Das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe nach der VN-Wasserlaufkonvention [1 ed.] 9783428527366, 9783428127368

Das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen Entwicklung,

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German Pages 319 Year 2008

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Das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe nach der VN-Wasserlaufkonvention [1 ed.]
 9783428527366, 9783428127368

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Schriften zum Völkerrecht Band 181

Das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe nach der VN-Wasserlaufkonvention Von

Christian Behrmann

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTIAN BEHRMANN

Das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe nach der VN-Wasserlaufkonvention

Schriften zum Völkerrecht Band 181

Das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe nach der VN-Wasserlaufkonvention

Von

Christian Behrmann

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Augsburg hat diese Arbeit im Jahre 2007 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0251 ISBN 978-3-428-12736-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Foreword Water is needed in all aspects of life and plays a vital role in relation to human health, livelihood, economic growth as well as sustaining ecosystems. For sustainable development, it is necessary to take into account water’s social, environmental and economic dimensions and all of its varied uses. Water management therefore requires an integrated approach. The publication of this new volume, addressing the rules of international water law, must be surely welcome. Such ambitious work actually reflects the growing interest in the discipline of international water law, witnessed in the growing call for lawyers to bring their skills and expertise to bear in the search for a solution to the pending water crisis. The equitable use and the protection of the world’s freshwater resources are key challenges on the road to a safer, more peaceful, equitable and prosperous world. It is indeed appropriate to congratulate Christian Behrmann on having accomplished this demanding task, the result of which will certainly be precious both for those who are involved in international water law and for researchers in the academic world. The volume, which intends to clarify the content and legal value of the principle of equitable and reasonable utilisation and participation, is surely bound to remain a valuable working tool for many years to come. The author is evidently highly qualified to carry out the work, given the deep knowledge of the subject in which he has been involved for many years, both as an academic and as a lawyer in international organisations, private practice and nongovernmental organisations. Geneva, June 2008

Dr. Bertrand Charrier Green Cross International

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2007 von der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung wurde sie an einigen Stellen geringfügig verändert. Den entscheidenden Impuls für das Thema der Studie erhielt ich während meiner Tätigkeit bei Green Cross International in Genf. Als Mitarbeiter im globalen Wasser-Programm, das sich zur Aufgabe gemacht hat, Konflikte zu verhindern, die aus der Verknappung verfügbarer Süßwasserressourcen entstehen und zur Erhaltung dieser lebenswichtigen Ressourcen beizutragen, konnte ich unmittelbar erleben, welche Herausforderungen Nutzung und Schutz grenzübergreifender Süßwasserressourcen in vielen Regionen der Erde darstellen. An erster Stelle danke ich meinem Doktorvater Prof. Dr. Christoph Vedder, der mir die Bearbeitung des Themas möglich machte, mich mit Rat und Hilfe unterstützte und mir große Freiheit bei Themenwahl und Gestaltung der Dissertation gewährte. Mein Dank gilt auch Prof. Dr. Ivo Appel für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Meinen Zugang zum internationalen Wasserrecht geebnet hat Dr. Bertrand Charrier, der mir nicht nur während meiner Zeit bei Green Cross International Vorgesetzter und Kollege war, sondern auch weiterhin Lehrer und Freund geblieben ist. Die Recherchen für diese Arbeit und die Suche nach zum Teil schwer zugänglicher Literatur zu dem Thema wären ohne die geduldige Unterstützung des Bibliothekspersonals insbesondere der Bayerischen Staatsbibliothek und der Bibliothek für Völker- und Europarecht des Instituts für Internationales Recht – Völkerrecht – der Ludwig-Maximilians-Universität in München, der Bibliothek des Max-PlanckInstituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg, der Bibliothèque Nationale de France und der Bibliothèque de l’Institut du Monde Arabe in Paris, der Bibliothèque de la Faculté de Droit der Université de Genève und der Bibliothek der Katholischen Universität Löwen ungleich schwieriger gewesen. Dem Stockholm International Water Institute ist es zu danken, mir wiederholt die Möglichkeit gegeben zu haben, Kernthesen dieser Arbeit auf der World Water Week einem internationalen Publikum vortragen und in vielfältigen Diskussionen weiterentwickeln zu können. Im Vorfeld und während der Abfassung der Arbeit konnte ich einige Persönlichkeiten um ihren Rat zu inhaltlichen und organisatorischen Problemen bitten. Für die erfahrene Aufmerksamkeit bin ich sehr dankbar. Namentlich erlaube ich

8

Vorwort

mir diesen Dank Prof. Laurence Boisson de Chazournes, Dr. Rainer E. Enderlein, Dr. Stephen Harris, Prof. Dr. Horst Günter Krenzler, Dr. Alistair Rieu-Clarke, Prof. Dr. Peter H. Sand, LL.M. und Prof. Dr. Bruno Simma auszusprechen. Besonders verpflichtet bin ich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Lehrstuhls von Prof. Vedder. Mit Dr. Stefan Lorenzmeier, LL.M. (Leiden) teilte ich die Faszination für das internationale Wasserrecht und danke ihm für unsere anregenden Gespräche und Diskussionen. Herzlich zu danken habe ich auch Dipl.-Biol. Bence Barla-Szabó, Dr. Daniel Eusterhus und Herrn Lorenz v. Hassell nicht nur für die zeitraubende Durchsicht des Manuskripts, sondern auch für wertvolle Gespräche und Hinweise. Aller guter Rat schützt nicht vor Fehlern. Für Mängel, die dieser Arbeit innewohnen könnten, bin ausschließlich ich allein verantwortlich. Besonderer Dank gilt meinen Eltern, Ulrike und Jörn Behrmann, die meinen akademischen Werdegang rückhaltlos unterstützt haben und denen ich – nicht nur in dieser Beziehung – vieles verdanke. So war es mein Vater, der nicht nur als Erster mein Interesse am internationalen Wasserrecht weckte, sondern mir auch allgemein die Welt der Wissenschaft eröffnete. Er hat mir auch beim Abfassen der vorliegenden Arbeit in vielseitiger Weise Unterstützung gewährt. Neben meinen Eltern widme ich diese Arbeit meiner Frau Karen Massin-Behrmann – sie weiß schon, warum. Brüssel / Bagdad, im Februar 2008

Christian Behrmann

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Internationale Wasserläufe und die Begrenztheit der Süßwasserressourcen . . . .

21

2. Die Wasserkrise und das Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

3. Das Prinzip der „angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe“ als Eckstein des internationalen Wasserrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

4. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

5. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

Erster Teil Internationales Wasserrecht

34

I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Geschichtliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Ursprünge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

2. Erste Kodifikationsversuche des Rechts der nichtschifffahrtlichen Wassernutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

3. Die VN-Wasserlaufkonvention von 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

IV. Theoretische Grundlagen des internationalen Wasserrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

1. Überkommene Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

a) Die Theorie der absoluten territorialen Souveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

b) Die Theorie der absoluten territorialen Integrität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

2. Der heute herrschende Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

a) Die Theorie der beschränkten territorialen Souveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

3. Alternative Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

10

Inhaltsverzeichnis a) Die Theorie der rechtlichen Gemeinschaft an internationalen Binnengewässern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

b) Das Konzept des gemeinsamen Erbes der Menschheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

c) Das Konzept des common concern of mankind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

d) Integrated Water Resources Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zweiter Teil Das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

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I. Die theoretischen Grundlagen des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

1. Die Theorie der angemessenen Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

a) Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

b) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

d) Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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aa) Das Prinzip der angemessenen Nutzung und der Schutz der Binnengewässer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

(1) Lösungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

(2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

bb) Das Verhältnis zwischen dem Prinzip der angemessenen Nutzung und dem Verbot erheblicher grenzüberschreitender Schädigung . . . . . . . . . . . .

78

(1) Lösungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

(2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

cc) Mögliche Ausnahmen von der abstrakten Gleichrangigkeit der Wassernutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

(1) Besonderer Schutz bereits bestehender Wassernutzungen? . . . . . . . . .

82

(a) Lösungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

(b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

(2) Besonderer Schutz potentieller Wassernutzungen? . . . . . . . . . . . . . . . .

84

(a) Lösungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

(b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

(3) Besonderer Schutz lebenswichtiger menschlicher Bedürfnisse? . . . .

85

(a) Zugang zu, Teilhabe an und Nutzung von lebenswichtigen Wasserressourcen als Menschenrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Lösungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86 86 88

Inhaltsverzeichnis

11

(b) Vorrang lebenswichtiger menschlicher Bedürfnisse? . . . . . . . . . . (aa) Lösungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88 89 90

e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

2. Die Theorie der vernünftigen Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

3. Die Theorie der Interessengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

a) Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

b) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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d) Einzelfragen zu Art und Intensität der Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

aa) Lösungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 4. Das Konzept der gemeinsamen Naturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 a) Lehre und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 II. Das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in der Form der VN-Wasserlaufkonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Geographischer Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 b) Voraussetzungen der inhaltlichen Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 2. Angemessene und vernünftige Nutzung (equitable and reasonable utilization) . 112 a) Nutzung (utilization) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Angemessen (equitable) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 aa) Ausgangspunkt: Das Prinzip der Gleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (1) Abstrakte Gleichheit der Anrainerstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (2) Abstrakte Gleichheit der Nutzungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (a) Normative Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (b) Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Schifffahrtliche Nutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Ältere, bereits existierende und potentielle Nutzungen . . . (cc) In Verträgen bereits behandelte Nutzungsarten . . . . . . . . . . . (dd) Grundlegende menschliche Bedürfnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . .

121 121 122 123 123

(3) Abstrakte Gleichheit der Abwägungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

12

Inhaltsverzeichnis bb) Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (1) Optimale Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (2) Nachhaltige Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 (3) Verhältnis der Ziele zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 cc) Berücksichtigung der Interessen der Anrainerstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 dd) Einklang mit adäquatem Schutz des Wasserlaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 c) Vernünftig (reasonable) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3. Angemessene und vernünftige Teilhabe (equitable and reasonable participation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 a) Teilhabe (participation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 aa) Recht auf Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 bb) Pflicht zur Kooperation bei Schutz und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (1) Allgemeine Kooperationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 (2) Spezifische Kooperationspflichten beim Schutz internationaler Wasserläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (3) Spezifische Kooperationspflichten bei der Entwicklung internationaler Wasserläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (4) Kooperationsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 cc) Teilhabe und das Konzept gemeinsamer Naturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 b) Angemessen und vernünftig (equitable and reasonable) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

Dritter Teil Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in der Form der VN-Wasserlaufkonvention

164

I. Möglichkeit völkergewohnheitsrechtlicher Geltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 1. Grundlegende Rechtsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 2. „Normenschaffender“ Charakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 II. Geltung als deklaratorisch wiedergegebenes Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . 172 III. Geltung als logisch notwendiges bzw. „selbst-evidentes“ Völkergewohnheitsrecht

178

IV. Geltung als „kristallisiertes“ Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 a) „Kristallisation“ internationalen Gewohnheitsrechts in einer Kodifikationskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

Inhaltsverzeichnis

13

b) „Kristallisation“ internationalen Gewohnheitsrechts in Resolutionen der VN-Generalversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. „Kristallisation“ des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in der VN-Wasserlaufkonvention? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 a) Zustimmung der überwältigenden Mehrheit der Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 b) Beteiligung aller repräsentativer Staatengruppen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 aa) Stimmverhalten der repräsentativen Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 bb) Erklärungen der Staatenvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 V. Geltung als nachträglich erstarktes Völkergewohnheitsrecht – Erstarken aufgrund Eigenwirkung der Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 VI. Geltung als nachträglich erstarktes Völkergewohnheitsrecht – Erstarken aufgrund nachfolgender Staatenpraxis und opinio juris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 a) Allgemeine Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 b) Besonderheiten im konkreten Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 2. Ausgewählte nachfolgende Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 a) Südliches Afrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 aa) Revised Protocol on Shared Watercourses in the Southern African Development Community vom 7. 8. 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 bb) Incomati und Maputo-Vertrag vom 29. 8. 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 b) Chinesisch-kasachisches Übereinkommen über Zusammenarbeit bei Nutzung und Schutz grenzüberschreitender Flüsse vom 12. 9. 2001 . . . . . . . . . . . . 222 c) Libanesisch-syrischer Vertrag über den Southern Great River vom 20. 4. 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 d) Rahmenübereinkommen zum Sava-Flusseinzugsgebiet vom 5. 12. 2002 . . . . 224 e) Abkommen im Einzugsgebiet des Aralsees . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 f) Implementierungsabkommen des ECE-Übereinkommens von Helsinki zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen vom 17. 3. 1992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 3. Ausgewählte die VN-Konvention inhaltlich antizipierende Verträge . . . . . . . . . . . 230 a) Mittlerer Osten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 aa) Israelisch-jordanischer Friedensvertrag vom 26. 10. 1994 . . . . . . . . . . . . . . 232 bb) Israel-Palestinian Interim Agreement vom 28. 9. 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

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Inhaltsverzeichnis b) Vereinbarung über die Zusammenarbeit bei der nachhaltigen Entwicklung des Mekong-Beckens und Protokoll über die Errichtung der Mekong-Kommission vom 5. 4. 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 c) Treaty on Sharing of the Ganges Waters at Ferakka vom 12. 12. 1996 . . . . . . 235 d) Implementierungsabkommen des ECE-Übereinkommens von Helsinki zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen vom 17. 3. 1992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 4. Ausgewähltes sonstiges staatliches Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 a) Nile Basin Initiative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 b) Europäische Wasserrahmenrichtlinie vom 23. 10. 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 5. Das Gabcíkovo-Nagymaros-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 6. Ausgewählte weitere internationale Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 a) International Law Association . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 b) World Commission on Dams . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Ausblick: Das Recht der Nutzung internationaler Binnengewässer im 21. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Executive Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313

Abkürzungsverzeichnis a. A. ABl. Abs. ADI a. E. AFDI AfrYIL AIDI AJIL allg. Alt. Am. Soc’y Int’l L. APuZ Art. AsianYIL Aufl. AUILR Austrian J. Publ. Intl. Law AVR Bd. BDGVR Berlin-Rules BGE Bsp. B.U. Int’l L. J. BYIL bzgl. bzw. ca. CanYBIL Case W. Res. J. Int’l L. CJTL ColoJIEL&P ColoJIEL&P YB

anderer Ansicht Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Anuario de Derecho Internacional am Ende Annuaire Français de Droit International African Yearbook of International Law Annuaire de l’Institut de Droit International American Journal of International Law allgemein Alternative American Society of International Law Aus Politik und Zeitgeschichte Artikel Asian Yearbook of International Law Auflage American University International Law Review Austrian Journal of Public and International Law Archiv des Völkerrechts Band Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht The Berlin Rules on Water Resources (ILA, Report of the seventy-first conference held in Berlin 2004, 2004, S. 337) Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts Beispiel, -e Boston University International Law Journal British Yearbook of International Law bezüglich beziehungsweise circa Canadian Yearbook of International Law Case Western Reserve Journal of International Law Columbia Journal of Transnational Law Colorado Journal of International Environmental Law & Policy Colorado Journal of International Environmental Law & Policy Yearbook

16 CRIA CTS DenverJIL&P ders. d. h. dies. Doc. dt. DVBl. ebd. ECHR EcologyLQ ECOSOC EEA EMRK engl. ENSAP Envtl. L. EPIL ESCWA EU EUV

FAO FAZ FHIG Fn. FordhamILJ FS GA gem. GeorgetownIELR ggf. GIWA GRDC GWP GYIL HarvardILCB HarvardILJ

Abkürzungsverzeichnis Cambridge Review of International Affairs Consolidated Treaty Series (Hrsg. Clive Perry) Denver Journal of International Law and Policy derselbe das heißt dieselbe Document deutsch, -e, -er Deutsches Verwaltungsblatt ebenda European Court of Human Rights Ecology Law Quarterly Economic and Social Council European Environment Agency Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. 11. 1950 (BGBl. 1954 II S. 14) englisch Eastern Nile Subsidiary Action Program Environmental Law Encyclopedia of Public International Law (Hrsg. Rudolf Bernhardt) Economic and Social Commission for Western Asia Europäische Union Vertrag über die Europäische Union vom 7. 2. 1992 (BGBl. 1992 II S. 1253) in der Fassung des Vertrages von Nizza vom 26. 2. 2001 (BGBl. 2001 II S. 1667) Food and Agriculture Organization of the United Nations Frankfurter Allgemeine Zeitung Fontes Historiae Iuris Gentium (Hrsg. W.G. Grewe) Fußnote Fordham International Law Journal Festschrift General Assembly gemäß Georgetown International Environmental Law Review gegebenenfalls Global International Water Assessment Global Runoff Data Centre Global Water Partnership German Yearbook of International Law Harvard International Law Club Bulletin Harvard International Law Journal

Abkürzungsverzeichnis HdUR Helsinki-Rules

Hrsg. ICLQ IDI IJGEI IKSR ILA ILC ILM ILR IndJIL insb. Int. Lawyer IPbpR IPwskR i. S. d. ItalYIL i. V. m. IWRM J. En. & Nat. R. L. JuS LJIL LNTS Max Planck UNYB MDG m. w. N. Nat. Res. J. NBI NELSAP NethYIL NGO No. NordicJIL Nr. NRF N.Y.U. J. Int’l L. & P.

17

Handbuch des Umweltrechts (Hrsg. Otto Kimminich / Heinrich von Lersner / Peter- Christoph Storm) The Helsinki Rules on the Uses of the Waters of International Rivers (ILA, Report of the fifty-second conference held at Helsinki 1966, 1967, S. 477) Herausgeber International and Comparative Law Quaterly Institut de Droit International International Journal of Global Environmental Issues Internationale Kommission zum Schutz des Rheins gegen Verunreinigung International Law Association International Law Commission International Legal Materials International Law Report Indian Journal of International Law insbesondere International Lawyer Internationaler Pakt für bürgerliche und politische Rechte vom 19. 12. 1966 (BGBl. 1973 II S. 1534) Internationaler Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 9. 12. 1966 (BGBl. 1973 II S. 1570) im Sinne des Italian Yearbook of International Law in Verbindung mit Integrated Water Resources Management Journal of Energy & Natural Resources Law Juristische Schulung Leiden Journal of International Law League of Nations Treaty Series Max Planck Yearbook of United Nations Law Millennium Development Goals mit weiteren Nachweisen Natural Resources Journal Nile Basin Initiative Nile Equatorial Lakes Investment Program Netherlands Yearbook of International Law Non-governmental Organization (Nichtregierungsorganisation) Number Nordic Journal of International Law Nummer Natural Resources Forum New York University Journal of International Law and Politics

18 o. O. para. PCIJ PLO RBDI RdC RDISDP RECIEL REDI RGDIP RGZ RHDI RIAA RivDI Rn. RVerf S. Ser. SJIR sog. Sp. StanfordJIL Statements of understanding StGH StIGH TECCONILE TexIntLJ u. a. UN UNCED UNECE UNEP UNESCO UNICEF UNFPA Urt. US

Abkürzungsverzeichnis ohne Ort Paragraph Permanent Court of International Justice Palestine Liberation Organisation Revue Belge de Droit International Recueil des cours Revue de Droit International de Sciences Diplomatiques et Politiques Review of European Community and International Environmental Law Revue Egyptienne de Droit International Revue Générale de Droit International Public Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Revue Hellenique de Droit International Reports of International Arbitral Awards Rivista di diritto internazionale Randnummer Reichsverfassung (Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. 8. 1919, Reichsgesetzblatt 1383) Satz; Seite Series Schweizerisches Jahrbuch für Internationales Recht so genannt, -e, -er Spalte Stanford Journal of International Law Statements of understanding pertaining to certain articles of the convention (U.N. Doc A / 51 / 869, abgedruckt in ILM 36 (1997), S. 719) Staatsgerichtshof Ständiger Internationaler Gerichtshof Technical Cooperation Committee for the Promotion of the Development and Environmental Protection of the Nile Basin Texas International Law Journal und andere; unter anderem United Nations United Nations Conference on Environment and Development United Nations Economic Commission for Europe United Nations Environment Programme UN Educational, Scientific and Cultural Organisation United Nations Children’s Fund United Nations Population Fund Urteil United States; United States Supreme Court Reports

Abkürzungsverzeichnis v. vgl. VN VNC

VN-Konvention; VNWasserlaufkonvention

VN-Seerechtskonvention Vol. WHO WVRK WWC YBIEL Y. B. Int’l L. Comm’n ZaöRV z. B. ZfWR zit. ZUR

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versus vergleiche Vereinte Nationen Charta der Vereinten Nationen vom 26. 6. 1945 (United Nations Conference on International Organization Documents, Bd. XV (1945), S. 335 ff.; dt. Fassung in BGBl. 1974 II S. 769, geändert und durch Bekanntmachung vom 28. 8. 1980 (BGBl. 1980 II S. 1252) bereinigt Übereinkommen über die nichtschifffahrtliche Nutzung internationaler Wasserläufe (Convention on the Law of the Non-navigational Uses of International Watercourses) (U.N. Doc A / 51 / 869, abgedruckt in ILM 36 (1997), S. 700; dt. Fassung in BGBl. 2006 II S. 742) Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. 12. 1982 (BGBl. 1994 II S. 1799) Volume World Health Organization Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. 5. 1969 (BGBl. 1985 II S. 926) World Water Council Yearbook of International Environmental Law Yearbook of the International Law Commission Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für Wasserrecht zitiert Zeitschrift für Umweltrecht

„It is often said that water crisis and scarcities will at some point lead to armed conflict. But this need not be the case. Water problems have also been a catalyst for cooperation among peoples and nations. Whatever else divides the human community, whether we live upstream or downstream, in cities or in rural areas, water issues – the global water cycle itself – should link us in a common effort to protect and share it equitably, sustainably and peacefully“. Kofi Annan1

Einleitung 1. Internationale Wasserläufe und die Begrenztheit der Süßwasserressourcen Wasser ist eine Vorbedingung für das Leben auf unserem Planeten. Wie das Blut den Menschen, so durchfließt das Wasser die Biosphäre in Form des Wasserkreislaufs. Obwohl die Erde zu mehr als 70% von Wasser bedeckt ist, bestehen nur weniger als 3% davon aus Süßwasser, während sich der Rest als Salzwasser in den Meeren befindet; da aber fast 90% der gesamten Süßwasservorräte in Gletschern eingefroren sind oder sich in der Atmosphäre, im Boden oder in Tiefenschichten befinden, werden die für den Menschen tatsächlich verfügbaren Süßwasserressourcen auf insgesamt weniger als 0,3% des weltweiten Wassers geschätzt.2 Süßwasser ist also ein knappes Gut. Trotz der Eigenschaft des Süßwassers, sich mit Hilfe des Wasserkreislaufs immer wieder zu erneuern, verschärft sich diese Knappheit in unserer Zeit. Viele der verfügbaren Süßwasserressourcen sind heute akut bedroht. Die Versorgung mit Süßwasser gerät deshalb global mehr und mehr in die Krise.3 Einerseits steigt der Bedarf an Süßwasser, und zwar aufgrund intensiver industrieller und landwirtschaftlicher Aktivitäten sogar noch stärker als das weltweite Bevölkerungswachstum.4 Andererseits sinkt vielfach, insbesondere infolge menschenverursachter Ver1 World Water Day: Message from the Secretary General, Press Release SG / SM / 8620 OBV / 326, 4. 3. 2003. 2 UNEP (Hrsg.), Virtual water graphics: an overview of the state of the world’s fresh and maritime waters, 2002, S. 6; Marcinek / Rosenkranz, Das Wasser der Erde, 1996, S. 30. 3 UNESCO (Hrsg.), The United Nations World Water Development Report, 2003, S. 10 ff.; Brans / de Haan / Nollkaemper / Rinzema (Hrsg.), The scarcity of water, 1997, S. 3 ff.; Clarke, Wasser: die politische, wirtschaftliche und ökologische Katastrophe, 1994, S. 9 ff.; Gleick, An introduction to global fresh water issues, 1993, S. 3 ff. Vgl. auch Robert, Das Parlament, Nr. 32 / 33, 8. / 15. 8. 2005, S. 17; Klaphake / Scheumann, APuZ 2001, B 48 – 49, S. 3 ff. Angesichts der sich immer weiter verschäftenden Krise erklärten die VN das Jahr 2003 zum „Internationalen Jahr des Süßwassers“ (vgl. UN Doc. A / RES / 55 / 196) und das Jahrzeht 2005 – 2015 zum „Water for Life“-Jahrzehnt (vgl. UN Doc. A / RES / 58 / 485).

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Einleitung

schmutzung, seine Qualität.5 Dazu kommen noch die extrem ungleiche Verteilung der verfügbaren Wasserressourcen6 und die Auswirkungen des bereits begonnenen Klimawandels.7 Schon im Jahr 2000 hatten etwa 1,1 Milliarden Menschen keinen hinreichenden Zugang zu Süßwasser.8 Ihr Anteil wird sich bis zum Jahr 2025 auf schätzungsweise 38% der dann rund 8 Milliarden Menschen erhöhen.9 Der Großteil des vom Menschen nutzbaren Süßwasserangebots stellen Flüsse, Seen und Staubecken: Binnengewässer im Allgemeinen und Flüsse im Besonderen sind weltweit betrachtet die bei weitem wichtigste Quelle für den menschlichen Süßwasserbedarf.10 Ein erheblicher Teil der Einzugsgebiete dieser Flüsse wird von mehreren Staaten geteilt, ist folglich international.11 Bereits Ende der 1970er Jahre schätzte man die Zahl der Flussbecken, die sich über das Territorium von zwei oder mehr Staaten erstrecken, auf etwa 215.12 Inzwischen ist diese Zahl aufgrund politischer Veränderungen insbesondere in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion auf über 260 gestiegen.13 Internationale Binnengewässer spielen weltweit betrachtet bei der Süßwasserversorgung also eine zunehmend entscheidende Rolle. 4 In den vergangenen hundert Jahren hat sich die Weltbevölkerung verdreifacht, ihr Wasserverbrauch jedoch versechsfacht (vgl. Annan, We the peoples, 2000, S. 60). Zum besonderen Problem stark wachsender städtischer Ballungsgebiete vgl. Falkenmark / Lindh, Water and economic development, 1993, S. 86 ff. 5 Ausführlich zu den ökologischen Herausforderungen der weltweiten Wasserressourcen Covich, Water and ecosystems, 1993, S. 45 ff. Vgl. auch Falkenmark, Water Policy 1 (1998), S. 421, 429 ff. 6 UNICEF / WHO (Hrsg.), Meeting the MDG drinking water and sanitation target – a midterm assessment of progress, 2004, 8 ff. Ausführlich auch bereits Raskin / Hansen / Margolis, NRF 20 (1996), S. 1 ff. Siehe auch Le Monde, 30. März 2005, Economie, S. I. 7 Kabat / Schulze / Hellmuth / Veraart (Hrsg.), Coping with impacts of climate variability and climate change in water management, 2002, S. 2 ff.; Stakhiv, Water Policy 1 (1998), S. 159 ff. Vgl. zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Süßwassersituation in Europa EEA (Hrsg.), Impacts of Europe’s changing climate, 2004, S. 64 ff. Siehe auch Gleick, The world’s water 1998 – 1999, 1998, S. 137 ff. Ausführliche Informationen zum gesamten Komplex der Wechselwirkungen zwischen Klimawandel und Wasserkrise unter http: / / www.waterandclimate.org, letztmalig besucht am 31. 1. 2008. 8 UNFPA (Hrsg.), State of world population, 2004, S. 18 f. Vgl. auch Süddeutsche Zeitung, 11. August 2005, S. 2, nach der im Jahr 2002 weltweit 1,2 Milliarden Menschen ohne sauberes Trinkwasser und 2,6 Milliarden Menschen ohne sanitäre Anlagen lebten. 9 FAZ, 22. März 2005, S. 9; Le Monde, 23. März 2005, S. 26. 10 Shiklomanov, Water International 25 (2000), S. 11 ff.; ders., World fresh water resources, 1993, S. 13 ff. Der bei weitem größte Anteil der potenziell nutzbaren Süßwasserressourcen liegt jedoch im Untergrund: sieht man einmal von dem in Gletschern und an den Polen in Eisform gehaltenen Süßwasser ab, bestehen 97% des weltweiten Frischwassers in der Form von Grundwasser. Ein Gutteil dieser Reserven liegt in grenzüberschreitenden Adern, von denen viele keine Verbindung zu Oberflächengewässern haben, vgl. Eckstein, Hydrolgoc reality: international water law and transboundary ground-water resources, 1998, S. 1 ff. 11 45,3% der Landoberfläche der Erde liegen in einem internationalen Flusseinzugsgebiet. In ihnen leben 40% der Weltbevölkerung und ihre Flüsse beinhalten 60% des gesamten in Flüssen fließenden Wassers. Vgl. zum Ganzen Belausteguigoitia, Ambio 33 (2004), S. 7 ff. 12 Vgl. United Nations (Hrsg.), Register of international rivers, 1978, S. 1.

Einleitung

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Süßwasser ist als grundlegende Ressource und „Quelle des Lebens“ integraler Bestandteil aller sozialen, kulturellen und ökologischen Prozesse. Die Begrenztheit der nutzbaren Süßwasservorkommen lässt aber die unterschiedlichen Wassernutzungen und Wassernutzer miteinander in Wettbewerb treten. Dieser Nutzungswettbewerb führt potentiell zu Nutzungskonflikten, und das nicht nur auf lokaler, regionaler und nationaler, sondern im Falle grenzüberschreitender Binnengewässer auch auf internationaler Ebene. Zum einen erhöht jeder Mangel an Wasser fast notwendig die Komplexität menschlicher Aktivitäten.14 Zum anderen birgt die Nutzung eines internationalen Binnengewässers durch einen bestimmten Anrainer angesichts der hydrologischen Einheit bzw. Unteilbarkeit von Wasserressourcen immer auch die Gefahr, die Nutzungsmöglichkeiten eines anderen Anliegerstaates zu beeinträchtigen. Daraus erwächst den Anrainerstaaten internationaler Wasserläufe ein nicht unerhebliches Konfliktpotential, das sich durch die auf absehbare Zeit anhaltende Verknappung der weltweiten Süßwasserressourcen immer weiter verschärft.15 Aus der Tatsache, dass dieselbe Ressource in relativ geringen zeitlichen Abständen verschiedene staatliche Territorien durchquert, resultiert die klassische Ober- / Unteranliegerproblematik. Dabei entstehen Konflikte vornehmlich durch die Stauung von Flusswasser zum Zwecke der Energiegewinnung, die Belastung eines Gewässers mit Schadstoffen sowie durch die Entnahme größerer Wassermengen zu landwirtschaftlichen oder ähnlichen Zwecken durch einen Oberanlieger zu Lasten des Unteranliegers. Nicht alle diese wasserbezogenen Konflikte führen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Viele von ihnen werden durch Verhandlungen und gemeinsame Gespräche gewaltlos gelöst.16 Aber in einigen Gebieten der Erde, wie im Nahen und 13 GIWA, Global international water assessment, 2003, S. 3 geht von 263 internationalen Wasserläufen aus, während Cosgrove / Rijsberman, World water vision – Making water everybody’s business, 2000, S. 43 deren Zahl auf fast 300 schätzen und Wouters, GYIL 42 (1999), S. 293, 293 sogar von mehr als 500 internationalen Wasserläufen spricht. Die Diskrepanz zwischen diesen Zahlen zeigt die Schwierigkeit, die Anzahl der internationalen Wasserläufe exakt zu bestimmen. 14 Prof. Falkenmark spricht ab einer Wasserverfügbarkeit von weniger als 1700 m pro Kopf und Jahr von „water stress“ im Sinne eines gesteigerten Wettbewerbs um Wasserressourcen mit negativen sozialen Folgen, vgl. Falkenmark / Rockström, Balancing water for humans and nature, 2004, S. 88 ff. Siehe dazu auch bereits Falkenmark / Lundqvist, NRF 21 (1998), S. 37, 39 ff. 15 Simonis, Wasser als Konfliktursache, 2001, S. 551 ff.; Green Cross International (Hrsg.), International freshwater conflict: issues and preventive strategies, 1997, S. 1 ff.; Barandat (Hrsg.), Wasser – Konfrontation oder Kooperation, 1997, S. 1 ff.; Saeijs / Berkel, The global water crisis: the major issue of the twenty-first century, a growing and explosive problem, 1997, S. 3 ff.; Postel, Die letzte Oase – Der Kampf um das Wasser, 1993, S. 4 ff. Vgl. auch Boisson de Chazournes, Les ressources en eau et le droit international, 2002, S. 19. 16 Eingehend Yoffe / Wolf, CRIA 12 (1999), S. 197 ff. Im Jahr 2002 wurden rund 300 Flüsse gezählt, über deren Wasserkonflikte zu diesem Zeitpunkt Verhandlungen geführt wurden, vgl. Süddeutsche Zeitung, 30. 8. 2002, S. 11. Siehe zum Potential grenzüberschreitender Ansätze zur Lösung internationaler Wasserkonflikte etwa Murakami, Managing water for peace in the Middle East: alternative strategies, 1998, S. 1 ff.

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Mittleren Osten, Afrika oder Zentral- und Südasien, gewinnen die knappen Wasserressourcen für die landwirtschaftliche und sonstige ökonomische Entwicklung in fast dramatischer Weise an Bedeutung.17 In diesen Regionen wächst die Gefahr eines Ausbruchs zwischenstaatlicher Gewalt, die ihren Grund zumindest auch in dem Wettbewerb um die knappen Wasserressourcen hat.18

2. Die Wasserkrise und das Völkerrecht Um dieses Problems weltweit knapper werdenden Süßwasserressourcen und des sich daraus ergebenden Konfliktpotentials Herr zu werden, ist man sich auf Seiten der Wasserexperten einig, dass die Effizienz der Wassernutzung erhöht, das Management insbesondere hinsichtlich der Verteilung des Wassers und der Verringerung seiner Verschmutzung verbessert und die internationale Zusammenarbeit ausgebaut werden müssen.19 Diese Entwicklung kann durch klare Regeln gefördert werden.20 Institutionalisierte Lösungsansätze tragen dazu bei, eine Steigerung der Effizienz der Wassernutzung zu garantieren und die Verbesserung der Bewirtschaf17 Beispiele internationaler Binnengewässer mit erhöhtem Konfliktpotential sind etwa die Einzugsgebiete von Euphrat und Tigris, des Jordan, des Nils, des Mekong, des Aralsees, des Ganges, des Bramaputra, des Syr Darya, des Sambesi und des Niger. Vgl. dazu etwa Allan, The Middle East water question, 2001, S. 3 ff.; de Villiers, Wasser, 2000, S. 277 ff.; Elhance, Hydropolitics in the Third World, 1999, S. 1 ff.; Green Cross International (Hrsg.), Water for peace in the Middle East and Southern Africa, 2000, S. 5 ff.; Nguyen, The Mekong River and the struggle for Indochina, 1999, S. 3 ff.; Frederiksen, Water Policy 1 (1998), S. 139 ff.; Shapland, Rivers of discord, 1997, S. 1 ff.; Caponera, RECIEL 5 (1996), S. 97 ff.; Ohlsson (Hrsg.), Hydropolitics – Conflicts over water as a development constraint, 1995, S. 1 ff.; Wolf, Hydropolitics along the Jordan River: scarce water and its impact on the Arab-Israeli conflict, 1995, S. 1 ff.; Sharma / Nag, On the question of fresh water management in South Asia, 1995, S. 222; Beschorner, Water and instability in the Middle East, 1992, S. 3 ff.; Cooley, Foreign Policy 54 (1984), S. 3 ff.; Naff / Madson (Hrsg.), Water in the middle east: conflict or cooperation?, 1984, S. 181 ff. Siehe auch Die Zeit, 4. 8. 2005, S. 27 f. 18 Vgl. Shiva, Water wars, 2002, S. 1 ff.; de Villiers, Water wars, 1999, S. 1 ff.; Barth, Krieg um Wasser?, 1994, S. 3 ff.; Gleick, Water in the 21st century, 1993, S. 108 ff.; Starr, Foreign Policy 82 (1991), S. 17 ff.; Bulloch / Darwish, Water Wars, 1988, S. 15 ff. Kriege, die ihren alleinigen Grund in der Konkurrenz um gemeinsame Wasserressourcen haben, sind dagegen extrem selten und schon aus strategischen und politischen Gründen auch in Zukunft kaum zu erwarten, vgl. Wolf, Water Policy 1 (1998), S. 251, 253 ff. 19 Rogers / Hall, Effective water governance, 2003, S. 5 ff.; Gleick, Water International 25 (2000), S. 127 ff.; ders., An introduction to global fresh water issues, 1993, S. 3 ff.; Kaihara, CRIA 12 (1999), S. 195; Falkenmark, Water scarcity – Challenges for the future, 1997, S. 21 ff.; dies. / Lindh, Water and economic development, 1993, S. 80 ff.; dies. / Rockström, Balancing water for humans and nature, 2004, S. 129 ff.; Björklund / Kuylenstierna, Water Policy 1 (1998), S. 267 ff.; Dinar, Water Policy 1 (1998), S. 367 ff.; Samson / Charrier, International freshwater conflict: issues and prevention strategies, 1997, S. 5 ff.; Covich, Water and ecosystems, 1993, S. 40 ff.; Nash, Water quality and health, 1993, S. 25 ff. 20 Zu positiven Beitrag klarer völkerrechtlicher Regelungen zur Lösung der internationalen Wasserkrise Dellapenna, Case W. Res. J. Int’l L. 26 (1994), S. 27, 54 ff.

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tung internationaler Wasserressourcen tatsächlich umzusetzen. Hier kommt das Völkerrecht als ein Beitrag zur Lösung der internationalen Wasserkrise und wichtige Grundlage für eine erfolgreiche Vermittlung im Wettbewerb unterschiedlicher Nutzungen verschiedener Staaten ins Spiel.21 Die Geschichte der Kontroversen um konkurrierende Nutzungen internationaler Wasserressourcen belegt, dass im Laufe zwischenstaatlicher Nutzungskonflikte rechtliche Argumente häufig zumindest von einer, wenn nicht gar von allen am Streit beteiligten Seiten ins Feld geführt werden.22 Diese Form der Reaktion geht darauf zurück, dass für gewöhnlich ein Streit dann entsteht, wenn das Verhalten eines Staates den Erwartungen eines anderen Staates widerspricht. Diese Erwartungen basieren aber regelmäßig auf Normen des Völkerrechts. Die Bedeutung des Völkerrechts ist dabei von Fall zu Fall verschieden.23 Meist stellt das Recht beim Ausgleich von Nutzungskonflikten nur eines von mehreren Lösungselementen dar.24 Darauf aufbauend trägt die Verrechtlichung von Konflikten aber auch nicht selten dazu bei, eine über die Lösung der ursprünglichen Auseinandersetzung hinausgehende Zusammenarbeit anzustoßen. Insgesamt erfordert die globale Dimension des Problems von Nutzungskonflikten aufgrund der Begrenztheit und weiteren Verknappung der Süßwasservorkommen einen universellen rechtlichen Ansatz. Das Völkerrecht, das sich mit den Süßwasserressourcen beschäftigt, fußt im Wesentlichen auf völkerrechtlichen Verträgen und Völkergewohnheitsrecht.25 Ver21 Grundlegend zum Recht internationaler Binnengewässer Garretson / Hayton / Olmstead (Hrsg.), The law of international drainage basins, 1967, S. 1 ff. und Berber, Rechtsquellen, 1955, S. 7 ff. Umfassend auch McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 1 ff.; Lammers, Pollution of international watercourses, 1984, S. 3 ff. 22 Teclaff, The River basin in history and law, 1967, S. 197 ff. Vgl. Auch Kristjánsdóttir, Resolution of water disputes: lessons from the Middle East, 2003, S. 352 ff. 23 McCaffrey, Water, politics, and international law, 1993, S. 99. 24 Boisson de Chazournes, Legal strategy for managing international watercourses, 1998, S. 67 umschreibt die Beziehung zwischen Süßwasserkonflikten und dem Völkerrecht mit den Worten: „On the one hand, international law in itself does not provide solutions for conflicts of water uses while, on the other hand, there is no answer to water problems without international law.“ Kritisch zum Beitrag völkerwasserrechtlicher Regeln zur Lösung internationaler Wasserkonflikte dagegen Allan, RECIEL 5 (1996), S. 107, 112 f. 25 Außer aus völkerrechtlichen Verträgen und Völkergewohnheitsrecht wird allgemeines Völkerrecht gem. Art. 38 des Statuts des Internationalen Gerichtshofes (BGBl. 1973 II, S. 505) auch aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen abgeleitet. Richterliche Entscheidungen und Lehrmeinungen der fähigsten Völkerrechtler sind Hilfsmittel zur Feststellung von völkerrechtlichen Normen. Da Art. 38 IGH-Statut die Völkerrechtsquellen jedoch nicht abschließend katalogisiert (vgl. Heilbronner / Klein, in: Simma (Hrsg.), UN-Charter, 2002, Art. 10, Rn. 54), kann etwa auch ein – nicht förmlicher – Konsens der Beteiligten Völkerrecht schaffen. Auch internationale Organisationen können – soweit dazu ermächtigt – Völkerrecht hervorbringen. Vgl. im Einzelnen zur Völkerrechtserzeugung Degan, Sources of international law, 1997, S. 1 ff.; Verdross / Simma, Universelles Völkerrecht, 1984, §§ 515 ff.; Jennings, SJIR 37 (1981), S. 59 ff.; Verdross, Die Quellen des universellen Völkerrechts, 1973, S. 13 ff. Ausführlich zu den Quellen des internationalen Wasserrechts Caflisch, FS Tieya, 1994, S. 115 ff.; Berber, Rechtsquellen, 1955, S. 7 ff.

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traglich festgelegte Regeln haben dabei den Vorteil, dass ihr Inhalt in der Regel vergleichsweise konkret und differenziert und ihre Geltung trotz der Möglichkeit unterschiedlicher Auslegungen und individueller Standpunkte relativ leicht feststellbar ist. Die Anzahl von Abkommen, die völkerwasserrechtliche Normen enthalten, ist enorm.26 Allerdings haben sie meist die Lösung spezifischer Einzelprobleme zum Gegenstand und verfolgen häufig keinen integrierten Ansatz, der die vielfältigen Aspekte des Managements internationaler Wasserläufe berücksichtigt. So aber werden sie im Allgemeinen den komplexen Anforderungen, die sich aus der gemeinsamen Bewirtschaftung internationaler Wasserläufe durch mehrere Anrainerstaaten ergeben, nicht oder nur zum Teil gerecht.27 Davon abgesehen sind die meisten dieser Abkommen bilateral und beziehen sich nur auf spezifische Wasserläufe. Trotz ihrer großen Zahl fehlen adäquate völkerwasserrechtliche Übereinkommen schließlich nicht selten gerade dort, wo der Bedarf für klare Regeln hinsichtlich der Wassernutzung am größten ist, weil dort der Wettbewerb zwischen den Anrainern um die Nutzung gemeinsamer Wasserressourcen besonders ausgeprägt ist. Völkergewohnheitsrechtliche Prinzipien sind, verglichen mit vertraglichen Regeln, hinsichtlich ihres Inhalts dagegen schwerer zu definieren.28 Dies gilt umso mehr, wenn, wie im Falle internationaler Wasserläufe, das Objekt des Rechts in seiner Art jeweils einzigartig ist. Darüber hinaus besteht die Schwierigkeit des Nachweises der Bindungswirkung völkergewohnheitsrechtlicher Normen. Ist ihre Geltung allerdings einmal allgemein anerkannt, missachten die Staaten Völkergewohnheitsrecht nur relativ selten und nehmen regelmäßig in ihrem diplomatischen Verkehr darauf Bezug. Insbesondere haben völkergewohnheitsrechtliche Normen mit Ausnahme regionalen Gewohnheitsrechts aber einen universellen, globalen Geltungsanspruch. Damit sind sie regelmäßig für die gesamte Staatengemeinschaft, jedenfalls aber für deren überwältigende Mehrheit verbindlich. Völkergewohnheitsrecht ist insbesondere von Bedeutung, solange kein allgemein geltender völkerrechtlicher Vertrag existiert, der die Beziehungen der Staaten untereinander im Hinblick auf die Aufteilung und Nutzung internationaler Wasserläufe regelt. Aber auch dann, wenn ein solches Abkommen besteht, spielt Völkergewohnheitsrecht eine wichtige Rolle. Zum einen kann es bei der Interpretation von Vertragsklauseln und bei der Bestimmung der Gültigkeit von Verträgen oder einzelnen Vertragsteilen Hilfestellung leisten. Zum anderen können die Anrainerstaaten eines internationalen Wasserlaufes auch mit Problemen konfrontiert werden, die sie in ihren Verträgen bisher gar nicht oder nur unzulänglich berück26 Ein von der FAO erstelltes Verzeichnis enthält mehr als 2000 völkerwasserrechtliche Verträge, die zum Teil mehr als tausend Jahre als sind, vgl. FAO (Hrsg.), Systematic index of international water resources treaties, declarations, acts and cases by basin, Legislative Study No. 15, Rome 1978; dies., Systematic index of international water resources treaties, declarations, acts and cases by basin, Vol. II, Legislative Study No. 34, Rome 1984. 27 Vgl. McCaffrey, Austrian J. Publ. Intl. Law 45 (1993), S. 87, 92, 97. 28 Ausführlich dazu Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157, 170 ff.

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sichtigt hatten. Auch in diesem Fall muss auf das einschlägige Völkergewohnheitsrecht zurückgegriffen werden.

3. Das Prinzip der „angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe“ als Eckstein des internationalen Wasserrechts Das prominenteste völkerrechtliche Prinzip zur Lösung zwischenstaatlicher Nutzungskonflikte ist, neben dem Verbot erheblicher Schädigung der Umwelt jenseits des eigenen Hoheitsgebiets (auch kurz als „no harm-rule“29 bezeichnet), das so genannte „Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe“. Ihm liegt ausgehend von der Beschränktheit der Nutzungsmöglichkeiten jeder Wasserressource der Gedanke zugrunde, dass für die Lösung von Nutzungskonflikten zwischen den Anrainerstaaten internationaler Binnengewässer sämtliche Faktoren gegeneinander abgewogen werden müssen, die die unterschiedlichen Nutzungen bestimmen, um zu einem für alle Parteien akzeptablen Ergebnis zu kommen. Der Aufstieg dieses Konzepts begann Anfang des 20. Jahrhunderts als „Prinzip der angemessenen Zuteilung“30 mit seiner Anwendung in Entscheidungen des USamerikanischen Supreme Court und seiner Übernahme als „Prinzip der angemessenen Nutzung“ durch Gerichte anderer föderal organisierter Staaten.31 Auf internationaler Ebene gelang dem Prinzip 1966 der Durchbruch, als die International Law Association (ILA) es in ihren Helsinki Rules on the Uses of the Waters of International Rivers32 zu dem das internationale Wasserrecht bestimmenden Prinzip erklärte, indem sie jedem Anrainerstaat eines internationalen hydrographischen Beckens einen vernünftigen und angemessenen Anteil („reasonable and equitable share“) an dessen Nutzung zuwies.33 Die Völkerrechtskommission (International 29 Die no harm-rule verwehrt es Staaten, ihr Territorium so zu nutzen, dass auf dem Gebiet anderer Staaten erhebliche Umweltbeeinträchtigungen entstehen, bzw. entsprechende private Aktivitäten zuzulassen, und ist Ausdruck des aus der römischen Rechtstradition stammenden Grundsatzes „Sic utere tuo ut alienum non laedas“: „Gehe mit deinen Dingen so um, dass du einen anderen nicht schädigst“. Ausführlich zur no harm-rule Xue, Transboundary damage in international law, 2003, S. 1 ff., insb. 119 ff.; Stoll, Transboundary pollution, 2000, S. 169 ff.; Caflisch, RdC 219 (1998 VII), S. 9, 135 ff.; Epiney, AVR 33 (1995), S. 309 ff.; Nollkaemper, Transboundary water pollution, 1993, S. 1 ff.; Hinds, AVR 30 (1992); S. 298 ff.; Rausching, FS Schlochauer, 1981, S. 557 ff.; Steiger / Bruha, Internationale Regelungen grenzüberschreitender Einwirkungen auf die Qualität der Binnengewässer, 1981, S. 105 ff.; Ando, The law of pollution prevention in international rivers and lakes, 1981, S. 331 ff.; Florio, CanYBIL 17 (1979), S. 134 ff.; Handl, AJIL 69 (1975), S. 50 ff. 30 Engl. „principle of equitable apportionment“. 31 Siehe ausführlich infra Zweiter Teil, I. 1. b) und 3. b). 32 Text der Helsinki-Rules in: ILA, Report of the fifty-second conference held at Helsinki 1966, 1967, S. 477. 33 Der Kommentar zu den von der ILA 1982 verabschiedeten Montreal Rules on Water Pollution in an International Drainage Basin erklärt: „The principle of equitable utilization

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Law Commission, ILC) entwickelte den Grundsatz schließlich zum „Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe“ („equitable and reasonable utilization and participation“) weiter und wies ihm eine zentrale Rolle in dem von ihr nach jahrzehntelanger Arbeit 1994 im Entwurf34 vorgelegten und 1997 im Rahmen der Vereinten Nationen unterzeichneten Übereinkommen über die nichtschifffahrtliche Nutzung internationaler Wasserläufe (Convention on the Law of the Non-navigational Uses of International Watercourses)35 zu. Heute spielt das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe im internationalen Wasserrecht eine zentrale Rolle.36 Dabei ist seine wohl größte Stärke die ihm eigene Flexibilität, die es erlaubt, den spezifischen Charakteristika eines internationalen Wasserlaufs wie auch der Vielfalt seiner Nutzungsmöglichkeiten gerecht zu werden. Im Laufe seiner Entstehungsgeschichte haben sich gewisse Grundzüge des inhaltlichen Wesensgehalts des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe herausgebildet.37 Diese Grundstruktur umfasst als Ausgangspunkt das Prinzip der Gleichheit der Anrainerstaaten hinsichtlich ihres Rechts auf Nutzung des internationalen Wasserlaufs unter Beachtung aller diese Nutzung bedingenden Umstände sowie die grundsätzliche Gleichheit aller Nutzungsarten und der die Nutzung bestimmenden Faktoren. Schlüssel für die angemessene Aufteilung gemeinsamer Wasserressourcen im Sinne des Prinzips ist ein anhaltender Abwägungsprozess, in dem alle die Nutzung bestimmenden Faktoren einander gegenüber gestellt werden, um den jeweiligen Nutzungsanteil jeder Nutzungsart und jedes Anrainerstaates zu bestimmen. Trotz dieser bestehenden Grundlinien existieren bei der genauen inhaltlichen Bestimmung des Prinzips und seiner normativen Tragweite viele Unsicherhei[ . . . ] is the foundation on which the Helsinki Rules are build.“ ILA, Report of the sixtieth conference held at Montreal 1982, 1983, S. 536. Vgl. zur zentralen Stellung des Prinzips der angemessenen Nutzung in den Helsinki-Rules auch Utton, Nat. Res. J. 36 (1996), S. 151, 152 f. 34 Text dieser „Draft Articles on the Law of the Non-Navigational Uses of International Watercourses“ in: UN Doc. A / 49 / 10 suppl. 10, S. 197, abgedruckt in: Y.B.Int’l L.Comm’n, 1994, Bd. 2, Teil 2, S. 89. 35 Text der VN-Konvention in: UN Doc A / 51 / 869, abgedruckt in ILM 36 (1997), S. 700; dt.Fassung in BGBl. 2006 II S. 742. Das Abkommen ist im Anhang wiedergegeben. 36 Vgl. etwa Brunnée, AJIL 91 (1997), S. 26, 38 f., dies. / Toope, HarvardILJ 43 (2002), S. 105, 148 f. Siehe auch bereits Manner, FS Berber, 1973, S. 327. 37 Vgl. etwa die UNEP Draft Principles of Conduct in the field of the environment for the guidance of States in the conservation and harmonious utilization of natural resources shared by two or more States vom 19. 5. 1978 (Text in: ILM 17 (1978), S. 1097), Prinzip 21 der Stockholmer Erklärung vom 16. 6. 1972 (Report of the United Nations Conference on the Human Environment held at Stockholm, A / CONF.48 / 14) und Grundsatz 2 der Rio Declaration on Environment and Development vom 16. 6. 1992 (UN Doc. A / CONF.151 / 5 / Rev.1, abgedruckt in: ILM 31 (1992), S. 876). Zum inhaltlichen Wesensgehalt des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe infra Zweiter Teil.

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ten.38 Fraglich ist insbesondere, welche konkreten Verpflichtungen sich für die Staaten als Folge des Prinzips der Gleichheit und im Zusammenhang mit dem Abwägungs- und dem damit verbundenen Koordinierungserfordernis ergeben. So gehen einige Stimmen davon aus, dass sich im heutigen Völkergewohnheitsrecht keine konkreten aus dem Prinzip resultierenden Verhaltenspflichten ausmachen ließen.39 Anderen zufolge schöpft dagegen die einfache Aussage, das Prinzip der „angemessenen Nutzung“ gebe den Anrainerstaaten eines von ihnen geteilten Wasserlaufes ein ,gleiches Recht‘ an dessen Nutzung, das im Wege der Abwägung zu bestimmen sei, den normativen Inhalt des Prinzips bei weitem nicht aus.40 Ein Grund für die Schwierigkeiten bei der inhaltlichen Bestimmung ist sicher die Vielzahl von Konzepten und Ansätzen zur Lösung von Nutzungskonflikten um internationale natürliche Ressourcen im Allgemeinen und Süßwasservorkommen im Besonderen.41 Ein weiterer Grund ist aber auch die dem Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe immanente Flexibilität. Generell bedarf es zur Bestimmung nicht vertraglich fixierter Regeln der Orientierung am tatsächlichen Handeln der Staaten. Aufgrund der hydrographischen, geologischen, wirtschaftlichen und sozialen Besonderheiten jedes einzelnen internationalen Binnengewässers fällt die Implementierung des Prinzips der angemessenen Nutzung jedoch im weltweiten Vergleich sehr inhomogen aus. Darüber hinaus stehen beim Abschluss von Verträgen über internationale Binnengewässer meist konkrete Probleme im Vordergrund, die zeitnah einer Regelung bedürfen, was zu einer weiteren Uneinheitlichkeit bei der Umsetzung des Prinzips beiträgt. Insgesamt ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Flexibilität des Prinzips, die sich eben nicht zuletzt in seiner uneinheitlichen Umsetzung niederschlägt, gerade eine conditio sine qua non seines Erfolges ist. Denn auch wenn es weltweite und allgemeine Gültigkeit beansprucht, so muss sich das Prinzip doch seine Anpassungsfähigkeit hinsichtlich der besonderen Bedingungen jedes einzelnen internationalen Binnengewässers erhalten.

38 Vgl. Dellapenna, Case W. Res. J. Int’L 26 (1994), S. 27, 35 ff.; Bruhács, The law of non-navigational uses of international watercourses, 1992, S. 155 ff.; Ruiz-Fabri, AFDI 36 (1990), S. 818, 820 f. 39 So spricht etwa Nollkaemper, NethYIL 17 (1996), S. 39, 46 dem Prinzip der angemessen Nutzung jegliche Regelungkompetenz ab und charakterisiert es vielmehr als „no more that an open-ended framework for political compromise without an independent legal identity“. Vgl. dazu auch Beyerlin, Umweltvölkerrecht, 2000, S. 59. 40 Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 96. 41 Zu den theoretischen Grundlagen des internationalen Wasserrechts, siehe infra Erster Teil, IV. Zu den theoretischen Grundlagen des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe, siehe infra Zweiter Teil, I.

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4. Problemstellung Das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen Entwicklung. Aber welchen genauen Inhalt hat dieses für das internationale Wasserrecht so grundlegende Prinzip heute? Welche Auswirkungen hatte diesbezüglich die Annahme des VN-Übereinkommens über die nichtschifffahrtliche Nutzung internationaler Wasserläufe durch die VN-Generalversammlung am 21. Mai 1997? Haben sich dadurch inhaltliche Veränderungen ergeben? Welche sind dies? Und schließlich: ist das Prinzip der angemessen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in der Form des Art. 5 des VN-Übereinkommens über die nichtschifffahrtliche Nutzung internationaler Wasserläufe von 1997 universell geltendes Völkergewohnheitsrecht? Eine genauere Bestimmung des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe und der sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten ist nicht nur aus Gründen der Rechtssicherheit, Stabilität und Vorhersehbarkeit wünschenswert, sondern angesichts des immer weiter wachsenden zwischenstaatlichen Konfliktpotentials bei der Nutzung internationaler Binnengewässer aufgrund der weltweit sich verschärfenden Wasserkrise sogar dringend erforderlich.42 Denn je konkreter sich die aus dem Grundsatz ergebenden rechtlichen Regeln definieren lassen, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Prinzip eine positive, ja sogar entscheidende Rolle bei der Schlichtung internationaler Wassernutzungskonflikte spielen kann. Das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe widmet sich dem Hauptproblem konkurrierender Wassernutzungen in einer allgemeinen Weise und bietet den Staaten dadurch Hilfestellung beim Verhandeln und Abschließen von detaillierten Verträgen über gemeinsame Binnengewässer. Die Idee der grundsätzlichen Gleichheit der Rechte der Anrainerstaaten, der Wassernutzungen und der diese Nutzungen konditionierenden Faktoren bietet eine Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Auch wenn viele Schwierigkeiten konkurrierender Wassernutzungen nicht auf globaler Ebene gelöst werden können, trägt die nähere Bestimmung des Prinzips doch direkt zur Lösung bestehender und zur Prävention zukünftiger zwischenstaatlicher Komplikationen bei, indem sie einen entsprechenden rechtlichen Rahmen schafft, den sich politische Prozesse zu Nutzen machen können. Diese Wirkung wird auch nicht durch die Tatsache gemindert, dass der Inhalt des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe jeweils einzeln und Fall für Fall bestimmt werden muss. Seine Konkretisierungsbedürftigkeit ist nicht nur ein Kennzeichen des Grundsatzes der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe, sondern aller allgemeinen Prinzipien zum Schutz und zur fairen oder nachhaltigen Nutzung von Ressourcen43 und letztlich aller Regelungen des allgemeinen Völkerrechts. 42 Vgl. Caflisch, RdC 219 (1998 VII), S. 9, 156 und auch bereits Handl, RBDI 14 (1978 – 1979), S. 40 f. Zurückhaltender noch Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 41.

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Ein zentraler Versuch der inhaltlichen Bestimmung des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe ist das VN-Übereinkommen über die nichtschifffahrtliche Nutzung internationaler Wasserläufe von 1997. Es ist bis heute der einzige völkerrechtliche Vertrag mit globalem Geltungsanspruch, der sich spezifisch mit der Regelung der Nutzungen internationaler Wasserläufe beschäftigt und dabei den Inhalt des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe konkretisiert. Allerdings ist das VN-Übereinkommen mangels ausreichender Ratifikationen bisher nicht in Kraft getreten und angesichts der äußerst zögerlichen Ratifikationspraxis erscheint es jedenfalls als fraglich, wenn nicht sogar unwahrscheinlich, ob bzw. dass es je in Kraft treten wird.44 Dennoch bietet sich die VN-Konvention wie keine andere Norm für die inhaltliche Bestimmung des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe als Referenztext an. Die VN-Wasserlaufkonvention orientiert sich intensiv an der Praxis und der Rechtsüberzeugung der Staaten.45 Sie basiert weitgehend auf einem Entwurf der ILC, den diese, ihrem Mandat zur fortschreitenden Entwicklung und Kodifizierung des Völkerrechts (Art. 1 I, 15 ILC-Statut46) folgend, in jahrzehntelangen Bemühungen ausgearbeitet hatte. Zwar geben weder der ILC-Entwurf noch die VNKonvention an, welche ihrer Vorschriften lediglich die Kodifizierung bereits bestehenden allgemeinen Völkerrechts darstellen und welche eine darüber hinausgehende fortschreitende Entwicklung des Völkerrechts bedeuten. Um festzustellen, in welche der beiden Kategorien eine bestimmte Regelung fällt, muss daher einzeln und Vorschrift für Vorschrift vorgegangen werden. Allein schon die schriftliche Fixierung der Regel durch die ILC mit der ihr eigenen Autorität wirkt sich aber bereits indirekt normativ auf die Präzisierung des Völkerrechts aus.47 Darüber hinaus wurde die VN-Konvention von der VN-Generalversammlung am 21. Mai 43 So auch Sands, Principles of international environmental law, 2003, S. 257 ff., der den Grundsatz der angemessenen Nutzung im Zusammenhang mit der nachhaltigen Nutzung von Naturgütern anspricht und auf S. 261 zusammenfasst: „The significance of these terms is that each recognizes limits placed by international law on the rate of use or manner of exploitation of natural resources [ . . . ] These standards cannot have an absolute meaning. Rather, their interpretation is, or should be, implemented by States acting co-operatively, or by decisions of international organisations, or, ultimately, by international judicial bodies in the event that a dispute arises.“ 44 Vgl. Cosgrove / Rijsberman, World water vision – Making water everybody’s business, 2000, S. 44. Zu den Gründen der zurückhaltenden Ratifikationspraxis infra Dritter Teil, Eingangsbemerkung. 45 Die ILC hat im Zuge ihrer Vorarbeiten die einschlägige Staatenpraxis und opinio juris umfassend aufgearbeitet, vgl. etwa ILC, Schwebel – Second Report, Rn. 41 ff.; ILC, Schwebel – Third Report, Rn. 73 ff.; ILC, McCaffrey – Second Report, Rn. 75 ff. 46 UN Doc. A / CN.4 / 4 / Rev.2. 47 Boyle, Codification of international environmental law and the International Law Commission: injurous consequences revisited, 1999, S. 61 ff. Allgemein zum Einfluss der ILC auf das Völkerrecht Schachter, AJIL 88 (1994), S. 1, 4 ff. Vgl. auch Daudet, RdC 303 (2003), S. 18, 72 ff.

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1997 als Resolution 51 / 229 mit der imposanten Mehrheit von 103 Ja-Stimmen gegen nur 3 Nein-Stimmen und 27 Enthaltungen angenommen. Sowohl Kodifikationskonventionen, also multilaterale Verträge wie die VNWasserlaufkonvention, die weitgehend allgemeines Völkerrecht kodifizieren, als auch Resolutionen der VN-Generalversammlung können unter bestimmten Umständen geltendes Völkergewohnheitsrecht darstellen.48 Diese normenpräzisierende und normenschaffende Wirkung kann auch von Kodifikationskonventionen ausgehen, die noch nicht in Kraft getreten sind.49 Dabei besteht zunächst die Möglichkeit, dass diese Texte einfach nur bereits geltendes Völkergewohnheitsrecht wiedergeben und durch die Kodifikation konsolidieren, definieren und präzisieren. Darüber hinaus ist es aber auch denkbar, dass sich in solchen Konventionen und Resolutionen bis dahin in seiner Entstehung, also noch im Fluss befindliches Völkergewohnheitsrecht durch deren Annahme „kristallisiert“ mit der Wirkung, dass sich von da ab das Problem des Ausgleichs sich in Einzelheiten unterscheidender Staatenpraxis für den Nachweis gewohnheitsrechtlicher Geltung nicht mehr stellt. Weiterhin ist denkbar, dass Kodifikationskonventionen unter bestimmten Umständen aus eigener Kraft zu geltendem Völkergewohnheitsrecht erstarken können. Es sind dann also die jeweiligen Texte selbst, denen ein „normenschaffender Charakter“ zukommt, weil sich die überwältigende Mehrheit der Staaten darauf verständigt hat. Schließlich besteht noch die Möglichkeit, dass sich eine solche Erstarkung von Kodifikationskonventionen und Resolutionen der VN-Generalversammlung zu geltendem Völkergewohnheitsrecht aufgrund der Wirkung der nachfolgenden Staatenpraxis vollzieht. Der Vertrag bzw. die Resolution beginnt dann eine eigene Rolle zu spielen, wenn er als Ausgangspunkt für die darauf folgende Staatenpraxis und Rechtsüberzeugung identifiziert werden kann.

5. Gang der Untersuchung Die vorliegende Untersuchung geht der Frage nach dem Inhalt des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe unter besonderer Berücksichtigung des Einflusses der noch nicht in Kraft getretenen VN-Konvention von 1997 nach. Ziel ist es dabei, das heute geltende Völkerrecht zu beschreiben. Zur Beantwortung dieser Frage wird im nachfolgenden in drei Schritten vorgegangen: 48 Vgl. diesbezüglich als Leitentscheidungen zu Kodifikationskonventionen das Urteil des IGH in den North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff. und als Leitentscheidung zu Resolutionen der VN-Generalversammlung die Entscheidung im Schiedsverfahren TOPCO (Dispute between Texaco Overseas Petrolium Co. / Cal. Asiatic Oil Co. and the Government of the Libyan Arab Republic (Compensation for Nationalized Property), ILM 17 (1978), S. 1 ff.). Ausführlich zu den sich daraus für die VN-Konvention ergebenden Konsequenzen infra Dritter Teil. 49 So etwa in IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff., Rn. 61 ff.

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Der Erste Teil der Arbeit führt in das internationale Wasserrecht mit seinem Anwendungsbereich, seiner geschichtlichen Entwicklung und seinem theoretischen Hintergrund ein. Der Zweite Teil der Untersuchung widmet sich der inhaltlichen Bestimmung des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe. Nach der Darstellung der prinzipspezifischen theoretischen Grundlagen folgt, ausgehend von der VN-Wasserlaufkonvention, eine inhaltliche Bestandsaufnahme. Dabei wird geklärt, was hinter den Begriffen ,Nutzung‘, ,angemessen‘, ,vernünftig‘ und ,Teilhabe‘ im Einzelnen zu verstehen ist und welche Rechte und Pflichten sich aus dem Prinzip für die Anrainerstaaten internationaler Wasserläufe konkret ergeben. Besonderes Gewicht kommt in diesem Zusammenhang Fragen nach einer eventuellen Sonderstellung der Befriedigung „grundlegender menschlicher Bedürfnisse“, dem Verhältnis des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe zur no harm-rule, der Bestimmung der ökologischen Erfordernisse von Wasserläufen und der Reichweite und Intensität der dazu erforderlichen Kooperation zu. Schließlich klärt der Dritte Teil, ob das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in der Form der VN-Wasserlaufkonvention völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung gefunden hat. Ausgehend von der Vorgehensweise des IGH in seinem Urteil in den Nordseefestlandsockelfällen (Bundesrepublik Deutschland v. Dänemark / Niederlande)50 wird untersucht, inwieweit das VN-Übereinkommen lediglich bereits bestehendes oder logisch notwendiges Völkergewohnheitsrecht deklaratorisch wiedergibt, sich das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in der VN-Konvention „kristallisiert“ hat oder es als nachträglich erstarktes Völkergewohnheitsrecht – sei es aufgrund der Eigenwirkung der Konvention, sei es auf Basis der nachfolgenden Staatenpraxis – Geltung erlangt hat. In diesem Zusammenhang kommt insbesondere der jüngsten Staatenpraxis erhebliche Bedeutung zu.

50 IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff. Marek, RBDI 1970, S. 44, 45 charakterisiert dieses Urteil als „un arrêt dont on peut dire sans exagération qu’il est sans précédent dans toute la jurisprudence des deux Cours de La Haye par la richesse de son analyse.“

Erster Teil

Internationales Wasserrecht I. Begriff Das internationale öffentliche Recht kennt Regeln bezüglich der unterschiedlichsten Arten von Wasserressourcen und deren Nutzungsmöglichkeiten. Wichtigste Unterscheidung hinsichtlich des Gegenstands dieser Normen ist diejenige zwischen Meeresgewässern auf der einen und Binnengewässern auf der anderen Seite. Das internationale Recht der Meeresgewässer wird „Seerecht“ genannt und umfasst Bereiche wie die Abgrenzung des Hoheitsgebietes eines Staates zur Hohen See oder die Erkundung und Bergung von Rohstoffen und Bodenschätzen auf und unter dem Meeresboden.1 Das internationale Recht der Binnengewässer bezieht sich dagegen auf Wasserressourcen auf dem Festland. Für diese Gruppe völkerrechtlicher Normen verwendet die völkerrechtliche Literatur den Begriff des „Internationalen Wasserrechts“.2 Trotz dieser prinzipiellen Unterscheidung zwischen dem Seerecht der Meeresgewässer und dem internationalen Wasserrecht der Binnengewässer gibt es aber auch Überlappungen, wie etwa bei Abkommen zwischen Meeresanrainern, die Regelungen über das Einleiten von Schadstoffen durch ins Meer mündende Flüsse enthalten.3 Diese Vorschriften können sowohl dem Seerecht als auch dem internationalen Wasserrecht zugeordnet werden. Die vorliegende Untersuchung befasst sich ausschließlich mit dem internationalen Wasserrecht der Binnengewässer. Dabei sind besonders diejenigen völkerwasserrechtlichen Normen von Interesse, die sich im engeren Sinne auf die Benutzung gleich welcher Form von fließenden oder stehenden Binnengewässern beziehen. Andere Regeln des internationalen Wasserrechts, die etwa den Verlauf der Staatsgrenzen in Grenzgewässern oder das räumliche Grenzgebiet der internationalen Privat- und Verwaltungsrechtsordnung mit Blick auf Handlungen im und am staatlichen Wassergebiet zum Gegenstand haben, sind in dem hier gegebenen Zusammenhang dagegen nur von untergeordneter Bedeutung. Vgl. Gloria, in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 2004, S. 818 ff. Schiedermair / Rest, Internationales Wasserrecht, HdUR, 1994, Bd. I, Sp. 1140 f. Vgl.auch Thalmann, in: Strupp / Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, 1962, Bd. 3, S. 808. 3 Vgl. etwa die Convention on the Prevention of Marine Pollution from Land-Based Sources vom 4. 6. 1974 (Text in: ILM 13 (1974), S. 352). Ausführlich zu dieser Schnittstelle Lammers, Pollution of international watercourses, 1984, S. 78 ff. 1 2

II. Anwendungsbereich

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II. Anwendungsbereich Zunächst stellt sich die Frage, was das Wasserrecht unter internationalen Binnengewässern versteht, in welchen rechtlichen Einheiten sich also Bewirtschaftung und Schutz internationaler Binnengewässer vollzieht. Dabei stehen sich im Ausgangspunkt die politischen Grenzen der Staaten als Ausdruck ihrer Souveränität auf der einen Seite und die durch den Wasserkreislauf determinierten geologischen, hydrologischen und biologischen Zusammenhänge auf der anderen Seite gegenüber. Indem sie den Anwendungsbereich der jeweiligen Regeln des internationalen Wasserrechts bestimmt, ist die terminologische Einteilung internationaler Binnengewässer von großer normativer Bedeutung.4 Flüsse und Seen können mit Blick auf die politischen Grenzen der Staaten völkerrechtlich zunächst dahingehend unterschieden werden, ob sie national oder international sind. Als national wird ein Binnengewässer bezeichnet, das das Gebiet nur eines Staates durchfließt bzw. sich auf dem Gebiet nur eines Staates befindet.5 Dagegen ist ein Binnengewässer international, wenn sein Lauf mehrere Staaten trennt (so genannte längsgeteilte Flüsse oder Seen) oder durch mehrere Staaten führt (so genannte quergeteilte Flüsse).6 Deshalb werden sie häufig auch grenzüberschreitende (engl. transboundary) Binnengewässer genannt.7 Der Begriff des internationalen Flusses oder Sees kann so eingeschränkt verstanden werden, dass er nicht nur die Zuläufe zum Hauptstrom, sondern auch das Grundwasser ausschließt und sich somit nur auf das Oberflächenwasser im Hauptflussbett bezieht.8 Historisch dominierte dieser Ansatz lange Zeit in der Frage des Anwendungsbereichs des internationalen Wasserrechts, was in erster Linie auf die hervorgehobene Bedeutung der Schifffahrt in der Vergangenheit und das zunächst relativ geringe Verständnis für hydrologische Zusammenhänge zurückzuführen ist.9 Neben dem Ansatz des internationalen Flusses oder Sees gibt es auch noch den Begriff des internationalisierten Binnengewässers, der diejenigen Flüsse und Seen umfasst, die einem durch einen völkerrechtlichen Vertrag oder Völkergewohnheitsrecht begründeten besonderem Regime unterliegen.10 4 Vgl. allgemein zum Problem des Anwendungsbereichs des internationalen Wasserrechts Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 299 ff.; Baker Röben, International freshwater, 2000, S. 288 ff. 5 Daillier / Pellet, Droit international public, 2002, S. 1229. 6 Manner, FS Berber, 1973, S. 321; Pondaven, Les lacs-frontière, 1972, S. 5 ff.; Olmstead, Introduction, 1967, S. 1 f. Die Schiffbarkeit eines Binnengewässers spielt für dessen Einteilung als international dagegen keine Rolle, vgl. Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 11 m. w. N.; a.A. aber noch Kaeckenbeeck, International rivers, 1918, S. 1 f. 7 Baker Röben, International freshwater, 2000, S. 291; Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 753. Caponera, Shared waters and international law, 1995, S. 121 weist darauf hin, dass die durch die Worte „international“, „gemeinsam“ und „grenzüberschreitend“ ausgedrückten Konzepte synonym sind. 8 Glos, International rivers, 1961, S. 4 ff. 9 Vgl. etwa Art. 118 ff. der Schlussakte des Wiener Kongresses vom 9. 6. 1915 (Text in: CTS 64, S. 451).

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1. Teil: Internationales Wasserrecht

Eher an den Umständen des Wasserkreislaufs und dem Gedanken zusammenhängender Ökosysteme orientiert ist das so genannte basin-Konzept, das auf die Einzugsgebiete der Binnengewässer abstellt.11 Hierbei wird der Tatsache Rechnung getragen, dass ein Fluss – oder allgemein ein Gewässer – mit seinen Zu- und Abflüssen ein ökologisches System bildet. Flüsse und Seen sind immer auch Teil eines Einzugsgebietes, das im Einzelfall sogar mehrere internationale Flüsse umfassen kann. International ist ein Binnengewässer nach dem basin-Konzept dann, wenn es Bestandteil eines internationalen Wassereinzugsgebietes ist, dessen Kennzeichen wiederum ist, dass es sich über die Hoheitsgebiete mindestens zweier Staaten erstreckt. Von diesem basin-Modell gibt es mehrere verschiedene Spielarten, die sich insbesondere in der Frage der Einbeziehung des Grundwassers in die jeweilige Konzeption voneinander unterscheiden. So orientiert sich das Konzept internationaler Flussbecken (international river basin concept) zwar am Einzugsgebiet des jeweiligen internationalen Binnengewässers, umfasst aber lediglich dessen Oberflächenwasser, also Flüsse, Seen, Kanäle und Gletscher.12 Damit wird die Orientierung an den hydrologischen Gegebenheiten letztlich nicht konsequent zu Ende geführt. Akzeptiert man, dass ein Fluss nicht nur aus dem Wasser besteht, das in seinem eigentlichen Bett fließt, sondern dass auch die Zuflüsse der Beachtung bedürfen, ist nicht einsichtig, warum dann etwa das Grundwasser, das wiederum buchstäblich der Quell der Zuflüsse ist, nicht in die Überlegungen einbezogen wird. Weiter als der Flussbeckenansatz ist das Konzept des hydrographischen Beckens (drainage basin concept).13 Letzteres bezieht neben dem gesamten Oberflächenwasser auch das Grundwasser in den Schutzbereich des internationalen Wasserrechts mit ein. Die Grenzen eines hydrographischen Beckens bilden jeweils die Wasserscheiden, die ein Wassereinzugsgebiet von benachbarten Einzugsgebieten trennen.14 Diese Bestimmung wird den komplexen Zusammenhängen des natürlichen Wasserkreislaufs in hohem Maße gerecht, schränkt aber die staatliche Souveränität sehr weit ein, da es den Anwendungsbereich des internationalen Wasserrechts über die eigentlichen Gewässer hinaus potentiell auf das gesamte Land ausweitet.15 Das drainage basin concept wurde von der ILA zum Anwendungsbereich ihrer Helsinki-Regeln von 1966 gewählt.16 Seit den Seoul Rules on International Brownlie, Principles of public international law, 2003, S. 260. Ausführlich zur Entwicklung des basin-Konzepts siehe Teclaff, Nat. Res. J. 36 (1996), S. 359 ff. Vgl. auch Barberis, International rivers, EPIL, Bd. 2, S. 1365 f. 12 Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 20 f. Olmstead, Introduction, 1967, S. 4 spricht in diesem Zusammenhang von einem „international river system“. 13 Ausführlich zum drainage basin-Konzept bereits Bourne, Can. Bar Rev. 47 (1969), S. 62 ff.; Olmstead, Introduction, 1967, S. 4. Vgl. auch Schiedermair / Rest, Internationales Wasserrecht, HdUR, 1994, Bd. I, Sp. 1143 ff. 14 Manner, FS Berber, 1973, S. 321. 15 Boisson de Chazournes, Les ressources en eau et le droit international, 2002, S. 25; ILC, McCaffrey – Second Report, Rn. 36. 10 11

II. Anwendungsbereich

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Groundwaters von 1986 bezieht die ILA auch Grundwasservorkommen, die in keiner hydrologischen Verbindung zu Oberflächengewässern stehen, in ihr Verständnis des relevanten Einzugsgebiets mit ein.17 Ein in seiner ökologischen Orientierung noch weiter reichendes Konzept stellt der so genannte Ökosystem-Ansatz dar.18 Er umfasst alle mit dem betreffenden Flusslauf unmittelbar zusammenhängenden einschließlich der das Flussbecken umgebenden terrestrischen Ökosysteme, die bei einer Schädigung des betreffenden Gewässerökosystems in Mitleidenschaft gezogen werden können. Auch der an die Flussmündung anschließende Küstenstreifen ist Teil des Ökosystems, soweit er mit dem Binnengewässer in hydrologischer Verbindung steht. Das Ökosystemkonzept beschränkt sich aber nicht nur auf die Problematik des Anwendungsbereichs internationalen Wasserrechts, sondern ist vielmehr als ein umfassender Nutzungsansatz zu verstehen, aus dessen inhaltlicher Reichweite auf die geographische Reichweite des betreffenden Regelwerkes zu schließen ist. Ausgangspunkt dieses Ansatzes ist also die Ressource selber.19 Die souveränen Rechte der Anrainer werden dabei den Bedürfnissen des jeweiligen Ökosystems zwar nicht völlig untergeordnet, aber stärker an ökologischen Kriterien gemessen. Im Unterschied zum river bzw. drainage basin concept sieht er den betreffenden Wasserlauf deshalb nicht lediglich im Kontext des ihn umfassenden Ökosystems, sondern konzentriert sich vielmehr auf den Schutz und die Erhaltung des Ökosystems, dessen Teil der Wasserlauf ist, um seiner selbst Willen. Durch die Einbeziehung des Ökosystems als Ganzem wird er zwar einerseits dem komplexen System ökologischer Wechselbeziehungen in höchstem Maße gerecht.20 Andererseits schränkt er die staatliche Souveränität aber auch am weitesten ein. Das Ergebnis eines Kompromisses zwischen den Anforderungen staatlicher Souveränität auf der einen und des natürlichen Wasserkreislaufs auf der anderen Seite ist das Konzept des internationalen Wasserlaufs (engl. international watercourse).21 Vom hydrographischen Becken und dem Ökosystem-Ansatz unterschei16 Vgl. die Definition in Art. II der Helsinki Rules: „An international drainage basin is a geological area extending over two or more States determined by the watershed limits of the system of waters, including surface and underground waters, flowing into a common terminus.“ Das drainage basin concept wurde von der ILA bereits in ihren Resolutionen von Dubrovnik 1956 (ILA, Report of the Forty-seventh Conference held at Dubrovnik 1956, 1957, S. 241) und New York 1958 (ILA, Report of the Forty-eight Conference held at New York 1958, 1959, VIII) formuliert und durch das IDI in seiner Salzburger Resolution von 1961 (Text in: AIDI 49-II (1961), S. 381) aufgegriffen. 17 ILA, Report of the Sixty-second Conference held at Seoul 1986, 1987, S. 251. 18 Ausführlich dazu Brunnée / Toope, AJIL 91 (1997), S. 26, 41 ff.; dies., YBIEL 5 (1994), S. 41, 65 ff.; Francis, Nat. Res. J. 33 (1993), S. 315, 317 ff.; Barberis, Droits et obligations, 1991, S. 24 ff. Vgl. auch Karhonen, Nat. Res. J. 36 (1996), S. 482 ff. 19 Diese Vorstellung teilt der Ökosystemansatz mit der Theorie der shared natural resource, vgl. dazu infra Zweiter Teil, I. 4. 20 GWP (Hrsg.), Water management and ecosystems: living with change, 2003, S. 33 ff.; Howard, RECIEL 5 (1996), S. 116 ff.

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1. Teil: Internationales Wasserrecht

det sich der Begriff des internationalen Wasserlaufs dadurch, dass der internationale Wasserlauf nur diejenigen Komponenten umfasst, die – etwa im Falle einer Verunreinigung – aufgrund ihrer physikalischen Beziehung auch tatsächlich beeinträchtigt werden.22 Insbesondere werden also abgeschlossene Grundwasserressourcen23 und die den Wasserlauf umgebende Landfläche24 nicht erfasst. Gleichzeitig ist der Begriff des internationalen Wasserlaufes weiter als der des internationalen Flusses bzw. Sees oder des internationalen Flussbeckens, da er zumindest das mit dem Binnengewässer verbundene Grundwasser mit einschließt.25 Insbesondere aus hydrologischer Sicht kann das Konzept des internationalen Wasserlaufes als unzureichend kritisiert werden.26 Trotzdem bricht der Begriff mit überkommenen Souveränitätsvorstellungen, schafft Flexibilität, ohne die Einheit des Binnengewässers und die Interpendenzen seiner Ressourcen auszublenden und geht trotz der technischen Schwierigkeiten bei dessen genauer Ortung und Bestimmung den Schritt zur Einbeziehung des Grundwassers, wenn auch nur insoweit, als es mit dem Oberflächenwasser des Wasserlaufes in physikalischer Verbindung steht.27 Der Begriff des internationalen Wasserlaufs liegt der VN-Konvention zum Recht der nichtnavigatorischen Nutzung internationaler Wasserläufe zugrunde.28

III. Geschichtliche Entwicklung 1. Ursprünge Das internationale Wasserrecht blickt auf eine lange Entwicklungsgeschichte zurück.29 Bereits aus vorklassischer Zeit lassen sich Verträge nachweisen, die 21 Ausführlich zum Wasserlauf-Ansatz Bruhács, The law of non-navigational uses of international watercourses, 1992, S. 24 ff. Vgl. auch Boisson de Chazournes, Les ressources en eau et le droit international, 2002, S. 24. Siehe zum Begriff „Internationales Wasserlaufsystem“ ILC, McCaffrey – Second Report, Rn. 60 ff.; dies., McCaffrey – Seventh Report, Rn. 10 ff. 22 Salman, Water ressources and international law, 2002, S. 88 ff.; Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 754. 23 Abgeschlossene Grundwasser sind Grundwasserressourcen, die mit keinem Wassersystem verbunden sind oder nur eine minimale Verbindung mit anderen Wassersystemen haben, vgl. Fuentes, FS Brownlie, 1999, S. 179 ff. 24 Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 180. 25 McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998, S. 18. 26 Zur Kritik an der eingeschränkten Berücksichtigung des Grundwassers siehe Salman, Water ressources and international law, 2002, S. 86 ff. m. w. N. Vgl. allgemein zur Kritik am Internationalen Wasserlauf-Konzept Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 181 f. 27 Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 197 ff. Das Wasserlaufkonzept unterstützend auch Daillier / Pellet, Droit international public, 2002, S. 1230. Zu den Schwierigkeiten bei der Bewirtschaftung von Grundwasserressourcen vgl. Moench, Groundwater: the challenge of monitoring and management, 2004, S. 79 ff. 28 Vgl. bereits den Titel des Übereinkommens.

III. Geschichtliche Entwicklung

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Probleme der Wasseraufteilung und –nutzung zum Gegenstand hatten.30 Ein Beispiel bildet der Vertrag zwischen den Stadtstaaten Umma und Lagash in Mesopotamien aus dem dritten vorchristlichen Jahrtausend, der Regelungen über die Wassernutzung des Euphrats beinhaltete, an dessen Ufer beide Städte lagen.31 Es ginge jedoch zu weit, eine durchgehende Entwicklungslinie zwischen diesen frühen Wasserverträgen und dem heutigen materiellen wasserrechtlichen Normenbestand zu ziehen. Das heute geltende internationale Wasserrecht hat seinen Ursprung im Europa und Nordamerika des 19. Jahrhunderts, einer Zeit also, in der sich die völkerrechtliche Ordnung in besonders ausgeprägter Weise am Motiv der Koexistenz souveräner staatlicher Einheiten orientierte. Ausgehend vom anfänglich hervorgehobenen Stellenwert der Schifffahrt gegenüber allen anderen Formen der Nutzung internationaler Wasserläufe, beschäftigte sich auch das moderne internationale Wasserrecht zunächst fast ausschließlich mit Fragen der navigatorischen Nutzung.32 Regelmäßig war es dabei das Ziel, einen administrativen Rahmen zu bieten, um die freie Schifffahrt auf dem jeweiligen Wasserlauf zu gewährleisten. Als erster multilateraler Versuch, die Rechtsordnung eines internationalen Flusses in diesem Sinne zu regulieren, können die Art. 108 bis 117 der Schlussakte des Wiener Kongresses von 181533 angesehen werden. Aber auch die Art. 331 ff. des Versailler Vertrages vom 28. Juni 191934 und die Konvention und das Statut über die Wasserstrassen von internationaler Bedeutung / Barcelona vom 20. April 192135 sind frühe Beispiele navigatorischer Wasserlaufregime. Im Zuge der Industrialisierung und Technisierung gegen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts wurde es immer wichtiger, sich auch mit den rechtlichen Fragen anderer, neuerer Nutzungen wie der Energiegewinnung, der Bewässerung, der industriellen Produktion, der Gewinnung von Trinkwasser und schließlich der menschlichen Erholung auseinander zu setzen.36 Die Folge war ein Paradigmenwechsel in der Zielsetzung wasserrechtlicher Regime, die sich nun regelmäßig der 29 Zur historischen Entwicklung des internationalen Wasserrechts ausführlich Caponera, Principles of water law and administration, 1992, S. 11 ff.; Teclaff, Water law in historical perspective, 1985, S. 350 ff.; ders., The river basin in history and law, 1967, S. 1 ff. 30 Preiser, AVR 4 (1953 / 54), S. 257, 268. 31 Nach Nussbaum, A concise history of the law of nations, 1950, S. 1 f. der älteste nachgewiesene völkerrechtliche Vertrag. Vgl. auch Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, 1994, S. 15. 32 Vgl. etwa Patry, Le régime des cours d’eau internationaux, 1960, S. 61 ff.; Krause, Die internationalen Stromschiffahrtskommissionen, 1931, S. 1 ff.; Smith, The economic uses of international rivers, 1931, S. 136. Siehe dazu auch McCaffrey, Austrian J. Publ. Intl. Law 45 (1993), S. 87, 100 ff. 33 Text in: CTS 64, S. 451. 34 Text in: Grewe (Hrsg.), FHIG, 1992, Bd. III 2, S. 682. 35 Text in: LNTS 7, S. 37. 36 Eingehend zu dieser Entwicklung Dahm, Georg / Delbrück, Jost / Wolfrum, Rüdiger, Völkerrecht, Bd. I / 1, 2. Aufl., 1988, S. 394 ff.; Bélanger, RGDIP 81 (1977), S. 386, 389.

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1. Teil: Internationales Wasserrecht

Konstellation gegenüber sahen, dass die Wassernutzung durch die Unteranlieger bereits weit entwickelt war und neue Nutzungen durch die oberen Anliegerstaaten deshalb nicht umhin kamen, die historisch gewachsenen Interessen der Unteranlieger zu beeinträchtigen und das Risiko der Wasserverschmutzung durch den Oberanlieger zu erhöhen.37 Konsequenterweise richteten die auf die nichtschifffahrtliche Nutzung bezogenen Regime ihren Fokus darauf, einen angemessenen Ausgleich der Interessen der beteiligten Staaten herbei zu führen und negative Auswirkungen auf die Umwelt zu verhindern.38 2. Erste Kodifikationsversuche des Rechts der nichtschifffahrtlichen Wassernutzung Die Versuche der Kodifikation der weltweit geltenden Standards für die nichtnavigatorische Wassernutzung begannen 1911 in Madrid mit der Verabschiedung der Résolutions adoptées en ce qui concerne la réglementation internationale de l’usage des cours d’eau international39 durch das Institut de Droit International (IDI).40 Sie enthielten nachbarrechtliche Ansätze, die die Flüsse einer beliebigen Nutzung der Anrainerstaaten entzogen.41 Ein frühes Beispiel eines multilateralen Vertrages im Bereich der internationalen nichtschifffahrtlichen Wassernutzung, nämlich der Gewinnung von Wasserkraft, ist die Genfer Convention relative to the development of hydraulic power affecting more than one State vom 9. Dezember 1923.42 Diese fand in der Praxis allerdings nie Anwendung.43 Von entscheidender Bedeutung für die Kodifikation des internationalen Wasserrechts war schließlich die Arbeit der ILA, deren Helsinki-Rules44 eine tragende Rolle bei der Bestim37 Beispiele dieser klassischen Situation sind etwa die Verhältnisse an Nil, Euphrat oder Tigris. Vgl. ausführlich zum Interessenskonflikt zwischen Anrainern internationaler Binnengewässer, der sowohl durch die Lage der einzelnen Staaten entweder am Ober- oder Unterlauf als auch durch deren jeweiligen Entwicklungsstand determiniert wird infra Dritter Teil, IV. 2. b). 38 Ausführlich zu dieser Entwicklung Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 105 ff., die die Entwicklung des internationalen Wasserrechts angefangen von der Navigation über die Zuteilung und die Verschmutzungsvermeidung bis hin zum umfassenden Schutz nachzeichnet. 39 Text in: AIDI 24 (1911), S. 365. 40 Vgl. auch die Salzburger Resolution des IDI von 1961 zur „utilisation des eaux internationales non maritimes (en dehors de la navigation)“ (Text in: AIDI 49-II, (1961), S. 381). Ausführlich zum Beitrag des IDI McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 318 ff. Siehe allgemein zum Kodifikationsprozess des internationalen nichtschifffahrtlichen Wasserrechts Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 161 ff. 41 Zur Wirkung der Madrider Resolution des IDI für das internationale Wasserrecht Institut de Droit International (Hrsg.), Utilisation des eaux internationales non maritimes (en dehors de la navigation), Exposé préliminaire présenté par M. Juraj Andrassy, 1957, S. 13 ff. 42 Text in: LNTS 36, S. 76. 43 Sauser-Hall, RdC 83 (1953 II), S. 465, 532 ff. 44 Text in: ILA, Report of the fifty-second conference held at Helsinki 1966, 1967, S. 477.

III. Geschichtliche Entwicklung

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mung der Rechte und Pflichten der Staaten im Bereich der nicht-navigatorischen Wassernutzung zukam und weiter zukommt. Auch nach Verabschiedung der Helsinki-Rules widmet sich die ILA weiter intensiv der Entwicklung des internationalen Wasserrechts und gehört bis heute zu den treibendsten Kräften seines Kodifikationsprozesses.45 Der mit der Zeit entstehende corpus juris des internationalen Wasserrechts stand zunächst ganz im Zeichen der Koexistenz souveräner Staaten. Erst allmählich gewann die Idee des gemeinsamen Managements internationaler Wasserläufe an Bedeutung. Auch Umweltschutzaspekte spielten zunächst so gut wie keine Rolle, sondern infiltrierten das bestehende Recht erst nach und nach, um schließlich mit Schlagwörtern wie dem der „nachhaltigen Entwicklung“ und Konzepten wie dem des „Ökosystemansatzes“ und des „hydrographischen Beckens“ als Organisationseinheit sogar eine eigenständige Priorität zu werden. Weitere Dimensionen des internationalen Wasserrechts erschlossen sich schließlich auch aus dem Zusammenspiel mit den sich parallel entwickelnden Menschenrechten, dem humanitären Völkerrecht und dem internationalen Wirtschaftsrecht.46

3. Die VN-Wasserlaufkonvention von 1997 Die bedeutendste Kodifikation des Rechts der nichtschifffahrtlichen Nutzung internationaler Binnengewässer ist die VN-Wasserlaufkonvention von 1997. Ihre Ausarbeitung erstreckte sich über mehrere Jahrzehnte.47 Zum ersten Mal beschäf45 Vgl. etwa die Articles on flood control und die Articles on marine pollution of continental origin von 1972 (ILA, Report of the fifty-fifth conference held at New York 1972, London 1974, S. XVI), die Articles on international water resources administration (ILA, Report of the fifty-seventh conference held at Madrid 1976, London 1978, S. XXXVII), die Articles on regulation of the flow of water of international watercourses (ILA, Report of the fifty-ninth conference held at Belgrade 1980, London 1982, S. 362), die Rules on international groundwates (ILA, Report of the sixty-second conference held at Seoul 1986, London 1987, S. 251), die Campione consolidation of the ILA rules on international water resources (ILA, Report of the sixty-ninth conference held at London 2000, London 2000, S. 835) und die Berlin-Rules on Water Resources (Text in: ILA, Report of the seventy-first conference held in Berlin, London 2004, S. 334). Ausführlich zum Beitrag der ILA zur Weiterentwicklung des internationalen Wasserrechts Bogdanovic´, ILA / International Water Law, 2001, S. 3 ff.; Bourne, Nat. Res. J. 36 (1996), S. 155 ff.; Manner / Metsälampii (Hrsg.), The Work of the ILA, 1988, S. 31 ff. Siehe auch McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 320 ff. Neben dem IDI und der ILA hat sich auch etwa die Inter-American Bar Association mit der Kodifikation des internationalen Wasserrechts beschäftigt, vgl. Inter-American Bar Association (Hrsg.), Principles of law governing the uses of international rivers and lakes, Resolution adopted by the Inter-American Bar Association at its tenth conference in Novenber, 1957, at Buenos Aires, Argentina, 1958, S. 1 ff. 46 Vgl. etwa Salman / McInerney-Lankford, The human right to water, 2004, S. 1 ff.; Tignino, Water in times of armed conflict, 2003, S. 319 ff. Zu den Rechten multinationaler Unternehmen in Zeiten zunehmender Wasserknappheit siehe etwa Thorne / Thomas, Natural Resources and Environment 18 (2003), S. 31 ff.

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1. Teil: Internationales Wasserrecht

tigten sich die Vereinten Nationen 1959 mit der Entwicklung des internationalen Wasserrechts, als die Generalversammlung den Generalsekretär bat, einen Bericht mit einem Überblick über die einschlägigen rechtlichen Materialien auszuarbeiten.48 Nachdem dieser Bericht49 1963 vorgelegt worden war, ruhte das Thema zwar zunächst einmal mehrere Jahre. 1970 empfahl dann aber die VN-Generalversammlung der ILC, sich dem Recht der nicht-navigatorischen Nutzung internationaler Wasserläufe mit dem Ziel seiner Weiterentwicklung und Kodifizierung zu widmen.50 Im darauf folgenden Jahr nahm die ILC ihre Arbeit auf, die bis 1994 dauern sollte und im Laufe der Zeit von nicht weniger als fünf Berichterstattern51 koordiniert wurde. Von Beginn an herrschte rege Anteilnahme der Staatengemeinschaft an der Arbeit der ILC und 32 von ihnen teilten der Kommission in der Beantwortung eines Fragebogens ihre Positionen zum internationalen Wasserrecht mit.52 Ein 1991 in erster Lesung verabschiedeter Entwurf53 der ILC rief denn auch nur sehr moderate Kritik seitens der Staaten hervor.54 Die endgültigen draft articles, die nur geringfügig vom Entwurf von 1991 abwichen, legte die ILC der VN-Generalversammlung 1994 vor.55 Diese entschied, den Staaten zwei Jahre Bedenkzeit zu ge47 Eingehend zum Kodifikationsprozess der VN-Konvention Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 168 ff.; Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 35 ff.; Crook / McCaffrey, AJIL 91 (1997), S. 374 ff.; McCaffrey, Nat. Res. J. 36 (1996), S. 297, 298 ff.; ders., Envtl. L. 15 (1985), S. 667, 669 ff.; ders., EcologyLQ 11 (1983), S. 189, 192 ff.; ILC, McCaffrey – Preliminary Report, S. 87 ff. Kritisch zur Arbeit der ILC Nollkaemper, NethYIL 17 (1996), S. 39, 49, 72 f. Aus der allgemeinen Literatur zur VN-Konvention sei hier außerdem verwiesen auf McCaffrey / Sinjela, AJIL 92 (1998), S. 97; Fitzmaurice, FS Weeramantry, 1998, S. 430 ff.; Kokott, FS Jaenicke, 1998, S. 184 ff.; Arcari, NRF 21 (1997), S. 169; Tanzi, NRF 21 (1997), S. 109 ff.; ders., NRF (1997), S. 239 ff. 48 General Assembly Resolution 1401 (XIV) vom 21. 11. 1959. 49 United Nations Legislative Series, Legislative texts and treaty provisions concerning the utilization of international rivers for other purposes than navigation, UN Doc. ST / LEG / SER.B / 12. 50 General Assembly Resolution 2669 (XXV) vom 8. 12. 1970. 51 Die Berichterstatter waren Richard D. Kearney (1974 – 1977), Stephen M. Schwebel (1977 – 1981), Jens Eversen (1982 – 1985), Stephen C. McCaffrey (1985 – 1992) und Robert Rosenstock (1992 – 1994). Sie legten insgesamt 14 Berichte vor. Eine Liste aller Berichte ist zugänglich unter: http: / / www.un.org / law / ilc / guide / 8_3.htm, letztmalig besucht am 31. 1. 2008. 52 Replies of Governments to the Commission’s questionaire, UN Doc. A / CN.4 / 294 and ADD.1, wiedergegeben in Y.B.Int’l L. Comm’n 1976, Bd. II / 1, S. 147. 53 UN Doc. A / 46 / 10, abgedruckt in: Y.B.Int’l L.Comm’n, 1991, Bd. 2, Teil 2, S. 66. 54 Die Stellungnahmen sind im UN Doc. A / 52 / 275 abgedruckt. 55 Draft Articles on the Law of the Non-Navigational Uses of International Watercourses, UN Doc. A / 49 / 10 suppl. 10, S. 197, abgedruckt in: Y.B.Int’l L.Comm’n, 1994, Bd. 2, Teil 2, S. 89. Die ILC nahm auch eine Resolution über abgeschlossene Grundwasser an, ebd., S. 326. Die Draft Articles wurden in der völkerrechtlichen Literatur ausführlich diskutiert, vgl. etwa Fitzmaurice, LJIL 8 (1998), S. 361 ff.; Mubiala, RDISDP 76 (1998), S. 185 ff.; Arcari, ADI 13 (1997), S. 3 ff.; Wouters, Nat. Res. J. 36 (1996), S. 417 ff.; Rahman, FordhamILJ 19 (1995), S. 9 ff.; McCaffrey, AJIL 89 (1995), S. 395 ff.; ders., ColoJIEL&P 3 (1992), S. 17 ff.; ders. / Rosenstock, RECIEL 5 (1996), S. 89 ff.; Hey, Sustainable use, 1995,

III. Geschichtliche Entwicklung

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währen und 1996 eine Working Group of the Whole of the Sixth Committee einzusetzen, die auf der Grundlage der draft articles ein Rahmenübereinkommen über das Recht der nichtschifffahrtlichen Nutzung internationaler Wasserläufe ausarbeiten sollte. Die Working Group trat sowohl 1996 als auch 1997 zusammen.56 In diesem Rahmen kam es erstmals zu kontroversen Diskussionen.57 Die Auseinandersetzungen offenbarten dabei zum Teil so deutliche inhaltliche Diskrepanzen, dass starke Zweifel aufkamen, ob überhaupt ein gemeinsames Ergebnis erzielt werden könnte. Nach intensiven Verhandlungen gelang es dennoch schließlich am 4. 4. 1997, sich auf den Text der vorzuschlagenden Konvention zu einigen. Auf die Empfehlung der Working Group hin nahm die VN-Generalversammlung am 21. 5. 1997 die Konvention mit 103 zu 3 Stimmen und 27 Enthaltungen an. Seitdem liegt sie zur Unterzeichnung aus, hat die gem. Art. 36 Abs. 1 VN-Konvention für ein Inkrafttreten notwendigen 35 Ratifikationen aber noch nicht erreicht.58 Die VN-Konvention ist als Rahmenvertrag ausgestaltet (Art. 3). An ihm sollen sich die Anliegerstaaten beim Abschluss künftiger Verträge zum Schutz internationaler Binnengewässer zwar orientieren, im Einzelfall steht es ihnen aber offen, von den Vorgaben des Übereinkommens abzuweichen. In Abwesenheit spezifischer Abkommen zwischen den Anrainern legt das Übereinkommen die allgemeinen Prinzipien und Regeln der nichtschifffahrtlichen Nutzung internationaler Wasserläufe dar. Wie bereits aus dem Titel der VN-Konvention deutlich wird, ist die Nutzung internationaler Wasserläufe zu Schifffahrtszwecken von ihrem Anwendungsbereich grundsätzlich ausgenommen. Dies gilt im Grundsatz auch für die Ausbeutung der lebenden Ressourcen, die nur insoweit erfasst werden, als sie in den Anwendungsbereich der Vorschriften von Teil IV des Abkommens über den Schutz, die Erhaltung und die Bewirtschaftung fallen oder durch die im Übereinkommen geregelten Nutzungen beeinträchtigt werden bzw. diese beeinträchtigen. 59 Die Konvention enthält als zentralen Grundsatz das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe.60 Diesem wird die Verpflichtung der Staaten zur Seite gestellt, bei der Nutzung internationaler Wasserläufe auf ihrem Territorium alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um anderen Anrainerstaaten keinen erheblichen Schaden zuzufügen (no harm-rule). Beide Prinzipien sind durch Kooperation der Anrainerstaaten, insbesondere durch ein System der NotifiS. 127 ff.; Dellapenna, Case W. Res. J. Int’L 26 (1994), S. 27, 38 ff.; Hanqin, ColoJIEL&P 3 (1992), S. 45; Wescoat, ColoJIEL&P 3(1992), S. 301 ff. 56 Vom 7. – 25. 10. 1996 (Sitzungsbericht siehe UN Doc. A / 51 / 624) und vom 24. 3. – 4. 4. 1997 (Sitzungsbericht siehe UN Doc. A / 51 / 869). 57 Vgl. zum Ablauf der Verhandlungen in der Working Group Arcari / Tanzi (2001), S. 42 ff.; Wouters, GYIL 42 (1999), S. 293, 304 ff.; Tanzi, NRF 21 (1997), S. 109 ff.; ders., NRF 21 (1997), S. 239 ff.; Arcari, NRF 21 (1997), S. 169, 169 ff.; Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 766 ff. 58 Zum Stand der Ratifikationen siehe infra Dritter Teil, V. 59 Statement of understanding bzgl. Art. 1, Abs. (b). 60 Ausführlich dazu infra Zweiter Teil, II.

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1. Teil: Internationales Wasserrecht

zierung geplanter Maßnahmen, umzusetzen. Bevor ein Anrainerstaat geplante Maßnahmen durchführt oder erlaubt, die möglicherweise erhebliche negative Auswirkungen auf einen anderen Anrainerstaat haben, muss er diese Maßnahme jenem Staat rechtzeitig notifizieren. Darüber hinaus sind der Austausch relevanter Informationen, Konsultationen und Verhandlungen vorgesehen. Die Konvention widmet sich auch dem Schutz und der Erhaltung der Ökosysteme internationaler Wasserläufe sowie der Prävention, Verringerung und dem Management der Verschmutzung derselben. Schließlich sieht sie auch ein Streitschlichtungsverfahren vor, das unter anderem die zwingende Einsetzung einer unparteiischen fact-finding-Kommission beinhaltet, deren Ergebnisse allerdings für die Parteien nicht bindend sind. Während der Verhandlungen der Working Group kristallisierten sich drei Hauptstreitpunkte heraus. Der erste betraf die Eigenschaft der Konvention als Rahmenübereinkommen und ihr Verhältnis zu Abkommen über spezifische Wasserläufe. Die Unteranlieger bestanden auf der Priorität der speziellen Abkommen über die Rahmenkonvention, während die wirtschaftlich weniger entwickelten Oberanlieger der Rahmenkonvention den Vorrang einräumen wollten. Dahinter standen praktische Überlegungen, denn es war unstreitig, dass ein bindender vertraglicher Rahmen, sei es nun ein spezifisches Abkommen oder die VN-Konvention, in jedem Fall der Zustimmung aller Anrainerstaaten bedurfte. Darüber hinaus war abzusehen, dass die in der Konvention ausgearbeiteten Grundsätze spätere spezielle Wasserlaufabkommen inhaltlich zumindest beeinflussen würden. Der zweite Hauptstreitpunkt betraf die Gewichtung zwischen dem Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe (Art. 5) und dem Verbot erheblicher grenzüberschreitender Schädigung (Art. 7). Diese Debatte bildete sehr bald den zentralen Aspekt der gesamten Verhandlungen. Die Oberanlieger führten an, dass sie nur dann in der Lage seien, Entwicklungsprojekte durchzuführen, wenn dem Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe Vorrang vor der no harm-rule eingeräumt würde. Als Gegenargument dazu beriefen sich die Unteranlieger auf die Maxime sic utere tuo ut alienum non laedas; deshalb müsse das Verbot grenzüberschreitender Schädigung Vorrang genießen. Dieser Konflikt wurde schließlich durch den Kompromiss gelöst, der beide Prinzipien durch die Formulierung „having due regard for“ in Art. 7 Abs. 2 miteinander verband. Diese eher schwache Verbindung kommt den Oberanliegern entgegen. Andererseits sind diese an die strengen Vorschriften für neue Entwicklungsprojekte in Teil III der VN-Konvention gebunden. Der dritte wichtige Streitpunkt bei den Verhandlungen betraf schließlich das Streitschlichtungsverfahren und insbesondere die Frage nach der Notwendigkeit eines zwingenden fact-finding-Regimes.61 Trotz der Schwierigkeiten bei ihrer Ausarbeitung sind das Zustandekommen der VN-Konvention und die anschließende Annahme durch die VN-Generalversamm61 Vgl. dazu im Einzelnen Caflisch, Judicial means for settling water disputes, 2003, S. 243 ff.; ders., AFDI 43 (1997), S. 751, 768, 793, 796.

IV. Theoretische Grundlagen des internationalen Wasserrechts

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lung der bedeutendste Schritt in der Entwicklungsgeschichte des internationalen Wasserrechts.62 Diese Konvention ist der erste umfassende völkerwasserrechtliche Vertrag mit globalem Geltungsanspruch. Vorrangegangene Abkommen berücksichtigen außerdem in der Regel nur Einzelinteressen an der Nutzung, Verwaltung und dem Schutz grenzüberschreitender Wasserressourcen in Bezug auf spezifische Wasserläufe und deren Nutzung. Angesichts der dramatischen weltweiten Entwicklung ausgelöst durch den drastischen Anstieg der Wassernutzung, insbesondere des Verbrauchs einerseits und der Verschlechterung der Wasserqualität andererseits, sind bilaterale, nutzungs- oder gewässerspezifische Verträge, die den Facettenreichtum der Bewirtschaftung internationaler Wasserläufe nicht berücksichtigen, den Anforderungen jedoch immer weniger gewachsen. Deshalb bedarf es dieses globalen und integrierten Ansatzes der VN-Konvention, um die sich stellenden Probleme zufrieden stellend lösen zu können.

IV. Theoretische Grundlagen des internationalen Wasserrechts In der Entstehungszeit des internationalen Wasserrechts war die Frage nach den theoretischen Grundlagen wohl von größerer Wichtigkeit als heute.63 Trotzdem lohnt es, sich mit ihnen vertraut zu machen, denn sie sind auch weiterhin insofern von Bedeutung, als sie den Konflikt beschreiben, der letztlich jedem wasserrechtlichen Problem auf internationaler Ebene zugrunde liegt: den Antagonismus zwischen staatlicher Souveränität und den Zusammenhängen des Wasser62 So auch Salman, Water resources and international law, 2002, S. 82; McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 315 ff.; Tanzi, LJIL 11 (1998), S. 441, 442. Siehe auch Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 798; Nollkaemper, Neth YIL XXVII (1996), S. 39, 40. Vgl. auch die Erklärung des mexikanischen Staatenvertreters anlässlich der Abstimmung der VN-Generalversammlung über die VN-Konvention: „This instrument undoubtedly marks an important step in the progressive development and codification of international law, the promotion of which is a fundamental responsibility of this Assembly. The adoption of the draft text will be the culmination of a lengthy analytical process in which the International Law Commission, which was entrusted with the preparation of the articles, and the States Members and observers of the United Nations participated with keen interest and dedication.“ (UN GAOR, 51st Sess., 99th plen. Mtg., UN Doc. A / 51 / PV.99 (1997), S. 2). 63 Grundlegend zu den theoretischen Grundlagen des internationalen Wasserrechts siehe Berber, Rechtsquellen, 1955, S. 13 ff., der zunächst fünf Theorien zur Lösung des Problems der Wassernutzung an internationalen Flüssen darstellt, von denen er jedoch zwei als zum Teil logisch und praktisch komplementär und daher identisch ansieht, so dass nach Berber im Grunde nur vier Theorien die Nutzung an internationalen Binnengewässern erklären: die Theorie der absoluten territorialen Souveränität, die Theorie der absoluten territorialen Integrität, die Theorie der Gemeinschaft an den Gewässern und die Theorie der Beschränkung des freien Gebrauchs der Gewässer. Vgl. zum theoretischen Unterbau des internationalen Wasserrechts auch ESCWA (Hrsg.), Assessment, 2002, S. 29 ff.; McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 76 ff., 112 ff.; Caflisch, RdC 219 (1998 VII), S. 9, 48 ff.; Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 114 ff.; Fitzmaurice, FS Weeramantry, 1998, S. 427 ff.; Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 18 ff.

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1. Teil: Internationales Wasserrecht

kreislaufs.64 Dabei bilden die theoretischen Grundlagen des internationalen Wasserrechts auch den Hintergrund für das heutige Verständnis und die Einordnung des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe. Die Überzeugungskraft jeder Theorie hängt wesentlich davon ab, inwieweit sie im Stande ist, brauchbare Lösungen für das Problem zu liefern, für das sie entwickelt wurde. Die Problematik des internationalen Wasserrechts besteht, wie bereits angedeutet, im Spannungsfeld zweier Ausgangspunkte. Auf der einen Seite steht das rechtliche Prinzip der einzelstaatlichen Souveränität mit ihren innerstaatlichen und externen Merkmalen. Während der innerstaatliche Aspekt insbesondere die Basis für die territorial und personal begründeten staatlichen Hoheitsrechte schafft, beinhaltet die externe Komponente unter anderem das Prinzip der grundsätzlichen Gleichheit der Staaten im internationalen Verkehr. Trotz der immer intensiver werdenden Verflechtungen der internationalen Beziehungen in den verschiedensten Bereichen ist der Grundsatz der Souveränität der Staaten im Völkerrecht nach wie vor von zentraler Bedeutung. So spielen auch im internationalen Wasserrecht die Souveränitätsansprüche der Anrainerstaaten grenzüberschreitender Wasserläufe, gerade zwischen den oberen und den unteren Anliegerstaaten, eine herausragende Rolle.65 Dem Grundsatz der Souveränität stehen auf der anderen Seite die natürlichen, biologischen, physikalischen und chemischen Zusammenhänge des Wasserkreislaufs gegenüber, der sich über die vom Menschen gezogenen staatlichen Grenzen hinwegsetzt. Jedes Flusslaufsystem bildet eine Einheit, unabhängig davon, ob es auf dem Territorium mehrerer Staaten liegt oder nicht. Dabei gehört es gerade zu den Eigentümlichkeiten des Wassers, dass es dem Wasserkreislauf folgend ständig in Bewegung ist. Der Wert jedes theoretischen Ansatzes zur Lösung von Nutzungskonflikten an internationalen Binnengewässern lässt sich in erster Linie daran messen, inwieweit er sowohl den rechtlichen Erfordernissen der staatlichen Souveränität als auch den tatsächlichen Erfordernissen des Wasserkreislaufs gerecht wird und sie zu einem Ausgleich führt. 1. Überkommene Ansätze Zwei theoretisch denkbare Extrempositionen zur Behandlung eines zwischenstaatlichen Nutzungskonflikts an internationalen Binnengewässern sind die Theorie der absoluten territorialen Souveränität und der absoluten territorialen Integrität. Sie werden im Ergebnis nicht einmal den Anforderungen des Grundsatzes der Souveränität gerecht, geschweige denn denen des Wasserkreislaufs. 64 Vgl. Cohen, RdC 146 (1975 III), S. 219, 230. Eingehend zum Verhältnis Souveränität – Wasserkreislauf Green Cross International (Hrsg.), National souvereignty and international watercourses, 2000, S. 8 ff. Vgl. auch Elian, The principle of sovereignty over natural resources, 1979, S. 1 ff. Zum Spannungsfeld zwischen internationaler Umweltpolitik und staatlicher Souveränität vgl. bereits Mayer-Tasch, APuZ 1985, B 20, S. 3 ff. 65 Dudley, CRIA 12 (1999), S. 239, 249 ff.

IV. Theoretische Grundlagen des internationalen Wasserrechts

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a) Die Theorie der absoluten territorialen Souveränität Nach der Theorie der absoluten territorialen Souveränität darf jeder Staat sein Territorium ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer Staaten nach freiem Belieben und uneingeschränkt nutzen; die Gebietshoheit eines Staates über seine Binnengewässer ist also absolut und ausschließlich.66 Im internationalen Wasserrecht wird dieser Ansatz auch als „Harmon Doktrin“ bezeichnet, da er zum ersten Mal im Rahmen eines Streites um Wassernutzungsrechte am Rio Grande zwischen den USA und Mexiko am Ende des 19. Jahrhunderts in einem Gutachten des Generalbundesanwalts der Vereinigten Staaten Judson Harmon für das US-amerikanische Außenministerium formuliert wurde.67 Für das Recht der internationalen Binnengewässer hätte die Theorie der absoluten territorialen Souveränität zur Folge, dass jeder Staat die Gewässer, die sein Territorium durchfließen oder begrenzen, ohne Einschränkungen zu nutzen berechtigt wäre, allerdings aber auch kein Anspruch dieses Staates bestünde, den freien, unveränderten Zufluss von anderen Staaten zu verlangen. Der Ansatz der absoluten territorialen Souveränität begünstigt deshalb die Oberanlieger eines internationalen Wasserlaufes. Teilweise wird vertreten, es habe zumindest im 19. Jahrhundert eine der Harmon Doktrin entsprechende Staatenpraxis gegeben.68 Andere bestreiten dies und berufen sich darauf, dass der von Harmon formulierte Standpunkt in erster Linie der anwaltlichen Verhandlungstaktik entsprungen sei, der gegnerischen Seite keine unnötigen Zugeständnisse zu machen, und ihr die USA weder in dem Streit, für den das Gutachten ihres Namenspatrons erstellt wurde, noch in der Folgezeit in irgendeiner Auseinandersetzung über ein internationales Binnengewässer gefolgt seien.69 Auch andere Staaten hätten die Harmon Doktrin lediglich in diplomatischen Verhandlungen mit Mitanrainern vorgebracht.70 Einig ist man sich jedoch, dass jedenfalls heute keine entsprechende Staatenpraxis (mehr) besteht und sich die Harmon Doktrin nie in den Lösungen widergespiegelt hat, die die Staaten letztlich für die in Rede stehenden Binnengewässer in Verträgen oder sonstigen Arrangements vereinbart haben.71 66 Grundlegend zur Theorie der absoluten territorialen Souveränität im Bezug auf internationale Binnengewässer Berber, Rechtsquellen, 1955, S. 14 ff.; Krakau, Die Harmon Doktrin, 1966, S. 7 ff.; McCaffrey, Nat. Res. J. 36 (1996), S. 549 ff. 67 Attorney General Harmon, Gutachten vom 12. 12. 1895 (Text in: United States Attorneys General Official Opinions, Bd. XXI (1895), S. 274). Ausführlich zur Harmon-Dokrin McCaffrey, Nat. Res. J. 36 (1996), S. 549 ff.; Krakau, Die Harmon Doktrin, 1966, S. 7 ff. Siehe auch de Aréchaga, RdC 159 (1978 I), S. 9, 188 ff.; Dickstein, CJTL 12 (1973), S. 487, 490 ff. 68 Vgl. etwa Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 116 ff. mit entsprechenden Nachweisen. 69 McCaffrey, Nat. Res. J. 36 (1996), S. 549, 579 ff. 70 McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 111 ff. mit einschlägigen Beispielen; Fuentes, BYIL 67 (1996), S. 337, 397 ff. Siehe auch ILC, Schwebel – Third Report, Rn. 53. 71 McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 116 ff., 127; Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 121 ff.; Bourne, CanYBIL 35 (1998), S. 215, 215 f.; Utton, Nat. Res. J.

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1. Teil: Internationales Wasserrecht

Dem gleichen Muster folgt die Diskussion über ein die Theorie der absoluten territorialen Souveränität unterstützendes völkerrechtliches Schrifttum. Einige können wenigstens in der älteren Literatur eine entsprechende Unterstützung erkennen.72 Andere führen an, dass selbst diejenigen Autoren in der älteren Literatur, die allgemein als diese Theorie unterstützend angesehen werden, kein einheitliches Bild abgäben, da manche von ihnen ihren zunächst absolut formulierten Ansatz gleich wieder einschränkten oder aber sich sonst Besonderheiten aus dem Zusammenhang der Abhandlungen ergäben; dagegen sei die Harmon Doktrin von einem Gutteil der völkerrechtlichen Literatur schon frühzeitig abgelehnt worden.73 Einigkeit besteht aber auch hier, dass die Theorie der absoluten territorialen Souveränität nie weite Unterstützung als grundlegendes und herrschendes Prinzip auf diesem Gebiet gefunden hat und es jedenfalls in der gegenwärtigen Literatur niemanden mehr gibt, der diesen Ansatz in seiner absoluten Form noch unterstützt.74

b) Die Theorie der absoluten territorialen Integrität Die andere denkbare Extremposition ist die Theorie der absoluten territorialen Integrität.75 Ihr zufolge verstößt jede schädliche Einwirkung auf ein fremdes Staatsgebiet gegen das Völkerrecht, weil jeder Staat das Recht hat, dass sein Territorium von externen Eingriffen unversehrt bleibt.76 Auf das internationale Wasserrecht übertragen bedeutet das, dass der obere Anrainerstaat nichts unternehmen darf, was den natürlichen Abfluss des Wassers in den unteren Anrainerstaat beeinträchtigen könnte. Die Folge ist, dass ein Staat zwar einen Anspruch auf den ungehinderten natürlichen Zufluss des Wassers aus anderen Staaten hat, aber auch selbst nicht auf den Wasserfluss über die Grenzen hinweg einwirken darf. Der Ansatz der absoluten territorialen Integrität begünstigt die Unteranlieger eines internationalen Wasserlaufes. Auf die Theorie der absoluten territorialen Integrität haben sich im Laufe der Geschichte einige Staaten berufen, allerdings nur vereinzelt und nie mit „absolut“ 36 (1996), S. 151, 152; Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 17; Krakau, Die Harmon Doktrin, 1966, S. 80; Lester, AJIL 57 (1963), S. 828, 847. 72 So etwa Klein, Umweltschutz im völkerrechtlichen Nachbarrecht, 1976, S. 119 ff.; Despax, La pollution des eaux et ses problèmes juridiques, 1968, S. 145; Berber, Rechtsquellen, 1955, S. 16 ff. 73 McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 126. 74 McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 126; Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 123; Klein, Umweltschutz im völkerrechtlichen Nachbarrecht, 1976, S. 119. 75 Grundlegend zur Theorie der absoluten territorialen Integrität im Bezug auf internationale Binnengewässer Berber, Rechtsquellen, 1955, S. 14 ff. Siehe auch McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 128 ff.; Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 20 ff. 76 Vgl. Berber, Rechtsquellen, 1955, S. 14.

IV. Theoretische Grundlagen des internationalen Wasserrechts

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formulierten Ansprüchen, so dass sie nie ausreichend weit akzeptiert war, um das Merkmal der Staatenpraxis für regionales, geschweige denn internationales Gewohnheitsrecht zu erfüllen.77 Heute ist man sich einig, dass in der Gegenwart keine entsprechende Staatenpraxis besteht.78 Auch in der völkerrechtlichen Literatur fand der Ansatz der absoluten territorialen Integrität nur vereinzelt und nur dem Grunde nach Zustimmung.79 Außerdem veröffentlichten die Autoren, von denen gesagt wird, sie hätten diese Theorie propagiert, ihre Meinung entweder vor langer Zeit und bevor die nicht-navigatorische Nutzung ausreichend entwickelt war oder aber vertraten gar keinen absoluten Standpunkt.80 Heute jedenfalls findet die Theorie der absoluten territorialen Integrität im völkerrechtlichen Schrifttum keinerlei Unterstützung mehr.81 c) Bewertung In der Rechtswissenschaft gibt es wenige, wenn überhaupt irgendwelche Absolutheiten. Das gilt für das Völkerrecht wie für jede andere Rechtsordnung. Es überrascht deshalb nicht, dass sich auch auf dem Gebiet des internationalen Wasserrechts kein absoluter Ansatz durchsetzen konnte. Denn beide absoluten Theorien übersehen, dass der Grundsatz der Souveränität nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten beinhaltet.82 Die Souveränität der Staaten kann nur soweit gehen, wie sie nicht durch völkerrechtliche Regeln begrenzt wird; sie kann also von vorneherein nur im Rahmen der geltenden völkerrechtlichen Regeln zur Geltung kommen. Insofern als sowohl die territoriale Souveränität als auch die territoriale Integrität beide die konkrete Folge dieser grundsätzlichen Souveränität der Staaten sind, werden beide Ansätze wegen ihrer jeweiligen Einseitigkeit nicht einmal den Anforderungen des Souveränitätsprinzips gerecht.83 Die Theorie der absoluten territorialen Souveränität übersieht vor allem die Risiken sozialer, ökonomischer und ökologischer Art, die insbesondere das Umleiten von Flüssen und deren Verschmutzung für die unteren Anrainerstaaten bergen. Dagegen missachtet die Theorie der absoluten Integrität ganz besonders die Interessen derjenigen 77 McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 135; Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 128; Manner, FS Berber, 1973, S. 325. 78 Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 27; Caflisch, RdC 219 (1998 VII), S. 9, 54. 79 Vgl. Berber, Rechtsquellen, 1955, S. 19 ff.; Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 18 f.; Wolfrom, L’utilisation a des fines autres que la navigation des eaux des fleuves, lacs et canaux internationaux, 1964, S. 31 ff. 80 Siehe dazu McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 134; Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 19; Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 18 ff. 81 McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 171; Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 19 f. 82 Wie etwa die no harm-rule oder die sich aus dem Konzept der Staatenverantwortlichkeit ergebenden Pflichten, vgl. Salman, Water resources and international law, 2002, S. 105. 83 So auch Epiney, AVR 39 (2001), S. 1, 8 f.; Bryde, AVR 31 (1993), S. 1, 3.

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1. Teil: Internationales Wasserrecht

oberen Anrainerstaaten, welche die Nutzung ihrer Wasserressourcen langsamer als die unteren Anrainerstaaten entwickeln, denn diesen ist dann jede Entwicklung untersagt, die den Wasserabfluss in den unteren Anrainerstaat beeinträchtigte. Schließlich ignorieren beide Ansätze die Abhängigkeit der anderen Anrainerstaaten von dem jeweiligen internationalen Binnengewässer und unternehmen schon gar nicht den Versuch, zwischen dem Souveränitätsprinzip auf der einen und den Eigenheiten des Wasserkreislaufs auf der anderen Seite einen Ausgleich zu finden. Da beide Theorien keine Lösungen für konkrete Wasserkonflikte internationaler Art anbieten, spielen sie in der internationalen Wasserrechtsdebatte unserer Zeit nur noch eine sehr untergeordnete Rolle und dienen höchstens noch als Verhandlungsargumente.84

2. Der heute herrschende Ansatz Der heute und auf absehbare Zukunft das internationale Wasserrecht klar dominierende Ansatz ist die Theorie der beschränkten territorialen Souveränität.

a) Die Theorie der beschränkten territorialen Souveränität Die Theorie der beschränkten territorialen Souveränität überwindet die Primitivität der absoluten Theorien. Nach ihr wird die Souveränität eines Staates über sein Territorium insoweit als begrenzt angesehen, als die Verpflichtung besteht, das eigene Territorium nicht in einer Weise zu nutzen, die andere Staaten in ihren Rechten erheblich beeinträchtigt. 85 Die theoretische Herleitung der Theorie der beschränkten territorialen Souveränität erfolgt nicht einheitlich. Teilweise wird die territoriale Souveränität bzw. die 84 Boisson de Chazournes, Les ressources en eau et le droit international, 2002, S. 35; Hunter / Salzman / Zaelke, International environmental law and policy, 2002, S. 798 f.; Baker Röben, International Freshwaters, 2000, S. 285. Schwabach, TexIntLJ 33 (1998), S. 257, 276 f. sieht in Chinas Bezugnahme auf die territoriale Souveränität eines Anrainerstaates und Ruandas Verweisung auf das „sakrosankte“ Prinzip der staatlichen Souveränität in ihren jeweiligen Stellungnahmen aus Anlass der Abstimmung über die VN-Konvention in der VN-Generalversammlung einen Ausdruck der Harmon Doktrin; alle anderen Staaten scheinen nach ihm jedoch der Theorie der beschränkten territorialen Souveränität zu folgen (S. 279). Ausführlich zur Debatte in der VN-Generalversammlung infra Dritter Teil IV. 2. b) bb). 85 Grundlegend zur Theorie der beschränkten territorialen Souveränität mit Blick auf internationale Binnengewässer Berber, Rechtsquellen, 1955, S. 25 ff. und Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 23 ff. Vgl. auch Odendahl, Die Umweltpflichtigkeit der Souveränität, 1998, S. 1 ff.; Hinds, Umweltrechtliche Einschränkungen, 1997, S. 35 ff. Zur eng verwandten sog. Kohärenztheorie, die aus der wirtschaftlichen Einheit des Einzugsgebiets auf die Beschränktheit der Nutzungsrechte schließt, siehe Hartig, Das Recht der Wasserwirtschaft 7 (1958), S. 49, 57 f.

IV. Theoretische Grundlagen des internationalen Wasserrechts

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territoriale Integrität der Staaten so verstanden, dass sie diesen jeweils ein grundsätzliches Recht einräume, es sei denn, das Völkerrecht setze dem Grenzen.86 Eine solche bestehe für die territoriale Souveränität insbesondere in der Verpflichtung zur Achtung der territorialen Integrität der (anderen) Staaten und für die territoriale Integrität in der Pflicht zur Achtung deren territorialen Souveränität. Beide Prinzipien ständen also grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander und müssten zum Ausgleich gebracht werden. Zurückgegriffen wird dabei etwa auf einen so genannten Grundsatz des „schonendsten (Souveränitäts-)Ausgleichs,87 das Verhältnismäßigkeitsprinzip88 oder den Grundsatz der guten Nachbarschaft.89 Für andere stellen die Grundsätze der territorialen Souveränität und Integrität dagegen keinen Gegensatz dar.90 Vielmehr garantiere die territoriale Integrität gerade, dass die territoriale Souveränität durch das Verhalten anderer nicht beeinträchtigt werde. Vor diesem Hintergrund könnten die sich aus der Souveränität ergebenden Rechte von vorneherein nur so weit reichen, wie die Souveränität anderer Staaten nicht berührt werde. Die Herleitung aus einer Gleichstellung der Prinzipien der territorialen Souveränität und der territorialen Integrität und der Annahme ihrer Gegenläufigkeit sei aufgrund dieser immanenten Beschränkung nicht erforderlich. Einig ist man sich jedoch, dass die Theorie der beschränkten territorialen Souveränität kein statisches Konzept ist, sondern die territoriale Souveränität und Integrität flexibel miteinander verbindet.91 Aus der Lehre der beschränkten territorialen Souveränität ergibt sich konkret für das internationale Wasserrecht zunächst das Verbot erheblicher grenzüberschreitender Schädigung derjenigen Teile eines internationalen Binnengewässers, die jenseits des eigenen Hoheitsgebietes liegen (no harm-rule).92 Schutzgut ist hier die territoriale Integrität der betroffenen Staaten.93 Insbesondere lässt sich aber aus der Theorie der begrenzten territorialen Souveränität auch das Prinzip der angemessenen Nutzung eines internationalen Binnengewässers ableiten.94 Denn die nicht angemessene Nutzung eines internationalen Binnengewässers beeinträchtigt gegebenenfalls die territoriale Integrität, so dass die Ableitung eines entsprechenden Rechts aus der territorialen Souveränität – die ansonsten in Bezug auf die Nutzung gebietseigener Ressourcen zur Anwendung kommt – nicht möglich ist. Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 129. Kloepfer, DVBl. 1984, S. 243, 254; Wolfrum, DVBl. 1984, S. 493, 494 f. 88 Hinds, AVR 30 (1992), S. 298, 311 ff., 316 ff. 89 Andrassy, REDI 1960, S. 23, 36. 90 Epiney, AVR 39 (2001), S. 1, 9 f. 91 Vgl. Schwabach, TexIntLJ 33 (1998), S. 257, 276. 92 Epiney, AVR 33 (1995), S. 308, 316 ff. 93 Epiney, JuS 2003, S. 1066, 1069; Manner, FS Berber, 1973, S. 326. 94 Wenig, N.Y.U. J. Int’l L. & P. 27 (1995), S. 331, 345. So auch bereits Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 33, 63. Vgl. auch Epiney, JuS 2003, S. 1066, 1069; Reinicke, Die angemessene Nutzung gemeinsamer Naturgüter, 1991, S. 26, 179; Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 23. 86 87

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1. Teil: Internationales Wasserrecht

Die Lehre der beschränkten territorialen Souveränität bildet die Grundlage des heute geltenden internationalen Wasserrechts.95 Spätestens seit dem 19. Jahrhundert haben sich Stimmen in der völkerrechtlichen Literatur für sie stark gemacht96 und bereits 1911 fand sie Niederschlag in der bereits erwähnten Madrider Resolution des Institut de Droit International.97 Heute ist sie die in der völkerrechtlichen Literatur klar dominierende Theorie.98 Die Theorie der beschränkten territorialen Souveränität entspricht auch der heute bestehenden Staatenpraxis oder kommt ihr wenigstens am nächsten.99 Darüber hinaus findet die Theorie der begrenzten territorialen Souveränität Unterstützung in Entscheidungen internationaler Gerichte und Tribunale.100 Auch Entscheidungen nationaler Gerichte berufen sich auf sie.101

b) Bewertung Für den Ansatz der beschränkten territorialen Souveränität spricht zunächst einmal, dass er die rechtliche Simplizität der „absoluten“ Theorien überwindet. Er wird dabei nicht nur den einzelnen Facetten des Souveränitätsprinzip gerecht, sondern auch der verstärkten faktischen und rechtlichen Einbindung jedes Staates in die Staatengemeinschaft. Damit entspricht er auch praktisch in viel höherem Maße als die absoluten Theorien den Erwartungen, die man an eine sinnvolle Organisation internationaler Binnengewässer knüpft. Die konkreten Herausforderungen, die in Verbindung mit dem Management internationaler Wasserressourcen bestehen, lassen sich regelmäßig einfacher, wenn nicht gar ausschließlich in einem Umfeld gegenseitigen Respekts meistern. Darüber hinaus ist die Theorie der beschränkten territorialen Souveränität auch politisch vorteilhaft. Die „absoluten“ Theorien entsprechen einem individualistischen Verständnis, in dem die Erfüllung der eigenen Interessen zum herrschenden Prinzip gemacht wird und das keinen Ausgleich der sich gegenüberstehenden Anliegen der oberen und unteren Anliegerstaaten anbietet. Die Theorie der beschränkCaflisch, RdC 219 (1998 VII), S. 9, 55. Nachweise bei Berber, Rechtsquellen, 1955, S. 23 ff. 97 Siehe supra Erster Teil, III. 2. 98 Siehe bereits Berber, Rechtsquellen, 1955, S. 23 ff. m. w. N. Vgl. auch McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 147 und Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 35 f. jeweils mit umfangreichen weiteren Nachweisen. 99 Vgl. etwa die ausführlichen Nachweise bei McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 138 ff. 100 Prominente Beispiele: IGH, Corfu Channel Case, Reports 1949, S. 4, 22; United States v. Canada (Trail Smelter), AJIL 35 (1941), S. 684 ff.; Lac Lanoux, RIAA XII, S. 281 ff.; IGH, Case concerning the Gabcíkovo-Nagymaros Project, Reports 1997, S. 7 ff. 101 So etwa der US Supreme Court im Fall Kansas v. Colorado, US 206 (1906), S. 100 oder der deutsche Staatsgerichtshof im Donauversinkungsfall, RGZ 166, Anhang S. 18. 95 96

IV. Theoretische Grundlagen des internationalen Wasserrechts

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ten Souveränität birgt dagegen das Potential, dass Staaten den Respekt, den sie für einander bei der Nutzung eines gemeinsamen Wasserlaufes entwickeln, auch auf andere Gebiete übertragen. Denn letztlich erscheint es einleuchtend, dass alle Anrainerstaaten eines internationalen Binnengewässers an diesem im Prinzip ein Nutzungsrecht haben und daher jeder Staat das Recht des anderen Staates respektieren muss. Hinsichtlich längs geteilter Binnengewässer liegt das auf der Hand, aber auch bezüglich quer geteilter Wasserressourcen ist gegenseitiger Respekt die wohl viel versprechendste Option, da jeder absolute Anspruch fast zwingend mit politischem Konfliktpotential verbunden sein wird. Andererseits berücksichtigt auch die Theorie der beschränkten territorialen Souveränität in ihrer reinen Form die Zusammenhänge des Wasserkreislaufs nur ungenügend. Zwar schafft sie die Vorraussetzungen für eine Abwägung der nachbarrechtlichen Interessen, lässt dabei jedoch die Belange des Umweltschutzes jedenfalls insoweit außer Betracht, als diese über einen engen anthropozentrischen Ansatz hinausgehen. Der Schutz der Natur wird nicht zum Selbstzweck, sondern lediglich zu einer (allerdings unabdingbaren) Prämisse für die weitere Ressourcennutzung durch den Menschen. Damit bleibt sie hinter Ansätzen zurück, denen es gelingt, die eigenständigen Interessen der Umwelt mit zu berücksichtigen und in eine Lösung von Anfang an zu integrieren.102 Weiterhin entspringt die Theorie der beschränkten territorialen Souveränität insgesamt eher einem kompetitiven als einem kooperativen Verständnis der internationalen Beziehungen. Der Wettbewerb der Staaten um die Nutzung eines internationalen Wasserlaufes steht eindeutig im Vordergrund. Das Potential eines internationalen Binnengewässers als Basis für zwischenstaatliche Zusammenarbeit, die sich im Laufe der Zeit auf viele andere Gebiete ausweiten kann, wird dabei noch nicht ausreichend beachtet.103 Dies steht auch in einem gewissen Widerspruch zur allgemeinen globalen Tendenz einer immer weitergehenden internationalen Verflechtung staatlichen Handelns.104

3. Alternative Ansätze Alternativ zur heute im internationalen Wasserrecht klar vorherrschenden Theorie der beschränkten territorialen Souveränität werden noch eine ganze Reihe weiterer rechtlicher Lösungsmodelle diskutiert. Wenn sie sich auch bis heute (noch) nicht durchsetzen konnten, so beleben sie doch die Debatte um den richtigen rechtlichen Ansatz bei der Lösung der Probleme internationaler Binnengewässer. Besondere Prominenz genießen in diesem Zusammenhang die Theorie der rechtVgl. zu diesem Kritikpunkt auch Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 28 f. In diesem Sinne Mechlem, Water as a vehicle for inter-state cooperation: a legal perspective, FAO legal papers online #32, 2003, S. 3 ff. 104 Eingehend Brunnée / Toope, AJIL 91 (1997), S. 26, 40 ff. 102 103

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1. Teil: Internationales Wasserrecht

lichen Gemeinschaft an internationalen Binnengewässern, die Konzepte des gemeinsamen Erbes der Menschheit und des common concern of mankind und die Idee eines „Integrated Water Resources Management“.

a) Die Theorie der rechtlichen Gemeinschaft an internationalen Binnengewässern Die Theorie der rechtlichen Gemeinschaft an internationalen Binnengewässern geht davon aus, dass ein solches allen Anliegerstaaten gemeinsam in der Weise zusteht, dass keiner ohne die positive Mitwirkung der anderen darüber verfügen kann.105 Kein Anrainer darf ohne das Einverständnis bzw. das Mitwirken der übrigen Anliegerstaaten über die Nutzung eines internationalen Binnengewässers bestimmen. Der Ausgleich der Rechte der Anrainerstaaten soll also dadurch erreicht werden, dass sie die Souveränität gemeinsam ausüben. Rechtlich konstruiert werden kann diese Gemeinschaft etwa als Miteigentum106 oder als Kondominium.107 Obwohl das Prinzip der rechtlichen Gemeinschaft an Gewässern auf innerstaatlicher Ebene weit verbreitet ist, spiegelt es sich auf internationaler Ebene (jedenfalls bis heute) in keiner weit verbreiteten Staatenpraxis wieder.108 Man ist sich deshalb weitgehend einig, dass zwar ein Kondominium über ein internationales Binnengewässer durch Vertrag errichtet werden kann, jedoch keine gewohnheitsrechtliche Regel besteht, dass alle internationalen Flusslaufsysteme automatisch ein Kondominium oder gar Miteigentum bilden.109 105 Grundlegend zur Theorie der rechtlichen Gemeinschaft an internationalen Binnengewässern Berber, Rechtsquellen, 1955, S. 14. Vgl. auch McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 149 ff.; Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 20 mit entsprechen weiteren Nachweisen; Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 38 ff.; Wolfrom, L’utilisation a des fines autres que la navigation des eaux des fleuves, lacs et canaux internationaux, 1964, S. 149 ff. 106 Auf eine Miteigentumslösung in diesem Sinne zielte etwa der Beschluss des französischen Nationalkongresses vom 16. 11. 1792, der erklärte: „Der Wasserlauf der Flüsse ist das gemeinsame und unveräußerliche Eigentum all der Länder, die von ihm bewässert werden“ (zitiert nach Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 20). 107 Als Beispiel eines Kondominiums an internationalen Binnengewässern kann etwa Art. 1 des deutsch-luxemburgischen Vertrages vom 19. 12. 1984 (Text in: AVR 24 (1986), S. 336) angeführt werden, der die Flüsse Mosel, Sauer und Our in ihrem Grenzverlauf zum gemeinschaftlichen Hoheitsgebiet erklärt. Vgl. dazu Rudolf, Das deutsch-luxemburgische Kondominium, AVR 24 (1986), S. 301. Auch hinsichtlich des Bodensees hat jedenfalls Österreich die Kondominiumstheorie vertreten, vgl. Schweizer Bundesgericht, Urt. vom 17. 6. 1975, BGE 101 I a, S. 269. 108 Vgl. bereits Berber, Rechtsquellen, 1955, S. 15. Siehe auch Kaya, Equitable Utilisation, 2003, S. 83 ff.; McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 169; Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 143; Lipper, Equitable utilization, 1967, S 59. 109 McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 164; Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 20 f.

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Für die Theorie der rechtlichen Gemeinschaft an internationalen Binnengewässern spricht nichtsdestotrotz die Interdependenz der Anrainerstaaten internationaler Wasserläufe, die allesamt vom selben Naturgut abhängen. Ein gemeinsames Ausüben der Souveränität durch die Anrainerstaaten könnte sich in einer von gegenseitigen Abhängigkeiten geprägten Welt möglicherweise auch im Hinblick auf das Ziel der Nachhaltigkeit als hilfreich erweisen. Denn durch das kollektive Nutzungsrecht der Anlieger soll ja die bestmögliche Nutzung der internationalen Ressource auch auf Dauer gewährleistet werden. Andererseits gelingt es der Theorie der rechtlichen Gemeinschaft an internationalen Binnengewässern nicht, einen Ausgleich zwischen dem einzelstaatlichen Souveränitätsprinzip und der hydrographischen Einheit eines internationalen Wasserlaufes herzustellen, sondern läuft letztlich auf das Primat der natürlichen über die rechtlichen und politischen Gegebenheiten hinaus. Für die Lösung von Wasserkonflikten, bei deren Vorliegen die Kontrahenten regelmäßig stark gegenläufige Interessen vertreten, erscheint ein entsprechend hohes Maß an Kooperationsbereitschaft erforderndes Prinzip praktisch kaum umsetzbar. Insbesondere in Konstellationen, in denen sich die wirtschaftlichen Strukturen der Anliegerstaaten stark unterscheiden, wird eine so enge Zusammenarbeit besonders schwierig umzusetzen sein. Die Theorie der rechtlichen Gemeinschaft ist aber nicht nur realitätsfremd, sie verkennt auch, dass das Prinzip der einzelstaatlichen Souveränität als Organisationsstruktur trotz alledem auch Vorteile wie klare Verantwortlichkeiten und die Tendenz zu effizienterem Handeln bietet.

b) Das Konzept des gemeinsamen Erbes der Menschheit Das Konzept des gemeinsamen Erbes der Menschheit (engl. common heritage of mankind) postuliert die Materialisierung des gemeinsamen Interesses der Menschheit an bestimmten Räumen, Gütern und Lebewesen als Ansatzpunkt für die Nutzung staatsfreier Räume; diese staatsfreien Räume unterstehen dann der Souveränität keines Staates, sondern werden von der internationalen Staatengemeinschaft verwaltet.110 110 Solche staatsfreien Gebiete werden in Anlehnung an das römische Recht, das Objekte wie Regen, Luft, Fluss- und Meerwasser etc., die nicht Gegenstand privater Rechte seien konnten, unter dem Begriff res communes zusammenfasste, vielfach als res communes omnium bezeichnet, vgl. Verdross / Simma, Universelles Völkerrecht, 1984, § 1129. Ein Beispiel für die internationale Verwaltung eines staatenlosen Gebietes ist die Internationale Meeresbodenbehörde, die im Namen „der gesamten Menschheit“, der „alle Rechte“ an den Ressourcen des (Meeresboden-)“Gebiets“ zustehen, handelt, Art. 137 Abs. 2 S. 1 VN-Seerechtskonvention. Grundlegend zum Konzept des gemeinsamen Erbes der Menschheit Baslar, Concept of common heritage of mankind, 1998, S. 1 ff. Vgl. auch Fitzmaurice, RdC 293 (2001), S. 21, 150 ff.; Durner, Common goods, 2001, S. 181 ff.; Fitschen, Common heritage of mankind, 1995, S. 149 ff.; Macdonald, FS Bernhardt, 1995, S. 153 ff.; Rauschning, Gemeinsames Erbe der Menschheit, HdUR, 1994, Bd. I, Sp. 857 ff.; Wolfrum, Common heritage of mankind,

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Niederschlag hat dieser Ansatz bisher insbesondere im Mondvertrag von 1979, in der Seerechtskonvention von 1982 und im Vertragssystem hinsichtlich der Antarktis gefunden.111 Ob das Konzept darüber hinaus völkergewohnheitsrechtliche Geltung erlangt hat und wenn ja, in welchen Bereichen, ist in der Lehre umstritten.112 Einige bejahen eine solche unter Berufung auf die veränderten Rahmenbedingungen bei der Entstehung allgemeinen Völkerrechts und die allmähliche Erosion der staatlichen Souveränität.113 Sie beziehen sich dabei auf den Wortlaut der Seerechtskonvention in Art. 136 – 145 und insbesondere Art. 311 VI, der eine Ergänzung oder ein Abweichen vom Prinzip des gemeinsamen Erbes der Menschheit ausschließt. Andere lehnen dagegen eine Geltung als zwingendes oder abdingbares allgemeines Völkerrecht jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab und verweisen dabei auf den nach wie vor wenig präzisen Inhalt der Theorie sowie die uneinheitlichen opinio iuris und Staatenpraxis; sie sehen in dem Ansatz vielmehr ein politisches und moralisches Konzept oder ein so genanntes „Statusprinzip“, also einen Grundsatz mit notwendig gegenständlichem Bezug, ohne den von einer Geltung an sich nicht die Rede sein kann.114 Weitgehend einig ist man sich allerdings darin, dass keine Regel des allgemeinen Völkerrechts besteht, nach der internationale Binnengewässer staatsfreie Räume im Sinne des Konzepts des gemeinsamen Erbes der Menschheit sind.115 Alles andere wäre auch eine reine Fiktion, die der tatsächlichen Staatenpraxis völlig widerspräche; oder mit den Worten des ILC-Kommentars des 1994 vorgelegten Entwurfes der Konvention: „There is no doubt that a watercourse State is entitled to make use of the waters of an international watercourse within its territory. This right is an attribute of sovereignty and is EPIL, Bd. 1, S. 692 ff.; Joyner, ICLQ 35 (1986), S. 190 ff.; Kiss, RdC 175 (1982 II), S. 99, 243; Kewenig, FS Schlochauer, 1981, S. 385 ff.; Brownlie, RdC 162 (1979 I), S. 253, 289 ff.; Arnold, Int. Lawyer 9 (1975), S. 153 ff. 111 Art. 11 des Agreement Governing the Activities of States on the Moon and Other Celestial Bodies vom 18. 12. 1979 (Text in: ILM 18 (1979), S. 1434); Art. 136 VN-Seerechtskonvention; Antaktis-Vertrag vom 1. 12. 1959 (BGBl. 1978 II S. 1518); Umweltschutzprotokoll zum Antarktisvertrag vom 4. 10. 1991 (BGBl. 1994 II, S. 2478); Übereinkommen über die Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antaktis vom 20. 5. 1980 (BGBl. 1882 II, S. 420); Übereinkommen zur Erhaltung der antarktischen Robben vom 1. 6. 1972 (BGBl. 1987 II; S. 90). Das Konzept des gemeinsamen Erbes der Menschheit wurde auch ausdrücklich in der Schiedsgerichtsentscheidung St Pierre et Miquelon (Canada v. France) vom 10. 6. 1992 anerkannt (ILM 31 (1992), S. 1145, Rn. 78). 112 Ausführlich dazu Stocker, Das Prinzip des Common Heritage of Mankind, 1993, S. 175 ff. 113 Baslar, Concept of common heritage of mankind, 1998, S. 350 f., 355 f. Unter ihnen bezeichnen manche das Konzept des gemeinsamen Erbes der Menschheit sogar als ius cogens, vgl. dazu Schrijver, Sovereignty over natural resources, 1997, S. 221. 114 Epiney, JuS 2003, S. 1066, 1068; Durner, Common goods, 2001, S. 231; Wolfrum, International environmental law, 2000, S. 53 f.; Joyner, ICLQ 35 (1986), S. 190, 197 ff.; Larschan / Brennan, CJTL 21 (1983), S. 305, 336. 115 Durner, Common goods, 2001, S. 230 ff. m. w. N. Internationale Binnengewässer als gemeinsames Erbe der Menschheit zu betrachten fordert aber etwa Paquerot, Revue POUR 185 (2005), S. 104, 109 ff.

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enjoyed by every State whose territory is traversed or bordered by an international watercourse.“116

Der Anspruch der Anrainerstaaten auf (wenn auch gegebenenfalls begrenzte) Souveränität hinsichtlich derjenigen Binnengewässer, die sie mit anderen Staaten teilen, ist eine Realität. Gleichwohl hat das Konzept des gemeinsamen Erbes der Menschheit auch jenseits der Bereiche, in denen es global völkervertraglich vereinbart ist, also etwa auf das Recht der internationalen Binnengewässer eine gewisse Ausstrahlungskraft, selbst wenn diese nicht im engeren Sinne normativ ist.117 Denn allein die Tatsache, dass selbst Kritiker des Konzepts diesem das Potential zubilligen, in Zukunft zu allgemeinem Völkerrecht aufzusteigen,118 gibt eine Tendenz zu mehr zwischenstaatlicher Kooperation vor. c) Das Konzept des common concern of mankind Ein weiterer Ansatz zur Lösung internationaler Umweltprobleme ist das Konzept des common concern of mankind.119 Während der neuere Sprachgebrauch dieses Begriffs auf den Versuch zurückgeht, globale Umweltprobleme wie den Klimawandel oder den Süßwassermangel zu einem „Gegenstand gemeinsamer Sorge“ zu machen, reichen die Wurzeln dieses Ansatzes im weiteren Sinne bis ins Ende des 19. Jahrhunderts zurück.120 Hinsichtlich seiner genauen rechtlichen Bedeutung herrscht jedoch bis heute beträchtliche Uneinigkeit. Die Vorschläge reichen von einem reinen außerrechtlichen, politischen Faktor über eine Aufgabe der Staatengemeinschaft oder einer Kurzformel substantieller Schutzpflichten für einzelne Umweltgüter bis hin zu einem Grundrecht der dritten Generation oder einem Teilaspekt des weiteren, u. a. im Grundsatz 7 der Rio-Erklärung121 formulierten Prinzips der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten der Staaten (engl. common but differentiated responsibilities) bei der Bewältigung von Umweltproblemen.122 Am stärksten verbreitet ist die Auffassung, derzufolge das ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 8. So auch Kiss, RdC 175 (1982 II), S. 99, 243. 118 Vgl. etwa Joyner, ICLQ 35 (1986), S. 190, 199. 119 Grundlegend zum Konzelt des common concern of mankind Biermann, AVR 34 (1996), S. 426 ff. Vgl. auch Hunter / Salzman / Zaelke, International environmental law and policy, 2002, S. 396 ff.; Fitzmaurice, RdC 293 (2001), S. 21, 161 ff.; Kiss / Shelton, International environmental law, 2000, S. 250 ff. 120 Ausführlich zur Entstehungsgeschichte Durner, Common goods, 2001, S. 234 ff. 121 UN Doc. A / CONF.151 / 5 / Rev.1, abgedruckt in: ILM 31 (1992), S. 876. 122 Eine ausführliche Darstellung der einzelnen Ansätze mit den jeweiligen Nachweisen findet sich bei Durner, Common goods, 2001, S. 253 ff. Siehe zum Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten der Staaten auch Pomar Borda, Das umwelt(völker)rechtliche Prinzip der gemeinsamen, jedoch unterschiedlichen Verantwortung und das internationale Schuldenmanagement, 2001, S. 71 ff.; Kellersmann, Die gemeinsame, aber differenzierte Verantwortlichkeit von Industriestaaten und Entwicklungsländern für den Schutz der globalen Umwelt, 2000, S. 1 ff. 116 117

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1. Teil: Internationales Wasserrecht

common concern-Prinzip den Rechtspflichten im Zusammenhang mit dem Klimaschutz den Charakter von erga-omnes-Verpflichtungen verleiht und allen Staaten die rechtliche Befugnis einräumt, diese Pflichten geltend zu machen, sei es im Wege gerichtlicher Geltendmachung oder durch Rekurs auf Druckmittel oder Repressalien.123 Dagegen ist eine weitere Ansicht, die den common concern-Begriff mit dem common heritage-Prinzip gleichsetzen will, angesichts der unterschiedlichen Zielrichtung (Zweiteres beinhaltet völkerrechtliche Verpflichtungen, Ersterer nimmt im Ergebnis lediglich auf deren Erfüllungsstruktur Bezug) und der Ablehnung des common heritage-Prinzips in den Verhandlungen auf der VN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro eher weniger überzeugend.124 Folgt man der herrschenden Lehre, so bringt das Konzept des common concern of mankind ein Staatengemeinschaftsinteresse zum Ausdruck und transformiert die entsprechenden Rechtspflichten zu erga omnes-Verpflichtungen, befasst sich dabei aber letztlich nicht mit der Nutzung, sondern alleine mit der Bewahrung von Ressourcen. Noch besteht keine gewohnheitsrechtliche Geltung des Konzepts des common concern of mankind im Bereich der Nutzung internationaler Wasserläufe.125 Die Bedeutung der bisherigen Anwendungsfälle wie dem internationalen Klimaschutz und der Wüstenkonvention126 sowie das auffallende Interesse der Staatenpraxis und des Schrifttums deuten jedoch auf ein gewisses Verallgemeinerungspotential hin. So ist durchaus möglich, dass das Prinzip des common concern in Zukunft zu einem zentralen Faktor bei der völkerrechtlichen Bewältigung von globalen Umweltproblemen wie der Wasserkrise wird. Es bietet einen möglichen Rahmen für die „Internationalisierung“ von Ressourcen von internationalem Interesse. Rechte und Pflichte bestünden dann nur in dem Ausmaß des common concern und widersprächen damit nicht der Souveränität der Staaten über ihre Ressourcen per se. Indem sie dadurch die Bedrohung für die souveräne Kontrolle minimieren, könnte ein common concern-Rahmen die Beteiligung von Nicht-Anrainern erleichtern und somit ein Ökosystemmanagement ermöglichen, das über das des hydrographischen Beckens hinausgeht.127

Statt aller Kirgis, AJIL 84 (1990), S. 525 ff. mit entsprechenden weiteren Nachweisen. Dagegen wurde das Konzept des common concern of mankind während der Rio-Konferenz erstmals in einem rechtlich verbindlichen Dokument verankert: Abs. 1 der Präambel der dort von 155 Staaten und der EG unterzeichneten Klimarahmenkonvention vom 9. 5. 1992 (UN Framework Convention on Climate Change, Text in: ILM 31 (1992), S. 849) bezeichnet den Klimawandel als common concern of mankind. Vgl. auch Epiney, JuS 2003, S. 1066, 1068; Fitzmaurice, RECIEL 5 (1996), S. 305, 310. 125 Durner, Common goods, 2001, S. 275. 126 Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung in den von Dürre und / oder Wüstenbildung schwer betroffenen Ländern, insbesondere in Afrika vom 14. 10. 1994 (BGBl. 1997 II S. 1471). 127 Eingehend dazu Brunnée / Toope, AJIL 91 (1997), S. 26, 41 ff. 123 124

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d) Integrated Water Resources Management Das internationale Wasserrecht betrachtet die Problematik internationaler Binnengewässer heute in erster Linie aus der Perspektive von bestehenden oder potentiellen zwischenstaatlichen Konflikten um deren Nutzung. Andere Aspekte sind dagegen im Völkerrecht erst wenig entwickelt. Dies gilt insbesondere für den Zusammenhang unterschiedlicher Quellen von Wasserressourcen wie etwa Oberflächenwasser, Grundwasser, Regen und Gletscher sowie die Gesamtheit der Wechselwirkungen zwischen wasserbezogenen menschlichen Aktivitäten und den Wasserressourcen. Auf umweltpolitischer Ebene wird deshalb häufig gefordert, die Wasserressourcen aus einer ganzheitlichen Perspektive zu betrachten.128 Der in dieser Richtung prominenteste Ansatz ist derjenige des so genannten Integrated Water Resources Management (IWRM).129 Aus der Vielzahl der Versuche, IWRM inhaltlich zu definieren, stechen die so genannten Dublin Principles130 hervor. Ihre Formulierung ist das Ergebnis eines internationalen Prozesses, der in der internationalen Konferenz über Wasser und Umwelt 1992 in Dublin kulminierte und im folgenden zu den Empfehlungen der Agenda 21 hinsichtlich Süßwasserressourcen (Kapitel 18)131 beitrug, die auf der Rio-Konferenz verabschiedet wurde.132 Die grundlegenden Züge der Dublin Principles lauten: „I. Freshwater is a finite and vulnerable resource, essential to sustain life, development and the environment. II. Water development and management should be based on a participatory approach, involving users, planners and policy-makers at all levels. III. Women play a central part in the provision, management and safeguarding of water. IV. Water has an economic value in all its competing uses and should be recognized as an economic good.“133

Das Konzept des IWRM ist bisher rein politischer Natur. Gleichwohl spielt es heute in der internationalen Wasserdebatte eine herausragende Rolle. Diese „norSo etwa Falkenmark, Water International 25 (2000), S. 172 ff. Grundlegend zum IWRM Global Water Partnership, Integrated water resources management, 2000, S. 6 ff.; Solanes / Gonzales-Villarreal, The Dublin Principles for water as reflected in a comparative assessment of institutional and legal arrangements for Integrated Water Resources Management, 1999, S. 6. Siehe auch Global Water Partnership, Poverty reduction and IWRM, 2003, S. 6 ff.; Rees, Risk and Integrated Water Management, 2002, S. 5 ff.; Wohlwend, Integrated water resources management – National and international legal and institutional requirements, 2000, S. 1 ff.; Kindler, Water International 25 (2000), S. 312 ff.; World Bank (Hrsg.), Strategy for integrated water resources management, No ENV-125, 1998, S. 1 ff. 130 Text abgedruckt in: Environmental Policy and Law 22 (1992), S. 54. 131 UN Doc. A / CONF.151 / 26, wiedergegeben in: Johnson, The earth summit, 1993, S. 333. 132 Vgl. zu diesem Prozeß Salman, Water resources and international law, 2002, S. 69. 133 Global Water Partnership, Integrated water resources management, 2000, S. 13 f. 128 129

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mative Kraft des Faktischen“ hat auch Auswirkungen auf das Völkerrecht.134 So verkündete etwa die Erklärung der Minister auf dem 2. World Water Forum in Den Haag im März 2000: „The actions advocated here are based on integrated water resources management, that includes the planning and management of water resources, both conventional and non-conventional, and land. This takes account of social, economic and environmental factors and integrates surface water, groundwater and the ecosystems through which they flow. It recognises the importance of water quality issues. In this, special attention should be paid to the poor, to the role, skills and needs of women and to vulnerable areas such as small island states, landlocked countries and desertified areas. Integrated water resources management depends on collaboration and partnerships at all levels, from individual citizens to international organisations, based on a political commitment to, and wider societal awareness of, the need for water security and the sustainable management of water resources. To achieve integrated water resources management, there is a need for coherent national and, where appropriate, regional and international policies to overcome fragmentation, and for transparent and accountable institutions at all levels.“135

Darüber hinaus ermahnt das Konzept der integrierten Bewirtschaftung dazu, bei der Betrachtung des internationalen Wasserrechts neben den Regeln über internationale Wasserläufe auch andere völkerrechtliche Bereiche miteinzubeziehen, wie etwa die Menschenrechte, allgemeines Umweltvölkerrecht oder auch das Welthandelsrecht.136

V. Ergebnis Der Normbestand des internationalen Wasserrechts schöpft aus einer jahrtausendalten Tradition, hat in seiner heutigen Form jedoch seinen Ursprung erst im 19. Jahrhundert. Den vorläufigen Höhepunkt seiner Entwicklung markiert die VNWasserlaufkonvention. Zentrales Thema des internationalen Wasserrechts ist der Ausgleich zwischen staatlicher Souveränität und den Zusammenhängen des Wasserkreislaufs. Bereits die Frage nach seinem Anwendungsbereich (Was ist Wasser?), der große normative Bedeutung zukommt, steht ganz im Zeichen dieses Gegensatzes. Aber auch die Frage nach seinem materiellen Inhalt (Was ist Recht?) widmet sich diesem Antagonismus. Die Theorie der beschränkten territorialen Souveränität ist dabei der heute und auf absehbare Zukunft das internationale Was134 Vgl. ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 3 & 12. Siehe auch Brunnée / Toope, AJIL 91 (1997), S. 26, 48; McCaffrey, Water scarcity: institutional and legal responses, 1997, S. 53, Hey, Sustainable use, 1995, S. 127 ff. 135 Ministerial Declaration of The Hague on Water Security in the 21st Century (22. März 2000, Den Haag, Niederlande), Rn. 5 f. (Text in: World Water Council (Hrsg.), Final Report: Second World Water Forum and Ministerial Conference, 2000, S. 25 ff.). 136 Vgl. Boisson de Chazournes, Les ressources en eau et le droit international, 2002, S. 23.

V. Ergebnis

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serrecht klar dominierende Ansatz. Als solcher bestimmt sie auch den Rahmen des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe. Gleichzeitig geben die alternativen Ansätzen der Theorie der rechtlichen Gemeinschaft an internationalen Binnengewässern, der Konzepte des gemeinsamen Erbes der Menschheit und des common concern of mankind sowie des „Integrated Water Resources Management“ insbesondere mit der Betonung auf der Notwendigkeit gesteigerter zwischenstaatlicher Kooperation und umfassender Berücksichtigung ökologischer Zusammenhänge die Tendenz der zukünftigen Entwicklung vor. Gemeinsam stellen diese Grundlagen den Nährboden für die theoretische und konzeptionelle Entwicklung des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe.

Zweiter Teil

Das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe I. Die theoretischen Grundlagen des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe Die hinter dem Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe stehende Idee lässt sich als Grundsatz bereits aus der Theorie der beschränkten territorialen Souveränität ableiten.1 Seine einzelnen Komponenten, also das Prinzip der angemessenen Nutzung, der Grundsatz der vernünftigen Nutzung und die Maxime der angemessenen und vernünftigen Teilhabe haben aber durchaus auch einen jeweils eigenen, ausdifferenzierten Hintergrund. Dazu gehört zunächst die für das Prinzip grundlegende Theorie der angemessenen Nutzung. Diese wird mit der Theorie der vernünftigen Nutzung zur Idee der angemessenen und vernünftigen Nutzung verknüpft.2 Hinter dem Ansatz der Teilhabe steht dagegen die Theorie der Interessengemeinschaft. Schließlich wird das gesamte Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe vom Konzept der gemeinsamen Naturgüter überspannt.

1 Epiney, JuS 2003, S. 1066, 1069; Wouters, GYIL 42 (1999), S. 293, 294 f.; Wenig, N.Y.U. J. Int’l L. & P. 27 (1995), S. 331, 345. Den Ansatz der beschränkten territorialen Souveränität mit dem Prinzip der angemessenen Nutzung sogar gleichsetzend Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 134. Anders Beyerlin, Umweltvölkerrecht, 2000, S. 59, der den Grundsatz der angemessenen Nutzung als eine gesonderte Ausprägung des Gebot gutnachbarschaftlichen Verhaltens begreift. Das Gebot gutnachbarschaftlichen Verhaltens umfasst das Verbot grenzüberschreitender Umweltschädigungen und fordert ein Mindestmaß an Informationsaustausch zwischen Nachbarstaaten. Grundlegend zum völkerrechtlichen Nachbarschaftsrecht einschließlich seiner wasserrechtlichen Dimension Andrassy, RdC 79 (1951 II), S. 71, 77, 119 ff., 169 ff. 2 Zur terminologischen Vielfalt bei der Bezeichnung des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung im englischen und deutschen Sprachgebrauch siehe Reszat, Gemeinsame Naturgüter, 2004, S. 289 f., Lee, Effiziente Nutzung, 2003, S. 62 und Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2004, S. 421 mit zahlreichen Beispielen unterschiedlicher Formulierungen.

I. Die theoretischen Grundlagen

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1. Die Theorie der angemessenen Nutzung Das Kernstück des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe, der Grundsatz der angemessenen Nutzung, findet seine allgemeine theoretische Grundlage in der Theorie der angemessenen Nutzung. Seit knapp einem Jahrhundert arbeiten völkerrechtliche Lehre und Rechtsprechung an den Konturen der Theorie der angemessenen Nutzung. Gleichwohl sind bis heute wichtige Einzelfragen noch nicht endgültig geklärt.

a) Lehre Grundlegende Idee der Theorie der angemessenen Nutzung ist, dass grenzüberschreitende natürliche Ressourcen nicht so genutzt werden dürfen, dass andere Staaten dadurch übermäßig in ihren Nutzungsmöglichkeiten eingeschränkt werden; vielmehr sollen sich die Staaten so verhalten, dass auch für die jeweils anderen Staaten eine angemessene Nutzung möglich ist, wobei der Begriff „angemessen“ denkbar weit gefasst ist und daher immer relativ betrachtet werden muss.3 Obwohl sich der Ansatz der angemessenen Nutzung seinem grundsätzlichen Anspruch nach auf alle natürlichen Ressourcen bezieht, die einer begrenzten Zahl von Staaten gemeinsam sind, von deren Grenzen sie durchschnitten werden, ist dieser weite Anwendungsbereich in der völkerrechtlichen Wissenschaft nicht unumstritten.4 Übereinstimmend geht man aber davon aus, dass in jedem Fall internationale Binnengewässer, für die der Grundsatz ursprünglich entwickelt wurde, in den Anwendungsbereich der Theorie fallen, diese also jedenfalls hinsichtlich internationaler Binnengewässer geltendes Völkerrecht beschreibt.5 Wichtigstes Argument ist da3 Grundlegend zur Theorie der angemessenen Nutzung Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 15 ff.; Reinicke, Die angemessene Nutzung gemeinsamer Naturgüter, 1991, S. 26 ff. 4 Zustimmend etwa Reszat, Gemeinsame Naturgüter, 2004, S. 269 ff., 306; Dupuy, AFDI 24 (1978), S. 866, 879. Ablehnend dagegen etwa Durner, Common goods, 2001, S. 93 ff., 131 ff. Zweifelnd auch Biermann, AVR 34 (1996), S. 426, 428. 5 Ausführliche Nachweise bei ILC, Schwebel – Second Report, Rn. 41 ff., ILC, Schwebel – Third Report, Rn. 73 ff. und ILC, McCaffrey – Second Report, Rn. 75 ff., insb. 156 ff., der in Rn. 169 f. zu dem Schluss kommt: „It is clear from the foregoing survey of all the available evidence of the general principle of States, accepted as law, in respect of the non-navigational uses of international watercourses – evidence including treaty provisions, positions taken by States in specific disputes, decisions of international courts and tribunals, statements of law prepared by intergovernmental and non-governmental bodies, the views of learned commentators, and decisions of municipal courts in cognate cases – that there is overwhelming support for the doctrine of equitable utilization as a general, guiding principle of law for the determination of the rights of States in respect to the non-navigational uses of international watercourses. The doctrine is inherently general and flexible, making it suitable for adaptation and application to a wide variety of situations. [. . .] It is clear from the material reviewed above, however, that there does exist a ,hard core‘ of norms in this area that are universally accepted, and that there do exist definite criteria to which States can refer in determining whether a particular allocation of uses and benefits is equitable or reasonable.“ Siehe auch

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

bei die entsprechende Staatenpraxis: die meisten Verträge über Wasserverteilung und Qualität internationaler Binnengewässer beinhalten das Prinzip der angemessenen Nutzung.6 Dahinter steht die Erfahrung, dass in vielen Fällen zwar Menge und Qualität des Wassers eines internationalen Binnengewässers ausreichen, um die Bedürfnisse der Anrainerstaaten zu befriedigen; falls die Wasserressourcen aber nicht genügen, um alle vernünftig und förderlichen Nutzungen in allen Anrainerstaaten zu ermöglichen, potentiell gefährliche Nutzungskonflikte entstehen. Deren Lösung – so die Idee der Theorie der angemessenen Nutzung – kann am besten durch Abstimmungen und Anpassungen auf der Basis einer abstrakten Gleichheit der Rechte aller Anrainerstaaten erreicht werden. Der Ausgleich der Interessen der Staaten wird dabei durch den dem Prinzip der angemessenen Nutzung eigentümlichen Abwägungsprozess vollzogen.7 Ausgangspunkt der Theorie der angemessenen Nutzung ist das Recht auf Nutzung: auch bei grenzüberschreitenden Wasserressourcen sind die Staaten grundsätzlich zur Nutzung des Wassers auf ihrem Staatsgebiet berechtigt, also in der Lage, etwa Wasser zu entnehmen oder Einleitungen vorzunehmen.8 Dieses Recht ILC, Evensen – First Report, Rn. 81 ff. Der völkergewohnheitsrechtlichen Geltung der Theorie der angemessenen Nutzung auf internationale Binnengewässer zustimmend auch Dupuy, Droit international public, 2004, S. 718; Redgewell, International environmental law, 2003; Epiney, JuS 2003, S. 1066, 1069; dies., AVR 39 (2001), S. 1, 29; Sievers, TexIntLJ 37 (2002), S. 1, 16; Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 219; Lee, Effiziente Nutzung, 2001, S. 63, 90 ff.; Durner, Common goods, 2001, S. 134; Kliot / Shmueli / Shamir, Water Policy 3 (2001), S. 229, 233; Perrez, Cooperative Sovereignty, 2000, S. 305; Hey, FS Bouchez, 2000, S. 86; Baker Röben, International freshwater, 2000, S. 294; Fuentes, FS Brownlie, 1999, S. 177; Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 67; McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998, S. 27; ders. / Sinjela, AJIL 92 (1998), S. 97, 106; ders., Austrian J. Publ. Intl. Law 45 (1993), S. 87, 98; Tanzi, LJIL 11 (1998), S. 441, 453; ders. / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 89 ff.; Kloepfer, Umweltrecht, 1998, S. 583; Heintze, Wasser und Völkerrecht, 1997, S. 286; Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 756; ders., RdC 219 (1989 VII), S. 9, 148 ff., 161; Caponera, The peaceful management of transboundary resources, 1995, S. 123; Schiedermair / Rest, Internationales Wasserrecht, HdUR, 1994, Bd. I, Sp. 1150 f.; Kunig, BDGVR 32 (1992), S. 15; Reinicke, Die angemessene Nutzung gemeinsamer Naturgüter, 1991, S. 29, 185; Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 69 ff., 163 f.; Handl, RBDI 14 (1978 – 1979), S. 40, 46; Manner, FS Berber, 1973, S. 327; Dickstein, CJTL 12 (1973), S. 487, 495; Bourne, CanJIL 9 (1971), S. 114, 138 ff.; Brierly, The law of nations, 1963, S. 231; Griffin, AJIL 53 (1959), S. 50 ff. Vgl. auch Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 303. Zur nicht mehr vertretenen Ansicht, das Prinzip der angemessenen Nutzung als allgemeinen Rechtsgrundsatz i. S. d. Art. 38 Abs. I c) IGH-Statut anzusehen, siehe ausführlich Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 137 ff. mit den entsprechenden Nachweisen. 6 Ausführliche Nachweise bei ILC, Schwebel – Second Report, Rn. 41 ff., ILC, Schwebel – Third Report, Rn. 73 ff. und ILC, McCaffrey – Second Report, Rn. 75 ff.; Griffin, AJIL 53 (1959), S. 50 ff. 7 Vgl. Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 49. 8 Ausführlich Bourne, CanYBIL 3 (1965), S. 187 ff. Zustimmend auch Sands, Principles of international environmental law, 2003, S. 231. Vgl. auch den ILA, Helsinki-Rules, Kommentar zu Art. IV, (a). Zur konstruktiven Frage, ob dieses Nutzungsrecht unmittelbarer Aus-

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auf Nutzung gilt aber nicht absolut, denn ein Anrainer hat nicht nur das Recht, einen internationalen Wasserlauf in einer angemessenen Weise zu nutzen, sondern auch die Pflicht, sein Recht auf angemessene Nutzung nicht zu überschreiten, indem er das Recht der anderen Anrainerstaaten auf eine angemessene Nutzung verletzt.9 Der normative Inhalt des Prinzips der angemessenen Nutzung erschöpft sich also nicht bloß darin, allen Anrainerstaaten ein Recht an der Nutzung der Wasserressourcen eines internationalen Wasserlaufes zu gewähren. Dreh- und Angelpunkt der Angemessenheit ist vielmehr der auf Ausgleich gerichtete und sich auf der Grundlage des Prinzips der Gleichheit der Rechte vollziehende Abwägungsvorgang aller relevanten Faktoren und Umstände, um die konkrete Nutzungsallokation zu bestimmen. Die Theorie der angemessenen Nutzung fußt auf der Idee der abstrakten Gleichheit der Rechte (engl. equality of rights) der Anrainer.10 Diese ist Ausfluss des grundlegenden Prinzips der souveränen Gleichheit der Staaten, wie es auch schon in Art. 2 Nr. 1 der Charta der Vereinten Nationen (VNC)11 festgelegt ist.12 Kein Staat genießt a priori irgendwelche Vorrechte und soll nur aufgrund seiner Größe oder seiner Macht einen bestimmten Anteil erhalten. Insbesondere ist grundsätzlich irrelevant, in welchem Staat sich der Ursprung des jeweiligen Binnengewässers befindet. Abstrakt gesehen haben alle Anrainerstaaten ein gleiches Recht auf die Nutzung der Wasserressourcen. An diesem rechtlichen Grundsatz ändert auch die Tatsache nichts, dass das Abwägungsverfahren in der Praxis den faktischen Ungleichheiten der Anrainer ausgesetzt ist, die sich aus den unterschiedlichen Verdruck der territorialen Souveränität ist oder sich erst aus dem Grundsatz der angemessenen Nutzung ergibt, siehe Durner, Common goods, 2001, S. 117 f. m. w. N. Siehe allgemein zum Recht der Staaten auf Nutzung ihrer Ressourcen Prinzip 21 der UN Declaration on the Human Environment vom 16. 6. 1972 (Text in: ILM 11 (1972), S. 1416) und Prinzip 2 der Rio Declaration on Environment and Development vom 16. 6. 1992 (UN Doc. A / CONF.151 / 5 / Rev.1, abgedruckt in: ILM 31 (1992), S. 876). 9 ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 2. 10 Fuentes, BYIL 67 (1996), S. 337, 401; Buirette, RGDIP 95 (1991), S. 5, 37; Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 44 ff. Andrassy sieht in den Grundsätzen der Gleichheit der Rechte und der angemessenen Nutzung zwei unterschiedliche Prinzipien, die miteinander in Einklang gebracht werden müssen, vgl. Institut de Droit International (Hrsg.), Utilisation des eaux internationales non maritimes (en dehors de la navigation), Exposé préliminaire présenté par M. Juraj Andrassy, 1957, S. 45 ff. 11 Text in: United Nations Conference on International Organization Documents, Bd. XV (1945), S. 335 ff.; dt. Fassung in BGBl. 1974 II S. 769, geändert und durch Bekanntmachung vom 28. 8. 1980 (BGBl. 1980 II S. 1252) bereinigt. 12 Vgl. zum Grundsatz der abstrakten Gleichheit der Rechte Rothenberger, Angemessene Nutzung, 2003, S: 16; Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 302; Demeter, Schutz und Nutzung, 2001, S. 229; Buriette, RGDIP XCV (1991), S. 5, 37; RuizFabri, AFDI 36 (1990), S. 818, 836; Handl, RBDI 14 (1978 – 1979), S. 40, 43; Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 44. Vgl. auch Absatz 5 der Resolution 1803 (XVII) der VN-Generalversammlung: „The free and beneficial exercise of the sovereignty of peoples and nations over their natural resources must be furthered by the mutual respect of States based on their sovereign equality.“

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

handlungspositionen der Staaten wie ihrer geographischen Lage, ihrer politischen und militärischen Macht und ihrer wirtschaftlichen Stärke ergeben. Klarzustellen ist, dass diese abstrakte Gleichheit der Rechte der Anrainerstaaten nicht notwendigerweise dazu führt, dass diesen jeweils ein genau gleicher Anteil an der Nutzung eines gemeinsamen internationalen Binnengewässers zusteht.13 Hier liegt der Unterschied zur so genannten Theorie der hälftigen Teilung, die sich insbesondere auf Nutzungskonflikte an Grenzflüssen bezieht und tatsächlich postuliert, dass Anrainerstaaten eines internationalen Binnengewässers einen Anspruch auf genau gleiche Nutzungsanteile hätten.14 Trotz der zugegebenermaßen bestechenden Einfachheit der Theorie der hälftigen Teilung hat sich dieser Ansatz nicht durchsetzen können. Sein Mangel an Flexibilität und seine Unfähigkeit, die Besonderheiten der jeweiligen konkreten Situation zu berücksichtigen, macht ihn in den wenigsten Fällen praktikabel. Zwar wurde der Theorie der hälftigen Teilung in einzelnen völkerrechtlichen Verträgen gefolgt,15 mangels ausreichender entsprechender Staatenpraxis und opinio iuris ist sie aber nie zu Völkergewohnheitsrecht geworden.16 Herzstück der Theorie der angemessenen Nutzung bildet ein am Prinzip der abstrakten Gleichheit und Fairness orientierter Abwägungsvorgang, der ein Austarieren der Interessen dieser Staaten anhand der die Nutzung des Naturgutes in der konkreten Situation bestimmenden Faktoren anstrebt.17 Als Maßstab für die Bemessung eines Nutzungsanteils eines Staates werden zunächst dessen Bedürfnisse herangezogen, die anhand aller die konkrete Nutzungssituation bestimmenden Faktoren zu ermitteln sind.18 Dazu müssen alle möglichen faktischen Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigt werden, wozu unter anderem die geographische Lage, die hydrologischen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, 13 Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2004, S. 421 f.; Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 302; Caflisch, RdC 219 (1998 VII), S. 9, 149; Goldberg, World Bank Policy, 1995, S. 155; Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 36; Handl, RBDI 14 (1978 – 1979), S. 40, S. 52; de Aréchaga, RdC 159 (1978 I), S. 9, 192; Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 63. Siehe auch ILA, Helsinki-Rules, Kommentar zu Art. IV, (a). 14 Lederle, Das Recht der internationalen Gewässer unter besonderer Berücksichtigung Europas, 1920, S. 193, 203. 15 Vgl. Manner, FS Berber, 1973, S. 328 ff.; Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 24 m. w. N. 16 Vgl. Manner, FS Berber, 1973, S. 333. 17 Vgl. dazu Lammers, Pollution of international watercourses, 1984, S. 365: „[ . . . ] the principle of equitable utilization is a much more flexible but also vaguer principle than the no substantial harm principle or the priciple of prior use. Instead of laying down a rule with a more or less specific content as it is the case with the latter two principles, the principle of equitable utilization rather prescribes a certain technique aimed at reaching an equitable result in each concrete case.“ Siehe zum Abwägungsprozess auch ausführlich Bruhács, The law of non-navigational uses of international watercourses, 1992, S. 159 ff. 18 Kaya, Equitable Utilisation, 2003, S. 91 ff. Eingehend zur Ermittlung der Bedürfnisse Fuentes, BYIL 67 (1996), S. 337, 344 ff.

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klimatische Erscheinungsformen sowie die verschiedenen Zwecke und Modalitäten der Wassernutzung (Schifffahrt, Industrie, Landwirtschaft, hauswirtschaftlicher Verbrauch) und ihre Auswirkungen gehören können. Abstrakt gesehen sind dabei alle möglichen Nutzungsarten19 und alle in die Abwägung einzustellenden Faktoren20 gleichwertig. Anschließend werden die so ermittelten Nutzungsbedürfnisse sämtlicher Anliegerstaaten im Lichte aller erheblichen Faktoren einander gegenüber gestellt, um im Ergebnis die jeweiligen Nutzungsanteile anzugeben. Auch hier kommt es zu einer umfassenden Abwägung aller Vor- und Nachteile für die betroffenen Staaten.21 Der Abwägungsprozess macht den Ansatz der angemessenen Nutzung insbesondere auch auf der zeitlichen Schiene flexibel, da das so zu ermittelnde Ergebnis der Veränderungen der konkreten Umstände und der damit einhergehenden anderen Gewichtung der Faktoren Rechnung tragen kann.22 Seine Anpassungsfähigkeit macht es aber auch möglich, neue Konzepte wie etwa das des „grünen Wassers“23 oder des „virtuellen Wassers“24 für die Lösung von Nutzungskonflikten nutzbar zu machen. Für die Beurteilung der Angemessenheit einer Nutzung sind die Anrainerstaaten selbst zuständig; sie müssen sich jedoch untereinander koordinieren. Dass die Bewertung, ob ihre Nutzungen angemessen sind, grundsätzlich im Verantwortungs19 Vgl. Art. VI der Helsinki-Rules: „A use or category of uses is not entitled to any inherent preference over any other use or category of uses.“ Siehe auch Rothenberger, Angemessene Nutzung, 2003, S. 17; Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 62 ff. Hinsichtlich typischer Muster von Konflikten zwischen verschiedenen Nutzungsarten siehe Falkenmark, Water scarcity – Challenges for the future, 1997, S. 22, 34 ff. 20 Vgl. Art. V Abs. III. der Helsinki-Rules: „The weight to be given to each factor is to be determined by its importance in comparison with that of other relevant factors. In determining what is a reasonable and equitable share, all relevant factors are to be considered together and a conclusion reached on the basis of the whole.“ 21 Ausführlich dazu Fuentes, BYIL 67 (1996), S. 337, 339 ff. Siehe auch Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 168. Zur Schwierigkeit der Objektivierung der Abwägungskriterien van der Zaag / Seyam / Savenije, Water Policy 4 (2002), S. 19 ff. 22 Benevisti, AJIL 90 (1996), S. 384, 411. 23 Während 2 / 3 des auf dem Festland abregnenden Niederschlags an der Produktion von Biomasse durch terrestrische Ökosysteme beteiligt ist, fließt nur etwa 1 / 3, also ca. 40000 km3 / Jahr, in flüssiger Form ins Meer. Im Allgemeinen betrachtet man lediglich diese 40000 km3 als die für den Menschen verfügbaren Wasserressourcen. Tatsächlich speisen sich aber 60 – 70% der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelproduktion aus Regenwasser, das seinen Ursprung in verdunstetem, vorher niedergegangenem Regenwasser hat. Prof. Falkenmark nennt dieses Wasser „grünes Wasser“ im Gegensatz zum „blauen Wasser“, das sich in flüssiger Form in Binnengewässern befinded; vgl. Falkenmark, Water International 25 (2000), S. 172 ff. Siehe auch Falkenmark / Rockström, Balancing water for humans and nature, 2004, S. XXII. 24 Der Begriff „virtuelles Wasser“ definiert die Wassermenge, die für die Produktion eines bestimmten Gutes notwendig ist. In vielen Fällen ist es preiswerter und effizienter, Produkte, die für ihre Herstellung viel Wasser benötigen, zu importieren, als sie unter Nutzung teurer und knapper eigener Wasserressourcen selbst herzustellen.

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bereich jedes einzelnen Anrainers liegt, ergibt sich bereits aus dem Grundsatz der staatlichen Souveränität und dem sich daraus ergebenden Interventionsverbot.25 Der Abwägungsprozess macht aber auch eine Koordination mit den Mitanliegerstaaten erforderlich, da das Prinzip der angemessenen Nutzung die verschiedenen Interessen mehrerer Anliegerstaaten möglichst weitgehend miteinander vereinbaren will und kein Anrainerstaat bei der Einschätzung des ihm und seinen Nachbarstaaten zustehenden Nutzungsumfangs umhinkommt, auch die Interessen und Bedürfnisse der anderen Staaten zu bewerten. Von vorne herein verboten sind deshalb Handlungen ohne ausreichende Berücksichtigung der Interessen der Mitanrainer.26 Die Notwendigkeit der Koordination bedingt aber auch bestimmte verfahrenstechnische Anforderungen wie den regelmäßigen Austausch von Daten und Informationen über die allgemeinen Bedingungen des Wasserlaufes, Konsultationen bei der Bewertung der Angemessenheit von Nutzungen, die Notifikation geplanter Vorhaben sowie gegebenenfalls Konsultationen oder sogar Verhandlungen über diese Vorhaben.27 Am Ende des Abwägungsprozesses steht ein konkretes Abwägungsergebnis. Im Einzelfall kann es zum Teil sehr schwierig sein, zu beurteilen, ob eine bestimmte Nutzung angemessen ist oder nicht. Trotzdem erschöpft sich der Grundsatz der angemessenen Nutzungsaufteilung nicht lediglich in der Festschreibung einer umfassenden Abwägung als Methode der Nutzungsallokation; vielmehr erfordert er darüber hinaus, dass sich die Nutzungsallokation auch im Ergebnis als angemessen darstellt.28 Diese materielle Dimension des Prinzips schließt eine völlige Beliebigkeit des Abwägungsergebnisses aus: es muss einen angemessenen Ausgleich der Interessen im Sinne eines ausgewogenen Resultats darstellen und die Interessen, Bedürfnisse und Nutzungen der einzelnen Staaten hinreichend berücksichtigen.29 Das Abwägungsergebnis sieht häufig vor, dass sich die Anrainerstaaten die Wassernutzung teilen müssen.30 Denkbar ist zunächst einmal eine mengenmäßige Aufteilung der Wasserressourcen, vor allem dort, wo das Wasser verbraucht und nicht nur gebraucht werden soll.31 Daneben kann aber auch eine gebietsmäßige Aufteilung in dem Sinne vorgenommen werden, dass ein Staat gegebenenfalls unabhängig von politischen Grenzen innerhalb eines bestimmten Gebietes alle NutzungsHafner, Austrian J. Publ. Intl. Law 45 (1993), S. 113, 123. Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 57. 27 Ausführlich dazu Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 319 ff.; Baker Röben, International freshwater, 2000, S. 303 ff.; Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 184 ff.; Bourne, FS Berber, 1973, S. 109 ff.; ders., CanYBIL 10 (1972), S. 212 ff. Vgl. auch Epiney, JuS 2003, S. 1066, 1070. Ausführlich zur Verfahrenskomponente des Prinzips der angemessenen Nutzung Rothenberger, Angemessene Nutzung, 2003, S. 150 ff.; siehe aber auch bereits Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 57. 28 Epiney, AVR 39 (2001), S. 1, 32. 29 Epiney, JuS 2003, S. 1066, 1070. 30 Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 41. 31 Vitányi, The international regime of river navigation, 1979, S. 346; Colliard, RdC 125 (1968 III), S. 337, 373 ff. 25 26

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rechte hat, in einem anderen dafür keine.32 Oder die Nutzungsrechte an einem Gewässer stehen für einen bestimmten Zeitraum dem einen Staat zu, für einen weiteren Zeitraum einem anderen.33 Schließlich kann auch eine gewinnmäßige Aufteilung vorgenommen werden, etwa wenn ein Staat an der Grenze zu einem Nachbarstaat einen Stausee zur Elektrizitätsgewinnung baut und den dadurch benachteiligten Nachbarstaat mit Strom versorgt oder an dem Erlös des verkauften Stroms beteiligt.34 Eine ähnliche Lösung bietet sich hinsichtlich des Handels mit landwirtschaftlichen Produkten von demjenigen Staat an, der die Produktion dieser Güter durch Bewässerung aus dem internationalen Wasserlauf ermöglicht hat und dem Nachbarstaat nun diese landwirtschaftlichen Erzeugnisse (einschließlich des dahinter stehenden „virtuellen Wassers“) verkauft. Sowohl der Abwägungsvorgang als auch das Abwägungsergebnis sind justiziabel: beide können durch die internationale Gerichtsbarkeit im Rahmen ihrer Zuständigkeiten korrigiert werden, wie dies etwa im Fall des Gabcíkovo-NagymarosUrteils35 des IGH geschehen ist.36

b) Rechtsprechung Der Grundsatz der angemessenen Nutzung wurde gerichtlich zum ersten Mal 1907 vom US Supreme Court als Prinzip des „equitable apportionment“ im Rechtsstreit Kansas v. Colorado37 in Bezug auf den Arkansas Fluss angewandt. Nach Ansicht des Gerichts mussten die Rechte der beiden US-Staaten, die das Gericht diesbezüglich gleich souveränen Staaten behandelte,38 berücksichtigt werden „on the basis of the equality of rights so as to assure, as far as possible, the advantage of irrigation for Colorado, without depriving at the same time, Kansas of the similar advantages of a waterway.“39

Darauf aufbauend hat der US Supreme Court den Grundsatz der angemessenen Nutzung in einer ganzen Reihe von Entscheidungen angewandt und inhaltlich weiterentwickelt.40 Caflisch, RdC 219 (1998 VII), S. 9, 146. Andrassy, RdC 79 (1951 II), S. 71, 174 f. 34 Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 37; Vitányi, The international regime of river navigation, 1979, S. 346. 35 IGH, Case concerning the Gabcíkovo-Nagymaros Project, Reports 1997, S. 7 ff. 36 Kritisch zur Justiziabilität Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2004, S. 422. 37 US 206 (1907), S. 46 ff. 38 Vgl. ILC, Schwebel – Third Report, Rn. 45 mit den entsprechenden Nachweisen. 39 US 206 (1907), S. 100. 40 Vgl. etwa die Entscheidungen Colorado v. New Mexico, US 459 (1982), S. 176 oder Colorado v. New Mexico, US 467 (1984), S. 310. Siehe ausführlich zur Rechtssprechung des US Supreme Court mit Blick auf das Prinzip der angemessenen Nutzug McCaffrey, The law 32 33

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

Im Donauversinkungsfall41, einer verfassungsrechtlichen Zwischenentscheidung des deutschen Staatsgerichtshofs (StGH) aus dem Jahr 1927 in einem Streit zwischen Baden auf der einen und Preußen und Württemberg auf der anderen Seite, hatte das Gericht über die Rechtmäßigkeit einer die Versickerung des Donauwassers verstärkende bauliche Anlage in Baden zu entscheiden, die zur Folge hatte, dass den Unteranliegern Württemberg und Preußen viele Tage im Jahr überhaupt kein Wasser mehr zufloss. Dabei wandte das Gericht Völkerrecht an, da seiner Ansicht nach weder das Landesrecht noch das Reichsrecht einschlägige Normen enthielten. Nach Auffassung des Gerichts regelten sich in einem solchen Fall die Rechtsbeziehungen der deutschen Länder auf Gebieten, die wie das Wasserrecht ihrer Gesetzgebungskompetenz unterlagen, „zueinander nach Völkerrecht, d. h. nach den in Art. 4 RVerf genannten allgemeinen anerkannten Regeln des Völkerrechts, die als bindende Bestandteile des deutschen Reichsrechts gelten.“42

Zunächst lehnte der StGH die Geltung der absoluten Souveränitätstheorien ab und schloss sich im Ergebnis der Theorie der beschränkten territorialen Souveränität an: „Die Sätze des Völkerrechts in seiner neueren Entwicklung beruhen wesentlich auf dem Gedanken einer Einschränkung der Gebietshoheit der einzelnen Staaten durch ihre Zugehörigkeit zur Völkerrechtsgemeinschaft. Aus ihr wird eine Pflicht der Staaten zur gegenseitigen Achtung durch Rücksichtnahme hergeleitet, eine Pflicht, einander nicht zu verletzen.“43

In seinen weiteren Ausführungen gab das Gericht dann die seiner Ansicht nach geltenden Völkerrechtsregeln an: „Jeder Staat wird in der Ausnutzung eines gemeinsamen Flusslaufs auf seinem Staatsgebiet durch den aus der völkerrechtlichen Gemeinschaft entspringenden Grundsatz beschränkt, dass er kein anderes Mitglied der Völkergemeinschaft verletzen darf. Die verschiedenen an einem Wasserlauf beteiligten Staaten müssen aufeinander die durch die Verhältnisse gebotene Rücksicht nehmen. Kein Staat darf den anderen in der diesem durch die Natur ermöglichten Verwertung eines Wasserlaufs erheblich beeinträchtigen.“44

Es sei deshalb eine allgemein anerkannte Regel des Völkerrechts, „daß kein Staat auf seinem Gebiet Maßnahmen an einem internationalen Flusslauf treffen dürfe, die auf den Wasserlauf im Gebiet eines anderen Staates zu dessen Nachteil einof international watercourses, 2001, S. 221 ff. und Sherk, Nat. Res. J. 29 (1989), S. 565 ff. mit den entsprechenden weiteren Nachweisen. 41 RGZ 166, Anhang, S. 18. 42 Ebd., S. 29 f. 43 Ebd., S. 30. 44 Ebd., S. 31.

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schneidend einwirken. [ . . . ] Bei der Anwendung dieser Regel auf den einzelnen Fall sind dessen besondere Umstände zu berücksichtigen. Die berechtigten Interessen der beteiligten Staaten müssen in billiger Weise gegeneinander abgewogen werden. Nicht bloß das absolute Maß des Schadens, das durch das Vorgehen des einen Staates der andere erleidet, ist in Betracht zu ziehen, sondern auch das Verhältnis, in dem der Nutzen des einen zur Schädigung des anderen steht.“45

Weiter sei „bei der Verwendung des Wassers eines ihnen gemeinsamen Flusses“ ein „Interessensausgleich“ erforderlich.46 Zwar betonte das Gericht, dass diesen völkerrechtlichen Regeln zwischen den Gliedstaaten eines föderal organisierten Staates besondere Bedeutung zukomme. Dies bedeutet aber nicht, dass diese nach Ansicht des Gerichts ausschließlich zwischen Gliedstaaten eines föderalen Staates zur Anwendung kommen sollten; vielmehr erklärte sie das Gericht ausdrücklich zu „bereits anerkannten Regeln des Völkerrechts“.47 Im Ergebnis erkannte das Gericht also mit seiner Ablehnung der absoluten Souveränitätstheorien und der Notwendigkeit eines Interessenausgleiches wesentliche Elemente des Prinzips der angemessenen Nutzung als bereits geltendes Völkerrecht an.48 Von zentraler Bedeutung für die völkerrechtliche Weiterentwicklung des Prinzips der angemessenen Nutzung war schließlich die Entscheidung eines von Frankreich und Spanien eingesetzten Schiedsgerichts im so genannten Lac Lanoux-Fall49 aus dem Jahr 1957. Frankreich plante, das Wasser des aus dem See Lanoux gespeisten und in den französisch-spanischen Grenzfluss Carol mündenden Flüsschens Font-Vive zur Energiegewinnung umzuleiten, aber es der Carol vor Grenzübertritt wieder zuzuleiten. Spanien erklärte, ein solcher Eingriff erfordere seine Zustimmung, da die französischen Pläne seine Rechte und Interessen verletze, weil die Gefahr einer Veränderung der natürlichen Bedingungen des hydrographischen Systems drohe. Bei seiner Entscheidung stützte sich das Tribunal zunächst auf das Abkommen von Bayonne zwischen Frankreich und Spanien vom 26. 5. 1866.50 Hinsichtlich dessen Auslegung erklärte es aber, dass „quand il y a matière à interprétation, celle-ci doit être opérée selon le droit international; [ . . . ] il est donc permis de tenir compte de l’esprit qui a présidé aux traités pyrénéens, ainsi que des règles du droit international commun.“51 Ebd., S. 31 f. Ebd., S. 32. 47 Ebd., S. 31. Vgl. dazu auch Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 104; Scheuner, in: Strupp / Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. 1, 1960, S. 396. 48 Dräger, Die Wasserentnahme aus internationalen Binnengewässern, 1970, S. 106. Vgl. auch Smith, BYIL 10 (1929), S. 144, 150. 49 RIAA XII, S. 281 ff. Vgl. zu der Entscheidung auch Hunter / Salzman / Zaelke, International environmental law and policy, 2002, S. 776 ff. 50 Text des Vertrages in: CTS 132, S. 359. 51 RIAA, XII, S. 281 ff., Rn. 2. 45 46

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

Im Folgenden stellte das Tribunal klar: „Il faut tenir compte, quelle qu’en soit la nature, de tous les intérêts qui risquent d’être affectés par les travaux entrepris, même s’ils ne correspondent pas à un droit. [ . . . ] Le Tribunal est d’avis que l’Etat d’amont a, d’après les règles de la bonne foi, l’obligation de prendre en considération, les différents intérêts en présence, de chercher à leur donner toutes les satisfactions compatibles avec la poursuite de ses propres intérêts et de montrer qu’il a, à ce sujet, un souci réel de concilier les intérêts de l’autre riverain avec les siens propres.“52

Dies führte das Tribunal zu dem Schluss: „La France peut user de ses droits, elle ne peut ignorer les intérêts espagnols. L’Espagne peut exiger le respect de ses droits et la prise en considération de ses intérêts.“53

Auch in dieser Entscheidung wurde also der Grundsatz des Prinzips der angemessenen Nutzung zum allgemeinen Völkerrecht erklärt, dass für die Lösung eines Nutzungskonflikts über einen internationalen Wasserlauf alle Interessen auch der anderen Anrainerstaaten mit dem Ziel eines angemessenen und ausgewogenen Resultats berücksichtigt werden müssen. Ebenso wies das Urteil auf die Pflicht der Staaten hin, bei der Nutzung internationaler Binnengewässer gegebenenfalls in gegenseitige faire und gutnachbarschaftliche Verhandlungen zu treten, ohne jedoch den Abschluss eines Vertrages zwischen den Parteien zu verlangen oder dem betroffenen Nachbarstaat ein Vetorecht oder eine Berechtigung zur Einflussnahme auf die Rechtsordnung des Verursacherstaates einzuräumen.54

c) Bewertung Für die Theorie der angemessenen Nutzung internationaler Binnengewässer spricht wie für die Theorie der eingeschränkten Souveränität, von der sie sich ableitet, zunächst neben ihrer pragmatischen Herangehensweise und politischen Vorteilhaftigkeit vor allem der weitgehende Ausgleich der Souveränitätsrechte der Anrainerstaaten. Dieser geschieht in der überzeugenden Weise, dass die Nutzung einer gemeinsamen Ressource durch einen Staat kompatibel sein muss mit dem Schutz der Interessen der anderen betroffenen Staaten auf der Grundlage des Zusammentreffens einer Reihe von Kriterien, die sich nach der jeweiligen konkreten Situation richten. Hauptstärke des Ansatzes der angemessenen Nutzung ist dessen Flexibilität: entscheidend ist letztendlich nicht die Lage oder der Anteil der Anrainerstaaten an einem internationalen Wasserlauf oder die Frage, wer diesen als erster genutzt Ebd., Rn. 22. Ebd., Rn. 23. 54 Ebd., Rn. 13. Vgl. hierzu ausführlich Bourne, CanYBIL 10 (1972), S. 212 ff. Siehe auch Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 302 f.; Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 196 f.; Wolfrum, GYIL 33 (1990), S. 308, 314, de Aréchaga, RdC 159 (1978 I), S. 9, 198. Siehe auch IGH, Case concerning the Gabcíkovo-Nagymaros Project, Reports 1997, S. 7 ff., Skubiszewski, Dissenting Opinion, Rn. 9 ff. 52 53

I. Die theoretischen Grundlagen

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hat, sondern was unter den konkreten gegebenen Umständen unter Abwägung aller Interessen als angemessen erscheint.55 Der sich aus dem Grundsatz ergebende anhaltende Abwägungsprozess führt dabei nicht zuletzt auch zu einer Anpassungsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht. Schließlich besteht nach der Theorie der angemessenen Nutzung zumindest die Möglichkeit, neben der Verteilungs- und Nutzungsproblematik auch ökologische Fragen mit in eine Gesamtlösung zu integrieren; nicht umsonst bezieht sich die Theorie ausdrücklich auf die Nutzung von Binnengewässern und nicht nur auf deren Ausbeutung oder Aufteilung. Problematisch an der Theorie der angemessenen Nutzung ist jedoch ihre Tendenz, mit ihrem generellen und abstrakten Ansatz lediglich eine theoretische Analyse zu liefern, deren inhaltliche Präzisierung insbesondere hinsichtlich konkreter Pflichten sich aber wegen ihrer Unbestimmtheit und Wertungsabhängigkeit häufig als sehr schwierig erweist.56 Dies führt zu einer erheblichen Unsicherheit über die genaue Bedeutung und die Reichweite des Konzepts. Gerade diese Unklarheiten haben zu Folge, dass immer wieder Befürchtungen geäußert werden, dass Staaten durch den Ansatz der angemessenen Nutzung bei ihrer eigenständigen wirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere bei der Nutzung von Naturgütern wie Wasserressourcen, in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt werden könnten. Als weiterer Schwachpunkt gilt, dass es bei dem Grundsatz zu wenig um den Schutz der Ressource und zu viel um die bloße angemessene Verteilung vorhandener Ressourcen geht.57 Da das Prinzip der angemessenen Nutzung ursprünglich nicht zum Schutz von Ökosystemen entwickelt worden ist, eignet es sich eben auch nur bedingt dazu, umweltpolitische Zielsetzungen zu verfolgen.58 Vor allem besteht die Gefahr, keine zufrieden stellende Antwort auf die Frage zu finden, wie man mit ökologischen Schädigungen oder Gefährdungen gemeinsamer Naturgüter und insbesondere internationaler Wasserläufe umzugehen hat, die mit keiner anderen Nutzung der Anliegerstaaten kollidieren. Außerdem sind nicht alle ökologischen Nutzungen notwendigerweise vom Grundsatz der angemessenen Nutzung geschützt. Schließlich ist die Position der Staaten, die nur eine Küste zu dem Meer haben, in die ein internationaler Wasserlauf mündet, nicht aber Flussanrainer sind, nach der Theorie der angemessenen Nutzung häufig unbefriedigend.59 Weiterhin wird kritisch ange55 Vgl. dazu Benevisti, AJIL 90 (1996), S. 384, 400 ff., der argumentiert, dass die Flexibilität des Prinzips die Parteien eher zur Zusammenarbeit anregen würde, als wenn präzise Regeln verankert wären. Die Unbestimmtheit erschwere es den Beteiligten eines Wasserstreits, sich auf rechtliche Positionen zu verfestigen. Deshalb müssten sie kompromissbereit bleiben und den Ausgleich suchen. Zum Vorteil der Flexibilität des Prinzips der angemessenen Nutzung als Ausgangspunkt für eine kooperative Lösung siehe auch Mühlhans, Internationales Wassernutzungsrecht und Spieltheorie, 1998, S. 72 ff., 107 f. Siehe auch Wouters, Water International 25 (2000), S. 202, 204. Kritisch dagegen Nollkaemper, NethYIL 17 (1996), S. 39, 46 ff. 56 Vgl. zu diesem Kritikpunkt auch etwa Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2004, S. 422; Brunnée / Toope, AJIL 91 (1997), S. 26, 47 ff.; Ruiz-Fabri, AFDI 36 (1990), S. 818, 820 ff. 57 Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2004, S. 423. 58 Fitzmaurice, YBIEL 14 (2003), S. 3, 44 f.

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

merkt, die Theorie der angemessenen Nutzung fixiere sich zu stark auf Interessengegensätze und deren Lösung und verliere dabei das eigentliche Ziel der Verwirklichung von Interessengemeinsamkeiten aus den Augen.60 Schließlich kann von hydrologischer Seite aus vorgebracht werden, dass das eigentliche Problem nicht ist, wem das Wasser zusteht, das einen internationalen Wasserlauf hinunterfließt oder sich in einem internationalen See befindet, sondern wem das Nutzungsrecht am Regen zusteht, der über dem jeweiligen Flusseinzugsgebiet niedergeht: da dies hydrologisch die eigentliche Herausforderung sei, müsse man sich dem Problem auch von rechtswissenschaftlicher Seite aus dieser Richtung nähern.61

d) Einzelfragen Trotz der umfassenden Unterstützung des Prinzips der angemessenen Nutzung durch völkerrechtliche Rechtsprechung, Literatur und Staatenpraxis bestehen hinsichtlich einzelner Fragen inhaltliche Unklarheiten. Dazu gehört das Problem, inwieweit das Prinzip der angemessenen Nutzung möglicherweise tatsächlich nur die Nutzung internationaler Binnengewässer betrifft oder auch deren Schutz mit umfasst. Damit verbunden ist die Diskussion über das Verhältnis zwischen dem Prinzip der angemessenen Nutzung und der no harm-rule, die wohl umstrittenste Frage des internationalen Wasserrechts. Uneinheitlich wird auch beantwortet, inwieweit entwicklungspolitische und menschenrechtliche Aspekte einer absolut verstandenen abstrakten Gleichrangigkeit der Nutzungsarten entgegenstehen. Der Mangel an Klarheit in diesen wichtigen inhaltlichen Fragen führt zu Rechtsunsicherheit, die eine Anwendung des Prinzips der angemessenen Nutzung erschwert und damit seinen praktischen Nutzen einschränkt. Eine Klärung dieser Probleme ist deshalb nicht nur aus rechtswissenschaftlicher Perspektive geboten, sondern auch von Anwenderseite aus gesehen von großem Nutzen. aa) Das Prinzip der angemessenen Nutzung und der Schutz der Binnengewässer Ursprünglich bezog sich die Lehre der angemessenen Nutzung ausschließlich auf die Verteilung des Wassers zwischen den Anrainerstaaten.62 Bald stellte sich jedoch heraus, dass dieser Ansatz der mengenmäßigen Distribution wichtige ProVgl. aber Art. 23 VN-Konvention. Brunnée / Toope, YBIEL 5 (1994), S. 41, 53 f. 61 Vgl. Falkenmark, Water scarcity – Challenges for the future, 1997, S. 39. 62 So entwickelte der US Supreme Court das Prinzip der angemessenen Nutzung zur Lösung wasserrechtlicher Streitigkeiten zwischen einzelnen US-Staaten zunächst als ein bis ins Detail ausgearbeitetes Prinzip der angemessenen Verteilung (engl. equitable apportionment), vgl. McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 324 f. mit den einzelnen Nachweisen. 59 60

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blemkreise nur ungenügend erfasste. Insbesondere der Schutz internationaler Wasserläufe in ihrer Eigenschaft als Ökosysteme schien nicht ausreichend berücksichtigt.63 Sollte es etwa möglich sein, sich im Rahmen des geforderten Abwägungsprozesses auf eine vollständige Verschmutzung des Wassers oder dessen vollständigen Verbrauchs zu einigen? Bis heute wird nicht einheitlich beantwortet, ob bzw. bis zu welchem Grad das Prinzip der angemessenen Nutzung neben der Verteilung und dem Gebrauch des Wassers internationaler Wasserläufe tatsächlich auch deren Schutz berücksichtigt, also neben Quantitäts- auch Qualitätsaspekte betrifft.64 Bei dieser Diskussion um eine mögliche Qualitätsdimension des Prinzips der angemessenen Nutzung geht es auch um die Frage des Schutzgutes: ist die Qualität des Wassers nur insoweit relevant, als sie mögliche Nutzungen beeinträchtigt bzw. beeinträchtigen kann, oder sind die Wasserressourcen um ihrer selbst willen zu schützen, etwa weil sich die territoriale Integrität eben auch auf ökologische Aspekte bezieht? (1) Lösungsvorschläge Zum Teil wird vertreten, der Grundsatz der angemessenen Nutzung beträfe ausschließlich die Nutzungsaufteilung, nicht aber deren Schutz.65 Das Problem des Verhältnisses zwischen dem Prinzip der angemessenen Nutzung und der no harmrule könne nur zufrieden stellend geklärt werden, wenn man das Prinzip der angemessenen Nutzung auf die Lösung von Verteilungsproblemen begrenze und die no harm-rule auf Fragen der grenzüberschreitenden Verschmutzung und der Wasserqualität anwende.66 Im Übrigen bestehe sonst auch die Gefahr einer Überfrachtung des Prinzips der angemessenen Nutzung, dessen Umsetzung schon hinsichtlich der Verteilungsproblematik ein komplexer Vorgang sei. 63 Vgl. allgemein zur Pflicht der Staaten zum Umweltschutz IGH, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, Advisory Opinion, Reports 1996, S. 226, Rn. 29: „The existence of the general obligation of States to ensure that activities within their jurisdiction and control respect the environment of other States or of areas beyond national control is now part of the corpus of international law relating to the environment.“ Grundlegend zur Entstehung eines „grünen“ Bewußtseins im Völkerrecht Sands (Hrsg.), Greening international law, 1994, S. 1 ff.; Handl, Environmental security and global change: the challenge to international law, 1990, S. 59 ff. Zum Spannungsverhältnis zwischen staatlicher Souveränität und Umweltschutz Beyerlin, FS Bernhardt, 1995, S. 937 ff. 64 Ausführlich zu dieser Problematik Reszat, Gemeinsame Naturgüter, 2004, S. 76 ff.; Durner, Common goods, 2001, S. 122 ff.; McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 325 ff.; Bourne, International law and pollution of international rivers and lakes, 1997, 114 ff. Vgl. auch Hunter / Salzman / Zaelke, International environmental law and policy, 2002, S. 805; Epiney, AVR 39 (2001), S. 1, 28 f.; Beyerlin, Umweltvölkerrecht, 2000, S. 85. 65 Utton, Nat. Res. J. 36 (1996), S. 635 ff. 66 Vgl. hinsichtlich der Diskussion um die mögliche Existenz einer spezifischen Schutzpflicht für gemeinsame Wasserressourcen unabhängig vom Grundsatz der angemessenen Nutzung und des allgemeinen nachbarschaftsrechtlichen Schädigungsverbots Durner, Common goods, 2001, S. 122, 124.

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

Im Gegensatz dazu besteht aber auch die Möglichkeit eines ganzheitlichen Ansatzes, der neben der Verteilung gleichberechtigt auch die Aspekte des Gewässerschutzes materiell in das Prinzip der angemessenen Nutzung mit einschließt.67 Dabei kann man sich auf die Tatsache stützen, dass die Verschmutzung von Gewässern und die Nutzungsverteilung einfach in zu engem Zusammenhang stehen, als dass man sie getrennt voneinander behandeln könnte.68 Deshalb wäre es nicht sachdienlich, im Rahmen des Prinzips der angemessenen Nutzung internationaler Wasserläufe Fragen der Wasserqualität völlig auszuklammern. Die Schutzpflicht der Anrainer für internationale Wasserressourcen ergibt sich in diesem Fall direkt aus dem Grundsatz der angemessenen Nutzung. Der Gewässerschutz als materieller Aspekt des Prinzips der angemessenen Nutzung kann dann sowohl im Abwägungsprozess als auch im Abwägungsergebnis Berücksichtigung finden. Im Zusammenhang mit einer Einstellung des Schutzes der Ressource in den Abwägungsprozess wird etwa vorgeschlagen, die Nutzung von Gewässern und ihren Schutz nicht als Gegensatz anzusehen, sondern auch die Gewässerverschmutzung als eine Nutzung, nämlich eine so genannte „schmutzige Nutzung“ (im Gegensatz zu „sauberen“ Nutzungen, die die Wasserqualität nicht oder nur in zu vernachlässigender Weise beeinträchtigen) zu begreifen.69 Im Rahmen des Abwägungsprozesses müssten dann die sauberen mit den schmutzigen Nutzungen unter Berücksichtigung der ihnen beigemessenen Bedeutung abgewogen werden. Das Ergebnis wäre schließlich eine Verringerung der Verschmutzung bis zu dem Wert, bei dem alle vorgesehenen Nutzungen möglich würden. Damit könnte der Aspekt des Gewässerschutzes in den Abwägungsprozess eingebracht werden, ohne dessen grundsätzliche Ergebnisoffenheit in Frage zu stellen. Problematisch erscheint das Ergebnis dieses Ansatzes jedoch, wenn die beteiligten Anrainer ausschließlich schmutzige Nutzungen in die Abwägung einstellen und dadurch eine vollständige Verschmutzung möglich wird.70 Andere wollen die materielle Berücksichtigung des Gewässerschutzes dadurch erreichen, dass sie in die Abwägung auch die Nutzungen zukünftiger Generationen einstellen.71 Diese Berücksichtigung der Interessen kommender Generationen hat zur Folge, dass eine totale Übernutzung bis hin zur völligen Zerstörung nicht Fuentes, BYIL 69 (1998), S. 119, 134 ff. Vgl. Baker Röben, International Freshwaters, 2000, S. 286. 69 Reinicke, Die angemessene Nutzung gemeinsamer Naturgüter, 1991, S. 43. 70 Reinicke, Die angemessene Nutzung gemeinsamer Naturgüter, 1991, S. 186 geht davon aus, dass immer auch saubere Nutzungen Berücksichtigung finden müssten. 71 Brown Weiss, Intergenerational equity: a legal framework for global environmental change, 1992, S. 395 ff. Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist das Prinzip der Generationengerechtigkeit, das etwa in Prinzip 1 der Deklaration der Stockholmer VN-Umweltkonferenz von 1972 (Report of the United Nations Conference on the Human Environment helt at Stockholm, A / CONF.48 / 14, wiedergegeben in Rüster / Simma, Bd. I, 1977, S. 118 f.) Niederschlag gefunden hat, in der es heißt: „Man [ . . . ] bears a solemn responsibility to protect and improve the environment for present and future generations.“ 67 68

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erlaubt ist, da sonst keine Nutzung möglich bleibt, die ja zu Gunsten zukünftiger Generationen geschützt werden soll.72 Kernidee dieser intergenerationellen Gerechtigkeit ist dabei die „Bewahrung der Option“.73 Auch hier fügt sich der Schutzaspekt in den Abwägungsprozess ein, ohne ihn bereits im Ausgangspunkt absoluten Grenzen zu unterwerfen, die im Gegensatz zu seiner ergebnisoffenen Natur ständen. Unklar bleibt jedoch bei diesem Ansatz, wer die Interessen der zukünftigen Generationen im Rahmen des Abwägungsprozesses praktisch vertritt. Seine Praktikabilität ist insoweit zumindest zweifelhaft. Der Gewässerschutz kann aber auch als Korrektiv auf der Ebene des Abwägungsergebnisses ansetzen. Es besteht etwa die Möglichkeit, den adäquaten Schutz der Binnengewässer im Rahmen der angemessenen Nutzung final als eine Art „Zielkorridor“ des Abwägungsprozesses zu verstehen. Nach der Reinform dieses Ansatzes wären die Anrainer bei Wahl und Gewichtung der Nutzungsfaktoren also frei. Ihnen wird nicht vorgeschrieben, bestimmte schutzspezifische Aspekte in die Abwägung zwangsweise mit aufzunehmen. Kommt jedoch die Abwägung zu einem Ergebnis, das einem adäquaten Schutz der Wasserressourcen widerspricht, muss es entsprechend angepasst werden. Dieser Weg des Qualitätsziels garantiert, dass eine vollständige Verschmutzung der Ressourcen ausgeschlossen wird. Andererseits bricht er mit der Vorstellung der abstrakten Relativität der Angemessenheit, die a priori keine absoluten Vorgaben kennt. Schließlich ist es möglich, den Gewässerschutzaspekt zwar nicht materiell gleichwertig neben die Verteilungskomponente des Prinzips der angemessenen Nutzung zu stellen, den Umweltschutz aber als bloße Verhaltenspflicht zumindest mit zu berücksichtigen, die Berücksichtigung der ökologischen Belange eines Binnengewässers also als due-diligence-Standard zu verstehen, der kein bestimmtes Ergebnis vorschreibt.74 Infolgedessen wird das Hervorrufen eines Schadens nur dann vorwerfbar, wenn der verursachende Staat die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat, um den Schaden zu verhindern; ihn können dann Schadensminderungspflichten oder Haftungspflichten treffen.75 Allein die Tatsache, dass ein Staat einen Schaden auf dem Gebiet eines anderen Staates hervorgerufen hat, lässt ihn also noch nicht mit dem Völkerrecht in Konflikt geraten. Damit stehen die 72 Vgl. zu der in diesem Zusammenhang geführten Diskussion um ein Recht auf Umwelt als Drittgenerationenrecht Shelton, YBIEL 3 (1992), S. 75 ff.; dies., StanfordJIL 28 (1991), S. 103 ff.; Alfredsson / Ovsiouk, NordicJIL 60 (1991), S. 19 ff. 73 Brown Weiss, Intergenerational equity: a legal framework for global environmental change, 1992, S. 395, 402 ff. 74 Dem due diligence-Ansatz folgend etwa ILA, Berlin-Rules, Kommentar zu Art. 8. Ausführlich zum due diligence-Ansatz Xue, Transboundary damage in international law, 2003, S. 162. Vgl. auch Fitzmaurice, RdC 293 (2001), S. 21, 287. Siehe zu den Ursprüngen und der Entwicklung des due diligence-Ansatzes auch Blomayer-Bartenstein, in: Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of public international law, Bd. 1, 1992, S. 1110 ff. 75 Ausführlich zur Haftung im internationalen Umweltrecht Hartmann, Die Entwicklung im internationalen Umwelthaftungsrecht unter besonderer Berücksichtigung von erga omnesNormen, 2000, S. 1 ff.

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Aufteilung gemeinsamer Wasserressourcen und die Interessen der Anrainerstaaten zwar weiterhin im Mittelpunkt, der Umstand der Ressource als Bestandteil der natürlichen Umwelt wird trotzdem auch nicht völlig vernachlässigt. Während der Schutz der Naturgüter dann keine Priorität genießt, wird dem Prinzip der angemessenen Nutzung selbst aber doch sowohl in ökonomischer als auch in ökologischer Hinsicht Rechnung getragen. Dadurch behält die Angemessenheitsregel zwar ihre Flexibilität, absolute ökologische Grenzen hinsichtlich des Ergebnisses sind aber, wenn überhaupt, nur schwer zu konstruieren. Die umweltschützende Rolle des Prinzips der angemessenen Nutzung wird dadurch stark eingeschränkt. (2) Stellungnahme Die Frage nach der Einbeziehung von Verschmutzungsaspekten in das Prinzip der angemessenen Nutzung ist ein in erster Linie dogmatisches Problem: soll die nichtschifffahrtliche Nutzung internationaler Binnengewässer von zwei sich gegenseitig ergänzenden Normen oder von nur einer einzigen umfassenden Regel bestimmt sein. Von seiner historischen Entwicklung her hat das Prinzip der angemessenen Nutzung den Anspruch, alle relevanten Faktoren und Umstände mit in die Abwägung aufzunehmen. Dazu gehört letztendlich auch die Frage, inwieweit eine Nutzung umweltverträglich ist. Dies entspricht auch der faktischen Untrennbarkeit von Wasserverteilung und Gewässerschutz. Was die materielle Wertigkeit von Quantität und Qualität betrifft, sind im Interesse der Bewahrung der Flexibilität der Idee der angemessenen Nutzung absolute Schutzanforderungen allerdings wenig hilfreich.

bb) Das Verhältnis zwischen dem Prinzip der angemessenen Nutzung und dem Verbot erheblicher grenzüberschreitender Schädigung Im Zusammenhang mit der Diskussion, ob das Prinzip der angemessenen Nutzungsallokation auch den Schutz eines grenzüberschreitenden Binnengewässers umfasst, steht auch der Streit über das Verhältnis des Grundsatzes der angemessenen Nutzung zum prinzipiellen Verbot erheblicher grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen (no harm-rule).76 Vom Verhältnis beider Prinzipien hängt insbesondere die Antwort auf die vieldiskutierte Frage ab, ob eine erhebliche grenzüberschreitende Umweltbeeinträchtigung noch angemessen sein kann.

76 Das Verhältnis zwischen dem Prinzip der angemessenen Nutzung und dem Verbot erheblicher Schädigung ist seit langem umstritten. Vgl. ausführlich zu dem Streit etwa Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 307 ff.; Durner, Common goods, 2001, S. 126 ff.; Baker Röben, International freshwater, 2000, S. 293 ff.; Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 173 ff.; Bourne, CanYBIL 3 (1965), S. 187 ff.; Utton, Nat. Res. J. 36 (1996), S. 635 ff.; Handl, ColoJIEL&P 3 (1992), S. 123, 129 ff.

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(1) Lösungsvorschläge Dabei geht eine Ansicht davon aus, dass das Verbot erheblicher Schädigung vor dem Prinzip der angemessenen Nutzung in der Weise Vorrang genieße, dass jede erhebliche Schädigung automatisch die dahinter stehende Nutzung unangemessen im Sinne des Prinzips der angemessenen Nutzung werden ließe.77 Die Vertreter dieser Ansicht argumentieren vor allem mit der erhöhten Wahrscheinlichkeit bedeutender Umweltschäden als Folge einer nicht mit Hilfe der no harm-rule beschränkten Anwendung des Prinzips der angemessenen Nutzung durch geographisch begünstigte oder wirtschaftlich stärkere Staaten. Außerdem sei die klarere und präzisere Regel des Schädigungsverbotes dem ergebnisoffenen Prinzip der angemessenen Nutzung schon aus Gründen der Rechtssicherheit vorzuziehen. Im Allgemeinen kommt dieser Ansatz des Vorrangs des Schädigungsverbots eher den Interessen von Unteranliegern entgegen, die sich von der no harm-rule vor allem einen besseren Schutz insbesondere ihrer bereits bestehenden Nutzungen erhoffen. Demgegenüber vertreten andere die Meinung, dass das Prinzip der angemessenen Nutzung über dem Verbot erheblicher Schädigung stehe.78 Danach müssen auch solche Nutzungen, die erhebliche Schäden auf dem Territorium anderer Anrainer verursachen, grundsätzlich erst im Rahmen einer Gesamtabwägung danach beurteilt werden, ob sie nach Berücksichtigung aller relevanten Faktoren tatsächlich unangemessen sind. Infolgedessen besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass auch Nutzungen, die erhebliche Schädigungen auslösen, den Erfordernissen der Angemessenheit entsprechen.79 Die Vertreter dieser Ansicht verweisen in der Regel auf die entsprechende Staatenpraxis und den Vorzug des Prinzips der angemessenen Nutzung als flexiblerem Rahmengrundsatz gegenüber dem starren Schädi77 Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 309; Nollkaemper, Transboundary water pollution, 1993, S. 66 ff.; Ruiz-Fabri, AFDI 36 (1990), S. 818, 835; Lammers, Pollution of international watercourses, 1984; S. 583 f.; Handl, RBDI 14 (1978 – 1979), S. 40, 45. 78 Vertreter dieser so genannten „equitable utilization school“ sind etwa Kaya, Equitable utilization, 2003, S. 152 ff.; Wouters, Water International 25 (2000), S. 499, 502; dies., Nat. Res. J. 36 (1996), S. 417, 438; dies., CanYBIL 30 (1992), S. 43, 80 ff.; Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 798; ders., RdC 219 (1989 VII), S. 9, 153 ff.; Benevisti, The role of equity in international law: equity and the apportionment of shared water resources, 1997, S. 280 – 286, insb. 285; ders., AJIL 90 (1996), S. 384, 404; Nollkaemper, Neth YIL XXVII (1996), S. 39, 55 ff.; Bourne, ColoJIEL&P 3 (1992), S. 65, 73 ff.; Morin, La pollution des cours d’eau au regard du droit international, 1968, S. 18 ff. Siehe auch Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2004, S. 422. Kritisch Hey, RECIEL 7 (1998), S. 291, 294 f. 79 Vgl. dazu die Kommentierung der ILC zu der von ihr letztenendes vorgeschlagenen Version des Art. 7 der Draft Articles (ILC, Draft Articles, Kommentar zu Art. 7, Rn. 2), die dann aber nicht in die VN-Konvention übernommen wurde: „[ . . . ] the fact that an activity involves significant harm would not of itself necessarily constitute a basis for barring it. In certain circumstances ,equitable and reasonable utilization‘ of an international watercourse may still involve significant harm to another watercourse State. Generally, in such instances, the principle of equitable and reasonable utilization remains the guiding criterion in balancing the interests at stake.“

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gungsverbot. Die no harm-rule sei zu eng verwachsen mit dem statischen Konzept der absoluten territorialen Integrität. Ein Vorrang des Schädigungsverbots wirke sich bestandsschützend zugunsten bestehender Nutzungen und zuungunsten potentieller Nutzungen aus; eine derartige Nutzungsänderung müsse aber im Rahmen einer ausgewogenen Nutzungsaufteilung möglich sein, um wandelnden Erfordernissen der Wassernutzung gerecht zu werden. Das Verbot erheblicher Schädigung reiche zwar dann aus, wenn unbeschränkt Wasserressourcen zur Verfügung ständen, zu einer zufrieden stellenden Lösung von Nutzungskonflikten als Folge der Ressourcenverknappung könne letztlich aber nur das Prinzip der angemessenen Nutzung führen. Außerdem sei ein Recht, dass unter Verweis auf die no harm-rule unvernünftige und unangemessene Ergebnisse zulasse, moralisch schwach und auch nur schwer durchsetzbar.80 Diese Interpretation wird in der Regel von Oberanliegern bevorzugt, die sich davon größere Flexibilität bei der Entwicklung neuer Nutzungen versprechen. Schließlich gibt es diejenigen, die keiner der beiden Regeln a priori einen Vorrang einräumen wollen; ihr Verhältnis hänge vielmehr von den Umständen des Einzelfalles ab.81 Beide Prinzipien ständen nicht im Widerspruch, sondern ergänzten sich, da sie eben nur im Zusammenspiel ein vollständiges Bild der jeweiligen Rechte und Pflichten aller Anrainer zu geben vermögen. Zwar ergäbe sich der Umfang der jeweiligen Nutzungsbefugnis aus dem Grundsatz der angemessenen Nutzung. Dieser materielle Anspruch werde aber durch das Schädigungsverbot gesichert. Das Prinzip der angemessenen Nutzung und das Verbot erheblicher grenzüberschreitender Schädigung stellen also zwei Seiten derselben Medaille dar: während ersteres durch einen (negativen) Abwehranspruch die territoriale Integrität schütze, solle das Prinzip der angemessenen Nutzung durch eine Art Teilhabeanspruch sicherstellen, dass die eigenen Wasserressourcen angemessen genutzt werden könnten. Dabei wird argumentiert, dass es sich bei erheblichen oder gar schweren, irreversiblen Umweltbelastungen regelmäßig um äußerst gewichtige Umstände handle, die im Rahmen der Gesamtabwägung mit dem Ziel angemessenen Ressourcennutzung besonders zu berücksichtigen seien. Hieraus ergebe sich, dass im Regelfall ein Staat, der bei der Nutzung gemeinsamer natürlicher Ressour80 Die Tatsache, dass sich der IGH im Gabcíkovo-Nagymaros-Urteil zwar extensiv auf das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe berief, nicht aber auf die no harm-rule, wurde teilweise als ein Hinweis auf den Vorrang des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe gewertet (so etwa Bourne, CanYBIL 35 (1998), S. 215, 228 ff.; McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998, S. 27). Wouters, GYIL 42 (1999), S. 293, 329 weist aber wohl zu Recht darauf hin, dass der IGH schlicht nicht in der Lage gewesen ist, eine beträchtliche Umweltschädigung auf ungarischer Seite festzustellen, sondern eben nur eine Verletzung des Rechts auf einen angemessenen und vernünftigen Anteil an den Wasserressourcen der Donau. Deshalb ließ sich das Gericht auch nicht über das Verhältnis der beiden Normen aus. Hätte Ungarn dagegen einen überzeugenden Nachweis einer erheblichen Umweltbeeinträchtigung erbringen können, wäre eine Vermeidung dieses schwierigen Themas kaum möglich gewesen. 81 Reszat, Gemeinsame Naturgüter, 2004, S. 427 ff.; Boisson de Chazournes, Les ressources en eau et le droit international, 2002, S. 43.

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cen die verkehrserforderliche Sorgfalt außer Acht lasse und hierdurch erhebliche materielle Schäden und Beeinträchtigungen in fremdem Hoheitsbereich verursache, gegen den Grundsatz angemessenen Nutzungsallokation verstieße. Der Schutz, den die Umwelt dabei erfahre, dürfte im Ergebnis sogar weitreichender und intensiver sein als der durch die bloße no harm-rule vermittelte, da hier die Berücksichtigung auch solcher Umweltschäden ermöglicht werde, welche nicht den Grad einer erheblichen Schädigung im Sinne des Schädigungsverbotes erreichten. Dass jedoch bisweilen als Folge einer angemessenen Nutzungsaufteilung auch erhebliche Immissionen hinzunehmen seien, sei Ergebnis dessen, dass im Bereich internationaler Binnengewässer das besondere faktische Näheverhältnis zwischen den Anrainerstaaten im Einzelfall eben auch zu weiterreichenden Duldungspflichten führen könne, als dies im allgemeinen Völkerrecht der Fall sei. (2) Stellungnahme Jede Entscheidung im Streit um den Vorrang des Konzepts der angemessenen Nutzung oder der no harm-rule ist letztlich eine Wertungsfrage, bei der es im Kern darum geht, ob man bereit ist, die Möglichkeit der Völkerrechtmäßigkeit einer Situation nicht a priori auszuschließen, die eine erhebliche grenzüberschreitende Schädigung mit sich bringt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine solche Konstellation wenn überhaupt, dann nur in seltensten Fällen den Anforderungen der Angemessenheit entsprechen wird, da eine erhebliche Schädigung ein Umstand ist, der im Rahmen jeder Abwägung zumindest ausreichend Berücksichtigung finden muss. Stellt sich allerdings ausnahmsweise die Sachlage trotz erheblicher grenzüberschreitender Schädigung als objektiv angemessen und damit ausgewogen dar, scheint eine reflexartige Annahme der Völkerrechtswidrigkeit wenig überzeugend.

cc) Mögliche Ausnahmen von der abstrakten Gleichrangigkeit der Wassernutzungen Seit langem umstritten ist schließlich die Frage, ob die abstrakte Gleichrangigkeit der Nutzungsarten tatsächlich für alle Nutzungen gilt oder sich auf Grund insbesondere entwicklungspolitischer und menschenrechtlicher Gesichtspunkte bestimmte Präferenzen ergeben.82 Diskutiert wird vor allem eine mögliche Sonderstellung bereits bestehender Wassernutzungen, zukünftiger Wassernutzungen und Wassernutzungen zur Befriedigung lebenswichtiger menschlicher Bedürfnisse. Grundsätzlich aber spricht gegen jede Form einer solchen Sonderbehandlung bestimmter Nutzungsarten, dass die Einrichtung einer eigenen Kategorie von privilegierten Nutzungen dem wichtigen Charakteristikum des Prinzips der angemessenen Nutzung zuwiderliefe, dass im Rahmen der Abwägung alle relevanten Fak82 Ausführlich zu dieser Frage etwa Reinicke, Die angemessene Nutzung gemeinsamer Naturgüter, 1991, S. 154 ff.

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toren gegeneinander abgewogen werden und deren Gewichtung dem Grundsatz nach immer von den konkreten Umständen abhängt.83 (1) Besonderer Schutz bereits bestehender Wassernutzungen? Beabsichtigt ein Anrainerstaat die bisherige Allokationslage durch Aufnahme einer neuen Nutzung oder die Änderung bestehender Nutzungen in einer Weise zu verändern, dass bisherige Nutzungen anderer Anlieger beeinträchtigt oder sogar unmöglich werden, oder erhebt einer der Anrainer Anspruch auf die Unterlassung einer durch einen anderen Anrainer vorgenommenen Nutzung, so wirft dies die Frage nach einem möglichen Bestandsschutz auf.84 (a) Lösungsvorschläge Die Doktrin des „prior apportionment“ oder „prior approbation“ befürwortet einen solchen Bestandsschutz etwa als „wohlerworbenes“ oder „historisches“ Recht durch Aneignung des wirtschaftlichen Wertes des Binnengewässers und sieht – je nach Spielart – einen absoluten oder zumindest relativen Schutz bereits bestehender Wassernutzungen oder wenigstens Kompensationsleistungen an den Erstnutzer durch den nachfolgenden Nutzer vor.85 Investitionen in die Entwicklung der Nutzung internationaler Binnengewässer würden nicht ausreichend geschützt, wenn sie ständig der Gefahr ausgesetzt wären, durch neue Nutzungen ihre „Angemessenheit“ zu verlieren. Ein Bestandsschutz für bestehende Wassernutzungen garantiere eine relativ stabile Wasserversorgung der gegenwärtigen Nutzer und sichere sie gegen unvernünftige Behinderungen ihrer Nutzungen durch neu hinzukommende Konkurrenten ab. Dies fördere die wirtschaftliche Entwicklung. Viele internationale Abkommen räumen bestehenden Nutzungen einen Vorrang ein.86 83 Vgl. Chauhan, Settlement of international water law disputes in international drainage basins, 1981, S. 143 ff. Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 51 und Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 46 weisen zudem auf die Schwierigkeiten beim Nachweis der Privilegierung bestimmter Nutzungsarten in der Staatenpraxis hin: diese kenne zwar die vertragliche Vereinbarung der Priorität bestimmter Nutzungen, die dort festgelegte Rangordnungen seien aber von Fall zu Fall unterschiedlich und widersprächen sich deshalb gegenseitig. 84 Ausführlich zu dem Problem der Möglichkeit eines besonden Schutzes bereits existierender Wassernutzungen Caflisch, RdC 219 (1998 VII), S. 9, 141 ff., 158 ff.; Fuentes, BYIL 67 (1996), S. 337, 356 ff.; Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 49 ff.; Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 49 ff. 85 Wenig, N.Y.U. J. Int’l L. & P. 27 (1995), S. 331, 350; Benevisti / Haim, Nat. Res. J. 33 (1993), S. 543, 548 ff.; Clyde, Nat. Res. J. 29 (1989), S. 435 ff.; Smith, The economic uses of international rivers, 1931, S. 140. Vgl. dazu auch Wolfrom, L’utilisation a des fines autres que la navigation des eaux des fleuves, lacs et canaux internationaux, 1964, S. 143. Zur starken Verwurzelung der Lehre eines prior apportionments im US-amerikanischen Westen Tarlock, Nat. Res. J. 41 (2001), S. 769 ff. 86 Nachweise dieser Staatenpraxis bei Wolf, NRF 23 (1999), S. 3, 11 f.

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Andere halten es für grundsätzlich irrelevant, welcher Staat das Naturgut als erster genutzt hat.87 Der Doktrin des „prior apportionment“ fehle die nötige Flexibilität, die doch das Markenzeichen des Prinzips der angemessenen Nutzung sei. Alles andere berge die Gefahr eines Wettlaufs der Staaten nach möglichst weitreichender Nutzung ohne Rücksicht auf eine optimale Lösung, um sich deren Existenz und damit deren Bestandskraft zu sichern („race to the river“); dies könne im äußersten Fall sogar zu Monopolen einzelner Nutzungsarten durch einzelne Staaten führen. Außerdem würden wenig entwickelte Staaten potentiell in ihrer Entwicklung gehemmt, da sich ihr Bedarf an der Wassernutzung im Vergleich zu den entwickelteren Staaten erst später einstelle. Schließlich wird vertreten, dass bereits bestehende Nutzungen keinen automatischen Vorrang genießen, jedoch die Tatsache, dass eine bestimmte Nutzung bereits existiert, als ein Faktor in die Abwägung bei der Festsetzung der Angemessenheit mit einzufließen habe.88 Damit verbunden wird in der Regel die Forderung, dass der Anrainer mit der neuen Nutzung die Beweislast dafür trägt, dass die bereits bestehende Nutzung unangemessen geworden ist.89 Für diesen flexiblen Ansatz wird insbesondere angeführt, dass das Erreichen des Ziels einer optimalen, nachhaltigen und an den Vorteilen orientierten Nutzung im Mittelpunkt des Interesses stehen müsse, und nicht die letztlich vom Zufall abhängige Frage, welche Nutzung zuerst bestanden hat. (b) Stellungnahme Ein Bestandsschutz würde der Tatsache nicht gerecht, dass die wirtschaftliche oder sonstige Bedeutung bestehender Nutzungen im Laufe der Zeit potentiell abnehmen oder die Vorteile einer neuartigen Nutzung so groß sein können, dass sie die Vorteile der bestehenden Nutzungsart überwiegen. Im Interesse einer größtmöglichen Flexibilität des Ansatzes der angemessenen Nutzung ist ein inhärenter Vorrang bereits bestehender Wassernutzungen deshalb abzulehnen. Im Rahmen der Abwägung ist jedoch gegebenenfalls der Umstand zu berücksichtigen, dass eine bestimmte Nutzung im Gegensatz zu einer anderen bereits existiert, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, das Abwägungsergebnis durch eine a prioriSelektion unzulässig vorherzubestimmen.

87 Caflisch, RdC 219 (1998 VII), S. 9, 159 f. Vgl. auch Simms, Nat. Res. J. 29 (1989), S. 549 ff. mit ausführlicher Darstellung der Entwicklung der Rechtsprechung des US Supreme Court in der Frage eines möglichen besonderen Schutzes bereits bestehender Nutzungen. 88 Kaya, Equitable Utilisation, 2003, S. 113 ff.; Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 307 f.; Ule, Das Recht am Wasser, 1998, 156 ff.; Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 52 ff.; Handl, RBDI 14 (1978 – 1979), S. 40, 43. 89 So etwa Caflisch, RdC 219 (1998 VII), S. 9, 162; Benevisti, AJIL 90 (1996), S. 384, 408. Vgl. auch Art. VIII der Helsinki-Rules.

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(2) Besonderer Schutz potentieller Wassernutzungen? Potentielle Nutzungen sind künftige Nutzungen durch eine zusätzliche, bislang noch nicht berücksichtigte Nutzungsart oder die Intensivierung einer zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur im geringen Maße erfolgenden Nutzung. Auch bezüglich dieser potentiellen Nutzungen wird die Möglichkeit eines generellen Vorrangs für den Fall diskutiert, dass eine gegenwärtige angemessene Nutzung eines Anrainers eine zukünftige Nutzung durch einen anderen Anrainer unangemessen beeinträchtigt und damit eine Gefahr für dessen Entwicklung darstellt.90 (a) Lösungsvorschläge So pochte z. B. Großbritannien, als das Nilabkommen zwischen Ägypten und dem Sudan abgeschlossen wurde, auf Wahrung der Rechte seiner Kolonien in Afrika: „The territories of British East African Territories will need for their development more water than they at present use and will wish their claims for more water to be recognized by the other states concerned.“91

Die Gegenansicht hält dagegen potentielle Nutzungen im Rahmen des Prinzips der angemessenen Nutzung für irrelevant.92 Soweit die Nutzungsallokation umgekehrt ausschließlich auf die Verwirklichung potentieller Nutzungsprojekte gerichtet sei, liefen bereits bestehende Nutzungen selbst dann Gefahr, dem Verdikt der Rechtswidrigkeit zu unterfallen, wenn es sich um nutzbringende oder gar essentielle Nutzungen handelte, wenn sie durch neu ins Werk gesetzte Nutzungen ausgeschlossen würden. Die sich hieraus ergebende Rechtsunsicherheit führe aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer ernsthaften Verschärfung und Verstärkung bestehender Nutzungskonflikte und sei mit dem Prinzips der angemessenen Nutzung und der dem Völkerrecht inhärenten Befriedungsfunktion allgemein unvereinbar. Mit Blick auf die Diskussion um einen möglichen Bestandsschutz bestehender Nutzungen wird im Übrigen unter Berufung auf die entsprechende Ansicht argumentiert, dass wenn schon kein entsprechendes Privileg für existierende Nutzungen bestünde, dies erst recht nicht für potentielle Nutzungen gelten könne. Andere wollen zukünftigen Wassernutzungen zwar keinen besonderen Schutz einräumen, erkennen jedoch das Recht auf zukünftige Wassernutzung insoweit an, als sie bereit sind, es als einen Faktor in die Angemessenheitsabwägung einzustel90 Ausführlich dazu Caflisch, RdC 219 (1998 VII), S. 9, 160; Reinicke, Die angemessene Nutzung gemeinsamer Naturgüter, 1991, S. 167 ff.; Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 58 ff. Siehe auch Art. VII der Helsinki-Rules. Siehe zum Problem neuer Entwicklungsvorhaben auch Gleick, Water in the 21st century, 1993, S. 111. 91 Zitiert nach Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 163. Vgl. zu den Verhandlungen zwischen Agypten und Großbritannien den Notenaustausch vom 7. 5. 1929 (Text in: LNTS 93, S. 43). Siehe auch Smith, The economic uses of international rivers, 1931, S. 70 ff. 92 Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 55 f.

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len.93 Eine umfassende Abwägung müsse auch die sich abzeichnenden Entwicklungsszenarien eines internationalen Binnengewässers mitberücksichtigen. Die Möglichkeit einer Einstellung zukünftiger Wassernutzungen als Faktoren in die Abwägung bedeute keine Vorentscheidung, da die Gewichtung jedes Faktors von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhänge. Vielmehr eröffne sich die Option, beiden Gesichtspunkten je nach Lage des Falles gerecht zu werden. (b) Stellungnahme Jede zunächst hypothetisch als angemessen zu bewertende zukünftige Nutzung kann aufgrund von Änderungen in der Planung oder hinsichtlich sonstiger Umstände wie etwa der Wasserverfügbarkeit unangemessen werden.94 Ein genereller Schutz potentieller Wassernutzungen ist deshalb abwegig. Je nach Einzelfall kann deren Einstellung in die Gesamtabwägung jedoch sinnvoll, ja sogar notwendig sein, um dem Anspruch einer alle Umstände berücksichtigenden Abwägung gerecht zu werden. (3) Besonderer Schutz lebenswichtiger menschlicher Bedürfnisse? Viel diskutiert ist schließlich die Streitfrage, ob und inwieweit der Grundversorgung mit lebenswichtigen Gütern ein Vorrang vor anderen Nutzungsarten zukommt.95 Hintergrund dieser Debatte bildet insbesondere die Frage, inwieweit individuelle Rechte auf Zugang, Teilhabe und Nutzung zumindest hinsichtlich denjenigen Wasserressourcen menschenrechtlich verbürgt sind, die zur Erhaltung einer menschenwürdigen Existenz notwendig sind; denn die Folge der Bestätigung eines solchen Rechtes wäre gleichzeitig die Verpflichtung der betroffenen Staaten, bei Vornahme des Abwägungsprozesses mit Blick auf die Nutzungsallokation eine Mindestversorgung der von der Nutzung abhängigen Bevölkerung sicherzustellen.96

93 Rothenberger, Angemessene Nutzung, 2003, S. 18; Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 160 ff.; Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 65. 94 Vgl. zu den Schwierigkeiten bei der Bewertung hypothetischer alternativer Wassernutzungen Colby, Nat. Res. J. 29 (1989), S. 511 ff. 95 Ausführlich zu der Diskussion über einen möglichen besonderen Schutz lebenswichtiger menschlicher Bedürfnisse Reszat, Gemeinsame Naturgüter, 2004, S. 329 ff.; Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 47 f. m. w. N.; Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 61 f. m. w. N. Vgl. generell zu den Bedrohungen wasserbezogener menschlicher Bedürfnisse Falkenmark, Water scarcity – Challenges for the future, 1997, S. 21 ff. 96 Vgl. Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 318 f.

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(a) Zugang zu, Teilhabe an und Nutzung von lebenswichtigen Wasserressourcen als Menschenrecht? Die Frage nach der Existenz eines individuellen menschenrechtlichen Anspruchs auf Zugang, Teilhabe und Nutzung zu, an bzw. von Wasserressourcen, die zum Bestreiten der grundlegenden menschlichen Bedürfnisse notwendig sind, ist Gegenstand einer lebhaften Debatte.97 (aa) Lösungsvorschläge Zum Teil wird die Herleitung konkreter staatlicher Handlungspflichten zur Sicherstellung einer individuellen Mindestversorgung mit überlebensnotwendigen Wasserressourcen und damit eines entsprechenden subjektiven Rechts des Einzelnen aus den völkerrechtlich verbürgten Menschenrechten bejaht.98 Ein menschenwürdiges Dasein sei überhaupt nur möglich, wenn Wasser in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung stehe.99 Im Zeitalter der Verbreitung und Vertiefung des Individualschutzes des Menschen sei eine völkerrechtliche Garantie im Bereich so elementarer Grundvoraussetzungen des Lebens wie dem Zugang zu Nahrung und Trinkwasser unverzichtbar.100 Das Recht auf Wasser sei integraler 97 Eingehend zu diesem Problem Salman / McInerney-Lankford, The human right to water, 2004, S. 1 ff.; Tully, YBIEL 14 (2003), S. 101 ff.; Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 264 ff.; Salman, Water resources and international law, 2002, S. 101 ff. Vgl. auch Lundqvist, Water International 25 (2000), S. 194, 198 ff. Die politische Debatte um ein Menschenrecht auf Wasser ist hochaktuell, vgl. etwa WWC, Weekly News Update, Nr. 6, April 2005, S. 1. Zahlreiche NGOs setzten sich für die Anerkennung eines Rechts auf Wasser als Menschenrecht ein: vgl. etwa die Water Treaty-Kampagne, die sogar „Fundamental Principles for a Framework Convention on the Right to Water“ (Text verfügbar unter: http: / / www.watertreaty.org, letztmalig besucht am 31. 1. 2008) entworfen hat. Siehe auch Petrella, Wasser für alle, 2000, S. 1 ff. Allgemein zum Verhältnis zwischen internationalem Umweltrecht und Menschenrechten vgl. Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 256 ff.; Fitzmaurice, RdC 293 (2001), S. 9, 305 ff.; Luis Rodriguez-Riviera, ColoJIEL&P 12 (2001), S. 1 ff.; Shelton, Environmental rights, 2001, S. 185 ff.; Beyerlin, Umweltvölkerrecht, 2000, S. 297 ff.; Boyle / Anderson (Hrsg.), Human rights approaches to environmental protection, 1996, S. 1 ff.; Hobe, ZUR 5 (1994), S. 15 ff.; Kiss, FS Khushalani, 1988, S. 65 ff.; Gormley, Human rights and environment: the need for international co-operation, 1976, S. 1 ff. Zum Recht auf eine saubere Umwelt unter der EMRK siehe etwa das ECHR-Urteil Hatton and Others v. United Kingdom (36022 / 97) vom 8. 7. 2003 (Text verfügbar unter http: / / www.worldlii.org / eu / cases / ECHR / 2003 / 338.html, letztmalig besucht am 31. 1. 2008). Zu den Problemen bei der Herleitung eines Menschenrechts auf Wasser aus einem Menschenrecht auf Umwelt siehe Salman, Water resources and international law, 2002, S. 102 f. 98 Gleick, Water Policy 1 (1998), S. 487 ff.; Kokott, FS Jaenicke, 1998, S. 212 ff.; Benevisti, AJIL 90 (1996), S. 384, 407. Vgl. auch ILA, Berlin-Rules, Art. 17 mit Kommentar. Siehe auch McCaffrey, GeorgetownIELR 5 (1992), S. 13 ff., der sich für die Anerkennung einer Sorgfaltspflicht der Staaten zur Sicherstellung einer Grundversorgung ausspricht, gegen die ein Staat jedenfalls dann verstieße, wenn er keine rechtliche und materielle Infrastruktur zur Sicherstellung der Grundversorgung einrichte. 99 Shelton, Environmental rights, 2001, S. 189; Menghistu, The satisfaction of survival requirements, 1985, S. 63 ff.

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Bestandteil solcher Menschenrechte „der dritten Generation“ wie dem Recht auf Entwicklung, dem Recht auf Umwelt und dem Recht auf Frieden. Dies spiegle sich auch in einer wachsenden Zahl entsprechender Erklärungen auf dem Gebiet des Umweltvölkerrechts wie der Stockholmer Erklärung von 1972,101 Kapitel 18 der Agenda 21102 und der Rio-Erklärung von 1992.103 Dem wird entgegengehalten, dass jedenfalls bislang de lege lata kein Menschenrecht auf angemessenen Zugang und bedarfsdeckende Nutzung lebensnotwendiger Wasserressourcen existiert, das dem Schutzumfang individualrechtlicher Garantien entsprechen würde.104 Einerseits biete das bestehende allgemeine Völkerrecht keine Grundlage für die Annahme eines spezifischen Menschenrechts auf Wasser. Andererseits sei aber auch insbesondere eine Herleitung eines entsprechenden Rechts aus den gegenwärtig existierenden menschenrechtlichen Erklärungen und Verträgen nicht möglich. Zwar sehe Art. 25 Abs. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. 12. 1948105 vor, dass „[e]veryone has the right to a standard of living adequate for the health and wellbeing of himself and of his family, including food [ . . . ]“. Ihr Wesen als grundsätzlich unverbindliche Resolution der VN-Generalversammlung stehe aber insbesondere im Hinblick auf die Tatsache, dass es sich bei Art. 25 um kein Abwehr-, sondern ein so genanntes Wohlfahrtsrecht handle, jeder rechtlichen Bindungswirkung entgegen.106 Das in Art. 6 Abs. 1 IPbpR normierte Recht auf Leben habe zwar Bindungswirkung, stelle aber bei der gebotenen weiten Auslegung ein reines Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe dar und bedinge deshalb keinerlei Leistungsansprüche auf Gewährleistung einer ausreichenden Versorgung mit lebenswichtigen Gütern.107 Auch aus Art. 11 und 12 IPwskR könnten keine individuellen Rechte einzelner abgeleitet werden, da der Vorschrift keine individuellen Rechte zu entnehmen seien.108 Ebenso stehe es mit Art. 24 100 So erklärt etwa die in Uruguay im November 2003 durch Volksabstimmung angenommene Verfassungsreform den Zugang zu Wasser und sanitären Anlagen zu einem „grundlegenden Menschenrecht“, WWC, Weekly News Update, Nr. 9, Mai 2005, S. 3. 101 Report of the United Nations Conference on the Human Environment helt at Stockholm, A / CONF.48 / 14. 102 UN Doc. A / CONF.151 / 26, wiedergegeben in: Johnson, The earth summit, 1993, S. 333. 103 UN Doc. A / CONF.151 / 5 / Rev.1, abgedruckt in: ILM 31 (1992), S. 876. 104 Tully, YBIEL 14 (2003), S. 101, 136 f.; Epiney, ZaöRV 63 (2003), S. 377, 387; Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 269 ff., 272; Hey, Sustainable use, 1995, S. 130 f.; Brunnée, ZaöRV 49 (1989), S. 791, 796 ff. Vgl. auch Salman, Water resources and international law, 2002, S. 103 f.; Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 111. 105 Text in: UN Doc. A / 810. 106 Vgl. Epiney, ZaöRV 63 (2003), S. 377, 391. 107 Demeter, Schutz und Nutzung, 2001, S. 83 f. Vgl. auch Epiney, ZaöRV 63 (2003), S. 377, 391. 108 Demeter, Schutz und Nutzung, 2001, S. 84 ff. Im Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte des ECOSOC wird die Frage, ob sich aus Art. 11 und 12 IpwskR ein

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Abs. 2 c der Konvention über die Rechte des Kindes vom 20. 11. 1989,109 der die Staaten im Hinblick auf die Verwirklichung der Rechte des Kindes auf bestmöglichen Gesundheitsschutz dazu anhält, bei ihren Maßnahmen zur Bekämpfung von Krankheit und Unterernährung auch die Gefahren und Risiken der Umweltverschmutzung zu berücksichtigen.110 (bb) Stellungnahme Auch wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass in nicht allzu ferner Zukunft die Grundversorgung mit lebensnotwendigen Wasserressourcen als subjektive Rechtposition menschenrechtliche Verbindlichkeit erlangt, stößt eine solche Entwicklung doch jedenfalls auf eine Vielfalt von Problemen. So stellt sich über die gegenwärtige Unmöglichkeit des Nachweises eines diesbezüglichen Menschenrechts die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, dort von Rechten auf Ressourcennutzung zu sprechen, wo diese aufgrund des absolut begrenzten Ressourcenbestandes von zahlreichen Staaten rein faktisch gar nicht gewährleistet werden können.111 Überdies erscheint es bislang kaum möglich, eine Einigung auf einen universell gültigen Wert für einen durch Rechtsansprüche gesicherten menschlichen Mindestbedarf zu erzielen oder auch nur eine abstrakte Festsetzung eines solchen Wertes vorzunehmen. Einheitliche objektive Standards, die einem solchen möglichen Leistungsrecht auf Wohlstandsgewährleistung die notwendige Konturenschärfe verleihen, scheinen angesichts der bedeutenden Unterschiede der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Staaten nur schwer entwickelbar. (b) Vorrang lebenswichtiger menschlicher Bedürfnisse? Auf der Grundlage der Diskussion um ein mögliches Menschenrecht auf Zugang zu, Teilhabe an und Nutzung von lebensnotwendigen Wasserressourcen werden zur spezifischen Frage eines inhärenten Vorrangs lebenswichtiger menschlicher Bedürfnisse unterschiedliche Ansichten vertreten.112

Recht auf Wasser ergibt, intensiv diskutiert (siehe etwa den Entwurf des General Comment No. 15 (2002), UN Doc. E / C.12 / 2002 / 11). Ausführlich zum Recht auf Wasser unter dem IPwskR Salman / McInerney-Lankford, The human right to water, 2004, S. 34 ff.; Durner, Common goods, 2001, S. 1 ff. Vgl. auch Ipsen, in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 2004, S. 792, der den Art. 11 und 12 IPwskR nur die Funktion von objektiv-völkerrechtlichen Programmsätzen zukommen lassen will. 109 Text in: BGBl. 1992 II, S. 122. 110 Siehe dazu auch Salman, Water resources and international law, 2002, S. 102. 111 So auch Salman, Water resources and international law, 2002, S. 103; Brunnée / Toope, YBIEL 5 (1994), S. 41, 45. 112 Die Berlin-Rules der ILA definieren lebenswichtige menschliche Bedürfnisse in Art. 3 (20) als „water used for immediate human survival, including drinking, cooking, and sanitary needs, as well as water needed for the immediate sustenance of a household.“

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(aa) Lösungsvorschläge Zum Teil wird jede Sonderstellung von Nutzungen zur Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse abgelehnt.113 Gerade die menschlichen Bedürfnisse nach Wasser profitierten von der abstrakten Gleichheit aller Nutzungsarten, denn gerade um sie nachhaltig zu befriedigen, müssten fortschrittliche Maßnahmen zum Schutz des Wassers und der Umwelt ergriffen werden; diese Maßnahmen wären aber häufig unmöglich, wenn bestimmten Nutzungen eine Priorität zukäme. Andere sprechen sich dagegen für den Vorrang von Wassernutzungen zur Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse aus.114 Der Schutz des menschlichen Grundbedarfs und die Gewährleistung der Deckung dieses Bedarfs dürften sich nicht in der bloßen Abwägung gegen andere nutzungsrelevante Faktoren erschöpfen. Gerade die untrennbar mit dem menschlichen Wohlergehen zusammenhängenden Ressourcennutzungen, wie etwa die Nahrungs-, Wasser- und Energieversorgung bedürften eines stärkeren, ja absoluten Schutzes.115 Dies gebiete schon das Konzept der nachhaltigen Entwicklung, das den Menschen in das Zentrum der Betrachtung stelle und die Verbesserung seiner Lebensqualität und die Sicherung der Befriedigung seiner Grundbedürfnisse als wichtigen Bestandteil beinhalte.116 Gerade das Stillen der grundlegenden menschlichen Wasserbedürfnisse trage besonders zur Konfliktprävention, also einem der Hauptziele des Völkerrechts, bei. Schließlich wird vertreten, dass der menschlichen Bedarfsdeckung im Rahmen des Abwägungsvorganges wenigstens besondere Aufmerksamkeit zu schenken 113 So führt etwa die ILA im Kommentar zu Art. VI der Helsinki-Rules aus: „It has been said that domestic use has succeeded navigation as a preferential use. However, substantial authority supporting the proposition has not been found. Moreover, no artificial preference is necessary, and, indeed, the granting of such a preference would be inconsistent with a principle of equitable utilisation, which relies on an inductive process of determination. Granting domestic uses an artificial preference can foster the very injustice in the uses of the waters of the basin, which its proponents fear will arise by its absence.“ Siehe auch etwa Rothenberger, Angemessene Nutzung, 2003, S. 17; Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 61 f. 114 So etwa Epiney, ZaöRV 63 (2003), S. 377, 392; Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 318; Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 304 f.; Benevisti, AJIL 90 (1996), S. 384, 406 ff.; anscheinend auch Boisson de Chazournes, Les ressources en eau et le droit international, 2002, S. 37. Vgl. auch ILA, Berlin-Rules, Art. 14 mit Kommentar. Der US Supreme Court hat wiederholt erklärt: „drinking and other domestic uses are the highest uses of water“ (Wisconsin v. Illinois, US 281 (1930), S. 179, 200; Connecticut v. Massachusetts, US 282 (1931), S. 660, 672; New Jersey v. New York, US 283 (1931), S. 336 ff.; Nebraska v. Wyoming, US 325 (1945), S. 589, 656). 115 Gleick, Water Policy 1 (1998), S. 487, 491; Nollkaemper, NethYIL 17 (1996), S. 39, 61 f. 116 Siehe Hohmann, Bedeutung des Prinzips der bestandsfähigen Entwicklung für die Weiterentwicklung des Umweltvölkerrechts – eine Skizze, 1999, S. 37. Vgl. auch Kapitel 18 der Agenda 21, das als sein erstes Ziel nennt: „1. securing access to safe and sufficient watersupplies, or at least water-supplies to meet the basic drinking and food-growing requirements, for all peoples“ (UN Doc. A / CONF.151 / 26, wiedergegeben in: Johnson, The earth summit, 1993, S. 333).

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

sei.117 Durch die Vermittlung des „sozioökonomischen Faktors“ im Rahmen der Gesamtbetrachtung bei der Nutzungsallokation werde bereits eine weitgehende Berücksichtigung des menschlichen Grundbedarfs möglich, welche die von der Ressourcennutzung unmittelbar abhängigen Individuen nicht völlig schutzlos stelle. Zwar komme dann Erwägungen des Grund- und Menschenrechtsschutzes keine unmittelbare Bindungswirkung für die beteiligten Staaten in dem Sinne zu, dass diese bei Verhandlungen und Abschluss von Nutzungsabkommen unmittelbar objektiven Standards verpflichtet wären. Dennoch bildeten sie den Hintergrund, vor dem die Parteien verhandelten, so dass die Gewährung der Mindestversorgung – zwar nicht als subjektive Rechtsposition, sondern als Teil der sozioökonomischen Faktoren und Umstände – bei der Feststellung der ihnen jeweils zustehenden Nutzungsanteile besonders zu berücksichtigen seien. (bb) Stellungnahme Einerseits kommt der Befriedigung der lebenswichtigen menschlichen Bedürfnisse wasserpolitisch klar außergewöhnlich hohe Bedeutung zu. Dem kann sich auch das internationale Wasserrecht nicht einfach verschließen. Andererseits gilt es zu bedenken, dass fast alle Wassernutzungen im weiteren Sinne mit der Erhaltung menschlichen Lebens in Verbindung stehen. Eine Regelung, die jedoch den allermeisten Nutzungen einen Vorrang im Abwägungsprozess einräumt, ist wenig sinnvoll, da eine Privilegierung, die praktisch alle Nutzungen betrifft, kaum noch einen Mehrwert besitzt. Der Sicherung der Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse im Abwägungsvorgang besondere Aufmerksamkeit zu schenken, ist ein gangbarer Weg, um den wichtigsten politischen Anforderungen gerecht zu werden, ohne zugleich in eine mechanische Präferenz dieser Nutzungsarten ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu verfallen, die dem Ziel einer optimalen Nutzung jedenfalls potentiell zuwiderliefe und zu Ungerechtigkeiten führen könnte, wenn etwa nur wenige Menschen in ihrer Trinkwasserversorgung betroffen sind oder die Betroffenen über andere Wasserquellen versorgt werden können.

e) Zwischenergebnis Die Theorie der angemessenen Nutzung mit ihren Eckpunkten des Rechts auf Nutzung, der jedenfalls grundsätzlich geltenden abstrakten Gleichheit der Rechte, des Abwägungsprozesses, dem Bedürfnis nach Koordination zwischen den Anrainern und einem justiziablen Abwägungsergebnis erfährt hinsichtlich der Nutzung internationaler Binnengewässer praktisch einhellige Unterstützung in Rechtspre117 Reszat, Gemeinsame Naturgüter, 2004, S. 330; Kaya, Equitable utilization, 2003, S. 115 ff.; Fuentes, BYIL 67 (1996), S. 337, 352 f.; Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 47; Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 61.

I. Die theoretischen Grundlagen

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chung und Lehre. Wichtige Einzelfragen der Theorie werden aber nicht immer einheitlich bewertet. Dazu gehört insbesondere die Frage, inwieweit die Theorie neben der Verteilung auch den Schutz der Wasserressourcen betrifft, das Verhältnis der Theorie der angemessenen Nutzung zur no harm-rule und das Problem möglicher Ausnahmen vom Grundsatz der abstrakten Gleichrangigkeit der Wassernutzungen. Mit Blick auf die Fortentwicklung des Völkerrechts und aus Gründen der Rechtssicherheit ist die Lösung auch dieser Einzelfragen auf globaler Ebene erstrebenswert. 2. Die Theorie der vernünftigen Nutzung Das Prinzip der angemessenen Nutzung wird mit einem auf der Theorie der vernünftigen Nutzung basierenden Ansatz zum Grundsatz der angemessenen und vernünftigen Nutzung verknüpft.118 Teilweise wird bezweifelt, dass sich aus der Theorie der vernünftigen Nutzung ein konkreter Mehrwert ergibt: wenn auch die Theorie der angemessenen Nutzung und die Theorie der vernünftigen Nutzung schon aus Gründen des effet utile119 nicht völlig gleich gesetzt werden könnten, stelle der Begriff „vernünftig“ neben dem Begriff „angemessen“ jedenfalls in der Praxis keine Hilfe für die Lösung von Nutzungskonflikten dar.120 Auch eine Nutzung natürlicher Ressourcen durch mehrere Staaten, die für sich beansprucht, vernünftig zu sein, komme nicht umhin, die Interessen und Bedürfnisse anderer berechtigter Staaten zu berücksichtigen und dabei die für die angemessene Nutzung typische Interessenabwägung vorzunehmen; anderenfalls würde jeder Staat das Wasser nach eigenem Gutdünken nutzen, so dass es kaum zu einer vernünftigen, abgestimmten Ausbeutung der gemeinsamen Wasserressourcen kommen könne. Damit wäre die Theorie der vernünftigen Nutzung aber jedenfalls in ihren wesentlichen Teilen identisch mit der Theorie der angemessenen Nutzung. Tatsächlich kommt der Theorie der vernünftigen Nutzung dagegen durchaus ein eigener normativer Gehalt zu.121 Einerseits verpflichtet die Theorie der vernünftigen Nutzung die Anrainerstaaten, den Abwägungsvorgang auf eine rationale Grundlage zu stellen.122 Insbesondere sind dort nur solche Interessen der Staaten 118 Ausführlich zur Bedeutung des Begriffs „vernünftig“ im Völkerrecht Corten, RGDIP 102 I (1998), S. 5 ff. Vgl. zur Theorie der vernünftigen Nutzung im Wasserrecht auch bereits Hirshleifer / de Haven / Milliman, Water supply, 1960, S. 231 ff. 119 Die „nützliche Wirkung“ des Gebrauchs zweier unterschiedlicher Begriffe wie „angemessenen“ und „vernünftig“ vorausgesetzt legt ein Mindestmaß an Unterschiedlichkeit der Bedeutungen nahe, will man nicht von einer bloßen inhaltlichen Wiederholung ausgehen. 120 Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 43. 121 Vgl. Caflisch, RdC 219 (1998 VII), S. 9, 150; Reinicke, Die angemessene Nutzung gemeinsamer Naturgüter, 1991, S. 40 ff.; Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 26 f. 122 Caflisch, RdC 219 (1998 VII), S. 9, 150; Hafner, Austrian J. Publ. Intl. Law 45 (1993), S. 113, 124.

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

bei der Beurteilung der Angemessenheit einzustellen, die jeder Staat in einer vergleichbaren Situation vernünftigerweise vorbringen kann. Ebenso ist es etwa auch unvernünftig, von einem unterentwickelten Staat denselben Grad an Effizienz bei der Wassernutzung zum Beispiel für die Bewässerung zu verlangen wie von hoch entwickelten Ländern. Nach der Theorie der vernünftigen Nutzung ist ein Gebrauch der Wasserressourcen also nur dann gestattet, wenn er nicht in unvernünftiger Weise den Gebrauch anderer beeinträchtigt. Insofern stellt das Gebot der vernünftigen Nutzung ein Korrektiv zum Prinzip der angemessenen Nutzung dar. Andererseits umfasst die vernünftige Nutzung, mehr noch als die angemessene Nutzung, neben der Verteilung der Wasserressourcen auch deren Erhalt.123 Insbesondere entspricht eine völlige Ausbeutung oder gar Zerstörung der betreffenden Ressource in der Regel nicht den Anforderungen einer vernünftigen Nutzung. Insgesamt liegt deshalb bei der vernünftigen Nutzung der Schwerpunkt weniger auf der distributiven Komponente und mehr auf dem umweltschützenden Charakter als bei der angemessenen Nutzung.124 Als zusätzlicher Aspekt der vernünftigen Nutzung kann auch die gesteigerte Bedeutung der Zusammenarbeit der Anlieger internationaler Binnengewässer genannt werden, da nur ein abgestimmtes Verhalten die notwendige Rationalität und Objektivität gewährleistet und dadurch das erforderliche Schutzniveau garantiert. Die grundsätzlich jedem Staat zustehende Definitionsmacht bezüglich seiner Vorstellung über eine „angemessene“ Nutzungsaufteilung wird im Namen der vernünftigen Nutzung durch Abstimmung eingeschränkt, was wiederum die jeweilige Einschätzung objektiviert.125

3. Die Theorie der Interessengemeinschaft Theoretische Grundlage des Prinzips der Teilhabe ist die Theorie der Interessengemeinschaft. Sie ergänzt die Theorie der beschränkten territorialen Souveränität und die sich daraus ableitende Theorie der angemessenen Nutzung, indem sie diese von einem individualistischen Verständnis der staatlichen Koexistenz ablöst und zu einem kooperationsvölkerrechtlichen Grundsatz ausbaut.

Reinicke, Die angemessene Nutzung gemeinsamer Naturgüter, 1991, S. 41. So versteht Wolfrum, International environmental law, 2000, S. 23 f. das Gebot der rationalen Nutzung natürlicher Ressourcen auch als Teilaspekt des Prinzips der nachhaltigen Nutzung. 125 Vgl. auch Benevisti, AJIL 90 (1996), S. 384, 390 f. 123 124

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a) Lehre Die Theorie der Interessengemeinschaft fußt auf dem Grundgedanken, dass die natürliche und physikalische Einheit eines Flusslaufsystems zu einer Interessengemeinschaft der Anrainerstaaten eines internationalen Binnengewässers jenseits einzelstaatlicher Egoismen im Sinne eines Fundus allgemeiner, gemeinsamer und übergeordneter Interessen führt, der unabhängig von den staatlichen Einzelinteressen zum Wohl der gesamte Gemeinschaft der Anrainer beachtet werden muss.126 Dabei werden internationale Binnengewässer nicht als einer gemeinsamen Hoheitsgewalt aller Anrainerstaaten unterliegend angesehen, sondern es wird lediglich auf das gemeinsame Interesse an der Ressource abgestellt.127 Das Interesse im Sinne der Theorie der Interessengemeinschaft ist nicht als kleinster gemeinsamer Nenner gleichgerichteter Interessen von Einzelstaaten zu verstehen.128 Vielmehr stellt es einen Kanon von Vorstellungen dar, deren Schutz der Gemeinschaft der Anrainer und gleichzeitig ihren Mitgliedern dient. Als solche nehmen sie Einfluss auf die Verfolgung der Interessen durch die Staaten und sind dazu geeignet, diese zu begrenzen. Während mehrere einzelstaatliche Interessen miteinander kollidieren können, ist dies bei den gemeinschaftlichen Interessen nicht möglich. Mehr noch überspielen die Gemeinschaftsinteressen einzelne zuwiderlaufende Staateninteressen, indem sie auf Gemeinwohlüberlegungen für die gesamte Staatengemeinschaft basieren. Interessen im Sinne der Theorie der Interessengemeinschaft sind also zum Nutzen der Gemeinschaft der Anrainer zu verfolgen, wobei ihre Berücksichtigung auch zu Lasten entgegenstehender einzelstaatlicher Interessen gehen kann. Im Einzelnen werden die Interessen von einer weiten Anzahl von Faktoren insbesondere kultureller, wirtschaftlicher, geographischer, meteorologischer und hydrologischer Natur beeinflusst. Häufig entstehen sie erst im Laufe der Zeit durch die Entwicklung verschiedener Nutzungsarten. Die Interessen der Gemeinschaft der Anrainer und ihrer Mitglieder können so weit verstan126 So führte bereits vor bald 80 Jahren Professor Herbert Smith aus: „The function of International Law must be to discover some means of doing what the state does in modern municipal law. That is to say, every river system must be so developed as to render the greatest possible service to the whole community through which it flows, even though that community may be devided by political frontiers. Practice has already moved far in this direction, and doctrine must show itself ready to follow the same road.“ (Smith, BYIL 11 (1930), S. 195, 196). Die ILA bezeichnet die Pflicht zur Kooperation als die grundlegendste Pflicht des internationalen Wasserrechts, ILA, Berlin-Rules, Kommentar zu Art. 11. Ausführlich zur Theorie der Interessengemeinschaft McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 149 ff., 160 ff. Zur Anwendung der verwandten, aus dem common law stammenden public trust doctrine auf natürliche Ressourcen siehe Lum, Natural Resources and Environment 18 (2003), S. 73 ff.; Walston, Nat. Res. J. 29 (1989), S. 585 ff. 127 McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 158, 167; Lammers, Pollution of international watercourses, 1984, S. 507. A.A. offenbar Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 138, 141, der die Theorie der Interessengemeinschaft mit der Theorie der rechtlichen Gemeinschaft gleichsetzt. 128 Brunnée, ZaöRV 49 (1998), S. 791, 792 ff.

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den werden, dass sie sich nicht nur auf die gegenwärtige und voraussichtliche Nutzung einer Wasserressource bezieht, sondern auch auf die Sorge um den Schutz des Binnengewässers zugunsten zukünftiger Generationen und allgemein um die Erhaltung ihres Ökosystems.129 Und in der Tat ist der Umweltschutz geradezu das Paradebeispiel für ein übergeordnetes Gemeinschaftsinteresse. Die Gemeinschaft im Sinne der Theorie der Interessengemeinschaft ergibt sich aus der physikalischen Einheit der Binnengewässer, infolgederer eine bestimme Nutzung, abhängig von der Art der Nutzung und der Lage des Staates an dem Binnengewässer, Auswirkungen auf Nutzungen in anderen Staaten haben kann.130 Zwei Staaten können deshalb „Wasserlauf-Nachbarn“ sein, obwohl sie keine gemeinsamen Grenzen haben. Die Gemeinschaft der Interessen im Sinne der Theorie entsteht also dadurch, dass die Anrainer mit ihren nationalen Interessen durch die internationale Wasserressource aneinander gebunden werden, die zwar selbst auch nur Teil des Wasserkreislaufes ist, aber doch auch für sich eine Einheit bildet. Folglich hat jeder Anrainerstaat neben einem Bündel eigener Interessen an dem entsprechenden internationalen Binnengewässer auch Anteil an den gemeinsamen Interessen aller Anrainer an ein und demselben Wasserlauf. Eckstein der Theorie der Interessengemeinschaft ist die Idee der Teilhabe (engl. participation).131 Diese erweitert den Ansatz der angemessenen und vernünftigen Nutzung, indem sie neben dem Recht auf Nutzung eines internationalen Wasserlaufes auch eine Pflicht zur sowie ein entsprechendes Recht auf Zusammenarbeit bei der Nutzung postuliert. Hintergrund ist dabei die Vorstellung, dass zur Implementierung einer angemessenen und vernünftigen Nutzung eine Zusammenarbeit der Anrainerstaaten nötig ist, die sich in aktiven gemeinsamen Schritten der Anlieger manifestiert.132 Als Katalysator des Abwägungsprozesses setzt die Teilhabe zunächst die Koordination der Vorstellungen eines Staates mit denen der anderen Anliegerstaaten voraus. Folge ist insbesondere eine weitreichende Informations-, Konsultationsund gegebenenfalls Verhandlungspflicht bei der Planung und Verwirklichung neuer Nutzungsvorhaben, deren Angemessenheit nur unter Berücksichtigung aller relevanter Faktoren unter Einbeziehung der Nutzungsinteressen der anderen Anrainer bestimmt werden kann.133 Die Koordination erschöpft sich aber nicht nur in der Kenntnisnahme der Anliegen der anderen Staaten, sondern verlangt Vgl. McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 165. McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 167. 131 Der Begriff der Teilhabe ist relativ neu und wurde insbesondere von der ILC im Rahmen der Vorarbeiten für die VN-Konvention in die Diskussion eingebracht, vgl. ILC, Schwebel – Third Report, Rn. 41 ff. 132 McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998, S. 20. 133 Das mit der Pflicht zur angemessenen Nutzung korrespondierende Recht auf angemessene Nutzung grenzüberschreitender Binnengewässer kann jedoch einem Staat im Falle des Scheiterns von Verhandlungen nicht ohne weiteres entzogen werden, vgl. dazu die Lac-Lanoux-Entscheidung, RIAA, XII, S. 281, Rn. 13. 129 130

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darüber hinaus eine materielle Auseinandersetzung mit den verschiedenen Faktoren und ihre effektive Einstellung in die letztlich zu treffenden Nutzungsentscheidungen.134 Neben der Koordination des Abwägungsprozesses beinhaltet das Konzept der Teilhabe aber auch einen über eine bloße Annexpflicht zur Abwägungsverpflichtung hinausgehenden allgemeinen Kooperationsansatz, der die Staaten bei Nutzung, Schutz und Entwicklung grenzüberschreitender Binnengewässer zu einer umfassenden Berücksichtigung der Interessen der anderen Parteien und der aus allen Anrainern bestehenden Interessengemeinschaft verpflichtet. Bereits bei isolierter Betrachtung handelt es sich beim Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung im Gegensatz zum nachbarrechtlichen Schädigungsverbot um keinen rein materiell-rechtlichen Grundsatz;135 erweitert durch das Konzept der Teilhabe wird der materielle Kern des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung jedoch darüber hinausgehend umfassend in ein System verfahrensrechtlicher Korrelarien eingebettet.

b) Rechtsprechung Die Theorie der Interessengemeinschaft war bereits 1929 Gegenstand der StIGH-Entscheidung im so genannten Oderkommissionsfall.136 Dabei führte das Gericht aus: „[ . . . ] when consideration is given to the manner in which States have regarded the concrete situations arising out of the fact that a single waterway traverses or separates the territory of more than one State, and the possibility of fulfilling the requirements of justice and the considerations of utility which this fact places in relief, it is at once seen that a solution of the problem has been sought not in the idea of a right of passage in favour of upstream States, but in that of a community of interest of riparian States.“137

Auch wenn diese Ausführungen des Gerichts im konkreten Fall die navigatorische Nutzung der Oder betrafen, so ist doch von allgemeiner Bedeutung, dass das Gericht erklärte, dass eine „Interessengemeinschaft“ der Anrainerstaaten bestehe: Epiney, JuS 2003, S. 1066, 1070. Vgl. etwa das Koordinationserfordernis im Rahmen des Abwägungsprozesses. 136 PCIJ, Case concerning the Territoral Jurisdiction of the International Commission of the River Oder, Ser. A No 23 (1929), S. 1. Dabei ging es um die Frage, ob die Zuständigkeit der durch den Versailler Vertrag von 1919 eingerichteten Internationalen Oderkommission, deren Kompetenzen in erster Linie die navigatorische Nutzung des Flusses betraf, auch die Zuflüsse der Oder mit umfasste. Obwohl der Ausgangspunkt der Entscheidung zunächst der Versailler Vertrag war, fand sich das Gericht nicht in der Lage, die Frage ausschließlich auf dessen Grundlage zu beantworten und griff deshalb auf die „principles unterlying the matter to which the text refers“, insbesondere diejenigen „governing international fluvial law in general“ zurück (ebd., S. 26). 137 Ebd., S. 27. 134 135

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe „This community of interest in a navigable river becomes the basis of a common legal right, the essential features of which are the perfect equality of all riparian States in the use of the whole course of the river and the exclusion of any preferential privilege of any one riparian State in relation to the others.“138

Diese Ausführungen zur „Interessengemeinschaft“ der Anrainerstaaten sind in ihren wesentlichen Zügen über die reine navigatorische Nutzung hinaus auch auf die nichtschifffahrtliche Nutzung anwendbar;139 schließlich hat sich das Gericht ausdrücklich auch auf Prinzipien des „international fluvial law in general“ bezogen.140 Außerdem fußt die Herleitung der „Interessengemeinschaft“ der Anrainerstaaten auf Überlegungen, die nicht ausschließlich auf die schifffahrtliche Nutzung zutreffen.141 Diese Ansicht ist auch vom IGH bestätigt worden, als er im GabcíkovoNagymaros-Urteil hinsichtlich des im Oderkommissionsfall entwickelten Prinzips der „Interessengemeinschaft“ der Anrainerstaaten erklärte: „Modern development of international law has strengthened this principle [der Interessengemeinschaft] for non-navigational uses of international watercourses as well, as evidenced by the adoption of the Convention of 21 May 1997 on the Law of the Non-Navigational Uses of International Watercourses by the United Nations General Assembly.“142

Der Inhalt der Interessengemeinschaft wird in der niederländisch-französischen Schiedsentscheidung zur Rheinkonvention vom 12. 3. 2004 hinsichtlich seiner kooperativen Komponente weiter konkretisiert: „Lorsque les riverains d’un fleuve international décident de doter celui-ci d’un règime commun portant sur l’usage de son eau, ils rendent témoignage à une çommunauté d’intérêts‘ qui conduit à ,une communauté de droit‘ [ . . . ] La solidarité des riverains est sans doute un élément de leur communauté d’intérêts.“143

c) Bewertung Für die Theorie der Interessengemeinschaft an internationalen Wasserressourcen spricht zunächst einmal die natürliche Einheit jeder Wasserressource unabhängig Ebd., S. 27. Lammers, Pollution of international watercourses, 1984, S. 507. 140 Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 29; ILC, Schwebel – Second Report, Rn. 187 ff.; ILC, McCaffrey – Second Report, Rn. 105. 141 Lammers, Pollution of international watercourses, 1984, S. 507. 142 IGH, Case concerning the Gabcíkovo-Nagymaros Project, Reports 1997, S. 7 ff., Rn. 85. Vgl. dazu auch Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 302; Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 57. 143 Affaire concernant l’apurement des comptes entre le Royaume des Pays-Bas et la République française en application du protocole du 25 Septembre 1991 additionnel à la Convention relative à la Protection du Rhin contre la Pollution par les Chlorures du 3 Décembre 1976, Rn. 97 (Text verfügbar unter: http: / / www.pca-cpa.org / showpage.asp?pag_id=1221, letztmalig besucht am 31. 1. 2008). 138 139

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von politischen Grenzen sowie deren Bedeutung für die sozial-ökonomische Entwicklung, insbesondere als Transport- und Kommunikationsmittel. Die Umorientierung von dem Bild einer Gesellschaft von Staaten, die ihre Interessen egozentrisch vertreten, hin zu der Vorstellung einer (Schicksals-)Gemeinschaft kooperierender Staaten schreitet immer weiter voran. Insofern beschreibt die Theorie der Interessengemeinschaft nur die heute existierenden Beziehungen zwischen den Anrainerstaaten vieler internationaler Binnengewässer.144 Hinsichtlich der Fortentwicklung des Völkerrechts hat die Theorie der Interessengemeinschaft aber auch einen Schwachpunkt: sie birgt die Gefahr, im Ergebnis auf die Einführung eines regionalen Staatengemeinschaftsinteresses hinauszulaufen und dadurch einen künstlichen Widerspruch zu den globalen public interest-Normen zu schaffen. Dies trägt potentiell eher zu einer Regionalisierung und damit eher zur Zersplitterung als zur Konkretisierung des Völkerrechts bei.145

d) Einzelfragen zu Art und Intensität der Zusammenarbeit Spätestens seit dem Urteil des IGH im Fall Gabcíkovo-Nagymaros steht die völkerrechtliche Bedeutung des Prinzips der Interessengemeinschaft außer Zweifel. Dabei ist man sich zwar einig, dass Anrainern daraus jedenfalls eine allgemeine Pflicht zur Kooperation bei der Nutzung internationaler Wasserressourcen und damit in Verbindung stehender Fragen entspringt.146 Welche darüber hinausgehenden konkreten Pflichten sich im Einzelnen jedoch aus dem Prinzip ergeben, ist in wesentlichen Punkten schwierig zu bestimmen. Kernfrage ist dabei, ob ausgehend vom Konzept der Interessengemeinschaft eine Pflicht zu einer bestimmten Art und Intensität der Zusammenarbeit besteht, die über die bloße Organisation der Aufteilung der Nutzungsrechte hinausgeht. Ausgangspunkt für die Diskussion über Art und Intensität der Zusammenarbeit ist die Tatsache, dass es keine völkerrechtliche Pflicht zu einem Vertragsabschluss gibt, die Gründung von Institutionen jedoch nur durch internationale Verträge möglich ist; daraus folgt, dass es keine völkerrechtliche Pflicht geben kann, die wasserrechtlichen Beziehungen an internationalen Binnengewässern zwingend internationalen Institutionen zu unterwerfen.147 Dem entspricht auch die Staatenpraxis, die keinen fertigen Entwurf institutioneller Strukturen mit dem Ziel einer kooperativen Bewirtschaftung bietet.148 144 Ausführlich zur Staatenpraxis McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 153 ff. Siehe auch Sands, Principles of international environmental law, 2003, S. 462. 145 So auch Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 183 ff. 146 ILA, Berlin-Rules, Kommentar zu Art. 11; Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2004, S. 422; Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 126 ff. 147 Demeter, Schutz und Nutzung, 2001, S. 400. Vgl. auch ILC, McCaffrey – Sixth Report, Rn. 7.

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

Streit besteht jedoch darüber, inwieweit sich das kooperative Element der Teilhabe im Wesentlichen in den Informations-, Konsultations- und Verhandlungspflichten erschöpft, die eine effiziente Abwägung der Angemessenheit etwa angesichts neuer Nutzungen oder veränderter Umstände garantieren sollen, oder ob nicht darüber hinaus eine allgemeine Pflicht zur Schaffung eines Regimes hinsichtlich grenzüberschreitender Binnengewässer besteht, das zwar keine institutionalisierte gemeinsame Verwaltung im engeren Sinne zwingend vorschreibt, aber dennoch kooperative Verfahrenselemente etwa unterhalb der Souveränitätsübertragung im Sinne eines Flussregimes formalisiert.149 Denn Möglichkeiten der Kooperation bestehen neben der Übertragung von Verwaltungskompetenzen auf internationale Organisationen z. B. auch in gemeinsamen Projekten oder Entwicklungsprogrammen, die sich auf das gesamte oder zumindest Teile des grenzüberschreitenden Binnengewässers beziehen sowie in der Einrichtung technischer, administrativer und judikativer Ausschüsse, Komitees und Kommissionen und anderen Formen formalisierter Zusammenarbeit bis hinab zu bloßen gemeinsamen Aktionen.150

aa) Lösungsvorschläge Zum Teil wird eine sich aus dem Prinzip der Interessengemeinschaft und dem Konzept der Teilhabe ergebende Kooperationsverpflichtung, die wesentlich über die bloße zwischenstaatliche Koordination des Abwägungsvorganges im Rahmen der Angemessenheitsprüfung hinausgeht, abgelehnt.151 Die Lehre der Interessengemeinschaft deute lediglich an, dass internationale Wasserressourcen nicht von 148 Ausführlich zur neueren völkerwasserrechtlichen Staatenpraxis auf diesem Gebiet Rothenberger, Angemessene Nutzung, 2003, S. 160 ff. Vgl. auch ILA, Berlin-Rules, Kommentar zu Art. 11. 149 Ausführlich zu diesem Problemkreis Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 286 ff. Nicht identisch, aber durchaus damit im Zusammenhang stehend ist die Diskussion um die Vor- und Nachteile der Flexibilität des Prinzips der angemessenen Nutzung als Ausgangspunkt für eine kooperative Lösung. Während Nollkaemper, Neth YIL XXVII (1996), S. 39, 46 ff. dem Prinzip der angemessenen Nutzung aufgrund seiner Beschränktheit auf den kooperativen Kontext jegliche Regelungskompetenz abspricht und das Prinzip vielmehr als „no more that an open-ended framework for political compromise without an independent legal identity“ charakterisiert, beurteilt Benevisti, AJIL 90 (1996), S. 384, 400 ff., 411 ff. die Flexibilität des Prinzips positiv, da die Parteien so eher zu einer Zusammenarbeit bewegt würden, als wenn präzise Regeln verankert wären. Nach Ansicht Benevistis sei es so für die Beteiligten schwerer, sich auf rechtliche Positionen zu verfestigen; vielmehr müssten sie kompromissbereit bleiben und den Ausgleich suchen. 150 Vgl. die ausführlichen Ausführungen zu möglichen Kooperationsformen bei Torka, Nichtnavigatorische Wassernutzungen, 1999, S. 61 ff. Siehe eingehend zu den institutionellen Entwicklungen neuerer internationaler Umweltabkommen Röben, Max Planck UNYB 4 (2000), S. 363 ff. Grundlegend zur Kooperationsorientierung im Völkerrecht Friedmann, The changing structure of international law, 1964. 151 Kritisch etwa Ruiz-Fabri, AFDI 36 (1990), S. 818, 834. Siehe auch Nollkaemper, Neth YIL XXVII (1996), S. 39, 47 ff.

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Staaten in einer Weise genutzt werden dürften, die andere Anliegerstaaten daran hindere oder beeinträchtige, ihrerseits ihre Ansprüche bezüglich dieser gemeinsamen Ressource geltend zu machen, sofern diese nur gerecht und vernünftig seien. Außerdem sei die besondere Gewichtung kooperativer Verfahrenselemente angesichts der komplexen Anforderungen umweltrechtlicher Realität höchst uneffektiv. Allein aufgrund einer verstärkten Kooperation ließen sich Staaten kaum dazu bewegen, ein internationales Binnengewässer in angemessenerer bzw. umweltgerechterer Weise zu nutzen als bisher. Funktionierende Kooperation könne im Übrigen nicht von außen vorgeschrieben werden, sondern sei immer das Ergebnis langjähriger Verhandlungen und vor allem anhaltenden guten Willens. Andere sehen dagegen gerade die Pflicht zum Regime-Building als wesentliche Voraussetzung für die effektive Implementierung des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung.152 Die Notwendigkeit der Formulierung von Gemeinschaftsinteressen im Sinne der Theorie der Interessengemeinschaft und deren Abwägung mit anderen Belangen erfordere die Entwicklung eines gemeinsamen Regimes, in dem sich die „Flussgemeinschaft“ manifestiere.153 Wasserkonflikte seien eben immer auch politische Konflikte. Diese ließen sich in einem festen institutionellen Rahmen weit einfacher lösen als auf ad hoc-Basis. Bereits bei einem Mindestmaß an entsprechendem politischen Willen sei diese institutionalisierte Kooperation bei der Vorbereitung der notwendigen Daten für die Entscheidungsträger viel erfolgreicher, fördere zusätzlich die in der Regel bestehende Bereitschaft der Staaten zu einvernehmlichen Lösungsfindungen, entwickle gegenseitiges Vertrauen und trage außerdem zur Flexibilisierung des internationalen Wasserrechts bei, indem sie ermögliche, zeitnah auf besondere Entwicklungen des jeweiligen Binnengewässers einzugehen. Etwas zurückhaltender verweisen wieder andere auf eine in ihrer Entstehung befindliche entsprechende Staatenpraxis: wenn auch die Theorie der Interessengemeinschaft keine ausdrückliche Pflicht zur Schaffung von Flusskommissionen beinhalte, so finde dieser Ansatz seinen Ausdruck dennoch insbesondere in der steigenden Anzahl von Abkommen, die die Einrichtung gerade dieser Art von gemeinsamen institutionellen Mechanismen vorsähen.154 Wenn also auch die Schaf152 Benevisti, Sharing transboundary resources, 2002, S. 22 ff.; ders., AJIL 90 (1996), S. 384, 400 ff.; 411 ff.; Brunnée / Toope, AJIL 91 (1997), S. 26 ff. Vgl. auch Fitzmaurice, FS Weeramantry, 1998, S. 427 ff. Schon in Art. II Nr. 7 der Resolution des IDI von 1911 (AIDI 24 (1911), S. 365) wurde die Institutionalisierung der Beziehungen zwischen den Staaten im Bereich der Wassernutzung und die Gründung von Kommissionen empfohlen. Vgl. ausführlich zu dem in diesem Zusammenhang regelmäßig verwendeten Begriff des „Regimes“ Ott, Umweltregime im Völkerrecht, 1998, S. 37 ff., 268; Krasner (Hrsg.), International regimes, 1983, S. 1 ff. 153 In diesem Sinne Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 295 ff. 154 Perrez, Cooperative Sovereignty, 2000, S. 313 ff. Nachweise einschlägiger Staatenpraxis etwa bei Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 230 ff. Zur umfangreichen Anzahl zwischenstaatlicher Institutionen zur Bewirtschaftung internationaler Binnengewässer gerade in Afrika siehe Mubiala, L’évolution du droit des cours d’eau internationaux à la lumière de

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

fung von gemeinsamen Organisationen zur Bewirtschaftung internationaler Binnengewässer nach allgemeinem Völkerrecht (noch) nicht verpflichtend sei, so sei sie doch ein „principle of progressive international law“.155

bb) Stellungnahme Viel spricht dafür, dass internationale Binnengewässer effizienter als integriertes Ganzes verwaltet werden können.156 Gerade vor dem Hintergrund der Komplexität einer stets mehrere Staaten tangierenden Problematik wie die der Nutzung internationaler Wasserläufe steht eine intensive zwischenstaatliche Zusammenarbeit über die bloße Aufteilung der Nutzung hinweg durch Bildung internationaler Kooperationsgremien im Gemeinschaftsinteresse. 157 Diese Form der präventiven Kooperation ist auch effizienter als jede nachträgliche Streitbeilegung, insbesondere vor dem Hintergrund der erschwerten Normendurchsetzung im Völkerrecht, aufgrund derer die Befolgung materiellen Wasserrechts vielfach erst das Ergebnis eines auf einem intensiven kooperativen Zusammenwirken der Parteien gründenden Entwicklungsvorganges ist. Eine optimale und nachhaltige Nutzung internationaler Wasserläufe ist viel schwieriger durch bloßes einseitiges, wenn auch locker gegenseitig abgestimmtes Handeln erreichbar als durch das aktive Zusammenwirken der Anrainer, die ein gemeinsames Regime bilden. Insofern ruft der überstaatliche Charakter internationaler Wasserläufe nicht zuletzt schon aus Gründen der Praktikabilität und Effizienz geradezu nach der Einrichtung von Strukturen, die sich auf mehr als nur einen Staat erstrecken.158 Die Gründung formaler und informaler Gremien kann l’expérience africaine, notamment dans le bassin du Congo / Zaïre, 1995, S. 88 ff. Vgl. zum Ganzen auch Rothenberger, Angemessene Nutzung, 2003, S. 197 ff.; Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 323 ff.; McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 172; Appelgren / Klohn, NRF 21 (1997), S. 91, 93 ff. 155 Vgl. die Draft Articles on International Water Resources Administration der ILA (ILA, Report of the fifty-seventh conference held at Madrid 1976, 1978, S. 248) und ILC, Evensen – Second Report, Rn 59. Siehe auch Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 305; Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 226. Vgl. auch Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 130; Hunter / Salzman / Zaelke, International environmental law and policy, 2002, S. 808; McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 320. 156 Siehe Boisson de Chazournes, The role of diplomatic means of solving water disputes: a special emphasis on international mechanisms, 2003, S. 108 ff.; McCaffrey, Water disputes defined: characteristics and trends for resolving them, 2003, S. 49 ff.; Sadoff / Grey, Water Policy 4 (2002), S. 389 ff.; Albert, NRF 24 (2000), S. 21, 26 f.; Swain, CRIA 12 (1999), S. 214 ff.; Dellapenna, Case W. Res. J. Int’L 26 (1994), S. 27, 51; Buck / Gleason / Jofuku, Nat. Res. J. 33 (1993), S. 595, 604 ff. 157 Vgl. Dellapenna, Building international water management institutions: the role of treaties and other legal arrangements, 1995, S. 79 ff. Vgl. zu den Vorteilen der Schaffung von zwischenstaatlichen Institutionen zur Erreichen umweltpolitischer Ziele auch Sand, ZaöRV 56 (1996), S. 774 ff. 158 In diesem Sinne auch Boisson de Chazournes, Les ressources en eau et le droit international, 2002, S. 39; McCaffrey, Water scarcity: institutional and legal responses, 1997, S. 52.

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darüber hinaus Anstoß für die Koordinierung von Politik auf anderen im Interesse der Parteien liegenden Themenbereichen sein, was insgesamt zu einer Stärkung der internationalen Beziehungen beiträgt.159 Die Staaten partizipieren in diesen Institutionen, weil sie sich darüber klar sind, dass ein formalisiertes, koordiniertes Handeln ihnen in der Regel mehr Vorteile verschafft als unilaterales Vorgehen. Dies zeigt sich schon in der großen und noch weiter wachsenden Zahl von Abkommen, welche die Einrichtung gemeinsamer institutioneller Mechanismen für das Management internationaler Wasserressourcen vorsehen. Die Tatsache, dass diese häufig gerade von Staaten eingerichtet werden, welche die internationalen Flusslaufsysteme intensiv nutzen, unterstreicht, dass eine gewisse institutionalisierte Kooperation die natürliche und logische Konsequenz ihrer großen Abhängigkeit von der jeweiligen gemeinsamen Wasserressource und damit auch den übrigen Anrainer ist. Schließlich erscheint es nur konsequent, dass sich mit der Veränderung des Prinzips der angemessenen Nutzung – weg von einer bloßen Verteilungsregelung und hin zu einer integrierten Bewirtschaftung – auch die Anforderungen an die Kooperation der Anrainer eines internationalen Binnengewässers ändern.

e) Zwischenergebnis Die in Lehre und Rechtsprechung fest verankerte Theorie der Interessengemeinschaft baut das internationale Wasserrecht durch die Aspekte der Teilhabe, der verstärkten Koordination und der Zusammenarbeit kooperationsvölkerrechtlich aus. Ob diese Erweiterung bis hin zu einer Verpflichtung der Staaten zur Schaffung eines Flussregimes führt, wird nicht einheitlich beantwortet. In diesem Punkt wäre eine Klärung vorteilhaft.

4. Das Konzept der gemeinsamen Naturgüter Überspannt wird das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe vom Konzept der gemeinsamen Naturgüter.160 Komplementär zu den Theorien der angemessenen und vernünftigen Nutzung und der Interessengemeinschaft stärkt es die Vorstellung einer über die aufteilende Koexistenz hinausgehenden ressourcenorientierten Kooperation.161

159 Vgl. Sjöstedt / Spector / Zartman, The dynamics of regime-building negotiations, 1994, S. 3 ff. 160 Vgl. Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 302; ILC, McCaffrey – Second Report, Rn. 92 – 99. 161 Vgl. Rothenberger, Angemessene Nutzung, 2003, S. 6.

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

a) Lehre und Rechtsprechung Auch das Konzept der gemeinsamen Naturgüter (engl. shared natural resource concept) ist unmittelbarer Ausfluss der Theorie der beschränkten Souveränität: es erteilt sowohl einer uneingeschränkten Gebietshoheit als auch einer rechtlichen Gemeinschaft der Anrainerstaaten im Sinne eines gemeinsamen Eigentums eine Absage und sucht im Einklang mit der staatlichen Souveränität einen Ausgleich der Interessen der Anrainer an der gemeinsamen Ressource.162 Das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung wird häufig als Kernelement des shared natural resource-Konzepts bezeichnet.163 In diesem Zusammenhang wird dann etwa von der Maxime der „equitable utilization of shared water resources“ gesprochen.164 Gegenstand des Konzepts der gemeinsamen Naturgüter sind von mehreren Staaten gemeinschaftlich genutzte natürliche Ressourcen, die aufgrund ihrer biologischen Unteilbarkeit eine ökologische Einheit bilden.165 Darunter fallen insbesondere internationale Binnengewässer.166 Von den Theorien der angemessenen und vernünftigen Nutzung und der Interessengemeinschaft hebt sich der shared natural resources-Ansatz damit nicht inhaltlich, sondern durch seine Perspektive ab: nicht die staatliche Souveränität, sondern das jeweilige gemeinsame Naturgut bildet den Ausgangspunkt der Überlegungen zur gemeinschaftlichen Nutzung natürlicher Ressourcen. Als Folge der Orientierung an der natürlichen Ressource spielt deren 162 Grundlegend zum Konzept der gemeinsamen Naturgüter Reinicke, Die angemessene Nutzung gemeinsamer Naturgüter, 1991, S. 12 ff.; Biwas, Shared natural resources, 1983, S. 197 ff. Siehe auch Reszat, Gemeinsame Naturgüter, 2004, S. 1 ff.; Barberis, Droits et obligations, 1991, S. 18 ff. Der englische Begriff „shared resource“ wird auch mit „gemeinschaftliche Ressource“ übersetzt, wie beispielsweise in Art. 133 der deutschen Fassung der VN-Seerechtskonvention vom 10. 12. 1982 (engl. Text abgedruckt in: ILM 11 (1982), S. 1261 ff.; dt. Text in: BGBl. 1994 II S. 1799). Siehe auch die Formulierung in Art. IV der Helsinki-Rules: „Each basin State is entitled, within its territory, to a reasonable and equitable share in the beneficial uses of the waters of an international drainage basin.“ 163 Paquerot, Le statut, 2002, S. 207; Beyerlin, FS Doehring, 1989, S. 59. Vgl. dazu auch die Ausführungen in ILC, Schwebel – Third Report, Rn. 42 f.: „There may be, aside from the rule that no State may cause appreciable harm to another State, no more widely accepted principle in the law of the non-navigational uses of international watercourses than that each system State is entitled, within its territory, to a reasonable and equitable share of the beneficial uses of the waters. [ . . . This] general principle, while perhaps not ancient, is not of recent origin. Its emergence is involved with such resolution as there is of the long-standing conflict among competing theories in this realm – territorial integrity, absolute sovereignty, limited territorial sovereignty, and community in the waters – and can be seen to have evolved gradually into its contemporary expression: equitable utilization.“ 164 So z. B. Beyerlin, Umweltvölkerrecht, 2000, S. 58. 165 Vgl. die Definition der UNEP: „The term ,shared natural resource‘ means an element of the natural environment used by man which constitutes a biogeophysical unity and is located in the territory of two or more States.“ (UNEP Doc. IG. 12 / 2, Rn. 16). 166 Reszat, Gemeinsame Naturgüter, 2004, S. 250 ff.; Bunge, Gemeinsame Naturgüter, HdUR, 1994, Bd. I, Sp. 853 ff.

I. Die theoretischen Grundlagen

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Schutz eine hervorgehobene Rolle. Eingedenk der begrenzten Aufnahmekapazitäten der Umwelt setzt das Konzept der shared natural resource somit nicht erst bei der Behebung von Schadensfolgen an, sonders strebt einen aktiven Schutz gemeinsamer Naturgüter sowie allgemein der Biosphäre und der in ihr vereinigten, zumeist grenzüberschreitenden Ökosysteme an. An dem gemeinsamen Naturgut hat jeder Anrainer Anteil (engl. share). Dieser Anteil ist Ausfluss der staatlichen Souveränität. Trotzdem steht beim Konzept der gemeinsamen Naturgüter die Klassifizierung grenzüberschreitender Ressourcen als gemeinschaftlich zu verwaltendes und zu schützendes Gut im Vordergrund. Deshalb hält diese Theorie eine schlichte Reduktion auf nationalstaatliche Verantwortlichkeiten für ineffizient, wendet sich von einem auf eine reine Koexistenz der Staaten ausgerichteten Denken ab und schlägt eine Öffnung für kooperative Elemente und insbesondere die gemeinsame Verwaltung gemeinschaftlicher Ressourcen vor.167 Das ressourcenorientierte Prinzip der shared resource weist also den Weg von einer aufteilenden Koexistenz zu einer ressourcenorientierten Kooperation. Ausgehend von der Theorie der beschränkten staatlichen Souveränität betont der shared resource-Ansatzes die Notwendigkeit, die ursprüngliche Vorstellung des Völkerrechts zu überwinden, die in erster Linie auf eine reine Koexistenz der Staaten angelegt war und im Bereich des internationalen Umweltrechts etwa in den bekannten Gerichtsentscheidungen wie dem Trail-Smelter-Fall168 oder dem LacLanoux-Fall169 zum Ausdruck kam. Beide Entscheidungen haben gemeinsam, dass sie umweltrechtliche Konflikte auf den Schutz und Ausgleich nachbarstaatlicher Interessen durch vornehmlich haftungsrechtliche Instrumentarien reduzieren.170 Die Verantwortung der Staaten erstreckte sich hiernach lediglich auf das eigene Territorium.

167 Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 100. In diesem Sinne stellte Grundsatz 1 der UNDP-Draft Principles of Conduct in the Field of the Environment for the Guidance of States in the Conservation and Harmonious Utilization of Natural resources Shared by Two or More States vom 19. 5. 1978 (Text in: ILM 17 (1978), S. 1091 ff.), deren Kernstück das Konzept der gemeinschaftlichen Ressourcen bildete, fest: „It is necessary for States to co-operate in the field of environment concerning the conservation and harmonious utilization of natural resources shared by two ore more States. Accordingly, it is necessary that consistent with the concept of equitable utilization of shared natural resources, States co-operate with a view to controlling, preventing, reducing or eliminating adverse environmental effects which may result from the utilization of such resources. Such co-operation is to take place on an equal footing and taking into account the sovereignty, rights, and interests of the States concerned.“ 168 Trail-Smelter-Entscheidung vom 16. 4. 1938 und 11. 3. 1941 (RIAA III, S. 1905 ff.). Dort stellte das amerikanisch-kanadische Schiedsgericht fest: „no state has the right to use or permit the use of its territory in such a manner as to cause injury [ . . . ] in or to the territory of another [ . . . ]“ (S. 1965). 169 RIAA XII, S. 281 ff. 170 Vgl. Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 2004, S. 1047 ff.; Kloepfer, Umweltrecht, 1998, S. 580.

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

Abkommen, welche die Zusammenarbeit der Anrainer bei Nutzung und Schutz gemeinschaftlicher Ressourcen vorsehen, können sich auf das Ausarbeiten gemeinsamer Umweltstandards und die Koordination verschiedener Nutzungen beschränken. Sie können aber auch zu der Errichtung internationaler Organisationen führen, deren Aufgabe es ist, die Implementierung des Abkommens zu überwachen oder sogar die durch den Vertrag aufgestellten Regeln und Standards weiterzuentwickeln. Dabei entspricht es dem Bedürfnis nach der Koordination konkurrierender Nutzungen, die gemeinschaftlichen Ressourcen idealerweise einer gemeinsamen Verwaltung zu unterstellen und der entsprechenden internationalen Organisation hinsichtlich der Nutzung und des Schutzes der in Rede stehenden Ressource Rechtsetzungskompetenzen zu übertragen.171 Die Fähigkeit der teilnehmenden Staaten, frei und souverän über die Art und Weise ihrer Nutzung des Wasserlaufes zu entscheiden, ist dann in dem Maße eingeschränkt, wie sie im Rahmen der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit auf die institutionalisierten Mechanismen übertragen wurde. In der völkerwasserrechtlichen Literatur findet das Konzept der shared natural resource insgesamt breiten Anklang.172 Auch der IGH hat in seiner Entscheidung im Gabcíkovo-Nagymaros-Fall das Konzept der shared natural resource aufgegriffen und es in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe und den dahinter stehenden völkerwasserrechtlichen Theorien gestellt. Dabei unterstrich er die Vorstellung einer ressourcenorientierten Kooperation. So erklärte das Gericht etwa in Verbindung mit seinen Ausführungen über das Prinzip der Interessengemeinschaft: „The Court considers that Czechoslovakia, by unilaterally assuming control of a shared resource, and thereby depriving Hungary of its right to an equitable and reasonable share of the natural resources of the Danube – with the continuing effects of the diversion of these waters on the ecology of the riparian area of the Szigetköz – failed to respect the proportionality which is required by international law.“173

171 Riphagen, The international concern for the environment as expressed in the concepts of the „common heritage of mankind“ and of „shared natural resources“, 1980, S. 344; Wolfrum, International environmental law, 2000, S. 38 f.; ders. GYIL 33 (1990), S. 308, 320. 172 Vgl. etwa Riphagen, The international concern for the environment as expressed in the concepts of the „common heritage of mankind“ and of „shared natural resources“, 1980, S. 343; Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 302. Siehe auch die Resolutionen der VN-Generalversammlung 3129 (XXVIII) vom 13. 12. 1973, 87 (XXXIII) vom 15. 12. 1978 und 186 (XXXIV) vom 18. 12. 1979 „on cooperation in the field of the environment concerning natural resources shared by two or more States.“ Vgl. dazu auch Hohmann, Präventive Rechtspflichten und -prinzipien des modernen Umweltvölkerrechts, 1992, S. 72 ff. Zur weiteren Staatenpraxis siehe etwa Wolfrum, GYIL 33 (1990), S. 308, 319. Die ILC hat das Thema shared natural resources 1999 in ihr Arbeitsprogramm aufgenommen, vgl. ILC, Shared natural resources: first report on outlines, by Mr Chusei Yamada (Special Rapporteur), UN Doc. A / CN.4 / 533. 173 IGH, Case concerning the Gabcíkovo-Nagymaros Project, Reports 1997, S. 7 ff., Rn. 85.

I. Die theoretischen Grundlagen

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An anderer Stelle führte das Gericht aus: „Re-establishment of the joint regime will also reflect in an optimal way the concept of common utilization of shared water resources for the achievement of the several objectives mentioned in the Treaty, in concordance with Art. 5, paragraph 2, of the Convention on the Law of the Non-Navigational Uses of International Watercourses, according to which: Watercourse States shall participate in the use, development and protection of an international watercourse in an equitable and reasonable manner. Such participation includes both the right to utilize the watercourse and the duty to cooperate in the protection and development thereof, as provided in the present Convention.“174

b) Bewertung Der shared natural resources-Ansatz hat das Potential, das durch die Theorien der angemessenen und vernünftigen Nutzung und der Interessengemeinschaft geschaffene System positiv zu ergänzen, indem es das gemeinsame Naturgut in den Vordergrund hebt und so bei gleichzeitiger Anwendung aller Ansätze die Berücksichtigung der souveränen Interessen der Anrainerstaaten mit dem Bemühen nach einem adäquaten Schutz internationaler Binnengewässer auf eine Stufe gestellt werden kann. Damit setzt es menschliche Aktivitäten und die Bedürfnisse der Natur zueinander ins Verhältnis, insbesondere was Eingriffe in den natürlichen Wasserabfluss selbst betrifft. Außerdem erleichtert die vom shared natural resourcesAnsatz propagierte gesteigerte Kooperation die Lösung von Nutzungskonflikten nicht zuletzt zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Nutzungen. Ebenso andere Problemen wie etwa die ungleiche Verteilung von Technologie zwischen den Staaten können durch forcierte Kooperation häufig besser gelöst werden. Aber auch der shared natural resource-Ansatz muss sich der Realität stellen, dass die Welt politisch in Gebiete unabhängiger, souveräner Staaten eingeteilt ist und vermag die Ungleichheiten zwischen diesen Staaten hinsichtlich ihrer geographischen Lage einschließlich der naturbedingten Faktoren, ihrer technologischen Entwicklung und ihrer sozialen Systeme nicht zu überdecken.175 Um ihre wirtschaftliche Freiheit zu erhalten, stehen gerade Entwicklungsländer einer Tendenz zur Übertragung von Kompetenzen auf internationale Organisationen reserviert gegenüber, die Ressourcen betreffen, die ihrer staatlichen Hoheitsgewalt unterstehen. Diese Länder verweisen dabei mit Nachdruck auf ihre Souveränität über ihre natürlichen Ressourcen und ihre Freiheit, auf nationaler Ebene über ihre eigene Umweltpolitik zu entscheiden.

174 175

Ebd., Rn. 147. Vgl. zu diesem Kritikpunkt auch Wolfrum, GYIL 33 (1990), S. 308, 320.

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

5. Ergebnis Die Theorie der angemessenen Nutzung, ergänzt durch die Theorie der vernünftigen Nutzung, und die Theorie der Interessengemeinschaft liefern den dogmatischen Unterbau für das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe, das vom Konzept der gemeinsamen Naturgüter überspannt wird. Das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe bildet den Kristallisationspunkt aller vier Theorien. Der theoretische Hintergrund des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe ist das Ergebnis einer intensiven Beschäftigung mit den Problemen bei Nutzung und Schutz internationaler Binnengewässer in der völkerrechtlichen Rechtsprechung und wissenschaftlichen Literatur. Diese orientieren sich dabei an der einschlägigen Staatenpraxis. Das Herausarbeiten des konkreten Inhalts der theoretischen Grundlagen stößt jedoch dort an seine Grenzen, wo unterschiedliches oder sogar sich widersprechendes staatliches Handeln vorliegt oder allgemein an der Überzeugung der Staaten gezweifelt werden kann, mit ihrem Handeln einer rechtlichen Pflicht zu folgen, sondern eher zu Gunsten einer kurzfristigen Flexibilität auf eine längerfristige rechtsverbindliche Perspektive zu verzichten. Dies wird insbesondere an folgenden wesentlichen Fragen deutlich: die Reichweite des Prinzips der angemessenen Nutzung in Sachen Ressourcenschutz, die abstrakte Gleichrangigkeit verschiedener Nutzungsarten und der Grad der für die Bewirtschaftung gemeinsamer internationaler Binnengewässer notwendigen Kooperation. Hier zeigt sich, wie sehr dem Völkerrecht im Bezug auf Schutz und Nutzung gemeinsamer internationaler Binnengewässer eine umfassende und universell geltende Kodifikation fehlt, wie sie zu manch anderem völkerrechtlichen Gebiet wie etwa dem See- oder Vertragsrecht existiert. Die VN-Konvention ist bis heute der einzige völkerrechtliche Vertrag mit globalem Geltungsanspruch, der sich spezifisch der Regelung der Nutzungen internationaler Binnengewässer widmet und dabei den Inhalt des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe konkretisiert. Sie ist aber bis heute nicht in Kraft getreten und ermangelt deshalb (jedenfalls bis auf weiteres) jeglicher vertraglicher Bindungskraft. Die (eher theoretische) Aussicht, dass die VN-Konvention aber doch noch im absehbarer Zukunft von einer ausreichenden Anzahl von Staaten ratifiziert wird, insbesondere aber die Möglichkeit, dass die VN-Konvention Völkergewohnheitsrecht wiedergibt, lassen es dennoch sinnvoll erscheinen, zu untersuchen, wie das Abkommen die in der völkerrechtlichen Theorie bestehenden Fragen zum Inhalt des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe löst. Denn insbesondere durch das Erstarken der VN-Konvention zu geltendem Völkergewohnheitsrecht kann diese auch ohne formelles Inkrafttreten zum klärenden Referenztext aufsteigen.

II. Das Prinzip in der Form der VN-Wasserlaufkonvention

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II. Das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in der Form der VN-Wasserlaufkonvention Das VN-Wasserlaufübereinkommen176 normiert das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe als die zentrale Norm des internationalen Wasserrechts folgendermaßen: Article 5 Equitable and reasonable utilization and participation 1. Watercourse States shall in their respective territories utilize an international watercourse in an equitable and reasonable manner. In particular, an international watercourse shall be used and developed by watercourse States with a view to attaining optimal and sustainable utilisation thereof and benefits therefrom, taking into account the interests of the watercourse States concerned, consistent with adequate protection of the watercourse. 2. Watercourse States shall participate in the use, development and protection of an international watercourse in an equitable and reasonable manner. Such participation includes both the right to utilise the watercourse and the duty to co-operate in the protection and development thereof, as provided in the present Convention.

Diese Formulierung des Prinzips in so gedrängter und kondensierter Form stellt für die Entwicklung des internationalen Wasserrechts im Allgemeinen und für die inhaltliche Bestimmung des Prinzips im Besonderen einen Quantensprung dar. Primäres Anliegen der VN-Konvention ist die Kodifizierung und Weiterentwicklung der universellen völkergewohnheitsrechtlichen Regeln des internationalen Wassernutzungsrechts. Vor diesem Hintergrund wurde über 30 Jahre nach Verabschiedung der bereits entscheidende Vorarbeiten leistenden Helsinki-Rules der ILA das für das internationale Wasserrecht zentrale Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe auf der Grundlage jahrzehntelanger Bemühungen der ILC unter Beteiligung der Staatengemeinschaft und nach intensiven Verhandlungen der Staatenvertreter in der Working Group durch die VN-Generalversammlung in eine kompakte Form gegossen.

1. Rahmenbedingungen Das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe ist Drehund Angelpunkt der gesamten VN-Konvention und wird von ihr als der das Recht der Nutzung internationaler Wasserläufe insgesamt überspannende Grundsatz postuliert.177 Dieses Gewicht des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nut176 Das Abkommen ist im Anhang wiedergegeben. Artikel ohne Vertrags- bzw. Gesetzesangabe sind im folgenden Kapitel (Zweiter Teil, II.) solche der VN-Wasserlaufkonvention. 177 Kiss / Beurier, Droit international de l’environnement, 2004, S. 218; Subedi, Challenges for the 21st century, 2003, S. 43; Paquerot, Le statut, 2002, S. 207 f.; Kibaroglu, Building a regime, 2002, S. 145 ff.; Perrez, Cooperative Sovereignty, 2000, S. 310; McCaffrey, The law

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

zung und Teilhabe spiegelt sich in seiner systematischen Stellung im Übereinkommen. Nach den einleitenden Artikeln des Teil I der Konvention, die Definitionen sowie Vorgaben zum Anwendungsbereich und der Regelungsdichte des Übereinkommens beinhalten, normiert Teil II die allgemeinen Prinzipien des internationalen Wasserrechts, an deren Anfang das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe steht, das, flankiert vom Verbot erheblicher grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen, die Grundlage des Übereinkommens bildet. Als erste Vorschrift des die allgemeinen Prinzipien normierenden Teils II der Konvention umreißt Artikel 5 die grundlegenden Rechte und Pflichten der Staaten bei der nicht-navigatorischen Nutzung internationaler Wasserläufe.178 Die Teile III, IV, V und VI beinhalten im Wesentlichen die prozessuale Absicherung dieser allgemeinen Prinzipien, während Teil VII abschließende Vorschriften enthält. Der VNWasserlaufkonvention angefügt ist ein Annex, der das in Artikel 33 normierte Streitschlichtungsverfahren eingehend regelt. Den Abschluss des von der Working Group vorgeschlagenen Textes bilden so genannte Statements of Understanding Pertaining to Certain Articles of the Convention, die einige Vorschriften des Übereinkommens noch näher erläutern.

a) Geographischer Anwendungsbereich Als geographischen Anwendungsbereich entscheidet sich die VN-Wasserlaufkonvention für das Konzept des internationalen Wasserlaufs.179 Art. 2 der Konvention beschreibt den Begriff des international watercourse wie folgt: „(a) ,Watercourse‘ means a system of surface waters and groundwaters constituting by virtue of their physical relationship a unitary whole and normally flowing into a common terminus; (b) ,International watercourse‘ means a watercourse, parts of which are situated in different States, [ . . . ]“.

Die VN-Konvention macht keinen Unterschied zwischen längs- und quergeteilten Wasserläufen180 und bezieht sich nicht nur auf das Flussbett des Hauptstroms of international watercourses, 2001, S. 305, 325; Baker Röben, International freshwater, 2000, S. 295; Wouters, GYIL 42 (1999), S. 293, 317 f., 335; Kokott, FS Jaenicke, 1998, S. 218; Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 798; Kroes, The protection of international watercourses as sources of fresh water in the interest of future generations, 1997, S. 83. 178 ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 1. 179 Vgl. bereits den Titel des Übereinkommens und Art. 1. Ausführlich zur Diskussion über das Wasserlaufkonzept während der Vorarbeiten zur VN-Konvention siehe McCaffrey, Nat. Res. J. 36 (1996), S. 297, 303 ff.; Krishna, International watercourses: World Bank experience and policy, 1995, S. 37 ff.; Sette-Camara, RdC 186 (1984 III), S. 125, 127 ff. Vgl. auch Arcari, NRF 21 (1997), S. 169, 171 f. 180 Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 180 f.; Kibaroglu, Building a regime, 2002, S. 143. Vgl. dazu auch McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 43. Mit spezifischem Bezug auf Art. 5 siehe ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 11.

II. Das Prinzip in der Form der VN-Wasserlaufkonvention

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eines internationalen Binnengewässers und das darin enthaltene Wasser, sondern auf ein ganzes hydrologisches System bestehend aus einer ganzen Reihe von Komponenten, einschließlich des Flusses und seiner Zuläufe, Seen, Grundwasser, Gletscher, Stauseen und Kanäle.181 Um einen Wasserlauf zu bilden, müssen diese Komponenten in einem physikalischen Zusammenhang stehen.182 Dieses hinter den Erwartungen vieler Beobachter des Kodifikationsprozesses zurückbleibende Ergebnis ist Ausdruck eines Kompromisses.183 Die VN-Konvention will mit dem Wasserlauf-Konzept einerseits der Tatsache Rechnung tragen, dass ein Großteil der Süßwasserressourcen unterirdisch als Grundwasser lagert und dieses in den meisten Fällen mit dem Oberflächenwasser in Verbindung steht. In diesem Ansinnen besteht zwar eine Parallele zum drainage basin-Konzept,184 doch kann es die Unterschiede zwischen beiden Ansätzen nicht aufheben, die darin bestehen, dass einem Wasserlauf im Gegensatz zum hydrographischen Becken weder abgeschlossenes, also nicht mit dem Wasserlauf physikalisch in Verbindung stehendes Grundwasser, noch das Landgebiet seines hydrographischen Einzugsgebiets zugerechnet werden.185 Gegen die Übernahme des Wasserlaufansatzes in die VN-Konvention sprach und spricht weiter, dass dessen Anwendungsdefinition der wachsenden Bedeutung gerade auch abgeschlossenen Grundwassers nicht gerecht wird.186 Dass der Ausschluss abgeschlossener Grundwasser möglicherweise einem in der Entstehung begriffenen allgemeinen Standard nach Einbeziehung des gesamten Ökosystems widerspricht, führt nach Ansicht einiger dazu, dass die Konvention nicht die an sie gestellten Anforderungen erfüllt.187 Andere dagegen verweisen auf die sporadische Staatenpraxis auf dem Gebiet abgeschlossener Grund181 Bereits Art. 1 Abs. 1 VN-Konvention stellt klar, dass sich das Übereinkommen nicht nur auf das Flussbett eines internationalen Wasserlaufes bezieht, sondern auch auf dessen Wasser. Vgl. dazu auch Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 49, 55. 182 Fuentes, The utilization of international groundwater in general international law, 1999, S. 180 ff. 183 Lee, Effiziente Nutzung, 2003, S. 56 f.; Tanzi, RivDI 80 (1997), S. 956, 968. 184 So auch Hunter / Salzman / Zaelke, International environmental law and policy, 2002, S. 795 f.; McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 40 f.; Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 191, 237. 185 Eckstein, AUILR 19 (2003), S. 201, 230 ff.; Lee, Effiziente Nutzung, 2003, S. 57; Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 180, 190; Kibaroglu, Building a regime, 2002, S. 143; Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 188. Ausdrücklich keine Zustimmung fand der Vorschlag Portugals im VI. Ausschuss zur Einbindung von angrenzenden Ökosystemen in den Begriff des Wasserlaufes, vgl. UN Doc. A / 51 / 275, S. 23. 186 So auch Mechlem, YBIEL 14 (2003), S. 47 54 ff.; Paquerot, Le statut, 2002, S. 206 f.; Boisson de Chazournes, The UN convention on international watercourses: prospects for an unfinished agenda for co-management, 1998, S. 1 ff.; Tanzi, LJIL 11 (1998), S. 441, 451; ders. / Arcari (2001), S. 66 ff.; Scanlan, FordhamILJ 19 (1996), S. 2180, 2225 ff. Für die Ausklammerung abgeschlossener Grundwasserressourcen aus dem Anwendungsbereich der VN-Konvention dagegen Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 188 unter Berufung auf die unterschiedliche Bedingungen der Nutzung von Oberflächenwasser und Grundwasser. 187 So etwa Hey, RECIEL 7 (1998), S. 291 ff.

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

wasser188 und sehen in der Übernahme des Wasserlauf-Konzepts durchaus einen Schritt in Richtung integrativer Wasserwirtschaft.189 Im Übrigen stehe nicht jede Auseinandersetzung über die Nutzung internationaler Binnengewässer in direktem Zusammenhang mit deren Schutz, infolgedessen der Ökosystemansatz allgemein als unpassender Anwendungsbereich der in der VN-Konvention vorgelegten Normen angesehen werden kann.190 Nach den schwierigen Auseinandersetzungen in der ILC und der Working Group, bei denen es um die sich widersprechende Interessen von Staaten (insbesondere zwischen Oberanliegern, die dem drainage basinKonzept aus Angst, das Übereinkommen könne dann möglicherweise auf große Teile ihres Territoriums Anwendung finden, eher skeptisch gegenüberstanden,191 und Unteranliegern, die diesem Ansatz in der Regel offener begegneten192), ihr unterschiedliches Niveau auf hydrologischem und anderweitig wissenschaftlichem Gebiet und Zweifeln an einer ausreichenden Staatenpraxis hinsichtlich abgeschlossener Grundwasserressourcen193 und des drainage basin-Ansatzes194 ging, ist das Ergebnis dieser Debatten letztlich auf das Anliegen zurückzuführen, einen möglichst breiten Konsens der Parteien zu erzielen.195

188 Fuentes, The utilization of international groundwater in general international law, 1999, S. 197 f. Vgl. ausführlich zur Statenpraxis hinsichtlich Grundwasser Burchi / Mechlem, Groundwater in international law, FAO Legislative Study No. 86, 2005, S. 1 ff. Grundlegend zum internationalen Grundwasserrecht Teclaff / Utton, International groundwater law, 1981, S. 1 ff. Siehe auch Barberis, International groundwater resources law, FAO Legislative Study No. 40, 1986, S. 1 ff. 189 Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 199 ff. 190 Fuentes, BYIL 69 (1998), S. 119, 175. 191 Vgl. Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 191; McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 36 f.; Beyerlin, Umweltvölkerrecht, 2000, S. 84; Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 186. 192 ILC, Schwebel – Frist Report, Rn. 43 ff. Vgl. auch Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 173; McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 37. 193 Zur Verwendung dieses Arguments in den Verhandlungen Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 173; McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 38; Benevisti, AJIL 90 (1996), S. 384, 398; Hayton, ColoJIL&P 3 (1992), S. 31, 34 ff.; ders. / Utton, Nat. Res. J. 29 (1989), S. 663, 668 ff. Siehe auch ILC, Rosenstock – Second Report, Annex, Rn. 10 ff. 194 ILC, Kearney – First Report, Rn. 12. 195 ILC, Rosenstock – First Report, Rn. 10. Siehe auch Guruswamy, International environmental law, 2003, S. 455; McCaffrey / Rosenstock, RECIEL 5 (1996), S. 89, 93; Idris / Sinjela, AfrYIL 3 (1995), S. 183, 201 f. Die ILC entschloss sich, abgeschlossene Grundwasser zwar aus dem Anwendungsbereich der VN-Konvention auszuklammern, der Generalversammlung aber eine Resolution vorzulegen, in der sie dieser empfahl, soweit sachdienlich die für Wasserläufe normierten Regeln auch auf abgeschlossene Grundwasser anzuwenden (Text der Resolution in: UN Doc. A / 49 / 10 suppl. 10, S. 326).

II. Das Prinzip in der Form der VN-Wasserlaufkonvention

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b) Voraussetzungen der inhaltlichen Bestimmung Trotz seiner Prägnanz ist die inhaltliche Bestimmung des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in der Form des Art. 5 der VN-Konvention nicht unproblematisch und erschließt sich nicht von selbst.196 Um einerseits dem Anspruch einer weltweit verbindlichen Normierung des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe, andererseits aber auch der Vielfalt der internationalen Wasserläufe und deren individueller und spezifischer Charakteristika gerecht zu werden, bedurfte Art. 5 eines Höchstmaßes an Flexibilität; dazu kommt noch die Notwendigkeit für das geschaffene Regime, sich auf praktische und theoretische Entwicklungen einstellen zu können.197 Die dafür erforderliche geographische und zeitliche Anpassungsfähigkeit spiegelt sich in der Verwendung einer ganzen Reihe unbestimmter Rechtsbegriffe wider, deren Bedeutung sich zum Teil erst entwickelt.198 Der materielle Inhalt des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in der Form der VN-Konvention erschließt sich vor allem über die Auslegung der Schlüsselbegriffe des Art. 5199 und die normativen Konkretisierungen des Prinzips insbesondere in Teil III und IV der Konvention. Besondere Bedeutung bei der Auslegung kommt dem Kommentar der von der ILC vorgelegten und der VN-Konvention zugrunde liegenden draft articles zu, deren Formulierung zum größten Teil identisch mit der Konvention von 1997 ist; die Working Group fügte lediglich die beiden Zusätze „and sustainable“ nach optimal und „taking into account the interests of the watercourse States concerned,“ ein. Auch die Präambel der Konvention verweist ausdrücklich auf die Arbeit der ILC (Abs. 11), daneben 196 Zur schwierigen Sprache der Konvention führte Bourne, CanYBIL 35 (1998), S. 215, 228 treffend aus: „A regrettable feature of the ILC’s 1994 Draft Articles and the Watercourse Convention is the looseness of their language. First, many of the crucial words in these documents lack precise meaning. Take, for example, the words ecosystems, environment, optimal, sustainable development, protection of the watercourse, preservation, appropriate measures, and so forth. Words like this can reasonably mean different things to different people. [ . . . ] There is no single definition of any of those principles that was acceptable for all states. Second, apart from the difficulties caused by words with imprecise definitions, the syntax of many of the articles is awkward, leaving their meaning obscure; this is especially true in the case of Article 5 and 7. And third, the intended meaning of some of the important articles can be gleaned only from the commentaries; [ . . . ]“. Vgl. dazu auch Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 218 f. und Nollkaemper, Neth YIL XXVII (1996), S. 39, 54, die einen Mangel an Präzision der Sprache der VN-Konvention und das Fehlen klarer Definitionen beklagen. 197 Vgl. Boisson de Chazournes, Les ressources en eau et le droit international, 2002, S. 41 f. 198 Vgl. World Commission on Dams (Hrsg.), Dams and Development, 2000, S. 253. Siehe auch Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 91 f. Auch diese unbestimmen Rechtsbegriffe tragen dazu bei, dass sich aus dem Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe kaum von vorne herein bestimmbare, exakte Ergebnisse ableiten lassen, vgl. Hey, RECIEL 7 (1998), S. 291, 294. 199 Vgl. Art. 31 ff. WVRK.

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

aber auch auf die „principles and recommendations adopted by the United Nations Conference on Environment and Development of 1992 in the Rio Declaration and Agenda 21“ (Abs. 8), die „existing bilateral and multilateral agreements regarding the non-navigational uses of international watercourses“ (Abs. 9) und „the valuable contribution of international organisations, both governmental and non-governmental, to the codification and progressive development of international law in this field“ (Abs. 10).200 Was den Beitrag der Nicht-Regierungsorganisationen betrifft, hatten die Mütter und Väter der VN-Konvention wohl insbesondere die Kodifikationsarbeiten des IDI und der ILA im Hinterkopf. Angesichts des Mandats der VNGeneralversammlung aus Art. 13 Abs. 1 (a) VNC zur Begünstigung nicht nur der Kodifizierung sondern auch der fortschreitenden Entwicklung des Völkerrechts scheint es angebracht, bei der Auslegung progressiven Arbeiten besondere Aufmerksamkeit zu schenken.201

2. Angemessene und vernünftige Nutzung (equitable and reasonable utilization) Art. 5 Abs. 1 VN-Konvention beinhaltet die grundlegende Formulierung des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung.202 Er bestimmt, dass die Wasserlaufstaaten den Wasserlauf auf ihrem jeweiligen Staatsgebiet in einer angemessenen und vernünftigen Weise203 unter Rücksichtnahme auf die Interessen der betroffenen Wasserlaufstaaten und im Einklang mit einem adäquaten Schutz des Wasserlaufes nutzen und entwickeln sollen, und legt das Ziel der optimalen und nachhaltigen Nutzung fest. Neben einer Pflicht zur angemessenen und vernünftigen Nutzung beinhaltet die Regel auch eine damit korrelierende Berechtigung mit dem Inhalt, dass ein Anrainerstaat auf seinem Hoheitsgebiet über ein Recht auf einen angemessenen und vernünftigen Anteil an der Nutzung und den Vorteilen eines internationalen Wasserlaufs verfügt.204 Jeder Anrainerstaat hat also sowohl ein Recht auf Nutzung eines internationalen Wasserlaufs auf angemessene und vernünftige Weise als auch die Pflicht, dieses Recht auf angemessene Nutzung nicht zu missbrauchen, indem er andere Anrainerstaaten in ihrem Recht auf angemessene Nutzung unangemessen beeinträchtigt.

200 Art. 31 Abs. 2 WVRK verweist hinsichtlich der Auslegung von Verträgen ausdrücklich auf die Bedeutung der Präambel. 201 In diesem Sinne auch Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 93. 202 Allgemein zum Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung in der Form der VN-Konvention vgl. Tanzi, LJIL 11 (1998), S. 441, 455 ff.; Fitzmaurice, FS Weeramantry, 1998, S. 430 ff. Siehe aber auch bereits Fuentes (1997), S. 337 ff. 203 Die im dt. Vertragsgesetz (BGBl. 2006 II S. 742) verwendete amtliche Übersetzung lautet etwas unglücklich „in ausgewogener und angemessener Weise“. 204 ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 2, 13.

II. Das Prinzip in der Form der VN-Wasserlaufkonvention

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a) Nutzung (utilization) Der Begriff der „Nutzung“ ist in der VN-Konvention nicht legaldefiniert.205 Der Begriff „Nutzung“ (engl. utilization) leitet sich aber von „uses“ im Titel der VNKonvention ab und steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem sachlichen Anwendungsbereich der Konvention. Dieser erstreckt sich gem. Art. 1 der Konvention auf alle nicht-navigatorischen Nutzungsformen internationaler Wasserläufe und ihres Wassers. Aber auch navigatorische Nutzungen fallen gem. Art. 1 Abs. 2 insoweit in den Anwendungsbereich der Konvention, als sie andere Nutzungen beeinträchtigen oder von diesen beeinträchtigt werden. Auf die Nutzung lebender Ressourcen, die sich in internationalen Wasserläufen befinden, ist die Konvention nur insoweit anwendbar, als dies in Teil IV der Konvention, der sich mit dem Schutz, der Erhaltung und der Bewirtschaftung internationaler Wasserläufe beschäftigt, vorgeschrieben ist oder andere Nutzungen solche Ressourcen beeinträchtigen. 206 Feststeht, dass der Begriff der „Nutzung“ weit zu verstehen ist.207 Er umfasst zunächst sowohl bestandsrelevante Nutzungen, bei der sich das Wasservolumen ändert, der Ressource also ein bestimmtes Nutzungspotential entzogen wird (Verbrauch), als auch nicht bestandsrelevante Nutzungen, bei denen das Wasservolumen gleich bleibt (Gebrauch).208 Das ergibt sich aus der Zusammenschau aus Art. 1 Abs. 1 und 2, wonach selbst die navigatorische Nutzung als typische nicht bestandsrelevante Nutzung unter Umständen in den Anwendungsbereich der VNKonvention fallen kann. Im Übrigen kann nicht immer eindeutig zwischen Gebrauch und Verbrauch unterschieden werden, da insbesondere manche grundsätzlich nicht verbrauchenden Nutzungen wie z. B. das Kühlen von Kraftwerken mittelbar doch bestandsrelevante Nebenwirkungen haben können. Außerdem ist es möglich, dass der einem Nutzungsgut wie dem Wasser in internationalen Wasserläufen inhärente Nutzungswert gerade in einem bestimmten Zustand dieses Naturgutes, wie etwa in seiner ökologischen Integrität oder in seiner Verwendbarkeit zu einem – nicht notwendig bestandsrelevanten – Zweck begründet ist. Der Verbrauch im Sinne einer „Nutzung“ kann sowohl quantitative Bestandsrelevanz haben als auch in einer qualitativen Einschränkung des Nutzungspoten205 Eine 1974 von einem Unterausschuss der ILC erstellte Liste möglicher nichtschifffahrtlicher Nutzungen (UN Doc. A / CN.4 / 294 and Add. 1, wiedergegeben in Y.B.Int’l L. Comm’n 1976, Bd. II / 1, S. 147) beinhaltete landwirtschaftliche, wirtschaftliche und kommerzielle sowie häusliche und soziale Nutzungen, ist aber weder abschließend noch normativ bindend und diente nur als Arbeitsgrundlage, vgl. dazu auch Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 47 f. Zu den mannigfaltigen Funktionen des Süßwassers vgl. etwa Falkenmark, Water scarcity – Challenges for the future, 1997, S. 26. 206 Statement of understanding bzgl. Art. 1, Abs. (b). Ausführlich zur Stellung der Fischerei unter der VN-Konvention Tanzi, LJIL 11 (1998), S. 441, 452; ders. / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 52 f. 207 ILC, Draft Articles, Art. 1, Rn. 1. 208 Reszat, Gemeinsame Naturgüter, 2004, S. 93; Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 22 f.

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

tials liegen.209 Dies entspricht der gegenseitigen physikalischen Abhängigkeit von Qualität und Quantität. So führt eine Verminderung der Wassermenge etwa zu einer Reduktion der Fähigkeit, Verschmutzungen zu absorbieren; gleichzeitig kann eine Verschmutzung des Wassers andere Nutzungen beeinträchtigen. Hinsichtlich der Einschränkung des Nutzungspotentials macht es nämlich keinen Unterschied, ob etwa ein bestimmtes Gewässer nicht mehr zur Trinkwassergewinnung oder zur Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen genutzt werden kann, weil der Wasserstand als Folge quantitativen Entzugs zu weit abgesunken ist, oder weil das Wasser hierzu aufgrund von Veränderungen seiner physikalischen oder chemischen Beschaffenheit nicht mehr geeignet ist. Art. 5 VN-Konvention umfasst aber nicht nur die eigentliche Nutzung des Wassers internationaler Wasserläufe, sondern auch deren Entwicklung und Schutz.210 Art. 5 Abs. 2 S. 2 VN-Konvention verweist dabei auf die Art. 20 ff. VN-Konvention, die spezielle Anwendungsfälle des Art. 5 darstellen und eingehend den Schutz (protection), die Erhaltung (preservation) und die Bewirtschaftung (management) internationaler Wasserläufe regeln.211 Diese weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Nutzung“ stellt sicher, dass nicht nur die Nutzung im engeren Sinne, sondern neben der Degradierung durch Verschmutzung auch weitere wichtige Rahmenbedingungen wie etwa Aspekte der Flussregulierung, Flutkontrolle, Schutz vor Erosion, Sedimentation und das Eindringen von Salzwasser im Rahmen des Art. 5 VN-Konvention Berücksichtigung finden.212 Art. 5 VN-Konvention bezieht sich nur auf menschliche Nutzungen und Maßnahmen.213 Die Idee, dass neben dem Menschen auch Ökosysteme Nutzer internationaler Wasserläufe und ihres Wassers sein können, hat in der VN-Konvention also keinen Niederschlag gefunden.214 Die natürliche Funktion des Wasserlaufes 209 Damit fallen sowohl der Gebrauch als auch der Verbrauch des Wassers unabhängig davon unter den Begriff der Nutzung, ob sie die Wasserqualität beeinflussen oder nicht, vgl. ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 9. Siehe auch Demeter, Schutz und Nutzung, 2001, S. 157 ff.; Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001; S. 54 ff. Vgl. auch Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 43; Gaja, River pollution in international law, 1975, S. 371; Andrassy, RdC 79 (1951 II), S. 77, 116 f. ILA, Helsinki-Rules, Kommentar zu Art. X erklärt: „Certainly a diversion of water that denies a co-basin State an equitable share is in violation of international law. A use that causes pollution to the extent of depriving a co-basin State of an equitable share stands on the same basis.“ 210 Vgl. Art. 5 Abs. 1 S. 2 bzw. Abs. 2 S. 2 VN-Konvention. 211 Gem. Art. 1 Abs. 1 VN-Konvention fallen ausdrücklich auch Maßnahmen zum Schutz, zur Erhaltung und zum „Management“ im Zusammenhang mit der Nutzung internationaler Wasserläufe und ihres Wassers in den Anwendungsbereich des Übereinkommens. Zum Verhältnis zwischen Schutz und Erhaltung führen die statements of understanding zu Art. 1 aus: „(a) The concept of „preservation“ referred to in this article and the Convention includes also the concept of „conservation“; [ . . . ]“. 212 ILC, Draft Articles, Art. 1, Rn. 3. 213 Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 237. 214 Kritisch dazu Demeter, Schutz und Nutzung, 2001, S. 155 f.

II. Das Prinzip in der Form der VN-Wasserlaufkonvention

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ist nur vom Konzept der Erhaltung und des Schutzes erfasst. Dieser anthropozentrische Ansatz ergibt sich aus der Systematik des Übereinkommens und seiner Entstehungsgeschichte. Allerdings stellt die „passive Nutzung“, also die bloße Integrität der Umwelt und die Erhaltung der Ressourcen internationaler Wasserläufe im Naturzustand eine gewichtige Rechtsposition im Rahmen der Abwägung dar.215 Landnutzungen sind grundsätzlich keine Nutzungen im Sinne des Art. 5 VNKonvention. Dies ergibt sich aus dem Anwendungsbereich des Übereinkommens, das sich für das Wasserlaufkonzept entscheidet (Art. 2 (a) VN-Konvention).216 Eine Ausnahme bilden jedoch solche Landnutzungen, aus denen sich eine Gefahr für die Wasserqualität oder Quantität ergibt und die deshalb in direktem Zusammenhang mit der Wassernutzung stehen.217 Dies folgt aus dem Zusammenspiel von Art. 5 und seinen in den Art. 20 ff. geregelten speziellen Anwendungsfällen, für die der erweiterte Wirkungsbereich des Ökosystems gilt.218 Hintergrund dieser Regelung war der Wille, jede unangemessenen Beeinträchtigungen der Nutzungsrechte der Anrainerstaaten auszuschließen. Wie bereits der Titel der VN-Konvention andeutet, fällt die schifffahrtliche Nutzung internationaler Wasserläufe grundsätzlich nicht in ihren Anwendungsbereich, da sie historisch eine eigenständige Entwicklung genommen hatte.219 Eine Ausnahme besteht jedoch für solche navigatorischen Nutzungen, die mit nichtschifffahrtlichen Nutzungen in einer Wechselbeziehung stehen (Art. 1 Abs. 2). Dementsprechend findet auch Art. 5 der VN-Konvention auf diese Wechselwirkungen Anwendung.220 Diese sind so zahlreich, dass der grundsätzliche Ausschluss schiff215 Vgl. das Ziel der nachhaltigen Nutzung in Art. 5 Abs. 1 S. 2 und die in Art. 6 Abs. 1 (f) VN-Konvention explizit aufgeführten Umstände und Faktoren. 216 Vgl. Lee, Effiziente Nutzung, 2003, S. 57. 217 Demeter, Schutz und Nutzung, 2001, S. 158 f. Vgl. bereits Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 44. 218 Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 238 f. Vgl. auch Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 56 ff., die dafür plädieren, den Ökosystemansatz ganz allgemein als Anwendungsbereich des Art. 5 VN-Konvention anzusehen, und sich dabei neben dem Zusammenhang zwischen Art. 5 und Art. 20 ff. auch auf die Notwendigkeit einer progressiven Auslegung der VN-Konvention berufen. 219 Zur historischen Entwicklung des Stromschifffahrtsrechts siehe Caflisch, RdC 219 (1998 VII), S. 9, 104 ff. Vgl. auch ILC, McCaffrey – Fifth Report, Rn. 122 ff. Siehe auch Verdross / Simma, Universelles Völkerrecht, 1984, § 1035. 220 Die dem Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe zugrunde liegende Theorie der Interessengemeinschaft und die Idee der Gleichheit der Rechte der Anlieger haben ihren Ursprung gerade im Stromschifffahrtsrecht, vgl. PCIJ, Case concerning the Territoral Jurisdiction of the International Commission of the River Oder, Ser. A No 23 (1929), S. 27. Interessanterweise haben hinsichtlich nicht-navigatorischer Nutzungskonflikte in der Regel die Oberanlieger aufgrund ihrer physischen Kontrolle über den Wasserlauf eine stärkere Position inne, während es der Unteranlieger ist, der durch seine Kontrolle über den Zugang zum Meer in navigatorischen Nutzungskonflikten regelmäßig eine Position der Stärke einnimmt.

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

fahrtlicher Nutzungsformen stark eingeschränkt wird.221 Wasserbauliche Maßnahmen zugunsten der Schifffahrt etwa, die sich in der Regel auch auf andere Nutzungen auswirken, unterfallen somit dem Anwendungsbereich der Konvention.222

b) Angemessen (equitable) Weder die VN-Konvention selbst noch der ILC-Kommentar zu den draft articles beinhalten eine Definition des Begriffs „angemessen“. Art. 6 des Übereinkommens gibt aber die wichtigsten Anhaltspunkte zur Bestimmung des Begriffes vor. Er lautet: Article 6 Factors relevant to equitable and reasonable utilization 1. Utilization of an international watercourse in an equitable and reasonable manner within the meaning of article 5 requires taking into account all relevant factors and circumstances, including: (a) Geographic, hydrographic, hydrological, climatic, ecological and other factors of a natural character; (b) The social and economic needs of the watercourse States concerned; (c) The population dependent on the watercourse in each watercourse State; (d) The effects of the use or uses of the watercourses in one watercourse State on other watercourse States; (e) Existing and potential uses of the watercourse; (f) Conservation, protection, development and economy of use of the water resources of the watercourse and the costs of measures taken to that effect; (g) The availability of alternatives, of comparable value, to a particular planned or existing use. 2. In the application of article 5 or paragraph 1 of this article, watercourse States concerned shall, when the need arises, enter into consultations in a spirit of cooperation. 3. The weight to be given to each factor is to be determined by its importance in comparison with that of other relevant factors. In determining what is a reasonable and equitable use, all relevant factors are to be considered together and a conclusion reached on the basis of the whole.

Bereits aus dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 ergibt sich, dass die in ihm enthaltene Liste nicht abschließend ist.223 Es müssen also nicht in jedem Fall alle in der 221 Vgl. ILC, Draft Articles, Art. 1, Rn. 4. Siehe auch Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 49 f.; McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 46 ff.; Nollkaemper, NethYIL 17 (1996), S. 39, 40, Fn. 3. 222 Lee, Effiziente Nutzung, 2003, S. 55. 223 ILC, Draft Articles, Art. 6, Rn. 3. Ausführlich zu einzelnen in Art. 6 aufgeführten Faktoren Fuentes, BYIL 67 (1996), S. 337, 340 ff.

II. Das Prinzip in der Form der VN-Wasserlaufkonvention

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Liste aufgeführten Faktoren maßgeblich sein; gleichzeitig können Faktoren in die Abwägung einzustellen sein, die in der Liste nicht enthalten sind.224 Der Mehrwert der Liste liegt darin, empirisch bereits belegte Größen darzustellen und damit die Rechtssicherheit zu erhöhen, ohne die dynamische Anwendung des Art. 5 zu gefährden.225 Keinesfalls dürfen sachfremde Faktoren in die Abwägung eingestellt werden.226 Problematisch ist weiterhin, dass man nicht nur feststehende Größen miteinander vergleichen muss, sondern auch ideelle Werte und potentielle wirtschaftliche Entwicklungen; dies erschwert die objektive Prüfung der Faktoren, die gleichwohl für die Implementierung der Angemessenheit von zentraler Bedeutung ist.227 Schließlich können die Bedürfnisse der Staaten mit der Zeit variieren, so dass eine Neuverteilung vorzunehmen ist. Im Extremfall zielt das Prinzip der angemessenen Nutzung deshalb auf eine permanente Neuverteilung der Nutzungsrechte: da sich die Größe der Bedürfnisse eines Anliegerstaats ständig ändern kann, wandelt sich potentiell auch das Verhältnis dieser Größe zu den Größen der Bedürfnisse der anderen Staaten.228 Art. 6 Abs. 2 normiert eine Konsultationspflicht zur Ermittlung einer angemessenen und vernünftigen Nutzungsaufteilung in Konfliktfällen, die sich eigentlich bereits aus dem Prinzip der Teilhabe nach Art. 5 Abs. 2 ergibt.229 Ihre zusätzliche Aufnahme in Art. 6 hebt die Bedeutung der Zusammenarbeit der Anrainerstaaten auf dem Weg zur Angemessenheit der Nutzung hervor.230 Zum einen kann der Abwägungsprozess nur dann funktionieren und zu einem angemessenen und vernünftigen Ergebnis führen, wenn die Staaten zusammenarbeiten und bereit sind, eine Einigung über die Abwägung der Faktoren zu erzielen.231 Zum anderen trägt die Konsultationsverpflichtung der zeitlichen Veränderlichkeit der äußeren Nutzungsbedingungen internationaler Wasserläufe Rechnung: veränderte Umstände wie etwa 224 Vorgeschlagen wird etwa, lokale Nutzungsgewohnheiten als eigenen Faktor zu betrachten, vgl. Fuentes, BYIL 67 (1996), S. 337, 373 ff. 225 ILC, Draft Articles, Art. 6, Rn. 9. 226 Als sachfremde Faktoren werden insbesondere die bloße Größe eines Anrainerstaates, sein Anteil am Einzugsgebiet, ein außerhalb des Einzugsgebietes bestehender Bedarf sowie die Tatsache diskutiert, dass ein Wasserlauf eine größere Strecke durch einen Staat fließt als durch einen anderen. Vgl. dazu Fuentes, BYIL 67 (1996), S. 337, 345 f., 398 ff., aber auch bereits Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 39 f. und sogar Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 45. 227 Eingehend zur Schwierigkeit der Objektivierung der Abwägungskriterien van der Zaag / Seyam / Savenije, Water Policy 4 (2002), S. 19 ff. 228 Zur Parallele zwischen der Angemessenheit im Sinne der VN-Konvention und der Angemessenheit im Sinne der VN-Seerechtskonvention in dieser Frage siehe Fuentes, BYIL 67 (1996), S. 337, 339, 341 ff., 372, 389 ff. An einer Vergleichbarkeit der beiden Regime in diesem Punkt zweifelnd Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 97 ff. 229 ILC, Draft Articles, Art. 6, Rn. 5. 230 Lee, Effiziente Nutzung, 2003, S. 66; Tanzi, NRF 21 (1997), S. 109, 114. 231 McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 306; Demeter, Schutz und Nutzung, 2001, S. 230.

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

eine Reduktion der Wassermenge oder eines Wandels im Bedarf der Anrainerstaaten im privaten, landwirtschaftlichen oder industriellen Sektor machen eine Abstimmung zwischen den Anrainern notwendig, um eventuell Anpassungen vorzunehmen. Zwar müssen diese Voraussetzungen objektiv vorliegen, um die Konsultationspflicht auszulösen, die Beschreibung der Konsultation in Art. 6 Abs. 2 als Pflicht „to enter into consultation in a spirit of cooperation“ weist aber darauf hin, dass die Anfrage eines Anrainerstaates um Konsultationen von den übrigen Anrainern nicht ignoriert werden darf.232 Art. 6 Abs. 3 S. 1 legt als Methode der Nutzungsallokation eine umfassende Abwägung aller im Einzelfall relevanten Umstände und Faktoren fest.233 Dabei geht es sowohl um die Entscheidung, wie konkurrierende Nutzungen durch Modifikation und gegenseitige Anpassung miteinander kompatibel gemacht werden können, als auch um die Feststellung, welche Nutzung im Falle der Inkompatibilität vorrangig ist. Art. 6 Abs. 3 S. 2 stellt daneben klar, dass die sich daraus ergebende Nutzungsallokation auch ihrem Ergebnis nach angemessen und vernünftig zu sein hat.234 Insbesondere muss das Ergebnis des Abwägungsvorganges die Interessen aller Nutzungsberechtigten unter Einbeziehung der ökologischen Erfordernisse des Wasserlaufes hinreichend berücksichtigen. Ob ein bestimmter Abwägungsvorgang oder ein bestimmtes Abwägungsergebnis den Vorgaben der Art. 5 und 6 der VN-Konvention entspricht, kann ausschließlich im Lichte des konkreten Einzelfalles entschieden werden.235 Die VN-Konvention bleibt dieser aus der Abstraktion des Prinzips der angemessenen Nutzung folgenden Unbestimmtheit verpflichtet, um den entscheidenden Vorzug des Prinzips, seine Flexibilität, nicht zu gefährden.236

aa) Ausgangspunkt: Das Prinzip der Gleichheit Ausgangspunkt der Angemessenheit ist die Vorstellung, dass die Rechte der Anrainerstaaten, die unterschiedlichen existenten und möglichen Nutzungsformen und die Abwägungsfaktoren abstrakt gesehen gleichwertig sind.

ILC, Draft Articles, Art. 6, Rn. 5. Der Kommentar der ILC zu den Draft Articles enthält keine Kommentierung zu Art. 6 Abs. 3 VN-Konvention. Die Vorschrift entspricht aber exakt Art. V Abs. III der HelsinkiRules, wobei lediglich das Wort „share“ durch „use“ ersetzt wurde. 234 Siehe Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 97 ff. unter Bezugnahme auf die völkerrechtlichen Regeln zur Abgrenzung von Seegebieten. Vgl. auch Reszat, Gemeinsame Naturgüter, 2004, S. 353 f. 235 Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 96 f. 236 Fitzmaurice, FS Weeramantry, 1998, S. 430. 232 233

II. Das Prinzip in der Form der VN-Wasserlaufkonvention

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(1) Abstrakte Gleichheit der Anrainerstaaten Das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten gewährleistet, dass jedem Staat, dessen Territorium von einem internationalen Wasserlauf durchflossen oder begrenzt wird, abstrakt die gleichen Rechte und Pflichten bei der Nutzung dieses internationalen Wasserlaufs zukommt wie allen anderen Anrainerstaaten.237 Dies bedeutet insbesondere, dass allen Anrainerstaaten grundsätzlich das gleiche Recht auf die Nutzung eines internationalen Wasserlaufes unter Beachtung der jeweiligen Umstände und Erfordernisse zukommt. Die abstrakte Gleichheit der Anrainerstaaten wird zwar in Art. 5 VN-Konvention nicht explizit normiert, findet aber in Art. 8 Abs. 1 Erwähnung.238 Im Übrigen ergibt sie sich nicht nur aus der staatlichen Souveränität allgemein,239 sondern auch aus der Logik des Prinzips der angemessenen Nutzung und der Theorie der Interessengemeinschaft. 240 Das Prinzip der Gleichheit der Rechte ist auch im Rahmen der VN-Konvention nicht als synonym mit der Vorstellung zu verstehen, dass alle Anrainerstaaten zu genau gleichen Teilen zur Nutzung eines internationalen Wasserlaufes berechtigt wären oder sogar, dass das Wasser in identischen Portionen unter ihnen aufgeteilt werden müsste.241 Die abstrakte Gleichheit der Rechte führt lediglich dazu, dass alle Anrainerstaaten eines internationalen Wasserlaufes hinsichtlich ihres Rechtes, das Wasser zu nutzen, auf einer Stufe stehen. Der konkrete Nutzungsanteil jedes einzelnen Anrainerstaates muss aber anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles durch Abwägung aller die Nutzung bestimmenden Faktoren bestimmt werden; diese Formel soll einen Kompromiss ermöglichen, der den Anliegerstaaten erlaubt, ihren Bedarf weit möglichst zu decken und sich dabei gegenseitig so wenig 237 Vgl. ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 8. Ausführlich zur abstrakten Gleichheit der Anrainerstaaten nach der VN-Konvention, McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 329 ff. 238 Art. 8 Abs. 1 VN-Konvention beginnt mit den Worten: „Watercourse States shall cooperate on the basis of sovereign equality [ . . . ]. 239 Vgl. Art. 2 Nr. 1 VN-Charta. 240 Vgl. ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 9: „In many cases, the quality and quantity of waters in international watercourses will be sufficient to satisfy the needs of all watercourse States. But where the quantity or quality of the water is such that all the reasonable and beneficial uses of all watercourse States cannot be fully realized, a ,conflict of uses‘ results. In such a case, international practice recognizes that some adjustments or accommodations are required in order to preserve each watercourse State’s equality of right.“ Siehe auch die die Entscheidung im Oderkommissionsfall (PCIJ, Case concerning the Territoral Jurisdiction of the International Commission of the River Oder, Ser. A No 23 (1929), S. 1) zitierenden Ausführungen des IGH in der Gabcíkovo-Nagymaros-Entscheidung, Reports 1997, S. 7 ff., Rn. 85: „[the] community of interest in a navigable river becomes the basis of a common legal right, the essential features of which are the perfect equality of all riparian States in the use of the whole course of the river and the exclusion of any preferential privilege of any one riparian State in relation to the others.“ Vgl. auch Reszat, Gemeinsame Naturgüter, 2004, S. 315; Beyerlin, Umweltvölkerrecht, 2000, S. 85. 241 ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 8. Siehe auch Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 302; Caflisch, RdC 219 (1998 VII), S. 9, 149.

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

wie möglich zu beeinträchtigen. Angesichts der unterschiedlichen Bedürfnisse der Staaten fallen die einzelnen Anteile der Staaten an der Wassernutzung im Regelfall verschieden groß aus.242 (2) Abstrakte Gleichheit der Nutzungsarten Die VN-Konvention normiert neben der abstrakten Gleichheit der Staaten im Grundsatz auch eine abstrakte Gleichheit der Nutzungsarten. (a) Normative Grundlagen Art. 10 VN-Konvention lautet entsprechend: Article 10 Relationship between different kinds of uses 1. In the absence of agreement or custom to the contrary, no use of an international watercourse enjoys inherent priority over other uses. 2. In the event of a conflict between uses of an international watercourse, it shall be resolved with reference to article 5 to 7, with special regards being given to the requirements of vital human needs.

In den statements of understanding wird bzgl. Art. 10 weiter ausgeführt: „In determining ,vital human needs‘, special attention is to be paid to providing sufficient water to sustain human life, including both drinking water and water required for production of food in order to prevent starvation.“

Die VN-Konvention entscheidet sich in Art. 10 Abs. 1 grundsätzlich für die abstrakte Gleichheit aller Nutzungsarten; Abweichungen davon sind nur aufgrund spezieller Übereinkommen oder einer bestimmten regionalen Tradition oder Praxis möglich.243 Das heißt zwar nicht, dass die Abwägung nicht zu dem Ergebnis kommen kann, dass bestimmte Nutzungen bestimmter Anrainerstaaten eines bestimmten internationalen Wasserlaufes anderen vorgehen; gerade das Herausarbeiten des Vorrangs bestimmter Nutzungsarten ist im Gegenteil gerade typisch für das Prinzip der angemessenen Nutzung. Von vorne herein bestehen aber grundsätzlich keine Präferenzen, auch wenn Art. 10 Abs. 2 der Befriedigung menschlicher Grund242 Darin unterscheidet sich das Prinzip der abstrakten Gleichheit der Rechte vom Prinzip der hälftigen Teilung, nach dem die Nutzungsanteile der Staaten genau gleich sind. 243 ILC, Draft Articles, Art. 10, Rn. 2. Vgl. auch Paquerot, Le statut, 2002, S. 210; Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 201; ESCWA (Hrsg.), Assessment, 2002; S. 38; McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 49; ders. / Sinjela, AJIL 92 (1998), S. 97, 103; Durner, Common goods, 2001, S. 86; Tanzi, LJIL 11 (1998), S. 441, 446 f.; Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 755; Arcari NRF 21 (1997), S. 169, 173. Zu Beispielen regionaler Besonderheiten vgl. etwa Rothenberger, Angemessene Nutzung, 2003, S. 17, Caflisch, RdC 219 (1998 VII), S. 9, 157 und auch bereits Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 45 f.

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bedürfnisse eine gewisse Sonderrolle zuweist. Bedeutsam ist insbesondere der Zusammenhang zwischen der abstrakten Gleichrangigkeit aller Nutzungsarten und dem Ziel einer optimalen und nachhaltigen Gesamtnutzung der Wasserressourcen, das zu erreichen durch starre Prioritäten bestimmter Nutzungsarten im Zweifel erschwert wird.244 (b) Einzelfragen (aa) Schifffahrtliche Nutzungen Art. 10 VN-Konvention war ursprünglich als spezifische Klarstellung konzipiert, dass keine Priorität der schifffahrtlichen Nutzung gegenüber nicht-navigatorischen Nutzungen bestehen sollte.245 Auch wenn sein jetziger Wortlaut allgemein gehalten ist und die Schifffahrt nicht mehr ausdrücklich erwähnt, bleibt es doch ein zentrales Anliegen der Norm, jeglichen abstrakten Vorrang navigatorischer Nutzungen auszuschließen, die gem. Art. 1 Abs. 2 VN-Konvention in deren Anwendungsbereich fallen, soweit sie andere Nutzungen beeinträchtigen oder von diesen beeinträchtigt werden.246 Damit wird die Schifffahrt, die bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts als die dominierende Nutzungsart insbesondere auf den Flüssen Europas auch rechtlich eine privilegierte Stellung einnahm, mit den nicht-navigatorischen Nutzungen auf eine Stufe gestellt.247 Aufgrund der frühen Bedeutung der Binnennavigation wurden Fragen der Rechte und Pflichten der Anrainerstaaten in der Regel zuerst in Zusammenhang mit der Schifffahrt virulent, während hinsichtlich der noch wenig entwickelten nichtschifffahrtlichen Nutzung nur selten Nutzungskonflikte auftraten. Als Folge der verbesserten Infrastruktur, der technischen Entwicklung und der wachsenden Nachfrage nach Energieressourcen im Zuge der Industrialisierung sowie der weltweiten Bevölkerungsexplosion begannen jedoch andere Nutzungsarten der Schifffahrt in ihrer wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung Konkurrenz zu machen. Da die gegebenen Wasserressourcen sowohl für navigatorische als auch nicht-navigatorische Nutzungen immer weniger ausreichten, traten schifffahrtsspezifische Fragen mehr und mehr hinter Verteilungs- und Erhaltungsfragen zurück.248 Heute konkurriert eine Vielzahl von Nutzungsarten um die Ressour244 Vgl. dazu bereits Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 162. Zum Ziel der optimalen und nachhaltigen Nutzung siehe infra Zweiter Teil, II. 2. b) bb). 245 McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998, S. 22. 246 Vgl. die eingehenden Ausführungen zur abstrakten Gleichrangigkeit der Schifffahrt in ILC, Draft Articles, Art. 10, Rn. 2 und 5. Siehe auch McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 46 ff.; Tanzi, LJIL 11 (1998), S. 441, 446. 247 Zur historischen Privilegierung der schifffahrtlichen Nutzung siehe ESCWA (Hrsg.), Assessment, 2002, S. 26; McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 46 ff.; Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 755 ff.; Ruiz-Fabri, AFDI 36 (1990), S. 818, 831; Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 48; Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 60; Smith, The economic uses of international rivers, 1931, S. 136 ff.

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cen internationaler Wasserläufe, unabhängig davon, ob sie schifffahrtlicher oder nichtschifffahrtlicher Natur sind. (bb) Ältere, bereits existierende und potentielle Nutzungen Art. 10 Abs. 1 entscheidet auch die lang diskutierte Frage, ob bestimmten Nutzungen eine privilegierte Stellung gegenüber anderen Nutzungen zukommt, weil sie entweder zeitlich bereits vor einer anderen mit ihr konkurrierenden Nutzungsart bestanden oder weil sie im Gegensatz zur konkurrierenden Nutzung schon existieren. Diesen älteren Nutzungen kommt nach der VN-Konvention genau wie potentiellen Nutzungen kein inhärenter Vorrang zu. Eine Berücksichtigung ist lediglich im Rahmen der Faktorabwägung möglich.249 Ein Primat älterer über neuere Nutzungen widerspräche nicht nur dem Wortlaut des Art. 10 Abs. 1, sondern mangels ausreichender Flexibilität in der Regel auch dem Ziel einer optimalen und an den tatsächlichen Vorteilen orientierten Wassernutzung, die sich als Folge der sich wandelnden Umstände ständig ändern können muss.250 Ein automatischer Vorrang für bereits existierende Nutzungsarten ist im Rahmen von Art. 5 VN-Konvention also wohl schon mit Blick auf das Ziel einer optimalen Nutzung ausgeschlossen.251 Insbesondere zum Schutz bereits getätigter Investitionen sieht die VN-Konvention aber zusätzlich zum Erfordernis der Einstellung der Existenz bestimmter Nutzungen in die Abwägung (Art. 6 Abs. 1 (e) Alt. 1) in den Art. 11 ff. ein Notifikationsverfahren für geplante neue Nutzungen vor.252 Auch ein a priori Vorrang potentieller Nutzungen widerspräche dem Ziel einer optimalen und nachhaltigen Nutzung, die es verbietet, dass die bestehenden Wasserressourcen wegen möglicher zukünftiger Nutzungsmöglichkeiten ungenutzt bleiben, dadurch wertvolle Wasserressourcen verschwendet und möglicherweise bestehende Bedürfnisse nicht befriedigt werden, zumal nicht ausgeschlossen ist, dass die potentielle Nutzung überhaupt nie realisiert wird.253 Vielmehr erfolgt eine Einstellung potentieller Nutzungen in die Gesamtabwägung (Art. 6 Abs. 1 (e) Alt. 2). 248 Vgl. zur historischen Entwicklung des relativen Niedergangs der navigatorischen Nutzung Caflisch, RdC 219 (1998 VII), S. 9, 104 ff. Zur damit einhergehenden strukturellen Veränderung der vertraglichen Regelung der Wassernutzung siehe Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 105 ff.; Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 35 f. 249 Vgl. Art. 6 Abs. 1 (b) und (e) VN-Konvention. Siehe auch Wouters, GYIL 42 (1999), S. 293, 321; Fuentes, BYIL 67 (1996), S. 337, 356 ff. 250 Vgl. bereits McCaffrey, DenverJIL&P 17 (1989), S. 505, 509; Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 50 ff. 251 Vgl. auch Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 156 ff. Kritisch Benevisti, AJIL 90 (1996), S. 384, 409. Siehe auch ILC, Draft Articles, Art. 6, Rn. 4. 252 Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 159. Siehe auch bereits Hafner, Austrian J. Publ. Intl. Law 45 (1993), S. 113, 139. 253 Siehe Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 161. Vgl auch bereits Caflisch, RdC 219 (1998 VII), S. 9, 160; Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 55; Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 65. Siehe auch Art. VII der Helsinki-Rules.

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(cc) In Verträgen bereits behandelte Nutzungsarten Von der abstrakten Gleichrangigkeit der Nutzungen kann zwar gem. Art. 10 Abs. 1 Alt. 1 durch Vertrag abgewichen werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass bestimmte Nutzungsarten allein deshalb Priorität genießen, weil sie Gegenstand eines Vertrages sind, ohne dort zu privilegierten Nutzungsarten erklärt worden zu sein. Dieses Ergebnis widerspräche nicht nur Art. 10 Abs. 1, sondern brächte auch die Gefahr einer Modifikation des Völkergewohnheitsrechts durch völkerrechtliche Verträge mit sich, die von den Vertragsparteien gar nicht gewollt wurde und die in letzter Konsequenz sogar noch nach einem eventuellen Ablauf der vertraglichen Verpflichtung weiter bestehen könnte. (dd) Grundlegende menschliche Bedürfnisse Gem. Art. 10 Abs. 2 VN-Konvention ist beim Auftreten von Wassernutzungskonflikten eine Lösung nach den Prinzipien der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe und der no harm-rule vorgesehen, wobei den menschlichen Grundbedürfnissen besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist. Bereits aus dem Wortlaut des Art. 10 Abs. 2 wird somit klar, dass es sich dabei um keine Durchbrechung des Grundsatzes der abstrakten Gleichwertigkeit aller Umstände, sondern lediglich um eine besondere Ausprägung des Faktors der sozioökonomischen Bedürfnisse der Bevölkerung gem. Art. 6 Abs. 1 (b) handelt, der als ein Faktor unter mehreren gleichwertigen den Abwägungsprozess im Rahmen des Art. 5 der Konvention bestimmt.254 Die Berücksichtigung der menschlichen Grundbedürfnisse tritt damit neben anderen, auch etwa industriellen und verschmutzenden Nutzungen in den Abwägungsprozess ein. Diese Lösung war das Ergebnis langer Debatten in der ILC und der Working Group.255 Einige Staatenvertreter fürchteten, dass das Konzept der „vital human needs“ zu einem Schlupfloch werden könnte, indem durch Berufung darauf alle möglichen Nutzungen selbst dann gerechtfertigt werden könnten, wenn die Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse tatsächlich überhaupt nicht in Frage steht.256 Für die gefundene Regelung spricht letztlich insbesondere, dass jede me254 ILC, Draft Articles, Art. 10, Rn. 4. Dem zustimmend auch Boisson de Chazournes, Les ressources en eau et le droit international, 2002, S. 37; Kibaroglu, Building a regime, 2002, S. 153; Kiss / Shelton, International evironmental law, 2000, S. 401; Wouters, GYIL 42 (1999), S. 293, 321, 330 f.; Fuentes, BYIL 69 (1998), S. 119, 171 ff.; Tanzi, LJIL 11 (1998), S. 441, 457 f.; ders. / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 140; Arcari NRF 21 (1997), S. 169, 173. Kritisch zu dieser Regelung der VN-Konvention Hey, FS Bouchez, 2000, S. 86; dies., RECIEL 7 (1998), S. 291, 294; dies., Sustainable use, 1995, S. 131 ff.; Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 305; Benevisti, AJIL 90 (1996), S. 384, 407 ff.; Nollkaemper, Neth YIL XXVII (1996), S. 39, 45, 61 f. 255 Vgl. zur Entstehungsgeschichte der Norm Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 201 f.; Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 138 ff. 256 Vgl. McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998, S. 23.

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chanische Präferenz gleich welcher Nutzungsart ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles dem in Art. 5 Abs. 1 S. 2 normierten Ziel einer optimalen Nutzung potentiell zuwiderläuft. Außerdem profitieren gerade die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse nach Wasser von der abstrakten Gleichheit aller Nutzungsarten, denn um sie nachhaltig zu befriedigen, müssen fortschrittliche Maßnahmen zum Schutz des Wassers und der Umwelt ergriffen werden, die häufig unmöglich sind, wenn bestimmten Nutzungen a priori eine Priorität zukommt.257 Nicht zuletzt an der Formulierung des Art. 10 Abs. 2 wird auch klar, dass die VN-Konvention „Wasserrechte“ nicht als Menschenrechte behandelt.258 Das Übereinkommen enthält weder in seinen Artikeln noch in seiner Präambel einen direkten Bezug auf ein Menschenrecht auf Wasser. Art. 10 Abs. 2 macht davon mit seinem eher vagen Aufruf zur besonderen Berücksichtigung menschlicher Grundbedürfnisse keine Ausnahme. Die Kodifikation eines solchen Menschenrechts war auch eindeutig nicht das Ziel der ILC; sie behandelte vielmehr die Beziehungen der Anrainerstaaten untereinander und nicht das Verhältnis zwischen Staaten und den Individuen, die auf ihrem Hoheitsgebiet leben.259 (3) Abstrakte Gleichheit der Abwägungsfaktoren Schließlich folgt aus dem Grundsatz der Gleichheit auch die abstrakte Gleichheit der Abwägungsfaktoren (Art. 6 Abs. 3). Ob eine Nutzung angemessen ist, wird durch Abwägung aller für diese Entscheidung relevanten Faktoren bestimmt. Dabei ist kein Faktor ipso facto für die Festlegung der Rechte der Anrainerstaaten ausschlaggebend.260 Der Kommentar der ILC zu Art. 6 der draft articles führt dazu aus: „No priority or weight is assigned to the factors and circumstances listed, since some of them may be more important in certain cases while others may deserve to be accorded greater weight in other cases.“261

Relevanz und Gewicht der Faktoren hängen also immer von den Umständen des Einzelfalles und dem Vergleich mit allen anderen Faktoren ab. Deshalb bedeutet die abstrakte Gleichheit der Faktoren nicht, dass bei der Bewertung eines spezifischen Falles gewisse Faktoren nicht stärker gewichtet werden als andere und manche Faktoren nicht vielleicht überhaupt keine Rolle spielen. Im Gegenteil, die unterschiedliche Gewichtung der Faktoren ist ein Hauptbestandteil der Abwägung ILC, Draft Articles, Art. 10, Rn. 5. Vgl. Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 201, 271 ff. 259 Hey, Sustainable use, 1995, S. 131. Vgl. aber Art. 32 VN-Konvention. Zur Frage, ob gerade diese Vorschrift ausnahmsweise doch Individuen unmittelbar Rechte verleiht siehe Reszat, Gemeinsame Naturgüter, 2004, S. 229 f.; Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 170 ff. 260 Tanzi, NRF 21 (1997), S. 109, 114; Fuentes, BYIL 67 (1996), S. 337, 351 ff. 261 ILC, Draft Articles, Art. 6, Rn. 3. 257 258

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im konkreten Einzelfall. Für die Bewertung der einzelnen Faktoren gibt es aber keine von vorneherein gültige Patentformel.262 Insbesondere genießt auch der Schutz der Wasserressourcen kein besonderes Gewicht im Rahmen der Faktorenabwägung.263 Art. 6 Abs. 1 (f) normiert ihn lediglich als einen unter vielen in die Abwägung einzustellenden Umstand. Zwar schreibt Art. 5 Abs. 1 S. 2 a. E. vor, dass eine angemessene und vernünftige Nutzung im Einklang mit einem adäquaten Schutz des Wasserlaufs zu stehen hat; aus dieser Verpflichtung folgt jedoch nicht, dass der Schutz der Wasserressourcen gegenüber anderen Faktoren wie etwa sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnissen (Art. 6 Abs. 1 (b)) automatisch bevorzugt wird. Dieses Ergebnis ergibt sich auch aus dem Zusammenspiel mit Art. 20 und Art. 21 Abs. 2 der VN-Konvention, auf die Art. 5 Abs. 2 S. 2 a. E. verweist. Art. 20 enthält die Verpflichtung der Anrainerstaaten, die Ökosysteme internationaler Wasserläufe zu schützen und zu bewahren. Art. 20 ist aber keine absolute Schutznorm,264 vielmehr ist die Nutzung der Ökosysteme grundsätzlich erlaubt. Deren Schutz ist also nicht absolut, sondern nur in angemessener Weise zu berücksichtigen. Dies ergibt sich zum einen aus der Tatsache, dass Art. 20 lediglich ein spezieller Anwendungsfall des Art 5 ist.265 Zum anderen ist die Formulierung des Art. 20 zu allgemein gehalten, als dass sich daraus eine Herauslösung des Schutzgedankens aus der allgemeinen Faktorenabwägung schließen lassen könnte.266 Auch Art. 21 Abs. 2 gewährt keinen absoluten Schutz der Wasserressourcen, sondern normiert als spezifischer Anwendungsfall von Art. 5 lediglich einen due diligence-Standard.267 Schließlich gilt die abstrakte Gleichheit der Abwägungsfaktoren auch für „grundlegende menschliche Bedürfnisse“, bei denen es sich um eine besondere Ausprägung des Faktors der sozioökonomischen Bedürfnisse der Bevölkerung gem. Art. 6 Abs. 1 (b) handelt.268 Dass die menschliche Grundbedarfdeckung gem. 262 Vgl. auch schon Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 39 und Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 64. 263 Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 240 ff. A.A. Elmusa, Harmonizing equitable utilization and significant harm: comments on the 1997 ILC Convention, 1998, S. 1 ff. Kritisch auch bereits Nollkaemper, Neth YIL XXVII (1996), S. 39, 62 ff. 264 McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998, S. 24; siehe auch infra Zweiter Teil, II. 2. b) bb). 265 Vgl. Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 241; Nollkaemper, NethYIL 17 (1996), S. 39, 64. 266 Zur Unbestimmtheit von Art. 20 VN-Konvention siehe Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 243; Nollkaemper, Neth YIL XXVII (1996), S. 39, 64 f. 267 Vgl. die Statements of understanding zu Art. 21, 22 und 23. Vgl. auch McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 385. Siehe dazu auch infra Zweiter Teil, II. 2. b) bb). 268 ILC, Draft Articles, Art. 10, Rn. 4. Grundlegende menschliche Bedürfnisse sind also weder eine privilegierte Nutzungsart noch ein bevorzugter Abwägungsfaktor. Vgl. auch Kiss / Shelton, International environmental law, 2000, S. 401; Fuentes, BYIL 67 (1996), S. 337, 352 f.

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

Art. 10 Abs. 2 besondere Aufmerksamkeit verdient, heißt nicht, dass ihr im Rahmen der Faktorabwägung automatisch mehr Gewicht zukommt.269 Auch die Vorstellung einer im konkreten Fall widerlegbaren Prioritätsvermutung zugunsten der „vital human needs“ ist mit dem klaren Wortlaut des Art. 6 Abs. 3 unvereinbar.270 „Grundlegende menschliche Bedürfnisse“ sind vielmehr als ein abstrakt gleichwertiger Faktor unter mehreren in den Abwägungsprozess im Rahmen des Art. 5 der Konvention einzustellen. Aus dem Verweis in Art. 10 Abs. 2 auf Art. 6 ergibt sich aber, dass sie zu denjenigen Faktoren gehören, die in jedem Fall bei einem Nutzungskonflikt in die Abwägung einzubeziehen sind.271 Außerdem ist zu beachten, dass eine Nutzung, die erheblichen Schaden an menschlicher Gesundheit und Sicherheit („human health and safety“) hervorruft, als inhärent unangemessen und unvernünftig gilt.272 Im Übrigen normiert Art. 21 Abs. 2 das Gebot, die Verschmutzung eines internationalen Wasserlaufes und seiner Umwelt einschließlich der Schädigung der menschlichen Gesundheit und Sicherheit zu verhindern, zu reduzieren und zu kontrollieren. Die Bedeutung der humanitären Dimension der VN-Konvention wird auch in Art. 29 deutlich, der auf die einschlägigen völkerrechtlichen Normen für den Fall bewaffneter Konflikte verweist, die auch für internationale Wasserläufe von Bedeutung sind. Schließlich steht der Faktor der menschlichen Grundbedürfnisse auch in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Ziel einer optimalen und nachhaltigen Nutzung, wie es in Art. 5 Abs. 1 S. 2 normiert ist. Die in Art. 10 Abs. 2 VN-Konvention normierte „besondere Aufmerksamkeit“ garantiert also kein bestimmtes Ergebnis, das den Schutz der grundlegenden menschlichen Bedürfnisse in jedem Fall sicherstellt.273 Anderseits bedingt diese Hervorhebung aber die Rechtswidrigkeit solcher Nutzungsallokationen, welche die Grundversorgung der menschlichen Bevölkerung völlig außer Acht lassen bzw. zu unnötiger Nahrungs- und Wasserknappheit führen.

bb) Ziele Gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 der VN-Konvention hat die Nutzung internationaler Wasserläufe insbesondere im Hinblick auf die Erreichung einer optimalen und Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 305. So aber Arcari / Tanzi (2001), S. 141 f. Danach trägt ein Staat, dessen Nutzungstätigkeiten in Konflikt mit solchen Nutzungen eines anderen Anrainers stehen, welche der Grundbedarfdeckung der eigenen Bevölkerung dienen, die Beweislast dafür, dass der andere Anrainerstaat diese Grundbedürfnisse aus alternativen Quellen decken kann, dass also insoweit eine besondere Abhängigkeit von der Nutzung zu Versorgungszwecken nicht besteht. Vgl. auch Reszat, Gemeinsame Naturgüter, 2004, S. 340. 271 ILC, Draft Articles, Art. 10, Rn. 4. 272 ILC, Draft Articles, Art. 7, Rn. 14. Zum Verhältnis zwischen den Formulierungen „human health and safety“ und „vital human needs“ vgl. Nollkaemper, Neth YIL XXVII (1996), S. 39, 61 f. 273 Hey, RECIEL 7 (1998), S. 291, 294. 269 270

II. Das Prinzip in der Form der VN-Wasserlaufkonvention

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nachhaltigen Nutzung zu erfolgen. Die Formulierung „mit dem Ziel“274 („with a view to“) macht deutlich, dass sowohl der optimalen als auch der nachhaltigen Nutzung die Funktion einer Zielbestimmung zukommt.275 Es handelt sich bei beiden also weder lediglich um einen unter mehreren in den Abwägungsvorgang einzubeziehenden Faktor noch um eine absolute rechtliche Pflicht: sie soll zwar verbindlich angestrebt werden, muss aber nicht in jedem Fall verwirklicht werden.276 Vielmehr geht es beim Ziel der optimalen und nachhaltigen Nutzung um eine Begrenzung des Ermessens der Anrainer internationaler Wasserläufe in Bezug auf die von ihnen unilateral oder gegebenenfalls auch gemeinschaftlich vorgenommene Nutzungsallokation. Demnach muss sich jede Aufteilung der Nutzungen an den Grundsätzen der optimalen und nachhaltigen Nutzung messen lassen. Stellt sich heraus, dass sich die Nutzung, wie sie von den Anrainern vorgenommen wird, nicht an diesem Ziel orientiert, so sind diese selbst dann nicht völkerrechtsgemäß, wenn im Übrigen alle relevanten Nutzungsinteressen aller betroffenen Staaten in die Nutzungsallokation eingeflossen sind und die Aufteilung von ihnen einvernehmlich vorgenommen wurde.277 (1) Optimale Nutzung Zunächst nennt Art. 5 Abs. 1 S. 2 das Ziel der optimalen Nutzung.278 Dies beinhaltet in den Worten der ILC: „attaining maximum possible benefits for all watercourse States and achieving the greatest possible satisfaction of all their needs, while minimizing the detriment to, or unmet needs of, each.“279

Die Prinzipien der angemessenen Nutzung und der optimalen Nutzung sind nicht identisch, stehen aber auch nicht im Widerspruch zueinander; vielmehr ergänzen sich beide Ansätze.280 Während zunächst im Rahmen der Angemessenheit Amtliche dt. Übersetzung im Vertragsgesetz (BGBl. 2006 II S. 742). Vgl. ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 3: „The expression ,with a view‘ indicates that the attainment of optimal utilization and benefits is the objective to be sought by watercourse States in utilizing an international watercourse.“ Siehe auch Rothenberger, Angemessene Nutzung, 2003, S. 51 f.; Durner, Common goods, 2001, S. 86; Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 103 ff. 276 Rieu-Clarke, Water International 25 (2000), S. 572, 574. A.A. Durner, Common goods, 2001, S. 86, der die Grenze der Nachhaltigkeit als außersten Rahmen des Abwägungsergebnisses begreift. Kritisch zum Ganzen Hey, RECIEL 7 (1998), S. 291 ff.; dies., Sustainable use, 1995, S. 141. 277 Reszat, Gemeinsame Naturgüter, 2004, S. 361 f.; Rothenberger, Angemessene Nutzung, 2003, S. 27; Tanzi, LJIL 11 (1998), S. 441, 456. 278 Vgl. ausführlich zum Konzept der optimalen Nutzung Lee, Effiziente Nutzung, 2003, S. 81 ff.; Hafner, Austrian J. Publ. Intl. Law 45 (1993), S. 113, 113 ff. Siehe auch Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 179; Arcari NRF 21 (1997), S. 169, 173; Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 32 ff. 279 ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 3. 274 275

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die Abwägung der unterschiedlichen Interessen und Nutzungsfaktoren im Vordergrund steht, orientiert sich das Prinzip der optimalen Nutzung am Kriterium der Effizienz.281 Darüber hinaus impliziert die Idee des größtmöglichen Nutzens für alle Anlieger eines internationalen Wasserlaufes eine Verschiebung von einer ausschließlich individualistischen Betrachtungsweise hin zu einer gemeinschaftsorientierten Auslegung des Inhalts der angemessenen und vernünftigen Nutzungsaufteilung, die sich neben den Individualinteressen der Anrainer auch vom Gesamtnutzen für die gesamte „Wasserlaufgemeinschaft“ leiten lassen muss.282 Es geht also um die optimale Gesamtnutzung des gesamten betroffenen Wasserlaufes, die im Einzelfall erheblich vom bloßen Aggregat der maximalen Gewinne jedes einzelnen Anrainers abweichen kann; gleichzeitig wird das Prinzip nicht mehr nur als Recht der einzelnen Staaten angesehen, sondern auch als Pflicht im Sinne einer rechtlich bindenden Einschränkung des Ermessens zugunsten der Interessen und des Gesamtnutzens der Gemeinschaft.283 Beim Ziel der optimalen Nutzung geht es folglich darum, dass die insgesamt zur Verfügung stehenden Wasserressourcen effizient genutzt werden. Im Übrigen führt der ausdrückliche Verweis des Art. 5 Abs. 1 S. 2 auf die Vorteile nicht dazu, dass diesen gegenüber den Bedürfnissen ein wie auch immer gearteter Vorrang zukäme, da die Abwägung sowohl der Vorteile (konsumtive wie auch nicht-konsumtive284) als auch der Bedürfnisse, also der Wasserbedarf der Anrainer, dem Konzept der optimalen Nutzung bereits immanent sind.285 Aus dem Ziel der optimalen Nutzung lässt sich nicht folgern, dass der Staat, der fähig ist, den Wasserlauf am effizientesten zu nutzen – ob nun wirtschaftlich, bei der Vermeidung von Abfall oder in sonstiger Weise – einen stärkeren Anspruch auf dessen Nutzung hat.286 Ebenso wenig ist „optimale“ Nutzung mit „maximaler“ Nutzung gleichzusetzen.287 Ziel ist zwar, durch Koordination der Nutzungen diese 280 Vgl. bereits Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 32. Ausführlich zum Verhältnis zwischen Angemessenheit und Effizienz Howe, Nat. Res. J. 36 (1996), S. 29 ff. 281 Wirtschaftswissenschaftlich kann dabei etwa auf das Pareto-Kriterium, das auch die individuell empfundenen Präferenzen der Mitglieder einer relevanten Gruppe abstellt (so etwa Rothenberger, Angemessene Nutzung, 2003, S. 23; Hafner, Austrian J. Publ. Intl. Law 45 (1993), S. 113, 133) oder das Kaldor / Hicks-Kriterium, das sich am potentiellen Konsens der Mitglieder orientiert (so etwa Lee, Effiziente Nutzung, 2003, S. 153 ff.), zurückgegriffen werden. Siehe ausführlich dazu Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 1995, S. 7 ff. 282 Vgl. ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 3: „maximum possible benefits for all watercourse States“. Siehe auch Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 108. 283 Hafner, Austrian J. Publ. Intl. Law 45 (1993), S. 113, 126, 132. Vgl. auch bereits Stoll, Angemessene Nutzung, 1979. S. 48. 284 Caflisch, RdC 219 (1998 VII), S. 9, 150. 285 Vgl. auch Art. 6 Abs. 1 (b), der die sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der betroffenen Anrainerstaaten als relevante Faktoren anführt. 286 ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 3. 287 ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 3. Siehe auch Müller / Wildhaber, Praxis des Völkerrechts, 2001, S. 675.

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möglichst effizient zu gestalten. Das grundlegende Prinzip der staatlichen Souveränität verbietet aber eine Regel, die einen Staat dazu verpflichtet, seine Nutzung zugunsten eines anderen einzuschränken, nur weil die Nutzung durch den Letzteren diesem individuell einen optimalen Gewinn schafft.288 Vielmehr geht es darum, wie die einzelnen Interessen der Anliegerstaaten an bestimmten Nutzungen bewertet und gegeneinander im Lichte des Gesamtnutzens, aber auch der Bedürfnisse der Anrainerstaaten abgewogen werden.289 Bei dem Bestreben nach einer optimalen Verteilung müssen also die politischen und realen Schwierigkeiten einer objektiven Bewertung und eines Transfers der Nutzungsrechte mit berücksichtigt werden.290 Optimale Nutzung ist auch nicht gleichbedeutend mit der wirtschaftlich wertvollsten Nutzung.291 Der wirtschaftliche Vorteil eines Staates ist vielmehr nur ein Element des Gesamtnutzens und muss auf Basis von dessen individueller Einschätzung unter Berücksichtigung seiner Bedürfnisse und Interessen unabhängig vom reinen Geldwert festgesetzt werden.292 Allerdings bezieht das Konzept der optimalen Nutzung die wirtschaftliche Dimension natürlich mit ein.293 Um optimal zu sein, muss die Nutzung auch nicht unbedingt die technologisch effizienteste und technisch perfekteste sein,294 denn die Effizienz von Nutzungsmethode ist relativ und muss unterschiedlich bewertet werden, je nach dem, ob sie auf Unwillen oder Gleichgültigkeit oder auf der Begrenztheit der zur Verfügung stehenden finanziellen und technischen Ressourcen beruht: so ist es etwa unangebracht, von einem wenig entwickelten Land dasselbe Effizienzniveau bei der Wassernutzung für Bewässerungszwecke zu erwarten wie von einem hoch entwickelten Staat.295 Das technische Know-how und die finanziellen Ressourcen, die einem Anrainer zu Verfügung stehen, sind für die Frage, ob eine Nutzung zu viel Wasser verschwendet, also von Bedeutung.296 Schließlich ist die optimale Nutzung nicht gleichzusetzen mit dem so genannten Integrated Water Resources Management (IWRM).297 Auch wenn die überwältiHafner, Austrian J. Publ. Intl. Law 45 (1993), S. 113, 133. Vgl. bereits Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 47. 290 Hafner, Austrian J. Publ. Intl. Law 45 (1993), S. 113, 134 f. 291 ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 3. 292 Hafner, Austrian J. Publ. Intl. Law 45 (1993), S. 113, 133. Vgl. zu den Problemen der Erreichung von effizienter Wasserallokation durch Marktmechanismen Brajer / Church / Cummings / Farah, Nat. Res. J. 29 (1989), S. 489 ff. 293 Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 110. 294 ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 3. 295 Hafner, Austrian J. Publ. Intl. Law 45 (1993), S. 113, 46. 296 Hafner, Austrian J. Publ. Intl. Law 45 (1993), S. 113, 63. 297 Auch das Prinzip der angemessenen Nutzung beinhaltet keine Pflicht zu einem Integrated Water Resources Management, vgl. Fuentes, BYIL 67 (1996), S. 337, 393. Vgl. zum IWRM supra Erster Teil, IV. 3. d). 288 289

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gende Mehrheit der Wasserexperten davon ausgeht, dass jede erfolgreiche Strategie beim Umgang mit internationalen Wasserläufen einem ganzheitlichen, integrativen Ansatz zu folgen hat,298 beschränkt sich das Prinzip der optimalen Nutzung auf den Effizienzgedanken. Gleichwohl steht aber eine Orientierung am IWRM auch nicht im Gegensatz zum Ziel der optimalen Nutzung.299 (2) Nachhaltige Nutzung Als weiteres Ziel nennt Art. 5 Abs. 1 S. 2 der VN-Konvention das Konzept der nachhaltigen Nutzung, das sich als Ausprägung des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung darstellt und sich inhaltlich an diesem orientiert.300 Das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung ist eines der hervorstechendsten Ergebnisse der Entwicklung des Umweltvölkerrechts der letzten Jahrzehnte.301 Seine klassische Form hat es im so genannten Brundtland-Bericht der World Commission on Environment and Development erhalten: „Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.“302

Im spezifischem Blick auf Wasserressourcen definiert die ILA nachhaltige Nutzung in Art. 3 Abs. 19 der Berlin-Rules als: „integrated management of resources to assure efficient use of and equitable access to waters for the benefit of current and future generations while preserving renewable resources and maintaining non-renewable resources to the maximum extent reasonably possible.“303

Vgl. statt aller Falkenmark, Water scarcity – Challenges for the future, 1997, S. 39. Vgl. ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 12. 300 Vgl. auch Abs. 5 und 8 der Präambel der VN-Konvention. Ausführlich zum Ziel der nachhaltigen Nutzung Rieu-Clarke, Water International 25 (2000), S. 572 ff.; Fuentes, BYIL 69 (1998), S. 119 ff. Vgl. auch Rothenberger, Angemessene Nutzung, 2003, S. 24; Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 316 ff. 301 Ausführlich zum Prinzip der nachhaltigen Entwicklung Fitzmaurice, RdC 293 (2001), S. 21, 47 ff.; Beyerlin, Umweltvölkerrecht, 2000, S. 15 ff.; Lang, Bedeutung des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung für die Entwicklung des Umweltrechts, 1999, S. 9 ff.; Sands, BYIL 65 (1994), S. 303 ff. 302 World Commission on Environment and Development (Hrsg.), Our common future, 1987, S. 43. Als völkerrechtspolitische Zielbestimmung machte sich die Staatengemeinschaft das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung ausdrücklich im Grundsatz 4 der Rio Declaration on Environment and Development vom 16. 6. 1992 (UN Doc. A / CONF.151 / 5 / Rev.1, abgedruckt in: ILM 31 (1992), S. 876) zu Eigen: „In order to achieve sustainable development, environmental protection shall constitute an integral part of the development process and cannot be considered in isolation from it.“ Vgl. auch Art. 5 der Abschlusserklärung des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung von Johannesburg vom 4. 9. 2002 (Text in: Internationale Politik 57 / 11 (2002), S. 115). 303 ILA, Report of the seventy-first conference held in Berlin 2004, 2004, S. 337. Vgl. zur Nachhaltigkeit in Verbindung mit der Bewirtschaftung von Wasserressourcen auch Loucks, Water International 25 (2000), S. 3 ff. 298 299

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Auch der IGH geht im Urteil bezüglich des Gabcíkovo-Nagymaros-Projekts auf das Konzept der nachhaltigen Entwicklung ein: „Throughout the ages, mankind has, for economic and other reasons, constantly interfered with nature. In the past, this was often done without consideration of the effects upon the environment. Owing to new scientific insights and to a growing awareness of the risks for mankind for present and future generations of pursuit of such interventions as an unconsidered and unabated pace, new norms and standards have been developed, set forth in a great number of instruments during the last two decades. Such new norms have to be taken into consideration, and such new standards given proper weight, not only when continuing with activities begun in the past. This need to reconcile economic development with protection of the environment is aptly expressed in the concept of sustainable development.“304

Das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung sucht in erster Linie wirtschaftliche Entwicklung mit den Belangen des Umweltschutzes in einer Synthese zu verbinden und sich beide Aspekte gegenseitig verstärken zu lassen.305 Der Ausgangspunkt ist dabei klar anthropozentrisch geprägt.306 Die Umwelt bedarf diesem Verständnis nach nicht des Schutzes um ihrer selbst willen, sondern ihre Bewahrung wird in einen entwicklungspolitischen Kontext gesetzt.307 Weitere Dimensionen der Nachhaltigkeit sind das Konzept der Generationengerechtigkeit 308 und das Vor304 IGH, Case concerning the Gabcíkovo-Nagymaros Project, Reports 1997, S. 7 ff., Rn. 140, vgl. aber auch Rn. 112. In seiner Separate Opinion zu dem Urteil führt Richter Weeramantry zum Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung aus: „The court has referred to it as a concept in paragraph 140 of its Judgment. However, I consider it to be more that a mere concept, but as a principle with normative value which is crucial to the detemination of this case [ . . . ] The principle of sustainable development is thus a part of modern international law by reason not only of its inescapable logical necessity, but also by reason of its wide and general acceptance by the global community.“ Ausführlich zur Aufnahme des Zieles der nachhaltigen Nutzung in das Gabcíkovo-Nagymaros-Urteil Hey, FS Bouchez, 2000, S. 83 ff. 305 Vgl. auch dazu die Ausführungen von Richter Weeramantry zum Prinzip der nachhaltigen Entwicklung in seiner Separate opinion in IGH, Case concerning the Gabcíkovo-Nagymaros Project, Reports 1997, S. 7 ff.: „It reaffirms in the area of international law that there must be both development and environmental protection, and that neither of these rights can be neglected.“ Richter Oda erklärte in seiner Dissenting opinion (Rn. 14) im selben Fall: „It is a great problem for the whole of mankind to strike a satisfacory balance between more or less contradictory issues of economic development on the one hand and preservation of the environment on the other, with a view to maintaining sustainable development. Any construction work relating to economic development would be bound to affect the existing environment to some extent but modern technology would, I am sure, be able to provide some acceptable ways of balancing the two conflicting interests.“ Siehe zum Ganzen auch Fuentes, BYIL 69 (1998), S. 119, 123 ff. 306 Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2004, S. 430; Pallemaerts, in: Déjeant-Pons / Pallemaerts, Human rights and the environment, 2002, S. 13. 307 Vgl. Prinzip 1 der Rio Declaration on Environment and Development vom 16. 6. 1992 (UN Doc. A / CONF.151 / 5 / Rev.1, abgedruckt in: ILM 31 (1992), S. 876): „Human beings are at the centre of concerns for sustainable development. They are entitled to the healthy and productive life in harmony with nature.“

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

sorgeprinzip.309 Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die Nutzung von Ressourcen sich in der Weise vollziehen sollte, dass zwar der kurzfristige Zugriff auf sie gewährleistet wird, dies aber nicht zu Lasten des langfristigen Zugriffs geschieht, so dass die Interessen sowohl der gegenwärtigen als auch der zukünftigen Generationen gewahrt werden.310 Schließlich umfasst der Nachhaltigkeitsgedanke auch Umweltbelange, die grundsätzlich bei Abwägung der Umweltnutzungsinteressen der Anrainer im Rahmen der Angemessenheit keine Berücksichtigung fänden; dies gilt etwa für die Verschmutzung der Meeresumwelt, die für die Anrainerstaaten bis auf den Mündungsstaat eines internationalen Binnengewässers allenfalls mittelbare Bedeutung hat, und deshalb zwar nicht als Staateninteresse in den Abwägungsvorgang eingestellt werden kann, wohl aber in die Ergebniskontrolle über den Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen ist.311 (3) Verhältnis der Ziele zueinander Während des Kodifikationsprozesses waren die Zielbestimmungen des Art. 5 Gegenstand hitziger Debatten. Schließlich einigte man sich in der Working Group auf den Kompromiss, neben der optimalen auch die nachhaltige Nutzung als Ziel des Abwägungsvorganges festzuschreiben, gleichzeitig aber die Worte „taking into account the interests of the watercourse States concerned“ vor der bereits im ILCEntwurf enthaltenen Wendung „consistent with adequate protection of the watercourse“ einzufügen.312 Vordergründig ging es dabei um die Auseinandersetzung 308 Das Prinzip der Generationengerechtigkeit besagt, dass gegenwärtige Generationen sicherzustellen haben, dass zukünftige Generationen durch ihre entwicklungspolitischen Entscheidungen nicht schlechter gestellt werden. Grundlegend zum Prinzip der Generationengerechtigkeit Brown Weiss, Intergenerational equity: a legal framework for global environmental change, 1992, S. 385 ff. Vgl. auch Hunter / Salzman / Zaelke, International environmental law and policy, 2002, S. 398 ff.; Fitzmaurice, RdC 293 (2001), S. 21, 186 ff.; Kiss / Shelton, International environmental law, 2000, S. 254 ff. 309 Das Vorsorgeprinzip (engl. precautionary principle) kehrt die wissenschaftliche Beweislast bei der Beantwortung politischer Fragen um zugunsten derjenigen, die eine potentiell gefährliche Aktivität verbieten oder reduzieren wollen, und zu Lasten derjenigen, die die Aktivität weiter ausführen wollen. Zur Diskussion um eine mögliche Aufnahme des Vorsorgeprinzips in Art. 5 im Rahmen der Verhandlungen zur VN-Konvention siehe Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 113 ff. Allgemein zum Vorsorgeprinzip de Sadeleer, Le statut du principe de précaution en droit international, 2003, S. 373 ff.; Sands, Principles of international environmental law, 2003, S. 267 ff.; Trouwborst, Evolution and status of the precautionary principle in international law, 2002, S. 1 ff.; Fitzmaurice, RdC 293 (2001), S. 21, 259 ff.; Freestone, The precautionary principle, 1999, S. 21 ff. Siehe auch Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2004, S. 431 f.; Hunter / Salzman / Zaelke, International environmental law and policy, 2002, S. 405 ff.; v. Lersner, Vorsorgeprinzip, HdUR, 1994, Bd. II, Sp. 2703. 310 Epiney / Scheyli, Strukturprinzipien des Umweltvölkerrechts, 1998, S. 175 ff. 311 Vgl. aber auch Art. 23 VN-Konvention. 312 Ausführlich zur Verhandlungsgeschichte Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 103 ff.

II. Das Prinzip in der Form der VN-Wasserlaufkonvention

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zwischen denjenigen Staaten auf der einen Seite, die den Schutz der Wasserressourcen mehr in den Vordergrund stellen wollte, und insbesondere Entwicklungsländern auf der anderen Seite, die gerade den Nachhaltigkeitsgedanken als Hemmschuh für ihre eigene Entwicklung empfanden.313 Letztlich war das Ergebnis der Kodifizierung beider Zielbestimmungen jedoch Ausfluss der veränderten, von Wasserknappheit geprägten Rahmenbedingungen und der Entwicklung des internationalen Wasserrechts weg von der schlichten Lösung von Verteilungskonflikten hin zu einem integrierten Bewirtschaftungsansatz.314 Die Ziele der optimalen Nutzung und der nachhaltigen Nutzung übernehmen beide als Referenzpunkte des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung die Aufgabe eines Korrektivs in Gestalt einer Beschränkung im öffentlichen Interesse, indem sie sicherstellen, dass sich die Anrainer auch nicht im Einvernehmen auf eine völlig ineffiziente Nutzung verständigen oder sich nicht durch eine rücksichtslose, wesentliche oder gar irreparable Schädigungen der Umwelt hervorrufende Ausbeutung des gemeinsamen Wasserlaufes bereichern dürfen.315 Beiden Zielen ist dabei gemein, dass sie sowohl wirtschaftliche als auch ökologische Belange berücksichtigen und miteinander verschränken und integrieren.316 Dabei ergänzen sie sich insofern, als das Prinzip der optimalen Nutzung häufig eher ökonomische Gesichtspunkte betont, während das Konzept der Nachhaltigkeit in der Regel stärker umweltpolitische Aspekte in den Vordergrund stellt.317 Das symbiotische Verhältnis beider Ziele zeigt sich auch im Kerngedanken der nachhaltigen Entwicklung als einer im Zeitablauf nicht sinkenden, also auch auf der zeitlichen Schiene optimierten gesellschaftlichen Wohlfahrt.318 Schließlich erfordern beide Ziele eine enge Kooperation aller Anrainer, insbesondere im Wege gegenseitiger Information, Konsultation und Rücksichtnahme, was sich in erster Linie aus der Komplexität sowohl der Nutzungsoptimierung als auch der vorausschauenden Abstimmung im Zeichen der Nachhaltigkeit ergibt.319 Andererseits leiden aber auch beide Zielbestimmungen an einer mangelnden Präzision ihrer Begrifflichkeiten.320 313 Vgl. zu dieser Debatte Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 111 ff.; Schwabach, TexIntLJ 33 (1998), S. 257, 279. Siehe auch ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 3. 314 ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 3 & 12. In diesem Sinne Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 16, 109. Siehe auch ILA, Berlin-Rules, Kommentar zu Art. 7. 315 Reszat, Gemeinsame Naturgüter, 2004, S. 365; Epiney, ZaöRV 63 (2003), S. 377, 384; Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 104; Hey, FS Bouchez, 2000, S. 94; dies., RECIEL 7 (1998), S. 291, 292. Siehe auch ILA, Berlin-Rules, Kommentar zu Art. 7. 316 Kuokkanen, J. En. & Nat. R. L. 22 (2004), S. 341, 348; Reszat, Gemeinsame Naturgüter, 2004, S. 366; Rothenberger, Angemessene Nutzung, 2003, S. 25; Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 115. Vgl. auch Castle / Berrens / Polasky, Nat. Res. J. 36 (1996), S. 475 ff. 317 Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 110 ff. Vgl. auch schon Caflisch, RdC 219 (1989 VII), S. 9, 145. 318 Reszat, Gemeinsame Naturgüter, 2004, S. 367; Lee, Effiziente Nutzung, 2003, S. 86. 319 Vgl. Reszat, Gemeinsame Naturgüter, 2004, S. 358; Benevisti, AJIL 90 (1996), S. 384, 389.

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

cc) Berücksichtigung der Interessen der Anrainerstaaten Gemeinsam mit dem Prinzip der nachhaltigen Nutzung nahm die Working Group auch die ausdrückliche Bestimmung auf, dass bei der Nutzung und Entwicklung internationaler Wasserläufe die Interessen der betroffenen Anrainerstaaten berücksichtigt werden müssten.321 Die Berücksichtigung der Interessen der Anrainerstaaten ist unstreitig integraler Bestandteil des Prinzips der angemessenen Nutzung. Deshalb wird zum Teil vertreten, dieser zusätzliche Hinweis auf die Interessen der Anrainer sei überflüssig und beinhalte keinerlei inhaltlichen Mehrwert.322 Andere sehen darin eine Bestärkung der These, dass sich das Ziel der optimalen Nutzung nicht ausschließlich am individuellen Interesse der Einzelstaaten, sondern auch am Gesamtvorteil der Mitglieder der Flussgemeinschaft zu orientieren hat.323 In jedem Fall führt die Aufnahme des Verweises auf die Interessen der betroffenen Anrainer zu keiner inhaltlichen Neuausrichtung des Grundsatzes. So geht es immer zunächst darum, festzustellen, ob eine bestimmte Nutzung in einem Staat mit einer anderen Nutzung in einem anderen Staat konkurriert. In diesem Fall ist das Ausmaß der Beeinträchtigung zu ermitteln und Möglichkeiten der Vereinbarkeit der konkurrierenden Nutzungen insbesondere durch geringfügige Modifikationen auszuloten. Falls kein Ausgleich gelingt, ist schließlich zu ermitteln, welche der konkurrierenden Nutzungen sich bis zu welchem Grad den anderen gegenüber durchsetzt.324 Die Ermittlung der Angemessenheit erfordert also eine kontextuelle Analyse der Ansprüche eines Staates bezüglich der von vielen Faktoren geprägten Umstände des Einzelfalles.325 Für die Frage der Berücksichtigung der Interessen der Anrainerstaaten im Rahmen des Abwägungsprozesses ist das Verhältnis zwischen dem Prinzip der angemessenen Nutzung und dem Verbot erheblicher Schädigung anderer Anrainer, also der no harm-rule, von hervorgehobenem Interesse. Die VN-Konvention widmet sich der no harm-rule und ihrem Verhältnis zu Art. 5 in Art. 7: 320 Vgl. Reszat, Gemeinsame Naturgüter, 2004, S. 362; Wouters, Water International 25 (2000), S. 499, 503; Sands, Sustainable development: treaty, custom, and the cross-fertilization of international law, 1999, S. 39 ff.; Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 761; Nollkaemper, Neth YIL XXVII (1996), S. 39, 67 f. 321 Diese Ergänzung war das Ergebnis eines Kompromisses zwischen den Verfechtern eines offenen Verständnisses der optimalen Nutzung und denjenigen Staaten, die eine ausdrückliche Definition dieses Konzept verlangten, vgl. Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 108. Siehe hinsichtlich der typischen Interessenschemata der Anrainerstaaten in wasserbezogenen Streitigkeiten Falkenmark, Water scarcity – Challenges for the future, 1997, S. 34 ff. 322 McCaffrey / Sinjela, AJIL 92 (1998), S. 97, 99. 323 Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 108. Vgl. dazu auch die Ausführungen zum Ziel der optimalen Nutzung supra Zweiter Teil, II. 2. b) bb) (1). 324 Vgl. bereits Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 47, 63 f. und Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 35. 325 Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 96 f. Vgl auch bereits Hafner, Austrian J. Publ. Intl. Law 45 (1993), S. 113, 120.

II. Das Prinzip in der Form der VN-Wasserlaufkonvention

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Article 7 Obligation not to cause significant harm 1. Watercourse States shall, in utilizing an international watercourse in their territories, take all appropriate measures to prevent the causing of significant harm to other watercourse States. 2. Where significant harm nevertheless is caused to another watercourse State, the States whose use causes such harm shall, in the absence of agreement to such use, take all appropriate measures, having due regard for the provisions of articles 5 and 6, in consultation with the affected State, to eliminate or mitigate such harm and, where appropriate, to discuss the question of compensation.326

Der Wortlaut der Vorschrift ist alles andere als klar und eindeutig.327 Diese Ambivalenz ist das Ergebnis kontroverser Diskussionen zum Inhalt der no harm-rule und ihres Verhältnisses zum Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe innerhalb der ILC und der Working Group.328 Schließlich war es gerade dieser Mangel an Präzision, der die Übereinkunft als ganzes für die beiden großen Interessenblöcke – Oberanlieger einerseits und Unteranlieger andererseits – akzeptabel machte.329 Der gefundene Formelkompromiss lässt deshalb unterschiedliche Interpretationen zu. Teilweise wird vertreten, Art. 7 (2) stelle die no harm-rule und das Prinzip der angemessenen Nutzung gleichwertig auf dieselbe Stufe.330 Der scheinbare Gegen326 In den Statements of Understanding heißt es in Bezug auf Art. 7 Abs. 2: „In the event such steps as are required by article 7 (2) do not eliminate the harm, such steps as are required by article 7 (2) shall then be taken to mitigate the harm.“ 327 Vgl. eingehend zur Auslegungsproblematik Bourne, CanYBIL 35 (1998), S. 215, 222 ff.; McCaffrey / Sinjela (1998) S. 101 f.; McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998, S. 20 ff. Siehe auch Reszat, Gemeinsame Naturgüter, 2004, S. 413; Fitzmaurice, YBIEL 14 (2003), S. 3, 19; dies., RdC 293 (2001), S. 9, 439; Salman, Water resources and international law, 2002, S. 83, Fn. 60; Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 203; Hafner / Pearson, YBIEL 11 (2000), S. 3, 41 ff.; Kiss / Shelton, International environmental law, 2000, S. 401. 328 Durner, Common goods, 2001, S. 87 ff.; Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 174 f.; Bourne, CanYBIL 35 (1998), S. 215, 221 ff.; Crook / McCaffrey, AJIL 91 (1997), S. 374, 375 f. Zur sich im Laufe der Jahre immer wieder ändernden Position der ILC siehe Lee, Effiziente Nutzung, 2003, S. 76 ff.; Wouters, GYIL 42 (1999), S. 293, 307 ff.; dies., Nat. Res. J. 36 (1996), S. 417, 421 ff.; dies., CanYBIL 30 (1992), S. 43 ff.; Tanzi, LJIL 11 (1998), S. 441, 453 ff.; ders., NRF 21 (1997), S. 109, 112 ff.; ders., NRF 21 (1997), S. 239, 241 ff.; Fitzmaurice, FS Weeramantry, 1998, S. 439 ff.; Arcari NRF 21 (1997), S. 169, 172 ff.; Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 760 ff., 775 ff.; Fuentes, BYIL 67 (1996), S. 337, 369 ff.; Utton, Nat. Res. J. 36 (1996), S. 635 ff.; McCaffrey, Nat. Res. J. 36 (1996), S. 297, 307 ff.; ders., SJIR 47 (1990), S. 32 ff.; ders., DenverJIL&P 17(1989), S. 505, 508 ff. 329 Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 780 f. 330 Rothenberger, Angemessene Nutzung, 2003, S. 54 f.; Brunnée / Toope, HarvardILJ 43 (2002), S. 105, 151; ESCWA (Hrsg.), Assessment, 2002, S. 41; Brunnée / Toope, HarvILJ 43 (2002), S. 105, 151. Albert, NRF 24 (2000), S. 21, 25 spricht von der no harm-rule nach Art. 7 als einer „bonafide independent obligation“. Kritisch Lee, Effiziente Nutzung, 2003, S. 80 f.; Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 780, 796.

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

satz beider gleichwertiger Prinzipien werde durch die Pflicht zur Kooperation aufgehoben.331 Grundsätzlich seien deshalb beide Grundsätze gemeinsam anzuwenden; erst die Abwägung durch die Anrainerstaaten könne im Einzelfall zum Vorrang einer der beiden Regeln führen. Dies ergebe sich bereits aus den Worten „take all appropriate measures“, die nichts anderes als eine due diligence-Verpflichtung beinhalteten. 332 Einerseits ergebe sich aus Art. 7 Abs. 1 zwar insoweit ein Vorrang, als Schädigungen nicht durch die Berufung auf eine Nutzung im Rahmen der Doktrin der angemessenen Nutzung gerechtfertigt werden können. Andererseits weise aber Art. 7 Abs. 2 darauf hin, dass, falls der Verursacherstaat alle Maßnahmen zur Schadensvorsorge im Sinne des Art. 7 Abs. 1 getroffen habe und dennoch ein Schaden eintrete, er zu dessen Behebung bzw. Minderung nur verpflichtet sei, sofern die schadensverursachende Handlung nicht im Rahmen einer angemessenen Nutzung gemäß Art. 5 und 6 erfolge. Zwar sei die no harm-rule dem Prinzip der angemessenen Nutzung inhärent, aufgrund ihrer systematischen Stellung in einem eigenen Artikel könne sie jedoch nicht als bloßer Faktor angesehen werden. Vielmehr obliege dem den Schaden hervorrufenden Staat die Beweislast, dass seine Nutzung nichtsdestotrotz den Anforderungen der Angemessenheit genüge.333 Auch Art. 10 Abs. 2, der vorschreibt, dass die Lösung von Nutzungskonflikten unter Bezugnahme auf Art. 5 und 7 herbeizuführen sei, könne als ein Indiz für die Gleichwertigkeit der beiden Prinzipien angesehen werden, da er für die Lösung von Nutzungskonflikten ausdrücklich auf beide Vorschriften verweise. Die Vorstellung eines Gleichrangs der no harm-rule und des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe stößt jedoch auf nicht unerhebliche dogmatische Bedenken. Das Schädigungsverbot stellt im Gegensatz zum Grundsatz der angemessenen Nutzung eine Verhaltens- und keine Ergebnispflicht dar, was sich aus dem Wortlaut „shall take all appropriate measures“ ergibt. Dies lässt den Schluss zu, das die Rechtswidrigkeit der Nutzung jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn der nutzende Staat die gebotene Sorgfalt obwalten hat lassen und sich die Nutzungsaufteilung insgesamt (und damit auch die Berücksichtigung des Schadenseintritts, möglicher Schadenseindämmungsmaßnahmen und Kompensationsleistungen) als angemessen darstellen. Insbesondere stellt auch die Wortwahl „having due regard for the provisions of articles 5 and 6“ klar, dass eine erhebliche Schädigung möglicherweise durch die Anrainer geduldet werden muss.334 Die Zweifel an einer Gleichstellung der beiden Prinzipien werden zusätzlich durch die Tatsache genährt, dass der IGH im Gabcíkovo-Nagymaros-Urteil335 zwar mehrfach auf das Prinzip der angemessenen Nutzung eingegangen ist, die no 331 332 333 334

Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 175 ff. Demeter, Schutz und Nutzung, 2001, S. 289 f. Tanzi, LJIL 11 (1998), S. 441, 458. Bourne, CanYBIL 35 (1998), 215, 224 f.; McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998,

S. 22. 335 IGH, Case concerning the Gabcíkovo-Nagymaros Project, Reports 1997, S. 7 ff., Rn. 85, 147.

II. Das Prinzip in der Form der VN-Wasserlaufkonvention

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harm-rule dagegen mit keinem Wort erwähnt hat, obwohl Ungarn stark mit letzterer argumentiert hatte.336 Vereinzelt wird auch die Auffassung vertreten, Art. 7 lege den Vorrang des Schädigungsverbotes vor dem Prinzip der angemessenen Nutzung fest.337 Der Wortlaut der Vorschrift stelle die Notwendigkeit einer Schadensvermeidung in den Vordergrund. Er verpflichte im Falle eines Schadenseintritts sogar zu Verhandlungen über Schadensersatz. Aus der bloßen Existenz einer Regelung für den Fall eines Schadenseintritts könne nicht gefolgert werden, dass die Schadensverursachung als solche für zulässig erklärt werde. Nur die klaren Vorgaben des Schädigungsverbotes würden den Anforderungen gerecht, die sich aus dem Ziel einer nachhaltigen Nutzung ergäben. Diese Ansicht ist jedoch wohl nur schwer mit Art. 10 Abs. 2 zu vereinbaren, nachdem die Lösung von Nutzungskonflikten ausdrücklich unter Bezugnahme auf Art. 5 und Art. 7 herbeizuführen ist.338 Ein Großteil der Lehre legt die Vorschrift schließlich so aus, dass dem Prinzip der angemessenen Nutzung Vorrang zukommt.339 Diese Annahme ist letztlich überzeugend. Bereits die bloße Existenz des 2. Absatzes impliziert, dass es nicht undenkbar ist, dass eine Schädigung verursacht werden kann, ohne dass der schädigende Staat zur Verantwortung gezogen wird. Außerdem stellt Art. 7 Abs. 2 ausdrücklich klar, dass die Anrainer auf das Schutzniveau des Schädigungsverbotes verzichten können und die Zulässigkeit solcher Schäden vereinbart werden kann („in the absence of agreement to such use“). Auch die teleologische Auslegung mit Blick auf das Ziel einer optimalen und nachhaltigen Nutzung spricht für den Vorrang des Grundsatzes der angemessenen Nutzung, da nur so der Anreiz für die Anrainer besteht, ihre Nutzung nach Effizienz- und Nachhaltigkeitsgesichtspunkten zu verändern und zu optimieren; im Extremfall könnten durch einen Vorrang der no harm-rule sogar umweltschädliche Nutzungen geschützt werden, da Art. 7 Abs. 1 nicht nur Umweltschäden, sondern ganz allgemein Schädigungen anderer Anrainer verbietet: Nutzungen, die Umweltschäden unterhalb der Schwelle zur Beträchtlichkeit verursachen, aber beträchtliche Schäden anderer Art ausschlössen, 336 So Bourne, CanYBIL 35 (1998), S. 215, 228 ff.; McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998, S. 27; Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 798. Wouters, GYIL 42 (1999), S. 293, 329 wendet dazu kritisch ein, dass im konkreten Fall auf der Faktenseite schlechterdings keine erhebliche Schädigung zur Debatte stand, auf die das Gericht hätte Bezug nehmen können. 337 Durner, Common goods, 2001, S. 89 f.; Kokott, FS Jaenicke, 1998, S. 195. 338 McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 308 f.; ders. / Sinjela, AJIL 92 (1998), S. 97, 101 f.; Bourne, CanYBIL 35 (1998), S. 215, 224. 339 Reszat, Gemeinsame Naturgüter, 2004, S. 413 ff.; Paquerot, Le statut, 2002, S. 208 f.; Kibaruglu, Building a regime, 2002, S. 149 ff.; Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 200; Fitzmaurice, RdC 293 (2001), S. 9, 439 f.; Scheumann / Klaphake, The convention on the law of non-navigational uses of international watercourses, 2001, S. 7; Bosnjakovic, Water International 25 (2000), S. 543, 550; Yasuhiro, AsianYIL 9 (2000), S. 147, 176; Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 259 ff.; Bourne, CanYBIL 35 (1998), S. 215, 215 ff.; Fuentes, BYIL 69 (1998), S. 119, 165 ff.; McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998, S. 22; Hey, RECIEL 7 (1998), S. 291, 294.

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

müssten demnach beibehalten werden. Die Verpflichtung des Art. 7 Abs. 2, dem Mitanrainerstaat keinen erheblichen Schaden zuzufügen, lässt sich deshalb am ehesten als Fortsetzung des Art. 6 Abs. 1 (d) verstehen, nach dem jede Wassernutzung in einem Staat die Auswirkung auf die Wassernutzung in Mitanrainerstaaten zu berücksichtigen hat. Dabei obliegt es dem schädigenden Staat, die Angemessenheit seiner Nutzung darzulegen.340 Damit ist klar, dass jedenfalls nicht a priori ausgeschlossen werden kann, dass auch eine Nutzung, die eine erhebliche Schädigung nach sich zieht, angemessen im Sinne des Prinzips der angemessenen Nutzung sein kann.

dd) Einklang mit adäquatem Schutz des Wasserlaufs Schließlich hat die Abwägung gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 im Einklang mit dem adäquaten Schutz des Wasserlaufes zu stehen.341 Unter die Bezeichnung „adäquater Schutz“ fallen nicht nur Maßnahmen der Erhaltung und Sicherheit der Wasserläufe, sondern auch der Kontrolle im technischen und hydrologischen Sinne, wie etwa der Abfluss- und Überschwemmungsregulierung, der Verschmutzung, Erosion und Dürrebekämpfung.342 Bereits Art. 6 weist Umweltbelange gleich mehrfach als für die Abwägung im Rahmen der Angemessenheitsprüfung grundsätzlich relevante, aber keinerlei im Voraus festgelegten Vorrang genießende Faktoren aus: während in Art. 6 (1) (a) die ökologischen Belange als einer der Faktoren der natürlichen Beschaffenheit der Wasserläufe genannt werden, führt Art. 6 (1) (f) ausdrücklich die Erhaltung und den Schutz der Wasserressourcen internationaler Wasserläufe auf.343 Auch das Ziel der nachhaltigen Nutzung unterstreicht die ökologische Dimension der Angemessenheitsprüfung. Art. 27 und 28 regeln die Pflichten der Anrainerstaaten in Situationen, die für alle Anrainer schädlich sein können, sowie in plötzlichen naturbedingten Notsituationen. Am umfassendsten geht die VN-Konvention aber in ihrem dritten Teil in den Art. 20 bis 23 darauf ein, was unter adäquatem Schutz des Wasserlaufes zu verstehen ist. Art. 20 verpflichtet die Anrainerstaaten dazu, das Ökosystem internationaler Wasserläufe individuell und, soweit zweckdienlich, gemeinsam zu schützen und zu bewahren. Eine Schlüsselstellung in dieser Vorschrift kommt dem Begriff „Ökosystem“ zu.344 In der Working Group war dieser Ökosystemansatz heftig umstritten.345 Schließlich einigte man sich darauf, zwar in Art. 5 keinen expliziten Ver340 Vgl. dazu bereits ILC, Draft Articles, Art. 7, Rn. 14. A.A. Fuentes, BYIL 67 (1996), S. 337, 411. 341 Die amtliche dt. Übersetzung im Vertragsgesetz (BGBl. 2006 II S. 742) spricht von „den Erfordernissen des Schutzes der Wasserlaufs entsprechend“. 342 ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 4. 343 Vgl. dazu auch Lee, Effiziente Nutzung, 2003, S. 65. 344 Nanda, International environmental law and policy, 1995, S. 273 ff.; dies, ColoJIEL&P 3 (1992), S. 175, 180 ff.

II. Das Prinzip in der Form der VN-Wasserlaufkonvention

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weis auf den Ökosystemansatz aufzunehmen, dafür aber in Art. 20 auf ihn zurückzugreifen. Dabei wurde der Begriff „Ökosystem“ dem der „Umwelt“ als wissenschaftlich und rechtlich präziser vorgezogen, da man fürchtete, der Begriff „Umwelt“ könnte zu weit verstanden werden und auch solche Gebiete mit einbeziehen, die nur einen unbedeutenden Bezug zum Wasserlauf aufweisen, oder sogar so ausgelegt werden, dass er sich nur auf die den Wasserlauf umgebenden Gebiete beziehe.346 Mit Aufnahme des Ökosystem-Ansatzes in Art. 20 hat sich die Berücksichtigung der ökologischen Erfordernisse am ökologischen Gleichgewicht des gesamten Ökosystems des Wasserlaufes zu orientieren. In diesem Zusammenhang definiert die ILC den Begriff „Ökosystem“ als „an ecological unit consisting of living and non-living components that are interdependent and function as a community.“347 Damit bezieht sich Art. 20 nicht nur auf die Umweltaspekte des Wasserlaufes, sondern auch auf die der umliegenden Landgebiete, solange zwischen ihnen und dem Wasserlauf eine Wechselbeziehung und gegenseitige Abhängigkeit besteht.348 Gleichzeitig wird von der Verpflichtung des Art. 20 nicht nur das Ökosystem anderer Staaten geschützt, sondern auch das des eigenen Staates; ein grenzüberschreitender Sachverhalt ist nicht notwendig.349 Durch die Aufnahme des Ökosystem-Ansatzes in Art. 20 wird insbesondere die gegenseitige Abhängigkeit der Faktoren mit in den Abwägungsprozess einbezogen und damit die Effektivität der Prävention und Lösung von Nutzungskonflikten erhöht.350 Andererseits eröffnet sich ein Spannungsfeld zum Konzept des internationalen Wasserlaufes als Anwendungsbereich der Konvention.351 Die Pflicht zum „Schutz“ bedeutet, dass die Anrainer das Ökosystem internationaler Wasserläufe sowohl vor gegenwärtigem Schaden als auch vor der Bedrohung zukünftigen Schadens zu bewahren haben, und ist deshalb eine allgemeine Anwendung des Vorsorgeprinzips.352 Es dient als Orientierung für den Fall, dass über die 345 Dieser Streit um den Ökosystemansatz stand mit der Diskussion um das Konzept gemeinsamer natürlicher Ressourcen insofern im Zusammenhang, als beide in besonderem Maße Befürchtungen einer zu weiten Einschränkung staatlicher Souveränität hervorriefen. Vgl. zur Verhandlungsgeschichte hinsichtlich dieses Punktes Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 113 f.; Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 786 ff. Siehe auch Wouters, GYIL 42 (1999), S. 293, 311. 346 ILC, Draft Articles, Art. 20, Rn. 2. Vgl. auch ESCWA (Hrsg.), Assessment, 2002, S. 38. 347 ILC, Draft Articles, Art. 20, Rn. 2. 348 Elver (2001), S. 206; McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 393; ders., Prospects and pitfalls, 1998, S. 24; Rieu-Clarke, Water International 25 (2000), S. 572, 574; Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 238 ff. A.A. Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 314. Zweifelnd auch Nollkaemper, Neth YIL XXVII (1996), S. 39, 63. 349 Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 314. 350 Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 206; Brunnée / Toope, AJIL 91 (1997), S. 26, 29. 351 Vgl. dazu Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 207; Hunter / Salzman / Zaelke, International environmental law and policy, 2002, S. 807; Tanzi, LJIL 11 (1998), S. 441, 447; Nollkaemper, Neth YIL XXVII (1996), S. 39, 63.

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

Auswirkungen einer Nutzung wissenschaftliche Unsicherheit besteht; zentraler Bestandteil dabei ist das Element der Antizipation als Ausfluss eines langfristigen Ansatzes, der auch die Möglichkeit von Änderungen im wissenschaftlichen Kenntnisstand mit einschließt.353 Die Verpflichtung zur „Erhaltung“ bezieht sich auf unberührte und nicht verschmutzte Ökosysteme und hält die Anrainerstaaten dazu an, diese so weit wie möglich in ihrem natürlichen Zustand zu bewahren.354 Art. 20 geht im Übrigen über die no harm-rule hinaus, da er auch dann zu Schutz und Erhaltung der Ökosysteme verpflichtet, wenn kein erheblicher Schaden in Rede steht.355 Die Vorschrift zielt so direkt auf eine ökologisch nachhaltige Nutzung: „Together, protection and preservation of aquatic ecosystems help to ensure their continued viability as life support systems, thus providing an essential basis for sustainable development.“356 Art. 21 widmet sich eingehend der Verhütung, Verringerung und Bekämpfung der Verschmutzung. Letztere definiert er in Abs. 1 als „any diametral alteration in the composition or quality of the waters of an international watercourse which results directly or indirectly from human conduct.“357 Die in Art. 21 Abs. 2358 enthaltene Verpflichtung bezieht sich ausschließlich auf verschmutzende Aktivitäten, die erheblichen Schaden für die Anrainerstaaten und ihre Umwelt hervorrufen oder hervorrufen können. Der Begriff „Umwelt“ deckt 352 ILC, Draft Articles, Art. 20, Rn. 3, Fn. 328. Siehe auch Rieu-Clarke, Water International 25 (2000), S. 572, 574; Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 242; Okidi, ColoJIEL&P 3 (1992), S. 143 ff. 353 So formuliert Prinzip 15 der Rio Declaration on Environment and Development vom 16. 6. 1992 (UN Doc. A / CONF.151 / 5 / Rev.1, abgedruckt in: ILM 31 (1992), S. 876): „Where there are threats of serious or irreversible damage, lack of full scientific certainty shall not be used as a reason for postponing cost-effective measures to prevent environmental degradation.“ Vgl. auch die Ausführlich zum Vorsorgeprinzip supra Zweiter Teil, II. 2. b) bb) (2). 354 ILC, Draft Articles, Art. 20, Rn. 3. 355 Insoweit orientiert sich die Vorschrift an Art. 192 der VN-Seerechtskonvention, vgl. Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 313; Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 203; McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998, S. 24. 356 ILC, Draft Articles, Art. 20, Rn. 3. 357 Diese Formel geht in weiten Teilen auf die vom IDI in Art. 1 ihrer Athener Resolution von 1979 über „Pollution in Rivers and Lakes and International Law“ (Text in: AIDI 58-II (1979), S. 196) gefundene Wortfolge zurück und entspricht auch der in Art. 194 VN-Seerechtskonvention verwendeten Formulierung. Vgl. dazu Salman, Water resources and international law, 2002, S. 93; Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 311; Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 203; McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998, S. 24. Siehe auch Fitzmaurice, FS Weeramantry, 1998, S. 436 ff. 358 Vgl. den Wortlaut der Vorschrift: „Watercourse States shall, individually or jointly, prevent, reduce and control pollution of an international watercourse that may cause significant harm to other watercourse States or to their environment, including harm to human health or safety, to the use of the waters for any beneficial purpose or to the living resources of the watercourse. Watercourse States shall take steps to harmonize their policies on this connection.“

II. Das Prinzip in der Form der VN-Wasserlaufkonvention

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insbesondere solche Bereiche wie „the living resources of the international watercourse, flora and fauna dependent upon the watercourse, and the amenities connected with it“359 ab und ist damit weiter als der Ökosystemansatz in Art. 20. Insbesondere unterfällt Art. 21 Abs. 2 auch so genannter „cross-media harm“, also Schäden an anderen Objekten als dem Wasserlauf selber.360 Verschmutzungen unterhalb der Schwelle eines erheblichen Schadens werden gegebenenfalls von Art. 20 erfasst.361 Während sich die Verpflichtung zu Reduzierung und Bekämpfung auf bereits bestehende Verschmutzungen bezieht, hat die Pflicht zur Verhütung zukünftiger Verschmutzungen im Auge.362 Mit dem Ziel, mögliche Schädigungen für die Umwelt zu minimieren oder ganz zu vermeiden, verlangt der mit der Nachhaltigkeit und dem Vorsorgeprinzip eng verwandte Grundsatz des präventiven Handelns, dass die Staaten möglichst so frühzeitig tätig werden, dass ein drohender Schaden gar nicht erst eintritt.363 Im Interesse der Effizienz, zum Abbau strategischer Unsicherheiten im Verhältnis der Anrainerstaaten untereinander und angesichts der Tatsache, dass aufgrund der Internationalität des Problems der Verschmutzung die bloße Existenz einer eigenen nationalen Präventionspolitik nicht ausreicht, sind die Staaten aber nicht nur verpflichtet, ihre jeweiligen Nutzungen am Gebot der Verschmutzungsverhütung, -verringerung und -bekämpfung auszurichten, sondern auch gehalten, ihre Präventionsstrategien zu harmonisieren (Art. 21 Abs. 2 S. 2) und, falls dies von einem Anrainer gewünscht wird, in Konsultationen über einvernehmliche Maßnahmen und Methoden des Gewässerschutzes zu treten (Art. 21 Abs. 3).364 Exemplarisch wird dabei auf die Vereinbarung gemeinsamer Wasserqualitätsziele und -kriterien, die Einführung von Techniken und Praktiken zur Verhinderung von Verschmutzung durch Punktquellen und diffuse Quellen verwiesen. Auch wird empfohlen, Listen von Stoffen zu vereinbaren, deren Einbringung in die Gewässer eines internationalen Wasserlaufes verboten, beschränkt, kontrolliert oder überwacht werden soll. ILC, Draft Articles, Art. 21, Rn. 6. Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 64; Tanzi, LJIL 11 (1998), S. 441, 449 ff. 361 ILC, Draft Articles, Art. 21, Rn. 6. Vgl. auch McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998, S. 24. 362 ILC, Draft Articles, Art. 21, Rn. 4. 363 Dazu führt der IGH im Case concerning the Gabcíkovo-Nagymaros Project, Reports 1997, S. 4 ff., Rn. 140 aus: „The Court is mindful that, in the field of environmental protection, vigilance and prevention are required on account of the often irreversible character of damage to the environment and of the limitation inherent in the very mechanism of reparation of this type of damage.“ Ausführlich zum Prinzip des präventiven Handelns Sands, Principles of international environmental law, 2003, S. 246 ff. 364 Zu dieser Harmonisierungs- und Konsultationspflicht siehe auch Lee, Effiziente Nutzung, 2003, S. 93; Rieu-Clarke, Water International 25 (2000), S. 572, 574; Appelgren / Klohn, NRF 21 (1997), S. 91, 93; Hey, Sustainable use, 1995, S. 139 f. 359 360

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

Art. 22 verbietet das Einbringen fremder oder neuer Arten von Flora und Fauna, die zu einer erheblichen Schädigung des Ökosystems eines Wasserlaufes führen können. Unterhalb der Schwelle eines erheblichen Schadens ist die Vorschrift dagegen nicht anwendbar.365 Art. 23 schließlich trägt den Anliegern auf, alle für den Schutz der maritimen Umwelt notwendigen Maßnahmen zu ergreifen; dabei müssen sie den „generally accepted international rules and standards“ Rechnung tragen.366 Die Verpflichtung umfasst sowohl den Schutz als auch die Erhaltung und ist nicht durch die Schwelle eines erheblichen Schadens qualifiziert, trifft aber nur die Anrainer des Wasserlaufes.367 Art. 23 ist der einzige Bezug auf Meere in der VN-Konvention, obwohl 80% aller Meeresverschmutzung vom Lande ausgeht.368 Die in Art. 20 bis 23 enthaltenen Verpflichtungen sind spezifische Anwendungen der Art. 5 inhärenten Pflicht, internationale Wasserläufe in Einklang mit deren adäquaten Schutz zu nutzen und zu entwickeln;369 sie stellen eine wesentliche Grundlage für die nachhaltige Entwicklung internationaler Wasserläufe dar.370 Art. 20 ff. legen den Anrainern jedoch lediglich einen due diligence-Standard auf.371 Es handelt sich bei den in Art. 20 ff. festgeschriebenen Pflichten nicht um eine Erfolgshaftung für Bewahrung und Schutz der Umwelt, sondern lediglich um eine Pflicht zur Anwendung der verkehrserforderlichen Sorgfalt, der unabhängig von der Angemessenheit der Nutzung entsprochen werden muss.372 Demgemäß 365 Vgl. McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998, S. 24. Siehe auch ILA, Berlin-Rules, Kommentar zu Art. 25. 366 Die Vorschrift basiert auf Art. 211 VN-Seerechtskonvention. Ausführlich zu internationalen Recht landgestützter Meeresverschmutzung Mensah, The international legal regime fort he protection and preservation of the marine environemnt from land-based sources of pollution, 1999, S. 297 ff.; Qing-nan, Land-based marine pollution, 1987, S. 3 ff. Vgl. auch Massoud / Scrimshaw / Lester, Water Policy 6 (2004), S. 519 ff. 367 Salman, Water resources and international law, 2002, S. 90 ff.; Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 203; McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998, S. 24. 368 Kritisch deshalb Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 203. 369 ILC, Draft Articles, Art. 20, Rn. 3; Art. 21, Rn. 3 und 7; Art. 23, Rn. 3. Vgl. auch Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 313; Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 204 f.; Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 117; Rieu-Clarke, Water International 25 (2000), S. 572, 574; Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 241; Bourne, CanYBIL 35 (1998), S. 215, 216; Tanzi, LJIL 11 (1998), S. 441, 457; McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998, S. 19, 27. Das Verhältnis zwischen Art. 5 und 20 ff. VN-Konvention dagegen als „unklar“ bezeichnend Hunter / Salzman / Zaelke, International environmental law and policy, 2002, S. 805. 370 ILC, Draft Articles, Art. 20, Rn. 3; Art. 21, Rn. 4, Art. 22, Rn. 3, Art. 23, Rn. 3. 371 Für die Art. 21, 22 und 23 ergibt sich das bereits aus den Statements of Understanding: „As reflected in the commentary of the International Law Commission, these articles impose a due diligence standard on watercourse States“. Vgl. auch Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 205; McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 312; ders., Prospects and pitfalls, 1998, S. 24; Bourne, CanYBIL 35 (1998), S. 215, 226; Utton, Nat. Res. J. 36 (1996), S. 635, 639.

II. Das Prinzip in der Form der VN-Wasserlaufkonvention

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führt der Eintritt eines Schadens nicht ohne weiteres zur Rechtswidrigkeit der schadensursächlichen Nutzung.373 Hierfür bedarf es vielmehr darüber hinaus einer Außerachtlassung der verkehrserforderlichen Sorgfalt im Verbund mit dem sich daraus ergebenden Verstoß gegen das Gebot der angemessenen Nutzung. Solange diese Sorgfaltspflicht jedoch eingehalten wird, richtet sich die Frage nach der Rechtswidrigkeit nach der allgemeinen Abwägung. Die Art. 20 ff. haben viel Kritik erfahren: sie seien zu wenig konkret,374 reichten als ökologische Komponente des Prinzips der angemessenen Nutzung nicht weit genug375 und sprächen wichtige ökologische Aspekte wie etwa die minimal, environmental bzw. ecological flow doctrine376 oder eine Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung377 gar nicht erst an. Immerhin wurden aber aussagekräftige Regeln gefunden, die in ihrer Präzision weit über das allgemeine Prinzip der angemessenen Nutzung hinausgehen.378 Durch Einbezug des Ökosystemansatzes wurde gleichzeitig die Möglichkeit einer dynamischen Entwicklung des Anwendungsbereichs eröffnet.379 Schließlich wird aus dem Wortlaut des Art. 5 in Verbindung mit den Art. 20 ff. klar deutlich, dass die VN-Konvention den adäquaten Schutz internationaler Wasserläufe als einen dem Prinzip der angemessenen Nutzung inhärenten Aspekt betrachtet. Damit wird jedem restriktiven Ansatz hinsichtlich des Umfangs des Prinzips der angemessenen Nutzung, das traditionell als auf die Verteilung der Wasserressourcen zwischen den Anrainern beschränkt angesehen wurde, definitiv eine Absage erteilt.380 Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 309 f. Allerdings wird ein erheblicher Schaden für die menschliche Gesundheit und Sicherheit als inherent unangemessen betrachtet, vgl. ILC, Draft Articles, Art. 7, Rn. 14. 374 Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 314; Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 243; Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 787; Nollkaemper, Neth YIL XXVII (1996), S. 39, 64 ff. 375 Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 204; Brunnée / Toope, AJIL 91 (1997), S. 26, 49. 376 Siehe zur minimal flow doctrine etwa Scanlon / Iza, YBIEL 14 (2003), S. 81 ff.; Utton / Utton, ColoJIEL&P 10 (1999), S. 7 ff.; Hayton, Rights and obligations of riparian States of international rivers, 1991, S. 85 ff. 377 Die Berücksichtigung der ökologischen Erfordernisse des Wasserlaufs im Rahmen der Bewertung der Angemessenheit einer bestimmten Nutzung macht keine Umweltverträglichkeitsprüfung im engeren Sinne notwendig. So verlangt Art. 12 S. 2 VN-Konvention zwar, dass wenn eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wird, deren Ergebnis im Rahmen der Notifikation geplanter Maßnahmen mitzuteilen ist; eine Pflicht die Umweltverträglichkeitsprüfung vorzunehmen besteht dagegen nicht. Vgl. dazu Boisson de Chazournes, Les ressources en eau et le droit international, 2002, S. 47; Hey, RECIEL 7 (1998), S. 291, 296. Siehe auch ILA, Berlin-Rules, Kommentar zu Art. 29. 378 Wouters, GYIL 42 (1999), S. 293, 321 ff. 379 So auch Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 108 ff. 380 Bereits die Präambel der VN-Konvention bringt das Abkommen ins Mantra des Naturund Umweltschutzes sowie der Nachhaltigkeit (Abs. 5 und 8 VN-Konvention). Art. 1 stellt klar, dass Umweltschutzmaßnahmen, die mit den Wasserläufen und deren Wasserressourcen in Verbindung stehen, vom Umfang der Konvention gedeckt sind. 372 373

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

c) Vernünftig (reasonable) Nach Art. 5 (1) S. 1 haben die Anrainerstaaten eines internationalen Wasserlaufes diesen nicht nur auf angemessene, sondern auch auf vernünftige381 Weise zu nutzen. Wie der Begriff „angemessen“ wird auch das Tatbestandsmerkmal „vernünftig“ weder in der VN-Konvention noch im ILC-Kommentar definiert; die in Art. 6 enthaltenen Faktoren sind aber auch für die Bestimmung der „vernünftigen“ Nutzung relevant. Angesichts des klaren Wortlauts des Art. 5, der die vernünftige Nutzung ausdrücklich und zusätzlich zur angemessenen Nutzung normiert, wirkt die Vorstellung abwegig, dem Begriff „vernünftig“ keine eigenständige Bedeutung zukommen zu lassen. Überzeugend ist dagegen die Vorstellung, dass er die distributive Komponente der Angemessenheit gegenüber der Umweltschutzdimension weiter abschwächt. Der ökologische Aspekt geht schon aus der Begrifflichkeit der „vernünftigen Nutzung“ eher hervor als aus der „angemessenen Nutzung“.382 Zum zweiten ermahnt das Tatbestandsmerkmal „vernünftig“ dazu, den Abwägungsvorgang auf eine rationale Grundlage zu stellen.383 Damit erhöht sich auch der Argumentationsaufwand eines Staates, der eine umstrittene Nutzung durchsetzen will. Zum dritten hält das Wort „vernünftig“ die Anrainerstaaten dazu an, sich im Rahmen des Abwägungsprozesses weitestmöglichst zu koordinieren, um die gegenseitigen Einschätzungen durch Informationsaustausch zu objektivieren.384

3. Angemessene und vernünftige Teilhabe (equitable and reasonable participation) Eine rein materielle Pflicht zur angemessenen und vernünftigen Nutzungsaufteilung ist nur begrenzt tragfähig. Deshalb wird in Art. 5 Abs. 2 das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Teilhabe normiert: es komplementiert das in Art. 5 Abs. 1 formulierte materielle Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung mit einer verfahrensrechtlichen Komponente.385 Nach dem Prinzip der angemesse381 Ausführlich zur Bedeutung des Begriffs „vernünftig“ im Völkerrecht Corten, RGDIP 102 I (1998), S. 5 ff. 382 So auch Wouters, GYIL 42 (1999), S. 293, 326; Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 759. 383 Vgl. Lee, Effiziente Nutzung, 2003, S. 63 f. 384 Vgl. bereits Benevisti, AJIL 90 (1996), S. 384, 390 f. 385 ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 1. Vgl. auch ILC, Schwebel – Third Report, Rn. 88 ff., der klarstellt, dass die Teilhabe die Regel der Berechtigung auf einen angemessenen Anteil erweitere „to embrace the full scope of a system State’s involvement in matters affecting the international watercourse system – its ,equitable participation‘ [ . . . T]he principle of ,equitable participation‘ is in no way a retreat from the accepted principle of equitable utilization or apportionment. On the contrary, equitable participation assumes, includes and articulates equitable utilization as the fundamental rule, but places in the larger context of the system States’ need and willingness to give attention to critical matters of common interest re-

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nen und vernünftigen Teilhabe sollen die Anrainer an der Nutzung, der Entwicklung und dem Schutz internationaler Wasserläufe partizipieren (Art. 5 Abs. 2 S. 1). Im Mittelpunkt steht dabei die Kooperation zwischen den Anrainern auf einer angemessenen und vernünftigen Grundlage durch Teilhabe an Maßnahmen, Arbeiten und sonstige Aktivitäten; diese Zusammenarbeit soll dazu beitragen, die Ziele der angemessenen und vernünftigen Nutzung, also eine optimale und nachhaltige Nutzung zu erreichen.386 Insofern ist das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Teilhabe verfahrensrechtlicher Ausfluss des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung in seiner in Art. 5 Abs. 1 gefundenen vornehmlich materiellen Form und mit diesem eng verbunden: „[i]t recognizes that, as concluded by technical experts in the field, cooperative action by watercourse States is necessary to produce maximum benefits for each of them, while helping to maintain an equitable allocation of uses and affording adequate protection to the watercourse States and the international watercourse itself.“387

a) Teilhabe (participation) Obwohl die Grundidee der Teilhabe388, dass die Anrainerstaaten positiv kooperieren müssen, um ein angemessenes und vernünftiges Nutzungsregime zu erreichen, nicht neu ist389 und ein Wesensmerkmal einer ganzen Reihe gut entwickelter Kooperationsbeziehungen zwischen Anrainerstaaten internationaler Wasserläufe darstellt, findet sich der Begriff der „Teilhabe“ in keinem der VN-Konvention vorangegangenen Kodifikationsversuche.390 Zwar definiert die VN-Konvention das specting shared water resources which may be ancillary to uses or at best only indirect related to uses. This larger approach – the integrated approach, scientifically so essential to the water related aspects of the welfare of system States – was not covered conceptually by the traditional terminology addressed to uses and to ,dividing‘ quantities of water, despite efforts of governmental and non-governmental bodies to make the terms embrace quality, hazard and conservation concerns.“ Vgl. auch McCaffrey, IJGEI 1 (2001), S. 250, 253. 386 ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 5. Vgl. auch Rothenberger, Angemessene Nutzung, 2003, S. 149 ff.; McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 305; ders. / Sinjely, AJIL 92 (1998), S. 97, 99; Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 109. Ausführlich zur Bedeutung der Kooperation der Anrainer für das Management eines internationalen Wasserlaufes ILC, McCaffrey – Third Report, Rn. 42 ff. 387 ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 5. 388 Die amtliche dt. Übersetzung im Vertragsgesetz (BGBl. 2006 II S. 742) spricht von „Beteiligung“. 389 Vgl. supra Zweiter Teil, I. 3. und 4. die Ausführungen zur Theorie der Interessengemeinschaft und dem Konzept der gemeinsamen Naturgüter. 390 Lee, Effiziente Nutzung, 2003, S. 53; Rothenberger, Angemessene Nutzung, 2003, S. 52; McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 305; ders., Prospects and pitfalls, 1998, S. 20. In der Vergangenheit wurde in der völkerrechtlichen Lehre nicht immer klar zwischen dem Prinzip der angemessenen Nutzung und dem Prinzip der angemessenen Teilhabe unterschieden, siehe etwa Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 758 f.

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

Tatbestandsmerkmal der Teilhabe nicht; inhaltliche Anhaltspunkte ergeben sich aber aus Art. 5 Abs. 2 S. 2, nachdem die Teilhabe sowohl das Recht, den Wasserlauf zu nutzen, als auch die Pflicht, für dessen Schutz und Entwicklung zusammen zu arbeiten, beinhaltet. Insgesamt ist die Aufnahme des Prinzips der Teilhabe in die VN-Konvention als Bekenntnis zu verstehen, dass eine angemessene Nutzung wie auch die Entwicklung und der Schutz des Ökosystems internationaler Wasserläufe nicht alleine durch isolierte Aktionen möglich ist.391 Insofern spiegelt sich im Prinzip der angemessenen Teilhabe tatsächlich die Vision einer „Flussgemeinschaft“.392 Das Recht auf Nutzung und die Pflicht zur Kooperation ergeben sich direkt aus Art. 5 Abs. 2.393 Ihre Beachtung beziehungsweise Nichtbeachtung stehen nicht im Ermessen der Anrainer.394 Es bedarf auch keiner spezifischen Abkommen zwischen den betroffenen Anrainern, die die Modalitäten der Nutzung bzw. Zusammenarbeit gesondert implementieren. 395 Dies steht im Einklang mit dem doppelten Ziel der VN-Konvention, einerseits als Orientierung für zukünftige Wasserlaufabkommen zu dienen, andererseits in deren Abwesenheit aber auch unmittelbar Regeln zur Lösung von Wasserlaufkonflikten zu normieren.396 Im Interesse gesteigerter Effektivität sollten die Einzelheiten der Nutzung und Zusammenarbeit zwar möglichst in einem oder auch mehreren Übereinkommen geregelt werden.397 Schon die Konzeption des gesamten Übereinkommens als Rahmenkonvention unterstreicht die Wichtigkeit der Entwicklung von Wasserlaufregimes, denen sie nicht zuletzt als Vorbild dienen soll.398 Auch die Problematik der akkuraten Umsetzung und Anwendung der rechtlichen Vorgaben und die viel391 McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998, S. 20; Hayton, Rights and duties of riparian States of international rivers, 1991, S. 81 ff. 392 Tanzi, LJIL 11 (1998), S. 441, 445; ders. / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 120. 393 Vgl. auch ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 5. 394 Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 118. 395 ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 5. 396 ILC, Draft Articles, Art. 3, Rn. 1. Siehe auch Tanzi, LJIL 11 (1998), S. 441, 468. 397 Entsprechend bestimmt Art. 4 Abs. 1 VN-Konvention, dass jeder Wasserlaufstaat berechtigt ist, sich an der Aushandlung einer auf den gesamten internationalen Wasserlauf anzuwendenden Wasserlaufübereinkunft zu beteiligen und Vertragspartei einer solchen Übereinkunft zu werden. Art. 4 Abs. 2 sagt aus, dass ein Wasserlaufstaat, dessen Nutzung eines internationalen Wasserlaufes durch die Durchführung einer beabsichtigten Wasserlaufübereinkunft, die nur auf einen Teil des Wasserlaufes, ein bestimmtes Vorhaben oder Programm oder eine bestimmte Nutzung Anwendung findet, in beträchtlichem Maße beeinträchtigt werden könnte, berechtigt ist, an den Konsultationen über eine solche Übereinkunft und gegebenenfalls an den Verhandlungen nach Treu und Glauben teilzunehmen, um Vertragspartei der Übereinkunft zu werden, soweit seine Nutzung des Wasserlaufs durch sie beeinträchtigt wird. Im Gegensatz zu Abs. 1 wird in Abs. 2 kein Recht des potentiell betroffenen Staates niedergelegt, Vertragspartei des Übereinkommens zu werden, vgl. Demeter, Schutz und Nutzung, 2001, S. 419. 398 Vgl. ILC, Draft Articles, Art. 3, Rn. 2.

II. Das Prinzip in der Form der VN-Wasserlaufkonvention

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fältigen Schwierigkeiten bei Maßnahmen zum Schutz und zur Entwicklung von Wasserläufen machen den Vorteil der Schaffung von internationalen Strukturen auf diesem Gebiet offenkundig.399 Insgesamt profitiert eine aktive und anhaltende Zusammenarbeit regelmäßig von einem formellen rechtlichen Rahmen.400 Dafür bietet sich ein Vertrag an, der die Rechte und Pflichten aller Parteien klar festlegt. Jedoch hängen die in Absatz 2 enthaltenen korrelierenden Rechte und Pflichten nicht von deren Umsetzung durch ein eigens geschlossenes Abkommen ab.401 Alles andere würde nicht nur der Souveränität der Anrainerstaaten, sondern auch den Zielen einer optimalen und nachhaltigen Nutzung nicht gerecht und wäre auch mit dem Grundsatz der angemessenen Nutzung nicht vereinbar. Im Extremfall würde sich sonst für einen Anliegerstaat ein Vetorecht gegen sämtliche Maßnahmen aller anderen Anlieger ergeben, das den Schutz und die Entwicklung des Wasserlaufes sogar verhindern könnte.402 Die angestrebte optimale und nachhaltige Nutzung eines internationalen Wasserlaufes könnte daher von Nachbarn abgeblockt werden, die ausschließlich auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind.403 Die VN-Konvention führt aber gerade kein Zustimmungserfordernis und damit auch kein Vetorecht der Mitanrainerstaaten ein.404 Das Nichtbestehen einer Implementierungspflicht steht im Einklang mit Art. 3 Abs. 3, der ausdrücklich bestimmt, dass die Wasserlaufstaaten ein oder mehrere Übereinkünfte schließen können („may“), durch welche die Regelungen der VNKonvention auf die Merkmale und Nutzungen eines bestimmten internationalen Wasserlaufes oder eines Teiles davon angewandt und dementsprechend angepasst werden, aber keine Pflicht zum Abschluss eines Wasserlaufübereinkommens zur Umsetzung der Zusammenarbeitspflicht der VN-Konvention besteht.405 Angesichts der Vorteile spezifischer vertraglicher Grundlagen könnte die Aufnahme von Konsultationen und gegebenenfalls Verhandlungen im Hinblick auf ein gemeinsames Regime bezüglich Schutz und Entwicklung eines gemeinsamen Wasserlaufes allerdings zum Regelfall werden. Dabei kommt den Anrainern zwar ein 399 Salman, Water resources and international law, 2002, S. 114 f. Vgl. auch bereits Lipper, Equitable utilization, 1967, S. 59. 400 Canelas de Castro, Prospects for the future of international water law: the view projected by the epistemic community, 2003, S. 392; Savenije / van der Zaag, Water Policy 2 (2000), S. 9 ff.; McCaffrey, Water, politics, and international law, 1993, S. 99. Siehe auch die Ausführungen supra Zweiter Teil, I. 3. d) aa) (2). 401 ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 5. Siehe auch Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 118. Vgl. auch bereits Ruiz-Fabri, AFDI 36 (1990), S. 818, 835. 402 Vgl. ILC, Draft Articles, Art. 3, Rn. 17. 403 Siehe ILC, Draft Articles, Art. 14, Rn. 2. Vgl. auch bereits Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 62. 404 Vgl. die Ausführungen zu Art. 11 ff. VN-Konvention infra Zweiter Teil, II. 3. a) bb) (3). 405 Vgl. Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 193; McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998, S. 18; Caflisch, Regulation of the uses of international watercourses, 1998, S. 11. Kritisch Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 305.

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

großer Handlungsspielraum zu. Ein Anrainerstaat, der sich weigert, mit den übrigen Anliegern ein gemeinsames Regime für Nutzung, Schutz und Entwicklung des gemeinsamen Wasserlaufes aufzubauen, wird aber in der Regel erklären müssen, warum im konkreten Fall ein individuelles Vorgehen Vorrang vor gemeinsamem Handeln genießt. Dieser Nachweis wird ihm angesichts seiner Verpflichtung zur angemessenen und vernünftigen Nutzung mit dem Ziel einer optimalen und nachhaltigen Nutzung häufig nur schwer gelingen.406 Zu beachten ist aber, dass Art. 4 VN-Konvention Staaten, die einen dritten Anrainer von einem zwischen ihnen abzuschließenden, nur einen Teil des Wasserlaufes betreffenden Abkommen ausschließen wollen, eine relativ starke Stellung gibt.407 Das Konzept der Teilhabe i. S. d. Art. 5 Abs. 2 betrifft die Zusammenarbeit zwischen Staaten.408 Infolgedessen werden durch die Vorschrift ausschließlich Staaten berechtigt und verpflichtet, nicht aber einzelne natürliche Personen oder Gruppen von einzelnen.409 Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut des Art. 5 als auch aus dem Zusammenhang des gesamten Übereinkommens, das ausschließlich die Rechte und Pflichten der Anrainerstaaten untereinander regelt.410 Teilhabe im Sinne des Art. 5 Abs. 2 ist also nicht gleichbedeutend mit einem Recht auf Bürgerbeteiligung am Wassermanagement.411 Die VN-Konvention beschränkt sich lediglich darauf, in Art. 32 unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass die jeweiligen Wasserlaufstaaten keine anderweitige Vereinbarung getroffen haben, die Staaten zu verpflichten, betroffenen Privatpersonen gleichen Zugang zu Gerichtsverfahren oder anderen Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 109. Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 775. Vgl. dazu auch Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 193. 408 ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 5. 409 Boisson de Chazournes, Les ressources en eau et le droit international, 2002, S. 49 f.; Rieu-Clarke, Water International 25 (2000), S. 572, 574 f.; Hey, Sustainable use, 1995, S. 128. Vgl. dazu auch ILC, Draft Articles, Art. 32, Rn. 5. Siehe ebenso ILA, Berlin-Rules, Kommentar zu Art. 18. 410 Auch die Natur der Pflicht zur Kooperation als Kehrseite des Rechts auf Nutzung internationaler Wasserläufe spricht dafür, die Anrainerstaaten als alleinige Normadressaten zu betrachten. 411 Woodhouse, Nat. Res. J. 43 (2003), S. 137, 149 ff. Ausführlich zum Konzept der Bürgerbeteiligung (engl. public participation) Shelton, Environmental rights, 2001, S. 203 ff.; Johnson / Ravnborg / Westermann / Probst, Water policy 3 (2001), S. 507 ff.; Ebbesson, YBIEL 8 (1997), S. 51 ff. Siehe auch Benevisti, The role of third parties in promoting collective action among riparians, 2003, S. 201 ff.; Hey, Non-state actors and international water disputes: a search for the nexus between the local and the global, 2003, S. 299 ff.; Tanzi / Pitea, Emerging trends in the role of non-state actors in international water disputes, 2003, S. 259 ff.; Hunter / Salzman / Zaelke, International environmental law and policy, 2002, S. 435 ff. Einen Überblick über mögliche Beteiligungsformen gibt Simonovic, Water International 25 (2000), S. 76 ff. Zur Möglichkeit privater Schadensersatzklagen aufgrund grenzüberschreitender Umweltschädigungen Boyle, International law of environmental rights: remedies for pollution injuries, 1995, S. 93 ff. Vgl. zum Ganzen auch MacNaughton / FolkWilliams, Natural Resources and Environment 18 (2003), S. 36 ff.; Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 248 ff. 406 407

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Verfahren wie den eigenen Staatsangehörigen zu gewähren.412 Damit ist aber nicht die Pflicht verbunden, adäquate Verwaltungs- und Gerichtsverfahren einzurichten, um die Öffentlichkeit an der Formulierung und Implementierung von Strategien der Wasserressourcenmanagements zu beteiligen oder Privatleute in die Lage zu versetzen, damit in Verbindung stehende erlittenen Schäden geltend machen zu können, sondern nur ein Verbot der Diskriminierung von Ausländern, das für den Fall, dass das Rechtssystem eines Staates selbst den eigenen Staatangehörigen keine Rechte auf Zugang zu Verfahren und Gerichten gewährt, leer läuft.413 aa) Recht auf Nutzung Art. 5 Abs. 2 S. 2 VN-Konvention stellt klar, dass das Prinzip der Teilhabe zunächst bedeutet, dass jeder Anrainerstaat dazu berechtigt ist, die Wasserressourcen eines internationalen Wasserlaufes zu nutzen, die sich auf seinem Territorium befinden.414 Dieses Recht ist ein Attribut der staatlichen Souveränität und steht jedem Staat zu, dessen Territorium von einem internationalen Wasserlauf berührt oder durchquert wird. Das sich allerdings ebenfalls aus dem Grundsatz der staatlichen Souveränität ergebende Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten führt jedoch dazu, dass das Recht jedes Anliegers auf Nutzung des Wassers den Nutzungsrechten aller anderen Anrainer qualitativ gleichsteht und mit diesen korreliert. Deshalb gilt das Nutzungsrecht nicht unbeschränkt. Jeder Anrainer ist vielmehr nur zu solchen Nutzungen berechtigt, die angemessen und vernünftig sind. Der Umfang des Rechts eines Staates auf Nutzung der Ressourcen eines internationalen Wasserlaufes hängt also von den Umständen jedes Einzelfalles und insbesondere von der in Art. 6 vorgesehenen Abwägung aller relevanten Faktoren ab. bb) Pflicht zur Kooperation bei Schutz und Entwicklung Gem. 5 Abs. 2 S. 2 VN-Konvention beinhaltet die Teilhabe neben dem Recht auf Nutzung eines internationalen Wasserlaufes auch die Pflicht zur Zusammenarbeit bei dessen Schutz und Entwicklung.415 Hinter dieser verfahrensrechtlichen 412 Zur Frage, ob Art. 32 ausnahmsweise doch Individuen unmittelbar Rechte verleiht, siehe Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 170 ff. 413 Demeter, Schutz und Nutzung, 2001, S. 98 ff., 317 ff.; McCaffrey / Sinjela, AJIL 92 (1998), S. 97, 104; Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 792; Hey, Sustainable use, 1995, S. 134 f.; Caron, ColoJIEL&P 3 (1992), S. 269, 276 ff. A.A. Rieu-Clarke, Water International 25 (2000), S. 572, 579. 414 Vgl. ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 8. 415 ILC, Schwebel – Third Report, Rn. 89 verweißt ausdrücklich auf die „two ,aspects‘ of the compound principle of equitable participation: the right to use and the duty to contribute, in an equitable manner. The equities are couched in the larger perspective so widely sought: the integrated approach to the development, use and protection of shared international water resources.“

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

Obliegenheit steht die Einsicht, dass eine angemessene und vernünftige Nutzungsaufteilung eine Verständigung der Anrainer insbesondere auch auf dem Gebiet des Schutzes und der Entwicklung eines internationalen Wasserlaufes voraussetzt.416 Dieser Pflicht entspricht auf Seiten der übrigen Anrainer ein Recht auf diese Kooperation.417 Selbst wenn dieses Recht nicht ausdrücklich in den Wortlaut der Vorschrift aufgenommen wurde, so ergibt sich doch aus dem Recht auf Nutzung und der Pflicht zur Kooperation implizit auch das Recht jedes einzelnen Anrainerstaats auf die Zusammenarbeit der anderen Anlieger bei der Gewährleistung einer angemessenen Aufteilung der Nutzung des Wasserlaufs und der sich daraus ergebenden Vorteile.418 Infolgedessen haben die Anrainer je nach den Umständen des Einzelfalles einen Anspruch auf die Kooperation der anderen Anliegerstaaten in solchen Bereichen wie Überschwemmungsprävention, Verschmutzungs- und Dürrebekämpfungsprogrammen, Erosions- und Krankheitserregerkontrolle, Flussregulierung, Schutz von hydraulischen Anlagen und Umweltschutz.419 Das Konzept der Teilhabe ist also zunächst eine wichtige Basis für das Erreichen und die Erhaltung einer angemessenen Aufteilung der Nutzungen und Vorteile an einem internationalen Wasserlauf. Insofern dient die Teilhabe als Katalysator des Abwägungsprozesses. Insbesondere das Erfordernis optimaler Nutzung bringt die Anrainer in ein Dauerschuldverhältnis zueinander, welches ständigen Kontakt, Kompromissbereitschaft und praktische, aktive Zusammenarbeit erfordert. Denn erst eine kooperativ organisierte Nutzung durch alle Anrainer ermöglicht die Berücksichtigung der Auswirkungen eigener Nutzungen auf den gesamten Wasserlauf wie auch auf die relevanten Nutzungsinteressen aller Mitanrainer. 416 Vgl. dazu auch die Ausführungen des IGH im Gabcíkovo-Nagymaros-Urteil (Reports 1997, S. 7 ff., Rn. 17): „The Danube has always played a vital part in the commercial and economic development of its riparian States, and has underlined and reinforced their interdependence, making international co-operation essential. [ . . . ] In the stretch of river to which the case relates, flood protection measures have been constructed over the centuries, farming and forestry practised, and, more recently, there has been an increase in population and industrial activity in the area. The cumulative effects on the river and on the environment of various human activities over the years have not all been favourable, particularly for the water régime. Only by international co-operation could action be taken to alleviate these problems.“ 417 ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 6. 418 ILC, Schwebel – Third Report, Rn. 90 führt dazu aus: „Here, the system State’s affirmative involvement is considered as much of a ,righ‘ as it is a ,duty‘, since the welfare and other vital interests of the system State are often intimately linked to the wise husbanding of the system’s water resources and the careful avoidance of water’s so-called harmful effects. What precautionary measures, hydraulic works, warning systems or abatement programmes, among other things, may be required in a particular international watercourse during certain seasons, or longer time periods, can be and are being determined in consonance with the physical and chemical circumstances, the capabilities and needs of the system States and the availability of applicable technology. Effectively to avert the threat of flooding for the indefinite future (for example) would probably necessitate major hydraulic works and land-use measures requiring in all likelihood quite elaborate systems agreements; [ . . . ].“ 419 ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 5.

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Darüber hinaus schließt die Teilhabe aber ebenso Aspekte mit ein, die bei der Abwägung hinsichtlich der Angemessenheit einzelner Nutzungen keine Berücksichtigung finden. Insofern ist sie ganz allgemein ein Merkmal gut entwickelter Beziehungen zwischen den Anrainern. Insbesondere beschränkt sie sich nicht auf die Prävention oder Lösung drohender oder bereits bestehender Nutzungskonflikte, sondern umfasst das gesamte Ausmaß der Wechselwirkungen zwischen dem internationalen Wasserlauf und dem Handeln der Anrainerstaaten.420 Die sich daraus ergebende Pflicht zum gemeinsamen Handeln ergibt sich nicht nur durch Umstände, die durch menschliches Handeln verursacht wurden, sondern auch solche, deren Ursachen in der Natur liegen, aber dennoch potentiell negative Auswirkungen auf die Wasserressourcen eines internationalen Wasserlaufes und deren Umwelt haben.421 Das Prinzip der Teilhabe bedeutet also mehr als eine bloße Pflicht zur Zusammenarbeit; es ist vielmehr Ausdruck eines integrierten Ansatzes, der die umfassende Berücksichtigung aller Wassernutzungen beinhaltet und mit sich daraus ableitenden Problemen wie dem Umweltschutz verbindet.422 (1) Allgemeine Kooperationspflichten Die der Teilhabe innewohnende Pflicht zur Zusammenarbeit geht über die in Art. 6 Abs. 2 statuierte Annexverpflichtung zum Abwägungsgebot hinaus, bei der Vornahme der Interessenabwägung in kooperativer Gesinnung mitzuwirken, und stellt die Zusammenarbeit der Anrainer bei der Nutzung eines internationalen Wasserlaufs auf eine breitere Grundlage.423 Dabei beruht sie gerade auf der Idee, dass das Ziel einer optimalen und nachhaltigen Nutzung nicht ausreichend durch die bloße Koordination der Anrainer im Rahmen des dem Prinzip der angemessenen Nutzung inhärenten Abwägungsprozesses gewährleistet werden kann, sondern zur Implementierung des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung eine Zusammenarbeit durch aktive individuelle oder gemeinsame Schritte der Anlieger nötig ist.424 Dies entspricht auch dem Ziel der VN-Konvention, neben der Normierung von Regeln zur Lösung eines unmittelbaren Konfliktes für den Fall, dass keine speziellen Übereinkommen gelten, die Kooperation der Anrainerstaaten zu vereinfachen und zu fördern und damit zur Konfliktprävention beizutragen. ILC, Schwebel – Third Report, Rn. 88. Vgl. bereits Lammers, Pollution of international watercourses, 1984, S. 548. 422 So auch Fitzmaurice, FS Weeramantry, 1998, S. 431 ff. 423 Aber auch in Art. 6 Abs. 2, welcher der Bestimmung einer Nutzung oder Teilhabe als angemessen oder vernünftig dient, spiegelt sich der Geist des Prinzips der Teilhabe: die Anrainerstaaten müssen bereit sein, eine Einigung über die Abwägung der Faktoren zu erzielen, denn sie können nicht immer völlig allein beurteilen, ob die Nutzung ihres Anteils am internationalen Wasserlauf angemessen ist. Vgl. dazu auch McCaffrey / Sinjely, AJIL 92 (1998), S. 97, 103; Tanzi, NRF 21 (1997), S. 109, 114. 424 Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 109; McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998, S. 20. 420 421

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Gem. Art. 9 sind die Wasserlaufstaaten zu einem regelmäßigen Austausch von Daten und Informationen verpflichtet.425 Dieser ist nicht nur ein Teilaspekt der Kooperationspflicht nach Art. 8,426 sondern auch eine spezifische Anwendung der Verpflichtung zur angemessenen Nutzung und Teilhabe.427 Denn um bestimmen zu können, ob seine Wassernutzung mit der eines anderen Anliegers konkurriert und anschließend die Angemessenheit seiner und der konkurrierenden Nutzung zu bewerten, benötigt jeder Anrainerstaat von den anderen Anliegerstaaten entsprechende Informationen und Daten.428 Während sich Art. 9 Abs. 1 nur auf solche Daten und Informationen bezieht, die ohne weiteres verfügbar sind, besteht gem. Art. 9 Abs. 2 hinsichtlich von Daten und Informationen, bei denen diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, die Möglichkeit, das Ersuchen um Informationen und Daten nur unter der Bedingung zu erfüllen, dass der ersuchende Staat die durch die Sammlung und Verarbeitung solcher Daten und Informationen entstehenden Kosten trägt; Letzeres trägt insbesondere den geringeren Ressourcen der Entwicklungsländer Rechnung. Art. 9 Abs. 3 bestimmt, dass sich die Wasserlaufstaaten nach besten Kräften bemühen, die Daten und Informationen in einer Weise zu sammeln und gegebenenfalls zu verarbeiten, die den anderen Wasserlaufstaaten, denen sie übermittelt werden, deren Verwendung erleichtert. Diese Grundvoraussetzungen des Datenaustausches sollen die Angemessenheit und Vernünftigkeit der Nutzung des internationalen Wasserlaufes auf Dauer gewährleisten.429 Gerade die Regelmäßigkeit der Informationen ermöglicht es den Anrainern, die vorgeschriebene Abwägung beständig vorzunehmen und dadurch ihrer Verpflichtung zur Angemessenheit ihrer Nutzung anhaltend gerecht zu werden.430 Anderenfalls wäre es für einen Staat nicht möglich, sicherzustellen, dass seine eigene Nutzung des internationalen Wasserlaufes den anderen Anrainerstaaten gegenüber angemessen ist und auch bleibt.431 Gerade für einen Unteranlieger ohne entsprechende Informationen zu Regenmenge, Wasserqualität und Wasserabfluss am Oberlauf wäre es darüber hinaus schwierig, seine eigene Nutzung nachhaltig zu optimieren.432 Gem. Art. 25 Abs. 1 sind die Anrainerstaaten außerdem gehalten, auf Bedürfnisse und Möglichkeiten bei der Regulierung internationaler Wasserläufe zu reagieren, wenn dies angebracht erscheint. Art. 25 Abs. 2 bezieht sich auf Situationen, in denen sich Anliegerstaaten darauf geeinigt haben, Flussregulierungsarbeiten an einem internationalen Wasserlauf durchzuführen, und verpflichtet diese, in „angemessenem“ Umfang am Bau, der Erhaltung und der Kostentragung dieser Arbeiten Vgl. aber die Ausnahme hinsichtlich sensibler Daten in Art. 31 VN-Konvention. Vgl. Art. 9 Abs. 1 VN-Konvention: „Pursuant to article 8 [ . . . ]“. 427 ILC, Draft Articles, Art. 9, Rn. 1. Siehe auch Perrez, Cooperative Sovereignty, 2000, S. 306 ff. 428 ILC, McCaffrey – Fourth Report, Rn. 14. 429 McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 311. 430 ILC, Draft Articles, Art. 9, Rn. 1. Vgl. auch ESCWA (Hrsg.), Assessment, 2002, S. 38. 431 Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 211. 432 McCaffrey / Sinjely, AJIL 92 (1998), S. 97, 102. 425 426

II. Das Prinzip in der Form der VN-Wasserlaufkonvention

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teilzuhaben, soweit die Anrainer keine andere Regelung getroffen haben.433 Diese Norm verpflichtet zwar die Anrainerstaaten nicht zur Teilhabe an Regulierungsarbeiten, von denen sie in keiner Weise profitieren; wenn aber ein Anrainer mit einem anderen darin übereinkommt, die Regulierungsarbeiten vorzunehmen und er gleichzeitig aus diesen Arbeiten Vorteile zieht, ist dieser Staat, falls kein anders lautendes Übereinkommen besteht, dazu verpflichtet, zum Bau und der Erhaltung der Regulierungsmaßnahmen proportional zu den sich daraus für ihn ergebenden Vorteilen beizutragen.434 Auch diese Obliegenheit ist eine spezifische Anwendung der allgemeinen Verpflichtung angemessener Teilhabe nach Art. 5 Abs. 2.435 In Art. 26 VN-Konvention spiegelt sich das Problem der Sorge der Staaten um den Schutz und die Sicherheit von am Wasserlauf bestehenden Einrichtungen und ihre gegenseitige diesbezügliche Verantwortung wider. Objekt dieser Regelung sind insbesondere Staudämme. Sie gehören zu den sensibelsten Einrichtungen auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft und ihre Errichtung und ihr Betrieb führt nicht selten zu schwierigen Auseinadersetzungen zwischen Ober- und Unteranliegern. Art. 26 Abs. 1 verpflichtet die Staaten, „best efforts“ bei der Erhaltung und dem Schutz solcher Einrichtungen walten zu lassen. Gem. Art. 26 Abs. 2 besteht eine Konsultationspflicht auf Verlangen eines jeden Staates, der vernünftige Gründe zu der Annahme hat, dass er erhebliche Nachteile aufgrund von Installationen und sonstigen Einrichtungen an einem internationalen Wasserlauf erleidet.436 433 434 435

ILC, Draft Articles, Art. 25, Rn. 3. ILC, Draft Articles, Art. 25, Rn. 3. ILC, Draft Articles, Art. 25, Rn. 3. Vgl. auch McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998,

S. 25. 436 Kritisch zur vorsichtigen Formulierung der Vorschrift Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 213. Das Streitschlichtungsverfahren nach Art. 33 (einschließlich der in einem Annex zur VN-Konvention im Einzelnen ausgearbeiteten Verfahrensregeln) ist Ausfluss der allgemeinen Kooperationspflicht und kann nicht mehr als Teilaspekt der Teilhabe gewertet werden. Die Vorschrift verweist in den Abs. 1 und 2 die streitenden Parteien für den Fall, dass sie sich im Verhandlungswege nicht zu einigen vermögen, auf die guten Dienste einer dritten Partei oder die Anrufung eines Schiedsgerichts oder des internationalen Gerichtshofes, was freilich gem. Abs. 10 eine entsprechende vorherige Unterwerfungserklärung voraussetzt. Als Alternative zu diesen Verfahren eröffnet Abs. 3 den Parteien die Möglichkeit, für den Fall, dass die Verhandlungen innerhalb von sechs Monaten keinen Erfolg hatten, ihren Streit einer unparteiischen „fact finding commission“ zu unterbreiten, deren Zusammensetzung und Verfahren in den Abs. 4 – 9 näher geregelt sind. Das Verfahren sieht zwar kein für die Parteien bindendes Ergebnis vor, eröffnet aber der fact finding commission die Möglichkeit, Empfehlungen abzugeben. Diese Regelung war Gegenstand erheblicher Diskussionen im Rahmen der Working Group. Dabei wurde angeführt, die allgemeine Kooperationspflicht und die VN-Konvention insgesamt könnten nur erfolgreich sein, wenn sie als Mittel auf Verhandlungen und nicht auf Gerichtsentscheidungen setzten. Zwingende Schiedsverfahren können sicherlich einen Mangel an politischem Willen, eine Verhandlungslösung zu erreichen, nicht aufwiegen. Gleichwohl kann die bloße Aussicht auf ein verbindliches Verfahren eine widerspenstige Partei ggf. dazu bewegen, eine flexiblere Verhandlungshaltung mit dem Ziel anzunehmen, den Rückgriff einer anderen Partei auf dieses Verfahren zu vermeiden. Siehe zum Ganzen auch Wouters, Resolving international water disputes, 2003, S. 119 ff.; Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 214 ff.; McCaffrey, The law of interna-

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(2) Spezifische Kooperationspflichten beim Schutz internationaler Wasserläufe Art. 5 Abs. 2 S. 2 hebt die Kooperationspflicht zum Zwecke des Gewässerschutzes als Bestandteil der Teilhabe eigens hervor und verweist dabei ausdrücklich auf die einschlägigen Vorschriften der Konvention. Dahinter steht die Einsicht, dass gerade zur Etablierung und Sicherung des ökologischen Gleichgewichts eines internationalen Wasserlaufes eine staatenübergreifende Zusammenarbeit insbesondere mit Blick auf eine effektive Prävention praktisch unausweichlich ist.437 Ausgangspunkt bildet dabei die allgemeine Verpflichtung der Anrainerstaaten aus Art. 20, soweit zweckdienlich („where appropriate“) die Ökosysteme internationaler Wasserläufe gemeinsam zu schützen und zu bewahren. Sie bildet die Grundlage einer ganzen Reihe weiterer ökologischer Kooperationspflichten, wie etwa der Pflicht der Anrainerstaaten aus Art. 21 Abs. 2 S. 1, gegebenenfalls gemeinsam die Verschmutzung internationaler Wasserläufe zu verhüten, zu verringern und zu bekämpfen, die anderen Anrainern oder deren Umwelt möglicherweise erheblichen Schaden zufügen könnte. Sie ist Ausfluss des Konzepts der Teilhabe und kann als Aufruf zur Zusammenarbeit bei der Umsetzung von Verschmutzungskontrollmaßnahmen verstanden werden.438 Eine solche geht häufig über den bloßen Austausch spezifischer Daten und Informationen hinaus und kann eine ganze Reihe von Formen annehmen, wie etwa die Bereitstellung technischer Hilfe oder gemeinsame Finanzierungsmodelle.439 Auch die Pflicht der Anrainerstaaten, in diesem Zusammenhang ihre Verfahrensweisen aufeinander abzustimmen (Art. 21 Abs. 2 S. 2) ist eine spezifische Anwendung des Art. 8 und der Teilhabe gemäß Art. 5 Abs. 2 und spiegelt die grundsätzliche Pflicht zur Etablierung einer zwischenstaatlichen Kooperation wider.440 Sie zielt darauf ab, dass die Anrainerstaaten in gutem Glauben zusammenarbeiten, um eine Harmonisierung ihrer Verfahrensweisen bezüglich des Problems der Wasserverschmutzung zu erreichen und aufrechtzuerhalten. Der Prozess der Harmonisierung hat demnach zwei Ebenen. Zunächst vollzieht sich das Erreichen der Harmonisierung in der Regel in mehreren Schritten und Stufen. Aber auch nachdem man erfolgreich zu einer Harmonisierung gelangt ist, sind weiterhin Kooperationsbemühungen notwendig, um angesichts sich ändernder Umstände die einmal erreichte Harmonisierung aufrecht zu erhalten. Insgesamt hängt der gesamte Harmonisierungsprozess vom Konsens der Anrainerstaaten ab. Wenn die Harmonisietional watercourses, 2001, S. 313 f.; Hey, RECIEL 7 (1998), S. 291, 296; Tanzi, NRF 21 (1997), S. 239, 243 ff. 437 Brunnée / Toope, AJIL 91 (1997), S. 26, 28, 40 ff. Vgl. auch Rothenberger, Angemessene Nutzung, 2003, S. 149; Reinicke, Die angemessene Nutzung gemeinsamer Naturgüter, 1991, S. 1 ff. 438 ILC, Draft Articles, Art. 21, Rn. 5. 439 ILC, Draft Articles, Art. 21, Rn. 5. 440 ILC, Draft Articles, Art. 21, Rn. 7.

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rungsverpflichtung des Art. 21 Abs. 2 S. 2 auch hinsichtlich ihres genauen Ausmaßes relativ vage bleibt, so macht sie doch klar, dass es für einen adäquaten Schutz internationaler Wasserläufe nicht ausreicht, separate nationale Umweltstrategien zu haben.441 Weiterhin ist auch die in Art. 23 normierte Verpflichtung Ausfluss des Prinzips der Teilhabe in Art. 5 Abs. 2, gegebenenfalls gemeinsam mit den anderen Anrainerstaaten diejenigen Maßnahmen hinsichtlich des internationalen Wasserlaufes zu ergreifen, die zum Schutz und der Erhaltung der maritimen Umwelt notwendig sind.442 Wo sich eine solche Vorgehensweise als geeignet erweist, müssen die Anrainer also gemeinsam und kooperativ handeln, um die maritime Umwelt vor Verschmutzungen durch internationale Wasserläufe zu schützen. Auch Art. 27 ist Teilaspekt der allgemeinen Verpflichtung zur angemessenen Teilhabe nach Art. 5 Abs. 2.443 Er schreibt vor, dass die Anrainerstaaten gegebenenfalls gemeinsam geeignete Maßnahmen ergreifen sollen, um Situationen vorzubeugen oder präventiv abzumildern, die anderen Anrainern möglicherweise Schaden zufügen. Dies hat unabhängig davon zu geschehen, ob diese Situationen vom Menschen oder der Natur verursacht werden (also etwa Überschwemmungen, Treibeis, wasserbezogene Krankheiten, Treibsand, Erosion, Versalzung, Dürren oder Desertifikation). Schließlich verpflichtet Art. 28 im Falle einer plötzlichen naturbedingten Notsituation mit möglichen erheblichen grenzüberschreitenden Schadensfolgen die betroffenen Staaten, gefährdete andere Anrainerstaaten zu warnen und nach Möglichkeit schadensmindernde Maßnahmen zu treffen; gegebenenfalls sollen die beteiligten Staaten gemeinsame Notfallpläne aufstellen. Die in all diesen Vorschriften zur ökologischen Zusammenarbeit verwendete Formulierung, „individually and, where appropriate, jointly“ zu handeln, erkennt die Chance für die Anrainerstaaten an, bei der Implementierung des Schutzes internationaler Wasserläufe zusammenzuarbeiten. 444 Sie wird in direkten Bezug zu Art. 5 und Art. 8 der VN-Konvention gesetzt und indiziert, dass es Fälle gibt, in denen es geeignet, ja sogar notwendig ist, dass die Anrainer auf Basis ihrer souveränen Gleichheit zusammenarbeiten. 445 Dies entspricht der Erkenntnis, dass die Leistungsfähigkeit einzelner isoliert handelnder Staaten im Rahmen des internationalen Umweltschutzes sehr schnell an ihre Grenzen stößt. Das gemeinsame kooperative Vorgehen wird aber in das Ermessen der betroffenen Staaten gestellt.446 Zwar besteht nach Ansicht der ILC die „Geeignetheit“ geHey, Sustainable use, 1995, S. 139 f. ILC, Draft Articles, Art. 23, Rn. 3. 443 ILC, Draft Articles, Art. 27, Rn. 2. 444 Tanzi, RivDI 80 (1997), S. 956, 990. 445 ILC, Draft Articles, Art. 20, Rn. 4. Vgl. auch Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 242. Hey, Sustainable use, 1995, S. 142. 441 442

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

meinsamen Handelns in der Regel jedenfalls für quergeteilte Wasserläufe und solche, die als Einheit bewirtschaftet und entwickelt werden.447 Die Geeignetheit wird aber nicht von dritter, unbeteiligter Seite festgestellt, sondern muss mangels anderweitig normierter Mechanismen der Beurteilung der betroffenen Staaten überlassen werden. Die Staaten sind außerdem nur dann zur Zusammenarbeit verpflichtet, wenn ihnen dies für die Lösung der konkreten Probleme geeignet erscheint, denen sie sich gerade gegenüber sehen; denn die Kooperationspflicht ist als Gegenpol zum Recht auf Nutzung nicht völlig unabhängig von den konkreten Nutzungen. Wenn den Anrainern dagegen ein gemeinsames Handeln zur Erfüllung der konkreten Pflicht nicht geeignet erscheint, besteht im Gegenschluss auch keine Verpflichtung zur Kooperation.448 Gemeinsamen Handelns bedarf es darüber hinaus nicht nur in in diesem Sinne „geeigneten“ Fällen, sondern bereits auf der Basis des Grundsatzes der Gleichheit der Staaten.449 Zu den in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen Faktoren gehören neben dem Ausmaß, in dem jeder Anrainer zu dem Problem beigetragen hat, auch das Ausmaß, in dem er von der Lösung des Problems profitiert. Dabei impliziert die Pflicht zur angemessenen Teilhabe an Schutz und Erhaltung des Ökosystems internationaler Wasserläufe nicht, dass ein Anrainer den durch einen anderen Anrainer verursachten Schaden reparieren oder tolerieren muss; aber die allgemeine Verpflichtung zur angemessenen Teilhabe verlangt, dass der Beitrag jedes Anrainers zu gemeinsamem Schutz und Erhaltung zumindest proportional zu dem Maß ist, in dem er zur Bedrohung oder zum tatsächlichen Schaden beigetragen hat.450 (3) Spezifische Kooperationspflichten bei der Entwicklung internationaler Wasserläufe Durch die wirtschaftliche, soziale und sonstige Entwicklung internationaler Wasserläufe durch den Menschen und insbesondere duch die Realisierung neuer Nutzung können sich auch die Umstände für die Nutzung in anderen Anrainerstaaten ändern. Insofern sind die Kooperationspflichten in Bezug auf geplante Nutzungsaktivitäten wichtige Vorraussetzung dafür, dass die Anrainerstaaten das angemessene Gleichgewicht ihrer jeweiligen Nutzungen erhalten.451 Deshalb normiert die VN-Konvention in den Art. 11 ff. zusätzlich zu der Pflicht zum regelmäßigen Informationsaustausch über allgemeine Aspekte des Wasserlaufs auch eine Ver446 Vgl. Lee, Effiziente Nutzung, 2003, S. 93; Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 242. 447 ILC, Draft Articles, Art. 20, Rn. 4. 448 Vgl. Hey, RECIEL 7 (1998), S. 291, 291 f. 449 ILC, Draft Articles, Art. 20, Rn. 4. 450 ILC, Draft Articles, Art. 20, Rn. 4. 451 ILC, Draft Articles, Art. 12, Rn. 1. Vgl. auch Salman, Water resources and international law, 2002, S. 85.

II. Das Prinzip in der Form der VN-Wasserlaufkonvention

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pflichtung zur ad hoc-Notifikation hinsichtlich beabsichtigter, den Wasserlauf betreffender Maßnahmen.452 Zunächst besteht nach Art. 11 eine allgemeine Informations- und Konsultationspflicht über die möglichen Auswirkungen geplanter Maßnahmen. Der Begriff Maßnahme ist dabei weit auszulegen und umfasst insbesondere auch Änderungen an bereits bestehenden Nutzungen.453 Darüber hinaus ist ein Wasserlaufstaat nach Art. 12 verpflichtet, bevor er geplante Maßnahmen, die beträchtliche nachteilige Auswirkungen auf andere Wasserlaufstaaten haben können, durchführt oder deren Durchführung genehmigt, dies den betreffenden Staaten rechtzeitig zu notifizieren. Die Schwelle der beträchtlichen nachteiligen Wirkung ist dabei niedriger als die des beträchtlichen Schadens nach Art. 7.454 Die Mitteilung muss alle wesentlichen Daten und technischen Einzelheiten enthalten, die für die betroffenen Anliegerstaaten zu deren Meinungsbildung erforderlich sind. Dies schließt die Ergebnisse einer gegebenenfalls durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung mit ein. Der genaue Umfang der Mitteilungspflicht hängt zwar immer vom Einzelfall ab; entscheidend ist jedoch, dass der betroffene Anliegerstaat in die Lage versetzt wird, die Auswirkungen der neuen Nutzung hinreichend zu beurteilen.455 Art. 13 räumt den notifizierten Staaten eine (einmal verlängerbare) Frist von 6 Monaten ein, in der sie die möglichen Auswirkungen der geplanten Maßnahmen untersuchen und bewerten können. Während dieser Frist ist der notifizierende Staat gem. Art. 14 zur Zusammenarbeit verpflichtet und muss die Durchführung der geplanten Maßnahme aufschieben, es sei denn der notifizierte Staat stimmt der Durchführung in diesem Stadium zu oder es handelt sich um dringende Maßnahmen (Art. 19). Wenn ein Anlieger rechtzeitig Einwände gegen eine beabsichtigte Nutzung erhebt (Art. 15) und etwa geltend macht, dass sich die beabsichtigten Maßnahmen nicht im Rahmen einer angemessenen Nutzung halten, sind die betroffenen Staaten gem. Art. 17 verpflichtet, in Konsultationen und, wenn nötig, in Verhandlungen zu treten mit dem Ziel, eine angemessene Lösung für die Situation zu finden. Zu formellen Verhandlungen soll es also nur kommen, wenn im Rahmen der Konsultationen kein Ergebnis erzielt wurde.456 Diese Konsultations- bzw. Verhandlungspflicht dient dazu, die Angemessenheit der Nutzung internationaler Wasserläufe auch in Fällen von Nutzungsänderungen zu gewährleisten, die zwischen den Anliegerstaaten zunächst umstritten sind. Sie bietet diesen die Möglichkeit, die Gewichtung der Interessen gemeinsam durchzuführen, und ist damit eine wichtige Option im Rahmen des Abwägungsprozesses. Während laufender Konsultationen oder Verhand452 Allgemein zu den Art. 11 ff. VN-Konvention Lee, Effiziente Nutzung, 2003, S. 89 ff.; Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 187 ff.; Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 783 ff.; Bourne, ColoJIEL&P 3 (1992), S. 65 ff.; Székely, ColoJIEL&P 3 (1992), S. 93 ff. 453 ILC, Draft Articles, Art. 11, Rn. 4. 454 ILC, Draft Articles, Art. 12, Rn. 2. 455 Vgl. jedoch die Kritik von Hey, RECIEL 7 (1998), S. 291, 295 f. insb. zur geringen inhaltlichen Konkretisierung der Informationspflicht. 456 ILC, Draft Articles, Art. 17, Rn. 2.

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

lungen darf der planende Staat innerhalb der folgenden sechs Monate nicht mit der Implementierung der neuen Nutzung beginnen, wenn ein betroffener Staat um Aufschub der Arbeiten bittet (Art. 17 Abs. 3). Auch von dieser Wartepflicht sind gem. Art. 19 dringende Maßnahmen ausgenommen.457 Wichtig ist es festzuhalten, dass sich aus den Art. 11 ff. hinsichtlich geplante Nutzungen eines Anrainers kein Vetorecht für die übrigen Anrainerstaaten ergibt, denn die neuen Nutzungen bedürfen weder einer ausdrücklichen Zustimmung der anderen betroffenen Staaten noch werden sie alleine durch deren Nichtvorliegen unangemessen.458 (4) Kooperationsrahmen Die in Art. 5 Abs. 2 VN-Konvention angesprochene und zu den speziellen Kooperationsverpflichtungen ausgestaltete Pflicht zur Zusammenarbeit der Anrainer wird in Art. 8 in eine allgemeine Form gegossen.459 Insofern ist das Konzept der Teilhabe derjenige spezifische Teilaspekt des allgemeinen Kooperationsprinzips nach Art. 8, bei dem es um die verfahrenstechnische Implementierung und Sicherung des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung geht.460 Art. 8 Abs. 1 bestimmt allgemein, dass die Wasserlaufstaaten auf der Grundlage der souveränen Gleichheit, der territorialen Unversehrtheit, des gegenseitigen Nutzens und des guten Glaubens zusammenarbeiten sollen. Die als Ziel der Kooperation genannte optimale und umweltgerechte Nutzung unterstreicht dabei die Verbindung zu Art. 5.461 Die allgemeine Kooperationsverpflichtung bildet die Grundlage für einen reibungslosen Ablauf der Verfahrensregeln. Art. 8 Abs. 2 normiert die Möglichkeit, dass die Staaten, soweit sie dies für notwendig erachten, die Schaffung gemeinsamer Mechanismen und Kommissionen in Betracht ziehen können. Die Vorschrift enthält zwar keine ausdrückliche Pflicht zu deren Errichtung;462 der Hinweis auf die Möglichkeit der Einrichtung von „joint mechanisms or commissions“ stellt aber klar, dass sich die Umsetzung des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung durch eine institutionalisierte Kooperation anbietet.463 Diese 457 Kritisch zur Ausnahme nach Art. 19 Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 211. 458 ILC, Draft Articles, Art. 17, Rn. 4. Siehe auch Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 302. Vgl. zu diesem Problem auch schon Stoll, Angemessene Nutzung, 1979, S. 61 f. 459 ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 6. 460 Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 117 f.; Tanzi, NRF 21 (1997), S. 109, 113. 461 ILC, Draft Articles, Art. 8, Rn. 2. 462 Kritisch zum Mangel einer ausdrücklichen Verpflichtung zur Errichtung gemeinsamer Mechanismen und Kommissionen Rothenberger, Angemessene Nutzung, 2003, S. 163; Tanzi, LJIL 11 (1998), S. 441, 467. 463 McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 310; ders., Prospects and pitfalls, 1998, S. 19 f.; Perrez, Cooperative Sovereignty, 2000, S. 313 ff.; Wouters, GYIL 42

II. Das Prinzip in der Form der VN-Wasserlaufkonvention

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Empfehlung, durch die Errichtung eines gemeinsamen Mechanismus oder einer Kommission der Kooperation eine dauerhafte Grundlage zu geben, wurde erst während der Verhandlungen in der Working Group in Abweichung zu dem Entwurf der ILC unter Berufung auf eine ganze Reihe erfolgreicher Beispiele in der Praxis neu eingefügt. Das Konzept der Teilhabe ist als Instrument der Implementierung des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung ebenfalls dessen Ziel einer optimalen und nachhaltigen Nutzung verpflichtet. Dies bedingt auch eine Optimierung der Teilhabe. In der Regel wird die dort vorgeschriebene Kooperation optimalerweise in gemeinsam entwickelten Regimes organisiert.464 Insgesamt stellt die allgemeine Kooperationspflicht gem. Art. 8 den Rahmen für die Umsetzung des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung durch spezielle Konsultations-, Informations- und Notifikationspflichten. Komplementär zu Art. 8 VN-Konvention verpflichtet Art. 24 jeden Anrainerstaat, auf Ersuchen der anderen Seite in Konsultationen über die Bewirtschaftung eines internationalen Wasserlaufes einzutreten und erwähnt dabei als eine Option die Errichtung eines gemeinsamen Bewirtschaftungsmechanismus. Das Konzept der gemeinsamen Bewirtschaftung in der Form des Art. 24 ist eine logische Erweiterung des Prinzips der angemessenen Nutzung und Ausdruck des Wunsches nach einer aktiven Teilhabe aller interessierter Staaten: die Einrichtung permanenter Institutionen und Regeln für die gemeinsame Bewirtschaftung erlaubt es den Anrainern, den Wasserlauf als integriertes Ganzes zu „managen“.465 Angesichts der Vielfalt solcher Mechanismen in der Praxis, insbesondere hinsichtlich Zusammensetzung, Struktur und Rechtsstatus, wurde in Art. 24 bewusst der Begriff „joint management mechanism“ gewählt, von dem auch loser strukturierte Kooperationsformen wie etwa regelmäßige Treffen nationaler Behörden umfasst werden.466 Das Ergebnis der Konsultationen wird hinsichtlich der Form und des Inhalts der Zusammenarbeit weitgehend den Staaten überlassen. Einerseits sind sie in ihren Verhandlungen frei, ob sie eine lockerere Form der Zusammenarbeit anstreben oder eine Kommission mit Rechtspersönlichkeit gründen wollen.467 Andererseits ist (1999), S. 293, 331 ff. Vgl. Auch Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 296; Beyerlin, Umweltvölkerrecht, 2000, S. 86. 464 So hat der IGH in seinem Urteil im Gabcíkovo-Nagymaros-Fall die Wiedereinrichtung eines gemeinsamen Regimes durch Ungarn und die Slowakei zur Nutzung der Donau, das ursprünglich bereits in einem früheren Vertrag enthalten war, erklärt als „[to] reflect in an optimal way the concept of common utilisation of shared water resources for the achievement of the several objectives mentioned in the Treaty, in concordance with Article 5, paragraph 2, of the Convention on the Law of the Non-navigational uses of International Watercourses.“ (Reports 1997, S. 4 ff., Rn. 147). Siehe auch Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 109. Vgl. auch bereits Hafner, Austrian J. Publ. Intl. Law 45 (1993), S. 113, 140, 143. 465 Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 209. Vgl. dazu auch Benevisti, AJIL 90 (1996), S. 384, 412 ff.; Vinogradov, ColoJIEL&P 3 (1992), S. 235 ff. 466 ILC, Draft Articles, Art. 24, Rn. 2. Siehe auch Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 791 f.; Hunt, ColoJIEL&P 3 (1992), S. 281, 286. Vgl. ebenso ILA, Berlin-Rules, Kommentar zu Art. 64.

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

Art. 24 auch im Hinblick auf die in der Zusammenarbeit wahrzunehmenden Funktionen sehr allgemein gehalten: Abs. 2 bestimmt lediglich generell, dass die Bewirtschaftung des Wasserlaufes insbesondere bedeutet, die nachhaltige Entwicklung eines internationalen Wasserlaufes zu planen und für die Durchführung dieser Pläne zu sorgen, sowie die Nutzung, den Schutz und die Regulierung des Wasserlaufes unter rationellen und optimalen Bedingungen auch auf sonstige Weise zu fördern.468

cc) Teilhabe und das Konzept gemeinsamer Naturgüter Art. 5 der VN-Konvention enthält, im Gegensatz zu Art. IV der Helsinki Rules, keinerlei Hinweis auf das Konzept eines internationalen Wasserlaufes als „shared natural resource“. Zwar spielte die ILC lange mit dem Gedanken, auch in der VNKonvention das Wasser internationaler Wasserläufe als „shared natural resource“ zu bezeichnen, nahm davon letztlich aber doch Abstand, aus Angst, der Gebrauch des Begriffes „shared“ in einer substantiellen Norm des Übereinkommens könne den Anschein erwecken, dass die Wasserressourcen internationaler Wasserläufe als eine Art gemeinsames und unteilbares Eigentum der Anrainerstaaten verstanden würden, deren Management eher einem kommunitativen als einem distributiven Ansatz unterlägen.469 Gleichwohl lässt sich der Einfluss der Idee internationaler Wasserläufe als „shared natural resource“ auf die VN-Konvention im Allgemeinen und auf das Prinzip der Teilhabe im Besonderen nicht leugnen.470 Denn auch ohne explizite Erwähnung dieses Konzepts im Text einigte sich die ILC ausdrücklich darauf, die diesem Ansatz unterliegenden Prinzipien, allen voran das einer ressourcenorientierten Kooperation, zu übernehmen.471 Insoweit diente das 467 Rothenberger, Angemessene Nutzung, 2003, S. 161. Kritisch McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 312 f. und Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 296 ff. 468 Kritisch dazu Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 228 f. 469 Vgl. bereits ILC, Evensen – First Report, Rn. 81: „[T]he wording ,equitable participation‘ [is] preferable to the words ,equitable share‘, as used in article IV of the Helsinki Rules. The word ,participation‘ conveys in a more appropriate form the dual aspect of a system State’s ,sharing‘: the ,right to use‘, but also ,the duty to contribute‘ to the necessary management and conservation of a watercourse system for the optimal distribution, in a reasonable and equitable manner, of the benefits to be derived from the international watercourse system.“ Siehe auch ILC, McCaffrey – Second Report, Rn. 23 ff., 38 ff. Siehe auch ESCWA (Hrsg.), Assessment, 2002, S. 27, Fn. 49; Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 100 f.; Fitzmaurice, FS Weeramantry, 1998, S. 433 f.; Benevisti, AJIL 90 (1996), S. 384, 399; Reinicke, Die angemessene Nutzung gemeinsamer Naturgüter, 1991, S. 15 f.; RuizFabri, AFDI 36 (1990), S. 818, 820. 470 Tanzi, LJIL 11 (1998), S. 441, 460 ff. 471 ILC, McCaffrey – Second Report, Rn. 71 ff. Siehe auch Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 102 f. Vgl. aber auch Fuentes, BYIL 67 (1996), S. 337, 397 f., die aufgrund der Tatsache, dass die ILC das „shared natural resource“-Konzept nicht aus-

II. Das Prinzip in der Form der VN-Wasserlaufkonvention

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Konzept der „shared natural resource“ auch ohne ausdrückliche Aufnahme in das Übereinkommen als Katalysator beim Herstellen der Verbindung zwischen dem substantiellen Gebot der angemessenen und vernünftigen Nutzung und der im Konzept der Teilhabe enthaltenen operativen Pflichten mit Blick auf dessen Implementierung.472

b) Angemessen und vernünftig (equitable and reasonable) Die Teilhabe der Anrainer an der Nutzung, der Entwicklung und dem Schutz internationaler Wasserläufe hat gem. Art. 5 Abs. 2 VN-Konvention angemessen und vernünftig zu sein und folgt damit dem Wortlaut des Abs. 1. Ob eine Teilhabe angemessen und vernünftig ist, bewertet sich wie im Rahmen der angemessenen und vernünftigen Nutzung nach Abs. 1 anhand der in Art. 6 enthaltenen Faktoren. Demnach hängt die Form der Teilhabe immer von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab: das ihr inhärente Recht auf Nutzung des Wasserlaufes und das Recht und die Pflicht zur Zusammenarbeit sind genau dann angemessen und vernünftig, wenn vom Grundsatz der Gleichheit ausgehend und mit dem Ziel einer optimalen und nachhaltigen Nutzung alle für die Beurteilung relevanten Umstände in ausreichendem Maße in einem Abwägungsvorgang mit Blick auf den Ausgleich der Interessen der Anrainerstaaten und die ökologischen Erfordernisse des internationalen Wasserlaufes berücksichtigt wurden. Abwägungsvorgang und -ergebnis sind dabei auf eine rationale Grundlage zu stellen.

4. Ergebnis Das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe ist Drehund Angelpunkt der gesamten VN-Konvention und wird von ihr als der das Recht der Nutzung internationaler Wasserläufe insgesamt überspannende Grundsatz postuliert. Alle wesentlichen Regeln der VN-Konvention unter Einbezug der in Art. 7 enthaltenen no harm-rule sind als Teilaspekte des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe konzipiert oder stehen zu ihm zumindest in einem vergleichbaren Verhältnis; einzig dem allgemeinen Kooperationsprinzip nach Art. 8 VN-Konvention kommt insoweit eine Sonderstellung zu, als es Komponenten enthält, die nicht in den Normenkreis des Art. 5 fallen.473 drücklich in den Wortlaut der VN-Konvention aufgenommen hat, nicht ausschließen will, dass in Zukunft die territoriale Souveränität über Wasserläufe wieder mehr in den Vordergrund rückt. 472 Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 103; Beyerlin, Umweltvölkerrecht, 2000, S. 85. 473 Das Konzept der Teilhabe ist derjenige spezifische Teilaspekt des allgemeinen Kooperationsprinzips nach Art. 8 VN-Konvention, bei dem es um die verfahrenstechnische Implementierung und Sicherung des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung geht.

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2. Teil: Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe

Das Übereinkommen gibt dem unbestimmten Rechtsbegriff der „angemessenen und vernünftigen Nutzung“ zum ersten Mal schriftlich fixierte Konturen mit universellem Geltungsanspruch. Bei seiner langjährigen Ausarbeitung waren die Staaten intensiv beteiligt. Die sich daraus ergebende Autorität nutzt das Übereinkommen, seit langem bestehende Streitigkeiten über den Inhalt der „angemessenen und vernünftigen Nutzung“ zu klären. Als Ausgangspunkt des nach wie vor im Zentrum des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung stehenden Abwägungsprozesses hält die VN-Konvention am Prinzip der Gleichheit in seiner absoluten Form fest. Insbesondere wird keiner Nutzungsart und keinem Abwägungsfaktor ein abstrakter Vorrang eingeräumt. Dies gilt insbesondere auch für lebenswichtige menschliche Bedürfnisse. Die VN-Konvention behandelt Wasserrechte nicht als Menschenrechte. Art. 5 formuliert als Ziele der angemessenen und vernünftigen Nutzung die optimale und nachhaltige Nutzung. Beiden Zielen ist dabei gemein, dass sie sowohl wirtschaftliche als auch ökologische Belange berücksichtigen und integrierend miteinander verschränken. Im Rahmen der Berücksichtigung der Interessen der Anrainerstaaten wird dem Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung ein Vorrang vor dem in Art. 7 niedergelegten Schädigungsverbot eingeräumt. Es obliegt jedoch dem (gegebenenfalls beträchtlich) schädigenden Anrainer, die Angemessenheit seiner Nutzung darzulegen. Die angemessene und vernünftige Nutzung muss im Einklang stehen mit einem adäquaten Schutz des Wasserlaufs. Damit wird dem Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung eine ökologische Komponente zugebilligt. Art. 20 bis 23 der VN-Konvention, die diese Dimension konkretisieren, setzen jedoch lediglich einen due diligence-Standard. Solange die dort normierten Sorgfaltspflichten eingehalten werden, richtet sich die Frage nach der Rechtswidrigkeit einer Nutzung nach der allgemeinen Abwägung. In diese fließen zwar auch ökologische Aspekte mit ein, genießen aber keinerlei abstrakten Vorrang. Das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung wird durch das in Art. 5 Abs. 2 VN-Konvention enthaltene Prinzip der angemessenen und vernünftigen Teilhabe komplementiert. Obwohl beide Prinzipien sowohl materiell-rechtliche als auch verfahrensrechtliche Aspekte aufweisen, liegt der Schwerpunkt des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung auf der materiellen und der des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Teilhabe auf der verfahrensrechtlichen Komponente. Der Begriff der Teilhabe umfasst sowohl das Recht, den Wasserlauf zu nutzen, als auch die Pflicht sowie ein damit korrespondierendes Recht, für dessen Schutz und Entwicklung zusammenzuarbeiten. Das Kooperationsgebot stellt den Prozess der Bestimmung der Angemessenheit von Nutzungen über die bloße Koordination hinaus auf die Grundlage der Zusammenarbeit der Anrainerstaaten. Dabei bezieht

II. Das Prinzip in der Form der VN-Wasserlaufkonvention

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es die gesamte Palette der Wechselwirkungen zwischen staatlichem Handeln und dem internationalen Wasserlauf mit ein. Die der Teilhabe inhärente Pflicht zur Zusammenarbeit bedingt zunächst den regelmäßigen Austausch von Daten und Informationen, eine Kooperationspflicht bezüglich der Wasserlaufregulierung und abgestimmtes Handeln hinsichtlich der den internationalen Wasserlauf säumenden Einrichtungen. Speziell mit Blick auf den Schutz internationaler Wasserläufe hebt die Teilhabe das Potential hervor, das sich für die Anrainerstaaten durch die gemeinsame Implementierung von Schutzmaßnahmen ergibt, stellt ein kooperatives Vorgehen aber in das Ermessen der Staaten. Was die Zusammenarbeit bei der Entwicklung internationaler Wasserläufe betrifft, so gewährleisten umfassende Informations-, Konsultations- und Verhandlungspflichten hinsichtlich geplanter Vorhaben, dass der potentielle „Opferstaat“ so umfassend und so rechtzeitig informiert wird, dass er seinerseits die zu erwartenden schädlichen Wirkungen abschätzen und gegebenenfalls mit dem planenden Staat darüber in Konsultationen und Verhandlungen treten kann. Ein Vetorecht der anderen Anrainerstaaten besteht aber nicht. Als Kooperationsrahmen bieten sich gemeinsame Mechanismen und Kommissionen an; deren Errichtung und Form steht aber im Ermessen der Staaten. Es gibt also hinsichtlich der Kooperation kein Institutionalisierungsgebot, auf Anfrage eines Anrainers besteht jedoch die Pflicht aller Mitanrainer, in Verhandlungen über die Einrichtung gemeinsamer Mechanismen zu treten. Die mit der Teilhabe verbundenen Rechte und Pflichten gelten unmittelbar und bedürfen keiner spezifischen Implementierung durch gesonderte Abkommen. Dass der Abschluss solcher Abkommen als Basis der Zusammenarbeit zwischen den Anrainern aber erwünscht ist, ergibt sich bereits aus der Eigenschaft der VN-Konvention als Rahmenkonvention.

Dritter Teil

Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in der Form der VN-Wasserlaufkonvention Langfristig ist es im Interesse aller Anrainerstaaten internationaler Wasserläufe, die Nutzung gemeinsamer Wasserressourcen innerhalb eines allgemein anerkannten und ausgewogenen rechtlichen Rahmens zu organisieren.1 Nur so wird die Gefahr nachhaltig gebannt, sich regelmäßig unilateralem Handeln einzelner Mitanrainer gegenüber zu sehen, welche die eigenen Interessen am gemeinsamen Wasserlauf bedrohen, ohne als betroffener Staat die Möglichkeit zu haben, im Bedarfsfall wirksam dagegen vorzugehen. Wenn überhaupt, dann können es sich jedenfalls nur wenige Staaten leisten, permanent ohne einen solchen rechtlichen Rahmen zu agieren. Starke materielle Normen, klare Verfahrensregeln und institutionelle Mechanismen tragen zusammen mit einem gesteigerten Gewicht des Nachhaltigkeitsgedankens bei der Entwicklung und dem Schutz der Ökosysteme internationaler Wasserläufe dazu bei, das Potential für Konflikte über Wasserressourcen abzubauen. Das VN-Übereinkommen von 1997 ist der zentrale weltweite Versuch, die die Nutzung internationaler Wasserläufe bestimmenden Normen abzubilden und dadurch einerseits zukünftigen spezifischen Wasserlaufabkommen als Orientierung und Referenztext zu dienen, in der Abwesenheit solcher spezifischen Übereinkommen andererseits aber auch unmittelbar Regeln zur Lösung von Wasserlaufkonflikten bereitzustellen.2 Das VN-Übereinkommen ist bis heute der einzige völkerrechtliche Vertrag mit globalem Geltungsanspruch, der sich speziell mit der Regelung der Nutzungen internationaler Wasserläufe beschäftigt und deren Inhalt konkretisiert. Ein Inkrafttreten hätte nicht nur mehr regionale Stabilität und eine Stärkung der Idee einer effizienten Wassernutzung, des Nachhaltigkeitsgedankens und des Umweltschutzes im Rahmen der Entwicklungsprozesse von Wasserläufen zur Folge, sondern führte auch zu einer Intensivierung der Integration und Teilhabe aller an der Wassernutzung Beteiligter. Allerdings ist das VN-Übereinkommen mangels ausreichender Ratifikationen bisher nicht in Kraft getreten. Angesichts der äußerst zögerlichen Ratifikationspraxis erscheint es auch unsicher (wenn nicht sogar unwahrscheinlich), ob es über1 2

Dellapenna, Case W. Res. J. Int’L 26 (1994), S. 27, 54 f. Vgl. ILC, Draft Articles, Art. 3, Rn. 2. Siehe auch Tanzi, LJIL 11 (1998), S. 441, 468.

3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

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haupt je in Kraft tritt.3 Die Gründe für diesen schleppenden Ratifikationsprozess sind vielfältig.4 Ein Motiv für die Staaten ist sicher der geringe kurzfristige und unmittelbare Nutzen, den vielen von ihnen der Status als Vertragspartner der VNKonvention bietet. Denn falls der politische Wille der Anrainerstaaten eines internationalen Binnengewässers besteht, eine rechtliche Vereinbarung hinsichtlich dessen Nutzung zu treffen, die sich mit den Prinzipien der VN-Konvention deckt, können sie einen entsprechenden völkerrechtlichen Vertrag abschließen, auch ohne vorher die VN-Konvention ratifiziert zu haben. Für Staaten, die bereits Partner eines spezifischen bilateralen oder regionalen Abkommens bezüglich eines internationalen Wasserlaufes sind, wäre die Ratifikation umso mehr eine bloß rhetorische Geste. Andererseits ist es unwahrscheinlich, dass ein Anrainerstaat, der sich mit den anderen Anrainerstaaten eines internationalen Flusslaufs, der keinem spezifischen Abkommen unterliegt, über dessen Nutzung streitet, mögliche geographische, politische oder wirtschaftliche Vorteile in dieser Auseinandersetzung aufgibt, indem er sich ausdrücklich den Verpflichtungen der VN-Konvention unterwirft; dies wäre selbst dann kaum anzunehmen, wenn sich dieser Staat den praktisch selben Verpflichtungen aus ungeschriebenem Völkergewohnheitsrecht verpflichtet fühlte. Dazu kommen noch die allgemeinen Bedenken, dass universelle Abkommen über gemeinsame Ressourcen angesichts der jeweiligen spezifischen Umstände jedes einzelnen Wasserlaufs insgesamt Probleme hinsichtlich der Effektivität dieses Rechtsrahmens begründen können.5 Schließlich gibt es auch eine Reihe von Staaten, die keine Anrainer internationaler Wasserläufe sind (z. B. Inselstaaten), deren Interesse, Vertragspartner der VN-Konvention zu werden also aus geographischen Gründen von vorne herein eher niedrig ist.6 Es spricht also viel dafür, dass die VN-Konvention auch in absehbarer Zukunft nicht in Kraft treten wird.7 Jedenfalls bis dahin wird hinsichtlich global geltender, die Nutzung internationaler Wasserläufe materiell und verfahrensrechtlich bestimmenden Regeln auf allgemeines, nicht-vertragliches Völkerrecht zurückgegriffen werden müssen.

3 Am 31. 1. 2008 hatten 16 Staaten das VN-Übereinkommen ratifiziert, siehe im Einzelnen infra Dritter Teil, V. Für ein Inkrafttreten bedarf es gem. Art. 36 Abs. 1 der VN-Konvention 35 Ratifikationen. 4 Salman, Water International 32 (2007), S. 1 ff. 5 Vgl. zu diesem Problem bereits Wolfrum, GYIL 33 (1990), S. 308, 318. 6 Ein Interesse von Staaten ohne Zugang zu internationalen Wasserläufen, die VN-Konvention zu ratifizieren, kann trotzdem etwa darin bestehen, dass das Übereinkommen allgemein die Entwicklung des Völkerrechts fördert und zur Konfliktprävention in einem Gebiet der internationalen Beziehungen von wachsender Bedeutung beiträgt. Es besteht auch die Möglichkeit, dass Verbündete dieser Staaten von der VN-Konvention besonders profitieren. 7 Auch das Beispiel der VN-Seerechtskonvention zeigt, dass bei derartigen Projekten mit längeren Zeiträumen bis zum Inkrafttreten zu rechnen ist.

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

I. Möglichkeit völkergewohnheitsrechtlicher Geltung Aber auch ohne dass die VN-Konvention formell in Kraft tritt, beeinflusst sie das geltende allgemeine Völkerrecht, insbesondere das Völkergewohnheitsrecht.8 Die VN-Konvention basiert weitgehend auf einem Entwurf der ILC, den diese, ihrem Mandat zur fortschreitenden Entwicklung und Kodifizierung des Völkerrechts folgend, in jahrzehntelangen Bemühungen ausgearbeitet hat. Allein schon diese schriftliche Fixierung der Regeln durch die ILC mit der ihr eigenen Autorität wirkt sich bereits indirekt normativ auf die Präzisierung des Völkerrechts aus,9 zumal sich die ILC intensiv an der Praxis und der Rechtsüberzeugung der Staaten orientierte.10 Darüber hinaus wurde die VN-Konvention von der VN-Generalversammlung am 21. Mai 1997 als Resolution 51 / 229 mit der imposanten Mehrheit von 103 Ja-Stimmen gegen nur 3 Nein-Stimmen und 27 Enthaltungen angenommen. Danach bietet es sich für die Staaten geradezu an, sich bei ihrem Handeln von der VN-Konvention leiten und beim Abschluss eines neuen Wasserlaufabkommens zumindest inspirieren zu lassen.11 Art. 38 I b des IGH-Statuts definiert das Völkergewohnheitsrecht über seine beiden Entstehungskomponenten: als Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung.12 Es handelt sich also um Rechtssätze, die – objektiv – auf eine allgemeine Übung (consuetudo) und – subjektiv – auf eine dieser Übung entsprechende Rechtsüberzeugung (opinio iuris) zurückgehen. Völkerrechtliche Verträge wirken vielfach als eine Art „Katalysator“ bei der Fortentwicklung des Gewohnheitsrechts.13 Multilateralen Verträgen, die auf eine allgemeine Ordnung bestimm8 Neben dem Völkergewohnheitsrecht umfasst das nicht-vertragliche, allgemeine Völkerrecht auch allgemeine Rechtsgrundsätze. Dies sind anerkannte Rechtsprinzipien, die allen oder den meisten nationalen Rechtsordnungen gemein sind. Sie sind gegenüber Vertrags- und Gewohnheitsrecht subsidiär und haben in der modernen Völkerrechtspraxis nur noch eine geringe Bedeutung. Allgemeine Rechtsgrundsätze, die bei der Lösung internationaler wasserrechtlicher Konflikte herangezogen wurden bzw. noch werden, sind etwa diejenigen von Treu und Glauben oder der guten Nachbarschaft. 9 Boyle, Codification of international environmental law and the International Law Commission: injurous consequences revisited, 1999, S. 61 ff. Allgemein zum Einfluss der ILC auf das Völkerrecht Schachter, AJIL 88 (1994), S. 1, 4 ff. Vgl. auch Daudet, RdC 303 (2003), S. 18, 72 ff. 10 Vgl. etwa die umfassende Aufarbeitung der einschlägigen Staatenpraxis und opinio juris in ILC, Schwebel – Second Report, Rn. 41 ff.; ILC, Schwebel – Third Report, Rn. 73 ff.; ILC, McCaffrey – Second Report, Rn. 75 ff. 11 Nollkaemper, NethYIL 17 (1996), S. 39, 40. 12 Anders die Definition der ILA: „[A] rule of customary international law is one which is created and sustained by the constant and uniform practice of States and other subjects of international law in or impinging upon their international legal relations, in circumstances which give rise to a legitimate expectation of similar conduct in the future.“ (ILA, Formation of customary law, 2000, S. 719). 13 Ausführlich zur Rolle von Verträgen bei der Entstehung internationalen Gewohnheitsrechts ILA, Formation of customary law, 2000, S. 753 ff.; Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157,

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ter Bereiche zielen und allen Mitgliedern der Staatengemeinschaft offen stehen, kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, wenn sie als so genannte „Kodifikationskonventionen“ weitgehend schon bestehendes Gewohnheitsrecht kodifizieren und nur wenige bisher noch umstrittenen Fragen regeln.14 Diese „Kodifikationskonventionen“ können geltendes Völkergewohnheitsrecht darstellen.15 Eine vergleichbare Rolle können auch Resolutionen der VN-Generalversammlung spielen.16 Denkbar ist vor allem, Resolutionen der VN-Generalversammlung unter bestimmten Voraussetzungen als Ausdruck einer allgemeinen Rechtsüberzeugung (als eines der beiden Elemente von Völkergewohnheitsrecht) zu begreifen. Voraussetzung hierfür ist, dass die einer Resolution der VN-Generalversammlung zustimmenden Staaten wirklich in dem Bewusstsein handeln, den Inhalt der Resolution als rechtlich verbindlichen Standard anzuerkennen. Zunächst besteht die Möglichkeit, dass die Texte von Kodifikationskonventionen und Resolutionen der VN-Generalversammlung einfach nur bereits existierendes geltendes Völkergewohnheitsrecht wiedergeben. Darüber hinaus ist es aber auch denkbar, dass sich in solchen Konventionen und Resolutionen bis dahin noch in 294 ff.; Villiger, Customary international law and treaties, 1997, S. 3 ff.; Sassoli, Bedeutung einer Kodifikation für das allgemeine Völkerrecht, 1990, S. 1 ff.; Torrione, L’influence des conventions de codification sur la coutume en droit international public, 1989, S. 9 ff.; Baxter, RdC 129 (1970 I), S. 31 ff.; ders., BYIL 41, (1965 – 66), S. 275 ff. Siehe dazu auch die Ausführungen infra Dritter Teil, VI. 1. a). Zur vertraglichen Kodifikation von Völkerrecht vgl. Geck, ZaöRV 36 (1976), S. 96 ff.; Dhokalia, The codification of public international law, 1970, S. 3 ff.; Steinberger, ZaöRV 28 (1968), S. 617 ff. 14 Vgl. dazu auch IGH, Case concerning delimitation of the maritime boundary in the Gulf of Maine area, Reports 1984, S. 4 ff., Rn. 83: „So far as conventions are concerned, only ,general conventions‘, including, inter alia, the conventions codifying the law of the sea to which the two States are parties, can be considered. This is not merely because no particular conventions bearing on the matter at issue [ . . . ] are in force between the parties to the present dispute, but mainly because it is in codifying conventions that principles and rules of general application can be identified. Such conventions must, however, be seen against the background of customary international law and interpreted in its light.“ 15 Dies hat der IGH erstmals in seinem Urteil in den North Sea Continental Shelf Cases (Reports 1969, S. 3 ff.) klargestellt und daran auch in ständiger Rechtsprechung festgehalten, vgl.: IGH, Fisheries jurisdiction Case, Reports 1974, S. 3 ff.; Case concerning the Continental Shelf (Tunisia v. Libya), Reports 1982, S. 16 ff.; Case concerning delimitation of the maritime boundary in the Gulf of Maine area, Reports 1984, S. 4 ff.; Case concerning the Continental Shelf (Libya v. Malta), Reports 1985, S. 13 ff. Siehe auch die ausführliche Darstellung infra Dritter Teil, IV. 1. a). 16 Dass auch Resolutionen der VN-Generalversammlung unter bestimmten Umständen geltendes Völkergewohnheitsrecht darstellen können, wurde in der völkerrechtlichen Rechtsprechung erstmals 1977 im Schiedsverfahren TOPCO (Texaco / CALASIATIC v. Libyia) (Dispute between Texaco Overseas Petrolium Co. / Cal. Asiatic Oil Co. and the Government of the Libyan Arab Republic (Compensation for Nationalized Property)) (ILM 17 (1978), S. 1 ff.) festgestellt und anschließend mehrfach bestätigt, vgl. die Entscheidungen in den Schiedverfahren Libyan American Oil Company (LIAMCO) v. Government of the Libyan Arab Republic (1977) (62 ILR, S. 141 ff. (187 ff.)) und Government of Kuwait v. American Independent Oil Company (1982) (66 ILR, S. 519 ff. (601 ff.)). Siehe auch die ausführliche Darstellung infra Dritter Teil, IV. 1. b).

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

seiner Entstehung, also noch im Fluss befindliches Völkergewohnheitsrecht durch deren Annahme „kristallisiert“ mit der Wirkung, dass die Regel einerseits durch die Kodifikation konsolidiert, definiert und präzisiert wird und sich andererseits von da ab das Problem des Ausgleichs sich in Einzelheiten unterscheidender Staatenpraxis für den Nachweis gewohnheitsrechtlicher Geltung nicht mehr stellt. Der IGH erkannte in seinem Urteil in den Nordseefestlandsockelfällen (Bundesrepublik Deutschland v. Dänemark / Niederlande)17 darüber hinaus ebenso an, dass Kodifikationskonventionen in Ausnahmefällen auch „aus eigener Kraft“ zu geltendem Völkergewohnheitsrecht erstarken können.18 Schließlich besteht noch die Möglichkeit, dass sich eine solche Erstarkung von Kodifikationskonventionen und Resolutionen der VN-Generalversammlung zu geltendem Völkergewohnheitsrecht aufgrund der Wirkung der nachfolgenden Staatenpraxis vollzieht.19 Der Vertrag bzw. die Resolution beginnt dann eine eigene Rolle zu spielen, wenn er oder sie als Ausgangspunkt für die darauf folgende Staatenpraxis identifiziert werden kann.

1. Grundlegende Rechtsregel In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass es sich bei dem hier untersuchten Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe um keinen detaillierten Satz von Regeln, sondern eine grundlegende Rechtsregel handelt. Dies gilt auch für die Form, die das Prinzip in der VN-Konvention gefunden hat. Der IGH hat in seinem Urteil in der Streitsache Gulf of Maine daran erinnert, dass sich das Völkergewohnheitsrecht nicht dazu eigne, detaillierte Regelsätze zu beinhalten, sondern nur solche Normen umfasse, die die Koexistenz und die lebensnotwendige Kooperation der Mitglieder der Völkergemeinschaft sicherstellen.20 Dabei ist insbesondere zwischen grundlegenden Rechtsprinzipien auf der einen Seite und deren bloßen Anwendungskriterien auf der anderen Seite zu unterscheiden, da nur erstere potentielle völkergewohnheitsrechtliche Regeln darstellen.21 Art. 5 VN-Konvention beinhaltet keinen in alle Einzelheiten gehenden Regelsatz, sondern beschränkt sich auf die Normierung der wesentlichen Konturen und Ziele des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe. Auch die das Prinzip weiter konkretisierenden Vorschriften des VN-Übereinkommens wahren den dem Völkergewohnheitsrecht eigentümlichen grundlegenden Charakter.22 Der Abwägungsprozess wird in Art. 6 lediglich grob skizziert. Auch IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff. Ausführlich dazu infra Dritter Teil, V. 19 Siehe dazu die Ausführungen infra Dritter Teil, VI. 20 IGH, Case concerning delimitation of the maritime boundary in the Gulf of Maine area, Reports 1984, S. 4 ff., Rn. 111. 21 Ebd., Rn. 81 f., 114, 123. 22 Das Erfordernis des „grundlegenden Charakters“ in Rede stehender Rechtsprinzipien darf nicht insoweit missverstanden werden, als die Anforderungen an ihn zu hoch gesteckt 17 18

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die damit verbundenen Pflichten zur Berücksichtigung der Interessen der Mitanrainer (inklusive der in Art. 7 normierten no harm-rule) unter Einhaltung eines adäquaten Schutzes des Wasserlaufs (Art. 20 bis 23, 27 und 28) werden nur in ihren wesentlichen Zügen dargestellt. Schließlich sind auch die komplementären allgemeinen (Art. 9, 25 und 26) und spezifischen Kooperationspflichten bei Schutz (Art. 20, 21, 23 und 27) und Entwicklung (Art. 11 ff.) sowie der vorgegebene Kooperationsrahmen (Art. 8 und 24) auf grundlegende Wesenszüge reduziert.23

2. „Normenschaffender“ Charakter Anderseits wird man dem Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe sowohl in abstracto als auch in der konkreten Form, die es in der VNKonvention gefunden hat, einen „normenschaffenden Charakter“24 zubilligen müssen, da es ausreichend allgemein und gleichzeitig verpflichtend – im Sinne einer ernsthaften Absicht der Staaten, die Norm als bindendes Völkerrecht zu wollen – gehalten ist und sich deshalb abstrakt und konkret dazu eignet, Staaten allgemein zu binden.25 Das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe beinhaltet eine generell-abstrakte Verpflichtung, die grundsätzlich für alle Anrainerstaaten gleichermaßen gilt und dessen Ziel einer optimalen und nachhaltigen Nutzung in Art. 5 VN-Konvention ausdrücklich genannt wird.26 Damit werden werden. Die WVRK von 1969, die eine ganze Reihe ausführlicher Vorschriften enthält, wurde etwa bereits vor ihrem Inkrafttreten und auch zwischen Staaten, die sie noch nicht ratifiziert hatten, als Völkergewohnheitsrecht angesehen. 23 Eine Ausnahme bildet sicherlich die in Art. 13 enthaltene Frist von sechs Monaten. Eine solch präzise Vorgabe ist dem Völkergewohnheitsrecht fremd. 24 Vgl. zu diesem Begriff IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff., Rn. 71 f. 25 IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff., Rn. 72 nannte drei Gründe dafür, warum dem Äquidistanzprinzip im konkreten Fall des Artikels 6 der Genfer Festlandsockel-Konvention die „normenschaffende“ Eigenschaft fehte: zunächst stellte er darauf ab, dass Artikel 6 seinem Wortlaut nach Ausnahmen von Äquidistanzprinzip ausdrücklich zulasse; dies sei jedoch für eine „normenschaffende“ Vorschrift unüblich. Allerdings bezeichnen zahlreiche Stimmen in der Literatur dieses Argument als nicht überzeugend, da selbst das Gericht zugestand, dass von der in Rede stehende Regelung als jus dispositivum auch dann durch Vertrag abgewichen hätte werden können, wenn dies nicht ausdrücklich festgelegt worden wäre (vgl. statt aller Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157, 318 f. mit den entsprechenden Nachweisen). Weiterhin führte der IGH die Tatsache an, dass die genaue Bedeutung und der inhaltliche Umfangs der Regel noch umstritten seien. Als letztes Gegenargument gab das Gericht an, dass die Möglichkeit, Vorbehalte gegen eine bestimmte Vorschrift zu machen, zwar die Entwicklung des einschlägigen Prinzips zu allgemeinem Völkerrecht nicht verhindern könne, aber doch erheblich erschwere. Jedoch überzeugt auch dieses letzte Argument nicht, da die Möglichkeit, Vorbehalte anzubringen, grundsätzlich für alle völkerrechtlichen Regeln gilt, solange es sich dabei nicht um jus cogens handelt (so auch ILA, Formation of customary law, 2000, S. 762 ff.). Vgl. zum Begriff des „normenschaffenden Charakters“ auch D’Amato, AJIL 64 (1970), S. 892, 894 ff. Siehe auch infra Dritter Teil, IV. 1. a).

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

anwendbare Regeln und nicht etwa bloße Gerechtigkeits- und Fairnessüberlegungen zur Grundlage des Managements und der Lösung von Nutzungskonflikten gemacht.27 Insbesondere degradieren die ihm enthaltenen flexiblen und unbestimmten Rechtsbegriffe das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe nicht zu einem bloßen Kooperationsprinzip oder einer Richtlinie, deren Befolgung nicht zwingend ist, sondern lediglich vom guten Willen der Anrainer abhängt.28 Denn die bloße Tatsache, dass hinsichtlich einzelner Tatbestandsmerkmale unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten bestehen, führt nicht dazu, die Norm als nicht ausreichend konsolidiert anzusehen und als bloße politische Absichtserklärung zu werten.29 Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass es sich bei dem VN-Übereinkommen um eine Rahmenkonvention handelt, denn dabei geht es nicht um die Frage der materiell-rechtlichen Bindungswirkung des Übereinkommens, sondern ihrer Regelungsdichte.30 Zunächst kennt die Wiener Vertragsrechtskonvention keine spezielle Kategorie von „Rahmenkonventionen“, denen keine Bindungswirkung zukäme. Darüber hinaus können gem. Art. 3 VN-Konvention zwar sowohl bereits bestehende als auch zukünftige Verträge von den Vorschriften der Konvention abweichen. Dennoch kommt ihr gleich mehrfach normative Bedeutung zu: sie umreißt zum einen grundlegende Prinzipien, die bei den Verhandlungen zukünftiger Abkommen als Orientierung dienen und in speziellen Abkommen weiter spezifiziert werden können (vgl. insb. Art. 3 (3) & (5)),31 beinhaltet zum anderen aber 26 Vgl. auch ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 1: „Article 5 sets out the fundamental rights and duties of States with regard to the utilization of international watercourses for purposes other than navigation“. 27 Wouters, GYIL 42 (1999), S. 293, 329; Tanzi, NRF 21 (1997), S. 109, 112. 28 Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 79, 97. 29 Vgl. auch die ähnliche Ausgangslage in IGH, Case concerning the continental shelf (Tunisia v. Libya), Reports 1982, S. 18 ff., Rn. 71, wo das Konzept der „equity“ ausdrücklich zu direkt anwendbarem Recht erklärt wurde: „In the course of the history of legal systems the term ,equity‘ has been used to define various legal concepts. It was often contrasted with the rigid rules of positive law, the severity of which had to be mitigated in order to do justice. In general, this contrast has no parallel in the development of international law; the legal concept of equity is a general principle directly applicable as law [ . . . ] Application of equitable principles is to be distinguished from a decision ex aequo et bono.“ Zur unmittelbaren Anwendbarkeit der VN-Konvention siehe Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 88 f. 30 Die Form einer Rahmenkonvention wurde im Fall der VN-Konvention ausdrücklich nicht mit dem Ziel gewählt, die Bindungswirkung der Konvention einzuschränken, sondern um der großen Vielfalt der internationalen Wasserläufe gerecht zu werden; vgl. ILC, Draft Articles, Art. 3, Rn. 2. Siehe zur Eigenschaft der VN-Konvention als Rahmenkonvention auch Lee, Effiziente Nutzung, 2003, S. 98 ff.; Kibaroglu, Building a regime, 2002, S. 144; McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 303; Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 82 ff.; Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 97; Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 770; Tanzi, NRF 21 (1997), S. 109, 110 ff.; ders., NRF 21 (1997), S. 239 f.; Nollkaemper, Neth YIL XXVII (1996), S. 39, 70 ff. Kritisch zur Regelungsdichte der VN-Konvention Hey, FS Bouchez, 2000, S. 87 ff. 31 Siehe dazu auch Tanzi, LJIL 11 (1998), S. 441, 444.

I. Möglichkeit völkergewohnheitsrechtlicher Geltung

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auch ein System von Regeln, die sich für den Fall, dass keine einschlägigen Verträge existieren, zur direkten materiellen Anwendung eignen.32 Mangels anders lautender Abkommen sind die Anrainerstaaten also durchaus an die von der Konvention aufgestellten Mindestanforderungen gebunden.33 Aber auch hinsichtlich der Interpretation bereits bestehender und zukünftiger Abkommen sind die von der VN-Konvention aufgestellten Prinzipien nicht ohne Bedeutung,34 zumal Art. 3 (2) VN-Konvention ausdrücklich zur „Harmonisierung“ bestehender Abkommen mit den grundlegenden Prinzipien der VN-Konvention aufruft.35 Die Möglichkeit, dass sowohl bereits bestehende als auch zukünftige Abkommen von den Vorgaben der VN-Konvention abweichen können, bedeutet zwar, dass es sich bei deren Regelungen nicht um jus cogens handelt.36 Dies schließt jedoch nicht aus, dass die Bestimmungen völkergewohnheitsrechtliche Geltung erlangen können,37 schließlich ist das Völkergewohnheitsrecht in den meisten Fällen dispositives Recht und lässt Abweichungen zu.38 Das gilt auch für grundlegende Prinzipien.39

32 ILC, Draft Articles, Art. 3, Rn. 2. Siehe auch Sands, Principles of international environmental law, 2003, S. 468; Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 89; Durner, Common goods, 2001, S. 85; Tanzi, NRF 21 (1997), S. 109, 110 ff.; Nollkaemper, Neth YIL XXVII (1996), S. 39, 70 f. 33 So auch Sands, Principles of international environmental law, 2003, S. 468; Hey, RECIEL 7 (1998), S. 291, 293. Die VN-Konvention bedarf – anders als andere Rahmenübereinkommen wie etwa diejenigen zum Schutze der Ozonschicht (Vienna Convention for the Protection of the Ozon Layer vom 22. 3. 1985 (Text in: ILM 26 (1987), S. 1529)) oder zum Klimawandel (UN Framework Convention on Climate Change vom 9. 5. 1992 (Text in: ILM 31 (1992), S. 849)) – keiner nachträglichen Implementierung durch Protokolle. Insofern ist die Bezeichnung „Rahmenübereinkommen“ im Fall der VN-Konvention eher beschreibender als normativer Natur. 34 McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998, S. 18. Zu den Grenzen einer solchen Funktion als Interpretationshilfe vgl. Statements of understanding bzgl. Art. 3 (a): „The present convention will serve as a guideline for future watercourse agreements and, once such agreements are concluded, it will not alter the rights and obligations provided therein, unless such agreements provide otherwise; [ . . . ]“. 35 Vgl. dazu auch McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998, S. 18. 36 McCaffrey / Sinjela, AJIL 92 (1998), S. 97, 98; Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 773. 37 Bereits IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff., Rn. 64 stellt fest, dass die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht nicht dadurch unmöglich wird, dass es sich bei der einschlägigen Norm um kein ius cogens handelt. 38 Sassòli, Bedeutung einer Kodifikation für das allgemeine Völkerrecht, 1990, S. 188. 39 Vgl. ILA, Formation of customary law, 2000, S. 740.

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

II. Geltung als deklaratorisch wiedergegebenes Völkergewohnheitsrecht Es ist anerkannt, dass völkerrechtliche Verträge bereits als Völkergewohnheitsrecht geltendes Recht deklaratorisch wiedergeben können.40 Die VN-Konvention ist als eine Kodifikationskonvention41 die Frucht der jahrzehntelangen Bemühungen der ILC um die Kodifizierung des Rechts der Nutzung und des ökologischen Schutzes internationaler Wasserläufe.42 Mandat der ILC ist aber nicht nur, das Völkerrecht zu kodifizieren, sondern es auch fortzuentwickeln.43 Typischerweise unterfallen deshalb die Normen von Kodifizierungskonventionen in solche, die einfach bereits existierendes Völkergewohnheitsrecht widerspiegeln – lex lata -, und andere, die eine Fortentwicklung darstellen – lex ferenda. Insbesondere kann 40 Vgl. Art. 38 WVRK. Der IGH hat in seiner Advisory Opinion – Legal consequences for States of the continued presence of South Aftica in Namibia, Reports 1971, S. 16 ff., Rn. 94 etwa zu Art. 60 WVRK ausgeführt: „The rules laid down by the Vienna Convention on the Law of Treaties concerning termination of a treaty relationship on account of breach (adopted without a dissentig voice) may in many respects be considered as a codification of existing customary law on the subject.“ In IGH, Fisheries jurisdiction Case – Jurisdiction of the court (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. Iceland), Reports 1973, S. 3 ff., Rn. 36 heißt es zu Art. 62 WVRK: „This principle and the conditions and expectations to which it is subject, have been embodied in Article 62 of the Vienna Convention on the Law of Treaties, which may in many respects be considered as a codification of existing customary law on the subject of the termination of a treaty relationship on account of change of circumstances.“ Und in IGH, Case concerning the Gabcíkovo-Nagymaros Project, Reports 1997, S. 7 ff., Rn. 46 wird mit Blick auf die WVRK erklärt: „[ . . . ] some of the rules laid down in that Convention might be considered as a codification of existing customary law.“ Siehe allgemein zur deklaratorischen Wiedergabe von bereits bestehendem Völkergewohnheitsrecht in völkerrechtlichen Verträgen ILA, Formation of customary law, 2000, S. 754 ff.; Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157, 295 ff.; de Aréchaga, RdC 159 (1978 I), S. 9, 15 f. 41 Vgl. Abs. 2 der Präambel der VN-Konvention: „Having in mind Article 13, paragraph 1 (a), of the Charter of the United Nations, which provides that the General Assembly shall initiate studies and make recommendations for the purpose of encouraging the progressive development of international law and its codification, [ . . . ]“. 42 Die Präambel der VN-Konvention verweist in Abs. 10 auf den wertvollen Beitrag internationaler Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen bei der Kodifizierung und Fortentwicklung des Völkerrechts auf dem Gebiet. Das Übereinkommen basiert stark auf den Vorarbeiten der ILA in den Helsinki-Rules von 1966. Abs. 11 der Präambel dankt auch ausdrücklich der ILC für ihren Beitrag. 43 So lautet Art. 1 (1) des Statuts der ILC (Text in: GA Res. 174 (III), 21 Nov. 1947): „The International Law Commission shall have for its object the promotion of the progressive development of international law and its codification.“ Art. 15 ILC-Statut führt aus: „In the following articles the expression ,progressive development of international law‘ is used for convenience as meaning the preparation of draft conventions on subjects which have not yet been regulated by international law or in regard to which law has not yet been sufficiently developed in the practice of States. Similarily, the expression ,codification of international law‘ is used for convenience as meaning the more precise formulation and systematization of rules of international law in fields where there already has been extensive State practice, precedent and doctrine.“

II. Geltung als deklaratorisch wiedergegebenes Völkergewohnheitsrecht

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es sein, dass zwar eine bereits voll-etablierte Regel allgemeinen Völkerrechts besteht, aber dennoch ein Vertrag ausgearbeitet wird, um die Auswirkungen dieser Regel im Detail festzulegen. Dies kann dazu führen, dass die grundlegende Regel also Teil des allgemeinen Völkerrechts ist, ihre durch die Konvention erlangte detaillierte Form aber nicht.44 Auch kann die Konvention Regeln beinhalten, die sich zu Beginn der Kodifizierungsbemühungen lediglich in ihrer völkergewohnheitsrechtlichen Entstehung befanden, die aber bei deren Ende unabhängig von einem möglichen späteren Inkrafttreten der VN-Konvention zu generell akzeptierten Regeln des allgemeinen Völkerrechts aufgestiegen waren. Diese Möglichkeit einer Transformation bestimmter Normen erlangt bei einer relativ langen Dauer der Kodifizierungsarbeiten, wie es bei der VN-Konvention der Fall war, zusätzliches Gewicht. Diese Grundsätze gelten mutatis mutandis auch für Resolutionen der VNGeneralversammlung: auch sie können bereits bestehendes Völkergewohnheitsrecht deklaratorisch wiedergeben.45 Im Wesentlichen sind drei Möglichkeiten anerkannt, um darzulegen, dass eine bestimmte Regelung einer Kodifikationskonvention eine deklaratorische Wiedergabe bereits bestehenden Völkergewohnheitsrechts oder aber eine Fortentwicklung darstellt:46 die erste Möglichkeit ist, dass das Übereinkommen bzw. die Resolution in der Präambel oder im übrigen Text erklärt, dass es ausschließlich bereits geltendes Völkergewohnheitsrecht wiedergibt.47 Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass sich Entsprechendes aus den travaux préparatoires ergibt.48 Schließlich ist es auch möglich, die in Rede stehende Regelung mit dem Völkergewohnheitsrecht inhaltlich zu vergleichen und so zu überprüfen, ob das Übereinkommen das Völkergewohnheitsrecht exakt abbildet. In der Regel gibt die ILC nicht an, welche Teile der von ihr entworfenen Kodifizierungskonventionen bereits in dieser Form bestehendes allgemeines Völkerrecht kodifizieren und welche es fortentwickeln.49 Dies liegt an der Tatsache, dass soVgl. Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157, 297. Vgl. Heilbronner / Klein, in: Simma (Hrsg.), UN-Charter, 2002, Art. 10, Rn. 47; Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157, 360 f.; Schwebel, FS Riphagen, 1986, S. 204 f. 46 Vgl. Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157, 298 ff.; Baxter, RdC 129 (1970 I), S. 31, 31, 42 ff. 47 Eine entsprechende Aussage kann dann als Beweis für das Bestehen entsprechenden Völkergewohnheitsrechts herangezogen werden, der allerdings widerlegbar ist (auch die Genfer Seerechtskonvention wurde als „generally declaratory of established principles of international law“ verabschiedet, beinhaltete aber trotzdem viele Vorschriften, die jedenfalls im Zeitpunkt der Verabschiedung noch kein geltendes Völkerrecht widerspiegelten; vgl. dazu Skubiszewski, FS Ago, 1987, Bd. 1, S. 512 ff.; Baxter, RdC 129 (1970 I), S. 31, 54. Quelle des Völkergewohnheitsrechts bleiben in jedem Fall die Staatenpraxis und die entsprechende Rechtsüberzeugung. 48 Auch hier sind entsprechende Erklärungen im Rahmen der Vorarbeiten nicht der Ursprung einer völkergewohnheitsrechtlichen Regel, sondern lediglich ein widerlegbarer Beweis für deren Bestehen. Vgl. zur Beweiskraft der Vorarbeiten auch Sohn, FS Riphagen, 1986, S. 243. 49 Rosenne, Max Planck UNYB 2 (1998), S. 1, 7. 44 45

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

wohl die Mitglieder der ILC als auch die Staaten sehr unterschiedlicher Ansicht darüber sein können, in welche Kategorie eine bestimmte Konventionsvorschrift fällt. Die VN-Wasserlaufkonvention bekennt sich in Abs. 3 ihrer Präambel zwar zur Kodifikation bereits bestehenden, aber ausdrücklich auch zur Fortentwicklung neuen Völkerrechts: „Considering that successful codification and progressive development of rules of international law regarding non-navigational uses of international watercourses would assist in promoting and implementing the purposes and principles set forth in Article 1 and 2 of the Charter of the United Nations, [ . . . ]“.

Dafür, dass Art. 5 und die das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe komplementierenden Vorschriften der VN-Konvention ausschließlich bereits bestehendes Völkerrecht wiederholen und keinerlei Fortentwicklung beinhalten, enthält der Text keinerlei Hinweis. Auch aus dem Ablauf der Vorarbeiten ergibt sich, dass weder die VN-Konvention insgesamt noch das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe im Besonderen eine reine Darstellung bestehenden Völkergewohnheitsrechts sind. Bereits die holprige Entstehungsgeschichte der VN-Konvention mit ihren harten Diskussionen in der ILC und in der Working Group zeigt, dass auch hinsichtlich der grundlegenden Artikel der Konvention wie Art. 5 zwischen den Verhandlungsführern erhebliche Uneinigkeiten bestanden.50 Dies verhindert, dass ihr Text in seiner Gesamtheit wie auch hinsichtlich des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe glaubwürdig als Nachweis bereits vorher bestehenden Völkergewohnheitsrecht angesehen werden kann.51 Aber auch das Abstimmungsverhalten der Staaten in der Working Group macht es unmöglich, die VN-Konvention als bereits existierendes Völkergewohnheitsrecht aufzufassen.52 Dieses Ergebnis wird durch den Vergleich der VN-Konvention mit dem vorher bestehenden Völkergewohnheitsrecht bestätigt.53 Bereits hingewiesen wurde auf die in diesem Zusammenhang bestehende Schwierigkeit, eine den genauen Inhalt des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe bestimmende Staatenpraxis zu ermitteln.54 Diese Schwierigkeit ergibt sich vor allem aus den hydrographischen, geologischen, wirtschaftlichen und sozialen Besonderheiten jedes einzelnen internationalen Binnengewässers und der Tendenz zum Abschluss von Verträgen, die konkrete einzelne Probleme bei der Nutzung internationaler Wasserläufe lösen.55 Insofern scheint es nicht unmöglich, für eine ganze Reihe 50 Vgl. dazu etwa Fitzmaurice, LJIL 10 (1997), S. 501, 502. Siehe auch die Ausführungen supra Erster Teil, III. 3. 51 So auch Bourne, CanYBIL 35 (1998), S. 215, 230. 52 Ausführich dazu infra Dritter Teil, IV. 2. 53 Vgl. dazu auch das Vorwort zu den Berlin-Rules der ILA. 54 Supra Einleitung, 3. 55 Ruiz-Fabri, AFDI 36 (1990), S. 818, 824 ff. Vgl. zu diesem Problem auch bereits Hartig, Internationale Wasserwirtschaft und internationales Recht, 1955, S. 33 f. Siehe auch ILA, Formation of customary law, 2000, S. 761.

II. Geltung als deklaratorisch wiedergegebenes Völkergewohnheitsrecht

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möglicher Regeln eine entsprechende signifikante Staatenpraxis zu finden.56 Die ILC jedenfalls ging davon aus, dass das Prinzip der angemessenen Nutzung in seiner allgemeinen Form bereits vor der VN-Konvention Völkergewohnheitsrecht darstellte.57 Auch während der New Yorker Verhandlungen wurde die völkergewohnheitsrechliche Geltung des Prinzips der angemessenen Nutzung nie ernsthaft in Frage gestellt. Aber auch wenn weite Teile der grundlegenden Prinzipien der VNKonvention bereits vorher völkergewohnheitsrechtlich galten,58 so ergibt sich bei näherer Betrachtung der spezifischen Aspekte des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe ein weitaus uneinheitlicheres Bild.59 Zwar kann man wohl von einer vorherigen gewohnheitsrechtlichen Geltung etwa des Grundsatzes der abstrakten Gleichheit der Anrainerstaaten,60 des Abwägungsprozesses,61 der no harm-rule,62 der Pflicht, in gutem Glaube miteinander zu verhan56 Auf die Tatsache mangelnder inhaltlicher Übereinstimmung aller völkerrechtlichen Verträge mit wasserrechtlichem Bezug wiesen auch viele Staaten in ihren Stellungnahmen zum Konventionsentwurf hin, so etwa Finnland (UN Doc. A / 51 / 275, S. 11) und Ungarn (ebd., S. 13). 57 ILC, Draft Articles, Art. 5, Rn. 10 ff. mit ausführlichen Nachweisen gehen von einer überwältigenden Unterstützung für die Lehre von der angemessenen Nutzung als einer Regel des allgemeinen Völkerrechts bei der Bestimmung der Rechte und Pflichten der Staaten auf dem Gebiet des Rechts internationaler Wasserläufe aus. Während die Sprache und der Ansatz der zahlreichen Verträge, die das Prinzip der angemessenen Nutzung explizit oder implizit beinhalten, stark voneinander abweiche, sei deren gemeinsames Thema – die Anerkennung der Rechte der Parteien auf die Nutzung internationaler Wasserläufe – im Prinzip gleich und entspräche sich auch in ihrer Anwendung. Dies gelte für Verträge sowohl über längsgeteilte als auch über quergeteilte Wasserläufe. Auch alle fünf Berichterstatter in der ILC betrachteten das Prinzip der angemessenen Nutzung als Völkergewohnheitsrecht. Während die Berichterstatter Schwebel (ILC, Schwebel – Third Report, Rn. 73), Evensen (ILC, Evensen – Frist Report, Rn 87 f.) und Rosenstock (ILC, Rosenstock – First Report, Rn. 22) dabei ausdrücklich von Völkergewohnheitsrecht sprachen, begnügten sich die Berichterstatter Kearney (ILC, Kearney – First Report, Rn. 31 ff.) und McCaffrey (ILC, McCaffrey – Second Report, Rn. 75 ff.) mit dem Hinweis auf die einschlägige Staatenpraxis und opinio iuris. 58 So etwa Capaldo, YBIEL 14 (2003), S. 185, 190; Hunter / Salzman / Zaelke, International environmental law and policy, 2002, S. 794; Durner, Common goods, 2001, S. 86; Torka, Nichtnavigatorische Wassernutzungen, 1999, S. 56; Fitzmaurice, FS Weeramantry, 1998, S. 430; Margesson, NRF 21 (1997), S. 23, 24. Kritisch aber Nollkaemper, NethYIL 17 (1996), S. 39, 69 ff. 59 Vgl. bereits ILC, Schwebel – Third Report, Rn. 92: „Although the international community of States has accepted the principle of equitable utilization, the difficulty of the application of that principle is readily recognized. That problem arose from the very beginning, and has not been ameliorated by the fact that sovereign States sharing an international watercourse system, in contrast with States of a federal system, have rarely bound themselves to the compulsory jurisdiction of an arbitral or adjudicatory tribunal with competence to make legally binding determinations in this field.“ 60 Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 91. 61 Epiney, JuS 2003, S. 1066, 1069 f. 62 ILC, McCaffrey – Second Report, Rn. 42. Ebenso Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 175; Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 63; McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998, S. 27; ders. / Sinjela, AJIL 92 (1998), S. 97, 106; Hey, RECIEL 7 (1998),

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

deln mit der aufrichtigen Absicht, eine Einigung herbeizuführen63 und der Pflicht zur Errichtung gemeinsamer Bewirtschaftungsmechanismen 64 ausgehen. Auch das Konzept des internationalen Wasserlaufes scheint wenigstens von den Staaten, wenn auch nicht übereinstimmend von der Wissenschaft, akzeptiert zu sein.65 Die vorherige gewohnheitsrechtliche Geltung anderer Gesichtspunkte ist dagegen (jedenfalls in der Form, die in der VN-Konvention gefunden wurde) weitaus unsicherer: dazu gehören etwa der Gedanke einer optimalen und nachhaltigen Nutzungsaufteilung,66 die Pflicht zur Zusammenarbeit,67 die Pflicht zum regelmäßigen Informationsaustausch,68 die Pflicht zur vorherigen Information und Konsultation bei geplanten Maßnahmen,69 die Pflicht zur Zusammenarbeit bei der Prävention und Milderung gefährlicher Situationen70 und die Pflicht zu Schutz und Erhaltung S. 291, 292; Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 755; Rest, AVR 34 (1996), S. 143, 149; Caponera, The peaceful management of transboundary resources, 1995, S. 123; Epiney, AVR 33 (1995), S 309, 318; Beyerlin, ZaöRV 54 (1994), S. 124, 126; Erichsen, ZaöRV 51 (1991), S. 94, 99; Gündling, ZaöRV 45 (1985), S. 265, 273 ff. Vgl. auch IGH, Corfu Channel Case, Reports 1949, S. 4, 22 und United States v. Canada (Trail Smelter), AJIL 35 (1941), S. 684 ff. Die völkergewohnheitsrechtliche Geltung der no harm-rule als eigenständiger Norm neben dem Prinzip der angemessenen Nutzung dagegen bestreitend Fuentes, BYIL 69 (1998), S. 119, 139 ff. 63 Kaya, Equitable utilization, 2003, S. 133 ff.; Hey, RECIEL 7 (1998), S. 291, 292; Caponera, The peaceful management of transboundary resources, 1995, S. 123; Ruiz-Fabri, AFDI 36 (1990), S. 818, 834. 64 Hey, RECIEL 7 (1998), S. 291, 292. 65 McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 37. 66 Zustimmend etwa Durner, Common goods, 2001, S. 86. Ablehnend etwa Lee, Effiziente Nutzung, 2003, S. 63, 81, 83. 67 Zustimmend etwa Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2004, S. 422; Capaldo, YBIEL 14 (2003), S. 185, 190; Guruswamy, International environmental law, 2003, S. 445; Hey, RECIEL 7 (1998), S. 291, 292; Caponera, The peaceful management of transboundary resources, 1995, S. 123; Buriette, RGDIP XCV (1991), S. 5, 42. Ablehnend etwa Okidi, International law and water scarcity in Africa, 1997, S. 177; Ruiz-Fabri, AFDI 36 (1990), S. 818, 834. 68 Zustimmend etwa Capaldo, YBIEL 14 (2003), S. 185, 190; Perrez, Cooperative Sovereignty, 2000, S. 306 ff.; Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 187; Lammers, International and European community law aspects of pollution of international watercourses, 1990, S. 128. Vgl. auch ILA, Berlin-Rules, Kommentar zu Art. 56. Ablehnend etwa Kaya, Equitable utilization, 2003, S. 127 ff. 69 Zustimmend etwa Guruswamy, International environmental law, 2003, S. 444; Perrez, Cooperative Sovereignty, 2000, S. 310 ff.; McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998, S. 27; ders. / Sinjela, AJIL 92 (1998), S. 97, 106; Hey, RECIEL 7 (1998), S. 291, 292; Tanzi, NRF 21 (1997), S. 109, 116; Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 784; Caponera, The peaceful management of transboundary resources, 1995, S. 123; Schiedermair / Rest, Internationales Wasserrecht, HdUR, 1994, Bd. I, Sp. 1153; Lammers, International and European community law aspects of pollution of international watercourses, 1990, S. 129. Vgl. auch ILA, Berlin-Rules, Kommentar zu Art. 57. Ablehnend etwa Fitzmaurice, FS Weeramantry, 1998, S. 435. 70 Zustimmend etwa Hey, RECIEL 7 (1998), S. 291, 292. Vgl. auch ILA, Berlin-Rules, Kommentar zu Art. 32. Zweifelnd dagegen etwa Guruswamy, International environmental law, 2003, S. 454.

II. Geltung als deklaratorisch wiedergegebenes Völkergewohnheitsrecht

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des Ökosystems internationaler Wasserläufe71 sowie der maritimen Umwelt72. Wieder andere Aspekte wie das Prinzip der Nichtdiskriminierung73 und das nicht mehr dem Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe zurechenbare Streitschlichtungssystem (insbesondere hinsichtlich der Einrichtung einer unparteiischen „fact finding-Kommission“)74 werden ganz überwiegend als Fortentwicklung des Völkerrechts angesehen. Schließlich wird dem Prinzip der angemessenen und vernünftigen Teilhabe in der Regel eine völkergewohnheitsrechtliche Geltung vor Verabschiedung der VN-Konvention abgesprochen.75 Die Untersuchung des Textes der VN-Konvention, ihre Ausarbeitungsgeschichte und der inhaltliche Vergleich mit dem vorher bestehenden Völkergewohnheitsrecht ergeben damit, dass die VN-Konvention weder im Allgemeinen noch hinsichtlich des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in der dort gewonnenen Form bestehendes Völkergewohnheitsrecht im Sinne einer lediglich deklaratorischen Wiedergabe abbildet. 71 Zustimmend etwa McCaffrey, Prospects and pitfalls, 1998, S. 27; Hey, RECIEL 7 (1998), S. 291, 292; Fitzmaurice, FS Weeramantry, 1998, S. 443. Zweifend dagegen etwa Guruswamy, International environmental law, 2003, S. 454; Hunter / Salzman / Zaelke, International environmental law and policy, 2002, S. 795. 72 Zustimmend etwa Mensah, The international legal regime fort he protection and preservation of the marine environment from land-based sources of pollution, 1999, S. 297 ff.; Hey, RECIEL 7 (1998), S. 291, 292. Zweifend dagegen etwa Hunter / Salzman / Zaelke, International environmental law and policy, 2002, S. 795. 73 Demeter, Schutz und Nutzung, 2001, S. 319. 74 Tanzi, LJIL 11 (1998), S. 441, 444 f.; Hey, RECIEL 7 (1998), S. 291, 297. 75 Vgl. ILC, Schwebel – Third Report, Rn. 85: „It is submitted that the right of each State to share equitably in the uses of the waters of an international watercourse system is indisputable and undisputed. Moreover, contemporary conditions and expectations have tended to move the international community to a position of affirmative promotion of co-operation and collaboration with respect to shared water resources. Thus the Commission may wish to consider a draft article that not only articulates the settled principle of equitable utilization, but also embraces the progressive concept of ,equitable participation‘. States sharing an international watercourse system not only may stand on their rights to reasonable and equitable sharing of the uses of the waters but, arguably, also have a right to the co-operation of their co-system States in, for example, flood control measures, pollution abatement programmes, drought mitigation planning, erosion control, disease vector control, river regulation (training), the safeguarding of hydraulic works or environmental protection – or some combination of these – as appropriate for the particular time and circumstances. The details of such joint co-operative efforts on the part of system States should be reflected in one or more system agreements. None the less, it may be maintained that there now exists a duty under general international law to participate affirmatively in effectuating the more rational development, use and protection of shared water resources. To the extent that State practice does not establish that duty, it is believed that progressive development of international law should establish it.“ Allerdings wurde Art. 5 (2) VN-Konvention in IGH, Case concerning the GabcíkovoNagymaros Project, Reports 1997, S. 7 ff., Rn. 147 ausdrücklich und in voller Länge zitiert. Deshalb geht Sievers, TexIntLJ 37 (2002), S. 1, 2002, S. 16 davon aus, dass der gesamte Art. 5 der VN-Konvention bestehendes Völkergewohnheitsrecht kodifiziert. Siehe zu dieser Frage auch Lee, Effiziente Nutzung, 2003, S. 63; McCaffrey / Sinjela, AJIL 92 (1998), S. 97, 99.

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

III. Geltung als logisch notwendiges bzw. „selbst-evidentes“ Völkergewohnheitsrecht In seiner Entscheidung in den Nordseefestlandsockelfällen (Bundesrepublik Deutschland v. Dänemark / Niederlande) untersuchte der IGH weiterhin das von der einen Streitpartei vorgebrachte Argument, das dort in Frage stehende Äquidistanzprinzip sei anzusehen als – in den Worten des Gerichts – „what might be called the natural law of the continental shelf [ . . . ] and therefore as having an a priori character of so to speak juristic inevitability.“76 Diese Vorstellung des Äquidistanzprinzips als „logically necessary“77 wurde im Ergebnis dann aber vom IGH verneint, nicht zuletzt unter Berufung auf den Ablauf der Vorarbeiten der ILC zu der dem Streit zu Grunde liegenden Genfer Festlandsockelkonvention von 1958: „[ . . . ] had it had the self-evident character contented for [ . . . ], the Comission would have had no alternative but to adopt it, and its long continued hesitations over this matter would be incomprehensible.“78 Auch im Fall des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in der Form, die es in der VN-Konvention erhalten hat, kann dessen völkergewohnheitsrechtliche Geltung nicht aus einer „logischen Notwendigkeit“ einer solchen Regelung abgeleitet werden.79 Zwar hat die ILC nie ernsthaft eine Lösung diskutiert, die sich außerhalb des Rahmens der Theorie der beschränkten territorialen Souveränität bewegt. Gleichwohl existieren Alternativen wie die Theorie der rechtlichen Gemeinschaft an internationalen Binnengewässern, das Konzept des gemeinsamen Erbes der Menschheit oder die Theorie der prior appropriation. Selbst aus der Zugrundelegung der Theorie der beschränkten territorialen Souveränität lässt sich nicht notwendig auf die zentrale Rolle des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe schließen, wie sie in der VNKonvention postuliert wird, denn schließlich findet ja auch die no harm-rule in der Theorie der beschränkten territorialen Souveränität ihre Grundlage. Die langatmigen Diskussionen um das Verhältnis zwischen dem Prinzip der angemessenen Nutzung und Teilhabe und der no harm-rule legen klar Zeugnis von dieser Schwierigkeit ab. Insgesamt ist also jedenfalls die konkrete Ausformung des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in der Art und Weise der VN-Konvention als mehr als bloß „selbst-evident“ anzusehen.

IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff., Rn. 37 ff. Ebd., Rn. 46. 78 Ebd., Rn. 49. Vgl. zum ganzen auch Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157, 303. 79 Vgl. aber etwa ILC, Evensen – First Report, Rn. 81, der zur Vorstellung internationaler Wasserläufe als shared natural ressources ausführte: „In this shared natural resource each of the system States is entitled to a reasonable and equitable share. This basic principle, as laid down in article 6, is a codification of prevailing principles of international law following from customary international law, as evidenced by state practice and general principles of law [ . . . ] and also following from the very nature of things.“ 76 77

IV. Geltung als „kristallisiertes“ Völkergewohnheitsrecht

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IV. Geltung als „kristallisiertes“ Völkergewohnheitsrecht Über die Möglichkeit der Abbildung bereits bestehenden oder logisch notwendigen Völkergewohnheitsrechts hinaus vermag eine Kodifizierungskonvention im Wege der Fortentwicklung des Rechts – der IGH nennt es „through positive law processes“80 – unter bestimmten Voraussetzungen auch entweder bereits in prinzipieller Form bestehende, aber im Detail noch im Fluss befindliche Normen des Gewohnheitsrechts zu „kristallisieren“ oder den Ausgangspunkt zu bilden für ein anschließendes Erstarken einer in ihr enthaltenen Regel zu Gewohnheitsrecht. Dazu ist es – in den Worten des IGH – notwendig, „[ . . . ] to examine the status of the principle as it stood when the convention was drawn up, as it resulted from the convention, and in the light of State practice subsequent to the convention; [ . . . ]“81

Der Möglichkeit einer „Kristallisierung“ liegt der Gedanke zugrunde, dass eine bestimmte völkergewohnheitsrechtliche Norm zu Beginn und während ihrer Ausarbeitung für eine Kodifizierungskonvention zwar erst in der Entstehung ist und eine entsprechende einheitliche Staatenpraxis noch fehlt, durch die Vorbereitungsarbeit für die Konvention, insbesondere durch das Ausarbeiten von entsprechenden Entwürfen durch die ILC, und die sich daran anschließenden Verhandlungen zwischen den Staaten jedoch ein Definierungs- und Konsolidierungsprozess in Gang kommt, der schließlich durch die Annahme der Konvention zur Kristallisierung der bisher im Fluss befindlichen völkergewohnheitsrechtlichen Norm in der gefundenen Form als bindendes Völkergewohnheitsrecht mündet.82 Entsprechendes gilt auch für Resolutionen der VN-Generalversammlung: auch ihnen kann eine Formulierungs- und Spezifizierungswirkung im Sinne einer Konsolidierung einer bis dahin noch nicht in allen Einzelheiten feststehenden völkergewohnheitsrechtlichen Regel zukommen.83 Dahinter steht die in Art. 13 (1) (a) IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff., Rn. 60. Ebd., Rn 60. 82 Dagegen geht die Möglichkeit des nachträglichen Erstarkens einer Vorschrift einer Kodifizierungskonvention zu bindendem Völkergewohnheitsrecht davon aus, dass selbst wenn im Zeitpunkt der Annahme der Konvention einer bestimmten Regel noch kein bindender völkergewohnheitsrechtlicher Charakter zukommt und sich diese Norm auch nicht in der entsprechenden Vorschrift der Kodifizierungskonvention „kristallisiert“ hat, diese Vorschrift dennoch zu bindendem Völkergewohnheitsrecht erstarken kann, „[ . . . ] partly because of its own impact, partly on the basis of subsequent State practice [ . . . ]“ (IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, Rn. 70). Während die „Kristallisierungsvariante“ das Bestehen von sich in der Entstehung befindlichem Völkergewohnheitsrecht bei Ausarbeitung und Annahme der Kodifizierungskonvention voraussetzt, stellt die „nachträgliche Erstarkungsvariante“ erst auf die Entwicklung nach der Annahme der Konvention ab. Ausführlich zur Möglichkeit des nachträglichen Erstarkens einer Vorschrift einer Kodifizierungskonvention zu bindendem Völkergewohnheitsrecht infra Dritter Teil, V und VI. 83 Dispute between Texaco Overseas Petrolium Co. / Cal. Asiatic Oil Co. and the Government of the Libyan Arab Republic (Compensation for Nationalized Property), ILM 17 (1978), S. 1 ff. Vgl. auch Heilbronner / Klein, in: Simma (Hrsg.), UN-Charter, 2002, Art. 10, Rn. 54. 80 81

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

VNC enthaltene Möglichkeit der Generalversammlung, Empfehlungen zu verabschieden, um zur Fortentwicklung und Kodifikation des internationalen Gewohnheitsrechts beizutragen.84 Die Resolutionen werden dabei, selbst wenn sie einstimmig verabschiedet wurden, nicht als Quelle internationalen Gewohnheitsrechts angesehen85 oder mit völkerrechtlichen Verträgen auf dieselbe Stufe gestellt.86 Die Quelle des Gewohnheitsrechts bleibt vielmehr die auf der opinio juris 84 Die ILC wurde als Unterorgan der VN-Generalversammlung zur Verwirklichung genau dieser Aufgabe geschaffen, vgl. Dhokalia, The codification of public international law, 1970, S. 150 ff. 85 Der IGH ist der Ansicht, dass unter bestimmten Umständen die Möglichkeit besteht, dass Resolutionen der Generalversammlung ein ,normativer Wert‘ zukommt (IGH, Case concerning paramilitary activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. USA), Reports 1986, S. 14, Rn. 184; IGH, Legality of the threat or use of nuclear weapons (advisory opinion), Reports 1996, S. 226, Rn. 70 f.). Dabei ist zu beachten, dass der IGH für die Interpretation seines eigenen Statuts, also insbesondere auch dessen Art. 38 (1) zuständig ist. Dogmatisch konstruiert werden kann dieser „normative Wert“ etwa dadurch, dass man die Abstimmung in der Generalversammlung entweder als opinio juris oder Staatenpraxis wertet und das jeweils andere Merkmal als für die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht irrelevant betrachtet oder aber die Absimmung sowohl als Staatenpraxis als auch opinio juris ansieht (vgl. etwa die Bemerkungen von Professor Myres S. McDougal, Contemporary views on the sources of international law: the effect of UN resolutions on emerging legal norms (discussion), Am. Socy´ Int’l L. Proc. 1979 (73), S. 327 ff. sowie Barberis, FS Bernhard, 1995, S. 30 ff.; Castañeda, Legal effects of United Nations resolutions, 1969, S. 165 ff.; Asamoah, The legal significance of the declarations of the General Assembly of the United Nations, 1966, S. 1 ff.; Cheng, IndJIL 5 (1965), S. 23 ff.). Viele Stimmen in der Literatur lehnen es jedoch als zu weitgehend ab, Resolutionen der Generalversammlung als Quelle internationalen Gewohnheitsrechts anzusehen (Heilbronner / Klein, in: Simma (Hrsg.), UN-Charter, 2002, Art. 10, Rn. 43 ff.; Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157, 362 ff.; Sohn, FS Skubiszewski, 1996, S. 557; Simma, FS Zemanek, 1994, S. 100 ff.; Skubiszewski, Rechtscharakter der Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen, 1981, S. 13 ff.; Schwebel, FS Riphagen, 1986, S. 210; ders., The effect of resolutions of the UN general assembly on customary international law, 1979, S. 301 ff.; Heidenstecker, VN 27 (1979), S. 205, 206 ff.; Garibaldi, The legal status of general assembly resolutions: some conceptual observations, 1979, S. 324 ff. Sie berufen sich dabei nicht nur auf die wörtliche und systematische (der Unterschied zwischen Resolutionen und Entscheidungen in den Kapiteln IV und VII der Charta zeigt klar, dass Resolutionen der Generalversammlung normalerweise keine Bindungswirkung zukommen soll), sondern insbesondere auch auf die teleologische (die Generalversammlung soll in erster Linie allgemeine Themen internationaler Bedeutung diskutieren und ist keine Weltlegislative; trotz einiger oberflächlicher Ähnlichkeiten mit gesetzgebenden Organen fehlt ihr insbesondere aufgrund des Prinzips der souveränen Gleichheit der Staaten die dazu notwendige Repräsentativität) und historische (auf der Konferenz von San Francisco hatte der Ausschuss 2 der Kommission II den Vorschlag der Philippinen mit 26 zu 1 Stimme ablehnt, der VN-Generalversammlung die legislative Kompetenz zu übertragen, Regeln des Völkerrechts zu erlassen, die für die Mitglieder bindend sind, wenn sie vom Sicherheitsrat mit Mehrheit bestätigt werden) Auslegung der Charta. Diese Diskussion muss jedoch klar von der Frage nach der Möglichkeit einer „Kristallisation“ von Gewohnheitsrecht in einer Resolution der Generalversammlung getrennt werden, denn bei der „Kristallisation“ wird die Resolution eben gerade nicht als Quelle des Rechts angesehen. 86 Siehe zu dieser Problematik Heilbronner / Klein, in: Simma (Hrsg.), UN-Charter, 2002, Art. 10, Rn. 45 ff.; Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157, 368 f.

IV. Geltung als „kristallisiertes“ Völkergewohnheitsrecht

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beruhende, allerdings bis dahin noch nicht völlig einheitliche Staatenpraxis. Durch die „Kristallisation“ wird also keine neue Kategorie eines „instant customary law“87 geschaffen, sondern eine noch im Fluss befindliche, aber in groben Zügen bereits bestehende völkergewohnheitsrechtliche Norm in der gefundenen Form verdeutlicht und konsolidiert. Man einigt sich also lediglich auf die genaue Form und den genauen Inhalt der Regel, schafft aber keine völlig neue. Typisches Merkmal in der Entstehung befindlichen Völkergewohnheitsrechts ist es, dass hinsichtlich eines bestimmten Prinzips zwar eine Staatenpraxis besteht, diese aber nicht die für das Völkergewohnheitsrecht notwendige Einheitlichkeit aufweist.88 Dies hat regelmäßig zur Folge, dass ein Prinzip zwar seinem grundlegenden Inhalt nach bereits völkergewohnheitsrechtlich anerkannt ist, aber sich hinsichtlich der genauen inhaltlichen Einzelheiten noch im Fluss befindet. In diesem Sinne steht die fragliche Regelung dann zwischen einem lex lata und einem lex ferenda.89 Das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe war während seiner Ausarbeitungsphase genau eine solche noch nicht voll ausgearbeitete völkergewohnheitsrechtliche Regel.90 Die Entscheidungen im Donauversinkungsfall von 1927, im Oderkommissionsfall von 1929 und im Lac Lanoux-Fall von 1957 erklärten alle drei das Prinzip der angemessenen Nutzung zu allgemeinem Völkerrecht, wobei in der Oderkommissionsentscheidung sogar auch auf das Prinzip der angemessenen Teilhabe abgestellt wurde.91 Die ILA und das IDI gingen spätestens seit der Salzburger Resolution von 196192 bzw. den Helsinki-Rules 87 Grundlegend zur These der Möglichkeit von „instant international customary law“ Cheng, IndJIL 5 (1965), S. 23 ff. 88 Vgl. IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff., Rn. 61. 89 Vgl. IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff., Rn. 62. 90 Der Entwicklungsprozess, der schließlich zur Annahme der VN-Konvention am 21. 5. 1997 führte, begann im engeren Sinne im Jahre 1970, als die VN-Generalversammlung die ILC mit einer Studie zum Recht der nichtschifffahrtlichen Nutzung internationaler Flussläufe im Hinblick auf dessen Fortentwicklung und Kodifikation beauftragte (General Assembly Resolution 2669 (XXV) vom 8. 12. 1970). Die ILC griff allerdings bei ihrer anschließenden Ausarbeitung in großem Maße auf die Vorarbeiten des Institut de Droit International (IDI) und der International Law Association (ILA) auf dem Gebiet der internationalen Flussläufe zurück, die bereits bedeutend früher einen Prozess der Kodifikation und Fortentwicklung des internationalen Wasserrechts im weiteren Sinne eingeleitet hatten. Während also die eigentlichen Vorarbeiten für die VN-Konvention mit Aufnahme der Arbeiten der ILC erst Anfang der 70er Jahre begannen, geht die Entwicklung der Kodifikation und Fortentwicklung des Rechts der nichtschifffahrtlichen Nutzung internationaler Wasserläufe im weiteren Sinne bis auf den Beginn des 20. Jahrhunderts zurück. Diese Konstellation ermöglichte es, dass bereits zum Zeitpunkt des Beginns der Arbeiten der ILC an der VN-Konvention, jedenfalls aber vor deren Abschluss eine in der Entstehung befindlichen völkerrechtlichen Norm bestand, die das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in allgemeinen Zügen zum Inhalt hatte, aber eben noch nicht bis ins letzte Detail feststand. 91 Vgl. zu diesen Entscheidungen die Ausführungen supra Zweiter Teil, I. 1. b) und 3.b). 92 Text in: AIDI 49-II (1961), S. 381.

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

von 196693 von der Geltung des Prinzips der angemessenen Nutzung internationaler Wasserläufe als allgemeinem Völkergewohnheitsrecht aus. Auch die ILC erklärte in ihren Berichten die völkerrechtliche Geltung des Prinzips der angemessenen Nutzung.94 Andererseits legt die relativ große Anzahl von Berichten und deren jeweilige Unterschiede im Detail Zeugnis davon ab, dass sich das Prinzip hinsichtlich seiner genauen Bedeutung während der Ausarbeitungsphase noch im Fluss befand. Darüber hinaus wurde der Aspekt der Teilhabe in der Regel als lex ferenda angesehen.95

1. Voraussetzungen Bei der Beantwortung der Frage nach den Bedingungen, unter denen eine „Kristallisation“ des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in der Form angenommen werden kann, die es in der VN-Konvention gefunden hat, ist zu berücksichtigen, dass das VN-Übereinkommen nicht nur eine in einem jahrzehntelangen Prozess ausgearbeitete Kodifikationskonvention darstellt, sondern darüber hinaus auch von der Generalversammlung der Vereinten Nationen als integraler Bestandteil der Resolution 51 / 226 durch Abstimmung am 27. 5. 1997 angenommen wurde. Grundsätzlich eignen sich sowohl Kodifikationskonventionen als auch Resolutionen der VN-Generalversammlung unabhängig voneinander dazu, eine im Fluss befindliche völkergewohnheitsrechtliche Norm zu „kristallisieren“. Die folgende Darstellung der Voraussetzungen differenziert deshalb zwischen beiden Instrumenten und weist die abstrakten Bedingungen einer „Kristallisation“ für Kodifikationskonventionen und Resolutionen der VN-Generalversammlung je einzeln aus.

a) „Kristallisation“ internationalen Gewohnheitsrechts in einer Kodifikationskonvention Hinter der Möglichkeit der „Kristallisation“ von im Fluss befindlichem Völkergewohnheitsrecht in Kodifikationskonventionen steht folgende Überlegung: zwar können Erklärungen von Staatenkonferenzen die substantiellen Elemente des Gewohnheitsrechts, also Staatenpraxis und opinio juris, bei der Bestimmung einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm nicht ersetzen; die Entwurfsarbeiten und Verhandlungen zu einer Kodifikationskonvention stehen aber sowohl mit dem subjektiven als auch mit dem objektiven Element des Völkergewohnheitsrechts in unmitText in: ILA, Report of the fifty-second conference held at Helsinki 1966, 1967, S. 477. ILC, Kearney – First Report, Rn. 31 ff.; ILC, Schwebel – Third Report, Rn. 73; ILC, Evensen – Frist Report, Rn 87 f.; ILC, McCaffrey – Second Report, Rn. 75 ff.; ILC, Rosenstock – First Report, Rn. 22. 95 Vgl. ILC, Schwebel – Third Report, Rn. 85. 93 94

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telbarem Zusammenhang.96 Zum einen äußern sich die Staaten regelmäßig im Laufe der Entstehung einer Kodifikationskonvention und machen klare Angaben zur Unterstützung bzw. Ablehnung bestimmter darin enthaltener Regeln.97 Dabei sind sie sich zunehmend bewusst, dass ihr Verhalten auf multilateralen Foren auch zur Entwicklung des allgemeinen Völkerrechts beiträgt.98 Entsprechend nehmen sie die dortigen Diskussionen noch ernster und wägen ihre Positionen gerade auch im Hinblick auf mögliche Auswirkungen auf das allgemeine Völkerrecht sorgfältig ab. Zum anderen orientieren sich regelmäßig nicht nur die Vorarbeiten zu Kodifikationskonventionen an der bestehenden Staatenpraxis, sondern vice versa auch das Verhalten der Staaten an den Verhandlungen einschlägiger internationaler Regeln. Je länger die Vorarbeiten zu einer Kodifizierungskonvention dauern, umso mehr Spielraum gibt es für Staatenpraxis und Rechtsüberzeugung auf der einen und der Kodifikationskonvention auf der anderen Seite, sich einander anzupassen.99 Die Vorarbeiten der ILC, die Reaktionen und anschließenden Verhandlungen der Regierungen und schließlich die Annahme der Konvention betreffen dann nicht nur die Schaffung von Vertragsnormen, sondern haben auch Auswirkungen auf das Gewohnheitsrecht. In seinem Urteil in den Nordseefestlandsockelfällen (Bundesrepublik Deutschland v. Dänemark / Niederlande)100 hat der IGH die Möglichkeit einer „Kristallisation“ von im Fluss befindlichem Völkergewohnheitsrecht in Kodifikationskonventionen ausführlich untersucht. Dort ging es um die Frage, ob Art. 6 der Genfer Festlandsockel-Konvention Völkergewohnheitsrecht darstellte. In diesem Zusammenhang hatte die eine Seite argumentiert, „that although prior to the Conference, continental shelf law was only in the formative stage, and State practice lacked uniformity, yet ,the process of the definition and consolidation of the emerging customary law took place through the work of the International Law Commission, the reactions of governments to that work and the proceedings of the Geneva conference‘ and this emerging customary law became ,crystallized in the adoption of the Continental Shelf Convention by the Conference‘“.101

Der IGH zeigte sich bereit, diese Möglichkeit zu prüfen und kam zu dem Schluss, dass dies tatsächlich, wenn auch nicht bezüglich der in Art. 6 des Vertrages inkorporierten Norm, so doch hinsichtlich der in Art. 1 bis 3 desselben Vertra96 Ausführlich zur „Kristallisation“ von im Fluss befindlichem Völkergewohnheitsrecht in Kodifikationskonventionen Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157, 295 ff. Vgl. auch ILA, Formation of customary law, 2000, S. 760 f.; Torrione, L’influence des conventions de codification sur la coutume en droit international public, 1989, S. 9, 86 ff. 97 Vgl. Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157, 306. 98 Vgl. Charney, AJIL 87 (1993), S. 529, 543 ff. 99 Die VN-Seerechtskonvention von 1982, aber auch die WVRK sowie die Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (Text in: BGBl. 1964 II S. 959) und konsularische Beziehungen (Text in: BGBl. 1969 II S. 1585) sind dafür gute Beispiele. 100 IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff.; Rn. 61 ff. 101 Ebd., Rn. 61.

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

ges kodifizierten Regeln der Fall sei.102 Mithin erkannte er die Möglichkeit der Entstehung von Völkergewohnheitsrecht im Wege der „Kristallisation“ in einer Kodifikationskonvention an, stellte zugleich aber auch klar, dass nicht automatisch eine Vermutung bestehe, dass die in der Kodifikationskonvention enthaltenen Normen „kristallisiertes“ Gewohnheitsrecht seien. Zentrale Voraussetzung für die „Kristallisation“ einer in ihrer Entstehung befindlichen völkergewohnheitsrechtlichen Norm in einer Kodifikationskonvention ist die Unterstützung der Regelung durch den Konsens oder zumindest die „überwältigende Mehrheit der Staaten“, wobei es insbesondere auf die Ansicht derjenigen Staaten ankommt, deren Belange besonders betroffen sind.103 Liegt diese Unterstützung nicht vor, so scheidet nach allgemeiner Ansicht und der Rechtsprechung des IGH eine „Kristallisation“ in einer Kodifikationskonvention aus.104 Wenn die internationale Staatengemeinschaft als Ganzes das klare Verlangen zeigt, das Völkergewohnheitsrecht durch die Annahme einer Kodifikationskonvention zu präzisieren, ohne auf das Entstehen einer vertraglichen Pflicht durch Ratifikation und Inkrafttreten der Konvention warten zu wollen, gibt es zwar keinen überzeugenden Grund, warum das unmöglich sein sollte. Dies gilt aber nur dann, wenn die Repräsentativität der Mehrheit durch die Unterstützung all derjenigen Staaten gewährleistet ist, deren Belange durch die „kristallisierte“ gewohnheitsrechtliche Norm besonders betroffen werden.105 Anderenfalls besteht die Gefahr, dass eine Ebd., Rn. 63. Als zusätzliche Voraussetzung für die „Kristallisation“ sah der IGH die Tatsache an, dass die Kodifizierungskonvention gegen die entsprechende Norm keine Vorbehalte zulasse: Vorbehalte könnten nicht angemeldet werden „in the case of general or customary law rules and obligations which, by their very nature, must have equal force for all members of the international community, and cannot therefore be the subject of any right of unilateral exclusion exercisable at will by any of them in its own favour.“ (IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff., Rn. 63). Diese Voraussetzung wurde bereits in den dissenting opinions der Richter Morelli und Lachs scharf kritisiert (ebd., S. 197 f. und 218, 223 ff.) und ist auch in der völkerrechtlichen Literatur auf erheblichen Widerspruch gestoßen (ILA, Formation of customary law, 2000, S. 755 f.; Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157, 309 ff.; Baxter, RdC 129 (1970 I), S. 31, 49 f., 56). Die Möglichkeit, von einer Norm abzuweichen, ist typisches Merkmal aller völkergewohnheitsrechtlicher Normen, die jus dispositivum sind. Zahlreiche Beispiele belegen, dass auch Regelungen in Kodifikationskonventionen, die kein jus cogens darstellen, Völkergewohnheitsrecht darstellen (Nachweise bei Lachs, ebd., S. 224 f.). Der diplomatische Zufall, dass eine bestimmte Regelung Vorbehalte zulässt oder nicht, enthält keinerlei Aussage darüber, ob es sich um Völkergewohnheitsrecht handelt oder nicht. Schließlich ist es möglich, dass man gerade die Möglichkeit von Vorbehalten zulässt, weil man aufgrund der allgemeinen Überzeugung, dass es sich bei der Regel um Gewohnheitsrecht handelt, nicht um die generelle Integrität der Norm fürchtet. In jedem Fall wird die Ansicht des IGH nur dann relevant, wenn alle anderen Voraussetzungen einer „Kristallisation“ erfüllt sind und die fragliche Kodifikationskonvention hinsichtlich der in Rede stehenden Norm Vorbehalte zulässt. 104 Dabei wird allerdings zu prüfen sein, ob die mangelnde Zustimmung bestimmter (wichtiger) Staaten oder gar Staatengruppen in der tatsächlichen oder zumindest erklärten Abweichung von Gewohnheitsrecht begründet ist und auf welche Vorschriften im Einzelnen sich diese Einwände beziehen. 102 103

IV. Geltung als „kristallisiertes“ Völkergewohnheitsrecht

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Mehrheit von Staaten mit übereinstimmenden Interessen unter den Augen und gegen den Willen einer Minderheit von Staaten, die von der Regelung in besonderer Weise betroffen sind, aber entgegengesetzte Interessen verfolgen, einen multilateralen Vertrag annimmt, um später zu argumentieren, auch die Minderheit sei, zwar nicht als Vertragsrecht, wohl aber als Völkergewohnheitsrecht an diesen Vertrag gebunden. Der IGH hat diese Voraussetzungen für eine „Kristallisation“ von Völkergewohnheitsrecht in Kodifizierungskonventionen wiederholt bestätigt. In seinen Urteilen in den Fisheries Jurisdiction cases (Merits)106 etwa ging es um Vorschläge, die während der 2. VN-Seerechtskonferenz im Jahr 1960 hinsichtlich einer Fischereizone jenseits der Hoheitsgewässer gemacht worden waren. Dazu führte das „Weltgericht“ aus: „Two concepts have crystallized as customary law in recent years arising out of the general consensus revealed at the Conference. The first is the concept of the fishery zone [ . . . ]; the extension of that fishery zone [ . . . ] appears now to be generally accepted. The second is the concept of preferential rights of fishing in adjacent waters in favour of the costal State [ . . . ]“.107

Auch wenn im konkreten Fall die Kläger die Breite der Fischereizone und die Privilegien des Beklagten bereits ausdrücklich anerkannt hatten108 und sich außerdem zwischen 1960 und der Entscheidung schon eine entsprechende Staatenpraxis entwickelt hatte,109 benannte das Gericht doch eindeutig die „allgemeine Akzeptanz“ durch die Staaten als Grundlage für die „Kristallisation“. Auch in seinem Urteil in der Streitsache Gulf of Maine stellte der IGH auf der Suche nach einschlägigem Gewohnheitsrecht hinsichtlich der inzwischen verabschiedeten Seerechtskonvention ab auf „the consensus reached on large portions of the instrument and [ . . . ] the observation that certain provisions of the Convention [ . . . ] were adopted without any objections. [ . . . T]hese provisions, even if in some respects they bear the mark of the compromise surrounding their adoption, may nevertheless be regarded as consonant at present with general international law on the question.“110 105 Herdegen, Vökerrecht, 2005, S. 140 f. Diejenigen Staaten, die entgegen der überwältigenden und repräsentativen Mehrheit der Staaten gegen die Resolution gestimmt haben, verhindern dadurch die Entstehung der normativen Erwartung, dass sie sich gemäß der von der Mehrheit verabschiedeten Prinzipien verhalten werden; auf sie sind die „kristallisierten“ Normen entsprechend der persistent objector-Regel regelmäßig nicht anwendbar (Schwabach, TexIntLJ 33 (1998), S. 257, 260; Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157, 377, Fn. 613). 106 IGH, Fisheries jurisdiction Case (Merits) (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. Iceland), Reports 1974, S. 3 ff. and Fisheries jurisdiction Case (Merits) (Federal Republic of Germany v. Iceland), Reports 1974, S. 175 ff. 107 Ebd., Rn. 52 bzw. 44. 108 Vgl. ebd., Rn. 54 bzw. 46. 109 Vgl. ebd., Rn. 58 bzw. 50. 110 IGH, Case concerning delimitation of the maritime boundary in the Gulf of Maine area, Reports 1984, S. 4 ff., Rn. 94.

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

Ein Jahr später ließ der IGH in seinem Urteil im Festlandsockelfall (Libyen v. Malta) sogar die Unterstützung durch die „überwältigende Mehrheit der Staaten“ für den Rückgriff auf die Seerechtskonvention als Völkergewohnheitsrecht genügen: „It is of course axiomatic that the material of customary law is to be looked for primarily in the actual practice and opinio juris of States, even though multilateral conventions may have an important role to play in recording and defining rules deriving from custom, or indeed in developing them. [ . . . ] Nevertheless, it cannot be denied that the 1982 Convention is of major importance, having been adopted by an overwhelming majority of States; hence it is clearly the duty of the Court [ . . . ] to consider in what degree any of its relevant provisions are binding upon the Parties as a rule of customary international law.“111

Dass innerhalb des Konsenses im Sinne einer überwältigenden Mehrheit der Staaten denjenigen Staaten spezielles Gewicht zukommt, deren Interessen von der Regelung besonders betroffen sind, ergibt sich bereits aus den Ausführungen der IGH-Entscheidung in den Nordseefestlandsockelfällen (Bundesrepublik Deutschland v. Dänemark / Niederlande) zur Staatenbeteiligung nach Verabschiedung des Konventionstextes: „With regard to the other elements usually regarded as necessary before a conventional rule can be considered to have become a general rule of international law, it might be that [ . . . ] a very widespread and representative participation in the convention might suffice of itself, provided it included that of States whose interests were specially affected.“112

Und auch im Rahmen der anschließenden Prüfung einer ausreichenden Staatenpraxis weist der IGH auf die spezielle Bedeutung derjenigen Staaten hin, deren Interessen besonders betroffen sind: „[ . . . ] an indispensable requirement would be that [ . . . ] State practice, including that of States whose interests are specially affected, should have been both extensive and virtually uniform in the sense of the provision invoked; – and should moreover have occurred in such a way as to show a general recognition that a rule of law or legal obligation is involved.“113

Im Übrigen ist es für eine „Kristallisation“ von Gewohnheitsrecht in einer Kodifikationskonvention nicht notwendig, dass diese in Kraft getreten ist.114 Zwar sind Staaten nur dann an Verträge gebunden, wenn sie diese auch ratifiziert haben und die Verträge in Kraft getreten sind. Hier geht es jedoch nicht um die Bindungswirkung von Vertragsnormen, sondern um die inhaltliche Bestimmung von Völkergewohnheitsrecht.115 Insoweit ist es plausibel, dass Kodifizierungsbemühungen zwar 111 IGH, Case concerning the Continental Shelf (Libya v. Malta), Reports 1985, S. 13 ff., Rn. 27. 112 IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff., Rn. 73. 113 IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff., Rn. 74. 114 Sinclair, FS Riphagen, 1986, S. 216 ff. 115 Dabei dient die Kodifikationskonvention lediglich als Beweis für gleichlautendes Gewohnheitsrecht, vgl. Baxter, RdC 129 (1970 I), S. 31, 56.

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nicht die Erfordernisse von Ratifikation und Inkrafttreten von völkerrechtlichen Verträgen aufheben können, aber auch dann zur Definierung der Staatenpraxis und opinio juris und damit zur Konsolidierung einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm beitragen, wenn sie noch nicht in Kraft getreten sind. Das stellte der IGH ausdrücklich in seiner Entscheidung im Festlandsockelfall (Tunesien / Libyen)116 von 1982 klar. Zu diesem Zeitpunkt hatte die 3. VN-Seerechtskonferenz bereits eine ganze Reihe von „informal negotiations texts“ verabschiedet, war aber noch nicht zu einem Ende gekommen. Trotz eines besonderen Übereinkommens der Parteien, „new accepted trends admitted by the [ . . . ] Conference“ bei der Entscheidung mit zu berücksichtigen, stellte sich deshalb dem Gericht die Frage, inwieweit auch noch nicht in Kraft getretene Kodifikationskonventionen als Quelle „kristallisierten“ Völkergewohnheitsrechts herangezogen werden konnten. Dazu führte es aus: „[ . . . ] the Court would have had proprio motu to take account of the progress made by the Conference even if the Parties had not alluded to it in their Special Agreement; for it could not ignore any provision of the draft convention if it came to the conclusion that the content of such provisions is binding upon all members of the international community because it embodies or crystallizes a pre-existing or emergent rule of customary law.“117

Auch zwei Jahre später erklärte der IGH im Urteil in der Streitsache Gulf of Maine, dass die für die Entscheidung einschlägigen und in der inzwischen verabschiedeten Seerechtskonvention kodifizierten Prinzipien mit Völkergewohnheitsrecht im Einklang stünden, obwohl die Konvention noch nicht in Kraft getreten war und eine Reihe von Staaten auch nicht geneigt schienen, sie zu ratifizieren.118 Schließlich zog der IGH auch ein Jahr später in seinem Urteil im Festlandsockelfall (Libyen v. Malta) die 1982 verabschiedete Seerechtskonvention als „kristallisiertes“ Gewohnheitsrecht heran, obwohl zu diesem Zeitpunkt nach wie vor Zweifel darüber bestanden, ob diese von ausreichend vielen Staaten ratifiziert werden würde, um in absehbarer Zukunft in Kraft treten zu können.119

b) „Kristallisation“ internationalen Gewohnheitsrechts in Resolutionen der VN-Generalversammlung Die Ausgangslage für die „Kristallisation“ von Gewohnheitsrecht in Resolutionen der VN-Generalversammlung unterscheidet sich nicht grundlegend von der in Kodifikationskonventionen, denn gem. Art. 13 (1) (a) VNC können auch Resolutionen der VN-Generalversammlung den Anspruch erheben, Völkerrecht fortIGH, Case concerning the Continental Shelf (Tunisia v. Libya), Reports 1982, S. 16 ff. Ebd., Rn. 24. 118 IGH, Case concerning delimitation of the maritime boundary in the Gulf of Maine area, Reports 1984, S. 4 ff., Rn. 94. 119 IGH, Case concerning the Continental Shelf (Libya v. Malta), Reports 1985, S. 13 ff., Rn. 27. 116 117

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

zuentwickeln und zu kodifizieren. Ein Unterschied besteht aber doch darin, dass Konventionen regelmäßig gewisse rechtliche Pflichten festlegen, wenn auch nur zwischen den Vertragspartnern, während Resolutionen grundsätzlich keine Bindungswirkung haben; Staatenkonferenzen, auf denen Kodifikationskonventionen verhandelt werden, treten in der Regel gerade zu dem Zweck zusammen, gegenseitige Rechte und Pflichten zu normieren.120 Leitentscheidung zu der Frage einer möglichen „Kristallisation“ von Gewohnheitsrecht in Resolutionen der VN-Generalversammlung ist der Schiedsspruch im Verfahren TOPCO (Texaco / CALASIATIC v. Libyia),121 bei dem es um staatliche Pflichten im Zusammenhang mit Entschädigungen für Enteignungen ging. Auf der Suche nach dem den Fall bestimmenden Gewohnheitsrecht untersuchte das Schiedsgericht unter anderem mehrere Resolutionen der VN-Generalversammlung. Dabei kam es zu dem Ergebnis, dass die Resolution 1803 (XVII) „seems to this Tribunal to reflect the state of customary law existing in this field“,122 während dies hinsichtlich der einschlägigen Vorschriften der Resolution 3281 (XXIX) nicht der Fall sei.123 Dazu erklärte das Schiedsgericht: „In fact, while it is now possible to recognize the resolutions of the United Nations have a certain legal value, this legal value differs considerably, depending on the type of resolution and the conditions attached to its adoption and its provisions. Even under the assumption that they are resolutions of a declaratory nature, [ . . . ] the legal value is variable. [ . . . This] legal value of the resolutions [ . . . ] can be determined on the basis of circumstances under which they were adopted and by analysis of the principles which they state“.124

Dazu führte das Schiedsgericht weiter aus: „[I]t appears essential to this Tribunal to distinguish between those provisions stating the existence of a right on which the generality of the States has expressed agreement and those provisions introducing new principles which were rejected by certain representative groups of States and having nothing more than a de lege ferenda value only in the eyes of the States which have adopted them; as far as the others are concerned, the rejection of these same principles implies that they consider them as being contra legem. With respect to the former, which proclaim rules recognized by the community of nations, they do not create a custom but confirm one by formulating it and specifying its scope, thereby making it possible to determine whether or not one is confronted with a legal rule.“125 120 Ausführlich zur Möglichkeit einer „Kristallisation“ von im Fluss befindlichem Völkergewohnheitsrecht in Resolutionen der VN-Generalversammlung Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157, 361 ff. Siehe auch Heilbronner / Klein, in: Simma (Hrsg.), UN-Charter, 2002, Art. 10, Rn. 47 ff.; ILA, Formation of customary law, 2000, S. 765 ff.; Sloan, BYIL 58 (1987), S. 39, 69 ff. 121 Dispute between Texaco Overseas Petrolium Co. / Cal. Asiatic Oil Co. and the Government of the Libyan Arab Republic (Compensation for Nationalized Property), ILM 17 (1978), S. 1 ff. 122 Ebd., Rn. 87. 123 Ebd., Rn. 88. 124 Ebd., Rn. 86. 125 Ebd., Rn. 87.

IV. Geltung als „kristallisiertes“ Völkergewohnheitsrecht

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Das Schiedsgericht erkannte also die Möglichkeit an, dass Resolutionen der VNGeneralversammlung eine Formulierungs- und Spezifizierungswirkung hinsichtlich des Völkergewohnheitsrechts zukommen kann, auch wenn die Resolutionen selbst kein Gewohnheitsrecht schaffen. Ob eine solche Konkretisierung stattgefunden hat, hängt von den Umständen der Annahme und einer Analyse der normierten Prinzipien ab. Diese Ergebnisse der TOPCO-Entscheidung wurden in zwei weiteren Schiedsgerichtsverfahren, in denen es auch um Enteignungsentschädigungen ging, dem LIAMCO-Fall126 von 1977 und dem AMINOIL-Fall127 von 1982, bestätigt. Inhaltlich entspricht die vom Tribunal angesprochene „Formulierung“ und „Spezifizierung“ der „Kristallisation“ im Sinne der IGH-Entscheidung in den Nordseefestlandsockelfällen (Bundesrepublik Deutschland v. Dänemark / Niederlande). Diese Parallele ergibt sich aus der Überlegung, dass kein unmittelbar zwingender Grund ersichtlich ist, die Möglichkeit der „Kristallisation“ von Gewohnheitsrecht nur in Kodifikationskonventionen zu bejahen, in Resolutionen der Generalversammlung dagegen prinzipiell auszuschließen, insbesondere da auch letztere sowohl als eine Form der Staatenpraxis128 als auch als Ausdruck einer opinio juris129 angesehen werden können.130 Gerade der langwierige Prozess anhaltender Konsultationen im Rahmen der Vereinten Nationen scheint besonders geeignet, zu einer langsamen Ablagerung neuer Regeln bzw. einer allgemein akzeptierten Interpretation alter Regeln zu führen.131 Darüber hinaus hat sich mit der wachsenden Zahl der VN-Mitglieder die Rolle der Generalversammlung von einem relativ unrepräsentativen Organ zu einer Einrichtung entwickelt, die berechtigt ist, im Namen aller Staaten der Welt zu sprechen; ihre Entscheidungen stellen diejenigen der Welt126 Libyan American Oil Company (LIAMCO) v. Government of the Libyan Arab Republic (1977), 62 ILR, S. 141 ff. (187 ff.). 127 Government of Kuwait v. American Independent Oil Company (1982), 66 ILR, S. 519 ff. (601 ff.). 128 ILA, Formation of customary law, 2000, S. 725, 767; Castañeda, Legal effects of United Nations resolutions, 1969, S. 171; Asamoah, The legal significance of the declarations of the General Assembly of the United Nations, 1966, S. 52 ff. 129 So hat der IGH in seiner Entscheidung im Case concerning military and paramilitary activities in and against Nicaragua, Reports 1986, S. 14 ff., Rn. 188 erklärt: „This opinio juris may, though with all due caution, be deduced from, inter alia, the attitude of the Parties and the attitude of the States towards certain General Assembly resolutions, and particularly resolution 2625 (XXV) [ . . . ] The effect of consent to the text of such resolutions [ . . . ] may be understood as an acceptance of the validity of the rules declared by the resolution by themselves.“ Vgl. auch Heilbronner / Klein, in: Simma (Hrsg.), UN-Charter, 2002, Art. 10, Rn. 47 ff.; Herdegen, Völkerrecht, 2005, S. 136, 149; ILA, Formation of customary law, 2000, S. 767; Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157, 362; Schermers, International Organisations – Resolutions, EPIL, Bd. 2, S. 1334; Lagoni / Núñez-Müller, Resolution, Erklärung, Beschluß, 1991, Rn. 23; Jennings, SJIR 37 (1981), S. 67; Simma, Zur völkerrechtlichen Bedeutung von Resolutionen der UN-Generalversammlung, 1981, S. 53 ff. 130 Ausführlich dazu Skubiszewski, FS Ago, 1987, Bd. 1; S. 503 ff. 131 Sohn, FS Skubiszewski, 1996, S. 560.

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

gemeinschaft und der gesamten Menschheit dar.132 Diese Entwicklung ist auch den Staatenvertretern bewusst, wenn sie ihre Stimme in der VN-Generalversammlung abgeben. Zwar müssen die der Resolution zustimmenden Staaten tatsächlich in dem Bewusstsein handeln, den Inhalt der Resolution als rechtlich verbindlichen Standard anzuerkennen. Gleichwohl ist das nachträglich vorgebrachte Argument, man sei zwar gegen eine bestimmte Resolution oder einen ihrer Teile gewesen, habe aber dennoch nicht protestiert oder sogar für die Resolution gestimmt im Vertrauen darauf, dass dieser laut VNC gerade keine Bindungswirkung zukommt, aufgrund der durch das entsprechende Verhalten geschaffenen Erwartungen von Seiten der anderen Staaten zunehmend unglaubwürdig.133 Voraussetzung für eine „Kristallisierung“ von Völkergewohnheitsrecht in Resolutionen der VN-Generalversammlung ist, dass hinsichtlich des Inhalts und der Form des relevanten Teils der Resolution ein Konsens der Mehrheit der Staaten unter Einschluss aller repräsentativen Staatengruppen besteht, dass die dahinter stehende Regel Völkergewohnheitsrecht darstellt.134 Die TOPCO-Entscheidung führt dazu aus: „Indeed, on the occasion of the vote on a resolution finding the existence of a customary rule, the States concerned clearly expressed their views. The consensus by a majority of States belonging to the various representative groups indicates without the slightest doubt universal recognition of the rules therein incorporated.“135

Wie auch bei der „Kristallisation“ in Kodifikationskonventionen ist die Repräsentativität des die in Rede stehende Norm unterstützenden Konsenses von entscheidender Bedeutung. Denn nur so stellt sich die Resolution der VN-Generalversammlung als Ausdruck der in ihr versammelten Staaten der Weltgemeinschaft dar, dass die darin enthaltene Norm Völkergewohnheitsrecht ist und nicht als ein Akt im Rahmen der verfassten Kompetenz des quasi-legislativen Organs der VN-Generalversammlung, das als solches nur rechtlich nichtbindende Empfehlungen abgeben kann. Es besteht deshalb Einigkeit darüber, dass sich Völkergewohnheitsrecht jedenfalls dann nicht in einer Resolution der Generalversammlung „kristallisieren“ kann, wenn nicht hinsichtlich des Inhalts und der Form des relevanten Teils der Resolution ein Konsens der Mehrheit der Staaten unter Einschluss aller repräsentativen Gruppen besteht.

132 Sohn, FS Skubiszewski, 1996, S. 551, 555; Elias, The International Court of Justice and some contemporary problems, 1983, S. 218 f. 133 Vgl. Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157, 347 ff. 134 Herdegen, Völkerrecht, 2005, S. 149 f.; Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157, 362, 378; Sohn, FS Skubiszewski, 1996, S. 559 f.; Schwebel, FS Riphagen, 1986, S. 205 ff. Vgl. auch ILA, Formation of customary law, 2000, S. 772. 135 Dispute between Texaco Overseas Petrolium Co. / Cal. Asiatic Oil Co. and the Government of the Libyan Arab Republic (Compensation for Nationalized Property), ILM 17 (1978), S. 1 ff., Rn. 87.

IV. Geltung als „kristallisiertes“ Völkergewohnheitsrecht

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c) Zwischenergebnis In Anbetracht der vergleichbaren Ausgangslage verwundert es nicht, dass die Mindestanforderungen an eine „Kristallisation“ von Gewohnheitsrecht in Kodifikationskonventionen denen einer „Kristallisation“ in Resolutionen der Generalversammlung sehr ähneln: während der IGH für die „Kristallisation“ von Gewohnheitsrecht in einer Kodifikationskonvention zumindest die Unterstützung der „überwältigende Mehrheit der Staaten“ fordert, wobei es insbesondere auf das Verhalten derjenigen Staaten ankommt, deren Belange von der Vorschrift besonders betroffen sind, stellt man für die „Kristallisation“ von Gewohnheitsrecht in Resolutionen der Generalversammlung im günstigsten Fall auf einen Konsens der Mehrheit der Staaten unter Einschluss aller repräsentativen Gruppen ab. Sollte es sich bei diesem Unterschied tatsächlich um mehr als eine bloß semantische Abweichung handeln, wären die TOPCO-Voraussetzungen im Vergleich noch etwas leichter zu verwirklichen, da sie von keiner „überwältigenden“, sondern nur von Mehrheit sprechen und auch nicht auf jeden einzelnen besonders betroffenen Staat, sondern nur auf alle repräsentativen Staatengruppen abgestellt wird. Um das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in der in der VNKonvention gefundenen Form zu Völkergewohnheitsrecht zu „kristallisieren“, müssten also zumindest die TOPCO-Voraussetzungen erfüllt worden sein.

2. „Kristallisation“ des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in der VN-Wasserlaufkonvention? In der völkerrechtlichen Literatur, die sich mit der VN-Konvention beschäftigt, wird vielfach auf die Möglichkeit hingewiesen, dass sich in diesem Übereinkommen Völkergewohnheitsrecht kristallisiert haben könnte.136 Wie gesehen, kann eine solche „Kristallisation“ jedoch jedenfalls dann ausgeschlossen werden, wenn hinsichtlich des Inhalts und der Form des Übereinkommens oder des in Rede stehenden Teils des Übereinkommens kein Konsens der Mehrheit der Staaten unter Einschluss aller repräsentativen Staatengruppen mit dem Inhalt besteht, dass die dahinter stehende Regel Völkergewohnheitsrecht ist. Dieser Konsens hätte insbesondere Niederschlag im Abstimmungsergebnis in der VN-Generalversammlung finden müssen; Anhaltspunkte ergeben sich aber auch aus dem Abstimmungsverhalten der Staaten in der Working Group.137 136 Ausführlich Schwabach, TexIntLJ 33 (1998), S. 257 ff. Vgl. auch etwa Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 89 ff.; Wouters, GYIL 42 (1999), S. 293, 314 ff.; Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 798; Brunnée / Toope, AJIL 91 (1997), S. 26, 49; Tanzi, NRF 21 (1997), S. 239, 244; Fuentes, BYIL 67 (1996), S. 337, 337. Siehe auch schon ILC, McCaffrey – Second Report, Rn. 33. 137 Im Verfahren der Nordseefestlandsockelfälle (Bundesrepublik Deutschland v. Dänemark / Niederlande) (IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff., Rn. 61)

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

a) Zustimmung der überwältigenden Mehrheit der Staaten Das VN-Übereinkommen wurde von der VN-Generalversammlung am 21. 5. 1997 als integraler Bestandteil der Resolution 51 / 229 verabschiedet, nachdem sie von Mexiko und 37 weiteren Ko-Sponsoren138 zur Abstimmung vorgelegt worden war. Von den zu diesem Zeitpunkt 185 Mitgliedern der Vereinten Nationen stimmten 103 Staaten für die Resolution und 3 Staaten dagegen; es gab 27 Enthaltungen; 33 Staaten wurden als abwesend registriert:139 VN-Generalversammlung: Resolution 51 / 229 Ja

Nein

Albanien, Algerien, Angola, Antigua und Burundi, Barbuda, Armenien, Australien, Öster- China, reich, Bahrain, Bangladesch, Belarus, Türkei Botsuana, Brasilien, Brunei, Burkina Faso, Kambodscha, Kamerun, Kanada, Chile, Costa Rica, Côte d’Ivoire, Kroatien, Zypern, Tschechische Republik, Dänemark, Dschibuti, Estland, Finnland, Gabun, Georgien, Deutschland, Griechenland, Guyana, Haiti, Honduras, Ungarn, Island, Indonesien, Iran, Irland, Italien, Jamaika, Japan, Jordanien, Kasachstan, Kenia, Kuwait, Laos, Lettland, Lesotho, Liberia, Libyen, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Madagaskar, Malawi,

Enthaltung

Abwesend

Andorra, Argentinien, Aserbaidschan, Belgien, Bolivien, Bulgarien, Kolumbien, Kuba, Ecuador, Ägypten, Äthiopien, Frankreich, Ghana, Guatemala, Indien, Israel, Mali, Monaco, Mongolei, Pakistan, Panama, Paraguay, Peru,

Afghanistan, Bahamas, Barbados, Belize, Benin, Bhutan, Kap Verde, Komoren, VR Korea, Dominikanische Republik, El Salvador, Eritrea, Fidschi, Guinea, Libanon, Mauretanien, Myanmar, Niger, Nigeria, Palau,

führten Dänemark und die Niederlande aus, dass der „process of the definition and consolidation of the emerging customary law took place through the work of the International Law Commission, the reactions of governments to that work and the proceedings of the Geneva conference“ und dass dieses in seiner Entstehung befindliches Gewohnheitsrecht „[became] crystallized in the adoption of the Continental Shelf Convention by the Conference“. Übertragen auf die VN-Wasserlaufkonvention heißt das, dass hinsichtlich des Definitions- und Konsolidierungsprozesses auf die Arbeiten der ILC, die Verhandlungen in der Working Group und die Annahme der Konvention durch die VN-Generalversammlung abzustellen ist; für die Frage nach der Unterstützung durch die Staaten ist also deren Verhalten in der Working Group und in der Generalversammlung von Interesse. Die TOPCO-Entscheidung stellt den Umständen gemäß einzig auf das Abstimmungsergebnis in der VN-Generalversammlung ab. 138 Antigua und Barbuda, Bangladesch, Bhutan, Brasilien, Kambodscha, Kanada, Chile, Dänemark, Finnland, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Italien, Japan, Laos, Liechtenstein, Malaysia, Nepal, Niederlande, Norwegen, Portugal, Republik Korea, Rumänien, Sudan, Schweden, Syrien, Tunesien, Vereinigtes Königreich, USA, Uruguay und Venezuela. Der Vertreter Mexikos legte den Resolutionsentwurf vor und informierte die VN-Generalversammlung, dass Kamerun, Grenada, Honduras, Jordanien, Lettland und Vietnam darum baten, als Ko-Sponsoren mit aufgenommen zu werden (UN GAOR, 51st Sess., 99th plen. Mtg., UN Doc. A / 51 / PV.99 (1997), S. 2; Press Release, 21 May 1997, GA / 9248). 139 UN GAOR, 51st Sess., 99th plen. Mtg., UN Doc. A / 51 / PV.99 (1997), S. 8; Press Release, 21 May 1997, GA / 9248.

IV. Geltung als „kristallisiertes“ Völkergewohnheitsrecht

193

Fortsetzung: VN-Generalversammlung: Resolution 51 / 229 Ja

Nein

Malaysia, Malediven, Malta, Marshallinseln, Mauritius, Mexiko, Mikronesien, Marokko, Mosambik, Namibia, Nepal, Niederlande, Neuseeland, Norwegen, Oman, Papua-Neuguinea, Philippinen, Polen, Portugal, Katar, Republik Korea, Rumänien, Russische Föderation, Samoa, San Marino, Saudi-Arabien, Sierra Leone, Singapur, Slowakei, Slowenien, Südafrika, Sudan, Suriname, Schweden, Syrien, Thailand, Trinidad und Tobago, Tunesien, Ukraine, Vereinigte Arabische Emirate, Vereinigtes Königreich, USA, Uruguay, Venezuela, Vietnam, Jemen, Sambia

Enthaltung

Abwesend

Ruanda, Spa- St. Kitts and Nenien, Tansania, vis, St. Lucia, Usbekistan St. Vincent und die Grenadinen, Senegal, Salomonen, Sri Lanka, Swasiland, Tadschikistan, EJR Mazedonien, Turkmenistan, Uganda, Zaire, Simbabwe

Bei der Abstimmung hätte es eigentlich 106 Ja-Stimmen und nur 26 Enthaltungen geben sollen: Belgien, das als sich der Stimme enthaltend gezählt wurde, erklärte später offiziell, mit Ja gestimmt haben zu wollen; auch Fidschi und Nigeria, die beide als abwesend registriert wurden, informierten anschließend das Sekretariat, dass auch sie eigentlich die Absicht gehabt hatten, für die Resolution zu stimmen.140 Zuvor war es auch im Rahmen der Working Group an deren letzten Verhandlungstag mangels allgemeinen Konsenses zu Abstimmungen gekommen, und zwar nicht nur über den der Generalversammlung vorzulegenden Text im Ganzen, sondern in Vorbereitung dessen auch zu einzelnen Teilen des Textes, insbesondere über das Paket der Art. 5, 6 und 7.141 Dabei votierten im Rahmen der Abstimmung über die Konvention als Ganzes für die gefundene Formulierung 42 Staaten, während 3 Staaten dagegen stimmten und 19 Staaten sich der Stimme enthielten; 130 Staaten wurden als nicht an dieser Abstimmung teilnehmend verzeichnet:142 Working Group: Abstimmung über Konvention als Ganzes Ja

Nein

Enthaltung

Abwesend

Algerien, Österreich, Bangladesch, Belgien, Brasilien,

China, Frankreich, Türkei

Argentinien, Bolivien, Bulgarien, Kolumbien, Ecuador,

Afghanistan, Albanien, Andorra, Angola, Antigua und Barbuda, Armenien, Australien, Aserbaidschan, Bahamas, Bahrain, Barbados, Belarus, Belize, Benin,

Ebd. Einzelabstimmungen gab es auch zu Art. 3 (36 Ja-Stimmen, 3 Nein-Stimmen, 21 Enthaltungen, vgl. UN Doc. A / C.6 / 51 / NUW / L.4 / AD1) und Art. 33 (33 Ja-Stimmen, 5 NeinStimmen, 25 Enthaltungen, vgl. UN Doc. A / C.6 / 51 / NUW / L.3 / AD1). 142 UN Doc. L.3 / L.3ADD.1 / CPR.94. 140 141

194

3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

Fortsetzung: Working Group: Abstimmung über Konvention als Ganzes Ja

Nein

Kambodscha, Kanada, Chile, Tschechische Republik, Dänemark, Äthiopien, Finnland, Deutschland, Griechenland, Heiliger Stuhl, Ungarn, Iran, Italien, Jordanien, Liechtenstein, Malawi, Malaysia, Mexiko, Mosambik, Namibia, Niederlande, Nigeria, Norwegen, Portugal, Rumänien, Südafrika, Sudan, Schweiz, Syrien, Thailand, EJR Mazedonien, Tunesien, Vereinigtes Königreich, USA, Venezuela, Vietnam, Simbabwe

Enthaltung

Abwesend

Ägypten, Indien, Israel, Japan, Libanon, Lesotho, Mali, Pakistan, Russische Föderation, Ruanda, Slowakei, Spanien, Tansania

Bhutan, Bosnien und Herzegowina, Botsuana, Brunei, Burkina Faso, Burundi, Kamerun, Kap Verde, Zentralafrikanische Republik, Tschad, Komoren, Kongo, Cookinseln, Costa Rica, Côte d’ Ivoire, Kroatien, Kuba, Zypern, VR Korea, Dschibuti, Dominica, Dominikanische Republik, El Salvador, Äquatorialguinea, Eritrea, Estland, Fidschi, Gabun, Gambia, Georgien, Ghana, Grenada, Guatemala, Guinea, Guinea-Bissau, Guyana, Haiti, Honduras, Island, Indonesien, Irak, Irland, Jamaika, Kasachstan, Kenia, Kiribati, Kuwait, Kirgisistan, Laos, Lettland, Liberia, Libyen, Litauen, Luxemburg, Madagaskar, Malediven, Malta, Marshallinseln, Mauretanien, Mauritius, Mikronesien, Monaco, Mongolei, Marokko, Myanmar, Nauru, Nepal, Neuseeland, Nicaragua, Niger, Oman, Palau, Panama, Papua-Neuguinea, Paraguay, Peru, Philippinen, Polen, Katar, Republik Korea, Moldau, St. Kitts and Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Samoa, San Marino, Sao Tomé und Príncipe, Saudi-Arabien, Senegal, Seychellen, Sierra Leone, Singapur, Slowenien, Salomonen, Somalia, Sri Lanka, Suriname, Swasiland, Schweden, Tadschikistan, Togo, Tonga, Trinidad und Tobago, Turkmenistan, Tuvalu, Uganda, Ukraine, Vereinigte Arabische Emirate, Uruguay, Usbekistan, Vanuatu, Jemen, Jugoslawien, Zaire, Sambia

Die Paketabstimmung zu Art. 5, 6 und 7 kam zu folgendem Ergebnis: 38 JaStimmen, 4 Nein-Stimmen; 22 Enthaltungen (139 Staaten stimmten laut Protokoll nicht ab):143 Working Group: Packetabstimmung zu Art. 5, 6 und 7 Ja

Nein

Enthaltung

Abwesend

Algerien, Österreich, Bangladesch, Belgien, Bolivien, Brasilien,

China, Frankreich, Tansania, Türkei

Argentinien, Bulgarien, Kolumbien, Tschechische Republik,

Afghanistan, Albanien, Andorra, Angola, Antigua und Barbuda, Armenien, Australien, Aserbaidschan, Bahamas, Bahrain, Barbados, Belarus, Belize, Benin, Bhutan, Bosnien und Herzegowina, Botsuana, Brunei,

143

UN Doc. A / C.6 / 51 / NUW / CRP.94.

IV. Geltung als „kristallisiertes“ Völkergewohnheitsrecht

195

Fortsetzung: Working Group: Packetabstimmung zu Art. 5, 6 und 7 Ja

Nein

Kanada, Chile, Dänemark, Finnland, Deutschland, Heiliger Stuhl, Ungarn, Iran, Israel, Italien, Jordanien, Malawi, Malaysia, Mexiko, Mosambik, Myanmar, Namibia, Niederlande, Paraguay, Portugal, Republik Korea, Rumänien, Russische Föderation, Schweiz, Syrien, Thailand, Tunesien, Vereinigtes Königreich, USA, Uruguay, Venezuela, Vietnam, Simbabwe

Enthaltung

Abwesend

Ecuador, Ägypten, Äthiopien, Griechenland, Indien, Japan, Libanon, Mali, Mongolei, Pakistan, Ruanda, Slowakei, Südafrika, Spanien, Sudan, EJR Mazedonien

Burkina Faso, Burundi, Kambodscha, Kamerun, Kap Verde, Zentralafrikanische Republik, Tschad, Komoren, Kongo, Cookinseln, Costa Rica, Côte d’Ivoire, Kroatien, Kuba, Zypern, VR Korea, Dschibuti, Dominica, Dominikanische Republik, El Salvador, Äquatorialguinea, Eritrea, Estland, Fidschi, Gabun, Gambia, Georgien, Ghana, Grenada, Guatemala, Guinea, Guinea-Bissau, Guyana, Haiti, Honduras, Island, Indonesien, Irak, Irland, Jamaika, Kasachstan, Kenia, Kiribati, Kuwait, Kirgisistan, Laos, Lettland, Lesotho, Liberia, Libyen, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Madagaskar, Malediven, Malta, Marshallinseln, Mauretanien, Mauritius, Mikronesien, Monaco, Marokko, Nauru, Nepal, Neuseeland, Nicaragua, Niger, Nigeria, Norwegen, Oman, Palau, Panama, Papua-Neuguinea, Peru, Philippinen, Polen, Katar, Moldau, St. Kitts and Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Samoa, San Marino, Sao Tomé und Príncipe, Saudi-Arabien, Senegal, Seychellen, Sierra Leone, Singapur, Slowenien, Salomonen, Somalia, Sri Lanka, Suriname, Swasiland, Schweden, Tadschikistan, Togo, Tonga, Trinidad und Tobago, Turkmenistan, Tuvalu, Uganda, Ukraine, Vereinigte Arabische Emirate, Usbekistan, Vanuatu, Jemen, Jugoslawien, Zaire, Sambia

Das Abstimmungsverhalten in allen drei Abstimmungen weist eine überwältigende Mehrheit jedenfalls der abstimmenden Staaten für die VN-Konvention bzw. die dort gefundene Formulierung des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe aus.144 Die große Zahl von als nicht anwesend registrierten Staaten insbesondere bei den Working Group-Abstimmungen und die immerhin 27 Enthaltungen bei der Abstimmung in der VN-Generalversammlung trüben zwar das Bild einer allgemein akzeptierten Kodifikation: wenn sich diese Staaten auch nicht explizit gegen die Konvention wandten, so können sie doch in keinem Fall als deren ausdrückliche Unterstützer angesehen werden.145 Aber die Tatsache, dass 144

So auch ESCWA (Hrsg.), Assessment, 2002, S. 34; Wouters, GYIL 42 (1999), S. 293,

335 f. 145 Besondere Bedeutung kommt dabei den Stimmenthaltungen von wasserpolitisch so wichtigen Staaten wie Aserbaidschan, Ägypten, Frankreich, Indien, Israel, Mali, Pakistan, Paraguay, Spanien und Usbekistan bei der Abstimmung in der VN-Generalversammlung und

196

3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

sich nach dem turbulenten Verlauf der Verhandlungen in der Working Group letztendlich bei der Abstimmung in der VN-Generalversammlung nur drei Staaten entschieden, tatsächlich gegen das Übereinkommen zu stimmen, hinterlässt den generellen Eindruck, dass die überwältigende Mehrheit der Delegationen die in der VN-Konvention enthaltenen Regelungen im Allgemeinen akzeptabel fand und im Ganzen als einen gelungenen Kompromiss ansah. Dabei spricht vieles für eine Absicht der Staaten, mit ihrem Verhalten nicht nur den ersten Schritt hin zu einem völkerrechtlichen Vertrag zu machen, sondern auch Völkergewohnheitsrecht zu gestalten.146 Schon die Präambel der VN-Konvention dokumentiert ein entsprechendes Bewusstsein: zwar ist der Verweis in Abs. 2 und 10 auf das Ziel der Kodifikation und Weiterentwicklung des Völkerrechts kein Beleg dafür, dass die Konvention ausschließlich oder auch nur zu einem großen Teil Völkergewohnheitsrecht enthält; gleichwohl darf man ihn als einen wichtigen Hinweis auf die Intention der mit Ja stimmenden Staaten verstehen, die VN-Konvention nicht lediglich als bloße politische Deklaration anzusehen. Darüber hinaus geht aus den meisten Erklärungen der Staatenvertreter aus Anlass der Abstimmung hervor, dass sie sich durchaus im Klaren über die Auswirkungen dieses Verhalten für die Entwicklung des Völkergewohnheitsrechts waren.147

b) Beteiligung aller repräsentativer Staatengruppen? Dieser Konsens der überwältigenden Mehrheit der Staaten müsste jedoch alle repräsentativen Staatengruppen mit eingeschossen haben. Dabei orientiert sich die Einteilung der Gruppen an Interessenkonstellation, die für das vom in Rede stehenden Übereinkommen oder einer spezifischen dort enthaltenen Regelung zu lösende Argentinien, Ägypten, Indien, Israel, Pakistan, Russland und Spanien bei der Abstimmung der Working Group über den Text im Ganzen zu. 146 Vgl. zum Nachweis einer entsprechenden Absicht bereits IGH, Fisheries jurisdiction Case, Reports 1974, S. 3 ff., Rn. 53: „The very fact of convening the third Conference on the Law of the Sea evidences a manifest desire on the part of all States to proceed to the codification of that law on a universal basis [ . . . ]“ Das TOPCO-Schiedsgericht (ILM 17 (1978), S. 1 ff., Rn. 88.) differenzierte folgendermaßen: „While Resolution 1803 (XVII) appears to a large extent as the expression of a general will, this is not at all the case with respect to the other Resolutions mentioned above, [ . . . ] In particular, as regards the Charter of Economic Rights and Duties of States, several factors contribute to denying legal value to those provisions of the document which are of interest in the instant case. – In the first place, Article 2 of the Charter must be analysed as a political rather than as a legal declaration [ . . . ] – In the second place, this Tribunal notes that the draft submitted by the Group of 77 to the Second Commission [ . . . ], the General Assembly was invited to adopt the Charter, as a first measure of codification and progressive development within the field of international law of development. However, because of the opposition of several States, this description was deleted from the text submitted to the vote of the Assembly [ . . . ] The absence of any connection between the procedure of compensation and international law [ . . . ] cannot be regarded by this Tribunal except as a de lege ferenda formulation [ . . . ]“. 147 Vgl. dazu infra Dritter Teil, IV. 2. b) bb).

IV. Geltung als „kristallisiertes“ Völkergewohnheitsrecht

197

Problem typisch ist, während die „Repräsentativität“ vom Grad der Betroffenheit der jeweiligen Staatengruppe abhängt.148 Dies erfordert hinsichtlich des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe eine Differenzierung zwischen entwickelten Oberanliegern, entwickelten Unteranliegern, unterentwickelten Oberanliegern, unterentwickelten Unteranliegern und Staaten, die sowohl Unter- als auch Oberanlieger eines internationalen Wasserlaufes sind; dazu kommt noch die Gruppe von Staaten, die keinen Anteil an einem internationalen Wasserlauf haben (insbesondere Inselstaaten) und deshalb von der Konvention nicht direkt betroffen sind.149 Die typische Interessenlage bei der Nutzung internationaler Wasserläufe wird zunächst vom Gegensatz der Oberanlieger und der Unteranlieger dominiert.150 Um möglichst wenig in ihren Wassernutzungsmöglichkeiten eingeschränkt zu sein, betonen Oberanlieger häufig ihre territoriale Souveränität, während Unteranlieger oft ihre territoriale Integrität herausstellen. Diese Diskrepanz lässt sich auf die Hauptkomponenten des allgemein akzepierten Grundsatzes der beschränkten territorialen Souveränität übertragen: stellt man dem Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe das Verbot erheblicher Schädigung der Umwelt jenseits des eigenen Hoheitsgebietes (no harm-rule) gegenüber, so profitieren von letzterem ausschließlich Unteranrainer, während sich die Oberanrainer regelmäßig von ersterem eine Stärkung ihrer Position versprechen. Staaten, die sowohl Oberals auch Unteranlieger sind, sei es bezüglich desselben Flusses oder bezüglich unterschiedlicher Flüsse, nehmen eine Sonderstellung ein, da sie die Interessen beider Staatengruppen in sich vereinen.

148 So spricht etwa IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff., Rn. 73 Staaten ohne Küste ein besonderes Interesse an der Genfer Seerechtskonvention ab. Aufschlussreich zur Frage der „Repräsentativität“ auch die Entwicklung der Rechtsprechung des IGH zur ausschließlichen Wirtschaftszone im Seerecht, der 1982 in seinem Urteil im Case concerning the Continental Shelf (Tunisia v. Libya), Reports 1982, S. 16 ff., Rn. 100 noch vorsichtig davon sprach, dass „the concept of the exclusive economic zone [ . . . ] may be regarded as part of modern international law“, drei Jahre später und nachdem die USA und die UdSSR mit ihren langen Küstenlinien und ihrem internationalen Gewicht inzwischen beide eine exklusive Wirtschaftszone ausgerufen hatten dann aber in seinem Urteil im Case concerning the Continental Shelf (Libya v. Malta), Reports 1985, S. 13 ff., Rn. 34 erklärte: „the institution of the exclusive economic zone [ . . . ] is shown by the practice of States to have become part of international law.“ Vgl. auch die TOPCO-Schiedsentscheidung (ILM 17 (1978), S. 1 ff., Rn. 84), in der es um Entschädigung nach staatlicher Enteignung ging und die infolgedessen bei der Frage nach der Repräsentativität nicht nur auf die geographische Lage der Staaten, sondern auch auf deren wirtschaftspolitische Ausrichtung abstellte. Zur „Repräsentativität“ der Staatenpraxis siehe auch die Ausführungen von Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157, 219 ff. 149 Vgl. zur Einteilung der Interessengruppen auch Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 185 f.; Schwabach, TexIntLJ 33 (1998), S. 257, 260 ff. 150 Vgl. zu den Interessenkonflikten zwischen Ober- und Unteranliegern Lundqvist / Falkenmark, Water International 25 (2000), S. 168 ff.

198

3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

Aber auch innerhalb der Gruppen der Ober- und Unteranlieger unterscheiden sich die Interessen je nach dem Entwicklungsgrad des jeweiligen Staates: während gut entwickelte Staaten regelmäßig dem Schutz der Umwelt große Bedeutung zumessen, empfinden weniger entwickelte Staaten strikte Umweltschutzbestimmungen häufig als Hemmschuh bei ihren Bemühungen um ökonomischen und sozialen Fortschritt und räumen deshalb nicht selten entwicklungspolitischen Aspekten einen Vorrang vor den Belangen des Umweltschutzes ein.151 Neben dem Interessengegensatz zwischen Ober- und Unteranliegern besteht also auch ein Gegensatz zwischen entwickelten und weniger entwickelten Anrainerstaaten eines internationalen Wasserlaufes. Infolgedessen weicht die Interessenlage eines noch in der Entwicklung begriffenen Oberanliegers eines internationalen Wasserlaufes fundamental von derjenigen eines bereits entwickelten Oberanliegers ab. Während letzterer die Nutzung seiner Wasserressourcen meist bereits auf hohem Niveau ausgebaut hat und er sich deshalb typischerweise ohne größere Bedenken mit der Erhaltung des status quo der Wassernutzung abfinden kann, ist der unterentwickelte Oberanlieger regelmäßig an einer Ausweitung seines Anteils an der Nutzung des internationalen Wasserlaufes interessiert. Außerdem haben entwickelte Oberanrainer häufig ein pluralistisches politisches System und aktive Umweltbewegungen, was es in der Regel für einen solchen Staat ebenso schwierig macht, Aktivitäten zu forcieren, die einen erheblichen Schaden bei einem Unteranlieger hervorrufen würden wie solche, die einen unangemessenen Nutzungsanteil zur Folge hätten.152 Entwickelte Oberanlieger haben also weit weniger Probleme mit einer im Verhältnis zum Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe starken no harm-rule als unterentwickelte Oberanlieger. Parallel, wenn auch in abgeschwächtem Maße, gilt, dass entwickelte Unteranlieger eher mit einem im Verhältnis starken Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe zu Recht kommen, als unterentwickelte Unteranlieger. Letztere sehen durch einen Vorrang des Prinzips der angemessenen Nutzung und Teilhabe gegenüber dem Verbot erheblicher Schädigung der Umwelt jenseits des eigenen Hoheitsgebietes ihre Nutzungsinteressen und den status quo eher bedroht als entwickelte Unteranlieger, die häufig ihre Interessen auch im Rahmen des Prinzips der angemessenen Nutzung und Teilhabe ausreichend vertreten können und in der Regel einem kooperativen Management eines internationalen Flusslaufes aufgeschlossener gegenüber stehen.153

151 Vgl. Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 203 f. Es waren ursprünglich gerade Entwicklungsländer, die sich in der VN-Generalversammlung besonders für die Ausarbeitung der VN-Konvention stark gemacht hatten, vgl. Boisson de Chazournes, Les ressources en eau et le droit international, 2002, S. 39. 152 Vgl. Schwabach, TexIntLJ 33 (1998), S. 257, 261. 153 Vgl. Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 185.

IV. Geltung als „kristallisiertes“ Völkergewohnheitsrecht

199

aa) Stimmverhalten der repräsentativen Gruppen Untersucht man das Stimmverhalten in der Generalversammlung auf die Zugehörigkeit an den jeweiligen repräsentativen Gruppen hin, so fällt zunächst auf, dass die Unteranlieger in ihrer großen Mehrheit für die Resolution stimmten. Dies gilt sowohl für entwickelte Unteranlieger wie die Niederlande (Belgien wurde bei den Enthaltungen mitgezählt, hatte aber beabsichtigt, für die Resolution zu stimmen)154 als auch für solche, die noch in ihrer Entwicklung begriffen sind wie Botsuana (Unteranlieger des Okavango) oder Kasachstan (Aralsee). Ägypten, ein wichtiger unterentwickelter Unteranlieger (Nil), enthielt sich der Stimme ebenso wie Aserbaidschan (Kura). Innerhalb der Gruppe von Staaten, die reine oder doch zumindest in erster Linie Oberanlieger sind, stimmten die entwickelten Staaten mehrheitlich für die Konvention. Beispiele sind Österreich, Liechtenstein, Luxemburg und San Marino. Andorra dagegen enthielt sich der Stimme. Anders verhielt sich aber die große Mehrheit der noch nicht voll entwickelten Oberanlieger. Sie stimmten mit großer Mehrheit gegen die Konvention oder enthielten sich der Stimme. Zunächst gehören alle drei ablehnenden Staaten (Burundi, China und Türkei) dieser Gruppe an. China und die Türkei hatten auch bereits bei der Abstimmung der Working Group über die Konvention als Ganzes und der Packetabstimmung über Art. 5, 6 und 7 mit Nein gestimmt. China ist Oberanlieger des Mekongs und plant den Ausbau seiner Nutzung an diesem Fluss.155 Außerdem kommt China als bevölkerungsreichstem und drittgrößtem Land der Erde allgemein besonderes Gewicht zu. Auch die Türkei, die sich als sich entwickelnder Oberanlieger von Euphrat und Tigris seit Jahrzehnten mit den Unteranliegern dieser beiden internationalen Wasserläufe über die Aufteilung der Wasserressourcen auseinandersetzt, wird von der Konvention besonders in ihren Interessen betroffen.156 Burundi ist unterentwickelter Oberanlieger des Nil.157 Aber auch unter den Enthaltungen waren sieben Staaten, die ganz oder in erster Linie Oberanlieger (Bolivien, Äthiopien, Mali, Mongolei, Paraguay, Ruanda und Usbekistan) und alle Entwicklungsländer sind. Tadschikistan wurde als abwesend registriert. Immerhin stimmten aber auch drei unterentwickelte Oberanlieger (Armenien, Lesotho, Nepal) für die Resolution.158 Insgesamt deutet das Abstimmungsverhalten der unter154 Die übrigen der zu diesem Zeitpunkt 15 EU-Mitgliedstaaten stimmten geschlossen für die VN-Konvention mit Ausnahme Frankreichs und Spaniens, die sich der Stimme enthielten. 155 Ryder, Stauen des Mekong: regionale Energiepolitik, 1997, S. 361 ff.; Chomchai, Management of transboundary water resources: a case study of the Mekong, 1995, S. 245, 252 f. 156 Siehe dazu etwa Allan, The Middle East water question, 2001, S. 255 ff. 157 Dellapenna, Nat. Res. J. 36 (1996), S. 217, 240 weist jedoch darauf hin, dass Änderungen hinsichtlich der Wassernutzung in Burundi aufgrund der besonderen hydrologischen Situation keine Auswirkungen auf die Unteranlieger haben. 158 Für das Abstimmungsverhalten dieser drei Staaten könnten jeweils besondere politische Umstände eine Rolle gespielt haben. Armeniens Ja könnte durch das gespannte Verhältnis des Landes zur Türkei (mit China dem Hauptgegner der VN-Konvention) bedingt worden sein. Lesotho ist zwar unterentwickelter Oberanlieger, steht aber in einer Tradition des Aus-

200

3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

entwickelten Oberanlieger darauf hin, dass sie die Konvention und insbesondere die dort für das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe gefundenen Form gerade in seinem Verhältnis zur no harm-rule als die Unteranlieger in einer Weise bevorzugend ansahen, die ihrer zukünftigen Entwicklung Schwierigkeiten bereitet.159 Diejenigen Staaten, die sowohl Ober- als auch Unteranrainerstaaten internationaler Wasserläufe sind, stimmten dagegen wieder ganz überwiegend für die Konvention, so etwa Belarus, Kanada, die Tschechische Republik, Ungarn, Laos, Malawi, Mexiko, die Slowakei, und die USA. Ungarn und die Slowakei befanden sich zur Zeit der Abstimmung gerade im Endstadium ihres IGH-Verfahrens über das Gabcíkovo-Nagymaros-Projekt. Frankreich, Spanien und Tansania enthielten sich der Stimme, wobei Tansania bei der Paketabstimmung der Working Group zu Art. 5, 6 und 7 und Frankreich bei der Abstimmung der Working Group über die Konvention als Ganzes noch mit Nein gestimmt hatten. Auch die Inselstaaten, soweit sie bei der Abstimmung anwesend waren, stimmten mit großer Mehrheit für die Resolution. Darunter waren 17 Staaten, deren Grenzen mit der Küste zusammenfallen (Antigua und Barbuda, Australien, Bahrain, Mikronesien, Island, Jamaika, Japan, Madagaskar, Malediven, Malta, Marshallinseln, Mauritius, Neuseeland, Philippinen, Samoa, Singapur, Trinidad und Tobago) und weitere sechs Staaten, die zwar Inselstaaten sind, aber auch Landgrenzen haben und Süßwasserressourcen mit anderen Staaten teilen (Brunei, Haiti, Indonesien, Irland, Papua-Neuguinea, Vereinigtes Königreich). Auch Zypern stimmte für die Konvention. 12 Inselstaaten (Bahamas, Barbados, Dominikanische Republik, Kapverde, Komoren, Fidschi, Palau, St. Kitts-Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Salomonen, Sri Lanka) wurden als abwesend registriert, wobei allerdings Fidschi beabsichtigt hatte, für die Konvention zu stimmen. Insgesamt scheinen die in dieser Frage eher objektiven Inselstaaten die Konvention also vernünftigen Ansatz für die Lösung von Nutzungskonflikten an internationalen Süßwasserressourcen angesehen zu haben. Das Abstimmungsmuster zeigt insgesamt, dass die Konvention keine ausreichende Unterstützung bei der Staatengruppe der unterentwickelten Oberanlieger fand und ein beträchtlicher Teil dieser Gruppe negativ votierte oder sich der Stimgleiches mit seinem Mitanrainer Südafrika. Nepal könnte mit Ja gestimmt haben, um seine Unabhängigkeit gegenüber seinen zwei übermächtigen Nachbarn China und Indien zu demonstrieren – ein typischer Reflex nepalesischer Außenpolitik (vgl. dazu etwa Salman / Uprety, Conflict and Cooperation on South Asia’s international rivers, 2002, S. 65 ff.; Decker, David gegen Goliath – Wasser als politischer Konfliktherd zwischen Nepal und Indien, 1997, S. 228 ff.). 159 Wie die obigen Ausführungen supra Zweiter Teil, II. 2. b) cc) darlegen, war diese Befürchtung in ihrer Substanz unberechtigt, da die VN-Konvention dem Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe gegenüber der no harm-rule einen Vorrang einräumt. Anscheinend wurde dieser Vorrang allerdings als nicht klar genug oder nicht ausreichend angesehen.

IV. Geltung als „kristallisiertes“ Völkergewohnheitsrecht

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me enthielt.160 Gerade dieser Gruppe von Staaten kommt aber bei der Bewertung der Frage nach der gewohnheitsrechtlichen Anerkennung der dortigen Festlegung des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe hinsichtlich Inhalt und Form große Bedeutung zu, da dieser Grundsatz ihre Interessen in besonderer Weise betrifft. Offensichtlich war es nicht gelungen, die Interessengegensätze während der Ausarbeitungsphase der Konvention bis zu den Abstimmungen in der Working Group und Generalversammlung einer Lösung zuzuführen, in der sich alle Interessengruppen wieder gefunden hätten. Infolgedessen waren große Teile der Staatengruppe der unterentwickelten Oberanlieger nicht bereit, den gefundenen Kompromiss positiv mitzutragen.

bb) Erklärungen der Staatenvertreter Dieses Ergebnis wird durch Erklärungen der Staatenvertreter anlässlich ihrer Stimmabgabe bestätigt, die zeigen, dass die Gegenstimmen und Stimmenthaltungen auch gerade der unterentwickelten Oberanlieger in der Ablehnung der VNKonvention oder wichtiger Teile des Übereinkommens als geltendes Völkerrecht begründet waren; selbst einige Staaten, die für die Resolution stimmten, meldeten entsprechende Zweifel an. Zunächst weisen die Abstimmungsbegründungen der Repräsentanten der die Resolutionen ablehnenden Staaten eindeutig in diese Richtung. So erklärte der Vertreter Chinas unter Verweis auf das Fehlen einer alle Staaten umfassenden Einigung seine Nein-Stimme unter anderem damit, dass das Übereinkommen den Grundsatz der territorialen Souveränität als grundlegendes Prinzip des Völkerrechts nicht ausreichend würdige und ein offensichtliches Ungleichgewicht zwischen den Oberanliegern und den Unteranliegern beinhalte; China behalte sich deshalb vor, Fragen der nichtschifffahrtlichen Nutzung internationaler Wasserläufe in Übereinstimmung mit der einschlägigen Staatenpraxis (die sich offensichtlich nach Ansicht Chinas von den Regelungen der VN-Konvention unterscheidet) anzugehen.161 Die Erklärung des türkischen Delegierten begründete die Tatsache, dass sein Land gegen die Konvention stimmte, damit, dass „– even though it includes basic principles and concepts on this subject, such as equitable, reasonable and optimal utilization –“ die Türkei eine ganze Reihe von Vorbehalten und Einwänden hätte, unter anderem auch gegen Art. 5 und 7.162 Insbesondere der in der Konvention enthaltene Mechanismus für geplante Maßnahmen habe „no basis in general and international law“ und schaffe eine offensichtliche Ungleichheit zwischen den Staaten.163 Im Übrigen bezöge sich die Konvention nirgends auf 160 In diesem Sinne auch World Commission on Dams (Hrsg.), Dams and Development, 2000, S. 252. 161 UN GAOR, 51st Sess., 99th plen. Mtg., UN Doc. A / 51 / PV.99 (1997), S. 6 f. Vgl. dazu auch McCaffrey / Sinjela, AJIL 92 (1998), S. 97, 105. 162 UN GAOR, 51st Sess., 99th plen. Mtg., UN Doc. A / 51 / PV.99 (1997), S. 4 f.

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

das „nicht diskutierbare“ Prinzip der Souveränität des Anrainerstaates über die Teile eines internationalen Wasserlaufes auf seinem Territorium. Die Erklärung führte weiter aus, dass „[t]he draft Convention should clearly have established the primacy of the fundamental principles of equitable and reasonable utilization over the obligation not to cause significant harm“ und schloss mit den Worten: „this Convention does not and shall not have any legal effect for Turkey in terms of general and customary international law.“ Burundis Vertreter gab dagegen keine Erklärung zu seinem Stimmverhalten ab.164 Auch einige Vertreter unterentwickelter Oberanlieger, die sich der Stimme enthielten, äußerten sich zu den Gründen ihres Verhaltens. Nach Ansicht Äthiopiens ließ die Konvention die erforderliche Balance vermissen, „in particular in safeguarding the interests of upper riparian States such as Ethiopia. This is evident in most of the provisions of the Convention, and in particular with regard to article 7 and part III of the Convention on planned measures, which put an enormous burden on the upper riparian States. [ . . . ] With regard to articles 5, 6 and 7, my delegation would have liked to see the primacy of article 5 clearly established, as was proposed by the International Law Commission. However, this proposal has been tempered with by the Working Group of the Whole. It is the view of my delegation that the well-established right of equitable utilization in the Convention was the only reason and incentive for any upper riparian country in the position of Ethiopia to accept the Convention. In the absence of this clearly defined right, the Convention will mean very little to these countries. The rest of the Convention, in most cases, is tilted towards the lower riparian States and imposes obligations on upper riparians which appear burdensome and difficult to meet, particularly by a developing country such as Ethiopia.“165 Auch der Vertreter Boliviens stieß sich daran, dass der von der ILC gefundene Ausgleich der Interessen durch die Working Group zerstört worden sei.166 Ruanda schließlich bemängelte „the lack of reference to the sacrosanct principle of the sovereignty of States“, meldete unter anderem einen Vorbehalt zu Teil III der Konvention an und kam zu dem Schluss: „this Convention is flawed and requires immediate correction.“167 Eine Reihe von Staaten, die zwar nicht der Gruppe der unterentwickelten Oberanliegerstaaten zugerechnet werden können, sich aber dennoch der Stimme enthielten, wiesen auf den fehlenden Konsens der Staaten hin und begründeten ihr Ab163 Dabei ging der Delegierte unzutreffenderweise davon aus, die entsprechenden Vorschriften der VN-Konvention enthielten ein Vetorecht der Mitanrainer. Siehe dazu auch McCaffrey / Sinjela, AJIL 92 (1998), S. 97, 103. 164 Neben der Tatsache, dass Burundi unterentwickelter Oberanlieger des Nil ist, bleiben mangels entsprechender offizieller Erklärungen die genauen Gründe für Burundis Stimmverhalten im Einzelnen spekulativ; Wiebe, Nat. Res. J. 41 (2001), S. 731, 750 spricht etwa sehr allgemein von „national sovereignty reasons“. 165 UN GAOR, 51st Sess., 99th plen. Mtg., UN Doc. A / 51 / PV.99 (1997), S. 9. 166 Ebd., S. 5. 167 Ebd., S. 12.

IV. Geltung als „kristallisiertes“ Völkergewohnheitsrecht

203

stimmungsverhalten damit, dass ihrer Ansicht nach die Konvention das Völkerrecht und insbesondere das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe und dessen Verhältnis zur no harm-rule nicht richtig abbilde. So kritisierte der Vertreter Indiens die Tatsache, dass die Konvention nicht durch Konsens angenommen worden sei, was daran liege, dass „it is not balanced enough to accommodate differing interests and promote wider acceptability of the Convention.“168 Gerade Art. 5 sei „not drafted in clear and unambiguous terms stating the right of a State to utilize an international watercourse for non-navigational purposes in an equitable and reasonable manner. Moreover, the convention has superimposed the concept of sustainable utilization on the principle of optimal utilization, without defining what sustainable utilization is in the present context.“ Auch der Repräsentant Tansanias wies auf den mangelnden Konsens hin und erhob Zweifel, ob die Konvention das Recht weiterentwickle oder kodifiziere.169 Hinsichtlich der Umweltschutzaspekte der Konvention führte er aus: „We cannot justifiably claim to develop international law while the reality of such consequential aspects, which are central to its application and acceptance, are presented only as obligations without the attendant mechanisms to aid such harmonized application and compliance.“ Außerdem sei es bemerkenswert, dass „because the draft Convention as presently framed not only preserves but authenticates existing agreements on the non-navigational uses of international watercourses, the extent to which the law on the subject has been codified remains doubtful.“ In den Augen des französischen Repräsentanten war die Konvention „clearly weighted in favour of the interests of downstream countries.“170 Insbesondere mit Blick auf die große Zahl von Enthaltungen bezeichnete er die Verhandlungen als „relativen Mißerfolg“ und schloss: „[a]s a substantive contribution to the legal system, we consider this to be insignificant, while it is a step backwards with regard to the methods for the codification of international law.“ Auch Pakistans Repräsentant unterstrich, dass die Konvention keine universelle Zustimmung gefunden habe.171 Der Vertreter Ägyptens erklärte, dass „although the framework Convention adopted today involves a codification of the norms of international customary law, some of its provisions are entirely new regulations that do not modify international customary law. Our delegation would like to emphasize that the provisions on which we expressed our reservations in the course of discussions cannot later be invoked against the Arab Republic of Egypt, even if future developments were to prompt some Member States to view these as constituting customary law. [ . . . T]he Arab Republic of Egypt believes that the framework Convention does not prejudice in any way the legal weight and value of established customary law regarding the 168 169 170 171

Ebd., S. 9. Ebd., S. 3 f. Ebd., S. 8. Ebd., S. 8.

204

3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

sharing of the waters of international watercourses and their non-navigational uses. [ . . . T]he delegation of Egypt, while emphasizing the principle of the equitable sharing of international waters, has reservations on the final version of article 5 of the Convention. We stress the need to link this principle with the obligations of the States of a given river not to cause significant harm. [ . . . T]he factors relative to equitable and reasonable utilization of waters set out in article 6 must not supersede or replace established factors set out in customary international law. [ . . . T]he provisions of article 7 do not affect the established principle of customary international law, as affirmed by the International Law Commission since its creation, that the exercise of one’s rights should do no harm to others.“172 Israel erklärte, dass es den in Art. 5, 6 und 7 erreichten Kompromiss unterstütze; „[n]evertheless, [ . . . ] Israel would have preferred a more explicit balance between the principle of no harm and the principle of reasonable and equitable utilization. Neither principle should be subservient to the other, and the balance between them should be made on the basis of the specific circumstances and needs.“173 Der spanische Vertreter schließlich gab hinsichtlich des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung zu Protokoll: „If a watercourse is utilized in conformity with this principle, it is unfair to oblige a watercourse State to eliminate or mitigate significant harm and or even less to discuss the question of compensation with affected States [ . . . ] to our mind, such consequences should have been addressed clearly and decisively in article 7. The wording of article 7 – ,having due regard for the provisions of articles 5 and 6‘ – is not sufficiently explicit, and could give rise to friction and disputes when the Convention is implemented.“174 Selbst einige Staaten, die für die Resolution stimmten, erhoben Zweifel, ob die Konvention das geltende Völkerrecht korrekt abbilde. So erklärte etwa der Vertreter der Tschechischen Republik bezüglich der Zustimmung durch sein Land: „This affirmative vote will, however, reflect more our firm and overriding attachment to the overall process of codification and progressive development of international law, rather than a strong conviction that the text of the draft Convention now before us is a fully satisfactory and balanced one which could not have improved in some of its major aspects.“175 Zu Art. 5 führte er aus: „[W]e continue to consider that the expression „sustainable development“ is inappropriate“ und erklärte einen Vorbehalt hinsichtlich der Vorschrift. Auch der Repräsentant der Slowakei kritisierte, dass die Konvention ihr Ziel einer angemessenen und vernünftigen nichtschifffahrtliche Nutzung internationaler Wasserläufe sowohl durch Ober- als auch Unteranlieger nicht erreicht habe.176 Da die Slowakei jedoch die Bemühungen der Vereinten Nationen zur Fortentwicklung und Kodifikation internationalen Rechts 172 173 174 175 176

Ebd., S. 10 f. Ebd., S. 11. Ebd., S. 12. Ebd., S. 6. Ebd., S. 7

V. Erstarken aufgrund Eigenwirkung der Konvention

205

grundsätzlich unterstütze, stimme er trotzdem für die Konvention, da er hoffe, dass wenigstens deren Implementierung einen Beitrag zur Fortentwicklung des Völkerrechts liefere. c) Zwischenergebnis Die Untersuchung des Abstimmungsverhaltens der Mitglieder der VN-Generalversammlung einschließlich ihrer aus diesem Anlass abgegebenen Erklärungen zeigt, dass kein Konsens hinsichtlich der völkergewohnheitsrechtlichen Geltung der VN-Konvention oder der in ihr gefundenen Form des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe bestand, der alle repräsentativen Staatengruppen mit einschloss. Mangels Unterstützung aller repräsentativen Staatengruppen bei den Abstimmungen in der VN-Generalversammlung und der Working Group kann das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in der Form, die es in der VN-Konvention gefunden hat, nicht als „kristallisiertes“ Völkergewohnheitsrecht angesehen werden.177

V. Geltung als nachträglich erstarktes Völkergewohnheitsrecht – Erstarken aufgrund Eigenwirkung der Konvention In Ausnahmefällen ist es denkbar, dass ein multilateraler Vertrag nach seiner Ausarbeitung durch seine „Eigenwirkung“ neues Völkergewohnheitsrecht aus der Taufe hebt oder zu seiner Entstehung beiträgt, wenn ihm zahlreiche Staaten beitreten und es ihre klare Absicht ist, neues Völkergewohnheitsrecht zu schaffen.178 So untersuchte der IGH in seinem Urteil in den Nordseefestlandsockelfällen (Bundesrepublik Deutschland v. Dänemark / Niederlande), nachdem er sowohl eine deklaratorische Wiedergabe als auch eine „Kristallisation“ von Völkergewohnheitsrecht im Ergebnis abgelehnt hatte, im Hinblick auf das in der Genfer FestlandsockelKonvention enthaltene Äquidistanzprinzip die Möglichkeit, dass: „even if there was at the date of the Geneva Convention no rule of customary international law in favour of the equidistance principle, and no such rule was crystallized in Article 6 of the Convention, nevertheless such a rule has come into being since the Convention, partly because of its own impact, partly on the basis of subsequent State practice, – and 177 Im Ergebnis auch Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 219; World Commission on Dams (Hrsg.), Dams and Development, 2000, S. 252; Bourne, CanYBIL 35 (1998), S. 215, 230 f.; Schwabach, TexIntLJ 33 (1998), S. 257, 278; Kahn, ColoJIEL&P 1997 YB (1998), S. 178, 184. Vgl. auch McCaffrey / Sinjela, AJIL 92 (1998), S. 97, 106; Caflisch, AFDI 43 (1997)S. 751, 781, 797 f. 178 Ausführlich zur Möglichkeit des Erstarkens von Kodifizierungskonventionen zu Völkergewohnheitsrecht aufgrund ihrer Eigenwirung ILA, Formation of customary law, 2000, S. 761 ff.; Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157, 317 ff. Vgl. auch Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 2002, S. 76.

206

3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

that this rule, being now a rule of customary international law binding on all States [ . . . ] should be declared applicable [ . . . ] between the Parties [ . . . ]“179

Neben der nachfolgenden Staatenpraxis („subsequent State practice“) ging das Gericht also von einer zweiten möglichen Grundlage nachträglich erstarken Gewohnheitsrechts aus: der Eigenwirkung der Konvention („its own impact“).180 Dazu erklärte es: „In so far as this contention is based on the view that Article 6 of the Convention has had the influence, and has produced the effect, described, it clearly involves treating that Article as a norm-creating provision which has constituted the foundation of, or has generated a rule which, while only conventional or contractual in its origin, has since passed into the general corpus of international law, and is now accepted as such by the opinio juris, so as to have become binding even for countries which have never, and do not, become parties to the Convention. There is no doubt that this process is a perfectly possible one and does from time to time occur: it constitutes indeed one of the recognized methods by which new rules of customary international law may be formed. At the same time this result is not lightly to be regarded as having been attained.“181

Nach der anschließenden Prüfung eines „fundamentally norm-creating character“ der entsprechenden Regelung als Vorbedingung eines solchen Effekts182 führte der IGH mit Blick auf die klassischen Voraussetzungen des Völkergewohnheitsrechts aus: „With respect to the other elements usually regarded as necessary before a conventional rule can be considered to have become a general rule of international law, it might be that, even without the passage of any considerable period of time, a very widespread and representative participation in the convention might suffice of itself, provided it included that of States whose interests are specially affected.“183

Zum Zeitpunkt des Urteils war die dort untersuchte Genfer Festlandsockelkonvention durch 39 von insgesamt mehr als 130 Staaten ratifiziert worden, von denen rund 26 keinen Zugang zum Meer hatten.184 Dies sah das Gericht als nicht ausreichend an:

IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff., Rn. 70. Dass der IGH die beiden möglichen Grundlagen nicht gleichsetzt, ergibt sich aus seiner Formulierung „partly [ . . . ], partly [ . . . ]“, vgl. ILA, Formation of customary law, 2000, S. 762. 181 IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff., Rn. 71. 182 IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff., Rn. 72: „It would in the first place be necessary that the provision concerned should, at all events potentially, be of a fundamentally norm-creating character such as could be regarded as forming the basis of a general rule of law. Considered in abstracto the equidistance principle might be said to fulfil this requirement. Yet in the particular form in which it is embodied in Article 6 of the Geneva Convention, and having regard to the relationship of that Article to other provisions of the Convention, this must be open to some doubt [ . . . ]“. 183 IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff., Rn. 73. 184 Vgl. Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157, 321. 179 180

V. Erstarken aufgrund Eigenwirkung der Konvention

207

„In the present case however, the Court notes that, even if allowance is made for the existence of a number of States to whom participation in the Geneva Convention is not open, or which, by reason for instance of being land-locked States, would have no interest in becoming parties to it, the number of ratifications and accessions so far secured is, though respectable, hardly sufficient. That non-ratification may sometimes be due to factors other than active disapproval of the convention concerned can hardly constitute a basis on which positive acceptance of its principles can be implied: the reasons may speculative, but the facts remain.“185

Das VN-Übereinkommen hat gegenwärtig 16 Vertragsstaaten:186 Status der VN-Wasserlaufkonvention Staaten

Unterzeichnung

Côte d’Ivoire Finnland Deutschland Ungarn Irak Jordanien Libanon Libyen Luxemburg Namibia Niederlande Norwegen Paraguay Portugal Katar Südafrika Schweden Syrien Usbekistan Tunesien Venezuela Jemen

25. Sept. 1998 31. Okt. 1997 13. Aug. 1998 20. Juli 1999 17. April 1998

14. Okt. 1997 19. Mai 2000 9. März 2000 30. Sept. 1998 25. Aug. 1997 11. Nov. 1997 13. August 1997 11. Aug. 1997

Ratifikation Annahme (A) Beitritt (B) Zustimmung (Z) 23. Jan. 1998 (A) 15. Jan. 2007 26. Jan. 2000 (Z) 9. Juli 2001 (B) 22. Juni 1999 25. Mai 1999 (A) 14. Juni 2005 (B) 29. Aug. 2001 9. Jan. 2001 (A) 30. Sept. 1998 22. Juni 2005 28. Feb. 2002 (B) 26. Okt. 1998 15. Juni 2000 (A) 2. April 1998 4. Sept. 2007 (B)

19. Mai 2000 22. Sept. 1997 17. May 2000

IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff., Rn. 73. Stand 31. 1. 2008. Quelle: Multilateral Treaties Diposited with the Secretary General, verfügbar unter http: / / untreaty.org, letztmalig besucht am 31. 1. 2008. 185 186

208

3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

Auch wenn man davon ausgeht, dass es weniger Staaten ohne Meereszugang als Inselstaaten gibt, sind die Anforderungen verglichen mit denen an die Genfer Festlandsockelkonvention wohl eher noch gestiegen, da es heute insgesamt mehr Staaten gibt.187 Damit muss jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Voraussetzung einer sehr weit verbreiteten, geschweige denn repräsentativen Beteiligung an der VN-Konvention im Sinne der Nordseefestlandsockel-Entscheidnung als nicht erfüllt angesehen werden. Die Gründe für diesen schleppenden Ratifikationsprozess mögen vielfältig sein und sprechen möglicherweise nicht notwendigerweise alle gegen die Annahme der VN-Konvention als Gewohnheitsrecht aufgrund ihrer Eigenwirkung. Die äußerst niedrige Zahl von gegenwärtig 14 Ratifikationen spricht jedoch eine zu deutliche Sprache, als dass man von einer ausreichenden Beteiligung ausgehen könnte. Darüber hinaus ist nicht in jedem Fall unmittelbar zu erkennen, dass hinter diesen Ratifikationen die klare Absicht steht, nicht nur vertraglich gebunden zu sein, sondern auch die völkergewohnheitsrechtliche Bindung des Inhalts der VN-Konvention anzuerkennen. Damit scheidet eine nachträgliche Erstarkung des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe zu Völkergewohnheitsrecht aufgrund der Eigenwirkung des VN-Übereinkommens aus. Dieses Ergebnis schließt jedoch nicht aus, dass das Prinzip auf Basis der nachfolgenden Staatenpraxis nicht doch noch zu geltendem Völkergewohnheitsrecht erstarken kann. Manchmal ist der Ratifikationsprozess einfach sehr langsam. So brauchte es viele Jahre, bis die Seerechtskonvention von 1982 oder die in weiten Teilen unkontroverse Wiener Vertragsrechtskonvention von 1969 ausreichend viele Vertragspartner hatten, um in Kraft zu treten. Gelegentlich zögern Staaten auch, eine Konvention zu ratifizieren, sind aber gleichwohl bereit, die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht mit deren Inhalt, zwar schweigend, aber dennoch zu akzeptieren. Schließlich können auch Kodifikationskonventionen, die nur von wenigen Staaten ratifiziert wurden, zumindest ein Hinweis auf eine ihrem Inhalt entsprechende opinio juris sein; insbesondere schließt die schleppende Ratifikation einer Kodifikationskonvention eine sich schnell entwickelnde Staatenpraxis im Sinne des Vertragsinhaltes nicht aus.188 Insofern ist die dynamische Perspektive der weiteren Entwicklung zu berücksichtigen und abzuwarten, inwieweit die vertragliche und die gewohnheitsrechtliche Dimension dazu tendieren, miteinander zu verschmelzen, indem sich die Staatenpraxis letztlich doch an den durch das VNÜbereinkommen kodifizierten Regeln orientiert.

187 Man denke nur an die Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien, der untergegangenen Sowjetunion sowie spät in die Unabhängigkeit entlassene ehemalige Kolonien. 188 Sinclair, FS Riphagen, 1986, S. 220, 227.

VI. Erstarken aufgrund nachfolgender Staatenpraxis und opinio juris

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VI. Geltung als nachträglich erstarktes Völkergewohnheitsrecht – Erstarken aufgrund nachfolgender Staatenpraxis und opinio juris Schließlich kann die VN-Konvention nachträglich ihrem Inhalt nach zu Völkergewohnheitsrecht erstarken, wenn sich die Staaten in ihrem Handeln mit der Überzeugung an ihr orientieren, einer rechtlichen Verpflichtung zu folgen: sowohl multinationale Verträge als auch Resolutionen der VN-Generalversammlung können die Staaten dazu inspirieren, sich ihrem Inhalt entsprechend zu verhalten; geschieht das, weil sich die Staaten zu einem solchen Handeln rechtlich verpflichtet fühlen, besteht die Möglichkeit, dass daraus Völkergewohnheitsrecht entsteht.189 Der Vertrag bzw. die Resolution wirken dabei auf das Gewohnheitsrecht wie ein Gravitationszentrum, an dem sich die Praxis der Staaten und ihre Rechtsüberzeugung im Laufe der Zeit ausrichten.190 Ist man sich schließlich einig, dass eine bestimmte Regelung des Vertrages bzw. der Resolution Völkergewohnheitsrecht geworden ist, so kann man sich hinsichtlich des genauen Inhalts der Norm auf die Formulierung im jeweiligen Text beziehen. Konsequenz: von diesem Moment entfällt eine mühselige Auswertung der Staatenpraxis, der Vertrag bzw. die Resolution werden zum entscheidenden Referenztext für den Inhalt des geltenden Völkergewohnheitsrechts. Formale Quelle des Gewohnheitsrechts bleibt aber die auf der opinio juris fußende Staatenpraxis.191 Die Möglichkeit der Erstarkung nicht bereits völkervertraglich bindender Texte zu Völkergewohnheitsrecht aufgrund der ihnen nachfolgenden Staatenpraxis und opinio juris ist regelmäßig Gegenstand von IGH-Entscheidungen.192 189 Vgl. zur Möglichkeit der Erstarkung multilateraler Verträge zu Völkergewohnheitsrecht aufgrund der nachfolgenden Staatenpraxis und opinio juris ILA, Formation of customary law, 2000, S. 757 f.; Baxter, RdC 129 (1970 I), S. 31, 61 ff. Siehe zur Möglichkeit der Erstarkung von Resolutionen der VN-Generalversammlung zu Völkergewohnheitsrecht aufgrund der nachfolgenden Staatenpraxis und opinio juris Heilbronner / Klein, in: Simma (Hrsg.), UNCharter, 2002, Art. 10, Rn. 49; ILA, Formation of customary law, 2000, S. 770; Baxter, RdC 129 (1970 I), S. 31, 70 mit entsprechenden Beispielen. 190 Man spricht in diesem Zusammenhang auch von dem jeweiligen multilateralen Vertrag bzw. der Resolution als „historischer“ oder „materieller“ Quelle des Gewohnheitsrecht, weil sie den Ausgangspunkt bildet, an dem sich die Staatenpraxis und opinio juris der Vertragsstaaten und Nicht-Vertragsstaaten materiell orientiert, vgl. ILA, Formation of customary law, 2000, S. 757, 770; Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157, 311, 361. 191 Vgl. Baxter, RdC 129 (1970 I), S. 31, 61. 192 Vgl. etwa IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff., Rn. 75 ff.: „The Court must now consider whether State practice in the matter of continental shelf delimitation has, subsequent to the Geneva Convention, been of such a kind as to satisfy this requirement [ . . . However, not] only must the acts concerned amount to a settled practice, but they must also be such, or be carried out in such a way, as to be evidence of a belief that this practice is rendered obligatory by the existence of a rule of law requiring it.“ Siehe auch IGH, Fisheries jurisdiction case (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v Iceland) (Merits), Reports 1974, S. 3 ff., Rn. 52; dort sah sich das Gericht einer Situation gegenüber, dass obwohl die entsprechende Konferenz mit einer Stimme Mehrheit die Annah-

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

1. Voraussetzungen Hinsichtlich der Möglichkeit eines Erstarkens aufgrund der nachfolgenden Staatenpraxis und opinio juris sind neben den allgemeinen Regeln auch die spezifischen Charakteristika der VN-Konvention und des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe zu berücksichtigen.

a) Allgemeine Prinzipien Nach der allgemeinen Völkerrechtslehre entsteht Gewohnheitsrecht aus einem objektiven und einem subjektiven Element: der allgemeinen Übung (consuetudo) und der dieser Übung entsprechenden Rechtsüberzeugung (opinio juris).193 Hinsichtlich der allgemeinen Übung verlangt der IGH, dass sie „extensive and virtually uniform“194 sein müsse; die Völkerrechtslehre bedient sich in diesem Zusammenhang der Formel der so genannten „Quasi-Universalität“. 195 Das bedeutet, dass die weit überwiegende Mehrheit, aber nicht absolut alle Staaten den Rechtserzeugungsprozess tragen müssen.196 Was den Nachweis der „Quasi-Universalität“ betrifft, so ist es regelmäßig von Bedeutung, ob eine übereinstimmende Praxis der „großen“ Staaten feststellbar ist;197 wenn eine bestimmte Regelungsmaterie jedoch me des Textes über die Breite der Hoheitsgewässer und die anschließende Fischereizone abgelehnt hatte, beide Vorschläge weite Unterstützung gefunden hatten. Dazu führte das Gericht aus: „[ . . . ] after the Conference the law evolved through the practice of States on the basis of the debates and near agreements at the Conference.“ 193 Ausführlich zur Entstehung von Völkergewohnheitsrecht ILA, Formation of customary law, 2000, S. 712 ff.; Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157, 159 ff. 194 IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff. , Rn. 74: „[ . . . ] an indispensable requirement would be that within the period in question, short though it might be, State practice, including that of States whose interests are specially affected, should have been both extensive and virtually uniform in the sense of the provision invoked; – and should moreover have occurred in such a way as to show a general recognition that a rule of law or legal obligation is involved.“ 195 So etwa Charney, AJIL 87 (1993), S. 529, 543. 196 IGH, Case concerning paramilitary activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. USA), Reports 1986, S. 14, Rn. 186: „It is not to be expected that in the practice of States the application of the rules in question should have been perfect [ . . . ] The court does not consider that, for a rule to be established as customary, the corresponding practice must be in absolutely rigorous conformity with the rule. In order to deduce the existence of customary rules, the Court deems it sufficient that the conduct of States should, in general be consistent with such rules, and that instances of State conduct inconsistent with a given rule should generally have been treated as breaches of that rule, not as indications of the recognition of a new rule. If a State acts in a way prima facie incompatible with a regognized rule, but defends its conduct by appealing to exceptions or justifications contained within the rule itself, then whether or not the State’s conduct is in fact justifiable on that basis, the significance of that attitude is to confirm rather that to weaken the rule.“ 197 Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2004, S. 65 f.

VI. Erstarken aufgrund nachfolgender Staatenpraxis und opinio juris

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faktisch nur ganz bestimmte Staaten betrifft, ist auch hier vor allen Dingen die Übung dieser speziell in ihren Interessen berührten Staaten entscheidend.198 Hinsichtlich der erforderlichen Dauer der Staatenpraxis ist anerkannt, dass sich einerseits die Praxis über einen angemessenen Zeitraum zu einem gewissen Verhaltensmuster verfestigen muss,199 andererseits die Anforderungen an die Dauer auch nicht überspannt werden dürfen.200 Hinter der allgemeinen Übung muss das Bewusstsein stehen, zu einem bestimmten Verhalten rechtlich verpflichtet zu sein.201 Insbesondere Resolutionen der VNGeneralversammlung können unter der Voraussetzung als Ausdruck einer allgemeinen Rechtsüberzeugung begriffen werden, dass die zustimmenden Staaten wirklich in dem Bewusstsein handeln, den Inhalt der Resolution als rechtlich verbindlichen Standard anzuerkennen: gem. Art. 10 ff VN-Charta haben sie zwar auf der einen Seite nur empfehlenden Charakter202 und können für sich genommen keine Völkerrechtssätze erzeugen oder ändern; auf der anderen Seite „repräsentiert“ die VN-Generalversammlung aber in gewisser Weise fast die gesamte Staatengemeinschaft. 203 Bei einer über einen längeren Zeitraum hinweg gefestigten Staatenpraxis, von der sich allenfalls wenige Staaten distanzieren, kann man regelmäßig den Nachweis der erforderlichen Rechtsüberzeugung angesichts der Wechselwirkung beider Elemente schon dann als erbracht ansehen, wenn ein erheblicher Teil der Staatengemeinschaft entsprechendes Verpflichtungsbewusstsein dokumentiert.204 198 IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff., Rn. 73 f. Wie supra Dritter Teil, IV. 1. gesehen, ist die „Repräsentativität“ der Staatenpraxis im Fall des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe von hervorgehobener Wichtigkeit. 199 Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2004, S. 65. Zur Diskussion um die Möglichkeit von „instant customary law“ siehe grundlegend Cheng, IndJIL 5 (1965), S. 23 ff. sowie ausführlich Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157, 370 ff. 200 IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff., Rn. 74: „[ . . . ] the passage of only a short period of time is not necessarily, or of itself, a bar to the formation of a new rule of customary international law on the basis of what was originally a purely conventional rule, [ . . . ]“. 201 IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff., Rn. 77: „Not only must the acts concerned amount to a settled practice, but they must also be such, or be carried out in such a way, as to be evidence of a belief that this practice is rendered obligatory by the existence of a rule of law requiring it. The need for such a belief, i.e., the existence of a subjective element, is implicit in the very notion of the opinio juris sive necessitatis. The States concerned must therefore feel that they are conforming to what amounts to a legal obligation. The frequency or even habitual character of the acts is not in itself enough. There are many international acts, e.g., in the field of ceremonial and protocol, which are performed almost invariably, but which are motivated only by considerations of courtesy, convenience or tradition, and not by any sense of legal duty.“ 202 Eine Ausnahme davon bilden die so genannten „housekeeping“-Resolutionen etwa im Rahmen des Haushaltsrecht gem. Art. 17 VNC. 203 Siehe dazu bereits supra Dritter Teil, IV. 1. b). 204 Thirlway, The sources of international law, 2003, S. 125 f.; ILA, Formation of customary law, 2000, S. 751 f.

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

Wichtig ist, dass sich ein Staat durch rechtzeitiges und beharrliches Protestieren gegen entstehendes Gewohnheitsrecht grundsätzlich der Bindung an neue gewohnheitsrechtliche Normen entziehen kann (sog. persistent objector).205 Die Ratio hinter dieser Regel ist ein Kompromiss: einerseits wird die Souveränität der Staaten respektiert, indem diese sie davor schützt, dass ihnen gegen ihren Willen von der Staatenmehrheit Regeln oktruiert werden; andererseits ermöglicht sie es, unter der Voraussetzung einer ausreichend verbreiteten Unterstützung der großen Mehrheit der Staaten die Fortentwicklung des Rechts voranzutreiben, ohne auf den letzten und zögerlichsten Staat warten zu müssen. Der persistent objector muss seine Opposition öffentlich machen und den Umständen entsprechend häufig wiederholen.206 Vom persistent objector zu unterscheiden ist der Fall, dass das Gewicht der die Regel ablehnenden Staaten so groß ist, dass gar keine ausreichende Staatenpraxis gegeben ist. Ein wichtiges Element der allgemeinen Übung ist der Abschluss von Verträgen, der sich häufig auch als Ausdruck einer bestimmten Rechtsüberzeugung deuten lässt.207 Dabei ist jedoch Vorsicht geboten: zu beachten ist nämlich, dass sich vertragliche Verpflichtungen (und der damit verbundene Rechtsbindungswille) grundsätzlich nur auf das vertragliche Regelungsgefüge und die jeweiligen Vertragspartner beziehen; aus der Tatsache, dass ein Staat einen Vertrag ratifiziert, lässt sich deshalb nicht zwangsläufig schließen, dass dieser Staat den Inhalt des Vertrages als Völkergewohnheitsrecht ansieht.208 Genauso wenig kann man wie selbstverständlich davon ausgehen, dass eine Serie von Verträgen, die in gewissen Punkten übereinstimmen, automatisch neues Gewohnheitsrecht schafft.209 Dies gilt insbesondere für Verträge, die nur zu dem Zweck geschlossen wurden, ein spezifisches zwischenstaatliches Problem zu lösen: sie können kein Indiz dafür sein, dass das Gewohnheitsrecht dem Inhalt dieses Vertrages entspricht, sind aber auch kein Beweis für das Gegenteil.210 Im Übrigen ist es auch möglich, dass Staaten gerade deswegen einen Vertrag schließen, weil sie nicht von der gewohnheitsrecht205 Grundlegend zur persistent objector-Regel Fitzmaurice, BYIL 30 (1953), S. 1, 18 ff. Siehe spezifisch zur den Auswirkungen der persistent objector-Regel im Bereich des internationalen Wasserrechts Ruiz-Fabri, AFDI 36 (1990), S. 818, 827 f. 206 ILA, Formation of customary law, 2000, S. 739. Allerdings gilt die persistent objectorRegel nicht uneingeschränkt: beständiger Protest etwa gegen die Bindung zwingenden Gewohnheitsrechts (jus cogens) verhindert diese ebenso wenig wie wenn die Entwicklung einer neuen Regel fast einheitlich von der übrigen Staatengemeinschaft getragen wird (vgl. etwa den Übergang von der absoluten Staatenimmunität zur eingeschränkten Staatenimmunität, dem sich einzelne Staaten wie die Volksrepublik China lange entgegengestellt haben). 207 Grundlegend dazu Baxter, RdC 129 (1970 I), S. 31, 75 ff.; D’Amato, HarvardILCB 3 (1962), S. 1 ff. Vgl. auch Herdegen, Völkerrecht, 2005, S. 140; Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157, 311 ff.; de Aréchaga, Custom, 1988, S. 2. 208 Hazard, Treaties, 1988, S. 4 ff. Vgl. auch Art. 34 WVRK: „Ein Vertrag begründet für einen Drittstaat ohne dessen Zustimmung weder Pflichten noch Rechte.“ 209 ILA, Formation of customary law, 2000, S. 759. 210 ILA, Formation of customary law, 2000, S. 756.

VI. Erstarken aufgrund nachfolgender Staatenpraxis und opinio juris

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lichen Geltung der darin geregelten Rechte und Pflichten überzeugt sind und deshalb eine eigene vertragliche Grundlage schaffen wollen211 oder aber weil sie von einer dispositiven völkergewohnheitsrechtlichen Regel abweichen wollen.212 Dennoch können aus der Untersuchung abgeschlossener Verträge Schlüsse auf den Zustand des Gewohnheitsrechts gezogen werden.213 Es ist sogar möglich und üblich, sich direkt auf den Abschluss von Verträgen als Nachweis einer Staatenpraxis zu beziehen.214 Insbesondere multilaterale Verträge können häufig als eine Spiegelung der Staatenpraxis bzw. opinio juris seiner Vertragsparteien angesehen werden.215 Indem sie Partei des Vertrages werden, geben die Staaten eben häufig auch eine „Erklärung“ mit Auswirkungen auf das Völkergewohnheitsrecht ab, die zusammen mit weiteren Umständen ein Baustein bei der Entstehung von Gewohnheitsrecht ist. Wird ein Staat Vertragspartner, bedeutet das deshalb regelmäßig ein Indiz mehr für die Unterstützung des Vertragsinhalts durch die Staatenpraxis und opinio juris.216 Manchmal ergibt sich aus der Verhandlungsgeschichte eines Vertrages, seltener sogar aus dem Vertragstext selbst, dass dieser im Bewusstsein geschlossen wurde, dass eine entsprechende gewohnheitsrechtliche Norm bereits existiert.217 Wenn aber ein Staat keine Vertragspartei der Kodifikationskonvention wird, nährt das jedenfalls die Vermutung, dass die Unterstützung der entsprechenden Regel als Völkergewohnheitsrecht doch nicht so stark ist.218 Das Gewicht, das einer Serie von Einzelverträgen zu einem bestimmten Thema zukommt, hängt vom Inhalt der Verträge, ihrer Anzahl, der Existenz bzw. Inexistenz abweichender Übereinkommen und ähnlichen Umständen ab.219 Indem die Anzahl der Verträge wächst, die eine entsprechende Regelung übernehmen, entsteht aus dem weltweiten Handeln ein immer klareres Muster; die sich so herausbildende Formel kann mit der Zeit durch die Multiplikation der Praxis und der Abwesenheit gegenteiligen Verhaltens eine Norm des Völkergewohnheitsrechts werden.220 So wird die AnnahVgl. Baxter, RdC 129 (1970 I), S. 31, 81. Vgl. Mendelson, RdC 272 (1998), S. 157, 295. 213 Danilenko, Law-making in the international community, 1993, S. 130 ff.; Kirchner, Völkergewohnheitsrecht aus der Sicht der Rechtsanwendung, 1989, S. 209; Jennings, SJIR 37 (1981), S. 59, 61 ff.; Baxter, RdC 129 (1970 I), S. 31, 83. Vgl. auch Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2004, S. 66; Hazard, Treaties, 1988, S. 5 ff. 214 Vgl. etwa IGH, Nottebohm Case, Reports 1955, S. 4, 22 f. 215 Sohn, FS Riphagen, 1986, S. 239; Baxter, BYIL 41 (1965 – 66), S. 275, 286 ff. 216 Vgl. IGH, Case concerning the continental shelf, Reports 1982, S. 18 ff., Dissenting Opinion of Judge Oda, Rn. 104. 217 Sassóli, Die Bedeutung einer Kodifikation für das allgemeine Völkerrecht, 1990, S. 131; Baxter, RdC 129 (1970 I), S. 31, 80, 83; Verdross, Die Quellen des universellen Völkerrechts, 1973, S. 115 f. Vgl. auch die Ausführungen supra Dritter Teil, II. 218 Baxter, RdC 129 (1970 I), S. 31, 52. 219 Kirchner, Völkergewohnheitsrecht aus der Sicht der Rechtsanwendung, 1989, S. 173; Baxter, RdC 129 (1970 I), S. 31, 89. 220 Villinger, Customary international law and treaties, 1997182 f.; Baxter, RdC 129 (1970 I), S. 31, 77. 211 212

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

me einer Völkerrechtsnorm im Regelfall durch die Existenz einer ihr entsprechenden Vorschrift in einer Reihe völkerrechtlicher Verträge gestärkt.221 Es ist auch möglich, negative Folgerungen aus der Vertragspraxis zu ziehen, die dann den Weg zur korrekten völkerrechtlichen Regel aufzeigen können, etwa dadurch, dass es keinen Vertrag gibt, welcher der entsprechenden Norm entgegensteht.222 Eine große Anzahl sich in einem Punkt widersprechender Verträge legt dagegen den Schluss nahe, dass keine entsprechende Regel existiert.223 Allein aus der Tatsache, dass ein Staat einen Vertrag nicht ratifiziert, lässt sich jedoch nicht ohne weiteres schließen, dass dieser nicht durch die im Vertrag inkorporierte Regel gebunden sein möchte: zwar kann dieses Verhalten meist nicht als die Entstehung entsprechenden Gewohnheitsrechts unterstützend angesehen werden,224 andererseits sind aber eben auch viele andere Gründe dafür denkbar, warum ein Staat einen bestimmten Vertrag nicht ratifiziert, z. B. dass der Staat davon ausgeht, eine entsprechende gewohnheitsrechtliche Regelung existiere bereits und es deshalb auf den parallelen Abschluss eines Vertrages nicht mehr ankomme.225 Neben dem Abschluss von Verträgen trägt auch das übrige Verhalten der Völkerrechtssubjekte zur Entstehung einer allgemeinen Übung bei, wie etwa ihr Handeln auf Staatenkonferenzen, im Rahmen internationaler Organisationen und im Rahmen des übrigen diplomatischen Verkehr, sofern sich dies eignet, entsprechende Erwartungen hinsichtlich des zukünftigen Vorgehens der handelnden Staaten herBaxter, RdC 129 (1970 I), S. 31, 89. Baxter, RdC 129 (1970 I), S. 31, 89. Vgl. etwa die Argumentation in PCIJ, Case concerning the Territoral Jurisdiction of the International Commission of the River Oder, Ser. A No 23 (1929), S. 30 ff. 223 Baxter, RdC 129 (1970 I), S. 31, 81 f., 89 f. Vgl. etwa die Argumentation in IGH, Colombian-Peruvian Asylum Case, Reports 1950, S. 266, 277 und in IGH, Norwegian Fisheries Case, Report 1951, S. 116, 131. 224 Vgl. IGH, Colombian-Peruvian Asylum Case, Reports 1950, S. 266, 277 f. 225 Siehe Baxter, RdC 129 (1970 I), S. 31, 90. Vgl. aber auch die Ausführungen in IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff., Rn. 28: „[ . . . I]f there had been a real intention to manifest acceptance or recognition of the applicability of the conventional regime [ . . . ,] it must be asked why it was that the Federal Republic did not take the obvious step of giving expression to this readiness by simply ratifying the Convention. In principle, when a number of States, including the one whose conduct is invoked, and those invoking it, have drawn up a convention specifically providing for a particular method by which the intention to become bound by the regime of the convention is to be manifested – namely by carrying out of certain prescribed formalities (ratification, accession), it is not lightly to be presumed that a State which has not carried out these formalities, though at all times fully able and entitled to do so, has nevertheless somehow become bound in another way. Indeed, if it were a question not of obligation but of rights, – if, that is to say, a State which, though entitled to do so, had not ratified or acceded, attempted to claim rights under the convention, on the basis of a declared willingness to be bound by it, or of conduct evincing acceptance of the conventional regime, it would simply be told that, not having become a party to the convention it could not claim any rights under it until the professed willingness and acceptance had been manifested in the prescribed form.“ 221 222

VI. Erstarken aufgrund nachfolgender Staatenpraxis und opinio juris

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vorzurufen.226 Vielfach besteht dabei jedoch eine Tendenz, die Äußerung einer bestimmten Rechtsauffassung als Beleg für eine entsprechende Übung des jeweiligen Staates anzusehen, also das objektive und subjektive Element miteinander zu vermengen; entscheidend für die Staatenpraxis bleibt aber in erster Linie das, was die Staaten tatsächlich tun und beabsichtigen, nicht was sie sagen.227 Im Übrigen kommt es neben der Praxis von Staaten auch auf das Verhalten von internationalen Organisationen an. b) Besonderheiten im konkreten Fall Im Zusammenhang mit der VN-Konvention und dem Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe sind hinsichtlich der Elemente des Völkergewohnheitsrechts darüber hinaus noch eine Reihe von Besonderheiten zu berücksichtigen. Zunächst handelt es sich bei der Wasserlauf-Konvention um eine Rahmenkonvention, die zum einen grundlegende Prinzipien umreißt, die bei den Verhandlungen zukünftiger Abkommen als Orientierung dienen, und zum anderen ein System von Regeln beinhaltet für den Fall, dass keine einschlägigen Verträge existieren (Art. 3 VN-Konvention).228 Dadurch eröffnet sich für die Anwender der VN-Konvention der Spielraum, beim Abschluss von Übereinkommen die Bestimmungen der Konvention individuell anpassen zu können. Infolgedessen stehen Abweichungen in der Übung der Staaten von einzelnen Regeln der Wasserlauf-Konvention deren Erstarkung zu Gewohnheitsrecht nicht immer notwendig entgegen. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob sich die Staaten an der VN-Konvention in der Weise orientieren, dass sie diese zwar als geltendes Gewohnheitsrecht anerkennen, das grundsätzlich gilt und von dem sie sich auch grundsätzlich leiten lassen, aber gegebenenfalls auch vertraglich abweichen können. Die Staaten müssen die VN-Konvention also als nicht zwingendes Völkergewohnheitsrecht ansehen. In diesem Sinne können Unterschiede zwischen Staatenpraxis und VN-Konvention sogar als unterstützend gewertet werden, insbesondere wenn die Abweichungen eigens begründet werden. Darüber hinaus bleibt die Tatsache der überwältigenden Zustimmung der VNGeneralversammlung zur VN-Konvention jedenfalls ein starkes Indiz für eine ent226 Zemanek, FS Bernhardt, 1995, S. 189 ff. Vgl. auch IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff., Rn. 27, 30. 227 Vgl. IGH, Case concerning paramilitary activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. USA), Reports 1986, S. 14, Rn. 184: „The mere fact that States declare their recognition of certain rules is not sufficient for the Court to consider these as being part of customary international law [ . . . T]he Court may not disregard the essential role played by general practice [ . . . I]n the field of customary law, the shared view of the parties as to the content of what they regard as the rule is not enough. The court must satisfy itself that the existence of the rule in the opinio juris of States is confirmed in practice“. 228 ILC, Draft Articles, Art. 3, Rn. 2.

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

sprechende Rechtsüberzeugung der großen Mehrheit der Staaten, auch wenn sie zur unmittelbaren „Kristallisation“ des Übereinkommens zu Gewohnheitsrecht nicht ausreichte.229 Dies hat nicht zuletzt auch Auswirkungen auf die Anforderungen an die Dauer der Staatenpraxis: angesichts der Wechselwirkung zwischen dem objektiven und subjektiven Element des Gewohnheitsrechts spricht dieses klare Votum der fast gesamten Staatengemeinschaft dafür, dass der Inhalt der VN-Konvention unter den Voraussetzungen einer entsprechenden Staatenpraxis und Rechtsüberzeugung relativ zügig als Gewohnheitsrecht betrachtet werden kann.230 In diesem Zusammenhang darf auch nicht vergessen werden, dass hinsichtlich wesentlicher Punkte der VN-Konvention bereits seit langem eine entsprechende Übung und opinio juris existiert. Hinsichtlich der nachfolgenden Staatenpraxis ist insgesamt gerade das Verhalten derjenigen Staaten von besonderem Interesse, die in der Generalversammlung bzw. der Working Group gegen oder zumindest nicht für das VN-Übereinkommen gestimmt oder sich sonst gegen eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung des Inhalts 229 Vgl. IGH, Case concerning paramilitary activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. USA), Reports 1986, S. 14, Rn. 188, wo das Gericht hinsichtlich der opinio juris mit Blick auf die durch Konsens angenommene Friendly Relations Declaration vom 24. 10. 1970 (Anhang der Resolution der VN-Generalversammlung Nr. 2625 (XXV)) ausführt: „This opinio juris may, though with all due caution, be deduced from, inter alia, the attitude of the Parties and the attitude of States towards certain General Assembly resolutions [ . . . ]. The effect of consent to the text of such resolution cannot be understood as merely that of ,reiteration or elucidation‘ of the treaty commitment undertaken in the Charter. On the contrary it may be understood as an acceptance of the validity of the rule or set of rules declared by the resolution by themselves. [ . . . ] It would therefore seem apparent that the attitude referred to expresses an opinio juris respecting such rule (or set of rules), to be henceforth treated separately from the provisions, especially those of institutional kind, to which it is subject on the treaty-law plane of the charter.“ In IGH, Legality of the threat or use of nuclear weapons (advisory opinion), Reports 1996, S. 226, Rn. 70 ff. hat das Gericht diese Linie, wenn auch weniger explizit, hinsichtlich nicht einstimmig verabschiedeter Resolutionen der Generalversammlung beibehalten: „[ . . . ] General Assembly resolutions, even if they are not binding, may sometimes have normative value. They can, in certain circumstances, provide evidence important for establishing the existence of a rule or the emergence of an opinio juris. To establish whether this is true of a given General Assembly resolution, it is necessary to look at its content and the conditions of its adoption; it is also necessary to see whether an opinio juris exists as to its normative character. Or a series of resolutions may show the gradual evolution of the opinio juris required for the establishment of a new rule.“ Bei der Subsumtion unter diese Voraussetzung führt das Gericht dann aus: „[ . . . ] several of the resolutions under consideration in the present case have been adopted with substantial numbers of negative votes or abstentions; thus, [ . . . ] they still fall short of establishing the existence of an opinio juris [ . . . ]“. Hinsichtlich anderer, mit großer Mehrheit angenommener Resolutionen erklärt es: „The emergence, as lex lata, of a customary rule specifically prohibiting the use of nuclear weapons is hampered by the continuing tensions between the nascent opinio juris on the one hand, and the still strong adherence to the practice of deterrence on the other.“ Siehe zum Ganzen auch Heilbronner / Klein, in: Simma (Hrsg.), UN-Charter, 2002, Art. 10, Rn. 50, 52; Herdegen, Völkerrecht, 2005, S. 136; ILA, Formation of customary law, 2000, S. 766 ff.; Falk, AJIL 60 (1966), S. 782 ff. 230 Vgl. Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 2002, S. 77.

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der VN-Konvention ausgesprochen haben.231 Wenn sich ihre Praxis und opinio juris in Richtung der VN-Konvention ändert, ist das ein starker Hinweis auf die Verfestigung einer entsprechenden völkergewohnheitsrechtlichen Regelung. Weiterhin ist zu beachten, dass die VN-Konvention noch nicht in Kraft getreten ist. Für die Bewertung des der Verabschiedung eines multilateralen Vertrages nachfolgenden Staatenhandelns ist es grundsätzlich von großer Bedeutung, ob die Staaten in tatsächlicher oder potentieller Anwendung der Konvention handeln oder in Anwendung von Völkergewohnheitsrecht. Nur im letzteren Fall liegt eine für den Nachweis von Völkergewohnheitsrecht notwendige von der Rechtsüberzeugung getragene Staatenpraxis vor.232 Da im vorliegenden Fall die VN-Konvention jedoch noch nicht in Kraft getreten ist, können die Staaten, die im Bewusstsein agieren, zu einem dem Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in der Form der VN-Konvention entsprechenden Handeln verpflichtet zu sein, dies nur im Glauben darauf tun, dass dessen Inhalt gewohnheitsrechtlich anerkannt ist. Betreffs des Bewusstseins der Staaten, durch die inhaltliche Orientierung an den Arbeiten der ILC oder gar deren wörtliche Übernahme zur Entstehung und Verfestigung von Völkergewohnheitsrecht beizutragen, ist außerdem zu berücksichtigen, dass die Staatenvertreter beim Aushandeln und Abfassen vertraglicher Texte oder sonstigen Handlungen des diplomatischen Verkehrs die Formulierungen der draft articles bzw. der VN-Konvention in der Regel kennen. Bei entsprechenden Übereinstimmungen kann deshalb regelmäßig davon ausgegangen werden, dass sich die Akteure bewusst an der jeweiligen Vorlage ausrichteten. Zufällige Kongruenzen sind dagegen äußerst unwahrscheinlich, zumal durchaus alternative Ansätze zur Lösung internationaler Wasserkonflikte bestehen.233 Schließlich gehört es gerade zum Wesen des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe, die überkommenen Vorstellungen zur Staatensouveränität zu überwinden. Jeder bi- oder multilaterale Vertrag zur Nutzung der Wasserressourcen internationaler Wasserläufe, in dem die Vertragsstaaten absoluten Ansprüchen eine Absage erteilen, unterstützt das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in diesem zentralen Punkt und macht deutlich, das die Vertragsstaaten zumindest mit dessen Stoßrichtung übereinstimmen.

2. Ausgewählte nachfolgende Verträge Die Staatenpraxis seit der Abstimmung in der VN-Generalversammlung weist eine ganze Reihe von Verträgen auf, die sich an der VN-Konvention orientie231 Vgl. allg. Sassóli, Die Bedeutung einer Kodifikation für das allgemeine Völkerrecht, 1990, S. 169 ff. 232 Vgl. IGH, North Sea Continental Shelf Cases, Reports 1969, S. 3 ff., Rn. 76: siehe auch ILA, Formation of customary law, 2000, S. 757. 233 Vgl. zu den Alternativen etwa die Ausführungen supra Erster Teil, IV. 3.

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ren.234 An nicht wenigen von ihnen sind auch Staaten beteiligt, die bei der Abstimmung in der VN-Generalversammlung nicht mit Ja gestimmt hatten.

a) Südliches Afrika Das südliche Afrika hatte seine Bemühungen in Richtung einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit in den späten siebziger Jahren begonnen, die dann 1992 im Abschluss des Vertrages über die Gründung der SADC (Southern African Development Community)235 kulminierten.236 Die Region ist von der Frage des Managements internationaler Wasserläufe angesichts der dort bestehenden Wasserknappheitsprobleme, die ihren Grund zum Teil in der zeitlich und regional unterschiedlichen Regenaufteilung haben, und der großen Anzahl von grenzüberschreitenden Wasserläufen (darunter der Sambesi) in dieser Gegend besonders betroffen.237

aa) Revised Protocol on Shared Watercourses in the Southern African Development Community vom 7. 8. 2000 Am 7. August 2000 unterzeichneten dreizehn der vierzehn Mitgliedstaaten der SADC das Revised Protocol on Shared Watercourses in the Southern African Development Community,238 um das ursprüngliche Protokoll vom 23. August 1995239 an die Vorschriften der VN-Konvention anzupassen.240 234 Vgl. außer den im Folgenden besprochenen Verträgen auch etwa das Abkommen zwischen der Regierung von Rumänien und der Regierung der Ukraine über Zusammenarbeit auf dem Gebiet grenzüberschreitender Wasserbewirtschaftung vom 30. 9. 1997 (Text verfügbar unter: http: / / www.anaconda.ro / world / savedd.htm, letztmalig besucht am 31. 1. 2008) und das ungarisch-ukrainische Abkommen über grenzüberschreitende Gewässer vom 11. 11. 1997 (Text verfügbar unter: http: / / ocid.nacse.org / cgi-bin / qml / tfdd / treaties.qml, letztmalig besucht am 31. 1. 2008). 235 Die SADC wurde gegründet durch den Treaty of the Southern African Development Community vom 17. 8. 1992 (Text in: ILM 32 (1993), S. 116). Ihre Mitgliedsstaaten sind Angola, Botsuana, Demokratische Republik Kongo, Lesotho, Malawi, Mauritius, Mosambik, Namibia, Sambia, Simbabwe, Südafrika, Swaziland, Seychellen und Tansania. 236 Art. 22 dieses Vertrages schreibt vor: „Member States shall conclude [ . . . ] Protocols as may be necessary in each area of cooperation, which shall spell out the objectives and scope of, and institutional mechanisms for, cooperation and integration.“ Art. 1 (2) definiert den Begriff „Protokoll“ als „an instrument of implementation of this Treaty, having the same legal force as this Treaty.“ 237 Vgl. Hirji / Grey, Managing international waters in Africa: process and progress, 1998, S. 77 ff.; Appelgren / Klohn, NRF 21 (1997), S. 91, 95 ff. 238 Text in: ILM 40 (2001), S. 321; in Kraft getreten am 22. 9. 2003. Die Demokratische Republik Kongo unterzeichnete als einziger Mitgliedsstaat der SADC das Protokoll nicht. 239 Text verfügbar unter http: / / www.sadc.int, letztmalig besucht am 31. 1. 2008; in Kraft getreten am 29. 9. 1998.

VI. Erstarken aufgrund nachfolgender Staatenpraxis und opinio juris

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Ziel des überarbeiteten SADC-Protokolls von 2000 ist die Stärkung einer engeren Zusammenarbeit bei Bewirtschaftung, Schutz und Nutzung gemeinsamer Wasserläufe.241 Als allgemeine Grundsätze dieser Zusammenarbeit erklärt Art. 3 neben den Prinzipien der Einheit des Wasserlaufes, der staatlichen Souveränität, der nachhaltigen Entwicklung, der engen Kooperation und des Informationsaustausches auch das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe, wobei die Formulierung aus Art. 5 VN-Konvention praktisch wort-wörtlich übernommen wird (Art. 3 Abs. 7).242 Auch hinsichtlich der Bestimmung der Angemessenheit und Vernünftigkeit der Nutzung richtet sich das Protokoll in Art. 3 Abs. 8 fast wörtlich nach Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 VN-Konvention.243 Art. 3 Abs. 10 (a) 240 Bereits das Protokoll von 1995 hatte sich an den Draft Articles der ILC orientiert, war aber etwa mit seinem eindeutigen Bekenntnis zum Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung auch darüber hinausgegangen, vgl. Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 105, 112 f.; Rieu-Clarke, Water International 25 (2000), S. 572, 576. Nach Verabschiedung der VNKonvention als nicht mehr zeitgemäß betrachtet, begann bereits kurz nach Inkrafttreten des ursprünglichen Protokolls ein Überarbeitungsprozess, der in der Verabschiedung des überarbeiteten Protokolls im August 2000 mündete. Ausführlich zum überarbeiteten Protokoll vom 7. August 2000 Salman, Water Policy 6 (2004), S. 25 ff.; ders., Nat. Res. J. 41 (2001), S. 981 ff. Siehe auch Sands, Principles of international environmental law, 2003, S. 490 f. 241 Art. 2. Die Definition des Begriffs „Wasserlauf“ in Art. 1 (1) des Protokolls entspricht im Wesentlichen derjenigen der VN-Konvention. 242 Art. 3 Abs. 7 lautet: „a) Watercourse States shall in their respective territories utilise a shared watercourse in an equitable and reasonable manner. In particular, a shared watercourse shall be used and developed by Watercourse States with a view to attain optimal and sustainable utilisation thereof and benefits therefrom, taking into account the interests of the Watercourse States concerned, consistent with adequate protection of the watercourse for the benefit of current and future generations. b) Watercourse States shall participate in the use, development and protection of a shared watercourse in an equitable and reasonable manner. Such participation includes both the right to utilise the watercourse and the duty to co-operate in the protection and development thereof, as provided in this Protocol.“ 243 Art. 3 Abs. 8 lautet: „a) Utilisation of a shared watercourse in an equitable and reasonable manner within the meaning of Article 7(a) and (b) requires taking into account all relevant factors and circumstances including: (i) geographical, hydrographical, hydrological, climatical, ecological and other factors of a natural character; (ii) the social, economic and environmental needs of the Watercourse States concerned; (iii) the population dependent on the shared watercourse in each Watercourse State; (iv) the effects of the use or uses of a shared watercourse in one Watercourse State on other Watercourse States; (v) existing and potential uses of the watercourse; (vi) conservation, protection, development and economy of use of the water resources of the shared watercourse and the costs of measures taken to that effect; and (vii) the availability of alternatives, of comparable value, to the particular planned or existing use. (b)The weight to be given to each factor is to be determined by its importance in comparison with that of other relevant factors. In determining what is an equitable and reasonable

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

und (b) übernimmt die in der VN-Konvention enthaltene Formulierung der no harm-rule sowie des dort festgelegten Verhältnisses zum Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe. Art. 3 Abs. 10 (c) enthält die wörtliche Wiedergabe des Diskriminierungsverbotes aus Art. 32 VN-Konvention; Art. 4 gibt Wort für Wort die Regelungen der VN-Konvention zu geplanten Maßnahmen (Abs. 1 entspricht Art. 11 bis 19 VN-Konvention), zum Schutzes und der Erhaltung (Abs. 2 entspricht Art. 10 bis 23 VN-Konvention) und zur Bewirtschaftung (Abs. 3 entspricht Art. 24 bis 28 VN-Konvention) wieder. Art. 5 bietet der Zusammenarbeit einen institutionellen Rahmen und sieht die Einrichtung mehrerer Komitees vor. Auch das Verhältnis des Protokolls zu speziellen Wasserlaufübereinkommen wird entsprechend der Regelungen der VN-Konvention geregelt (Art. 6 entspricht weitgehend dem Wortlaut der Art. 3 und 4 VN-Konvention). Hinsichtlich der Streitschlichtung verweist Art. 7 auf die entsprechende Regelung im SADCGründungsvertrag. Das überarbeitete SADC-Protokoll von 2000 orientiert sich damit in allen -wesentlichen Fragen an der VN-Konvention.244 In weiten Teilen stimmen beide Texte sogar wörtlich überein. Dies gilt insbesondere für das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe, das auch im SADC-Protokoll die zentrale Rolle spielt. Hinsichtlich der opinio juris der Unterzeichnerstaaten ist dabei interessant, dass die Präambel des Protokolls in Abs. 1 ausdrücklich auf den Fortschritt bei der Entwicklung und Kodifikation des internationalen Wasserrechts Bezug nimmt und dabei explizit auch auf die VN-Konvention verweist. Darüber hinaus enthält Art. 3 Abs. 3 die ausdrückliche Verpflichtung, die bestehenden Regeln des Völkergewohnheitsrechts hinsichtlich der Nutzung und des Managements der Ressourcen gemeinsamer Wasserläufe zu respektieren. Unter den Unterzeichnerstaaten des Protokolls finden sich nicht nur Staaten, die in der VN-Generalversammlung für die VN-Konvention gestimmt haben, sondern mit Swasiland und Zimbabwe auch zwei bei der Abstimmung als nicht anwesend registrierte Staaten und mit Tansania sogar ein Stimmenthalter, der sein damaliges Stimmverhalten ausdrücklich noch mit Zweifeln daran begründet hatte, ob die VN-Konvention das Völkerrecht korrekt wiedergegeben habe.245

bb) Incomati und Maputo-Vertrag vom 29. 8. 2002 Der Incomati und Maputo-Vertrag vom 29. 8. 2002246 zwischen den SADC Mitgliedstaaten Mosambik, Südafrika und Swasiland ist ein weiteres Beispiel eines use, all relevant factors are to be considered together and a conclusion reached on the basis of the whole.“ 244 Vgl. dazu auch Lebotse, LJIL 12 (1999), S. 173, 180. Vgl. auch Boisson de Chazournes, Les ressources en eau et le droit international, 2002, S. 41; Salman, Water resources and international law, 2002, S. 119. 245 Siehe supra Dritter Teil, IV. 2. b) bb).

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Übereinkommens, das sich ausdrücklich auf die VN-Konvention beruft.247 Der Unteranlieger Mosambik ist zu einem Großteil auf Wasserressourcen angewiesen, die in anderen Staaten ihren Ursprung haben.248 Ziel des Abkommens ist die Förderung der Zusammenarbeit der Parteien zur Sicherstellung des Schutzes und der nachhaltigen Entwicklung der Wasserressourcen des Incomati und des Maputo (Art. 2). Dazu sollen gem. Art. 3 die „allgemeinen Prinzipien“ und, neben den Grundsätzen der nachhaltigen Entwicklung, Prävention und Zusammenarbeit, insbesondere das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe Anwendung finden. Nach Art. 4 sollen die Parteien einzeln und, soweit zweckdienlich, gemeinsam „vernünftige“ Maßnahmen ergreifen, um insbesondere das Wasser und die verbundenen Ökosysteme zu schützen, grenzüberschreitenden Auswirkungen entgegenzuwirken, Bewirtschaftungspläne und geplante Maßnahmen zu koordinieren, Effektivität und Effizienz der Wassernutzung zu fördern, wasserbezogene Infrastruktur zu sichern, mit Überflutungen und Dürren besser umgehen zu können und Informationen über die Wasserressourcen und -nutzungen auszutauschen. Art. 5 erklärt das bereits aufgrund eines Abkommens von 1983 bestehende „Tripartite Permanent Technical Committee“ zur gemeinsamen Kooperationseinrichtung. Art. 6 bis 8 beziehen sich auf Umweltschutzaspekte und die nachhaltige Nutzung der Wasserressourcen und übernehmen passagenweise wörtlich die entsprechenden Vorschriften der VN-Konvention.249 Art. 9 bildet die Grundlage für eine detaillierte Wasserabflussregelung in Anhang II des Vertrages. Die darauf folgenden Bestimmungen betreffen Dürren und Überflutungen (Art. 10), Notfälle (Art. 11), Informationsaustausch und geplante Maßnahmen (Art. 12), grenzüberschreitende Wechselwirkungen (Art. 13), „capacity building“ (Art. 14) und die Streitschlichtung (Art. 15) und sind mitunter stark an die Sprache der VN-Konvention angelehnt.250 246 Tripartite Interim Agreement between the Republic of Mozambique and the Republic of South Africa and the Kingdom of Swaziland for Co-operation on the Protection and Sustainable Utilization of the Water Resources of the Incomati and Maputo Watercourses. Text in: Carmo Vaz / van der Zaag, Sharing the Incomati waters, UNESCO-IHP, 2003, Annex 2. 247 Bei dem Vertrag handelt es sich um ein Interimabkommen bis spätestens 2010; dann soll es durch ein umfassendes Wasserlaufübereinkommen zum Incomati und Maputo abgelöst werden (Vgl. Art. 18 Abs. 2 und Anhang V). Vgl. zu dem Abkommen auch Burchi, YBIEL 13 (2002), S. 271 ff. 248 Vgl. Carmo Vaz / Lopes Pereira, Water Policy 2 (2000), S. 99 ff.; Appelgren / Klohn, NRF 21 (1997), S. 91, 96. Siehe auch Gleick, The world’s water 1998 – 1999, 1998, S. 119 ff. 249 Vgl. etwa Art. 6 („(1) The Parties shall, individually and, where appropriate, jointly, protect and preserve the aquatic environment of the Incomati and Maputo watercourses, taking into account generally accepted international rules and standards. (2) The Parties shall, individually and, where appropriate, jointly, take all measures to protect and preserve the ecosystems of the Incomati and Maputo watercourses. [ . . . ]“) oder Art. 7 („(1) The Parties shall be entitled, in their respective territories, to optimal and sustainable utilisation of and benefits from the water resources of the Incomati and Maputo watercourses, taking into account the interests of the other Parties concerned, consistent with adequate protection of the watercourses for the benefit of present and future generations.“)

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

Das Abkommen implementiert das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe und hält sich dabei klar und nicht selten wörtlich an die Vorgaben der VN-Konvention, der die Vertragparteien außer Swasiland, das als abwesend registriert wurde, in der VN-Generalversammlung auch zugestimmt hatten. Dabei gehen die Vertragsstaaten ausdrücklich von einer entsprechenden Verpflichtung aus.251 Gleichzeitig implementiert der Vertrag das mit Blick auf die VN-Konvention überarbeitete SADC-Protokoll von 2000.

b) Chinesisch-kasachisches Übereinkommen über Zusammenarbeit bei Nutzung und Schutz grenzüberschreitender Flüsse vom 12. 9. 2001 Auch beim chinesisch-kasachischen Übereinkommen über Zusammenarbeit bei Nutzung und Schutz grenzüberschreitender Flüsse vom 12. 9. 2001252 ist der Einfluss der VN-Konvention deutlich erkennbar. Gegenstand des Vertrages ist insbesondere der Fluss Horgos.253 Bereits die Präambel stellt den Vertrag unter die Maxime einer angemessenen und rationalen Lösung von Streitpunkten zwischen den beiden Staaten bei der Nutzung und dem Schutz der Wasserressourcen grenzüberschreitender Flüsse, die in Art. 1 näher definiert werden. Art. 2 des Übereinkommens erklärt, dass sich die Parteien bei Nutzung und Schutz grenzüberschreitender Flüsse an die Prinzipien der Angemessenheit und Rationalität halten und eng miteinander zusammenarbeiten sollen. Unter Rücksichtnahme auf die gegenseitigen Interessen soll gem. Art. 4 keine Partei die jeweils andere bei der rationalen Nutzung und dem Schutz der Wasserressourcen grenzüberschreitender Flüsse beschränken. Nachdem Art. 5 den Inhalt der Zusammenarbeit näher regelt und Art. 6 die Parteien zum Informationsaustausch verpflichtet, ruft Art. 8 die Unterzeichner zur Schaffung einer gemeinsamen Kommission zur Nutzung und zum Schutz grenzüberschreitender Flüsse auf, deren Arbeit in Art. 9 und 10 näher geregelt wird. Laut Präambel haben sich die Vertragsparteien beim Abschluss des Vertrages ausdrücklich von den allgemein anerkannten Prinzipien und Normen des internationalen Rechts leiten lassen. Die inhaltlichen Überschneidungen mit der VN-Konvention sind bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass China bei der Abstimmung 250

Vgl. etwa die Parallelen zwischen Art. 12 (1) des Vertrages und Art. 9 der VN-Konven-

tion. 251 Abs. 4 der Präambel lautet: „Taking into account the modern principles and norms of International Law as reflected in the Convention on the Law of the Non-Navigational Uses of International Watercourses adopted by the General Assembly of the United Nations on 21 May 1997“. 252 Text in engl. Übersetzung verfügbar unter http: / / www.dundee.ac.uk / law / iwlri / , letztmalig besucht am 31. 1. 2008. 253 Vgl. zur Vorgeschichte des Vertrages Sievers, TexIntLJ 37 (2002), S. 1 ff.

VI. Erstarken aufgrund nachfolgender Staatenpraxis und opinio juris

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über die VN-Konvention in der VN-Generalversammlung und der Working Group jeweils mit Nein gestimmt hatte. Der chinesisch-kasachische Vertrag ist ein klares Indiz für einen Wandel in der Einstellung China gegenüber den inhaltlichen Vorgaben der VN-Konvention, des Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe und seiner wesentlichen Aspekte.254

c) Libanesisch-syrischer Vertrag über den Southern Great River vom 20. 4. 2002 Der libanesisch-syrische Vertrag über den Southern Great River vom 20. 4. 2002255 erkennt ausdrücklich die völkerrechtliche Geltung der in der VN-Konvention enthaltenen Regelungen an. Der Great River (An Nahr al Kabir) trennt das Libanongebirge im Libanon von den Nusayriyah-Bergen in Syrien. Nachdem die Präambel des Abkommens bereits auf Vorteile einer „angemessenen und vernünftigen“ Wasseraufteilung für beide Staaten hinweist, erfolgt in Art. 3 eine mengenmäßige Distribution des Flusswassers, und zwar ausdrücklich auf Grundlage des in der Präambel Gesagten und unter Berücksichtigung aller relevanter Faktoren, wie sie in Artikel 6 der VN-Konvention niedergelegt sind. Die restlichen Vorschriften des Abkommens beziehen sich dann im Einzelnen auf die Wasserressourcenaufteilung (Art. 4 und 5), den Bau eines gemeinsamen Dammes (Art. 6, 9 – 13) und die Kompetenzen eines gemeinsamen Wasserausschusses (Art. 7 und 8). In der Präambel stellen die Parteien das Abkommen ausdrücklich in den Zusammenhang mit den Normen des Völkerrechts und insbesondere den in der VN-Konvention enthaltenen Regelungen. Sie bezeichnen die VN-Konvention sogar als die Grundlage einer angemessenen und vernünftigen Aufteilung gemeinsamer internationaler Gewässer. Damit erkennt nicht nur Syrien, sondern auch Libanon, das bei der Abstimmung in der VN-Generalversammlung über die VN-Konvention als abwesend registriert wurde, die in der VN-Konvention enthaltenen Regelungen expli254 Vgl. dazu auch etwa die Erklärung des chinesischen Ministeriums für Wasserressourcen in World Water Council (Hrsg.), Country Report of the People’s Republic of China, 2003, S. 34: „The Chinese government regards [ . . . the] sustainable utilization of water resources as [a] key factor in international cooperation“. Einen ausdrücklichen Protest gegen ein völkergewohnheitsrechtliches Erstarken der VN-Konvention und das darin enthaltene Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe enthält der Bericht nicht, obwohl er eine besonders günstige Gelegenheit darstellte, einen solchen Protest zu äußern. Siehe zur Implementierung des Prinzips der angemessenen Nutzung in China auch He / Liu, Equitable utilization and effective protection of sharing transboundary water resources in international rivers of western China, 2003, S. 1 ff. 255 An Agreement between the Syrian Arab Republic and the Lebanese Republic for the Sharing of the Southern Great River Basin Waters and the Building of Joint Dam on it. Text verfügbar unter: http: / / ocid.nacse.org / cgi-bin / qml / tfdd / treaties.qml, letztmalig besucht am 31. 1. 2008. Vgl. zum Abkommen auch Burchi, YBIEL 13 (2002), S. 271, 279.

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

zit als Teil des geltenden Völkerrechts an. Beide Staaten haben mittlerweile die VN-Konvention ratifiziert.

d) Rahmenübereinkommen zum Sava-Flusseinzugsgebiet vom 5. 12. 2002 Das Rahmenübereinkommen zum Sava-Flusseinzugsgebiet vom 5. 12. 2002256 beinhaltet explizit das Prinzip der vernünftigen und angemessenen Nutzung. Die Vertragsstaaten sind Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Slowenien und die Bundesrepublik Jugoslawien. Das Sava-Flusseinzugsgebiet umfasst mehr als 60% des Territoriums und stellt mehr als 80% des Wasserangebots dieser Staaten.257 Um die Ziele der Konvention wie etwa eine nachhaltige Wasserbewirtschaftung zu erreichen, sieht Art. 3 Abs. 1 vor, dass die Vertragsparteien auf Grundlage souveräner Gleichheit, territorialer Integrität, gegenseitigen Nutzens und guten Glaubens zusammenarbeiten sollen. Dazu sind die Parteien gehalten, regelmäßig Informationen auszutauschen (Art. 4), in internationalen Organisationen zusammenzuarbeiten (Art. 5) und entsprechende nationale Einrichtungen zu schaffen (Art. 6). Unter der Überschrift „Prinzip der vernünftigen und angemessenen Wassernutzung“ berechtigt dann Art. 7 die Parteien auf ihrem jeweiligen Territorium zu einem vernünftigen und angemessenen Anteil der förderlichen Nutzungen der Wasserressourcen des Sava-Flusseinzugsgebietes, wobei die Bedeutung eines vernünftigen und angemessenen Anteils in jedem Einzelfall im Lichte der relevanten Faktoren gemäß dem Völkerrecht zu bestimmen ist. Art. 8 bezieht sich auf grenzüberschreitende Auswirkungen und Art. 9 normiert die no harm-rule. Die folgenden Art. 10 bis 21 definieren die Bereiche verstärkter Zusammenarbeit und institutionalisieren die Kooperation einerseits in einem mindestens alle zwei Jahre stattfindenden Treffen der Vertragsparteien und andererseits in der „Sava-Kommission“. Art. 22 bis 24 normieren ein Streitschlichtungsverfahren. Insgesamt bekennt sich das Sava-Rahmenübereinkommen ausdrücklich zum Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und dem Ziel der Nachhaltigkeit, zu deren Implementierung es ein Regime im Sinne des Prinzips der Teilhabe errichtet. Das Abkommen nimmt zwar weder in seiner Präambel noch sonst im Text ausdrücklich Bezug auf die VN-Konvention;258 die inhaltliche Anlehnung an 256 Framework Agreement on the Sava River Basin. Text in englischer Übersetzung verfügbar unter http: / / www.savacommission.org, letztmalig besucht am 31. 1. 2008; in Kraft getreten am 29. 12. 2004. Vgl. zum Abkommen auch Burchi, YBIEL 13 (2002), S. 271, 277 ff. 257 Aktuelle und ausführliche Informationen zu den hodrologischen Bedingungen der Sava sind verfügbar unter http: / / www.sarib.net, letztmalig besucht am 31. 1. 2008. 258 Wohl aber auf die Donau-Konvention von 1994 (Abs. 3 der Präambel), die weder Bosnien-Herzegowina noch Jugoslawien ratifiziert haben, und EU-Recht (Abs. 10 der Präambel), obwohl 2002 keine der Vertragsparteien Mitglied der EU war, wenn sich auch Slowenien bereits in Beitrittsverhandlungen befand und der EU mittlerweile beigetreten ist. Das Rah-

VI. Erstarken aufgrund nachfolgender Staatenpraxis und opinio juris

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die VN-Konvention ist aber schon bereits deshalb interessant, da weder Bosnien und Herzegowina noch die Bundesrepublik Jugoslawien an den Abstimmungen der VN-Generalversammlung und der Working Group zur VN-Konvention teilgenommen hatten. e) Abkommen im Einzugsgebiet des Aralsees Auch die nach Verabschiedung der VN-Konvention abgeschlossenen und in erster Linie die Energiegewinnung betreffenden Abkommen zwischen Kasachstan, Kirgisien und Usbekistan weisen Züge der VN-Konvention auf.259 Die drei Vertragsstaaten haben Anteil am Einzugsgebiet des Aralsees, dessen Hauptzuflüsse der Amu Darya und der Syr Darya sind und sich darüber hinaus auch Teile des Staatsgebiets von Afghanistan, China, Pakistan, Tadschikistan und Turkmenistan erstreckt.260 Zentrale Herausforderungen für das Management des Aralsees und seiner Zuflüsse sind der Wassermangel insbesondere aufgrund eines sehr hohen Wasserverbrauchs zugunsten großer Baumwollmonokulturen, die verringerte Wasserqualität durch Versalzung, Einsatz von Pestiziden und industrieller Verschmutzung und die extreme Verschlechterung der Umwelt wie etwa die hohe Luftverschmutzung durch Winderosion der ausgetrockneten Seeflächen des Aralsees sowie die damit verbundenen enormen Gesundheitsprobleme.261 Ein Beispiel für ein sich an der VN-Konvention orientierendes Abkommen ist das kasachisch-kirgisisch-usbekische Übereinkommen über Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Umwelt und der rationalen Nutzung der Natur vom 17. 3. 1998,262 dessen Art. 1 die Staaten verpflichtet, eine Zusammenarbeit auf dem Feld des Umweltschutzes und der rationalen Nutzung natürlicher Ressourcen auf der Basis der Gleichheit der Rechte und des gegenseitigen Nutzens zu entwickeln. Art. 2 enthält dazu einen ganzen Katalog von Themen der Zusammenarbeit, wie etwa die Koordination von Aktivitäten beim Bau neuer Projekte im Grenzgebiet und von Projekmenübereinkommen zum Sava-Flusseinzugsgebiet ist kein bloßes Implementierungsabkommen des ECE-Übereinkommens von Helsinki zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen von 1992, da dieses weder von Bosnien-Herzegowina noch von der Bundesrepublik Jugoslawien ratifiziert wurde. 259 Von den drei Staaten hat nur Kasachstan bei der Abstimmung in der VN-Generalversammlung für die VN-Konvention gestimmt. 260 UNEP (Hrsg.), Atlas of international freshwater agreements, 2002, S. 54, 179. 261 Vgl. Wegerich, Water Policy 6 (2004), S. 335 ff.; Wolf, Transboundary Waters: sharing benefits, lessens learned, 2001, S. 30; O’Hara, Water Policy 2 (2000), S. 365 ff.; Unesco (Hrsg.), Water related Aral Sea basin vision, 1999, S. 25 ff.; Boisson de Chazournes, Legal strategy for managing international watercourses, 1998, S. 65; Hoffmann, Die ökologische Katastrophe hat einen Namen: Aralsee, 1997, S. 295 ff.; Vinogradov, Nat. Res. J. 36 (1996), S. 393, 398 ff.; Nanni, RECIEL 5 (1996), S. 130 ff. Siehe auch McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 260 ff. 262 Text in engl. Übersetzung verfügbar unter: http: / / www.dundee.ac.uk / law / iwlri / , letztmalig besucht am 31. 1. 2008.

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

ten, die unabhängig von ihrer geographischen Lage negative grenzüberschreitende Auswirkungen haben können, oder den Schutz, die rationale Nutzung und die Prävention von Verschmutzungen der grenzüberschreitenden Wasserressourcen. Das kasachisch-kirgisisch-usbekische Übereinkommen über die Nutzung des Wassers und der Energieressourcen des Syr Darya-Beckens vom selben Tag263 verpflichtet die Vertragsparteien in Art. 2 zu einer jährlichen Koordination hinsichtlich des Wasserabflusses, der Produktion und des Transfers von Energie und Kompensationen für Energieverluste auf einer äquivalenten Grundlage. Um unter anderem die Bewirtschaftung und die Nutzung der Wasser- und Energieressourcen weiter zu verbessern, verpflichten sich die Vertragsparteien, etwa sich hinsichtlich der wirtschaftlichen und rationalen Wassernutzung gemeinsam zu beraten (Art. 10). Dabei beruft sich die Präambel in Abs. 4 bei dem gemeinsam geäußerten Wunsch, die präziseste und fairste Lösung für die Nutzung der Wasser- und Energieressourcen zu finden, auf die Vorgaben des geltenden Völkerrechts. Schließlich normiert auch das kasachisch-kirgisische Übereinkommen über die Nutzung zwischenstaatlicher Wassereinrichtungen an den Flüssen Chu und Talas vom 21. 1. 2000264 in seinem Art. 1 als Ziel der Nutzung der Wasserressourcen den gegenseitigen Nutzen der Vertragsstaaten auf einer fairen und vernünftigen Grundlage. Auch hier verweist die Präambel auf den gemeinsamen Wunsch, die vollkommenste und fairste Lösung für die effiziente Nutzung der Wassereinrichtungen im Einklang mit dem bestehenden internationalen Wasserrecht zu finden.

f) Implementierungsabkommen des ECE-Übereinkommens von Helsinki zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen vom 17. 3. 1992 Inhaltliche Übereinstimmungen bestehen auch zwischen der VN-Konvention und völkerrechtlichen Verträgen, die zwischen Vertragsstaaten des ECE-Übereinkommens von Helsinki zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen vom 17. März 1992265 abgeschlossen wurden. Das Helsinki-Übereinkommen ist ein Regionalabkommen europäischer Staaten, die damit den Beschlüssen des KSZE-Treffens zum Schutz der Umwelt vom November 1989 in Sofia nachkamen.266 263 Text in engl. Übersetzung verfügbar unter: http: / / www.dundee.ac.uk / law / iwlri / , letztmalig besucht am 31. 1. 2008. 264 Text in engl. Übersetzung verfügbar unter: http: / / www.talaschu.org, letztmalig besucht am 31. 1. 2008; in Kraft getreten 2002. 265 Text in: ILM 31 (1992), S. 1312; in Kraft getreten am 6. 10. 1996. Vgl. allgemein zum Helsinki-Übereinkommen Sands, Principles of international environmental law, 2003, S. 482 ff.; Boisson de Chazournes, Les ressources en eau et le droit international, 2002, S. 51 ff.; Demeter, Schutz und Nutzung, 2001, S. 145 ff.; Rieu-Clarke, Water International 25 (2000), S. 572, 575 f.

VI. Erstarken aufgrund nachfolgender Staatenpraxis und opinio juris

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Das Helsinki-Übereinkommen ist eine Rahmenkonvention, die der weiteren Konkretisierung und Umsetzung bedarf;267 die Zusammenarbeit der Staaten soll nach Art. 2 Nr. 6 und Art. 9 Nr. 1 insbesondere durch bi- und multilaterale Abkommen erfolgen.268 Bei der Umsetzung dieser Verpflichtung zum Abschluss von Verträgen kommt den Vertragsparteien im Vergleich zur VN-Konvention ein nur sehr begrenzter Spielraum zu: Art. 9 statuiert, dass nicht nur neue Verträge den festgelegten Bestimmungen entsprechend abzuschließen sind, sondern auch in der Vergangenheit abgeschlossene Verträge überarbeitet werden müssen, um Widersprüche zu vermeiden; nur wenn die Staaten strengere Maßnahmen als die im Helsinki-Übereinkommen vorgesehenen ergreifen wollen, können sie von dessen Vorgaben abweichen (Art. 2 Abs. 8).269 Verträge zwischen Vertragsstaaten des Helsinki-Übereinkommens können in Folge der Verpflichtung zum Abschluss von Abkommen nur in begrenztem Maße als Unterstützung für die völkergewohnheitsrechtliche Geltung der VN-Konvention herangezogen werden, da die Staaten regelmäßig in Erfüllung dieser Verpflichtung tätig werden und nicht in dem Bewusstsein, durch die in der VN-Konvention enthaltenen Regelungen rechtlich verpflichtet zu sein. Gleichwohl ist zu beachten, dass diese Formen der Staatenpraxis angesichts der inhaltlichen Überschneidung zwischen Helsinki-Übereinkommen und VN-Konvention in der Regel nicht im Widerspruch zueinander stehen.270 Bei der Ausarbeitung des ECE-Übereinkommens konnte man konstruktiv auf die Vorarbei-

266 Vgl. Abs. 8 der Präambel des Helsinki-Übereinkommens. Siehe auch Demeter, Schutz und Nutzung, 2001, S. 147 ff. 267 Demeter, Schutz und Nutzung, 2001, S. 423 f.; Hey, RECIEL 7 (1998), S. 291, 293. 268 Dazu kommen noch sonstige rechtliche, verwaltungsmäßige, wirtschaftliche, finanzielle und technische Maßnahmen der einzelnen Vertragsparteien (Art. 3 Nr. 1), die mit den anderen Vertragsparteien abgestimmt sind. Vgl. dazu auch Bosnjakovic, UN / ECE strategies for protecting the environment with respect to international watercourses: the Helsinki and Espoo Conventions, 1998, S. 51 f. 269 Vgl. dazu auch Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 99 f. 270 Die ILC hat sich bei ihrer Arbeit auch am Abkommen von Helsinki orientiert. Inhaltlich stellt die Helsinki-Konvention aber höhere Anforderungen an ihre Vertragsstaaten als die VN-Wasserlaufkonvention. Sein Sinn besteht darin, für die weitere Normsetzung auf bi- und multilateraler Ebene einen Rahmen zu setzen und so den europäischen Gewässerschutz bis zu einem gewissen Grade zu standardisieren. In dieser Hinsicht bestimmt Art. 2 Nr. 1, dass die Vertragsparteien alle geeigneten Maßnahmen zur Verhütung, Bekämpfung und Verringerung jeder grenzüberschreitenden Beeintrechtigung treffen. Zu Maßnahmen in diesem Sinne erklärt sein Art. 2 (2) (c) insbesondere auch solche, die sicherstellen, dass grenzüberschreitende Gewässer auf vernünftige und angemessene Art genutzt werden (Siehe dazu auch Boisson de Chazournes, Les ressources en eau et le droit international, 2002, S. 52; Tanzi, NRF 21 (1997), S. 109, 116). In diesem Zusammenhang ist von Interesse, dass das HelsinkiÜbereinkommen u. a. von Aserbeidschan, Belgien, Bulgarien, Frankreich, Spanien (sie enthielten sich bei der VN-Generalversammlungsabstimmung zur VN-Konvention ihrer Stimme) und von Moldawien, der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft (sie nahmen an der Abstimmung in der VN-Generalversammlung zur VN-Konvention nicht teil) ratifiziert wurde. Siehe zum Verhältnis zwischen der Helsinki-Konvention und der VN-Wasserlaufkonvention auch Papaconstantinou, RHDI 52 (1999), S. 263 ff.

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

ten der ILC für die VN-Konvention zurückgreifen.271 Das Protokoll für Wasser und Gesundheit zur Helsinki-Konvention vom 17. 6. 1999272 nimmt in Abs. 9 seiner Präambel sogar ausdrücklich Bezug auf die VN-Konvention.273 Insgesamt bleibt aber der Nachweis einer entsprechenden opinio juris problematisch,274 wenn auch nicht ausgeschlossen ist, dass die Abkommen, die das Helsinki-Übereinkommen implementieren, gegebenenfalls als die VN-Konvention unterstützende Staatenpraxis verstanden werden können.275 Ein Beispiel eines solchen Abkommens ist die Konvention über die Zusammenarbeit für den Schutz und die nachhaltige Nutzung der portugiesisch-spanischen Flusseinzugsgebiete vom 30. 11. 1998.276 Portugal und Spanien teilen sich fünf internationale Wasserläufe – Minho, Lima, Douro, Tejo und Guadiana –, wobei Spanien im Allgemeinen der Oberanlieger ist (70% der Wasserressourcen stammen aus Spanien) und beide Staaten eine sehr unausgeglichene zeitliche und geographische Verteilung ihrer Wasserressourcen aufweisen.277 Ziel der Konvention ist es, einen Rahmen für die bilaterale Zusammenarbeit beim Schutz des OberflächenTanzi, ItalYIL 10 (2000), S. 71, 105 ff. Protocol on Water and Health to the 1992 Convention on the Protection and Use of Transboundary Watercourses and International Lakes. Text in: UN Doc. MP.WAT / 2000 / 1 EUR / ICP / EHCO 020205 / 8Fin; in Kraft getreten am 4. 8. 2005. Vgl. dazu auch Boisson de Chazournes, Les ressources en eau et le droit international, 2002, S. 57 ff. 273 Das Protokoll wurde u. a. von Belgien, Bulgarien, Frankreich, Monaco und Spanien unterzeichnet, obwohl sich diese Staaten bei der Abstimmung in der VN-Generalversammlung zur VN-Konvention der Stimme enthalten hatten. 274 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Erklärung Frankreichs vom 3. 1. 1999 anlässlich der Ratifizierung des Helsinki-Übereinkommens: „The Government of the French Republic, in approving the Convention on the Protection and Use of Transboundary Watercourses and Lakes, declares that reference to the concept of reasonable and equitable use does not constitute recognition of a principle of customary law, but illustrates a principle of co-operation between Parties to the Convention; the scope of such co-operation is specified in agreements, to which the Convention between States bordering the same transboundary waters – such agreements being concluded on the basis of equality and reciprocity.“ (Multilateral Treaties Diposited with the Secretary General, verfügbar unter http: / / untreaty.org, letztmalig besucht am 31. 1. 2008). 275 Vgl. außer den im Folgenden besprochenen Implementierungsabkommen etwa auch das estnisch-russische Abkommen zur Zusammenarbeit beim Schutz und der nachhaltigen Nutzung grenzüberschreitender Gewässer vom 20. 8. 1997 (Text verfügbar unter http: / / www.envir.ee / jc, letztmalig besucht am 31. 1. 2008; in Kraft getreten mit Unterzeichnung): das Abkommen beruft sich in seiner Präambel auf das Übereinkommen von Helsinki, das von der Russischen Föderation am 2. 11. 1993 und von Estland am 16. 6. 1995 ratifiziert worden war. 276 Convenção sobre Cooperação para a Protecção e o Aproveitamento Sustentável das Águas das Bacias Hidrográficas Luso-espanholas. Text verfügbar unter: http: / / www.trans boundarywaters.orst.edu / , letztmalig besucht am 31. 1. 2008; in Kraft getreten am 17. 1. 2000. Eingehend zum Abkommen Barreira, YBIEL 14 (2003), S. 161 ff. Siehe auch Burchi, YBIEL 10 (1999), S. 234, 236 ff. 277 Maia, Sharing the waters of the Iberian Peninsula, 2001, S. 1 ff.; Guimarães, RECIEL 5 (1996), S. 145 ff. 271 272

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und Grundwassers sowie der damit direkt verbundenen aquatischen und terrestrischen Ökosysteme und die nachhaltige Entwicklung der Einzugsgebiete der Wasserläufe zu schaffen (Art. 2 Abs. 1). Bei der Durchführung dieser Kooperation haben sich die Vertragsparteien an die Vorschriften der Konvention und die einschlägigen Prinzipien und Normen des Völker- und Europarechts zu halten (Art. 2 Abs. 2). Das Abkommen sieht zwei Kooperationsinstitutionen vor: eine Staatenkonferenz zur politischen Koordination und eine Kommission zur Entwicklung und Anwendung der Konvention, die die Ausführung der Vorgaben der Konvention sicherstellt. Abschnitt III des Abkommens (Schutz und nachhaltige Entwicklung) enthält unter anderem Art. 15, der die Wassernutzung regelt. Nach dieser Vorschrift hat sich die Entwicklung der Wasserressourcen an den Prinzipien der Rationalität und Effizienz zu orientieren (Art. 15 Abs. 3); hinsichtlich geplanter neuer Wassernutzungen ist die andere Vertragsseite über die Kommission zu informieren. Insgesamt steht das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe, wenn auch nicht ausdrücklich erwähnt, im Mittelpunkt der Konvention, die es durch einen stark ökologisch orientierten Ansatz umsetzt und die Parteien zu einem intensiven zwischenstaatlichen Zusammenwirken auffordert.278 Dies ist bemerkenswert in Anbetracht der Tatsache, dass Spanien sich in der VN-Generalversammlung bei der Abstimmung über die VN-Konvention seiner Stimme mit der Begründung enthalten hatte, die VN-Konvention stelle nicht ausreichend deutlich den Vorrang des Prinzips der angemessenen Nutzung gegenüber der no harm-rule klar.279 Ein weiteres Abkommen, das die Helsinki-Konvention implementiert, ist das Übereinkommen zum Schutz des Rheins vom 12. 4. 1999.280 Den Rhein, als Hauptstamm des zentraleuropäischen Binnenwassernetzes der wohl wichtigste westeuropäische Wasserlauf, säumt als bedeutende Nord-Süd-Achse ein dichtes Netz von Städten und Industrien, deren Abwässer sein ökologisches Gleichgewicht bedrohen.281 Der sachliche Geltungsbereich des Abkommens umfasst nicht nur den Rhein, das Grundwasser und die aquatischen und terrestrischen Ökosysteme, soweit sie in Wechselwirkung mit dem Rhein stehen, sondern auch das Einzugs278 Vgl. auch Barreira, YBIEL 14 (2003), S. 161, 173. Die Konvention orientierte sich dabei ebenso an der zu diesem Zeitpunkt in ihrer Entstehung befindlichen EU-Wasserrahmenrichtlinie; näheres zur Richtlinie infra Dritter Teil, VI. 4. b). 279 Siehe dazu supra Dritter Teil, IV. 2. b) bb). 280 Text in: BGBl. 2001 II S. 850; in Kraft getreten am 1. 1. 2003. Vertragsparteien sind Deutschland, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, die Schweiz sowie die Europäische Gemeinschaft. Vgl. allgemein zur Konvention zum Schutz des Rheins Sands, Principles of international environmental law, 2003, S. 478 ff.; Rothenberger, Angemessene Nutzung, 2003, S. 102 ff., 189 ff.; Rieu-Clarke, Water International 25 (2000), S. 572, 576 f.; Beyerlin, Umweltvölkerrecht, 2000, S. 98 f. Siehe auch Dieperink, Water Policy 1 (1998), S. 471 ff. 281 Vgl. Dieperink, Water International 25 (2000), S. 347 ff.; Wieriks / Schulte-Wülwer-Leiding, NRF 21 (1997), S. 147; Nollkaemper, RECIEL 5 (1996), S. 152 ff. Siehe auch http: / / www.iksr.org, letztmalig besucht am 31. 1. 2008. Ausführlich zum so genannten Rhein-Salz-Fall McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 256 ff.

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

gebiet des Rheins, soweit dessen stoffliche Belastung nachteilige Auswirkungen auf den Rhein hat oder für den Hochwasserschutz von Bedeutung ist (Art. 2). Die Ziele des Abkommens sind insbesondere die nachhaltige Entwicklung des Ökosystems Rhein, die Sicherung der Nutzung von Rheinwasser zur Trinkwassergewinnung, die ganzheitliche Hochwasservorsorge und der Hochwasserschutz unter Berücksichtigung ökologischer Erfordernisse sowie die Entlastung der Nordsee (Art. 3). Zu den Prinzipen, von denen sich die Vertragsstaaten leiten lassen müssen, gehören gem. Art. 4 etwa das Präventionsprinzip und das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung. Der umfangreiche Pflichtenkatalog des Art. 5 beinhaltet u. a., dass die Vertragsstaaten ihre Zusammenarbeit verstärken und sich gegenseitig insbesondere über Maßnahmen auf ihren Territorium, die auf den Schutz des Rheins gerichtet sind, informieren müssen. Schließlich sieht das Abkommen in Art. 6 und 7 eine verstärkte Zusammenarbeit der Vertragsparteinen in der bereits seit 1950 bestehenden Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins gegen Verunreinigung (IKSR) vor. Insgesamt ist die Rheinschutzkonvention stark am inhaltlich sogar noch über das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe hinausgehenden Ökosystemansatz orientiert und beinhaltet ein beispielhaftes Kooperationsregime; Vertragsstaat Frankreich hatte sich bei der Abstimmung in der VN-Generalversammlung über die VN-Konvention ausdrücklich der Stimme enthalten und bei den Abstimmungen in der Working Group über die Konvention als Ganzes und die Art. 5, 6 und 7 sogar mit Nein gestimmt.

3. Ausgewählte die VN-Konvention inhaltlich antizipierende Verträge Diejenigen Verträge, die zwar vor Annahme der VN-Konvention entworfen und abgeschlossen wurden, sich aber an den draft articles der ILC von 1993 orientieren oder diese sogar wörtlich in dem Bewusstsein ihrer Parteien übernehmen, dazu rechtlich verpflichtet zu sein, bilden dogmatisch zunächst die Grundlage für eine vor Annahme der Konvention in ihrer Entstehung befindliche völkergewohnheitsrechtlichen Regel. Die Tatsache, dass die Abstimmung in der VN-Generalversammlung zu keiner „Kristallisation“ dieser Regel geführt hat, bedeutet aber nicht, dass die bereits vor der Abstimmung bestehende Staatenpraxis und opinio juris nicht darüber hinaus auch zum nachfolgenden Erstarken der Konvention zu Völkergewohnheitsrecht beitragen kann. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass wenn auch der endgültige Text und damit der genaue Inhalt des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe noch ganz am Ende der Arbeit der Working Group geändert wurde,282 die VN-Konvention einen Gutteil der draft articles von 1993 wörtlich übernommen hat. Insofern kann die sich an ihnen orien282 Vgl. hinsichtlich Art. 5 VN-Konvention insbesondere die Aufnahme des Ziels der nachhaltigen Nutzung neben dem der optimalen Nutzung und den Verweis auf die Pflicht zur Berücksichtigung der Interessen der Anrainerstaaten.

VI. Erstarken aufgrund nachfolgender Staatenpraxis und opinio juris

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tierende Staatenpraxis in den Jahren vor Annahme der VN-Konvention jedenfalls in der Weise berücksichtigt werden, als sie dokumentiert, dass die Staaten die draft articles in den Punkten als geltendes Völkergewohnheitsrecht akzeptierten, in denen jene mit dem endgültigen Text der VN-Konvention übereinstimmen. 283

a) Mittlerer Osten Beispiele für zwischen der Verabschiedung der draft articles und der Annahme der VN-Konvention in der Generalversammlung geschlossene Übereinkommen sind der Treaty of Peace between the State of Israel and the Hashemite Kingdom of Jordan vom 26. 10. 1994284 und das Israel-Palestinian Interim Agreement (Agreed Version) vom 28. 9. 1995.285 Das von den Parteien geteilte Jordan-Yarmuk-Flusssystem zeichnet sich durch eine sehr geringe Wassermenge aus, dessen Management insbesondere durch die komplizierte allgemeine politische Lage, ein ausgesprochenes ökologisches Ungleichgewicht und machtpolitische Assymetrie der Anrainer erschwert wird.286 Israel hat nur bei der Packetabstimmung der Working Group zu Art. 5, 6 und 7 mit Ja gestimmt, sich sonst aber der Stimme enthalten; Jordanien votierte dagegen durchweg mit Ja.287 283 Vgl. außer den im Folgenden besprochenen Abkommen etwa auch den Treaty concerning the Integrated Development of the Mahakali River vom 12. 2. 1997 zwischen Indien und Nepal (Text in: ILM 36 (1997), S. 531; in Kraft getreten am 1. 7. 1997), das Übereinkommen über Schutz und Nutzung grenzüberschreitender Gewässer vom 29. 4. 1994 zwischen China und der Mongolei (Text in englischer Übersetzung verfügbar unter: http: / / www.internationalwaterlaw.org, letztmalig besucht am 31. 1. 2008; in Kraft getreten am 16. 1. 1995) und das Agreement between Nigeria and Niger concerning the equitable sharing in the development, conservation and use of their common water resources vom 18. 7. 1990 (Text in englischer Übersetzung verfügbar unter http: / / www.fao.org / docrep / W7414B / w7414b10.htm, letztmalig besucht am 31. 1. 2008). 284 Text in: ILM 34 (1995), S. 43; in Kraft getreten am 10. 11. 1994. Vgl. dazu Kliot, Building a legal regime for the Jordan-Yarmuk River system: lessons from other international rivers, 1995, S. 187 ff. 285 Text in: ILM 36 (1997), S. 551; in Kraft getreten mit Unterzeichnung. 286 Zu den beiden weiteren Anrainern Libanon und Syrien bestehen keine vertraglichen Verbindungen. Aus der umfangreichen Literatur zu den hydrographischen und hydropolitischen Bedingungen im Jordan-Yarmuk-Becken sei hier verwiesen auf Daibes (Hrsg.), Water in Palestine, 2003, S. 5 ff.; Trottier, Hydropolitics in the West Bank and Gaza Strip, 1999, S. 1 ff.; Donkers, Fresh water as a source of international conflicts: the water conflict between Israel, Jordan and the Palestinians, 1997, S. 135 ff.; Trolldalen, NRF 21 (1997), S. 101 ff.; Johannsen, Das Konfliktkonglomerat im Jordanbecken, 1997, S. 55 ff.; Libiszewski, Wasserkonflikte im Jordan-Becken: Auf dem Weg zu einer Lösung im Rahmen des arabisch-israelischen Friedensprozesses?, 1997, S. 95 ff.; Renger, Hindernisse und Perspektiven für die wasserpolitische Kooperation der Anrainer des Jordanbeckens, 1997, S. 134 ff.; Anderson, Water resources in the Middle East: boundaries and potential legal problems, using Jordan as a case study, 1995, S. 203 ff.; Wolf, Hydropolitics along the Jordan River: scarce water and its impact on the Arab-Israeli conflict, 1995, S. 1 ff.; Fox, The politics of water scarcity in the Euphrates and Jordan river basins, 1993, S. 89 ff.

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

aa) Israelisch-jordanischer Friedensvertrag vom 26. 10. 1994 Der israelisch-jordanische Friedensvertrag enthält in Art. 6 und seinem Annex II wasserrelevante Vorschriften. So schreibt Art. 6 Abs. 2 vor, dass die Parteien, eingedenk der Notwendigkeit einer praktikablen, gerechten und einvernehmlichen Lösung ihrer Wasserprobleme und mit Blick darauf, dass das Wasserthema eine Grundlage für die weitere Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen ihnen bilden kann, gemeinsam handeln, um sicher zu stellen, dass die Bewirtschaftung und Entwicklung ihrer Wasserressourcen in keiner Weise die Wasserressourcen der anderen Partei schädigt. Darauf aufbauend enthält Annex II des Vertrages detaillierte Vorgaben hinsichtlich der Wasseraufteilung und –speicherung, der Qualität und des Schutzes, des Grundwassers, der Notifizierung künstlicher Eingriffe in den Wasserlauf und einer verstärkten Kooperation, zu deren Implementierung die Einrichtung eines Joint Water Committee vorgesehen ist. Dabei werden vom Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe insbesondere die abstrakte Gleichheit der Nutzungen, der dem Abwägungsprozess inhärente Datenund Informationsaustausch, die Berücksichtigung der Interessen der Anrainerstaaten und der Schutz des Wasserlaufs sowie die Notifizierung möglicher negativer Auswirkungen umgesetzt. Die Einrichtung eines gemeinsamen Wasserausschusses geht sogar über die Vorgaben der VN-Konvention hinaus. Der israelisch-jordanische Friedensvertrag nimmt wesentliche Elemente des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe, wie es sich in der VN-Konvention präsentiert, vorweg.288 Angesichts der zeitlichen Nähe zwischen Vorlage der draft articles und Abschluss des Friedensvertrages kaum überraschend, ist die praktische Würdigung der Arbeit der ILC durch die zahlreichen inhaltlichen Parallelen zwischen den Texten doch bemerkenswert.

bb) Israel-Palestinian Interim Agreement vom 28. 9. 1995 Das auch als „Oslo II“ bezeichnete vorläufige israelisch-palästinensische Übereinkommen vom 28. 9. 1995 widmet Art. 40 seines Annex III dem Thema „Wasser und Abwasser“. Während Abs. 3 der Vorschrift Grundsätze für die Koordination der Bewirtschaftung der Wasserressourcen im Westjordanland aufstellt und dabei das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in der in der VN-Konvention gefundenen Form in wesentlichen Elementen wie dem im Ergebnis flexiblen Abwägungsprozess mit dem Ziel einer nachhaltigen Nutzung, der no harm-rule und einer koordinierten Wasserentwicklung übernimmt, manifestiert 287 Die palästinensische Seite hat im Rahmen der VN kein Stimmrecht, 1974 wurde jedoch der PLO (A / Res / 3237 vom 22. 11. 1974) bzw. 1988 „Palästina“ (A / Res / 43 / 177 vom 15. 12. 1988) ein Beobachterstatus eingeräumt. 288 Vgl. dazu auch die ausführliche Untersuchung bei Shmueli / Shamir, Water Policy 3 (2001), S. 405 ff. Siehe auch McCaffrey, Middle East water problems: the Jordan River, 1997, S. 158 ff.; Wouters, Nat. Res. J. 36 (1996), S. 417, 433 f.

VI. Erstarken aufgrund nachfolgender Staatenpraxis und opinio juris

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sich in den Abs. 6 ff. die abstrakte Gleichheit der Wassernutzungen. Art. 40 Abs. 11 ff. legen die Aufgaben eines einzurichtenden gemeinsamen Wasserausschusses einschließlich der koordinierten Bewirtschaftung, dem Schutz der Wasserressourcen, dem Austausch von Informationen und der Schlichtung von Streitigkeiten fest. Darüber hinaus normiert Art. 40 Abs. 20 i.V.m. den schedules 8 bis 10 des Annex III des Abkommens die Felder verstärkter gegenseitiger Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Wassers und Abwassers etwa bei der Förderung und Entwicklung gemeinsamer wasserbezogener Projekte, bei Notfällen und beim Austausch wasserrelevanter Daten. Art. 40 Abs. 21 ff. gehen schließlich eingehend auf den Schutz der Wasserressourcen ein. Auch wenn „Oslo II“ das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe nicht explizit erwähnt, orientiert es sich inhaltlich doch deutlich an den draft articles und übernimmt implizit wesentliche Züge der dortigen Vorgaben.289 Dies entspricht den Vorgaben aus der Declaration of Principles on Interim Self-Government Arrangements vom 13. 9. 1993,290 die ausdrücklich auf die angemessene Nutzung gemeinsamer Wasserressourcen Bezug nimmt.291 Diese Unterstützung der Arbeiten der ILC durch die offiziellen Akteure einer wasserpolitisch so bedeutsamen Region wie dem Mittleren Osten ist für die Bewertung der Staatenpraxis von großem Interesse.

b) Vereinbarung über die Zusammenarbeit bei der nachhaltigen Entwicklung des Mekong-Beckens und Protokoll über die Errichtung der Mekong-Kommission vom 5. 4. 1995 Hinsichtlich ihrer Übereinstimmung mit den draft articles sind auch die Vereinbarung über die Zusammenarbeit bei der nachhaltigen Entwicklung des MekongBeckens vom 5. 4. 1995 und das dazugehörende Protokoll über die Errichtung der Mekong-Kommission vom selben Tage292 zwischen vier der insgesamt sechs Anrainer von Interesse.293 Der ca. 4000 km lange Mekong ist einer der unberührtesten 289 Siehe ausführlich Shmueli / Shamir, Water Policy 3 (2001), S. 405 ff. Vgl. auch Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 166. 290 Text in: ILM 32 (1993), S. 1525. 291 Annex III der Erklärung lautet: „The two sides agree to establish an Israeli-Palestinian continuing Committee for Economic Cooperation, focusing, among other things, on the following: 1. Cooperation in the field of water, including a Water Development Program prepared by experts from both sides, which will also specify the mode of cooperation in the management of water resources in the West Bank and Gaza Strip, and will include proposals for studies and plans on water rights of each party, as well as on the equitable utilization of joint water resources for implementation in and beyond the interim period. [ . . . ]“. 292 Text in: ILM 34 (1995), S. 864; in Kraft getreten mit Unterzeichnung. 293 Kambodscha, Laos, Thailand, Vietnam; China und Myanmar sind keine Vertragsstaaten. Vgl. allgemein zum Mekong-Vertrag: http: / / www.mrcmekong.org, letztmalig besucht

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

großen Flüsse der Welt mit bisher nur relativ wenigen Eingriffen in die Umwelt wie Großstädten, Industriezentren oder sonstigen baulichen Veränderungen; größte Herausforderung für das Management des Mekong sind vor allem die groß angelegten Staudammprojekte in China und Laos und die ausgesprochen hohe hydrologische, soziale und ökologische Sensibilität des Flusses und seiner Zubringer im Allgemein und des Tonle Sap Sees und des Mekong Deltas im Besonderen.294 In Art. 1 des Mekong-Vertrages kommen die Parteien überein, in allen Bereichen der nachhaltigen Entwicklung, Benutzung, Bewirtschaftung und Erhaltung der Wasserressourcen des Mekong-Beckens zusammenzuarbeiten, um den gegenseitigen Nutzen aller Anliegerstaaten zu optimieren und die schädlichen Folgen natürlicher Ereignisse und menschlicher Einwirkungen zu minimieren. Die Parteien fördern die Entwicklung des gesamten Potentials nachhaltiger Nutzung für alle Anliegerstaaten und die Verhütung der Wasserverschmutzung des MekongBeckens durch Aufstellung eines Entwicklungsplans und arbeiten zu diesem Zweck zusammen (Art. 2). In Art. 3 vereinbaren die Parteien einen sehr umfangreichen Schutz der gesamten Umwelt im Mekong-Becken.295 Art. 4 verpflichtet die Anrainer, auf der Grundlage der souveränen Gleichheit und der territorialen Integrität bei der Nutzung und beim Schutz des Mekongbeckens zusammenzuarbeiten. Das Prinzip der angemessenen Nutzung findet wörtliche Aufnahme in Art. 5.296 Die gegenseitigen Verhaltenspflichten der Staaten werden in Art. 6 näher spezifiziert. Art. 7 und 8 normieren die no harm-rule und mögliche Folgen einer eingetretenen Schädigung. Art. 9 bezieht sich auf die Freiheit der Schifffahrt und Art. 10 auf Notfallsituationen. Art. 11 bis 33 regeln eingehend die Einsetzung einer Mekong-Becken-Kommission bestehend aus einem Rat (zusammengesetzt aus jeweils einem höchsten Regierungsvertreter der Vertragsstaaten), einem Gemeinsamen Ausschuss und einem Sekretariat. Art. 34 und 35 schließlich betreffen die Schlichtung von Streitigkeiten. Insgesamt nimmt das Mekong-Abkommen von 1995 viele Aspekte des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe, wie es sich in der VNKonvention findet, vorweg.297 Die Präambel des Übereinkommens erklärt im am 31. 1. 2008. Zum historischen Hintergrund Ferret, Le regime juridique du Mekong, 1981, S. 75 ff. 294 Ausführlich zu den hydrologischen Bedingungen des Mekongs Wolf, Transboundary Waters: sharing benefits, lessens learned, 2001, S. 24 ff.; Nguyen, The Mekong River and the struggle for Indochina, 1999, S. 3 ff.; Jacobs, NRF 20 (1996), S. 175 ff.; Chomchai, Management of transboundary water resources: a case study of the Mekong, 1995, S. 245 ff. 295 Vgl. dazu auch Brunnée / Toope, AJIL 91 (1997), S. 26, 52. 296 „[ . . . ] To utilize the waters of the Mekong River system in a reasonable and equitable manner in their respective territories, pursuant to all relevant factors and circumstances [ . . . ]“. 297 So auch Sands, Principles of international environmental law, 2003, S. 491; Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 314 f.; McCaffey / Sinjela, AJIL 92 (1998), S. 97, 106; Tanzi, NRF 21 (1997), S. 109, 117; ders. / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 113. Siehe aber aber auch etwa die von privater Seite initiierte 1999 Mekong

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8. Abs. ausdrücklich die im Vertrag beinhalteten Ziele, Prinzipien, den institutionellen Rahmen und die weiteren Vorschriften als mit Völkerrecht im Einklang stehend. Aufgrund der Formulierung in Art. 5 S. 1 des Übereinkommens, bei der es sich teilweise um ein Zitat aus Art. 6 der draft articles handelt, kann davon ausgegangen werden, dass mit dieser Formulierung die Faktoren des Art. 6 der draft articles bzw. der VN-Konvention mit in den Vertrag einbezogen werden sollten.298 Erwähnenswert ist insbesondere auch die allmähliche Annäherung der beiden oberen Anliegerstaaten China und Myanmar an das Mekong-Regime; beide waren als Beobachter bei den Verhandlungen zur Mekong River Commission zugelassen und behalten die Arbeit der Kommission sehr genau im Auge. China kooperiert auch formell mit der Mekong River Commission.299

c) Treaty on Sharing of the Ganges Waters at Ferakka vom 12. 12. 1996 Auch der Treaty on Sharing of the Ganges Waters at Ferakka vom 12. 12. 1996300 zwischen Bangladesch und Indien lehnt sich an die draft articles der ILC an. Das Einzugsgebiet des Ganges erstreckt sich über China, Nepal, Indien und Bangladesch; circa 15 km unterhalb von Ferakka beginnt der Fluss die Grenze zwischen Indien und Bangladesch zu bilden, um dann nach weiteren etwa 90 km ganz auf bangladeschisches Territorium zu fließen.301 Die Präambel des Vertrages bezieht sich auf das Konzept der „optimalen Nutzung“ und äußert das Verlangen der Vertragsparteien, eine „faire und gerechte“ Lösung zu finden, eine Formulierung, die stark an die Wendung „angemessen und River Declaration safeguarding the Mekong River, Her Delta, and Her People vom 8. 5. 1999 (Text verfügbar unter: http: / / www.internationalwaterlaw.org, letztmalig besucht am 31. 1. 2008), die in Abs. 8 eine noch engere Anlehnung des Abkommens an die VN-Konvention fordert. Hinsichtlich weiterer kritischer Stimmen zum Mekong-Übereinkommen siehe auch Brunnée / Toope, AJIL 91 (1997), S. 26, 52 mit entsprechenden Nachweisen. 298 Dies wird um so deutlicher, als es sich bei den weiter zu berücksichtigenden Rules of Water Utilization and Interbasin Diversion um Regeln handelt, die nach Art. 26 des Übereinkommens vom Gemeinsamen Ausschuss auszuarbeiten sind, vgl. Reimann, Süßwasserressourcen, 1999, S. 348. 299 Burchi, YBIEL 13 (2002), S. 271, 273 f. mit Beispielen dieser formalisierten Zusammenarbeit. 300 Text in: ILM 36 (1997), S. 519; mit Unterzeichnung in Kraft getreten. Vgl. ausführlich zum politischen Hintergrund des Vertrages Tanzeema / Faisal, Water Policy 3 (2001), S. 13, 19 ff.; Nishat, A. / Pasha, M.F.K., A review of the Ganges Treaty of 1996, 2001, S. 1 ff. Siehe auch Islam, The regime of international watercourses: the case of the Ganges from an Asian perspective, 1997, S. 321 ff. 301 Asafuddowlah, Sharing of transboundary rivers: the Ganges tragedy, 1995, S. 209 ff. Vgl. auch GRDC (Hrsg.), Hydrological regimes of the 20 largest rivers in the world, 1994, S. 45 ff. Siehe zum hydropolitischen Hintergrund des Abkommens Elhance, Hydropolitics in the Third World, 1999, S. 155 ff.

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vernünftig“ der VN-Konvention erinnert. Hauptziel des Vertrages ist es gem. Art. I, die Wassermenge, die von Indien am Ferakka-Staudamm nach Banglasesch freigegeben wird, für einen Zeitraum von 30 Jahren zu bestimmen. Nach Art. III soll sie unterhalb von Ferakka bis zur Grenze von Bangladesch nicht weiter reduziert werden, es sei denn zum Zweck eines „reasonable use“ und in konkret begrenztem Umfang. Der Vertrag setzt ein gemeinsames Komitee mit der Aufgabe ein, Daten über die Wassermenge zu liefern und einen jährlichen Bericht zu erstellen. Der Vertrag sieht die Anwendung der Grundsätze „equity, fair play and no harm“ für Notfallsituationen (Art. II iii), zukünftige Vertragsanpassungen (Art. X) und den Abschluss weiterer Verträge über andere Flüsse (Art. IX) vor und steht damit den Formulierungen der draft articles nah. Dies ist insbesondere bemerkenswert, da der Vertragsstaat Indien sich in den Abstimmungen in der VN-Generalversammlung und der Working Group zur VN-Konvention der Stimme enthielt. d) Implementierungsabkommen des ECE-Übereinkommens von Helsinki zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen vom 17. 3. 1992 Darüber hinaus gibt es auch eine Reihe von Abkommen, die das Helsinki-Übereinkommen von 1992 noch vor Verabschiedung der VN-Konvention implementierten, gleichwohl aber starke inhaltliche Überschneidungen mit den draft articles bzw. der VN-Konvention aufweisen. Wenn auch angesichts der ausdrücklichen Umsetzungsverpflichtung aus dem Helsinki-Übereinkommen der Nachweis eines Bewusstseins der Vertragsstaaten, zum Abschluss dieser Verträge durch Völkergewohnheitsrecht verpflichtet zu sein, zumindest problematisch ist, bleibt die inhaltliche Übereinstimmung doch bemerkenswert.302 Ein Beispiel sind die Übereinkommen zum Schutz der Flüsse Maas und Schelde vom 26. 4. 1994.303 Vertragsparteien sind Frankreich, die Niederlande und die drei belgischen Regionen Wallonien, Flandern und Brüssel. Die Abkommen erwähnen zwar das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe nicht explizit, setzen es aber indirekt durch die Verfolgung von Umweltschutzzielen mit Hilfe eines stark ökologisch geprägten und auf eine intensive internationale Zusammenarbeit angelegten Ansatzes um.304 Insofern ist insbesondere die Teilnahme 302 Vgl. außer den im Folgenden besprochenen Implementierungsabkommen etwa auch den Vertrag über die Internationale Kommission zum Schutz der Oder vor Verunreinigung vom 11. 4. 1996 (Text in: BGBl. 1997 II, 1708, in Kraft getreten am 28. 4. 1999). 303 Text in: ILM 34 (1995), S. 854 ff., 859 ff.; in Kraft getreten am 1. 1. 1998. Eingehend zum Regime der Maas Bouman, RECIEL 5 (1996), S. 161 ff. Vgl. zu den Abkommen zum Schutz der Maas und Schelde auch Rothenberger, Angemessene Nutzung, 2003, S. 95, 194; Rieu-Clarke, Water International 25 (2000), S. 572, 577 f. Siehe zu den hydrologischen Bedingungen Hiusman / de Jong / Wieriks, Water Policy 2 (2000), S. 83 ff. 304 Rothenberger, Angemessene Nutzung, 2003, S. 97, 194; Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 315 f.

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Frankreichs bemerkenswert, das sich bei der Abstimmung in der VN-Generalversammlung zur VN-Konvention seiner Stimme enthalten hatte. Auch das Übereinkommen über die Zusammenarbeit zum Schutz und zur verträglichen Nutzung der Donau vom 29.6 1994305 trägt entscheidende Züge der draft articles bzw. der VN-Konvention. Das Einzugsgebiet der Donau ist mit 18 Anrainern das staatenreichste der Erde.306 Auch wenn sich das Abkommen ausdrücklich an das Helsinki-Übereinkommen von 1992 anlehnt (Abs. 1 bis 3 der Präambel), übernimmt es dennoch implizit auch Züge der VN-Konvention und insbesondere des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung – hier als rationale, gerechte und beständige im Sinne von nachhaltige Nutzung angeführt – und Teilhabe,307 und dies, obwohl die Vertragsstaaten Bosnien und Herzegowina, Bulgarien und Moldau in der VN-Generalversammlung nicht für die VN-Konvention gestimmt hatten.

4. Ausgewähltes sonstiges staatliches Handeln Auch außerhalb von völkerrechtlichen Verträgen hat die VN-Konvention und das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in der dort gefundenen Form Niederschlag gefunden.

a) Nile Basin Initiative Das wichtigste Beispiel staatlichen Handelns unter dem Einfluss der Verabschiedung der VN-Konvention ist die Nile Basin Initiative (NBI) und die damit im Zusammenhang stehende gegenwärtige Entwicklung eines Kooperationsrahmens der Nilanrainer.308 Die Beziehungen der Anrainer hinsichtlich der Nutzung der Was305 Text in: BGBl. 1996 II, S. 875; in Kraft getreten am 22. 10. 1998. Vgl. die umfangreichen Informationen zum Donauschutzabkommen unter http: / / www.icpdr.org, letztmalig besucht am 31. 1. 2008. Siehe auch Rieu-Clarke, Water International 25 (2000), S. 572, 578. 306 Ausführlich zur Donau und ihrem völkerrechtlichen Regime Linnerooth-Bayer / Murcott, Nat. Res. J. 36 (1996), S. 521 ff. Vgl. auch Margesson, NRF 21 (1997), S. 23 ff.; Appelgren / Klohn, NRF 21 (1997), S. 91, 97 ff.; Beyerlin, Donau HdUR, 1994, Bd. I, Sp. 401 ff. 307 Rothenberger, Angemessene Nutzung, 2003, S. 95; Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 314 f. 308 Der Nil ist mit 6825 km der längste Fluss der Erde und hat ein 2.9 Millionen km2 großes Einzugsgebiet, das sich über zehn Staaten erstreckt und in dem ca. 280 Millionen Menschen leben. Die geographischen und klimatischen Gegebenheiten des Einzugsgebietes variieren stark und beinhalten tropischen Regenwald genauso wie Berge, Hochebenen und Wüsten. Ca. 85% des Nilwassers kommt aus dem äthiopischen Hochland. Andererseits bestehen Ägyptens Wasserressourcen zu 97% aus Nilwasser. Nur 2% des Nilwassers erreicht das Meer. Große Herausforderungen für das Management des Nils bestehen in der Wasserknappheit aufgrund der Bevölkerungsexplosion insbesondere in Ägypten und Äthiopien und steigender Bewässerung für die Lebensmittelproduktion, der großen Abhängigkeit Ägyptens

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serressourcen des Nils waren über lange Zeit von einem Gegeneinander und Konkurrenzdenken geprägt.309 Dieses Bild änderte sich durch eine Serie sich überlappender Wasserinitiativen wie TECCONILE (1992), der seit 1993 jährlich abgehaltenen Nile 2002 Conference und dem Nile River Basis Action Plan von 1995. Kurz nach Verabschiedung der VN-Konvention begann im November 1997 die Überarbeitung des Nile River Basis Action Plan, die 1999 in der Verabschiedung des Nile River Basin Strategic Action Plan und dem Start der NBI mündete, der mittlerweile alle zehn Anrainerstaaten angehören.310 Bereits das zeitliche Zusammenfallen der Entstehung der NBI mit der Verabschiedung der VN-Konvention indiziert deren Einfluss auf die Entwicklung der Zusammenarbeit der Nilanrainer. Und so überrascht es nicht, dass sich die Sprache der NBI im Allgemeinen eng an die der VN-Konvention anlegt.311 Die politischen Richtlinien der NBI stellen u. a. als Ziele auf, die Wasserressourcen des Nilbeckens auf nachhaltige und angemessenen Weise zu entwickeln, die effiziente Wasserbewirtschaftung und optimale Ressourcennutzung sicher zu stellen und die Zusammenarbeit der Anrainerstaaten zu gewährleisten.312 Anschließend entwickeln sie die gemeinsame Vision „to achieve sustainable socio-economic development through the equitable utilization of, and benefit from, the common Nile Basin water resources“,313 die in einem „gemeinsamen Visionsprogramm“ und weiteren „subsidiären Aktionsprogrammen“ umgesetzt wird. Die Programme werden ausdrücklich auf die Grundlage des Prinzips der angemessenen Nutzung, der no harm-rule und des Prinzips der Kooperation gestellt und Nutzen, Kosten und vom Wasser des Nils, das zum überwältigenden Teil aus anderen Staaten stammt und der steigenden Wasserverschmutzung. Ausführlich zu den Umständen der Wassernutzung des Nils Wiebe, Nat. Res. J. 41 (2001), S. 731 ff.; Varis, Water International 25 (2000), S. 624 ff.; Beschorner, Water and instability in the Middle East, 1992, S. 45 ff.; Waterbury, Hydropolitics of the Nile valley, 1979, S. 1 ff. Siehe auch Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 44. 309 Ausführlich zur Entwicklung des internationalen Wassermanagements des Nils Dagne / Mulugeta / Kaihara, CRIA 12 (1999), S. 226 ff.; Ule, Das Recht am Wasser, 1998, S. 47 ff., Dellapenna, The Nile as a legal and political structure, 1997, S. 121 ff.; Tamrat, Constrains and opportunities for basin-wide cooperation in the Nile: a legal perspective, 1995, S. 178; Caponera, Nat. Res. J. 33 (1993), S. 629, 650 ff. 310 Die NBI besteht aus Ägypten, Äthiopien, Burundi, Kenia, Demokratische Republik Kongo, Ruanda, Sudan, Tansania und Uganda. Eriträa ist der NBI bisher nicht formell beigetreten, nimmt an ihren Treffen aber als Beobachter teil. Ausführliche Informationen zur NBI finden sich unter: http: / / www.nilebasin.org, letztmalig besucht am 31. 1. 2008. Eingehend auch Whittington, Water Policy 6 (2004), S. 1 ff.; Brunnée / Toope, HarvardILJ 43 (2002), S. 105 ff. Siehe auch weitere Informationen unter http: / / www.worldbank.org / afr / nilebasin / , letztmalig besucht am 31. 1. 2008. 311 Vgl. dazu auch Brunnée / Toope, HarvardILJ 43 (2002), S. 105, 152; Boisson de Chazournes, Les ressources en eau et le droit international, 2002, S. 41. 312 Policy Guidelines for the Nile River Basin Strategic Action Program, Council of Ministers of Water Affairs of the Nile Basin States, Text verfügbar unter: http: / / www.nile basin.org, letztmalig besucht am 31. 1. 2008. 313 Ebd.

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Risiken „angemessen“ verteilt.314 Hauptforum für die Zusammenarbeit der Nilanrainer ist der Rat der Wasserminister (NILE-COM), der sich mindestens einmal im Jahr trifft. Dieser hat einen technischen Beratungsausschuss (Nile-TAC) als provisorischen institutionellen Mechanismus für die Koordination der gemeinsamen Aktivitäten eingerichtet, bis ein permanenter Rahmen der Zusammenarbeit gegebenenfalls auf Grundlage eines völkerrechtlichen Vertrages entwickelt wird.315 Unterstützt werden beide Gremien vom im September 1999 eingerichteten Ständigen Sekretariat (Nile SEC) in Entebbe (Uganda). Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip treffen sich die Nil-Staaten auch in kleineren Foren, dem Eastern Nile Sub-Basin Program (ENSAP) und Nile Equatorial Lakes Sub-Basin Program (NELSAP). Bei der Abstimmung in der VN-Generalversammlung über die VN-Konvention hatten sich die Mehrheit der Nilanrainer noch der Stimme enthalten oder gar nicht an der Abstimmung teilgenommen; 316 Burundi stimmte sogar gegen das Übereinkommen. Umso bemerkenswerter sind die inhaltlichen und sprachlichen Überschneidungen zwischen den NBI-Texten und der VN-Konvention. Gerade die Anrainer des Nils, des längsten Flusses der Erde mit einer Jahrtausende alten Wassernutzungstradition und seinem erheblichen Konfliktpotential, spielen für die Entwicklung des internationalen Wasserrechts eine herausragende Rolle. b) Europäische Wasserrahmenrichtlinie vom 23. 10. 2000 Eine weitere wichtige Referenz zum Stand der Staatenpraxis und opinio juris im internationalen Wasserrecht ist die Richtlinie 2000 / 60 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik.317 Ziel der Wasserrahmenrichtlinie ist gem. Art. 1 die Schaffung eines einheitlichen Ordnungsrahmens318 für den Schutz der Binnenoberflächengewässer, der Ebd. Die Verhandlungen im Rahmen der NBI über einen neuen, gemeinsamen Nilvertrag gestalten sich schwierig. Im August 2000 wurde immerhin ein erster Entwurf eines Kooperationsrahmens vorgelegt, der nun weiter überarbeitet wird. Eine zentrale Rolle bei den Verhandlungen um den vertraglichen Rahmens spielen insbesondere die Frage der Behandlung geplanter Maßnahmen und das Verhältnis bereits bestehender Abkommen zu dem zukünftigen Kooperationsrahmen, vgl. Brunnée / Toope, HarvardILJ 43 (2002), S. 105, 139. 316 Für die Konvention stimmten nur Kenia und Sudan, während sich Ägypten, Äthiopien, Ruanda und Tansania der Stimme enthielten. 317 ABl. L 327 vom 22. Dezember 2000, S. 1. Aus der umfassenden Literatur zur Wasserrahmenrichtlinie sei hier etwa verwiesen auf Breuer, ZfWR 44 (2005), S. 1 ff.; Kallis / Butler, Water Policy 3 (2001), S. 125 ff. m. w. N. Siehe zur Entstehungsgeschichte der europäischen Wasserrahmenrichtlinie Seidel, Gewässerschutz durch europäisches Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 159 ff. und Blöch, The European Community Water Framework Directive, 1998, S. 25 ff. 318 In den vorangegangenen 25 Jahren hatte sich eine ganze Reihe europäischer wasserbezogener Richtlinien und Verordnungen angesammelt, die häufig nicht kohärent waren und 314 315

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

Übergangsgewässer, der Küstengewässer und des Grundwassers zwecks Schutz und Verbesserung des Zustandes der aquatischen davon direkt abhängigen sonstigen Ökosysteme, Förderung einer nachhaltigen Wassernutzung, stärkeren Schutz und Verbesserung der aquatischen Umwelt, Reduzierung der Verschmutzung des Grundwassers und Minderung der Auswirkungen von Überschwemmungen und Dürren. Damit soll zu einer ausreichenden Versorgung mit Oberflächen- und Grundwasser guter Qualität, wie es für eine nachhaltige, ausgewogene und gerechte Wassernutzung319 erforderlich ist, zu einer wesentlichen Reduzierung der Grundwasserverschmutzung, zum Schutz der Hoheitsgewässer und Meeresgewässer und zur Verwirklichung der Ziele der einschlägigen internationalen Übereinkommen beigetragen werden. Die Wasserrahmenrichtlinie folgt dem Ökosystemansatz und macht das Einzugsgebiet320 zur entscheidenden Einheit des Wassermanagements: unabhängig von existierenden administrativen oder politischen Grenzen sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, spezifische Flussgebietseinheiten einzurichten (Art. 3); als Schlüssel für die Implementierung der Ziele der Richtlinie auf der Ebene der Einzugsgebiete dienen so genannte „Bewirtschaftungspläne für die Einzugsgebiete“ (Art. 13), die einen standardisierten Satz von Programmen und Maßnahmen enthalten. Dem Effizienzgebot wird durch das innovative Mittel der Deckung der Kosten der Wasserdienstleistungen entsprochen (Art. 9). Insgesamt spielt die Berücksichtigung ökologischer Belange eine zentrale Rolle. Die Wasserrahmenrichtlinie soll ausdrücklich einen Beitrag zur Erfüllung der Verpflichtungen der Gemeinschaft aufgrund internationaler Übereinkommen über den Schutz und die Bewirtschaftung von Gewässern leisten (Präambel (35), Art. 1 Spiegelstrich 4). Die Verwirklichung einschlägiger internationaler Abkommen zielt dabei explizit nicht nur auf die Implementierung des von der EG ratifizierten Helsinki-Übereinkommens von 1992, sondern sucht allgemein den Einklang mit den einschlägigen Übereinkommen des internationalen Wasserrechts. Die Wasserrahmenrichtlinie stellt inhaltlich weit höhere Anforderungen an die Anrainer internationaler Wasserläufe als die VN-Konvention; a majore ad minus kann die Verabschiedung der Wasserrahmenrichtlinie auch als ein Bekenntnis zu dem in der VN-Konvention kodifizierten Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe verstanden werden. Dies ist insbesondere hinsichtlich derjenigen EUMitgliedstaaten von Bedeutung, die bei der Verabschiedung der VN-Konvention durch die VN-Generalversammlung nicht mit Ja gestimmt hatten.321 sich zum Teil sogar widersprachen. Diese „erste Welle“ von wasserbezogenen Regelungen geht zum größten Teil in der Wasserrahmenrichtlinie auf, wobei allerdings bestimmte Übergangsfristen gelten (vgl. Art. 21 der Wasserrahmenrichtlinie). 319 In der engl. Fassung „sustainable, balanced and equitable water use“. 320 Art. 2 Nr. 13 definiert „Einzugsgebiet“ als „ein Gebiet, aus welchem über Ströme, Flüsse und möglicherweise Seen der gesamte Oberflächenabfluss an einer einzigen Flussmündung, einem Ästuar oder Delta ins Meer gelangt“. 321 Von den heute 27 EU-Mitgliedsstaaten hatten sich Frankreich (das bei den Abstimmungen zur Konvention als Ganzes und zu den Artikeln 5, 6 und 7 in der Working Group sogar

VI. Erstarken aufgrund nachfolgender Staatenpraxis und opinio juris

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Die Wasserrahmenrichtlinie hat nicht nur Bedeutung für die EU-Mitgliedsstaaten, sie strahlt auch über die EU-Grenzen hinaus. Zunächst sollen die Mitgliedsstaaten für eine geeignete Koordination mit den entsprechenden Nichtmitgliedstaaten Sorge tragen, wenn Einzugsgebiete über das Gebiet der Gemeinschaft hinausgehen, um die Ziele der Richtlinie in der gesamten Flussgebietseinheit zu erreichen (Präambel (35), Art. 3 (5) S. 1). In diesem Fall verpflichtet Art. 13 (3) die Mitgliedsstaaten, sich darum zu bemühen, dass ein einziger Bewirtschaftungsplan für die Einzugsgebiete erstellt wird.322 Sowohl die EU als auch ihre Mitgliedsstaaten sind also in ihrer Eigenschaft als Vertragsparteien von Abkommen über internationale Wasserressourcen dazu verpflichtet, den Zielen der Richtlinie zu folgen; insofern fungiert die Wasserrahmenrichtlinie als ein Bindeglied zwischen europäischem Gemeinschaftsrecht und Völkerrecht auf dem Gebiet grenzüberschreitender Wasserressourcen mit erheblichem Einfluss auf die Entwicklung internationaler Abkommen über Wasserressourcen zwischen Mitgliedstaaten und Nichtmitgliedstaaten. 323 Darüber hinaus ist die Tatsache, dass die Wasserrahmenrichtlinie auch als Bekenntnis zur VN-Konvention und des darin kodifizierten Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe verstanden werden kann, ebenso mit Blick auf Staaten von Interesse, die gegenwärtig noch nicht EU-Mitglied sind, aber eine Mitgliedsschaftsperspektive haben.324 Dies gilt in besonderem Maße für die Türkei.325 Sie ist Anrainer so wichtiger internationaler Wasserläufe wie Euphrat und Tigris,326 Asi bzw. Orontes327 und Nahr El Kebir328 und der wohl eifrigste noch mit Nein gestimmt hatte), Bulgarien und Spanien (beide Staaten hatten sich bei den Abstimmungen in der Working Group zur Konvention als Ganzes und zu den Artikeln 5, 6 und 7 ihrer Stimme enthalten) sowie Belgien bei der Abstimmung in der VN-Generalversammlung der Stimmen enthalten, wobei Belgien nach der Verabschiedung erklärte, mit Ja gestimmt haben zu wollen (entsprechend seinem Stimmverhalten in der Working Group, wo es sowohl hinsichtlich der Konvention als Ganzes als auch hinsichtlich der Artikel 5, 6 und 7 mit Ja gestimmt hatte); Bulgarien, Griechenland, die Slowakei und die Tschechische Republik hatte sich bei der Blockabstimmung der Working Group zu Art. 5, 6 und 7, Bulgarien, die Slowakei und Spanien bei der Abstimmung der Working Group über die Konvention als Ganzes der Stimme enthalten. 322 Die Richtlinie sieht ausdrücklich vor, dass die Mitgliedstaaten bereits auf der Grundlage internationaler Abkommen existierende Strukturen für die Koordination innerhalb einer Flussgebietseinheit nutzen können (Art. 3 (6)). 323 Salman, Water resources and international law, 2002, S. 97. 324 Voraussetzung für die Aufnahme in die EU ist die Übernahme des rechtlichen Besitzstandes. Dazu gehört auch die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. Gegenwärtig (Stand: 31. 1. 2008) haben die EJR Mazedonien, Kroatien und die Türkei einen offiziellen Kandidatenstatus, während Albanien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro und Serbien von der Europäischen Kommission als sog. „potentielle Bewerberländer“ geführt werden. Im weiteren Sinne haben jedoch alle europäischen Staaten, die die in Art. 6 Abs. 1 EUV genannten Grundsätze achten, eine Mitgliedschaftsperspektive, Art. 49 Unterabsatz 1 EUV. 325 Die Türkei ist seit 12. 12. 1999 Beitrittskandidat. Am 17. 12. 2004 entschied der Europäische Rat, Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aufzunehmen. 326 Das Einzugsgebiet des Euphrat und Tigris teilen sich Irak, Iran, Jordanien, Saudi-Arabien, Syrien und die Türkei. Der Euphrat misst 3000 km, der Tigris 1850 km. Zusammen

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

Widersacher der VN-Konvention. Bereits bei den Verhandlungen zur VN-Konvention spielte die Türkei eine führende Rolle in der Fraktion der Staaten, die das Abkommen verzögert oder verhindert sehen wollten und Formulierungen wünschten, die einen weiten Auslegungsspielraum erlaubten.329 Die Türkei stimmte in der Working Group und bei der Abstimmung in der VN-Generalversammlung jeweils mit Nein und erklärte seitdem mit Nachdruck, dass sie keine gewohnheitsrechtliche Normenbildung auf der Grundlage des Konventionstextes akzeptieren werde.330 Sie erhebt darüber hinaus bei internationalen Wasserkonferenzen regelmäßig Protest, wenn in den Dokumenten Bezug auf das VN-Übereinkommen genommen wird.331 Diese Zurückhaltung der Türkei hinsichtlich der VN-Konvention hat ihren Grund im Wesentlichen in der Sorge, dass einige Vorschriften des Übereinkommens ihren Spielraum in zukünftigen Verhandlungen über die Aufteilung und Bewirtschaftung insbesondere des Euphrats und Tigris möglicherweise einschränken könnten.332 haben sie ein 789000 km2 großes Einzugsgebiet. 90% des Euphratwassers und 40% des Tigriswassers stammen aus der Türkei (Syrien 10% zum Euphrat und 0% zum Tigris; Irak 0% zum Euphrat und 51% zum Tigris). Große Herausforderungen für das Management von Euphrat und Tigris bestehen in der Wasserknappheit in den unteren Anliegerstaaten und steigender Bewässerung insbesondere in der Türkei. Ausführlich zur wasserpolitischen und -rechtlichen Situation von Euphrat und Tigris Kibaroglu, Building a regime, 2002, S. 159 ff.; Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 343 ff.; Dulait / Thual, Le moyen-orient et l’eau, 2000, S. 33 ff.; Gülven, Die Türkei – eine Republik vor der größten Herausforderung ihrer Geschichte, 1997, S. 143 ff.; Chalabi / Majzoub, Turkey, the waters of the Euphrates and public international law, 1995, S. 189 ff.; Caponera, Austrian J. Publ. Intl. Law 45 (1993), S. 147 ff.; Fox, The politics of water scarcity in the Euphrates and Jordan river basins, 1993, S. 46 ff.; Beschorner, Water and instability in the Middle East, 1992, S. 27 ff.; Cohen, International law and the water politics of the Euphrates, N.Y.U. J. Int’l L. & P. 24 (1991), S. 503 ff. Siehe auch Salman, Water resources and international law, 2002, S. 114 f. 327 Anrainer sind außer der Türkei Libanon und Syrien, das Einzugsgebiet des Asi / Orontes beträgt 37900 km2, vgl. Naff / Madson (Hrsg.), Water in the middle east: conflict or cooperation?, 1984, S. 115 ff. 328 Anrainer sind Syrien und die Türkei. Das Nahr El Kebir-Einzugsgebiet umfasst 1500 km2. 329 Barandat / Mason / Ratsch, Jordan, Euphrat, Nil: Konflikt oder Kooperation?, 2001, S. 87. 330 World Water Council (Hrsg.), Turkey Country Report, 2003, S. 74 f. 331 Folgende Gründe gibt die Türkei für ihre Ablehnung der VN-Konvention an: „– As a frame work convention, the text should have set forth general principles. Instead, the Convention goes beyond the scope of a framework and establishes a compulsory mechanism for planned projects and dispute settlement. Such a practice has no basis in international law. The mechanism creates an obvious inequality between States. It is not appropriate for a framework convention to foresee and compulsory rules regarding settlement of disputes, a matter which should be left to the discretion of States concerned. – The Convention does not refer to the sovereignty of the watercourse States over the parts of international watercourses located in their territory. – The Convention should have established the primacy of equitable and reasonable utilization over the obligation not to cause ,significant harm‘. As Turkey has not signed the Convention, it will not be a legal instrument for Turkey.“ (World Water Council (Hrsg.), Turkey Country Report, 2003, S. 74 f.).

VI. Erstarken aufgrund nachfolgender Staatenpraxis und opinio juris

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Gegenwärtig muss diese ausdrückliche Ablehnung der VN-Konvention als eine der gewohnheitsrechtlichen Anerkennung klar entgegenlaufende Staatenpraxis und opinio juris seitens der Türkei bewertet werden, auch wenn die offizielle Ansicht der türkischen Regierung inhaltlich jedenfalls mit Teil II der VN-Konvention (General Principles) weitgehend übereinstimmt.333 Ein Wechsel in der Bewertung des diplomatischen Handelns der Türkei mit Blick auf die VN-Konvention könnte sich jedoch durch die Beitrittsperspektive der Türkei zur EU ergeben: um in die EU aufgenommen zu werden, müsste die Türkei den rechtlichen Besitzstand der EU inklusive der Wasserrahmenrichtlinie übernehmen und implementieren. Mit dem Verdichten der Beitrittsperspektive der Türkei insbesondere im Zuge fortschreitender Beitrittsverhandlungen wird deshalb eine Änderung des Standpunktes immer absehbarer.334 Bis dahin kann sich die Türkei zwar als so genannter persistent objector durch Protest der Bindung an neu entstandene gewohnheitsrechtliche Regeln entziehen, deren Entstehung als solche jedoch nicht aufhalten.335

5. Das Gabcíkovo-Nagymaros-Urteil Die zweifellos wichtigste gerichtliche Entscheidung336 im internationalen Wasserrecht seit Verabschiedung der VN-Konvention durch die VN-Generalversamm332

Lien, B.U. Int’l L. J. 16 (1998), S. 273, 298; McCaffrey / Sinjela, AJIL 92 (1998), S. 97,

105. 333 So erklärt das türkische Aussenministerium, das Generaldirektorium der staatlichen Wasserwerke und die Administration des südostanatolischen Projekts in dem vom World Water Council 2003 herausgegebenen Turkey Country Report auf S. 72: „Turkey’s policy regarding the use of transboundary rivers namely the Euphrates and the Tigris is based on the generally accepted principles. The following principles should be mentioned in this context: – water is a basic human need and right; each riparian state in a transboundary river has the sovereign right to make use of the water in its territory; – riparian states must make sure that their utilisation of such waters do not give ,significant harm‘ to others; – transboundary rivers should be used in an equitable, reasonable and optimum manner; – equitable use does not mean the equal distribution of waters of a transboundary river among riparian states.“ Siehe zu inhaltlichen Übereinstimmungen der offiziellen türkischen Haltung mit der VNKonvention auch Kibaroglu, Building a regime, 2002, S. 257 f. Vgl. zur offiziellen türkischen Haltung zum Prinzip der „optimalen Nutzung“ Tanzi / Arcari, United Nations Convention, 2001, S. 107. 334 Neben der europäischen Perspektive spricht auch die durch den Golfkrieg von 2003 veränderte geopolitische Lage für einen wasserpolitischen Kurswechsel der Türkei. Unter dem vorangegangenen Regime war der Irak als Unteranlieger von Euphrat und Tigris international isoliert und der Türkei in der Auseinandersetzung um die Nutzung der gemeinsamen Wasserressourcen politisch, wirtschaftlich, strategisch und militärisch unterlegen. Mit dem versuchten Aufbau eines neuen Irak erwächst der Türkei in diesem dagegen potentiel ein im Grundsatz gleichwertiger Verhandlungspartner, der zudem die USA als wichtigsten weltpolitischen Akteur und im Übrigen starken Unterstützer der VN-Konvention im Rücken weiß. 335 Vgl. ILA, Formation of customary law, 2000, S. 738 ff. Siehe auch IGH, Asylum Case, Reports 1950, S. 266 ff.; IGH, Fisheries Case, Reports 1951, S. 116 ff. und die Ausführungen supra Dritter Teil, VI. 1. a).

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

lung ist das Urteil des IGH vom 25. 9. 1997 im Fall betreffend des GabcíkovoNagymaros-Projekts.337 Der Fall betraf einen Streit über den Bau zweier Dämme an der Donau durch Ungarn und die Tschechoslowakei. Beide Staaten hatten sich 1977 vertraglich verpflichtet, die Dämme zu bauen und anschließend gemeinsam zu betreiben.338 Im Mai 1989 führte öffentlicher Druck dazu, dass Ungarn die Arbeiten an weiten Teilen des Projekts einstellte.339 Beide Staaten versuchten daraufhin das weitere Vorgehen in einem Vertrag zu regeln. Ungarn war der Meinung, dass die Dämme zu erheblichen Umweltschädigungen führten mit Auswirkungen auf die Wasserversorgung und die Artenvielfalt.340 Ohne dass man sich auf eine Lösung des Problems geeinigt hätte, entschied die Tschechoslowakei 1991, einseitig mit dem Bau eines Provisoriums fortzufahren, das in einem Damm auf tschechoslowakischem Staatsgebiet, aber auch in der Ableitung von 80% der gemeinsamen Wasserressourcen bestand. Dabei berief sie sich auf den Vertrag von 1977, der ihr in der Tat das Recht gab, Wasser zum Betrieb eines Dammes abzuleiten. Daraufhin kündigte Ungarn den Vertrag.341 Im Oktober 1992 staute die Tschechoslowakei die Donau und leitete über 80% ihres Wassers in einen Umleitungskanal auf slowakisches Territorium um.342 Im April 1993 einigte man sich insbesondere 336 Art. 38 I d des IGH-Statuts weist richterliche Entscheidungen als eine Rechtserkenntnisquelle für die Ermittlung des Völkerrechts im Allgemeinen und damit auch des Völkergewohnheitsrechts im Besonderen aus. Dabei können Entscheidungen sowohl nationaler wie internationaler Gerichte herangezogen werden (Herdegen, Völkerrecht, 2005, S. 153). Als Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen (Art. 92 S. 1 VNC) ist der IGH allerdings besonders geeignet, auf die Feststellung, Konkretisierung und Fortbildung des Völkerrechts Einfluss zu nehmen (Klein, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2004, S. 319). 337 IGH, Case concerning the Gabcíkovo-Nagymaros Project, Reports 1997, S. 7 ff. Ausführlich zu dem Urteil Sands, Principles of international environmental law, 2003, S. 469 ff.; ders., Watercourses, environment and the International Court of Justice: the Gabcíkovo-Nagymaros case, 1998, S. 103 ff.; Schwebel, The judgement of the International Court of Justice in the Case concerning the Gabcíkovo-Nagymaros Project (Hungary / Slovakia), 2003, S. 247 ff.; Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 225 ff.; McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 186 ff.; Higgins, Natural resources in the case law of the international court, 1999, S. 103 ff.; Lammers, LJIL 11 (1998), S. 287 ff.; Fitzmaurice, LJIL 11 (1998), S. 321 ff.; Klabbers, LJIL 11 (1998), S. 344 ff.; ders., YBIEL 8 (1997), S. 32 ff.; Lefeber, LJIL 11 (1998), S. 609 ff.; Boyle, YBIEL 8 (1997), S. 13 ff.; Canelas de Castro, YBIEL 8 (1997), S. 21 ff.; Bostian, ColoJIEL&P YB 1997 (1998), S. 186 ff.; Stec / Eckstein, YBIEL 8 (1997), S. 41 ff. Siehe auch Reszat, Gemeinsame Naturgüter, 2004, S. 266 f.; Birnie / Boyle, International law and the environment, 2002, S. 316 f.; Hey, FS Bouchez, 2000, S. 83 ff. 338 Tschechoslowakisch-ungarischer Vertrag über Bau und Betrieb des Gabcíkovo-Nagymaros-Damm-Systems (Text in: ILM 32 (1993), S. 1247). 339 Liska, Development of the Slovak-Hungarian section of the Danube, 1995, S. 178. 340 Eingehend zum ungarischen Standpunkt etwa Nagy, RECIEL 5 (1996), S. 138 ff. 341 Die Kündigungserklärung (in engl. Übersetzung) ist abgedruckt in Kiss, Legal procedure applicable to interstate conflicts on water scarcity: the Gabcíkovo case, 1997, S. 76 ff. 342 Die Situation wurde dadurch noch weiter kompliziert, dass sich die Tschochoslowakei zum 1. Januar 1993 in zwei Staaten aufteilte, die sich darauf verständigten, dass die Slowakei den tschechoslowakischen Anteil an dem Projekt übernehmen sollte.

VI. Erstarken aufgrund nachfolgender Staatenpraxis und opinio juris

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unter dem Druck der Europäischen Kommission darauf, das Problem dem IGH zur Entscheidung vorzulegen. Der IGH entschied zunächst, dass Ungarn nicht berechtigt gewesen war, die Arbeiten 1989 an dem Projekt auf der Grundlage seiner umweltpolitischen Argumentation einzustellen. Weiterhin erklärte das Gericht, dass die Tschechoslowakei und ab 1993 die Slowakei kein Recht gehabt hatten, das Donauwasser ohne Einwilligung von Ungarn einseitig abzuleiten. Schließlich urteilte das Gericht, dass Ungarn nicht das Recht gehabt habe, den Vertrag von 1977 im Mai 1992 zu kündigen und dieser deshalb weiter in Kraft sei. Mit Blick auf die Zukunft verwies das Gericht die Parteien darauf, in Verhandlungen zu treten, um eine Lösung zu finden, die sowohl dem Vertrag von 1977 als auch den Normen des internationalen Umweltrechts und den Prinzipien des internationalen Wasserrechts gerecht würde. Der IGH nahm in seiner Entscheidung ausdrücklich Bezug auf die VN-Konvention als eine autoritative Darstellung des internationalen Wasserrechts.343 Dabei ist besonders bemerkenswert, dass die VN-Konvention erst wenige Monate zuvor von der VN-Generalversammlung angenommen worden war und zu diesem Zeitpunkt weder von Ungarn noch von der Slowakei unterzeichnet noch von irgendeinem Staat ratifiziert worden war, das Gericht aber trotzdem nicht etwa das von beiden Staaten unterzeichnete und kurz vor dem Inkrafttreten stehende Übereinkommen über die Zusammenarbeit zum Schutz und zur verträglichen Nutzung der Donau vom 29. 6. 1994 heranzog. Aus dem Urteil wird auch deutlich, dass das Gericht das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe als einen das internationale Wasserrecht beherrschenden Grundsatz ansieht.344 So führte das Gericht mit Blick auf die Kündigung des Vertrages von 1977 durch Ungarn aus: „The suspension and withdrawal of that consent constituted a violation of Hungary’s legal obligations [ . . . ]; but it cannot mean that Hungary forfeited its basic legal right to an equitable and reasonable sharing of the resources of an international watercourse.“345

Weiter erklärte der IGH hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der einseitigen Fortführung des Projekts durch die Tschechoslowakei: 343 Vgl. dazu das Vorwort der Berlin-Rules der ILA. Siehe auch Reszat, Gemeinsame Naturgüter, 2004, S. 266 f.; Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 233 f.; McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 193 f.; Wouters, GYIL 42 (1999), S. 293, 329; Sands, Watercourses, environment and the International Court of Justice: the GabcíkovoNagymaros case, 1998, S. 106; Tanzi, LJIL 11 (1998), S. 441, 442 f.; Salman / Boisson de Chazournes, International Watercourses: Enhancing cooperation and managing conflict, 1998, S. 167. 344 Vgl. Guruswamy, International environmental law, 2003, S. 446; Durner, Common goods, 2001, S. 92 f.; Elver, Peaceful uses of international rivers, 2002, S. 240 ff.; McCaffrey, The law of international watercourses, 2001, S. 192; Wouters, GYIL 42 (1999), S. 293, 393; Bourne, YBIEL 8 (1997), S. 6, 10. Siehe auch Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2004, S. 422. 345 IGH, Case concerning the Gabcíkovo-Nagymaros Project, Reports 1997, S. 7 ff., Rn. 78.

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

„In the view of the Court, an important consideration is that the effects of a countermeasure must be commensurate with the injury suffered, taking account of the rights in question. In 1929, the Permanent Court of International Justice, with regard to navigation on the River Oder, stated as follows: „[the] community of interest in a navigable river becomes the basis of a common legal right, the essential features of which are the perfect equality of all riparian States in the use of the whole course of the river and the exclusion of any preferential privilege of any one riparian State in relation to the others“ [ . . . ]. Modern development of international law has strengthened this principle for non-navigational uses of international watercourses as well, as evidenced by the adoption of the Convention of 21 May 1997 on the Law of the Non-Navigational Uses of International Watercourses by the United Nations General Assembly. The Court considers that Chechoslovakia, by unilaterally assuming control of a shared resource, and thereby depriving Hungary of its right to a equitable and reasonable share of the natural resources of the Danube – with the continuing effects of the diversion of these waters on the ecology of the riparian area of the Szigetköz – failed to respect the proportionality which is required by international law.“346

Im Rahmen seiner Ausführungen zur Verpflichtung der Parteien zur Aufnahme von Verhandlungen über eine den veränderten Umständen gerecht werdende Lösung zitierte der IGH sogar wörtlich aus der VN-Konvention: „Re-establishment of the joint régime will also reflect in an optimal way the concept of common utilisation of shared water resources for the achievement of the several objectives mentioned in the Treaty, in concordance with Article 5, paragraph 2, of the Convention on the Law of the Non-navigational uses of International Watercourses, according to which: „Watercourse States shall participate in the use, development and protection of an international watercourse in an equitable and reasonable manner. Such participation includes both the right to utilise the watercourse and the duty to co-operate in the protection and development thereof, as provided in the present Convention.“ [ . . . ]“347

Schließlich erklärte das Gericht hinsichtlich der Konsequenzen des Handelns beider Staaten: „In this case, the consequences of the wrongful acts of both parties will be wiped out „as far as possible“ if they resume their co-operation in the utilization of the shared water resources of the Danube, and if the multi-purpose programme, in the form of a co-ordinated single unit, for the use, development and protection of the watercourses is implemented in an equitable and reasonable manner. What it is possible for the parties to do is to re-establish co-operative administration of what remains of the Project.“348

Einzelne Richter wurden in ihren Sondervoten noch deutlicher. So erklärte Richter Herczegh: „Le point le plus important à cet égard est le partage équitable et raisonnable des eaux du Danube. L’arrêt de la Cour cite le paragraphe 2 de l’article 5 de la convention sur le droit 346 347 348

Ebd., Rn. 85. Ebd., Rn. 147. Ebd., Rn. 150.

VI. Erstarken aufgrund nachfolgender Staatenpraxis und opinio juris

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relatif aux utilisations des cours d’eau internationaux à des fins autres que la navigation [ . . . ] Ce principe, qui peut être considéré à juste titre comme exprimant une règle générale du droit international en vigueur, est pertinent pour le règlement du différend dans la présente affaire.“349

Auch Richter Skubiszewski äußerte sich zur Stellung der VN-Konvention und des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe zum Völkergewohnheitsrecht: „By saying that Hungary did not forfeit „its basis right to an equitable and reasonable sharing of the resources of an international watercourse“ the Court applies general law [ . . . ] The Court likewise applies general law [ . . . ] when, in particular, it refers to the concept of the „community of interest in an navigable river“, as explained by the Permanent Court in the case relating to the Territorial Jurisdiction of the International Commission of the River Oder [ . . . ] The canon of an equitable and reasonable utilization figures prominently in the recent United Nations Convention on the Law of the Non-Navigational Uses of International Watercourses, especially in its general principles (Arts. 5 – 10).“350

Richter Koroma schließlich erhob zwar Zweifel, ob das Prinzip der angemessenen Nutzung im vorliegenden Fall verletzt sei, erklärte es aber in der Form der VNKonvention zu geltendem Gewohnheitsrecht: „The implication of the Court’s finding that the principle of equitable utilization was violated by the diversion of the river is not free from doubt. That principle, which is now set out in the Convention on the Non-Navigational Uses of International Watercourses, is not new [ . . . I]t is acknowledged that the waters of rivers must not be used in such a way as to cause injury to other States and in the absence of any settled rules an equitable solution must be sought [ . . . However,] it would appear that the normal entitlement of the Parties to an equitable and reasonable share of the water of the Danube under general international law was duly modified by the 1977 Treaty [ . . . ] Moreover, the principle of equitable and reasonable utilization has to be applied with all relevant factors and circumstances pertaining to the international watercourse in question as well as to the needs and uses of the watercourse States concerned. Whether the use of the waters of a watercourse by a watercourse State is reasonable or equitable and therefore lawful must be determined in the light of all circumstances.“351

Im Gegensatz zu den Sondervoten vermeidet es das Urteil, das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in der Form der VN-Konvention insgesamt als bereits geltendes Völkerrecht zu bezeichnen, sondern spricht lediglich etwa von einer völkerrechtlichen „Stärkung“ des Prinzips der Interessengemeinschaft. Auffällig ist, dass sich das Urteil mit keinem Wort mit der „Kristallisations“-Problematik beschäftigt. Insgesamt hatte der IGH wohl eher ein allmähliches „Erstarken“ der Konvention zu Völkergewohnheitsrecht im Auge. Dafür spricht auch die Wortwahl des Gerichts („strengthened“). 349 350 351

Ebd., Herczegh, Dissenting Opinion. Ebd., Skubiszewski, Dissenting Opinion, Rn. 8. Ebd., Koroma, Separate Opinion.

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

6. Ausgewählte weitere internationale Instrumente Als weitere Rechtserkenntnisquelle, also Hilfsmittel zur Feststellung völkerrechtlicher Rechtsnormen, nennt das IGH-Statut in Art. 38 I d „die Lehrmeinungen der fähigsten Völkerrechtler der verschiedenen Nationen“.

a) International Law Association Die prominenteste auf dem Gebiet des internationalen Wasserrechts tätige Privatorganisation ist wohl die International Law Association (ILA). Auch nach der Verabschiedung der Helsinki Rules 1966 hat sich die ILA weiter intensiv mit dem internationalen Recht der Wasserressourcen beschäftigt.352 1999 bündelten sich diese Anstrengungen als Ergebnis des Treffens des Ausschusses zum Recht der Wasserressourcen in Campione d’Italia in einer ersten konsolidierten Version der ILA Rules, die 2000 auf der ILA-Konferenz in London vorgestellt wurden.353 Dort wurde der Ausschuss beauftragt, bis 2004 den Überarbeitungs- und Konsolidierungsprozess der gesamten ILA-Regeln hinsichtlich internationaler Wasserressourcen abzuschließen. Im August 2004 legte er der ILA unter dem Titel „The Berlin Rules on Water Resources“ eine komplett überarbeitete und modernisierte Version der Helsinki-Rules von 1966 vor.354 Wie die ILC mit der VN-Konvention hat auch die ILA mit den Berlin-Rules den Anspruch, Völkergewohnheitsrecht sowohl zu kodifizieren als auch fortzuentwickeln. Im Gegensatz zur VN-Konvention, die lediglich das Recht hinsichtlich der nicht-navigatorischen Nutzung internationaler Wasserläufe betrifft, haben die Berlin-Rules jedoch einen weiteren Anwendungsbereich und beziehen sich neben grenzüberschreitenden auch auf innerstaatliche Wasserressourcen (Art. 1 (1)). Obwohl die Berlin-Rules in ihrem Vorwort darauf hinweisen, dass es fraglich sei, ob die VN-Konvention das bestehende Recht immer korrekt wiedergebe, folgen sie hinsichtlich grenzüberschreitender Wasserressourcen im Allgemeinen der VN-Konvention und geben diese sogar nicht selten fast wörtlich wieder (vgl. etwa Art. 12 („equitable utilisation“) und Art. 13 („Determining an Equitable and Reasonable Use“). Mit Ausnahme des Vorrangs der Wassernutzung zur Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse, den die Berlin-Rules in Art. 14 normieren, stehen sie zum Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in der Form, die es in der VN-Konvention erhalten hat, jedenfalls nicht im Widerspruch, sondern enthalten einfach nur detailliertere Vorgaben für die Nutzung internationaler Wasserressourcen als die VN-Konvention. So beruft sich die ILA in praktisch jedem Kommentar zu den einzelnen Normen der Berlin-Rules auf die VN-Konvention. 352 Ausführlich dazu Bogdanovic ´ , ILA / International Water Law, 2001, S. 22 ff.; Bourne, Nat. Res. J. 36 (1996), S. 155 ff. Siehe auch Caflisch, AFDI 43 (1997), S. 751, 757 ff. 353 ILA, Report of the sixty-ninth conference held in London, London 2000, S. 833. 354 ILA, Report of the seventy-first conference held in Berlin, London 2004, S. 334.

VI. Erstarken aufgrund nachfolgender Staatenpraxis und opinio juris

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Das internationale Recht der Süßwasserressourcen ist eines der Gebiete, in denen die ILA höchste Reputation genießt. Die Verabschiedung der damals sehr modernen Helsinki-Rules von 1966 beeinflusst das internationale Wasserrecht bis heute. Die Berlin-Rules stehen in dieser Tradition, der die Fortentwicklung des Völkerrechts besonders wichtig ist; ihre zahlreichen Innovationen legen davon Zeugnis ab. In diesem Sinne sind sie keinen Satz von konkurrierenden Regeln, die die völkergewohnheitsrechtliche Akzeptanz der VN-Konvention in Frage stellen, sondern haben im Rahmen des so genannten standard setting in erster Linie appellativen Charakter, indem sie, ausgehend vom bestehenden und von der VN-Konvention geprägten Völkergewohnheitsrecht, die zukünftige Entwicklung des internationalen Wasserrechts im Sinne einer fortschreitenden Modernisierung aufzeigen.355 b) World Commission on Dams Eine weitere wichtige Referenz zum gegenwärtigen Stand des internationalen Wasserrechts ist die World Commission on Dams356 mit der Aufgabe, sich einen Überblick über die Entwicklungsauswirkungen großer Dämme zu machen, Alternativen für die Entwicklung des Zusammenspiels von Wasserressourcen und Energie zu bewerten und international akzeptierbare Kriterien, Richtlinien und Standards für die Planung, den Entwurf, die Evaluierung, den Bau, den Betrieb und die Überwachung von Dämmen zu entwickeln.357 Sie legte im November 2000 einen Bericht vor, in dem sie zu dem Schluss kam, dass Dämme zwar einen wichtigen und erheblichen Entwicklungsbeitrag geleistet hätten, wofür aber in vielen Fällen ein unakzeptabler und häufig unnötiger Preis insbesondere in sozialer und ökologischer Hinsicht bezahlt worden sei; eine Lösung der Frage nach dem geeigneten Umgang mit Dämmen müsse sich deshalb an den folgenden zentralen Werten orientieren: Angemessenheit, Effizienz, partizipatorische Entscheidungsfindung, Nachhaltigkeit und Verantwortlichkeit.358 355 Zu dem Umstand, dass die Berlin-Rules eher auf die Fortentwicklung als auf die Kodifikation des Völkerrechts zielen, vgl. die Dissenting Opinion von Bogdanovic, Bourne, Burchi und Wouters (Text verfügbar unter http: / / www.internationalwaterlaw.org / intldocs / ila_berlin_rules_dissent.html, letztmalig besucht am 31. 1. 2008). 356 Eingerichtet wurde die World Commission on Dams bestehend aus 12 Mitgliedern (3 Regierungsvertreter, 5 Vertreter von NGOs, 2 Industrievertreter und 2 Vertreter aus dem akademischen Leben, vgl. World Commission on Dams (Hrsg.), Dams and Development, 2000, Annex VII) im April 1997 auf einer von der World Conservation Union (ICCN) und der Weltbank organisierten Konferenz. Ausführlich zur World Commission on Dams Salman, Water resources and international law, 2002, S. 104 ff. 357 World Commission on Dams (Hrsg.), Dams and Development, 2000, S. 28; vgl. aber auch auf S. XXIX des Berichts: „The key decisions are not about dams as such, but about options for water and energy development. They relate directly to one of the greatest challeges facing the world in this new century – the need to rethink the management of freshwater resources.“ 358 Ebd., S. XXXIII.

250

3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

Mit Blick auf die VN-Konvention erklärte der Bericht: „International efforts to develop a universal framework for negotiations appear to have had limited effect and some countries refuse to respect what can generally be considered as a growing body of international opinion. The Commission views the principles of the UN Convention as an emerging body of customary law and considers that States will reduce the possibility of conflict if they are prepared to endorse and adhere to them.“359

Die Staaten sollten jede Anstrengung unternehmen, um die VN-Konvention zu ratifizieren und sie in Kraft zu setzen. Wo dies aber auf Widerstände stoße, könnten jedoch deren Schlüsselprinzipien, das Prinzip der angemessenen und vernünftige Nutzung („that promotes the optimal sustainable use of the river, taking into account the interests of other riparians“)360, die no harm-rule und das Prinzip der vorhergehenden Information als Rahmen für einen Dialog zwischen den Anliegern dienen. Der Bericht fügt aber hinzu: „The meaning of these terms is still evolving. Particularly, the application of the principle of ,no significant harm‘ will often conflict at a basic level with many applications of the principle of ,equitable and reasonable utilisation‘. These interactions have not fully been resolved legally or customarily [ . . . ]“.361

Die Kommission betrachtet die VN-Konvention also als im Werden befindliches Völkergewohnheitsrecht, dessen Entstehungsprozess aber noch nicht abgeschlossen ist.362

VII. Ergebnis In jahrzehntelangen Bemühungen von der ILC ausgearbeitet und von der VNGeneralversammlung mit überwältigender Mehrheit angenommen, liegt die Bedeutung der VN-Konvention als multilaterale Kodifikationskonvention bis zu ihrem Inkrafttreten in erster Linie in ihrer Wirkung auf das Völkergewohnheitsrecht. Das ihr zentrale Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe normiert die VN-Konvention als grundlegende Rechtsregel mit normenschaffendem Charakter. Allerdings gibt die VN-Konvention weder im Allgemeinen noch hinsichtlich des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe im Besonderen lediglich bereits bestehendes bzw. „selbst-evidentes“ Völkergewohnheitsrecht deklaratorisch wieder; dazu waren die Ansichten im Vorfeld der Kodifikation über die spezifischen Aspekte des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe zu unterschiedlich und die Diskussion über mögliche Alternati359 360 361 362

Ebd., S. 252. Ebd., S. 252. Ebd., S. 252. Vgl. dazu auch Salman, Water resources and international law, 2002, S. 107 ff.

VII. Ergebnis

251

ven zu lebhaft. Die Abstimmung der VN-Generalversammlung über die VN-Konvention hat auch nicht zu einer „Kristallisation“ des Inhalts der VN-Konvention und speziell des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe im Besonderen geführt. Zwar erfolgte die Verabschiedung mit überwältigender Mehrheit, dieser Konsens schloss aber nicht alle repräsentativen Staatengruppen mit ein: die große Mehrheit der nicht voll entwickelten Oberanlieger stimmten gegen die Konvention, enthielten sich der Stimme oder wurden als abwesend registriert. Dieses Stimmverhalten war in der Regel gerade auch in der Ablehnung der VN-Konvention als geltendes Völkerrecht begründet. Mangels ausreichender Ratifikationen ist die VN-Konvention und damit auch das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in der durch sie vorgegebenen Form auch nicht aus eigener Wirkung zu Völkergewohnheitsrecht erstarkt, zumal aus den bisherigen Ratifikationen keine Absicht ersichtlich wurde, nicht nur vertraglich, sondern auch völkergewohnheitsrechtlich gebunden zu sein. Ein Erstarken der VN-Konvention zu Völkergewohnheitsrecht aufgrund der nachfolgenden Staatenpraxis und opinio juris ist allerdings sehr wohl abzusehen. Dies ergibt sich insbesondere aus der Betrachtung der Vertragspraxis und des sonstigen diplomatischen Verhaltens der die VN-Konvention in der VN-Generalversammlung nicht unterstützenden Staaten. Burundi, das in der Abstimmung in der VN-Generalversammlung noch gegen die VN-Konvention stimmte, ist heute in der Nile Basin Initiative engagiert und eingebunden, die sich in ihren Erklärungen eindeutig an der VN-Konvention orientiert. Der chinesisch-kasachische Vertrag vom 12. 9. 2001 und die praktische Nähe zur Mekong River Commission sind klare Indizien für einen Wandel in der Einstellung Chinas, das auch mit Nein stimmte, gegenüber den inhaltlichen Vorgaben der VN-Konvention, des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe und seiner wesentlichen Aspekte. Auch das Verhältnis der Türkei, des Hauptwidersachers der VN-Konvention, zu diesem Abkommen wird angesichts ihrer sich nun konkretisierenden Beitrittsperspektive zur EU und den veränderten geopolitischen Umständen im Einzugsgebiet von Euphrat und Tigris in absehbarer Zukunft neu zu bewerten sein; bis dahin wird man nicht umhin kommen, die Türkei als persistent objector anzusehen. Auch viele weitere Staaten, die in der VN-Generalversammlung nicht für die VN-Konvention stimmten, orientieren sich nun doch in ihrem Handeln in der Regel mit dem Bewusstsein an dem Übereinkommen, dazu rechtlich verpflichtet zu sein. Dazu gehören wasserpolitisch so wichtige Staaten wie Ägypten, Äthiopien, Belgien, Bulgarien, Frankreich, Ruanda, Spanien, Tansania, Uganda, Usbekistan und Zimbabwe, aber auch Libanon und Swaziland. Auch das Gabcíkovo-NagymarosUrteil des IGH geht von einem allmählichen Erstarken der VN-Konvention und des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe zu Völkergewohnheitsrecht aus. Weitere internationale Instrumente wie die Arbeit der ILA und der World Commission on Dams weisen in dieselbe Richtung. Damit wird ein Erstarken der VN-Konvention und der dort gefundenen Form des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe für die ab-

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3. Teil: Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung

sehbare Zukunft vorhersehbar. Das bedeutet einerseits, dass die VN-Konvention ihrem Inhalt nach zwar gegenwärtig noch nicht zweifelsfrei als Völkergewohnheitsrecht betrachtet werden kann; angesichts der konkreten Absehbarkeit ihrer völkergewohnheitsrechtlichen Erstarkung muss sich jedoch andererseits schon heute jedes staatliche Handeln mit nicht nur kurzfristigsten Auswirkungen an den Vorgaben der VN-Konvention und dem von ihr als zentrale Norm des Rechts der internationalen Wasserläufe behandelten Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe orientieren.

Zusammenfassung Das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe steht im Mittelpunkt des internationalen Wasserrechts. In der Form, die es in der VN-Wasserlaufkonvention von 1997 gefunden hat, nimmt es die wesentlichen Rechte und Pflichten der Anrainerstaaten internationaler Wasserläufe in sich auf und wird damit zur völkerwasserrechtlichen Grundnorm. Die spezifischen völkerwasserrechtlichen Regeln stellen sich damit als Facetten des einheitlichen Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe dar, zu dem sie sich verbinden. Dadurch wird klar, dass eine isolierte Anwendung einzelner spezieller wasserrechtlicher Normen ohne Blick auf das gesamte Bild und insbesondere unter Missachtung des für das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe so zentralen Abwägungsprozesses und des durch das Prinzip vorgegebenen Kooperationsrahmens den Anforderungen des geltenden internationalen Wasserrechts nicht gerecht werden: die rechtliche Lösung einzelner Probleme bei der Verteilung, dem Schutz und der Entwicklung internationaler Wasserläufe bedarf immer eines ganzheitlichen Ansatzes. Was „angemessen“ und „vernünftig“ konkret bedeutet, ist mit Hilfe und im Rahmen eines umfassenden Abwägungsprozesses für jeden Einzelfall gesondert zu bestimmen. Ausgehend von der abstrakten Gleichheit der Anrainerstaaten, der Nutzungsarten und der Abwägungsfaktoren räumt dieser Prozess a priori keinerlei Prioritäten ein. Die Zielvorgaben der Prinzipien der optimalen und nachhaltigen Nutzung geben die Richtung der Abwägung vor. Zur Berücksichtigung der Interessen der Anrainerstaaten gehört auch das Verbot einer erheblichen Schädigung anderer Anrainer. Die Angemessenheit bezieht sich nicht nur auf die Verteilung bestehender Wasserressourcen, sondern auch auf deren Schutz. Die Berücksichtigung der ökologischen Erfordernisse hat sich am ökologischen Gleichgewicht des gesamten Ökosystems des Wasserlaufes, also auch an dem des eigenen Staates, zu orientieren. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine Erfolgshaftung für Bewahrung und Schutz der Umwelt, sondern lediglich um Pflichten zur Anwendung der verkehrserforderlichen Sorgfalt, der unabhängig von der Angemessenheit der Nutzung entsprochen werden muss. Das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe umfasst neben dem Recht auf Nutzung eines internationalen Wasserlaufs auch die Pflicht zur Kooperation bei dessen Schutz und Entwicklung. Das betrifft zunächst allgemein den regelmäßigen Austausch von Daten und Informationen über den Wasserlauf und seine Nutzung, die Zusammenarbeit bei der Regulierung seines Wasserabflusses sowie den Unterhalt und Schutz der mit dem internationalen Wasser-

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Zusammenfassung

lauf zusammenhängenden Installationen und Einrichtungen auf dem jeweiligen Hoheitsgebiet, um Gefahren für die Mitanlieger zu vermeiden. Darüber hinaus beinhaltet die Pflicht zur Zusammenarbeit aber auch spezifische Kooperationspflichten hinsichtlich des Schutzes internationaler Wasserläufe, bei denen das gemeinsame kooperative Vorgehen jedoch regelmäßig ins Ermessen der Staaten gestellt ist. Ein weiterer wichtiger Teilaspekt der Zusammenarbeit bezieht sich auf die Entwicklung internationaler Wasserläufe und umfasst insbesondere die Verpflichtung zur ad-hoc-Notifikation hinsichtlich beabsichtigter, den Wasserlauf betreffender Maßnahmen. Wichtig ist, dass das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe zwar keine ausdrückliche Pflicht zur Institutionalisierung der Zusammenarbeit beinhaltet, auf Anfrage eines Anrainers jedoch die Pflicht aller Mitanrainer besteht, in Verhandlungen über die Errichtung gemeinsamer Mechanismen zu treten. Das Erstarken des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe in seiner in der VN-Konvention gewonnenen Form zu Völkergewohnheitsrecht ist absehbar. Die überwältigende Mehrheit der Staaten hat sich bereits bei der Verabschiedung der VN-Konvention zu den in ihr enthaltenen völkerrechtlichen Normen bekannt. Seitdem orientiert sich die Staatenpraxis regelmäßig an dem Übereinkommen, das als Rahmenübereinkommen keine vollständige Übernahme seines Inhalts in spezifische Wasserlaufabkommen vorschreibt, sondern lediglich eine Richtschnur vorgibt, von der im Einzelfall auch abgewichen werden darf. Dieses Staatenhandeln schließt mehr und mehr auch solche Staaten ein, die die VN-Konvention ursprünglich ablehnten oder ihr neutral gegenüberstanden. Das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe steht in der Tradition der dynamischen Entwicklung während des letzten Jahrhunderts auf dem Gebiet des Rechts der Nutzung internationaler Binnengewässer und gemeinsamer natürlicher Ressourcen allgemein. Es fußt auf der Theorie der beschränkten territorialen Souveränität, der sich daraus ergebenden Theorie der angemessenen Nutzung, der Theorie der vernünftigen Nutzung sowie der Theorie der Interessengemeinschaft und wird vom Konzept der gemeinsamen Naturgüter überspannt. Diese Evolution des internationalen Wasserrechts geht auch mit der VN-Wasserlaufkonvention weiter. Die in ihr gefundene Formulierung des Prinzips der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe eignet sich als Ausgangspunkt einer solchen Entwicklung und lässt Raum für eine progressive Auslegung. Die Betonung der Notwendigkeit einer umfassenden Berücksichtigung ökologischer Zusammenhänge und einer gesteigerten zwischenstaatlichen Kooperation steht dabei im Vordergrund.

Ausblick: Das Recht der Nutzung internationaler Binnengewässer im 21. Jahrhundert Die VN-Konvention stellt in der Entwicklung des internationalen Wasserrechts einen Quantensprung dar. Sie hat das Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung und Teilhabe nicht nur endgültig in den Mittelpunkt des wasserrechtlichen Denkens gestellt, sondern auch inhaltlich konsolidiert. Der mühsame Weg ihrer Ausarbeitung von den jahrzehntelangen Vorarbeiten der ILC über die Diskussionen in der Working Group bis hin zur Annahme durch die VN-Generalversammlung gibt ihr gerade wegen der umfangreichen Beteiligung der Staaten an diesem Prozess eine herausragende Legitimität. Die Eigenschaft der VN-Konvention als der zentrale Referenztext des global geltenden internationalen Wasserrechts wird in der Praxis durch das regelmäßige und umfangreiche Zurückgreifen der Staaten auf das Abkommen bestätigt. Diese bedeutenden Verdienste der VN-Konvention führen aber nicht dazu, dass damit die Entwicklung des internationalen Wasserrechts abgeschlossen wäre. Das Abkommen konzentriert sich darauf, einen Rahmen für die Bewältigung der Wasserkrise auf globaler Ebene vorzugeben, lässt dabei aber die individuelle und lokale Ebene praktisch außer Betracht. Gerade den Rechten Einzelner und der Beteiligung der lokalen Wassernutzer an den Entscheidungen über die Nutzung von Wasserressourcen kommt in der Wasserdebatte jedoch eine immer stärkere Bedeutung zu. Aber auch auf globaler Ebene bildet die VN-Konvention keinen Schlusspunkt in der Diskussion um die rechtliche Würdigung der globalen Wasserkrise, denn auch nach deren Verabschiedung entwickeln sich das internationale Wasserrecht und sein völkerrechtliches Umfeld immer weiter. Dazu ist zunächst zu bemerken, dass die VN-Konvention zwar kein individuelles Recht auf Wasser zum Leben im Sinne eines Menschenrechts festschreibt, einem solchen aber auch nicht entgegensteht. Bald ein Drittel der Weltbevölkerung hat keinen ausreichenden Zugang zu Trink- und Brauchwasser. Das sich verringernde Angebot und die stetig steigende und sich auffächernde Nachfrage nach Wasser erfordert einen Paradigmenwechsel mit der Folge, dass die Wasserpolitik verstärkt aus der Perspektive des Verbrauchers gestaltet und der einzelne Mensch in den Mittelpunkt der Überlegungen gestellt werden muss. Internationale Organisationen, Regierungen, kommunale und regionale Verwaltungen, Finanzinstitutionen, private Unternehmen und alle Mitglieder der Gesellschaft tragen letztlich die Verantwortung dafür, dass sich die untragbare globale Wassersituation ändert und das Recht jedes einzelnen auf Wasser sichergestellt wird. Ein solches Recht auf Wasser zum Leben beinhaltet das grundlegende Recht jedes Menschen auf Zugang zu

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Ausblick

Wasser in der Qualität, Quantität und Erreichbarkeit, die ausreicht, um seine grundlegenden menschlichen Bedürfnisse mit Blick auf Trinkwasser, Hygiene, Kochen, Waschen, landwirtschaftliche Eigenversorgung für den lokalen Verbrauch und sanitäre Einrichtungen zu befriedigen. Wasser zum Leben bedeutet aber auch ein Minimum an abfließendem Wasser in Flüssen und Seen als Garantie für die Gesundheit und die Funktionalität aller aquatischen Ökosysteme. Ein Recht auf Wasser erkennt Wasser schließlich auch als einen wichtigen Faktor im Rahmen einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung an. Bis heute besteht kein völkerrechtliches Dokument, das jedem ein Recht auf sicheres und erschwingliches Wasser in für die Staaten bindender Weise zuschreibt und das auch einen Mechanismus für die Umsetzung dieses Rechts vorsieht. Zahlreiche Initiativen der Zivilgesellschaft, Nichtregierungsorgansiationen und Individuen machen sich aber für die Verabschiedung und Ratifikation eines solchen Dokuments etwa in der Form eines völkerrechtlichen Vertrages stark.1 Ein solcher Schritt gäbe zwar nicht über Nacht jedem Zugang zu ausreichend Wasser. Er würde aber bedeuten, dass die Staaten und ihre Regierungen anerkennen müssten, dass alle Menschen ohne Diskriminierung ein Recht auf Zugang zu sicherem, erschwinglichem und ausreichendem Wasser und eventuell auch Wasserdienstleistungen haben. Darüber hinaus hat das internationale Wasserrechtsregime auch auf lokaler Ebene noch ein erhebliches Entwicklungspotential, das von der VN-Konvention nicht aktiv ausgeschöpft wird.2 Nachfrageorientiertes, effizientes Wassermanagement bedarf der Beteiligung von vielen Akteuren und keiner zentralen, angebotsorientierten Bewirtschaftung. Kapitel 18 der Agenda 21 und die Dublin Principles erklären die vollständige Beteiligung der Öffentlichkeit, und insbesondere der von Frauen, Jugendlichen, Eingeborenen und lokalen Körperschaften am Management der Wasserressourcen zum Schlüssel für eine nachhaltige Wassernutzung. Der öffentliche und der private Sektor, Nichtregierungsorganisationen, Experten, Verbraucher und weitere Betroffene müssen alle in die Entscheidungsfindungsprozesse integriert werden. Insbesondere die Berücksichtigung von lokalen Bewirtschaftungssystemen, Traditionen und der kulturellen Dimension stärkt die soziale Akzeptanz jedes Versuchs, die Wasserbewirtschaftung zu verbessern. Diese Beteiligung aller von den Entscheidungen zur Wassernutzung Betroffenen muss auf lokaler Ebene erfolgen und erfordert die Entwicklung und Implementierung entsprechender partizipatorischer Mechanismen. Dies betrifft in jedem Fall eine verstärkte Transparenz des Regierungshandelns. Ein verbesserter, effizienter Zugang zu entsprechenden Informationen ist für die Sicherstellung der Unterstützung 1 Vgl. etwa die Water Treaty-Kampagne, die sogar „Fundamental Principles for a Framework Convention on the Right to Water“ (Text verfügbar unter: http: / / www.watertreaty.org, letztmalig besucht am 31. 1. 2008) entworfen hat. 2 Wasserpolitisch rückt die Notwendigkeit lokalen Handelns bei der Bewältigung der internationalen Wasserkrise immer mehr in den Vordergrund. So lautete etwa das Hauptthema des im März 2006 in Mexiko stattfindende 4. Weltwasserforum „Local actions for global challenge“.

Ausblick

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durch die betroffene Bevölkerung für die geplanten Maßnahmen entscheidend. Die Möglichkeit der Öffentlichkeit, ihre Meinung bei der Formulierung und Umsetzung von Managementstrategien einzubringen, verstärkt in der Regel deren öffentliche Akzeptanz. In diesem Zusammenhang kommt Nichtregierungsorganisationen eine immer weiter steigende Bedeutung zu. Auch die Möglichkeiten öffentlicher Anhörungen und Informationsveranstaltungen oder die Einrichtung von Arbeitsgruppen sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Nicht zuletzt gehört zu einer funktionierenden Bürgerbeteiligung auch die Möglichkeit des Zugangs einzelner und von Gruppen zu geeigneten Einrichtungen, um erlittene Schäden geltend zu machen. Diese Beteiligung aller Betroffenen führt von ganz allein in Richtung einer engen Kooperation und Integration der verschiedenen Sektoren und Gruppen von Wassernutzern. Dabei entsteht ein Klima gegenseitigen Vertrauens und der Anteilnahme, das für eine freundschaftliche und gemeinschaftliche Bewirtschaftung von Wasserressourcen und deren effektiven Schutz von so zentraler Bedeutung ist. Schließlich stellen die Verabschiedung der VN-Konvention und ihr allmähliches Erstarken zu Völkergewohnheitsrecht auch keinen Endpunkt in der Entwicklung des internationalen Wasserrechts auf globaler Ebene dar. Die große Mehrheit der Wasserexperten ist sich einig, dass die sich immer weiter verschärfende globale Wasserkrise nur mit Hilfe eines ganzheitlichen Ansatzes gelöst werden kann, der alle Aspekte des Wasserkreislaufs und seine Wechselwirkungen mit anderen natürlichen Ressourcen und Ökosystemen mitberücksichtigt. Der Notwendigkeit einer solchen integrierten Vorgehensweise wird sich auch die Entwicklung des internationalen Wasserrechts nicht verschließen können. Dabei wird es zunächst entscheidend darum gehen, das internationale Wasserrecht mehr und mehr von der Eindimensionalität der Vorstellung einer schlichten Verteilung internationaler Wasserressourcen zu lösen und zu einem vollwertigen Kooperationsvölkerrecht auszubauen. Zusammenarbeit, die sich über ein gesamtes hydrologisches Einzugsgebiet erstreckt, ist die optimale Lösung für die Probleme der Bewirtschaftung internationaler Wasserressourcen. Es gibt eine Vielzahl möglicher Ansätze für eine solche Kooperation. Bei Zusammenarbeit mit dem Ziel einer gerechten Verteilung oder der Klärung schlicht nicht mehr anders lösbarer Situationen, ohne dass es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen oder erheblichen ökologischen Zerstörungen kommt, fehlt es häufig an nachhaltiger und ganzheitlicher Substanz. Wird Zusammenarbeit dagegen als eine Gelegenheit begriffen, die Vorteile und Erfolge einer gemeinsamen Vorgehensweise bei der Bewirtschaftung internationaler Binnengewässer auch auf andere Bereiche regionaler Kooperation zu übertragen, können Wasserlaufregime zum Nukleus intensiver internationaler Beziehungen und zum Ausgangspunkt einer längerfristigen und progressiven Kooperation werden. Um das Ziel einer wirklich guten Bewirtschaftung internationaler Wasserressourcen zu erreichen, muss die Zusammenarbeit über die bloße zwischenstaatliche Kooperation hinausgehen und alle betroffenen Personen und Institutionen miteinschließen. Zwischenmenschlicher Kontakt zwischen den „stake-

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Ausblick

holders“ öffnet dabei neue Kommunikationskanäle und schafft Vertrauen zwischen den verschiedenen Interessengruppen. Der traditionelle Verteilungsansatz ist auch in ökologischer Hinsicht überholungsbedürftig; er wird mehr und mehr einem stärker an Umweltbelangen orientierten Ansatz weichen müssen. Für eine effektive Verwaltung internationaler Binnengewässer bedarf es der Berücksichtigung aller Aspekte und Interdependenzen des Wasserkreislaufs. So können aquatische Ökosysteme nicht mehr isoliert von den sie umgebenden Landgebieten verwaltet werden. Die sich rasant entwickelnden hydrologischen Erkenntnisse über Grundwasser lassen auch eine Trennung zwischen der rechtlichen Behandlung abgeschlossener Grundwasser und Grundwasser, das mit Oberflächenwasser in Verbindung steht, mehr und mehr künstlich erscheinen.3 Insgesamt ist klar, dass Qualität und Menge des verfügbaren Wassers zwei Seiten derselben Medaille sind und sich der ökologische Zustand von Binnengewässern auf das Klima, die Artenvielfalt und insgesamt das Wohlergehen anderer Naturbestandteile wie etwa Wälder und Feuchtgebiete auswirkt. Deshalb werden ein Verharren auf den ausgetretenen Pfaden und ein schlichtes Reduzieren der Problematik internationaler Binnengewässer auf ein Problem der staatlichen Souveränität mit lediglich einer ökologischen Komponente der sich dramatisch verschärfenden Wasserkrise nicht Herr werden. Vielmehr muss der ökologische Aspekt bei der Bewirtschaftung internationaler Wasserressourcen in den Vordergrund gestellt und das Völkerwasserrecht eindeutig dem Umweltvölkerrecht zugeteilt werden. Damit entfiele auch endgültig die Möglichkeit, völkerwasserrechtliche Probleme isoliert von dem Entwicklungen des übrigen Umweltvölkerrechts etwa auf den Gebieten des Klimawandels, der Artenvielfalt und der Zerstörung von Flora, Fauna, Boden und Wälder, der Meeresverschmutzung und der Ausbringung gefährlicher Stoffe zu betrachten. Letztendlich wird das Völkerwasserrecht mehr und mehr in den Bemühungen um ein völkerrechtliches Regime aller gemeinsamen Naturgüter aufgehen müssen. Internationale Binnengewässer blicken von allen gemeinsamen Naturgütern auf die längste Tradition als Gegenstand der Entwicklung völkerrechtlicher Regeln zurück. Diese Normen hatten und haben insoweit Modellcharakter auch für andere natürliche Ressourcen, die von mehreren Staaten geteilt werden. Die im Völkerwasserrecht gemachten Erfahrungen können dabei mitunter übernommen und gegebenenfalls angepasst werden. Ziel dieser Entwicklung muss es sein, Regeln zu finden und zu entwickeln, die einerseits für alle gemeinsamen Naturgüter gelten, andererseits aber auch deren jeweilige Eigenheiten berücksichtigen. In diesem Zusammenhang steht auch die Arbeit der ILC zum Thema „Gemeinsame natürliche 3 Vgl. dazu etwa die in diesem Zusammenhang stehenden Bemühungen um eine neue europäische Grundwasserordnung, um das gegenwärtige Grundwasserregime mit den Erfordernissen der Wasserrahmenrichtlinie (siehe dazu supra Dritter Teil, VI. 4. b) in Einklang zu bringen: Richtlinie 2006 / 118 / EG vom 12. Dezember 2006 zum Schutz des Grundwassers vor Verschmutzung und Verschlechterung (ABl. L 371 vom 27. Dezember 2006, S. 19; in Kraft getreten am 16. Januar 2007).

Ausblick

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Ressourcen“.4 Sie beschränkt sich nach dem Beschluss der Völkerrechtskommission zunächst auf grenzüberschreitende Grundwasservorkommen, und zwar auch solche, die nicht in Verbindung mit einem internationalen Wasserlauf stehen.5 Die Arbeiten der ILC nehmen die der VN-Konvention beigefügte Resolution der Völkerrechtskommission als Ausgangspunkt und orientieren sich an der VN-Konvention.6 Die Herausforderung besteht dabei darin, die sich noch entwickelnden wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Verhalten und die Eigenschaften grenzüberschreitender Grundwasservorkommen aufzunehmen, den Besonderheiten des Grundwassers, die etwa in dessen langsamen Regeneration nach übermäßigem Verbrauch oder Verschmutzung bestehen, gerecht zu werden und mit der relevanten Staatenpraxis abzugleichen. Die weitere Entwicklung des internationalen Wasserrechts steht noch vor großen Herausforderungen. Je mehr sie sich dabei an den Bedürfnissen einer erfolgreichen Bewirtschaftung internationaler Binnengewässer orientiert, desto eher kann das Völkerrecht tatsächlich seinen Anteil an der Überwindung der internationalen Wasserkrise leisten. Dies steigert seine Akzeptanz durch die internationale Gemeinschaft nicht nur auf Staatenebene, sondern auch unter den unmittelbar Betroffenen.

4 Vgl. ILC, Shared natural resources: first report on outlines, by Mr Chusei Yamada (Special Rapporteur), UN Doc. A / CN.4 / 533. 5 Ebd., Rn 4. 6 Vgl. die von der ILC 2006 in erster Lesung angenommenen und mit einem Kommmetar versehenen „Draft articles on the law of transboundary aquifers“ (Text in: UN Doc. A / 61 / 10 suppl. 10, S. 185). Ausführlich dazu Eckstein, ColoJIEL&P 18 (2007), S. 537 ff. Siehe auch ILC, Second report on shared natural resources: transboundary groundwaters, by Mr Chusei Yamada (Special Rapporteur), UN Doc. A / CN.4 / 539; ILC, Third report on shared natural resources: transboundary groundwaters, by Mr Chusei Yamada (Special Rapporteur), UN Doc. A / CN.4 / 551; ILC, Forth report on shared natural resources: transboundary groundwaters, by Mr Chusei Yamada (Special Rapporteur), UN Doc. A / CN.4 / 580.

Executive Summary The Principle of equitable and reasonable utilization and participation in the aftermath of the UN Watercourse Convention The principle of equitable and reasonable utilization and participation is a result of the last century’s dynamic development of the law of natural resources in general and international water law in particular. But while the broad lines of the principle of equitable and reasonable utilization and participation are universally accepted as applicable international law, the discussion on its detailed analysis, its precise impact and the legal value of all its characteristics never ceded to be disputed. This state of affairs derives from both the large amount of varying approaches to solving water conflicts and the flexibility inherent to the principle itself. A precise definition of the principle and the rights and duties entailed as well as its legal value as provided for in the study is not only crucial for legal certainty, but contributes also to international stability and helps to defuse potential international water conflicts. Part I of the study establishes the theoretical and conceptual conditions of the principle of equitable and reasonable utilization and participation in international water law, the core challenge being the establishment of a sense of balance between the sovereignty of States on the one hand and the interconnections of the water cycle on the other hand. The study illustrates the normative impact in defining the scope of application (what is water?) and exhibits the material content of international water law (what is law?). The theory of limited territorial sovereignty as the dominant approach today and for the foreseeable future provides the basis for the principle of equitable and reasonable utilization and participation. However, alternative approaches like the theory of community of property in water, the concepts of common heritage of mankind and common concern of mankind, as well as the idea of an integrated water resources management, stress the necessity of increased co-management of international waters for livelihood and ecosystems, and show that international water law is continuing to evolve. Part II of the study assesses the legal content and value of the principle of equitable and reasonable utilization and participation. Section 1 of Part II discusses the principle of equitable and reasonable utilization and participation on the basis of its theoretical foundations. The study determines the theories of equitable and reasonable utilization as well as the community of interests-principle – enhanced by the concept of shared natural resources – as the doctrinal underpinnings of the principle of equitable and reasonable utilization and participation, which acts as a point of crystallization for all four approaches. The study illustrates the wide re-

Executive Summary

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ception of this theoretical background in the international jurisdiction and literature based on relevant State practice. However, the formulation of the concrete content of the theoretical groundwork reaches its limits in the determination of particularities of the rule of equitable and reasonable utilization and participation. This is the case especially where dissimilar or even contradicting State practice cast doubts on the conviction of States that their actions are subject to specific legal obligations, suggesting that they rather prefer short-term flexibility to a legally binding perspective in the long run. The features difficult to define include notably the role and scope of the principle of equitable utilization in terms of resource protection, the abstract equality of specific uses and the degree of compulsory cooperation in the management of international waters. The study argues that the key to more legal certainty on the principle of equitable and reasonable utilization and participation may lie in the UN Watercourse Convention in general and its Article 5 in particular. The convention is the only comprehensive international agreement covering the regulation of the use of international watercourses with a global claim specifying the content of the principle of equitable and reasonable utilization and participation. As it has not yet entered into force, the convention lacks – at least for the time being – any value as treaty obligation. The study argues, however, that on top of the possible prospect of sufficient ratifications in the future, it is the correlation between the convention and international customary law, which makes it sensible to refer to the convention – even under the current status of ratifications – as the clarifying text of reference in the analysis of the content of the principle of equitable and reasonable utilization and participation. Section 2 of Part II analyzes the principle of equitable and reasonable utilization and participation in the form of the UN Watercourse Convention. According to the convention, the principle of equitable and reasonable utilization and participation constitutes the centrepiece of international water law integrating the specific rights and duties of the riparians of international watercourses into one unitary norm. All essential provisions of the convention, including the no harm-rule spelt out in its Article 7, are designed as mere facets of, or are similarly related to, the principle of equitable and reasonable utilization and participation; only the general principle of co-operation in Article 8 holds an exceptional position in so far as it contains components which go beyond the normative scope of Article 5. In fact, the concept of equitable and reasonable participation is the specific partial aspect of the general principle of co-operation dealing with the procedural implementation and safeguard of the principle of utilization. In order to put this holistic approach of the principle of equitable and reasonable utilization and participation into practice, and to solve the problems of distribution, protection and development of international watercourses, the convention maintains that every legal assessment needs to be subject to the key element of the principle of equitable and reasonable utilization and participation: the ongoing balancing process of all significant aspects of a given situation by means of co-operation.

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Executive Summary

The concrete meaning of an „equitable and reasonable utilization“ is to be determined on a case-by-case basis as part of this comprehensive balancing process. With the idea of abstract equality of riparian States, water uses and weighing factors in mind, the convention does not accord any priory primacies to the process, but upholds that it is necessary to find tailor-made solutions for each specific case; importantly, according to the convention, this applies also to „vital human needs“. In this context, it is equally noted that the convention does not treat water rights as human rights. Pursuant to the convention, the balancing process is aimed at the optimal and sustainable utilization of the waters concerned. Both objectives have in common that they integrate economic and ecological interests. By taking into account the interests of other riparians, the search for an equitable solution includes the so-called no harm-rule and refers not only to distribution matters but also to the protection of the waters as a due-diligence obligation. Any riparian causing (significant) harm is obliged to show that the given utilization is equitable and reasonable. An adequate protection of a watercourse has to take its bearings from the ecological equilibrium of the entire ecosystem of the watercourse. The component of „participation“ makes the principle of equitable and reasonable utilization and participation include not only the right to use an international watercourse but also the duty to co-operate in its development and protection. This duty enhances the basis of the balancing process as part of the determination of an equitable and reasonable utilization beyond mere co-ordination to an advanced scheme of co-operation. In general terms, the duty to co-operate relates to the regular exchange of data, the regulation of the water flow and the maintenance of installations. But there is also a specific obligation to co-operate with a view to the protection of the aquatic ecosystem, which is subject to a wide discretion of the riparian States. As for the development of international watercourses, the convention provides for a sophisticated set of rules pertaining planned measures to ensure that potential victim States are informed comprehensively in time to anticipate possible harmful effects and, if need be, enter into consultations or even negotiations with the planning riparian; however, this does not give any State the power to veto planned measures of their co-riparians. Importantly, the principle of equitable and reasonable utilization and participation entails no explicit obligation to institutionalise the co-operation, but encourages the establishment of joint management mechanisms. Part III of the study examines the status of the principle of equitable and reasonable utilization and participation in the form of the UN Watercourse Convention under international customary law, based on the fact that the convention has not yet received a sufficient number of ratifications to enter into force to establish treaty obligations. It can be shown that in its entirety, the principle of equitable and reasonable utilization and participation in the form of the convention is neither preexisting nor „self-evident“ customary law. It can equally be demonstrated that although the UN General Assembly passed Resolution 521 / 229 adopting the UN Watercourse Convention on 21 May 1997 with the impressive majority of 103 yes-

Executive Summary

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votes against only 3 no-votes while counting 27 abstentions, the convention with its formulation of the principle of equitable and reasonable utilization and participation did not „crystallize“ into customary law, essentially because of the opposition from significant developing upper riparians. The study argues, however, that due to evidence of subsequent State practice and corresponding opinio iuris, it is reasonable to predict that in the foreseeable future, the principle of equitable and reasonable utilization and participation will become international customary law as set out in the UN Watercourse Convention. Since the adoption of the convention by an overwhelming majority in the UN General Assembly, States have been systematically inspired by the text, which, being a framework convention, provides for both substantial rules and guidance in the implementation of these rules. The evidence of that practice includes both international treaties and other diplomatic intercourse comprising more and more States originally not in support of the convention; there are even indications that States initially opposing the convention might start to modify their position. Decisions of international tribunals such as the judgement in the Gabcíkovo-Nagymaros case and studies of a variety of international institutions support this expectation. On the basis of these concrete prospects, the study argues that even at present, State action pertaining the use and protection of international watercourses – unless their impact is nothing but very short term – must align with the precepts of the principle of equitable and reasonable utilization and participation as contained in the UN Watercourse Convention. In the epilogue, the study provides an outlook on the development of international water law in the 21st century. The UN Watercourse Convention constitutes a quantum leap in international water law: it made the principle of equitable and reasonable utilization and participation not only final and absolute, but consolidated it also as far as its content is concerned; on the same note, it leaves space for a progressive interpretation with the emphasis on taking comprehensive account of ecological interconnections and strengthening international co-operation. However, the convention is not the terminus of the development of international water law. While the accessibility of the convention to a progressive interpretation allows for the gradual replacement of any distributive methodologies with a consequently cooperative and ecological approach, the convention mainly concentrates on fighting the water crisis on a global level, and pays little tribute to the individual and local level. However, it is the rights of individuals, including the establishment of a human right to water and local participation in decisions on the use and protection of water resources, which benefit from progressive importance and growing attention in the water debate. Equally, attempts to enhance the consolidation of international water law beyond the scope of application of the convention (i.e. the international watercourse), including in particular groundwater, are necessary in order to establish an international legal framework which facilitates a truly integrated water resources management.

Anhang Convention on the Law of the Non-navigational Uses of International Watercourses Adopted by the UN General Assembly in Resolution 51 / 229 of 21 May 1997 Text: UN Doc. A / 51 / 869 The Parties to the present Convention, Conscious of the importance of international watercourses and the non-navigational uses thereof in many regions of the world, Having in mind Article 13, paragraph 1 (a), of the Charter of the United Nations, which provides that the General Assembly shall initiate studies and make recommendations for the purpose of encouraging the progressive development of international law and its codification, Considering that successful codification and progressive development of rules of international law regarding non-navigational uses of international watercourses would assist in promoting and implementing the purposes and principles set forth in Articles 1 and 2 of the Charter of the United Nations, Taking into account the problems affecting many international watercourses resulting from, among other things, increasing demands and pollution, Expressing the conviction that a framework convention will ensure the utilization, development, conservation, management and protection of international watercourses and the promotion of the optimal and sustainable utilization thereof for present and future generations, Affirming the importance of international cooperation and good-neighbourliness in this field, Aware of the special situation and needs of developing countries, Recalling the principles and recommendations adopted by the United Nations Conference on Environment and Development of 1992 in the Rio Declaration and Agenda 21, Recalling also the existing bilateral and multilateral agreements regarding the non-navigational uses of international watercourses, Mindful of the valuable contribution of international organizations, both governmental and non-governmental, to the codification and progressive development of international law in this field, Appreciative of the work carried out by the International Law Commission on the law of the non-navigational uses of international watercourses, Bearing in mind United Nations General Assembly resolution 49 / 52 of 9 December 1994, Have agreed as follows:

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PART I INTRODUCTION Article 1 Scope of the present Convention 1. The present Convention applies to uses of international watercourses and of their waters for purposes other than navigation and to measures of protection, preservation and management related to the uses of those watercourses and their waters. 2. The uses of international watercourses for navigation is not within the scope of the present Convention except insofar as other uses affect navigation or are affected by navigation.

Article 2 Use of terms For the purposes of the present Convention: (a) „Watercourse“ means a system of surface waters and ground waters constituting by virtue of their physical relationship a unitary whole and normally flowing into a common terminus; (b) „International watercourse“ means a watercourse, parts of which are situated in different States; (c) „Watercourse State“ means a State Party to the present Convention in whose territory part of an international watercourse is situated, or a Party that is a regional economic integration organization, in the territory of one or more of whose Member States part of an international watercourse is situated; (d) „Regional economic integration organization“ means an organization constituted by sovereign States of a given region, to which its member States have transferred competence in respect of matters governed by this Convention and which has been duly authorized in accordance with its internal procedures, to sign, ratify, accept, approve or accede to it.

Article 3 Watercourse agreements 1. In the absence of an agreement to the contrary, nothing in the present Convention shall affect the rights or obligations of a watercourse State arising from agreements in force for it on the date on which it became a party to the present Convention. 2. Notwithstanding the provisions of paragraph 1, parties to agreements referred to in paragraph 1 may, where necessary, consider harmonizing such agreements with the basic principles of the present Convention. 3. Watercourse States may enter into one or more agreements, hereinafter referred to as „watercourse agreements“, which apply and adjust the provisions of the present Convention to the characteristics and uses of a particular international watercourse or part thereof.

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4. Where a watercourse agreement is concluded between two or more watercourse States, it shall define the waters to which it applies. Such an agreement may be entered into with respect to an entire international watercourse or any part thereof or a particular project, programme or use except insofar as the agreement adversely affects, to a significant extent, the use by one or more other watercourse States of the waters of the watercourse, without their express consent. 5. Where a watercourse State considers that adjustment and application of the provisions of the present Convention is required because of the characteristics and uses of a particular international watercourse, watercourse States shall consult with a view to negotiating in good faith for the purpose of concluding a watercourse agreement or agreements. 6. Where some but not all watercourse States to a particular international watercourse are parties to an agreement, nothing in such agreement shall affect the rights or obligations under the present Convention of watercourse States that are not parties to such an agreement.

Article 4 Parties to watercourse agreements 1. Every watercourse State is entitled to participate in the negotiation of and to become a party to any watercourse agreement that applies to the entire international watercourse, as well as to participate in any relevant consultations. 2. A watercourse State whose use of an international watercourse may be affected to a significant extent by the implementation of a proposed watercourse agreement that applies only to a part of the watercourse or to a particular project, programme or use is entitled to participate in consultations on such an agreement and, where appropriate, in the negotiation thereof in good faith with a view to becoming a party thereto, to the extent that its use is thereby affected.

PART II GENERAL PRINCIPLES Article 5 Equitable and reasonable utilization and participation 1. Watercourse States shall in their respective territories utilize an international watercourse in an equitable and reasonable manner. In particular, an international watercourse shall be used and developed by watercourse States with a view to attaining optimal and sustainable utilization thereof and benefits therefrom, taking into account the interests of the watercourse States concerned, consistent with adequate protection of the watercourse. 2. Watercourse States shall participate in the use, development and protection of an international watercourse in an equitable and reasonable manner. Such participation includes both the right to utilize the watercourse and the duty to cooperate in the protection and development thereof, as provided in the present Convention.

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Article 6 Factors relevant to equitable and reasonable utilization 1. Utilization of an international watercourse in an equitable and reasonable manner within the meaning of article 5 requires taking into account all relevant factors and circumstances, including: (a) Geographic, hydrographic, hydrological, climatic, ecological and other factors of a natural character; (b) The social and economic needs of the watercourse States concerned; (c) The population dependent on the watercourse in each watercourse State; (d) The effects of the use or uses of the watercourses in one watercourse State on other watercourse States; (e) Existing and potential uses of the watercourse; (f) Conservation, protection, development and economy of use of the water resources of the watercourse and the costs of measures taken to that effect; (g) The availability of alternatives, of comparable value, to a particular planned or existing use. 2. In the application of article 5 or paragraph 1 of this article, watercourse States concerned shall, when the need arises, enter into consultations in a spirit of cooperation. 3. The weight to be given to each factor is to be determined by its importance in comparison with that of other relevant factors. In determining what is a reasonable and equitable use, all relevant factors are to be considered together and a conclusion reached on the basis of the whole.

Article 7 Obligation not to cause significant harm 1. Watercourse States shall, in utilizing an international watercourse in their territories, take all appropriate measures to prevent the causing of significant harm to other watercourse States. 2. Where significant harm nevertheless is caused to another watercourse State, the States whose use causes such harm shall, in the absence of agreement to such use, take all appropriate measures, having due regard for the provisions of articles 5 and 6, in consultation with the affected State, to eliminate or mitigate such harm and, where appropriate, to discuss the question of compensation.

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Anhang Article 8 General obligation to cooperate

1. Watercourse States shall cooperate on the basis of sovereign equality, territorial integrity, mutual benefit and good faith in order to attain optimal utilization and adequate protection of an international watercourse. 2. In determining the manner of such cooperation, watercourse States may consider the establishment of joint mechanisms or commissions, as deemed necessary by them, to facilitate cooperation on relevant measures and procedures in the light of experience gained through cooperation in existing joint mechanisms and commissions in various regions.

Article 9 Regular exchange of data and information 1. Pursuant to article 8, watercourse States shall on a regular basis exchange readily available data and information on the condition of the watercourse, in particular that of a hydrological, meteorological, hydrogeological and ecological nature and related to the water quality as well as related forecasts. 2. If a watercourse State is requested by another watercourse State to provide data or information that is not readily available, it shall employ its best efforts to comply with the request but may condition its compliance upon payment by the requesting State of the reasonable costs of collecting and, where appropriate, processing such data or information. 3. Watercourse States shall employ their best efforts to collect and, where appropriate, to process data and information in a manner which facilitates its utilization by the other watercourse States to which it is communicated.

Article 10 Relationship between different kinds of uses 1. In the absence of agreement or custom to the contrary, no use of an international watercourse enjoys inherent priority over other uses. 2. In the event of a conflict between uses of an international watercourse, it shall be resolved with reference to articles 5 to 7, with special regard being given to the requirements of vital human needs.

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PART III PLANNED MEASURES Article 11 Information concerning planned measures Watercourse States shall exchange information and consult each other and, if necessary, negotiate on the possible effects of planned measures on the condition of an international watercourse.

Article 12 Notification concerning planned measures with possible adverse effects Before a watercourse State implements or permits the implementation of planned measures which may have a significant adverse effect upon other watercourse States, it shall provide those States with timely notification thereof. Such notification shall be accompanied by available technical data and information, including the results of any environmental impact assessment, in order to enable the notified States to evaluate the possible effects of the planned measures.

Article 13 Period for reply to notification Unless otherwise agreed: (a) A watercourse State providing a notification under article 12 shall allow the notified States a period of six months within which to study and evaluate the possible effects of the planned measures and to communicate the findings to it; (b) This period shall, at the request of a notified State for which the evaluation of the planned measures poses special difficulty, be extended for a period of six months.

Article 14 Obligations of the notifying State during the period for reply During the period referred to in article 13, the notifying State: (a) Shall cooperate with the notified States by providing them, on request, with any additional data and information that is available and necessary for an accurate evaluation; and (b) Shall not implement or permit the implementation of the planned measures without the consent of the notified States.

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Anhang Article 15 Reply to notification

The notified States shall communicate their findings to the notifying State as early as possible within the period applicable pursuant to article 13. If a notified State finds that implementation of the planned measures would be inconsistent with the provisions of articles 5 or 7, it shall attach to its finding a documented explanation setting forth the reasons for the finding.

Article 16 Absence of reply to notification 1. If, within the period applicable pursuant to article 13, the notifying State receives no communication under article 15, it may, subject to its obligations under articles 5 and 7, proceed with the implementation of the planned measures, in accordance with the notification and any other data and information provided to the notified States. 2. Any claim to compensation by a notified State which has failed to reply within the period applicable pursuant to article 13 may be offset by the costs incurred by the notifying State for action undertaken after the expiration of the time for a reply which would not have been undertaken if the notified State had objected within that period.

Article 17 Consultations and negotiations concerning planned measures 1. If a communication is made under article 15 that implementation of the planned measures would be inconsistent with the provisions of articles 5 or 7, the notifying State and the State making the communication shall enter into consultations and, if necessary, negotiations with a view to arriving at an equitable resolution of the situation. 2. The consultations and negotiations shall be conducted on the basis that each State must in good faith pay reasonable regard to the rights and legitimate interests of the other State. 3. During the course of the consultations and negotiations, the notifying State shall, if so requested by the notified State at the time it makes the communication, refrain from implementing or permitting the implementation of the planned measures for a period of six months unless otherwise agreed.

Article 18 Procedures in the absence of notification 1. If a watercourse State has reasonable grounds to believe that another watercourse State is planning measures that may have a significant adverse effect upon it, the former State may

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request the latter to apply the provisions of article 12. The request shall be accompanied by a documented explanation setting forth its grounds. 2. In the event that the State planning the measures nevertheless finds that it is not under an obligation to provide a notification under article 12, it shall so inform the other State, providing a documented explanation setting forth the reasons for such finding. If this finding does not satisfy the other State, the two States shall, at the request of that other State, promptly enter into consultations and negotiations in the manner indicated in paragraphs 1 and 2 of article 17. 3. During the course of the consultations and negotiations, the State planning the measures shall, if so requested by the other State at the time it requests the initiation of consultations and negotiations, refrain from implementing or permitting the implementation of those measures for a period of six months unless otherwise agreed.

Article 19 Urgent implementation of planned measures 1. In the event that the implementation of planned measures is of the utmost urgency in order to protect public health, public safety or other equally important interests, the State planning the measures may, subject to articles 5 and 7, immediately proceed to implementation, notwithstanding the provisions of article 14 and paragraph 3 of article 17. 2. In such case, a formal declaration of the urgency of the measures shall be communicated without delay to the other watercourse States referred to in article 12 together with the relevant data and information. 3. The State planning the measures shall, at the request of any of the States referred to in paragraph 2, promptly enter into consultations and negotiations with it in the manner indicated in paragraphs 1 and 2 of article 17.

PART IV PROTECTION, PRESERVATION AND MANAGEMENT Article 20 Protection and preservation of ecosystems Watercourse States shall, individually and, where appropriate, jointly, protect and preserve the ecosystems of international watercourses.

Article 21 Prevention, reduction and control of pollution 1. For the purpose of this article, „pollution of an international watercourse“ means any detrimental alteration in the composition or quality of the waters of an international watercourse which results directly or indirectly from human conduct.

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2. Watercourse States shall, individually and, where appropriate, jointly, prevent, reduce and control the pollution of an international watercourse that may cause significant harm to other watercourse States or to their environment, including harm to human health or safety, to the use of the waters for any beneficial purpose or to the living resources of the watercourse. Watercourse States shall take steps to harmonize their policies in this connection. 3. Watercourse States shall, at the request of any of them, consult with a view to arriving at mutually agreeable measures and methods to prevent, reduce and control pollution of an international watercourse, such as: (a) Setting joint water quality objectives and criteria; (b) Establishing techniques and practices to address pollution from point and non-point sources; (c) Establishing lists of substances the introduction of which into the waters of an international watercourse is to be prohibited, limited, investigated or monitored.

Article 22 Introduction of alien or new species Watercourse States shall take all measures necessary to prevent the introduction of species, alien or new, into an international watercourse which may have effects detrimental to the ecosystem of the watercourse resulting in significant harm to other watercourse States.

Article 23 Protection and preservation of the marine environment Watercourse States shall, individually and, where appropriate, in cooperation with other States, take all measures with respect to an international watercourse that are necessary to protect and preserve the marine environment, including estuaries, taking into account generally accepted international rules and standards.

Article 24 Management 1. Watercourse States shall, at the request of any of them, enter into consultations concerning the management of an international watercourse, which may include the establishment of a joint management mechanism. 2. For the purposes of this article, „management“ refers, in particular, to: (a) Planning the sustainable development of an international watercourse and providing for the implementation of any plans adopted; and (b) Otherwise promoting the rational and optimal utilization, protection and control of the watercourse.

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Article 25 Regulation 1. Watercourse States shall cooperate, where appropriate, to respond to needs or opportunities for regulation of the flow of the waters of an international watercourse. 2. Unless otherwise agreed, watercourse States shall participate on an equitable basis in the construction and maintenance or defrayal of the costs of such regulation works as they may have agreed to undertake. 3. For the purposes of this article, „regulation“ means the use of hydraulic works or any other continuing measure to alter, vary or otherwise control the flow of the waters of an international watercourse.

Article 26 Installations 1. Watercourse States shall, within their respective territories, employ their best efforts to maintain and protect installations, facilities and other works related to an international watercourse. 2. Watercourse States shall, at the request of any of them which has reasonable grounds to believe that it may suffer significant adverse effects, enter into consultations with regard to: (a) The safe operation and maintenance of installations, facilities or other works related to an international watercourse; and (b) The protection of installations, facilities or other works from wilful or negligent acts or the forces of nature.

PART V HARMFUL CONDITIONS AND EMERGENCY SITUATIONS Article 27 Prevention and mitigation of harmful conditions Watercourse States shall, individually and, where appropriate, jointly, take all appropriate measures to prevent or mitigate conditions related to an international watercourse that may be harmful to other watercourse States, whether resulting from natural causes or human conduct, such as flood or ice conditions, water-borne diseases, siltation, erosion, salt-water intrusion, drought or desertification.

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Anhang Article 28 Emergency situations

1. For the purposes of this article, „emergency“ means a situation that causes, or poses an imminent threat of causing, serious harm to watercourse States or other States and that results suddenly from natural causes, such as floods, the breaking up of ice, landslides or earthquakes, or from human conduct, such as industrial accidents. 2. A watercourse State shall, without delay and by the most expeditious means available, notify other potentially affected States and competent international organizations of any emergency originating within its territory. 3. A watercourse State within whose territory an emergency originates shall, in cooperation with potentially affected States and, where appropriate, competent international organizations, immediately take all practicable measures necessitated by the circumstances to prevent, mitigate and eliminate harmful effects of the emergency. 4. When necessary, watercourse States shall jointly develop contingency plans for responding to emergencies, in cooperation, where appropriate, with other potentially affected States and competent international organizations.

PART VI MISCELLANEOUS PROVISIONS Article 29 International watercourses and installations in time of armed conflict International watercourses and related installations, facilities and other works shall enjoy the protection accorded by the principles and rules of international law applicable in international and non-international armed conflict and shall not be used in violation of those principles and rules.

Article 30 Indirect procedures In cases where there are serious obstacles to direct contacts between watercourse States, the States concerned shall fulfil their obligations of cooperation provided for in the present Convention, including exchange of data and information, notification, communication, consultations and negotiations, through any indirect procedure accepted by them.

Article 31 Data and information vital to national defence or security Nothing in the present Convention obliges a watercourse State to provide data or information vital to its national defence or security. Nevertheless, that State shall cooperate in good

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faith with the other watercourse States with a view to providing as much information as possible under the circumstances.

Article 32 Non-discrimination Unless the watercourse States concerned have agreed otherwise for the protection of the interests of persons, natural or juridical, who have suffered or are under a serious threat of suffering significant transboundary harm as a result of activities related to an international watercourse, a watercourse State shall not discriminate on the basis of nationality or residence or place where the injury occurred, in granting to such persons, in accordance with its legal system, access to judicial or other procedures, or a right to claim compensation or other relief in respect of significant harm caused by such activities carried on in its territory.

Article 33 Settlement of disputes 1. In the event of a dispute between two or more Parties concerning the interpretation or application of the present Convention, the Parties concerned shall, in the absence of an applicable agreement between them, seek a settlement of the dispute by peaceful means in accordance with the following provisions. 2. If the Parties concerned cannot reach agreement by negotiation requested by one of them, they may jointly seek the good offices of, or request mediation or conciliation by, a third party, or make use, as appropriate, of any joint watercourse institutions that may have been established by them or agree to submit the dispute to arbitration or to the International Court of Justice. 3. Subject to the operation of paragraph 10, if after six months from the time of the request for negotiations referred to in paragraph 2, the Parties concerned have not been able to settle their dispute through negotiation or any other means referred to in paragraph 2, the dispute shall be submitted, at the request of any of the parties to the dispute, to impartial fact-finding in accordance with paragraphs 4 to 9, unless the Parties otherwise agree. 4. A Fact-finding Commission shall be established, composed of one member nominated by each Party concerned and in addition a member not having the nationality of any of the Parties concerned chosen by the nominated members who shall serve as Chairman. 5. If the members nominated by the Parties are unable to agree on a Chairman within three months of the request for the establishment of the Commission, any Party concerned may request the Secretary-General of the United Nations to appoint the Chairman who shall not have the nationality of any of the parties to the dispute or of any riparian State of the watercourse concerned. If one of the Parties fails to nominate a member within three months of the initial request pursuant to paragraph 3, any other Party concerned may request the SecretaryGeneral of the United Nations to appoint a person who shall not have the nationality of any of the parties to the dispute or of any riparian State of the watercourse concerned. The person so appointed shall constitute a single-member Commission.

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6. The Commission shall determine its own procedure. 7. The Parties concerned have the obligation to provide the Commission with such information as it may require and, on request, to permit the Commission to have access to their respective territory and to inspect any facilities, plant, equipment, construction or natural feature relevant for the purpose of its inquiry. 8. The Commission shall adopt its report by a majority vote, unless it is a single-member Commission, and shall submit that report to the Parties concerned setting forth its findings and the reasons therefore and such recommendations as it deems appropriate for an equitable solution of the dispute, which the Parties concerned shall consider in good faith. 9. The expenses of the Commission shall be borne equally by the Parties concerned. 10. When ratifying, accepting, approving or acceding to the present Convention, or at any time thereafter, a Party which is not a regional economic integration organization may declare in a written instrument submitted to the Depositary that, in respect of any dispute not resolved in accordance with paragraph 2, it recognizes as compulsory ipso facto and without special agreement in relation to any Party accepting the same obligation: (a) Submission of the dispute to the International Court of Justice; and / or (b) Arbitration by an arbitral tribunal established and operating, unless the parties to the dispute otherwise agreed, in accordance with the procedure laid down in the annex to the present Convention. A Party which is a regional economic integration organization may make a declaration with like effect in relation to arbitration in accordance with subparagraph (b).

PART VII FINAL CLAUSES Article 34 Signature The present Convention shall be open for signature by all States and by regional economic integration organizations from 21 May 1997 until 20 May 2000 at United Nations Headquarters in New York.

Article 35 Ratification, acceptance, approval or accession 1. The present Convention is subject to ratification, acceptance, approval or accession by States and by regional economic integration organizations. The instruments of ratification, acceptance, approval or accession shall be deposited with the Secretary-General of the United Nations. 2. Any regional economic integration organization which becomes a Party to this Convention without any of its member States being a Party shall be bound by all the obligations under the Convention. In the case of such organizations, one or more of whose member States is a Party to this Convention, the organization and its member States shall decide on their

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respective responsibilities for the performance of their obligations under the Convention. In such cases, the organization and the member States shall not be entitled to exercise rights under the Convention concurrently. 3. In their instruments of ratification, acceptance, approval or accession, the regional economic integration organizations shall declare the extent of their competence with respect to the matters governed by the Convention. These organizations shall also inform the SecretaryGeneral of the United Nations of any substantial modification in the extent of their competence.

Article 36 Entry into force 1. The present Convention shall enter into force on the ninetieth day following the date of deposit of the thirty-fifth instrument of ratification, acceptance, approval or accession with the Secretary-General of the United Nations. 2. For each State or regional economic integration organization that ratifies, accepts or approves the Convention or accedes thereto after the deposit of the thirty-fifth instrument of ratification, acceptance, approval or accession, the Convention shall enter into force on the ninetieth day after the deposit by such State or regional economic integration organization of its instrument of ratification, acceptance, approval or accession. 3. For the purposes of paragraphs 1 and 2, any instrument deposited by a regional economic integration organization shall not be counted as additional to those deposited by States.

Article 37 Authentic texts The original of the present Convention, of which the Arabic, Chinese, English, French, Russian and Spanish texts are equally authentic, shall be deposited with the Secretary-General of the United Nations. IN WITNESS WHEREOF the undersigned plentipotentiaries, being duly authorized thereto, have signed this Convention. DONE at New York, this ____ day of _____ one thousand nine hundred and ninety-seven.

ANNEX ARBITRATION Article 1 Unless the parties to the dispute otherwise agree, the arbitration pursuant to article 33 of the Convention shall take place in accordance with articles 2 to 14 of the present annex.

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Anhang Article 2

The claimant party shall notify the respondent party that it is referring a dispute to arbitration pursuant to article 33 of the Convention. The notification shall state the subject matter of arbitration and include, in particular, the articles of the Convention, the interpretation or application of which are at issue. If the parties do not agree on the subject matter of the dispute, the arbitral tribunal shall determine the subject matter.

Article 3 1. In disputes between two parties, the arbitral tribunal shall consist of three members. Each of the parties to the dispute shall appoint an arbitrator and the two arbitrators so appointed shall designate by common agreement the third arbitrator, who shall be the Chairman of the tribunal. The latter shall not be a national of one of the parties to the dispute or of any riparian State of the watercourse concerned, nor have his or her usual place of residence in the territory of one of these parties or such riparian State, nor have dealt with the case in any other capacity. 2. In disputes between more than two parties, parties in the same interest shall appoint one arbitrator jointly by agreement. 3. Any vacancy shall be filled in the manner prescribed for the initial appointment.

Article 4 1. If the Chairman of the arbitral tribunal has not been designated within two months of the appointment of the second arbitrator, the President of the International Court of Justice shall, at the request of a party, designate the Chairman within a further two-month period. 2. If one of the parties to the dispute does not appoint an arbitrator within two months of receipt of the request, the other party may inform the President of the International Court of Justice, who shall make the designation within a further two-month period.

Article 5 The arbitral tribunal shall render its decisions in accordance with the provisions of this Convention and international law.

Article 6 Unless the parties to the dispute otherwise agree, the arbitral tribunal shall determine its own rules of procedure.

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Article 7 The arbitral tribunal may, at the request of one of the Parties, recommend essential interim measures of protection.

Article 8 1. The parties to the dispute shall facilitate the work of the arbitral tribunal and, in particular, using all means at their disposal, shall: (a) Provide it with all relevant documents, information and facilities; and (b) Enable it, when necessary, to call witnesses or experts and receive their evidence. 2. The parties and the arbitrators are under an obligation to protect the confidentiality of any information they receive in confidence during the proceedings of the arbitral tribunal.

Article 9 Unless the arbitral tribunal determines otherwise because of the particular circumstances of the case, the costs of the tribunal shall be borne by the parties to the dispute in equal shares. The tribunal shall keep a record of all its costs, and shall furnish a final statement thereof to the parties.

Article 10 Any Party that has an interest of a legal nature in the subject matter of the dispute which may be affected by the decision in the case, may intervene in the proceedings with the consent of the tribunal.

Article 11 The tribunal may hear and determine counterclaims arising directly out of the subject matter of the dispute.

Article 12 Decisions both on procedure and substance of the arbitral tribunal shall be taken by a majority vote of its members.

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Anhang Article 13

If one of the parties to the dispute does not appear before the arbitral tribunal or fails to defend its case, the other party may request the tribunal to continue the proceedings and to make its award. Absence of a party or a failure of a party to defend its case shall not constitute a bar to the proceedings. Before rendering its final decision, the arbitral tribunal must satisfy itself that the claim is well founded in fact and law.

Article 14 1. The tribunal shall render its final decision within five months of the date on which it is fully constituted unless it finds it necessary to extend the time limit for a period which should not exceed five more months. 2. The final decision of the arbitral tribunal shall be confined to the subject matter of the dispute and shall state the reasons on which it is based. It shall contain the names of the members who have participated and the date of the final decision. Any member of the tribunal may attach a separate or dissenting opinion to the final decision. 3. The award shall be binding on the parties to the dispute. It shall be without appeal unless the parties to the dispute have agreed in advance to an appellate procedure. 4. Any controversy which may arise between the parties to the dispute as regards the interpretation or manner of implementation of the final decision may be submitted by either party for decision to the arbitral tribunal which rendered it.

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Stichwortverzeichnis absolute territoriale Integrität 45, 46, 48, 49 – 51, 80, 197 absolute territoriale Souveränität siehe Souveränität abstrakte Gleichheit der Abwägungsfaktoren siehe Gleichheitsprinzip abstrakte Gleichheit der Anrainerstaaten siehe Gleichheitsprinzip abstrakte Gleichheit der Nutzungsarten siehe Gleichheitsprinzip Abwägungsvorgang 28, 64, 66, 73, 75, 80, 83, 85, 89, 94, 98, 115, 117, 122, 124, 132, 134, 136, 138, 143, 149, 157, 161, 168, 175, 232, 253 Agenda 21 siehe Rio-Erklärung (1992) Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948) 87 AMINOIL-Fall 189 angemessene Nutzung siehe Nutzung Antarktis-Vertrag (1959) 56 Aralsee 24, 199, 225 Asi 241 Asylum-Fall 214, 243 Barcelona Konvention und Statut über die Wasserstrassen von internationaler Bedeutung (1921) 39 basin-Konzept 36 – drainage basin siehe hydrographisches Becken – Einzugsgebiet siehe hydrographisches Becken – Flussbecken 22, 36 – hydrographisches Becken 22, 24, 27, 34, 36, 41, 44, 55, 58, 74, 102, 109, 110, 119, 224, 228, 235, 237, 240, 251, 257 Bayonne-Vertrag (1866) 71 Berlin-Rules on Water Resources (2004) 41, 77, 86, 88, 93, 97, 130, 133, 142, 148, 159, 174, 176, 245, 248

beschränkte territoriale Souveränität siehe Souveränität Bestandsschutz 80, 82 – 84 Binnengewässer 22, 34, 35, 47, 57, 65, 73, 77, 82, 94, 99, 258 – grenzüberschreitende Binnengewässer 23, 35, 78, 95, 98 – internationale Binnengewässer 22, 27, 29, 35, 40, 43, 45, 50, 59, 61, 63, 66, 72, 74, 78, 81, 85, 90, 92, 97, 99, 100, 105, 109, 132, 165, 174, 178, 254, 255 – internationalisierte Binnengewässer 35 Bramaputra 24 Campione Consolidation of the ILA Rules on International Water Resources (2000) 41, 248 Chinesisch-kasachisches Übereinkommen über Zusammenarbeit bei Nutzung und Schutz grenzüberschreitender Flüsse (2001) 223 common but differentiated responsibilities siehe gemeinsame, aber unterschiedliche Verantwortlichkeiten common concern of mankind 54, 57, 61, 260 Convention on the Prevention of Marine Pollution from Land-Based Sources (1974) 34 Corfu Channel-Fall 52, 176 cross-media harm 141 Donau 80, 159, 237, 244 – Donau-Übereinkommen (1994) 224, 237 – Donauversinkungsfall 52, 70, 181 – Gabcíkovo-Nagymaros-Fall 52, 69, 72, 80, 96, 104, 121, 131, 136, 141, 150, 159, 172, 177, 200, 243, 251, 263 Douro 228

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Stichwortverzeichnis

Draft Articles on the Law of the Non-Navigational Uses of International Watercourses (1994) 28, 42, 57, 60, 65, 79, 108, 111, 116, 119, 125, 130, 132, 138, 150, 155, 164, 169, 175, 215, 217, 219, 229, 235, 259 drainage basin siehe basin-Konzept Dublin Principles (1992) 59, 255 due-diligence 77, 125, 136, 142, 152, 262 ECE-Übereinkommen (1992) 225, 226, 227 – 229, 236, 237, 240 – Protokoll für Wasser und Gesundheit (1999) 228 ecological flow siehe minimal flow Effizienz 24, 92, 100, 128 – 130, 137, 141, 221, 229, 240, 249 Einzugsgebiet siehe basin-Konzept environmental flow siehe minimal flow Equitable-Apportionment-Prinzip 27, 69, 74, 145 erga-omnes-Verpflichtungen 58, 77 Erhaltung 37, 43, 56, 85, 90, 94, 113, 114, 121, 138, 140, 142, 150, 152, 155, 176, 198, 220, 234 estnisch-russische Abkommen zur Zusammenarbeit beim Schutz und der nachhaltigen Nutzung grenzüberschreitender Gewässer (1997) 228 Euphrat 24, 40, 201, 241, 251 fact-finding-Kommission siehe Streitschlichtungsverfahren Ferakka-Vertrag (1996) siehe Ganges Festlandsockelfälle – Festlandsockelfall (Libyen / Malta) 186, 187 – Festlandsockelfall (Tunesien / Libyen) 187 – Gulf of Maine-Fall 167, 168, 185, 187 – Nordseefestlandsockel-Fälle 33, 168, 169, 178, 183, 186, 189, 191, 205, 208 Festlandsockelkonvention (1958) 178, 183, 205, 206, 208 Feuchtgebiete 258 Fisheries Jurisdiction-Fall 167, 172, 185, 196, 209 Flussbecken siehe basin-Konzept

Gabcíkovo-Nagymaros-Fall siehe Donau Ganges 24, 235 – Ferakka-Vertrag (1996) 235 gemeinsame, aber unterschiedliche Verantwortlichkeiten 57 gemeinsame Naturgüter 62, 73, 101, 102, 103, 106, 160, 254, 258 gemeinsames Erbe der Menschheit 54, 55, 56, 57, 61, 178, 190 Generalversammlung siehe Vereinte Nationen Generationengerechtigkeit 76, 77, 94, 131, 132 Genfer Convention relative to the development of hydraulic power affecting more than one State (1923) 40 gerichtliche Geltendmachung 58 Gesundheit 88, 126, 143, 225, 228, 256 Gewohnheitsrecht – instant customary law 181, 211 – Kristallisation 32, 180, 181, 182, 183 – 186, 187, 188 – 190, 191, 200, 216, 230, 247, 251 – normenschaffender Charakter 32, 169, 250 – opinio juris 31, 32, 166, 167, 173, 180, 182, 183, 186 – 189, 206, 208 – 211, 213, 215 – 217, 220, 228, 230, 239, 243, 251 – persistent objector 185, 212, 243, 251 – Staatenpraxis 31 – 33, 47, 49, 52, 54, 56, 58, 64, 66, 74, 81, 82, 97 – 99, 104, 106, 109, 110, 166, 168, 173 – 175, 179 – 183, 185 – 187, 189, 197, 201, 206, 208 – 213, 215 – 217, 227, 228, 230, 231, 233, 239, 243, 251, 259 Gleichheitsprinzip 64, 66, 118 – abstrakte Gleichheit der Abwägungsfaktoren 124, 162 – abstrakte Gleichheit der Anrainerstaaten 65, 90, 119, 175, 253 – abstrakte Gleichheit der Nutzungsarten 74, 81, 89, 91, 106, 120, 123, 232 Gletscher 21, 22, 36, 59, 109 grenzüberschreitende Binnengewässer siehe Binnengewässer Grundrecht der dritten Generation 57 Grundwasser 59, 109, 110, 229, 232, 240, 258, 259

Stichwortverzeichnis Guadiana 228 Gulf of Maine-Fall siehe Festlandsockelfälle gute Nachbarschaft 51, 62, 72, 166 hälftige Teilung 66, 120 Handelsrecht 60 Harmon Doktrin siehe absoluten territorialen Souveränität Helsinki Rules on the Uses of the Waters of International Rivers (1966) 27, 28, 36, 37, 40, 41, 64, 66, 67, 83, 84, 89, 102, 107, 114, 118, 122, 160, 172, 181, 182, 248, 249 Helsinki-Übereinkommen (1992) siehe ECEÜbereinkommen (1992) Horgos 222 hydrographisches Becken siehe basin-Konzept Incomati und Maputo-Vertrag (2002) 220, 221 Informationsaustausch 44, 62, 68, 94, 98, 133, 144, 152, 154, 157, 159, 163, 176, 219, 221, 222, 224, 232, 233, 250, 253, 256 instant customary law siehe Gewohnheitsrecht Institut de Droit International (IDI) 40, 52, 181 Integrated Water Resources Management (IWRM) 54, 59, 60, 61, 129, 130, 260, 263 Inter-American Bar Association 41 Interessengemeinschaft 62, 92, 93 – 99, 101, 102, 104 – 106, 115, 119, 145, 247, 254 International Law Association (ILA) 27, 36, 37, 40, 41, 88, 89, 93, 100, 102, 112, 130, 166, 172, 174, 181, 248, 249, 251 International Law Commission (ILC) siehe Vereinte Nationen international river system 36 internationale Binnengewässer siehe Binnengewässer Internationaler Pakt für bürgerliche und politische Rechte (1966) 87 Internationaler Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1966) 87, 88

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internationalisierte Binnengewässer siehe Binnengewässer Israelisch-Jordanischer Friedensvertrag (1994) 232 Israel-Palestinian Interim Agreement (1995) siehe Oslo II-Abkommen (1995) Jordan 24, 231 jus cogens 169, 171, 184, 212 jus dispositivum 169, 184 Kanäle 36, 109 Kinderrechtekonvention (1989) 88 Klimarahmenkonvention (1992) 58 Klimaschutz 58 Klimawandel 22, 57, 58, 171, 258 Kodifikation 32, 40, 41, 42, 106, 109, 112, 124, 132, 145, 167, 168, 171, 174, 180, 181, 195, 196, 204, 220, 249, 250 Kodifikationskonvention 32, 167, 168, 172, 173, 182 – 184, 186 – 191, 208, 213, 250 Koexistenz 39, 41, 92, 101, 103, 168 Kondominium 54 Konsultation 44, 68, 94, 98, 117, 118, 133, 141, 146, 147, 153, 157, 159, 163, 176, 189, 191 Konsum 128 Kooperation siehe Zusammenarbeit Koordination 68, 91, 95, 98, 101, 104, 128, 151, 162, 225, 226, 229, 233, 239, 241 Kristallisation siehe Gewohnheitsrecht Lac Lanoux-Fall 52, 71, 94, 103, 181 längsgeteilte Flüsse 35, 175 lebenswichtige menschliche Bedürfnisse 33, 81, 85, 88 – 90, 120, 123, 124 – 126, 162, 256 LIAMCO-Fall 167, 189 Libanesisch-syrischer Vertrag über den Southern Great River (2002) 223 Lima 228 Maas / Schelde-Abkommen (1994) 236 Madrider Résolutions adoptées en ce qui concerne la réglementation internationale de l’usage des cours d’eau international (1911) 40, 52 Maputo siehe Incomati und Maputo-Vertrag (2002)

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Stichwortverzeichnis

maritime Umwelt 142, 155, 177 Mekong 24, 199, 233 – Mekong-Vertrag (1995) 233 – Mekong-Kommission 233, 251 Menschenrechte 41, 60, 74, 81, 85, 87, 90 – Menschenrecht auf Wasser 86, 87, 88, 124, 162, 255 Minho 228 minimal flow 143 Miteigentum 54 Mittlerer Osten 231 Mondvertrag (1979) 56 Montreal Rules on Water Pollution in an International Drainage Basin (1982) 27 nachhaltige Nutzung siehe Nutzung Nachhaltigkeit 55, 127, 130 – 133, 137, 141, 143, 164, 224, 249 Nahr al Kabir 223 Namibia-Gutachten 172 Nicaragua-Fall 180, 189, 210, 215, 216 Nichtdiskriminierungsprinzip 149, 177, 220, 256 Niger 24 Nil 24, 40, 84, 199, 202, 237, 251 – Nile Basin Initiative 237, 251 no harm-rule 27, 33, 43, 44, 49, 51, 74, 78, 123, 134, 140, 161, 169, 175, 178, 197, 200, 203, 220, 229, 232, 234, 236, 238, 250, 261 Nordseefestlandsockel-Fälle siehe Festlandsockelfälle normenschaffender Charakter siehe Gewohnheitsrecht Norwegian Fisheries-Fall 214 Nuclear Weapons-Gutachten 75, 180, 216 Nutzung – angemessene Nutzung 27 – 29, 31, 33, 51, 62, 63, 64 – 68, 71 – 81, 83, 84, 90 – 92, 94, 101, 106, 112, 117 – 120, 127, 134 – 138, 143 – 147, 151, 157, 159, 175, 176, 181, 182, 198, 224, 229, 233, 234, 238, 253, 254 – maximale Nutzung 128 – nachhaltige Nutzung 30, 31, 92, 100, 112, 115, 121, 122, 126, 127, 130, 131 – 134, 137, 138, 140, 147, 148, 151, 159, 161,

– – – – – –

162, 169, 176, 221, 228, 230, 232, 234, 237, 240, 256 optimale Nutzung 127, 128, 129 passive Nutzung 115 potentielle Nutzungen 80, 84, 85, 122 Recht auf Nutzung 28, 64, 65, 90, 94, 112, 146, 148, 149, 150, 156, 161, 253 schifffahrtliche Nutzung 96, 115, 121, 122 vernünftige Nutzung 62, 91, 92, 106, 144, 161, 254

Oder – Oderkommissionsfall 95, 96, 119, 181 – Vertrag über die Internationale Kommission zum Schutz der Oder vor Verunreinigung (1996) 236 Ökosystemansatz 37, 41, 110, 115, 138, 139, 141, 143, 230, 240 opinio juris siehe Gewohnheitsrecht optimale Nutzung siehe Nutzung Orontes 241, 242 Oslo II-Abkommen (1995) 232, 233 passive Nutzung siehe Nutzung persistent objector siehe Gewohnheitsrecht portugiesisch-spanische Flusseinzugsgebietskonvention (1998) 228 potentielle Nutzungen siehe Nutzung Prävention 30, 44, 89, 100, 104, 139, 141, 150, 151, 154, 155, 165, 176, 221, 226, 230 principle of progressive international law 100 prior apportionment 82, 83, 178 Protokoll für Wasser und Gesundheit (1999) siehe ECE-Übereinkommen (1992) quergeteilte Flüsse 35, 108, 156, 175 Rahmenkonvention 44, 146, 163, 170, 215, 227 Ratifikationsprozess 31, 43, 164, 165, 184, 187, 207, 208, 251, 256 Recht auf Nutzung siehe Nutzung rechtliche Gemeinschaft an internationalen Binnengewässern 45, 54, 55, 61 Rechtsüberzeugung siehe opinio juris

Stichwortverzeichnis Regen 55, 59, 67, 74, 152, 218 Regime 35, 39, 40, 98 – 101, 105, 111, 145 – 148, 159, 224, 230, 256, 257, 258 Repressalie 58 res communes 55 Rhein 229 – Rheinkommission-Fall 96 – Rhein-Übereinkommen (1999) 96, 229, 230 Rio-Erklärung (1992) 28, 57, 58, 59, 65, 87, 112, 130, 131, 140 SADC 218 – 220, 222 – Revised Protocol on Shared Watercourses in the Southern African Development Community (2000) 218 Salzburger Resolution (1961) 37, 40, 181 Sambesi 24, 218 Sava 224 – Rahmenübereinkommen zum Sava-Flusseinzugsgebiet (2002) 224 Schelde siehe Maas / Schelde-Abkommen (1994) schifffahrtliche Nutzung siehe Nutzung Schutz 30, 35, 37, 43 – 45, 53, 73 – 78, 81, 94, 95, 103, 105, 106, 110, 113 – 115, 124, 125, 131, 133, 138 – 150, 153 – 156, 160 – 163, 169, 172, 176, 198, 219 – 222, 226, 236 Seen 22, 35, 36, 109, 240, 256 Seerecht 34, 197 Seerechtskonvention (1982) 55, 56, 102, 117, 140, 142, 165, 173, 183, 185 – 187, 197, 208 Seoul Rules on International Groundwaters (1986) 36, 41 shared natural resources siehe gemeinsame Naturgüter sic utere tuo ut alienum non laedas 27, 44 Souveränität 35, 45, 49, 55, 60, 68, 75, 98, 102, 105, 119, 129, 139, 147, 149, 161, 178, 197, 201, 212, 217, 219, 258 – absolute territoriale Souveränität 45, 46, 47, 48, 70 – beschränkte territoriale Souveränität 50, 53, 62, 65, 70, 92, 102, 254 Staatenpraxis siehe Gewohnheitsrecht Staatenverantwortlichkeit 49, 57, 103, 249

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staatsfreie Gebiete 55, 56 Statements of Understanding siehe Wasserlaufkonvention Statusprinzip 56 Stauseen 69, 109 Stockholmer Erklärung (1972) 28, 76, 87 Streitschlichtungsverfahren 44, 108, 153, 177, 220, 221 – fact-finding-Kommission 44, 177 Syr Darya 24, 225 Teilhabe 62, 85, 86, 88, 92, 94, 95, 98, 101, 144, 145, 146, 148 – 151, 153 – 156, 158 – 163, 177, 182 Tejo 228 Tigris 24, 40, 199, 241, 251 TOPCO-Entscheidung 32, 167, 188 – 192, 197 Trail-Smelter-Fall 52, 103, 176 Umma / Lagash 39 Umweltverträglichkeitsprüfung 143, 157 UNEP Draft Principles of Conduct in the field of the environment for the guidance of States in the conservation and harmonious utilization of natural resources shared by two or more States (1978) 28 US Supreme Court 69 Verbot erheblicher grenzüberschreitender Umweltbelastungen siehe no harm-rule Vereinte Nationen – Generalversammlung 30 – 32, 42, 43, 45, 50, 65, 87, 104, 107, 110, 112, 166 – 168, 173, 179 – 182, 187 – 193, 195, 196, 199, 201, 205, 209, 211, 215 – 218, 220, 222, 223, 225, 227 – 231, 236, 237, 239 – 242, 245, 250, 251, 255 – International Law Commission (ILC) 27, 28, 31, 42, 45, 56, 79, 94, 104, 107, 110, 111, 113, 116, 118, 123, 124, 127, 132, 135, 139, 142, 144, 155, 159, 160, 166, 172 – 175, 178 – 183, 191, 192, 202, 204, 217, 219, 227, 228, 230, 232, 233, 235, 248, 250, 255, 258, 259 – Working Group of the Whole of the Sixth Committee 43, 44, 107, 108, 110, 111, 132, 134, 135, 138, 153, 159, 174, 191,

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Stichwortverzeichnis

192, 194 – 196, 199– 202, 205, 216, 223, 225, 230, 231, 236, 240 – 242, 255 Verhältnismäßigkeitsprinzip 51, 245 Verhandlungen 23, 44, 72, 90, 94, 98, 99, 107, 137, 146, 147, 153, 157, 159, 163, 215 vernünftige Nutzung siehe Nutzung Versailler Vertrag (1919) 39, 95 virtuelles Wasser 67, 69 vital human needs siehe lebenswichtige menschliche Bedürfnisse Völkerrechtskommission siehe International Law Commission Vorsorgeprinzip 132, 139, 140, 141 Wälder 237, 258 Wasserkreislauf 21, 35 – 37, 46, 50, 53, 60, 94, 257, 258 Wasserkrise 21, 24, 25, 30, 58, 255– 259 Wasserlaufgemeinschaft 128 Wasserlaufkonvention (1997) 31 – 33, 41, 55, 107, 108, 164, 174, 191, 192, 207, 227, 253, 254 – Statements of Understanding 108, 120, 135, 142, 171

Wasserrahmenrichtlinie 229, 239 – 241, 243, 258 Watercourse-Ansatz 37, 108 water stress 23 Wiener Kongress-Schlussakte (1815) 35, 39 Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (1961) 183 Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (1963) 183 Wiener Vertragsrechtskonvention (1969) 170, 172, 183, 208 Working Group of the Whole of the Sixth Committee siehe Vereinte Nationen World Commission on Dams 249, 251 World Water Council 223, 238 World Water Forum 60 Wüstenkonvention (1994) 58 Zusammenarbeit 24, 25, 30, 53, 55, 73, 92, 94, 97, 98, 100, 101, 104, 117, 145 – 148, 150, 151, 154 – 163, 176, 219 – 222, 224, 225, 227, 228, 230, 232, 233, 236 – 239, 254, 257