Das Recht der Beschlagnahme von Lohn- und Gehaltsforderungen: Auf Grundlage der Reichsgesetze vom 21. Juni 1869 und 29. März 1897 und der Zivilprozeßordnung. Mit Einleitung, Anmerkungen und Sachregister [4., verm. Aufl. Reprint 2018] 9783111648866, 9783111265476


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German Pages 202 [236] Year 1910

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Table of contents :
Vorwort
Vorwort zur vierten Auflage
Inhaltsübersicht
Literaturverzeichnis und Abkürzungen
I. Einleitung
II. Erläuterungen des Gesetzes
III. Anhänge
IV. Alphabetisches Sachregister
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Das Recht der Beschlagnahme von Lohn- und Gehaltsforderungen: Auf Grundlage der Reichsgesetze vom 21. Juni 1869 und 29. März 1897 und der Zivilprozeßordnung. Mit Einleitung, Anmerkungen und Sachregister [4., verm. Aufl. Reprint 2018]
 9783111648866, 9783111265476

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Guttentagsche Sammlung Ar. 55. Deutscher Reichsgesetze. Ar. 55. Text-Ausgaben mit Anmerkungen.

He» Recht der

Beschlagnahme m Kahn- und Gkhiltssardernugen. Auf Grundlage der Reichsgesetze vom 21. Juni 1869 und 29. März 1897 und der Zivilprozeßordnung mit Einleitung, Anmerkungen und Sachregister dargestellt von

Justizrat Georg Meyer, Rechtsanwalt bei den Kgl. Landgerichten I, II, III Berlin

Vierte vermehrte Auflage.

Berlin 1910.

I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, G. nt. b. H.

Borwort. Das Recht der Beschlagnahme von Lohn- unb Gehallsforderungen ist bisher, soweit bekannt, im Zusammenhange noch nicht ausführlich be­ handelt worden; selbst Schriften über die Zwangs­ vollstreckung — von den Kommentaren zur Zivil­ prozeßordnung ganz zu schweigen — lassen viele Einzelfragen der Materie imerörtert, manche Zweifel bestehen. — Die für das Verständnis schwierigen Bestimmungen der Novelle zum Lohnbeschlagnahme­ gesetze (LBG.) sind bisher überhaupt nicht erschöpfend erläutert worden. Und doch ist es für den Praktiker von großer Wichtigkeit, bis in das Einzelne hinein über die Schwierigkeiten Aufschluß zu erlangen, welche die den Gegenstand betreffenden Gesetzesvorschriften in der Anwendung bieten. Dazu kommt noch, daß das Lohnbeschlagnahme­ gesetz im Laufe der Zeit mancherlei Abänderungen erfahren hat, welche aus verschiedenen Gesetzen zu­ sammengetragen werden müssen, und daß dadurch der klare Überblick über seine jetzt geltenden Normen recht erschwert ist. Grund genug für den Versuch einer ausführ­ lichen Darstellung des gesamten Rechts in der Frage der Lohn- und Gehaltsbeschlagnahme! — Dieser Ver­ such hat sich nicht, wie der nur der Kürze halber

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Vorwort.

gewählte Titel der Schrift vermuten läßt, darauf beschränkt, das Beschlagnahmerecht lediglich, soweit „Lohn" oder „Gehalt" in Betracht kommen, zu er­ örtern, sondern auch dahin geführt, jedwede Ar­ beitsvergütung, gleichviel wem sie zukommt, und in welcher Art sie geleistet wird, auf ihre Beschlag­ nahmefähigkeit eingehend zu prüfen. Es sind daher, wenn auch für die äußere Form der Arbeit der Kommentar zum Lohnbeschtagnahmegesetze gewählt wurde, die Fälle nicht unberücksichtigt geblieben, in denen nach anderen, als nach den Bestimmungen dieses Gesetzes das Recht gegeben ist, die gedachten Forderungen zu pfänden. Die Form des Kommentars zum Reichsgesetze vom 21. Juni 1869 ermöglichte auch eine Besprechung der wichtigen Frage, inwieweit Angestellte aller Art mit Rücksicht auf die Vorschriften des BGB. über ihre Vergütungen rechtswirksam verfügen können. Ein ausführliches Sachregister und eine schematische Übersicht über Zulässigkeit und Um­ fang der Beschlagnahme sollen den Gebrauch des Buches erleichtern. Eine Zusammenstellung von Behörden, welchen als Drittschuldnern bei Pfän­ dung von Dienstbezügen eines Beamten in Vertretung des Reichs- bezw. Landesfiskus der Pfändungsbeschluß zuzustellen ist, dürfte vielen erwünscht sein. Möge das Buch der Praxis, für welche es ge­ schrieben ist, brauchbar erscheinen! Berlin, im Mai 1900.

Der Verfasser.

Borwort zur vierten Auflage. Schneller, als ich gedacht, ist die vierte Auflage meines Buches notwendig geworden. Sie verwertet, was inzwischen an Entscheidungen und Gesetzesbezw. Verordnungsvorschriften in den behandelten Fragen hinzugekommen ist. Viele Teile des Buches sind umgearbeitet und dabei eingehender als bisher behandelt, erörtert z. B. die Wirkung der Verzichterklärung des Schuldners auf das Pfändungsverbot des § 1 b. Ges. (S. 46) und ferner die Pfändung der Pensionsforderung aus privatem Dienstverhältnisse bei ihrem Zusammentreffen mit verschiedenartigen Diensteinkünften (S. 104 fg.). Ergänzt ist auch die Zusammenstellung der Be­ hörden, denen ein Pfändungsbeschluß zuzustellen ist, und das Sachregister. In einem besonderen Abschnitte ist ferner „das Pfandrecht an der Lohnforderung" (S. 106 fg.) neu dar­ gestellt und damit, wie ich wünschte, dem Arbeiter, Arbeitgeber und Pfandgläubiger Gelegenheit gegeben, sich über ihre durch die Pfändung entstandenen Rechte und Pflichten im Zusammenhange eingehende Kennt­ nisse zu verschaffen. Auch erschien es zweckdienlich, Über sichten über die gesamte Regelung der Beschlagnahme

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Vorwort.

der Bezüge sowohl für das Bereich der privaten wie öffentlich-rechtlichen Dienst­ verträge in schematischer Form (S.24fg.,82fg.) zu geben. Hoffentlich wird das Werk auch in seiner vierten Auflage wieder freundliche Aufnahme finden. Berlin, im April 1910.

Der Verfasser.

Inhaltsübersicht. Seite

I. Einleitung: l. Zur Geschichte des Gesetzes vom 21. Juni 1869 ............................................ 2. Umgestaltung des Gesetzes.......................... 3. Text des Gesetzes in jetziger Fassung . . 4. Die Regelung der Lohnbeschlag­ nahme im Gesetze und bei allen privaten Dienstverträgen .... Übersicht über die Regelung..................

16 18 20 23 24

II« Erläuterungen deS Gesetzes. § 1. Die Beschränkungen der Lohnbe­ schlagnahme ................................................ Die Fälle der Nichtanwendbarkeit des Gesetzes Exkurs: Die Beschlagnahme der Lohn­ forderungen in diesen Fällen (materiellrechtlich) § 2. Die Verfügung des Arbeiters über die Lohnforderung durch ein- und zwei­ seitige Rechtsgeschäfte.................................. 50 I. Allgemeines.................................................. II. Zu Absatz 1 III. Zu Absatz 2................................................ IV. Die Wirkungen des Verbots............ 54 Exkurs: Aufrechnung und Zurückbehaltungs­ recht gegenüber Lohnforderungen.................. § 3. Die Vergütung............................................ Absah 1: I. Begriff.................................. 61 II. Gegensatz zur Entschädigung . III. Arten der Vergütung.... IV. Pfändbarkeit der Vergütung. Absatz 2: Feststellung des reinen Lohnes .

26 47 48

50 50 51 54 60 62 64 68 68

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Inhaltsübersicht.

Seite § 4. Die Ausnahmen von den Beschrän­ kungen des § 1...................................... 70 A. Allgemeines.......................................... 70 B. Einzelnes:............................................... 70 1. Die Pfändung des Gehalts und der Dienstbezüge der in § 850 Abs. 1 Nr. 8 ZPO. Genannten: Begriff und Einteilung derBeamten . . 70 der Offiziere, Militärärzte, Geistlichen, Lehrer........................................................ 74 Das Pfändungsvorrechtderselben.... 75 dito der Militärbeamten, Unteroffiziere und Gemeinen....................................... 81 Übersicht über die Zuläsfigkeit der Be­ schlagnahme der Bezüge..................... 82 Exkurs: I. Das Verfügungsrecht a) der Militärpersonen, Reichsbeamten Usw............................................... 84 b) der Landesbeamten................... 85 über ihre Dienstbezüge II. Das Zurückbehaltungs­ recht an diesen Bezügen . . 85 Die Pfändung des Dienstlohnes und der Dienstbezüge zum Zwecke der Beitrei­ bung von Steuern und Abgaben . 85 Rechtszustand in Preußen................... 88 3. Die Pfändung des Dienstlohnes und der Dienstbezüge zum Zwecke der Beitrei­ bung von Unterhaltsbeiträgen der Verwandten, des Ehegatten und des früheren Ehegatten............... 89 I. Verhältnis der Bestimmung zu § 850 ZPO................................................... 89 II. Die Bestimmung und das Zivilrecht 90

Inhaltsübersicht. III. Das Vollstreckungsvorrecht der Ge­ nannten : a) Personen............................................ b) Gegenstand....................................... c) Inhalt................................................ d) Umfang............................................ e) Verwirklichung...............................' IV. Das Verhältnis der Bevorrechtigten zueinander............................................ V. Das Verhältnis der bevorrechtigten zu nicht bevorrechtigtenGläubigern...

ll Seite

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4. Die Pfändung des 1500 M. für das Jahr übersteigenden Arbeits- oder Dienstlohnes: 98 Erläuterung der Vorschrift...................... 98 A. Im allgemeinen................................... 98 B. Im einzelnen............................................ 102 Gesamtbetrag der Vergütung.......................103 Vereinigung mehrerer Bezüge aus ver­ schiedenen Dienstverhältnissen in einer Hand 103 C.

Das Pfandrecht an der Lohnfor­ derung ..............................................................106 I. Entstehung................................................ 106 II. Wirkung..................................................... 108 1. allgemein.................................................108 2. auf die Forderung in ihrem der­ zeitigen Bestand....................................110 3. auf die Forderung alsGanzes. . 113 III. Pfändung..................................................... 113 IV. Erlöschen.....................................................113 V. Verzögerte Geltendmachung....................... 114 Exkurs: Vereinbarungen behulfs Ver­ eitelung der Pfändung................................... 114

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Inhaltsübersicht. Seite

§ 4a) Die Pfändung des Dienstlohnes und der Dienstbezüge zum Zwecke der Bei­ treibung von Unterhaltsbeiträgen für uneheliche Kinder..................................116 I. Auslegung des Wortlautes......................... 117 II. Verhältnis der Bestimmung zu § 850 ZPO................................................................118 III. Die Bestimmung unddas Zivilrecht. . 119 IV. Das Vollstreckungsvorrecht d. Genannten: 1. Bevorrechtigte Personen......................... 119 2. Gegenstand.............................................. 121 3. Inhalt...................................................... 121 4. Umfang ; Beschränkung durch a) das Recht des Vaters..................... 122 b) das Recht der unterhaltsberech­ tigten Verwandten......................... 123 wenn ihre Ansprüche aa) für den nämlichen Zeitraum 124 bb) nicht für den nämlichen Zeit­ raum, wie die Ansprüche der unehelichen Kinder erhoben werden.......................................... 125 c) das Rangverhältnis der Beteiligten 127 5. Verwirklichung des Vorrechts. ...

128

V. Verfahren im Falle der Konkurrenz mehrerer Bevorrechtigter............................. 128 VI. Verhältnis der Bevorrechtigten zu Nicht­ bevorrechtigten .............................................. 128 § 5. Zeitliche Grenzen des Gesetzes: Rück­ wirkende Kraft des § 4a des Ges. und § 850 Abs. 3 ZPO.............................................128

Inhaltsübersicht.

13 Seite

III. Anhang I: Das Verfahren der Beschlag­ nahme von Lohn- und Dienstbezügen 1. 2. 3. 4.

der Pfändungsantrag........................................ 130 der Psändungsbeschluß....................................133 die Anfechtung desselben....................................135 die Klage des Pfandgläubigers gegen den Drittschuldner..................................................... 139

II. Zusammenstellung von Behör­ den, welchen bei der Pfändung der Dienstbezüge (Diensteinkommen. Pension, Dispositionsgehalt, laufender Unterstützung, Amtskaution) von Reichs-, preußischen Staats-, städtischen und Gemeinde­ beamten als Drittschuldnern der Pfän­ dungsbeschluß zuzustellen ist........................... 140

IV. Sachregister..............................................................194

Literaturverzeichnis und Abkürzungen. Bezold: Das Reichsgesetz betreffend die Beschlagnahme des Arbeits- oder Dienstlohnes. Vom 21. Juni 1869. R. Koch: Über die Zulässigkeit der Beschlagnahme von Arbeits- und Dienstlöhnen. 1869. Keidel: Die Novelle zum Lohnbeschlagnahmegesetz und zur Reichszivilprozeßordnung vom 27. März 1897 in Seufferts Blättern für Rechtsanwendung zunächst in Bayern. (15. Ergänzungsband S. 225 f.) Dr. Pick: Die Lohnbeschlagnahme nach österreichischem und deutschem Rechte. Dr. Sinzheimer: Lohn und Aufrechnung. Staudinger: Die Einführung norddeutscher Justizgesetze als Reichsgesetze in Bayern. Abteilung II. S. 134 f. Struckmann u. Koch: Zivilprozeßordnung. 9. Auslage (1910) = ©hudtn. Gaupp u. Stein: Zivilprozeßordnung, 8/9. Auflage = Gaupp. Lisiecki u. Drewes: Die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen = Lis. u. Drew. Conrad: Die Pfändungsbeschränkungen zum Schutze des schwachen Schuldners. 1906. Dr. W. Müller: Die Wirksamkeit des Psändungspfandrechts. 1907. Lotmar: Der Arbeitsvertrag. 1902. Müller: Die preußische Justizverwaltung. Busch: Zeitschrift für deutschen Zivilprozeß. Seuffert: Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte.

Literaturverzeichnis und Abkürzungen.

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Gruch ot: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts. Planck: Bürgerliches Gesetzbuch nebst Einführungsgesetz. Dernburg: Das bürgerliche Recht. Habicht: Die Einwirkung des BGB. auf zuvor ent­ standene Rechtsverhältnisse. Lab and: Staatsrecht des Deutschen Reichs, v. Schicker: Gewerbeordnung für das Deutsche Reich. Staub: Kommentar zum Handelsgesetzbuch (8. Ausl.). Düringer u. Hachenburg dto. = Dür.-Hach. Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen = RG. Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts = ROHG. Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte v. Mugdan und Falkmann = OLG. Blätter für Rechtspflege im Bezirke des Kammergerichts = Bl. f. Rpfl. Deutsche Juristen-Zeitung = D. I.-Ztg. Juristische Wochenschrift = IW. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichs­ tags des Norddeutschen Bundes 1869 = StenBer.

I.

Einleitung. Zur Geschichte des Reichsgesetzes vom 21. Juni 1869. i.

Die Frage, ob und inwieweit die Beschlagnahme des noch nicht verdienten, zukünftig geschuldeten Lohnes unzulässig, beziehungsweise zu beschränken ist, betrifft einen Gegenstand, welcher an sich in die Zivilprozeß­ ordnung unter das Kapitel „Zwangsvollstreckung" gehört; ihn durch besonderes Gesetz vorweg zu regeln, erschien auch den gesetzgebenden Faktoren im Jahre 1869 nicht unbedenklich. Wenn trotzdem schließlich die Be­ denken hiergegen schwiegen, so waren es lediglich dringende praktische Gründe, welche ein sofortiges Einschreiten der Gesetzgebung erheischten. Die Ver­ schiedenheit der Meinungen und Rechtsprechungen in diesem Zweige der staatlichen Tätigkeit und die hier­ durch herbeigeführte Unsicherheit in einer Frage, welche das Wohl und Wehe zahlreicher Arbeiterklassen täg­ lich und stündlich unmittelbar berührte, wurden als ein sehr ernstes Übel anerkannt, welches schleunige Abhilfe erforderte. Das schnelle Eingreifen der Gesetz­ gebung erschien um so gebotener, je mehr sich die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Lage der Arbeiter

Einleitung.

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richtete und je mehr sich die Anschauung Bahn ge­ brochen hatte, daß die persönliche Leistungsfähigkeit des Menschen, der Hauptfaktor aller Vermögenswerte, in keiner Weise, sei es durch Aufhebung seiner per­ sönlichen Freiheit, wie bei der Schuldhaft, sei es durch Schwächung seiner Schaffensfreudigkeit, wie bei der Lohnbeschlagnahme, eingeengt oder nur angetastet werden dürfte. Daher legte die Regierung auf eine Resolution des Reichstages vom 18. Mai 1868 diesem in der Session von 1869 einen Gesetzentwurf vor, auf Grund dessen „der Arbeits- oder Dienstlohn, ohne Unterschied, ob derselbe bereits verdient war oder nicht, nur insoweit der Beschlagnahme unterliegen sollte, als er nicht zum notdürftigen Unterhalte des Schuldners und seiner Familie erforderlich war". Die zur Beratung des Entwurfs eingesetzte Kommission des Reichstages gelangte jedoch zur Überzeugung der Unannehmbarkeit der Vorlage, weil sie ein Aus­ nahmerecht für einzelne Verufskreise in ihm erblickte, einigte sich aber über zwei große Gesichtspunkte, welche der Ausgangspunkt für die endgültige Ge­ staltung des Gesetzes wurden. Erstens wurde die natürliche Grenze festgestellt, bis zu welcher all­ gemein — ohne Beschränkung auf bestimmte Klassen von Personen — und ohne Verletzung sittlicher und rechtlicher Fundamentalsätze der richterliche Zwang zum Zwecke der Lohnbeschlagnahme angerufen werden könne; sodann wurde die gesetzliche Regelung auf solche Verhältnisse beschränkt, welche eine gewisse Meyer, Beschlagnahme. 4. Stuft.

2

18

Einleitung.

Stetigkeit aufweisen, und welchen der Arbeitende, wenn nicht seine ganze, so doch seine hauptsächliche Erwerbstätigkeit widmet. Damit war die Grundlage für die Abänderungs­ anträge gewonnen, welche von der Mehrheit der Kommission zum Beschlusse erhoben, später Gesetz wurden. Einige weitere Änderungen erfuhr der Ent­ wurf noch in den Plenardebatten des Reichstages, welche hier füglich übergangen werden können, weil sie, soweit sie interessieren, bei der Erläuterung der einzelnen Paragraphen Platz finden werden. Das vom Reichstage am 23. Mai 1869 in dritter Lesung angenommene Gesetz wurde nach Zustimmung des Bundesrats am 21. Juni 1869 verkündet, trat für das Gebiet des Norddeutschen Bundes am 1. August 1869 in Kraft, wurde durch Gesetz vom 16. April 1871 Reichsgesetz und ist als solches auch in Elsaß-Loth­ ringen, Helgoland, den Schutzgebieten und den Kon­ sularbezirken in Geltung.

2. Die ursprüngliche Fassung des Gesetzes hat im Laufe der Jahre weitgehende Umge­ staltungen erfahren. a) DieZivilprozeßordnung vom 30. Januar 1877 nahm in § 749 allerdings unter den der Pfän­ dung nicht unterliegenden Forderungen unter Nr. 1 „den Arbeitslohn oder Dienstlohn nach den Be­ stimmungen des Reichsgesetzes vom 21. Juni 1869" auf, änderte aber auf der andern Seite die Be-

Einleitung.

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stimmungen des § 4 Ziffer 3 und 4 des Gesetzes durch Absatz 3 und 4 seines § 749 dahin ab, datz 1. der Gehalt und die Dienstbezüge der im Privatdienst dauernd angestellten Personen nur soweit der Pfändung unterworfen wurden, als der Gesamtbetrag die Summe von 1500 M für das Jahr überstieg, 2. die Pfändung ohne Rücksicht auf den Betrag zulässig erklärt wurde, wenn sie zur Be­ friedigung der Ehefrau und der ehelichen Kinder des Schuldners wegen solcher Alimente beantragt war, welche für die Zeit nach Er­ hebung der Klage und für das diesem Zeit­ punkt vorausgehende letzte Vierteljahr zu ent­ richten waren. b) Von viel größerer Tragweite als die eben angeführten Änderungen waren die Bestimmungen, welche das Reichsgesetz vom 29. März 1897 wegen Abänderung des Gesetzes betreffend die Beschlagnahme des Arbeits- oder Dienst­ lohnes und der Zivilprozeßordnung infolge des Umschwunges in den sozialpolitischen Anschauungen traf. Es dehnte die Vergünstigung der Familien­ glieder, d. h. der Ehefrau und ehelichen Kinder, bei Pfändung des Lohnes des Verpflichteten wegen ihrer Ansprüche an Alimenten (§ 4 Nr. 3 d. Ges.) auf die Unterhaltsansprüche der geschiedenen Ehefrau und des unehelichen Kindes — letzteres allerdings in einem be­ schränkten Umfange (§ 4a b. Ges.) — aus und brachte die Zivilprozeßordnung und das Lohnbeschlagnahme­ gesetz in Einklang. 2*

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Einleitung.

c) Endlich hat das Einführungsgesetz zu dem Gesetze betreffend Änderungen der Zivilprozeßordnung vom 17. Mai 1898 in Artikel III den § 4 Nr. 4 des Gesetzes dahin ab­ geändert, daß bei allen, nicht nur den im Sinne des früheren § 749 ZPO. dauernd Angestellten, d. h. denjenigen, deren Dienstverhältnis auf mindestens ein Jahr bestimmt oder mit einer Frist von mindestens drei Monaten aufzukündigen ist, die Lohnpfändung über den Jahresbetrag von 1500 M. hinaus ge­ stattet ist. Auf diese Weise hat das Gesetz, betreffend die Beschlag­ nahme desArbeits- oder Dienstlohnes, vom 21. Juni 1869 (BGBl. S. 242) sLBG.^j jetzt folgenden Wortlaut erhalten: § 1.

Die Vergütung (Lohn, Gehalt, Honorar usw.) für Arbeiten oder Dienste, welche auf Grund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses geleistet werden, darf, sofern dieses Verhältnis die Erwerbstätigkeit des Vergütungsberechtigten vollständig oder haupt­ sächlich in Anspruch nimmt, zum Zwecke der Sicher­ stellung oder Befriedigung eines Gläubigers erst dann mit Beschlag belegt werden, nachdem die Leistung der Arbeiten oder Dienste erfolgt und nachdem der Tag, an welchem die Vergütung gesetzlich, vertragsoder gewohnheitsmäßig zu entrichten war, abgelaufen

Einleitung.

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ist, ohne daß der Vergütungsberechtigte dieselbe ein­ gefordert hat. § 2.

Die Bestimmungen des § 1 können nicht mit rechtlicher Wirkung durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden. Soweit nach diesen Bestimmungen die Beschlag­ nahme unzulässig ist, ist auch jede Verfügung durch Zession, Anweisung, Verpfändung oder durch ein anderes Rechtsgeschäft ohne rechtliche Wirkung. § 3.

Als Vergütung ist jeder dem Berechtigten ge­ bührende Vermögensvorteil anzusehen. Auch macht es keinen Unterschied, ob dieselbe nach Zeit oder Stück berechnet wird. Ist die Vergütung mit dem Preise oder Wert für Material oder mit dem Ersatz anderer Auslagen in ungetrennter Summe bedungen, so gilt als Ver­ gütung im Sinne dieses Gesetzes der Betrag, welcher nach Abzug des Preises oder des Wertes der Materialien und nach Abzug der Auslagen übrig bleibt. § 4. Das gegenwärtige Gesetz findet keine Anwendung: 1. auf den Gehalt und die Dienstbezüge der öffent­ lichen Beamten; 2. auf die Beitreibung der direkten persönlichen Staatssteuern und Kommunalabgaben (die der­ artigen Abgaben an Kreis-, Kirchen-, Schul-

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Einleitung. und sonstige Kommunalverbände mit einge­ schlossen), sofern diese Steuern und Abgaben nicht seit länger als drei Monaten fällig ge­ worden sind; 3. auf die Beitreibung der den Verwandten, dem Ehegatten und dem früheren Ehegatten für die Zeit nach Erhebung der Klage und für das diesem Zeitpunkte vorausgehende letzte Viertel­ jahr kraft Gesetzes zu entrichtenden Unterhalts­ beiträge ; 4. insoweit der Gesamtbetrag der Vergütung (§§ 1, 3) die Summe von fünfzehnhundert Mark für das Jahr übersteigt.

§ 4 a. Auf die Beitreibung der zugunsten eines un­ ehelichen Kindes von dem Vater für den im § 4 Nr. 3 bezeichneten Zeitraum kraft Gesetzes zu ent­ richtenden Unterhaltsbeiträge findet dieses Gesetz nur insoweit Anwendung, als der Schuldner zur Be­ streitung seines notdürftigen Unterhalts und zur Erfüllung der ihm seinen Verwandten, seiner Ehe­ frau oder seiner früheren Ehefrau gegenüber gesetzlich obliegenden Unterhaltspflicht der Vergütung (§§ 1, 3) bedarf. Hierbei werden ausschließlich die Leistungen berücksichtigt, welche vermöge einer solchen Unter­ haltspflicht für den nämlichen Zeitraum oder, falls die Klage zugunsten des unehelichen Kindes nach der Klage eines Unterhaltsberechtigten erhoben ist, für die Zeit von dem Beginne des der Klage dieses

Einleitung.

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Berechtigten vorausgehenden letzten Vierteljahrs ab zu entrichten sind. §

5.

Dieses Gesetz tritt am 1. August 1869 in Kraft. Die bis dahin verfügten, mit den Vorschriften dieses Gesetzes nicht vereinbaren Beschlagnahmen sind auf Antrag des Schuldners aufzuheben oder ein­ zuschränken. Dagegen finden die Bestimmungen des zweiten Absatzes des § 2 auf frühere Fälle keine Anwendung. Urkundlich . . . Gegeben Berlin, den 21. Juni 1869. (L. S.) Wilhelm. Gr. v. Bismarck-Schönhausen.

In dieser Fassung ist das Gesetz jetzt auf Grund des tz 850 Nr. 1 ZPO, geltendes Recht.

3. Die Regelung der Lohnbeschlagnahme in diesem Gesetze ist keine allgemeine, sondern erstreckt sich nur auf „Arbeits- und Dienst­ verhältnisse" und auch auf diese wieder nur inner­ halb bestimmter Grenzen. — Da nur der § 850 ZPO. Abs. 1 unter Nr. 1 den Arbeits- oder Dienstlohn nach den Bestimmungen unseres Gesetzes als einen der Pfändung nicht unterworfenen An-

Einleitung.

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spruch bezeichnet, so unterliegt derselbe außerhalb dieses Rahmens wie jede andere Forderung der Beschlagnahme. Die Regelung der Lohnbeschlagnahme auf dem ganzen Gebiete der Dienstverträge ergibt folgende

Übersicht: Die Pfändung der Arbeits- und Dienst­ vergütung*) der Arbeiter und Privat­ beamten ist A. bei Vorliegen eines Arbeits- und Dienstver­ hältnisses zulässig I. soweit der Gesamtbetrag der Vergütung 1500 Mk. für das Jahr übersteigt (S. 98 fg.); II. bei geringerer Vergütung 1. nach dem in § 1 des Ges. festgesetzten Zeit­ punkte (s. S. 36 fg.), d. h. nach a) Leistung der Dienste und ß) Ablauf des Tages der Lohnzahlung und y) Nichteinforderung des Lohnes, 2. unabhängig von dem Zeitpunkte des § 1 a) wenn sie pränumerando zu entrichten ist (s. S. 41) oder b) wenn sie aus Nebenbeschäftigung her­ rührt (f. S. 36) oder c) wegen der «) den Verwandten, _________ ß) dem Ehegatten

*) Lohn, Gehalt, Honorar usw.

Einleitung.

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y) den unehelichen Kindern zu entrichtenden Unterhaltsbeiträge (s. S. 89 fg., 116 fg.), jedoch mit der Beschränkung aa) auf die Zeit nach Erhebung der Klage und das diesem Zeitpunkte vorausgehende letzte Merteljahr, bb) auf die kraft Gesetzes zu zahlenden Beträge, ec) im Falle der Pfändung zugunsten unehelicher Kinder durch die eigene Notdurft und durch die verwandtschaftliche Unterhalts­ pflicht; d) wegen der direkten persönlichen Staats­ und Kommunalsteuern (f. S. 85), sofern diese nicht seit länger als 3 Monaten fällig geworden sind. B. bei Nichtvorliegen eines Arbeits- oder Dienst­ verhältnisses ohne irgendwelche Einschränkungen zulässig, wenn es sich um eine oder mehrere einzelne Vergütungen für bestimmte einzelne Arbeiten handelt, dagegen als Ganzes nur auf Grund eines bestehenden einheitlichen Rechts­ verhältnisses gestattet (s. (5. 47 fg.).

II. Erläuterungen des Gesetzes. § i. Die Vergütung (Lohn, Gehalt, Honorar usw.) für Arbeiten oder Dienste, welche auf Grund eines Arbeils- oder Dienstverhältnisses geleistet werden, darf, sofern dieses Verhältnis die Erwerbstätigkeit des Vergütungsberechtigten vollständig oder haupt­ sächlich in Anspruch nimmt, zum Zwecke der Sicher­ stellung oder Befriedigung eines Gläubigers erst dann mit Beschlag belegt werden, nachdem die Leistung der Arbeiten oder Dienste erfolgt und nachdem der Tag, an welchem die Vergütung gesetzlich, vertragsoder gewohnheitsmäßig zu entrichten war, abgelaufen ist, ohne daß der Vergütungsberechtigte dieselbe ein­ gefordert hat. A. Dieser Paragraph enthält die Hauptbestimmung des Gesetzes; er regelt die Voraussetzungen, unter denen allein eine Beschlagnahme, das heißt eine Pfändung der in einem Arbeits- oder Dienstverhältnisse erworbenen Vergütung zur Sicherung oder Befriedigung deS Gläubigers zulässig sein soll, spricht diese aber nur negativ aus. In positiver Form ist die Pfändung der Vergütung für Arbeiten oder Dienste auf Grund eines ArbeitSoder DienstverhältniffeS als ForderuugSpfändung nur

Erläuterungen zu § 1.

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gestattet, wenn folgende Voraussetzungen insgesamt zutreffen: Es muß einArbeits-oderDienstverhältnis vorliegen (S. 27); dieses hat die Erwerbstätig­ keit des Vergütungsberechtigten vollständig oder hauptsächlich in Anspruch zu nehmen (S. 35); in ihm müssen Dienste oder Arbeiten geleistet sein (S. 37fg.), für welche Vergütung zu entrichten ist (S. 40); der Tag ihrer Zahlung muß abgelaufen (S. 42), die Vergütung aber darf nicht eingefordert sein (S. 44fg.). 1. Der in die Rechtswissenschaft neu eingeführte Begriff Arbeits- oder Dienstverhältnis wird weder im Gesetze selbst, noch in seinen Materialien bestimmt (ebensowenig im BGB. und in der KO., welche ihn in den §§ 113, 617 fg. bzw. § 22 aufgenommen haben). Vom Bericht­ erstatter der Reichstagskommission wurde dieses Verhältnis als „bestimmtes, stetiges" erklärt, „welches nicht identisch ist mit einem förmlichen Vertragsabschluß, sondern welches ein tatsächlicher Zustand sei" (StenBer. Bd. II, S. 910). Man wird darunter ein zur Leistung wiederkehrender Dienste oder Arbeiten innerhalb eines bestimmten Geschäftskreises des Dienstherrn verpflichtendes Vertragsverhältnis persön­ licher Abhängigkeit zu verstehen haben (ähnlich Gaupp § 85011b u. RG. 71 S. 334). Die Entstehungsart der Beziehungen zwischen Arbeiter und Arbeitgeber ist danach nicht bestimmend für die rechtliche Beurteilung des Verhältnisses: Ob von vorn­ herein ein förmlicher Vertrag besteht oder ob zunächst ein rein tatsächlicher Zustand vorhanden war (auch infolge einer Geschäftsführung ohne Auftrag), der dann in einen dauernden vertraglichen überging, ist gleichgültig); ein Arbeits- und Dienstverhältnis kann hier wie dort vor­ liegen. Ebensowenig aber, wie mit Sicherheit aus dem Vorliegen eines Vertrages auf dasselbe zu schließen ist, ebensowenig ist aus einem rein tatsächlichen Zustande gegen ein solches zu entnehmen. Es kann der Eintritt eines Arbeiters in eine Fabrik oder eines Gesindes in

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

einen Haushalt zur augenblicklichen Aushülfe leicht ohne Vertrag in einen dauernden Zustand, ein Arbeitsverhältnis, übergehen. Die Ausdrücke Arbeits- und Dienstverhältnis weisen nicht auf den Gegensatz von Dienst- und Werk­ verträgen (a.M. Staudinger S. 159), sondern lediglich auf die vielseitige, alle Arten von Leistungen umfassende Tätigkeit hin, welche in das Gesetz einbezogen werden soll (s. S. 37 fg.). Begrifflich erforderliche Merkmale des Verhält­ nisses sind folgende: a) Stetigkeit in den Beziehungen zwischen Arbeit­ geber und Arbeiter, also fortlaufende und zwar nicht nur zufällig sich ergebende Tätigkeit des letzteren bei ersterem wird verlangt. Einzelne oder mehrere, in keinem ge­ wollten Zusammenhange stehende, wenn auch gleichartige Leistungen führen nicht zu einem Arbeitsverhältniffe. Don einem solchen kann daher füglich keine Rede sein, wenn jemand nur vorübergehend zu Dienstleistungen gedungen wird, sei es nun, daß er einmal diese, einmal jene Art von Diensten verrichtet, wie ein Tagelöhner, sei es, daß seine Dienstleistungen zwar immer in demselben berufs­ mäßigen Erwerbszweige sich bewegen, aber heute hier, morgen dort oder jetzt diesem und etwas später jenem Dienstherrn geleistet werden, wie dies z. B. beim Holz­ hacker, Lohnkutscher, Lohndiener, Packer, Markthelfer, Musiklehrer, Krankenpfleger, Arzt, Heilgehülfen, der Hebamme, Näherin usw. gewöhnlich der Fall ist. — Da­ gegen steht der in einer Holzhandlung oder von einem Forsteigentümer fortlaufend beschäftigte Holzhacker, der von jemandem für seinen Sohn fest engagierte Hauslehrer, der in einem Krankenhaus fest angestellte Arzt — nicht der Kassenarzt OLG. 17 S. 311 — und Heilgehülfe, die ebenso bedienstete Hebamme, der von einer bestimmten Person, z. B. einem Arzte, fest angenommene Lohnkutscher, der in einem Konservatorium angestellte Müstklehrer, die in einer Wäschefabrik angenommene Näherin in einem

Erläuterungen zu § 1.

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Dienstverhältnisse. Ein solches wird also nur dann vorliegen, wenn gleichartige, ihrem Wesen nach in sich zusammenhängende Dienste geleistet werden. — Aber nicht nur in der rein objektiven Art und Weise der Erwerbstätigkeit, sondern auch subjektiv in den Be­ ziehungen zu einem bestimmten Arbeitgeber muß die Stetigkeit hervortreten, mögen die Dienste ihm persönlich oder für feinen Haushalt, Wirtschaftsbetrieb oder sein Erwerbsgeschäft geleistet werden. Die Notwendig­ keit der Einheit in der Person des Arbeitgebers bestreitet Bezold, S. 117, mit Rücksicht darauf, daß dies nicht als wesentliches Requisit im Gesetze aufgeführt ist. Jedoch ist dieser Umstand unbeachtlich, da das Arbeits- und Dienst­ verhältnis in den Materialien des Gesetzes als „bestimmtes, individuelles" bezeichnet wird, welches „Einheit und Identität des Rechtsverhältnisses" voraussetzt (StenBer. III S. 76). Kleineidam (D. J.-Ztg. 12. Jahrg. 700) erachtet m. E. zu Unrecht eine solche Einheit auch dann für vorliegend, wenn man, ausgehend von tatsächlichen Gesichtspunkten, die jeweilig Tage oder Wochen dauernde Tätigkeit bei einem von mehreren Dienstherrn für sich betrachtet. Solche Arbeiten gehören zu den einmaligen Verträgen und Handlungen, auf welche das Gesetz sich nicht beziehen soll (StenBer. II S. 910; s. S. 30). Die Stetigkeit in den Beziehungen von Arbeitgeber zum Arbeiter erheischt aber auch einen gewissen Zeitumfang; auf einen von vornherein bestimmten oder besonders großen kommt es dabei nicht an; § 4 Nr. 4 des Gesetzes stellt keinen solchen als Vorbedingung seiner Anwendbarkeit mit dem Ausdruck „für das Jahr" auf (s. S. 100). Indessen muß das Verhältnis nach den sozialen Zuständen, Verkehrsgewohnheiten und -anschauungen doch von einer gewissen Dauer oder wenigstens als dauerndes gewollt (Dernburg II2 S. 388, Staudinger S. 155), also faktisch auf längere Zeit angelegt sein (Lotmar I S. 546). Deshalb liegt bei einer „versuchsweise" für keine näher

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Gesetz, Bett. Beschlagnahme Bes Dienstlohnes.

bestimmte Zeit eingegangenen Anstellung eine dauernde Vertragsbeziehung vor (OLG. XII S. 423), keine solche, wie gezeigt, aber bei einer „aushülssweisen", von vorn­ herein als vorübergehend gedachten. Die von Tag zu Tag gegebene Möglichkeit zur Lösung der Beziehungen nimmt denselben nicht die Stetigkeit, ebensowenig die tägliche Auszahlung der Vergütung (vgl. S. 100 sub Nr. 5; Hess. Rspr. 06 S. 931). Trotz größerem Zeitumfange fallen in das Gebiet der einmaligen Leistungen (Staudinger a. a. O.) einzelne aufgetragene Arbeiten, welche sich aus einer zufälligen Bestellung von feiten individuell unbe­ stimmter oder bestimmter (aA. Staudinger S. 154) Per­ sonen ergeben, und deren Vergütung der Erfüllung der Arbeitsleistung unmittelbar nachzufolgen hat. Allerdings bedingt die längere Zeitdauer solcher Leistungen oft eine Vorleistung auf der einen Seite wtb eine spätere Zahlung auf der anderen Seite; aber dies liegt im Wesen jedes Dienstvertrages (§ 614 BGB.). In das Gebiet dieser einmaligen Leistungen gehören auch die Verträge mit Ge­ werbetreibenden (Schuster, Schneider usw.), selbst wenn sie sich wiederholen. Erheben diese den Lohn nicht und lassen eine unbestimmte Anzahl von Einzelansprüchen freiwillig zusammenkommen, arbeiten also „auf laufende Rechnung", so entstehen damit noch keine stetigen Arbeits­ beziehungen im Sinne dieses Gesetzes. Bei solchen tritt infolge der eigentümlichen Natur des Verhältnisses die Vertagung der Realisierung eines an sich bereits gegebenen Vergütungsanspruches auf einen späteren Zeitpunkt ein und vollzieht sich aus inneren Gründen periodisch die Lohnzahlung (Staudinger a. a. O., s. S. 42). b) Die Abhängigkeit des Arbeitenden vom Arbeit­ geber wird zwar in den Gesetzesmaterialien als wesent­ liches Merkmal des Dienstverhältnisses nicht besonders hervorgehoben (und daher vom Kammergericht (OLG. 19 S. 14] abgeleugnet), muß aber dennoch als solches gelten. Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes führt nicht zu gegen­ teiliger Annahme. § 7 des Entwurfs nennt zwar nicht

Erläuterungen zu § 1.

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bestimmte Kategorien von Personen, auf welche das Gesetz Anwendung finden soll, ebensowenig wie § 1 des Gesetzes selbst, in welchem er aufging, will aber den § 1 des Ent­ wurfs stets sinngemäß angewendet wissen (StenBer.S. 75, 76); dieser bezog sich aber nur auf bestimmte Klassen von abhängigen Personen und drückte einen der Grundgedanken des Gesetzes aus, daß nämlich nur Bezüge solcher Per­ sonen, welche „nicht selbst Unternehmer" (a. a. O. S. 73), also unselbständig sind, der Wohltat des Gesetzes teilhaftig werden sollten. Wenn § 1 des Gesetzes daher eine Auf­ zählung von Personenklassen unterläßt, so folgt daraus noch nicht die Aufgabe des genannten Prinzips. — Häufig spricht auch der Entwurf von den vielen treffenden Ver­ gleichungspunkten mit den Gehältern der in einem Staatsdienerverhältnisse, also in Abhängigkeit stehenden öffent­ lichen Beamten (a. a. O. S. 70, 74). — Das Reichsgericht (Bd. 62 S. 231) sieht ein wichtiges Begriffsmerkmal des Dienstverhältnisses und Sichverdingens (§ 61 Nr. 1 KO.) in dem mehr oder weniger großen Aufgeben der Selb­ ständigkeit des Arbeitenden, mag dieses durch Unterwerfung unter ein Botmäßigkeitsverhältnis oder durch ausschließ­ liche oder vorzugsweise Betätigung im Dienste eines Be­ rechtigten herbeigeführt sein. Da letztere aber als besondere Eigenschaft des Begriffes „Dienstverhältnis" im § 1 des LBG. hingestellt wird, so kann es nicht zugleich dessen Begriffs- und Erkennungsmerkmal sein. Es erfordert daher der Begriff die Botmäßigkeit des Arbeitenden. — In RG. 71 S. 334 schließt es sich ganz dem hier vertretenen Standpunkte an. Die Stellung des Arbeitnehmers wird aber keineswegs stets zu persönlicher Botmäßigkeit verpflichten, vielmehr oft nur eine Unterordnung unter die Leitung und Anordnung des Arbeitgebers (§618 BGB.) bezüglich der Tätigkeit im allgemeinen oder besonderen sowie in einem mehr oder weniger großen Verzichte auf die freie Verfügung über eigene Zeit und Arbeitskraft mit sich bringen sJW. 06 S. 38; OLG. 15 S. 38; 17 S. 195; a.M. OLG. 19

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

S. 14.) Der Mangel an Selbständigkeit des Arbeitenden wird sich dementsprechend in dem Befolgen von Dienst­ ordnungsvorschriften und Weisungen äußern, die sich auf Wohnsitz, äußeres Verhalten, auf Beginn, Zeitdauer, Reihenfolge, Ende oder Art der Arbeiten und Dienste im allgemeinen oder einzelnen, auf Unterwerfung unter Re­ visionen, Einkommen um Urlaub, Einsendung von Reise­ berichten usw. beziehen (daher findet das Gesetz auch aus fest engagierte oder Dauer(Saison)gastspiele absolvierende Schauspiüer Anwendung, vgl. RG. 41 S. 53). Eine solche Unterordnung des Arbeitenden unter die Leitung des Arbeitgebers, für welche sich häufig ein großer Spiel­ raum in den Arbeitsverträgen bietet, tritt nicht nur bei den verschiedenartigsten Dienstverträgen ein, sondern ist auch bei der Werkverdingung durchaus möglich (vgl. S. 39 sg.). — Mit der persönlichen wird meistens noch eine wirt­ schaftliche Abhängigkeit Hand in Hand gehen, da „das Verhältnis vollständig oder hauptsächlich die Erwerbs­ tätigkeit in Anspruch nehmen" soll (vgl. S. 35). — Eine untergeordnete gesellschaftliche Stellung des Ar­ beitenden seinem Dienstherrn gegenüber wird aber nicht vorausgesetzt (RG. 71 S. 334). In einem Abhängigkeitsverhältnisse steht nicht der Agent zum Kaufmann (Lis. u. Drew. S. 113; RG. 62 S. 232; 63 S. 73), auch nicht der Kommissionsagent (RG. 69 S. 365), selbst bei garantiertem Mindestein­ kommen (Bl. f. Rpfl. 01 S. 16), es sei denn, daß er aus­ nahmsweise sich zum ausschließlichen Dienste einem Ge­ schäftsherrn verpflichtet hat (Das Recht 01 S. 265; Dür.Hach. § 88 Anm. 17., aM. Staub a. a. £)., Anm. 22). Er ist selbständiger, unabhängiger Gewerbetreibender im Gegensatz zum Handlungsgehülfen, welcher ein unselbstän­ diges Glied im Geschäftsorganismus des Prinzipals bildet (OLG. 12 S. 423; 19 S. 42). Oft genug nennt er sich Provisionsreisender und bezeichnet sich damit als Ange­ stellten, ohne es begrifflich zu sein. Charakteristisch für seine Stellung ist die Tatsache, daß seine Vergütung stets

Erläuterungen zu § 1.

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in einer Provision für jedes einzelne zur Ausführung gelangte Geschäft besteht und daneben gewährtes festes Gehalt eine Ausnahme bildet (§ 88 HGB.). Über sonstige Merkmale der Agenteneigenschaft s. OLG. 14 S. 346. Abhängig ist ferner nicht der gefchäftsführende Gesellschafter der offenen Handels- oder Kommandit­ gesellschaft, nicht der Geschäftsführer der Gesell­ schaft m. b. H.* (ebenso Staub, Kom. z. Gef. über G. m. b. H. § 35 Anm. 49: (inkonsequent daher Anm. 66 nur Gehaltspfändung über 1500 M. f. d. Jahr); ebenso LG. Berlin I T. 55/09; a. M. Kammergericht OLG. 19 S. 14), nicht der Direktor der Aktiengesellschaft (ROHG. 13 Nr. 64; vgl. OLG. 19 S. 215), der Vorstand der Genossenschaft oder der Liquidator irgend einer Gesellschaft von der Gesellschaft, auch nicht der Hausgewerbetreibende (Begriffs­ bestimmung, Gewerbe-Unfallversges. v. 5. VII. 00 § 5 b), z. B. der Zwischenmeister in der Konfektion. Der Um­ stand, daß letzterer nach freier Verfügung, wenn auch dauernd, von einem oder mehreren Gewerbetreibenden die einzelnen Arbeiten übernimmt und persönlich ausschließlich oder überwiegend mit Leitung, wenig oder gar nicht mit Herstellung der Erzeugniffe beschäftigt ist, unterscheidet ihn vornehmlich von dem Heimarbeiter, der auf Grund eines bindenden Arbeitsverhältnisses für einen Arbeit­ geber aus besonderen Gründen in eigener Betriebsstätte tätig ist. Auf letzteren findet wegen seiner persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit das Gesetz Anwendung (so OLG. 11 S. 361; Bl. f. Apfl. 04 S. 60; 119b GewO.). Sichere Handhabe zur Feststellung der Grenzen beider, durch Vereinbarungen oft verwischter Begriffe bietet die Anleitung des Reichsversicherungsamtes vom 19. XII. 99 (RGBl. S. 463). — Der sog. Unternehmer, z. B. *) Über die Abhängigkeit des Vorstehers einer Zweig­ niederlassung einer G. m. b. H. entscheidet Vertrag bzw. §§ 6, 46 Nr. 5 des Gef. 3 Meyer, Beschlagnahme. 4. Stuft.

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Gesetz, Bett. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

bet Bauuntetnehmet, Gewerbetreibende gtoßen Stils, ja selbst bet gewöhnliche mit Gesellen obet ftemden Arbeits­ kräften produzierende Handwetket genießt nicht den Schutz des Gesetzes. Mag et auch in einigen Beziehungen vom Bestellet abhängig sein, so stellt et doch seine eigene Arbeitstätigkeit nicht unmittelbat in den Dienst einet anbeten Petson, wie bet Atbeitet, so baß dies einen Vetzicht auf die stete Anfügung feinet Zeit und Atbeitsktaft bedeutet, sondetn bedient sich füt seine Produktion im allgemeinen ftentbet Arbeitskräfte, wenn et auch selbst mitarbeitet (Staudinger S. 142). Seine Vergütung hat daher zum mindesten Teile den Charakter des Arbeitslohnes im Sinne des Gesetzes (s. S. 40 fg.), repräsentiert vielmehr neben dem Ersätze für den Produktionsaufwand (Bezahlung von Arbeitslöhnen Dritter usw.) zugleich den sog. Unternehmergewinn und die Kapitalrente (Staudinger a. a. £).); das Verständnis für den Gegensatz eröffnet RG. 4 S. 424. — Der Sträfling steht in keinem Dienstverhältnisse zur Strafanstalt, wenngleich sein Arbeitsverdienst gegen Beschlagnahme nach Kabinettsordre vom 28. XII. 40 geschützt ist (vgl. Pick S. 35). c) Dienste oder Arbeiten müssen geleistet werden S. hierüber S. 39 fg. d) Das Dienstverhältnis setzt weiter die Leistung der Dienste durch den Dienstverpflichteten in eigener Person voraus (StenBer. III S. 584). Der Arbeiter ist zur Vertretung durch einen Dritten nicht berechtigt (§ 613 BGB.). B. Begrifflich nicht erforderliche Merkmale des Verhältnisses sind: a) Festsetzung einer Lohnperiode (s. S. 42 fg.), b) Aufnahme in die häusliche Gemeinschaft des Arbeit­ gebers (§§617 fg. BGB.), c) Arbeitsleistung in der Betriebsstätte des Arbeit­ gebers (Gaupp 1 d zu § 850 II BGB., bei Heim­ arbeit, S. 33),

Erläuterungen zu § 1.

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d) vollständige oder hauptsächliche Inanspruchnahme der Erwerbstätigkeit des Arbeitnehmers.

2. Das Arbeits- oder Dienstverhältnis muß die Erwerbstätigkeit vollständig oder hauptsächlich in Anspruch nehmen. Mit anderen Worten: es muß ein Dienst- und Erwerbsverhältnis sein, auf das sich die wirtschaftliche Existenz des Arbeitenden ganz oder wenigstens vornehmlich aufbaut. Ein solches kann nur ein ein­ zelnes sein. — Dadurch ist aber nicht bedingt, daß die hierzu erforderliche Tätigkeit des Arbeiters seine ganze Kraft und Zeit, also seine Erwerbsfähigkeit erschöpft oder überwiegend in Anspruch nimmt. Wird die Existenz des Arbeiters durch eine nur geringfügige oder zeitweilige Tätigkeit begründet, und verwendet er seine übrige Zeit nicht noch anderweitig zur Arbeit, so ist immerhin be­ züglich der Erwerbstätigkeit die Vorbedingung des tz 1 erfüllt; den in solchem Fall erzielten Dienstlohn von dem durch das Gesetz gewährten Vorrechte auszuschließen (ROHG. 24 S. 363 fg., weil die Erwerbstätigkeit nur zu einem geringen Teile durch das Dienstverhältnis in Anspruch genommen wird und der Arbeiter noch zu anderem Verdienst fähig ist, erscheint nicht zutreffend. Auch Dernburgs Auffassung (Preuß. Privatr. Bd. 2, § 109 Anm. 6), der sich der Ansicht des ROHG. unter der Vor­ aussetzung anschloß, daß der Arbeiter zu anderweitem Verdienste Gelegenheit hat, kann nicht beigetreten werden; nicht die Erwerbsfähigkeit, nur die Erwerbs tätig!eit steht hier in Frage und ist allein zu berücksichtigen; so z. B. unterliegt der Gehallsanspruch des Hauslehrers, der täglich nur wenige Stunden seinen Zöglingen Unterricht erteilt und nebenbei seine freie Zeit mit Studien für sich ausfüllt, dem Gesetze. Für die hauptsächliche Tätigkeit bildet also die auf die Arbeit überhaupt verwendete Zeit den Maßstab, und zwar ist die im Dienstverhältnisse auf­ gewendete gegen die überhaupt der Arbeit gewidmete ab­ zuwägen, um festzustellen, welche überwiegt/ (Pick S. 44.)

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

Wenn das Gesetz nur Einnahmen aus der Haupt­ beschäftigung schützt, so folgt daraus, daß Einkünfte aus einer daneben betriebenen Beschäftigung als Neben­ verdienste der Pfändung nicht entzogen sind, (StenBer. III S. 586 fg.), gleichviel ob sie aus einem weiteren Dienstverhältnisse herrühren (z. B. Einnahmen einer Fabrikarbeiterin aus einer nebenher übernommenen täglich kurze Zeit erfordernden Aufwartung) oder außer­ halb eines solchen erzielt werden, gleichviel ob sie als berufsmäßige und dauernde erscheinen (Bezold S. 116\ z. B. der Nebenverdienst des Hauslehrers als Korre­ spondent einer Zeitung oder als Reichstagsstenograph, oder nur zufällige und nebensächliche sind, und gleichviel ob sie an sich größer sind, als die aus der Hauptbeschäftigung gewonnenen, z. B. das Einkommen eines Unterbeamten einer Privatgesellschaft als Hausverwalter (aM. LG. I Berl. T. 438/07) und ob sie 1500 M. für das Jahr nicht erreichen (Ggsz. tz 4 Nr. 4 d. Ges.). Selbst vor Leistung der Arbeiten und vor Fälligkeit der Vergütung sind sie pfändbar. — In dem seltenen Falle, daß die verschieden­ sten Tätigkeiten die Arbeitszeit gleich stark in Anspruch nehmen, entspricht es dem Geiste des Gesetzes, einen Bezug und bei gleichen Bezügen den höheren dem Schuldner zu belassen (Pick S. 48). Wegen Zusammentreffens mehrerer Bezüge S. 1O3fg. 3. Es muß die Leistung von Arbeiten oder

Diensten erfolgt, 4. der Tag, an welchem die Vergütung zu ent­ richten war, muß abgelaufen und 5. die Vergütung darf nicht eingefordert sein. I. Vorbemerkungen zu 3 — 5. Diese Vorschriften bestimmen in ihrer Gesamtheit den Augenblick, bis zu welchem die Lohnbeschlagnahme ausgeschlossen, beziehungsweise von welchem ab sie ge­ stattet ist.

Erläuterungen zu tz 1.

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In ihnen bekundet sich der Grundgedanke des Gesetzes, verwirklicht sich der Wille, der im Erwerb begriffenen Arbeitskraft gegen jeden Angriff Schutz zu gewähren und das Produkt der Arbeitstätigkeit zunächst unangefochten in die Hände des Arbeitnehmers hinüber­ zuführen, damit er in der Lage sei, daraus zur Erhaltung seiner Arbeitskraft und -lust die für sich und die Seinigen für die Zeit bis zur nächsten Lohnzahlung unentbehrlichen Lebensbedürfnisse zu befriedigen, weiter aber auch der Wille, von dem Augenblick ab, wo der Lohn nicht mehr zur Befriedigung der Lebensbedürfnisse des Arbeiters notwendig gebraucht wird, also in den Händen des Ar­ beitgebers die Natur eines erworbenen Kapitals des Ar­ beiters annimmt, ihn der Beschlagnahme nicht mehr zu entziehen. — Wie das Gesetz diese Aufgabe löst, wird die folgende Betrachtung der einzelnen Bestimmungen zeigen. II. Einzelnes zu 3 — 5. Zu 3. a) Die Arbeiten und Dienste bedeuten nicht etwas begrifflich Verschiedenes und weisen insbesondere nicht auf den Gegensatz von Werk- und Dienstverträgen (aM. Staudinger S. 159), sondern auf die Vielseitigkeit der Leistungen hin (f. S. 28). Sie sind ihrer Art nach unbeschränkt, umfassen daher körperliche und geistige, unter­ geordnete und höhere, mechanische (technische) und kauf­ männische, handwerksmäßige und künstlerische, reproduktive und schöpferische Tätigkeit. Ohne Einfluß ist es, ob sie in oder außerhalb der Behausung beziehungsweise Be­ triebsstätte des Dienstberechtigten und ob sie für Personen geleistet werden, welche der häuslichen Gemeinschaft des Dienstberechtigten angehören oder nicht. Das ganze große Gebiet von Leistungen, wie sie auf Grund von Dienst- oder Werkverträgen übernommen zu werden pflegen (§§ 611 fg., §§ 631 sg. BGB.), zählt hierunter: Die Leistungen des Holzhackers, des Fabrik-, Werk- und Hütten­ arbeiters, des Gesellen, Gewerbegehilfey und Dienstboten,

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

welche der Entwurf des Gesetzes in § 1 benannte, gehören an sich ebenso hierher, wie diejenigen der Zeitungsredakteure, Künstler, Tänzerinnen, welche der Berichterstatter der Reichstagskommission hervorhob. Bezüglich der Leistungen der Schauspieler und Sänger eines Theaters hat das Reichsgericht dies ausgesprochen (Entscheid. Bd. 41 S. 53); von den Leistungen seiner Choristen, Musiker und des ganzen technischen Personals wird dies erst recht gelten müssen. Das Urteil des Reichsgerichts Bd. 17 S. 86 steht dem nicht entgegen; der Begriff der Arbeiten und Arbeiter im Sinne der Versicherungsgesetze ist viel enger als derselbe Begriff in diesem Gesetze. Dies geht schon aus der Klassifizierung, welche der Kommissionsbericht gab, hervor, findet auch ferner im § 1 in den verschiedenen Bezeichnungen der „Vergütung" wie „Lohn, Gehalt, Hono­ rar usw." Ausdruck. — Daher hat das Kammergericht aus die Tätigkeit des Artisten einer Spezialitätenbühne mit Recht das gegenwärtige Gesetz angewendet (vgl. Bl. f. Rpfl. 00 Nr. 3). Der Kreis dieser Personen, welche gegen Entgelt ihre Arbeitstätigkeit unmittelbar in fremde Dienste stellen und auf diese Weise verwerten lArbeiter im weitesten Sinne des Wortes, Gesinde § 1 Ges.-Ord., zur Dienstleistung Verpflichtete § 613 BGB., Unternehmer 8 631 BGB., Dergütungsberechtigte tz 1 des Gesetzes) ist ebensowenig beschränkt, wie der Kreis der­ jenigen. welche als Arbeitgeber im weitesten Sinne des Wortes (Dienstberechtigte § 615 BGB., Dienstherr­ schaften im Gebiete der Gesindeordnung, Besteller § 631 BGB.) Dienste anderer in Anspruch nehmen. Letztere können Private, Kaufleute, Fabrikanten, Gewerbe­ treibende jeder Art, auch der Konkursverwalter nach Ein­ tritt in den Vertrag (welcher aber nicht aus der Ver­ wertung der Dienste zur Masse bis zum Ablaufe der Kündigungsfrist zu folgern ist. RG. 55 S. 267), auch juristische Personen, insbesondere Korporationen des öffent-

Erläuterungen zu tz 1.

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lichen Rechts, wie religiöse Korporationen, Gemeinden, ja der Staat selber sein.

GegenstandderLeistung können sowohl die Dienste für sich betrachtet oder die Arbeiten als solche, als auch der hierdurch herbeizuführende Erfolg, das Produkt der Arbeit sein. Meistens werden ja die Dienste und Arbeiten an sich gedungen sein, werden also Dien st Verträge vorliegen (§§ 611 fg. BGB.), indessen lassen sich sehr wohl Falle denken, in denen durch die Leistung zu bewir­ kende Erfolge oder die Herstellung beziehungsweise Ver­ änderung einer Sache, also Werkverträge (§§ 631 fg. BGB.) den Vertragsinhalt bilden, z. B. der fortgesetzte Transport von Personen oder Sachen (RG. 59 S. 309 unter der Annahme, daß der Schlepper zum fortgesetzten Schleppen der Schiffe der Gesellschaft in den Hafen ge­ dungen war) oder das Schaffen wissenschaftlicher, künst­ lerischer, technischer und gewerblicher Leistungen. Es ist kein Grund vorhanden, diese auszunehmen; auch hier werden ja Dienste und Arbeiten — nur mit vorherrschender Rücksicht auf ihr Ziel und Produkt — gedungen; auch hier können die Voraussetzungen des Arbeitsverhältnisses sehr wohl vorliegen, auch Abhängigkeit in dem S. 30 er­ läuterten Sinne. (Beispiele geben die Heimarbeit [f. S. 33J, RG. 38 S. 117 und OLG. 15 S. 43.) Ebenso Gaupp 850 II lb, Mandrh S. 210, Sinzheimer S. 41, Koch S. 15, Staudinger S. 159, aM. Pick S. 35. — Daß die Gesetzesvorschriften auf das eine wie das andere Vertragsverhältnis gleichmäßig bezogen werden sollten, deutet § 3 Abs. 2 des Gesetzes ls. S. 21) an, ganz abgesehen davon, daß der Gesetzgeber bei Durchführung der großen sozialpolitischen Gesichtspunkte, welche er verfolgte, nicht vor dem hler ziemlich bedeutungslosen Unterschiede der beiden Arten von Verträgen Halt machen wollte. (Stau­ dinger a. a. O.) b) Die Arbeiten oder Dienste müssen bis zum Ende des Zeitabschnittes geleistet sein, für welchen die Vergütung zu entrichten ist, ehe eine Beschlagnahme

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

der Vergütung eintreten darf. Ohne Vor­ leistung der Arbeiten auf seiten des Arbeitenden keine Beschlagnahme! Nur in den Fällen S. 62 wird vom Gesetze die Gleichstellung der Nichtleistung der Arbeit mit deren Leistung anerkannt, greift also der Ausschluß der Pfändung ohne Arbeitsleistung Platz (ebenso Lotmar I, S. 404). Zu 4. a) Geschützt werden soll die Vergütung (Lohn, Gehalt, Honorar usw.), welche für Arbeiten oder Dienste in unmittelbarem Anschluß an diese beim Ende jeder Lohnperiode (S. 42 fei,.) als deren Lohn oder Entgelt („Arbeitslohn" in der Überschrift des Ges.) gegeben wird, also der Arbeitserfolg (StenBer. II S. 910; Pick S. 36 fg., m. Aufs. i. Bl. f. Rpfl. 02 S. 20). Vergütung ist auch die Abschlagszahlung, d. h. die nach Fälligkeit gemachte Teilzahlung, und die Vorschußleistung die vor Fälligkeit ganz oder teilweise entrichtete Vergütung (Lotmar IS. 388 fg.). Wegen ihrer Pfändbarkeit s. 6. 41. — Anderen aus dem Verhältnisse für den Arbeitenden sich er­ gebenden Ansprüchen wird der Gesehesschutz nicht zuteil (f. S. 61), weil sie im Gegensatz zu der erarbeiteten Forderung arbeitloses Einkommen sind. — Die Vergütung behält die wirtschaftliche Eigenschaft, als Erfolg der Arbeit, solange sie nicht vom Arbeiter mit oder ohne seinen Willen abgestreift ist. Dies ist der Fall, wenn dieser durch sein eigenes Ver­ halten, durch Tun oder Nichttun nach Fälligkeit zu er­ kennen gibt, daß er sie als Entgelt seiner Leistungen nicht in Anspruch nimmt, sondern zur wirtschaftlichen Bedeutung des Kapitals erhebt (Seuffert 42 Nr. 173). Dann erst büßt sie ihren Charakter und damit den Gesetzesschutz ein. — Aber auch schon beim Übergange auf einen Dritten (Erben oder Zessionär) wird die Lohnforderung, welche für den Arbeiter Arbeitserfolg ist, zum arbeitslosen Einkommen. Einzelnes hierüber s. S. 45. b) Die Vergütung ist entweder vereinbart (§§ 611, 641 BGB.) oder als solche anzusehen (§§ 612, 632 a. a. O.) und wird nach Vereinbarung, Üblichkeit oder Gesetz ent-

Erläuterungen zu § 1.

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richtet. Gemäß § 614 a. a. O. hat die Zahlung nach Leistung der Dienste und, wo die Vergütung nach Zeit­ abschnitten bemessen ist, nach Ablauf dieser einzutreten. — Vereinbarungsgemäß kann die Vergütung allerdings auch im voraus (pränumerando) entrichtet werden. Sie ist aber aldann schlechthin pfändbar; die Vorschriften des LBG. finden auf sie keine Anwendung. Denn dieses beschränkt nach seiner deutlich ausgesprochenen Absicht (StenBer. II 910, III 587) die Regelung der Lohnbeschlagnahme im Wege der Forderungspfändung nur auf diejenigen Ver­ hältnisse, wo der Arbeiter nicht in der Lage ist, nach seinem Belieben den verdienten Lohn in Empfang zu nehmen, sondern nach Gewohnheit warten muß, bis sich mit dem Fortschreiten der Arbeit gewisse Summen ansammeln und er das Produkt seiner Arbeit realisieren kann. — Wenn Staudinger (S. 161) bei Vorausbezahlung des Lohnes „das Beschlagnahmeverbot auch gegenüber dem schon in den Händen des Arbeiters befindlichen Lohnquantum" gelten läßt, so scheint er das Verbot des § 811 ZPO. im Auge zu haben. Die Pfändung dieses Lohnes nach der Leistung der Arbeit läßt sich ja im Wege der Forderungspsändung gar nicht erreichen. Der Vertragsanspruch auf Vorschuß­ leistungen bei postnumerando zu zahlendem Lohn (s. S. 40) ist, wie derjenige auf die eben behandelten Vorauszahlungen schlechthin pfändbar, es müßten denn die Vorschußleistungen vertraglich, sei es im Arbeitsvertrage, in der Arbeitsordnung oder in dem Tarifverträge, nach Zeit und Höhe derart fest­ gesetzt sein, daß der zu zahlende Teillohn dem bis dahin erarbeiteten, verdienten gleichkommt. In diesem Falle ist die Vorschußleistung nichts anderes als die reguläre LohnZahlung selbst und folgt daher deren Grundsätzen betreffs der Pfändbarkeit in Gemäßheit des LBG. — Letzteres gilt auch von der Abschlagszahlung (s. S. 40). — Rückständige, d. h. vor dem letzten Zahltage fällig gewordene, aber nicht beglichene Lohnforderungen sind bei nicht erfolgter Ein­ forderung nach Fälligkeit schlechthin pfändbar; in diesen Fällen wird die Einforderung durch den Schuldner bis zum

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

Beweise des Gegenteils vermutet (LG. I Berl. T. 59/04). — Im Konkurse des Arbeitgebers findet Bezahlung der nach Eröffnung des Verfahrens geleisteten Dienste als Masieschuld am Zahltage, unabhängig vom Gange der Verteilung der Masse, statt (§§ 59, 57 KO.); Lohn­ forderungen aus der Zeit vor Konkurseröffnung dürfen zwar, müssen dagegen nicht (wenngleich bevorrechtigt § 611 KO.) unabhängig von den allgemeinen Verteilungen, nach Feststellung im Prüsungstermine berichtigt werden (§§ 170, 149 a. a. O.; OLG. 19 S. 93); sie sind daher im Gegen­ satze zu den zuerst genannten Lohnforderungen auch erst nach dem Prüfungstermine pfändbar (teilweise anders D. J.-Ztg. 02 S. 300). — (Wegen Begriffs und Arten der Vergütung im einzelnen s. S. 61 fg.) c) Die Bestimmungen, daß der Tag, an welchem die Vergütung zu entrichten war, abgelaufen sein muß vor ihrer Pfändbarkeit, soll verhindern, daß bei einem nach Zeitabschnitten festgesetzten Lohne die bis zu einem bestimmten Tage verdiente Lohnrate ausgerechnet, als kapitalisierte Forderung des Arbeiters betrachtet und gepfändet wird, ebenso bei einem Stücklohn (Akkordarbeit) eine Lohnpfändung mit Fertigstellung eines Stückes ein­ tritt. Damit würde die ganze oben dargelegte Absicht des Gesetzgebers vereitelt (s. S. 36). Es wird daher der ganze Zeitraum von Beginn des Dienstverhältnisses an bis zum gesetzlichen, Vertrags- oder gewohnheitsmäßigen Zahlungs­ tage und von diesem wieder bis zum nächstfolgenden und so fort als ein geschlossenes Ganze — als eine Lohn­ periode betrachtet, welche für die Frage der Zulässigkeit der Lohnbeschlagnahme nicht in Teile zerlegt werden darf. In dem Berichte der Kommission ist hierüber bemerkt (StenBer. III S. 582): „Erst wenn die Lohnperiode voll­ ständig abgelaufen ist, ist der Gesamtlohn an Stelle der Arbeit getreten . . . Streng genommen würde dieser Zeitpunkt mit dem Momente zusammenfallen, in welchem der Lohn ausgezahlt wird. Dagegen sprechen zwei Rück­ sichten: Die Rechtsverhältnisse lasten sich, wenn für deren

Erläuterungen zu tz 1.

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Wirksamkeit eine allgemeine Zeitgrenze aufgesucht wird, überhaupt nicht gut nach Augenblicken regeln. Überdies würde das Gesetz wiederum den größten Teil seines Wertes einbüßen, wenn es dem Gläubiger gestattete, mit dem Schuldner gleichzeitig am Zahltische zu erscheinen . . . Aus diesen zwingenden Gründen ist der Anfangspunkt der Exekutionsfähigkeit auf den nächsten Tag nach dem Ablauf der Lohnperiode verlegt worden." Daher ist die Beschlagnahme des Lohnes erst an dem dem Zahltage nachfolgenden Tage zu­ lässig. — Dem Lohnberechtigten aber noch darüber hinaus ganz allgemein für einen den Verhältnissen entsprechenden Zeitraum den Lohn als unpfändbaren zu belassen, weil er meist nicht sofort mit Fälligkeit bezahlt wird, wie OLG. 10 S. 385 tut, findet im Gesetz keine Stütze (vgl. aber S. 46 b). Hiernach ist eine vor dem gedachten Tage be­ wirkte Pfändung oder Vorpfändung der noch ausstehenden Lohnforderung (abgesehen von den Fällen des § 4 Nr. 4 S. Ges. S. 98) wirkungslos und wird auch nicht dadurch rechtswirksam, daß der Schuldner am Zahltage den Lohn nicht erhebt. — Aber weiterhin ist auch die exekutivische Wegnahme des bereits ausgezahlten Lohnes vor dem gedachten Zeitpunkte, sei es im Augen­ blicke der Auszahlung, sei es unmittelbar hinterher, gesetz­ lich unzulässig (ebenso Staudinger S. 159 fg., und Gaupp Anm. II c zu § 850; aM. Pick S. 66 u. d. dort Zitierten, sowie Sinsh. S. 74). Das Gegenteil kann aus der Stellung des LBG. in dem die Unpfändbarkeit von Forderungen be­ handelnden § 850 der ZPO. nicht entnommen werden, da das ganze Gesetz ohne Einschränkung dort in Bezug ge­ nommen ist. Wo die Pfändung aber trotzdem vor dem gedachten Zeitpunkte erfolgt, ist die Freigabe der gepfändeten Beträge von dem schwierigen Beweise ihrer Identität mit dem auf Grund des Gehaltsanspruches gezahlten Gelde abhängig; von diesem Nachweise wird nur in den Fällen des § 811 Nr. 8 ZPO. bezügl. des den Offizieren usw.

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

Gezahlten eine Ausnahme gemacht. BGB. IV S. 215.)

(Vgl. Motive zum

Zu 5. Nach dem aufgestellten Grundsätze mußte aber auch dann der dem Zahlungstage nachfolgende Tag als Anfangspunkt der Pfändung zulässig sein, wenn der Lohn zu entrichten war — aber nicht zur Auszahlung gelangte. Hierdurch konnte indessen leicht die gute Absicht des Ge­ setzes umgangen, der Arbeiter um den Lohn gebracht und seinen Gläubigern die Beschlagnahme ermöglicht werden, sei es, daß der Arbeitgeber kein Geld am Zahltage hatte oder durch Krankheit, Geschästsabwesenheit usw. an dem Einhalten des Zahltages verhindert war, sei es, daß er im Interesse des Arbeiters oder in Kollusion mit einem Gläubiger die Lohnzahlung verzögerte. Dieser Erwägung verdankte der auf Antrag des Abgeordneten Reichensperger beschlossene Zusatz „ohne daß der Vergütungsberechtigte dieselbe eingefordert hat" seine Entstehung. Hierdurch wird es ermöglicht, den Arbeiter von dem Arbeitgeber un­ abhängig zu machen: nur durch Einfordern, d. h. Auf­ forderung zur Zahlung, sichert er seiner Lohnforderung den Schutz des Gesetzes, andernfalls gibt er sie dem Zugriffe der Gläubiger frei. Dieser Grundsatz führt zu folgenden Konsequenzen: Hat der Arbeiter am Zahltage den Lohn eingefordert, aber nicht erhalten, so besteht das Verbot der Pfändung zeitlich und inhaltlich unbeschränkt über den Zahltag hinaus fort — auch Lei Hinterlegung des Lohnes durch den Arbeitgeber bei der Hinterlegungs­ stelle aus den im § 372 Satz 2 BGB. angeführten Gründen [f. folg. S.; in diesem Falle hat die Forderung des Arbeiters gegen die Regierungshauptkasse auf Aus­ zahlung des Lohnes dieselbe wirtschaftliche Aufgabe wie die Lohnforderung gegen den Arbeitgeber selbst, und dies allein ist maßgebend (Conrad S. 344; anders bei Bezügen der § 850 Nr. 8 ZPO. Genannten [f. S. 80] und auch wegen rückständiger Beträge (s. S. 41 fg.). Hat der Ar-

Erläuterungen zu § 1.

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beiter den Lohn aber eingefordert und er­ halten, so ist am nächsten Tage nach dem Zahl­ tage die Möglichkeit seiner Pfändung gegeben; das letztere gilt auch dann, wenn er den Lohn überhaupt nicht eingefordert hat, oder gar mit dessen Annahme in Verzug gekommen ist und der Arbeit­ geber daraufhin hinterlegt (§ 372 Satz 1 BGB.). Pfänd­ bar wird auch der vom Arbeitgeber zunächst aus Anlaß des § 372 Satz 2 BGB. hinterlegte Lohn, welcher zufolge Verzichts aus die Rücknahme oder zufolge rechtskräftiger Verurteilung des Arbeitgebers bzw. eines Dritten in die Einwilligung zur Herausgabe an den Arbeiter für letzteren frei verfügbar und nicht unverzüglich abgehoben worden ist. — Der Verzug des Arbeitgebers mit der Zahlung zur festgesetzten Zeit macht die Einforderung der Vergütung nicht überflüssig (§ 284 Abs. 2 BGB.). Indessen erleiden diese Regeln dadurch einige Ein­ schränkungen, daß die Lohnforderung, wie gezeigt (s. S. 40 fg.), nur als Arbeitserfolg geschützt ist und durch Erhebung zum Kapitale den Schutz gegen Be­ schlagnahme einbüßt. a) Trotz Einforderung wird die nicht ge­ zahlte Lohnforderung pfändbar durch eine zwischen Arbeiter und Arbeitgeber nachträglich — auch vergleichs­ weise — getroffene Vereinbarung, daß sie weiterhin als Darlehen geschuldet (§ 607 BGB.) oder schlechthin, ohne Fortsetzung von Fälligkeitsterminen, ganz oder teilweise dem Arbeitgeber belassen sein sollte (Seuffert 42 Nr. 173). Dagegen streift der Arbeiter der Forderung noch nicht unbedingt den vom Gesetze zugestandenen Schutz durch Bewilligung von Nachlaß, Stundung oder Ratenzahlung mit fest verabredeten Rückzahlungsterminen ab, da er möglicherweise in der Nachsicht den einzigen, ihn schnell in Besitz der Vergütung setzenden Weg erblickt (ebenso Oertel, Sächs. Arch. 8 S. 607, aM. Gaupp zu § 850

46

Gesetz, betr» Beschlagnahme des Dienstlohnes.

II c), noch viel weniger durch eine vor Gericht oder außer­ gerichtlich erzielte Anerkennung seiner Forderung (Seuffert a. a. O., OLG. X S. 384). Die Absicht, welche der Arbeitende mit seinen Maßnahmen verfolgt, wird in jedem einzelnen Falle entscheidend sein. b) Trotz Nichteinforderung bleibt die Lohn­ forderung unpfändbar, solange sie ihres wirtschaft­ lichen Charakters als Arbeitserfolg nicht entkleidet wird, also ihre Realisierung infolge äußerer Umstände unmöglich oder zwecklos ist, z. B. bei Krankheit oder Abwesenheit des Arbeiters, vorheriger Pfändung (LG. Prenzlau vom 16. VIII. 00), vorheriger Zahlungsweigerung (und eventuell Hinterlegung) oder erklärter Zahlungsunfähigkeit oder im Konkurse des Arbeitgebers (s. S. 42). In diesen Fällen folgt aus der Nichteinforderung nicht die Absicht der Kapitalisierung der Vergütung (aM. OLG. 02 Nr. 51 b). Im allgemeinen unterstellt allerdings das Gesetz im Falle der Nichteinforderung am Fälligkeitstage den Willen des Arbeiters, den Anspruch zu kreditieren (LG. I Berlin T. 1359/02). Die Einforderung des Lohnes erfolgt formlos, rechts­ wirksam nur an den Arbeitgeber in seinem Geschäftslokale oder seiner Arbeitsstätte (tz 269 BGB.) und ist ebenso, wie der Grund der Nichteinforderung im Rechtsstreite stets vom Arbeiter zu erweisen, der die Befreiung des Lohnes von der Beschlagnahme erstreiten will (IW. 1888 S. 196, OLG. 5 S. 455 u. Strieth. Arch. 87 S. 280 fg.). Daß sie nicht stattgefunden hat, ist so lange anzunehmen, als schuldnerischerseits nicht das Gegenteil glaubhaft gemacht ist (StenBer. II S. 981). — Bei rückständiger Lohn­ forderung gilt die entgegengesetzte Vermutung (LG. I Berl. T. 59/04, S. 41). Eine bedingte Pfändung für den Fall der Nichtein­ forderung ist unzulässig (25 T. 231/10 LG. I Berl.).

Erläuterungen zu § 1.

47

B.

Belanglos ist für die Anwendbarkeit des Gesetzes: 1. der Rechtsgrund des Anspruches, um dessen Sicherung oder Befriedigung es sich handelt; er kann auf Vertrag oder unerlaubter Handlung beruhen (Ausnahme: 8 4 Nr. 2 und 3, § 4a); 2. der Schuldtitel, auf Grund dessen zur Sicherung oder Befriedigung die Pfändung vor­ genommen werden soll; er kann im Wege des gerichtlichen (auch im Wege des Arrestes) wie des administrativen Ver­ fahrens erlassen, auch eine nach § 794 Nr. 5 ZPO. vom Notar aufgenommene vollstreckbare Urkunde sein. 3. das Bestehen des Arbeits- oder Dienst­ verhältnisses zur Zeit der Lohnbeschlagnahme; auch nach seiner Auflösung noch nicht fällige Bezüge aus demselben, genießen den Gesetzesschutz, z. B. Provisionen (LG. Berl. I T. 531/03); 4. die Existenz anderer Vermögensbestand­ teile des Arbeiters, welche dem Zugriff des Gläubigers unterliegen; das Verbot der Beschlagnahme des Dienst­ lohnes gilt absolut, d. h. in jedem Falle unbeschadet sonstiger Vermögensbestandteile oder-einkünfte des Schuldners (Staudinger S. 158); 5. die Höhe der Vergütung an sich (Ausn. § 4 Nr. 4, S. 98); 6. die Art der Vergütung (S. 64). C.

Das Gesetz findet keine Anwendung: 1. auf Lohn- und Gehaltssorder ungen der a) in keinem Arbeits- oder Dienstverhält­ nisse Stehenden (s. unten); b) in einem„solchen Verhältnisse Stehenden unter den in der Übersicht (S. 24) angegebenen Voraus­ setzungen.

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Gesetz, Beb. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

In diesen Fällen findet die Beschlag­ nahme unabhängig von § 1 statt; bezüglich der genannten Forderungen soll dies im folgenden Exkurse erläutert werden. 2. aus ausbezahlte Löhne und Gehälter vor und nach dem in § 1 genannten Zeitpunkte (S. 36 fg.; vgl. § 811 Nr. 2, 3 ZPO.); 3. auf Pensionsforderungen der Privatange­ stellten (S. 61); 4. auf Schadensersatzforderungen derselben (S. 61).

Exkurs zu § 1. Die Beschlagnahme der Lohnforderungen, auf welche das Gesetz keine Anwendung findet (s. oben), mögen die Berechtigten in einem Dienstverhältnisse stehen oder nicht, erfolgt ohne Rücksicht auf Höhe, Fälligkeit und Einforderung der Vergütung oder auf Leistung der Arbeit, also auch dann, wenn es sich um noch nicht verdiente, also noch nicht bestehende, sondern erst zur Entstehung gelangende zukünftige An­ sprüche handelt. Wenn solche Ansprüche für ein­ malige Leistungen in Frage kommen — es können diese auch von größerem Umfange sein (s. S. 30), z. B. der Anspruch eines Rechtsanwalts gegen seinen Auftraggeber aus einem erst begonnenen Prozesse, das Honorar eines Hausarztes oder die Tantiemen eines Direktors einer Aktiengesellschaft noch vor Abschluß des Kalender- bzw. Geschäftsjahres, die Forderung eines selbständigen Hand­ werkers für übertragene, aber noch nicht ausgeführte Arbeiten, die Vergütung eines Schauspielers für ein ver­ einbartes, wenngleich noch nicht absolviertes Gastspiel (aber Saisongastspiel S. 32) und gepfändet werden sollen, so ist Voraussetzung der Pfändbarkeit dieser künftigen Forderungen nicht einmal das Vorliegen eines bedingt oder betagt bindenden Vertrages: ebenso wie nach dem BGB. „die

Exkurs zu tz 1.

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Abtretung künftiger Forderungen, zu denen noch nicht ein­ mal ein rechtlicher Grund vorhanden ist, deren Entstehung vielmehr nur als möglich vorausgesetzt wird", rechtsgültig ist, so ist auch deren Beschlagnahme gestattet (§ 861 ZPO., RG. 55 S. 334; 67 S. 166; D. J.-Ztg. 04 S. 400 u. 426; anders LG. I u. II Berlin und IW. 04 S. 366 für einen nach ALR. zu entscheidenden Fall); z. B. die Pfändung der zukünftigen Provisionsforderung eines Maklers für die auf eigene Hand ohne direkten Auftrag des Eigentümers be­ triebene Vermittlung eines Hausverkaufs. — Sollen da­ gegen zukünftige Vergütungen eines Schuldners für Arbeiten oder Dienste als Ausflüsse eines Gesamtrechts, als Ganzes, ohne spezielle Bezeichnung einzelner Raten gepfändet werden, so müssen sie auf Grund eines bereits bestehenden einheitlichen Rechtsver­ hältnisses als Gehalt oder ähnliche fortlaufende Bezüge geschuldet werden (§ 832 ZPO.). Die Bestimmtheit und Bestimmbarkeit vorausgesetzt (RG. 67 S. 167) gewinnen solche Forderungen sofort mit Vertragsschluß rechtliche Existenz, mögen sie auch noch eine Bestätigung des Arbeit­ nehmers innerhalb des übertragenen Geschäftskreises er­ fordern und je nach den Erfolgen in ihrem Umfange schwanken (RG. Entsch. v. 21. II. 1891 i. d. Besonderen Beilage z. Reichsanzeiger 1891 S. 201). Die gewollten dinglichen Wirkungen ihrer Pfändung treten allerdings erst mit Fälligkeit der einzelnen Provisions- usw. Forderungen, dann aber unmittelbar und ohne weiteres ein (RG. 67 S. 167). Eine solche gehaltähnliche Forderung ist nicht nur die Provisionsforderung eines dauernd Angestellten (OLG. 6 S. 418), sondern auch eines Agenten oder „Vertreters eines Handelshauses", dem die fortlaufende Tätigkeit im Interesse eines oder mehrerer GeschäftsHerren übertragen ist (RG. im Reichsanzeiger a. a. O.).

Meyer, Beschlagnahme. 4. Aufl.

4

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Gesetz, Mr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

8 2

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Die Bestimmungen des § 1 können nicht mit rechtlicher Wirkung durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden. Soweit nach diesen Bestimmungen die Beschlag­ nahme unzulässig ist, ist auch jede Verfügung durch Zession, Anweisung, Verpfändung oder durch ein anderes Rechtsgeschäft ohne rechtliche Wirkung.

I. Allgemeines. Der Paragraph will jedwede Rechtsgeschäfte des Arbeiters bezüglich der Lohnforderung vor dem in § 1 festgesetzten Zeitpunkte unmöglich machen, mögen sie der Umgehung des gesetzlichen Verbots des § 1 dienen, oder vorgenommen werden um wirklich bestehende Forderungen zu decken (Mandry S. 216); er enthält zwingendes Recht

II.

Zu Absatz 1. Verträge, welche das Pfändungsverbot des § 1 ganz oder teilweise beseitigen sollen, können sowohl vor wie nach Beginn der Zwangsvollstreckung geschlossen werden^ sie sind in jedem Falle rechtsunwirksam, da „über die im öffentlichen Interesse gezogenen Grenzen der Exekution nicht paktiert werden darf" (StenBer. III S. 587), und gemäß § 134 bzw. § 138 BGB. nichtig (s. S. 54). Aus dem angeführten Grunde hebt auch eine ein­ seitige Verzichtserklärung des Schuldners auf die Wohltat des Gesetzes während des ZwangsvollstreckungsVerfahrens nicht das gesetzliche Pfändungsverbot auf. Dieser Satz läßt sich mit Rücksicht auf die ausdrückliche Be­ stimmung des Abs. 2 füglich nicht bestreiten, so sehr auch sonst über die Folgen eines Verzichtes in den Fällen der

Erläuterungen zu § 2,

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§§ 811 und 850 ZPO. gestritten wird (vgl. Gaupp § 850 1; Müller, Psändungspsandrecht S. 83 fg.).

Zu Absatz 2. Wenn Absatz 1 jedes direkte Paktieren über die Zulässigkeit einer dem Paragraphen zuwiderlaufenden Lohn­ beschlagnahme verbietet, so wendet sich Absatz 2 gegen alle Verfügungen des Arbeiters, welche — beabsichtigt oder nicht —-indirekt aus die Lohnforderung einwirken, sie schmälern oder ihm entziehen, und regelt damit wichtige Teile des Arbeitsvertrages. Unter „Verfügungen durch Rechtsgeschäfte" oder rechtsgeschästliche Verfügungen werden gemeinhin Rechtshand­ lungen verstanden, welche unmittelbar aus bestehende Ver­ mögensrechte einwirken, indem sie die letzteren ganz oder teilweise übertragen, verändern oder beendigen. (Planck Bd. I S. 183, nicht aber die dem Rechtsakte selbst voraus­ gehenden Rechtsgeschäfte, welche nur die Verpflichtung zu einer Verfügung begründen (aM. Mandrh S. 216). In­ dessen ist der Begriff vorliegend nicht so eng zu fassen. Nach StenBer. 111 S. 582 sollte durch die Bestimmung „der Privatvertrag über die Enteignung zukünftiger Löhne als unwirksam bezeichnet werden", also jeder solcher Vertrag, daher auch das obligatorische Geschäft, auf Grund dessen die Verfügung selbst vorgenommen toitb. — Wirkungslos ist jedoch eine solche Verfügung des Arbeitenden nur insoweit, als es die Be­ schlagnahme nach § 1 sein würde (vgl. S. 26 fg.), und nur, wenn sie eine Enteignung des zukünftigen Lohnes enthält, also denselben verkümmert oder ent­ zieht. (StenBer. III S. 587.) Belanglos ist, wem gegen­ über, Arbeitgeber oder Dritten, die Verfügung vorgenommen wird (Sinzh. S. 16), und wie die Vergütung zu verab­ folgen ist (tz 115 Abs. 2 GewO.). a) Unzulässig sind demnach in dem Umfange des § 1 die Verfügungen deS Arbeiters über den Lohn durch die namentlich aufgeführten Rechtsgeschäfte, die Zession (eben-

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

so § 400 BGB.), Anweisung, Verpfändung [eine solche enthält auch die sog. Kautionsbestellung mit der Lohnforderung (vgl. m. Aufs. i. Bl. f. Rpfl. 02 S. 20), auch Lohneinbehaltungsabrede zur Sicherung des Arbeit­ gebers genannt (Lotmar I S. 432 fg.; Sinzh. S. 97 fg.; sie ist nach § 119 a Abs. 1 GewO, beschränkt, unbe­ schränkt dagegen in betreff der § 133a a. a. O. genannten Personen gültig)). Unter den „anderen Rechtsgeschäften" sind Erlasse [auch die Abrede der Lohnverwirkung im Falle vertragswidrigen Handelns des Arbeiters fällt hierunter (Lotmar IS. 452 fg.; Sinzh. S. 108 fg.); sie ist, trotz § 2 Äbs. 2 des Gesetzes im Falle des Kontraktbruches, beschränkt gültig nach §§ 134 Abs. 2, 134 b Nr. 5 GewO. (OLG. 17 S. 406; aM. Sinzh. S. 114), weil diese ausdrückliche, nach dem Inkrafttreten des BGB. ent­ standene Spezialvorschriften enthalten), Schenkungen, Vergleiche gemeint, letztere, wenn sie eine Lohnenteignung in dem eben erläuterten Sinne enthalten, nicht, wenn sie nur Stundung oder Ratenzahlung gewähren. Rechtsunwirk­ sam sind nach Abs. 2 im Umfange des § 1 des Gesetzes auch die Vereinbarungen auf Ausschluß der in Gesetzen für den Arbeitenden aufgestellten Schutzvorschriften, soweit ihre Unwirksamkeit nicht schon in den Gesetzen selbst ausgesprochen ist, also des § 63 HGB. Abs. 1 (eine Ab­ änderung des Paragraphen ist geplant) und des § 616 BGB. Auf diese Rechte kann in denjenigen Fällen, wo der Lohn unter der Grenze der Pfändbarkeit bleibt, nicht verzichtet werden. Die herrschende Meinung übersieht die Anwendbarkeit des Abs. 2 auf diese Fälle und steht daher auf anderem Standpunkte; so Planck Anm. 4 zu § 616, Staub Anm. 7 zu § 63 BGB. b) Zulässig sind dagegen alle Rechtsgeschäfte des Arbeiters über die Lohnforderung: 1. wenn er sich der Forderung selbst nicht enteignet, also einen Dritten mit deren Erhebung beauftragt oder die Anrechnung gewisser Leistungen des Arbeit­ gebers auf die Lohnforderung, d. h. deren Minderung

Erläuterungen zu § 2.

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durch Geltendmachung der auf Kosten des Arbeitgebers erlangten Vermögensvorteile mit diesem verabredet (§§617, 337 BGB.; §§ 115, 133c GewO.; §§ 86, 87 Pr. Ges. Ord.) oder wenn er die Zahlung eines Lohnvorschusses mit betn Arbeitgeber vereinbart, d. h. Vorausbezahlung eines Teils seiner Vergütung schon vor Fälligkeit im Hin­ blick auf noch zu leistende Arbeit und Kürzung des vor­ geschossenen Betrages bei Fälligkeit infolge tatsächlicher Einbeziehung der bereits erfolgten Zahlung in die Gesamt­ schuld. Solche Vereinbarungen sind selbst bei einer 1500 Mk. jährlich nicht erreichenden Vergütung rechtswirksam (vgl. Sinzh. S. 43, D. J.-Ztg. 02 S. 47; Bescheid d. Justizmin. v. 24. IV. 82 Müller I S. 674], anders IW. 04 S. 402). Ohne Verpflichtung auf Rückerstattung gegebene und empfangene Vorschüsse sind keine Darlehen und ihr Charakter wird auch bei Umwandlung in Darlehensschuld (§ 607 BGB.) nicht schlechthin abgestreift. (Lotmar I S. 393; Staudinger u. Planck § 607; IW. 04 S. 402.) (Wegen Anrechnung des Vorschusses bei Pfändung des Gehaltes S. 111 fg.) War aber in einem erst in Aussicht genommenen Vertrage die Vorschußleistung als Darlehen gewollt (Str.Arch. 25 S. 37) und demnächstige Aufrechnung mit künftiger Lohnforderung vereinbart, so stellt sich dieser Aufrechnungsvertrag, soweit der Lohn 1500 Mk. für das Jahr nicht übersteigt, als unzulässige Verfügung des Arbeiters dar (s. S. 54 fg.); 2. wenn das Gesetz nicht Anwendung findet (S. 47 fg.); 3. bezüglich des Wertes von Material oder Ersatzes anderer Auslagen, welche mit der Vergütung in unge­ trennter Summe bedungen sind (§ 3 Abs. 2 d. Ges. S. 61 fg ). c) Unberührt durch § 2 ist die Aufrechnung des Arbeitgebers gegen die Lohnforderung (RG. .41 S. 54) und der Rechtsbehelf der Zurückbehaltung. (Über beides s. Exkurs zu § 2.)

54

Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

III. Die Wirkungen deS Verbots. Die den verbotenen Rechtsgeschäften angedrohte recht­ liche Unwirksamkeit ist als Nichtigkeit aufzufassen, da eine im öffentlichen Interesse zum Schutze der arbeitenden Klassen erlassene Vorschrift vorliegt (§ 134 BGB.). Sie äußert sich nach drei Seiten: a) Der Arbeiter selbst kann das Geschäft als nichtig aufrufen, selbst wenn er zunächst demselben zugestimmt hatte. b) Der Dritte erwirbt kein Recht aus solchen Rechts­ geschäften. c) Der Zahlungspflichtige Arbeitgeber wird durch die Leistung an einen Dritten gegenüber dem Arbeiter bzw. Pfandgläubiger nicht entlastet, setzt sich also der Gefahr doppelter Zahlungspflicht aus (Staudinger S. 162). Nur durch Bestätigung des Rechtsgeschäfts nach dem in.§ 1 angegebenen Zeitpunkte ist die Nichtigkeit heilbar (§141 BGB.'. Die nichtige Nebenabrede hebt den Dienstver­ trag, in welchem sie enthalten ist, trotz § 139 BGB. regelmäßig nicht auf; vgl. Staub, Exkurs zu § 62 HGB.

Exkurs zu § 2. Aufrechnung und Zurückbehaltungsrecht gegenüber unpfändbaren Lohuanfprüchen. A. Aufrechnen kann an sich der Arbeiter mit seiner Lohnforderung, der Arbeitgeber gegen dieselbe. I. Die Aufrechnung des Arbeiters mit der Lohnforderung ist als Verfügung über sie nach § 2 deS Gesetzes in gleichem Umfange wie die Pfändung nach § 1 unzulässig (Sinzh. S. 19 fg.), mag sie vereinbart sein oder nicht, zulässig daher nur, wo das Verbot der Lohnbeschlag­ nahme nicht Platz greift (S. 47 fg.).

Exkurs zu § 2.

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II. Die Ausrechnung des Arbeitgebers gegen die Lohnforderung des Arbeiters wird durch § 2 nicht berührt, wie die Materialien zu unserem Gesetze außer Zweifel stellen (StenBer. III S. 588). 1. Insoweit sie mit dem Willen des Arbeiters, also aus Grund eines Aufrechnungsvertrages, erfolgt, enthält sie wiederum eine Verfügung des Arbeiters über den Lohn (RG. 41 S. 54), und das zu I Gesagte findet Anwendung: Ohne rechtliche Wirkung ist daher aus allen Rechtsgebieten eine vor dem in § 1 festgesetzten Zeit­ punkte und in dessen Umfange getroffene Abrede, welche den Lohnabzug wegen persönlicher (z. B. Darlehen-, Bürgschafts-, Miets-) Forderungen und wegen Ver­ trags- und Ordnungsstrafen dem Arbeitgeber gestattet oder ihm ein Recht auf Kürzung des Lohnes wegen Lehrgeldes, fehlerhafter Arbeit, Beschädigung des Betriebsmaterials oder anderer Verstöße einräumt, selbst wenn eine solche in Dienstverträgen, Arbeits- und Hausordnungen von Fabriken, Handlungshäusern, Theater­ unternehmungen usw. enthalten ist. Nach § 117 Abs. 2 GewO., welcher „jede Verwendung des Arbeitsverdienstes zu anderem Zwecke als zu Wohlfahrtseinrichtungen der Arbeiter" schlechthin verbietet, sind solche Ausrechnungen noch über die zeitlichen und sachlichen Schranken des LBG. hinaus für nichtig erklärt (Sinzh. S. 27). — Gesetzliche Bestimmungen, welche eine Vereinbarung über Aufrechnung gegen Lohnforderungen gestatten, sind nur so weit gültig, als sie ausdrückliche, nach dem Tage des Inkrafttretens des LBG. entstandene Spezialvorschriften hierüber enthalten; an diesem Rechtszustande hat § 394 BGB. um deswillen nichts geändert, weil er nur die vom Gläubiger, also hier dem Arbeiter, nicht gewollte, auf­ gezwungene Aufrechnung verbietet. Zulässig ist daher nach § 115 Abs. 2 GewO, die Ausrechnungsabrede wegen der Forderungen der Arbeitgeber für Lebensmittel, Wohnung, Landnutzung, Feuerung, Beleuchtung, Beköstigung

56

Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

usw. in dem dasel-st angegebenen Umfange. Denn diese Bestimmung ist mit Bedacht gegenüber § 2 Abs. 2 unseres Gesetzes in der Novelle vom 1. VI. 1891 und der Neuredaktion vom 26. VII. 00 aufrechterhalten worden. Dies ergibt der zunächst als Ergänzung und Zusatz zu § 115 gedachte, dann aber als besonderer Paragraph gestaltete § 115 a GewO, durch seine ausdrückliche Bezugnahme auf § 2 uns. Ges. Um Ausrechnung kann es sich bei den genannten Forderungen aber nur dann handeln, wenn die Gegenstände auf Kredit geliefert werden, bevor der Lohn verdient ist, nicht auch dann, wenn die Hingabe an Zahlungs­ statt bei Lohnzahlung oder als Lohnvorschuß erfolgt und ein Preisansatz nur behufs Berechnung des verbleibenden Barlohnes stattfindet, ohne daß eine Forderung entsteht (Schicker zu § 115 Note 16). In den letzten Fällen wird stets nur eine Anrechnung auf die Lohnforderung in Frage kommen, und diese ist gestattet (S. 52). Zulässig sind nach § 117 Abs. 2 GewO, die Ab­ reden betreffs Aufrechnung des Lohnes mit Forderungen der Arbeitgeber für „Einrichtungen zur Verbesserung der Lage der Arbeiter oder ihrer Familien". Bei der Lohnverwirkung soweit sie erlaubt ist (s. S. 52) mindert sich die Lohnforderung des Arbeiters ohne Aufrechnung ohne weiteres bei Eintritt eines gewissen Tatbestandes. — Auch bei der Lohneinbehaltung findet keine Aufrechnung statt. 2. Die Aufrechnung des Arbeitgebers gegen die Lohn­ forderung ohne oder gegen den Willen des Ar­ beiters ist nach § 394 BGB. gewissermaßen als „Selbstexekution in eine der Exekution selbst entzogene Forderung" in demselben Umfange wie die Pfändung in § 1 auf allen Rechtsgebieten verboten (Ausnahmen S. 58). Der Arbeitgeber kann also insoweit — darüber hinaus ist es ihm gestattet, OLG. 5 S. 455 — keine irgendwie ge­ artete , aus dem Arbeitsverhältnisse oder sonst woher stammende Gegenforderung durch Aufrechnung geltend

Exkurs zu § 2.

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machen (widerklagend darf er es). Dazu wird (ausführt. Sinzh. S. 48 fg.) im einzelnen folgendes bemerkt: a) Tritt der Lohnforderung ein Anspruch des Arbeit­ gebers aus unerlaubter Handlung (fahrlässiger oder vorsätzlicher Beschädigung von Maschinen, Arbeitsgeräten, -stoffen, -räumlichkeiten, Diebstahl usw.) gegenüber, so ist der Arbeitgeber im Umfange des § 394, der Arbeiter — selbst nach dem in § 1 des Gesetzes festgesetzten Zeitpunkte — gemäß § 393 BGB. aufzurechnen nicht befugt. Die ge­ setzlichen Vorschriften gewähren keinen Anhalt für die An­ nahme, daß gegen eine Lohnforderung die an sich unzu­ lässige Aufrechnung dann zulässig wird, wenn auch gegen die aufzurechnende Forderung die Aufrechnung gesetzlich ausgeschlossen ist. Mit dem Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB.) läßt sich hiergegen nicht ankämpfen Sinzh. S. 54 fg.). b) Auch mit Forderungen aus Darlehn, (Kauf. Miete, Vertrags- und Ordnungsstrafe usw. darf der Arbeitgeber nach § 394 nicht gegen die Lohnforderung aufrechnen. c) Bei Vertragsbruch des Arbeiters, Verzug, schuldhafter Unmöglichkeit der Erfüllung entscheidet das Interesse des Arbeitgebers an der Teilleistung des Arbeiters die Zulassung seines Schadensersatzanspruches gegenüber der Lohnforderung des Arbeiters. Hat er ein solches Interesse, so ist und bleibt der Anspruch des Arbeiters wegen seiner teilweisen Arbeit Lohnforderung, daher unpfändbar und gegen die Aufrechnung durch § 394 geschützt. — Liegt dieses Interesse nachweisbar nicht vor, so tritt durch das Verlangen des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung oder die Erklärung des Rücktritts vom Ver­ trage (§§ 280, 286, 326 Abs. 2 BGB.) an Stelle des Arbeitsverhältnisses, welches hinfällig wird, ein neues, nach § 346 BGB. zu beurteilendes Schuldverhältnis. Der aus diesem sich ergebende, auf Wertvergütung der geleisteten Arbeit gerichtete Anspruch des Arbeiters ist kein solcher auf Vergütung im Sinne des LBG., sondern auf Rück­ gabe, also pfändbar und ausrechenbar. — Auch ohne Nach-

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Gesetz, fietr. Beschlagnahnre des Dienstlohnes.

weis des mangelnden Interesses erreicht der Arbeitgeber bei Verzug des Arbeiters gemäß § 326 Abs. 1 nach Fristsetzung und bei einer durch vertragswidriges Verhalten des Arbeiters herbeigeführten Kündigung des Vertrages (§ 628 Abs. 2 BGB.) ohne weiteres die Auflösung des Vertrages und Aufrechnung seines Schadensanspruches nach den dar­ gelegten Grundsätzen der §§ 346 fg. — Wählt der gewerb­ liche Arbeitgeber statt der Rechte aus dem BGB. die fixierte Entschädigung gemäß § 124 b GewO., so ist ein Anspruch auf weiteren Schadensersatz ausgeschlossen. 3. Die trotz des Verbotes des § 394 BGB. oder aus Grund eines vor dem Zeitpunkte des § 1 LBG. geschlossenen Vertrages erklärte Ausrechnung ist nach § 134 BGB. nichtig und tilgt daher nicht die Lohnforderung. 4. Als Ausnahmen vom Verbote der Auf­ rechnung gegen die Lohnforderungen des § 1 b. Ges. sind trotz § 394 diejenigen in Kraft geblieben, deren Aufhebung sich weder aus dem BGB. noch seinem EinfGes. (Art. 32) ergibt: aa) Nach § 115 Abs. 2 GewO, kann der Arbeit­ geber in den Grenzen, die daselbst gezogen, sich für die dem Arbeiter kreditierten Waren im Wege der Ausrechnung auf seine Lohnschuld bezahlt machen (s. S. 55 fg.; Sinzh. S. 46; Landmann § 115 GewO. Anm. 4; dagegen Neukamp Verw.-Arch. V S. 252 fg.). — § 134 Abs. 2 GewO, bildet keine Ausnahme zu § 394 BGB. bb) Der § 173 der sog. Knappschaftsnovelle vom 19. VI. 06 gestattet den Knappschastsvereinen, die den Unterftützungsberechtigten zustehenden Ansprüche auf ge­ schuldete Eintrittsgelder, Beiträge, Vorschüsse, Geldstrafen, Ersatzforderungen usw. aufzurechnen. cc) § 9 des Ges. über die eingeschriebenen Hilfskassen vom 1. VI. 84, dd) § 56 Abs. 1 des Krankenvers.Ges. vom 30. VI. 00 und

Exkurs zu § 2.

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ee) § 142 Abs. 1 des Jnvalidenvers.Ges. vom 13, VII. 99 gestatten dem Arbeitgeber ohne besondere Ab­ rede bei der Lohnzahlung Aufrechnung mit dem auf die Arbeiter entfallenden Teile der Beiträge. ff) Auch gegen die Entschädigungs- und Renten­ forderungen der Arbeiter findet nach den S. 62 auf­ geführten Paragraphen der Unfallversicherungs­ gesetze vom 5. VII 00 in beschränktem Umfange Aus­ rechnung statt. gg) In der großen Mehrzahl der landesgesetz­ lichen Gesindeordnungen wird dem Dienstherrn er­ laubt, seine Entschädigungsansprüche wegen Verletzung der dem Gesinde obliegenden Verpflichtungen gegen dessen Lohnforderung aufzurechnen. (Genaue Auszählung der be­ treffenden Vorschriften i. D. J.-Ztg. 07 S. 1248 Anm.). Diese Bestimmungen sind aus einem allgemein empfun­ denen Bedürfnisse heraus aufrechterhalten (Art. 95 Abs. .2 EinsGes. z. BGB ). — Die preuß. Ges.Ord. er­ laubt in §§ 88—91 auch dem Dienstherrn, wenn das Gesinde während der Dienstzeit, z. B. auf Urlaub, bei einem Vergnügen, erkrankt, wegen der Kosten der länger als sechs Wochen dauernden Krankheit vom Lohne Abzüge zu machen. — Weiterhin erlaubt sie auch dem Dienstherrn in §§ 25, 26 den Abzug des Mietsgeldes. 6. Gegenüber der Forderung des Arbeiters auf Vorschuß- und Abschlagszahlung ist die Aufrechnung des Arbeitgebers in demselben Umfange wie die Pfändung (S. 41) gestattet. III. Über Ausrechnung gegenüber gepfändeten Lohnansprüchen (s. S. 110). B. In allen Fällen, in denen die Ausrechnung als Mittel zur Einziehung von Forderungen des Arbeitgebers gegen den Arbeiter versagt, tritt als Behelf das Zurück­ behaltungsrecht an dem Lohnanspruche ein, welches dem Arbeitgeber durch § 2 des Gesetzes nicht genommen ist, ihm vielmehr wegen aller seiner Forderungen aus dem

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Gesetz, bett. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

Dienstverhältnisse unter den Voraussetzungen des § 273 BGB. zusteht und durch den engen, gewollten oder als ge­ wollt vorauszusetzenden Zusammenhang beider Forderungen gerechtfertigt ist (Dernburg II S. 127, Planck zu § 273, 2ay, Rehbein, Das bürgerl. Gesetzbuch II, S. 90 sub IX, D. J.-Ztg. 02, S. 86fg., OLG. IV 28; V 456, VI 225 und 423; entgegengesetzt Sinzh. S. 91 und die dort An­ geführten). Auch Reichs- und Preuß. Staatsverwaltung machen von diesem Rechte gegenüber den unpsändbaren Bezügen der Beamten Gebrauch (s. S. 85). Die Natur des Dienstverhältnisses schließt die Geltend­ machung des Zurückbehaltungsrechts nicht aus; auch ist durch seinen Zweck dieser Ausschluß nicht bedingt. Der wirtschaftliche Gesichtspunkt der Unterhaltsgewährung für den Arbeiter ist als Vertragszweck nicht anzuerkennen. Unrichtig ist es auch, den Ausschluß aus der Analogie mit der Aufrechnung (§ 394 BGB.) zu folgern, von der das Zurückbehaltungsrecht nach Voraussetzung und Wirkung verschieden ist, oder aus dem allgemeinen, den Materialien zum BGB. fremden Gedanken, dem Anrechte auf den vollen Lohn (Sinzh. S. 88 fg.) oder aus sozialpolitischen Er­ wägungen. Alles dies hat zurückzutreten gegenüber dem Grundsätze (Prot, der II. Kommission S. 311) des BGB., daß das Zurückbehaltungsrecht dem Schuldner ohne Rücksicht auf die Beschaffenheit der geschuldeten Leistung zu gewähren sei. Über die Abrede der Lohneinbehaltung S. 52.

8 3

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Als Vergütung ist jeder dem Berechtigten ge­ bührende Vermögensvorteil anzusehen. Auch macht es keinen Unterschied, ob dieselbe nach Zeit oder Stück berechnet wird.

Erläuterungen zu § 3 Abs. 1.

61

Ist die Vergütung mit dem Preise oder Wert für Material oder mit dem Ersatz anderer Auslagen in ungebetener Summe bedungen, so gilt als Ver­ gütung im Sinne dieses Gesetzes der Betrag, welcher nach Abzug des Preises oder des Wertes der Materialien und nach Abzug der Auslagen übrig bleibt. Zu Absatz 1. I. Begriff der Vergütung.. Die Vergütung ist die Gegenleistung des Dienst­ berechtigten, Arbeitgebers, Bestellers an den zur Dienst­ leistung Verpflichteten (Vergütungsberechtigten des § 1), für die vertragsmäßig übernommenen und zu leistenden Arbeiten und Dienste, und nur sie wird nach diesem Ge­ setze als Entgelt und Erfolg der sich voll­ ziehenden oder abgeschlossenen Arbeitsleistung wie gezeigt (S. 40) geschützt. Was sich nicht als Gegen­ wert für die Vertragsleistungen und nicht als Arbeits­ erfolg darstellt, entbehrt des Schutzes dieses Gesetzes. Das Vorrecht des LBG. genießen daher nicht folgende aus dem Arbeits- und Dienstverhältnisse ent­ springenden Ansprüche: die vereinbarte Vergütung der Angestellten für Erfindungen wegen ihrer selbständigen Bedeutung gegenüber den Vertragsleistungen (OLG. 19 S. 215) die Forderungen des Arbeiters aus Ersatz von Material, Auslagen, Dienstauswand (s. S. 68 sg.), seine Schadensersatzsorderungen, einerlei, ob sie neben die Lohnforderung (z. B. § 618 Abs. 3 BGB.) oder an deren Stelle treten, die sog. Lohn- oder Gehaltsent­ schädigungsansprüche (Bl. s. Rpfl. 1891 S. 111; s. S. 62), Pensionsansprüche von Privatangestellten (wegen Pensionen der Beamten, Offiziere usw. S. 81], welche, insofern sie nicht aus Stiftungen herrühren oder aus Frei­ gebigkeit und Fürsorge beruhen [§ 860 Nr. 3 ZPO.], in

62

Gesetz, Bett. Beschlagnahme deS Dienstlohnes.

Gemäßheit des § 851 a. a. O. pfändbar sind, mögen sie auf Grund einer Vereinbarung oder ohne solche aus Grund von Diensten bezogen worden, als deren Entgelt sie erscheinen, und mag auch ihre Übertragbarkeit durch Vereinbarung mit dem Schuldner ausgeschlossen sein lNäheres s. m. Auss. IW. 08 S. 25 fg. und hier S. 108, Gaupp 850II Nr. la und Petersen ebenda II Nr. 5c]), auch die Ersatz­ forderungen wegen körperlicher Beschädigungen (s. S. 64). Dies folgt aus der Überschrift des Gesetzes und seinem § 1, bet die Beschlagnahme erst für zulässig erklärt, „nachdem die Leistung der Arbeiten oder Dienste erfolgt ist". Das Gesetz schützt auch nicht die Forderungen der Arbeitenden gegen Unfall-, Kranken-, Hilfs­ kassen und Versicherungsanstalten; daher ist das Verbot ihrer Pfändung, Verpfändung und Übertragung, abgesehen von wenigen Ausnahmen, in § 56 d. Krankenversichges. in der Fassung vom 10./4. 92 u. 30./6. 00, 8 19 d. Hilfskassengej. in der Fassung vom 1./6. 84, §§ 55, 142 Jnvalidenversichges. vom 14./7. 99, § 96 Gewerbe-, § 102 Land- u. Forstwirtsch., § 37 Bau-, § 100 See-Unfallversichges. vom 5./7. 00 besonders ausgestellt. Die Vergütung steht auch im Gegensatze zu einem Zinse oder Preise für vermietete oder ver­ äußerte Sachen, weil sie nicht für ein bereits fertig vorliegendes Arbeitsprodukt, sondern als Austauschmittel für Entwickelung von Arbeitskraft gewährt wird (vgl. Staudinger S. 142).

II. Vergütung im Gegensatze zur Entschädigung. Wegen der Schwierigkeit der nach dem oben Gesagten wichtigen Feststellung, wann Vergütung und wann Lohnentschädigung geschuldet wird — die Ausdrucksweise der Gesetze ist in dieser Beziehung nicht immer zuverlässig —, soll im folgenden beides gegenübergestellt werden. A. Einen Anspruch auf Vergütung hat der Ar­ beitende, obwohl er keine Arbeit geleistet hat, mit Rück-

Erläuterungen zu § 3 Abs. 1.

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sicht darauf, daßff die ihm obliegende Leistung ohne sein Zutun unterblieb: a) auf Grund eines Dienstvertrages im Falle 1. der Arbeitgeber mit Annahme der Dienste — selbst unverschuldet — in Verzug kommt (z. 59. durch Unter­ lassen erforderlicher Anweisung oder Nichtbeschaffung von Werkzeugen und Material), § 615 BGB., 2. unverschuldeter Behinderung für eine verhältnis­ mäßig nicht erhebliche Zeit ohne Verschulden in seiner Person oder durch ein außerhalb seiner Person eintreten­ des Ereignis, z. B. eigene oder eines Familiengliedes Krankheit,, Einziehung als Geschworener oder zu mili­ tärischer Übung, Ladung als Zeuge, Verkehrsabsperrungen, hesondere häusliche Verhältnisse, Entbindung der Arbeiterin (§§ 616, 617 BGB., 63 u. 72 HGB., 123 Abs.3 u. 133c GewO., 86—88 Pr.GesO.), 3. ungerechtfertigter vorzeitiger Entlassung (§§ 615, 628 BGB., 70 Abs. 1 HGB., 124a GewO.; OLG. 7 S. 320; 16 S. 310; LG. Berl. I T. 1423'05; wegen An­ rechnung des anderweit erworbenen RG. 58 S. 402; Gehaltspsändung ist nur sehr beschränkt Entlassungsgrund OLG. 14 S. 344; 16 S. 310. 4. unmöglicher, vom Dienstherrn zu vertretender Dienst­ leistung (absichtliches Niederbrennen der Fabrik; § 324 Abs. 1 BGB.); b) auf Grund eines Werkvertrages als Unter­ nehmer im Falle 1. dauernder, nicht zu vertretender Unfähigkeit zur Herstellung des Werkes nach Anfertigung eines Teiles (§ 323 BGB.), 2. der Aufkündigung durch den Besteller (§ 649 eod. 1.), 3. der Unmöglichkeit der Ausführung des Werkes in­ folge eines vom Besteller zu vertretenden Umstandes (§ 324 eod. 1.),

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

4. des Unterganges, der Verschlechterung, Unausführ­ barkeit des Werkes vor seiner Abnahme infolge mangel­ haften vom Besteller gelieferten Stoffes oder von ihm erteilter Anweisung (§ 645 eod. 1.), 5. des Unterganges oder der Verschlechterung des Werkes nach Abnahme (§ 644 eod. 1.). B. Einen Entschädigungsanspruch hat der Arbeitende, wenn die ihm obliegende Leistung nicht erfolgt ist: a) auf Grund eines Dienstvertrages im Falle 1. der Kündigung infolge vertragswidrigen Ver­ haltens des Arbeitgebers (§§ 628 Abs. 2 BGB., 70 HGB., 124 b GewO.), 2. seiner Erkrankung infolge der Außerachtlassung der gesetzlich gebotenen Fürsorge (§ 618 Abs. 3 BGB.), 3. ungerechtfertigter Entlassung des Dienstboten (§ 161 Pr. GesO.), 4. Aufkündigung des Konkursverwalters im Konkurse des Arbeitgebers vor Ablauf des Dienstverhältnisses (§ 22 Abs. 2 KonkO.; RG. 55 S. 257); b) auf Grund eines Werkvertrages im Falle 1. der unterlassenen, für die Herstellung des Werkes erforderlichen Handlung des Bestellers (§ 642 BGB.), 2. der durch Annahmeverzug des Bestellers erforder­ lichen Mehraufwendungen des Unternehmers für erfolg­ loses Angebot, Aufbewahrung und Erhaltung des Werkes (§ 304 BGB.).

UI. Arten der Vergütung. „Als Vergütung ist jeder dem Dienstverpflichteten gebührende Vermögensvorteil anzusehen", d. h. alles, was ihm ohne Rücksicht auf die dafür gewählte Bezeichnung als wirtschaftlicher Vorteil für feine im Dienst­ verhältnisse geleistete Arbeit auf Grund einer ge­ troffenen Vereinbarung oder als taxmäßiges, bzw. übliches Entgelt zu gewähren ist (§612 BGB.).

Erläuterungen zu § 3 Abs. 1.

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Die Vergütung in Geld wird je nach der Art der Dienste „Lohn, Gehalt, Honorar usw.", Heuer (Löhnung der Schiffsmannschaft) genannt; sie kann von vornherein fest bemessen oder aber unbestimmt sein und erst durch eine sich ereignende oder ergebende Tatsache festgestellt werden. Den Maßstab der Vergütung bildet entweder die aufgewendete Zeit (Zeitlohn) oder die Stück(An)zahl der gefertigten Arbeiten bzw. geleisteten Dienste (Stücklohn, Provision). Die Gage der Schauspieler, ihr fester Entgelt für das Bereithalten ihrer Tätigkeit im ganzen bildet neben dem Spielhonorar, der besonderen jedesmaligen Bezahlung für das einzelne Auftreten ihre Vergütung (OLG. 17 S. 403). Als Zuschüsse zur Gage sind vertraglich festge­ setzte Einnahmen aus Benefizvorstellungen sowie nicht verbrauchte Garderobengelder anzusehen. Über Gastspiele s. S. 32, 48. Die versprochene Provision des Reisenden für sog. Nachorders ist Entgelt für die Herstellung der Ge­ schäftsverbindung, daher Arbeitsersolg, Vergütung. Als Vergütung gelten auch vereinbarte Entgelte für Überstunden (vgl. S. 75) und Tantiemen (RG. 24 S. 203), Teile des Unternehmerreingewinnes, mögen sie auf des Angestellten Mitarbeit oder hiervon unabhängigen Umständen (günstiger Konjunktur, Ernte usw.) beruhen (vgl. m. Aufs. in D. J.-Ztg. 02 S. 451, OLG. 17 S. 401; entgegengesetzt Pick S. 38). — Die Maximal- oder Minimaltantieme ist als feststehender Bezug neben dem eigentlichen Gehalte stets Vergütung, aM. D. J.-Ztg. 01 S. 491. Die Tantieme ist bei einer im Laufe des Jahres ein­ tretenden Vertragsauflösung, selbst wenn sie später fällig wird, anteilig zu leisten, es sei denn, daß sie bei Ent­ lassung des Angestellten wegen Pflichtverletzung verwirkt ist (OLG. 12 S. 417); indessen tritt bei arglistiger Aus­ übung des Kündigungsrechts von seiten des Arbeitgebers nicht ihr Verlust ein (so für Provision RG. 58 S. 362). Meyer, Beschlagnahme. 4. Ausl. 5

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

Diese Grundsätze treffen abersür zugesagte Gratifika­ tionen zu Weihnachten und Neujahr nach Handels­ gebrauch und Gerichtspraxis nicht zu (Gut. d. Ält.d.Kfmsch. I. Folge S. 4; Ges. u. Recht 06 S. 112), wenngleich auch sie Zuschläge zur Vergütung sind. Reisediäten und -spesen sind pauschaler Ersatz sür aufzuwendende Kosten, bilden daher insoweit einen Teil der Vergütung, als sie über den üblichen, der Pfändung nicht entzogenen Reise- und Dienstauswand hinaus bemessen werden (OLG. VI S. 418). Dabei ist einerseits die Er­ sparnis, welche der Handlungsreisende dadurch macht, daß er die auswärtige Verköstigung aus den ihm für Reisen gewährten Diäten bezahlt, als indirekter Ver­ mögensvorteil und somit Vergütung in Rechnung zu stellen, andererseits müssen hiervon seine Mehrausgaben für Kleidung, Wäsche und Schuhwerk auswärts, überhaupt alle besonderen mit der Vornahme der Reise verbundenen Auslagen und Unkosten nach ihrem feststehenden durch­ schnittlichen, vom Schuldner zu erweisenden Betrage abge­ zogen werden (OLG. IV S. 141, Seuffert 30 S. 450). Ein fester Brauch oder Grundsatz bezüglich der Höhe des von den Spesen für tatsächliche Unkosten abzuziehenden Betrages hat sich bei der Verschiedenheit der Einzelsälle nicht herausbilden können (Privater Bescheid der Berl. Handelskammer). — Dagegen sind Reisespesen in Höhe der im einzelnen nachzuweisenden Auslagen oder eines ange­ messenen, vom Reisenden nach Treu und Glauben anzu­ gebenden Betrages (Vertrauensspesen) kein Teil seiner Vergütung. Den Charakter vertragsmäßiger Vergütung haben ferner vereinbarte Repräsentationsgelder (RG. 16 S. 318), stricht die Repräsentationsgelder behufs Abschlusses eines bestimmten Geschäfts, z. B. eines Brauereireisenden zur Bezahlung von dem im Interesse der Brauerei bei Ab­ schlüssen gemachten Zechen (Pos. MSchr. 05 S. 55)], und die zur Bestreitung eines Dienstaufwandes be­ stimmten Umzugsspesen, Tagegelder, Fuhrkosten,

Erläuterungen zu tz 3 Abs. 1.

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Wohnungs Zuschüsse, Kleidergelder; dann, wenn der Prinzipal sür Uniform Geld gibt (Staub a. a. O. Anm. 47). — Der Vergütung zuzurechnen sind auch Kost-, Spund-, Stamm-, Schußgelder. Trinkgelder sind im allgemeinen neben Lohn oder Gehalt nicht als Teile der Vergütung anzusehen; sie sind es aber regelmäßig bei Kellnern [in vielen Fällen sogar deren ausschließlicher Entgelt (Baum S. 138)], und bei Bediensteten, denen sie vom Dienstherrn als vereinbartes Entgelt dafür gegeben werden, daß sie von Gästen kein Geld annehmen dürfen; im Gegensatze dazu sind die von Gästen an Diener oder von Reisenden an Gepäckträger gegebenen Trinkgelder keine Vergütung. Auch naturale Leistungen, gleichviel ob von vertretbarer Beschaffenheit oder nicht (Staudinger S. 115), können als Vergütung an Stelle des Gehalts oder Lohnes oder neben solchem gewährt werden, z. B. Beköstigung, Kleidung, Feuerung, Beleuchtung, Wohnung, Landnutzung, ärztliche Hilfe und Arzneien. Diese Art der Vergütung (Trucksystem) ist im Handelsverkehr nicht verboten (Staub Anm. 23 zu § 59), auch nicht für die nach dem BGB. zu beurteilenden Dienstverhältnisse (Planck Anm. 3 § 612), für das Gebiet der GewO, aber nur beschränkt zulässig (§§ 115 fg. GewO.: s. S. 55 fg.). — Solche Natural­ bezüge und auch Naturalienvergütungen sind ebenso wie der Mietwert einer freien Wohnung nach Ortsdurch­ schnittspreisen, wie sie von der Polizeibehörde festgesetzt sind, in Ansatz zu bringen und ihrem Schätzungswerte nach dem baren Lohne zuzurechnen. Gegendienste, welche an sich nach der Begriffsbe­ stimmung des § 3 wohl als Vergütung gelten könnten, finden im Rahmen des Dienstvertrages des BGB. und dieses Gesetzes insbesondere wegen der verschiedenen dem Arbeitgeber und -nehmer zugewiesenen Rechtsstellung als Vergütung keinen Platz (vgl. Lotmar I S. 159 fg. und Wortlaut tz 1 d. Ges.).

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

Zwecks Feststellung des Gesamtbetrages der Vergütung, welcher für die Pfändung große Bedeutung hat (vgl. § 4 Nr. 4 des Gesetzes), werden alle Teile und Arten der Vergütung zusammengezählt. Auch Gelder, Waren und Vorteile, welche als Entgelt für die Leistungen des Arbeitenden seinen Familienmitgliedern zu­ gewendet werden, sind Teile seiner Vergütung (s. S. 105, 115).

IT. Die Pfändbarkeit der Vergütung bestimmt sich nach deren Übertragbarkeit (§ 400 BGB.). Geldleistungen sind daher an sich stets, fixierte Leistungen von Naturalien aber soweit pfändbar, als diese selbst nicht nach § 811 ZPO. unentbehrlich sind (Gaupp § 851 III; Seufs. Arch. 38 Nr. 288, 46 Nr. 241). — Wo aber Leistungen so an die Person des Vergütungsberechtigten gebunden sind, daß eine Übertragung auf eine andere Person eine Veränderung ihres Inhalts bedeutet (§ 899 BGB.), sind die Forderungen unpfändbar, so der An­ spruch auf Beköstigung im Haushalte oder persönliches Wohnrecht. Ist von mehreren alternativ zu bewir­ kenden Leistungen eine unpfändbar, so wird auch Un­ pfändbarkeit der anderen angenommen (Seufsert 41 Nr. 318, Gaupp § 851 III, Ztschr. d. Ak. Breslau 01 S. 33); da die einmal getroffene Wahl eine endgültige (§ 263 BGB.), so muß der Psändungsgläubiger sie auch gegen sich gelten lassen.

Zu Absatz 2. Die dem ersten Entwürfe des Gesetzes wortgetreu ent­ nommene Bestimmung bezweckt die Ermittelung der Höhe des reinen Lohnes, des eigentlichen Entgelts der Arbeit in den Fällen, in welchen der Arbeiter das von ihm angeschaffte oder ihm anvertraute und ihm berech­ nete Material mit dem Lohne in ungetrennter Summe empfängt. Für diese Art der Ablohnung bilden Beispiele ein Arbeiter, der einem Arbeitgeber gegenüber sich zur An-

Erläuterungen zu § 3 Abs. 2.

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fertigung von Kostümen unter Hergäbe der Stoffe und Zutaten zu festem Preise verpflichtet, ferner ein Geschäfts­ reisender, welcher neben seinem Gehaltsfixum auf tägliche Reisespesen gestellt, damit meistens nicht nur einen Ent­ gelt für Kosten der Beförderung und des Unterhalts aus der Reise, sondern darüber hinaus noch einen wirtschaft­ lichen Vorteil, eine Vergütung für seine Tätigkeit erhält (OLG. VI S. 139; s. auch S. 66). Alles dasjenige, was von dem Lohne nicht als Arbeitserfolg selbst zu betrachten ist, wird nach Abs. 2 des § 3 von der Vergütung abge­ zogen und von dem Verbote der Pfändung nicht berührt. Daher sind die in ungetrennter Summe mit der Vergütung verbundenen Ansprüche des Arbeiters gegen den Arbeitgeber auf Ersatz von Material und anderen Auslagen — dahin ist nicht Dienst­ aufwand und Repräsentationsgeld (S. 66) fwohl aber ein Betrag f. Beschaffung u. Erhaltung von Arbeitsgerät S. 102] zu rechnen (Ggstz. § 850 Abs. 5 ZPO.) — grundsätzlich schlechthin pfändbar, wenn sie nicht im einzelnen Falle von der Pfändung gemäß § 811 Nr. 2 u. 5 ZPO. ausgeschloffen sind und bilden auch für den Arbeiter ein verfügbares Vermögensobjekt (S. 51 fg.), gegen welches ev. auch vom Arbeitgeber aufgerechnet werden kann (S. 55 fg.). — In RG. 4 S. 423 ist angenommen, daß derjenige Teil des Lohnes, welcher dem Arbeitenden als Entgeltung der von ihm angenommenen Gehilfen zu­ sammen mit seinem Lohne berechnet und ausbezahlt wird, als Vergütung anzusehen ist, während in Busch 12 S. 161 in einem ähnlichen Falle (Tatbestand ist nicht ganz ersichtlich) LG. Ulm diesen Teil des Lohnes als Ersatz für Auslagen betrachtet. — Die erstere Entscheidung verdient den Vorzug, weil der Arbeitende sich die Summe im Hin­ blick auf seine Lohnfchuld gegen den Gehilfen als seine Vergütung zusichern läßt und sein Verhältnis zu dem Gehilfen für den Charakter der Vergütung als solcher gleichgültig ist (Lotmar I S. 143, Konrad S. 377), er sich

70

Gesetz, Letr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

auch meist mehr für Gesellenstunden als seinen Gewinn zahlen läßt.

8 4. Das gegenwärtige Gesetz findet keine Anwendung: 1. auf den Gehalt und die Dienstbezüge der öffentlichen Beamten; 2. auf die Beitreibung der direkten persönlichen Staatssteuern und Kommunalabgaben (die derartigen Abgaben an Kreis-, Kirchen-, Schulund sonstige Kommunalverbände mit einge­ schlossen), sofern diese Steuern und Abgaben nicht seit länger als drei Monaten fällig ge­ worden sind; 3. auf die Beitreibung der den Verwandten, dem Ehegatten und dem früheren Ehegatten für die Zeit nach Erhebung der Klage und für das diesem Zeitpunkte vorausgehende letzte Vierteljahr kraft Gesetzes zu entrichtenden Unierhaltsbeiträge; 4. insoweit der Gesamtbetrag der Vergütung (§§ 1, 3) die Summe von fünfzehnhundert Mark für das Jahr übersteigt. A. Allgemeines. 1. Das Gesetz, ein Bestandteil des tz 850 ZPO., ver­ bietet die Pfändung des noch unverdienten bzw. nicht fälligen Dienstlohnes nur unter ganz bestimmten, in § 1 enthaltenen Voraussetzungen; im übrigen ist die Lohnbeschlagnahme den Bestimmungen der ZPO. unter­ worfen (s. Einleitung S. 17 u. S. 23 fg.).

Erläuterungen zu § 4.

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Von diesem Gesichtspunkte aus sind die Ausnahmen des § 4 zu erklären: es wird durch sie nicht ein neues selbständiges Exekutionsrecht begründet, bewendet vielmehr trotz ihrer bei der fortdauernden Herrschaft der außerhalb des LBG. geltenden Rechtsvorschriften mit den Einschränkungen, welche durch § 4 hinsichtlich der Voraus­ setzungen und des Umfanges der Pfändung gemacht werden. In diesem Sinne sind die den Paragraphen ein­ leitenden Worte: „Das gegenwärtige Gesetz findet keine Anwendung", zu verstehen (StenBer. II S. 588). 2. Die vorher dargelegte Absicht des Gesetzes ist aber mehrfach bei den Abänderungen, die es erfahren, durch­ brochen und ein direktes, materiell-rechtliches Pfändungsrecht geschaffen worden; das Nähere hier­ über ergibt die folgende Darstellung. 3. Die Ausnahmen des § 4 gelten auch dann, wenn durch die Pfändung der Unterhalt des Schuldners beein­ trächtigt wird (s. S. 102 über Kompetenz). 4. Die einzelnen Ausnahmen, von denen die Nummern 3 und 4 erst im Laufe der Reichstagsverhandlungen hin­ zugekommen sind, bilden ein recht buntscheckiges Ganze: Zusammengewürfelt sind die Forderungen, welche gepfändet werden können (1 und 4), und die Forderungen, deretwegen gepfändet werden soll (2 und 3). Wenn auch logisch eine andere Einteilung des Stoffes angebracht er­ schiene, so soll doch an der Nummernfolge des Paragraphen mit Rücksicht auf die erstrebte leichtere Ausfindbarkeit der einzelnen Bestimmungen festgehalten werden.

B. Die einzelnen Ausnahmen find: Nr. 1. Der Gehalt und die Dienstbezüge der öffentlichen Beamten. 1. Der Begriff der öffentlichen Beamten ist weder in diesem Gesetze, noch in der ZPO., noch im BGB. bestimmt; als Gegensatz zu ihnen waren gemäß Nr. 4

72

Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

des § 4 früherer Fassung „die im Privatdienste dauernd angestellten Personen", die Privat-eamten des § 622 BGB. gedacht. Man wird daher hier als öffentliche Beamte mit Staudinger S. 169 alle Bediensteten in öffentlicher Funktion zu verstehen haben, gleichviel oll sie ihre Bestallung vom Kaiser, Landesherrn oder einer kompetenten öffentlichen Behörde ableiten. — Immer müssen ihre Dienste aber dem Staate selbst oder einer mit Er­ füllung staatlicher Aufgaben betrauten öffentlichen Behörde geleistet sein. Dienstleistungen für eine einzelne Person zur Unterstützung in ihren Obliegenheiten — selbst für den Kaiser — machen den Dienste Leistenden nicht zum Beamten (RG. 62 S. 241). Diese zerfallen in die unmittelbaren, vom Reich oder Staat im Bereiche seiner Zivil- und Militärver­ waltung (§ 38 RMGes. v. 2. V. 74) angestellten, und die mittelbaren, von Kommunen, anderen öffentlichen Verbänden und Korporationen zu öffentlichen Zwecken an­ genommenen Personen. Die zur Landgendarmerie gehörigen Personen zählen unter die Beamten (RG. 44 S. 190; 28 S. 1) im Gegensatze zu den Militärpersonen (s. Anl. z. MStGB. v. 20. VI. 72). — Den Kreis der Kommu­ nalbeamten bestimmt das pr. Landesgesetz vom 30. VII. 99 und Ortsstatut (f. Berlin v. 28. 4. 02). — Die Angestellten einer Krankenkasse, Landesversicherungsanstalt sind zwar nicht Kommunalbeamte (IW. 08 S. 283; OLG. 17 S. 69), aber ihnen gleich­ gestellt (RG. 69 S. 183 sg.); dagegen nicht die Angestellten einer Berufsgenossenschaft (§§ 48 Gew.U.Vers.G.; 14 BauU.Vers.G.: vgl. IW. 08 S. 283; RG. 71 S. 237). — Kirchliche Beamte, z. B. Mitglieder des Gemeinde­ kirchenrats sind ebenfalls öffentliche Beamte (RG. 59 S. 331; aM. 33 S. 362). Die Beamteneigenschast beruht auf deren besonderer Beilegung, indem dem Anzustellenden bei Berufung zu dem Amte von den anstellenden Organen entweder Be-

Erläuterungen zu tz 4 Nr. 1.

73

stallung erteilt oder deutlich erkennbar gemacht wird, daß er über die privatrechtlichen Pflichten zur Erfüllung der im Dienstvertrage bestimmten Leistungen hinaus die all­ gemeinen öffentlich-rechtlichen Pflichten eines Beamten übernehmen und abgesehen von den besonderen Dienst­ funktionen zu Treue und Gehorsam verbunden sein solle (Laband Bd. 1 S. 407; RG. Bd. 28 S. 80 fg., 51 S. 305; OVerwG. 20 S. 126). Für die Begründung eines Beamtenverhältnisses ist es unerheblich, ob die Anstellung eine schriftliche oder mündliche, dauernd oder zeitlich begrenzte, oder gar von vornherein nur vorübergehend, auf Probezeit, Kündigung oder Widerruf gestellte ist, ob ein etatsmäßiges oder nicht etatsmäßiges Staatsamt bekleidet wird oder zunächst nur eine bloß vorbereitende Beschäftigung für Erlangung der Fähigkeit zu einem solchen eintritt (RG. 51 S. 304, aM. IW. 08 S. 615), ob das Amt im Hinblick auf Art und Umfang als ein den Lebensberuf ganz ausfüllendes Hauptamt oder als Nebenamt anzusehen ist (Laband a.a.O.), ob höhere oder niedere Dienste geleistet, obrigkeitliche Ge­ schäfte besorgt, oder Dienste technischer Art versehen werden, ob die Dienste selbständig mit dem Rechte eigener Ver­ fügung und Entscheidung, oder nach Anordnung anderer Personen vorgenommen werden, ob fester Gehalt zugesichert ist oder nur ein Anspruch aus Gebühren besteht. Zu den Beamten werden daher die bei einer Behörde beschäftigten Kanzleibeamten und -gehilfen, nämlich Kanzlisten und Kanzleidiätare, aber nicht die Hilfsschreiber gerechnet (Kanz.Ord. v. 27. III. 07, Müller I S. 842). Zu den „Beamten" gehören nach obiger Begriffs­ bestimmung nicht: 1. kraft Amtes bzw. Stellung: Hofbeamte, die bei einem „Hofstaate" Bediensteten, z. B. Mitglieder der Schloßbaukommission, soweit sie nicht zugleich eine Staatsstellung bekleiden (OLG. 13 S. 271); alle an Kgl. Theatern beschäftigten Personen (OLG. 6 S. 419, Müller I S. 842, a. A. Busch 18 S. 295, Pr. Berw.Bl. XIII S. 372) Hausoffizianten

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

und Hofgesinde, die vom Fiskus in einer Werkstatt, z. B. Eisenbahn-, Artilleriewerkstatt oder Schiffswerft, zur Ausführung von Arbeiten fest angestellten Tischler und Schlosser usw. (aM. LG. I Berlin T. 13. 02), Fleischbeschauer (Min.Verf. v. 30. 12. 03 M.Bl. f. d. innere Verwaltg.); 2. kraft Gesetzes (§ 850 ZPO.): a) Militärpersonen (f. unten u. S. 81); b) Geistliche, Ärzte und Lehrer (s. unten) an öffentlichen Anstalten. 2. Die Dienstbezüge der unter 1 genannten Beamten (außer den kraft Amtes bzw. Stellung nicht den Beamten zuzuzählenden, welche dem LBG. bei Zutreffen seiner Vorbedingungen unterliegen) sind nur soweit pfändbar, als § 850 ZPO. Nr. 8 bzw. Abs. 2 u. 4 und wegen der Beschlagnahme für Steuern der § 4 Nr. 2 des LBG. in Verbindung mit dem RMGes., RBGes. und Kommunalabgabenges. und der Steuergesetzgebung des Bundesstaates (s. S. 85 fg.) dies gestattet. 3. Den Beamten völlig gleichgestellt sind in Bezug auf Pfändbarkeit ihrer Dienstbezüge folgende Personenklassen: a) Offiziere des Heeres und der Marine sind nicht nur die aktiven (vgl. Anl. d. MStGB. v. 20. VI. 72), sondern auch die Reserve- und Landwehroffiziere während der Dienstleistung (aM. Gaupp 3 § 811 IV 2 h). b) Militärärzte sind die mit Offizierrang aus­ gestatteten Mitglieder des Sanitätskorps des Heeres und der Marine, auch die Veterinäroffiziere (Ergzg. z. Besoldges. v. 21. III. 10). c) De ckoffiziere sind besonders aufgeführt, weil sie nicht zu den Marineoffizieren gehören. d) Geistliche sind ohne Unterschied de8 Religions­ bekenntnisses alle diejenigen Personen, welche in einer Religionsgeseüschaft die Funktionen der Seelsorge als Amt ausüben, im Gegensatz zu anderen Kirchendienern und -beamten (Gaupp § 811 IV Nr. 2 h).

Erläuterungen zu § 4 Nr. 1.

75

e) Die Lehrer genießen die ihnen eingeräumten Vor­ rechte nur als „an öffentlichen Anstalten" Angestellte, also wenn sie an staatlichen oder Kommunal-(nicht privaten) Schulen höherer oder niederer Ordnung, oder auch an anderen Anstalten, z. B. Strafanstalten, eine Lehrtätigkeit ausüben. f) Ärzte, auch Zahn- und Tierärzte (Gaupp a. a. O.) nur dann, wenn sie in „öffentlichen" Heilan­ stalten, einem zur Aufnahme und Heilung von Kranken bestimmten Anwesen, einer Krankenanstalt und einem Spitale ein festes Berufseinkommen beziehen; die in öffentlichem Interesse gegebene Bestimmung ist auf Ärzte in „Privatanstalten" nicht auszudehnen, auf Krankenkassen ärzte nur, wenn sie an einem der Kaffe gehörigen Kranken­ hause angestellt sind („Das Recht" VII S. 46). — Die Stellung als Arzt einer Ortskrankenkasse allein begründet nicht das Pfändungsprivileg (OLG. 16 S. 310). 4. Das Pfändungsvorrecht der unter 2und3 genannten Personen. 1. Bevorrechtigt

ist

als Unterhaltsrente

(IW. 01

©.811): a) das Diensteinkommen, b) die Pension, c) der Sterbegehalt \ eigentl. nicht hierher gehörig, nur der d) der Gnadengehalt / Vollständigkeit wegen aufgeführt. a) Das Diensteinkommen der in Nr. 8 daselbst genannten Personen umfaßt alle dauernden Ver­ gütungen für geleistete Dienste in Geld oder Naturalien, also außer dem Gehalte noch Wohnungsgeld­ zuschuß, Genuß einer Dienstwohnung, Miets­ entschädigung, fortlaufende Tagegelder und Remunerationen (auch Bezüge von Schuldienern für Reinigung und Heizung der Schulräume, LG. Berlin I T. 511,02; Überverdienst der Kanzleibeamten fVerf. d. Justiz.Min. v. 12. III. 01 i. Ztsch. f. Vollstreckr. 15

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

S. 134], Dienst-, Stellen-, Orts-, Teuerungs­ und Ostmarkenzulagen, auch Einkünfte aus öffent­ lichem Nebenamt und ebensolcher Nebenbe­ schäftigung (Besoldungsges. v. 15. VII. 09), aber nicht den sog. Dienstaufwand (Ggstz. S. 66), die Vergütung für Auslagen und Verwendungen, also keine Pauschal­ summe für Bureaubedürfnisse, keine Repräsentations­ gelder, Dienstkleidungszuschüsse, Fuhrkosten, Umzugskosten Tagegelder und nicht fortlaufende Remunerationen, z. B. für zeitweise Beschäftigung außerhalb des dienstlichen Wohnsitzes (D. J.-Ztg. 02 S. 488). Die Einkünfte sind ebenso unpsändbar, wie der an sich einen Teil des Diensteinkommens bildende Servis der Offiziere, Militärärzte und Militärbeamten (§ 850 ZPO. Abs. 5 und RG. 59 S. 422). Bezüglich einer den unteren Beamten gewährten Gratifikation s. S. 66. — Zum Diensteinkommen zählen auch die Wartegelder der in den vorläufigen Ruhestand versetzten Beamten und die Dispositions­ geh älter der „z. D." gestellten Offiziere (vgl. unten). Stets unpfändbar ist das Diensteinkommen aller zu einem mobilen, d. h. durch kaiserlichen Befehl kriegsbereit gestellten (Art. 63 Abs. 4 der Rverfass.; militärische Unternehmung ist nicht immer Feldzug, RGes. v. 31. V. 01, LG. Berl. T. 832/00) Truppenteile oder zur Besatzung in Dienst gestellter Kriegs­ fahrzeuge gehörenden Mlitärpersonen (ZPO. § 850 Nr. 6), ebenso die allen Kriegsinvaliden (RGes. v. 31.V.06) und den pensionierten Offizieren (RGes. b. 31. V. 06 § 37) zukommenden Kriegs-, Verstümmelungs- und Alterszulagen (§ 40 a. a. O.). b) Die Pensionen sind Bezüge der endgültig in den Ruhestand getretenen Personen; hierzu zählen auch die den früheren Hhpothekenbewahrern gewährten sog. Disposi­ tionsgehälter (Ges. v. 18. VII. 96). Die im Disziplinarwege zuerkannte Unterstützung ist der Pension gleich zu achten (Rskr. d. Finanzmin. v. 9. VIII. 84, OLG. 15 S. 283), ebenso der Zuschuß aus einer staat-

Erläuterungen zu § 4 Nr. 1.

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lich genehmigten Pensionszuschußkasse (Lisiecki und Drewes S. 118), auch die in einem Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit der Entlassung eines Lehrers durch einen außer­ gerichtlichen Vergleich gewährte Entschädigung (LG. Berl. I. T. 589/00). Alle diese Bezüge bilden Äquiva­ lente für die Behinderung an weiterer Ausübung der amtlichen Tätigkeit. c) Der Sterbegehalt, der für den Sterbemonat dem verstorbenen Reichs- oder Staatsbeamten noch zu­ kommende, von ihm nicht erhobene und zu feinem Nach­ lasse gehörige Gehaltsteil ist der Pfändung nie unter­ worfen, ebenso d) der Gnadengehalt, d. h. der Bezug, welcher der Witwe oder den ehelichen bzw. legitimierten Abkömm­ lingen des im aktiven Dienst befindlich gewesenen, des in einstweiligem Ruhestande verstorbenen Beamten und des Pensionärs für die auf den Sterbemonat folgenden drei Monate unabhängig von deren Erbenqualität gezahlt wird (§§ 7, 31, 69 fg. RBGes., Pr. Gef. v. 7. III. 08). Die für das Gnadenvierteljahr an Hinterbliebene von Offizieren und von Renten empfangenden Militärpersonen zu zahlenden Versorgungsgebührnisse (s. S. 76,82) sind der Pfändung nie unterworfen (RG. v. 31. V. 06 §§ 37 u. 39). 2. Jeder der zu a und b genannten Bezüge ist aber einzeln (vgl. Nr. 4 S. 78) nur pfändbar: a) wenn er 1500 M. für das Jahr übersteigt. Da „für das Jahr" nicht eine Zeitspanne, sondern nur eine Zeiteinheit bedeutet (S. 100), so werden die als Jahres­ gehalt bemessenen, aber nicht für ein ganzes Jahr gewährten Bezüge mangels einer Sonderbestimmung ebenso wie die anderen Bezüge behandelt. Es ist also Vs ihres 125 M. monatlich übersteigenden Betrages pfänd­ bar, dagegen die monatlich 250 M. betragende Vergütung eines als Lehrer an einer Fachschule nur auf vier Monate angestellten Malermeisters nicht angreifbar, denn

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Gesetz, tietr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

hier müßten die 1500 M. aus dem Einkommen der vier Monate gedeckt werden (vgl. S. 134). b) nur in Höhe des dritten Teiles des Mehrbetrages, dagegen in voller Höhe ohne Rücksicht auf den Betrag des Einkommens pfändbar, wenn es sich um Steuerforderungen und Alimentenansprüche der Verwandten, des Ehegatten, des geschiedenen Ehegatten handelt (eingehend erläutert in § 4 Nr. 2 u. 3 d. Ges.). — Das uneheliche Kind genießt nach § 4a d. Ges. etwas eingeschränkt diese Vergünstigung (s. S. 121 sg.). 3. Zum Zwecke der Ermittlung des pfänd­ baren Teiles des Diensteinkommens werden zur Bestreitung des Dienstaufwandes (S. 76) dienende Be­ träge, ebenso der Servis (ebenda), selbst wenn sie einzeln oder zusammen 1500 M. für das Jahr überschreiten, nicht berücksichtigt (§ 850 Abs. 5 ZPO.). Auszuscheiden aus dem Diensteinkommen sind ferner die Witwenkassen- sowie Witwen- und Waisengeldbeiträge (Vers. v. 20. VI. 83; Müller S. 841) und Sporteln, z. B. der Geistlichen für Akte der Tätigkeit bei Privaten, Nebenverdienste aus außeramtlicher Beschäftigung, z. B. eines Militärmusikers aus privater Tätigkeit LG. Berl. IT. 88/04, gehören ebenfalls nicht zum Dienstein­ kommen (wegen Pfändung s. Nr. 4), ebensowenig Ein­ künfte aus Privatvermögen. — Unter den „sonstigen Bezügen", welche Abs. 2 nennt, sind nicht der Sterbe- und Gnadengehalt (s. S. 77), auch nicht Privateinkünfte, vielmehr die unter Nr. 7 Abs. 1 a. a. O. ausgeführten zu verstehen. — Mt Gehalt und Dienstein­ kommen eines Universitätsprofefsors sind nicht implicite die Kollegiengelder gepfändet (D. J.-Ztg. 01 S. 556). — Gerichtsvollziehergebühren sind nach Maßgabe der Verord. d. Just.-M. v. 31. III. 00 u. 16.1. 06 pfänd­ bar (vgl. Anhang II S. 189). 4. Mehrere aus verschiedenen öffentlich-recht­ lichen Dienstverhältnissen zustehende Bezüge sind

Erläuterungen zu § 4 Nr. 1.

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zum Zwecke der Pfändung nur zusammenzurechnen, wenn sie unter die Nr. 7 und 8 a. a. O. fallen, gleichviel ob sie als gleiche oder verschiedene Bezüge derselben oder der beiden Kategorien dem Schuldner zustehen oder ob sie aus amtlicher Haupt- und Nebenbeschäftigung herrühren (m.Aufs. i. D. J.-Ztg. 02 S. 449 fg.; vgl. B. s. Rpfl.06 Nr. 8/9). Es können daher zusammengezählt werden z. B. Betrüger zweier verschiedener Pensionen (gegen Eisenbahnfiskus und Kgl. Regierung), oder das Diensteinkommen des Kanzlisten mit seiner Pension als Eisenbahnbeamter oder mit Dienst­ einkommen aus staatlichem Nebenamte bzw. solcher Neben­ beschäftigung (vgl. Erlaß v. 25. VIII. 09) oder mit Zulagen (Besoldungsgesetz v. 15. VII. 09). —Eine Zusammenrechnung anderer Bezüge einer und derselben oder mehrerer ver­ schiedener Kategorien des Abs. 1 a. a. O. zum Zwecke der Ermöglichung eines psändbaren Gesamteinkommens ist un­ zulässig (Bl. f. Rpfl. 06 S. 76, OLG. 14 S. 183), so daß in diesen Fällen bei jedem einzelnen der Bezüge die Pfändbarkeit gesondert und ohne Rücksicht auf den Schutz einer Forderung durch § 850 ZPO. zu prüfen ist. — Wegen Konkurrenz der dienstlichen Bezüge mit solchen aus Privatdienstverhältnissen (Nr. 1 Abs. 1 a. a. O. s. S. 103 y). 5. Das aus diese Weise sich ergebende Diensteinkommen wird, soweit es nicht in Geld selbst besteht, nach seinem Geldeswerte geschätzt (s. S. 67) und dem baren Einkommen zugerechnet. Der durch drei geteilte Saldo bildet, abge­ sehen von den Fällen des Abs. 4 des § 850 ZPO., das der Pfändung unterworfene Diensteinkommen. 6. In § 850 Nr. 8 ZPO. ist zweifellos nur an die Pfändung des zukünftigen Gehaltsanspruchs gedacht. Die bei Fälligkeit nicht ausgezahlten, sei es freiwillig nicht erhobenen, sei es einbehaltenen Beträge des Dienstein­ kommens verlieren ihre Eigenschaft nicht und genießen weiter das Pfändungsvorrecht (vgl. 25 T. 162/10 LG. I Berlin; aM. Gaupp a. a. O. zu Nr. 8); die Vorschriften des LBG. dürfen auf diese Bezüge nicht angewandt werden. Derselbe Grundsatz steht bezüglich der Pensionen durch

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

Min.-Verfügung außer Frage (Müller I S. 841 und LG. Berl. I T. 231/10). Anders dagegen gestaltet sich die Rechtslage, wenn die eigentliche Zahlstelle den Betrag hinterlegt. Hier ist an Stelle der ursprünglichen Gehalts­ forderung, die untergegangen ist, eine Forderung gegen die Hinterlegungsstelle getreten, die schlechthin pfändbar ist, weil auf sie die Pfändungsbeschränkungen a. a. O. mangels ausdrücklicher Vorschrift nicht erstreckt werden dürfen (25 T. 162/10 LG. I Berl.: vgl. S. 44). 7. Die Pfändung selbst ist nicht, wie beim Lohne der Arbeiter, von einem bestimmten Tage ab, sondern jederzeit (auch im Wege der Vorpfändung) zulässig und von Einforderung (S. 44) der Bezüge unabhängig. Gleichgültig ist es auch, ob letztere aus Haupt- oder Neben­ beschäftigung fließen (s. S. 36 fg.): es ist unstatthaft, aus dem auf ganz anderen legislativen Gründen beruhenden LBG. Grundsätze zur Auslegung der Regeln über Beamtengehälter herüberzuholen. — Die Pfändung erstreckt sich auch auf nach derselben fällig werdende Beträge (§ 832 ZPO.), auf Einkommen, welches die § 850 Abs. 1 Nr. 7 und 8 ZPO. genannten Personen infolge Versetzung in ein anderes Amt, Übertragung eines neuen Amtes oder Gehaltserhöhung be­ kommen oder auf nach Pfändung bewilligte Pensionen bzw. Unterstützungsgelder (S. 76), vorausgesetzt, daß keine Änderung des Dienstherrn eintritt, weil als gepfändeter Gegenstand das Bezugsrecht als Ganzes gilt (§ 833 a. a. O., IW. 07 S. 338). — Ausbezahlte Gehaltsbeträge sind nach § 811 Nr. 8 ZPO. der Zwangsvollstreckung beschränkt unterworfen. 8. Belanglos für die Anwendung des § 860 Abs. 1 Nr. 8 ist der Rechtsgrund des Anspruchs, um dessen Sicherung oder Befriedigung es sich handelt (unerlaubte Handlung oder Vertrag). 9. Ein Ausgeben des Vfändungsvorrechts durch Vertrag oder einseitige Willenserklärung des Beamten usw. ist rechtsunwirksam (streitig, ob nichtig oder anfechtbar, vgl. S. 60 und Gaupp § 850 I).

Erläuterungen zu § 4 Nr. 1.

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10. Die unter 4—10 aufgestellten Grundsätze gelten auch für die Pension. Wegen Pfändung bei Kon­ kurrenz von Forderungen aus privaten Dienstverhältnissen f. S. 104. 5. DaS PfLndungsvorrecht der nicht unter 3 aufgeführten Militärpersonen betrifft: 1. folgende Klassen: a) die Militärbeamten, d. h. alle im Heere und in der Marine dauernd oder auf Zeit angestellten, nicht dem Soldatenstande angehörenden und unter dem Kriegsminister oder dem Chef der Admiralität stehenden Beamten, welche einen Militärrang haben (f. Verordn, v. 1. VIII. 08 betr. die Klasseneinteilung der Militär­ beamten des Reichsheeres und der Marine (RGBl. 1908 S. 484). — Die Zivilbeamten der Militärverwaltung, d. h. diejenigen, die keinen Militärrang haben, sind, ob­ gleich sie zum aktiven Heer zählen (§ 38 RMG. v. 2. V. 74), keine Militärpersonen; b) die Unteroffiziere und Gemeinen des Heeres und der Marine (RMG. v. 2. V. 74 § 38 u. Bdesges. v. 9. XI. 67 § 13); 2. folgende Bezüge der Genannten: a) das Diensteinkommen und die Pension der Militärbeamten (Nr. 6 u. 8 Abs. 1 § 850 ZPO.), bezüg­ lich deren Pfändbarkeit das unter 4 Gesagte gilt; b) den Sold, das in Form von Löhnung oder Ge­ halt und Servis gewährte Diensteinkommen (OLG. 15 S. 166) der Unteroffiziere und Gemeinen sowie ihre Jnvalidenpension, welche nach Nr. 5 das. stets unpfändbar sind. (Nicht ausgezahlte Ersparnisse eines Unter­ offiziers an Sold fallen als Soldrückstand kraft posi­ tiver Bestimmung (Reskript v. 30. VI. 73, Armee-Verw.Bl. 73 S. 177), nicht wegen Beibehaltung ihres rechtlichen Charakters (OLG. X S. 385) unter Nr. 5 Abs.1 a. a.O.); Meyer, Beschlagnahme.

4. Aust.

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Gesetz, tieft. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

c) die auf Grund des RGes. v. 31. V. 06 tieft. Versorg, d. Person, d. Unterklassen d. Reichsheer, den Unteroffizieren und Gemeinen eingeräumten Versorgungsgetiührnisse (Militärrente ti. Erwerbsunfähigkeit § 1; Verstümmelungs­ zulage § 13; Kriegszulage § 14; Zivilversorgungsentschädigung § 19, -atifindung § 21; bedingte Rente und Rentenzuschüsse § 24; Alterszulage § 26; Tropenzulage §67; Dienstprämie der Kapitulanten § 40), gleichviel, wie hoch sie sind, von wem und wegen welcher Forderung sie in Anspruch genommen werden (so f. Alterszulagen der Kriegsinvaliden Kgl. Kammerger. 12. X. 1030/05 auf Grund des RGes. v. 31. V. 01). Die Bezüge a—c dürfen nie zur Ermittlung eines pfändbaren Einkommens herangezogen werden, selbst wenn sie einzeln oder zusammen 1500 Mk. übersteigen; Abs. 2 des § 850 ZPO. ist aus sie unanwendbar. Pfändbar ist die Dien st Prämie nur in Fällen des § 850 ZPO. Abs. 4 (§40 a. a. £).), das Kapitulationshandgeld also un­ beschränkt (Bay. Z. 5 S. 127). — Roch bis zum Ablaufe von drei Monaten nach Auszahlung ist ein der Dienstprämie und der einmaligen Geldabfindung für den Zivilversorgungs­ schein gleichkommender Geldbetrag schlechthin unpfändbar (§ 40 a. a. O.). Der Pfändung entzogen sind auch die im Falle einer Mobilmachung sonst noch gewährten Bezüge (Nr. 6 Abs. 1 a. a. £).; s. S. 76). 6. Übersicht über Zulässigkeit der Beschlag­ nahme der Bezüge. A. Die Pfändung des Diensteinkommens und der Pension der Offiziere, Militärärzte, Deckosfiziere, Be­ amten, Geistlichen, sowie Ärzte und Lehrer an öffentlichen Anstalten ist zulässig 1. in Höhe des dritten Teiles des 1500 Mark für das Jahr übersteigenden Betrages (S. 77 fg.); 2. ohne Rücksicht auf die Höhe der Bezüge und deren freibleibenden Teil

Erläuterungen zu § 4 Nr. 1.

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a) wegen der a) den Verwandten 1 ß) dem Ehegatten ? S. 89 fg. y) dem früheren Ehegatten ' cf) den unehelichen Kindern (S. 116fg.); zu entrichtenden Unterhaltsbeiträge; b) wegen der direkten persönlichen Staatssteuern und Kommunalabgaben, soweit sie überhaupt solche zu zahlen haben (S. 86 fg.); jedoch zeitlich beschränkt: zu a) für die Zeit nach Erhebung der Klage und für das diesem Zeitpunkte vorausgehende letzte Vierteljahr (S. 94 fg.); zu b) auf einen Zeitraum bis zu drei Monaten von der Fälligkeit des Steuerbetrages an (S. 87); und fachlich beschränkt: zu a) 1. auf die kraft des Gesetzes zu entrichten­ den Unterhaltsbeiträge (S. 93 fg.); 2. im Falle der Pfändung zugunsten un­ ehelicher Kinder durch den eigenen Unterhalt des Schuldners und die ver­ wandtschaftliche Unterhaltungspflicht (S. 121 fg.). 13. Die Verstümmelungs-, Kriegs-, Alterszu­ lage der 311 A Genannten ist unbedingt der Pfändung entzogen (S. 76). C. Die Pfändung des Diensteinkommens aller Militärpersonen, welche zu einem mobilen Truppenteil oder zur Besatzung eines in Dienst gestellten Kriegsfahrzeuges gehören ist unbedingt verboten (S. 76).

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Gesetz, betr, Beschlagnahme des Dienstlohnes.

D. Die Pfändung des Soldes und der Jnvalidenpension, der Versorgungsgebührnisse der Unteroffiziere und Soldaten sowie desAnspruches der Kapitulanten auf die Dienst­ prämie ist verboten; pfändbar ist letzterer nur in Fällen des § 850 Abs. 4 ZPO. (S. 81 fg.).

Exkurs. I. DaS Recht der in § 850 ZPO. genannten Militär­ personen, Beamten usw. zur Verfügung über ihre Dienstbezüge, Pensionen usw. hat A. für die Reichsbeamten und Militärs in § 6 des RBGes. und § 45 RMGes. seine Grund­ lage. Danach — in Verbindung mit §§ 394, 400, 1274 BGB. — kann von seiten der Beamten der Anspruch aus Zahlung von Diensteinkünsten, Wartegeldern, Pensionen mit rechtlicher Wirkung nur so weit abgetreten, verpfändet, sonst übertragen oder zur Aufrechnung einseitig verwendet werden, als er der Beschlagnahme unterliegt: die Mög­ lichkeit der Beschlagnahme bildet gleichzeitig also auch den Maßstab für die Übertragbarkeit der Forderung und die Verfügungsfähigkeit über dieselbe. — Demnach sind I. jeder Verfügung von feiten der Berechtigten entrückt. 1. das Diensteinkommen der in § 850 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. genannten Personen, 2. der Sold und die Jnvalidenpension der Unter­ offiziere und Soldaten (Nr. 5 a. a. O.); 3. die Kriegs-, Verstümmelungs- und Alterszulagen der pensionierten Offiziere und die Versorgungsgebührnisse der Unteroffiziere und Gemeinen (s. S. 76, 81). II. Verfügbar für die in § 850 Abs. 1 Nr. 8 genannten Personen der dritte Teil des 1500 Mark für das Jahr übersteigenden Diensteinkommens und ihrer Pension, ja sogar noch weit mehr, wenn diese Ansprüche an Ver­ wandte, Ehegatten usw., für die kraft Gesetzes zu ent-

Erläuterungen zu § 4 Nr. 1.

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richtenden Unterhaltsbeiträge üb er tragen werden (§ 4 Nr. 9, 4a b. Ges.). Die Abtretung vollzieht sich nach § 411 BGB. B. Während es bezüglich der Reichsbeamten und Militärpersonen bei diesen Vorschriften bewendet, macht bezüglich der Landesbeamten Art. 81 d. EinfGes. z. BGB. einen Vorbehalt zugunsten der landesgesetzlichen, die Vorschriften des BGB. ergänzenden Sonderbestimmungen vornehmlich, um entgegen dem § 394 BGB. eine Auf­ rechnung gegen ihre Besoldungsansprüche zu ermöglichen. Wegen dieser AusfGes. der einzelnen Bundesstaaten vgl. Kuhlenbeck zu Art. 81 a. a. O. In Preußen ist jede Verfügung über das Dienst­ einkommen und die Pension, also auch über den der Pfändung unterliegenden Teil, insonderheit auch der Ver­ zicht auf das Psändungsvorrecht nach § 163 Anhang zur Allg. Ger.Ord. und tz 26 des Pr. Ges. v. 27. III. 72 ohne alle rechtliche Wirkung (RG. 44 S. 190; Müller I S. 606, 844). Ebenso ist eine Aufrechnung gegen diese Bezüge entgegen dem § 394 BGB. unstatthaft, da landes­ gesetzliche, von dieser Bestimmung ausdrücklich abweichende Sondervorschriften über die Zulassung der Aufrechnung nicht ergangen sind, noch früher bestanden haben (RG. 55 S. 1 fg.). II. Sowohl im Reiche, wie in Preußen machen die Behörden trotz Ausschlusses der Aufrechnung gegen die unpfändbaren Dienstbezüge der Beamten und der ihnen gleichgestellten Personen von dem ZnrückhaltungSrechte an diesen Bezügen wegen Stellvertretungskosten, Kastendefekte usw. Gebrauch. (Erlasse s. Perels Rbeamteng. zu § 6 und 125.)

Nr. 2 des § 4. Die Lohn-eschlagnahme zum Zwecke der Beitreibung von Steuern und Abgaben. (Gesetzestext S. 70.) I. Ein Vorrecht in Bezug auf Beschlagnahme der Arbeitsvergütung ist den direkten persönlichen an den

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Gesetz Bett. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

Staat und die Kommunen zu entrichtenden Steuern in.gewissem Umfange eingeräumt. Um klarzustellen, daß alle an irgendeinen Kommunalverband zu entrichtenden kommunalen Steuern bevorrechtigt sein sollen, also alle an sie zu zahlende Abgaben, wurde der Ausdruck Kommunal­ abgaben gewählt (StenBer. II S. 913). Es sind daher bevorrechtigt „Grund-, Häuser-, Einkommen-, Kapital-, Gewerbe- und Betriebssteuern", ferner „Provinzial-, Kreis­ oder Gemeindelasten", „Kirchen-, Schul- und Armenabgaben", die an Deichverbände zu leistenden Beträge u. a. Nicht bevorrechtigt sind dagegen, weil sie nicht unter den scharf begrenzten Begriff der direkten persön­ lichen Steuern fallen alle Abgaben, welche nur einmalig erhoben werden, also nicht nach Zeitabschnitten fällig werden, wie z. B. Umsatz- und Wertzuwachssteuern, Gerichtskosten aller Art (vgl. Verord. des MI. u. HM. v. 9. XI. 04) Prüfungstaxen, Schulgelder, Steuerstrafen, Taxen, Gefälle, Geldstrafen aller Art und Ähnliches, deretwegen Beitreibung im Verwaltungsstreitverfahren statt­ findet (f. nächste Seite). Alle genannten bevorrechtigten Steuern existieren, abgesehen von der Kapitalsteuer, wenn auch vielleicht unter verschiedenen Namen, in allen Bundes­ staaten des Deutschen Reiches und unterliegen deren Gesetzgebung (RVerf. Art. 4 Nr. 2); diese entscheidet daher die Frage, ob und wieweit Steuernachlässe und -befreiungen bei einzelnen Personen und Einkünften statt­ finden (s. aber wegen Staatssteuern der Militärpersonen und Beamten RMGes. v. 2. V. 74 u. RBG. vom 18. V. 07, wegen Kommunalsteuern der Genannten Kommunalabgabenges. v. 14. VII. 93 § 41 u. Pr. Ges. v. 16. VI. 09) und in welchem Umfange zum Zweck der Beitreibung von Steuern der Arbeits- und Dienstlohn, daS Diensteinkommen oder die Pension pfändbar ist. So­ weit die Landesgesetze Bestimmungen über die Frage nicht enthalten, hängt die Pfändbarkeit von den Vorschriften des LBG. ab.

Erläuterungen zu § 4 Nr. 2.

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Nach § 4 Nr. 2 desselben findet das Pfändungsvorrecht, also die Beschlagnahme ohne Rücksicht auf das in § 1 festgelegte Grundprinzip, aber nur auf diejenigen vor­ genannten Steuern und Abgaben Anwendung, welche nicht seit länger als drei Monaten fällig ge­ worden sind (vgl. m. Aufs. D.J.-Ztg. 09 S. 1201, der die auf meine Anfrage ergangene Verfügung des Preuß. Fin.M. v. 3. III. 09 enthält). Fällig wird eine Steuer mit den gesetzlich festgelegten Zahlungsterminen, vorausgesetzt, daß bis dahin eine Veranlagung des Steuerpflichtigen statt­ gefunden hat. Denn diese begründet erst eine Steuer­ zahlungspflicht. Drei Monate von dem Zahlungstermine ab gerechnet darf daher im Regelfälle rechtzeitiger Veran­ lagung wegen der Steuer des letzten Quartals der Lohn und auch das Diensteinkommen ohne Rücksicht auf seine Höhe, Fälligkeit und sonstige daraus zu erfüllende Ver­ pflichtungen gepfändet werden. Wo, wie in Preußen, die Steuerbeträge in der Mitte des Vierteljahres, also am 14. II., 16. V., 16. VIII., 15. XI. fällig werden (Ausführ.Anweis. v. 5. VIII. 91 Art. 82 Nr. 3 z. EinkstGes.), können daher z. B. wegen der für das vierte Quartal des Jahres fälligen Steuer bis zum 14. II. nächsten Jahres Lohn- und Dienstbezüge des Schuldners unabhängig von § 1 des LBG. u. 850 ZPO. be­ schlagnahmt werden. — Das Steuervorrecht ist aber auch bezüglich der Beträge mehrerer oder aller Quartale des Steuerjahres innerhalb dreier Monate nach Zustellung der Veranlagungsbenachrichtigung begründet, wenn aus­ nahmsweise die Veranlagung verspätet, aber noch vor Ab­ lauf des Steuerjahres erfolgt. Ist die Veranlagung für ein Steuerjahr erst nach dessen Schlüsse erfolgt — in Preußen wäre dies nur int Wege der Nachbesteuerung unter deren besonderen Voraussetzungen möglich (§ 85 Eink.Steuerges.; § 47 Erg.St.Ges.) —, so würde eine bevor­ rechtigte Beschlagnahme von Lohn oder Dienstbezügen nicht zulässig sein, da eine Ausdehnung des Begriffes „fällige Steuer" auf solche Steuerrückstände vergangener Jahre

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Gesetz betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

dem gesetzgeberischen Zwecke der Nr. 2 § 4 des LBG. zuwiderlaufen würde; für Preußen hat der Finanzminister dies durch Verf. v. 1. VIII. 04 ausgesprochen. Die exekutivische Einziehung der seit länger als drei Monaten fälligen Steuern (f. oben) hat aber stets unter Berücksichtigung der § 1 bzw. 4 Nr. 4 des LBG. und § 850 ZPO. stattzufinden, mag das Landesgesetz die Frage besonders geregelt haben oder nicht. II. In Preußen richtet sich die Beschlagnahme des Dienstlohnes und -einkommens wegen Steuern und Abgaben nach § 46 der Königl. Verord. b. 15. November 1899, betr. d. Verwaltungszwangsverfahren wegen Beitreibung von Geldbeträgen (GS. S. 545). Danach stellt sich die Regelung der vorliegenden Frage wie folgt: 1. Das Diensteinkommen und die Pension der Zivil­ beamten, Geistlichen, Ärzte und Lehrer an össentlichen Anstalten (s. S. 72 fg.) ist, soweit nicht von Steuerzahlung befreit (f. S. 86), wegen „kurrenter" öffentlicher Abgaben schlechthin pfändbar (§ 46 Abs. 3), d. h. wegen der mindestens in dem laufenden Rechnungsjahre ohne Rück­ sicht aus die einzelnen Hebungsperioden fällig gewordenen, eingeforderten und einzuziehenden direkten Staats- und Gemeindesteuern (Reskr. d. Fin.M. v. 22. X. 80), aber auch m. E. wegen der aus dem vorigen Jahre gestundeten Steuern. Nicht einziehbar gewesene Rückstände eines oder mehrerer Steuerjahre sind keine kurrenten Abgaben mehr, von drei­ jährigen Rückständen gar nicht zu reden (vgl. Kautz, Kommentar z. Verord. S. 94 Anm. 16). 2. Das Diensteinkommen und die Pension der Offi­ ziere, Militärzte, Deckosfiziere und Militärbeamten ist, soweit nicht von Steuerzahlung befreit (s. S. 86), auch im Verwaltungszwangsverfahren nur in Höhe eines Drittels des 1500 Mk. für das Jahr übersteigenden Einkommens zulässig (§ 46 Abs. 1 Nr. 7 u. Abs. 2).

Erläuterungen zu § 4 Nr. 3.

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3. Das Diensteinkommen der in § 850 Abs. 1 Nr. 5 u. 6 ZPO. genannten Militärpersonen ist auch zu ge­ dachten Zwecken unpsändbar (§ 46 Äbs. 1 Nr. 4 u. 5). 4. Der Arbeits- und Dienstlohn ist auch wegen der Pfändung von Steuern und Abgaben den Bestimmungen des LBG. unterworfen, wie sie S. 24 aufgeführt und in §§ 1 u. 4 Nr. 4 des Ges. erläutert sind. III. Wegen Konkurrenz bevorrechtigter Steuer­ forderungen mit anderen nicht bevorrechtigten Forderungen gilt das S. 97 unter V Gesagte.

Nr. 3 des § 4. Die Lohnbeschlagnahme wegen Beitreibung der den Verwandten, dem Ehegatten und früheren Ehegatten zu entrichtenden Unterhaltsbeitrage. .

(Gesetzestext S. 70.)

I. Verhältnis der Bestimmung zu § 850 ZPO. Nachdem die Novelle zum LBG. vom 29. März 1897 durch Abänderung bestehender sachlicher Verschiedenheiten für den Bereich des LBG. und des § 749 Abs. 4 ZPO. einen übereinstimmenden Rechtszustand herbeigeführt hatte, ist dieser durch die neue Fassung der ZPO. wieder auf­ gehoben worden: dadurch nämlich, daß Abs. 4 des § 850 (früheren § 749) ZPO. auf die Absätze 2 u. 3 nach wie vor verweist, der Absatz 3 früherer Fassung aber in § 850 ZPO. mit Rücksicht auf Änderung der Nr. 4 § 4 unseres Gesetzes ganz fortgefallen ist, bezieht sich der Abs. 4 des § 850 ZPO. nicht mehr auf eine Bestimmung des LBG., und § 4 Nr. 3 dieses Gesetzes bildet jetzt die alleinige materielle Grundlage des den Ver­ wandten usw. gegebenen Rechts auf Pfändung der Dienstvergütung des Unterhaltungspflich­ tigen) nur wo es sich um Pfändung der in § 850 Abs. 1 Nr. 8 ZPO. aufgeführten Bezüge gegen eine der dort genannten Personen handelt, ist noch der Abs. 4 daselbst maßgebend. — Die Nr. 3

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Gesetz betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

des § 4 LBG. berührt übrigens selbstverständlich nicht die anderen in § 850 Abs. 1 bezeichneten unpfändbaren Forde­ rungen, ebensowenig die Versorgungsgebührnisse der Militär­ personen nach dem Ges. v. 31. V. 06 (vgl. S. 76 und 82).

II, Die Bestimmung und das Zivilrecht. Die Nr. 3 des § 4 des Gesetzes gewährt den sämt­ lichen Verwandten, dem Ehegatten und früheren Ehegatten ein Vorrecht bezüglich der Lohnbeschlagnahme, so­ weit sie krast Gesetzes Ansprüche auf Unterhalt haben, verweist also bezüglich der materiellen Vor­ bedingungen auf das geltende Zivilrecht, das BGB. Dieses regelt seit dem 1. Januar 1900 ausschließlich die gesetz­ liche Unterhaltspflicht der Verwandten in allen Beziehungen, selbst dann, wenn die Voraussetzungen der Unterhaltspflicht bereits unter dem alten Rechte entstanden waren (Habicht S. 420, Art. 199 d. EinfGes. z. BGB.). Es besteht daher keine gesetzliche Unterhaltspflicht mehr zwischen Geschwistern, zwischen Personen, welche miteinander verschwägert sind (Ehemann und Schwiegermutter OLG. VI S. 421) oder in einem stiefelterlichen Verhält­ nisse stehen (§ 1601 BGB.). Der Unterhaltsanspruch ist für diese Personen jetzt selbst dann fortgefallen, wenn er bereits früher durch Urteil oder gerichtlichen Vergleich fest­ gestellt, ja auch dann, wenn er durch Vertrag oder Ver­ gleich außerhalb eines Rechtsstreites anerkannt war. Im übrigen darf hier, wo das Vollstreckungsvor­ recht den Gegenstand der Erörterung bildet, von einer Darlegung seiner Vorbedingungen auf materiellrechtlichem Gebiete, also des Unterhaltsanspruches als solchem, füglich abgesehen werden; nur insoweit sind diese Bestimmungen zu streifen, als sie für die Erkenntnis des Inhalts und Umfanges des Vollstreckungsvorrechtes von Wichtigkeit sind.

Erläuterungen zu § 4 Nr. 3.

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III. Das Bollstreckungsrecht der Verwandten und ihnen gleichgestellten Personen. (Gesetzestext S. 70). Da die Nr. 3 des § 4 des LBG. und Abs. 4 des § 850 ZPO. völlig übereinstimmen, so kann hier das Vorrecht der Unterhaltsberechtigten in bezug auf Lohn und Gehalt sowie Diensteinkommen usw. nebeneinander erläutert werden. a) Bevorrechtigte Personen. Es genießt das Vorrecht nicht die Unterhaltsforderung an sich, sondern nur der unterhaltsberechtigte Verwandte (auch Legitimierter und an Kindesstatt Angenommener), Ehegatte oder früherer Ehegatte (§§ 1578, 1583, 1586, 1345/6, 1350/51 BGB., Busch 13 S. 415, vgl. S. 90) selbst wegen seines Verhältnisses zum Unter­ haltspflichtigen. Ausnahmsweise wird die Bevor­ rechtigung der Forderung kraft Gesetzes aufrechterhalten beim Übergang auf den Armenverband, der den Ünterhalt geleistet hat (RG. 30. V. 08 §§ 60/62). Andere Personen, welche den Unterhaltsberechtigten verpflegen oder verpflegten, haben auf dieses Vorrecht keinen Anspruch, nur das Recht auf Ersatz des zur Erfüllung der Unterhaltspflicht selbst gegen den Willen des Ver­ pflichteten dem Bedürftigen Geleisteten (§§ 679, 683 Satz 2 BGB.). Hierzu zählen auch diejenigen, welchen die Unterhaltsforderungen abgetreten sind (§§ 850 Abs. 1 Nr. 2 ZPO., 400 BGB.). Streitig ist dagegen, ob das Vorrecht durch Übergang der Forderung auf eine andere, ebenfalls unter­ haltspflichtige Person berührt wird (§§ 1607 Abs. 2, 1601 BGB.). (Dafür ist Gaupp § 850 IV S. 661; dagegen Planck zu § 1607 Anm. 6.) b) Gegenstand des Vorrechtes. Daß Vorrecht haben die vorbezeichneten Personen be­ züglich der Beschlagnahme des Dienstlohnes, des Dienst-

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Gesetz fietr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

einkommens, der Pension und des SterLe- oder Gnaden­ gehaltes, auch der Erziehungsgelder, Studienstipendien, Witwen- und Waisenkassenabzüge des Unterhaltspflichtigen; das Vorrecht erstreckt sich aber nicht auf Beschlagnahme von Sold, Jnvalidenpension, von Diensteinkommen der Militärpersonen nach der Mobilmachung und von Ver­ sorgungsgebührnissen der Kriegsinvaliden, pensionierten Offiziere und Unteroffiziere sowie Gemeinen des Reichs­ heeres (s. S. 76, 81 sg.) weil aus diese Bezüge Abs. 4 § 850 ZPO. keine Anwendung findet. c) Inhalt des Vorrechtes. Das den Unterhaltsansprüchen eingeräumte Vorrecht besteht darin, daß ihretwegen in die eben genannten Forderungen außerhalb der einschränkenden Vor­ schriften des § 1 des LBG. und des Abs. 2 des § 850 ZPO. vollstreckt werden kann: Der Arbeits- und Dien st lohn kann also, selbst wenn er 1500 Mk. für das Jahr nicht übersteigt, jederzeit ohne Rücksicht auf Dienstleistung, Ablauf des Tages der Lohn­ zahlung und Einsorderung gepfändet werden. Das Diensteinkommen und die anderen in Nr. 7 und 8 Absatz 1 des § 850 ZPO. genannten Bezüge sind dagegen — auch wenn sie 1500 M. nicht übersteigen — in voller Höhe ganz uneingeschränkt (aus der Entstehungsgeschichte des Abs. 4 a. a. O. abge­ leitet bei Busch 12 S. 273) der Pfändung unterworfen. d) Umfang des Vorrechtes. Den „Unterhaltsbeiträgen", also den zur Bestreitung des Lebensbedarfs des Berechtigten notwendigen Aufwendungen, zu deren Gewährung der Verpflichtete verurteilt ist oder ohne gerichtlichen Zwang z. B. in vollstreckbarer notarieller Urkunde sich an­ heischig gemacht hat, ist das Vollstreckungsvorrecht ein­ geräumt, dagegen nicht den ausschließlich auf Fürsorge und Freigebigkeit beruhenden (§ 850 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.). Geld-

Erläuterungen zu § 4 Nr. 3.

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eventuell auch Naturralbeiträge, z. B. für den Unter­ halt eines Altsitzers, zur Erfüllung gesetzlicher Unterhalts­ pflicht gehören hierher, allerdings nicht unbedingt, aber doch bis zum Beweise 'des Gegenteils durch die Gläubiger (OLG. 14 S. 182; 19 S. 19). Bei einer der Erziehung be­ dürftigen Person zählen hierzu auch die Kosten der Er­ ziehung und Vorbildung zu einem Berufe (der zur Vorbereitung für eine Prüfung erforderliche Dienst­ aufwand, Seuff. Arch. 58 S. 480); auch die Kosten des auf Gewährung von Unterhalt gerichteten Rechtsstreits werden als solche anzusehen sein (streitig s. Gaupp § 850 Anm. 88, dafür OLG. VI S. 422), zum mindesten die­ jenigen für Einziehung der Beiträge (a. A. Kammerger. 8 W. 3864/09). — Nicht als Unterhaltsbeiträge anzusehen sind die Zinsen rückständiger Beiträge (Bl. f. Rpfl. 1898 S. 68), ebensowenig der Prozeßkosten Vorschuß des Ehe­ mannes für die Ehefrau (IW. 00 S. 339), der Aus­ steuer- und Ausstattungsanspruch (RG. 66 S. 234) oder der Anspruch des Unterhaltsberechtigten gegen diejenigen, welche dem Unterhaltspflich­ tigen durch dessen Tötung oder Verletzung die Erfüllung der Unterhaltsgewährung unmöglich machte (§§ 843, 844 BGB., §§ 3, 3a RhaftpflGes. v. 18. VIII. 96), wenngleich diese Forderungen die wirtschaftlichen Funktionen von Unterhaltsansprüchen haben (Pick S. 114 fg.).

Das den Unterhaltsbeiträgen eingeräumte Vollstreckungsvorrecht ist aber nach zwei Rich­ tungen hin beschränkt: 1. Sachlich ist es nur den „kraft Gesetzes" zu entrichtenden Beiträgen zugesprochen, also denjenigen, welche ihren unmittelbaren Rechtsgrund im Gesetze haben, in einem zustandsrechtlichen Verhältnisse der Ver­ wandtschaft oder Ehe einerseits und dem Vermögen des Verpflichteten sowie dem Bedürfnisse des Berechtigten andererseits (OLG. VII S. 317). Daraus folgt: a) Ein übermäßige Leistungen zusichernder Vertragsanspruch eines an sich Unterhaltsberechtigten

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Gesetz betr.. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

genießt nur in der das gesetzliche Maß. nicht übersteigenden Höhe das PsändungsVorrecht. Es besteht dabei aber die Vermutung, daß ein Unterhaltspflichtiger die über das Maß der gewöhnlichen Bedürfnisse hinausgehenden Beträge gewahrt, um seiner gesetzlichen Pflicht zu genügen. (LG. Berl. I. T. 103/08). ß) Ein von jeder gesetzlichen Verpflichtung losgelöster, lediglich aus Vertrag und letztwilliger Verfügung beruhender Unterhaltsbeitrag genießt nicht das Vorrecht. y) Ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch verliert dadurch nicht seinen bevorrechtigten Charakter, daß er durch Ver­ trag oder Vergleich außergerichtlich oder gerichtlich festge­ setzt oder anerkannt wird (vgl. Drucks, d. Reichst. 4. Sess. 1895—97 S. 4546), gleichviel, ob die Zahlung einmaliger Abfindung oder fortlaufender Beträge festgesetzt wird (aM. Bah. Rpfl. Z. 05 S. 79). Der die Lohnbeschlagnahme betreibende Unterhaltsberechtigte, z. B. der Altsitzer, welcher das Psändungsvorrecht für sich in Anspruch nimmt, hat daher zu behaupten, eventuell zu beweisen, daß die Unterhaltsgewährung „kraft Gesetzes" verlangt wird. — Ein Vergleich über künftigen Unterhalt zwischen Ehe­ gatten oder unterhaltspflichtigen Verwandten ist nichtig, insoweit er einen völligen oder teilweisen Verzicht aus den gesetzlichen Unterhalt in sich schließt (§ 13603 BGB., RG. 50 S. 96.) 2. Auch eine zeitliche Schranke ist dem Pfändungs­ vorrechte gesetzt, wie sie sich schon in § 749 Abs. 4 ZPO. (alter Fassung) fand und nach der Begründung der Novelle v. 29. III. 97 in die Nr. 3 § 4 d. Ges. im Interesse der Gleichmäßigkeit beider Vorschriften ausgenommen worden ist. Nur „für die Zeit nach Erhebung der Klage und für das diesem Zeitpunkte vorausgehende letzte Vierteljahr" besteht daS Vollstreckungsvorrecht wegen der Unterhaltsbeiträge, weil sie insoweit „als laufende" im Sinne des Gesetzes angesehen werden (Mot. z. § 749; Entw. d. ZPO. § 696), selbst wenn sie für die Vergangenheit, vom Augenblicke des Verzuges oder der

Erläuterungen zu § 4 Nr. 3.

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Rechtsanhängigkeit an, gefordert werden (§§ 1613, 1360, 1580, 1351 BGB.). Daher genießen auch nach der Ausdrucksweise des Verkehrs rückständige Unterhalts­ beiträge das Pfändungsvorrecht, z. B. solche feit dem Jahre 1905 auf Grund eines Urteils vom Jahre 1900. Dagegen sind Unterhaltsbeiträge aus dem Jahre 1905 laufende nicht zu nennen, wenn die Klage ihretwegen mehr als drei Monate später erhoben ist. Letzterenfalls unterliegt die Beschlagnahme den einschränken­ den Bestimmungen des § 1 b. Ges. bzw. des § 850 Abs. 2 ZPO. Gegen Ausdehnung des Vollstreckungsvorrechts auf die seit gar zu langer, wenn auch nach Klageerhebung liegender Zeit geschuldeten Unterhaltsbeiträge schützt die — allerdings einzuwendende — vierjährige Verjährungsfrist (§ 218 Abs. 2 BGB. Das Gesetz hat bei der Nr. 3 die Pfändung auf Grund eines Urteils im Auge, ist aber auch aus Beschlagnahme aus anderen Schuldtiteln, aus Vollstreckungsbefehlen usw. anzuwenden. Der Klageerhebung, d. h. Klagezustellung (§§ 261, 498 ZPO.), steht die Zustellung eines Zahlungs­ befehls (§ 693 ZPO.), und der Zeitpunkt des Antrages aus einstweilige Verfügung (§§ 935, 936 a. a. £).: Bl. f. Rpfl. 5 S. 47) oder der Errichtung einer vollstreckbaren Urkunde (OLG. 7 S. 316, aM. Gaupp § 850 IV a 2, OLG. 19 S. 21) gleich. e) Die Verwirklichung des Vorrechtes ge­ schieht durch Forderungspfändung. Da die gesamten Einkünfte des Unterhaltspflichtigen, ja sogar sein Vermögen und seine Erwerbsfähigkeit stets als ein Ganzes bei Bemessung seiner Leistungen im Schuldtitel in Betracht gezogen worden sind (Ggstz. § 4a S. 119), so kann sich der Unterhaltsberechtigte wegen seiner ganzen Forderung an ein ihm beliebendes Ver­ mögensobjekt des Pflichtigen, also auch an den Dienst­ lohn, das Diensteinkommen usw. ganz halten und darf nicht vom Verpflichteten auf andere Vermögens-

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Gesetz betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

bestandteile oder Einkünfte verwiesen werden. Wohl aber kann der letztere bei wesentlicher Änderung seiner Verhältnisse entsprechenden Nachlaß seiner Leistungen ver­ langen (§ 323 ZPO.).

IY. Das Verhältnis der Bevorrechtigten zueinander bestimmt § 1609 BGB. ohne Rücksicht darauf, wer von ihnen die Bezüge des Unterhaltspflichtigen zuerst be­ schlagnahmt hat: Der durch die frühere Pfändung eines im Range nachstehenden Benachteiligten kann aus Grund der §§ 766 oder 853, 872 fg. ZPO. eine dem Gesetze ent­ sprechende Verteilung der gepfändeten Beträge außerhalb der Reihenfolge der Pfändungen erzwingen. — Ein Be­ vorrechtigter, der nicht selbst gepfändet hat, kann (in der eben angeführten Weise) erst dann einen anderen bevorrechtigten Pfandgläubiger aus dem Felde schlagen, wenn er auch seinerseits eine Pfändung der ge­ pfändeten Beträge herbeigeführt hat. Ohnedem hat er nur einen Anspruch gegen den Unterhaltspflichtigen aus dessen Einkünften, aber kein direktes Recht an dem Lohne oder Diensteinkommen usw. und auf diese Bezüge (Keidel S. 234). Letzteres erlangt er schnellstens durch arrestweise Pfändung des Besriedigungsanspruches des Erstpfändenden oder durch Klageanstellung verbunden mit arrestweiser Pfändung der nämlichen Gehaltsrate. Alsdann kann er auch vom Drittschuldner, abgesehen von der Ein­ wendung aus § 766, gemäß § 853 Hinterlegung des Schuldbetrages verlangen und dem nun eintretenden Ver­ teilungsverfahren seinen Widerspruch gegen den Teilungs­ plan durch Widerspruchsklage (§§ 878, 879) geltend machen. — Der unterhaltspflichtige Schuldner kann dagegen ohne weiteres die Einwendungen aus § 766 ZPO. wie für sich, so auch für einen benachteiligten Ver­ wandten erheben, selbst wenn dieser nicht geklagt hat.

Erläuterungen zu § 4 Nr. 3.

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T. Das Verhältnis der bevorrechtigten zu nicht bevorrechtigten Gläubigern wird mangels einer gesetzlichen Sondervorschrift durch die Reihenfolge ihrer Pfändungen bestimmt (§ 804 Abs. 3 ZPO.). Hat der Nichtbevorrechtigte zuerst,.ge­ pfändet, so muß sich der Bevorrechtigte mit dem Über­ reste der Lohnbezüge begnügen, selbst wenn er wegen der ihm zukommenden Unterhaltsbeiträge nicht mehr voll befriedigt wird. Dagegen hat im umgekehrten Falle die nachfolgende Pfändung des Nichtbevorrechtigten nur dann Erfolg, wenn durch die Beschlagnahme des Bevorrechtigten der über den unpfändbaren Teil hinaus­ gehende Betrag der Bezüge nicht erschöpft wird. Es darf also ersterer den letzteren nicht aus den für ihn unpfändbaren Teil der Bezüge verweisen bzw. dessen Forderung auf diesen Überrest anrechnen. Denn von jeder Pfändung wird zunächst der allgemein pfändbare Teil der beschlagnahmten Forderung ergriffen. Anderenfalls würde das Vorrecht der Ver­ wandten den Nichtbevorrechtigten indirekt zugute kommen (Busch Bd. 17 S. 166). Die entgegengesetzte Entscheidung in Annalen des Sächs. OLG. Bd. 26 S. 176, welche die Unterhaltsberechtigten in jedem Falle zunächst auf die Ein­ künfte bis zu 1500 M. verweist, verkennt die Tragweite der Nr. 4 des § 4 d. Ges. Die 1500 M. stellen eine Kompetenz für den Schuldner in seiner Person dar, nicht auch für die Unterhaltsberechtigten (siehe Entstehungs­ geschichte der Kompetenz StenBer. III S. 75, 589 und S. 102 h. 1.). Diese sind nicht an die einschrän­ kenden Vorschriften des LBG. gebunden; nur das besagt die Nr. 3 des § 4 b. Ges. Die Nr. 4 ist für ihre Forderungen belanglos. Daher stehen sie wie jeder Pfandgläubiger dem Schuldner als Dritte gegenüber, nur mit dem Unterschiede, daß sie sich an den ganzen Lohn, also neben dem für alle pfändbaren GehaltsMeyer, Beschlagnahme. 4. Aufl. 7

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Gesetz, fair. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

teile auch an die 1500 M. halten können; sie haben sich daher nicht auf diesen Betrag als einen für sie reservierten Gehaltsteil anweisen zu lassen. Das beweist betreffs der Bezüge in Nr. 7 u. 8 des tz 850 Abs. 1 ZPO. der Abs. 4 a. a. O., welcher die in Abs. 2 allgemein getroffene Pfän­ dungsbeschränkung für die Unterhaltsberechtigten aushebt und die Beschlagnahme der Bezüge „ohne Rücksicht aus den Betrag" zuläßt. — Dasselbe gilt für Pfändung im Bereiche des LBG., da für beide ein gleicher Rechtszustand herbeigeführt werden sollte (s. S. 89 fg.).

Nr. 4 des § 4. Die Beschlagnahme des 1500 M. für das Jahr übersteigenden Arbeits- oder Dienstlohnes. (Gesetzestext S. 70.)

I. Einleitung. Unter Nr. 4 gestattet der § 4 des LBG. endlich noch eine schwerwiegende, materiellrechtliche Ausnahme von den Grundsätzen seines § 1, indem schlecht­ hin eine Pfändung der 1500 M. für das Jahr über­ steigenden Vergütung für zulässig erklärt wird. Diese Bestimmung stellt eine durch Art. 3 des Eins Ges. zum Ges. betr. Änderungen der ZPO. vom 17. Mai 1898 eingeführte wesentliche Erweiterung der früheren Nr. 4 dar.

II. Erläuterung der Vorschrift. A. Im allgemeinen. Aus dem Gegensatze zur früheren Fassung der Nr. 4, der Begründung der Novelle und der Bezugnahme auf §§ 1 und 3 des Gesetzes sowie deren Entstehungsgeschichte wird das richtige Verständnis für den Sinn und die Auslegung der Vorschrift gewonnen.

Erläuterungen zu § 4 Nr. 4.

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1. Die „öffentlichen Beamten" der Nr. 1 des § 4 des Gesetzes standen im Gegensatz zu den früher in Nr. 4 des Paragraphen genannten, im Privatdienste angestellten Personen; dieser Gegensatz muß als fortbestehend erachtet werden, wenn auch der Wortlaut geändert ist: Auf alle Personen, für deren Dienstbezugsbeschlag­ nahme § 850 ZPO. Bestimmung trifft, findet die Nr. 4 demnach keine Anwendung. (Vgl. S. 71 fg.) 2. Die Beschränkung auf die „im Privatdienst An­ gestellten" ist fortgefallen; also auch in staatlichen oder städtischen Betrieben angestellte Personen, welche nicht Beamteneigenschast besitzen (s. S. 78), werden von dieser Vorschrift betroffen, z. B. Schlosser in einer staatlichen Gewehrsabrik. 3. Die Beschränkung auf die „dauernde Anstellung", wie sie die Nr. 4 in Abs. 2 früher definierte, ist durch die Novelle (s. S. 20) beseitigt, um eine Beschlagnahme in vielen Fällen zu ermöglichen, in denen sie früher ausge­ schlossen war. Es ist danach die Pfändung über 1500 M. p. a. auch bei Angestellten zugelassen, welche auf weniger als ein Jahr angenommen sind, oder deren Kündigungsfrist — vertraglich oder gesetzlich — weniger als 3 Monate beträgt (§§ 621 fg. BGB.; 66HGB.; 122, 133aGewO.; 112, 113 GesO. Die Worte der neuen Vorschrift „für das Jahr" stehen in keinem Gegensatze hierzu, bedeuten auch keine neue Schranke für die An­ wendbarkeit der Bestimmung ss. Nr. 5]; 4. Aufrechterhalten ist aber das Erfordernis eines Arbeits- und Dienstverhältnisses (s. S. 27 fg.), welches die Erwerbstätigkeit der Vergütungsberechtigten vollständig oder hauptsächlich in Anspruch nimmt. Diese Absicht ergibt die Stellung der Bestimmung im LBG. und die Verweisung auf §§ 1, 3 des Gesetzes selbst. In einem solchen Verhältnisse stehen aber alle Klassen von Ar­ beitern und Bediensteten: Arbeiter, Gesinde, Werksührer, Bureaubeamte, Privatsekretäre, Handlungsgehilfen,

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Gesetz, betr. Beschlagnahme deL Dienstlohnes.

Prokuristen, Lehrer, Erzieher, Redakteure, Gutsverwalter, Forstbeamte, Syndici, Hausdamen, Direktoren größerer Erwerbsgesellschaften, Ingenieure usw. — Für Lohn- bzw. Gehaltspfändung der diesem Gesetze nicht unterstehenden im Privatdienste beschäftigten Personen gilt das S. 47 fg. Gesagte. 5. Da die Vertragsdauer, wie gezeigt (Nr. 3), für die Pfändbarkeit der Vergütung nicht mehr bestimmend ist, so drücken die Worte „für das Jahr" keine Zeit­ dauer der Beschäftigung, überhaupt keine Zeitspanne, nur eine Zeiteinheit aus, nach welcher Einkünfte in der Regel berechnet werden, also lediglich einen Berechnungs­ maßstab. Darauf deutet die Änderung des „jährlich" der früheren Fassung in das jetzige „für das Jahr" sowie der Sinn der Gesetzesbestimmung (vgl. m. Aufs. i. E. f. Rpfl. 05, S. 111* u. 10 S. 50). — Das Jahr ist also weder das Kalenderjahr noch das Vertragsjahr, sondern das Zeitmaß eines Jahres vom Tage der Zustellung des Psändungsbeschlusses an gerechnet. Daraus folgt: a) Zuzulassen ist die Lohnbeschlagnahme auch für kürzere und kürzeste den Lohnperioden (s. S. 42) ent­ sprechende Zeiteinheiten, für Wochen und Tage (S. 29 fg.; a. M. Kfm. u. Gewerbeger. 07 S. 182) unabhängig davon, ob der Schuldner bestimmt oder voraussichtlich das ganze Jahr hindurch oder bestimmt nur geringere Zeit über (s. S. 30 u. 134 Nr. 5) seiner berufsmäßigen Beschäf­ tigung, wenn auch in mehreren aufeinanderfolgenden Dienstverhältnissen obliegt, sein Wechsel in der Person des Dienstberechtigten hat in der Regel nicht als Veränderung der Einkommensquelle zu gelten (D. J.Ztg. 05 S. 272)] und unabhängig davon, ob er die ganze Zeit hindurch in gleicher Höhe Einkünfte bezieht (s. Anhang I S. 134), wofern er nur „für das Jahr" eine 1500 M. übersteigende Vergütung erhält. b) Zulässig ist auch die Pfändung einer oder mehrerer einzelnen Lohn raten.

Erläuterungen zu § 4 Nr. 4.

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c) Selbst eine Pfändung „des für das Jahr 1500 M. übersteigenden Lohnes" erfaßt sofort denjenigen Lohnbetrag, der den unpfändbaren Teil einer jeden Lohnperiode übersteigt (ebenso 25 T. 39/09 u. 149/10 LG. I Berlin; vgl., S. 134) und verpflichtet zur sofortigen Auszahlung des Überschusses an den Pfand­ gläubiger. Weder darf der Arbeitgeber zur Sicherstellung des Schuldners ihm das volle Gehalt bis zur Erreichung der 1500 M. auszahlen und dann erst den.Jahresrestlohn dem Pfandgläubiger zuführen (Bl. f. Rpfl. 10 Nr. 5), noch den Überschuß bis zum Jahresschluß zurückbehalten, wie OLG. VI S. 419 bei schwankenden Einnahmen des Schuldners es tut.— Wegen der Verrechnung der 1500 M. s. unter 5. 5. Für alle dem LBG. unterstehenden Personen bildet 1500 M. jährliche Einnahme das Mindestmaß, welches dem Schuldner zu seinem Unterhalt zu belassen ist, daher die Grenze, bis zu welcher die Ver­ gütung nach § 1 gegen Beschlagnahme Nicht­ bevorrechtigter (Ggstz. § 4 Nr. 2 u. 3 und § 4a des Ges.; wegen Konkurrenz mit Bevorrechtigten s. S. 97) unbedingt geschützt sein und über welche hinaus ein Schutz überhaupt nicht stattfinden soll. Der den Betrag von 1500 M. für das Jahr über­ steigende Teil der Vergütung istvonjedemGlaubiger, wegen jeder Forderung und zu jeder Zeit, also auch vor Fälligkeit und Einforderung, ja sogar vor Leistung der Arbeit selbst dann pfändbar, wenn Schuldner dadurch außerstande gesetzt wird, seine vertraglichen Ver­ pflichtungen zu erfüllen (LG. Berlin T. 1900/01). Inso­ weit ist auch die Vorpfändung der Vergütung gestattet (vgl. dagegen S. 43). — Der Schuldner kann aber verlangen, daß ihm, nach seinem derzeitigen Lohne be­ messen, für die einzelne Lohnperiode ein Betrag freibleibt, der im Verhältnisse dieses Zeitraumes zum ganzen Jahre gerechnet 1500 M. für das Jahr erreicht, also 750 M. halbjährlich, 375 M. vierteljährlich, 125 M. monatlich

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

und 28,85 M. wöchentlich (vgl. Bl. f. Rpfl. 05 S. 111, 10 S. 50, OLG. 15 S. 167, 16 S. 309). — Bei einer nur einen Teil des Jahres andauernden berufsmäßigen Beschäftigung muß allerdings die pfandfreie Summe aus dem Verdienste eines Jahresbruch­ teiles gedeckt und dementsprechend für die einzelne Lohn­ periode erhöht werden (s. S. 134; Bl. f. Rpfl. 10 S. 50). — Schwankende Bezüge werden in derselben Weise wie in sich fest bestimmte daS ganze Jahr hindurch be­ zogene gepfändet; wenn sie aber über 1500 M. für das Jahr nicht hinausgehen, sind sie unpfändbar, selbst wenn der Teilbetrag einer oder mehrerer,Lohnperioden den gesetz­ lichen Mindestbetrag übersteigt. (Über die dem Schuldner in diesem Falle zustehenden Rechtsbehelfe f. Anhang I S. 139). — Rückständige Lohnforderungen sind unabhänging von § 1 in jeder Höhe pfändbar (S. 41 fg.; LG. I. Berl. T. 59/04). 6. Die 1500 M. bilden eine fest begrenzte Kompetenz (StenBer. III S. 588 und Begründung der Novelle v. 17. V. 98), welche für Schuldner verschiedenster Lebens­ stellung und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ohne Rück­ sicht aus die Bedürfnisse des einzelnen, Größe der Familie und Unterhaltspflichten, einheitlich festgesetzt ist und „alle Ausnahmezustände allgemeiner Art, z. B. Teuerung und ähnliche Kalamitäten oder Krankheit und sonstiges indivi­ duelles Mißgeschick, unbeachtet" läßt (StenBer. III S. 75).

B. Im einzelnen. 1. Der Begriff der Vergütung ist der in tztz 1 u. 3 vorgelegte; dies ergibt seine Bezugnahme in Nr. 4. Der Dien staufwand (S. 66 fg.) ist von der Vergütung behufs Ermittelung des pfändbaren Teiles nicht in Ab­ zug zu bringen, ebensowenig sind es Aufwendungen für Krankheiten (LG. Berl. I. T. 485/07), Beiträge f. Alters-, Unfall-, Kranken-, Pensionsversicherung u. a. Dagegen dürfte eine angemesiene Summe von der Ver­ gütung als Ersatz für Auslagen gemäß 8 2 zu kürzen

Erläuterungen zu § 4 Nr. 4.

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sein, wenn der Arbeiter für Beschaffung und Erhaltung seines Arbeitsgerätes selbst zu sorgen hat (LG. Dortmund Beschl. v. 26. III. 06). 2. Der Gesamtbetrag der Vergütung ist die Summe aller Bezüge, welche dem Angestellten aus dem Arbeits- oder Dienstverhältnisse zu kommen (s. S. 64 fg.); um ihn zu finden, müssen sämtliche Teile und Arten der Ver­ gütung ermittelt und festgestellt werden (s. ebenda). Wenn mehrere Bezüge aus verschiedenen Dienstverhältnissen sich in der Hand des Arbeitenden vereinigen, so gelten bezüglich ihrer Pfändbarkeit folgende Regeln: a) bei Zusammentreffen mehrerer Vergütungsan spräche (vgl. wegen Begründung m. Aufsatz i. D. J.-Ztg. 02 S. 449, 505) «) Von den Bezügen aus privaten Dienstverhält­ nissen ist der aus der Nebenbeschäftigung (S. 36) her­ rührende stets, der aus der Hauptbeschäftigung fließende nur in Höhe des 1500 M. für das Jahr übersteigenden Betrages unbeschränkt pfändbar; zwei die Arbeitszeit gleich stark in Anspruch nehmende Bezüge dürften zu­ sammenzurechnen und der 1500 M. übersteigende Bezug pfändbar sein, wobei sich Gläubiger an einem ihm be­ liebenden Bezug halten kann (Busch 30 S. 550 fg.). ß) Mehrere Bezüge aus verschiedenen öffentlichrechtlichen Dienstverhältnissen sind zum Zwecke der Pfändung zusammenzurechnen (LG. I. Berl. T. 434/04), sofern sie zu den unter Nr. 7 u. 8 Abs. 1 § 850 ZPO. aufgeführten gehören (s. S. 78 Nr. 4). y) Mehrere, teils aus öffentlichrechtlichem, teils aus privatem Dienstverhältnisse (für Hauptbeschäfti­ gung!) fließende Bezüge sind nur soweit pfändbar, als jeder einzelne für sich betrachtet der Beschlagnahme unterliegt, ebenso OLG. 19 S. 34; Bl. f. Rpfl. 09 S. 97. Einkünfte aus nebensächlicher Beschäftigung im privaten Verhältnisse sind stets pfändbar (s. 36, Anhang S. 133).

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

b) Bei Vereinigung von Vergütungs- und Ruhegehalts-(Pensions)Ansprüchen (vgl. m. Auff. IW. 09 S. 26 fg.):