrafen bzw. Freiherren sei auf die waldenburgischen Schlösser Hinterglauchau und (seit dem 16. Jahrhundert) Rochsburg verwiesen (Die Rochsburg und ihre Umgebung, 1978; K.-H. Karsch, 1993, 1996; W.-D. Röber, 1999). 250 Zum folgenden siehe die zusammenfassende Darstellung von D. Herrmann, 1998, S. 9 ff., sowie die ausführliche, das vorhandene Quellenmaterial (vor allem das Landbuch des Amtes Zerbst des Urbanus Otto von 1573 Februar 1, darüber hinaus Ansichten und Pläne) detailliert verarbeitende Darstellung von H. Dauer, 1999, S. 24 ff. (zur Baugeschichte und baulichen Gestalt der Schloßanlage des 16. bis 17. Jahrhunderts: S. 26–36; zur darauffolgenden Zeit mit den barocken Neubauten ab 1681: S. 36 ff.). 251 Fürst Wolfgang verkaufte 1544 seinen Anteil an Zerbst gegen den Alleinbesitz von Bernburg, auf dessen Schloßgelände er ab 1538 den sog. Wolfgang-Bau, einen neuen repräsentativen Saalbau mit fürstlichen Appartements und reliefgeschmückten runden Eckerkern, errichtete.

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lich noch aus dem 15. Jh. stammenden Häuser der Fürsten Philipp252 und Magnus253 und, in der Mitte des Burghofes, der mittelalterliche Bergfried). Am Ende dieser Baukampagne standen im Rund des annähernd kreisförmigen Schloßhofes sechs eigenständige fürstliche Häuser, deren zentraler Bezugspunkt der in der Mitte sich erhebende Bergfried bildete.254 Dieser stammte noch aus der Gründungszeit der Burg- bzw. Schloßanlage unter den Herren von Zerbst, die im 12. Jahrhundert die ehemals slawische Wasserburg umfassend erweiterten. Zwischen 1534 und 1551 ließ Johann IV. vermutlich wegen Baufälligkeit seine obersten Stockwerke abtragen und über den verbliebenen unteren Geschossen neue Gewölbe einziehen (1551 noch unvollendet).255 Das solchermaßen in Zerbst entstandene Bautenensemble folgte zunächst der materiellen und juristischen Logik der eigenständigen Herrschaft und Hofhaltung eines jeden Fürsten.256 Darüber hinaus verkörperte es aber in seiner bezwingenden äußeren Gestalt eine außerordentlich sprechende symbolische Form, in der das Wesen des »fürstlichen Hauses« unmittelbar einsichtig werden konnte. In dieser Form überdauerte das Schloß Zerbst bis ins ausgehende 17. Jahrhundert. Erst ab 1681 erhält das Schloß mit dem Neubau eines mächtigen Corps de logis durch Cornelis Ryckwaert an der Westseite des Schloßareals ein verändertes Gesicht. Doch selbst dann blieben alle westlich gelegenen alten fürstlichen Häuser (Wolfgang- und Georg-Bau) noch bestehen. Und noch auf einem Stich Giovanni Simonettis von 1699 und auf der um 1870 angefertigten Kopie eines Lageplans von 1700 läßt sich

252 Möglicherweise wurde dieses Fachwerkhaus von Anfang an als Wirtschaftsgebäude errichtet, wie H. Dauer, 1999, S. 30, vermutet. Dennoch ist nicht auszuschließen, daß auch dieses aus Fachwerk erbaute Haus ursprünglich als fürstliches Wohnhaus diente. 253 Letzteres erscheint auf dem Zerbster Lageplan von ca. 1570 (siehe Anm. 254) mit Eckerkern und zentralem Wendelstein. 254 Vgl. den Plan der Burganlage von einem unbekannten Zerbster Baumeister, um 1570 (ehemals Ludwig Binder, 1550, zugeschrieben; die neue Zuschreibung und Datierung nach der überzeugenden Begründung von H. Dauer, 1999, S. 32 ff., Abb. in D. Herrmann, 1998, S. 10; H. Dauer, 1999, S. 27). 255 Das gewonnene Steinmaterial wurde anschließend für die Zuschüttung von Gräben weiterverwendet (H. Dauer, 1999, S. 32). Im Landbuch des Amtes Zerbst des Urbanus Otto von 1573 (Februar 1) heißt es über den Turm: »Ein hoher alter gemauerter Torm, so bey leben furst Johannsen zu Anhaldt abgetragen [da der gesamte Turm erst 1618 abgebrochen wurde, ist hier nur ein Teilabbruch gemeint, Anm. M.M.] und durchbrochen, soll geheissen haben vor zeiten Siedicumb« (zit. nach ebd.). 256 Zu den rechtlichen und ökonomischen Hintergründen siehe O. Brunner, 1980.

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das Bemühen erkennen, soviel als möglich von den älteren Fürstenhäusern zu bewahren und in die neue Dreiflügelanlage zu integrieren.257 Unverkennbar versuchte der Bauherr, Fürst Carl-Wilhelm von Anhalt Zerbst (1652–1718), die baulichen Zeugnisse seiner Vorgänger zu respektieren und sich, obwohl er alleinregierender Fürst von Zerbst war, in gebührendem Abstand ebenfalls ein eigenes Fürstenhaus zu errichten. Daß dieses in seiner Dreiflügeligkeit wesentlich mächtiger und prunkvoller wirkte, entsprach den veränderten repräsentativen und funktionellen Anforderungen und dürfte kaum als triumphierender Gestus der neuen Zeit über die alte gemeint gewesen sein. Seit der Errichtung des barocken Corps de logis durch Cornelis Ryckwaert bietet sich somit bis zur Mitte des 18. Jh.s folgendes Bild: Einem modernen barocken Dreiflügelbau stehen an der gegenüberliegenden Seite des Schloßhofes zwei wesentlich ältere Fürstenhäuser aus dem 16. Jahrhundert gegenüber.258 Dadurch, daß sie fast genau auf der Mittelachse des barocken Corps de logis angeordnet und damit auf den repräsentativen Mittelrisalit bzw. Schloßturm ausgerichtet waren, ergab sich eine architektonische Geste von hoher Symbolkraft und ästhetischer Spannung: Wer den Schloßhof betrat, passierte zunächst die Bauten der Vorfahren des regierenden Fürsten, um hernach das neue, ›aktuelle‹ fürstliche Haus selbst in den Blick zu nehmen. Umgekehrt sah sich der aus dem Vestibül des Mittelrisalits bzw. Schloßturms des Corps de logis Hinaustretende sofort mit dem Anblick der gegenüber257 H. Dauer, 1999, S. 36; Dauers Neuinterpretation einer Kupferstichansicht (1699) von Giovanni Simonettis Entwurf für die Dreiflügelanlage von Schloß Zerbst (Abb. bei H. Dauer, 1999, S. 39, Abb. Nr. 17) belegt dieses auffällige ›konservierende‹ Verfahren schlüssig: Wie dem Stich zu entnehmen ist, sollte der stehengebliebene Wolfgang-Bau des 16. Jahrhunderts über einen Korridor mit dem barocken Ostflügel verbunden werden. Mit dem Wolfgang-Bau über einen Korridor verbunden war schließlich auch der danebenliegende Georg-Bau des Architekten Ludwig Binder. In diesem Punkt ist demnach auch die Einschätzung Dirk Herrmanns, 1998, S. 11 ff., zu relativieren, das jahrzehntelange Festhalten an den alten Schloßgebäuden noch im 17. Jahrhundert sei in erster Linie den schlechten finanziellen Verhältnissen des Fürstenhauses und den politischen Wirren des Dreißigjährigen Krieges zu verdanken. Auch als sich im zweiten Drittel des 17. Jahrhunderts die wirtschaftliche Lage spürbar gebessert hatte und neue, nach dem Dreißigjährigen Krieg sich etablierende Formen des höfischen Zeremoniells eine entsprechend moderne Architektur erforderten, so bedeutete dies – wie der Stich Simonettis von 1699 belegt – keineswegs die vollständige Lösung von der auch baulichen Vergangenheit der Zerbster Schloßanlage. 258 Siehe hierzu Stadtplan von F.W. Mencelius, 1733, Abb. in H. Dauer, 1999, S. 106, Abb. 67.

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Die Galerie

liegenden alten Fürstenhäuser konfrontiert und dadurch ›gezwungen‹, der Dignität des Fürstenhauses von Anhalt-Zerbst seine Referenz zu erweisen. Erst 1743 werden schließlich die letzten sichtbaren Reste der Fürstenhäuser des 15. und 16. Jahrhunderts abgebrochen und auch der Ostflügel mit einem eigenständig hervortretenden Pavillonbau abgeschlossen. Wie sein westliches Pendant enthält er fürstliche Wohnund Repräsentationsräume.259 Obwohl nun äußerlich die Zerbster Residenz das Bild einer einheitlichen barocken Dreiflügelanlage bietet, besteht zur traditionsreichen Vorgängeranlage dennoch eine feine Verbindung weiter: Durch ihr Raumprogramm und durch ihre Position im Bereich der beiden bis 1743 stehen gebliebenen Fürstenhäuser halten der östliche und westliche Pavillon die Erinnerung an die alten Fürstenhäuser wach.

5.3 Die Galerie als Ort des dynastischen »Gedechtnuß« Galerien als repräsentative, festliche Räumlichkeiten waren im deutschen Schloßbau seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts nicht unbekannt. Doch entsprach der äußere Eindruck – von wenigen Ausnahmen abgesehen – bis ins 17. Jahrhundert nicht der architektonischen Gestalt, wie sie für die Galerie französischer oder italienischer Schlösser charakteristisch ist.260 Lassen wir an dieser Stelle einmal die zahlreicheren Verbindungsgänge etwa zwischen Schloß und Hofkirche außer acht, so handelte es sich für gewöhnlich um saalartige Räume, die im Sinne von »Zusatzsälen«261 in die geschlossene Raumstruktur der Hauptgebäude integriert waren.262 Über ihre Nutzung und Einbindung in die Raumhierarchie der fürstlichen Schloßbauten ist bislang zu wenig bekannt, als daß eine differenzierte Bewertung vorgenommen werden könnte. Die wenigen in ihrer Ausstattung überlieferten bzw. bekannten Beispiele lassen erkennen, daß das Raumkonzept durchaus 259 Zum Raumprogramm von West- und Ostflügel siehe D. Herrmann, 1998, S. 79 ff. u. 93 ff. 260 Siehe hierzu W. Prinz, 1970; W. Prinz / R. G. Kecks, 1994, S. 157 ff.; H. Lange, 1998 (zur besonderen Form der italienischen »Galerieschlösser«). 261 Diese Definition wählte St. Hoppe, 1996, S. 433 ff., für die galerieartigen Räume im frühen deutschen Schloßbau. 262 Zu ersten vorläufigen Hinweisen auf Gestalt und Funktion der Galerieräume im deutschen Schloßbau des 15. und 16. Jahrhunderts siehe W. Götz, 1980; St. Hoppe, 1996, S. 433 ff.

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repräsentativen Ansprüchen genügte,263 wenn auch seine Verwendung für verschiedene Formen der höfischen Unterhaltung (u.a. kleinere Festlichkeiten oder Spiele wie das Scheibenschießen264) nur aus der räumlichen Lage innerhalb der Schloßgebäude und als Analogieschluß aus anderen, vor allem englischen Beispielen geschlossen werden kann.265 Daß solche saalartigen Räume bereits im 16. Jahrhundert u. a. auch dem dynastischen Gedächtnis dienen konnten, belegen die Galerien von Schloß Augustusburg und des Dresdner Stadtschlosses. Nach Ausweis des Augustusburger Inventars von 1576 wurde der galerieartige Saalbau (Abb. 132) gegenüber dem Schloßkapellenflügel als »Stam Stubenn« genutzt.266 Obwohl der Raum über keine Ofenheizung verfügte und somit nach der zeitgenössischen Terminologie nicht einer Stube entsprach, sollte mit der Wortwahl offensichtlich auf die ähnlich ge263 So war – wie das Inventar von 1618 vermerkt – der nicht mehr erhaltene »Kleine Saal« im zweiten Obergeschoß des Wittenberger Schlosses, unmittelbar über dem Großen Saal gelegen, mit prachtvollen Jagdtrophäen dekoriert (im Inventartext werden die einzelnen Hirschgeweihe mit der Anzahl ihrer Enden genau aufgeführt [Inventar Schloß Wittenberg 1618, fol. 28r-28v]; siehe auch St. Hoppe, 1996, S. 105, S. 435). Da es sich bei dem Wittenberger Residenzschloß nicht um ein Jagdschloß handelte, besitzt diese auf die Jagd bezogenen Ausstattung eine besondere ikonographische Qualität, die das Jagen u.a. als symbolträchtige herrscherliche Tätigkeit vor Augen stellt (siehe hierzu auch die Bemerkungen von J.-D. Müller, 1982, S. 229, zu entsprechenden Passagen in Maximilians I. Weißkunig; siehe Kap. 6.7.1, S. 348 f.). 264 W. Götz, 1980, S. 276 f. 265 Angesichts ähnlicher räumlicher Strukturmerkmale wie etwa zusätzliche Einrichtung neben dem Hauptsaal, separierte Lage und längliche Raumausdehnung übernimmt Stephan Hoppe für die deutschen Galerieräume hilfsweise das Erklärungsmodell von Mark Girouard, das dieser für die englischen Galerien des 16. Jahrhunderts entwickelte: »Die ersten Galerien sollten wahrscheinlich nicht mehr als geschützte Wege sein, die von einem Ort zu einem anderen führten, doch sie erhielten bald eine weitere wichtige Funktion als Raum, an dem man sich unbeobachtet körperlich betätigen konnte. Die Ärzte im 16. Jahrhundert hoben die Bedeutung des täglichen Spaziergangs für die Gesundheit hervor, und die Galerie ermöglichte körperliche Bewegung, wenn das Wetter sie normalerweise vereitelt hätte« (M. Girouard, 1989, S. 108 f.). Im Zuge einer immer prächtigeren Ausstattung hätten sich die Galerien in den englischen Schlössern, so Girouard weiter, schließlich auch »als Ergänzung oder Alternative zum großen Zimmer und für Maskeradenspiele, Unterhaltung und Musik benutzt« (ebd., S. 111). So anregend und nachvollziehbar solche Überlegungen auch sind, so sehr lassen sie doch eine präzise quellenkundliche Recherche wünschenswert erscheinen (zu den englischen Galerien siehe auch R. Coope, 1994). 266 Inventar Schloß Augustusburg 1576, fol. 252v; siehe auch St. Hoppe, 1996, S. 335 f.

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nutzten anderen »Stammstuben« sächsischer Residenzschlösser (vor allem Wittenberg und Torgau) Bezug genommen werden.267 Denn wie in Wittenberg und Torgau hingen seit 1571 auch in der Augustusburger »Stammstube« wettinische Ahnenporträts, die auf Wunsch von Kurfürst August von Sachsen ausdrücklich nach dem Vorbild der Wittenberger angefertigt worden waren.268 Mit Ahnenbildnissen ausgestattet war ebenfalls der zwischen 1586 und 1591 unter Kurfürst Christian I. von Sachsen neuerbaute sog. Lange Gang (Abb. 133) des Dresdner Schlosses.269 Dieser galerieartige, unübersehbar italienischen Vorbildern verpflichtete Bau zeichnete sich darüber hinaus am Außenbau durch ein aufwendiges heraldisches und ikonographisches Programm aus, das die Architektur zu einem adäquaten Gehäuse für die im Innern aufbewahrten Ahnenbilder und die herrschaftliche Präsentation des regierenden Kurfürsten Christian I. selbst werden ließ: Zwanzig Säulen toskanischer Ordnung tragen Geweihe und Gehörne sowie die Wappen der sächsischen Landesteile, während auf den Wandstücken zwischen den Fenstern einst Bildwerke die Taten des Herkules verkündeten.270 Die andere, zur Augustusstraße gelegene Fassadenseite war ursprünglich mit Kalkmalereien bemalt, die einen Triumphzug von berittenen Kriegern aus unterschiedlichen Nationen zeigten. An sie erinnert noch heute der sog. Fürstenzug, der 1872 von Wilhelm Walther entworfen und zuletzt 1906 im Medium der Meißener Porzellanfliesen in Szene gesetzt wurde. So entfaltete der Lange Gang schon äußerlich ein Gepränge, dessen inhaltliches Konzept Kurfürst Christian I. als einen weltweit gehuldigten Fürsten erscheinen ließ, dessen unbesiegbare Herrschaft sich nicht zuletzt auf die in der Ahnengalerie vorgeführte Dignität des wettinischen Fürstenhauses stützen konnte. Dieser Gedanke findet seine Ergänzung durch ein anderes Merkmal des Architekturkonzepts: Rein funktional gesehen, diente der Lange Gang als Verbindungstrakt zwischen dem Stallgebäude und dem sog. Georgenbau (Abb. 18+19). Da letzterer unter Herzog Georg dem Bärtigen als repräsentativer Torbau zur Elbe konzipiert worden war, dessen umfassendes theologisch-politisches Programm ihn zugleich zu einer Gedächtnisarchitektur für das katholische Selbstverständnis des Herzogs werden ließ,271 kam der Verbindung des

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Siehe hierzu oben Kap. 5.1.3. L. Unbehaun, 1989, S. 123. Ph. Hainhofer, 1837, S. 130–138; A. Weck, 1680, S. 55–60. Zum Programm der Fassadenmalereien siehe U. Heckner, 1995, S. 154 ff. Siehe Kap. 6, S. 252 f.

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Georgenbaus mit der Ahnengalerie besondere Bedeutung zu. Über entsprechende Einzelheiten der Planung des Langen Gangs sind wir zwar nicht unterrichtet, doch darf in der Wegeführung über den symbolträchtigen Georgenbau auch die Absicht gesehen werden, dem Andenken an Herzog Georg – ungeachtet seines Einstehens für die katholische Seite – besondere Referenz zu erweisen.

5.4 Die Kapelle als Ort des dynastischen »Gedechtnuß« Die Kapelle eines Schlosses diente zwar in erster Linie dem gemeinsamen Gottesdienst des Hofes und der Bitte um das göttliche Heil für den regierenden Fürsten, doch bildete die Pflege des Familiengedächtnisses hierbei einen unverzichtbaren Bestandteil.272 Nur in der Erinnerung an die verstorbenen Vorfahren, die seit alters her in der Schloßkapelle aufgebahrt273 und seit dem 17. Jahrhundert sogar in ihr Erbbegräbnisse erhielten,274 und in ihrer Einbeziehung in die tägliche Fürbitte erfuh272 Siehe hierzu grundlegend K. Heck, 2001. 273 Für das 16. Jahrhundert bietet die wettinische Grablege in Freiberg ein anschauliches Beispiel: Zunächst wurden die verstorbenen Familienmitglieder in einer Prozession in die Kapelle des Schlosses Freudenstein geleitet und dort über Nacht aufgebahrt, um anschließend in einer Prozession in die fürstliche Grabkapelle des Domes gebracht zu werden (zur Beschreibung des Zeremoniells am Beispiel des Begräbnisses von Kurfürst August 1586 siehe G. E. Benseler, 1853, Bd. 2, S. 903 ff.; zur Grablege im Dom siehe M. Meine-Schawe, 1992). 274 Für die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts ist das Bemühen einzelner Fürstenhäuser auffällig, in den Schloßkapellen nicht nur die Totenaufbahrung und die Fürbitte für die verstorbenen Familienmitglieder vorzunehmen, sondern in den Kapellen Familienbegräbnisse einzurichten. Ein wichtiges, bislang kaum untersuchtes Beispiel aus dem mitteldeutschen Raum ist das Erbbegräbnis der regierenden Herzöge zu Sachsen-Weißenfels: In einer weiträumigen Gruft unter der Kapelle des in den 1660er Jahren neu erbauten Weißenfelser Schlosses Neu-Augustusburg wurden zwischen 1680 und 1775 insgesamt 43 Mitglieder des Fürstenhauses bestattet (zur Ausstattung der Gruft siehe B. Mai, 1994). Auf diese Weise blieben die Ahnen über die memoriale Vergegenwärtigung hinaus auch physisch innerhalb der Residenz und am Ort des dynastischen Gedächtnisses präsent. Da es das ganze Mittelalter und die beginnende Neuzeit hindurch üblich war, Familiengrablegen außerhalb des Schlosses dem bischofs-, pfarroder ordenskirchlichen Raum zuzuordnen (so befinden sich die Grablegen der Hohenzollern im Berliner Dom, der Wettiner im Meißener und Freiberger Dom, der Landgrafen von Hessen bis zur Reformation in der Marburger Elisabethkirche und danach in den Pfarrkirchen von Marburg und Kassel, der Markgrafen von Baden lange Zeit im Kloster Lichtental bei Baden-Baden und in der Baden-

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ren der fürstliche Regent, seine Familienangehörigen und schließlich alle Angehörigen des Hofes ihre Verankerung in einer jahrhundertealten Erbfolge, deren ununterbrochene Kontinuität die Altehrwürdigkeit eines Adelshauses garantierte.275 Zugleich galt die Dignität einer Familie als Ausweis von Gottes Heil und Schutz, für den die Familienund Hofangehörigen während der Gottesdienstzeiten immer wieder zu beten hatten. In einem anderen Kapitel, in dem die Kapelle als zeremonieller Ort des fürstlichen Gottesgnadentums gewürdigt wird, kann dies durch Auszüge aus den Hofordnungen veranschaulicht werden.276 Wie eng die Kapelle als das sakrale Zentrum einer Residenz mit dem dynastischen Gedächtnis zusammenhing und dabei wiederum architektonische Bezüge zu den beiden symbolträchtigen Elementen des Schlosses, dem Schloßturm und dem fürstlichen Haus, hergestellt wurden, vermögen einige prägnante Beispiele aus dem mitteldeutschen Raum und den angrenzenden Reichsterritorien zu zeigen. Dabei kristallisieren sich für das 15. und 16. Jahrhundert und unabhängig von der konfessionellen Zugehörigkeit der Höfe zwei Grundschemata heraus, die aber funktional durchaus vergleichbar sind: zum einen die Superposition von Kapelle und fürstlichen Appartements im fürstlichen Haus bzw. Wohnturm (hierbei liegt die Kapelle stets unter den Appartements), zum anderen die Anordnung von Kapelle und fürstlichen Appartements nebeneinander in angrenzenden, räumlich aber getrennten Gebäuden bzw. Gebäudebereichen. Beide Dispositionen, deren Tradition letztlich bis ins hohe Mittelalter zurückreicht,277 rücken Badener Stiftskirche), ist diese Abweichung von der Norm erklärungsbedürftig (zur Einrichtung von Kollegiatsstiften für dynastische Begräbnisse im späten Mittelalter siehe H. Magirius, 1999, S. 229 ff.). Die Forschungen hierzu befinden sich allerdings erst in den Anfängen (zu ersten grundlegenden Überlegungen am Beispiel thüringischer Residenzen des 17./18. Jahrhunderts siehe U. Schütte, 2000). 275 Siehe vor allem O. G. Oexle, 1983, 1985, 1995, 1998. Für die unterhalb der fürstlichen Ebene angeordneten adligen Begräbnisse, die sich in ihrer Grundform nicht von denjenigen der Reichsfürsten unterschieden, siehe die Fallstudie von M. Winzeler, 1997, zur sächsischen Familie von Einsiedel. 276 Siehe Kap. 6.4. 277 Vgl. etwa die Raumanordnung im ca. 1220 erbauten Kapellenturm der Reichsburg Trifels (über der Kapelle befindet sich ein kaminbeheizter Raum, der über eine kreisförmige Öffnung im Boden mit dem Kapellenraum und über eine Tür mit dem angrenzenden Palas verbunden ist) oder die Position des 1288 geweihten Kapellengebäudes neben dem anschließenden Palas beim Marburger Schloß. Siehe grundsätzlich auch G. Streich, 1984, sowie den Aufsatzband Burg- und Schloßkapellen, 1995 (darin u.a. W. Haas, 1995, zu Burgkapellen in Türmen, deren hochgelegene Räume in der Funktion von Fluchträumen eines Bergfrieds

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die Räume für den Gottesdienst und das fürstliche Wohnen und Arbeiten eng aneinander und bilden eine eigenständige raumfunktionale Einheit innerhalb des Residenzschlosses. Im Berliner Stadtschloß lag die dem Erasmus geweihte Kapelle im Untergeschoß des sog. Kapellenturms (Abb. 63), dessen Obergeschosse wiederum von kurfürstlichen Wohn- und Arbeitsräumen (u.a. auch die fürstliche »Cammer«278) eingenommen wurden. Für sie stellte die Kapelle sozusagen das Fundament, den tragenden Unterbau dar. Doch die Anordnung der Berliner Kapelle diente nicht allein der besonderen Gottesnähe des Fürsten und der sichtbaren Angewiesenheit seines Regiments auf göttlichen Beistand. Darüber hinaus kam ihr die Aufgabe zu, Ort der Aufbahrung und Fürbitte für die verstorbenen Mitglieder des Hauses Brandenburg-Hohenzollern zu sein, eine Funktionen, die die Erasmuskapelle trotz des zwischenzeitlich angelegten Doms bis weit ins 18. Jahrhundert hinein beibehielt.279 Dem hierbei vollzogenen dynastischen Gedächtnis entsprach in kongenialer Weise der Symbolwert des Kapellenturms: Zusammen mit dem benachbarten »Grünen Hut«, in dem bezeichnenderweise das Familienarchiv aufbewahrt wurde,280 repräsentierte er seit dem 16. Jahrhundert den ältesten sichtbaren Teil der Berliner Residenz aus den Zeiten Friedrichs II. Eisenzahn. Kurfürst Joachim II. ließ zwar die alte Kapelle Friedrichs II. nach 1540 neu gestalten,281 doch verblieb sie am ursprünglichen Ort, was äußerlich, an der Fassade des Kapellenturms, stets gut zu erkennen war.

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gedeutet werden; die besondere rechtliche Stellung solcher Türme und ihre erwiesenermaßen schlechte Verteidigungsfähigkeit [J. Zeune, 1996, S. 42 ff.] lassen jedoch eher besondere Aufbewahrungs- bzw. Archivräume vermuten). Diese Funktion wurde offenbar auch noch nach 1650 beibehalten. Siehe A. Geyer, 1936, S. 27, 32; G. Peschken / H.-W. Klünner, 1982, S. 24 ff. (ebd., S. 45 f., ist für die Zeit des Großen Kurfürsten, bevor er 1679/80 »neue Privatzimmer« bezog, von »vermutlich ein oder zwei private[n] Räume[n] im Turm Kurfürst Friedrichs II.« die Rede). L. Wiesinger, 1989, S. 46 ff. Zu dieser seit dem späten 15. Jahrhundert nachweisbaren Funktion siehe K.-H. Ahrens, 1990, S. 152. Die unter Joachim II. erbaute Schloßkapelle besaß einen auffälligen Grund- und Aufriß: Vor einem einschiffigen Kapellenraum mit Fürstenstuhl und angesetzter Apsis war ein weiterer, längsoblonger Raum gesetzt. In seinem Grundriß entsprach er einer dreischiffigen »Hallenkirche« von zwei mal drei Jochen mit breitem Mittelschiff und schmalen Seitenschiffen, die durch ein voluminöses Säulenpaar voneinander getrennt wurden (Grundriß bei L. Wiesinger, 1989, S. 213, Abb. 112). In die Seitenschiffe sind nach Ausweis eines Grundrisses aus der Zeit vor dem Umbau des 19. Jahrhunderts evtl. doppelstöckige (so die Vermutung von A. Geyer, 1936, S. 30ff., aufgrund des Säulendurchmessers und ihrer Fundament-

Die Kapelle

Die Superposition von Kapelle und fürstlichen Appartements in einem eigenen Turm findet sich auch in der ab 1471 erbauten Meißener Albrechtsburg. Ihr zur Elbe hin gelegener Kapellenturm (Abb. 5) ist zwar von wesentlich bescheideneren Proportionen als der Berliner, so daß über der Kapelle keine vollständigen fürstlichen Appartements angeordnet werden konnten, doch die hier befindlichen Räumlichkeiten, aufwendig ausgestattete Studierstuben bzw. Oratorien,282 sind exklusive Bestandteile dieser Appartements. Auch die Schloßkapelle der Albrechtsburg war sicherlich wie in Berlin für die Aufbahrung der verstorbenen Hof- bzw. Familienangehörigen gedacht und damit neben dem benachbarten Dom und der separaten Grabkapelle283 eine feste Wegstation im Begräbniszeremoniell für die in Meißen bestatteten Wettiner. Das in Berlin und Meißen ausgeprägte Schema wurde jedoch nicht nur in Türmen verwirklicht, sondern ebenso in fürstlichen Häusern. So ruhen die fürstlichen Repräsentations- und Wohnräume im Friedrichbau des Heidelberger Schlosses auf der Schloßkapelle (Abb. 130), deren Raum das gesamte Untergeschoß einnimmt. Daß auch in Heidelberg ein bewußter Zusammenhang zwischen Kapelle und dynastischem Gedächtnis bestand, belegt schon äußerlich die Fassadengestaltung des Friedrichbaus: Überlebensgroße Nischenfiguren, die vom Kapellengeschoß bis zum Dach das Gebäude umstehen, präsentieren dem Betrachter eine regelrechte Ahnengalerie der regierenden Pfalzgrafen und ihrer durchaus mythischen Verwurzelung in der Gründungsgeschichte des Imperium Romanum.284 Hinzu kommt auch in Heidelberg der retrospektive Aspekt der Architektur: Zwar handelt es sich beim Friedrichbau um einen Neubau des beginnenden 17. Jahrhunderts, doch entstand er über den Fundamenten eines älteren fürstlichen Hauses, das neben Appartements, die in den Obergeschossen lagen, bereits im Untergeschoß die von Ruprecht I. 1346 gestiftete Schloßkapelle enthielt.285

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stärken) Emporen auf Säulen eingesetzt gewesen. Der gesamte Kapellenraum wurde von einem Schlingrippengewölbe nach dem Vorbild der sächsischen bzw. böhmischen Gewölbeformationen überspannt (L. Wiesinger, 1989, S. 48. Zur Rekonstruktion vgl. die Ideenskizze von Goerd Peschken, in: Ebd., S. 47, Abb. 23). Zur möglichen Funktion dieser kleinen Räume im Kapellenturm der Albrechtsburg siehe oben, Kap. 3.2, S. 58 ff. Zur Grabkapelle der Wettiner in Meißen und ihrer architektonischen Anbindung an den Dom siehe die umfangreiche neue Monographie von E. Hütter u. a., 1999. Auf Einzelheiten ist bereits im Kapitel zum fürstlichen Haus (Kap. 5.2, S. 217 ff.) hingewiesen worden. A. von Oechelhäuser, 1987, S. 63.

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Mit dem Heidelberger Friedrichbau in der Raumschichtung von Kapelle und herrschaftlichen Appartements vergleichbar waren das »furstliche wohnhaus«286 der Leipziger Pleißenburg, die neben ihrer Aufgabe als Festung den sächsischen Kurfürsten während ihrer Aufenthalte in Leipzig als Residenz diente,287 und bis Ende des 16. Jahrhunderts die Situation im Güstrower Schloß. An der Ostseite des Güstrower Schloßhofes stand ein älteres, gegen 1520 errichtetes und 1795 wegen Baufälligkeit abgebrochenes fürstliches Haus (Abb. 95), dessen Untergeschoß die Schloßkapelle enthielt.288 Als 1592–94 das alte fürstliche Haus des Güstrower Schlosses grundlegend umgebaut wurde, verlegte man die Schloßkapelle in den angrenzenden, 1795 ebenfalls abgebrochenen östlichen Teil des Nordflügels (Abb. 134), um so Platz für einen Saalraum zu gewinnen. Doch auch mit der neuen Schloßkapelle war das fürstliche Haus über einen Verbindungsgang noch direkt verbunden.289 In dieser Anordnung entsprach das Güstrower Schloß nun dem anderen, im Alten Reich üblichen Typus, bei dem Kapelle und fürstliches Haus in getrennten Gebäuden bzw. Gebäudebereichen nebeneinander lagen, jedoch miteinander über Gänge oder Korridore in Verbindung standen. Für das dynastische Gedächtnis aufschlußreiche Beispiele sind die Wittenberger Schloßkapelle (Abb. 98), in deren spätgotischem Innenraum die sächsischen Kurfürsten seit dem 16. Jahrhundert die alten Grabsteine der Askanier aufbewahrten,290 und die Kapelle des kleinen reichsgräflichen Schlosses von Büdingen, das für die Grafen von Ysenburg-Büdingen den Rang eines Stammschlosses besaß.291 In

286 So die Bezeichnung in der Urkunde des Turmknopfes von 1567 (siehe hierzu G. Wustmann, 1895, S. 46). 287 Die Pleißenburg wurde zwischen ca. 1550 und 1569 auf den Fundamenten des alten Leipziger Schlosses als »vhester baw am Schloss« bzw. »festung des Schlosses« (mit diesen Bezeichnungen charakterisieren sowohl Kurfürst August von Sachsen als auch sein Baumeister, der Leipziger Bürgermeister Hieronymus Lotter, die neue Anlage; siehe G. Wustmann, 1895, S. 24, S. 39) errichtet und erhielt – als Hinweis auf ihre vornehmliche Funktion als Zitadelle – in der Widmungsschrift des Moritzdenkmals in Dresden die Bezeichnung »Castell Pleissenburgk zue Leipzigk« (KDM Dresden, 1901, S. 323). Siehe hierzu auch U. Schütte, 1994, S. 56 ff. 288 Lesenberg, 1911, S. 12; W. Gernentz, 1963, S. 18 f. 289 Siehe hierzu Gernentz, 1963, S. 30 f., mit historischen Abbildungen (wichtig sind vor allem die Bauzeichnungen aus der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts, aufbewahrt im Schweriner Landesmuseum). 290 F. Bellmann u. a., 1979. 291 Zu Büdingen siehe oben, Kap. 5.1.1, S. 168.

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den Jahren 1495–1499 durch Graf Ludwig II. von Büdingen-Ysenburg als anspruchsvoller spätgotischer Raum erbaut,292 weist diese Schloßkapelle (Abb. 135) für uns zwei Besonderheiten auf: Zum einen wurde sie über der baulich noch erhaltenen romanischen Schloßkapelle errichtet, und zum anderen schmückte Graf Ludwig II. ihre Gewölbe mit den Wappen der acht Ahnenstämme der Häuser Ysenburg und Nassau, d. h. der Urgroßeltern des Grafen und seiner Frau Maria von NassauWiesbaden. So ist in der Büdinger Schloßkapelle sowohl durch den baulichen Bezug zur früheren, romanischen Kapelle als auch durch die Präsentation des dynastischen Stammbaums im sakralen Zentrum der Residenz die Dignität der Familie ausgewiesen.293 Weitere Beispiele für die nebeneinander liegende Anordnung sind die Residenzschlösser von Torgau (Abb. 97), Dresden (Abb. 48+54), Schmalkalden (Abb. 80) und Aschaffenburg (Abb. 2+10). Den Schloßkapellen dieser Residenzen ist gemeinsam, daß sie ihren Platz immer in demjenigen Flügel einnahmen, der neben den fürstlichen Appartements zugleich auch den Schloßturm bzw. einen alten Bergfried bzw. Wohnturm enthielt und daß sie an diese alten Schloßtürme unmittelbar angebaut wurden.294 Auch ohne entsprechende ikonographische Hinweise, wie sie in besonderer Weise der Heidelberger Friedrichbau vermittelt, ist diese architektonische Gruppierung äußerst vielsagend. Denn für den zeitgenössischen Betrachter, der den über Jahrhunderte tradierten rechtlichen und dynastischen Symbolwert der alten Schloßtürme kannte,295 erschloß sich in dem architektonischen Bild aus Turm und Kapelle unmittelbar das auf den Fürsten und seine Familie bezogene sakrale wie rechtliche Zentrum des Schlosses. Religiöse Fürbitte, dynastisches Erinnern und die Manifestation der Gerichts- und Besitzrechte verschmolzen in diesem baulichen Ensemble zu einer unauflösbaren Einheit. Diese Feststellung gilt für eine erzbischöfliche Residenz wie die

292 Zu Baugeschichte, Ausstattung und historischem Kontext der Büdinger Schloßkapelle siehe K. P. Decker, 1995, sowie Ders. / G. U. Großmann, 1999. 293 Hierauf hat bereits K. P. Decker, 1995, S. 121, hingewiesen und von »eine[r] Art selbstinszenierte[r] Ahnenprobe« gesprochen. 294 In Torgau steht neben der 1544 eingeweihten neuen Schloßkapelle der untere Teil eines rechteckigen mittelalterlichen Wohnturms bzw. Bergfrieds (der u. U. noch älter ist, als der ebenfalls bedeutsame Hausmannsturm); in Schmalkalden erhebt sich an der Schmalseite des Kapellenflügels der als Schloßturm weiterverwendete alte Turm der Burg Wallrab und in Dresden und Aschaffenburg repräsentieren die mit den Kapellen verbundenen Schloßtürme die mittelalterlichen Wohntürme der Vorgängeranlagen. 295 Siehe hierzu Kap. 5.1.1.

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von Aschaffenburg natürlich nur in gewissen Grenzen, da das dynastische Element hier gegenüber dem institutionellen naturgemäß zurücktreten mußte. Vor dem aufgezeigten Hintergrund erscheinen schließlich auch die alten Schloßkapellen selbst, die durch alle Zeiten hindurch regelrecht konserviert wurden, in einem anderen Licht. Wenn in nicht wenigen landesherrlichen Residenzen und anderen für ein Adelshaus bzw. eine adlige Institution296 bedeutsamen Schlössern die teilweise noch mittelalterlichen Kapellen weitestgehend unangetastet blieben, dann entsprach dies einer Verehrungshaltung, die in den alten Schloßkapellen den tradierten und bereits von den Vorfahren bzw. Amtsvorgängern gepflegten sakralen Mittelpunkt eines Schlosses zu würdigen wußte. Neben so unterschiedlichen Residenzen wie Berlin, Bernburg, Mansfeld,297 Celle, Marburg, Büdingen oder der Würzburger Marienfeste, die sogar noch die karolingische Marienkapelle in ihrem Schloßhof bewahrt hat, bietet die Wiener Hofburg das wohl prominenteste Beispiel. Deren spätgotische Burgkapelle blieb in ihrer Gestalt unverändert und wurde schließlich im 18. Jahrhundert unter Maria Theresia einer aufwendigen Restaurierung unterzogen. Wie Hellmut Lorenz überzeugend darlegte, bedeutete der Rückgriff der Kaiserin auf Vorhandenes und die Zurückweisung aller bis dahin ausgearbeiteten Pläne für einen modernen Kapellenneubau keine Notlösung, sondern die dynastisch sinnfällige Konservierung des sakralen Zentrums der Hofburg aus der Zeit Friedrichs III., des ersten Kaisers in der Habsburger Familiengeschichte.298

5.5 Das Schloßtor als rechtliche Schwelle zwischen der Innen- und Außenwelt des Hofes Das Schloßtor darf als Nahtstelle zwischen der inner- und außerhöfischen Welt bezeichnet werden. In Friedenszeiten eine Schwelle, in Kriegszeiten eine möglichst schwer zu überwindende Hürde markiert

296 Dies gilt beispielsweise für die Residenzen von bischöflichen Stiften wie Mainz oder Würzburg oder adligen Ordensgemeinschaften wie der Deutsche Orden oder die Johanniter. 297 Zu Mansfeld und seiner Kapelle aus dem beginnenden 15. Jahrhundert siehe I. Roch, 1995a. 298 H. Lorenz, 1997, S. 479.

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Das Schloßtor

es den Hauptein- und -ausgang eines Schlosses. Entsprechend wehrhaft und repräsentativ zugleich ist sein Äußeres gestaltet: ein massives, turmartiges Gebäude, Flankentürme (oder aber doch zumindest Wehrerker), Zugbrücke, massives Holztor und Fallgatter sowie die herrschaftlichen Wappen über der Tordurchfahrt und am Torgewölbe gehören bei den meisten Torbauten bis hinein ins 17. Jahrhundert zur Grundausstattung.299 Doch wer meint, der betriebene Aufwand sei vornehmlich Ausweis des Befestigungsrechts300 und gelte vorwiegend dem äußeren Feind, sieht sich durch die spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Hofordnungen eines anderen belehrt: In ihnen wird das Schloßtor als wichtigstes bauliches Element für die alltägliche Aufrechterhaltung eines streng regulierten Zu- und Abgangs in den Bereich der Hofhaltung und für die Grenzziehung des Burgfriedens charakterisiert und damit zugleich als Sinnbild für die Exklusivität des Hofes und die Unantastbarkeit seiner Ordnungsstruktur definiert.301 Besonders das Auf- und Zuschließen des Tores (gelegentlich verbunden mit dem Hochziehen und Herunterlassen der Zugbrücke) während der gemeinsamen Mahlzeiten und Gottesdienste und die anschließende Abgabe der Torschlüssel beim Schloßherrn oder seinem Hofmarschall bildeten Handlungen mit starkem Symbolgehalt, in denen die Semantik der Torarchitektur ihre anschauliche Ergänzung fand.302 In dieses Bild fügt sich auch der durchgängig geäußerte Wunsch, neben der durchaus fürsorglichen Kontrolle über die am Hof lebenden Menschen auch die Kontrolle über die mobilen Gegenstände und Sachen einer Hofhaltung zu behalten: Die dringliche Mahnung an den Torwächter, darauf zu achten, daß »ein jeder [sich] des abtragens an Speise, auch Schußeln, trinckgeschirr oder anders gentzlich enthalten« möge,303 ver-

299 Zu Beispielen siehe oben Kap. 4.2.4. 300 In diesem Kontext wird das befestigte Tor bereits in den verschiedenen Ausgaben des Sachsenspiegels gezeigt (Der Sachsenspiegel. Die Heidelberger Bilderhandschrift, 1989; Die Oldenburger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, 1993; Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, 1993). 301 Eine frühe Hofordnung, in der der Torwärterdienst in diesem Sinn ausdrückliche Erwähnung findet, bildet die sächsische Hofordnung von 1455/57 (für Meißen; Staatsarchiv Dresden, Locat 4335, Nr. 15, Bescheyed der voyte – 1455–57, Blatt 33 f.), eine späte Hofordnung diejenige der verwitweten Pfalzgräfin Hedwig von Sulzbach aus dem Jahr 1636 (abgedruckt bei A. Kern, 1907, S. 206, S. 208). 302 Zu den einzelnen, in den Hofordnungen aufgelisteten Pflichten des Torwärters siehe Kap. 6.5, S. 289 f. 303 Hofordnung des Herzogs Ulrich von Mecklenburg (nach 1576), zit. nach A. Kern, 1905, S. 240.

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weist auf die spezifischen Sorgen nicht nur frühneuzeitlicher Schloßherren. Die genannten symbolischen und funktionalen Aufgaben des Schloßtors werden eindrucksvoll überhöht vom Gebot der Friedenssicherung im Bereich der Hofhaltung. Hierfür war der sog. Haus- und Burgfrieden maßgeblich.304 Wie Hans-Martin Maurer in einem grundlegenden Aufsatz zur Rechtsgeschichte der Burg aufzeigen konnte, begann der Frieden einer Burg bzw. eines Schlosses am äußersten Tor: »Das Tor war gleichsam Rechtssymbol der intakten Burg.«305 Diese über Jahrhunderte tradierte Bedeutung läßt sich quellenkundlich erst seit dem 16. Jahrhundert nachweisen, und wiederum sind es die Hofordnungen, denen wir eine solche Erkenntnis verdanken. So bestimmt beispielsweise die Burgfriede- und Hofordnung Herzogs Sigismund August von Mecklenburg (1593), »das alhie zu Strelitz auf dem Haus und außerhalb deßen bis fur das dritte thor, so furan unserm Stettlein Strelitz gelegen, welches alles mitt diesem fried begriffen sein soll […]«.306 Als Markierungszeichen und Symbol für den Geltungsbereich des Burgfriedens kündet das mit Wehrelementen und herrschaftlicher Heraldik ausgestattete Schloßtor von einem wichtigen rechtsgeschichtlichen Vorgang in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts: In den Hofordnungen ab der Jahrhundertmitte nimmt die Ordnung des Haus- und Burgfriedens einen immer größeren Raum ein. Aus den Anordnungen und Geboten wird deutlich, daß der Schloßherr in hohem Maß darauf bedacht ist, sämtliche Auseinandersetzungen und Streitfälle zwischen Personen an sich zu binden und auf diese Weise von der individuellen auf die institutionelle Ebene zu verlagern. Streitigkeiten sollen keine Privatangelegenheiten mehr sein sondern der Aufsicht des Schloßherrn und damit einer juristischen Instanz unterworfen sein. Dementsprechend muß auch jeder Verstoß gegen das Regelwerk der Haus- und Burgfriedensordnung als direkter Angriff auf die fürstliche Autorität aufgefaßt werden. Der Schloßarchitektur und ihrer semantischen Struktur als Ganzes kommen in diesem Zusammenhang die Aufgabe zu, den Ort der territorialen juristischen Oberhoheit, d.h. des fürstlichen Hof- und

304 Zur Herausbildung des Burgfriedens im Hoch- und Spätmittelalter siehe H.-M. Maurer, 1976, S. 104 ff.; zum Burgfrieden im Spätmittelalter siehe jüngst K.-H. Spieß, 1998, S. 183–201; für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts siehe u. a. P.-M. Hahn, 1989, S. 169 ff. 305 H.-M. Maurer, 1976, S. 107; zur Bedeutung des Burg- bzw. Schloßtors für den Burgfrieden siehe ebd., S. 106 ff. 306 Zit. nach A. Kern, 1905, S. 252.

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Halsgerichts, zu markieren und abzubilden und in bestimmten Einzelelementen, wie dem äußeren Schloßtor, die Grenze zu bezeichnen, an der der Burgfrieden unter allen Umständen zu wirken beginnt.307 So waren die Adressaten des Schloßtors und seines architektonischen Erscheinungsbildes weniger gelegentliche feindliche Belagerer als vielmehr die alltäglichen Benutzer des Schlosses: Hofangehörige und Besucher. Ihnen sollte das Schloßtor als Sinnbild für die ordnungspolitischen und juristischen Aspekte einer herrschaftlichen Hofhaltung und die hier unumschränkte (Schlüssel-) Gewalt des Schloßherrn dienen. Die zur Schau getragene Wehrhaftigkeit des Schloßtors muß daher vor allem als architektonisches Bild fürstlicher Justitia aufgefaßt werden, ein Aspekt, der es nahe legt, die wehrhafte Schloßarchitektur generell stärker als bisher aus dem Blickwinkel spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Rechtlichkeit zu betrachten.308

5.6 Zeugnis von Dignität und Herrlichkeit: das ›alte Erscheinungsbild‹ und die bauliche Kontinuität als Repräsentationsformen im reichsfürstlichen Schloßbau »Alter adelt!« Diese griffige und populäre Bewertung adliger Tradition und Altehrwürdigkeit konnte in den Kapiteln zum Schloßturm, zum fürstlichen Haus und zur Schloßkapelle mit einem sehr konkreten, architekturgeschichtlichen Sinn gefüllt werden. Die Wertschätzung, die ein Adelshaus seiner Vergangenheit entgegenbrachte und memorativ pflegte, bezog sich bereits im späten Mittelalter in einem hohen Maß auch auf die baulichen Zeugnisse einer Familie. In der Forschung wurde dieses Maß für den untersuchten Zeitraum bislang als eher gering eingestuft und auch für die fortgeschrittene frühe Neuzeit der Gedächtniswert von höfischer Baukunst überwiegend für neue, zu diesem Zweck errichtete Bauwerke postuliert.309 Dabei wurde weitestge-

307 Hierzu H.-M. Maurer, 1976, S. 106 ff. 308 Siehe hierzu auch Kap. 5.1. Zu den Möglichkeiten einer inhaltlichen Differenzierung der von Ulrich Schütte aufgezeigten adelsständischen Symbolik wehrhafter Bauteile siehe Kap. 2, S. 31. 309 Siehe das Beispiel des Fürsten Karl Eusebius von Liechtenstein (B. von GötzMohr, 1986). Zu Überlegungen, inwieweit das Festhalten am alten Erscheinungsbild der Burgen niederadliger Familien eine »spezifische Mentalität« ausdrückte und dem Wunsch nach einer unmißverständlichen »feudalen Symbolsprache«

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hend übersehen, daß die Pflege des Alten einem klar umrissenen juristischen Gebot folgte, demzufolge sich Besitz- und Herrschaftsrechte in der Materie des Schlosses selbst manifestierten und nicht zuletzt durch diese Materie auch tradiert wurden. Das Alter der verliehenen Rechte und seine ununterbrochene Gültigkeit besaßen daher im Alter und immerwährenden Bestand des Schlosses ihr Äquivalent. Daraus ergab sich zwingend die Notwendigkeit, bestimmte wichtige Teile eines Schlosses über Jahrhunderte zu erhalten, damit an ihnen wie an einer alten Rechtsurkunde die Wirksamkeit der mit dem Schloß von alters her verknüpften Rechte abgelesen werden konnten. Der Besitz eines jahrhundertealten Adelssitzes und seiner Rechte wirkte wiederum auf das Ansehen der besitzenden Familie zurück: Altehrwürdiges Recht und altehrwürdige Dynastie stützten sich auf dieser Ebene gegenseitig und fanden im altehrwürdigen Erscheinungsbild des Schlosses ihre gemeinsame repräsentative Form. Dies galt in besonderer Weise für den Stammsitz einer Familie, der in seiner Gesamtarchitektur – wie die Albrechtsburg in Meißen gezeigt hat und wie es auch die Hofburg in Wien demonstriert310 – zum Sinnbild adliger Dignität zu werden vermochte. Ein beredtes anderes Beispiel hierfür vermag das einflußreiche gräfliche und ab 1650 reichsgräfliche norddeutsche Adelsgeschlecht der Rantzaus zu liefern. In seinem Commentarius bellicus (Frankfurt 1595) behandelt Heinrich Rantzau auch die Modernisierung seiner Schlösser und nimmt dabei eine genaue Unterscheidung zwischen der alten, tradierten äußeren Form und dem modernen, funktionalen Inneren vor. Die Beibehaltung der älteren Gestalt bei einigen seiner modernisierten Schlösser – vor allem beim Familiensitz Breitenburg – begründet er explizit mit der Bewahrung des Andenkens seiner Vorväter.311 Eine noch deutlichere Sprache sprechen hier diejenigen Stammburgen bzw. alteingesessenen Fürstensitze, die im 16. Jahrhundert zugunsten von zentral gelegenen Stadtresidenzen (z. B. in Landshut,312 Coburg oder Baden-Baden) ihre Funktion als Rebzw. »Zeichenhaftigkeit« entsprach, siehe P.-M. Hahn, 1989, S. 419f. Siehe neuerdings auch die vor allem die Sakralarchitektur Süddeutschlands, Österreichs und Böhmens berücksichtigende Studie von M. Schmidt, 1999. 310 Zur Albrechtsburg siehe Kap. 3.2; zur Hofburg M. Müller, 2000b. 311 H. Rantzau, 1595, S. 365 f.; siehe hierzu D. Lohmeier, 1978, S. 74, sowie M. Völkel, 2001, S. 27. 312 Auf die Bedeutung der nahe Landshut gelegenen Burg Trausnitz auch unter den Herzögen Ludwig X. und Wilhelm V. hat G. Spitzlberger, 1998, S. 17, zu Recht hingewiesen und an die »ungebrochene Tradition und Wertschätzung für die alte Wittelsbacher Burg« erinnert.

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gierungs- und Verwaltungsmittelpunkte verloren: Neben der Verwendbarkeit als Amts- oder Witwensitze war vor allem die fortgesetzte symbolische Wertschätzung dafür verantwortlich, daß selbst durch Brand zerstörte Stammburgen wie das Alte Schloß von Baden-Baden (Burg Hohenbaden) nicht abgetragen wurden, sondern in ruinösem aber baulich gesichertem Zustand zeichenhaft die Dignität des Fürstenhauses weiterhin sichtbar werden ließen.313 Die Beispiele von Schloß Niederalfingen, das die Fugger nach ihrer Erhebung in den Adelsstand erwarben und unter Beibehaltung des Bergfrieds ›historisierend‹ erneuerten, oder von Schloß Waldenstein, das der Protonotar Kaiser Maximilians, Florian Waldauf, zusammen mit seiner Adelserhebung in Besitz nahm und ›restaurierte‹, belegen die Nachwirkungen dieser Vorstellungswelt bis ins letzte Glied der adligen Gesellschaft.314 Sie wird auch noch in jener Bauinschrift reflektiert, die 1599 an das zuvor ab313 Das Alte Schloß von Baden-Baden (Burg Hohenbaden) wurde bis zu seiner Zerstörung durch Blitzschlag um 1600 baulich erhalten und diente nach der Verlegung des Hofes in die Stadtresidenz (Neues Schloß) weiterhin als Sitz eines Burgvogts. Nach der Brandzerstörung wurde das Alte Schloß zwar vom badischen Markgrafenhaus als Ruine stehen gelassen, jedoch nicht abgetragen und sogar baulich gesichert. Da es von den Fenstern des Neuen Schlosses aus stets gut sichtbar im Blickfeld lag, blieb die Erinnerung an den alten Stammsitz der Markgrafen von Baden auf diese Weise auch in seinem Zustand als Ruine unverändert erhalten (zum Alten Schloß siehe O. Linde, o.J., S. 3 ff.). 314 An den Beispielen der Fugger (siehe hierzu U. Schütte, 1994, S. 272 f.; M. Schmidt, 1999, S. 118 ff.) und des Florian Waldauf von Waldenstein (er war u. a. Protonotar Kaiser Maximilians I.; siehe hierzu Florian Waldauf von Waldenstein, 1958, S. 17) läßt sich nachweisen, daß die Erhebung in den Adelsstand (1488 bei Florian Waldauf) nicht nur mit der Verleihung einer eigenen Herrschaft (Niederalfingen bei den Fuggern, das württembergische Waldenstein bei Florian Waldauf), sondern auch mit der Inbesitznahme einer dort befindlichen älteren Burg- bzw. Schloßanlage verbunden war. Oftmals handelte es sich um ruinöse Bauerke, die durch die neuen Herren restauriert und zum repräsentativen Adelssitz weiter ausgebaut wurden. Hierbei wurden nicht nur der erhaltene Altbestand – vor allem der Turm – konserviert, sondern häufig auch die Um- und Neubauten mit Zeichen der Tradition ausgestattet. In vorbildlicher Weise zeigt dies Schloß Niederalfingen, dessen Mauerwerk unter den Fuggern – in Anlehnung an die erhaltenen Reste des staufischen Bergfrieds – im Stil der staufischen Buckelquader ausgeführt wurde (hierzu auch M. Schmidt, 1999, S. 118 ff., dessen grundsätzlich zutreffenden Überlegungen jedoch den wichtigen rechtlichen Aspekt ausklammern). Die Inbesitznahme der alten Adelssitze war einerseits gleichbedeutend mit der Inbesitznahme der dazugehörigen territorialen Gerichtsbarkeiten, andererseits aber erhielten die Neuadligen die Möglichkeit, sich mit einem Ort zu verbinden, der bereits über adlige Tradition verfügte. Für den Hinweis auf Florian Waldauf zu Waldenstein danke ich Frau Claudia Kajatin (Greifswald/Rostock).

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gebrochene und wieder neu erbaute Schloß von Laubach in der Nähe von Niederalfingen angebracht wurde und in der zu lesen ist, daß »das abgebrochen Schlos im Jahre 1122 erbauen worden« sei.315 Zu den wichtigen Teilen, die pars pro toto für das ganze Schloß standen, gehörten in der Regel der Schloßturm, das fürstliche Haus und die Kapelle. Deren Erhalt in unterschiedlicher Form, als komplettes Bauwerk oder nur als Rudiment, folgte somit ganz sicher nicht bauökonomischem Kalkül. Ein solches spielte natürlich auch beim fürstlichen Schloßbau eine wichtige Rolle; das zeigen alleine die Anweisungen für das fürstliche Bauwesen in den Hofordnungen.316 Und ganz sicher kam das rechtlich-dynastische Gebot zur Bewahrung alter Bausubstanz der Notwendigkeit zum haushälterischen Umgang mit den Finanzmitteln des Bauwesens entgegen. Doch da der schonende Umgang nicht allen Bauteilen gleichermaßen galt und selbst bei grundlegend modernisierten Residenzen bauliche Substanz aus dem Kernbereich der Vorgängeranlagen konserviert wurde (selbst wenn dies funktionale wie ästhetische Probleme hervorrief317), stand der symbolische Aspekt deutlich im Vordergrund. Er war sogar derart beherrschend, daß ihn nicht nur die eigentlichen Überreste des alten Schlosses sinnfällig werden ließen, sondern auch die neukonzipierte Schloßarchitektur noch seinem Postulat folgte. Die hieraus erwachsenden Anforderungen stellten sowohl die Bauherren als auch die Architekten vor eine ausgesprochen anspruchsvolle Aufgabe: Sie hatten zum einen in begrenztem Umfang Rücksicht zu nehmen auf das Bestehende, und zum anderen im neu Gebauten auf schöpferische Weise das Alte zu reflektieren.318 Wenn diese Auf-

315 KDM Jagstkreis, S. 29; siehe auch M. Schmidt, 1999, S. 122. 316 So fordert Markgraf Christoph I. von Baden in seiner Hofordnung von 1504: »Wir sollen und wöllen auch allen Unsern Ober[n] und undern Amptleuthen, Kellern und andern, die Außgeben haben, bey iren aiden bevolhen [haben], hinfür nichts außzugeben dann Zerung und Bottenlöne und zu Underhaltung der Beu in den Schloßen, als Thach, fenster, Offen, Läden, Brucken, doch keinen neuen Baue one Bescheidt auß unserer Canzlei und der gezeichneten Zedel obbemelt zu machen; und, wo ir einer oder mher ichts daruber außgeben würdet, darumb sie bestimpter maßen nit gezeichnet Zedel hetten oder haben würden, die sollen inen nit abgezogen werden. […] Wir sollen und wollen auch hinfür keinen Bau fürnemen oder anschlahen, er sey klein oder groß, dann mit und nach Rathe unsers Landthofmeisters, yeglichs ende« (zit. nach A. Kern, 1907, S. 111 f.). 317 Hingewiesen sei hier nochmals auf die Schlösser von Berlin, Zerbst, Heidelberg und Aschaffenburg. 318 Vgl. hierzu auch das problematische Verhältnis zwischen Architekturtheorie und Baupraxis im 17. und 18. Jahrhundert: Wie z. B. Hellmut Lorenz (H. Lorenz, 1995) anhand von Leonhard Christoph Sturms Umbauplänen für das

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gabe auch grundsätzlich für den hohen wie niederen Adel gleichermaßen galt, so vermochte doch gerade ihre differenzierte Lösung den fürstlichen Bauherren ein wesentliches Distinktionsmittel an die Hand zu geben. Nur ein begabter Architekt konnte die vorgegebenen tradierten Muster in ein innovatives Konzept umsetzen, das nicht nur durch das bauliche Volumen imponierte, sondern vor allem durch die feinsinnige Interpretation und Weiterentwicklung der vertrauten, bedeutungsmächtigen Architektur. Doch diese Architekten waren im Alten Reich des späten Mittelalters und der beginnenden frühen Neuzeit rar gesät und hoch bezahlt, so daß vorwiegend nur fürstliche Auftraggeber auf sie zurückgreifen und unter Exklusivvertrag nehmen konnten. Und selbst diese sahen sich genötigt, die wenigen talentierten Baumeister von Hof zu Hof weiterzureichen, ihnen die Annahme fremder Aufträge zu verbieten und in langen Korrespondenzen untereinander um die Ausleihe eines Hofbaumeisters an einen anderen Hof zu bitten.319 Auf diese Weise ließ sich auf der Grundlage des prinzipiell gleichen rechtlich-dynastischen Systems dann doch eine spezifisch fürstliche Residenzarchitektur schaffen. Die eingehend besprochenen mitteldeutschen Residenzschlösser von Meißen, Torgau, Berlin, Dresden, Bernburg oder Kassel haben dies veranschaulichen können. Sie unterscheiden sich von den Schlössern des niederen Adels aber auch darin, daß sie gerade nicht die Bauteile aus allen Zeiten nach außen sichtbar bewahrten und wie Jahresringe um mecklenburgische Jagdschloß Neustadt an der Elde (Umbau 1712ff.) aufzeigen konnte, klaffen architekturtheoretischer Anspruch und baupraktische Wirklichkeit oftmals erheblich auseinander. Dies bedeutet allerdings nicht unbedingt, daß die Bauwirklichkeit vor allem prosaisch, die Theorie dagegen von strahlendem Glanz gewesen sei. Vielmehr wird sichtbar, daß Architekten und Auftraggeber häufig unterschiedlichen gestalterischen und funktionalen Bedürfnissen folgen und sich in entsprechend verschiedenartigen Sprachen artikulieren. Auf diese Weise kann ein von architekturkünstlerischer Seite brillanter Entwurf für die geforderte Bauaufgabe und ihre Rücksichtnahme auf Traditionen und Konventionen vollkommen ungeeignet erscheinen, ohne daß hieraus sogleich eine qualitative Verschlechterung der Architekturgestalt resultieren muß. Siehe hierzu auch F. W. Eiermann, 1995. 319 Zu nennen wären beispielsweise Rochus von Lynar, Hieronymus Lotter (hierzu L. Unbehaun, 1989) oder Caspar Vogt von Wierandt. Letzterer war Baumeister des sächsischen Kurfürsten und sollte auf Wunsch des dortigen Herzogshauses an den mecklenburgischen Hof in Schwerin wechseln. Die Bitte der Mecklenburger Herzöge an August von Sachsen um Entsendung Caspars von Wierandt wurde von Kurfürst August I. jedoch abschlägig beschieden (HStA Dresden, Loc. 8504, Mecklenburgk Hertzog Johann Albrechts und Christophs Schreiben an Churfürst Augusten zu Sachsen von dem 1553 biß uf das 1583ste Jahr, S. 4).

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den Kernbereich des Schlosses wachsen ließen. Häufig blieb nur der alte Schloßturm in seiner überlieferten Gestalt sichtbar stehen, während andere repräsentative Teile aus der Vergangenheit, wie das fürstliche Haus, zwar in ihrer Substanz überlebten, jedoch durch eine neue Fassade der veränderten Ästhetik angepaßt wurden.320 Hier ließ sich dann höchstens noch am unregelmäßigen Grundriß der Schloßanlage ablesen, auf welchem alten Grund und Boden das fürstliche Schloß stand. Bei vielen adligen Schlössern fehlt jedoch dieser optisch nur punktuell vorgenommene Traditionsverweis. Statt dessen wird die gesamte, über Jahrhunderte gewachsene Anlage sozusagen als Denkmalensemble dem Besucher präsentiert, und hier und da vorgenommene ›Retuschen‹ an einzelnen Fassaden vermögen der Baugestalt nur den Anstrich des Modernen zu verleihen. Ein in dieser Hinsicht mustergültiges Anschauungsobjekt bietet das sächsische Schloß Weesenstein (Abb. 136).321 Erstmals 1318 erwähnt, wurden um 1406 bzw. 1413 die Herren von Bünau mit der Burg belehnt.322 Diesen Besitz hielten die später in den Grafen- und Reichsgrafenstand erhobenen und vielfältig in Diensten der Wettiner stehenden Bünaus bis 1772 bei und bauten den Weesenstein zur mächtigen Stammburg ihres Geschlechts aus.323 Und obwohl sie dabei verschiedene Um- und Neubauten vornahm, ließ die Familie »den Charakter mittelalterlicher Feudalität«, wie es KlausDieter Wintermann treffend beschrieben hat,324 im wesentlichen unangetastet. Das auch auf der nichtfürstlichen Ebene andere Lösungen möglich waren, belegt beispielsweise das Stammschloß der reichsunmittelbaren Herren von Schönburg in Glauchau. Die Anlage von Schloß Hinterglauchau bleibt zwar in der äußeren Größe und im Raumprogramm hinter den zeitgleichen Residenzen der dominierenden Wettiner zu-

320 Vgl. z. B. Torgau, Dresden, Schmalkalden, Weikersheim, Aschaffenburg. 321 Zu Weesenstein siehe C. v. Metzsch-Reichenbach, 1910, S. 121 ff.; Weesenstein, 1995, sowie jüngst K.-D. Wintermann, 1997 (mit weiterer Literatur). 322 Während K.-D. Wintermann, 1997, S. 189, Anm. 6, das Jahr »um 1406« nennt, datiert C. v. Metzsch-Reichenbach, 1910, S. 122, die Belehnung auf das Jahr 1413. 323 Die privilegierte Stellung von Schloß Weesenstein für die Gesamtfamilie der von Bünaus findet ihren Ausdruck zudem darin, daß das Schloß zu den ersten von insgesamt vier Häusern gehörte, auf denen »alle privilegien, Lehensbriefe, oder Lehensbücher, was dero bei dem Geschlecht wehre«, aus Sicherheitsgründen deponiert wurden (K.-D. Wintermann, 1997, S. 201). 324 Ebd., S. 202 f.

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rück, doch in der Umformung der alten Burg zu einem spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Schloß wird auch im gestalterischen Detail (u. a. Einbau von sog. Vorhangbogenfenstern) beträchtlicher Aufwand getrieben. Dieser wird im Verlauf des 16. Jahrhunderts allerdings nicht weitergeführt, so daß die Schönburgischen Schlösser schließlich auffällig antiquiert in der obersächsischen Landschaft stehen. In dieses Bild fügt sich nahtlos ein gemalter Stammbaum der Schönburger aus der Zeit um 1760 ein (Abb. 137), der die schönburgischen Schlösser in ihrer überkommenen spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gestalt vor Augen führt.325 Auch wenn hier der dokumentarische Anspruch dieser Bilder unverkennbar ist, so erscheint es dennoch bemerkenswert, daß zum einen noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Mehrzahl der schönburgischen Schlösser äußerlich auffällig altertümlich wirkt und daß zum anderen diese Altertümlichkeit selbst im Bild gänzlich unkaschiert zur Schau gestellt wird. Offensichtlich galt den Schönburgern das althergebrachte Erscheinungsbild ihrer Schlösser als charakteristisches und im 18. Jahrhundert unverzichtbares Zeichen für ihre Dignität und die ihnen verbrieften altüberlieferten Rechte und Gerichtsbarkeiten. Schloß Weesenstein und die schönburgischen Schlösser lassen gegenüber der Mehrzahl fürstlicher Residenzen im 16. Jahrhundert einen konservativeren Umgang sowohl mit der überlieferten Bausubstanz als auch der innovativ veränderten, modernisierten baulichen Gestalt erkennen. Weitere Beispiele ließen sich heranziehen und die Allgemeingültigkeit dieses Bauverhaltens auf der Ebene des Adels aufzeigen.326 Doch selbst wenn das beschriebene Phänomen im Schloßbau des Adels dominiert, begegnen wir ihm vereinzelt auch auf der mittleren und sogar höchsten fürstlichen Ebene. Hierfür bilden einerseits das anhaltische Stammschloß von Bernburg und andererseits die Wiener Hofburg, habsburgisches Stammschloß und langjährige Residenz des Kaisers, wichtige Beispiele. Da über die Wiener Hofburg bereits an an-

325 Abb. bei W.-D. Röber, 1999, S. 8–12. Es handelt sich um eine kolorierte, nachträglich auf Leinen aufgezogene Darstellung (heute im Bestand von Museum und Kunstsammlung Schloß Hinterglauchau) mit zentral plaziertem Stammbaum, der mit Fahne, Wappen und schildförmigen Feldern für die einzelnen Glieder der schönburgischen Familie geschmückt ist; die Bilder der Schlösser befinden sich am unteren Blattrand. 326 Vgl. z. B. die Schlösser des holsteinschen, hessischen und württembergischen Adels.

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derer Stelle ausführlicher gehandelt worden ist,327 sei hier nur auf das Bernburger Schloß näher eingegangen.328 Auch das Bernburger Schloß (Abb. 73) lebt in seinen Umrißlinien von dem Prinzip der »vielen Häuser«, d.h. auch hier existieren für die unterschiedlichen Funktionsbereiche des Schlosses und seiner Hofhaltung mehrere voneinander unterschiedene Gebäude. Doch während man sich bei den benachbarten wettinischen Residenzschlössern darum bemühte, die Vielgestaltigkeit in Zaum zu halten, ihr gewissermaßen ein verbindendes Design zu verleihen (siehe das Beispiel Torgau), verzichten die anhaltischen Fürsten auf dem Bernburger Schloßareal auf eine solche Regulierung. Nicht nur stehen hier – wie bereits für Heidelberg erwähnt – die herrschaftlichen Häuser mehrerer Fürstengenerationen zusammen, sondern werden auch die Unterschiede zwischen Altem und Neuem nur oberflächlich verwischt. Dies gilt besonders für die beiden noch aus der Frühzeit der Schloß- bzw. Burganlage erhaltenen Türme: den sog. Blauen Turm am Schloßeingang (Abb. 105) und den sog. Eulenspiegel an der nordöstlichen Seite des Schloßhofes (Abb. 102). Diese beiden Türme rahmen die dazwischen über die Jahrhunderte hinweg entstandenen Schloßgebäude wie mächtige Stützen aus der Vergangenheit ein. Und nicht zuletzt der Eulenspiegel als ehemaliger Bergfried erinnert in seiner ungeschlachten, wuchtigen Erscheinung jeden Besucher unweigerlich an die Altehrwürdigkeit, die Dignität des anhaltischen Fürstenhauses. Sprichwörtlich wie ein Ausrufezeichen steht der Eulenspiegel im Schloßhof. Das fast schon plakativ vorgezeigte Alter der Bernburg ergibt gegenüber den vergleichbaren wettinischen Residenzen ein entschieden anderes ästhetisches Gesamtbild. Und diese andersartige Ästhetik, bei der der Verweis auf die Vergangenheit zum Hauptthema wurde, sollte durchaus programmatisch verstanden werden, wie verschiedene spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Quellen verraten: In einem Brief anläßlich der Teilungsstreitigkeiten, die schließlich in den Teilungsvertrag von 1497 münden, bezeichnen die fürstlichen Brüder Woldemar, Georg, Ernst und Rudolf Schloß Bernburg als »Unser unsers alten herkommenden Stammes der Fürsten zu Anhalt Herz und Enthalt«.329 Und noch

327 Siehe H. Lorenz, 1997; M. Müller, 2000b. 328 Zur dynastischen wie rechtsbezogenen Traditionspflege der Anhalter im Medium der Schloßarchitektur siehe auch die übergreifende Darstellung bei M. Müller, 2003d. 329 J. C. Beckmann, 1710, Bd. 3, S. 123, zit. nach F. Stieler, 1961, S. 48.

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1642 weist (Präsident) Heinrich von Börstel in einem Kommentar über das 1641 aufgestellte Bernburger Salbuch ausdrücklich auf die symbolträchtige Stellung der Bernburg hin: »So wird dieses Buch des fürstlichen Amts Bernburg Salbuch titulieret. Es erstrecket sich aber des fürstlichen Hauses Bernburg und der dazu gehörigen Herrschaft Würde und Dignität viel weiter, als daß man es nur ein Ambt nennen sollte, welcher Namb so wenig bei den Rechtslehrern als in den alten Verträgen in dergleichen Fall gebrauchet wird. Wollte derowegen unmaßgeblich dafür halten, daß der Titul derogestalt einzurichten: Das uralten fürstlich anhaldischen Haupt-, Stamb- und Residenzhaus Bernburg und der dazugehörigen Herrschaft Salbuch. Denn das fürstliche Haus oder Schloß Bernburg ist das Caput, das dazugehörige Territorium und Herrschaft ist das Corpus, das Ambt aber ist nur Species einer auf gewisse Maß anbefohlener Jurisdiction und Ambtierung, so von der fürstlichen Herrschaft delegieret wird«.330

Als »uralt fürstlich anhaldisches« Haupt- und Stammhaus kann das Bernburger Schloß aber noch heute erlebt werden: Dank einer Architekturästhetik, die dem Etikett »uralt« zu suggestiver Anschaulichkeit verhilft und hier gegenüber den wettinischen Konkurrenten bedeutsame, auch politisch eigene Akzente setzt. Aus der Perspektive der Wiener Hofburg und des Bernburger Schlosses betrachtet, muß das Berliner Residenzschloß der brandenburgischen Hohenzollern in seinem im 17. und 18. Jahrhundert umfassend veränderten Zustand zunächst wie der aus dem Boden gestampfte geschichtslose Neubau einer Residenz für das neue preußische Königshaus erscheinen. Diesen Eindruck vermitteln zumindest die nach heutigem Empfinden besonders repräsentativen barocken Fassaden der Lustgarten- bzw. Domseite. Deren italienisch anmutende barocke Formensprache, die von der Architekturgeschichte in bewußtseinsbildender Weise als das eigentliche Kennzeichen des Berliner Schlosses gewertet wurde, könnte als die triumphierende, bewußt ›modernistische‹ Geste gegenüber der fehlenden hohenzollerschen Traditionsmächtigkeit am Ort bzw. in ihrem brandenburgischen Territorium verstanden werden. Doch stehen diesem Eindruck die ebenso wichtigen, architekturgeschichtlich jedoch in Vergessenheit geratenen Fassadenbilder zur Stadtseite hin entgegen (Abb. 63). Hier erweist sich das Berliner Schloß

330 Landesarchiv Oranienbaum Abt. Bbg. C 1a Nr. 5 f. 1642; zit. nach F. Stieler, 1961, S. 48. Zu den Begriffen Caput und Corpus im Kontext der architektonischen Traditionspflege der Anhalter siehe auch M. Müller, 2003d.

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als ausgesprochen traditionsverhaftet, indem vielfältige visuelle Hinweise auf die jahrhundertealte Baugeschichte der Berliner Residenz des brandenburgischen Hohenzollernhauses gegeben werden.331 Der gegenwärtige Kenntnisstand ermöglicht zwar nur behutsame, vorläufige Schlußfolgerungen, doch lassen sich wenigstens einige Feststellungen treffen. Bewertet man die in Weesenstein, Glauchau, Bernburg und selbst Wien und Berlin äußerlich zunächst vergleichbare Baupraxis, den mittelalterlichen Kernbestand der Anlagen möglichst vollständig zu erhalten und Neubauten den Altbauten nur hinzuzufügen, und stellt man dieses Verhalten in den jeweils unterschiedlichen historischen Kontext, dann zeichnen sich zwei mögliche gegensätzliche Motive ab: Auf der einen Seite ein gesteigertes Bedürfnis nach sichtbarer Dignität als Folge eines geminderten Maßes an herrschaftlicher Souveränität. Hierfür könnte beispielsweise Weesenstein stehen. Bei diesem Stammsitz ist ein fast schon ängstliches Klammern an die Zeugnisse der Vorväter zu beobachten, ein Eindruck, der durch die geschlossenen Erbeinigungsverträge und die Einrichtung des Familienarchivs im Schloß nachhaltig unterstrichen wird.332 Auf der anderen Seite das Gegenteil: Bewußtes Festhalten an der überlieferten Kernanlage bzw. markanten, für das altüberlieferte Gesamtbild wesentlichen

331 Siehe hierzu Kap. 3.6.1. 332 Der Erbeinigungsvertrag der Bünaus ist erstmals 1517 nachweisbar, um dann 1533, 1568, 1588 und 1650 erneuert zu werden. In ihm wurden von den siegelberechtigten männlichen Namensträgern der Familie rechtsverbindliche und sanktionsfähige Normen zu allen Gebieten des Familienbesitzes, der schulischen Ausbildung und der Dienstverpflichtung beschlossen. Kernelement des unterzeichneten Vertrages war die Verpflichtung zum Zusammenhalt des Familienbesitzes mitsamt den Gerichts- und Besitzrechten. So wurden die Familienmitglieder dazu verpflichtet, alle aufzulassenden Güter zunächst den bünauischen Verwandten zum Kauf anzubieten und falls nötig eine Finanzierung im Familienband vorzunehmen. Schloß Weesenstein aber war als Stammsitz nicht nur das erstgenannte der vier Haupthäuser der Familie, sondern auch der Ort, an dem »alle privilegien, Lehensbriefe, oder Lehensbücher, was dero bei dem Geschlecht wehre«, seine sichere Verwahrung finden sollte, wie es im Vertrag von 1588 formuliert worden ist (HStADresden, Familienarchiv von Bünau, Nr. 151: Erbeinigungsbrief derer von Bünau 1588). Zutreffend hat Klaus-Dieter Wintermann daher vom Weesenstein als einem »Familiensafe« gesprochen, der in seiner baulichen Gestalt »für alle Zeit und unübersehbar […] vom Aufstieg und von der Würde, von den Verdiensten und vom wirtschaftlichen Vermögen des Geschlechts« zeugen sollte (siehe hierzu K.-D. Wintermann, 1997, S. 201 ff.). Mit dem in dieser Arbeit aufgezeigten rechtshistorischen und dynastischen Hintergrund auf der fürstlichen Ebene erhält der Umgang der Bünaus mit ihrem Stammschloß seinen angemessenen Vergleichsmaßstab.

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›Erscheinungsbild‹ und bauliche Kontinuität

Teilen aus der Stärke der Tradition. In diesem Fall ist das alte Erscheinungsbild bereits in seiner Gesamtheit zu einem symbolträchtigen Bild für die fortdauernde, unantastbare Traditionsmächtigkeit des mit dem Schloß verbundenen Fürstenhauses geworden. Hierfür steht vor allem die Wiener Hofburg, während in der auch schriftlich bezeugten Traditionsmächtigkeit des Bernburger Schlosses stets die abwehrende Geste gegenüber dem übermächtigen Kurfürstentum Sachsen mitgesehen werden sollte. Vielschichtiger liegen die Dinge beim hohenzollerschen Residenzschloß in Berlin: Obwohl die Baumaßnahmen des 17. und 18. Jahrhunderts auf den ersten Blick die alten Bestandteile zu verdrängen scheinen, erweist sich diese Einschätzung bei genauerem Hinsehen als sprichwörtlich einseitig, da nur aus der stadtabgewandten Perspektive gewonnen. Doch besitzt das Berliner Schloß auch noch die ebenso wichtigen stadtseitigen Fassaden. Und hier wird – in offensichtlich bewußtem Kontrast zur barocken Tiergartenseite – die bereits vorhandene Tradition des Ortes in den Blick gerückt und als visuell erfahrbares Bild von Zeitlichkeit inszeniert. Dies geschieht zwar sicher noch nicht mit dem für die Habsburger in Wien kennzeichnenden Gestus ›triumphierender‹ Dignität, doch zweifelsohne in der Absicht, am Ort ihrer nun bedeutendsten, königlichen Residenz das vorhandene Maß an Altehrwürdigkeit zu sichern und in den Dienst der dynastischen Repräsentation zu stellen. Beide Motive, der triumphierende Gestus des an Dignität Überlegenen wie der auftrumphende Gestus des an Dignität Unterlegenen sind letztlich aber nur die zwei Seiten einer Medaille, deren Glanz für die Fürstenhäuser des Alten Reichs erst mit ihrer Entmachtung nach 1918 weitestgehend an Wert verlor.333 Dem betont konservierenden Umgang mit dem baulichen Erbe der Vorväter, wie es sich in Schloß Bernburg oder der Wiener Hofburg bis heute manifestiert, steht nun auf der anderen Seite ein Verhalten gegenüber, das sich durch die weitestgehende Zerstörung der alten Bau-

333 Vor diesem Hintergrund erscheint es notwendig, auch das von der Kunstgeschichte eher abqualifizierte »historisierende« Bauen der Adelsfamilien im 19. und frühen 20. Jahrhundert neu zu würdigen. Eine solche Untersuchung, die sich nicht allein an den Bauprojekten Ludwigs II. von Bayern aufhalten, sondern vor allem fürstliche Residenzen wie Schwerin, dynastische Denkmäler wie die Wartburg bei Eisenach oder adlige Schlösser wie das sächsische Waldenburg in den Blick nehmen sollte, könnte die seit dem späten Mittelalter ungebrochene programmatische Aktualität einer historisierenden Bauästhetik aufzeigen.

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Orte von »Herrlichkeiten«, »Gerechtigkeiten« und »Gedechtnuß«

substanz hervorhebt. Auch diese Praxis weicht von der im fürstlichen Schloßbau der frühen Neuzeit gültigen Regel ab, punktuell Reste der Vorgängeranlage für alle sichtbar zu erhalten. Denn nur in wenigen Fällen gingen die fürstlichen Bauherren und ihre Architekten im 15., 16. und 17. Jahrhundert soweit, das alte Schloß fast vollständig zu beseitigen und an seiner Stelle einen Neubau hinzustellen. Eine solche radikale Maßnahme mußte gut begründet sein. Die seltenen Beispiele lassen vor allem zwei Motive erkennen: zum einen den äußerst mangelhaften Bauzustand durch Verfall oder gewaltsame Zerstörung, zum anderen das Anspruchsniveau einer Standes- oder Statuserhöhung oder aber der hierauf spekulierende politische Ehrgeiz.334 Da beide Motive die Bauherren nicht von der Pflicht entbanden, im Medium der Architektur einen Hinweis auf die dynastische und rechtliche Tradition des Ortes zu geben, hatte der Neubau in seiner äußeren Gestalt zugleich die vom Vorgängerschloß geerbte Dignität zu thematisieren. Vor einer solchen Aufgabe stand ab 1470 Arnold von Westfalen, dessen Auftrag zum Neubau des alten wettinischen Markgrafenschlosses nach Ausweis der Architekturformen genau dies beinhaltete: Konzeption einer modernen, teilweise am hohen französischen Standard ausgerichteten und damit im Reich exzeptionellen Residenz, die gleichwohl das ›mittelalterliche‹ Erscheinungsbild der dafür zerstörten Markgrafenburg reflektieren mußte. Die bravouröse Bewältigung dieser Aufgabe durch Arnold von Westfalen ist bereits eingehend gewürdigt worden.335 Die hiermit vergleichbare Bauleistung von zwei anderen Architekten, Franz Parr und Philipp Brandin, die mehr als achtzig Jahre später für den mecklenburgischen Herzog Ulrich III. das Güstrower Schloß in eine moderne Residenz verwandelten, soll im folgenden Kapitel dargestellt werden.

334 Für das eine Motiv steht in dieser Arbeit exemplarisch die Meißener Albrechtsburg, die in einer Zeit errichtet wurde, als die Wettiner auf den Erwerb der böhmischen Krone hoffen durften. Das andere Motiv, das durchaus auch vom ersten beeinflußt sein kann, wird im nächsten Kapitel anhand des Güstrower Schlosses illustriert. Für das hohe und späte Mittelalter hat Martin Warnke in seinem Buch »Bau und Überbau« aufschlußreiche Belege anführen können und in diesem Zusammenhang auch den Begriff des »Anspruchsniveaus« definiert (M. Warnke, 1984, S. 13 ff.). 335 Siehe Kap. 3.2.

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Das Schloß in Güstrow

5.7 Das Schloß in Güstrow als künstlicher Altbau und die Funktion des »Manieristischen« Wie bedeutsam in der frühen Neuzeit der Ausweis herrschaftlicher Dignität im Medium der Residenzarchitektur blieb, läßt sich an einem außergewöhnlichen, während der deutschen Teilung jedoch wenig beachteten Schloß aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts studieren. Hier wurde mit den Mitteln eines fast vollständigen Neubaus ebenjener Eindruck erzeugt, der beim überwiegenden Teil der Schlösser durch jahrhundertelanges, kontinuierliches ›Wachstum‹ entstehen konnte. Dieses Schloß steht im mecklenburgischen Güstrow, auf dem Gelände einer alten slawischen Wasserburg, die dem Haus Mecklenburg-Werle bis zu seinem Aussterben im Jahr 1436 als Residenz diente und danach bis 1520 ff. als Nebenresidenz der mecklenburgischen Herzöge ausgebaut worden war.336 Unter Beibehaltung des überlieferten Kernbaus aus dem hohen und späten Mittelalter errichtete hier ab 1558 Herzog Ulrich III. ein prachtvolles Residenzschloß, das nach der Teilung des Herzogtums 1556 als neuer Hauptsitz des Hauses Mecklenburg-Güstrow dienen sollte.337 Das neue Schloß entstand an einem Ort, der als Stammsitz der Linie Mecklenburg-Werle zwar über eine altehrwürdige Tradition, jedoch nicht über glanzvolle, einer frühneuzeitlichen Hofhaltung entsprechende Baulichkeiten verfügte.338 Die vorhandene, relativ bescheidene Anlage wurde zusätzlich durch einen Brand beeinträchtigt, der 1557 weite Teile des Süd- und des Westflügels zerstörte. Dieser Brand mag Herzog Ulrich III. als günstige Gelegenheit erschienen sein, seine neue Residenz durch ehrgeizige Neubauten in ein Fürstenschloß zu verwan-

336 Zur geschichtlichen Entwicklung siehe die Überblicksdarstellung von P.-J. Rakow, 1995, S. 61–69; siehe grundsätzlich auch R. Beltz u.a., 1901; M. Hamann, 1962, 1968; sowie die Beiträge in: Das Schloß Güstrow, 1971. Zur Geschichte der mecklenburgischen Residenzen im 16. und 17. Jahrhundert siehe auch St. Stuth, 2001. 337 Eine moderne Baumonographie zu Güstrow steht bis heute aus. Siehe daher immer noch grundlegend: W. Lesenberg, 1911; W. Gernentz, 1963; zur kunsthistorischen Würdigung siehe desw. O. Gehrig, 1921. 338 Neben der mittelalterlichen Kernburg war nur noch ein älteres, gegen 1520 errichtetes und 1795 wegen Baufälligkeit abgebrochenes fürstliches Haus vorhanden, dessen Untergeschoß bis in die 1580er Jahre die Schloßkapelle enthielt. Es stand an der Ostseite des Güstrower Schloßhofes (W. Lesenberg, 1911, S. 12; W. Gernentz, 1963, S. 18 f.).

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Orte von »Herrlichkeiten«, »Gerechtigkeiten« und »Gedechtnuß«

deln, das in seinen repräsentativen Qualitäten dem üblichen Standard im Reich entsprach. Dennoch vergaß der Herzog darüber nicht, die Erinnerung an die Altehrwürdigkeit des Ortes zu pflegen. Er konzipierte einerseits an Stelle des niedergebrannten Süd- und Westflügels vollkommen neue, prächtige Schloßbauten (Abb. 82+138), um andererseits den unversehrten Nordflügel, in dem sich noch weite Teile der mittelalterlichen Burg, das sog. »Alte Haus«, befanden, und das erst 1520 ff. errichtete fürstliche Haus an der Ostseite unverändert zu bewahren.339 Erst 1586, nach einem weiteren schweren Brand, der dieses Mal den Nordflügel traf, sah sich Ulrich III. gezwungen, auch das hier gelegene »Alte Haus« neu zu bauen (Abb. 134) und in diesem Zuge ebenso das östlich gelegene jüngere fürstliche Haus grundlegend umzubauen (Abb. 95). Umso bewundernswerter, ja faszinierender erscheint die Leistung der beiden Architekten Franz Parr340 und Philipp Brandin. Gleichsam im Zeitraffertempo entsteht über den Grundmauern der alten Burg zwischen 1558 und 1594 wieder ein ›gewachsenes‹, mehrteiliges Residenzschloß. Wie in der Retorte gezeugt, schuf sich der Herzog einen hochmodernen Schloßbau mit Tradition,341 der seiner neuen Würde als selbständig regierender reichsfürstlicher Territorialherr und Angehöriger einer uralten, wenn auch nicht immer christlichen Dynastie342 angemessenen Ausdruck verlieh. Diese selbst im europäischen Maßstab grandiose Leistung vor allem des Architekten Franz Parr möchte ich hier wenigstens exemplarisch verdeutlichen. An anderer Stelle wäre dazu ausführlicher zu handeln und der Rang des Güstrower Schlosses als einer Spitzenleistung innerhalb des europäischen Manierismus und seiner Residenzenarchitektur neu zu gewichten.343 339 W. Lesenberg, 1911, S. 12; W. Gernentz, 1963, S. 18 f. 340 Zur Baumeisterfamilie Parr siehe A. Hahr, 1908; siehe auch Fr. Sarre, 1890. 341 Zum altertümlichen Erscheinungsbild hat Stephan Hoppe erste allgemeine Überlegungen angestellt, ohne jedoch die programmatischen Voraussetzungen für die von Franz Parr entwickelte formale Lösung zu kennen. So blieb auch das unauflösbare Verhältnis zwischen der historisierenden Form und ihrem ideengeschichtlichen bzw. politischen Inhalt unberücksichtigt (siehe St. Hoppe, 2000, S 143 f.). 342 Zur Geschichte des mecklenburgischen Herzogshauses siehe die Überblicksdarstellung von P.-J. Rakow, 1995 (mit weiteren Literaturhinweisen). 343 Dies würde auch eine differenzierte Handhabung des Manierismus-Begriffs erfordern: Das am Güstrower Schloß zu beobachtende Stilphänomen gehört einem stilistischen Konzept an, das tradierte regionale bzw. landestypische Gestaltungsformen mit den Ansprüchen einer international geforderten, von Italien ausgehenden antikisierenden Entwurfshaltung zu verbinden sucht. Erst die

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Das Schloß in Güstrow

Wie also erreichten Herzog Ulrich III. und sein Architekt Franz Parr das Ziel, ein altehrwürdiges, scheinbar ›gewachsenes‹ fürstliches Residenzschloß zu bauen, dessen äußeres Erscheinungsbild gleichwohl modernstem stilistischen Empfinden entsprach? Die Antwort erschließt sich nach längerem intensiven Studium des Fassadenbildes und der Innenraumstruktur. Da sind zunächst die Großformen. Obwohl die nach Westen weisende Hauptfassade des Schlosses (Abb. 82) einen Dachabschluß mit einheitlicher First- und Traufhöhe besitzt, wurden aus dem darunter liegenden Baukörper eine Vielzahl von Einzelbauten herausmodelliert: Wir sehen einen Torturm mit seitlichen Flankentürmchen, zwei mächtige Ecktürme mit hochliegenden Turmkabinetten, die sich nach vorne schiebende Giebelseite eines hausartigen Gebäudes sowie ein kleines Rundtürmchen, daß sich noch in die Ecke zwischen der Giebelwand und der zurückliegenden Wand des Nordflügels zwängt. Betreten wir den Schloßhof, so erblicken wir auf der Südseite eine vornehme dreistöckige Renaissancegalerie (Abb. 138), an deren Ende sich ein mächtiger runder Treppenturm mit hochgelegenem Rückzugsraum erhebt (Abb. 138).344 Auf der gegenüberliegenden nördlichen Seite beeindruckt unser Auge ein weiterer, noch höherer Turm von rechteckiger Gestalt (Abb. 112), an dessen Außenwand im zweiten Obergeschoß ein reich dekorierter Erker mit den Wappen- und Namenstafeln des fürstlichen Bauherren hängt (Abb. 112). Der Turm wurde zusammen mit dem Nordflügel 1586–88 anstelle der alten Burggebäude, möglicherweise sogar des alten Schloßturms errichtet, die bei dem Brand von 1586 zerstört wurden. Und im Osten erhob sich bis zu seinem Abbruch 1795 das separat stehende ältere fürstliche Haus aus der Zeit von 1520ff., dessen Äußeres Herzog Ulrich III. mit Zwerchhäusern, den eigenen Wappen und einem aufwendigen Uhr- und Glockenwerk im zentralen Treppenturm aufwerten ließ (Abb. 95).345 Kein Zweifel: Sämtliche baulichen Hauptelemente, aus denen sich ein reichsfürstliches Schloß zusammensetzen muß und die seinen rechtlichen wie dynastischen Status bezeugen, sind vorhanden und mit ihnen der bei alten Schloßanlagen charakteBeachtung des funktionalen und ideengeschichtlichen Kontextes, in den solche Bemühungen gestellt waren, läßt deutlich werden, daß sich der nordeuropäische Manierismus keineswegs in einer Stillaune erschöpft, sondern der genuin eigenen Anverwandlung einer ›fremden‹ Ästhetik und ihrer Inhalte entspricht. Zur Debatte um den Manierismus-Begriff siehe zusammenfassend D. Arasse / A. Tönnesmann, 1997. 344 Zur Gestalt dieses Raumes siehe J. Fait, 1976, S. 320 ff. 345 W. Gernentz, 1963, S. 18 f.

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ristische Eindruck der über Generationen gewachsenen Vielgestaltigkeit. Altertümlichkeit wird zudem durch die malerische, scheinbar zufällige Verteilung großer und kleiner Fenster mit verschiedenartigen Gewändeprofilen und die beiläufige Störung der Fensterachsen suggeriert (Abb. 82). So ist es den Architekten, Franz Parr und Philipp Brandin, meisterhaft gelungen, das äußere Erscheinungsbild des Güstrower Schlosses wie die Summe einer über Jahrhunderte gewachsenen reichsfürstlichen Schloßbauästhetik erscheinen und damit inszenatorisch die beiden verheerenden Brände von 1557 und 1586 ungeschehen werden zu lassen. Daß es sich um eine Art »Potemkinsches Dorf« oder – positiv formuliert – um ein wahres Kunstwerk handelt, offenbart erst der zweite Blick. Denn die gesamte von altersweisem Charme durchzogene ehrwürdige Pracht und Herrlichkeit wird durch hochmoderne, renaissancezeitliche Einzelformen erzeugt. So sind die Fassaden überzogen mit Quaderwerk in geglätteter, diamantener oder rustizierter Form, mit Beschlagwerk, Säulchen und Kandelabern, runden und kassettierten Nischen – alles fein säuberlich horizontal geschichtet und durch Gesimse getrennt (Abb. 82). Doch vermögen weder das Renaissancedekorum noch ihre streng horizontale Anordnung den Eindruck eines modernen Renaissancebaus zu vermitteln, da hierzu nicht die Proportionen der einzelnen Geschosse, das vielgestaltige Fassadenrelief und die uneinheitliche, unruhige Bildung der Fensterachsen passen. Gerade letztere erwecken den Eindruck, im Inneren eine bunte Folge von kleinen und großen Stuben und Kammern vorzufinden, ganz so, wie es bei einem alten Schloß eben der Fall ist. Die Wirklichkeit sieht jedoch ganz anders aus und kann uns nach den am Fassadenbild gesammelten Erfahrungen kaum noch überraschen: Auch die altertümlichen Fensterzuschnitte sind nur Schein (Abb. 139), hinter dem sich das großzügige Raumprogramm einer fürstlichen Residenz der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts verbirgt!346

346 Hierauf hat als erster Stephan Hoppe in einer Analyse der Innenraumstruktur und ihres Verhältnisses zum Fassadenbild aufmerksam gemacht (St. Hoppe, 2000, S. 142 f.).

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Das Schloß als Sitz des tugendhaften Fürsten

6. Das Schloß als Sitz des tugendhaften, weisen und wachsamen Fürsten

Die enge Verbundenheit des landesherrlichen Schlosses mit der Sphäre von Recht und Dynastie, seine zentrale materielle wie ideelle Funktion im Bereich von »Herrlichkeiten« und »Gerechtigkeiten« und dem Komplex adliger Dignität hat die metaphorische Qualität von Schloßarchitektur in wesentlichen Teilen deutlich werden lassen. Immer wieder ist in den vorangegangenen Kapiteln dabei im Hintergrund das Thema der fürstlichen Ethik bzw. der Reflexion fürstlicher Regierungsauffassung in Erscheinung getreten und damit die Frage, inwieweit die Überzeugung einer göttlichen Begründung des Regententums auch in der architektonischen Gestalt des Schlosses reflektiert worden sein könnte. Im benachbarten Frankreich, in Paris, demonstriert die Ausgestaltung der Louvrefassaden des 16. Jahrhunderts anschaulich, wie sehr das Schloßgebäude als Wohnung eines mit göttlichen Tugenden versehenen Herrschers verstanden werden konnte. König Franz I. und sein Sohn und Nachfolger Heinrich II. ließen den von ihnen errichteten Louvreflügel mit Allegorien des guten, gerechten und wehrhaften Regiments schmücken, die in den Segmentgiebeln der turmartigen Risalite ihren Platz fanden. Links und rechts zu seiten der Segmentgiebel wurden Flammenvasen über Satyrköpfen plaziert, die als Symbol für den Sieg der Tugenden galten. Doch begnügten sich Franz I. und Heinrich II. bei der Darstellung des Louvre als Sitz des tugendhaften Königs nicht mit figürlichen Sinnbildern, sondern führten diesen Gedanken auch schriftlich aus: Auf einer früher in die Fassade eingelassenen Marmortafel wies eine lateinische Inschrift auf die unbesiegbaren Tugenden des Königs hin: VIRTUTI REGIS INVICTISSIMI .1 Darüber hinaus signalisierten kupfervergoldete Flammen auf den Dachfirsten französischer Schlösser die Anwesenheit des göttlichen Stellvertreters auf Erden im königlichen oder königsnahen Schloß: So trägt das um 1500 vom königlichen Marschall und Haushofmeister Charles II. d’Amboise unweit von Bourges errichtete Schloß Meillant bis heute kupfervergoldete Flammen auf dem Dachfirst seines Corps de 1 W. Prinz / R. G. Kecks, 1994, S. 473.

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Das Schloß als Sitz des tugendhaften Fürsten

logis (Abb. 38+140) als Zeichen der göttlichen Sapientia und Tugend des französischen Königs.2 Im Vergleich hierzu waren die Schlösser deutscher Fürsten bis ins 16. Jahrhundert wesentlich zurückhaltender gestaltet. Über die Studierstuben der Meißener Albrechtsburg (1471 ff.) läßt sich überhaupt zum ersten Mal nachweisen, daß die Vorstellung vom weisen und tugendhaften Herrscher Einzug in das architektonische Konzept deutscher Schlösser hält.3 Doch fehlt auch bei der Albrechtsburg noch jeglicher figürlicher Hinweis an der Fassade. Inwieweit dafür die Ausstattung ihrer repräsentativen Räume entsprechende Bildwerke bereithielt, kann nur vermutet werden. Im Wittenberger Schloß, der neben Torgau neuen Residenz Friedrichs des Weisen nach der Leipziger Teilung von 1485, sind jedenfalls umfangreiche gemalte Tugendzyklen in der Hofstube und dem Festsaal durch Andreas Meinhards »Dialogus« über Wittenberg überliefert.4 Ist von dieser Bildausstattung heute nichts mehr erhalten, so kann in den Repräsentationsräumen des Schmalkaldener Schlosses ein selten vollständig erhaltenes Tugendprogramm des ausgehenden 16. Jahrhunderts besichtigt werden.5 Die Anbringung bildhafter Zeichen am Außenbau als Hinweise auf das Schloß als Sitz eines tugendhaften Fürsten findet erst seit dem ersten Drittel des 16. Jahrhunderts Eingang in den deutschen Schloßbau. Auch hier dürfen die Residenzschlösser der sächsischen Kurfürsten ein weiteres Mal als wegweisend gelten. Den Auftakt bildet 1530 das monumentale Torhaus Herzog Georgs des Bärtigen in Dresden, das anstelle einer mittelalterlichen Toranlage den alten, von der Elbe am Schloß vorbeiführenden Weg überbaute (Abb. 18+19). Äußere Gestalt und Raumprogramm ließen im Ursprungszustand rasch deutlich werden, daß der wohnturmartige sog. Georgenbau nur in seinem Sockel-

2 Ebd., S. 193 f. 3 Wenig später lassen sich Ableger dieser Studierstuben auch im patrizischen Bürgerhaus der Reichsstädte nachweisen. In Nürnberg wurden die Schreibstuben in die zur Straße ausbuchtenden Erker, die sog. »Chörlein« gelegt: »In den Nürnberger Quellen des ausgehenden 15. Jh. werden die später ›Chörlein‹ genannten Fassadenausbauten als ›Studiorum‹ bzw. ›Schreibstüblein‹ bezeichnet« (B. Keller, 1981, S. 50). Siehe hierzu auch W. Paeseler, 1932, S. 18; W. Haubenreisser, 1961, S. 9; E. Mulzer, 1965, S. 171. 4 Zur Beschreibung und Thematik siehe A. Meinhard, 1508, sowie die Edition von E. Reinke, 1976, S. 134 ff.; eine Übersicht über die gemalten Tugendallegorien findet sich bei F. Bellmann u. a., 1979, S. 237. 5 Eine ausführliche Analyse erfolgt in Kap. 6.6.

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Das Schloß als Sitz des tugendhaften Fürsten

geschoß die Funktion eines Torhauses erfüllt, im übrigen jedoch den Zwecken einer herrschaftlichen Hofhaltung (der beiden herzoglichen Söhne Johann und Friedrich) diente. Über die mit italienischem Renaissancedekorum und einem außergewöhnlichen, antilutherischen Bildprogramm versehenen Fassaden hat bereits Heinrich Magirius eine konzise Analyse vorgelegt.6 Sie stellt als zentrale Aussage des theologisch durchdachten Programms die Unauflöslichkeit von Erlösungshoffnung und Werkgerechtigkeit heraus, der der Fürst in seinem Regierungshandeln gerecht werden mußte: »Zum Inhalt der diesbezüglichen Schrifttafel mit zahlreichen Bibelsprüchen bekennen sich Georg und Johannes [die Söhne Herzog Georgs, Anm. M.M.], die als Bauherren in den Zwickeln über dem Portal [der Südseite, Anm. M.M.] dargestellt sind und dem Medaillon mit dem ›wahren‹ Antlitz Christi oberhalb der Spruchtafel gläubig entsprechen«.7 Gleiches gilt auch für den regierenden Herzog selbst, dessen Namenspatron, der hl. Georg, an der Südfassade erscheint. Insgesamt darf der Georgenbau als der ehrgeizige Versuch des katholisch gesonnenen und reichstreuen sächsischen Herzogs gelten, die Hofhaltung seiner beiden Söhne zu einem Denkmal für das ethisch-religiöse und politische Bekenntnis der albertinischen Wettiner werden zu lassen und auf diese Weise auch nach außen hin seine Nachfolger auf die religiöse und politische Tradition zu verpflichten. Für ein solches Anliegen war der Georgenbau geradezu prädestiniert, weshalb sich die von Magirius aufgeworfene Frage, »wieso derart komplizierte theologische Lehrmeinungen an den Fassaden eines Renaissanceschlosses abgehandelt werden«, wo man doch »eher […] die Selbstdarstellung des Fürsten und seiner Macht erwarten« würde,8 letztlich so nicht stellt. Die Antwort auf den programmatischen Torbau Herzog Georgs gab der Um- und Neubau des Torgauer Schlosses (Abb. 15–17). Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige ließ ab 1533 nicht nur sämtliche Flügel mit aufwendig dekorierten Zwerchhäusern ausstatten, sondern nutzte darüber hinaus das Element des Erkers intensiv zur Darstellung fürstlicher Tugendhaftigkeit. So waren die seit dem Dreißigjährigen Krieg stückweise abgebrochenen Zwerchhaus- und Turmgiebel in Torgau mit Tugendallegorien und Kugeln (im Sinne von Erd- und Himmelskugeln) geschmückt, die zeichenhaft an die ethische Verantwor-

6 H. Magirius, 1989. 7 Ebd., S. 47. 8 Ebd.

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tung einer weisen und gerechten fürstlichen Herrschaft erinnerten.9 Gleiches gilt für die beiden seitlichen Erker (Abb. 77), von denen der nördliche bis heute die originalen Bildreliefs trägt, deren Mittelpunkt eine Darstellung von Adam und Eva unter dem Baum der Erkenntnis einnimmt. Die Betonung der von Gott eingesetzten, auf Tugendhaftigkeit und Weisheit verpflichteten fürstlichen Regentschaft ist im übrigen auch das Thema der Bildreliefs des sog. Schönen Erkers (Abb. 43), der 1544 an der Hofseite des Nordflügels angebracht wurde: Eingerahmt von zwei Friesen mit nackten Reitern erscheinen in Rundmedaillons die beiden Heldinnen Lucretia und Judith mit dem Haupt des Holofernes. Als Sinnbilder mahnen sie den Fürsten im allgemeinen, es bei seinem Regiment nicht an Selbstüberwindung, Tapferkeit, Opfermut und Klugheit fehlen zu lassen, und den sächsischen Kurfürsten im besonderen, seine Regententugenden für die Verteidigung des protestantischen Bekenntnisses zu gebrauchen.10 Setzen wir die solchermaßen allegorisch ausgezeichneten Erker- und Giebelfassaden in eine Beziehung zu den dahinterliegenden Räumlichkeiten (Abb. 44), wird deutlich, daß sich Bildprogramme und Raumfunktionen logisch entsprechen: Sämtliche Räume besaßen offiziellen Charakter, sei es als Hofstube, fürstliche Tafelstube, Festsaal, Gerichtsraum oder aber als Appartement für den kurfürstlichen Hausherrn bzw. seine herrschaftlichen Gäste.11 Die in Torgau gesetzten Standards wurden in der Folgezeit nicht zuletzt im mitteldeutschen Raum rezipiert und auch überboten. Eine Rezeption des Torgauer Schönen Erkers erfolgte beispielsweise im Bernburger Schloß, dessen sog. Joachim-Ernst-Bau, den sich der Nachfolger des anhaltischen Fürsten Wolfgang als fürstliches Haus errichten ließ, mit zwei mehrgeschossigen Erkern an der Hofseite besetzt wurde (Abb. 70+74). Während der eine Erker die anhaltischen Wappenschilde trägt, ist der andere Erker mit Bildreliefs der vier Kardinalstugenden (Justitia, Temperantia, Caritas und Fides) geschmückt. In Dresden, dessen Schloß Moritz von Sachsen ab 1548 zum prachtvollen kurfürstlichen Residenzschloß erweitern läßt, werden schließlich die 9 Zum ursprünglichen Aussehen der Zwerchhausgiebel siehe die hierin recht exakten Darstellungen von Lucas Cranach d. Ä. u. J. (vor allem die verschiedenen Hirschjagdbilder mit Schloß Torgau im Hintergrund). 10 Zur Bedeutung Judiths als Symbolgestalt für den Protestantismus und zu ihrer Rezeption in der Kunst der Reformationszeit siehe W. Schade, 1972; H. BörschSupan, 1974; A. Straten, 1983, S. 27. Zur Bedeutung Lucretias siehe Zapalac, 1990, S. 108–134. 11 Zur Rekonstruktion siehe St. Hoppe, 1996, S. 167 ff., S. 193 ff.

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ganzen Fassaden mit aufwendigen Sgraffitomalereien überzogen und die Rückwand der Loggia am Hausmannsturm (Abb. 53) mit farbigen Fresken bemalt, deren ikonographisches Programm den sächsischen Kurfürsten als rechtmäßigen und tugendhaften protestantischen Herrscher von Gottes Gnaden vor Augen stellen. Das Pendant hierzu sind die Sgraffitomalereien im ebenfalls protestantischen kurpfälzischen Schloß Neuburg an der Donau.12 Außerhalb der mitteldeutschen Territorien stellt Schloß Gottorf ein wichtiges Beispiel aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts dar. Hier wurde um 1530 das sog. Neue Haus (Abb. 94) als repräsentatives Gebäude für den schleswigschen Herzog und dänischen König errichtet und durch das applizierte Bildprogramm als Sitz eines der Heilsgeschichte verpflichteten Regenten ausgezeichnet. In die Fassadenwand links und rechts der sog. Laterne, die als turmartiger Standerker die Fassadenmitte beherrscht, waren ursprünglich Terrakottabildnisse eingelassen, die dem Betrachter Passions- und biblische Historiendarstellungen sowie Tugendallegorien zeigten.13 Daß ein entsprechendes allegorisches Verständnis für den frühneuzeitlichen Regierungsbau grundsätzlich vorhanden war, vermögen im übrigen verschiedene überlieferte Bewertungen reichsstädtischer Rathausbauten zu illustrieren.14 Da sie innerhalb des reichsstädtischen Territoriums gewissermaßen das fürstliche Schloß ersetzen, ist ihre Beurteilung durchaus auch für die landesherrlichen Residenzschlösser aufschlußreich. Über das 1620 erbaute Augsburger Rathaus heißt es in einer 1657 veröffentlichten »Beschreib- und Auslegung« seiner künstlerischen Ausstattung: »Das Rathaus ist ein Tempel und Wohnung der Heiligkeit, ein Sitz der Weisheit und aller Vortrefflichkeit, ein Ort des öffentlichen Raths, ein Haupt der gantzen Stadt, eine Freyung und Zuflucht sowohl der Bürger als Nachbarn, ein Gestatt und Einkehr aller Völcker, ja ein Sitz und Wohnung, so diesem Ort allein und keinem andern von dem gantzen Volck auserwählt und zugeeignet worden«.15 Die Würdigung des repräsentativen Regierungsgebäudes der Reichsstadt Augsburg ist unverkennbar ein Lob auf die hohen bürgerlichen Tugendideale, die erst in einer freien

12 Zu den Fassadenmalereien des Dresdner und Neuburger Schlosses siehe ausführlich U. Heckner, 1995. Zur Dresdner Loggia siehe auch oben Kap. 3.4, S. 79 ff. 13 Zum Gottorfer Neuen Haus und seinem Bildprogramm siehe J. Habich, 1986, 1997; siehe desw. K. Schlüter, 1989; H. K. Schulze, 1997 (Bauarchäologie). 14 Siehe hierzu S. Tipton, 1996. 15 M. Sendel, 1657, S. 2. Siehe hierzu auch B. Roeck, 1999, S. 121. Zum Augsburger Rathaus siehe Ders., 1984; Ders., 1985, S. 172–221; B. Bushart, 1993.

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Reichsstadt – frei vor allem von landesherrlicher Bevormundung – vollkommen zur Entfaltung gelangen können. Der Einschätzung des reichsstädtischen Rathauses als »Tempel und Wohnung der Heiligkeit«, als »Sitz der Weisheit und aller Vortrefflichkeit« braucht nicht widersprochen zu werden, doch sollte man sich seiner architekturgeschichtlichen Wurzeln erinnern. Diese aber gründen weniger in einer bürgerlichen als vielmehr in einer ausgesprochen höfischen Vergangenheit: Auch wenn der Stolz der reichsfreien Augsburger Bürger sich verständlicherweise darüber ausschweigt, so war der Prototyp des irdischen Sitzes der Weisheit zumindest im Alten Reich kein Rathaus, sondern ein Schloß.16 Die Charakterisierung des Augsburger Rathauses in den höfischen Kategorien weiser und tugendsamer Herrschaftsausübung ist ein ausgesprochen reflexiver Vorgang, bei dem im Rathaus letztlich immer auch das Spiegelbild des Schlosses erscheint.17 Daß dieses enge Verhältnis zwischen höfischem Urbild und städtischem Abbild nicht von vorneherein im Sinne eines Antagonismus’ gedacht wurde, sondern auch ein territorialpolitisches Beziehungssystem zwischen Hof und Stadt ausdrücken konnte, soll in einem späteren Kapitel anhand der landesherrlichen Rathäuser dargelegt werden.18 Obwohl der reichsstädtische Rathausbau als Wohnstätte der Sapientia und Prudentia im heutigen allgemeinen Bewußtsein weitaus stärker verankert ist, als das fürstliche oder königliche Schloß, ist dessen Bedeutung als ›Hort der Tugend und Weisheit‹ ein alter Topos.19 Bereits 16 Diese Feststellung läßt die von Bruno Bushart (B. Bushart, 1993) für die Konzeption des Augsburger Rathauses aufgezeigten Verbindungen nach Venedig vollkommen unbeschadet. 17 Aufschlußreich ist hier auch das schloßähnliche Rathaus von Antwerpen (1561–1565): Dessen turmartiger Mittelrisalit trägt ein vielschichtiges, auf den kaiserlichen Stadtherrn Philipp II., die für Antwerpen zuständige Provinz Brabant und den Rat der Stadt bezogenes allegorisches Programm, das u.a. die göttlichen und irdischen Regententugenden zum Gegenstand hat; siehe hierzu H. Bevers, 1985 (zur Architektur des Mittelrisalits S. 30 ff.; zum Programm S. 41 ff., S. 55 ff.), mit konkreter politischer Ausdeutung der Ikonographie im Kontext der Zentralisierungsbestrebungen des spanischen Landesherrn Philipps II. 18 Siehe Kap. 7. 19 Charakteristisch für die oftmals mangelhafte Einschätzung von Residenzschlössern als Sitze des tugendhaften Regenten ist die ansonsten verdienstvolle Arbeit von Susan Tipton, die sich mit der Präsentation des guten Regiments in den Dekorationsprogrammen von Rathäusern freier Reichsstädte und Stadtrepubliken beschäftigt. Tiptons Einschätzung fürstlichen Regententums geht vollkommen an der Realität vorbei: »Die Dichotomie zwischen der höfischen und der kommunalen Ikonographie wird in den Rathausprogrammen des 16. und 17. Jh.s über-

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für die Zeit des 11./12. Jahrhunderts kann aus der höfischen Literatur erschlossen werden, daß Schloßbauten über die zeichenhafte Ausstattung ihrer Innenräume als Orte weltumspannender Bildung und göttlicher Weisheit definiert worden sind. Als Beispiel sei hier das um 1100 entstandene Gedicht des Bischofs Baudri von Bourgueil an die Gräfin Adele von Blois (»Adelae Comitissae«) genannt, in dem die Kemenate der Gräfin im Schloß von Blois beschrieben wird.20 Die gesamte, sehr aufwendige Raumausstattung dient nicht nur der bildkünstlerisch umgesetzten Vorführung von Wissen und Bildung, sondern ebenso der Vergegenwärtigung ihrer ethischen Funktion im Kontext herrschaftlicher Regierung: Wandteppiche erzählen die Geschichte der Menschheit von der Genesis bis zur historischen Gegenwart der Gräfin, der Marmorfußboden bildet eine Weltkarte ab, während die Decke ein künstlicher Himmel mit den Tierkreiszeichen ziert. Statuen als Personifikationen der Philosophie, der Sieben freien Künste sowie der Medizin umstehen das Prunkbett der Gräfin und sind vermutlich als bewegliche, sprechende Automaten gedacht gewesen. Wie Bischof Baudri in seinem Gedicht betont, wurde die geschilderte Ausstattung unter maßgeblicher Beteiligung der gebildeten Gräfin entworfen,21 die hierin als Inkarnation salomonischer Weisheit erschien. Obwohl die Beschreibung der herrschaftlichen Kemenate mehr als zweihundert

deutlich. Für die Fürsten war die Darstellung der Pflichten ihrer Regentschaft kein vordringliches Anliegen. Die Ressorts bedienten zunehmend die fürstlichen Räte und Beamten. Für den Fürsten ist das Regiment eine Bürde, keine Würde, und vor allem eine Last, die ihn an der Wahrnehmung seines adligen Lebensstiles hindert. Der Fürst stellt in der Residenz seine Territorien, die Galerie seiner Ahnen oder die Tugenden des idealen Herrschers dar. Das Amtsethos des ›bonum commune‹ und die Darstellung der ›Ressorts‹ der Politik sind hingegen die Legitimation der Kommune, die statt Gottesgnadenanspruch nur den göttlichen Verwaltungsauftrag für sich anführen kann« (S. Tipton, 1996, S. 195). 20 Baudri von Bourgueil, Oeuvres poétiques, Nr. CXCVI, S. 196–231 und Kommentar S. 231–253. 21 Baudri von Bourgueil, Oeuvres poétiques, »Adelae Comitissae« V. 103 f., V. 1330 f. Die Forschung ist sich allerdings sicher, daß der Bischof das Innere der gräflichen Kemenate von Blois in dieser Weise gar nicht gesehen haben dürfte. Baudris Gedicht ist ein literarischer Text und sollte ungeachtet der realistischen Beschreibungen auch als solcher gewertet werden. Doch selbst wenn die Kemenate der Gräfin Adele in der beschriebenen Weise nur Fiktion sein sollte und sich ihre literarischen Vorlagen nachweisen lassen, so ist sie in ihrem Gesamtcharakter sehr wohl wirklichkeitsbezogen: »Das ganze Huldigungsgedicht hätte kaum einen Sinn, wenn es nicht tatsächlich ein solches Prunkzimmer gegeben hätte« (J. Bumke, 1986, Bd. 1, S. 157). Siehe zur Frage des Wirklichkeitsgehalts in der mittelalterlichen Epik auch E. Köhler, 1970.

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Jahre vor der Einrichtung von speziellen Studierzimmern im Papstpalast von Avignon bzw. dem königlichen Schloß von Vincennes und ca. 400 Jahre vor Isabellas d’Este Studiolo im Castello di S. Giorgio in Mantua entstanden ist,22 erinnert sie auf bemerkenswerte Weise an diese symbolträchtigen Räume herrschaftlicher Regentenweisheit. Im Medium der höfischen Literatur wird somit die Antizipation eines Raumtyps faßbar, der im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit zum Inbegriff für das Schloß als Wohnsitz der im Fürsten bzw. der Fürstin inkarnierten Sapientia werden sollte. Wie sehr das Schloß bis weit in die frühe Neuzeit hinein unter dem Aspekt des weisen und tugendhaften Regenten betrachtet wurde und dabei neben der patriarchalischen Umsetzung auch die wehrhafte Verteidigung dieses ethisch-moralischen Anspruchs im Vordergrund stand, vermögen vor allem seit dem 16. Jahrhundert als eine andere höfische Textgattung die Hofordnungen zu veranschaulichen. Die Hofordnungen sind für unser Thema deswegen von Interesse, da ihren Geboten für angemessenes Verhalten bei Hofe einerseits die in den Fürstenspiegeln erhobenen Maßstäbe an fürstliches Handeln zugrunde liegen und andererseits das geforderte ordnungsstiftende, ethischmoralische Verhalten unmittelbar auf bestimmte Baulichkeiten bzw. Räumlichkeiten des Residenzschlosses bezogen wird. Wegen ihrer Bedeutung für die Schloßbauforschung des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit werden die Hofordnungen als Quellengattung in einem eigenen Kapitel vorgestellt.23 Der hohe Stellenwert, den die Texte der Hofordnungen und Fürstenspiegel für das Hofleben und Regierungshandeln besaßen, hatte seine Auswirkungen im übrigen auf das Dekorationsprogramm der Innenräume eines Schlosses. Anhand der Wandfresken in den Repräsentationsräumen von Schloß Wilhelmsburg in Schmalkalden soll dieser Zusammenhang zwischen höfischer Ordnungs- und Regentenliteratur und wandfester Raumausstattung exemplarisch vorgeführt und die Zeichenhaftigkeit frühneuzeitlicher Schloßarchitektur auch in dieser Hinsicht verdeutlicht werden.24 Die in den Fürstenspiegeln und Hofordnungen zum Ausdruck gebrachte Einschätzung, daß sich im fürstlichen Schloß und dem von hier aus regierten Territorium das irdische Abbild einer höheren, gött-

22 Siehe hierzu die grundlegende Arbeit von W. Liebenwein, 1977, S. 30 ff., S. 103 ff.; siehe auch den Katalogband des Kunsthistorischen Museums Wien über Isabella d’Este, Wien 1998. 23 Siehe unten Kap. 8. 24 Siehe Kap. 6.6.

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lichen Ordnung manifestiert, findet ihre sinnfällige Entsprechung in bestimmten Formen der bildlichen Darstellung von Schloßbauten. Sie erscheinen häufig wie Veduten im Hintergrund von Bildwerken heilsgeschichtlicher Provenienz, im Kontext von Tugend- und Gerechtigkeitsbildern oder aber – wie in prominenter Weise in den »Très Riches Heures« des Duc de Berry – als Hauptgegenstände auf den illustrierten Seiten von Stundenbüchern.25 Im Sinne von »Gottesburgen« und Allegorien des Himmlischen Jerusalems verweisen sie hier auf die heilsgeschichtlich-kosmische Dimension der von Gott eingesetzten und mit Sapientia und Prudentia ausgestatteten fürstlichen Regierung. Ähnlich wie bei den Textquellen kann auch bei den Bildquellen der für die Schlösser gewählte Darstellungsmodus und seine inhaltliche Funktion auf mittelalterliche Wurzeln zurückgeführt werden, die dem spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kontext angepaßt wurden. Da es sich bei der allegorischen Deutung solcher Schloßdarstellungen um ein offensichtliches Forschungsdesiderat handelt, wird dieses Thema in der vorliegenden Arbeit ebenfalls in die Analyse einbezogen.26 Die folgenden Kapitel werden zeigen, wie sich im Zusammenspiel der verschiedenen architektonischen und bildkünstlerischen Medien das Schloß nicht allein als Rechtsdenkmal, dynastisches Erinnerungsmal oder als Wehranlage präsentiert, sondern ebenso als unbezwingbare Tugendburg, die dem guten fürstlichen Regiment als sicherer Hort zu dienen hatte.

6.1 Der Turm als Sinnbild fürstlicher Tugendhaftigkeit Der christlichen Tugendlehre hatte der Fürst nicht nur Folge zu leisten, sondern durch seinen ganzen – inneren wie äußeren – Habitus die Verkörperung bzw. ein Exemplum christlich-moralischer Tugendhaftigkeit zu sein. Erst in ihr findet die exklusive Stellung des Adelsstandes letztlich ihre Berechtigung und Erfüllung.27 Um diesem hohen Anspruch gerecht zu werden, mußte der Fürst neben den Geboten der Justitia ebenso diejenigen von Temperantia, Fortitudo und Prudentia, d. h. Mäßi-

25 Zu den Schloßdarstellungen auf den Monatsbildern der Très Riches Heures siehe M. Müller, 2000c. 26 Siehe unten Kap. 6.7 ff. und Kap. 6.8. 27 Siehe hierzu die kommentierte Edition frühneuzeitlicher Fürstenspiegel von H.-O. Mühleisen u. a., 1997.

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gung, Standhaftigkeit und Klugheit befolgen. Doch auch diese vermochten erst ihre staatsethische Wirksamkeit zu entfalten, wenn sie aus dem Geist von Fides, Caritas und Spes, d. h. aus dem christlichen Glauben, der Liebe zu Gott und den Menschen und der christlichen Hoffnung erwuchsen. Erst dann besaß der Fürst Sapientia, göttliche Weisheit, und vermochte ein weiser Herrscher zu sein, der seinem Urbild, König Salomo, entsprach. Es ist vielleicht bezeichnend, daß alle diese Tugenden seit dem hohen Mittelalter allegorisch in Gestalt von turmreichen Schloß- und Burganlagen dargestellt wurden. Die Tugendburg, oftmals bekämpft durch die Laster, war ein Topos, zu dessen Veranschaulichung bemerkenswerterweise bis in die Frühe Neuzeit hinein überwiegend Schlösser von altertümlicher Gestalt dienten, wie unterschiedliche Beispiele aus der Buchmalerei oder der Druckgraphik zeigen.28 Exemplarisch verweise ich hier auf zwei Miniaturen und eine Tapisserie aus dem frühen 15. Jahrhundert (Abb. 141+175): die beiden Miniaturen befinden sich in den Werken »Omnium virtutum et viciorum delineatio«29 sowie »Le Château périlleux« und »L’Horloge de Sapience«,30 die Tapisserie im Rathaus von Regensburg.31 Die Bauform dieser Burgen und Schlösser ist geprägt durch eine Vielzahl von Türmen, von deren Zinnen herab die Tugenden den mühsamen Kampf gegen die allgegenwärtigen Laster aufnehmen. In diesen Bildern werden Schloßbau bzw. Turmarchitektur und Tugenden als unauflösbare Einheit dargestellt. Beide sind sichtlich aufeinander angewiesen: Denn ohne befestigtes, mit Türmen ausgestattetes Schloß sind die Tugenden gegenüber den Lastern wehrlos, und ohne die zu schützenden Tugenden fehlt dem Schloß seine moralische Existenzberechtigung, will es nicht als Zwingburg der Laster enden und seine Aufgabe als Hort der Tugend pervertieren lassen. Auch hierfür gibt es Bildbeispiele von suggestiver Qualität, so das bren-

28 Zum Motiv der Tugend- und Minneburg in der Literatur und bildenden Kunst des Mittelalters und der frühen Neuzeit siehe F. Saxl, 1927; Ders. 1942; H. Kreisselmeier, 1957; W. Blank, 1970; Ders. 1986; A. Janssen 1989. 29 Biblioteca Casanatense, Cod. 1404, fol. 26v (Abb. in W. Schild, 1995, S. 62, Abb. 41). 30 Paris, Bibliothèque Nationale, Cod. franc. 445. 31 Zum Vergleich mit älteren Burgdarstellungen in ähnlichem thematischen Kontext siehe eine Reihe von Miniaturen des 14. Jahrhunderts: z. B. Belagerung der Minne- bzw. Tugendburg, Peterborough Psalter, England, um 1300 (Brüssel, Bibl. Royale Albert Ier KBR , MS 9961, 9962, fol. 91v), oder Justitia und Fortitudo, Miniatur aus dem Ambraser Codex für König Robert den Weisen von Neapel, 14. Jh. (Wien, Kunsthistorisches Museum, Cod. ser. nov. 2639, fol. 33).

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nende Höllenschloß aus dem »Heuwagentriptychon« von Hieronymus Bosch.32 Im übrigen hat diese abgründige Seite von Burgen- und Schloßarchitektur ihre spektakuläre Darstellungsform in den Feuerwerksschlössern der höfischen Feste gefunden.33 Wie sehr neben dem befestigten Schloß im allgemeinen besonders die Turmbauten als Wohnstätten der Tugenden verstanden wurden, verdeutlicht die Überlieferung eines höfischen Festzuges aus dem italienischen Quattrocento: Beim Triumphzug Alfonsos V. von Aragon 1443 durch Neapel wurde ein Turm mitgeführt, auf dem die personifizierten Tugenden Magnanimitas, Constantia, Clementia und Liberalitas angebracht worden waren.34 Besonders die Eigenschaften der beiden Fürstentugenden Fortitudo und Prudentia, der Standhaftigkeit und der Klugheit, werden seit dem späten Mittelalter allegorisch mit der Turmarchitektur umschrieben. In der Malerei (sowohl Wand-, als auch Tafel- und Buchmalerei) des 14. und 15. Jahrhunderts lassen sich eine Fülle von Beispielen finden, die Fortitudo außer mit der Säule mit dem Turm als Attribut zeigen.35 Darüber hinaus taucht der Turm als Sinnbild der Fortitudo in der Ikonographie des Strafrechts auf. Besonders bei Darstellungen der Feuerprobe (zur Herbeiführung eines Gottesurteils) bildet oftmals ein Turm die Hintergrundskulisse, um sowohl den Rechtsbezirk als auch die Standhaftigkeit des Delinquenten zu bezeugen. Als Beleg verweise ich auf eine frühe Abbildung im Codex Lambacensis (12. Jh.), die uns recht eindrücklich die Furcht des Delinquen32 Siehe hierzu unten Kap. 6.8. 33 Zur Verwendung des Motivs der Tyrannenburg in den Feuerwerksschlössern der höfischen Feste siehe U. Schütte, 1994, S. 258 ff. 34 Siehe hierzu H. W. Kruft, 1975. 35 Siehe beispielsweise Justitia und Fortitudo (Abb. 142), Miniatur aus dem Ambraser Codex für König Robert den Weisen von Neapel, 14. Jh., Wien, Kunsthistorisches Museum, Cod. ser. nov. 2639, fol. 33. Dargestellt sind Justitia, die auf einer Thronbank sitzt, und Fortitudo, die vor der Thronbank mit einem Löwen kämpft. Die Gestalt der Fortitudo ist rückseitig mit einem Wehrturm – ihrem Sinnbild – verbunden, der zusammen mit Fortitudo den freien Platz auf der Thronbank einzunehmen scheint. Zu Füßen der beiden Tugenden liegen in menschlicher Gestalt die besiegten Laster. Im 15. Jahrhundert wird das allegorische Motiv aus personifizierter Fortitudo und Turm modifiziert: Statt mit dem überlebensgroßen Turm rückseitig verbunden zu sein, hält die Gestalt der Fortitudo nun zumeist den Turm als Attribut im Arm (vgl. z. B. die Darstellung der Fortitudo in La Canzone delle Virtue, Faksimile, hg. von L. Dorez, Bergamo 1904, f. 6v). Desgleichen erhalten die zugeordneten Untertugenden eigene Personifikationen und werden nicht länger inschriftlich an der Turmvorderseite aufgeführt (siehe hierzu J. O’Reilly, 1988, S. 128).

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ten vor den glühenden Eisen und den stärkenden Zuspruch seiner Frau vor Augen führt (Abb. 143), sowie auf eine Darstellung des Pflugscharengangs der hl. Kunigunde (Abb. 144). Wolfgang Katzheimer, der dieses Bild um 1490 malte,36 unterteilte es senkrecht in drei Bildfelder, die von der Darstellung der alten, unter Kaiser Heinrich II. begründeten Bamberger Bischofspfalz hinterfangen werden. Im linken Bildfeld befindet sich die des Ehebruchs bezichtigte Kaiserin Kunigunde mit weiblichem Gefolge und schreitet über glühende Pflugscharen in das mittlere Bildfeld hinein. Auf der gegenüberliegenden Seite, im rechten Bildfeld, steht derweil ihr Gemahl, Kaiser Heinrich, und beobachtet mit seinem männlichen Gefolge das Ergebnis des angestrebten Gottesurteils. Das mittlere Bildfeld selbst wird weitestgehend freigehalten, so daß die dort befindliche letzte Pflugschar im Vordergrund sowie der repräsentative Wohnturm der Pfalz im Hintergrund ein besonderes Gewicht innerhalb der Darstellung erhalten. Die Bedeutung des Turmes wird noch dadurch unterstrichen, daß seine eine Seite von Kopf und Nimbus der hl. Kunigunde vollständig überschnitten und auf diese Weise eine enge Verbindung zwischen der Heiligen und dem Turm hergestellt wird: Offensichtlich soll der herrschaftliche Wohnturm zugleich den Tugendturm verkörpern und als Sinnbild der Tugendhaftigkeit Kunigundes dienen. Als Klammer aller drei Bildfelder fungiert die Bischofspfalz, die sich hinter dem Wohnturm über den ganzen Bildhintergrund erstreckt und durch ihre Gründungsgeschichte in enger Beziehung zum Kaiserpaar Heinrich II. und Kunigunde steht.37 Auch für das enge Verhältnis von herrschaftlichem Turmbau und Prudentia ließen sich Bildquellen herbeiholen. Doch in diesem Fall können wir uns auf ein bemerkenswertes Zusammenspiel von gebauter Turmarchitektur und erläuternden Schriftquellen stützen, auf das ich hier nur kurz eingehen möchte, da es im nächsten Kapitel ausführlich behandelt wird. Daß der Turm eines Schlosses ein Sinnbild für den Ort der fürstlichen Klugheit und Weisheit, Prudentia und Sapientia, abgeben kann, ist seit der berühmten Äußerung Christines de Pisan schriftlich belegt.38 In ihrer Biographie über den französischen König 36 Bamberg, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Altdeutsche Galerie. 37 Bemerkenswert an dieser Schloßdarstellung ist im übrigen ihre wirklichkeitsgetreue Zusammensetzung aus Bauteilen verschiedener Epochen: Während der Wohnturm und die Gebäudeteile auf der rechten Seite den Neubaumaßnahmen des späten 15. Jahrhunderts zugehören, stammt der sich links anschließende, in den Formen der hochromanischen Palasarchitektur errichtete Saalbau aus der Frühzeit der Bischofspfalz. 38 Christine de Pisan, 1936, S. 21 ff., S. 40.

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Karl V. lobt sie ausdrücklich seine »Prudence« (im Sinne von Sapientia und Providentia) und bringt sie mit zwei Räumen in Verbindung, deren Lage für unser Thema von hohem Aussagewert ist: Es sind die sog. Estudes, die beiden Studierzimmer, die hoch oben im Torbau des Donjons von Schloß Vincennes (Abb. 41) sowie in einem der Türme des Donjons selbst untergebracht waren.39 Die Verortung der göttlich inspirierten Weisheit in der Turmarchitektur ist allerdings keine Erfindung der Christine de Pisan. Sie folgt vielmehr einer alten hagiographischen Tradition, auf die bereits Wolfgang Liebenwein hingewiesen hat.40 Nach dieser Tradition bezeichnet der Turm (der sog. »turris speculationis«) mit seinen Fenstern den Ort von Kontemplation und Vision, so wie es u. a. Benedikt von Nursia und Augustinus schildern. Aufschlußreich ist hier der Visionsbericht Gregors von Tours, nach dem Gott von einem Turm herab auf die Welt blickt, während die Engel durch die Fenster (»speculas«) schauen. Doch so alt die Tradition auch sein mag, den Turm als Sitz der Sapientia und Providentia zu definieren, entscheidend ist, daß sich erst im französischen Schloßbau unter Karl V., d. h. seit dem 14. Jahrhundert der im Turm gelegene Studier- und Sammlungsraum als unverzichtbarer Teil des herrschaftlichen Raumprogramms zu etablieren begann. Dem waren – ebenfalls in Frankreich – vergleichbare Bemühungen im Papstpalast in Avignon vorausgegangen.41 Es sollte noch einmal einhundert Jahre dauern, bis die Estude auch im deutschen Schloßbau Beachtung fand. Dies geschah zum ersten Mal unter Ernst und Albrecht von Sachsen in ihrem neu erbauten Meißener Stammschloß (1471ff.).

6.2 Orte fürstlicher Sapientia: die hochgelegenen Rückzugsräume und Studierstuben Seit Versailles hat sich in den Köpfen der Zeitgenossen wie der modernen Wissenschaft der Eindruck verfestigt, kein anderes Bauwerk verkörpere derart suggestiv den Gedanken vom Wohnsitz des absolutistischen Herrschers, wie das barocke Residenzschloß Ludwigs XIV. Es war der zentrale, allein gültige Sitz des vicarius christi, von dem aus der Roi 39 Zur Bedeutung dieser hochgelegenen »Estudes« als Sitz der salomonischen Weisheit vgl. W. Liebenwein 1977, S. 37 ff. 40 W. Liebenwein, 1977, S. 26. 41 Ebd., S. 30 f.

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soleil Tag für Tag die Strahlen seiner Herrschaft in das Reich sandte. Eindrücklich wurde dieses Credo im architektonischen und zeremoniellen Bild festgehalten, wenn Ludwig XIV. jeden Morgen in seinem zentral angeordneten Paradeschlafzimmer beim Lever das Haupt erhob und dieses am Ende des Tages beim abendlichen Coucher wieder zur Ruhe neigte. Norbert Elias und Peter Burke haben dieses Geschehen und seine politischen Implikationen ausführlich – wenn auch natürlich nicht abschließend – gewürdigt.42 Der König als übergeordnetes Zentrum und Machtorgan, der als Staatsoberhaupt die Totalität gegenüber dem corpus mysticum bzw. politicum beansprucht,43 hat in Versailles fraglos seine bezwingende, ja despotische Form gefunden. Darüber wurde jedoch weitestgehend übersehen, daß der Boden für eine solche absolutistische Staatsarchitektur in Frankreich seit Jahrhunderten bereitet worden war und auch das benachbarte Deutsche Reich seit dem späten 15. Jahrhundert nicht unbeeinflußt gelassen hat. Wie im folgenden noch zu zeigen sein wird, kommt im Alten Reich den mitteldeutschen Territorien mit ihren führenden sächsischen Residenzen in Meißen, Wittenberg, Torgau und Dresden hierbei eine Schlüsselstellung zu, die jedoch ohne ihre französischen Voraussetzungen unverständlich bleibt. In Frankreich, von dem aus die Entwicklung des Residenzschlosses zu einem Sinnbild herrschaftlichen Supremats ihren Ausgang genommen hat, darf immer noch das königliche Schloß von Vincennes als Inkunabel gelten (Abb. 166). Mit seiner ausgesprochen zeichenhaften Gestalt,44 in der sich der Verweis auf die heilsgeschichtliche Dimension des französischen Königtums mit dem auf seine militärische wie geistigintellektuelle Vormachtstellung verbindet, dürfte das unter Karl V. errichtete Residenzschloß letztlich auch noch für Ludwig XIV. und sein Schloß Marly vorbildlich gewesen sein.45 Den denkmalhaften Charak42 N. Elias, 1983; P. Burke, 1995. 43 Siehe zu dieser frühneuzeitlichen Definition von caput und corpus E. Kantorowicz, 1990, S. 239 f. Zu Begriff und Geschichte des corpus mysticum siehe zusammenfassend ebd., S. 205 ff. 44 Zur Architektur siehe ausführlich U. Albrecht, 1986, S. 34 ff. 45 Dieser naheliegende, traditionsreiche Bezug ist in der Literatur zu Marly bislang nicht hergestellt worden. Angesichts der schier unerschöpflichen Assoziationsketten zur formalen Gestalt von Marly warnte Katharina Krause bereits vor den »Deutungsmöglichkeiten in bisher nicht gekannter Vielfalt« und verwies selbst nur auf das frühe Versailles als mögliches Vorbild (K. Krause, 1996, S. 77). Gerade in diesem Zusammenhang sollte die Rezeption der symbolträchtigen Anlage von Vincennes ebenfalls in die Überlegungen mit einbezogen werden. Zu Marly siehe grundlegend C. Hartmann, 1995.

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ter seines ab 1365 errichteten Residenzschlosses außerhalb von Paris hatte Karl V. im wesentlichen mit folgenden prägnanten Mitteln geschaffen: Das Schloß besteht vor allem aus einem von Mauern und Wohntürmen bewehrten Kastell, an dessen einer Längsseite in der Mitte ein hoher quadratischer Donjon mit mächtigen Rundtürmen an den Ecken aufragt. Während die Wohntürme in der Umfassungsmauer des Kastells einem exklusiven Personenkreis aus engsten Vertrauten des Königs und weiteren vornehmen Personen seines Umkreises als Wohnstätten dienten,46 war der Donjon dem König und seiner Familie vorbehalten. Den Zugang zu diesem repräsentativen Donjon sichert sowohl ein Graben als auch eine weitere Mauer, die nur an einer Stelle durch ein von Rundtürmen flankiertes Tor mit Zugbrücke unterbrochen wird. Zu Recht ist in der Forschung auf das Sinnbild der Himmelsstadt verwiesen worden, das in der Gestalt der rechteckigen äußeren Umfassungsmauer mit ihren Zinnen, Türmen und Toren vergegenwärtigt werden sollte.47 Und zutreffend ist auch die Beobachtung, daß Karl V. in der Form des Donjons an die hochmittelalterliche Tradition höfischen Bauens unter König Philipp Auguste anknüpfte.48 Doch seinen eigentlichen politisch-theologischen Sinn erhält das in Vincennes verwirklichte Architekturkonzept erst durch die Positionierung des Donjons als Hauptbezugspunkt der ganzen Schloßanlage und durch die Ausstattung eines seiner Türme und des vorgelagerten Torbaus (Abb. 41) mit einer sog. Estudes, einem Studierraum.49 Diese beiden Räume, zu denen nur der König Zugang besaß,50 bildeten die zentralen Orte geistiger Rekreation und Bildung innerhalb des Schlosses. Unabhängig davon, ob der König sie tatsächlich benutzte, postulierte allein ihr Vorhandensein den Anspruch der französischen Könige, reges sapien46 Die Biographin Karls V., Christine de Pisan, beschreibt die Absicht des Königs, die Wohntürme als Unterkünfte für einen exklusiven Personenkreis zu reservieren, folgendermaßen: Der König »avoit entencion d’y faire ville fermée, et là avoit establie en beaulz manoirs la demeure de plusieurs seigneurs, chevaliers et aultres ses mieulz amez, et à chascun y asseneroit rente à vie selon leurs personnes […]« (Chr. de Pisan, 1936, S. 40). 47 Liebenwein, 1977, S. 37 u. S. 178, Anm. 58.; siehe auch F. Dengler, 1994, S. 79 ff. (mit weiterer Literatur). 48 U. Albrecht, 1986, S. 36. 49 Zur Estude im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Schloßbau Frankreichs siehe auch U. Albrecht, 1986, S. 105, Anm. 21. 50 Die auf den König bezogene Exklusivität der Estudes läßt sich vor allem im Donjon beobachten: Dort ist die Estude nur vom königlichen Appartement aus zugänglich, besitzt also keinen weiteren Zugang wie etwa einen innen liegenden Treppenturm.

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tes zu sein, die das studium litterarum als irdische Quelle göttlicher Weisheit pflegten. Nicht zufällig wurden in unmittelbarer Nähe der im Donjon gelegenen Estude die Bücher aufbewahrt und befand sich im gegenüberliegenden Turm das private Oratorium. Wolfgang Liebenwein hat bereits vor längerer Zeit auf diese Zusammenhänge aufmerksam gemacht und auch den ursprünglich sakral-päpstlichen Kontext angesprochen, dem dieses ideelle wie bauliche Konzept entlehnt wurde.51 Für unser Thema entscheidend ist aber nun die Lage der solchermaßen ausgezeichneten Studierräume. Denn erst die sinnfällige Verortung in der baulichen Gestalt des Schlosses läßt die zunächst nur funktional erlebbaren Studierräume zu zeichenhaft wirksamen Bedeutungsträgern werden. Für beide Räume ist zunächst ihre im wahrsten Sinne des Wortes erhabene Position charakteristisch: Sowohl im Torbau als auch im Turm konnte der König hoch erhoben über dem Geschehen in Hof und Territorium seinen Studien nachgehen. Die enthobene und im Fall der Estude im Turm auch abgeschiedene Lage ist jedoch nicht allein unter dem Gesichtspunkt der Ungestörtheit zu betrachten, sondern besitzt einen auch physisch nachvollziehbaren Aussagewert: Hoch über den Köpfen seiner Untertanen und zugleich mitten unter ihnen thront der König als Inkarnation göttlicher Sapientia und Providentia, mit deren Hilfe er Alles, was im Reich geschieht, sehen und sein Territorium vorausschauend und beschützend regieren kann. Diese Bedeutung erschließt sich besonders sinnfällig in dem wehrhaften Torbau des Donjons, in dem sich das königliche Studierzimmer im Mittelbau zwischen den Flankentürmen direkt über der Tordurchfahrt befindet. Doch erst die im zweiten Obergeschoß des Südwestturms gelegene Estude vervollständigt das Bild: Während der Studierraum über dem Tor auf den Schloßhof ausgerichtet ist und hier den wachsamen Blick des weisen Herrschers veranschaulicht, bezieht sich der im Donjon gelegene Studierraum auf das umliegende Territorium. Nicht zufällig lobt Christine de Pisan – und in diesem Urteil nicht alleinstehend52 – zu Beginn des 15. Jahrhunderts in ihrer Biographie über Karl V. die »prudence« des Königs, der sich mit Recht »conduiseur de son peuple et garde-clef et fermeure de chasteaux et citez et villez« (d. h. weiser Führer seines Volkes und Schlüsselverwahrer und Torschließer der Schlösser, Städte

51 W. Liebenwein, 1977, S. 39 ff. unter Einbeziehung des von ihm zuvor analysierten Studiums Benedikts XII. im Papstpalast von Avignon (hierzu ebd., S. 31 ff.). 52 Zum Vergleich Karls V. mit Salomon siehe C. Richter Sherman, 1969, S. 77 ff., S. 81 f.; P. E. Schramm, 1939, S. 241 ff.

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und Dörfer) nennen dürfe.53 Ohne Zweifel ist sowohl in dieser Formulierung als auch in der sie visualisierenden architektonischen Form des Schlosses von Vincennes die Vorstellung vom König als Haupt des corpus mysticum bzw. politicum wirksam.54 Und so wie der König als Haupt des Staates mit den ihm verliehenen göttlichen Eigenschaften den ihm unterstellten Staatskörper mit Land und Leuten wachsam zu beschützen hatte, so hatte umgekehrt der Staatskörper mit seinen Gliederungen für den Schutz seines Oberhauptes zu sorgen. In der französischen Staatstheorie des späten Mittelalters hat diesen letzten Aspekt vor allem Jean Gerson angemahnt, der im ausgehenden 14. und frühen 15. Jahrhundert als Kanzler die Pariser Universität leitete.55 Es sollte einem Nachfolger Karls V. vorbehalten bleiben, diese in Vincennes erstmals architektonisch zur Anschauung gebrachte staatstheoretische Überzeugung in ein noch suggestiveres Bild umzusetzen. Ungefähr 170 Jahre nach Vincennes ließ sich Franz I. ab 1519 mitten im Jagdforst von Chambord ein neues Schloß errichten (Abb. 60–62), dessen Größe und gestalterische Raffinesse alles übertraf, was bis dahin in der Schloßbaukunst Frankreichs geleistet worden war. Bereits Wolfram Prinz erkannte den starken ikonographischen Aussagegehalt und charakterisierte Chambord als »eine gebaute Utopie Franz I., seine Darstellung des französischen Königtums in der Architektur«.56 Unübersehbar ist in diesem Schloß, das nicht zufällig im Jahr der Kaiserwahl nach dem Tod Maximilians I. begonnen wurde, das Vorbild von Vincennes verarbeitet: Einer Ikone gleich wurde die Grundform des bis dahin symbolträchtigsten französischen Königsschlosses in der Bauform des neuen Schlosses vergegenwärtigt. Daß dieser Bezug tatsächlich gewollt und nicht nur das gedankliche Konstrukt der Kunstgeschichte darstellt, belegt die direkt aufeinanderfolgende bildliche Wiedergabe von Vincennes und Chambord in Ducerceaus Stichwerk zu den »Plus excellents Bastiments de France« von 1576. Darüber hinaus ließ Franz I. beide Schlösser nebeneinander in der »Galerie de Cerf« in Fontainebleau abbilden. Wie Vincennes bildet auch Chambord in den Grundzügen eine Kastellanlage, an deren einer Längsseite in der Mitte ein hochaufragender Donjon über quadratischem Grundriß und mit Rundtürmen an den Ecken steht. Doch sollte Chambord keine Kopie, sondern eine zeitgemäße, das Vorbild letztlich übertrumphende Neuinterpretation wer53 54 55 56

Chr. de Pisan, 1936, S. 21 ff., S. 27. Siehe Kap. 6.2 Anm. 43. C. Schäfer, 1935, S. 55, Anm. 86; siehe auch E. Kantorowicz, 1990, S. 228 f. W. Prinz / R. G. Kecks, 1994, S. 399; siehe auch ausführlich W. Prinz, 1980.

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den. So besitzt die Fassadenstruktur zwar absichtsvoll immer noch ›mittelalterliche‹ Unregelmäßigkeiten (Abb. 60+62), doch werden sie von einem Gliederungssystem überspielt, das deutlich der italienischen Renaissancearchitektur entlehnt ist. Seinen Höhepunkt findet diese für gewöhnlich als »manieristisch« gewertete Syntheseleistung aus traditionsreicher alter und moderner neuer Form im Inneren des Schlosses: Dort schraubt sich als das eigentliche Zentrum des Ganzen die berühmte doppelläufige Wendeltreppe (Abb. 145) bis in eine Höhe von 56 Metern empor, um an der Spitze mit einer lichtdurchfluteten, von einer riesigen, kronenartigen Strebekonstruktion getragenen Laterne grandios in den Himmel zu weisen. Wer sich als Betrachter wie als Benutzer auf die Suggestionskraft dieser Treppenarchitektur einläßt, spürt beinahe intuitiv, wie hier Traditionsmächtigkeit und Expansionsdrang des frühneuzeitlichen französischen Königtums zu einem einheitlichen Bild fanden: Sowohl die Wendeltreppe als auch der abgeschiedene Laternenraum an der Spitze sollen an Vincennes erinnern. Doch wurden die im Donjon von Vincennes noch räumlich getrennten Elemente der Wendeltreppe und des hochgelegenen, abgeschiedenen Studier- bzw. Rückzugsraums in Chambord zu einer einzigen bildmächtigen Form zusammengeführt. Wer auf der Wendeltreppe von Chambord hinauf- oder hinabstieg, wurde zum lebenden Bild für die einzelnen Teile des Staatskörpers, er schritt gleichsam im architektonischen Abbild des corpus mysticum, mit dem Wissen ausgestattet, daß hoch oben an der Spitze der König als Kopf des Staatskörpers in einem eigenen Raum residieren konnte. Dieser in der Treppenturmlaterne befindliche Raum besaß nicht nur alle Merkmale großer Exklusivität (zu der nicht zuletzt die gemeißelten Aufsätze der Königs- und Kaiserkrone gehören), sondern ebenso die einer großen Distanz und Unnahbarkeit gegenüber den darunter liegenden Bereichen des Schlosses. Nur über eine separate, kleine Wendeltreppe zugänglich, bot dieser lichtdurchflutete Raum dem König das Erlebnis, sprichwörtlich zwischen Himmel und Erde, zwischen dem von ihm regierten Territorium und der ihn lenkenden göttlichen Vorsehung zu schweben. Die vorherrschende Lichtfülle und der weite Blick in das Land, der von diesem Raum aus möglich ist, dürfen daher nicht nur im Sinne des Landschaftsgenusses, sondern in besonderer Weise als Ausdruck des wachen, tugendhaften, von Sapientia, Prudentia und Providentia bestimmten königlichen Blicks verstanden werden.57 Nur mit seiner Hilfe 57 Diese Interpretation auch bei W. Prinz, 1980, sowie Dems. / R. G. Kecks, 1994, S. 399.

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konnte der König das Reich im Sinne allumfassender Patriarchalität verwalten und regieren. Deshalb sind auch an der Unterseite des Fußbodens bzw. der Decke, durch die das oberste Geschoß der großen, doppelläufigen Wendeltreppe von der Sphäre der darüber liegenden Turmspitze hermetisch getrennt wird, die Namensinitialen und Impresen des Königs spiegelbildlich angebracht worden (Abb. 146): Sie sollen von oben gelesen werden, von Gott selbst, der von oben herab auf die Erde und seinen hier waltenden königlichen Stellvertreter blickt.58 Für die heute leeren Figurennischen unterhalb der abschließenden, mit der spiegelverkehrten Namensinitiale Franz I. besetzten Decke der doppelläufigen Wendeltreppe rekonstruiert Wolfram Prinz ein zwar hypothetisches aber im aufgezeigten thematischen Kontext durchaus überlegenswertes Programm: Ausgehend von der Entrée Franz I. vom 12. Juli 1515, in der die Buchstaben des königlichen Namens, einer alten Tradition folgend, durch personifizierte Tugenden dargestellt wurden, schlägt Prinz entsprechende Skulpturen für die Figurennischen vor. Da es sich um acht Nischen handelt, wäre folgende Aufstellung der personifizierten Tugenden denkbar: F-OI / R-AYSON / A-TRAMPANCE / N-OBLESSE / C-HARITE / O-BEDIENCE / I-USTICE / S-APIENCE (= FRANCOIS ).59 Die Versammlung der königlichen Tugenden Franz’ I. hätte sich damit unmittelbar in der durchlichteten Zone am Ende der großen Wendeltreppe und direkt unter den für Gott zur Anschauung gedachten spiegelverkehrten Initialen »F« befunden! Doch auch unabhängig von einer solchen hypothetischen Rekonstruktion ist es offensichtlich, daß Franz I. in Chambord im Medium der Architektur eine Staatsikonographie schuf, die unübersehbar absolutistische Züge aufweist. Sie gleicht damit einer Positionsbestimmung der französischen Monarchie zu einem Zeitpunkt, als die Auseinandersetzung um den Grad der Vorherrschaft des Staatshauptes über die Gliederungen des Staatskörpers in Frankreich vehement geführt wurde.60 Chambord, so könnte man resümieren, nimmt nicht nur das Versailles Ludwigs XIV. vorweg, sondern konnte von diesem grundsätzlich auch nicht mehr übertroffen werden. Angesichts der absolutistischen Tendenzen, die dem französischen Architekturkonzept einer Vergegenwärtigung herrschaftlicher Sapientia seit Vincennes innewohnt, kann es nicht weiter verwundern, daß 58 Zur sinnbildlichen Darstellung der Sapientia in der Architektur von Chambord siehe darüber hinaus W. Prinz, 1980. 59 Siehe W. Prinz / R. G. Kecks, 1985, S. 278 f. mit Anm. 70. 60 E. Kantorowicz, 1990, S. 230 ff.

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seine Rezeption im Schloßbau des Alten Reichs nur zögernd erfolgte. Bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, daß es im spätmittelalterlichen deutschen Schloßbau hochgelegene Studier- bzw. Rückzugsräume gegeben hat.61 Während somit im Alten Reich selbst Reichsfürsten und Könige auf die Einrichtung solcher exklusiven, Bildung und Weisheit dienlichen Räumlichkeiten verzichteten, begannen zur selben Zeit in Frankreich bereits die in den Adelsstand erhobenen Funktionsträger des Königs, ihre Schloßbauten mit diesem Raumtypus auszustatten.62 Für diese Entwicklung steht vor allem das Stadtpalais des Jacques Coeur in Bourges (Abb. 147).63 Im deutschen Schloßbau finden sich gesonderte Studierräume erst ab 1471. Zuerst bei der Albrechtsburg in Meißen,64 dann auch bei den 61 St. Hoppe, 1996, S. 456 ff. 62 Siehe zu Bedeutung und Funktion dieser Räume U. Albrecht, 1995, S. 107 f. sowie St. Hoppe, 1996, S. 453 ff. 63 Siehe hierzu U. Albrecht, 1986, S. 87 ff.; Ders., 1995, S. 127 ff. Der an der Landseite des Palais Jacques Coeur angebaute Rundturm besitzt in seinem obersten Geschoß einen Raum, der durch eine Eisentür aufwendig gesichert war. Er diente zum einen als chambre du trésor und zum anderen mit hoher Wahrscheinlichkeit als estude. Auf die Funktion eines Studierzimmers könnten neben dem gebotenen Ausblick in die Landschaft u. a. die kostbar gearbeiteten Kapitelle der Gewölbekämpfer (u. a. mit Engeln, die die Wappenschilde Jacques Coeurs und seiner Frau halten, und einer Szene aus der Artussage) hinweisen (Ders., 1986, S. 89; Ders., 1995, S. 131). 64 Der heutige Turmabschluß stellt eine freie Vollendung des 19. Jahrhunderts dar, die sich allerdings auf einen provisorischen Vorgänger aus dem 16./17. Jahrhundert berufen kann. Wie Abbildungen des 17. und 18. Jahrhunderts belegen, gehörte ein abschließender – wenn auch sichtlich provisorischer – Turmraum mit darüber ansetzendem Zeltdach spätestens seit der Mitte des 17. Jahrhunderts zum Bestand des Großen Wendelsteins. Siehe z. B. eine Lithographie von 1653 (Meißen, Schloß Albrechtsburg; Abb. in: U. Czeczot, 1975, S. 27, Abb. 3) aus der Zeit der Wiederherstellung der Albrechtsburg nach dem Dreißigjährigen Krieg. Möglicherweise wurde aber lediglich die kriegszerstörte Zeltdachkonstruktion und -bedachung wiederhergestellt, da nicht zwangsläufig auch der steinerne Unterbau unbrauchbar gewesen sein muß. Von daher ist es gut möglich, daß der im 19. Jahrhundert beseitigte Unterbau des abschließenden Turmhelms mit der darin befindlichen Turmstube bereits aus dem 16. Jahrhundert stammte! Der älteste erhaltene Holzschnitt mit der elbseitigen Ansicht von Stadt und Burgberg Meißen aus dem Jahr 1558 (Meißen, Stadtarchiv; Abb. in: U. Czeczot, 1975, S. 17, Abb. 1) zeigt zumindest ein spitzaufragendes Zeltdach als Abschluß des Großen Wendelsteins. Unabhängig von der Datierungsfrage belegt die schlichte Gestaltung des Mauerwerks der Turmstube (vgl. Lithographie), das in einem deutlichen Gegensatz zu den darunterliegenden Turmgeschossen steht, daß die alte Turmstube des Großen Wendelsteins nur eine provisorische Lösung darstellte.

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anderen wettinischen Residenzschlössern in Wittenberg, Torgau65 und Dresden gehören ofenbeheizte Studier- bzw. Rückzugsräume in Türmen zum festen Raumkonzept. Dem hiermit durch den wettinischen Schloßbau neu gesetzten Standard folgten seit den 1530er Jahren bis zum Ende des 16. Jahrhunderts u. a. die Kurfürsten von Brandenburg (Turmstube auf dem Großen Wendelstein des Berliner Schlosses, Abb. 7), die Herzöge von Mecklenburg (separater ofenbeheizter Raum an der Spitze des Güstrower Treppenturms, Abb. 138), die braunschweigischen Herzöge (unter dem Dach gelegener Raum im Kapellenturm des Celler Schlosses) und die Grafen zur Lippe (Studierraum Simons VI. im Turm von Schloß Brake66). In der Albrechtsburg befanden sich solche Räume – den fürstlichen Appartements zugeordnet – im elbseitigen Kapellenturm (Abb. 5) und im abschließenden Obergeschoß des Großen Wendelsteins auf der Hofseite.67 Im 1485 begonnenen Wittenberger Residenzschloß hielten die beiden großen, landseitigen Ecktürme (Abb. 26) unter ihren abschließenden Dächern gesonderte Räume mit weiten Ausblicken bereit, die in den Inventaren ausdrücklich als fürstliche »Studierstube« und »Drechselstube« bezeichnet werden.68 Letztere diente dem sächsischen Kurfürsten Friedrich dem Weisen zur Ausübung der ausgesprochen symbolträchtigen

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Im übrigen ist zu vermuten, daß die neuzeitliche Ergänzung dem Ursprungsplan sehr gut entspricht und schon im 15. Jahrhundert an dieser Stelle ein separater, über der Treppe liegender Turmraum vorgesehen war. Ein solcher ›Rückzugsraum‹ würde nicht nur typologisch in die Zeit passen – wie die wenig späteren, durch Quellen belegten Beispiele der Schlösser von Wittenberg und Torgau verdeutlichten (siehe Kap. 6.2, Anm. 68) –, sondern darüber hinaus die Lage der Mauertreppe erklären helfen, die im ersten Dachgeschoß der Albrechtsburg vom Vorraum vor dem Wendelstein in das zweite Dachgeschoß hinaufführt (St. Hoppe, 1996, S. 66). Neben dem noch heute vorhanden Großen Wendelstein des Neuen Saalbaus (Flügel C) und dem bescheideneren Wendelstein des Alten Saalbaus (Flügel D), existierte in Torgau noch ein dritter Wendelstein vor dem alten Hofstubenbau (im heutigen Kapellenflügel). Dieser im 18. Jahrhundert durch Brand zerstörte Wendelstein besaß laut Inventar im 16. Jahrhundert eine Drechselstube, die möglicherweise auf eine Vorgängerin im späten 15. Jahrhundert zurückging (St. Hoppe, 1996, S. 459). Zur Architektur und zum Raumprogramm des Braker Schloßturms siehe Kap. 5.1.3, S. 187. Der Turmabschluß wurde jedoch erst im 16. Jahrhundert vollendet und Ende des 19. Jahrhunderts erneut in seine heutige Gestalt umgebaut. Wittenberger Schloßinventar von 1539 (Inv. 1539, ThHStA Weimar, EGA , Reg. Bb. 2818c, fol. 12r u. 13v). Vgl. hierzu auch die Innenraumrekonstruktionen von St. Hoppe, 1996, S. 119 ff.

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Kunst des Drechslerhandwerks, das sich in den Händen des Fürsten zu einem Sinnbild für dessen Regierungskunst wandelte.69 Doch den funktionalen wie ästhetischen Höhepunkt dieser Anlagen markiert Schloß Hartenfels in Torgau. Bei diesem unter Kurfürst Johann Friedrich I. in weiten Teilen ab 1533 umgebauten und neu errichteten Schloß wurde gleichsam das ganze Spektrum architektonischer Möglichkeiten aufgeboten, um die »Prudence« des sächsischen Kurfürsten und seine Wachsamkeit über Land und Leute in Szene zu setzen. Da sind zum einen die Erker: der sog. »Schöne Erker« (Abb. 43), der im Schloßhof vor der Fassade des fürstlichen Wohnhauses steht und unmittelbar den übereinanderliegenden Stubenappartements des Kurfürsten und der Kurfürstin zugeordnet ist, sowie die beiden Runderker an der Landseite des Neuen Saalbaus (Abb. 16+77); auch sie sind Bestandteile von herrschaftlichen Appartements bzw. repräsentativer Räumlichkeiten. Alle genannten Erker werden zum einen durch ihre exponierte Lage mit entsprechenden Ausblicken in den Hof bzw. die Landschaft und zum anderen durch die Ausführung ihrer Oberflächenverkleidung am Außenbau und der aufwendigen Wölbung im Inneren hervorgehoben: Außen verkleiden gebrannte, dekorierte Terrakottaplatten, auf denen u. a. Themen aus der Heilsgeschichte und antiken Mythologie sowie die Personifikationen der Herrschertugenden erscheinen,70 das Mauerwerk, im Inneren schließen spätgotische Schlingrippengewölbe mit dem kurfürstlichen Wappen die Erkerräume ab.71 Und da sind schließlich die beiden Turmbauten des Neuen Saalbaus, die zwar eine vollkommen verschiedenartige Formgebung besitzen, jedoch nur zusammen ihren ganzen Sinn entfalten: Es sind dies der berühmte Große Wendelstein (Abb. 45), dessen manieristische Architektur das repräsentativste Bauteil der Torgauer Residenz verkörpert, sowie der auf derselben Achse gelegene rückwärtige mächtige Turmanbau (Abb. 16+17).72 Für ihre Konzeption zeichnet Konrad Krebs verantwortlich, doch offenbart ihr Raumprogramm, 69 K. Maurice, 1985; D. Syndram, 1995. 70 Zu Details siehe S. 254. 71 Im Torgauer Inventar von 1610 (Inv. Torgau 1610) heißt es über das Erkergewölbe im Großen Saal: »[…] Unndt blau gefüllet, Darinne daß Churf. S. unndt Gühlische Wappen gemahlett« (zit. nach St. Hoppe, 1996, S. 173). 72 Auf ihre Zusammengehörigkeit verweist übrigens auch eine erhaltene Planzeichnung für den Neuen Saalbau von Konrad Krebs, die dieser in einem früheren Planungsstadium anfertigte. Auf ihr sind bereits, nur in anderer Gestalt, im Hof der Wendelstein und auf der Landseite ein exponierter Wohnturm eingezeichnet (siehe H. Magirius / P. Findeisen, 1976, S. 138).

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daß der Baumeister hier nur dem Gedankengebäude seines Auftraggebers folgte. Diesem verhalf er allerdings zu beeindruckender Anschaulichkeit. Denn die hochgelegenen Räume beider Türme waren von ausgesuchter Exklusivität und nur einem eingeschränkten Personenkreis zugänglich: So enthielt der landseitige, nach drei Seiten durchfensterte Turmanbau in seinen beiden oberen Räumen die Stammstube und Stammkammer, während der Turmraum des Wendelsteins, die sog. Spiegelstube, als fürstliche Studierstube im Sinne der eben angesprochenen französischen Rückzugsräume diente.73 Wie diese war auch sie nur über eine kleine separate Wendeltreppe oberhalb der großen Haupttreppe zugänglich. Die nur noch in Resten der Wandmalerei aus der Cranach-Werkstatt erhaltene Ausstattung74 zeichnete sich durch eine (namensgebende) Besonderheit aus: In ihr befanden sich mehrere Spiegel,75 die offensichtlich zur Erzielung optischer Effekte dienten – ein für die nachfolgenden Ausführungen bemerkenswertes Detail. Funktional und räumlich zwar voneinander geschieden, doch achsial aufeinander bezogen, versinnbildlichten die beiden großen Türme des Neuen Saalbaus mit ihrer Ausrichtung nach innen, zum Schloßhof, und nach außen, ins umgebende Territorium den allseits wachsamen Blick des weisen und gerechten Herrschers.76 Selbst aus der Ferne be-

73 Zwar ist die Bezeichnung der Spiegelstube als »Studierstube« quellenkundlich nicht gesichert (M. Noll-Minor, 1996; St. Hoppe, 1996, S. 459), doch läßt sich diese Funktion sowohl aus der aufwendigen Ausstattung als auch den gesicherten Parallelfällen recht sicher rekonstruieren. 74 Im Inventar von 1610 wird eine Deckenbemalung mit Wasserjagdmotiven erwähnt: »1 Vonn Waßerfarben uff Leinwadt gemahlete degkenn vonn Wasseriagttenn […]«. Zur Ausstattung siehe ansonsten M. Noll-Minor, 1996, sowie St. Hoppe, 1996, S. 186 ff. Hoppe vermag im übrigen glaubwürdig darzulegen, daß die Spiegelstube des Torgauer Wendelsteins nicht identisch ist mit einer sog. Spiegelstube im Neuen Saalbau, deren Ausstattung 1587 durch August Freiherr zu Mörsperg beschrieben wurde. Zu der von Freiherr von Mörsperg genannten Spiegelstube gehörte noch eine Spiegelkammer, so daß es sich um ein zweiräumiges Stubenappartement – vermutlich eines der Kopfappartements im Dachgeschoß des Saalbaus – gehandelt haben muß (St. Hoppe, 1996, S. 188). 75 Zur Bezeichnung »Spiegelstube« und zur Nennung der Spiegel (sechs bzw. drei) siehe Abrechnung von 1538 (ThHStA Weimar, EGA , Reg. S. fol. 289 Nr. 1 fol. 154); Torgauer Inventare von 1548, 1563, 1601 und 1610. Siehe auch St. Hoppe, 1996, S. 187 f., sowie M. Noll-Minor, 1996, S. 210. 76 In diesem Zusammenhang besitzt das vermutlich im Dachgeschoß des Neuen Saalbaus gelegene, 1587 von August Freiherr von Mörsperg beschriebene Stubenappartement besonderes Interesse (zur Lokalisation siehe Kap. 6.2, Anm. 74). Von den beiden Räumen dieses Appartements aus konnte man sowohl das Geschehen im Hof als auch in Stadt und Land mit Hilfe von Spiegeln beobachten.

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trachtet, signalisierte das Schloß mit seinen guten und zahlreichen Ausblicksmöglichkeiten in die Landschaft den kontrollierenden aber auch beschützenden Blick des Landesherrn auf sein Territorium. Ohne dies hier weiter zu vertiefen, verweise ich zur Illustration auf die berühmten Jagdbilder von Lucas Cranach dem Älteren und seinem Sohn (Abb. 190).77 Unabhängig von den dargestellten, jeweils unterschiedlichen fürstlichen, königlichen und kaiserlichen Jagdgästen Johann Friedrichs des Großmütigen zeigen alle Bilder eine detailreiche Abbildung von Schloß Torgau am Horizont. Über die Veranschaulichung der Jagd als privilegiertes Rechtsstatut des Fürsten und ihren vielfältigen allegorischen Bezügen zum Regentenwesen hinaus,78 sind die Gemälde wichtige Belege für die dargelegte Bedeutung des Residenzschlosses als Sitz des Alles überblickenden Fürsten. Daß das Motiv des Fürstenblicks in den zeitgenössischen deutschen Fürstenspiegeln immer wieder thematisiert wurde, darf als zusätzliches Indiz für das inhaltliche Verständnis der für Torgau charakteristischen Turmarchitektur gelten. So fordert Reinhard Lorich in seiner »Paedagogia Principum« (1537), daß die Fürsten »Hertzer / Augen / vnnd Waechter deß Vatterlandes [sein sollen] / welche allerest fuehlen / ersehen vnd vernemmen moegen / zufaelligen

Freiherr von Mörsperg schreibt: »Sonst in der Höhe des / hauß gegen die elb / ein wunderbarlich stuben und kammer voller spiegel uff allerhand manier geformiert, alle wendt wie auch oben an der byme mit spiegeln überzogen. In welcher Stuben am Disch oder bett in der kamer auch sonst anderer ortt in solchen Zimmern einer aller sehen, was im hof oder gassen, item auch uf dem landt, uf dem wasser die Elb, was für schiff uff und ab fahren und was außerhalb der zimmer geschieht und auch in ettlich gegenüber zimmer […] und wird dies ortt die spiegel oder konststuben oder kammer genannt« (August von Mörsperg, Reisebuch. Das dritte Buch von Anno 1587 – Beschreibung des churfürstlichen Schloßpalast und haus samt zugehör. Enthalten in: Johanniterchronik und Reiseberichte, Kreisbibliothek Sondershausen Ms. 1602 und 1589, zit. nach Mechthild Noll-Minor, 1996, S. 216). 77 Zu den Jagdbildern Cranachs mit der Darstellung von Schloß Torgau siehe unten Kap. 6.7.1, S. 348 f. 78 Zum allegorischen Stellenwert der Jagd noch im beginnenden 16. Jh. siehe Maximilians I. Ruhmeswerk Weißkunig. Jan-Dirk Müller führt hierzu aus: »Der Weißkunig begnügt sich […] nicht mit […] einer pädagogischen Rechtfertigung, sondern schreibt der Jagd einen verborgenen tieferen Sinn zu; der jagende Fürst ist ein exemplum verantwortungsvoller Regententätigkeit: wie der Jäger das Wild, der Falke den Vogel, so verfolgt der Fürst hartnäckig und zielstrebig seine Feinde. So alt dergleichen Gedanken in der Fürstendidaxe sind: hier werden sie zur Verteidigung gegenüber Kritikern ehemals selbstverständlicher adliger Betätigungen eingesetzt; mittels der Allegorese kann das scheinbar Kritikwürdige dem gemainen volk in ainem merern verstand erklärt [Zitat aus dem Weißkunig, S. 233 f.] und so gerechtfertigt werden« (J.-D. Müller, 1982, S. 229).

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Vnraht«.79 Noch anschaulicher hat das Prinzip des nach allen Seiten wachsamen Herrscherblicks Erasmus von Rotterdam in seiner »Institutio principis christiani« (1515) formuliert: Fürsten sollen »vorne und hinten Augen haben«.80 Noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts gebraucht Martin Moller die Metapher des von oben in sein Land herabblickenden Herrschers, wenn er in seinem »Regenten Büchlein« (1605) mit der Diktion des protestantischen Predigers nachdrücklich die christliche Regentenethik einfordert: »Wer ist / wie der HERR vnser Gott / der sich so hoch gesetzt hat / vnd auff das Nidrige sihet / beyde im Himmel vnd auff Erden? An diesen Spruch sollen alle Hohe Regenten gedencken / wenn sie auff jhren hohen Schloessern herrschen / vnd auff jhren wol erbaweten Rath Haeusern sitzen / Auff das sie sich nicht erheben / sondern gleich wie der allerhoechste Gott / von seinem hoechsten Thron auff das nidrige sihet / vnd sich die Elenden annimmet / Also sie auch in demuetiger Furcht Gottes / von jhren Schloessern vnd hohen Rath-Haeusern herab sehen / vnd jhrer armen Vnterthanen / welche auch Gottes Kinder / vnd mit dem Blutt Christi erkauffet sein / hertzlich vnd Vaeterlich warnemen«.81 Deutlich werden bei Moller die herausgehobene Position der fürstlichen Residenzen (und auch Rathäuser82) und der von oben herab auf seine Untertanen gerichtete Blick des Fürsten als aufeinanderbezogene Elemente der Regentenikonographie charakterisiert. Und diese Ikonographie besitzt eine zutiefst sozial-religiöse bzw. -ethische Dimension: In der äußerlich erhöhten

79 R. Lorich, 1595, zit. in: B. Weber-Kuhlmann, 1997, S. 49. 80 Erasmus von Rotterdam, Institutio principis christiani [1515], zit. nach Erasmus Desiderius von Rotterdam – Ausgewählte Schriften, Bd. 5, 1968, S. 218 f. Zu Erasmus’ »Institutio« siehe auch Erasmus, The Education of a Christian Prince, 1936; L. K. Born, 1928, S. 520–543; F. Geldner, 1930; E. von Koerber, 1967; L. Schrader, 1990. 81 M. Moller, 1605, zit. in: H.-O. Mühleisen u.a., 1997, S. 264. Zur besonderen Betonung des Fürsten als von Gott eingesetzter landesherrlicher Obrigkeit im Protestantismus vgl. Melanchthons Ausführungen »De magistratu politico« in seiner Confessio Saxonica (oder Repetitio confessionis Augustanae, deutsche Ausgabe Wittenberg 1555, abgedruckt im Corpus reformatorum, Bd. XXVII, bes. Sp. 482–566); zum Obrigkeitsverständnis bei Melanchthon siehe Weber, 1962; Kisch, 1967, bes. S. 91–101; Huschke, 1968; zur Bedeutung für das Programm der Fassadendekoration des Dresdner Schlosses siehe Heckner, 1995, S. 53 f. Die wichtige Kernpassage in der Confessio Saxonica lautet: »Darumb spricht S. Paulus, Die Oberkeit ist Gottes Dienerin, ein Racherin uber den so böses thut, Und ist von den Alten recht gesagt, das Oberkeit sey eine Stimme und executrix des Gesetzes, nemblich der Göttlichen Gebot der ersten und andern Tafel, so viel die eusserliche werck und zucht belangt« (Corpus reformatorum, Bd. XXVII, Sp. 562). 82 Zum Verhältnis von fürstlichem Schloß- und Rathausbau siehe unten Kap. 7.

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Stellung des Fürsten reflektiert sich einerseits seine göttliche Stellvertreterschaft und andererseits die hieraus zwingend abgeleitete Verpflichtung zu größter Demut vor Gott und den Menschen. Der Blick des Fürsten dient hierbei nicht als Mittel der Distanzierung, sondern im Gegenteil als Element sichtbarer Zuwendung: Nur von seinem Thronsitz aus kann der Regent seine Untertanen »hertzlich vnd Vaeterlich warnemen«, doch steht er zugleich permanent in der Gefahr, das zu seinen Füßen Liegende voll Gleichgültigkeit zu übersehen oder aber voll machtbesessenem Mißtrauen kontrollieren zu wollen. Für dieses ethische Postulat der Fürstenspiegel haben frühneuzeitliche Schlösser wie Torgau die adäquate architektonische Bildform geliefert, in der gleichzeitig bereits ihr mögliches Zerrbild enthalten war. Dann konnte aus dem Schloß als irdischem Wohnsitz göttlicher Sapientia die Zwingburg des Despoten werden und die zur Visualisierung des fürsorglichen Fürstenblicks entwickelten Architekturformen sich zu Elementen der machtbesessenen Observation wandeln. In Torgau zeigt die bildkünstlerische Ausstattung der beiden Türme des Neuen Saalbau darüber hinaus, daß eine solche, sich von der Sapientia des Fürsten herleitende Fähigkeit zur wachsamen Umschau neben dem religiös-moralischen auch eines starken dynastischen Fundamentes bedurfte. Diese am Torgauer Neuen Saalbau besonders eindrücklich ablesbare Bedeutung des dynastischen Elements stellt gegenüber dem Schloßbau des französischen Königs, bei dem der exponierte Verweis auf die Dignität der Familie fehlt, einen wichtigen Unterschied dar.83 In ihm spiegelte sich mit großer Wahrscheinlichkeit die in beiden Reichen grundlegend andersartige Herrschaftsstruktur, die im Alten Reich dem ständischen und auf die Adelshäuser ausgerichteten dyna-

83 Auch die französischen Treppentürme sind durch Architektur und Dekorum als Sinnbilder für die Dignität und Autorität des Schloßherrn konzipiert worden, doch werden hierbei – wie außer Chambord auch das Beispiel des Treppenturms Franz’ I. in Blois zeigt – andere Akzente gesetzt. Am auffälligsten ist die Zurücknahme des genealogischen bzw. dynastischen Prinzips: Wenn auch möglicherweise in Blois ursprünglich Skulpturen in den Nischen des Treppenturms auf die Familie Franz I. hinweisen sollten, so läßt der Prototyp, die »Grand Vis« Karls V. im Louvre, vermuten, daß dieses Programm keine weit zurückreichende Ahnenfolge vorsah (das Treppengehäuse der »Grand Vis« war außen mit zehn Nischenfiguren besetzt, die außer den Fürbittern Maria und Johannes und dem Königspaar selbst den Onkel und die drei Brüder Karls V. abbildeten; siehe hierzu U. Albrecht, 1986, S. 43 f.). Statt dessen wird in Blois aber auch in Chambord über Namensinitialen und Impresen die zentralisierende Institution des französischen Königtums in der Person des Regenten in den Mittelpunkt gerückt.

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stischen Prinzip stets den Vorrang gab, während sich in Frankreich seit dem hohen Mittelalter zunehmend ein auf den König bezogener Zentralismus durchsetzen konnte.84 In Torgau waren die Wände der im landseitigen Turm gelegenen Stammstube und -kammer einst mit dem Stammbaum sowie den Wappen- und Regalienschilden der Wettiner geschmückt,85 während einige Stockwerke tiefer, aber im selben Turm, ein hochgesicherter Archivraum86 sprichwörtlich das Fundament für die beiden herrschaftlichen Gedächtnisräume bildete. Der Große Wendelstein auf der Hofseite wiederum wurde an den Brüstungen seines Altans (Abb. 46) mit den Wappen der Ururgroßeltern Johann Friedrichs mütterlicher- und väterlicherseits dekoriert und das von hier aus in den einstigen Saal führende Portal als feinsinnige Kundgebung der Unauflösbarkeit von sächsischem Kurfürstentum und protestantischem Glaubensbekenntnis gestaltet: Pilaster mit den eingelassenen steinernen Bildnissen von Luther und Melanchthon stützen das Portalgebälk (Abb. 47), auf dessen Vorderseite die Bildnismedaillons von Kurfürst Johann Friedrich und seiner Frau einst die Bronzebüste Friedrichs des Weisen, des Begründers des protestantischen Landesfürstentums in Sachsen, flankierten.87 An anderer Stelle in dieser Arbeit ist hierauf bereits ausführlich eingegangen worden.88 Dieses Bildprogramm bildet wiederum gleichsam das Fundament für den hochaufragenden, in der Kühnheit seiner Konstruktion einzigartigen Treppenturm,89 auf dessen Mauern am oberen Ende der vollkommen durchfensterte, mit gläsernen Wappenbildern90 ausgestattete fürstliche Rückzugsraum sitzt (Abb. 45). Selbst wenn der Torgauer Treppenturm in seinen Ausmaßen nicht mit dem zentralen

84 P. E. Schramm, 1939. 85 Siehe hierzu im Vergleich den einstigen habsburgischen Wappenturm in Innsbruck und die ebenfalls mit den habsburgischen Stammwappen geschmückte Kapellenwand von Schloß Wiener Neustadt, die beide unter Maximilian I. konzipiert wurden! 86 Zum entsprechenden Eintrag im Inventar von 1610 (Inv. Torgau 1610) siehe St. Hoppe, 1996, S. 171; die vergitterten Fenster sind auf den verschiedenen Ansichten des Torgauer Schlosses aus der Cranach-Werkstatt gut zu erkennen. 87 Zur Rekonstruktion dieses heute nicht mehr in situ erhaltenen Bildnisprogramms vgl. P. Findeisen, 1974, S. 3ff; Ders. / H. Magirius, 1976, S. 159. 88 Siehe Kap. 5.1.4, S. 207 f. 89 Zum Torgauer Großen Wendelstein siehe auch M. Müller, 1998. 90 Nach den Angaben des Inventars von 1610 (Inv. Torgau 1610) enthielten zwei Turmfenster »Chur- und Furstl. Wappenn« (die Angaben abgedruckt bei St. Hoppe, 1996, S. 186).

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Treppenturm von Schloß Chambord konkurrieren kann, so bildet er doch sein künstlerisch und ikonographisch ebenbürtiges Gegenstück.91 In Torgau und später auch in Dresden92 wurde diese Ikonographie noch zusätzlich durch eine besondere Aussichtsarchitektur ergänzt, die in ihrem äußeren Erscheinungsbild durchaus an den Laternenaufsatz des Treppenturms von Chambord erinnert: Auf der Helmspitze des sog. Grünen Turms in Torgau saß bis Ende des 16. Jahrhunderts93 ein riesiger zwiebelförmiger »Knopf« (Abb. 17), der außen mit Kupferblechen verkleidet war und innen einen über Leitern erreichbaren, vermutlich nicht beheizbaren Hohlraum besaß. In diesem fanden ein oder zwei Personen mehr oder minder bequem Platz, von dem aus sie durch rundum verteilte Fensterluken einen grandiosen Ausblick über die ganze Stadt und weit hinein in das umliegende Land genießen konnten.94 Doch stand die tatsächliche Benutzung offensichtlich nicht im Vordergrund dieser merkwürdigen, übrigens nur in Mitteldeutschland verwirklichten Aussichtsarchitektur,95 selbst wenn die Aussicht vom Turm-»Knopf« des sächsischen Schlosses Lochau angeblich bis Wittenberg gereicht haben soll.96 Ebenso wichtig war die umgekehrte Perspektive, d. h. der Blick von außerhalb auf das Schloß und seine in den Himmel erhobene Aussichtskanzel: Vor allem wenn ihre kupferne Oberfläche im Sonnenlicht hellgleißend aufleuchtete, mußte diese Art

91 Seine Entsprechung findet dieses besondere Verhältnis zwischen den Schloßbauten von Chambord und Torgau schließlich darin, daß beide Bauten nur wenige Jahre nacheinander entstanden und ihre beiden Bauherren, König Franz I. und Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen, in regem diplomatischem Kontakt standen. 92 Vgl. den Turmaufsatz des sog. Schlösserei-Turmes anhand des heute verschollenen Modells des Dresdner Schlosses (Abb. 48). 93 Beim Schloßbrand von 1599 wurde der Turmhelm zerstört und nicht wieder in der ursprünglichen Form aufgebaut (P. Findeisen / H. Magirius, 1976). 94 Den Aspekt des attraktiven Ausblicks betont Stephan Hoppe, 1996, S. 457. 95 Zu Recht spricht Stephan Hoppe von einem typischen Motiv »mitteldeutscher, speziell sächsischer Schloßbauten« (ebd., S. 458). Neben Lochau, Torgau und Dresden haben vermutlich auch die Mansfelder Schlösser in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts solche Turm-Knöpfe besessen, möchte man der Darstellung Mansfelds im Hintergrund der Bekehrung Pauli von Lucas Cranach d.J. von 1549 (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg) Glauben schenken (zur Identifizierung mit Mansfeld siehe I. Roch, 1973 u. 2000). 96 I. Ludolphy, 1984, S. 133 (nach einem Reisebericht von Hans Herzheimer aus den Jahren 1514–1519, aufbewahrt in der Handschriftensammlung der Bibliothek und Kunstblättersammlung des Österreichischen Museums für angewandte Kunst, Inv. Nr. B. I.: 21517, hier fol. 261v).

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Die Rückzugsräume und Studierstuben

der Turmbekrönung wie ein ätherisches Gebilde erschienen sein und an den »turris speculationis« erinnert haben, von dem aus Gott von oben herab auf die Menschen blickt.97 So verkörpert das Torgauer Schloß den in seiner Zeit wohl eindrücklichsten und ambitioniertesten Versuch, zentrale Elemente der französischen Schloßbaukunst in die überlieferte höfische Architekturauffassung des Alten Reichs zu integrieren. Und wie wir sahen, war dies nicht allein ein gestalterischer Vorgang, sondern es wurden mit der Ästhetik französischer Hofarchitektur zugleich auch Kernelemente der französischen Hof- und Herrschaftskultur rezipiert. Neuartig ist nicht das Selbstverständnis des deutschen Fürsten als Inkarnation göttlicher Weisheit, als vielmehr die Tatsache, daß die fürstliche Sapientia nun auch in der deutschen Schloßarchitektur sichtbar gemacht und damit eine Tradition aufgegriffen wird, die der französische Nachbar bereits seit dem 14. Jahrhundert pflegte. Und während dieser bereits auf mehrere Generationen relativ gebildeter und lesekundiger Regenten zurückblicken konnte, mußten sich die Fürsten im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Alten Reich diesen Standard eines Princeps philosophus98, der Krieger und Gelehrter gleichermaßen war, erst noch erarbeiten.99 Von diesen wegweisenden Veränderungen im tradierten Herrscherbild legen die Residenzschlösser der Wettiner seit 1471 beredtes Zeugnis ab und setzen auch hierin neue Maßstäbe für eine politisch anspruchsvolle Staatsarchitektur im Alten Reich. Für sie gilt bereits die Aussage, die Friedrich Carl von Moser erst zweihundert Jahre später in seinem »Teutschen Hofrecht« (1754) über die Bedeutung der Residenz im 18. Jahrhundert formulierte: »In der Residenz erscheinet der Fürst als Haupt seines Volcks und in dem Glanz der angebohrnen oder erlangten Würde.«100

97 Mit Blick auf die Bedeutung des Turmes als Sinnbild göttlicher Sapientia hat bereits W. Liebenwein, 1977, S. 26, auf den Visionsbericht Gregors von Tours hingewiesen: Hiernach blickt Gott von einem Turm auf die Welt herab, während die Engel durch die Fenster (»speculas«) schauen. Siehe auch oben, Kap. 6.1, S. 263. 98 Siehe hierzu weiter unten. 99 Siehe den Tagungsband der Residenzenkommission der Göttinger Akademie der Wissenschaften zu »Erziehung und Bildung bei Hofe« (Tagung in Celle vom 23.–26. 9. 2000): V. 100 F. C. von Moser, 1754, S. 274.

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Das Schloß als Sitz des tugendhaften Fürsten

6.3 Orte fürstlicher Patriarchalität: die Hof- und Tafelstuben Die Hofstube war in der Regel neben der Kapelle und dem Festsaal der größte Raum eines Residenzschlosses und besaß zumeist auch eine aufwendige architektonische Ausstattung.101 Beispiele wie die Hofstube der Meißener Albrechtsburg, deren mit Rippen besetzten Zellengewölbe denjenigen des daneben gelegenen Festsaals (Abb. 25) gleichen, die Hofstube des Schweriner Schlosses, deren Sterngewölbe in diesem Schloß ansonsten nur noch die Kapelle besaß, oder die Hofstube der Rudolstädter Heidecksburg (Abb. 148), deren mit einem Netzrippengewölbe und gekuppelten Halbsäulenvorlagen ausgestatteter Raum noch vom Renaissancebau des Rudolstädter Schlosses stammt, zeigen einen dekorativen Aufwand, wie er auch einer Kapelle angemessen wäre.102 Zahlreiche andere Beispiele verfügen zwar nur über eine flache Holzdecke (so z. B. in Wittenberg, im Torgauer Neuen Saalbau und in Schmalkalden [Abb. 149]), doch ist damit keine architektonische Herabstufung verbunden: Auch die Festsäle dieser Schlösser besitzen bzw. besaßen hölzerne Flachdecken. In Wittenberg wurde die flachgedeckte Hofstube überdies mit einem reichen Bildprogramm ausgezeichnet, deren Historien und Tugendallegorien Andreas Meinhard in seinem Büchlein über Wittenberg beschreibt. In diesem Text charakterisiert Meinhard die Hofstube im übrigen ausdrücklich als »hic regalis locus«, als königlichen Ort.103 Was bewog die Architekten und ihre fürstlichen Auftraggeber, dem gemeinschaftlichen Essensraum der Hofangehörigen einen derart repräsentativen Anstrich zu geben? Wer die Anweisungen der im 16. und 17. Jahrhundert für die Hofstube verfaßten Ordnungen studiert, erkennt recht bald, daß dieser Raum Schauplatz verschiedener Handlungen von vordergründig zwar sehr alltäglichem, in Wirklichkeit jedoch ausgesprochen symbolträchtigem Gehalt war. Die Hofstube war derjenige Ort innerhalb eines Schlosses, an dem sich während der Essenszeiten die höfische Rangordnung und das patriarchalische Selbstverständnis der fürstlichen Hofhaltung zusammen mit ihrer religiösen Begründung jeden Tag aufs neue mehrmals konstituierte und allen Be-

101 Siehe hierzu grundsätzlich U. Wirtler, 1987 (zu spätmittelalterlichen Hofstuben); St. Hoppe, 1996, S. 413 ff. 102 Zu aufwendig gewölbten Hofstuben des späten Mittelalters im westlichen Reich, vor allem des Rhein-Lahn-Mosel-Gebietes, siehe U. Wirtler, 1987. 103 A. Meinhard, 1508, zit. nach E. Reinke, 1976, S. 134.

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Die Hof- und Tafelstuben

teiligten sichtbar vor Augen gestellt wurde. Nur in diesem Raum konnten sich die Fürsten morgens, mittags und abends als »Hertzer / Augen / vnnd Waechter deß Vatterlandes« präsentieren, »welche allerest fuehlen / ersehen vnd vernemmen moegen / zufaelligen Vnraht«.104 Um dies zu veranschaulichen, zitiere ich aus der Hofordnung Herzog Johann Friedrichs von Pommern (1575). Unter der Rubrik »Ritterhaus« (einem Synonym für Hofstube) lesen wir: »[…] Wann zu Tische geblasen, vor uns angerichtett, die Tueren geschloßen, der thorwerter dem Hoffmarschalck oder Heuptmann im Ritterhause die Schlußel zugestellet, soll alsbalde das benedicite und gratias vor unserm tische durch den Hoffprediger […] gebettet [werden], und wirtt ein jeder an seinen vorordenten ort sich setzen und alsdann der Undermarschalck fleisige auffsicht haben, was fur tische besetzett, wer an einem jedern tische sitzett […].«105 Wieviel Wert darauf gelegt wurde, die vorgeschriebene Sitzordnung in der Hofstube penibel einzuhalten und darauf zu achten, daß die Plätze in hierarchischer Abstufung vom Fürsten über die Räte und anderen hohen Amtsinhaber bis hin zu den Knechten und Türwächtern eingenommen wurden,106 zeigt auch die etwa zehn bis fünfzehn Jahre ältere Hofordnung des Reichsgrafen Philipp Ludwigs I. von Hanau (1561/63). Hier lautet der Befehl des Burggrafen oder Küchenmeisters: »Es soll auch der Burggraff oder Kuchenmeister einem iglichen nach seinem stand und wirden, auch die frembden uber die heimbschen ordentlich setzen und nit gestatten, das einer, so niederwerths gehöret, sich obenahn setze.«107 Bei den in der hanauischen Hofordnung genannten »frembden« handelte es sich in der Regel um hohe auswärtige Gäste, für die das Sitzprotokoll einen Ehrenplatz in der Hofstube vorsah. Die Hofordnung des mecklenburgischen Herzogs Johann Albrecht I. (1574) fordert vom Aufseher der Hofstube für diesen Personenkreis zudem ein weiteres Zeichen der Ehrbezeugung: »Wan sichs aber zutregt, das frömbde fursten, herrn oder derselben Bottschaften bei unserm gnedigen fursten und herrn an104 R. Lorich, 1595, zit. in: B. Weber-Kuhlmann, 1997, S. 49. 105 Hofordnung Herzogs Johann Friedrich von Pommern (1575), zit. nach A. Kern, 1905, S. 121. 106 Als ein Beispiel für die genaue Auflistung der einzelnen Tische und der ihnen zugeordneten Personen vgl. die Hofordnung des Markgrafen Karl II. von BadenDurlach (1568) (Ders., 1907, S. 135). 107 Hofordnung des Grafen Philipp Ludwig I. von Hanau (o. J., Archivvermerk: zwischen 1561 und 1563), zit. nach ebd., 1907, S. 95.

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Das Schloß als Sitz des tugendhaften Fürsten

kommen, so soll der Sahlknecht vor die frombden alle Tage reine Tischtucher uflegen.«108 Die Anwesenheit von Fürsten und Botschaftern auswärtiger Höfe in der Hofstube, in der dann Ehrenplätze und täglich saubere Tischtücher als Auszeichnung für die hohen Gäste bereitgehalten wurden, kennzeichnet den gemeinschaftlichen Essenssaal des Hofes auch als einen Raum mit staatsrepräsentativen Funktionen.109 Auf faszinierende Weise breiten die an sich nüchtern formulierten Amtstexte vor unsern Augen einen Handlungsablauf mit zahlreichen zeremoniellen Vorgängen aus, die nicht nur am pommerschen Hof in Stettin oder am Hanauer Hof, sondern ebenso an allen anderen deutschen Höfen Gültigkeit besaßen. In strenger Reihenfolge ertönt zunächst die Fanfare als Signal, sodann werden am Tisch des Fürsten die Speisen hergerichtet und die Türen der Hofstube gleichzeitig mit dem Schloßtor verschlossen. Sobald der Torwärter dem Hofmarschall oder Hauptmann die Tor- und Türschlüssel überreicht hat, spricht der Hofprediger vor dem Tisch des Fürsten das Tischgebet. Erst jetzt dürfen sich alle Hofangehörigen ihrem Stand gemäß an den Tischen niedersetzen, wobei den vornehmsten Tisch der Schloßherr selbst einnahm (mit der Einführung separater herrschaftlicher Tafelstuben ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde dieser Tisch mehr und mehr ausgelagert). Und während des Essens achten der Hofmarschall oder andere hochgestellte Amtsträger darauf, daß die festgelegte Sitzordnung von niemandem durchbrochen wird. Der stark ritualisierte und disziplinierende Ablauf läßt die gemeinsamen Mahlzeiten zu einem optisch wie emotional tief berührenden Bild werden, in dem sich die Ordnungsstruktur des Hofes einprägsam widerspiegelt. Dieser gleichermaßen

108 Hofordnung Herzogs Johann Albrecht von Mecklenburg (1574), zit. nach Ders., 1905, S. 232 f. 109 Inwiefern diese staatsrepräsentative Funktion der Hofstube noch im 16. Jahrhundert über die Mahlzeiten hinaus auch auf Rechtsvorgänge erweitert werden konnte, entzieht sich der Kenntnis. Für die Mitte des 15. Jahrhunderts existiert jedoch eine Quelle aus dem Fürstentum Anhalt, in der die Durchführung eines Rechtsakts in der Hofstube des Dessauer Schlosses beschrieben wird. So heißt es in der Urkunde von 1445 (November 27), in der Peter von Swartzenrode und Claws Latorff über die mit Busse von Qwernforde wegen des Verkaufs seines Gutes zu Dessow (Dessau) geführten Verhandlungen bekunden: »Ich, Peter von Swartzenrode, bekenne hierdurch, daß ich mit dem Edlen Herrn Bussen von Qwernforde den Kauf und Vertrag über Haus und Hof zu Dessow […] im jare 1437 an St. Nicolaus Tag und zu Dessow auf dem Schlosse in der Hofstube angegangen, gethan und von dem hochgebornen Grafen Jorgen, Fürsten zu Anhaldt, also empfangen habe […]« (zusammenfassende Transskription durch Archivrat Dr. Wäschke; siehe Regesten der Urkunden des Herzoglichen Haus- und Staatsarchivs zu Zerbst, 1909, Nr. 396, S. 171 f.).

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Die Hof- und Tafelstuben

politischen wie religiös-moralischen Funktion hatte die Architektur der Hofstube den geeigneten würdevollen Rahmen zu verleihen, zu dem noch gelegentlich eine festliche Ausstattung mit Bildwerken hinzukam. In der Hofstube des Wittenberger Schlosses beispielsweise, die Andreas Meinhard in seinem »Dialogus« über die Besonderheiten von Wittenberg als königlichen Ort (»hic regalis locus«)110 bezeichnet, stand den Tafelnden ein siebzehnteiliger gemalter Tugendzyklus vor Augen.111 Vor dem aufgezeigten Hintergrund ist es zunächst unverständlich, daß die Hofstuben gegen Ende des 16. Jahrhunderts an den meisten Höfen ihre Funktion weitestgehend verloren.112 Verantwortlich hierfür war die Einführung des Kostgeldes, das an die Hofangehörigen ausbezahlt wurde und damit die gemeinsame Verpflegung mit den verpflichtenden Essenszeiten am Hof hinfällig werden ließ. Dies zeigt, daß die Hofstuben zur Visualisierung der höfischen Rangordnungen nicht unverzichtbar waren und wir – allerdings an anderer Stelle – danach fragen müssen, welcher Ersatz für ihre Preisgabe gefunden wurde. Solange sie aber existierten, war ihre Zeichenhaftigkeit evident, und es ist dem Historiker Michail Bojkov in dieser Hinsicht nicht zuzustimmen, wenn er die in der Hofstube vollzogene Tischordnung lediglich als vorwiegend haushaltstechnisches Kontrollverfahren gegenüber unliebsamen Mitessern wertet!113 Die in der Hofstube wohlbedachte Inszenierung höfischer Ordnungsvorstellungen mit Hilfe von zeremoniellem Geschehen und würdevollfestlicher Architektur bzw. Raumausstattung wird ergänzt durch die Tafelstube. Sie diente der fürstlichen Herrschaft, ihrem engsten Gefolge sowie den Gästen seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zunehmend als separater, vornehmer Speiseraum.114 In der Regel lag die Tafelstube in einem der Obergeschosse des Schlosses, häufig unmittelbar neben dem Festsaal oder den herrschaftlichen Appartements. Ihrem Rang entsprach auch die aufwendige Ausstattung. Über ihre mit der Hofstube vergleichbaren repräsentativ-symbolischen Funktionen besäßen wir jedoch keine Kenntnis, würde nicht das Regelwerk der zuge-

110 A. Meinhard, 1508, zit. nach E. Reinke, 1976, S. 134. 111 Zur Beschreibung und Thematik siehe A. Meinhard, 1508 sowie die Edition von E. Reinke, 1976, S. 134 ff.; eine Übersicht über die gemalten Tugendallegorien findet sich bei F. Bellmann u. a., 1979, S. 237. 112 St. Hoppe, 1996, S. 420 ff. 113 M. Bojcov, 1997, S. 131. 114 Siehe hierzu St. Hoppe, 1996, S. 420 ff.

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Das Schloß als Sitz des tugendhaften Fürsten

hörigen Hofordnungen entsprechende Hinweise geben. So beschreibt die 1553 erlassene Hofordnung des Kurfürsten August von Sachsen die »Dinstwartung des Hovegesindes. Es sollenn auch die Furstenn, Graven, Hern unnd vom Adell im Hofflager, teglich Zwischen acht und neun unnd aufn abent Zwischen drey und vier uhrenn vor unserm EssZimmer erscheinenn unnd do selbst bis wir Zu tisch gesessen, und wasser genommen auff unnsern dinst wartenn. Desgleichenn sollen sie auch thun Zur morgen unnd abendt mallZeit oder wan wir fremde hernn, Rethe, Botschafften oder sonst statliche leuthe bei uns habenn oder in audienzen, oder andern grossen handlungen sein werdenn. Es sollenn auch unsere Cammerer unnd Edelleuthe, die wir speisenn, nicht eher Zu tische setzenn, bis das wir uns Zuvornn gesetzt haben. Unnd sollenn die ihenigenn, so auff unsern tisch oder sonst Zu andern dinste bescheiden, desselbigen ihres dienstes in sonderheit teglich Zu rechter Zeit vleissig abwartenn, damit man einen ieden, wie bishero offt gescheenn, nicht suchen oder auff ihnenn wartenn dörffe. […] Es soll uns auch hinfuro das wasser, Sonderlich wann fremde Herrnn oder geste vorhandenn sein, durch die Gravenn und Hernn gereicht werdenn. Im fall aber, das sie aus erheblichen ursachenn nicht fur der Handt, sollenn es die vom Adell reichen.«115 Vergleichbar mit der Hofstube, jedoch nun auf die Spitze der höfischen Hierarchie konzentriert, ergibt sich auch in der Tafelstube das getreue Abbild eines patriarchalischen Ordnungssystems, in dem die Position des Einzelnen zum Fürsten anhand der zeremoniellen Tischhandlung abgelesen werden kann. Und wieder ist es Aufgabe der umrahmenden Architektur und Ausstattung, dem symbolischen Geschehen durch die räumliche Disposition oder die Themen der Wandbilder die adäquate Umgebung zu verschaffen. Im Kapitel zur Raumausmalung von Schloß Wilhelmsburg in Schmalkalden wird dieser Aspekt ausführlich dargelegt werden: Anhand des in der Schmalkaldener Tafelstube überlieferten Zyklus’ mit den vier Kardinals- und den vier christlichen Tugenden läßt sich aufzeigen, wie die bildhafte Ausstattung auf memorative Weise die religiös-moralischen Grundlagen eines geregelten Hoflebens in Erinnerung halten sollte.116

115 Hofordnung des Kurfürsten August von Sachsen (1553) (»Churfürst Augusti Original-Hoff-Ordnung f. d. Torgau den 30. [richtig: 3.] Okt. 1553«, fol. 4v-5r (SächsHStA Dresden, Loc. 32436, Nr. 3). 116 Siehe hierzu Kap. 6.6.

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Die Kapelle

6.4 Ort fürstlichen Gottesgnadentums: die Kapelle In der Hierarchie der Gebäudeteile eines Residenzschlosses besaß die Schloßkapelle eine bevorzugte Position. Sie ergab sich aus der Funktion, zum einen dem Fürsten und seiner Familie einen Ort der persönlichen Andacht und der Fürbitte für die verstorbenen Familienmitglieder bereitzuhalten, zum anderen aber dem gesamten Hof als der sakrale Raum zu dienen, in dem täglich für das Heil des Fürsten und seiner Regierung gebetet werden sollte. Da die Funktion der Schloßkapelle für das dynastische Gedächtnis bereits in einem früheren Kapitel angesprochen wurde,117 soll hier nun der Kapellenraum als Ort der permanenten Vergegenwärtigung des fürstlichen Gottesgnadentums und des göttlichen Heils vorgestellt werden. Dieser wesentliche Aspekt frühneuzeitlicher Schloßkapellen, der nicht zuletzt auch den Hofangehörigen in ihrem religiös-moralischem Verhalten galt, läßt sich auf einprägsame Weise den Hofordnungen des 16. und 17. Jahrhunderts entnehmen. Die in ihnen enthaltenen Gebote für den gemeinschaftlichen Gottesdienstbesuch der Hofangehörigen lassen darüber hinaus erkennen, daß die im 16. Jahrhundert zu beobachtende Vergrößerung der Kapellenräume ihre Ursache nicht zuletzt in der verpflichtenden Teilnahme des gesamten Hofes am fürstlichen Gottesdienst besitzt. Gegenüber mittelalterlichen Anlagen wie den Burg- bzw. Schloßkapellen von Nürnberg, Neuenburg an der Unstrut oder Landsberg bei Halle oder spätmittelalterlichen Anlagen wie den Schloßkapellen des Berliner Schlosses Friedrichs II. oder der Moritzburg in Halle erfuhr das Erscheinungsbild der Kapellen landesherrlicher Residenzen seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine wesentliche Veränderung. Diese bezog sich in erster Linie auf den Innenraum, dessen Aufteilung und Größe nun die gleichzeitige Gottesdienstteilnahme einer großen Zahl von Hofangehörigen in einem gemeinsamen Raum ermöglichte.118 Obwohl sich der Prototyp der neuartigen Schloßkapellen in Torgau und damit in einer protestantischen Residenz befindet (Abb. 81+97), gilt die konzeptionelle Veränderung ebenso für katholische Residenzen, wie das Beispiel der Kapelle im Aschaffenburger Schloß des Mainzer Erzbischofs Johann Schweikard von Kronberg zeigt (Abb. 2). Ob protestantisch oder katholisch: ganz allgemein nimmt seit der Reformation die Bedeutung des Gottesdienstbesuchs bzw. des Predigthörens für die gesamte Hofge117 Siehe Kap. 5.4. 118 W. Ohle, 1936; D. Großmann, 1990, 1996; Burg- und Schloßkapellen, 1995.

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Das Schloß als Sitz des tugendhaften Fürsten

sellschaft und das Hofpersonal zu und damit die Bedeutung der Kapelle als zentraler Ort für die religiös-moralische Ausrichtung des Hoflebens. Dies belegen auch sehr deutlich die Texte der Hofordnungen, die hierdurch zu einer wichtigen Quelle für das Verständnis der Kapellenarchitektur werden. Seit der Reformation besitzt die Kapelle in den Hofordnungen einen ähnlich herausragenden Rang für das geregelte Hofleben, wie ihn bis dahin nur die Hofstube119 für sich beanspruchen konnte. So wird die Pflicht zu regelmäßigem Gottesdienstbesuch für alle Hofangehörigen in den Hofordnungen sehr weit oben, häufig sogar an erster Stelle festgeschrieben. Beispielhaft zitiere ich aus sächsischen Hofordnungen, die in ihren frühen Fassungen aus der zweiten Hälfte des 15. und der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts den gemeinsamen Gottesdienstbesuch aller Hofmitglieder noch nicht ausdrücklich forderten und überhaupt die religiöse Erziehung des Hofes in keinem eigenen Kapitel abhandelten.120 Aus der Hofordnung des Kurfürsten August von Sachsen (1554): »Wie sich das Hoefgesinde gegen Gott haltten soll. Erstlichen, weil alle Ding von got, seyner gnad und allmacht, kommen und ohne Inen und seyne gnad gantz eytel und nichtig seyndt, So wollen wir Unser Hofgesinde vor allen andern Sachen hirmit gnediglichen vermant und erinnert haben, das sie eyn Gottfurchtig und Christlich, Erbar und eyngezogen leben furen, Gott in allen Dingen fur Augen haben, deßelbigen wort, so in der wochen und feyertagen an unserm hoef gepredigt wirdet, vleißig heren, auch das hochwirdig Sacrament deß leibs und Bluts Christi zum estermahl empfangen und also nit allein den namen Christen furen, sondern auch sich mit der That als Christen erzeigen sollen.«121 Die nachfolgenden Hofordnungen der sächsischen Kurfürsten Christian I (1586) und Johann Georg I. (1637) behalten Vorrangstellung und Wortlaut des zitierten Textes grundsätzlich bei, verlangen jedoch schon in der Überschrift kurz und bündig: »Erstlich: Das Göttlich Wortt und Predigt hören.«122 Wie ernst es den deutschen Fürsten mit diesem Gebot war, zeigt das angedrohte Strafmaß bei Zuwiderhandlung. So heißt es beispielsweise in der undatierten, zwischen 1554 und 1592 verfaßten Hofordnung Herzog Christophs von Mecklenburg (zu jener Zeit Administrator des Bistums Ratzeburg) wiederum unter Punkt 1: 119 Siehe hierzu Kap. 6.3. 120 Vgl. z. B. die Hofordnung von Herzog Albrecht dem Beherzten von ca. 1470/80 (abgedruckt bei A. Kern, 1907, S. 27). 121 Hofordnung Kurfürst Augusts von Sachsen (1554), zit. nach A. Kern, 1907, S. 42. 122 Hofordnung Kurfürst Christians von Sachsen (1586), zit. nach ebd., S. 51; Hofordnung Kurfürst Johann Georgs von Sachsen (1637), zit. nach ebd., S. 67.

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Die Kapelle

»Erstlich und anfenglich ordnen und wollen wir, das unser hofgesinde, auch ander beamte und diener, auff unsern höfen und heusern ohne ihenigen [d.i. irgend einen, Anm. M.M.] Underscheid der personen sich eines Gottseligen, Christlichen, erbaren und aufrichtigen Lebens befleißigen, insonderheit aber Gottes allein selig machendes Wordt mit fleiß zu jeder zeit hören und ir leben darnach anstellen sollen. Wo aber hiegegen jemandt werde handeln und die Predigten ohne genugsame und erhebliche Ursachen verseumen, der oder die sollen erstmals vom Tische abgewiesen und inen den gantzen tagk, wan solchs geschiecht, eßen und trinken verweigert und [sie] mit einer geldtbueße nach gelegenheit der Personen gestraffet werden.«123 Der regelmäßige Besuch des Gottesdienstes in der Schloßkapelle diente zunächst dem persönlichen Seelenheil eines jeden Hofangehörigen, darüber hinaus aber in besonderer Weise dem Wohlergehen und der Würde des von Gottes Gnaden abhängigen Herrscherhauses. Hier sahen sich vor allem die höheren Amtsträger und das persönliche Gefolge des Fürsten zu entsprechenden Anstrengungen aufgefordert. Von ihnen verlangt beispielsweise der brandenburgische Kurfürst Joachim II. in seiner Hofordnung von ca. 1545124 unter gleichzeitiger Androhung von empfindlicher Strafe: »[4.] Ordnung des Dinsts. Wir wollen, daß alle unsere Diener, Graffen, Herrn und vom Adel alle Morgen, des heyligen Tags und alle Freitag umb halwege sieben hora, des Werckeltags umb acht hora, hie oben sein und in die Ritterstuben (wo die zu jeder Zeit sein wirdet) sich vorsamlen, Uns aldar warten, mit Uns zu Kirchen gehen (in der Kirchen bis zu Unserm Abgehen verharren, damit Wir nicht alleine darin, wie bishero gescheen, gelaßen, und nach der Meeß bis zu der Malzeit, so lange bis inen erlaubt wirdt. Wurde aber einer oder mehr untter inen die Stunde oder Ordnung oder auch sunst in der Kirchen nicht uf Uns warten, one Unser oder Unsers Marschalcks Bevelch oder Vorlaubnus vorrukken, mit dem oder denselben wollen Wir Unser Notturfft reden laßen, ime auch denselben Tag das Futter abschaffen und so das nicht helffen wolt, ime vorurlauben und nicht lenger zum Diener haben […]«125 123 Hofordnung Herzog Christophs von Mecklenburg, Administrator des Bistums Ratzeburg (o. J.), zit. nach dems., 1905, S. 247. 124 Die Hofordnung ist undatiert, Martin Hass ermittelte für Redaktion A 1537, B ca. 1542/46, C ca. 1546/52 (M. Hass, 1910, S. 16 ff.). 125 Hofordnung Kurfürst Joachims II. von Brandenburg (ca. 1537–1546/52), zit. nach A. Kern, 1905, S. 4. Die von Martin Hasse 1910 besorgte Neuedition ist zwar textkritischer und damit für die Forschung letztlich empfehlenswerter, doch habe ich für unseren Zusammenhang die Fassung von Arthur Kern wegen ihrer besseren Lesbarkeit vorgezogen.

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Das Schloß als Sitz des tugendhaften Fürsten

Die Schloßkapelle, die zunächst nur durch ihre aufwendige architektonische Ausgestaltung hervortritt, wird durch den hier geschilderten gemeinsamen, durchaus zeremoniell gestalteten Gottesdienstbesuch auch im Handlungsablauf als das sakrale Zentrum einer Residenz verdeutlicht und in Erinnerung gehalten. In dem gemeinsamen morgendlichen Kirchgang der höfischen Amtsträger und des Fürsten vollzog sich jeden Tag aufs Neue die Bekräftigung der göttlichen Stellvertreterschaft des fürstlichen Regiments. Hinweise auf ein solches Verständnis finden sich ebenfalls in der 1589 abgefaßten Kammerordnung des katholischen Herzogs Wilhelm V. von Bayern, die sich mit der folgenden Aufforderung an die Kammerdiener richtet: »[…] Damit aber solches [die Verrichtung des Kammerdienstes, Anm. M.M.] auch gebirlich und also bescheche, daß dardurch unß zu unserm gnedigisten gefallen und notturfft, inen [den Kammerdienern, Anm. M.M.] aber selbs zu ehr, genad und merer befirderung gediend werde, So sollen Sy sich anfenklich vor allen Dingen befleißen, in rechte Gottesforcht sich zu begeben, wo nit teglich, doch die mehrere Zeit und sonderlich aus schuldigem gehorsam der Christlichen khirchen und unserm sonderbarn befelch alle Vest[-], Sunn[-] und feyrtag die heilig Meß zu heren, auch alle vorneme vest des Jars, sovil inen miglich, mit der heilligen Beicht und Communion [zu] zieren und sich derselben thailhafftig [zu] machen […]«126 Die Forderung an die Kammerdiener Wilhelms V., gottesfürchtig zu leben und die heilige Messe zu hören, wird zum einen mit den Bedürfnissen von Person und Amt des Fürsten, zum anderen mit der Ehre und dem Seelenheil der Kammerdiener selbst begründet. Deutlicher als in dieser Kammerdienerordnung hätte die zweifache Aufgabenstellung der Schloßkapelle, auf die religiösen Bedürfnisse des fürstlichen Staatswesens wie der ihm dienenden Personen bezogen zu sein, nicht angesprochen werden können.

126 Kammerordnung Herzog Wilhelms V. von Bayern (1589), zit. nach A. Kern, 1907, S. 210.

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Das Schloßtor

6.5 Ort fürstlicher Wachsamkeit und Wehrhaftigkeit: das Schloßtor Die Aspekte von Wachsamkeit und Wehrhaftigkeit gelten für das Schloßtor nicht nur im Rahmen des weiter oben angesprochenen Burgfriedens,127 sondern ebenso im Rahmen des vom Fürsten ausgehenden tugendhaften Schloßregiments. Wie bereits für das Schloß in seiner Funktion als herrschaftlicher Rechtsort bezeichnete das Schloßtor auch für das Schloß als Sitz des tugendhaften, weisen und wachsamen Fürsten funktional wie symbolisch die Grenze zwischen der inner- und außerhöfischen Welt. Das Schloßtor war nicht nur der wichtigste Zugang in den innersten Schloßbezirk, sondern auch der wichtigste Kontrollpunkt für alle Bewegungen in das Schloß hinein und aus ihm heraus. Es bildete damit das Gegenstück zu den hochgelegenen fürstlichen Rückzugsräumen an der Spitze der repräsentativen Treppentürme, in denen sich der wachsame Blick des von Sapientia bestimmten Regenten manifestierte.128 Dieser Bedeutung entsprechend, besaß das Schloßtor ein hohes Maß an Repräsentation, stand es doch sprichwörtlich für die Fähigkeit des Fürsten zu umfassender Schloßherrschaft und zur Durchsetzung der von ihm erlassenen Hofordnung. In den Hofordnungen, die die Amtspflichten des Torwärters bis ins Detail regeln, findet dieser praktische wie zeichenhafte Wert des Schloßtors seinen Niederschlag seit dem 16. Jahrhundert. In den Kapiteln zum Schloßtor als Rechtszeichen und der patriarchalischen Funktion der Hof- und Tafelstuben,129 wurde bereits auf zwei wichtige Aufgabenstellungen für den Torwärter hingewiesen: Zum einen hatte er darauf zu achten, daß keine Gegenstände unerlaubt aus dem Schloß heraus getragen wurden, zum anderen war er aufgefordert, das Schloßtor jeden Abend und darüber hinaus zu allen gemeinsamen Hofmahlzeiten zu verschließen. Am Schweriner Hof Johann Albrechts von Mecklenburg schrieb die Hofordnung von 1574 sogar vor, während des Essens zusätzlich die Zugbrücke hochzuziehen: »Under den Malzeitten des Mittageß und Abendes soll die Schloßpfortte sowoll auch die Zugbrucke an der Stadt stets zugeschloßen werden, und allhie zu

127 Zur Bedeutung des Schloßtors für die Rechtssphäre eines Schlosses siehe oben Kap. 5.5. 128 Siehe Kap. 6.2. 129 Siehe Kap. 5.5 und 6.3.

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Das Schloß als Sitz des tugendhaften Fürsten

Schwerin die Schlußell dem Wachtmeister Hansen Braun, an andern orttern, da s. f. G. sein wirdt, dem hoffmarschalck und in Abwesen deßelben dem Undermarschalck zugestellet und uberandtworttet werden«.130 Besonders die letzte, auf die Essenszeiten bezogene Regelung ist Teil einer zeremoniellen Handlung gewesen, in deren Verlauf sich Fürst und Hofangehörige als geschlossene, streng hierarchisch gegliederte Gemeinschaft erfuhren, an deren Spitze der Fürst als umfassend sorgender Hausvater stand.131 Wie sehr sich gerade dieses patriarchalische Verständnis vom fürstlichen Schloßherrn im Regelungswerk des Torwärterdienstes widerspiegelt und von hier aus schließlich auch die Wertigkeit des Schloßtors selbst bestimmt, vermag beispielhaft des »Pörtners Ordnung« aus der Hofordnung des Markgrafen Karl II. von Baden-Durlach (1568) zeigen. In ihr werden die Aufgaben und Pflichten des Torwärters, die in den meisten Hofordnungen ansonsten verstreut zu finden sind, zusammengefaßt: »Der Portner sol bey seinem Aydt gutt Achtung und Uffsehens haben, daß niemands inn das Schloß gange dann, wer ordenlich darein gehörtt, doch ein jeder zu seiner Zeitt; und, wo jemands darfur kombt, der nit Hofgesindt ist, den sol er nit hineinlaßen, sonder ine befragen, was er wölle, und, zu wem er wölle, solches anzeigen. / Er soll auch sein vleißig uffsehen haben, daß niemandts nichts auß dem Schloß trag von Brott, Wein und anderm, und, so er das sieht, solches bey seinem Aydt annzeigen und auch macht habenn, wen er argwönig spurett, zu besuchenn. / Item, der Thorwartt sol niemandt zwischen den Maalenn oder zu unordentlichen Zeitten uß[-] und einlaßen, one bevelch. / Item, der Thorwartt soll bey seinem Aydt und hartter Thurnstraaff nitt gestattenn, daß inn seiner stubenn zechen gehaltenn werdenn, es sey, durch wen es wölle, Er auch fur sich selbs niemandes laden; und, wo er das thutt, soll er darumb ernstlich gestraafft werden. / Item, der Thorwarth soll Abendts undt morgenns, wann man zublasenn hatt, die Porten beschließen undt one bevelch niemandes einlaßen, der zu spath fur die Portten kombt, sonder die Schlüßel alsbaldt dem Haußhoffmeister oder Hausvogt uberanttworten. / Item, er soll auch innsonderheit kein frömbden Botten one Bevelch des Hoffmeisters oder anderer, die ime Bevelch zu gebenn haben, einlaßen. / Als auch bißher sich vil beflißen, under dem schein, daß sie Milch, Krautth, Hüner, Visch oder Anders inn die Küchin zu tragen, in das Schloß [zu] schleichen, da man inen dann one bevelch

130 Hofordnung Johann Albrechts von Mecklenburg (1574), zit. nach A. Kern, 1905, S. 215. 131 Siehe hierzu S. 282.

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Das Schloßtor

eßen und drinckhen inn der Kuchin undt sonst gegeben, Deßgleichen die handtwercksleuth: deren keinen soll der Portner einlaße, sonder solches in der Kuchin anzeigen, dasjenig, so man bringt, vor der Portten zu holenn wißen; ußgenomen, so die Metzger fleisch tragen, Die soll er damitt hineinlaßenn. Damit aber dannoch inn die Kuchin komme, was darein gehört, sol jemandes daruff bescheidenn werdenn, der solche sach empfahe und hineintrage«.132 Modern formuliert, entsprach der Torwärterdienst einem umfassenden Sicherheitsmanagement für das fürstliche Schloß, das dem Bedürfnis des Schloßherrn nach innerer und äußerer Sicherheit, sorgsamer Haushaltung und Kontrolle über den im Schloß anwesenden Personenkreis folgte. Sicherheit und Kontrolle waren jedoch kein Selbstzweck bzw. entsprachen nicht allein zweckgerichteter Kalkulation, sondern waren Bestandteil eines umfassenden religiösen, ethisch-moralischen Verständnisses von Herrschaft, das in den Fürstenspiegeln der frühen Neuzeit seine gültige Definition erfuhr.133 Hiervon waren auch die Hofordnungen geprägt, als deren Bestandteil wiederum die Torwärterordnungen in die frühneuzeitliche Regentenethik eingebunden waren. Der Inhaber des Torwärteramtes bekleidete daher ein hochoffizielles Amt, dessen enge, vertrauensvolle Anbindung an den Fürsten besonders in der Vereidigung und dem sanktionierenden Strafmaß (Turmstrafe) zum Ausdruck gebracht wurde, wie sie auch in der zitierten baden-durlachschen Hofordnung Erwähnung finden. In dieser Hinsicht war der Torwärter der Stellvertreter des Fürsten und lieh diesem gleichsam seinen wachsamen Blick auf das Geschehen an der Grenze zwischen außer- und innerhöfischem Bereich. Für die Gestaltung des Torgebäudes selbst ergab sich daraus die Aufgabe, dem solchermaßen überhöhten, von funktionalen wie symbolischen Aspekten bestimmten Torwärterdienst das angemessene Gehäuse bereitzustellen. Der Überblick über die verschiedenen Formen und Typen von Schloßtoren hat gezeigt, daß dabei in der Regel auf die Gestalt des Turmes zurückgegriffen wurde, selbst wenn es sich, wie etwa bei der Augustusburg in der Nähe von Chemnitz (Abb. 9) oder dem Aschaffenburger Schloß (Abb. 10), nur um turmartige Aufsätze handelt.134 Die bevorzugte Wahl der Turmform erfolgte vor allem unter Be132 Hofordnung des Markgrafen Karl II. von Baden-Durlach (1568), zit. nach A. Kern, 1907, S. 134 f. 133 Zu den Fürstenspiegeln der frühen Neuzeit siehe B. Singer, 1981; H.-O. Mühleisen / T. Stammen, 1990; H.-O. Mühleisen u.a., 1997. Zum 17. Jahrhundert siehe auch R. A. Müller, 1985, S. 571–597. 134 Siehe hierzu Kap. 4.2.4.

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rücksichtigung der mit ihr behafteten Bedeutungsmuster, die den Turm – wie mehrfach angesprochen – zur symbolischen Form für herrschaftliche Gerichtsbarkeit, Wehrhaftigkeit und die hiermit verbundene Tugend der Fortitudo werden ließen. In diese rechtlich und militärisch besetzte Zeichenhaftigkeit, die beim Schloßtor zunächst das Rechtsinstitut des Burgfriedens vergegenwärtigen soll,135 fügt sich der Aspekt der in den Hofordnungen formulierten patriarchalischen Wachsamkeit und Wehrhaftigkeit des Fürsten nahtlos ein. Es vermag daher nicht zu verwundern, daß sich die feine Differenzierung zwischen den einzelnen miteinander verschränkten Funktionsbereichen des Schloßtors in seiner äußeren Form grundsätzlich nicht widerspiegelt, sondern der mit Elementen der Wehrarchitektur (wie Erker, Flankentürmchen und Zugbrücke) und besitzanzeigender Heraldik gestaltete Torturm die Alles umfassende Grundform darstellt. Dennoch verfügen fast alle Schloßtore über ein Merkmal, durch das besonders der wachsame Blick des Schloßherrn, dessen Augen den Ein- und Ausgang des Schlosses kontrollieren, architektonisch zum Ausdruck gebracht wird. Es sind gesonderte Turmstuben, die sich über der Tordurchfahrt in einem der Obergeschosse der Torbauten befinden und nach außen hin durch Fenster in Erscheinung treten. Diese Räume dienten keineswegs, wie man annehmen könnte, dem Torwächter als Wohn- und Aufenthaltsort,136 sondern waren oftmals der herrschaftlichen Sphäre zugeordnet. So zeichnen sich die Oberräume des spätmittelalterlichen Torturms der Moritzburg in Halle (Abb. 88) durch aufwendige Gewölbebildungen und Vorhangbogenfenster aus und ist der Raum an der Spitze des Turmes nur über eine gesonderte Treppe zu erreichen. Im ersten Obergeschoß des 1619 veränderten Torgauer Schloßtors (Abb. 150) befand sich unmittelbar über der Tordurchfahrt das Appartement des Hofmarschalls und damit die Wohn- und Diensträume des ranghöchsten Beamten der fürstlichen Hofhaltung.137 Und in Güstrow, um noch ein außerhalb des mitteldeutschen Raums liegendes Beispiel zu nennen, lag über dem Schloßtor (Abb. 151) im ersten Obergeschoß eine unbeheizte, mit einer gewölbten Nische ausgestattete Kammer, die laut 135 Siehe hierzu Kap. 5.5. 136 Die Wachstube mit zugehöriger Schlafkammer befand sich für gewöhnlich im Erdgeschoß des Torbaus (siehe hierzu die mitteldeutschen Beispiele bei St. Hoppe, 1996). 137 Dem herrschaftlichen Charakter dieses Appartements entsprach auch die Raumausstattung. Das Torgauer Inventar von 1610 erwähnt u.a. das kurfürstliche Wappen an der Decke der Stube und ein Himmelbett in der Kammer (siehe auch ebd., S. 233 f.).

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einer Quelle aus dem Jahr 1563 dem anschließenden herzoglichen Appartement zugeordnet war.138 Zwar ist ihre genaue Nutzung nicht geklärt und Stephan Hoppe möchte eine Funktion als Studierraum bzw. Schreibstube kategorisch ausschließen,139 doch ergeben sich durch die zentralen Ausblicke auf den Zufahrtsweg zum Schloß immerhin bemerkenswerte Parallelen zur Tradition von Torbauten französischer Schlösser. Dieser Bezug zum französischen Schloßbau läßt sich auch in der architektonischen Form erkennen. Auf eine im damaligen Alten Reich außergewöhnliche Weise wurde hier ein französischer Bautypus rezipiert, der in Frankreich seit Vincennes u. a. für die Verbildlichung des weisen und wachsamen Herrschers stand. Ausgehend von Vincennes, auf dessen symbolträchtige, auf die Sapientia des wachsamen Königs hinweisende Einrichtung mit einer Studierstube (Estude) bereits eingegangen wurde,140 entwickelte sich der Torbau in Frankreich zu einer hochherrschaftlichen Architektur, deren Höhepunkt im 16. Jahrhundert die Porte dorée von Schloß Fontainebleau (Abb. 152) markiert.141 Dieses unter Franz I. im Rahmen des Schloßumbaus von 1528 ff. errichtete Torgebäude präsentiert sich als entschieden modernisierende, frühneuzeitliche Interpretation des auch für Vincennes charakteristischen spätmittelalterlichen Torbaus mit Flankentürmen.142 Andere Torbauten von Schlössern dieser Zeit im Umkreis des französischen Königs sind in der Veränderung des althergebrachten, von Rundtürmen flankierten Tores zurückhaltender. Auch sie werden zwar u. a. mit großen Fenstern und Pilasterordnungen auf 138 Bei der Quelle handelt es sich um eine Abrechnung des Baumeisters Franz Parr, in dem der Torraum im Zusammenhang mit Stuckarbeiten an den Decken genannt wird (der Auftrag lautete: »die drey Decken in M.[eines] g.[nädigen] H.[errn] gemechern, Item der Cammer Jungker stueben neben dem Vorsahl vber dem thor mit decken vnd Anderm zierlich ausputzen« [Mecklenburgisches Landeshauptarchiv Schwerin, Renterei-Register, Güstrower Register 1563–1564, zit. nach G. Baier, 1970, S. 108 f.]); zur Raumrekonstruktion siehe auch St. Hoppe, 2000, S. 134 f. 139 Ebd., S. 135. Statt dessen schlägt Hoppe eine Nutzung als herzoglichen Garderobenraum »im Sinne einer guarderobe im französischen bzw. italienischen Schloßbau oder aber ihre Belegung durch untergeordnete Diener des Herzogs« vor. 140 Siehe oben Kap. 6.2. 141 W. Prinz / R. G. Kecks, 1994, S. 237 ff. 142 Hierbei werden die in Vincennes gerundeten Formen in streng kubische, mit einer italienischen Pilasterordnung gegliederte Grundformen überführt, dabei aber das alte Schema aus Mittelbau und flankierenden Seitentürmen beibehalten. Dort, wo sich in Vincennes über dem Tor die Estude Karls V. befand und über ein Fenster nach außen öffnete, erscheint in Fontainebleau eine mehrstöckige Loggienarchitektur, die wiederum mit repräsentativen Räumlichkeiten verbunden war.

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das Niveau der frühneuzeitlichen Architektursprache gehoben, doch verbleiben sie durch die Beibehaltung der Rundtürme und von Wehrelementen wie z. B. dem vorkragenden Wehrgang stärker der Tradition verhaftet. Ein Beispiel hierfür ist das donjonartige Torhaus von Valençay (Abb. 153). Von dieser »manieristischen« Umdeutung der spätmittelalterlichen französischen Torarchitektur war die Gestaltung des Güstrower Schloßtors nicht unberührt geblieben. Sieht man einmal ab von dem niederländisch inspirierten manieristischen Dekorum, erscheint der Güstrower Torturm in seiner Grundform und seinen Grundelementen (hierzu gehören vor allem die flankierenden Rundtürmchen) wie das Versatzstück aus einem französischen Schloß des 16. Jahrhunderts. Auf diese Weise ist in Güstrow unter der Bauherrschaft von Herzog Ulrich III. von Mecklenburg und ausgeführt von seinem Architekten Franz Parr eine Torarchitektur entstanden, die im deutschen Schloßbau des 16. Jahrhunderts in außergewöhnlich anspruchsvoller Form die traditionsreiche Vorstellung vom Herrscher als »garde-clef et fermeure de chasteaux et citez et villez«143 zu veranschaulichen versuchte.

6.6 Das tugendhafte und gerechte Regiment als Gegenstand der Wanddekoration: das Beispiel Schloß Wilhelmsburg in Schmalkalden Jenseits des Thüringer Waldes steht eines der interessantesten Residenzschlösser des ausgehenden 16. Jahrhunderts in Deutschland: Schloß Wilhelmsburg in Schmalkalden (Abb. 80+90). Es wurde zwischen 1585 und 1590 durch Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel (1532–1592) nach dem Erbanfall der gesamten Herrschaft Schmalkalden an die hessische Landgrafschaft144 auf den Fundamenten und unter Weiterverwendung von aufgehendem Mauerwerk der alten Burg Wallrab neu erbaut.145 Während die Stadt als Tagungsort des Schmalkaldischen Bundes über die regionalen Grenzen hinaus bekannt ge-

143 Mit diesen Worten charakterisierte Christine de Pisan den von ihr porträtierten französischen König Karl V. (Dies., 1936, S. 21 ff., S. 27). 144 K. Knetsch, 1899. 145 Eine neuere umfassende Darstellung der Baugeschichte fehlt; daher immer noch grundlegend F. Laske / O. Gerland, 1895; zusammenfassend siehe auch P. Handy, o. J. [ca. 1985].

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worden ist, fand das Schloß vor allem wegen seiner ungewöhnlich vollständig erhaltenen Raumausmalung größere Aufmerksamkeit. Nur wenige Schloßbauten in Deutschland haben einen so umfangreichen Bestand an Wandmalereien aus der Zeit des ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts (die vor kurzem propagierte Spätdatierung eines Großteils der Fresken in das späte 17. Jahrhundert vermag nicht zu überzeugen146) überliefert wie die Wilhelmsburg in Schmalkalden. Obwohl seit der Herrschaft von König Jérôme Bonaparte ab 1807 weite Teile der Schloßanlage dem Verfall preisgegeben oder aber durch extreme Nutzungsbedingungen dem Verschleiß und der Zerstörung ausgeliefert waren,147 vermochte die Grundausstattung der wandfesten Dekoration zu überleben. In den 20er und 30er Jahren unseres Jahrhunderts erstmals restauriert und seit 1965 grundlegend instandgesetzt,148 gehören die ausgemalten bzw. stukkierten Innenräume des einstigen hessischen Residenzschlosses heute zu den wertvollsten Zeugnissen ihrer Art in Nordeuropa. Diesem Rang entspricht allerdings bei weitem nicht die Forschungs- und Publikationslage: Es existieren zwar eine unveröffentlichte Diplomarbeit149 und mehrere kleinere, meist entlegen publizierte Beschreibungen der erhaltenen Dekorationssysteme und für die Deckengemälde im großen Festsaal sogar eine zeitgenössische Beschreibung im Marburger Staatsarchiv,150 doch es fehlt eine moderne, kontextbezogene Studie, die nicht nur einzelne Räume herausgreift, sondern die bildkünstlerische Ausgestaltung eines jeden Raumes als Bestandteil einer übergeordneten Systematik 146 In jüngster Zeit wurde – vor allem durch Willi Stubenvoll – die Neudatierung eines Großteils der Fresken in das späte 17. Jahrhundert (Regierungszeit von Landgräfin Hedwig Sophie und ihrem Sohn Karl) vorgenommen (siehe hierzu Schloß Wilhelmsburg in Schmalkalden, 1999, u.a. S. 7, 15f., 32, 39, 40). Hiergegen sprechen jedoch nicht nur der stilistische Befund, der trotz stellenweise starker restauratorischer Eingriffe dennoch die letzten Jahre vor und die ersten Jahre nach 1600 sinnvoll erscheinen läßt, sondern auch die quellenkundlichen Angaben (Staatsarchiv Marburg, Abtlg. L Herrschaft Schmalkalden sowie Bestand Schmalkalden) des 17. und 18. Jahrhunderts (zur Datierungsfrage und den Quellenaussagen siehe den Beitrag von M. Schmidt, 2000; zu den Restaurierungen der 1970er Jahre siehe Denkmale in Thüringen, 1975; R. Ziessler, 1980). 147 M. Schmidt, 2000, S. 79 f., mit neuen Quellenangaben. Zur bisherigen, älteren Darstellung, nach der bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nach dem Ende der Regentschaft Landgraf Karls (1677–1730) der Verfall einsetzte, siehe P. Handy, o. J. [ca. 1985], S. 86 ff. 148 P. Handy, o. J. [ca. 1985], S. 90 f. 149 I. Schröder, 1956. 150 »Tapetzerey Büchlein Anno Domini 1587«, Staatsarchiv Marburg, Bestand 17e Schmalkalden Nr. 2 (publiziert bei O. Gerland, 1891, S. 8 ff.).

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darzustellen weiß. Einen Schritt in diese Richtung hat kürzlich Astrid Block in ihrer Bamberger Magisterarbeit151 unternommen, doch mußten ihre Bemühungen, dem Charakter der Studie entsprechend, auf einen größeren Raum des Schlosses, den Festsaal, beschränkt bleiben. Erforderlich wäre eine Betrachtungsweise, die einerseits die Raumdekoration konsequent auf die Raumfunktion und damit letztlich auf die Raumbenutzer bezieht und andererseits die auf diese Weise erschlossene Programmatik eines jeden Raumes in das übergeordnete System der Raumbildung und Architekturgestaltung einbindet. Mit anderen Worten: Um die in Schmalkalden erhaltene wandfeste Raumausstattung als Bestandteil eines höfischen Zeichen- oder auch Leitsystems zu verstehen, dürfen wir nicht jeden Raum für sich betrachten, sondern müssen ihn in seiner Zuordnung zu anderen Räumlichkeiten und in seiner Positionierung innerhalb der gesamten Schloßanlage sehen. Hier ist auch das Wechselverhältnis zwischen wandfesten Bildprogrammen bzw. Raumdekorationen und der Architektur angesprochen, d. h. die wechselseitigen, zeichenhaften Verweise des einen Mediums auf das andere. Letztlich münden alle Überlegungen in die Frage, inwieweit die wandfeste bildnerische Ausgestaltung der Innenräume des Schmalkaldener Schlosses der Visualisierung des höfischen Ordnungsund Wertesystems diente und damit zu einer Interpretation des Schloßgebäudes und seiner Architektur als Sitz des tugendhaften fürstlichen Landesherrn beitragen kann. Die inhaltliche Analyse der malerischen Ausstattung des Schmalkaldener Schlosses hat darüber hinaus aber auch zu beachten, daß selbst Jahrzehnte nach der Fertigstellung keine grundsätzliche Veränderung des vorgefundenen dekorativen und programmatischen Gesamtsystems stattfand. Selbst unter Landgräfin Hedwig Sophie, die in den Jahren 1663–1683 als zeitweilige Regentin und landgräfliche Witwe in der Wilhelmsburg residierte, und ihrem Sohn Karl, der von 1677 bis 1730 regierte, verzichtete man auf größere Eingriffe.152 Offensichtlich 151 A. Block, 1997. 152 M. Schmidt, 2000, S. 77 ff. Ebenso wie der Annahme bislang die wissenschaftliche Grundlage fehlt, unter Hedwig Sophie sei es zu einer tiefgreifenden Überformung weiter Teile der Fresken gekommen, so fehlen auch glaubwürdige Anhaltspunkte für einen Umbau des Treppenzugangssystems unter der Landgrafenwitwe in den 1670er Jahren. Willi Stubenvoll, der einen solchen tiefgreifenden Eingriff in das Zugangssystem des Schlosses postuliert, nimmt einen einstigen repräsentativen, geradläufigen Treppenaufgang im Bereich des heutigen brandenburgischen Gemachs an (Schloß Wilhelmsburg in Schmalkalden, 1999, S. 15). Dieses angebliche, bereits unter Wilhelm IV. angelegte Haupttreppen-

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war es das Bestreben von Hedwig Sophie und ihren Beratern, die unter Landgraf Wilhelm IV. begonnenen und zu Beginn des 17. Jahrhunderts vollendeten Ausmalung im wesentlichen unverändert zu bewahren. Hierzu gehört auch die Erhaltung oder sogar Ausbesserung der figürlichen und heraldischen Zeugnisse Wilhelms IV.: Seine gemalten oder plastisch gearbeiteten Bildnisse und Wappen wurden konserviert und bildeten formal und inhaltlich nach wie vor die maßgeblichen Bezugspunkte des Bildprogramms!153 So viel Rücksichtnahme auf Älteres (die im übrigen auch die bauliche Gestalt einbezieht), ja die für moderne Betrachter an Selbstverleugnung grenzende Unterordnung der Nachgeborenen unter die Vorgaben des vor langer Zeit verstorbenen Vorfahren ist auffällig und bedarf der Erklärung. Einen Weg, sie zu finden, könnte die Beachtung der historischen Bedeutung von Schloß Wilhelmsburg und seines Erbauers, Landgraf Wilhelms IV. von Hessen-Kassel, und die Berücksichtigung der vom Adel gepflegten »Erinnerungskultur« (Klaus Graf154) weisen. Der Ort Schmalkalden, das Schloß und schließlich die Person Wilhelms IV. sind Synonyme für ein herausragendes politisch-religiöses Vermächtnis, das es auch unter den nachfolgenden Generationen zu wahren galt: Nachdem unter Wilhelms Vater und Vorgänger im Regentenamt, Philipp dem Großmütigen, sowie unter Johann Friedrich I. von Sachsen der »Schmalkaldische Bund« als wichtigste protestantische Bewegung im Reich seine verheerende, ehrverletzende Niederlage erlitten hatte, war es das Verdienst Wilhelms IV. gewesen, die hessische Landgrafschaft wieder in stabile politische wie konfessionelle Verhältnisse geführt zu haben. Der Erbanfall der Herrschaft Schmalkalden an das Haus Hessen 1583 ermöglichte für Wilhelm IV. daher nicht nur den Zugewinn eines durch Bergbau wirtschaftlich starken Territoriums, sondern darüber hinaus die Errichtung einer glanzvollen Residenz am symbolträchtigen einstigen Tagungsort des 1547 geschlagenen

haus (dessen Existenz innerhalb der gewendelten Treppenanlagen deutscher Schlösser jener Zeit Seltenheitswert besessen hätte; als Ausnahme vgl. z.B. das Neue Schloß in Baden-Baden) sei unter Hedwig Sophie abgebrochen und von da an die vier Treppentürme als Hauptzugänge genutzt worden. Der quellenkundliche wie bauarchäologische Nachweis dieser Behauptung wurde jedoch bislang nicht erbracht. Im Gegenteil vermochte Michael Schmidt, 2000, S. 66 m. Anm. 59, anhand von Inventarangaben (Inventar von 1612) und Baurechnungen die Ursprünglichkeit der heutigen Situation zu belegen! 153 Dies gilt besonders für den Festsaal, den sog. Riesensaal, auf den weiter unten ausführlicher eingegangen wird. 154 Eine grundlegende Skizze zur adligen »Erinnerungskultur« bietet K. Graf, 1997.

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protestantischen Fürstenbundes. Das neue Schmalkaldener Schloß wurde damit gewissermaßen zu einem Manifest der wieder erstarkten hessischen Landgrafschaft und ihres unter Philipp dem Großmütigen eingeführten lutherischen Bekenntnisses. Da Wilhelm IV. wußte, daß nur die Bewahrung dieses unter ihm aufgebauten religionspolitischen Status’ quo die Stabilität Hessens auch zukünftig sicherstellen konnte, hatte er seinen Sohn und Nachfolger, Moritz den Gelehrten, testamentarisch verpflichtet, nicht am konfessionellen Bekenntnis zu rütteln. Moritz tat es dennoch und führte die sog. calvinistischen Verbesserungspunkte ein, mit der Folge einer zeitweisen konfessionellen Spaltung Hessens und seiner gefährlichen Verwicklung in die macht- und religionspolitischen Auseinandersetzungen des Dreißigjährigen Krieges. Erst die erzwungene Abdankung von Landgraf Moritz und die Wiedereinsetzung des lutherischen Bekenntnisses unter Wilhelm V. beendete diese prekäre Situation.155 Die Erinnerung an die selbstzerstörerische Politik Moritz des Gelehrten und die Mißachtung des Vermächtnisses seines Vaters, Wilhelms IV., wird vermutlich ein wichtiger Grund für die Beibehaltung des renaissancezeitlichen Malereiprogramms der Wilhelmsburg unter den nachfolgenden hessischen Regenten gewesen sein. Sie gestalteten auf diese Weise das Schmalkaldener Schloß zu einem regelrechten Ehren- und Gedächtnismal für ihren bedeutenden Vorfahren, der zusammen mit seinem religions- und territorialpolitischen Vermächtnis sozusagen in den Rang eines Exemplum aus den zeitgenössischen Fürstenspiegeln erhoben wurde. Diese Stilisierung Wilhelms IV. dürfte bereits in der unter Wilhelm selbst begonnenen Ausgestaltung des Festsaals (sog. Riesensaal) angelegt gewesen sein: Denn nicht ohne Hintersinn wurde das über der Saaltür prangende Halbfigurenporträt Wilhelms IV. in eine Bildfolge integriert, die an den Wänden und der Decke des Festsaals einerseits die christlichen und Kardinalstugenden und andererseits Exempla aus der antiken und christlichen Heilsgeschichte zeigen.156 Ganz in diesem, an den frühneuzeitlichen Fürsten155 Zu Landgraf Moritz von Hessen siehe zuletzt Moritz der Gelehrte, 1997 (dort auch weitere Literatur). Aufschlußreich für das Denken und Handeln von Moritz ist auch eine Biographie über seine Gemahlin, Juliane von Hessen: M. Lemberg, 1994. Zu Moritz’ vielschichtigem, nicht nur calvinistisch geprägtem Verhältnis zur Kunst siehe besonders B. Kümmel, 1996. 156 Wenn die durch Angaben in den Rechnungsbüchern gestützte Vermutung von Michael Schmidt (M. Schmidt, 2000, S. 75 f.) zutrifft, daß die Komplettierung des Bildprogramms durch die gemalten Nischenfiguren an den Wänden erst unter Moritz dem Gelehrten in den Jahren 1625/26 erfolgte, dann wäre dies eine

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spiegeln ausgerichteten Sinn wurde darüber hinaus auch die Tafelstube mit Tugendallegorien ausgemalt.157 So wird in den Repräsentationsräumen von Schloß Wilhelmsburg das Bild eines tugendhaften, gerechten und ordnungswahrenden Regenten präsentiert und den Benutzern der Räume memorativ vor Augen gehalten. Will man den Sinnzusammenhang weiter Teile der Schmalkaldener Raumausmalung erfassen, ist es daher notwendig, neben dem historischen Geschehen die frühneuzeitliche Regentenliteratur zu Rate zu ziehen. Die folgenden Überlegungen versuchen aufzuzeigen, in welchem Ausmaß sich die Ausmalung von zwei der wichtigsten repräsentativen Innenräume des Schmalkaldener Schlosses, der Tafelstube und des Festsaals, sowohl auf die traditionellen Fürstenspiegel158 als auch auf die von der Kunstgeschichte bislang wenig beachteten Hofordnungen159 bezieht und die anspielungsreiche Grundlage für das oben skizzierte Bildprogramm bilden. Dieses Programm diente zwar nach 1592 vor allem dem ehrenden Gedächtnis Wilhelms IV. und dessen herrscherlicher Vorbildlichkeit, doch war es grundsätzlich den funktionalen und repräsentativen Bedürfnissen einer frühneuzeitlichen Hofhaltung (so bereits unter Wilhelm IV. selbst, anschließend unter seinem Sohn Moritz und später dann unter Hedwig Sophie und ihrem Sohn Karl) verpflichtet. Die im Nordflügel gelegene Tafelstube erschließt sich über einen vestibülartigen Vorraum im nordwestlichen Gebäudewinkel des Schlosses, von dem aus auch der Zugang in die landgräflichen Appartements im Westflügel möglich ist. Innerhalb der Raumhierarchie eines Schlosses zählte die Tafelstube zu den wichtigsten Repräsentationsräumen. Separiert vom gemeinen Hofgefolge nahmen die fürstliche Herrschaft und ihre hochrangigen Amtsträger hier täglich ihre Mahlzeiten ein. Und wenn vornehme Gäste zu verköstigen waren, erhielten sie eben-

bemerkenswerte Hommage des konfessionell »abtrünnigen« Sohnes an seinen verstorbenen Vater. 157 Zur Datierungsfrage siehe Kap. 6.5, Anm. 146. 158 Vor wenigen Jahren hat Susan Tipton eine Studie zum Wechselverhältnis von Regentenliteratur und Raumausmalung in den Rathäusern der frühen Neuzeit vorgelegt (S. Tipton, 1996). Leider richtete sie dabei keinen vergleichenden Blick auf die entsprechenden Ausstattungsprogramme in den zeitgleichen Schloßbauten. 159 Zu ersten Bemühungen, die funktional und programmatisch begründete räumliche Entwicklung im Residenzenbau über Hof- und Zeremonialordnungen zu erschließen, siehe J. Guillaume, 1994; W. Paravicini, 1997; siehe auch jüngst die kritischen Anmerkungen von K. de Jonge, 1999, S. 175–220.

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falls ihren Platz in der Tafelstube. Das einfache Hofgefolge versammelte sich demgegenüber in der saalartigen Hofstube.160 Sie befindet sich in Schmalkalden direkt unter der Tafelstube im Erdgeschoß des Nordflügels. Die Superposition von Tafelstube und Hofstube im Schmalkaldener Schloß macht deutlich, daß beide Räume funktional ursprünglich zusammengehörten, und erst im Verlauf des 16. Jahrhunderts sich der Essensbereich der Herrschaft von dem des Gefolges separierte.161 Der besondere Status der Tafelstube kommt in Schmalkalden aber ebenso in den dort angebrachten Wandmalereien zum Ausdruck. (Abb. 154) An den Fensterseiten wurden auf die Wandflächen rechts und links von den tiefen Fensternischen überlebensgroße Standfiguren aufgemalt, die karyatidenartig ein ebenfalls gemaltes, jede einzelne Nische abschließendes Gebälk stützen. Gezeigt werden die Allegorien von acht Tugenden – vier Kardinaltugenden und vier christliche Tugenden –, deren Nachahmung ein weises und gerechtes fürstliches Regiment von Gottesgnaden auszeichnete. Auf den Fenstergewänden der Hofseite befinden sich (von links nach rechts) Justitia, Prudentia, Caritas und Temperantia; auf den Fenstergewänden der gegenüberliegenden Seite (von links nach rechts): Spes, Pietàs, Fortitudo und Fides.162 (Ein vergleichbares, jedoch in Stuck ausgeführtes Programm existiert übrigens im Weißen Saal des gegenüberliegenden Südflügels.163) Obwohl alle Figuren in die aufgemalte architektonische Struktur eingebunden sind und hier tragende Funktionen ausüben, verhelfen ihnen sowohl die manieristischen Körperproportionen als auch die gemessen-bewegte Körpersprache zu einer Lebendigkeit von rhetorischer Qualität. Im Sockelbereich der Fensternischen, die von den Allegorien eingerahmt werden, befinden sich als Teil des ursprünglichen Dekorationssystems Fruchtgirlanden, die – natürlich optisch – an das gemalte Roll- und Beschlagwerk der Fensterumrahmungen aufgehängt wurden

160 St. Hoppe, 1996, S. 413 ff. 161 Siehe hierzu oben Kap. 6.3. 162 Die Identifizierung der christlichen Kardinalstugenden, die offenbar von Anfang an und nicht nur in der heutigen, restaurierten Form über keine Attribute verfügten, ist nur anhand von heute verloren gegangenen, jedoch dank einer zeitgenössischen Beschreibung rekonstruierbaren Inschriften möglich (I. Schröder, 1956). 163 Folgende Tugenden werden im Bereich der Tür zum kleineren Gemach (Schlafkammer) des »Brandenburgischen Gemachs« gezeigt: Prudentia, Justitia, Providentia Dei, Pax und Fiducia. Darüber hinaus waren die Längswände des »Weißen Saals« ursprünglich mit Ahnenbildern und vermutlich auch schwarzsilbernen Gobelins ausgeschmückt (D. Varady-Prinich, 1996, S. 23).

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und neben den Früchten auch diverses Tischgerät als Dekorationselemente besitzen – zeichenhafte Hinweise auf die Nutzung des Raums als Tafelstube. Eine besondere, nicht nur auf Belehrung, sondern ebenso auf Unterhaltung ausgerichtete malerische Leistung findet sich in der südwestlichen Ecksituation des Raumes (Abb. 155): Hier kommunizieren die Malereien gleichsam von Wand zu Wand: Temperantia füllt, wie es sich für die Tugend des Maßhaltens gehört, Wasser aus einer Kanne in ein Glas, das sie einem Putto mit Weinkrug und dem Lasterbild des Völlers bzw. Trinkers an der schräg gegenüberliegenden Wand entgegenhält. An dieser Stelle, durch die Wandnische noch erkennbar, befand sich früher ein Büffetschrank. Der trinkende Völler ist in seiner Maßlosigkeit jedoch vollkommen unfähig, der werbenden Temperantia auch nur die geringste Aufmerksamkeit zu schenken. Und so liegt er – eingeklemmt in das schraubstockartige, bekrönende Rollwerk der Wandnische – bewegungslos auf dem Rücken und läßt den Wein in Strömen in seinen geöffneten Mund fließen, während in einem Weinstock, aufgemalt auf den Sturz der daneben befindlichen Tür, ein Putto Trauben für den Nachschub erntet. Das geschilderte Programm kennzeichnet die Tafelstube des Schmalkaldener Schlosses als einen zentralen Ort fürstlicher Repräsentation. Weit über die vordergründige Funktion eines herrschaftlichen Speisezimmers hinausweisend, definieren die Wandmalereien die Tafelstube als quasi staatsoffiziellen Raum.164 Die Tugendallegorien erscheinen nicht nur als mahnende Exempla für den Fürsten selbst, sondern ebenso als immerwährende Vergegenwärtigung des von Gott eingesetzten tugendhaften, weisen und gerechten Herrschers auch in seiner Abwesenheit. Wenn der Fürst auf Reisen war, standen die großformatigen Malereien vor allem den hier tafelnden Hofbeamten vor Augen und erinnerten sie an ihre dienstlichen Pflichten im Rahmen des fürstlichen Regiments. Und obwohl das einfachere Hofgefolge seine Herrschaft während der Mahlzeiten nicht mehr regelmäßig zu Gesicht 164 Hinweise auf eine entsprechende Nutzung finden sich beispielsweise in der Hofordnung des Kurfürsten August von Sachsen (1553) für die fürstliche Torgauer Tafelstube (»Churfürst Augusti Original-Hoff-Ordnung f. d. Torgau den 30. [richtig: 3.] Okt. 1553«, fol. 4v-5r [SächsHStA Dresden, Loc. 32436, Nr. 3]): »Es sollenn auch die Furstenn, Graven, Hern unnd vom Adell im Hofflager teglich […] vor unserm EssZimmer erscheinenn unnd do selbst bis wir Zu tisch gesessen, und wasser genommen auff unnsern dinst wartenn. Desgleichenn sollen sie auch thun […] wan wir fremde hernn, Rethe, Botschafften oder sonst statliche leuthe bei uns habenn oder in audienzen, oder andern grossen handlungen sein werdenn«.

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bekam, da mit der Etablierung der Tafelstube seit der Mitte des 16. Jahrhunderts der fürstliche Essensbereich aus der Hofstube herausgelöst wurde, blieb auch für den niederen Personenkreis die Vermittlung der herrschaftlichen Würde und Autorität während der Essenszeiten zunächst erhalten: So war zwar die direkte Kommunikation zwischen dem Schloßherrn und seinem gesamten Hofgesinde während der Mahlzeiten unterbunden, doch über die streng geregelten, für den ganzen Hof einheitlichen Essenszeiten bestand zumindest äußerlich die Verbindung zwischen dem Fürsten und seinen Hofangehörigen fort. Wie den Hofordnungen zu entnehmen ist, gehörten die gemeinsamen Mahlzeiten, die sogar die Verschließung des Schloßtores vorschrieben,165 zu den wichtigsten Fixpunkten im täglichen Ablauf des Hoflebens. Erst als sich an vielen Höfen gegen Ende des 16. Jahrhunderts das Kostgeld für einen Großteil der Hofbediensteten durchsetzte, wurde diesem integrativen Element weitgehend die Grundlage entzogen. Fragen wir nach dem theoretischen Fundament für die programmatische Ausmalung der Schmalkaldener Tafelstube, so werden wir zunächst auf die Fürstenspiegel verwiesen.166 In ihnen sind all jene Tugenden, die in allegorischer Form die Fenstergewände schmücken, eindrücklich als Richtschnur fürstlichen Verhaltens dargelegt.167 Wie sehr die in den Fürstenspiegeln entworfenen Tugendbilder von klein auf das Denken der Regenten prägten, veranschaulicht das Beispiel von Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel selbst: Bereits mit fünf Jahren, zu Beginn seiner Studien, erhielt er einen eigenen Fürstenspiegel gewidmet, der 1537 bei Eucharium Cervicornus unter dem Titel »Wie iunge fursten vun grosser herrn kind rechtschaffen instituirt vnd vnterwisen […]«168 publiziert wurde und bis hinein ins 17. Jahrhundert mehrere Auflagen erlebte.169 Verfasser war der spätere Rektor der Marbur165 Als eine von zahlreichen Beispielen zitiere ich die Hofordnung Herzogs Johann Albrecht von Mecklenburg (1574): »Under den Malzeitten des Mittageß und Abendes soll die Schloßpfortte sowoll auch die Zugbrucke an der Stadt stets zugeschloßen werden […]« (zit. nach A. Kern 1905, S. 215). 166 Zu den Fürstenspiegeln der frühen Neuzeit siehe die Literaturhinweise in Kap. 6.5 Anm. 133. 167 Siehe bspw. den Fürstenspiegel von Jacob Omphalius, De officio et potestate Principis, Basel 1550 (einzelne Kapitel in deutscher Übersetzung abgedruckt bei: H.-O. Mühleisen u. a., 1997, S. 129–164; siehe besonders das Kapitel »Zur Zurückhaltung und Selbstbeherrschung des Fürsten […]«, ebd. S. 153 ff.). 168 R. Lorich, 1595; siehe hierzu B. Singer, 1981, S. 85 ff.; B. Weber-Kuhlmann, 1997, S. 22 ff. 169 1558, 1595 und 1618 (B. Singer, 1981, S. 86; B. Weber-Kuhlmann, 1997, S. 24).

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ger Universität, Reinhard Lorich. Dieser Fürstenspiegel hat 59 Kapitel, in denen die Themen Adulatio und Calumnia (d.h. falsche Schmeichelei und Rechtsbeugung), Pracht, Jagd, Familienliebe, Liebe zu Land und Leuten etc. abgehandelt werden. Anhand von ca. 650 Literaturzitaten aus den Schriften der Klassiker, insbesondere aber aus Texten des Erasmus von Rotterdam und Kommentaren dazu, wird das Bild eines guten, d. h. vor allem tugendhaft-integren Regenten mit Beispielen für ein angemessenes Verhalten entworfen, wobei, wie der Herausgeber Reinhard Lorich verständnisvoll anmerkt, auch die Unterhaltung nicht zu kurz kommt: Der Fürstenspiegel soll »nutzlich un jderman lustig zu lesen« sein.170 In der Schmalkaldener Tafelstube wird dieser Forderung beispielsweise durch das oppositionelle, durchaus humoristische Bildpaar aus Temperantia und Völler entsprochen. Und auch der moralische Appell dieser Wandmalerei findet sein Äquivalent in Lorichs Fürstenspiegel: Im Kapitel »Vom höffischen Zutrinken und Zechen« lautet die Mahnung: »Dieweil nun das Zechen und Prassen bey den Heyden (gemeint sind entsprechende Hinweise bei Plato, Anm. M.M.) gantz schändlich erkannt / unnd nie kein Ehr / sondern alle Untugend darauß kommen ist / wird ein junger christlicher Herre (so viel ihm müglich) sich für diesen Laster gern bewahren […]«171 Weitere wechselseitige Bezüge zwischen Bildprogramm und Fürstenspiegeln, bei denen besonders die Notwendigkeit humanistischer Bildung im Vordergrund stehen, lassen sich im Festsaal, dem sog. »Riesensaal«, des Schmalkaldener Schlosses feststellen. Hierauf komme ich noch einmal zurück. Die Verankerung von Tafel- und Hofstube im Reglement des täglichen Hoflebens lenkt unser Augenmerk jedoch zunächst über die Fürstenspiegel hinaus auf die Hofordnungen als Quellen für das Malereiprogramm. Im Gegensatz zu den Fürstenspiegeln waren bestimmte Teile der Hofordnungen allen Hofangehörigen bekannt und für sie verbindliche Richtlinien ihres Verhaltens.172 Die im Reich verbreiteten und in ihrer Grundstruktur weitestgehend übereinstimmenden Ordnungen der Hof- und Tafelstube aus dem 16. und 17. Jahrhundert lassen zwei Schwerpunkte sittlichen Verhaltens erkennen: zum einen

170 Zit. nach B. Singer, 1981, S. 35. Theoretische Grundlage für dieses Konzept ist u. a. Aristoteles, der nur ›freudvolles Lernen‹ für gewinnbringend hält (Ders., Nikomachische Ethik, Buch X, S. 5 [siehe Reclam-Ausgabe. Stuttgart, 1980, S. 282 ff.]; siehe hierzu auch U. Knall-Brskovsky, 1990, S. 484). 171 R. Lorich, 1595, S. 272, zit. nach B. Weber-Kuhlmann, 1997, S. 29. 172 Zu den Hofordnungen als Quellenmaterial für die Residenzenforschung siehe den grundlegenden Tagungsband Höfe und Hofordnungen, 1999.

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friedliches, geordnetes und in jeder Hinsicht maßvolles Betragen, zum anderen die Ehrfurcht und Dankbarkeit vor Gott. Wer dagegen in auffälliger Weise verstößt, der bekommt die Strenge der fürstlichen Gerichtsbarkeit zu spüren. So wird für die Hofstube in der Hofordnung des Markgrafen Karl II. von Baden-Durlach (1568) u. a. gefordert: »Item, daß hofgesindt soll sich zu hof aller unchristlichen opinion und Secten zu disputieren gentzlich meßiegen, sonder ir Speiß und Tranck mit danksagung, Zucht unndt Erbarkeit, auch still one Rumor und geschrey, wie sich einem Erbarn und loblichem hofwesenn nach gebüert, nießen; und, welcher sich unzüchtig halten und erzeigen würdt, Es sey mit geschwetz und geschrey, mit vollsauffen, fluchen oder anderer ungebürlicher weiß, den soll der hofmeister, haußvogt oder, wer des inn irem abwesen bevelch hat, mit dem Thurm oder sonsten nach gelegenheit straaffen […]173 Und im Mittelpunkt der Hofordnung (1570) von Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel steht die Allmächtigkeit Gottes als Ursprung der fürstlichen Herrschaft und des Lebens aller Hofangehörigen sowie die Ehrerbietung gegenüber Gott, die gerade während der gemeinsamen Mahlzeiten zum Ausdruck gebracht werden sollte: »Zum Zwantzigsten: Nachdem alle Dinge von Anruffunge Gottes Nahmens Ihren Anfangk haben sollen, auch pillich ist, seine Allmechtigkait umb seine gnade zu bitten und vor alle Gutthaten zu danken, so ist unser bevelch, will und meinung, wann zu gewonlichen malzeiten das Eßen im Sahl ufgetragen und der Marschalck oder Burggrave mit dem Stecken klopffen wirdet, das alßdann ein ider stil sein, das Benedicite andechtigk anhoeren und die Speise mit dancksagunge empfahen, deßgleichen nach gehalttener Malzeit die dancksagung gegen Gott in seinem Hertzen thun helffen soll.«174 Ein Verstoß gegen die Ordnungsprinzipen des Hoflebens wurde auch bei Wilhelm IV. durch die fürstliche Gerichtsbarkeit geahndet, die in der Allegorie der Justitia in der Tafelstube, aber auch in der vermutlichen Gerichtsstube, dem Weißen Saal und dem Festsaal175 stets präsent war. Unter Punkt fünf der Hofordnung von 1570 ist zu lesen: »Zum Fünfften soll ein Jeder unsern publicirten burgkfriden in allen Puncten wohl und unverbrüchlich halten, bey vermeidung der darin gesetzten straffen, dar-

173 Hofordnung des Markgrafen Karl II. von Baden-Durlach (1568), zit. nach A. Kern, 1907, S. 125 f. 174 Hofordnung Landgraf Wilhelms IV. von Hessen (1570), zit. nach ebd., S. 91. 175 Zum Festsaal siehe weiter unten.

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umb auch derselbig einem idern, der an unsern Hoff kombt, vorgelesen werden soll, damit sich keiner mit unwißenheit zu entschuldigen.«176 Sogar die Funktion der allegorischen Wandbilder, während der Abwesenheit des Schloßherrn das zurückbleibende Hofgefolge an die Autorität fürstlicher Herrschaft zu erinnern, findet bereits in der Mitte des 16. Jahrhunderts ihre Entsprechung in den Hofordnungen. So werden die kurfürstlichen Räte von Moritz von Sachsen nachdrücklich aufgefordert, während seiner Abwesenheit nicht in der Tafel- sondern in der Hofstube die Mahlzeiten einzunehmen, damit die fürstliche Autorität gewahrt bleibt. Wörtlich heißt es in der Regierungsordnung des Kurfürsten Moritz von Sachsen (1548) unter Punkt 8: »Er [der vornehmste Rat, Anm. M.M.] sol auch in unserm abwesen in der hofstuben malzait halten und die Rethe mitt ihme eßen laßen, damit das Hofgesinde scheue habe.«177 Selbstverständlich finden wir in den allegorischen Malereien der Tafelstube keine direkten Illustrationen der Hofordnungen. Aber wir dürfen die Tugend- und Lasterbilder, die zunächst die Inhalte der Fürstenspiegel memorieren, durchaus als Reflexionen der maßgeblichen Leitbilder im Regelwerk der Hofordnungen sehen. Ihre aufmerksame Lektüre läßt im übrigen immer wieder die ethischen Prämissen der Fürstenspiegel als Fundament sichtbar werden, auf dem sich das Regelwerk des höfischen Alltagslebens in seiner ganzen Zweckgerichtetheit gründet. Erst aus der Erfahrung, die das tägliche Leben im Rahmen der Hofordnungen mit sich brachte, waren auch die Wandbilder im Schloß Schmalkalden – nicht nur in der Tafelstube – verständlich bzw. erhielten eine lebensnahe Aktualität. Und erst aus der Zusammenschau von Wandbildern, Fürstenspiegeln und Hofordnungen läßt sich auch für die Forschung die theoretische wie praktische Bedeutung dieser Art von wandfesten Ausstattung ganz erschließen. In Schloß Wilhelmsburg von Schmalkalden findet die Durchdringung und gegenseitige Ergänzung der höfischen Regelwerke mit den wandfesten Bildprogrammen ihren eindrucksvollen Höhepunkt im Festsaal, dem sogenannten Riesensaal. Ungeachtet einzelner Versuche – u. a. in der 1997 eingereichten Bamberger Magisterarbeit von Astrid Block178 – steht eine systematische Entschlüsselung des Bildpro-

176 Hofordnung des Landgrafen Wilhelm IV. von Hessen (1570), zit. nach A. Kern, 1907, S. 88 f. 177 Regierungsordnung des Kurfürsten Moritz von Sachsen (1548), zit. nach ebd., S. 38. 178 A. Block, 1997.

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gramms bis heute aus. Im folgenden werde ich mich deshalb auf einige grundsätzliche Bemerkungen beschränken. Hat man den Saal durch einen der beiden, von Trabanten bildhaft gesicherten Zugänge betreten, so blickt man auf eine Vielzahl von Wandund Deckenbilder, deren sorgfältig abgestimmtes Programm in der Person des Landgrafen Wilhelm IV. kulminiert (Abb. 156).179 Links und rechts auf den Gewänden der Fensternischen erstreckt sich eine Folge von gemalten Standfiguren in ebenfalls gemalten Nischen, die wiederum in eine ehrenpfortenartige Scheinarchitektur eingebunden sind. Durch ihre gelblich-braune Färbung, die sich deutlich von der rötlich-gelben Marmorierung der Wandflächen sowie den steinfarben gemalten Architekturelementen abhebt, versuchen die Figuren den Anschein von Bronzestatuen zu erwecken. Derselbe Bronzeeffekt bestimmt auch die darüberliegende Wandzone: Auf die Stirnseiten der Fensternischen bzw. das Gebälk der Scheinarchitektur gemalt, befinden sich in schwarzumrandeten Feldern braun-gelb gehaltene szenische Malereien, die in Darstellungen aus der antiken Mythologie und dem Alten Testament die Nischenfiguren thematisch ergänzen. Schreitet man die gemalten Nischenfiguren der Reihe nach von der hinteren Schmalseite in Richtung Kamin ab, so erblickt man auf der Hofseite Adam und Eva, König Salomon und die Königin von Saba, die Verkündigung an Maria sowie eine Sybille und vermutlich einen Propheten. Auf der gegenüberliegenden Seite stehen nach einer vermutlich zerstörten und heute leer belassenen Figurennische ein Krieger mit Buch (möglicherweise als Versinnbildlichung von »armis et litteris« im Sinne

179 Falls Michael Schmidts Vermutungen über eine erst 1625/26 erfolgte Bemalung der Wände zutreffen (siehe M. Schmidt, 2000, S. 75 f.), wäre der heutige programmtische Zusammenhang von Decken-, Portal- und Wandbildern erst unter Landgraf Moritz dem Gelehrten entstanden. Allerdings existierten bereits zuvor neben den Decken- und Portalbildern Tapisserien an den Wänden, deren biblische Thematik (u. a. Tobiasgeschichte) ähnliche inhaltliche Akzente gesetzt haben könnte, wie sie dann 1625/26 erfolgten (zum Bildprogramm der Decke wie der Tapisserien siehe das »Tapetzerey Büchlein Anno Domini 1587«, Staatsarchiv Marburg, Bestand 17e Schmalkalden Nr. 2). Während die künstlerische Ausführung des landgräflichen Porträts umstritten ist (P. Handy o. J. [ca. 1985], S. 44, spricht sich dagegen aus; W. Kramm, 1936, S. 140, zieht diese Möglichkeit hingegen in Erwägung; zumindest die Kopien der Porträts der landgräflichen Familie [1589–91 für das Gemach des Landgrafen angefertigt; heute verloren] stammen von ihm), wird die Ausmalung der Saaldecke Jobst vom Hoff zugeschrieben, der 1578 erstmals als Hofmaler Wilhelms IV. Erwähnung findet (I. Schröder, 1956, S. 24; P. Handy, o. J. [ca. 1985], S. 44; zur quellenkundlichen Überlieferungssituation siehe auch zusammenfassend ebd., S. 69 ff.).

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des Princeps philosophus180), Judith und David, Urania (als Hinweise auf die naturwissenschaftliche Gelehrsamkeit Wilhelms IV.) und Harpokrates (als Hinweis auf den aufmerksamen, verschwiegenen Herrscher181) sowie eine Frau mit Buch und Melchisedek. Im Unterschied zu den Nischenfiguren sind die in der Wandzone darüber angebrachten szenischen Darstellungen von Exempla weitaus lückenhafter vorhanden bzw. rekonstruierbar. Im Bildfeld oberhalb der Judith lassen sich nur noch die Buchstaben »[…] aseus« von der Bildunterschrift erkennen, das Bild selbst ist zerstört. Dagegen ist die Gestalt des Herkules oberhalb der Davidfigur noch gut zu erkennen. Darüber hinaus sind die zugehörigen Bildfelder folgender Nischenfiguren zu identifizieren: Urania (zugeordnet: Merkur und Pallas Athena), Eva (zugeordnet: König Saul), König Salomo (zugeordnet: die Historia Elias mit der Inschrift »Confidens Domino non pudifiet«), Verkündigungsengel (zugeordnet: Jakobs Kampf mit dem Engel) und Maria (zugeordnet: die Eherne Schlange). Das Dekorations- und Bildsystem der Wände wird überfangen von einer ebenfalls konsequent durchorganisierten Deckengestaltung. So war die Decke des Riesensaals ursprünglich in ein System von insgesamt acht großen Bildfeldern (für die Tugenddarstellungen) mit weiteren, satellitenartig drumherum angeordneten kleineren Bildfeldern (für die Exempla) aufgeteilt. Von den auf Leinwand aufgetragenen Bildern der acht Hauptfelder gingen fast alle durch eindringende Feuchtigkeit und Nässe verloren; lediglich zwei blieben mehr oder weniger gut erhalten. Sie zeigen im Bereich der Nischenfiguren von Adam und Eva die Allegorie der Caritas (Abb. 157) und im Bereich von David und Judith die Fortitudo. Von den Exempladarstellungen ist ebenfalls die Mehrzahl verlorengegangen. Die fehlenden Bilder, die einst ein komplettes Programm der vier Kardinalstugenden und der christlichen Tugenden samt zugehöriger Exempla bildeten, lassen sich dank einer schriftlichen Überlieferung182 wenigstens thematisch rekonstruieren. Aus dem Dokument geht jedoch nicht der Ort hervor, den sie innerhalb der Deckenfelder eingenommen haben. Die Einzeichnung der nicht mehr erhaltenen Tugendbilder in meiner schematischen Darstellung (Abb. 158) ist nur ein Versuch und muß daher – auch unter Be-

180 Siehe hierzu weiter unten. 181 Siehe hierzu weiter unten. 182 Das im Staatsarchiv Marburg aufbewahrte Dokument (»Tapetzerey Büchlein Anno Domini 1587«, StAMR, Bestand 17e Schmalkalden Nr. 2) findet sich publiziert bei O. Gerland, 1891, S. 8 ff.

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achtung von thematisch ähnlichen Programmen anderer Schlösser183 – zunächst hypothetisch bleiben. Alle Bilderzyklen – die auf die Wand gemalten Nischenfiguren (mitsamt den zugeordneten szenischen Darstellungen der Exempla) wie die aus der Tafelstube bereits bekannten Tugendallegorien (ursprünglich ebenfalls mit zugeordneten Exempla) an der Decke – besitzen ihren Bezugspunkt in einem Porträt über der Tür an der Kaminseite des Saals (Abb. 159). Dort erscheint als Halbfigur und krönender Abschluß einer gemalten ehrenpfortenartigen Rahmenarchitektur der Schloßherr selbst, Wilhelm IV. Als zentraler Bestandteil der abschließenden Supraportenarchitektur wird das Bild des Fürsten von Obelisken gerahmt und mitsamt dem Gebälk von Karyatiden getragen. Durch ihre Körperdrehung nach außen wenden sie sich den an den Wänden befindlichen Nischenfiguren zu und verweisen somit – zusätzlich unterstützt durch den Zeigegestus der beiden äußeren Karyatiden – zurück auf das heilsgeschichtliche und Tugendprogramm der Raumausmalung. Die innere Karyatide auf der rechten Seite trägt darüber hinaus Kugel und Stab in ihren Händen, ein weiterer Hinweis (neben Urania) auf die außergewöhnlichen naturwissenschaftlichen Kenntnisse Wilhelms IV. Unmittelbar rechts neben der Tür und zusammen mit der triumphalen Türumrahmung ein Bild fürstlicher Pracht ergebend, ragt der Kamin mit dem hessischen Wappen, ebenfalls ein Teil der Spätrenaissanceausstattung, empor (Abb. 160). Nur so viel sei an dieser Stelle angemerkt: War der Landgraf während der festlichen Anlässe im Saal 183 Zu verlorengegangenen, grundsätzlich vergleichbaren Tugendprogrammen anderer Schlösser siehe z. B.: Entwurf für die Deckendekoration des großen Saales von Schloß Baden-Baden durch Tobias Stimmer (1539–1584) als »Spiegel der Thugendt für Alter und Jugend« (Tobias Stimmer, 1984, S. 47); Riesensaal des Dresdner Schlosses (S. Tipton, 1996, S. 155, Anm. 195); Schloß Aschaffenburg: In zeitgenössischen Quellen wird das Deckenprogramm des großen Saales als »Reichs-Spiegel« bezeichnet (A. Herbst, 1970, S. 207–344); das in Stichwerken überlieferte Deckenprogramm der Appartements in der habsburgischen Residenz von Preßburg (22 Deckengemälde und 8 kleinere emblematische Darstellungen auf Leinwand für 13 Säle des königlich-kaiserlichen Appartements); dieses Programm wurde 1638–42 von Paul Juvenel unter Ferdinand III. für seinen Vater, Kaiser Ferdinand II., nach dem Werk Ferdinandi II. Rom. Imp. virtutes (1638) (auch unter dem Titel Idea Principis Christiani oder Speculum theopoliticum erschienen) des Jesuiten Guglielmo de Lamormaini, dem Beichtvater Ferdinands II., erstellt (F. Matsche, 1981, S. 53, S. 67 f.; G. Galavics, 1985, S. 53–68 [deutsche Zusammenfassung S. 68]; zuletzt S. Tipton, 1996, S. 156, Anm. 198). Ein wenig beachtetes erhaltenes und in Stuck ausgeführtes Tugendprogramm aus der Zeit um 1600 befindet sich im sog. »Gewölbe am Wendelstein« von Schloß Sondershausen (H. Bärnighausen, 1998).

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anwesend, so nahm er seinen Platz traditionell vor dem Kamin an der fürstlichen Tafel ein.184 Dort bildete die Kaminwand nicht nur eine wärmende, sondern auch eine heraldisch wirkungsvolle Kulisse für die Präsentation des Herrschers, seiner Gäste und seines Gefolges. Doch auch wenn Wilhelm IV. leibhaftig nicht zugegen war, blieb er wenigstens bildlich präsent. Dafür sorgte sein lebensnah gestaltetes Porträt über der Tür linkerhand vom Kamin. Wohl nicht zufällig wendet sich der Landgraf im Bild nach rechts, wobei diese Bewegung nachdrücklich unterstützt wird durch die in die gleiche Richtung deutende Armbewegung der äußeren Karyatide am rechten Türgewände. Auf diese Weise sind Blick und Körperhaltung Wilhelms IV. unmittelbar auf den Platz vor dem Kamin ausgerichtet, wo er, wäre er körperlich anwesend, ansonsten sitzen würde.185 Die Kaminseite mit dem Porträt Wilhelms IV. ist der bedeutungsvollste Ort des Riesensaals. Auf diesen Ort hin ist auch das gesamte Bildprogramm ausgerichtet. Neben den Tugendallegorien und Exempla der alles überspannenden Saaldecke sind hier die Nischenfiguren an den Wänden von Bedeutung. Sie sollen die Herrschertugenden interpretieren und ihre heilsgeschichtlichen Grundlagen illustrieren. Jede Figur bzw. jedes Figurenpaar veranschaulicht Aspekte bzw. Grundlagen fürstlicher Regentenkunst, die in der Summe ihrer Eigenschaften zur Errichtung eines gottgefälligen, von Recht und Gesetz bestimmten Staatswesens führen sollte. Die irdische Ordnung als Abglanz einer himmlischen, der Fürst als weiser und gerechter Stellvertreter Gottes und Christi, in dessen irdischer Gestalt sich Gott als höchste herrscherliche Autorität inkarnierte – dies sind die Leitthemen der gemalten Wandfiguren im Riesensaal von Schloß Schmalkalden. Nicht zufällig sind die Figuren in ihren Nischen Bestandteile einer Scheinarchitektur, die das Tragewerk des ganzen Riesensaals darstellt. Denn so wie die Gestalten der christlichen Heilsgeschichte in der Vergangenheit zu Trägern der Tugenden geworden sind, so sorgt nun der regierende Fürst in der Gegenwart für die Aufrechterhaltung der Tugenden durch sein christliches Regiment. 184 Vgl. als ein frühes Bildzeugnis (ca. 1410) für eine solche Aufstellung der fürstlichen Tafel vor dem Kamin das Januarbild aus dem Stundenbuch Très Riches Heures des Duc de Berry. 185 Zur Integration des Herrscherporträts in die Kaminarchitektur im 17. und 18. Jahrhunderts siehe künftig den Beitrag von Frank Druffner in: Das Schloß und seine Ausstattung, 2004. Ein in diesem Zusammenhang aufschlußreiches aber noch wenig erforschtes Beispiel findet sich im thüringischen Schloß Sondershausen (siehe hierzu H. Bärnighausen, 1998, S. 171–189, hier: S. 182 ff.).

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Beispielhaft, da eine abgeschlossene Interpretation des Gesamtprogramms an dieser Stelle nicht geleistet werden kann,186 sei hier auf einige Figuren besonders verwiesen: Der antike Krieger am Beginn der – vom Kamin aus gesehen – linken Saalwand trägt sowohl ein Schwert als auch ein Buch und verkörpert damit zugleich den wehrhaften als auch weisen und gesetzestreuen Herrscher (Abb. 161). Dieses Bild entspricht genau demjenigen, das beispielsweise Konrad Heresbach in seinem 1570 in erster Auflage publizierten Fürstenspiegel »De educandis erudiendisque principum deque republica Christianè administranda« entwirft:187 »Die deutschen Kaiser pflegten sich in früheren Zeiten malen zu lassen, indem sie in der einen Hand ein Buch, in der anderen ein Schwert hielten, so, als ob sie in Gesetzes- und Waffenkunde ausgebildet sein mußten«.188 In den Kontext der Exempla für einen weisen, gebildeten und dennoch wachsam-schlagkräftigen Regenten gehören auch die Gestalten von Harpokrates und Salomo. Harpokrates, der mit hoher Wahrscheinlichkeit in dem bärtigen Mann mit Haubenkrone, Lilienszepter und einem von Augen besetzten Gewand zu erkennen ist (Abb. 162), verkörpert in der Schmalkaldener Darstellung den aufmerksamen, verschwiegenen Herrscher, der »gern viel höret und sieht, wenig redet, wachsam und still ist«, wie es in Benjamin Hederichs Lexikonbeschreibung des Harpokrates heißt.189 Reinhard Lorich fordert denn auch in seiner »Paedagogia Principum«, daß die Fürsten »Hertzer / Augen / vnnd Waechter deß Vatterlandes [sein sollen] / welche allerest fuehlen / ersehen vnd vernemmen moegen / zufaelligen Vnraht«.190 Der alttestamentliche König Salomo wiederum darf als klassisches Herrschervorbild gelten, dessen Postulat, »das ein verachter weiser Mann in der Stadt mehr denn alle gewaltige vnd gewapnete ausrichte vnd zuwegen 186 Einen ersten Versuch hierzu hat Astrid Block in ihrer Bamberger Magisterarbeit unternommen (A. Block, 1997). 187 Im folgenden zitiert nach der Ausgabe Frankfurt am Main 1592, zit. in: H.-O. Mühleisen u. a., 1997, S. 166–218. 188 K. Heresbach, 1592, zit. in: Ebd., S. 200. Die Charakterisierung des Fürsten als »Princeps philosophus« ist ein topisches Moment in beinahe allen Fürstenspiegeln. Siehe hierzu auch F. Matsche, 1992, S. 204 f.; anhand von Kaiser Karl VI. verweist Franz Matsche (ebd., S. 204) auf das Prinzip der »translatio studii«, d.h. auf den Herrscher als legitimen Erben der Kultur eines vergangenen Reiches. Zur Identifizierung der Schmalkaldener Figur als »Princeps philosophus« siehe zuletzt die Überlegungen von A. Block, 1997, S. 65 ff. 189 Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon, Leipzig 1770 (Nachdruck Darmstadt 1996), Sp. 1195. 190 R. Lorich, 1595, zit. nach B. Weber-Kuhlmann, 1997, S. 49.

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bringe«, sich auch in Christof Vischers Schmalkaldener Fürstenspiegel (1573) wiederfindet.191 Im Festsaal der protestantischen Residenz Schmalkalden erhält Salomo (Abb. 163) jedoch eine zusätzliche reformatorische Facette, die gewissermaßen Konrad Heresbach in seinem bereits zitierten Fürstenspiegel formuliert. Im Kapitel »Über das Wachen über Gesetze und Angelegenheiten von Kirche und Politik« heißt es zu den Aufgaben des Regenten in Religionsangelegenheiten: »Salomon regelte die Pflichten und festgesetzten Aufgaben der Priester. Und tatsächlich haben die Priester und die Leviten ihre Entscheidungsgewalt nicht überschritten«.192 In seiner Eigenschaft als Priesterkönig dient König Salomo im Textzusammenhang als Exemplum für die kirchenpolitisch brisante Feststellung: »Hohepriester und Priester vollzogen das, was mit Religion zu tun hatte, auf Anordnung von Königen«.193 Damit hatte Heresbach unmißverständlich die reformatorische Forderung nach einer strengen Kirchenaufsicht durch den Landesherrn angesprochen, der auf diese Weise ein doppeltes – weltliches und kirchliches – Leitungsamt auf sich vereinigen sollte. Daß auf diesen Aspekt mit der Nischenfigur des Salomo aber auch mit dem übrigen gemalten Figurenprogramm des Schmalkaldener Riesensaals verwiesen werden sollte, belegt eine weitere Figur am nördlichen Ende der gegenüberliegenden Figurenreihe, in unmittelbarer Nähe zum Kamin: Es ist der Priesterkönig Melchisedek (Abb. 164), der direkt auf das am Kamin prangende Wappen Landgraf Wilhelms IV. bzw. sein Porträt über der Tür hinweist. Seine Hand zeigt auf einen Fürsten, der sich in der Tradition der christlichen Heilsgeschichte stehen sah und als protestantischer Landesherr eine ähnliche Stellung beanspruchte, wie sein alttestamentliches Vorbild: als Herrscher von Gottesgnaden und Stellvertreter Gottes oberste irdische Instanz in weltlichen und religiösen Dingen zu sein. Einen zeichenhaften Hinweis auf diesen Anspruch geben im übrigen die Obelisken zu seiten des Porträts von Wilhelm IV., die als Symbol für die Verbindung der irdischen mit der göttlichen Sphäre galten.194 191 Chr. Vischer, 1573, zit. in: H.-O. Mühleisen u.a., 1997, S. 243. Christof Vischer bekleidete seit 1555 in der Grafschaft Henneberg das Amt des Generalsuperintendenten. 192 K. Heresbach, 1592, zit. in: Ebd., S. 201. 193 K. Heresbach, 1592, zit. in: Ebd. 194 Siehe hierzu Plinius (Plinii Naturalis historiae Liber XXXVI [14. Pliny Natural History], Bd. X, London/Cambridge [Mass.] 1962, S. 50 f. Auch die Autoren des 16. und 17. Jahrhunderts deuteten den Obelisken in diesem Sinne: vgl. M. Mercati, 1589; C. Ripa, 1603; nach Cesare Ripa (ebd., S. 198) symbolisiert der Obelisk die »chiara, & alta gloria dei Prencipi«; vgl. hierzu auch die Verwendung des

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Daß ein derart exponierter Herrscher dennoch von »menschlicher Schwachheit« geschlagen sein und »sich hefftig an Gott versuendiget« haben konnte, verdeutlicht die Nischenfigur des David. So sehr der Vater von König Salomo gemeinsam mit Judith das Prinzip der Fortitudo verkörpert, so sehr steht er auch für die Möglichkeit des Schuldigwerdens im Regentenamt. So heißt es im »Christpolitischen Spiegel aller Regenten und Unterthanen« (1615) des braunschweig-lüneburgischen fürstlichen Rats Franz Hausmann: »In der Historien des Koeniges David sollen wir vornemblich mercken / daß Gott nicht ansihet die Personen / sondern stuertzet die Gewaltigen vom Stule / vnd erhebet die Nidrigen / […] wiewol er (d.i. David, Anm. M.M.) aber aus menschlicher Schwachheit sich hefftig an Gott versuendiget / auch darumb hefftig gestraffet wird / richtet er sich doch durch wahre Buß vnd Bekehrung wider auff / vnd erlanget Gnade«.195 An dieser Stelle wird nun auch die politische Sinnschicht der wandfesten Bildprogramme des Schmalkaldener Schlosses erkennbar.196 Sie läßt sich nur noch bedingt über Fürstenspiegel und Hofordnungen erschließen, da hierzu in besonderer Weise die politische Stellung der Landgrafschaft Hessen und der Stadt Schmalkalden während der reformatorischen Auseinandersetzungen berücksichtigt werden muß. In diesem Zusammenhang stehen – wie im Anfangsteil des Kapitels angesprochen – Ort und Name Schmalkaldens als Synonym für Glanz und Elend des 1547 zerschlagenen protestantischen Fürstenbundes. Die Errichtung der Wilhelmsburg in Schmalkalden, vierzig Jahre nach diesen einschneidenden Ereignissen und möglich geworden durch das Aussterben der in Schmalkalden mitregierenden Grafen von Henneberg 1583,197 besaß daher unübersehbaren Signalcharakter: Wilhelm IV., Sohn des bedeutenden Reformationsfürsten Philipp der Großmütige, nahm wieder vollständigen Besitz von dem symbolträchtigen Ort der Reformation und demonstrierte damit zugleich seinen politischen wie religiösen Willen zur Bewahrung des protestantisch-lutherischen Erbes. Seinen bildhaften Ausdruck findet dieser Wille und das damit verbundene Vermächtnis aber nicht nur in der repräsentativen Kastellarchitektur des neuerbauten Obelisken in Dürers »Philosophia« (1502) als Zeichen des Ruhmes und der Weisheit. Siehe auch W. S. Heckscher, 1947, S. 178 m. Anm. 121; R. Preimesberger, 1974, S. 109 f. 195 F. Husmanus, 1615, zit. in: H.-O. Mühleisen u.a., 1997, S. 359 f. 196 G. U. Großmann, 1979, S. 93, hat eine solche nicht sehen wollen, da ihm die ikonographischen Zusammenhänge der Saalausmalung unbekannt blieben. Nach dem Dargelegten kann jedoch Großmanns Schlußfolgerung zurückgewiesen werden. 197 Hierzu immer noch grundlegend: K. Knetsch, 1899.

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Schlosses und seiner im Grundtypus an Torgau orientierten Kapelle198, sondern ebenso in den Ausmalungen bzw. Stukkaturen seiner Innenräume. Sie halten die Erinnerung an eine Herrscherpersönlichkeit fest, deren Amtsverständnis sich einerseits auf die tradierten Leitsätze der Fürstenspiegel und Hofordnungen gründete, die sich andererseits aber durch die äußeren religiös-politischen Umstände und die auch persönlich mitgetragenen Erweiterungen des naturwissenschaftlichen Erkenntnishorizonts zu einer individuellen Ausmalung des überlieferten Herrscherbildes angehalten sah. Dieser persönliche, das traditionelle Herrscherlob lebendig konturierende Anstrich des gemalten Schmalkaldener Fürstenspiegels äußert sich vielleicht am deutlichsten in der Nischenfigur der Urania (Abb. 165) und der globushaltenden Karyatide, die eine der Trägerinnen des Landgrafenporträts darstellt. Beide Figuren sollen die außergewöhnliche, vor allem auf mathematisch-astronomischem Gebiet hervortretende naturwissenschaftliche Begabung und Bildung Wilhelms IV. versinnbildlichen, der bis an sein Lebensende mit dem Astronomen Tycho Brahe korrespondierte und aufwendige feinmechanische Uhren, Himmelskugeln und Globen herstellen ließ.199 Als wissenschaftlich gebildeter und tätiger Herrscher, der sein Wissen auch zur Erweiterung seiner Regierungskunst nutzte, entsprach Wilhelm IV. nicht nur dem in den Fürstenspiegeln angeführten Exemplum des weisen, vernunftgeleiteten Salomo, sondern vermochte selbst wiederum zu einem Exemplum des gelehrten Regenten zu werden.200 Daß ein solches fürstliches Vorbild bereits zu Lebzeiten Wilhelms IV. in der Herrschaft Schmalkalden und anderswo vonnöten war, belegt die Klage von Christof Vischer in seinem Fürstenspiegel (erschienen 1573 in erster und 1593 in zweiter Auflage201 in Schmalkalden): »Es ist leider 198 Zur Schmalkaldener Schloßkapelle, deren Architektur die Tradition der von Luther geweihten Torgauer Schloßkapelle fortführt, siehe D. Großmann, 1990, sowie Ders., 1996; zur ursprünglichen Ausstattung mit der auf Leinwand gemalten »Antithesis Christi et Papae« siehe O. Gerland, 1891a. Zur konfessionspolitisch motivierten Rezeption der Schmalkaldener Schloßkapelle in den Dorfkirchen der ehemaligen Herrschaft Schmalkalden am Ende des 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts siehe E. Badstübner, 1995, S. 95–112. 199 Chr. Röth, 1886, S. 261 f. 200 Vor diesem Hintergrund ist auch die hier nicht besprochene Deckengestaltung des Landgrafengemachs im Erdgeschoß zu berücksichtigen. Dort sind in den Kassettenfeldern der Decke ebenfalls Sinnbilder der Wissenschaften angebracht. 201 Die zweite Auflage ist bislang jedoch nur durch einen entsprechenden Vermerk in Martin Lipenius’ Bibliotheca Realis Juridica (4. Aufl. Leipzig 1757) nachgewiesen (siehe hierzu B. Singer, 1981, S. 121 f.).

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[…] dahin komen / das ezliche fuerneme Personen vom Adel sich der guten Kuenste schemen / vnd nicht allein selbst nichts lernen wollen aus lauter faulheit / sondern auch andern / die etwas gelernet / oder zu lernen bedacht vnd vorhabens sein / solches boeslich auffruecken vnd vorwerffen / sie Schreiber / Tintenfresser / Doctores […] schelten / vnd sie anfeinden vnd verachten«.202 Gewissermaßen zum zentralen Bestandteil des gemalten Fürstenspiegels geworden, richtet das Porträt Wilhelms IV. über der Tür des Schmalkaldener Riesensaals (Abb. 159) die ständige Mahnung an alle Regenten, daß nur »ein weiser [und das ist im Textzusammenhang ausdrücklich: »gelerter«, Anm. M.M.] Fuerst […] ein lebendiges Ebenbild Gottes« ist.203 Denn »die weisheit Salomonis sagt / die Gewaltigen werden gewaltige straffe leiden / da sie jren Vnterthanen nicht trewlich vnd wol vorgestanden / sondern mit frembden augen gesehen / mit frembden ohren gehoert / mit frembdem verstand geurteilet / […] so muessen sie fuer Gott am Juengsten gericht […] leib vnd Seele darueber einbuessen vnd verzeten«.204

6.7 Abbilder von Orten gottgewollter Herrschaft: zur allegorischen Funktion von Schloßdarstellungen in der Malerei und Graphik des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit Bei den Bemühungen, die metaphorischen Qualitäten der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Schloßarchitektur zu rekonstruieren, standen bislang überwiegend die Bauwerke selbst und schriftliche Quellen im Mittelpunkt der Analyse. Im vorangegangenen Kapitel wurden am Beispiel der Raumausmalung von Schloß Wilhelmsburg in Schmalkalden darüber hinaus auch wandfeste Bildzyklen berücksichtigt. In diesem Kapitel wird nun ausschließlich das Bild als Quelle herangezogen, mit dem Ziel, den bislang gewonnenen Eindruck von der Zeichenhaftigkeit der Schloßbaukunst mit Hilfe der ikonographischen Darstellung in der Buch- und Tafelmalerei sowie der Graphik zu verifizieren. Ausgehend von der in der französischen und burgundischen Buch- und Tafelmalerei begründeten Tradition, Burgen und Schlösser als markante Gestaltungselemente in die Landschaftshintergründe einzufügen, soll zunächst die allegorische Funktion solcher Darstellungen grundsätzlich geklärt werden, um sodann ihre Rezeption im Alten Reich zu untersu202 Chr. Vischer, 1573, zit. in: H.-O. Mühleisen u.a., 1997, S. 236 f. 203 Ebd., S. 239. 204 Ebd., S. 238 f.

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chen. Dort kam dem mitteldeutschen Raum, ähnlich wie schon für die gebaute Schloßarchitektur festgestellt, erneut eine Schlüsselstellung zu. Denn die von der Cranach-Werkstatt, Dürer und anderen Künstlern seit dem beginnenden 16. Jahrhundert geschaffenen kirchlichen und höfischen Bildwerke belegen nicht nur die souveräne Kenntnis der französischen und burgundisch-niederländischen Tradition, sondern darüber hinaus ihre Indienstnahme für das politisch-religiöse Repräsentationsbedürfnis der neuen protestantischen Territorialherrschaften. In der architekturgeschichtlichen Forschung blieben die bildlichen Darstellungen mittelalterlicher oder frühneuzeitlicher Schlösser bislang überwiegend unberücksichtigt, außer man versuchte sie als bauarchäologische Quellen auszuwerten.205 Bezeichnend für die Forschungssituation ist eine Bemerkung Eberhard Königs in seinem grundlegenden Werk zur französischen Buchmalerei der Mitte des 15. Jahrhunderts: Die Hintergrundsdarstellungen seien nur »Ausschmückungen des hochgerückten Horizonts«.206 Noch bei Martin Warnke klingt diese Geringschätzung an, wenn er über die Darstellung von Burgen in Bildern des 16. Jahrhunderts meint: »Sie waren zu dekorativen Formeln geschrumpft, die als ornamentale Füllsel frei wurden, nachdem sie von allen Lebensfunktionen abgeschnürt worden waren«.207 Angesichts des hier erkennbaren Forschungsdesiderats werden auch die folgenden Ausführungen das Thema nicht erschöpfend behandeln, sondern nur die Grundlage für weitere Vertiefungen bilden können.208 205 Ein repräsentatives Beispiel hierfür ist Schloß Saumur, dessen Wiederherstellung zu Anfang dieses Jahrhunderts nicht zuletzt anhand der Abbildung in den Très Riches Heures erfolgte. Auch Irene Roch, die sich in einem Beitrag für das Internationale Cranach-Kolloquium 1972 in Wittenberg speziell mit den »Burgen- und Schloßdarstellungen bei Cranach« befaßte (I. Roch, 1973), wertet nur den baugeschichtlichen bzw. -archäologischen Informationsgehalt aus; siehe hierzu neuerdings auch I. Roch, 2000. Zum Umgang mit Burg- und Schloßdarstellungen (vorwiegend in Landschaftsbildern) siehe allgemein M. Warnke, 1992, S. 45 ff.; für Italien R. Turner, 1966, J. Ploder, 1987, G. Romano, 1989; für Oberdeutschland z.B. die Arbeit zur Landschaft als Sinnbild von G. Roth, 1979; zur altniederländischen Malerei zuletzt H. Belting / Chr. Kruse, 1993, S. 183. Die allegorischen Funktionen ansatzweise und sehr allgemein angesprochen haben neuerdings Barbara SchockWerner und Joachim Zeune in: Burgen in Mitteleuropa, 1999, S. 29. 206 E. König, 1982, S. 125. 207 M. Warnke, 1992, S. 51 f. 208 Der Verfasser bereitet eine größere Studie zu spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Bildkonzepten an europäischen Fürstenhöfen vor, in der u. a. auch die Darstellungsweise von Burgen und Schlössern in der Graphik und Malerei untersucht werden wird.

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An den Anfang meiner Überlegungen stelle ich kein deutsches, sondern ein französisches Schloß, das sowohl als gebautes wie als gemaltes Objekt überliefert ist und dessen Architektursymbolik sich auch durch zeitgenössische Schriftquellen weitestgehend erschließen läßt. Es ist das nahe Paris gelegene Residenzschloß Karls V., Vincennes (Abb. 166), mit dem sich der französische König ein Abbild der idealen Wohnstatt des »allerchristlichsten« Königs errichten ließ209 und das in dieser Arbeit bereits eingehender besprochen wurde.210 An der einen Längsseite eines kastellartigen Rechtecks aus neun rechteckigen Donjons, in denen die engsten Hofmitglieder residierten, erhob sich der alles überragende viertürmige Donjon des Königs mit seinen beiden berühmten Estudes im Turm und im Torhaus.211 Vincennes war als symbolische Architektur gedacht, die den mit salomonischer Weisheit ausgestatteten, sein Territorium wachsam überblickenden Herrscher inmitten seiner engsten Vertrauten vergegenwärtigen sollte.212 Man geht nicht zu weit, die Gesamtanlage in ihrem Erscheinungsbild mit einer Idealstadt213 und damit in letzter Konsequenz mit einem irdischen Sinnbild des Himmlischen Jerusalems, der Wohnstatt des Weltenherrschers und königlichen Urbildes, zu vergleichen. Von hier aus ergibt sich nun eine neue Perspektive auf die berühmte bildliche Darstellung von Vincennes im Stundenbuch Très Riches Heures des Duc de Berry: Möglicherweise ist Vincennes deshalb auch in den Monatsdarstellungen für das Bild des Geburtsmonats Christi, Dezember (Abb. 166), ausgewählt worden, da es die symbolträchtigste Residenz Karls V., des vornehmsten Stellvertreters Christi auf Erden verkörpert und zugleich auch den Geburtsort des königlichen Bruders und Auftraggebers der Monatsbilder, Jean de Berry, repräsentiert. Dieser wurde überdies am letzten Tag im November (30. November 1340) geboren, wodurch seine persönliche Beziehung zu dem im christlichen Jahreskreis so wichtigen Monat Dezember noch gesteigert wird.214 Das Abbild Vincennes im Dezemberbild der Très Riches Heures des Duc de Berry ermöglicht einen ersten Zugang zur metaphorischen, hier unübersehbar auf die heilsgeschichtliche Dimension von Herrschaft ausgerichteten Bedeutung bildlich wiedergegebener Schloßbauten. 209 W. Liebenwein, 1977, S. 37 u. S. 178, Anm. 58. 210 Siehe Kap. 6.2. 211 Zur Bedeutung dieser hochgelegenen »Estudes« als Sitz der salomonischen Weisheit siehe W. Liebenwein, 1977, S. 37 ff. 212 Siehe hierzu die Bemerkungen von Christine de Pisan, 1936, S. 40. 213 W. Liebenwein, 1977, S. 37 u. S. 178, Anm. 58. 214 Zur Biographie des Herzogs siehe F. Lehoux, 1966, sowie die gute Überblicksdarstellung von R. Cazelles / J. Rathofer 1988, S. 195 ff.

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Doch auch ohne die Rekonstruktion der politisch-religiösen Metaphorik anhand eines konkreten, gebauten Schlosses läßt sich die Aussage von im Bild vergegenwärtigten Schlössern weiter erschließen. Denn unter den gemalten Ansichten findet sich eine Vielzahl von Beispielen, die zumindest das gemalte Schloß in eine unzweideutige ikonographische Tradition stellen. Ihr möchte ich im folgenden nachgehen und aufzuzeigen versuchen, daß die Abbildungen von Schlössern nicht selten allegorisch verstanden werden wollen: als Sinnbilder des Himmlischen Jerusalems bzw. der Gottesburg Zion215 und als Sinnbilder für christliche Tugenden, die der königlichen bzw. fürstlichen Territorialherrschaft als unverzichtbares Fundament dienten. Mit dieser Aussage standen sie in einem engen Wechselverhältnis zu den gebauten Schloßanlagen des Mittelalters und der frühen Neuzeit, die – wie in den vorangegangenen Kapiteln dargelegt – nicht minder in diese Tradition eingebunden waren. So können die nachfolgenden Bildanalysen das am deutschen Schloßbau des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit entworfene Bild bestätigen und präzisieren und darüber hinaus auch seine europäische Dimension erneut ins Bewußtsein rücken helfen. Denn obwohl die im europäischen Schloßbau eingesetzten Architektursprachen nicht nur formal, sondern auch inhaltlich teilweise beträchtliche Divergenzen aufweisen (wie beispielsweise das im deutschen und französischen Schloßbau unterschiedlich gewichtete und veranschaulichte dynastische Element gezeigt hat216), waren alle Idiome höfischer Baukunst dennoch eng verbunden durch das Band einer territorien- und reicheübergreifenden Adelskultur. Von daher kann es nicht überraschen, wenn im 15. und 16. Jahrhundert im Alten Reich, in Frankreich, in England oder in Ita215 Der literarischen Überlieferung folgend, hat die ikonographische Forschung ihr Augenmerk bislang überwiegend auf Stadt- und Kirchenarchitekturen konzentriert. Ausnahmen, bei denen auch Schloßarchitektur ins Blickfeld trat, thematisieren ebenfalls nicht die spezifischen allegorischen Qualitäten des Schlosses, sondern versuchen es nur als Erweiterung der Stadtallegorie zu begreifen. Dies gilt beispielsweise für das oben angesprochene Schloß Vincennes (vgl. hierzu W. Liebenwein, 1977, S. 37 u. S. 178, Anm. 58; W. Prinz / R. G. Kecks, 1994, S. 35 ff.). Immerhin hat bereits Martin Feltes in seiner Untersuchung über »Architektur und Landschaft als Orte christlicher Ikonographie« (M. Feltes, 1987) auf den biblischen Vergleich zwischen Gott bzw. Christus und der Burg hingewiesen, der sich vor allem im Alten Testament findet. Bemerkenswerterweise stammen die Autoren der entsprechenden biblischen Texte (vgl. etwa Ps 18,3–4; Ps 31,3–4; Ps 91,2–3; Ps 144,1–2 oder 2 Sam 22, 1–2) häufig aus königlichem Haus (so Salomon und David). 216 Siehe Kap. 5 ff.

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lien wesentliche gemeinsame Grundlagen hochadliger Herrschaft auch mit vergleichbaren Mitteln bzw. Gestaltungsprinzipien zur Anschauung gebracht worden sind. In dieses durch die europäische Schloßbaukunst gezeichnete Bild fügen sich nun die im Bild vergegenwärtigten Schlösser bruchlos ein: Auch sie vermitteln unabhängig von Entstehungsort, Auftraggeber und auch Entstehungszeit das Bild einer gemeinsamen kulturgeschichtlichen Grundauffassung dessen, was ein Schloß in erster Linie repräsentieren sollte: den Wohnsitz des mit göttlicher Sapientia herrschenden, wehrhaften Regenten. Vor allem kommt in ihnen ein spezifisches Bezugssystem zwischen dem Architekturkörper des Schlosses und dem physischen wie spirituellen Körper des Regenten zum Vorschein: So wie sich der regierende Hochadel im Sinne der zeitgenössischen politischen Theologie als Oberhaupt eines corpus mysticum verstand,217 so wurde die spirituelle Auffassung vom Körper des Herrschers und seines Reichs konsequenterweise auch auf die von ihm bewohnten Residenzen und anderen Schlösser übertragen. Das Schloß war das architektonische Pendant zum weise lenkenden Haupt des corpus mysticum und das irdische Sinnbild der Wohnstätte des himmlischen Weltenherrschers. Diese Vorstellung spiegelt sich in zahlreichen Bildwerken von Schlössern seit dem 14. Jahrhundert wider und ist – unabhängig von zeitbedingten stilistischen Veränderungen – selbst in den Auftragswerken protestantischer Fürsten noch lebendig. Die zahlreichen Darstellungen kursächsischer Schlösser durch die Cranach-Werkstatt oder von Dürer, auf die später noch einzugehen sein wird, legen hiervon beredtes Zeugnis ab. Die entwicklungsgeschichtlichen Wurzeln der allegorisch verstandenen Burg- bzw. Schloßdarstellungen liegen im hohen Mittelalter: Gemalte oder skulptierte Baldachine von Standfiguren wurden außer in Stadtgestalt auch als Burgarchitekturen ausgeführt (siehe z.B. die Baldachine im Westchor des Naumburger Doms) und damit als Abbreviaturen des Himmlischen Jerusalems verdeutlicht. In szenischem Zusammenhang, der zugleich auch die Einbindung in ein territoriales Ordnungsgefüge anzeigt, werden Burgen bzw. Schlösser jedoch erst seit dem späten Mittelalter präsentiert. Als bekannte Beispiele sind hier das Stundenbuch Les Très Riches Heures des Duc de Berry (um und nach 1410) zu nennen sowie Lorenzettis Wiedergabe der Auswirkungen des Guten Regiments im Sieneser Territorium aus den Jahren 1337–1340,218 wenn auch hier die Burgen nur entfernt in den Hintergrund der Landschaft ge-

217 E. Kantorowicz, 1990, S. 205 ff. 218 Siehe hierzu ausführlich M. Müller, 2000c.

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rückt wurden (Abb. 167).219 Ähnlich verhält es sich mit den in einen nur begrenzten szenischen Kontext gestellten Tugendallegorien des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit: Auch sie besitzen ihre motivischen Grundlagen, bei denen Burgen- oder Schlösser sinnbildhafte Bedeutung zukommt, in hochmittelalterlichen Bilddarstellungen (z.B. Motiv der Tugendburg oder Minneburg220). Allerdings werden nach meiner Kenntnis keine vollständigen Gebäude abgebildet, sondern lediglich markante Teile, zumeist Türme. Sie können dann u.U. auch auf Kirchtürme verweisen, wenn eine dargestellte Rechtshandlung im Rahmen einer kirchlichen Institution – und damit auch auf ein Kirchengebäude bezogen – stattfindet.221 Die hochmittelalterlichen Beispiele für allegorisch eingesetzte Burg- bzw. Schloßarchitektur und schließlich auch Kirchenarchitektur sind zumeist auf die Tugend der Fortitudo oder allgemein auf das Himmlische Jerusalem bezogen. Erst im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit erscheinen sie – parallel zur Rezeption humanistischer Ideen in den Fürsten- und Regentenspiegeln – als Versinnbildlichung der komplexen herrscherlichen Tugendlehre und ihrer Vorstellung vom guten und weisen Regiment.222 Ein relativ frühes markantes Beispiel für die Verbildlichung des Himmlischen Jerusalems in Gestalt eines Schlosses sind die Tapisserien der Apokalypse von Angers, die in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts angefertigt wurden.223 Aufschlußreich ist die bildliche Umset219 In Ambrogio Lorenzettis Darstellung der »Guten Regierung« werden neben der Stadt, die als Quelle und Zentrum des guten Regiments erscheint, auch die im Besitz Sienas befindlichen Kastelle als Verwaltungs- und Militärsitze einer guten Herrschaft im stadtzugehörigen Territorium und als Garanten seiner Ordnung abgebildet. Vgl. auch die von den Sieneser Bildern beeinflußten Fresken im sienesischen Amtssitz in Asciano (nach 1340) oder die Darstellung im Florentiner Palazzo Vecchio von der Vertreibung des Herzogs von Athen (1343). 220 Zu Beispielen siehe Kap. 6.1, Anm. 31. 221 Siehe z. B. den Codex Lambacensis des Klosters Lambach in Oberösterreich aus dem 12. Jh. oder die Bilderhandschriften des Sachsenspiegels aus dem 14. Jh., dessen Abbildung einer Gerichtssitzung vor einem Kirchturm zunächst jedoch als Ortsangabe verstanden werden will (siehe Kap. 6.7, Anm. 231). 222 Zu ersten Anfängen siehe z. B. die Lebensbeschreibung Karls V. von Christine de Pisan und ihre Hinweise auf die allegorische Deutung Vincennes als Sitz des rex sapiens (hierzu oben, S. 264 ff.). 223 Grundlegend dargestellt bei W. Hansmann, 1982; P.-M. Auzas / C. de Maupeou u. a., 1985. Meine nachfolgende Beschreibung der im Teppichzyklus dargestellten Himmelsstadt als französisches Schloß widerspricht der in allen Publikationen geäußerten Meinung, in der Apokalypse von Angers werde lediglich eine Variante der gängigen Stadtansicht voll »differenziert gestalteter Türme und sonstiger Architektur« gezeigt (so zuletzt P. von Naredi-Rainer, 1996, S. 124).

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zung desjenigen Augenblicks in der Offenbarung des Johannes’, in dem ihm das Himmlische Jerusalem erscheint (Abb. 168): Vom Himmel schwebt keine Stadt, sondern ein zeitgenössisches französisches Schloß, das dem Evangelisten von Gott präsentiert wird. Es handelt sich um eine recht genaue Wiedergabe eines spätmittelalterlichen königlichen Schlosses, bei der alle wichtigen Gebäude und Bauteile – wie Torhaus, Saalbau, Kapelle, Wehrturm und Donjon – in der richtigen Anordnung dargestellt werden. Ohne Zweifel ist in der Apokalypse von Angers das Himmlische Jerusalem als Königsschloß aufgefaßt worden oder umgekehrt das französische Schloß zum Synonym für die Himmelsstadt als Zentrum göttlicher Regentschaft geworden.224 Doch die Auffassung, daß das irdische Schloß ein Sinnbild der himmlischen Wohnstatt Gottes und Christi sei, begegnet uns auch in Bildern, zu deren Ikonographie das Himmlische Jerusalem nicht unbedingt dazugehört. Ein Beispiel hierfür, ebenfalls aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, ist die Miniatur »Christus entsendet den heiligen Jakobus zum Predigen nach Spanien« (Abb. 170) aus dem goldenen Buch des François de Guise (Chantilly, Musée Condé): Im Vordergrund sitzt Jakobus auf einer kleinen Insel, die von Christus, der links am Ufer mit segnender Geste steht, mit dem Fuß ins Meer geschoben wird. Hinter Christus und Jakobus erhebt sich im Bildhintergrund ein steiler, bis in die Lanzettspitze des Miniaturrahmens reichender Berg, auf des224 Mit der Schloßdarstellung in der Apokalypse von Angers prinzipiell vergleichbar ist eine Schloßansicht in den Très Belles Heures des Herzogs von Berry (Abb. 169): Auf dem Blatt der Heilig-Geist-Prim (p. 169), das die Auferstehung der Toten schildert, steht ein turm- und zinnenreiches Schloß raumbeherrschend am rechten Bildrand und zerteilt zusammen mit einem Flußlauf eine Berg- und Wiesenlandschaft, in der die Toten sich aus ihren Gräbern erheben. Über ihnen wölbt sich ein tiefblauer Himmel, aus dem eine Lichterscheinung mit der Taube des Heiligen Geistes Strahlen auf die Erde aussendet. In diesen Himmel ragt auch der Hauptturm des Schlosses, dessen reich verzierter und durchfensterter Aufbau mit seiner fahnenbesetzten Spitze sogar den Rahmen des Miniaturbildes durchstößt. Obwohl Eberhard König in seiner Monographie zu den Très Belles Heures (E. König, 1998) auf die Schloßdarstellungen in den Bildhintergründen nicht näher eingeht und beim Blatt der Heilig-Geist-Prim lediglich auf die Architekturansichten in den Très Riches Heures verweist (ebd., S. 46 f.), liegt für mich die motivische Nähe zum Himmlischen Jerusalem der Apokalypse von Angers nahe. Zwar verzichtet die Miniatur in den Très Belles Heures auf die Darstellung des Weltgerichts, doch mußte jedem Betrachter die Fortsetzung des Geschehens bekannt sein: Beim anschließenden Weltgericht, das die zuvor noch vereinigten Seelen in die Seligen und die Verdammten scheiden wird, erhalten einzig die Seligen Zutritt in die Himmelsstadt, die in der Miniatur als herrschaftliches Schloß verheißungsvoll leuchtet.

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sen Höhe die Himmelsstadt als ein Schloß, mit hohem Bergfried in der Mitte, thront. Dieses Schloß wird von goldenen Strahlen, die aus dem Himmel herabfallen und die ganze Lanzettspitze ausfüllen, in ein überirdisches Licht getaucht. Schloßbauten auf Anhöhen bestimmen auch die Hintergrundskulisse in einer Reihe von Bildern, die das Geschehen um die Geburt Christi illustrieren. Zu ihnen zählt beispielsweise die Hirtenverkündigung (Abb. 171) im Stundenbuch für Paris (1407, Oxford, Douce 144, fol. 68 v).225 Der Bildraum der Miniatur wird weitestgehend von den Hirten eingenommen, die voll Erstaunen zu den musizierenden Engeln emporblicken. In der Hintergrundslandschaft ist auf einer Anhöhe am rechten oberen Bildrand eine Schloßanlage zu erkennen, deren Türme über den Baumkronen aufragen. Auch die Très Riches Heures des Duc de Berry verfügen über aufschlußreiche Beispiele: Sowohl im Verkündigungsbild als auch in den Bildern der Geburt, der Begegnung der Heiligen Drei Könige und ihrer Anbetung Christi ragen im Bildhintergrund Schloß- und Stadtanlagen empor, die bei näherem Hinsehen sogar als Veduten von territorialen Besitzungen des Herzogs von Berry bzw. des Königs von Frankreich identifiziert werden können (so Poitiers im Verkündigungsbild oder Bourges und Paris in den Dreikönigenbildern).226 Regelrecht erhellend ist das Verkündigungsbild (Abb. 172): Auf ihm befindet sich die Stadt Portiers als Sinnbild des Himmlischen Jerusalems an genau der gleichen Stelle, an der auch die Schlösser in den Monatsbildern der Très Riches Heures ihren Ort haben. In die Mittelachse des Bildes gerückt, bildet das turmreiche Poitiers das heimliche Bildzentrum und verklammert die himmlische Sphäre der Engelschöre mit dem irdischen Bereich der Hirten und ihrer Herden. Obwohl mit Poitiers gleich eine ganze Stadt und nicht nur ein Schloß zur Darstellung gelangt, ist auch sie geeignet, die Metaphorik der gemalten Schlösser entschlüsseln zu helfen. Denn unter den Bauwerken der Stadt ragt ein mächtiger, von vier Ecktürmen flankierter Turmbau besonders hervor: Es ist die Tour Maubergeon, der Donjon des herzoglichen Schlosses. 225 Zuschreibung und Datierung nach E. König, 1982, S. 61. 226 Zu den Identifizierungen vgl. auch R. Cazelles / J. Rathofer, 1988, S. 86, S. 89 u. S. 92. Die Ansicht der Autoren, daß es sich bei der Stadt Bourges im Anbetungsbild um die typologische Gleichsetzung mit Betlehem handelt, vermag ich nicht zu teilen. Die herzogliche Stadt ist fern an den Horizont gerückt und verbirgt sich teilweise hinter den Hügeln, ganz so wie es für das topographische Verhältnis zwischen Betlehem und Jerusalem auch damals schon bekannt war. Was wir am Horizont sehen, ist Jerusalem in der typologischen Verkleidung von Bourges, während Betlehem als Stadt gar nicht in Erscheinung tritt.

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Der ausgesprochen symbolträchtige Turmbau des Herzogs von Berry sitzt exakt auf der Mittelachse des Bildes.227 Über seinen golden leuchtenden Turmspitzen haben soeben Engel das Notenblatt entrollt, um zusammen mit den musizierenden Engeln das Gloria in excelsis Deo anzustimmen, während in der hügeligen Landschaft darunter die Hirten erstaunt emporblicken. Unübersehbar ist der altehrwürdige, herrschaftliche Donjon des Schlosses von Poitiers mit der Stadt im Hintergrund zu einem wesentlichen Bestandteil der himmlischen Szenerie geworden, von der aus die heilbringende Weihnachtsbotschaft an die Menschen in Stadt und Land verkündet wird. Es ist kaum ein sinnfälligeres Bild für das religiöse Selbstverständnis eines fürstlichen Landesherrn denkbar, als es in einer solchen Komposition zum Ausdruck gelangt. Von hier aus fällt nun ein bezeichnendes Licht auf die Monatsbilder der Très Riches Heures, hinter deren scheinbar profanen Bildgegenständen sich letztlich ebenfalls die religiöse Thematik des Verkündigungsbildes verbirgt. Indem sich das Himmlische Jerusalem in der jeweils individuellen Gestalt der herzoglichen bzw. königlichen Schlösser und Städte verbildlicht, wird jedes Schloß und jede Stadt im Herzogtum und Königreich zu einem irdischen Bild des himmlischen Urbildes! Landschaft und Territorium aber, in die die Schlösser wie Landschaftskronen hineingesetzt sind, erfahren ihre Aufwertung zur »benedicta terra cuius rex sapiens«, wie es auf einer Miniatur mit der Darstellung Karls V. von Frankreich heißt.228 Die metaphorische Bedeutung der Schlösser als Wohnstätten des salomonischen Herrschers und irdische Sinnbilder des Himmlischen Jerusalems wird ergänzt durch das Bedeutungsspektrum der fürstlichen Tugenden Justitia, Temperantia, Fortitudo, Prudentia, Caritas etc. Auch sie konnten durch das Erscheinungsbild der Burgen und Schlösser veranschaulicht werden. Die systematische Erforschung dieser seit dem Mittelalter überlieferten und weitestgehend übersehenen ikonographi-

227 Zur Bedeutung des Donjon siehe W. Prinz / R. G. Kecks, 1994, S. 19 ff., sowie U. Albrecht, 1986; zur Tour Maubergeon siehe W. Prinz / R. G. Kecks, 1994, S. 48 ff., sowie U. Albrecht, 1986, S. 57 f. 228 Die Miniatur befindet sich am Anfang einer Übersetzung des »Policraticus« von Johannes von Salesbury, die im Auftrag Karls V. 1372 vorgenommen wurde (Paris, Bibl. nat., ms. fr. 24287, fol. 1 u. fol. 12). In der Miniatur sitzt Karl V. auf einem Thron und hat vor sich ein Buch aufgeschlagen. Auf den Buchseiten ist zu lesen: Beatus vir qui in sapientia morabitur et qui in iustitia […] Als Texterläuterung wird in der französischen Übersetzung von 1372 darauf hingewiesen, daß diese Tugenden den idealen König auszeichnen. Siehe hierzu auch C. Richter Sherman, 1969, S. 75 f. sowie La Librairie de Charles V, 1968, S. 119, Nr. 206.

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schen Tradition steht jedoch noch aus, weshalb ich mich auch hier auf einige grundsätzliche Bemerkungen beschränken möchte. Bei der Betrachtung spätmittelalterlicher oder frühneuzeitlicher Märtyrer-, Tugend-, Rechts- und Gerechtigkeitsbilder fallen immer wieder die differenziert ausgeführten Burgen- oder Schloßanlagen im Bildhintergrund auf. Ähnlich wie bei den zuvor besprochenen Beispielen ist ihre Anwesenheit in der Literatur zumeist als pittoreske Ausschmückung des gezeigten Landschaftsraums oder aber – falls ihre Identifizierung gelingt – als ›Besitzmarke‹ der adligen Auftraggeber der Bilder gewertet worden.229 Doch bereits ein recht oberflächlicher Blick in die ikonographische Tradition der Tugend- und Rechtsbilder belegt, daß der ausschmückende oder besitzanzeigende Charakter der gemalten Burgen und Schlösser in einem programmatischen Fundament begründet liegt. So werden bei mittelalterlichen Rechtsspiegeln für die Illustrationen häufig Elemente der Schloß- und Festungsarchitektur verwendet, die der ins Bild gesetzten Rechtspraxis als markante Hintergrundskulisse dienen. Als ein Beispiel nenne ich den Codex Lambacensis, der im 12. Jahrhundert für das Kloster Lambach (Oberösterreich) angefertigt wurde und eine kolorierte Zeichnung (Abb. 143) über den Vollzug des Gottesurteils durch glühende Eisen enthält. Den Hintergrund der Szene, die den angsterfüllt auf die gereichten Prüfungswerkzeuge blikkenden Delinquenten zeigt, bildet ein herrschaftlicher Turmbau.230 Offensichtlich repräsentiert diese an adelige Wohntürme erinnernde Architektur sowohl die Tugend der Fortitudo, der Standhaftigkeit, die den Delinquenten auszeichnen soll, als auch den Adelssitz als Ort der göttlich legitimierten Gerichtsbarkeit.231 Eine vergleichbare Bedeutung

229 So z. B. H. Belting / Chr. Kruse, 1994, S. 115, S. 183, über die Stadt- und Schloßvedute im Bladelin-Altar Rogier van der Weydens. 230 Siehe auch W. Schild, 1985, S. 23. Über der Szene verläuft folgende Inschrift: Benedictio ferri migne. 231 Weitere mittelalterliche Bildbeispiele für die Bedeutung des Turmes als Symbol für Rechtsprechung und Gerichtsbarkeit lassen sich finden, so z.B. in der Heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels (Mitte 14. Jh.): Auf fol. 26v findet unter dem Vorsitz des Bauernmeisters eine dörfliche Gerichtssitzung im Schatten eines hochaufragenden Kirchturms statt. Die Richterbank lehnt dabei unmittelbar an dem Turm des Kirchengebäudes. Auch wenn es sich bei diesem Turm um einen Kirchturm handelt, so hilft dieser Umstand dennoch auch den rechtsikonographischen Stellenwert der adeligen Turmarchitektur zu stützen. Offensichtlich stehen Adels- und Kirchtürme – was ihre rechtliche Aufgabenstellung anbelangt – auf einer gemeinsamen Grundlage, die sie über das äußere Erscheinungsbild hinaus als ›wesensverwandt‹ erscheinen läßt. Somit gehen auch Sinn und Zweck des Kirchengebäudes auf fol. 26v der Heidelberger Bilder-

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dürfte das Schloß in einer Miniatur besitzen, die um 1450 für das Stundenbuch für Nantes gemalt wurde (Abb. 173). Sie zeigt die hl. Katharina, wie sie zusammen mit dem anwesenden König und seinen Hofbeamten vor der Kulisse eines stattlichen Bergschlosses auf ihre Hinrichtung wartet.232 Auf Fortitudo und Justitia bezogen ist auch das Schloß in Dieric Bouts »Die Gerechtigkeit Kaiser Ottos III.« (1470–75).233 Dort überragt es hoheitsvoll das legendäre Martyrium eines Grafen, der Opfer eines Komplotts der Kaiserin wurde (Abb. 174). Von Otto III. irrtümlicherweise schuldig gesprochen und hingerichtet, erfuhr der Graf später seine Rehabilitierung, nachdem ein Gottesurteil den Kaiser von seinem Irrtum zu überzeugen vermochte. Die Kongruenz zwischen christlichen Tugenden und Burg- bzw. Schloßarchitektur ist schließlich unübersehbar das Thema in einer Miniatur von Jean Pions in den Handschriften »Le Château périlleux« und »L’Horloge de Sapience« (15. Jh.) über die Sieben Tugenden.234 Im Mittelpunkt der Miniatur (Abb. 175) steht ein detailliert ausgeführtes vierflügeliges Schloß mit Wassergraben, Zugbrücke, Torbauten, zwei quadratischen und zwei runden Ecktürmen und einem Donjon mit separatem Treppenturm. Vor dem vorderem und den beiden seitlichen handschrift weit über die Funktion einer Kulissenarchitektur hinaus, mit der lediglich das Dorf als Ort des Geschehens angedeutet werden soll (der verbreiteten topographischen Lesart folgt auch Walter Koschorreck in seinem Kommentar zu dieser Bildseite: Der Sachsenspiegel. Die Heidelberger Bilderhandschrift, 1989, S. 220; siehe desw. die lesenswerten Aufsätze von Gernot Kocher über die Rechtsikonographie und von Dagmar Hüpper über die Bildersprache des Sachsenspiegels, in denen die Architektur als rechtsikonographische Realie ebenfalls keine eingehende Beachtung findet: G. Kocher, 1993, S. 107 ff.; D. Hüpper, 1993, S. 143–162). 232 London, BL , Add. 28785, fol. 173 v, Nantes um 1450 (Zuschreibung und Datierung nach E. König, 1982, S. 169). Abb. ebd., Tafel 62, Abb. 132. Die Darstellung des Märtyriums der hl. Katharina wird eingebettet in eine weitergehende Hinrichtungsszene: In der rechten Bildhälfte werden mehrere Männer gerädert, während Engel vom Himmel herabkommen; in der linken Bildhälfte befindet sich Katharina, die vor den Delinquenten im Gebet niederkniet und auf ihre Bestrafung wartet. Hinter ihr, am linken Bildrand, steht ein König mit seinem Beamten und besprechen das Geschehen, wobei der Beamte auf Katharina deutet. Über der Gruppe aus Beamten, König und Katharina erhebt sich auf einem Berg ein prächtiges Schloß. 233 Das aus zwei Tafeln bestehende Werk war ursprünglich von der Stadt Löwen für den Gerichtssaal ihres Rathaus in Auftrag gegeben worden und befindet sich heute in Brüssel im Musée Royaux des Beaux-Arts. Zur Geschichte und Ikonographie siehe zusammenfassend H. Belting / Chr. Kruse, 1994, S. 219 f.; siehe jüngst auch B. Franke, 1998, S. 79 f. 234 Paris, Bibliothèque Nationale, Cod. franc. 445.

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Flügeln des Schlosses stehen die sieben Tugenden wie Wächterinnen des herrschaftlichen Wohnsitzes. Daß es sich tatsächlich nicht nur um eine metaphorisch-typologische Architektur handelt, sondern zugleich ein konkretes Bauwerk gemeint war, belegt neben der wirklichkeitsgetreuen und mit individuellen Merkmalen ausgestatteten Schloßarchitektur nicht zuletzt die Anwesenheit eines adeligen Stifterpaares. Es kniet an der rechten und linken Seite im Bildvordergrund, so als ob es für sich und seine vom Schloß her ausgeübte Territorialherrschaft den Status der christlichen Tugendhaftigkeit und Gottgefälligkeit erbitten wollte. Den Abschluß der beträchtlich vermehrbaren Beispiele235 aber soll ein Gemälde bilden, dessen Thematik, Szenerie und kompositorischer Aufbau eine Berücksichtigung im Rahmen des gestellten Themas geradezu erzwingt: Es ist die sogenannte Rolin-Madonna, die Jan van Eyck um 1435 für den burgundischen Kanzler Nicolas Rolin malte.236 Über dieses Bild ist viel geschrieben und spekuliert worden.237 Mir geht es hier allein um einen Aspekt: Funktion und Bedeutung der atemberaubenden Hintergrundslandschaft, die zwar vielfach gewürdigt, aber noch nie in unserem thematischen Kontext analysiert wurde.238 Jeder Betrachter des Tafelbildes (Abb. 176), der seinen Blick an den Figuren des Rolin und der Muttergottes mit dem Christusknaben vorbei in den Bildhintergrund schweifen läßt, ist fasziniert von dem landschaftlichen Panorama, das sich ihm dort bietet. Durch drei sich weit öffnende Arkaden eines Palastes blickt man hinab in ein breites Flußtal, das ge235 Unter den zahllosen weiteren möglichen Beispielen, die sich neben der französischen auch in der altniederländischen und altdeutschen Malerei finden, sei noch auf das Bildmotiv des Besuchs von Maria bei Elisabeth hingewiesen. Häufig ereignet sich der Besuch der beiden von Gott auserwählten schwangeren Frauen vor der Hintergrundskulisse eines Bergschlosses, das vermutlich als Metapher für die Tugendhaftigkeit von Maria und Elisabeth verstanden werden will. Vgl. z. B. die Heimsuchung von Rogier van der Weyden (Leipzig, Museum der Bildenden Künste) oder den Marienaltar von Dieric Bouts (Madrid, Prado). 236 Zu van Eycks Gemälde und seiner Funktion innerhalb des Stiftungs- und Memorienwesens des Kanzlers Rolin siehe die wichtige historische Studie von H. Kamp, 1993. Die von Eberhard König verschiedentlich (zuletzt: E. König / G. Bartz, 1998) in Zweifel gezogene Identifizierung des dargestellten adeligen Beters mit Rolin ist in der Forschung jedoch mit guten Gründen aufrecht erhalten worden (siehe hierzu neben der Arbeit von H. Kamp auch die eingehende Besprechung des Bildes bei C. Harbison, 1991, S. 100–118). 237 Zuletzt siehe den Tagungsband: Porträt – Landschaft – Interieur, 1999, sowie M. Müller, 2000a, S. 38 ff. 238 H. Roosen-Runge, 1972; O. Pächt, 1989; Craig Harbison, 1991, S. 110 ff.; H. Belting / Chr. Kruse, 1994, S. 67 ff., S. 160 f.

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säumt wird von sanften Berghängen und einer prachtvollen Stadtanlage. Im zentralen, von der mittleren Arkade umgrenzten Blickfeld und damit genau in der Mittelachse des Bildes befinden sich die beiden berühmten ›Zinnengucker‹, die Flußbrücke und darüber, dem Flußlauf folgend, schließlich ein stattliches Wasserschloß. Mit vier Wehrtürmen an den Ecken und einem mächtigen Wohnturm in der Mitte hat es Jan van Eyck exakt in den Mittelpunkt der Arkade gesetzt. In ihm laufen darüber hinaus die Fluchtlinien zusammen, die von den Bodenfliesen des Palastraums vorgegeben werden. Obwohl nicht von großem Abbildungsmaßstab, ist das Wasserschloß auf diese Weise prominent und unübersehbar ins Bild gesetzt.239 Entspricht dieser auffälligen Plazierung möglicherweise auch eine entsprechende Bedeutung für das Bildgeschehen? Zunächst einmal vermittelt die gemalte Landschaft bis in Einzelheiten hinein den Eindruck einer real existierenden Fluß- und Stadtlandschaft. Selbst wenn es die abgebildete Landschaft als topographische Wirklichkeit nicht gibt bzw. gab, so ist sie doch das glaubhafte Bild einer Landschaft, in die u. U. sogar existierende Architekturen versatzstückartig eingebaut wurden. Die Anwesenheit des Kanzlers Rolin im Bild legt es nahe, einen Bezug zwischen seiner Person und dem gezeigten Landschaftsraum zu vermuten. Das wohlgeordnete und friedliche Territorium könnte seine Besitzungen oder aber wichtige biographische Bezugsorte bezeichnen.240 Dieser Deutungsansatz ist genauso glaubwürdig wie derjenige, in der Landschaftsformation ein Sinnbild für die Worte des Marienoffiziums zu sehen, die sich in den Mantelsaum Mariens eingestickt finden.241 Bereits Götz Pochat hat in den detailreichen Landschaftsdarstellungen der altniederländischen Malerei des 15. Jahrhunderts eine religiös determinierte ikonographische Tradition sehen wollen und den Begriff »sakrale Hintergrundslandschaft«242 vorgeschlagen. Deren Anblick sei – ebenso wie bei der unmittelbaren Natur-

239 In den mir bislang bekannt gewordenen Studien wird auf die Ikonologie oder aber wenigstens die herausgehobene Plazierung des Schlosses innerhalb der Bildkomposition nicht explizit eingegangen. Vgl. hierzu grundsätzlich H. Roosen-Runge, 1972; zuletzt H. Belting / Chr. Kruse, 1994, S. 67 ff., S. 160 f. 240 H. Kamp, 1993; H. Belting / Chr. Kruse, 1994, S. 67. 241 H. Roosen-Runge, 1972. Zur symbolischen Deutung der Stadtlandschaft im Sinne der augustinischen Gottesstadt siehe die Anmerkung von H. Kamp, 1993, S. 161, Anm. 109. 242 G. Pochat, 1973, S. 243.

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beobachtung – in Anlehnung an Nikolaus von Kues »in den Dienst der Gotteserkenntnis gestellt worden«.243 Die verbindende Klammer zwischen der einen, sehr prosaischen und der anderen, sehr poetischen Ebene scheint mir jedoch die politisch-religiöse Metaphorik des von Jan van Eyck entworfenen Landschaftsbildes zu sein: Ähnlich wie in den wenig früheren bzw. gleichzeitigen Monatsbildern der Très Riches Heures blicken wir auf ein prosperierendes Land, in dem Frieden und Wohlfahrt herrschen. Offensichtlich, so das Bild, ist dieser Zustand nicht zum geringsten den christlichen Tugenden des Kanzlers Rolin zu verdanken.244 Seine im Bild postulierte Gottesfürchtigkeit läßt Rolin als einen Kanzler erscheinen, dessen Tätigkeit im Dienste des burgundischen Herzogs und dessen sozialer Aufstieg und Besitz unter dem ausdrücklichen Segen Christi stehen. Und so wie das abgebildete Territorium gleichzeitig von irdischer und himmlischer Natur ist, so könnte auch dem Wasserschloß, das zugleich den Mittelpunkt des Territoriums markiert, eine mehrschichtige Bedeutung innewohnen: Zum einen ist es ein prestigeträchtiger adeliger Wohnsitz, der auch den in den Adelsstand erhobenen Nicolas Rolin zieren könnte, zum anderen vermag es als Tugendburg ein Sinnbild für die christlichen Tugenden zu verkörpern und in dieser Weise sowohl der Gottesmutter als auch dem Kanzler zu dienen.245 Nicht ohne Grund

243 Ebd. Zusammen mit früheren Überlegungen von Erwin Panofsky (Ders., 1953) und Heinz Roosen-Runge (Ders., 1972) und späteren von Hans Belting (Ders. / Chr. Kruse, 1994) zur religiösen Zeichenhaftigkeit der altniederländischen Landschaftshintergründe ergibt sich offensichtlich ein Spezifikum der altniederländischen Malerei des 15. Jh.s, die der Installierung des bisher nicht erkannten allegorisch determinierten Motivs von Burgen und Schlössern entgegenkam bzw. es sogar bedingte. 244 Es ist somit recht wahrscheinlich, daß der friedliche, prosperierende Charakter der Hintergrundslandschaft seine historische Begründung in der wohl bedeutendsten politischen Vermittlungsleistung des Kanzlers Rolin besitzt: dem Friedensschluß von Arras am 21. September 1435. Dieses Friedensabkommen, das zumindest einen Separatfrieden zwischen Frankreich und Burgund erbrachte, beruht maßgeblich auf den diplomatischen Verhandlungsbemühungen Burgunds – und hier des Kanzlers Rolin – zwischen Frankreich und England vor dem Hintergrund des Hundertjährigen Krieges. Siehe hierzu auch R. Vaughan, 1975, S. 53 f. Inwieweit daher die These von E. Kieser, zutrifft, daß im Ornament der in der vordersten Reihe gelegenen mittleren Bodenfliese auf verschlüsselte Weise das Datum des Friedenschlusses verborgen läge, kann hier nicht beurteilt werden (E. Kieser, 1967, S. 74 f.). 245 In diesem Zusammenhang sind zwei weitere Darstellungen von Interesse, in denen die Hintergrundslandschaft der Rolin-Madonna zitathaft eingesetzt wird. So besitzt das Stundenbuch des Jean Dunois, eines Bastards von Orléans, eine

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dürfte das Schloß auf der Mittelachse und damit auf der optischen Grenzlinie zwischen Maria und Rolin angeordnet worden sein, wirkungsvoll unterstützt durch die Flußbrücke. Deren Bogenlauf verbindet sich mit der segnenden Hand des Christusknaben und vollzieht sprichwörtlich einen Brückenschlag zwischen der jenseitigen Welt Christi und Mariens und der diesseitigen des Kanzlers Rolin. Die bislang angeführten Bildbeispiele sind überwiegend der französischen und burgundisch-niederländischen Malerei und Graphik entnommen worden. Doch auch in der italienischen Malerei lassen sich Schloßdarstellungen finden, in denen die aufgezeigte ikonographische Tradition des in den Landschaftshintergrund oder in eine allegorische Darstellung integrierten Schlosses bzw. der Burg nachweisbar ist. Eine mit der niederländischen Tradition vergleichbare religiöse Auffassung von Landschaftshintergründen in der italienischen Malerei wurde auch schon von Götz Pochat erwogen, wobei er das religiöse Element der Landschaft allerdings nur in kompositionellen und farblich-stim-

Miniatur über die Trägheit (London, British Library, Sammlung H. Y. Thompson 3, fol. 162, 1430er Jahre; zur Datierung siehe E. König, 1982, S. 62 ff.) Der Landschaftsraum der Miniatur ist fast vollständig ein Zitat aus Jan van Eycks RolinMadonna (diese Übereinstimmung wurde bereits von E. König, 1982, S. 63, unter Bezug auf Eleanor Spencer festgestellt). Als Ausschnitt hat der Maler die Szenerie gewählt, die bei der Rolin-Madonna im Hintergrund zwischen den beiden Säulen sichtbar wird: den Zinnenkranz mit einem der beiden Betrachter, eine Flußlandschaft mit befestigter Brücke, das Wasserschloß – auf das unmittelbar die Strahlen der in der Mitte des oberen Bildrandes befindlichen Sonne fallen – und eine sanfte Bergwelt, durch die der Fluß mäandert. Die Allegorie der Trägheit reitet im Bildvordergrund auf einem Esel nach rechts aus dem Bild, den Kopf schwer in die Hand gestützt ohne die Flußlandschaft auch nur eines Blicks zu würdigen. Der Betrachter dagegen, der am Wegesrand steht, blickt von den Zinnen herab intensiv auf die Landschaft: Während der Eine das unter Gottes Schutz stehende, wohlgeordnete und regierte Land studiert, ist der Andere zu faul, dafür auch nur seinen Kopf zu erheben. Für die Bedeutung des Wasserschlosses als Sinnbild der Tugendhaftigkeit Mariens ist eine andere Darstellung aufschlußreich: Im sog. Stundenbuch des Louis d’Anjou (Cambridge, ms. 39–1950, nicht lokalisiert, um 1435/40; Zuschreibung und Datierung nach E. König, 1982, S. 154) findet sich auf fol. 263 ein Hortus conclusus, dessen Landschaftsraum wiederum ein fast vollständiges Zitat (vor allem die Brücke und der von den Zinnen herabblickende Betrachter fehlen) aus Jan van Eycks Rolin-Madonna darstellt. Im Vordergrund, vor der zinnenbekrönten Mauer, über die man in eine Flußlandschaft mit zentral angeordnetem Wasserschloß und einer Stadtanlage am linken Ufer blickt, sitzt Maria mit dem Christuskind auf dem Schoß, während ein Engel im Hintergrund andächtig auf die Knie gesunken ist. Das Wasserschloß befindet sich unmittelbar über dem Kopf Mariens.

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mungshaften Ausdruckswerten erkennen wollte.246 Doch kann in diesem Zusammenhang ebenso das Schloß bzw. Kastell eine allegorische Funktion besitzen, wie beispielsweise Benozzo Gozzolis Dreikönigenzug (1459–62) in der Hauskapelle des Palazzo Medici-Riccardi in Florenz belegt. Auf der vom Altar aus gesehen linken Wand im Landschaftshintergrund erscheint ein prächtiges Kastell (Abb. 177), das über eine gedachte Linie mit dem darunter befindlichen berittenen König (in dessen Nähe sich im königlichen Gefolge mehrere Mediciporträts verbergen) in Verbindung gebracht werden kann. Oder Giovanni Bellinis rätselhafte »Allegoria sacra« (um 1480, Florenz, Uffizien): In der Mittelachse des Bildes ragt am Horizont auf einer Anhöhe ein kastellartiges Bergschloß empor, das in seiner hellen, vom Sonnenlicht bestimmten Farbigkeit besonders herausgearbeitet worden ist.247 Auch andere Bilder Giovanni Bellinis, so die »Madonna auf der Wiese« (London, National Gallery) oder die »Pala Pesaro« (vor 1475, Pesaro, Museo Civico), präsentieren Schloßarchitektur in einem religiösen Kontext, wenn im Hintergrund von Maria und dem Christusknaben ein vieltürmiger Adelssitz erscheint oder hinter den thronenden Christus und Maria in einer fensterbildartigen Schauöffnung der Thronbank als einziger Gegenstand ein Bergkastell zu sehen ist.248

246 G. Pochat, 1973, S. 341 ff. (am Beispiel Bellinis). 247 Götz Pochats Urteil, »das kontemplative Leben der Welt steht dem Paradies im Bildraum näher als der Zivilisation mit Stadt und Burg in der Ferne« (ebd., S. 358), müßte vor dem Hintergrund unserer eigenen Überlegungen noch einmal überdacht werden. Zur Interpretation des Bildes siehe jüngst N. Schneider, 1999, S. 31 f. (dort auch Angaben zur älteren Literatur). 248 Zur noch nicht abgeschlossenen Diskussion um eine Identifizierung dieses sehr auffällig wie ein Bild im Bild herausgestellten Bergschlosses siehe A. Tempestini, 1998, S. 96 ff. Die eigenartige und noch näher zu deutende Präsentation des Bergschlosses im Ausschnitt der Thronlehne ergibt sich vor allem aus der besonderen Formgebung der Thronlehne: Ihr ganzer Aufbau zitiert unübersehbar die Rahmenform von Altarretabeln, so wie sie prinzipiell auch die Pala Pesaro selbst besitzt. In der Zusammenschau von geschnitzter Altarretabelrahmung und der retabelähnlichen gemalten Rahmung der Thronlehne im Altarbild entsteht so der Eindruck einer Wiederholung der Pala Pesaro im gemalten Altarbild. Während die geschnitzte, eigentliche Pala Pesaro aber die Krönung Mariens durch Christus im Beisein von vier Heiligen zeigt, präsentiert uns die gemalte Pala (die ja eigentlich die Thronlehne darstellt) das Bergschloß. Es erhebt sich unmittelbar hinter den Köpfen von Christus und Maria und stellt damit die eigentliche Hintergrundskulisse des Krönungsaktes dar. Diese Hintergrundskulisse wiederum erweist sich bei genauem Hinsehen als Ausschnitt aus einem großen Landschaftspanorama, das sich – für den Betrachter nahezu unsichtbar – hinter den vier Heiligen zuseiten des Thrones fortsetzt. Von diesem Landschaftspan-

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Für eine angemessene und hier nur skizzenhaft zu leistende Einschätzung des allegorischen Potentials von Burgen- und Schloßarchitektur in der italienischen Landschaftsmalerei ist die Berücksichtigung der zeitgenössischen Malereitraktate notwendig. Ausgehend von Albertis Definition der Historienmalerei und dem im Quattrocento wichtigen Urteil des Plinius über die Landschaftsmalerei249 werden Adelssitze und Festungen im Bild häufig auch nur lebensnahe, dramaturgische Ausstattungsstücke gewesen sein. Nur in eindeutig allegorisch bzw. eschatologisch aufgefaßten Bildern, wie etwa Bellinis »Allegoria sacra«, der »Pala Pesaro« mit der Marienkrönung oder der »Madonna auf der Wiese«, erhält auch die abgebildete Architektur einen erkennbar sinnbildhaften Rang. Dies gilt, um ein letztes italienisches Beispiel anzuführen, auch für Raphaels »Madonna mit Kind und Buch« (ca. 1502/03, Pasadena, Norton Simon Museum of Art) (Abb. 178), die im linken Bildhintergrund, prominent ins Bild gerückt, ein Wasserschloß zeigt. Christoph Wagner, der in seiner Arbeit über die Farbmetaphorik bei Raphael auf mögliche allegorische Funktionen des Schlosses nicht eingeht, schreibt zu dem Bild u. a.: »Die Passionsthematik ist in Raphaels metaphorischer Deutung der Madonna mit Kind und Buch nur einer von mehreren thematischen Punkten, zu dem auch hier die bisher nicht beachtete kunstvolle Metaphorik des transzendenten Lichtes hinzukommt. […] Wieder ist es nicht Maria, sondern das Licht, auf das sich der kindliche Blick [Christi, Anm. M.M.] bezieht und in dem es scheinbar kontemplierend verweilt. […] Die Landschaft [im Hintergrund, Anm. M.M.] bildet […] eine Landschaft bei Sonnenaufgang, mit deren atmosphärischer Veränderlichkeit, den kunstvollen Spiegelungen und Reflektionsbereichen Raphael geradezu emphatisch naturmetaphorisch das Thema des ins Licht orama sehen wir außer dem fensterartigen Ausschnitt in der Thronlehne vor allem den Himmel, dessen besondere Ausgestaltung mit Cherubinen sowie der Taube des Heiligen Geistes ihn jedoch wie einen göttlichen Himmel erscheinen lassen. Erst bei näherer Betrachtung wird ersichtlich, daß es sich um einen durchaus irdischen Himmel handelt, hinter dem jedoch schon wie hinter einem sich verflüchtigenden Schleier der jenseitige, transzendente Himmel sichtbar wird. Damit gibt sich die gesamte Konzeption der Pala Pesaro als ein weiterer, damals hochaktueller Versuch Bellinis zu erkennen, den zeichenhaften, transitorischen Charakter des religiösen Bildes und seine mediale Verfaßtheit offenzulegen, wobei dem Bergschloß in diesem konzeptionellen Vorgang eine auffällig zentrale Position eingeräumt wird. (Zum hier angesprochenen Problem der ästhetischen Illusionserzeugung im Kontext religiöser Malerei siehe K. Krüger, 2001). 249 Plinius, Naturalis historia, 1978, S. 74 f., 86 f., 88 f.

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blickenden Christusknaben begleitet und die Darstellung des Göttlichen mit der aufgehenden Sonne analogisiert. […] Anders als in den ersten Madonnenbildern ist nun auch die Welt der Hintergrundslandschaft von einem Morgenlicht erfüllt, das links oberhalb des Kindes ein von Wasser umgebenes Schloß in – den Inkarnatfarben des Kindes verwandten – Ockertönen erstrahlen läßt«.250 Auch ohne Kenntnis der traditionsreichen Ikonographie ist der metaphorische Charakter des Wasserschlosses in Raffaels Madonnenbild unübersehbar: Die den Bildraum durchflutende Morgensonne schafft durch ihre Farbigkeit zwischen dem Schloß und dem Christuskind eine geheimnisvolle Verbindung, die das Schloß wie die überirdische Erscheinung der Himmelsstadt wirken läßt. Bei der Betrachtung taucht unweigerlich Jan van Eycks »Madonna des Kanzlers Rolin« in der Erinnerung auf und mit ihr das Wasserschloß als Tugendburg der Gottesmutter Maria. Gegen Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde die in der französischen, burgundisch-niederländischen und italienischen Malerei etablierte Tradition, Burgen und Schlösser als allegorische Elemente religiöser und herrschaftlicher Bildwerke einzusetzen, schließlich auch in der deutschen Malerei und Graphik rezipiert. Hierfür sind vor allem die Bilder der Cranach-Werkstatt und Dürers aufschlußreich. Burgen und Schlösser werden in diesen Bildern kompositionell auf ganz ähnliche Weise im Landschaftshintergrund verankert, wie bei den bislang besprochenen französischen, burgundischen und italienischen Bildwerken. Daß dem Kompositionsschema auch ein entsprechender Bedeutungshorizont zugrunde lag, vermag der inhaltliche Kontext zu veranschaulichen: Die Burgen und Schlösser sind Bestandteile von religiösen, mythologischen und herrschaftlichen Szenerien, die von Pestund Heiligenbildern über mythologische Darstellungen und Jagdbilder bis hin zu den Tugend- und Bekenntnisbildern protestantischer Fürstenhäuser reichen. Dabei wurden die Schloßbauten häufig derart detailliert dargestellt, daß die Vermutung von Architekturporträts naheliegt. Diese Annahme ließ sich in zahlreichen Fällen auch bestätigen und der Nachweis erbringen, daß ähnlich wie in den »Très Riches Heures« auch hier bedeutende Residenzen oder Adelssitze der Auftraggeber im Bildhintergrund vergegenwärtigt wurden. Ihre allegorische, für die Ikonographie der Bilder konstitutive Funktion soll im folgenden Kapitel anhand einer querschnittartigen Auswahl von Beispielen verdeutlicht werden.

250 Chr. Wagner, 1999, S. 181 ff.

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Bereits an dieser Stelle ist zu resümieren, daß bildlich dargestellte Burgen und Schlösser in der europäischen Kunst des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit ganz überwiegend metaphorischen Charakter besaßen. Sie verkörpern zum einen maßgebliche Tugendkräfte des Herrschers – wie Fortitudo, Temperantia, Justitia, Caritas und Prudentia –, die schließlich wichtige Voraussetzungen für sein Regiment mit den entsprechenden administrativen und legislativen Institutionen bilden. Und zum anderen verkörpern sie diese Institutionen selbst, wie die Beispiele von Bildern mit Rechts- bzw. Strafakten, d. h. der institutionalisierten Justitia, gezeigt haben. Schließlich aber finden alle Herrschertugenden und die darauf aufbauenden Rechts- und Verwaltungseinrichtungen ihre Ursache und Legitimation in Gott selbst.251 Zusammen mit seinem Sohn und den Gerechten residiert er nach christlichem Weltverständnis im Himmlischen Jerusalem, das dadurch zum architektonischen Vorbild für die irdischen Regierungs- und Verwaltungssitze werden mußte. Sie, die irdischen Burgen und Schlösser werden zumindest dann, wenn sie Aufenthaltsorte von Königen oder Territorialherren waren, zu Sinnbildern der Himmelsstadt, quasi des Urbildes aller Regierungsarchitektur, und zu adäquaten Repräsentanten einer von Gott gewollten und eingesetzten hochadeligen Herrschaft. Doch auch die eher prosaisch und nebensächlich in die Landschaftshintergründe plazierten Burgen- und Schlösser in spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bildern partizipieren noch an diesem Bedeutungshorizont: Selbst wenn sie nicht gleich als Metapher der Himmelsstadt verstanden werden dürfen, so vertreten sie doch die durch Gott legitimierten weltlichen Herrschaftsinstitutionen und markieren im Bild wie in der Realität deren Macht und Recht innerhalb eines Territoriums. Damit erfüllen die bislang überwiegend als Veduten oder »Ausschmückungen« angesehenen Burg- und Schloßdarstellungen eine

251 Einen guten und anschaulichen Einblick in die Vorstellung, daß in »Gott, der da ist Beginn und Ende aller Dinge« (Textus prologi des Sachsenspiegels) der Ursprung des Rechts begründet liegt, bietet – nicht nur für den deutschsprachigen Raum – der Sachsenspiegel. In den 1230er Jahren durch Eike von Repgow aufgezeichnet, anvancierte er im Alten Reich und den angrenzenden Territorien zu einem der wichtigsten Rechtsbücher, das in mehreren Auflagen, Übersetzungen und Erweiterungen bis ins späte Mittelalter hinein Gültigkeit beanspruchte. Siehe Der Sachsenspiegel. Die Heidelberger Bilderhandschrift, 1989, S. 87; zur Ableitung des irdischen vom göttlichen Recht siehe S. 87 ff.; siehe desw. Die Oldenburger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, 1993, S. 8, sowie U. Drescher, 1989.

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wichtige Aufgabe innerhalb der christlichen Ikonographie: Ob dominant in den Bildraum gerückt oder dezent und deshalb durchaus »pittoresk« in die Hintergrundskulisse gesetzt – immer erinnern sie an die Ordnungsstrukturen weltlicher Herrschaft und veranschaulichen das Eingebundensein aller Menschen in eine quasi überzeitliche, von Gott eingesetzte Regierung des irdischen Territoriums. Diese Bedeutungsebene hat selbst im 16. Jahrhundert, als »die Feuerwaffen die Festungen in die Breite und in die Niederungen [zwangen], da nicht mehr so sehr die Höhe als die Dicke der Mauern Schutz bot«,252 nichts von ihrer Aktualität verloren. Auch als die »alten Burgen« und Schlösser militärtechnisch nicht mehr auf der Höhe der Zeit waren, besaßen sie immer noch ihren zeichenhaften wie praktischen Wert als territoriale Repräsentanten des Königs oder Landesherrn. Allein schon die vielfach vorhandene Aufgabe, den Stammsitz einer alteingesessenen Familie zu markieren, verlieh ihnen eine für moderne Menschen nur noch schwer nachvollziehbare Aura.253 Deshalb darf die von Martin Warnke sehr allgemein getroffene Feststellung zurückgewiesen werden, daß im 16. Jahrhundert »allenthalben die Burgen kaum noch taugliche Schutzeinrichtungen waren« und deshalb aus den »späten Auftritten der Burgen (in der Malerei, Anm. M.M.) auf eine Art Vergnügen daran zu schließen [ist], daß diese eitlen Herrschaftssitze überflüssig geworden sind.«254 Im Angesicht von so manchem Raubritternest oder manch stadtherrlicher Zwingburg – über deren Darstellungsform noch zu reden sein wird255 – mögen Burgen und Schlösser gelegentlich als bedrohliche Last empfunden worden sein, doch überflüssig und damit anachronistisch war die bildmächtigste Form des europäischen Adelssitzes deswegen noch lange nicht! Im Gegenteil: Erst der Besitz einer traditionsreichen Burg- bzw. Schloßanlage oder der Neubau im Stil alter ›Burgenherrlichkeit‹ ermöglichte es beispielsweise den Fuggern, ihre 1511 erworbene Adelswürde angemessen zu demonstrieren.256 Und über die im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit übliche Praxis, zwischen mehreren konkurrierenden Anteilseignern von Burgen sogenannte Burgfrieden abzuschließen, vermochten Burgen sogar zu einem Instrument der Friedenssicherung zu werden.257

252 253 254 255 256 257

M. Warnke, 1992, S. 51. U. Schütte, 1994, S. 197, S. 271; K. Graf, 1996, S. 395 f., S. 414. M. Warnke, 1992, S. 51 f. Siehe unten Kap. 6.8. Siehe hierzu U. Schütte, 1994, S. 272 f.; M. Schmidt, 1999, S. 118 ff. Siehe hierzu K.-H. Spieß, 1998, S. 183–201.

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6.7.1 Schloßdarstellungen bei Cranach und Dürer Die heilsgeschichtliche Interpretation des landesherrlichen Residenzschlosses stellt auch ein zentrales Moment im malerischen und graphischen Werk der Cranachs und von Dürer dar. Seit dem frühen 16. Jahrhundert, in besonderem Maße dann in der Reformationszeit, konzipierten sie für ihre hochadligen Auftraggeber eine Vielzahl von Bildwerken, in denen vor allem mitteldeutsche Schloßbauten realitätsnah wiedergegeben werden. Anläßlich der verheerenden Pestepidemie von 1503/06 entwarf Lucas Cranach d.Ä. im Auftrag des sächsischen Kurfürsten Friedrichs des Weisen 1505 ein Fürbittbild (Abb. 179): »Das Herz der dreieinigen Gottesliebe« bzw. »Die Verehrung des Herzens Jesu« (London, The British Museum). In diesem gegen die Pest gerichteten Bild wird der »Schild des Glaubens« thematisiert, »mit welchem«, so Paulus im Epheserbrief 6,16, »ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösewichts«.258 Entsprechend großformatig ist der Schild des Glaubens ins Bild gesetzt: Vom Himmel herab durch Engel getragen, nimmt er über die Hälfte der Bildfläche ein und berührt mit seinem unteren Rand optisch die Turmspitzen eines detailliert ausgeführten Schlosses im Bildhintergrund. Daß es sich um ein kursächsisches Schloß – möglicherweise das Lieblingsjagdschloß Friedrichs des Weisen, Lochau bzw. Annaburg259 – handelt, lassen die beiden Wappenschilde (mit dem kursächsischen Wappen und dem Wappen des Reichserzmarschalls) am unteren Bildrand erkennen. Im Bildvordergrund und unmittelbar unterhalb des Glaubensschildes knien die Fürbitter: im Zentrum Maria und Johannes, deren Köpfe den Sockelbereich des Schlosses im Hintergrund überschneiden, flankiert von den Pestheiligen Sebastian und Rochus. Ihre andächtige Verehrung gilt dem Glaubensschild, dessen Oberfläche ein großes Herz (als Sinnbild Gottvaters) mit der Darstellung des mitleidenden, gekreuzigten Christus und den Worten VIRGO MATER MARIA zeigt. Auffällig an der Bildkomposition ist die Darstellung des Schlosses. Obwohl im Landschaftshintergrund angesiedelt, erscheint es doch zugleich nahe an den Betrachter herangerückt und mit den Fürbittern

258 Zur theologischen Deutung der Ikonographie von Cranachs Holzschnitt siehe Martin Luther und die Reformation in Deutschland, 1983, Kat.-Nr. 500, S. 376 ff. 259 Vgl. hierzu auch Cranachs Holzschnitt von ca. 1506 (Berlin, Staatliche Museen), auf dem im Hintergrund einer Hirschjagd vermutlich Schloß Lochau zu sehen ist. Zu diesem Holzschnitt siehe weiter unten.

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auf der Erde und dem vom Himmel herabgetragenen Glaubensschild optisch zu verschmelzen. Neben der Anordnung auf der Mittelachse des Bildes und dem flachen, nicht zentralperspektivisch angelegten Bildraum tragen zu diesem Eindruck auch die bereits genannten Überschneidungen bei. Auch ohne nähere inschriftliche Erläuterungen wird deutlich, daß dieses Schloß mehr verkörpert, als eine Architekturvedute in einem religiösen Bildwerk. Auch wenn kein Residenzschloß, sondern ›nur‹ ein Jagdschloß und Amtshaus des sächsischen Kurfürsten abgebildet ist, so repräsentiert das Schloß in Cranachs Fürbittbild doch unzweifelhaft den kursächsischen Landesherrn in seiner Funktion als von Gott eingesetztem Regenten und vicarius christi. Durch den Bildaufbau steht das Schloß an der Grenzlinie zwischen Himmel und Erde, unmittelbar unterhalb des flehentlich bittenden Wortes MATER auf dem Spruchband zu Füßen Christi und damit zugleich im Mittelpunkt des Andachtsgeschehens. Es wird als derjenige Ort bezeichnet, von dem aus einerseits die Gebete an die Fürbitter und die im Glaubensschild anwesende Trinität gerichtet werden, der sich andererseits aber durch die Vermittlung Mariens bereits unter dem Schutzschild des Glaubens befindet und die Gnadenkraft des dreieinigen Gottes empfängt. Die in Cranachs Pestbild überdeutlich formulierte Sinnbildlichkeit des Schlosses als Sitz einer glaubensstarken und tugendhaften fürstlichen Landesherrschaft findet sich auch in anderen Werken Cranachs aus den Jahren kurz vor der Reformation verwirklicht. Unter den Altar- und Andachtsbildern verdienen hier vor allem das Retabel des Katharinenaltars von 1506 (Dresden, Staatliche Kunstsammlung) sowie das Tafelbild des Märtyriums der hl. Katharina von ca. 1508 (Budapest, Ráday-Sammlung der Reformierten Kirche)260 Aufmerksamkeit. Sowohl in der Mitteltafel des Dresdner Altarretabels (Abb. 180) als auch im Budapester Katharinenbild (Abb. 181) thronen die Schlösser hoch erhoben, dem Himmel entgegengerückt, auf steilen Bergmassiven, während unter ihnen, in der Tallandschaft, das Eingreifen der himmlischen Mächte und die bevorstehende Enthauptung Katharinens gezeigt werden. Durch die Verbindung der an sich getrennten Handlungsabläufe, in denen einerseits der göttliche Beistand und andererseits die Unausweichlichkeit des Märtyriums vorgeführt werden, thematisiert Cranach den Tod der Katharina als heilsgeschichtlich notwendiges Zeugnis für die Stärke des christlichen Glaubens.

260 Zum Budapester Bild siehe Lucas Cranach, 1994, Kat.-Nr. 120, S. 299 ff.

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Diesem theologischen Verständnis entspricht im Dresdner Bild in besonderer Weise die Darstellung des Scharfrichters und der hinter ihm am linken Bildrand stehenden, höfisch gekleideten Personen, in denen mit hoher Wahrscheinlichkeit Mitglieder der Wittenberger Universität und des kursächsischen Hofes porträtiert wurden.261 Während der Scharfrichter in geradezu nachdenklicher Haltung auf die vor ihm kniende Heilige herabblickt und bedächtig sein Schwert zieht, betrachten die hinter ihm befindlichen Personen verwirrt und andächtig zugleich das Schauspiel der himmlischen Gewalten, deren Eingreifen Katharina im übrigen vor der entehrenden Strafe des Räderns und Vierteilens bewahrt. Unübersehbar spiegelt sich in den Gesichtern des Henkers wie der höfisch gekleideten Personen das Erlebnis der Gottesoffenbarung wider, die zugleich die Hintergrundslandschaft charakterisiert: Das Toben der vom Himmel entfesselten Naturgewalten ereignet sich nur in der rechten Bildhälfte, dort, wo sich das Rad und die zu Boden gestürzten Henkersknechte befinden; dagegen ist die linke Bildhälfte von einem sonnendurchfluteten Wolkenhimmel bestimmt, der sich nicht nur über den dort stehenden Personen wölbt, sondern auch das unmittelbar über ihren Köpfen auf dem Berg thronende Schloß in helles Sonnenlicht taucht. Im Kontext des Bildgeschehens verkörpert dieses Schloß – ähnlich wie auch im Budapester Bild – die Gottesburg, die hier in der detailliert ausgeführten Gestalt eines vermutlich identifizierbaren kursächsischen Schlosses erscheint. Gemeinsam mit dem darunter befindlichen Personenkreis, in dem Cranach die Porträts von wichtigen Personen des kursächsischen Hofes untergebracht hat, ist es als Sinnbild für die Glaubensstärke und Tugendhaftigkeit des sächsischen Kurfürstenhauses zu verstehen, das in Katharina sein Vorbild und seine Schutzheilige erkennen konnte. Mutatis mutandis gilt diese Feststellung schließlich auch für den rechten Seitenflügel des Dresdner Katharinenaltarretabels: Dort thront, von einem überirdischen Licht umstrahlt, über den Köpfen der hll. Barbara, Ursula und Margarethe ein gewaltiges Bergschloß. Es stellt die Veste Coburg dar, die hier durch Cranach und seine fürstlichen Auftraggeber ihre heilsgeschichtliche Allegorisierung erfahren hat.

261 Vermutet werden u. a. die Porträts von Friedrich dem Weisen, Christoph von Bayern und dem an der Wittenberger Universität lehrenden Humanisten Hans von Schwarzenburg. Eine solche Identifizierung liegt auch deshalb nahe, da in dem kleinen Jungen, der auf dem linken Altarflügel der hl. Dorothea einen Korb mit Blumen reicht, der Neffe Friedrichs des Weisen und künftige Kurfürst Johann Friedrich porträtiert worden ist. Siehe hierzu E. Ullmann, 1985, S. 93 f.

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Die eingehende Analyse der beiden Katharinenbilder ermöglicht nun auch eine andere Sichtweise auf zwei bedeutende Tugendallegorien Lucas Cranachs d. Ä., die der klugen und glaubensstarken Überlistung des Holofernes durch Judith gewidmet sind (Judith an der Tafel des Holofernes und Der Tod des Holofernes; beide Gotha, Schloßmuseum). Sie verdeutlichen zugleich, wie problemlos der seit dem hohen und späten Mittelalter tradierte Topos vom fürstlichen Schloß als Sinnbild der Gottesburg in die protestantische Ikonographie überführt werden konnte. Bereits Werner Schade hat darauf hingewiesen, daß Judith in den beiden 1531 entstandenen Tafelbildern vor allem als Schutzpatronin des Schmalkaldischen Bundes zu sehen ist, dessen Kampf gegen die vom Papsttum bestimmte Kirchen- und Reichsverfassung auf allegorische Weise mit Judiths Kampf gegen Holofernes und das Heer der Assyrer gleichgesetzt wird.262 Diese These findet ihre Unterstützung durch das Porträt Landgraf Philipps von Hessen: Es verbirgt sich im Höfling, der im Vordergrund an der Tafel des Holofernes aufwartet.263 Von der Allegorisierung dürften jedoch die bei beiden Bildern im Hintergrund thronenden Bergschlösser mitsamt den ihnen zu Füßen liegenden Städten nicht ausgenommen worden sein: In der Lesart der Bildhandlung repräsentieren sie die von den Assyrern belagerte und mit Israel gleichzusetzende Stadt Bethulia, die hier nicht zuletzt in der Gestalt mitteldeutscher (landgräflich-hessischer und kursächsischer?) Schloßbauten zum Sinnbild der glaubensstarken und tugendhaften protestantischen Fürstentümer avanciert. In einer späteren Tugendallegorie von Lucas Cranach d. J. mit der Darstellung der Caritas (um 1560, Hamburg, Kunsthalle) (Abb. 182) beherrscht ein detailliert ausgeführtes »mitteldeutsches« Schloß mit einer darunter gelegenen Stadt den gesamten Bildhintergrund: Über den Bäumen einer Waldlichtung, auf der sich Caritas mit ihren Kindern niedergelassen hat, ragt das Schloß auf einem steilen Felsen empor und stößt mit der Spitze seines mächtigen Rundturms in den wolkenlos klaren Himmel hinein. Überdeutlich ist das Schloß in diesem Bild als Ort fürstlicher Patriarchalität vergegenwärtigt, unter deren Schutz die christliche Tugend der Nächstenliebe ihr Werk vollbringen kann. Die auffällige Unterteilung des Bildes in den natureingebundenen, erdnahen Bereich der Caritas und den bereits im Himmel angesiedelten Bereich des Schlosses unterstreicht zum einen das enge Verhältnis der Caritas zur fruchtbaren Natur und zum anderen den 262 Kunst der Reformationszeit, 1983, Kat.-Nr. E 17.1 und E 17.2, S. 304. 263 Ebd., Kat.-Nr. E 17.1, S. 304.

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transzendenten Charakter des dargestellten Schlosses und der zu seinen Füßen gelegenen Stadt.264 Als Sinnbilder für das rechtmäßige und durch Gott selbst legitimierte protestantische Landesfürstentum erscheinen Residenzschlösser und -städte schließlich in den zahlreichen sog. Bekenntnisbildern. Um 1540 entstand in der Cranach-Werkstatt der Entwurf zu einer Tapisserie mit der Kindersegnung Christi (Abb. 183). Bereits zwei Jahre zuvor hatte Lucas Cranach in einem Gemälde (1538, Hamburg, Kunsthalle) dieses für den Protestantismus bedeutsame Thema bearbeitet und mit ihm die biblischen Argumente für die lutherische Auffassung von der Kindertaufe und vom Glauben als göttlicher Gnade ikonographisch umgesetzt.265 Während die Tapisserie nicht mehr erhalten ist, befindet sich die zugehörige Entwurfszeichnung heute in der Leipziger Graphischen Sammlung.266 Auftraggeber des Bildes war Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen; darauf deuten nicht nur das kursächsische und Reichserzmarschallwappen auf den Postamenten der rahmenden Säulen hin, sondern in besonderer Weise das auf der Mittelachse des Bildes angeordnete Abbild des Torgauer Schlosses. Wie die allegorisch als Gottes- und Himmelsburgen aufgefaßten Schlösser in den Très Riches Heures oder in den zuletzt besprochenen Cranach-Bildern ist das Torgauer Schloß auf einem Berg plaziert und hoch hinauf an den Horizont gerückt, so daß seine Turmspitzen den Himmel berühren. Auf diese Weise bekrönt und überragt das damals prächtigste Residenzschloß der sächsischen Kurfürsten wie eine himmlische Schutzburg die Szene im Vordergrund des Bildes. Dort bringt eine Gruppe von Müttern ihre Kinder dem segnenden Christus entgegen, der sich den Kindern wie ein zärtlich liebender Vater zuwendet. Die ganze Gestalt Christi drückt Zuneigung und Schutz aus und überträgt damit das Motiv der festen Gottesburg, das in der Darstellung des Torgauer Schlosses angelegt ist, in das Bild des Mensch gewordenen Gottes.

264 Allzu nüchtern und pädagogisch ist demgegenüber die Deutung im Katalog Luther und die Folgen für die Kunst, 1983, Nr. 121, S. 246 f., ausgefallen: »Nächstenliebe als angeborene, natürliche Verhaltensform wird also bei Cranach den städtischen Bereichen im Hintergrund vorgehalten, wobei im Schloß und den verschiedenen Kirchen besonders die weltlichen und kirchlichen Institutionen zur Pflege solcher Nächstenliebe aufgefordert sind«. 265 Ein weiteres Bild mit demselben Thema und ähnlicher Komposition befindet sich in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Zur protestantisch geprägten Ikonographie siehe C. O. Kibisch, 1955, sowie Luther und die Folgen für die Kunst, 1983, Kat.-Nr. 114, S. 241. 266 Siehe Kunst der Reformationszeit, 1983, Kat.-Nr. F 7, S. 375.

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Die enge Wechselbeziehung zwischen Christus als dem göttlichen Urbild des irdischen Regenten und dem Torgauer Schloß als der Wohnstatt des irdischen Stellvertreters Christi hat Cranach bzw. seine Werkstatt kompositionell subtil herausgearbeitet: Obwohl Christus zutiefst mit den ihn umringenden Menschen verbunden ist, bleibt sein Kopf dem menschlichen Zugriff doch gleichzeitig enthoben und ragt mit seinem Strahlennimbus hinein in die Sphäre, in der das Torgauer Schloß am Himmel erscheint. Das Torgauer Schloß repräsentiert zunächst allgemein den uns bereits vertrauten Topos vom fürstlichen Schloß als Sitz des göttlichen Stellvertreters auf Erden, doch weist es gleichzeitig auf die besondere politisch-religiöse Aufgabe des sächsischen Kurfürstenhauses hin: Seit Friedrich dem Weisen trat das kursächsische Fürstenhaus als wichtigster Förderer und Beschützer der protestantisch-lutherischen Erneuerungsbewegung in Erscheinung, eine Aufgabe, die unter Johann Friedrich I. durch die Führung des Schmalkaldischen Bundes noch zusätzlich erweitert wurde. Diese im damaligen Reich äußerst exponierte Stellung, durch die sich das sächsische Kurfürstenhaus in eine außergewöhnliche politische und religiöse Verantwortung gestellt sah, wird in der Cranachschen Tapisserie auf kongeniale Art ins Bild gesetzt: In der Verbindung der ikonographisch neuartigen Kindersegnung Christi mit dem altüberlieferten Motiv des Fürstenschlosses als Gottesburg entstand ein spezifisch protestantisch-höfischer Bildtypus, durch den das besondere Patronat des sächsischen Kurfürstenhauses gegenüber der protestantischen Bewegung seinen adäquaten Ausdruck fand. Als das wahre Sinnbild des Himmlischen Jerusalems auf Erden erscheinen die Residenzschlösser protestantischer Fürsten darüber hinaus in den Bekenntnis- und Gedächtnisbildern, die der Taufe Christi gewidmet sind. Hier wurden sie meist in das Panorama der jeweiligen Residenzstadt integriert und dadurch der Jerusalembezug noch deutlicher herausgearbeitet.267 1555, ein Jahr nach dem Tod von Johann

267 In ihrer Grunddisposition lassen sich die protestantischen Bekenntnisbilder mit der Taufe Christi auf spätmittelalterliche Vorbilder zurückführen. Ein Beispiel hierfür ist Gérard Davids Taufe Christi von 1505 (Brügge, Musée Groeninge). Im Hintergrund der Taufszene (Abb. 184) erscheint oberhalb der Gestalten von Johannes und Christus ein sonnenbeschienenes Schloß auf dem Berg und eine Stadt im Tal. Am lichtdurchfluteten Himmel werden Gottvater und die Taube des Heiligen Geistes sichtbar, die sich räumlich gleichsam zwischen Schloß- und Stadtanlage und der Gruppe im Vordergrund aus Johannes, Christus und einem Engel befinden. Götz Pochat erkennt in Gérard Davids Bild zwar den sakralen Gehalt der Landschaft, doch beschreibt er ihn nur sehr allgemein und wertet ihn fast wie einen Anachronismus: »[…] noch 1505 dürfen wir in Gérard Davids

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Friedrich von Sachsen, fertigte Jacob Lucius einen großformatigen Holzschnitt (Abb. 185), auf dem die Taufe Christi in die Elbniederungen vor Wittenberg verlegt wurde.268 Vor dem Panorama von Residenzstadt und -schloß Kurfürst Friedrichs des Weisen, der als Förderer Martin Luthers zum Vorkämpfer des evangelischen Glaubens unter den Fürsten aufstieg, und in Gegenwart Johann Friedrichs I., seiner Gemahlin und seiner drei Söhne empfängt Christus durch Johannes die Taufe. Ihre religiöse wie politische Brisanz erhält die Szenerie zum einen durch die Präsentation des 1547 degradierten ehemaligen Kurfürsten und Anführers des Schmalkaldischen Bundes vor der Kulisse Wittenbergs, die das Zentrum des sächsischen Kurkreises verkörperte, und zum anderen durch die Anwesenheit Martin Luthers. Hinter Johann Friedrich und seiner Gemahlin stehend und seine einstige Lehrstätte Wittenberg im Rücken empfiehlt der Reformator das ehemalige Kurfürstenpaar wie ein heiliger Schutzpatron gegenüber Christus. Über Schloß und Stadt Wittenberg aber öffnet sich der Himmel und offenbart die Anwesenheit Gottvaters. Umgeben von einer Schar Engel bezeugt er eindrucksvoll die Gottessohnesschaft Christi und zugleich auch die Rechtmäßigkeit der von Johann Friedrich von Sachsen und seinen Vorgängern tatkräftig geförderten Erneuerung des christlichen Glaubens. Die Interpretation der Wittenberger Residenz als Ort göttlichen Heils und Sinnbild des neuen Jerusalems findet ihre Reflektion in einer Reihe weiterer Bekenntnisbilder mit der Taufe Christi, deren Auftraggeber verbündeten protestantischen Fürstenhäusern angehörten. Zu diesen Bildwerken zählt beispielsweise diejenige Taufe Christi von Lucas Cranach d. J. (1556), bei der die Taufhandlung in Anwesenheit des anhaltischen Fürstenhauses und der Reformatoren vor der Kulisse von Schloß und Stadt Dessau stattfindet (Abb. 186).269 Durch die Annahme

›Taufe Christi‹ von einer sakralen Hintergrundlandschaft sprechen. Die feierliche Gruppe im Vordergrund ist von einem tempelähnlichen Landschaftsraum umgeben. Durch die Staffelung der Bäume rechts und die plastischen Felskulissen und die Figurengruppe links im Mittelgrund wird der Blick in die Tiefe hinter der Christusfigur geleitet, wo eine liebliche Landschaft mit Stadt und Burg im hellen Tageslicht erstrahlt. Im Himmel wird die Glorie um die Gestalt Gottvaters mit dem natürlichen Licht verschmolzen« (G. Pochat, 1973, S. 246). 268 Kunst der Reformationszeit, 1983, Kat.-Nr. F 43, S. 422 ff.; Martin Luther und die Reformation in Deutschland, 1983, Kat.-Nr. 482, S. 362 f. 269 Auf dem Bild befinden sich Schloß und Stadtkirche genau im Mittelpunkt der Komposition, d. h. zwischen der Gruppe aus Fürsten und Reformatoren auf der einen Seite und der Christus-Johannes-Gruppe auf der anderen Seite

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des evangelischen Glaubens, so die Bildaussage, steht das anhaltische Fürstenhaus unter demselben göttlichen Schutz wie das kursächsische und wird die Dessauer Residenz auf ähnliche Weise zu einem Ort göttlicher Präsenz transformiert, wie ihn die ungleich bedeutendere Wittenberger durch das Wirken Luthers für sich beanspruchen konnte. Das Motiv des fürstlichen Schlosses als Gottes- und Tugendburg zieht sich wie ein Leitmotiv durch die Arbeiten der Cranach-Werkstatt, aber auch anderer Künstler wie etwa Albrecht Dürers. Neben den Bekenntnis- und Gedächtnisbildern, Epitaphien und Altarwerken270 verdient besonders das druckgraphische Werk mit den Heiligenbildern Beachtung. Zwei Holzschnitte und ein Kupferstich, »Die Peinigung des hl. Antonius« (1509)271 und »Das Märtyrium des hl. Erasmus« (1516)272 von Cranach sowie »Der hl. Eustachius« (1500/03)273 von Dürer, sol-

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und unterhalb von Gottvater und der Taube des Heiligen Geistes. Siehe auch Martin Luther und die Reformation in Deutschland, 1983, Kat.-Nr. 481, S. 361. Hierzu gehört auch das eindrucksvolle Bild Lucas Cranachs d. J. mit der Bekehrung des Paulus (1549, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum). Es war vermutlich als Epitaph für den 1546 verstorbenen Grafen Wolf I. von MansfeldHinterort konzipiert, dessen Vater, Albrecht IV., zu den entschiedenen Anhängern Martin Luthers zählte. Auf diesem Bild erscheinen im Hintergrund der Bekehrungsszene im gleißenden Lichtstrahl Gottes die Mansfeldischen Schlösser wie eine ferne Vision am Horizont (statt Damaskus, wie Irene Roch, 2000, S. 223, vorschlägt, dürfte auch hier wieder der Topos des Himmlischen Jerusalems vergegenwärtigt worden sein). Zu weiteren Epitaphien und Altarwerken mit Schloßdarstellungen mitteldeutscher Landesherren siehe ebd., S. 224. Antonius schwebt, von Ungeheuern in die Lüfte erhoben, über einer bergigen Flußlandschaft, in der am linken Bildrand sich eine detailliert gezeichnete Schloßanlage mit hohem Bergfried – die Festung Rosenberg? – erhebt (zur Identifizierung mit Rosenberg, der Burg über Cranachs Geburtsstadt, siehe Lucas Cranach, 1994, Kat. Nr. 147, S. 324). In dem Geäst des rechts am Bildrand stehenden Baumes hängen die kursächsischen Wappen. Im Bildvordergrund erfolgt die Entdärmung des hl. Erasmus in Anwesenheit einer dichten Zuschauermenge aus berittenen Mitgliedern des Hofes – Ritter, Richter, Henker etc., den Bildhintergrund nimmt eine recht präzise ausgeführte Schloßanlage ein. Sie ist optisch mit dem Kopf des berittenen Adligen verbunden, der sich unmittelbar oberhalb der Hinrichtungsszene befindet und als optisches Bindeglied zwischen Hinrichtungsort und Schloß erscheint. In der rechten oberen Ecke und dort als Bildbegrenzung dienend, steht ein knorriger Baum, an dessen Ästen die kursächsischen Wappen – das sächsische Wappen und das Wappen des Reichserzmarschalls – hängen! Der hl. Eustachius kniet im Bildvordergrund neben seinem Pferd und umgeben von seinen Hunden, um Christus in Gestalt eines wundersamen Hirschen zu verehren, der auf der rechten Seite im Bildmittelgrund erscheint. Oberhalb des hl. Eustachius erhebt sich in der linken Bildhälfte ein Bergfels, auf dessen Spitze

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len hier nur erwähnt werden. Auch bei diesen Bildbeispielen von Lucas Cranach ist es anhand der im Bild angebrachten Wappen möglich, das veranschaulichte Heilsgeschehen und die im Hintergrund erscheinenden Schloßanlagen unzweideutig auf den sächsischen Kurfürstenhof zu beziehen. Ein viertes druckgraphisches Beispiel von Albrecht Dürer274 kann an dieser Stelle nicht ohne ausführlichere Diskussion genannt werden. Es ist der bekannte und vielbesprochene Kupferstich »Ritter, Tod und Teufel« (»Der Reuter«) von 1513 (Berlin, Kupferstichkabinett). Er ist für unser Thema vor allem deshalb von Interesse und erfordert eine eingehendere Analyse, da sich aus den zum Teil kontroversen Interpretationen der Bildthematik Konsequenzen für die Deutung des abgebildeten Schlosses ergeben. Der Stich (Abb. 187) zeigt einen Ritter, der standhaft und unbeirrt durch einen engen, dunklen Hohlweg reitet, in dem ihm Gestalten des Todes und des Teufels den Weg versperren wollen. Zwischen den Bäumen und Sträuchern am Rande des Hohlwegs ist ein begrenzter Ausblick in die freie Landschaft möglich, an deren lichtem Horizont auf einem Berg verheißungsvoll ein Schloß thront. Unterhalb des Schlosses ist ein sonnenbeschienener Weg zu erkennen, der ins Tal hinabführt. Die Bildkomposition suggeriert, daß sich der Weg des Ritters mit dem vom Schloß hinabführenden Weg verbindet und daher im Schloß das Ziel des mutig und unverzagt daherreitenden Ritters verborgen liegt.275

ein mächtiges Schloß mit rundem Bergfried thront. Die beiden Bildhälften, in denen sich links Eustachius und das Bergschloß, rechts das Pferd und der Hirsch befinden, werden durch einen knorrigen, abgestorbenen Baum getrennt. Das im Hintergrund gezeigte Schloß steht ikonographisch sowohl in der Tradition der Gottesburg als auch der Tugendallegorien und verweist in diesem Zusammenhang auf die Fortitudo des hl. Eustachius gegenüber den harten Prüfungen Gottes. 274 Beachtenswert sind in diesem thematischen Zusammenhang auch Dürers Altarbilder, u. a. Die Anbetung der Könige, (1504, Florenz, Uffizien) und der Landauer-Altar (1511, Wien, Kunsthistorisches Museum); siehe D. Kutschbach, 1995. 275 Im Zusammenhang mit dem »Reiter« ist ein anderer Stich Dürers zu sehen, den er einige Jahre zuvor anfertigte: »Der Ritter mit dem Landsknecht« (um 1496/97, Melbourne, National Gallery). Gezeigt wird ein Ritter, wie er zusammen mit einem Landsknecht wagemutig in einen undurchdringlichen Wald hineinreitet; im Bildhintergrund, zwischen den ersten Bäumen des Waldes und einem vereinzelt stehenden Baum, ragt über dem Kopf des Ritters am Horizont ein vielteiliges Schloß auf einer Anhöhe empor.

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In der Forschung bestand bislang weitestgehende Einigkeit darüber, in dem Reiter u. a. das Bild des »Miles christianus« zu erkennen, wie er 1504 von Erasmus von Rotterdam im »Enchiridion militis christiani«, dem Handbüchlein des christlichen Soldaten, wieder der gebildeten Öffentlichkeit in Erinnerung gerufen worden war. Der Weg des Reiters »führt ihn dem Lichten zu und hat sein Ziel in der Höhe«.276 In der Höhe aber wartet das Schloß, das wiederum an die uns bekannten allegorischen Fassungen des Himmlischen Jerusalems in der Apokalypse von Angers und in den Très Riches Heures erinnert. Bereits Karl-Adolf Knappe assoziiert in diesem Stich Dürers die Schloßdarstellung mit der Himmelsburg, wenn er stichwortartig formuliert: »Christlicher Ritter, der zur Himmelsburg, zur himmlischen Stadt strebt«.277 Doch es bleibt bei dem assoziativen, sporadischen Umgang mit dem auffälligen Schloßmotiv im Bildhintergrund, so daß eine grundsätzliche Diskussion des auch in anderen Bildern Dürers auftauchenden Motivs unterbleibt. Dabei ermöglicht die Hinzunahme weiterer, auch von Knappe erwähnter Forschungsmeinungen zu den allegorischen Qualitäten des Stiches278 eine Verdichtung der Argumentation: So vermutete Friedrich Lippmann279 einen von Dürer beabsichtigten Zyklus von Tugenden, zu dem neben dem »Ritter, Tod und Teufel« noch »Hieronymus im Gehäus« und »Melancholie« gehört hätten. Während im »Hieronymus« die Kräfte der Gotterkenntnis (virtutes theologicales) und in der »Melancholie« die der Verstandeskräfte (virtutes intellectuales) versinnbildlicht worden wären, hätte der »Reiter« die sittlichen Kräfte (virtutes morales) verkörpern sollen. Selbst wenn eine solche Verbindung zwischen den drei genannten und von Dürer mehrfach auch zusammen verkauften Stichen nicht nachweisbar ist, so besitzt die Deutung des »Reiters« als christliche Tugendallegorie (im besonderen als Allegorie der Standhaftigkeit) doch Glaubwürdigkeit. Sowohl der Bildinhalt als auch die allegorische Tradition der Burg bzw. des Schlosses in der hoch- und spätmittelalterlichen Malerei, Graphik und Tapisserie untermauern somit die These, in dem verheißungsvoll am lichten Horizont erscheinenden Schloß ein Sinnbild für die Tugendhaftigkeit des Ritters und die Himmelsburg als Ziel seines Strebens zu erkennen. Ohne diese Bildtradition zu berücksichtigen, hat bereits Erwin Panofsky bei der Burg in Dürers be276 277 278 279

K.-A. Knappe, 1964, S. 26. Ebd. Grundlegend E. Panofsky, 1948, S. 151 ff. F. Lippmann, 1926.

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rühmtem Stich an das Motiv der »uneinnehmbaren ›Tugendburg‹« gedacht.280 Nehmen wir die Zeitumstände hinzu, unter denen der »Reiter« entstand, und berücksichtigen wir auch Dürers persönliche politisch-religiöse Haltung, dann darf mit Recht davon ausgegangen werden, in dem Stich ein Bekenntnis für eine reformierte Kirche und erneuerte christliche Frömmigkeit vorliegen zu haben.281 Dieser überwiegend akzeptierten Deutung hat Alexander Perrig heftig widersprochen. Für ihn erweist sich Dürers Kupferstich »als ein satirischer ›Nachruf‹ auf das soeben verstorbene Oberhaupt der Christenheit [d.i. Papst Julius II., der 1513, dem Jahr der inschriftlichen Datierung des Stichs, starb, Anm. M.M.]«.282 Denn Dürers »Ritter ist in Wahrheit das Gegenteil dessen, als was er so unermüdlich hingestellt wird – kein Tugendheld, kein ›Eques christianus‹ […], sondern ein Tod- und Teufelskomplize, ein Anti-GEORG . Sein Revier ist […] ein düsterer Hohlweg aus nacktem Gestein und abgestorbenem Gestrüpp […]«.283 Doch die von Perrig als Indizien herangezogenen Merkmale der Bildkomposition und -ausstattung (Bewegungsrichtung des Reiters von rechts nach links als angebliches Zeichen des »Inaktiven«, »Unterlegenen«, »Bösen«; angebliche »Gleichgerichtetheit« von Ritter, Tod und Teufel als Merkmal der »Kumpanei«; Hund mit angeblichen »Merkmalen von Feigheit [angelegte Ohren, schräger Blick] und unedler Rasse [plumpe Läufe, verhängtes Maul und zottiges Fell] ausgestattet« etc.284) sind – ungeachtet manch anderer guter und wichtiger Beobachtung Perrigs – nicht eindeutig genug, um wirklich überzeugen zu können.285

280 E. Panofsky, 1948, S. 153; Ders., 1977, S. 204. In Anlehnung an Panofsky spricht auch R. Schoch, 1986, S. 310, Nr. 131, von der »uneinnehmbare[n] Tugendburg«. 281 So bereits E. Panofsky, 1948, S. 151. Karl-Adolf Knappe, 1964, S. 26, verweist in diesem Zusammenhang auf die These von Antonie Leinz-von Dessauer, nach der es sich bei dem Reiter um eine allegorische Anspielung auf den Florentiner Bußprediger Savonarola handelt. Hund und Salamander sind in dieser Lesart Emblemata für die Dominikaner bzw. für den Feuertod, wie ihn auch Savonarola in Florenz erleiden mußte. 282 A. Perrig, 1987, S. 28. 283 Ebd., S. 26 f. 284 Ebd., S. 26 f. 285 Letztlich ist auch zu fragen, weshalb die von Panofsky festgestellten Ähnlichkeiten des Reiters mit der auf Bildern überlieferten Physiognomie Kaiser Maximilian I. (E. Panofsky, 1948, S. 153: »His general appearance somewhat reminiscent of Burgkmair’s well-known equestrian portrait of Maximilian I in a woodcut of 1508 […]«) weniger glaubwürdig sein sollen, als die von Perrig po-

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So wirkt auch Perrigs Zurückweisung der von Panofsky assoziierten Deutung des Burgmotivs als »Tugendburg« (und seine statt dessen angebotene Alternativdeutung als »weltliche ›Burg‹« von Papst Julius II.,286 der lieber Krieger als Priester war) recht bemüht, vor allem dann, wenn er unter Hinweis auf Dürers Holzschnitt »Gerson als Pilger« meint: »Sie [d.i. die Burg, Anm. M.M.] wäre wohl kaum zu diesem Ansehen gekommen, hätte man zuvor gefragt, wie bei DÜRER und seinen Kollegen ein Hintergrund, der als Wegziel tatsächlich gemeint ist, in seinem Kontext aussieht«.287 Die Allegorisierung des fürstlichen Schlosses als Gottesburg, Himmlisches Jerusalem und Tugendburg findet ihren Nachklang in solchen Bildwerken, die nur mittelbar einen heilsgeschichtlichen Inhalt besitzen und vordergründig eher »profan« gestimmt erscheinen. Wenn in Lucas Cranachs d. Ä. Bildern vom Silbernen und Goldenen Zeitalter (Abb. 188+189) am Horizont auf Bergeshöhen »mitteldeutsche« Schloßbauten auftauchen, dann wirken sie zunächst als Bestandteil einer mythologisch-antiken Historie.288 In dieser scheint ihnen eher der Rang zuzukommen, den Sitz der heidnischen Götter zu veranschaulichen als ein Sinnbild für die Wohnstatt des vicarius christi abzugeben. Diese Auffassung findet zunächst auch ihre Bestätigung in einem aufschlußreichen Vergleich des Wittenberger Schlosses mit dem römischen Kapitol, den der kursächsische Hofpoet Georg Sibutus Daripinus in einem lateinischen Gedicht auf eine 1508 in Wittenberg abgehaltene Festlichkeit anstellt: Das Wittenberger Schloß, so heißt es dort,

stulierten Übereinstimmungen mit Bildern von Papst Julius II. (A. Perrig, 1987, S. 28: »tiefliegende, verschattete Augen, resolut vorspringendes Kinn und markante Nasen- und Mundeckfalten«)! 286 A. Perrig, 1987, S. 27 f. 287 Ebd., Anm. 159, S. 114. 288 Lucas Cranach d. Ä.: Das Goldene Zeitalter (um 1530, Oslo, Nationalmuseum) (siehe hierzu Hansjochen Hancke, 1992 u. 1995; F. Matsche, 1994, sowie neuerdings E. Bierende, 2002, S. 250 ff.); ein zweites Bild mit demselben Thema befindet sich in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen München. Lucas Cranachs d. Ä. »Das Silberne Zeitalter« (1527) befindet sich in den Weimarer Kunstsammlungen, Galerie im Schloß; ein weiteres Bild besitzt die Londoner National Gallery. Da sich auf dem Weimarer Bild die Männer gegenseitig umbringen, während im Vorder- und Hintergrund ihre Frauen und Kinder voll Entsetzen zusehen müssen, ist verschiedentlich der Vorschlag einer Zuweisung zur Thematik des Eisernen Zeitalters vorgenommen worden (siehe hierzu auch Katalog Kunst der Reformationszeit, 1983, Nr. E 12, S. 301 f., sowie E. Bierende, 2002, S. 250 ff.).

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rage »wie auf Tarpeischem Felsen mit seinen königlichen Dächern und Türmen empor«.289 Die Deutung des kurfürstlichen Residenzschlosses von Wittenberg als das Kapitol, das sakrale Zentrum des römischen Staates, eröffnet in jedem Fall eine neue Perspektive auf die Schloßdarstellungen in den mythologischen Bildern Cranachs. Wenn die von Hansjochen Hancke vorgeschlagene Deutung zutrifft, daß im »Goldenen Zeitalter« das Torgauer Schloß Hartenfels abgebildet worden ist,290 ließe sich mit gutem Grund vermuten, daß der zunächst für Wittenberg in Anspruch genommene Rombezug nun auch für die neue kurfürstliche Residenz Torgau Gültigkeit besaß. Wie Edgar Bierende in seiner Studie zur Rezeption einer germanischen Antike am kursächsischen Hof plausibel machen konnte, verbirgt sich hinter der Thematik der beiden Cranach-Bilder sehr wahrscheinlich aber noch eine ganz andere Sinnebene, die unmittelbar auf die eigene mythologische Vergangenheit der Thüringer und Sachsen verweist.291 Demnach würde Cranach im »Goldenen Zeitalter« das mythisch-historische Friedensreich der Thüringer zeigen, bevor es in den kriegerischen Eroberungszügen der Sachsen unterging. Von diesen Zeiten berichten die Chroniken (so die Chroniken Georg Spalatins von 1513/1535 und Sebastian Francks von 1538) und die Kommentare zu Tacitus’ damals vieldiskutiertem Werk »Germania« (z. B. Johann Eberlin von Gunzburg, 1526). Folgen wir den hier gegebenen geschichtlichen Darstellungen, dann hätte das »Silberne Zeitalter« die Kämpfe zwischen Thüringern und Sachsen in der germanischen Vorzeit des sächsischen Kurfürstentums zum Thema. Doch darf über die Beobachtung der faszinierenden römischen wie germanischen Antikenrezeption am kursächsischen Hof, zu der auch die Auseinandersetzung mit mythologischen Themen im höfischen Fest und der bildenden Kunst gehörte,292 nicht übersehen werden, daß alle humanistischen Bemühungen letztlich ihre Rechtfertigung in einer interpretatio christiana fanden. Dies gilt auch für die Metaphorik der im mythologischen Bildkontext vergegenwärtigten Schloßbauten: Selbst wenn sie den Sitz olympischer Gottheiten verkörpern, von dem herab die sächsischen Fürsten wie Apoll oder Mars auf die Erde blicken,293 so sind

289 290 291 292 293

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Siehe hierzu F. Matsche, 1994, S. 79 ff. H. Hancke, 1992 u. 1995. E. Bierende, 2002, S. 250 ff. Siehe hierzu F. Matsche, 1994. So lautete die Bezeichnung für Friedrich den Weisen und seinen Bruder Johann den Beständigen in Georg Sibutus Daripinus’ Wittenberger Gedicht von 1508 (F. Matsche, 1994, S. 79).

Zur allegorischen Funktion von Schloßdarstellungen

sie doch zugleich auch als Präfigurationen der christlich-eschatologisch definierten Himmelsstadt zu verstehen. Diese Lesart läßt sich in besonderer Weise auch auf Cranachs »Silbernes« und »Goldenes Zeitalter« anwenden. Hier deutet bereits die für Cranachs allegorische Bilder charakteristische Raumschichtung und Raumabgrenzung darauf hin, daß dem Bildaufbau ein Zeitmoment eingeschrieben wurde und die frühneuzeitliche Gegenwart des sächsischen Kurfürstentums in eschatologischer Perspektive daher als christlich-humanistische Sublimierung der weit zurückliegenden germanischen Vorzeit aufzufassen ist: Denn in beiden Bildern wird der Bildraum des Vordergrundes, in dem sich die Historia der thüringisch-sächsischen Germanen abspielt, deutlich vom Bildraum des Hintergrundes abgegrenzt. Während im »Goldenen Zeitalter« eine Mauer den Paradiesgarten der friedliebenden Thüringer von der Hintergrundslandschaft trennt, sind es im »Silbernen Zeitalter« Bodenwellen und Buschwerk, die das Kampfgemetzel des Vordergrundes von der heiteren, sonnenbeschienenen Landschaftsidylle des Hintergrundes absetzen. Auf diese Weise erscheinen in beiden Bildern die am Bildhorizont auf hohem Bergfelsen thronenden Kurfürstenschlösser wie die visionären Verheißungen eines dereinst kommenden, christlich-humanistischen Zeitalters unter kursächsischem Regiment.294 Entsprechend befinden sich die Schlösser auch nur im Blickfeld des Betrachters vor den Bildern, während die Menschen im Bildraum sie nicht sehen können, weil die Zukunft ihres Landes unter dem christlichen Regiment des sächsischen Fürstenhauses sprichwörtlich außerhalb ihres vorgeschichtlichen Blick- und Bewußtseinshorizonts angesiedelt ist.295

294 Auf dem Bild des »Silbernen Zeitalters« thront das Schloß im Bildhintergrund hoch oben auf einem Bergsporn über einer Flußlandschaft, während sich im Vordergrund Männer gegenseitig erschlagen und dabei von ihren entsetzt aufschreienden Frauen und Kindern beobachtet werden. Trotz der martialischen Vordergrundsszenerie verkörpert auch dieses Schloß den Sitz einer tugendhaften herrschaftlichen Regierung, denn der Ort der Tötungsszenerie und der Ort des Bergschlosses sind im Bild deutlich voneinander durch dichtes Baum- und Buschwerk getrennt. Das Morden findet somit ›hinter den Büschen‹, quasi im zivilisationsfernen Urwald statt, während das Schloß in gleichsam visionärer Ferne in einer kultivierten, befriedeten und im Sonnenlicht erstrahlenden Landschaft angesiedelt ist. Auf diese fällt – durch eine Lücke zwischen den Bäumen und Büschen in der Mitte des Bildes – nur der Blick des Betrachters, während die im Vordergrund agierenden Menschen vollkommen absorbiert mit sich selbst beschäftigt sind. 295 Diese Beobachtungen und Feststellungen können die von Edgar Bierende geleistete thematische Analyse ergänzen und um die Analyse des kompositorischen Konzepts der allegorisch-mythologischen Bilder Cranachs erweitern helfen.

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Das Schloß als Sitz des tugendhaften Fürsten

Ohne Wissen um das zeitgenössische Verständnis des Herrschers als christlicher princeps sapiens, dessen heilsgeschichtlicher Rang letztlich auch eine religiös-kulturelle Überlegenheit gegenüber der griechischrömischen wie der germanischen Antike begründete, bleiben auch die Jagdbilder Cranachs mit ihren auffällig herausgehobenen Schloßbauten unverständlich. Neben einem Holzschnitt aus dem frühen 16. Jahrhundert, der eine Hirschjagd auf den Ländereien eines Schlosses (vermutlich Lochau) zeigt,296 sind die verschiedenen großformatigen Jagdbilder aus den 1540er Jahren von Bedeutung.297 Auf ihnen wird nicht nur der kurfürstliche Hof unter Johann Friedrich dem Großmütigen mitsamt seinen prominenten Gästen ins rechte Bild gesetzt,298 sondern ebenso das Torgauer Schloß: Wie auf einer Bühne scheinen die Bäume des Waldes im Bild des Cleveland Museum of Art (1540) (Abb. 190) auseinanderzurücken und geben den Blick frei auf das verheißungsvoll am Horizont erstrahlende Residenzschloß Kurfürst Johann Friedrichs. Der Eindruck eines überirdischen Himmelsschlosses wird zusätzlich unterstützt durch die scharfe Kontrastierung des dunklen Jagdreviers im Vordergrund mit den hellen Himmelspartien im Hintergrund. Angesichts des privilegierten Rechtsstatus’ der Jagd299 und ihrer vielfältigen allegorischen Bezüge zum Fürsten ist die Abbildung des Torgauer Schlosses im Hintergrund einer Jagdszene vor allem allegorisch zu verstehen. Der allegorische Stellenwert der Jagd findet sich in der zeitgenössischen Literatur, u. a. in Maximilians I. Ruhmeswerk »Weißkunig«, explizit formuliert. Jan-Dirk Müller führt hierzu aus: »Der Weißkunig begnügt sich […] nicht mit […] einer pädagogischen Rechtfertigung, sondern schreibt der Jagd einen verborgenen tieferen Sinn zu; der jagende Fürst ist ein exemplum verantwortungsvoller Regenten-

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Hierzu bereitet der Verfasser eine größere Studie vor, die sich mit den Bildkonzepten an den deutschen Fürstenhöfen des 15./16. Jahrhunderts und der Rezeption italienischer und niederländischer Bildverfahren im Kontext fürstlicher Repräsentation beschäftigen wird. Berlin, Staatliche Museen, Kupferstichkabinett, um 1506 (Lucas Cranach, 1994, Nr. 143, S. 321 f.). Lucas Cranach d. Ä. und J.: 1540: Cleveland Museum of Art; 1544: Wien, Kunsthistorisches Museum, sowie Madrid, Prado; 1545: Wien, Kunsthistorisches Museum. Da die Jagdbilder u. a. auch als repräsentative Geschenke des sächsischen Kurfürstenhauses dienten (Lucas Cranach, 1994, Nr. 143, S. 322), haben alle bisherigen Interpretationen vor allem diesen Aspekt als Schlüssel zum Bildverständnis angesehen (siehe zuletzt Lucas Cranach, 1994, Kat.-Nr. 131, S. 310 ff.). Zur repräsentativen Bedeutung der Jagd im fürstlichen Kontext siehe St. Selzer, 2003, S. 80–88 (mit weiterer Literatur).

Zur allegorischen Funktion von Schloßdarstellungen

tätigkeit: wie der Jäger das Wild, der Falke den Vogel, so verfolgt der Fürst hartnäckig und zielstrebig seine Feinde. So alt dergleichen Gedanken in der Fürstendidaxe sind: hier werden sie zur Verteidigung gegenüber Kritikern ehemals selbstverständlicher adliger Betätigungen eingesetzt; mittels der Allegorese kann das scheinbar Kritikwürdige dem gemainen volk in ainem merern verstand erklärt [Zitat aus dem »Weißkunig«, S. 233 f., Anm. M.M.] und so gerechtfertigt werden«.300 Die im »Weißkunig« sichtbar werdende Allegorese der fürstlichen Jagd findet somit in den Jagdbildern der Cranachs ihre adäquate Veranschaulichung. Wieder verkörpert das am Bildhorizont wie eine Vision erscheinende und Alles überragende Schloß Torgau das Schloß als Sitz des weise und wachsam herrschenden Fürsten und verweist damit zugleich auf die in den zeitgenössischen Fürstenspiegeln formulierte Regentenethik.

6.7.2 Die freie Reichsstadt als ›Schloß‹: der Sitz des tugendhaften, gerechten Regiments im Bild der res publica In ihrer kürzlich publizierten Dissertation hat Susan Tipton die Vorstellungen von der guten Regierung als wesentliche Programmatik von Rathausdekorationen der Reichsstädte und Stadtrepubliken in der frühen Neuzeit herausgearbeitet und die ihnen zugrundeliegende Rezeption der zeitgenössischen Regentenspiegel aufgezeigt.301 Deutlich wird, daß sich seit Ambrogio Lorenzettis allegorischem Wandbild vom guten und schlechten Stadtregiment in Siena (Abb. 167) eine Ikonographie herausgebildet hat, der durch die historisch vielschichtigen Veränderungsprozesse im Städtewesen des Reformationszeitalters gesteigerte Aktualität zukam. Das Untersuchungsgebiet der Arbeit umfaßt anhand von repräsentativen Fallbeispielen sowohl die Kommunalpaläste italienischer Städte als auch die großen Rathausbauten der freien Reichsstädte und Handelsmetropolen nördlich der Alpen. Untersucht wird je300 J.-D. Müller, 1982. 301 S. Tipton, 1996. Susan Tipton verwendet den Begriff »Regentenspiegel« bewußt als Sammelbegriff sowohl für die eigentlichen Fürstenspiegel als auch die in einer niederen Statussphäre angesiedelten Regentenspiegel der niederen weltlichen Obrigkeit. Zu recht verweist sie auf den Umstand, daß »auch die Regenten ›niederen Standes‹ [gemeint sind hier vor allem die Ratsgremien, Anm. M.M.] […] potentielle Leser von Fürsten- und Regentenspiegeln« waren und sich »im 16. Jh. auch die bürgerlichen Obrigkeiten in zunehmendem Maße am Kanon der Regententugenden der Aristokratie« orientierten (ebd., S. 26 f.).

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doch nur die Umsetzung des Themas im Medium der bildenden Kunst, ohne dem dazugehörigen architektonischen Kontext näheres Augenmerk zu schenken. Dadurch wird zwar die ›staatstragende‹ Programmatik der Bilder, Graphiken und Wandmalereien auf insgesamt überzeugende Weise transparent gemacht, nicht jedoch die Aufgabe des zugehörigen Architekturrahmens bzw. -körpers und seiner spezifischen Sprache einer Würdigung unterzogen. Sicherlich künden die vorgestellten Bildprogramme auch für sich allein vom Status der »libera res publica«, jedoch zeigt bereits ein Blick auf diverse Graphiken mit der Darstellung der Concordia, daß auch die Architektur allegorische Züge annehmen kann. Wenn auf dem Kupferstich von Heinrich Aldegrever von 1549 (Abb. 191) die Concordia ein Stadtmodell auf der Hand trägt oder auf dem geschnittenen Frontispiz der Nürnberger Stadtrechtsreformation von 1564 (Abb. 192) hinter den Allegorien von Justitia, Pax, Liberalitas und Concordia eine Landschaft mit der Stadt Nürnberg erscheint, dann ist die städtische Architektur hier nicht nur schmückendes Beiwerk oder schlichtes Attribut der res publica,302 sondern die Stein gewordene Verkörperung des guten Regiments. Der Regentenspiegel erscheint dann nicht nur als Bild im Medium der Malerei, sondern ebenso als quasi gebautes Bild im Medium der Architektur! Für die Fragestellung, welche Bedeutung das bildhaft wiedergegebene Schloß und die Fürsten- bzw. Regentenspiegel für Konzeption und Verständnis von Schloßarchitektur besaßen, sind die beiden genannten Graphiken recht aufschlußreich. Obwohl sie nicht für eine fürstliche Regierungslehre entworfen wurden, demonstrieren sie – sozusagen aus dem Blickwinkel der bürgerlichen Konkurrenz – die allegorische Sichtweise von gebauter ›Staats‹-Architektur. Beim Frontispiz der Nürnberger Stadtrechtsreformation weist Susan Tipton, die die Stadtansicht im Hintergrund lediglich als Identifikationsmerkmal für Nürnberg wertet,303 zu recht auf die signifikante Anordnung der Justitia hin: Sie sitzt zur Rechten der res publica und verdeutlicht auf diese Weise, welchen Stellenwert eine gesicherte Rechtsordnung für das einträchtige Zusammenleben der Bürger besitzt.304 Liest man sodann die Vorrede zu der revidierten Fassung der Nürnberger Stadtrechtsreformation von 1564, erklärt sich das Frontispiz als kongeniale, den allgemeinen Leitgedanken formulierende Umsetzung der Rechtstexte ins Bild: die revidierte Edi302 So die zwar grundsätzlich richtige aber den Blickwinkel verengende ausschließliche Lesart bei S. Tipton, 1996, S. 88. 303 Ebd. 304 Ebd., S. 158 f.

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tion wird damit begründet, »das kain burger=/liche gemainsame und fridliche beywonung / ausserhalb ordentlicher und richtiger Recht und Ordnungen / in die leng in wesen pleiben und erhalten werden kan und mag. / Derhalben auch die Alten / vernünftigklich geschriben / das die Gesetz aines jeden Volcks und Stat / seel und erhaltung seyen / Dann dadurch ainem jeden / dem Armen als wol als dem Reichen / nit allain gegeben und gelassen werd / das sein ist / sondern das auch die / so darwider zuhandeln understeen / duerch die Strafgesetz abgehalten werden«.305 Umso mehr verdient die hinter der Szenerie aufragende Bergstadt Beachtung. Sie wird nicht nur vom Bienenschwarm aus dem Bienenstock der Concordia – dem Sinnbild für das geordnete Staatswesen306 – umspielt, sondern erstrahlt überdies wie die von uns in den vorangegangenen Kapiteln behandelten Schloßdarstellungen im Strahlenglanz des segnenden Herrgotts. Die von Heinrich Aldegrever 1549 gestochene Allegorie der Concordia (Abb. 191) geht nun im Bild eine noch innigere Verbindung mit der Stadtarchitektur ein. Statt als bedeutungsvolle aber entrückte Hintergrundskulisse zu dienen, wird sie von der Concordia auf der Hand getragen und dem Betrachter verheißungsvoll präsentiert. Der kompositorische Ort im Bild aber bleibt derselbe wie auf dem Nürnberger Frontispiz und anderen vergleichbaren Darstellungen: im oberen Bilddrittel und an die Seite gerückt, erscheint die hier gezeigte Idealstadt geradewegs durch Concordia aus der Berglandschaft im Hintergrund emporgehoben worden zu sein. Durch dieses kompositorische Grundmuster erweist sich auch diese Darstellung einer Stadt als festverankert in der Bildtradition allegorisch verstandener Stadtansichten und als ein eindrückliches Beispiel für die Rezeption fürstlich geprägter Bildmuster im bürgerlichen Kontext.

6.8 Gegenbilder von Orten gottgewollter Herrschaft: das Motiv des zerstörten Schlosses und der brennenden Festung Als Ambrogio Lorenzetti von 1337–1340 für die Sala dei Nove des Sieneser Rathauses das »Gute Regiment« malte, stellte er das schlechte sogleich daneben (Abb. 167): Vor der Kulisse einer zerfallenden, durch

305 Zit. nach ebd., S. 159. 306 Ebd., S. 169.

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Willkür und Zügellosigkeit zugrunde gerichteten Stadt, herrscht die Tyrannei als Zerrbild eines weisen, tugendhaften Regiments. Die Stadt als Ausgangspunkt und Sinnbild eines wohlgeordneten Kommunal- und Staatswesens ist hier zur Metapher für die gesetzeslose, menschenverachtende Herrschaft geworden. Wie die Stadt konnte auch die Burg bzw. das Schloß zum Sitz der Tyrannis werden. Als Zwingburg ist der Adelssitz geradezu zum Inbegriff von Gewaltherrschaft über Land und Leute geworden und hat sich, nicht zuletzt durch eine betont bürgerliche Geschichtsperspektive, bis heute tief im allgemeinen Bewußtsein verankert. Als Bestätigung für eine solche, die Burg oder das feste Schloß grundsätzlich als Bedrohung empfindende Sichtweise dienen besonders die Höllenburgen in den Weltgerichtsbildern. Auf sie verweist auch Martin Warnke, wenn er neben mittelalterlichen Schriftquellen307 Stephan Lochners »Jüngstes Gericht« (um 1435, Köln, Wallraf-Richartz-Museum) (Abb. 193) als Beleg anführt: »Fast drastisch deutlich wird die politische Wertung der Burglandschaft in Stephan Lochners Gemälde des ›Jüngsten Gerichtes‹ […] vorgetragen. Hier ist die Stadt dem Himmel, die Burg der Hölle zugeordnet. […] In der himmlischen Stadt erwartet die Menschen ein ewiger Friede, so wie sie auf dem Lande bei der Burg nur Willkür und Unbill erleben […] Alle hinter den Burgmauern verschanzten Raffgierigen […] werden der Hölle überantwortet; deshalb können die Mauern der Burgen verglühen. Härter ist selten über Burgen geurteilt worden. Das Jüngste Gericht erscheint als eine Metapher für den Untergang des Burgenzeitalters und als Erfüllung des Städtezeitalters.«308 Die ausführliche Analyse des metaphorischen Gehalts sowohl von gebauter wie bildlich vergegenwärtigter Burg- und Schloßarchitektur läßt dieses prägnant formulierte Urteil jedoch als ein Konstrukt erscheinen, durch das ein einzelner Aspekt absolut gesetzt wird. Als ob bei der Betrachtung eines Gegenstandes nur dessen Zerrbild im Spiegel wahrgenommen und dabei irrtümlicherweise für das getreue Abbild gehalten wird, erfahren Burgen und feste Schlösser des 15. und 16. Jahrhunderts ihre Bewertung vornehmlich anhand ihres pervertierten Zustands. Daß dieser in der zeitgenössischen Wahrnehmung jedoch eher als Ausnahme denn als Regel empfunden wurde, zeigt sowohl die historische Praxis im Umgang mit Burgen und festen Schlös307 M. Warnke, 1984, S. 80 ff. (quellenkundliche Hinweise zur königlichen Burgenpolitik und zum Umgang mit Zwingburgen im 11. und 12. Jahrhundert). 308 Ders., 1992, S. 48 f.

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sern als auch ihre Rezeption in der bildenden Kunst. Gerade im 16. Jahrhundert erfreuten sich alte Adelssitze einer besonderen Vorliebe durch aufsteigende Bürgerfamilien und ließen hochadlige Auftraggeber wie das sächsische Kurfürstenhaus Burgen und feste Schlösser von der Cranach-Werkstatt als Gottes- und Tugendburgen ins Bild setzen. Hierüber ist in den vorangegangenen Kapiteln ausführlich gehandelt worden. Ist die Feststellung vom »Untergang des Burgenzeitalters« und der »Erfüllung des Städtezeitalters« in dieser Form historisch- und kunsthistorisch unbegründet, so lenkt sie unser Augenmerk doch berechtigterweise auf die ›Nachtseite‹ der bislang strahlend-hellen Fürstenschlösser. Immer dann, wenn im bildkünstlerischen Medium die Hybris und das Versagen einer von Gott eingesetzten irdischen Regierung thematisiert wird, erscheint auch die zugehörige Architektur als Reflexion gottvergessenen, dämonischen Handelns. Burgen und Schlösser werden sprichwörtlich gezeichnet von der Selbstherrlichkeit ihrer Besitzer und werden zum aggressiven Gegenbild eines guten wehrhaften Regiments. Und so wie das Urbild des Schlosses als Sitz des rex sapiens bzw. princeps philosophus das Himmlische Jerusalem bzw. die Himmelsburg gewesen ist, so besitzt die Tyrannenburg ihr Urbild im brennenden Höllenschloß, das wiederum zugleich eine Perversion der Himmelsburg darstellt. In dieser Weise ist auch die Höllenburg in Stephan Lochners Kölner Weltgerichtsbild aber auch in anderen Weltgerichtsbildern309 wie denjenigen von Johann de Hemmessen (Abb. 194)310 oder Hieronymus Bosch zu verstehen: Nicht als Sinnbild überlebter Adelsherrschaft, sondern als Urbild gottloser Hybris und jeglicher in ihr begründeter menschlicher Herrschaft. Daß in der bildlichen Darstellung erst die von kriegerischen Auseinandersetzungen gezeichnete Burg bzw. befestigte Schloßanlage als ein Bild der Tyrannis verstanden wurde, belegt im übrigen sogar die Kölner Weltgerichtstafel von Stephan Lochner selbst: Außer der brennenden, ausgeglüht-ruinösen Burg auf der rechten Bildseite, die dem Bereich der Hölle vorbehalten ist, befindet sich noch ein weiteres Schloß im Bild: Am linken Bildrand, dort, wo der Weltgerichtsikonographie nach sich das Himmlische Jerusalem den Seligen öffnet, erscheint die Abbreviatur eines heiter-festlichen Schlos-

309 Zu Darstellungen des Weltgerichts siehe G. Spiekerkötter, 1939, sowie C. Harbison, 1976. 310 Johannes de Hemessens »Jüngstes Gericht« gehört als Mitteltafel zu einem Flügelretabel in der Antwerpener Kirche St.-Jacques, vermutlich 1537.

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ses.311 Es ist deutlich als Gegenbild zu der rußgeschwärzten Ruine angelegt, deren bezwingender Charakter in der Darstellung Lochners durch die abweisende Schmucklosigkeit zusätzlich unterstrichen wird. Eine vergleichbare Unterscheidung zwischen dem düster-ruinösen und dem helleuchtenden intakten Schloß findet sich in einem anderen spätmittelalterlichen Bildwerk wieder. Es sind die beiden Flügel eines dreiteiligen Weltgerichtsaltärchens vom sog. Meister der Bodenseegegend (um 1480, Nürnberg, Germ. Nationalmuseum). Auf den beiden Flügeln (Abb. 195) werden zwei Bilder mit der allegorischen Darstellung von Leben und Tod als Gegensatzpaar gezeigt: Der rechte Flügel zeigt eine liebliche, frühlingshafte Paradieslandschaft mit einem höfischen Liebespaar im Bildmittelgrund und einer heiteren Flußlandschaft mit Stadt und Bergschloß im Bildhintergrund, während der linke Flügel – in quasi gespiegelter Form – dieselbe Szenerie als von Tod und Zerstörung gezeichnete Wüstenei vor Augen stellt. In ihr liegt statt des Liebespaares ein christusgleicher Toter, und das Schloß auf dem Berg – auf gleicher Höhe wie das prächtige Bergschloß des rechten Flügels angeordnet – erscheint nurmehr als ausgebrannte Ruine.312 Die bewußte Unterscheidung zwischen dem spirituell aufgefaßten, der himmlischen Sphäre zugeordneten Schloß und dem nur materiell gedachten, der Sphäre von Tod und Zerstörung zugehörigen Schloß, läßt sich schließlich auch an einem wichtigen Beispiel aus dem mitteldeutschen Raum nachweisen: Es ist ein gezeichneter Bildzyklus (Abb. 196+197) mit Motiven aus der Apokalypse und dem Jüngsten Gericht (unter Verweis auf die Türken und ihre Identifizierung mit den apokalyptischen Herrschern Gog und Magog) von Gabriel Tola, der mit

311 Daß es sich bei dem prächtigen Turm am linken Bildrand nicht unbedingt um ein Stadttor handelt, wie Martin Warnke vermutet (M. Warnke, 1992, S. 48), belegen gebaute wie gemalte französische Schlösser jener Zeit. Ein Vergleich mit ihnen läßt genauso gut die Möglichkeit zu, auf das donjonartige Torhaus oder die gemalte Abbreviatur eines spätmittelalterlichen französischen Schlosses zu blicken. Vgl. beispielsweise das Stadtschloß des Jacques Coeur in Bourges oder das Anbetungsbild aus dem Stundenbuch des Étienne Chevalier von Jean Fouquet (um 1455, Chantilly, Musée Condé, ms. 71). 312 Zu den beiden Flügeln siehe auch G. Roth, 1979, S. 175 ff. Roth deutet »Stadt und Burg im Hintergrund […] als Burg Zion und als neues Jerusalem« (ebd., S. 176); diese assoziativ getroffene Feststellung erfährt keine Vertiefung. Angesichts des höfischen Liebespaares im Vordergrund der rechten Tafel ist in diesem Fall vermutlich auch nicht so sehr die Burg Zion bzw. das neue Jerusalem gemeint, als vielmehr die Tugendburg oder aber auch ganz allgemein die Burg/das Schloß als Sitz der guten Regierung.

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hoher Wahrscheinlichkeit als Entwurf für die ca. 1553/55 erfolgte Ausmalung des Turmraums im ersten Obergeschoß des Dresdner Schloßturms (sog. Hausmannsturm) konzipiert worden war.313 Dieser Raum öffnete sich emporenartig zur angrenzenden Schloßkapelle und diente an hohen Festtagen für die Trompeter und Kesselpauker als Standort sowie als wirkungsvoller Resonanzverstärker. Von dem Augsburger Patrizier Philipp Hainhofer, der über seine Besuche in Dresden 1617 und 1629 Tagebuchnotizen angefertigt hat, erfahren wir Näheres. 1617 schreibt Hainhofer: »Am 15. Oktober hat er [Giovanni Maria Nosseni, Anm. M.M.] mich in die Hofkürchen zur Morgen=Predigt gefuert, alda ich den Dr. Matthium Höe von Hornegg predigen und aine gute Music gehört, wie dan der Churfürst 40 Musicanten und 24 Trommeten zu 4 Heerbauggen helt; hinder der Orgel hat es ain Gewelblin, darinnen das jüngst Gericht gemahlt, und der Cardinal Clesel Predigdarinnen solle gehört haben, in disem stehn bisweilen die Trommeter und Heerbauggen, welche zu hohen Festen mit in die Orgel und Music spilen müssen. An disem Gewelblin ist ain Stublin und Cammerlin, so man das Prophetenstublin haisset, darin man junge frembde Herrschaft und Gesante losiert«.314 Und 1629 heißt es im Tagebuch ergänzend: »An gedachten disen 3 Zimmern [gemeint sind: Elias Gemach, Salomonisstuben und Prophetenstüblein, Anm. M.M.] ist aine grosse kammer, mit darein gemahltem Jüngsten gericht, aus welcher man in die hofkirchen zue der grossen orgel gehen kan, vnd müssen in diser kammer die trommeter vnd kesselbaugger an hohen festen in die instrumental musicam musicieren, vnd echones machen […]«315. Leider ist die erwähnte Ausmalung mit dem Jüngsten Gericht im 18. Jahrhundert zerstört worden. Auf den erhaltenen Federzeichnungen läßt sich jedoch sehr gut erkennen, wie das Motiv des befestigten Schlosses und der befestigten Stadt in doppeltem Sinn verwendet wurde: Während die Burg- und Stadtanlagen der als Despoten und Antichristen gekennzeichneten Türken316 beim Jüngsten Gericht in Trümmern stürzen oder aber als ruinenhafte Kulisse der Hölle

313 Zur erstmaligen Zuordnung dieser Zeichnungen zum Gewölberaum im Hausmannsturm und zur Zuschreibung an die Brüder Tola siehe W. Schade, 1969, S. 94; zur Auswertung und ikonographischen Deutung siehe G. Schweikhart / U. Heckner, 1995. 314 Ph. Hainhofer, 1837, S. 133 f. 315 Ders., 1901, S. 210. Zur Verwendung des Gewölberaums für akustische Effekte siehe auch G. Schweikhart / U. Heckner, 1995, S. 311 f. 316 Gunther Schweikhard und Ulrike Heckner sehen in der Darstellung einen Hinweis auf die Verdienste Moritz’ von Sachsen in den Türkenkriegen (ebd., S. 320).

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dienen,317 bildet die belagerte festungsartige Stadt – als erhöhter Blickfang im Zentrum des Hintergrundes – in ihrer unversehrten Standhaftigkeit den passenden Kontrapunkt.318 Auch in der Darstellung des Zugs der Seligen in den Himmel erscheinen die Burgen bzw. Schlösser und Städte als passende Ausstattungsstücke einer friedlich-harmonischen Landschaft.319 In den angesprochenen thematischen Zusammenhang gehört im übrigen die Gattung der sog. Feuerwerksschlösser. Auch wenn sie einem anderen bildlichen Medium zugehören, ist der Hinweis auf sie an dieser Stelle notwendig. Feuerwerksschlösser bildeten zentrale Bestandteile der höfischen Festkultur,320 als deren Höhepunkt nicht selten die spielerische Erstürmung einer Tyrannenburg geboten wurde. Die Burg bzw. das Schloß des Tyrannen ging dabei mittels eines spektakulären Feuerwerks in Flammen auf.321 Symptomatisch und für unser Thema von Interesse dürfte dabei das Kasseler »Roßturnier« von 1596 sein, das anläßlich der »Fürstlichen Kindtauff Fräwlein Elisabethen zu Hessens« abgehalten wurde.322 Als Höhepunkt präsentierte man dem Publikum die Befreiung der »Gratiosa« aus den Fängen des Tyranns »Molopopolpus« und die Zerstörung seines Schlosses »Cacavanta«. Für die

317 Siehe Gabriel Tola (zugeschr.), Die türkische Herrschaft über die Welt, Federzeichnung, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. C 1966–34; Ders., Der Untergang der türkischen Herrschaft, Federzeichnung, ebd., C 1966–38; Ders., Höllenqualen, Federzeichnung, ebd., Inv.-Nr. C 1966–36; Ders., Auferstehung der Toten, Federzeichnung, ebd., Inv.-Nr. C 1966–35; Ders., Höllenqualen, Federzeichnung, Leipzig, Museum der bildenden Künste, Inv.-Nr. NI . 8145. 318 Gabriel Tola (zugeschr.), Die Belagerung der Stadt und das Ende von Gog und Magog, Federzeichnung, Leipzig, Museum der bildenden Künste, Inv.-Nr. NI . 8144. Weniger dramatisch, aber ansonsten vergleichbar: Matthias Gerung, Der Untergang von Gog und Magog, Holzschnitt, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. 6026–1877. 319 Gabriel Tola (zugeschr.), Zug der Seligen, Federzeichnung, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. C 1966–37; Ders., Zug der Seligen, Federzeichnung, ebd., Inv.-Nr. C 1966–33. 320 Die Popularität der aufwendigen und oftmals spektakulären Feuerwerksschlösser in der höfischen Festkultur vor allem des 16. und 17. Jahrhunderts belegen allein 56 im Deutschen Reich nachgewiesene Beispiele zwischen 1519 und 1650. Für den selben Zeitraum sind darüber hinaus 29 theaterhafte Spektakel überliefert, bei denen eine Schloßattrappe gestürmt wurde (U. Schütte, 1994, S. 252; eine Zusammenstellung dieser sicher nicht vollständigen Feuerwerksschlösser findet sich ebd., S. 334 ff.). 321 Ebd., S. 255 ff. 322 W. Dilich, 1598.

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Gegenbilder von Orten gottgewollter Herrschaft

Spielhandlung und die Bewertung des zu erobernden Schlosses war entscheidend, daß Schloß »Cacavanta« den Wohnsitz eines »Zauberers« darstellte und somit ausdrücklich als »verzaubert« galt. Erst durch die Erstürmung »höreten alle zaubereyen auff« und das Schloß trat aus dem Bannkreis der Tyrannenmacht.323 Neben der Zwingburg gibt es in der Malerei und Graphik noch eine weitere Darstellungsform von Burgen und Schlössern, die sich ebenfalls der Ruine als Motiv bedient: hochgelegene, bereits im Verfallszustand befindliche Bergschlösser, deren Bauten sich wieder die Natur bemächtigt. Solche verlassenen, unbewohnten Burgen und Schlösser finden sich beispielsweise im Hintergrund von Hieronymus-Bildern (z. B. Lucas Cranach d.Ä.: Der büßende Hieronymus in reicher Landschaft, um 1525, Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum). Im Kontext der von Hieronymus gesuchten Weltferne bezeichnet das verlassene und verfallene Schloß einen Ort vollkommener Zurückgezogenheit und Menschenferne. Wenn – wie bei Cranachs büßendem Hieronymus – das verlassene Bergschloß zusammen mit dem am Fuße des Berges andächtig knienden Eremiten den Mittelpunkt einer paradiesähnlichen Landschaft bildet, kann es überdies als Zeichen einer befriedeten, spiritualisierten Welt verstanden werden, in der die Sitze irdischer Regenten ihre Funktion verloren haben.

323 Ebd., S. 74 (zur Schilderung des gesamten Turniers siehe ebd., S. 58–81; siehe auch Ders., 1986).

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Das Schloß als Mittelpunkt des territorialen Ordnungssystems

7. Das Schloß als Mittelpunkt des territorialen Ordnungssystems Rathäuser landesherrlicher Städte als Repräsentanten fürstlicher Herrschaft im städtischen Raum

Mit dem Aufkommen fester Residenzen im Alten Reich seit dem beginnenden 16. Jahrhundert bildete das Residenzschloß den ideellen wie organisatorischen Mittelpunkt des zu regierenden Territoriums.1 Doch konnte von hier aus das Territorium nicht alleine verwaltet werden. Neben dem eigentlichen Residenzschloß wurde daher eine Vielzahl weiterer kleinerer Verwaltungssitze benötigt, die wie Filiationen der fürstlichen Residenz den Hauptsitz des Landesherrn ergänzten und den Mittelpunkt kleinerer eigener Herrschaftsbezirke, sogenannter Ämter, bildeten.2 Diese nachgeordneten sog. Amtshäuser wurden zumeist in eigenen fürstlichen Schlössern eingerichtet, doch konnte ihre Funktion auch von Schlössern adliger Familien übernommen werden, die in landesherrlichen Diensten standen und somit als fürstliche Beamte tätig waren. So befand sich beispielsweise das obersächsische Schloß Rochsburg bei Burgstädt im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts im Besitz der Familie von Schleinitz, diente aber gleichzeitig den Wettinern als kursächsischer Amtssitz.3 Zwei andere Beispiele sind die nicht weit von der Rochsburg gelegene Burg Gnandstein, die seit 1409 für die ebenfalls in kursächsischen Diensten stehende Familie von Einsiedel als Stammsitz und als landesherrlicher Verwaltungssitz fungierte,4 und Schloß Weesenstein im Müglitztal bei Dresden, der Stammsitz der Familie von Bünau.5 Für gewöhnlich wurden solche landesherrlichen Amtsleute, die in ihren Ämtern sowohl für die Landesverwaltung als auch die Landes-

1 Hierzu am Beispiel der Wettiner grundlegend B. Streich, 1990. 2 Siehe hierzu am Beispiel Kursachsens H. Lück, 1997, S. 156 ff. 3 Zur Rochsburg siehe einführend Die Rochsburg und ihre Umgebung, o. J. (1978); K.-H. Karsch, 1996. 4 M. Winzeler, 1997, S. 207 f. 5 Zu Schloß Weesenstein und der Familie von Bünau siehe K.-D. Wintermann, 1997, S. 200 ff.

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gerichtsbarkeit zuständig waren,6 vom Fürsten mit einer Burg bzw. einem Schloß samt Zubehör belehnt. Sie sicherten den dort residierenden adligen Familien neben der Herrschaftsausübung zugleich die Grundlage ihrer wirtschaftlichen Existenz.7 Ähnlich wie bei den fürstlichen Residenzschlössern waren auch bei den sogenannten Amtssitzen die Grund- und Gerichtsherrschaft mit der Burg bzw. dem Schloß unauflösbar verbunden. In dessen Räumlichkeiten war daher in der Regel das Landgericht angesiedelt, wobei – wie beim übergeordneten, an das fürstliche Residenzschloß gebundenen Hofgericht – die eigentlichen Gerichtssitzungen außerhalb des Schloßgebäudes stattfanden.8 Von daher ist es nicht weiter erstaunlich, wenn auch bei den Schloßbauten der fürstlichen Amtsleute die alten »Herrlichkeiten« und »Gerechtigkeiten« auf dieselbe Weise architektonisch veranschaulicht wurden, wie dies bereits für die fürstlichen Residenzschlösser beobachtet werden konnte: Die bewußte Erhaltung des tradierten architektonischen Corpus’ (Bewahrung der Grundgestalt, des Burg- bzw. Schloßturms und von Teilen der repräsentativen Wohngebäude) ist bei den nachgeordneten landesherrlichen Amtssitzen vornehmlich seiner Qualität als materieller Träger altverliehener Besitz- und Gerichtsrechte geschuldet und fügt sich damit nahtlos in ein gestalterisches Prinzip ein, das auch für die Residenzschlösser (z. B. Meißen, Altenburg oder Bernburg) Gültigkeit besaß. Wenn sich – wie bei der Rochsburg, bei der Burg Gnandstein oder beim Schloß Weesenstein in Sachsen – mit dem landesherrlichen Amtssitz darüber hinaus noch besondere Besitzrechte der dort residierenden Adelsfamilie verbanden, konnte das altertümliche Erscheinungsbild der Schloßanlage zudem wie beim fürstlichen Residenzschloß die Dignität der Adelsfamilie repräsentieren.9 Weniger bekannt, ja aus dem historischen Bewußtsein regelrecht verdrängt ist die Tatsache, daß nicht nur Schlösser, sondern auch Rat-

6 H. Lück, 1997, S. 156 ff. 7 Siehe hierzu D. Willoweit, S. 142; U. Schirmer, 1996, S. 218 ff.; Ders., 1997; H. Lück, 1997, S. 160 ff. 8 Im kursächsischen Amt Grimma tagte das Land- bzw. Jahrgericht beispielsweise an der Muldenbrücke vor dem Schloß (U. Schirmer, 1996, S. 219; H. Lück, 1997, S. 184, mit Quellennachweis für die Jahre 1510–1515), während im Amt Leipzig das Landgericht auf dem »Kautz« an der »Grube« vor dem Leipziger Peterstor und das peinliche Halsgericht an der Brücke zur Stadt vor der Pleißenburg abgehalten wurden (H. Lück, 1997, S. 178, S. 181). 9 Für Schloß Weesenstein, den Stammsitz der Familie von Bünau, hat dies K.-D. Wintermann, 1997, S. 201 ff., grundlegend aufzeigen können. Siehe hierzu auch weiter oben Kap. 5.6.

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häuser die Aufgabe fürstlicher Amtssitze erfüllen und so Teil des vom Residenzschloß ausgehenden Filiationssystems werden konnten. Dies war immer dann der Fall, wenn es sich um Rathäuser landesherrlicher Städte handelte, die ungeachtet von u.U. weitreichenden Rechten und Privilegien in letzter Instanz dem fürstlichen Territorialherrn Rechenschaft schuldig waren. Das nach 1848 und dann vor allem nach 1918 entwickelte bürgerliche Selbstwertgefühl und die Strahlkraft reichsfreier Städte mitsamt ihren imponierenden Rathausbauten haben jedoch dazu beigetragen, die städtische Regierung und ihr Verwaltungsgebäude in jedem Fall als Ausdruck eines von fürstlicher Obrigkeit losgelösten Selbstbehauptungswillens zu interpretieren. Das nachfolgende Kapitel möchte diesem immer noch populären Bild vom bürgerlichen Rathaus einige differenzierende Korrekturen verpassen und für die in landesherrlichen Städten errichteten Bauten ihre ursprüngliche Funktion als fürstliche Repräsentationsarchitektur in Erinnerung rufen. Ohne daß dadurch die baulichen Leistungen der städtischen Gemeinde geschmälert würden, läßt sich der fürstliche Aufwand mancher Rathäuser schließlich wieder in erster Linie als Ausdruck fürstlichen Willens begreifen, während demgegenüber der Glaube an eine bürgerliche Okkupation fürstlichen Formenguts für den untersuchten Zeitraum eher als Wunschdenken eines späteren, nun wahrhaft bürgerlichen Zeitalters nach 1918 in Erscheinung tritt. Dies gilt, wie gesagt, vor allem für Rathäuser landesherrlicher Städte, während im Rathausbau freier Reichsstädte der Stadtrat selbst an die Stelle des Fürsten trat und sein Verwaltungsgebäude dadurch gewissermaßen selbst zur landesherrlichen Residenz avancierte.10 Rathäuser landesherrlicher Städte als Repräsentanten fürstlicher Herrschaft im städtischen Raum Im allgemeinen Bewußtsein ist der Rathausbau eine ausgesprochen bürgerliche Angelegenheit. In der Errichtung ihres Rathauses, so die vorherrschende Meinung, demonstrierte die Stadtgemeinde seit alters her ihre politische und wirtschaftliche Stärke und den Willen zur Unabhängigkeit von jeglicher übergeordneten Stadtherrschaft.11 Dieses

10 Siehe hierzu die Arbeit von S. Tipton, 1996. 11 Stark geprägt haben dieses vornehmlich auf die bürgerlichen Belange konzentrierte Bild die frühen grundlegenden Darstellungen von O. Stiehl, 1905, und K. Gruber, 1943. Um ein differenzierteres Bild bemühten sich in jüngerer Zeit vor allem J. Paul, 1985, und C. Meckseper, 1994. Darüber hinaus siehe den Tagungsband Rathäuser im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit, 1997. Cord Meck-

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einprägsame und aus der Sicht bürgerlicher Emanzipationsbestrebungen vor allem in den oberitalienischen, niederländischen und süddeutschen Städten entwickelte Bild12 hat zwangsläufig auch die Sichtweise auf den Rathausbau der landesherrlich gebundenen Städte bestimmt, die selbst in der frühen Neuzeit noch die fürstliche Autorität als ihren Stadtherrn anerkannten. Nicht zuletzt in dem von uns schwerpunktmäßig behandelten mitteldeutschen Raum besaßen diese Verhältnisse bis zur Abdankung der regierenden Adelshäuser zwar hier und da aufgeweichte, doch im ganzen ungebrochene Gültigkeit. Die Übereinstimmungen zwischen Schloß- und Rathausbauten in grundsätzlichen Gestaltungsmerkmalen (wie z.B. Saalbau, Treppenturm, Erker etc.) sind in der Tat auffällig. In seiner jüngst erschienenen Studie über Kunst und Kultur in Mitteleuropa zwischen 1450 und 1800 weicht Thomas DaCosta Kaufmann einer Erklärung dieses Phänomens jedoch aus, wenn er die formalen Übereinstimmungen nur als Beweis dafür nimmt, daß die vorhandenen repräsentativen Architekturelemente grundsätzlich für alle Bauaufgaben zur Verfügung standen: »Man kann zum Beispiel feststellen, daß zwar die Funktion von Gebäuden offensichtlich entsprechend ihrer Umgebung und ihres Kontextes differiert, die verwendeten Motive jedoch oft auch in unterschiedlichen Milieus die gleichen sind. Die gleichen Formen treten sowohl in der Schloß- und Palastarchitektur als auch bei Rathäusern auf«.13 Als Hubert Georg Ermisch 1920 seine Studie zu Rathäusern in Sachsen, Thüringen und Anhalt vorlegte, war ihm der Zusammenhang zwi-

seper weist in seinem Beitrag von 1994 auf ein dringliches Forschungsdesiderat hin: das Fehlen einer größeren Gesamtdarstellung seit 50 Jahren. Eine solche ist jedoch nur durch eine vernetzte interdisziplinäre Vorgehensweise zu erreichen, an der sämtliche für das städtische Repräsentations- und Verwaltungswesen relevanten Fachdisziplinen (von der Bauarchäologie über die Kunstgeschichte bis zur Rechts- und Verfassungsgeschichte) beteiligt werden müssen. Meckseper selbst unternimmt erste tastende Überlegungen zu typologischen und funktionalen Fragen und zur Ikonologie der Rathausarchitektur und ihres Verhältnisses zur zeitgleichen Adelsarchitektur. Zum Thema siehe künftig auch Stephan Albrecht, Kleine Kunstgeschichte des deutschen Rathauses, Darmstadt ca. 2004 (im Druck). 12 Zu den hochmittelalterlichen Grundlagen solcher kommunaler Bestrebungen siehe K. Schulz, 1992; zur Situation in der frühen Neuzeit siehe u.a. die Beiträge in H. G. Koenigsberger, 1988 (zum Alten Reich u. a. H. Schilling, 1988), sowie B. Roeck, 1991; lesenswert ist darüber hinaus die Überblicksdarstellung von M. North, 1998. 13 Th. DaCosta Kaufmann, 1998, S. 182 ff., hier S. 182.

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schen städtischer Repräsentationsarchitektur und landesherrlicher Zuständigkeit noch bewußt. »Es entstanden die Städte als das Werk eines fürstlichen Willens. […] Selbst die großen Städte unseres Landes hatten bei weitem nicht die Selbständigkeit, wie wir sie in den Städten Süd- und Westdeutschlands finden. Der Grund liegt in der Stärke der landesfürstlichen Macht«.14 Und Ermisch fährt fort: »Das Abhängigkeitsverhältnis der Städte tritt überall zutage, nicht allein bei den Erbhuldigungen oder in dem Zwang der Ratsbestätigung, auch in vielen andern Fällen merken wir ein geradezu patriarchalisches Verhältnis zwischen Stadt und Landesherrn«.15 Obwohl Ermisch mit seiner Studie die grundlegenden historischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Bedingungen des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rathausbaus im damaligen Sachsen nennt und in dieser Hinsicht eine bis heute grundlegende Arbeit vorgelegt hat, vermag er jedoch nur ansatzweise entsprechende inhaltliche Bezüge zur architektonischen Formensprache herzustellen. Unverkennbar stellten historische und kunsthistorische Würdigung der Architektur in dieser Zeit noch zwei getrennte Vorgänge dar, obwohl erst deren Verknüpfung die ästhetische Form als Visualisierung der ihr zugrundeliegenden inhaltlichen Funktion hätte transparent werden lassen. Die nachfolgenden Beobachtungen und Anmerkungen zur Rathausarchitektur landesherrlicher Städte können das Thema nicht erschöpfend behandeln, sondern nur grundsätzliche Hinweise auf den Zusammenhang von höfischer und städtischer Repräsentationsarchitektur geben. Anhand von Objekten aus mitteldeutschen Territorien soll auf exemplarische Weise nachgewiesen werden, daß die formale Übereinstimmung zwischen Schloß- und Rathausbauten in wesentlichen Grundelementen zugleich auch eine Übereinstimmung auf der Ebene der Zeichenhaftigkeit bedeutet. Auf der einen Seite galt das Rathaus als Sinnbild für die fürstliche Oberhoheit über die Stadt und ihre Einbindung in das landesherrliche Rechts- und Verwaltungswesen, auf der anderen Seite aber als Ausdruck für die bürgerliche Selbstverwaltung und die ihr vom Fürsten zugesicherten Rechte und Schutzverpflichtungen. So bildete das Rathaus eine komplexe Repräsentationsarchitektur, in der sich zwei Institutionen mit ihren gegenseitigen Rechten und Pflichten widerspiegelten und ungeachtet der hierarchisch streng geregelten, auf den Fürsten bezogenen städtischen Herrschaftsstruktur

14 H. G. Ermisch, 1920, S. 5, S. 9. 15 Ebd., S. 11.

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durchaus auch miteinander konkurrierten.16 Die zeichenhafte Wirkung der Architektur vermittelte dabei in zwei Richtungen, die sowohl vom Element der gewährenden Gnade als auch von dem des fordernden Anspruchs bestimmt waren: Die eine Richtung weist vom fürstlichen Stadtherrn als dem obersten Gerichtsherrn auf die Stadt, die andere Richtung vom bürgerlichen Rat als Empfänger und Besitzer dieser Rechte zurück auf den Fürsten und seine gegenüber der Stadt bestehende politische Verantwortung. Die im Rathausbau visualisierte Stärke des städtischen Regiments sollte jedoch selbst bei einer so bedeutenden Handelsstadt wie Leipzig, die nicht den Status der freien Reichsstadt besaß, niemals als Usurpationsgestus des bürgerlichen Rates gegenüber seinem fürstlichen Stadtherrn mißverstanden werden. Eine solche Sichtweise klingt noch jüngst bei Jochim Menzhausen an, wenn er über das schloßähnliche Leipziger Rathaus (Abb. 198) schreibt: »Dieser breitgelagerte, turmgeschmückte Hauptbau der Kommune konkurrierte durchaus mit dem kurfürstlichen Stadtschloß (d.i. die Pleißenburg, Anm. M.M.) und war damit das architektonische Zeichen einer relativen Eigenständigkeit, die die reiche Handelsmetropole als gewichtiger Machtfaktor im System des Ständestaates immer wieder gegenüber der fürstlichen Zentralverwaltung zu behaupten wußte«.17 Wie der Briefwechsel zwischen dem Architekten und Bürgermeister Hieronymus Lotter und Kurfürst August I. von Sachsen belegt, war aber auch ein so stattliches Gebäude wie das neue Rathaus von Leipzig zunächst ein Sinnbild für die Würde und Autorität des Fürsten, bevor es auf einer zweiten Ebene schließlich der politischen und wirtschaftlichen Bedeutung der Stadt Ausdruck verlieh.18 Aufschlußreich ist ein Schreiben des Kurfürsten an 16 Siehe hierzu auch die um Differenzierung bemühten Überlegungen (bezogen vornehmlich auf norddeutsche Rathäuser) von J. Paul, 1985, sowie C. Meckseper, 1994. 17 J. Menzhausen, 1999, S. 87. Menzhausens anschließende Begründung folgt ganz der verbreiteten oppositionellen Sichtweise von fürstlichem Landesherr bzw. Schloß und bürgerlichem Gemeinwesen bzw. Rathaus: »Denn natürlich waren diese kurfürstlichen Schlösser auch Zwingburgen, die Verwaltungsinstanzen und auch gegebenenfalls den Hofstaat aufnahmen und gegenüber kommunalem Selbständigkeitsstreben repräsentierten« (ebd.). 18 Siehe hierzu und zur rechtlichen wie praktischen Zuständigkeit und Einflußnahme des sächsischen Kurfürsten das Quellenmaterial bei L. Unbehaun, 1983, S. 72 ff., Dokumentenanhang. Ein anderer, von Holm Bevers eingehend untersuchter Rathausbau, in dessen Gestalt sich ebenfalls das Selbstbewußtsein einer mächtigen Handelsstadt mit den Rechten und Ansprüchen eines fürstlichen bzw. königlichen Stadtherrn verbin-

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den Rat der Stadt Leipzig aus dem Jahr 1555. In diesem am 28. Dezember 1555 verfaßten Antwortschreiben auf eine Anfrage des Rates erklärt der Kurfürst sein Einverständnis mit dem Vorhaben eines Rathausneubaus in Leipzig: »[…] Lieben getrewen. Wir haben Euir schreiben empfangen und daraus vernommen, dz Ir aus dringend rath verursacht werdet Euir Rathaus zw bawen und bessern zu lassen, dessgleichen auch zu verhüttung grosser gefahr und Ir Euch sonst feuers halbenn besorgen müsset, ein Rohr wasser Inn die stadt zu führen […] Nun lassen wir unns solch Euer vorhabend gebeud wol gefallen, Wollen auch darzu weil diselbigen aus erforderung der noth gemeinen nutz zum besten, Unns [!] unnd d. Stad zu Ehrn vorgenommet werden, unsere gunst hirmit gegeben unnd gnedigst darein gewilligt haben, Damit Ir auch sehen meget das wir Euch zu solchen gemeinen werck gern furderung gnedige hillf ann holn erzeigenn wollen. […] Wir begerenn aber darnneben gnedigst Ir wollet solche gebaide fürstlichst [!] Inns werck richten damit solche unsser ertzaigte gnad volgend nicht an andere örtte gewendet werde […]«.19 Im übrigen wurde Lotter auf ausdrücklichen Wunsch des Kurfürsten und nach einer entsprechenden Aufforderung an den Rat der Stadt zum Bürgermeister von Leipzig gewählt.20 Noch 1672, über einhundert Jahre später, wird an die fürstliche Oberhoheit über den Leipziger Rathausbau und das in ihm manifeste Stadtregiment am Rathausgebäude selbst erinnert: Eine unter dem Traufgesims umlaufende Inschrift, angebracht im Auftrag von Kurfürst Johann Georg II. anläßlich von 1672 durchgeführten Renovierungsarbeiten,21 nennt das Erbauungsjahr 1556 und den damals regierenden Kurfürsten August I. mit sämtlichen Titeln und Ämtern. Bezeichnenderweise prangt der Name Augusts unmittelbar auf der Stirnseite des Rathausturms und

den, ist das Rathaus von Antwerpen (1561–1565): Dessen turmartiger Mittelrisalit trägt ein vielschichtiges, auf den kaiserlichen Stadtherrn Philipp II., die für Antwerpen zuständige Provinz Brabant und den Rat der Stadt bezogenes allegorisches Programm (u. a. göttliche und irdische Regententugenden); siehe hierzu H. Bevers, 1985 (zur Architektur des Mittelrisalits S. 30 ff.; zum Figurenprogramm S. 41 ff., S. 55 ff.), mit konkreter politischer Ausdeutung der Ikonographie im Kontext der Zentralisierungsbestrebungen des spanischen Landesherrn Philipp II. 19 Schreiben Kurfürst Augusts I. an den Rat der Stadt Leipzig vom 28. Dezember 1555, Staatsarchiv Dresden, Cop. 271, ohne Blattangabe, zit. nach L. Unbehaun, 1983, S. 78. 20 Siehe hierzu Brief des Kurfürsten an den Rat von Leipzig vom 16. Februar 1555 (HStA Dresden, Cop. 260, Bl. 456r, wiedergegeben bei L. Unbehaun, 1983, S. 31). 21 H. Füssler / H. Wichmann, 1958, S. 44.

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oberhalb der Ratsloggia (Abb. 198),22 während der Name von Kurfürst Johann Georg II. zusammen mit der Jahresangabe 1672 auf der marktständigen Giebelseite des Rathauses zu lesen ist. Wenn Kurfürst August den Leipziger Stadtrat in seinem Brief auffordert, das neue Rathaus »fürstlichst« zu gestalten (und dieser Anspruch 1672 durch die Inschrift erneut bekräftigt wird), dann spricht er damit eine wichtige Funktion des Rathauses an: Unabhängig von den zugesprochenen oder errungenen exekutiven und legeslativen Rechten einer städtischen Selbstverwaltung verkörperte jedes Rathaus einer landesherrlichen Stadt immer auch ein fürstliches Amtshaus. Während dieses aber außerhalb der Städte lag, der Verwaltung von Teilbereichen eines Territoriums diente und häufig gleichzeitig als Wohnsitz einer niederadligen Familie diente,23 war das Rathaus auf den engeren Bereich der Stadt bezogen und Sitz eines zumeist gewählten Ratsgremiums. Das Leipziger Rathaus zeichnete sich darüber hinaus durch seine Funktion aus, neben dem städtischen Gericht auch das Oberhofgericht zu beherbergen. Es ist daher nicht weiter erstaunlich, daß auch ein fest im bürgerlichen Gemeinwesen verankerter Repräsentationsbau wie das Rathaus in seiner äußeren und inneren Gestalt etliche Parallelen zu fürstlichen Amtshäusern aufweist und wie diese charakteristische Elemente der fürstlichen Residenzschlösser rezipiert. Zu ihnen gehören neben dem Grundtypus eines Saalgeschoßhauses am Außenbau der große Turm (häufig als Treppenturm ausgebildet), Ecktürmchen bzw. Erker, Zwerchhäuser und Giebel,24 im Inneren vor allem der Festsaal und die Rats- und Gerichtsstube.25 Außer dem Leipziger Rathaus vermitteln diesen schloßähnlichen Eindruck beispielsweise die Rathäuser von Wittenberg und Torgau (Abb. 199+200).26 Und selbst das

22 Bereits der älteren Forschung fiel die Ähnlichkeit des Leipziger Rathausturmes mit dem Dresdner Schloßturm auf, ohne jedoch daraus weitergehende Schlüsse zu ziehen (siehe ebd., S. 33). 23 Siehe hierzu den Beitrag von Chr. Renfer, 1998, am Beispiel von Amtssitzen in der heutigen Schweiz. 24 Für die hessische Landgrafschaft wies G. U. Großmann, 1979, S. 63 ff., S. 119 f., auf die ikonographischen Bezüge zwischen den Zwerchhaus- und Giebelformen landesherrlicher Schlösser und Rathäuser hin. 25 Für Sachsen, Thüringen und Anhalt siehe H. G. Ermisch, 1920, S. 24 ff. Zur Rezeption von hochmittelalterlicher Adelsarchitektur im mittelalterlichen Rathausbau siehe auch U. Albrecht, 1995, S. 61 ff. 26 In wesentlichen Details orientiert sich die architektonische Gestaltung des 1563 begonnenen Torgauer Rathauses am nahe gelegenen Residenzschloß der sächsischen Kurfürsten: »In der Größe der Giebel zeigt sich ebenso das Vorbild des

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Bauverhalten ähnelt demjenigen, das für den adligen Schloßbau kennzeichnend war. Auch hierfür bietet das Leipziger Rathaus ein anschauliches Beispiel: Das neue Leipziger Rathaus war kein wirklicher Neubau, sondern stellte lediglich einen aufwendigen Umbau dar, bei dem wesentliche Teile des Altbaubestandes erhalten blieben. So ruht der neue Rathausturm (Abb. 198) auf dem Unterbau seines spätgotischen Vorgängers aus dem Jahr 1474 (bereits damals »zcu ere unseren gnedigen hern von Sachsen und yrer gnaden stadt« errichtet27). Und bei den Außenmauern wurden ebenfalls weitestgehend die Grundmauern des alten Leipziger Rathauses weiterverwendet. Neben dem aufgestockten Turm und einer veränderten Innenausstattung muß als wesentliche Neubaumaßnahme letztlich das aufgestockte und mit Zwerchgiebeln versehene Dachgeschoß gewertet werden.28 Wie beim Schloßbau findet auch beim Rathausbau der konservierende Umgang mit bestimmten Teilen der Bausubstanz seine Erklärung nur bedingt im ökonomischen Denken. Solches hat selbstverständlich eine Rolle gespielt, wie auch die Notwendigkeit zum sparsamen Umgang mit dem Baumaterial im Fall des Leipziger Rathauses zeigt.29 Doch beweist bereits ein solch wichtiges Detail, wie der stehengebliebene und in seinem Mauerwerk als altes Gebäudeteil gut sichtbar hervorgehobene Unterbau des spätmittelalterlichen Rathausturms, wie bedeutsam das Vorzeigen von Altehrwürdigkeit auch im städtischen Repräsentationsbau gewesen war. Wie in Leipzig ruht der neue Rathausturm in zahlreichen anderen Städten (so in Zittau, Görlitz, Wei-

Schlosses Hartenfels wie in der Aufnahme des Eckerkermotivs. Auch die Profilierung der Fenster […] gehört dem seit dem Schloßbau in Torgau heimischen Formenschatz an. Wie am Schloß wird die Bildung von Geschoßgesimsen vermieden« (P. Findeisen / H. Magirius, 1976, S. 224; zum Torgauer Rathaus siehe ebd., S. 220–234). Wir können hinzufügen, daß auch die Ausbildung von Türmen durch die achsiale Anordnung von Fenstern und Zwerchhäusern dem fürstlichen Schloßbau entlehnt ist. Dieser zunächst nur formal-ästhetische Vergleich zwischen dem repräsentativsten Gebäude der Stadt und der nahen Residenz des fürstlichen Landes- und Stadtherrn läßt sich aber auch auf der inhaltlichen Ebene führen. Denn auch die am Rathaus angebrachte Bauplastik weist darauf hin, daß in den formalen Übereinstimmungen zwischen städtischem Rathausbau und fürstlichem Schloß die enge politische und rechtliche Verbindung zwischen beiden reflektiert worden ist. Siehe hierzu weiter unten. 27 Eintrag im Leipziger Ratsbuch zum Ratsbeschluß vom 17. Oktober 1474 (zit. nach H. Füssler / H. Wichmann, 1958, S. 17). 28 H. Füssler / H. Wichmann, 1958, S. 23 ff. 29 Ebd.

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ßenberg30) für alle erkennbar auf den Fundamenten seines Vorgängers und signalisiert mit der baulichen Kontinuität zugleich auch eine Kontinuität der an diesem Ort gültigen bürgerlichen wie stadtherrlichen Rechte.31 Bereits Hubert Georg Ermisch lenkte den Blick über die rein funktionale Sichtweise hinaus auf die wirkungsästhetische Funktion der Rathaustürme. Mit ihrer städtebaulichen Dominanz bedeuteten sie ihm »die Verkörperung der städtischen Macht und des städtischen Regiments«, da ihr »architektonische[r] Gedanke […] von der Befestigung der Stadt genommen ist«.32 Aus der Kenntnis der Schloßtürme läßt sich dieser symbolische Aspekt nun wesentlich genauer fassen: Der Rathausturm verkörperte ebenfalls ein Rechts- und Hoheitszeichen und stand typologisch wie programmatisch bis zu einem gewissen Grad in einem Filiationsverhältnis zum landesherrlichen Schloßturm. Mit diesem verbanden ihn sowohl der Charakter als Rechtssymbol, das im städtischen Kontext sowohl der niederen ratsherrlichen als auch der höheren fürstlichen Gerichtsbarkeit galt, als auch die häufig ›geschichteten‹ rechtlich-politischen Funktionen. Denn wie sehr auch hier wieder der Turm mit den »Herrlichkeiten« und »Gerechtigkeiten« verbunden war, vermögen zahlreiche Beispiele zu illustrieren, bei denen der Rathausturm nachweislich als Ort der amtlichen Verkündigung (z. B. von Gerichtsurteilen), als Ort des städtischen Gefängnisses und als feuersicherer Aufbewahrungs-

30 Selbst diese noch erhaltenen Unterbauten von sächsischen Rathaustürmen, die meistens erst nach 1450 errichtet wurden und überwiegend eine quadratische Gestalt aufweisen, gehen häufig auf noch ältere mittelalterliche Vorgänger zurück (H. G. Ermisch, 1920, S. 55). 31 Außer in der Substanz bestimmter alter Bauteile manifestierte sich die Gültigkeit altüberlieferter Rechte und Ansprüche ebenso in der Substanz alter Bildwerke. Hierfür bietet die figurale Ausstattung des Bremer Rathauses ein anschauliches Beispiel: So konnte Stephan Albrecht nachweisen, daß beim Umbau des Bremer Rathauses (1608–15) die spätmittelalterlichen Figuren der Kaiser und Fürsten in den veränderten Außenbau integriert und dabei sorgfältig restauriert wurden (St. Albrecht, 1993, S. 174 ff.). Nach Meinung von Albrecht wird »bei diesem Verfahren die historische Dimension und Bedeutung der erhaltenen Figuren betont […], womit in Bremen auf das Alter eines bestehenden Anspruchs angespielt wird« (ebd., S. 239). Ein anderes, mit Bremen vergleichbares Beispiel ist das Kölner Rathaus mit seinem Figurenzyklus der Propheten und neun guten Helden (Die gute Regierung, 2000; zum Rathaus siehe umfassend W. Geis / U. Krings, 2000). 32 H. G. Ermisch, 1920, S. 57.

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ort33 für das städtische Archiv mit seinen Rechts- und Urkundenbüchern diente.34 Gelegentlich, so im sächsischen Freiberg, konnte diese ›Schichtung‹ von rechtsrelevanten Funktionen noch durch den Einbau der Ratskapelle in den Rathausturm sakral überhöht werden.35 Auf den Rathausturm als Ort des Gerichts bzw. Zeichen der niederen städtischen wie höheren fürstlichen Gerichtsbarkeit weist im übrigen noch heute an vielen Rathäusern die Figur der Justitia36 sowie die unmittelbar mit dem Turm verbundene Gerichtslaube hin. So steht in Görlitz das im 16. Jahrhundert angefertigte Bild der Justitia vor dem Turm auf einem Pfeiler am Fuße der Rathaustreppe (Abb. 201), wäh-

33 In Zwickau erging aus Sorge um die sichere Verwahrung der städtischen Dokumente 1487 ein fürstlicher Befehl an die Stadt zum Bau eines feuersicheren Archives (ebd., S. 58). 34 Als praktische Zwecke der Rathaustürme lassen sich aus den Quellen darüber hinaus die Wachtturmfunktion, die Anbringung der Stadtuhr und die Aufhängung der Sturm- oder Feuerglocke herausarbeiten (ebd., S. 55 ff.). 35 In Freiberg befindet sich die Kapelle im zweiten, quadratischen Turm des Rathauses. Der quadratische Turm des Freiberger Rathauses ist nicht nur wegen seiner Kapelle von Interesse, sondern auch durch den darunter liegenden Archivraum. Vergleichbar mit dem Berliner Schloß, wo der »Grüne Hut« mit seinen Archivräumen und der Kapellenturm unmittelbar nebeneinander standen, wird auch in Freiberg das Archiv in direkter Nähe zum Sakralraum angesiedelt. In anderen Städten, wie z. B. Marburg, konnte das Ratsarchiv auch in einem Raum der Pfarrkirche (Turm oder Sakristei) untergebracht werden (F. Küch, 1918, S. 41). 36 Siehe hierzu grundsätzlich auch O. R. Kissel, 1984; W. Pleister / W. Schild, 1988; W. Schild, 1995. In gleicher Weise benutzten auch reichsfreie Städte den Turm ihrer Rathäuser, um hier mit Bildern der Justitia auf die städtische bzw. königliche Gerichtsbarkeit hinzuweisen. Ein bedeutsames Beispiel ist das Rathaus von Rothenburg o.T. (Abb. 202). Es besteht aus einem Doppelgebäude aus mittelalterlichem Westflügel (13. Jh., mit hohem Glockenturm auf dem Giebel und u.a. Kaisersaal sowie Gerichtsort in seinem Inneren) und einem frühneuzeitlichen Ostflügel (1568–1577). Der Ostflügel besitzt einen bemerkenswerten Treppenturm in der Mittelachse der Ostfassade, mit einer elegant geschwungenen Wendeltreppe, durch deren Hohlspindel man von unten das zentrale kaiserliche Wappen (Doppeladler) des abschließenden, aus gebrochenen spätgotischen Rippen gebildeten Turmgewölbes sehen kann! Außer dem zentralen, an einem Abhängling befestigten Kaiserwappen präsentiert das Turmgewölbe auch die Wappen sämtlicher Kurfürsten: Sie sind im Kreis an den Gewölberippen angebracht und umstehen auf diese Weise das Kaiserwappen im Zentrum. Im späten 17. Jahrhundert wurde vor die Ostfassade ein Arkadengang gesetzt, der über der mittleren Arkade, die zugleich in den dahinter liegenden Treppenturm führt, die Allegorien der Wahrheit und der Justitia trägt. Auf darunter befindlichen Inschriftentafeln wird zugleich auf die Bedeutung des Rechts aus Gott heraus verwiesen sowie eine Namensliste verzeichnet, die u. a. die Namen der Erbauer der Arkaden nennt.

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rend im landgräflich-hessischen Marburg die Allegorie der Gerechtigkeit seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts als Hauptfigur den neuen Turmgiebel schmückt.37 In der einstigen Doppelstadt Berlin-Cölln bildeten Rathausturm und Gerichtslaube von Alt-Berlin seit dem 15. Jahrhundert eine signifikante bauliche Einheit (Abb. 203).38 Bis 1840, als der Turm abgebrochen wurde, bzw. 1871, als für den Neubau des sog. Roten Rathauses schließlich auch die Gerichtslaube ihren Platz wechseln mußte, erinnerten Rathausturm und Gerichtslaube die Berliner an ihre altüberlieferte Gerichtshoheit und kommunale Selbstverwaltung. Daran, daß sie diese einst aus der Hand des brandenburgischen Kurfürsten und späteren preußischen Königs empfangen hatten, wurden die Berliner Stadtverordneten wiederum erinnert, als sie für den Rathausneubau in den Jahren 1865 ff. den Abriß der Gerichtslaube forderten. Eine solche Entscheidung, die auch in der Bürgerschaft höchst umstritten war, konnte nur mit ausdrücklicher Billigung des damaligen preußischen Königs, Wilhelms I., ausgeführt werden.39 Und dieser forderte in jedem Fall den Erhalt der Laube als Architekturzeugnis für die mittelalterliche Vergangenheit der nunmehr königlichen Haupt- und Residenzstadt Berlin.

37 Der neue, von Baldewein gestaltete Giebel ist dreigeteilt: Über einem von geschweiften Konsolen getragenen Gesims steht in der unteren Zone die zentral angeordnete Gestalt der Justitia, flankiert von zwei Wappen an den seitlichen Giebelkanten. In der darüber befindlichen Zone nimmt das gesamte Mittelfeld eine große Uhr ein, die von der Gestalt des Turmbläsers und des Todes flankiert wird. Den Abschluß und die oberste Zone des Turmgiebels bildet ein segmentbogenbekrönter Aufsatz, der mit Figuren der Tugenden bzw. guten Helden und – als Abschlußfigur – einem flügelschlagenden Hahn besetzt ist. Unter dem Hahn, im Segmentbogenfeld, fand eine sich mechanisch drehende Kugel mit der Sonne und den Gestirnen ihren Platz. Das auf die Gerechtigkeit und Tugendhaftigkeit des Stadtregiments ausgerichtete Figurenprogramm des Marburger Rathauses fand seine Entsprechung in der Nutzung des Marktplatzes für Gerichts- und Strafzwecke (siehe hierzu H. Sauter, 1997). Bei den Akten der städtischen Gerichtsbarkeit, die in Marburg eng mit dem Landgrafen als Stadtherrn verbunden waren, diente das Rathaus mit seinem markanten Treppenturm als architektonische Kulisse. Auf diese Weise wurde das öffentliche Rechts- und Strafgeschehen von der öffentlich ausgestellten Rechtsikonographie am Rathausturm gleichsam beglaubigt und legitimiert. 38 Zur Geschichte des alten Berliner Rathauses siehe Das Berliner Rathaus, 1861; J. Kothe, 1937. Siehe darüber hinaus (mit Darstellung der Geschichte des neuen, sog. Roten Rathauses) I. Bartmann-Kompa, 1988 und 1991. 39 I. Bartmann-Kompa, 1988, S. 134.

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Als mit der Reichsproklamation von 1871 Berlin zur Hauptstadt des Deutschen Reichs erhoben wird, genehmigt der neue Kaiser Wilhelm I. zwar schließlich den Abbruch der Gerichtslaube, doch nur unter der »Maßgabe […], das Gebäude als ein denkwürdiges Wahrzeichen aus der Vorzeit Allerhöchst Ihrer gegenwärtigen Haupt- und Residenzstadt an einen anderen zur Disposition Sr. Majestät stehenden Ort zu translociren«.40 Als den in seinen Augen geeigneten Ort für den Wiederaufbau wählte der Kaiser die Lennéhöhe im Park von Babelsberg bei Potsdam. Obwohl sich die Bürger Berlins nach dem bereits 1840 gefallenen Rathausturm nun auch noch das letzte Zeugnis ihrer altehrwürdigen Selbstverwaltung genommen hatten, mußte ihr neues Rathaus dennoch nicht auf die Anbindung an den Vorgängerbau verzichten: Als architektonischen Beweis für die politische und rechtliche Kontinuität des Ortes, an dem sich das neue Rathaus befindet, ließen sie im Ratskeller, einem Unterraum des Rathausturms, eine Stütze errichten, deren Kapitell eine Kopie des Mittelstützenkapitells der mittelalterlichen Gerichtslaube darstellt.41 Über das Abbild derjenigen Stütze, die den Mittelpunkt der alten Gerichtslaube bildet und die zumindest äußerlich das Gewicht des darüber liegenden Geschosses trägt, wird somit der mittelalterliche Vorgängerbau pars pro toto in den Neubau transloziert und trägt dort sinnbildlich den ganzen darüber hochaufragenden neuen Rathausturm. So sind im Roten Rathaus von Berlin im ausgehenden 19. Jahrhundert auf eine für unser Thema faszinierende Weise die beiden Hauptelemente des mittelalterlichen Rathauses von Alt-Berlin, der Turm und die Gerichtslaube, im Neubau doch noch vergegenwärtigt worden und mit ihnen die Gründungsgeschichte Berlins als fürstlicher bzw. königlicher Residenzstadt. Die Bedeutung der landesherrlichen Rathäuser als fürstliche Amtssitze im städtischen Raum findet ihren Ausdruck jedoch nicht nur im Turm und der Gerichtslaube. Darüber hinaus werden auch andere, ursprünglich im Schloßbau entwickelte Formen aus der fürstlichen Sphäre in den Bereich des städtischen Repräsentationsbaus übertragen. Neben den Giebeln und Zwerchhäusern gehört vor allem der Erker zu den auszeichnenden Architekturelementen. Seine praktische wie zeichenhafte Bedeutung für die Residenzarchitektur, die durch den Erker neben der Möglichkeit zu besserer Raumbelichtung vor allem symbolische Hinweise auf die wehrhafte Tugendhaftigkeit des Für-

40 Communal-Blatt, 12. Jg. (1871), S. 183, zit. nach ebd., S. 137. 41 Bartmann-Kompa, 1988, S. 139 (Quellennachweis ebd., S. 142, Anm. 60).

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sten erhielt, ist weiter oben ausführlich besprochen worden.42 Für den Rathausbau stellt sich nun die Frage, inwieweit die ursprüngliche, im Schloßbau geprägte zeichenhafte Bedeutung des Erkers durch die Verwendung an einem kommunalen Repräsentationsbau weiterhin wirksam bleiben konnte oder aber zu einer Veränderung im Sinne eines unspezifischen städtischen Würdezeichens führen mußte. Eine recht klare Antwort auf diese Frage ermöglichen einerseits das Dekorum der Rathauserker, zum anderen Quellen, die von der Nutzung dieser in den Platz- oder Straßenraum hineinragenden Architekturelemente berichten. Bildwerke wie Schriftquellen lassen erkennen, daß der herrschaftliche Erker im Kontext der Rathausarchitektur keineswegs zu einem ›bürgerlichen‹ Ausstattungsstück herabsinkt, sondern er mit Hilfe seiner symbolischen Qualität bewußt der fürstlichen Inszenierung und Memoria im städtischen Raum dienstbar gemacht wird. Für die dekorative Gestaltung der Erker landesherrlicher Rathäuser finden sich in Wittenberg, Altenburg (Abb. 128)43 und Torgau vorzügliche Beispiele. So trägt in Torgau (Abb. 204) der 1577/78 im Stil der beiden Runderker von Schloß Hartenfels aufgemauerte und in die Hauptsichtachse des Marktplatzes gerückte Runderker des Rathauses im ersten Obergeschoß Halbfigurenporträts des sächsischen Kurfürsten August I. und

42 Siehe u. a. Kap. 6, S. 253 ff. 43 Das Rathaus in Altenburg (Thür.) wurde 1561–64 nach Plänen von Nikolaus Gromann erbaut. Das dreigeschossige, fast quadratische Gebäude besitzt in der Mitte seiner zum Markt hin gelegenen Hauptfassade einen hochaufragenden, achtekkigen Treppenturm (Abb. 127). Dessen kubisches, altanartiges Sockelgeschoß ist in auffälliger Weise dem Unterbau des Großen Wendelsteins am Neuen Saalbau des Torgauer Schlosses nachgebildet, nur die seitlichen Treppen fehlen! Die marktseitige Fassade wird weiterhin ausgezeichnet durch zwei flankierende, runde Erker, ebenfalls nach Torgauer Vorbild, die u. a. mit drei halbfigurigen Reliefbildnissen sächsischer Herzöge (Johann Friedrich II., Johann Wilhelm und Johann Friedrich IV.) am rechten Erker (Abb. 128) und Bibelszenen (u. a. Geschichte Adams und Evas) am linken Erker geschmückt sind. Die unverkennbare Rezeption von Motiven der Torgauer Schloß- und Rathausarchitektur besitzt einen politischen Aussagewert, der über die Anbindung des städtischen Amtshauses an das landesherrliche Schloß weit hinausreicht: Als Nikolaus Gromann in den 1560er Jahren das Altenburger Rathaus konzipierte, arbeitete er für die wenige Jahre zuvor entmachtete ernestinische Linie der Wettiner. Sie hatte 1547 mit der Kurwürde auch das wichtigste und symbolträchtigste Residenzschloß, Schloß Hartenfels in Torgau, verloren. Von daher ist es bemerkenswert, daß beim Neubau des Rathauses von Altenburg, das zum Herrschaftsgebiet der Ernestiner gehörte, durch die Wiederholung zentraler Torgauer Architekturmotive (Treppenturm mit altanförmigem Unterbau, Eckerker) an die verlorene kurfürstliche Residenz der Ernestiner erinnert wird. Siehe hierzu auch Kap. 5.1.4, S. 169 ff.

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seiner Gemahlin Anna, gerahmt vom sächsischen und dänischen Wappen. Eine Inschriftenkartusche, die sich am Sockel des die Bildfelder unterteilenden Pilasters befindet, verkündet das Lob auf Kurfürst August von Sachsen: NON TAMEN OMNINO IMPERIUM CIVESQUE LABORANT PRINCIPE SVB TALI CVIVS CVI MAXIMA CVRA EST RELLIGIO PACISQVE DECVS REX MAXIME REGVM AVGVSTAM TVERARE DOMVM PATRIAEQVE PARENTEM . Darüber, im zweiten

Obergeschoß, prangen in Rollwerkkartuschen die vier fürstlichen Kardinalstugenden Prudentia, Justitia, Fortitudo und Temperantia sowie, im dritten Obergeschoß, die vier guten Helden44 als die Symbole einer guten und gerechten Herrschaft des fürstlichen Stadtherrn und seines Rates über das städtische Gemeinwesen. Wie sehr dabei der fürstlichen Dynastie als Ganzes gedacht werden sollte, belegt der ursprüngliche und dann vereinfachte Plan für die bildliche Ausstattung des Rathauserkers, der 1577 in einem Ratsprotokoll festgehalten wurde:45 Außer dem regierenden Fürstenpaar waren anfänglich die Bildnisse der verstorbenen Landes- und Stadtherren Herzog Heinrich und Kurfürst Moritz sowie des Kurprinzen Christian vorgesehen. Auf diese Weise wäre auch im Bild die in der Erbfolge tradierte fürstliche Stadtherrschaft am Rathaus angezeigt und die vergangene, gegenwärtige und künftige Herrschergeneration den Bürgern ständig vor Augen gehalten worden. Weshalb auf die Vergegenwärtigung der vergangenen und der künftigen Generation verzichtet wurde, ist nicht bekannt. Doch auch ohne dieses erweiterte Bildprogramm war der Rathauserker mit allen notwendigen Insignien und heraldischen Zeichen ausgestattet, die erst anläßlich der leibhaftigen Gegenwart des Fürsten im Rathaus – wie etwa bei fürstlichen Begräbnissen, Huldigungen oder anderen offiziellen Besuchen der Stadt – zu ihrer vollen Geltung gelangten. Dann räumte der Rat seinen Erker frei, schlug ihn mit kostbarem Tuch aus und wartete auf die Ankunft seines Stadt- und Landesherrn, der sich im geöffneten Erker seinen Untertanen präsentierte. In solchen Augenblicken trat neben die Aufgabe der Rathausarchitektur, die permanente Repräsentation des Landesherren am Ort städtischer Gerichtsbarkeit und Verwaltung zu gewährleisten, die herausgehobene Repräsentation, bei der dann das Rathaus – und besonders dessen Erker – vom Fürsten sprichwörtlich besetzt wurde. Am Beispiel des Rathauses von Freiberg und der Huldigung Kurfürst Christians I. von 44 Die Brustbilder tragen die Bezeichnungen GOTTFRIED BVLONIVS , CAROLVS MAGNVS , IVLIVS CAESAR , ALEXANDER MAGNVS . 45 P.Findeisen / H. Magirius, 1976, S. 225.

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Sachsen 1586 durch die Bürger und Adligen der Stadt soll diese zeremonielle Funktion für den landesherrlichen Rathausbau exemplarisch veranschaulicht werden. Nachdem die Begräbnisfeierlichkeiten für seinen Vater, August von Sachsen, am 16. März 1586 in Freiberg beendet waren, kehrte der neue Kurfürst am 7. April desselben Jahres nach Freiberg zurück, »um hier die Erbhuldigung in eigner Person anzunehmen. Es wurde zu diesem Zwecke der große Erker in der Rathsstube ausgeräumt und mit schwarzem Tuche bekleidet, und auswendig ein großes schwarzes Sammttuch herausgehängt, auch der hohe Tritt auf dem Saale mit schwarzem Tuche überzogen. Früh gegen 10 Uhr kam sodann der Churfürst in Begleitung eines ansehnlichen Comitats auf das Rathhaus, begab sich zu dem hohen Tritt und empfing hier die Aufwartung der Herren von Adel, des Raths mit den Gerichtsschöppen und der vornehmsten Bergamtleute. Als sodann Dr. Pfeifer die Huldigungsrede gehalten und der geheime Kammersecretär den Eid abgelesen hatte, nahm der Churfürst neben einem schwarzsammtnen Stuhle den Anwesenden den Handschlag ab und begab sich in die Rathsstube, wo er in dem großen Erker ans Fenster trat und sich hier von der ganzen Bürgerschaft, welche mit entblößtem Haupte auf offnem Markte stand, den Eid leisten ließ. Der Handlung selbst folgte ein stattliches Panquet auf dem Schlosse«.46 Zu dieser zeremoniellen Aufgabenstellung des Ratserkers paßt die für Torgau überlieferte Ausstattung der zugehörigen Stube, die im ersten und zweiten Obergeschoß unmittelbar an die Festsäle grenzte: In ihr hingen die lebensgroßen Bildnisse der regierenden Kurfürsten.47 Die Funktion des Rathauses und besonders der architektonisch reich gestalteten Rathauserker, dem fürstlichen Stadtherrn bei seinem öffentlichen Auftritt in der Stadt einen angemessenen fürstlichen Rahmen zu bieten – so wie es ja bereits Kurfürst August I. von Sachsen für das Leipziger Rathaus gefordert hatte48 – deutet sich auch für Dessau an. Das dortige, in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erbaute und 1901 gänzlich veränderte Rathaus49 besaß ebenfalls an seiner Markt-

46 G. E. Benseler, 1853, S. 908. 47 P. Findeisen / H. Magirius, 1976, S. 233. Anfang des 18. Jahrhunderts hingen in dieser Stube elf Kurfürstenbildnisse. 48 Siehe weiter oben in diesem Kapitel. 49 Der nach der Mitte des 16. Jh.s errichtete Rathausbau von Dessau (im Sturz des ehem., im Hof des neuen Rathauses vermauerten Treppenturmportals befindet sich die Jahreszahl 1563) wurde 1882–1883 umfassend umgebaut und – aus Platzmangel – bereits 1899–1901 durch einen kompletten Neubau ersetzt (siehe hierzu Geschichte des Rathauses der Stadt Dessau, 1901). In seiner architektonischen Gestalt griff dieser jedoch charakteristische Elemente (Turm, Giebel, Runderker etc.) des Vorgängerbaus aus dem 16. und 19. Jh. auf (siehe unten Anm. 51).

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seite einen repräsentativen Erker. Wie eine Beschreibung von Beckmann aus dem beginnenden 18. Jahrhundert schildert,50 war dieser Erker im ersten Obergeschoß mit der »Audience-Stube« verbunden, an die sich das »Commissions-Zimmer« und weitere »Gemächer« anschlossen. Bezeichnenderweise wurde auf dieser vornehmen Etage zudem ein ausgesprochen symbolträchtiges Geschenk des anhaltischen Fürsten Johann III. aufbewahrt: eine Silberschale mit den Namenszügen und heraldischen Zeichen des Fürsten und der Fürstin, auf der – wie der Chronist berichtet, dem neuen inthronisierten Fürsten beim Huldigungsakt die Stadtschlüssel überreicht wurden.51 Angesichts dieser explizit fürstlichen Autorität, die sich in jedem Rathaus einer landesherrlichen Stadt manifestierte und seine architektonische Gestalt folgerichtig mit zahlreichen Anleihen aus der fürstlichen Schloßarchitektur aufwertete, kann es nicht verwundern, wenn das landesherrliche Rathaus schließlich selbst zum Fürstenschloß mu-

50 Siehe Anm. 51. 51 Die Beschreibung von Beckmann aus dem beginnenden 18. Jh. vom alten Rathausgebäude lautet: »Das Rahthauß lieget Süd=westenwerts an dem Marckt / gegen welchen es sich mit einem Steinern Giebel / darin befindlichen Seiger=Zeiger sampt einer Schlag=Uhr von Viertel und gantzen Stunden / und oberwerts mit einem Ercker praesentiret / an der West=Seite sein auch zwene Giebel und ist zugleich mit einem niedrigen mit Schiefer gedecktem Thurn verbunden / an welchem gleichfallß ein Uhr=Zeiger befindlich / von unten aber gehet man durch denselben zu den mittelsten Zimmern. Es bestehet aus Dreien Etages, und ist zu unterst der Stat-Keller / zu dessen Gebrauch auch das unterste Theil sampt denen verhandenen Zimmern angewandt wird: In der mittelsten ist die Audience-Stube / auf welcher ein Ercker nach dem Marckte zu gehet / die Commissions-Stube und andere Gemächer. Sie zeigen auch auf derselben noch eine Silberne Schale / mit welcher Fürst Johannes III. bei Seinem Abzuge / aus sonderbahrer Gnade / so Er zu der Stat Dessau getragen / E. Rath beschenckt / in Dero Mitte zum Andencken in Vier unterschiedenen Kreisen zu lesen ist / In dem ersten und auswertigem Kreiße: JOHANNES. FURSTE. ZU ANHALT. Z. HAT. DIESSE. SCHALE. SAMPT. SEINER. FURSTELICH. GNADEN. GEMAL. FRAWEN. MARGARET.

Anderer Kreiß: EN GEBORNE. MARGGREVIN. ZU. BRANDVRGK. Z. IN IHRER. FURSTELIH. GNADEN. ABZIEHEN. VON. DE

Dritte Kreiß: SSAW. EINEM. RADT. DASELBEST. AVS. GNEDIGEN. WILLEN. ZVM. ABSCHEIDT. GELASSEN. DEN.

Vierte Kreiß: XII. SEPTEMBRIS. ANNO. M. D. XLVI.

Innerhalb diesen Vier Kreisen stehet das Fürstl. Anhalt. und Marckgr. Brandenb. Wappen. Und werden auf derselben bei vorfallenden Huldigungen der Neuen Herrschaft die Stat=Schlüssel praesentiret.« (Zit. nach Geschichte des Rathauses der Stadt Dessau, 1901, S. 8).

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tierte. Ein solcher, kurzlebiger Fall, bei dem der Landesherr den Rat der Stadt darum bat, das Rathaus an ihn abzutreten, damit er es zu einem Residenzschloß ausbauen könne, ist für das thüringische Saalfeld überliefert.52 Seit 1389, als die Schwarzburger die Stadt an die Markgrafen von Meißen und späteren sächsischen Kurfürsten verkauften, gehörte Saalfeld zum Herrschaftsbereich der Wettiner. Nachdem Saalfeld infolge der vielfältigen Erbteilungen der ernestinischen Linie 1672 an das Haus Sachsen-Gotha gelangt war, sollte sein Rathaus (Abb. 205) vier Jahre später zum Gegenstand interessanter Überlegungen zwischen den gemeinsam regierenden Brüdern des Hauses werden. 1675 war Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha verstorben, womit seine volljährigen Söhne unter dem Vorsitz des Ältesten, Herzog Friedrichs I., zusammen die Regierungsgeschäfte übernahmen. Der traditionelle Residenzort Gotha mit seinem Schloß Friedenstein wurde den vielen Regenten offensichtlich zu eng, so daß 1676 vor allem die jüngeren Brüder vorschlugen, in den ihnen zustehenden Ämtern ihre jeweils eigenen Residenzen zu errichten. So kam es, daß Herzog Albrecht (1648–99), der Zweitgeborene, in seinem neuen Residenzort Saalfeld nach einem geeigneten Gebäude für seine Hofhaltung Ausschau hielt und dabei auf das wahrhaft fürstlich gebaute Rathaus der Stadt aufmerksam wurde.53 Wie bereits anhand der Rathäuser von Leipzig, Wittenberg, Altenburg,54 Torgau und Dessau gezeigt, präsentiert sich auch dieses 1537 vollendete Rathaus an seiner marktständigen Nordseite im fürstlichen, die Architektur der Torgauer Residenz widerspiegelnden Glanz: In der Fassadenmitte des rechteckigen Baukörpers erhebt sich hochaufragend ein polygonaler Treppenturm mit Verkündigungsbalkon und giebelbekrönter spitzer Haube. Zu seiten des Turmhelms thronen zwei dreigeschossige, mit geschweiften Giebeln versehene Zwerchhäuser. Auffällig sind schließlich die beiden zweigeschossigen Erker: Der eine wurde als halbrundes Ecktürmchen an der Stelle, wo die Hauptstraße auf den Marktplatz trifft und am Rathaus entlangführt, an die Gebäudekante 52 Siehe hierzu H. Bärnighausen, 1999. 53 Zu recht hat Hendrik Bärnighausen, dem wir die erneute Kenntnis dieses historischen Vorgangs verdanken, auf den eher provisorischen Charakter des projektierten Saalfelder Residenzschlosses hingewiesen. Der Wunsch Herzog Albrechts, schließlich Coburg als Herrschaft zugeteilt zu bekommen, ließ einen großangelegten Neubau in Saalfeld als überflüssig erscheinen. Zur Geschichte und Kunstgeschichte des Saalfelder Rathauses siehe zuletzt (mit Hinweisen auf die ältere Literatur) G. Werner, 1987; Ders., o.J. [1995]. Siehe darüber hinaus die Literaturangaben bei H. Bärnighausen, 1999, S. 64 f., Anm. 3. 54 Zum Altenburger Rathaus siehe Kap. 5.1.4, S. 209 f. und Kap. 7, Anm. 43.

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des Rathauses gehängt, der andere, rechteckige, erhebt sich in der westlichen Fassadenhälfte und verlängert das darüber auf dem Dach sitzende Zwerchhaus optisch nach unten, in den Wandbereich des Rathauses.55 Der kastenförmige Erker zeichnet sich zudem durch seinen heraldischen Schmuck aus: Er trägt das Wappen des sächsischen Kurfürsten und nachmaligen Herzogs Johann Friedrichs I. und seiner Gemahlin, Sibylle von Cleve, und damit die Zeichen desjenigen wettinischen Fürstenpaares, das nach dem Verlust der Kurwürde 1547 in Thüringen das neue Machtzentrum der Ernestiner etablierte. Unter ihrer Regentschaft konnte das Saalfelder Rathaus 1537 eingeweiht werden. Doch prangen die Wappen von Johann Friedrich I. und seiner Gemahlin am Saalfelder Rathaus nicht nur als Hinweise auf die damalige und künftige landesherrliche Stadtobrigkeit, die im übrigen die Pläne zum Rathausbau genehmigen mußte,56 sondern darüber hinaus als Erinnerungszeichen für die Stammeltern der nunmehr geteilten ernestinischen Linien auf thüringischem Territorium.57 Daß Herzog Albrecht sich 1676 vorstellen konnte, in einem solch repräsentativen Gebäude Hof zu halten, ist verständlich. Verständlich ist aber ebenso, daß der Herzog schließlich nach kurzer Zeit wieder von seinem Vorhaben Abstand nahm und noch im selben Jahr das nahe gelegene säkularisierte Benediktinerkloster auf dem Petersberg zur Residenz erkor. Denn wie den Quellen entnommen werden kann, war der Saalfelder Stadtrat einer Abtretung seines Rathauses an den Herzog nicht abgeneigt, wollte sich dafür aber angemessen materiell entschädigen lassen. Möglicherweise erschien Herzog Albrecht dieser Handel, der u. a. »ein neues geraumes Hauß« für die Stadt beinhaltet hätte,58 denn doch zu kostspielig zu werden. Jedenfalls bedeutete seine Entscheidung, das Kloster auf dem Petersberg zum fürstlichen Residenzschloß auszubauen, nicht nur den Erhalt des Saalstädter Rathauses in seiner seit 1537 überlieferten Gestalt, sondern auch das Ende eines beachtenswerten Projekts: die Verwandlung eines Rathauses in ein Residenzschloß. 55 Die Fassadenwände waren ursprünglich freskiert (H. Bärnighausen, 1999, S. 61), ohne daß über die Motive nähere Kenntnisse vorliegen. 56 Ebd. 57 Die Ansicht von H. Bärnighausen, 1999, S. 60, »die Präsentation des Wappens des Landesherrn an einem bedeutenden städtischen Verwaltungsgebäude« stehe »für die charakteristische Verbindung von stark ausgeprägtem bürgerlichen Selbstbewußtsein und Bekenntnis zur landesherrlichen Macht«, zielt in ihrer Unbestimmtheit knapp am Aussagekern der Rathausikonographie vorbei. 58 Ebd., S. 62 f. (mit Quellenhinweisen).

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8. Hofordnungen als eine normative Grundlage für den Schloßbau Anmerkungen zu einer höfischen Quellengattung aus architekturhistorischer Sicht

Den Abschluß der vorliegenden Studie soll eine quellenkundliche Betrachtung bilden, deren Gegenstand in den vorangegangenen Kapiteln immer wieder eine wichtige Grundlage der Architekturanalyse gewesen war. Die Rede ist von den Hofordnungen, deren Quellenwert für die Rekonstruktion des zeitgenössischen Bewertungsmaßstabs von Gebäuden und Raumbereichen eines fürstlichen Residenzschlosses das Interesse am normativen Charakter dieser Quellengattung geweckt hat. Zunächst besaßen Hofordnungen die Aufgabe, regulativ in das Hofleben einzugreifen und in bestimmte vom fürstlichen Schloßherrn gewünschte Bahnen zu lenken. Wie nicht anders für die Lebenspraxis zu erwarten, gehörten Regelverstöße zum Alltag bei Hofe.1 Sie waren nicht nur der Anlaß für die Einführung von Hofordnungen, sondern machten auch immer wieder ihre Nachbesserung oder aber die Erinnerung an sie notwendig. Diejenigen Teile der Ordnung, die für den ganzen Hof galten, wurden daher von Zeit zu Zeit öffentlich verlesen oder 1 Die Klage über den von »Gebrechen« und »Zerrüttung« bestimmten Zustand am Fürstenhof ist ein wiederkehrendes Leitmotiv in den Vorreden spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Hofordnungen. Beispielhaft sei hier aus zwei sächsischen Hofordnungen zitiert. Zunächst die Hofordnung Herzog Albrechts des Beherzten von Sachsen (o. J., ca. 1470/80): »Wir haben bedacht die manchfeldige clage und gebrechen unsers hofelichen wesens und uns furgenommen, solchs einem iglichen zu vorkomen, und haben derhalben ein ordnung und satzung furgenommen in der form und weise, als hernach volget« (zit. nach A. Kern, 1907, S. 27). Sodann die einhundert Jahre jüngere Hofordnung des Kurfürsten Christian I. von Sachsen (1586): »[…] Und Wir befunden, daß in s. G. angestaltten Hofhaltung undt gefasten Ordnung eine Zeit hero große Zerrüttung, unrichtigkeit, mißbreuche und nachleßigkeit eingeschlichen und [-]gerißen und fast alle gute Ordnung, althergebrachte Hofgebreuche verloschen und in abnehmen kommen, Derwegen die hohe notturfft erfordert, S. G. seligen vorige Hofordnung wiederumb zu vorneuern, auch in etzlichen Articuln aus erforderung jetziger Leuffte und gelegenheit zu vorändern, zu ercleren und zu vorbeßern […]« (zit. nach A. Kern, 1907, S. 50).

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in der Hofstube ausgehängt;2 die anderen, sogenannten geheimen Teile, wurden nur den einzelnen Amtsinhabern vorgelegt.3 Doch selbst wenn die Hofordnungen nicht immer so ernst genommen wurden, wie es das Papier verlangte, so ändert diese eingeschränkte Akzeptanz nichts an ihrer grundsätzlichen normativen Funktion.4 Über sie ist 1996 auf einer Tagung der Residenzenkommission der Göttinger Akademie zu europäischen Hofordnungen der Zeit von 1200 bis 1600 ausführlich diskutiert worden. Mittlerweile liegen die Beiträge in gedruckter Form vor und dürfen insgesamt als erste fundierte Überblicksdarstellung zum Thema gelten.5 Von historischer Seite sind somit bedeutende Vorarbeiten für weitergehende Untersuchungen zu verschiedenen Fragestellungen aus den Bereichen der Sozial-, Wirtschafts-, Rechts- und Zeremonialwissenschaft erbracht.6 Umso größerer Nachholbedarf besteht dafür bei den Kunstwissenschaften. Speziell die Architekturforschung zum fürstlichen Schloßbau könnte aus dem Studium der frühneuzeitlichen Hofordnungen nicht unerheblichen Gewinn ziehen. Ihr galten die höfischen Regelwerke bislang eher als Ausweis für die ›kleinkarierte‹ Seite des glanzvollen Hoflebens, auf der 2 In dieser Hinsicht ist Milos Vec Urteil, Hofordnungen seien »nicht publiziert« worden (M. Vec, 1999, S. 53 ff.), zu differenzieren; denn dies galt im allgemeinen nur für die Drucklegung! Als ein Beispiel zitiere ich aus der Hofordnung des Markgrafen Johann von Küstrin (1561) die entsprechende Passage der Kellerordnung: »Es soll auch dem kellermeister bei seinem Eide eingebunden und verböten sein, Niehmandes von dieser unserer Ordnungk berichtt zu thuen noch abschrifft davon zu geben. Do aber jemandes im keller von einem oder dem andern gerne berichtt haben wolte, damitt er sein thuen und laßen darnach anstellen köndte, auff den fall soll der kellermeyster schuldigk sein, ihnen solchs vorzulesen oder aber auch außer dieses der gemeynen Artickell, sovill sie betrifft, alle Viertell Jhar ihnen die vorneuen« (zit. nach A. Kern, 1905, S. 70). 3 Beispielhaft sei hier auf die Ordnung des Burgfriedens verwiesen. So heißt es in der Hofordnung des Landgrafen Wilhelm IV. von Hessen (1570): »Zum Fünfften soll ein Jeder unsern publicirten burgkfriden in allen Puncten wohl und unverbrüchlich halten, bey vermeidung der darin gesetzten straffen, darumb auch derselbig einem idern, der an unsern Hoff kombt, vorgelesen werden soll, damit sich keiner mit unwißenheit zu entschuldigen« (zit. nach A. Kern, 1907, S. 88 f.; siehe auch Ders., 1905, S. IX.). 4 Siehe hierzu auch M. Vec, 1999, S. 60 ff. 5 Höfe und Hofordnungen 1200–1600. 5. Symposium der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, hg. von Holger Kruse / Werner Paravicini (Residenzenforschung, Bd. 10), Sigmaringen 1999. Zum Quellentyp siehe auch K.-H. Ahrens, 1990b. 6 Zum niederadligen Bereich, in dem sich seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ebenfalls sog. »Hausordnungen« nachweisen lassen, deren Aufbau in Vielem den fürstlichen Hofordnungen gleicht, siehe P.-M. Hahn, 1989, S. 182 ff. (am Beispiel der altmärkischen Familie von Alvensleben).

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man dem Fürsten gewissermaßen in seine von prassenden Hofleuten und vorwitzigen Jungfrauen geplagte ›Kleinkrämerseele‹ blicken muß.7 An diesen häufig unausgesprochenen Vorbehalten ist so viel richtig, daß die Vorschriften und Gebote in weiten Teilen dem sparsamen Wirtschaften und angemessenen Verhalten aller Hofangehörigen Aufmerksamkeit schenken, der Schloßbau selbst aber nur bei Ortsbezeichnungen Beachtung findet. Die Beschreibung von Innen- oder Außenarchitektur fehlt sogar gänzlich. In diesem Punkt bieten selbst die Inventare ein höheres Maß an Anschaulichkeit, ganz abgesehen davon, daß sie – ihrer Aufgabenstellung entsprechend – detaillierte Hinweise zur Raumausstattung zu geben vermögen.8 Welchen Nutzen also könnte die Lektüre von Hofordnungen für Architekturhistoriker haben? Nach meiner Einschätzung einen zweifachen: Zum einen den Nutzen, über die Auswertung des am Hof betriebenen repräsentativen, personellen und wirtschaftlichen Aufwands Rückschlüsse auf das bauliche Konzept der zeitgleich hierzu verwirklichten Residenzbauten – Neubauten wie Umbauten – zu ziehen, zum anderen den Nutzen, über die genaue Beachtung der Ordnungsregeln für bestimmte Räume oder Bauteile des Schlosses und den in bzw. an ihnen vollzogenen Handlungen oder Funktionen wichtigen Aufschluß über Rang und Wertigkeit einzelner Bereiche der Schloßgebäude zu erhalten. Mit Hilfe dieses Wissens lassen sich dann die räumliche Disposition und Struktur sowie die formale bzw. baukünstlerische Gestaltung bestimmter Räumlichkeiten oder Architekturelemente näher erklären. Den zuerst genannten Nutzen sowie die Abhängigkeiten von Zeremoniell und Raumordnung hat Krista De Jonge in ihrem Beitrag für die erwähnte Tagung der Residenzenkommission zu skizzieren versucht: Anhand der adligen und herzoglichen Residenzen in den burgundischen Niederlanden des 15. und 16. Jahrhunderts geht sie der Frage nach, inwieweit die Raumfolgen des burgundischen Palastbaus den zeremoniellen Erfordernissen der von Frankreich geprägten Hofordnungen oder aber hiervon unabhängigen lokalen Traditionen ent7 Von dieser Grundhaltung abweichend, hat Dagmar Sommer (D. Sommer, 1997) für das 18. Jahrhundert einen wichtigen Beitrag vorgelegt, der die Hofordnungen als normative Quelle für den Residenzenbau auszuwerten versucht. Die früheren Hofordnungen fanden hier jedoch keine Beachtung, so daß ihre normprägende Bedeutung für das spätere Quellenmaterial unerkannt blieb. 8 Zu den Inventaren als Quellengattung siehe demnächst den Beitrag von Stephan Hoppe in: Quellengattungen zur höfischen Kultur der Frühen Neuzeit, hg. von Peter-Michael Hahn / Matthias Müller (Rudolstädter Forschungen zur Residenzkultur, Bd. 4) (im Druck).

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sprechen und wie sich der Bedarf an höfischem Personal auf den Ausbau der Residenz und der ihr zugeordneten Stadtanlage auswirkt.9 Den zuletzt genannten, auf die Zeichenhaftigkeit von Architektur ausgerichteten Nutzen, möchte ich im folgenden in der notwendigen Knappheit aufzeigen. Gegenstand der Ausführungen werden landesherrliche deutsche Hofordnungen des 16. und frühen 17. Jahrhunderts sein, deren Handlungsanweisungen bzw. Funktionsbeschreibungen für bestimmte Bereiche des Schlosses in dieser Arbeit bereits verschiedentlich mit dem Erscheinungsbild von zeitgleichen fürstlichen Schloßbauten des Alten Reichs verglichen worden sind.10 Ein solcher Vergleich zwischen Textquelle und Architektur setzt eine klare Definition der Quellengattung voraus. Für die Frühzeit der Hofordnungen, also das 13. bis 15. Jahrhundert, ist eine solche inhaltliche Festlegung nicht ganz einfach.11 Angesichts der Disparatheit des Materials stellt Peter Moraw daher resümierend fest: »Was Hofordnungen waren, läßt sich leichter beschreiben als definieren, vermutlich am leichtesten mit Hilfe eines Katalogs von Eigenschaften«.12 Von diesen sind für die frühen Hofordnungen vor allem zu nennen: die Auflistung des Personals, der Ämter und der zugehörigen Amtsinhaber einer Haushaltung (wie Hofmarschall, Haushofmeister, Küchen- und Kellermeister, Räte, Jungherren oder Jungfrauen, Torwächter), die Festlegung des ihnen zustehenden Gefolges bzw. der Vergütung sowie die Beschreibung der Amtspflichten und ihrer Ausführung.13 Dies geschieht anfangs noch nicht zusammenhängend, sondern oftmals nur für einzelne Ordnungsbereiche, darüber hinaus in der Art des wortkargen Buchhalters und damit insgesamt wenig anschaulich.14 Im 16. und 17. Jahrhundert allerdings hat sich das Bild vollkommen verwandelt – zuerst in den burgundischen Niederlanden,15 dann auch im Alten Reich. Die bis dahin vereinzelten Ordnungen entwickelten sich zusehends zu einem relativ systematischen Regelwerk, dessen Grundstruktur darüber hinaus von allen Höfen des Reiches rezipiert wurde. Wie sehr die Ordnungen der einzelnen Höfe untereinander Beachtung fanden und bereits in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine ge9 10 11 12

Krista De Jonge, 1999. Siehe vor allem die Kap. 5.1.2, 5.5, 6.3 – 6.6. Siehe hierzu W. Paravicini, 1999. Peter Moraw, Zusammenfassung, in: Höfe und Hofordnungen (1200–1600), 1999, S. 555. 13 W. Paravicini, 1999, S. 14. 14 Ebd., S. 16. 15 Ebd.

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wisse Standardisierung erreicht war, belegt der Hinweis von Landgraf Wilhelm IV. von Hessen, er habe seine 1570 erlassene Hofordnung aus verschiedenen Ordnungen anderer Höfe aber auch seines eigenen Hofes kompilieren lassen.16 Sicherlich wäre es übertrieben, von einem durchgängig einheitlichen Aufbau der einzelnen Hofordnungen zu sprechen, doch besteht offensichtlich eine verbindliche Grobstruktur. Diese Feststellung scheint mir wichtig zu sein, wenn wir die zugehörige Schloßarchitektur in den Blick nehmen, bei der sich ebenfalls Merkmale einer territorienübergreifenden Systematisierung zeigen.17 Doch blieb es nicht allein bei der Systematisierung des inneren Aufbaus der Hofordnungen. Darüber hinaus wurde auch der Inhalt einer tiefgreifenden Überarbeitung unterzogen, die zunehmend Fragen der Religion, Moral und des Rechts Beachtung schenkte. Die Anforderungen der sparsamen Wirtschaftsführung, Ämter- und Personalverwaltung sowie Pferdehaltung bildeten verständlicherweise auch weiterhin den Mittelpunkt des Interesses, doch hinzu kamen die Sorge um das Wohlgefallen Gottes als des obersten Herrn der weltlichen Regierung, der gottgefällige, sittlich-moralisch untadelige Lebenswandel eines jeden Hofangehörigen sowie die konsequente Beachtung des Burgfriedens als der vom Schloßherrn erstellten Friedensordnung für den Hof und seine Städte und Ämter.18 Nicht daß diese Aspekte zuvor weniger Bedeutung besessen hätten, doch zu Bestandteilen der Hofordnungen werden sie erst jetzt, ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Erst ab diesem Zeitraum erfahren nicht nur die pragmatischen, auf einen klar bezeichneten Nutzen bezogenen Regeln höfischen Alltagslebens ihre schriftliche Fixierung, sondern in gleichem Maße das zugrunde liegende religiöse, ethisch-moralische und rechtliche Fundament einer fürstlichen Regierung.19 Dieses scheint in den Jahrzehnten nach etwa 16 Hofordnung Landgraf Wilhelms IV. von Hessen (1570), in: A. Kern, 1907, S. 87 ff. 17 Siehe hierzu oben Kap. 2. 18 Wie sehr im Bereich der Friedenswahrung die fürstlichen Burgfriedeordnungen ihre Rezeption auch im niederadligen Bereich gefunden haben, konnte P.-M. Hahn, 1989, S. 169 ff., am Beispiel der altmärkischen Familie von Alvensleben darlegen (1552 Burgfrieden zu Kalbe, 1556 Burgfrieden zu Erxleben). 19 Zu diesem inhaltlichen Bereich der Hofordnungen fehlen bislang eingehende Forschungsarbeiten. Immerhin hat Milos Vec auf dieses wichtige Merkmal der Hofordnungen mit der Bemerkung hingewiesen, daß »sich hinter der finanzpolitischen Einkleidung der Normierungen massiv moralische, sittliche und gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen [verbergen], die nicht übersehen werden dürfen. Die Tatsache, daß sich die Hofordnungen als Aufwandsbeschreibungen und Aufwandsbeschränkungen gerieren, darf nicht dazu verleiten, sie bloß unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten wahrzunehmen« (M. Vec, 1999, S. 49). Für

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1550 nicht mehr von uneingeschränkter Tragfähigkeit gewesen zu sein. Das anhand von Briefen und Entwürfen nachweisbare intensive Abstimmungsverfahren zwischen dem Fürsten und seinen Räten um den angemessenen Inhalt der Hofordnungen20 läßt den Schluß zu, daß hier sehr bewußt versucht wurde, u. a. den Veränderungen und auch Unsicherheiten der reformatorischen Zeitläufte zu begegnen. Sie stellten nicht nur erhöhte Anforderungen an das Repräsentations-, Sicherheits-, Rechts- und Verwaltungswesen, sondern ebenso an die religiöse und moralische Autorität des fürstlichen Landesherrn. Um diese religiösen und rechtlichen Aspekte erweitert, erhalten die seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstandenen Hofordnungen durchaus auch den Rang von normativen, gesetzesähnlichen Textsammlungen einer frühneuzeitlichen Staatsethik. Dies wird allein schon anhand der Leitthemen und -begriffe der Hofordnungen deutlich, die sich nach der Durchsicht einer Vielzahl dieser Texte aus dem 16. und 17. Jahrhundert mit folgenden Begriffen benennen lassen: Gottesfurcht, Rang, patriarchalische Fürsorgepflicht des Fürsten und seines Hofes gegenüber allen Untertanen, patriarchalische Fürsorglichkeit des Fürsten gegenüber seinen Hofangehörigen (einschließlich seiner eigenen Familienangehörigen),21 Rechtlichkeit, Disziplin, Friedfertigkeit, Gehorsam (Ehrfurcht, Scheu), Ordnung, Sicherheit, Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit (Ökonomie). Der Vergleich mit den Leitbegriffen zeitgenössischer Fürstenspiegel liegt auf der Hand!22

weitergehende Untersuchungen wäre auch der Einbezug der frühneuzeitlichen »Hausväterliteratur« von Bedeutung. In diesen sog. »Hausbüchern« wird – nicht zuletzt unter Bezug auf die Dreiregimenterlehre Martin Luthers – die wirtschaftlich und militärisch abgesicherte Haus- und Territorialherrschaft mit den moralischen Verpflichtungen des Schutzes und der Fürsorglichkeit des Haus- bzw. Landesherrn gegenüber allen Familienangehörigen bzw. Untertanen verbunden (zur »Hausväterliteratur« siehe grundsätzlich J. Hoffmann, 1959; G. Frühsorge, 1978; P. Münch, 1981; V. Bauer, 1997; zum Verhältnis von Hausväterliteratur und ländlicher Adelsarchitektur siehe U. Schütte, 1984, S. 157, S. 193, S. 221 ff.). 20 Siehe hierzu beispielsweise das Gutachten über eine zu erlassende Pommersche Hofordnung (1559) (abgedruckt bei A. Kern, 1905, S. 101 f.; zu weiteren Gutachten und Entwürfen deutscher Hofordnungen siehe ebenfalls A. Kern, 1905/1907). 21 Zum Leitbegriff des fürstlichen Patriarchats siehe auch die Ausführungen und Literaturhinweise bei Cordula Nolte, 1998, die für das späte Mittelalter auf die dominierende Rolle des Fürsten innerhalb der tradierten Familienordnung hinweist. 22 Zu einführender Literatur und edierten Quellen siehe Kap. 2, Anm. 17.

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Vollkommen zutreffend hat daher Milos Vec in einem wichtigen rechtshistorischen Beitrag die Hofordnungen in den »Kontext der Gesetzgebung« gestellt und als »gesetzgeberisches Produkt« bezeichnet, in dem sich die »Verrechtlichung des ›Geziemenden‹« manifestiert.23 Der Begriff des »Geziemenden« bezieht sich nach damaligem Sprachgebrauch zwar zunächst auf das Dekorum, d.h. das äußere Erscheinungsbild von Personen, Gütern oder Bauwerken, doch verweist es von dort unmittelbar auf den dahinter verborgenen rechtlich und sittlich-moralischen Status der Person oder Sache. An dieser Stelle berühren die entwickelten Hofordnungen schließlich sogar die Sphäre des Zeremoniellen: Sie sind zwar keine Zeremonialordnungen im strengen, vor allem an den Verhältnissen des 18. Jahrhunderts ausgerichteten Sinn, doch beschreiben sie durchaus zeremonielle Vorgänge wie wir in vorangegangenen Kapiteln am Beispiel der Hof- und Tafelstubenordnung, der Kapellenordnung oder des Tor- und Türwächterdienstes gesehen haben. Wenn also, um noch einmal Milos Vec zu zitieren, bereits die gesetzesähnliche Hofordnung »Abbildung von bestimmten, nach außen kommunizierten Leitvorstellungen des Normgebers« ist,24 um wieviel mehr müßte es dann die zugeordnete höfische Architektur sein! Daß zwischen Hofordnung und Schloßbau ein Wechselverhältnis existierte, belegt bereits der enge Zusammenhang zwischen der Einführung einer neuen, umfangreicheren Hofordnung mit zahlreichen Einzelordnungen für Ämter und Verwaltung sowie dem zeitgleichen Ausbau des zugehörigen Schlosses. Ein solcher Fall ereignete sich in den 1530er Jahren am Berliner Hof Joachims II. Der Historiker Wolfgang Neugebauer hat diesen Vorgang in Anlehnung an einen Tagungsbeitrag von PeterMichael Hahn25 kürzlich folgendermaßen kommentiert: »Vom Jahre 1537 datiert die erste Redaktion der Hofordnung Joachims II., ein Jahr später […] begann der Ausbau des Schlosses – schwerlich kann das eine vom anderen isoliert betrachtet werden.«26 Diese Feststellung be-

23 M. Vec, 1999, S. 44, 49; zur Einordnung der Hofordnungen als »gesetzgeberisches Produkt« siehe ebd., S. 44 f. u. 53 ff. 24 Ebd., S. 61. 25 Auf der Tagung »Das Schloß und der Schloßbezirk in der Mitte Berlins« (Februar 1998) hielt Peter-Michael Hahn einen Vortrag über »Residenzhaltung und Hofgesellschaft in Brandenburg und Preußen vom Ende des 15. bis in das 17. Jahrhundert« (ich danke Peter-Michael Hahn für die freundliche Überlassung seines Manuskripts). 26 W. Neugebauer, 1999, S. 20. Und er fügt hinzu: »Die Entwicklung des Hofes, die Erweiterung des Schlosses und der Ausbau des administrativen Apparates vormoderner Qualität […] standen in engem Zusammenhang« (ebd., S. 22).

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darf nun der Präzisierung. Ein Blick auf den unter Joachim II. begonnenen und von seinem Nachfolger Johann Georg vollendeten Berliner Schloßkomplex des 16. Jahrhunderts (Abb. 7+8+63) zeigt zunächst eine auffällige Diversifizierung der Gebäude: Saalbau, spreeseitiger Trakt (bestehend vor allem aus fürstlichem Haus, Kapelle mit Hausmannsturm, Archivturm und sog. Herzoginhaus), Kanzleigebäude, Wirtschaftsgebäude und Toranlagen stellen sichtbar voneinander getrennte Bereiche dar, die sich nicht nur in der räumlichen Distanz, sondern auch in der baulichen Gestalt voneinander unterscheiden. Innerhalb dieser Gebäudeanlagen erfolgen weitere räumliche Differenzierungen: So bestand der Saalbau, das am stärksten auf öffentliche Repräsentation ausgerichtete Gebäude, aus einer Schichtung von Kellerbzw. Vorratsräumen, der Hofstube, dem Großen Saal mit angeschlossenen Tafelstuben sowie abschließend im zweiten Obergeschoß und im Dachgeschoß Stubenappartements für die Gäste des Hofes.27 Ein ähnliches Bild bietet das für Berlin in Vielem vorbildliche und noch in weiten Teilen aus dem 15. bis 17. Jahrhundert erhaltene Torgauer Schloß (Abb. 15–17) der sächsischen Kurfürsten.28 Zahlreiche weitere Beispiele könnten hier angeführt und auf diese Weise das anhand von Berlin und Torgau skizzierte Gebäudeschema als grundlegendes Muster im frühen deutschen Schloßbau dargestellt werden. Die zu beobachtende Unterteilung der Schloßanlage, die Abgrenzung bzw. klassifizierende Separierung einzelner Bereiche, findet ihre Erklärung zunächst ohne Zweifel in der tradierten Form des Schloßbaus und seiner über die Jahrhunderte etablierten Funktionsbereiche. Um dies grundsätzlich nachvollziehen zu können, benötigen wir nicht unbedingt die Hofordnungen. Doch wie gesagt: Die frühneuzeitlichen Hofordnungen geben nicht nur Beschreibungen der einzelnen Funktionsbereiche des Schlosses, sondern ebenso Hinweise auf ihre Wertigkeit und die daraus resultierende Zeichenhaftigkeit. Diese lassen sich anhand der fürstlichen Hofordnungen des 16. und 17. Jahrhunderts grundsätzlich für folgende herausgehobene Bereiche innerhalb des Schloßareals herausarbeiten: das fürstliche Haus mit Wohn- und Ar-

27 Zur Innenraumrekonstruktion siehe A. Geyer, 1936, S. 22 ff.; G. Peschken / H.-W. Klünner, 1982, S. 20 ff.; siehe auch M. Hass, 1910. 28 In Torgau wurde die frei im Schloßhof stehende mittelalterliche Schloßkapelle zwar zugunsten des Neuen Saalbaus 1533 abgebrochen und der neue, von Luther 1544 eingeweihte Kapellenbau in den Wohnflügel integriert, doch wird auch er durch die Fassadengestaltung (Portalbildung, Verbindung der Kapelle mit einem Turm) optisch aus dem Gebäudetrakt herausgehoben.

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beitsräumen sowie den Frauenzimmern, die gemeinschaftlichen Versammlungsräume der Hof- und Tafelstube sowie die Kapelle, die Kanzlei, der Marstall, Keller und Küche, Gefängnis- und Wachtürme sowie das Schloßtor mit zugehörigem Torhaus.29 Der Festsaal fehlt bezeichnenderweise: Er besaß zwar durch seine bildliche und heraldische Ausstattung ein hohes Maß an Repräsentativität,30 wurde jedoch nur temporär genutzt und nahm daher im alltäglichen Hofleben auch nur einen untergeordneten Rang ein.31

29 Zu Einzelheiten siehe oben die Kap. 5.1.2, 5.5, 6.3 – 6.6. 30 Anhand des genealogischen Programms im Saal des Güstrower Schlosses hat dies zuletzt Kilian Heck eindrucksvoll aufgezeigt (K. Heck, 2000); zu einem anderen Beispiel, dem Riesensaal des Schmalkaldener Schlosses und seiner auf die Fürstenethik rekurrierenden malerischen Ausstattung siehe oben Kap. 6.6. 31 Vgl. hierzu die Beschreibung des Wittenberger Schlosses bei Andreas Meinhard: Während Hof- und Tafelstube im alltäglichen Funktionsablauf des Hofes ausführlich beschrieben werden (siehe Kap. 6.3, Anm. 111), findet der Festsaal keine Erwähnung (A. Meinhard, 1508; E. Reinke, 1976).

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9. Zusammenfassung

In seinem »Teutschen Hofrecht« schrieb Friedrich Carl von Moser 1754 über die Bedeutung der fürstlichen Residenz: »In der Residenz erscheinet der Fürst als Haupt seines Volcks und in dem Glanz der angebohrnen oder erlangten Würde«.1 Diese Sichtweise findet bis in die Gegenwart allgemeine Zustimmung, ist sie doch im Angesicht der majestätisch-erhabenen Barockschlösser der zweiten Hälfte des 17. und des 18. Jahrhunderts auch heute noch unmittelbar einsichtig und in der zeitgenössischen Architekturtheorie zudem wohl begründet.2 Für das Erscheinungsbild der frühen fürstlichen Schloßbauten im Alten Reich galten aber offenbar andere Maßstäbe, folgt man zumindest dem in der wissenschaftlichen und populären Literatur verbreiteten Bild vom Charakter der höfischen Baukunst des 15. und 16. Jahrhunderts. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, die – wie die Residenzschlösser von Meißen, Torgau, Dresden, Landshut oder Aschaffenburg – als durchaus stattliche Fürstensitze Anerkennung fanden, wurde die Qualität des frühen deutschen Schloßbaus eher in der Emanzipation von alter ›Burgenherrlichkeit‹ gesehen, als in der Herausbildung einer vielschichtigen, die Ansprüche einer vormodernen Landesherrschaft visualisierenden Staatsarchitektur. Dabei besaßen die für das 17. und 18. Jahrhundert so zentralen Begriffe wie »Requisita Dignitatis« oder »Signa Dignitatis«3 in ihrer inhaltlichen Aussage bereits im späten Mittelalter und in der beginnenden frühen Neuzeit einen vergleichbaren Stellenwert, der sich ebenfalls in der zeitgenössischen Schloßarchitektur widerspiegelte. Das sogenannte feste Schloß, dessen oftmals nur noch symbolische Wehrhaftigkeit bereits Ulrich Schütte als Ausweis einer bestimmten kulturellen Identität des hohen wie niederen Adels zu bestimmen vermochte, besaß alle Merkmale eines differenziert argumentierenden Bedeutungsträgers für die Repräsentation fürstlichen 1 F. C. von Moser, 1754, S. 274. 2 Siehe bspw. die Traktate von Wilhelm Furttembach oder Nikolaus Goldmann. Zum ethisch-herrschaftlichen Postulat von Residenzarchitektur im 17. und 18. Jh. siehe U. Schütte, 1984, S. 189 ff.; Ders., 1998, S. 15 ff. 3 Zur Bedeutung für die höfische Architektur des 17. und 18. Jahrhunderts im Reich siehe F. W. Eiermann, 1995.

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Selbstverständnisses. Und dieses Selbstverständnis speiste sich aus einem komplexen, seit dem Mittelalter tradierten Ideengebäude, in dem heilsgeschichtliche, dynastische, rechtliche und militärische Überzeugungen normativen Charakter erhielten und den Fürsten nach dem »göttlichen Urbild« zu einem Regenten werden ließen, der, wie es Erasmus von Rotterdam formulierte, »alle übrigen an Weisheit und Güte übertrifft«.4 Diese normativen Vorstellungen prägten auch Form und Gestalt der fürstlichen Schloßbauten. Wie die vorliegende Arbeit zeigen konnte, besteht spätestens seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auch im Alten Reich ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Ideenwirklichkeit vom fürstlichen Regiment und dem ästhetischen Erscheinungsbild und der Struktur des fürstlichen Residenzschlosses. Im benachbarten Frankreich hatte dieser Prozeß einer differenzierten Bildwerdung hochadligen Regententums im Medium der Schloßarchitektur schon wesentlich früher, im 14. Jahrhundert begonnen und Inkunabeln wie Schloß Vincennes, den Louvre oder die Schlösser des Herzogs Jean de Berry hervorgebracht, die schließlich auch für deutsche Bauherren und ihre Architekten zu Vorbildern werden sollten. Hier traten vor allem die Wettiner mit ihren Bauprojekten seit dem letzten Drittel des 15. Jahrhunderts in Erscheinung. Der Neubau der Meißener Albrechtsburg, ab 1471 ff. als modernisierte Fassung des alten wettinischen Stammsitzes und projektierte kursächsische und herzogliche Doppelresidenz errichtet, belegt eindrucksvoll das hohe ästhetische und funktionale Reflexionsniveau französischer Hofbaukunst und zugleich die Fähigkeit zur Anverwandlung des ›fremden‹ Formenguts an die eigene Tradition. Deshalb wurde dieser Schloßbau auch an den Anfang der architekturgeschichtlichen Analysen dieser Arbeit gestellt und von ihm ausgehend der gesamte mitteldeutsche Raum als besonders innovatives Zentrum deutscher Schloßbaukunst im späten Mittelalter und der beginnenden frühen Neuzeit dargestellt. Für die mitteldeutschen Territorien entwickelte sich der kursächsische und herzoglich-sächsische Hof seit dem 15. Jahrhundert zu einem politischen wie kulturellen Leitbild, dessen Strahlkraft vor allem während des reformatorisch geprägten 16. Jahrhunderts an den protestantischen Höfen eine überregionale, reichsweite Wirkung entfaltete. Hierfür steht exemplarisch das mecklenburgische Herzogtum, dessen Herzog, Johann Albrecht I., 1553 beim sächsischen Kurfürsten August I. 4 Erasmus von Rotterdam, Institutio principis christiani [1515], zit. nach Erasmus Desiderius von Rotterdam – Ausgewählte Schriften, Bd. 5, 1968, S. 186 f.

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anfragen ließ, ob nicht dessen Hofbaumeister Caspar Vogt von Wierandt Hilfestellung beim Neubau der Schweriner Schloßkapelle nach Torgauer bzw. Dresdner Vorbild leisten könne.5 Doch auch da, wo sich eine solche unmittelbare Orientierung an den vom kursächsischen Hof gesetzten Standards nicht durch schriftliches Quellenmaterial nachweisen läßt, belegen das architektonische Konzept und die architektonischen Einzelformen (z. B. der Treppentürme, Erker, Zwerchhäuser bzw. Giebel) von Residenzschlössern wie dem nassauischen Weilburg oder dem hessischen Kassel die Anziehungskraft des von den Wettinern vorgegebenen Anspruchsniveaus. Daß zu dieser Qualität auch andere bedeutende Höfe wie derjenige der welfischen Herzöge in Celle, die kurpfälzischen in Heidelberg und Neuburg a.D. oder die Wittelsbacher in Landshut und München beitrugen und seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts sogar ihrerseits eine Führungsposition einnahmen, vermag das Verdienst der Wettiner nicht zu schmälern, den Schloßbau im Alten Reich maßgeblich auf internationales Niveau gehoben zu haben. Dieses Niveau zeigt sich in besonderer Weise in dem Bemühen, eine seit dem hohen Mittelalter tradierte und zum Inbegriff adliger Architektur gewordene Formensprache so zu verändern, daß sie einerseits den überlieferten Formenkanon bewahrte und andererseits durch die gezielte Rezeption französischer und auch italienischer Baumuster an die ästhetische und funktionale Qualität der maßgeblichen europäischen Hofbaukunst herangeführt wurde. Für die im Auftrag des wettinischen Fürstenhauses arbeitenden Architekten ging es also darum, an die außerhalb des Reichs im höfischen Bauwesen vorherrschende Moderne Anschluß zu finden, ohne dabei die der deutschen Adelsarchitektur eigentümlichen Traditionslinien zu leugnen. Deshalb blieb das vielgestaltige, von Türmen, Toren und einzelnen Häusern bestimmte Äußere der mittelalterlichen Burg weiterhin charakteristisch, wurde jedoch gleichzeitig in den Ordnungsrahmen einer moderneren Regelhaftigkeit gespannt und mit der konstruktiven Raffinesse und vornehmen Eleganz französischer bzw. italienischer Vorbilder ausgestattet. Die immer wieder zu beobachtenden »manieristischen« Formlösungen (z. B. in Torgau, Dresden, Augustusburg oder Güstrow) sind somit als Ergebnis einer bewußten Auseinandersetzung mit den eigenen ästhetischen Prämissen und denjenigen der süd- und westeuropäischen 5 Hauptstaatsarchiv Dresden (HSAD ), Loc. 8504, Mecklenburgk Hertzog Johann Albrechts und Christophs Schreiben an Churfürst Augusten zu Sachsen von dem 1553 biß uf das 1583ste Jahr, S. 4.

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Höfe zu verstehen und letztlich dem Ziel einer identitätsstiftenden, regional verankerten Formgebung verpflichtet, die gleichwohl nicht auf die internationale Geste verzichten mußte. Hier bestehen wiederum bemerkenswerte Parallelen zur zeitgleichen französischen Hofbaukunst (z. B. Blois, Chambord oder Fontainebleau), die sich ebenfalls durch die sozusagen französische Interpretation der von Italien rezipierten Architekturformen auszeichnet. Doch die Konzepte, die Arnold von Westfalen, Konrad Krebs, Graf Rochus von Lynar, Caspar Vogt von Wierandt und andere für die Residenzschlösser und repräsentativen Jagdsitze ihrer fürstlichen Auftraggeber entwarfen und zu großen Teilen auch verwirklichten, dienten nicht nur dem ästhetischen Kräftemessen im Sinne der l’art pour l’art, sondern besaßen ihre tiefere programmatische Begründung. In der architektonischen Gestalt der Meißener Albrechtsburg, des Torgauer und Dresdner Schlosses oder von Schloß Augustusburg bei Chemnitz sollten einerseits mit den retrospektiven Elementen die traditionellen Merkmale fürstlichen Regententums im Alten Reich und andererseits mit den prospektiven, auf Frankreich und Italien bezogenen Elementen die Ausrichtung an internationalen Maßstäben höfischer Regierungskunst und Hoforganisation zur Anschauung gebracht werden. Während zur ersten Aufgabenstellung der Nachweis von dynastischer Dignität, d. h. der Altehrwürdigkeit des Hauses, von angestammten Herrschafts- und Besitzrechten und der von Gott im Sinne des vicarius christi verliehenen Tugendhaftigkeit und wehrhaften Stärke des Fürstenhauses zählten, gehörten zur zweiten Aufgabe die Versinnbildlichung der im Fürsten inkarnierten göttlichen Sapientia und die Verwirklichung einer von ihr her gelenkten zentralisierenden Herrschaft über Hof und Territorium. Somit reagierte die zunächst von den Wettinern angestoßene und dann sehr rasch von den umliegenden Territorien rezipierte Weiterentwicklung der Bauaufgabe Schloß unmittelbar auf die veränderten bzw. gewachsenen Ansprüche von Landesherrschaft in der beginnenden frühen Neuzeit. Welchen Wert sprachen die herrschaftlichen Auftraggeber und die zeitgenössischen Betrachter von Schloßbauten dem vorgezeigten architektonischen Erscheinungsbild und seinen Einzelelementen konkret zu? Was genau assoziierten sie mit der Vielzahl von unterschiedlichen Turmbauten, Torhäusern oder Repräsentations-, Wohn- und Verwaltungsgebäuden, die sich zudem in der Regel noch als Bestandteile einer jahrhundertealten Baugeschichte präsentierten? Ausgehend von den Residenzschlössern der Wettiner und der angrenzenden Territorialherren und schließlich erweitert um vergleichende Beispiele aus 389

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dem ganzen Alten Reich konnte in der vorliegenden Arbeit den genannten Einzelelementen wie dem Gesamterscheinungsbild ein konkretes, auch quellenkundlich faßbares Bedeutungsspektrum zugeordnet werden. Hierfür wurden zum Teil erstmalig Quellengattungen herangezogen, die wie die Hofordnungen, Fürstenspiegel oder Teilungsurkunden für architekturanalytische Fragestellungen des Untersuchungszeitraums bislang keine oder nur untergeordnete Beachtung fanden. Gleiches gilt für eine andere Quellengattung, die in bisherigen Untersuchungen meist nur auf ihren bauarchäologischen Aussagewert hin geprüft wurde: die bildlichen Darstellungen von Burgen und Schlössern in der Buch- und Tafelmalerei sowie der Druckgraphik des 15. und 16. Jahrhunderts. Dabei vermag eine Analyse bildlich wiedergegebener Schloßbauten im ikonographischen und ästhetischen Kontext der Bilder wichtige Hinweise auf die ideengeschichtliche Dimension von Adelssitzen zu geben. Als wichtigstes Kernelement darf der Turm bezeichnet werden, dessen Wertschätzung allein schon darin begründet lag, daß er das Urbild adliger Wehr- und Wohnarchitektur tradierte und im Sinne eines pars pro toto zeichenhaft für die ganze Burg- bzw. Schloßanlage stand. Darüber hinaus galt er als architektonisches Bild für die fürstliche Tugend der Fortitudo und der hiermit in engem Zusammenhang stehenden Tugend der Justitia. Der von Ulrich Schütte erstmals untersuchte zeichenhafte Charakter von Wehrhaftigkeit im frühen deutschen Schloßbau sollte daher nicht nur als Ausdruck für die militärische Kultur des Adels verstanden werden, sondern in gleicher Weise als Demonstration der wehrhaften Gerechtigkeit fürstlichen Regententums. Folgerichtig konzentrierten sich auch im Schloß der beginnenden frühen Neuzeit auf den Turm eine Reihe von charakteristischen Funktionen, die aufs engste mit den zentralen materiellen und ideellen Werten eines Adelsbzw. Fürstenhauses zusammenhingen und dem Turm ausgesprochen symbolische Qualitäten verliehen. Das Spektrum reicht vom juristischen Hoheitszeichen bzw. Rechtskörper (eine Funktion, die sich unmittelbar aus der Übertragung zentraler herrschaftlicher Gerichts- und Besitzrechte, sog. »Herrlichkeiten« und »Gerechtigkeiten«, auf Burgbzw. Schloßtürme ergab und – wie beim einstigen Roten Turm der Meißener Albrechtsburg – zur Verortung des Hofgerichts am Schloßturm führen konnte), bis zum repräsentativen Denkmal für die Dignität einer Dynastie. Aus den rechtlichen und dynastischen Funktionen läßt sich recht zwanglos eine weitere Eigentümlichkeit von Schloßtürmen erklären: ihre Verwendung als Ort des Hofgefängnisses, des Familienarchivs und der sog. Stammstube, in der meist ein gemalter Stamm390

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baum, Herrscherporträts sowie Wappenschilde die in mythologischer Vergangenheit wurzelnde Familiengeschichte nachweisen sollen (so z. B. in Wittenberg oder Torgau). Das rechtliche und dynastische Moment einer Schloßherrschaft findet sich im Schloßturm gleichsam materialisiert, weshalb es nicht weiter verwundert, wenn alte Rechte und dynastische Altehrwürdigkeit über das Vorzeigen alten Baumaterials gewissermaßen sinnlich erfahrbar gemacht werden. Der Erhalt alter Schloßtürme in einem ansonsten zumindest äußerlich modernen architektonischen Kontext, wie er bei zahlreichen Schloßanlagen (so z. B. in Aschaffenburg) immer wieder erstaunt konstatiert worden ist, findet hier seine programmatische Erklärung. Zugleich weist er uns auf eine wichtige ästhetische Norm jener Zeit hin, durch die altes Baumaterial und alte Formen zu wirkmächtigen Bedeutungsträgern und Gegenständen einer fürstlichen Erinnerungskultur erhoben werden. Dies gilt im übrigen auch für das fürstliche Haus, das neben dem Turm das andere Kernelement des spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Schloßbaus darstellt. In ihm verkörperte sich sprichwörtlich die Stellung des einzelnen Fürsten als regierendes Oberhaupt seiner Familie und seines Hofes und die hieraus abgeleitete Verpflichtung zu patriarchalischer bzw. hausväterischer Fürsorglichkeit und ehrendem Gedächtnis der Vorväter. Die Errichtung eines neuen bzw. der modernisierende Umbau eines bestehenden Hauses nach Regierungsantritt bei gleichzeitigem Erhalt weiterer älterer Fürstenhäuser auf demselben Schloßareal (so z.B. in Zerbst, Dessau, Berlin oder Heidelberg) ist sichtbarer Ausdruck dieses generationenübergreifenden Vermächtnisses und des mit ihm verbundenen fürstlichen »Gedechtnuß«. Die Visualisierung dieses anspruchsvollen Komplexes materieller und ideeller Aufgaben im Medium der Baukunst und in den mit ihr zum Teil unauflösbar verbundenen bildkünstlerischen Medien hätte scheitern müssen, wenn ein künstlerisch zwar beeindruckendes, inhaltlich-funktional jedoch wenig aussagekräftiges, da abstraktes architekturtheoretisches Konzept zu Grunde gelegt worden wäre. Der von der älteren aber auch noch der jüngeren Forschung angelegte Maßstab architekturtheoretischer Prämissen im Sinne von Alberti, Serlio oder Palladio, aber auch des für das Alte Reich bedeutsamen Leonhard Christoph Sturms entsprach offensichtlich nicht den inhaltlichen wie ästhetischen Vorstellungen der Zeit. Das pasticciohafte Erscheinungsbild deutscher Schlösser des 15., 16. und auch noch des 17. Jahrhunderts war in seiner Aussagekraft authentischer und damit glaubwürdiger als die wohlproportionierte, von mathematisch-geometrischer Rationali391

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tät bestimmte Gemessenheit der Entwürfe italienischer oder deutscher Architekturtheoretiker. Welche Konsequenzen und Herausforderungen sich hieraus für die Architekten ergaben, konnte außer an den wettinischen Residenzbauten und der an anderer Stelle ausführlicher behandelten Wiener Hofburg6 vor allem anhand des mecklenburgischen Residenzschlosses von Güstrow gezeigt werden: Der im Architekturkonzept von Franz Parr vorherrschende Manierismus ist zu wesentlichen Teilen der glänzend bewältigte Versuch, das Erscheinungsbild eines altehrwürdigen ›deutschen‹ Schlosses mit den Anforderungen einer modernen, durchrationalisierten Fassaden- und Innenraumkonzeption in Einklang zu bringen. Es gab im damaligen Alten Reich nicht viele Schloßbauten, bei denen auf derart geglückte Weise traditionsreiche ›bodenständige‹ und innovative ›fremdartige‹ Ästhetik in ein zwar harmonisches aber dennoch spannungsvolles Verhältnis gesetzt worden ist. Ähnlich aufwendige, mit einem hohen Maß an überregionaler Repräsentationsfähigkeit ausgestattete Entwürfe bestimmten auch die Schloßbaukunst der sächsischen Kurfürsten und Herzöge und der mit ihnen verbundenen mitteldeutschen Territorialherren. Hier sind es vor allem Treppentürme, Erker und Zwerchhäuser gewesen, die – wie in Meißen, Torgau, Dresden, Dessau, Bernburg oder Berlin – zu künstlerischen wie konstruktiven Schaustücken entwickelt wurden. Gleichzeitig erhielten sie mittels bildlicher oder heraldischer Elemente, die vorwiegend die Tugendhaftigkeit und Dignität des Regenten anzeigten, eine zeichenhafte Qualität, die das mit ihnen verbundene Schloßgebäude auch ikonographisch in den Rang eines politischen Denkmals erhob. Unterstützung fand dieses Konzept durch die Ausbildung exklusiver herrschaftlicher Rückzugsräume, die in Anlehnung an das Vorbild der französischen Estudes bestimmte hochgelegene Turmräume zu Sinnbildern der fürstlichen Sapientia bzw. Prudentia und des wachsam beschützenden und kontrollierenden Fürstenblicks werden ließen. Im Medium der Architektur wurde so die heilsgeschichtliche Bedeutung des Fürsten und seiner Dynastie im städtischen bzw. territorialen Raum fürstlicher Herrschaft und darüber hinaus im ganzen Reich anschaulich verankert. Welche durchaus tagespolitische Brisanz damit verbunden sein konnte, ließ sich beispielsweise anhand des Torgauer, Dresdner oder Augustusburger Schlosses darstellen: Erbaut von Fürsten, die unmittelbar in die reformatorischen Auseinandersetzungen verwickelt waren, erhielt ihr jeweiliges Architekturkonzept be-

6 M. Müller, 2000b.

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kenntnishafte Züge, die – wie anhand von Torgau und Dresden erläutert – sogar dialogischen Charakter anzunehmen vermochten. So hatte sich das fürstliche Schloß als bildhaft gestaltete und mit Bildwerken besetzte Architektur in der beginnenden frühen Neuzeit auch im Alten Reich zu einer höchst anspruchsvollen Bauaufgabe gewandelt und war dabei gleichsam zum Bild des Fürsten selbst geworden. Mit Hilfe dieses architektonischen Bildes sollte die Visualisierung einer auch im 16. und 17. Jahrhundert noch zutiefst spirituell-transzendent gedachten fürstlichen Herrschaft erreicht werden und dabei die aus dem Mittelalter überlieferten Anforderungen fürstlichen Regententums mit denjenigen einer frühneuzeitlichen Territorialherrschaft auch im Medium der Architektur zum Ausgleich gebracht werden. Zu ihren vornehmsten Aufgaben gehörte die Durchsetzung und Aufrechterhaltung einer nach himmlischem Urbild geschaffenen irdischen Ordnung, ein Aspekt, der sich in einer bislang kaum beachteten Deutlichkeit in der bildlichen Darstellung von Burgen und Schlössern in der Malerei und Graphik nachweisen ließ. Ordnungsstiftend wirkten aber nicht nur die Schloßbauten des Landesherrn, sondern ebenso die Rathausbauten seiner Städte. Von daher konnte die vorliegende Untersuchung durch die Einbeziehung von Rathäusern landesherrlicher Städte mit einem zunächst überraschenden, letztlich aber vollkommen einsichtigen Ergebnis abgerundet werden: In der Funktion von fürstlichen Amtshäusern im städtischen Raum repräsentieren auch die Rathausbauten zunächst die Anwesenheit und Zuständigkeit fürstlicher Obrigkeit, um in einem weiteren Schritt schließlich auch die der Stadt von der Obrigkeit verliehenen Rechte und Privilegien zu vergegenwärtigen. So kann es nicht verwundern, daß die Rathausarchitektur landesherrlicher Städte ebenso an dem architektonischen Konzept der fürstlichen Residenzschlösser und ihrem metaphorischen Potential partizipierte und gelegentlich sogar der Fürst überlegte, wie Herzog Albrecht von Sachsen-Gotha 1676 im thüringischen Saalfeld das Rathaus zum Residenzschloß zu erheben.

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10. Ausblick

Das aufgezeigte ästhetische und metaphorische Potential deutscher Schloßbaukunst im ausgehenden Mittelalter und in der beginnenden frühen Neuzeit bildete ein wichtiges Fundament für den Schloßbau der zweiten Hälfte des 17. und des 18. Jahrhunderts im Alten Reich. Selbst wenn die barocken Schloßbauten nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges zunehmend dem Postulat einer Formensprache folgten, die unverkennbar von den architekturtheoretischen Debatten in Italien und an der französischen Bauakademie geprägt wurde und die die hier gesetzten Standards einer europäischen Hofästhetik übernahm, blieb die eigene Tradition dennoch unvergessen. Man muß nicht gleich die Wiener Hofburg bemühen, die in ihrer konglomerathaften Gestalt geradezu ein Gegenbild zur wohlproportionierten Form des Louvre oder von Schloß Versailles abgibt,1 um dies nachvollziehen zu können. Es genügt bereits ein Blick auf die Mehrzahl der im Alten Reich nach dem westfälischen Friedensschluß und darüber hinaus entstehenden Schloßanlagen, um die Bildmächtigkeit tradierter, als altehrwürdig empfundener Baumuster zu erkennen. Auf ein bedeutendes Beispiel, die ab 1719 neu entstehende Residenz der Würzburger Fürstbischöfe, wurde schon in der Einleitung hingewiesen. Dieser Neubau in der Residenzstadt brauchte am Ort seines Entstehens auf keine Vorgängerresidenz Rücksicht zu nehmen. Und doch wird in seinen von Lukas von Hildebrand und Balthasar Neumann entworfenen kastellförmigen Baukörpern unübersehbar Bezug auf die alte Residenz auf dem Marienberg genommen und mit ihr auf diese Weise stille Zwiesprache gehalten. Den Alltag höfischen Bauens im Alten Reich nach dem Dreißigjährigen Krieg bestimmten aber weniger die Neubauten auf mehr oder weniger ›traditionsfreiem‹ Gelände, als vielmehr die Erneuerung und Modernisierung älterer Residenzschlösser. Und so gehörte die Auseinandersetzung mit dem Bestehenden und seiner Geschichte zwangsläufig zu den Grundbedingungen der bauherrlichen Überlegungen wie

1 Siehe hierzu M. Müller, 2000b.

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der architektonischen Entwurfspraxis. Anhand von einigen markanten und repräsentativen Beispielen aus dem mitteldeutschen Raum soll im folgenden für das 17. und 18. Jahrhundert der Umgang mit altüberliefertem Baubestand und tradierten Baumustern und ihre Integration in einen neuen, modernen Kontext skizzenhaft dargestellt werden.2 Dieser Ausblick auf die späte Zeit des deutschen Schloßbaus vermag zum einen die fortdauernde Gültigkeit der im 15. und 16. Jahrhundert entwickelten ästhetischen wie programmatischen Grundüberzeugungen zu veranschaulichen. Zum anderen aber kann er Hinweise für ein differenziertes Verständnis des oftmals eigentümlichen Erscheinungsbildes deutscher Schloßbauten des 17. und 18. Jahrhunderts liefern. Dessen Idiom erscheint nur auf den ersten Blick überwiegend französisch bzw. italienisch, während der zweite das Eingebundensein in die eigene ästhetische und historische Kultur offenlegt. In der Konsequenz dieser evolutionären Haltung werden aus Wohntürmen Pavillonbauten, aus turmartigen, zwerchhausbekrönten Risaliten säulenbesetzte, übergiebelte Risalite und aus einzelstehenden fürstlichen Häusern werden in Mehrflügelanlagen eingebundene Corps de logis. Immer aber bleibt der Bezug zum Vergangenen erhalten, was auch weiterhin im bewußten Erhalt und dem pfleglichen Umgang mit alter Bausubstanz seinen Ausdruck findet. Zwar erfolgte im schwarzburgischen Rudolstadt der Wiederaufbau des 1735 niedergebrannten Residenzschlosses aus dem 16. Jahrhundert in den folgenden Jahren (1737 ff.) im Stil des Barock und Rokoko (Abb. 206).3 Doch orientierten sich der Bauherr, Fürst Friedrich Anton, und seine Architekten, Johann Christoph Knöffel und Gottfried Heinrich Krohne, dabei grundsätzlich an der Disposition der Vorgängeranlage, von der auch weite Teile des Mauerwerks bzw. ganze Räumlichkeiten (wie z. B. die Hofstube) in den Neubau integriert wurden. Bemerkenswerterweise ließ Fürst Friedrich Anton den neuen Saalbau mit fürstlichen Appartements in den Grundmauern des alten Saalbaus errichten und bezog dabei auch bewußt den alten, 1508 zuletzt mit einem neuen Abschluß versehenen Bergfried in die Anlage mit ein. Dieser Bergfried bzw. Schloßturm stand im Bereich der Südwestecke des Schlosses und war bei dem Brand von 1735 stark beschädigt wor-

2 Zu den Umbauplänen für das Berliner und das Dresdner Stadtschloß und zur hier wirksamen Bedeutung der Retrospektive siehe Ders., 2004. 3 Zum Schloß siehe L. Unbehaun, Einführung, in: Die Künste und das Schloß in der frühen Neuzeit, 1998, S. 12 ff.; Schloß Heidecksburg, 1996; E. Ulferts, 2000.

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den. Seine Erneuerung erfolgte nach Ausweis der erhaltenen Bauzeichnungen ausdrücklich in Erinnerung an den alten Bergfried und über dessen Fundamenten.4 Die besondere Bedeutung und Altehrwürdigkeit des Rudolstädter Schloßturms läßt sich ungeachtet seiner barocken Formensprache sowohl anhand der Materialästhetik (im Gegensatz zur gelb-weißen Farbfassung der Schloßflügel unverputzter und ungefärbter Sandstein) als auch anhand der risalitartigen Herausarbeitung im Bereich der südlichen, zur Stadt hin gelegenen Fassade erkennen. Im Inneren weist der Einbau des Haupttreppenhauses in den Baukörper des Turms auf dessen repräsentative Qualität hin. Diese Qualitäten nutzte auch der Bauherr eines anderen thüringischen Schlosses, Bernhard I. von Sachsen-Meiningen. Als er ab 1682 in seiner Residenzstadt Meiningen den Grundstein zu einem neuen, modernen Schloß an Stelle eines alten würzburgischen Amtssitzes legen ließ, plante er von Anfang an, die Fassadenmitte des Corps de logis mit einem kubischen Treppenturm zu besetzen (Abb. 207). Seinen Abschluß bildet ein Altan mit einem daraufgesetzten laternenartigen Saalraum, der als Gedächtnisraum für die 1680 verstorbene erste Gemahlin des Bauherrn, Maria Hedwig von Hessen-Darmstadt, und die Dynastie beider Familien konzipiert war. Dieser sog. Hessensaal sollte ursprünglich mit einem Stammbaum aus Porträtbildern ausgestattet werden, worauf noch heute die bereits angebrachten Namenskartuschen hinweisen.5 Bemerkenswerterweise befindet sich im Boden eine große, kreisförmige Öffnung, durch die nicht nur Licht von oben aus dem »Hessensaal« in das darunter liegende Treppenhaus fällt, sondern darüber hinaus den Benutzern der Treppe eine Sichtbeziehung zu dem über ihnen befindlichen dynastischen Gedächtnisraum ermöglicht wird. Die in Meiningen entwickelte Turmlösung ist von derart suggestiver Ausdruckskraft, daß unweigerlich die Erinnerung an die älteren wettinischen Turmschöpfungen des 16. Jahrhunderts wachgerufen wird. So wie in Meißen, Torgau oder Dresden Schloßtürme, Treppentürme oder Wohntürme als Orte der Rechtsbehauptung und des dynastischen Gedächtnisses ausgestaltet wurden, so nutzte Bernhard I. von Sachsen-Meiningen noch im ausgehenden 17. Jahrhundert den Schloßturm seiner neuen Residenz, um ein Gedächtnismal für sein

4 Für diesen Hinweis danke ich dem Direktor des Thüringer Landesmuseums Schloß Heidecksburg, Herrn Dr. Lutz Unbehaun. Zum Turmbau des Rudolstädter Schlosses siehe auch H.-H. Möller, 1956, S. 131 ff. 5 Siehe hierzu E. Ulferts, 2000, S. 34 ff.

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noch junges eigenes Haus und das Haus seiner ersten Gemahlin zu errichten!6 Von der besonderen Bedeutung, die der Turmarchitektur selbst noch im Schloßbau des 18. Jahrhunderts beigemessen wurde, zeugt das Schloß Friedrichs II. von Preußen im brandenburgischen Rheinsberg. Es belegt zudem ein weiteres Mal die anhaltende Wertschätzung älterer Bauteile in einer ansonsten grundlegend modernisierten Anlage. Bei den Umbaumaßnahmen unter Friedrich II. durch Knobelsdorff wurden mit dem Klingenbergturm und dem sich anschließenden Flügel (Abb. 208) wesentliche Teile der mittelalterlichen und renaissancezeitlichen Vorgängeranlagen bewußt in den barocken Neubau integriert.7 Die unter Friedrich II. entstandene Barockanlage verkörpert letztlich die Verdoppelung des Klingenbergturmflügels, so daß der alte Hauptturm des Vorgängerschlosses nicht nur erhalten bleibt, sondern sogar ein weiteres Mal erscheint. Beide Turmbauten verleihen in ihrer runden, massiven Gestalt dem Barockschloß Friedrichs II. auf der Gartenseite einen altertümlichen, auf die rechtlichen und dynastischen Werte alter Schloßtürme rekurrierenden Anstrich. Hinzu kommt die metaphorische Bedeutung des Schloßturmes als Ort der herrscherlichen Gelehrsamkeit und Weisheit, wie er in zahlreichen Schlössern durch die Einrichtung von Rückzugsräumen oder Studierstuben in den Obergeschossen von Türmen verwirklicht wurde. Auch Friedrich II. stellt sich in Rheinsberg in diese Tradition, wenn er sein Studierzimmer im Obergeschoß des Klingenbergturms einrichtet8 und damit zugleich das wichtigste Rechtsdenkmal des Schlosses ›besetzt‹. Ein wichtiger wenn auch sicher nicht unmittelbar wirksamer Vorläufer dieser Raum-

6 Dieser Aspekt hilft die von Edith Ulferts (ebd.) angestellten Überlegungen zur Ikonographie des »Hessensaals« um die architekturtypologischen Hintergründe zu ergänzen. 7 K. W. Hennert, preußischer Leutnant, Baumeister und Schriftsteller in Rheinsberg, schreibt über die ab 1734 durchgeführten Baumaßnahmen unter dem späteren König Friedrich II.: »Mit dem Ausbau des Flügels, welcher nach dem Garten zu stehet, verfuhr Kemmeter [der von Friedrichs Vater bestellte Architekt] auf ähnliche Art [wie beim stadtseitigen Flügel, bei dessen Erbauung »das Fundament dieser alten Façade« weiterverwendet wurde, Anm. M.M.]. Er fand daselbst ein altes nach gothischer Art gebautes Wohnhaus der adlichen Besitzer. Es hatte 124 Fuß in der Fronte und 28 Fuß in der Tiefe, und nach der Wasserseite stieß es an einen runden über 50 Fuß hohen massiven Thurm. Kemmeter bediente sich dieses alten Gebäudes so wie es war […]« (K. W. Hennert, 1778, S. 7 f.). 8 »An die Gallerie stößt ein Cabinet, welches in ein anderes rundes Cabinet führet, worin ehemals die Bibliothek des Kronprinzen, jetzt regierenden Königs Majestät war. Eine vortreffliche Aussicht zeichnet dieses Gemach vor vielen andern aus« (ebd., S. 19).

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lösung ist das Wittenberger Schloß gewesen, in dessen landseitigen Rundtürmen die sächsischen Kurfürsten und ihre Söhne bis zu den Ereignissen des Schmalkaldischen Krieges von 1547 ihre Studierstuben besaßen.9 Für künftige Untersuchungen über das Fortleben der spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Baugewohnheiten bis hinein ins 18. Jahrhundert bietet das gesprengte Potsdamer Stadtschloß beispielhaftes Anschauungsmaterial. Die an ihm nachvollziehbaren baulichen Veränderungen geben zugleich über die Fähigkeit der Architekten Auskunft, den geforderten Konservatismus nicht in eine baukünstlerische Erstarrung münden zu lassen, sondern die überlieferten Grundstrukturen und -formen des Potsdamer Schlosses metamorphosenhaft in immer wieder neue auch ästhetisch anspruchsvolle Architekturkonzepte zu überführen. Bis zum vollständigen Neubau des Schlosses unter dem Großen Kurfürsten wird die mittelalterliche Turmburg aus dem 13. Jahrhundert in alle Umbaumaßnahmen integriert.10 Beim Ausbau des Schlosses unter Kurfürstin Katharina von Brandenburg zwischen 1598 und 1599 blieb jedoch nicht nur der alte, nun mit neuen Erkern und Fenstern versehene Wohnturm aus der Frühzeit der Schloßanlage erhalten, sondern ebenso in großen Teilen die erweiterte Anlage des 14. Jahrhunderts. Hierzu gehörten neben den Ecktürmen der wehrhaften Umfassungsmauer vor allem das Haupthaus, dessen äußere Gestalt nur modifiziert und das Innere neu ausgebaut wurde.11 Die spätrenaissancezeitliche Form des Haupthauses zeichnete sich durch sieben Zwerchhäuser an der Rückseite und fünf Zwerchhäuser an der Hofseite aus. Die an der Hofseite gegenüber der Rückseite fehlenden Zwerch-

9 Siehe hierzu St. Hoppe, 1996, S. 96, S. 119 ff. 10 Siehe die zusammenfassende Darstellung bei H.-J. Giersberg, 1998, S. 9 ff. 11 Auch wenn der genaue Umfang der übernommenen Altbausubstanz nicht bekannt ist, so muß er erheblich gewesen sein; nur so läßt sich jedenfalls die außergewöhnlich kurze Zeit von sechs Monaten (6. April bis 4. Oktober 1598) für die Maurerarbeiten erklären. Wenn es in der Baurechnung der Jahre 1598/99 heißt, »das alte Wohnhaus Potsdam [sei] niedergerissen und ein Fundament zum neuen Gebäude gelegt worden« (zit. nach E. Fidicin, 1858, S. 97), dann bedeutet dies nach aller Erfahrung mit vergleichbaren Umbaumaßnahmen von Schlössern nicht, daß tatsächlich der gesamte Altbau abgetragen wurde (siehe bspw. die diversen Beispiele im anhaltischen Schloßbau der frühen Neuzeit; hierzu H. Dauer, 1999). Es besteht demnach kein Grund, die Ansicht Friedrich Mielkes, 1981, S. 9, zu bezweifeln (so H.-J. Giersberg, 1998, S. 12), im Hauptgebäude des Renaissanceschlosses hätten sich noch die Keller des mittelalterlichen Vorgängerbaus befunden; im Gegenteil, vermutlich stammte sogar noch ein Großteil der Außenmauern aus dieser Zeit!

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häuser wurden durch die Dachabschlüsse eines in der Fassadenmitte stehenden Risalits und eines westlich daneben stehenden Treppenturms eingenommen. Diese beiden repräsentativen, die Fassade akzentuierenden Turmbauten gehörten grundsätzlich zum Vokabular von Schloßanlagen der Renaissance, doch befand sich – wie in Meißen und Torgau vorgebildet – der Risalit in der Regel nur an der Land- bzw. Stadtseite und der Treppenturm an der Hofseite. In seinem Inneren war der Risalit des Potsdamer Schlosses eingebunden in ein herrschaftliches Raumprogramm, zu dem im Erdgeschoß die Hofstube, im ersten Obergeschoß ein Vorsaal zur Kirchstube und im zweiten Obergeschoß schließlich der Festsaal gehörten.12 Von Interesse ist schließlich das Verhalten der nachfolgenden Bauherren: Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg (der sog. Große Kurfürst) ließ zwar tatsächlich den gesamten Altbestand (einschließlich des Wohnturms) abbrechen, doch übernimmt die neue barocke Schloßanlage wesentliche strukturelle Elemente der alten. So befindet sich das Corps de logis weiterhin auf der Südseite und damit im Bereich des alten Haupthauses; von diesem wird als Element – nur quasi in Barockformen neu erbaut – der hofseitige Mittelrisalit übernommen. Schließlich spiegelt sich in den Eckpavillons der neuen Dreiflügelanlage die Grundstruktur der mittelalterlichen und spätrenaissancezeitlichen Anlage mit vier Türmen an den Ecken der Umfassungsmauer wider. Als dann Friedrich II. daran ging, diese barocke Anlage ab 1745 zu modernisieren und zu vergrößern, um darin seine neben Berlin zweite Residenz einzurichten, legte auch er großen, für moderne Betrachter erstaunlichen Wert auf Kontinuität. So werden zwar die seitlichen Flügelanlagen in der Länge verdoppelt, doch durch die Einfügung von Mittelrisaliten an Stelle der barocken Kopfbauten aus der Zeit des Großen Kurfürsten die Struktur der älteren Barockanlage immer noch kenntlich gemacht. Beim Umbau des Corps de logis durch Knobelsdorff verfertigte Friedrich II. selbst einen Entwurf für den Mittelrisalit der Gartenseite und ordnete mit Blick auf den Altbaubestand schriftlich an, »die Eintheilung der Fenster und die Größe der Risalite unverändert zu lassen«.13 Offensichtlich sollte das in seiner Grundstruktur unveränderte Corps de logis zusammen mit den ebenfalls kenntlich gemachten ehemaligen Abschlüssen der Seitenflügel als »Gedächtnis«-Architektur an Friedrichs II. bedeutende Vorfahren (von diesen neben dem 12 Siehe Rekonstruktion bei H.-J. Giersberg, 1998, S. 13. 13 H. L. Manger, 1789/90, S. 70.

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Großen Kurfürsten und seinem Vater Friedrich Wilhelm I. vor allem Friedrich I. als erster preußischer König) und ihre politischen Leistungen erhalten bleiben. In diesen Zusammenhang gehört auch die Konservierung des Fortunaportals an der Stadtseite des Schloßhofs, dessen Errichtung 1701 aus Anlaß der Königskrönung Friedrichs I. von Preußen erbaut worden war. Hier ist Hans-Joachim Giersberg zuzustimmen, wenn er feststellt: »Es mochte durchaus etwas mit der Sparsamkeit des Königs zu tun haben, ebenso spielte jedoch auch ein auf die Zeit Friedrichs I. gerichteter Konservatismus eine nicht geringe Rolle«.14 Der letzte Halbsatz verdient nachdrücklich unterstrichen zu werden, zeigt sich doch im Bauverhalten Friedrichs I. und seiner Vorgänger eine alte Tradition adligen Bauens. Der in ihr begründete gezielte Erhalt wichtiger Bauteile aus der Geschichte der Schloßanlagen, mit deren Hilfe den alten Rechten und der althergebrachten Dignität des Adelshauses sichtbarer Ausdruck verliehen werden sollte, garantierte letztlich auch für die unzerstörbare Authentizität und Historizität des Ortes.

14 H.-J. Giersberg, 1998, S. 63.

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Anhang

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Abbildungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Würzburg, Residenzschloß, Hofansicht 2. Aschaffenburg, Schloß, Hofansicht mit mittelalterlichem Wohnturm 3. Augustusburg bei Chemnitz, Schloß, Ansicht nach Wilhelm Dilich vom Anfang des 17. Jh.s 4. Augustusburg bei Chemnitz, Schloß, Modell mit Rekonstruktion der ursprünglichen Dachgestaltung 5. Meißen, Schloß Albrechtsburg, Ansicht von der Elbseite 6. Meißen, Schloß Albrechtsburg, Hofansicht 7. Berlin, ehem. Schloß, Hofansicht mit Neuem Saalbau (Johann Stridbeck d. J., Bleistiftzeichnung, um 1690) 8. Berlin, ehem. Schloß, Ansicht von der Stechbahn mit Neuem Saalbau (Ansicht nach einem Gemälde von 1685, Stiftung Stadtmuseum Berlin) 9. Augustusburg bei Chemnitz, Schloß, Außenansicht von der Torseite 10. Aschaffenburg, Schloß, Außenansicht von der Stadtseite 11. Merseburg, Bischofsschloß, Hofansicht nach Osten mit südlich angrenzendem Dom 12. Mansfeld, Schloß Vorder-, Mittel- und Hinterort (Kupferstich von M. Merian, um 1650, Ausschnitt) 13. Weilburg, Schloß, Hofansicht mit Wendelstein 14. Weilburg, Schloß, Außenansicht von der Flußseite 15. Torgau, Schloß, Neuer Saalbau, Hofansicht 16. Torgau, Schloß, Neuer Saalbau, Landseite 17. Torgau, Schloß, Neuer Saalbau, Ansicht der Landseite nach Lucas Cranach (Ausschnitt aus dem Jagdbild des Cleveland Museums of Art, 1544) 18. Dresden, Schloß, Georgenbau, Stadtseite (Ansicht nach A. Weck, 1680) 19. Dresden, Schloß, Georgenbau, Elbseite (Ansicht nach A. Weck, 1680) 20. Dresden, Schloß, Grundriß 21. Augustusburg bei Chemnitz, Schloß, Grundriß (nach Stephan Hoppe) 22. Kassel, ehem. Schloß, Grundriß 23. Rotenburg, ehem. Schloß, Federzeichnung von Landgraf Moritz von Hessen, um 1616 (Staatsarchiv Marburg, C 106) 24. Schmalkalden, Schloß, Grundriß (1. Obergeschoß) 25. Meißen, Schloß Albrechtsburg, Blick in den Großen Saal 26. Wittenberg, Schloß, ursprüngliche Ansicht der Landseite (Zeichnung von W. Dilich, 1626) 27. Wittenberg, Schloß, Grundriß (nach Stephan Hoppe) 28. »Der Palast der Gerechtigkeit« in einem Stich aus »Civitas veri« des Bartolommeo Delbene (Paris 1609, Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel) 29. Miniatur mit der Stephanus-Marter aus dem Stundenbuch des Etienne Chevalier, Chantilly, Musée Condé, ms. 71 (Nantes um 1450/55) 30. Miniatur aus Georg Spalatins Chronik der Sachsen (Werkstatt des Lucas Cranach d. Ä.), Hinrichtung des Obodritenfürsten Wertislaw durch Heinrich den Löwen 1164

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Anhang 31. Wittenberg, Schloß, Grundriß des 1. Obergeschosses mit Stammstube im Südwestturm (nach Stephan Hoppe) 32. Torgau, Schloß, Neuer Saalbau, Grundriß des 3. Obergeschosses mit Stammstube im elbseitigen Turmanbau (nach Stephan Hoppe) 33. Meißen, Schloß Albrechtsburg, Grundriß des 2. Obergeschosses (nach Stephan Hoppe) 34. Saumur, Schloß, Ansicht von Südosten mit Kabinetturm 35. Paris, ehem. Stadtschloß, Ansicht von der Gartenseite nach dem Bild des Monats Juni in den Très Riches Heures des Duc de Berry (Ausschnitt) 36. Vaux (Maine-et-Loire), Schloß, Grundriß (aus: U. Albrecht, 1995). 37. Baugé, Schloß, Ansicht des Corps de logis mit Lukarnen 38. Meillant, Schloß, Ansicht des Corps de logis mit Lukarnen 39. Paris, Louvre, Cour carré 40. Meißen, Schloß Albrechtsburg, Großer Wendelstein, Inneres 41. Vincennes, Schloß, Schnitt durch den Donjon 42. Bourges, Palais Jacques Coeur, Innenhof mit Haupttreppenturm 43. Torgau, Schloß, Kapellenflügel, Schöner Erker 44. Torgau, Schloß, Grundriß der Gesamtanlage (1. Obergeschoß) (nach Stephan Hoppe) 45. Torgau, Schloß, Neuer Saalbau, Großer Wendelstein 46. Torgau, Schloß, Neuer Saalbau, Großer Wendelstein, tribünenartiger Unterbau (Altan) 47. Torgau, Schloß, Neuer Saalbau, Hauptportal, Gebälk mit rekonstruiertem Bildprogramm (nach Peter Findeisen) 48. Dresden, Schloß, Holzmodell von Paul Buchner, ca. 1590, überarbeitet im 17. Jh. (Original verschollen) 49. Dresden, Schloß, Holzmodell von ca. 1535 50. Ancy-le-Franc, Schloß, Außenansicht 51. Wien, Hofburg, Ansicht des 17. Jh.s 52. Torgau, Schloß, Hausmannsturm mit Loggia 53. Dresden, Schloß, Loggia des Hausmannsturms (Detail aus einer Zeichnung nach G. Tzschimmer, 1680) 54. Dresden, Schloß, Nordflügel, Hofansicht (Zeichnung mit der Tierhatz im großen Schloßhof unter Johann Georg II., um 1680) 55. Torgau, Schloß, Hausmannsturm, Fürstenbildnisse an der Loggia 56. Dresden, Schloß, Nordflügel, nordöstlicher Treppenturm (Aufnahme von 1939) 57. Dresden, Schloß, Nordflügel, nordwestlicher Treppenturm (Aufnahme von 1900) 58. Chambord, Schloß, Treppenturm im nördlichen Innenhof 59. Ecouen, Schloß, Außenansicht 60. Chambord, Schloß, Außenansicht von Westen 61. Chambord, Schloß, Grundriß 62. Chambord, Schloß, Außenansicht von Osten 63. Berlin, ehem. Schloß, Spreeflügel (Detail aus einer Zeichnung von Johann Stridbeck d. J., 1691) 64. Dessau, Schloß, Johannbau, Hofansicht 65. Halle, Dom, Außenansicht von Osten 66. Dessau, Schloß, Johannbau, Treppenturm, ursprüngliche Brüstungen und Treppengeländer des Altans

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Abbildungsverzeichnis 67. Dessau, Schloß, Johannbau, Treppenturm, Gewölbe im Inneren des Altans 68. Dessau, Schloß, Johannbau, Nordgiebel mit Kaiserwappen 69. Bernburg, Schloß, Wolfgangbau, erkerartige Türme, Ausschnitt mit Porträtmedaillons (u. a. Kaiser Karls V.) 70. Bernburg, Schloß, Wolfgangbau mit rechts anschließendem Joachim-ErnstBau 71. Zerbst, ehem. Schloß, Ansicht um 1693 (Kupferstich von 1710) 72. Bernburg, Schloß, Langes Haus (Wolfgangbau mit rechts anschl. JoachimErnst-Bau), Grundrisse (nach Stephan Hoppe) 73. Bernburg, Schloß, Ansicht vom Saaletal 74. Bernburg, Schloß, Joachim-Ernst-Bau, Standerker mit Tugendallegorien 75. Mansfeld, Schloß Vorderort, Treppenturm 76. Mansfeld, Schloß Mittelort, Reste des Erkers an der Nordostecke des GoldenenSaal-Baus 77. Torgau, Schloß, Neuer Saalbau, südlicher Eckerker 78. Marburg, Schloß, Gesamtansicht von Südosten 79. Kassel, ehem. Schloß, Außenansicht (nach einer Zeichnung des 18. Jh.s) 80. Schmalkalden, Schloß, Außenansicht von der Stadtseite 81. Torgau, Schloß, Schloßkapelle, Inneres nach Osten 82. Güstrow, Schloß, Außenansicht von Südwesten 83. Marburg, Schloß, Außenansicht mit Saalbau von Nordwesten 84. Goslar, Rathaus, Außenansicht, Marktseite (Aufnahme vor 1920) 85. Torgau, Schloß, stadtseitige Fassade 86. Loches, Schloß, Außenansicht von Nordosten 87. Innsbruck, Schloß, grabenseitige Fassade (Zeichnung von August Hirschvogel [?]) 88. Halle, Schloß Moritzburg, Torturm 89. Scheinfeld (Franken), Schloß Schwarzenberg, Torturm 90. Schmalkalden, Schloß, Hofansicht nach Osten 91. Heidelberg, Schloß, Hofansicht nach Norden (nach einer Radierung von Johann Ulrich Kraus, um 1683) 92. Baden-Baden, Neues Schloß, Hofansicht mit Corps de logis 93. Schwerin, Schloß, hofseitige Fassadenabwicklung (Zeichnung von K. F. Schlie, 1897, nach dem Bestand von 1844) 94. Gottorf, Schloß, Neues Haus, Hofansicht 95. Güstrow, Schloß, ehem. Ostflügel (Zeichn. des 18. Jh.s) 96. Zerbst, ehem. Schloß, Lageplan von ca. 1550 (Zeichnung des Baumeisters Ludwig Binder) 97. Torgau, Schloß, Hofansicht mit Schloßkapelle und Kapellenturm (rechts) 98. Wittenberg, Schloß, Außenansicht der Schloßkapelle mit Schloßturm 99. Augustusburg bei Chemnitz, Schloß, Ansicht der Schloßkapelle von der Hofseite 100. Köthen, Schloß, Torturm 101. Altenburg (Thür.), Blick über die Stadt auf das Schloß mit Kapelle und Bergfried (sog. Mantelturm) 102. Bernburg, Schloß, Innenhof mit Bergfried (sog. Eulenspiegel) 103. Weikersheim, Schloß, Innenhof mit Bergfried 104. Würzburg, Feste Marienberg, Innenhof mit Bergfried 105. Bernburg, Schloß, Torseite mit sog. Blauem Turm

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Anhang 106. 107. 108. 109. 110. 111. 112. 113. 114. 115. 116. 117. 118. 119. 120. 121. 122. 123. 124. 125. 126. 127. 128. 129. 130. 131. 132. 133. 134. 135. 136. 137.

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Büdingen, Schloß, Außenansicht mit Bergfried Sondershausen, Schloß, Hofansicht mit Schloßturm Sondershausen, Schloß, Turmraum (sog. »Gewölbe am Wendelstein«) Freiberg, Schloß, Ansicht nach einem Stich von 1770/80 Schwerin, Schloß, sog. »großes neues Haus« mit turmartigem Anbau (sog. »Zwinger«) Schmalkalden, Schloß, sog. Kristallturm Güstrow, Schloß, Wohnturm des Nordflügels, Innenhofansicht Weikersheim, Schloß, Südflügel, Treppenturm, abschließende Decke mit Wappen der Grafen von Hohenlohe-Weikersheim Merseburg, Schloß, Kammerturm, Innenansicht mit abschließendem Gewölbe Merseburg, Schloß, Kammerturm, Unterseite des Treppenlaufs mit Domherrenwappen Meißen, Schloß Albrechtsburg, Großer Wendelstein mit Brüstungsreliefs des ersten und zweiten Obergeschosses Torgau, Schloß, Neuer Saalbau, Großer Wendelstein, Blick auf das abschließende Gewölbe unterhalb der Turmstube Torgau, Schloß, Neuer Saalbau, Großer Wendelstein, Blick auf die Wendeltreppe im ersten Obergeschoß Torgau, Schloß, Neuer Saalbau, Inneres, Blick in den südlichen Eckerker Chateaudun, Schloß, Treppenturm des frühen 16. Jh.s Blois, Schloß, Flügel Franz’ I., Hoffassade Azay-le-Rideau, Schloß, Ansicht von der Gartenseite Albrecht Dürer, Hofansicht der Innsbrucker Hofburg (Aquarell, 1495, Wien, Graph. Sammlung Albertina) Fontainebleau, Schloß, rekonstruierte Hofansicht mit doppelläufiger Freitreppe Franz’ I. Rom, Kapitol, Senatorenpalast, Fassade mit Freitreppe Leyden, Rathaus, Fassade mit Freitreppe (Entwurf von Lieven de Key, 1594) Altenburg (Thür.), Rathaus, Marktfassade mit Rathausturm (Aufnahme um 1960) Altenburg (Thür.), Rathaus, marktseitiger rechter Eckerker, Ausschnitt mit Fürstenporträts Baden-Baden, Neues Schloß, Hoffassade des Haupthauses, Ausschnitt mit der Figur der Justitia über dem Hauptportal Heidelberg, Schloß, Friedrichbau, Hoffassade (nach Koch und Seitz) Albrecht Dürer u. a., Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I. (1515, kolorierter Holzschnitt, Staatliche Museen Berlin, Kupferstichkabinett) Augustusburg, Schloß, Hofansicht des Galerieflügels (ehem. Stammstube) Dresden, Schloß, Hoffassade des sog. Langen Ganges Güstrow, Schloß, Hofansicht des Nordflügels mit 1795 abgebrochenem Ostteil (Zeichnung des 18. Jh.s) Büdingen, Schloß, Inneres der Schloßkapelle mit wappenbesetztem Gewölbe Weesenstein, Schloß, Gesamtansicht Stammbaum der Familie von Schönburg von ca. 1760, Ausschnitt mit Schloß Hinter- und Forderglauchau (koloriert und auf Leinen aufgezogen, Museum und Kunstsammlung Schloß Hinterglauchau) Güstrow, Schloß, Hoffassade des Südflügels

Abbildungsverzeichnis 139. Güstrow, Schloß, Westflügel, südlicher Innenraum im 2. Obergeschoß nach Westen 140. Meillant, Schloß, Corps de logis, Dachfirst mit kupfervergoldeten Flammen 141. Kampf der Tugenden und Laster (Detail aus einer Tapisserie, 1. H. 15. Jh., Regensburg, Rathaus) 142. Justitia und Fortitudo, Miniatur aus dem Ambraser Codex für König Robert den Weisen von Neapel, 14. Jh. (Wien, Kunsthistorisches Museum, Cod. ser. nov. 2639, fol. 33) 143. Das Gottesurteil des glühenden Eisens (kolorierte Zeichnung im Codex Lambacensis, 12. Jh., Kloster Lambach, Oberösterreich) 144. Wolfgang Katzheimer, Pflugscharengang der hl. Kunigunde (um 1490, Bamberg, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Altdeutsche Galerie) 145. Chambord, Schloß, abschließender Turmaufsatz der zentralen Wendeltreppe 146. Chambord, Schloß, abschließende Decke der zentralen, doppelläufigen Wendeltreppe mit spiegelbildlichen Namensinitialen und Impresen Franz’ I. 147. Bourges, Palais Jacques Coeur, Ansicht von der Landseite (hochgelegene Estude im linken Turm) 148. Rudolstadt, Schloß Heidecksburg, ehem. Hofstube 149. Schmalkalden, Schloß, ehem. Hofstube 150. Torgau, Schloß, Außenansicht des Schloßtores 151. Güstrow, Schloß, Außenansicht des Schloßtores 152. Fontainebleau, Schloß, Außenansicht der Porte dorée 153. Valençay, Schloß, Außenansicht des Torhauses 154. Schmalkalden, Schloß, Tafelstube, Blick auf die hofseitige, südliche Innenwand mit Tugendallegorien 155. Schmalkalden, Schloß, Tafelstube, südwestliche Ecksituation mit den Sinnbildern von Mäßigkeit und Völlerei 156. Schmalkalden, Schloß, sog. Riesensaal, Blick auf die westliche Innenwand 157. Schmalkalden, Schloß, sog. Riesensaal, Deckengemälde mit der Allegorie der Caritas 158. Schmalkalden, Schloß, sog. Riesensaal, schematische Darstellung des Bildprogramms (Fenstergewändefiguren, Tugendallegorien der Decke, Porträt Wilhelms IV. über der Saaltür) mit Teilrekonstruktion des Deckenprogramms (Schema: Matthias Müller 1999) 159. Schmalkalden, Schloß, sog. Riesensaal, Porträt Wilhelms IV. über dem Portal an der Kaminseite 160. Schmalkalden, Schloß, sog. Riesensaal, nördliche Innenwand mit Kamin 161. Schmalkalden, Schloß, sog. Riesensaal, östliche Saalwand, Darstellung eines antiken Kriegers 162. Schmalkalden, Schloß, sog. Riesensaal, östliche Saalwand, Figur des Harpokrates 163. Schmalkalden, Schloß, sog. Riesensaal, östliche Saalwand, Figur des Königs Salomo 164. Schmalkalden, Schloß, sog. Riesensaal, östliche Saalwand, Figur des Melchisedek 165. Schmalkalden, Schloß, sog. Riesensaal, östliche Saalwand, Figur der Urania 166. Très Riches Heures, Monatsbild Dezember (fol. 12) mit der Darstellung von Schloß Vincennes 167. Ambrogio Lorenzetti, Die Auswirkungen des guten Regiments für das Land (Siena, Palazzo Pubblico, Sala dei Nove)

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Anhang 168. Apokalypse von Angers, Offenbarung des Johannes, Erscheinung des Himmlischen Jerusalems (Tapisserie, Schloß von Angers) 169. Très Belles Heures des Herzogs von Berry, Blatt der Heilig-Geist-Prim (p. 169), Auferstehung der Toten 170. Christus entsendet den heiligen Jakobus zum Predigen nach Spanien, Miniatur aus dem goldenen Buch des François de Guise (2. H. 14. Jh., Chantilly, Musée Condé) 171. Stundenbuch für Paris, Hirtenverkündigung (1407, Oxford, Douce 144, fol. 68 v) 172. Très Riches Heures, Hirtenverkündigung (fol. 48 r) 173. Stundenbuch für Nantes, Martyrium der hl. Katharina (London, British Library, Add. 28785, fol. 173 v) 174. Dieric Bouts, Die Gerechtigkeit Kaiser Ottos III., Tafel mit der Verleumdung und Hinrichtung des Grafen (Brüssel im Musée Royaux des Beaux-Arts) 175. »Le Château périlleux« und »L’Horloge de Sapience«, die Sieben Tugenden (Paris, Bibliothèque Nationale, Cod. franc. 445.) 176. Jan van Eyck, Die Madonna des Kanzlers Rolin (Paris, Louvre) 177. Benozzo Gozzoli, Dreikönigenzug, Fresko der südlichen Kapellenwand (Florenz, Palazzo Medici-Riccardi, Hauskapelle) 178. Raphael, Madonna mit Kind und Buch (ca. 1502/03, Pasadena, Norton Simon Museum of Art) 179. Lucas Cranach d. Ä., »Das Herz der dreieinigen Gottesliebe« bzw. »Die Verehrung des Herzens Jesu« (1505, London, The British Museum) 180. Lucas Cranach d. Ä., Katharinenaltar, Mitteltafel (1506, Dresden, Staatliche Kunstsammlung) 181. Lucas Cranach d. Ä., Martyrium der hl. Katharina (ca. 1508, Budapest, RádaySammlung der Reformierten Kirche) 182. Lucas Cranach d. J., Caritas (um 1560, Hamburg, Kunsthalle) 183. Cranach-Werkstatt, Kindersegnung Christi (Entwurf zu einer Tapisserie, um 1540, Leipzig, Graphische Sammlung) 184. Gérard David, Taufe Christi (1505, Brügge, Musée Groeninge) 185. Jacob Lucius, Taufe Christi (1555, Holzschnitt, Berlin, Staatliche Museen, Kupferstichkabinett) 186. Lucas Cranach d. J., Taufe Christi (1556, Gemälde, Berlin, Jagdschloß Grunewald) 187. Albrecht Dürer, Ritter, Tod und Teufel (1513, Kupferstich, Berlin, Staatliche Museen, Kupferstichkabinett) 188. Lucas Cranach, d. Ä., Das Silberne (oder Eiserne?) Zeitalter (1527, Weimar, Kunstsammlungen, Galerie im Schloß) 189. Lucas Cranach d. Ä., Das Goldene Zeitalter (um 1530, Oslo, Nationalmuseum) 190. Lucas Cranach d. Ä. u. J., Große Hirschjagd (1540, Cleveland Museum of Art) 191. Heinrich Aldegrever, Concordia (1549, Kupferstich) 192. Nürnberger Stadtrechtsreformation von 1564, Frontispiz mit den Allegorien von Justitia, Pax, Liberalitas und Concordia 193. Stephan Lochner, Das Jüngste Gericht (um 1435, Köln, Wallraf-Richartz-Museum) 194. Johann de Hemmessen, Das Jüngste Gericht (ca. 1537, Mitteltafel eines Flügelretabels in der Kirche St.-Jacques, Antwerpen) 195. Meister der Bodenseegegend, Weltgerichtsaltärchen, rechter Außenflügel (um 1480, Nürnberg, Germ. Nationalmuseum)

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Abbildungsverzeichnis 196. Gabriel Tola (zugeschr.), Der Untergang der türkischen Herrschaft (ca. 1553/55, Federzeichnung, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstichkabinett, C 1966–38) 197. Gabriel Tola (zugeschr.), Zug der Seligen (ca. 1553/55, Federzeichnung, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. C 1966–33) 198. Leipzig, Rathaus, Ansicht von der Marktseite 199. Wittenberg, Rathaus, Ansicht von der Marktseite 200. Torgau, Rathaus, Ansicht von der Marktseite 201. Görlitz, Rathaus, Figur der Justitia am Fuße der Rathaustreppe 202. Rothenburg o. T., Altes und Neues Rathaus, Ansicht von der Marktseite (Aufnahme um 1900/10) 203. Berlin, ehem. Rathaus mit Rathausturm und Gerichtslaube (Lithographie von L. E. Lütke, 1819) 204. Torgau, Rathaus, Runderker, Ansicht von der Marktseite 205. Saalfeld (Thür.), Rathaus, Ansicht von der Marktseite (Aufnahme um 1950) 206. Rudolstadt (Thür.), Schloß Heidecksburg, Ansicht von der Stadtseite 207. Meiningen (Thür.), Schloß, Fassadenansicht mit Haupttreppenturm 208. Rheinsberg, Schloß, Ansicht mit sog. Klingenturm

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Abbildungsnachweis

Abbildungsnachweis

Matthias Müller: 2, 4, 5, 6, 9, 10, 11, 13, 14, 16, 25, 34, 38, 39, 40, 42, 43, 45, 46, 50, 52, 58, 59, 60, 62, 64, 65, 67, 68, 69, 70, 73, 74, 80, 81, 82, 83, 85, 88, 89, 90, 92, 97, 98, 99, 100, 102, 103, 105, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 118, 120, 121, 122, 129, 132, 138, 139, 140, 145, 146, 147, 150 – 165, 198, 199 Archiv des Verfassers: 78 Bildarchiv des Caspar-David-Friedrich-Instituts der Universität Greifswald: 1, 15, 26, 30, 41, 123, 125, 131, 136, 144, 167, 168, 170, 184, 187, 188, 193, 194, 208 Bildarchiv Foto Marburg: 56, 57, 84, 101, 104, 127, 128, 133, 201, 202, 205, 207 Reproduktionen aus: Albrecht, Uwe, 1995: 36, 37, 94 Badstübner, Ernst, 1995: 8 Bartmann-Kompa, Ingrid, 1991: 203 Belting, Hans/Kruse, Christiane, 1994: 174, 176 Dauer, Horst, 1999: 71, 96 Decker, Klaus-Peter/Großmann, G. Ulrich, 1999: 106, 135 Der silberne Boden, 1990: 109 Die Très Riches Heures des Jean Duc de Berry im Musée Condé Chantilly, Vorwort von Millard Meiss, Einführung und Bilderläuterungen von Jean Longnon u. Raymond Cazelles, München 1973: 35, 166, 172 Findeisen, Peter/Magirius, Heinrich, 1976: 17, 47, 55, 77, 119, 200 Gernentz, Wilhelm, 1963: 95, 134 Hancke, Hansjochen, 1992: 189 Handy, Peter, 1985: 24 Heckner, Ulrike, 1995: 18, 19, 20, 48, 49, 53, 54, 196, 197 Heppe, Dorothea, 1995: 22, 79 Hoppe, Stephan, 1996: 21, 27, 31, 32, 33, 44, 72 Jesse, Wilhelm, 1913: 93, 110 KDM Dessau: 66 König, Eberhard, 1982: 29, 169, 171, 173 Kunst der Reformationszeit, 1983: 180 Kuyper, W., 1994: 126 Lucas Cranach, 1994: 181, 190 Lukas Cranach. Gemälde, Zeichnungen, Druckgraphik, Basel/Stuttgart 1974: 179 Martin Luther und die Reformation in Deutschland, 1983: 182, 183, 185, 186 Moritz der Gelehrte, 1997: 23 Oechelhäuser, Adolf von, 1987: 91, 130 Peschken, Goerd, 1992: 7, 63 Prinz, Wolfram/Kecks, Ronald G., 1994: 61, 86, 124, Röber, Dieter, 1999: 137 Roch, Irene, 1997: 12, 75, 76 Roettgen, Steffi, Wandmalerei der Frührenaissance in Italien 1400–1470, Bd. 1, München 1996: 177

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Abbildungsnachweis Roth, Gertrud, 1979: 195 Schild, Wolfgang, 1985: 143 Schild, Wolfgang, 1995: 141, 142, 175 Schloß Heidecksburg Rudolstadt, 1996: 148, 349 Schloß Sondershausen mit Park, 1997: 107, 108 Schloß Wilhelmsburg in Schmalkalden, 1999: 111, 149 Schütte, Ulrich, 1994: 3, 87 Tipton, Susan, 1996: 28, 191, 192 Wagner, Christoph, 1999: 178 Wiener Hofburg. Neue Forschungen (Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege, 1997, Heft 3/4): 51

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Abbildungsnachweis

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Quellen- und Literaturverzeichnis

Ungedruckte Quellen Gesamtarchiv des Fürsten zu Ysenburg und Büdingen zu Büdingen (Büdinger Archiv), Urk. Nr. 5265, Nr. 5327 (Landesteilung). Hofordnung des Kurfürsten August von Sachsen (1553): »Churfürst Augusti Original-Hoff-Ordnung f. d. Torgau den 30. [richtig: 3.] Okt. 1553«, fol. 4v-5r, Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, Loc. 32436, Nr. 3. Hofordnung Schloß Torgau 1553 [Hoford. Torgau 1553]: »Churfürst Augusti OriginalHoff-Ordnung f. d. Torgau den 30. [richtig: 3.] Okt. 1553«, Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden [SächsHStA Dresden], Loc. 32436, Nr. 3. Inventar Schloß Augustusburg 1576 [Inv. Augustusburg 1576]: Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden [SächsHStA Dresden], Loc. 8696 (notwendiger Titel der Gesamtakte: Unterschiedliche Verzeichnüße über Betten und Leinen Geräthe … 1588–1613). Inventar Schloß Torgau 1547 [Inv. Torgau 1547], Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden [SächsHStA Dresden], Rep. A 25 a I, I, Nr. 2334. Inventar Schloß Torgau 1548 [Inv. Torgau 1548]: »… Wie die Gemach Im Schloss Torgau den 29. Septembris 1548 Zuegerichtet unnd Gezieren sind gefunden …«, Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden [SächsHStA Dresden], Loc. 8695 Nr. 8. Inventar Schloß Torgau 1563 [Inv. Torgau 1563]: »Inventarium im Schloß zu Torgau 1563«, Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden [SächsHStA Dresden], Rep. A 25 a I, I, Nr. 2336. Inventar Schloß Torgau 1601 [Inv. Torgau 1601]: »Inuentarium über das Churfürstl. Sechssische Schloss Harttenfels zu Torgau und desselben einverleibten Hauss- und Bettgereth Anno 1601«, Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden [SächsHStA Dresden], Rep. A 25 a I, I, Nr. 2342. Inventar Schloß Torgau 1610 [Inv. Torgau 1610]: »Inventarium des Schlosses Hartenfels 1610«, Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden [SächsHStA Dresden], Rep. A 25 a I, I, Nr. 2343. Inventar Schloß Wittenberg 1539 [Inv. Wittenberg 1539]: Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar [ThHStA Weimar], EGA , Reg. Bb. 2818c. Inventar Schloß Wittenberg 1618 [Inv. Wittenberg 1618]: Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden [SächsHStA Dresden], Rep. A 25 a I, I, Nr. 2396. Mecklenburgisches Landeshauptarchiv Schwerin [MLhA Schwerin], Vormundschaften Vol. I, 1 und 2 von 1576. Mecklenburgisches Landeshauptarchiv Schwerin [MLhA Schwerin], Sammlung Vol. XI, fasc. 7. Mecklenburgk Hertzog Johann Albrechts und Christophs Schreiben an Churfürst Augusten zu Sachsen von dem 1553 biß uf das 1583ste Jahr, Hauptstaatsarchiv Dresden [HSAD ], Loc. 8504. Meinhard, Andreas, Dialogus illustrate et augustissime urbis Albiorene vulgo Vittenberg dicte …, Leipzig 1508.

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Anhang Schenck zu Schweinsberg-Hermannstein, Paket II, Fasz. 1, Acta das Bauen des Hermannsteiner Schlosses betr., Hauptstaatsarchiv Marburg [HStA Marburg], Best. 340. Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar [ThHStA Weimar], EGA , Reg. S. (Bau- und Artillerieangelegenheiten), fol. 283–289, verschiedene Nummern.

Gedruckte Quellen und Literatur Adamiak, Josef, Schlösser und Gärten in Mecklenburg, Leipzig 1977. Adel im Wandel. Politik, Kultur, Konfession 1500–1700, Ausstellungskatalog Rosenburg 1990. Ahrens, Karl-Heinz, Residenz und Herrschaft. Studien zur Herrschaftsorganisation, Herrschaftspraxis und Residenzbildung der Markgrafen von Brandenburg im späten Mittelalter (Europäische Hochschulschriften, Reihe 3, Geschichte und ihre Hilfswissenschaften Bd. 427), Frankfurt a.M. 1990. – [1990b], Art. »Hofordnungen«, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 4, 1990, Sp. 74–76. –, Herrschaftsvorort – Residenz – Hauptstadt. Zentren der Herrschaftsausübung in Spätmittelalter und früher Neuzeit. Phänomene und Begrifflichkeit, in: Residenzstädte und ihre Bedeutung im Territorialstaat des 17. und 18. Jahrhunderts, Gotha 1991, S. 43–54. Alberti, Leone Battista, Zehn Bücher über die Baukunst, hg. von Max Theuer, Darmstadt 1975. Albrecht, Stephan, Das Bremer Rathaus im Zeichen städtischer Selbstdarstellung vor dem Dreißigjährigen Krieg (Materialien zur Kunst- und Kulturgeschichte in Nordund Westdeutschland, Bd. 8), Marburg 1993. Albrecht, Uwe, Von der Burg zum Schloß. Französische Schloßbaukunst im Spätmittelalter, Worms 1986. –, Der Adelssitz im Mittelalter. Studien zum Verhältnis von Architektur und Lebensform in Nord- und Westeuropa, München 1995. Alsdorf, F. K., Untersuchungen zur Rechtsgestalt und Teilung deutscher Ganerbenburgen (Rechtshistorische Reihe 9), Frankfurt a.M. 1980. Altenburger Urkundenbuch (976–1350), bearb. von Hans Patze (Veröffentlichungen der thüringischen Historischen Kommission, Bd. 5), Jena 1955. Andermann, Kurt (Hg.), Residenzen. Aspekte hauptstädtischer Zentralität von der frühen Neuzeit bis zum Ende der frühen Neuzeit, Sigmaringen 1992 (Oberrheinische Studien, 10). Andraschko, Ferdinand, Schloß Schwarzenberg im Wandel der Zeiten, Neustadt a.d. Aisch 1967. Antonow, Alexander, Planung und Bau von Burgen im süddeutschen Raum, Frankfurt a.M. 1983. Arasse, Daniel / Tönnesmann, Andreas, Der europäische Manierismus 1520–1610, München 1997. Architekt und Ingenieur. Baumeister in Krieg und Frieden, Ausstellungskatalog der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, bearb. von Ulrich Schütte, Wolfenbüttel 1984. Architektur als politische Kultur. Philosophia practica, hg. von Hermann Hipp / Ernst Seidl, Berlin 1996. Ariès, Philippe / Chartier, Roger (Hg.), Geschichte des privaten Lebens, Bd. 3: Von der Renaissance zur Aufklärung, Frankfurt a.M. 1991.

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Quellen- und Literaturverzeichnis Auzas, Pierre-Marie u. a., Die Apokalypse von Angers. Ein Meisterwerk mittelalterlicher Teppichwirkerei, München 1985. Avril, François / Reynaud, Nicole, Les manuscrite à peintures en France (1440–1520), Paris 1993. Babelon, Jean-Pierre, Saint Louis dans son palais de Paris, in: Le siècle de Saint Louis, Paris 1970, S. 45–54. –, Chateaux de France au siècle de la Renaissance, Paris 1989. – (Hg.), Le château en France (mit Beiträgen von F. Bercé, R. Borneque, M. de Boüard, F. Boudon u. a.), Paris 1988. Badstübner Ernst, Stadtkirche und Schloßkapelle zu Schmalkalden (Das Christliche Denkmal, 83), Berlin 21983 (11972). –, Schlösser der Renaissance in der Mark Brandenburg (Monumenta Brandenburgica, Bd. 2), Berlin 1995. –, Der Dorfkirchenbau des Barocks in der ehemaligen Herrschaft Schmalkalden, in: Jahrbuch des Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsvereins, Bd. 10 (1995), S. 95–112. Baier, Gerd, Stuckdekor und Stukkateure des 16. und 17. Jahrhunderts im Güstrower Schloß. Ein Vorbericht, in: Mitteilungen des Instituts für Denkmalpflege, Arbeitsstelle Schwerin, Nr. 19, Schwerin 1970, S. 105–120. Bärnighausen, Hendrik, [1990a] Zur Baugeschichte von Schloß Sondershausen, in: Sondershäuser Beiträge I, Sondershausen 1990, S. 2–15. – [1990b] Historische Bauten in Sondershausen, Arnstadt 1990. –, Schloß Sondershausen: Die Stuckdekoration im »Gewölbe am Wendelstein« (1616), in: Die Künste und das Schloß in der frühen Neuzeit, 1998, S. 171–189. –, Ein Rathaus als Residenzschloß? Saalfeld 1676. Zur erwogenen Nutzung des Saalfelder Renaissance-Rathauses als herzogliche Residenz, in: Mitteldeutsches Jahrbuch für Kultur und Geschichte, Bd. 6 (1999), S. 55–65. Bahlow, Hans, Die Büchersammlung Johann Albrechts von Mecklenburg, in: Der niederdeutsche Buchdruck im Schrifttum Dr. Bruno Claussens. Festgruß zum 70. Geburtstag, Neumünster 1950, S. 5–10. Barth, Matthias, Mecklenburgische Residenzen. Landesfürstliche Repräsentationsarchitektur aus sieben Jahrhunderten, Leipzig 1995. Bartmann-Kompa, Ingrid, Das Berliner Rathaus, Berlin 1991. –, Die Berliner Gerichtslaube, in: Denkmale in Berlin und in der Mark Brandenburg, Weimar 1988, S. 127–143. Baudri von Bourgueil, Oeuvres poétiques, hg. von Phyllis Abraham, (Paris 1926) Genf 1974. Bauer, Volker, Hofökonomie. Der Diskurs über den Fürstenhof in Zeremonialwissenschaft, Hausväterliteratur und Kameralismus, Wien 1997. Baumbach, Udo, Burg und Stadt Rochlitz als fürstliche Hofhaltung und Residenz, in: 1000 Jahre Rochlitz. Festschrift, Beucha 1995, S. 33–50. Beck, August, Johann Friedrich der Mittlere – Herzog zu Sachsen, Weimar 1858. Beckmann, Johann Christoff, Historie des Fürstenthums Anhalt. Von dessen Alten Einwohnern und einigen annoch vorhandenen Monumenten / Natürlicher Gültigkeit / Eintheilung / Flüssen / Stäten / Flecken und Dörfern / Fürstl. Hoheit / Geschichten der Fürstl. Personen, …, Zerbst 1710. Beeh, Wolfgang, Zur Bedeutungsgeschichte des Turmes. Der Kapellenturm in Rottweil, in: Jahrbuch für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft, 6 (1961), S. 177–206.

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Anhang KDM Kassel = Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel, Bd. V,

Kreis Herrschaft Schmalkalden, bearb. von Paul Weber, Marburg 1913. KDM Sachsen-Anhalt 13 = Kunstdenkmalinventare des Landes Sachsen-Anhalt,

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Quellen- und Literaturverzeichnis Jahrbuch der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, Bd. 3, Lindenberg 2000, S. 60–87. Schmidt-Möbus, Friederike / Möbus, Frank, Kleine Kulturgeschichte Weimars, unter Mitarbeit von Tobias Dünow, Köln 1998. Schneider, Norbert, Geschichte der Landschaftsmalerei. Vom Spätmittelalter bis zur Romantik, Darmstadt 1999. Schoch, Rainer, Kat. Nr. 131, in: Nürnberg 1300–1550: Kunst der Gotik und Renaissance, Ausstellungskatalog des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg, München 1986. Scholz, Michael, Residenz, Hof und Verwaltung der Erzbischöfe von Magdeburg in Halle in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts (Residenzenforschung, Bd. 7), Sigmaringen 1998. Schrader, Ludwig, der Herrscher nach Erasmus von Rotterdam, in: Der Herrscher. Leitbild und Abbild in Mittelalter und Renaissance, hg. von Hans Hecker (Forschungsinstitut für Mittelalter und Renaissance, Studia humaniora, Bd. 13), Düsseldorf 1990, S. 179–200. Schramm, Percy Ernst, Der König von Frankreich, Bd. 2, Weimar 1939. Schranil, Rudolf, Stadtverfassung nach Magdeburger Recht: Magdeburg und Halle (Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 125), Breslau 1915. Schreiner, Klaus, »Grundherrschaft«. Entstehung und Bedeutungswandel eines geschichtswissenschaftlichen Ordnungs- und Erklärungsbegriffs, in: Hans Patze (Hg.), 1983, 1. Teilbd., S. 11–74. Schröder, Isolde, Die Fresken des Schlosses Wilhelmsburg in Schmalkalden, Diplomarbeit an der Philosoph. Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Jena 1956 (Ms.). Schütte, Ulrich, Die Lehre von den Gebäudetypen, in: Architekt und Ingenieur, 1984, S. 156–262. – [1984a], Schloß und Herrenhaus, in: Architekt und Ingenieur, 1984, S. 242–250. –, Ordnung und Verzierung. Untersuchungen zur deutschsprachigen Architekturtheorie des 18. Jahrhunderts, Braunschweig 1986. –, Zur fiktiven und realen Wehrhaftigkeit hessisch-thüringischer Schloßbauten zwischen 1500 und 1750, in: Frühneuzeitliche Hofkultur in Hessen und Thüringen (Jenaer Studien, Bd. 1), Erlangen 1993. –, Das Schloß als Wehranlage. Befestigte Schloßbauten der frühen Neuzeit im alten Reich, Darmstadt 1994. –, Höfisches Zeremoniell und sakraler Kult in der Architektur des 17. und 18. Jahrhunderts. Ansätze zu einem strukturellen Vergleich, in: Jörg Jochen Berns / Thomas Rahn (Hg.), 1995, S. 410–431. –, Stadttor und Hausschwelle. Zur rituellen Bedeutung architektonischer Grenzen in der frühen Neuzeit, in: Werner Paravicini (Hg.), 1997, S. 305–324. –, Das Fürstenschloß als »Pracht-Gebäude«, in: Die Künste und das Schloß in der frühen Neuzeit, 1998, S. 15–29. –, Sakraler Raum und die Körper der Fürsten. Schloßkapellen und genealogisches Denken in den thüringischen Territorien um 1700, in: K. Heck / B. Jahn (Hg.), 2000, S. 123–135. Schütz, Ernst von, Chronik, Leipzig 1770. Schulz, Knut, »Denn sie lieben die Freiheit so sehr …« Kommunale Aufstände und Entstehung des europäischen Bürgertums im Hochmittelalter, Darmstadt 1992.

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Anhang Stübel, Bruno, Einleitung zu »Keiser Carln des funfften rede, so er zu seinem sohn konig Philipssen gethan, wie ein rechtschaffen regiment von ihme könne angestellet werden« (Archiv für österreichische Geschichte XCIII, 2), 1905. Stuth, Steffen, Mecklenburg im 16. Jahrhundert, in: Stadt und Hof, S. 31–62. –, Höfe und Residenzen. Untersuchungen zu den Höfen der Herzöge von Mecklenburg im 16. und 17. Jahrhundert, Bremen 2001. Straten, Adelheid, Das Judith-Thema in Deutschland im 16. Jahrhundert. Studien zur Ikonographie – Materialien und Beiträge, München 1983. Syndram, Dirk, Die Elfenbeindrechseleien im Grünen Gewölbe – Von der Maschinenkunst zum fürstlichen Sammlungsgegenstand, in: Wiedergewonnen. Elfenbeinstücke aus Dresden, Sonderausstellung Erbach 1995, Erbach/Odw. 1995, S. 6–13. Tanner, Marie, The last Descendent of Aeneas. The Hapsburgs and the mythic Image of the Emperor, New Haven 1993. Tempestini, Anchise, Giovanni Bellini. Leben und Werk, München 1998. Thompson, M. W., The Green Knight’s Castle, in: Studies in Medieval History Presented to R. Allen Brown, hg. von Harper-Bill, Christopher u. a., Woodbridge 1989. Tipton, Susan, Res publica bene ordinata. Regentenspiegel und Bilder vom guten Regiment. Rathausdekorationen in der Frühen Neuzeit (Studien zur Kunstgeschichte, Bd. 104), Hildesheim 1996. Thieme, André, Die Burggrafschaft Altenburg. Studien zu Amt und Herrschaft im Übergang vom hohen zum späten Mittelalter (Schriften zur sächsischen Landesgeschichte, Bd. 2), Leipzig 2001. Tobias Stimmer (1539–1584). Kunst der Spätrenaissance am Oberrhein, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Basel, Basel 1984. Torbus, Thomas, Die Konventsburgen im Deutschordensland Preußen (Schriften des Bundesinstituts für Ostdeutsche Kultur und Geschichte, Bd. 11), München 1998. Turner, A. Richard, The Vision of Landscape in Renaissance Italy, Princeton, N.J. 1966. Träger, Ottomar, Schloß Bernburg, Leipzig 1970. Treitzsaurwein, M., Der Weiß Kunig. Eine Erzählung von den Thaten Kaiser Maximilian des Ersten, Wien 1775 (Nachdruck Leipzig 1985). Treusch von Buttlar, Kurt, Das tägliche Leben an den deutschen Fürstenhöfen des 16. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Kulturgeschichte, IV (1897), S. 1–41. Ulferts, Edith, Große Säle des Barock. Die Residenzen in Thüringen, Petersberg 2000. Ullmann, Ernst, Deutsche Architektur und Plastik 1470–1550, Leipzig 1984. –, Deutsche Malerei, Graphik, Kunsthandwerk 1470–1550, Leipzig 1985. Unbehaun, Lutz, Leben und Schaffen des kurfürstlichen Baumeisters Hieronymus Lotter. Ein Beitrag zur Architekturgeschichte des 16. Jahrhunderts in Mitteldeutschland, Dissertation A an der Karl-Marx-Universität Leipzig, Sektion Kulturund Kunstwissenschaft, Fachbereich Kunstwissenschaft, Leipzig 1983. –, Hieronymus Lotter. Kurfürstlich-Sächsischer Baumeister und Bürgermeister zu Leipzig, Leipzig 1989. Varady-Prinich, Dagmar, Das künstlerische Medium Tapisserie, in: Gobelins für den Weißen Saal im Schloß Wilhelmsburg Schmalkalden. Texte zur Entstehung und Installation zusammengestellt von Dagmar Varady-Prinich, Arbeitshefte des Thüringischen Landesamtes für Denkmalpflege, 3 (1996). [Vasari, Giorgio,] Ragionamenti di Giorgio Vasari sopra le invenzioni da lui dipinte in Firenze nel Palazzo di LL. Altezze Serenissime (zuerst 1588), in: Le opere di Giorgio Vasari (con nuove note e commenti di Gaetano Milanesi), Bd. 8, Florenz 1882, S. 5–223.

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Quellen- und Literaturverzeichnis Ziessler, Rudolf, Die Restaurierung des Riesensaales im Schloß Wilhelmsburg in Schmalkalden, in: Von Farbe und Farben. A. Knoepfli zum 70. Geburtstag (Veröffentlichungen des Instituts für Denkmalpflege an der Eidegnöss. Techn. Hochschule Zürich, Bd. 4), Zürich 1980. Zimmermann, Rolf, Drei Wasserschlösser bei Dresden: Wachau – Hermsdorf – Schönfeld, in: Denkmalkunde und Denkmalpflege. Wissen und Wirken. Festschrift für Heinrich Magirius, 1995, S. 583–610.

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Ortsregister

Ortsregister

Das Register erschließt sowohl den Haupttext als auch den Anmerkungsapparat. Aachen 195 Altenburg 146, 156, 160 f., 167, 172, 209, 211, 359, 371, 375 Ancy-le-Franc 76 Angers 136, 319, 320, 343 Annaberg 48 Annaburg 52, 130, 334 Annweiler 59 Antwerpen 256, 364 Arnstein 105, 106 Arras 327 Artern 105 Aschaffenburg 26, 30, 40, 77 f., 133, 137–139, 142, 185, 211, 231, 238, 240, 308, 386, 391 Asciano 319 Augsburg 151, 255 Augustusburg 27 f., 30, 36, 41, 77 f., 86–89, 91, 117, 121, 131 f., 134, 136, 139, 142, 185, 188, 210, 224, 226, 291, 388 f. Avignon 258, 263, 266 Azay-le-Rideau 202 Babelsberg 370 Babenhausen 157 Baden-Baden 134 f., 188, 212, 226, 236 f., 297, 308 Bamberg 262 Baugé 55, 61 f., 126 Beauregard 70, 131 Berlin 29, 34 f., 47, 94, 129, 133, 136, 139, 150, 177, 188 f., 193 f., 205, 209, 220, 229, 232, 238 f., 244 f., 334, 342, 348, 356, 369, 370, 384, 391 f., 399 Berlin-Cölln 93 f., 168, 177, 369

Bernburg 34, 98 f., 101 f., 105, 110, 122, 134, 136, 142, 146, 156, 163, 165 f., 168, 170, 174, 188, 211 f., 220, 232, 239, 241–245, 359, 392 Bethulia 337 Betlehem 321 Blois 43, 70, 80, 82, 122, 170, 184, 191, 193 f., 198, 200–203, 206, 209, 257, 276, 389 Bornstedt 105 Bourges 61, 64, 82, 126, 251, 270, 321, 354 Brake 186–188, 271 Brandenburg 21, 28, 32, 34, 49, 91, 93, 96, 141, 169, 179, 182, 186, 193, 209, 228, 271, 287, 383, 398 f. Breitenburg 236 Brieg 141 Brügge 339 Bückeburg 172 Budapest 335 Büdingen 105, 163, 168, 172, 230, 232 Burgstädt 66, 147, 358 Bury 204 Celle 19, 22, 47, 126, 139, 172, 211, 232, 279, 388 Chambord 29, 65, 70, 85 f., 88 f., 191, 193, 202 f., 206, 209, 267, 269, 276, 278, 389 Chantilly 51, 320, 354 Chateaudun 202 Chaumont 59, 131 Chemazé 88 Chemnitz 27 f., 30, 36, 41, 77, 87, 121, 188, 291, 389 Coburg 236, 336, 375

453

Anhang Coswig 78, 134 Coucy 43 Crossen 157 Darmstadt 112, 310, 361, 396 Dessau 28, 33 f., 97, 99, 121, 126, 129, 133 f., 136, 189, 204, 213, 219, 220, 282, 340, 373–375, 391, 392 Dippoldiswalde 130 Dobrilugk 130, 183 Dresden 24, 28f., 35f., 39, 41, 44, 52, 57, 60, 69, 73f., 77f., 80, 82, 85f., 89, 112, 114, 116, 119, 121, 133f., 137–139, 144, 151, 168, 170f., 173, 183, 185, 189, 211, 214, 230f., 233, 239, 240, 252, 254, 264, 271, 278, 284, 301, 335, 338, 355f., 358, 364, 386, 388, 392, 396 Durlach 179, 281, 290 f., 304 Ecouen 88 Eisenach 135, 245 Eisleben 104 f., 107 Florenz 157, 319, 329, 342, 344 Fontainebleau 82, 122, 204, 206, 267, 293, 389 Freiberg 48, 54, 130, 162, 176, 188, 226, 368, 372 f. Friedeburg 104, 105 Gaillon 88 Gayette 59, 70, 131 Gelnhausen 135 Glauchau 38, 49, 240, 244 – Hinterglauchau 33, 38, 220, 240 f. Gnandstein 358 Görlitz 366, 368 Goslar 126, 135 Gotha 209, 337, 375, 393 Gottorf 135, 255 Güstrow 24, 28, 123, 135, 138, 144, 186, 188 f., 211, 247, 292, 294, 388, 392 Halberstadt 104, 111 Halle 33, 48 f., 75 f., 96, 109 f., 120, 126, 132, 139, 140, 142, 146, 151, 160, 285, 292 Hamburg 14, 197, 337, 338

454

Hanau 281 Havelberg 195 Heidelberg 24, 136 f., 144, 211 f., 229, 238, 242, 388, 391 Heldrungen 105 f. Hermannstein 162 Hersfeld 56, 161 Hohnstein 175 Innsbruck 277 Jerusalem 136, 319–322, 332, 345, 353f. Kassel 112, 114, 116, 121, 133, 138, 159, 185, 215 f., 226, 239, 294, 297, 302, 304, 388 Köln 352 Köthen 28, 142, 213 Küstrin 130, 378 Lambach 319, 323 Landsberg 160, 285 Landshut 144, 179, 236, 386, 388 Landskron 28 Langeais 62 Lassay-s.-Croisne 131 Laubach 238 Le Moulin 131 Le Plessis-Bourré 62 Leipzig 30, 65, 89, 120, 146, 230, 310, 313, 325, 356, 359, 363 f., 366, 375 Lemgo 186–188 Leyden 204 Lichtental 226 Linz 125 Lochau 52, 278, 334, 348 Loches 126 London 311, 324, 328 f., 334 Löwen 197, 261, 324 Luxemburg 111 Magdeburg 38, 105 f., 111 f. Mainz 232 Mansfeld 28, 32, 34, 52, 75 f., 103–107, 109–112, 126, 129, 140, 189, 232, 278, 341 – Hinterort 49, 75, 76, 106–110, 122, 341 – Mittelort 106 f., 109 f., 130, 183

Ortsregister – Vorder-, Mittel- und Hinterort 33, 76, 106 – Vorderort 106, 108, 110 f. Mantua 258 Marburg 43, 112, 126, 130, 135 f., 139, 162, 172, 184, 216, 226, 232, 295, 306 f., 368, 369 Marly 264 Meillant 61, 126, 251 Meiningen 396 Meißen 19, 27, 33, 41 f., 45, 47, 50, 53, 56 f., 59, 62, 64, 67, 69 f., 78, 89 f., 109, 123, 126, 129–131, 133 f., 140, 142, 146, 160 f., 167, 172, 181, 185, 193–195, 229, 233, 236, 239, 264, 270, 359, 375, 386, 392, 396, 399 Merseburg 33, 62, 127, 192, 193 Montargis 43, 184 Morungen 105 Mühlberg 39, 74, 75, 91, 209 Mühlingen 98 München 138, 345, 388 Münster 98, 195 Münsterberg 98 Nantes 51, 324 Neapel 51, 76, 260, 261 Niederalfingen 47, 143, 151, 237 Nossen 167, 175 Nürnberg 211, 252, 278, 285, 341, 350, 354

Rochsburg 33, 37, 47, 66, 147, 220, 358 Rom 12, 152, 208, 308 Rosenberg 341 Rotenburg 116, 121 Rothenburg o. T. 105, 368 Rottweil 136 Rudolstadt 40, 69, 193, 280, 379, 395 f. Saalfeld 375, 393 Saumur 59, 131, 315 Scheinfeld 132, 141 Schellenberg 36, 87, 91 Schleswig 135 Schmalkalden 37, 78, 116, 121, 133, 138 f., 142, 158, 176, 185, 189, 216, 231, 240, 258, 280, 284, 294–297, 300, 305–307, 309, 311–314 Schwerin 28, 29, 187, 189, 211, 239, 245, 290, 293 Seeburg 104–106 Siena 349 Sondershausen 53, 157, 173, 274, 308, 309 St.-Germain-en-Laye 122 Stettin 138, 282 Stolpen 175 Strelitz 187, 234 Stuttgart 211, 303

Paris 51, 59, 63, 122, 131, 184, 213, 251, 260, 265, 316, 321 f., 324 Petersberg 376 Pienza 80 Pirna 175 Plötzkau 167, 174 Poitiers 321 Potsdam 370, 398 Prag 19, 47, 196 Preßburg 308

Torgau 24, 28, 34, 36, 41, 48, 52, 57, 59, 66–70, 72, 74 f., 78, 80, 83, 86, 89, 92, 95, 97, 100–103, 108, 126, 129, 130f., 133 f., 136, 138 f., 144, 162, 168, 170, 182–184, 189 f., 193 f., 200–203, 205 f., 208 f., 211, 214 f., 225, 231, 239, 240, 242, 252–254, 264, 271 f., 274, 276–278, 284 f., 301, 313, 346, 349, 365 f., 371, 373, 375, 384, 386, 388, 391 f., 396, 399 Tours 263, 279 Trifels 59, 227 Troyes 76

Querfurt 104 f., 111, 193

Urbino 80

Ratzeburg 286 f. Regensburg 260 Rheinsberg 397

Valençay 88, 294 Vatikan 12, 80 Vaux 59, 70, 131

455

Anhang Versailles 19, 263 f., 269, 394 Vincennes 63, 258, 263 f., 267, 269, 293, 316 f., 319, 387 Waldenstein 237 Waldersee 98 Warmsdorf 98 Weesenstein 38, 240 f., 244, 358, 359 Weikersheim 156, 191, 192, 193, 211, 240 Weilburg 34, 189, 388 Weißenberg 367 Weißenfels 226 Weißensee 135 Wetzlar 162 Wien 40, 51, 68, 77, 88, 144, 150, 185, 236, 244 f., 258, 260 f., 342, 348

456

Wiener Neustadt 40, 77, 90, 185, 277 Wismar 189 Wittenberg 19, 22, 28, 41, 47 f., 65, 89, 126, 134, 140, 146, 177, 185, 224 f., 252, 264, 271, 275, 278, 280, 283, 315, 340, 345, 365, 371, 375, 391 Wolfenbüttel 51 Würzburg 140, 232 Zerbst 28, 99, 101, 105, 122, 128, 136f., 163–166, 168, 213, 219–223, 238, 282, 391 Zion 317, 354 Zittau 366 Zwickau 368

Bildteil

Bildteil

Abb. 1: Würzburg, Residenzschloß, Hofansicht

Abb. 2: Aschaffenburg, Schloß, Hofansicht mit mittelalterlichem Wohnturm

457

Anhang

Abb. 3: Augustusburg bei Chemnitz, Schloß, Ansicht nach Wilhelm Dilich vom Anfang des 17. Jh.s

Abb. 4: Augustusburg bei Chemnitz, Schloß, Modell mit Rekonstruktion der ursprünglichen Dachgestaltung

458

Bildteil

Abb. 5: Meißen, Schloß Albrechtsburg, Ansicht von der Elbseite

Abb. 6: Meißen, Schloß Albrechtsburg, Hofansicht

459

Anhang

Abb. 7: Berlin, ehem. Schloß, Hofansicht mit Neuem Saalbau (Johann Stridbeck d. J., Bleistiftzeichnung, um 1690)

Abb. 8: Berlin, ehem. Schloß, Ansicht von der Stechbahn mit Neuem Saalbau (Ansicht nach einem Gemälde von 1685, Stiftung Stadtmuseum Berlin)

460

Bildteil

Abb. 9: Augustusburg bei Chemnitz, Schloß, Außenansicht von der Torseite

Abb. 10: Aschaffenburg, Schloß, Außenansicht von der Stadtseite

461

Anhang

Abb. 11: Merseburg, Bischofsschloß, Hofansicht nach Osten mit südlich angrenzendem Dom

Abb. 12: Mansfeld, Schloß Vorder-, Mittel- und Hinterort (Kupferstich von M. Merian, um 1650, Ausschnitt)

462

Bildteil

Abb. 13: Weilburg, Schloß, Hofansicht mit Wendelstein

Abb. 14: Weilburg, Schloß, Außenansicht von der Flußseite

463

Anhang

Abb. 15: Torgau, Schloß, Neuer Saalbau, Hofansicht

Abb. 16: Torgau, Schloß, Neuer Saalbau, Landseite

464

Bildteil

Abb. 17: Torgau, Schloß, Neuer Saalbau, Ansicht der Landseite nach Lucas Cranach (Ausschnitt aus dem Jagdbild des Cleveland Museums of Art, 1544)

Abb. 18: Dresden, Schloß, Georgenbau, Stadtseite (Ansicht nach A. Weck, 1680)

465

Anhang

Abb. 19: Dresden, Schloß, Georgenbau, Elbseite (Ansicht nach A. Weck, 1680)

466 Abb. 20: Dresden, Schloß, Grundriß (nach Stephan Hoppe)

Abb. 22: Kassel, ehem. Schloß, Grundriß

Abb. 21: Augustusburg bei Chemnitz, Schloß, Grundriß (nach Stephan Hoppe)

Bildteil

467

Abb. 24: Schmalkalden, Schloß, Grundriß (1. Obergeschoß)

Abb. 23: Rotenburg, ehem. Schloß, Federzeichnung von Landgraf Moritz von Hessen, um 1616 (Staatsarchiv Marburg, C 106)

Anhang

468

Bildteil

Abb. 25: Meißen, Schloß Albrechtsburg, Blick in den Großen Saal

Abb. 26: Wittenberg, Schloß, ursprüngliche Ansicht der Landseite (Zeichnung von W. Dilich, 1626)

469

Abb. 28: »Der Palast der Gerechtigkeit« in einem Stich aus »Civitas veri« des Bartolommeo Delbene (Paris 1609, Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel)

Abb. 27: Wittenberg, Schloß, Grundriß (nach Stephan Hoppe)

Anhang

470

Abb. 30: Miniatur aus Georg Spalatins Chronik der Sachsen (Werkstatt des Lucas Cranach d. Ä.), Hinrichtung des Obodritenfürsten Wertislaw durch Heinrich den Löwen 1164

Abb. 29: Miniatur mit der Stephanus-Marter aus dem Stundenbuch des Etienne Chevalier, Chantilly, Musée Condé, ms. 71 (Nantes um 1450/55)

Bildteil

471

Abb. 32: Torgau, Schloß, Neuer Saalbau, Grundriß des 3. Obergeschosses mit Stammstube im elbseitigen Turmanbau (nach Stephan Hoppe)

Abb. 31: Wittenberg, Schloß, Grundriß des 1. Obergeschosses mit Stammstube im Südwestturm (nach Stephan Hoppe)

Anhang

472

Abb. 34: Saumur, Schloß, Ansicht von Südosten mit Kabinetturm

Abb. 33: Meißen, Schloß Albrechtsburg, Grundriß des 2. Obergeschosses (nach Stephan Hoppe)

Bildteil

473

Anhang

Abb. 36: Vaux (Maine-et-Loire), Schloß, Grundriß (aus: U. Albrecht, 1995).

Abb. 35: Paris, ehem. Stadtschloß, Ansicht von der Gartenseite nach dem Bild des Monats Juni in den Très Riches Heures des Duc de Berry (Ausschnitt)

474

Bildteil

Abb. 38: Meillant, Schloß, Ansicht des Corps de logis mit Lukarnen

Abb. 37: Baugé, Schloß, Ansicht des Corps de logis mit Lukarnen

475

Abb. 40: Meißen, Schloß Albrechtsburg, Großer Wendelstein, Inneres

Anhang

Abb. 39: Paris, Louvre, Cour carré

476

Abb. 42: Bourges, Palais Jacques Coeur, Innenhof mit Haupttreppenturm

Bildteil

Abb. 41: Vincennes, Schloß, Schnitt durch den Donjon

477

478

Abb. 44: Torgau, Schloß, Grundriß der Gesamtanlage (1. Obergeschoß) (nach Stephan Hoppe)

Abb. 43: Torgau, Schloß, Kapellenflügel, Schöner Erker

Anhang

Abb. 45: Torgau, Schloß, Neuer Saalbau, Großer Wendelstein

Bildteil

Abb. 46: Torgau, Schloß, Neuer Saalbau, Großer Wendelstein, tribünenartiger Unterbau (Altan)

479

Anhang

Abb. 47: Torgau, Schloß, Neuer Saalbau, Hauptportal, Gebälk mit rekonstruiertem Bildprogramm (nach Peter Findeisen)

Abb. 48: Dresden, Schloß, Holzmodell von Paul Buchner, ca. 1590, überarbeitet im 17. Jh. (Original verschollen) 480

Bildteil

Abb. 49: Dresden, Schloß, Holzmodell von ca. 1535

Abb. 50: Ancy-le-Franc, Schloß, Außenansicht

481

Anhang

Abb. 52: Torgau, Schloß, Hausmannsturm mit Loggia

Abb. 51: Wien, Hofburg, Ansicht des 17. Jh.s

482

483

Abb. 54: Dresden, Schloß, Nordflügel, Hofansicht (Zeichnung mit der Tierhatz im großen Schloßhof unter Johann Georg II., um 1680)

Abb. 53: Dresden, Schloß, Loggia des Hausmannsturms (Detail aus einer Zeichnung nach G. Tzschimmer, 1680)

Bildteil

Abb. 56: Dresden, Schloß, Nordflügel, nordöstlicher Treppenturm (Aufnahme von 1939)

Anhang

Abb. 55: Torgau, Schloß, Hausmannsturm, Fürstenbildnisse an der Loggia

484

Abb. 58: Chambord, Schloß, Treppenturm im nördlichen Innenhof

Abb. 57: Dresden, Schloß, Nordflügel, nordwestlicher Treppenturm (Aufnahme von 1900)

Bildteil

485

Anhang

Abb. 59: Ecouen, Schloß, Außenansicht

Abb. 60: Chambord, Schloß, Außenansicht von Westen

486

Bildteil

Abb. 61: Chambord, Schloß, Grundriß

Abb. 62: Chambord, Schloß, Außenansicht von Osten

487

Anhang

Abb. 63: Berlin, ehem. Schloß, Spreeflügel (Detail aus einer Zeichnung von Johann Stridbeck d. J., 1691)

Abb. 64: Dessau, Schloß, Johannbau, Hofansicht

488

Bildteil

Abb. 65: Halle, Dom, Außenansicht von Osten

Abb. 66: Dessau, Schloß, Johannbau, Treppenturm, ursprüngliche Brüstungen und Treppengeländer des Altans

489

Anhang

Abb. 67: Dessau, Schloß, Johannbau, Treppenturm, Gewölbe im Inneren des Altans

Abb. 68: Dessau, Schloß, Johannbau, Nordgiebel mit Kaiserwappen

490

Abb. 69: Bernburg, Schloß, Wolfgangbau, erkerartige Türme, Ausschnitt mit Porträtmedaillons (u. a. Kaiser Karls V.)

Bildteil

Abb. 70: Bernburg, Schloß, Wolfgangbau mit rechts anschließendem Joachim-Ernst-Bau

491

Abb. 72: Bernburg, Schloß, Langes Haus (Wolfgangbau mit rechts anschl. Joachim-Ernst-Bau), Grundrisse (nach Stephan Hoppe)

Anhang

Abb. 71: Zerbst, ehem. Schloß, Ansicht um 1693 (Kupferstich von 1710)

492

Abb. 74: Bernburg, Schloß, Joachim-Ernst-Bau, Standerker mit Tugendallegorien

Bildteil

Abb. 73: Bernburg, Schloß, Ansicht vom Saaletal

493

Abb. 76: Mansfeld, Schloß Mittelort, Reste des Erkers an der Nordostecke des Goldenen-Saal-Baus

Abb. 75: Mansfeld, Schloß Vorderort, Treppenturm

Anhang

494

Abb. 78: Marburg, Schloß, Gesamtansicht von Südosten

Abb. 77: Torgau, Schloß, Neuer Saalbau, südlicher Eckerker

Bildteil

495

Anhang

Abb. 79: Kassel, ehem. Schloß, Außenansicht (nach einer Zeichnung des 18. Jh.s)

Abb. 80: Schmalkalden, Schloß, Außenansicht von der Stadtseite

496

Abb. 81: Torgau, Schloß, Schloßkapelle, Inneres nach Osten

Bildteil

Abb. 82: Güstrow, Schloß, Außenansicht von Südwesten

497

Anhang

Abb. 83: Marburg, Schloß, Außenansicht mit Saalbau von Nordwesten

Abb. 84: Goslar, Rathaus, Außenansicht, Marktseite (Aufnahme vor 1920)

498

Abb. 85: Torgau, Schloß, stadtseitige Fassade

Bildteil

Abb. 86: Loches, Schloß, Außenansicht von Nordosten

499

Anhang

Abb. 87: Innsbruck, Schloß, grabenseitige Fassade (Zeichnung von August Hirschvogel [?])

Abb. 88: Halle, Schloß Moritzburg, Torturm

500

Abb. 89: Scheinfeld (Franken), Schloß Schwarzenberg, Torturm

Bildteil

Abb. 90: Schmalkalden, Schloß, Hofansicht nach Osten

501

Anhang

Abb. 91: Heidelberg, Schloß, Hofansicht nach Norden (nach einer Radierung von Johann Ulrich Kraus, um 1683)

Abb. 92: Baden-Baden, Neues Schloß, Hofansicht mit Corps de logis

502

Bildteil

Abb. 94: Gottorf, Schloß, Neues Haus, Hofansicht

Abb. 93: Schwerin, Schloß, hofseitige Fassadenabwicklung (Zeichnung von K. F. Schlie, 1897, nach dem Bestand von 1844)

503

504

Abb. 96: Zerbst, ehem. Schloß, Lageplan von ca. 1550 (Zeichnung des Baumeisters Ludwig Binder)

Anhang

Abb. 95: Güstrow, Schloß, ehem. Ostflügel (Zeichn. des 18. Jh.s)

Bildteil

Abb. 98: Wittenberg, Schloß, Außenansicht der Schloßkapelle mit Schloßturm

Abb. 97: Torgau, Schloß, Hofansicht mit Schloßkapelle und Kapellenturm (rechts)

505

Anhang

Abb. 100: Köthen, Schloß, Torturm

Abb. 99: Augustusburg bei Chemnitz, Schloß, Ansicht der Schloßkapelle von der Hofseite

506

Abb. 102: Bernburg, Schloß, Innenhof mit Bergfried (sog. Eulenspiegel)

Abb. 101: Altenburg (Thür.), Blick über die Stadt auf das Schloß mit Kapelle und Bergfried (sog. Mantelturm)

Bildteil

507

Abb. 104: Würzburg, Feste Marienberg, Innenhof mit Bergfried

Abb. 103: Weikersheim, Schloß, Innenhof mit Bergfried

Anhang

508

Bildteil

Abb. 105: Bernburg, Schloß, Torseite mit sog. Blauem Turm

Abb. 106: Büdingen, Schloß, Außenansicht mit Bergfried

509

510

Abb. 108: Sondershausen, Schloß, Turmraum (sog. »Gewölbe am Wendelstein«)

Abb. 107: Sondershausen, Schloß, Hofansicht mit Schloßturm

Anhang

Bildteil

Abb. 109: Freiberg, Schloß, Ansicht nach einem Stich von 1770/80

Abb. 110: Schwerin, Schloß, sog. »großes neues Haus« mit turmartigem Anbau (sog. »Zwinger«)

511

Abb. 112: Güstrow, Schloß, Wohnturm des Nordflügels, Innenhofansicht

Abb. 111: Schmalkalden, Schloß, sog. Kristallturm

Anhang

512

Abb. 114: Merseburg, Schloß, Kammerturm, Innenansicht mit abschließendem Gewölbe

Abb. 113: Weikersheim, Schloß, Südflügel, Treppenturm, abschließende Decke mit Wappen der Grafen von Hohenlohe-Weikersheim

Bildteil

513

Abb. 116: Meißen, Schloß Albrechtsburg, Großer Wendelstein mit Brüstungsreliefs des ersten und zweiten Obergeschosses

Abb. 115: Merseburg, Schloß, Kammerturm, Unterseite des Treppenlaufs mit Domherrenwappen

Anhang

514

Abb. 118: Torgau, Schloß, Neuer Saalbau, Großer Wendelstein, Blick auf die Wendeltreppe im ersten Obergeschoß

Abb. 117: Torgau, Schloß, Neuer Saalbau, Großer Wendelstein, Blick auf das abschließende Gewölbe unterhalb der Turmstube

Bildteil

515

Abb. 120: Chateaudun, Schloß, Treppenturm des frühen 16. Jh.s

Abb. 119: Torgau, Schloß, Neuer Saalbau, Inneres, Blick in den südlichen Eckerker

Anhang

516

Bildteil

Abb. 121: Blois, Schloß, Flügel Franz’ I., Hoffassade

Abb. 122: Azay-le-Rideau, Schloß, Ansicht von der Gartenseite

517

Abb. 123: Albrecht Dürer, Hofansicht der Innsbrucker Hofburg (Aquarell, 1495, Wien, Graph. Sammlung Albertina)

Anhang

518

Abb. 124: Fontainebleau, Schloß, rekonstruierte Hofansicht mit doppelläufiger Freitreppe Franz’ I.

Bildteil

Abb. 125: Rom, Kapitol, Senatorenpalast, Fassade mit Freitreppe

Abb. 126: Leyden, Rathaus, Fassade mit Freitreppe (Entwurf von Lieven de Key, 1594)

519

Abb. 127: Altenburg (Thür.), Rathaus, Marktfassade mit Rathausturm (Aufnahme um 1960)

Anhang

Abb. 128: Altenburg (Thür.), Rathaus, marktseitiger rechter Eckerker, Ausschnitt mit Fürstenporträts

520

Abb. 130: Heidelberg, Schloß, Friedrichbau, Hoffassade (nach Koch und Seitz)

Abb. 129: Baden-Baden, Neues Schloß, Hoffassade des Haupthauses, Ausschnitt mit der Figur der Justitia über dem Hauptportal

Bildteil

521

Abb. 131: Albrecht Dürer u. a., Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I. (1515, kolorierter Holzschnitt, Staatliche Museen Berlin, Kupferstichkabinett)

Anhang

Abb. 132: Augustusburg, Schloß, Hofansicht des Galerieflügels (ehem. Stammstube)

522

Bildteil

Abb. 133: Dresden, Schloß, Hoffassade des sog. Langen Ganges

Abb. 134: Güstrow, Schloß, Hofansicht des Nordflügels mit 1795 abgebrochenem Ostteil (Zeichnung des 18. Jh.s)

523

Abb. 135: Büdingen, Schloß, Inneres der Schloßkapelle mit wappenbesetztem Gewölbe

Anhang

Abb. 524 136: Weesenstein, Schloß, Gesamtansicht

Bildteil

Abb. 137: Stammbaum der Familie von Schönburg von ca. 1760, Ausschnitt mit Schloß Hinter- und Forderglauchau (koloriert und auf Leinen aufgezogen, Museum und Kunstsammlung Schloß Hinterglauchau)

Abb. 138: Güstrow, Schloß, Hoffassade des Südflügels

525

Anhang

Abb. 139: Güstrow, Schloß, Westflügel, südlicher Innenraum im 2. Obergeschoß nach Westen

Abb. 140: Meillant, Schloß, Corps de logis, Dachfirst mit kupfervergoldeten Flammen

526

Abb. 142: Justitia und Fortitudo, Miniatur aus dem Ambraser Codex für König Robert den Weisen von Neapel, 14. Jh. (Wien, Kunsthistorisches Museum, Cod. ser. nov. 2639, fol. 33)

Bildteil

Abb. 141: Kampf der Tugenden und Laster (Detail aus einer Tapisserie, 1. H. 15. Jh., Regensburg, Rathaus)

527

Anhang

Abb. 143: Das Gottesurteil des glühenden Eisens (kolorierte Zeichnung im Codex Lambacensis, 12. Jh., Kloster Lambach, Oberösterreich)

Abb. 144: Wolfgang Katzheimer, Pflugscharengang der hl. Kunigunde (um 1490, Bamberg, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Altdeutsche Galerie)

528

Abb. 145: Chambord, Schloß, abschließender Turmaufsatz der zentralen Wendeltreppe

Bildteil

Abb. 146: Chambord, Schloß, abschließende Decke der zentralen, doppelläufigen Wendeltreppe mit spiegelbildlichen Namensinitialen und Impresen Franz’ I.

529

Anhang

Abb. 147: Bourges, Palais Jacques Coeur, Ansicht von der Landseite (hochgelegene Estude im linken Turm)

Abb. 148: Rudolstadt, Schloß Heidecksburg, ehem. Hofstube

530

Bildteil

Abb. 149: Schmalkalden, Schloß, ehem. Hofstube

Abb. 150: Torgau, Schloß, Außenansicht des Schloßtores

531

Abb. 152: Fontainebleau, Schloß, Außenansicht der Porte dorée

Abb. 151: Güstrow, Schloß, Außenansicht des Schloßtores

Anhang

532

Abb. 153: Valençay, Schloß, Außenansicht des Torhauses

Bildteil

Abb. 154: Schmalkalden, Schloß, Tafelstube, Blick auf die hofseitige, südliche Innenwand mit Tugendallegorien

533

Abb. 155: Schmalkalden, Schloß, Tafelstube, südwestliche Ecksituation mit den Sinnbildern von Mäßigkeit und Völlerei

Anhang

Abb. 156: Schmalkalden, Schloß, sog. Riesensaal, Blick auf die westliche Innenwand

534

Bildteil

Abb. 157: Schmalkalden, Schloß, sog. Riesensaal, Deckengemälde mit der Allegorie der Caritas

Abb. 158: Schmalkalden, Schloß, sog. Riesensaal, schematische Darstellung des Bildprogramms (Fenstergewändefiguren, Tugendallegorien der Decke, Porträt Wilhelms IV. über der Saaltür) mit Teilrekonstruktion des Deckenprogramms (Schema: Matthias Müller 1999)

535

Anhang

Abb. 159: Schmalkalden, Schloß, sog. Riesensaal, Porträt Wilhelms IV. über dem Portal an der Kaminseite

Abb. 160: Schmalkalden, Schloß, sog. Riesensaal, nördliche Innenwand mit Kamin

536

Abb. 162: Schmalkalden, Schloß, sog. Riesensaal, östliche Saalwand, Figur des Harpokrates

Abb. 161: Schmalkalden, Schloß, sog. Riesensaal, östliche Saalwand, Darstellung eines antiken Kriegers

Bildteil

537

Abb. 164: Schmalkalden, Schloß, sog. Riesensaal, östliche Saalwand, Figur des Melchisedek

Abb. 163: Schmalkalden, Schloß, sog. Riesensaal, östliche Saalwand, Figur des Königs Salomo

Anhang

538

Abb. 166: Très Riches Heures, Monatsbild Dezember (fol. 12) mit der Darstellung von Schloß Vincennes

Abb. 165: Schmalkalden, Schloß, sog. Riesensaal, östliche Saalwand, Figur der Urania

Bildteil

539

Anhang

Abb. 167: Ambrogio Lorenzetti, Die Auswirkungen des guten Regiments für das Land (Siena, Palazzo Pubblico, Sala dei Nove)

Abb. 168: Apokalypse von Angers, Offenbarung des Johannes, Erscheinung des Himmlischen Jerusalems (Tapisserie, Schloß von Angers)

540

Abb. 170: Christus entsendet den heiligen Jakobus zum Predigen nach Spanien, Miniatur aus dem goldenen Buch des François de Guise (2. H. 14. Jh., Chantilly, Musée Condé)

Abb. 169: Très Belles Heures des Herzogs von Berry, Blatt der Heilig-Geist-Prim (p. 169), Auferstehung der Toten

Bildteil

541

Abb. 172: Très Riches Heures, Hirtenverkündigung (fol. 48 r)

Abb. 171: Stundenbuch für Paris, Hirtenverkündigung (1407, Oxford, Douce 144, fol. 68 v)

Anhang

542

Abb. 174: Dieric Bouts, Die Gerechtigkeit Kaiser Ottos III., Tafel mit der Verleumdung und Hinrichtung des Grafen (Brüssel im Musée Royaux des Beaux-Arts)

Abb. 173: Stundenbuch für Nantes, Martyrium der hl. Katharina (London, British Library, Add. 28785, fol. 173 v)

Bildteil

543

Abb. 176: Jan van Eyck, Die Madonna des Kanzlers Rolin (Paris, Louvre)

Abb. 175: »Le Château périlleux« und »L’Horloge de Sapience«, die Sieben Tugenden (Paris, Bibliothèque Nationale, Cod. franc. 445.)

Anhang

544

Bildteil

Abb. 178: Raphael, Madonna mit Kind und Buch (ca. 1502/03, Pasadena, Norton Simon Museum of Art)

Abb. 177: Benozzo Gozzoli, Dreikönigenzug, Fresko der südlichen Kapellenwand (Florenz, Palazzo Medici-Riccardi, Hauskapelle)

545

Abb. 179: Lucas Cranach d. Ä., »Das Herz der dreieinigen Gottesliebe« bzw. »Die Verehrung des Herzens Jesu« (1505, London, The British Museum)

Anhang

Abb. 180: Lucas Cranach d. Ä., Katharinenaltar, Mitteltafel (1506, Dresden, 546 Staatliche Kunstsammlung)

Abb. 181: Lucas Cranach d. Ä., Martyrium der hl. Katharina (ca. 1508, Budapest, Ráday-Sammlung der Reformierten Kirche)

Bildteil

Abb. 182: Lucas Cranach d. J., Caritas (um 1560, Hamburg, Kunsthalle)

547

548

Abb. 184: Gérard David, Taufe Christi (1505, Brügge, Musée Groeninge)

Abb. 183: Cranach-Werkstatt, Kindersegnung Christi (Entwurf zu einer Tapisserie, um 1540, Leipzig, Graphische Sammlung)

Anhang

Bildteil

Abb. 185: Jacob Lucius, Taufe Christi (1555, Holzschnitt, Berlin, Staatliche Museen, Kupferstichkabinett)

Abb. 186: Lucas Cranach d. J., Taufe Christi (1556, Gemälde, Berlin, Jagdschloß Grunewald)

549

Abb. 188: Lucas Cranach, d. Ä., Das Silberne (oder Eiserne?) Zeitalter (1527, Weimar, Kunstsammlungen, Galerie im Schloß)

Abb. 187: Albrecht Dürer, Ritter, Tod und Teufel (1513, Kupferstich, Berlin, Staatliche Museen, Kupferstichkabinett)

Anhang

550

Bildteil

Abb. 189: Lucas Cranach d. Ä., Das Goldene Zeitalter (um 1530, Oslo, Nationalmuseum)

Abb. 190: Lucas Cranach d. Ä. u. J., Große Hirschjagd (1540, Cleveland Museum of Art)

551

Abb. 192: Nürnberger Stadtrechtsreformation von 1564, Frontispiz mit den Allegorien von Justitia, Pax, Liberalitas und Concordia

Abb. 191: Heinrich Aldegrever, Concordia (1549, Kupferstich)

Anhang

552

553

Abb. 194: Johann de Hemmessen, Das Jüngste Gericht (ca. 1537, Mitteltafel eines Flügelretabels in der Kirche St.-Jacques, Antwerpen)

Bildteil

Abb. 193: Stephan Lochner, Das Jüngste Gericht (um 1435, Köln, Wallraf-Richartz-Museum)

Abb. 196: Gabriel Tola (zugeschr.), Der Untergang der türkischen Herrschaft (ca. 1553/55, Federzeichnung, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstichkabinett, C 1966–38)

Abb. 195: Meister der Bodenseegegend, Weltgerichtsaltärchen, rechter Außenflügel (um 1480, Nürnberg, Germ. Nationalmuseum)

Anhang

554

Bildteil

Abb. 197: Gabriel Tola (zugeschr.), Zug der Seligen (ca. 1553/55, Federzeichnung, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. C 1966–33)

Abb. 198: Leipzig, Rathaus, Ansicht von der Marktseite

555

Anhang

Abb. 199: Wittenberg, Rathaus, Ansicht von der Marktseite

Abb. 200: Torgau, Rathaus, Ansicht von der Marktseite

556

Abb. 201: Görlitz, Rathaus, Figur der Justitia am Fuße der Rathaustreppe

Bildteil

557 Abb. 202: Rothenburg o. T., Altes und Neues Rathaus, Ansicht von der Marktseite (Aufnahme um 1900/10)

Abb. 204: Torgau, Rathaus, Runderker, Ansicht von der Marktseite

Abb. 203: Berlin, ehem. Rathaus mit Rathausturm und Gerichtslaube (Lithographie von L. E. Lütke, 1819)

Anhang

558

Abb. 206: Rudolstadt (Thür.), Schloß Heidecksburg, Ansicht von der Stadtseite

Abb. 205: Saalfeld (Thür.), Rathaus, Ansicht von der Marktseite (Aufnahme um 1950)

Bildteil

559

Anhang

Abb. 207: Meiningen (Thür.), Schloß, Fassadenansicht mit Haupttreppenturm

Abb. 208: Rheinsberg, Schloß, Ansicht mit sog. Klingenturm

560