Das Recht auf freie Benutzung des Luftraums [1 ed.] 9783428477579, 9783428077571


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Das Recht auf freie Benutzung des Luftraums [1 ed.]
 9783428477579, 9783428077571

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NATALIE LÜBBEN

Das Recht auf freie Benutzung des Luftraums

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 638

Das Recht auf freie Benutzung des Luftraums

Von

Natalie Lübben

Duncker & Humblot * Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Lübben, Natalie: Das Recht auf freie Benutzung des Luftraums / von Natalie Lübben. Berlin : Duncker und Humblot, 1993 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 638) Zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss., 1992 ISBN 3-428-07757-1 NE: GT

D 188 Alle Rechte vorbehalten © 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-07757-1

Vorwort

Die vorliegende Arbeit entstand auf Anregung von Professor Dr. Michael Ronellenfitsch. Ich möchte ihm an dieser Stelle für die ideenreiche gedankliche Begleitung und die Unterstützung der Arbeit während der laufenden Lehrstuhl Verpflichtungen danken. Meiner Kollegin Heike Delbanco danke ich für die nimmermüde Bereitschaft zur wissenschaftlichen Diskussion. Herrn Professor Dr. Franz-Joseph Peine gilt mein Dank für die Erstattung des Zweitgutachtens. Schließlich möchte ich allen danken, die die Entstehung der Arbeit durch vielfältige Hilfe und materielle Unterstützung erst ermöglicht haben. Meinen Eltern danke ich für die Förderung und Unterstützung während meiner gesamten Ausbildung. Berlin, im Dezember 1992

Natalie Lübben

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I.

13

1. Problemstellung

13

2. Gang der Darstellung

15

Historische Entwicklung der "Luftfreiheit"

17

1. Technische und politische Entwicklungen

17

2. Rechtliche Entwicklung international: Von der Luftfreiheit zur Lufthoheit zurück zur Luftfreiheit

20

a) Theorienstreit in der Rechts lehre

21

aa) Luftfreiheitstheorie

21

bb) Lufthoheitstheorie

26

b) Staatenpraxis und Völkervertragsrecht

32

aa) Entwicklung bis zum Ende des 1. Weltkrieges

32

bb) Multilaterale Abkommen nach dem 1. Weltkrieg

34

(1) Cina-Abkommen

34

(2) Ciana-Ab kommen

37

(3) Panamerikanisches Abkommen

37

cc) Abkommen von Chicago gegen Ende des 2. Weltkriegs (1) Die Chicagoer Freiheiten der Luft

39 40

(2) Inhalt und Reichweite der fünf Freiheiten von Chicago im einzelnen

43

(a) Die Luftverkehrsfreiheit nach dem IC AO-Abkommen

43

(b) Die Luftverkehrsfreiheit nach der Transitvereinbarung

48

(c) Die Luftverkehrsfreiheit nach der Transportvereinbarung

48

8

Inhaltsverzeichnis dd) Bilaterale Abkommen seit dem 2. Weltkrieg

48

ee) Entwicklung in Europa nach dem 2. Weltkrieg

49

(1) Europäische Zivilluftfahrtkonferenz (ECAC)

50

(2) Europäische Gemeinschaft

52

3. Rechtliche Entwicklung auf nationaler Ebene

56

a) Regelung der Lufthoheit im deutschen Recht

57

b) Geltung der internationalen Luftfreiheiten im nationalen Recht

59

c) Nationale Zielrichtung der deutschen Luftfreiheit

60

I I . Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht 1. Regelungsgehalt des § 1 Abs. 1 LuftVG

62 62

a) Eigentumsbeschränkung

62

b) Regelung der Benutzung

63

c) Luftraum als Benutzungsobjekt

64

2. Bedeutungsgehalt des § 1 Abs. 1 LuftVG

65

3. Gemeingebrauch am Luftraum

66

a) Öffentliche Sachen

67

aa) Öffentliche Zweckbestimmung

68

bb) Öffentlich-rechtliche Sachherrschaft

69

(1) Res Nullius

69

(2) Domaine public und öffentliches Eigentum

69

(3) Modifiziertes Privateigentum

71

b) Luftraum als öffentliche Sache

71

aa) Sachbegriff des bürgerlichen Rechts

72

bb) Sachbegriff des öffentlichen Rechts

72

(1) Vertreter des "bürgerlich-rechtlichen" Begriffs der öffentlichen Sache

74

(a) Weber

74

(b) Papier

75

Inhaltsverzeichnis (c) Otto Mayer

76

(2) Vertreter eines besonderen Begriffs der öffentlichen Sache

78

(a) Maunz

78

(b)Kromer

80

(c) Niehues

82

(d) Forsthoff

83

(e) Bartlsperger

84

(f) Wolff/Bachof

85

(3) Rechtsprechung zu öffentlichen Sachen (a) Die Rechtsprechung

87

des Bundesverfassungsgerichts zum

Luftraum

87

(b) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Luftraum .. 87 (c) Der Sach- und Eigentumsbegriff des öffentlichen Rechts in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

88

cc) Stellungnahme und Entscheidung zum Luftraum als öffentliche Sache c) Luftraum als öffentliche Sache im Gemeingebrauch 4. Rechtliche Verpflichtung zur Regelung des Gemeingebrauchs am Luftraum a) Ist der Gemeingebrauch am Luftraum grundrechtlich geschützt? aa) Rechtsnatur und Schutz des Gemeingebrauchs im Straßenrecht

90 94 97 97 98

(1) Geschichtliche Entwicklung des Gemeingebrauchs im Straßenrecht (2) Schutz des straßenrechtlichen Gemeingebrauchs

98 102

bb) Rechtsnatur und Schutz des Gemeingebrauchs im Wasserwegerecht 109 (1) Wasserwegerechtlicher Gemeingebrauch

110

(2) Schutz des wasserwegerechtlichen Gemeingebrauchs

112

cc) Rechtsnatur und Schutz des Gemeingebrauchs am Luftraum

113

(1) Gemeingebrauch am Luftraum als subjektiv-öffentliches Recht... 113 (2) Grundrechtlicher Schutz des Gemeingebrauchs am Luftraum

115

b) Schutz des freien Benutzungsrechts durch völkerrechtliche Vorschriften 119

10

Inhaltsverzeichnis

I I I . Reichweite des Gemeingebrauchs am Luftraum 1. Einschränkung nur aus polizeilichen Gründen

122 123

2. Einschränkung des Gemeingebrauchs am Luftraum durch den Flugplatzzwang

124

3. Einschränkung des Gemeingebrauchs am Luftraum durch Start- und Landeerlaubnisse

127

4. Einschränkung des Gemeingebrauchs am Luftraum durch kollidierende Rechte Dritter I V . Folgerungen 1. Start- und Landerechte - Überwirken des Gemeingebrauchs a) Start- und Landerechte auf Flugplätzen aa) Entwicklung der Flugplatzorganisation

129 132 132 132 133

bb) Überwirken des Gemeingebrauchs am Luftraum auf das Benutzungsverhältnis des Luftfahrers am Flugplatz b) Außenstart und -landung 2. Betreiberpflichten

135 140 140

a) Betriebspflicht

140

b) Regelung der Betriebszeiten

141

3. Staatliche Pflichten und Planung

142

a) Start- und Landekapazität

142

b) Planrechtfertigung bei Flughafenprojekten

144

4. Differenzierungsverbot

145

5. Rechtsschutz

146

a) Rechtsschutz hinsichtlich der Nutzung des Luftraums selbst

146

b) Rechtsschutz hinsichtlich der Nutzung der notwendigen Bodeneinrich-

V.

tungen

149

aa) Rechtsschutz bei Verweigerung von Start und Landung

149

bb) Rechtsschutz bei Beschränkung der Betriebszeiten

150

Schlußbetrachtungen

152

Inhaltsverzeichnis 1. Zusammenfassung

152

2. Ergebnis

153

3. Ausblick

153

Literaturverzeichnis

155

Einleitung 1. Problemstellung Luftverkehr in Deutschland ist seit geraumer Zeit Gegenstand heftiger Kontroversen. Insbesondere der von Flughäfen ausgehende Lärm bietet Anlaß zu Klagen und Protesten aus der Bevölkerung. Mit seinen hohen Pegelspitzen und seiner besonderen Störqualität bedeutet Fluglärm eine erhebliche Umweltbelastung, durch die sich in der Bundesrepublik zwischen drei und sechs Millionen Menschen beeinträchtigt fühlen 1 . Nachtflugverbote und Kontingentierung von Flügen sowie die Ausmusterung von (älteren) lauten Flugzeugen 2 dienen dem Zweck, im Interesse der Bevölkerung das Fluglärmproblem zu bewältigen. Wie die Auseinandersetzungen um Flughafenneubauten oder erweiterungen zeigen, gelingt dies jedoch nur teilweise 3 . Als äußerst störend werden daneben vor allem Tiefflüge militärischer Luftfahr-

1

Vgl. Umweltgutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen 1987, BT-Drs. 11/5168, Tz 1507. 2

Seit Inkrafttreten der Unterschallverordnung vom 21.7.1986 (BGBl. I, 1097) müssen die in der Bundesrepublik verkehrenden Strahlflugzeuge eine Zertifizierung nach Anhang 16 zum IC AO-Abkommen besitzen. 3 Vgl. nur die juristischen Auseinandersetzungen um den Bau der Startbahn 18 West des Flughafens Frankfurt/Main: Zeittafel bei Achtnich, Der Bau und die Erweiterung von Flughäfen in der Bundesrepublik Deutschland (Länderbericht), Z L W 1984 (Bd. 33), 384 (392 ff); BVerwG, Urteil vom 22.3.1974 - 4 C 42.73 -, DVB1 1974, 652 = Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 6; Urteil vom 7.7.1978 - 4 C 79.76 u.a. -, BVerwGE 56, 110; Beschluß vom 11.3.1981 - 4 Β 237, 238.80 -, NJW 1981, 1629; HessStGH, Beschluß vom 15.1.1982 - P.St. 947 -, Z L W 1982 (Bd. 31), 290; BVerfG, Urteil vom 24.3.1982 - 2 BvH 1, 2, 233/82 -, NJW 1982, 1579; und um den Bau des Flughafens München II: BVerwG, Urteil vom 30.5.1984 - 4 C 58.81 -, BVerwGE 69, 256 = N V w Z 1984, 718; Urteil vom 5.12.1986 - 4 C 13.85 BVerwGE 75, 214 = N V w Z 1987, 578; Urteil vom 29.1.1991 - 4 C 51.89 -, Z L W 1991 (Bd. 40), 428 = Buchholz 442.40 zu § 9 LuftVG Nr. 7 = NVwZRR 1991, 601.

14

Einleitung

zeuge empfunden, die ebenfalls Gegenstand gerichtlicher Streitigkeiten waren 4 . Auf der anderen Seite stehen die Interessen der Luftfahrt 5 selbst, der Flugreisenden und der Wirtschaft. Luftverkehr bringt nicht nur dem Individuum durch die Steigerung der persönlichen Mobilität Vorteile 6 , sondern hat auch eine enorme wirtschaftliche und soziale Bedeutung. Die deutsche Wirtschaft lebt von schneller Kommunikation und reibungslosem Verkehr. So wurden im Jahr 1990 auf deutschen Flughäfen rund 1,46 Millionen Starts und Landungen abgewickelt 7 . Davon entfielen rund 1,2 Millionen auf gewerbliche Flüge mit 80 Millionen Passagieren 8 und 1,85 Millionen Tonnen Fracht und Post 9 . Der Luftverkehr leistet einen erheblichen Beitrag zum Außenhandelsvolumen der Bundesrepublik mit mehr als 1 Billion D M 1 0 . Insgesamt bewirkte der Luftverkehr in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR im Jahr 1989 zusammen eine Wirtschaftsleistung von 150,9 Milliarden D M , was 878.500 damit verbundenen Arbeitsplätzen entspricht 1 1 . Der Frankfurter Flughafen etwa ist nach Volkswagen und BASF und noch vor Siemens und Mercedes-Benz der drittgrößte Arbeitgeber in der Bundesrepublik. 4

Vgl. z.B. VG Oldenburg, Urteil vom 22.3.1989 - 7 A 172, 173, 197/86 NJW 1989, 1942; VG Darmstadt, Urteil vom 6.10.1988 - II/V Ε 827/81 - NJW 1988, 3170. 5 Am 30.6.1991 gab es in der Bundesrepublik 17532 zugelassene Flugzeuge (.Reuss, Jahrbuch der Luft- und Raumfahrt 1992, Luftfahrtbundesamt, Tabelle Verkehrszulassungen, S. 87). 6

Im Jahr 1990 wurden 14,7 Millionen Reisen ins Ausland unternommen. Davon entfielen allein fast 7,5 Millionen auf Urlaubsreisen mit Charterflügen ins Ausland, vgl. WCP-Studie, S. 38. 7 Vgl. Reuss, Jahrbuch der Luft- und Raumfahrt 1992, Teil Luftverkehr, Statistik der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV), S. 199. Auf den 28 Regionalen Verkehrs flughäfen und Verkehrs landeplätzen der A D V waren es 1990 1,57 Millionen Fluggäste (Reuss, Jahrbuch der Luft- und Raumfahrt 1992, S. 198) und rund 1,1 Millionen Flugzeugbewegungen (Reuss, Jahrbuch der Luft- und Raumfahrt 1992, S. 197). 8

Vgl. Reuss, Jahrbuch der Luft- und Raumfahrt 1992, S. 199.

9

WCP-Studie, S. 7.

10

WCP-Studie, S. 7 f.

11

WCP-Studie, S. 26.

2. Gang der Darstellung

15

Nun ist die gegenwärtige Situation im Luftraum der Bundesrepublik Deutschland gekennzeichnet durch vielfältige Beschränkungen, die sich unter anderem in Flugplatzzwang, Sicherheitsmindesthöhe, kontrolliertem Luftraum, Luftsperrgebieten, Gebieten mit Flugbeschränkungen und Flugverboten während bestimmter Zeiten (u.a. Nachtflugverbote) ausdrücken. Diese Beschränkungen sind einerseits eine Folge der hohen Verkehrsdichte im Luftraum der Bundesrepublik Deutschland, die aus dem hohen Verkehrsaufkommen selbst 1 2 und aus der zentralen geographischen Lage der Bundesrepublik in Europa resultiert, und entsprechen andererseits dem Versuch, den Interessen der Bevölkerung am Schutz vor den Auswirkungen des Luftverkehrs nachzukommen. Geradezu diametral im Gegensatz zu den Schutzinteressen der Bevölkerung und den tatsächlich gegebenen Beschränkungen steht § 1 Abs. 1 des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG 1 3 ) , der die freie Benutzung des Luftraums statuiert. Diese Vorschrift wirft die Frage auf, was die Aussage des § 1 Abs. 1 LuftVG (heute noch) bedeutet und ob aus ihr rechtliche Konsequenzen zu ziehen sind. Ist das Bekenntnis zur Freiheit des Luftraums ein überholter Programmsatz oder eine rechtlich bedeutsame Aussage, an die Folgerungen geknüpft sind? Das Anliegen dieser Arbeit ist es, den Aussagegehalt der Luftfreiheit zu konkretisieren und hieraus die gebotenen Folgerungen abzuleiten. Dabei kann der Blick nicht auf den Luftraum selbst beschränkt bleiben, sondern muß sich - nach Klärung der Rechtsverhältnisse im und am Luftraum - auch auf die Benutzung der zur Nutzung des Luftraums notwendigen Bodeneinrichtungen richten.

2. Gang der Darstellung Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit ist die Entwicklung der Freiheit der Benutzung des Luftraums auf dem Hintergrund der Ent-

12

S. o. S. 14 m. FN 7.

13

I. d. F. d. Bek. vom 14.1.1981 (BGBl. I S. 61).

16

Einleitung

wicklung des Lufthoheitsprinzips, das fur das Verständnis einer Luftfreiheit Voraussetzung ist (I.). Die Bedeutung des § 1 Abs. 1 LuftVG, der als "magna Charta" der Luftfahrt bezeichnet worden i s t 1 4 , erschließt sich nach der hier vertretenen Auffassung in hervorragender Weise aus der Qualität des Luftraums als öffentliche Sache im Gemeingebrauch. Die Frage des Schutzes der Luftraumbenutzungsfreiheit muß deshalb unter Heranziehung der in den Bereichen Straßen- und Wasserwegerecht entwickelten Grundsätze beantwortet werden (II.). Die Reichweite wiederum ergibt sich aus den zulässigen Beschränkungen (III.). Aus den Erkenntnissen über die Bedeutung und die Reichweite des Rechts auf freie Benutzung des Luftraums werden die sich ergebenden Folgerungen abgeleitet (IV.), wobei besonderes Augenmerk auf das Verhältnis zwischen der Luftraumbenutzung selbst und der Flugplatzbenutzung zu legen war, da diese Frage bisher nicht hinreichend unter Zugrundelegung des § 1 Abs. 1 LuftVG untersucht wurde.

14

Schleicher/Reymann, Das Recht der Luftfahrt, S. 62; Meyer, Der Fluglärm in rechtlicher Sicht, ZLR 1957 (Bd. 6), 1 (14); Rinck, Duldungspflicht und Ersatzansprüche gegenüber dem Fluglärm, Z L W 1970 (Bd. 19), 98.

I . Historische Entwicklung der "Luftfreiheit"

Als Otto Lilienthal 1891 - 9 6 seine Flugübungen und Gleitflüge von seinem "Fliegeberg" in Berlin-Lichterfelde und in den Rhinower Hügeln unternahm, tat er dies luftrechtlich buchstäblich im "leeren Raum". Die Disziplin Luft(fahrt)recht entwickelte sich erst, nachdem man - auf internationaler und nationaler Ebene - die Luft und den Luftraum als ein Gebiet erkannt hatte, in dem und für das Regelungen zu treffen waren. Dabei wird die Entwicklung der Rechtsnormen und theorien nur verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, welche technischen und politischen Entwicklungen parallel dazu verliefen.

1. Technische und politische Entwicklungen Solange noch die nicht steuerbaren Ballone die einzigen Luftfahrzeuge waren, lohnte es weder aus der Sicht der Militärs noch aus der Sicht der Rechtswissenschaft, die Nutzung des Luftraums Beschränkungen zu unterwerfen 1 . Die eigentliche Entwicklung des Luftver1

Außer acht gelassen wird hier die Luftfahrt seit 1783 mit Montgolfièren: Diese führte zwar zu gesetzgeberischer Tätigkeit - französische Ordonnance v. 1784 oder das "Hamburgische Mandat des Rates zur Erhaltung guter Ordnung und Sicherheit bey der am 23. August anzustellenden Luftfahrt des Herrn Blanchard" vom 18.8.1786; vgl. dazu Troitzsch, Das Flugwesen als Quelle neuer Rechtsfragen, A L R 1940, 115; Achtnich, Alte Luftrechtsdokumente, Z L W 1965 (Bd. 14), 97 ff; für die Entwicklung des modernen Luftverkehrsrechts ist sie irrelevant. Der Einsatz von Ballons zu Kriegszwecken - zuerst als Fesselballon in der ersten Luftschifferkompanie, die von der französischen Koalitionsregierung am 2.4.1794 während des ersten Koalitionskrieges gegründet wurde, später, im deutsch/französischen Krieg 1870/71, brachten die Franzosen mithilfe von Ballons Nachrichten und Personen aus dem belagerten Paris (vgl. Manchot , Die Entwicklung der völkerrechtlichen Regelung der Luftfahrt und des Luftkrieges, S. 45 f.) - führte zunächst zu der Erkenntnis, daß Luftfahrzeuge zur Spionage und zur Beobachtung des Gegners eingesetzt werden konnten. Ebenso wie auf der Brüsseler Kriegsrechtskonferenz 1874 wie auf der Haa2 Lübben

18

I. Historische Entwicklung der "Luftfreiheit"

kehrsrechts begann deshalb erst am Anfang des 20. Jahrhunderts 2, nachdem motorgetriebene, steuerbare Flugmaschinen nach dem Prinzip "schwerer als Luft" in die Luft gebracht worden waren 3 . Von da an verlief die Entwicklung der Luftfahrt sprunghaft. Schon im Jahr 1909 gelang die erste Überquerung des englischen Kanals 4 und im ersten Weltkrieg 1914 - 1918 fanden bereits regelrechte Luftkämpfe statt 5 . Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde klar, daß der Luftverkehr sich zu einem ernst zu nehmenden Kriegs- und Verkehrsmittel entwickeln würde 6 . Die ersten Transport- und Passagiermaschinen wurden in den zwanziger Jahren gebaut. Und schon im Februar 1934 nahm die Deutsche Lufthansa die erste Transozeanlinienverkehrsstrecke nach Rio de Janeiro auf 7 . Der zweite Entwicklungsschub in der Luftfahrt folgte vor allem in der Antriebstechnik - im 2. Weltkrieg. Flugzeuge zunächst mit Raketen- (=Feststoff-) -antrieb und später mit Düsenantrieb wurden gebaut. In der zivilen Verkehrsfliegerei konnten die ersten Düsenmaschinen (Caravelle) Ende der 50er Jahre eingesetzt werger Friedenskonferenz von 1899 wurden aber keine für das Luftverkehrs recht bedeutsamen Vorschriften beschlossen. Die Regelungen befaßten sich mit der Behandlung der Insassen niedergegangener Ballone (Art. 22 der Brüsseler Deklaration vom 27.8.1874 und Art. 29 des "Règlement concernant les lois et les coumes de la guerre sur terre" der Haager Konferenz 1899) sowie mit dem Verbot des Luftbombenkriegs für 5 Jahre (1. Deklaration der Haager Friedenskonferenz 1899). Der Mangel an luftrechtlich bedeutsamen Vorschriften dürfte daran gelegen haben, daß Ballons wegen ihrer Unlenkbarkeit nicht recht zum Kriegs- oder Verkehrsmittel taugten, vgl. a. Volkmann, Internationales Luftrecht, S. 114. 2

Vgl. Schwenk, Handbuch des Luftverkehrs rechts, S. 5.

3

Die ersten "Motorflieger" waren allerdings nicht - wie häufig angenommen wird - die Brüder Orville und Wilbur Wright, als sie am 17.12.1903 in North Carolina (USA) ihre Flugübungen begannen. Bereits mehr als zwei Jahre zuvor, am 14.8.1901, hatte der aus Deutschland in die USA ausgewanderte Gustav Weißkopf, der sich dort Whitehead nannte, ein von ihm konstruiertes motorgetriebenes, steuerbares Luftfahrzeug nach dem Prinzip "schwerer als Luft" geflogen, s. Streit/Taylor, Geschichte der Luftfahrt, S. 48. 4 Am 25.7.1909 durch Louis Blériot, vgl. Streit/Taylor, fahrt, S. 66 f.

Geschichte der Luft-

5 Hierfür wurden eigens Jagdflugzeuge entwickelt. Berühmtheit erlangten die deutschen Fokker Ε III ("Fokker-Geißel"), denen die deutsche Luftstreitmacht ihre Luftüberlegenheit bis zum Sommer 1916 verdankte, vgl. Streit /Taylor, Geschichte der Luftfahrt, S. 109. 6

Vgl. Schroeder, Der Luftflug, S. 29.

7

Vgl. Salzer, Rechtsverhältnis, S. 1 f.

1. Technische und politische Entwicklungen

19

den. Bis heute ist die Antriebstechnik im Prinzip unverändert. Erhebliche Fortschritte konnten aber in der Lärmentwicklung und beim Kraftstoffverbrauch erzielt werden. Gleichzeitig ist die Leistungsfähigkeit durch Verbesserung der Aerodynamik und durch Verwendung moderner - leichterer und festerer Werkstoffe erheblich gestiegen. Der fortschreitenden technischen Entwicklung in der Luftfahrt, durch die vor allem im engen Europa grenzüberschreitende Flüge möglich wurden, stand die sich zu Beginn des 1. Weltkriegs verschärfende nationalistische Politik der Staaten gegenüber. Auch nach dem 1. Weltkrieg beherrschte gegenseitiges Mißtrauen das Bild, wenngleich erstmals mit dem Völkerbund ein internationales Gebilde geschaffen wurde, das die Staaten zum friedlichen Austragen ihrer Konflikte ermutigen sollte. Als Folge der Weltwirtschaftskrise in den 20er und Anfang der 30er Jahre konnten sich verschiedene totalitäre Systeme etablieren (z.B. in Deutschland, Italien, Japan; im weiteren Sinn kann darunter auch der unter umgekehrten Vorzeichen stehende Stalinismus in der Sowjetunion dazu gerechnet werden), deren expansionistische Bestrebungen den 2. Weltkrieg auslösten. Nach dem 2. Weltkrieg und der Niederschlagung Deutschlands, Italiens und Japans übernahmen die USA die Rolle der politisch und wirtschaftlich führenden Macht in der Welt. Von den USA gingen die maßgeblichen Impulse zur Errichtung wirtschaftlich stabiler, freiheitlicher und demokratischer Systeme in den Verliererstaaten aus. Den Anregungen der USA verdankt auch die UNO ihre Entstehung. Im Bereich des Luftverkehrs wollten die Amerikaner ebenfalls ein freiheitliches System durchsetzen, was ihnen aber mit dem Chicagoer Abkommen nur partiell gelang 8 . Die Sowjetunion und die von ihr faktisch beherrschten osteuropäischen Staaten schotteten sich dagegen zunächst fast völlig vom Weltluftverkehr ab und nahmen keinen Einfluß auf seine Entwicklung. Erst 1970 trat die Sowjetunion dem Chicagoer Abkommen bei, wobei sie sich allerdings weigerte, bestimmte - an sich nicht zur Disposition stehende - Freiheitsgarantien zu akzeptieren 9. Nach der gespannten Lage in der Zeit des Kalten Krieges entspannte sich das Verhältnis zwischen West und Ost seit Mitte der 70er Jahre Vgl. dazu näher unten S. 39 ff.

20

I. Historische Entwicklung der "Luftfreiheit"

zunehmend, da einerseits der Osten wirtschaftliche Hilfe vom Westen benötigte und andererseits der Westen die Legitimitätsfrage der Regierungen im Interesse von humanitären Fragen in den Hintergrund stellte. Die jüngste Entwicklung hat den wirtschaftlichen und politischen Zusammenbruch der sowjetisch beherrschten östlichen "Volksdemokratien" und der UdSSR selbst gebracht. Die neuen Staaten und die GUS 1 0 sind noch nicht stabilisiert, so daß die weitere Entwicklung abzuwarten bleibt. Andererseits tritt das Nord-Süd-Gefälle mit allen Randerscheinungen immer mehr in den Vordergrund. Der Golfkrieg 1991 zeigte das Konfliktpotential zwischen westlicher Welt und Islam besonders krass auf. Eine freiheitlicheres weltpolitisches Klima erscheint daher auch in Zukunft eher unwahrscheinlich. Dies wird wohl auf einzelne Regionen - EG, ASEAN - beschränkt bleiben. Europäisch gesehen sind allerdings gegenüber der ersten Hälfte des Jahrhunderts gewaltige Veränderungen erzielt worden. Die Europäische Gemeinschaft 11 steht vor der Verwirklichung eines einheitlichen Wirtschaftsmarktes. Binneneuropäisch werden in absehbarer Zeit Freiheiten verwirklicht werden, die zuvor nur innerstaatlich denkbar waren.

2. Rechtliche Entwicklung international: Von der Luftfreiheit zur Lufthoheit zurück zur Luftfreiheit Die mit der Nutzung des Luftraums als Verkehrsmedium zusammenhängenden rechtlichen Fragen galt es durch die Rechtswissenschaft und die Praxis zu beantworten. International ging es zunächst um die Frage, ob die Staaten, als der Flug über Staatsgrenzen möglich gewor9

Vgl. Maleev y Internationales Luftrecht, S. 112.

10

Gemeinschaft unabhängiger Staaten, bestehend aus den nun souveränen ehemaligen Sowjetrepubliken mit Ausnahme der 3 baltischen Republiken. 11

Gegenwärtig 12 Mitgliedstaaten: Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Spanien, Portugal; den Beitritt beantragt haben Österreich, Schweden und die Türkei. Finnland, Norwegen, Polen, Tschechoslowakei und Ungarn haben inzwischen ihr Interesse am Beitritt bekundet.

. Rechtliche Entwicklung

ntional

21

den war, den grenzüberschreitenden Verkehr und damit den Über- und Einflug von Luftfahrzeugen dulden oder von einer Erlaubnis abhängig machen sollten. Hierzu war es zunächst erforderlich, sich darüber klar zu werden, welche Rechtsbeziehungen generell zwischen Luftraum und Staatsgebiet bestehen und welche rechtliche Natur der Luftraum h a t 1 2 . Dieser Prozeß ist für die Frage einer Luftfreiheit im Sinne einer Luftverkehrsfreiheit auch heute noch von entscheidender Bedeutung. Denn hiervon hängt die Beurteilung der bestehenden Vorschriften und Kompetenzen im Luftverkehrsrecht - in nationaler und internationaler Hinsicht - ab. a) Theorienstreit

in der Rechtslehre

In der Rechtslehre bildeten sich zur Nutzung des Luftraums verschiedene Theorien heraus, von denen unter den im einzelnen weiter differenzierten Theorien zwei Hauptströmungen zu unterscheiden sind: -

die Luftfreiheitstheorie, nach der der Luftraum - ähnlich der Freiheit der hohen See - über dem Gebiet eines Staates frei von staatlichen Hoheitsrechten i s t 1 3 .

-

die Lufthoheitstheorie, die den Luftraum über dem Gebiet eines Staates als dessen Gebietshoheit unterworfen sieht 1 4 . aa) Luftfreiheitstheorie

Am Anfang der Entwicklung stand die Luftfreiheitstheorie, die der Franzose Paul Fauchille im Jahr 1901 als Ergebnis seiner Forschungen zur Rechtsnatur des Luftraums begründete 15 . 12 13

Vgl. Voigt, Rechtsbeziehungen, S. 3 ff.

Hierzu: Riese, Luftrecht, S. 2; Schleicher/Reymann/Abraham Freiheit der Luft, S. 68 ff; Voigt, Rechtsbeziehungen, S. 4 ff.

I, S. 24; Meyer,

14

Verdross /Simma, Universelles Völkerrecht, S. 664; Rinck y Lufthoheit, in: Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. 2, S. 437; Meyer, Erschließung des Luftraums, S. 13 ff; ders. y Übersicht über die Entwicklung des Luftrechts, in: Jahrbuch des Völkerrechts 1912, S. 1447 ff; ders., Freiheit der Luft, S. 68 ff, 78 ff, 85 ff, 91 ff; Haupt, Der Luftraum, S. 3 ff; Zitelmann, Luftschiffahrtrecht, S. 19 ff. 15 Fauchille, Le domaine aérien et régime juridique des aérostats, RGIP 1901 (Bd. 8), 414 ff; vgl. im übrigen u.a. die von Fauchille für die Tagungen des Institut

22

I. Historische Entwicklung der "Luftfreiheit"

Die Schrift Fauchilles wurde für alle späteren Erörterungen grundlegend. So stellten sich nicht nur die Mehrheit der Vertreter der Luftfreiheitstheorie 1 6 auf den Boden der Argumente Fauchilles, auch die Anhänger der Lufthoheitstheorie 1 7 griffen bei ihrer Begründung auf Fauchille zurück, um die Richtigkeit bzw. Unrichtigkeit seiner Lehre nachzuweisen. Fauchille ging - in Anlehnung an die von Hugo Grotius begründete Theorie von der Freiheit der Meere 1 8 - von dem Gedanken aus, der gleichmäßig den Erdball bedeckende Luftraum müsse im Interesse des Weltluftverkehrs Allgemeingut aller Völker sein. "L'air est libre" heißt der von Fauchille geprägte Grundsatz, den er maßgeblich auf die Überlegung stützte, die Begründung von Eigentum an der Luft sei unmöglich; Eigentumsbegründung sei nur an Materien denkbar, die der Inbesitznahme unterlägen, die also dauernd und tatsächlich beherrscht werden könnten. Eine Okkupation der Luft sei aber nicht möglich; erst durch Errichtung von Bauwerken könne auch der Eigentümer Eigentum an der Luft bis zur Höhe der Bauwerke er-

de droit international in Brüssel 1902, Gent 1906, Paris 1910, Madrid 1911 erstatteten luftrechtlichen Berichte in: Annuaire de l'Institut de droit international (zit.: Annuaire) 1906, S. 293; Annuaire 1910, S. 297 ff, S. 497; Annuaire 1911, S. 23 ff; 303 ff; 346. 16

Vgl. u.a. Pittard, Dominium coeli, ZLR Bd. 1 (1926), 15 ff; Thibout, Le domaine aérien des Etats en temps de paix, S. 38; Meili , Das Luftschiff im internen Recht und Völkerrecht, S. 46 ff; ders., Ballons, Flugmaschinen und die Jurisprudenz, Abschnitt III; ders., Die Luft und ihre Bedeutung für das modernste Verkehrs- und Transportrecht, in: Seufferts Blätter für Rechtsanwendung 1909, S. 8; Bielenberg, Die Freiheit des Luftraums, S. 18; auch ein Vertreter der Luftfreiheitstheorie war Warschauer, Luftrecht, S. 20-26, allerdings mit dogmatisch anderer Begründung als Fauchille: Nach Warschauer liegt die Freiheit der Luft begründet in ihrer Eigenart als eigentums- und grenzenlose Masse (S. 23); vgl. a. Hilty, Die völkerrechtlichen Gebräuche in der atmosphärischen Zone, AöR 1905 (Bd. 19) S. 87 ff und noch 1920 Schweitzer, Die rechtliche Natur des Luftraums, S. 55. 17

Vgl. z.B. Zitelmann, Luftschiffahrtrecht, S. 19 ff; Meurer, Luftschiffahrtsrecht, S. 8; Spiropoulos, Der Luftraum, integrierender Bestandteil des Staatsgebiets, S. 116; Schleicher, Der gegenwärtige Stand des internationalen Rechts der Luftfahrt, Niemeyers Zeitschrift für internationales Recht, Bd. 33 (1924/25), 1 ff, 3; ders., Luftfahrtrecht, in: Strupp, Wörterbuch I, 843, 844 ff; der erste Vertreter der Lufthoheitstheorie war der Engländer Westlake auf dem Genter Telegraphenkongreß Annuaire 1906, S. 300; Haupt, Der Luftraum, S. 66 - 72. 18

Vgl. Grotius, Mare liberum, Kap. 42 c 5.

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werben 1 9 . Für einen Staat gelte dasselbe, auch dieser könne Eigentum nur bis zur Höhe der höchsten Bauten an der Luft begründen. Fauchille untersuchte sodann die Frage, ob ein Staat Souveränität am Luftraum begründen könne. Souveränität verstand er indes umfassend im Sinne von suprema potestas als die Summe von staatlichen Hoheitsrechten in Beziehung auf ein Gebiet 2 0 . Sie erforderte nach Fauchille die gleichen Voraussetzungen wie Eigentumsbegründung. Erforderlich sei eine faktische und dauernde Herrschaftserrichtung. Symbolische Handlungen oder die bloße Möglichkeit, das neuentdeckte Gebiet zu beherrschen, genügten nicht. Da die erforderliche Durchdringung des gesamten Luftraums durch die staatliche Autorität nicht möglich sei die Residenz staatlicher Organe, Aufstellung von die Staatsgewalt repräsentierenden Truppen und alle anderen zur Beherrschung eines Gebiets notwendigen Maßnahmen seien ausgeschlossen - könne ein Staat auch keine Souveränität am Luftraum begründen 21 . Insbesondere sei die Errichtung einer Staatsgewalt deswegen nicht möglich, weil der Luftraum und die in ihm befindliche, gasförmige, ständig strömende Luft als Element gleichzustellen seien 22 . Aus diesen negativen Feststellungen folge - so Fauchille - als einzige Lösung, daß die Freiheit des gesamten Luftraums anzuerkennen s e i 2 3 . Die meisten Vertreter der Luftfreiheitstheorie erkannten jedoch an, daß eine völlige räumliche und sachliche Freiheit des gesamten Luftraums von einzelstaatlichen Rechten nicht praktikabel war 2 4 . Mit Fauchille vertraten sie daher die Auffassung, der Luftraum sei grundsätzlich frei, dies jedoch mit der Maßgabe, daß den Staaten im Luft19

Fauchille, RGIP 1901 (Bd. 8), 414 (415 f).

20

Fauchille, RGIP 1901 (Bd. 8), 414 (417).

21

Fauchille, RGIP 1901 (Bd. 8), 414 (417 ff, 426).

22

Fauchille , Traité de droit international public I (2), S. 587: "Il nous parait impossible d'isoler l'espace de l'air qui s'y trouve. La condition de l'air doit dès lors nécessairement se communiquer à celle de l'espace". 23 Fauchille , RGIP 1901 (Bd. 8), 414 (417 ff); ders ., Traité de droit international public I (2), S. 588; ders ., Annuaire 1906, S. 295. 24 Anders z.B. Nys , Annuaire 1902, S. 106 ff; i.ü. die Nachw. bei Lycklama a Nijeholty La souveraineté aérienne, RILA 1910, 229 ff (237); Haupt , Der Luftraum, S. 13 - 18; Kroell , Traité de droit international public aérien, Bd. 1, S. 15; English , Air freedom, The second battle of the books, Journal of Air Law 1931, 356 (358).

24

I. Historische Entwicklung der "Luftfreiheit"

räum über ihren Gebieten die Ausübung gewisser Schutzrechte zugebilligt werden müsse 25 . Fauchilles ursprüngliche These lautete daher: "L'air est libre. Les Etats n'ont sur lui en temps de paix et en temps de guerre que les droits nécessaires à leurs conservation. Ces droits sont relatifs à la répression de l'espionnage, à la police douanière et la police sanitaire et aux nécessités de la défense 2 6 . "

Aus diesem "droit de conservation" heraus sei es zulässig, den Luftverkehr unterhalb einer Höhe von 1500 m zu untersagen. Diese Grenze wählte Fauchille, weil oberhalb dieser Höhe damals keine zuverlässigen photographischen Aufnahmen mehr gemacht werden konnten 2 7 . Das Institut de droit international - eine im Jahre 1873 in Genf gegründete, aus internationalen Völkerrechtlern bestehende, wissenschaftliche Vereinigung ohne offiziellen Charakter, die jedoch infolge ihres wissenschaftlichen Ansehens großen Einfluß in der Völkerrechtswissenschaft besaß 2 8 - schloß sich der These Fauchilles auf seiner Tagung in Gent 1906 - Genter Telegraphenkongreß - an 2 9 . Für die Madrider Tagung des Instituts 1911 hatte Fauchille seine Formulierung zur Ausschaltung des Streits mit den Vertretern der Lufthoheitstheorie geändert und wollte die Entscheidung über die rechtliche Natur des 25

So z.B. auch Meili, Das Luftschiff im internen Recht und Völkerrecht, S. 46 ff; ders., Ballons, Flugmaschinen und die Jurisprudenz, Abschn. III; ders., Die Luft und ihre Bedeutung für das modernste Verkehrs- und Transportrecht, in: Seufferts Blätter für Rechtsanwendung 1909, S. 8; Pittard, ZLR Bd. 1 (1926), 15 (17 f), der den Bodenstaaten bei grundsätzlicher Anerkennung der Freiheit des Luftraums gewisse Verwaltungsbefugnisse im Luftraum über ihren Gebieten zuerkennt; ders., Principes d'une législation fédérale sur la circulation aérienne, Verhandlungen des schweizerischen Juristenvereins, 1919, S. 20; F. de Visscher , Le régime juridique de l'espace atmosphérique et la question de la nationalité des aéronefs, ZLR Bd. 2 (1928), 4 (13); vgl. i.ü. die bei Haupt, Der Luftraum, S. 15 unter FN 36 zit. Literatur. 26 Fauchille, Annuaire 1902, S. 32 (Art. 7); Übers.: Die Luft ist frei. Die Staaten haben zu Friedens- und zu Kriegszeiten nur die notwendigen Selbsterhaltungsrechte. Diese Rechte sind solche zur Verhinderung der Spionage, die der Grenzund Gesundheitspolizeibehörden und die Verteidigungsbelange. 27 Fauchille, RGIP 1901 (Bd. 8), 414 (435, 438); Annuaire 1901, S. 2; Später 500 m: Annuaire 1902, S. 34 (Art. 8). 28

Vgl. Meyer, Freiheit der Luft, S. 39 f.

29

Annuaire 1906, S. 293 ff, 305, 327 f.

. Rechtliche Entwicklung

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25

Luftraums offenlassen, indem er nur noch über den "Gebrauch" des Luftraums durch den Luftverkehr sprach, um so das für diesen Gebrauch wünschenswerte Ergebnis durchzusetzen 30. Dem Grundsatz "La circulation est libre" schloß sich das Institut in Madrid 1911 im wesentlichen a n 3 1 . Das Comité juridique international de l'aviation, eine weitere internationale Rechtsvereinigung 32 , beschloß auf seinem ersten Kongreß in Paris 1911 in Art. 1 des von ihm ausgearbeiteten "Code de l'air" einen gleichlautenden Text mit dem Institut unter Ablehnung des Vorschlags der britischen Delegation, die den Staaten ein absolutes Hoheitsrecht im Luftraum über ihren Gebieten zusprechen w o l l t e 3 3 . Die International Law Association 34 dagegen beschloß auf ihrer Tagung in Madrid 1913 hinsichtlich der Frage nach der Rechtsnatur des Luftraums : "It is the right of every State to enact such prohibitions, restrictions and regulations as it may think proper in the regard of the passage of aircraft through the airspace above its territories and territorial waters. Subject to this right of subjacent States, liberty of passage of aircraft ought to be accorded freely to the aircraft of every nation." 3 5

30 Annuaire 1910, S. 298; 1911, S. 44; Fauchille , Traité de droit international public I (2) S. 604. 31

Annuaire 1911, S. 346.

32

Internationale rechts wissenschaftliche Organisation, die sich ausschließlich mit Luftrecht befaßte. Gegründet im Dezember 1909, Sitz in Paris, besaß verschiedene Landesgruppen, vgl. Meyer, Freiheit der Luft, S. 38; Fauchille, Le comité juridique international de l'aviation, International Law Association, 27th Report, Paris 1912, S. 239 ff; Henry-Couannier, Eléments créateurs du droit aérien, S. 17, 86; Roper , La convention internationale du 13 octobre 1919 portant réglementation de la navigation aérienne, S. 22, 117. 33

Compte rendu du 1er Congrès, S. 64.

34

1873 in Brüssel gegründete Vereinigung von Juristen und Persönlichkeiten mit Sitz in London und Landesgruppen in verschiedenen Ländern, die sich für die Entwicklung des Völkerrechts einsetzten, vgl. Meyer, Freiheit der Luft, S. 40. 35 International Law Association, 28th Report, Madrid 1913, S. 533, 545; s.a. schon 27th Report, Paris 1912, S. 213 ff.

26

I. Historische Entwicklung der "Luftfreiheit"

Diese Formulierung spricht zwar nicht ausdrücklich ein Bekenntnis zur Lufthoheitstheorie aus, sie läßt aber erkennen, daß diesem Prinzip zugestimmt wurde 3 6 . bb) Lufthoheitstheorie Die Lufthoheitstheorie erklärt den Luftraum als zugehörig zum Staatsgebiet des Bodenstaates, der die Rechtsordnung in seinem Luftraum bestimmt 3 7 . Als erster Vertreter dieser Theorie kann v. Holtzendorff gelten, der bereits 1887 erklärte, daß zum Landgebiet als "Pertinenz" der darüber befindliche Luftraum zu rechnen s e i 3 8 . V. Holtzendorff vertrat freilich eine in der Höhe beschränkte Lufthoheit bis zur Höhe von 1000 Metern. Die Lufthoheitstheorie wurde unterschiedlich begründet. Zwei Grundströmungen sind erkennbar: Zum einen diejenigen Vertreter, die die Lufthoheitstheorie mit der naturgesetzmäßigen Verbundenheit, "räumlicher Korrelation", von Erdgebiet und dem darüber befindlichen Luftraum, die zwangsläufig und herrschaftlich zusammengehörten, begründen, wodurch eine getrennte Behandlung ausgeschlossen s e i 3 9 . Die Zwangsläufigkeit der räumlichen Korrelation folge ihrerseits daraus, daß die Erde sich nicht als Fläche darstelle, sondern nur dreidimensional aufgefaßt werden könne, wie auch der Mensch ein 36 So auch Meyer , Freiheit der Luft, S. 72; Haupt , Der Luftraum, S. 46; Garner , La réglementation internationale de la navigation aérienne, Revue comparée 1923, 356 (361); Goedhuis , Le régime juridique de l'espace aérienne et le développement des lignes aérienne internationales, Revue comparée 1936, 350 (366); Slotemaker y Freedom of passage for international air services, S. 13; Giannini , La souveraineté des Etats sur l'espace aérien, Droit aérien 1931, 3. 37

Vgl. Haupt, Der Luftraum, S. 69 ff; Lycklama a Nijeholt, RILA 1910, 229 (230); Meurer, Luftschiffahrtsrecht, S. 8; Zitelmann, Luftschiffahrtrecht, S. 20 ff; F. de Visscher, ZLR Bd. 2 (1928), 4 (12 f). 38 39

v. Holtzendorff\

Handbuch des Völkerrechts II, S. 230.

Vgl. Böhmert, Die Luftseegrenze, ALR 1936, 99; Meurer, Luftschiffahrtsrecht, S. 20; Lycklama a Nijeholt, La souveraineté aérienne, RILA 1910, 229 (230); Eymess, Die Lufthoheit und ihre Beschränkungen unter besonderer Berücksichtigung der Freundschafts- und Bündnisverträge des Nahen Ostens, S. 40; vgl. a. Grünwald, Das Luftschiff, S. 31, 35, 61; Zitelmann, Luftschiffahrtrecht, S. 19 f; w.N. bei Haupt, Der Luftraum, S. 30 ff, der selbst jedoch der Ansicht ist, daß die Lufthoheit durch Herrschaftsausübung vom Boden aus erworben wird, S. 66 ff.

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dreidimensionales Wesen s e i 4 0 . Der Luftraum sei integrierender, wesentlicher Bestandteil, da ein Staat durch seine nationale Gesetzgebung Rechte am Luftraum nur vergeben könne, wenn er selbst die Hoheit daran in Anspruch nehme 41 . Die anderen Vertreter der Lufthoheitstheorie gingen von Fauchilles Argumenten aus und entkräfteten sie mit teils heute ungewollt komisch anmutenden Argumenten 4 2 . Der maßgeblichen Begründung der Luftfreiheitstheorie - eine negative - nämlich, daß eine Besitzergreifung der Luft (bzw. Herrschaftsausübung über die Luft), die mit dem Luft räum gleichzustellen sei, sich als unmöglich erweise, wurde entgegengesetzt, daß einerseits der Luft räum nicht dasselbe sei wie das Element L u f t 4 3 . Andererseits bedeute Staatsgebietshoheit eines Staates nicht sachenrechtliche Eigentumsherrschaft an einem Gebiet, sondern Herrschaft über Menschen im Staatsgebiet 44 . Als überwunden sah man denn auch schon früh die Objekttheorie an, die das Gebiet als Gegenstand eines "staatsrechtlichen Sachenrechts" begriff 4 5 . Ähnlich war es mit der 40

Zitelmann, Luftschiffahrtrecht, S. 19, 20.

41

Zitelmann, Luftschiffahrtrecht, S. 24, 25, m. H. a. § 905 BGB, Österr. BGB; Code Civil § 552; vgl. a. Spiropoulos, Der Luftraum, integrierender Bestandteil des Staatsgebiets, S. 116; zust. Meyer, Freiheit der Luft, S. 91, 92; vgl. a. Grünwald, Das Luftschiff, S. 31, der zu bedenken gibt, daß der Raum über einem Staate zu eng mit dem Grundstaate verbunden sei, als daß eine Trennung denkbar wäre. Allerdings will er in Analogie zu § 905 BGB dem internationalen Luftverkehr ein Recht zur Benutzung einräumen (S. 32). 42

Vgl. Meurer, Luftschiffahrtsrecht, S. 11, der die Beherrschbarkeit des Luftraums nach der Reichweite der "Steilschüsse" mit den "neuen Kruppschen BallonAbwehrkanonen" bemessen will und (S. 12) Westlake, Annuaire 1906, S. 298, zustimmt, der meinte, je höher man sich in die Luft erhebe, desto nachhaltiger wirke der Auswurf aus dem Ballon auf die Erde. 43

Zitelmann, Luftschiffahrtrecht, S. 14; Meyer, Freiheit der Luft, S. 79; Lycklama a Nijeholt, RILA 1910, 229 (242, 246). 44

Vgl. Giese, Gebiet und Gebietshoheit, in: Anschütz/Thoma, HdbDStR I, § 19, S. 225 ff; Meyer, Freiheit der Luft, S. 68 m. FN 4, S. 79; Riese, Luftrecht, S. 71. 45

Giese in: Anschütz/Thoma, HdbDStR I, S. 225; v. Gerber, Grundzüge des deutschen Staatsrechts, S. 65 ff; Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. I, S. 191 ff, 192; w. N. bei Radnitzky, Die rechtliche Natur des Staatsgebiets, AöR 1906 (Bd. 20), 313 ff und Henrich, Theorie des Staatsgebiets, S. 11 ff; G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 199 ff.

28

I. Historische Entwicklung der "Luftfreiheit"

Patrimonialtheorie, die dem Staat sein Gebiet als zivilistischem Obereigentümer zuordnete 4 6 . Entwickelt wurde in der Folge zunächst die Raumtheorie, die das Staatsgebiet als Ort der Entfaltung staatlicher Herrschaft über Personen ansah 4 7 und aus ihr die Kompetenztheorie, nach der das Staatsgebiet die örtliche Kompetenzsphäre der Staatsgewalt, der Geltungsraum der staatlichen Ordnung ist, in dem bzw. innerhalb dessen der Staat die Staatsgewalt (Gebietshoheit) ausübt 48 . Die Gebietshoheit ist daher danach kein selbständiger Ausschnitt der Staatsgewalt, sondern die Staatsgewalt unter dem Gesichtspunkt der räumlichen Ausdehnung 49 . Die heute noch herrschende sogenannte Herrschafts- und Kompetenztheorie besagt, daß das Staatsgebiet der räumliche Geltungsbereich ist, in dem das Imperium des Staates, die staatliche Herrschaft, sich entfalten kann 5 0 . Heute wird verstärkt darauf hingewiesen, daß letztlich nur eine Kombination der Raum- und Kompetenztheorie der Funktion des Staatsgebiets gerecht wird: Für den Staat sei "sein" Gebiet sowohl Kompetenzbereich wie auch Gegenstand und Grundlage seiner Herrschaft und notwendiges Element seiner Existenz 51 . Daraus folge, daß Staatsherrschaft nicht, wie das Eigentum, eine unmittelbare sachenrechtliche Besitzergreifung erfordere, sondern nur einen bestimmt umgrenzten Raum, innerhalb dessen der Staat seine Hoheitsrechte, seine Herrschaft, ausschließlich, "effektiv", ausübt 52 .

46

S. dazu Vitzthum, Staatsgebiet, in: Isensee/Kirchhof, HdbStR I, § 16 Rdn. 6 (S. 712 f); s.a. G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 199 ff. 47

Begründet von v. Fricker, Gebiet und Gebietshoheit, in: Festgaben für A. Schäffle, S. 3 ff; ders., Vom Staatsgebiet, S. 16 ff; ihm folgend G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 394 ff, 401, 404 ff. 48

Radnitzky, AöR 1906 (Bd. 20), 313 ff.

49

Stern, Staatsrecht I, § 7 I 3 (S. 235).

50

Stern, Staatsrecht I, § 7 I 3 (S. 235); Doehring, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, S. 101; Verdross /Simma, Universelles Völkerrecht, S. 520; Vitzthum in: Isensee/Kirchhof, HdbStR I, § 16 Rdn. 7 (S. 713). 51

Vogel, Staatsgebiet, in: Herzog/Kunst, EvStL, Sp. 3395; ihm folgend: Stern, Staatsrecht I, § 7 I 3 (S. 235 0; Vitzthum, in: Isensee/Kirchhof, HdbStR I, § 16 Rdn. 6 (S. 713); so auch schon Giese in: Anschütz/Thoma, HdbDStR I, S. 227. 52 Heimburger, Der Erwerb der Gebietshoheit, S. 95; Meyer, Erschließung des Luftraums, S. 20; ders., Freiheit der Luft, S. 79.

. Rechtliche Entwicklung n t i o n a l

29

Entschieden war damit freilich immer noch nicht die Frage, welcher Art die Mittel sein mußten, um eine effektive Beherrschung annehmen zu können. Als Parallele zum Seerecht wurde insbesondere die "Kanonenschußtheorie" vertreten, nach der die Herrschaft des Grundstaates soweit gehen sollte, als seine Steilschüsse reichen 5 3 . Andere griffen auf die Okkupation herrenloser (Erd-) Gebiete zurück, bei der es (nach Art. 34, 35 der Kongo-Akte vom 26.2.1885 5 4 ) darauf ankommt, daß der okkupierende Staat eine dauernde und tatsächliche Beherrschung durchsetzt, die zur Folge hat, daß seine Autorität überall wirksam werden kann 5 5 . Dabei hängen die Maßnahmen, die erforderlich sind, ein Gebiet effektiv zu beherrschen, von den im Einzelfall gegebenen Umständen des zu beherrschenden Gebietes ab (u.a. Bevölkerungsdichte, geographische Gegebenheiten)56. Entscheidend für die Annahme der Herrschaft eines Staates über ein Gebiet als dauernd und tatsächlich ist, daß die Herrschaft durch geschaffenen Einrichtungen so begründet ist, daß sie grundsätzlich ausreicht, einerseits das Gebiet gegen äußere Angriffe zu schützen und andererseits die Befolgung der von dem Staat für das zu beschützende Gebiet Rechtsakte durchzusetzen 57 . Hiervon ausgehend könnte eine Herrschaft über den Luftraum über Staatsgebieten anerkannt werden. So ist denn auch heute noch herrschende Ansicht, daß der Raum über dem Staatsgebiet hierzu bis zum Weltraum zählt 5 8 .

53

Vgl. Meurer, Luftschiffahrtsrecht, S. 11; Hilty, AöR 1905 (Bd. 19), 87 (92).

54

Generalakte der Berliner Konferenz vom 26.2.1885, abgedr. deutsch bei: v. Liszt , Völkerrecht, S. 393 ff. 55 Voigt, Rechtsbeziehungen, S. 13; Meyer, Freiheit der Luft, S. 79; vgl. dazu auch: Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, Bd. 1, S. 368; Verdross /Simma, Universelles Völkerrecht, S. 521, 561 ff; aus der alten Literatur: Bluntschli, Das moderne Völkerrecht der civilisierten Staaten, Anm. zu Art. 281, S. 171; v. Holtzendorff, Handbuch des Völkerrechts II, S. 263; v. Liszt /Fleischmann, Völkerrecht, S. 159; Verdross , Völkerrecht, S. 126. 56

Vgl. Meyer, Freiheit der Luft, S. 80; Haupt, Der Luftraum, S. 70.

57

Haupt, Der Luftraum, S. 70; v. Liszt-Fleischmann , Völkerrecht, S. 159; Meyer, Freiheit der Luft, S. 81. 58

Vitzthum in: Isensee/Kirchhof, HdbStR I, § 16 Rdn. 9 (S. 714); Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnormen, S. 60; Rudolf\ Territoriale Grenzen der staatlichen Rechtsetzung, S. 17 ff; Kegel/Seidl-Hohenveldern, Zum Territorialitätsprinzip im internationalen öffentlichen Recht, in: Festschrift für M . Ferid, S. 233 f.

30

I. Historische Entwicklung der "Luftfreiheit"

Schließlich wandten sich die Vertreter der Lufthoheitstheorie gegen das Argument der Luftfreiheitstheorie, die Begrenzung des einzelstaatlichen Machtbereichs sei unmöglich 5 9 . Die Staatsgrenzen im Luftraum seien allerdings nur als gedachte vertikale Flächen oberhalb der Staatsgrenzen auf der Erdoberfläche vorstellbar. Körperlich sichtbare Grenzen seien auch nicht erforderlich, da es genüge, wenn die Grenzen bestimmbar seien. Dies sei aber dadurch gegeben, daß sich der Luft räum (im Unterschied zu den LuiXmasseri) unveränderlich über dem Gebiet eines Staates befinde 60 . Endlich widerlegte man auch die von Luftfreiheitsvertretern angeführte Analogie zwischen Meer und Luft, die - so einer ihrer Anhänger 61 - schon verstandesmäßig gegeben sei. Eingewandt wurde hiergegen, daß eine analoge Behandlung des Luftraums mit dem Meer aus den verschiedensten Gründen nicht passe, wenn auch beides "unendliche Räume mit ständig fluktuierendem Inhalt" 6 2 und Medium eines internationalen Verkehrs mit besonderen Fahrzeugen seien 6 3 . Außer acht gelassen seien bei dieser Analogie insbesondere die grundverschiedenen Beziehungen zwischen den Staaten und dem Luftraum und dem offenen Meer. Während das Meer horizontal neben den Staatsgebieten liege, erstrecke sich der Luftraum vertikal darüber, weswegen eine Einwirkung auf den Grundstaat aus der Luft - und aus jeder Höhe - möglich sei, vom Meer aus mit zunehmender Entfernung von der Küste (hohe See) jedoch nicht. Zum anderen sei das Meer keine Existenzbedingung für einen Staat, während er ohne Luftraum jedoch nicht denkbar s e i 6 4 .

59 Meyer, Freiheit der Luft, S. 81; Lycklama a Nijeholt, RILA 1910, 229 (246); Warschauer, Luftrecht, S. 24 ff, 34, gegen Zitelmann, Luftschiffahrtrecht, S. 13 ff, S. 22 ff. 60

Meyer, Freiheit der Luft, S. 81; Haupt, Der Luftraum, S. 29, Zitelmann, Luftschiffahrtrecht, S. 13 ff. 61

Hitiy, AöR 1905 (Bd. 19), 87 (88).

62

Warschauer,

63

Vgl. Grünwald,

Luftrecht, S. 24. Das Luftschiff, S. 11 ff, 25 ff; Schroeder, Der Luftflug,

S. 51. 64 Grünwald, Das Luftschiff, S. 28, 31; Zitelmann, Luftschiffahrtrecht, S. 22; Meyer, Freiheit der Luft, S. 82.

. Rechtliche Entwicklung

ntional

31

Das von einigen Luftfreiheitstheorievertretern proklamierte "droit de conservation" 6 5 fand bei den Vertretern der Lufthoheitstheorie ebenfalls keine Anerkennung. Bemängelt wurde die Unschärfe des Begriffs 6 6 , seine Qualität als "schwer verständliches Ding" 6 7 und als zweifelhafter und praktisch schwer zu umschreibender Notbehelf 6 8 , der zudem nichts anderes sei als die Wiederaufhebung des Grundsatzes der Luftfreiheit, die Verleugnung eines selbstgeschaffenen Prinzips, das doch nur ein "verschämtes Souveränitätsrecht" s e i 6 9 , da die rechtliche Grundlage eines Selbsterhaltungsrechts nur in einer den Staaten über ihren Gebieten zustehenden Staatsgewalt gefunden werden könne 7 0 . Ebenso wurde die Zonentheorie 71 verworfen, da sie - in welcher Ausprägung auch immer - keinen praktisch geeigneten, einhaltbaren und dauerhaft anwendbaren Maßstab zu setzen imstande w a r 7 2 . 65

Fauchille, RGIP 1901 (Bd. 8), 414 (427 ff); Meili, Das Luftschiff im internen Recht und Völkerrecht, S. 48; Institut de droit international, Annuaire 1906, S. 293 ff, 305. 66

Zitelmann, Luftschiffahrtrecht, S. 20.

67

Meurer, Luftschiffahrtsrecht, S. 8.

68

Haupt, Der Luftraum, S. 16.

69

Meurer, Luftschiffahrts recht, S. 8.

7 0 Meyer, Freiheit der Luft, S. 83; ders., Erschließung des Luftraums, S. 24; Grote, Beiträge zum Recht der Luftschiffahrt, S. 25. 71 Vgl. als Vertreter der Zonentheorie: v. Holtzendorff\ Handbuch des Völkerrechts II, S. 230; v. Bar, Lehrbuch des internationalen Privat- und Strafrechts, S. 338; ders. y Theorie und Praxis des internationalen Privatrechts, Bd. 2, S. 629 FN 16, die den Staaten Gebietshoheit bis zu einer bestimmten Höhe zugestehen wollten (1000 Meter v. Holtzendorff; 50 - 60 Meter v. Bar y Annuaire 1906, S. 304); Bluntschli, Das moderne Völkerrecht der civilisierten Staaten, § 632 a, nahm die Gebietshoheit über den Luftraum soweit an, als er von der Erde aus mit staatlichen Machtmitteln (portée des canons) beherrscht werden könne; Rivier y Lehrbuch des Völkerrechts, § 14 II (S. 131): Schußweite der Handfeuergewehre; Hilty, AöR 1905 (Bd. 19), S. 87 (92): Kanonenschußweite; Rolland, La télégraphie sans fil et le droit des gens, RGIP 1906 (Bd. 13), S. 58 ff, 65 ff, wollte die Lufthoheit auf 330 Meter, die Höhe des Eiffelturms, des damals höchsten Gebäudes der Welt, begrenzen; Mérighnac y Traité de droit public international, Bd. 2, S. 398, trat für eine Dreiteilung analog zu den Eigengewässern, Küstengewässern und freiem Meer ein und unterschied zwischen einer Erdzone bis zur Eiffelturmhöhe, einer atmosphère territoriale, in der Luftfahrzeuge nach Maßgabe eines Rechts auf unschädlichen Durchflug verkehren dürfen, in der aber der Bodenstaat gewisse, dem Recht am Küstenmeer analoge Kompetenzen

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I. Historische Entwicklung der "Luftfreiheit"

b) Staatenpraxis und Völkervertragsrecht Auch in der Praxis der Staaten setzte sich die Lufthoheitstheorie nach anfänglichen Unsicherheiten durch. aa) Entwicklung bis zum Ende des 1. Weltkrieges Die erste diplomatische internationale Luftfahrtkonferenz von Paris vom 18. Mai bis zum 28. Juni 1910, an der 18 Staaten teilnahmen, verlief allerdings ergebnislos, da man sich nicht über die grundsätzliche Frage der Beziehung des Luftraums zum Staatsgebiet einigen konnte 7 3 . England ging danach seinen eigenen Weg und erließ die Aerial Navigation Acts von 1911 und 1913 7 4 , mit denen umfangreiche Teile der englischen Küste für den Luftverkehr gesperrt wurden, so daß dadurch eine Überfliegung der Küste unmöglich wurde. Rußland verbot durch Ministerratsbeschluß vom 16.12.1912 7 5 das Überfliegen seiner Westgrenze. Deutschland und Frankreich schlossen durch Briefaustausch am 26.7.1913 des Französischen Botschafters in Berlin und des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes in Berlin das deutschhat und einer dritten, freien Zone. Vgl. a. Grote, Beiträge zum Recht der Luftschiffahrt, S. 21 und Adler, Die Spionage, S. 80 f, die dem Grundstaat gewisse Rechte über den Luftraum einräumen, die aus einer räumlich begrenzten Gebietshoheit fließen und soweit reichen sollen, als eine tatsächliche Beherrschungsmöglichkeit vorhanden ist. 72

Zitebnann, Luftschiffahrtrecht, S. 21, wandte ein, daß die Schweiz dann viel besser als Dänemark abschnitte; Hazeltine, The Law of the Air, S. 49, spottete, was werden solle, wenn der Eiffelturm umfiele oder ein höheres Bauwerk errichtet werde; s.a. Meurer, Luftschiffahrtsrecht, S. 12; Grünwald, Das Luftschiff, S. 34 f., nach dem z. B. die durch das Herabwerfen von Gegenständen verursachte Gefahr mit der Höhe, in der sich das Luftfahrzeug befindet, eher größer wird; Meyer, Erschließung des Luftraums, S. 16, gab u.a. zu bedenken, daß mit dem Fortschritt der (Waffen-) Technik sich die Grenzen ständig verschieben würden und auf die Schwierigkeit hinsichtlich der Höhenbestimmung hinwies (S. 15); ders., Freiheit der Luft, S. 85, bemerkt, daß es keine Höhe im Luftraum über einem Staatsgebiet gibt, aus der es nicht möglich wäre, dem darunter befindlichen Staat Schaden zuzufügen. 73 Vgl. La conférence de Paris sur la navigation aérienne, RILA 1910, 144 ff; Haupt y Der Luftraum, S. 120 ff; Voigt, Rechtsbeziehungen, S. 19. 74 Abgedruckt in: Gesetze betr. die Luftfahrt - zusammengestellt von der juristischen Kommission des Aero-Klubs von Deutschland, 1919, I, S. 115. 75

Abgedruckt in: Gesetze betr. die Luftfahrt, I, S. 153.

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französische Abkommen über den Luftverkehr 1913 7 6 , in dem aber nach überwiegender Ansicht in der Literatur keine Entscheidung für die eine oder andere Theorie getroffen wurde 7 7 . Den Durchbruch der Lufthoheitstheorie brachte der 1. Weltkrieg 1914 - 1918, in dem die Staaten - sowohl die kriegführenden als auch die neutralen - sich einhellig auf den Standpunkt stellten, daß der Luftraum über ihren Gebieten räumlich und sachlich unbeschränkt ihrer Staatshoheit unterstehe. Bereits am 4.8.1914 (am 28.7.1914 hatte Österreich Serbien nach der Ermordung des Kronprinzen Franz Ferdinand am 28.6.1914 in Sarajewo, am 1.8.1914 Deutschland Rußland, am 3.8.1914 Deutschland Frankreich und am 4.8.1914 England Deutschland den Krieg erklärt) verbot die Schweiz durch Verordnung (Ziff. 17 b) "das Eindringen von Luftfahrzeugen ... vom Auslande her in unseren Luftraum" 7 8 und protestierte dementsprechend bei der britischen Regierung gegen die im November 1914 erfolgte Überfliegung schweizerischen Gebiets durch englische und französische Flieger. Auch Holland verbot durch Erlaß vom 4.8.1914 das Überfliegen holländischen Gebiets 79 . Es folgten Schweden mit Verordnung vom 23.1.1916 8 0 und die USA mit einer Proklamation vom 13.11.1914, mit der sie die Überfliegung des Panamakanals durch Luftfahrzeuge der kriegführenden Staaten verboten. Norwegen und Dänemark erließen zwar keine ausdrücklichen Verbote, gaben aber in einzelnen Fällen, wenn die Überfliegung ihres Gebietes erfolgte, Warnschüsse ab81.

76

RGBl. 1913, S. 601.

77

Meyer, Freiheit der Luft, S. 73; Haupt, Der Luftraum, S. 127; Spiropoulos, Der Luftraum, integrierender Teil des Staatsgebiets, S. 54; C. de Visscher, Le droit international des communications, S. 137; Eymess, Die Lufthoheit und ihre Beschränkungen, S. 88; a.A. Fauchille, Traité de droit international public I (2), S. 613, der meint, dem Abkommen habe die Lufthoheitstheorie zugrunde gelegen. 78 Zoller, Das Völkerrecht und der Krieg 1914/15, S. 33; Spiropoulos, Der Luftraum, integrierender Teil des Staatsgebiets, S. 73. 7 9

Volkmann, Internationales Luftrecht, S. 49.

80

Volkmann, Internationales Luftrecht, S. 49.

81

Volkmann , Internationales Luftrecht, S. 50; Rolland , Les pratiques de la guerre aérienne dans le conflit de 1914 et le droit des gens, RGIP 1916 (Bd. 23), 497 (575). 3 Lübben

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I. Historische Entwicklung der "Luftfreiheit"

bb) Multilaterale Abkommen nach dem 1. Weltkrieg Durch die multilateralen Abkommen nach dem 1. Weltkrieg fiel völkervertragsrechtlich die endgültige Entscheidung zugunsten der vollständigen und ausschließlichen Hoheitsgewalt der Staaten im Luftraum über ihren Gebieten für die Friedenszeit. Durch die Anerkennung der Lufthoheit wurde in ihnen festgeschrieben, daß der Luftraum über dem Staatsgebiet nicht "frei" im Sinne eines staatenlosen Gebildes war. Dadurch wurde aber nicht ausgeschlossen, daß der Luft verkehr dennoch freigestellt werden kann - etwa durch einen allgemein anerkannten Satz des Völkerrechts oder durch einen (partiellen) Verzicht der Staaten auf ihre Souveränität in Bezug auf den Luftraum. Ein allgemeiner, gewohnheitsrechtlich anerkannter Satz des Völkerrechts, der den Luftfahrzeugen ein Recht auf umfassende oder teilweise Luftverkehrsfreiheit einräumt, ist jedoch nie anerkannt worden 8 2 . Hingegen haben sich die Staaten in den völkerrechtlichen Verträgen gegenseitig verpflichtet, in gewissen Grenzen Luftverkehrsfreiheit einzuräumen und haben insoweit auf ihre Souveränitätsrechte verzichtet. (1) Cina-Abkommen Das Pariser Luftverkehrsabkommen vom 13.10.1919 (Convention portant Réglementation de la Navigation Aérienne, abgekürzt: "CinaAbkommen", so genannt nach der durch das Abkommen ins Leben gerufenen Commission internationale de navigation aérienne 8 3 ) erlangte erhebliche Bedeutung 84 . Deutschland, Ungarn und Rußland blieben 82 Wenngleich es auch Befürworter eines sogenannten Grundrechts (der Staaten) auf unschädlichen Luftverkehr gegeben hat, vgl. Haupt, Der Luftraum, S. 84; Oppikofer, Die aktuellen Probleme des Luftrechts, ZSR 1946, 146 a (174 a); Wolters, Luftverkehrsrecht, S. 61; s.a. Riese, Luftrecht, S. 88; Meyer, Freiheit der Luft, S. 117 f; Bentzien, Der unerlaubte Einflug, S. 9 ff; s. allgemein zu der Problematik eines Grundrechts der Staaten auf Verkehr: Wengler, Völkerrecht, Band II, S. 1038 ff. 83

Vgl. Schleicher/Reymann/Abraham I, S. 14; Meyer, Freiheit der Luft, S. 24 f.; Abdruck der Konvention bei Meyer, Freiheit der Luft, S. 272 ff unter Berücksichtigung der bis zum 1.6.1935 beschlossenen Änderungen; Deutsche Übersetzung einer älteren Fassung bei Wegerdt y Deutsche Luftfahrtgesetzgebung, S. 610 ff. 84

Signatarstaaten waren: Australien, Belgien, Brasilien, China, Ecuador, Frankreich, Großbritannien u. Nordirland nebst Dominions, Griechenland, Guatemala, Indien, Irland, Italien, Japan, Jugoslawien, Kanada, Kuba, Liberia, Neuseeland, Nicaragua, Peru, Polen, Portugal, Rumänien, Siam, Tschechoslowakei,

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dem Cina-Abkommen fern. Vor allem für Deutschland war der Beitritt wegen der diskriminierenden Artikel 5, 34, 41, 42, und dies in Verbindung mit den Art. 313 ff Versailler Vertrag, unmöglich 8 5 . Art. 1 des Cina-Abkommen bestimmte, daß jeder Staat die vollständige und ausschließliche Staatsgewalt im Luftraum über seinem Gebiet hatte: "Les Hautes Parties Contractantes reconnaissent que chaque Puissance a la souveraineté complète et exclusive sur l'espace atmosphérique audessus de son territoire." 8 6

Damit wurde im Sinne einer unbeschränkten Souveränitätstheorie festgelegt, daß die Zulassung des internationalen Luftverkehrs allein in der Hand des Bodenstaates l a g 8 7 . Mit dieser Regelung hatte die Lufthoheitstheorie in das Völkervertragsrecht Eingang gefunden. Überdies bedeutete die Verwendung des Begriffs "reconnaissent", daß die Staaten das Prinzip der Lufthoheit auch unabhängig von dem Pariser Luftverkehrsabkommen als allgemeine Völkerrechtsnorm anerkannten. Nach Art. 1 des Abkommens hatte "jeder Staat" die Lufthoheit, also selbst dann, wenn er nicht Vertragsstaat des Cina-Abkommens w a r 8 8 . In Art. 2 Cina-Abkommen beschränkten jedoch die Vertragsstaaten ihr Souveränitätsrecht: darin wurde die Verpflichtung jedes Vertragsstaates festgelegt, den Luftfahrzeugen der anderen Vertragsstaaten in Union Südafrika, Uruguay, USA. Folgende Signatarstaaten haben das Abkommen nicht ratifiziert: Brasilien, China, Ecuador, Guatemala, Kuba, Liberia, Nicaragua, USA; folgende Signatarstaaten sind später ausgetreten: Bolivien, Panama. Später traten bei: Argentinien, Bulgarien, Chile (1926), Dänemark (1927), Estland, Finnland, Irak, Iran (1922), Lettland, Niederlande (1928), Norwegen (1931), Schweden (1927), Schweiz (1934), Spanien (1935), von denen aber Chile und Iran wieder austraten. Österreich trat mit Wirkung zum 1.6.1937 bei; dies wurde aber durch die Vereinigung mit Deutschland wieder hinfällig, vgl. Bulletin officiel de la Commission internationale de navigation aérienne, Nr. 26, Dezember 1938, S. 114. 85

Meyer, Freiheit der Luft, S. 48 f.

86

Übers.: "Die Hohen Vertragschließenden Parteien erkennen an, daß jede Macht (oder: jeder Staat) die volle und ausschließliche Hoheitsgewalt über den Luftraum über seinem Gebiet hat." 87

So auch Voigt, Rechtsbeziehungen, S. 24.

88

Bentzien, Der unerlaubte Einflug, S. 6 f.

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I. Historische Entwicklung der "Luftfreiheit"

Friedenszeiten, sofern sie die festgelegten Bedingungen beachteten, das Recht zum unschädlichen Durchflug (liberté de passage inoffensif) über seinem Gebiet zu gewähren. Ob unter dieses Recht auf das Recht zu Landungen umfassen sollte, war nach dem Wortlaut des Abkommens nicht ersichtlich, wurde aber überwiegend bejaht 8 9 . Das Durchflugsrecht war nach dem Cina-Abkommen selbst durch verschiedene Regelungen beschränkt: Es galt weder für die im planmäßigen internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeuge (Art. 15 Abs. 4 Cina-Abkommen) noch für Militär-, Zoll- und Polizeiluftfahrzeuge, für deren Einflug jeweils eine besondere Genehmigung oder Vereinbarung erforderlich war (Art. 32, 33 Cina-Abkommen). Danach hätte das freie Durchflugsrecht den Luftfahrzeugen des Gelegenheitsverkehrs - gewerbliche nichtlinienmäßige Flüge und Allgemeine Luftfahrt - zustehen müssen. Tatsächlich wurde aber der gewerbliche Gelegenheitsverkehr vielfach dem Linienverkehr gleichbehandelt, d.h., es wurden Genehmigungen zum Ein- und Durchflug verlangt 9 0 . Art. 16 Cina-Abkommen regelte einen allgemeinen Kabotage-Vorbehalt. Jeder Staat konnte danach Beförderungen von Passagieren und Fracht eines Luftfahrzeugs eines anderen Staates zwischen zwei Orten auf seinem Gebiet zugunsten der heimischen Luftfahrzeuge untersag e n 9 1 . Schließlich konnte nach Art. 3 Cina-Abkommen jeder Vertragsstaat aus militärischen oder aus Sicherheitsgründen bestimmte Teile seines Gebietes für den Überflug sperren. Unter außergewöhnlichen Umständen galt dies sogar für das gesamte Staatsgebiet, sofern das Verbot unterschiedslos gegenüber allen anderen Staaten angewandt wurde (Art. 3 Abs. 4 Cina-Abkommen).

89

Riese y Luitrecht, S. 90; Meyer, Freiheit der Luft, S. 144; Haupty Der Luftraum, S. 97 ff, der die Frage unter dem Gesichtspunkt des von ihm anerkannten allgemeinen Völkerrechtssatz "Recht auf Luftverkehr" bejaht. 90 91

Riese, Luftrecht, S. 91 m. FN 8; Bentzien y Der unerlaubte Einflug, S. 49.

Der Kabotage-Vorbehalt war ursprünglich auf gewerbsmäßige Beförderungen beschränkt, in der von der C.l.N.A. im Brüsseler Protokoll auf der 23. Session vom 1.6.1935 beschlossenen Änderung wurde das Wort "commerciaux" gestrichen. Die Änderung trat aber nicht mehr in Kraft, vgl. Meyer, Freiheit der Luft, S. 51.

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Weitere Einschränkungen ergaben sich aus den Verpflichtungen, bestimmten vorgeschriebenen Routen, "Luftstraßen", zu folgen (Art. 15 Abs. 1 S. 2 Cina-Abkommen), auf Aufforderung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit zu landen (Art. 15 Abs. 1 S. 3 Cina-Abkommen), bestimmte Einflugzonen einzuhalten (Anhang H Cina-Abkommen, Art. 4 Abs. 1), nur auf den festgelegten Flugplätzen zu landen (Art. 15 Abs. 3 Cina-Abkommen) sowie aus dem Zollflugplatzzwang (Anhang H Cina-Abkommen, Art. 3). Die Luftverkehrsfreiheit nach dem CinaAbkommen war also recht begrenzt. (2) Ciana-Abkommen Dem Cina-Abkommen folgte das ibero-amerikanische Luftverkehrsabkommen (Convenio ibero-americano de navigaciön aérea, abgekürzt: Ciana-Abkommen) auf Anregung Spaniens, gezeichnet in Madrid am 1.11.1926 91 . Das Ciana-Abkommen ist dem CinaAbkommen nachgebildet worden und stimmt weitgehend wörtlich damit überein. Es vermied jedoch die Diskriminierungen des CinaAbkommens, indem die diskriminierenden Artikel entsprechend anders gefaßt wurden und von dem Grundsatz der Gleichberechtigung der Staaten ausgingen. Das Ciana-Abkommen hat wenig praktische Bedeutung erlangt, da es nur von 7 Staaten ratifiziert wurde 9 3 . (3) Panamerikanisches Abkommen Das Panamerikanische Abkommen betreffend die Handelsluftfahrt (Pan-American Convention on Commercial Aviation, auch als Ha-

92 Gezeichnet von: Spanien, Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Dominikanische Republik, Ecuador, Guatemala, Honduras, Kolumbien, Kuba, Mexiko, Nicaragua, Panama, Paraguay, Peru, Portugal, San Salvador, Uruguay, Venezuela; ratifiziert wurde es aber nur von Spanien, Costa Rica, Dominikanische Republik, Mexiko, Paraguay - vgl. ALR 1935, S. 37, abgedr. in deutscher Übersetzung in Nachrichten für Luftfahrer (NfL) 1928, S. 482 ff. 93

Vgl. Schleicher /Key mann/Abraham I, S. 14; s.a. Meyer, Freiheit der Luft, S. 57, 58; s. Riese, Luftrecht, S. 89 FN 4 zu der Frage, ob nach dem Ciana-Abkommen der Betrieb internationaler Luftverkehrslinien von einer Genehmigung abhängig war oder ob lediglich die Einhaltung bestimmter Luftstraßen vorgeschrieben wurde (so Meyer, Freiheit der Luft, S. 154).

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I. Historische Entwicklung der "Luftfreiheit"

vanna-Abkommen bezeichnet) vom 28.2.1928 9 4 entstand unter Führung der USA, die das Cina-Abkommen nicht ratifiziert hatten. Auch das Panamerikanische Abkommen geht von dem Grundsatz der umfassenden Lufthoheit aus (Art. 1 Panamerikanisches Abkommen) und schränkt diesen ebenfalls zugunsten einer "freedom of innocent passage" ein (Art. 4 Panamerikanisches Abkommen). Die Geltung des Rechts auf unschädlichen Durchflug ist nach dem Panamerikanischen Abkommen gegenüber dem Cina-Abkommen weiter gefaßt: Es gilt nicht nur für den Gelegenheitsverkehr (kommerziell und nichtkommerziell), sondern zudem für den Linienluftverkehr, wie aus dem Fehlen einer dem Art. 15 Abs. 4 Cina-Abkommen entsprechenden Bestimmung zu schließen w a r 9 5 . Darüber war der kommerzielle Luftverkehr weitgehend liberalisiert: dem internationalen kommerziellen Luftverkehr der Vertragsstaaten räumte das Panamerikanische Abkommen das Recht ein, Passagiere und Teile der Fracht aus ausgewiesenen Flughäfen anderer Vertragsstaaten abzusetzen sowie nach dem Weiterflug und der Landung auf einem anderen Flughafen des betroffenen Landes die verbliebenen Passagiere abzusetzen und Fracht aufzunehmen, die für ein anderes Land bestimmt war (Art. 21 Pan-Am-Abkommen). Im übrigen unterlagen diese Rechte aber ähnlichen Einschränkungen wie nach dem Cina-Abkommen: Ausweisung von Sperrgebieten (Art. 5 S. 1 Pan-Am-Abkommen), Zollflugplatzzwang (Art. 18 Abs. 1 Pan-Am-Abkommen), Landepflicht auf Aufforderung (Art. 18 Abs. 4 Pan-Am-Abkommen) und Benutzung vorgeschriebener Luftstraßen (Art. 5 S. 2 Pan-Am-Abkommen).

94

Abgedr. auf englisch in: American journal of international law (A.J.) 1928, "Official documents", S. 124 ff und bei Meyer, Freiheit der Luft, S. 283 ff; deutsche Übersetzung in: NfL 1933, S. 432 ff; Signatarstaaten waren: Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Dominikanische Republik, Ecuador, Guatemala, Haiti, Honduras, Kolumbien, Kuba, Mexiko, Nicaragua, Panama, Paraguay, Peru, Salvador, Uruguay, USA, Venezuela; ratifiziert hatten es nur Chile, Costa Rica, Dominikanische Republik, Ecuador, Guatemala, Haiti, Honduras, Mexiko, Nicaragua, Panama, USA. Das Ziel eines umfassenden panamerikanischen Abkommens wurde daher nicht erreicht, zumal die großen Flächenstaaten Kanada, Brasilien und Argentinien fernblieben. 95

Meyer, Freiheit der Luft, S. 154; Slotemaker, Freedom of passage for international air services, S. 32.

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cc) Abkommen von Chicago gegen Ende des 2. Weltkriegs Gegen Ende des 2. Weltkriegs wurde am 7.12.1944 das Abkommen von Chicago (Chicagoer Abkommen oder ICAO-Abkommen, Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt - International Civil Aviation Organization 96 ) geschlossen. Mit Art. 1 des IC AO-Abkommens, der lautet: "The Contracting States recognize that every State has complete and exclusive sovereignty over the airspace above its territory" 9 7

bekannte es sich zum Prinzip der Lufthoheit. Auch das ICAO-Abkommen machte mit der Formulierung "jeder Staat" das Bestehen der Lufthoheit über einem Staat nicht von seiner Mitgliedschaft beim Abkommen abhängig, sondern erkannte sie für jeden Staat an. Das ICAO-Abkommen hat heute mit 158 Mitgliedstaaten universelle Geltung 9 8 . Die Bundesrepublik trat ihm mit Wirkung zum 8.6.1956 b e i 9 9 . Das Chicagoer Abkommen trat an die Stelle des Cina- und des Panamerikanischen Abkommens 1 0 °.

96

Abgedr. BGBl. 1956 II S. 411; engl. Originalfassung nebst amtl. deutscher Übersetzung bei Meyer, Internationale Luftfahrtabkommen, Bd. III, S. 14 ff; s.a. Schleicher /Key mann/Abraham I, S. 22 ff; vgl. auch das Protokoll über den verbindlichen dreisprachigen Wortlaut des Abkommen vom 7.12.1944 in: BGBl. 1971 II, S. 984. Zur besseren Unterscheidung zu den anderen in Chicago geschlossenen Vereinbarungen wird hier der Ausdruck ICAO-Abkommen verwandt. 97 Übers.: "Die vertragschließenden Staaten erkennen an, daß jeder Staat die volle und ausschließliche Hoheitsgewalt über den Luftraum über seinem Gebiet hat". 98 Am 31.12.1991 waren es 158 Mitgliedstaaten, vgl. BGBl. Teil II, Fundstellennachweis B, Stand: 31.12.1991, S. 211 f; nach der Auflösung der Sowjetunion, die Mitglied des IC AO-Abkommens war und Bildung unabhängiger Staaten aus den ehemaligen Sowjetrepubliken (ehemals 13), u.a. die drei baltischen Staaten Estland, Lettland, Litauen, dürften es inzwischen mehr Mitgliedstaaten sein. 99

Bek. vom 12.10.1956, BGBl. II S. 934. Seit dem 2.5.1990 war auch die DDR Mitglied, vgl. BGBl. II S. 515. 100

Das Ciana-Abkommen wurde nicht ausdrücklich genannt, vgl. a. Art. 80 ICAO-Abkommen. Faktisch wurde aber auch das Ciana-Abkommen durch das ICAOAbkommen ersetzt, vgl. Bentzien, Der unerlaubte Einflug, S. 7 m. FN 10.

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I. Historische Entwicklung der "Luftfreiheit"

(1) Die Chicagoer Freiheiten der Luft Nicht die Ausweitung der Verbotsmöglichkeiten der Vertragsstaaten im Hinblick auf ihren Luftraum war jedoch Ziel der USA bei ihrer Einladung zu der Chicagoer Konferenz gewesen, sondern die Eröffnung der Freiheit der L u f t 1 0 1 . Die USA hatten zur Versorgung ihrer Truppen in Europa, Asien und Australien ein weltumspannendes Lufttransportsystem errichtet, das sich leicht in ein ziviles umwandeln ließ und zudem einer Verwendung nach dem Krieg bedurfte. Die USA hatten deshalb ein massives Interesse an freien Überflug- und Landungsrechten in aller Welt, uneingeschränktem Wettbewerb - wegen ihrer weltweit materiellen Überlegenheit brauchten sie keinen Wettbewerb zu fürchten - und Ausschluß jeder politischen Einmischung in den Luftverkehrsbetrieb der Nachkriegszeit. Die Ziele, möglichst vollständige Luftverkehrsfreiheit auch für den planmäßigen Linienluftverkehr zu schaffen 1 0 2 und die angestrebte internationale Luftfahrtbehörde nur mit konsultativen Kompetenzen auf technischem Gebiet auszustatten, ließen sich aber nicht durchsetzen. Insbesondere Großbritannien, das einerseits allein durch Verbindung seiner Kolonien unter Ausschluß der Konkurrenz ausländischer Luftfahrtunternehmen ein nahezu weltweites Luftverkehrsnetz hätte aufbauen können, andererseits aber während des Krieges zugunsten von Kampfflugzeugen den Bau und die Entwicklung von Transportflugzeugen vernachlässigt hatte, wollte die Cina-Regelung beibehalten, nach der Linienverkehr von der Erlaubnis jedes anzufliegenden Staates abhängig ist (Art. 15 Abs. 4 Cina-Abkommen). Außerdem wollte es die internationale Luftfahrtbehörde zum Schutz der wirtschaftlich weniger leistungsfähigen Staaten vor übermächtiger (amerikanischer) Konkurrenz mit weitgehender wirtschaftlicher Lenkungsbefugnis ausstatten 103 . Um ein angesichts der unüberbrückbaren divergierenden Interessen drohendes Scheitern

101 Eigentlich Freiheit des Luftverkehrs, zur Begriffsbildung s. Meyer, Freiheit der Luft, S. 13; ders., Internationale Luftfahrtabkommen, Bd. I, S. 20; Riese, Luftrecht, S. 88.

102 Ygj 103

sc

h o n Jas Panamerikanische Abkommen, s.o. S. 37.

Meyer, Der Kampf um die Freiheit der Luft, Flugwehr und Technik 1945, 20, abgedr. in: ders., Luftrecht in fünf Jahrzehnten, S. 239 (242); ders., Internationale Luftfahrtabkommen, Bd. I, S. 22; Riese, Luftrecht, S. 129 f.

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der Konferenz zu vermeiden, fand man den Ausweg, die strittige Luftverkehrsfreiheit in fünf einzelne Rechte, die "fünf Freiheiten der Luft", aufzuspalten und diese auf drei völkerrechtliche Verträge zu verteilen. Im einzelnen sind die fünf Freiheiten der Luft von Chicago: 1. Freiheit:

Das Recht zum freien Überflug ohne Landung.

2. Freiheit:

Das Recht zu "technischen Landungen", d.h. zu Landungen zu nichtkommerziellen Zwecken (z.B. Tanken, Notlandungen, Reparaturen) 104 .

3. Freiheit:

Das Recht, Passagiere, Fracht und Post vom Heimatstaat des Luftfahrzeugs in einen anderen Vertragsstaat zu befördern und dort abzusetzen.

4. Freiheit:

Das Recht, Passagiere, Fracht und Post im anderen Vertragsstaat aufzunehmen und in den Heimatstaat des Luftfahrzeugs zu befördern.

5. Freiheit:

Das Recht, Passagiere, Fracht und Post zwischen dem anderen Vertragsstaat und dritten Vertragsstaaten zu befördern 1 0 5 .

Die zur Zeichnung ausgelegten drei Verträge der Chicagoer Konferenz waren: das (grundlegende) Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt (Convention on international civil aviation, ICAO-Abkommen)

104 V g l Definition in Art. 96 (d): "Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck Landung zu nicht gewerblichen Zwecken eine Landung zu jedem anderen Zweck als zum Aufnehmen oder Absetzen von Fluggästen, Fracht oder Post." 105

Die ersten beiden Freiheiten werden technische Freiheiten genannt, die 3., 4. und 5. Freiheit gewerbliche oder kommerzielle Freiheiten, vgl. Schwenk, Handbuch des Luftverkehrsrechts, S. 359. Neben den international üblichen 5 Freiheiten werden noch weitere (gewerbliche) Freiheiten unterschieden, die sich z.T. als Mischformen der 5 Freiheiten darstellen, s. dazu im einzelnen Giemulla in: Giemulla/Schmid, Europäisches Luftverkehrsrecht, Einführung Rdn. 4.

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I. Historische Entwicklung der "Luftfreiheit"

-

die Vereinbarung über den Durchflug im internationalen Luftlinienverkehr (International Air Services Transit Agreement, sogenannte Transitvereinbarung 1 0 6 )

-

die Vereinbarung über die internationale Luftbeförderung (International Air Transport Agreement, sogenannte Transportvereinbarung 1 0 7 ) .

Das IC AO-Abkommen räumt dabei nur die beiden ersten nichtgewerblichen Freiheiten zum freien Überflug und zu technischen Landungen ein und auch diese nur für solche Luftfahrzeuge der Vertragsstaaten, die nicht im planmäßigen internationalen Linienverkehr betrieben werden (Art. 5 IC AO-Abkommen). Dagegen ist der Linienverkehr im ICAO-Abkommen ausdrücklich auch von diesen technischen Verkehrsfreiheiten ausgenommen: Nach Art. 6 ICAO-Abkommen bedarf planmäßiger internationaler Linienverkehr über oder in das Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates der vorherigen Erlaubnis des angeflogenen oder überflogenen Staates. Dem internationalen Linienverkehr gewährt erst die Transitvereinbarung die ersten beiden Luftverkehrsfreiheiten (Art. I Abschn. 1 Nr. 1 und 2 Transitvereinbarung). Die Annahme dieser Vereinbarung steht den Vertragsstaaten des ICAO-Abkommens aber frei (Art. V I Transitvereinbarung) 108 . Die Transportvereinbarung schließlich gewährt dem internationalen Linienluftverkehr die vollen fünf Freiheiten der Luft, indem sie zusätzlich zu den beiden technischen Freiheiten die drei gewerblichen Freiheiten einräumt (Art. I Abschn. 1 Abs. 1 Nr. 1 - 5 Transportvereinbarung), wobei aber die 5. Freiheit durch Vorbehalt des zeichnenden Staates ausgeschlossen werden kann. Auch die Annahme der 106

BGBl. 1956 II S. 442; engl. Originalfassung nebst amtl. deutscher Übersetzung abgedr. bei Meyer, Internationale Luftfahrtabkommen, Bd. III, S. 108 ff. 107 108

Deutsche Fassung abgedr. bei Schleicher/Reymann/Abraham

I, S. 86 ff.

Schleicher/Reymann/Abraham I, Chic Abk, Allg. Vorbem., Anm. 4 (S. 17). Die Transitvereinbarung hat gegenwärtig 98 Mitgliedstaaten - darunter auch die Bundesrepublik Deutschland (vgl. BGBl. II, Fundstellennachweis B, Stand 31.12.1991, S.

216).

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Transportvereinbarung ist den Staaten des ICAO-Abkommens freigestellt (Art. VIII Transportvereinbarung). (2) Inhalt und Reichweite der fünf Freiheiten von Chicago im einzelnen Das ICAO-Abkommen geht wie seine Vorgänger (Cina-, Ciana- und Panamerikanisches Abkommen) von der Souveränität der Staaten aus. Durch Einführung der einzelnen Freiheiten verzichten die Mitgliedstaaten in dem Abkommen und in den Zusatzvereinbarungen - teilweise - zugunsten bestimmter Luftverkehrsfreiheit darauf. Zugleich aber regeln Abkommen und Zusatzvereinbarungen kein allgemeines Recht zum ungehinderten Verkehr oder auch nur zum unschädlichen Durchflug. Inhalt und Reichweite der Freiheiten der Luft erschließen sich deshalb aus den einzelnen Regelungen und Beschränkungen. (a) Die Luftverkehrsfreiheit nach dem ICAO-Abkommen Die nicht im Linienverkehr eingesetzten Flugzeuge - mit Ausnahme der Staatsluftfahrzeuge 109 , auf die das ICAO-Abkommen keine Anwendung findet - dürfen nach Art. 5 ICAO-Abkommen ohne Einholung einer vorherigen Erlaubnis in den Luftraum eines Vertragsstaates einfliegen oder ihn durchfliegen und in dem Staat nichtgewerbliche Landungen vornehmen n o . Nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 letzter Halbsatz ICAO-Abkommen kann der überflogene Staat eine Landung

109 Staatsluftfahrzeuge sind solche, die für hoheitliche Zwecke eingesetzt werden, also Militär-, Zoll-, Polizei- und diplomatischen Dienst (Art. 3 ICAO-Abkommen), vgl. Schleicher/Reymann/Abraham I, Chic Abk, Art. 3 Anm. 4, 5 (S. 31). 110

Art. 5 Abs. 1 ICAO-Abkommen lautet: "Jeder Vertragsstaat erklärt sich damit einverstanden, daß alle im nicht planmäßigen internationalen Fluglinienverkehr eingesetzten Luftfahrzeuge der anderen Vertragsstaaten vorbehaltlich der Beachtung der Bestimmungen dieses Abkommens berechtigt sind, ohne Einholung einer vorherigen Erlaubnis in sein Hoheitsgebiet einzufliegen oder es ohne Aufenthalt zu durchfliegen, und dort nicht gewerbliche Landungen vorzunehmen, vorbehaltlich des Rechts des überflogenen Staates, eine Landung zu verlangen. Jeder Vertragsstaat behält sich das Recht vor, aus Gründen der Flugsicherheit zu verlangen, daß Luftfahrzeuge, die sich in unzugängliche Gebiete oder solche ohne genügende Luftfahrteinrichtungen begeben wollen, vorgeschriebene Strecken einhalten oder eine Sondererlaubnis für solche Flüge einholen."

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I. Historische Entwicklung der "Luftfreiheit"

und nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 ICAO-Abkommen (nur) aus Gründen der Flugsicherheit verlangen, daß Flugzeuge, die in unzugängliche oder nicht genügend mit Luftfahrteinrichtungen gesicherte Gebiete einfliegen wollen, vorgeschriebene Flugwege einhalten oder eine Sondererlaubnis einholen. Diese Rechte stehen grundsätzlich allen im nicht planmäßigen Fluglinienverkehr fliegenden Flugzeugen zu, unabhängig davon, ob die Flüge gewerblich oder nichtgewerblich, unentgeltlich oder entgeltlich, für Sport- oder Touristikzwecke durchgeführt werd e n 1 1 1 . Die beiden ersten technischen Freiheiten stehen mithin allen Luftfahrzeugen des Gelegenheitsverkehrs zu. Hinsichtlich der Ausübung der Rechte der 3., 4. und 5. Freiheit ist dagegen zu unterscheiden zwischen dem entgeltlich (kommerziell) durchgeführten Gelegenheitsverkehr und dem nichtkommerziellen Gelegenheitsverkehr. Einschränkungen unterliegen die im gewerblichen Gelegenheitsverkehr eingesetzten Luftfahrzeuge. Dies sind nach Art. 5 Abs. 2 ICAO-Abkommen solche, die außerhalb des planmäßigen Linienverkehrs im sogenannten Taxi- und Trampverkehr Passagiere, Fracht und Post entgeltlich oder mietweise befördern 112 . Das Recht zu derartigen Landungen steht dem Gelegenheitsverkehr zwar grundsätzlich (vorbehaltlich des Kabotagevorbehalts aus Art. 7 ICAO-Abkommen) nach Art 5 Abs. 2 ICAO-Abkommen zu, jeder Staat, in dessen Gebiet die kommerzielle Landung erfolgt, hat aber das Recht, die ihm "wünschenswert" erscheinenden Vorschriften, Bedingungen oder Beschränkungen aufzuerlegen. Von diesen Beschränkungsmöglichkeiten haben fast alle Staaten durch Einfuhrung eines Erlaubniszwangs für den Einflug GeEntgegen dieser Bestimmung haben dennoch verschiedene Vertrags Staaten, unter ihnen die Sowjetunion, eine vorherige Erlaubnis gefordert, vgl. Maleev, Internationales Luftrecht, S. 112. 111 112

Riese, Luftrecht, S. 135.

Zum Begriff Meyer, Der internationale Luftlinienverkehr und der internationale Gelegenheitsverkehr nach geltendem Recht und de lege ferenda unter besonderer Berücksichtigung einer Koordinierung des europäischen Luftverkehrs, ZLR 1954 (Bd. 3), 223 (238 ff). Art. 5 Abs. 2 ICAO-Abkommen lautet: "Werden die genannten Luftfahrzeuge außerhalb des planmäßigen internationalen Fluglinienverkehrs zur entgeltlichen oder mietweisen Beförderung von Fluggästen, Fracht oder Post verwendet, so haben sie nach Maßgabe des Artikels 7 auch das Recht, Fluggäste, Fracht oder Post aufzunehmen und abzusetzen, vorbehaltlich des Rechts eines jeden Staates, die ihm wünschenswert erscheinenden Vorschriften, Bedingungen oder Beschränkungen aufzuerlegen."

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brauch gemacht 1 1 3 . Ob dagegen aus Art. 5 Abs. 2 ICAO-Abkommen der Umkehrschluß zu ziehen ist, daß die im nichtkommerziellen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeuge das Recht haben, nicht zahlende Passagiere und deren Gepäck unentgeltlich zu befördern 1 1 4 , muß nach der Begriffsbestimmung in Art. 96 (d) ICAO-Abkommen 1 1 5 bezweifelt werden. Zwar legt die deutsche Übersetzung (nicht gewerbliche Landung) eine solche Auslegung nahe, maßgeblich ist jedoch der englische Wortlaut, der von "stops for non-traffic purposes" spricht. Die Beförderung von Passagieren fällt darunter jedenfalls im engeren Sinn aber nicht. Erkennt man diesen Umkehrschluß jedoch an, hat der nichtkommerzielle Gelegenheitsluftverkehr völlige Verkehrsfreiheit im Sinne aller fünf Freiheiten, sofern die Beförderung nicht gegen Entgelt erfolgt. Da die 3., 4. und 5. Freiheit aber als die gewerblichen Freiheiten gelten, wird in bezug auf den nichtkommerziellen Gelegenheitsverkehr aber nicht davon gesprochen, daß ihm alle fünf Freiheiten zustehen. Aus dieser Verkehrsfreiheit folgt jedoch kein unbeschränktes Durchflugs- und Landungsrecht für den Gelegenheitsverkehr. Das ICAOAbkommen selbst enthält eine Fülle von Vorschriften, die die gemäß Art. 5 ICAO-Abkommen einfliegenden Luftfahrzeuge einzuhalten haben. Dazu gehört für die Landung und den Abflug der Zollflugplatzz w a n g 1 1 6 (Art. 10 ICAO-Abkommen). Nur insoweit besteht mithin 113

Vgl. für die Bundesrepublik: § 96 Abs. 2 LuftVZO. Über die Zulässigkeit solcher generellen Untersagungen (mit Befreiungsmöglichkeit) herrschte in der Literatur Streit. Die liberale Auffassung, vertreten durch Riese, Luftrecht, S. 138, und Oppikofer, ZSR 1946 (Bd. 65), 146 a (202 a f), nach der kommerzielle Landungen zwar reglementiert, aber nicht einem generellen Erlaubniszwang unterworfen werden dürften, hat sich nicht durchsetzen können. Die ICAO selbst hat Art. 5 Abs. 2 im Sinne einer umfassenden Beschränkungsbefugnis ausgelegt, vgl. Friauf \ Die gewerbliche Betätigung ausländischer Unternehmen des Gelegenheitsluftverkehrs in der Bundesrepublik Deutschland, Z L W 1974 (Bd. 23), 9 (11), in diesem Sinne auch Meyer, ZLR 1954 (Bd. 3), 223 (245 f); Schwenk, Handbuch des Luftverkehrs rechts, S. 420; Bentzien, Der unerlaubte Einflug, S. 53. 114 Schleicher/Reymann/Abraham I, Chic Abk, Art. 5 Anm. 3 (S. 34); Riese, Luftrecht, S. 137 und Bentzien, Der unerlaubte Einflug, S. 52, wollen darunter ein Recht des nichtgewerblichen Gelegenheitsverkehrs zum freien Aufnehmen und Absetzen von Passagieren und deren Gepäck fassen. 115 116

S.o. FN 104.

Vgl. für die Bundesrepublik § 3 Abs. 4 Zollgesetz vom 14.6.1961 (BGBl. I S. 737) i.d.F.d. Bek. vom 18.5.1970 (BGBl. I S. 529), Bekanntmachung über Zollflug-

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I. Historische Entwicklung der "Luftfreiheit"

eine freie Wahl des Lande- und Abflugortes bei Ein- und Ausflug aus einem Vertragsstaat. Im übrigen steht allen Luftfahrzeugen aller Vertragsstaaten gemäß Art. 15 ICAO-Abkommen jeder öffentliche Flugplatz zu einheitlichen Bedingungen offen. Lediglich dem internationalen Fluglinienverkehr kann nach Art. 68 ICAO-Abkommen die Benutzung besonders bezeichneter Flughäfen vorgeschrieben werden. Weitere Beschränkungen ergeben sich aus Art. 9, 11 und 12 ICAOAbkommen. Art. 9 gestattet es den Vertragsstaaten, Luftsperr- oder Beschränkungsgebiete für Luftfahrzeuge anderer Staaten einzurichten (Art. 9 Abs. a) oder den Luftraum ganz oder teilweise zu sperren (Art. 9 Abs. b). Die Einrichtung von Sperrgebieten unterliegt selbst aber wiederum Grenzen: Die nach Art. 9 Abs. a ICAO-Abkommen möglichen Sperr- und Beschränkungsgebiete dürfen nur bei militärischer Notwendigkeit oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und nur einheitlich für Luftfahrzeuge anderer Staaten sowie einheitlich für den Luftlinienverkehr des beschränkenden und der anderen Vertragsstaaten festgesetzt werden. Die Sperrgebiete müssen zudem nach Ausdehnung und Lage in "vernünftigen Grenzen" gehalten werden, damit sie die Luftfahrt nicht unnötig behindern. Außergewöhnliche Umstände, Notstand oder das Interesse der öffentlichen Sicherheit berechtigt die Vertragsstaaten darüberhinaus, nach Art. 9 Abs. b in Friedenszeiten ihren gesamten Luftraum oder Teile davon zeitweilig zu sperren oder zu beschränken. Derartige Verbote sind allerdings nur zulässig, wenn sie ohne Unterschied der Staatsangehörigkeit auf die Flugzeuge aller anderen Staaten angewandt werden. Nach Art. 11 ICAO-Abkommen sind die jeweiligen nationalen Vorschriften über den Ein- und Ausflug und den Verkehr innerhalb des Hoheitsgebiets eines Vertragsstaates von den international verkehrenden Luftfahrzeugen zu befolgen. Auch hier besteht ein Diskriminierungsverbot: Diese Vorschriften dürfen nur auf alle international verkehrenden Luftfahrzeuge aller Vertragsstaaten ohne Unterschied angewandt werden.

plätze vom 19.10.1964, BAnz S. 202; Ausnahmen bestehen bei Gefahr und bestimmten Arten von Flügen, § 4 Allgemeine Zollordnung vom 29.11.1961 (BGBl. I S. 1937, BGBl. 1962 S. 16) i.d.F.d. Bek. vom 18.5.1970, BGBl. I S. 560.

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Art. 12 ICAO-Abkommen enthält neben der Selbstverpflichtung der Vertragsstaaten, die nationalen Luftverkehrsregeln und -Vorschriften an die von der ICAO erlassenen Vorschriften 1 1 7 anzugleichen, die Pflicht, die Einhaltung der nationalen Vorschriften und Regeln sicherzustellen. Vorausgesetzt ist daher die Verbindlichkeit der jeweiligen nationalen Vorschriften für alle Luftfahrzeuge, die zu erlassen die Staaten aufgrund des Souveränitätsprinzips berechtigt s i n d 1 1 8 . Ob über die ausdrücklich vorgesehenen Vorschriften über die Einhaltung bestimmter Flugstrecken - für den Gelegenheitsverkehr nur Art. 5 Abs. 1 S. 2 ICAO-Abkommen (Einflug in unzugängliche oder nicht genügend gesicherte Gebiete), für den Fluglinienverkehr dagegen Art. 68 ICAO-Abkommen (Berechtigung zur Bezeichnung der einzuhaltenden Flugstrecken) - hinaus den Staaten generell aus dem Souveränitätsprinzip das Recht zukommt, bestimmte Flugstrecken vorzuschreiben 119 , erscheint zweifelhaft. Die Anerkennung eines solchen Rechts steht - soweit es den Gelegenheitsverkehr betrifft - eindeutig im Widerspruch zur Regelung des Art. 5 Abs. 1 S. 2 ICAOAbkommen, der die Einhaltung bestimmter Flugstrecken von den erwähnten besonderen Umständen abhängig macht. Auch die ausdrückliche Regelung des Art. 68 ICAO Abkommen spricht dagegen, das Souveränitätsprinzip als Rechtsgrundlage für umfassendere Flugstreckenvorschriften heranzuziehen. Die Bestimmungen des ICAO-Abkommens wären nicht nur obsolet, sondern irreführend, hätten sie nicht Zweck, die Staaten zu bestimmten Flugstreckenführungen nur bei Vorliegen der dort bezeichneten tatbestandlichen Voraussetzungen zu ermächtigen. Aus Art. 5 und Art. 68 ICAO-Abkommen folgt daher im Gegenteil hinsichtlich des Rechts der Staaten, den Luftfahrzeugen der anderen Staaten bestimmte Flugwege vorzuschreiben, die Beschränkung ihrer Hoheitsgewalt auf die dort ausdrücklich genannten Fälle.

117 118 119

Vgl. Anhang 2 zum ICAO-Abkommen: "Rules of the Air". Vgl. Bentzien, Der unerlaubte Einflug, S. 53. So wohl Bentzien, Der unerlaubte Einflug, S. 53.

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I. Historische Entwicklung der "Luftfreiheit"

(b) Die Luftverkehrsfreiheit nach der Transitvereinbarung Die Transitvereinbarung gewährt dem internationalen Linienverkehr der Vertragsstaaten die beiden ersten nicht gewerblichen Freiheiten der Luft 1 2 0 (Art. I Abschn. 1 Nr. 1 und 2 Transitvereinbarung). Eingeschränkt werden diese Rechte durch die nach Art. I Abschn. 4 Transitvereinbarung mögliche Bezeichnung der einzuhaltenden Flugstrecke und der Flughäfen, die vom internationalen Fluglinienverkehr zu benutzen sind (s.a. Art. 68 ICAO-Abkommen). (c) Die Luftverkehrsfreiheit nach der Transportvereinbarung Die Transportvereinbarung liberalisiert den planmäßigen internationalen Luftlinienverkehr, indem die Vertragsstaaten sich gegenseitig alle fünf Freiheiten der Luft einräumen (Art. I Abschn. 1 Abs. 1 Nr. 1 - 5 Transportvereinbarung), wobei die Annahme der 5. Freiheit ausgeschlossen werden kann (Art. IV Abschn. 1 Transportvereinbarung). Diese Freiheiten sind beschränkt durch das Recht der einzelnen Vertragsstaaten, die einzuhaltenden Flugstrecken und die zu benutzenden Flughäfen zu bezeichnen (Art. I Abschn. 5 Nr. 1 Transportvereinbarung) sowie durch den nach Art. I Abschn 4 Transportvereinbarung zulässigen Kabotagevorbehalt. Nur wenige Staaten haben sie wegen der nach verbreiteter Ansicht zu liberalen Regelungen angenommen 121 . Die Transportvereinbarung hat deswegen in erster Linie Modellcharakter wegen der in ihr definierten gewerblichen Rechte der 3., 4. und 5. Freiheit der Luft erlangt. dd) Bilaterale Abkommen seit dem 2. Weltkrieg Wegen des faktischen Scheiterns der Transportvereinbarung entstand ein System zweiseitiger Luftverkehrsabkommen, in denen sich 120 121

Dazu s.o. S. 40 ff.

Nach Schleicher/Reymann/Abraham I, Transportvereinbarung, Vorbemerkung, Anm. 3 (S. 87): Äthiopien, Bolivien, Chile, Costa Rica, El Salvador, Griechenland, Honduras, Liberia, Niederlande, Paraguay, Schweden, Türkei, die jedoch infolge der geringen Beteiligung alle ihren Beitritt wieder gekündigt haben. Die USA, auf deren Initiative die Transportvereinbarung zurückging, traten zunächst bei, kündigten jedoch bereits im Juli 1946 mit Wirkung zum Juli 1947 wieder, s.a. Schwenk, Handbuch des Luftverkehrsrechts, S. 360; Riese, Luftrecht, S. 144.

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die jeweiligen Vertragsstaaten die Verkehrsrechte für den gewerblichen Luftverkehr - z.T. eingeschränkt oder kapazitätsabhängig - gegenseitig einräumen 1 2 2 . Das wichtigste Model labkommen wurde das auf Bermuda am 11.2.1946 zwischen den USA und Großbritannien abgeschlossene Bermuda-Abkommen 1 2 3 , dessen Kernpunkte eine Kapazitätsregelung hinsichtlich der umstrittenen 5. Freiheit und eine Tarifregelung waren 1 2 4 . Ende der 70er Jahre kamen erneut Anstöße der USA, die die (wirtschaftliche) Liberalisierung des Luftverkehrs zum Ziel hatten. Als Folge der Deregulationspolitik, die die Regierungen Ford und Carter in allen Bereichen des Wirtschaftsrechts verfolgten, wurden zunächst inneramerikanisch die Erteilung von Betriebs-, Strecken- und Tarifgenehmigungen liberalisiert. Sodann bemühten sich die USA verstärkt um liberalere Regelungen in den bilateralen Abkommen, vor allem im Hinblick auf Kapazitätsregelungen und Tarifgestaltung 1 2 5 . ee) Entwicklung in Europa nach dem 2. Weltkrieg Die Situation des Luftverkehrs in Europa ist notwendigerweise von der Staatenvielfalt auf im internationalen Vergleich engem Raum geprägt. Die daraus resultierende Vielfalt der rechtlichen, monetären und 122 Die Bundesrepublik hat mit 76 Staaten zweiseitige Luftverkehrsabkommen geschlossen, vgl. Übersicht in BGBl. Teil II, Fundstellennachweis B, Stand 31.12.1991, S. 524. 123

Abgedr. in engl. Originalfassung und deutscher Übersetzung bei Meyer, Internationale Luftfahrtabkommen, Bd. III, S. 282 ff (Schlußakte), S. 288 ff (Beilage I Text der Vereinbarung), S. 302 ff (Anhang - Linien, Tarife, Umladungen). 124 Die in den unterschiedlichen bilateralen Abkommen verwendeten Kapazitätsregelungen sind: 1. Prädeterminierungsklauseln - z.B. verwandt im Abkommen zwischen der Bundesrepublik und Frankreich vom 4.10.1955 (BGBl. II S. 1077), Art. V des Annex, die eine Aufteilung des Beförderungsangebots im Voraus vorsehen, 2. die sogen. Bermuda-Klausel, die besagt, daß das bereitzustellende Beförderungsangebot von der Verkehrsnachfrage zwischen den beiden Staaten entsprechen soll, wobei die Kapazitäten und Flugfrequenzen einer Nachkontrolle (ex post facto review) unterliegen (vgl. Bermuda-Vereinbarung, Schlußakte Ziff. 6) und 3. liberale Klauseln wie die Free-Determination-Klausel, die das Beförderungsangebot im wesentlichen dem freien Wettbewerb überlassen, vgl. dazu im einzelnen: Weber, Die Zivilluftfahrt im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 48; Schwenk, Handbuch des Luftverkehrsrechts, S. 365 ff. 125 Weber, Auswirkungen der amerikanischen Airline Deregulations - Gesetzgebungslehre an einem konkreten Beispiel, Z L W 1981 (Bd. 30), 331, 335. 4 Lübben

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I. Historische Entwicklung der "Luftfreiheit"

wirtschaftlichen Systeme und der nationalen Interessen erschwert europäische Vereinbarungen über den Luftverkehr. Die rechtliche Struktur der europäischen Zivilluftfahrt ist daher prinzipiell nach den gleichen Grundsätzen geregelt, die weltweit - auf der Grundlage des ICAO-Abkommens - Anwendung finden. Selbst im EG-Raum besteht immer noch ein Netzwerk bilateraler Luftverkehrsabkommen 1 2 6 . (1) Europäische Zivilluftfahrtkonferenz

(ECAC)

Im Jahr 1954 wurde die Konferenz zur Koordinierung des Luftverkehrs in Europa (CATE), die auf Initiative des Europarats von der ICAO veranstaltet wurde, einberufen 1 2 7 . Sie hatte die Liberalisierung der Verkehrsrechte in Europa zum Ziel, scheiterte jedoch d a m i t 1 2 8 . Wichtiges Ergebnis war aber die Einrichtung einer Europäischen Zivilluftfahrtkonferenz (European Civil Aviation Conference - ECAC), der allerdings keine Regelungsbefugnisse, sondern nur konsultative Funktionen zukommen sollten 1 2 9 , da die beteiligten Staaten nicht zur Abtretung hoheitlicher Befugnisse bereit waren 1 3 0 . Organisatorisch nimmt die im Jahr 1955 erstmals zusammengetretene ECAC 1 3 1 einen Sonderstatus gegenüber der ICAO ein. Sie bedient sich deren Regionalbüro in Paris und arbeitet zudem durch Informationsaustausch

126

Weber, Die Zivilluftfahrt im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 47.

127

Vom 21.4. bis zum 8.5.1954; 17 Staaten nahmen teil: Belgien, Dänemark, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Schweden, Türkei (Europaratsmitglieder), Österreich, Finnland, Portugal, Spanien, Schweiz (Nichtmitglieder des Europarats). 10 außereuropäische Staaten (darunter die USA, Kanada, Japan) sowie 11 internationale Organisationen waren als Beobachter vertreten, vgl. ICAO Doc. 7575-CATE/I, Annex 1, S. 39 ff. 128 y g i Weber y D i e Zivilluftfahrt im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 29 f. 129

ICAO Doc. 7676-ECAC/l, Art. 5 der Entschließung Nr. 1 der Konferenz.

130

Rehmy 10 Jahre Europäische Zivilluftfahrtkonferenz (ECAC), Europa-Verkehr 1965, 193. 131

19 Staaten (die 17 CATE-Teilnehmer sowie Griechenland und Island) waren als Mitgliedstaaten vertreten. Inzwischen hat die ECAC 28 Mitgliedstaaten, s. Reuss y Jahrbuch der Luft- und Raumfahrt 1992, S. 78.

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mit ihr zusammen 132 . Hinsichtlich der Wahl der bearbeiteten Arbeitsthemen ist die ECAC unabhängig. Einer der Arbeitsschwerpunkte der ECAC war von Beginn an die Liberalisierung und Erleichterung des Luftverkehrs. Gewisser Erfolg war ihr auf diesem Gebiet im Bereich des nichtplanmäßigen Gelegenheitsluftverkehrs beschieden. Hier konnte eine Einigung über ein mehrseitiges Abkommen - "Mehrseitiges Abkommen über gewerbliche Rechte im nichtplanmäßigen Luftverkehr in Europa" vom 30.4.1956 1 3 3 - erzielt werden. Mit Rücksicht auf den starken nationalen Interessen unterliegenden Linienverkehr wurden darin aber nur solchen Luftfahrzeugen alle fünf Freiheiten unter Verzicht auf die nach Art. 5 Abs. 2 ICAO-Abkommen möglichen Beschränkungen sowie vorherigen Anmeldung eingeräumt, die keine Konkurrenz für den planmäßigen Linienverkehr darstellen. Dies sind vor allem Hilfeleistungs-, Rettungs- und Bergungsflugzeuge, gelegentliche Taxiflüge auf Aufforderung mit höchstens 6-sitzigen Maschinen, von einer einzigen (natürlichen oder juristischen) Person gemietete Flüge ohne Weiterverkauf von Laderaum sowie Einzelflüge bis zu einmal im Monat zwischen denselben Verkehrszentren (Art. 2 des Mehrseitigen Abkommens) 1 3 4 . Dieselbe Verkehrsfreiheit gilt für reine Frachtflüge sowie für Passagierflüge, die zwischen Gebieten verkehren, die keine hinreichende Linienverbindung miteinander haben, jedoch mit dem Vorbehaltsrecht jedes Vertragsstaates, jederzeit wegen Beeinträchtigung seines Fluglinienverkehrs die Einstellung verlangen zu können (Art. 3 des Mehrseitigen Abkommens). Für alle übrigen Flüge wird keine gegenüber dem ICAO-Abkommen erweiterte Verkehrsfreiheit gewährt.

132

Rehm, Europa-Verkehr 1965, 193 f: Die der ICAO entstehenden Kosten werden anteilig auf die ECAC-Mitglieder umgelegt. 133

BGBl. 1959 II S. 821; 17 Mitgliedstaaten: die Teilnehmerstaaten der CATE sowie Island mit Ausnahme von Italien; vgl. BGBl. Teil II, Fundstellennachweis B, Stand: 31.12.1991, S. 292. Engl. Originalfassung und deutsche Übers, abgedr. bei Meyer, Internationale Luftfahrtabkommen, Bd. IV, S. 26. 134

Riese, Das mehrseitige Abkommen über gewerbliche Rechte im nichtplanmäßigen Luftverkehr in Europa, Z L W 1959 (Bd. 8), 127 (134 f).

I. Historische Entwicklung der "Luftfreiheit"

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(2) Europäische Gemeinschaft Auf EG-Ebene entfalteten sich erst spät Aktivitäten im Bereich der Luftverkehrspolitik und des Luftverkehrsrechts. Der Grund war, daß seit Bestehen des EWG-Vertrages 1 3 5 umstritten gewesen war, ob die allgemeinen Vorschriften des Vertrages, zu denen auch die Einführung einer gemeinsamen Verkehrspolitik (Art. 3 (e) EWG-Vertrag) gehört, die die EG-Staaten im Sinne der Zielsetzung des Vertrages (Art. 74 EWG-Vertrag) verfolgen sollen, auf den Luftverkehr anwendbar sein sollten. Denn die Vorschriften über die gemeinsame Verkehrspolitik (Art. 74 ff EWG-Vertrag) gelten gemäß Art. 84 Abs. 1 EWG-Vertrag zunächst nur für Beförderungen im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffahrtsverkehr, während Art. 84 Abs. 2 EWG-Vertrag bestimmt: "Der Rat kann einstimmig darüber entscheiden, ob, inwieweit und nach welchen Verfahren geeignete Vorschriften für die Seeschiffahrt und die Luftfahrt zu erlassen sind." 1 3 6 Fraglich war danach, ob Art. 84 Abs. 2 EWG-Vertrag den See- und Luftverkehr lediglich vom Anwendungsbereich des Verkehrstitels (Art. 74 ff EWG-Vertrag) ausschloß 1 3 7 oder ob er diese beiden Verkehrsarten insgesamt der Anwendung des EWG-Vertrages entzog 1 3 8 . Gewisse Klärung brachte das sogenannte Seeleute-Urteil des EuGH 1 3 9 , das die allgemeinen Bestimmungen des EWG-Vertrages auch ohne Ratsbeschluß für anwendbar befand. Diese Rechtsauffassung bekräftigte der EuGH im Nou-

135 Vertrag zur Gründung 25.3.1957, BGBl. II S. 766.

der

Europäischen

Wirtschaftsgemeinschaft

vom

136 Zu den im einzelnen geäußerten Auffassungen ausführlich Erdmenger, Die Anwendung des EWG-Vertrages auf Seeschiffahrt und Luftfahrt, S. 1 ff; Weber, Die Zivilluftfahrt im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 93 ff. 137

So Erdmenger, Die Anwendung des EWG-Vertrages auf Seeschiffahrt und Luftfahrt, S. 114 f, 145. So auch schon die Ansicht der Kommission im Memorandum an den Rat vom 12.11.1960, Doc VII/S. 05230, Anlage 1, S. 2, Anlage 2, S. 14. 138 So Meyer, Zur Frage der Anwendbarkeit des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) auf die Luftfahrt, Z L W 1962 (Bd. 11), 169 (179 f); Schwenk, Die Rechtslage des Luftverkehrs nach dem EWG-Vertrag, Europäische Wirtschaft 1962 (Bd. 5) Nr. 9/10, 256 (258 f); Cartou, Der Gemeinsame Markt und das öffentliche Recht, S. 194, 198. 139

24), 52.

EuGH, Urteil vom 4.4.1974 - Rs 167/73 -, Slg 1974, 359 = Z L W 1975 (Bd.

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velles-Frontières-Urteil (genannt auch Asjes-Urteil) im Jahr 1986 1 4 0 und stellte zusätzlich klar, daß auch die Bestimmungen des EWG-Vertrages über den Wettbewerb (Art. 85 - 90 EWG-Vertrag) auf den Luftverkehr grundsätzlich Anwendung finden 1 4 1 , was der EuGH nochmals in der Ahmed-Saeed-Entscheidung im Jahr 1989 1 4 2 bestätigte. Die am 1.7.1987 in Kraft getretene Einheitliche Europäische Akte zur Änderung und Ergänzung des EWG-Vertrages 1 4 3 sieht die Verwirklichung des Binnenmarktes auch für den Luftverkehr vor. Daraufhin erließ der Rat im Dezember 1987 das erste Regelungspaket und leitete damit die erste Phase der Liberalisierung des Luftverkehrs ein 1 4 4 . Erstmals verzichteten die Mitgliedstaaten darin auf Teile ihrer Souveränität im Bereich des Luftverkehrs 1 4 5 . Geregelt wurde im einzelnen eine Lockerung der Tarifbestimmungen (Richtlinie 87/601/EWG), größere Freiheit bei der Aufteilung der Kapazitäten und bei den Verkehrsrechten (Entscheidung 87/602/EWG) 1 4 6 sowie ein Verfahren für die Anwendung der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln auf den Luftverkehr (VO 3975/87/EWG und VO 3976/87/EWG).

140 EuGH, Urteil vom 30.4.1986 - Rs 209-213/84 -, Slg 1986, 1425 = Z L W 1986 (Bd. 35), 243 (246). 141 Vgl. Adenauer-Fr owein y EWG-Vertrag und Luftverkehr: Neueste Rechtsprechung, Z L W 1986 (Bd. 35), 193 ff. 142

EuGH, Urteil vom 11.4.1989 - Rs - 66/89 -, Z L W 1989 (Bd. 38), 124.

143

Einheitliche Europäische Akte vom 28.2.1986 (BGBl. II S. 1102 = AB1EG 1987 L 169 vom 29.6.1987, S. 1. 144

Verordnung des Rates Nr. 3975/87 (EWG), Nr. 3976/87 (EWG), Richtlinie des Rates Nr. 87/601 (EWG), Entscheidung des Rates Nr. 87/602 (EWG) vom 14.12.1987, AB1EG Nr. L 374 vom 31.12.1987, S. 1, 9, 12, 19; abgedr. bei Giemulla/Schmidy Europäisches Luftverkehrsrecht, Β I 1.4 bis Β I 1.7. 145

S. z.B. Art. 2 Abs. 2 der VO 3976/87 (EWG): VO-Befugnis der Kommission hinsichtlich Kapazitätsplanung und -koordinierung des Fluglinienverkehrs, Zuweisung von Zeitnischen (Slots) und Planung der Flugzeiten, jeweils für den internationalen Verkehr zwischen Flughäfen der Gemeinschaft; Art. 6 Abs. 1 der Entscheidung 87/602 (EWG): Recht zur Einrichtung von Flugliniendiensten der 3. und 4. Freiheit zwischen Knotenpunktflughäfen eines Mitgliedstaates und Regionalflughäfen. 146 Bis 1988 konnten die Fluggesellschaften nun statt der bisher geltenden Aufteilung von 50:50 die Kapazität der Personenbeförderung auf 55:45 und ab Oktober

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I. Historische Entwicklung der "Luftfreiheit"

Am 1.11.1990 trat das zweite Maßnahmenpaket oder die zweite Phase der Liberalisierung des Luftverkehrs in Kraft 1 4 7 . Wie auch das erste Maßnahmenpaket gilt das zweite Maßnahmenpaket nur für den Verkehr innerhalb der Gemeinschaft. Im einzelnen wurde die Tarifbildung weiter liberalisiert 1 4 8 , der Marktzugang für Luftverkehrsunternehmen der Gemeinschaft erleichtert, die Kapazitätsaufteilung weiter gelockert (VO 2343/90/EWG) und die Freistellung bestimmter Gruppen von Absprachen vom Abspracheverbot des Art. 85 EWG-Vertrag ermöglicht (VO 2344/90/EWG). Hinsichtlich des Bedarfsluftverkehrs (Charterverkehr) wurden - wohl wegen der ohnehin schon bestehenden liberaleren Voraussetzungen - keine Regelungen getroffen 1 4 9 . Für die (Nur-) Luftfrachtdienste gilt seit Februar 1991 eine Regelung, die dem Nurfrachtverkehr alle fünf Freiheiten (unter bestimmten Einschränkungen) gewährt 1 5 °. Als besonderes Problem hat sich in den letzten Jahren mit dem rapide zunehmenden Luftverkehr - besonders im engen europäischen Bereich - die Zuteilung von Zeitnischen (Slots) herausgebildet. Denn wenn der stufenweise Liberalisierungsprozeß zu mehr Luftverkehrsfreiheit und mehr Wettbewerb führen soll, müssen Regelungen getroffen werden, die der ständig steigenden Nachfrage nach Start- und Landezeiten besonders zu den wirtschaftlich interessanten Tageszeiten gerecht werden. Bisher werden die Slots für alle großen Flughäfen der 1989 auf 60:40 erhöhen (Art. 3 Entscheidung 87/602/EWG); u.a. wurde auch die 5. Freiheit eingeräumt (Art. 8 Entscheidung 87/602/EWG). 147 Verordnung des Rates Nr. 2342/90 (EWG), Nr. 2343/90 (EWG) und 2344/90 (EWG) vom 24.7.1990 AB1EG Nr. L 217 vom 11.8.1990, S. 1, 8 u. 15; abgedr. bei Giemulla/Schmid, Europäisches Luft Verkehrs recht, Β I 1.4 bis Β I 1.7.

148 Ygj hierzu Adenauer-Fr owein, Aktuelle luftrechtliche Probleme in der Europäischen Gemeinschaft, Z L W 1991 (Bd. 40), 237 (238 f); die hierzu erlassene VO Nr. 2342/90/EWG soll bis zum 1.1.1993 durch das System des "double disapproval" ersetzt werden, d.h., der von den Luftfahrtunternehmen beantragte Tarif wird von da an nur dann nicht als genehmigt gelten, wenn beide betroffenen Regierungen ihn ablehnen. 149 Vgl. Adenauer/Frowein, Z L W 1991 (Bd. 40), 237 (247); Schmid in: Giemulla/Schmid, Europäisches Luftverkehrs recht, Einleitung, Rdn. 58 f. 150 VO des Rates Nr. 294/91 (EWG) vom 4.2.1991, AB1EG Nr. L 36 vom 8.2.1991, S. 1; abgedr. bei Giemulla/Schmid, Europäisches Luftverkehrsrecht, Β I 1.12; vgl. Adenauer/Frowein, Z L W 1991 (Bd. 40), 237 (246 f); Schmid in: Giemulla/Schmid, Europäisches Luftverkehrsrecht, Einleitung, Rdn. 63.

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ntional

55

Welt auf der zweimal jährlich stattfindenden Konferenz der IATA 1 5 1 vergeben. Dabei spielt eine wesentliche Rolle die Anerkennung von sogenannten Großvaterrechten (grandfather-rights), d.h. der Bestandsschutz für Slots, die eine Fluggesellschaft bereits in der vorangegangenen Flugplanperiode genutzt h a t 1 5 2 . Diese Slotvergabe fällt unter die Kategorie der wettbewerbshindernden Vereinbarungen zwischen Unternehmen des Gemeinsamen Marktes 1 5 3 . Die EG-Kommision hat deshalb erste Schritte unternommen, die Slotverteilung unter Berücksichtigung der wettbewerbsrechtlichen Folgen zu regeln. Mit den Verordnungen 2671/88 ( E W G ) 1 5 4 und 84/91 ( E W G ) 1 5 5 und dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates 1 5 6 hat die Kommission zum einen Gruppenfreistellungen für Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen bei der Slotzuweisung erteilt und zum anderen gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der Gemeinschaft (KOM (90) 576 endg.), einen sogenannten "Code of Conduct for Slotlocation" aufgestellt. Wichtige Neuregelungen sind dabei, daß alle Unternehmen gleichermaßen berechtigt sind, Slots für ihre Flugdienste zu erhalten (Art. 4 Abs. 1 d VO 84/91/EWG) und daß Neubewerbern ein Vorrang der Zuweisung von 50 % der neugeschaffenen oder ungenutzten Slots eingeräumt wird (Art. 4 Abs. 1 e VO 84/91 /EWG), wobei hiervon die Großvaterrechte nicht berührt werden. Der Code of Conduct sieht schließlich vor, die Slots nach bestimmten Prioritätsregeln zu vergeben. Hier besitzen die Großvaterrechte höchste Priorität (Art. 8 Abs. 2 a KOM (90) 576 endg.). Vorrang wird ferner insbesondere dem Linien- und programmierten Bedarfsflugverkehr eingeräumt (Art. 8 Abs. 2 b KOM (90) 576 endg.). 151

International Air Transport Association, am 19.4.1945 in Havanna gegründeter Dachverband der Linienluftverkehrsgesellschaften der Welt, Sitz: Montreal, 201 Mitglieder, vgl. Reuss, Jahrbuch der Luft- und Raumfahrt 1992, S. 459 f. 152

Vgl. Kaiser, Die Neuregelung der Slotvergabe, TranspR 1991, 266 (270).

153

Kaiser, TranspR 1991, 266 (270).

154

VO der Kommission Nr. 2671/88 (EWG) vom 26.7.1988, AB1EG Nr. L 239/9 vom 30.8.1988, S. 9, abgedr. bei Giemulla/Schmid, Europäisches Luftverkehrsrecht, Β I 2.1. 155 VO der Kommission Nr. 84/91 (EWG) vom 5.12.1990, AB1EG Nr. L 10/14 vom 15.1.1991, S. 14, abgedr. bei Giemulla/Schmid, Europäisches Luftverkehrsrecht, Β I 2.7. 156 KOM (90) 576 endg. vom 5.12.1990, AB1EG Nr. C 43 vom 19.2.1991, S. 3, abgedr. bei Giemulla/Schmid, Europäisches Luftverkehrs recht, E I 1.7.

56

I. Historische Entwicklung der "Luftfreiheit"

Für die nicht in dem Prioritätsverfahren vergebenen Slots wird ein Pool gebildet, aus dem 50 % der Slots an Neubewerber entsprechend einer bestimmten Reihenfolge vergeben werden (Art. 9 Abs. 3 K O M (90) 576 endg.) 1 5 7 . Die EG hat damit erstmals die von der IATA eingeführten Großvaterrechte anerkannt. Nicht unter die Prioritätsregeln fällt die Verteilung von Slots für die Allgemeine Luftfahrt, die den Hauptanteil des nicht programmierten Bedarfsflugverkehrs ausmacht. Deren Interessen finden allerdings insoweit Berücksichtigung, als nach Art. 8 Abs. 4 KOM (90) 576 endg. der Flughafenkoordinator "bestrebt ist", ad hoc gestellten Anträgen auf Slots stattzugeben. Auf EG-Ebene sind danach wichtige Schritte für mehr - vor allem gewerbliche - Luftverkehrsfreiheit innerhalb der Gemeinschaft getan. Die Entwicklung in Europa geht weg von national geprägten Systemen hin zur europäischen Binnenmarktlösung, die allerdings - international gesehen - genau genommen nur eine Variante zur bisherigen Rechtslage darstellt: Auf EG-Ebene wird stellvertretend für die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft eine "EG-nationale" Luftverkehrspolitik fortgeführt 1 5 8 . Es bleibt abzuwarten, inwieweit das binneneuropäische System auf Drittstaaten ausgeweitet wird. Bisher nicht eingeführt ist außerdem das Kabotagerecht. Hier wird aber in absehbarer Zeit die schrittweise Freigabe zu erwarten s e i n 1 5 9 .

3. Rechtliche Entwicklung auf nationaler Ebene In Deutschland wurde im Jahre 1913 dem Bundesrat 160 und nach dessen Zustimmung am 31.1.1914 dem Reichstag 1 6 1 der erste Entwurf 157

Vgl. im einzelnen Kaiser, TranspR 1991, 266 (272); Adenauer-Fr owein, Z L W 1991 (Bd. 40), 237 (242 f). 158 Ygj Wenglorz, Tagungsbericht: European Air Law Association, Jahreskonferenz, "Current Issues in EEC Transport Law and Policy", Brüssel 9.11.1990, Z L W 1991 (Bd. 40), 177 ff und Krämer, Tagungsbericht: Europe 1992: A Single Aeropolitical Market? Washington D.C., November 15-16, 1990, Z L W 1991 (Bd. 40), 39 ff. 159

S. Präambel, letzter Abs. zu VO des Rates Nr. 2343/90/EWG, wo die Kabotageregelung als wünschenswert bezeichnet wird. 160

BR-Drs. 139.

161

RT-Drs. 1338.

3. Rechtliche Entwicklung auf nationaler Ebene

57

eines Luftverkehrsgesetzes vorgelegt. Am 12.3.1914 wurde er einem Ausschuß überwiesen 1 6 2 . Der Ausbruch des Krieges am 1.8.1914 verhinderte die Weiterberatung 1 6 3 . Nach Kriegsende erließ der Rat der Volksbeauftragten mehrere Verordnungen zur vorläufigen Regelung des Luftrechts 1 6 4 . Die Artikel 198 - 202 des Versailler Vertrages (VV) hatten Deutschland jegliche militärische Luftfahrt untersagt 165 . Das Verbot wurde später verschärft, namentlich durch Begriffsbestimmungen der Botschafterkonferenz vom 14.4.1922 zur Unterscheidung zwischen ziviler und militärischer Luftfahrt, die Flugzeuge von bestimmter Bauart oder Flugleistung verwendungsunabhängig kurzerhand als Kriegsgerät erklärte 1 6 6 . Die Artikel 313 ff VV behielten den Siegerstaaten des 1. Weltkriegs einseitig "volle Flug- und Landungsfreiheit" in Deutschland vor 1 6 7 . In diesem politischen Klima erging nach langwierigen Verhandlungen 1 6 8 am 1.8.1922 das Luftverkehrsgesetz 1 6 9 , das, vielfach geändert, heute noch gemäß Art. 123, 124 GG als Bundesrecht fortgilt. a) Regelung der Lufthoheit im deutschen Recht Deutschland konnte seine Lufthoheit in diesem Gesetz - anders als z. B. Großbritannien im Air Navigation Act vom 23.12.1920 (Chapter 80), die UdSSR in ihrem Luftverkehrsgesetz vom 7.8.1935 und Italien im Codice della navigazione 1942, Art. 3 1 7 0 - als Kriegs verlier er nicht 162

234. Sitzung des Reichstages, Prot. S. 8043 ff.

163

Schleicher/Reymann/Abraham

II, Vor § 1 LuftVG, Anm. 1.

164 Ygj Ronellenfitsch, Einführung in das Planungsrecht, S. 148; VO betr. die vorläufige Regelung der Luftfahrt v.. 26.11.1918 - RGBl. S. 1337; Erlaß über die Errichtung des Reichsluftamtes v. 4.12.1918 - RGBl. S. 1400; VO betr. die vorläufige Regelung des Luftfahrtrechts v. 7.12.1918 - RGBl. S. 1407. Vgl. auch das Gesetz betreffend die vorläufige Regelung der Luftfahrt v. 3.1.1920 - RGBl. S. 14. 165

Abgedr. bei: Wegerdt,

Luftrecht, S. 157.

166

Abgedr. in: Ν i L 1922, 213; vgl. a. Basarke, Das Recht der Luftfahrt mit deutschen Luftfahrzeugen, ZLR Bd. 1 (1927), 65 (67 ff). 167

Vgl. Meyer, Freiheit der Luft, S. 48 m. FN 4; Koßka-Bodenstein-Koffka, LuftVG, § 12 Bern. I. 168

Vgl. Schleicher/Reymann/Abraham

169

RGBl. I S. 681; Materialien bei Hofinann/Grabherr,

170

II, Vor § 1 LuftVG, Anm. 1. LuftVG, Einl. S. 2 ff.

Weitere s. Voigt, Rechtsbeziehungen, S. 24; Volkmann, Internationales Luftrecht, S. 50 f m. FN 150; Schleicher/Reymann/Abraham I, S. 5 ff; Oppikofer, Inter-

58

I. Historische Entwicklung der "Luftfreiheit"

ausdrücklich betonen. So besagt denn § 1 Abs. 1 LuftVG nichts über die staatliche Hoheit im Luftraum. Gleichwohl war und ist § 1 LuftVG mit seiner Aussage: "Die Benutzung des Luftraums ... ist frei ..." nicht als Bekenntnis zur Luftfreiheitstheorie zu verstehen 1 7 1 . Die Vorschrift setzt vielmehr das Bestehen staatlicher Hoheit im Luftraum als völkerrechtlichen Grundsatz voraus 1 7 2 . Das Recht zur Regelung eines freien Benutzungsrechts am Luftraums durch Luftfahrzeuge ist deshalb Ausfluß der Hoheitsgewalt des Staates über den Boden seines Staatsgebiets und den Luftraum darüber 1 7 3 . Als das Deutsche Reich später die uneingeschränkte Lufthoheit wiedergewann, hatte dies keinen Einfluß auf die Regelungen im LuftVG, insbesondere nicht auf § 1 Abs. 1 LuftVG 1 7 4 . Nach dem 2. Weltkrieg ging 1945 die Lufthoheit in Deutschland auf die Besatzungsmächte über. Später wurde sie schrittweise wieder auf deutsche Instanzen übertragen. Am 5.5.1955 erlangte die Bundesrepublik Deutschland die volle Lufthoheit zurück, sieht man von Sonderrechten der Stationierungsstreitkräfte ab 1 7 5 . Seither besteht auch für die Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich uneingeschränkt wieder die Möglichkeit, regelnd in die Nutzung des Luftraums einzugreifen. Die Anerkennung der Hoheitsgewalt im Luftraum bedeutet für das nationale deutsche Recht zum einen, daß die Vorschriften des nationanationale Handelsluftfahrt und einzelstaatliche Verwaltung, AöR 1930 (Bd. 19 N.F.), 323 (349). 171

Voigt, Rechtsbeziehungen, S. 24; Volkmann, Internationales Luftrecht, S. 50 f; § 1 Abs. 1 LuftVG 1922 lautete: "Die Benutzung des Luftraums durch Luftfahrzeuge ist frei, soweit sie nicht durch dieses Gesetz und die zu seiner Ausführung erlassenen Anordnungen beschränkt ist." 172

Aus der älteren Literatur: Kojfka-Bodenstein-Kojfka, LuftVG, § 1 Bern. I; Busse, Luftrecht, § 1 LuftVG Bern. 2; aus der neueren Literatur: Schleicher/Reymann/Abraham II, § 1 LuftVG, Anm. 2; Hofmann/Grabherr, LuftVG, § 1 Rdn. 10; Schmid in: Giemulla/Schmid, LuftVG, § 1 Rdn. 2, 9 ff. 173 Schmid in: Giemulla/Schmid, LuftVG, § 1 Rdn. 1; Hofinann/Grabherr, LuftVG, § 1 Rdn. 12. 174

Vgl. 1. G. zur Änderung des LuftVG vom 19.12.1935, RGBl. I S. 1516; 2. G. zur Änderung des LuftVG vom 29.7.1936, RGBl. I, S. 582; Neufassung vom 21.8.1936, RGBl. I, S. 653. 175

Hierzu: Ronellenfitsch, Zum Rechtsschutz bei Baumaßnahmen der Stationierungsstreitkräfte, VerwArch 1985 (Bd. 76), 317 ff.

3. Rechtliche Entwicklung auf nationaler Ebene

59

len Luftrechts gelten und zum anderen, daß die Luftverkehrsbehörden als hoheitlich handelnde Staatsorgane Verwaltungsakte und Rechtsverordnungen erlassen dürfen 1 7 6 . Nach Art. 73 Nr. 6 GG hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für den Luftverkehr. Der Begriff "Luftverkehr" in Art. 73 Nr. 6 GG ist weit zu verstehen und umfaßt sämtliche mit dem Flugwesen unmittelbar zusammenhängenden Tätigkeiten und Anlagen 1 7 7 . Gegenstand der Bundesgesetzgebung sind deshalb sowohl das eigentliche Luftverkehrsrecht einschließlich des Luftpolizeirechts als auch das Luftnutzungsrecht einschließlich der Nutzung und Planung der Flugplätze. Im daher besser als "Luftfahrtrecht" im umfassenden Sinn bezeichneten Rechtsgebiet fließen anders als etwa im Straßen- und Straßenverkehrsrecht die Gesetzgebungskompetenzen und Nutzungen vom Verkehr bis zum Planungsrecht zusammen. Die Luftverkehrsverwaltung (oder besser: Luftfahrtverwaltung) wird nach Art. 87 d Abs. 1 GG in bundeseigener Verwaltung geführt, durch Bundesgesetz können Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung den Ländern als Auftragsverwaltung überlassen werden (Art. 87 d Abs. 2 GG). b) Geltung der internationalen Luftfreiheiten

im nationalen Recht

Die Lufthoheit reicht nur soweit, wie ein Staat nicht darauf verzichtet hat oder ihm aus allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen Beschränkungen seiner Hoheitsgewalt im Luftraum auferlegt sind. Insoweit gehen die internationalen Vereinbarungen und Normen nationalem Recht vor und bilden ein Gerüst von Vorschriften, die entweder unmittelbar gelten oder in nationales Recht zu transformieren sind. Die Regelungen des ICAO-Abkommens und der Transitvereinbarung selbst sind für die Bundesrepublik Deutschland durch das Gesetz über den Beitritt zu diesen Vereinbarungen 1 7 8 und die Hinterlegung der Beitritts- und Annahmeurkunde am 8.6.1956 in Kraft getreten 1 7 9 und dadurch unmittelbar geltendes nationales Recht. Gleichermaßen verhält

176

Schmid in: Giemulla/Schmid, LuftVG, § 1 Rdn. 11.

177

Maunz in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 87 d Rdn. 11 b, v. Münch in: v. Münch, GG, Art. 73 Rdn. 42, 42 a. 178

Gesetz vom 7.4.1956, BGBl. II S. 411.

60

I. Historische Entwicklung der "Luftfreiheit"

es sich mit den Bestimmungen des Mehrseitigen Abkommens vom 30.4.1956 über gewerbliche Rechte im nichtplanmäßigen Luftverkehr in Europa 1 8 ° . Bei den Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaftsorgane ist zu unterscheiden: Vom Rat und von der Kommission beschlossene Verordnungen sind allgemein verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat (Art. 189 Abs. 2 EWG-Vertrag, Art. 80 Abs. 3 G G ) 1 8 1 . Richtlinien, die der Rat oder die Kommission erlassen, sind hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlassen den Mitgliedstaaten aber die Wahl der Form und der Mittel zur Verwirklichung (Art. 189 Abs. 3 EWG-Vertrag) 1 8 2 . Entscheidungen können vom Rat oder der Kommission getroffen werden und sind (nur) für den Adressaten in allen Teilen verbindlich (Art. 189 Abs. 4 EWGVertrag) 1 8 3 . Die vom Rat der ICAO in Form von Anhängen ausgearbeiteten Richtlinien (standards) und Empfehlungen (recommendations) bedürfen dagegen der Umsetzung in nationales Recht 1 8 4 . In der Bundesrepublik werden diese Vorschriften in der Regel durch Verordnungen des Bundesministers für Verkehr (LuftVO, LuftVZO) oder der Bundesanstalt für Flugsicherung (Durchführungsverordnungen) umgesetzt 1 8 5 . c) Nationale Zielrichtung der deutschen Luftfreiheit § 1 Abs. 1 LuftVG als nationale Regelung der Luftfreiheit trifft zwar nur eine Bestimmung für den innerstaatlichen - nationalen und internationalen - Luftverkehr im deutschen Luftraum 1 8 6 . Seine Zielrichtung ist daher nicht nach außen gerichtet. Die internationalen Re179

Vgl. Bekanntmachung über das Inkrafttreten vom 12.10.1956, BGBl. II,

S. 934. 180

BGBl. 1959 II S. 821.

181

lpsen y Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 448 ff.

182

lpsen y Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 455 ff.

183

Durch das Zustimmungsgesetz zum EWG-Vertrag vom 27.7.1957, BGBl. II S. 753, sind insoweit Hoheitsrechte auf die EWG übertragen worden, vgl. lpsen y Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 53 ff, zu Entscheidungen: S. 451 ff. 184 Art. 37, 38 ICAO Abkommen; s. dazu Schleicher /Reymann/Abraham I, Art. 37 ICAO-Abk. Anm. 1, 2; Beine /Lohmann, Luftverkehrsrecht, ICAO-Abkm Vorbem. Anm. 5. 185

Vgl. Giemulla in: Giemulla/Schmid, LuftVOen, Einleitung Rdn. 4 ff.

3. Rechtliche Entwicklung auf nationaler Ebene

61

gelungen beeinflussen aber, soweit sie innerstaatlich gelten, seine Auslegung. Wie weit der Einfluß reicht, läßt sich erst nach bzw. bei der Klärung des Sinngehalts der Vorschrift ermitteln. Dieser freilich wird nur verständlich, wenn man auf die nationale Rechtsordnung abstellt.

186

Vgl. Hofinann/Grabherr,

LuftVG, § 1 Rdn. 11.

I I . Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht 1. Regelungsgehalt des § 1 Abs. 1 LuftVG § 1 Abs. 1 LuftVG ist die zentrale Norm des Luftverkehrsgesetzes. Die aus einem Satz bestehende Bestimmung lautet: "Die Benutzung des Luftraums ist frei, soweit sie nicht durch dieses Gesetz, das Gesetz über die Bundesanstalt für Flugsicherung und die zur Durchführung dieser Gesetze erlassenen Rechtsvorschriften beschränkt wird."

Die Vorschrift trifft eine Benutzungsregelung und grenzt im Verhältnis zu privaten Rechten die Rechte des Luftfahrers ab. a) Eigentumsbeschränkung Durch § 1 Abs. 1 LuftVG wurde der Inhalt des Grundeigentums bestimmt und im Verhältnis zu den §§ 903, 905 BGB festgelegt, inwieweit der Luftraum über den Grundstücken der allgemeinen Benutzung offensteht 1 . Die Regelung bestimmt, ob und inwieweit ein Grundstückseigentümer den Überflug über sein Grundstück zu dulden hat 2 . 1

Mit den Rechten der Grundeigentümer an dem über ihren Grundstücken befindlichen Luftraum hatten sich bereits die Theoretiker des römischen Rechts beschäftigt, z.B. Windscheid, Lehrbuch der Pandekten, Bd. I, § 139 Anm. 3. Ihre Erwägungen flössen in die Vorschrift des § 905 BGB ein, der bestimmt: "Das Recht des Eigentümers eines Grundstücks erstreckt sich auf den Raum über der Oberfläche und auf den Erdkörper unter der Oberfläche. Der Eigentümer kann jedoch Einwirkungen nicht verbieten, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, daß er an der Ausschließung kein Interesse hat." Und § 903 S. 1 BGB lautet: "Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen." 2

S. a. Döring, LuftVG, § 1 Anm. 2 a; Riese, Luftrecht, S. 253; Meyer, ZLR 1957 (Bd. 6), 1; Hofinann/Grabherr, LuftVG, § 1 Rdn. 15; vgl. a. zum Umfang des

.

eeungsgehalt des § 1 Abs. 1 LuftVG

63

Die Interessen der Grundeigentümer wurden zugunsten der Luftfahrtentwicklung zurückgestellt 3 . Zwar hatte das Reichsgericht bereits vor Erlaß des LuftVG die Anwendbarkeit des § 905 S. 2 BGB bei der Überfliegung von Grundstücken angenommen4, dennoch konnte aber bis zum Inkrafttreten des LuftVG ein Grundeigentümer ein besonderes Interesse an der Ausschließung der Luftfahrt geltend machen und sie durch Unterlassungsklage nach § 1004 BGB verbieten. Hier brachte § 1 Abs. 1 LuftVG Klärung: Das Überfliegen von Grundstücken ist seither allgemein erlaubt 5 . b) Regelung der Benutzung § 1 Abs. 1 LuftVG gewährleistet die Befugnis zur Luftfahrt gegenüber allen anderen privaten (insbesondere Grundstückseigentum, Miete, Pacht 6 ) und öffentlichen Rechten und Interessen, indem aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung behördliche Maßnahmen gegen die Luftfahrt nur im Rahmen des § 1 Abs. 1 LuftVG getroffen werden dürfen. Zugleich grenzt er sie von diesen ab. Die Befugnis, den Luftraum zur Luftfahrt zu nutzen, gilt sowohl für die privat, als auch für die hoheitlich ausgeübte Luftfahrt, also auch für die Luftwaffe (vgl. a. § 30 LuftVG) 7 . "Benutzer" kann also jedermann, sowohl jeder Private als auch der Staat sein. Die Benutzungsfreiheit gilt nur im Rahmen der - vorwiegend polizeilichen - Vorschriften des LuftVG, des BFS-Gesetzes und der zur Durchführung dieser Gesetze erlassenen Rechtsvorschriften. Die Luftraumbenutzungsfreiheit erstreckt sich danach mit ihrer Einengung privater und öffentlicher Rechte und Interessen nur auf die § § 2 - 4 (Grund-) Eigentumsschutzes hinsichtlich des Luftraums: Ehlers, Eigentumsschutz, Sozialbindung und Enteignung bei der Nutzung von Boden und Umwelt, VVDStRL 51 (1992), 211 (220 f); sowie die Aussprache und Schlußworte, VVDStRL 51 (1992), 283 ff: Frotscher, 316; Friauf\ 334; Ehlers, 344. 3 Guldimann, Cuius est solum, eius est usque ad coelum, ZLR 1952 (Bd. 1), 213 (230). 4

RG, Urteil vom 1.7.1920 - V I 24/20 -, RGZ 100, 69.

5

Vgl. BGH, Urteil vom 10.6.1977 - V ZR 242/74 -, NJW 1977, 1920 (1921).

6

Hofinann/Grabherr,

7

Schleicher/Reymann/Abraham

LuftVG, § 1 Rdn. 14, 17. II, § 1 LuftVG Rdn. 3.

64

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

LuftVG verkehrsberechtigten Luftfahrzeuge und Luftfahrer und auf solche, die nach dem LuftVG und der LuftVZO ausnahmsweise auch ohne Zulassung, Eintragung oder Luftfahrerschein verkehren dürfen 8 . Worauf sich der Begriff Benutzung bezieht, ist festgelegt durch die im LuftVG sonst verwendeten Begriffe Luftverkehr (§§ 2, 26 LuftVG), Flug (§§ 4 Abs. 4, 29 Abs. 4 LuftVG), Luftfahrt (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 LuftVG), Betrieb (§ 33 LuftVG), Starten und Landen von Luftfahrzeugen (§ 31 Abs. 1 Nr. 13 LuftVG) 9 . Diesen Zwecken muß die Benutzung dienen 1 0 . Die Freigabe der Benutzung und damit die Freiheit des Luftraums kann sich nur auf diese Nutzungsformen erstrecken. Der Inhalt des Benutzungsrechts ergibt sich aus diesen Vorschriften. Das Benutzungsrecht findet somit seine Grenze in dem Zweck, dem das Luftfahrzeug seinem Wesen und seiner Eigenart nach zu dienen bestimmt ist und in den Beschränkungen, die nach dem 2. Halbsatz des § 1 Abs. 1 LuftVG aus den Regelungen des LuftVG selbst, des Gesetzes über die BFS und aus den zur Durchführung dieser Gesetze erlassenen Rechtsvorschriften folgen können 1 1 . c) Luftraum als Benutzungsobjekt Unter "Luftraum" wird der Bereich verstanden, der sich über einen bestimmten Bereich der Erdoberfläche nach oben erstreckt. Der der Bundesrepublik Deutschland zugeordnete Luftraum ergibt sich in seiner horizontalen Ausdehnung aus den Gebietsgrenzen einschließlich 8

Schleicher /Reymann/Abraham II, § 1 LuftVG Rdn. 3; Koffka-BodensteinKoffka, LuftVG, § 1 LuftVG Bern. V; anders John, Das Eigentum und der Verkehr durch die Luft, S. 29 f und Fachinger, Die Änderungen des bürgerlichen Rechts durch das Luftverkehrsgesetz, S. 18, die den § § 2 - 4 LuftVG (v. 1922) nur öffentlich-rechtliche Wirkung zusprechen; vgl. a. Ruhwedel, Fluglärm und Schadensausgleich im Zivilrecht, NJW 1971, 641 (644), der § 1 Abs. 1 LuftVG ausschließlich die Funktion beimißt, das Verhältnis zu § 905 BGB zu klären. 9

Vgl. Schleicher/Reymann/Abraham

10

Schmid in: Giemulla/Schmid, LuftVG, § 1 Rdn. 17.

II, § 1 LuftVG Anm. 7.

11 Hofinann/Grabh err , LuftVG, § 1 Rdn. 11, 20; Schmid in: Giemulla/Schmid, LuftVG, § 1 Rdn. 9.

2. Bedeutungsgehalt des § 1 Abs. 1 LuftVG

65

der Hoheitsgewässer. Vertikal wird der Luftraum nach oben durch den Weltraum abgegrenzt 12 .

2. Bedeutungsgehalt des § 1 Abs. 1 LuftVG Der Bedeutungsgehalt des § 1 Abs. 1 LuftVG liegt nach dem Vorgesagten somit in einer Regelung eines Benutzungsrechts, das sich grundsätzlich auf den gesamten Luftraum der Bundesrepublik Deutschland erstreckt und andererseits in einer Inhaltsbestimmung des Grundeigentums. Freiheit der Benutzung könnte also bedeuten, daß soweit nicht die nach § 1 Abs. 1 2. Halbsatz LuftVG zulässigen Beschränkungen eingreifen - überall und zu jeder Zeit im Luftraum der Bundesrepublik geflogen werden darf. § 1 Abs. 1 LuftVG könnte damit eine Luftverkehrsfreiheit im Sinne einer Zweckbestimmung des Luftraums als Verkehrsweg beinhalten. Die Besonderheit der Nutzung des Luftraums zu Verkehrszwecken ist die, daß der Luftverkehr selbst nicht an bestimmte vorgegebene Wege gebunden ist, wie dies bei den übrigen Verkehrsmitteln (Auto Straße, Schiffe - Wasserstraßen, Eisenbahn - Schienenwege) der Fall ist. Andererseits ist der Luftverkehr auf die Benutzung von Flugplätzen angewiesen, da ohne Start und Landung kein Luftverkehr möglich ist. Vergleichbar mit der Benutzungsfreiheit des Luftraums herrscht auf den öffentlichen Wegen und Gewässern nach Maßgabe ihrer Zweckbestimmung und der Verkehrsregeln Verkehrsfreiheit. Die Zweckbestimmung geschieht bei den öffentlichen Wegen und Gewässern 12

Schmid in: Giemulla/Schmid, LuftVG, § 1 Rdn. 3; Bentzien, Der unerlaubte Einflug, S. 11 ff; Die Frage, in welcher Höhe über der Erde der Weltraum beginnt ist noch ungeklärt, zumeist wird auf die sogenannte Karman'sehe Rechtsgrenze verwiesen, die zwischen 80 und 100 km anzusetzen ist und auf die Höhe Bezug nimmt, in der der aerodynamische Luftauftrieb des Tragwerks eines Flugzeugs aufhört zu wirken und 98 % des Fluggewichts von der Zentrifugalkraft getragen werden, Vgl. dazu Reifarth, Tagungsbericht: Deutsche Gesellschaft für Luft- und Weltraumrecht, Sitzungsbericht der Fachgruppe 11 - 12.5.1981, Z L W 1981 (Bd. 30), 298; Meyer, Die Staatshoheit im Luftraum und die Entwicklungen im Weltraum, Z L W 1965 (Bd. 14), 297 (309). 5 Lübben

66

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

durch Widmung. Die Widmung ist ein Staatsakt, der den öffentlichen Zweck festlegt, dem eine Sache dienen soll und gleichzeitig den Umfang ihrer Benutzbarkeit bestimmt 13 . Die Zweckbestimmung des Luftraums zur freien Benutzung in § 1 Abs. 1 LuftVG könnte damit also als Widmungsnorm anzusehen sein, die ähnlich wie die Widmung eines öffentlichen Weges dazu dient, den Luftraum zu einem öffentlichen Weg für die Zwecke der Luftfahrt zu bestimmen 1 4 . Die Freiheit der Benutzung wiederum könnte zu dem Schluß führen, daß die Zweckbestimmung eine jedermann gewährte öffentliche Berechtigung zur Benutzung des Luftraums beinhaltet und mithin als Gemeingebrauch zu qualifizieren ist. Dies ist im folgenden zu untersuchen.

3. Gemeingebrauch am Luftraum Die Bestimmung des § 1 Abs. 1 LuftVG beantwortet die Frage nach der Zweckbestimmung ("wozu ist der Luftraum da?") mit der Aussage: "zur freien Benutzung". Welche Rechtsfolgen daran anknüpfen, setzt voraus, daß die Rechtsnatur des Benutzungsrechts geklärt ist. Hier bietet das vor allem im Straßen- und Wegerecht entwickelte öffentliche Sachenrecht Lösungsansätze, die darauf zu prüfen sind, ob sie auch für die Klärung des Benutzungsrechts am Luftraum Anwendung finden können. In der Literatur und in der Rechtsprechung wird verschiedentlich geäußert, der Luftraum stehe im Gemeingebrauch 1 5 . Diese Auffassung

13

Wolff/Bachofy

14

Vgl. Schleicher/Reymann/Abraham

15

VwR I, § 56 I. II, § 1 LuftVG Anm. 3, 6.

Hofinann/Grabherr, LuftVG, § 1 Rdn. 18; Schleicher/Reymann/Abraham II, § 1 LuftVG Anm. 3, 6; Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 8; Wolff/Bachofy VwR I, § 55 II b 1; Wallerath, Allg. VwR., S. 304; Erbguth/Becker, Allg. VwR., S. 16; Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 163; Niehues, Dinglichkeit im Verwaltungsrecht, S. 42 f; W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 506; Salzwedel in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 43 Rdn. 2 (S. 516); Nebinger, Verwaltungsrecht, S. 77; vgl. a. Guldimann y ZLR 1952 (1), 213, 219; Maunz, Hauptprobleme des öffentlichen Sachenrechts, S. 307, 309; ders. y Das Recht der öffentlichen Sachen, S. 2, 11, 16; Haas y Die öffentlichen Sachen, DVB1 1962, 653; Stern y Sache, öffentliche, in: Herzog/Kunst, EvStL, Sp. 3030; Bull y Allg. VwR., Rdn. 915, 921; BVerfG, Be-

3. Gemeingebrauch am Luftraum

67

ist jedoch nicht unbestritten 1 6 , was am mit dem Gemeingebrauch verknüpften Begriff der öffentlichen Sache zusammenhängt. Denn: Unter Gemeingebrauch wird die Benutzung einer öffentlichen Sache verstanden, die jedermann ohne besondere Zulassung gemäß ihrer hoheitlichen Zweckbestimmung (Widmung) eröffnet i s t 1 7 . Für den Gemeingebrauch ist mithin Voraussetzung das Vorhandensein einer öffentlichen Sache, an der gemeiner Gebrauch besteht. Ob hinsichtlich des Luftraums Gemeingebrauch vorliegt, hängt also davon ab, ob er als öffentliche Sache zu gelten hat. a) Öffentliche

Sachen

Öffentliche Sachen sind diejenigen Objekte des Staates oder sonstiger Verwaltungsträger, die den Zwecken der Verwaltung unmittelbar, d.h. durch ihren Gebrauch als solchen, zu dienen bestimmt sind und im Rahmen dieser Zweckbestimmung öffentlichen Rechtsvorschriften unterliegen 1 8 . Die Begründung der Eigenschaft als öffentliche Sache erfolgt durch Widmung und Indienststellung 1 9 . Öffentliche Sachen werden also durch zwei Begriffsmerkmale bestimmt:

Schluß vom 12.3.1986 - 1 BvL 81/79 - BVerfGE 72, 66 ff = NJW 1986, 2188; BGH, Urteil vom 31.10.1986 - V ZR 61/80 -, NJW 1987, 1142. 16 Dagegen etwa Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 21; Weber, Die öffentliche Sache, VVDStRL 21 (1962), S. 149, 173; unentschieden wirkt Scheuner, Die Gemeinverträglichkeit im Rahmen des Gemeingebrauchs und der Nutzung öffentlicher Sachen, in: Festschrift für Gieseke, S. 73 (90 f). 17

Vgl. Wolff/Bachof,\ VwR I, § 58 II a; Fleiner, Institutionen, S. 366 f; Forsthoff,; Lehrbuch, S. 390; O. Mayer, Dt. VwR. II, S. 77; Hatschek, Lehrbuch des deutschen und preußischen Verwaltungsrechts, S. 429, 433; Biermann, Die öffentlichen Sachen, S. 9; W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 510. 18

Forsthoff; Lehrbuch, S. 376; Wolff/Bachof,\ VwR I, § 55 II a; Fleiner, Institutionen, S. 352: "öffentliche Sachen im engeren Sinn"; Hatschek, Lehrbuch des deutschen und preußischen Verwaltungs rechts, S. 429; Weber, VVDStRL 21 (1962), S. 168; Stern, Die öffentliche Sache, VVDStRL 21 (1962), S. 195. Über diese Definition herrscht im Schrifttum allerdings keine restlose Einigkeit: z.T. wird als öffentliche Sache nur die Sache im Gemeingebrauch betrachtet, z.B. Obermayer, in: Mang/Maunz/Mayer/Obermayer, Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, S. 167 ff; Nebinger, Verwaltungs recht, S. 77; s.a. Art. 174 Abs. 1 des Entwurfs einer Verwaltungsrechtsordnung für Württemberg (wüEVRO), Text s. u. in FN 47. 19

Wolff/Bachof

VwR I, § 56 I.

68

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

-

öffentliche Zweckbestimmung (Gemeinwohlfunktion)

-

öffentlich-rechtliche Sachherrschaft

20

.

aa) Öffentliche Zweckbestimmung Die öffentliche Zweckbestimmung wird festgelegt durch gesetzliche, gewohnheitsrechtliche oder administrative Begründung des Rechtsstatus als öffentliche Sache. Diese Festlegung erfolgt grundsätzlich durch Widmung 2 1 . Durch die Widmung werden Inhalt und Umfang des öffentlichrechtlichen Status bestimmt. Der durch die Widmung begründete verwaltungsrechtliche Sonderstatus bei den im Gemeingebrauch stehenden öffentlichen Sachen besteht in einem dinglichen öffentlichen Recht an der Sache 22 . Der Benutzer kann die Sache ohne weitere Vermittlung der zuständigen Verwaltungsbehörden in Anspruch nehmen. Sein Freiheitsraum wird erweitert. Im Gegensatz zur Benutzung etwa öffentlicher Einrichtungen wie Schulen oder Schwimmbäder, die nur als Zulassung zur Benutzung von Fall zu Fall gewährt wird 2 3 und bei der der Benutzer ohne jeglichen dinglichen Zugriff auf die einzelnen Gegenstände bleibt, macht derjenige, der öffentliche Sachen wie etwa Straßen oder Plätze betritt, im Rahmen der Widmung und Verkehrs Vorschriften von einer sachenrechtlichen Herrschaftsbeziehung Gebrauch, die ihn von behördlichen und privaten Behinderungen unabhängig macht 2 4 . Die sachenrechtliche Benutzung unterscheidet sich damit von der anstaltlichen dadurch, daß auf der 20 21

Papier, Öffentliche Sachen, Jura 1979, 93 ff; Wolff/Bachof

Salzwedel Mayer, Dt. VwR. VwR I, § 56 I; Stadthallen, DVB1 22

VwR I, § 55 I.

in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 43 Rdn. 1 (S. 515); O. II, S. 58 m. Anm. 2; Fleiner, Institutionen, S. 329; Wolff/Bachof Ossenbühl, Rechtliche Probleme der Zulassung zu öffentlichen 1973, 289 f.

Salzwedel in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 43 Rdn. 1 (S. 516).

23

Forsthoff,; Lehrbuch, S. 414, 415; Wolff/Bachof VwR II, § 99 III a und b 1; Salzwedel in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 43 Rdn. 2 (S. 516). 24

Salzwedel in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 43 Rdn. 1 (S. 516); Vgl. a. Papier in: Achterberg/Püttner, Bes. VwR. I, Rdn. 636 (S. 522); Forsthoff\ Lehrbuch, S. 377 gegen Ο. Mayer, Dt. VwR. II, S. 39 ff, in dessen Ausführungen er wohl zu

3. Gemeingebrauch am Luftraum

69

einen Seite ein Recht auf Zugang und auf der anderen Seite ein Recht auf Zulassung besteht. bb) Öffentlich-rechtliche Sachherrschaft Die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft entsteht durch den Rechtsakt der Widmung, die dem Staat oder einem innerstaatlichen Träger öffentlicher Verwaltung eine spezifische Sachherrschaft verschafft. Herkömmlich kann das öffentlich-rechtliche Regime in dreierlei Gestalt auftreten: (1) Res Nullius Im römischen Recht galten öffentliche Sachen im Gemeingebrauch als res nullius und zwar als beharrliche res nullius, die auch nicht fähig waren, jemandes Eigentum zu werden, res extra commercium 25 . Die öffentlichen Sachen (res publica, res in usu publico) standen damit schlechthin außerhalb des privaten Rechtsverkehrs 2 6 . (2) Domaine public und öffentliches

Eigentum

Eine ähnliche Lösung findet sich in Frankreich mit der dortigen Lehre vom domaine public. Der domaine public beruht auf einer Verbindung der privatrechtlichen Sachherrschaft (dominium) mit der öffentlich-rechtlichen Verwaltungshoheit (imperium) unter Vorherrschaft oder Überlegenheit des letzteren 27 . Zum domaine public rechnen gewisse, auf Grund von Gesetz oder Rechtslehre für die Verwaltung un-

Unrecht hineininterpretiert, dieser rechne zu den öffentlichen Sachen nur die im Gemeingebrauch, s.a. O. Mayer, Dt. VwR. II, S. 53, 73, 89 ff. 25 Fritschy lus Fluviaticum Romano-Germanicum II, S. 79: "Publica flumina non sunt in commercio, sed jure gentium publicis usibus omnium serviunt, proprietate vero sunt nullius, quamvis quo ad protectionem ad principem spectant" (nach Salzwedel in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 45 Rdn. 3, S. 534). 26 MaunZy Das Recht der öffentlichen Sachen, S. 8; vgl. a. Dilcher in: Staudinger, BGB, Vorbem. zu § 90, Rdn. 27 f. 27

MaunZy Das Recht der öffentlichen Sachen, S. 8; s.a. ders., Hauptprobleme des öffentlichen Sachenrechts, S. 172 ff.

70

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

ersetzliche öffentliche Sachen des Verwaltungsvermögens oder des Zivilgebrauchs. Sie werden besonderen Verwaltungsrechtssätzen und hoheitlicher Bestimmungsgewalt unterworfen oder - wenn gesetzliche Sonderrechtssätze fehlen - der Privatrechtsordnung insoweit entzogen, als sie unveräußerlich und unersitzbar sind, keinen nachbarrechtlichen Bestimmungen unterliegen und lediglich soweit genutzt werden dürfen, als es mit der Zweckbestimmung der öffentlichen Sache vereinbar ist. Alle übrigen Sachen des Finanz- und des Verwaltungsvermögens einschließlich der Sachen im Gemeingebrauch gehören zum "domaine privé" und unterliegen einem durch verwaltungsrechtliche Zwecksicherung modifizierten Privateigentum 28 . Otto Mayers Lehre vom öffentlichen Eigentum fußt auf diesen Einflüssen. O. Mayer forderte ein öffentlich-rechtliches Eigentum, das auf der Grundlage rechtlicher Ungleichheit dergestalt auftreten sollte, daß der Eigentümer als Träger öffentlicher Gewalt den anderen als Privaten gegenübertritt 29 . Entstehen sollte öffentliches Eigentum in dem Augenblick, in dem Eigentum und öffentliche Verwaltung durch die damit beherrschte Sache zusammentreffen 3 0 . Folge: Die öffentliche Sache ist dem Privatrecht entzogen, der Staat als Herr der öffentlichen Sache ist nicht Fiskus. Zwar kann sie - besonderen, nicht privatrechtlichen Regeln folgend - veräußert werden (allerdings nur an Träger öffentlicher Verwaltung), ein Nebeneinander von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Elementen kann aber nicht bestehen 31 .

28 Wolff/Bachof VwR I, § 57 I b; Hardinghaus, Öffentliche Sachherrschaft und öffentliche Sachwaltung, S. 57 ff. 29

O. Mayer, Dt. VwR. II, S. 40 f.

30

O. Mayer, Dt. VwR. II, S. 57 f.

31

Ο. Mayer, Dt. VwR. II, S. 61 ff, 63 ff; Hamburg hat für das Straßenrecht (§ 4 Abs. 1 HWG) und Baden-Württemberg für das Wasserrecht (§§ 4 Abs. 1, 5 BWWG) öffentliches Eigentum eingeführt. In Hamburg besteht danach an "Grundflächen, die als öffentliche Wege gewidmet sind und der Freien und Hansestadt Hamburg gehören", in Baden-Württemberg an öffentlichen Gewässern erster und zweiter Ordnung, wobei aber "Privateigentum anderer am Bett eines öffentlichen Gewässers ... unberührt" bleibt, öffentliches Eigentum. Ausgeschlossen ist die Verfügung nach bürgerlichem Recht, in Hamburg: "... dem Rechtsverkehr entzogen", in Baden-Württemberg: "... kann durch Privatrechtsgeschäft nicht verfügt werden."

3. Gemeingebrauch am Luftraum

(3) Modifiziertes

71

Privateigentum

In der Bundesrepublik gilt hinsichtlich der öffentlichen Straßen und Gewässer ganz überwiegend die Konstruktion des modifizierten Privateigentums. Danach bleibt die privatrechtliche Natur des Eigentums an der öffentlichen Sache bestehen, unabhängig davon, ob die Körperschaft, der die Hoheitsgewalt an der Sache zusteht, selbst Eigentümerin ist oder nicht 3 2 . Damit unterliegen sowohl das Verwaltungsvermögen als auch die Sachen im Anstalts- und Gemeingebrauch grundsätzlich der Privatrechtsordnung und sind Gegenstände privatrechtlichen Eigentums, jedenfalls sofern ein solches überhaupt möglich i s t 3 3 . Die Sachherrschaft, die durch die Widmung begründet worden ist, wird durch eine öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit gesichert, die auf dem privaten Eigentum lastet und die die Verpflichtung des jeweiligen Eigentümers beinhaltet, die Benutzung der öffentlichen Sache im Rahmen ihrer Zweckbestimmung zu dulden 3 4 . Mangels Eigentumsfähigkeit im bürgerlich-rechtlichen Sinn 3 5 kann die Theorie des modifizierten Privateigentums für den Luftraum selbst keine Rolle spielen. Ihr Wert liegt darin, die öffentliche Sachherrschaft über die im privaten Eigentum stehenden oder eigentumsfähigen Sachen konstruktiv zu begründen und zu sichern. In welcher Form hinsichtlich des Luftraums öffentliche Sachherrschaft vorliegt oder vorliegen kann, kann sich nur aus der Antwort auf die Frage ergeben, ob und wenn ja, aus welchen Gründen der Luftraum als öffentliche Sache zu qualifizieren ist. b) Luftraum als öffentliche

Sache

Zur Beantwortung der Frage, ob der Luftraum eine öffentliche Sache ist, kommt es zunächst auf den Begriff der öffentlichen Sache an, 32

Salzwedel in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 45 Rdn. 5 (S. 535).

33

Wolff/Bachof,\

VwR I, § 57 I 1.

34

Wolff/Bachof,\ VwR I, § 57 I, II; Forsthoff,\ Lehrbuch, S. 379 ff; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 9; Salzwedel in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 45 Rdn. 5 (S. 535). 35

Zur Sache im bürgerlich-rechtlichen Sinn s.u. S. 72.

72

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

der wiederum nur in Abgrenzung zum Begriff der Sache im bürgerlichen Recht zu verstehen ist. aa) Sachbegriff des bürgerlichen Rechts Der Begriff "Sache" wird von § 90 BGB dahingehend definiert, daß Sachen nur körperliche Gegenstände sind 3 6 . Kennzeichen der Körperlichkeit sind räumliche Abgrenzbarkeit und Beherrschbarkeit 37 . Das Kennzeichen Abgrenzbarkeit fehlt beim offenen Meer, dem fließenden Wasser und bei der freien Luft, nicht jedoch beim (abgegrenzten) Luftraum im Sinne des § 905 BGB, auf den sich das Recht des Grundstückseigentümers erstreckt 38 . Auf den Aggregatzustand kommt es dabei nicht an, sofern Abgrenzbarkeit, mit anderen Worten Beherrschbarkeit, gegeben ist, wie z.B. bei Wasser in einer Flasche oder bei Gas im Ballon 3 9 . Der Luftraum außerhalb der Eigentumssphäre des Grundstückseigentümers (§ 905 BGB) fallt mangels Abgrenzbarkeit bzw. Beherrschbarkeit mithin nicht unter den Sachbegriff des BGB 4 0 . bb) Sachbegriff des öffentlichen Rechts Was unter einer öffentlichen Sache zu verstehen ist, ist nicht vollständig geklärt. Einigkeit besteht nur darüber, daß der bürgerlichrechtliche Sachbegriff für die Aufgabenstellung im öffentlichen Sachenrecht nicht taugt 4 1 . Insbesondere gelten nach einhelliger Ansicht 36

§ 90 BGB lautet: "Sachen im Sinne des Gesetzes sind nur körperliche Gegen-

stände." 37 Jauernig, BGB, Vor § 90 Anm. II 2; Heinrichs in: Palandt, BGB, § 90 Rdn. 1; Dilcher in: Staudinger, BGB, Vorbem. § 90, Rdn. 8, § 90 Rdn. 1; Kregel in: BGBRGRK, § 90 Rdn. 11; Mühl in: Soergel, BGB, § 90 Rdn. 1. 38

Heinrichs in: Palandt, BGB, Vor § 90 Rdn. 8; Kregel in: BGB-RGRK, § 90 Rdn. 12. 39

Jauernig, BGB, Vor § 90 Anm. II 2; Heinrichs in: Palandt, BGB, Vor § 90 Rdn. 8; Kregel in: BGB-RGRK, § 90 Rdn. 12. 40

Jauernig, BGB, Vor § 90 Anm. II 2; Heinrichs in: Palandt, BGB, Vor § 90 Rdn. 8; Dilcher in: Staudinger, BGB, Vorbem. § 90, Rdn. 28; Kregel in: BGBRGRK, § 90 Rdn. 12. 41 Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 4; Wolff/Bachof\ VwR I, § 55 II b; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 2; Forst-

3. Gemeingebrauch am Luftraum

73

die Regeln über Sachzusammenhänge nicht 4 2 . Uneinigkeit besteht dagegen darüber, ob die Körperlichkeit im Sinne des Sachbegriffs des BGB unverzichtbares Merkmal auch der öffentlichen Sache ist und welchen Zweck die Einordnung eines "Gegenstandes" als öffentliche Sache hat. Für den Luftraum und dessen Qualifizierung als öffentliche Sache spitzt sich dieser Streit auf die Fragen zu, ob er trotz Unkörperlichkeit als Sache im Sinne des öffentlichen Sachenrechts betrachtet werden kann und ob eine spezifisch öffentlich-rechtliche Sachherrschaft darüber anzunehmen einen Sinn ergibt. Die h.L. rechnet den Luftraum zu den öffentlichen Sachen 43 . Zur Begründung weisen die Autoren der h.L. zumeist nur darauf hin, der Begriff der Sache, wie er der öffentlichen Sache innewohne, stimme mit dem des bürgerlichen Rechts nicht überein 4 4 . Das Merkmal Körperlichkeit im Sinne einer festen Umgrenzung gelte für öffentliche Sachen ebensowenig wie die Regeln über Sachzusammenhänge der §§ 94, 95 B G B 4 5 . Pappermann/Löhr/Andriske 46 führen an, der öffentlich-rechtliche Sachbegriff orientiere sich allein an dem Zweck, bestimmte Sachen der Sonderrechtsordnung des öffentlichen Sachenhoff, Lehrbuch, S. 378; Wallerath, Allg. VwR., S. 304; Erbguth/Becker, Allg. VwR., S. 16; Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 163; Kromer, Sachenrecht des Öffentlichen Rechts, S. 40. 42 Vgl. nur Forsthoff, Lehrbuch, S. 378; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 2 f.; Weber, VVDStRL 21 (1962), S. 173; Stern, VVDStRL 21 (1962), S. 203. 43 Hofinann/Grabherr, LuftVG, § 1 Rdn. 18; Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 4; Wolff/Bachof, VwR I, § 55 II b 1; Forsthoff, Lehrbuch, S. 378; Wallerath, Allg. VwR., S. 304; Erbguth/Becker, Allg. VwR., S. 16; Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 163; Niehues, Dinglichkeit im Verwaltungsrecht, S. 42 f; W. Jellinek, Verwaltungs recht, S. 506; Kromer, Sachenrecht des Öffentlichen Rechts, S. 85, 103; Salzwedel, in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 43 Rdn. 2 (S. 516); Nebinger, Verwaltungs recht, S. 77; vgl. a. Guldimann, ZLR 1952 (Bd. 1), 213 (219); MaunZy Hauptprobleme des öffentlichen Sachenrechts, S. 307, 309; ders., Das Recht der öffentlichen Sachen, S. 2, 11, 16; Haas, DVB1 1962, 653; Stern in: Herzog/Kunst, EvStL, Sp. 3030; Bull, Allg. VwR., Rdn. 915, 921; Dilcher in: Staudinger, BGB, Vorbem. § 90, Rdn. 34; wohl auch v. Turegg/Kraus, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 185, auf S. 178: "Öffentliche Sache i.e.S. sind die körperlichen Gegenstände (§ 90 BGB), ferner Gegenstände, denen die Körperlichkeit fehlt oder deren Körperlichkeit umstritten ist, wie z.B. Elektrizität, fließendes Wasser"; vgl. a. Schleicher/Reymann/Abraham II, § 1 LuftVG Rdn. 6. 44

Z.B. Forsthoff,

45

Forsthoff,

Lehrbuch, S. 378.

Lehrbuch, S. 378.

74

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

rechts zu unterstellen. Von daher sei entscheidend, ob unkörperliche Gegenstände - wie z.B. der Luftraum - eine solche Ähnlichkeit mit körperlichen Gegenständen - wie z.B. Straßen und Gewässer - aufwiesen, daß die Anwendung öffentlichen Sachenrechts gleichermaßen angezeigt erscheine. Dies sei für den Luftraum zu bejahen 47 . (1) Vertreter des "bürgerlich-rechtlichen" der öffentlichen Sache

Begriffs

Die Vertreter des an den bürgerlich-rechtlichen Sachbegriff angelehnten Begriffs der öffentlichen Sache halten die Erweiterung des Sachbegriffs des BGB im Hinblick auf den Luftraum für nicht angezeigt. (a) Weber Weber 4 8 begründet seine Auffassung, öffentliche Sachen seien nur körperliche Gegenstände im Sinne der Sachdefinition des § 90 BGB oder wenigstens im Sinne einer vom Gesetz angenommenen Eigentumsfähigkeit (wie bei den Gewässern) wie folgt: Die Zuerkennung des Status als öffentliche Sache diene gerade dazu, sie, jedenfalls soweit es für ihre öffentliche Indienststellung erforderlich sei, von den sonst für sie eintretenden Konsequenzen der sachenrechtlichen Privatrechtsordnung zugunsten eines stattdessen für sie maßgebenden öffentlich-recht46

Pappermann/Löhr/Andriske,

Recht der öffentlichen Sachen, S. 4 f.

47

So auch Erbguth/Becker, Allg. VwR., S. 16 f.; Pappermann/Löhr/Andriske weisen in diesem Zusammenhang darauf hin (S. 5 FN 7), daß bereits die Verfasser des Entwurfs einer Verwaltungsrechtsordnung für Württemberg davon ausgingen, daß der öffentlich-rechtliche Sachbegriff auch unkörperliche Gegenstände umfaßt, Verwaltungsrechtsordnung für Württemberg, Entwurf eines Gesetzes mit Begründung (wüEVRO), Begründung zu Art. 174, S. 532 f; Art. 174 wüEVRO lautet: "(1) Öffentliche Sachen im Sinne dieses Gesetzes sind solche, die ihrer Natur nach oder kraft Bestimmung der öffentlichen Gewalt im Gemeingebrauch stehen. (2) Gemeingebrauch ist die Benützung, die jedermann oder einem bestimmten Personenkreis ohne besondere Gewährung zusteht. (3) Zu den öffentlichen Sachen gehören nicht Sachen des Finanz- und Verwaltungsvermögens des Staates, der Körperschaften des öffentlichen Rechts und der öffentlichen Anstalten." 48

Weber, VVDStRL 21 (1962), S. 145 ff.

3. Gemeingebrauch am Luftraum

75

liehen Regimes zu eximieren. Das Reden von der öffentlichen Sache habe daher keinen Sinn, wo die Fähigkeit, Sache im Sinne der Privatrechtsordnung zu sein, versage, wie beim offenen Meer, dem hohen Luftraum oder der elektrischen Energie 4 9 . Wenn es nämlich den Begriff der öffentlichen Sache ausmache, daß in ihr privateigentumsfähige Sachen in einen das private Sacheigentum beschränkenden öffentlichen Status erhoben seien, so schieden andere als körperliche Gegenstände schon begrifflich von der Deklarierung und Behandlung als öffentliche Sachen aus 5 0 . Richtiger Ansicht nach stünden die öffentlichen Sachen, soweit sie überhaupt eigentumsfähig seien (sie!), in dem einen und einheitlichen Eigentum, das für das deutsche Rechtssystem im BGB ausgeformt sei. Die öffentlichen Sachen erhielten durch die Widmung für einen in ihnen verkörperten öffentlichen Zweck einen besonderen öffentlich-rechtlichen Status mit einem positiven und einem negativen Effekt. Der positive Effekt bestehe darin, daß eine besondere öffentlich-rechtliche Sachherrschaft über die öffentliche Sache begründet werde, die öffentlich-rechtliche Dispositionsmacht über sie und Verantwortung zugleich umfasse. Der negative Effekt sei derjenige, daß die öffentliche Sachherrschaft die Nutzungs- und Verfügungsmöglichkeiten des Eigentümers verdränge 5 1 . Webers tragende Erwägung im Hinblick auf die Anerkennung einer öffentlichen Sache besteht also darin, daß es den Sinn der öffentlichen Sachen ausmache, für sie eine öffentlich-rechtliche Sachherrschaft zu begründen, sie also dem öffentlich-rechtlichen Regime zu unterwerfen. Dies sei aber beim Luftraum nicht möglich, da er nicht privateigentumsfähig sei. (b) Papier Nach Papier 5 2 hängt die Frage, ob die Erweiterung des Sachbegriffs (des BGB) sinnvoll ist, von der Vorentscheidung darüber ab, welche 49

Weber, VVDStRL 21 (1962), S. 149.

50

Weber, VVDStRL 21 (1962), S. 173.

51

Weber, VVDStRL 21 (1962), S. 169 f.

52

Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 2.

76

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

Zwecke mit der Qualifizierung als öffentliche Sache verfolgt werden und welche Ordnungsprinzipien der Begriffsbildung daher zugrunde liegen sollten. Auch seiner Ansicht nach ist mit der Zuordnung zum Kreis der öffentlichen Sachen bezweckt, um der Wahrung und Sicherung öffentlicher Funktionen willen eine (partielle) Exemtion von der sonst eingreifenden sachenrechtlichen Privatrechtsordnung und eine Unterstellung unter eine sonderrechtliche Herrschafts- und Nutzungsordnung zu bewirken. Daher könnten nur Gegenstände, die ohne den öffentlich-rechtlichen Status der allgemeinen, der spezifischen Zweckrichtung oder Aufgabenstellung nicht voll Rechnung tragenden privatrechtlichen Herrschafts- oder Nutzungsordnung unterstünden, dem Begriff der öffentlichen Sache zugeordnet werden. Dieser finde nur in diesem kontrastierenden und abgrenzenden Sinne seine Berechtigung. Gegenstände, die per se der allgemein-privatrechtlichen Zuordnung oder Herrschafts- und Nutzungsordnung nicht unterstünden, zu den öffentlichen Sachen zu zählen, sei danach sinnwidrig. Öffentliche Sachen könnten somit nur körperliche Gegenstände sein 5 3 . Papiers Position gründet sich somit auf die Erwägung, daß öffentliche Sachen nur um der Exemtion aus der Privatrechtsordnung willen anzuerkennen seien. Soweit dieser Zweck entfällt, bedarf es nach Papier keiner öffentlichen Sache. (c) Otto Mayer Otto Mayer beschäftigte sich in seinen Überlegungen zum öffentlichen Eigentum nicht mit der Luft oder mit dem Luftraum 5 4 . Dies mag zum einen daran gelegen haben, daß der Luftraum oder die Luft von der Verwaltungsrechtswissenschaft bis zu den Anfangen der Weimarer Zeit noch nicht als (möglicher) Gegenstand des öffentlichen Sachenrechts erkannt worden w a r 5 5 . Nach seinen Ausführungen liegt 53

Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 2.

54

Ο. Mayer, Dt. VwR. II, S. 39 ff.

55

Ebenfalls keine Erwähnung findet der Luftraum bei Hatschek, Lehrbuch des deutschen und preußischen Verwaltungsrechts (1924), S. 429 ff; bei Kormann, Einführung in die Praxis des Deutschen Verwaltungsrechts (1930), S. 165; ebf. nicht bei Fleiner, Institutionen (1928), S. 351 ff; Köttgen, Deutsche Verwaltung (1937), S. 131 ff, S. 134 ff, geht von einem grds. bestehenden Privateigentum - sei es des Staates oder eines privaten Eigentümers - an öffentlichen Sachen aus und erwähnt wohl des-

3. Gemeingebrauch am Luftraum

77

aber die Annahme näher, daß O. Mayer den Luftraum gar nicht als möglichen Regelungsgegenstand des öffentlichen Sachenrechts ansah. Denn O. Mayer geht von dem bürgerlich-rechtlichen Sachbegriff aus: Er spricht von "gewissen Sachen", die dazu da seien, "mit ihrer Körperlichkeit einem bestimmten Zweck des Gemeinwesens unmittelbar zur Erfüllung zu dienen" 5 6 . Dazu rechnet er "vor allem öffentliche Wege, öffentliche Flüsse, Festungswerke" 57 . O. Mayer zählt zu den öffentlichen Sachen von vornherein nur unbewegliche Sachen 58 . Andererseits kennt er aber auch "natürliche öffentliche Sachen", die die Bestimmung, einem öffentlichen Zweck zu dienen, "schon vermöge ihrer natürlichen Beschaffenheit besitzen". Er nennt hier Flüsse, Seen und Meeresstrand 59 , nicht aber den Luftraum. Da nach O. Mayer die öffentlichen Sachen dazu da sind, einem bestimmten Zweck des Gemeinwesens zu dienen, wollte er das öffentliche Sachenrecht völlig aus der Geltung des Privatrechts herausschälen. Aus der zur öffentlichen Verwaltung gehörigen Herrschaft über die Sachen, die der Staat zumeist in privatwirtschaftlicher Form beschaffe, ergebe sich als "Forderung die Idee des öffentlichen Sachenrechts, vor allem die eines öffentlichen Eigentums, das nichts anderes ist als ein öffentlichrechtliches, öffentlichrechtlich gedachtes Eigentum" 6 0 . Das öffentliche Eigentum nach O. Mayers Theorie ist deshalb nichts anderes als die Verbindung von Privateigentum mit öffentlicher

halb den Luftraum nicht als öffentliche Sache; während Nebinger, Verwaltungsrecht (1946), S. 77, ohne weitere Erläuterung den Luftraum zu den öffentlichen Sachen kraft Rechtsvorschrift (LuftVG) zählt; Vgl. auch W. Jellinek, Verwaltungs recht (1931), S. 506; Koellreutter, Deutsches Verwaltungsrecht (1938), S. 149, scheint ebenfalls hinsichtlich des Luftraums von einer öffentlichen Sache auszugehen. 56

O. Mayer, Dt. VwR. II, S. 39.

57

O. Mayer, Dt. VwR. II, S. 39.

58

0. Mayer, Dt. VwR. II, S. 51 m. FN 25; vgl. a. S. 58 zur Entstehung öffentlichen Eigentums: "Damit das seinen Anfang nehmen könne, muß der Staat die rechtliche Verfügungsmacht über die erforderlichen Grundstücke besitzen. ... Nun beginnen die Herrichtungsarbeiten, um die Grundstücke geeignet zu machen, als öffentliche Sachen zu dienen." 59

O. Mayer, Dt. VwR. II, S. 59.

60

Ο. Mayer, Dt. VwR. II, S. 40; s.o. S. 69 ff.

78

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

Gewalt zu einem öffentlich-rechtlichen Rechtsinstitut 61 . Das hat zur Folge, daß die privatrechtlichen Rechtsinstitute wie Ersitzung, Bestellung von Reallasten, Hypotheken, Grundschuld etc. und gesetzliche Dienstbarkeiten ausgeschlossen sind 6 2 . Die Entstehung öffentlichen Eigentums geschehe bei den neu hergestellten Sachen dergestalt, daß der Staat sich zunächst die rechtliche Verfügungsmacht über die "erforderlichen Grundstücke" verschaffe, sie sodann herrichte ("durch Bauarbeiten") und sie sodann durch Widmung, die den rechtlichen "Umschlag" bewirke, in den Dienst des öffentlichen Zweckes stelle 6 3 . Daneben gebe es öffentliche Sachen, die einem öffentlichen Zweck schon kraft ihrer natürlichen Beschaffenheit besäßen, wie Flüsse, Seen und Meeresstrand. Die Widmung werde hier ersetzt durch die Beibehaltung der von der Natur gebotenen allgemeinen Benutzbarkeit 64 . O. Mayers vordringliches Anliegen war somit die Geltung öffentlichen Rechts in Ansehung der Sache. Nur dadurch sah er ihren Zweck, die allgemeine Benutzbarkeit, gewährleistet. Für den Luftraum dürfte sich also aus O. Mayers Ausführungen keine andere Betrachtung als die von Weber und Papier ergeben.

(2) Vertreter

eines besonderen Begriffs

der öffentlichen

Sache

(a) Maunz Maunz, der die öffentliche Sache als Rechtsverhältnis im Gegensatz zum Rechtssubjekt oder Rechtsobjekt auffaßte 65 , wandte sich gegen 61

So auch Maunz y Hauptprobleme des öffentlichen Sachenrechts, S. 126.

62

O. Mayer y Dt. VwR. II, S. 64.

63

Ο. Mayer y Dt. VwR. II, S. 58. Allerdings ist die Widmung, die ja den großen Umschlag bewirken soll, nach O. Mayer ihrer Rechtsnatur nach "keine obrigkeitliche Anordnung, kein Verwaltungsakt". Sie enthalte "keinen bindenden Ausspruch dessen, was Rechtens sein soll" und bedürfe "keiner Form". Entscheidend ist nach O. Mayer nur der irgendwie zutage tretende Wille des Herrn der öffentlichen Sache, "von nun an durch die bereitgestellte Sache die entsprechende öffentliche Verwaltung zu führen". Dies mache aus dem Privateigentum öffentliches, aus der privatrechtlichen Wegedienstbarkeit eine öffentlich-rechtliche und gebe dem bloßen Besitz öffentlichrechtliche Natur. 64 65

O. Mayer y Dt. VwR. II, S. 59.

Maunz y Hauptprobleme des öffentlichen Sachenrechts, S. 66 ff, 71 ff; Unter Rechtsverhältnis versteht er entweder das Verhältnis einer Rechtsperson zur Rechts-

3. Gemeingebrauch am Luftraum

79

die verbreitete Ansicht, die öffentliche Sache als eine besonders geartete bürgerlich-rechtliche Sache mit bestimmtem Verwendungszweck zu verstehen 66 . Zur Begründung führte er an, die besondere Artung oder die besondere Zweckverwendung vermöchte nicht das "Substrathafte" abzustreifen, das mit der Sache im Sinne des bürgerlichen Rechts verbunden sei. Bei seiner Konstruktion rückte Maunz die Beziehung zwischen dem Träger und dem Benutzer der öffentlichen Sache in den Mittelpunkt seiner Betrachtung 67 . Das Wesen der öffentlichen Sache erkannte er als eine Rechtspflicht eines Trägers öffentlicher Verwaltung, von ihm bezeichnet als Rechtsverhältnis im engeren Sinn. Das Nutzungsrechtsverhältnis hingegen erklärte er als Rechtsverhältnis im weiteren Sinn 6 8 . Die Entstehung der öffentlichen Sache vollzog sich nach Maunz durch Entstehung einer Rechtspflicht eines Trägers der öffentlichen Verwaltung gegenüber der Rechtsordnung durch einen Selbstverpflichtungsakt 69 . Danach gebe es zwei Gruppen von öffentlichen Sachen: solche, bei denen eine individuelle Nutzung durch Abschluß einzelner Nutzungsrechtsverhältnisse zwischen dem Träger der öffentlichen Sache und den Benutzern stattfinde und solche, bei denen nur eine generelle Nutzung in der Weise stattfinde, daß die Sache durch den Bestand den rechtlichen Erfolg verwirkliche, auf den der Träger der öffentlichen Sache mit seinem Selbstverpflichtungsakt abziele. Das als öffentliche Sache bezeichnete Rechtsverhältnis liege bei beiden Gruppen vor. In der Maunz'sehen Theorie spielte das (private) Eigentum keine Rolle mehr, da das Substrat vom Begriff "vollkommen abgezogen" und daher der Substratseigentümer an der öffentlichen Sache nicht mehr Ordnung (Rechtsverhältnis im engeren Sinn), das sich in der Auferlegung einer Rechtspflicht äußert, der nicht notwendigerweise ein Rechtsanspruch gegenüberzustehen brauche, oder das Verhältnis von Rechtspersonen zueinander (Rechtsverhältnis im weiteren Sinn), bei dem eine Korrespondierung von Rechtsanspruch und Rechtspflicht wesentlich sei. 66

Maunz y Hauptprobleme des öffentlichen Sachenrechts, S. 72.

67

Maunz y Hauptprobleme des öffentlichen Sachenrechts, S. 176 ff, 194 ff, 196.

68

Maunz, Hauptprobleme des öffentlichen Sachenrechts, S. 201.

69

Maunz y Hauptprobleme des öffentlichen Sachenrechts, S. 207.

80

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

beteiligt war 7 0 . So bereitete es denn Maunz auch keine Probleme, den Luftraum als öffentliche Sache, als Produkt eines bewußten rechtlichen Schöpfungsaktes, wenn auch das Produkt von der Natur gegeben sei, zu bezeichnen 71 . Später rückte Maunz von seiner Theorie der öffentlichen Sache als Rechtsverhältnis ab und bezeichnete die öffentliche Sache in erster Linie schlicht als Gegenstand im Sinne des § 90 BGB, wobei aber auch Gegenstände, denen die feste körperliche Umgrenzung fehle, wie die fließende Wasserwelle oder der Luftraum, öffentliche Sachen sein könnten 7 2 . (b) Kromer Kromer hält zwar offenbar für die Atmosphäre über dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland die Erweiterung des Sachbegriffs für richtig, äußert aber Zweifel, ob es "irgendeinen dogmatischen Wert hat, den Sachgegenständen (er meint die Atmosphäre und die Elektrizität) die Eigenschaft 'öffentliche Sache' zu verleihen mit den Rechtsfolgen, die dann aus der Dogmatik des öffentlichen Sachenrechts für sie gelten" 7 3 . Kromer entwickelt sodann aber für den in der Hoheit der Bundesrepublik Deutschland stehenden "hohen Luftraum" (er bezeichnet damit den Luftraum, der dort beginnt, wo der Grundstückseigentümer an der Ausschließung durch andere kein Interesse mehr hat i.S.d. § 905 S. 2 BGB) die Auffassung, dieser könne dann als öffentliche Sache anzusehen sein, wenn zugegeben würde, daß es Sachen in niemandes Eigentum oder in öffentlichem Eigentum gibt, über die niemand anders als der Staat - ohne u.U. Eigentümer zu sein öffentlich-rechtliche Sachherrschaft ausübt 74 . Kromer schließt aus dem Nichtvorhandensein einer grundgesetzlichen Vorschrift dergestalt etwa, daß "der hohe Luftraum Eigentum der Bundesrepublik Deutschland" (in Anlehnung an die Art. 89 Abs. 1, 90 Abs. 1 GG, nach denen 70

Maunz, Hauptprobleme des öffentlichen Sachenrechts, S. 230.

71

Maunz, Hauptprobleme des öffentlichen Sachenrechts, S. 307.

7 2

Maunz y Das Recht der öffentlichen Sachen, S. 1 f.

73

Kromer, Sachenrecht des Öffentlichen Rechts, S. 40.

74

Kromer, Sachenrecht des Öffentlichen Rechts, S. 84 f.

3. Gemeingebrauch am Luftraum

81

der Bund Eigentümer der bisherigen Reichswasserstraßen bzw. der bisherigen Reichsautobahnen und Reichsstraßen ist) und der Tatsache, daß (BGB-) Eigentum am "hohen Luftraum" nicht besteht, daß der Luftraum in keinem Eigentum steht 7 5 . Folgerichtig vertritt er die Ansicht, die öffentlich-sachenrechtliche Dienstbarkeit als Exemtion der Privatrechte stelle zwar das traditionelle Feld, gewissermaßen die Grundform und allseits anerkannte öffentlich-sachenrechtliche Konstruktion dar, daneben kenne aber das Sachenrecht des öffentlichen Rechts zwei weitere Rechtskonstruktionen der Sachzuordnung als Eigentum 7 6 . Diese seien das öffentliche Eigentum, soweit es gesetzlich eingerichtet ist, und als dritte dogmatische Figur die Sachen in niemandes Eigentum, zu denen er den Luftraum zählt 7 7 . Kromers grundlegende Erkenntnis ist dabei, daß es bei der Schaffung oder Umgestaltung von Straßen, Wasserwegen oder der rechtlichen Qualifizierung von Luftraum oder Grundwasser nicht um das Problem des Rechtsentzuges zugunsten des Staates oder privater Dritter durch den Staat geht, sondern um die Nutzung von Sachen als Verteilungsproblem. Die gerechte Zuteilung von Nutzungsmöglichkeiten an alle geschehe im öffentlichen Sachenrecht nicht durch Erlaubnis privater Tätigkeiten, sondern durch die Schaffung und Ausgestaltung von Sachgegenständen, die durch die Bürger nutzbar sind oder ihnen zugute kommen. Die leistungsrechtliche Eigenschaft im öffentlichen Sachenrecht bestehe danach nicht allein aus einer Rechtshandlung des Staates in Form einer Erlaubnis, hinzutreten müsse noch ein tatsächliches Handeln, wenigstens die faktische Ausübung von Sachherrschaft 78. Ähnlich wie Maunz 7 9 begreift Kromer denn auch die öffentliche Sache nicht als körperlichen Gegenstand, sondern als Menge aller durch besondere Akte des öffentlichen Sachenrechts entstandenen Eigenschaften eines Sachgegenstandes80.

75

Kromer, Sachenrecht des Öffentlichen Rechts, S. 110, 117.

7 6

Kromer, Sachenrecht des Öffentlichen Rechts, S. 131.

77

Kromer, Sachenrecht des Öffentlichen Rechts, S. 132 f.

78

Kromer, Sachenrecht des Öffentlichen Rechts, S. 131.

7 9

Maunz, Hauptprobleme des öffentlichen Sachenrechts, S. 71 ff.

80

Kromer, Sachenrecht des Öffentlichen Rechts, S. 35.

6 Lübben

82

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

(c) Niehues Niehues 81 geht von den öffentlich-rechtlichen Vorschriften selbst aus. Seine Erkenntnis ist diejenige, daß der Sachbegriff des öffentlichen Rechts nicht nur (wie im Zivilrecht) Substanzbegriff, sondern zudem auch Bedeutungsbegriff sei, sofern die verwaltungsrechtlichen Gesetze neben der erkennbaren Verwendung des privatrechtlichen Sachbegriffs je besondere Sach-Begriffe und -Einheiten verwenden, welche sich aus dem Sinn und Zweck der Rechtssätze ergeben 82 . Daraus folgert er, daß sich der Sachbegriff des öffentlichen Rechts nicht mit dem des Privatrechts deckt 8 3 . Der Unterschied betreffe im einzelnen den Verzicht auf eine feste Umgrenzungsmöglichkeit und die Nichtanwendung der Vorschriften über die Sachzusammenhänge84. Dem Einwand, was von dem privatrechtlichen Sachbegriff des BGB noch übrigbleibe, wenn die als dessen Wesensmerkmale bezeichnete Körperlichkeit und die Regeln über die Sachzusammenhänge ausfielen, begegnet Niehues mit dem Hinweis, daß mit dem Verzicht auf die Körperlichkeit im Sinne der Privatrechtslehre als der festen Umgrenzbarkeit der Materie nicht das Substanzhafte schlechthin aufgegeben sei, welches vielmehr in "irgendeiner grundlegenden Form" als das Substrat aller besonderen Sach-Begriffe und -Einheiten auch im öffentlichen Recht vorhanden sei. Wenn sich denn z.B. auch die freie Luft, das fließende Wasser und die Meereswellen nicht tatsächlich umgrenzen ließen, so verbleibe doch das Substanzhafte als "grundlegendes materiales Wesensmerkmal gewissen physikalischen Gesetzen unterstellt und von daher erfaßbar" 85 .

81

Niehues, Dinglichkeit im Verwaltungs recht; ders., Bekanntgabe dinglicher Verwaltungsakte, DVB1 1982, 317 ff, 319. 82

Niehues, Dinglichkeit im Verwaltungs recht, S. 41, nennt als Beispiel § 10 FlurberG vom 14.7.1953, BGBl. I, S. 591 und § 2 Abs. 1 BLG vom 19.10.1956, BGBl. I, S. 815, i.V.m. RVO vom 16.11.1956, BGBl. I, S. 858 i.d.F. vom 27.9.1961, BGBl. I, S. 1769. 83

Niehues, Dinglichkeit im Verwaltungs recht, S. 42.

84

Niehues, Dinglichkeit im Verwaltungsrecht, S. 42.

85

Niehues, Dinglichkeit im Verwaltungs recht, S. 42.

3. Gemeingebrauch am Luftraum

83

(d) Forsthoff Forsthoff unterscheidet zwischen dem (Finanz-) Vermögen des Staates, das den Zwecken der Verwaltung nur mittelbar dient und denjenigen Objekten des Staates oder der Verwaltung, die den Zwecken der Verwaltung unmittelbar, d.h. durch ihren Gebrauch als solchen, zu dienen bestimmt sind 8 6 . Nur die letzteren erkennt er als öffentliche Sachen an. Die öffentlichen Sachen selbst wiederum teilt er in die Sachen im Gemeingebrauch, d.h. diejenigen, die der Benutzung durch jedermann auf besondere Weise zu dienen bestimmt sind, und die Objekte, die der Verwaltung zur Erfüllung ihrer Aufgaben dienen, das Verwaltungs vermögen, e i n 8 7 . Der Sachbegriff bei der öffentlichen Sache ist nach Forsthoff nicht identisch mit dem des bürgerlichen Rechts. U.a. gelte das Merkmal Körperlichkeit im Sinne des § 90 BGB für die öffentliche Sache nicht. Demzufolge sei der Luftraum öffentliche Sache "oder kann es sein" 8 8 . Die öffentliche Sache wird nach Forsthoff zu einer solchen entweder durch ihre natürliche Beschaffenheit oder durch Indienststellung unter Widmung an einen bestimmten öffentlichen Z w e c k 8 9 . In diesem Sinne seien natürliche Wasserläufe und der Meeresstrand ihrer Natur nach für den allgemeinen Gebrauch da. Die Aufgabe der Verwaltung bestehe für sie darin, diesen allgemeinen Gebrauch zu regeln. Die künstlichen Schöpfungen dagegen wie Schule, Straße, Marktplatz würden für einen besonderen Verwaltungszweck geschaffen und in Dienst gestellt. Indem dies geschehe, trete die Sache als öffentliche Sache unter die Herrschaft des öffentlichen Rechts. Ihre Benutzung und ihr Dienst an einem Verwaltungszweck beurteile sich nach den Regeln des öffentlichen Rechts 9 0 . Besonderes Interesse verdienen Forsthoffs eher beiläufige Bemerkungen zum Sinn, der hinter der Rechtsfigur der öffentlichen Sa86

Forsthoff;

87

Forsthoff,;

Lehrbuch, S. 376.

88

Forsthoff;

Lehrbuch, S. 378.

89

Forsthoff,;

Lehrbuch, S. 379.

90

Forsthoff,;

Lehrbuch, S. 379.

Lehrbuch, S. 376.

84

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

che, insbesondere der im Gemeingebrauch, steht. So sieht er den Zweck der öffentlichen Sache darin, daß sie durch die Widmung in das öffentliche Recht einbezogen werde, was sich vor allem abwehrend auswirke 9 1 . Die Benutzung der öffentlichen Sache, wie sie durch die Zweckbindung festgelegt sei, werde so gegen störende Einwirkungen, die in die bestimmungsgemäße Verwendung eingreifen würden, sichergestellt 92 . Bei den öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch beschreibt er die Bindung der Art und des Umfangs des Gemeingebrauchs an den rechtssatzmäßig festgelegten oder aus den Umständen ersichtlichen Zweck der öffentlichen Sache, der zudem die Grenzen der Gemeinverträglichkeit in dem Sinne wahren müsse, daß der Mitgebrauch anderer nicht dauernd beeinträchtigt werden dürfe 9 3 . (e) Bartlsperger Bartlsperger definiert die öffentliche Sache als eine Sachnutzung gewährende Verwaltungsleistung 9 4 . Öffentliche Sachen seinen danach diejenigen Sachen, deren Darbietung zur öffentlichen Benutzung unmittelbar selbst den Inhalt und Zweck einer Verwaltungsleistung darstelle 9 5 . Zu dieser Konstruktion gelangt er, weil er das Wesentliche bei den öffentlichen Sachen nicht in deren Gegenständlichkeit sieht, sondern in der Verwaltungstätigkeit, durch die die öffentliche Sache vom Leistungsträger ständig unterhalten und den Leistungsempfängern in benutzbarem Zustand zur Verfügung gestellt werden 9 6 . Danach stimmt der Kreis der öffentlichen Sachen überein mit dem Bereich, in dem eine Unterhaltungspflicht bzw. eine begrifflich gleich zu bewertende Leistungs- und Gewährleistungspflicht der Hoheitsträger für die Darbietung und Unterhaltung der Sache zur öffentlichen Benutzung besteht 97 . Eine Unterhaltungs- und Verkehrssicherungspflicht im Sinne einer Gewährleistungspflicht "natürlicher" öffentlicher Sachen, 91

Forsthoffy

Lehrbuch, S. 387.

92

Forsthoffy

Lehrbuch, S. 387 f.

93

Forsthoffy

Lehrbuch, S. 393.

94

Bartlsperger, Rdn. 28.

Verkehrssicherungspflicht,

S. 213; ders. in: BK, Art. 90

95

Bartlsperger y Verkehrssicherungspflicht, S. 193.

96

Bartlsperger y Verkehrssicherungspflicht, S. 188.

3. Gemeingebrauch am Luftraum

85

zu denen er den Luftraum zählt 9 8 , leitet Bartlsperger aus dem Sozialstaatsprinzip her. Mit den Sachen des Privatrechts haben die öffentlichen Sachen nach Bartlsperger lediglich gemein, daß sie nicht aus Rechten bestehen 9 9 . (f) Wolff/Bachof Nach Wolff/Bachof besteht der Zweck öffentlicher Sachen im Bedürfnis der Träger öffentlicher Verwaltung an sachlichen Hilfsmitteln zur Durchführung ihrer Aufgaben. Außerdem sorgten die Träger öffentlicher Verwaltung für den Bestand und die Benutzbarkeit von Sachen, deren die Öffentlichkeit bedürfe oder die ihr durch die Verwaltung bereitgestellt würden 1 0 °. Daher unterlägen diese wie jene Sachen einem besonderen Verwaltungsrecht der öffentlichen Sachen, welches ihren zweckmäßigen Bestand sicherstellen soll und ihre Benutzung regelt. Hier liegt nach Wolff/Bachof die eigentliche Sinnbestimmung der öffentlichen Sachen. Daneben folge aus der Bedeutung der öffentlichen Sachen für die Verwaltung und die Öffentlichkeit, daß sie nicht "ausschließlich" den Normen des Privatrechts unterworfen werden können 1 0 1 . Sofern ein privatrechtliches Eigentum an öffentlichen Sachen überhaupt möglich sei, unterlägen zwar sowohl das Verwaltungsvermögen wie auch die Sachen im Anstalts- und die im Gemeingebrauch der Privatrechtsordnung 1 0 2 , gleichzeitig aber öffentlich-rechtlicher Sachherrschaft, die zu der privatrechtlichen Sachherrschaft des Eigentümers hinzutrete und diese überlagere 103 . Der Sachbegriff, der für die öffentliche Sache maßgeblich ist, deckt sich nach Wolff/Bachof "nicht vollständig" mit dem des BGB 1 0 4 . Insbesondere sei die Körperlichkeit, die feste Umgrenzung, nicht erfor97

Bartlsperger, Verkehrssicherungspflicht, S. 188.

98

Bartlsperger, Rdn. 28. 99 100

Bartlsperger Wolff/Bachof

Verkehrssicherungspflicht, in: BK, Art. 90 Rdn. 28. VwR I, § 55 I.

101

Wolff/Bachof

VwR I, § 57 I.

102

Wolff/Bachof

VwR I, § 57 I 1.

103

Wolff/Bachof

VwR I, § 57 I 2.

S. 195, ders.

in: BK, Art. 90

86

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

der lieh, so daß auch der Luftraum und das fließende Wasser öffentliche Sachen sein könnten 1 0 5 . Das Verwaltungsrecht gehe zwar vom privatrechtlichen Sachbegriff aus, sei aber nicht an dessen Begrenzung gebunden. Der enge substantielle Sachbegriff des Privatrechts gelte nur dann, wenn verwaltungsrechtliche Vorschriften beim Gebrauch der Begriffe "Sache", "bewegliche Sache" oder "Grundstück" erkennbar auf die privatrechtliche Begrifflichkeit abstellten 1 0 6 . Im übrigen verwendeten die verwaltungsrechtlichen Gesetze je besondere Sachbegriffe und Sacheinheiten, die sich aus dem Sinn und Zweck der Rechtssätze ergäben 1 0 7 . In § 1 Abs. 1 LuftVG sehen Wolff/Bachof denn eine Widmung des Luftraums durch Gesetz zur öffentlichen Sache im Gemeingebrauch 1 0 8 . Besonders hinsichtlich der öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch wird das Verteilungsproblem angesprochen. Sonach erfordere zwar die lebenswichtige Bedeutung und die Verknappung des Wassers und der Verkehrswege sowie die Reinhaltung der Luft eine zunehmende Reglementierung ihrer Benutzung ähnlich der Anstaltsbenutzung. Eben wegen ihrer Bedeutung für jedermann könne aber der Gebrauch dieser Gemeinschaftsgüter den einzelnen nicht je besonders und zu den jeweils angemessenen Bedingungen zugeteilt werden. Daher stünden Gewässer, Straßen und die Luft - wie seit jeher, aber in geringerem Maße - in gesetzlich geregeltem, in Einzelfällen einschränkbarem zulassungsfreien Gemeingebrauch 1 0 9 .

104

Wolff/Bachof

VwR I, § 55 II b.

105

Wolff/Bachof

VwR I, § 55 II b 1.

106

Wolff/Bachof VwR I, § 39 I b m.H.a. § 10 FlurberG, § 2 BLG i.V.m. VO vom 16.11.1956, wonach zwar der privatrechtliche Begriff der Sache zugrunde gelegt, aber im Sinne des BLG enumerativ eingeschränkt werde. 107

Wolff/Bachof VwR I, § 39 I b m. der Anm., daß bspw. nicht nur das Flußbett, sondern auch das fließende Wasser verwaltungsrechtlich eine einheitliche Sache sei. 108

Wolff/Bachof

VwR I, § 56 II a, § 55 III b 2.

109

Wolff/Bachof

VwR I, § 58 II.

3. Gemeingebrauch am Luftraum

(3) Rechtsprechung zu öffentlichen

87

Sachen

Die Rechtsprechung hat sich naturgemäß nicht generell, sondern nur fallbezogen mit dem Begriff der öffentlichen Sachen befaßt. Für den Luftraum und seine Qualität als öffentliche Sache findet sich denn gar keine direkte Aussage. (a) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Luftraum Das BVerfG hat in seinem Beschluß zum Flughafen Salzburg 1 1 0 das Zustimmungsgesetz zu dem Vertrag der Bundesrepublik Deutschland mit der Republik Österreich über Auswirkungen der Anlage und des Betriebes des Flughafens Salzburg auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland auch insoweit als mit dem GG für vereinbar gehalten, als danach das start- und landungsbedingte Unterschreiten der Sicherheitsmindesthöhe gemäß § 6 LuftVO als "Teilnahme am Gemeingebrauch am Luftraum" zu behandeln s e i 1 1 1 . Und später in derselben Entscheidung: "Die zur verfassungsrechtlichen Überprüfung gestellten Vorschriften ... bestimmen gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG Inhalt und Schranken des Eigentums an denjenigen Grundstücken auf deutschem Staatsgebiet, die den Fluglärmimmissionen des Flughafens Salzburg ausgesetzt s i n d 1 1 2 . So war der Gesetzgeber auch im vorliegenden Fall befugt, nachbarrechtliche Regelungen zu erlassen und den Gemeingebrauch am Luftraum zu regeln" 1 1 3 . Ersichtlich geht das BVerfG hier von einem grundsätzlich bestehenden Gemeingebrauch am Luftraum aus, der im Einzelfall oder generell vom Gesetzgeber besonders geregelt werden kann, ohne aber darauf einzugehen, ob der Luftraum als öffentliche Sache anzusehen ist. (b) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Luftraum Der BGH wiederholt in den Entscheidungen, in denen er sich mit § 1 Abs. 1 LuftVG befaßt hat, im wesentlichen den Wortlaut des § 1 110 BVerfG, Beschluß vom 12.3.1986 - 1 BvL 81/79 - BVerfGE 72, 66 = NJW 1986, 2188. 111

BVerfGE 72, 66 (67).

112

BVerfGE 72, 66 (76).

113

BVerfGE 72, 66 (77).

88

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

Abs. 1 LuftVG 1 1 4 bzw. beschränkt sich unter Hinweis auf § 1 Abs. 1 LuftVG auf die Feststellung, das Überfliegen von Grundstücken sei allgemein erlaubt 1 1 5 . (c) Der Sach- und Eigentumsbegriff des öffentlichen Rechts in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Aus der Rechtsprechung des BVerfG zum öffentlichen Eigentum und zum Eigentum an sich könnten Rückschlüsse darauf zu ziehen sein, was es unter öffentlichen Sachen versteht. Zum öffentlichen Eigentum nach dem Hamburgischen Wegegesetz HWG - führte das BVerfG 1 1 6 aus: "Diese grundsätzlichen Überlegungen zum Begriff und Gegenstand des bürgerlichen Rechts im Sinne des Art. 74 Nr. 1 GG zeigen ohne weiteres, daß die Rechtsverhältnisse an den öffentlichen Straßen sich in dieses Konzept nicht einordnen lassen. Die für den allgemeinen Verkehr geschaffene und hierfür gewidmete sowie für seine Zwecke unterhaltene Verkehrs fläche ist in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch Besonderheiten geprägt, die mit dem Wesen und der Funktion des bürgerlichen Rechts kaum noch einen Zusammenhang aufweisen. Die öffentliche Straße kann als eine Verwaltungsleistung weder mit dem für das Privatrecht und keineswegs allgemein geltenden Sachbegriff des § 90 BGB noch mit dem Eigentumsbegriff des Bürgerlichen Gesetzbuchs sachgerecht erfaßt werden, sondern fordert ihrer Funktion nach eine vom bürgerlichen Recht abweichende Regelung der 'Sachherrschaft'. Ihr Inhalt wird durch das öffentlicherechtliche, auf die Allgemeinheit ausgerichtete Element bestimmt"

Zur Widmung nach dem HWG führt das BVerfG aus 1 1 8 :

114 Vgl. BGH, Urteil vom 16.6.1977 - III ZR 179/75 - NJW 1977, 1875; vgl. a. BGH, Urteil vom 10.6.1969 - KZR 13/68 - VkBl 1970, 730 = BB 1969, 1239 = DB 1969, 1790. 115

BGH, Urteil vom 10.6.1977 - V ZR 242/74 - NJW 1977, 1920 (1921).

116

BVerfG, Beschluß vom 10.3.1976 - 1 BvR 355/67 - BVerfGE 42, 20.

117

BVerfGE 42, 20 (32).

118

BVerfGE 42, 20 (33).

3. Gemeingebrauch am Luftraum

89

"Die Widmung ... ist ein öffentlich-rechtlicher Vorgang, der vor allem dem Ziel dient, den verwaltungs rechtlichen Status der Straße zu begründen; sie bestimmt den Zweck, dem die Grundstücke fortan dienen sollen - nämlich dem Gemeingebrauch. Das bedeutet: Jedermann kann die Straße ohne besondere Erlaubnis im Rahmen der Widmung zum Verkehr benutzen. Durch die Widmung wird der ursprünglich dem bürgerlichen Recht unterliegende Straßengrund für die Zukunft einer öffentlichen Aufgabe zugeführt."

Und: "Das öffentliche schaft'" 1 1 9 .

Eigentum begründet eine 'hoheitliche Sachherr-

In der Naßauskiesungsentscheidung 1 2 0 hat das BVerfG zum Eigentumsbegriff geäußert, das Eigentum bedürfe, um im Rechtsleben praktikabel zu sein, notwendigerweise der rechtlichen Ausformung. Die durch den Gesetzgeber aufgrund der Bestimmung des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG geschaffenen Normen legten generell und abstrakt die Rechte des Eigentümers fest, bestimmten also den "Inhalt" des Eigentums. Auf der Ebene des objektiven Rechts schaffe der Gesetzgeber damit diejenigen Rechtssätze - öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur -, die die Rechtsstellung des Eigentümers begründen und ausformen 121 . Das bedeutet nach dem BVerfG, daß die bürgerlich-rechtliche Eigentumsordnung keine abschließende Regelung von Inhalt und Schranken des Eigentums ist und daß ihr auch kein Vorrang vor öffentlich-rechtlichen Vorschriften zukommt, die eigentumsrechtliche Regelungen treffen 1 2 2 . Hinsichtlich des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) folgert das BVerfG hieraus, daß die dortigen Vorschriften allgemein das Verhältnis von Grundwasser und Grundeigentum festleg e n 1 2 3 . Das WHG schließt Eingriffe in das Grundwasser prinzipiell vom Inhalt des Grundeigentums aus 1 2 4 , indem es die Benutzung des Grundwassers einer vom Oberflächeneigentum getrennten öffentlich-

119

BVerfGE 42, 20 (33).

120

BVerfG, Beschluß vom 15.7.1981 - 1 BvL 77/78 -, BVerfGE 58, 300.

121

BVerfGE 58, 300 (330).

122

BVerfGE 58, 300 (336).

123

BVerfGE 58, 300 (336).

124

BVerfGE 58, 300 (337).

90

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

rechtlichen Ordnung unterstellt 125 . Dies rechtfertige sich aus der Überlegung, daß dem Grundwasser für die Allgemeinheit, insbesondere für die öffentliche Wasserversorgung, eine kaum zu überschätzende Bedeutung zukomme. Die Bewältigung einer derart umfassenden, dem Gemeinwohl dienenden Aufgabe könne mit den Mitteln des Privatrechts nicht erfüllt werden und gehöre deshalb zu den typischen Angelegenheiten des öffentlichen Rechts 1 2 6 . Für die vorliegende Untersuchung bedeuten die Äußerungen des BVerfG, daß der Gesetzgeber nicht nur bürgerlich-sachenrechtliche, sondern auch öffentlich-rechtliche sachenrechtliche Regelungen treffen und ebenso vom BGB-Eigentum abweichende Eigentumsformen vorsehen kann. Gleiches gilt für den Sachbegriff, der abweichend vom bürgerlichen Recht öffentlich-rechtlich ausgeformt werden kann. § 90 BGB ist auf das Privateigentum zugeschnitten. Art. 14 Abs. 1 GG ermöglicht es dagegen, bestimmte "Sachen" für eigentumsunfähig zu erklären. Diese bleiben Sachen, weil es nach der Rechtsordnung nur Menschen, Rechte und Sachen gibt. cc) Stellungnahme und Entscheidung zum Luftraum als öffentliche Sache Zusammenfassend sind folgende Grundströmungen erkennbar: Zum einen wird - ausgehend von der Sachdefinition des BGB - Körperlichkeit verlangt 1 2 7 und, da diese Autoren offenbar von einer Vorgreiflichkeit der privatrechtlichen Eigentumsordnung ausgehen, als Sinn der Zuordnung zu den öffentlichen Sachen die Exemtion aus der Privatrechtsordnung gesehen 1 2 8 . Im Gegensatz dazu gewinnt überragende Bedeutung bei der Auffassung, die nicht von der Geltung oder Vorgreiftichkeit des privatrechtlichen Sachbegriffs ausgeht, die Frage der Nutzung öffentlicher Sachen als Verteilungs- und Erhaltungsproblem. Deshalb erschließt sich danach die Frage, ob etwas als öffentliche Sache anzuerkennen ist oder nicht, aus dem Sinn und Zweck der 125

BVerfGE 58, 300 (341, 344).

126

BVerfGE 58, 300 (344).

127

S.o. Weber (S. 74 f) und Papier (S. 76).

128

Ähnlich auch O. Mayer, s.o. S. 76 ff.

3. Gemeingebrauch am Luftraum

91

öffentlich-rechtlichen Regelungen selbst, die abweichend vom (substantiellen) Sachbegriff des BGB besondere Sachbegriffe entwickeln können 1 2 9 . Auch das BVerfG geht davon aus, daß der Sachbegriff des § 90 BGB "keineswegs allgemein" g i l t 1 3 0 und daß hinsichtlich der Straßen als Verwaltungsleistung eine vom bürgerlichen Recht abweichende Sachherrschaft gefordert sei, die durch das auf die Allgemeinheit ausgerichtete Element bestimmt w i r d 1 3 1 . Welcher Art der durch Widmung und Indienststellung erreichte Rechtsstatus öffentlicher Sachen ist, bestimmt daher letztlich der Gesetzgeber, dem es freisteht, besondere Sachbegriffe zu verwenden und die Aufgabe zu bestimmen, der die Sache dienen soll. Die Ansicht, die den Begriff der öffentlichen Sache eng an den Sachbegriff des BGB anlehnt, indem sie Körperlichkeit der Sache verlangt, und ihren Sinn vor allem in der Herauslösung der öffentlichen Sache aus der Privatrechtsordnung sieht, ist mit der Rechtsprechung des BVerfG als überwunden anzusehen. Die Privatrechtsordnung besitzt gegenüber der öffentlich-rechtlichen Ordnung hinsichtlich der Sachen und des Eigentums keinerlei Vorgreiflichkeit. Der Gesetzgeber ist nicht an den Sach- und Eigentumsbegriff des BGB gebunden. Er kann neue Sachbegriffe für die jeweils zu regelnden Rechtsgebiete ausformen und den Rechtsstatus bestimmen. Eine öffentliche Sache liegt danach dann vor, wenn der Gesetzgeber in einem Rechtsbereich Vorschriften erlassen hat, denen die Vorstellung eines besonderen öffentlichen Sachbegriffs einschließlich einer besonderen Sachherrschaft zugrunde liegt. Dagegen hat die Exemtion einer Sache aus der Privatrechtsordnung als Zuordnungskriterium nur dort Bedeutung, wo der Sachbegriff und die Sachherrschaftsordnung des BGB (zunächst) gegolten hat und eine öffentliche Sache aus einer (BGB-) Sache entstehen soll. 129

Niehues, Dinglichkeit im Verwaltungs recht, S. 41 f; Wolff/Bachof

§39 I b . 130

BVerfGE 42, 20 (32).

131

BVerfGE 42, 20 (32).

VwR I,

92

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

Für den Luftraum ergibt sich daraus folgendes: Ob die Luft bzw. der Luftraum als öffentliche Sache anzuerkennen ist, muß nach den luftrechtlichen Vorschriften selbst entschieden werden. Der Luftraum dient als Verkehrsweg - und dies insgesamt, nicht nur auf sogenannten Luftstraßen 1 3 2 . Dies folgt unmittelbar aus § 1 Abs. 1 LuftVG. § 1 Abs. 1 LuftVG hat den Inhalt des Grundeigentums dahingehend bestimmt, daß Unterlassungsansprüche gegen Luftfahrer und Luftfahrzeughalter wegen einer Benutzung des Luftraums in ordnungsgemäßer Weise ausgeschlossen sind 1 3 3 . Die Vorschrift beinhaltet damit keinen enteignungsrechtlich relevanten Rechtsentzug, sondern trifft im öffentlichen und individuellen Verkehrsinteresse eine Bestimmung über das Verhältnis von Grundeigentum und Luftraum. Der Gesetzgeber hat also im Rahmen seiner Regelungskompetenz mit der Bestimmung "die Benutzung des Luftraums ist frei ..." (eingeschränkt nur durch die Luftfahrtgesetze) festgelegt, daß der Luftraum weder tatsächlich noch rechtlich zum Grundeigentum gehört und ihn ausschließlich einer öffentlich-rechtlichen Ordnung unterstellt, deren Funktion in der Sicherung eines funktionsfähigen Verkehrsweges und der gerechten Zuteilung der Nutzungsmöglichkeiten besteht. Der Luftraum und seine Nutzung ist zu diesem Zweck aus der Privatnützigkeit des (Privat-)Eigentums herausgelöst und durch § 1 Abs. 1 LuftVG für eigentumsunfähig erklärt worden. Das bedeutet aber nicht, daß der Luftraum deswegen rechtlich zu einem nullum geworden ist. Die Unterstellung des Luftraums unter die öffentlich-rechtliche Ordnung der luftfahrtrechtlichen Vorschriften bewirkt seine umfassende Zuordnung zu einem Träger hoheitlicher Gewalt. Diese Zuordnung ist dinglicher, öffentlich-sachenrechtlicher Natur, da sie unter Begründung einer sachgebietsbezogenen Eigentumsordnung eine öffentliche Sachherrschaft begründet und gleichzeitig die möglichen Nutzungsarten für den Staat und für Private festlegt. Die aus § 1 Abs. 1 LuftVG abzuleitende Herrschaft ist somit eine andere als die aus völkerrechtlichen Grund132 Die ohnehin seit Einführung des kontrollierten Luftraums über nahezu dem gesamten Bundesgebiet nur noch Bedeutung als Standardstreckenführungen (ATSRoutes) innerhalb des kontrollierten Luftraums haben, vgl. Schwenk, Handbuch des Luftverkehrsrechts, S. 123; s.a. Schmid in: Giemulla/Schmid, LuftVOen, § 10 LuftVO Rdn. 5. 133

Vgl. BVerfGE 72, 66 (81).

3. Gemeingebrauch am Luftraum

93

Sätzen bestehende Lufthoheit. Neben den auch aus der Lufthoheit folgenden - negativen - Verbietungsrechten begründet sie eine - positive Pflichtenstellung für den Träger der Sachherrschaft, für den Bestand, die Sicherung und die gerechte Verteilung der Nutzungsmöglichkeiten zu sorgen. Eine Sachherrschaft wie die über (privatrechtliches) Eigentum ist dies nicht, so daß die Annahme Kromers, der Luftraum stehe in niemandes Eigentum, so gesehen richtig ist. Dies ist aber irrelevant, da die Herrschaft über eine (öffentliche) Sache nicht deren Eigentumsfähigkeit im zivilrechtlichen Sinn voraussetzt. Genau so wie der Gesetzgeber einen besonderen Sachbegriff für verschiedene Rechts-bereiche ausformen kann, kann er auch die Herrschaft darüber abweichend vom Zivilrecht regeln und ist dabei nicht an die dort entwickelten Rechtsinstitute (und den numerus clausus der Sachenrechte) gebunden. Für die Herrschaft über den Luftraum bedeutet dies, daß hier eine öffentlich-rechtliche Sachherrschaft "sui generis" besteht, die über die bloße Lufthoheit (im Sinne von imperium) hinaus Verpflichtungen enthält, die nur mit denen aus der Sachherrschaft (im Sinne von dominium) vergleichbar sind. Die Öffentlichkeit bedarf der Luft bzw. des Luftraums zur Fortbewegung im Fluge, ähnlich wie die Straßen zur Fortbewegung am Boden dienen. Die Luft als Verkehrsweg dient der Allgemeinheit unmittelbar durch ihren Gebrauch dem Gemeinwohl. Da der Raum über der Bundesrepublik begrenzt ist, entsteht das Verteilungs- und Ordnungsproblem, das den eigentlichen Zweck der öffentlichen Sachen ausmacht. In einem demokratischen und sozialen Leistungsstaat 134 ist es Aufgabe des Staates, für eine Sicherung der Lebensgrundlagen und eine gerechte Zuteilung von Nutzungsmöglichkeiten an alle zu sorgen. Indem § 1 Abs. 1 LuftVG die Benutzung des Luftraums (als Verkehrsweg) durch jedermann freigibt, erschließt er ihn als Gemeinschaftsgut, das prinzipiell ohne besondere Zulassung benutzt werden kann. Die im einzelnen und generell getroffenen Einschränkungen wie z.B. Ausweichregeln (§ 13 LuftVO), Sicherheitsmindesthöhe (§ 6 LuftVO), Festlegung eines kontrollierten Luftraumes (§ 10 Abs. 2 LuftVO i.V.m. der Allgemeinverfügung des Bundesministers für Verkehr 134 vgl z u Leistungsstaat und Leistungsrechten allgemein: Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 43 ff; Müller/Pieroth/Fohmann, Leistungsrechte im Normbereich einer Freiheitsgarantie, S. 90 ff.

94

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

NfL I 146/84 1 3 5 ) oder das Erfordernis einer Erlaubnis (Luftfahrerschein, § 4 Abs. 1 LuftVG) zum Führen eines Luftfahrzeugs sind Regelungen, die eine sichere Benutzung und gleichmäßige Verteilung des Verkehrswegs Luftraum gewährleisten. Indem der Gesetzgeber somit den Luftraum dem allgemeinen Bürgergebrauch eröffnet hat, hat er eine öffentliche Sache im Sinne des besonderen öffentlich-rechtlichen Bedeutungsbegriffs geschaffen und eine Widmung für die Zwecke des Verkehrs ausgesprochen. Als Ergebnis läßt sich daher hierzu festhalten, daß § 1 Abs. 1 LuftVG eine Widmungsnorm ist, durch die der Gesetzgeber eine öffentliche Sache geschaffen hat. § 1 Abs. 1 LuftVG beinhaltet also eine Statusfestlegung des Luftraums, die für eine beliebige Anzahl von potentiellen, jeweils aktualisierten Rechtsverhältnissen den Gegenstand und den Träger von Rechten und Pflichten bestimmt 1 3 6 . c) Luftraum als öffentliche

Sache im Gemeingebrauch

Nach dem Vorgesagten ergibt sich für die Art des Nutzungsrechts am Luftraum aus § 1 Abs. 1 LuftVG: Die Zweckbestimmung des Luftraums zur freien Benutzung beinhaltet eine Widmung des Luftraums zu einer öffentlichen Sache im Gemeingebrauch 1 3 7 . Kennzeichnend für eine öffentliche Sache im Gemeingebrauch ist - wie bereits erwähnt -, daß sie einer unbeschränkten Öffentlichkeit unmittelbar und ohne besondere Zulassung zur bestimmungsgemäßen Benutzung zur Verfü-

135

S.a. BAnz vom 29.6.1984, S. 6441.

136

Vgl. Kromer, Sachenrecht des Öffentlichen Rechts, S. 129.

137

Hofinann/Grabherr, LuftVG, § 1 Rdn. 18; Schleicher/Reymann/Abraham II, § 1 LuftVG Anm. 3, 6; Pappermann/Löhr/Andriske, S. 8; Wolff/Bachof\ VwR I, § 55 II b 1; Wallerath, Allg. VwR., S. 304; Erbguth/Becker, Allg. VwR., S. 16; Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 163; Niehues, Dinglichkeit im Verwaltungsrecht, S. 42 f; W. Jellinek, Verwaltungs recht, S. 506; Salzwedel, in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 43 Rdn 1, 2 (S. 516); Nebinger, Verwaltungs recht, S. 77; Guldimann, ZLR 1952 (Bd. 1), 213, 219; Maunz, Hauptprobleme des öffentlichen Sachenrechts, S. 307, 309; ders., Das Recht der öffentlichen Sachen, S. 2, 11, 16; Haas, DVB1 1962, 653; Stern, in: Herzog/Kunst, EvStL, Sp. 3030; Bull, Allg. VwR., Rdn. 915, 921.

3. Gemeingebrauch am Luftraum

95

gung steht 1 3 8 . Regelnutzung bei den öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch ist daher der zulassungsfreie Gemeingebrauch, Ausnahmenutzung die zulassungsbedürftige öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Sondernutzung. Die Bedeutung des § 1 Abs. 1 LuftVG liegt also darin, daß er den Luftraum zu einem öffentlichen Verkehrsweg für die Zwecke der Luftfahrt unmittelbar zur Benutzung durch Private (und auch durch den Staat) und damit zum Gemeingebrauch gewidmet hat. Jede andere Einstufung - z.B. als öffentliche Sache im internen Verwaltungsgebrauch oder als öffentliche Sache im Sonder- oder Anstaltsgebrauch - muß angesichts der Vorschrift des § 1 Abs. 1 LuftVG ausscheiden. Eine Einordnung des Luftraums als öffentliche Sache im internen Verwaltungsgebrauch kommt nicht in Betracht, da er durch die Bestimmung des § 1 Abs. 1 LuftVG unmittelbar dem externen Gebrauch gewidmet ist. Auch die Annahme von Sondergebrauch am Luftraum ist offensichtlich ausgeschlossen. Öffentliche Sachen im Sondergebrauch sind diejenigen, deren Inanspruchnahme nach ihrer Zweckbestimmung gerade nicht jedermann, sondern nur demjenigen zusteht, dem der öffentliche Sachherr durch begünstigenden Verwaltungsakt ein subjektiv-öffentliches Recht auf eine bestimmte Benutzung eingeräumt h a t 1 3 9 . Hierzu rechnen in erster Linie die Gewässer, soweit sie nicht zu Verkehrszwecken, sondern zu wasserwirtschaftlichen Zwecken (z.B. Entnehmen und Ableiten von Wasser, Einleiten von Stoffen) genutzt werden 1 4 0 . Nach § 2 Abs. 1 WHG bedarf (nahezu) jede Benutzung oberirdischer Gewässer, der Küstengewässer und des Grundwassers (s. § 1 Abs. 1 WHG) der Erlaubnis (§ 7 WHG) oder der Bewilligung (§ 8 WHG), die im Ermessen der Verwaltungsbehörde - "Bewirtschaf138

Wolff/Bachof VwR I, § 55 III b 2; Forsthoff\ Lehrbuch, S. 389 f; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 16; Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 6 f. 139 140

Salzwedel in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 47 Rdn. 1 (S. 556).

Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 21; Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 8; Salzwedel in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 47 Rdn. 1 (S. 556); Weber, VVDStRL 21 (1964), 164 f; Wallerath, Allg. VwR., S. 306 f; Erbguth/Becker, Allg. VwR., S. 2; Peine, Das Recht der öffentlichen Sachen, JZ 1984, 869 (874 f).

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II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

tungsermessen" - stehen 1 4 1 . An öffentlichen Sachen im Sondergebrauch gibt es in geringem Umfang auch Gemeingebrauch als Ausnahmenutzung. Es sind dies Bagatellnutzungen wie z.B. Baden, Waschen, Schöpfen mit Handgefäßen. Die gemeingebräuchlichen Nutzungsmöglichkeiten der Gewässer in wasserwirtschaftlicher Hinsicht sind für die öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung, die haushälterische Bewirtschaftung der Gewässer, nicht bestimmend. Der wasserwirtschaftliche Gemeingebrauch liegt außerhalb dieser Zweckbestimmung. Es handelt sich daher der Sache nach um wegen Bagatellität erlaubnisfreie Sondernutzungen 142 . Hinsichtlich des Luftraums ist derartiger Nutzung vergleichbar seine "wirtschaftliche" Nutzung als Aufnahmemedium für Emissionen (Abgase, Lärm u.ä.) oder die Nutzung der Luft etwa für Kühlprozesse oder zur Verbrennung von Kraftstoffen. Insoweit liegt der wasserwirtschaftlichen Nutzung der Gewässer vergleichbare Sondernutzung vor. Dagegen liegt es auf der Hand, daß hinsichtlich der Nutzung des Luftraums als Verkehrsweg wegen der Bestimmung des § 1 Abs. 1 LuftVG nicht von Sondergebrauch gesprochen werden kann. Denn danach ist die Benutzung des Luftraums (zum Verkehr) für jedermann frei, ohne daß dies gestattet werden muß. Die Regel ist danach die freie Benutzung, die Ausnahme die Beschränkung. Ebenso verhält es sich mit der Einordnung des Luftraums als Sache im Anstaltsgebrauch: Die öffentlichen Sachen im Anstaltsgebrauch sind diejenigen, die vom Bürger aufgrund ihrer Zweckbestimmung nach besonderer Zulassung benutzt werden dürfen 1 4 3 . Beispiele sind Schulen, Badeanstalten, Theater und Krankenhäuser. Die Regelnutzung geschieht nicht kraft dinglichen Rechts an der Sache wie bei den zum Gemeingebrauch gewidmeten Sachen, sondern im Rahmen einer besonderen, schuldrechtsähnlichen Benutzungsordnung, die privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich ausgestaltet sein kann 1 4 4 . Eine besondere Zulassung widerspricht der Vorschrift des § 1 Abs. 1 LuftVG: 141

Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 22; Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, Rdn. 31. 142

Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 23; Salzwedel in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 47 Rdn. 2 (S. 556). 143

Wolff/Bachof,

144

Vgl. Salzwedel, in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 44 Rdn. 1 ff (S. 517).

VwR I, § 55 III b; Papier, Jura 1979, 93 (97).

4. Rechtliche Verpflichtung zur Regelung des Gemeingebrauchs

97

Dadurch, daß nach dieser Bestimmung die Benutzung des Luftraum frei ist, scheidet eine vorherige Zulassung aus.

4. Rechtliche Verpflichtung zur Regelung des Gemeingebrauchs am Luftraum Die Feststellung, daß der Luftraum im Gemeingebrauch steht, besagt noch nichts darüber, ob den Gesetzgeber eine Verpflichtung zu seiner Regelung traf, mit anderen Worten: ob die Bestimmung des Luftraums zum Gemeingebrauch rechtlich so geschützt ist, daß sie durch andere Regelungen nicht ausgehebelt werden oder sogar ganz abgeschafft werden darf. Von entscheidender Bedeutung dafür, ob das freie Benutzungsrecht in dieser Weise zur Disposition des Gesetzgebers steht, ist, ob es einen höherrangigen als den einfachgesetzlichen Schutz des § 1 Abs. 1 LuftVG genießt. In Betracht kommt zum einen verfassungsrechtlicher Schutz, nämlich dann, wenn das freie Benutzungsrecht grundrechtlich abgesichert ist. Zum anderen könnte sich aus völkerrechtlichen Regelungen, die Benutzungsrechte am Luftraum einräumen, ein dem LuftVG vorgehender Schutz des freien Benutzungsrechts ergeben. a) Ist der Gemeingebrauch am Luftraum grundrechtlich

geschützt?

Da die freie Benutzung des Luftraums Ausübung von Gemeingebrauch am Luftraum ist, könnten sich aus der Rechtsnatur und dem Schutz des Gemeingebrauchs selbst Folgerungen ergeben. Das Rechtsinstitut Gemeingebrauch entwickelte sich zuerst in den Rechtsgebieten Straßenrecht und Wasserrecht. Daher ist zunächst die in diesen Bereichen entwickelte Dogmatik darzustellen und sodann daraufhin zu untersuchen, ob sie auf den Gemeingebrauch am Luftraum übertragen werden kann.

7 Lübben

98

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

aa) Rechtsnatur und Schutz des Gemeingebrauchs im Straßenrecht Die Frage nach der Rechtsnatur ist die Frage nach der Qualität des Gemeingebrauchs als subjektives öffentliches Recht. Der Schutz wiederum hängt von der Verankerung in der Verfassung ab. Im Laufe der neueren Rechtsentwicklung war die rechtliche Qualifizierung des Gemeingebrauchs verschiedenen Schwankungen unterworfen. Zum Verständnis der heutigen Einordnung muß daher zunächst auf seine Entwicklung eingegangen werden. (1) Geschichtliche Entwicklung des Gemeingebrauchs im Straßenrecht Ende des vorigen Jahrhunderts wurde zunächst darum gestritten, ob der Gemeingebrauch überhaupt dem öffentlichen Recht zuzuordnen sei. Und diejenigen Autoren, die sich für die öffentlich-rechtliche Natur des Gemeingebrauchs entschieden, waren überwiegend der Auffassung, der Gemeingebrauch sei kein Recht im Sinne eines subjektiven öffentlichen Rechts, sondern verstanden ihn als Funktionsbestimmung hinsichtlich seines Gegenstandes, die dem einzelnen nur in Form eines Rechtsreflexes zugute komme 1 4 5 . Im gemeinen Recht waren die privatrechtlichen Theorien vom Gemeingebrauch vorherrschend 1 4 6 . Die Pandektistik 1 4 7 nahm diese Lehre auf und vertrat den privatrechtlichen Charakter des Benutzungsanspruchs. Die privatrechtlichen Theorien fußten auf dem Gedanken des genossenschaftlichen Eigentums, an dem alle Mitglieder der genossenschaftlichen Gemeinschaft Anteil haben sollen. Derartige Konstruktionen finden in der modernen Staatswirklichkeit, der das genossenschaftliche Eigentum fremd geworden ist, keine Entsprechung 145

G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 70 ff; O. Mayer, Dt. VwR. II, S. 6 f; Herrnritt, Grundlehren des Verwaltungs rechts, S. 38 f; Fleiner, Institutionen, S. 375. 146 Ygj d a z u : Schmidt-Bens, Verfassungsrechtliche Prüfung der Einschränkung des Gemeingebrauchs durch die neuen Straßen- und Wegegesetze der Länder, S. 109; zur historischen Entwicklung: Bartenstein, Die Grenzen des Gemeingebrauchs an öffentlichen Wegen, S. 25 ff. 147

Z.B. Dernburg, Pandekten, Bd. 1, Allgemeiner Teil und Sachenrecht, S. 166; Bekker, System des heutigen Pandektenrechts, Bd. I, § 78, S. 337; weitere bei Biermann, Die öffentlichen Sachen, S. 44.

4. Rechtliche Verpflichtung zur Regelung des Gemeingebrauchs

99

m e h r 1 4 8 . Sie können daher als überwunden gelten 1 4 9 . Eine Unterscheidung zwischen Zugehörigen und Fremden (z.B. einerseits Gemeinde- oder Landesangehörige und andererseits Fremde) findet bei der Benutzung der im Gemeingebrauch stehenden öffentlichen Sachen ganz abgesehen davon, daß sie nur schwer durchführbar wäre - nicht statt 1 5 °. O. Mayer begriff den Gemeingebrauch als Ausfluß der dem Menschen im Staat zukommenden Freiheit, der allerdings nicht als subjektives Recht aufgefaßt werden könne, da der "unfaßbare jedermann" Rechtssubjekt s e i 1 5 1 . Mit der Vorstellung, daß "jedermann" Träger eines Rechts sein kann, hat der moderne Staat in der Geltung des Grundgesetzes keine Schwierigkeiten m e h r 1 5 2 . O. Mayer verstand allerdings schon die "sogenannten" Freiheitsrechte nicht als "Rechte im richtigen Sinne" 1 5 3 . Auf diesem Hintergrund erklärt sich, daß er den Gemeingebrauch nicht als subjektives öffentliches Recht begriff, obwohl er ihn als Stück der verfassungsmäßig gewährleisteten Freiheit bezeichnete, der ihn zu einem rechtlich wohlgesicherten Vorteil des Einzelnen erhebe 1 5 4 und in den die öffentliche Gewalt nur in der Kraft eines Gesetzes eingreifen dürfe 1 5 5 . Im Anschluß an O. Mayer haben verschiedene Autoren 1 5 6 die These vom Gemeingebrauch als Ausfluß der natürlichen Freiheit aufgegrif148 forsthoff, Lehrbuch, S. 391; Schmidt-Bens, Verfassungsrechtliche Prüfung der Einschränkung des Gemeingebrauchs, S. 110. 149

So schon im Jahre 1905 Biermann, Die öffentlichen Sachen, S. 45.

150

Forsthoff;

Lehrbuch, S. 391; so auch schon O. Mayer, Dt. VwR II, S. 74 m.

FN 3. 151

Ο. Mayer, Dt. VwR II, S. 76 f.

152

Schmidt-Bens, Verfassungsrechtliche Prüfung der Einschränkung des Gemeingebrauchs, S. 110, 111; vgl. a. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG: "Das Bundesverfassungsgericht entscheidet über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte verletzt zu sein". 153

Ο. Mayer, Dt. VwR II, S. 77 FN 9.

154

Ο. Mayer, Dt. VwR II, S. 77.

155

Ο. Mayer, Dt. VwR II, S. 76 f.

156

Scheicher, Der öffentliche Weg und seine Bedeutung für das öffentliche und das Privatrecht, FiZ Bd. 31 (1907), 1 (85); Hatschek, Lehrbuch des deutschen und

100

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

fen, ohne jedoch seine Qualität als subjektives öffentliches Recht anzuerkennen. Diese Auffassung, die die Befugnis zur Ausübung des Gemeingebrauchs als Reflexwirkung des objektiven Rechts erklärte, beruht auf der Rechts- und Staatslehre des 19. Jahrhunderts. Diese lehnte die Anerkennung subjektiver Rechte des einzelnen gegenüber der Staatsgewalt im allgemeinen ab. Das öffentliche Recht bestand nach damaliger Vorstellung ausschließlich aus objektiven Normen. Demgemäß waren der damaligen Staatsauffassung subjektive öffentliche Rechte, die nicht nur einen Reflex des objektiven Rechts, sondern eine Rechtsmacht darstellen, die die Staatsgewalt unmittelbar verpflichtet, fremd 1 5 7 . Vereinzelt finden sich aber auch schon früh Befürworter einer subjektiv-öffentlich-rechtlichen Auffassung des Gemeingebrauchs. So sprach v. Sarvey von einem Recht auf Teilnahme am Verkehr. Das Benutzungsrecht sah er als Ausfluß des Persönlichkeitsrechts, das sich damit zu einem (wohl öffentlich-rechtlichen) Anspruch verdichte 1 5 8 . Seit der Geltung des Grundgesetzes wird der Gemeingebrauch in der Lehre meist als subjektives öffentliches Recht verstanden 1 5 9 . Auch die preußischen Verwaltungsrechts, S. 437; Apelt, Gibt es ein Recht des einzelnen auf Benutzung der öffentlichen Wege?, FiZ Bd. 30 (1906), 97 ff; W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 510. 157 Vgl. Fleiner, Institutionen, S. 172 allgemein zur Unterscheidung zwischen Reflex- und subjektiven Rechten und S. 374 f zum Gemeingebrauch; G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 74 f; Peters, Lehrbuch der Verwaltung, S. 211, der den Gemeingebrauch als Tatsachenreflex "wie Atmen" bezeichnet; so auch Apelt, FiZ Bd. 30 (1906), S. 97 (98); s. dazu a. Schmidt-Bens, Verfassungsrechtliche Prüfung der Einschränkung des Gemeingebrauchs, S. 112 f; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 1, S. 677. 158 159

v. Sarvey, Das öffentliche Recht und die Verwaltungsrechtspflege, S. 428 ff.

Z.B. Forsthoff\ Lehrbuch, S. 391; Jesch, Der Gemeingebrauch, JuS 1963, 213 ff; Mang in: Mang/Maunz/Mayer/Obermayer, Staats- und Verwaltungs recht in Bayern, S. 474; Zippelius, Grundfragen des öffentlichen Sachenrechts und das Bayerische Straßen- und Wegegesetz, DÖV 1958, 838 (848); Salzwedel, Gedanken zur Fortentwicklung des Rechts der öffentlichen Sachen, DÖV 1963, 241 ff; ders. in: v. Münch, Bes. VwR., 8. Abschn., Rdn. 27 (S. 707); Stern, VVDStRL 21 (1962), 219; Lüthke, Gemeingebrauch und Sondernutzung nach hamburgischem Wegerecht, S. 68; Küchenhoff\ Wegerecht als Ordnung aus der Natur der Sache, in: Gedächtnisschrift für Peters, S. 708, 723; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, S. 615; ders. y Zur Problematik des Gemeingebrauchs an öffentlichen Straßen, DÖV 1955, 129 f; Papier in: Achterberg/Püttner, Bes. VwR. I, Rdn. 717 f (S. 548); ders. y in: Grimm/Papier, NRW Staats- und VwR., S. 453 f; ders. y Recht der öffentlichen

101

4. Rechtliche Verpflichtung zur Regelung des Gemeingebrauchs

Rechtsprechung hat sich dieser Lehre nach anfänglichem Z ö g e r n 1 6 0 angeschlossen 161 . Der alte Streit ist, wie mit Recht angemerkt wird 1 6 2 , weitgehend sinnlos. Ein subjektives öffentliches Recht liegt nach gefestigter Auffassung dann vor, wenn eine Norm des öffentlichen Rechts einem Träger öffentlicher Verwaltung eine bestimmte Verhaltenspflicht auferlegt und diese Norm - zumindest auch - der Befriedigung von Individualinteressen d i e n t 1 6 3 . Nach den Straßengesetzen des Bundes 1 6 4 und der Länder 1 6 5 darf jedermann im Rahmen der Widmung und der Verkehrsvorschriften die öffentlichen Straßen zum Verkehr benutzen. Der Bürger hat damit aus diesen Vorschriften einen (einfachgesetzlichen) subjektiv-öffentlich-rechtlichen Anspruch gegen den Träger der Straßenbaulast, die Straßenaufsicht, den Sachen, S. 97; Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der Öffentlichen Sachen, S. 76, 77; Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 480, 507; mit Einschränkung auch Wolff/Bachof VwR I, § 58 II b, die im Gemeingebrauch eine Ausübungsberechtigung, ein beschränktes subjektives Recht sehen; a.A. Schmidt-Tophoff\ Reklame an, auf und über öffentlichen Straßen und Plätzen, DVB1 1970, 17 (19). 160

Z.B. OVG Lüneburg, Urteil vom 18.6.1953 - 1 111/52 -, DÖV 1954, 90 (91); OVG Hamburg, Urteil vom 19.11.1954 - Bf III 10/54 -, DÖV 1955, 151 (152): Rechtsreflex; wohl auch BVerwG, Urteil vom 14.3.1957 - I C 16.55 -, BVerwGE 4, 342 (343) = NJW 1957, 962 = DVB1 1957, 538: Das BVerwG bezeichnete das Recht auf Ausübung des Gemeingebrauchs damals (fast wörtlich wie O. Mayer, Dt. VwR II, S. 77) als Ausfluß der natürlichen Freiheit und ließ die Frage des subjektiven öffentlichen Rechts unbeantwortet. 161 OVG Münster, Urteil vom 11.7.1962 - IV A 1080/60 -, VerwRspr 15, 499 = DÖV 1962, 906; VGH Mannheim, Urteil vom 27.9.1963 - II 523/62 -, bwVwBl 1964, 137 (138); BVerwG, Urteil vom 25.9.1968 - IV C 195.65 -, BVerwGE 30, 235 (238) = DVB1 1969, 308 (310); bestätigt im Urteil vom 25.6.1969 - IV C 77.67 -, BVerwGE 32, 222 (224 0 = DVB1 1969, 696; Urteil vom 18.10.1974 - IV C 4/72 -, NJW 1975, 375 = DÖV 1975, 209; s.a. Urteil vom 12.10.1965 - V I I C 173.64 -, BVerwGE 22, 212 (213); Urteil vom 4.3.1966 - IV C 144.65 -, BVerwGE 23, 325 (327); Urteil vom 9.6.1967 - V I I C 18.66 -, BVerwGE 27, 181 (185). 162

Papier, Recht der öffentlichen sperger/Blümel/Schroeter, S. 97 ff (98).

Sachen, S.

96;

Salzwedel,

in:

Bartl-

163

Grundlegend Bachof Reflexwirkungen und subjektive Rechte im öffentlichen Recht, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 287 (294 ff); s.a. Erichsen in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 10 Rdn. 57 (S. 213); Wolff/Bachof VwR I, § 43 I b 2; vgl. a. BVerwG, Urteil vom 19.9.1986 - 4 C 8.84 -, N V w Z 1987, 409 = DÖV 1987, 296 (297). 164 Bundesfernstraßengesetz (FStrG) i.d.F.d. Bek. vom 8.8.1990 (BGBl. I S. 1714). 165 S. Überblick über die Landesstraßengesetze bei Salzwedel in: v. Münch, Bes. VwR., S. 696.

102

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

Straßeneigentümer, die Straßenverkehrsbehörde, die örtliche Ordnungsbehörde und die Polizei auf Duldung des individuellen Gemeingebrauchs und auf Unterlassung von rechtswidrigen Beschränkungen und Behinderungen entsprechender Benutzungen 166 . Dieser Anspruch wird z.T. als Erscheinungsform eines absoluten oder dinglichen Rechts an der öffentlichen Sache charakterisiert 167 . Dies geschieht vor allem in Abgrenzung zu der nur als obligatorisch angesehenen Berechtigung auf Anstaltsnutzung 168 . Allgemein anerkannt ist, daß das subjektiv-öffentliche Recht auf individuellen Gemeingebrauch kein Recht auf Begründung oder Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs an bestimmten öffentlichen Sachen gewährt 1 6 9 . (2) Schutz des straßenrechtlichen

Gemeingebrauchs

Hinsichtlich des wegerechtlichen individuellen Gemeingebrauchs nimmt die ganz h.M. eine grundrechtliche Absicherung der verkehrlichen Teilnahme des einzelnen durch die Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1

166 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 97; Salzwedel in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 46 Rdn. 16 (S. 546). 167 Salzwedel in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter, S. 97 (99); ders. in: v. Münch, Bes. VwR., 8. Abschn., Rdn. 26 (S. 706); ders., DÖV 1963, 241 (243); Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 97. 168

Salzwedel in: v. Münch, Bes. VwR., 8. Abschn., Rdn. 26 (S. 706); ders., in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 43 Rdn. 2 (S. 516). 169

Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 97; ders. in: Achterberg/Püttner, Bes. VwR. I, Rdn. 718 (S. 548); Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 77; Salzwedel in: v. Münch, Bes. VwR., 8. Abschn., Rdn. 27 (S. 707); ders. in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 46 Rdn. 16 (S. 546); ders. in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter, S. 99; Fobhe, Gemeingebrauch und Kraftverkehr, S. 129; Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 507; Sieder/Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, Art. 17 Rdn. 6, 11; Fickert, Straßenrecht in Nordrhein-Westfalen, § 16 Rdn. 1; Marschall, Bundesfernstraßengesetz, § 7 Rdn. 4; BVerwGE 32, 222 (224 0; a.A. Steiner in: ders., Besonderes Verwaltungs recht, S. 569 (Rdn. 97); ders., Verkehr und Post, in: Isensee/Kirchhof, HdbStR III, § 81 Rdn. 20 (S. 1100,), der einen Schutz gegen willkürliche Einschränkung oder Aufhebung bisher gewährter Nutzungen bejaht.

4. Rechtliche Verpflichtung zur Regelung des Gemeingebrauchs

103

GG (sowie Art. 14 Abs. 1 GG für Anlieger) an 1 7 0 . Zur Begründung wird auf die unzweifelhaft erhebliche Bedeutung, die der ungestörten Teilnahme am Gemeingebrauch für die freie Entfaltung der Persönlichkeit zukomme und einer grundrechtlichen Kerngewährleistung des Gemeingebrauchs der Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG unterliege 1 7 1 , verwiesen. Danach umfaßt die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG die Möglichkeit, mit anderen beliebig in Verbindung zu treten und sich auf vorhandenen öffentlichen Straßen von einem Ort zu jedem gewünschten anderen zu bewegen. Darüber hinaus wird angenommen, die durch Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG garantierte Freiheit der Person stehe als Freiheit der körperlichen Fortbewegung einer totalen Verweigerung des Zugangs zu öffentlichen Straßen wegen der Wirkung einer polizeilichen Ausgangssperre oder eines Hausarrests entgegen 1 7 2 . Nahezu alle Freiheitsrechte wie Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG), Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) oder Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) seien nur über einen funktionierenden Gemeingebrauch denkbar 1 7 3 . Deshalb ist es in der neueren Lehre und Rechtsprechung anerkannt, daß der Ge-

170

Salzwedel in: v. Münch, Bes. VwR., 8. Abschn., Rdn. 28 (S. 707); Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 97; ders. in: Achterberg/Püttner, Bes. VwR. I, Rdn. 717 (S. 548); Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 480; Fobbe, Gemeingebrauch und Kraftverkehr, S. 98 f; Haselau, Die Freiheit der Straße als Rechtsproblem, S. 20 ff; a.A. Forsthoff\ Lehrbuch, S. 390; Huber, DÖV 1955, S. 129; Schmidt-Bens, Verfassungsrechtliche Prüfung der Einschränkung des Gemeingebrauchs, S. 117 ff. 171 BVerwGE 30, 235 (238), s.a. Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 97; ders. in: Achterberg/Püttner, Bes. VwR. I, Rdn. 717 (S. 548); Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 480; Fobbe, Gemeingebrauch und Kraftverkehr, S. 98. 172

Salzwedel in: v. Münch, Bes. VwR., 8. Abschn., Rdn. 28 (S. 707); vgl. a. ν. Münch in: v. Münch, GG, Art. 2 Nr. 2.4.1; Dürig in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 2 Abs. 2 Rdn. 49. 173

Salzwedel in: v. Münch, Bes. VwR., 8. Abschn., Rdn. 28 (S. 707); Haselau, Die Freiheit der Straße als Rechtsproblem, S. 20 ff, 23; Krause, Der Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen im neueren Verwaltungsrecht, S. 87; Fobbe, Gemeingebrauch und Kraftverkehr, S. 99; Mußgnug in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter, S. 81 (89 ff); Steinberg, Meinungsfreiheit und Straßennutzung, NJW 1978, 1898 ff; Hufen, Zur rechtlichen Regelung der Straßenkunst - kommunikativer Gemeingebrauch oder Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, DÖV 1983, 353 (356).

104

II. Bedeutung der Lutfreiheit im nationalen Recht

meingebrauch an Straßen nicht nur Verkehrszwecken im engeren Sinn, sondern auch der Kommunikation d i e n t 1 7 4 . Aus der Erwägung, daß den Freiheitsgarantien nur dann Funktionsfähigkeit zukommen kann, wenn ein öffentliches Straßennetz als Stätte der Fortbewegung (und Kommunikation) vom Staat zur Verfügung gestellt wird, leitet die wohl als herrschend zu bezeichnende Meinung eine institutionelle Garantie des Gemeingebrauchs an Straßen a b 1 7 5 . Der Staat sei objektiv verpflichtet, öffentliche Straßen in dem Umfang bereitzustellen, in dem dies erforderlich sei, um die Freiheitsrechte wirksam ausüben zu können 1 7 6 . Dadurch sei zwar nicht die Aufrechterhaltung bestimmter Straßen gesichert, z.B. eine systematisch durchgeführte Kampagne zur Privatisierung öffentlicher Straßen würde aber bald an eine absolute Bestandsgrenze stoßen 1 7 7 . Dagegen stellt nach Forsthoff die Teilnahme des einzelnen am Gemeingebrauch nur eine spezielle Konkretisierung des allgemeinen 174 Vgl. Mußgnug in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter, S. 93 m. FN. 33; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 87 f; Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 545 ff; Pappermann, Die Verteilung politischen Werbematerials auf öffentlichen Straßen, NJW 1976, 1341 (1343), Stock, Straßenkommunikation als Gemeingebrauch, S. 54 ff; Hufen, DÖV 1983, 353 (356); Bismarck, Straßenkunst in Fußgängerzonen, NJW 1985, 246 (249); OVG Berlin, Urteil vom 1.6.1973 - OVG 2B 16/72, NJW 1973, 2044; OVG Lüneburg, Urteil vom 25.8.1976 - IV OVG A 190/75 -, NJW 1977, 916 f; BVerwG, Urteil vom 7.6.1978 - 7 C 45.74 -, BVerwGE 56, 24 (28); Urteil vom 7.6.1978 - 7 C 5.78 -, BVerwGE 56, 63 (65); OVG Lüneburg, Urteil vom 11.3.1985 - 12 C 1/84 -, NJW 1986,. 863; OLG Celle, Beschluß vom 254.1975 - 1 Ss 109/75 -, DVB1 1976, 111; BGH, Beschluß vom 31.10.1978 - 5 StR 432/78 -, NJW 1979, 435 f; OLG Hamburg, Beschluß vom 4.3.1986 - 2 Ss 134/85 OWi -, NJW 1986, 2841. 175 Papier in: Achterberg/Püttner, Bes. VwR. I, Rdn. 718 (S. 548); ders. in: Grimm/Papier, NRW Staats- und VwR., S. 454; Salzwedel in: v. Münch, Bes. VwR., 8. Abschn., Rdn. 28 (S. 707); ders., in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 46 Rdn. 17 (S. 547); ders. in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter, S. 101; Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 508; Fobbe, Gemeingebrauch und Kraftverkehr, S. 98 f; Haselau, Die Freiheit der Straße als Rechtsproblem, S. 17 f, 37 f, 109; Kromer, Sachenrecht des Öffentlichen Rechts, S. 118; Erichsen in: Isensee/Kirchhof, HdbStR VI, § 152, Rdn. 65 (S. 1212 f); kritisch Krebs, Grundrechtsschutz für Gemeingebrauch, VerwArch 1976 (Bd. 67), S. 329, 333 f; ebf. krit. Müller/Pieroth/Fohmann, Leistungsrechte im Normbereich einer Freiheitsgarantie, S. 57 ff. 176 177

Salzwedel in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter, S. 101.

Salzwedel in: v. Münch, Bes. VwR., 8. Abschn., Rdn. 28 (S. 707); ders., in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 46 Rdn. 17 (S. 547).

4. Rechtliche Verpflichtung zur Regelung des Gemeingebrauchs

105

Rechts auf Teilhabe an den Staatsleistungen d a r 1 7 8 und genießt nicht den Schutz der Verfassung 179 . Forsthoff folgt damit traditioneller Grundrechtsdogmatik, der ein Verständnis der Grundrechte (auch) als Leistungs- und Teilhaberechte fremd war 1 8 °. Forsthoff stellt dabei in Rechnung, daß die Freiheitsbetätigung, soweit sie sich auf der öffentlichen Straße abspielt, auf die Inanspruchnahme einer staatlichen Leistung angewiesen ist. Bei der Ausübung des Gemeingebrauchs könnte es sich daher tatsächlich (ausschließlich) um einen Anspruch auf Teilhabe an staatlichen Leistungen handeln. Die grundrechtliche Absicherung der Teilhabe an staatlichen Leistungen hat erst seit den siebziger Jahren, insbesondere nach dem Numerus-clausus-Urteil des BVerfG 1 8 1 und seiner nachfolgenden Rechtsprechung 1 8 2 breitere Zustimmung gefunden 1 8 3 . So rückte die Erkenntnis in den Mittelpunkt, daß die Grundrechte, wenn auch nicht originäre, so doch aber derivative Teilhabeansprüche vermitteln können. Vorgängige staatliche Leistungen, soweit sie den

178

Forsthoff\ Lehrbuch, S. 392; ähnlich Schmidt-Bens, Verfassungsrechtliche Prüfung der Einschränkung des Gemeingebrauchs, S. 118 f, der das Recht auf Ausübung des Gemeingebrauchs auf das Sozialstaatsprinzip gründet. 179

Forsthoff,;

Lehrbuch, S. 390.

180

Krebs, VerwArch 1976 (Bd. 67), S. 329 (332); zur traditionellen Grundrechtsdogmatik u. insbesondere zum Rechtsstaats Verständnis Forsthoffs: Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, S. 119. 181

BVerfG, Urteil vom 18.7.1972 - 1 BvL 32/70 u. 25/71 - BVerfGE 33, 303.

182

BVerfG, Urteil vom 29.5.1973 - 1 BvR 424/71 u. 325/72 - BVerfGE 35, 79, 114 f; BVerfG, Urteil vom 8.2.1977 - 1 BvF 1/76, 1 BvL 7, 8/75, 1 BvR 239/75, 92, 103-114, 115, 140-143, 187/76 - BVerfGE 43, 291 ff. 183 Vgl. z.B. Häberle, Das Bundesverfassungsgericht im Leistungs Staat - Die Numerus-clausus-Entscheidung vom 18.7.1972, DÖV 1972, 729 ff; Willke, Stand und Kritik der neueren Grundrechtstheorie, S. 216 ff; Stein, Staatsrecht, § 24 I; Grimmer, Demokratie und Grundrechte, S. 253 ff; v. Mutius, Grundrechte als "Teilhaberechte", VerwArch 1973 (Bd. 64), S. 183 f; zurückhaltend: Martens, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 7 (21, 29 ff); Klein, Die Grundrechte im demokratischen Staat, S. 65 f; Friesenhahn in: Verh. d. 50. DJT, 1974, Teil G, S. 14 ff, 29 ff; GrabitZy Freiheit und Verfassungsrecht, S. 37 ff; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 9 II 2 c, Rdn. 289; Bleckmann, Staatsrecht II, S. 205; Herzog in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 20 VIII Rdn. 49 ff; Kimminich, JZ 1972, 696 ff; Wiegandy Sozialstaatsklausel und soziale Teilhaberechte, DVB1 1974, 657 ff; Kupp, Vom Wandel der Grundrechte, AöR 1976 (Bd. 101), 161 (183 ff); Kröger,

106

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

Freiheitsbereich der Bürger in tatsächlicher Hinsicht erweitern oder erst ermöglichen - wie das z.B. mit dem Zur-Verfügung-Stellen öffentlicher Straßen der Fall ist - werden dadurch in den Schutzbereich der Grundrechte einbezogen 1 8 4 . Dieses Ergebnis fußt auf der neueren Lehre, die davon ausgeht, daß die Sozialstaatsgarantie die Grundrechte inhaltlich mitbestimmt und daß die Grundrechte daher (auch) sozialstaatliche Aufträge zur Entfaltung und Effektuierung individueller Freiheitschancen enthalten 185 . Die vom Staat infolge dieses "Sozialprogramms" geschaffene tatsächliche Freiheit sei dann als "grundrechtliche Freiheit" zu verstehen 1 8 6 , was bedeuten würde, daß die Benutzung öffentlicher Straßen, soweit sie in Ausübung grundrechtlicher Freiheit geschieht, Grundrechtsschutz (nur) im Sinne eines Teilhaberechts genießen müßte 1 8 7 . Das Recht zur Ausübung des "schlichten" Gemeingebrauchs würde sich dann nur als ein leistungsrechtlicher Teilaspekt fast aller grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte darstellen 1 8 8 . Eine solche Sichtweise klingt im Ansatz beim BVerwG an, wenn es den Schutz des Gemeingebrauchs nicht nur bei Art. 2 Abs. 1 GG verortet, sondern gemeinsam mit Art. 3 Abs. 1 GG nennt 1 8 9 und betont, daß der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte "schlichte" Gemeingebrauch als Recht dort ende, wo es für seine Ausübung an einem Substrat - also an der vom Staat zur Verfügung gestellten Leistung Straße - fehle 1 9 0 .

Grundrechtstheorie als Verfassungsproblem, S. 28 ff; Rüfner in: Festschrift für Wannagat, S. 379 ff; Stern, Staatsrecht I, § 21 V 2 (S. 934 ff). 184

Krebs, VerwArch 1976 (Bd. 67), 329 (333); s.a. Erichsen, Grundrechte und Anstaltsnutzung, VerwArch 1973 (Bd. 64), 299 (300 f)· 185

Dazu: Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, S. 84 f und Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, S. 73 f, 122 f. 186

Krebs, VerwArch 1976 (Bd. 67), S. 329 (333); vgl. dazu auch Häberle, VVDStRL 30 (1972), 43 (76); Grabitz, Vertrauensschutz als Freiheitsschutz, DVB1 1973, 675 (682); BVerfGE 33, 303 (330 f). 187

Krebs, VerwArch 1976 (Bd. 67), S. 329 (333); in diese Richtung auch Maurer, Gemeingebrauch und Anliegernutzung im Straßenrecht, DÖV 1975, 217 (226). 188

So Krebs, VerwArch 1976 (Bd. 67), S. 329 (334).

189

BVerwGE 30, 235 (238); 32, 222 (225).

190

BVerwGE 32, 222 (225).

4. Rechtliche Verpflichtung zur Regelung des Gemeingebrauchs

107

Dagegen wurde eingewandt, der Gemeingebrauch sei seiner Natur nach ein echtes Freiheitsrecht, nicht nur ein Teilhaberecht 191 . Dem stehe nicht entgegen, daß der Gemeingebrauch vom Staat geschaffene und unterhaltene Straßen voraussetze, da auch auf anderen Gebieten die Ausübung von Freiheitsrechten - wie etwa die Baufreiheit oder bestimmte Arten der Berufsfreiheit - staatliche Vorkehrungen und Leistungen erfordere 1 9 2 . Durch die Bereitstellung der Straßen als Teil staatlicher Leistungsverwaltung würden die Straßen aber nicht zu Anstalten oder anstaltsähnlichen Einrichtungen, die nur aufgrund einer individuellen oder generellen - Erlaubnis in Anspruch genommen werden könnten. Die Leistung "Straße" erbringe der Staat als "elementare Voraussetzung des Gemeinlebens überhaupt". Der Gemeingebrauch daran sei Grundlage und Wahrnehmung menschlicher Freiheit 1 9 3 . Die Frage, ob der Gemeingebrauch nur Teilhabe- oder echtes Freiheitsrecht ist, läßt sich nur aus der Funktion der Freiheitsrechte selbst beantworten. Freiheit ist vorstaatlich gegeben 194 . Grundrechtsbestimmungen verbürgen Freiheiten vom Staat. Das Grundgesetz wurde nicht in einen rechtsleeren Raum hinein erlassen, sondern traf auf einen Bestand von Rechtsnormen und öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Instituten. Die Grundrechtsbestimmungen dienen deshalb dazu, Freiheiten vom Staat oder Leistungen des Staates zu gewährleisten, nicht aber sie zu schaffen 1 9 5 . Rechtsvorschriften, die zur Regelung und Einschränkung von Freiheitsrechten erlassen sind, präzisieren die Schranken der Freiheit, stoßen aber beim Kernbereich des Freiheitsrechts an eine absolute Grenze 1 9 6 . Darin liegt der klassische Anwendungsbereich der Grundrechte als Abwehrrechte 197 . Soweit 191

Maurer in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter, S. 115 (133 f) mit Bezug auf BVerwGE 4, 342 (346), wo das BVerwG den Gemeingebrauch als "Ausfluß der natürlichen, gesetzlich anerkannten Freiheit des einzelnen" bezeichnet. 192

Maurer in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter, S. 134.

193

Maurer in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter, S. 134.

194

Vgl. a. Friesenhahn in: Verh. d. 50. DJT, 1974, Teil G, S. 14.

195

Friesenhahn in: Verh. d. 50. DJT, 1974, Teil G, S. 15.

196

Vgl. Hendrichs in: v. Münch, GG, Art. 19 Rdn. 25; s.a. BVerfG, Beschluß vom 11.4.1973 - 2 BvR 701/72 -, BVerfGE 35, 35 (39). 197

(204 0-

Vgl. BVerfG, Urteil vom 15.1.1958 - 1 BvR 400/51 -, BVerfGE 7, 197

108

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

Freiheitsrechte ohne staatliche Leistung nicht ausgeübt werden können, fragt es sich, ob die Grundrechte auch (in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und ggf. mit dem Gleichheitssatz) als Grundlage für Leistungsansprüche dienen 1 9 8 . Hinsichtlich des Gemeingebrauchs an Straßen würde dies einen (individuellen) Anspruch auf Schaffung von im Gemeingebrauch stehenden Straßen bedeuten. Diese Konsequenz wird aber mit Recht abgelehnt. Zwar liegt es im Sinn des Grundgesetzes, daß möglichst viele Bürger von den Grundrechten Gebrauch machen können. Insofern ist es Aufgabe des Staates, insbesondere des Gesetzgebers, für ihre tatsächliche Realisierung zu sorgen 1 9 9 . Leistungsansprüche sind in diesem Bereich aber nicht unmittelbar vollziehbar, sie bedürfen der Konkretisierung und Aktualisierung durch den Gesetzgeber. Erst die gesetzliche Regelung begründet sodann vollzugsfähige subjektive öffentliche Rechte 2 0 0 . Die Grundrechtseffektivierung bei den Freiheitsrechten ist daher eine (objektive) Zielbestimmung, die Staatsaufgaben umreißt, ohne die Einzelheiten genau festzulegen 201 . Dies ist zugleich eine Folge der aus den Grundrechtsnormen abzuleitenden objektiven Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt und Richtlinien und Impulse für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung g i b t 2 0 2 . Übertragen auf den Gemeingebrauch bedeutet dies, daß der einzelne keinen grundrechtlichen Anspruch auf Schaffung von bestimmten, im Gemeingebrauch stehenden Straßen hat. Den Staat trifft jedoch die objektive Pflicht, zu gewährleisten, daß (überhaupt) Gemeingebrauch ausgeübt werden kann, da der Gemeingebrauch notwendige Voraussetzung für die Ausübung der Freiheiten der Ortsveränderung, der Kommunikation, der Versammlungs- und Meinungsfreiheit, der Berufsfreiheit, also zur Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit 198

Vgl. Rüfner in: Festschrift für Wannagat, S. 386; Häberle, VVDStRL 30 (1972), 43 ff. 199

Vgl. BVerfGE 33, 303 (330 f).

200

Vgl. Rüfner in: Festschrift für Wannagat, S. 387; Martens, VVDStRL 30 (1972), 30 f. 201 202

Rüfner in: Festschrift für Wannagat, S. 387.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 25.2.1975 - 1 BvF 1-6/74 -, BVerfGE 39, 1 (41); vgl. a. BVerfGE 7, 197 (205).

4. Rechtliche Verpflichtung zur Regelung des Gemeingebrauchs

109

schlechthin i s t 2 0 3 . Die Ausübung bestehenden Gemeingebrauchs fällt in den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 G G 2 0 4 als Ausfluß der natürlichen (vorstaatlich gegebenen) und gesetzlich anerkannten Freiheit des einzelnen 205 . Soweit es um die Beseitigung des Gemeingebrauchs geht, ist der Eingriff deshalb an den Schranken des Art. 2 Abs. 1 GG (bzw. Art. 14 Abs. 1 GG, wenn es um Anliegergebrauch geht) zu messen. Ausdruck der verfassungsmäßigen Ordnung kann die Beseitigung von Gemeingebrauch nur sein, wenn die Kerngewährleistung des Gemeingebrauchs als absolute Grenze gewahrt ist. Konkret heißt dies für den "schlichten" Gemeingebrauch, daß dem einzelnen in der Regel kein grundrechtlicher Abwehranspruch gegen die Einziehung einzelner Verkehrswege zukommt, da noch im übrigen ein ausreichendes, frei nutzbares Wegenetz zur Ausübung der grundrechtlich verbürgten Freiheiten zur Verfügung steht. Die Grenze der Zulässigkeit der den (schlichten) Gemeingebrauch einschränkenden Maßnahmen ist aber dann erreicht, wenn die Freiheit, sich fortzubewegen und mit anderen in Verbindung zu treten, nicht mehr allgemein besteht. Dies verbietet im einzelnen eine Veranstaltlichung und eine allgemeine Privatisierung des Straßenwesens, weil dies zur Folge hätte, daß bei der Benutzung Zugang jeweils nur von Fall zu Fall gewährt werden müßte und damit jede Freiheitsausübung von einer Zulassung abhängig wäre. bb) Rechtsnatur und Schutz des Gemeingebrauchs im Wasserwegerecht Im Wasserrecht ist zu unterscheiden zwischen der wasserwegerechtlichen und der wasserwirtschaftlichen Benutzung der Gewässer 206 . Das Wasserwegerecht behandelt die Verkehrs- und Transportfunktion der Oberflächengewässer 207. Im Wasserwirtschaftsrecht ist demgegen203

Salzwedel in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter, S. 101.

204

BVerwGE 30, 232 (235).

205

BVerwGE 4, 342 (346).

206

Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 115.

207

Für die Bundeswasserstraßen ist es geregelt im Bundeswasserstraßengesetz (WaStrG i.d.F.d. Bek. vom 23.9.1990, BGBl. I S. 1818), für die anderen Oberflächengewässer, auf denen Schiffahrt und Flößerei möglich ist, in den Landeswasser-

110

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

über die haushälterische Bewirtschaftung des in der Natur vorhandenen Wassers nach Menge und Güte geregelt 2 0 8 . Im folgenden wird nur auf die wasserwegerechtliche Situation eingegangen, da hier die Funktion der Verkehrswege interessiert. (1) Wasserwegerechtlicher

Gemeingebrauch

Nach § 5 S. 1 WaStrG darf jedermann im Rahmen der Vorschriften des Schiffahrtsrechts sowie der Vorschriften des WaStrG die Bundeswasserstraßen mit Wasserfahrzeugen befahren. In gleicher Weise regeln die Landeswassergesetze die Benutzung der dem Landesrecht unterfallenden, schiffbaren Gewässer zur Schiff- und Floßf a h r t 2 0 9 . Die Wasserstraßen sind öffentliche Sachen, die durch Gesetz gewidmet sind, zu den dort bestimmten Zwecken jedermann zur Verfügung stehen und vom einzelnen benutzt werden können, ohne daß es dazu - außer der Bereitstellung der Sache - einer besonderen Leistung der Verwaltung bedarf 2 1 0 . Durch die Widmung zum öffentlichen Verkehr sind die Wasserstraßen öffentliche Sachen im Gemeingebrauch 2 1 1 . Allerdings hält das BVerwG die Benutzung einer Wasserstraße zur Schiffahrt nicht für Gemeingebrauch, da gemäß § 6 WaStrG der Gemeingebrauch durch Rechtsverordnung beschränkt oder untersagt werden kann, soweit es zur Erhaltung der Bundeswasserstraßen in einem für die Schiffahrt erforderlichen Zustand notwendig

gesetzen (Überblick in: Sartorius I, WHG (Nr. 845), S. 1 FN 1), die sowohl wasserwirtschaftliche als auch wasserwegerechtliche Vorschriften enthalten. 208 BVerfG, Urteil vom 30.10.1962 - 1 BvF 2/60, 1-3/61 -, BVerfGE 15, 1 (15). Mit dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG i.d.F.d. Bek. vom 23.9.1986 (BGBl. I S. 1529), geänd. d. G. vom 12.2.1990 (BGBl. I S. 205) hat der Bund von seiner Rahmengesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht, die AusführungsVorschriften finden sich in den Landes was sergesetzen. 209 § 30 a WG BaWü; Art. 27 Abs. 1 BayWG, §§ 28 Abs. 1, Abs. 2 BerlWG, 61 Abs. 5 BremWG, 10 Abs. 1 HambWG; 30 HessWG; 73 Abs. 5 NdsWG; 37 Abs. 1, Abs. 2 WG NRW, 40 Abs. 1 WG RhPf, 26 Abs. 1, Abs. 2 SaarlWG, 101 a WG SH. 210

Vgl. BVerwG, Urteil vom 4.7.1969 - V I I C 26.65 - BVerwGE 32, 299 (302); s.a. Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 19; Salzwedel in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 46 Rdn. 1 ff, 11 (S. 538, 543). 211 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 19 f; Salzwedel in: sen/Martens, Allg. VwR., § 46 Rdn. 1 (S. 538).

Erich-

4. Rechtliche Verpflichtung zur Regelung des Gemeingebrauchs

111

i s t 2 1 2 . Ein weiteres Argument gegen das Vorliegen von Gemeingebrauch will das BVerwG in der Erhebung von Abgaben für das Befahren von Binnenwasserstraßen mit Lastschiffen sehen, was gegen den Gemeingebrauch, der grundsätzlich unentgeltlich sei, spreche. Die Ausübung der Schiffahrt sei daher eine "andere zulässige Benutzung" bestimmter Gewässer 213 . Die Ansicht des BVerwG vermag indes nicht zu überzeugen. Zum einen ist der Gemeingebrauch zwar in der Regel unentgeltlich, die Unentgeltlichkeit gehört aber nicht zu seinen unveränderlichen Wesensmerkmalen 214 . Er kann daher durch formelles Gesetz abgabenpflichtig gemacht werden 2 1 5 . Zum zweiten sprechen gesetzessystematische Gründe gerade für die Annahme, daß die wasserwegerechtliche Benutzung der Wasserstraßen (Befahren mit Wasserfahrzeugen, Schiffahrt) Gemeingebrauch darstellt. § 6 WaStrG steht im systematischen Zusammenhang mit § 5 WaStrG und nimmt auf die dortige Regelung Bezug. Die in § 6 WaStrG nach § 43 Nr. 3 WaStrG eingeräumte Befugnis zum Erlaß von Rechtsverordnungen durch den Bundesminister für Verkehr zur Einschränkung oder Regelung des Gemeingebrauchs wäre überdies schon kompetenzrechtlich bedenklich, stellte sie eine Regelung des nach den Landeswassergesetzen eröffneten (wasserwirtschaftlichen) Gemeingebrauchs (zum Baden, Waschen, Schöpfen mit Handgefäßen, Viehtränken, Schwemmen und Eislaufen) d a r 2 1 6 . Dem Bund kommt für Regelungen des wasserhaushaltsrechtlichen Gemeingebrauchs nach Art. 75 Nr. 4 GG aber nur eine Rahmenkompetenz zu. Diese Kompetenz schließt eine wasserwirtschaftliche Gesetzgebungsbefugnis für die Wasserstraßen nach Art. 74 Nr. 21 GG a u s 2 1 7 . Die Vorschrift des § 6 WaStrG ist daher schon aus Kompetenzgründen so auszulegen, daß sie

212

BVerwGE 32, 299 (304).

213

BVerwGE 32, 299 (304), ebenso Friesecke, BWaStrG, § 5 Rdn. 2.

214

Bull, Allg. VwR., Rdn. 929; Forsthoff,

Lehrbuch, S. 390.

215

Wolff/Bachof,\

216

So aber Friesecke, BWaStrG, § 5 Rdn. 2; s. aber BVerfGE 15, 1 (14).

217

BVerfGE 15, 1 (14); Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 127.

VwR I, § 58 II e.

112

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

sich auf den wasserwegerechtlichen Gemeingebrauch, der durch § 5 WaStrG geregelt ist, bezieht. Die Widmung der Wasserstraßen zum Befahren mit Wasserfahrzeugen weist alle Merkmale auf, die dem von der Wissenschaft geprägten Gemeingebrauchsbegriff innewohnen. Die Wasserstraßen sind öffentliche Sachen, die von jedermann ohne besondere Zulassung gemäß ihrer Widmung benutzt werden dürfen. Dies wird übrigens auch nicht vom BVerwG in Abrede gestellt 2 1 8 . In ihrer Verkehrsfiinktion sind die schiffbaren Wasserstraßen daher nach § 5 WaStrG und den entsprechenden Vorschriften der Landeswassergesetze öffentliche Sachen im Gemeingebrauch 219 . (2) Schutz des wasserwegerechtlichen

Gemeingebrauchs

Aus der gesetzlichen Begründung des Gemeingebrauchs an den Wasserwegen hat der einzelne ein subjektiv-öffentliches Recht gegen den Träger der Gewässerhoheit, die gemeingebräuchliche und gemeinverträgliche Benutzung des öffentlichen Gewässers zu dulden 2 2 0 . Zweifelhaft ist aber im Wasserwegerecht, ob der Gemeingebrauch verfassungsrechtlichen Schutz genießt. Die individuelle Entfaltungsmöglichkeit und die körperliche Bewegungsfreiheit hängen in ungleich geringerem Maß als im Straßenrecht von dem Recht der Benut218

Vgl. BVerwGE 32, 299 (302, 304).

219

So auch: Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, S. 51 Rdn. 66; Salzwedel in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 46 Rdn. 1, 11 (S. 538, 543); Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 20, 115; Mintzel, Bundes was serstraßengesetz, § 5 Anm. 1; Papp ermann/Andriske in: Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 7 f; Kromer, Sachenrecht des Öffentlichen Rechts, S. 51 f, der dies als unproblematisch und unbestritten bezeichnet; Wolff/Bachof\ VwR I, § 58 II c 3; andeutungsweise Forsthoff\ Lehrbuch, S. 389, 393 in FN 2; Peine in: Achterberg/Püttner, Bes. VwR. I, Rdn. 827 (S. 589), ; Kloepfer y Umweltrecht, § 11 Rdn. 63 (S. 613); offenbar auch BGH, Urteil vom 21.12.1970 - II ZR 133/68 - NJW 1971, 886 (888); für eine differenzierte Betrachtung aber: Kloepfer/Brandner, Wassersport und Umweltschutz, N V w Z 1988, 115 (118); a.A.: Lohr in: Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 113 f; Friesecke, BWaStrG, § 5 Rdn. 2. 220

FN 206.

Salzwedely

DÖV 1963, 241 (245); Stern, VVDStRL 21 (1962), S. 219 m.

4. Rechtliche Verpflichtung zur Regelung des Gemeingebrauchs

113

zung der Wasserwege ab 2 2 1 . Das hat indessen nur Auswirkung auf die Frage des Umfangs der Einschränkungsmöglichkeit, nicht jedoch darauf, daß die Nutzung der Wasserstraßen zu Verkehrszwecken grundsätzlich zur Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit gehört, die Art. 2 Abs. 1 GG umfassend gewährleistet. Mag es hier auch Abstufungen in der Bedeutung geben, dies ändert nichts an der Tatsache, daß der Gemeingebrauch an den Wasserstraßen für diejenigen, die ihn wahrnehmen, gleichfalls Voraussetzung zur Verwirklichung ihrer Freiheitsrechte i s t 2 2 2 . cc) Rechtsnatur und Schutz des Gemeingebrauchs am Luftraum Fraglich ist, ob die in den Rechtsgebieten Straßen- und Wasserwegerecht entwickelten Grundsätze auch für den Gemeingebrauch am Luftraum zu gelten haben. Dies läßt sich nur aus den dort aufgestellten Grundsätzen selbst beantworten. (1) Gemeingebrauch am Luftraum als subjektiv-öffentliches

Recht

Für die Entscheidung der Frage, ob das Recht auf freie Benutzung des Luftraums als subjektiv-öffentliches Recht zu gelten hat, ist nach den oben gewonnenen Erkenntnissen vom Begriff des subjektiv-öffentlichen Rechts auszugehen. Ein subjektiv-öffentliches Recht liegt nach den Regeln des allgemeinen Verwaltungsrechts vor, wenn eine Norm des öffentlichen Rechts einem Träger öffentlicher Verwaltung eine bestimmte Verhaltenspflicht auferlegt und diese Norm - zumindest auch der Befriedigung von Individualinteressen d i e n t 2 2 3 . Nach § 1 Abs. 1 LuftVG ist die Benutzung des Luftraums frei, soweit sie nicht durch das LuftVG selbst, das BFSG und die zur Durchführung dieser Gesetze erlassenen Vorschriften beschränkt ist. Wie im Straßenrecht kann daher im Luftverkehrsrecht an der (objektiven) Verhaltenspflicht des Staates als Träger der Luftraumsachherrschaft kein Zweifel bestehen: 221 Daher ist Salzwedel, DÖV 1963, 241 (247) der Auffassung, eine verfassungsrechtliche Absicherung bestehe hier nicht. 222 223

So auch Kromer, Sachenrecht des Öffentlichen Rechts, S. 125.

Vgl. Bachof in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 287 ff; Wolff/Bachof VwR I, § 43; Erichsen in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 10 Rdn. 57 (S. 213); BVerwG, N V w Z 1987, 409. 8 Lübben

114

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

Er hat den Gemeingebrauch am Luftraum zu gewähren und zu dulden. Fraglich ist aber, ob die Norm - zumindest auch - einem Rechtssubjekt ein bestimmtes Interesse zur eigenen Wahrnehmung und damit als eigenes zuweist. Dies setzt zum einen voraus, daß das Interesse durch die Anwendung der Norm tatsächlich erfaßt ist und sich dies nicht nur als unspezifische Folge, sondern als ihr objektiver Regelungsgegenstand und zumindest eines ihrer Regelungsziele darstellt 2 2 4 . Zudem muß sie ein Rechtssubjekt durch ausdrückliche oder konkludente Benennung zum Träger der von der Regelung erfaßten Interessen mac h e n 2 2 5 . Die Formulierung des § 1 Abs. 1 LuftVG "Die Benutzung des Luftraums durch Luftfahrzeuge ist frei ..." läßt zumindest nicht unmittelbar erkennen, daß einem Rechtssubjekt ein eigenes Interesse zugewiesen wird. Es wird kein Rechtssubjekt genannt, sondern nur von "Benutzung" gesprochen. Nun können aber nur Menschen (mit Luftfahrzeugen) den Luftraum benutzen. § 1 Abs. 1 LuftVG kann deshalb nur meinen, daß die Benutzung des Luftraums durch Menschen mit Luftfahrzeugen frei i s t 2 2 6 . Da keine bestimmte Personengruppe hervorgehoben wird, kann "jedermann" den Luftraum im Rahmen der Widmung benutzen. Objektiver Regelungsgegenstand und objektives Regelungsziel des § 1 Abs. 1 LuftVG ist damit die Zuweisung des Interesses an der Benutzung des Luftraums zum Rechtssubjekt "jedermann" zur eigenen Wahrnehmung. Soweit Gemeingebrauch am Luftraum besteht, hat der Bürger somit ein subjektiv-öffentliches Recht aus § 1 Abs. 1 LuftVG auf Ausübung des individuellen Gemeingebrauchs und einen Anspruch auf Unterlassung von rechtswidrigen Beschränkungen und Beeinträchtigungen der zulässigen Benutzung. Dem Bürger ist damit ähnlich wie im Straßenrecht unmittelbar eine dingliche Rechtsposition an der öffentlichen Sache Luftraum eingeräumt. Ohne weitere Vermittlung der zuständigen Verwaltungsbehörden nimmt er den Luftraum in Anspruch 2 2 7 .

224

Vgl. Erichsen in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 10 Rdn. 60 (S. 215).

225

Vgl. Erichsen in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 10 Rdn. 60 (S. 216).

226

Vgl. Schmid in: Giemulla/Schmid, LuftVG, § 1 Rdn. 17.

227

Vgl. Salzwedel in: Erichsen/Martens, Allg. VwR., § 43 Rdn. 2 (S. 516).

4. Rechtliche Verpflichtung zur Regelung des Gemeingebrauchs

(2) Grundrechtlicher

115

Schutz des Gemeingebrauchs am Luftraum

Zur Entscheidung der Frage, ob und inwieweit der Gemeingebrauch am Luftraum grundrechtiich geschützt ist, kommt es darauf an, welchen Zwecken es dem einzelnen dient. Im Vordergrund steht die Benutzung zu Verkehrszwecken, mit anderen Worten: die Fortbewegung. Die Bedeutung der verkehrlichen Nutzung des Luftraums ist bis in die jüngste Zeit - nicht zuletzt wegen überfüllter Straßen - immer mehr angestiegen. Weiter entfernte Ziele sind nur auf dem Luftweg zu erreichen. Daneben dient der Luftraum aber auch anderen Zwecken: So haben sich speziell auf die Nutzung des Luftraums angewiesene Unternehmen wie Linien- und Charterfluggesellschaften, Flugschulen und Luftfrachtunternehmen gebildet. Der Luftraum dient aber auch sportlicher Betätigung - etwa dem Segelflug oder Ballonfahren. Der Gemeingebrauch am Luftraum könnte danach insbesondere in den Schutzbereich der Art. 2 Abs. 1, 2 Abs. 2 S. 2, 11 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG fallen. Art. 2 Abs. 1 GG schützt das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und damit die allgemeine Handlungsfreiheit im umfassenden S i n n 2 2 8 . Geschützt wird durch Art. 2 Abs. 1 GG insbesondere auch die Freiheit der Fortbewegung einschließlich der Ausreisefreiheit 229 . Die Benutzung des Luftraums zur Fortbewegung und zu sportlicher Betätigung fällt daher zweiffellos in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 GG 2 3 ° . Dagegen erscheint es zweifelhaft, ob die Fortbewegung im Luftraum durch Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG und Art. 11 Abs. 1 GG geschützt wird. Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG schützt mit "Freiheit der Person" nur die körperliche Bewegungsfreiheit 231 . In die körperliche Bewegungsfreiheit 228

Vgl. BVerfG, Urteil vom 16.1.1957 - 1 BvR 253/56 -, BVerfGE 6, 32 (36); v. Münch in: v. Münch, GG, Art. 2 Rdn. 17; Dürig in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 2 Abs. 1, Rdn. 9. 229 BVerfGE 6, 32 (36); Starck in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Rdn. 42, 54, 98. 230 231

Vgl. BGH, NJW 1977, 1875.

Vgl. v. Münch in: v. Münch, GG, Art. 2 Rdn. 62; Dürig in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 2 Abs. 2, Rdn. 49; Starck in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Rdn. 131.

116

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

wird erst dann eingegriffen, wenn unmittelbarer Zwang ausgeübt wird 2 3 2 . Von daher erscheint es allenfalls im Ausnahmefall sachgerecht, von einem Schutz des Gemeingebrauchs am Luftraum durch Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG auszugehen. Art. 11 Abs. 1 GG schützt die Freizügigkeit aller Deutschen im Bundesgebiet. Umfaßt ist hiervon das Recht (jedes Deutschen), jeden Ort im Bundesgebiet aufzusuchen und sich dort aufzuhalten 2 3 3 , insbesondere auch die Einreisefreiheit in die Bundesrepublik 234 . Unerheblich sind Dauer und Zweck des geplanten oder realisierten Verbleibens 2 3 5 . Der Schutzbereich des Art. 11 Abs. 1 GG ist daher weitgefaßt zu verstehen 2 3 6 . Innerhalb des Bundesgebiets und als Einreise in das Bundesgebiet ist also die Fortbewegung (von Deutschen) von Ort zu Ort im Fluge vom Schutzbereich des Art. 11 Abs. 1 GG erfaßt. Unter den Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG schließlich fällt die berufsmäßige Fliegerei 2 3 7 . Hierzu gehört neben dem Betrieb von Flugschulen und Charterunternehmen und dem als "Gewerblicher Luftverkehr" bezeichnete Linien- und planmäßige Charterverkehr auch der begrifflich der "Allgemeinen Luftfahrt" zugeordnete Geschäftsreiseund Werkluftverkehr 2 3 8 . Wie weit dieser Grundrechtsschutz reicht, richtet sich danach, wo der Kernbereich des Schutzes des Gemeingebrauchs am Luftraum anzusetzen ist. Der Umfang der Kerngewährleistung hängt wiederum von 232

Vgl. BVerfG, Beschluß vom 23.5.1967 - 1 BvR 534/62 -, BVerfGE 22, 21

(26). 233 BVerfG, Beschluß vom 25.1.1977 - 1 BvR 210, 221, 222, 248, 301/74 -, BVerfGE 43, 203 (211). 234

BVerfG, Beschluß vom 7.5.1953 - 1 BvL 104/52 -, BVerfGE 2, 266 (273).

235

Kunig in: v. Münch, GG, Art. 11 Rdn. 14; Ranäelzhofer in: BK, Art. 11 Rdn. 22, 25 f; Dürig in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 11 Rdn. 36 ff, der nur den Zweck für unerheblich hält, aber eine gewisse Dauer verlangt (Rdn. 29); a.A. Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 44 ff, 52. 236

Kunig in: v. Münch, GG, Art. 11 Rdn. 19; Ranäelzhofer in: BK, Art. 11 Rdn. 19, 20: Umfaßt ist auch das Reisen. 237

Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.7.1989 - 4 C 35.88 -, DVB1 1989, 1097 (1099).

238

BVerwG, DVB1 1989, 1097 (1099).

4. Rechtliche Verpflichtung zur Regelung des Gemeingebrauchs

117

der Bedeutung des Gemeingebrauchs am Luftraum ab. Wie die Untersuchung ergeben hat, konnten grundrechtliche Abwehrrechte gegen die Beschränkung oder Beseitigung bestehenden Gemeingebrauchs nur dann anerkannt werden, soweit die staatliche Maßnahme dazu fuhrt, daß die Kerngewährleistung des Gemeingebrauchs nicht mehr gegeben ist. Im Bereich des Straßenrechts besteht grundsätzlich kein grundrechtlicher Anspruch auf Eröffnung eines bestimmten Gemeingebrauchs, sondern (nur) eine staatliche Verpflichtung als Folge der objektiven Wertentscheidung des Grundgesetzes für eine freiheitliche Ordnung, für eine tatsächliche Realisierbarkeit von grundrechtlichen Freiheiten zu sorgen, soweit diese nur mithilfe von staatlichen Leistungen ausgeübt werden können. Beim Gemeingebrauch am Luftraum könnte sich die Rechtslage deswegen anders darstellen, weil die Bereitstellung des Luftraums als Verkehrsweg und damit die Eröffnung des Gemeingebrauchs daran keiner weiteren staatlichen Leistung als der Widmung selbst bedarf. Irgendwelche Herstellungsarbeiten sind nicht erforderlich. Der leistungsrechtliche Teilaspekt der Grundrechte kann daher nur dort Bedeutung haben, wo es um Verteilung, also um Gleichbehandlung geht. Sodann geht es beim Luftraum nicht um einzelne spezielle Verkehrswege, sondern, da solche nicht abgrenzbar sind, um den Luftraum als Verkehrsweg insgesamt. Dennoch sind die Parallelen unverkennbar: Die öffentliche Sache im Gemeingebrauch Luftraum ist wie eine öffentliche Straße erst durch den Widmungsakt entstanden 239 . Den Staat als Träger der Luftraumsachherrschaft treffen die Pflichten zur Sicherung der Funktion 2 4 0 . Aus der Sicht der Benutzer schließlich kommt es bei der Nutzung des Luftraums vorrangig auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme zu Verkehrs-, aber auch zu den übrigen aufgezeigten Zwecken und damit die gerechte Verteilung der Nutzungsmöglichkeiten an. Auch der Luftraum kann wegen der verschiedenen Nutzungen - ähnlich wie die Straße - als Mehrzweckinstitut bezeichnet werden. Der Ausübung des Gemeingebrauchs am Luftraum kommt entscheidende Bedeutung für die Wahrnehmung der verschiedenen angesprochenen grundrechtlichen Freiheiten zu. Wie im Bereich des Straßenrechts muß daher auch hier von einer grundrechtlich abgesicherten Kerngewährleistung des Gemeingebrauchs am 239

Dazu s. o. unter II.3.

240

Dazu s. o. S. 92 ff.

118

II. Bedeutung der Luftfreiheit im nationalen Recht

Luftraum ausgegangen werden, die es dem Staat im Sinne einer "Schranken-Schranke" verbietet, einschränkende Maßnahmen zu treffen, die den Gemeingebrauch am Luftraum entwerten würden. Der Gemeingebrauch am Luftraum ist also ebenfalls objektivrechtlich, institutionell, geschützt, was aus dem objektiven Gehalt, den die Freiheitsgewährleistungen des Grundgesetzes über ihren abwehrrechtlichen Gehalt hinaus besitzen, resultiert, durch die der Staat verpflichtet wird, die Voraussetzungen für die Freiheitsausübung zu schaffen und zu sichern. Hieraus folgt die objektivrechtliche Verfassungspflicht des Staates, den Luftraum als Verkehrsweg mit Benutzungsrechten der Bürger in angemessenem Umfang zur Verfügung zu stellen, die Benutzung also in einem Kern zu gewährleisten. Allerdings bietet diese institutionelle Garantie keine Handhabe, die Aufrechterhaltung der Verkehrsfreiheit im gesamten Luftraum durchzusetzen, wollte der Staat bestimmte Teile "einziehen". Deshalb können bestimmte Lufträume z.B. für militärische Übungen oder im Umkreis von Flughäfen für den allgemeinen Durchflug gesperrt werden. Eine völlige Beseitigung der Öffentlichkeit des Luftraums wäre jedoch verfassungswidrig. Aber auch eine Veranstaltlichung des Benutzungsrechts am Luftraum des Benutzungsrechts am Luftraum, die bedingen würde, daß der Bürger nur noch einen obligatorischen Anspruch auf Zulassung hätte, verbietet sich wegen der grundrechtlichen Kerngewährleistung des Gemeingebrauchs 241 . Wegen der grundrechtlichen Absicherung hat der Einzelne ein subjektives Recht auf Gemeingebrauch ohne behördliche Zulassung 2 4 2 . Die Frage, ob der Staat verpflichtet war, Gemeingebrauch am Luftraum zu eröffnen, läßt sich damit ebenfalls aus der im Straßenrecht entwickelten Grundrechtsdogmatik beantworten. Die Freiheit, sich fortzubewegen, ob auf der Straße oder in der Luft, ist eine natürliche, vorstaatliche Freiheit, die durch die Grundrechte verbürgt wird und in die der Staat nur regelnd eingreifen, sie aber nicht beseitigen d a r f 2 4 3 . Die Funktion des Staates besteht in der Gewährleistung der Freiheits241

So auch Kromer, Sachenrecht des Öffentlichen Rechts, S. 139.

242

Kromer, Sachenrecht des Öffentlichen Rechts, S. 139.

4. Rechtliche Verpflichtung zur Regelung des Gemeingebrauchs

119

rechte. Auf diesem Hintergrund erklärt sich Regelung des § 1 Abs. 1 LuftVG und die darin geregelte Eröffnung des Gemeingebrauchs am Luftraum - einschränkbar nur durch die dort genannten Vorschriften als Konkretisierung des Freiheitsrechts des einzelnen, das einer speziellen Regelung bedurfte, um die Schranke zwischen der Zuständigkeit des Staates zu (begrenzten), im Interesse des Gemeinschaftslebens gebotenen, Eingriffen zum autonomen Individualbereich zu ziehen 2 4 4 . Allgemein war eine Regelung der Luftraumbenutzung schon deshalb geboten, um die Sicherheit und die Verteilung zu gewährleisten. Weil der Nutzung des Luftraums aber entscheidende Bedeutung für die freie Entfaltung der Persönlichkeit zukommt und sie Ausfluß der natürlichen Freiheit des einzelnen ist, konnte eine Regelung nur in der Weise erfolgen, daß Gemeingebrauch am Luftraum eröffnet wurde, der sodann spezifisch und in einer auf das Interesse des Gemeinwohls abgestimmten Weise beschränkt werden kann. b) Schutz des freien Benutzungsrechts durch völkerrechtliche Vorschriften Die Frage, ob das in § 1 Abs. 1 LuftVG geregelte freie Benutzungsrecht am Luftraum zur Disposition des Gesetzgebers steht, ist zudem unter dem Aspekt völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland zu betrachten. Völkerrechtliche Vereinbarungen begründen zwar selbst regelmäßig keine Ansprüche des einzelnen. Soweit aber daraus Rechte anderer Staaten und ihrer Bürger (hier: auf Benutzung des deutschen Luftraums) herzuleiten sind, darf der bundesdeutsche Gesetzgeber wegen des Gleichheitssatzes aus Art. 3 GG die der deutschen Luftraumordnung unterliegenden Bürger nicht schlechter behandeln als die der internationalen Rechtsordnung unterworfenen. Als Vertragsstaat des ICAO-Abkommens und der Transitvereinbarung muß die Bundesrepublik Deutschland den freien Durchflug und 243 244

Vgl. Friesenhahn in: Verh. d. 50. DJT, 1974, Teil G, S. 14 f.

Vgl. BGH, NJW 1977, 1875; Friesenhahn in: Verh. d. 50. DJT, 1974, Teil G, S. 14.

120

II. Bedeutung der Lutfreiheit im nationalen Recht

die technischen Landungen des Gelegenheitsluftverkehrs (Art. 5 ICAO-Abkommen) und des Linienluftverkehrs (Art. I Abschn. 1 Nr. 1 und 2 Transitvereinbarung) der anderen Vertragsstaaten dieser Vereinbarungen dulden 2 4 5 . Als Vertragsstaat des Mehrseitigen Abkommens über gewerbliche Rechte im nichtplanmäßigen Luftverkehr in Europa darf die Bundesrepublik den Luftfahrzeugen des Gelegenheitsluftverkehrs, die unter das Abkommen fallen, keine Beschränkungen wie vorherige Erlaubnis- oder Anmeldepflicht auferlegen 246 . Als Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft muß die Bundesrepublik schließlich dem binneneuropäischen Luftverkehr unter bestimmten Voraussetzungen sämtliche Freiheiten der Luft einräumen 247 . Für den Gelegenheitsluftverkehr bedeutet dies, da die Festlegung bestimmter Flugrouten nur bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 ICAO-Abkommen zulässig i s t 2 4 8 , daß eine Bindung an vorgegebene Flugwege in Deutschland im Regelfall nicht zulässig ist, da hier Flugsicherheitsgründe ebensowenig wie nicht genügend gesicherte Gebiete kaum in Frage kommen dürften. Alle öffentlichen Flugplätze müssen dem Luftverkehr, für den sie zugelassen sind, zu gleichen Bedingungen offenstehen (Art. 15 ICAOAbkommen). Sperr- und Beschränkungsgebiete dürfen nur unter den engen Voraussetzungen des Art. 9 ICAO-Abkommen ausgewiesen werden 2 4 9 . Setzt man diese Verpflichtungen zusammen, so ergibt sich, daß der Gelegenheitsluftverkehr - außer aus wirtschaftlichen Schutzerwägungen 2 5 0 - praktisch gar nicht und der Linienluftverkehr nur hinsichtlich der Flugrouten und der zu benutzenden Flugplätze, nicht aber hinsichtlich des grundsätzlichen Benutzungsrechts am deutschen Luftraum 245

Dazu s.o. S. 39 ff.

246

Dazu s.o. S. 50 ff.

247

Dazu s.o. S. 52 ff.

248

Dazu s.o. S. 43 ff.

249

Dazu s.o. S. 46.

250

Z.B. Beschränkungen aus Gründen des Schutzes der heimischen Linienfluggesellschaft, was bei der hier vorgenommenen Verkehrs rechtlichen Betrachtung außer Betracht bleiben kann.

4. Rechtliche Verpflichtung zur Regelung des Gemeingebrauchs

121

eingeschränkt werden darf. Hinter diesen internationalen Verpflichtungen darf die Bundesrepublik mit ihrer nationalen Ausgestaltung des Benutzungsrechts am Luftraum nicht zurückbleiben. Zumindestens gegenüber dem Gelegenheitsluftverkehr, mit Einschränkungen aber auch gegenüber dem Linienluftverkehr ist das Recht auf freie Benutzung des Luftraums daher - in Verbindung mit Art. 3 GG - durch die genannten völkerrechtlichen Vereinbarungen geschützt. Der Bundesgesetzgeber ist und war daraus somit verpflichtet, ein mindestens in diesem Umfang freies Benutzungsrecht zu gewähren 251 .

251

S.a. Wolff/Bachof\ VwR I, § 58 II c 3 (a.E.), nach denen sich der Gemeingebrauch am Luftraum auf das Recht zum freien Überflug ohne Landung und zur technischen Landung nach Maßgabe des LuftVG, des BFSG und ihrer DVOen erstreckt.

I I I . Reichweite des Gemeingebrauchs am Luftraum

Die Ausübung des Gemeingebrauchs am Luftraum gehört - wie gesehen - zur Grundrechtsausübung und ist entsprechend geschützt. Dies bedeutet jedoch nicht - wie ebenfalls bereits erwähnt -, daß sie nicht Regelungen unterworfen werden kann. Derartige Regelungen können den Schutz der Allgemeinheit, aber auch den Schutz der Rechte Dritter, die von der Ausübung des Gemeingebrauchs (negativ) betroffen sind sowie den Schutz der Benutzer des Luftraums selbst bezwecken. Wie weit danach das Gemeingebrauchsrecht bzw. das Recht auf freie Benutzung des Luftraums reicht, erschließt sich aus den zulässigen Beschränkungen. § 1 Abs. 1 LuftVG legt selbst die Grenzen fest, innerhalb derer Einschränkungen des freien Benutzungsrechts zulässig sind: Beschränkungen dürfen nur das LuftVG selbst, das BFSG und die zur Durchführung dieser Gesetze ergangenen Rechtsvorschriften anordnen. Die Verwendung des Wortes "soweit" könnte dabei zu dem Schluß führen, das freie Benutzungsrecht könne durch die in § 1 Abs. 1 LuftVG genannten Bestimmungen praktisch völlig beseitigt werden, so daß davon nicht mehr als ein inhaltsleerer Programmsatz, die Ausnahme von der Regel der Beschränkung übrig bliebe 1 . Andererseits könnten sich gerade umgekehrt aus dem Grundsatz der freien Benutzung des Luftraums Folgerungen für die Beschränkungsmöglichkeiten ergeben. Welche Beschränkungen zulässig sind und wie weit sie gehen dürfen, wird im folgenden untersucht. Einzelne Einschränkungen wie der Flugplatzzwang, Start- und Landeerlaubnisse und solche im Interesse privater Dritter bedürfen dabei eingehenderer Betrachtung, da aus

So ist wohl Schwenk, Rechtsgrundlagen für Kapazitätsregelungen des Luftverkehrs im Luftraum und an Flugplätzen, Z L W 1988 (Bd. 37), 302 (303), zu verstehen.

1. Einschränkung nur aus polizeilichen Gründen

123

ihnen die Reichweite des Gemeingebrauchs am Luftraum in besonderer Weise deutlich wird.

1. Einschränkung nur aus polizeilichen Gründen Einschränkungen des freien Benutzungsrechts am Luftraum ergeben sich insbesondere aus den Verkehrsvorschriften (LuftVO), der Luftraumordnung (§ 10 LuftVO), der Erlaubnispflicht für Luftfahrer für das Führen von Luftfahrzeugen (Luftfahrerschein, § 4 Abs. 1 LuftVG, §§ 20 ff LuftVZO, LuftPersV), aus der Muster- und Verkehrszulassungspflicht für das zur Nutzung des Luftraums unerläßliche Luftfahrtgerät (§ 2 LuftVG, §§ 1 ff, 6 ff LuftVZO). Weiterhin unterliegen Außenstarts und -landungen (§ 25 LuftVG, § 15 LuftVO) sowie die Anlage und der Betrieb von Flugplätzen (§ 6 LuftVG, §§ 38 ff LuftVZO) der Genehmigungspflicht, ebenso wie Luftfahrtunternehmen (§§ 20 ff LuftVG, §§ 61 ff LuftVZO), Luftfahrtveranstaltungen (§ 24 LuftVG, §§ 73 ff LuftVZO) und das Mitführen von gefährlichen Gütern und Funkgeräten (§ 27 LuftVG, §§ 76 ff LuftVZO). All diesen aufgeführten Beschränkungen ist gemein, daß sie sicherheitsrechtlichen Charakter haben. Sie schränken zweifellos die durch § 1 Abs. 1 LuftVG begründete Luftverkehrsfreiheit ein 2 . Dies geschieht zum Schutz der Allgemeinheit, des Staates, Dritter und der Teilnehmer am Luftverkehr 3 . Die Vorschriften dienen mithin der Wahrung der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs und regeln sicherheitsrechtliche Voraussetzungen für die Benutzung des Luftraums, während sich die Berechtigung zur Benutzung aus § 1 Abs. 1 LuftVG ergibt. Eine Beschränkung des Inhalts des Benutzungsrechts bzw. des Grades der Öffentlichkeit des Luftraums ergibt sich daher aus den genannten Vorschriften nicht: jedermann darf den Luftraum benutzen. Diese Berechtigung steht grundsätzlich allen Menschen offen. 2

Hofinann /Grabherr, LuftVG, § 1 Rdn. 26, § 2 Rdn. 2, § 4 Rdn. 1; Schleicher/Reymann/Abraham II, § 1 LuftVG Anm. 14; Schmid in: Giemulla/Schmid, LuftVG, § 4 Rdn. 1, § 25 Rdn. 4, 5. 3

Hofinann /Grabherr, LuftVG, § 1 Rdn. 27, § 4 Rdn. 1; Schmid in: Giemulla/Schmid, LuftVG, § 4 Rdn. 1; Schwenk , Handbuch des Luftverkehrs rechts, S. 114, 118 ff, 243 f.

124

III. Reichweite des Gemeingebrauchs am Luftraum

Die Vorschriften berühren somit nicht die grundsätzliche Befugnis zur widmungsgemäßen Benutzung des Luftraums. Sie stellen sich deshalb als polizeiliche Vorschriften dar, die - ähnlich der Straßenverkehrsund Straßenverkehrszulassungsvorschriften - einer geordneten Durchführung des Luftverkehrs unter Berücksichtigung der Belange der Allgemeinheit, Dritter (z. B. Sicherheitsmindesthöhe, § 6 LuftVO) und der Luftraumnutzer dienen. Sie sind gerechtfertigt, soweit sie Ausdruck der Schranken des jeweils betroffenen Grundrechts sind und hier insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen. Von einem Regel-Ausnahme-Prinzip, das die grundsätzliche Freiheit des Luftraums zur Ausnahme macht, kann und darf insoweit also nicht die Rede sein. Die Freiheit des Luftraum ist und muß wegen des Grundrechtsschutzes die Regel sein, die Ausnahme die Verkehrs- oder anderweitig sicherheitsrechtliche Beschränkung, die rechtmäßig ist, wenn mit ihr nicht eine Aushöhlung des Gemeingebrauchs am Luftraum verbunden ist. Dies bedeutet gleichzeitig, daß die Einschränkungen des freien Benutzungsrechts nur polizeilichen bzw. sicherheitsrechtlichen Charakter haben dürfen.

2. Einschränkung des Gemeingebrauchs am Luftraum durch den Flugplatzzwang Die Ausübung des Gemeingebrauchs am Luftraum erfordert die Möglichkeit des Zugangs zum freien Luftraum. Anders ausgedrückt: Zum Fliegen gehört notwendig das Starten und Landen. Dem freien Benutzungsrecht am Luftraum würde daher ein freies Start- und Landerecht theoretisch am besten entsprechen. Aus der Freiheitsverbürgung des § 1 Abs. 1 LuftVG könnte also folgen, daß Startund Landevorgänge überall und zu jeder Zeit für jeden möglich sein müssen. Die Ausgestaltung im deutschen Recht stellt jedoch gerade das Gegenteil dar: § 25 LuftVG und § 15 LuftVO begründen die Pflicht, im Regelfall für Start und Landung die für die jeweils verwendeten Luftfahrzeuge genehmigten Flugplätze zu benutzen 4 , den sogenannten Flugplatzzwang. Außerhalb der genehmigten Flugplätze (§ 25 Abs. 1 4

Schwenk, Handbuch des Luftverkehrs rechts, S. 243; Schmid in: mulla/Schmid, LuftVG, § 25 Rdn. 4, 5.

Gie-

2. Einschränkung durch den Flugplatzzwang

125

S. 1 LuftVG) oder außerhalb der Start- und Landebahnen eines Flugplatzes (aber innerhalb des Flugplatzgeländes, § 25 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 LuftVG) sowie außerhalb der Betriebszeiten (§ 25 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 LuftVG) und innerhalb von Betriebsbeschränkungszeiten (§ 25 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 LuftVG) dürfen Luftfahrzeuge nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde und Zustimmung des Grundstückseigentümers (im Fall des § 25 Abs. 1 S. 1 LuftVG) bzw. des Flugplatzunternehmers (in den Fällen des § 25 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 - 3 LuftVG) starten oder landen. Diese Regelungen müssen angesichts der Grundregel des § 1 Abs. 1 LuftVG auf Bedenken stoßen: Denn hier wird die freie Benutzung zur Ausnahme, während die Beschränkung zur Regel w i r d 5 . Der Flugplatzzwang und die Art der Einschränkung, die das Benutzungsrecht am Luftraum durch ihn erfährt, wird nur auf dem Hintergrund seiner Entwicklung verständlich. Der Flugplatzzwang bestand nicht von vornherein. In den Anfängen des Luftverkehrs zu Beginn dieses Jahrhunderts gab es noch keine Flugplätze. Daher herrschte die der Luftraumbenutzungsfreiheit am besten entsprechende völlige Startund Landefreiheit. Mit zunehmender Entwicklung der Luftfahrt und vor allem der technischen Weiterentwicklung des Fluggeräts wurde erstmals mit dem LuftVG von 1922 6 eine Beschränkung der Landefreiheit eingeführt. Der damalige § 12 LuftVG bestimmte, daß Luftfahrzeuge, außer in Notfällen, nur mehr auf "Flughäfen" 7 und außerhalb geschlossener Ortschaften nur auf nicht eingefriedeten Grundstücken oder auf Wasserflächen landen durften. Mit der sprunghaft zunehmenden Zahl der Flugbewegungen und vor allem dem Aufkom5 Schmid in: Giemulla/Schmid, LuftVOen, § 15 LuftVO Rdn. 1 f. Allerdings wird die Auffassung vertreten, die durch § 1 Abs. 1 LuftVG statuierte Luftraumbenutzungsfreiheit umfasse nur die Benutzung des Luftraums selbst und schließe nicht die Benutzung der Bodeneinrichtungen ein; vgl. Schwenk , Handbuch des Luftverkehrsrechts, S. 243; Schmid in: Giemulla/Schmid, LuftVG, § 1 Rdn. 17, 19; Hofmann /Grabherr, LuftVOen, § 15 LuftVO Rdn. 7; dies., LuftVG, § 25 Rdn. 2; Riese , Luftrecht, S. 228; OVG Lüneburg, Z L W 1970 (Bd. 19), 224 (225). Folgt man dieser Auffassung, so liegt im Flugplatzzwang keine Beschränkung des Gemeingebrauchs am Luftraum. 6 7

Vom 1.8.1922, RGBl. I S. 681.

Der Ausdruck entspricht nicht der Terminologie des heutigen § 6 LuftVG; nach der durch die Neufassung des LuftVG vom 10.1.1959 (BGBl. I S. 9) erfolgten Änderung der Gesetzessprache ist der Ausdruck "Flughafen" durch "Flugplatz" zu

126

III. Reichweite des Gemeingebrauchs am Luftraum

men immer größerer und schnellerer Flugzeuge reichte die noch recht freizügige Beschränkung der Start- und Landevorgänge 8 aber nicht mehr aus 9 . Zum einen ließ sich bei Landevorgängen auf zumeist unbefestigten Flächen die Sicherheit der Bodenbevölkerung und der Flugzeugbesatzungen nicht mehr länger gewährleisten, zum anderen wurde die Belastung für die Grundstückseigentümer unzumutbar 1 0 . Darüber hinaus wurden durch den kaum kontrollierbaren Luftverkehr auch Belange der allgemeinen öffentlichen Sicherheit von der Zollhoheit bis hin zur Gesundheits- und Ausländerpolizei berührt 1 1 . Notwendige Folge war die Einführung des MFlugplatzzwangsM mit der Änderung des § 12 LuftVG durch das Gesetz vom 19.12.1935 1 2 , wonach Start- und Landevorgänge im Regelfall nur noch auf den für die entsprechenden Fluggeräte genehmigten Flugplätzen vorgenommen werden durften, was im wesentlichen der noch heute geltenden Rechtslage entspricht. Aus dem Vorstehenden ergibt sich also: der Flugplatzzwang dient dem Schutz der potentiell betroffenen Grundstückseigentümer, den Sicherheitsinteressen des Staates und der Sicherheit der Luftfahrt selbst. Da der Gesetzgeber bei Einführung des Flugplatzzwangs gleichzeitig aber den in § 1 Abs. 1 LuftVG enthaltenen Grundsatz der Freiheit der Benutzung des Luftraums unangetastet ließ, ist zu schließen, daß er mit der Einführung des Flugplatzzwangs nicht die Absicht verfolgte, den freien Gebrauch des Luftraums einzuschränken 13. Der Fortfall des ersetzen, so daß der damalige Begriff "Flughafen" dem heutigen Begriff "Flugplatz" entspricht. 8 Die Freizügigkeit der Regelung hing mit den Bestimmungen im Versailler Vertrag (VV) zusammen (vgl. insbes. Art. 200, 313 ff VV), die den Siegerstaaten des 1. Weltkrieges einseitig bis zum 1.1.1923 innerhalb des Gebiets und der Hoheitsgewässer der Zentralmächte "volle Flug- und Landungsfreiheit" vorbehielten, vgl. Meyer, Freiheit der Luft, S. 48 m. FN 4; Kqffka-Bodenstein-Kqffka y LuftVG, § 12 Bern. I und oben S. 56 ff. 9 Vgl. Wessels, Einige Fragen des Flugplatzrechts aus Anlaß des Beschlusses des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 31. August 1971, Z L W 1972 (Bd. 21), 21 (25 f); Kofflca-Bodenstein-Kqffka, LuftVG, § 12 Bern. I. 10

Vgl. Riese, Luftrecht, S. 228.

11

Schleicher/Reymann/Abraham

12

RGBl. I S. 1516.

13

Wessels, Z L W 1972 (Bd. 21), 21 (25).

II, § 25 Anm. 2.

3. Einschränkung durch Start- und Landeerlaubnisse

127

Rechts, (nahezu) überall (außen-) landen zu dürfen, hat deshalb das Recht, auf Flugplätzen landen zu dürfen, verstärkt. Der zugelassene Luftfahrer besitzt daher ein allgemeines Start- und Landerecht auf Flugplätzen des allgemeinen Verkehrs 1 4 . Eine Einschränkung der Öffentlichkeit des Luftraums liegt bei einem solchen Verständnis im Flugplatzzwang nicht. Er stellt sich dann vielmehr als verhältnismäßige Regelung des Gemeingebrauchs am Luftraum dar.

3. Einschränkung des Gemeingebrauchs am Luftraum durch Start- und Landeerlaubnisse Eine empfindliche Einschränkung erfährt der Gemeingebrauch am Luftraum durch die Pflicht, für Start und Landung auf Flugplätzen mit Flugverkehrskontrollstelle zuvor eine Erlaubnis einzuholen (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 LuftVO). Wie bereits erwähnt, setzt die Benutzung des Luftraums zum Fliegen nicht nur begrifflich, sondern auch tatsächlich das Starten und Landen voraus. Würde das Erfordernis der Start- und Landeerlaubnis für alle öffentlichen Flugplätze und für jede Art des Luftverkehrs gelten, so könnte in der Tat nicht mehr von einem Gemeingebrauch am Luftraum gesprochen werden. Denn dann wäre der freie Zugang zum Luftraum versperrt und jeweils von einer von Fall zu Fall zu gewährenden Zulassung abhängig 15 . Eine Genehmigung zum Starten und Landen ist zwar nur auf Flugplätzen mit Flugverkehrskontrollstelle - dies sind die Flughäfen und Flugplätze mit einer Kontrollzone, also die verschwindende Minderheit

14

So schon mit Hinweis auf den alten § 12 LuftVG Achtnich , Zur Haftung für Lärmeinwirkungen durch den Luftverkehr nach dem Römer Haftungsabkommen vom 7.10.1952 und nach deutschem Recht, ZLR 1954 (Bd. 3), 252 (272); zu § 25 Abs. 1 LuftVG heutiger Fassung Wessels , Z L W 1972 (Bd. 21), 21 (25); dazu näher s.u. unter IV. 1. 15

Aus der unzutreffenden Annahme, daß auf einem genehmigten Flugplatz immer eine Start- und Landeerlaubnis erforderlich sei, schließt Kromer sogar, daß "an sich" Anstaltsgebrauch am Luftraum vorliegen müsse, vgl. Kromer , Sachenrecht des Öffentlichen Rechts, S. 84.

128

III. Reichweite des Gemeingebrauchs am Luftraum

der deutschen Flugplätze - erforderlich 1 6 . Auf allen übrigen Flugplätzen - auch die mit einer Luftaufsichtsstelle - werden keine Startund Landeerlaubnisse, sondern nur Start- und Landeinformationen erteilt. Die verantwortliche Entscheidung über Start und Landung trifft hier der Luftfahrzeugführer 17 . Dennoch ist die durch die Erlaubnispflicht nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LuftVO bewirkte Beschränkung nicht zu unterschätzen. Denn ausschließlich auf den kontrollierten Flugplätzen wird der Instrumentenflugverkehr abgewickelt, was u.a. den gesamten Linien- und planmäßigen Charterflugverkehr betrifft. Die Bedeutung der kontrollierten Flugplätze ist daher immens. Insoweit ist tatsächlich das aus § 1 Abs. 1 LuftVG folgende Regel-Ausnahme-Prinzip nahezu umgekehrt 18 . Lediglich hinsichtlich der sonstigen (zahlenmäßig weit überwiegenden, aber hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Luftfahrt geringeren) Flugplätze verbleibt es bei dem Grundsatz des § 1 Abs. 1 LuftVG. Die Rechtfertigung für die nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LuftVO erforderliche Erlaubnis zum Starten oder Landen kann sich ebenfalls nur aus sicherheitsrechtlichen Erwägungen ergeben. Die nach dieser Vorschrift erforderlichen Genehmigungen wurden eingeführt, um die Sicherheit für den Luftverkehr und nicht zuletzt für die Passagiere auf den viel- und meist nicht nach Sicht-, sondern nach Instrumentenflugregeln beflogenen Flugplätze, zumeist zudem im Linienverkehr, gewährleisten zu können. Hier ist die Sicherheit so vieler Rechtsgüter so empfindlich gefährdet, daß Start und Landung nicht mehr der alleinigen Verantwortung der Piloten überlassen werden können. Dies ist ohne weiteres einsichtig, wenn man sich die Situation eines Instrumentenanfluges vor Augen hält. Bei einem "Entscheidungsminimum " von 100 Fuß Höhe über Grund kommt das Flugzeug im Ernstfall in nur 30 Metern Höhe (entspricht etwa 100 Fuß) aus der Wolkendecke hervor und befindet sich damit Bruchteile von Sekunden vor dem Aufsetzen. Befindet sich nun gerade ein anderes Luftfahrzeug startbereit auf der Bahn (der Pilot konnte ja das landende Flugzeug

Die kontrollierten Flugplätze machen weniger als 5 % der genehmigten Flugplätze in Deutschland aus. 17 18

Giemulla in: Giemulla/Schmid, LuftVOen, § 23 LuftVO Rdn. 1. Giemulla in: Giemulla/Schmid, LuftVOen, § 23 LuftVO Rdn. 1.

4. Einschränkung durch kollidierende Rechte Dritter

129

wegen der Wolkendecke nicht sehen), so kommt es zwangsläufig zur Kollision. So kann zwar die Entscheidung, ob jeweils ein Start oder eine Landung erfolgen kann, aus Sicherheitsgründen auf den kontrollierten Flugplätzen nicht beim Luftfahrzeugführer liegen, andererseits folgt aber aus dem Grundsatz des § 1 Abs. 1 LuftVG, daß er einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung hat, wenn Gründe der Sicherheit und der Kapazität (die hier auch Sicherheitsgründe sind) nicht entgegenstehen 1 9 . Ebensowenig wie durch den Flugplatzzwang wird durch diese verkehrspolizeiliche Genehmigung der Inhalt des Benutzungsrechts bzw. der Grad der Öffentlichkeit des Luftraums berührt.

4. Einschränkung des Gemeingebrauchs am Luftraum durch kollidierende Rechte Dritter § 1 Abs. 1 LuftVG hat das Verhältnis zwischen Grundeigentümern (bzw. Mietern und Pächtern u.ä.) und Luftfahrern dahingehend geregelt, daß den Grundeigentümern (u.a.) grundsätzlich kein Abwehrrecht gegen den Überflug zusteht. Weder Eigentums-, Besitz- oder Gesundheitsbeeinträchtigungen können zu einem Abwehr- oder Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB (ggf. in Verbindung mit §§ 862, 823 BGB) führen 2 0 . Diese Grundentscheidung zur Lösung der Kollision der verschiedenen Grundrechtspositionen - auf der einen Seite: allgemeine Handlungsfreiheit des Luftfahrers, auf der anderen Seite: Eigentum und Gesundheit betroffener Dritter - zugunsten der Freiheit der Luftfahrt kann sich aber nur dann als verhältnismäßige Regelung darstellen, wenn nicht nur die Grundrechte der Luftfahrer, sondern auch die der betroffenen Dritten im Kern nicht angetastet werden. Das bedeutet, daß zum Schutz der Rechte Dritter die Ausübung der Luftraumbenutzungsfreiheit Beschränkungen unterworfen werden muß. Der Eingriff in private Rechte Dritter kann also nur dann gerechtfertigt

19

S. auch u. unter IV. 1.

20

Schmid in: Giemulla/Schmid, LuftVG, § 1 Rdn. 21; dazu s.o. S. 62 ff.

9 Lübben

130

III. Reichweite des Gemeingebrauchs am Luftraum

sein, wenn der betroffene Private nur die ordnungsgemäße Benutzung des Luftraums zu dulden verpflichtet i s t 2 1 . Private Dritte werden vor allem durch den von überfliegenden Flugzeugen ausgehenden Lärm, aber auch durch Schadstoffimmissionen gestört. Dem Schutz der betroffenen Privaten vor Lärmbelastung dienen eine Reihe von luftrechtlichen Vorschriften, so namentlich die Sicherheitsmindesthöhe, die nach § 6 Abs. 1 S. 2 LuftVO (u.a.) der Vermeidung unnötiger Lärmbelästigung dient. § 29 b LuftVG verpflichtet Luftfahrzeughalter und -führer, zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm vermeidbare Geräusche beim Betrieb von Luftfahrzeugen zu verhindern, unvermeidbare Geräusche auf ein Mindestmaß zu beschränken sowie auf die Nachtruhe der Bevölkerung in besonderem Maß Rücksicht zu nehmen. Nach § 1 Abs. 2 LuftVO darf der Lärm, der beim Betrieb eines Luftfahrzeugs verursacht wird, nicht stärker sein, als es die ordnungsgemäße Führung und Bedienung unvermeidbar erfordert 22 . § 1 Abs. 1 LuftVO regelt die allgemein geltende Pflicht des Luftfahrers, sich so zu verhalten, daß Sicherheit und Ordnung im Luftverkehr gewährleistet sind und kein anderer gefährdet, geschädigt oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird. § 1 Abs. 1 LuftVO schützt mit der Verwendung des Wortes "anderer" nicht nur die anderen Luftverkehrsteilnehmer, sondern auch die nicht am Verkehr Beteiligten 2 3 und enthält den Grundsatz der Gemeinverträglichkeit 24 . Dem Lärmschutz dienen ferner Auflagen für Schlepp- und Reklameflüge nach § 9 Abs. 3 LuftVO, die Verpflichtung zum schnellen Höhengewinn nach dem Start (§ 22 Abs. 1 Nr. 12 und 13 LuftVO), das Verbot von zivilen Überschallflügen nach § 11 a LuftVO und das Verkehrsverbot für Luftfahrzeuge ohne Lärmzeugnis (§ 11 c LuftVO). Dem Schutz vor Schadstoffimmissionen dient § 38 Abs. 1 BImSchG, der (u.a.) für Luftfahrzeuge bestimmt, daß sie so betrieben werden müssen, daß vermeidbare Emissionen verhindert und unvermeidbare 21 Hqfinann/Grabherr, § 1 LuftVG Anm. 4.

LuftVG, § 1 Rdn. 14; Schleicher/Reymann/Abraham

22

Vgl. Hofinann/Grabherr.

23

Hofinann/Grabherr,

24

Schleicher/Reymann/Abraham

LuftVOen, § 1 LuftVO Rdn. 21.

LuftVOen, § 1 LuftVO Rdn. 13. II, § 1 LuftVG Anm. 7.

II,

4. Einschränkung durch kollidierende Rechte Dritter

131

Emissionen auf ein Mindestmaß beschränkt bleiben. § 32 Abs. 1 Nr. 16 LuftVG ermächtigt den Bundesminister für Verkehr und den Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zum Erlaß von Rechtsverordnungen über den Schutz vor Luftverunreinigungen durch Luftfahrzeuge, insbesondere darüber, daß die Verunreinigung der Luft durch Abgase der Luftfahrzeuge das nach dem jeweiligen Stand der Technik unvermeidbare Maß nicht überschreiten darf. Von dieser Verordnungsermächtigung ist bisher aber noch nicht Gebrauch gemacht worden. Diese Schutzvorschriften stellen sich nach dem Vorgesagten als Beschränkungen des Rechts aus § 1 Abs. 1 LuftVG dar, die notwendig sind, um den Rechten betroffener Dritter ausreichende Geltung zu verschaffen. Damit sind sie - im Sinne des polizeirechtlichen Begriffs der öffentlichen Sicherheit - sicherheitsrechtliche Vorschriften, da der Schutz von Individualrechten zur öffentlichen Sicherheit gehört 2 5 . Sie stellen im Verhältnis zwischen Luftfahrer und betroffenem Dritten klar, wie weit das freie Benutzungsrecht reicht. Soweit die Benutzung des Luftraums danach unvorschriftsmäßig geschieht, leben die Abwehrrechte des betroffenen Privaten wieder auf. Sie brauchen eine unvorschriftsmäßige Benutzung nicht mehr zu dulden und können Beseitigung der Beeinträchtigung und Unterlassung (§§ 1004, 862, 823 BGB) verlangen 2 6 .

25 26

Vgl. Drews /Wacke/Vogel/Martens

, Gefahrenabwehr, S. 232, 235.

Hofmann/ Grabherr, LuftVG, § 1 Rdn. 30; Schleicher/Reymann/Abraham II, § 1 LuftVG Anm. 4; vgl. a. BGH, Urteil vom 31.10.1986 - V ZR 61/80 -, NJW 1987, 1142 (1143).

I V . Folgerungen

Bisher wurde festgestellt, daß die in § 1 Abs. 1 LuftVG geregelte Luftraumbenutzungsfreiheit eine Widmungsnorm ist, die den Gemeingebrauch am Luftraum eröffnet. Die Regelung ist aus verfassungs- und völkerrechtlichen Gründen rechtlich geboten. Die Reichweite dieses Rechts ist aus Sicherheitsgründen beschränkt. Zu untersuchen bleibt, welche Auswirkungen das freie Benutzungsrecht am Luftraum auf die Einschränkungen hat und wie sich der Rechtsschutz des Luftraumbenutzers darstellt.

1. Start- und Landerechte - Überwirken des Gemeingebrauchs Die freie Benutzung des Luftraums - die Ausübung des Gemeingebrauchs - setzt voraus, daß auch der Zugang zum Luftraum gewährleistet ist. Erst über die Start- und Landemöglichkeiten wird der Gemeingebrauch am Luftraum eröffnet. Hinsichtlich der Start- und Landemöglichkeiten müssen daher die (sicherheitsnotwendigen) Einschränkungen jeweils unter der Prämisse der Gewährleistung des Gemeingebrauchsrechts interpretiert werden. a) Start- und Landerechte auf Flugplätzen Wegen des Flugplatzzwangs ist der Luftraumbenutzer - will er sein Benutzungsrecht ausüben - für Start und Landung auf die Flugplätze angewiesen. Aus dem freien Benutzungsrecht am Luftraum könnten Folgerungen für das Rechtsverhältnis zwischen Flugplatz und Luftfahrer - ein Überwirken des Gemeingebrauchs am Luftraum auf die Benutzung der notwendigen Bodeneinrichtungen abzuleiten sein. Dazu bedarf es der Klärung, welcher Art dieses Rechtsverhältnis ist.

1. Start- und Landerechte - Überwirken des Gemeingebrauchs

133

Aus dem Flugplatzzwang folgt die Zulassungspflichtigkeit der Flugplätze 1 , die nach § 6 Abs. 1 LuftVG nur mit Genehmigung angelegt oder betrieben werden dürfen. Zusätzlich schreibt § 8 Abs. 1 LuftVG für die Neuanlage oder Änderung eines Flughafens oder eines Landeplatzes mit beschränktem Bauschutzbereich (§ 17 LuftVG) die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens vor. In diesen Vorschriften ist aber nichts darüber gesagt, wer Träger von Flugplätzen sein kann, in welcher Rechtsform ein Flugplatz betrieben wird und wie das Verhältnis zu den Benutzern ausgestaltet ist. Dies erklärt sich nur aus der historischen Entwicklung. aa) Entwicklung der Flugplatzorganisation Ursprünglich war die Genehmigung nach dem alten § 7 LuftVG von 1922 (heute § 6 LuftVG) - in Anlehnung an die früher in den §§ 16 ff GewO geregelte Genehmigung lästiger Anlagen - als reine Unternehmergenehmigung ausgestaltet2. Nicht die öffentliche Hand wurde als Träger der öffentlichen Flugplätze bestimmt, vielmehr konnte "jedermann" Genehmigungsträger und damit "Flugplatzhalter" oder "Flugplatzunternehmer" sein 3 . Von staatlicher Seite wurden lediglich die Eignung des Geländes und die Zuverlässigkeit des Flugplatzhalters geprüft. Schon damals waren aber meist Gesellschaften des Handelsrechts, an denen Gemeinden, das Reich, die Länder und Provinzen 1 Ronellenfitsch, Einführung in das Planungsrecht, S. 148; ders. in: Dokumentation, S. 107 (111); ders., Verzicht auf Planfeststellung, Die Verwaltung 1990, 323 (332). 2

Ronellenfitsch, Vorüberlegungen zur Bereinigung des luftrechtlichen Verfahrensrechts, DVB1 1984, 501 (502 0; ders., Einführung in das Planungsrecht, S. 148; ders., Die Planfeststellung, VerwArch 1989 (Bd. 80), 92 (114); ders., Die Verwaltung 1990, 323 (332); § 7 LuftVG 1922 lautete: "(1) Flughäfen dürfen nur mit gemeinsamer Genehmigung der Reichsregierung und der Landes Zentralbehörde oder der von diesen zu bestimmenden Behörden beibehalten oder angelegt werden. (2) Die Genehmigung ist zu versagen, wenn Tatsachen dafür vorliegen, daß der Flughafen oder der in Aussicht genommene Platz ungeeignet ist, oder dafür, daß der Betrieb unzuverlässig geführt werden wird; ergeben sich später solche Tatsachen, so ist die Genehmigung zurückzuziehen. (3) Die vorstehenden Vorschriften gelten nicht für Reichs- und Staatsbetriebe, die im öffentlichen Interesse liegen."

134

IV. Folgerungen

beteiligt waren, die Genehmigungsträger 4. Das Eigenkapital hielt zumeist zu 100 % die öffentliche Hand 5 . Die LuftVO vom 19.7.1930 6 brachte die Zweiteilung der Flughafenverantwortung in die FlughafenBetriebsleitung, die dem Flughafenunternehmer oblag und die Flughafenverkehrsleitung, die von der Flughafenpolizei, einer Landesbehörde, ausgeübt wurde 7 . Damit war die Organisation des deutschen Flughafenwesens in der weitgehend noch heute gültigen Form festgelegt: Die öffentlichen Flughäfen wurden, nachdem § 7 LuftVG 1922 diese Möglichkeit zuließ, fast ausschließlich privatrechtlich aufgezogen und damit, wenn überhaupt, nur mittelbar von der öffentlichen Hand betrieben. Heute ist der Betrieb der Flugplätze folgendermaßen organisiert: Der Bund ist auf den Flughäfen mit Flugverkehrskontrollstelle durch die Bundesanstalt für Flugsicherung (BFS) vertreten 8 . Aufgabe der BFS ist insbesondere die Bewegungslenkung im Luftraum und auf den Rollflächen der Flughäfen (§ 2 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 2 Nr. 1 BFSG). Der Flugsicherungsbetrieb ist eine hoheitliche Tätigkeit verkehrspolizeilicher A r t 9 . Den Ländern obliegt die allgemeine Luftaufsicht, soweit sie nicht der BFS oder dem Luftfahrtbundesamt (LBA) übertragen ist (§§ 31 Abs. 2 Nr. 18, 29 Abs. 1 LuftVG). Es handelt sich hierbei um hoheitliche Tätigkeit sicherheitsrechtlicher Art. Aufgabe der Luftaufsicht ist es, sicherzustellen, daß die luftverkehrsrechtlichen Vorschriften eingehalten werden und in Fällen konkreter Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung präventiv-polizeili3

Salzer y Rechtsverhältnis, S. 10.

4

Vgl. Schleicher y LuftVG, § 7 Anm. 1 a, 2.

5

Salzer y Rechtsverhältnis, S. 11.

6

RGBl. I S . 363.

7

Salzer y Rechtsverhältnis, S. 12; vgl. a. § 91 Abs. 1 LuftVO 1930: "Die Regelung des Verkehrs auf dem Rollfeld eines öffentlichen Flughafens zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Luftverkehrsleitung) ist Aufgabe der Polizei." 8

Eine bundesunmittelbare, nichtrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, die dem Bundesminister für Verkehr unterstellt ist und deren Beamte und Angestellte unmittelbare Bundesbedienstete sind, vgl. §§ 1 Abs. 2, 4 BFSG vom 23.3.1953 (BGBl. I S. 70), zuletzt geändert am 20.12.1988 (BGBl. I S. 2363). 9

Salzer y Rechtsverhältnis, S. 16; Dar sow , Gesetz über die Bundesanstalt für Flugsicherung, ZLR 1953 (Bd. 2), 295 (297); Schleicher/Reymann/Abraham II, BFSG, Vorbem., Anm. 2.

1. Start- und Landerechte - Überwirken des Gemeingebrauchs

135

che Maßnahmen zu ergreifen 1 0 . Der Flughafenunternehmer bzw. der Landeplatzhalter hat die Aufgabe, den Flughafen in betriebssicherem Zustand zu halten und ordnungsgemäß zu betreiben (§§ 45 Abs. 1, 53 Abs. 1 LuftVZO), wobei er von der Genehmigungsbehörde überwacht wird (§§ 47, 53 LuftVZO). An der Rechtsformausgestaltung wurde nichts geändert. Nach wie vor sind in der Regel Private, heute meist privatrechtliche (Kapital-) Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), Flughafenunternehmer oder Landeplatzhalter 11 . bb) Überwirken des Gemeingebrauchs am Luftraum auf das Benutzungsverhältnis des Luftfahrers am Flugplatz Aus der privatrechtlichen Organisation der Flugplatzhalter schließt die h.M., daß auch das Benutzungsverhältnis zwischen Flugplatz und Luftfahrer - ausschließlich - privatrechtlich (vertraglich) ausgestaltet sein müsse 1 2 . Diese Auffassung steht im engen Zusammenhang mit der Ansicht, die davon ausgeht, daß zum Gemeingebrauch am Luftraum nicht das Starten und Landen zählt 1 3 . Denn: es widerspricht der Annahme von Gemeingebrauch überhaupt, der das Recht zur zulas10

Schleicher/Reymann/Abraham

II, § 29 LuftVG Rdn. 2.

11

Bei den Flughäfen ist nur beim Flughafen Frankfurt/Main eine Aktiengesellschaft Halter, bei allen übrigen sind es Gesellschaften mit beschränkter Haftung, vgl. Schwenk, Handbuch des Luftverkehrsrechts, S. 104. 12

BGH, Urteil vom 10.7.1969 - KZR 13/68 -, VkBl 1970, 730 = DB 1969, 1790 = BB 1969, 1239; BGH, Urteil vom 27.10.1972 - KZR 1/72 -, DVB1 1974, 558; FG München, Urteil vom 7.4.1954 - FG I 620/621/52 -, ZLR 1954 (Bd. 3), 381 (382) m. Anm. Achtnich, ZLR 1954 (Bd. 3), 386; ders., Anmerkung zum Urteil des Cour d'appel d'Aix-en-Provence vom 2.5.1952, ZLR 1953 (Bd. 2), 372 (376); BFH, Urteil vom 4.7.1956, BFHE 63, 159 f = BStBl 1956 III, 257; OLG Nürnberg, Urteil vom 18.5.1965, BB 1965, 1087; OVG Hamburg, Urteil vom 20.7.1974 - OVG Bf II 36/73 -, Z L W 1975 (Bd. 24), 228 (232); Hoftnann/Grabherr, LuftVG, § 6 Rdn. 27; dies., LuftVOen, § 43 LuftVZO Rdn. 4; Schleicher/Reymann/Abraham II, § 6 LuftVG Anm. 24; Schwenk, Handbuch des Luftverkehrsrechts, S. 297; Salzer, Rechtsverhältnis, S. 54; Darsow, ZLR 1953 (Bd. 2), 295 (301); Lau in: Giemulla/Schmid, LuftVG, § 6 Rdn. 40; Ruhwedel, Rechtsnatur der Flugplatzgebühren, BB 1965, 1093 (1094); a.A. (öffentlich-rechtliches ΝutzungsVerhältnis): Schmidt-Ott, Die Stellung des Flughafens im deutschen Recht, S. 74; v. Unruh, Flughafenrecht, S. 62 ff; Schenk, Der Flughafen, S. 41 ff, 44; Kqffka-Bodenstein-Koffka, LuftVG, § 7 Anm. V 1 b; Ossenbühl, Öffentliches Recht und Privatrecht in der Leistungsverwaltung, DVB1 1974, 541 (542); offen gelassen von BVerwG, Urteil vom 8.7.1977 - 7 C 72/74 -, Z L W 1978 (Bd. 27), 49 (51 f).

136

IV. Folgerungen

sungsfreien Nutzung im Rahmen des Widmungszwecks zum Inhalt hat, wenn ein Vertragsschluß (selbst bei einem Kontrahierungszwang kann nichts anderes gelten 1 4 ) Voraussetzung der Benutzung der öffentlichen Sache wäre. Die Nutzung des Luftraums müßte dann nicht mehr als Gemeingebrauch, sondern als Anstaltsnutzung qualifiziert werden. Zur Vermeidung dieser Konsequenz, die gegen § 1 Abs. 1 LuftVG verstoßen würde, der den Luftraum zum Gemeingebrauch gewidmet h a t 1 5 , muß diese ausschließlich privatrechtlich orientierte Auffassung daher eine strikte Trennung zwischen dem Benutzungsverhältnis zum Luftraum einerseits und dem Benutzungsverhältnis an den Flugplätzen andererseits vornehmen. Diese Ansicht ist aber deswegen zweifelhaft, weil die Ausübung des freien Benutzungsrechts am Luftraum ganz elementar davon abhängig ist, daß sie überhaupt erst begonnen (durch Start vom Boden) und beendet (durch Landung) werden kann. Insofern ähnelt die Situation in gewisser Weise der Anliegernutzung im Straßen- und Wegerecht. Dort ist der Anlieger auf den Kontakt nach außen, den Zugang zur Straße, angewiesen. Hier bedarf der Luftfahrer der Start- und Landebahnen eines Flugplatzes, um in den frei nutzbaren Luftraum gelangen zu können. Wenn es danach (notwendige) Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Luftraumnutzung ist, daß der Zugang gewährleistet ist, so verbietet es sich, den Zugang zum Luftraum völlig losgelöst von der Benutzung des Luftraums selbst zu behandeln. Die h.M. kann nicht erklären, wie denn der Zugang zum Luftraum, der ja im Gemeingebrauch stehen soll, vonstatten gehen soll, wenn nicht durch Starten auf den genehmigten Flugplätzen, zu deren Benutzung der Luftfahrer wegen des Flugplatzzwangs verpflichtet ist. Wenn danach das Starten und Landen sich vom Fliegen nicht trennen läßt, was ernsthaft niemand bestreiten kann, so ist die Kernfrage hinsichtlich des - von der h.M. nicht bezweifelten, aber privatrechtlich qualifizierten - Benutzungsanspruchs des Luftfahrers gegenüber dem Flugplatz die, wie herum die Benutzung des Luftraums zu definieren 13

S.o. III. FN 5 (S. 125).

14

Vgl. Wolff/Bachof

15

S. dazu oben unter II.3.

VwR I, § 58 II a 2; Forsthoff,\

Lehrbuch, S. 390.

1. Start- und Landerechte - Überwirken des Gemeingebrauchs

137

ist. Muß sie von der Nutzung der Flughäfen oder Flugplätze her bestimmt werden oder muß nicht vielmehr anders herum, d.h. von der in § 1 Abs. 1 LuftVG festgelegten Benutzungsfreiheit des Luftraums auf das Benutzungsverhältnis am Flugplatz geschlossen werden. Beantworten kann man diese Frage nur aus der Ausgestaltung der Rechtsvorschriften, die das eine oder andere betreffen. Die Benutzungsfreiheit steht schon gesetzessystematisch gesehen am Anfang aller luftverkehrsrechtlichen Vorschriften und bestimmt den Grundsatz, das Ziel, unter dem alle anderen Vorschriften zu betrachten sind. § 1 Abs. 1 LuftVG hat den Luftraum zum Gemeingebrauch gewidmet. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, die Freiheit des Luftverkehrs im Rahmen der Gemeinverträglichkeit zu gewährleisten 1 6 , um im öffentlichen Interesse die Luftfahrt zu fördern 1 7 . Anlage und Betrieb von Flugplätzen dienen als öffentliche Aufgabe der Verwirklichung des Gemeingebrauchs der Luftfahrt 1 8 durch Bereitstellung der Bodeneinrichtungen, die zur Abwicklung des Luftverkehrs erforderlich sind. Die Vorschriften über die Genehmigung von Anlage und Betrieb sind erforderlich, weil der Flugplatzzwang die Luftverkehrsfreiheit einschränkt 19 . Anders ausgedrückt: Das Recht zur freien Benutzung des Luftraums ist die Grundlage, die Vorbedingung jeden Luftverkehrs 20 . Weder Private noch staatliche Organe können den ordnungsgemäßen Luftverkehr verbieten oder behördliche Maßnahmen dagegen treffen, soweit nicht im LuftVG selbst, dem BFSG oder den Durchführungsvorschriften Beschränkungen enthalten sind 2 1 . Die Benutzung der genehmigten Flugplätze zum Starten und Landen muß deshalb unter dem Aspekt gesehen werden, daß durch sie 16

Vgl. Schmid in: Giemulla/Schmid, LuftVG, § 1 Rdn. 17; Meyer, ZLR 1957 (Bd. 6), 1 (14). 17

Kqffka-Bodenstein-Kqffka,

18

Hofinann/Grabherr,

LuftVG, § 1 Bern. V.

LuftVG, § 6 Rdn. 4.

19 Vgl. Ronellenfitsch, Einführung in das Planungsrecht, S. 148; ders., in: Dokumentation, S. 107 (111); ders., VerwArch 1989 (Bd. 80), 92 (114); ders., Die Verwaltung 1990, 323 (332). 20

Busse, Luftrecht, § 1 LuftVG, Vor Bern. 1; Döring, LuftVG, § 1 Anm. 2 a; Hofinann/Grabherr, LuftVG, § 1 Rdn. 11. 21

Vgl. Kojffka-Bodenstein-Kojfka, LuftVG, § 1 Bern. I; Schleicher /Reymann/Abraham II, § 1 LuftVG Anm. 3; Hofinann/Grabherr, LuftVG § 1 Rdn. 11.

138

IV. Folgerungen

der Zugang zum Luftraum gewährleistet wird. Sie dienen im wörtlichen Sinn der Ausübung des freien Benutzungsrechts am Luftraum. Die Inanspruchnahme der Flugplätze durch die Luftfahrer muß also von der Freiheit der Benutzung des Luftraums her definiert werden und nicht umgekehrt. Aus dem Gemeingebrauch am Luftraums ergeben deshalb sich Folgerungen für das Benutzungsverhältnis am Flugplatz: Der Gemeingebrauch am Luftraum hat Ausstrahlungswirkung auf die Benutzung der Bodeneinrichtungen 22 . Soweit sie für den Luftverkehr unverzichtbar sind, d.h. in erster Linie die Start- und Landebahnen, wird über ihre Benutzung der Gemeingebrauch am Luftraum erst eröffnet. Das bedeutet, daß das öffentlich-rechtliche Gemeingebrauchsrecht auf das Benutzungsrecht an ihnen überwirkt, was hier mit "Überwirken" des Gemeingebrauchs bezeichnet wird. Daraus folgt zugleich, daß es sich insoweit ebenfalls um ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis handelt. Dieser Auffassung steht nicht entgegen, daß der Flugplatzunternehmer als Privater kein öffentlich-rechtliches Verhältnis zum Luftfahrer begründen kann 2 3 . Sein Verhältnis zum Luftfahrer ist und bleibt privatrechtlicher Natur. Er erfüllt aber mit der Bereitstellung des Flugplatzes eine öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge 24 . Dies bedingt keine Beleihung 25 , denn eine solche ist nur dort erforderlich, wo der Private, der materiell öffentliche Aufgaben ausführt, obrigkeitlicher Befugnisse bedarf 2 6 . Die obrigkeitlichen Befugnisse hinsichtlich des Luftverkehrs werden umfassend von den 22 Vgl. Bai, Luftrecht und Grundeigentum, S. 86: "Das Flugrecht schließt wohl das Landungsrecht mit ein". 23

A . A . Ossenbühl, DVB1 1974, 541 (542).

24

Zum Begriff der Daseinsvorsorge vgl. Ronellenfitsch, Wirtschaftliche Betätigung des Staates, in: Isensee/Kirchhof, HdbStR III, § 84 Rdn. 48 (S. 1199). 25

Von einer Beleihung geht aber Schleicher/Reymann/Abraham

II, § 6 Anm. 19

aus. 26

Zum Flughafenunternehmer als (Nicht-) Beliehenern ausführlich Salzer, Rechtsverhältnis, S. 30 ff; Zur Beleihung von Privaten allgemein: Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, (durchgehend); Vogel, Öffentliche Wirtschaftseinheiten in privater Hand, S. 81 ff; s.a. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 81 f, 242 m. FN 11.

1. Start- und Landerechte - Überwirken des Gemeingebrauchs

139

Luftfahrtbehörden wahrgenommen. Diese erteilen aber auch - soweit es sich um kontrollierte Flugplätze handelt - die Start- und Landegenehmigung, was wiederum zu dem Schluß führt, daß neben dem (privatrechtlichen) Verhältnis des Luftfahrers zum Flughafenunternehmer ein öffentlich-rechtliches Verhältnis bei der Benutzung der für Start und Landung notwendigen Bodeneinrichtungen besteht. Dieses ist der hier sogenannte überwirkende Gemeingebrauch, der die Ausübung des aus der Luftraumbenutzungsfreiheit (Gemeingebrauch) folgenden Rechts auf Start und Landung als Zugang zum im Gemeingebrauch stehenden Luftraum zum Inhalt hat. Diese Konstruktion führt damit hinsichtlich der Benutzung der Startund Landebahnen zu den - typischen - öffentlichen Sachen zurück 2 7 . Es besteht nach wie vor Privateigentum an ihnen. Dieses wird aber durch die öffentliche Zweckbindung überlagert 28 . Für die privaten Leistungen kann ein Entgelt verlangt werden - insoweit liegt ein privatrechtliches Nutzungsverhältnis vor. Das Grundverhältnis bleibt aber öffentlich-rechtlich 2 9 . Start und Landung können also vom Flugplatzunternehmer wegen des " Überwirkens " des Gemeingebrauchs am Luftraum auf die Startund Landevorrichtungen nicht verwehrt werden. Die Verkehrsflughäfen und -landeplätze stehen zur Benutzung durch die nach § 1 Abs. 1 LuftVG freie Luftfahrt offen 3 0 . Der Luftfahrer hat einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Start und Landung auf öffentlichen 27

Vgl. O . S . 71.

28

Die Widmung - die hoheitliche Zweckbestimmung - der Start- und Landebahnen liegt in der Genehmigung nach § 6 LuftVG, vgl. BVerwG, Urteil vom 26.7.1989 - 4 C 35.88 -, BVerwGE 82, 246 (253) =DVB1 1989, 1097 (1099): "als öffentlichsachenrechtliche Regelung schränkt der Bescheid vom ... die Widmung der Hauptbahn in der Weise ein, daß diese Bahn nur noch für den gewerblichen Verkehr der bezeichneten Art offen steht." 29 Auf die Frage, ob die Verkehrs flughäfen in ihrer Gesamtheit als öffentliche Sachen (so Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 1) bzw. als öffentliche Anstalten anzusehen sind (so Ossenbühl, DVB1 1974, 541 f) kommt es hierfür nicht an. Entscheidend ist hier nur die öffentliche Zweckbindung der für den Gemeingebrauch am Luftraum unerläßlichen Start- und Landeeinrichtungen. 30

BVerwG, Urteil vom 7.7.1978 - 4 C 79/76 -, BVerwGE 56, 110 (119) = Z L W 1979 (Bd. 28), 48 (52).

140

IV. Folgerungen

Flugplätzen. Es können nur aus Sicherheitsgründen Landezeiten zugeteilt oder ganz verweigert werden.

Start-

und

b) Außenstart und -landung Der Grundsatz des § 1 Abs. 1 LuftVG hat zudem Auswirkungen für die Einordnung der Regelungen der §§ 25 Abs. 1 LuftVG, 15 LuftVO hinsichtlich der Außenstart- und -landeerlaubnis. Da die Außenstartund -landeerlaubnis demjenigen, der sie beantragt, nur zur Verwirklichung seines Rechts aus § 1 Abs. 1 LuftVG verhilft, hat er einen Anspruch auf Erteilung der Außenstart- oder -landeerlaubnis, wenn insbesondere sicherheitsrechtliche Gesichtspunkte oder Verteilungserwägungen nicht entgegenstehen (präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 3

2. Betreiber pflichten Aus der Einschränkung der Luftraumbenutzungsfreiheit durch den Flugplatzzwang ergeben sich aber nicht nur Start- und Landerechte für den einzelnen Luftfahrer, sondern auch Pflichten der Betreiber der öffentlichen Flughäfen und Flugplätze. a) Betriebspflicht Luftverkehr ist - wie erwähnt - wegen des Flugplatzzwangs ohne Flugplätze nicht denkbar. Es gehört deswegen zu den öffentlichen Aufgaben, zur Daseinsvorsorge, die zur Erfüllung des Verkehrs-

31

So richtig Schmid in: Giemulla/Schmid, LuftVOen, § 15 LuftVO Rdn. 2; widersinnigerweise spricht ders., in: Giemulla/Schmid, LuftVOen, § 15 LuftVO Rdn. 7, aber davon, auf die Erlaubnis bestehe nur ein Anspruch auf ermes sens fehlerfreie Entscheidung! Ebenso widersprüchlich Hofinann/Grabherr, LuftVG, § 25 Rdn. 10, durch den Hinweis auf die unter der Kommentierung zu § 2 Rdn. 7 und zu § 4 Rdn. 13 zitierten Entscheidungen des BVerfG, die sämtlich das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt betreffen.

2. Betreiberpflichten

141

bedürfnisses notwendigen Voraussetzungen zu schaffen 32 . Der Betrieb von öffentlichen Flugplätzen steht im öffentlichen Interesse 33 . Da diese öffentliche Aufgabe - in der Regel - private Unternehmen wahrnehmen, muß eine spezielle Regelung eingeführt werden, die sicherstellt, daß die notwendige öffentliche Versorgungsaufgabe (der öffentliche Verkehrsauftrag) auch tatsächlich wahrgenommen w i r d 3 4 . Dies geschah mit § 45 Abs. 1 S. 1 LuftVZO für die Flughäfen und mit § 53 Abs. 1 LuftVZO für die Landeplätze, die die sogenannte Betriebspflicht der Flughafen- bzw. Landeplatzhalter festlegen. Gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 LuftVZO obliegt dem Unternehmer eines Flughafens die Pflicht, diesen ordnungsgemäß zu betreiben. Gleiches gilt gemäß § 53 Abs. 1 für den Betreiber eines Landeplatzes. Ordnungsgemäß im Sinne dieser Vorschriften werden die Flughäfen und Landeplätze nur dann betrieben, wenn sie den benutzungsberechtigten Luftfahrern (§ 1 Abs. 1 LuftVG) entsprechend der erteilten Flugplatzbetriebsgenehmigung zum Starten, Landen und Abstellen zur Verfügung gestellt werden 3 5 . b) Regelung der Betriebszeiten Freiheit und Funktionsfähigkeit des Luftverkehrs werden insbesondere durch die internationalen Verkehrsflughäfen gewährleistet. Daraus folgt, daß sie grundsätzlich ganztägig betrieben werden müssen 3 6 . Mit zunehmender Berücksichtigung des Lärmschutzes wurde dieser Grundsatz aber durch die Einführung nächtlicher Start- und Landeverbote erheblich eingeschränkt. In der Regel handelt es sich hierbei um einen Zeitraum von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr. Derartige Betriebsbeschränkungen sind möglich, wenn das (private) Interesse an Ruhe und Erholung das öffentliche Verkehrsinteresse überwiegt. Die internationalen Verkehrsflughäfen sind aber für den allgemeinen Ver32

Schwenk, Handbuch des Luftverkehrsrechts, S. 255.

33

Vgl. BVerwGE 56, 110 (119) = BVerwG, Z L W 1979 (Bd. 28), 48 (52).

34

Salzer, Rechtsverhältnis, S. 97.

35

Lau in: Giemulla/Schmid, LuftVOen, § 45 LuftVZO Rdn. 2.

36

Schwenk, Handbuch des Luftverkehrsrechts, S. 293.

142

IV. Folgerungen

kehr gewidmet. Ein absolutes Nachtflugverbot ist mit ihrem Verkehrsauftrag unvereinbar und daher unzulässig 37 . Sind Regelungen (zulässigerweise) getroffen, so unterliegen ihnen grundsätzlich alle Luftfahrzeuge. Luftfahrzeuge mit in ihrer Klasse niedrigeren Lärmwerten können aber besser gestellt werden 3 8 , weil bei ihnen das entgegenstehende private Interesse der Nachbarn geringer anzusetzen ist.

3. Staatliche Pflichten und Planung a) Start- und Landekapazität Aus dem Gemeingebrauch am Luftraum, der innerstaatlichen Freiheit der Luft, folgt, daß der Zugang zum Luftraum gewährleistet sein muß. Der Gemeingebrauch am Luftraum ist institutionell geschützt, was bedeutet, daß der Staat die Voraussetzungen für die Freiheitsausübung zu schaffen hat. Dies bezieht sich wegen der besonderen Situation bei der Benutzung des Luftraums als Verkehrsweg nicht nur auf den Luftraum selbst, sondern strahlt aus auf die zum Zugang erforderlichen Start- und Landemöglichkeiten. Anders ausgedrückt: Eine institutionelle Garantie der Verkehrsfreiheit ist wertlos, gleichsam inhaltsleer, wenn nicht auch die Voraussetzung dafür geschaffen werden muß. Jeglicher Luftverkehr setzt voraus, daß sowohl an dem Ort, an dem die Beförderung von Personen durch die Luft beginnt, als auch an dem Ort, an dem sie enden soll, eine Start- und Landemöglichkeit für den Luftfahrer besteht. So wie der Eisenbahnverkehr auf ein dichtes Netz von Schienensträngen und Bahnhöfen und die Kraftwagenfahrer auf ein lückenloses Straßennetz angewiesen sind, kann der Luftverkehr nur dort funktionieren, wo möglichst viele Flugplätze zur Verfügung stehen. Nur auf diese Weise läßt sich vermeiden, daß der Grundsatz der Freiheit des Luftverkehrs (§ 1 Abs. 1 LuftVG) leerläuft, wenn schon das frühere freie Landungsrecht aus technischen wie sicherheitsund nachbarrechtlichen Gesichtspunkten nicht mehr durchführbar ist.

37

BVerwG Urteil vom 29.1.1991 - 4 C 51.89 -, Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 7, S. 44. 38

Schwenk, Handbuch des Luftverkehrs rechts, S. 293.

3. Staatliche Pflichten und Planung

143

Aus der Erkenntnis, daß die grundrechtlichen Freiheitsgewährleistungen den durch das Sozialstaatsprinzip ermächtigten und verpflichteten Staat zur Schaffung und Sicherung der wesentlichen sozialen Voraussetzungen der Freiheitsausübung in Anspruch nehmen 3 9 , ist daher nicht nur eine objektive Verfassungspflicht auf Bereitstellung des Luftraums als Verkehrsweg zur Gewährung individueller, realer Entfaltungsmöglichkeiten abzuleiten, sondern zudem die Pflicht, den Gebrauch durch Bereitstellung eines ausreichenden Netzes von Startund Landemöglichkeiten (sprich: Flughäfen und Flugplätzen) überhaupt erst zu ermöglichen 40 . Technisch geschieht dies, indem der Staat öffentliche Flughäfen und Landeplätze des allgemeinen Verkehrs 4 1 - durch private Unternehmer - als Verkehrswege zur Verfügung stellt. Dies hat wegen der objektivrechtlichen Verfassungsgewährleistung in einem Umfang zu erfolgen, der dem Verkehrsbedürfnis entspricht. Wächst das Verkehrsbedürfnis, so hat der Staat die objektive Pflicht, die Kapazität, d.h. die Start- und Landemöglichkeiten, zu erhöhen, was durch Erhöhung der Start- und Landezahlen - z.B. durch Errichtung besserer An- und Abrollmöglichkeiten - geschehen kann, oder, wenn die Möglichkeiten bestehender Einrichtungen erschöpft sind, durch den Bau neuer Start- und Landebahnen bzw. durch die Neuanlage von Flughäfen oder Flugplätzen je nach Art des jeweiligen Verkehrsbedürfnisses. Entsteht oder steigt in einer Region das (Luft-) Verkehrsbedürfnis, so muß der Staat die benötigte Infrastruktur schaffen und gegebenenfalls eine ausreichende Anzahl von Flughäfen oder Landeplätzen errichten, auf denen jeder Luftfahrer unter behördlich genehmigten, gleichen Bedingungen zu starten und zu landen berechtigt sein m u ß 4 2 .

39 Vgl. Erichsen in: Isensee/Kirchhof, HdbStR VI, § 152 Rdn. 9 (S. 1189), 19 (S. 1193), 23 (S. 1194 040 Vgl. Schwenk, Handbuch des Luftverkehrs rechts, S. 254 f; Hofinann/Grabherr, LuftVG, § 6 Rdn. 29. 41 "Verkehrsflughäfen", § 38 Abs. 2 Nr. 1 LuftVZO und "Verkehrslandeplätze", § 49 Abs. 2 Nr. 1 LuftVZO. 42

Schleicher, LuftVG, § 7 Anm. 1 a, 3 c.

144

IV. Folgerungen

b) Planrechtfertigung

bei Flughafenprojekten

Für die Anlegung, Änderung und den Betrieb von Flughäfen und Flugplätzen mit beschränktem Bauschutzbereich schreibt § 8 LuftVG zusätzlich zur Genehmigung ein Planfeststellungsverfahren vor. Wenn und soweit ein Planungsvorhaben auf Rechte Dritter einwirkt, genügt es nicht, daß die Planung mit den Zielsetzungen des Fachgesetzes übereinstimmt, sondern dann gelten erhöhte Anforderungen: das Vorhaben muß, da die öffentliche Planung ihre Rechtfertigung nicht in sich selbst trägt, gemessen an den Zielen des Fachplanungsgesetzes gerechtfertigt sein 4 3 . Die Planrechtfertigung erfordert dabei nicht die strikte Erforderlichkeit des Vorhabens, sondern nur, daß das Vorhaben vernünftigerweise geboten i s t 4 4 . Auch hier spielt der Grundsatz des § 1 Abs. 1 LuftVG eine entscheidende Rolle: Er bestimmt das Ziel, der das luftrechtliche Planfeststellungsverfahren dient. Geht es um öffentliche Flugplätze, d.h. Verkehrsflughäfen oder Verkehrslandeplätze, die dem allgemeinen Verkehr zu dienen bestimmt sind, so erfüllen sie öffentliche Zwecke, da sie der Ausübung des Gemeingebrauchs am Luftraum dienen 4 5 . Zur Rechtfertigung des Plans muß aber hinzukommen, daß die geplante Maßnahme in der konkreten Situation erforderlich ist. Planungslegitimierend sind dabei mehrere Gesichtspunkte, die jeweils für sich genommen geeignet sind, die Planung zu rechtfertigen: zum einen das im Luftverkehrsaufkommen zum Ausdruck kommende Verkehrsbedürfnis (das sich als Ausdruck der Wahrnehmung des Gemeingebrauchsrechts darstellt) und zum anderen Sicherheitsanforderungen, die sich aus der Notwendigkeit der Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs selbst, aber auch aus der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt 4 6 (wozu auch unerträglich werdende Immissionsbelastungen zählen können) ergeben. 43

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.3.1985 - 4 C 15.83 -, BVerwGE 71, 166

(168 ff). 44

BVerwGE 56, 110 (118); BVerwGE 71, 166 (168).

45

Vgl. BVerwGE 56, 110 (119).

46 BVerwGE 56, 110 (120); s.a. BVerwG, Urteil vom 5.12.1986 - 4 C 13.85 -, BVerwGE 75, 214 (232 ff).

4. Differenzierungsverbot

145

4. Differenzierungsverbot Aus der Stellung der Flughäfen und Landeplätze des allgemeinen Verkehrs als Verkehrswege, die den freien Luftverkehr erst ermöglichen, ergibt sich weiter, daß eine Beschränkung etwa eines Flughafens auf die Abfertigung von Linienverkehr unter Ausschluß der Allgemeinen Luftfahrt unzulässig ist. Ist ein Verkehrsflughafen für bestimmte Luftfahrzeugarten gewichtsmäßig zugelassen, so darf grundsätzlich nicht danach differenziert werden, ob es sich bei den benutzenden Luftfahrzeugen um solche des Linienverkehrs oder solche des Individualverkehrs handelt. Der Grundsatz des § 1 Abs. 1 LuftVG und die Vorschriften über die Genehmigung der Flugplätze (§§ 6 ff LuftVG) sowie die Vorschriften der LuftVZO über Anlage und Betrieb (§§ 38 ff LuftVZO) bieten hierfür keine Handhabe. Jedermann darf deshalb jeden für seinen Flugzeugtyp zugelassenen Flugplatz ohne Ansehung des Zwecks, zu dem der Flug erfolgt, benutzen. Dies folgt nicht nur aus der Betriebspflicht (§§ 45 Abs. 1, 53 Abs. 1 LuftVZO), der die Flughäfen und Landeplätze des allgemeinen Verkehrs unterlieg e n 4 7 , aus dem Benutzungsanspruch aus den Grundsätzen des Verwaltungsprivatrechts 48 , aus dem öffentlich-rechtlichen Verwaltungsauftrag 4 9 oder aus der Flughafenbenutzungsordnung 50, sondern vor allem direkt aus dem Grundsatz der Freiheit des Luftverkehrs nach § 1 Abs. 1 L u f t V G 5 1 . Zwar besteht an der sogenannten Allgemeinen Luftfahrt das öffentliche Verkehrsinteresse nicht in dem Maße wie an Linien- und Charterverkehr 52 . Das bedeutet indessen nicht, daß sich die Allgemeine Luftfahrt auf überhaupt kein Verkehrsinteresse berufen kann. Der Grundsatz der freien Luftfahrt gilt ebenfalls für sie. Deshalb genügt es auch nicht, die Interessen der Allgemeinen Luftfahrt gewissermaßen gebündelt zu einem öffentlichen Verkehrsinteresse nur als 47

Vgl. Salzer, Rechtsverhältnis, S. 97 ff.

48

Vgl. dazu ausführlich Salzer, Rechtsverhältnis, S. 101 ff.

49

Vgl. dazu Salzer, Rechtsverhältnis, S. 103 ff.

50

Vgl. dazu Salzer, Rechtsverhältnis, S. 106 ff.

51 So auch Schleicher, LuftVG, § 7 Anm. 1 a, 3 c; Schmidt-Ott, Die Stellung des Flughafens im Deutschen Recht, S. 81 ff; s.a. Schenk, Der Flughafen, S. 42; Bai y Luftrecht und Grundeigentum, S. 86. 52

Vgl. BayVGH, Urteil vom 22.7.1983 - 20 Β 82 A 2693 -, Z L W 1984 (Bd. 33), 65 ( 80). 10 Lübben

146

IV. Folgerungen

öffentliche Belange zu berücksichtigen, wie es der Wortlaut von § 6 Abs. 2 und 3 LuftVG nahelegen könnte. Relevant sind daher insbesondere auch die privaten Interessen der Nutzer eines Flugplatzes, soweit sie ausreichend konkret sind. Wollte man dies ändern, so bedürfte es einer parlamentarischen Leitentscheidung, die auf die Lösung der auftretenden Kapazitäts- und Verteilungsprobleme abzielt und die sachund fachspezifische Kriterien dafür enthält, wie der " Verteilungskampf ' der Flugplatzbenutzer angemessen zu bewältigen i s t 5 3 . Aber selbst dann darf wegen des institutionell garantierten Gemeingebrauchs am Luftraum eine bestimmte Kategorie von Flughafenbenutzern nur dann von der Nutzung eines Flughafens ausgeschlossen werden, wenn im selben räumlichen Einzugsbereich ausreichende Ersatzkapazität zur Verfügung steht.

5. Rechtsschutz a) Rechtsschutz hinsichtlich der Nutzung des Luftraums selbst Wie oben festgestellt, hat der Gemeingebrauch am Luftraum die Qualität eines subjektiv-öffentlichen Rechts, das grundrechtlich abgesichert i s t 5 4 . Der einzelne Luftfahrer nimmt deshalb grundrechtlich garantierte Freiheit bei der Ausübung des Gemeingebrauchs am Lufraum wahr. Wird der Gemeingebrauch am Luftraum der Bundesrepublik über die nach § 1 Abs. 1 LuftVG zulässigen Beschränkungen hinaus verweigert, so kann sich deshalb der Luftfahrer dagegen mit der Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO wehren, wenn es sich bei der Maßnahme um einen Verwaltungsakt handelt. Zu denken wäre in diesem Zusammenhang etwa an eine Allgemeinverfügung, die - ohne daß (zulässigerweise) ein Flugbeschränkungsgebiet oder ein Luftsperrgebiet festgelegt wurde - Flüge nach Sichtflugregeln im unkontrollier-

53

So auch BVerwGE 82, 246 (255) = DVB1 1989, 1097 (1099 f).

54

S.o.S. 113 ff.

5. Rechtsschutz

147

ten Luftraum 5 5 untersagt. Ein solcher Verwaltungsakt wäre rechtswidrig, da er mit der Widmung des Luftraums zum Gemeingebrauch nicht vereinbar wäre und eine Ermächtigung zum Erlaß einer derartigen Verfügung - im Unterschied zum Erlaß von Beschränkungen von Sichtflügen im kontrollierten Luftraum 5 6 nicht besteht. Der einzelne Luftfahrer, der diesen Luftraum nutzen wollte, z.B., weil sein Flugzeug auf einem Flugplatz innerhalb des betroffenen Gebiets stationiert ist, wäre klagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO, wenn er selbst betroffen ist, da § 1 Abs. 1 LuftVG nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch sein individuelles Interesse schützt und eine Rechtsverletzung bei Vortragen der entsprechenden Tatsachen zumindest möglich erscheint 57 . Mit der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO kann sich der einzelne betroffene Luftfahrer weiterhin wenden gegen die Festlegung eines Flugbeschränkungsgebietes oder Luftsperrgebietes nach §§ 26 LuftVG, 11 LuftVO, die als Allgemeinverfügungen ergehen 58 . Die Festlegung eines solchen Gebietes darf gem. § 11 Abs. 1 LuftVO nur erfolgen, wenn dies zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere für die Sicherheit des Luftverkehrs, erforderlich ist. Der Grundsatz der freien Nutzung des Luftraums aus § 1 Abs. 1 LuftVG zwingt zu einer restriktiven Auslegung dieser Ermächtigung: Nicht jede (abstrakte) Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ist ausreichend, um ein solches Gebiet festzulegen, es muß sich vielmehr um eine konkrete Gefahr mit 55

Vgl. den aufgrund § 10 Abs. 2 LuftVO im Wege der Allgemein Verfügung festgelegten kontrollierten Luftraum, NfL I 146/84, BAnz vom 29.6.1984, S. 6441 m. Änderungen. Der kontrollierte Luftraum erstreckt sich außerhalb der Bereiche der kontrollierten Flugplätze (dort reicht er bis zum Boden) vertikal i.d.R. von einer Höhe von 2500 ft (ca. 750 m) über Grund bis zur Flugfläche 460 (ca. 13.800 m) und horizontal über das gesamte Bundesgebiet mit Ausnahme eines kleinen Sektors über der Nordsee. Bis zur Höhe von 2500 ft (ca. 750 m) ist der Luftraum daher i.d.R. unkontrolliert, vgl. Schmid in: Giemulla/Schmid, LuftVG, § 1 Rdn. 6 ff sowie die dort unter § 1 Anhang abgedruckten Grafiken der Bundesanstalt für Flugsicherung. 56

Vgl. § 10 Abs. 3 LuftVO.

57

Vgl. Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, § 42 Rdn. 78 a.

58

Vgl. BVerfG, Beschluß vom 11.12.1973 - 2 BvR 389/7 -, Z L W 1974 (Bd. 23), 141; Schmid in: Giemulla/Schmid, LuftVG, § 26 Rdn. 10; Schwenk, Handbuch des Luftverkehrsrechts, S. 120; a.A. (Verordnung): Hofmann/Grabherr, LuftVG, § 26 Rdn. 3.

148

IV. Folgerungen

hinreichender Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts handeln. Darüberhinaus setzt Art. 9 des ICAO-Abkommens der Einrichtung von Luftsperr- und Flugbeschränkungsgebieten Grenzen: Danach dürfen zwar grundsätzlich solche Gebiete festgelegt werden, es ist aber gleichzeitig ausdrücklich bestimmt, daß sie sich in "vernünftigen Grenzen" halten müssen, damit sie den Luftverkehr nicht unnötig behindern (Art. 9 Abs. a ICAO-Abkommen 59 ). § 1 Abs. 1 LuftVG und Art. 9 Abs. b ICAO-Abkommen bedingen ferner, daß sich die Luftsperr- und Flugbeschränkungsgebiete nicht auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Staates erstrecken dürfen, es sei denn, außergewöhnliche Umstände oder Notstand machen eine solche Maßnahme erforderl i c h 6 0 . Liegen die genannten Voraussetzungen nicht vor, so ist die Festlegung eines solchen Gebietes rechtswidrig und der betroffene Luftfahrer 6 1 kann die Aufhebung erstreiten. Auf diesem Hintergrund ist insbesondere die Festlegung des Luftraums über dem gesamten Gebiet der ehemaligen DDR als Flugbeschränkungsgebiet oberhalb von 1000 Fuß (ca. 300 m) über Grund werktags für den gesamten Sichtflugverkehr höchst bedenklich. Zwar bestehen insoweit "außergewöhnliche Umstände", als dort (voraussichtlich) bis Ende 1994 die ehemaligen sowjetischen Luftstreitkräfte Übungsflüge unternehmen. Es ist jedoch nicht einzusehen, warum insoweit nicht wie im Bereich der Altbundesländer zeitweilig reservierte Lufträume 62 und andere, räumlich begrenzte, Flugbeschränkungsgebiete ausreichen sollen. Darüber hinaus gelten die Verkehrsregeln, wie z.B. die Ausweichregeln nach § 13 LuftVO, für alle, die den bundesdeutschen Luftraum benutzen, also auch für (ehemals)

59

Vgl. dazu o. S. 46.

60

Vgl. Schmid in: Giemulla/Schmid, LuftVG, § 26 Rdn. 9; ders. in: Giemulla/Schmid, LuftVOen, § 11 LuftVO Rdn. 2, 3; Schwenk, Handbuch des Luftverkehrsrechts, S. 120. 61 Zur Individualisierbarkeit des betroffenen Personenkreises Schmid in: Giemulla/Schmid, LuftVG, § 26 Rdn. 10. 62 Temporary reserved areas (TRA), s. dazu Schwenk, Handbuch des Luftverkehrs rechts, S. 121.

5. Rechtsschutz

149

sowjetische Militärluftfahrzeuge. Eine Klage wäre demnach aussichtsreich gewesen 6 3 . Handelt es sich bei einer den Gemeingebrauch einschränkenden Maßnahme nicht um einen Verwaltungsakt, so kann der Luftfahrer, sofern er konkret betroffen ist, dagegen mit der allgemeinen Leistungsklage vorgehen. b) Rechtsschutz hinsichtlich der Nutzung der notwendigen Bodeneinrichtungen aa) Rechtsschutz bei Verweigerung von Start und Landung Rechtliche Konsequenz des Gemeingebrauchs am Luftraum ist der überwirkende öffentlich-rechtliche Gemeingebrauch an den für die Nutzung des Luftraums unverzichtbaren Bodeneinrichtungen, vor allem also an den Start- und Landebahnen 64 . Da einerseits das freie Landungsrecht beseitigt wurde, andererseits aber § 1 Abs. 1 LuftVG die Freiheit des Luftverkehrs garantiert, muß ein zureichendes Netz öffentlicher Flugplätze zur allgemeinen Benutzung vorhanden sein. Wie der Staat seiner Verantwortung nachkommt, steht in seinem Belieben. Der Pflicht des Staates, im Rahmen der Daseinsvorsorge tätig zu werden, steht jedoch kein klagbarer Anspruch des Bürgers beispielsweise auf Anlegung weiterer Verkehrsflughäfen gegenüber 65 . Sie besteht grundsätzlich nur gegenüber der Allgemeinheit. Entsprechend wurde früher vertreten, der Betrieb eines Flughafens erfolge nicht in Erfüllung einer jedem einzelnen gegenüber bestehenden staatlichen Pflicht, sondern lediglich im Interesse der Allgemeinheit 66 . Diese Ansicht wird aber den oben entwickelten Grundsätzen nicht gerecht: Besteht ein Flugplatz und ist er dem allgemeinen Verkehr eröffnet, so hat jeder berechtigte Luftfahrer einen Anspruch darauf, den Flugplatz zu benut63

Inzwischen ist Verfristung eingetreten (§§ 74, 58 Abs. 2 VwGO.

64

S.o. S. 137 IV.l.a)bb).

65

Salzer, Rechtsverhältnis, S. 100.

66

Badura, Das Verwaltungsmonopol, S. 275 für die Betriebspflicht der Bundesbahn und Bundespost; Salzer, Rechtsverhältnis, S. 100; s.a. Lau in: Giemulla/Schmid, LuftVOen, § 43 LuftVZO Rdn. 2; Schwenk, Handbuch des Luftverkehrsrechts, S. 297, 535 f.

150

IV. Folgerungen

zen. Dies folgt hinsichtlich der für den Luftverkehr unerläßlichen Start- und Landevorrichtungen aus dem überwirkenden Gemeingebrauch am Luftraum als öffentlich-rechtlicher Anspruch, den der Luftfahrer mittels der allgemeinen Leistungsklage - soweit es sich nicht um kontrollierte Flugplätze handelt, für die eine Start- und Landegenehmigung erteilt werden muß (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 LuftVO) - durchsetzen kann. Ist für Start oder Landung nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LuftVO eine Genehmigung erforderlich, so kann der Luftfahrer seinen Anspruch mit der Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO geltend machen. Daneben besteht die Möglichkeit, den (privatrechtlichen) Anspruch gegen den Flughafenunternehmer auf Abschluß eines Flughafenbenutzungsvertrages aus den Gesichtspunkten der Betriebspflicht, den Grundsätzen des Verwaltungsprivatrechts, der Flughafenbenutzungsordnung oder gegebenenfalls aus der marktbeherrschenden Stellung des Verkehrsflughafens 67 vor den Zivilgerichten klageweise durchzusetzen, wobei der BGH nicht nur eine Klage auf Abschluß eines entsprechenden Vertrages, sondern direkt auch auf Unterlassung jeglicher Behinderung bei der Benutzung der dargebotenen Einrichtung zuläßt 6 8 . bb) Rechtsschutz bei Beschränkung der Betriebszeiten Fraglich ist weiterhin, ob den Flugplatzbenutzern gegen eine Einschränkung der Betriebszeiten von Flugplätze vorgehen können. Grundsätzlich geht es hierbei um das Verhältnis zwischen der Aufsichtsbehörde und dem Flughafenbetreiber 69. Da der Grundsatz des Gemeingebrauchs am Luftraum aber auf die Benutzung der Bodeneinrichtungen überwirkt und die Individualinteressen des betroffenen Luftfahrers an der Ausübung des Benutzungsrechts schützt, kann der einzelne Luftfahrer, der zuvor eine Rechtsposition innehatte, die ihm entzogen wird - hier durch "Teileinziehung" des Flugplatzes hinsichtlich der Benutzungszeiten - einen Abwehranspruch geltend machen, der allerdings nur darauf gerichtet ist, daß seine Interessen Berück67 Hierzu ausführlich Salzer, Rechtsverhältnis, S. 96 ff; s.a. BGH, VkBl 1970, 730 = BB 1969, 1239 f; Schwenk, Handbuch des Luftverkehrs rechts, S. 296 f; 535 f. 68

BGH, VkBl 1970, 730 (731) = BB 1969, 1239 (1240).

69

Vgl. BVerwG, Z L W 1978 (Bd. 27), 49 (51 0 zur Anfechtung einer Entgeltre-

gelung.

5. Rechtsschutz

151

sichtigung bei der Entscheidung über die Beschränkung der Betriebszeiten finden 7 0 . Ein Anspruch auf Aufrechterhaltung bestimmter Betriebszeiten besteht allerdings nicht, soweit das Gemeingebrauchsrecht am Luftraum durch die Beschränkung der Betriebszeit im Kern nicht angetastet wird. Da die Genehmigung der Betriebszeiten durch Verwaltungsakt geschieht, könnte sich der einzelne Luftfahrer dagegen mit der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO richten.

70

Vgl. BVerwGE 82, 246 (254 ff) = DVB1 1989, 1097 (1099 f).

V· Schlußbetrachtungen 1. Zusammenfassung Das Recht auf freie Benutzung des Luftraums ist einerseits abzuleiten aus völkerrechtlichen Grundsätzen und andererseits aus § 1 Abs. 1 LuftVG, der innerstaatlich den Luftraum zur öffentlichen Sache im Gemeingebrauch gewidmet hat. Aus der grundrechtlichen und völkerrechtlichen Absicherung des freien Benutzungsrechts folgt, daß es nicht in der Macht des Gesetzgebers steht, darüber frei zu disponieren oder es gar zu beseitigen. Das Recht auf freie Benutzung des Luftraums ist in seiner Reichweite begrenzt durch die sicherheitsnotwendigen Beschränkungen im Interesse der Allgemeinheit, des Staates, betroffener Dritter und der Luftfahrer selbst. Entgegen verbreiteter Auffassung betrifft der Gemeingebrauch am Luftraum nicht nur die Benutzung des Luftraums - das Fliegen - selbst, sondern strahlt auf die Benutzung der zum Zugang zum Luftraum notwendigen Bodeneinrichtungen aus, was zur Annahme eines öffentlichrechtlichen "überwirkenden" Gemeingebrauchs an den Start- und Landeeinrichtungen der Flugplätze führt. Der am Luftraum bestehende Gemeingebrauch wirkt sich zudem aus auf die Beurteilung von Außenstart- und -landeerlaubnis, auf deren Erteilung ein Anspruch besteht. Die Auswirkungen des freien Benutzungsrechts am Luftraum zeigen sich darüber hinaus in den Betreiberpflichten der Flugplatzhalter, die nicht nur der Allgemeinheit, sondern gegenüber dem einzelnen Luftfahrer bestehen. Das Recht auf freie Benutzung des Luftraums begründet wegen der Beseitigung der Start- und Landefreiheit die staatliche Verpflichtung, die Voraussetzungen für die Ausübung des Gemeingebrauchs durch Bereitstellung ausreichender Start- und Landekapazität zu schaffen und bietet im Rahmen der Planrechtfertigung das fachplanerische Ziel, dem die Planfeststellung dient. § 1 Abs. 1 LuftVG ver-

2. Ergebnis

153

bietet es grundsätzlich, Differenzierungen nach Zweck und Art des Luftverkehrs auf öffentlichen Flughäfen und Flugplätzen zu treffen, da diese wegen des Gemeingebrauchs am Luftraum prinzipiell jedermann offenstehen müssen. Schließlich kann der Gemeingebrauch am Luftraum als grundrechtlich geschütztes subjektives Recht klageweise durchgesetzt werden.

2. Ergebnis Das in § 1 Abs. 1 LuftVG zum Ausdruck kommende Recht auf freie Benutzung des Luftraums ist kein anachronistisches Prinzip und kein inhaltsleerer Programmsatz, sondern geltendes Recht, in dem grundrechtliche und völkerrechtliche Gewährleistungen ihren Niederschlag gefunden haben. Die öffentlich-sachenrechtliche Komponente beinhaltet eine staatliche Pflichtenstellung und zugleich individuelle Rechte. Dies wird bei zu erwartenden gesetzgeberischen Aktivitäten in bezug auf Verteilungsregelungen bei der Nutzung des Luftraums und der Flughäfen und Flugplätze zu berücksichtigen sein. Die hiesigen Ausführungen dürften hinreichend gezeigt haben, daß hier nicht pauschal der Freiheit jeglichen Luftverkehrs zu jeder Zeit und an jedem Ort das Wort geredet werden soll. Nicht jeder Luftverkehr ist zulässig. Aber der Luftverkehr ist grundsätzlich frei und darf keine Ausnahmeerscheinung, keine nur ausnahmsweise gewährte Freiheit sein. Dies muß in der politischen Diskussion, in der das Übergewicht häufig auf der Seite der Gegner des Luftverkehrs liegt, stärker betont werden. Freier Luftverkehr ist ein unverzichtbarer Bestandteil des öffentlichen Lebens und einer funktionierenden Wirtschaft.

3. Ausblick Im demokratischen und sozialen Rechtsstaat ist der abgewogene Interessenausgleich eine Selbstverständlichkeit. Grabenkriege von Befürwortern und Gegnern des Luftverkehrs nützen letztlich niemandem. Es ist zu hoffen, daß bei allen (partei-)politischen Auseinandersetzun11 Lübben

154

V. Schlußbetrachtungen

gen auf nationaler und demnächst auf europäischer Ebene auch für den Luftverkehr Lösungen gefunden werden, die den beiderseitigen Interessenlagen gerecht werden. Ein vorurteilsfreies Verständnis der unterschiedlichen Interessen und Rechte ist dabei geeignet, die Möglichkeiten und Grenzen des freien Luftverkehrs aufzuzeigen und trägt zur dringend gebotenen Versachlichung der Streitigkeiten bei.

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