Das Rückabwicklungsschuldverhältnis aufgrund vertraglichen oder gesetzlichen Rücktritts: Eine kritische Betrachtung des geltenden Rechts im Vergleich mit dem Reformentwurf der Schuldrechtskommission und einem Ausblick auf die europäische Rechtsvereinheitlichung [1 ed.] 9783428503612, 9783428103614

Die Autorin setzt sich mit dem Reformentwurf der Schuldrechtskommission (KE), der die z. T. stark umstrittenen Vorschrif

116 6 11MB

German Pages 262 Year 2001

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Das Rückabwicklungsschuldverhältnis aufgrund vertraglichen oder gesetzlichen Rücktritts: Eine kritische Betrachtung des geltenden Rechts im Vergleich mit dem Reformentwurf der Schuldrechtskommission und einem Ausblick auf die europäische Rechtsvereinheitlichung [1 ed.]
 9783428503612, 9783428103614

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KATHRIN HEROLD

Das Rückabwicklungsschuldverhältnis aufgrund vertraglichen oder gesetzlichen Rücktritts

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 243

Das Rückabwicklungsschuldverhältnis aufgrund vertraglichen oder gesetzlichen Rücktritts Eine kritische Betrachtung des geltenden Rechts im Vergleich mit dem Reformentwurf der Schuldrechtskommission und einem Ausblick auf die europäische Rechtsvereinheitlichung

Von Kathrin Herold

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Herold, Kathrin: Das Rückabwicklungsschuldverhältnis aufgrund vertraglichen oder gesetzlichen Rücktritts : eine kritische Betrachtung des geltenden Rechts im Vergleich mit dem Reformentwurf der Schuldrechtskommission und einem Ausblick auf die europäische Rechtsvereinheitlichung / von Kathrin Herold. Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Schriften zum bürgerlichen Recht ; Bd. 243) Zugl.: Trier, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-10361-0

Alle Rechte vorbehalten © 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-10361-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 1999 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Trier als Dissertation angenommen. Besonderer Dank gilt meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Horst Ehmann. Er hat das Thema angeregt, meine Bewerbung um ein Stipendium unterstützt, die Arbeit betreut und stets mit sachkundigem Rat zur Verfügung gestanden. Herrn Prof. Dr. Hans-Josef Wieling danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Zu danken habe ich dem Land Rheinland-Pfalz, das es mir durch ein Stipendium nach dem Landesgraduiertenförderungsgesetz ermöglicht hat, mich - finanziell unabhängig - ganz auf meine Arbeit zu konzentrieren. Die Mühen des Korrekturlesens haben vor allem mein Vater und auch Stefan Zajonz auf sich genommen. Sie haben mir zudem wichtige inhaltliche Anregungen gegeben. Weitere Unterstützung habe ich von Britta Kley und Regina Brinkhus bekommen. Dafür möchte ich herzlich danken. Düsseldorf, im Juni 2000

Kathrin Herold

Inhaltsverzeichnis

§ 1 Einleitung

23

§ 2 Riicktrittsvoraussetzungen und Funktion, Verhältnis zum Schadensersatz

26

I. Rücktrittsvoraussetzungen 1. BGB

26 26

a) Rücktrittsgründe

26

b) Die Rücktrittsregeln im Pflichtensystem des BGB

30

aa) Darstellung des Pflichtensystems des BGB

30

bb) Entstehungsgeschichtlicher Hintergrund der Rücktrittsregeln

32

cc) Heutiges Verständnis der Rücktrittsregeln

34

(1) Rücktritt wegen Nichterfüllung

34

(2) Rücktritt wegen anfänglichen Unvermögens

37

(3) Wandelung

39

dd) Zwischenergebnis

40

2. Der Kommissionsentwurf

41

a) Rücktrittsgründe

41

b) Begriff der „Pflichtverletzung" als zentrale Voraussetzung des Rücktritts

42

aa) Vereinheitlichung durch den Begriff der „Pflichtverletzung"

42

bb) Vergrößerung des Anwendungsbereichs des Rücktrittsrechts durch Erweiterung auf Tatbestände, bei denen das Schuldverhältnis nach dem BGB kraft Gesetzes aufgehoben wird oder nichtig ist

44

cc) Schließung von nach dem BGB bestehenden Schwebezuständen durch den Begriff der „Pflichtverletzung"

45

c) Kritik am Begriff der „Pflichtverletzung" aa) Dogmatische Untersuchung des Begriffs der Pflichtverletzung

46 46

nsverzeichnis bb) Übernahme der Differenzierungskriterien des BGB auch in den KE (1) Ausnahmen vom Fristsetzungserfordernis BGB-KE

48

gem. § 346 II

(2) Ausschlußgründe gem. § 323 III BGB-KE cc) Rechtfertigung des gesetzgeberischen Aufwands II. Verhältnis des Rücktritts zum Schadensersatz 1. BGB

49 51 52 53 54

a) Rücktritt und Schadensersatz, gerichtet auf das positive Interesse

54

aa) Entstehungsgeschichtlicher Hintergrund

55

bb) Heutiges Verständnis von Rücktritt und Schadensersatz

55

(1) Einbeziehung wichtiger Rücktrittswirkungen in die Berechnung des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung

56

(2) Einbeziehung der Rückforderung einer Sachleistung in die Berechnung des Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung ..

59

b) Sonderproblem im Rahmen des § 326 BGB: Ersatz eines bis zum Rücktritt entstandenen Verzugsschadens

62

c) Rücktritt und Schadensersatz, gerichtet auf das Integritätsinteresse

63

d) Rücktritt und Schadensersatz, gerichtet auf das negative Interesse

64

e) Zwischenergebnis

66

2. Der Kommissionsentwurf

67

a) Kombination von Rücktritt und Schadensersatz

67

b) Rücktritt und Ersatz des positiven oder negativen Interesses

68

c) Rücktritt und Ersatz von Verzugsschäden

69

d) Rücktritt und Ersatz des Integritätsinteresses

69

e) Zwischenergebnis

70

§ 3 Gefahrtragung beim gesetzlichen Rücktritt I. Wirkung des Rücktritts

71 71

1. BGB

71

2. KE

72

II. Vergleich von §§ 350, 351 BGB zu § 346 BGB-KE 1. Regelung des BGB

73 73

nsverzeichnis a) § 350 BGB

11 74

aa) Entstehungsgeschichtlicher Hintergrund des § 350 BGB

74

bb) Heutiges Verständnis des § 350 BGB

77

(1) Versuche einschränkender Auslegung des § 350 BGB

77

(2) Verhältnis des § 350 BGB zu allgemeinen Gefahrtragungsregeln

79

(3) Berechtigung des § 350 BGB aus Wertungsgesichtspunkten ....

82

(a) Untersuchung des § 350 BGB am Fall des Sachmangels ....

83

(b) Untersuchung des § 350 BGB am Fall des Rechtsmangels ..

88

(aa) Gefahrtragung

89

(bb) Rückabwicklungsmöglichkeiten bei Restitutionshindernissen der Sache

90

(α) Dem Eigentümer wurde die Sache nicht durch eine unerlaubte Handlung entzogen bzw. der Täter ist nicht auffindbar

90

(β) Dem Eigentümer wurde die untergegangene Sache durch eine unerlaubte Handlung entzogen und der Täter ist auffindbar

93

(cc) Vergleich der Regelung des § 350 BGB beim Rücktritt mit Schadensersatz gem. §§ 4401, II, 326 BGB

93

(c) Untersuchung des § 350 BGB am Fall des Rücktritts wegen Nichterfüllung

95

b) § 351 BGB aa) Verschulden vor Kenntnis des Rücktrittsgrundes (1) Wahl eines unechten Verschuldensbegriffs

96 98 99

(2) Bestimmung des Verschuldensbegriffs als Verschulden gegen sich selbst 101 (3) Ablehnung der weiten Verschuldensbegriffe

103

bb) Untergang bzw. wesentliche Verschlechterung nach Erklärung des Rücktritts 105 cc) Untergang bzw. wesentliche Verschlechterung nach Kenntnis vom Rücktrittsrecht 108 2. Regelung des KE

110

a) § 346 Abs. II BGB-KE: Wertersatzpflicht

110

aa) Vorstellung einer Wertersatzlösung

110

bb) Kritik an der „Rückabwicklung dem Werte nach" durch die Kommission

112

nsverzeichnis b) Untersuchung der einzelnen Alternativen des § 346 II BGB-KE

115

c) § 346 III BGB-KE: Gefahrtragung

117

aa) § 346 III Nr. 1 BGB-KE

117

bb) § 346 III Nr. 2 BGB-KE

118

cc) § 346 III Nr. 3 BGB-KE

121

d) Restitutionshindernisse nach Erklärung des Rücktritts und nach Kenntnis vom Rücktrittsrecht 123 III. Vergleich von § 347 S. 1 BGB zu § 346 BGB-KE 1. BGB

124 124

a) Entstehungsgeschichtlicher Hintergrund

125

b) Heutiges Verständnis der §§ 347 S. 1, 989 BGB

126

aa) Ablehnung einer Anwendung des Rechtsgedankens des § 327 S. 2 BGB auf den Rücktrittsberechtigten 127 bb) Verschuldensmaßstab der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten bei Beschränkung der Ersatzpflicht auf Wertersatz

129

c) Haftung für Verschlechterungen nach Kenntnis vom Rücktrittsrecht

131

d) Zwischenergebnis

131

2. Der Kommissionsentwurf

131

a) Wertersatzpflicht gem. § 346 II Nr. 3 BGB-KE

131

b) Befreiung von der Wertersatzpflicht gem. § 346 III BGB-KE

132

c) Haftung für Verschlechterungen nach Kenntnis vom Rücktrittsrecht

133

d) Zwischenergebnis

133

IV. Haftung des Rücktrittsgegners

133

1. BGB

133

a) Entstehungsgeschichtlicher Hintergrund

134

b) Heutiges Verständnis der Haftung des Rücktrittsgegners

136

aa) Haftung des Rücktrittsgegners für „Verschulden"

136

bb) § 327 S. 2 BGB zugunsten des Rücktrittsgegners

138

cc) Gefahrtragung für Zufälle

140

nsverzeichnis 2. Der Kommissionsentwurf a) Wertersatzpflicht gem. § 346 II BGB-KE

13 143 144

aa) Wertersatz statt der vertraglichen Gegenleistung

144

bb) Keine Entscheidung bezüglich des ius variandi beim Rücktritt

145

b) Befreiung von der Wertersatzpflicht gem. § 346 III BGB-KE

147

aa) Keine Befreiung von Zufällen gem. § 346 III Nr. 3 BGB-KE

147

bb) Abschaffung des § 327 S. 2 BGB

148

cc) § 346 III Nr. 2 Alt. 2 BGB-KE zugunsten des Rücktrittsgegners ....

150

c) Zwischenergebnis V. Vergleich von § 354 BGB zu § 346 BGB-KE 1. Die Veräußerung des empfangenen Gegenstands a) BGB

151 151 151 152

aa) Veräußerung durch den Rücktrittsberechtigten

152

( 1 ) Entstehungsgeschichtlicher Hintergrund der §§ 353, 354 BGB . 152 (2) Heutiges Verständnis der §§ 353, 354 BGB

153

(a) Einordnung der Veräußerung als Unvermögen zur Rückgewähr in den gesetzlichen Kontext 153 (b) Anwendung von § 354 BGB

155

(c) Auslegung von § 353 BGB

157

bb) Veräußerung durch den Rücktrittsgegner

158

cc) Zwischenergebnis

159

b) Der Kommissionsentwurf

160

aa) Veräußerung durch den Rücktrittsberechtigten

160

(1) Notwendige Ergänzung des § 346 III Nr. 3 BGB-KE

160

(2) Streichung des § 354 BGB

161

(3) Wertersatz statt der vertraglichen Gegenleistung

164

bb) Veräußerung des Leistungsgegenstands durch den Rücktrittsgegner . cc) Zwischenergebnis 2. Zwangsvollstreckung a) BGB

164 165 165

aa) Anwendung des § 354 BGB

165

bb) Vertretenmüssen gem. § 354 BGB

165

cc) Anwendung von § 353 II BGB

166

b) Der Kommissionsentwurf

167

nsverzeichnis 3. Herausgabe einer rechtsmangelhaften Sache an den Eigentümer

168

a) BGB

168

b) Der Kommissionsentwurf

170

VI. Vergleich von § 352 BGB zu § 346 BGB-KE 1. Verarbeitung oder Umbildung a) BGB

171 171 171

aa) Rücktrittsberechtigter

171

bb) Rücktrittsgegner

174

b) Der Kommissionsentwurf 2. Verbrauch des Leistungsgegenstands a) BGB

174 175 175

aa) Rücktrittsberechtigter

175

bb) Rücktrittsgegner

177

b) Der Kommissionsentwurf

§4 Nutzungen und Verwendungen

177

179

I. Nutzungen

179

1. BGB

179

a) Entstehungsgeschichtlicher Hintergrund

179

b) Heutiges Verständnis des Nutzungsersatzes

180

aa) Begriff der Nutzungen, § 100 BGB

180

bb) Herausgabe gezogener Nutzungen

182

( 1 ) Keine Anwendbarkeit von Bereichei ungsrecht für die Herausgabe von Nutzungen, die der Berechtigte vor Kenntnis vom Rücktrittsrecht gezogen hat 182 (2) Nutzungsherausgabe des Rücktrittsgegners, der den Rücktrittsgrund nicht zu vertreten hat, nach Bereicherungsgrundsätzen ... 184 (3) Herausgabe gezogener Früchte

184

(4) Herausgabe von Gebrauchsvorteilen

185

(5) Herausgabe von Vorteilen durch den Verbrauch der Sache

187

(6) Herausgabe von Nutzungen in Veräußerungsketten

187

nsverzeichnis

15

cc) Ersatz für nicht gezogene Nutzungen

188

dd) Zinsen

190

ee) Zwischenergebnis

190

2. Der Koinmissionsentwurf

190

a) Herausgabe gezogener Nutzungen

191

b) Ersatz für nicht gezogene Nutzungen

193

c) Zwischenergebnis

194

II. Verwendungen 1. BGB

195 195

a) Entstehungsgeschichtlicher Hintergrund

195

b) Heutiges Verständnis des Verwendungsersatzes

195

c) Beschränkung des Ersatzes auf notwendige Verwendungen

196

d) Abhängigkeit des Verwendungsersatzes vom Interesse und Willen der anderen Partei 198 2. Der Kommissionsentwurf

199

a) Notwendige Verwendungen

199

b) Nützliche Verwendungen

202

§ 5 Vertragliches Rücktrittsrecht I. BGB

204 204

1. Regelung der §§ 350, 351 BGB beim vertraglichen Rücktritt

205

a) Entstehungsgeschichtlicher Hintergrund

205

b) Heutige Anwendung des § 350 BGB beim vertraglichen Rücktritt

207

aa) In das Belieben gestellte Rücktrittsrechte

209

bb) Von Bedingungen abhängig gemachte Rücktrittsvorbehalte

210

c) Verschulden gem. § 351 BGB beim vertraglichen Rücktritt

214

d) Zwischenergebnis

215

16

nsverzeichnis 2. Regelung des § 347 S. 1 Alt. 1 BGB: unwesentliche Verschlechterung des Leistungsgegenstands beim Rücktrittsberechtigten 215 3. Herausgabe von Nutzungen, Ersatz von Verwendungen II. Der Kommissionsentwurf

215 216

1. Einheitliche Regelung von vertraglichem und gesetzlichem Rücktritt

216

2. Wertersatzpflicht des Berechtigten gem. § 346 II BGB-KE

216

3. Befreiung von der Wertersatzpflicht gem. Abs. III

217

4. Nutzungen und Verwendungen

219

5. Zwischenergebnis

219

§ 6 Ausblick auf die europäische Rechtsvereinheitlichung I. Rücktrittsvoraussetzungen und Verhältnis zum Schadensersatz

221 222

1. Vertragsaufhebung nach englischem Recht

222

2. Vertragsaufhebung nach französischem Recht

224

3. Vertragsaufhebung nach den European Principles of Contract Law (PECL). 226 4. Vergleich

227

II. Wesentliche Elemente der Rückabwicklung

229

1. Rückabwicklung nach englischem Recht

229

2. Rückabwicklung nach französischem Recht

231

3. Rückabwicklung nach den PECL

232

4. Vergleich

234

III. Fazit

§ 7 Ergebnisse I. Rücktrittsvoraussetzungen und Funktion, Verhältnis zum Schadensersatz

236

238 238

nsverzeichnis II. Gefahrtragung beim gesetzlichen Rücktritt

17 238

1. Wirkung des Rücktritts

238

2. Wesentliche Verschlechterung oder Untergang beim Rücktrittsberechtigten

239

3. Unwesentliche Verschlechterung des Leistungsgegenstands beim Rücktrittsberechtigten 239 4. Haftung des Rücktrittsgegners

240

5. Unvermögen zur Rückgewähr des Leistungsgegenstands

241

6. Verarbeitung, Umbildung oder Verbrauch des Leistungsgegenstands

242

III. Nutzungen und Verwendungen

242

IV. Vertragliches Rücktrittsrecht

243

V. Die Rücktrittsregelungen der Schuldrechtsreform im Rahmen europäischer Rechtsvereinheitlichung 244 VI. Vorschlag eines Gesetzesentwurfs VII. Fazit

Literaturverzeichnis

2 Herold

245 247

249

Abkürzuiigsverzeichnis Α Α.; a. A

änderet Λ tisi* tit

a.E.

an» Fii'ie

a.M

IΓιa?ìkfuri I πιη Main

ABGB

Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich)

Abs.

Absatz

Abschn

Abschnitt

AcP

Archiv für die zivilistische Pf axis (Band, Jahr, Seite)

ADHGB

Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch von 1861

AG

Amtsgeiicht

AGBG

Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen

Allg. SchR

Allgemeines Schuldrecht

ALR

(preußisches) Allgerneines Landrecht von 1794

Anm.

Anmerkung

ArchBürgR

Archiv für Bürgerliches Recht (Band, Jahr. Seite)

Art.; Artt.

Artikel

AT

Allgemeiner Teil

Aufl.

Auflage

BB

Betriebsberater

Bd.

Band

Bern.

Bemerkung

Bes. SchR.

Besonderes Schuldrecht

BGB

Bürger liches Gesetzbuch

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Amtliche Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Band, Seite)

BT

Besonderer Teil

BürgR

Bürgerliches Recht

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

C.civ.

Code Civil United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods Codex lustinianus

CISG cod. D.

Digestenstelle (Digesta lustiniani)

ders.

derselbe

Diss.

Dissertation

Abkürzungsverzeichnis

19

DJT

Deutscher Juristentag

DNotZ

Deutsche Notar-Zeitung (Jahr, Seite)

DR

Deutsches Recht

Dt.

Deutscher

EI

Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, erste Lesung, 1888 (erster Entwurf)

Ell

Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, nach den Beschlüssen der Redaktionskornmission (zweiter Entwurf)

ed. aedil. curul.

Edikt der kurulischen Ädilen

EKG

Einheitliches Kaufgesetz

f.; ff.

folgende

Fn.

Fußnote

FS

Festschrift

gem.

gemäß

h.L.

herrschende Lehre

h.M.

herrschende Meinung

Habil.

Habilitation

HausTWG

Haustürwiderrufsgesetz

HGB

Handelsgesetzbuch

HRR

Höchstrichterliche Rechtsprechung (Jahr und Nummer)

Hrsg.

Herausgeber

hrsg.

herausgegeben

i.d.R.

in der Regel

InsO

Insolvenzordnung

i.R.d.

im Rahmen des/der

i.S.d.

im Sinne des /der

JA

Juristische Ausbildung (Jahr, Seite)

Jh. n. Chr.

Jahrhundert nach Christus

Jh.Jb.

Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen Römischen Rechts

JR

Juristische Rundschau (Jahr, Seite)

und Deutschen Privatrechts (Band, Seite) Jura

Juristische Ausbildung (Jahr, Seite)

JuS

Juristische Schulung (Jahr, Seite)

JW

Juristische Wochenschrift (Jahr, Seite)

JZ

Juristen-Zeitung (Jahr, Seite)

KaufR

Kaufrecht

KE

Kommissionsentwurf

LG

Landgericht

lit.

Buchstabe

LM

Lindenmaier/Möhring

(Hrsg), Nachschlagwerk des Bundesgerichtshofs

in Zivilsachen (Paragraph des Gesetzes, Nummer der Entscheidung) m. w. N.

mit weiteren Nennungen

MDR

Monatsschrift für deutsches Recht (Jahr, Seite)

2*

20

Abkürzungsverzeichnis

MK

Münchener Kommentar (Bearbeiter, Vorschrift, Randnummer)

Mot.

Motive zum BGB (Band, Seite)

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Jahr, Seite)

NJW-RR

Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungsreport (Jahr, Seite)

Nr.

Nummer

OLG

Oberlandesgericht

OLGZ

Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen

OR

[Schweizer] Obligationenrecht

Pand.

Pandektenrecht

Paul.

Iulius Paulus

Prot.

Protokolle zum BGB (Band, Seite)

RabelsZ

Rabeis Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht

RG

Reichsgericht

RGZ

Amtliche Entscheidungssammlung des Reichsgerichts in Zivilsachen

Rn.

Randnummer

S.

Satz oder Seite

(Band, Seite)

s.o.

siehe oben

Sab.

Masurius Sabinus

SchR, SchuldR

Schuldrecht

Sp.

Spalte

TE-OR

Teilentwurf zum Obligationenrecht von v. Kübel (1882)

u. a.

unter anderem oder und andere

u.U.

unter Umständen

UCC

Uniform Commercial Code

Ulp.

Domitius Ulpianus

UN

United Nations (vereinte Nationen)

Urt. v.

Urteil vom

UWG

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

VerbrKrG

Verbraucherkreditgesetz

VerlG

Verlagsgesetz

VersR

Versicherungsrecht (Jahr, Seite)

Vgl.; vgl. WarnR

vergleiche Warneyer, Die Rechtsprechung des RG (Jahr und Nummer der Entscheidung)

WM

Wertpapier-Mitteilungen (Jahr, Seite)

ζ. B.

zum Beispiel

ZEuP ZHR

Zeitschrift für Europäisches Privatrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht (Band, Jahr, Seite)

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Jahr, Seite)

zit.

zitiert

ZPO

Zivilprozessordnung

Abkürzungsverzeichnis

21

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

ZustOR

Zusammenstellung der sachlich beschlossenen Bestimmungen des Obligationenrechts nach den Beschlüssen des Redaktionsausschusses der ersten Kommission (1882-1884) Zwangsversteigerungsgesetz

ZVG

§ 1 Einleitung Die Lehre vom Rücktrittsrecht, die Stammler1 bereits vor hundert Jahren eine „Art von Lieblingslehre" des BGB nannte, ist seit Entstehung des BGB Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Diskussionen gewesen. Diese haben bis heute zu keinem eindeutigen und zufriedenstellenden Ergebnis geführt. Nach v. Caemmerer 2 sind die Rücktrittsregelungen des BGB „gesetzestechnisch so mißglückt und in zentralen Fragen auch rechtspolitisch so fragwürdig und umstritten, daß ein für Theorie und Praxis kaum noch zu durchdringendes Dickicht von Streitfragen und Thesen entstanden ist". Ob das BGB wirklich so mißglückt ist, wie das Zitat nahe legt, wird Teil der Untersuchung dieser Arbeit sein. Auf jeden Fall ist v. Caemmerer insoweit zuzustimmen, als die Anwendung der Rücktrittsregeln durch die zahlreichen Auslegungen erheblichen Problemen begegnet. Insbesondere sind die zu verschiedenen Fragen von der herrschenden Meinung3 vertretenen Ansichten kritisch zu betrachten. Die Gegenansicht, die vor allem durch Glaß4 unter Berufung auf den eigentlichen Sinn des BGB vertreten wird, hat sich bisher nicht in allen Punkten durchsetzen können. Im Jahre 1984 hat der Bundesminister der Justiz eine Kommission eingesetzt, die den Auftrag erhielt, das Schuldrecht „übersichtlicher und zeitgemäßer" zu gestalten.5 Der Abschlußbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts6 wurde 1992 im Bundesanzeiger veröffentlicht. 7 Im Rahmen des damit beginnenden politischen Entscheidungsprozesses bestünde die Möglichkeit, die Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der Rücktrittsregeln durch eine eindeutige Regelung zu beenden und das BGB an unklaren oder nicht sachgerechten Stellen zu überarbeiten. Der Justizminister Klaus Kinkel äußert in seinem Vorwort

ι Stammler, 1897, S. 129. V. Caemmerer, in: FS Larenz, S 621, 625 3 Ein großer Teil der Kommentare und Lehrbücher, etwa Palandt-Heinrichs. 2

4

Glaß, Gefahrtragung und Haftung beim gesetzlichen Rücktritt, Berlin, 1959. Abschlußbericht, S. 15. Dabei dachte der damalige Bundesminister der Justiz, Hans A. Engelhard, in seiner Stellungnahme zu den Aufgaben der Kommission auf der konstituierenden Sitzung (Abschlußbericht, S. 15), nicht an „eine Reform an Haupt und Gliedern, sondern ( . . . ) eine Überarbeitung, bei der unter Wahrung der systematischen Grundstrukturen, methodischen Ansätze und Grundwertungen des Gesetzes gewissermaßen die Erfahrungen aus acht Jahrzehnten seiner Anwendung aufgearbeitet werden." 5

6

Im Folgenden nur noch Abschlußbericht. Ausführlich zur Entwicklungsgeschichte der Schuldrechtsreform Abschlußbericht, S. 13 ff.; Rust, § 2. 7

24

§ 1 Einleitung

zum Kommissionsentwurf die Hoffnung, daß die Veröffentlichung des Kommissionsentwurfs „eine breite und fruchtbare Diskussion in Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit über die vorgeschlagene Reform auslöst" und es so in absehbarer Zeit zu einem Gesetzesentwurf kommen kann. Ein Anliegen dieser Arbeit ist es, dieser Diskussion zu dienen. Die Untersuchung innerhalb der Arbeit soll so vor sich gehen, daß die Regelungen des BGB mit denen des KE verglichen werden. Zunächst wird zu den jeweiligen Fragen unter Berücksichtigung unterschiedlicher Ansichten dargestellt, was als geltendes Recht angesehen werden kann. Im Hinblick darauf, daß das Reformvorhaben auf eine Verbesserung und Vereinfachung des BGB zielt, beschränkt sich die Auseinandersetzung mit dem BGB nicht nur darauf, was zur Zeit als Auslegung praktiziert wird. Es sollen auch mögliche Schwächen oder Änderungsvorschläge des BGB reflektiert werden, damit vor diesem Hintergrund die Lösung des KE diskutiert werden kann. Auf diese Weise soll untersucht werden, inwieweit der KE das BGB verbessert und ob oder an welchen Stellen der KE Schwächen aufweist. Zunächst werden in § 2 dieser Arbeit Rücktrittsvoraussetzungen, Funktion und das Verhältnis des Rücktritts zum Schadensersatz herausgearbeitet. Während das BGB ein einheitliches Rücktrittsrecht nicht kennt und das Rücktrittsrecht von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig macht, schlägt die Kommission eine auf den ersten Blick vereinfachende Regelung durch die Einführung eines allgemeinen Rücktrittsrechts wegen Pflichtverletzung vor. Im Gegensatz zu der im BGB problematischen Alternativität von Rücktritt und Schadensersatz ist nach dem KE eine Kombination der beiden Rechtsbehelfe möglich. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in § 3 bei der Frage der Gefahrtragung beim gesetzlichen Rücktritt. Die Entscheidung über die Gefahrtragung, die letztlich eine reine Wertentscheidung zugunsten der einen oder der anderen Partei darstellt, war schon immer sehr umstritten und spiegelt sich etwa bei der Bestimmung des Verschuldensbegriffs in § 351 BGB wieder. Als Problemkreise werden der Untergang und die wesentliche oder unwesentliche Verschlechterung des Leistungsgegenstands beim Rücktrittsberechtigten, die Haftung des Rücktrittsgegners für Restitutionshindernisse, Unvermögen zur Herausgabe des Leistungsgegenstands und die Haftung der Parteien für Tatbestände, die ohne ein Verschulden die Herausgabe unmöglich machen, untersucht. Nach dem BGB werden die rückgewährpflichtigen Parteien grundsätzlich von zufälligen Restitutionshindernissen befreit, während sie für verschuldete Restitutionshindernisse aufkommen müssen. Die Bestimmung des Verschuldensbegriffs ist aufgrund seiner Auswirkungen auf die Definition von „Zufair ein Hauptproblem des Rücktrittsrechts. Inwiefern das von der Kommission vorgeschlagene Modell der „Rückabwicklung dem Werte nach"8 zu einer Änderung und möglichen Verbesserung des BGB führt, ist zu untersuchen.

8 Abschlußbericht, S. 185.

§ 1 Einleitung

In § 4 werden Nutzungsersatzansprüche und Verwendungsansprüche untersucht. Damit trägt dieses Kapitel dem Umstand Rechnung, daß eine abschließende Betrachtung des Rückabwicklungsschuldverhältnisses ohne Erörterung dieser Fragen nicht möglich ist. Letztlich gehören Leistungsgegenstand und Nutzungen zusammen und stellen das dar, was die andere Partei aufgrund des Vertrags empfangen hat. § 5 der Arbeit behandelt den vertraglichen Rücktritt. Nach dem Gesetzeswortlaut gelten die §§ 346 ff. BGB zwar unmittelbar für vertragliche Rücktrittsrechte und sind auf die gesetzlichen Rücktrittsrechte nur entsprechend anwendbar. In dieser Arbeit wird das vertragliche Rücktrittsrecht jedoch aufgrund seiner im Vergleich zum gesetzlichen Rücktrittsrecht geringeren praktischen Relevanz nur in einem Kapitel behandelt. Obwohl §§ 346 ff. BGB vom Wortlaut her auf den vertraglichen Rücktritt zugeschnitten zu sein scheinen, liegt ein Problem darin, daß diese Vorschriften den vorrangig zu beachtenden Parteiwillen im Regelfall nicht wiederspiegeln. Die entscheidende Vorschrift des § 350 BGB sollte daher in der Regel als abbedungen gelten, womit § 350 BGB bei den gesetzlichen Rücktrittsrechten trotz der nur entsprechenden Anwendung doch entscheidend zum Tragen kommt. Nach dem KE ist § 346 BGB-KE sowohl auf gesetzliche als auch auf vertragliche Rücktrittsrechte direkt anwendbar, bei der Gefahrtragung wird jedoch nach Rücktrittsgründen unterschieden. Inwieweit die Kommission damit den Interessenlagen gerecht wird, wird geprüft. In § 6 wird untersucht, inwieweit die Rücktrittsregelungen der Schuldrechtsreform an europäischen Rechtsvereinheitlichungstendenzen teilhaben und deutsches Schuldrecht für ein mögliches europäisches Vertragsrechtsbuch öffnen können. Innerhalb eines Rechtsvergleichs werden englisches und französisches Rücktrittsrecht und entsprechende Regelungen der Principles of European Contract Law (PECL) mit denen des KE verglichen. Insgesamt gilt es zu untersuchen, inwieweit bereits das BGB durch entsprechende Auslegung sachgerechte Lösungen bereit hält. Bei der kritischen Betrachtung, ob und inwiefern der KE die geltende Gesetzeslage verbessert und vereinfacht, ist zu beachten, daß eine erstrebte Vereinfachung stets daran zu messen ist, ob das Ergebnis auch mit weniger gesetzgeberischem Aufwand erreicht werden kann, insbesondere also, ob einzelne Änderungen nicht größeren strukturellen Umstellungen vorzuziehen sind.

§ 2 Rücktrittsvoraussetzungen und Funktion, Verhältnis zum Schadensersatz I. Rücktrittsvoraussetzungen Die Entstehung eines Rückabwicklungsschuldverhältnisses setzt ein gesetzliches oder vertragliches Rücktrittsrecht voraus. Bei der Beurteilung der Gefahrtragung spielt es eine erhebliche Rolle, welche Art von Rücktrittsrecht vorliegt; die Motivation, aus der eine Partei den Rücktritt erklärt, ist bei der Bewertung von Restitutionshindernissen im Rückabwicklungsschuldverhältnis zu beachten. Während die vertragliche Vereinbarung von Rücktrittsrechten der Privatautonomie unterliegt, gewährt das BGB gesetzliche Rücktrittsrechte oder die Wandelung als Sanktionen in bestimmten Fällen von Leistungsstörungen und unter unterschiedlichen Voraussetzungen.

1. BGB a) Rücktrittsgründe Nach dem BGB bestehen vielfältige Gründe, aus denen eine Partei den Rücktritt vom Vertrag erklären kann.1 Zum einen können nach dem Grundsatz der Privatautonomie vertragliche Rücktrittsrechte vereinbart werden. Es gibt viele denkbare Gründe für die Einräumung eines Rücktrittsvorbehalts; diese reichen von wirtschaftlichen Gründen wie einem besonderen Entgelt bis zu geschäftlichem Entgegenkommen oder einfach nur Kulanz. Das vertragliche Rücktrittsrecht genießt aufgrund der Vereinbarung durch die Parteien eine Sonderstellung, da insbesondere die Partei Vereinbarung häufig von den gesetzlichen Regeln abweichen wird. Die folgenden Erörterungen sind daher auf das gesetzliche Rücktrittsrecht und die Wandelung zugeschnitten; auf den vertraglichen Rücktritt wird später in einem eigenständigen Kapitel (§ 5) eingegangen. 1

Aus diesem Grunde wird am BGB kritisiert, daß einheitliche Rechtsfolgen des Rücktritts diesen unterschiedlichen Ausgangssituationen, insbesondere den Interessenlagen beim vertraglichen und gesetzlichen Rücktrittsrecht, nicht gerecht werden (Strohal, Jh. Jahrbücher, 33. Bd., S. 371; Wiedemann , System der Leistungsstörungen, S. 393; Walter, S. 186; Stoll, AcP 131 [1929], S. 141, 144).

I. Rücktrittsvoraussetzungen

27

Weitaus häufiger als vertragliche Rücktrittsrechte kommen in der Praxis Rücktrittsrechte aufgrund eines gesetzlichen Rücktrittsrechts 2 vor; erst durch den Verweis des gesetzlichen Rücktrittsrechts und der Wandelung auf die Regeln über das vertragliche Rücktrittsrecht erlangen diese ihre eigentliche praktische Bedeutung. So finden die §§ 346 ff. BGB entsprechende Anwendung auf die gesetzlichen Rücktrittsrechte wegen Nichterfüllung gem. §§ 325 I 2 (verschuldete Unmöglichkeit) und 326 I 2 (Verzug), 327 BGB. 3 Für die Rücktrittsrechte aus § 325 II und § 326 BGB ist jedoch zu beachten, daß diese gem. § 454 BGB ausgeschlossen sind, wenn der Verkäufer den Vertrag erfüllt und den Kaufpreis gestundet hat.4 Dieser Vorschrift liegt die Vorstellung zugrunde, daß durch die Erfüllung der Verkäuferpflichten und die Stundung der Kaufpreisschuld der innere Zusammenhang der beiderseitigen Leistungen derart aufgelöst wird, daß die Rechtsfolge des Rücktritts nicht mehr passe.5 Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist aber sehr gering, da sich der Verkäufer in der Regel das Eigentum vorbehalten wird, womit der innere Zusammenhang der Leistungen erhalten bleibt und der Verkäufer bei Zahlungsverzug des Käufers nach der Auslegungsregel des § 455 BGB zurücktreten kann.6 Gem. § 636 I 1 BGB kann der Besteller eines Werks zurücktreten, wenn das Werk ganz oder teilweise nicht rechtzeitig hergestellt wurde. Auch im Falle der sogenannten positiven Forderungsverletzung ist ein Rücktrittsrecht möglich.7 Im Falle des Rücktritts wegen Rechtsmangels (§§ 4401, 433, 320 ff. BGB) finden die §§ 346 ff. BGB ebenfalls entsprechende Anwendung. Der Rücktritt wegen Rechts2 Im Rahmen dieser Arbeit wird zu den „gesetzlichen Rücktrittsrechten" auch die Wandelung gerechnet. Die Wandelung ist zwar ein Gestaltungsrecht; dieser Unterschied von den eigentlichen Rücktrittsrechten wirkt sich aber nicht im Rahmen der Gefahrtragung aus. 3 Im BGB befinden sich weiterhin Verweisungen auf die §§ 346 ff. BGB ohne einen damit verbundenen Rücktritt. Gem. § 280 II 1 BGB kann der Gläubiger, wenn dem Schuldner die Leistung teilweise unmöglich geworden ist und die Teilleistung für ihn kein Interesse hat, die noch mögliche Teilleistung ablehnen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung der gesamten Verbindlichkeit verlangen. Für das Schadensersatzverlangen und die Rückgewähr schon empfangener Teilleistungen verweist § 280 II 2 BGB auf die §§ 346 ff. BGB. Ähnliches gilt für den Verzug gem. § 286 II 2 BGB und gem. §§ 325 I 2, 326 I 3 BGB bei Teilunmöglichkeit und Teilverzug.

4 Vgl. § 3 IV. 1. a). 5 Erman-Weitnauer (7. Aufl.), § 454 Rn. 1; MK-Westermann, § 454 Rn. 1. 6 So die h.M. (vgl. Palandt-Putzo, § 455 Rn. 26; RG 144, 62, 65; BGH, NJW 1984, 2937; Medicus, BR, Rn. 294), weil es sich um einen vertraglich vorbehaltenen Rücktritt handelt, auf den die §§ 346 ff. BGB unmittelbar anzuwenden sind. Nach der Gegenmeinung ist eine Fristsetzung nach § 326 BGB erforderlich, vgl. Bydlinski, JZ 1986, 1028. Bydlinski geht insoweit davon aus, daß § 455 BGB nur klarstelle, daß der Rücktrittsausschluß des § 454 BGB nicht greife, sondern die Rechte aus § 326 BGB aufrecht erhalten blieben. 7 RGZ 149, 187, 189 (Bestechung eines Angestellten des Käufers in der Absicht, diesen trotz Mängel zur Abnahme der Kaufsache zu bewegen); BGH NJW 1978, 260 (Austausch fabrikneuer gegen gebrauchte Spoiler an einem verkauften fabrikneuen Porsche vor Auslieferung an den Käufer).

28

§ 2 Rücktrittsvoraussetzungen und Funktion, Verhältnis zum Schadensersatz

mangels hat praktische Bedeutung beim Kauf einer gestohlenen oder abhanden gekommenen Sache, und nur dieser Fall wird hier erörtert. 8 A u f den Fixhandelskauf gem. § 376 H G B sind ebenfalls die Rücktrittsvorschriften anwendbar. 9 A u f die Wandelung des Kauf- und Werkvertrags sind nach §§ 467, 462, 634 I V B G B die §§ 346 bis 348, 350 bis 354 und 356 BGB entsprechend anwendbar, § 352 BGB jedoch nur eingeschränkt. 10 Ferner verweisen - mit Einschränkungen - § 13 Π VerbrKrG und § 37 VerlG auf das vertragliche Rücktrittsrecht. Die Rücktrittsvoraussetzungen nach dem B G B sind sehr unterschiedlich. So wird teils Verschulden gefordert wie beim Rücktritt wegen Nichterfüllung gem. §§ 325, 326 B G B und wegen positiver Vertragsverletzung 11 , teils erfolgt der Rücktritt verschuldensunabhängig wie bei der Wandelung, dem Rücktritt gem. § 636 I B G B und dem Fixkauf. Bei einigen Vorschriften wird auch darauf abgestellt, wie schwer die Störung ist. So wird bei Unmöglichkeit immer dann ein Rücktrittsrecht zugebilligt, wenn eine synallagmatische Pflicht verletzt wurde 1 2 , bei Verletzung einer nicht i m Synallagma stehenden Pflicht entsteht ein Rücktrittsrecht nur bei mangelndem Interesse des Gläubigers. Beim Rücktritt wegen pFV hingegen muß Unzumutbarkeit vorliegen, bei Verzug oder Unmöglichkeit einer Teilleistung Interessefortfall (§§ 325 I 2, 326 I 3 BGB). Hat der Verkäufer 8 Nicht eingegangen wird damit etwa auf die Fälle, daß ein Nießbrauch (§§ 1036, 1059 BGB) oder ein Pfandrecht (§1251 BGB) an der Sache besteht. 9

Sch\ege\berg&T-Hefermehl, § 376 Rn. 8. Der Gesetzgeber hat sich für die Einführung dieser Fixklausel entschieden, weil die Regelung des § 361 BGB, die „im Zweifel" zum Rücktritt berechtigt, den Bedürfnissen des Handelsverkehrs, die auf eine schnelle Abwicklung solcher Fixgeschäfte zielen, nicht gerecht wird (Sch\ege\berger-Hefermehl, § 376 Rn. 1). 10 Im Rahmen der Wandelung beim Viehkauf finden die Rücktrittsregeln nur modifiziert Anwendung (§ 481 BGB). Da die Minderung ausgeschlossen ist, kann die Wandelung auch in den Fällen der §§351 bis 353 BGB verlangt werden, jedoch muß in diesen Fällen oder für Verschlechterungen Wertersatz geleistet werden. Nach dem KE soll die Regelung des Viehkaufs unverändert beibehalten werden. Möglicherweise hat die Kommission den Viehkauf schlicht übersehen; die bestehen bleibenden Regeln über den Viehkauf verweisen nämlich auf Paragraphen, die nach dem KE gestrichen werden sollen. So verweist der nach dem KE beibehaltene § 481 BGB auf §§ 459 bis 467, 469 bis 480 BGB, während nach dem KE gerade eben diese §§ 459 bis 480 BGB aufgehoben werden sollen. Weiterhin verweist die übernommene Vorschrift des § 487 II BGB auf §§351 bis 353 BGB, die jedoch ebenfalls nach dem KE aufgehoben werden sollen. Da nach dem KE die Regeln über den Rücktritt nach einem sehr ähnlichen System aufgebaut sind wie die Wandelung beim Viehkauf (wobei nach dem KE auch der Begriff der „Wandelung" durch „Rücktritt" ersetzt werden müßte, vgl. § 439 BGB-KE, Abschlußbericht S. 215 VI), brauchten nur § 487 II-III BGB gestrichen zu werden. Es würde dann die bisherige Regelung aufrecht erhalten. 11 Das Verschuldenserfordernis ist beim Rücktritt wegen Rechtsmangels strittig, vgl. etwa Planck-Siber, § 306 Anm. 2 b);. Staudinger-tfö/i/er, § 440 Rn. 21 ff. 12 H.M., etwa MK-Emmerich, § 325 Rn. 2; Staudinger-Otto, § 325 Rn. 7; Palandt-Heinrichs, Rn. 16 Vor § 320. Kriechbaum (JZ 1993, 642, 646) möchte unter Berufung auf den Wortlaut des § 326 BGB nicht von der verletzten Pflicht als synallagmatische oder nicht synallagmatische Pflicht ausgehen, sondern von der Leistung selbst, die vom Schuldner vollständig oder teilweise noch nicht erbracht wurde.

I. Rücktrittsvoraussetzungen

29

den Vertrag erfüllt und den Kaufpreis gestundet, ist das Rücktrittsrecht sogar ausgeschlossen (§ 454 BGB). Daneben besteht die Möglichkeit, daß die gegenseitigen Leistungspflichten kraft Gesetzes wegfallen (§ 323 BGB), für die Rückgewähr der nicht geschuldeten aber bereits bewirkten Gegenleistung gilt Bereicherungsrecht. Die Frage, nach welchen Vorschriften eine bereits vom Schuldner erbrachte Teilleistung zurückzugewähren ist, beantwortet das Gesetz nicht, da nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes lediglich die Gegenleistung der unmöglich gewordenen Leistung angesprochen wird. Teils wird davon ausgegangen, daß beide Parteien nach dem gleichen Maßstab und daher nach Bereicherungsrecht haften 13. Diese Ansicht wird durch die Gesetzesmaterialien unterstützt, wonach sich der Gesetzgeber zur Verweisung auf das Bereicherungsrecht entschlossen hat, weil „der Vertrag ( . . . ) in toto zerfalle". 14 Nach Glaß 15 sind zugunsten des Gläubigers - zumindest analog - §§ 347, 351 ff. BGB anzuwenden. Der Schuldner müsse sich schon gefallen lassen, daß sich der Gläubiger auf ein Dahinfallen des Vertrags berufe, womit er bereits seinen Geschäftsgewinn und die Aufwendungen zur Vorbereitung der Leistung verliere. Weil ihn kein Verschulden treffe, dürfe er nicht noch einen zusätzlichen Schaden dadurch tragen müssen, daß der Gläubiger die empfangene Teilleistung unsorgfältig behandelte. Insoweit zieht Glaß eine Parallele zu § 327 S. 2 BGB nach seiner wörtlichen Auslegung.16 Beide Standpunkte sind rechtspolitisch vertretbar. Der erstgenannten Meinung ist insofern Recht zu geben, als den Gläubiger an der Leistungsstörung auch kein Verschulden trifft, und deshalb nicht einzusehen ist, weshalb er für eine bereits empfangene Teilleistung strenger haften sollte als der Schuldner. Glaß ist insoweit zuzustimmen, als die Regeln über das Rückgewährschuldverhältnis zu einer sachgerechteren Rückabwicklung führen als der Bereicherungsausgleich, da die Parteien die Folgen unsachgemäßer Behandlung des Leistungsgegenstands selbst tragen müssen und nicht auf die andere Partei verlagern können.17 Am sachgerechtesten wäre es, wenn sich die Rückgewährpflicht beider Parteien nach Rücktrittsrecht richten würde - insoweit begegnet § 323 ΠΙ BGB Bedenken. Die Vertragsaufhebung ist damit nach dem BGB von Voraussetzungen und Rechtsfolgen her recht uneinheitlich geregelt. 18 Als Folge dieser unterschiedlichen

13 Planck-5/^r, § 323 Rn. 6 b; Staudinger-O/to, § 323 Rn. 59; Soergel-Wiedemann, § 323 Rn. 49. 14 Jakobs/Schubert, 15 S. 108 f.

Schuldverhältnisse I, S. 213 f.

16 Dazu § 3 IV b) bb). 17 Vgl. die Argumentation zu § 327 S. 2 BGB unter § 3 IV b) bb). is So auch das Kommissionsmitglied Schlechtriem (Aufhebung des Vertrags, S. 525, 526): „Von diesen vier Rechtsgebieten [Erfüllung, Schadensersatz, Aufhebung des Vertrags, Minderung] ist die Vertragsaufhebung in Terminologie, Voraussetzungen und Folgen am stärksten zersplittert." Ähnlich in ZEuP 1993, S. 217, 234.

30

2 Rücktrittsvoraussetzungen und Funktion, Verhältnis zum Schadensersatz

Anforderungen ist ein allgemeiner Rechtsgrund des Rücktritts nicht klar erkennbar.

b) Die Rücktrittsregeln im Pflichtensystem des BGB Der gesetzliche Rücktritt ist Rechtsbehelf im Falle von Leistungsstörungen. Dem BGB liegt ein Pflichtensystem zugrunde, das Grundlage für die Sanktionen von Leistungsstörungen ist. Als solche Sanktionen sollen Rücktritt und Schadensersatz untersucht werden.

aa) Darstellung des Pflichtensystems

des BGB

Das BGB hat die Aufgabe, Güterbewegungen und Güter- und Interessenschutz zu ermöglichen und zu gewährleisten. Deshalb unterscheidet das BGB auch zwischen Ansprüchen, die der Bewegung der Güter (Erwerbsansprüche) dienen, und Ansprüchen, die den Schutz der Güter (Schutzansprüche) bezwecken.19 Es ist zu untersuchen, wie die einzelnen Leistungsstörungen in dieses Pflichtensystem einzuordnen sind. Der Erwerbsanspruch zielt auf eine Veränderung der Güterlage, er kann erfüllt und durchgesetzt werden, die Erfüllung kann ganz oder teilweise unmöglich werden, er kann in minderer Qualität erbracht werden 20 oder es kann Verzug eintreten. Der Erwerbsanspruch wird ergänzt durch vielfältige Schutzansprüche, die im Falle ihrer schuldhaften Verletzung zu sekundären Restitutions- oder Schadensersatzansprüchen werden. Den Schutzansprüchen des Gläubigers entsprechen auf Seiten des Schuldners Schutzpflichten, die sich oft erst im Zeitpunkt ihrer Verletzung konkretisieren. 21 Eine Schutzpflichtverletzung beinhaltet notwendig einen Sorgfaltspflichtverstoß, was der Begriff der „Verletzung" schon andeutet.22 Schadensersatzansprüche können sich wegen ihrer oft weitreichenden Folgen immer nur aus 19 Kress, S. 1 ff., Vorrede der Herausgeber S. XVII. Ausführlich Kuhlmann, § 4. 20 Rust, § 3 I. 4., S. 47 ff ; vgl. auch unten § 2 I. 1. b) cc) (3). 21 Hat die Köchin etwa beim Kochen telefoniert und ist deshalb das Essen angebrannt, hat sie die Schutzpflicht verletzt, darauf zu achten, daß das Telefonieren nicht den Kocherfolg beeinträchtigt. 22 Der Schuldner soll angesichts der Tatsache, daß sich Schutzpflichten bei schuldhafter Nichtbeachtung zu sekundären Schadensersatzansprüchen umwandeln können, von einer Verletzung abgehalten werden, hierin besteht der vorbeugende Schutz der Güter. Bei Schutzpflichten handelt es sich häufig um Aufklärungs-, Obhuts-, Auskunfts-, Beratungs- oder Geheimhaltungspflichten, allgemein läßt sich sagen, daß die Partei eines Schuldverhältnisses jedes der vereinbarten Art der Leistung widersprechende Verhalten zu unterlassen hat (Kress, S. 581) und Gläubiger und Schuldner ihr Verhalten so einzurichten haben, daß die bei der Begründung und Abwicklung der schuldrechtlichen Beziehung berührten Interessen und Güter des anderen Teils nicht verletzt werden {Kress, S. 582). Das gilt für relative

I. Rücktrittsvoraussetzungen

31

einer Garantie oder der schuldhaften Verletzung einer einem anderen gegenüber obliegenden Pflicht ergeben. Erwerbsansprüchen des Gläubigers entsprechen auf Seiten des Schuldners Leistungspflichten. Aus der bloßen Nichterfüllung von Leistungspflichten läßt sich noch kein Schluß auf ein mögliches Verschulden ziehen, deswegen scheidet eine Schadensersatzpflicht als Sanktion für die Nichterfüllung aus. Gleichwohl darf in einer Situation, in der eine Partei ohne gleichzeitigen schuldhaften Sorgfaltspflichtverstoß ihrer Leistungspflicht nicht nachgekommen ist, die andere Partei nicht auf unbestimmte Zeit am Vertrag festgehalten werden. Angemessen in einer solchen Situation wäre daher eine Lösungsmöglichkeit des anderen Teils vom Vertrag. Verfehlt ist es, den Rücktritt wie den Schadensersatzanspruch an eine Verschuldensvoraussetzung zu binden. Relevanter Zeitpunkt, ab dem man von einer Nichterfüllung der Leistungspflicht ausgehen kann und das Bedürfnis des Gläubigers, sich von dem Vertrag zu lösen, das Interesse des unter Umständen schuldlosen Schuldners zur Aufrechterhaltung des Vertrags überwiegt, liegt spätestens nach erfolglosem Ablauf einer angemessenen Nachfrist vor. Grundsätzlich ist dem Gläubiger nicht zuzumuten, länger als eine zusätzliche, angemessene Frist auf die Leistung zu warten; besteht von vorneherein aber nicht die Möglichkeit, daß die Leistung in einer Nachfrist erbracht werden kann, kann selbstverständlich keine zusätzliche Frist erforderlich sein. Ein allgemeines Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung der Leistungspflicht sieht das BGB jedoch nicht vor, dieser Umstand ist auf entstehungsgeschichtliche Gründe zurückzuführen.

Schutzansprüche, die zwischen Parteien eines Schuldverhältnisses bestehen, und für absolute Schutzansprüche, die gegen jedermann bestehen (§ 823 I, II BGB), gleichermaßen, da die absoluten durch Begründung des Schuldverhältnisses auch zu relativen werden. Zu den einzelnen Schutzpflichten Ehmann, § 12; ausführlich Kuhlmann, §§8-11. Die Haftung für die schuldhafte Verletzung von Schutzpflichten entspricht den Rechtsgrundsätzen der Culpa-Haftung, die dem BGB zugrunde liegt, in den Motiven zum BGB erwähnt wird und im 1. Entwurf des BGB noch ausdrücklich in § 224 E 1 enthalten war (§ 224 E 1: „Der Schuldner ist verpflichtet, die nach dem Schuldverhältnis obliegende Leistung vollständig zu bewirken. Er haftet nicht bloß wegen vorsätzlicher, sondern auch wegen fahrlässiger Nichterfüllung seiner Verbindlichkeit"), heute aber nur noch aus §§ 157, 242, 276 BGB entnommen werden kann (Ehmann, § 12 12 a). Die h.L. nennt diese Haftungsgrundsätze im Anschluß an Staub pFV bzw. bei der Verletzung von vorvertraglichen Pflichten c.i.c. und ordnet sie als Auffangtatbestand den „normierten" Haftungstatbeständen der Unmöglichkeit und des Verzugs unter, um eine Gesetzeslücke zu schließen. Sie übersieht dabei aber die Tatsache, daß aufgrund der allgemeinen culpa-Haftung überhaupt keine Gesetzeslücke besteht (So auch Kley, § 2 IV.; Kuhlmann, § 3; Pohlmann, § 101 4.). Deshalb ist die schuldhafte Schutzpflichtverletzung nicht subsidiäre Art der Haftung gegenüber Verzug und Unmöglichkeit sondern Grundtatbestand aller Leistungsstörungen (Ehmann, § 10X3; Kley, § 2). Unmöglichkeit und Verzug als dauerhafte bzw. vorübergehende Nichterfüllung der Leistungspflicht sind viel mehr ausdrücklich normierte Umschalttatbestände, die den auf die ursprüngliche Leistung gerichteten Primäranspruch in einen Schadensersatzanspruch umwandeln.

32

§ 2 Rücktrittsvoraussetzungen und Funktion, Verhältnis zum Schadensersatz

bb) Entstehungsgeschichtlicher

Hintergrund

der Rücktrittsregeln

Für die Verfasser des BGB war das Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung eine Neuerung und damit angesichts des Auftrags, der nur eine Kodifizierung des vorhandenen Rechtsstoffes vorsah, ein problematischer Behelf. 23 Die grundsätzliche Beschränkung des Rücktritts auf die in den einzelnen Störungstatbeständen (§§ 361, 325, 326, 440, 462 BGB) genannten Voraussetzungen war eine überlegte Entscheidung des Gesetzgebers, darüber hinausgehend sollte kein Rücktritt stattfinden. 24 Im Ersten Entwurf war diese Tatsache noch in einer eigenen Vorschrift (§ 360 E I) ausdrücklich ausgesprochen25, die zweite Kommission26 ging aber davon aus, daß sich bereits aus der Zulässigkeit des Rücktritts in den bezeichneten Fällen ergebe, daß der Rücktritt ansonsten ausgeschlossen sei. Die Gründe für diese Zurückhaltung bei der Schaffung des Rücktrittsrechts wurzeln im Gemeinen Recht. Das Gemeine Recht sperrte sich gegen ein allgemeines Rücktrittsrecht 27, neben der Erfüllung wurde nur der Schadensersatz als weitere, „dem Vertrag innewohnende, 'natürliche' Abwicklungsmöglichkeit" 28 gesehen. Ein Rücktrittsrecht konnte dem Vertrag nur als zusätzliche Bestimmung hinzugefügt werden. 29 Leser führt diese Zurückhaltung darauf zurück, daß die erst neugewonnene Errungenschaft einer Bindung an den Vertrag durch einfache Erklärungen sich mit der Möglichkeit der Lösung von demselben Vertrag durch ebenso einfache Erklärung psychologisch nur schwer habe vereinbaren lassen.30 Die Klage auf Erfüllung und auf Schadensersatz wegen verspäteter Erfüllung konnte den Bedürfnissen des Verkehrs aber dann nicht genügen, wenn die Leistung des Schuldners infolge des Verzugs für den Gläubiger ihren Nutzen verloren hatte. Das praktische Bedürfnis nach einer einseitigen Lösung vom Vertrag wurde so durch einen „begriffsjuristischen Kunstgriff' 3 1 berücksichtigt, indem - ausgehend von dem Prinzip, daß dem Gläubiger im Rahmen des Schadensersatzes jedes Interesse zu ersetzen war - auch das einseitige Abgehen vom Vertrag bei Nutzlosigkeit der verspäteten Leistung in die Interesseleistung einbezogen wurde. 32 Von daher war die einseitige Vertragslösung 23

Jakobs, Gesetzgebung im Leistungsstörungsrecht, S. 55.

24

Jakobs, Nichterfüllung, 35,41. 25 Vgl. § 360 E I: „Erfüllt der eine Vertragsschließende seine Verbindlichkeit nicht, so ist der andere deshalb nicht berechtigt, einseitig von dem Vertrage abzugehen, wenn nicht durch Gesetz oder Vereinbarung ein Anderes bestimmt ist." 2 * Prot. II, Bd. 1, S. 625. 27 Ausführlich die Arbeiten von Scherner (insbesondere S. 140 ff.) und Leser, Kapitel 1. Weiterhin Beinert, S. 176 ff. und Jakobs, Nichterfüllung, 35, 50 ff. 2 « Leser, S. 6. 2 * Leser, S. 6. 30 Leser, S. 4. 31 Scherner, S. 151. 32 Scherner, S. 146 ff., insbes. S. 150; Beinert, S. 177; Jakobs, Nichterfüllung, S. 35, 52.

I. Rücktrittsvoraussetzungen

33

nur dann möglich, wenn die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs vorlagen. Im Laufe der Zeit entstand das Bedürfnis, das in den Schadensersatz einbezogene Rücktrittsrecht wegen Nutzlosigkeit zu erweitern. 33 Bestand die verzögerte Leistung in Geld, konnte der Gläubiger kaum nachweisen, daß er durch die Verzögerung sein Interesse daran verloren hatte. Er war daher auf die Erfüllungsklage beschränkt, die ihn in solchen Fällen nicht absicherte.34 Bei den Beratungen des ADHGB setzte sich daher die Auffassung durch, daß der Gläubiger nur durch die Möglichkeit der Vertragsaufhebung in allen Fällen seine Vorleistung zurückerhalten könne. Im ADHGB wurde deshalb erstmals ein Rücktrittsrecht allein aufgrund des Schuldnerverzugs gewährt, ohne daß der Gläubiger Interessenwegfall beweisen mußte.35 Diese Auffassung setzte sich auch bei den Beratungen zum BGB durch. Nachdem die erste Kommission einzelne, allerdings noch sehr restriktive 36 Rücktrittsrechte normiert hatte und dem Rücktrittsrecht eine eigene „Rechtfertigung" zuerkannt hatte, die darin bestand, „daß dasselbe einen schleunigen und einfachen Weg gewähre, auf welchem der Gläubiger sich schadlos stellen könne" 37 , entschied die zweite Kommission, das Rücktrittsrecht in Anlehnung an das ADHGB auch ohne tatsächlichen Interessenwegfall zu gewähren. Damit leiteten die Gesetzgeber das Rücktrittsrecht nicht mehr aus dem Schadensersatz ab, sondern stellten Rücktritt und Schadensersatz als selbständige Rechtsbehelfe im Fall der Vertragsverletzung gegenüber. Von daher bestand an sich auch keine Notwendigkeit mehr, Rücktritt und Schadensersatz von den gleichen Bedingungen abhängig zu machen.38 Dennoch entschied sich der Gesetzgeber trotz eines gegenteiligen Antrags 39 , die Abhängigkeit des Rücktritts vom Verschuldenserfordernis in den §§ 325, 326 BGB 33 Ausführlich Beinert, S. 179 ff. 34 Besonders deutlich wird dies aus der Entscheidung des Appellationsgerichts Celle vom 1. 7. 1879, SeuffA 35, Nr. 14.: Der Verkäufer eines Grundstückkaufvertrags hatte vorgeleistet, die vom Käufer versprochenen Kaufpreisraten blieben jedoch aus. Nachdem eine vom Verkäufer infolge eines Leistungstitels betriebene Zwangsvollstreckung erfolglos geblieben war, erhob er Klage auf Aufhebung des Kaufvertrags. Diese Klage wurde abgewiesen, da nicht ersichtlich sei, daß die Zahlung der rückständigen Kaufpreisraten, wenn sie dem Kläger nachträglich angeboten werden sollten, für diesen keinen Wert mehr hätten. 35 Art. 354 ADHGB für den Käuferverzug und Art. 355 ADHGB für den Verkäuferverzug. 36 Die erste Kommission ging noch vom Standpunkt des gemeinen Rechts aus, daß der Gläubiger bei Verzug des Schuldners dann zurücktreten könne, wenn die Leistung infolge des Verzugs kein Interesse mehr für ihn habe (Mot. II, 209,210). 37 Prot. I, S. 1138. 38 Vgl. Beinert, S. 188. 39 Das Kommissionsmitglied Jacubezky schlug bei den Beratungen der zweiten Kommission (Prot. II, Bd. 1, S. 643) vor, daß der Gläubiger, wenn die Leistung nicht im Sinne des § 361 (entspricht § 361 BGB) fixiert sei, nach erfolgloser Nachfristsetzung und Ablehnungsandrohung gem. § 361 zurücktreten könne. 3 Herold

34

§ 2 Rücktrittsvoraussetzungen und Funktion, Verhältnis zum Schadensersatz

aufrecht zu erhalten und Ausnahmen lediglich durch die Fixgeschäfte (§§ 361, 636 BGB) zuzulassen.40 Das Verschuldenserfordernis stellt „deswegen, selbst wenn es als Grundsatz in das Gesetz noch Eingang gefunden hat, als ein Element zur Begründung des Rücktritts nur ein Relikt" dar. 41

cc) Heutiges Verständnis

der Rücktrittsregeln

Aus heute herrschender Sicht bereitet die Tatsache, daß im BGB nur einzelne Störungstatbestände (Unmöglichkeit und Verzug) ausdrücklich normiert sind, von diesen innerhalb der Unmöglichkeit noch unterschieden wird, ob und von wem diese zu vertreten ist, und Verzug generell nur bei Vertretenmüssen eintritt, Schwierigkeiten. Zwar wird dem praktischen Bedürfnis, daß bei Nichterfüllung der Leistungspflicht durch die eine Partei die andere Partei nicht auf unbestimmte Zeit am Vertrag festgehalten bleiben darf, im BGB in den wichtigsten Fällen entsprochen; jedoch erfolgt die Abwicklung je nach Fallgruppe nach Rücktritts- oder Bereicherungsrecht. Insofern besteht also keine einheitliche Abwicklungsmodalität. Für nach dem BGB bestehende Schwebezustände wurden von Praxis und Lehre verschiedene Wege entwickelt, die eine Lösung vom Vertrag ermöglichen. Insofern ist zu prüfen, ob trotz der Tatsache, daß das BGB zwar kein allgemeines Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung der Leistungspflicht enthält, nicht stattdessen die einzelnen, den Rücktritt ermöglichenden Tatbestände letztlich doch bei richtiger Auslegung das Prinzip wiedergeben, daß dann, wenn die Leistungspflicht nicht erfüllt wurde, ein Rücktritt oder doch zumindest eine sonstige Lösung des anderen Teils vom Vertrag möglich sein muß.

(1) Rücktritt wegen Nichterfüllung Der Rücktritt wegen Nichterfüllung setzt entweder vom Schuldner zu vertretendes Unmöglichwerden der Leistung (§ 325 BGB) oder Verzug des Schuldners mit der Leistung (§ 326 BGB) voraus, der gem. § 285 BGB ebenfalls nur bei Verschulden eintritt. Der Rücktritt setzt also im BGB ebenso wie der Schadensersatz wegen Nichterfüllung grundsätzlich eine schuldhafte Schutzpflichtverletzung voraus. Haftungsgrundlage sind dabei nicht die Tatbestände der Unmöglichkeit und des Verzugs, sondern die schuldhafte Verletzung einer Schutzpflicht. 42 Unmöglichkeit 40 Man ging davon aus, daß in aller Regel Verzug vorliegen werde und Ausnahmefälle zu vernachlässigen seien. Weiterhin befürchtete man, der Gläubiger könne auf Kosten des Schuldners spekulieren. Außerdem entferne sich der Antrag allzu weit von dem in Deutschland geltenden Recht (Prot. II, Bd. 1, S. 647), was im Hinblick auf das Gemeine Recht stimmt, aber trotzdem kein Hindernis für das BGB hätte sein müssen.

Jakobs, Nichterfüllung, S. 35, 52.

I. Rücktrittsvoraussetzungen

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und Verzug sind Umschalttatbestände, die den Übergang vom Primär- zum Sekundäranspruch ermöglichen, wodurch der Vorrang der Primärerfüllung gesichert wird. Stirbt etwa ein verkauftes Pferd vor Übereignung durch Überlastung, haftet der Verkäufer nicht etwa deshalb, weil das Pferd tot ist und nicht mehr übereignet werden kann, sondern weil er es überlastet hat. Da das Pferd gestorben ist und aus diesem Grund natürlich nicht mehr übereignet werden kann, wird der Erfüllungsanspruch mit Eintritt der Unmöglichkeit in einen Sekundäranspruch umgewandelt. Die Verletzung einer Schutzpflicht, die sich im Unmöglichwerden einer Leistungspflicht niederschlägt, führt dazu, daß der Gläubiger ohne eine Fristsetzung verbunden mit einer Ablehnungsandrohung statt der Erfüllung Schadensersatz wegen Nichterfüllung fordern oder zurücktreten kann. 43 Eine schuldhafte Schutzpflichtverletzung ist dabei unbedingte Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs. Dem Umstand, daß eine Bindung an den Vertrag bei unmöglicher Leistung ohne schuldhafte Schutzpflichtverletzung entfallen muß, trägt § 323 BGB Rechnung. Ist die Leistung ohne schuldhafte Schutzpflichtverletzung einer Partei unmöglich geworden, werden noch keine Sanktionen zu Gunsten des Gläubigers ausgelöst, jedoch tritt gem. § 323 BGB ipso iure eine Befreiung von der Gegenleistung ein. Diese Befreiung erklärt sich aus dem funktionellen Synallagma; der Schuldner wird zwar gem. § 275 I BGB von seiner Leistung frei, da der Austauschzweck aber nicht mehr erreicht werden kann, verliert er den Anspruch auf die Gegenleistung. Die Wirkungen des § 323 BGB sind denen der Vertragsaufhebung ähnlich, jedoch mit dem Unterschied, daß dem Gläubiger kein die Rechtslage klärendes Gestaltungsrecht, also namentlich kein Rücktrittsrecht, eingeräumt ist, und daß sich die Rückgewährverpflichtung der erbrachten Gegenleistung nach Bereicherungsrecht und nicht nach Rücktrittsrecht richtet.44 Damit bleibt im Falle objektiv unmöglicher Leistungen das System in sich stimmig: bei bloßer Nichterfüllung der Leistungspflicht wird der Vertrag aufgehoben und bei Vorliegen einer schuldhaften Schutzpflichtverletzung, die die Nichterfüllung der Leistungspflicht nach sich zieht, wird Schadensersatz wegen Nichterfüllung zugebilligt. Die Tatsache, daß neben Schadensersatz auch das Rücktrittsrecht gewährt wird, erklärt sich daraus, daß eine Vertragslösungsmöglichkeit dem Gläubiger natürlich auch bei Verschulden des Schuldners gewährt sein muß. Wird der Schuldner in von ihm nicht zu vertretender Weise an rechtzeitiger Leistung gehindert, tritt also eine objektive, nicht zu vertretende Leistungsverzögerung ein, entsteht - abgesehen von den Fixgeschäften und § 636 BGB - ein Schwebezustand, in dem der Gläubiger nichts weiter unternehmen kann als abzuwarten, daß das Leistungshindernis beseitigt wird oder daß endgültige Unmöglichkeit ein42 Vgl. oben Fn. 22. 43 Ehmann, § 12 X 2 a; Kley, § 2 IV.4.b, VI 2. a und ausführlich § 3. 44 So auch Weitnauer, Vertragsaufhebung, S. 91. 3*

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tritt. 45 Eine der Unmöglichkeitsregel des § 323 BGB entsprechende Regel für objektive unverschuldete Leistungsverzögerungen fehlt. In dieser Situation sind die Interessen des Gläubigers durch das BGB nicht genügend gewahrt. 46 Letztlich spielt es für ihn keine Rolle, ob die Leistungsverzögerung vom Schuldner zu vertreten ist oder nicht - auf jeden Fall möchte er nicht an diesem Schwebezustand festgehalten werden und ad calendas graecas warten. Wenn man davon ausgeht, daß sich durch die Tatsache des Unmöglichkeitseintritts lediglich die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung für die Umstellung des Erfüllungsanspruchs auf einen Sekundäranspruch erübrigt, müssen bei Leistungsverzögerungen für den Zeitpunkt ab Fristablauf zumindest ähnliche Maßstäbe gelten. Deshalb kann es nicht sein, daß der Gläubiger bei nicht zu vertretender Leistungsverzögerung auch nach Fristablauf noch an seiner Leistungspflicht festgehalten wird. An dieser Stelle machen sich die Schwierigkeiten der Entstehung des Rücktrittsrechts wegen Nichterfüllung bemerkbar. Die h.M. befreit den Gläubiger von seiner Bindung an den Vertrag nach den Regeln über die nicht zu vertretende Unmöglichkeit der Leistung gem. §§ 275, 323 BGB, indem sie die nicht zu vertretende Leistungsverzögerung, bei der die Leistung fast immer „vorübergehend unmöglich" ist, wie dauernde Unmöglichkeit behandelt, wenn die Erreichung des Vertragszwecks durch das zeitweilige Leistungshindernis in Frage gestellt wird, und dem Gläubiger das Festhalten am Vertrag nicht zuzumuten i s t 4 7 Durch diese Anwendung der Unmöglichkeitsregeln tritt die Aufhebung des Vertrags und damit die Befreiung des Gläubigers kraft Gesetzes ein. Damit wird zwar der Schwebezustand beseitigt, sachgerechter wäre es aber dennoch, die Aufhebung des Vertrags in die Entscheidung des Gläubigers zu stellen - immerhin ist er selbst derjenige, der zur Wahrnehmung seiner Rechte am be45

Huber, JZ 1974, 433, 434: „Das Resultat ist erfreulich für den Verkäufer, problematisch für den Käufer." 46 Jakobs, Nichterfüllung, S. 35, 43: „Für jede vertraglich ausbedungene Leistung ist zu sagen, daß ihre Erfüllung nicht unbegrenzt und also nur binnen einer angemessenen Frist in Betracht kommt, daß nach Ablauf dieser Frist dem Gläubiger ein Warten auf die Leistung des Schuldners nicht mehr zugemutet werden kann, auch wenn sein Interesse an der Leistung an sich noch besteht." 47 Diese Konzeption war ursprünglich vom RG für die Befreiung des Schuldners von seiner Leistungspflicht entwickelt worden (RGZ 42, 114 ff.: Mühle, die infolge Brandes das Roggenmehl „Roland" erst anderthalb Jahre später herstellen konnte; RGZ 88, 71, 74: Unmöglichkeit, während des Krieges Verschiffungen von „afrikanischem Westküsten-Raffiabast" nach Deutschland durchzuführen; RGZ 93, 341: Unmöglichkeit, während des Krieges ,Automobilgewebe aus ägyptischer Baumwolle" zu beschaffen). Diesen Fällen ist gemeinsam, daß die Gläubiger am Vertrag festhalten wollten, dem Schuldner jedoch die Bindung an den Vertrag auf unbestimmte Zeit und die Ungewißheit über die wirtschaftliche Entwicklung nicht zugemutet wurde, ausführlich Beinert, S. 168 ff. Die so entwickelten Grundsätze wurden später in Bezug auf den Gläubiger erweitert (RGZ 146, 60, 66: Befreiung des Mieters bei gesetzlichem Vermietungsverbot, BGHZ 47, 48, 50 f.; 83, 197, 200; BGH LM § 275 Nr. 3). Die h.L. hat sich dem angeschlossen: Pslandt-Heinrichs, § 275 Rn. 18; Staudinger-Löwwc/i, §275 Rn. 31.

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sten imstande ist. 48 Richtigerweise sollte ihm ein den Schwebezustand beendendes Gestaltungsrecht, also namentlich ein Rücktrittsrecht zustehen. So wie bei den Fixgeschäften der Gläubiger sein Interesse an der Leistung auf einen bestimmten Zeitpunkt fixiert hat und er bei Nichterfüllung zu diesem Termin die Entscheidung über die Aufhebung des Vertrags fällen kann, muß der Gläubiger bei unbestimmter (aber deshalb nicht unbegrenzter) Erfüllungszeit sein Interesse an der Leistung zeitlich fixieren können durch eine angemessene Frist zur Erfüllung, verbunden mit einer Ablehnungserklärung. 49 Nach Ablauf dieser Frist ist dem Gläubiger eine Bindung an den Vertrag mit dem Schuldner nicht mehr zuzumuten, weshalb ihm ein Rücktrittsrecht zur Verfügung stehen muß. 50 Deswegen wird dem Gläubiger analog zu § 326 BGB das Recht zugestanden, dem Schuldner eine Frist zu setzen und vom Vertrag zurückzutreten. 51 Gerade diese Situation zeigt, daß die generelle Knüpfung des Rücktrittsrechts wegen Nichterfüllung an ein Vertretenmüssen des Schuldners nicht sachgerecht ist. Konsequent wäre die Gewährung des Rücktrittsrechts bei Leistungsverzögerung nach Ablauf einer Nachfrist und Ablehnungsandrohung.52

(2) Rücktritt wegen anfänglichen Unvermögens Ein Schwebezustand tritt auch dann ein, wenn man eine Garantiehaftung des Schuldners für anfängliches Unvermögen entgegen der h.M. 53 ablehnt - dies mit 48

Überzeugend Jakobs, Nichterfüllung, S. 35, 45. Aus der Entwicklung dieser Rechtsprechung ist zwar die Befreiung kraft Gesetzes verständlich, da es um die Befreiung des Schuldners ging. Geht es hingegen um ein Freiwerden des Gläubigers, sollte dieser die Entscheidung über die Aufhebung des Vertrags selbst treffen können. 4 9 H.H. Jakobs, Nichterfüllung, S. 35,45. 50 Auch die h.M. stellt letztlich auf die Zumutbarkeit einer weiteren Bindung des Gläubigers an den Vertrag ab, dieses Kriterium wird bei der Entscheidung über die Gleichsetzung von vorübergehender und dauernder Unmöglichkeit berücksichtigt (vgl. Palandt-//ewnc/w, § 275 Rn. 18). Die Schwelle, ab wann der Gläubiger auf eine Befriedigung seines Bedürfnisses durch den Schuldner nicht mehr rechnen kann, wird aber am Sachgemäßesten dadurch festgestellt, daß der Gläubiger eine der Dringlichkeit angemessene Frist setzt, vgl. auch Jakobs, Nichterfüllung, S. 35, 46.

51 Beinert, S. 198 ff., 218; MK-Emmerich, § 275 Rn. 49, der zusätzlich zur Begründung des Rücktrittsrechts noch §§ 322, 636 I BGB sowie § 376 HGB heranzieht; Jakobs, Nichterfüllung, S. 35,45; Weitnauer, Vertragsaufhebung, S. 104. Abzulehnen ist hingegen der Vorschlag Krückmanns (S. 249 f.), der § 326 BGB direkt anwendet, weil Verzug nur die „regelmäßige Erscheinungsform" der Leistungsverzögerung sei, bei der es materiell allein auf den Zeitablauf ankomme. An der Tatsache, daß Verzug Tatbestandsvoraussetzung ist, kommt man indes nicht vorbei. 52 So auch Beinert (S. 198): „Was aber das Rücktrittsrecht des Gläubigers betrifft, so handelt es sich gar nicht um ein Problem der Haftung. Es geht vielmehr um die Frage, wie lange der Gläubiger an die Pflicht zur Erbringung der Gegenleistung gebunden sein soll. ( . . . ) Das Merkmal des Verzugs ist kein hilfreiches Kriterium für eine Beurteilung der Interessen des Gläubigers."

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dem berechtigten Argument, daß es sich bei der Annahme eines stillschweigenden Garantieversprechens um eine bloße Fiktion handelt54 - und eine Situation eintritt, in der anfängliches Unvermögen nicht zu vertreten ist. Ein wichtiger Fall anfänglichen Unvermögens betrifft den Fall des Verkaufs einer rechtsmängelbehafteten Sache. Die h.M. legt dem Schuldner auch für von Anfang an bestehende Rechtsmängel eine Garantiehaftung auf mit der Folge des § 325 BGB. 55 Damit übersieht sie aber, daß Unvermögen und insbesondere Rechtsmängel zunächst einmal grundsätzlich behebbar sind. Eine Gleichsetzung behebbaren anfänglichen Unvermögens mit nachträglicher endgültiger Unmöglichkeit ist nicht sachgerecht, weil so dem Verkäufer grundlos die Chance der Nachfrist genommen und dem Käufer voreilig sein Erfüllungsanspruch abgeschnitten wird - der Verkäufer soll für anfängliches Unvermögen nämlich nicht erst auf Erfüllung haften, sondern direkt auf den sekundären Schadensersatz. Festzuhalten ist, daß anfängliches Unvermögen der nachträglichen Unmöglichkeit allenfalls dann gleichzustellen ist, wenn es nicht behebbar ist. 56 Um dies festzustellen, muß der Käufer gem. §§ 440 I, 326 BGB dem Verkäufer zunächst eine Nachfrist setzen57, nach deren Ablauf davon ausgegangen wird, daß es sich um ein nicht behebbares Unvermögen handelt. Probleme bereitet wiederum das Verschuldenserfordernis für die Begründung des Verzugs. Geht man davon aus, daß der Schuldner für sein Leistungsvermögen vertraglich einzustehen hat 58 , tritt wieder eine Garantiehaftung des Verkäufers ein, wenn auch mit der Chance zur Behebung des Unvermögens und zur Erbringung der Leistung in der Nachfrist. 59 Da man aber wiederum an einem Garantiewillen des Verkäufers zweifeln muß, sprechen 53 Etwa Palandt-Heinrichs, § 306 Rn. 9; BGH NJW 1972, 1702 f.; BAG NJW 1974, 1617 f.; BGHZ 8, 222, 231; RGZ 69, 355 ff. Andere Autoren plädieren für eine beschränkte Garantiehaftung, nach der der Schuldner nicht für Umstände außerhalb seines Geschäftskreises haftet (Larenz, SchR I, § 8 II; Medicus, BR § 14 I 1 b. cc Rn. 285). Auch nach diesen Ansichten kann eine Lücke in der Haftung entstehen. 54

Ehmann (§ 7 II. 2 d)) nimmt an, daß der eigentliche Grund für die Annahme einer Garantiehaftung darin liege, daß die Partei sonst als kausalen Schaden nicht Schadensersatz wegen Nichterfüllung, sondern den Vertrauensschaden ersetzt bekäme. 55 § 440 I BGB wird insoweit als Rechtsfolgenverweisung begriffen, Fikentscher, Schuldrecht, § 43 III 4, Rn. 330; Walter, KaufR, S. 121 ff., insbes. S. 124; Staudinger-toYi/er, § 440 Rn. 24 ff.; Jauernig-Vollkommen § 440 Rn. 2 d. 56 Vgl. Kley, § 4 , insbesondere III, die Unvermögen unter der Prämisse, daß dieses grundsätzlich behoben werden kann, als Fall der Leistungserschwerung einstuft. Die Grenze der Leistungspflicht und damit eine Gleichstellung mit objektiver Unmöglichkeit werde durch die Schutzpflichten des Schuldners beschrieben. Ähnlich Nauen, § 9 II; im Ergebnis auch SocTgei-Huber, § 440 Rn. 14. 57 So geht auch die Rechtsprechung bei Rechtsmängeln vor, etwa in BGHZ 5, 337, 340; RGZ 117, 335, 336. 58 So Soergel-Huber, § 440 Rn. 18 f. 59 Deshalb stimmt Huber (Soergel-Huber § 440 Rn. 15) der h.L. auch im Ergebnis, in der uneingeschränkten Haftung des Verkäufers für bei Vertragsschluß bereits vorliegende Rechtsmängel, zu.

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gute Gründe wieder dafür, einen Schadensersatzanspruch 60 mit seinen weitreichenden Folgen nicht ohne Verschulden des Verkäufers zu gewähren. 61 Trifft den Verkäufer kein Verschulden, tritt wiederum ein Schwebezustand ein und es stellt sich die Frage, wie dieser zu beheben ist. Wieder wäre der Rücktritt der angemessene Behelf. 6 2

(3) Wandelung Die auf die ädilizischen Edikte zurückgehenden Rechtsbehelfe der Wandelung und Minderung sind Ausdruck einer Garantie, die der Verkäufer für die Fehlerfreiheit der Ware übernommen hat. Hat der Verkäufer eines Gattungskaufs fehlerhafte Sachen geliefert, hat er seine Leistungspflicht noch nicht erfüllt. Da er nicht Sachen mittlerer Art und Güte (§ 243 I B G B ) geleistet hat, wird die Gattungsschuld nicht konkretisiert und der Käufer kann immer noch einen Erfüllungsanspruch gem. § 4 8 0 1 BGB geltend machen. Ebenso wie der Erfüllungsanspruch wurzelt daher auch die Wandelung in der Nichterfüllung der Leistungspflicht durch den Verkäufer. 63 Aber auch im Falle des Spezieskaufs hat der Verkäufer, der eine mangelhafte Sache liefert, seine Leistungspflicht noch nicht vollständig erfüllt. 6 4 Den Verkäufer 60

Problematisch ist hieran, daß der Verkäufer allenfalls die Pflicht verletzt hat, sich vor Abschluß des Vertrags ausreichend über seine Leistungsfähigkeit zu informieren - eine Information, die bei Mitteilung an den Käufer zur Folge gehabt hätte, daß der Vertrag nicht zustande gekommen wäre. Deshalb wäre an sich nur das negative Interesse und nicht das Erfüllungsinteresse zu ersetzen. 61 Beinert, S. 211: „Die den Schuldner unangemessen belastende Fiktion einer Stillschweigenden Garantieübernahme' läßt sich indessen nicht aufrechterhalten." Beinert setzt die Grenze der Haftung des Schuldners bei Risiken an, die der Schuldner bei Vertragsschluß erkennbar übernehmen wollte, womit Umstände, die der Schuldner nach der Anschauung vernünftiger Personen bei Vertragsschluß weder vorauszusehen noch zu vermeiden oder zu überwinden verpflichtet war, von der Haftung ausgenommen sind. Ähnlich Erman-Weitnauer (7. Aufl.), § 440 Rn. 7 ff., der Verschulden des Verkäufers nur bei einer besonderen Einstandspflicht bejaht oder wenn der Verkäufer sein Unvermögen bei Vertragsschluß kannte oder kennen mußte.

Weiter Gudian (NJW 1071, 1239, 1240) zur Garantiehaftung des Verkäufers aus anfänglichem Unvermögen: „eine durch nichts bewiesene petitio principii"; Lehmann, § 29 II 2, S. 133: „Unterstellung, die auf eine sachliche Rechtfertigung aus der Interessenlage verzichtet." 62 Beinert (S. 218) befürwortet deshalb auch in dieser Situation bei einer objektiven, d. h. nicht auf Verzug beruhenden Leistungsverzögerung, § 326 BGB - was das Rücktrittsrecht des Gläubigers angeht - entsprechend anzuwenden. Ebenso schlägt Erman-Weitnauer (7. Aufl.),§ 440 Rn. 11 vor, dem Käufer ein der Wandelung entsprechendes Rücktrittsrecht zuzubilligen. Für den Fall des Gattungskaufs ist dieses Ergebnis eindeutig, vgl. Rust, S. 46; ferner Soergel-Huber, Vor § 459 Rn. 156 ff.; Ballerstedt, FS Nipperdey, 1955, S 261, 277. 64 Ausf. Rust, S. 48 ff.

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trifft aus dem Vertrag heraus die Pflicht, die Sache frei von Sachmängeln zu verschaffen. 65 Ist die Fehlerfreiheit der Sache aber Vertragsinhalt geworden, reicht eben die Lieferung einer mangelhaften Sache zur Erfüllung des Vertrags nicht aus. 6 6 Der Rechtsbehelf der Wandelung ist daher Sanktion für die nicht vollständige Erfüllung der Leistungspflicht durch den Verkäufer. Zur Begründung des Wandelungsrechts ist ein Verschulden des Verkäufers nicht erforderlich. 67 Die Pflicht zur mangelfreien Lieferung darf nicht den Schutzpflichten zugeordnet werden, weil Schutzpflichtverletzungen einen objektiven Sorgfaltspflichtverstoß implizieren, der bei der Lieferung einer fehlerhaften Sache gerade nicht vorliegen muß. 6 8 Die Wandelung setzt also konsequent um, daß der Käufer bei Nichterfüllung der Leistungspflicht durch den Verkäufer den Kaufvertrag aufheben kann.

dd) Zwischenergebnis Als Resümee ergibt sich, daß konsequenterweise Rücktritt die Sanktion bei Nichterfüllung einer Leistungspflicht (also verschuldensunabhängig) sein müßte, die Gewährung von Schadensersatz hingegen Sanktion bei schuldhafter Verletzung einer Schutzpflicht. Damit wäre sichergestellt, daß die weitreichenden Folgen ei65 So Anhänger der „Nichterfüllungstheorie" (Rust, S. 47 ff.; Soergel-Huber, Rn. 166 ff. vor § 459; Erman-Weitnauer (7. Aufl.), Vor § 459 Rn. 35; Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 33; v. Caemmerer, Falschlieferung, S. 18). Vertreter der „Gewährleistungstheorie", die davon ausgehen, daß der Verkäufer trotz des Sachmangels den Vertrag erfüllt hat und daß die ratio legis der Gewährleistungshaftung in der Intention der Parteien liege, beide Leistungen als „subjektiv äquivalent" (Lorenz, Schuldrecht II/1, § 41 II e; Soergel-Ballerstedt, (10. Aufl.) Rn. 15 Vor § 459; Süss, S. 55) anzusehen, mögen Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Pflicht des Verkäufers zur fehlerfreien Lieferung haben, da sie zwar einerseits das Äquivalenzinteresse des Austauschvertrags anerkennen, andererseits aber die sich aus diesem Äquivalenzinteresse ergebende notwendige Pflicht zur Fehlerfreiheit gerade nicht zum Vertragsinhalt zählen wollen. Die Gewährleistungstheorie bereitet aber nicht nur Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Pflicht, sondern überzeugt auch in der Sache nicht. Wenn man bedenkt, daß die Parteien nach dem Grundsatz der Privatautonomie im Kaufvertrag selbst festlegen können, welche Beschaffenheit die Sache bei Gefahrübergang haben soll, und dem gemäß Abweichungen von dieser ausgemachten Beschaffenheit Grund und Auslöser der Sachmängelhaftung sind, kann die Leistung einer dieser Abmachung nicht entsprechenden Sache nicht als Vertragserfüllung angesehen werden (so Soergel-Huber, Rn. 170 Vor § 459). 66 Da diese Leistungspflicht zur mangelfreien Lieferung bei einer mangelhaften Speziessache aber nicht durchgesetzt werden kann, handelt es sich um eine unentwickelte Pflicht, so zutreffend Rust, S. 47 f. 67 Rust, S. 49. 68 So trifft den Verkäufer zwar die Pflicht, die Ware zu untersuchen, sorgfältig auszusuchen, aufzubewahren und den Käufer auf Mängel hinzuweisen. Waren die Mängel aber vom Verkäufer nicht erkennbar, kann diesem auch kein Sorgfaltspflichtverstoß vorgeworfen werden. Ist der Verkäufer gleichzeitig Hersteller, muß er die Herstellungsstoffe untersuchen und bei der Anfertigung die erforderliche Sorgfalt beachten - trotzdem sind aber noch Mängel denkbar, die nicht auf einem Sorgfaltspflichtverstoß beruhen (Rust, S. 49.).

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nes Schadensersatzanspruchs nur bei Verschulden eintreten könnten, die andere Partei sich aber auch bei fehlendem Verschulden ihres Partners bei Leistungsstörungen von dem Vertrag lösen könnte. Dieses Prinzip wird bereits im wesentlichen innerhalb der einzelnen Leistungsstörungstatbestände des BGB verfolgt - wenn auch teilweise dadurch modifiziert, daß der Vertrag kraft Gesetzes wegfällt. Zur Vermeidung der gezeigten Schwächen wäre jedoch eine konsequente Umsetzung erforderlich.

2. Der Kommissionsentwurf a) Rücktrittsgründe Der KE faßt die nach dem BGB bestehenden Rücktrittsrechte in § 323 BGB-KE in einer zentralen, für alle Pflichtverletzungen aus Verträgen geltenden Norm zusammen. Damit soll eine einheitliche Regelung für den Rechtsbehelf der Vertragsaufhebung erzielt werden. 69 Hinsichtlich der Rechtsfolgen verweist § 323 BGBKE nicht auf eine entsprechende Anwendung der §§ 346 ff. BGB-KE, vielmehr ist § 346 BGB-KE sowohl im Fall des vertraglichen als auch des gesetzlichen Rücktritts direkt anwendbar. Dadurch bezweckt die Kommission, die mit einer entsprechenden Anwendung möglicherweise verbundene Unsicherheit und Unklarheit zu vermeiden. 70 Gem. § 323 I 1 BGB-KE ist der Rücktritt bei einer Pflichtverletzung aus einem gegenseitigen Vertrag grundsätzlich zulässig, wenn erfolglos eine Nachfrist gesetzt wurde, aufgrund derer der andere Teil mit dem Rücktritt rechnen mußte. Ein Verschulden ist zur Begründung des Rücktrittsrechts nicht erforderlich. Damit lehnt sich der KE bei der Normierung der Rücktrittsvoraussetzungen an das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge im internationalen Warenkauf 71 an. So können nach Art. 49 I lit a, 64 I lit a CISG Käufer und Verkäufer die Vertragsaufhebung erklären, wenn der Vertragspartner eine wesentliche Vertragsverletzung („fundamental breach") gem. Art. 25 CISG begangen hat. Während das UN-Kaufrecht das Prinzip beinhaltet, daß bei einer wesentlichen Vertragsverletzung grundsätzlich sofort die Vertragsauflösung erklärt werden kann und Zweifel über die erforderliche Schwere des Vertragsbruchs dadurch ausgeräumt werden können, daß nach ergebnislosem Ablauf einer vom Gläubiger gesetzten Nachfrist von einer wesentlichen Vertragsverletzung ausgegangen wird (Art. 47 I oder Art. 63 CISG), geht der KE von dem Grundsatz aus, daß bei Pflichtverletzungen dem Schuldner zunächst immer eine Nachfrist zu setzten ist, die aber in bestimmten Fällen, in denen sie etwa aussichtslos oder nicht sachgerecht ist, entfällt. 72 Da69 Abschlußbericht, S. 163. 70 Abschlußbericht, S. 184. 71 Mit Inkrafttreten des CISG am 1.1. 1991 wurde das EKG abgelöst. 72 Vgl. Schlechtriem, ZEuP 1993, 217, 235.

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durch ist in der Sache keine Änderung beabsichtigt, nach dem Kommissionsmitglied Schlechtriem 73 dürften sich die Ergebnisse „nicht wesentlich unterscheiden, denn die in § 323 Π KE geregelten Fälle der Entbehrlichkeit einer Nachfrist würden nach UN-Kaufrecht regelmäßig solche eines 'fundamental breach' sein, während in den durch § 323 ΙΠ KE geregelten Fällen eines Ausschlusses des Rücktrittsrechts auch ein 'fundamental breach' nicht anzunehmen wäre." Dadurch, daß der KE sich in den Rücktrittsvoraussetzungen an das UN-Kaufrecht anpaßt, ist eine Vereinheitlichung mit dem UN-Kaufrecht bezweckt. In Orientierung am einheitlichen Kaufrecht hat Huber 74 in seinem Reformentwurf ein Rücktrittsrecht bei wesentlicher Vertragsverletzung vorgeschlagen.

b) Begriff der „Pflichtverletzung" als zentrale Voraussetzung des Rücktritts Die Kommission hat sich für den Begriff der Pflichtverletzung als zentrale Voraussetzung für die Vertragsauflösung entschieden.75 Das Merkmal der „Pflichtverletzung" verlangt nur den objektiven Verstoß gegen eine Pflicht 76 ; welche Pflicht verletzt wird, ist gem. Abs. 1 unerheblich. Dieser Begriff wurde gewählt, um den Begriff der Unmöglichkeit, den die Kommission als Zentraltatbestand des geltenden Leistungsstörungsrechts ansieht, abzulösen. Der Begriff der Unmöglichkeit sei zu eng, so daß er nicht alle Fallgruppen erfasse; Unmöglichkeit trete zum einen selten auf und zum anderen nur bei bestimmten Schuldverhältnissen.77 Durch den Begriff der Pflichtverletzung werden die einzelnen Störungstatbestände des BGB zusammengefaßt, und es sollte ein zentrales, generell „Pflichtverletzungen" sanktionierendes Rücktrittsrecht geschaffen werden.

aa) Vereinheitlichung

durch den Begriff der „ Pflichtverletzung

Damit faßt der KE die verschiedenartigen Leistungsstörungstatbestände des BGB unter einen einheitlichen Störungstatbestand zusammen. Die historisch be73 ZEuP 1993, 217, 236. 74 Huber, Gutachten „Leistungsstörungen" §§ 326, 326 a, ferner 326 c I 3, 326 d usw., S. 677 f., 832 ff. 75 Nach dem Wortlaut des § 323 I 1 BGB-KE muß es sich bei der verletzten Pflicht um eine Pflicht aus einem gegenseitigen Vertrag handeln. Bei einer einseitigen Leistungsverpflichtung, bei der die Leistungspflicht zwar besteht, der Schuldner die Leistung aber nicht erbringen kann, besteht an einer Aufhebung des Schuldverhältnisses durch den Gläubiger kein Bedarf. Da der Gläubiger seinerseits zu keiner Leistung verpflichtet ist, kann er den nutzlosen Anspruch einfach auf sich beruhen lassen, ohne daß ihm aus dem theoretischen Fortbestand des Schuldverhältnisses Nachteile erwachsen. 76 Abschlußbericht, S. 29, III 1 a). 77 Abschlußbericht, S. 16.

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dingte Sonderstellung des Gewährleistungsrechts entfällt nach dem KE, statt dessen werden die Sachmängelansprüche des Käufers durch die Pflicht zur sachmangelfreien Verschaffung (§ 434 BGB-KE) in das allgemeine Leistungsstörungsrecht eingefügt, begrifflich wird die Bezeichnung „Wandelung" durch „Rücktritt" ersetzt (vgl. § 439 BGB-KE). Die Zusammenfassung hat den Vorteil, daß gleiche Regeln anwendbar sind, gleichgültig ob Stück- oder Gattungskauf vorliegen. 78 Ebenso entfällt aufgrund der einheitlichen Regelung (§§ 439,434 BGB-KE) die folgenschwere Abgrenzung 79 zwischen Sach- und Rechtsmängeln. Die verschiedenen Vertragstypen werden einander angepaßt. §§ 637 und 439 BGB-KE sind fast wortgleich, dadurch soll eine Vereinheitlichung von Kauf-/Tausch- und Werkverträgen erreicht werden. Auch bei Schlechterfüllung von Leistungspflichten und Verletzung von Sorgfaltspflichten aus einem gegenseitigen Vertrag (nach h.M. die Fallgruppen der positiven Forderungsverletzung), besteht nach dem KE das Rücktrittsrecht des § 323 BGB-KE, sofern die Pflichtverletzung nicht unerheblich im Sinne von § 323 I I I Nr. 1 BGB-KE ist. So entfallen schwierige Konkurrenzen zu Unmöglichkeit und Verzug und zum Gewährleistungsrecht. Im Leistungsstörungsrecht wird die Geltendmachung des Rücktritts dadurch vereinfacht, daß zunächst nicht mehr so strikt wie nach dem BGB nach der Art der Leistungsstörung und insbesondere auch der Art der Unmöglichkeit unterschieden werden muß. Die Differenzierung danach, ob die Störung subjektiver oder objektiver Natur, vorübergehend oder dauerhaft, verschuldet oder unverschuldet ist, vor oder nach Vertragsschluß eintritt, entfällt zunächst - bei Störungen im Austauschverhältnis kann der Gläubiger immer unter den Voraussetzungen des § 323 BGBKE zurücktreten. Dadurch, daß zunächst bestimmte Abgrenzungskriterien vernachlässigt werden können, besteht bei Vorliegen einer Pflichtverletzung Klarheit über die grundsätzliche Zubilligung des Rücktrittsrechts. Auch die Tatsache, daß § 454 BGB von der Kommission nicht übernommen wurde, ist zu begrüßen. Damit reagiert die Kommission zum einen auf Kritik an dieser Regelung, die als „rechtspolitisch verfehlt" 80 angesehen wird, weil der Verkäufer, der dem Käufer besonders großes Vertrauen entgegenbringt, benachteiligt wird. Weiterhin trägt die Kommission durch die Abschaffung dieser Vorschrift der Tatsache Rechnung, daß § 454 BGB wenig praktische Relevanz entfaltet, da sich der Verkäufer in aller Regel das Eigentum vorbehält, damit die Verbindung von Eigentumsübertragung und Kaufpreiszahlung gerade nicht aufhebt und gem. § 455 BGB 8 1 weiterhin zurücktreten kann. 78 Abschlußbericht, S. 195. 79 Die Abgrenzung ist deshalb so folgenschwer, weil Ansprüche wegen Sachmängeln nach dem BGB nach 6 Monaten verjähren, Ansprüche wegen Rechtsmängeln hingegen erst nach 30 Jahren. so MK-Westermann, § 454 Rn. 1; ebenso Erman-Weitnauer (7. Aufl.), § 454 Rn. 1; RG JW 1915, 1190 f.:,Ausnahmevorschrift"; Staudinger-//on^//, § 454 Rn. 2.

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bb) Vergrößerung des Anwendungsbereichs des Rücktrittsrechts durch Erweiterung auf Tatbestände, bei denen das Schuldverhältnis nach dem BGB kraft Gesetzes aufgehoben wird oder nichtig ist Vom Begriff der „Pflichtverletzung" werden auch die Sachverhalte erfaßt, die bisher unter den Begriff der anfänglichen objektiven Unmöglichkeit fallen. Da nach dem Vorschlag der Kommission § 306 BGB gestrichen werden soll, ist ein Vertrag, der auf eine objektiv unmögliche Leistung gerichtet ist, zunächst wirksam. Eine Vertragsaufhebung durch Rücktritt soll dann die fehlende Nichtigkeit kompensieren. Der Schuldner kann den Erfüllungsanspruch des Gläubigers durch Einrede gem. § 275 BGB-KE abwehren, diesem steht dafür das Rücktrittsrecht, bei Verschulden zusätzlich ein Schadensersatzanspruch zu. Weiterhin wird nach dem Vorschlag der Kommission § 323 BGB gestrichen. Aufgrund der Lösung des Rücktrittsrechts vom Verschulden kann auch in den Fällen nachträglicher objektiver oder subjektiver Unmöglichkeit der Leistung, die vom Schuldner nicht zu vertreten ist, der Gläubiger vom Vertrag zurücktreten. Die Auflösung des Vertrags tritt in diesen Fällen nicht mehr ipso iure ein, vielmehr muß der Gläubiger den Rücktritt vom Vertrag gem. § 323 BGB-KE erklären. Der Gläubiger wird auf jeden Fall bei nachträglicher, nicht zu vertretender Unmöglichkeit der Leistung den Rücktritt vom Vertrag erklären, da im Falle nicht zu vertretender Leistungsstörungen kein Schadensersatzanspruch gewährt wird, und daher das Interesse des Gläubigers immer dahin gehen wird, sich von dem Vertrag zu lösen. Die Rechtsfolgen der Aufhebung des Vertrags nach § 323 BGB und § 323 BGB-KE unterscheiden sich; haftet der Schuldner gem. § 323 I I I BGB für die Herausgabe einer bereits erbrachten Gegenleistung nur nach Bereicherungsrecht, haftet er nach dem KE gem. § 346 BGB-KE 8 2 in Höhe des vollen Wertersatzes. Damit wird das Nebeneinander der Rückabwicklung nach Rücktritts- und Bereicherungsrecht bei der Aufhebung von Verträgen je nach Art der Unmöglichkeit abge81 Während § 455 BGB als Auslegungsregel klarstellt, daß der Verkäufer bei Zahlungsverzug des Käufers sofort vom Vertrag zurücktreten kann, kommt der Nachfolgevorschrift des § 449 BGB-KE eine etwas andere Funktion zu, indem sie festlegt, daß der Verkäufer seinen Eigentumsvorbehalt nur durch Rücktritt verwirklichen kann. Nach dem BGB bleibt dem Verkäufer sein dinglicher Herausgabeanspruch gem. § 985 BGB erhalten, was nach h.M. im Fall der Verjährung der gesicherten Forderung bedeutsam ist, da angenommen wird, daß die Verjährung einen Verzug beende, dadurch das Rücktrittsrecht aus § 326 BGB entfalle, und der Verkäufer nur unter analoger Anwendung des § 223 I, II BGB sein Eigentum gem. § 985 BGB herausverlangen könne (BGHZ 34, 198 ff.; BGHZ 70, 96, 98 ff.; Dilcher, JuS 1979, 331, 334; Medicus, BR, Rn. 294). Die Tatsache, daß die Kommission gem. §§ 449 II 2,223 II 2 BGB-KE klarstellt, daß die Herausgabe der Sache auch dann verlangt werden kann, wenn der gesicherte Anspruch verjährt ist, ist zu begrüßen - dadurch wird die nach dem BGB der h.M. vorzuziehende Auslegung umgesetzt, daß trotz Verjährung der Kaufpreisforderung das Rücktrittsrecht nicht entfällt (vgl. Eisenhardt, JuS 1970,489,492). 82 Als einziger Befreiungstatbestand kommt zu seinen Gunsten lediglich § 346 III Nr. 2 Alt. 2 BGB-KE in Betracht, also die Situation, daß der Schaden beim Gläubiger gleichfalls eingetreten wäre.

I. Rücktrittsvoraussetzungen

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schafft. 83 Die Tatsache, daß sich die Rückabwicklung einheitlich nach Rücktrittsrecht richten soll, verdient Zustimmung, da die Rücktrittsregeln der Situation besser gerecht werden als ein Bereicherungsausgleich. 84

cc) Schließung von nach dem BGB bestehenden Schwebezuständen durch den Begriff der „Pflichtverletzung" Durch die von der Kommission vorgenommene Lösung des Rücktrittsrechts vom Verschuldenserfordernis gelingt es, nach dem B G B bestehende Schwebezustände zu schließen. I m Falle nicht zu vertretender Leistungsverzögerung kann der Gläubiger ebenso zurücktreten wie bei nicht zu vertretendem anfänglichem Unvermögen des Schuldners. Die Regelung des K E hat den Vorteil der Vollständigkeit; sie erfaßt alle Fallgruppen. Indem die Kommission den Rücktritt vom Verschulden löst, bringt sie „eine i m Gesetz selbst angelegte Entwicklung zum Abschluß". 8 5 A u f ein Verschulden kann es für die Begründung des Rücktrittsrechts nicht ankommen - vielmehr ist zu fragen, wie lange es dem Gläubiger zugemutet werden kann, am Vertrag festzuhalten, wovon nach erfolglosem Ablauf einer angemessenen Nachfrist nicht mehr ausgegangen werden kann. Darüber hinausgehend wird an verschiedenen Stellen auf eine entsprechende Anwendung des § 323 B G B - K E verwiesen 8 6 oder auf §§ 346 ff. B G B - K E 8 7 ohne einen damit verbundenen Rücktritt. « Ein weiteres Rücktrittsrecht ergibt sich aus § 306 BGB-KE. Durch § 306 BGB-KE soll die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzlich normiert werden. Nach Abs. III soll der benachteiligte Teil, wenn eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar ist, vom Vertrag zurücktreten dürfen (dazu Nauen, § 17 III 2.). Ein Verweis auf §§ 346 ff. BGB-KE fehlt zwar, jedoch enthält der Entwurf nach Ansicht der Kommission für das Rücktrittsrecht wegen Fehlens oder Wegfalls der Geschäftsgrundlage keine Sondervorschriften, vielmehr seien grundsätzlich die §§ 346 ff. BGB-KE anwendbar. Trotzdem hält die Kommission es nicht für ausgeschlossen, daß im Anwendungsbereich des § 306 BGB-KE die Rechtsfolgen der Vertragsauflösung im Einzelfall abweichend von den §§ 346 ff. BGB-KE festgelegt werden können, sofern dies zur Erreichung eines angemessenen Interessenausgleichs geboten erschiene (Abschlußbericht, S. 184). Die Rückabwicklung eines Vertrags bei Fehlen der Geschäftsgrundlage über Rücktrittsrecht und nicht über Bereicherungsrecht ist zu begrüßen, da bei der Störung der Geschäftsgrundlage das Geschäft nur den veränderten Bedingungen angepaßt wird, nicht jedoch als solches wegfällt. Dies spricht für die Annahme einer Umwandlung des Vertrages in ein Rückgewährschuldverhältnis und gegen die Anwendung von Bereicherungsrecht. 84 Vgl. § 2 1 La). 85 Jakobs, Nichterfüllung, S. 35,50. 86 Nach dem Vorschlag der Kommission wird der bisherige § 321 BGB, der den Fall der Vermögensverschlechterung regelt, durch die Unsicherheitseinrede gem. § 321 BGB-KE ersetzt. Danach kann ein Vorleistungspflichtiger die ihm obliegende Leistung verweigern, wenn nach Abschluß des Vertrags erkennbar wird, daß sein Anspruch auf die Gegenleistung durch mangelnde Leistungsfähigkeit gefährdet wird. Wenn der andere Teil auf die Einrede weder die Gegenleistung erbringt noch Sicherheit für sie leistet, kann der Vorleistungspflichtige un-

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§ 2 Rücktrittsvoraussetzungen und Funktion, Verhältnis zum Schadensersatz c) Kritik am Begriff der „Pflichtverletzung"

Zu untersuchen ist jedoch, ob die hier aufgezeigten Vorzüge - Lösung des Rücktrittsrechts vom Verschuldenserfordernis, Vollständigkeit, Vereinheitlichung und gleiche Regeln der Rückabwicklung - die Zusammenfassung der Leistungsstörungstatbestände des B G B unter den Begriff der „Pflichtverletzung" rechtfertigen und inwiefern die Einführung der „Pflichtverletzung" als zentralem Merkmal Unklarheiten und Nachteile mit sich bringt.

aa) Dogmatische Untersuchung des Begriffs

der Pflichtverletzung

Der Begriff der „Pflichtverletzung" 8 8 wurde in Anlehnung an die positive Forderungsverletzung übernommen, nach Aussage des Abschlußberichts 89 beruht das Leistungsstörungsrecht des K E auf einer Weiterentwicklung und Verallgemeinerung der Grundsätze über die Haftung wegen positiver Forderungsverletzung. Da der Ausgangspunkt der Staub'schen Lehre von einer Haftungslücke i m B G B 9 0 schon abzulehnen ist, kann auch diese Fortbildung im K E nicht überzeugen. Das Abstellen auf den Begriff der „Pflichtverletzung" ist keine überzeugende Lösung, weil die Kommission die Zweiteilung in Schutz- und Erwerbsansprüche ter entsprechender Anwendung des § 323 BGB-KE vom Vertrag zurücktreten. Nach dem BGB bleibt diese Frage offen, jedoch begründet der Bundesgerichtshof ein Rücktrittsrecht des Vorleistungspflichtigen nach § 242 (BGHZ 11, 80, 88). 87 Dies gilt für die Rückforderung einer bereits erbrachten Leistung im Rahmen des Schadensersatzanspruchs (§ 283 III 2 BGB-KE), für die Rückgewähr eines mangelhaften Gegenstands oder Werks im Rahmen der Nacherfüllung (§§ 438 IV, 635 IV BGB-KE) und eine Rückgewähr im Rahmen der Minderung (§§ 440 IV 2, 638 IV 2 BGB-KE), wenn mehr als der geminderte Preis gezahlt wurde. 88 Huber hatte in seinem Gutachten „Leistungsstörungen" als zentralen Begriff den der „Nichterfüllung" vorgeschlagen. Gem. § 275 I BGB Huberscher Reformentwurf haftet der Schuldner, wenn er seine Verbindlichkeit nicht erfüllt, „insbesondere indem er die geschuldete Leistung nicht zur bestimmten Zeit oder nicht in der nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses geschuldeten Art und Weise bewirkt oder indem er einer Unterlassungspflicht zuwiderhandelt (Nichterfüllung)." Die Kommission hat diesen Begriff aus Angst vor Mißverständnissen nicht übernommen, weil mit „Nichterfüllung" nach dem BGB und in der Umgangssprache nur der Fall gemeint sei, daß die geschuldete Leistung entweder ganz oder zumindest teilweise auf Dauer ausbleibe (Abschlußbericht, S. 130 VI 2.). Ähnlich kritisierte bereits vorher Diederichsen (AcP 182 [1982], 101, 119), daß der Ausdruck „Nichterfüllung" sprachlich überall dort nicht passe, wo es um die Verletzung von Schutz- und Verhaltenspflichten gehe. Wirklich ist der Begriff der „Nichterfüllung" nicht passend, da nur Leistungspflichten erfüllt oder nicht erfüllt werden können, Huber aber offensichtlich gerade unter seinen Begriff die Verletzung von Schutzpflichten fassen möchte, da § 275 Huberscher Reformentwurf die Haftung des Schuldners betrifft, und eine Haftung immer nur aus der schuldhaften Verletzung von Schutzpflichten erwachsen kann. Abschlußbericht, S. 30. 90 Vgl. §21. 1. b) aa) Fn. 21.

I. Rücktrittsvoraussetzungen

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vernachlässigt hat. 91 Statt zwischen der Nichterfüllung von Leistungspflichten und der schuldhaften Schutzpflichtverletzung zu unterscheiden, faßt der KE beide Tatbestände unter den Begriff der Pflichtverletzung zusammen, der jedoch von einem Sorgfaltspflichtverstoß noch streng zu trennen ist. 92 Dadurch ist die Zusammenfassung von Fällen der Nichterfüllung der Leistungspflicht und der Verletzung von Schutzpflichten überhaupt erst möglich. 93 Über das Kriterium des Verschuldens differenziert die Kommission im Ergebnis aber doch wieder zwischen zu vertretenden und nicht zu vertretenden Pflichtverletzungen, so daß letztlich eine ähnliche Einteilung wie nach Leistungs- und Schutzpflichten erfolgt. 94 Die Kommission setzt richtig um, daß an die schlichte Nichterfüllung einer Leistungspflicht kein Schadensersatzanspruch geknüpft werden kann, deshalb macht sie Schadensersatzansprüche von der zusätzlichen Voraussetzung des Verschuldens in § 2801 2 BGBKE abhängig. Ein Schadensersatzanspruch wird also auch nach dem KE nur bei schuldhaften Schutzpflichtverletzungen gewährt. Da Unmöglichkeit und Verzug als eigene Tatbestände aufgehoben werden, schafft die Kommission §§ 280 II, 283 I, II BGB-KE als neue Umschalttatbestände für den Übergang vom Primär- zum Sekundäranspruch. Grundsätzlich muß daher eine Frist gesetzt werden, die aber bei offensichtlicher Erfolglosigkeit 95 oder nach einer Interessenabwägung entfallen kann. Besteht die Leistung in der Rückgewähr eines bestimmten Gegenstands, ist neben der Fristsetzung ein Interessefortfall erforderlich. Vom Ergebnis ist die Regelung des KE insoweit nicht zu beanstanden. Nicht verständlich sind jedoch die begrifflichen Anstrengungen, die die Kommission unternimmt. Die Kommission entscheidet sich mit dem zentralen Merkmal der „Pflichtverletzung" für einen Begriff, der vom Wortsinn indiziert, daß eine schuldhafte Schutzpflichtverletzung gemeint ist, da sprachlich korrekt nur Schutzpflichten verletzt werden, während Leistungspflichten erfüllt werden oder nicht. 96 Entgegen 91 Vgl. Kley, § 6 II. 1.: „Durch die Gleichstellung von Nichterfüllung und Pflichtverletzung versucht der Kommissionsentwurf zwei unterschiedliche Konzepte zu vermischen." Ähnlich Nauen, § 10 III. 1.; Pohlmann, § 1 I. 5; Kuhlmann, § 4 VI., X. 92 Nach Schlechtriem (ZEuP 1993, S. 217, 222) besagt die Pflichtverletzung „nichts über Schuld und Verantwortung des Schuldners, sondern bezeichnet nur ein Abweichen vom gesetzlich oder vertraglich festgelegten Pflichtenprogramm für den Schuldner". 93 Vgl. auch Abschlußbericht, S. 30 III 1 c. 94 Auch wenn Rust (S. 64) darauf hinweist, daß der Begriff der Pflichtverletzung eine doppelte Bedeutung habe, und zwar eine erfolgsbezogene und eine verhaltensbezogene, ändert dies nichts an der Tatsache, daß eine Unterscheidung von vorneherein in Leistungs- und Schutzpflichten nicht nur begrifflich klarer, sondern auch in der Sache überzeugender gewesen wäre. 95 Hiermit ist u. a. Unmöglichkeit gemeint. An dieser Stelle zeigt sich, daß die im BGB enthaltenen verschiedenen Leistungsstörungstatbestände ebenfalls im KE - wenn auch verdeckt - wieder auftauchen, dazu bb). 96 Ausdrücklich betont der Abschlußbericht (S. 30, III 1 c), daß es nicht darauf ankomme, „ob der Schuldner eine Haupt- oder eine Nebenpflicht, eine Leistungs- oder eine Schutzpflicht verletzt hat...". Entsprechende Kritik äußern Pohlmann, § 1 I. 5.; Nauen, § 10 III. 1., Kley, § 6 II. 1.; Kuhlmann, § 4 VI., X.

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2 Rücktrittsvoraussetzungen und Funktion, Verhältnis zum Schadensersatz

diesem Umstand soll aber ebenso die verschuldensunabhängige Nichterfüllung der Leistungspflicht von dem gewählten Begriff umfaßt werden, was an sich gar nicht nötig ist, weil die Kommission diese so mühsam zu erreichende Vereinheitlichung anschließend doch wieder über das Kriterium des Verschuldens auflöst und zeigt, daß es sich um zwei zu trennende Tatbestände handelt.97 Sachgerechter wäre es, direkt in Schutz- und Leistungspflichten zu unterteilen und eigenständige Regelungen für diese Bereiche zu schaffen. Dadurch könnte man auf Strukturen und Grundprinzipien des BGB zurückgreifen und auf diesen aufbauend die dargestellten Schwächen des BGB beheben. Der Begriff der Pflichtverletzung im KE ist daher kritisch zu betrachten - angesichts dieser Schwierigkeiten wird man kaum von einer dogmatischen Vereinfachung durch den KE sprechen können.

bb) Übernahme der Differenzierungskriterien auch in den KE

des BGB

Weiterhin ist zu beachten, daß die Störungstatbestände des BGB von der Kommission häufig nur scheinbar aufgelöst werden, da die entscheidenden Differenzierungsmerkmale lediglich in andere Tatbestandsmerkmale eingekleidet oder auf die Rechtsfolgenseite verschoben werden. Die vorgenommene tatbestandliche Ausweitung des § 323 BGB-KE durch den Oberbegriff der Pflichtverletzung wird dadurch wieder eingeschränkt, daß gem. § 323 I I und ΠΙ BGB-KE doch ähnlich wie nach dem BGB nach Art der verletzten Pflicht, Störungsart und Störungsfolge differenziert wird. Die Situation stellt sich also wie folgt dar: zwar werden zunächst die im BGB verstreuten und an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpften Rücktrittsrechte zusammengefaßt unter die zentrale Rücktrittsnorm des § 323 I BGB-KE mit dem gemeinsamen Element der „Pflichtverletzung", dabei wird die Reichweite des Rücktrittsrechts noch erweitert. Innerhalb des § 323 BGB-KE jedoch werden viele der nach dem BGB bestehenden Unterscheidungen wieder bedeutsam. Auch der KE kommt nämlich nicht an der Tatsache vorbei, daß es eben unterschiedliche Störungsfälle gibt, die einer unterschiedlichen Behandlung bedürfen. So werden verschiedene tragende Differenzierungen des BGB nach dem KE innerhalb des § 323 Abs. 2 - 4 BGB-KE in den sonstigen Voraussetzungen wieder aufgegriffen.

Flume (ZIP 1994, 1497) kritisiert ebenfalls am Begriffder Pflichtverletzung, daß dieser auf eine Verletzung, also eine Handlung des Verpflichteten hindeute und somit auf ein Verhaltensunrecht als Haftungsgrund hinweise. Kritisch Ernst (JZ 1994, 801, 805): „Für das Vorliegen einer Pflichtverletzung soll - im Bruch mit dem allgemeinen Begriffsverständnis - der Störungsfall im objektiven Sinn genügen." 97 Treffend Schapp (JZ 1993, S. 637, 640): „Alles konzentriert sich in den zu engen und damit von der Kommission überdehnten Begriff der Pflichtverletzung."

I. Rücktrittsvoraussetzungen

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(1) Ausnahmen vom Fristsetzungserfordernis gem. § 346 I I BGB-KE Deutlich wird diese Tatsache zum einen beim Erfordernis der Fristsetzung bzw. dessen Entbehrlichkeit gem. § 323 II BGB-KE. Grundsätzlich ist die Geltendmachung des Rücktritts gem. § 323 I BGB-KE an die erfolglose Setzung einer Nachfrist, aufgrund derer der Schuldner mit dem Rücktritt rechnen mußte, gebunden. Kommt diese nicht in Betracht, hat eine Abmahnung zu erfolgen. Diese Erfordernisse entfallen aber in den in Abs. II aufgezählten Fällen. Im Ergebnis wird dadurch hauptsächlich ein neues Fristsetzungserfordernis bei Rücktritten wegen Sachmängeln eingeführt, bei denen bislang keine Fristsetzung erforderlich ist, ansonsten übernimmt der KE weitgehend die Regelung des BGB. In den Fällen, in denen nach dem BGB gem. § 325 BGB zurückgetreten werden kann, bedarf es natürlich auch nach dem KE keiner Frist oder Abmahnung, da eine Fristsetzung bei objektiv unmöglicher Leistung offensichtlich zwecklos ist. Der Ausnahmetatbestand des § 323 Π Nr. 1 BGB-KE, der Tatbestand der offensichtlichen Erfolglosigkeit, trägt diesem Umstand Rechnung. Neben Unmöglichkeit soll der Ausnahmetatbestand der offensichtlichen Erfolglosigkeit Fälle des absoluten Fixgeschäfts, der ernsthaften Erfüllungsverweigerung nach Fälligkeit und der unüberwindbaren Leistungserschwerung (wirtschaftliche Unmöglichkeit) erfassen, ebenso Fälle vorübergehender Unmöglichkeit, wenn offensichtlich ist, daß sie innerhalb angemessener Frist nicht behoben sein wird. 98 Im Falle des Verzugs (§ 326 BGB, der auch beim Rücktritt wegen Rechtsmangels Anwendung findet) bedarf es sowohl nach dem BGB als auch dem KE einer Fristsetzung. Die in § 326 I 1 BGB vorausgesetzte Ablehnungsandrohung wird nach dem KE gem. § 323 I 1 BGB-KE durch das Erfordernis ersetzt, daß der Schuldner aufgrund der Fristsetzung mit dem Rücktritt rechnen mußte. Im Ergebnis wird der Rücktritt dadurch erschwert, weil dies oft fraglich sein wird angesichts der Tatsache, daß der Käufer alternativ bei Verschulden des Verkäufers Schadensersatz und bei Mängeln Minderung wählen kann. Im Fall des einfachen Fixgeschäfts 99 greift der Ausnahmetatbestand des § 323 II Nr. 2 BGB-KE, wonach bei terminlicher Bindung der Leistung die Fristsetzung oder Abmahnung entfällt. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, daß eine pünktliche Leistung besonders vereinbart wurde. Im Sachmängelrecht macht sich das neue Fristsetzungserfordernis hingegen deutlich bemerkbar, da bisher keine Fristsetzung erforderlich ist und neben der Befreiung von der Fristbestimmung bei fehlgeschlagener Nacherfüllung gem. § 439 I I BGB-KE lediglich 100 der äußerst unklare Ausnahmetatbestand des § 323 II Nr. 3 98 Abschlußbericht, S. 168. 99 Etwa § 376 HGB. 100 Daneben ist natürlich auch im Sachmängelrecht ein Fixkauf denkbar. Da der KE dem Verkäufer neben der Nachbesserung auch die Nachlieferung gewährt, ist Unmöglichkeit wohl 4 Herold

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2 Rücktrittsvoraussetzungen und Funktion, Verhältnis zum Schadensersatz

B G B - K E in Frage kommt, wonach aus besonderen Gründen unter einer Interessenabwägung das Fristsetzungserfordernis entfallen k a n n . 1 0 1 Das Fristerfordernis soll dem anderen Teil Nachbesserung oder Nachlieferung ermöglichen. 1 0 2 Anhand des Fristsetzungserfordernisses oder dessen Entbehrlichkeit kommen der Sache nach also wichtige Störungstatbestände des BGB wieder zum Tragen. 1 0 3 Damit trägt die Kommission dem Umstand Rechnung, daß aus tatsächlichen Gründen eben verschiedene Maßstäbe vorgegeben sind, je nachdem, ob das Leistungshindernis vorübergehender oder endgültiger Natur ist, und daß die Intentionen der Parteien und der Stellenwert, den sie terminlich gebundener Leistung erteilen, zu berücksichtigen sind. A n dieser Stelle zeigt sich, daß die von der Kommission angestrebte Vereinfachung durch die Zusammenfassung der im BGB größtenteils einzeln normierten Störungstatbestände unter den Begriff der Pflichtverletzung allenfalls teilweise erreicht wird, da auf einen Rückgriff auf Differenzierungskriterien nach Feststellung der Pflichtverletzung nicht verzichtet werden k a n n . 1 0 4

nur bei nicht vertretbaren Sachen und dort insbesondere bei Individualabweichungen denkbar (vgl. Rust, S. 126). 101 Rust (S. 127 ff.) weist darauf hin, daß diese Alternative nach den Erläuterungen des Abschlußberichts zu § 323 BGB-KE als Auffangtatbestand konzipiert ist (nach dem Abschlußbericht (S. 169) soll sie etwa Fälle des § 326 II BGB erfassen), während in den Ausführungen zu § 439 I BGB-KE davon ausgegangen wird, daß der Käufer bei Alltagsgeschäften häufig ein berechtigtes Interesse am sofortigen Rücktritt haben wird und insoweit auf die Anwendbarkeit des § 323 II Nr. 3 BGB-KE verwiesen wird. Dieser Widerspruch zeigt, welche Probleme die Kommission bei der Zusammenfassung der vielgestaltigen Regelungen des BGB unter die Norm des § 323 BGB-KE hat. 102

Ausführlich zum Nacherfüllungsrecht des Verkäufers Rust, § 5 I. 1., S. 104 ff. Nach Ansicht der Kommission liegt das Recht des Verkäufers zur Nachbesserung „zumeist im Interesse beider Vertragsparteien" (Abschlußbericht, S. 214; ähnlich S. 215 f.). Wenn dies jedoch wirklich so wäre, müßte dieses Recht nicht eigens normiert werden. Hinter der Einführung des Nachbesserungsrechts steht wohl vielmehr die Überlegung, daß dem Verkäufer eine Chance eingeräumt werden soll, Rechtsbehelfe des Käufers durch Nacherfüllung abzuwenden. An sich sollte es aber darum gehen, den Gläubiger eines gestörten Vertrags durch Zubilligung von Rechtsbehelfen zu schützen und nicht die „störende" andere Partei vor der Wahrnehmung dieser Behelfe. Für den Käufer selbst ist kein Vorteil ersichtlich. Wenn er direkt den Vertrag aufheben will, muß er sich zunächst auf eine unsichere Nacherfüllung einlassen, und erst wenn diese fehlgeschlagen ist, kann er zurücktreten. Eine einmalige Vertragsverletzung durch den Verkäufer reicht also nicht dazu aus, daß der Käufer sich wie ehedem vom Vertrag lösen kann, vielmehr muß der Verkäufer zweimal seiner Vertragspflicht nicht nachgekommen sein. Für den Käufer bedeutet dies natürlich einen unter Umständen erheblichen Zeitverlust. 103 So auch Diederichsen, AcP 182 [1982], 101, 120 : „Die klassischen Rechtsinstitute der Leistungsstörung sind auch in einem zukünftigen Schuldrecht unverzichtbar." 104 Zweifelnd auch Grunsky (AcP 182 [1982], 453,459) zum Huberschen Reformentwurf, dessen Zweifel der Sache nach aber genauso auf den KE zutreffen: „Fraglich erscheint jedoch, ob man damit die in Teilbereichen erreichte Präzision aufgeben soll. Überdies kann auch Huber nicht darauf verzichten, etwa die nicht rechtzeitig erbrachte Leistung (d. h. den Verzug des Schuldners) besonders zu regeln. Mahnung und Fristsetzung sollen nicht etwa entfallen. Damit fragt sich, welchen Fortschritt es bedeutet, den Terminus 'Verzug' aus dem Gesetz zu verbannen."

I. Rücktrittsvoraussetzungen

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(2) Ausschlußgründe gem. § 323 III BGB-KE Weitere Differenzierungskriterien des BGB sind auch in den Ausschlußgründen des Abs. ΠΙ ersichtlich. Die aufgezählten Ausschlußgründe sollen der Tatsache Rechnung tragen, daß nicht jegliche Pflichtverletzung zum Rücktritt berechtigen kann. So soll das Rücktrittsrecht entfallen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist (§ 323 III Nr. 1 BGB-KE). 1 0 5 Unter unerheblichen Pflichtverletzungen versteht die Kommission unerhebliche Schlechterfüllung oder geringfügige Nebenpflichtverletzungen. Die §§ 323, 325, 326 BGB betreffen jeweils nur synallagmatische Hauptpflichten, die hierin ausgesprochene Wertung möchte die Kommission durch das Erheblichkeitskriterium berücksichtigen. 106 Weiterhin greift das Merkmal der Erheblichkeit das Erfordernis des § 459 I 2 BGB auf, wonach ein zur Wandelung berechtigender Fehler nicht unerheblich sein darf. Für die Bestimmung des Merkmals der Erheblichkeit ist nicht die Art der verletzten Pflicht, sondern der Grad der Verletzung entscheidend, wobei § 459 I 2 BGB eine Auslegungshilfe bietet. 107 Zusätzlich ist nach Ansicht der Kommission eine Pflichtverletzung regelmäßig auch nach Fristablauf erheblich. 108 Das Merkmal der Erheblichkeit ist daher mit dem Rechtsbehelf der Nacherfüllung verknüpft; dies ist einleuchtend, wenn man sich klarmacht, daß ein Verkäufer aus wirtschaftlichem Interesse geringe Mängel beheben wird, bei schwerwiegenden Mängeln lieber Minderung, Rücktritt oder Schadensersatzbegehren des Käufers hinnimmt. Wenn der Verkäufer sich objektiv interessewidrig verhält und auch bei geringen Mängeln nicht nachbessert, ist er nicht schutzwürdig. Auch in diesem Falle erscheint ein Rücktritt gerechtfertigt, immerhin hätte der Verkäufer den Rücktritt mit wenig Anstrengung abwehren können. 109 Bei Nebenpflichtverletzungen, die in § 241 II BGB-KE erstmals kodifiziert sind, wird der Rücktritt bei Zumutbarkeit der Pflichtverletzung für den Gläubiger ausgeschlossen, § 323 ΠΙ Nr. 2 BGB-KE. An dieser Stelle wurde das für den Rücktritt aufgrund positiver Forderungsverletzung hinzugezogene Zumutbarkeitskriterium übernommen. 110 105 Für die anderen Rechtsbehelfe (Schadensersatz bei Verschulden und bei Mängeln Minderung) sieht der KE keinen vergleichbaren Ausschlußtatbestand vor (anders als etwa § 459 I 2 BGB im Sachmängelrecht), auch die unerhebliche Pflichtverletzung wird also sanktioniert. Die Tatsache, daß der Rücktritt ausgeschlossen ist, ist angesichts der weitreichenden Folgen gerechtfertigt. 106 Abschlußbericht, S. 167. 107 Überzeugend dargelegt von Rust, S. 154 f. io» Abschlußbericht, S. 166. 109 Vgl. Rust, S. 155 f. no Auch nach dem KE bleiben Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Schutzpflichtverletzungen und der Nichterfüllung der Leistungspflicht zur mangelfreien Verschaffung bestehen, die sich in dem Punkte äußern, ob eine Beziehung der Kaufsache zur Umwelt eine Beschaffenheit darstellt oder nicht. Bejaht man diese Frage, liegt ein Rücktrittsausschluß

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§ 2 Rücktrittsvoraussetzungen und Funktion, Verhältnis zum Schadensersatz

Ist der Gläubiger allein oder überwiegend verantwortlich für die Pflichtverletzung, entfällt sein Rücktrittsrecht ebenfalls (§ 323 ΙΠ Nr. 3 BGB-KE). Die Regelung des § 3241 1 BGB soll insoweit ausgeweitet und vom Tatbestand der Unmöglichkeit auf alle Pflichtverletzungen erstreckt werden. 111 Diese eigentlich selbstverständliche, fast überflüssig erscheinende Regelung zeigt, wie groß der Bedarf an Eingrenzung nach der Zusammenfassung unter den Nenner der Pflichtverletzung ist - sogar Selbstverständlichkeiten müssen eigens betont werden. Weiterhin kann das Rücktrittsrecht durch das Geltendmachen von Einreden ausgeschlossen werden, nicht jedoch durch die Einrede des § 275 BGB-KE (durch die der Schuldner sich von der Pflicht, unmögliche oder unzumutbare Verträge durchzuführen, befreien kann), da diese Fälle Hauptanwendungsfälle des Rücktritts sind. Auch Abs. III zeigt damit, daß ein völliger Verzicht auf die dem BGB zugrundeliegenden Differenzierungen nicht möglich und wohl auch nicht angestrebt ist. Die Unterscheidung zwischen Verzug, endgültiger Nichterfüllung, positiver Forderungsverletzung und Gewährleistungshaftung ist eben nicht erst durch das Gesetz, sondern durch die tatsächlichen Begebenheiten vorgegeben. 112 Es ist nicht möglich, einen derart umfassenden Generaltatbestand zu schaffen, der nicht inhaltlich doch letztlich wieder auf die im BGB herausgebildeten Einzeltatbestände zurückgreift. 113

cc) Rechtfertigung

des gesetzgeberischen Aufwands

Die Umstellung des BGB, die die Kommission durch die Einführung der Pflichtverletzung" als zentralem Merkmal vorschlägt, wäre mit einem erhebligem. § 323 III Nr. 1 BGB-KE bei Unerheblichkeit vor, bei Verneinung hingegen ist der Rücktritt gem. § 323 III Nr. 2 BGB-KE bei Zumutbarkeit ausgeschlossen. Rust (S. 160, zu diesem Problemkreis ab S. 157 ff.) schlägt deshalb für das Begriffspaar Sachbeschaffenheit/Umweltbeziehung vor, nicht zwischen Erheblichkeit der Pflichtverletzung und Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag zu differenzieren, vielmehr die Zumutbarkeit daran zu messen, in welchem Grad sie entsprechend der Wertung des § 459 I 2 BGB beeinträchtigt ist. m Abschlußbericht, S. 170. 112 Ernst, JZ 1994, S. 801, 805. h 3 Ähnlich Rust, S. 62: „Es wird deutlich, daß das von der Kommission gewählte Instrument des einheitlichen Haftungstatbestands der Pflichtverletzung nur oberflächlich gesehen ein zusammenhängendes und geschlossenes System des allgemeinen Leistungsstörungsrechts gewährleistet" und Ernst, JZ 1994, S. 801, 805: „Zusammenfassung inkommensurabler Tatbestände" und „der vorgesehene Grundtatbestand führt nicht [ . . . ] zu einer stimmigen Vereinfachung. Er beseitigt nicht die Unterschiede zwischen den verschiedenen Störungsfällen, er verdeckt sie nur, indem er alle Störungsfälle unterschiedslos als Pflichtverletzung bezeichnet." Weiterhin kritisch Stürner, DNotZ 1993, Sonderheft, S. 106: „Nach dem Kommissionsentwurf kommt die differenzierende Erwägung zu den unterschiedlichen Unmöglichkeitstatbeständen weiter hinten, der Einstieg ist derselbe. Nach altem Recht stehen die differenzierenden Erwägungen vorne. Aber man kann die Sachgesetzlichkeit, die zur Differenzierung zwingt, sicher durch kein Gesetz beseitigen."

II. Verhältnis des Rücktritts zum Schadensersatz

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chen gesetzgeberischen Aufwand verbunden. Der Kommissionsvorsitzende Rolland 114 geht zu Recht davon aus, daß der Entwurf einen „tiefen Einschnitt in das überkommene System" darstellen würde. Dieser große Aufwand ist insoweit wieder in Frage zu stellen, als nach dem BGB bestehende und in jahrzehntelanger Praxis entwickelte Differenzierungen zu großen Teilen als von der Natur der Sache vorgegeben in anderen Tatbestandsmerkmalen oder auf der Rechtsfolgenseite der Pflichtverletzung auch nach dem KE wieder auftauchen. 115 Mit entsprechenden Änderungen und Klarstellungen einzelner Vorschriften könnte man möglicherweise auch die nötige Vereinfachung und Vervollständigung des Gesetzes erreichen. 116 Zur Schließung der Lücke bei nicht zu vertretender Leistungsverzögerung und anfänglichem Unvermögen könnte etwa festgestellt werden, daß auch bei nicht zu vertretenden Leistungsstörungen ein Rücktrittsrecht begründet ist. 1 1 7 Weiterhin könnten gleiche Regeln für die Rückabwicklung angeordnet werden. Damit wäre der grundlegende Reformbedarf gedeckt, ohne daß das ganze System geändert werden müßte.

II. Verhältnis des Rücktritts zum Schadensersatz Möglicher Grund, aus dem sich der Gläubiger für einen Rücktritt entscheiden könnte, ist, daß er seine eigene Sache zurückerhalten möchte. Dies gibt ihm zum einen Sicherheit, wenn der andere Teil zahlungsunfähig ist. Es kann sich aber auch herausgestellt haben, daß er ein schlechtes Geschäft gemacht hat oder daß seine eigene Leistung zum Zeitpunkt des Rücktritts mehr wert ist als die Gegenleistung 118 , weshalb es für ihn günstig ist, seine Sache zurückzuerhalten. Hat er hingegen ein gutes Geschäft gemacht oder ließ sich seine Sache schlecht veräußern, wird ihm zumindest dann, wenn der Schuldner liquide ist, nicht daran liegen, seine Sache zurückzuerhalten. Neben dem Hauptanliegen des Rücktrittsberechtigten, nämlich dem Interesse an der Rückerlangung der seinerseits geleisteten Sache, können aber noch verschie114 NJW 1992, S. 2377, 2380. h 5 Ähnlich Rust (S. 66), der Korrekturen oder einzelne Ergänzungen des BGB vorschlägt. 116 Ähnlich Ernst (JZ 1994, S. 2177, 2180): „Es geht nicht um Rechtsreform, sondern um Klarstellung, um eine Angleichung des Gesetzestextes an die Rechtspraxis, die durch Einschaltung einzelner Vorschriften leicht zu bewerkstelligen ist." 117 Jakobs (Gesetzgebung im Leistungsstörungsrecht, S. 57) schlägt vor, dem § 326 BGB einen Abs. III hinzuzufügen, wonach das Rücktrittsrecht begründet ist, wenn der eine Teil nach Fristsetzung gem. Abs. I aus einem von ihm nicht zu vertretenden Umstand vorübergehend an der rechtzeitigen Leistung gehindert ist. 118 Beispiel: Jemand hat Ware für 1500 DM gekauft und vorausbezahlt, muß aber nach Verzug des Lieferanten erkennen, daß der Wert der Ware auf 1000 DM gefallen ist. Er erleidet also durch den Verzug nur einen Nichterfüllungsschaden von 1000 DM, durch den Rücktritt hingegen erlangt er seine 1500 DM zurück.

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§ 2 Rücktrittsvoraussetzungen und Funktion, Verhältnis zum Schadensersatz

dene Forderungsposten entstehen, an deren Ersatz der Berechtigte interessiert sein kann. Diese Forderungsposten lassen sich danach unterteilen, ob sie das Erfüllungsinteresse, das Vertrauensinteresse oder das Integritätsinteresse betreffen. So werden Schäden an anderen Gütern des Gläubigers als des Kaufgegenstands selbst vom Integritätsinteresse erfaßt. Entgangener Geschäftsgewinn, Verzugsschäden oder Schäden, die dadurch entstanden sind, daß der Gläubiger die Sache nicht nutzen konnte, fallen unter das positive Interesse, die Preiserhöhung eines ausgeschlagenen gleichwertigen Kaufgegenstands unter das negative Interesse. Rückabwicklungskosten wie Gutachterkosten, Anwaltshonorare oder Kosten für etwaige Wegstrecken betreffen sowohl das positive als auch das negative Interesse. Vertragsaufwendungen, die im Vertrauen auf eine ordnungsgemäße Durchführung des Vertrags gemacht wurden und nun durch die Rückabwicklung des Kaufvertrags nutzlos wurden, sind eigentlich Teil des negativen Interesses, die Rechtsprechung stellt aber bei Aufwendungen zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken eine Rentabilitätsvermutung dahingehend auf, daß der Käufer derartige Aufwendungen durch den Vorteil der erwarteten Leistung wieder eingebracht haben würde. 119 Welche dieser Posten der Gläubiger trotz Rücktritts geltend machen kann, wird im folgenden näher zu behandeln sein.

1. BGB a) Rücktritt und Schadensersatz, gerichtet auf das positive Interesse Nach dem BGB stehen sich Rücktritt und Schadensersatz wegen Nichterfüllung grundsätzlich alternativ gegenüber. Gem. §§ 325 1 1, 3261 2 BGB kann der andere Teil „Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder von dem Vertrage zurücktreten", gleiches gilt gem. § 440 I BGB für den Rücktritt wegen Rechtsmangels und den Rücktritt wegen pFV 1 2 0 , dagegen kann im Sachmängelrecht der Käufer nur bei Zusicherung oder Arglist unter den Voraussetzungen des § 463 BGB „statt der Wandelung oder der Minderung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen". Eine Ausnahmeregelung von der grundsätzlichen Alternativität von Vertragsaufhebung und Schadensersatz besteht jedoch in § 467 S. 2 BGB für die Wandelung, wonach der Verkäufer dem Käufer im Falle der Wandelung auch die Vertragskosten 121 zu ersetzen hat, weiter bei der Kündigung von Dauerschuldverhältnissen.122 π* BGHZ 57, 80; 71, 238; 114, 196; NJW 91, 2708. Zu den einzelnen Posten siehe auch Muscheler, AcP 187 [1987], 343 ff. 120 Staudinger-Offo, § 325 Rn. 35. 121 Diese betreffen zwar grundsätzlich das negative Interesse (vgl. auch Erman-Weitnauer, (7. Aufl.) § 467 Rn. 9), nach der Rentabilitätsvermutung der Rechtsprechung (BGHZ 57, 80) jedoch auch das positive Interesse. 122 Vgl. § 628 II BGB für Dienst- und Arbeitsverhältnisse, § 651 f I BGB im Reisevertragsrecht sowie § 89 a II HGB für den Handelsvertretervertrag. Vgl. hierzu § 2 II. 1. a) bb) (2).

II. Verhältnis des Rücktritts zum Schadensersatz

aa) Entstehungsgeschichtlicher

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Hintergrund

Die Alternativität von Rücktritt und Schadensersatz ist auf entstehungsgeschichtliche Gründe zurückzuführen. Nachdem von den Gesetzgebern der Rücktritt als eigener Rechtsbehelf und nicht mehr lediglich als besondere Form des Schadensersatzes wie noch im Gemeinen Recht ausgestaltet worden war 1 2 3 , beschloß die erste Kommission - wohl auch, um den Rücktritt von der Schadensersatzpflicht noch weiter zu emanzipieren 124 - die Kumulierung von Rücktritt und Schadensersatz aufzuheben. Die Kommission ging davon aus, daß man „zwischen dem Rücktrittsrechte und dem aus dem Vertrage entspringenden Ansprüche auf Schadensersatz einen inneren Widerspruch erblicken [müsse], denn einmal bilde das Rücktrittsrecht den Gegensatz zu dem Rechte auf Schadensersatz und müsse daher, wenn es gewährt werde, jeden Anspruch auf Schadensersatz ausschließen, sodann solle der Rücktritt die Betheiligten in die Lage setzen, als wenn der Vertrag nicht geschlossen sei ( . . . ) , sei also höchstens mit einem Anspruch auf das negative Vertragsinteresse, nicht aber mit dem aus dem Vertrage entspringenden Anspruch auf Erfüllung desselben - sei es durch Naturalerfüllung, sei es durch Schadensersatz - vereinbar". 125 Allein der Schadensersatz wurde damit als Fortsetzung des Vertrags mit anderen Mitteln angesehen, während man davon ausging, daß der Rücktritt den Vertrag beseitigte und mit ihm Vertragsgrundlage und Vertragspflichten entfielen. Nach damaliger Vorstellung glaubte man, die „Wiederherstellung des früheren Zustands" mittels der gemeinrechtlichen Figur der auflösenden Bedingung erreichen zu können, die dem Vertrag als eine zusätzliche Abrede „von außen" zugefügt wurde und ihn daher ganz beseitigte. 126 Durch die Auflösung aller Vertragspflichten durch den Rücktritt konnten diese nach damaliger Auffassung nicht mehr Rechtsgrundlage für Schadensersatzforderungen sein. Damit war zwar einerseits der Rücktritt eindeutig als eigene Rechtsfigur anerkannt worden, andererseits aber auch jegliche Verbindung des Rücktritts zum Schadensersatz aufgehoben worden. bb) Heutiges Verständnis

von Rücktritt

und Schadensersatz

Mittlerweile geht man überwiegend in Anschluß an Stoll 1 2 7 und Wolf 1 2 8 nicht mehr davon aus, daß der Rücktritt den Vertrag ex tunc vernichtet 129 , sondern daß 123 Vgl. § 21 1 b) bb). 124 Vgl. Jakobs, Nichterfüllung, S. 35,53. 125 Prot. I, S. 1138. 126 Dies geht ausdrücklich aus den Beratungen zum ADHGB hervor, vgl. Prot. ADHGB III, 1402: „Daran, daß dem Verkäufer das Recht eingeräumt werde, einfach vom Vertrage abzugehen, das ist zu erklären, daß er die Sache so angesehen wissen wolle, als wenn der Vertrag gar nicht geschlossen gewesen, gleich als ob eine Erlöschensklausel verabredet worden wäre...". Vgl. ausführlich zur Bedingungskonstruktion Leser, S. 138 ff. und S. 18 ff. 127 Rücktritt, S. 9 ff., insbes. S. 19 und 21 ff. 128 AcP 153 [1954] S. 97, 105 ff.

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2 Rücktrittsvoraussetzungen und Funktion, Verhältnis zum Schadensersatz

das Schuldverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wird, wodurch der Vertrag als „Organismus" 130 bestehen bleibt. 131 Durch die Befreiung von den beiderseitigen unerfüllten Leistungsansprüchen wird nicht der Vertrag als ganzes aufgehoben sondern bleibt in inhaltlich veränderter Form bestehen. Die mit dem Vertrag begründeten Schutzpflichten bestehen damit auch nach dem Rücktritt fort, aus diesem Grunde ist an sich weiterhin eine Rechtsgrundlage für Schadensersatzforderungen gegeben. Auch heute werden jedoch die beiden Ziele, also beim Rücktritt die Rückabwicklung und beim Schadensersatz die Versetzung der berechtigten Partei in die Lage, als sei ordnungsgemäß erfüllt worden, noch vielfach als unvereinbar gesehen, die gemeinsame Funktion als Abwicklungsbehelf wird vielfach noch nicht genügend erkannt. Hat ein Unkundiger voreilig den Rücktritt erklärt, obwohl er auch noch einen Schaden zu liquidieren hat, hilft die Rechtsprechung, indem sie seine Erklärung großzügig als Schadensersatzverlangen deutet. 132 Derartige, teils schwer nachvollziehbare „Auslegungen" sind nicht nötig, wenn man richtigerweise davon ausgeht, daß das ius variandi des Gläubigers nicht schon durch Ausübung des Rücktrittsrechts endet, sondern erst, sobald sich der andere Teil auf die durch den Rücktritt erzeugte Rechtslage eingestellt hat. 133

(1) Einbeziehung wichtiger Rücktritts Wirkungen in die Berechnung des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung Aber auch wenn Rücktritt und Schadensersatz nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht kumulativ geltend gemacht werden dürfen und deshalb neben einem Rücktritt nicht noch Ersatz des Erfüllungsinteresses verlangt werden kann, tritt im Endeffekt eine Kombination der beiden Behelfe innerhalb des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung in wichtigen Fallgruppen ein. Der Zurücktretende darf nicht neben Rücktritt gleichzeitig Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, wohl aber seinen Schadensersatzanspruch so gestalten, daß wichtige Rücktrittswirkungen in ihm enthalten sind. 129 Dies wurde vor allem früher so gesehen, vgl. Enneccerus/Lehmann, § 38 II, PlanckSiber, Vorbem. zu § 346 Anm. 1 b; RGZ 109, 184, 186, teilweise finden sich auch heute noch entsprechende Ansätze, vgl. Staudinger-Otfo, § 325 Rn. 33; BGH, NJW 1982, 1279, 1280. no Die Vorstellung, daß der Begriff des Schuldverhältnisses im Sinne eines Organismus zu verstehen ist, geht auf Siber zurück, vgl. Planck-Siber, Vorb. Zu Recht der Schuldverhältnisse, Bd. 2, S. 3, 4 b.

131 Ausführlich § 3 I. 1, vgl. insoweit Stoll, Rücktritt, S. 9 ff., insbes. S. 19 und 21 ff., Wolf, AcP 153 [1954], S. 97, 105 ff., Leser, S. 157 ff.; Medicus, BR, Rn. 660; Palandt-Heinrichs, Rn. 2 vor § 346. ι 3 2 BGH NJW 88, 2878. Bei dem „Unkundigen" kann es sich durchaus auch um einen Rechtsanwalt handeln. 133 Ausführlich hierzu § 3 IV 1. b) cc).

II. Verhältnis des Rücktritts zum Schadensersatz

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Hat der Gläubiger seinerseits seine Leistung noch nicht erbracht, kann er den Schadensersatz nach der Differenztheorie ermitteln. Die Differenztheorie berücksichtigt bei der Ermittlung des Schadens, daß der Leistungsaustausch nicht mehr wie geplant - vollzogen werden kann. An Stelle der beiderseitigen Leistungspflichten tritt ein einseitiges, am Erfüllungsinteresse ausgerichtetes Abrechnungsverhältnis, innerhalb dessen die einzelnen Ansprüche nur noch unselbständige Rechnungsposten sind. 134 Ebenso wie beim Rücktritt tritt für den Gläubiger Befreiungswirkung von unerfüllten Leistungspflichten ein. Hat er die Leistung oder einen Teil der Leistung bereits erhalten, kann er diese dem Verkäufer zur Verfügung stellen und den durch die Nichterfüllung des ganzen Vertrags entstandenen Schaden verlangen 135 , insoweit hat der Käufer also das Recht, eine empfangene Leistung zurückzugeben und stattdessen Schadensersatz zu verlangen. 136 Damit sind Rücktrittselemente im Schadensersatz bei der Berechnung nach der Differenztheorie enthalten. Hat der Gläubiger bereits geleistet, besteht seine Leistung aber in Geld, kann er diesen Betrag als Mindestschaden geltend machen. Er kann zwar nicht die von ihm erbrachte Geldleistung als solche zurückfordern, wohl aber einen Geldbetrag in gleicher Höhe als Mindestbetrag seines Schadens.137 Durch die Anrechnung einer Geldleistung als Mindestschaden wird ein weiteres Rücktrittselement in den Schadensersatz integriert. 134 Staudinger-Ottö, § 325 Rn. 37; RGZ 50, 255, 264 ff.; BGHZ 87, 156,158 f. 135 H. M., etwa RGZ 52, 355; BGHZ 29, 148; Palandt-Pu/zo, § 463 Rn. 19; Erman -Weitnauer (7. Aufl.), Rn. 45 a Vor § 459. 136 Für die Rückgewähr der empfangenen Leistung gelten dabei Rücktrittsregeln, dies ergibt sich aus §§ 325 I 2, 326 I 3 BGB, wobei auch sach- oder rechtsmangelhafte Leistungen als teilweise Erfüllung gem. §§ 280 II, 286 II 2 BGB anzusehen sind (vgl. Erman -Weitnauer (7. Aufl.), Rn. 45 a Vor § 459, § 440 Rn. 14 f.; Köhler, S. 399; Glaß, S. 146, 148). 137 Palandt-Heinrichs, § 325 Rn. 15; BGH NJW 1982, 1279, 1280; BGH NJW-RR 1988, 420, 421; RGZ 89, 123, 125; Erman-Weitnauer (7. Aufl.), § 440 Rn. 15. Weitnauer (Vertragsaufhebung, S. 95) weist darauf hin, daß der Verkäufer nicht geltend machen könne, daß der Schadensersatz deshalb entfalle, weil der Käufer auch bei ordnungsgemäßer Lieferung sein Geld bei der Verwertung der Kaufsache nicht herausbekommen hätte. Zur Verdeutlichung beruft sich Weitnauer auf eine Entscheidung des RG (RGZ JW 1913, 595 = Gruch Betr. 57 (1913) S. 593) mit folgendem (vereinfachten) Sachverhalt: Ein Bauplatz war für 50.000 DM verkauft worden, der Käufer hatte eine Anzahlung von 4.000 DM geleistet. Nachdem der Verkäufer mit der Auflassung in Verzug geraten war, der Käufer vergeblich eine Nachfrist mit Ablehnungsandrohung gesetzt hatte, verlangte er Schadensersatz i.H.v. 14.000 DM, weil das Grundstück in Wirklichkeit 60.000 DM betrage und er außerdem seine Anzahlung ersetzt haben wollte. Weil sich im Prozeß herausstellte, daß das Grundstück höchstens 45.000 DM wert war, wandte der Verkäufer ein, daß der Käufer durch die Nichterfüllung, selbst unter Berücksichtigung seiner Anzahlung, keinerlei Schaden erlitten habe. Das RG hat diese Einwendung nicht zugelassen und den Verkäufer zur Rückzahlung der 4.000 DM verurteilt. Daran zeigt sich, daß das RG mit dieser normativen Fassung des Schadensbegriffs eine „Lücke" geschlossen hat, welche ansonsten im BGB entstände. Das Verlangen des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung kann also im Ergebnis eine dem Rücktritt sehr nahekommende Wirkung haben.

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2 Rücktrittsvoraussetzungen und Funktion, Verhältnis zum Schadensersatz

Hat der Gläubiger bereits geleistet, hat jedoch eine Übereignung noch nicht stattgefunden, etwa weil sich der Verkäufer das Eigentum vorbehalten hat, kann der Gläubiger sein Eigentum gem. § 985 BGB zurückfordern und den kleinen Schadensersatz in Höhe der Differenz geltend machen.138 Die Möglichkeit der Rückforderung einer unter Eigentumsvorbehalt geleisteten Sache stellt ein weiteres Rücktrittselement im Rahmen des Schadensersatzanspruchs dar. Festzuhalten ist, daß es in den aufgezeigten Fällen für den Gläubiger günstiger ist, Schadensersatz zu verlangen. Die bisher genannten Rücktrittsfunktionen kann der Gläubiger unzweifelhaft auch im Rahmen des Schadensersatzanspruchs geltend machen, dessen Wirkungen sich insoweit als über die des Rücktrittsrechts hinausgehend erweisen, weil neben diesen typischen Rücktrittselementen verbleibende Schäden ersetzt werden. Deshalb gilt nach Leser der Rücktritt auch als „beschränkter Behelf 4 . 1 3 9 Im Gegensatz zu diesem „beschränkten Behelf 4 steht der Schadensersatz wegen Nichterfüllung als „umfassender Behelf 4. Bei der Berechnung des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung können viele Einzelvorgänge erfaßt werden, darunter die meisten - wenn auch nicht alle - Einzelfunktionen des Rücktritts. Im Gegensatz zum Schadensersatz, der den Schadensersatzgläubiger „schadlos" stellen soll und ihm die an den Vertrag geknüpften Erwartungen ersetzt, kennzeichnen den Rücktritt grundsätzlich gleiche Pflichten für beide Parteien. Es kommt nicht per se zu einer Besserstellung des Rücktrittsberechtigten, was etwa durch die Tatsache, daß beide Parteien Nutzungen zu vergüten haben, deutlich wird. Wenn der Gläubiger sich daher für Rücktritt entscheidet, befriedigt er dadurch nur sein Minimalinteresse, sich vom Vertrag zu lösen, auf vollen Ersatz hingegen verzichtet er. Damit sich der Gläubiger für Rücktritt entscheidet, muß dieser andere Vorteile bieten. Nach Leser hat der Rücktritt als beschränkter Behelf nur dann Daseinsberechtigung, wenn er als Gegengewicht für den Verzicht auf das Erfüllungsinteresse eine möglichst klare und übersichtliche Berechnung und schnelle Handhabung gewährleistet. 140 Angesichts der vielen Streitigkeiten, die um die §§ 346 ff. BGB bestehen, könnte dies fraglich sein. Jedoch ist der Hinweis von Kipp 1 4 1 zu bedenken, wonach die Ausübung des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung voraussetzt, daß der Gläubiger bereit ist, sich auf ein Beweisverfahren über die Werte beider Leistungen einzulassen. Wenn er das nicht wolle, könne er durch die Rücktrittserklärung jede Diskussion abschneiden und einfach seine Leistung behalten bzw. zurückfordern. Insofern sind an die Durchsetzbarkeit des Rücktritts also geringere Anforderungen gestellt. 138 RGZ 141, 259, 261.; BGHZ 87, 156, 159; BGH WM 1983, 418 f.; a.A. Niederländer, in: FS Wahl, S. 248 ff. 139 User, S. 146. 140 User, S. 147. 141 Kipp, Gutachten für den 27. Deutschen Juristentag, Verhandlungen des 27. Deutschen Juristentages, Bd. 1 (1904), S. 284.

II. Verhältnis des Rücktritts zum Schadensersatz

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(2) Einbeziehung der Rückforderung einer Sachleistung in die Berechnung des Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung Damit verbleibt der Fall, daß der Gläubiger eine bereits erbrachte Sachleistung zurückerhalten und außerdem eine Differenz ersetzt haben möchte. Nach h.M. ist ihm dieser Weg versperrt, weil das Gesetz nur die Wahl zwischen Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder Rücktritt lasse. Die h.M. hält es letztlich für nicht vereinbar, den Vertragstreuen Gläubiger wertmäßig so zu stellen, als sei ordnungsgemäß erfüllt worden, während dieser sich seinerseits vom Vertrag abwenden und seine Vorleistung herausverlangen kann. Tatsächlich stellt sich die Frage, ob dies nicht eine völlig ungerechtfertigte Bevorteilung darstellt. Zur Verdeutlichung des Problems ein Beispielsfall: 142 Im Rahmen eines Pferdetauschgeschäfts hat A einen Schimmel (Wert: 5000 DM) und Β einen Rappen (Wert: 6000 DM) zu leisten. Β überfordert den Rappen schuldhaft im Training, so daß dieser stirbt. Hat A den Schimmel noch nicht übereignet, hat er die Wahl, ob er den Schimmel noch leisten möchte und nach der Surrogationstheorie 6000 DM Schadensersatz verlangen möchte, oder nach der Differenztheorie den Schimmel behalten und 1000 DM Schadensersatz bekommen möchte. Hat A hingegen den Schimmel bereits übereignet, bekommt er das positive Interesse, also die 6000 DM, nur nach der Surrogationstheorie. Nun kann allerdings die Situation eintreten, daß dieser nur auf Geld gerichtete Anspruch A nichts nützt, etwa weil Β nicht liquide ist oder weil beide Tiere einzigartige Turnierpferde sind, von denen A, wenn er schon nicht den Rappen bekommt, wenigstens den Schimmel zurückbekommen möchte. Es ist auch denkbar, daß A nur deshalb den Schimmel hergegeben hat, weil er anders den Rappen nicht bekommen konnte. Nach h.M. kann A in diesem Falle den Schimmel nur über den Weg des Rücktritts zurückerlangen. Dann bekommt er allerdings die 1000 DM, die ihm eigentlich der Tausch als gutes Geschäft eingebracht hätte, nicht. Dieses Beispiel zeigt, daß durchaus ein berechtigtes Interesse an einer Verbindung von Rücktritt und Schadensersatz bestehen kann, insbesondere dann, wenn kein Behelf für sich wirklich dem Schutzinteresse des Gläubigers gerecht wird. Verlangt A Schadensersatz (also die 6000 DM), bekommt er ja nicht eigentlich das, was er als Gegenleistung für seine eigene Leistung haben wollte (nämlich dieses bestimmte Pferd). Durch den Schadensersatz wird zwar die gleiche Vermögenslage hergestellt, wie sie sich im Falle der Erfüllung ergeben hätte, aber das spezifische Austauschinteresse - gegen den Schimmel den Rappen zu erhalten bleibt unbefriedigt, weil es ja nicht mehr erfüllt werden kann. Infolgedessen erscheint es aber nicht als gerechtfertigt, daß A an seiner Leistung festgehalten wird, um wenigstens sein Vermögensinteresse zu befriedigen. 143 142 Dieser Fall ist angelehnt an Staudinger-Ofto, § 325 Rn. 41. 143 Vgl. auch Larenz, SchR AT § 221 a), mit dem Beispiel des Tauschs eines Flügels gegen eine antike Vase.

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2 Rücktrittsvoraussetzungen und Funktion, Verhältnis zum Schadensersatz

Die Rückforderungsmöglichkeit des Leistungsgegenstands von der dinglichen Rechtslage abhängig zu machen, vermag hingegen nicht vollständig zu überzeugen, weil der Zusammenhang mit der Leistungsstörung eher zufällig zu sein scheint. Wenn man davon ausgeht, daß ein Eigentümer eine zwar versprochene, aber noch ihm gehörige Sache nach Eintritt einer Leistungsstörung nicht mehr übereignen muß, ist nicht wirklich einzusehen, wieso eine bereits erfolgte Übereignung die Rückforderung hindern sollte. Erfährt A fünf Minuten, bevor er den Schimmel übereignen wollte, daß Β den Rappen zu Tode geritten hat, darf er den Schimmel behalten und die 1000 DM liquidieren, zehn Minuten später hingegen muß er sich zwischen den Behelfen entscheiden.144 Gegen das Argument der h.L., daß es sich nicht vertrage, den Gläubiger wertmäßig so zu stellen, als sei ordnungsgemäß erfüllt worden, während sich dieser seinerseits vom Vertrag abwenden und seine Vorleistung herausverlangen könne, läßt sich einwenden, daß der entscheidende Schritt in diese Richtung bereits eine Stufe vorher durch die Differenztheorie erfolgte. Konsequenterweise dürfte der Gläubiger nach der h.L. auch eine noch nicht erbrachte Leistung nicht behalten dürfen. Das läßt sich auch am Beispielsfall zeigen. Hat A noch nicht geleistet, bekommt er völlig problemlos 1000 DM, wenn er sich entscheidet, den Schimmel zu behalten. Es kann aber vom Ergebnis keinen Unterschied machen, ob A den Schimmel von Anfang an behält oder zunächst abgibt und später zurückerhält. Nach h.L. wird gerade der Gläubiger, der ordnungsgemäß geleistet hat und es mit der eigenen Erfüllung besonders ernst genommen hat, benachteiligt.145 Hinter der Differenztheorie steht der Gedanke, daß derjenige, der in zu vertretender Weise den Vertrag nicht erfüllt, seine Rechte aus diesem verliert. Konsequent müßte man dazu auch eine Vorleistung zählen. 146 Damit führt die Einbeziehung der Rückforderung einer Vorleistung in den Schadensersatzanspruch lediglich die Entwicklung fort, die mit der Berechnung des Schadensersatzanspruchs nach der Differenztheorie begonnen wurde. Des weiteren überzeugt auch das Argument nicht, daß sich die Ziele von Rücktritt und Schadensersatz nicht vereinbaren ließen. Während der Rücktritt auf die Wiederherstellung des status quo ante gerichtet ist, soll durch den Schadensersatz der Berechtigte so gestellt werden, als sei ordnungsgemäß erfüllt worden. Bei der Rückerstattung einer Vorleistung im Rahmen des Schadensersatzes geht es aber nicht primär um die Wiederherstellung eines vorher bestehenden Zustands, son144 Ähnlich Huber, JZ 1984, S. 409, der am Fall eines Rücktritts vom Grundstückskauf darauf hinweist, daß der Rücktritt immer noch der sicherere Behelf ist, will der Verkäufer sein Grundstück zurückerhalten, daß sich der Rücktritt aber als Kunstfehler erweise, wenn sich die Eintragungsunterlagen für das Grundbuch bei Ablauf der Nachfrist noch in der Hand des Notars und nicht des Käufers befinden. Dann könne nämlich der Verkäufer den Eigentumserwerb des Käufers durch Widerruf des dem Notar erteilten Auftrags verhindern und zusätzliche Schäden liquidieren. 145 Harst, S. 162, 163; Kisch, S. 118 f. 146 Harsî, S. 163.

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dem darum, die gleiche Situation wieder herzustellen, die bei beiderseits noch nicht erbrachten Leistungen bestehen würde, um auf dieser Basis die Schadensersatzberechnung vorzunehmen. 147 Ähnlich wie die Erbringung der eigenen Leistung nach der modifizierten Differenztheorie kann die Rückforderung eine tatsächliche Voraussetzung für die Schadensliquidation sein, die Rückgewähr der Sache mindert den Schaden nicht anders als im Falle der Rückforderung aufgrund Eigentums. 148 Die Rückforderung der eigenen Leistung bietet dem Schadensersatzgläubiger erhebliche Vorteile: statt sich einen Titel über die Schadensersatzforderung verschaffen zu müssen und dann in die gelieferte Sache zu vollstrecken, kann er die Sache direkt zurücknehmen und auf seinen Schadensersatzanspruch anrechnen. Aus Gründen der Einheitlichkeit für die Rückgewähr der erbrachten Leistungen sollten auch für die Rückgewähr im Rahmen des Schadensersatzes Rücktrittsregeln gelten. 149 Dann wäre auch das Institut Rücktritt als solches nicht völlig bedeutungslos neben dem Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Die Tatsache, daß bei Dauerschuldverhältnissen schon immer ein Nebeneinander von Schadensersatz und Kündigungsmöglichkeit herrscht, zeigt, daß die Kumulierung von Rücktrittswirkungen und Schadensersatz nicht systemwidrig ist. Eine Schadensersatzverpflichtung neben einer Kündigung normiert § 628 Π BGB für Dienst- und Arbeitsverhältnisse, § 651 f. I BGB im Reisevertragsrecht sowie § 89 a I I HGB für den Handelsvertretervertrag ausdrücklich, sie gilt nach h.M. für vorfristige Auflösung aller Dauerschuldverhältnisse. 150 Zwar hat die Kündigung nur eine ex-nunc Wirkung, wodurch der Vertrag bis zum Kündigungszeitpunkt unbeeinträchtigt bestehen bleibt. Dennoch steht die Kündigung dem Rücktritt sehr nahe, nur sind die Wirkungen auf die Zukunft beschränkt. Deshalb sollte man auch die Rückwirkungen des Rücktritts nicht überschätzen. Heute geht man nicht mehr von einer Beseitigung des Schuldverhältnisses aus, sondern von einer Umgestaltung 1 5 1 , bei der der Vertrag als „Organismus" 152 bestehen bleibt. Genauso wie also neben der Kündigung, die ja auch den Vertrag beendet und den Gläubiger befreit, Schadensersatzansprüche auf das positive Interesse bestehen können, müßten diese durch den Rücktritt nicht ausgeschlossen sein. Vermutlich ist die Tatsache, die die h.L. am meisten stört, die, daß auf diese Weise praktisch alle Rücktrittselemente in die Berechnung des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung einzubeziehen sind. Dadurch wird die gesetzlich angeord147

Weitnauer, Vertragsaufhebung, S. 97; Harst, S. 162. Weitnauer, Vertragsaufhebung, S. 97. M So auch Erman- Weitnauer (7. Aufl.), § 440 Rn. 15. 150 BGH LM § 535 BGB Nr. 50 und LM § 196 BGB Nr. 18 [Mietvertrag]; BGHZ 82, 121, 129 f. [Leasingvertrag] und 104, 337, 341 ff. [Darlehensvertrag]; RGZ 89, 398, 400 und 162, 388, 395 f. [Gesellschaftsvertrag]; vgl. auch ausführlich hierzu Weitnauer, Vertragsaufhebung, S. 76 ff. 148

151 Vgl. §211. 1. a) bb) und 3 I. 1. 152 Dieser Begriff geht auf Siber zurück, vgl. Planck-Si'&er, Vorb. zu Recht der Schuldverhältnisse, Bd. 2, S. 3,4 b.

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§ 2 Rücktrittsvoraussetzungen und Funktion, Verhältnis zum Schadensersatz

nete Alternativität im Endeffekt durch Verlagerung der betreffenden Fragen in den Schadensersatz umgangen. Andererseits bildet aber auch diese Tatsache letztlich keinen überzeugenden Grund dafür, bei der Rückforderungsmöglichkeit einer Vorleistung die Grenze für eine Entwicklung zu setzen, die bereits viel früher ansetzt, die aus sachlichen Gründen wünschenswert ist, für die ein praktisches Bedürfnis besteht und die mit dem System des BGB zu vereinbaren ist.

b) Sonderproblem im Rahmen des § 326 BGB: Ersatz eines bis zum Rücktritt entstandenen Verzugsschadens Ein Verzugsschaden wird beim Verkäufer häufig in Verzugszinsen, beim Käufer in Schäden durch die entgangene Nutzungsmöglichkeit der Sache bestehen. Der Verzugsschaden ist gleichzusetzen mit den Vorteilen, die der Käufer aus der Leistung gezogen hätte, entspricht also den aufgrund der Verzögerung nicht gezogenen Nutzungen. Vielfach wird argumentiert, daß der Verzugsschaden zum positiven Interesse gehöre. 153 Dem gemäß soll der Gläubiger unter der Prämisse, daß sich Rücktritt und Ersatz des Erfüllungsinteresses ausschließen, vor die Wahl gestellt werden, ob er sich für Rücktritt oder Ersatz des Verzugsschadens entscheidet. Von anderen werden Billigkeitserwägungen angestellt; so hat der B G H 1 5 4 entschieden, daß es nicht gerechtfertigt sei, daß der Gläubiger, der bis zum Ablauf der Nachfrist nicht leiste, nun auch noch dadurch bessergestellt werde, daß sein Verzugsanspruch erlösche. Insbesondere sei diese Befreiung vom Verzugsanspruch mit dem Ziel der §§ 286 I, 326 I BGB, das darin bestehe, den Gläubiger vor vermögensschädigenden Folgen einer verspäteten Leistung zu bewahren, nicht vereinbar. 155 Diese Überlegungen sind aber nicht entscheidend. Vielmehr ist darauf abzustellen, wem die entgangenen Nutzungen eigentlich gehören. Solange der Vertrag besteht und der Austauschzweck aufrecht erhalten wird, ist der Nutzungsvorteil des Leistungsgegenstands gem. §§ 433 I, 286 I BGB dem Käufer zugeordnet. Der Schadensersatzanspruch aus § 2861 BGB dient also der Durchsetzung des vertraglichen Leistungsinteresses. Im Falle des Rücktritts sind die aus dem empfangenen Gegenstand gezogenen Nutzungen jedoch der anderen Partei herauszugeben, der Nutzungsvorteil gebührt also gerade der anderen Partei. 156 Vorteile, die nach den Wertungen des Rücktrittsrechts aber nicht dem Gläubiger, sondern dem Schuldner 153 So v. Spiegel, MDR 1985, S. 114, 115; Wunner, NJW 1985, S. 825, 830, denen die Vorstellung zugrunde liegt, daß zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrags auch rechtzeitige Erfüllung gehört. 154 BGHZ 88,46,49. 155 BGHZ 88,46, 50. 156 Wunner, NJW 1985, S. 825, 827.

II. Verhältnis des Rücktritts zum Schadensersatz

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zustehen, dürfen nicht über einen Schadensersatzanspruch wieder dem Gläubiger zugebilligt werden. 157 Dies kann folgendes Beispiel verdeutlichen: Der Käufer hat eine Wohnung gekauft, die er vermieten will. Tritt er von dem Kaufvertrag zurück, muß er die gezogenen Nutzungen gem. §§ 347 S. 2, 987 BGB herausgeben, also den gezogenen Mietzins an den Verkäufer geben. Ist nun aber der Verkäufer mit der Übereignung der Wohnung in Verzug geraten und konnte der Käufer deshalb nicht den erwarteten Mietzins erzielen, steht er im Fall des Rücktritts nicht schlechter, als die §§ 346 ff. BGB bestimmen; denn einen sonst erzielten Mietzins hätte er im Falle des Rücktritts als Nutzung an den Verkäufer herausgeben müssen. Im Endeffekt ist es gleichgültig, ob der Käufer von vornherein wegen des Verzugs keinen Mietzins einnimmt oder im nachhinein als Nutzung an den Verkäufer herausgeben muß. Gleiches gilt für Verzugszinsen: nach Rücktrittsrecht gebühren die Zinsen der anderen Partei (§ 347 S. 3 BGB); deshalb macht es auch hier keinen Unterschied, ob der Verkäufer die Zinsen wegen des Verzugs erst gar nicht erwirtschaften kann oder im nachhinein an die andere Partei herausgeben muß. Etwas anderes muß aber gelten, wenn der Verzugsschaden den Nutzungswert der Sache übersteigt, wenn also eine Vermögenslage eintritt, die auch das Rücktrittsrecht so nicht vorgesehen hat. Hierunter ist zum einen die Situation zu zählen, daß der Berechtigte aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten aus der Sache besondere Nutzungen gezogen hätte, wie dies etwa bei dem Betrieb eines Gewerbes oft der Fall sein wird. 1 5 8 Ähnliches gilt, wenn der Käufer wegen des Verzugs ein günstiges Weiterverkaufsangebot ausschlagen mußte; hier handelt es sich um einen entgangenen Gewinn, den der Verkäufer nicht erzielt hätte. Auch dann, wenn der Berechtigte durch den Verzug zusätzliche Kosten auf sich nehmen mußte, etwa weil er selbst in die Wohnung einziehen wollte und für die Zeit des Verzugs auf die Schnelle keine vergleichbare Wohnung gefunden hat, sondern nur eine überteuerte, kann er diese Posten als Verzugsschaden geltend machen. Diese Kosten übersteigen die Nutzungen, die der Käufer aus der Kaufsache gezogen hat und dem Verkäufer hätte herausgeben müssen.

c) Rücktritt und Schadensersatz, gerichtet auf das Integritätsinteresse Nach dem BGB bleibt nach heute herrschender Auffassung trotz Rücktritts der Vertrag als Organismus bestehen. Es tritt nicht ein Zustand ein, als habe nie ein 157 Huber, JZ 1984, S. 410 ff.; Staudinger-towe/; Rn. 57 f. Vor §§ 346 ff.; Wunner, NJW 1985, S. 827 f.; MK-Janßen, § 347 Rn. 20 a. Deshalb ist auch wichtig, daß bei der Rückforderung einer Vorleistung innerhalb des Schadensersatzanspruchs Rücktrittsregeln angewandt werden, damit einheitliche Ergebnisse erzielt werden. 158 BGHZ 7, 208, 218 = NJW 1952, 1410, 1411 [Fleischereigeschäft]; BGH LM § 347 BGB Nr. 7 = NJW 1978 [Tankstelle].

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§ 2 Rücktrittsvoraussetzungen und Funktion, Verhältnis zum Schadensersatz

Vertrag bestanden, sondern es erfolgt lediglich eine Umgestaltung in ein Rückgewährschuldverhältnis. 159 Völlig anerkannt ist daher, daß Schutzansprüche, die auf den Schutz des Integritätsinteresses gerichtet sind, also den Schutz an anderen Rechtsgütern des Käufers als des Kaufgegenstands bezwecken, weiterhin bestehen bleiben. Sie werden durch den Rücktritt nicht beeinträchtigt. Ebenso bleiben die aus der Verletzung dieser Schutzpflichten entstandenen Schadensersatzansprüche erhalten. 1 6 0 Abgrenzungsprobleme treten hier nicht auf, weil das Integritätsinteresse weder mit dem Erfüllungsinteresse noch mit einem Rücktritt direkte Berührung hat. 1 6 1 Da Schutzpflichten erst mit Beendigung ihres Schutzzwecks wegfallen, können auch noch zum Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts neue Schutzpflichten erwachsen. 162 Weiterhin können sich aus Vereinbarung (§ 157 BGB) oder Treu und Glauben (§ 242 BGB) hinsichtlich der Rückgewähr der Leistungen im Rückabwicklungsschuldverhältnis neue Schutzpflichten ergeben, etwa über die Art der Aufbewahrung bis zur Rückgewähr oder die Art des Rücktransports. 163 Nach dem BGB bestehen also keine Probleme, neben dem Rücktritt das durch schuldhafte Schutzpflichtverletzung beeinträchtigte Integritätsinteresse zu ersetzen. d) Rücktritt und Schadensersatz, gerichtet auf das negative Interesse Die Frage, ob das negative Interesse neben dem Rücktritt zu ersetzen ist, wird wenig behandelt. Das liegt daran, daß nach dem BGB die Voraussetzungen für den 159 Vgl. §211. 1 .a) bb) und § 3 I. 1. 160 Vgl. Leser, S. 149; Esser, § 28 III; Lorenz, § 26 a); Weitnauer, Vertragsaufhebung, S. 85; Wolf, AcP 153 [1954], 97, 110; Herholz, AcP 130 [1929], 257, 258 f.; Stoll, AcP 131 [1929], 141, 145 f.; Staudinger-Kaiser, Vorbem. zu §§ 346 ff. Rn. 61, MK-Janßen, Vor § 346 Rn. 50; Huber, JZ 1984, 409, 410; BGH, NJW 1985, 2697, 2698; schon früh Heck, § 52 Nr. 5, der sich entsprechend dagegen ausspricht, daß dem Rücktritt die Wirkung einer auflösenden Bedingung zukommt, und davon ausgeht, daß obligatorische Rückforderungsrechte entstehen. Dagegen Siber, S. 214, der argumentiert, daß Folge der Rückwirkung des Rücktritts sei, daß es nur noch Abwicklungsansprüche gebe und damit auch Ansprüche auf Ersatz schon entstandenen Schadens wegfielen. Hier machen sich die Auswirkung der früher vertretenen Auffassung von einer Vernichtung des Schuldverhältnisses bemerkbar. 161 Leser, S. 149: „Es geht um den Ersatz für die Verletzung von Schutz- oder Erhaltungspflichten, die sich von dem Leistungsgegenstand im engeren Sinne trennen lassen. Dieser Schadensersatz verträgt sich daher mit dem Rücktritt wie mit dem Erfüllungsinteresse." 162 Beispiel: Aufklärung über besondere Gefahren, die von der Kaufsache ausgehen und dem Verkäufer vor oder nach der Rücktrittserklärung bekannt geworden sind, etwa wenn der Verkäufer erst nach Rücktritt des Käufers von dem Kauf eines Hauses erfährt, daß das Haus einsturzgefährdet ist, oder der Verkäufer erst nach Wandelungsbegehren des Käufers erfährt, daß das gelieferte Tier eine ansteckende Krankheit hat. Vgl. Ehmann, § 17 III 4: „Die Schutzpflichten können nicht gekündigt, von ihnen kann nicht zurückgetreten werden; sie bestehen, bis sie ihren Schutzzweck erfüllt haben und erlöschen nach dem Satze: cessante causa, cessât effectus (vgl. § 726)." 163 Vgl. Ehmann, § 17 III 4.

II. Verhältnis des Rücktritts zum Schadensersatz

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Ersatz des negativen Interesses meist nicht vorliegen werden. Ersatz des negativen Interesses oder des Vertrauensschadens ist nach dem BGB bei nicht wirksamem oder angefochtenem Rechtsgeschäft (§§ 122, 307, 309, 179 Π BGB, aus c.i.c. oder unerlaubter Handlung) zu leisten - der Gläubiger ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er nicht auf die Gültigkeit des Geschäfts vertraut hätte. 164 Die parallelen Schadensersatzansprüche zum Rücktritt sind ausschließlich auf das positive Interesse gerichtet. 165 Das Interesse des Gläubigers wird in der Regel auch im Ersatz des positiven Interesses bestehen, da fast alle negativen Interessensposten ebenfalls vom positiven Interesse umfaßt sind, sich dieses also meist als weitergehend erweist. Vergebliche Aufwendungen sind als wichtigster Bestandteil des eigentlichen Vertrauensschadens nach der Rentabilitätsvermutung der Rechtsprechung auch im Rahmen des positiven Interesses zu ersetzen. Rückabwicklungskosten werden ebenfalls vom positiven und negativen Interesse erfaßt. Allein sonstige Vertrauensschäden wie etwa das Ausschlagen eines günstigen Alternativkaufangebots werden nur vom Vertrauensschaden erfaßt. 166 Bei Leistungsstörungen ist nach dem System der Schutzpflichten immer dann das negative Interesse zu ersetzen, wenn eine Schutzpflicht schuldhaft verletzt wird, bei deren Einhaltung der Vertrag nicht zustande gekommen wäre. 167 Hat etwa Bauer V an die Molkerei Κ verdorbene Milch geliefert, weil er sie nicht gekühlt hat, hat er spätestens schuldhaft (zumindest fahrlässig) die Schutzpflicht verletzt, Κ darüber aufzuklären, daß er die Milch nicht gekühlt hat und diese nun verdorben ist. 1 6 8 Hätte Κ gewußt, daß die Milch verdorben ist, hätte sie sie nicht gekauft. Es spricht kein Grund dagegen169, daß Κ den Kaufvertrag wandeln darf (§§ 459, 462, 467, 346 ff. BGB), um die verdorbene Milch wieder loszuwerden und den Kaufpreis erneut einsetzen zu können, und gleichzeitig den Schaden ersetzt verlangen kann, der ihr dadurch entstanden ist, daß sie ein anderes günstiges Kaufangebot für Milch ausgeschlagen hat und nun teurere Milch von anderer 164 Palandt-Heinrichs, Rn. 17 Vor. § 249. ι « §§ 325, 326 BGB, auf die gem. § 440 I BGB auch beim Rücktritt wegen Rechtsmangels verwiesen wird, ebenso § 463 BGB. Auch bei Arglist haftet der Verkäufer auf das Erfüllungsinteresse (Socrgéï-Huber, § 463 Rn. 38). Dieser Fall wird als so schwerwiegend eingestuft, daß es nicht als ausreichend angesehen wird, den Käufer so zu stellen, als hätte der Verkäufer ihn aufgeklärt. 166 Ausführlich zu diesen einzelnen Posten Muscheler, AcP 187 [1987], S. 343 ff. 167 Zu den Schutzpflichten § 2 I. 2. a). 168 Eine Pflicht, die Milch zu kühlen, läßt sich ohne weiteres nicht herleiten, da es ja zunächst einmal Sache des Bauern ist, was er mit der Milch macht. Spätestens bei einem Verkauf muß er aber die andere Partei über die unsachgemäße Lagerung aufklären, die andere Partei kann dann entscheiden, ob sie das Risiko auf sich nimmt, daß die Milch verdorben ist (dies wird sie wohl nur gegen Preisnachlaß machen) oder nicht. 169 A.A. aber Leser (S. 148), der neben dem Rücktritt das negative Interesse aus dem Grunde nicht ersetzen will, daß das negative Interesse der weitergehende Behelf im Gegensatz zu dem „beschränkten Behelf 4 des Rücktritts sei. Diese Tatsache muß aber nicht gegen eine Kombination der beiden Behelfe sprechen. 5 Herold

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§ 2 Rücktrittsvoraussetzungen und Funktion, Verhältnis zum Schadensersatz

Stelle beziehen muß. Der Ersatz dieses Vertrauensschadens resultiert alleine aus der schuldhaften Aufklärungspflichtverletzung und erfolgt daher unabhängig vom Rücktritt 170 , einer Kombination der beiden Behelfe steht soweit nichts im Wege. 1 7 1 Dieses Ergebnis steht in Einklang mit der Entstehungsgeschichte, da der Gesetzgeber einen Anspruch auf das negative Vertragsinteresse anders als einen Anspruch auf das positive Interesse neben einem Rücktritt nicht ausgeschlossen hat. 1 7 2 Gegen eine Kombination von Rücktritt und Vertrauensinteresse kann auch nicht vorgebracht werden, daß die Zielrichtungen unterschiedlich seien. 173 Beide Behelfe zielen auf ein Abstehen vom Vertrag und Beseitigung der Folgen 174 - auch insoweit bestehen also keine Bedenken.

e) Zwischenergebnis Soweit es also um einen Ersatz des Integritätsinteresses oder des negativen Interesses geht, kann nach dem BGB der Schaden, der aus einer schuldhaften Schutzpflichtverletzung entstanden ist, auch bei Wahl des Rücktritts verlangt werden. Ist hingegen ein Schaden entstanden, der das positive Interesse betrifft, scheidet nach Wahl des Rücktritts die Geltendmachung weiterer Schadensposten aus. Entscheidet sich der Berechtigte in diesem Falle für Schadensersatz, ist über die Art der Berechnung des Schadensersatzanspruchs eine weitgehende Einbeziehung von Rücktrittswirkungen in den Schadensersatz möglich. Schwierigkeiten bereitet allerdings die Rückforderung einer Sachleistung im Rahmen des Schadensersatzanspruchs, konsequenterweise sollte auch eine Vorleistung in die Art der Berechnung des Schadensersatzanspruchs einbezogen werden können.

170 Dies wird um so deutlicher, wenn man den Rücktritt als einen Behelf sieht, der richtigerweise unabhängig von einem Verschulden gewährt werden sollte mit der Zielrichtung, die Lösung vom Vertrag bei Leistungsstörungen zu ermöglichen (vgl. § 21 b)). πι Ähnlich bereits Stoll, AcP 131 [1929], 141, 172 f.: „Vertragsmäßiger Rücktritt und Wandelung entstehen unabhängig von einem Verschulden des Gegners. Das konnte für den Gesetzgeber Anlaß genug sein, hervorzuheben, daß trotzdem bei der Wandelung auch die Vertragskosten zu ersetzen sind; denn das ist in der Tat eine Besonderheit gegenüber dem vertraglichen Rücktrittsrecht. Beim gesetzlichen Rücktritt erwächst der Anspruch auf das negative Interesse jedoch nicht aus dem Rücktritt als solchem, sondern aus dem Verschulden des Gegners. Deshalb wäre im Falle des gesetzlichen Rücktritts eine dem § 467 S. 2 entsprechende Vorschrift nicht nur nicht notwendig, sondern geradezu eine erhebliche Einschränkung des Anspruchs auf das negative Vertragsinteresse, das ja ohne weiteres den Anspruch auf Ersatz der Vertragskosten umfaßt." 172 Vgl. § 2 II 1. a) aa), Zitat aus Prot. I, S. 1138. 173 Vgl. die Argumente gegen eine Kombination von Rücktritt und dem Erfüllungsinteresse. 174 Dies erkennt auch Leser (S. 148) an.

II. Verhältnis des Rücktritts zum Schadensersatz

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2. Der Kommissionsentwurf a) Kombination von Rücktritt und Schadensersatz Auch nach dem KE ist der Rücktritt an sich noch ein „beschränkter Behelf 4 , er ist immer noch auf die beschränkte Beseitigung der Vertragsfolgen ausgerichtet. Jedoch wird durch den Rücktritt die Geltendmachung weiterer Ansprüche nicht ausgeschlossen. Der Berechtigte kann zunächst den Rücktritt erklären und sich dann überlegen, ob er einen weiter erlittenen Schaden liquidieren möchte. Nach dem KE ist damit eine Kombination von Rücktritt und Schadensersatz wegen Nichterfüllung möglich (§§ 327 I 1, 441 III, 639 III BGB-KE), die Alternativität der beiden Behelfe entfällt. Die Tatsache, daß Rücktritt und Schadensersatz nicht mehr als einander ausschließende Alternativen für den Gläubiger ausgestaltet sind, ist zu begrüßen. 175 Damit setzt der KE in ganzer Konsequenz um, was in der Praxis über die Art der Berechnung des Schadensersatzanspruchs nach geltendem Recht auf einem Umweg zu erreichen versucht wird. 1 7 6 Die Kommission ersetzt den im BGB verwendeten Ausdruck „Schadensersatz wegen Nichterfüllung" durch den Ausdruck „Schadensersatz statt der Leistung". Die Kommission bevorzugt diesen Ausdruck, weil der Schadensersatz die primär geschuldete Leistung und nicht die Erfüllung ersetzen solle und auch die Leistung von Schadensersatz Erfüllung der auf Schadensersatz gerichteten Verbindlichkeit bedeute.177 Weiterhin führt die Kommission den Begriff des „Schadensersatzes wegen Nichtausführung des Vertrags" ein (§§ 280 Π 3, 327 I 1 BGB-KE). Dieser Ausdruck bezeichnet einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung in Form des sogenannten „großen Schadensersatzanspruchs". Bei synallagmatischen Verträgen soll der Rücktritt vom Vertrag sogar Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch wegen Nichtausführung des Vertrags sein, §§ 280 II S. 3, 327 BGB-KE. Dies begründet die Kommission damit, daß der Rücktritt nach § 323 ΠΙ BGB-KE unter den dort genannten Voraussetzungen versagt ist und deshalb auch ein „De-facto Rücktritt" durch Geltendmachung des großen Schadensersatzanspruchs nach § 283 BGB-KE ausgeschlossen sein solle. 178 Diese Argumentation erscheint einleuchtend; außerdem ist es sachgerecht, daß für die Rückgewähr gleiche Maßstäbe gelten sollen. Damit setzt die Kommission die schon an das geltende Recht gestellte Forderung um, daß für die Rückgewähr von Leistungen innerhalb des Schadensersatzanspruchs Rücktrittsregeln gelten sollen. 179 175

Die Koppelung von Rücktritt und Schadensersatz wurde auf dem 60. Deutschen Juristentag mit 73 zu 37 Stimmen befürwortet (17 Enthaltungen). Generell scheint diese Regelung also Anklang zu finden. 176 So fordert Grunsky, AcP 182 [1982], 453, 458 f.: „die angebliche Unvereinbarkeit der beiden Rechtsbehelfe [ist] ohnehin schon nach geltendem Recht weitgehend ausgehöhlt. Dies sollte man auch gesetzlich offen legen." 177 Abschlußbericht, S. 131. 178 Abschlußbericht, S. 131. 5*

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§ 2 Rücktrittsvoraussetzungen und Funktion, Verhältnis zum Schadensersatz

Nach dem KE gibt es zwei Formen des Schadensersatzes: zum einen Schadensersatz, der die Vertragsdurchführung ergänzt, weiterhin Schadensersatz, der den Rücktritt ergänzt. Fraglich ist allein, ob der gesetzgeberische Aufwand, der durch diese neue Schadensersatzberechnung entsteht, berechtigt ist. 1 8 0 Es ist zu überlegen, ob es nicht ausreicht, schlicht festzustellen, daß Rücktritt und Schadensersatz keine alternativen Behelfe sind - dies wäre ein kleiner Schritt, mit dem man das gewünschte Ergebnis ohne grundlegende Umstellungen des BGB erreichen würde. 1 8 1

b) Rücktritt und Ersatz des positiven oder negativen Interesses Gem. § 327 I BGB-KE kann der Gläubiger Ersatz des Schadens verlangen, der ihm durch die Nichtausführung des Vertrags entsteht, dabei kann er wählen, ob der Schaden nach Maßgabe des positiven oder des negativen Interesses ersetzt wird. An dieser Stelle hat die Kommission die Rechtsfolgen der schuldhaften Schutzpflichtverletzung nicht genügend durchdacht. Der durch die schuldhafte Verletzung einer Schutzpflicht entstandene Schadensersatzanspruch erstreckt sich auf alle unmittelbaren oder mittelbaren Nachteile des schädigenden Verhaltens, ausgenommen aber Folgeschäden, die nicht kausal auf die Pflichtwidrigkeit der schädigenden Handlung zurückzuführen sind. Die Art des zu gewährenden Schadensersatzanspruchs, also insbesondere die Frage, ob Schadensersatz in Höhe des positiven oder negativen Interesses zu leisten ist, muß sich danach richten, welcher Zustand bei Einhaltung der Schutzpflicht bestünde, die Kausalität der Schutzpflichtverletzung für den eingetretenen Schaden muß also gewahrt bleiben. Ein Schadensersatzanspruch ist stets nur auf den Ersatz des Interesses gerichtet, das durch die verletzte Pflicht geschützt war. Indem die Kommission dem Gläubiger aber gem. § 327 I BGB-KE wahlweise das Recht gibt, entweder Schadensersatz in Höhe des positiven oder des negativen Interesses zu verlangen, scheint sie das Kriterium der Kausalität übersehen zu haben. Hat etwa ein Verkäufer eines Hundes den Käufer nicht darüber aufgeklärt, daß dieser die Tollwut hat, geht das Interesse des Käufers sicherlich dahin, zum einen den Hund wieder loszuwerden und an den 179 Vgl. §211. 1. a) bb) (2). ι 8 0 Kritisch hierzu Rust, S. 201: „Gemessen am Zweck, die bereits nach geltendem Recht praktizierte Verknüpfung von Rücktritt und Schadensersatz im Gesetz anzuerkennen, ist die Trennung in verschiedene Anspruchsgrundlagen zu kompliziert und zu aufwendig." 181 Ähnlich Köhler (WM 1993, 45, 48): „Denn jedenfalls ist die gewählte Lösung unnötig aufwendig und verwirrend, indem sie formell Rücktritt und Schadensersatz kumuliert, obwohl nichts weiter beabsichtigt ist als die Gewährung zweier Schadensberechnungsmethoden, von denen die eine rücktrittsrechtliche Elemente aufnimmt." Jakobs (Gesetzgebung im Leistungsstörungsrecht, S. 66) schlägt sogar vor, das Rücktrittsrecht nur noch bei fehlendem Verschulden des Gegners zuzubilligen, ansonsten alle Rücktrittselemente in die Berechnung des Schadensersatzes aufzunehmen.

II. Verhältnis des Rücktritts zum Schadensersatz

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Verkäufer zurückzugeben, zum anderen können verschiedene Schadensposten angefallen sein, wie die Ansteckung eines anderen Hundes, ein nutzlos gewordener gebauter Hundezwinger oder entgangener Gewinn aus einem Weiterverkauf. Nach dem KE kann der Käufer gem. §§ 280 I, Π 2, 327 I, 441 ΙΠ BGB-KE nach Rücktritt, also Rückgabe des Hundes und Rückzahlung des Kaufpreises samt Ausgleichs gezogener Nutzungen, wahlweise Schadensersatz in Höhe des positiven Interesses (also des entgangenen Gewinns aus dem Weiterverkauf) oder des negativen Interesses (also Ersatz nutzlos gewordener Aufwendungen, in diesem Fall durch den Bau des Hundezwingers) verlangen. 182 Dieses Wahlrecht sichert zwar, daß der Käufer in jedem Falle schadlos aus dem Vertrag herausgeht - er darf wählen, welche Schadensposten er ersetzt haben möchte - jedoch geht der KE dabei einen Schritt zu weit. Hätte der Verkäufer nämlich seine Aufklärungspflicht nicht verletzt, wäre der Vertrag gar nicht zustande gekommen - zu ersetzen ist damit nur das negative Interesse. Andererseits wäre das positive Interesse zu ersetzen, wenn etwa der Verkäufer seine Aufklärungspflicht für die Handhabung einer Maschine verletzt hätte, und die Maschine daraufhin explodierte. Ordnungsgemäße Aufklärung hätte nicht das Zustandekommen des Kaufvertrags verhindert, wohl aber die falsche Handhabung der Maschine, so daß diese nicht explodiert wäre. Deshalb ist das positive Interesse zu ersetzen. Woher die Kommission ein Wahlrecht für Schäden, die entweder nur das positive oder das negative Interesse betreffen, herleitet, ist nicht ersichtlich. Ersatz des positiven Interesses oder negativen Interesses ist also nur dann sachgerecht, wenn die Schutzpflichtverletzung kausal für gerade diesen Schaden ist. Das in § 3271 BGB-KE angeordnete freie Wahlrecht des Gläubigers ist daher nicht angebracht.

c) Rücktritt und Ersatz von Verzugsschäden Der KE erleichtert den Ersatz von Verzugsschäden dadurch, daß auch nach Rücktritt über das Rücktrittsinteresse hinausgehende Schäden ersetzt verlangt werden können. Jedoch müssen auch nach dem KE die Wertungen des Rücktrittsrechts vorrangig sein, so daß dem Rücktrittsgegner zugewiesene Nutzungsvorteile über den Schadensersatzanspruch nicht wieder dem Käufer zugewiesen werden können.

d) Rücktritt und Ersatz des Integritätsinteresses Auch nach dem KE wird das Integritätsinteresse unproblematisch ersetzt. Gem. § 280 I BGB-KE werden durch schuldhafte Pflichtverletzung aus dem Schuldver182

ersetzt.

Das Integritätsinteresse, also die Ansteckung des anderen Hundes, wird auf jeden Fall

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2 Rücktrittsvoraussetzungen und Funktion, Verhältnis zum Schadensersatz

hältnis entstandene Schäden ersetzt, wobei durch § 241 II BGB-KE ausdrücklich betont wird, daß das Schuldverhältnis unter Berücksichtigung seines Inhalts und seiner Natur jeden Teil zu besonderer Rücksicht auf die Rechte und Rechtsgüter des anderen Teils verpflichten kann.

e) Zwischenergebnis Nach dem KE wird also neben dem Rücktritt umfassender Schadensersatz gewährt. Kritisch zu betrachten ist die freie Wahl des Ersatzes des positiven oder des negativen Interesses. Der Schuldner kann jeweils nur den Schaden zu ersetzen haben, der kausal durch die schuldhafte Schutzpflichtverletzung entstanden ist. Die Tatsache, daß die nach dem BGB geltende Alternativität von Rücktritt und Ersatz des Erfüllungsinteresses entfällt, führt konsequent die derzeitige Entwicklung der Auslegung des BGB fort, wonach wichtige Rücktrittselemente in der Art der Berechnung des Schadensersatzes berücksichtigt werden. Die Möglichkeit der Kombination von Rücktritt und Schadensersatz ist zu begrüßen. Fraglich bleibt allein der gesetzgeberische Aufwand, der durch die Umsetzung des Kommissionsentwurfs entstehen würde. Angesichts der Tatsache, daß letztlich nur die Alternativität von Rücktritt und Schadensersatz entfallen soll und eine Kombination der beiden Behelfe auch nach dem BGB sach- und systemgerecht wäre, erscheint es einfacher, lediglich den mit einer Kombination schwer zu vereinbarenden Wortlaut des Gesetzes an den entsprechenden Stellen zu ändern.

§ 3 Gefahrtragung beim gesetzlichen Rücktritt Die Frage, wie sich der Untergang des vom Rücktrittsberechtigten zurückzugewährenden Gegenstandes auf sein Rücktrittsrecht auswirkt, gehört nach Dölle zu den „dornenvollsten des Vertragsrechts". 1 In Konstellationen, in denen keine Partei zum Untergang oder zur Verschlechterung des Gegenstandes beigetragen hat, der Umstand also für beide Parteien zufällig ist, ist die Verteilung der Gefahr bei Ausübung eines Rücktrittsrechts letztendlich eine reine Wertentscheidung zugunsten der einen oder der anderen Partei. Da diese Entscheidung aber erhebliche praktische Konsequenzen hat, die vom Ausschluß des Rücktritts bis zu einer Herausgabe des seinerseits Empfangenen, ohne die eigene Leistung zurückzuerlangen, reichen, muß um so sorgfältiger nach Kriterien gesucht werden, nach denen eine vertretbare Lösung gefunden werden kann. Nach Huber ist die Entscheidung der Gefahrtragung ein „Zentralpunkt jedes Leistungsstörungsrechts". 2 Die Regelung des BGB ist seit jeher stark umstritten; die Vielfältigkeit der Lösungsvorschläge und die teils völlig gegensätzlichen Auffassungen zeigen, daß hier offensichtlich das Rechtsbewußtsein sehr verschieden reagiert. 3 Der Hinweis von Glaß, daß Gefahrtragungsregeln eben nicht gerecht sein können, weil das Gesetz einen bevorzugen muß4, kommt der Sache wahrscheinlich am nächsten.

L Wirkung des Rücktritts 1. BGB Nach dem BGB betrifft der Rücktritt die Rückabwicklung eines gescheiterten Austauschvertrags. Ziel des Rücktritts ist es, den status quo ante wiederherzustellen; damit ist der Zustand gemeint, der ohne den Vertrag bestanden hätte.5 Es tritt Befreiungswirkung von den beiderseitigen unerfüllten Leistungspflichten ein. 6 Die Parteien erlangen damit ihre Dispositionsfreiheit zurück. Bereits erbrachte Leistun!" Dölle- Weitnauer, Einheitliches Kaufrecht, 1976, Rn. 39 vor Art. 78-81. ι Dölle- Weitnauer, Einheitliches Kaufrecht, 1976, Rn. 39 vor Art. 78-81. 2 Huber, Gutachten „Leistungsstörungen", S. 692. 3 V. Caemmerer, in: FS Larenz, S. 621,624. 4 Glaß, S. 28.

5 Mot II, S. 280.

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§ 3 Gefahrtragung beim gesetzlichen Rücktritt

gen werden nach den Vorschriften der §§ 346 ff. BGB zurückgewährt. Sachleistungen sind also grundsätzlich zurückzugewähren; ist die Rückgewähr einer Leistung ihrer Natur nach unmöglich wie bei Dienst-, Werk- oder Gebrauchsüberlassungsverträgen 7, besteht gem. § 346 S. 2 BGB eine Wertersatzpflicht bzw. eine Pflicht, die vertragliche Gegenleistung zu zahlen.8 Die Rückgewähransprüche gehören in den Bereich der Güterbewegung, sind also Erwerbsansprüche. Das entstehende RückabWicklungsschuldverhältnis ist der Regelungsgegenstand der §§ 346 ff. BGB. Früher ging man davon aus, daß der Rücktritt den Vertrag ex tunc vernichtet (und damit ähnliche Wirkungen wie die Anfechtung entfalte), die §§ 346 ff. BGB als gesetzliches Rückgewährschuldverhältnis wurden daher als Sondervorschriften zu den §§ 812 ff. BGB begriffen. 9 Im Anschluß an Stoll 10 und Wolf 11 geht die heute herrschende Ansicht zutreffend davon aus, daß durch den Rücktritt nicht der Vertrag als Ganzes aufgehoben wird, sondern dieser - nur inhaltlich verändert - bestehen bleibt in Form eines Rückabwicklungsschuldverhältnisses.12 Grundlage für die Rückabwicklung bleibt der Vertrag, die §§ 346 ff. BGB sind ergänzendes, dispositives Gesetzesrecht für die Rückgewähr. 13 Für dieses Verständnis spricht, daß nur durch den Fortbestand des Vertrags als Rückgewährschuldverhältnis deutlich wird, daß die Parteien auch während der Rückabwicklung des Vertrags in einer im Vertrag wurzelnden Sonderrechtsbeziehung zueinander stehen14 und insbesondere auch nach dem Rücktritt Schutzpflichten weiterhin bestehen bleiben.15

2. KE Auch nach dem KE entfaltet der Rücktritt Befreiungswirkung von unerfüllten Leistungspflichten und eine Rückgewährpflicht bezüglich ausgetauschter Leistun6

Dies folgt aus der Rückgewährpflicht des § 346 BGB, ausdrücklich noch E I § 4271. 7 Zur Abgrenzung vgl. BGH W M 1998, 245, 247. 8 Vgl. § 3 II. a) bb). 9 RGZ 50, 255, 266 f.; BGHZ 16, 153, 155 f.; Planck-Siber, Vorbem. zu § 346 Anm. 1 b; Enneccerus / Lehmann, § 38 II ; ausführliche Darstellung bei Leser, S. 150 ff. 10 Rücktritt, S. 9 ff., insbes. S. 19 und 21 ff. h AcP 153 [1954] S. 97, 105 ff. 12 Leser, S. 157 ff.; Wunner, AcP 168 [1968] 425,449; Esser-Schmidt, SchR I, § 26 a; Medicus, Rn. 660; Palandt-Heinrichs, Rn. 2 Vor § 346. 13 Staudinger -Kaiser, Rn. 53 Vor §§ 346 ff. 14 Slàuóìng&r- Kaiser, Rn. 53 Vor §§ 346 ff. 15 Ehmann, § 17 I 1 und III 4.

AT § 19 III; Larenz,

II. Vergleich von §§ 350, 351 BGB zu § 346 BGB-KE

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gen gem. § 346 I BGB-KE. 16 Im Hinblick auf die Wirkungen des Rücktritts geht die Kommission 17 davon aus, daß die Annahme der Umwandlung des Vertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis mittlerweile so anerkannt ist, daß in diesem Punkt kein Reformbedarf besteht, aus diesem Grunde werden keine Änderungen zum geltenden Recht vorgeschlagen. Diese Einschätzung des Kommission erweist sich als zutreffend. Auch nach dem KE hebt der Rücktritt also nicht den Vertrag im ganzen auf, sondern wandelt ihn in ein Abwicklungsverhältnis mit vertraglicher Grundlage um.

II. Vergleich von §§ 350,351 BGB zu § 346 BGB-KE 1. Regelung des BGB Nach dem BGB wird der Rücktritt im Fall des zufälligen Untergangs zugelassen (§ 350 BGB), bei verschuldeter wesentlicher Verschlechterung, Untergang oder anderweitiger Unmöglichkeit der Herausgabe jedoch ausgeschlossen (§ 351 BGB). Durch die Bestimmung des § 350 BGB zusammen mit der Tatsache, daß in § 348 BGB nur die §§ 320, 322 BGB für anwendbar erklärt sind, nicht aber § 323 BGB, wird der Berechtigte bei Zufall von seiner Rückgabepflicht frei, kann seine eigene Leistung aber gem. § 346 S. 1 BGB in vollem Umfang zurückfordern. Das Synallagma des gegenseitigen Vertrags wird insoweit aufgebrochen. 18 Dem Gegner bleibt bei zufälligem Untergang der Sache lediglich der Anspruch auf das stellvertretende commodum gem. § 281 BGB, etwa die Abtretung eines Ersatzanspruchs gegen den dritten Schädiger oder die Herausgabe einer möglichen Versicherungsleistung. 19 „Untergegangen" ist die Sache, wenn sie derartigen Schaden erlitten hat, daß sie nicht mehr zurückgegeben werden kann, eine „wesentliche Verschlechterung" muß von der Bewertung einem Untergang gleichstehen.20 Vom Begriff des Zufalls werden nicht nur Naturkatastrophen erfaßt, vielmehr ist der Untergang nach der Terminologie des Gesetzes dann zufällig, wenn er nicht auf einem Verschulden des Rücktrittsberechtigten selbst oder einer Person, deren Verhalten dieser sich nach § 278 BGB zurechnen lassen muß, beruht. 21 Der Begriff des ZuDie Kommission hält insoweit allenfalls für erörterungsbedürftig, ob die Befreiungswirkung ausdrücklich erwähnt werden sollte. π Abschlußbericht, S. 177. 18 A.A. E .Wolf, AcP 153 [1954], 97, 142 f.; User, S. 213 ff.; Wieling, JuS 1973, 397, 398; Stoll, Rücktritt, S. 39. Siehe dazu § 3 II 1. a) cc) (1). 19 Dies ist heute einhellige Meinung, Sickinger, S. 151; Glaß, S. 22; MK-Janßen, § 350 Rn. 7; Soergel -Huber, § 467 Rn. 62; Planck-Siber, Anm. zu § 350. 20

Sotrgcl-Huber, § 467 Rn. 17. Dies ist etwa der Fall, wenn die Sache nur als Wrack zurückgegeben werden kann oder zu einem erheblichen Teil zerstört ist, vgl. § 3 III. 1. vor a). 2 1 Larenz, S. 407; Warneyer, § 350; Kress, SchR AT, S. 175 N. 68; Planck-Siber, § 350; a.A. Schwenn, AcP 152 [1952-1953] 138, insbes. 150 ff., siehe dazu § 3 II 1. a) cc) (1).

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§ 3 Gefahrtragung beim gesetzlichen Rücktritt

falls korrespondiert also mit § 351 BGB; je weiter der Anwendungsbereich, also insbesondere der Verschuldensbegriff des § 351 BGB gesteckt wird, um so enger wird der des § 350 BGB und umgekehrt.

a) § 350 BGB aa) Entstehungsgeschichtlicher

Hintergrund

des § 350 BGB

Die Regelung des § 350 findet ihre Ursprünge im römischen Recht in der actio redhibitoria, die der heutigen Wandelung vergleichbar ist. Ein allgemeines Rücktrittsrecht existierte im römischen Recht nicht, es gab nur Einzelbehelfe zur Rückabwicklung, auf der einen Seite die actio redhibitoria, auf der anderen Seite unterschiedlich ausgestaltete Rücktrittsvorbehalte, die beim Kauf vereinbart werden konnten 22 , als typisch gewordene Rücktrittsvorbehalte das pactum displicentiae, die in diem addictio und die lex commissoria. 23 Die actio redhibitoria geht auf ein Edikt der kurulischen Ädilen zurück 24 , die im 2. Jahrhundert v. Chr. eine verschuldensunabhängige Mängelhaftung des Verkäufers für den Marktverkauf von Sklaven25 und Vieh 26 einführten. Dem Verkäufer wurde eine ausdrückliche Pflicht zur Offenlegung von Mängeln und zur Zusicherung der Fehlerfreiheit auferlegt. Kam der Verkäufer dem nicht nach und verkaufte er dem unwissenden Käufer mangelhaftes Vieh oder Sklaven, dann hatte er unabhängig von einer eigenen Kenntnis des Mangels dafür zu haften. 27 Als Sanktion konnte der Käufer die actio redhibitoria, das heißt einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe der Ware oder die actio quanti minoris, also einen Anspruch auf Minderung geltend machen.28 Justinian erstreckte die ädilizische Haftung über die Käufe von Sklaven und Zugtieren hinaus auf alle Sachkäufe. 29 Die actio redhibitoria hat also die Rückabwicklung des Kaufvertrags zum Inhalt, wobei Käufer und Verkäufer so gestellt werden sollten, als wenn der Kaufvertrag nicht geschlossen worden wäre. 30 Um den Anspruch auf Rückzahlung des Kauf22

Sogenannte pacta adjecta, die eine Mischung aus selbständigem Vertrag und abhängiger Bestimmung im Hauptvertrag darstellten (Leser, S. 16). 23 Ausführlich hierzu § 5 I. 1. a). w Käser, in: FS Fritz Schulz (1951), 21, 69; Lederle, S. 13. 25 Edictum de mancipiis vendundis: D. 21,1, 1, 1 (Ulp. 1 ed. aedil. curul.). 26 Edictum de iumentis vendundis: D. 21, 1, 38 pr. (Ulp. 2 ed. aedil. curul.) und cod. § 5. 27 D. 21, 1, 1, 2 (Ulp. 1 ed. aedil. curul.). 28 Daneben bestand die actio empti, nach der auch die Rückzahlung des vollen Kaufpreises gegen Rückgabe der Ware verlangt werden konnte, für den Fall, daß der Verkäufer einen Treuebruch begangen hatte, also einen Mangel arglistig verschwiegen oder eine Eigenschaft zugesichert hatte (Käser, § 41 VI 2). 29 D. 21, 1, 1 pr. (Ulp. 1 ed. aedil. curul.); Käser, § 41 VI 5.

30 D. 21, 1,23, 1 (Ulp. 1 ed. aedil. curul.); D. 21, 1,60 (Paul. 69 ed.).

II. Vergleich von §§ 350, 351 BGB zu § 346 BGB-KE

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preises wahrnehmen zu können, mußte der Käufer die Kaufsache zunächst dem Verkäufer zurückgeben. 31 Für den Fall, daß der Käufer die Sache nicht oder nicht im ursprünglichen Zustand zurückgeben konnte, bildeten sich aufgrund typischer Konfliktsituationen Einzelregelungen heraus. 32 Wenn die Sache durch Zufall untergegangen war oder sich verschlechtert hatte, hatte der Käufer nach der Regel „mortuus redhibetur" Anspruch auf Rückzahlung des vollen Kaufpreises. 33 Der Käufer sollte bei den undurchsichtigen Geschäften auf dem Markt geschützt werden 34 , und ihm sollte der Nachweis erspart bleiben, daß der Fehler für den Untergang kausal war. Weiterhin war die Regel des „mortuus redhibetur" aber auch Konsequenz des Grundgedankens des ädilizischen Edikts, den Käufer in seinem Vertrauen auf die Mangelfreiheit der gekauften Ware zu schützen und ihn so zu stellen, als ob der Kauf nicht stattgefunden hätte.35 Traf den Käufer hingegen ein Verschulden, so hatte er einen entsprechenden Ersatz anzubieten.36 Im Laufe der Geschichte erweiterten sich die Einzelbehelfe zur Rückabwicklung stetig weiter, insgesamt wurde im gemeinen Recht aber eine ähnliche Regelung wie im römischen Recht beibehalten.37 Nach dem preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 konnte der Käufer gem. §§ 326-328 ALR15 bei Mangelhaftigkeit der Sache oder Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft einen Redhibitions- oder Minderungsanspruch geltend machen. Jedoch war die Redhibition nur dann zulässig, wenn der Käufer die Sache in dem Zustand, in dem er sie empfangen hatte, wieder zurückgeben konnte. Nach der Praxis konnte der Käufer den Kaufpreis aber dann voll zurückfordern, wenn der Untergang oder die Verschlechterung durch Fehler der Ware verursacht worden war. 38 Zufälliger Untergang hingegen war das Risiko des Käufers und Schloß die Mängelrechte aus. 39 Auch nach dem Code Civil von 1804 trug der Käufer die Gefahr des zufälligen Untergangs der Sache, Art. 1647 Code Civil. Nach dem sächsischen BGB (1865) hingegen war die Redhibition bei zufälligem Untergang gem. §918 nicht ausgeschlossen, ebenso nach dem hessischen Entwurf (1853) nach Art. 175 und dem Dresdner Entwurf (1866) nach Art. 183. Im Ersten Entwurf zum BGB, §§ 426-436 E I, wurden die verstreuten Einzelklauseln des gemeinen Rechts zu einem selbständigen Rechtsinstitut zusammenge31 D. 21, 1,25, 10 (Ulp. 1 ed. aedil. curul.). 32 Ausführlich hierzu Sickinger, S. 8 ff. 33 D. 21, 1, 47, 1 (Paul. 11 Sab.); D. 21, 1, 31, 6 (Ulp. 1 ed. aedil. curul.); vgl. Sickinger, S. 18 ff. 34 Beckmann, Kauf, S. 123. 35 So Sickinger, S. 29. 36 Windscheid, Pand. II, S. 691; Dernburg, Pand. II, S. 280 Fn. 10; Eck, in: FS Georg Beseler (1885), 159, 168; Leser, S. 46; Sickinger, S. 30 ff.; a.A. Thibaut, S. 363; Treitschke, Kaufkontract, S. 367. 37 Vgl. auch Windscheid, Pandekten II, § 394 Note 2; Beckmann, Kauf, S. 123. 38 RGZ 3, 215,216; 3, 302, 303; RG, GruchBeitr. 26 (1882), 410,412. 39 V. Caemmerer, in: FS Larenz, S. 621.

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faßt. Die verschiedenen vertraglichen Rücktrittsvorbehalte des gemeinen Rechts wurden auf der Grundlage der lex commissoria vereinheitlicht und mit der Redhibition zusammengefaßt. Als verbindendes Element dieser einzelnen Regelungen wurde ihr gemeinsames Ziel angesehen, nämlich das Versetzen in die Lage, „als wenn der Vertrag nicht abgeschlossen worden wäre." 40 Auf die Arbeit der ersten Kommission ist es also zurückzuführen, daß die Rücktrittsregeln zunächst für das vertragliche Rücktrittsrecht gelten, hierauf aber beim gesetzlichen Rücktrittsrecht und der Wandelung verwiesen wird. Zudem ist die Gefahrtragungsregel des § 350 BGB auf die aus der Redhibition übernommene Regelung zurückzuführen 4 1 Es wird verständlich, daß diese Vermengung von speziellen Einzelbehelfen Schwierigkeiten mit sich bringt; diese Schwierigkeiten beschäftigen uns heute noch. Die zweite Kommission befand, daß das Ziel des Rücktritts zu weit gesteckt worden war und beschränkte den Rücktritt dahin, daß beide Teile die empfangenen Leistungen zurückzugewähren hatten.42 Auch über den Sinn des § 350 BGB (damals § 429) wurde diskutiert. Bislang galt im gemeinen Recht diese Gefahrverteilung nur in den Fällen der Redhibition.43 Im Rahmen der Gesetzesberatungen wurden drei Anträge gestellt.44 Der erste Antrag stand in Einklang mit dem Entwurf und sah für einen Rücktritt keinen Hinderungsgrund in dem zufälligen Untergang des geleisteten Gegenstands für die Ausübung des Rücktritts. Wirtschaftlich sei der Verkauf unter einem Rücktrittsvorbehalt dem Kauf auf Probe vergleichbar. Der zweite Antrag zielte darauf, bei zufälligem Untergang das Rücktrittsrecht auszuschließen, wobei sich die Vertreter des zweiten Antrags auf den mutmaßlichen Parteiwillen und die besondere rechtliche Natur des Rücktritts, die für einen Ausschluß sprächen, beriefen. 45 Nach einem § d aus Prot. Erste Kommission, 625. Ausgangspunkt für die Beratungen der ersten Kommission war § 31 TE-OR von v. Kübel: „Die Wandelung kann verlangt werden, wenn auch die veräußerte Sache in Folge ihrer Fehlerhaftigkeit oder durch Zufall untergegangen ist..." (abgedruckt in Jakobs/Schubert, SchR I, S. 571). Dieser Vorschlag wurde von der Mehrheit der Kommissionsmitglieder akzeptiert, weil der Erwerber in die Lage gebracht werden müsse, als wenn er sich auf den Vertrag nicht eingelassen hätte (Jakobs/ Schubert, SchR I, S. 568; Prot. I S. 758) und in ähnlicher Form auch in die ZustOR übernommen (§ 91 ZustOR: „Die Wandelung findet statt, auch wenn die veräußerte Sache in Folge davon, daß sie mit einem Mangel behaftet war, oder durch Zufall untergegangen ist."). 41

42 E I § 427 I, vgl. § 346 BGB. 43 Deshalb wurden die folgenden Anträge auch vorwiegend unter dem Aspekt untersucht, „welchen Einfluß bei einem unter dem Vorbehalte des Rücktritts geschlossenen Vertrage der zufällige Untergang des in Erfüllung des Vertrags geleisteten Gegenstandes auf die Geltendmachung des Rücktrittsrechts ausübe." Da die Vorschrift des § 350 BGB im Endeffekt aber größere Tragweite bei den gesetzlichen Rücktrittsrechten entfaltet als bei den vertraglichen, bei denen sie meist abbedungen sein wird (dazu § 5 I. 1. b) ), außerdem ähnliche Argumente zum heutigen § 350 BGB auch beim gesetzlichen Rücktrittsrecht vorgebracht werden, werden die Anträge im Folgenden schon kurz in diesem Kapitel dargestellt. 44

Mugdan II, 728; Prot. I, 791. 5 Mugdan II, 728; Prot. I, 791.

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II. Vergleich von §§ 350, 351 BGB zu § 346 BGB-KE

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dritten Antrag, der einen mittleren Standpunkt einnahm, sollte das Rücktrittsrecht dann ausgeschlossen sein, wenn der Gegner nachweisen könne, daß der geleistete Gegenstand bei ihm nicht untergegangen oder verschlechtert worden sei. Es sei zu unterscheiden zwischen Zufällen, die die Sache auch beim Verkäufer betroffen hätten, und Zufällen, die ihren Grund in den besonderen Verhältnissen des Käufers hätten.46 Die Argumente, die heute immer wieder vorgebracht werden, waren damals also auch schon bekannt. Bei den Beratungen der zweiten Kommission waren im Ergebnis aber die meisten Vertreter zugunsten des heutigen § 350 BGB (E I § 429) der Ansicht, „daß nur diese Regel dem wirtschaftlichen Zweck des Rücktritts diene, nämlich den Berechtigten bei der Änderung der Umstände gegen etwaige nachteilige Folgen des Vertragsschlusses, zu denen auch die Folgen des Übergangs der Gefahr gehörten, Schutz zu gewähren." 47 bb) Heutiges Verständnis

des § 350 BGB

Die Meinungsverschiedenheiten, die von Anfang an über die Vorschrift des § 350 BGB bestanden, haben sich bis heute nicht gelegt. Die Tatsache, daß § 350 BGB die Folgen des zufälligen Sachuntergangs dem Rücktrittsgegner auferlegt, macht sie zu einer rechtspolitisch stark umstrittenen Vorschrift.

(1) Versuche einschränkender Auslegung des § 350 BGB Kritiker des § 350 BGB versuchen zum einen, den Anwendungsbereich des § 350 BGB durch eine extensive Auslegung des Verschuldensbegriffs in § 351 BGB einzuschränken 48, dabei machen sie Gebrauch von der Abhängigkeit des Zufallsbegriffs von der Definition des Verschuldens. Wolf 4 9 und in modifizierter Form folgend Leser 50 wollen § 350 BGB dadurch in sein Gegenteil verkehren, indem sie § 323 BGB analog anwenden. Damit verlöre der Rücktrittsberechtigte, dem die Rückgewähr des Empfangenen unmöglich ist, den Anspruch auf Rückforderung der eigenen Leistung. Die h.L. ist diesen Überlegungen nicht gefolgt, da das Rückgewährschuldverhältnis kein gegenseitiges Schuldverhältnis ist. Aus der fehlenden Verweisung auf § 323 BGB in § 348 BGB und der Regel des § 350 BGB, die durch eine Anwendung des § 323 BGB in ihr Gegenteil verkehrt werden würde, ist zu schließen, daß es an einer synallagmati-

46 47 48 49

Mugdan II, 728 f.; Prot. I, 729 f. Denkschrift, 52/53 (Mugdan II, 1240). Dazu ausführlich § 3 II 1. b) aa) (3). AcP 153 [1954] 97, 142 f.

50 S. 215 ff.

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§ 3 Gefahrtragung beim gesetzlichen Rücktritt

sehen Verknüpfung der Rückgewährpflichten fehlt. 51 Die fehlende Verweisung auf § 323 BGB ist eben kein Redaktionsversehen, sondern vom Gesetzgeber beabsichtigt. Glaß 52 hat überzeugend dargelegt, daß eine Anwendung des § 323 BGB auch aus sachlichen Gründen nicht überzeugt, da die Vorschrift des § 323 BGB „von einer zumindest in den Intentionen der Parteien bestehenden Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung"53 ausgehe; während es sich etwa bei der Wandelung gerade um den Rückaustausch von Leistungen handele, die ungleichwertig seien. Die Differenzspanne zwischen Kaufpreis und aufgrund des Mangels geringerem Wert dürfe nicht dem Käufer auferlegt werden. 54 Diesen Überlegungen folgend erklärt Leser 55 daher § 323 BGB nur insoweit auf den Rücktritt anwendbar, als sich die erbrachten Leistungen wertmäßig deckten, nur in dieser Höhe wird das Synallagma des ursprünglichen Vertragsverhältnisses also als fortwirkend betrachtet. Dabei bezieht sich Leser auf die entsprechende Verwirklichung des Prinzips des § 323 BGB durch die Saldotheorie im Bereicherungsrecht. Diese komplizierte Anwendung von § 323 BGB überzeugt aber ebenfalls nicht. Zum einen orientiert sich § 323 BGB gerade nicht an objektiven Wertverhältnissen, und die Beschränkung auf wertmäßige Deckung der gegenseitigen Leistungen ist durch die Rechtsfolgenordnung des § 323 BGB nicht mehr gedeckt. 56 Weiterhin steht immer noch der eindeutige Wortlaut des Gesetzes entgegen. Schwenn57 und Honseil 58 wollen § 350 BGB durch einengende Auslegung auf die Fälle beschränken, in denen die untergegangene Sache erwiesenermaßen auch beim Geber untergegangen wäre. Ihre Berufung auf die Entstehungsgeschichte erweist sich dabei als nicht stichhaltig, da in den Beratungen der zweiten Kommission ein entsprechender Antrag abgelehnt wurde wegen der Schwierigkeiten zu entscheiden, ob das den Untergang der Sache bewirkende Ereignis auch beim Gegner eingetreten wäre. 59 Auch der Verweis auf die §§ 287, 848 BGB, zu denen § 350 BGB einen Normwiderspruch bilde, kann nicht überzeugen, da die genannten Vorschriften andere Ehmann, § 17 II 2 a ; Erman -Weitnauer (7. Aufl.), § 440 Rn. 26; Staudinger -Kaiser, § 350 Rn. 10; Sickinger, S. 148, MK-Janßen, § 350 Rn. 6; Vdmài-Heinrichs, § 348 Rn. 1 und § 350 Rn. 1; Esser-Schmidt, SchR 1/1, § 19 III 2 und SchR II, § 64 III 1; Blomeyer, Allg. SchR, § 35 II 1; Wang Tze-Chien, S. 21. 52 S. 21 ff. 53 Glaß, S. 24. 54 Ebenso bereits Adler, ZHR 75, 453, 507 f. und aus neuerer Zeit Kohler, S. 212; Klink, S. 15-17. 55 S. 213 ff., insbes. S. 215. 56 Sickinger, S. 149; Kohler, S. 212. 57 Schwenn, AcP 152 [1952-53], S. 138, 150 ff. 58 Honseil, MDR 1970, S. 717, 718 f. 59 Prot. I, S. 790 f.; vgl. § 3 II. 1. a) aa).

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Sachverhalte betreffen. §§ 287, 848 BGB betreffen eine Schadensersatzhaftung. Sie erweitern zunächst die Haftung auf eine Haftung für Zufälle und lediglich im Rahmen dieser Erweiterung tritt wieder eine Entlastung für Schäden ein, die auch bei rechtzeitiger Leistung bzw. ohne die Entziehung eingetreten sein würden. Das gleiche Ergebnis ergibt sich bereits aus allgemeinen Schadensersatzgrundsätzen, da der hypothetische Kausalverlauf immer in die Schadensberechnung nach §§ 249 ff. BGB einzubeziehen ist. 60 Im Rahmen des § 350 BGB spielen demgegenüber hypothetische Kausalverläufe keine Rolle, es geht um eine möglichst gerechte Rückabwicklung des Vertrags 61 und nicht um die Herstellung des Zustands, der ohne die Leistungsstörung bestünde - gerade darin unterscheidet sich der Rücktritt vom Schadensersatz. Des weiteren befreit § 350 BGB von einer Zufallshaftung; es fehlt der zunächst gefahrverschärfende Umstand, daß der Rücktrittsberechtigte durch pflichtwidriges Verhalten eine Situation geschaffen hat, in der die verschärfte Haftung für Zufälle gerechtfertigt wäre. Wiederum steht dieser einengenden Auslegung auch der eindeutige Wortlaut des Gesetzes entgegen. Festzuhalten ist, daß angesichts des klaren Wortlautes des Gesetzes die dargestellten Vorschlägen großen Bedenken ausgesetzt sind. Es ist zu prüfen, ob abgesehen von den dargestellten Schwierigkeiten die Kritik an § 350 BGB sachlich berechtigt ist, oder ob sich nicht doch zeigt, daß § 350 BGB eine berechtigte Vorschrift ist.

(2) Verhältnis des § 350 BGB zu allgemeinen Gefahrtragungsregeln Kritiker des § 350 BGB bemängeln, daß § 350 BGB im Gegensatz zu den Gefahrtragungsregeln im gegenseitigen Vertrag, also zu §§ 275, 323 und § 446 BGB sowie der im Bereicherungsrecht geltenden Saldotheorie stehe.62 So wird vorgetragen, daß der Verkäufer nach den Grundgedanken des Gefahrübergangs grundsätzlich von Zufallsrisiken entlastet sein solle, wenn die Ware seine Obhut verlassen hat; jedenfalls solle er dann das Risiko nicht mehr tragen, wenn die Ware in die Sphäre des Käufers gelangt ist. 63 Es wird argumentiert, daß der Verkäufer, in dessen Rechtskreis sich die Sache nicht mehr befindet, von dieser auch keine schädlichen Einflüsse mehr fernhalten noch sie sonst in irgendeiner Weise vor Zerstörung oder Verlust bewahren könne, der Verkäufer die Gefahr mithin nicht mehr beherrschen könne. 64

60 Vgl. MK-Mertens, § 848 Rn. 1. 61 So auch Kohler, S. 238 f. 62 Palandt-Heinrichs, § 350 Rn. 3; MK-Janßen, § 350 Rn. 3; Esser ! Schmidt, SchR AT, § 19 II; Staudinger-Kaiser, § 350 Rn. 8 m. w. Nachw. 63 V. Caemmerer, in: FS Larenz, S. 631. 64 Leser, S. 193; Vathis, Gefahrtragung beim Kauf, S. 64; v.Caemmerer, in FS für Larenz S. 621,631.

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Dagegen steht jedoch die Überlegung, daß es sich gerade um zufällige Ereignisse handelt, also um Ereignisse, die nicht in den Besonderheiten des Käufers begründet sind. Zufälle sind dadurch gekennzeichnet, daß sie jederzeit überall passieren können und daß gegen sie letztendlich kein wirkungsvoller Schutz möglich ist. 65 Man mag zugeben müssen, daß derjenige, der die Sache in seiner Obhut hält, zusätzliche Vorkehrungen zum Schutz der Sache treffen kann, die über das Übliche hinausgehen. Diese Vorkehrungen können nicht verlangt werden, ihre Unterlassung stellt keine Schutzpflichtverletzung dar, sie engen jedoch den „Zufallsbereich" ein. So geht etwa die Anbringung einer Alarmanlage an einem Haus über die üblichen Sicherungsmaßnahmen hinaus und verhindert gerade durch diesen zusätzlichen Schutz möglicherweise einen Diebstahl von im Haus verwahrten Gegenständen. Gegen diesen Einwand der „überobligationsmäßigen Sicherungsmaßnahmen" läßt sich aber nur vorbringen, daß es eben nötig ist, eine vernünftige Grenze der Verpflichtungen zu setzen, die der Verpflichtete einzuhalten hat und die er einhalten kann. Verlangte man jedweden Schutz, wäre jedermann immer verpflichtet, alles Erdenkliche zu tun, um eine Sache vor Gefahren zu schützen. Diese Verpflichtung könnte sinnvollerweise nicht nur auf das Rücktrittsrecht beschränkt bleiben, sondern müßte sich auf alle Schuldverhältnisse erstrecken - womit ein normaler Umgang im Verkehr nicht mehr möglich wäre, aus lauter Gefahrenschutz wäre der Verkehr bald lahmgelegt. Deshalb ist ein vernünftiger Maßstab, auch wenn er nicht bestmöglich vor allen Gefahren schützt, vorzuziehen. Allein die Tatsache, daß der Berechtigte in diesem Restbereich Zufälle durch freiwillige und überobligationsmäßige Anstrengungen möglicherweise hätte verhindern können, rechtfertigt keine Übertragung des Zufallsrisikos auf ihn. Vielmehr ist eine wertende Betrachtung angebracht, wem das Zufallsrisiko, das zumindest im Restbereich immer bestehen bleibt, eher aufzubürden ist. Ähnliches gilt für das Argument, daß derjenige, der im Sachbesitz ist, Versicherungen zum Schutze der Sache abschließen kann. Unterbleibt eine Sachversicherung, zu der der Rückgewährschuldner verpflichtet ist, weil sie nach der Verkehrsauffassung oder dem Vertrag zum ordnungsgemäßen Umgang mit der Sache gehört, etwa eine Gebäudebrandversicherung, wird entweder angenommen, daß diese NichtVersicherung Verschulden i. S. d. § 351 BGB bedeutet66, oder dem Rückgewährgläubiger wird ein Schadensersatzanspruch aus p.F.V. zugebilligt. 67 Die Möglichkeit, über den üblichen Versicherungsschutz hinausgehende Versicherungen abzuschließen, rechtfertigt ebenfalls keine Risikoüberwälzung, wiederum muß ein vernünftiger Maßstab, der sich im üblichen Schutz erschöpft, ausreichen. Ein praktischer Aspekt, der hinter dem Beherrschbarkeitsgedanken steckt, ist der, daß schwierige Fragen der Abgrenzung von Zufall und Fahrlässigkeit vermie« Ähnlich auch Glaß, S. 28; dagegen Sickinger, S. 153 Fn. 1. 66 So Erman-H.R Westermann, § 351 Rn. 2; MK-Janßen, § 351 Rn. 10. 67 Staudinger-towe/; § 347 Rn. 102.

II. Vergleich von §§ 350, 351 BGB zu § 346 BGB-KE

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den werden sollen. So wird eingewandt, daß der Rücktrittsberechtigte die volle Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache hat, sich das Ausmaß seiner Einwirkung sogar von außen gar nicht übersehen lasse, so daß dem Mißbrauch mit einer solchen Gefahrverteilung Tür und Tor geöffnet seien.68 Es geht also um Beweisprobleme, die entfallen, wenn der Besitzer - also hier der Rücktrittsberechtigte - die Gefahr trägt. 69 Jedoch kann das Argument, es seien Beweisschwierigkeiten zu erwarten, nur insoweit berücksichtigt werden, als eine entsprechende Beweislastverteilung angeordnet wird, in der die Partei, die sich in Beweisschwierigkeiten befindet, entlastet wird. 70 Da nach allgemeiner Meinung den Rücktrittsberechtigten gem. § 282 BGB die Beweislast dafür trifft, daß Untergang oder Verschlechterung von ihm nicht verschuldet sind 71 , besteht eine entsprechende Beweislastverteilung bereits. Da in vielen Fällen der Beweis, man sei schuldlos, schwer fallen wird, ist diese Beweislastverteilung als Milderung des § 350 BGB anzusehen, weil der Rücktrittsgegner zwar das Zufallsrisiko trägt, der Berechtigte jedoch das nicht zu unterschätzende Risiko der Unaufklärbarkeit der Schadensursache,72 Aber selbst wenn man davon ausgeht, daß der Rücktrittsgegner bei einem Entlastungsbeweis des Berechtigten Schwierigkeiten haben wird, den Gegenbeweis zu führen, kann allein diese Tatsache noch nicht dazu führen, daß der Berechtigte immer die Gefahr soll tragen müssen. Denn das hieße, daß der Berechtigte nur deshalb, weil der Gegner möglicherweise in Beweisnöte geraten könnte, immer auch bei schuldlosem Untergang des Gegenstands die Gefahr tragen müßte.73 Die Frage der Gefahrtragung aber lediglich von möglichen Beweisschwierigkeiten abhängig zu machen, überzeugt nicht, vielmehr ist eine Entscheidung in der Sache erforderlich. Abgesehen davon ist die Frage der Beherrschbarkeit nicht das entscheidende Kriterium zur Lösung von Gefahrtragungsproblemen. Legt man als Gefahrtragungskriterium das Prinzip des casum sentit dominus zugrunde, ergibt sich, daß § 350 BGB keineswegs im Widerspruch, sondern systemkonform zu § 446 BGB steht. Nach der Regel des casum sentit dominus trägt grundsätzlich der Eigentümer die Gefahr, da ihm die Vor- und Nachteile der Sache gebühren. Etwas anderes ergibt sich allerdings dann, wenn die Sache wirtschaftlich einer anderen Person zugeteilt ist. Zieht eine andere Person als der Eigentümer die wirtschaftlichen Vorteile aus der Sache, sollte konsequenterweise diese Person auch die Nachteile tragen müssen.74 So wie bei § 446 BGB die Gefahr auf den Käufer übergeht, weil mit 68 User, S. 193. 69

Allgemein sprechen sich für den Beherrschbarkeitsgedanken aus Gründen der Beweisökonomie aus: Soergel-Huber, Vor § 446 Rn. 17; Hager, Gefahrtragung beim Kauf, S. 72; Vathis, Gefahrtragung beim Kauf, S. 37. 70 Reinhardt, S. 62 f.; Glaß, S. 28; Kohler, S. 357. 71 Planck-Siber, § 351 Anm. 3; Erman-Weitnauer (7. Aufl.), § 440 Rn. 20; MK-Janßen, § 351 Rn. 13; Soergel-Huber, § 467 Rn. 12; v. Caemmerer, in: FS Larenz, S. 621, 631; Palandt-Heinrichs, § 282 Rn. 3. 72 Staudinger -Kaiser, § 350 Rn. 11. 73 Überzeugend Reinhardt, S. 62. 6 Herold

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§ 3 Gefahrtragung beim gesetzlichen Rücktritt

der Übergabe der Kaufsache der „wirtschaftliche Erfolg" 75 im wesentlichen eingetreten ist - der Käufer hat den Besitz der Sache erlangt und ihm gebühren die Nutzungen (§ 446 I 2 BGB) - trägt im Falle des Rücktritts der Verkäufer die Gefahr, da dann die Sache wirtschaftlich dem Vermögen des Verkäufers zugeordnet wird. 76 Eine Gefahrübernahme gilt nämlich nur für den gültigen und bei Bestand bleibenden Vertrag, in dessen Rahmen dem Leistungsempfänger ja auch die Nutzungen zugewiesen sind. 77 Im Fall des Rücktritts hat der Käufer jedoch die Nutzungen herauszugeben, so daß die Sache für den Käufer nach Rücktritt keinerlei wirtschaftlichen Wert hatte. Dann ist es aber auch nicht gerechtfertigt, daß er den wirtschaftlichen Nachteil der Gefahr tragen soll. 78 Der in § 446 BGB verankerte Grundsatz gilt nur dann, wenn die Sache fehlerfrei und ordnungsgemäß auf den Käufer übergegangen ist. 79 Das Prinzip des § 446 BGB, nämlich der gegenüber der allgemeinen Regel des § 323 BGB vorzeitige Gefahrübergang, soll dem Vertragstreuen Verkäufer einen Vorteil bringen. Der Verkäufer soll aber erst dann von der Gefahr entlastet sein, wenn er das typische Vertragsinteresse des Käufers befriedigt hat. 80 Mängel einer Gattungssache verhindern, daß durch die Übergabe Konkretisierung eintritt, daher bleibt der Verkäufer bei zufälligem Untergang zur Leistung verpflichtet. 81 Handelt es sich um eine rechts- oder sachmängelbehaftete Speziessache oder die Teilerbringung einer unteilbaren Leistung, hat der Verkäufer ebenfalls seine Leistungspflicht noch nicht erfüllt. 82 Insoweit ist keine andere Behandlung als bei einer Gattungssache angemessen. (3) Berechtigung des § 350 BGB aus Wertungsgesichtspunkten Das wichtigere Argument scheint daher die Überlegung zu sein, daß der Käufer die Sache in seinen Rechtskreis aufgenommen hat und sie wie ein Eigentümer nutÜberzeugend Reinhardt, S. 71 ff. 75 Ehmann, § 15 V 2 b. 76 Reinhardt, S. 99 f.; Weitnauer, NJW 1970, 637, 638. 77 Kohler, S. 357 f. 78 Reinhardt, S. 99 f., vgl. auch Weitnauer, in Symposium für Detlef König, S. 183 ff.; Bremecker, S. 51; Rengier, AcP 177,427. 79 Glaß, S. 28 f.; Erman -Weitnauer (7. Aufl.), § 440 Rn. 15, § 467 Rn. 2; MK-H.P. Westermann, § 446 Rn. 3; Soergel-Huber, § 467 Rn. 11; Reinicke-7ïé?/; § 351 Rn. 71; MK-Lieb, § 818 Rn. 104; Beuthien, Jura 1979, 532, 535; v. Caemmerer, FS Larenz, S. 637 f., nach dem von § 350 BGB allerdings nur Fälle höherer Gewalt und Untergang infolge des Mangels erfaßt werden. Auch wenn diese Reduzierung der berechtigten Vorschrift des § 350 BGB nicht sachgerecht ist, erkennt er immerhin den Vorrang vor der Saldotheorie an. 100 Die entweder generell befürwortet wird (Reinhardt, S. 111), da jeder Beteiligte einen selbständigen Bereicherungsanspruch auf Herausgabe des Hingegebenen habe, oder nur bei Kollisionen der Saldotheorie mit §§ 350, 351 BGB (Staudinger-Lore/iz, § 818 Rn. 41). ιοί Staudinger-Lorenz, § 818 Rn. 41; Reinhardt, S. 111. 102 Medicus, BR § 12 II Rn. 229; ähnlich Canaris, in FS für Werner Lorenz, S. 26 f. Dagegen argumentiert König (Gutachten, Bd. 2, S. 1515, 1548), daß das Privileg des § 350 BGB nur bei einer Vertragsverletzung des anderen Teils gerechtfertigt sei. Dementsprechend schlägt er in seinem Gutachten zur Überarbeitung des Schuldrechts vor, aufgrund der Wertung des § 350 BGB Zufallsrisiken in den Schutzbereich des § 123 BGB einzubeziehen (S. 1548).

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Zeit, in der die Sache dem Käufer zur Verfügung gestanden habe, hafte er als unverklagt-gutgläubiger Besitzer dem Eigentümer weder auf Schadensersatz (§§ 989, 9901 BGB), noch auf Nutzungsherausgabe (§§ 987, 9901 BGB). Dennoch ist auch hier eine differenzierte Betrachtungsweise erforderlich. (aa) Gefahrtragung Im Falle des Rechtsmangels ist zu beachten, daß es nicht nur um eine Gefahrverteilung zwischen Käufer und Verkäufer geht, sondern daß daneben als dritte Partei der Eigentümer existiert. Nach dem Prinzip des casum sentit dominus ist zu untersuchen, wer die Sachgefahr trägt, wem die Sache also wirtschaftlich zugeordnet ist. Bei einem Käufer, der gutgläubig davon ausgeht, er habe durch den Kauf Eigentum an der Sache erworben, dieser Eigentumserwerb aber an § 935 BGB scheiterte, handelt es sich um einen gutgläubigen Besitzer. Soweit der gutgläubige Besitzer den Besitz nicht unentgeltlich erlangt hat (§ 988 BGB), ist er zur Herausgabe von Nutzungen nicht verpflichtet (§ 99312 BGB). 1 0 3 Das Nutzungsbehaltungsrecht des gutgläubigen Besitzers stellt eine Art „Minimalform gutgläubigen Erwerbs" 104 dar, dem Besitzer soll ein gewisser Ausgleich dafür gewährt werden, daß er das für den Besitzerwerb entrichtete Entgelt möglicherweise von seinem Vertragspartner nicht zurückerlangen kann. 105 Selbst wenn der Besitzer aus diesem Grunde Nutzungen behalten darf und damit Vorteile aus der Sache ziehen kann, bedeutet dies noch nicht, daß ihm die Sache wirtschaftlich zugeordnet wäre. Die entscheidenden wirtschaftlichen Befugnisse verbleiben nämlich beim Eigentümer. Im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis kann der Eigentümer die Sache jederzeit gem. § 985 BGB herausverlangen und ab diesem Zeitpunkt uneingeschränkt nutzen. Der gutgläubige Besitzer hat keine gesicherte rechtliche Position bezüglich der Sache. 106 Im Falle der Veräußerung kann der Eigentümer gem. § 816 I BGB den Erlös herausverlangen. Eventuelle Wertsteigerungen der Sache kommen nach der Herausgabe natürlich auch wieder dem Eigentümer zugute. 107 Grundsätzlich trägt deshalb auch der Eigentümer und nicht der Käufer die Sachgefahr. 108 103 A.A. Pinger, S. 57; Wolf, § 6 A VII b 5, wonach die §§ 987 ff. BGB keinerlei Ausschlußwirkung auf die §§ 812 ff. BGB ausüben. Nach dieser Ansicht hat also auch der gutgläubige entgeltliche Besitzer Nutzungen herauszugeben, insoweit ist die Frage, wem die Sache wirtschaftlich zugeteilt ist, noch leichter zugunsten des Eigentümers zu beantworten. 104 Köhl, S. 227. los Staudinger-Gwrjjty Vorbem zu §§ 987-993 Rn. 4. 106 Vgl. Reinhardt, S. 83 f. 107 Reinhardt, S. 82. io» So auch Reinhardt, S. 84; Ernst, S. 224; Glaß, S. 143 f., 138 zur Lösung Wolfs (der auch beim Rechtsmangel § 323 BGB im Rahmen des § 350 BGB anwenden möchte): „Das stimmt aber nicht mit dem allgemeinen Grundsatz des BGB überein, daß der zufällige Untergang einer Sache deren Eigentümer trifft: Wäre die Sache bei demjenigen untergegangen, der

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§ 3 Gefahrtragung beim gesetzlichen Rücktritt

Daneben ist allerdings zu beachten, daß gerade im Falle des Rücktritts wegen Rechtsmangels häufig die Situation gegeben sein wird, daß die Sache dem Eigentümer durch eine unerlaubte Handlung entzogen wurde. Gem. § 848 BGB trägt dann grundsätzlich derjenige, der die Sache entzogen hat, die Zufallsgefahr. 109 Diese Bestimmung hilft dem Eigentümer allerdings nur dann, wenn sich der Täter ermitteln läßt. 110 Zusammenfassend ist damit festzuhalten, daß grundsätzlich der Eigentümer die Sachgefahr trägt, bei Entziehung durch eine unerlaubte Handlung der Täter. (bb) Rückabwicklungsmöglichkeiten bei Restitutionshindernissen der Sache α) Dem Eigentümer wurde die Sache nicht durch eine unerlaubte Handlung entzogen bzw. der Täter ist nicht auffindbar Jedoch ist zu bedenken, daß der Eigentümer nicht schutzlos ist. Zur Verdeutlichung der Situation folgender Ausgangsfall: Ein von einem unbekannten Täter gestohlener Wagen gelangte an den gutgläubigen Verkäufer, der ihn an einen gutgläubigen Käufer weiterveräußerte. Nachdem der Wagen zufällig zerstört worden ist, erfährt der Käufer von dem Rechtsmangel.111 Will der Käufer daraufhin den Rücktritt erklären, muß er gem. §§ 440,433 I, 3261 BGB vorgehen, dem Verkäufer also erst einmal eine mit einer Ablehnungsandrohung verbundene angemessene Frist setzen, in der dieser Gelegenheit bekommt, den Eigentümer zu befriedigen und dem Käufer gem. § 185 II BGB doch noch Eigentum zu verschaffen. 112 Der Eigentümer wird mit aller Wahrscheinlichkeit die Verfügung genehmigen, da er an einer Herausgabe des Autowracks kein Interesse haben wird und so wenigstens den Veräußerungserlös erlangt, alternativ kann er aber mögliche infolge sie dem Eigentümer schuldlos entzog, müßte der Eigentümer den Verlust tragen. Warum soll das anders sein, weil inzwischen ein anderer in den Besitz der Sache gelangt ist?" M9 Mit der Ausnahme, daß der Untergang, die anderweitige Unmöglichkeit der Herausgabe oder die Verschlechterung auch ohne die Entziehung eingetreten wären. 110

Dazu Glaß (S. 139): ,Aber der Untergang einer Sache trifft noch immer den Eigentümer, nicht den Besitzer. Das Gesetz erhält dem Eigentümer einer gestohlenen Sache das Eigentum - aber dann doch wohl auch eben mit den Gefahren, die damit verknüpft sind." In diesem Falle wäre das das Risiko der Unauffindbarkeit des Diebes. 111 Dieser Fall unterscheidet sich von der berühmten Entscheidung BGHZ 5, 337 ff. (dazu § 3 V. 3.) dadurch, daß in dieser Entscheidung der Wagen noch existierte. So war die entscheidende Frage, ob die Herausgabe des Wagens an den Eigentümer rücktrittsausschließendes Verschulden darstelle und wie vom Käufer übermäßig starke Abnutzung des Gegenstandes einzubringen ist. In dem hier beschriebenen Ausgangsfall ist die Herausgabeunmöglichkeit hingegen durch ein vom Rechtsmangel unabhängiges Ereignis eingetreten. 112 Glaß (S. 140) weist darauf hin, daß die Frist reichlich bemessen sein sollte. In Veräußerungsketten darf der Verkäufer seinem Vormann gegenüber auch wiederum nur zurücktreten, wenn er diesem vorher eine Frist zur möglichen Eigentumsverschaffung gesetzt hat. Zu den Gründen gegen eine Anwendung des § 325 BGB vgl. § 21 1. b) cc) (2).

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des Untergangs entstandene Ersatzansprüche geltend machen wie einen Anspruch aus § 281 BGB oder Regreßansprüche gegen einen eventuellen Unfallverursacher. Die Situation ist also die, daß den Eigentümer zwar zunächst aufgrund seiner Eigentümerposition die Sachgefahr trifft, daß er aber im Endeffekt nicht den wirtschaftlichen Nachteil tragen muß, weil er zumindest den Veräußerungserlös vom Verkäufer oder Ersatzansprüche 113 erhalten kann. 114 In den meisten Fällen wird der Eigentümer daher die Verfügung genehmigen, und dem Käufer so nachträglich doch noch Eigentum verschaffen. Es mag zunächst verwundern, daß eine Eigentumsverschaffung an einem untergegangenen Gegenstand noch möglich sein soll. Nach allgemeiner Ansicht ist es aber gleichgültig, ob der Gegenstand der nachträglich genehmigten Verfügung noch existiert 115 , da die Genehmigung gem. § 184 I BGB auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurückwirkt. Ansonsten geriete man auch in schwer verständliche Widersprüche. Ist die Sache „nur" wesentlich verschlechtert, kann der Eigentümer die Verfügung problemlos genehmigen. Ein anderes Ergebnis für den davon kaum noch unterscheidbaren und deshalb auch in § 351 BGB gleichgestellten völligen Untergang der Sache anzunehmen, wäre sachwidrig. 116 Im Ergebnis wird der Käufer daher in der Regel 117 die Sachgefahr und damit den Schaden durch die zufällige Zerstörung der Sache tragen müssen. Dieses Ergebnis ist aber nicht unfair, weil dem Käufer Rechtsmängelansprüche eben nur dann zustehen, wenn der Verkäufer seiner Pflicht zur Eigentumsverschaffung endgültig 113

In Betracht kommt auch noch ein Anspruch aus der Eingriffskondiktion (§§ 812 I 1 Alt. 2, 818 II BGB), etwa wenn ein Dritter die Sache schuldlos für seine eigene hielt und veräußerte. Jedoch umfaßt der Anspruch aus der Eingriffskondiktion gegen den Verkäufer auch maximal den Veräußerungserlös (so etwa Palandt-77w?mj5, § 818 Rn. 37, nach dem bei einer Veräußerung ein über dem Wert der Sache liegender Wert beim Veräußerer verbleibt, während bei der Erzielung eines Mindererlöses die Bereicherung gem. § 818 III BGB nur in dieser Höhe besteht), dabei aber dem Entreicherungseinwand des Verkäufers ausgesetzt ist. Genehmigt der Eigentümer nämlich die Verfügung nicht, wird der Käufer sein Rücktrittsrecht wahrnehmen. Der Verkäufer muß dem Käufer dann den Kaufpreis im Gegenzug gegen die gezogenen Nutzungen zurückerstatten, während der Käufer ansonsten gem. § 350 BGB von einer Rückgewähr befreit ist. Der Verkäufer wäre nur in Höhe der vom Käufer gezogenen Nutzungen bereichert und brauchte auch nur diese im Rahmen der Eingriffskondiktion an den Eigentümer zu leisten. 114 Nun könnte man meinen, daß es dem Verkäufer egal sein könne, ob er sich mit dem Eigentümer einigt und dem Verkäufer den Veräußerungserlös herausgibt, oder ob er die Frist untätig verstreichen läßt und dem Käufer den Kaufpreis zurückerstattet. Erfährt der Eigentümer aber dann später von der Veräußerung, kann er diese immer noch genehmigen und den Veräußerungserlös vom Verkäufer herausverlangen. Dann wäre der Verkäufer letztlich derjenige, der den zufälligen Untergang tragen muß. Von daher wird sich der Verkäufer um eine Genehmigung des Verkäufers bemühen. »5 Vgl. etwa Pa\&ndt-Heinrichs, § 184 Rn. 3. 116 Vgl. Glaß, S. 149. 117 Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich der Eigentümer oder Verkäufer interessewidrig verhalten. In dem Fall kann man nur sagen, daß derjenige, der seine Rechte nicht wahrnimmt, auch keinen Grund hat, sich zu beschweren.

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nicht nachkommt. Ob er in der Lage ist, diese Pflicht zu erfüllen, hängt immer vom Einverständnis des Eigentümers ab. Erteilt der Eigentümer aber sein Einverständnis, hat sich gezeigt, daß der Verkäufer doch in der Lage war, dem Käufer das Eigentum an der Sache zu verschaffen; deshalb ist für Rechtsmängelansprüche kein Platz mehr. 118 Durch die erst nachträglich erteilte Genehmigung hat der Käufer auch keine Nachteile erlitten, insoweit ist er also ebenfalls nicht schutzwürdig. In dem Fall, in dem der Eigentümer nicht mehr auffindbar ist und die Verfügung nicht genehmigen kann, kann der Käufer daher weiterhin gem. § 350 BGB zurücktreten, womit es zunächst so aussieht, als werde der Verkäufer mit der Zufallsgefahr belastet. Dies scheint aber nur auf den ersten Blick so, weil in Wirklichkeit ja immer noch der unauffindbare Eigentümer den Verlust tragen muß. Hat der Verkäufer dem Eigentümer die Sache schuldlos entzogen, steht ihm der Kaufpreis gar nicht zu, weil er ja gar nicht seine eigene Sache veräußert hat. Da der Eigentümer nicht auffindbar ist, ist auch keine Doppelbelastung des Verkäufers durch Zahlungen sowohl an den Rücktrittsberechtigten als auch den Eigentümer möglich. In dieser Situation ist die Regel des § 350 BGB nicht zu beanstanden, sowohl der Verkäufer als auch der Käufer sind am Untergang der Sache schuldlos, dem Verkäufer steht der Veräußerungserlös wegen seiner fehlenden Eigentümerposition sowieso nicht zu, der wahre Betroffene ist nicht auffindbar und kann keine Ansprüche geltend machen - hier liegt es doch wirklich näher, daß der Käufer seinen Kaufpreis zurückerhält. Hat nicht der Verkäufer die Sache entzogen, sondern im Rahmen einer Veräußerungskette erlangt und selbst einen Kaufpreis gezahlt, kann er sich ja seinerseits an seinen Vorgänger wenden. Das Risiko, daß der Regreß an der Unauffindbarkeit oder Zahlungsunfähigkeit scheitert, ist ein Risiko, dem jeder Gläubiger ausgesetzt ist und das daher nicht weiter berücksichtigt werden darf. 119 Entscheidet sich der Eigentümer dafür, das stellvertretende commodum zu verlangen oder Regreßansprüche gegen Dritte geltend zu machen und hält er damit an seiner Eigentümerposition fest, ist ebenfalls die Regelung des § 350 BGB gerechtfertigt. Der Eigentümer wird sich nur für diese Möglichkeit entscheiden, wenn er darin eine der Sache selbst ebenbürtige Leistung sieht. Dann ist das Ergebnis aber doch fast das gleiche, als wenn der Käufer die Sache selbst an den Eigentümer zurückgibt 120 ; immerhin ist er in der Lage, dem Eigentümer eine Ersatzsache oder einen Ersatzanspruch zurückzugewähren, den dieser anstelle der Sache zu akzeptieren bereit ist. us So auch Glaß, S. 149. 119 Glaß, S. 139. 120 Vgl. BGHZ 5, 337 ff., ausführlich § 3 V. 3. In diesem Fall hatte der Verkäufer ein Kfz durch umfangreiche Verwendungen im Wert gesteigert, die bei Rückgabe an den Eigentümer wegen starker Beanspruchung des Kfz durch den Käufer nicht mehr vorlagen. Der Eigentümer aber war anscheinend mit dem Zustand des Kfz zufrieden.

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ß) Dem Eigentümer wurde die untergegangene Sache durch eine unerlaubte Handlung entzogen und der Täter ist auffindbar Wurde dem Eigentümer die Sache durch eine unerlaubte Handlung entzogen, ist in unserem Falle etwa der Verkäufer gleichzeitig der Dieb des Autos, steht es dem Eigentümer gleichwohl frei, die Veräußerung an den Käufer zu genehmigen und den Erlös für sich zu beanspruchen. Daneben hat er aber einen Schadensersatzanspruch aus § 823 BGB gegen den Dieb. Gem. §§ 249, 251 BGB hat der Dieb den Eigentümer so zu stellen, wie er ohne den Diebstahl stehen würde, wodurch der Dieb insbesondere zum Ersatz des Sachwerts und der entgangenen Nutzungen verpflichtet ist. § 848 BGB stellt noch einmal ausdrücklich klar, daß der Dieb die Zufallsgefahr tragen muß. Der Käufer könnte dann nach vergeblichem Fristablauf den Rücktritt geltend machen und gegen Herausgabe gezogener Nutzungen seinen Kaufpreis zurückverlangen. Ob damit der Käufer oder der Dieb den zufallsbedingten Schaden tragen muß, hängt daher von der Entscheidung des Eigentümers ab. Soweit der Veräußerungserlös nicht erheblich über dem Schadensersatzanspruch liegt, wird sich aber kein Eigentümer bereit finden, einen an ihm begangenen Diebstahl zu genehmigen, und die Sympathie zu dem schuldlosen Käufer wird überwiegen. Bedenken dagegen, daß der Dieb im Ergebnis den Schaden tragen muß, bestehen nicht. Wer sich ins Unrecht begibt, muß damit rechnen, bei Aufklärung nachteilige Folgen zu tragen. (cc) Vergleich der Regelung des § 350 BGB beim Rücktritt mit Schadensersatz gem. §§ 4401, II, 326 BGB Im Gegensatz zum Sachmangel, bei dem bei zufälligem Untergang der Sache vor Entdeckung des Mangels der Rücktritt zwar zulässig ist, aber kein Schadensersatzanspruch besteht, weil das zufällige Schadensereignis die durch den Mangel in Gang gesetzte Kausalkette unterbricht und der Untergang den Sachmangel quasi erledigt, ordnet § 440 II Alt. 3 BGB für den Rechtsmangel an, daß der Schadensersatzanspruch des Käufers durch den Untergang der Sache grundsätzlich unberührt bleibt. Welcher Schaden zu ersetzen ist, ist dennoch fraglich. Teilweise wird ein Schadensersatzanspruch nur in Höhe des unmittelbar durch den Rechtsmangel und nicht durch das zufällige Ereignis verursachten Interesses anerkannt. 121 Dieser Annahme liegt zum einen das Verständnis zugrunde, daß der Käufer gem. § 446 I BGB nach Übergabe das Risiko des zufälligen Untergangs trage 122 - daß diese Annahme nicht tragfähig ist, wurde bereits gezeigt. Nach dem 121 Palandt-Putzo, § 441 Rn. 8; Staudinger-tfö/i/e/; § 440 Rn. 46; Larenz, SR BT, § 40 II b; Soergel-Huber, § 440 Rn. 47 f.; MK-H.P.Westermann, §§ 440,441 Rn. 11. 122 Palandt-Pwfzo, § 441 Rn. 8; RGRK-Metzger, § 440 Rn. 14; Staudinger-tf