Das Recht der Beschlagnahme von Lohn- und Gehaltsforderungen: Auf Grundlage der Reichsgesetze vom 21. Juni 1869 und 29. März 1897 und der Zivilprozeßordnung. Mit Einleitung, Anmerkungen und Sachregister [Reprint 2018 ed.] 9783111526775, 9783111158495


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German Pages 152 Year 1900

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Table of contents :
Vorwort
Inhalts-Übersicht
Litteratur-Verzeichnis
I. Einleitung
II. Erläuterungen des Gesetzes.
III. Sachregister
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Das Recht der Beschlagnahme von Lohn- und Gehaltsforderungen: Auf Grundlage der Reichsgesetze vom 21. Juni 1869 und 29. März 1897 und der Zivilprozeßordnung. Mit Einleitung, Anmerkungen und Sachregister [Reprint 2018 ed.]
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Guttentag'sche Sammlung Nr. 55. Deutscher Neichsgesetze. Nr. 55. Text-AuSgaben mit Anmerkungen.

Das Recht der

Geschlagnahme von

Lohn- und Gehattsforderungen. Auf Grundlage

der Reichsgesehe vom 21. Juni 1869 und 29. März 1897 und der Civilprozeßordnung mit Einleitung, Anmerkungen und Sachregister

dargestellt von

Georg Meyer, Rechtsanwalt beim Landgericht I Berlin.

Berlin 1900. I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung. G. m. b. H.

Vorwort. Das Recht der Beschlagnahme von Lohn- und Gehaltsforderungen ist bisher, soweit bekannt, im Zusammenhange noch nicht ausführlich be­ handelt worden; selbst Schriften über die Zwangs­ vollstreckung — von den Kommentaren zur Civilprozeßordnung ganz zu schweigen —

lasten viele

Einzelftagen der Materie ««erörtert, manche Zweifel bestehen. — Die für das Verständnis schwierigen Bestimmungen der Novelle zum Lohnbeschlagnahme­ gesetze sind bisher überhaupt nicht erschöpfend er­ läutert worden. Und doch ist es für den Praktiker von großer Wichtigkeit, bis in das Einzelne hinein über die Schwierigkeiten Aufschluß zu erlangen, welche die den Gegenstand betreffenden Gesetzesvorschriften in der Anwendung bieten. Dazu kommt noch, daß das Lohnbeschlagnahme­ gesetz im Laufe der Zeit mancherlei Abänderungen erfahren hat, welche aus verschiedenen Gesetzen zu­ sammengetragen werden muffen, und daß dadurch

6

Vorwort.

der klare Überblick über seine jetzt geltenden Normen recht erschwert ist. Grund genug für den Versuch einer ausführ­ lichen Darstellung des gesamten Rechts in der Frage der Lohn- und Gehaltsbeschlagnahme! — Dieser Versuch hat sich nicht, wie der nur der Kürze halber gewählte Titel der Schrift vermuten läßt, darauf beschränkt, das Beschlagnahmerecht lediglich, soweit „Lohn" oder „Gehalt" in Betracht kommen, zu erörtern, sondern auch dahin geführt, jedwede Arbeits­ vergütung, gleichviel wem sie zukommt und in welcher Art sie geleistet wird, auf ihre Beschlagnahmefähigkeit eingehend zu prüfen. Es sind daher, wenn auch für die äußere Form der Arbeit der Kommentar zum Lohnbeschlagnahmegesetze gewählt wurde, die Fälle nicht unberücksichtigt geblieben, in denen nach anderen, als nach den Bestimmungen dieses Gesetzes das Recht gegeben ist, die gedachten Forderungen zu pfänden. Die Form des Kommentars zum Reichsgesetze vom 21. Juni 1869 ermöglichte auch eine Be­ sprechung der wichtigen Frage, inwieweit Angestellte aller Art mit Rücksicht auf die Vorschriften des BGB. über ihre Vergütungen rechtswirksam ver­ fügen können. Ein ausführliches Sachregister und eine schematische Übersicht über Zulässigkeit und Um-

7

Borwort.

fang der Beschlagnahme sollen den Gebrauch des Buches

erreichtem.

Eine Zusammenstellung von

Behörden, welchen als Drittschuldnern bei Pfän­ dung von Dienstbezügen eines Beamten in Ver­ tretung des Reichs- bezw. Landesfiskus der Pfän­ dungsbeschluß zuzustellen ist, dürfte Melen erwünscht sein. Möge das Buch der Praxis, für welche es ge­ schrieben ist, brauchbar erscheinen! Berlin, im Mai 1900.

Der Verfasser.

Inhalts-Übersicht. -----------

Seite

I. Einleitung: Zur Geschichte des Gesetzes vom 21. Juni 1869

...................................................

12

II. Erläuterungen des Gesetzes. § 1. Die Beschränkungen der Lohnbeschlagnahme Die Fälle der Nichtanwendbarkeit des Gesetzes § 2. Die Verfügung des Arbeiters über die Lohn­ forderung durch ein- und zweiseitige Rechts­ geschäfte ............................................................ Exkurs zu tz 2: die Aufrechnung gegen Lohnforderungen...................................... 36 § 3. Begriff der Vergütung, insbesondere im Gegensatze zur Entschädigung.......... 42 Arten der Vergütung............................. 48 Feststellung des reinen Lohnes.......... 50 § 4. Die Ausnahmen von den Beschränkungen des § 1: I. Allgemeines..................................... 52 II. Einzelnes: 1. Die Pfändung des Gehalts und der Dienstbezüge der öffentlichen Be­ amten, Begriff und Einteilung derselben § 850 CPO.: Diensteinkommen, Pension und Sterbe- oder Gnadengehalt ...

21 33

34

53 57

Inhalts-Übersicht.

2.

3.

I. II. III.

4.

9

Seit« Ermittelung ihres pfändbaren Theiles. 59 Exkurs zu Nr. 1: Das Recht der Beamten, über ihre Dienstbezüge zu verfügen . . 61 Die Pfändung des Dienstlohnes und der Dienstbezüge zum Zwecke der Beitrei­ bung von Steuern und Abgaben. 63 Rechtszustand in Preußen....................... 65 DiePfändung des Dienstlohnes und der Dienstbezüge zum Zwecke der Beitrei­ bung von Unterhaltsbeiträgen, welche dem Verwandten, dem Ehe­ gatten und dem früheren Ehe­ gatten zu entrichten sind .... 67 Verhältnis derBestimmungzu§850CPO. 67 Die Bestimmung und das geltende Civilrecht............................................ 68 Das Vollstreckungsvorrecht der Genannten: Personen............................................ 70 Gegenstand........................................ 70 Inhalt............................................ 71 und Umfang................................... 72 sowie seine Verwirklichung............ 75 Die Pfändung des 1500 M. für das Jahr übersteigenden Arbeits -oder Dienstlohnes.............................. 75

§ 4a. Die Pfändung des Dienstlohnes und der Dienstbezüge zum Zwecke der Beitrei­ bung von Unterhaltsbeiträgen, welche den unehelichen Kindern zu entrichten sind .......................................... I. Auslegung des Wortlautes............ 79 II. Verhältnis der Bestimmung zu §850 CPO. III. Die Bestimmung und das Civilrecht ... IV. Das Vollstreckungsvorrecht derGenannten: Bevorrechtigte Personen..................... 83

78 81 81 82

10

Inhalts-Übersicht.

Seile Gegenstand........................................................... Inhalt................................................................ Umfang................................................................ und Verwirklichung des Vorrechts .... Zusammentreffen von Rechten des unehe­ lichen Kindes und der Verwandten; ihr Rangverhältnis zu einander......................

84 84 84 93

85

§ 5. Zeitliche Grenzen des Gesetzes: Rückwirkende Kraft des § 4 a des Gesetzes......................

93

Anhang I: Übersicht über die Zulässigkeit der Pfändung des Arbeits- oder Dienstlohnes und der Dienstbezüge als Geldforderung....................

95

Anhang II: Das prozessuale Verfahren zur Verwirklichung der dem Schuldner oder beteiligten Dritten eingeräumten durch die Pfändung ver­ letzten Rechte................................................................

88

Anhang III: Zusammenstellung von Be­ hörden, welchen bei der Pfändung des Dienst­ einkommens beziehungsweise der sonstigen Dienst­ bezüge derOffiziere, Militärärzte und Deckoffiziere, der Beamten, Geistlichen, sowie der Ärzte und Lehrer an öffentlichen Anstalten als Dritt­ schuldnern der Pfändungsbeschluß nach §.829 CPO. zuzustellen ist..............................102

III. Sachregister........................................................... 148 (Der ganze Text des Gesetzes in jetziger Fassung be­ findet sich Seite 17 fg.)

Litteratur-Verzeichnis. Bezold: Das Reichsgesetz betreffend die Beschlagnahme des Arbeits- oder Dienstlohnes. Vom 21. Juni 1869. Staudinger: Die Einführung Norddeutscher Justizgesetze als Reichsgesetze in Bayern. Abteilung II. S. 134 fg. Keidel: Die Novelle zum Lohnbeschlagnahmegesetz und zur Reichscivilprozeßordnung vom 27. März 1897 in Seuffert's Blättern für Rechtsanwendung zu­ nächst in Bayern. (15. Ergänzungsband S. 225 fg.) Man dry: Civilrechtlicher Inhalt der Reichsgesetze. Struckmann u. Koch, Civilprozeßordnung, 7. Auflage (1900). v. Wilmowski-Levy: Civilprozeßordnung. Gaupp & Stein: Civilprozeßordnung. Lisiecki & Drewes: Die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen. Busch: Zeitschrift für deutschen Civilprozeß. Seuffert: Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte. Gruchot: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts. Planck: Bürgerliches Gesetzbuch nebst Einführungsgesetz. Habicht: Die Einwirkung des BGB. auf zuvor ent­ standene Rechtsverhältnisse. Lab and: Staatsrecht des Deutschen Reichs. Landmann: Gewerbeordnung für das Deutsche Reich Band II. Staub: Kommentar zum Handelsgesetzbuch. Entscheidungen des Reichsgerichts. Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts. Blätter für Rechtspflege im Bezirke des Kammergerichts.

I.

Einleitung. Jur Geschichte des Reichs-Gesetzes vom 21. Juni 1869. l.

Die Frage, ob und inwieweit die Beschlagnahme des noch nicht verdienten, zukünftig geschuldeten Lohnes unzulässig, beziehungsweise zu beschränken ist, be­ trifft einen Gegenstand, welcher an sich in die Civilprozeßordnung unter das Kapitel „Zwangsvoll­ streckung" gehört; ihn durch besonderes Gesetz vor­ weg zu regeln, erschien auch den gesetzgebenden Faktoren im Jahre 1869 nicht unbedenklich. Wenn trotzdem schließlich die Bedenken hiergegen schwiegen, so waren es lediglich dringende praktische Gründe, welche ein sofortiges Einschreiten der Gesetzgebung erheischten. Die Verschiedenheit der Meinungen und Rechtsprechungen in diesem Zweige der staatlichen

Einleitung.

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Thätigkeit und die hierdurch herbeigeführte Unsicher­ heit in einer Frage, welche das Wohl und Wehe zahlreicher Arbeiterklassen täglich und stündlich un­ mittelbar berührte, wurden als ein sehr ernstes Übel anerkannt, welches schleunige Abhilfe erforderte. Das schnelle Eingreifen der Gesetzgebung erschien um so gebotener, je mehr sich die öffentliche Auf­ merksamkeit auf die Lage der Arbeiter richtete und je mehr sich die Anschauung Bahn gebrochen haste, daß die persönliche Leistungsfähigkeit des Menschen, der Hauptfastor aller Vermögenswerte, in keiner Weise, sei es durch Aufhebung seiner persönlichen Freiheit, wie bei der Schuldhaft, sei es durch Schwächung seiner Schaffensfreudigkeit, wie bei der Lohnbeschlagnahme, eingeengt oder nur angetastet werden dürste. Daher legte die Regierung auf eine Resolutton des Reichstages vom 18. Mai 1868 diesem in der Session von 1869 einen Gesetzentwurf vor, auf Grund dessen „der Arbeits- oder Dienstlohn, ohne Unterschied, ob derselbe bereits verdient war oder nicht, nur insoweit der Beschlagnahme unterliegen sollte, als er nicht zum notdürftigen Unterhalte des Schuldners und seiner Familie erforderlich war". Die zur Beratung des Entwurfs eingesetzte Kom­ mission des Reichstages gelangte jedoch zur Über­ zeugung der Unannehmbarkeit der Vorlage, weil sie

ein Ausnahmerecht für einzelne Berufskreise in ihm erblickte, einigte sich aber über zwei große Gesichts­ punkte, welche der Ausgangspunkt für die endgültige Gestaltung des Gesetzes wurden. Als erster Grund­ satz wurde die Verwerfung des Gedankens an ein Ausnahmegesetz für den arbeitenden Stand und Auffindung der natürlichen Grenze festgestellt, bis zu welcher allgemein — ohne Beschränkung auf bestimmte Klaffen von Personen — und ohne Ver­ letzung sittlicher und rechtlicher Fundamentalsätze der richterliche Zwang zum Zwecke der Lohnbeschlag, nähme angerufen werden könne; sodann war man darüber einig, daß das Gesetz auf solche Verhält­ nisse beschränkt werde, welche eine gewisse Stetig­ keit aufweisen und welchen der Arbeitende, wenn nicht seine ganze, so doch seine hauptsächliche Er­ werbsthätigkeit widme. Damit war die Grundlage für die Abänderungs­ anträge gewonnen, welche von der Mehrheit der Kom­ mission zum Beschlusse erhoben und später auch Gesetz wurden. Einige weitere Änderungen erfuhr der Entwurf noch in den Plenardebatten des Reichs­ tages, welche hier füglich übergangen werden können, zumal sie später, soweit sie interessieren, bei der Erörterung des Inhalts der einzelnen Paragraphen besprochen werden sollen. Das vom Reichstage am 23. Mai 1869 in

dritter Lesung angenommene Gesetz erhielt am2l.Juni 1869 die Sanktion des Königs. Es wurde für das Gebiet des ganzen Norddeutschen Bundes publi­ ziert und trat am 1. August 1869 in Kraft; durch Gesetz vom 16. April 1871 wurde es Reichsgesetz. 2.

Die ursprüngliche Fassung des Gesetzes hat im Laufe der Jahre weitgehende Umgestal­ tungen erfahren. a) Die Civilprozeßordnung vom 30. Ja­ nuar 1877 nahm in § 749 allerdings unter den der Pfändung nicht unterliegenden Forderungen unter Nr. 1 „den Arbeitslohn oder Dienstlohn nach den Bestimmungen des Reichsgesetzes vom 21. Juni 1869" auf, änderte aber auf der andern Seite die Bestimmungen des § 4 Ziffer 3 und 4 des Gesetzes durch Absatz 3 und 4 seines § 749 dahin ab, daß 1. der Gehalt und die Dienstbezüge der im Pri­ vatdienst dauernd angestellten Personen nur soweit der Pfändung unterworfen wurden, als der Gesamtbettag die Summe von 1500 M. für das Jahr überstieg, 2. die Pfändung ohne Rücksicht auf den Bettag zulässig erklärt wurde, wenn sie zur Be­ friedigung der Ehefrau und der ehelichen Kinder des Schuldners wegen solcher Alimente

beantragt war, welche für die Zeit nach Er­ hebung der Klage und für das diesem Zeit­ punkt vorausgehende letzte Vierteljahr zu ent­ richten waren. b) Von viel größerer Tragweite, als die eben angeführten Änderungen waren aber die Bestim­ mungen, welche das Reichsgesetz vom 29. März 1897 wegen Abänderung des Gesetzes be­ treffend die Beschlagnahme des Arbeits­ oder Dienstlohnes und der Civilprozeßordnung infolge eines Umschwunges in den sozial­ politischen Anschauungen traf. Es dehnte die Ver­ günstigung, welche § 4 Nr. 3 des Gesetzes den Familiengliedern, d. h. der Ehefrau und den ehe­ lichen Kindern betreffs der Pfändung des Lohnes des Verpflichteten wegen ihrer Ansprüche an Ali­ menten zuerkannt hatte, auf die Unterhaltsansprüche der geschiedenen Ehefrau und des unehelichen Kindes — letzteres allerdings in einem beschränkten Um­ fange — aus und brachte die Civilprozeßordnung und das Lohnbeschlagnahmegesetz in Einklang. c) Endlich hat das Einführungsgesetz zu dem Gesetze betreffend Änderungen der Civilprozeßordnung vom 17. Mai 1898 in Artikel III den § 4 Nr. 4 unseres Gesetzes dahin abgeändert, daß es bei allen, nicht nur den dauernd

Einleitung.

17

Angestellten, die Lohnpfändung über den Jahres­ betrag von 1500 M. hinaus gestattet. Auf diese Weise hat das Gesetz, betreffend die Beschlag­ nahme des Arbeits- oder Dienstlohnes, vom 21. Juni 1869 (BGBl. S. 242) jetzt folgenden Wortlaut erhalten:

$-1. Die Vergütung (Lohn, Gehalt, Honorar u.s.w.) für Arbeiten oder Dienste, welche auf Grund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses geleistet werden, darf, sofern dieses Verhältniß die Er­ werbsthätigkeit des Vergütungsberechtigten voll­ ständig oder hauptsächlich in Anspmch nimmt, zum Zwecke der Sicherstellung oder Befriedigung eines Gläubigers erst dann mit Beschlag belegt werden, nachdem die Leistung der Arbeiten oder Dienste erfolgt und nachdem der Tag, an welchem die Vergütung gesetzlich, Vertrags- oder gewohn­ heitsmäßig zu entrichten war, abgelaufen ist, ohne daß der Vergütungsberechtigte dieselbe ein­ gefordert hat.

§• 2. Die Bestimmungen des §. 1 können nicht mit rechtlicher Wirkung durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden. Meyer, Beschlagnahme.

18

Einleitung.

Soweit nach diesen Bestimmungen die Be­ schlagnahme unzulässig ist, ist auch jede Verfügung durch Cession,

Anweisung,

Verpfändung oder

durch ein anderes Rechtsgeschäft ohne rechtliche Wirkung. §•

3.

Als Vergütung ist jeder dem Berechtigten gebührende Vermögensvortheil anzusehen.

Auch

macht es keinen Unterschied, ob dieselbe nach Zeit oder Stück berechnet wird. Ist die Vergütung mit dem Preise oder Werth für Material oder mit dem Ersatz anderer Aus­ lagen in ungetrennter Summe bedungen, so gilt als Vergütung im Sinne dieses Gesetzes der Be­ trag, welcher nach Abzug des Preises oder des Werthes der Materialien und nach Abzug der Aus­ lagen übrig bleibt. §•4.

Das

gegenwärtige Gesetz findet keine An­

wendung: 1) auf den Gehalt und die Dienstbezüge der öffentlichen Beamten; 2) auf die Beitreibung der direkten persön­ lichen Staatssteuern und Kommunalabgaben (die derartigen Abgaben an Kreis-, Kirchen-, Schulund

sonstige

Kommunalverbände

mit

einge-

Einleitung.

19

schlossen), sofern diese Steuern und Abgaben nicht seit länger als drei Monaten fällig geworden sind; 3) auf die Beitreibung der den Ver­ wandten, dem Ehegatten und demfrüheren Ehegatten für die Zeit nach Erhebung der Klage und für das diesem Zeitpunkte vorausgehende letzte Vierteljahr kraft Gesetzes zu entrichtenden Unterhalts­ beiträge; 4) insoweit der Gesamtbetrag der Ver­ gütung (§§ 1,3) die Summe von ISOOMark für das Jahr übersteigt. §.4a.

Auf die Beitreibung der zu Gunsten eines unehelichen Kindes von dem Vater für den im §. 4 Nr. 3 bezeichneten Zeit­ raum kraft Gesetzes zu entrichtenden Unterhaltsbeiträge findet dieses Gesetz nur insoweit Anwendung, als der Schuld­ ner zur Bestreitung seines nothdürftigen Unterhalts und zur Erfüllung der ihm seinen Verwandten, seiner Ehefrau oder seiner früheren Ehefrau gegenüber gesetz­ lich obliegenden Unterhaltspflicht der Ver­ gütung (§§. 1, 3) bedarf. Hierbei werden ausschließlich die Leistungen berücksichtigt, 2*

20

Einleitung.

welche vermöge einer solchen Unterhalts­ pflicht für den nämlichen Zeitraum oder, falls die Klage zu Gunsten des unehe­ lichen Kindes nach der Klage eines Unter­ haltsberechtigten erhoben ist, für die Zeit von dem Beginne des der Klage dieses Berechtigten vorausgehenden letzten Vierteljahrs ab zu entrichten sind. §•5 Dieses Gesetz tritt am 1. August 1869 in Kraft. Die bis dahin verfügten, mit den Vorschriften dieses Gesetzes nicht vereinbaren Beschlagnahmen sind auf Antrag des Schuldners aufzuheben oder einzuschränken. Dagegen finden die Bestimmungen des zweiten Absatzes des §. 2 auf frühere Fälle keine An­ wendung. Urkundlich. . . Gegeben Berlin, den 21. Juni 1869. (L.S.)

Wilhelm. Gr. v. Bismarck-Schönhausen.

In dieser Fassung ist das Gesetz jetzt auf Grund des § 850 Nr. 1 CPO. geltendes Recht.

II.

Erläuterungen des Gesetzes. §.i.

Die Vergütung (Lohn, Gehalt, Honorar u.s.w.) für Arbeiten oder Dienste, welche auf Grund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses geleistet werden, darf, sofern dieses Verhältnis die Erwerbsthätigkeit des Vergütungsberechtigten vollständig oder haupt­ sächlich in Anspruch nimmt, zum Zwecke der Sicher­ stellung oder Befriedigung eines Gläubigers erst dann mit Beschlag belegt werden, nachdem die Leistung der Arbeiten oder Dienste erfolgt und nach­ dem der Tag, an welchem die Vergütung gesetzlich, Vertrags- oder gewohnheitsmäßig zu entrichten war, abgelaufen ist, ohne daß der Vergütungsberechtigte dieselbe eingefordert hat. A. Dieser Paragraph enthält die Hauptbestimmung des Gesetzes; er regelt die Voraussetzungen, unter denen eine Beschlagnahme, das heißt eine Pfändung des Arbeits­ oder Dienstlohnes zur Sicherung und Befriedigung des

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

Gläubigers zulässig sein soll, spricht diese aber nicht positiv, sondern negativ aus. In positiver Form ist die Pfändung des Arbeits- oder Dienstlohnes als Forderungspsändung an folgende Vor­

aussetzungen, welche insgesamt zutreffen müssen, geknüpft:

l. Ein Anspruch auf Vergütung für Arbeiten oder Dienste muß vorhanden sein; der Leistung von Arbeiten oder Diensten von Seiten des einen Teiles muß also die Verpflichtung des anderen Teiles zur Ge­ währung von Vergütung gegenüberstehen. a) Die Arbeiten oder Dienste sind ihrer Art nach unbeschränkt, können daher natürlich sehr verschiedenartige sein, körperliche oder geistige, untergeordnete oder höhere, mechanische (technische) oder kaufmännische, handwerks­ mäßige oder künstlerische, reproduktive oder schöpferische. Ohne Einfluß ist es, ob sie in oder außerhalb der Be­ hausung beziehungsweise Betriebsstätte des Dienstbe­ rechtigten und ob sie für Personen geleistet werden, welche der häuslichen Gemeinschaft des Dienstberechtigten angehören oder nicht. Das ganze große Gebiet von Leistungen, wie sie auf Grund von Dienst- oder Werk­ verträgen übernommen zu werden pflegen (§§ 611 sg., §§ 631 sg. BGB.), zählt unter die Arbeiten oder Dienste im Sinne von §1 des Gesetzes: Die Leistungen des Holzhackers, des Fabrik-, Werk- und Hüttenarbeiters, des Gesellen, Gewerbegehülfen und Dienstboten, welche der Entwurf des Gesetzes in § 1 benannte, gehören an sich ebenso hierher, wie diejenigen der Zeitungsredakteure, Künstler, Tänzerinnen, welche Abgeordneter Dr. Lasker als Berichterstatter der Kommission hervorhob. Bezüglich der Leistungen der Schauspieler und Sänger eines Theaters hat das Reichs­ gericht dies ausgesprochen (Entscheid. Bd. 41 S. 53); von den Leistungen seiner Choristen, Musiker und des ganzen technischen Personals wird dasselbe gelten müssen. Das Urteil des Reichsgerichts Bd. 17 S. 86 steht dem

Erläuterungen. § 1.

23

nicht entgegen; der Begriff der Arbeiten und Arbeiter im Sinne der Versicherungsgesetze ist viel enger, als derselbe Begriff im Sinne dieses Gesetzes. Dies geht schon aus der Klassifizierung, welche Dr. Lasker gab, hervor, findet auch ferner im § 1 Ausdruck in den verschiedenen Bezeichnungen der „Vergütung" wie „Lohn, Gehalt, Honorar u. s. w." — Daher hat das Kammergericht auf dieThätigkeit des Artisten einer Spezialitäten-Bühne mit Recht das gegenwärtige Ge­ setz angewendet (vgl. Blätter f. Rechtspflege 1900 Nr. 3). Der Kreis derjenigen Personen, welche gegen Entgelt ihre Arbeitsthätigkeit unmittelbar in fremde Dienste stellen und auf diese Weise verwerten (Arbeiter im weitesten Sinne des Wortes, Gesinde § 1 Ges.-Ord., zur Dienstleistung Verpflichtete § 613 BGB., Unter­ nehmer § 631 BGB., Vergütungsberechtigter § 1 des Gesetzes) ist ebenso wenig beschränkt, wie der Kreis derjenigen, welche als Arbeitgeber im weitesten Sinne des Wortes (Dienstberechtigte § 615 BGB., Dienstherrschaften im Gebiete der Gesindeordnung, Besteller § 631 BGB.) Dienste anderer in Anspruch nehmen. Letztere können Private, Kaufleute, Fabrikanten, Gewerbetreibende jeder Art, auch juristische Personen, insbesondere Korporationen des öffentlichen Rechts, wie religiöse Korporationen, Ge­ meinden, ja der Staat selber sein. Gegenstand der Leistungen können einerseits die Dienste für sich betrachtet oder die Arbeiten als solche, andererseits der hierdurch herbeizuführende Erfolg, das Produkt der Arbeit, sein. Meistens werden ja die Dienste und Arbeiten an sich gedungen sein, werden also Dienstverträge vorliegen (§§ 611fg.BGB.), indessen lassen sich sehr wohl Fälle denken, in denen durch die Leistung zu bewirkenden Erfolge oder Herstellung beziehungsweise Veränderung einer Sache, wie bei den Werkvertrügen (§§ 631 fg. BGB.) den Vertragsinhalt bilden, zum Bei­ spiel der Transport von Sachen und Personen oder wissenschaftliche und künstlerische Schöpfungen. Es liegt

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

kein Grund vor, diese Leistungen von den Arbeiten und Diensten im Sinne dieses Gesetzes auszunehmen. Es ist keineswegs erforderlich, daß die Arbeiten und Dienste auf Grund eines Vertrages geleistet werden, wenn auch dies die Regel bilden wird; auch die außerhalb eines solchen wie bei der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677fg. BGB.) thatsächlich erfolgten Leistungen, für welche Vergütung zu beanspruchen ist, sind unter die Arbeiten und Dienste des § 1 zu rechnen. b) Der Anspruch auf die Vergütung ist demnach entweder vereinbart (§611, § 641 BGB.) oder als vereinbart anzusehen (§ 612, § 632 a. a. O.). c) Ueber Vergütung wird bei Erläuterung des § 3 des Gesetzes im Zusammenhange gesprochen werden; hier sei nur bemerkt, daß darunter „Lohn, Gehalt, Honorar u. s. w." also jede Art einer solchen verstanden wird. 2. Der Anspruch des Dienste Leistenden muß auf einem Arveits- oder Dienstverhältnisse beruhen,

welches die Erwerbsthätigkeit vollständig oder hauptsächlich in Anspruch nimmt. Hierdurch er­ hält der Kreis der zu 1a bezeichneten Leistungen und Dienste eine erhebliche Einschränkung nach verschiedenen Richtungen hin. a) Ein Arbeits- oder Dienstverhältnis muß vorliegen; der Bericht der Reichstagskommission (steno­ graphischer Bericht Band 2 Seite 910) erklärt dies so: „Es werde vom Gesetz immer nur ein Lohn ins Auge gefaßt, in Betracht dessen sich ein bestimmtes, stetiges Verhältnis ausgebildet habe, — ein Verhältnis, welches keineswegs identisch ist mit einem förmlichen Vertrags­ abschluß, sondern welches ein thatsächlicher Zustand sei." ot) Die Stetigkeit in den Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeiter ist also ein charakteristisches, hauptsächliches Erfordernis des Verhältnisses. Wenn jemand nur vorübergehend zu Dienstleistungen gedungen wird, so kann man füglich nicht von einem Arbeitsver-

Erläuterungen. § 1.

25

hältnis reden, sei es min, daß er einmal diese, einmal jene Art von Diensten verrichtet, wie ein Tagelöhner, sei es, daß seine Dienstleistungen zwar immer in demselben Erwerbszweige sich bewegen, aber heute hier, morgen dort oder jetzt diesem und etwas später jenem Dienstherrn geleistet werden, wie dies zum Beispiel beim Holzhacker, Lohnkutscher, Musiklehrer, Krankenpfleger, Arzt, Heil­ gehülfen, der Hebamme u. s. w. der Fall ist. — Da­ gegen steht der von jemandem für seinen Sohn fest engagierte Hauslehrer, der in einem Krankenhaus fest angestellte Arzt und Heilgehülfe, die eben so bedienstete Hebamme, der von einer bestimmten Person, zum Beispiel einem Arzte fest angenommene Lohnkutscher in einem Dienstverhältnisse und ist dadurch Arbeiter im weitesten Sinne des Wortes und im Sinne des Gesetzes. — Von einem Arbeitsverhältnisse wird also nur dann die Rede sein können, wenn dieselben Dienste einem bestimmten Herrn geleistet werden und nach den sozialen Zuständen und den Gewohnheiten des Ver­ kehrs dieses Verhältnis wenigstens von einer gewissen Dauer zu sein pflegt. Entgegengesetzter Ansicht ist be­ züglich der Notwendigkeit der Einheit in der Person des Arbeitgebers Bezold, Seite 117, mit Rücksicht darauf, daß dies nicht als wesentliches Requisit im Gesetze auf­ geführt ist. Jedoch ist dieses unbeachtlich, da der Begriff des Arbeits- und Dienstverhältnisses im Gesetze oder seinen Materialien überhaupt nicht wissenschaftlich definiert wird und gerade aus dem Begriff selbst die Einheit in der Person des Arbeitgebers zu folgern ist, auch die Merk­ male zur richtigen Erkenntnis des Begriffs nicht er­ schöpfend in dem Berichte der Reichstagskommisston ent­ halten sind, wie sich sogleich zeigen wird. ß) Denn auch von einer Abhängigkeit des Arbeiters vom Arbeitgeber ist nirgends die Rede und doch ist diese ein wesentliches Merkmal des Arbeits- und Dienstver­ hältnisses. Wo eine solche Abhängigkeit nicht besteht,

26

Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

liegt auch kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 1 des Gesetzes vor. Sie äußert sich in dem Bestehen und Be­ folgen von besonderen Dienstordnungsvorschriften des Arbeitgebers, denen der Arbeiter nachzuleben hat, Vor­ schriften , die sich auf äußeres Verhalten desselben, aus Beginn, Zeitdauer, Reihenfolge oder Art seiner Arbeiten und Dienste beziehen können. Eine Abhängigkeit in beregtem Sinne liegt daher nicht vor in dem Verhältnisse eines Agenten zum Kauf­ mann (Lisiecki & Drewes Seite 113); ebenfalls nicht in dem Verhältnisse des alleinigen geschäftsführenden Gesellschafters einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft, auch nicht des Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der zugleich Gesellschafter ist, zu den Gesellschaften, selbst wenn diese Personen für ihre Thätigkeit im Geschäfte eine be­ sondere Vergütung beziehen; eben so wenig steht der Direktor einer Aktiengesellschaft (ROHG. Bd. 13 Nr. 64) in einem solchen Abhängigkeitsverhältnisse, oder der selbstständige Unternehmer, der — wenn auch dauernd — für einen Arbeitgeber mit seinen Leuten Akkordarbeiten ausführt, welche seine ganze Arbeitskraft in Anspruch nehmen; der Arbeitgeber ist in diesem Falle wohl Ge­ schäftsherr, aber nicht Dienstherr. (Bezold Seite 108 und Busch VIII Seite 111.) Anders verhält es sich aber bei dem sogenannten Heim­ arbeiter, welcher sich dauernd für einen bestimmten Gewerbetreibenden außerhalb dessen Arbeitsstätte mit An­ fertigung gewerblicher Erzeugnisse beschäftigt; die Art und Weise seiner Beschäftigung und die Natur seiner Be­ ziehungen zu dem Arbeitgeber bringen ihn zu diesem in ein unnnttelbares Abhängigkeitsverhältnis, welches des­ halb auch die Gewerbeordnung (§ 119 b) ausdrücklich als Arbeitsverhältnis bezeichnet. Die Entstehungsart der Beziehungen zwischen Arbeiter und Arbeitgeber ist für die Beurteilung ihres

Erläuterungen. § 1.

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Charakters als Arbeits- beziehungsweise Dienstverhältnis nicht entscheidend: Ob von vorn herein ein förmlicher Vertrag besteht oder ob zunächst ein rein thatsächlicher Zustand vorhanden war, der dann in einen dauernden überging, ist gleichgültig; ein Arbeits- und Dienstververhältnis kann hier, wie dort, vorliegen. Eben so wenig aber, wie mit Sicherheit aus dem Vorliegen eines Vertrages auf dasselbe zuschließen ist, eben so wenig ist aus einem rein thatsächlichen Zustande gegen ein solches zu entnehmen. Ein Vertrag mit Schneider oder Schuh­ macher auf Anfertigung von Kleidern und Schuhen, schafft, wenn er sich auch oft wiederholt, noch kein Arbeits­ verhältnis zwischen Besteller und Arbeiter. — Anderer­ seits kann der Eintritt eines Arbeiters in eine Fabrik oder eines Gesindes in einen Haushalt zur augen­ blicklichen Aushülfe leicht ohne Vertrag in einen dauernden Zustand, ein Arbeitsverhältnis, übergehen. Die Zeitdauer der Arbeiten und Dienste ist für die Beurteilung der Frage, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, einflußlos. Auch Arbeiten und Dienste, welche längere Zeitdauer erheischen, können in das Gebiet der einmaligen Leistungen fallen. (Vgl. Staudinger Seite 155.) Ebenso ist die stetige, von Tag zu Tag gegebene Mög­ lichkeit zur" Lösung der Beziehungen auf den Charakter des Verhältnisses ohne Einfluß. b) Dieses Verhältnis muß die Erwerbs­ thätigkeit vollständig oder hauptsächlich in An­ spruch nehmen. Mit anderen Worten: es muß ein Erwerbsverhältnis sein, auf das sich die wirtschaftliche Existenz des Arbeiters (Arbeiter im weitesten Sinne des Wortes verstanden) ganz oder wenigstens vornehmlich aufbaut. Ein solches kann daher nur ein einzelnes sein. Dadurch ist aber nicht bedingt, daß die hierzu erforderliche Thätigkeit des Arbeiters seine ganze Kraft und Zeit, also seine Erwerbsfähigkeit voll oder überwiegend in Anspruch nimmt. Wird die Existenz des

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Gesetz, tieft. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

Arbeiters durch eine Thätigkeit begründet, welche an sich als eine nur geringfügige bezeichnet werden kann, und verwendet der Arbeiter thatsächlich seine übrige freie Zeit nicht noch anderweitig, so ist immerhin bezüglich der Erwerbsthätigkeit die Vorbedingung des § 1 erfüllt; den in solchem Falle erzielten Dienstlohn von dem Privileg, welches das Gesetz gewährt, auszuschließen, wie es das Reichsoberhandelsgericht (Entscheidung Bd. 24 Seite 363 fg.) thut, weil die Erwerbsthätigkeit nur zu einem geringen Teile durch das Dienstverhältnis in An­ spruch genommen wird und der Arbeiter noch zu anderem Verdienste fähig ist, erscheint nicht zutreffend. Auch Dernburgs Auffassung (Preußisches Privatrecht Bd. 2, § 109 Anmerkung 6), der sich der Ansicht des Reichsober­ handelsgerichts unter der Voraussetzung anschließt, daß der Arbeiter zu anderweitem Verdienste Gelegenheit hat, kann nicht beigetreten werden; nicht die Erwerbs­ fähigkeit, sondern nur die Erwerbsthätigkeit steht hier in Frage und ist allein zu berücksichtigen; so zum Beispiel fällt der Lohnanspruch des Hauslehrers, der täglich nur wenige Stunden seinen Zöglingen Unterricht erteilt und nebenbei seine freie Zeit mit Studien für sich ausfüllt, unter das Gesetz, ist also von einer Beschlag­ nahme, insoweit das Gesetz solche verbietet, "befreit. — Der Fall, wenn der Arbeiter neben seinem Arbeitsver­ hältnisse Gelegenheit zu anderem Nebenverdienst findet, ist nicht anders, als der eben angeführte zu entscheiden. Durch den Erwerb aus der Nebenbeschäftigung wird nicht etwa nun der Lohnanspruch aus dem eigentlichen haupt­ sächlichen Arbeitsverhältnisse seines gesetzlichen Privilegs beraubt; nur die Verdienste aus der Nebenbeschäftigung sind der Beschlagnahme unterworfen, auch wenn sie nicht zufällige oder sporadische sind oder sogar als berufs­ mäßige erscheinen, (Bezold Seite 116) wie zum Beispiel der Verdienst des Hauslehrers, den er nebenbei als Korrespondent für eine Zeitung oder als Reichstags-

Erläuterungen. § 1.

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stenograph hat. Jede Ausdehnung des Begriffs Arbeit auf Nebenbeschäftigungen wurde eben von der Gesetzkommission prinzipiell ausgeschlossen. (Bezold Seite 116.) 3. Die Leistung der Dienste muß erfolgt

4. -er Tag, an welchem die Vergütung zu ent­ richten war, muß abgelaufen und 5. die Vergütung darf nicht eingefordert sein. I. Allgemeines. Diese Vorschriften 3—5 bestimmen in ihrer Ge­ samtheit den Augenblick, bis zu welchem die Lohnbe­ schlagnahme ausgeschlossen, beziehungsweise von welchem ab sie gestattet ist. In ihnen bekundet sich der Grundgedanke des Gesetzes, verwirklicht sich der Wille, der im Erwerb be­ griffenen Arbeitskraft gegen jeden Angriff Schutz zu ge­ währen und das Produkt der Arbeitsthätigkeit zunächst unangefochten in die Hände des Arbeitnehmers hinüber­ zuführen, damit er in der Lage sei, daraus zur Erhaltung seiner Arbeitskraft und -Lust die für sich und die Seinigen für die Zeit bis zur nächsten Lohnzahlung unentbehrlichen Lebensbedürfnisse zu befriedigen. Aus diesem Gedanken heraus ergiebt sich die Bestimmung des § 1, daß erst die Arbeit gethan, der Lohn gezahlt und eingefordert sein muß, bevor seine Pfändung zulässig ist. II. Im einzelnen ist zu bemerken: Zu 3. Gewöhnlich geht die Leistung der Dienste der Lohnzahlung voraus; erfolgt die Vergütung zum voraus, so besteht keine Lohnforderung mehr, und ist das bare, in den Händen des Arbeiters befindliche Geld an sich schlechthin pfänd­ bar. Auf diesen Fall findet das Lohnbeschlagnahmegesetz keine Anwendung. (Entgegengesetzter Ansicht Staudinger Seite 161.) Im übrigen bietet die Beurteilung der Frage, wann die Arbeiten geleistet sind, keine Schwierigkeiten.

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

Zu 4. Der Zahltag muß abgelaufen sein, bevor eine Pfändung der Lohnforderung erlaubt ist. Es durfte der Moment des verdienten Arbeitslohnes nicht als Zeitpunkt, von dem ab die Pfändbarkeit des Lohnes möglich war, genommen werden, sonst wäre es statthaft gewesen, auch bei einem nach Wochen festgesetzten Lohne, die bis zu einem bestimmten Tage verdiente Lohnrate auszurechnen und zu pfänden; ebenso hätte bei einem Stücklohn (Akkordarbeit) eine Lohnpfändung mit Fertig­ stellung des Stückes eintreten können. Damit würde aber die ganze oben dargelegte Absicht des Gesetzgebers vereitelt worden sein. Der Arbeiter hat nämlich bis zum Zahltage auf seine Kosten zu leben. Sein Lohn ist — den gewöhnlichen Fall der nachträglichen Zahlung voraus­ gesetzt —, die Vergütung für die Auslagen, welche er im voraus für seinen und der Seinigen Unterhalt während der in die fragliche Lohnperiode fallenden Tage bestritten hat. — Der Ausweg ergab sich durch die konkrete Art der Lohnzahlung selbst: die verabredete gesetz­ liche oder übliche Lohnperiode wurde als Ganzes betrachtet. Der Bericht der Reichstagskommission erklärte diesbezüglich: „Es ist nicht gestattet, einen Teil der Lohnperiode beliebig herauszugreifen und die während derselben abstrakt bereits verdiente Quote des Lohnes als kapitalisierte Schuld des Arbeiters gegenüber dem Lohn­ herrn zu betrachten; erst wenn die Lohnperiode voll­ ständig abgelaufen ist, ist der Gesamtlohn an'Stelle der Arbeit getreten. (Stenographischer Bericht Band 3 Seite 586.) Hieraus ergiebt sich, daß der Ablauf des Zahl­ tages als Ablauf der gesetzlich, Vertrags- oder gewohn­ heitsmäßig festgesetzten Lohnperiode anzusehen ist. Wenn nun im Gesetze bestimmt ist, daß die Vergütung für Arbeiten und Dienste erst dann mit Beschlag belegt werden darf, nachdem der Tag, an welchem die Ver­ gütung zu entrichten war, abgelaufen ist, so heißt dies, daß

Erläuterungen. § 1.

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als Anfangstag einer möglichen Beschlagnahme der Vergütung erst der nächste Tag nach dem die Lohnperiode abschließenden Zahltage zu be­ trachten ist. Dies war die Absicht des Gesetzgebers. (Bezold Seite 118.) Hiernach ist jede vor dem gedachten Tage be­ wirkte Pfändung der noch ausstehenden Lohnforderung als Forderungspfändung, beziehungsweise im Wege der Dorpfändung einer solchen ausgeschlossen; aber weiterhin ist auch die exekutivische Wegnahme des bereits ausge­ zahlten Lohnes vor dem gedachten Zeitpunkte, sei es also im Augenblicke der Auszahlung, sei es unmittelbar hinterher, gesetzlich unzulässig. (Ebenso Staudinger Seite 159, Seite 160.) — Wenn Wilmovski und Levh (Anm. zu I zu § 749 CPO.) ganz allgemein aussprechen, die Ausnahme des § 749 CPO. enthalte kein Verbot der Pfändung derjenigen Gelder, welche nach Einziehung beim Schuldner vorgefunden werden, so trifft dies jeden­ falls bezüglich des Dienstlohnes nach dem Wortlaut und dem Willen des Gesetzes nicht zu. Zu 5. Nach dem aufgestellten Prinzip mußte aber auch dann der dem Zahlungstage nachfolgende Tag als Anfangspunkt der Pfändung zulässig sein, wenn der Lohn zu entrichten war — aber nicht zur Auszahlung gelangte. Hierdurch konnte indessen leicht die gute Ab­ sicht des Gesetzes direkt umgangen, der Arbeiter um den Lohn gebracht und seinen Gläubigern die Beschlagnahme ermöglicht werden, sei es, daß der Arbeitgeber kein Geld am Zahltage hatte oder durch Krankheit, Geschäftsab­ wesenheit u. s. w. an dem Einhalten des Zahltages ver­ hindert war, sei es, daß er im Interesse des Arbeiters oder in Kollusion mit einem Gläubiger die Lohnzahlung verzögerte. Dieser Erwägung verdankte der auf Antrag des Abgeordneten Reichenfperger beschlossene Zusatz „ohne

-aß -er Vergütungsverechtigte dieselbe eingef-r-ert hat" seine Entstehung. Hierdurch wird es

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

ermöglicht, den Arbeiter von dem Arbeitgeber unab­ hängig zu machen und ihm so lange für seine Lohn­ forderung den gesetzlichen Schutz angedeihen zu lassen, als er selbst seinerseits durch ausdrücklichen Wunsch (da­ hin ist auch ein gerichtlicher Vergleich zu rechnen, SeuffertArchiv Bd. 42 Nr. 173) oder durch Unthätigkeit zur rechten Zeit zu erkennen gab, daß er die Lohnforderung dem Arbeitgeber kreditieren und auf diese Weise selbst eine Kapitalisierung des Lohnes herbeiführen wollte. (Stenographischer Bericht des Reichstages Bd. 3 S. 169; Bezold Seite 119.) Damit streifte er dann selbst seinem Ansprüche den ihm bis dahin zukommenden Schutz ab. Dieser Grundsatz führt zu folgenden Konsequenzen: Hat der Arbeiter am Zahltage den Lohn ein­ gefordert, aber nicht erhalten, so besteht das Verbot der Pfändung fort, als wenn der Zahltag nicht verflossen wäre; hat er ihn eingefordert und erhalten, so ist am nächsten Tage nach dem Zahl­ tage die Möglichkeit der Pfändung gegeben; das letztere gilt auch dann, wenn er den Lohn überhaupt nicht eingefordert hat. Die Einforderung des Lohnes, also die Aufforderung zur Zahlung, hat im Rechtsstreite stets der Arbeiter zu erweisen, wenn er das Privileg der Befreiung des Lohnes von der Beschlagnahme erstreiten will. (StriethorstArchiv Bd. 87 Seite 280 fg.) Der Grundsatz des „dies interpellat pro homine“ ist für diesen Fall außer Kraft gesetzt. B.

Belanglos ist für die Anwendbarkeit des Ge­ setzes: 1. der Rechtsgrund des Anspruches, um dessen Sicherung oder Befreiung es sich handelt; dieser kann auf Vertrag oder unerlaubter Handlung beruhen. (Aus? nähme: tz 4 Nr. 2 und 3 und § 4a).

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Erläuterungen. § 1.

2. der Schuldtitel, auf Grund dessen die Pfändung vorgenommen werden soll; er kann im Wege des gericht­ lichen, wie des administrativen Verfahrens erlassen, auch eine nach § 794 Nr. 5 CPO. vom Notar aufgenommene vollstreckbare Urkunde sein. 3. die Existenz anderer Vermögens-Bestand­ teile des Arbeiters, welche dem Zugriff des Gläubigers unterliegen; das Verbot der Beschlagnahme des Dienst­ lohnes hat eben einen absoluten, nicht subsidiären Charakter, d. h. es gilt in jedem Falle. (Staudinger Seite 158.) 4. die Höhe des Arbeitslohnes an sich. (Aus­ nahme: § 4 Nr. 4.) C. Das Gesetz findet keine Anwendung, die Beschlag­

nahme einer Lohn- oder Gehaltsforderung ist daher ohne die Schranken des § 1 des Gesetzes zulässig: 1. wenn der Arbeiter in keinem festen Arbeitsver­ hältnisse steht; bei fortlaufenden Gehaltsforderungen er­ faßt sie auch alle weiteren nach der Pfändung fällig werdenden Raten. (§ 833 CPO.) 2. selbst wenn ein Arbeitsverhältnis vorliegt a) nach dem in § 1 festgesetzten Zeitpunkte, wofern der Lohn oder Gehalt nicht eingefordert ist; b) behufs Beitreibung von Steuern und Unterhalts­ beiträgen in bestimmten Grenzen (das Nähere s. zu § 4 Nr. 2 und 3); c) bei einem 1500 Mark für das Jahr übersteigenden Lohne oder Gehalt in Höhe des überschießenden Betrages (s. zu tz 4 Nr. 4). Meyer, Beschlagnahme.

o

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Gesetz, beb. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

§• 2.

Die Bestimmungen des §. 1 können nicht mit rechtlicher Wirkung durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden. Soweit nach diesen Bestimmungen die Beschlag­ nahme unzulässig ist, ist auch jede Verfügung durch Session, Anweisung, Verpfändung oder durch ein anderes Rechtsgeschäft ohne rechtliche Wirkung. I. Allgemeines. Der Paragraph will alle — einseitigen und zwei­ seitigen — Rechtsgeschäfte des Arbeiters bezüglich der Lohnforderung vor dem im § 1 des Gesetzes fest­ gesetzten Zeitpunkte unmöglich machen, mögen sie der direkten oder indirekten Umgehung des gesetzlichen Ver­ bots des § 1 dienen, oder mögen sie vorgenommen werden, um wirklich bestehende Forderungen zu decken. Absatz 1 betont den zwingenden Charakter der Be­ stimmungen des § 1, verbietet also jedes Paktieren über die Zulässigkeit einer gänzlichen oder teilweisen Lohn­ beschlagnahme, welche dem Paragraphen zuwiderläuft. Wenn Absatz 1 alle Verträge verbietet, welche das Verbot des § 1 direkt umzustoßen bezwecken, so wendet sich Absatz 2 gegen alle Verfügungen des Arbeiters, welche ihm indirekt die Lohnforderung ent­ ziehen oder verkümmern. II. Die Verfügungen im einzelnen. a) Unzulässig sind demnach in demselben Um­ fange, wie die Beschlagnahme der Lohnforderung selbst, alle Rechtsgeschäfte, welche diese For­ derung auf einen Dritten zu übertragen oder ihm ein, wenn auch nur obligatorisches, Recht auf den Anspruch zu geben bestimmt sind. (Mandry

Erläuterungen. § 2.

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Seite 242.) Im letzteren Falle wird an eine Ver­ pflichtung zur Herausgabe von Sachen z. B. Feuerung, Lebensmittel u. s. w., welche der Arbeiter vom Arbeit­ geber als Lohn erhält (§ 115 Absatz 2 der Gewerbeordnung), zu denken sein. Als unzulässige Verfügung sind namentlich aufgeführt die „Cession, Anweisung, Verpfändung"; unter „anderen Rechtsgeschäften"dürften Erlasse,Schenk­ ungen, Aufrechnungen gemeint sein, von welchen letzteren im Exkurse zu diesem Paragraphen die Rede sein wird. b) Zulässig sind dagegen alle Rechtsgeschäfte des Arbeiters über den Lohn 1. wenn der im § 1 festgesetzte Zeitpunkt verstrichen und der Lohn nicht eingefordert ist; 2. wenn ein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 1 des Gesetzes nicht vorliegt; 3. wenn über die Forderung selbst nicht verfügt wird, z. B. wenn der Arbeiter einen Dritten mit Erhebung des Lohnes beauftragt; 4. insoweit der Gesamtbetrag der Vergütung die Summe von 1500 M. für das Jahr übersteigt (vergl. h 4 Nr. 4 des Ges.).

III. Die Wirkungen des Verbots. Die den verbotenen Rechtsgeschäften angedrohte recht­ liche Unwirksamkeit ist als Nichtigkeit aufzufassen, da eine im öffentlichen Interesse zum Schutze der arbeitenden Klasse erlassene Vorschrift vorliegt (§ 134 BGB.). Sie äußert sich nach zwei Seiten: a) der dritte erwirbt kein Recht aus solchen Rechts­ geschäften; b) der Zahlungspflichtige Arbeitgeber wird durch die Leistung an einen Dritten gegenüber dem Arbeiter nicht entlastet, setzt sich also der Gefahr doppelter Zahlungs­ pflicht aus (Staudinger Seite 162).

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

Die Frage des Einflusses einer solchen nich­ tigen Abrede auf einen Dienstvertrag, in welchem sie mit enthalten ist, regelt § 139 BGB. allgemein für alle Nechtsgebiete; nach ihm ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn ein Teil desselben nichtig ist, außer in dem Falle, wenn anzunehmen ist, daß es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. — Der ganze Vertrag soll darnach nichtig und nur aus­ nahmsweise rechtsbeständig sein, wenn der gegenteilige Parteiwille aus der Sachlage hervorgeht. Mit Staub, der in seinem Kommentare (Exkurs zu § 62 des HGB.) sich mit dieser Frage für das Handelsrecht beschäftigt hat, darf jedoch angenommen werden, daß auf dem ganzen großen Gebiete der Arbeitsverträge überhaupt die Nichtigkeit einer begleitenden Nebenabrede noch nicht zur Auflösung des ganzen Vertrages führen soll, daß das Gesetz viel­ mehr die Vertragsfreiheit nur in ganz bestimmten Grenzen antasten und nicht den ganzen Vertrag regelmäßig hin­ fällig machen will, wenn eine Schutzvorschrift für den Arbeiter verletzt wird. Andernfalls würden durch einen solchen Rechtszustand ja die Schutzvorschriften nur dazu beitragen, die Rechtsstellung der Arbeiter unsicherer zu machen, und der Gesetzgeber wollte doch gerade ihre Stellung befestigen.

Exkurs zu § 2. Die Aufrechnung gegen Lohnforderungen. Die Aufrechnung gegen eine Lohnforderung ist auf Grund einer Abrede mit dem Arbeitenden (im weitesten Sinne des Wortes) oder kraft Gesetzes, d. h. ohne beziehungsweise gegen den Willen des Arbeitenden möglich. — Die rechtliche Zulässigkeit der einen und anderen Art der Ausrechnung soll Gegenstand der folgenden Aus­ führungen fein. T. Die Aufrechnung kraft Gesetzes ist nach § 394 BGB. in demselben Umfange, wie die Pfändung im § 1 ausgeschlossen. Der Arbeitgeber kann also weder als

Erläuterungen. § 2.

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Prinzipal im Handelsgewerbe, noch als Arbeitgeber im Gewerbebetriebe, noch sonst als Dienstherr oder Dienst­ berechtigter beliebige Abzüge vom Lohne wegen Gegen­ forderungen machen, z. B. wegen eines gegebenen Dar­ lehens, eines angerichteten Schadens, einer fehlerhaften Arbeit, auch nicht wegen einer Forderung für Lebens­ mittel, Feuerung, Beleuchtung, Beköstigung. Der § 115 Gew.-Ord. welcher dem Arbeitgeber auch gegen den Willen des Arbeiters das Recht der Aufrechnung bei der Lohnzahlung wegen der zuletzt be­ zeichneten Forderungen einräumt, muß gegenüber dem § 394 BGB. insoweit als aufgehoben gelten (vgl. dagegen unter II). Dies folgt aus der Begründung des § 394 (288 des Entwurfs), in der es heißt: „Es wäre an sich eine Inkonsequenz, wenn, obwohl das Gesetz eine Forderung der Exekution entzieht, dem Schuldner gestattet wäre, gegen eine solche Forderung eine Gegenforderung zur Aufrechnung zu bringen und auf diese Weise, ähnlich wie im Wege der Exekution, den Gläubiger zu zwingen, sich in die Nichtbefriedigung zu fügen. Es macht sich diesfalls der Charakter der Aufrechnung als einer auf positiver gesetzlicher Zulassung beruhenden, dem Gläubiger aufgezwungenen Befriedigung, gewissermaßen als Selbstexekution, geltend." (Motive zum BGB. Band 2 Seite 113.) — Es liegt kein Grund vor, dem Arbeitgeber in der vorliegenden Frage weitergehende Rechte gegenüber den Arbeitern ein­ zuräumen, als anderen Gläubigern. Für eine Aufrechnung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer bleibt also kein Raum mehr, selbst wenn es sich um seine Forderungen für Wohnung, Lebensmittel u. s. w. handelt.

Das Verbot der Aufrechmmg kraft Gesetzes erleidet aber einige Ausnahmen: a) Eine solche ist durch § 617 BGB. zu Gunsten des Dienstberechtigten für den Fall gegeben, daß bei

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

einem dauernden Dienstverhältnisse dem in die häusliche Gemeinschaft aufgenommenen Verpflichteten auf die für die Zeit seiner Erkrankung geschuldete Vergütung die Kosten angerechnet werden können, welche der Dienstberechtigte durch Verpflegung und ärztliche Behandlung bis zur Dauer von 6 Wochen gehabt hat. (Gegen eine andere Forderung des Dienstverpflichteten kann er diese Kosten nicht aufrechnen.) — Diese Ausnahme soll zwar auch bezüglich des Gesindes Anwendung finden, aber nur soweit, als die Landesgesetze dem Gesinde nicht weitergehende Ansprüche gewähren. (Artikel 95 Absatz 2 Einführungsgesetz zum BGB.) Dies führt im Gebiete der preußischen Gesindeordnung zu folgenden Ergebnissen: 1. In Krankheitsfällen, welche durch den Dienst oder bei Gelegenheit desselben entstanden sind, muß die Herr­ schaft bis zum Ablauf der Dienstzeit, also unter Um­ ständen auch länger, als 6 Wochen, dem Gesinde die erforderliche Verpflegung und ärztliche Behandlung ge­ währen, kann auch diese Kosten nicht von dem auf die Krankheitszeit entfallenden Lohne abziehen. (§§ 86, 87 Ges.-Ord.) 2. Ist das Gesinde jedoch nicht durch den Dienst oder bei Gelegenheit desselben, sondern nur während der Dienstzeit, z. B. auf Urlaub, bei einem Vergnügen erkrankt, so kann die Herrschaft, falls die Krankheit länger, als 6 Wochen dauert, für die überschießende Zeit die zur Fürsorge verpflichteten Verwandten des Dienst­ boten im Regreßwege in Anspruch nehmen, auch vom Lohne Abzüge machen. (§§ 88—91 der Ges.-Ord.) b) Eine weitere spezielle Ausnahnie vom Ausschlüsse der Aufrechnung kraft Gesetzes ist durch § 68 preuß. Ges.-Ord. gemacht und durch Artikel 14 § 1 des preußischen Ausführungsgesetzes zum BGB. ausdrücklich aufrecht erhalten worden: darnach kann der Dienstherr seine Entschädigungsansprüche wegen Verletzung der dem

Erläuterungen. § 2.

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Gesinde aus dem Dienstverhältnisse obliegenden Ver­ pflichtungen gegen dessen Lohnforderung aufrechnen. II. Die Aufrechnung gegen eine Lohnforderung kraft Vertrages ist nach § 2 des Gesetzes in demselben Um­ fange, wie die Pfändung nach § 1 des Gesetzes, ausge­ schlossen (Entscheid, des NG. Band 41 Seite 54), da sie eine Verfügung des Arbeiters über den Lohn enthält; zulässig ist sie nur, wenn ein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 1 des Gesetzes nicht vorliegt und weiter beim Vor­ liegen eines solchen, wenn der in § 1 des Gesetzes fest­ gesetzte Zeitpunkt verstrichen ist, ohne daß die Einforderung des Lohnes erfolgte. Der Augenblick der Vereinbarung vor diesem Zeitpunkte ist belanglos. An diesem Rechts­ zustande hat § 394 BGB. um deswillen nichts geändert, weil er nur eine vom Gläubiger, also hier dem Arbeiter, nicht gewollte, ausgezwungene Auf­ rechnung verbietet. — Die Bestimmungen von Gesetzen, welche eine Vereinbarung über Aufrechnungen gegen Lohnforderungen gestatten, sind daher nach diesseitiger Auffassung nur soweit gültig, als sie ausdrückliche, später entstandene Spezialvorschriften hierüber enthalten. — Vornehmlich kommt in dieser Beziehung die Gewerbe­ ordnung in Betracht. Ihr § 115 Absatz 2 gestattet den Arbeitgebern, den Arbeitern bestimmte Waren „unter Anrechnung bei der Lohnzahlung zu verabfolgen", gleichviel, ob eine Einigung diesbezüglich zwischen den Parteien stattgefunden hat oder nicht. Daß ein solches Verfahren ohne vorherige Vereinbarung rechtsunwirksam, ist bereits vorher (unter I) erörtert. Die nach § 115 getroffene Abrede, wie sie in Frage steht, wird auch fernerhin trotz des § 2 des Gesetzes Geltung haben. Dieser muß dem § 115 gegenüber als außer Kraft gesetzt erachtet werden, weil der letztere Paragraph eine spezielle Vorschrift eines speziellen Gesetzes in Bezug auf gewerbliche Arbeiter ist und eine entgegengesetzte

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Gesetz, Bett. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

Bestimmung über die Aufrechnung giebt. Allerdings findet sich schon in der Gewerbeordnung für den Nord­ deutschen Bund vom 21. Juni 1869, dem Tage der Ent­ stehung auch unseres Gesetzes, unter § 134 die hier frag­ liche Bestimmung. Sie ist aber später, insbesondere durch das Reichsgesetz vom 1. Juni 1891 mit Bedacht aufrecht erhalten worden gegenüber dem § 2 unseres Gesetzes: In dem § 115a a. a. O., der zunächst nach dem Ent­ würfe der Gewerbeordnung vom Jahre 1890/91 nur als Ergänzung und Zusatz des § 115 gedacht war, wird nämlich ausdrücklich auf § 2 unseres Gesetzes ver­ wiesen und die Lohnzahlung an Dritte auf Grund von Rechtsgeschäften verboten, welche diesem § 2 entgegenlaufen. Man hielt also an der Vorschrift fest, obwohl man § 2 unseres Gesetzes berücksichtigte. Sonach ist eine nach § 115 Absatz 2 a. a. O. bewirkte Aufrechnung auch jetzt noch gültig und erlaubt, wenn der Arbeiter seine Zustimmung dazu giebt. Diese muß aber nicht gerade vorher und mit ausdrück­ lichen Worten geschehen; die Zustimmung ist schon darin zu erblicken, daß er Lebensmittel u. s. w. seitens des Arbeitgebers mit seinem Willen erhalten hat; er kann dann nicht ihre Bezahlung in Anrechnung aus den Lohn ablehnen (Landmann Seite 799 zu § 15). Zulässig dürften aus den vorher angeführten Gründen auch die Abreden sein, welche die Verwendung und Kürzung des Arbeitslohnes zu Wohlfahrts­ einrichtungen für die Arbeiter und deren Familien betreffen (§ 117 Absatz 2 Gew.-Ord.). Zulässig dürfte weiter auch die Ausbedingung der Verwirkung von Lohnbeträgen fürdenFall derrechtswidrigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeiter in dem im § 134b Absatz 2 Gew.-Ord. angegebenen Umfange sein (§ 134 Absatz 2 Gew.-Ord.).

Erläuterungen. § 2.

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In weiterem Umfange dagegen dürfte nach § 2 des Gesetzes auf dem Gebiete der Gewerbeordnung auch eine Aufrechnungsabrede keine rechtliche Wirkung haben, welche den Lohnabzug von Konventionalstrafen dem Arbeit­ geber gestattet oder ihm ein Recht auf Kürzung des Lohnes wegen Lehrgeldes, wegen fehlerhafter Arbeit oder anderer Verstöße oder zum Zwecke der Ansammlung einer Summe für Kautionszwecke nach Maßgabe einer Arbeits­ ordnung oder eines Arbeitsvertrages einräumt. Es werden daher auch in der Arbeitsordnung einer Fabrik oder in der Hausordnung eines Theaterunter­ nehmens vorgesehene „Ordnungsstrafen", die an sich als vereinbart gelten müssen, nicht mehr das Recht der Arbeitgeber zu Lohnabzügen den Dienste Leistenden gegenüber begründen können § 134 b Nr. 4 Gew.Ord. (vgl. Deutsche Juristenzeitung von 1900 Heft Nr. 4). Auf dem Gebiete des Handelsrechts, wo keine speziellen Gesetzesbestimmungen über Aufrechnung existieren, dürfte schlechthin die vereinbarte Aufrechnung von irgend welchen Gegenforderungen gegen den Gehaltsanspruch nach § 2 des Gesetzes nichtig sein, soweit er nicht 1500 M. für das Jahr übersteigt. Auch wenn die Aufrechnung in Hausordnungen vorgesehen ist, gilt dieser Grundsatz. Eben dasselbe trifft auch auf dem Gebiete des Ge­ sinderechts — wenigstens in Preußen' — zu. Völlig einflußlos ist der Zeitpunkt der Vereinbarung selbst, wenn sie nicht nach der Zeit erfolgt, von der ab eine Gehaltspfändung nach § 1 des Gesetzes zulässig ist. Natürlich wird durch § 2 dem Arbeitgeber (im wei­ testen Sinne) nicht das Zurückbehaltungsrecht an dem Vergütungsanspruche des Arbeiters wegen seiner aus demselben Rechtsverhältnisse herrührenden Ansprüche, z. B. wegen Unterschlagung oder eines angerichteten Schadens genommen. (§ 273 des BGB.) Daher ist auch eine „teilweise Lohneinbehaltung zur Sicherung des Ersatzes

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

eines Schadens infolge widerrechtlicher Vertragsauflösung oder einer für diesen Fall vorgesehenen Strafe" (§ 119a Gew.-Ord.) dem Gewerbebetreibenden gestattet und durch § 2 nicht berührt. Hierdurch wird wenigstens ein gewisser Behelf dem Arbeitgeber gewahrt. §•3.

Als Vergütung ist jeder dem Berechtigten ge­ bührende Vermögensvortheil anzusehen. Auch macht es keinen Unterschied, ob dieselbe nach Zeit oder Stück berechnet wird. Ist die Vergütung mit dem Preise oder Werth für Material oder mit dem Ersatz anderer Aus­ lagen in ungetrennter Summe bedungen, so gilt als Vergütung im Sinne dieses Gesetzes der Be­ trag, welcher nach Abzug des Preises oder des Werthes der Materialien und nach Abzug der Aus­ lagen übrig bleibt. Zu Absatz 1. I. Begriff der Vergütung. Die Vergütung stellt die Gegenleistung des Dienst­ berechtigten, Arbeitgebers, Bestellers, an den zur Dienst­ leistung verpflichteten Arbeiter, Unternehmer (Vergütungsberechtigten des § 1), für geleistete Arbeiten und Dienste dar. Sie setzt die Leistung der Arbeiten stets voraus (§§ 614, 641 BGB.) und tritt damit in Gegensatz zu den Gehalts- oder Lohnentschädigungsan­ sprüchen desjenigen, der nicht Arbeiten oder Dienste leisten konnte und dadurch geschädigt wurde. Das Gesetz beschränkt nur die Beschlagnahme der Vergütung für Arbeiten und Dienste und ist

Erläuterungen. § 3.

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als ein die Pfändbarkeit von Forderungen einengendes Ausnahmegesetz strikt auszulegen, entzieht daher nur die Vergütung selbst der unumschränkten Vollstreckung, nicht andere aus dem Arbeits- und Dienstver­ hältnisse entspringende Ansprüche, also nicht die genannten Entschädigungsansprüche (Blätter für Rechtspflege 1891 Seite 111). Dies besagt auch seine Überschrift und sein § 1, wenn er die Beschlagnahme erst für zulässig erklärt, „nachdem die Leistung der Ar­ beiten oder Dienste erfolgt ist". Es muß aus diesem Grunde stets genau geprüft werden, welcher Anspruch im einzelnen vorliegt; die Ausdrucksweise der Gesetze ist in dieser Beziehung nicht immer genau und entscheidend.

II. Vergütung im Gegensatze zur Entschädigung. 1. Ansprüche infolge Nichtleistung von Arbeiten können von Dienstverpflichteten sowohl aus Grund von Dienstverträgen, als von Werkverträgen wegen eines in ihrer Person, oder in der Person des Dienstberechtigten oder in der Sache selbst liegenden Grundes erhoben werden. A. Dienstverträge. a) Von den in der Person des Arbeiters liegenden Gründen können natürlich nur die­ jenigen in Betracht kommen, welche derselbe nicht selbst verschuldet hat; denn in dem Falle der Selbstverschuldung wird ihm, wenn überhaupt, so doch immer nur ein seinen bisherigen Leistungen entsprechender Teil der Vergütung zu gewähren sein. (§ 628 Satz 1 BGB.) Hierher gehören also die Fälle, wo Ansprüche von dem Arbeiter für die Zeit eines unverschuldeten Unglücks (eigener Krankheit, Krankheit der nächsten Angehörigen, oder deren Tod) oder sonstiger unverschuldeter Verhinderung (Einziehung zum Geschworenen-Dienste, Ladung als Zeuge, Einberufung zu militärischer Uebung,

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

Einziehung in den Krieg, Eintritt der Entbindung einer verheirateten Frauensperson, Verkehrsabsperrungen aller Art, Behinderung durch häusliche Verhältnisse) erhoben werden, Fälle, in denen stets das Fortbestehen der ver­ traglichen Gegenleistung vom Gesetze in mehr oder minder großem Umfange ausgesprochen, also eine Ver­ gütung dem Dienstverpflichteten zugebilligt wird. All­ gemein behandelt ist dieser Gegenstand in § 616 BGB., besonders geregelt für die Fälle des unverschuldeten Un­ glücks im Handelsgesetzbuch §§ 63 und 72, und in der Gewerbe-Ordnung § 123 Absatz 3 (im § 123 Gew.Ord. ist der Anspruch auf Entschädigung nur als solcher auf die vertragliche Gegenleistung anzu­ sehen, weil derselbe „nach dem Inhalte des Vertrages oder nach allgemeinen gesetzlichen Vorschriften zu be­ urteilen ist"), ferner in § 133c. Gew.-Ord (der Fall der Krankheit insbesondere) und in der preußischen Ge­ sinde-Ordnung §§ 86—88. b) Die Person des Arbeitgebers kann dem Arbeiter aus verschiedenen Anlässen Grund zur Geltend­ machung eines Entschädigungsanspruches geben. 1. Hierher gehören vornehmlich die Fälle ungerecht­ fertigter vorzeitiger Entlassung des Arbeiters (die Fälle „der Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist"), wenn kein wichtiger Grund vorliegt, Fälle also, wo der Arbeiter seine Vertragspflichten ver­ letzt oder mangelhaft erfüllt, dies aber für eine Ent­ lassung nicht genügt, oder Fälle, in denen, ohne solche Pflichtversäumnis, eine Änderung der bei Eingehung des Vertrages mutmaßlich gewürdigten Umstände ein­ tritt, ohne daß sie dem Richter als wesentliche erscheinen (Motive zum § 566 BGB.). Alsdann behält nach dem BGB. (anders früher nach ALN. § 408 I, 5) der Arbeiter seinen Anspruch auf die Gegen­ leistung bis zu derjenigen Zeit, für welche eine Kün­ digung zulässig wäre, abgesehen davon, daß er sich an-

Erläuterungen. §3.

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rechnen lassen muß, was er infolge der Befreiung von der Leistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt (§ 324 Absatz 1 BGB.; ebenso Handels­ gesetzbuch § 70 Absatz 1; Gewerbeordnung § 124 a), weil angenommen wird, daß durch die Kündigung das Dienstverhältnis nur dann endigt, wenn sie eine gerecht­ fertigte war, daß aber bei einer ungerechtfertigten Kündigung das Dienstverhältnis fortdauert. Diese Ver­ gütung unterliegt also nicht der Lohnbeschlagnahme. Anders ist der Fall im Bereich der preußischen Gesindeordnung nach § 161 derselben zu entscheiden. Der im Falle ungerechtfertigter Entlassung dem Dienstboten zu entrichtende „Lohn" ist thatsächlich eine Lohnentschädigung. Die Auflösung des Dienstverhältnisses und die beharr­ liche Weigerung zur Wiederaufnahme des Dienstboten sind Voraussetzungen dieses Anspruches. Dieser Anspruch unterliegt daher nicht den Beschränkungen des Lohn­ beschlagnahmegesetzes. 2. Kündigt der Arbeiter infolge eines ver­ tragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers, so ist dieser zum Ersätze des durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet (§ 628 Absatz 2 BGB.; § 70 Absatz 2 Handelsgesetz­ buch; § 124 b Gewerbeordnung). Hier handelt es sich um einen wirklichen, oft über die Vergütung hinaus­ gehenden Schadensanspruch. Staub meint zwar, daß derselbe der Pfändungsbeschränkung trotzdem unterliegt, da sein Zweck die möglichste Herstellung des früheren Zustandes sei (Kommentar zum HGB. Anm. 34 zu § 59 Seite 251). Indessen scheint dies zu weitgehend; dann müßte wohl jeder Schadensanspruch der Pfändungs­ beschränkung unterliegen, da jeder den gleichen Zweck verfolgt (§ 249 BGB.). Dies liegt eben im Wesen jeder Schadenspflicht. 3. Der Arbeitgeber, welcher die ihm durch das

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

Gesetz auferlegte Verpflichtung, für die Ge­ sundheit seiner Arbeiter durch Herstellung von Räumen und Vorrichtungen so zu sorgen, wie es die thunlichste Sicherung des Arbeiters erheischt, unter­ läßt, hat dem Arbeiter, der infolgedessen erkrankt oder verunglückt, vollen Schadensersatz zu gewähren. (§ 618 Absatz 4 BGB.) 4. Verhinderung der Leistung der Arbeiten durch Annahmeverzug seitens des Arbeitgebers, z. B. infolge der Unterlassung der erforderlichen Anweisung oder Nichtbeschaffung der nötigen Materialien oder Werk­ zeuge, verpflichtet den Arbeitgeber zur Gewährung der vereinbarten Vergütung für die nicht geleisteten Dienste selbst dann, wenn ihn kein Verschulden trifft, (tz 615 BGB.) 5. Die Kündigung des Konkursverwalters in dem Konkurse über das Vermögen des Arbeitgebers vor Ab­ lauf der vereinbarten Dienstzeit berechtigt den Arbeiter zum Verlangen des ihm durch die Aufhebung des Dienst­ verhältnisses entstehenden Schadens. Hierin liegt zweifellos ein Entschädigungsanspruch. (§ 22 Konkurs­ ordnung.) c) In dem Falle, wo die entzogene Möglichkeit der Dienstleistung in der Sache selbst, also auf einem von den Personen des Arbeiters und Arbeitgebers unab­ hängigen Grunde beruht, z. B. bei Abbrennen der Fabrik, Beschädigung der Maschine, tritt objektive Un­ möglichkeit der Leistung und damit nach § 323 BGB. Verlust der Vergütung für den Arbeiter ein. (Vergl. Planck zu § 616 BGB. Seite 350.) B. Werkverträge. a) Wird der Unternehmer zur Herstellung des Werkes dauernd unfähig, so treten die Folgen der Unmöglichkeit der Erfüllung nach § 323 BGB. ein; hat

Erläuterungen. § 3.

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er ein Teilwerk gefertigt, so hat er insoweit Anspruch auf Vergütung. b) Die Person des Bestellers kann dem Unter­ nehmer aus verschiedenen Anlässen Grund zur Nicht­ fertigstellung des Werkes und zur Geltungmachung eines Anspruches geben: 1. Kündigt der Besteller, so ist der Unternehmer be­ rechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen, je­ doch unter Anrechnung der ersparten oder anderweit ver­ wendeten Arbeitskraft. (§ 649 BGB.) 2. Hindert ein durch die Person des Bestellers ein­ getretener Zufall die Herstellung, dann tritt objektive Unmöglichkeit der Leistung nach § 323 BGB. ein (vgl. hier a). 3. Erfordert beim Werkverträge die Herstellung des Werkes , eine Handlung des Bestellers und kommt dieser vor Vollendung des Werkes durch Unterlassen der Hand­ lung in Annahmeverzug, so kann der Unternehmer ange­ messene Entschädigung verlangen (§ 642 BGB.), selbst wenn nachher das Werk fertiggestellt wird. Die Ent­ schädigung wird ihm gewährt, weil er während des Ver­ zuges seine Arbeitskraft und sein Arbeitskapital nicht ver­ werten kann, vielmehr beides für die Herstellung des Werkes bereitzustellen hat. Hier ist ein richtiger Ent­ schädigungsanspruch dem Unternehmer gegeben, in der Höhe, wie Absatz 2 es bestimmt, ja sogar darüber hinaus, wenn Mehraufwendungen erforderlich wurden. (§ 304 BGB.) 4. Führt der Fall des Annahmeverzuges des Bestellers zur Unmöglichkeit der Ausführung des Werkes, so behält der Unternehmer seinen Anspruch auf die Gegenleistung, gleich wie wenn der Besteller die Unmöglichkeit selbst zu vertreten hätte. (§ 324 BGB.) 5. Die Unmöglichkeit der Ausführung infolge eines in der Person des Bestellers beruhenden, aber nicht von ihnr zu vertretenden Umstandes, führt zum Verluste der

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

dem Unternehmer versprochenen Gegenleistung. (§§323, 645 Absatz 1 BGB.) Verschlechterung oder Untergang eines Werkes aus demselben Grunde hat Vergütung eines der geleisteten Arbeit entsprechenden Teiles zur Folge. 6. Gerät der Besteller nach Vollendung des Werkes in Annahmeverzug, so muß er die Folgen hiervon in Gestalt der Mehraufwendung tragen, welche dem Unter­ nehmer durch Aufbewahrung und Erhaltung erwachsen. (§ 304 des BGB.) Insoweit liegt also auch kein Schadensanspruch vor. c) Im Falle des weder vom Unternehmer noch Be­ steller verschuldeten Untergangs des Werkes vor dessen Abnahme trägt ersterer die Gefahr, d. h. verliert den Anspruch auf die Gegenleistung, nach der Abnahme behält er den Anspruch auf die Gegenleistung. (§ 644 BGB.) 2. Die Forderungen der Dienste Leistenden gegen die Unfall-, Kranken- und Hülfskassen kommen, gleichviel, ob sie auf die Vergütung anzurechnen sind, oder nicht, für die gegenwärtige Frage nach ihrem Charakter gar nicht in Betracht, weil sie sämtlich kraft Gesetzes — abgesehen vom Falle der Pfändung durch Verwandte, Ehegatten —, nicht pfändbar sind. (§ 56 des Krankenversicherungs­ gesetzes vom 15. Juni 1883 in der Fassung der Novelle vom 10. April 1892; §68 des Unfallversicherungsgesetzes vom 6. Juni 1874 und § 19 des Hilfskassengesetzes vom 7. April 1876, in der Fassung vom 1. Juni 1884).

III. Arten der Vergütung. Als Vergütung ist jeder Vermögensvorteil, der dem Dienstverpflichteten gebührt, anzusehen. Der Gesetzgeber hat dabei auch an andere, als Geldleistungen gedacht; dies beweist der Eingang zu § 1 des Gesetzes, wo er von Vergütung als „Lohn, Gehalt, Honorar u. s. w." spricht. Es sind unter Vergütung daher auch naturale Leistungen

Erläuterungen. § 3.

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verschiedenster Art zu verstehen; ohne Einfluß ist es, ob diese von vertretbarer Beschaffenheit sind oder nicht. (Staudinger Seite 115.) Dabei ist z. B. an freie Be­ köstigung, Feuerung, Beleuchtung, freie Wohnung, ärzt­ liche Hülfe und Arzneien zu denken. Im Handelsverkehr ist diese Art der Vergütung (Trucksystem) prinzipiell nicht verboten (Staub Anmerkung 23 zu § 59 HGB.); auch nicht für die nach dem BGB. zu beurteilenden Dienst­ verhältnisse (Planck Anmerkung 3 zu § 612 BGB.); für das Gebiet der Gewerbeordnung ist sie nur beschränkt zulässig. (§§ 115 fg. Gew.-Ord.) Der Betrag der in Geld gewährten Vergütung kann nach Zeit (Tage, Wochen, Monate) oder nach dem Stücke (Stücklohn) oder der Anzahl der Leistungen (Provisionsanspruch) bestimmt sein; er kann fest in sich von vorn herein bemessen werden, aber auch zunächst un­ bestimmt sein und erst durch eine sich ereignende beziehungs­ weise ergebende Thatsache festgestellt werden (z. B. die Tantieme). Den Charakter vertragsmäßiger Vergütung haben auch zugesagte Gratifikationen (besonders Weihnachts­ und Neujahrsgeschenke). Nur in seltensten Fällen wird man annehmen können, daß die Zusage einer solchen in Schenkungsabsicht erfolgt ist, meist soll die Gratifikation einen Zuschlag zur Vergütung selbst darstellen (Staub, Anmerkung 24 zu § 59). Dasselbe wird auch bei einem Wohnungszuschusse anzunehmen sein, ebenso bei einem Fahrgelde, welches dem Arbeiter für Hin- und Rück­ reise von seinem Wohnorte zur Arbeitsstätte vom Dienst­ herrn gewährt wird; häufig ist es auch bei hoch bemeffenen Spesen des Geschäftsreisenden der Fall; indessen muß die Frage, ob Vergütung oder Ersatz für Auslagen gewährt werden soll, stets nach den Umständen des ein­ zelnen Falles beurteilt werden. Als „gebührenden Vermögensvorteil" wird man auch einen nicht vereinbarten, aber taxmäßig festzustellenden, evenMeyerj, Beschlagnahme. 4

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

tuell üblichen Entgelt anzusehen haben. Dies entspricht dem § 612 BGB. Trinkgelder, welche Bedienstete vom Dienstherrn auf Grund einer Vereinbarung als Entgelt dafür erhalten, daß sie von Gästen keine solche annehmen dürfen, bilden einen Teil ihrer Vergütung. Trinkgelder der Gepäckträger auf den Bahnhöfen, der Bediensteten von Hotels, großen Häusern u. s. w., dagegen, welche von Reisenden oder Gästen gegeben, in Kassen gesammelt und nach bestimmten Zeitabschnitten unter die Berechtigten geteilt werden, sind nicht Vergütung von Seiten der Arbeitgeber und daher pfändbar. Zwecks Feststellung des Gesamtbetrages der Vergütung, welcher für die Pfändung große Bedeutung hat (vgl. § 4 Nr. 4 des Gesetzes), werden alle Teile und Arten der Vergütung zusammengezählt. Soweit die Ver­ gütung nicht in Geld besteht, wird sie abgeschätzt und ihr Schätzungswert zu dem baren Lohne zugerechnet.

Zu Absatz 2. Die dem ersten Entwürfe des Gesetzes wortgetreu entnommene Bestimmung des Absatz 2 ist darauf berechnet, die Höhe des reinen Lohnes zu ermitteln. Der praktische Wert der Bestimmung ist in dem jetzigen Gesetze, welches die Pfändung des unverdienten Lohnes unbedingt verbietet, viel geringer, als in dem Entwürfe, wo die Pfändung des Lohnes über die Grenze des notwendigen Unterhalts hinaus stets erlaubt, die Feststellung des reinen Lohnes daher in jedem Falle notwendig war; trotzdem ist sie noch heute von Bedeutung für die Ausmittelung des zugriffsfähigen Teiles des Entgelts, der eigentlichen Vergütung des Arbeiters überhaupt, dann aber auch für die nur noch in wenigen Fällen nötige Feststellung der zur Lebensnotdurft des Arbeiters notwendigen Quote seines Lohnes (vgl. § 4 Nr. 3). Wenn z. B. ein Arbeiter einem Arbeitgeber gegenüber sich zur Anfertigung vor: Kostümen unter der Hergäbe

Erläuterungen. §4.

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der Stoffe und Zuthaten zu festem Preise verpflichtet, so stellt nur die nach Abzug des Preises der Materialien verbleibende Summe den eigentlichen Arbeitsverdienst, seine Vergütung, dar. — Der Geschäftsreisende, welcher, wenn auch neben seinem Gehaltsfixum, auf tägliche Spesen während der Reise gestellt ist, erhält damit nicht nur einen Entgelt für Auslagen an Fahrschein, Trans­ port der Musterkoffer u. s. w., sondern in einem Auf­ schläge zu seinen im einzelnen wirklich gemachten Aus­ lagen eine Vergütung für seine Thätigkeit. — Bei dem Arbeiter, welcher bei der Bahnverwaltung in einem dauernden Arbeitsverhältnisse steht, nämlich das Verladen von Gütern in Akkord, d. h. gegen Vergütung nach Maß­ gabe der geleisteten Arbeiten besorgt und sich zu diesem Zwecke Gehilfen annimmt, ist angenommen worden, daß der auf die Deckung der Löhne dieser Gehilfen entfallende Teil seiner Entgeltung als Ersatz von Auslagen, nicht als eigene Vergütung zu gelten habe. (Busch, Zeitschrift, Band 12 Seite 161.) Da aber nur die Vergütung selbst unpfändbar und der Verfügung des Arbeiters entzogen ist, so folgt daraus, daß die Ansprüche auf Ersatz von Material und anderen Auslagen, selbst wenn sie in unge­ trennter Summe mit der Vergütung für die Dienst­ leistungen verbunden sind, ein für den Arbeiter verfüg­ bares Vermögensobjekt bilden (Mandry, Seite 234) und daher an sich pfändbar sind; ob sie im einzelnen Falle von der Pfändung ausgeschlossen werden müssen, weil die Voraussetzungen der Nummern 2 und 5 des § 811 CPO. vorliegen, ändert an der Entscheidung grund­ sätzlich nichts.

§•4. Das gegenwärtige Gesetz findet keine Anwendung: 1. auf den Gehalt und die Dienstbezüge der öffentlichen Beamten,

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

2. auf die Beitreibung der direkten persönlichen Staatssteuem und Kommunalabgaben (die derartigen Abgaben an Kreis-, Kirchen-, Schulund sonstige Kommunalverbände mit einge­ schloffen), sofern diese Steuern und Abgaben nicht seit länger als 3 Monaten fällig ge­ worden sind, 3. auf die Beitreibung der den Verwandten, dem Ehegatten und dem früheren Ehegatten für die Zeit nach Erhebung der Klage und für das diesem Zeitpunkte vorausgehende letzte Vierteljahr kraft Gesetzes zu entrichtenden Unterhaltsbeiträge, 4. insoweit der Gesammtbetrag der Vergütung (§§. 1,3) die Summe von 1500 Mark für das Jahr übersteigt. I. Allgemeines. 1. Das Gesetz schafft, wie oben (Einleitung) dargelegt, nur bezüglich der Pfändbarkeit des noch unverdienten oder noch fälligen Dienstlohnes unter ganz bestimmten Voraussetzungen feste Normen. Die Regelung- der Lohnbeschlagnahme im übrigen ist der CPO. überlassen. Von diesem Gesichtspunkte aus sind die Ausnahmen des § 4 ju erklären: es wird durch diese nicht ein neues selbständiges Exekutionsrecht begründet; wenn und soweit nach bestehendem Rechte die Beschlag­ nahme zukünftigen Lohnes überhaupt unzulässig ist, bleibt dieses Recht auch für die hier in § 4 angenommenen Fälle bestehen. In einigen Fällen, wo sie aber an sich zulässig ist, werden durch die Bestimmungen hinsichtlich

Erläuterungen, tz 4 Nr. 1.

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der Voraussetzungen und des Umfanges der Pfändung Einschränkungen gemacht. In diesem Sinne der fort­ dauernden Herrschaft des geltenden Rechts sind die den Paragraphen einleitende Worte: „Das gegen­ wärtige Gesetz findet keine Anwendung", zu ver­ stehen. (Stenogr. Bericht d. Reichstags, Bd. 2 S. 588). 2. Die eben dargelegte Absicht des Gesetzes ist aber mehrfach bei den Abänderungen, die es erfahren, durch­ brochen und ein direktes, materiellrechtliches Pfändungs­ recht geschaffen worden; das Nähere hierüber wird die folgende Darstellung der Ausnahmen ergeben. 3. Die einzelnen Ausnahmen, von denen die Nummern 3 und 4 erst im Laufe der Reichstagsverhandlungen hin­ zugekommen sind, bilden ein recht buntscheckiges Ganze. Zusammengewürfelt sind die Forderungen, welche ge­ pfändet werden können (1 und 4), und die Forderungen, deretwegen gepfändet werden soll (2 und 3). Wenn nun auch logisch eine andere Einteilung des Stoffes an­ gebracht erschiene, so soll doch an der Nummerfolge, welche der Paragraph aufstellt, mit Rücksicht aus die erstrebte leichtere Auffindbarkeit der Bestimmungen festgehalten werden.

II. Die einzelnen Ausnahmen stn-r Nr. 1. Der Gehalt und die Dienstvezüge -er öffentlichen Beamten. 1. Der Begriff der öffentlichen Beamten ist weder in diesem Gesetze, noch in der CPO., noch im BGB. bestimmt; er ist ganz allgemein zu fassen, und es verbietet sich insbesondere, auch nur entfernt an Staats­ beamte allein oder auch nur vorzugsweise zu denken. (Bezold S. 125.) Entscheidend für die Begriffsbestimmung ist der Umstand, daß offenbar als Gegensatz zu den „öffentlichen" Beamten unter Nr. 4 des § 4 früher, d. h. bis zum 29. März 1897 „die im Privatdienste dauernd angestellten Personen", die Privatbeamten des tz622BGB.

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

gedacht waren. Man wird daher als öffentliche Beamte hier mit Staudinger Seite 169 alle Bediensteten in öffentlicher Funktion, gleichviel ob sie ihre Bestallung von Kaiser oder Landesherrn oder einer kompetenten öffentlichen Behörde ableiten, zu verstehen haben. Von den einzelnen Klassen der in öffentlicher Funktion befindlichen Bediensteten und der Pfändbarkeit ihres Ge­ halts, beziehungsweise ihrer Dienstbezüge, handelt § 850 CPO. in Abs. 1 unter Nr. 5, 6 und 8, ferner in den Ab­ sätzen 2, 4 und 5. Nach Abs. 1 ist der Pfändung nicht unterworfen: 5. Der Sold und die Jnvalidenpensionen der Unter­ offiziere und der Soldaten; 6. das Diensteinkommen der Militärpersonen, welche zu einem mobilen Truppenteil oder zur Besatzung eines in Dienst gestellten Kriegsfahrzeuges gehören; 8. das Diensteinkommen der Offiziere, Militärärzte und Deckoffiziere, der Beamten, der Geistlichen, sowie der Ärzte und Lehrer an öffentlichen Anstalten; die Pension dieser Personen nach deren Versetzung in einstweiligen oder dauernden Ruhestand, sowie der nach ihrem Tode den Hinterbliebenen zu gewährende Sterbe- oder Gnaden­ gehalt. Während aber das in Nr. 5 und 6 genannte Dienst­ einkommen ausnahmelos der Pfändung entzogen ist, ist die Pfändung des in Nr. 8 bezeichneten Einkommens doch in gewissem Umfange (Abs. 2), ja für bestimmte Forderungen sogar in ganzem Umfange (Abs. 4) für zulässig erklärt. 2. Bevorrechtigt sind also, soweit sie hier in Frage kommen, folgende Personenklassen: A. Die Militärpersonen. Dieses sind: a) Die Personen des Soldatenstandes, 1. die Offiziere,

Erläuterungen. H 4 Nr. 1.

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2. die Unteroffiziere, 3. die Gemeinen, einschließlich der Gefreiten, 4. die Mitglieder des Sanitäts-Corps und die Mit­ glieder des Maschineningenieur-Corps. Ein genaues Verzeichnis derselben enthält die Anlage zum Gesetz betreffend Revision des Servistarifs vom 3. August 1878 (RGBl. S. 244). b) Die Militärbeamten, d. h. alle im Heer und in der Marine dauernd oder auf Zeit angestellten, nicht dem Soldatenstande angehörenden und unter dem Kriegs­ minister oder dem Chef der Admiralität stehenden Beamten, welche einen Militärrang haben. Eine vollständige Aufzählung derselben enthält die Verordnung vom 29. Juni 1880 betreffend die Klassen­ einteilung der Militärbeamten des Reichsheeres und der Marine. Die Civilbeamten der Militärverwaltung, d. h. die­ jenigen ihrer Beamten, die keinen Militärrang haben, sind, obgleich sie zum aktiven Heer zählen (§ 38 RMG. vom 2. Mai 1874), keine Militärpersonen. B. Die Beamten, Geistlichen, Ärzte und Lehrer an öffentlichen Anstalten. 1. Unter Beamten sind zunächst nicht zu ver­ stehen die Militärpersonen (siehe unter A) und die in Absatz 1 des § 850 CPO. unter Nr. 8 mit ihnen zu­ gleich aufgeführten Geistlichen, Ärzte und Lehrer; es sind nach obigem Begriffe dazu zu rechnen die Civilbeamten der Militärverwaltung (vergl. unter A) und der Civilbehörden, gleichviel, ob sie Reichs- oder Landesbeamte sind (vergl. Motive z. § 311 z. BGB. Bd.2, S. 140), und die zur Dienstleistung im Staate, in den Kommunen, anderen öffentlichen Verbänden und Korporationen zu öffentlichen Zwecken angestellten Personen. Aber nicht das Amt ist ausschlaggebend für den Be­ griff der Beamten; es giebt einerseits Beamte, die kein

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

Amt verwalten, z. B. die in einstweiligen Ruhestand ver­ setzten Beamten, die nach dem Reichsbeamtengesetz vom 31. März 1873 als Beamte gelten (§§ 24, 119, 84—118 daselbst), und andererseits auch Verwalter öffentlicher Ämter, die nicht Beamte find, z.B. Geistliche. Das charakteristische Merkmal des Beamtenverhältnisses ist die Be­ gründung eines Gewaltverhältnisses auf der Seite des Arbeitgebers, mit der Pflicht zum Schutze und zur Ge­ währung des zugesicherten Einkommens, auf der Seite des Beamten dagegen eine besondere Gehorsamstreue und Dienstpflicht (Laband, Staatsrecht des Deutschen Reichs, 2. Aufl. Bd. 1, S. 407; Reichsgerichtsentscheidung, Bd. 28, S. 80 fg.). Liegen die erwähnten Merkmale bei Abschluß des Dienstvertrages vor, und wird darnach ein Beamtenverhältnis geschaffen, so ist es gleichgiltig, ob die An­ stellung eine dauernd oder zeitlich begrenzte, oder gar von vorn herein nur vorübergehend, auf Probezeit, Kündigung oder Widerruf gestellte ist, ob fester Gehalt zugesichert wird, oder nur ein Anspruch auf Gebühren besteht, ob und wie die Dienstverpflichtung stattgefunden hat, ob höhere oder niedere Dienste geleistet, obrigkeitliche Ge­ schäfte besorgt, oder Dienste technischer Art versehen werden, ob diese selbständig mit dem Rechte eigener Verfügung und Entscheidung, oder nach Anordnung anderer Personen vorgenommen werden. Nicht ent­ scheidend ist auch, ob sie den Lebensberuf des Beamten voll ausfüllen oder nicht. (Vergl. Laband a. a. O.) Zu den Beamten werden daher auch die bei einer Behörde gegen fixierte und nichtfixierte Diäten beschäftigte Diätare und die bei den Behörden beschäftigten Lohnfchreiber, auch Hofbeamte gerechnet, sofern sie in wirklichem Dienstverhältnisse bei einem Hofstaate sich befinden. (Vergl. Busch, Bd. 18, S. 295.) 2. Geistliche, sowie Ärzte und Lehrer an öffent­ lichen Anstalten sind mit den Beamten auf eine Stufe

Erläuterungen. § 4 9fr. 1.

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gestellt; sind sie doch, soweit sie hier in Betracht kommen, auch in dem weiteren Sinne, wie oben der Begriff definiert wurde, Beamte. Das besagen auch die Protokolle zu Art. 78—80 Einführ.-Ges. zum BGB. Geistliche sind ohne Unterschied des Religions­ bekenntnisses alle diejenigen Personen, welche in einer Religionsgesellschast die Funktionen der Seelsorge als Amt ausüben, im Gegensatz zu anderen Kirchendienern. (Gaupp und Stein § 715.) Die Lehrer genießen die ihnen hier eingeräumten Vorrechte nur als „an öffent­ lichen Anstalten" Angestellte, also, wenn sie an staat­ lichen, oder Kommunal- (nicht privaten) Schulen höherer oder niederer Ordnung, oder auch an anderen Anstalten, z. B. Strafanstalten, eine Lehrthätigkeit ausüben, Ärzte nur dann, wenn sie in „öffentlichen" Heilanstalten ein festes Berufseinkommen beziehen. Es ist nicht beabsichtigt worden, diese im öffentlichen Interesse gegebene Be­ stimmung auf die Ärzte in „Privatanstalten" auszu­ dehnen. 3* Bevorrechtigt ist aber nur: a) das Diensteinkommen,

b) die Pension, c) der Sterbe- oder Gnadengehalt der unter 2 zu A und B benannten Personen. a) Das Diensteinkommen der Militärpersonen, welche zu einem mobilen Truppenteil oder zur Besatzung in Dienst gestellter Kriegsfahrzeuge gehören (CPO. § 850 Nr. 6) und der Sold, sowie die Jnvalidenpension der Unteroffiziere und Gemeinen (Nr. 5 a. a. O.) ist von jeder Pfändung ausgeschlossen, gleichviel, welche Höhe es hat, und von wem und wegen welcher Forderungen es in Anspruch genommen wird. Das Diensteinkommen der in Nr. 8 a. a. O. ge­ nannten Personen umfaßt alle dauernden Ver­ gütungen für geleistete Dienste, sei es, daß sie in Geld oder Naturalien gewährt werden; es gehören daher zu

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Gesetz, betx. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

demselben außer dem Gehalte noch Wohnungsgeld­ zuschüsse, Genuß einer Dienstwohnung, Miets­ entschädigung, fortlaufende Tagegelder und Re­ munerationen. Nicht dazu zu rechnen ist die Ver­ gütung für Auslagen und Verwendungen, wie z. B. eine Pauschalsumme für Büreaubedürfnisse, Repräsentations­ gelder, Fuhrkosten, Umzugskosten, Tagegelder und Re­ munerationen, soweit letztere nicht fortlaufende sind. Zu diesen Einkünften, welche lediglich zur Bestreitung des Dienstaufw and es bestimmt sind, treten bei den Offizieren, Militärärzten und Militärbeamten noch der Servis (§ 850 CPO. Abs. 5), welcher als Ersatz für die den Militärpersonen zustehende Naturalverpflegung gegeben wird. Bezüglich der den unteren Beamten ge­ währten Gratifikationen (vergl. § 3, S.49 des Buches). Thatsächlich können alle diese Einkünfte Teile des Diensteinkommens bilden und eine Gehaltserhöhung be­ deuten, rechtlich sind sie aber keine Einnahmen, sondern nur Ersatzleistung für Auslagen und Aufwendungen. b) Die Pensionen sind die Gehälter der vorbezeichneten, endgültig in den Ruhestand getretenen Per­ sonen; hierzu zählen auch die sogenannten Wartegelder, die Gehälter der einstweilig in den Ruhestand versetzten Beamten (§§ 24 fa. Reichs-Beamten-Ges.) Die im Diszi­ plinarwege zuerkannte Unterstützung ist der Pension gleich zu achten (Reskript des Finanzministers vom 9. August 1884). Auch sind zur Pension Zuschüsse zu rechnen, welche aus einer staatlich genehmigten Pensionszuschußkasse ge­ währt werden. (Listeckh und Drewes S. 118.) c) Der Sterbe- und Gnadengehalt ist der Ge­ halt, welcher der Witwe oder den ehelichen Nachkommen eines im Dienst befindlich gewesenen und des in einst­ weiligem Ruhestande verstorbenen Beamten oder des Pensionärs für die auf den Sterbemonat folgende Zeit gezahlt wird. (§§ 7, 31, 69 fg. Neichs-Beamten-Gesetz.)

Erläuterungen, h 4 Nr. 1.

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4 Die drei genannten, gegenseitig sich aus­ schließenden Gehaltsforderungen sind aber nur dann überhaupt pfändbar, wenn sie: a) je über 1500 M. für das Jahr betragen. Die wirtschaftliche Existenz der beamteten Personen soll so gesichert werden, daß sie den Anforderungen des Dienstes obliegen können, unbehindert durch die Notwendigkeit, anderweitigen Verdienst für sich und die Familie schaffen zu müssen. b) Es ist aber auch bei einem Einkommen über 1500 M. nur der dritte Teil des Mehrbetrages der Pfändung unterworfen. Zum Zwecke der Ermittelung dieses pfändbaren Teiles des Diensteinkommens werden zunächst nicht berücksichtigt die vorerwähnten, zur Bestreitung des Dienstaufwandes dienenden Beträge, ebenso der Servis, selbst wenn sie einzeln oder zusammen 1500 M. für das Jahr überschreiten. Auszuscheiden aus dem Diensteinkommen sind ferner die Sporteln, welche z. B. Geistliche für einzelne Akte der Thätigkeit bei Privaten (bei Trauungen u. s. w.) erhalten; wiewohl diese auch zum dienstlichen Einkommen gehören, werden sie nicht dem Diensteinkommen, d. h. dem Einkommen durch die Behörde zugerechnet (vergl. Wilmowsky u. Levy zu § 749), ganz abgesehen davon, daß sie infolge ihrer Natur als nicht fortlaufende Bezüge auch nicht als Ganzes gepfändet werden können. (§ 832 CPO.) Nebenverdienste aus einer nicht zum Amt gehörenden Beschäftigung werden ebenfalls nicht dem Diensteinkommen zugerechnet und sind der Pfändung ohne Einschränkung unterworfen. Ebenso wenig gehören die jährlichen Einkünfte aus Privatvermögen zum Diensteinkommen. Die Fassung des Abs. 2, § 850 CPO. kann dazu verleiten, nicht nur die Höhe der Dienstbezüge der Schuldner, sondern deren Gesamteinkommen („oder sonstigen Bezüge") überhaupt für die Frage der Pfändung maßgebend er-

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Gesetz, tieft. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

scheinen zu lassen (bergt Lisiecky u. Drewes S. 119). Dies ist atier unrichtig; unter den „sonstigen Bezügen" sind nur die unter Nr. 7 ausgeführten zu ver­ stehen: denn Atis. 2 a. a. O. will nur einen bestimmten Teil der unter 7 u. 8 des Atis. 1 genannte Bezüge der Pfän­ dung unterwerfen und hat nur wegen der Verschieden­ artigkeit derselben (Erziehungsgelder, Studienstipendien rc.) den allgemeinen Ausdruck „Bezüge" gewählt. Die den Unteroffizieren beim Ausscheiden aus dem Dienste gewährten Dienstprämien sind nicht als Dienst­ einkommen anzusehen und sind daher der Pfändung ent­ zogen, soweit eine solche nicht von der Ehefrau oder den Kindern bewirkt wird. (Artikel 18 Atis. 3 des RGes. vom 22. Mai 1893.) 5* Das auf diese Weise sich ergebende Dienstein­ kommen wird, soweit es nicht in Geld selbst besteht, nach seinem Geldeswerte geschätzt und dem baren Einkommen zugerechnet. Der durch Drei geteilte Saldo bildet das der Pfändung unterworfene Diensteinkommen. Ebenso wird bezüglich der Feststellung des pfänd­ baren Teils der Pension und des Gnadengehalts ver­ fahren. 6. Ohne Rücksicht auf den Betrag des Einkommens sind ausnahmsweise die eben genannten Forderungen pfändbar, wenn es sich um Steuerforderungen und Alimentenansprüche der Verwandten, des Ehegatten, des geschiedenen Ehegatten und des unehelichen Kindes handelt (§ 4 Nr. 2 u. 3, sowie h 4a des Ges.). Eine eingehende Erläuterung dieser außerordentlich wichtigen Ausnahmen wird später bei Besprechung der angegebenen Bestimmungen unseres Gesetzes gegeben werden.

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7 Bei der in § 850 Nr. 8 CPO. ausgeführten Aus­ nahme ist zweifellos nur an die Pfändung des noch nicht fälligen, erst zukünftigen Gehaltsanspruchs gedacht.

Erläuterungen, h 4 Nr. 1.

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Die Pfändung des rückständigen Diensteinkommens als Gehaltssorderung dürfte wohl nur dann ausgeschlossen sein, wenn der Gehalt gegen oder ohne den Willen des Dienstverpflichteten nicht gezahlt ist. Dagegen dürfte ein nicht eingeforderter und aus diesem Grunde nicht gezahlter Gehalt schlechthin ohne Einschränkung pfändbar sein (vergl. die Ausführung zu h 1 S. 32). Der Standpunkt Wilmowskis und Levys (Anm. 10 zu § 749), daß die Pfändung der Gehaltsrückstände stets unbeschränkt zu­ lässig sei, erscheint ebenso unzutreffend, als der entgegen­ gesetzte bei Busch (Bd. 18 S. 295 unter c) zum Aus­ druck gebrachte. 8. Die Pfändung selbst ist nicht von einem bestimmten Tage ab, wie beim Lohne der Arbeiter, sondern jeder­ zeit zulässig. Infolge dessen ist auch eine Vorpfändung und eine vorherige Sicherstellung des Anspruches durch Arrest angängig. Da die Gehaltsforderung die Natur fortlaufender Bezüge hat, so kann sich die Pfändung auch auf weit hinaus nach derselben fällig werdende Beträge erstrecken. Ausbezahlte Gehaltsbeträge sind dagegen nach § 811 Nr. 8 CPO. der Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen mit den daselbst angeführten Beschränkungen unterworfen. Wegen des Nachweises derjenigen Behörden, welchen als Drittschuldnern gemäß § 829 CPO. der Pfändungs­ beschluß zuzustellen ist, vergl. Anhang III dieses Buches.

Exkurs. Das Recht -er Beamten und -er ihnen gleich­ gestellten Personen, über ihre Dienstvezüge zu verfügen, gehört zwar nicht unmittelbar zu dem hier zu erläutern­ den Rechtsstoffe, mag aber trotzdem wegen der in § 2 Absatz 2 unseres Gesetzes enthaltenen Bestimmung über

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

den gleichen, die Arbeiter betreffenden Gegenstand kurz gestreift werden. Durch die Bestimmung des § 400 des BGB. ist die Grundlage zur Regelung dieser Verhältnisse geschaffen. Darnach kann von Seiten der genannten Personen, gleichviel, ob sie Reichs- oder Landesbeamte sind (Motive zu § 311 BGB. Band 2 Seite 140) ihre Forderung auf das Diensteinkommen soweit abgetreten werden, als sie der Pfändung unterliegt. Man wird bei der Abtretung auch an andere Arten der Übertragung von Forderungen, z. B. durch Anweisung oder Verpfän­ dung zu denken haben; denn § 6 des RBeamtenGes. und § 45 RMilitärGes. sollen durch § 400 BGB. nur verallgemeinert sein (Motive a. a. O.) und bestimmen, daß die Ansprüche auf Zahlung von Diensteinkünsten, Wartegeldern, Pensionen mit rechtlicher Wirkung nur soweit cediert, verpfändet oder sonst übertragen werden können, als sie der Beschlagnahme unterliegen: die Mög­ lichkeit der Beschlagnahme bildet gleichzeitig also auch den Maßstab für die Übertragbarkeit der Forderung und die Verfügungsfähigkeit über dieselbe. — Daraus ergiebt sich teilweise das völlige Verbot einer solchen, teilweise die Beschränkung der Verfügungsfähigkeit über dieselbe. I. Jeder Verfügung von Seiten der Berechtigten ent­ rückt ist: 1. das Diensteinkommen der in § 850 Absatz 1 Nr. 6 CPO. genannten Personen, 2. der Sold und die Jnvalidenpension der Unter­ offiziere und Soldaten Nr. 5 a. a. O., 3. ein in Händen dieser Personen befindlicher Geld­ betrag, welcher dem der Pfändung nicht unterworfenen Teil des Diensteinkommens oder der Pension für die Zeit von der Pfändung bis zum nächsten Termine der Gehalts­ oder Pensionszahlung gleichkommt, (tz 811 Nr. 8 CPO.) II. Verfügbar ist dagegen für die in § 850 Absatz 1 Nr. 8 genannten Personen der dritte Teil des 1500 M.

Erläuterungen. § 4 Nr. 2.

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für das Jahr übersteigenden Diensteinkommens und ihrer Pension, ja sogar noch weit mehr, wenn diese Ansprüche an Verwandte, Ehegatten u. s. w., für die kraft Gesetzes zu entrichtenden Unterhaltsbeiträge übertragen werden. (§ 4 Nr. 3 des Gesetzes.) Die Abtretung vollzieht sich nach § 411 BGB. mit Rechtswirksamkeit der auszahlen­ den Kasse gegenüber erst durch Aushändigung einer von dem bisherigen Gläubiger ausgestellten, öffentlich beglau­ bigten Urkunde. Soweit allerdings landesgesetzliche Vorschriften die Übertragbarkeit der Ansprüche der gedachten Personen, außer den Militärpersonen noch weiter beschränken, bleiben sie nach Artikel 81 des Einführungsgesetzes zum BGB. unberührt. Ebenso steht es nach dieser Vorschrift mit der ein­ seitigen Aufrechnung gegen diese Forderungen: an sich sind sie nach § 394 BGB. in demselben Umfange erlaubt, wie die Abtretung; aber auch bezüglich ihrer macht Artikel 81 einen Vorbehalt zu Gunsten der landes­ gesetzlichen, von der genannten Vorschrift des BGB. ab­ weichenden Bestimmungen. „Die Regierungen einzelner Bundesstaaten wollten auf diese Aufrechnungsbefugnis im Interesse des Dienstes nicht verzichten, um ein wirksames Mittel in der Hand zu haben, die Beamten zur pflicht­ mäßigen Sorgfalt anzuhalten." (Materialien zu § 81 des Einführungsgesetzes zum BGB. Protokolle (Sette] 752 fg.). Verträge über Aufrechnungen werden von der Vorschrift des § 394 BGB. nicht betroffen, sind also in­ soweit erlaubt, als die übrigen Verfügungen bezüglich des Dienstlohnes selbst gestattet sind (vgl. zu § 2 des Gesetzes Seite 34fg.).

Nr. 2 -es § 4. Die Lohnveschlagnahme zum Zwecke -er Bei­ treibung von Steuern un- Abgaben. I. Die direkten, persönlichen Steuern sind alle die­ jenigen, welche sämtliches Vermögen und Einkommen,

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

nach Bestandteilen und Hauptarten bei allen Steuer­ subjekten aufsuchen, bemessen und belasten, somit die Steuerquellen selbst ermitteln. Zu dieser Gattung von Steuern gehören „Grund-, Häuser-, Einkommen-, Kapital-, Gewerbe- und Betriebssteuern," welche teils vom Staate, teils von den Gemeinden eingezogen werden, desgleichen diejenigen, welche als „Provinzial-, Kreis- oder Gemeinde­ lasten", oder zur Unterhaltung öffentlicher Anstalten auf­ zubringen sind, wie „Kirchen-, Schul- und Armenabgaben", die an Deichverbände zu leistenden Beiträge und andere. Alle diese Steuern existieren, abgesehen von der Ka­ pitalsteuer, wenn auch vielleicht unter verschiedenen Namen in allen Bundesstaaten des Deutschen Reiches und unter­ liegen deren Gesetzgebung, weil sie bisher noch nicht für die Zwecke des Reichs verwendet worden sind. (Reichs­ verfassung, Artikel 4 Nr. 2.) Bezüglich der Frage, ob und wieweit wegen ihrer Beitreibung eine Zwangsvollstreckung in den Arbeits- und Dienstlohn, das Diensteinkommen, oder die Pension recht­ lich zulässig ist, entscheidet danach allein die Gesetzgebung des einzelnen Staates. — Da in eine Prüfung der Frage, wie sich die in Betracht kommenden Steuergesetze der einzelnen Staaten zu unserm Gesetze stellen, nicht ein­ getreten werden kann, sei nur darauf hingewiesen, daß, soweit die Landesgesetze Bestimmungen über diese Frage enthalten, es dabei sein Bewenden hat, soweit sie aber keine enthalten, die Pfändbarkeit der Steuern an die Vorschriften des § 1 unseres Gesetzes und § 850 CPO. gebunden ist. Als allgemeine Gesichtspunkte sind hervorzuheben: 1. Die exekutivische Einziehung der Steuern, welche seit länger als 3 Monaten fällig sind, hat stets unter Berücksichtigung der Bestimmung des Lohnbeschlagnahmegesetzes und des § 850 a. a. O. stattzufinden, mag das Landesgesetz die Frage besonders geregelt haben oder nicht. Fällig, ist

Erläuterungen, tz 4 Nr. 2.

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aber eine Steuer mit dem Zeitpunkte, von dem ab ihre Beitreibung überhaupt zulässig ist. (Reskript des Finanz­ ministers vom 28. Dezember 1882.) Der Fristablaus beginnt mit der Vorlegung der Steuerquittung. 2. Bezüglich der Militärpersonen ist eine Einschränkung der Zwangsvollstreckungsprivi­ legien durch Landesgesetz, beziehungsweise Ver­ ordnung im Verwaltungswege nicht zulässig, da diesen nach § 45 RMilitärgesetz vom 2. Mai 1874 auch für das Derwaltungszwangsverfahren die Bestimmung des § 850 CPO. unter allen Umständen zugute kommen soll. Dieses Privilegium wird in allen Bundesstaaten als unantastbar fortbestehen müssen. — II. In Preußen richtet sich die Beschlagnahme des Dienstlohnes und Gehalts wegen rückständiger Steuern und Abgaben neuerdings nach den Bestimmungen der Königlichen Verordnung vom 15. November 1899, betreffend das Verwaltungszwangsverfahren wegen Beitreibung von Geldbeträgen. (Gesetz­ sammlung Seite 545.) § 46 daselbst führt die der Pfändung nicht unter­ worfenen Forderungen auf; unter Nr. 7 des Absatz 1 ist die Nr. 8 des § 850 CPO. wortgetreu wiederholt; ebenso enthalten Absatz 2 und 5 eine genaue Wiedergabe derselben Absätze des § 850 a. a. O. Der Absatz 3 des § 46 lautet: „Bei der Einziehung von kurrenten öffentlichen Abgaben, von Disziplinar­ strafen und solchen Zwangsstrafen, welche durch die vor­ gesetzte Dienstbehörde festgesetzt sind, finden die Vor­ schriften der Nummer 7 rücksichtlich des Diensteinkommens und der Pension der Civilbeamten, der Geistlichen, sowie der Aerzte und Lehrer an öffentlichen Anstalten nicht Anwendung." Unter „kurrenten, öffentlichen Abgaben" sind diejenigen zu verstehen, welche in demselben Rechnungsjahre, in welchem sie fällig geworden, von dem Pflichtigen eingeMeyer, Beschlagnahme.

5

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

zogen werden, ohne daß es auf die einzelnen Hebungs­ perioden innerhalb des Jahres weiter ankommt. (Reskript des Finanzministers vom 22. Oktober 1880.) Dies widerspricht keineswegs dem eben erläuterten Begriffe der Fälligkeit der Steuern oder der Bestimmung des § 4 Nr. 2 des Lohnbeschlagnahmegesetzes. Dom Augen­ blicke der Präsentation der Steuerquittung, nicht der Einziehbarkeit der Steuer an läuft die Frist von 3 Monaten. Absatz 6 des § 46 a. a. O. lautet: „Bezüglich der Zulässigkeit der Pfändung des Arbeits- oder Dienstlohnes verbleibt es bei den Bestimmungen des Reichsgesetzes vom 21. Juni 1869 (Bundes-Gesetzbl. 1869 S. 242 und 1871 S. 63)." Danach stellt sich die Regelung der vorliegenden Frage wie folgt: 1. Das Diensteinkommen und die Pension der Civilbeamten, Geistlichen, Ärzte und Lehrer an öffentlichen Anstalten ist wegen kurrenter öffentlicher Abgaben schlechthin pfändbar. 2. Das Diensteinkommen und die Pension der Offi­ ziere, Militärärzte, Deckoffiziere und Militär beamten ist auch bei Einziehung dieser Abgaben nur in Höhe eines Drittels von den 1500 M. für das Jahr über­ steigenden Einkommen zulässig. 3. Das Diensteinkommen der Militärpersonen, welche in § 850 Absatz 1 Nr. 5 und 6 CPO. genannt sind, ist auch zu gedachten Zwecken unpfändbar. 4. Der Arbeits- und Dienstlohn ist, soweit die ge­ samten Voraussetzungen des § 1 des Gesetzes vom 21. Juni 1869 vorliegen, nur nach Maßgabe der §§ 1 und 3 dieses Gesetzes, wenn die Voraussetzungen nur zum Teil oder gar nicht vorliegen, schlechthin pfändbar; wenn der Lohn 1500 M. für das Jahr übersteigt, ist er insoweit ebenfalls schlechthin der Pfändung unter­ worfen.

Erläuterungen. § 4 Nr. 3.

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Wie hoch oder niedrig übrigens der Dienstlohn oder das Diensteinkommen ist, ist für die Frage der Pfändung zum Zwecke von Steuerbeitreibungen unerheblich; wer ein Jahreseinkommen von mehr als 900 M. hat, ist steuerpflichtig; die Niederschlagung seiner Steuern kann, muß aber nicht erfolgen, wenn deren zwangsweise Bei­ treibung den Steuerpflichtigen „in seiner wirtschaftlichen Existenz" gefährden würde (§ 64 Einkommensteuergesetz v. 24. Juni 1891). Seine Freilassung von Kommunal-, Kreis- und Provinzialsteuern kann durch Beschluß der Behörde angeordnet werden, wenn die Deckung des Be­ darfs ohnehin gesichert ist; sie muß aber erst dann erfolgen, wenn der Steuerpflichtige im Wege der öffent­ lichen Armenpflege Unterstützungen erhält. (§ 38 Absatz 2, Kommunalabgabengesetz v. 14. Juli 1893.)

Nr. 3. Die Lohnveschlagnahrne wegen Beitreibung -er den Verwandten, dem Ehegatten und früheren Ehegatten zu entrichtenden Unterhaltsveiträge. I. Verhältnis der Bestimmung zu § 850 CPO. Die Novelle zum Lohnbeschlagnahmegesetze vom 29. März 1897 enthält in Artikel 1 Abänderungen der früheren Nr. 3 des § 4 unseres Gesetzes (vgl. Ein­ leitung) und in Artikel 2 eine dementsprechende Ab­ änderung des § 749 Absatz 2 CPO. (alter Fassung) und bezweckte — neben anderem Wichtigen —, auch die in beiden Vorschriften bestehenden sachlichen Verschiedenheiten zu beseitigen und für den Bereich beider Gesetze einen übereinstimmenden Rechtszustand herbeizuführen. (Be­ gründung zum Gesetze vom 3. Februar 1897.) Indessen ist dieser gleiche Rechtszustand durch die neue Fassung der CPO. wohl unbeabsichtigt wieder aufgehoben worden. Es verweist nämlich der Absatz 4 des § 850 CPO. aus die beiden vorhergehenden Absätze 2 und 3, ebenso wie

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

der abgeänderte frühere § 749 CPO. alter Fassung es that. Der Absatz 3 der früheren Fassung behandelte die Zulässigkeit der Pfändung der Gehalts- und Dienstbezüge der im Privatdienst Angestellten über den Jahresbetrag von 1500 M. hinaus. Diese Bestimmung ist nun aber in § 850 CPO. (neue Fassung) mit Rücksicht auf die Änderung der Nr. 4 § 4 unseres Gesetzes ganz fortge­ fallen und durch eine andere, hier nicht interessierende Vorschrift ersetzt worden. Demnach bezieht sich der Absatz 4 der Bestimmung § 850 CPO. nicht mehr auf eine Bestimmung des Lohnbeschlagnahmegesetzes und § 4 Nr. 3 dieses Ge­ setzes bildet jetzt die alleinige Grundlage des den Verwandten u. s. w. gegebenen Rechts auf Pfändung des Gehalts, beziehungsweise Dienst­ lohnes des Unterhaltungspflichtigen; nur wo es sich um Pfändung dieses Anspruches gegen eine der in Nr. 8 Absatz 1 des § 850 CPO. ge­ nannten Personen handelt, ist noch der gleich­ lautende Absatz 4 a. a. O. maßgebend.

II. Die Bestimmung und das Civilrecht. Die Nr. 3 des § 4 des Gesetzes gewährt ebenso, wie Absatz 4 des § 850 CPO. den sämtlichen Verwandten, dem Ehegatten und dem früheren Ehegatten ein-Vor­ recht bezüglich der Lohnbeschlagnahme, soweit sie kraft Gesetzes Ansprüche auf Unterhalt haben, verweist also bezüglich der materiellen Vor­ bedingungen auf das geltende Civilrecht, also das BGB. Dieses regelt seit dem 1. Januar 1900 ausschließlich die gesetzliche Unterhaltspflicht der Verwandten in allen Beziehungen, selbst dann, wenn die Voraussetzungen, von denen die Unterhaltspflicht abhing, bereits unter dem alten Rechte entstanden waren. (Habicht Seite 420.) Sie ist, wie die sittliche Pflicht, auf welcher sie beruht,

Erläuterungen. § 4 Nr. 3.

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nicht unverrückbar und gegen Aenderungen der Gesetz­ gebung gesichert, vielmehr von deren jeweiligem Stande abhängig. Richtet sich demgemäß die Unterhaltspflicht jetzt ausschließlich nach den Bestimmungen des BGB., was bezüglich des gegenseitigen Anspruchs der Ehegatten der Artikel 199 des Einführungsgesetzes zum BGB. noch besonders hervorhebt, so besteht seit dem 1. Januar 1900 keine gesetzliche Unterhaltspflicht mehr zwischen Geschwistern, zwischen Personen, welche mit einander verschwägert sind, oder in einem stiefelterlichen Verhältnisse stehen, da das BGB. nur eine Unterhaltspflicht der in gerader Linie Verwandten kennt. (§ 1601 BGB.) Der Unterhaltsanspruch ist für diese Personen jetzt selbst dann fortgefallen, wenn er bereits früher durch Urteil oder gerichtlichen Vergleich festgestellt, ja, auch dann, wenn er durch Vertrag oder Vergleich außerhalb eines Rechtsstreites anerkannt war. — Soweit es sich allerdings um rückständige, nicht eingeklagte Unterhaltsbeiträge für die Zeit vor dem 1. Januar 1900 handelt, gilt auch jetzt nach diesem Termine noch das alte Recht hinsichtlich der von der Wohlthat der Unterhaltsgewährung jetzt ausge­ schlossenen Personen (vgl. Habicht S. 419); verschieden hiervon ist aber die Frage, ob auf Grund eines vor dem 29. März 1897 zuerkannten Unterhaltsanspruches der unehelichen Kinder jetzt das Vollstreckungsvorrecht gegeben ist (vgl. hierüber Erläuterung zu § 5 des Gesetzes). Im übrigen darf hier, wo das Vollstreckungsvorrecht selbst den Gegenstand der Erörterung bildet, von einer Darlegung seiner Vorbedingungen auf materiellrechtlichem Gebiete, also des Unterhaltsanspruches als solchem, füglich abgesehen werden. Nur insoweit sollen diese Bestimmungen gestreift werden, als sie für die Erkenntnis des Inhaltes und des Umfanges des Vollstreckungsvorrechtes von Wich­ tigkeit sind.

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

III. Das Vollstreckungsvorrecht -er Verwandten und ihnen gleichgestellten Personen. a) Bevorrechtigte Personen. Es genießen die Unterhaltsforderungen der Verwandten u. s. w. keineswegs das Vorrecht an sich, d. h. ohne Rücksicht daraus, ob derjenige, welcher die Forderung erhebt, der Unterhaltsberechtigte selbst oder ein Dritter ist; bevorrechtigt sind nur die Verwandten, der Ehegatte und der frühere Ehegatte selbst wegen dieses ihres Verhältnisses zum Unterhaltspflichtigen und weiter diejenigen Verwandten und Ehegatten, welche aushülfsweise für den Nächstverpflichteten eingetreten sind und auf welche aus diesem Grunde kraft Gesetzes der Unterhaltsanspruch des Bedürftigen übergeht. (§ 1607 und § 1608 BGB.) Ausnahmsweise ist auch den Armen verbänden, die den Unterhalt geleistet haben, das gleiche Vorrecht, wie den Verwandten selbst, eingeräumt. (Reichsgesetz über den Unterstützungswohnsitz vom §§ 60/62.) Andere dritte, nicht verwandte Personen, welche den Unterhaltsberechtigten verpflegten, haben also auf dieses, dem Unterhaltsberechtigten allein eingeräumte Vorrecht keinen Anspruch. Dagegen ist ihnen die recht­ liche Möglichkeit gewährt, nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag Ersatz dessen zu verlangen, was sie selbst zur rechtzeitigen Erfüllung der Unterhaltspflicht selbst gegen den Willen des Ver­ pflichteten dem Bedürftigen geleistet haben. (§§ 679 und 683 Satz 2 BGB.) b) Gegenstand des Vorrechtes. Das Vorrecht haben die vorbezeichneten Personen bezüglich der Beschlagnahme des Dienstlohnes, des Dienst­ einkommens, der Erziehungsgelder, Studienstipendien und der Pension der Unterhaltspflichtigen; letztere mögen sie als Witwen oder Waisen oder invalide Arbeiter oder in

Erläuterungen. § 4 Nr. 3.

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einstweiligen oder dauernden Ruhestand getretene Offiziere, Militärärzte, Deckoffiziere, Beamte, Geistliche, sowie als Ärzte oder Lehrer an öffentlichen Anstalten, beziehen. Endlich erstreckt sich das Vorrecht auch auf die den Witwen und Waisen aus ihren Kassen zukommenden Bezüge und auf den den Hinterbliebenen der Offiziere PP. zu ge­ währenden Sterbe- oder Gnadengehalt. — c) Inhalt des Vorrechtes. Das den Unterhaltsansprüchen eingeräumte Vorrecht besteht darin, daß ihretwegen in die eben genannten For­ derungen der Unterhaltspflichtigen außerhalb der ein­ schränkenden Vorschriften des § 1 des Gesetzes vom 21. Juni 1869 und des Absatzes 2 des § 850 CPO. vollstreckt werden kann. — Der Arbeits- und Dienstlohn kann also für die Zukunft, gleichviel, ob er 1500 M. für das Jahr über­ steigt oder nicht, ohne Rücksicht darauf gepfändet werden, ob die Dienste geleistet, der Tag der Lohnzahlung abge­ laufen, und der Lohn eingefordert ist. Das Diensteinkommen und die anderen in Nr. 7 und 8 Absatz 1 des § 850 CPO. genannten Bezüge sind dagegen für die Zukunft ohne Rücksicht auf die Höhe ihrer Beträge in vollem Umfange, nicht nur zu ein Drittel des 1500 M. für das Jahr übersteigenden Betrages der Pfändung unterworfen. — Natürlich wird ein Arbeits- und Dienstverhältnis im Sinne des § 1 des Gesetzes — als ein solches ist ja auch das Dienstver­ hältnis der Beamten und ihnen gleichstehenden Personen­ klassen anzusehen — stets vorliegen müssen; ohne dieses ist ja die Möglichkeit nicht vorhanden, den noch nicht fälligen Gehalt des Unterhaltspflichtigen summarisch und ohne spezielle Bezeichnung der einzelnen Raten mit der Wirkung zu pfänden, daß davon ohne weiteres auch die späteren Raten ergriffen werden. (Wilmowski u. Lehy, § 832 CPO.) Liegt kein Arbeits- oder Dienstverhältnis vor, so finden, wie bereits gezeigt (Seite 24fg. und 33), die Be-

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Gesetz, Beb. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

schränkungen der Pfändungsbefugnis nach diesem Gesetze vom 21. Juni 1869 gar keine Anwendung. d) Umfang des Vorrechtes. Der zuerkannte, oder ohne dies zukommende Anspruch gewährt das Vorrecht in voller Höhe. Eine wesentliche Veränderung derjenigen Verhältnisse des Unterhalts­ pflichtigen, welche für seine Verurteilung zur Unterhalts­ gewährung für die Bestimmungen der Höhe und Dauer der Unterstützung maßgebend waren, führt die Berechtigung zu einer entsprechenden Aenderung des Unterhaltsan­ spruches und damit auch eine Aenderung des Umfanges des Vollstreckungsvorrechtes herbei. (§ 323 CPO.) Das Vollstreckungsvorrecht ist dagegen in einigen Beziehungen gegenüber dem Unterhaltsanspruche selbst beschränkt. Diese Beschränkungen sind teils sachliche, teils zeitliche: 1. sachlich ist es beschränkt dadurch, daß es nur „Unterhaltsbeiträgen" und auch nur den „kraft Gesetzes" zu entrichtenden zugesprochen wird. Als Unterhaltsbeiträge können nur die in Er­ füllung der Verpflichtung zur Unterhaltsgewährung zu leistenden Geldbeiträge verstanden werden; die Ver­ urteilung zur Gewährung des Unterhalts in anderer Art, also in natura, berechtigt natürlich nicht ohne weiteres zur Beschlagnahme des Dienstlohnes. Alle zur Be­ streitung des Lebensbedarfs notwendigen Kosten sind als Unterhaltsbeiträge aufzufassen; bei einer der Er­ ziehung bedürftigen Person sind auch die Kosten der Erziehung und der Vorbildung zu einem Berufe als Unterhaltsbeibäge anzusehen. — Die Zinsen und Kosten des auf die Gewährung von Unterhalt gerichteten Rechtsstreites sind keine Unterhaltsbeibäge (Blätter für Rechtspflege 1898 Seite 68), ebenso wenig ist es der klagbare Anspruch der ehelichen Tochter auf Aussteuer, wenngleich er wohl in etwas den Charakter eines Unter­ haltsanspruches hat (§ 1620 BGB.),

Erläuterungen. § 4 Nr. 3.

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Aber auch nur „kraft Gesetzes" zu entrichtende Beiträge berechtigen zur bevorrechtigten Pfändung. Den Gegensatz bilden diejenigen Unterhaltsbeiträge, welche, losgelöst von jeder gesetzlichen Verpflichtung, sich lediglich auf Verträge und letztwillige Verfügungen stützen. Natürlich verliert ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch dadurch nicht seine bevorrechtigte Eigenschaft, daß er außergerichtlich oder gerichtlich anerkannt wird (vgl. Druck­ sachen des Reichstages 4. Session 1895—97 Seite 4546). Ein übermäßige Leistungen zusichernder Vertragsanspruch eines an sich Unterhaltsberechtigten genießt nur in der das gesetzliche Maß nicht über­ steigenden Höhe das Pfändungsvorrecht. 2. Auch eine zeitliche Schranke ist dem Pfändungs­ vorrechte gesetzt. Nur „für die Zeit nach Erhebung der Klage und für das diesem Zeitpunkte vorausgehende letzte Vierteljahr" besteht das Vollstreckungsvorrecht wegen der gedachten Unterhaltsbeiträge außerhalb der einschränkenden Vorschriften des § 1 des Gesetzes und § 850 Absatz 2 CPO., wenn auch für die Vergangenheit, vom Augenblicke des Verzuges oder der Rechtshängigkeit an, Unterhaltsbeträge selbst gefordert werden können. (§§ 1613, 1360, 1580, 1351 BGB.) — Diese Zeitbe­ schränkung findet sich schon in § 749 Absatz 4 CPO. (alter Fassung) und ist nach der Begründung der Novelle vom 29. März 1897 nur im Interesse der Gleichmäßigkeit beider Vorschriften auch in die Nr. 3 § 4 des Gesetzes aufgenommen worden. Nach den Motiven zu § 749 a. a. O. (§ 696 des Entwurfs einer CPO. Seite 436) soll die Lohnpfändung im öffentlichen Interesse nur soweit gestattet sein, als sie nicht eine Gefährdung des not­ wendigen Unterhalts des Schuldners und seiner Familie zur Folge hat und dies wird ausdrücklich als „maßgebende Rücksicht gekennzeichnet, gegen welche Umstände, die in dem Grunde der beizutreibenden Forderung (Alimen-

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

tationspflicht, unerlaubte Handlung) liegen, zurücktreten müssen". Davon ist nach den Motiven a. a. O. nur eilte Ausnahme zu Gunsten der „laufenden Alimente" der Ehefrau und der ehelichen Kinder gemacht worden. In diesem Sinne ist die eingangs erwähnte Zeitbestimmung zu verstehen; demnach sind Unterhalts­ beiträge, selbst wenn sie als rückständige nach der ge­ wöhnlichen Ausdrucksweise des Verkehrs angesehen werden, doch laufende im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie aus der Zeit nach der Klageerhebung und dem vorher­ gehenden letzten Vierteljahre herrühren; z. B. sind Unter­ haltsbeiträge seit dem Jahre 1898 auf Grund eines Urteils vom Jahre 1890 keine rückständigen im Sinne dieses Gesetzes. Dagegen sind Unterhaltsbeiträge aus dem Jahre 1898 laufende nicht zu nennen, wenn die Klage ihretwegen erst später erhoben ist, die Beträge also bis dahin gerichtlich nicht eingefordert sind. — In diesem Sinne ist daher auch der Wortlaut der Zeitbestimmung in Nr. 3 des § 4 unseres Gesetzes zu verstehen. Soll der Dienstlohn (allgemein verstanden) für eine weiter als ein Vierteljahr vor der Klageerhebung zurückliegende Zeit gepfändet werden, so unterliegt diese Beschlagnahme den einschränkenden Bestimmungen des § 1 unseres Gesetzes beziehungsweise den Einschränkungen des § 850 Absatz 2 CPO. Der Klageerhebung, d. h. Klagezustellung (§ 253 CPO.) steht selbstverständlich jede Art der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruches, also auch die Zustellung eines Zahlungsbefehls (§ 693 CPO.) und der Zeitpunkt des Antrages auf eine einstweilige Verfügung gleich. (§§ 935—936 a. a. O.; Blätter für Rechtspflege Jahr­ gang 5 Seite 47.)

Erläuterungen. § 4 Nr. 4.

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Gegen Ausdehnung des Vollstreckungsvorrechtes auf Unterhaltsbeiträge, welche seit gar zu langer, wenn auch nach Klageerhebung liegender Zeit geschuldet werden, schützt die vierjährige Verjährungsfrist des § 218 Absatz 2 BGB. e) Die Verwirklichung des Vollstreckungs­ Vorrechtes geschieht durch Forderungspfändung. Da die gesamten Einkünfte des Unterhaltspflichtigen, ja sogar sein Vermögen und seine Erwerbsfähigkeit stets als ein Ganzes bezüglich der Bemessung seiner Leistungs­ fähigkeit beziehungsweise Verpflichtung zur Unterhaltungs­ gewährung in Betracht zu ziehen sind, so ergiebt sich daraus, daß der Unterhaltsberechtigte wegen seiner ganzen Forderung sich an ein Vermögensobjekt des Pflichtigen, welches ihm beliebt, also auch an den Dienstlohn ganz halten kann, und nicht etwa vom Verpflichteten wegen eines Teiles feines Anspruches auf andere Ver­ mögensbestandteile verwiesen werden darf. — Es kann daher der ganze Dienstlohn wegen der Unterhaltsbeiträge gepfändet werden, wofern nur dem Unterhaltspflichtigen Vermögensbestandteile in genügender Menge und ent­ sprechender Höhe noch außerdem zur Verfügung stehen.

Nr. 4. Die Beschlagnahme -es 1500 M. für -as Jahr übersteigenden Arveits- oder Dienstlohnes. Unter Nr. 4 gestattet der § 4 des Lohnbeschlagnahme­ gesetzes endlich noch eine schwerwiegende, materiell­ rechtliche Ausnahme von den Grundsätzen seines § 1, indem er schlechthin eine Pfändung der 1500 M. für das Jahr übersteigenden Vergütung für zulässig erklärt. Diese Bestimmung ist eine durch Artikel 3 des Einführungsgesetzes zu dem Gesetz betreffend Änderungen der CPO. vom 17. Mai 1898 eingeführte Abänderung des früheren Gesetzestextes, der nur von „im Privatdienst

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Gesetz, beb. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

dauernd angestellten Personen" handelte. Was früher also als Ausnahmebestimmung für eine genau bezeichnete Personenklasse nur unter gewissen Voraussetzungen galt und keine Verallgemeinerung nach der ausgesprochenen Absicht der Gesetzgeber duldete, hat jetzt eine wesentliche Ausdehnung erfahren. Aus dem Gegensatze zur früheren Fassung der Nr. 4 wird das richtige Verständnis für den Sinn der Vor­ schrift entnommen: 1. Die „öffentlichen Beamten" der Nr. 1 des §4 des Gesetzes waren in Gegensatz zu den früher hier genannt gewesenen Personen gestellt; dieser Gegensatz muß als fortbestehend erachtet werden, wenn auch der Wortlaut dieser Nr. 4 geändert ist; auf alle Personen, für d'eren Dienstbezugsbeschlagnahme jetzt § 850 CPO. Bestimmung trifft, findet die Nr. 4 demnach keine Anwendung. 2. Die Beschränkung auf die „im Privatdienst" An­ gestellten ist fortgefallen; dies ergiebt, daß nicht nur die sogenannten Privatbeamten, also Bureauarbeiter u. s. w., sondern alle Klassen von Arbeitern und Be­ diensteten von der Vorschrift gleichmäßig beboffen werden: Arbeiter, Werkführer, Handlungsgehilfen, Pro­ kuristen, ebenso Direktoren größerer Erwerbsgesellschaften, Ingenieure u. s. w. fallen unter die Vorschrift. 3. Nach den Motiven zum Einführungsgesetze der CPO. ist die Pfändung über 1500 M. auch bei anderen, als dauernd angestellten Personen schlechthin zugelassen worden (vgl. S. 77 Nr. 4); es ist hierbei aber zu beachten, daß keineswegs die Vorschrift auf Per­ sonen Anwendung findet, welche von vorn herein nur als vorübergehend beschäftigte, als Tagelöhner, Aus­ hilfen u. s. w. angenommen sind, oder welche zu mehreren Honorar- und Lohngebern in Beziehung treten (vgl. Er­ läuterungen zu § 1 Seite 24 fg.).

Erläuterungen. § 4 Nr. 4.

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Kurz: von der Voraussetzung eines Arbeits­ und Dienstverhältnisses im Sinne des § 1 des Gesetzes, welches die Erwerbsthätigkeit der Vergütungs­ berechtigten vollständig oder hauptsächlich in Anspruch nimmt, sollte nicht abgesehen werden. Die Absicht, hieran festzuhalten, ergiebt die Stellung der Bestimmung im Lohnbeschlagnahmegesetze und die Verweisung in § 4 Nr. 4 auf §§ 1, 3 des Gesetzes selbst. — Für andere Personen eine solche Regel aufzustellen wie die Nr. 4, lag keine Veranlassung vor; meistens wird deren erst fällig werdender Gehalt sich nicht als Ganzes pfänden lassen, weil er nicht auf Grund eines einheit­ lichen Verhältnisses des Schuldners zum Drittschuldner zu leisten ist. Wo er aber als Ganzes gepfändet werden kann, dürfte dieser Pfändung nichts im Wege stehen; z. B. ist das Honorar eines Hausarztes nach ^unserer Ansicht der Pfändung unterworfen, gleichviel, welchen Betrag es aufweist. 4. Es ist für die Anwendbarkeit der Nr. 4 nicht mehr nötig, daß der Angestellte dauernd d. h. auf mindestens ein Jahr angenommen, oderbei unbestimmter Dauer seines Dienstvertrages die Kündigungssrist auf mindestens drei Monate festgesetzt ist. Auch bei kürzerer Dienstzeit und bei kürzerer Kündigungsfrist findet die Ausnahme der Nr. 4 vom Grundsätze des § 1 Anwendung. 5. Für alle unter Nr.4 des §4 fallenden Personen bildet 1500 M. jährliche Einnahme die Grenze, bis zu welcher der Lohn (im weitesten Sinne des Wortes) gegen Beschlagnahme geschützt sein und über welche hinaus ein Schutz, als nicht mehr gerecht­ fertigt, überhaupt nicht stattfinden soll. Die Regel, daß die 1500 M. für das Jahr übersteigende Vergütung unter allen Umständen zur freien Verfügung des Angestellten bleiben muß, erleidet nur eine Ausnahme zu Gunsten der Unterhaltsansprüche der Verwandten,

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

der Ehefrau u. s. w., denen gegenüber der Unterhalts­ pflichtige einen pfandfreien Anspruch auf den Dienstlohn nur in Höhe des standesgemäßen oder notdürftigen Unterhalts hat (vgl. Nr. 3 des § 4 und tz 4a des Gesetzes). 6. Was für die Pfändung der Vergütung gilt (siehe unter 5), gilt auch für die Verfügung der Angestellten darüber durch (Session, Anweisung, Ver­ pfändung, Aufrechnung oder andere Rechtsgeschäfte. 7. Um den Gesamtbetrag der Vergütung zu finden, müssen sämtliche Teile und Arten derselben even­ tuell durch Schätzung ermittelt und festgestellt werden (vgl. das zu § 3 hierüber Gesagte).

§ 4 a. Auf die Beitreibung der zu Gunsten eines un­ ehelichen Kindes von dem Vater für den im §. 4 Nr. 3 bezeichneten Zeitraum kraft Gesetzes zu ent­ richtenden

Unterhaltsbeiträge findet dieses

Gesetz

nur insoweit Anwendung, als der Schuldner zur Bestreitung seines notdürftigen Unterhalts und zur Erfüllung der ihm seinen Verwandten, seiner Ehefrau oder seiner früheren Eheftau gegenüber gesetzlich ob­ liegenden Unterhaltspflicht der Vergütung (§§. 1, 3) bedarf. Hierbei werden ausschließlich die Leistungen berücksichtigt, welche vermöge einer solchen Unterhalts­ pflicht für

den

nämlichen Zeitraum

oder,

falls

die Klage zu Gunsten des unehelichen Kindes nach der Klage eines Unterhaltsberechtigten erhoben ist, für die Zeit von dem Beginne des der Klage dieses Berechtigten vorausgehenden letzten Vierteljahrs ab zu entrichten find.

Erläuterungen. § 4a.

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A. Einleitung. Der Paragraph ist durch die Novelle vom 29. März 1897 eingeschoben worden; er trägt dem Bedürfnisse nach einer besseren, ausreichenden Sicherstellung der Unter­ haltsansprüche unehelicher Kinder Rechnung, indem er die in § 4 Nr. 3 des Gesetzes den Verwandten u. s. w. zuerkannten Vergünstigungen für Beschlagnahme des Dienstlohnes des Unterhaltspflichtigen auf die den unehelichen Kindern gegen ihren Erzeuger zustehenden Unterhaltsansprüche ausdehnt. Er erweitert somit den Kreis der Ausnahmebestimmungen des § 4, welcher die Lohnbeschlagnahme für die Zukunft unabhängig von den Beschränkungen des § 1 gestattet, und gewährt den un­ ehelichen Kindern ebenfalls ein Vollstreckungs­ vorrecht. Für „Verwandte, Ehefrau und frühere Ehefrau" wird bei Erläuterung von § 4a kurzweg nur „Ver­ wandte" gesagt werden. B.

Die Erläuterung der Vorschrift. I. Auslegung -es Wortlautes.

Die Vorschrift des § 4a ist in der Wortfassung durch­ aus derjenigen des § 4 Nr. 3 nachgebildet, wie sie auch inhaltlich sich an jene Bestimmung anlehnt. Dadurch hat sie aber an Klarheit bedeutend eingebüßt. Die dem § 4a gegebene Fassung soll, wie die Motive besagen, zum Ausdruck bringen, „daß der Regel nach die dem unehelichen Kinde wegen der Unterhaltsbeiträge ge­ stattete Zwangsvollstreckung in den Dienstlohn der im § 1 des Gesetzes vom 21. Juni 1869 vorgeschriebenen Beschränkung nicht unterliegt, daß aber in Abweichung von dieser Regel die Beschränkungen bezüglich derjenigen Beiträge Platz greifen, welche der Schuldner für sich und seine Familie zum Unterhalt braucht." Dies ist die Erkenntnisquelle für den Sinn der Worte; darnach scheint es fast, als ob wirklich in Fällen der Konkurrenz

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Gesetz, beb. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

der Unterhaltsansprüche unehelicher Kinder mit denen der Verwandten die Beschränkungen des § 1 des Ge­ setzes in Geltung treten sollen und noch dazu für die Unterhaltsbeiträge der letzteren. Das ist aber nicht gemeint. Es hätte keinen Sinn, die Unterhaltsbeibäge der Verwandten in § 4 Nr. 3 von den Beschränkungen des Gesetzes zu befreien und sie wieder daran zu binden, wenn ein uneheliches Kind mit seinem Ansprüche kon­ kurrierte. Wie sollten außerdem die Forderungen des unehelichen Kindes sich dann verwirklichen! Es kann mit der Bestimmung nur dasjenige gemeint sein, was bezüglich der Pfändung des Diensteinkommens und der gleichgestellten Bezüge der § 850 CPO. in seinem Abs. 4 (Artikel 2 der Novelle) weit deutlicher ausspricht; dort ist die Gehaltspfändung ohne Rücksicht auf den Betrag, also ohne die im übrigen (im Gesetze) gezogene Schranke wegen der zu Gunsten der unehelichen Kinder zu entrichtenden Unterhaltsbeibäge für zulässig erklärt. Dann fährt Abs. 4 fort: „Diese Vorschrift findet jedoch insoweit keine Anwendung, als der Schuldner zur Be­ streitung seines notdürftigen Unterhalts und zur Er­ füllung der ihm seinen Verwandten ... gegenüber gesetzlich obliegenden Unterhaltungspflicht der Bezüge bedarf." Das Recht der Gehaltspfändung zu Gunsten der unehe­ lichen Kinder erleidet nach § 850 CPO. also nur die eine angeführte Einschränkung. Da die Novelle vom 29. März 1897 nach ihrer ausge­ sprochenen Absicht (vergl. Begründung S. 2) einen „gleichen Rechtszustand für den Bereich des Gesetzes vom 21. Juni 1869 und der CPO. unter Beseitigung bestehender sach­ licher Verschiedenheiten, für welche es an einem inneren Grunde fehlt", herbeizuführen und die Gehaltspfändung zu Gunsten der unehelichen Kinder im Artikel 2 (dem Zusatz zur CPO.) nach denselben Gesichtspunkten regeln wollte, wie in Artikel 1, der Vorschrift (§ 4 a) des Lohnbeschlagnahmegesetzes, so muß der Wortlaut der

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Erläuterungen. § 4 a.

letzteren dahin verstanden werden: Es erleidet die im übrigen unbeschrankte Pfändung des Lohnes zu Gunsten des unehelichen Kindes nur bezüg­ lich -es Umfanges eine Einengung durch die Rücksicht auf den eigenen Unterhalt des Ver­ pflichteten und die Unterhaltsbedürfnisse seiner Verwandten. Der zweite Satz des Paragraphen bildet zwar für das Verständnis ebenfalls Schwierigkeiten; da diese aber den Sinn und die Bedeutung der Vorschrift weit mehr angehen, als ihren Wortlaut, so wird davon später die Rede sein.

II. Das Verhältnis -es Paragraphen zu § 850 Abs. 4 CPO. ist das gleiche wie dasjenige der letzteren Bestimmung zu § 4 Nr. 3 unseres Gesetzes. Es kann daher zur Vermeidung von Wiederholungen auf die früheren Aus­ führungen hierüber (Seite 67) verwiesen werden.

III. Der Paragraph un- -as Civilrecht. Während § 4 Nr. 3 des Gesetzes nur eine pro­ zessuale Bestimmung über die Pfändbarkeit des Arbeits- und Dienstlohnes für Unterhaltsbeiträge der Verwandten u. s. w. enthält, die Feststellung der Vor­ bedingungen der Unterhaltspflicht auf materiell-rechtlichem Gebiete aber dem geltenden Civilrechte überläßt, so trifft § 4a durch seine über das rein prozessuale Gebiet hinausgehende materielle Bestimmung Vorsorge, daß dem Schuldner der zu seinem Unterhalte erforderliche Betrag des Lohnes nicht entzogen werden kann und ordnet gleichzeitig das im BGB. nicht bestimmte Rang Ver­ hältnis der Unterhaltsansprüche der Ver­ wandten und des unehelichen Kindes behufs Befriedigung aus dem Arbeits- und Dienstlohne des Unterhaltspflichtigen. Meyer, Beschlagnahme.

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

Diese Fürsorge für den Schuldner und seine Familie erschien notwendig, weil im BGB. die Unterhaltsansprüche der unehelichen Kinder, im Gegensatze zu denen der Verwandten, nicht von den Ver­ mögens- und Erwerbsverhältnissen des Unter­ haltspflichtigen abhängen (abgesehen vom Falte des § 1708 Abs. 2 a. a. O.), diese Umstände also bei der Verurteilung zur Unterhaltsgewährung selbst völlig un­ berücksichtigt bleiben. — Nach der Absicht des Gesetzes soll daher dem Unterhaltspflichtigen wenigstens im Zwangsvollstreckungsverfahren durch einen Rechtsbehelf der notdürftige eigene Unterhalt und auch die Möglichkeit der Fürsorge für den Unterhalt seiner Verwandten gesichert bleiben. In allen übrigen Beziehungen regelt das Bürgerliche Gesetzbuch die Voraussetzungen, den Inhalt und Umfang des den unehelichen Kindern gewährten Unterhaltsan­ spruches; nach seinen Vorschriften richtet sich also ins­ besondere die Erforschung der Vaterschaft, die Unter­ haltspflicht des Erzeugers, das Recht der Geltendmachung des Unterhaltsanspruches und nicht zuletzt die Frage, wer als uneheliches Kind im Sinne seiner Bestimmungen zu gelten hat. Die rechtliche Stellung der vor dem 1. Januar 1900 geborenen unehelichen Kinder bestimmt sich allerdings auch jetzt noch nach den bisherigen Landesgesetzen: (Art. 208 EG. zum BGB.). Wo also eine Unterhaltspflicht des Vaters in geringerem Maße, als jetzt nach dem BGB., oder gar nicht bestand, behält es dabei für den in Rede stehenden Fall auch fernerhin sein Bewenden. IV. DaS Vollstreckungsvorrecht -er unehelichen

Kinder. Die Darlegung der materiell-rechtlichen Voraus­ setzungen des Unterhaltsanspruches unehelicher Kinder nach dem BGB. kann, als außerhalb des Rahmens

Erläuterungen. § 4 a.

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dieser Arbeit liegend, unterbleiben. Platz finden sollen nur diejenigen Vorschriften des BGB., welche den Begriff der unehelichen Kinder bestimmen, damit er­ helle, auf welche Personen sich das Vollstreckungsvorrecht bezieht. !♦ Bevorrechtigte Personen. Uneheliche Kinder sind diejenigen, welche außerhalb einer ehelichen Ver­ bindung geboren werden (auch die sogenannten Braut­ kinder), ferner werden als solche die einer giltigen Ehe entstammenden angesehen, wenn deren eheliche Abstammung mit Erfolg angefochten ist (§ 1593 BGB.), weiter Kinder aus einer nichtigen Ehe, wenn diese für ungiltig erklärt und nicht in das Heiratsregister eingetragen ist, oder wenn beiden Ehegatten bei Eingehung der Ehe deren Nichtigkeit bekannt war (§ 1699 BGB.), endlich Kinder von Eltern, deren Heirat ein öffentlich trennendes Ehehindernis entgegenstand (§§ 1732, 1310 BGB.). Die vorberechtigte Pfändung des Dienstlohnes des Vaters wegen der Unterhaltsansprüche des unehelichen Kindes ist nicht nur letzterem selbst durch seinen gesetz­ lichen Vertreter, sondern auch denjenigen Personen ge­ stattet, auf welche, wie aus der Fassung des § 4 a folgt („zu Gunsten unehelicher Kinder"), der Anspruch des Kindes gegen den Vater kraft Gesetzes von selbst übergeht, soweit sie demselben Unterhalt gewähren oder gewährt haben. Es sind dies die Mutter oder ein unterhaltspflichtiger mütterlicher Verwandter des Kindes (§ 1709 Abs. 2 BGB.). Anderen Personen dagegen, welche thatsächlich das Kind verpflegen oder verpflegt haben, ist das Vorrecht der vorher Benannten nicht ein­ geräumt, weil sie nicht auf Grund eigenen, kraft Gesetzes auf sie übergegangenen Rechts eine Unterhalts­ forderung zu Gunsten des unehelichen Kindes geltend machen, vielmehr nur Rückerstattung des auf Rech­ nung des Unterhaltspflichtigen Geleisteten verlangen; sie haben nur unter dem rechtlichen Gesichtspunkte der

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

fremden Geschäftsführung Ersatz ihrer Leistungen vom Unterhaltspflichtigen zu verlangen. Ausnahmsweise ist den Armenverbänden, welche den Unterhalt geleistet haben, das gleiche Vorrecht, wie den Verwandten selbst, eingeräumt. (Reichsges. über den Unterstützungswohnsitz vom 12. März 1894 § 62.)

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2 Der Gegenstand des Vorrechts und 3 der Inhalt des Vorrechts ist der gleiche wie im § 4 Nr. 3 des Gesetzes; es wird deshalb auf die dortigen Aus­ führungen (Seite 70/71) verwiesen.

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4 Der Umfang des Vorrechts unterliegt zeit­ lichen und sachlichen Beschränkungen: a) Das Vorrecht ist auf die Zeit nach der Er­ hebung der Klage und auf das diesem Zeit­ punkte vorausgehende letzte Vierteljahr be­ schränkt, ebenso wie das den Verwandten eingeräumte Vollstreckungsvorrecht. Wegen der Auslegung dieser Zeit­ bestimmungen vergl. S. 73/74. b) Sachlich ist das Vorrecht cc) nur den „kraft Gesetzes" zu entrichtenden „Unter­ haltsbeiträgen" eingeräumt (vergl. hierüber Seite 72), ß) dadurch beschränkt, daß dem Vater des unehelichen Kindes der „notdürftige Unterhalt für sich selbst" und „die zur Erfüllung der gesetzlichen Unterhaltspflicht" gegenüber den Verwandten notwendigen Mittel belassen werden müssen, gleichviel, ob er freiwillig, oder, durch Richterspruch gezwungen, den Pflichten gegen die Familie nachkommt. Die Lohnpfändung des unehelichen Kindes führt dem­ nach zu folgendem Ergebnisse: aa) Der Vater, welcher allein in seiner Person dem unehelichen Kinde gegenübersteht, kann aus dem Lohne, wenn andere Einkünfte ihm nicht zur Ver­ fügung stehen, zunächst den notdürftigen Unterhalt für sich beanspruchen und, soweit der Lohn darüber

Erläuterungen. § 4 a.

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hinaus einen Ueberschuß ergiebt, wird dieser zufolge der Pfändung dem unehelichen Kinde zugewiesen. „Der notdürftige Unterhalt", welcher im Gesetze ebenso wenig, wie im BGB., definiert ist, bildet den Gegen­ satz zum „standesgemäßen", d. h. demjenigen „Unter­ halte, dessen Maß sich nach derLebensstellung des Bedürftigen richtet". (§ 1610 BGB.) Wenn sonach bei seiner Be­ messung jede Rücksicht auf den Stand und die gesell­ schaftliche Stellung des Unterhaltspflichtigen auf der einen Seite schwinden muß, so wird doch auf der anderen Seite das Maß des notdürftigen Unterhalts auch nicht unterschiedslos auf das zum Unterhalte erforderliche Notdürftigste abzustellen sein, etwa auf dasjenige, was die öffentliche Armenpflege als Existenzminimum ge­ währt. (Motive zum BGB. Bd. IV S. 896.) Der Stand des Unterhaltspflichtigen wird bei Bemessung seines not­ dürftigen Unterhalts nur in seiner, durch die Lebensgewohn­ heit erzeugten Wirkung auf körperliche und geistige Be­ schaffenheit der Persönlichkeit in Betracht kommen, insofern diese Beschaffenheit für den notdürftigen Unterhalt mehr be­ nötigt, als bei einer Persönlichkeit der Fall ist, welche unter dem Einflüsse einer anderen Lebensgewohnheit gestanden hat. (Gruchot Bd. 34 S. 1176.) Auch werden bei seiner Bemessung nach Lage der Sache notwendige außer­ ordentliche Bedürfnisse z. B. infolge von Krankheit, billige Rücksichtnahme erheischen. (Keidel S. 230.) Auf diese Weise wird sich bei richtiger Abwägung aller in Betracht kommenden Umstände unschwer der notdürftige Unterhalt feststellen fassen. In Berlin wird derselbe von den Ge­ richten bei einem Arbeiter, welcher unverheiratet ist, auf M.45, bei einem verheirateten aufM. 60 monatlich bemessen. bb) Schwieriger gestaltet sich das Vollstreckungsvor­ recht des unehelichen Kindes bei einem Zusammen­ treffen seiner Ansprüche mit Ansprüchen unter­ haltsberechtigter Verwandter.

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Gesetz, bett. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

Der Entwurf der Novelle vom 29. März 1897 hatte die gesetzlichen Unterhaltsansprüche der Verwandten un­ bedingt gegenüber den Rechten der unehelichen Kinder auf Unterhalt geschützt, sie ausnahmslos bevorrechtigt. Der Reichstag hat aber durch einen Zusatz zu § 4 a des Entwurfes, den Satz 2 des Paragraphen, das Rang­ verhältnis zwischen Verwandten und unehelichen Kindern in dieser Frage einigermaßen anders gestaltet. Aus den diesen Zusatz begründenden Worten des Ab­ geordneten Bassermann ergiebt sich, daß der Vorrang der Verwandten vor den unehelichen Kindern bezüglich Befriedigung aus dem gepfändeten Lohne des Unterhaltspflichtigen grundsätzlich aufrecht erhalten und nur in einigen Beziehungen im Interesse der Billigkeit eingeschränkt werden sollte. „Wenn" — so führte derselbe aus — (Reichstags­ verhandlung vom 23. Februar 1897, S. 4891 der Druck­ sachen) „die Regierungsvorlage zum Gesetz erhoben wird, dann kann der Fall eintreten, daß, nachdem die Beschlag­ nahme des Lohnes für den Alimentationsanspruch eines unehelichen Kindes stattgefunden hat, andere eheliche Verwandte kommen und erklären, daß bei ihnen Alimen­ tationsbeiträge rückständig sind; und sie können diese geltend machen, soweit eine Verjährung nicht vorhanden ist, das wäre also nach dem BGB. § 197 bis zu einen: Zeitraum von vier Jahren. Das sind meines Erachtens doch zu weit gehende Vorrechte, die hier den ehelichen Verwandten und der Ehefrau eingeräumt sind" . . . . „Es soll die Sache so geregelt werden: wenn eine Konkurrenz zwischen den Ansprüchen der ehelichen Kinder und anderer ehelicher Verwandten oder der Ehefrau für den nämlichen Zeitpunkt in Frage kommt, dann sollen diese ehelichen Verwandten und die Ehefrau das Vorrecht haben; ihre Ansprüche sollen dem Alimentations­ spruch der unehelichen Kinder vorgehen. Dasselbe gilt, wenn das eheliche Kind, der eheliche Verwandte Klage

Erläuterungen. § 4 a.

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erhoben hat (sc. vor dem unehelichen Kinde). Für diesen Fall sollen seine Alimente bevorrechtigt sein sür den Zeitpunkt von der Erhebung der Klage an und ein Vierteljahr, welches der Klage vorausgeht." Der Einschränkung der Vorrechte der Ver­ wandten im Falle der Geltendmachung rück­ ständiger Unterhaltsbeiträge will und soll demnach der zum Gesetz gewordene Zusatz Aus­ druck verleihen, und dies muß man sich bei der Aus­ legung seiner nicht zweifelsfreien Fassung stets vor Augen halten. Wenn Gaupp und Stein (Anmerkung 31 zu § 749 CPO.) ohne Begründung die Ansicht vertreten, daß die rückständigen Alimente der Verwandten den jetzt fälligen des unehelichen Kindes vorgehen sollen, so ist dies eine völlige Verkennung der Absicht des Gesetzes. Den entgegengesetzten, allein richtigen Standpunkt nimmt Keidel unter Hinweis auf die vorerwähnte Be­ gründung des Zusatzes ein (Seite 231). Die Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Aus­ legung des Zusatzes gründen sich darauf, daß die Fassung nicht mit Deutlichkeit erkennen läßt, welches die Zeit­ räume sind, sür welche die Leistungen an die Verwandten berücksichtigt und bevorrechtigt werden sollen. Es sind dies „der nämliche Zeitraum" oder im Falle der Klageerhebung des Verwandten vor dem unehelichen Kinde „die Zeit von dem Beginne des der Klage dieses Berechtigten vorausgehenden letzten Vierteljahrs ab". — Unter dem „nämlichen Zeit­ raum" ist es an sich möglich, die Zeit zu verstehen, für welche dem unehelichen Kinde und den Verwandten Unterhaltsbeiträge geschuldet werden; es kann aber auch der nämliche Zeitraum derjenige sein, für welchen dem Schuldner durch die Pfändung der Lohn ent­ zogen wird, und den Verwandten Unterhaltsbeiträge zu entrichten sind. Natürlich führt die eine Aus­ legung zu ganz anderen Ergebnissen, wie die andere:

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Gesetz, tieft. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

wenn man die erste Deutung den Worten giebt, so sind die rückständigen Unterhaltsti eitrage des unehelichen Kindes gegenüber den erst jetzt fälligen des Verwandten bevorrechtigt; denn diese werden nicht für die gleiche Zeit geschuldet. Es würde in diesem Falle also die Leistung an die Verwandten nicht gegenüber der Pfändung des unehelichen Kindes berücksichtigt werden dürfen, und der Verwandte, z. B. das eheliche Kind, müßte wegen rückständiger Unterhaltsbeiträge des unehelichen Kindes in der Gegenwart darben. Mit Recht erklärt Keidel dies für nicht gewollt und kommt daher zu der zweiten oben gegebenen Auslegung der Worte „für den näm­ lichen Zeitraum". — Auch aus der oben wiedergegebenen Begründung des Zusatzes ist zu erkennen, daß die ersteAuslegung nicht gewollt war und nur eine Ausnahme von den Vorrechten der Verwandten geschaffen werden sollte: das Vorrecht der unehelichen Kinder gegen­ über rückständigen Unterhaltsforderungen der Verwandten. Auf diese Weise ergiebt sich, daß die Leistung an die Verwandten, welche nach Satz 2 ausschließlich berücksichtigt werden soll, stets der Zeit der Entziehung des Unterhalts durch die Pfändung des unehelichen Kindes anzugehören hat und daß für die Frage, ob und inwieweit Unterhaltsforderungen der Verwandten gegenüber den Pfändungsanfprüchen des un­ ehelichen Kindes zu berücksichtigen sind, die Leistungen an die Verwandten und an das uneheliche Kind für diese Zeit gegeneinander abzuwägen sind. Dies erscheint auch als Ergebnis richtig, wenn man bedenkt, daß es sich hier um eine Bestimmung des Lohnbeschlagnahmegesetzes handelt, welche ein Vorrecht bezüglich der Pfändung des Dienstlohnes für die unehelichen Kinder zu schaffen bezweckte. Die Worte „für den nämlichen Zeitraum" sind aber nicht nur der Schlüssel für das Verständnis der Zeiten, welche miteinander bezüglich der beiderseitigen Ansprüche

Erläuterungen. § 4a.

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verglichen werden sollen, sie enthalten auch selbst eine Zeitbestimmung in sich. Diese, wie- Gaupp und Stein es thun, auf die im Eingang des Paragraphen ange­ führte Zeitbestimmung zu beziehen, also auf „die Zeit nach Erhebung der Klage des unehelichen Kindes und für das diesem Zeitpunkt vorangehende Vierteljahr", er­ scheint unzutreffend: zu so weitgehenden Zugeständnissen den Verwandten gegenüber wollte man sich angesichts einer Pfändung des unehelichen Kindes nicht verstehen, abgesehen davon, daß es gezwungen erscheint, das „näm­ liche" auf die weit vorherstehende Zeitangabe zu be­ ziehen. — Vor allem aber würde es bei dieser Aus­ legung der Worte völlig überflüssig sein, für den Fall der Klageerhebung der Verwandten vor derjenigen des unehelichen Kindes noch eine besondere Bestimmung hinzu­ zufügen. Beides würde sich dann decken, und es soll doch unzweifelhaft ein Gegensatz zwischen beiden Fällen zum Ausdruck gebracht werden. In der That sind die Worte „oder falls. . ." als Gegensatz zu der Zeitbestimmung des nämlichen Zeitraumes, also wieder als Ausnahme von der zu Gunsten der unehelichen Kinder gemachten Ausnahme aufzufassen. Unter dem „nämlichen Zeit­ raum" ist daher nur der gleiche zu verstehen. Hiernach ist das Rangverhältnis des Unter­ haltsanspruchs der Verwandten und des An­ spruchs der unehelichen Kinder aus der Pfän­ dung folgendes: 1. Unterhaltsansprüche der Verwandten gehen den Psändungsansprüchen der unehelichen Kinder für den gleichen Zeitraum vor. 2. Ältere Unterhaltsforderungen der Verwandten treten vor den jüngeren, durch Pfändung gesicherten Ansprüchen der unehelichen Kinder zurück; sie haben 3. nur dann ausnahmsweise den Vorrang vor den letzteren, wenn sie vor der Klage des unehelichen Kindes geltend gemacht sind.

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

Praktisch führt die Anwendung dieser Sätze im ein­ zelnen zu folgenden Ergebnissen: a. Wenn Unterhaltsansprüche von Verwandten für den gleichen Zeitraum geltend gemacht werden, für welchen infolge der Gehaltspfändung von Seiten des unehelichen Kindes der Gehalt dem Unterhaltspflichtigen entzogen ist, so gehen die Forderungen der Verwandten stets vor; ohne Einfluß auf diese Entscheidung ist es, ob die Verwandten Klage erhoben haben, oder nicht, wofern der Unterhaltspflichtige selbst diese Forderungen der Verwandten (einwandsweise) gegen die Pfändung des unehelichen Kindes nach § 766 CPO. geltend macht. Ohne Einfluß ist es auch, ob die Klage der Verwandten vor, gleichzeitig mit, oder nach der Klage des unehe­ lichen Kindes angestrengt ist. Der Umstand allein, daß von der gepfändeten Gehaltsrate für dieselbe Zeit, für welche der Gehalt gezahlt wird, auch Unterhalts­ beiträge den Verwandten zu gewähren sind, genügt, um das uneheliche Kind mit seinem Pfändungsanspruch zurück­ zuweisen. B. Anders gestaltet sich das Rangverhältnis zwischen Verwandten und unehelichen Kindern, wenn erstere nicht für denselben Zeitraum Unterhaltsforderungen geltend machen, für welchen durch die Gehaltspfändung des unehelichen Kindes dem Unterhaltspflichtigen der Gehalt entzogen oder verkümmert wird. Alsdann fällt die Entscheidung wegen des Vorranges der einen oder der anderen verschieden aus, je nach­ dem die Verwandten überhaupt Klage erhoben haben oder nicht, und je nachdem die Verwandten ihre Klage vor oder nach derjenigen des unehelichen Kindes ange­ strengt haben. a) Der häufigste Fall ist der, daß der Ver­ wandte nicht klagt. Dann ist er nach diesseitiger Auslegung der Gesetzesbestimmung wegen der ihm zu ent­ richtenden Unterhaltsrückstände nicht bevorrechtigt.

Erläuterungen. § 4 a.

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Denn in diesem Falle sind die Unterhaltsbeiträge an den Verwandten nicht mehr für den nämlichen Zeitraum der Gehalts-Zahlung und -Pfändung zu entrichten, sondern nur von dieser Gehaltsrate für eine frühere Zeit. Hat aber das uneheliche Kind wegen rückständiger Unterhaltsforderungen die Gehaltspfändung erwirkt, so muß es dem Verwandten weichen, welcher für die Zeit der Entziehung des Gehaltes, also für in der Gegen­ wart fällige Unterhaltsbeiträge, sein Vorrecht geltend macht. Dieser Fall liegt danach ebenso, wie der zu a behandelte: es kommt eben für die Entscheidung nicht darauf an, für welche Zeit dem unehelichen Kinde Unterhaltsbeiträge geschuldet werden, ob für Vergangen­ heit, Gegenwart oder Zukunft, sondern lediglich auf den Zeitraum, für welchen der Gehalt durch Pfändung dem Unterhaltspflichtigen und Verwandten entzogen wird. b) Der Verwandte hat vor dem unehelichen Kinde eine Klage wegen der Unterhaltsbei­ träge erhoben. In diesem Falle gebührt ihm für alle vom Beginn des seiner Klage vorangehenden Vierteljahres ab zu ent­ richtenden Unterhaltsbeiträge der Vorrang vor denen des unehelichen Kindes, also nicht nur für alle zukünftigen, gleichviel für welchen Zeitraum geforderten Unterhalts­ beiträge, sondern auch für seine älteren Forderungen gegenüber den jüngeren Ansprüchen des unehelichen Kindes. Allerdings wird in diesem letzteren Falle nicht schlechthin den Verwandten für die rückständigen eingeklagten Unter­ haltsbeiträge das Vorrecht im Gesetze einräumt; für die seit länger als ein Vierteljahr vor Klageerhebung rück­ ständigen, wenn auch im Wege der Klage zugesprochenen Unterhaltsbeiträge kann er nach dem Gesetz ein solches nicht beanspruchen. In Bezug auf diese letzteren Unter­ haltsbeiträge genießt er keinen Vorrang, vielmehr geht nach § 804 Absatz 3 CPO. das durch frühere Pfän­ dung des unehelichen Kindes begründete Pfandrecht dem

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Gesetz, beb. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

durch spatere Pfändung begründeten Rechte der Ver­ wandten vor. Das gleiche muß gelten, wenn zugesprochene rück­ ständige Unterhaltsbeiträge auf beiden Seiten sich gegenüber stehen. Zweifelhaft könnte allerdings sein, ob der Vorrang der erstrittenen Unterhaltsforderungen den Verwandten auch dann zuzuerkennen ist, wenn sie zwar vor dem un­ ehelichen Kinde Klage erhoben haben, des letzteren Klage aber eher zum Urteil und zur Zwangsvollstreckung geführt hat. Indessen dürfte nach dem Wortlaute und dem Sinn der Vorschrift stets zu Gunsten der Verwandten zu ent­ scheiden sein, wenn sie thatsächlich zuerst Klage erhoben haben. Insoweit wird also eventuell der Grundsatz des § 804 Absatz 3 CPO. durchbrochen. c) Hat der Verwandte zu gleicher oder späterer Zeit, als das uneheliche Kind geklagt, so genießt er nicht bezüglich aller seiner Forderungen dasselbe Vorrecht, wie zu b. Nur seine Ansprüche für den „nämlichen Zeit­ raum" gehen vor; bezüglich aller anderen Ansprüche ent­ scheidet die frühere Pfändung auch über den Vorrang. In diesem Falle den Unterhaltsansprüchen des unehe­ lichen Kindes aus früherer Zeit unbedingt das Vorrecht einzuräumen, wie Keidel Seite 233 es thut, erscheint nicht gerechtfertigt. Schließlich ist noch hervorzuheben, daß, wenn mehrere unterhaltsberechtigte Verwandte, z. B. Ehefrau und Kinder und Eltern oder auch die geschiedene Ehefrau vorhanden sind, sie sämtlich sür die Frage der Bevorrechtigung ihrer Forderungen als Einheit dem unehelichen Kinde gegenüberstehen: Wenn und soweit sie alle wegen ihrer bevorrechtigten Forderungen befriedigt sind, kann das uneheliche Kind, nach Abzug des sür den notdürftigen Unterhalt des Vaters Erforderlichen, den Rest der Lohn­ forderungen für sich beanspruchen.

Erläuterungen. § 5.

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V. Wegen der Verwirklichung des Vollstreckungs­ vorrechts ist auf das zu § 4 Nr. 3 (Seite 75) Angeführte zu verweisen. VI. Über das in dem Falle der Konkurrenz mehrerer Unterhaltsberechtigten zu beobachtende Verfahren vgl. Anhang II.

§•5. Dieses Gesetz tritt am 1. August 1869 in Kraft. Die bis dahin verfügten, mit den Vorschriften dieses Gesetzes nicht vereinbaren Beschlagnahmen find auf Antrag des Schuldners aufzuheben oder einzuschränken. Dagegen finden die Bestimmungen des zweiten Absatzes des §.2 auf frühere Fälle keine Anwendung. Die Bestimmungen dieses Paragraphen sind heute gegenstandslos, da sie sich nur auf die bis zum 1. August 1869 verfügten Beschlagnahmen und die bis zu diesem Zeitpunkte vorgenommenen Verfügungen des Schuldners beziehen. Der Erörterung bedarf nur die Frage nach der Zu­ lässigkeit der Lohnbeschlagnahme wegen der zu Gunsten der unehelichen Kinder zu entrichtenden, für die Zeit vor­ dem 29. März 1897 rückständigen Unterhaltsbeiträge, oder mit anderen Worten, die Frage nach der rück­ wirkenden Kraft des § 4a unseres Gesetzes. Denn die Bestimmung des § 4 Nr. 3 ist schon seit dem In­ krafttreten der CPO., dem 1. Oktober 1879 (vergl. Ein­ leitung) geltendes Recht. Für die Entscheidung der in Rede stehenden Frage ist ein jüngst bezüglich des h 4 Nr. 4 des Ges. ergangener Kammergerichts-Beschluß vom 15. Februar d. I. (vergl.

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Gesetz, betr. Beschlagnahme des Dienstlohnes.

Blatter ffüt Rechtspflege 1900 Nr. 3) von Bedeutung. Das Gericht führt unter Berufung aus Wach, Handbuch des Civilprozeßrechts, aus: Das Gesetz beherrsche die in seine Zeit fallenden Prozeßvorgänge, gleichviel, ob das materielle, den Streitgegenstand bildende Rechtsverhältnis dieser oder einer früheren Zeit angehört. Insbesondere müsse sich jeder eine Erweiterung der Vollstreckungs­ möglichkeit gefallen lassen; auch das Reichsgericht steht bezüglich der Anwendbarkeit neuer Prozeßgesetze auf diesem Standpunkt (vergl. Juristische Wochenschrift 1900 S. 146). Dieser ist auch zweifellos richtig, soweit es sich um eine Prozeßvorschrift handelt. In dem tz 4a unseres Gesetzes ist aber unseres Erachtens eine Prozeß Vorschrift nicht zu er­ blicken; nicht jede, in einem Prozeßgesetz befindliche Be­ stimmung ist deswegen eine prozeßrechtliche. Die in Rede stehende dürfte es aus dem Grunde nicht sein, weil sie nicht die Art, wie zu vollstrecken, festsetzt, sondern das Recht der Zwangsvollstreckung in DienstlohnForderungen wegen der Unterhaltsbeiträge in seinen Voraussetzungen und seinem Umfange regelt (vergl. Erläuterung zu tz 4a S. 84fg.). Je nachdem der Charakter des § 4a unseres Gesetzes als Prozeßvorschrift bejaht oder verneint wird, wird die rückwirkende Kraft anerkannt oder bestritten werden müssen.

Anhang I. Übersicht über die Zulässigkeit -er Pfändung -er Arbeits- und Dienstvergütung beziehungs­ weise -er Dienstbezüge als Gel-for-erung. A. Die Pfändung der Arbeits- und Dienst­ vergütung*) der Arbeiter und Privatbeamten ist I. bei Vorliegen eines Arbeits- und Dienstverhältnisses 1. unbeschränkt zulässig a) soweit der Gesamtbetrag der Vergütung 1500 Mark für das Jahr übersteigt. S. 75. b) bei geringerer Vergütung, wenn die Zeit des Pfändungsverbotes abgelaufen ist, d. h. a) die Leistung der Dienste erfolgt und ß) der Tag der Lohnzahlung ab- > S. 29. gelaufen und y) der Lohn nicht eingefordert ist.. 2. beschränkt zulässig a) wegen der a) den Verwandten 1 ß) dem Ehegatten > S. 67. Y) dem früheren Ehegatten 5) den unehelichen Kindern S. 82, zu entrichtenden Unterhaltsbeiträge.

J

') Lohn, Gehalt, Honorar.

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Anhang L

b) wegen der direkten persönlichen Staats­ steuern und Kommunalabgaben (S. 63) und zwar zeitlich beschränkt zu a) für die Zeit nach Erhebung der Klage und für das diesem Zeitpunkt vorausgehende letzte Vierteljahr. S. 73, zu b) sofern diese Steuern und Abgaben nicht seit länger als drei Monaten fällig geworden find S. 64, und sachlich beschränkt: zu a) 1. auf die kraft Gesetzes zu ent­ richtenden Unterhaltsbeiträge S. 73, 2. im Falle der Pfändung zu Gunsten der unehelichen Kinder durch die eigene Notdurft und die verwandtschaftliche Unter­ haltspflichten gewissemUmfange) S. 84, 3. unbedingt verboten: a) wenn die Leistung der Dienste noch nicht erfolgt ist S. 29 oder b) der Tag, an welchem die Vergütung zu entrichten war, noch nicht abgelaufen ist S. 30 oder c) wenn zu a und b zwar erfüllt, aber die Vergütung eingefordert ist S. 32. II. bei Nichtvorliegen eines Arbeits- oder Dienst­ verhältnisses, soweit möglich, ohne weiteres zulässig S. 33. B. Die Pfändung des Diensteinkommens, der Pension und des Sterbe- oder Gnadengehalts der Offiziere, Militärärzte, Deckoffi-

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Anhang I.

ziere, Beamten, Geistlichen, sowie Ärzte und Lehrer an öffentlichen Anstalten und die Pfän­ dung der in tz 850 Absatz 1 Nr. 7 CPO. genannten Bezüge (Witwen- und Waisen-Pensionen, Witwen- und Waisen-Kassenbezüge, Erziehungsgelder, Studienstipendien und die Pension invalider Arbeiter) ist: I. zulässig 1. wenn dieselben 1500 Mark für das Jahr über­ steigen, in Höhe des dritten Teiles des Mehr­ betrages S. 59, 2. ohne Rücksicht auf die Höhe der Bezüge und einen freibleibenden Teil derselben a) wegen der a) den Verwandten ) ß) dem Ehegatten > S. 71, y) dem früheren Ehegatten 8) den unehelichen Kindern S. 84 zu entrichtenden Unterhaltsbeiträge;

J

b) wegen der direkten persönlichen Staatssteuern und Kommunalabgaben S. 63; jedoch zeitlich beschränkt: zu a) für die Zeit nach Erhebung der Klage und für das diesem Zeitpunkte vorausgehende letzte Vierteljahr S. 73, zu b) sofern die Steuern und Abgaben nicht seit länger als drei Monaten fällig geworden sind S. 63. und sachlich beschränkt: zu a) 1. stets auf die kraft Gesetzes zu entrichtenden Unterhaltsbeiträge S. 73. 7 Meyer, Beschlagnahme.

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Anhang II,

2. im Falle der Pfändung zu unehelicher Kinder Gunsten durch den eigenen Unterhalt des Schuldners und die verwandt­ schaftliche Unterhaltspflicht in gewisfem Umfange S. 84. II. Unbedingt verboten: bei einem Diensteinkommen von oder unter 1500 Mark für das Jahr, sofern es sich um andere als die zu I 2 a und b genannten Forderungen handelt S. 59/60. C. Die Pfändung des Diensteinkommens der Militärpersonen, welche zu einem mobilen Truppenteil oder zur Besatzung eines in Dienst gestellten Kriegsfahrzeuges gehören, ist unbedingt verboten S. 54. D. Die Pfändung des Soldes und der Jnvalidenpension der Unteroffiziere und Sol­ daten ist unbedingt verboten S. 54.

Anhang II. Das prozessuale Verfahren zur Verwirklichung -er dem Schuldner oder beteiligten Dritten ein­ geräumten, durch die Pfändung verletzten Rechte. 1. Auf einseitigen Antrag des Gläubigers erläßt das Vollstreckungsgericht den Pfändungsbeschluß, ohne in eine Prüfung darüber einzutreten, ob durch die Pfändung Rechte des Schuldners oder sonst in Betracht kommender Personen beeinträchtigt werden. Sache derjenigen, welche nach den Bestimmungen des Gesetzes in ihren Rechten sich verletzt.sühlen, ist es, gegen die Pfändung anzukämpfen.

Anhang II.

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Den prozessualen Weg dazu eröffnen die §§ 766, 793 CPO. Hiernach darf das Vorhandensein der Voraus­ setzungen, welche die Beschlagnahme des Lohnes als unzu­ lässig erscheinen lassen, unter Ausschluß der Klage nur durch Einwendung gegen die Art und Weise derZwangsvollstreckung bei dem Vollstreckungsgerichte geltend gemacht werden (RGEntsch. Band 34 Seite 379 fg.). Wird diese Gegenvorstellung (Antrag, Erinnerung, Einwendung) vom Vollstreckungsgerichte ver­ worfen, so ist diese Entscheidung nach § 793 CPO. mit der sofortigen Beschwerde bei dem im Jnstanzenzuge übergeordneten Gerichte anzufechten (RGEntsch. Band 16 Seite 322). — Die Anträge beim Vollstreckungsgerichte sind an keine Form oder Frist gebunden. 2. Die Pfändung kann mit der Behauptung angefochten werden, daß der Lohn nach § 1 des Gesetzes mangels dessen Voraussetzung überhaupt oder wegen der besonderen Umstände des Einzelfalles nicht pfändbar (§ 4 des Gesetzes), insbesondere, daß infolge der Pfändung der dem Schuldner zum Leben notdürftige oder standesgemäße Unterhalt entzogen sei, oder, daß ihm nicht soviel ver­ bleibe, um seiner gegen die Familie obliegenden Unter­ haltspflicht zu genügen, oder der pfändende Verwandte, Ehegatte oder frühere Ehegatte gar nicht mehr oder nicht mehr gegen ihn oder nicht in diesem Umfange beziehungs­ weise in dieser Höhe Unterhaltungsansprüche erheben könne. 3. Da § 766 COP. ganz allgemein von Anträgen und Einwendungen gegen die Art und Weise der Zwangsvoll­ streckung ohne Bezeichnung von Personen, welche zu solchen berechtigt sind, spricht, so muß angenommen werden, daß antrags- und einwandsberechtigt nicht nur der Schuldner selbst, sondern auch dritte Personen sind, deren Rechte durch eine unrichtige Art und Weise der Zwangsvollstreckung betroffen werden und deren Jntereffe durch die den gesetzlichen Bestimmungen widersprechende Art

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Anhang II.

des Vollstreckungsaktes verletzt wird. (RGEntsch. Band 34 Seite 380.) Unter diesen Dritten wird man bei einer Mehrheit unterhaltsbedürftiger Verwandter unter einander oder bei einer Konkurrenz derselben mit den Ehegatten oder den unehelichen Kindern, welche auf den Lohn Anspruch er­ heben, denjenigen Unterhaltsberechtigten anzusehen haben, welcher den Vorrang vor dem Pfändenden behauptet. Das Verfahren gestaltet sich nun, wie folgt: a) Der Schuldner hat die Einwendung erhoben und darauf gestützt, daß die Voraussetzungen der Lohn­ beschlagnahme nach § 4 oder 4 a nicht vorliegen. Dem­ gegenüber kann das Vollstreckungsgericht vor der Ent­ scheidung eine einstweilige Anordnung erlassen. (§ 732 Absatz 2 CPO.), es kann auch mündliche Verhandlung bestimmen (§ 764 a. a. O.), oder auch ohnedem über die Einwendungen den anderen Teil hören. Wenn von diesem die thatsächlichen Angaben des Pfändenden, bei deren Richtigkeit die Pfändung unzulässig wäre, be­ stritten werden, und diese Angaben für den Dollstreckungs­ richter selbst nicht kontrollierbar sind, so muß er zunächst die Außerkraftsetzung der Pfändung ablehnen und die Parteien wegen Ausfechtung dieser Differenzen an das Prozeß­ gericht verweisen; denn diese Einwendungen lassen sich im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens nicht erledigen. (Vgl. Lisiecky und Drewes Seite 111.) Wenn es sich dagegen nur um rechtliche Einwen­ dungen handelt, oder um Angaben, die der Dollstreckungs­ richter nachprüfen kann, so wird er selbst eine Entscheidung erlassen können. In dieser Weise hat der Vollstreckungsrichter zu ver­ fahren, gleichviel, ob der Schuldner aus seiner oder der unterhaltspflichtigen Person oder aus der Sache selbst Einwendungen erhebt. b) Die geschädigten Unterhalts berechtigten

Anhang II.

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sind dagegen, wenn der Unterhaltspflichtige die Erhebung der Einwände unterläßt, von ihrer Erhebung in eigener Person im Wege des § 766 ausgeschlossen, haben also im Gegensatze zum Schuldner nicht ohne weiteres durch eine Einwendung beim Vollstreckungsrichter ein Mittel, den ihm im Range Nachstehenden, der vorher gepfändet hat, aus dem Felde schlagen. Es wird hier nicht ein Spezialkonkurs über die Gehaltsforderung eröffnet, in dem die sich Meldenden nach Klaffen, wie in der Kon­ kursordnung befriedigt werden. Ohne Pfändung seiner­ seits hat der Dritte nur einen Anspruch gegen den Unter­ haltspflichtigen auf Unterhaltsgewährung aus seinen Einkünften, aber kein direktes Recht an dem gepfän­ deten Lohne und auf denselben. (Vgl. Keidel Seite 234.) Erst infolge der seinerseits vorgenommenen Pfändung wird er durch die frühere Pfändung eines im Range Nachstehenden unmittelbar berührt und erlangt das Recht zur Einwendung gegen die Pfändung nach § 766 CPO. Daher muß er, wenn der unterhaltspflichtige Schuldner dies nicht selbst thut, auf schnellste Weise eine Pfändung der vorgepfändeten Gehaltsraten herbeizuführen suchen. Er erreicht dies entweder durch arrestweise Pfändung des Befriedigungsanspruches des Erstpfändenden oder durch Klageanstellung, verbunden mit arrestweiser Pfändung der nämlichen Gehaltsrate. Alsdann ist er auch in der Lage, abgesehen von der Einwendung nach § 766 CPO. gemäß § 853 ebendaselbst, vom Drittschuldner die Hinter­ legung des Schuldbetrages zu verlangen. Ist letzteres geschehen, so hat er in dem nun ein­ tretenden Verteilungsverfahren seinen Widerspruch gegen den Verteilungsplan durch Erhebung der Widerspruchs­ klage (§§ 878, 879 CPO.) geltend zu machen. Eine solche im Verteilungsverfahren angestrengte Klage auf Anerkennung und Einräumung des Pfändungsvor-

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Anhang III.

rechtes wird übrigens nur dann begründet fein, wenn nach Abzug dessen, was der Schuldner zu seinem eigenen Unterhalt in Anspruch nimmt und nach Befriedigung des erstpsändenden Beklagten der Kläger keine oder nicht mehr volle Befriedigung aus dem Lohne findet, da ohne dies das rechtliche Interesse zur Klageanstellung fehlt. (Vgl. Keidel Seite 235.)

Anhang III. Zusammenstellung von Behörden, welchen bei -er Pfändung -es Diensteinkommens beziehungs­ weise -er sonstigen Dienstvezüge -er Offiziere, Militärärzte und Deckoffiziere, -er Beamten, Geistlichen, sowie -er Aerzte und Lehrer an öffentlichen Anstalten als Drittschuldnern -er Pfändungsveschluß nach § 829 CPO. zuzu­ stellen ist. Das Pfandrecht an der Lohn- und Gehaltsforderung entsteht nach § 829 CPO. mit der durch den Gläubiger zu bewirkenden Zustellung des Pfändung'sbeschlusses an den Drittschuldner, unabhängig davon, wann der Beschluß dem Schuldner zugeht. Ist eine Behörde die Drittschuldnerin, so ist er deren Vorsteher zuzustellen (§ 171 CPO.). Die richtige Bezeichnung des Drittschuldners ist von großer Wichtigkeit; ist diese Bezeichnung unrichtig, so ist die Pfändung unwirksam, auch wenn der richtige Drittschuldner davon Kenntnis erhalten hat (vgl. Struckmann u. Koch Anm. 4 zu § 829 S. 935). Darum sind die Behörden beziehungsweise deren Vor­ steher, denen im einzelnen Falle der Pfändungsbeschluß zuzustellen ist, vorsichtig zu ermitteln.

Anhang III.

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Zur Vertretung des Reichs- oder Staatsfiskus als Drittschuldners bei Pfändung der Dienstbezüge von Offi­ zieren und Beamten (im weitesten Sinne) ist grund­ sätzlich diejenige Behörde berufen, welche die Bezüge zur Auszahlung anzuweisen hat, nicht diejenige Behörde, welche die Anstellung des Schuldners bewirkt oder die mit Beschlag belegten Bezüge auszu­ zahlen hat. Da aber auch die zum Erlasse der Zahlungsanweisung zuständige Behörde in den meisten Fällen unbekannt sein dürfte, so soll der Nachweis dieser Behörden versucht werden. — Vorweg sei mit dem Ausdrucke des Bedauerns bemerkt, daß die Angaben nur lückenhafte sein können, weil allgemeine Verfügungen hierüber nur von wenigen Ministerien ergangen sind und im übrigen die um Aus­ kunft angegangenen höchsten Behörden eine solche zum größten Teile abgelehnt haben. Zuverlässige sonstige, durch die Praxis oder das Studium einschlägiger Gesetze bekannt gewordene Nachweisungen sollen ebenfalls hier einen Platz finden. Die in Betracht kommenden Behörden sind:

I. Reichsbehörden. A. Auswärtiges Amt: Der Pfändungsbeschluß der dienstlichen Bezüge aktiver Beamten des Auswärtigen Amtes, sowie der Pensionen früherer Beamten desselben ist dem Aus­ wärtigen Amte als Vertreter des Reichsfiskus zuzustellen. Vergl. Allgem. Vers. des Justizministers vom 23. De­ zember 1891 (JMBl. 1892 S. 3 und vom 25. September 1896 JMBl. 1896 S. 313).

B. Militärverwaltung: I. preußische, wozu auch die badische

nach der Militärkonvention vom 25. November 1870 zu rechnen ist. Vergl. Allgem. Vers. des Justizministers vom 23. April 1898 (JMBl. S. 92).

Anhang III.

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Anhang III. fließenden Einkommens (Witwengeld,

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E Meyer, Beschlagnahme.

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(JMBl. S. 230).

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