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German Pages [750] Year 1972
I1
NUNC COCNOSCO EX PARTE
THOMAS J. BATA LIBRARY TRENT UNIVERSITY
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WERNER HOFFMANN DAS NIBELUNGENLIED • KUDRUN
WERNER HOFFMANN DAS NIBELUNGENLIED • KUDRUN
I
WERNER HOFFMANN
DAS NIBELUNGENLIED KUDRUN
TEXT NACHERZÄHLUNG WORT- UND BEGRIFFSERKLÄRUNGEN
1972 WISSENSCHAFTLICHE
BUCHGESELLSCHAFT
DARMSTADT
^ ~\\5'1r5
. V\ Cp
© Bestellnummer: 4029 © 1972 by Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt Satz: Druckhaus Darmstadt GmbH, Darmstadt Druck: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt Einband: C. Fikentscher, Darmstadt Printed in Germany
ISBN 3-534-04029-5
MEINER FRAU ZUM 29. 7. 1971
'
* *... ..
INHALT
Vorwort.XIII
Das Nibelungenlied.
1
Text.
3
1. Äventiure:.
3
2. Äventiure: Von Sifride.
5
3. Äventiure: Wie SJfrit ze Wormze kom.
8
4. Äventiure: Wie er mit den Sahsen streit.
18
5. Äventiure: Wie Sifrit Kriemhilde aller erste ersach
33
.
.
6. Äventiure: Wie Günther gen Islande nach Prünhilde fuor
39
7. Äventiure: Wie Günther Prünhilde gewan.
47
8. Äventiure: Wie Sifrit nach slnen mannen fuor
....
57
9. Äventiure: Wie Sifrit ze Wormez gesant wart-
....
62
.
68
11. Äventiure: Wie Sifrit mit sinem wlbe heim ze lande kom
10. Äventiure: Wie Prünhilt ze Wormez enpfangen wart
81
12. Äventiure: Wie Günther Sifriden zuo der hochzit bat
85
.
13. Äventiure: Wie Sifrit mit sinem wibe zuo der hochzit fuor. 14. Äventiure: Wie die küneginne einander schulten
...
91 95
15. Äventiure: Wie Sifrit verraten wart.102 16. Äventiure: Wie Sifrit erslagen wart.107 17. Äventiure: Wie Sifrit beklaget und begraben wart
.
.
116
18. Äventiure: Wie Sigemunt wider heim ze lande fuor
.
.
125
19. Äventiure: Wie der Nibelunge hört ze Wormez bräht wart.128 20. Äventiure: Wie künec Etzel ze Burgonden nach Kriemhilde sande.133 21. Äventiure: Wie Kriemhilt zuo den Hiunen fuor
...
22. Äventiure: Wie Kriemhilt von Etzel enpfangen wart
.
149 154
23. Äventiure: Wie Kriemhilt warp, daz ir bruoder zuo der hochzit körnen.160
Inhalt
VIII
24. Äventiure: Wie Wärbel unt Swämmel ir herren boteschaft würben.164 25. Äventiure: Wie die Nibelunge zen Hiunen fuoren .
.
.
174
26. Äventiure: Wie Gelpfrat erslagen wart von Dancwarte
183
27. Äventiure: Wie si ze Bechelären körnen.190 28. Äventiure: Wie die Burgonden zuo den Hiunen körnen
198
29. Äventiure: Wie Kriemhilt Hagenen verweiz unt wie er niht gen ir üf stuont.202 30. Äventiure: Wie Hagen unt Volker der schiltwaht pflagen
209
31. Äventiure: Wie si ze kirchen giengen.213 32. Äventiure: Wie Dancwart Blcedelinen sluoc.221 33. Äventiure: Wie die Burgonden mit den Hiunen striten
224
34. Äventiure: Wie si die töten uz dem sal würfen
231
....
35. Äventiure: Wie Irinc erslagen wart.233 36. Äventiure: Wie diu küneginne den sal vereiten hiez
.
.
239
37. Äventiure: Wie Rüedeger erslagen wart.245 38. Äventiure: Wie herrn Dietriches recken alle erslagen wurden.257 39. Äventiure: Wie her Dietrich mit Günther und mit Hagene streit.267 Nacherzählung.274 1. Äventiure (Str. 1-19).274 2. Äventiure (Str. 20-43)
275
3. Äventiure (Str. 44-138).
276
4. Äventiure (Str. 139-264).
280
5. Äventiure (Str. 265-324)
283
6. Äventiure (Str. 325-388)
286
7. Äventiure (Str. 389-481)
288
8. Äventiure (Str. 482-528)
293
9. Äventiure (Str. 529-578)
295
10. Äventiure (Str. 579-689)
296
11. Äventiure (Str. 690-723)
301
12. Äventiure (Str. 724-777)
303
13. Äventiure (Str. 778-813)
305
14. Äventiure (Str. 814-876)
307
15. Äventiure (Str. 877-915)
311
16. Äventiure (Str. 916-1001).313 17. Äventiure (Str. 1002-1072).
316
18. Äventiure (Str. 1073-1100).
319
Inhalt 19. Aventiure (Str. 1101-1142) 20.
IX
.
320
Aventiure (Str. 1143-1289)
323
21. Aventiure (Str. 1290-1335)
329
22. Aventiure (Str. 1336-1386)
330
23. Aventiure (Str. 1387-1421)
333
24. Aventiure (Str. 1422-1505)
335
25. Aventiure (Str. 1506-1585)
338
26. Aventiure (Str. 1586-1649)
341
27. Aventiure (Str. 1650-1717)
344
28. Aventiure (Str. 1718-1757)
346
29. Aventiure (Str. 1758-1817)
349
30. Aventiure (Str. 1818-1848)
352
31. Aventiure (Str. 1849-1920)
353
32. Aventiure (Str. 1921-1950)
356
33. Aventiure (Str. 1951-2008)
358
34. Aventiure (Str. 2009-2027)
361
35. Aventiure (Str. 2028-2080)
362
36. Aventiure (Str. 2081-2134)
365
37. Aventiure (Str. 2135-2234)
367
38. Aventiure (Str. 2235-2323)
373
39. Aventiure (Str. 2324-2379)
376
Kudrun
.381
Text.382 1.
Aventiure.383
2. Aventiure: Wie Hagene von dem grifen wart hin gevüeret.390 3. Aventiure: Wie Hagene an den kiel kom.396 4. Aventiure: Wie Hagene enphangen wart von vater und von muoter.400 5. Aventiure: Wie Wate ze Irlande vuor.406 6.
Aventiure: Wie suoze Horant sanc.426
7. Aventiure: Wie die juncvrouwen diu schef schouweten und wie si hin gevüeret wurden.434 8.
Aventiure: Wie Hagene vuor nach slner tohter
....
439
9. Aventiure: Wie Wate, Mörunc unde Horant ze lande vuoren.448 10. Aventiure: Wie Hartmuot umbe Küdrünen warp
.
.
.
451
11. Aventiure: Wie Herwic unde Hartmuot umbe Küdrünen dar körnen.454
Inhalt
X
12. Äventiure: Wie Herwic herverte üf Hetelen und im Küdrün gegeben wart.456 13. Äventiure.461 14. Äventiure: Wie Hetele boten sande üz Herwiges lande
467
15. Äventiure: Wie Hartmuot Kudrünen mit gewalte nam
470
16. Äventiure: Wie Hilde boten sande Hetelen und Herwigen.477 17. Äventiure: Wie Hetele nach siner tohter kom üf den Wülpensant.481 18. Äventiure: Wie Ludewic Hetelen sluoc und bi der naht vuor von dannen.485 19. Äventiure: Wie die Hegelinge heim ze lande vuoren
490
20. Äventiure: Wie Hartmuot heim ze lande kom
494
21.
....
Äventiure: Wie Küdrün muose waschen.504
22. Äventiure: Wie Hilde herverte nach ir tohter.507 23. Äventiure: Wie si körnen in die habe und vuoren in Ormanielant
.515
24. Äventiure: Wie Küdrünen wart ir kunft kunt getan
518
25. Äventiure: Wie Ortwin und Herwic dar körnen
523
.
.
.
26. Äventiure: Wie Herwic und Ortwin wider zuo dem here körnen.538 27. Äventiure: Wie Hartmuot Ludewigen nante der vürsten Zeichen
.542
28. Äventiure: Wie Herwic Ludewigen sluoc.550 29. Äventiure: Wie Hartmuot gevangen wart.556 30. Äventiure: Wie si Hilden boten sanden.564 31. Äventiure: Wie die vier künege in Hilden lande höchziten.577 32. Äventiure: Wie die andern ze lande vuoren.580 Nacherzählung.582 1. Äventiure (Str. 1-66). 2.
Äventiure (Str. 67-113) 3. Äventiure (Str. 114-150)
582 584 586
4. Äventiure (Str. 151-203)
53g
5. Äventiure (Str. 204-371)
59O
6.
Äventiure (Str. 372-439)
596
7. Äventiure (Str. 440-487)
599
Äventiure (Str. 488-562)
601
9. Äventiure (Str. 563-586)
8.
604
Inhalt
XI
10. Aventiure (Str. 587-616)
605
11. Aventiure (Str. 617-629)
606
12. Aventiure (Str. 630—667)
607
13. Aventiure (Str. 668-724)
609
14. Aventiure (Str. 725-752)
611
15. Aventiure (Str. 753-809)
612
16. Aventiure (Str. 810—846)
616
17. Aventiure (Str. 847-879)
618
18. Aventiure (Str. 880-918)
619
19. Aventiure (Str. 919-950)
621
20. Aventiure (Str. 951-1040).
623
21. Aventiure (Str. 1041-1070)
629
22. Aventiure (Str. 1071-1141)
630
23. Aventiure (Str. 1142-1164)
633
24. Aventiure (Str. 1165-1206)
634
25. Aventiure (Str. 1207-1334)
637
26. Aventiure (Str. 1335-1365)
643
27. Aventiure (Str. 1366-1440)
644
28. Aventiure (Str. 1441-1493)
647
29. Aventiure (Str. 1494-1560)
650
30. Aventiure (Str. 1561-1666)
653
31. Aventiure (Str. 1667-1695)
658
32. Aventiure (Str. 1696-1705)
659
Wort- und Begriffserklärungen zu beiden Dichtungen
•
•
663
'
■
VORWORT Wenn in diesem Band der Reihe ‘Althochdeutsche und mit¬ telhochdeutsche Epik und Lyrik’ das Nibelungenlied und die ‘Kudrun’ verbunden sind, dann ist das nicht nur darum be¬ rechtigt, weil es sich bei ihnen um die bekanntesten und gewiß auch bedeutendsten Vertreter der sog. Heldendichtung des Hochmittelalters handelt, sondern auch deshalb, weil sie in¬ nerlich zusammengehören - allerdings, wie die neuere For¬ schung immer deutlicher zeigen konnte, in einem durchaus antithetischen Verhältnis des jüngeren Werkes zu dem älteren und keineswegs in dem Sinne, wie die Germanistik des 19. Jahrhunderts Nibelungenlied und ‘Kudrun’ gern neben¬ einanderstellte: sowenig das Nibelungenlied die deutsche ‘Ilias’ ist, sowenig ist die ‘Kudrun’ die deutsche ‘Odyssee’. Dieser zeitweilig beliebte Vergleich greift in jeder Beziehung fehl, mag er immerhin, gleich einigen anderen zeitbedingten Faktoren, dazu beigetragen haben, den beiden Werken brei¬ tere Leserschichten zu gewinnen. Wie im 19. Jahrhundert sind das Nibelungenlied und die ‘Kudrun’ aber wohl auch heute noch diejenigen mittelhochdeutschen Dichtungen, die (als „Sagen“) dem Leser am vertrautesten zu sein pflegen. Daß mit solcher Kenntnis des Nibelungenliedes und der ‘Kudrun’, zu¬ mal wenn diese eigens für die Jugend neu erzählt sind, nur ein erstes, vorläufiges, grob stoffliches, kurzum: ein unzurei¬ chendes Verständnis der mittelhochdeutschen Dichtungen ver¬ mittelt wird, ist freilich kaum zu vermeiden. Selbstverständ¬ lich sind auch die hier vorgelegten „Nacherzählungen“, in denen die Wiedergabe der Handlung notwendigerweise ganz im Vordergrund stehen muß, noch keine Erschließung des Sinn- und Problemgehalts dieser Werke. Und trotzdem sind gerade das Nibelungenlied und die ‘Kudrun’ am wenigsten
XIV
Vorwort
von der Gefahr bedroht, daß der Zugang über die Nach¬ erzählung des Geschehens ihr Sinnverständnis entscheidend verkürze oder gar verfehle, ist in ihnen doch die Aussage ganz auf das Geschehen abgestellt, in dessen Vollzug sich der „Ge¬ halt“ allein verwirklicht, während weit ausgreifende Refle¬ xionen des Erzählers, wie sie z. B. für Gotfrids Tristan’ cha¬ rakteristisch sind, gänzlich fehlen. Dichtungen, in denen der Erzählerbericht und der Dialog so sehr dominieren wie im Nibelungenlied und in der ‘Kudrun’, dürfen in der Tat „nach¬ erzählt“ werden, im Schullesebuch ebensowohl wie in einer sich an breitere Kreise wendenden wissenschaftlichen Publika¬ tion. Ich habe mich dabei zu einer im ganzen straffen Zusammen¬ fassung des Handlungsablaufs entschlossen, nicht zuletzt des¬ halb, um die Leser - und besonders die Studenten unter ihnen - nach Möglichkeit nicht in Versuchung zu führen, aufgrund der Lektüre der Nacherzählung sich die der mittelhochdeut¬ schen Texte (die jene nur erleichtern soll) zu ersparen. Für die¬ se relativ knappe Vergegenwärtigung des Geschehens scheint mir die Form des Präsens angemessener als das der breiten Nacherzählung in der Regel zugeordnete Präteritum. Die für strophische Dichtungen von der Art des Nibelungenliedes und der ‘Kudrun’ geradezu stilprägende blockhaft-harte Fügung des Erzählens, die vorherrschende isolierend-parataktische Erzählweise durfte in der Geschehenswiedergabe nicht gänz¬ lich verschleiert, konnte aber andererseits auch nicht einfach beibehalten werden, würde doch das oft unvermittelt harte Nebeneinander verschiedener Aussagen im mittelhochdeut¬ schen Text in seiner neuhochdeutschen Nacherzählung uner¬ träglich wirken. Es war mein Bestreben, in diese so wenig Deutung oder Interpretation wie möglich einfließen zu lassen. Ganz auszuschalten ist sie allerdings nicht überall: Schon das bare, vordergründige Textverständnis verlangt an manchen Stellen eine Entscheidung zwischen mehreren sich bietenden Möglichkeiten. Aber um so weniger darf dem mit der For¬ schungslage nicht immer vertrauten Leser durch die Ver-
Vorwort
XV
mischung von Nacherzählung und Interpretation die Vor¬ stellung suggeriert werden, daß Einigkeit über die Auslegung des Textes bestünde. Was die abgedruckten mittelhochdeutschen Dichtungen be¬ trifft, so kann es keinen Zweifel geben, daß für die Fassung B des Nibelungenliedes (die für die Zwecke dieser Publikation allein in Frage kommt) Helmut de Boors Neubearbeitung von Karl Bartschs Ausgabe die beste Textgrundlage darstellt: 13., neubearbeitete Auflage 1956; Neudruck [18. Aufl.] 1965. Für die weit mehr textkritische Fragen aufwerfende ‘Kudrun’ habe ich die von Bruno Boesch bearbeitete Ausgabe von B. Symons aus der ‘Altdeutschen Textbibliothek’ zugrunde ge¬ legt (3. Auflage, 1954). Die 4. Auflage (1964) ist im Text mit der 3. nahezu identisch; wo sie sich gelegentlich von ihr unter¬ scheidet, bedeutet sie nicht immer einen Fortschritt. In einigen Fällen bin ich gegenüber Symons/Boesch zu der Reihenfolge der Strophen zurückgekehrt, wie sie die Ambraser Handschrift bietet, muß es doch offenbleiben, ob die von den Herausgebern der ‘Kudrun’ zur Herstellung eines besseren Zusammenhangs an nicht wenigen Stellen vorgeschlagenen und vorgenomme¬ nen Strophenumstellungen stets der Intention und der Erzähl¬ weise des Dichters entsprechen. Ein vergleichender Blick auf das Nibelungenlied, bei dem solche Umstellungen nicht üblich sind, zeigt, daß es auch dort, wenngleich nicht so häufig wie bei der ‘Kudrun’, Partien gibt, die durch eine Änderung in der Reihenfolge der Strophen an erzählerischer Kohärenz oder Folgerichtigkeit gewönnen (vgl. die Stellung der Strophe
1371 im Kontext der Strophen 1370 und 1372 f.; wäre das Nibelungenlied, gleich der ‘Kudrun’, nur in einer Handschrift überliefert, hätten die Herausgeber die Strophe 1371 sicherlich umgestellt - mit Rücksicht auf den Consensus so vieler hand¬ schriftlicher Zeugen ist dies unterblieben). Daß es sich bei den Wort- und Begriffserklärungen nur um eine Auswahl handeln konnte und in ihnen, dem Zweck dieser Veröffentlichung entsprechend, keine dem Philologen neuen Erkenntnisse vermittelt werden, versteht sich von selbst. Ei-
XVI
Vorwort
nen gewissen Wert habe ich darauf gelegt, über die im Nibe¬ lungenlied und in der ‘Kudrun’ vorkommenden Bedeutungen hinaus auf deren Vielfalt aufmerksam zu machen, um den Leser immer wieder darauf hinzuweisen, daß die Erscheinung der Polysemie im Mittelhochdeutschen weit verbreitet und demgemäß für das adäquate Verständnis mittelhochdeutscher Dichtungen besonders bedeutsam ist - und auf jeden Fall eine noch größere Schwierigkeit darstellt als der klar zutage lie¬ gende
Bedeutungswandel
vom
Mittelhochdeutschen
zur
Sprache der Gegenwart. Ich hoffe, daß die Nacherzählungen wie die Wort- und Begriffserklärungen es dem interessierten Leser, sei er Student der Deutschen Philologie, sei er Liebhaber der älteren deut¬ schen Dichtung, erleichtern, einen Zugang zum Nibelungen¬ lied und zur ‘Kudrun’ zu finden, zu Werken, die verdienen, auch in unserer Zeit noch - oder wieder - gelesen zu werden. W. H. Frankfurt am Main, im März 1971
DAS NIBELUNGENLIED
'
.
DER NIBELUNGE NÖT 1. Äventiure
1 Uns ist in alten mamren Wunders vil geseit von grozer arebeit, von helden lobebaeren, von weinen und von klagen, von fröuden, hochgeziten muget ir nu wunder hoeren von küener recken striten ein vil edel magedin, [sagen, 2 Ez wuohs in Burgonden niht schoeners mohte sin, daz in allen landen si wart ein scoene wip. Kriemhilt geheizen: dar umbe muosen degene vil Verliesen den lip. Der minneclichen meide triuten wol gezam. ir muoten küene recken, niemen was ir gram, äne mäzen schoene so was ir edel lip. der juncvrouwen tugende zierten anderiu wip. Ir pflägen drie künege edel unde rieh, Günther unde Gernot, di recken lobelich, und Giselher der junge, ein üz erwelter degen. diu frouwe was ir swester, di fürsten hetens in ir pflegen. Die herren waren milte, von arde hoh erborn, mit kraft unmäzen küene, di recken üz erkorn. da zen Burgonden so was ir lant genant. si frumten starkiu wunder sit in Etzelen lant. Ze Wormez bi dem Rine si wonten mit ir kraft. in diente von ir landen vil stolziu ritterscaft mit lobelichen eren unz an ir endes zit. si stürben sit jämmerliche von zweier edelen frouwen mt. Ein richiu küneginne, frou Uote ir muoter hiez. ir vater der hiez Dancrät, der in diu erbe liez sit nach sime lebene, ein ellens richer man, der ouch in siner jugende grozer eren vil gewan.
4
Nibelungenlied: Text
8 Die drie künege waren,
als ich gesaget hän,
von vil hohem eilen.
in wären undertän
ouch di besten recken,
von den man hat gesaget,
starc und vil küene,
in scarpfen stritten unverzaget.
9 Daz was von Tronege Hagene Dancwart der vil snelle, di zwene maregräven Volker von Alzeye,
und ouch der bruoder sin,
von Metzen Ortwin, Gere und Ekkewart,
mit ganzem eilen wol bewart.
10 Rümolt der kuchenmeister, Sindolt und Hünolt,
ein üz erwelter degen,
dise herren muosen pflegen
des hoves unt der eren,
der drier künege man.
si heten noch manegen recken,
des ich genennen niene
11 Dancwart der was marscalk, do was der neve sin truhsseze des küneges, von Metzen Ortwin. Sindolt der was scenke, Hünolt was kamerasre.
ein üz erwelter degen. si künden hoher eren pflegen,
12 Von des hoves krefte
und von ir witen kraft,
von ir vil hohen werdekeit der di herren pflügen
und von ir ritterscaft,
mit vröuden al ir leben,
des enkunde iu ze wäre 13 In disen hohen eren
niemen gar ein ende geben. troumte Kriemhilde,
wie si züge einen valken,
starc scoen’ und wilde,
den ir zwene arn erkrummen. ir enkunde in dirre werlde 14 Den troum si do sagete ‘der valke den du ziuhest,
daz si daz muoste sehen: leider nimmer gescehen.
ir muoter Uoten.
sine kundes niht besceiden in welle got behüeten,
[kan.
baz der guoten: daz ist ein edel man. du muost in sciere vloren hän.’
15 ‘Waz saget ir mir von manne, vil liebiu muoter min? ane recken minne so wil ich immer sin. sus sccen’ ich wil beliben
unz an minen tot,
daz ich von mannes minne
sol gewinnen nimmer not.’
16 ‘Nu versprich ez niht ze sere’, ‘soltu immer herzenliche
zer werlde werden vrö,
daz geseiht von mannes minne. ob dir noch got gefüeget
sprach aber ir muoter do. du wirst ein scoene wip,
eins rehte guoten ritters lip.’
2. Äventiure
17 ‘Die rede lät beliben’,
sprach si, ‘frouwe min.
ez ist an manegen wiben wie liebe mit leide
vil dicke worden sein
ze jungest Ionen kan.
ich sol si miden beide,
sone kan mir nimmer missegän.’
18 Kriemhilt in ir muote
sich minne gar bewac.
sxt lebte diu vil guote
vil manegen lieben tac,
daz sine wesse niemen sit wart si mit eren
den minnen wolde ir lip. eins vil küenen recken wip.
19 Der was der selbe valke,
den si in ir troume sach,
den ir besciet ir muoter.
wi sere si daz rach
an ir nadisten mägen,
die in sluogen sint!
durch sin eines sterben
starp vil maneger muoter kint.
2. Äventiure Von Sifride 20 Do wuohs in Niderlanden
eins edelen küneges kint,
des vater der hiez Sigemunt,
sin muoter Sigelint,
in einer riehen bürge,
witen wol bekant,
nidene bi dem Rine:
diu was ze Santen genant.
21 Sivrit was geheizen
der snelle degen guot.
er versuochte vil der riche durch sines libes Sterke
er reit in menegiu lant.
hey waz er sneller degene 22 In sinen besten ziten,
sit zen Burgonden vant! bi sinen jungen tagen,
man mohte michel wunder waz eren an im wüehse sit heten in ze minne
von Sivride sagen, und wi scoene was sin lip.
diu vil wastlichen wip.
23 Man zoch in mit dem vlize von sin selbes muote
durch ellenthaften muot.
als im daz wol gezam.
waz tugende er an sich nam!
des wurden sit gezieret daz man in ze allen dingen 24 Er was nu so gewahsen die Hute in sähen gerne. im wünschten daz sin wille
sines vater lant, so rehte herlichen vant. daz er ze hove reit. manec frouwe und manec meit in immer trüege dar.
5
6
Nibelungenlied: Text
holt wurden im genuoge, 25 Vil selten äne huote
des wart der herre wol gewar.
man riten lie daz kint.
in hiez mit kleidern zieren
Sigmunt und Siglint.
sin pflägen ouch die wisen,
den ere was bekant.
des moht er wol gewinnen
beide liute unde lant.
26 Nu was er in der Sterke
daz er wol wäfen truoc.
swes er dar zuo bedorfte,
des lag an im genuoc.
er begunde mit sinnen
werben scoeniu wip,
di trüten wol mit eren
des küenen Sivrides lip.
27 Do hiez sin vater Sigmunt er wolde hohgezite
künden sinen man,
mit lieben vriwenden hän.
diu mtere man do fuorte
in ander künege lant.
den vremden und den künden 28 Swä man vant deheinen von art der sinen mäge, mit dem jungen künege
durh die hohgezit.
swert genämen si sit.
man möhte wunder sagen.
Sigmunt unde Siglint
die mohten wol bejagen
mit guote michel ere;
des teilte vil ir hant.
des sach man vil der vremden 30 Vier hundert swertdegene mit samt Sivride.
wurken üf ir wät
den jungen stolzen recken: der wirt der hiez do sidelen ze einen sunewenden,
vil manec r'icher kneht als in was e getän.
und ouch vil maneger vreuden wän. eine messe sanc.
do huop sih von den liuten dä si ze riter wurden
vil manegen küenen man,
die wisen heten reht
daz si den tumben dienten, 33 Got man do zen eren
des newas niht rät.
dä sin sun wol ritters namen gewan.
32 Do gie ze einem münster
si heten kurzwile
wan si im wären holt,
die frouwen leiten in daz golt,
31 Die si mit porten wolten
und manec edel riter.
zuo z’in riten in daz lant. die solden tragen kleit
vil manec scceniu meit
von werke was unmüezec, vil der edelen steine
[gewant.
diu edeln kindelin
diu ladet’ man zuo dem lande 29 Von der hohgezite
gab er ross und guot
der riter solde sin
vil michel der gedranc,
näh riterlicher e
2. Äventiure
mit also grozen eren,
daz waetlich immer mer erge.
34 Si liefen da si funden
gesatelt manec marc.
in hove Sigmundes
der bühurt wart so starc,
daz man erdiezen horte
palas unde sal.
die hohgemuoten degene
die heten groezlichen scal.
35 Von wisen und von tumben daz der scefte brechen
man horte manegen stöz,
gein den lüften doz.
trunzüne sach man vliegen
für den palas dan
von maneges recken hende:
daz wart mit vlize getan.
36 Der wirt der bat ez läzen,
do zöch man diu marc.
man sach ouch da zebrochen vil der edelen steine
vil manege buckel starc,
gevellet üf daz gras
ab liehten Schildes spangen, 37 Do giengen ’swirtes geste vil der edelen spise
von hurten daz gescehen was. da man in sitzen riet,
si von ir müede seiet
unt win der aller beste,
des man in vil getruoc.
den vremden und den künden 38 Swie vil si kurzwile
ruowe sich bewac.
si dienten nach der gäbe
die man da riche vant.
des wart mit lobe gezieret
allez Sigmundes lant.
39 Der herre der hiez lihen lant unde bürge,
Sivrit den jungen man
als er het e getan.
sinen swertgenozen
den gap do vil sin hant.
do liebt’ in diu reise,
daz si körnen in daz lant.
40 Diu hohgezit werte
unz an den sibenden tac. nach alten siten pflac
durch ir sunes liebe
teilen rötez golt.
si kundez wol gedienen
daz im die liute wären holt.
41 Vil lützel man der varnder ross unde kleider ich w:en’ ie ingesinde
armen dä vant.
daz stoub in von der hant,
sam si ze lebene heten 42 Mit lobelichen eren
bot man eren da genuoc.
pflägen al den tac,
vil der varender diete
Siglint diu riche
7
niht mer deheinen tac. so grozer milte gepflac. seiet sich diu hohgezit.
horte man wol slt von den riehen herren daz si den jungen wolden ze eime herren hän.
Nibelungenlied: des engerte niht her Sivrit, 43 Sit daz noch beide lebten,
Text
der vil wjetliche man. Sigmunt und Siglint,
niht wolde tragen kröne
ir beider liebez kint,
doch wold’ er wesen herre
für allen den gewalt
des in den landen vorhte
der degen küen’ unde balt.
3. Äventiure Wie Sifrit ze Wormze kom 44 Den herren muoten selten
deheiniu herzen leit.
er hörte sagen maere
wie ein scoeniu meit
waere in Burgonden,
ze wünsche wol getan,
von der er sit vil vreuden
und ouch arbeit gewan.
45 Diu ir unmäzen scoene
was vil witen kunt,
und ir höhgemüete
zuo der selben stunt
an der juncfrouwen
so manec helf ervant.
ez ladete vil der geste
in daz Guntheres lant.
46 Swaz man der werbenden Kriemhilt in ir sinne
nach ir minne sach,
ir selber nie verjach,
daz si deheinen wolde
ze eime trute hän.
er was ir noch vil vremde,
dem si wart sider undertän.
47 Do gedäht üf höhe minne ez was ir aller werben
daz Siglinde kint. wider in ein wint.
er mohte wol verdienen
scoener frouwen lip.
sit wart diu edele Kriemhilt des küenen Sivrides wip. 48 Im rieten sine mäge und genuoge sine man, sit er üf staete minne
tragen wolde wän,
daz er dan eine würbe
diu im möhte zemen.
dö sprach der küene Sivrit: 49 Die scoenen juncfrouwen durch ir unmäzen scoene. nie keiser wart so riche,
‘so wil ich Kriemhilden von Burgonden lant daz ist mir wol bekant, der wolde haben wip,
im zaeme wol ze minnen 50 Disiu selben maere ez reiten sine Hute,
[nemen,
der riehen küneginne lip.’ gehörte Sigmunt. da von wart im kunt
3. Äventiure
der wille slnes kindes
was im harte leit,
daz er werben wolde
die vil herlichen meit.
51 Ez gevriesc ouch Siglint, si hete groze sorge
9
des edelen küneges wip.
um ir kindes lip,
wan si wol erkande
Günthern und sine man.
den gewerp man dem degene
sere leiden began.
52 Do sprach der küene Sivrit
‘vil lieber vater min,
an’ edeler frouwen minne
wold’ ich immer sin,
ih enwurbe, dar min herze
vil groze liebe hat.
swaz iemen reden künde, des ist deheiner slahte rat. 53 ‘Unt wil du niht erwinden’', sprach der künec do, ‘so bin ich dines willen wasrlichen vro, und wil dirz helfen enden so ich aller beste kan. doch hat der künec Günther
vil manegen hohferten man.
54 Ob ez ander niemen wasre
wan Hagene der degen,
der kan mit übermüete
der hohverte pflegen,
daz ich des sere fürhte,
ez müg’ uns werden leit,
ob wir werben wellen
die vil herlichen meit.’
55 ‘Waz mag uns daz gewerren?’
sprach do Sivrit.
‘swaz ich friwentliche
niht ab in erbit,
daz mac sus erwerben
mit eilen da min hant.
ich trouwe an in ertwingen
beide liut unde lant.’
56 Do sprach der fürste Sigmunt: wan wurden disiu masre
ze Rine geseit,
dune dürftest nimmer
geriten in daz lant.
Günther unde Gernot 57 Mit gewalte niemen
‘din rede diu ist mir leit.
die sint mir lange bekant. erwerben mac die meit’,
so sprach der künec Sigmunt; wilt aber du mit recken
‘daz ist mir wol geseit.
riten in daz lant,
ob wir iht haben vriwende, 58 ‘Des enist mir niht ze muote’,
di werdent sciere besant.’ sprach aber Sivrit,
‘daz mir sulen recken
ze Rine volgen mit
durh deheine hervart
(daz wxre mir vil leit),
da mit ich solde ertwingen 59 Si mac wol sus erwerben ich wil selbe zwelfte
die vil wsetlichen meit. da min eines hant.
in Guntheres lant.
10
Nibelungenlied: Text
dar sult ir mir helfen,
vater Sigmunt.’
do gap man slnen degenen
ze kleidern grä unde bunt.
60 Do vernam ouch disiu maere si begunde trüren
daz vorhte si Verliesen diu edele küneginne 61 Sivrit der herre
sin muoter Siglint.
um ir liebez kint,
von Guntheres man. vil sere weinen began.
gie da er si sach.
wider sine muoter
er güetlichen sprach:
‘frouwe, ir sult niht weinen ja wil ich äne sorge
durh den willen min.
vor allen Wiganden sin.
62 Und helfet mir der reise
in Burgonden lant,
daz ich und mine recken
haben solch gewant,
daz also stolze helde
mit eren mugen tragen.
des wil ich iu genäde
mit triuwen wcerlichen sagen.’
63 ‘Sit du niht wil erwinden’, ‘so hilf’ ich dir der reise, mit der besten waete,
die riter ie getruoc,
dir und dinen gesellen.
ir sult ir füeren genuoc.’
64 Do neic der küneginne
Sivrit der junge man.
er sprach: ‘ih wil zer verte niwan zwelf recken:
wiez um Kriemhilde stat.’
65 Do säzen scoene frouwen
naht unde tac,
daz lützel ir deheiniu
ruowe gepflac, di Sivrides wät.
er wolde siner reise
haben deheiner slahte rät.
66 Sin vater hiez im zieren
sin riterlich gewant,
da mit er wolde rümen
daz Sigmundes lant,
und ir vil liehten brünne und ir vesten helme, 67 Do nähet’ in ir reise um si begunde sorgen
die wurden ouch bereit,
ir Schilde scoen’ unde breit. zen Burgonden dan. wib unde man,
ob si immer komen solden die helde in hiezen soumen 68 Ir ross diu wären sccene, lebt’ iemen übermüeter,
niemen mere hän
den sol man prüeven wat.
ich wil daz sehen gerne
unze man geworhte
sprach frou Siglint, min einigez kint,
heim wider in daz lant. beide wäfen und gewant. ir gereite goldes rot. des enwas niht not,
3. Äventiure
denne wxre Sivrit
und di sine man.
urloubes er do gerte
zuo den Burgonden dan.
69 In werten trüreclichen
der künec und sin wip.
er tröste minneclichen
do ir beider lip.
er sprach: ‘ir sult niht weinen immer äne sorge
durch den willen min;
sult ir mines libes sin.’
70 Ez was leit den recken,
ez weinte ouch manec meit.
ich warn’ in het ir herze
rehte daz geseit,
daz in so vil der friwende
da von gelxge tot.
von sculden si do klageten: 71 An dem sibenden morgen riten die vil küenen.
des gie in waerliche not. ze Wormez üf den sant
allez ir gewant
was von rotem golde,
ir gereite wol getan,
ir ross in giengen ebene,
des küenen Sivrides man.
72 Ir Schilde wären niuwe,
lieht unde breit,
und vil scoene ir helme, Sivrit der vil küene
da ze hove reit in Guntheres lant.
man gesach an helden
nie so herlich gewant.
73 Diu ort ir swerte giengen
nider üf die sporn,
ez fuorten scärpfe geren
die riter üz erkorn.
Sivrit der fuort’ ir einen
wol zweier spannen breit,
der ze sinen ecken
vil harte vreislichen sneit.
74 Die goltvarwen zoume sidiniu fürbüege:
fuortens’ an der hant,
sus komens’ in daz lant.
daz volc si allenthalben do liefen in engegene
kapfen an began, vil der Guntheres man.
75 Die hohgemuoten recken, die giengen zuo den herren und enpfiengen dise geste und nämen in die moere
riter unde kneht, (daz was michel reht) in ir herren lant, mit den Schilden von der hant.
ziehen an gemach, 76 Diu ross si wolden dannen wie snelle er do sprach: Sivrit der vil küene, ‘lät uns sten die moere wir wellen sciere hinnen, 77 Swem sin kunt diu mxre, wä ich den künec vinde,
mir und minen man. des ich vil guoten willen hän. der sol mich niht verdagen, daz sol man mir sagen,
11
12
Nibelungenlied: Text
Günthern den vil riehen dö sagtez im ir einer
üz Burgonden lant.’ dem ez rehte was bekant.
78 ‘Welt ir den herren vinden,
daz mac vil wol gescehen.
in jenem sale witen
da hän ich in gesehen
bi den sinen helden.
da sult ir hine gän;
da mugt ir bi im vinden
vil manegen herlichen man.’
79 Nu wären dem künige
diu msere geseit
daz da körnen wseren
riter vil gemeit,
di fuorten wize brünne
und herlich gewant.
si’n erkande niemen
in der Burgonden lant.
80 Den künec des hete wunder, die herlichen recken
von wannen koemen dar
in wxte lieht gevar
und mit so guoten scilden, daz im daz sagte niemen,
niuwe unde breit, daz was Gunthere leit.
81 Des antwurte dem künege (rieh unde küene
von Metzen Ortwin
moht’ er wol sin):
‘sit wir ir niht erkennen,
nu sult ir heizen gän
nach minem oeheim Hagenen; 82 Dem sint kunt diu riche sint im die herren künde,
daz tuot er uns bekant.’
der künec bat in bringen man sach in herliche
den sult ir si sehen län.
und ouch diu vremden lant. und die sinen man.
mit recken hin ze hove gän.
83 Waz sin der künec wolde, ‘ez sint in mime hüse
des vrägte Hagene.
unkunde degene,
di niemen hie bekennet.
habt ir si ie gesehen,
des sult ir mir, Hagene,
der rehten wärheite jehen.’
84 Daz tuon ich’, sprach Hagene. sin ougen er do wenken wol behagte im ir geverte si waren im vil vremde
zeinem venster er do gie,
zuo den gesten lie. und ouch ir gewant: in der Burgonden lant.
85 Er sprach, von swannen koemen ez möhten selbe fürsten ir ross diu wxren scoene, von swannen daz si füeren, 86 Also sprach do Hagene. swie ich Sivriden
die recken an den Rin,
oder fürsten boten sin. ir kleider harte guot. si wjeren hohe gemuot. ‘ich wil des wol verjehen,
nimmer habe gesehen,
3. Äventiure
so wil ich wol gelouben, daz ez si der recke,
swie ez dar umbe stät,
der dort so herlichen gät.
87 Er bringet niuwemxre
her in ditze lant.
die küenen Nibelunge
sluoc des heldes hant,
Schilbunc und Nibelungen, er frumte starkiu wunder 88 Da der heit al eine
an’ alle helfe reit,
er vant vor einem berge, bi Nibelunges horde
daz ist mir wol geseit, vil manegen küenen man,
die wären im e vremde, 89 Hort der Nibelunges
unz er ir künde da gewan. der was gar getragen
üz einem holen berge,
nu hoeret wunder sagen,
wie in wolden teilen
der Nibelunge man.
daz sach der degen Sivrit;
den heit es wundern began.
90 Er kom zuo zin so nähen
daz er die helde sach
und ouch in die degene.
ir einer drunder sprach:
‘hie kumt der starke Sivrit, vil seltsseniu maere
der heit von Niderlant.’
er an den Nibelungen vant.
91 Den recken wol enpfiengen mit gemeinem räte
diu riehen küneges kint. mit siner grozen krefte sint.
Schilbunc und Nibelunc.
die edelen fürsten junc
den scaz in bäten teilen,
den waetlichen man,
und gerten des mit vlize.
der herre loben inz began.
92 Er sach so vil gesteines hundert kanzwägene noch me des roten goldes daz sold’ in allez teilen 93 Do gäben si im ze miete si wären mit dem dienste den in dä leisten solde
(so wir hoeren sagen) ez möhten niht getragen; von Nibelunge lant. des küenen Sivrides hant. daz Nibelunges swert. vil übele gewert, Sivrit der heit guot.
si wären zornec gemuot. er’n kundez niht verenden zwelf küene man, 94 Si heten dä ir friunde waz kundez si vervän? daz starke risen wären, diu Sivrides hant, twang er von Nibelunge lant und recken siben hundert daz hiez Balmunc. 95 Mit dem guoten swerte, vil manec recke junc, durch die starken vorhte die sluoc sit mit zorne
13
Nibelungenlied: Text
14
die si zem swerte heten
und an den küenen man,
daz lant zuo den bürgen
si im täten undertän.
96 Dar zuo die riehen künige er kom von Albnche
die sluog er beide tot.
sit in groze not.
der wände sine herren
rechen dä zehant,
unz er die grozen Sterke
sit an Slvride vant.
97 Done kund’ im niht gestritten alsam die lewen wilde
si liefen an den berc,
da er die tarnkappen
sit Albnche an gewan.
do was des hordes herre
Sivrit der vreisliche man.
98 Die dä torsten vehten,
die lägen alle erslagen.
den scaz den hiez er balde dä in dä vor dä nämen
füeren unde tragen di Nibelunges man.
Albrich der vil starke
do die kameren gewan.
99 Er muos’ im sweren eide, aller hande dinge
daz starke getwerc.
er diente im so sin kneht.
was er im gereht.’
so sprach von Tronege Hagene. also grözer krefte
100 Noch weiz ich an im mere einen lintrachen
‘daz hät er getän.
nie mer recke gewan. daz mir ist bekant.
den sluoc des heldes hant.
er badet’ sich in dem bluote: des snidet in kein wäfen.
101 Wir suln den herren
sin hüt wart hurnin. daz ist dicke worden sein.
enpfähen deste baz,
daz wir iht verdienen sin lip der ist so küene,
des jungen recken haz. man sol in holden hän.
er hät mit siner krefte
so menegiu wunder getän.’ 102 Do sprach der künec riche: ‘du mäht wol haben war. nu sich, wie degenliche
er stet in strites vär,
er und die sinen degene,
der vil küene man.
wir sulen im engegene 103
hin nider zuo dem recken gän.’
Daz mugt ir , sprach do Hagene, er ist von edelem künne, er stet in der gebxre,
mich dunket, wizze Krist,
ez ensin niht kleiniu mxre
dar umb’ er her geriten ist.’
104 Do sprach der künec des landes: er ist edel unde küene,
‘wol mit eren tuon.
eines riehen küneges sun.
‘nu si uns willekomen.
daz hän ich wol vernomen.
3. Äventiure
des sol oudi er geniezen
in Burgonden lant.’
dö gie der herre Günther
da er Sivriden vant.
105 Der wirt und sine recken daz in an ir zühten
enpfiengen so den gast
vil wenec iht gebrast.
des begund’ in nigen
der wcetliche man,
daz si in heten grüezen
so rehte scöne getan.
106 ‘Mich wundert dirre maere’,
sprach der künec zehant,
‘von wannen ir, edel Sivrit,
sit komen in ditze lant,
oder waz ir wellet werben
ze Wormez an den Rin.’
do sprach der gast zem künege: 107 Mir wart gesaget maere daz hie bi iu wseren
‘daz sol iuch unverdaget
in mines vater lant,
[sin.
(daz het ich gern’ erkant)
die küenesten recken
(des hän ich vil vernomen)
die ie künec gewunne;
dar umbe bin ich her bekomen.
108 Ouch hoere ich iu selben
der degenheite jehen küener habe gesehen.
daz man künec deheinen des redent vil die liute
über elliu disiu lant. unz ez mir werde bekant.
nu wil ich niht erwinden
und solde kröne tragen.
109 Ich bin ouch ein recke ich wil daz gerne füegen
daz si von mir sagen liute unde lant.
daz ich habe von rehte
und ouch min houbet wesen pfant.
dar umbe sol min ere 110 Nu ir sit so küene,
als mir ist geseit,
sone ruoch’ ich, ist daz iemen ich wil an iu ertwingen lant unde bürge,
liep oder leit:
swaz ir muget hän:
daz sol mir werden undertän.’
111 Den künec hete wunder um disiu masre
15
und sine man alsam
di er hie vernam,
daz er des hete willen,
er naeme im siniu lant.
daz hörten sine degene;
dö wart in zürnen bekant.
112 ‘Wie het ich daz verdienet’, ‘des min vater lange
sprach Günther der degen,
mit eren hat gepflegen,
daz wir daz solden vliesen wir liezen übele schinen 113 ‘Ine wil es niht erwinden’, ‘ez enmüge von dinen eilen
von iemannes kraft? daz wir ouch pflegen riterschaft.’ sprach aber der küene man. din lant den fride hän,
16
Nibelungenlied: Text
ich wil es alles walten.
und ouch diu erbe min,
erwirbest duz mit Sterke,
diu sulen dir undertaenec sin.
114 Din erbe und ouch daz mine sweder unser einer
sulen geliche ligen.
am andern mac gesigen,
dem sol ez allez dienen,
die liute und ouch diu lant.’
daz widerredete Hagene
unde Gernot zehant.
115 ‘Wir hän des niht gedingen’,
sprach do Gernot,
‘daz wir iht lande ertwingen,
daz iemen drumbe tot
gelige vor heldes handen.
wir haben richiu lant,
diu dienent uns von rehte, 116 Mit grimmigem muote
ze niemen sint si baz bewant. da stuonden friwende sin.
do was ouch dar under
von Metzen Ortwin.
der sprach: ‘disiu suone
diu ist mir harte leit.
iu hät der starke Sivrit
unverdienet widerseit.
117 Ob ir und iuwer bruoder
hetet niht die wer,
und ob er danne fuorte
ein ganzez küneges her,
ih trüte wol erstriten
daz der küene man
diz starkez übermüeten
von wären schulden müese län.’
118 Daz zurnde harte sere
der heit von Niderlant.
er sprach: ‘sich sol vermezzen ich bin ein künec riche,
niht wider mich din hant.
so bistu küneges man.
jane dürften mich din zwelve
mit strite nimmer bestän.’
119 Nach swerten rief do sere
von Metzen Ortwin:
er mohte Hagenen swester sun daz der so lange dagete,
von Tronege vil wol sin.
daz was dem künege leit.
do understuond ez Gernot,
120 Er sprach ze Ortwine:
der riter küen unt gemeit.
‘lät iuwer zürnen stän,
uns enhät der herre Sivrit
solhes niht getan,
wir enmugenz noch wol sceiden und haben in ze friwende:
daz uns noch lobelicher stät.’
121 Do sprach der starke Hagene: allen dinen degenen, im heten mine herren
‘uns mac wol wesen leit,
daz er ie gereit
durch striten her ze Rine. 122 Des antwurte Sivrit,
mit zühten, deist min rät
er soltez haben län. sölher leide niht getän.’ der kreftige man:
‘müet iuch daz, her Hagene,
daz ich gesprochen hän,
3. Äventiure
so sol ich läzen kiesen
daz die hende min
wellent vil gewaltec
hie zen Burgonden sin.’
123 ‘Daz sol ich eine wenden’, allen sinen degenen
sprach aber Gernot.
reden er verbot
iht mit übermüete
des im wxre leit.
do gedahte ouch Sivrit
an die herlichen meit.
124 ‘Wie zseme uns mit iu striten?’ ‘swaz helde nu dar under wir hetens lützel ere
sprach aber Gernot.
müese ligen tot,
und ir vil kleinen frum.’
des antwurte im do Sivrit, 125 ‘War umbe bitet Hagene
des künec Sigmundes sun: und ouch Ortwin,
daz er niht gähet striten
mit den friwenden sin,
der er hie so manegen
zen Burgonden hat?’
si muosen rede vermiden:
daz was Gernotes rat.
126 ‘Ir sult uns wesen willekomen’, ‘mit iuwern hergesellen, do hiez man den gesten
ich und die mäge min.’ scenken den Guntheres win.
127 Do sprach der wirt des landes: geruochet irs nach eren,
lip unde guot.’
do wart der herre Sivrit
ein lützel sanfter gemuot.
128 Do hiez man in gehalten
allez ir gewant.
man suochte herberge,
die besten die man vant,
man scuof in guot gemach.
den gast man sit vil gerne 129 Man bot im michel ere
da zen Burgonden sach. dar nach ze manegen tagen,
tüsent stunden mere
dann’ ich iu kan gesagen.
daz het versolt sin eilen, in sach vil lützel iemen 130 Sich vlizzen kurzwile
ir sult gelouben daz. der im wxre gehaz. die künege und ouch ir man.
so was er ie der beste
swes man da began,
des enkund’ im gevolgen niemen, so si den stein würfen
so michel was sin kraft,
oder schuzzen den scaft.
Swä so bi den frouwen kurzewile pflägen
‘allez daz wir hän,
daz si iu undertan,
und si mit iu geteilet
131
so sprach daz Uoten kint,
die mit iu komen sint.
wir sulen iu gerne dienen,
Sivrides knehten.
17
durch ir höfscheit
die riter vil gemeit,
18
Nibelungenlied: Text
da sah man ie vil gerne
den heit von Niderlant.
er het üf hohe minne
sine sinne gewant.
132 Swes man ie begunde,
des was sin lip bereit,
er truog in sime sinne
ein minnecliche meit,
und ouch in ein diu frouwe diu im in heimliche
die er noh nie gesach,
vil dicke giietlichen sprach.
133 Swenne üf dem hove wolden riter unde knehte,
spilen da diu kint,
daz sach vil dicke sint
Kriemhilt durch diu venster, deheiner kurzwile
diu küneginne her.
bedorftes in den ziten mer.
134 Wess’ er daz in ssehe
die er in herzen truoc,
da het er kurzewile
immer von genuoc.
sadien sie siniu ougen,
ich wil wol wizzen daz,
daz im in dirre werlde
künde nimmer werden baz.
135 Swenn’er bi den helden also noch die liute
üf dem hove stuont,
durch kurzewile tuont,
so stuont so minnecliche
daz Siglinde kint,
daz in durch herzen liebe
trüte manec frouwe sint.
136 Er gedäht’ ouch manege zite: daz ich die maget edele die ich von herzen minne
und lange hän getan,
diu ist mir noch vil vremde: 137 So ie die künege riche
des muoz ich trüric gestand
riten in ir lant,
so muosen ouch die recken
mit in al zehant.
da mite muos’ ouch Sivrit,
daz was der frouwen leit.
er leit ouch von ir minne
dicke michel arebeit.
138 Sus wont’ er bi den herren, in Guntheres lande
‘wie sol daz gescehen
mit ougen müge sehen?
daz ist alwar,
volleclich ein jär,
daz er die minneclichen da von im sit vil liebe
die zite niene gesach, und ouch vil leide gescach.
4. Äventiure Wie er mit den Sahsen streit 139 Nu nähten vremdiu masre
in Guntheres lant,
4. Äventiure
von boten die in verre
wurden dar gesant
von unkunden recken
die in truogen haz.
do si die rede vernämen,
leit was in wxrliche daz.
140 Die wil ich iu nennen: üzer Sahsen lande
19
ez was Liudeger,
ein richer fürste her,
und ouch von Tenemarke die brähten in ir reise
der künec Liudegast. vil manegen herlichen gast.
141 Ir boten komen wären
in Guntheres lant,
die sine widerwinnen
heten dar gesant.
do vrägte man der mxre
die unkunden man.
man hiez die boten balde
ze hove für den künec gän.
142 Der künec si gruozte scone,
er sprach: ‘sit willekomen.
wer iuch her habe gesendet, daz sult ir lazen hoeren’,
des enhän ich niht vernomen, sprach der künec guot.
do vorhten si vil sere
den grimmen Guntheres muot.
143 ‘Welt ir, künec, erlouben, diu wir iu da bringen,
daz wir iu mxre sagen, sone sul wir niht verdagen,
wir nennen iu die herren
die uns her habent gesant:
Liudegast und Liudeger
die wellent suochen her in iuwer
144 Ir habt ir zorn verdienet,
ja horten wir wol daz,
daz iu die herren beide si wellent herverten
ze Wormez an den Rin;
in hilfet vil der degene, 145 Inre zwelf wochen
daz wizzet üf die triuwe min.
diu reise muoz gescehen.
habt ir iht guoter friwende, die iu vriden helfen
daz läzet balde sehen,
di bürge und iwer lant.
hie wirt von in verhouwen
vil manec heim unde rant.
146 Oder weit ir mit in dingen, sone ritent iu so nähen
so enbietet ez in dar,
niht die manegen scar
der iuwer starken viende da von verderben müezen 147 ‘Nu bitet eine wile’,
üf herzenlichiu leit, vil guote riter gemeit.’
sprach der künec guot,
‘unz ich mich baz versinne. hän ich getriuwer iemen, disiu starken mxre
[lant.
tragent grozen haz.
ich künd’ iu minen muot. dine sol ich niht verdagen
sol ich minen friwenden klagen.’
148 Gunthere dem vil riehen
wart leide genuoc.
20
Nibelungenlied: Text
die rede er tougenlichen
in sime herzen truoc.
er hiez gewinnen Hagenen
und ander sine man
und bat ouch harte balde
ze hove nach Gernote gän.
149 Do komen die besten
swaz man der da vant.
er sprach: ‘man wil uns suochen mit starken herverten;
her in unser lant
daz lät iu wesen leit.’
des antwurte Gernöt,
ein riter küen’ unt gemeit:
150 ‘Daz wer et wir mit swerten’,
so sprach Gernöt.
‘da sterbent wan die veigen:
die läzen ligen tot.
dar umb’ ich niht vergezzen
mac der eren min.
di unsern viande
suln uns willekomen sin.’
151 Do sprach von Tronege Hagene: Liudegast unt Liudeger
wir mugen uns niht besenden
in so kurzen tagen.’ ‘wan muget irz Sivride sagen?’
hiez man in die stat.
swie vient man in waere, Günther der riche,
vil scone ir pflegen bat
(daz was wol getan)
unz er ervant an friwenden
wer im da wolde gestän.
153 Dem künege in sinen sorgen do sah in trürende
was idoch vil leit.
ein riter vil gemeit,
der niht mohte wizzen
waz im was gescehen:
do bat er im der maere
den künec Günther verjehen.
154 ‘Mich nimt des michel wunder’, ‘wie ir so habet verkeret der ir mit uns nu lange
sprach do Sivrit,
die vrcelichen sit habt alher gepflegen.’
des antwurt’ im do Günther,
der vil zierliche degen:
155 ‘Jane mag ich allen liuten die ich muoz tougenliche
die swaere niht gesagen, in mime herzen tragen,
man sol stasten vriwenden diu Sivrides varwe
‘daz endunket mich
die tragent übermuot.
so sprach der küene recke, 152 Die boten herbergen
[niht guot.
klagen herzen not.’
wart do bleich unde rot.
156 Er sprach zuo dem künege:
‘ine han iu niht verseit.
ich sol iu helfen wenden
elliu iwer leit.
weit ir vriwent suochen,
der sol ich einer sin
unt trouwe ez wol Volbringen 157 ‘Nu Ion’ iu got, her Sivrit,
mit eren an daz ende min.’ diu rede mich dunket guot-
4. Äventiure
und ob mir nimmer helfe
iwer eilen getuot,
ich freu midi doch der mxre, leb’ ich deheine wlle,
daz ir mir sit so holt.
ez wirdet umb’ iuch wol versolt.
158 Ich wil iuch läzen hoeren,
war umb’ ich trürec stän.
von boten miner viende
ich daz vernomen hän,
daz si mich wellen suochen
mit herverten hie.
daz getäten uns noch degene
her zuo disen landen nie.’
159 ‘Daz lät iuch ahten ringe’,
sprach do Slvrit,
‘unt senftet iwerem muote. lät mich iu erwerben
tuot des ich iuch bit:
ere unde frumen,
und bitet iwer degene
daz si iu ouch ze helfe kumen.
160 Swenne iwer starken viende drlzec tüsent degene,
zir helfe möhten hän
so wold’ ich si bestän,
und het ich niwan tüsent:
des lät iuch an mich.’
dö sprach der künec Günther: 161 ‘So heizet mir gewinnen
‘daz dien’ ich immer umbe
tüsent iwer man,
sit daz ich der minen
bl mir niht enhän
niwan zwelf recken.
so wer ich iwer lant.
iu sol mit triuwen dienen
und ouch Ortwln,
Dancwart und Sindolt, ouch sol dä mit rlten
die lieben recken dln. Volker der küene man.
der sol den vanen füeren;
baz ichs nieman engan.
163 Unt lät die boten rlten daz si uns sehen sciere,
heim in ir herren lant. daz tuo man in bekant, müezen vride hän.’
do hiez der künec besenden 164 Die boten Liudegeres daz si ze lande solden, do bot in rlche gäbe
beide mäge unde man.
ze hove giengen do. des wären si vil vro. Günther der künec guot,
und scuof in sin geleite;
des stuont in hohe der muot.
165 ‘Nu saget’, sprach do Günther, si mugen mit ir reise
‘den starken vlenden min,
wol dä heime sin.
wellen aber si mich suochen mirn zerinne miner vriwende 166 Den boten rlche gäbe
[dich.’
immer Slvrides hant.
162 Des sol uns helfen Hagene
so daz unser bürge
21
her in mlniu lant, in wirt arbeit erkant.’
man do für truoc,
22
Nibelungenlied: Text
der het in ze gebene
Günther genuoc.
dine torsten niht versprechen dö si urloup genämen,
die Liudegeres man.
si schieden vroeliche dan.
167 Do die boten waren
ze Tenemarke körnen,
unt der künec Liudegast
hete daz vernomen,
wie si von Rine körnen,
als im daz wart geseit,
ir starkez übermüeten
daz was im wasrlichen leit.
168 Si sagten daz si heten
vil manegen küenen man,
ouch sähen si dar under
einen recken stän,
der was geheizen Sivrit,
ein heit üz Niderlant.
ez leidete Liudegaste,
als er daz msere rehte ervant.
169 Do die von Tenemarke
ditze hörten sagen,
dö ilten si der friwende
deste mer bejagen,
unz daz her Liudegast
siner küenen man
zweinzec tusent degene
zuo siner reise gewan. 170 Do besant’ ouch sich von Sahsen der künec Liudeger, unz si vierzec tusent
heten unde mer,
mit den si wolden riten
in Burgonden lant.
do het ouch sich hie heime 171 Mit den sinen mägen
der künec Günther besant
und siner bruoder man,
die si wolden füeren
durch urliuge dan,
und ouch die Hagenen recken, dar umbe muosen degene
sider kiesen den tot.
172 Si vlizzen sich der reise.
dö si wolden dan,
den vanen muose leiten also si wolden riten
des gie den helden not.
Volker der küene man, von Wormez über Rin.
Hagene von Tronege der muose scarmeister sin. 173 Da mite reit ouch Sindolt unde Hünolt, die wol gedienen künden
daz Guntheres golt.
Dancwart Hagenen bruoder die mohten wol mit eren
in der herverte sin.
174 ‘Her künec, sit hie heime’, sit daz iuwer recken
und ouch Ortwin, sprach dö Sivrit,
mir wellent volgen mit.
belibet bi den frouwen
und traget höhen muot.
ich trouwe iu wol behüeten 175 Die iuch da wolden suochen
beidiu ere unde guot. ze Wormez an den Rin,
4. Äventiure
daz wil ich wol behüeten, wir sulen in geriten
si mugen da heime sin.
so nahen in ir lant,
daz in ir übermüeten
werde in sorgen erwant.’
176 Von Rine si durch Hessen gegen Sahsen lande.
mit ir helden riten
da wart sit gestriten.
mit roube und ouch mit brande daz ez den fürsten beiden
wuosten si daz lant,
wart mit arbeit bekant.
177 Si körnen üf die marke;
die knehte zogten dan.
Sivrit der vil starke
vrägen des began:
‘wer sol des gesindes
uns nu hüeten hie?’
jäne wart den Sahsen
geriten schedelicher nie.
178 Si sprächen: ‘lät der tumben
hüeten üf den wegen
den küenen Dancwarten;
der ist ein sneller degen.
wir vliesen deste minre lät in und Ortwinen
von Liudegeres man. hie die nähhuote hän.’
179 ‘So wil ich selbe riten’,
sprach Sivrit der degen,
‘unde wil der warte
gegen den vienden pflegen,
unz ich rehte ervinde
wä die recken sint.’
do wart gewäfent sciere
der scoenen Siglinden kint.
180 Daz volc bevalh er Hagenen, unde Gernote
do er wolde dan,
dem vil küenen man;
do reit er eine dannen
in der Sahsen lant.
des wart von im verhouwen 181 Do sah er her daz groze daz wider siner helfe
des tages manec helmbant. daz üf dem velde lac,
mit unfuoge wac:
des was wol vierzec tüsent Sivrit in hohem muote
oder dannoch baz. sach vil vroelichen daz.
182 Do het ouch sich ein recke erhaben üf die warte;
gein den vienden dar der was ze vlize gar.
den sach der herre Sivrit, ietweder do des andern
und in der küene man. mit nide hüeten began.
183 Ich sag’ iu wer der waere, ein liehter seilt von golde ez was der künec Liudegast; dirre gast vil edele
der der warte pflac. im vor der hende lac. der huote siner scar.
sprancte vil herlichen dar.
184 Nu het ouch in her Liudegast
vientlich erkorn.
23
24
Nibelungenlied: Text
ir ross si nämen beide
zen siten mit den sporn,
si neigten üf die scilde
die scefte mit ir kraft,
des wart der künec riche
mit grözen sorgen behaft.
185 Diu ross nach Stiche truogen beide für ein ander,
diu riehen küneges kint
sam si wsete ein wint.
mit zoumen wart gewendet
vil riterliche dan.
mit swerten ez versuochten
die zwene grimmige man.
186 Do sluoc der herre Sivrit
daz al daz velt erdöz.
dö stoup üz dem helme
sam von brenden gröz
die viwerröten vanken
von des heldes hant.
ir ietweder den sinen
an dem anderen vant.
187 Ouch sluog im her Liudegast ir ietweders eilen
vil manegen grimmen slac.
üf Schilden vaste lac.
do heten dar gehüetet
wol drizec siner man.
e daz im die koemen,
den sic doch Sivrit gewan
188 Mit drien starken wunden
die er dem künege sluoc
durch eine wize brünne,
diu was guot genuoc.
daz swert an sinen ecken
bräht’ üz wunden bluot.
des muose der künec Liudegast 189 Er bat sich leben läzen
haben trürigen muot.
und bot im siniu lant
und sagt’ im daz er waere
Liudegast genant,
do körnen sine recken,
die heten wol gesehen
waz da von in beiden
üf der warte was gescehen.
190 Er wolde in füeren dannen,
do wart er an gerant
von drizec sinen mannen. sinen riehen gisel
dö werte des heldes hant
mit ungefüegen siegen.
sit tet scaden mere
der vil zierliche degen.
191 Die drizec er ze töde er liez ir leben einen. und sagte hin diu msere,
vil werliche sluoc. balde er reit genuoc waz hie was gescehen.
ouch mohte mans die wärheit 192 Den von Tenemarke ir herre was gevangen,
was vil grimme leit, dö in daz wart geseit.
man sagt’ ez sinem bruoder; von ungefüegem zorne, 193 Liudegast der recke
an sime rotem helme sehen.
toben er began
wand’ im was leide getan. was gefüeret dan
4. Äventiure
von Sivrides gewalte
zuo Guntheres man.
er bevalh in Hagenen.
do in daz wart geseit,
daz ez der künec wxre,
do was in mxzliche leit.
194 Man hiez den Burgonden
ir vanen binden an.
‘wol üf’, sprach Sivrit,
‘hie wirt mer getan,
e sich der tac verende,
sol ich haben den lip.
daz miiet in Sahsen lande
vil manec wxtlichez wip.
195 Ir helde von dem Rine,
ir sult min nemen war.
ich kan iuch wol geleiten
in Liudegeres scar,
so seht ir helme houwen
von guoter helde hant. in wirdet sorge bekant.’
e daz wir wider wenden,
unde sine man.
196 Zen rossen gähte Gernot
der starke spileman,
den vanen zuhte balde Volker der herre;
do reit er vor der scar.
do was ouch daz gesinde
ze strite herlichen gar.
197 Si fuorten doch niht mere
niwan tüsent man,
dar über zwelf recken.
stieben do began si riten über lant. di molten von den sträzen. vil manegen herlichen rant. do sah man von in seinen mit ir scharn körnen
198 Do wären ouch die Sahsen mit swerten wol gewahsen,
den helden an der hant,
diu swert diu sniten sere
weren bürge unde lant.
do wolden si den gesten
daz volc do fuorten dan.
199 Der herren scarmeister do was ouch körnen Sivrit die er mit im brähte
mit den sinen man,
üzer Niderlant.
des tages wart in sturme
200 Sindolt und Hünolt
daz hän ich sit vernomen.
vil manec bluotigiu hant. und ouch Gernot
die sluogen in dem strite
vil manegen heit tot,
e si daz reht’ erfunden
wie küene was ir lip.
daz muose sit beweinen
vil manec edel wip.
201 Volker und Hagene die laseten ime strite mit vliezendem bluote, da wart von Dancwarte 202 Die von Tenemarke
und ouch Ortwin, vil maneges helmes schin die sturmküene man. vil michel wunder getan. versuochten wol ir hant.
25
26
Nibelungenlied: Text
do horte man von hurte
erdiezen manegen rant,
und ouch von scärpfen swerten, der man da vil gesluoc. die stritküenen Sahsen taten scaden da genuoc. 203 Do die von Burgonden drungen in den strit, von in wart erhouwen
vil manec wunde wit.
do sah man über sätele
fliezen daz bluot.
sus würben nach den eren
die riter küene unde guot.
204 Man horte da lute erhellen diu vil scärpfen wäfen, drungen nach ir herren si körnen degenliche
den helden an der hant dö die von Niderlant in die herten scar.
mit samt Sivride dar.
205 Volgen der von Rine
niemen man im sach.
man mohte kiesen vliezen durch die liehten helme
den bluotigen bach von Sivrides hant,
unz er Liudegeren vor sinen hergesellen vant. 206 Dri widerkere het er nu genomen durch daz her anz ende.
nu was Hagene körnen,
der half im wol ervollen
in sturme sinen muot.
des tages muose ersterben 207 Do der starke Liudeger und daz er also hohe
vor in manec riter guot. Sivriden vant,
truog an siner hant
den guoten Balmungen
und ir so manegen sluoc,
des wart der herre zornec
und grimmic genuoc.
208 Do wart ein michel dringen und grozer swerte klanc, da ir ingesinde zuo z’ein ander dranc. do versuochten sich die recken die scar begunden wichen.
sich huop da grcezlicher haz.
209 Dem vogte von den Sahsen sin bruoder was gevangen: niht wesser daz ez täte
daz im under satele
was daz wol geseit, daz was im harte leit. daz Siglinde kint.
man zeh es Gernoten: 210 Die siege Liudegeres
beide deste baz.
vil wol ervant er ez sint. di wären also starc strüdite daz marc.
do sich daz ross erholte, der gewan in dem sturme 211 Des half im wol Hagene
der küene Sivrit einen vreislichen sit. und ouch Gernot,
4. Äventiure
Dancwart und Volker:
des lag ir vil da tot.
Sindolt und Hünolt
und Ortwln der degen,
die künden in dem strite
zem töde manegen nider legen.
212 In sturme ungesceiden
wären die fürsten her.
do sah man über helme
vliegen manegen ger
durch die liehten schilde
von der helde hant.
man sach da var nach bluote 213 In dem starken sturme
vil manegen herllchen rant.
erbeizte manec man
nider von den rossen. Sivrit der küene
ein ander liefen an
und ouch Liudeger.
man sach da scefte vliegen
unde manegen scärpfen ger.
214 Do flouc daz schiltgespenge
von Sivrides hant.
den sic gedäht’ erwerben
der heit von Niderlant
an den küenen Sahsen,
der man vil wunder sach.
hei waz da liehter ringe
der küene Dancwart zebrach!
215 Do het der herre Liudeger gemälet eine kröne
üf eime schilde erkant
vor Sivrides hant.
wol wesser daz ez wsere
der kreftige man.
der heit zuo sinen friwenden 216 ‘Geloubet iuch des sturmes, sun den Sigmundes
alle mme man!
hän ich hie bekant.
in hat der übele tiuvel
her zen Sahsen gesant.’
217 Die vanen hiez er läzen vrides er do gerte,
do lute ruofen began:
ich hie gesehen hin,
Sivriden den starken
in dem sturme nider.
des werte man in sider,
doch muoser werden gisel
in Guntheres lant.
daz het an im betwungen
des küenen Sivrides hant.
218 Mit gemeinem rate
so
dürkel vil der helme
liezen si den strit.
und ouch der schilde wit
si leiten von den handen; die truogen bluotes varwe 219 Si viengen swen si wolden, Gernöt und Hagene,
swaz so man der vant, von der Burgonden hant. des heten si gewalt.
die recken vil balt,
die wunden hiezen baren. gevangen zuo dem Rme 220 Die sigelösen recken
27
si fuorten mit in dan fünf hundert werlicher man.
ze Tenemarke riten.
28
221
222
223
224
225
226
Nibelungenlied: Text
done heten ouch die Sahsen so hohe niht gestriten daz man in lobes jadie; daz was den helden leit. do wurden ouch die veigen von vriwenden sere gekleit. Si hiezen daz gewasfen wider soumen an den Rin. ez hete wol geworben mit den helden sin Sivrit der recke, der het ez guot getan, des im jehen muosen alle Guntheres man. Gegen Wormez sande der herre Gernot. heim zuo sime lande den vriwenden er enbot, wie gelungen wasre im und sinen man. ez heten die vil küenen wol nach eren getan. Die garzüne liefen; von den wart ez geseit. da freuten sich vor liebe, di e da heten leit, dirre lieben maere di in da wären komen. da wart von edelen frouwen michel vrägen vernomen, Wie gelungen wasre des riehen küneges man. man hiez der boten einen für Kriemhilde gän. daz gescach vil tougen; jane torstes’ über lüt, wan si hete dar under ir vil liebez herzen trüt. Do si den boten körnende zir kemenäten sach, Kriemhilt diu scoene vil güetlichen sprach: ‘nu sag’ an liebiu masre; ja gib’ ich dir min golt. tuost duz äne liegen, ich wil dir immer wesen holt, Wie seiet üz dem strite min bruoder Gernot und ander mine friwende? ist uns iht maneger tot? oder wer tet da daz beste? daz solt du mir sagen.’
do sprach der bote sciere: ‘wir heten ninder keinen zagen. 227 Ze ernste und ze strite reit niemen also wol, vil edeliu küneginne, sit ichz iu sagen sol, so der gast vil edele üzer Niderlant. da worhte michel wunder des küenen Sivrides hant. 228 Swaz die recken alle in strite hänt getan, Dancwart und Hagene und ander ’sküneges man, swaz si striten nach eren, daz ist gar ein wint unz eine an Sivriden, des künec Sigmundes kint. 229 Si frumten in dem sturme der helde vil erslagen,
4. Äventiure
doch möhte iu daz wunder waz da worhte Sivrit,
niemen wol gesagen
swenn’ er ze strite reit,
den frouwen an ir mägen
tet er diu groezlichen leit.
230 Ouch muoste da beliben sine siege man horte
maneger frouwen trüt. üf helmen also lüt,
daz si von wunden brähten
daz fliezende bluot.
er ist an allen tugenden
ein riter küen’ unde guot.
231 Swaz da hat begangen
von Metzen Ortwin
(swaz er ir moht’ erlangen
mit dem swerte sin,
die muosen wunt beliben
oder meistec tot),
da tet iuwer bruoder
die aller groezisten not
232 Diu immer in den stürmen
künde sin gescehen.
man muoz der warheite
den üz erwelten jehen:
die stolzen Burgonden
habent so gevarn
daz si vor allen scanden
ir ere kunnen wol bewarn.
233 Man sach da vor ir handen da von liehten swerten
vil manegen satel blöz, daz velt so lute erdoz.
die recken von dem Rine daz ez ir vianden
die habent so geriten
wxre bezzer vermiten.
234 Die küenen Tronegxre
die frumten groziu leit,
da mit Volkes kreften
daz her zesamne reit.
da frumte manegen toten
des küenen Hagenen hant,
des vil ze sagene waere 235 Sindolt und Hünolt,
her ze Burgonden lant. die Gernotes man,
und Rümolt der küene, daz ez Liudegere
die hänt so vil getan
rnag immer wesen leit,
daz er den dinen mägen
ze Rine hete widerseit.
236 Strit den aller hoehsten,
der inder da gescach
ze jungest und zem ersten, den tet vil willecliche er bringet riche gisel
den ie man gesach,
diu Sivrides hant. in daz Guntheres lant.
237 Die twanc mit sinen eilen
der wxtliche man,
des ouch der künec Liudegast und ouch von Sahsen lande nu hoeret miniu msere 238 Si hat gevangen beide
muoz den scaden han, sin bruoder Liudeger.
edeliu küneginne her. diu Sivrides hant.
29
30
Nibelungenlied: Text
nie so manegen gisel
man bräht’ in ditze lant
so von sinen schulden
nu kumt an den Rin.’
ir künden disiu mxre
nimmer lieber gesin.
239 ‘Man bringet der gesunden unt der verchwunden
fünf hundert oder baz,
(frouwe, wizzet daz)
wol ahzec rote bare
her in unser lant,
die meistec hat verhouwen 240 Die durch übermüeten
des küenen Sivrides hant. widersagten an den Rin,
die müezen nu gevangen
die Guntheres sin.
die bringet man mit vreuden
her in ditze lant.’
do erblüete ir liehtiu varwe, do si diu maere reht’ ervant. 241 Ir scoenez antlütze daz wart rosenrot, do mit liebe was gesceiden der wxtliche recke
üz der grozen not
Sivrit der junge man.
si freute ouch sich ir friwende; 242 Do sprach diu minnecliche: du solt haben dar umbe des mac man sölhiu masre 243 Man gab im sine miete,
die heiz’ ich dir tragen.’ riehen frouwen gerne sagen. daz golt und ouch diu kleit.
do gie an diu venster
vil manec scoeniu meit.
si warten uf die sträze;
riten man do vant
vil der hohgemuoten
in der Burgonden lant.
244 Da körnen die gesunden,
die wunden täten sam.
si mohten grüezen hoeren der wirt gern sinen gesten mit vreuden was verendet 245 Do enphe er wol die sine, wan dem riehen künege
von fnwenden äne scam. vil vrceliche reit, daz sin vil groezliche leit. die vremden tet er sam, anders niht gezam
wan danken güetliche
den die im wären komen,
daz si den sic näh eren
in sturme heten genomen.
246 Günther bat im ma:re
von sinen vriwenden sagen, ze tode waer’ erslagen.
do het er vloren niemen verklagen man die muose 247 Die gesunden brahten
‘du hast mir wol geseit. ze miete richiu kleit
und zehen marc von golde,
wer im an der reise
daz was von sculden getan.
niwan sehzec man. so sit näch helden ist getän. zerhouwen manegen rant
4. Äventiure
und helme vil verscroten
in Guntheres lant.
daz volc erheizte nidere
für des küneges sal;
ze liebem antpfange
man horte vrcelichen scal.
248 Do hiez man herbergen
die recken in die stat.
der künec siner geste
vil scone pflegen bat.
er hiez der wunden hüeten wol man sine tugende
und scaffen guot gemach,
an sinen vianden sach.
249 Er sprach ze Liudegaste:
‘nu sit mir willekomen.
ich hän von iwern sculden
vil grozen scaden genomen,
der wirt mir nu vergolten,
ob ich gelücke hän.
got lone minen vriwenden:
si hänt mir liebe getan.’ sprach dö Liudeger,
250 ‘Ir mugt in gerne danken’, ‘also hoher gisel
gewan nie künec mer. wir geben michel guot,
umbe sccene huote daz ir genasdecliche
an iwern vianden tuot.’
251 ‘Ich wil iuch beide läzen’, daz mine viande
sprach er,‘ledec gen.
hie bi mir besten,
des wil ich haben bürgen, iht rümen äne hulde.’
daz si miniu lant des bot Liudeger die hant.
252 Man brähte si ze ruowe
und scuof in ir gemach,
den wunden man gebettet
vil güetlichen sach.
man schancte den gesunden do künde daz gesinde
nimmer vroelicher sin.
253 Ir zerhouwen Schilde
behalten man do truoc. (der was da genuoc)
vil bluotiger sätele
die hiez man verbergen, da kom hermüede
met und guoten win.
daz weinten niht diu wip.
maneges guoten riters lip.
254 Der künec pflac siner geste
vil grcezliche wol.
der vremden und der künden
diu lant wären vol.
er bat der sere wunden
vil güetliche pflegen.
do was ir übermüeten
vil harte ringe gelegen.
255 Die erzenie künden silber äne wäge,
den bot man riehen solt, dar zuo daz liehte golt,
daz si die helde nerten
näch der strites not.
dar zuo der künec den gesten 256 Die wider heim ze hüse
gäbe grcezlichen bot.
heten reise muot,
31
32
Nibelungenlied: Text
die bat man noch beliben
also man vriwenden tuot.
der kiinec do gie ze rate si heten sinen willen
wi er lonte sinen man; nach grozen eren getan.
257 Do sprach der herre Gernot: über sehs wochen,
‘man sol si riten län.
si in daz kunt getan,
daz si komen widere
ze einer hohgezit:
so ist maneger geheilet 258 Do gert’ ouch urloubes
der nu vil sere wunder lit.’ Sivrit von Niderlant.
do der künec Günther
den willen sin ervant,
er bat in minnecliche
noch bi im bestän.
niwan durch sine swester,
sone wxrez nimmer getan,
259 Dar zuo was er ze riche,
daz er iht naeme solt.
er het daz wol verdienet,
der künec was im holt,
sam waren sine mäge
die heten daz gesehen,
waz von sinen kreften
in dem strite was gescehen.
260 Durch der scoenen willen
gedäht’ er noch bestän,
ob er si gesehen möhte. wol nach sinem willen sit reit er vrceliche
sit wart ez getan: wart im diu maget bekant. in daz Sigmundes lant.
261 Der wirt hiez ze allen ziten
riterscefte pflegen,
daz tet do willeclichen
vil manec junger degen.
die wile hiez er sidelen
vor Wormez üf den sant
den die im komen solden zuo der Burgonden lant. 262 In den selben ziten, do si nu solden komen, do het diu scoene Kriemhilt er wolde hohgezite
diu ma:re wol vernomen,
durch liebe vriwende hän.
do wart vil michel vlizen
von scoenen frouwen getan
263 Mit wste und mit gebende, Uote diu vil riche
daz si da solden tragen.
diu maere horte sagen
von den stolzen recken,
die da solden komen.
do wart üz der valde 264 Durch ir kinde liebe
vil richer kleider genomen. hiez si bereiten kleit,
da mite wart gezieret
vil manec frouwe und meit
und vil der jungen recken ouch hiez si vil den vremden
üz Burgonden lant. prüeven herlich gewant.
5. Äventiure
33
3. Äventiure Wie Sifrit Kriemhilde aller erste ersach 265 Man sach si tägellchen die zer hohgezlte
nu rlten an den Rin,
gerne wolden sin.
die durch des küneges liebe den bot man sumellchen 266 In was ir gesidele
körnen in daz lant, ross und herlich gewant.
allen wol bereit,
den hoehsten und den besten,
die sccenen frouwen wider strlt.
da zierten sich engegene
Glselher daz kint.
267 Ez was da vil unmüezec
vil güetllche sint
die geste mit den künden die enpfieng er und Gernot
zierliche scilde
und ouch ir beider man. als ez nach eren was getan.
ja gruozten si di degene, 268 Vil goltroter sätele
als uns daz ist geseit, da zer hohgezit.
zwein und drlzec fürsten
si fuorten in daz lant,
und herlich gewant
brahten si ze Rlne
zuo der hohgezit.
manegen ungesunden
sah man vroellchen slt.
269 Die in den betten lägen
und heten wunden not,
die muosen des vergezzen,
wie herte was der tot.
die siechen ungesunden
muosen si verklagen.
si vreuten sich der msere 270 Wie si leben wolden wunne ane mäze,
gein der hohgezlte tagen, da zer wirtscaft.
mit vreuden Überkraft,
heten al die liute, swaz man ir da vant. des huop sich michel vreude über al daz Guntheres lant 271 An einem pfinxtmorgen
sah man für gän
gekleidet wünnecllche
vil manegen küenen man,
fünf tüsent oder mere
da zer hohgezit.
sich huop diu kurzewlle
an manegem ende wider strit.
272 Der wirt der hete die sinne,
im was daz wol erkant,
wie rehte herzenllche sine swester trüte,
der heit von Niderlant swi er si niene gesach,
der man so grözer scoene 273 Do sprach zuo dem künege
vor allen juncfrouwen jach. der degen Ortwln:
34
Nibelungenlied: Text
Veit ir mit vollen eren
zer hohgezite sin,
so sult ir läzen scouwen
diu wünneclichen kint,
di mit so grozen eren
hie zen Burgonden sint.
274 Waz waere mannes wiinne,
des vreute sich sin lip,
ez entaeten scoene mägede läzet iuwer swester
und herlichiu wip?
für iuwer geste gän.’
der rät der was ze liebe
manegem helde getan.
275 ‘Des wil ich gerne volgen’, alle di ez erfunden,
sprach der künec do.
di wärens harte vro.
er enbot ez frouwen Uoten daz si mit ir mageden
und ir tohter wol getan,
hin ze hove solde gän.
276 Do wart üz den schrinen
gesuochet guot gewant,
swaz man in der valde
der edelen waste vant,
die bouge mit den porten, sich zierte flizecliche
des was in vil bereit,
vil manec waetlichiu meit.
277 Vil manec recke tumber daz er an ze sehene
des tages hete muot,
den frouwen waere guot,
daz er dä für niht naeme
eins riehen küneges lant.
si sähen die vil gerne,
die si nie heten bekant.
278 Do hiez der künec riche die ir dienen solden, ir und siner mäge;
mit siner swester gän, wol hundert siner man,
die truogen swert enhant.
daz was daz hofgesinde 279 Uoten die vil riehen
von der Burgonden lant. die sach man mit ir körnen,
diu hete scoene vrouwen
geselleclich genomen
wol hundert oder mere:
die truogen richiu kleit.
ouch gie dä näch ir tohter 280 Von einer kemenäten
vil manec waetlichiu meit. sah man si alle gän.
do wart vil michel dringen die des gedingen heten, daz si die maget edele 281 Nu gie diu minnecliche
von helden dar getän, ob künde daz gescehen,
solden vrceliche sehen. also der morgenrot
tuot uz den trüeben wölken. der si dä truog in herzen er sach die minneclichen 282 Jä lühte ir von ir waete
dä seiet von maneger not und lange het getän. nu vil herlichen stän.
vil manec edel stein.
5. Äventiure
ir rosenrotiu varwe
vil minneclichen scein.
ob iemen wünscen solde,
der künde niht gejehen
daz er ze dirre werlde
het iht scoeners gesehen.
;283 Sam der liehte mäne
vor den Sternen stät,
des sein so lüterliche
ab den wölken gät,
dem stuont si nu geliche
vor maneger frouwen guot.
des wart da wol geheehet .'284 Die riehen kameraere
den zieren helden der muot. sah man vor ir gän.
die hohgemuoten degene
diene wolden daz niht län,
sine drungen da si sähen
die minneclichen meit.
Sivride dem herren
wart beide lieb unde leit.
; 285 Er däht’ in sinem muote:
‘wie künde daz ergän
daz ich dich minnen solde?
daz ist ein tumber wän.
sol aber ich dich vremeden,
so wsere ich sanfter tot.’
er wart von den gedanken
vil dicke bleich unde rot.
; 286 Do stuont so minnecliche
daz Sigmundes kint, an ein permint
sam er entworfen wsere
als man im jach,
von guotes meisters listen,
nie so scoenen gesach.
daz man heit deheinen
: 287 Die mit den frouwen giengen, wichen allenthalben.
die hiezen von den wegen
daz leiste manec degen.
diu hohe tragenden herzen
vreuten manegen lip.
man sach in hohen zühten
manec herlichez wip.
: 288 Do sprach von Burgonden ‘der iu sinen dienest
35
der herre Gernöt:
so giietlichen bot,
Günther, vil lieber bruoder, vor allen disen recken;
dem sult ir tuon alsam
des rätes ich nimmer mich gescam.
zuo mmer swester kumen, 289 Ir heizet Sivriden daz in diu maget grüeze, des hab’ wir immer frumen. diu nie gegruozte recken, da mit wir haben gewunnen 290 Do giengen ’swirtes mäge si sprächen zuo dem recken ‘iu hät der künec erloubet, sin swester sol iuch grüezen;
291 Der herre in sinem muote
diu sol in grüezen pflegen, den vil zierlichen degen.’ da man den heit vant. üzer Niderlant: ir sult ze hove gän, daz ist zen eren iu getän.’ was des vil gemeit.
Nibelungenlied: Text
36
do truog er ime herzen daz er sehen solde
lieb äne leit,
der scoenen Uoten kint.
mit minneclichen tugenden
si gruozte Sivriden sint.
292 Do si den hohgemuoten
vor ir stende sach,
do erzunde sich sin varwe.
diu scoene maget sprach:
‘sit willekomen, her Sivrit,
ein edel riter guot.’
do wart im von dem gruoze
vil wol gehoehet der muot.
293 Er neig ir flizecliche;
bi der hende si in vie.
wie rehte minnecliche
er bi der frouwen gie!
mit lieben ougen blicken
ein ander sähen an
der herre und ouch diu frouwe. 294 Wart iht da friwentliche
getwungen wiziu hant
von herzen lieber minne,
[getan,
daz ist mir niht bekant.
doch enkan ich niht gelouben si het im holden willen 295 Bi der sumerzite
daz wart vil tougenlich
daz ez wurde län.
kunt vil sciere getan.
und gein des meien tagen
dorft’ er in sime herzen
nimmer mer getragen
so vil der hohen vreude
denn’ er da gewan,
do im diu gie enhende,
die er ze trüte wolde hän.
296 Do gedähte manec recke:
‘hey wxr’ mir sam gescehen,
daz ich ir gienge enebene, oder bi ze ligene!
sam ich in hän gesehen, daz liez’ ich äne haz.’
ez gediente noch nie recke
näch einer küneginne baz.
297 Von swelher künege lande die nämen al geliche
die geste körnen dar,
niwan ir zweier war.
ir wart erloubet küssen
den wsetlichen man.
im wart in al der werlde
nie so liebe getän.
298 Der künec von Tenemarke ‘diss vil hohen gruozes (des ich vil wol enpfinde)
von Sivrides hant.
got enläz’ in nimmer mere 299 Man hiez do allenthalben
komen in miniu küneges lant.’ wichen von den wegen
der scoenen Kriemhilde. sah man gezogenliche
der sprach sä zestunt:
lit maneger ungesunt
manegen küenen degen ze kirchen mit ir gän.
sit wart von ir gesceiden 300 Do gie si zuo dem münster,
der vil wxtliche man. ir volgete manec wip.
5. Äventiure
do was ouch so gezieret
der küneginne lip,
daz da hoher wünsce
vil maneger wart verlorn.
si was da ze ougenweide
vil manegem recken erkorn.
301 Vil küme erbeite Sivrit
daz man da gesanc.
er mohte sinen sxlden
des immer sagen danc,
daz im diu was so wxge,
die er in herzen truoc.
ouch was er der sccenen
holt von sculden genuoc.
302 Do si kom üz dem münster
sam er het e getan,
man bat den degen küenen
wider zuo zir gän.
alrest begund’ im danken daz er vor ir mägen
diu minnecliche meit,
so rehte herlichen streit.
303 ‘Nu Ion’ iu got, her Sivrit’,
sprach daz vil sccene kint,
‘daz ir daz habt verdienet,
daz iu die recken sint
so holt mit rehten triuwen
als ich si hoere jehen.’
do begund’ er minnecliche
an froun Kriemhilden sehen, also sprach der degen,
1 304 ‘Ich sol in immer dienen’,
nimmer e gelegen,
‘und enwil min houbet
sol ich min leben han.
ih enwerbe nach ir willen, daz ist nach iuwern hulden, 305 Inre tagen zwelven,
min frou Kriemhilt, getan.’
der tage al ieslich,
sah man bi dem degene so si ze hove solde
die maget lobelich,
vor ir vriwenden gän.
der dienst wart dem recken 306 Vreude unde wunne,
durch groze liebe getan.
vil groezlichen scal
sah man aller tägelich
vor Guntheres sal,
daz üz und ouch dar inne, Ortwin unde Hagene
von manegem küenen man. vil grozer wunder began.
307 Swes iemen pflegen solde, mit volleclicher mäze,
des waren si bereit die helde vil gemeit.
des wurden von den gesten da von so was gezieret
die recken wol bekant.
allez Guntheres lant.
308 Die da wunde lägen,
die sah man für gän.
si wolden kurzwile
mit dem gesinde hän,
schirmen mit den scilden des hülfen in genuoge, 309 In der hohgezite
37
und schiezen manegen scaft. si heten groezliche kraft.
der wirt der hiez ir pflegen
38
Nibelungenlied: Text
mit der besten spise.
er hete sich bewegen
aller slahte scande,
die ie künec gewan.
man sah in vriwentliche
zuo den sinen gesten gän.
310 Er sprach: ‘ir guoten recken,
e daz ir sceidet hin,
so nemt ir mine gäbe:
also stet min sin
daz ichz immer diene,
versmäht iu niht min guot.
daz wil ich mit iu teilen,
des hän ich willigen muot.’
311 Die von Tenemarke
di sprächen sä zehant:
‘e daz wir wider riten
heim in unser lant,
wir gern stseter suone,
des ist uns recken not.
wir hän von iuwern degenen 312 Liudegast geheilet
siner wunden was.
der vogt von den Sahsen eteliche toten
manegen lieben vriwent [tot.’
näch strite wol genas.
si liezen dar enlant.
do gie der künec Günther
da er Sivriden vant.
313 Er sprach zuo dem recken:
‘nu räte wie ich tuo.
di unsern widerwinnen
die wellent riten fruo
und gerent stster suone
an mich und mine man.
nu rätä, degen Sivrit,
waz dich des dunke guot getan.
314 Waz mir die herren bieten, swaz fünf hundert moere
daz wil ich dir sagen, goldes möhten tragen,
daz gadben si mir gerne,
wold’ ich si ledec län.’
do sprach der starke Sivrit: 315 Ir sult si ledeclichen
hinnen läzen varn,
und daz die recken edele vientlichez riten
‘daz wsere vil übele getan. mere wol bewarn
her in iuwer lant.
des lät iu geben Sicherheit 316 ‘Des rätes wil ich volgen.’ den sinen vianden
hie der beider herren hant.’ dä mit si giengen dan.
wart daz kunt getän,
ir goldes gerte niemen,
daz si dä buten e.
dä heime ir lieben vriwenden 317 Manege scilde volle er teiltes äne wäge
man dar scatzes truoc. den vriwenden sin genuoc,
bi fünf hundert marken, Gernot der vil küene 318 Urloup si alle nämen,
was näch den hermüeden
und etslichen baz. der riet Gunthere daz. also si wolden dan.
[we.
6. Äventiure
do sah man die geste
39
für Kriemhilde gan
und ouch da frou Uote
diu küneginne saz.
ez enwart nie degenen
noch mere geurloubet baz.
319 Die herberge wurden lxre
do si von dannen riten.
noch bestuont da heime
mit herlichen siten
der künec mit sinen mägen, die sah man tägeliche
vil manec edel man.
zuo frouwen Kriemhilde gan.
320 Urloup do nemen wolde
Sivrit der heit guot.
er trouwete niht erwerben
des er da hete muot.
der künec daz sagen horte
daz er wolde dan.
Giselher der junge
in von der reise gar gewan.
321 ‘War woldet ir nu riten,
vil edel Sivrit?
belibet bi den recken,
tuot des ich iuch bit,
bi Gunthere dem künege
und ouch bi sinen man.
hie ist vil scoener frouwen, 322 Do sprach der starke Sivrit: ich wolde hinnen riten,
[län.’
die sol man iuch gerne sehen ‘diu ross diu läzet stän.
des wil ich abe gan.
und traget ouch hin die scilde. des hat mich her Giselher 323 Sus beleip der küene
ja wold’ ich in min lant.
mit grozen triuwen erwant.’
durch vriwende liebe da.
ja wacr’ er in den landen gewesen also sanfte.
ninder anderswa da von daz gescach,
daz er nu tägeliche
die sccenen Kriemhilden sach.
324 Durch ir unmäzen sccene
der herre da beleip.
mit maneger kurzewile
man nu die zit vertreip,
wan daz in twang ir minne: dar umbe sit der küene
diu gab im dicke not.
lac vil jsemerliche tot.
6. Äventiure Wie Günther gen Islande nach Prünhilde fuor 325 Iteniuwe maere
sich huoben über Rin.
man sagte daz da wsere
manec scoene magedin.
der gedaht’ im eine erwerben da von begunde dem recken
Günther der künec guot: vil sere hohen der muot.
Nibelungenlied: Text
40
326 Ez was ein küneginne ir geliche enheine
gesezzen über se,
man wesse ninder me.
diu was unmäzen sccene,
vil michel was ir kraft,
si scoz mit snellen degenen
umbe minne den scaft.
327 Den stein den warf si verre, swer ir minne gerte,
dar nach si wüten spranc.
der muose äne wanc
driu spil an gewinnen
der frouwen wol geborn.
gebrast im an dem einen,
er hete daz houbet sin verlorn.
328 Des het diu juncfrouwe
unmäzen vil getan,
daz gehörte bi dem Rine
ein riter wol getan,
der wände sine sinne
an daz sccene wip.
dar umbe muosen helede
sit Verliesen den lip.
329 Do sprach der vogt von Rine: hin ze Prünhilde,
ich wil durch ir minne
wägen minen lip:
den wil ich Verliesen,
sine werde min wip.’
330 ‘Daz wil ich widerraten’ ,
sprach do Sivrit.
‘ja hat diu küneginne
so vreisliche sit,
swer umb’ ir minne wirbet, des muget ir der reise
daz ez im hohe stät.
haben wterlichen rät.’
331 ‘So wil ih iu daz räten’, ‘ir bittet Sivride
‘ich wil nider an den se
swi ez mir erge.
sprach do Hagene,
mit iu ze tragene
die vil starken swsre,
daz ist nu min rät,
sit im daz ist so kündec
wi ez um Prünhilde stät.’
332 Er sprach: ‘wil du mir helfen,
edel Sivrit,
werben die minneclichen?
tuostu des ich dich bit,
und wirt mir z’eime trüte
daz minnecliche wip,
ich wil durch dinen willen
wägen ere unde lip.’
333 Des antwurte Sivrit, ‘gistu mir dine swester,
der Sigmundes sun: so wil ich ez tuon,
die sccenen Kriemhilde,
ein küneginne her.
so ger ich deheines lones
näch minen arbeiten mer.’
334 ‘Daz lob’ ich’, sprach do Günther, und kumt diu sccene Prünhilt so wil ich dir ze wibe so mahtu mit der sccenen
‘Sivrit, an dine hant.
her in ditze lant,
mine swester geben, immer vrceliche leben.’
6. Äventiure
die recken vil her. 335 Des swuoren si dö eide, des wart ir arebeiten verre deste mer, e daz si die frouwen
brähten an den Rin.
des muosen die vil küenen
sit in grözen sorgen sin.
336 Sivrit der muose füeren
die kappen mit im dan,
die der heit vil küene ab eime getwerge,
mit sorgen gewan daz hiez Albrich.
sich bereiten zuo der verte 337 Also der starke Sivrit so het er dar inne
die recken küen’ unde rieh.
die tarnkappen truoc, krefte genuoc,
zwelf manne Sterke
zuo sin selbes lip.
er warp mit grozen listen
daz vil herliche wip.
338 Ouch was diu selbe tarnhüt
also getan
daz dar inne worhte
ein ieslicher man
swaz er selbe wolde,
daz in doch niemen sach.
sus gewan er Prünhilde,
da von im leide gescach.
e daz min vart erge, 339 ‘Nu sag’ mir, degen Sivrit, daz wir mit vollen eren komen an den se, suln wir iht recken füeren drfzec tüsent degene
in Prünhilde lant?
die werdent sciere besant.’
sprach aber Sivrit, 340 ‘Swie vil wir Volkes füeren’, ‘ez pfliget diu küneginne so vreislicher sit, die müesen doch ersterben
von ir übermuot.
ich sol iuch baz bewisen, 341 Wir suln in recken wise die wil ich dir nennen, selbe vierde degene
degen küene unde guot. varn ze tal den Rin. die daz sulen sin.
varn wir an den se.
so erwerben wir die frouwen, 342 Der gesellen bin ich einer, der dritte daz si Hagene der vierde daz si Dancwart, uns endurfen ander tüsent 343 ‘Diu maere wess’ ich gerne’, ‘e daz wir hinnen füeren waz wir kleider solden diu uns da wol gezaemen:
swi ez uns dar nach erge. daz ander soltu wesen,
(wir mugen wol genesen), der vil küene man. mit strite nimmer bestän.’ sprach der künec do, (des wasre ich harte vro),
vor Prünhilde tragen, daz sult ir Gunthere sagen.’
41
42
Nibelungenlied: Text
344 ‘Wät die aller besten
die ie man bevant,
die treit man zallen ziten
in Prünhilde lant.
des sulen wir richiu kleider
vor der frouwen tragen,
daz wirs iht haben scande,
so man diu maere hoere sagen.’
345 Do sprach der degen guoter: zuo miner lieben muoter,
‘so wil ich selbe gän ob ich erbitten kan
daz uns ir sccenen mägede
helfen prüeven kleit,
diu wir tragen mit eren
für die herlichen meit.’
346 Do sprach von Tronege Hagene ‘waz weit ir iuwer muoter
sölher dienste biten?
lät iuwer swester hoeren
wes, ir habet muot:
so wirdet iu ir dienest
zuo dirre hovereise guot.’
347 Do enbot er siner swester
daz er si wolde sehen,
und ouch der degen Sivrit. do het sich diu scoene
mit herlichen siten:
e daz was gescehen,
ze wünsche wol gekleit.
daz körnen der vil küenen
daz was ir mxzliche leit.
348 Nu was ouch ir gesinde
gezieret als im zam.
die fürsten körnen beide,
do si daz vernam,
do stuont si von dem sedele, da si den gast vil edele
mit zühten si do gie
und ouch ir bruoder enpfie.
349 ‘Willekomen si min bruoder diu masre ich wiste gerne’,
und der geselle sin. so sprach daz magedin,
‘waz ir herren woldet,
sit ir ze hove gat.
daz läzet ir mich hoeren
wi ez iu edelen recken stät.’
350 Do sprach der künec Günther:
‘frouwe, ich wilz iu sagen,
wir müezen michel sorgen
bi hohem muote tragen.
wir wellen höfschen riten
verre in vremdiu lant;
wir solten zuo der reise haben zierlich gewant.’ 351 ‘Nu sitzet, lieber bruoder’, sprach daz küneges kint, ‘und lät mich rehte hoeren wer die frouwen sint, der ir da gert mit minnen die üz erwelten beide 352 Do gie si mit in beiden
in ander künege lant.’ nam diu frouwe bi der hant. da si e da saz,
uf matraz diu vil riehen, geworht von guoten bilden, si mohten bi den frouwen
ich wil wol wizzen daz, mit golde wol erhaben, guote kurzwile haben.
6. Äventiure
353 Friwentliche blicke
und güetlichez sehen,
des mohte da in beiden
harte vil gescehen.
er truoc si ime herzen,
si was im so der lip.
sit wart diu scoene Kriemhilt
des starken Sivrides wip.
354 Do sprach der künec riche: äne dine helfe
‘vil liebiu swester min,
kundez niht gesin.
wir wellen kurzwilen
in Prünhilde lant:
da bedürften wir ze habene
vor frouwen herlich gewant.’
355 Do sprach diu juncfrouwe: swaz der minen helfe
‘vil lieber bruoder min,
dar an kan gesin,
des bring’ ich iuch wol innen, versagt iu ander iemen, ir sult mir gebieten
daz ich iu bin bereit,
daz wsere Kriemhilde leit.
356 Ir sult mich, riter edele,
niht sorgende biten,
mit herlichen siten.
swaz iu von mir gevalle,
des bin ich iu bereit,
unt tuon ez willecliche’,
sprach diu wünnecliche meit.
357 ‘Wir wellen, liebiu swester,
tragen guot gewant.
daz sol helfen prüeven
iuwer edeliu hant.
des volziehen iuwer magede, wände wir der verte
daz ez uns rehte stat,
hän deheiner slahte rät.’
358 Do sprach diu juncfrouwe: ich hän selbe siden:
‘nu merket waz ich sage,
nu scaffet daz man trage
gesteine uns üf den scilden,
so wurken wir diu kleit.’
des willen was do Günther 359 ‘Wer sint die gesellen’,
und ouch Sivrit bereit.
sprach diu künegin,
‘die mit iu gekleidet
ze hove sulen sin?’
er sprach: ‘ich selbe vierde: Dancwart unde Hagene, 360 Ir sult vil rehte merken daz ich selbe vierde
zwene mine man, suln ze hove mit mir gän. waz ich iu, frouwe, sage:
ze vier tagen trage
ie drier hande kleider daz wir äne scande
und also guot gewant, rümen Prünhilde lant.’
361 Mit guotem urloube
die herren schieden dan.
do hiez ir juncfrouwen üz ir kemenäten
43
drizec meide gän
Kriemhilt diu künegin,
die zuo sölhem werke
heten groezlichen sin.
Nibelungenlied: Text
44
362 Die arabischen siden
wiz also der sne
unt von Zazamanc der guoten dar in si leiten steine;
des wurden guotiu kleit.
selbe sneit si Kriemhilt,
diu vil herliche meit. bezoc wol getan
363 Von vremder visce hiuten ze sehene vremden liuten,
swaz man der gewan,
die dahten si mit siden,
so si si solden tragen,
nu hoeret michel wunder
von der liehten wsete sagen.
364 Von Marroch üz dem lande die aller besten siden
und ouch von Lybiän
die ie mer gewan
deheines küneges künne,
der heten si genuoc.
wol lie daz seinen Kriemhilt 365 Sit si der hohen verte härmine vederen
grüen’ alsam der kle,
daz si in holden willen
heten nu gegen,
[truoc.
di duhten si unwert.
pfellel darobe lägen
swarz alsam ein kol,
daz noch snellen helden 366 Üz arabischem golde
stüende in höhgeziten wol. vil gesteines scein.
der frouwen unmuoze inre siben wochen
diu newas niht klein: bereiten si diu kleit.
do was ouch ir gewxfen
den guoten recken bereit.
367 Do si bereitet wären,
do was in üf den Rin
gemachet flizeclichen daz si tragen solde
ein starkez sciffelin, vol nider an den se.
den edelen junefrouwen
was von arbeiten we.
368 Do sagte man den recken,
in wxren nu bereit,
diu si dä füeren solden, also si dä gerten.
ir zierlichen kleit, daz was nu getän.
done wolden si niht langer 369 Näch den hergesellen ob si wolden scouwen ob ez den helden wxre ez was in rehter mäze, 370 Für alle die si körnen, daz si zer werlde heten des mohten si si gerne von bezzer recken waete
bi dem Rine bestän.
wart ein bote gesant, niuwez ir gewant, ze kurz und ouch ze lanc. des sagten si den frouwen danc. die muosen in des jehen, bezzers niht gesehen, dä ze hove tragen, künde niemen niht gesagen.
6. Äventiure
371 Vil grcezliche danken do gerten urloubes
wart da niht verdeit. di helde vil gemeit.
in riterlichen zühten
di herren täten daz.
des wurden liehtiu ougen
von weinen trüeb’ unde naz.
372 Si sprach: ‘vil lieber bruoder,
ir möhtet noh bestän
unt würbet ander frouwen da iu so sere enwäge
(daz hiez’ ich wol getan),
stüende niht der lip.
ir muget hie näher vinden
ein also hochgeborn wip.’
373 Ich wasn’ in sagt’ ir herze si weinten al geliche,
daz in dä von geschach.
swaz ieman gesprach.
ir golt in vor den brüsten die vielen in genote
wart von trähen sal,
von den ougen hin ze tal.
374 Si sprach: ‘herre Sivrit,
lät iu bevolhen sin
üf triuwe und üf genäde daz im iht gewerre
den lieben bruoder min,
in Prünhilde lant.’
daz lobte der vil küene
in froun Kriemhilde hant.
375 Do sprach der degen riche: so sult ir aller sorgen,
‘ob mir min leben bestät,
frouwe, haben rät.
ich bringe’n iu gesunden
her wider an den Rin,
daz wizzet sicherli'chen.’
im neic daz scoene magedin.
376 Ir goltvarwen scilde
man truog in üf den sant
unde bräht’ in zuo zin
allez ir gewant.
ir ross hiez man in ziehen;
si wolden riten dan.
dä wart von scoenen frouwen
vil michel weinen getan.
377 Do stuonden in den venstern ir seif mit dem segele
diu minneclichen kint.
daz ruort’ ein hoher wint.
die stolzen hergesellen
di säzen üf den Rin.
do sprach der künec Günther: 378 ‘Daz wil ich’, sprach Sivrit: hinnen wol gefüeren,
‘ich kan iuch üf der fluot die sint mir wol bekant.’
üz der Burgonden lant.
eine scalten gewan:
von stade begunde schieben Günther der küene
‘wer sol nu scifmeister sin?’
daz wizzet, helde guot.
die rehten wazzersträzen si scieden vrcelichen 379 Sivrit do balde
45
der kreftige man.
ein ruoder selbe nam.
do huoben sich von lande
die snellen riter lobesam.
Nibelungenlied: Text
46
380 Si fuorten rlche splse,
dar zuo vil guoten wln,
den besten den man künde
vinden umben Rin.
ir ross diu stuonden scone,
si heten guot gemach.
ir seif daz gie vil ebene,
vil lützel leides in gescach.
381 Ir vil starken segelseil
diu wurden in gestraht;
si fuoren zweinzec mlle,
e daz ez wurde naht,
mit eime guoten winde ir starkez arbeiten
nider gegen dem se.
tet sit den hohgemuoten we.
382 An dem zwelften morgen, heten si di winde
so wir hoeren sagen,
verre dan getragen
gegen Isensteine
in Prünhilde lant.
daz was ir deheinem
niwan Slvride erkant.
383 Do der künec Günther
so vil der bürge sach
und ouch die wlten marke,
wie balde er do sprach:
‘sagt mir, friwent Slvrit,
ist iu daz bekant,
wes sint dise bürge
und ouch daz herllche lant?’
384 Des antwurte Slvrit: ez ist Prünhilde
‘ez ist mir wol bekant.
liute unde lant
und Isenstein diu veste,
als ir mich hortet jehen.
da muget ir noch hiute
vil scoener frouwen gesehen.
385 Unt wil iu helden raten, ir jehet geliche,
ir habt einen muot.
ja dunket ez mich guot.
swenne wir noch hiute
für Prünhilde gän,
so müezen wir mit sorgen
vor der küneginne stän.
386 So wir die minnecllchen
bi ir gesinde sehen,
so sult ir, helde mxre,
wan einer rede jehen:
Günther si mm herre,
und ich si sin man.
des er da hat gedingen, 387 Des wären si bereite durh ir übermüete
daz wirdet allez getan.’ swaz er si loben hiez.
ir deheiner ez niht liez,
si jähen swes er wolde, do der künec Günther
dä von in wol gescach, die sccenen Prünhilde sach.
388 ‘Jane lob’ ihz niht so verre so durch dlne swester, diu ist mir sam min sele ich wil daz gerne dienen,
durch die liebe din
daz scoene magedin. und so min selbes lip. daz si werde min wlp.’
7. Äventiure
47
7. Äventiure Wie Günther Prünhilde gewan 389 In der selben zite
dö was ir seif gegän
der bürge also nähen,
do sah der künec stän
oben in den venstern
vil manege sccene meit.
daz er ir niht erkande, 390 Er vrägte Sivride,
daz was Gunthere leit. den gesellen sin:
‘ist iu daz iht künde
umb’ disiu magedin,
die dort her nider scouwent swi ir herre heize,
gein uns üf die vluot?
si sint vil hohe gemuot.’
391 Do sprach der herre Sivrit:
‘nu sult ir tougen spehen
under den junefrouwen,
und sult mir danne jehen
weihe ir nemen woldet,
hetet irs gewalt.’
‘daz tuon ich’, so sprach Günther, 392 ‘So sihe ich ir eine
in jenem venster stän,
in snewizer waste,
[balt,
diu ist so wol getän,
die welent miniu ougen
durch ir scoenen lip.
ob ich gewalt des hete,
si müese werden min wip.’
393 ‘Dir hät erwelt vil rehte
diner ougen schin:
ez ist diu edel Prünhilt,
daz schoene magedin,
näch der din herze ringet, elliu ir gebaerde
ein riter küen’ unde
din sin unt ouch der muot.’
diu dühte Guntheren guot.
I 394 Do hiez diu küneginne ir herliche mägede.
üz den venstern gän sin’ solden dä niht stän
den vremden an ze sehene.
des wären si bereit.
waz do die vrouwen täten,
daz ist uns sider ouch geseit.
) 395 Gegen den unkunden des ie site heten
an diu engen venster dä si die helde sähen; * 396 Ir wären niwan viere, Sifrit der küene
strichen si ir lip,
diu wastlichen wip. körnen si gegän, daz wart durh schouwen getän. die körnen in daz lant.
ein ros zöch üf den sant;
daz sähen durch diu venster des dühte sich getiuret > 397 Er habt’ im dä bi zoume
diu waetlichen wip.
des künec Guntheres lip. daz zierliche marc,
48
Nibelungenlied: Text
guot unde schcene,
vil michel unde starc,
unz der künic Günther
in den satel gesaz.
also diente im Sifrit,
des er doch sit vil gar vergaz.
39S Do zoh er ouch daz sine er het solhen dienest
von dem schiffe dan. vil selten e getan,
daz er bi stegereife
gestiiende helde mer.
daz sahen durch diu venster die vrouwen schcen’ unde her. 399 Reht’ in einer mäze den helden vil gemeit von sneblanker varwe waren vil geliche.
ir ros unt ouch ir kleit
ir Schilde wol getan
die luhten von den handen den vil westlichen man. 400 Ir sätel wol gesteinet, ir fürbüege smal (si riten herliche
für Prünhilde sal)
dar an hiengen schellen
von liehtem golde rot.
si körnen zuo dem lande
als ez ir eilen gebot,
401 Mit spern niuwesliffen, diu üf die sporn giengen
mit swerten wol getan, den wxtlichen man.
di fuorten die vil küenen,
scharpf und dar zuo breit,
daz sach allez Prünhilt,
diu vil herliche meit. 402 Mit in körnen do Dancwart unt ouch Hagene. wir hoeren sagen mxre, wie die degene von rabenswarzer varwe truogen ridiiu kleit. ir Schilde wären schoene,
michel, guot unde breit,
403 Von Indiä dem lande
man sah si steine tragen,
die kos man an ir wxte
vil herliche wagen. ir schiffel bi der fluot.
si liezen äne huote sus riten zuo der bürge 404 Sehs unt ahzec türne dri palas wite
die helde küene unde guot. si sähen drinne stän,
unt einen sal wol getän
von edelem marmelsteine dar inne selbe Prünhilt 405 Diu burc was entslozzen, do liefen in engegene unt enpfiengen dise geste ir ros hiez man behalten 406 Do sprach ein kamerxre:
grüene alsam ein gras, mit ir ingesinde was. vil wite üf getän. die Prünhilde man in ir vrouwen lant. unt ir Schilde von der hant. ‘ir sult uns geben diu swert
7. Äventiure
49
unt ouch die liehten brünne.’
‘des sit ir ungewert’,
sprach von Tronege Hagene:
‘wir wellens’ selbe tragen.’
do begonde im Sifrit
da von diu rehten msere sagen.
407 ‘Man pfliget in dirre bürge, daz neheine geste
daz wil ich iu sagen,
hie wäfen sulen tragen,
nu lät si tragen hinnen,
daz ist wol getan.’
des volgete vil ungerne
Hagene Guntheres man.
I 408 Man hiez den gesten schenken vil manigen snellen recken in fürstlicher wxte
unt schuof in ir gemach, man da ze hove sadh
allenthalben gän.
doch wart michel schouwen
an die küenen getan.
Ü 409 Do wart vroun Prünhilde daz unkunde recken
gesaget mit mxren
da körnen wxren
in herlicher wxte
gevlozzen üf der fluot.
da von begonde vrägen
diu maget schoene unde guot.
410 ‘Ir sult mich läzen hcereri, ‘wer di vil unkunden
sprach diu künegin,
recken mugen sin,
die in miner bürge
so herliche stän,
unt durch wes liebe
die helde her gevarn hän.’
1 411 Do sprach ein ir gesinde:
‘vrouwe, ich mac wol jehen
daz ich ir deheinen
nie mer habe gesehen,
wan geliche Sifride
einer darunder stat.
den sult ir wol enpfähen,
daz ist mit triuwen min rät.
1 412 Der ander der gesellen
der ist so lobelich.
ob er gewalt des hete,
wol wasr’ er künic rieh
ob witen fürsten landen,
und mäht’ er diu gehän.
man siht in bi den andern
so rehte herliche stän.
- 413 Der dritte der gesellen
der ist so gremelich,
(unt doch mit schoenem übe, von swinden sinen blicken, er ist in sinen sinnen, - 414 Der jungeste darunder magtlicher zühte mit guotem gelaeze
küneginne rieh) der er so vil getuot.
ich warne, grimme gemuot. der ist so lobelich.
sihe ich den degen rieh so minnecliche stän.
wir möhtenz alle fürhten, hete im hie iemen iht getan. 415 Swie bilde er pflege der zühte, und swie schcene si sin lip,
50
Nibelungenlied: Text
er möhte wol erweinen
vil wastlichiu wip,
swenn’ er begonde zürnen. er ist in allen tilgenden
sin lip ist so gestalt, ein degen küene unde halt.’
416 Do sprach diu küneginne: unt ist der starke Sifrit
‘nu brinc mir min gewant. komen in diz lant
durch willen miner minne
ez gät im an den lip.
ich fürhte in niht so sere 417 Prünhilt diu schoene
daz ich werde sin wip.’ wart schiere wol gekleit.
do gie mit ir dannen
vil manic schceniu meit,
wol hundert oder mere
gezieret was ir lip.
ez wolden sehen die geste
diu vil wactlichen wip.
418 Da mit giengen degene
da üz Islant,
die Prünhilde recken.
die truogen swert enhant,
fünf hundert oder mere,
daz was den gesten leit.
dö stuonden von dem sedele 419 Do diu küneginne
die helde küene unt gemeit.
Sifriden sach,
nu muget ir gerne hoeren ‘sit willekomen, Sifrit,
wie diu maget sprach: her in ditze lant.
waz meinet rnwer reise?
gerne het ich daz bekant.’
420 cVil michel iwer genade,
min vrou Prünhilt, daz ir mich ruochet grüezen, fürsten tohter milt, vor disem edelen recken,
wand’ er ist min herre: 421 Er ist geborn von Rine, durch die dine liebe
der hie vor mir stät, der eren het ich gerne rat. waz sol ich dir sagen mer?
sin wir gevarn her.
der wil dich gerne minnen, nu bedenke dichs bezite: 422 Er ist geheizen Günther erwürbe er dine minne,
swaz im da von geschiht. min herre erläzet dich es niht. unt ist ein künic her. sone gert’ er nihtes mer.
ja gebot mir her ze varne
der recke wol getan: möht’ ich es im geweigert hän, ich het iz gerne verlän.’ 423 Si sprach: ‘ist er din herre diu spil, diu ich im teile,
unt bistu sin man, getar er diu bestän,
behabt er des die meisterschaft, unt ist daz ich gewinne,
so wird’ ich sin wip,
ez get iu allen an den lip.’
424 Do sprach von Tronege Hagene:
‘frouwe, lät uns sehen
7. Äventiure
iwer spil diu starken.
e daz iu müeste jehen
Günther min herre,
da müesez herte sin.
er trüwet wol erwerben
ein also schoene magedin.’
425 ‘Den stein sol er werfen
unt springen dar nach,
den ger mit mir schiezen.
lät iu niht sin ze gäch.
ir muget wol hie Verliesen
die ere und ouch den lip.
des bedenket iuch vil ebene1
sprach daz minnecliche wip. zuo dem künege trat,
426 Sifrit der vil küene allen sinen willen
er in reden bat
gegen der küneginne;
er solde an’ angest sin.
‘ich sol iuch wol behüeten
vor ir mit den listen min.’
427 Do sprach der künec Günther: nu teilt swaz ir gebietet.
durch iwern schoenen lip.
min houbet wil ich Verliesen, 428 Do diu küneginne
‘küneginne her,
unt wieres dannoch mer,
daz bestüende ich allez
ir enwerdet min wip.’
sine rede vernam,
der spile bat si gähen,
als ir do daz gezam.
si hiez ir gewinnen
ze strite guot gewant,
eine brünne rotes goldes
unt einen guoten Schildes rant.
429 Ein wafenhemde sidin
daz leit’ an diu meit,
daz in deheinem strite
wäfen nie versneit,
von pfellel üzer Lybia.
ez was vil wol getan,
von porten lieht gewürhte
daz sach man schinen dar an.
430 Die zit wart disen recken
in gelfe vil gedreut.
Dancwart unt Hagene
die waren ungefreut.
wi ez dem künege ergienge, si dähten: ‘unser reise e iz iemen erfunde,
der wsetliche man,
in daz schif gegän,
da er sine tarnkappen
verborgen ligen vant.
dar in slouf er vil schiere, da diu küneginne dar gie er tougenliche alle die da wären,
des sorgete in der muot.
diu ist uns recken niht ze guot.’
431 Die wile was ouch Sifrit,
432 Er ilte hin widere.
51
do was er niemen bekant.
do vant er recken vil, teilte ir hohen spil. (von listen daz geschach), daz in da niemen ensach.
433 Der rinc der was bezeiget,
da solde daz spil geschehen
Nibelungenlied: Text
52
vor manigem küenen recken,
die daz solden sehen
mer danne siben hundert.
die sah man wäfen tragen:
swem an dem spil gelunge,
daz ez di helde solden sagen.
434 Do was körnen Prünhilt. sam ob si solde striten
gewäfent man die vant umb elliu küneges lant.
ja truoc si ob den siden
vil manigen goldes zein.
ir minneclichiu varwe
dar under herliche schein.
435 Do kom ir gesinde.
die truogen dar ze hant
von alrotem golde
einen Schildes rant,
mit stahelherten spangen,
vil michel unde breit,
dar under spilen wolde
diu vil minnecliche meit.
436 Der vrouwen schiltvezzel dar üfe lagen steine
ein edel porte was.
grüene sam ein gras.
der lühte maniger hande
mit schine wider daz golt.
er müeste wesen vil küene
dem diu vrouwe wurde holt.
437 Der schilt was under bukeln, wol drier spannen dicke,
als uns daz ist gesaget,
den solde tragen diu maget.
von stahel unt ouch von golde den ir kamerasre
selbe vierde küme truoc.
438 Also der starke Hagene
den schilt dar tragen sach,
mit grimmigem muote
der heit von Tronege sprach:
'wa nu, kümc Günther?
wie vliesen wir den lip!
der ir da gert ze minnen,
diu ist des tiuveles wip.’
439 Vernemt noch von ir wxte: von Azagouc der siden edel unde riche;
rieh er was genuoc,
der hete si genuoc. einen wäfenroc si truoc,
ab des varwe schein
von der küneginne
vil manic herlicher stein.
440 Do truoc man der vrouwen einen ger vil scharpfen, starc unt ungefüege, der ze sinen ecken
swaere unde groz
den si alle zite schoz, michel unde breit,
harte vreislichen sneit.
441 Von des geres swasre
hoeret wunder sagen,
wol vierdehalbiu messe
was dar zuo geslagen.
den truogen küme drie
Prünhilde man.
Günther der edele
vil harte sorgen began.
442 Er dähte in sinem muote:
‘waz sol diz wesen?
7. Äventiure
H43
1444
1445
446
447
448
449
'450
451
53
wie kund’ er da vor genesen? der tiuvel üz der helle w£er’ ich ze Burgonden mit dem lebene min, si müeste hie vil lange vrl vor mmer minne sin.’ Do sprach Hagenen bruoder, der küene Dancwart: ‘mich riuwet inneclichen disiu hovevart. nu hiezen wir ie recken: wi Verliesen wir den 11p, suln uns in disen landen nu verderben diu wip! Mich müet daz harte sere, daz ich kom in diz lant. unt hete min bruoder Hagene sin wäfen an der hant, unt ouch ich daz mme, so möhten sampfte gän mit ir übermüete alle Prünhilde man. Daz wizzet sicherllchen, si soldenz wol bewarn. unt het ich tüsent eide ze einem vride geswarn, e daz ich sterben sadae den lieben herren min, ja müese den lip Verliesen daz vil schoene magedin.’ ‘Wir solden ungevangen wol rumen diz lant’, sprach do sin bruoder Hagene, ‘unt heten wir daz gewant des wir ze not bedürfen unt ouch diu swert vil guot, so wurde wol gesenftet der starken vrouwen übermuot.’ Wol hört’ diu maget edele waz der degen sprach, mit smielendem munde si über ahsel sach: ‘nu er dunke sich so küene, so traget in ir gewant, ir vil scharpfen wäfen gebet den recken an die hant.’ Do si diu swert gewunnen, also diu maget gebot, der vil küene Dancwart von vreuden wart rot. ‘nu spilen swes si wellen’, sprah der vil snelle man: ‘Günther ist umbetwungen, slt daz wir unser wafen han.’ Diu Prünhilde Sterke vil groezllche schein, man truoc ir zuo dem ringe einen swaeren stein, groz unt ungefüege, michel unde wel. in truogen küme zwelfe, helde küene unde snel. Den warf si zallen zlten, so si den ger verschoz. der Burgonden sorge wurden harte groz. ‘wäfen’, sprach Hagene, ‘waz hät der künic ze trüt! jä solde si in der helle sin des Übeln tiuvels brüt.’ An vil wlzen armen si die ermel want.
54
Nibelungenlied: Text
si begonde vazzen
den schilt an der hant.
den ger si hohe zuhte
do gienc ez an den strit.
Günther unt Sifrit
die vorhten Prünhilde nit.
452 Und wazre im Sifrit
niht ze helfe komen,
so hete si dem künege
sinen lip benomen.
er gie dar tougenliche
unt ruort’ im sine hant.
Günther sine liste
vil harte sorclich ervant. 453 ‘Waz hat mich gerüeret?’ dahte der küene man. do sach er allenthalben;
er vant da niemen stan.
er sprach: ‘ich binz Sifrit, vor der küneginne
der liebe vriunt din.
soltu gar an’ angest sin.
454 Den schilt gip mir von hende unde merke rehte
unt lä mich den tragen,
waz du mich hcerest sagen.
nu hab du die gebäre,
diu werc wil ich begän.’
do er in reht’ erkande,
ez was im liebe getan.
455 ‘Nu hil du mine liste, so mac diu küneginne
dine soltu niemen sagen, vil lützel iht bejagen
an dir deheines ruomes,
des si doh willen hat.
nu sihtu wie diu vrouwe
vor dir unsorclichen stat.’
456 Do schoz vil kreftecliche üf einen schilt niuwen,
diu herliche meit michel unde breit,
den truoc an siner hende
daz Sigelinde kint. daz fiwer spranc von stahele alsam ez waste der wint. 457 Des starken geres snide
al durch den schilt gebrach,
daz man daz fiwer lougen
üz den ringen sach.
des schuzzes beide strüchten wan diu tarnkappe,
die kreftigen man.
si wxren tot da bestän.
458 Sifride dem vil küenen von munde brast daz bluot. vil balde spranc er widere. do nam der heit guot den ger, den si geschozzen
im hete durch den rant;
den frumte ir do hin widere
des starken Sifrides hant.
459 Er dahte: ich wil niht schiezen er kerte des geres snide mit der gerstangen
daz schoene magedin.’
hinder den rucke sin. er schoz üf ir gewant
daz ez erklanc vil lute 460 Daz fiwer stoup uz ringen
von siner ellenthaften hant. alsam ez tribe der wint.
7. Äventiure
den schuz den schoz mit eilen sine mohte mit ir kreften
daz Sigemundes kint. des schuzzes niht gestän.
ez enhete der künic Günther f 461 Prünhilt diu schcene
55
entriuwen nimmer getan.
wie balde si üf spranc!
‘Günther, ritter edele,
des schuzzes habe danc.’
si wände daz erz hete
mit siner kraft getan:
ir was dar nach geslichen
ein verre kreftiger man.
! 462 Do gie si hin vil balde;
zornec was ir muot.
den stein huop vil hohe
diu edel maget guot.
si swanc in kreftecliche
vil verre von der hant. [gewant. do spranc si nach dem würfe; ja erklanc ir allez ir
1 463 Der stein der was gevallen
wol zwelf kläfter dan.
den wurf brach mit Sprunge
diu maget wol getan,
dar gie der herre Sifrit
da der stein gelac;
Günther in do wegete,
der heit in werfenne pflac.
1 464 Sifrit der was küene,
vil kreftec unde lanc.
den stein den warf er verrer,
dar zuo er witer spranc.
von sinen schoenen listen
er hete kraft genuoc
daz er mit dem Sprunge
den künic Günther doch truoc.
1 465 Der sprunc der was ergangen, do sach man ander niemen Prünhilt diu schoene
wart in zorne rot.
Sifrit hete geverret 1 466 Zuo zir ingesinde
der stein der was gelegen, wan Günther den degen.
des künic Guntheres tot. ein teil si lute sprach,
do si z’ent des ringes
den heit gesunden sach:
‘vil balde kumt her näher,
ir mäge unt mine man!
ir sult dem künic Günther
alle wesen undertän.5
1 467 Do leiten die vil küenen
diu wäfen von der hant,
si buten sich ze füezen Günther dem riehen,
üz Burgonden lant vil manic küener man.
si wänden daz er hete
diu spil mit siner kraft getän.
4 468 Er gruoztes’ minnecliche,
jä was er tugende rieh,
do nam in bi der hende
diu maget lobelich.
si erloubte im daz er solde
haben dä gewalt.
des freute sich do Hagene,
der degen küene unde balt.
469 Si bat den ritter edele
mit ir dannen gän
Nibelungenlied: Text
56
in den palas witen.
also daz wart getan,
do erbot man ez den recken Dancwart unt Hagene 470 Sifrit der snelle
mit dienste deste baz.
die muosenz lazen ane haz.
wise was er genuoc.
sine tarnkappen
er aber behalten truoc.
do gie er hin widere
da manic vrouwe saz.
er sprach zuo dem künige,
unt tet vil wisliche daz:
471 ‘Wes bitet ir, mm herre? der iu diu küneginne
wan beginnet ir der spil, teilet also vil?
unt lat uns balde schouwen sam ers niht enwesse,
wie diu sin getan.’
gebärte der listige man.
472 Do sprach diu küneginne: daz ir habt, her Sifrit,
‘wie ist daz geschehen der spil niht gesehen,
diu hie hat errungen
diu Guntheres hant?’
des antwurt’ ir Hagene
üzer Burgonden lant.
473 Er sprach:‘da het ir, vrouwe, do was bi unserm scheffe do der vogt von Rme
diu spil iu an gewan,
des ist ez im unkünde’,
sprach der Guntheres man.
474 ‘So wol midi dirre maere’, ‘daz iuwer hohverte
betrüebet uns den muot:
Sifrit der heit guot,
sprach Sifrit der degen,
sint also hie gelegen,
daz iemen lebet der iuwer nu sult ir, maget edele,
meister müge sin. uns hinnen volgen an den Rin.’
475 Do sprach diu wol getane: ‘des enmac niht ergan. ez müezen e bevinden mage unt mine man. jane mag ich also lihte gerümen miniu lant. di mine besten friunde 476 Do hiez si boten riten si besande ir vriunde, die bat si ze Isensteine
müezen werden e besant.’ allenthalben dan. mäge unde man. körnen unerwant,
unt hiez in geben allen 477 Si riten tägeliche
rieh unt herlich gewant. späte unde vruo
der Prünhilde bürge ‘järäjä’, sprach Hagene, wir erbeiten hie vil übele 478 So si nu mit ir krefte
scharhafte zuo. ‘waz haben wir getan! der schoenen Prünhilde man. koment in daz lant
8. Äventiure
(der küneginne wille
ist uns unbekant:
waz ob si also zürnet
daz wir sin verlorn?),
so ist uns diu maget edele
ze grozen sorgen geborn.’
479 Do sprach der starke Sifrit: des ir da habt sorge,
‘daz sol ich understen.
des läz’ ich niht ergen.
ich sol iu helfe bringen
her in diz lant
von üz erwelten recken
die iu noch nie wurden bekant.
480 Ir sult nach mir niht vrägen; got müez’ iuwer ere
ich wil hinnen varn.
die zit wol bewarn.
ich kum’ schiere widere
unt bringe iu tüsent man
der aller besten degene
der ich ie künde gewan.’
481 ‘Sone sit et niht ze lange’, ‘wir sin iuwer helfe
sprach der künic do.
vil billichen vro.’
er sprach: ‘ich kum iu widere daz ir midi habt gesendet,
in vil kurzen tagen, daz sult ir Prünhilde sagen.’
8. Äventiure Wie Sifrit nach sinen mannen fuor 482 Dannen gie do Sifrit
zer porten üf den sant
in siner tarnkappen,
da er ein schiffel vant.
dar an so stuont vil tougen
daz Sigemundes kint.
er fuort’ ez balde dannen, alsam ez wsete der wint. 483 Den schefmeister sach niemen: daz schiffel sere vloz von Sifrides kreften,
die wären also groz.
si wänden daz ez fuorte
ein sunderstarker wint.
nein, ez fuorte Sifrit, 484 Bi des tages zite
der schcenen Sigelinden kint.
unt in der einen naht
kom er ze einem lande
mit groezlicher mäht,
wol hundert langer raste daz hiez Nibelunge,
und dannoch baz,
da er den grozen hört besaz.
485 Der heit der fuor aleine
üf einen wert vil breit,
daz schif gebant vil balde er gie zuo einem berge, unt suochte herberge,
der ritter vil gemeit. dar üf ein burc stuont,
so die wegemüeden tuont.
57
Nibelungenlied: Text
58
486 Do kom er für die porten: ja huoten si ir eren,
verslozzen im diu stuont.
so noch die liute tuont.
anz tor begunde bozen
der unkunde man;
daz was wol behüetet.
do vant er innerthalben stän
487 Einen ungefüegen
der der bürge pflac,
bi dem z’allen ziten
sin gewaefen lac.
der sprach: ‘wer ist der bozet do wandelt’ sine stimme
so vaste an daz tor?’
der herre Sifrit da vor.
488 Er sprach: ‘ich bin ein recke,
nu entsliuz üf daz tor.
ich erzürne ir eteslichen
noch hiute da vor,
der gerne sampfte Ixge
unt hete sin gemach.’
daz muote den portenxre, 489 Nu hete der rise küene
do daz her Sifrit gesprach. sin gewaefen an getan,
sinen heim üf sin houbet.
der vil starke man
den schilt vil balde zuhte, wi rehte grimmeclichen
daz tor er üf do swief. er an Sifriden lief!
490 Wi er getorste wecken
so manigen küenen man!
da wurden siege swinde
von siner hant getan,
do begond’ im schermen
der herliche gast.
do schuof der portenaere
daz sin gespenge zebrast
491 Von einer isenstangen;
des gie dem helde not.
ein teil begonde fürhten do der portenaere
Sifrit den tot,
so kreftecliche sluoc.
dar umbe was im waege 492 Si striten also sere
sin herre Sifrit genuoc.
daz al diu burc erschal.
do horte man daz diezen
in Nibelunges sal.
er twanc den portenaere,
daz er in sit gebant.
diu maere wurden künde
in al der Nibelunge lant.
493 Do hört’ daz grimme striten
verre durch den berc
Albrich der vil küene,
ein wildez getwerc.
er wäfende sich balde;
do lief er da er vant
disen gast vil edelen, 494 Albrich was vil grimme, heim unde ringe
da er den risen vaste gebant. starc was er genuoc.
er an dem libe truoc,
unt eine geisel swaere do lief er harte swinde
von golde an siner hant. da er Sifriden vant.
8. Äventiure
4 495 Siben knöpfe swsere
die hiengen vor dar an,
da mit er vor der hende
den schilt dem küenen man
sluoc so bitterlichen,
daz im des vil zebrast.
des libes kom in sorge
dö der wxtliche gast.
4 496 Den scherm er von der hende dö stiez er in di scheiden den sinen kamerasre
gar zebrochen swanc.
ein wäfen, daz was lanc. wold’ er niht slahen tot;
er schönte siner zühte
als im diu tugent daz gebot.
‘ 497 Mit starken sinen handen
lief er Albrichen an.
dö vienc er bi dem barte er zogte’n ungefuoge
den altgrisen man. daz er vil lute schre.
zuht des jungen heldes
diu tet Albriche we.
498 Lute rief der küene:
‘lat mich genesen,
unt möht’ ich iemens eigen
an’ einen recken wesen
(dem swuor ich des eide,
ich wxre im undertän),
ich dient’ iu e ich stürbe.’
sprach der listige man.
' 499 Er bant ouch Albrichen die Sifrides krefte
59
alsam den risen e.
täten im vil we.
daz getwerc begonde vrägen:
‘wie sit ir genant?’ ich wand’ ich waer’ iu wol
er sprach: ‘ich heize Sifrit;
bekant.’ sprach Albrich daz getwerc.
500 ‘So wol mich dirre masre’,
diu degenlichen werc,
‘nu hän ich wol erfunden daz ir von wären schulden
daz ir mich läzet genesen.’
ich tuon swaz ir gebietet, 501 Dö sprach der herre Sifrit: unt bringet mir der recken, tüsent Nibelunge, war umbe er des gerte
der besten die wir hän,
des hört’ in niemen verjehen.
dö lief Albrich balde
löst’ er diu bant. da er die recken vant.
der Nibelunge man.
er sprach: ‘wol üf, ir helde, 503 Si Sprüngen von den betten tüsent ritter snelle
‘ir sult balde gän
daz mich die hie gesehen.’
502 Dem risen unt Albriche er wahte sorgende
muget landes herre wesen,
ir sult ze Sifride gän.’ unt wären vil bereit,
die wurden wol gekleit.
si giengen dä si funden
Sifriden stän.
60
Nibelungenlied: Text
da wart ein schone grüezen
ein teil mit werken getan.
504 Vil kerzen was enzündet, daz si schiere komen,
man schancte im lütertranc. er sagts in allen danc.
er sprach: ‘ir sult von hinnen des vant er vil bereite
mit mir über fluot.’
die helde küen’ unde guot.
505 Wol drizec hundert recken üz den wurden tüsent
di wären schiere komen,
der besten do genomen.
den brähte man ir helme
unt ander ir gewant,
want er si füeren wolde
in daz Prünhilde lant.
506 Er sprach: ‘ir guoten ritter,
daz wil ich iu sagen:
ir sult vil richiu kleider
da ze hove tragen,
want uns da sehen müezen dar umbe sult ir zieren
vil minneclichiu wip. mit guoter wxte den lip.’
507 An einem morgen fruo
huoben si sich dan.
waz sneller geverten
Sifrit do gewan!
si fuorten ros diu guoten
unt herlich gewant.
si komen weigerliche
in daz Prünhilde lant.
508 Do stuonden in den zinnen
diu minneclichen kint.
do sprach diu küneginne: die ich dort sihe vliezen
‘weiz iemen wer die sint, so verre üf dem se?
si füerent segele riche,
die sint noch wizer danne der sne.
509 Do sprach der kümc von Rine: die het ich an der verte die han ich besendet:
die sint nu, vrouwe, komen.’
der herlichen geste
wart vil groze war genomen.
510 Do sah man Sifride in herlicher wxte
‘ez sint mlne man.
hie nähen bi verlän,
vor in eime scheffe stän und ander manigen man.
do sprach diu küneginne:
‘her künec, ir sult mir sagen,
sol ich die geste enpfähen
oder sol ich grüezen si
511 Er sprach: ‘ir sult engegen in ob wir si sehen gerne, do tet diu küneginne Sifride mit dem gruoze 512 Man schuof in herberge do was so vil der geste
verdagen? für den palas gen;
daz si daz wol versten.’ als ir der künic geriet. si von den anderen schiet. und behielt in ir gewant. komen in daz lant,
8. Äventiure
daz si sich allenthalben
drungen mit den scharn.
do wolden die vil küenen
heim zen Burgonden varn.
! 513 Do sprach diu küneginne: der geteilen künde
‘ich wold’ im wesen holt,
min silber unt min golt
min unt des küneges gesten,
des ich so vil hän.’
des antwurte Dancwart,
des küenen Giselheres man:
! 514 ‘Vil edliu küneginne,
lat mich der slüzzel pflegen,
ich trüwe iz so geteilen’,
sprach der küene degen,
‘swaz ich erwerbe schände, daz er milte wxre,
die lät min eines sin.’
daz tet er grcezlichen schm.
I 515 Do sich Hagenen bruoder so manige riche gäbe
der slüzzel underwant,
bot des heldes hant:
swer einer marke gerte, daz die armen alle
dem wart so vil gegeben
muosen vroelichen leben.
516 Wol bi hundert pfunden
gap er äne zal.
genuoge in richer waete
gierigen vor dem sal,
die nie da vor getruogen
so herlichiu kleit.
daz gevriesch diu küneginne:
ez was ir waerliche leit.
517 Do sprach diu vrouwe here: daz iuwer kameraere läzen niht beliben;
‘her künic, ich hetes rät,
mir wil der minen wät er swendet gar min golt.
der iz noch understüende, ' 518 Er git so riche gäbe,
dem wold’ ich immer wesen
jä waenet des der degen,
ich habe gesant näch tode:
ez hät der künec von Rine
golt unde kleit
daz wir von hinnen füeren
iht der Prünhilde wät.’ sprach diu künegin.
zweinzec leitschrin
von golde unt ouch von siden, so wir körnen übere ir selber kameraere
‘vrouwe, iu si geseit,
daz wir des haben rät,
520 ‘Nein, durh mine liebe’,
521 Mit edelem gesteine
daz mir min vater lie.’
gewan noch küneginne nie.
519 Do sprach von Tronege Hagene:
‘läzet mich erfüllen
[holt,
ich wils noch lenger pflegen,
ouch trüwe ichz wol verswenden, so milten kameraere
also vil ze gebene
61
daz geben sol min hant,
in daz Guntheres lant.’ ladete man ir diu schrin. dä mite muosen sin.
62
Nibelungenlied: Text
sine woldes niht getrüwen Günther unt Hagene
dem Giselheres man.
dar umb lachen began.
522 Do sprach diu küneginne: diu sol e hie bestiften
‘wem läz’ ich miniu lant?
min unt iuwer hant.’
do sprach der künic edele: der iu dar zuo gevalle,
‘nu heizet her gän den sul wir voget wesen län.’
523 Ein ir höhsten mage
diu vrouwe bi ir sach
(er was ir muoter bruoder), ‘nu lat iu sin bevolhen unz daz hie rihte
zuo dem diu maget sprach
mine bürge unt ouch diu lant,
des künic Guntheres hant.’
524 Do weit’ si ir gesindes
zweinzic hundert man,
die mit ir varn solden
ze Burgonden dan,
zuo jenen tüsent recken
üz Nibelunge lant.
si rihten sich zer verte;
man sach si riten üf den sant.
525 Si fuorte mit ir dannen
sehs unt ahzec wip, dar zuo wol hundert mägede vil schoene was der lip. sine sümten sich niht langer si wolden gähen dan. die si da heime liezen, hey waz der weinen began!
526 In tugentlichen zühten
si rümte ir eigen lant.
si kust’ ir vriunt die nähen, mit guotem urloube
si körnen üf den se.
zuo ir vater lande
kom diu vrouwe nimmer me.
527 Do horte man üf ir verte aller kurzewile
die si bi ir vant.
maniger hande spil,
der heten si vil.
do kom in zuo ir reise
ein rehter wazzerwint.
si fuoren von dem lande
mit vil grözen vreuden sint.
528 Done wolde si den herren ez wart ir kurzewile
niht mmnen üf der vart.
unz in sin hüs gespart
ze Wormez zuo der bürge da si vil vreuden riche
zeiner höhgezit, körnen mit ir helden sit.
9. Äventiure Wie Sifrit ze Wormez gesant wart 529 Do si gevarn wären
volle niwen tage,
9. Äventiure
do sprach von Tronege Hagene: wir sumen uns mit den mxren die iwer boten solden
‘nu hcert waz ich iu sage, ze Wormez an den Rin.
nu ze Burgonden sin.’
.530 Do sprach der künic Günther: uns waere ze der selben verte als ir, friunt her Hagene. die unser hovereise
hr habet mir war geseit. niemen so bereit
nu ritet in min lant.
tuot in niemen baz bekant.’
531 Des antwurte Hagene:
‘ich bin niht bote guot.
lät mich pflegen der kamere. wil ich bi den frouwen, unz wir si bringen 532 Nu bitet Sifride
63
beliben üf der fluot
behiieten ir gewant,
in der Burgonde lant. füeren die boteschaft;
der kan si wol gewerben
mit ellenthafter kraft,
versage er iu die reise,
ir sult mit guoten siten
durch iuwer swester liebe
der bete in vriuntlichen biten.’
533 Er sande nach dem recken;
der kom, do man in vant.
er sprach: ‘sit daz wir nähen
heim in miniu lant,
so sold’ ich boten senden
der lieben swester min
und ouch miner muoter,
daz wir nähen an den Rin.
534 Des ger ich an iuch, Sifrit:
nu leistet minen muot,
daz ich ez iemer diene’,
sprach der degen guot.
do widerredete iz Sifrit, unz daz in Günther
der vil küene man,
sere vlegen began.
535 Er sprach: ‘ir sult riten
durch den willen min
unt ouch durch Kriemhilde,
daz schoene magedin,
daz ez mit mir verdiene do daz gehörte Sifrit,
diu herliche meit.’ do was der recke vil bereit.
536 ‘Nu enbietet swaz ir wellet, ich wil iz werben gerne
durch die vil schoenen maget.
zwiu sold’ ich die verzihen swaz ir durch si gebietet,
die ich in herzen hän? daz ist allez getän.’
537 ‘So saget miner muoter, daz wir an dirre verte
des wirt niht verdaget.
Uoten der künegin, in hohem muote sin.
lät wizzen mine bruoder
wie wir geworben hän.
ir sult ouch unser friunde
disiu mxre hoeren län.
538 Die minen schoenen swester
sult ir niht verdagen
Nibelungenlied: Text
64
mm unt Prünhilde dienest unt ouch dem gesinde
den sult ir ir sagen
unt allen minen man.
dar nach ie ranc min herze,
wie wol ich daz verendet
539 Unt saget Ortwine,
dem lieben neven min,
daz er heize sidelen
ze Wormez an den Rin.
unt ander mine mäge
die sol man wizzen län,
ich wil mit Prünhilde
groze hohzite hän.
540 Unt saget miner swester,
so si daz habe vernomen,
daz ich mit minen gesten
si ze lande körnen,
daz si mit vlize enpfahe
die triutinne min.
daz wil ich immer diende 541 Sifrit der herre
[h an
umbe Kriemhilde sin.’
balde urloup genam
von vroun Prünhilde,
als im daz wol gezam,
unt zallem ir gesinde;
do reit er an den Rin.
ez künde in dirre werlde
ein bote bezzer niht gesin.
542 Mit vier unt zweinzec recken des küneges kom er ane, allez daz gesinde
ze Wormez er do reit,
do daz wart geseit,
muote jämers not.
si vorhten daz ir herre
dort beliben wasre tot.
543 Do erbeizten si von rossen; vil schiere kom in Giselher,
vil hohe stuont ir muot. der junge künec guot,
unt Gernot sin bruoder.
wi balde er do sprach,
do er den künic Günther
niht bi Sifride sach:
544 ‘Sit willekomen, Sifrit! wä ir minen bruoder diu Prünhilde Sterke
ir sult mich wizzen län den künic habt verlän. in warn’ uns hat benomen.
so wajre ir hohiu minne 545 ‘Die angest lät beliben. enbiutet sinen dienest den liez ich wol gesunden.
uns ze grozem schaden körnen.’ iu unt den mägen sin der hergeselle min. er hat mich iu gesant,
daz ich sin bote wsere mit mxren her in iuwer lant. 546 Ir sult daz ahten schiere, swie so daz geschehe, daz ich die küneginne unt iwer swester sehe, die sol ich läzen hoeren
waz in enboten hat
Günther unt Prünhilt: ir dinc in beiden hohe stät.’ 547 Do sprach der junge Giselher: ‘da sult ir zuo zir gän.
9. Äventiure
da habt ir miner swester
vil liebe an getan,
si treit ouch michel sorge
umb den bruoder min.
diu magt siht iuch gerne:
des wil ich iuwer bürge sin.’
548 Do sprach der herre Sifrit:
‘waz ich ir dienen kan,
daz sol vil willeclichen
mit triuwen sin getan,
wer saget nu den vrouwen
daz ich wil dar gän?’
des wart do bote Giselher,
der vil wastliche man.
549 Giselher der snelle
zuo siner muoter sprach
unt ouch ze siner swester ‘uns ist körnen Sifrit,
da er si beide sach: der heit üz Niderlant;
in hat min bruoder Günther 550 Er bringet uns diu masre nu sult ir im erlouben
her ze Rine gesant. wie ez umb den künic ste.
daz er ze hove ge.
er sagt diu rehten masre
her von Islant.’
noch was den edelen vrouwen 551 Si Sprüngen nach ir waste, si bäten Sifride
65
michel sorge bekant. do leiten si sich an.
hin ze hove gän.
daz tet er willeclichen, Kriemhilt diu edele
want er si gerne sach. zuo im güetlichen sprach:
552 ‘Sit willekomen, her Sifrit,
ritter lobelich.
wä ist min bruoder Günther, von Prünhilde krefte
der edel künic rieh?
den wxn’ wir hän verlorn.
owe mir armen mägede,
daz ich zer werk ie wart geborn.’
553 Do sprach der ritter küene: ir vil schcene vrouwen,
‘nu gebt mir botenbrot!
ir weinet äne not.
ich liez in wol gesunden,
daz tuon ich iu bekant.
si habent mich iu beiden
mit den maeren her gesant.
554 Iu enbiutet holden dienest mit vriuntlicher liebe, nu läzet iuwer weinen: si het in manigen ziten 555 Mit snewizen geren wischte si näh trehenen. dem boten dirre masre do was ir michel trüren 5 556 Si bat den boten sitzen;
er unt diu wine sin
vil edeliu künegin. si wellent schiere körnen.’ so lieber masre niht vernomen. ir ougen wol getän danken si began diu ir dä wären körnen, und ir weinen benomen. des was er vil bereit.
66
Nibelungenlied: Text
do sprach diu minnecliche: ob ich ze botenmiete
‘mir wazre niht ze leit,
iu solde geben min golt.
dar zuo slt ir ze riche:
ich wil iu immer wesen holt.’
557 ‘Ob ich nu eine hete’,
sprach er, ‘drizec lant,
so enpfienge ich doh gerne
gäbe üz iwer hant.’
do sprach diu tugentriche:
‘nu sol ez sin getan.’
si hiez ir kamerazre
nach der botenmiete gän.
558 Vier unt zweinzec bouge
mit gesteine guot
di gap si im ze miete.
so stuont des heldes muot,
er woldes niht behalten.
er gab iz sä zehant
ir nashstem ingesinde,
die er ze kemenäten vant.
559 Ir muoter bot ir dienest
in vil güetlichen an.
‘ich sol iu sagen mxre’,
sprach der küene man,
‘wes iuch bittet Günther
so er kumet an den Rin.
ob ir daz, vrouwe, leistet, er well’ iu immer wasge sin. 560 Di sinen riche geste, des hört’ ich in gern, daz ir die wol enpfähet
und sult in des gewern,
daz ir gegen im ritet
für Wormez üf den sant.
des sit ir von dem künige 561 Do sprach diu minnecliche:
mit rehten triuwen gemant.’ ‘des bin ich vil bereit,
swaz ich im kan gedienen,
daz ist im unverseit.
mit vriuntlichen triuwen do merte sich ir varwe,
so sol ez sin getän.’ di si vor liebe gewan.
562 Ez enwart nie bote enpfangen getorste si in küssen,
deheines fürsten baz.
diu vrouwe tsete daz.
wie rehte minnecliche
er von den vrouwen schiet!
do täten Burgonden
als in Sifrit geriet,
563 Sindolt unt Hünolt
unt Rümolt der degen,
vil grozer unmuoze
muosen si do pflegen,
rihten daz gesidele
vor Wormez üf den sant.
des küniges schaffsre 564 Ortwln unt Gere
man mit arbeiten vant. dine wolden daz niht län,
si sanden näch den friunden si kunten in die hohzit da zierten sich engegene 565 Der palas unt die wende
allenthalben dan.
diu dä solde sin. diu vil schoenen magedin. daz was über al
9. Äventiure
gezieret gegen den gesten.
der Guntheres sal
der wart vil wol bezimbert disiu vil starke hochzit
durch manegen vremden man.
diu huop sich vil vrcelichen an.
ji66 Do riten allenthalben
di wege durch daz lant
der drier künege mäge,
die hete man besant,
daz si den solten warten, da wart üzer valde
67
die in da wolden körnen,
vil richer wxte genomen.
Ü67 Do sagete man diu masre,
daz man riten sach
die Prünhilde vriunde.
do huop sich ungemach
von des Volkes krefte
in Burgonden lant.
hey waz man küener degene
da ze beiden siten vant!
568 Do sprach diu schcene Kriemhilt: die an dem antpfange
‘ir miniu magedin,
mit mir wellen sin,
die suochen üz den kisten
diu aller besten kleit,
so wirt uns von den gesten
lob unt ere geseit.’
569 Do körnen ouch die recken; die herlichen sätele
die hiezen tragen dar
von rotem golde gar,
die vrouwen solden riten bezzer pfertgereite
ze Wormez an den Rin.
diu künden niender gesin.
7)70 Hey waz da liehtes goldes
von den mceren schein!
in lühte von den zoumen
vil manic edel stein,
die guldinen schemele
ob liehtem pfelle guot
die brahte man den frouwen: Ö71 Üf dem hove wären
si wären vroelich gemuot.
diu vrouwen pfert bereit
den edeln juncvrouwen, diu smalen fürbüege
als ich iu hän geseit. sach man di mcere tragen
von den besten siden,
dä von iu iemen künde sagen.
7572 Sehs unt ahzec vrouwen
sach man für gän,
die gebende truogen.
zuo Kriemhilde dan
körnen die vil schone
unt truogen liehtiu kleit.
dä kom ouch wol gezieret Ö73 Fünfzec unde viere
vil manic wsetlichiu meit,
von Burgonden lant.
ez wären ouch die hoehsten die sach man valvahse des e der künic gerte, 7574 Si truogen riche pfellel,
di man dä inder vant.
under liehten porten gän. daz wart mit vlize getän. die besten die man vant,
68
Nibelungenlied: Text
vor den vremden recken,
so manic guot gewant,
daz ir genuoge schoene
ze rehte wol gezam.
er wxre in swachem muote, 575 Von zobel unt von harme
der ir deheiner wasre gram. vil kleider man da vant.
da wart vil wol gezieret
manic arm unt hant
mit bougen ob den siden,
di si da solden tragen,
iu enkunde diz vlizen
ze ende niemen gesagen.
576 Vil manigen gürtel spadien, über liehtiu kleider
rieh unde lanc,
vil manic hant do swanc
üf edel rocke ferrans
von pfelle üz Aräbi.
den edeln junevrouwen
was vil hoher freuden bi.
577 Ez wart in fürgespenge
manic schoeniu meit
gen^t vil minnecliche.
ez möht’ ir wesen leit,
der ir vil liehtiu varwe
niht lühte gegen der wät.
so schoenes ingesindes
nü niht küniges künne hat.
578 Do die vil minneclichen
nu truogen ir gewant,
die si da füeren solden,
die körnen dar zehant, ein vil michel kraft.
der höchgemuoten recken
man truoc ouch dar mit Schilden
[schaft.
vil manigen eschinen
10. Äventiure Wie Prünhilt ze Wormez enpfangen wart 579 Anderthalp des Rines
sach man mit manigen scharn
den künic mit sinen gesten
zuo dem stade varn.
ouch sah man do bi zoume
leiten manige meit.
die si enpfähen solden, 580 Do die von Islande
die wären alle bereit. zen scheffen körnen dan,
unt ouch von Nibelungen si gahten zuo dem lande
di Sifrides man, (ummüezec wart ir hant),
da man des küniges vriunde des stades anderthalben vant. 581 Nu hoert ouh disiu masre von der künegin, Uoten der vil riehen,
wie si diu magedin
gefrumte von der bürge, da gewan ein ander künde
dar si dö selbe reit. vil manic ritter unde meit.
10. Äventiure
»82 Der herzoge Gere
Kriemhilt zoumte dan
niwan für daz bürgetor.
Sifrit der küene man
der muost’ ir fürbaz dienen.
si was ein schoene kint.
des wart im wol gelönet »83 Ortwin der küene vil geselleclichen
69
von der juncvrouwen sint.
bi vrou Uoten reit manic ritter unde meit.
ze so grozem antpfange
(des wir wol mügen jehen)
wart nie so vil der vrouwen
bi ein ander gesehen.
»84 Vil manigen bühurt riehen von helden lobelichen
sach man dan getriben
(niht wol waerez beliben)
vor Kriemhilt der vil schoenen dö huop man von den moeren »85 Der künic was körnen übere hey waz starker schefte
unt manic werder gast,
vor den vrouwen brast!
man hört’ da hurteclichen
von Schilden manigen stoz.
hey waz richer bukelen 586 Die vil minneclichen
vor gedrange lute erdoz! stuonden an der habe.
Günther mit sinen gesten er fuorte Prünhilden
gie von den schiffen abe. selbe an siner hant.
da lühte wider ein ander »87 Mit vil grozen zühten
vil liehte stein’ unt gewant. vrou Kriemhilt do gie
da si vroun Prünhilden
unt ir gesinde enpfie.
man sach da schapel rucken da si sich kusten beide: 588 Do sprach gezogenliche ‘ir sult zuo disen landen mir unt miner muoter
zuo den schiffen dan. manige vrouwen wol getan.
mit liehten henden dan, daz wart durch zühte getan. Kriemhilt daz mägedin: uns willekomen sin,
unt allen die wir hän
do wart da nigen getan. der getriuwen friunde.’ 589 Die vrouwen sich beviengen mit armen dicke hie. so minneclich enpfahen so die vrouwen beide vrou Uote unt ir tohter '590 Do Prünhilde frouwen
gehörte man noch nie, der briute taten kunt. die kusten dicke ir süezen munt. volkomen üf den sant,
da wart vil minneclichen von wxtlichen recken
genomen bi der hant manic wip wol getan,
man sah die schoenen mägede
vor vroun Prünhilde stan.
70
Nibelungenlied: Text
591 £ daz ir gruoz ergienge, ja wart da geküsset
daz was ein langiu stunt.
manic rosenvarwer munt.
noch stuonden bi ein ander daz liebte an ze sehene
die küniges tohter rieh, vil manigem recken lobelich
592 Do speheten mit den ougen daz si also schcenes
di e horten jehen
heten niht gesehen
so die vrouwen beide:
des jach man äne lüge,
ouch kos man an ir libe
da deheiner slahte trüge.
593 Die vrouwen spehen künden die lobten durch ir schcene
unt minneclichen lip, daz Guntheres wip.
do sprachen da die wisen, man möhte Kriemhilden
die hetenz baz besehen, wol für Prünhilden jehen.
594 Wider ein ander giengen
maget unde wip.
man sach da wol gezieret
vil manigen schoenen lip.
da stuonden siden hütten
und manec rieh gezelt,
der was da gar erfüllet
vor Wormez allez daz velt.
595 Von des küneges mägen
wart dringen da getan,
do hiez man Prünhilde
unt Kriemhilde gän
unt mit in alle di vrouwen,
da man schate vant. üzer Burgonden lant.
dar brahten si die degene 596 Nu waren ouch die geste
ze rossen alle körnen.
vil manic richiu tjoste durch Schilde wart genomen. daz velt begonde stouben sam ob al daz lant mit louge wäre enbrunnen. da wurden helde wol bekant 597 Des da die recken pflägen,
daz sach vil manic meit.
mich dunket daz her Sifrit vil manige widerkere
mit sinen degen reit für die hütten dan.
er fuort’ der Nibelunge
tüsent watlicher man. 598 Do kom von Tronege Hagene, als im der wirt geriet, den buhurt minnecliche
do der heit geschiet,
daz si ungestoubet liezen
diu vil schoenen kint.
des wart do von den gesten
gevolget güetliche sint.
599 Do sprach der herre Gernöt: unz ez beginne kuolen; dienen schoenen wiben so der künic welle riten,
‘diu ros läzet stän,
so sul wir ane van für den palas wit. daz ir vil bereite sit.’
10. Äventiure
1500 Do der bühurt was zergangen do giengen kurzewilen
über al daz velt,
under manic hoch gezelt
die ritter zuo den vrouwen
üf hoher vreuden wan.
da vertriben si die stunde 1501 Vor äbendes nahen
unz man riten wolde dan.
do diu sunne nider gie
unt ez begonde kuolen,
niht langer man daz lie:
sich huoben gegen der bürge
manic man unde wip.
mit ougen wart getriutet
vil maniger schoenen vrouwen
0602 Da wart von guoten helden von den hochgemuoten unze für den palas
vil kleider ab geriten
[lip.
nach des landes siten, der künic da nider stuont.
da wart gedient den vrouwen 1603 Do wurden ouch gescheiden vrou Uote unt ir tohter mit ir ingesinde
71
so helde hochgemuote di riehen künegin.
[tuont.
die giengen beide hin
in ein vil witez gadem.
do horte man allenthalben
ze vreuden groezlichen der künic wolde gän
1604 Gerihtet wart gesidele:
kröne si do truoc
die schoenen Prünhilde. in des küneges lande. 1605 Vil manic hergesidele
ja was si rlche genuoc. mit guoten tavelen breit
vol spise wart gesetzet,
als uns daz ist geseit.
des si da haben solden,
wi wenec des gebrast!
do sach man bi dem künege 0606 Des wirtes kameraere
[kradem.
do sach man bi im stän
ze tische mit den gesten.
vil manigen herlichen gast.
in becken von golde rot
daz wazzer für truogen.
des wasre lützel not,
ob iu daz iemen sagte
daz man diente baz
ze fürsten hochgezite;
ich wolte niht gelouben daz.
(607 £ daz der vogt von Rine
wazzer do genam, als im do gezam.
do tet der herre Sifrit wes er im verjach, er mant’ in siner triuwe, e daz er Prünhilde da heime in Islande sach. 608 Er sprach: ‘ir sult gedenken
des mir swuor iuwer hant,
swenne daz vrou Prünhilt
koeme in diz lant,
ir gaebet mir iuwer swester.
war sint die eide körnen?
ich hän an iuwer reise
michel arbeit genomen.’
72
Nibelungenlied: Text
609 Do sprach der künic zem gaste: jane sol niht meineide
‘ir habet mich reht’ er-
werden des min hant.
[mant.
ich wilz iu helfen füegen
so ich aller beste kan.’
do hiez man Kriemhilde
ze hove für den künic gän.
610 Mit ir vil schoenen mägeden
si kom für den sal.
do spranc von einer stiege
Giselher ze tal:
‘nu heizet wider wenden niwan min swester eine
disiu magedin, sol hie bi dem künige sin.’
611 Do bräht’ man Kriemhilde
da man den künic vant.
da stuonden ritter edele in dem sal witen.
von maniger fürsten lant
man hiez si stille stän.
do was diu vrouwe Prünhilt 612 Do sprach der künic Günther: durch din selber tugende
unt wirdet der din man,
mit grozen triuwen getan.’
613 Do sprach diu maget edele:
ir sult mich niht vlegen. swi ir mir gebietet
‘swester vil gemeit,
loese minen eit!
ich swuor dich eime recken, so hastu minen willen
[gegän.
vol hin unz an den tisch
‘vil lieber bruoder min, ja wil ich immer sin
daz sol sin getan.
ich wil in loben gerne
den ir mir, herre, gebet ze man.’
614 Von lieber ougen blicke
wart Sifrides varwe rot. ze dienste sich der recke vroun Kriemhilde bot. man hiez si zuo ein ander an dem ringe stän. man vrägte ob si wolde den vil wxtlichen man. 615 In magtlichen zühten si schämte sich ein teil, iedoch so was gelücke unt Sifrides heil daz si in niht versprechen wolde da zehant. ouch lobte si ze wibe der edel künic von Niderlant. 616 Do er si gelobte
unt ouch in diu meit,
güetlich umbevähen
was da vil bereit
von Sifrides armen
daz minnecliche kint.
vor helden wart geküsset 617 Sich teilte daz gesinde. an daz gegensidele
diu schoene küniginne sint. also daz geschah,
man Sifriden sah
mit Kriemhilde sitzen. man sach die Nibelunge
dar diente im manic man. mit samt Sifride gän.
10. Äventiure
618 Der künic was gesezzen
unt Prünhilt diu meit.
do sah si Kriemhilde bi Sifride sitzen:
(do wart ir nie so leit) weinen si began.
ir vielen heize trähene
über liehtiu wange dan.
619 Do sprach der wirt des landes: daz ir so läzet truoben
‘waz ist iu, vrouwe min,
vil liehter ougen schm?
ir muget iuch vreun balde:
iu ist undertän
min lant unt mine bürge
unt manic wxtlicher man.5
.620 ‘Ich mac wol balde weinen’, ‘umb dine swester
sprach diu schcene meit.
ist mir von herzen leit.
die sihe ich sitzen nähen
dem eigenholden din.
daz muoz ich immer weinen,
sol si also verderbet sin.5
j621 Do sprach der künic Günther: ich wil iu z’andern zlten
‘ir mügt wol stille dagen.
disiu maere sagen,
war umb ich mine swester
Sifride hän gegeben,
ja mac si mit dem recken
immer vrcelichen leben.5
i622 Si sprach: ‘mich jämert immer wess5 ich war ich möhte,
ir schoene unt ouch ir zuht.
ich hete gerne fluht,
daz ich iu nimmer wolde
geligen nähen bl,
ir’n saget mir wä von Kriemhilt 623 Do sprach der künic edele: er hät als wol bürge
diu wine Slfrides sl.5
‘ich tuon ez iu wol bekant.
als ich unt wltiu lant:
daz wizzet sicherllche.
er ist ein künic rieh.
darumb gan ich im ze minnen
si hete trüeben muot.
do gähte von den tischen
vil manic ritter guot.
ir bühurt wart so herte
daz al diu burc erdoz.
den wirt bi slnen gesten
vil harte sere verdroz.
625 Er dähte er lxge sampfter do was er des gedingen
[lobellch.5
die schcenen maget
}624 Swaz ir der künic sagete,
der schcenen vrouwen bl. niht gar in herzen vrl,
im müese von ir schulden er begonde vriuntllchen
liebes vil geschehen, an vroun Prünhilde sehen,
626 Ir ritterschaft die geste
bat man abe län:
der künic mit slnem wlbe vor des sales stiegen
73
ze bette wolde gän.
gesamenten sich do slt
Kriemhilt und Prünhilt;
noch was iz än5 ir beider nit.
74
Nibelungenlied: Text
627 Do kom ir ingesinde.
dine sümten sich des niht,
ir riehen kamerxre
brähten in diu lieht.
sich teilten do die recken,
der zweier künige man.
do sach man vil der degene
danne mit Sifride gän.
628 Die herren körnen beide
da si solden ligen.
do gedäht’ ir ietslicher
mit minnen an gesigen
den wastlichen vrouwen; Sifrides kurzewile
daz senftet’ in den muot.
diu wart vil grcezliche guot.
629 Do der herre Sifrit
bi Kriemhilde lac,
unt er so minnecliche
der junevrouwen pflac
mit sinen edelen minnen, er naeme für si eine
si wart im so sin lip.
niht tüsent anderiu wip.
630 Ich sag’ iu niht mere
wie er der vrouwen pflac.
nu heeret disiu mxre,
wie Günther gelac
bi vroun Prünhilde,
der zierliche degen.
er hete dicke sampfter
bi andern wiben gelegen.
631 Daz volc was im entwichen, do wart diu kemenäte
vil balde zuo getan.
er wände er solde triuten
ir minneclichen lip:
ja was iz noch unnähen
e daz si wurde sin wip.
632 In sabenwizem hemede
si an daz bette gie.
do däht’ der ritter edele: des ich ie da gerte
vrouwen unde man,
‘nu hän ichz allez hie,
in allen minen tagen.’
si muos’ im durch ir schcene 633 Diu lieht begonde bergen do gie der degen küene die vil minneclichen
sin vreude diu was groz. der heit mit armen umbesloz. des kund’ er vil begän,
ob in diu edele vrouwe do zurnde si so sere
von grozen schulden wol des edeln küniges hant.
da er die vrouwen vant.
er leite sich ir nähen, 634 Minnecliche triuten
[behagen.
hete läzen daz getän. daz in gemüete daz.
er wände vinden friunde: 635 Si sprach:‘ritter edele, des ir dä habet gedingen.
do vant er vintlichen haz. ir sult iz läzen stän ja’n mag es niht ergän.
ich wil noch magt beliben
(ir sult wol merken daz)
unz ich diu masr’ ervinde.’
do wart ir Günther gehaz.
10. Äventiure
636 Do rang er nach ir minne
unt zerfuort’ ir diu kleit.
do greif nach einem gürtel
diu herliche meit,
daz was ein starker porte,
den si umb ir siten truoc.
do tet si dem künige
grozer leide genuoc.
I> 637 Die füeze unt ouch die hende si truoc in z’einem nagele do er si släfes irte.
75
si im zesamne bant, unt hienc in an die want,
die minne si im verbot,
ja het er von ir krefte
vil nach gewunnen den tot.
> 638 Do begonde vlegen
der meister wände sin:
nu loeset min gebende,
vil edliu künegin.
ine trüwe iu, schceniu vrouwe, unt sol ouch harte selten
doch nimmer an gesigen,
iu so nähen mer geligen.’
639 Sine ruochte wie im wsere,
want si vil sanfte lac.
dort muost’ er allez hangen unz der liehte morgen
die naht unz an den tac,
durh diu venster schein,
ob er ie kraft gewunne,
diu was an smem libe klein.
) 640 ‘Nu sagt mir, her Günther,
ist iu daz iht leit,
ob iuch gebunden findent’, ‘di iuwern kamersre
sprach diu schoene meit,
von einer vrouwen hant?’
do sprach der ritter edele:
‘daz wurd’ iu übele bewant.
i 641 Ouch het ihs wenic ere’,
sprach der snelle man.
‘durch iuwer selber tugende sit daz iu mine minne
nu lät mich zuo iu gän.
sint also starke leit,
ich sol mit minen handen 642 Do loste si in balde.
nimmer rüeren iuwer kleit.’ do si in üf verlie,
wider an daz bette
er zuo der vrouwen gie.
er leite sich so verre
daz er ir schoene wät des wold’ ouch si do haben rät.
dar näch vil selten ruorte. 643 Do kom ouch ir gesinde,
die brähten in niuwiu kleit.
der was in an den morgen
harte vil bereit.
swie wol man dä gebärte,
trurec was genuoc swi er des tages kröne truoc.
der herre von dem lande,
unt man durch reht begie,
644 Näch siten der si pflägen Günther unde Prünhilt
niht langer daz enlie,
si giengen zuo dem münster dar kom ouch her Sifrit;
dä man die messe sanc. sich huop dä grcezlich gedranc
Nibelungenlied: Text
76
was in dar bereit
645 Nach küneclichen eren
ir kröne unt ouch ir kleit.
swaz si haben solden,
do daz was getan,
dö wurden si gewihet.
under kröne vraelichen stän.
dö sach man si alle viere
sehs hundert oder baz,
646 Vil junger swert da nämen, den künegen al zen eren,
ir sult wol wizzen daz.
sich huop vil michel vreude
in der Burgonde lant.
man horte da schefte hellen
an der swertdegene hant.
647 Do säzen in den venstern si sähen vor in liuhten
diu schoenen mägedin, vil maniges Schildes schin.
do het sich gescheiden
der künic von sinen man.
swes iemen ander pflasge, 648 Im unt Sifride
man sah in trurende gän.
ungeliche stuont der muot.
wol wesse waz im wxre
der edel ritter guot.
dö gienc er zuo dem künige,
vrägen er began:
‘wie ist iu hint gelungen?
daz sult ir mich nu wizzen län.’
649 Dö sprach der wirt zem gaste:
‘ich hän laster unde schaden,
want ich hän den Übeln tiuvel do ich si wände minnen
heim ze hüse geladen.
vil sere si mich bant.
si truoc mich zeinem nagele
unt hie mich höhe an di want.
650 Dä hieng ich angestlichen
die naht unz an den tac,
e daz si mich enbunde.
wie samfte si dö lac!
daz sol dir vriuntliche
üf genäde sin gekleit.’
dö sprach der starke Sifrit:
‘daz ist mir wxrliche leit.
651 Des bringe ich dich wol innen, ich schaffe daz si hinaht daz si dich ir minne
so nähen bi dir gellt, gesümet nimmer mer.’
der rede was dö Günther
näch sinen arbeiten her.
652 Dö sprach der herre Sifrit: ich wxne uns ungeliche
‘du mäht wol genesen, hinaht si gewesen.
mir ist din swester Kriemhilt ez muoz diu vrouwe Prünhilt 653 Er sprach: ‘ich kum’ noch hinte also tougenlichen daz sich miner liste
unt lxstuz äne nit.
lieber danne der lip.
[wip.’
noch hinaht werden din ze der kemenäten din
in der tarnkappen min, mac niemen wol versten.
10. Äventiure
so la die kameraere
zuo ir herberge gen.
654 So lesdie idi den kinden daz idi si dar inne,
diu lieht an der hant.
da bi si dir bekant,
daz idi dir gerne diene; daz du si hinte minnest,
so twinge ich dir din wip, oder ich verliuse minen lip.5
655 ‘Äne daz du iht triutest5,
sprach der künic do,
‘die mine lieben vrouwen,
anders bin ich es vro.
so tuo ir swaz du wellest:
unt nacmest ir den lip,
daz sold’ idi wol verkiesen, 656 ‘Daz nim ich5, so spradi Sifrit, daz idi ir niht enminne.
diu sdioene swester din
diu ist mir vor in allen,
di idi noch ie gesadi.5
vil wol geloubtez Günther, 657 Da was von kurzewile bühurt unt schallen
si ist ein vreislichez wlp.’ ‘üf die triuwe min,
daz do Sifrit gesprach. vreude unde not.
allez man verbot,
da die vrouwen solden do hiezen kameraere
gegen dem sale gän. die Hute von dem wege stän.
658 Von rossen unt von liuten
gerümet wart der hof.
der vrouwen ietsliche
di fuort’ ein bisdiof,
do si vor den künegen
ze tische solden gan.
in volgete an daz gesidele
vil manic waetlicher man.
659 Der künic in guotem wäne
do vrcelichen saz.
daz im gelobte Sifrit,
wol gedäht5 er ane daz.
der eine tac in dühte
wol drizec tage lanc.
an siner vrouwen minne 660 Er erbeite küme
stuont im aller sin gedanc.
daz man von tische gie.
die schoenen Prünhilde
man do komen lie,
unt ouch vroun Kriemhilde,
bede an ir gemach,
hey waz man sneller degene
vor den küneginnen sach!
661 Sifrit der herre
vil minneclichen saz
bi sinem schcenen wibe si trüte sine hende
mit vreuden äne haz.
mit ir vil wizen hant,
unz er ir vor den ougen 662 Do si mit im spilte zuo sinem gesinde
sine wesse wenne verswant.
unt si sin niht mer ensach, diu küneginne sprach:
‘mich hat des michel wunder,
war der künic si komen.
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Nibelungenlied: Text
wer hat die sinen hende üz den mmen genomen?’ Die rede si lie beliben. do was er hin gegän da er vil kamersere vant mit liehten stän. diu begond’ er leschen den kinden an der hant. daz ez waere Sifrit, daz was do Günther bekant. Wol wesse er waz er wolde. do hiez er dannen gän mägede unde vrouwen. do daz was getan, der riche künec selbe do besloz die tür; vil starker rigel zwene warf er snelle darfür. Diu lieht verbarc er schiere under die bettewät. eines spils begonde (des was do niht rät) Sifrit der vil starke unt ouch diu schcene meit. daz was dem künige beidiu liep unde leit. Sifrit sich leite nähen der juncvrouwen bi. si sprach: ‘nu lät iz, Günther, als liep als iu daz si, daz ir iht arbeite lidet alsam e.’ sit getet diu vrouwe dem küenen Sifride we. Do hal er sine stimme, daz er niht ensprah. Günther wol horte, (swi er sin niht ensah) daz heimlicher dinge von in dä niht geschach. si heten an dem bette vil harte kleinen gemach. Er gebärte sam ez wsere Günther der künic rieh, er umbesloz mit armen die maget lobelich. si warf in üz dem bette dä bi üf eine banc, daz im sin houbet lüte an einem schamel erklanc. Wider üf mit kreften spranc der küene man, er wold’ iz baz versuochen. do er des began, daz er si wolde twingen, dar umbe wart im vil we. solch wer deheiner vrouwen ich waene immer mer erge. Do er niht wold’ erwinden, diu maget üf do spranc: ‘ir ensult mir niht zefüeren min hemde so blanc. ir sit vil ungefüege, daz sol iu werden leit. des bringe ich iuch wol innen’, sprach diu wxtliche meit. Si besloz mit armen den tiwerlichen degen. do wold’ si in gebunden alsam den künic legen, daz si an dem bette möhte haben gemach.
10. Äventiure
daz er ir di wät zerfuorte,
79
diu vrouwe iz groezlichen rach,
572 Waz half sin groziu Sterke
unt ouch sin michel kraft?
si erzeigete dem degene
ir libes meisterschaft.
si truoc in mit gewalte
(daz muos’ et also sin)
unt druht’ in ungefuoge
zwischen di want und ein schrin. ‘sol ich nu minen lip
573 ‘Owe’, gedäht’ der recke,
von einer magt Verliesen,, so mugen elliu wip her nach immer mere tragen gelpfen muot gegen ir manne, diu ez sus nimmer getuot.’ '574 Der künic ez wol horte,
er angeste umb den man.
Sifrit sich schämte sere,
zürnen er began.
mit ungefüeger krefte
sazt’ er sich wider;
er versuocht’ ez angestliche 575 Den künic ez dühte lange si druht’ im sine hende,
an vroun Prünhilde sider. e er si betwanc. daz üz den nageln spranc
daz bluot im von ir krefte;
daz was dem helde leit.
sit bräht’ er an ein lougen 7S76 Ir ungefüeges willen,
die vil herlichen meit
des si e da jach.
der künic iz allez horte,
swi er niht ensprach.
er druhtes’ an daz bette, ir täten sine krefte
daz si vil lute erschre;
harte groezlichen we.
o 17 Do greif si hin zir siten,
da si den porten vant,
unt wolt’ in hän gebunden. daz ir diu lit erkrachten
do wert’ ez so sin hant, unt ouch al der lip.
des wart der strit gescheiden: 7578 Si sprach: ‘künic edele,
do wart si Guntheres wip.
du solt mich leben län.
ez wirt vil wol versüenet,
swaz ich dir hän getän.
ich gewer mich nimmer mere ich hän daz wol erfunden,
der edelen minne din. daz du kanst vrouwen meister sin.’
7579 Sifrit der stuont dannen, sam er von im ziehen er zöch ir ab der hende daz si des nie wart innen, &80 Dar zuo nam er ir gürtel, ine weiz ob er daz taete
ligen lie er die meit, wolde siniu kleit. ein guldin vingerlin, diu vil edle künegin. daz was ein porte guot. durh sinen hohen muot.
Nibelungenlied: Text
80
er gab iz sinem wibe;
daz wart im sider leit.
do lägen bi ein ander
Günther unt diu schceniu meit.
681 Er pflac ir minneclichen,
als im daz gezam,
do muoste si verkiesen von siner heimliche
ir zorn und ouch ir schäm. si wart ein lützel bleich.
hey waz ir von der minne
ir grozen krefte gesweich!
682 Done was ouch si niht sterker er trüte minnecliche
dann’ ein ander wip.
den ir vil schoenen lip.
ob siz versuochte mere,
waz künde daz vervän?
daz het ir allez Günther
mit sinen minnen getan.
683 Wie rehte minnecliche
si do bi im lac unz an den liehten tac!
mit vriuntlicher liebe
wider üz gegän,
nu was der herre Sifrit
von einer vrouwen wol getan,
da er wart wol enpfangen
der si hete gedäht.
684 Er understuont ir vräge, er hal si sit vil lange
daz er ir hete bräht,
unz daz si under kröne
in sinem lande gie.
swaz er ir geben solde,
wie lützel erz beliben lie!
685 Der wirt wart an dem morgen danne er da vor waere.
verrer baz gemuot
des wart diu vreude guot
in allem sinem lande
von manigem edlem man,
die er ze hüse ladete.
den wart vil dienste getan,
686 Diu hohzit do werte daz in al der wile
unz an den vierzehenden tac, nie der schal gelac
von aller hande vreuden,
der iemen solde pflegen.
do wart des küneges koste 687 Des edelen wirtes mäge, die gäben durch sin’ ere
kleider unt golt vil rot,
ross unt dar zuo silber, die dä gäbe gerten, 688 Sifrit der herre
vil harte hohe gewegen. als ez der künic gebot, vil manigem varnden man.
die schieden vrcelichen dan. üzer Niderlant
mit tüsent sinen mannen daz si ze Rine brähten,
allez ir gewant, daz wart gar hin gegeben,
unt ouch diu ross mit sätelen; 689 £ daz man die riche gäbe die wider ze lande wolden,
si künden her liehe leben. alle dä verswanc, die dühte des ze lanc.
11. Äventiure
ez enwart nie geste
81
mere baz gepflegen.
sus endete sich diu hohzit:
daz wolde Günther der degen.
11. Äventiure Wie Sifrit mit sinem wibe heim ze lande kom h90 Do die geste wären
alle dan gevarn,
do sprach ze sinem gesinde
Sigemundes barn:
Vir suln uns ouch bereiten heim in miniu lant.’ liep was ez sinem wibe do ez diu vrouwe rehte ervant. 5)91 Si sprach zuo zir manne: Venne sul wir varn? daz ich so harte gähe,
daz heiz’ ich wol bewarn.
mir suln e mine brüeder
teilen mit diu lant.’ do erz an Kriemhilt ervant.
leit was ez Sifride,
5)92 Die fürsten zuo im giengen
unt sprächen alle dri:
‘nu wizzet daz, her Sifrit,
daz iu immer si
mit triuwen unser dienest
bereit unz in den tot.’
do neig er den degenen,
do man imz so güetlich erbot.
Ü93 ‘Wir suln ouch mit iu teilen’, ‘lant unde bürge,
sprach Giselher daz kint,
die unser eigen sint.
unt swaz der witen riche
ist uns undertän,
der sult ir teil vil guoten
mit samt Kriemhilde hän.’
5i94 Sun der Sigemundes
zuo den fürsten sprach,
do er der herren willen
gehörte unde sach:
‘got läz’ iu iuwer erbe
immer sadic sin
unt ouch die liute darinne. b95 Des teiles wol ze räte,
ja getuot diu liebe wine min den ir ir woldet geben,
dä si sol tragen kröne,
unt sol ich daz geleben,
si muoz werden richer
danne iemen lebender si.
swaz ir sus gebietet,
des bin ich iu dienstlichen bi.’
3)96 Do sprach diu vrouwe Kriemhilt: umb Burgonden degene si müg’ ein künic gerne ja sol si mit mir teilen
‘habt ir der erbe rät,
so liht’ ez niht enstät, füeren in sin lant. miner lieben bruoder hant.’
5)97 Do sprach der herre Gernot:
‘nu nim dir swen du wil.
84
Nibelungenlied: Text
und rihte ouch under kröne
unz an daz zehende jär,
daz diu vil schoene vrouwe
einen sun gewan.
daz was des küneges mägen 716 Den llte man do toufen
nach ir willen wol ergän.
und gap im einen namen,
Günther, nach sinem oeheim: geriet’ er nach den mägen,
daz waer’ im wol ergän.
do zoh man in mit vlize, 717 In den selben ziten
daz was von schulden getän.
starp vrou Sigelint.
do het den gewalt mit alle der so riehen vrouwen
der edeln Uoten kint, ob landen wol gezam.
daz klagten do genuoge,
do si der tot von in genam.
718 Nu hete ouch dort bi Rine, bi Günther dem riehen
so wir hoeren sagen,
einen sun getragen
Prünhilt diu schoene
in Burgonden lant. wart er Sifrit genant,
durch des heldes liebe
man sin hüeten hiez!
719 Wie rehte vlizeclichen Günther der edele
im magezogen liez,
die ez wol künden ziehen hey waz im ungelücke
ze einem biderbem man. sit der vriunde an gewan!
720 Msere z’allen ziten
der wart vil geseit,
wie rehte lobelichen
die recken vil gemeit
lebten z’allen stunden
in Sigemundes lant.
alsam tet ouch Günther
mit sinen mägen üz erkant.
721 Daz lant zen Nibelungen (richer siner mäge
des endorft’ er sich niht schämen.
Sifride diente hie
wart noch deheiner nie)
unt ouch Schilbunges recken, des truoc der vil küene
deste hoeheren muot.
722 Hort den aller meisten, äne di es e pflägen,
den ie heit gewan, hete nu der küene man,
den er vor einem berge
mit siner hende erstreit,
dar umbe er sluoc ze tode
vil manigen ritter gemeit.
723 Er het den wünsch der eren. so müese man von schulden daz er wxre ein der beste, man vorhte sine Sterke
unt ir beider guot.
unt wsere des niht geschehen, dem edeln recken jehen der ie üf ors gesaz.
unt tet vil billiche daz.
12. Äventiure
12. Äventiure Wie Günther Sifriden zuo der hochzit bat 24 Nu gedäht’ ouch alle zite ‘wie treit et also hohe
daz Guntheres wip: vrou Kriemhilt den lip?
nu ist doch unser eigen
Slfrit lr man:
er hat uns nu vil lange
lützel dienste getan.’
25 Diz truoc si in ir herzen
unt wart ouch wol verdeit.
daz si ir vremde waren,
daz was ir harte leit,
daz man ir so selten diente
von Sifrides lant.
wä von daz körnen waere,
daz hete si gerne bekant.
26 Si versuochtez an dem künige,
ob iz möhte geschehen,
daz si Kriemhilde
solde noch gesehen.
si reitez heinliche,
des si da hete muot.
do dühte den herren
diu rede maezllchen guot.
27 ‘Wie möhten wir si bringen’,
sprach der künec rieh,
‘her zuo disem lande?
daz waere unmügelich.
si sitzent uns ze verre,
ine getar sis niht gebiten.’
des antwurte im Priinhilt 28 ‘Swie hohe riche waere
in einen listigen siten: deheines küniges man, daz sold’ er doch niht lan.’
swaz im gebüte sin herre,
do si daz gesprach.
des ersmielte Günther,
swie dicke er Sifriden sach.
er’n jähes im niht ze dienste,
durch den willen min
’29 Si sprach: ‘vil lieber herre, so hilf mir daz Slfrit
unt ouch diu swester dm
komen zuo disem lande,
daz wir si hie gesehen,
sone künde mir zwäre
nimmer lieber geschehen.
'30 Diner swester zühte
unt ir wol gezogener muot,
swenne ich dar an gedenke,
wie sampfte mir daz tuot,
wie wir ensamt säzen,
do ich erste wart dln wip!
si mac mit eren minnen
des küenen Sifrides 11p.’
'31 Si gertes also lange
unz daz der künic sprach:
‘nu wizzet daz ich geste
so gerne nie gesach.
ir muget mich sampfte vlegen. nach in beiden senden, 732 Do sprach diu küneginne:
ich wil die boten min
daz si uns komen an den Rin.’ ‘so sult ir mir sagen
85
84
Nibelungenlied: Text
und rillte ouch under kröne
unz an daz zehende jar,
daz diu vil schcene vrouwe
einen sun gewan.
daz was des küneges mägen 716 Den ilte man do toufen
nach ir willen wol ergan.
und gap im einen namen,
Günther, nach sinem oeheim: geriet’ er nach den magen,
daz waer’ im wol ergän.
do zoh man in mit vlize, 717 In den selben ziten
daz was von schulden getan.
starp vrou Sigelint.
do het den gewalt mit alle der so riehen vrouwen
der edeln Uoten kint, ob landen wol gezam.
daz klagten do genuoge,
do si der tot von in genam.
718 Nu hete ouch dort bi Rine, bi Günther dem riehen
so wir heeren sagen,
einen sun getragen
Prünhilt diu schoene
in Burgonden lant. wart er Sifrit genant,
durch des heldes liebe
man sin hüeten hiez!
719 Wie rehte vlizeclichen Günther der edele
im magezogen liez,
die ez wol künden ziehen hey waz im ungelücke
ze einem biderbem man. sit der vriunde an gewan!
720 Maere z’allen ziten
der wart vil geseit,
wie rehte lobelichen
die recken vil gemeit
lebten z’allen stunden
in Sigemundes lant.
alsam tet ouch Günther
mit sinen mägen üz erkant.
721 Daz lant zen Nibelungen (richer siner mäge
des endorft’ er sich niht schämen.
Sifride diente hie
wart noch deheiner nie)
unt ouch Schilbunges recken, des truoc der vil küene
deste hoeheren muot.
722 Hort den aller meisten, äne di es e pflägen,
den ie heit gewan, hete nu der küene man,
den er vor einem berge
mit siner hende erstreit,
dar umbe er sluoc ze tode
vil manigen ritter gemeit.
723 Er het den wünsch der eren. so müese man von schulden daz er waere ein der beste, man vorhte sine Sterke
unt ir beider guot.
unt waere des niht geschehen, dem edeln recken jehen der ie üf ors gesaz.
unt tet vil billiche daz.
12. Äventiure
12. Äventiure Wie Günther Sifriden zuo der höchzit bat 724 Nu gedäht’ ouch alle zite ‘wie treit et also hohe
daz Guntheres wip: vrou Kriemhilt den lip?
nu ist doch unser eigen
Sifrit ir man:
er hat uns nu vil lange
lützel dienste getan.’
725 Diz truoc si in ir herzen
unt wart ouch wol verdeit.
daz si ir vremde wären,
daz was ir harte leit,
daz man ir so selten diente
von Slfrides lant.
wä von daz komen wxre,
daz hete si gerne bekant.
726 Si versuochtez an dem künige,
ob iz möhte geschehen,
daz si Kriemhilde
solde noch gesehen.
si reitez heinliche,
des si da hete muot.
do dühte den herren
diu rede mxzlichen guot.
727 ‘Wie möhten wir si bringen’,
sprach der künec rieh,
‘her zuo disem lande?
daz wsere unmügelich.
si sitzent uns ze verre,
ine getar sis niht gebiten.’
des antwurte im Prünhilt
in einen listigen siten: deheines küniges man,
728 ‘Swie hohe riche wsere
daz sold’ er doch niht län.’
swaz im gebüte sin herre
do si daz gesprach.
des ersmielte Günther,
swie dicke er Sifriden sach.
er’n jähes im niht ze dienste,
durch den willen min
729 Si sprach: ‘vil lieber herre, so hilf mir daz Sifrit
unt ouch diu swester din
komen zuo disem lande,
daz wir si hie gesehen,
sone künde mir zwäre
nimmer lieber geschehen.
730 Diner swester zühte
unt ir wol gezogener muot,
swenne ich dar an gedenke,
wie sampfte mir daz tuot,
wie wir ensamt säzen,
do ich erste wart din wip!
si mac mit eren minnen
des küenen Slfrides lip.’
731 Si gertes also lange
unz daz der künic sprach:
‘nu wizzet daz ich geste
so gerne nie gesach.
ir muget mich sampfte vlegen. nach in beiden senden, 732 Do sprach diu küneginne:
ich wil die boten mm
daz si uns komen an den Rin. ‘so sult ir mir sagen
85
86
Nibelungenlied: Text
wenne ir si weit besenden, unser lieben vriunde
oder in weihen tagen
suln komen in daz lant.
die ir dar wellet senden,
die lät mir werden bekam/
733 ‘Daz tuon ich’, sprach der fürste: wil ich dar läzen riten.’
‘drizec miner man
die hiez er für sich gän.
bi den enböt er mtere
in daz Sifrides lant.
ze liebe gap in Prünhilt
vil harte herlich gewant.
734 Do sprach der künic Günther:
‘ir recken sult von mir sagen
(al daz ich dar enbiete
des sult ir niht verdagen)
dem starken Sifride
unt ouch der swester min,
daz in endarf ze der werlde
niemen holder gesin.
735 Unde bittet daz si beidiu
zuo uns komen an den Rin.
daz welle ich unt min vrouwe
immer dienende sin.
vor disen sunewenden
sol er und sine man
sehen hie vil manigen,
der im vil grozer eren gan.
736 Dem künic Sigemunde
saget den dienest min,
daz ich und mine vriunde
im immer wacge sin.
und saget ouch miner swester sine rite zuo ir vriunden: 737 Prünhilt und Uote
und swaz man da vrouwen vant,
di enbuten alle ir dienest
in Sifrides lant
den minneclichen vrouwen
unt manigem küenem man.
mit küneges vriunde rate 738 Si fuoren reisliche.
daz si niht läze daz, ir zam nie hohgezite baz.’
die boten huoben sich dan.
ir pfert und ir gewant
daz was in komen allen,
do rümten si daz lant.
in zogete wol ir verte
dar si da wolden varn.
der künic hiez mit geleite 739 Si komen in drin wochen ze Nibelunges bürge,
die boten vlizecliche bewarn. genten in daz lant dar wären si gesant.
ze Norwsge in der marke
da funden si den degen.
diu ross den boten wären 740 Sifride und Kriemhilde
vil müede von den langen wart beiden do geseit
daz ritter dar komen wahren, sam man ze Burgonden si spranc von einem bette,
[wegen,
die trüegen solhiu kleit
do der site pflac. dar an si ruowende lac.
12. Äventiure
741 Do bat si zeinem venster
eine maget gän.
diu sach den küenen Geren in unt die gesellen,
87
an dem hove stän,
die wären dar gesant.
gegen ir herzeleide wie liebiu nuere si bevant! 742 Si sprach zuo dem künige: nu sehet ir wä si stent, die mit dem starken Geren üf dem hove gent, die uns min bruoder Günther
sendet nider den Rin!’
do sprach der starke Sifrit: 743 Allez daz gesinde
‘die suln uns willekomen sin. lief da man si sach.
ir ietslich besunder
vil güetliche sprach
daz beste, daz si künden, Sigemunt der herre
zuo den boten do.
der was ir künfte harte vro.
744 Do wart geherberget
Gere unt sine man.
diu ross man hiez behalten. da der herre Sifrit
die boten giengen dan
bi Kriemhilde saz.
in was ze hove erloubet,
da von so täten si daz.
745 Der wirt mit sinem wibe
stuont üf sä zehant.
wol wart enpfangen Gere mit sinen hergesellen,
von Burgonden lant die Guntheres man.
Geren den vil riehen
bat man an den sedel gän.
746 ‘Erloubet uns die botschaft, uns wegemüede geste,
e daz wir sitzen gen.
lät uns die wile sten.
wir suln iu sagen masre,
waz iu enboten hät
Günther unde Prünhilt,
der dinc vil hochliche stät.
747 Unt ouch waz vrou Uote, Giselher der junge
iwer muoter, her enbot.
unt ouch her Gernot
unt iuwer besten mäge,
die habent uns her gesant.
die enbietent iu ir dienest
üzer Guntheres lant.’
748 ‘Nu Ion’ in got’, sprach Sifrit, triuwen unde guotes,
‘ich getrüwe in harte wol
also man vriunden sol,
alsam tuot ouch ir swester. ob unser lieben vriunde
ir sult uns masre sagen dä heime iht hohes muotes tragen.
749 Sit daz wir von in schieden, den minen konemägen? daz wil ich in immer
hät in iemen iht getän, daz sult ir mich wizzen län.
mit triuwen helfen tragen,
Nibelungenlied: Text
88
unze daz ir viende
den mlnen dienest müezen klagen.’
750 Do sprach der marcgrave Gere, ‘si sint in allen tugenden
ein recke vil guot:
so rehte hohgemuot.
si ladent iuch ze Rine
zeiner hochgezit.
sie ssehen iuch vil gerne,
daz ir des ane zwifel sit.
751 Unde bitent mine vrouwen, swenne daz der winder
si sül mit iu dar komen. ein ende habe genomen,
vor disen sunewenden
so wolden si iuch sehen.’
do sprach der starke Sifrit: 752 Do sprach aber Gere
‘daz künde müelich
von Burgonden lant:
‘iuwer muoter Uote
[geschehen.’
diu hat iuch gemant,
Gernot unt Giselher,
ir sult in niht versagen,
daz ir in sit so verre,
daz hcer’ ich tägeliche klagen,
753 Prünhilt min vrouwe
unt alle ir mägedin
die vreunt sich der msere.
unt ob daz möhte sin
daz si iuch noch gesxhen,
daz gsebe in hohen muot.’
do dühten disiu m^ere 754 Gere was ir sippe:
die schcenen Kriemhilde guot. der wirt in sitzen hiez.
den gesten hiez er schenken,
niht langer man daz liez.
do was ouch komen Sigemunt der herre vriuntliche
da er die boten sach.
zuo den Burgonden sprach:
755 ‘Sit willekomen, ir recken, sit daz Kriemhilt
ir Guntheres man.
ze wibe gewan
Sifrit der min sun,
man sold’ iuch dicker sehen
hie in disem lande,
wolt ir uns vriuntschefte jehen.’
756 Si sprachen, swenne er wolde, in wart ir michel müede die boten bat man sitzen, der hiez do geben Sifrit 757 Si muosen da beliben
si solden gerne komen.
mit vreuden vil benomen. spise man in truoc, slnen gesten genuoc. bevollen niun tage,
des heten endeclichen die snellen ritter klage, daz si niht wider solden riten in ir lant. do hete der künic Sifrit nach sinen vriunden gesant. 758 Er vrägte waz si rieten, ‘ez hat nach mir gesendet er unt sine mage
ob si solden an den Rin.
Günther der friunt mm, durch eine hochgezit.
12. Äventiure
nu kcem’ ich im vil gerne,
wan daz sin lant ze verre lit. daz si mit mir var.
759 Unt bittent Kriemhilde nu ratet, liebe vriunde,
wie sol si körnen dar?
unt sold’ ich herverten
durch si in drizec lant,
da mües’ in dienen gerne
hin diu Sifrides hant.’
760 Do sprächen sine recken: hin zer hohgezite,
‘habt ir der reise muot wir raten waz ir tuot.
ir sult mit tüsent recken
riten an den Rin,
so muget ir wol mit eren
da zen Burgonden sin.’
761 Do sprach von Niderlande ‘weit ir zer hochgezite,
der herre Sigemunt: wan tuot ir mir daz kunt?
ob iz iu niht versmähet,
so rit’ ich mit iu dar.
ich füere hundert degene,
da mite mer’ ich iuwer schar.’
762 ‘Und weit ir mit uns riten,
vil lieber vater min’,
sprach der küene Sifrit,
‘vil vro sol ich des sin.
inner tagen zwelven alle di es do gerten, 763 Do der künic edele
so rüm’ ich miniu lant.’ den gap man ross unt ouch gewant. der reise hete muot,
do hiez man wider riten
die snellen boten guot. enbot er an den Rin,
den sinen konemägen
da z’ir hohgezite sin.
er wolde harte gerne
also wir hoeren sagen,
764 Sifrit unt Kriemhilt,
daz iz niht mohten tragen
so vil den boten gäben
er was ein rlcher man.
ir mcere heim ze lande; ir starken soumasre
di treip man vroelichen dan. unt ouch Sigemunt.
765 Ir volc kleidete Sifrit Eckewart der gräve
der hiez an der stunt
vrouwen kleider suochen,
diu besten diu man vant
oder inder künde erwerben
über al daz Sifrides lant.
766 Di sätel zuo den Schilden
bereiten man began.
rittern unde vrouwen,
die mit in solden dan,
den gap man swaz si wolden, do bräht’ er sinen vriunden 767 Den boten zogete sere
daz in niht gebrast. vil manigen herlichen gast.
ze lande üf den wegen,
do kom zen Burgonden er wart vil wol enpfangen.
Gere der degen. do erbeizten si ze tal
90
Nibelungenlied: Text
von rossen unt von moeren
für den Guntheres sal.
768 Die tumben unt die wlsen vrägen umbe msere.
giengen, so man tuot,
dö sprach der ritter guot:
‘swenne ich si sage dem künige, er gie mit den gesellen
da hoeret si zehant.’
da er Guntheren vant.
769 Der künic durch gröze liebe daz si so balde körnen,
von dem sedele spranc.
des sagte in do danc
Prünhilt diu schoene.
Günther zen boten sprach:
‘wie gehabt sich Sifrit,
von dem mir liebes vil geschach?’
770 Do sprach der küene Gere: er unt iuwer swester.
‘da wart er vröuden rot,
nie vriunden baz enböt
so getriuwiu mxre
deheiner slahte man,
als iu der herre Sifrit
und ouch sin vater hat getan.’
771 Do sprach ze dem marcgräven
des edelen küniges wlp:
‘nu sagt mir, kumet uns Kriemhilt? behalten iht der zühte, ‘si kumt iu Sicherheiten’, 772 Uote bat do dräte
hat noch ir schoener
der si wol künde pflegen?’
[11p
so sprach do Gere der degen.
die boten für sich gen.
daz mohte man an ir vräge
harte wol versten
daz si daz hörte gerne,
was Kriemhilt noch gesunt.
er sagete wi er si funde
unt daz si koeme in kurzer stunt.
773 Ouch wart von in diu gäbe die in gap her Sifrit.
ze hove niht verdeit,
golt und ouch diu kleit,
daz brähte man ze sehene der ir vil grözen milte
der drier künige man. wart in da danken getan.
774 ‘Er mac’, sprach dö Hagene,
‘von im sampfte geben,
er’n kundez niht verswenden, hört der Nibelunge
hey sold’ er körnen immer 775 Allez daz gesinde
unt sold’ er immer leben,
beslozzen hat sin hant. in der Burgonden lant!’
vreute sich dar zuo
daz si komen solden.
späte unde vruo
waren vil ummüezec
der drier künege man.
vil manic hergesidele 776 Hünolt der küene
man dö rihten began. und Sindolt der degen
die heten vil ummuoze.
die zlt si muosen pflegen
truhsajzen unt schenken,
ze rihten manige banc.
13. Äventiure
des half in ouch her Ortwin;
des sagete in Günther danc.
777 Rümolt der kuchenmeister, di sinen undertänen,
91
wie wol er rihte sit
vil manigen kezzel wit,
häven unde pfannen.
hey waz man der da vant!
do bereite man den spise
die da körnen in daz lant.
13. Äventiure Wie Sifrit mit sinem wibe zuo der hochzit fuor 778 Alle ir unmuoze
die läzen wir nu sin
und sagen wie vrou Kriemhilt gegen Rlne fuoren
unt ouch ir magedin
von Nibelunge lant.
nie getruogen moere
so manic riche gewant.
779 Vil der soumschrine
man schihte zuo den wegen,
do reit mit sinen vriunden
Sifrit der degen
und ouch diu küneginne sit wart ez in allen
dar si heten vreuden wan. ze grözem leide getan.
780 Da heime si do liezen
Sifrides kindelin
unt sun den Kriemhilde. von ir hovereise
daz muos’ et also sin.
im erstuonden michel ser:
sin vater unt sin’ muoter
gesach daz kindel nimmer mer.
781 Do reit ouch mit in dannen sold’ er rehte wizzen,
der herre Sigemunt.
wie ez nach der stunt
zer höchgezlte ergienge,
er hete ir niht gesehen.
im künde an lieben vriunden 782 Di boten man für sande,
die diu masre sageten dar.
do reit ouch in engegene
mit wünnecllcher schar
vil der Uoten vriunde
unt der Guntheres man.
der wirt gein sinen gesten 783 Er gie zuo Prünhilde
nimmer leider geschehen.
sich sere vllzen began.
da er di sitzen vant.
‘wi enpfie et iuch min swester alsam sult ir enpfähen
do ir körnet in min lant?
daz Sifrides wlp.’
‘daz tuon ich’, sprach si, ‘gerne, 784 Do sprach der künic riche: weit ir si enpfähen,
[mm lip.
von schulden holt ist ir
‘si koment uns morgen vruo.
da grlfet balde zuo,
Nibelungenlied: Text
92
daz wir ir in der bürge
niht erbiten hie.
mir körnen in allen wilen
so rehte liebe geste nie.’
785 Ir mägede unt ir vrouwen
hiez si dö sä zehant
suochen guotiu kleider, di ir ingesinde
di besten di man vant,
vor gesten solden tragen,
daz täten si doch gerne,
daz mac man lihte gesagen.
786 Ouch llten in dö dienen alle sine recken
die Guntheres man.
der wirt zuo sich gewan.
dö reit diu küneginne
vil herliche dan.
dä wart vil michel grüezen
die lieben geste getän.
787 Mit wie getänen vreuden
man die geste enpfie!
si dühte daz vrou Kriemhilt so rehte wol enpfienge di si e nie gesähen,
vroun Prünhilde nie
in Burgonden lant. den wart vil höher muot erkant.
788 Nu was ouch körnen Sifrit
mit den sinen man.
man sach die helde wenden des veldes allenthalben
wider unde dan mit ungefüegen scharn.
dringen unde stouben 789 Dö der wirt des landes
künde niemen dä bewarn. Sifriden sach,
unt ouch Sigemunden,
wie minneclich er sprach: nu sit mir groze willekomen unt al den vriunden min.
der iuwer hovereise
sul wir höhgemuote sin.’
790 ‘Nu lön’ iu got’, sprach Sigemunt, ‘sit daz iuch min sun Sifrit do rieten mine sinne,
daz ich iuch solde sehen.’
do sprach der künic Günther: 791 Sifrit wart enpfangen,
mit vil grozen eren:
der ere gernde man.
ze vriunde gewan, ‘nu ist mir liebe daran
als im daz wol gezam, [geschehen.’ im was dä niemen gram.
des half mit grozen zühten ich warne man ez gesten 792 Do nahten zuo ein ander da wart vil sätel laere.
Giselher unt Gernöt. noch nie so güetlich erbot. der zweier künege wip.
manic schoener vrouwen lip
wart von helde handen die vrouwen gerne dienten,
erhaben üf daz gras. waz der unmüezeger was!
793 Do giengen zuo ein ander
diu minneclichen wip.
des was in grozen vreuden
vil maniges ritters lip,
13. Äventiure
daz ir beider grüezen
93
so schone wart getan,
do sach man vil der recken bi ir juncfrouwen stän. 794 Daz herliche gesinde daz vie sich bi der hant. in ziihten groze nigen,
des man vil da vant,
und küssen minneclichen
von vrouwen wol getan.
daz was liep ze sehene
Günthers und Sifrides man. si riten zuo der stat.
795 Sine biten da niht langer, der wirt daz sinen gesten
wol erzeigen bat,
daz man si gerne sashe
n Burgonden lant.
vil manigen puneiz riehen
man vor den juncfrouwen vant.
796 Üzer Tronege Hagene
unt ouch Ortwin,
daz si gewaldec wasren,
daz täten si wol schin.
swaz si gebieten wolden,
daz torste man niht län.
von in wart michel dienest
den lieben gesten getan,
797 Vil Schilde hört’ man hellen
da ze dem bürgetor
von Stichen und von stoezen.
lange habt’ da vor
der wirt mit sinen gesten, ja gie in diu stunde
e si körnen drin,
mit grözer kurzwlle hin.
798 Für den palas riehen
mit vreuden si do riten.
manegen pfellel spadien,
guot und wol gesniten,
sach man über sätele
den vrouwen wol getan
allenthalben hangen.
do körnen Guntheres man.
799 Die geste hiez man füeren under wilen blicken
balde an ir gemach,
man Prünhilde sach
an vroun Kriemhilde,
diu schoene was genuoc.
ir varwe gegen dem golde 800 Allenthalben schallen hörte man’z gesinde.
den glanz vil herllchen truoc. ze Wormez in der stat
Günther dö bat
Dancwarten sinen marschalch do begond’ er daz gesinde 801 Dar uze unt ouch dar inne ja wart vremder geste alles des si gerten,
daz er ir solde pflegen, harte güetliche legen. spisen man si lie.
baz gepflegen nie. des was man in bereit.
der künec was so riche 802 Man diente in vriuntliche
daz da niemen niht wart verseit. und an’ allen haz.
94
Nibelungenlied: Text
der wirt dö ze tische
mit sinen gesten saz.
man bat Sifride sitzen
als er e hete getan,
do gie mit im ze sedele
vil manic wxtlicher man.
803 Wol zwelf hundert recken da ze tische säzen.
an dem ringe sin
Prünhilt diu künegin
gedäht’ daz eigenholde
niht richer künde wesen,
si was im noch so wasge
daz si in gerne lie genesen.
804 An einem äbende,
da der künec saz,
vil der riehen kleider
wart von wine naz,
da die schenken solden
zuo den tischen gän.
da wart vil voller dienest 805 So man ze höhziten
mit grözem vlize getan,
lange hat gepflegen.
vrouwen unde mägede
di hiez man schone legen,
von swannen si dar körnen,
der wirt in willen truoc.
in güetlichen eren man gap in allen genuoc. 806 Do diu naht het ende unt der tac erschein, uz den soumschrinen
vil manic edel stein
erlühte in guoter wxte,
die ruorte vrouwen hant.
do wart dar für gesuochet vil manic herlich gewant. 807 £ daz ez vol ertagete, do körnen für den sal vil ritter unde knehte dö huop sich aber schal, vor einer vruomesse,
die man dem künige sanc.
da riten junge helde
daz’s in der künec sagete danc. manic pusün erdöz.
808 Vil kreftecliche lute
von trumben unt von floyten daz Wormez diu vil wite die höhgemuoten helde
dar nach lüt’ erschal. ze rossen körnen über al.
809 Dö huop sich in dem lande von manigem guoten recken. den ir tumbiu herze
wart der schal so gröz
vil harte höhe ein spil der sah man da vil,
gäben höhen muot:
der sah man under Schilde vil manigen zieren ritter guot. 810 In diu venster säzen diu herlichen wip und vil der schoenen mägede; si sahen kurzewile
gezieret was ir lip.
von manigem küenem man.
der wirt mit sinen vriunden 811 Sus vertriben si die wile,
selbe riten dä began. diu dühte si niht lanc.
14. Äventiure
man horte da zem tuome
maniger gloken klanc.
dö körnen in die moere,
die vrouwen riten dan.
den edelen küneginnen
den volgete manec küene man.
812 Si stuonden vor dem münster Prünhilt ir gesten
nider üf daz gras.
dannoch vil wsege was.
si giengen under kröne
in daz münster wit.
diu liebe wart sit gescheiden, 813 Do si gehörten messe,
daz frumte groezlicher nit.
si fuoren wider dan.
mit vil manigen eren
man sach si sider gän
ze tische vrceliche. da zer höhgezite
95
ir vreude nie gelac unz an den einleften tac.
14. Äventiure Wie die küneginne einander schulten 814 Vor einer vesperzlte
huop sich gröz ungemach,
daz von manigem recken
üf dem hove geschach.
si pflügen ritterschefte
durch kurzewile wän.
dö liefen dar durch schouwen 815 Ze samene dö gesäzen
vil manic wip unde man.
die küneginne rieh,
si gedähten zweier recken,
die wären lobelich.
dö sprach diu schoene Kriemhilt: daz elliu disiu riche
‘ich hän einen man,
ze sinen handen solden stän.’
816 Dö sprach diu vrouwe Prünhilt: ob ander niemen lebte
‘wie künde daz gesin?
wan sin unde din,
so möhten im diu riche
wol wesen undertän.
die wile lebt Günther,
so kundez nimmer ergän.’
817 Dö sprach aber Kriemhilt: wie rehte herliche alsam der liehte mäne
‘nu sihestu wie er stät,
er vor den recken gät, vor den Sternen tuot?
des muoz ich von schulden
tragen vrcelichen muot.’
818 Dö sprach diu vrouwe Prünhilt: swi biderbe und swi schoene, Günther den recken,
‘swi wastlich si din man,
so muost du vor im lan
den edeln bruoder din.
der muoz vor allen künegen,
daz wizzest wsrliche, sin.’
96
Nibelungenlied: Text
819 Do sprach diu vrouwe Kriemhilt: daz ich in äne schulde
‘so tiwer ist wol min
niht gelobet hän.
an vil manegen dingen
[man,
so ist sin ere groz.
geloubestu des, Prünhilt,
er ist wol Günthers genoz.’
820 ‘Jane solt du mirz, Kriemhilt, wand’ ich äne schulde
ze arge niht verstän,
die rede niht hän getän.
ich horte si jehen beide,
do ihs’ aller erste sach,
und dä des küneges wille
an minem libe geschach,
821 Unt dä er mine minne
so ritterlich gewan,
do jach des selbe Sifrit,
er wazre ’sküneges man.
des hän ich in für eigen,
sit ihs in horte jehen.’
do sprach diu schoene Kriemhilt:
‘so waere mir übele geschehen.
822 Wie heten so geworben
die edelen bruoder min,
daz ich eigen mannes
wine solde sin?
des wil ich dich, Prünhilt, daz du die rede läzest
vil friuntliche biten durch mich mit güetlichen siten.’
823 ‘Ine mac ir niht geläzen’,
sprach des küneges wip.
‘zwiu sold’ ich verkiesen
so maniges ritters lip,
der uns mit dem degene
dienstlich ist undertän?’
Kriemhilt diu vil schoene 824 ‘Du muost in verkiesen,
vil sere zürnen began. daz er dir immer bi
wone deheiner dienste.
er ist tiwerr danne si
Günther min bruoder,
der vil edel man.
du solt mich des erläzen,
daz ich von dir vernomen hän. 825 Unde nimet mich immer wunder, sit er din eigen ist, unt daz du über uns beide daz er dir so lange
so gewaltec bist,
den zins versezzen hät.
der diner übermüete
sold’ ich von rehte haben rät.’
826 ‘Du ziuhest dich ze hohe’, ‘nu wil ich sehen gerne, habe ze solhen eren
sprach des küniges wip. ob man den dinen lip
so man den minen tuot.’
die vrouwen wurden beide
vil sere zornec gemuot.
827 Do sprach diu vrouwe Kriemhilt: sit du mines mannes nu müezen hiute kiesen
‘daz muoz et nü
für eigen häst verjehen,
[geschehen,
der beider künige man,
14. Äventiure
ob ich vor küniges wibe
zem münster türre gegän.
828 Du muost daz hiute schouwen, unt daz min man ist tiwerr da mit wil ich selbe
daz ich bin adelvri, danne der dine si.
niht bescholten sin.
du solt noch hinte kiesen
wie diu eigene diu din
829 Ze hove ge vor recken
in Burgonden lant.
ich wil selbe wesen tiwerr deheine küneginne,
danne iemen habe bekant
diu kröne ie her getruoc.’
do huop sich under den vrouwen 830 Do sprach aber Prünhilt:
mit den vrouwen din
von minem ingesinde,
da wir zem münster gän.’
des antwurte Kriemhilt:
‘entriuwen, daz sol sin getan.’
831 ‘Nu kleidet iuch, mine meide’, ‘ez muoz äne schände
sprach Sifrides wip.
beliben hie min lip.
ir sult wol läzen schouwen,
und habt ir riche wät.
si mac sin gerne lougen,
des Prünhilt verjehen hat.’
832 Man moht’ in lihte raten,
si suochten richiu kleit.
da wart vil wol gezieret do gie mit ir gesinde
manic vrouwe unde meit. des edelen küniges wip
(do wart ouch wol gezieret di truogen liehte pfelle
di brähte si an den Rin,
geworht in Aräbin.
sus körnen zuo dem münster ir warten vor dem hüse
die meide wol getan,
alle Sifrides man.
834 Die liute nam des wunder, daz man die küneginne
wä von daz geschach, also gescheiden sach,
niht giengen alsam e.
da von wart manigem degene
sit vil sorclichen we.
835 Hie stuont vor dem münster
daz Guntheres wip.
vil maniges ritters lip
mit den schoenen vrouwen,
der si da nämen war.
dö kom diu vrouwe Kriemhilt 836 Swaz kleider ie getruogen wider ir gesinde
[lip)
der schoenen Kriemhilden
833 Mit drin und vierzec meiden,
do hete kurzewile
des grozen nides genuoc.
‘wiltu niht eigen sin,
so muostu dich scheiden
daz si bi ein ander
97
mit maniger herlichen
edeler ritter kint,
daz was gar ein wint.
si was so rieh des guotes,
daz drizec künige wip
[schar,
Nibelungenlied: Text
98
daz tete Kriemhilde lip.
ez möhten niht erziugen,
der künde niht gesagen
837 Ob iemen wünschen solde,
gesadie ie mer getragen
daz man so richiu kleider
ir meide wol getan,
also da ze stunden truogen
ez hete Kriemhilt verlan.
wan ze leide Prünhilde,
vor dem münster wit.
838 Ze samne si do komen ez tet diu hüsvrouwe si hiez vil übelliche
durch einen grozen nit, Kriemhilde stille stän:
‘ja sol vor küniges wibe
niht eigen diu gegan.’
839 Do sprach diu schoene Kriemhilt ‘kundestu noch geswigen,
(zornec was ir muot):
daz wxre dir guot.
du hast geschendet selbe
den dinen schoenen lip:
wie möhte mannes kebse
werden immer küniges wip?’
840 ‘Wen hästu hie verkebset?’
sprach do des küneges wip.
‘daz tuon ich dich’, sprach Kriemhilt.
‘den dinen
schoenen lip der min vil lieber man.
den minnet’ erste Sifrit,
jane was ez niht min bruoder, 841 War komen dine sinne?
der dir den magetuom an
ez was ein arger list.
zwiu lieze du in minnen,
[gewan.
sit er din eigen ist?
ich hoere dich’, sprach Kriemhilt,
‘an’ alle schulde klagen.’
‘entriuwen’, sprach do Prünhilt,
‘daz wil ich Gunthere
842 ‘Waz mac mir daz gewerren?
betrogen. mit rede dich an gezogen,
du hast mich ze dienste
daz wizze in rehten triuwen, getriuwer heinliche
ez ist mir immer leit.
sol ich dir wesen umbereit.’
843 Prünhilt do weinde:
Kriemhilt niht langer lie,
vor des küniges wibe mit ir ingesinde.
sagen.’ din übermuot dich hat
inz münster si do gie
da huop sich grozer haz:
des wurden liehtiu ougen
vil starke trüeb’ unde naz.
844 Swie vil man gote gediente des dühte Prünhilde wand ir was vil trüebe des muose sit engelten
oder iemen da gesanc,
diu wile gar ze lanc, der lip und ouch der muot. manic heit küen’ unde guot.
14. Äventiure
845 Prünhilt mit ir frouwen
99
gie für daz münster stän.
si gedähte: ‘mich muoz Kriemhilt des mich so lute zihet
mere hoeren län
daz wortrasze wip.
hat er sich es gerüemet,
ez get an Sifrides lip.’
846 Nu kom diu edele Kriemhilt
mit manigem küenem man.
do sprach diu vrouwe Prünhilt: ir jähet min ze kebesen:
‘ir sult noch stille stän.
daz sult ir läzen sehen.
mir ist von iuwern Sprüchen,
daz wizzet, leide geschehen.’
847 Do sprach diu vrouwe Kriemhilt:
‘ir möhtet mich läzen gän.
ich erziugez mit dem golde,
daz ich an der hende hän:
daz brähte mir min vriedel
do er erste bi iu lac.’
nie gelebte Prünhilt
deheinen leideren tac.
848 Si sprach: ‘diz golt vil edele und ist mich harte lange
daz wart mir verstoln vil übele vor verholn.
ich kum es an ein ende,
wer mir ez hät genomen.’
die vrouwen wären beide
in groz ungemüete komen.
849 Do sprach aber Kriemhilt:
‘ine wils niht wesen diep.
du möhtes wol gedaget hän,
und wasre dir ere liep.
ich erziugez mit dem gürtel, daz ich niht enliuge:
jä wart min Sifrit din man.’
850 Von Ninnive der siden mit edelem gesteine.
den ich hie umbe hän,
si den porten truoc, jä was er guot genuoc.
do den gesach vrou Prünhilt,
weinen si began.
daz muose vreischen Günther 851 Do sprach diu küneginne:
‘heizet here gän
den fürsten vonme Rine.
ich wil in hoeren län
wie mich hät gehoenet si sagt hie offenliche,
siner swester lip. ich si Sifrides wip.’
852 Der künic kom mit recken. di sinen triutinne.
und alle Burgonden man.
weinen er do sach
wie güetlich er sprach:
‘saget mir, liebiu vrouwe,
wer hät iu iht getän?’
si sprach zuo dem künige:
‘ich muoz unvroeliche stän.
853 Von allen minen eren
mich diu swester din
gerne wolde scheiden.
dir sol geklaget sin,
si giht, mich habe gekebset
Sifrit ir man.’
100
Nibelungenlied: Text
do sprach der künec Günther:
‘so hetes’ übele getan.’
den ich hän verlorn, 854 ‘Si treit hie minen gürtel, und min golt daz rote. daz ich ie wart geborn, daz riuwet mich vil sere,
dune beredest, künic, mich
der vil grozen schände;
daz diene ich immer umbe dich.’
855 Do sprach der künec Günther: und hat er sihs gerüemet, oder sin muoz lougen
‘er sol her für gän.
daz sol er hceren län, der heit üz Niderlant.’
den Kriemhilde vriedel 856 Do der herre Sifrit
den hiez man bringen sä zehant. di ungemuoten sach,
(er’n wesse niht der macre)
wie balde er do sprach:
‘waz weinent dise vrouwen?
daz het ich gerne erkant,
oder von weihen schulden
mich der künic habe besant.’
857 Do sprach der künic Günther:
‘da ist mir harte leit.
mir hat min vrouwe Prünhilt
ein mxre hie geseit,
du habes dich des gerüemet,
daz du ir schoenen lip
allererst habes geminnet,
daz sagt vrou Kriemhilt din wip.
858 Do sprach der starke Sifrit: e daz ich erwinde,
‘und hat si daz geseit,
ez sol ir werden leit,
und wil dir daz enpfüeren mit minen hohen eiden,
vor allen dinen man daz ich irs niht gesaget hän.’
859 Do sprach der künic von Rine: den eit den du dä biutest, aller valschen dinge
‘daz soltu läzen sehen.
unt mac der hie geschehen,
wil ich dich ledic län.’
do hiez man zuo dem ringe die stolzen Burgonden stän. 860 Sifrit der vil küene zem eide bot die hant. do sprach der künic riche: iuwer groz unschulde;
‘mir ist so wol bekant ich wil iuch ledic län,
des iuch min swester zihet, daz ir des niene habt getän.’ 861 Do sprach aber Sifrit: ‘geniuzet es min wip, daz si hät ertrüebet
den Prünhilde lip,
daz ist mir sicherlichen do sahen zuo zein ander
äne mäze leit.’ die guoten ritter gemeit.
862 ‘Man sol so vrouwen ziehen’, ‘daz si üppecliche Sprüche
sprach Sifrit der degen, läzen under wegen.
14. Äventiure
verbiut ez dinem wibe,
der minen tuon ich sam.
ir grözen ungefüege
ich mich wacrlichen schäm.’
863 Mit rede was gescheiden dö trüret’ also sere
manic schoene wip.
der Prünhilde lip,
daz ez erbarmen muose
die Guntheres man.
do kom von Tronege Hagene 864 Er vrägete waz ir wxre,
er lobt’ ir sä zehant
daz ez erarnen müese
der Kriemhilde man,
oder er wolde nimmer
dar umbe vrcelich gestän.
865 Zuo der rede körnen
Ortwin und Gernöt,
da die helde rieten
den Sifrides tot.
dar zuo kom ouch Giselher, do er ir rede gehörte,
der edelen Uoten kint.
er sprach getriuliche sint:
866 ‘Ir vil guoten recken,
war umbe tuot ir daz?
jane gediente Sifrit
nie alsolhen haz Verliesen sinen lip.
daz er dar umbe solde
dar umbe zürnent diu wip.’
ja ist es harte lihte,
867 ‘Suln wir gouche ziehen?’ ‘des habent lützel ere
sprach aber Hagene:
so guote degene.
daz er sich hat gerüemet
der lieben vrouwen min,
dar umbe wil ich sterben,
ez enge im an daz leben sin.’
868 Do sprach der künic selbe: niwan guot und ere;
‘er’n hat uns niht getan
man sol in leben län.
waz touc ob ich dem recken er was uns ie getriuwe 869 Do sprach von Metzen
der degen Ortwin: diu gröze Sterke sin.
erloubet mirz min herre,
riet in allen ziten
wazre nu gehaz?
und tet vil willecliche daz.’
‘jane kan in niht gehelfen
870 Sin gevolgete niemen,
zuo siner vrouwen gegän.
weinende er si vant.
do sagte si im diu msere.
dö heten im die helde
ich getuon im leit.’ äne schulde widerseit. niwan daz Hagene
Günther dem degene,
ob Sifrit niht enlebte,
so wurde im undertan
vil der künege lande.
der heit des truren began.
871 Dö liezen siz beliben.
101
spiln man do sach.
hey waz man starker schefte
vor dem münster brach
102
Nibelungenlied: Text
vor Sifrides wibe
al zuo dem sale dan!
dö wären in unmuote
genuoge Guntheres man.
872 Der künic sprach:‘lät beliben er ist uns ze sselden
den mortlichen zorn.
unt ze eren geborn.
ouch ist so grimme stark
der wundernküene man:
ob er sin innen wurde,
so torste in niemen bestän.’
873 ‘Nein er’, sprach do Hagene.
‘ir muget wol stille dagen.
ich getrüwez heinliche
also wol an getragen:
daz Prünhilde weinen
sol im werden leit.
ja sol im von Hagenen
immer wesen widerseit.’
874 Do sprach der künic Günther:
‘wie möhte daz ergän?’
des antwurte Hagene:
‘ich wilz iuch hoeren län.
wir heizen boten riten
zuo uns in daz lant
widersagen offenliche,
die hie niemen sin bekant.
875 So jehet ir vor den gesten wellet herverten.
daz ir und iuwer man
also daz ist getan,
so lobt er iu dar dienen;
des vliuset er den lip.
so ervar ich uns diu masre 876 Der künic gevolgete übele
ab des küenen recken wip.’ Hagenen sinem man.
die starken untriuwe
begonden tragen an,
e iemen daz erfunde,
die ritter üz erkorn.
von zweier vrouwen bägen
wart vil manic heit verlorn.
15. Äventiure Wie Sifrit verraten wart 877 An dem vierden morgen sach man ze hove riten. Günther dem vil riehen,
zwen’ und drizec man daz wart do kunt getan im wsere widerseit.
von lüge erwuohsen vrouwen diu aller groezesten leit. 878 Urloup si gewunnen, daz si für solden gän, und jähen daz si wseren den e dä hete betwungen unt in ze gisel brähte 879 Die boten er do gruozte
Liudegeres man, diu Sifrides hant in daz Guntheres lant. und hiez si sitzen gän.
15. Äventiure
880
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885
886
887
888
103
ir einer sprach dar under: ‘herre, lät uns stän unz wir gesagen msere diu iu enboten sint. ja habet ir ze viende, daz wizzet, maniger muoter kint. Iu widersaget Liudegast unde Liudeger, den ir da wilen tätet diu gremlichen ser. die wellent zuo ziu riten mit her in diz lant.’ der künic begonde zürnen do er diu mxre bevant. Do hiez man di meinrxten zen herbergen varn. wie mohte sich her Sifrit do da vor bewarn, er oder ander iemen, daz si da truogen an? daz wart sit in selben ze grozem leide getan. Der künic mit sinen vriunden rünende gie. Hagene von Tronege in nie geruowen lie. noch heten ez gescheiden genuoge ’sküniges man: done wolt’ et Hagene nie des rätes abe gän. Eines tages Sifrit si rünende vant. do begonde vrägen der heit von Niderlant: ‘wie gät so trürecliche der künic unt sine man? daz hilf’ ich immer rechen, hat im iemen iht getan.’ Do sprach der herre Günther: ‘mir ist von schulden leit. Liudegast und Liudeger die habent mir widerseit. si wellent offenlichen riten in min lant.’ do sprach der degen küene: ‘daz sol diu Sifrides hant Nach allen iuwern eren mit vlize understän. ich getuon noch den degenen als ich hän e getan, ich gelege in wüeste ir bürge und ouch ir lant, e daz ich erwinde: des si min houbet iuwer pfant. Ir unt iuwer recken sult hi heime bestän, und lät mich zuo zin riten mit den die ich hän. daz ich iu gerne diene, daz läz’ ich iuch sehen. von mir sol iwern vienden, daz wizzet, leide geschehen.’ ‘So wol mich dirre mxre’, sprach der künic do, als ob er ernstliche der helfe wsere vro. in valsche neig im tiefe der ungetriuwe man. do sprach der herre Sifrit: ‘ir sult vil kleine sorge hän.’ Do schihten si die reise mit den knehten dan,
104
Nibelungenlied: Text
Sifride und den sinen
ze sehen ez was getan,
do hiez er sich bereiten die Sifrides recken
die von Niderlant. suochten stritlich gewant.
889 Do sprach der starke Sifrit: ir sult hie beliben.
‘min vater Sigemunt,
wir körnen in kurzer stunt,
git uns got gelücke,
her wider an den Rin.
ir sult bi dem künige
hie vil vroeliche sin.’
890 Diu Zeichen si an bunden, da wären genuoge
also si wolden dan.
di Guntheres man,
dine wessen niht der msere,
wä von ez was geschehen,
man mohte groz gesinde
do bi Sifride sehen.
891 Ir helme und ouch ir brünne sich bereite vorne lande
si bunden üf diu marc.
vil manic ritter starc.
do gie von Tronege Hagene unt bat im geben urloup:
da er Kriemhilde vant si wolden rümen daz lant.
892 ‘Nu wol mich’, sprach do Kriemhilt,
‘daz ich ie gewan den man
der minen lieben vriunden also min herre Sifrit
so wol tar vor gestän,
tuot den vriunden min.
des wil ich hohes muotes’,
sprach diu küneginne,‘sin.
893 Vil lieber vriunt Hagene,
gedenket an daz,
daz ich iu gerne diene
und noch nie wart gehaz.
des läzet mich geniezen
an minem lieben man.
er’n sol des niht engelten,
hab’ ich Prünhilde iht getan.
894 Daz hat mich sit gerouwen’, ‘ouch hat er so zerblouwen daz ich iz ie geredete
sprach daz edel wip. dar umbe minen lip;
daz beswärte ir den muot,
daz hat vil wol errochen
der heit küene unde guot.’
895 Er sprach: ‘ir wert versüenet Kriemhilt, liebiu vrouwe, wie ich iu müge gedienen
wol nach disen tagen. ja sult ir mir sagen an Sifride iuwerm man.
daz tuon ich gerne,vrouwe
wand ichs niemen baz engan.’
896 ‘Ich wxre an’ alle sorge’, ‘daz im iemen nxme ob er niht wolde volgen so wxre immer sicher
sprach daz edel wip, in sturme sinen lip, slner übermuot; der degen küene unde guot.’
15. Äventiure
897 ‘Vrouwe’, sprach do Hagene,
‘unt habt ir des wän,
daz man in müge versniden, mit wie getanen listen
ir sult mich wizzen län,
ich daz sol understen.
ich wil im ze huote
immer riten unde gen.’
898 Si sprach: ‘du bist min mäc,
so bin ich der din.
ich bevilhe dir mit triuwen
den holden wine min,
daz du mir wol behüetest
den minen lieben man.’
si sagt’ im kundiu masre,
diu bezzer wxren verlän.
899 Si sprach: ‘min man ist kiiene do er den lintrachen
und dar zuo starc genuoc.
an dem berge sluoc,
ja badete sich in dem bluote
der recke vil gemeit,
da von in sit in stürmen
nie dehein wäfen versneit.
900 Iedoch bin ich in sorgen, und vil der gerschüzze daz ich da Verliese
105
swenn’ er in strite stät von helde handen gät,
den minen lieben man.
hey waz ich grozer leide 901 Ich meid’ iz üf genäde, daz du dine triuwe
dicke umbe Sifriden hän! vil lieber vriunt, dir,
behaltest ane mir.
da man da mac verhouwen
den minen lieben man,
daz läz’ ich dich hoeren;
deist üf genäde getan.
902 Do von des trachen wunden und sich dar inne badete
vloz daz heize bluot der küene ritter guot,
do viel im zwischen di herte da mac man in versniden:
ein linden blat vil breit, des ist mir sorgen vil bereit.’
903 Do sprach von Tronege Hagene:
‘üf daz sin gewant
nxt ir ein kleinez Zeichen.
da bi ist mir bekant
wa ich in müge behüeten,
so wir in sturme stän.’
si wände den heit vristen:
ez was üf sinen tot getän.
904 Si sprach: ‘mit kleinen siden ein tougenlichez kriuze.
nx ich üf sin gewant dä sol, heit, din hant
den minen man behüeten,
so ez an die herte gät,
swenn’ er in den stürmen
vor sinen vianden stät.’
905 ‘Daz tuon ich’, sprach do Hagene, do wänd’ ouch des diu vrouwe,
[min.’
‘vil liebiu vrouwe ez sold’ im vrume sin:
do was dä mit verräten
der Kriemhilde man.
urloup nam do Hagene,
do gie er vroeliche dan.
106
Nibelungenlied: Text
was allez wol gemuot.
906 Des küniges ingesinde
deheiner mer getuot
ich wacne immer recke
so da von im ergie,
so grozer meinraste
Kriemhilt diu küneginne lie.
do sich an sine triuwe
mit tüsent siner man
907 Des andern morgens
vil vroelichen dan.
reit der herre Sifrit
er wand’ er solde rechen
der siner vriunde leit.
Hagene im reit so nahen
daz er geschouwete diu kleit.
908 Als er gesach daz bilde,
do schiht’ er tougen dan,
di sageten ander masre,
zwene siner man:
mit vride solde beliben
daz Guntheres lant,
und si hete Liudeger 909 Wi ungerne Sifrit
zuo dem künige gesant. do hin wider reit,
er’n het etewaz errochen
siner vriunde leit!
wand’ in vil küm’ erwanden do reit er zuo dem künige; 910 ‘Nu Ion’ iu got des willen, daz ir so willecliche
die Guntheres man. der wirt im danken began: vriunt Sifrit.
tuot des ich iuch bit,
daz sol ich immer dienen,
als ich von rehte sol.
vor allen minen vriunden so getrüwe ich iu wol. 911 Nu wir der herverte ledic worden sin, so wil ich jagen riten
bern unde swin
hin zem Waskenwalde,
als ich vil dicke hän.’
daz hete geraten Hagene, 912 ‘Allen minen gesten daz wir vil vruo riten. daz si sich bereiten;
der vil ungetriuwe man.
sol man daz sagen, die wellen mit mir jagen, die aber hie bestän
hövschen mit den vrouwen, 913 Do sprach der herre Sifrit ‘swenne ir jagen ritet, so sult ir mir lihen
daz si mir liebe getan.’ mit herlichem site:
da wil ich gerne mite, einen suochman
und etelichen bracken,
so wil ich riten in den tan.’
914 ‘Welt ir niht nemen wan einen?’ ‘ich lih’ iu, weit ir, viere,
den vil wol ist bekant
der walt und ouch die stige, die iuch niht fürwise
sprach der künic zehant.
swä diu tier hine gänt,
zen herbergen riten länt.’
16. Äventiure
915 Do reit zuo sinem wibe
der recke vil gemeit.
schiere hete Hagene
dem künige geseit
wi er gewinnen wolde
den tiwerlichen degen.
sus grozer untriuwe
solde nimmer man gepflegen.
16. Äventiure Wie Sifrit erslagen wart 916 Günther und Hagene,
die recken vil halt,
lobten mit untriuwen
ein pirsen in den walt.
mit ir scharpfen geren
si wolden jagen swin,
bern unde wisende:
waz möhte küeners gesin?
917 Da mit reit ouch Sifrit
in herlichem site.
maniger hande spise
die fuorte man in mite,
zeinem kalten brunnen
verlos er sit den lip.
daz hete geraten Prünhilt,
des künic Guntheres wip.
918 Do gie der degen küene
da er Kriemhilde vant.
do was nu üf gesoumet
sin edel pirsgewant,
sin und der gesellen:
si wolden über Rin.
done dorfte Kriemhilde 919 Di sine triutinne
nimmer leider gesin.
kust’ er an den munt.
'got laze mich dich, vrouwe, und mich diu dinen ougen. soltu kurzewilen;
diu si da Hagenen sagete: do weinte äne maze
(sine torst’ ir niht gesagen), do begonde klagen
daz si ie gewan den lip. des herren Sifrides wip.
921 Si sprach zuo dem recken: mir troumte hinaht leide, jageten über heide,
mit holden mägen din
ine mac hie heime niht gesin.’
920 Do gedähtes’ an diu mxre diu edel küneginne
gesehen noch gesunt,
‘lät iuwer jagen sin. wie iuch zwei wildiu swin
da wurden bluomen rot.
daz ich so sere weine, 922 Ich fürhte harte sere ob man der deheinen die uns gefüegen kunnen
des get mir wxrliche not. etelichen rät, missedienet hat, vientlichen haz.
107
108
Nibelungenlied: Text
belibet, lieber herre:
mit triuwen rät’ ich iu daz.’
923 Er sprach: ‘min triutinne,
ich kum in kurzen tagen,
ine weiz hie niht der liute, alle dine mäge
die mir iht hazzes tragen,
sint mir gemeine holt,
ouch hän ich an den degenen 924 ‘Neinä, herre Sifrit!
ja fürhte ich dinen val.
mir troumte hinte leide, vielen zwene berge:
wie ob dir zetal ine gesach dich nimmer me.
wil du von mir scheiden,
daz tuot mir in dem herzen we.’
925 Er umbevie mit armen
daz tugentriche wip.
mit minneclichem küssen
trüt’ er ir schoenen lip.
mit urloube er dannen si gesach in leider
schiet in kurzer stunt.
dar nach nimmer mer gesunt.
926 Do riten si von dannen
in einen tiefen walt
durch kurzewile willen. volgeten Gunthere
vil manic ritter balt
unde sinen man.
Gernot und Giselher
die waren da heime bestän.
927 Geladen vil der rosse
kom vor in über Rin,
di den jagetgesellen truogen daz vleisch mit den vischen den ein künic so riche 928 Si hiezen herbergen
vil harte billichen hät. die stolzen jegere balt,
dä si dä jagen solden,
üf einen wert vil breit,
do was ouch körnen Sifrit; 929 Von den jagtgesellen
daz wart dem künege geseit.
wurden do gar bestän
die warte in allen enden. Sifrit der vil starke:
do sprach der küene man, ‘wer sol uns in den walt
wisen nach dem wilde,
ir helde küene unde balt?’
930 ‘Welle wir uns scheiden’, e daz wir beginnen
sprach do Hagene,
hie ze jagene?
da bi wir mügen bekennen, wer die besten jegere so ker’ ietslicher
brot unde win, und andern manigen rät,
für den grüenen walt
gen des wildes abloufe,
931 Liute und gehünde
hie niht anders versolt.’
ich und die herren min,
an dirre waltreise sin. suln wir teilen gar.
swar er gerne var.
swer danne jage daz beste,
des sol er haben danc.’
16. Äventiure
do wart der jäger biten
bi ein ander niht ze lanc.
932 Do sprach der herre Sifrit: niwan einen bracken,
‘ich hän der hunde rät,
der so genozzen hat
daz er die verte erkenne
der tiere durch den tan.
wir komen wol ze jegede’,
sprach der Kriemhilde man.
933 Do nam ein alter jegere
einen guoten spürhunt.
er brähte den herren
in einer kurzen stunt
da si vil tiere funden.
swaz der von lagere stuont,
di erjagten die gesellen,
so noch guote jeger tuont.
934 Swaz ir der bracke ersprancte, Sifrit der vil küene,
daz ir im niht entran.
den lop er vor in allen
an dem jegde gewan.
935 Er was an allen dingen
biderbe genuoc.
sin tier was daz erste,
daz er ze tode sluoc,
ein vil starkez halpful,
mit der sinen hant.
dar nach er vil schiere
einen ungefüegen lewen vant.
936 Do den der bracke ersprancte, eine scharpfe sträle die sinen jagtgesellen
[bogen,
wan drier Sprünge lanc.
die sagten Sifride danc.
937 Dar nach sluoc er schiere
einen wisent und einen eich,
und einen grimmen schelch.
sin ros truoc in so balde, hirze oder hinden
den schoz er mit dem
het er dar in gezogen.
der lewe lief nach dem schuzze
938 Einen eber grozen
di sluoc mit siner hant
der heit von Niderlant.
sin ros lief so sere,
starker üre viere,
109
daz ir im niht entran.
künde im wenic engän. den vant der spürhunt.
als er begunde vliehen,
do kom an der stunt
des selben gejegdes meister, daz swin vil zornecliche
lief an den küenen heit sä.
939 Do sluoc in mit dem swerte ez enhet ein ander jegere do er in het’ ervellet,
der Kriemhilde man. so samfte niht getän.
man vie den spürhunt.
do wart sin jaget daz riche 940 Do sprächen sine jegere:
er bestuont in üf der slä.
wol den Burgonden kunt. ‘müg’ ez mit fuoge wesen,
so lät uns, her Sifrit,
der tier ein teil genesen.
ir tuot uns hiute lasre
den berc und ouch den walt.
110
Nibelungenlied: Text
des begonde smielen
der degen küene unde balt.
941 Do hortens’ allenthalben
ludem unde doz.
von liuten und ouch von hunden
der schal der was so
daz in da von antwurte
der berc und ouch der tan.
vier unt zweinzec ruore
die jeger heten verlän.
942 Do muosen vil der tiere
Verliesen da daz leben,
do wänden si daz füegen,
daz man in solde geben
den pris von dem gejägde
des künde niht geschehen,
do der starke Sifrit
wart zer fiwerstat gesehen.
943 Daz jagt was ergangen
und doch niht gar.
die zer fiwerstete wolden,
die brähten mit in dar
vil maniger tiere hiute
und wildes genuoc.
hey waz man des zer kuchen
des küneges ingesinde truoc!
944 Do hiez der künic künden
den jegern üz erkorn
daz er enbizen wolde.
do wart vil lute ein horn
zeiner stunt geblasen,
da mit in wart erkant
daz man den fürsten edele
da zen herbergen vant.
945 Do sprach ein Sifrides jägere: von eines hornes duzze zuo den herbergen.
‘herre, ich hän vernomen
daz wir nu suln körnen antwurten ich des wild
do wart nach den gesellen
gevräget blasende vil.
946 Do sprach der herre Sifrit: sin ros truoc in ebene;
‘nu rüme ouch wir den tan!’
si llten mit im dan.
si ersprancten mit ir schalle daz was ein ber wilde.
ein tier vil gremelich,
do sprach der degen hinder sich:
947 Ich wil uns hergesellen ir sult den bracken läzen:
guoter kurzewile wern. ja sih’ ich einen bern,
der sol mit uns hinnen
zen herbergen varn.
er’n vliehe danne vil sere. 948 Der bracke wart verläzen, do wold’ in ernten
er’n kan sihs nimmer bewarn.’ der bere spranc von dan.
der Kriemhilde man.
er kom in ein gevelle,
done kundes niwet wesen,
daz starke tier do wände
vor dem jägere genesen.
949 Do spranc von sinem rosse er begonde nach loufen.
[groz
der stolze ritter guot. daz tier was umbehuot,
ez enkonde im niht entrinnen:
do vienc er iz zehant,
16. Äventiure
an’ aller slahte wunden
der heit ez schiere gebant.
950 Kratzen noch gebizen
künde ez niht den man.
er band ez zuo dem satele:
üf saz der snelle sän,
er bräht’ iz an die fiwerstat
durch sinen hohen muot
zeiner kurzewile,
der recke küene unde guot.
951 Wie rehte herlichen
er zen herbergen reit!
sin ger was vil michel,
starc unde breit.
im hienc ein ziere wäfen von vil rotem golde
hin nider an den sporn,
fuort’ der herre ein schoene horn.
952 Von bezzerm pirsgewxte
gehört’ ich nie gesagen.
einen roc von swarzem pfellel und einen huot von zobele,
der riche was genuoc.
hey waz er richer porten 953 Von einem pantel
den sach man in tragen
an sinem kochasre truoc!
was dar über gezogen
ein hüt durch die süeze.
ouch fuorter einen bogen,
den man mit antwerke
muose ziehen dan,
der in spannen solde,
er’n hete iz selbe getan.
954 Von einer ludemes hiute
was allez sin gewant.
von houbet unz an daz ende üz der liehten riuhe
vil manic goldes zein
ze beiden sinen siten
dem küenen Jägermeister schein.
955 Do fuort’ er Balmungen,
ein ziere wäfen breit,
daz was also scherpfe,
daz ez nie vermeit
swä man ez sluoc üf helme. der herliche jägere
sin’ ecke wären guot.
der was höhe gemuot.
956 Sit daz ich iu diu maere
gar bescheiden sol,
im was sin edel kocher von guldinen tüllen,
gestreut man dar üfe vant.
vil guoter sträle vol, diu sahs wol hende breit,
ez muose balde sterben 957 Do reit der ritter edele
swaz er dä mit versneit. vil weidenliche dan.
di Guntheres man. in sähen zuo in körnende si liefen im engegene und enpfiengen im daz marc. dö fuort’ er bi dem satele 958 Als er gestuont von rosse,
einen bern gröz unde starc. dö löst’ er im diu bant
von fuoze und ouch von munde. vil gröze daz gehünde,
do erlüte dä zehant
swaz des den bern sach.
111
112
Nibelungenlied: Text
daz tier ze walde wolde;
die liute heten ungemach.
959 Der ber von dem schalle
durch die kuchen geriet,
hey waz er kuchenknehte
von dem fiwer schiet!
vil kezzel wart gerüeret,
zefüeret manic brant.
hey waz man guoter spise
in der aschen ligen vant!
960 Do Sprüngen von dem sedele der ber begonde zürnen: allez daz gehünde,
die herren und ir man. der künic hiez do län
daz an den seilen lac.
und waer’ iz wol verendet,
si heten vroelichen tac.
961 Mit bogen und mit spiezen
niht langer man daz lie,
do liefen dar die snellen
da der ber gie.
do was so vil der hunde von des liutes schalle
daz da niemen schoz. daz gebirge allez erdoz.
962 Der ber begonde vliehen
vor den hunden dan;
im künde niht gevolgen
wan Kriemhilde man.
der erlief in mit dem swerte, hin wider zuo dem fiwere
ze tode er in do sluoc. man den bern sider truoc.
963 Do sprächen die daz sähen,
er waere ein kreftec man.
die stolzen jagetgesellen
hiez man zen tischen gän.
üf einen schoenen anger
saz ir dä genuoc.
hey waz man richer spise
den edeln jegeren do truoc!
964 Die schenken körnen seine
die tragen solden win.
ez enkunde baz gedienet heten si dar under
nimmer helden sin. niht so valschen muot,
so waeren wol die recken 965 Do sprach der herre Sifrit:
vor allen schänden behuot. ‘wunder mich des hät,
sit man uns von den kuchen
git so manigen rät,
warumbe uns die schenken
bringen niht den win.
[sin.
man enpflege baz der jegere, 966 Ich hete wol gedienet
ich enwil niht jagetgeselle daz man min baz nasme war.’
der künic von sinem tische ‘man sol iu gerne büezen
sprach in valsche dar: swes wir gebresten hän.
daz ist von Hagenen schulden; 967 Do sprach von Tronege Hagene: ich wände daz daz pirsen
der wil uns gerne erdürsten län.5 ‘vil lieber herre min,
hiute solde sin
16. Äventiure
da zem Spehtsharte:
den win den sand’ ich dar.
sin wir hiute ungetrunken,
wie wol ich mere daz bewar!’
‘ 968 Do sprach der herre Sifrit:
‘ir lip der hab’ undanc!
man solde mir siben soume haben her gefüeret.
met und lütertranc
do des niht mohte sin,
do solt’ man uns gesidelet
haben näher an den Rin.’
‘ 969 Do sprach von Tronege Hagene: ich weiz hie bi nähen
‘ir edeln ritter halt,
einen brunnen kalt
(daz ir niht enzürnet)
dä sul wir hine gän.’
der rät wart manigem degene 970 Sifrit den recken
113
ze grozen sorgen getän.
twanc des durstes not.
den tisch er deste ziter
rucken dan gebot.
er wolde für die berge
zuo dem brunnen gän.
do was der rät mit meine
von den recken getän.
971 Diu tier hiez man üf wägenen
füeren in daz lant,
diu dä hete verhouwen
diu Sifrides hant.
man jah im grozer eren
swer iz ie gesach.
Hagene sine triuwe
vil sere an Sifriden brach.
! 972 Do si wolden dannen
zuo der linden breit,
do sprach von Tronege Hagene: daz niht gevolgen künne swenne er wolde gähen.
hey wolde er uns daz sehen län!’
! 973 Do sprach von Niderlande
der küene Sifrit:
‘daz muget ir wol versuochen, ze wette zuo dem brunnen. dem sol man jehen danne,
weit ir mir loufen mit so daz ist getän, den man sihet gewunnen hän.’
' 974 ‘Nu welle ouch wirz versuochen’, do sprach der snelle Sifrit:
‘mir ist des vil geseit
dem Kriemhilde man,
sprach Hagene der
‘so wil ich mich legen
für di iwern füeze
nider an daz gras.’
dö er daz gehörte,
wi lieb ez Gunthere was!
975 Do sprach der degen küene: allez min gewsete
[degen.
‘noch wil ich iu mere sagen,
wil ich mit mir tragen,
den ger zuo dem Schilde den kodier zuo dem swerte 976 Do zugen si diu kleider in zwein wizen hemden
und al min pirsgewant.’ vil schier’ er umbe gebant. von dem Übe dan. sach man si beide stän.
114
Nibelungenlied: Text
sam zwei wildiu pantel
si liefen durch den kle.
do sach man bi dem brunnen
den küenen Sifriden e.
977 Den pris an allen dingen
truoc er vor manigem man.
daz swert daz lost’ er schiere, den starken ger er leinte
den kocher leit’ er dan,
an der linden ast.
bi des brunnen vluzze
stuont der herliche gast,
978 Die Sifrides tugende
wären harte groz.
den schilt er leite nider
aldä der brunne vloz.
swie harte so in durste,
der heit doch nine träne
e daz der künic getrunke;
des sagt’ er im vil boesen danc.
979 Der brunne der was küele, Günther sich do neigete
luter unde guot. nider zuo der fluot.
als er het’ getrunken,
do riht’ er sih von dan.
alsam het ouch gerne
der küene Sifrit getan.
980 Do engalt er siner zühte.
den bogen unt daz swert,
daz truoc allez Hagene
von im dannewert.
do sprang er hin widere
da er den ger da vant.
er sach nach einem bilde
an des küenen gewant.
981 Da der herre Sifrit
ob dem brunnen träne,
er schoz in durch daz kriuze,
daz von der wunden spranc
daz bluot im von dem herzen so groze missewende
ein heit nu nimmer mer begät.
982 Den ger im gein dem herzen also grimmeclichen
stecken er do lie.
ze flühten Hagen nie
gelief noch in der werlde
vor deheinem man.
do sich der herre Sifrit
der starken wunden versan,
983 Der herre tobelichen
von dem brunnen spranc.
im ragete von dem herzen
ein gerstange lanc.
der fürste wände vinden so müese wesen Hagene 984 Do der sere wunde
vaste an die Hagenen wät.
bogen oder swert: nach smem dienste gewert.
des swertes niht envant,
done het et er niht mere
wan des Schildes rant.
er zuhten von dem brunnen, done künde im niht entrinnen
do lief er Hagenen an. des künic Guntheres man.
985 Swie wunt er was zem tode, so krefteclich er sluoc, daz uz dem Schilde drsete genuoc
16. Äventiure
des edelen gesteines;
der schilt vil gar zerbrast.
sich hete gerne errochen
der vil herliche gast.
986 Do was gestrüchet Hagene von des slages krefte
vor siner hant zetal.
der wert vil lüt’ erhal.
het er daz swert enhende,
so wasr’ ez Hagenen tot.
so sere zürnt’ der wunde;
des gie im w^rlichen not.
987 Erblichen was sin varwe: sines libes Sterke
er’n künde niht gestern
diu muose gar zergen,
wand’ er des todes Zeichen sit wart er beweinet
in liehter varwe truoc.
von schcenen vrouwen genuoc.
988 Do viel in die bluomen
der Kriemhilde man.
daz bluot von siner wunden do begonde er schelten die üf in geraten
115
sach man vil vaste gän.
(des gie im groziu not)
heten den ungetriuwen tot.
989 Do sprach der verchwunde:
cjä ir vil boesen zagen,
waz helfent miniu dienest, ich was iu ie getriuwe:
daz ir mich habet erslagen? des ich engolten hän.
ir habt an iuwern mägen
leider übele getan.
990 Die sint da von bescholten, her nach disen ziten. gerochen al ze sere
ir habet iuwern zorn an dem libe min.
mit laster ir gescheiden
sult von guoten recken sin.’
991 Die ritter alle liefen ez was ir genuogen
swaz ir wirt geborn
da er erslagen lac. ein vreudeloser tac.
die iht triuwe heten,
von den wart er gekleit,
daz het wol verdienet
der ritter küen’ unt gemeit.
992 Der künic von Burgonden
klagte sinen tot.
do sprach der verchwunde:
‘daz ist äne not,
daz der nach schaden weinet, der dienet michel schelten:
der in da hat getan, ez wxre bezzer verlän.’
993 Do sprach der grimme Hagene: ez hat nu allez ende wir vinden ir vil wenic,
die türren uns bestän.
wol mich deich siner herschaft 994 ‘Ir muget iuch lihte riiemen’, ‘het ich an iu erkennet
‘jane weiz ich waz ir kleit.
unser sorge unt unser leit. hän ze rate getan.’ sprach do Sifrit.
den mortlichen sit,
116
Nibelungenlied: Text
ich hete wol behalten
vor iu minen lip.
mich riuwet niht so sere
so vrou Kriemhilt min wip.
995 Nu müeze got erbarmen
daz ich ie gewan den sun,
dem man daz itewizen
sol näh den ziten tuon,
daz sine mäge iemen
mortliche hän erslagen.
möht’ ich’, so sprach Sifrit, 996 Do sprach jxmerliehe ‘weit ir, künic edele,
triuwen iht begän
in der werlt an iemen, üf iuwer genäde
‘daz sold’ ich billiche klagen.’
der verchwunde man: lät iu bevolhen sin
di holden triutinne min.
997 Und lät si des geniezen,
daz si iuwer swester si.
durch aller fürsten tugende
wont ir mit triuwen bi.
mir müezen warten lange
min vater und mine man.
ez enwart nie vrouwen leider 998 Die bluomen allenthalben do rang er mit dem tode. want des todes wäfen
unlange tet er daz, ie ze sere sneit.
do mohte reden niht mere 999 Do die herren sähen
der recke küen’ unt gemeit.
daz der heit was tot,
si leiten in üf einen schilt, und wurden des ze räte, daz man ez verhxle,
der was von golde rot, wie daz sold’ ergän
daz ez hete Hagene getän.
1000 Do sprachen ir genuoge: ir sult ez heln alle
an liebem vriunde getän.’ von bluote wurden naz.
‘uns ist übel geschehen,
unt sult geliche jehen,
da er rite jagen eine,
der Kriemhilde man,
in slüegen schächaere,
dä er füere durch den tan.’
1001 Do sprach von Tronege Hagene: ‘ich bring’in in daz mir ist vil unmaere, und wirt ez ir bekant, [lant. diu so hat betrüebet den Prünhilde muot. ez ahtet mich vil ringe,
swaz si weinens getuot.’
17. Äventiure Wie Sifrit beklaget und begraben wart 1002 Do erbiten si der nahte
und fuoren über Rin.
17. Äventiure
von helden künde nimmer
wirs gejaget sin.
ein tier daz si sluogen, ja muosen sin engelten
daz weinten edliu kint.
(1003 Von grozer übermüete
muget ir hoeren sagen,
vil guote wigande sint.
und von eislicher rache.
do hiez Hagene tragen von Nibelunge lant
Sifrit also toten für eine kemenäten,
da man Kriemhilde vant.
1004 Er hiez in tougenlichen
legen an die tür,
daz si in da solde vinden hin zer mettine
so si gienge darfür
e daz ez wurde tac,
der diu vrouwe Kriemhilt
vil selten deheine verlac.
"1005 Man lute da zem münster
nach gewoneheit.
vrou Kriemhilt diu schcene ein lieht bat si ir bringen
und ouch ir gewant.
do kom ein kamersere
da er Sifriden vant.
r 1006 Er sah in bluotes roten,
sin wät was elliu naz.
daz ez sin herre wsere, hin zer kemenäten
niene wesse er daz. daz lieht truog an der hant,
von dem vil leider mxre (1007 Do si mit ir vrouwen
diu vrouwe Kriemhilt ervant. zem münster wolde gän,
do sprach der kamersere:
cjä sult ir stille stän!
ez lit vor disem gademe
ein ritter tot erslagen.’
do begonde Kriemhilt '1008 £ daz si reht’ erfunde
vil harte unmsezliche klagen, daz iz wxre ir man,
an die Hagenen vräge
denken si began,
wie er in solde vristen; von ir was allen vreuden (1009 Do seic si zuo der erden, die schoenen vreudelosen Kriemhilde jämer
wahte manige meit.
do wart ir erste leit. mit sinem tode widerseit. daz si niht ensprach. ligen man do sach.
wart ummäzen groz.
do erschre si nach unkrefte (1010 Do sprach daz gesinde: daz bluot ir üz dem munde do sprach si: ‘ez ist Sifrit, ez hät geräten Prünhilt, (1011 Diu vrouwe hiez sich wisen
daz al diu kemenäte erdoz. ‘waz ob ez ist ein gast?’ von herzen jämer brast. der min vil lieber man: daz ez hät Hagene getän.’ dä si den heit vant.
117
Nibelungenlied: Text
118
si huop sin schoene houbet
mit ir vil wizen hant.
swie rot ez was von bluote, do lac vil jamnerliche
si het in schiere erkant.
der heit von Nibelunge lant.
1012 Do rief vil trürecliche
diu küneginne milt:
‘owe mich mines leides!
nu ist dir din schilt
mit swerten niht verhouwen; wesse ich wer iz het getan, 1013 Allez ir gesinde
du list ermorderot. ich riet’ im immer sinen tot.’
klagete unde schre
mit ir lieben vrouwen,
wände in was harte we
umb’ ir vil edeln herren,
den si da heten verlorn.
do het gerochen Hagene
harte Prünhilde zorn.
1014 Do sprach diu jämerhafte:
‘ir kameraere sult hin gän
und wecket harte balde
die Sifrides man.
ir sult ouch Sigemunde
minen jämer sagen,
ob er mir helfen welle
den küenen Sifriden klagen.’
1015 Do lief ein bote balde die Sifrides helde
da er si ligen vant, von Nibelunge lant.
mit den vil leiden mieren
ir vreude er in benam.
sine woltenz niht gelouben 1016 Der bote kom ouch schiere Sigemunt der herre,
unz man daz weinen vernam. da der künic lac,
der släfes niht enpflac.
ich warne sin herze im sagte
daz im was geschehen:
er’n möhte sinen lieben sun
nimmer lebendec gesehen.
1017 ‘Wachet, herre Sigemunt.
mich bat nach iu gän
Kriemhilt min vrouwe.
der ist ein leit getan,
daz ir vor allen leiden
an ir herze gät,
daz sult ir klagen helfen, 1018 Üf rihte sich do Sigemunt; der schoenen Kriemhilde,
wand’ ez iuch sere bestät.’ er sprach: ‘waz sint diu leit diu du mir hast geseit?’
der bote sprach mit weinen:
‘ine kan iu niht verdagen:
ja ist von Niderlande der küene Sifrit erslagen.’ 1019 Do sprach der herre Sigemunt: ‘lät iwer schimpfen sin und also bcesiu maere
durch den willen min,
daz ir ez saget iemen,
daz er si erslagen.
wand’ ine kund’ in nimmer 1020
Welt ir mir niht gelouben
vor minem tode verklagen.’ daz ir mich hoeret sagen,
17. Äventiure
so muget ir selbe hoeren unt allez ir gesinde
Kriemhilde klagen
den Sifrides tot.’
vil sere erschrac dö Sigemunt,
des gie im wasrliche not.
1021 Mit hundert sinen mannen
er von dem bette spranc.
si zuhten zuo den handen
diu scharpfen wäfen lanc,
si liefen zuo dem wuofe
vil jämerliche dan.
dö körnen tüsent recken,
des küenen Sifrides man.
CI022 Dö si so jxmerliche
die vrouwen hörten klagen,
dö wänden sumeliche,
si solden kleider tragen,
jane mohten si der sinne
vor leide niht gehaben.
in wart vil michel swsere
in ir herzen begraben.
C1023 Dö kom der künec Sigemunt er sprach: ‘owe der reise
da er Kriemhilde vant. her in ditze lant.
wer hat mich mines kindes bi also guoten friunden
und iuch des iwern man sus mortlich ane getan?’
1024 ‘Hey sold’ ich den bekennen’,
sprach daz vil edel wip,
‘holt wurde im nimmer
min herze unt ouch min lip.
ich geriete im also leide
daz di friunde sin
von den minen schulden 11025 Sigemunt der herre
müesen weinende sin.’ den fürsten umbeslöz.
dö wart von sinen vriunden
der jämer also gröz,
daz von dem starken wuofe
palas unde sal
und ouch di stat ze Wormze
von ir weinen erschal.
(1026 Done künde niemen getroesten man zöch üz den kleidern man wuosch im sine wunden dö was sinen liuten
daz Sifrides wip.
den sinen schoenen lip. unt leit’ in uf den re.
von grözem jämer starke we.
(1027 Dö sprächen sine recken
von Nibelunge lant:
‘in sol immer rechen
mit willen unser hant.
er ist in dirre bürge,
der iz hät getän.’
dö ilten näch den wäfen >1028 Die üz erwelten degene
mit Schilden körnen dar,
einlef hundert recken; Sigemunt der herre.
alle Sifrides man. die het’ an siner schar
sines sunes tot
den wold’ er gerne rechen. 1029 Sine wessen wen si solden
des gie im wazrlichen not. mit strite dö bestän.
119
120
Nibelungenlied: Text
sine tagten ez danne
Günther und sine man,
mit den der herre Sifrit
an daz gejeide reit.
Kriemhilt sach si gewäfent,
daz was ir grcezliche leit.
1030 Swie michel wasr’ ir jamer dö vorhte si harte
und swie starc ir not,
der Nibelunge tot
von ir bruoder mannen, si warnt’ si güetliche
daz si ez understuont. so vriunde liebe vriunde tuont.
1031 Do sprach diu jämers ridie: wes weit ir beginnen?
‘min herre Sigemunt,
iu ist niht rehte kunt:
ja hat der künic Günther
so manigen küenen man.
ir weit iuch alle vliesen, 1032 Mit üf erburten Schilden diu edel küneginne
sult ir die recken bestän.’ in was ze strite not.
bat und ouch gebot
daz siz miden solden,
die recken vil gemeit.
do siz niht läzen wolden, 1033 Si sprach: ‘herre Sigemunt, unz ez sich baz gefüege: immer mit iu rechen.
daz was ir waerlichen leit. ir sult iz läzen stan so wil ich minen man
der mir in hat benomen,
wird’ ich des bewiset, 1034 Ez ist der übermüeten
ich sol im schädeliche komen. hie bi Rine vil,
da von ich iu des strites
raten niht enwil.
si habent wider einen
ie wol drizec man.
nu läz’ in got gelingen als si umb’ uns gedienet hän. 1035 Ir sult hie beliben, unt dolt mit mir diu leit; als iz tagen beginne, ir helde vil gemeit, so helfet mir besarken
den minen lieben man.’
do sprächen die degene: ‘daz sol werden getän.’ 1036 Iu enkunde niemen daz wunder volsagen von rittern unt von vrouwen, so daz man des wuofes
wie man die hörte klagen,
wart in der stat gewar.
die edelen burgsre die körnen gähende dar. 1037 Si klageten mit den gesten, want in was harte leit. die Sifrides schulde
in niemen het geseit,
durch waz der edel recke
verlür den sinen lip.
do weinten mit den vrouwen 1038 Smide hiez man gähen,
der guoten burgsere wip.
wurken einen sarc
17. Äventiure
121
von silber und von golde,
vil michel unde starc.
man hiez in vaste spengen
mit stahel, der was guot.
do was allen liuten
harte trürec der muot.
1 1039 Diu naht was zergangen:
man sagte, ez wolde tagen,
do hiez diu edel vrouwe
zuo dem münster tragen
Sifriden den herren,
ir vil lieben man.
swaz er da vriunde hete,
die sach man weinende gän.
1040 Do si in zem münster brähten, do hört’ man allenthalben
vil der gloken klanc.
vil maniges pfaffen sanc.
do kom der künic Günther
mit den sinen man
und ouch der grimme Hagene 11041 Er sprach: ‘vil liebiu swester, daz wir niht künden äne
zuo dem wuofe gegän. owe der leide din,
des grozen schaden sin.
wir müezen klagen immer
den Sifrides lip.’
‘daz tuot ir äne schulde’,
sprach daz jämerhafte wip.
1 1042 ‘Wser’ iu dar umbe leide,
so’n wxr’ es niht geschehen,
ir hetet min vergezzen,
des mag ich nu wol jehen,
da ich da wart gescheiden
und min lieber man.
daz wolde got’, sprach Kriemhilt, 11043 Si buten vaste ir lougen.
Kriemhilt begonde jehen:
‘swelher si unschuldic,
der läze daz gesehen;
der sol zuo der bare
vor den liuten gen.
da bi mac man die wärheit
harte schiere versten.’
: 1044 Daz ist ein michel wunder;
vil dicke ez noch geschiht:
swä man den mortmeilen
bi dem toten siht,
so bluotent im die wunden, da von man die schulde
als ouch da geschach. da ze Hagene gesach.
: 1045 Die wunden vluzzen sere die e dä sere klageten,
alsam si täten e. des wart nu michel me.
do sprach der künic Günther: in sluogen schächcere,
die Sifrides degene
‘ich wilz iuch wizzen län.
Hagene hät es niht getän.’
1046 ‘Mir sint die schächxre’, nu läze ez got errechen Günther unt Hagene,
[getan.’
‘wser’ iz mir selber
sprach si, ‘vil wol bekant. noch siner vriunde hant. jä habet ir iz getän.’
heten do gen strite wän.
1047 Do sprach aber Kriemhilt:
‘nu tragt mit mir die not.’
122
Nibelungenlied: Text
dö körnen dise beide
da si in funden tot,
Gernot ir bruoder
und Giselher daz kint.
in triuwen si in klageten
mit den anderen sint.
1048 Si weinten inneclichen
den Kriemhilde man.
man solde messe singen.
zuo dem münster dan
giengen allenthalben
wip man unt kint.
die sin doch liht’ enbären, 1049 Gernot und Giselher
die weinten Sifriden sint.
di sprächen:‘swester min,
nu troeste dich nach töde,
als iz doch muoz sin.
wir wellen dichs ergetzen
die wile wir geleben.’
done künde ir tröst deheinen 1050 Sin sarc der was bereitet
zer werlde niemen gegeben.
wol umb mitten tac.
man huop in von der bare
da er üfe lac.
ine wolde noch diu frouwe des muosen al die liute
läzen niht begraben, michel arbeite haben.
1051 In einen riehen pfellel
man den toten want.
ich warne man da iemen
äne weinen vant.
do klagete herzenliche
Uote, ein edel wip,
und allez ir gesinde
den sinen wxtlichen lip.
1052 Do man daz gehörte,
daz man zem münster sanc,
unt man in gesarket hete,
dö huop sich gröz gedranc:
durch willen siner sele
waz opfers man dö truoc!
er hete bi den vinden
doch guoter vriunde genuoc.
1053 Kriemhilt diu arme
zir kameraeren sprach:
‘si suln durch mine liebe
liden ungemach,
die im iht guotes günnen
und mir wesen holt,
durch Sifrides sele
sol man teilen sin golt.’
1054 Dehein kint was da so kleine daz muose gen zem Opfer. baz danne hundert messe
daz iht witze mohte haben, e er wurde begraben,
man da des tages sanc.
von Sifrides vriunden
wart da grözer gedranc.
1055 Dö man da hete gesungen,
daz volc huop sich von dan.
dö sprach diu vroüwe Kriemhilt: hinte mich bewachen ez ist an sinem libe 1056 Dri tage und dri nahte
‘ir’n sult niht eine län
den üz erwelten degen. al min vreude gelegen. wil ich in läzen stän,
17. Äventiure
unz ich mich geniete
mines vil lieben man.
waz ob daz got gebiutet, so wsere wol verendet
daz mich ouch nimt der tot? min armer Kriemhilde not.’
1 1057 Zen herbergen giengen
die liute von der stat. si beliben bat
pfaffen unde münche und allez sin gesinde,
daz ez des heldes pflac.
si heten naht vil arge
unt vil müelichen tac.
1 1058 Äne ezzen und ane trinken
beleip da manic man.
di ez da nemen wolden,
den wart daz kunt getan,
daz mans in den vollen gxbe: do was den Nibelungen 1 1059 Die drie tagezite,
so wir hceren sagen, daz si muosen tragen
waz man in opfers truoc!
die vil arme wären,
die wurden riche genuoc.
1060 Swaz man vant der armen
di es niht mohten hän,
di hiez man doch zem opfer üz sin selbes kameren. umb sine sele
daz schuof her Sigemunt.
vil michel arbeite kunt.
die da künden singen, vil der arbeite.
123
mit dem golde gän
do er niht solde leben,
wart manic tüsent marc gegeben.
I 1061 Urbor üf der erden
teilte si in diu lant,
swä so man diu kloster silbers und wsete
und guote liute vant.
gap man den armen genuoc.
si tet dem wol geliche
daz s’im holden willen truoc.
1062 An dem dritten morgen
ze der rehten messezit
so was bi dem münster von den lantliuten
der kirchof also wit weinens also vol.
si dienten im nach tode
also man lieben vriunden sol.
1063 In den tagen vieren,
man hat gesaget daz,
ze drizec tüsent marken, wart durch sine sele
oder dannoch baz,
den armen da gegeben.
do was gelegen ringe
sin groziu schoene und ouch sin
1064 Do got da wart gedienet mit ungefüegem leide
daz man vol gesanc,
vil des Volkes ranc.
man hiez in üz dem münster die sin ungern’ enbären, 1065 Vil lüte sehnende
[leben.
zuo dem grabe tragen. die sah man weinen unde klagen.
daz liut gie mit im dan.
124
Nibelungenlied: Text
vro enwas da niemen,
weder wip noch man.
e daz man in begrüebe,
man sanc unde las.
hey waz guoter pfaffen
ze siner bifilde was!
1066 £ daz zem grabe koeme
daz Sifrides wip,
do ranc mit solhem jämer
ir getriuwer lip,
daz man si mit dem brunnen
vil dicke da vergoz.
ez was ir ungemüete vil harte unrmezlichen groz. 1067 Ez was ein michel wunder daz si ie genas, mit klage ir helfende
mamc vrouwe was.
do sprach diu küneginne:
‘ir Sifrides man,
ir sult durch iuwer triuwe
an mir genäde begän.
1068 Lat mir nach mtnem leide
daz kleine liep geschehen,
daz ich sin schoene houbet
noch eines müeze sehen.’ mit jämers sinnen starc,
do bat si’s also lange
daz man zebrechen muose 1069 Do brahte man die vrouwen si huop sin schoene houbet do kustes’ also toten
da si in ligen vant. mit ir vil wizen hant;
den edeln ritter guot.
diu ir vil liehten ougen
vor leide weineten bluot.
1070 Ein jämerlichez scheiden
wart do da getan.
do truoc man si von dannen; do vant man sinnelose
sine künde niht gegän.
daz herliche wip.
vor leide möht’ ersterben
der ir vil wünneclicher lip.
1071 Do man den edelen herren leit äne mäze
do den herlichen sarc.
hete nu begraben,
sah man die alle haben,
die mit im körnen wären vil selten vroelichen
von Nibelunge lant.
man do Sigemunden vant.
1072 Do was der etelicher, vor dem grozem leide doch mohten si dem übe si nerten sich nach sorgen,
der drier tage lanc niht äz noch entranc. so gar geswichen niht: so noch genuogen geschiht.
18. Äventiure
125
18. Äventiure Wie Sigemunt wider heim ze lande fuor 1073 Der sweher Kriemhilde
gie da er si vant.
er sprach zer küneginne:
‘wir suln in unser lant.
wir warn’ unmsere geste
bi dem Rine sin.
Kriemhilt, vil liebiu vrouwe, 1074 Sit daz uns untriuwe
nu vart ir zuo den landen
äne hat getan
hie in disen landen
des sult ir niht engelten:
ich wil iu wxge sin
durch mines suns liebe,
des sult ir äne zwivel sin.
M075 Ir sult oudi haben, vrouwe, den iu e tete künde
allen den gewalt,
Sifrit der degen balt.
daz lant und ouch diu kröne, iu suln gerne dienen
daz si iu undertän.
alle Sifrides man.’
1 1076 Do sagete man den knehten,
si solden riten dan.
do wart ein michel gähen bi ir starken vienden
nach rossen getan, was in ze wesen leit.
den vrouwen und den megeden 1 1077 Do der künic Sigemunt
hiez man suochen diu
wolde sin geriten,
do begonden Kriemhilt daz si bi ir muoter
[mm.
des iuwern edeln man,
[kleit.
ir mäge biten
solde da bestän.
do sprach diu vrouwe here: 1 1078 Wi möhte ich den mit ougen von dem mir armem wibe du solt durch dine triuwe
und betrüebet den muot,
der bedarftu niht ze dienste. vor leide mües’ ich sterben, du solt bi dinem bruoder ja wil ich dich ergetzen dö sprach diu gotes arme: 1081 Do ez ir der junge Giselher
‘vil liebiu swester min, hie bi diner muoter sin.
i 1079 Di dir da habent beswseret
1080 ‘Des tuon ich dir ze rate,
immer an gesehen, so leide ist geschehen?’
do sprach der junge Giselher:
si sprach zuo dem recken:
‘daz künde niemer ergän.
nu zer mm eines guot. ‘jane mag es niht geschehen. swenne ich Hagenen müese vil liebiu swester min.
[sehen.’
Giselhere sin. dines mannes tot.’ ‘des w^re Kriemhilde not.’ so güetlich erbot,
126
Nibelungenlied: Text
do begonde vlegen
Uote und Gernot
und ir getriuwe mäge.
si baten si da bestän.
si hete lützel künnes
under Sifrides man.
1082 ‘Si sint iu alle vremde’,
so sprach Gernot.
‘ez enlebet so starker niemen
erne müeze ligen tot.
daz bedenkt, liebiu swester,
und troestet iwern muot.
belibet bi den vriunden;
daz wirt iu wxrlichen guot.’
1083 Si lobte Giselheren,
si wolde da bestän.
diu ross gezogen wären als si wolden riten
den Sigemundes man,
zer Nibelunge lant.
do was ouch uf gesoumet
al der recken gewant.
1084 Do gie der herre Sigemunt
zuo Kriemhilde stän.
er sprach zuo der vrouwen:
‘die Sifrides man
iu wartent bi den rossen. wand’ ich vil ungerne
nu sul wir riten hin, bi den Burgonden bin.’
1085 Do sprach diu vrouwe Kriemhilt: swaz ich hän der getriuwen, ich habe niemen mäge
do erz an Kriemhilde ervant.
1086 Do sprach der künic Sigemunt: vor allen minen mägen
‘daz lät iu niemen sagen,
sult ir di kröne tragen
als ir e habt getän.
ir ensult des niht engelten,
daz wir den heit verloren hän.
1087 Und vart ouch mit uns widere daz ensult ir niht, vrouwe, swenne iuwer sun gewahset, die wile sol iu dienen
durch iuwer kindelin. weise läzen sin. der troestet iu den muot.
manic heit küene unde guot.’
1088 Si sprach:‘herre Sigemunt,
jane mac ich riten niht.
ich muoz hie beliben,
swaz halt mir geschiht,
bi den minen mägen,
die mir helfen klagen.’
do begonden disiu mxre 1089 Si sprächen al geliche:
den guoten recken missehagen. ‘so möhten wir wol jehen
daz uns aller erste
wsere leit geschehen,
woldet ir beliben
bi unsern vinden hie,
so geriten hovereise 1090 Tr sult äne sorge
[min,
in Nibelunge lant.’
vil leit waz iz Sigemunde,
also gewaltecliche
‘mir rätent vriunde
ich sül hie bi in sin.
noch helde sorclicher nie.’ got bevolhen varn.
18. Äventiure
man git iu guot geleite
(ich heiz’ iuch wol bewarn)
zuo Sigemundes lande.
min liebez kindelin
daz sol uf genade iu recken wol bevolhen sin.’ 1091 Do si wol vernämen daz si niht wolde dan, do weinten al geliche die Sigemundes man. wie rehte jämerliche
schiet do Sigemunt
von vroun Kriemhilde!
do was im ungemüete kunt.
1092 ‘So we der hohgezite’,
sprach do der künec her.
‘ez geschiht von kurzewile künige noch sinen mägen
hin für nimmer mer daz uns ist geschehen,
man sol uns nimmer mere
hie zen Burgonden sehen.’ di Sifrides man:
1 1093 Do sprächen offenliche ‘ez möhte noch diu reise
in diz lant ergän,
so wir den reht’ erfunden,
der uns den herren sluoc.
si habent von sinen mägen 1094 Er kuste Kriemhilden. do si beliben wolde
und er daz reht’ ersach:
‘nu riten vreuden äne alle mine sorge
starker viende genuoc.’ wi jämerlichen er sprach,
heim in unser lant.
sint mir erste nu bekant.’
1 1095 Si riten än’ geleite
von Wormez an den Rin.
si mohten wol des muotes ob si in vientschefte
vil sicherlichen sin,
würden an gerant,
daz sich weren wolde
der küenen Nibelunge hant.
1 1096 Sine gerten urloubes
dä ze keinem man.
do sah man Gernoten
und Giselheren gän
zuo zim minneclichen.
in was sin schade leit.
des brähten in wol innen 1097 Do sprach gezogenlichen
die helde küene und gemeit. der fürste Gernot:
‘got weiz daz wol von himele, gewan ich nie di schulde, wer im hie vient wasre.
ich sol in billiche klagen.’
1 1098 Do gab in guot geleite er brähte sorgende
Giselher daz kint. üz dem lande sint
den künic mit sinen recken wie lützel man der mäge i 1099 Wie si nu gefüeren,
an Sifrides tot
daz ich daz horte sagen,
heim ze Niderlant. dar inne vrcelichen vant!
des kan ich niht gesagen.
127
128
Nibelungenlied: Text
man hörte hie z’allen ziten Kriemhilde klagen, daz ir niemen tröste daz herze unt ouch den muot, ez entxte Giselher, der was getriuwe unde guot. 1100 Prünhilt diu schoene mit übermüete saz. swaz geweinte Kriemhilt, unmsere was ir daz. sine wart ir guoter triuwe nimmer me bereit. sit getet ouch ir vrou Kriemhilt diu vil herzenlichen leit.
19. Äventiure Wie der Nibelunge hört ze Wormez braht wart
1101 Do diu edel Kriemhilt also verwitwet wart, bi ir ime lande der grave Eckewart beleip mit sinen mannen, der diente ir zallen tagen, der half ouch siner vrouwen sinen herren dicke klagen. 1102 Ze Wormez bi dem münster ein gezimber man ir slöz, wit und vil michel, rieh unde gröz, da si mit ir gesinde sit äne vreude saz. si was zer kirchen gerne und tet vil güetlichen daz. 1103 Da man begruob ir vriedel, wi selten si daz lie, mit trürigem muote si alle zit dar gie. si bat got den guoten siner sele pflegen. vil dicke wart beweinet mit grözen triuwen der degen. 1104 Uote und ir gesinde si trösten zaller stunt. dö was ir daz herze so groezliche wunt: ez künde niht vervähen, swaz man ir tröstes böt. si hete nach liebem vriunde die aller groezisten not, 1105 Die nach liebem manne ie mer wip gewan. man moht’ ir michel tugende kiesen wol dar an. si klagete unz an ir ende die wile werte ir lip. sit rach sich wol mit eilen des küenen Sifrides wip. 1106 Sus saz si nach ir leide, daz ist alwär, nach ir mannes töde wol vierdehalbez jär, daz si ze Günther nie dehein wort gesprach unt ouch ir vient Hagenen in der zite nie gesach.
19. Äventiure
1107 Do sprach der heit von Tronege: daz ir iuwer swester
129
‘möht ir daz tragen an,
ze vriunde möhtet hän,
so koeme ze disen landen
daz Nibelunges golt.
des möht ir vil gewinnen, würd’ uns diu küneginne holt.’ 1108 Er sprach: ‘wir sulnz versuochen. mine bruoder sint ir bi. die sul wir’z biten werben, ob wir ir an gewinnen,
daz si unser vriunt si, daz si daz gerne sehe.’
‘ine trüwes niht’, sprach Hagene, ‘daz daz immer 1109 Do hiez er Ortwinen hin ze hove gän [geschehe.’ unt den marcgräven Geren.
dö daz was getan,
man braht’ ouch Gernöten si versuochtenz vriuntliche
und Giselher daz kint. an vroun Kriemhilde sint.
1110 Dö sprach von Burgonden
der küene Gernöt:
‘vrouwe, ir klaget ze lange
den Sifrides tot.
iu wil der künic rihten
daz er sin niht hat erslagen.
man hcert iuch zallen ziten
so rehte grcezlichen klagen.’
1111 Si sprach:‘des zihet in niemen: wä man in verhouwen solde, wie moht’ ich des getrüwen, ich hete wol behüetet’,
daz er im trüege haz?
sprach diu küneginne, ‘daz.
11112 Daz ich niht vermeldet hete
sinen schoenen lip!
so lieze ich nu min weinen,
ich vil armez wip.
holt wird’ ich in nimmer,
die ez da hant getan.’
do begonde vlehen Giselher, 1113 ‘Ich wil den künic grüezen’, mit sinen besten vriunden döne torste Hagene
in sluoc diu Hagenen hant. do er daz an mir ervant,
der vil wastliche man. dö si im des verjach, man in vor ir sach.
für si niht gegän.
wol wesse er sine schulde, 1114 Dö si verkiesen wolde ob er si küssen solde,
er het ir leide getan. üf Günthern den haz,
ez zseme im dester baz.
waere ir von sinem rate
leide niht getan,
so möht’ er vrevellichen
wol zuo Kriemhilde gän.
1115 Ez enwart nie suone
mit so vil trähen me
gefüeget under vriunden. si verkös üf si alle
ir tet ir schade we.
wan üf den einen man.
in het erslagen niemen,
het ez Hagene niht getan.
Nibelungenlied: Text
130
1116 Dar nach vil unlange
do truogen si daz an,
daz diu vrouwe Kriemhilt
den grozen hört gewan
von Nibelunges lande
und fuort’ in an den Rin.
er was ir morgengäbe,
er solt’ ir billiche sin.
1117 Dar nach fuor do Giselher ahzec hundert mannen
unde Gernot. Kriemhilt do gebot
daz si in holen solden
da er verborgen lac,
da sin der degen Albrich
mit sinen besten vriunden pflac.
1118 Do man di von dem Rine Albrich der vil küene
nach dem schätze komen sach, zuo sinen vriunden sprach:
‘wir turren ir des hordes
vor gehaben niht,
sit sin ze morgengäbe
diu edel küneginne giht.
1119 Doch wurdez nimmer’,
sprach Albrich, ‘getan,
niwan daz wir übele mit samt Sifride
dä verlorn hän die guoten tarnhüt,
want die truoc alle zite 1120 Nu ist ez Sifride
der schoenen Kriemhilde trüt.
leider übel komen,
daz uns die tarnkappen
het der heit benomen
unt daz im muose dienen do gie der kamerxre
allez ditze lant.’
da er di slüzzele vant.
1121 Ez stuonden vor dem berge
die Kriemhilde man,
und ouch ein teil ir mäge. tragen zuo dem sewe
den schaz den hiez man dan an diu schiffeiin.
den fuort’ man üf den ünden
unz ze berge an den Rin.
1122 Nu muget ir von dem horde
wunder hceren sagen:
swaz zwelf kanzwägene
meiste mohten tragen
in vier tagen und nahten
von dem berge dan.
ouch muose ir ietslicher
des tages dristunde gän.
1123 Ez enwas niht anders
wan gesteine unde golt.
unt ob man al die werlde sin w^re niht minner jane het es ane schulde
het dä von versolt, einer marke wert. niht gar Hagene gegert.
1124 Der wünsch der lac darunder, der daz het erkunnet,
von golde ein rüetelin.
der möhte meister sin
wol in aller werlde
über ietslichen man.
der Albriches mäge
kom vil mit Gernote dan.
19. Äventiure
11125 Do si den hört behielten
in Guntheres lant
und sich es diu küneginne kamer unde turne
131
alles underwant,
sin wurden vol getragen,
man gehörte nie daz wunder
von guote mere gesagen.
11126 Und wxre sin tusent stunde
und solt der herre Sifrit
noch alse vil gewesen, gesunder sin gewesen,
bi im wasre Kriemhilt
hendebloz bestän.
getriuwer wibes künne 11127 Do si den hört nu hete, vil unkunder recken.
ein heit nie mere gewan. do brähtes’ in daz lant ja gap der vrouwen hant,
daz man so grozer milte
mere nie gesach.
si pflac vil guoter tugende,
des man der küneginne jach.
1.128 Den armen unt den riehen
daz da reite Hagene,
begonde si nu geben
ob si solde leben
noch deheine wile,
daz si so manigen man
in ir dienst gewunne daz ez in leide mües’ ergän. .129 Do sprach der künec Günther: ‘ir ist lip und guot. zwiu sol ich daz wenden,
swaz si da mit getuot?
ja erwarp ich daz vil küme,
daz si mir wart so holt,
nu enruochen war si teile ir silber und ir golt.’ .130 Hagene sprach ze dem künige: ‘ez solde ein frumer man deheinem einem wibe
niht des hordes län.
si bringet ez mit gäbe
noch unz üf den tac
dä’z vil wol geriuwen die küenen Burgonden mac.’ 131 Do sprach der künic Günther: ‘ich swuor ir einen eit daz ich ir getxte
nimmer mere leit,
und wil es fürbaz hüeten:
si ist diu swester mm.’
do sprach aber Hagene: ‘lät mich den schuldigen sin.’ 132 Ir sumellcher eide wären umbehuot. do nämen si der witwen Hagene sich der slüzzel
daz kreftige guot. aller underwant.
daz zurnde ir bruoder Gernot, 133 Do sprach der herre Giselher: vil leides miner swester; wser’ er niht mm mäc, iteniuwez weinen
do er daz rehte bevant. ‘Hagen hät getan
ich sold’ iz understän. ez gienge im an den lip.’
tet do Sifrides wip.
132
Nibelungenlied: Text
‘e daz wir immer sin 1134 Do sprach der herre Gernot: gemüet mit dem golde, wir soldenz in den Rin allez heizen senken,
daz ez nimmer wurde man.’
si gie vil klegeliche
für ir bruoder Giselheren stän.
1135 Si sprach: ‘vil lieber bruoder, beidiu libes unde guotes
du solt gedenken min.
soltu min voget sin.’
do sprach er zuo der vrouwen: als wir nu komen widere;
‘daz sol sin getan,
wir haben ritennes wän.’
1136 Der künic und sine mäge
rümten do daz lant,
die aller besten darunder,
die man inder vant,
niwan Hagene aleine,
der beleip da durch haz,
den er truoc Kriemhilde,
unt tet vil willecliche daz.
1137 £ daz der künic riche
wider wxre komen,
die wile hete Hagene
den schaz vil gar genomen.
er sanct’ in da ze Loche
allen in den Rin.
er wand’ er sold’ in niezen:
des enkunde niht gesin.
1138 Die fürsten komen widere,
mit in vil manic man.
Kriemhilt ir schaden grozen
klagen do began
mit meiden unt mit vrouwen: gerne wxr’ ir Giselher 1139 Do sprächen si gemeine:
‘er hat übele getan.’
er entweich der fürsten zorne unz er gewan ir hulde;
nimmer viender gewesen.
1140 £ daz von Tronege Hagene do heten siz gevestent
den schaz also verbarc,
mit eiden also starc,
daz er verholn wxre
unz ir einer möhte leben.
sit enkunden sis in selben 1141 Mit iteniuwen leiden
noch ander niemen gegeben. beswxret was ir muot,
umb ir mannes ende,
unt do si ir daz guot done gestuont ir klage
des libes nimmer mere 1142 Nach Sifrides tode,
unz an ir jungesten tage. daz ist alwär,
si wonte in manigem sere daz si des recken todes si was im getriuwe,
also lange dan
si liezen in genesen.
done künde im Kriemhilt
also gar genämen.
in was harte leit.
aller triuwen bereit.
driuzehen jär, vergezzen künde niht.
des ir diu meiste menige giht.
20. Äventiure
133
20. Äventiure Wie kiinec Etzel ze Burgonden nach Kriemhilde sande 1143 Daz was in einen ziten
do vrou Helche erstarp,
unt daz der künic Etzel
umb ein ander vrouwen warp.
do rieten sine vriunde
in der Burgonden lant
zeiner stolzen witewen,
diu was vrou Kriemhilt genant,
1144 Sit daz erstorben wazre
der schoenen Helchen lip,
si sprächen: ‘weit ir immer
gewinnen edel wip,
die hoehsten unt die besten
die künic ie gewan,
so nemt die selben vrouwen;
der starke Sifrit was ir
1145 Do sprach der künic riche: sit ich bin ein heiden
‘wi möhte daz ergän,
so ist diu vrouwe kristen:
da von so lobt sis niht.
ez müese sin ein wunder,
ob ez immer geschiht.’
1146 Do sprächen aber die snellen:
‘waz ob siz lihte tuot
durch iuwern namen den hohen so sol manz doch versuochen ir muget vil gerne minnen
und iuwer michel guot? an daz vil edel wip.
den ir vil wactlichen lip.’
1147 Do sprach der künic edele: under iu bi Rine
[man.’
und des toufes niht enhän?
‘wem ist nu bekant
die liute und ouch daz lant?’
do sprach von Bechelären
der guote Rüedeger:
‘ich hän erkant von kinde
die edelen küneginne her.
1148 Günther und Gernöt,
die edeln ritter guot,
der dritte heizet Giselher: swaz er der besten eren ouch hänt ir alten mäge 1149 Do sprach aber Etzel: ob si in minem lande
ir ietslicher tuot und tugende mac begän. noch her daz selbe getän.’ ‘vriunt, du solt mir sagen,
kröne solde tragen.
als mir ist geseit, und ist ir lip so schoene den minen besten vriunden sold’ ez nimmer werden leit.’ 1150 ‘Si gelichet sich wol mit schoene Helchen der vil riehen. in dirre werlde schcener den si lobt ze vriunde,
der lieben vrouwen mm,
jane künde niht gesin deheines küniges wip. der mac wol troesten sinen lip.’
1151 Er sprach: ‘so wirb ez, Rüedeger,
als liep als ich dir si.
Nibelungenlied: Text
134
und sol ich Kriemhilde des wil ich dir Ionen
immer geligen bi, so ich aller beste kan,
so hästu minen willen
so rehte verre getan,
1152 Üzer miner kameren
so heiz’ ich dir geben
daz du unt dine gesellen
vroeliche muget leben,
von rossen und von ldeidern des heize ich iu bereiten
allez daz du wil.
zuo der botschefte vil.’
1153 Des antwurte Rüedeger,
der marcgrave rieh:
‘gerte ich dines guotes
daz waere unlobelich.
ich wil din bote gerne
wesen an den Rin
mit min selbes guote, daz ich hän von der hende din.’ 1154 Do sprach der künic riche: ‘nu wenne weit ir varn nach der minneclichen? der reise an allen eren,
got sol iuch bewarn unt ouch die vrouwen min.
des helfe mir gelücke, daz si uns genasdic müeze sin.’ 1155 Do sprach aber Rüedeger: ‘e wir rümen daz lant, wir müezen e bereiten also daz wir’s ere
wäfen unt gewant,
vor fürsten mügen hän.
ich wil ze Rine füeren fünf hundert wattlicher man. 1156 Swä man zen Burgonden mich unt die mine sehe, daz ir ietslicher
danne dir des jehe,
daz nie künic deheiner
also manigen man
so verre baz gesande danne du ze Rine hast getan. 1157 Und ob duz, künic riche, niht wil dar umb län: si was ir edelen minne
Sifride undertan,
dem Sigemundes kinde,
den hästu hie gesehen.
man moht’ im maniger eren 1158 Do sprach der künic Etzel: so was wol also tiure
mit rehter wärheite jehen.’ ‘was si des recken wip,
des edelen fürsten lip,
daz ich niht versmähen
die küneginne sol.
durch ir grozen schoene so gevellet si mir wol.’ 1159 Do sprach der maregräve: ‘so wil ich iu daz sagen, daz wir uns heben hinnen in vier unt zweinzec tagen, ich enbiute iz Gotelinde, der lieben vrouwen min, daz ich näch Kriemhilde 1160 Hin ze Bechelären
selbe bote welle sin.’ sande Rüedeger.
20. Äventiure
do wart diu marcgrävinne er enbot ir daz er solde si gedähte minnecliche
trürec unde her. dem künige werben wip. an der schoenen Helchen lip.
11161 Do diu marcgrävinne ein teil was ir leide,
die botschaft vernam, weinens si gezam,
ob si gewinnen solde
vrouwen alsam e.
so si gedäht’ an Helchen,
daz tet ir innecliche we.
l 1162 Rüedeger von Ungern
in siben tagen reit. vrö unt gemeit.
des was der künic Etzel da zer stat ze Wiene
bereite man in wät.
done moht’ er siner reise 1163 Da ze Bechelären
135
do niht langer haben rat.
im warte Gotelint.
diu junge marcgrävinne, sah ir vater gerne
daz Rüedegeres kint,
und die sine man.
do wart ein liebez biten
von schoenen kinden getan.
' 1164 E daz der edel Rüedeger
ze Bechelären reit
üz der stat ze Wiene, rehte volleclichen
do wären in ir kleit üf den soumen körnen,
die fuoren in der mäze
daz in wart wenic iht genomen.
11165 Do si ze Bechelären
körnen in die stat,
die sinen reisgesellen
herbergen bat
der wirt vil minnecliche Gotelint diu riche,
unt schuof in guot gemach.
den wirt si gerne komen sach.
I 1166 Alsam tet sin liebiu tohter, derne künde nimmer
diu junge marcgrävin;
sin komen lieber sin.
die helde üz Hiunen landen, mit lachendem muote
wie gerne si si sach!
diu edele juncvrouwe sprach:
1167 ‘Nu si uns gröze willekomen do wart ein schosne danken der jungen marcgrävinne vil wol wesse Gotelint 1168 Do si des nahtes nähen
min vater und sine man.’ mit vlize dä getän von manigem ritter guot.
des herren Rüedegeres muot. bi Rüedegere lac,
wie güetliche vrägen
diu marcgrävinne pflac,
war in gesendet hete
der künic von Hiunen lant.
er sprach: ‘min vrouwe Gotelint, 1169 Dä sol ich minem herren
ich tuon dirz gerne
werben ein ander wip,
[bekant.
136
Nibelungenlied: Text
sit daz ist verdorben
der schcenen Helchen lip.
ich wil nach Kriemhilde
riten an den Rin.
diu sol hie zen Hiunen
gewaltec küneginne sin.’
1170 ‘Daz wolde got’, sprach Gotelint, sit daz wir ir hceren
‘und möhte daz
so maniger eren jehen,
si ergazt’ uns miner vrouwen ouch möhten wir si gerne
zen Hiunen kröne lazen
1171 Do sprach der marcgräve:
‘triutinne min,
die mit mir sulen riten
hinnen an den Rin,
den sult ir minnecliche
bieten iuwer guot.
so helde varent riche, ine gebe ir ietslichem
der iz gerne von mir nimt,
swaz im wol gezimt,
e daz ir hinnen scheidet
und ouch iuwer man.’
do sprach der marcgrave:
‘daz ist mir liebe getan.’
1173 Hey waz man richer pfellel
von ir kamer truoc!
der wart den edelen recken
ze teile do genuoc,
von hals’ unz üf den sporn.
die im dar zuo gevielen,
die het im Rüedeger erkorn.
1174 An dem sibenden morgen
von Bechelären reit
der wirt mit sinen recken. fuorten si den vollen
wäfen unde kleit
durch der Beier lant.
si wurden üf der sträzen 1175 Inner tagen zwelfen
durch rouben selten an gerant. si körnen an den Rin.
done künden disiu maere
niht verholn sin.
man sagetez dem künige
und ouch sinen man,
da koemen vremde geste.
der wirt do vrägen began,
1176 Ob iemen si bekande, man sah ir soumsere
daz manz im solde sagen, so rehte swxre tragen.
daz si vil riche wären,
daz wart da wol bekant.
man schuof in herberge 1177 Do die vil unkunden
[tragen.’
so sint si hohe gemuot.’
1172 Si sprach: ‘ez ist deheiner,
erfüllet vlizeclichen
[geschehen!
lihte in alten tagen,
in der witen stat zehant. wären in bekomen,
do wart der selben herren si wunderte wannen füeren
vaste war genomen. die recken an den Rin.
der wirt näch Hagene sande, 1178 Do sprach der heit von Tronege:
ob si im kündec möhten sin. ‘i’n hän ir niht gesehen.
20. Äventiure
als wir si nu geschouwen, von swannen si riten
137
ich kan iu wol verjehen, her in ditze lant.
si sulen sin vil vremde, ine hab’ si schiere bekam:.’ 1 1179 Den gesten herberge wären nu genomen. in vil richiu kleider
was der bote komen
und sine hergesellen.
ze hove si do riten;
si fuorten guotiu kleider
vil harte spashe gesniten.
1 1180 Do sprach der snelle Hagene: wände ich den herren lange si varent wol dem geliche von hiunischen landen
sam ez si Rüedeger, der degen küene unde her.’
1 1181 ‘Wie sol ich daz gelouben’,
sprach der künic zehant,
‘daz der von Bechelären
koeme in ditz lant?’
als der künic Günther Hagene der küene
die rede vol gesprach, den guoten Rüedegeren sach.
11182 Er unt sine vriunde
liefen alle dan.
do sach man von den rossen do wurden wol enpfangen boten nie getruogen
fünf hundert ritter stän. die von Hiunen lant.
also herlich gewant.
i 1183 Do sprach harte lute
von Tronege Hagene:
‘nu sin gote willekomen
dise degene,
der voget von Bechelären
unt alle sine man.’
der antpfanc wart mit eren
den snellen Hiunen getän.
[1184 Des küniges nadisten mäge Ortwm von Metze
die giengen dä man sach
ze Rüedegeren sprach:
‘wir haben in aller wile geste hie so gerne,
‘als ich mich kan verstän, niht gesehen hän,
mere nie gesehen
des wil ich wserliche jehen.’
1185 Des gruozes si do dancten mit den hergesinden
den recken über al.
si giengen in den sal,
dä si den künic funden
bi manigem küenen man.
der herre stuont von sedele. 1186 Wie rehte zühteclichen Günther und Gernot
daz was durch groze zuht
er zuo den boten gie! vil vlizeclich enpfie
den gast mit sinen mannen, den guoten Rüedegeren 1187 Er bräht’ in zuo dem sedele
als im wol gezam. er bi der hende genam. dä er selbe saz.
[getän.
Nibelungenlied: Text
138
den gesten hiez man schenken met den vil guoten
unt den besten win,
den man künde vinden 1188 Giselher und Gere,
in dem lande al umb den Rin. die wären beide komen,
Dancwart und Volker, umb dise geste,
(vil gerne tet man daz)
die heten ouch vernomen
si wären vro gemuot.
si enpfiengen vor dem künige
die ritter edel unde guot.
1189 Do sprach ze sinem herren
von Tronege Hagene:
‘ez solden immer dienen
dise degene
daz uns der marcgräve
ze liebe hät getän:
des solde Ion enpfähen
der schoenen Gotelinde man.’
1190 Do sprach der künic Günther: wie sich gehaben beide, Etzel und Helche
‘ine kan daz niht
daz sult ir mir sagen,
üzer Hiunen lant.’
do sprach der marcgräve:
‘ich tuon iz iu gerne bekant.’
1191 Do stuont er von dem sedele er sprach zuo dem künige:
mit allen sinen man. ‘und mac daz sin getän,
daz ir mir, fürste, erloubet,
sone wil ich niht verdagen
diu mxre diu ich bringe
sol ich iu willeclichen sagen.’
1192 Er sprach: ‘swaz man uns mxre di erloub’ ich iu ze sagene ir sult si läzen hoeren wand’ ich iu aller eren getriuwelichen dienest
äne vriunde rät. hie ze werbenne gan.’
sin volc ist äne freude, Helche di vil riche,
‘iu enbiutet an den Rin
der groze voget min,
dar zuo allen vriunden, ouch ist disiu botschaft 1194 Iu bat der künic edele
bi iu enboten hät,
mich unt mlne man,
1193 Do sprach der bote biderbe:
die ir müget hän. mit grozen triuwen getän. klagen sine not. min vrouwe diu ist tot, mines herren wip,
an der nu ist verweiset
vil maniger juncvrouwen lip,
1195 Kint der edeln fürsten, dä von iz ime lande
[verdagen
diu si gezogen hät, vil jämerliche stät.
di’n hänt nu leider niemen,
der ir mit triuwen pflege,
des wxn’ ouch sich vil seine
des küniges sorge gelege.’
1196 ‘Nu Ion’ im got’, sprach Günther,
‘daz er den dienest sin
20. Äventiure
so willeclich enbiutet
139
mir unt den vriunden min.
den sinen gruoz ich gerne
hie vernomen hän.
daz sulen gerne dienen beide mäge und mine man.’ 1197 Do sprach von Burgonden der recke Gernot: ‘die werlt mag immer riuwen
der schoenen Helchen tot,
durch ir vil manige tugende,
der si da künde pflegen.’
der rede gestuont im Hagene, 1198 Do sprach aber Rüedeger,
dar zuo vil manic ander der edel bote her:
‘sit ir mir, künic, erloubet,
[degen.
ich sol iu sagen mer her enboten hat,
waz iu min lieber herre sit im sin dinc nach Helchen 1199 Man sagt’ minem herren,
so rehte kumberlichen stät. Kriemhilt si äne man,
her Sifrit si erstorben.
und ist daz so getan,
weit ir ir des gunnen,
so sol si kröne tragen
vor Etzelen recken,
daz hiez ir min herre sagen.’
1200 Do sprach der künic riche
(wol gezogen was sin muot):
‘si hoeret minen willen,
ob siz gerne tuot.
den wil ich iu künden
in disen drien tagen.
e ich ez an ir erfunde,
zwiu sold’ ich Etzeln versagen?’
1201 Die wile man den gesten
hiez schaffen guot gemach,
in wart da so gedienet,
daz Rüedeger des jach,
daz er da friunde hete
under Guntheres man.
Hagene im diente gerne;
er hete im e alsam getan,
1202 Alsus beleip do Rüedeger
unz an den dritten tac.
der künic nach rate sande ob ez sine mäge
(vil wislich er pflac)
dühte guot getan,
daz Kriemhilt nemen solde 1 1203 Si rietenz al gemeine, der sprach ze Günther ‘habt ir rehte sinne,
den künic Etzeln ze man.
niwan Hagene, dem küenen degene: so wirt ez wol behuot,
ob sis ouch volgen wolde,
daz irz nimmer getuot.’
1 1204 ‘War umbe’, sprach do Günther, swaz der küneginne
‘sold’ ichs volgen niht?
liebes geschiht,
des sol ich ir wol gunnen:
si ist diu swester min.
wir soltenz selbe werben,
ob ez ir ere möhte sin.’
I 1205 Do sprach aber Hagene:
‘nu lät die rede stän.
140
Nibelungenlied: Text
het ir Etzeln künde,
als ich sin künde hän:
sol si in danne minnen, so ist iu aller erste
als ich iuch hoere jehen,
von schulden sorgen geschehen.’
1206 ‘War umbe?’ sprach do Günther. daz ich im kome so nähen von im dulden müese,
‘ich behüete vil wol daz,
daz ich deheinen haz und wurde si sin wip.’
do sprach aber Hagene:
‘ez gerxtet nimmer min lip.’
1207 Man hiez nach Gernoten ob die herren beide
und Giselheren gän,
dühte guot getan
daz Kriemhilt solde minnen
den riehen künic her.
noch widerreitez Hagene
unde ander nieman mer.
1208 Do sprach von Burgonden
Giselher der degen:
‘nu muget ir, vriunt Hagene, ergetzet si der leide
noch der triuwen pflegen.
und ir ir habet getan.
an swiu ir wol gelunge,
daz soldet ir ungevehet län.
1209 Ja habet ir miner swester
getan so manegiu leit’,
so sprach aber Giselher,
der recke vil gemeit,
‘daz si des hete schulde,
ob si iu wxre gram.
nie man deheiner vrouwen 1210 ‘Daz ich da wol bekenne, sol si nemen Etzel,
noch mere freuden benam.’ daz tuon ich iu kunt.
gelebt si an die stunt,
si getuot uns noch vil leide, ja wirt ir dienende
swie siz getraget an.
vil manic wxtlicher man.’
1211 Des antwurte Hagenen ‘ez mag also beliben
der küene Gernot: unz an ir beider tot,
daz wir geriten nimmer
in Etzelen lant.
wir suln ir sin getriuwe,
daz ist zen eren uns gewant.’
1212 Do sprach aber Hagene:
‘mir mac niemen widersagen,
und sol diu edele Kriemhilt si getuot uns leide,
Helchen kröne tragen,
swie si gefüege daz.
ir sult iz län beliben,
daz zimt iu recken michel baz.’
1213 Mit zorne sprach do Giselher, ‘wir suln doch niht alle swaz eren ir geschehe, swaz ir geredet, Hagene, 1214 Do daz gehörte Hagene,
der schcenen Uoten sun:
meinlichen tuon. vro solten wir des sin. ich dien’ ir durch die triuwe do wart er ungemuot.
[min.’
20. Äventiure
141
Gernot und Giselher,
die stolzen ritter guot,
und Günther der nche
ze jungest reiten daz,
ob ez lobete Kriemhilt,
si woltenz lazen äne haz.
1215 Do sprach der fürste Gere: daz si ir den künic Etzel
‘ich wilz der vrouwen sagen, läze wol behagen,
dem ist so manic recke
mit vorhten undertän.
er mac si wol ergetzen
swaz si leides ie gewan.’
1216 Do gie der snelle recke
da er Kriemhilde sach.
si enpfie in güetliche:
wie balde er do sprach!
‘ir muget mich gerne grüezen iuch wil gelücke scheiden
vil schiere üz aller iwer not.
1217 Ez hat durch iuwer minne, ein der aller beste,
vrouwe, her gesant
der ie küneges lant
gewan mit vollen eren
oder kröne solde tragen.
ez werbent ritter edele:
daz hiez iu iuwer bruoder sagen.’
1218 Do sprach diu jämers riche: und allen minen vriunden, an mir armer heben. der ie herzeliebe
und geben botenbrot.
‘iu sol verbieten got daz si deheinen spot
waz sold’ ich einem man, von guotem wibe gewan?’
1219 Si widerreit’ ez sere.
do komen aber sint
Gernot ir bruoder
unt Giselher daz kint,
di bäten minnecliche
troesten si ir muot.
ob si den künic genannte, 1220 Überwinden künde
ez wasr’ ir wserlichen guot.
niemen do daz wip,
daz si minnen wolde
deheines mannes lip.
do bäten si die degene:
‘nu läzet doch geschehen,
ob ir anders niht getuot,
daz ir den boten ruochet sehen.’
1221 ‘Daz enwil ich niht versprechen’, ‘ich ensehe gerne
den Rüedegeres lip
durch sine manige tugende. swerz ander boten wsere, zuo miner kemenäten.
wxr’ er niht her gesant, dem wzer’ ich immer umbekant.’
1222 Si sprach:‘ir sult in morgen
heizen her gän
ich wil in hoeren län
vil gar den minen willen ir wart eriteniuwet
sprach daz vil edel wlp,
sol ich im selbe sagen.’
daz ir vil grcezlichez klagen.
1223 Do gert’ ouch niht anders
der edel Rüedeger
142
Nibelungenlied: Text
wan daz er gesashe
die küneginne her.
er weste sich so wisen,
ob ez immer sold’ ergän,
daz si sich den recken
überreden müese län.
1224 Des andern morgens vruo,
do man die messe sanc,
die edeln boten körnen die mit Rüedegere
(do wart da groz gedranc) ze hove wolten gän.
des sah man da gekleidet 1225 Kriemhilt diu here
vil manigen herlichen man.
und vil trürec gemuot,
si warte Rüedegere,
dem edeln boten guot.
der vant si in der w^te, da bi truoc ir gesinde 1226 Si gienc im engegene
die si alle tage truoc, richer kleider genuoc. zuo der tür dan,
und enpfie vil güetliche niwan selbe zwelfter
den Etzelen man. er dar in zuo ir gie.
man bot im grozen dienest; 1227 Man hiez den herren sitzen die zwene marcgräven Eckewart und Gere,
unde sine man.
die sach man vor ir stän, die edeln recken guot.
durch die hüsvrouwen 1228 Si sähen vor ir sitzen
in körnen hoher boten nie.
si sähen niemen wol gemuot. vil manic schoene wip.
do pflac niwan jämers
der Kriemhilde lip.
ir wät was vor den brüsten
der heizen trähen naz.
der edel marcgräve wol sah an Kriemhilde daz. 1229 Do sprach der bote here: ‘vil edeles küniges kint, mir unt minen gesellen, sult ir daz erlouben,
die mit mir körnen sint, daz wir vor iu stän
und iu sagen diu maere, war näch wir her geriten hän.’ 1230 ‘Nu si iu erloubet’, sprach diu künegin. ‘swaz ir reden wellet,
also stät min sin,
daz ich ez gerne hoere; die andern do wol horten 1231 Do sprach von Bechelären
ir sit ein bote guot.’ ir unwilligen muot. der fürste Rüedeger:
‘mit triuwen groze liebe hät iu enboten, vrouwe,
Etzel ein künic her
er hät näh iuwer minne
vil guote recken her gesant.
1232 Er enbiutet iu minnecliche
her in ditze lant. minne äne leit.
20. Äventiure
steter vriuntschefte
143
der si er iu bereit,
als er e tet vroun Helchen, ja hat er nach ir tugenden
diu im ze herzen lac. vil dicke unvrcelichen tac.’
1233 Do sprach diu küneginne:
‘marcgräve Rüedeger,
wser’ iemen der bekande
miniu scharpfen ser,
der baete mich niht triuten
noch deheinen man.
ja verlos ich ein den besten, den ie vrouwe gewan.’ 1234 cWaz mac ergetzen leides’,, sprach der vil küene man, ‘wan friuntliche liebe, swer die kan begän, unt der dan einen kiuset
der im ze rehte kumt? niht so groezlichen frumt.
vor herzenlicher leide
1235 Und geruochet ir ze minnen zwelf vil ncher kröne
den edeln herren min,
sult ir gewaltec sin.
dar zuo git iu mm herre
wol drizec fürsten lant,
diu elliu hat betwungen sin vil ellenthaftiu hant. 1236 Ir sult ouch werden vrouwe über manigen werden man, die miner vrouwen Helchen wären undertän, und über manige vrouwen,
der si het gewalt,
von hoher fürsten künne’,
sprach der küene degen balt.
1237 ‘Dar zuo git iu min herre, ob ir geruochet kröne
daz heizet er iu sagen,
bi dem künige tragen,
gewalt den aller hoehsten,
den Helche ie gewan,
den sult ir gewalteclichen
haben vor Etzelen man.’
1238 Do sprach diu küneginne: immer des gelüsten,
‘wie möhte mmen lip
daz ich wurde heldes wip?
mir hat der tot an einem
so rehte leit getan,
des ich unz an mm ende
muoz unvrceliche stän.’
1239 Do sprächen aber die Hiunen: iwer leben wirt bi Etzel daz ez iuch immer wunnet, want der künic riche 1240 Helchen junevrouwen solten di bi ein ander dä bi möhten recken lät ez iu, vrouwe, räten: 1241 Si sprach in ir zühten:
‘küneginne rieh,
so rehte lobelich, ist daz ez ergät,
vil manigen zieren degen hät. unt iwer magedm, ein gesinde sin, werden wol gemuot. ez wirt iu wserlichen guot.’ ‘nu lät die rede stän
144
Nibelungenlied: Text
unze morgen vruo,
so sult ir her gän.
ich wil iu antwurten
des ir da habet muot.’
des muosen do gevolgen
die recken küen’ unde guot.
1242 Do si zen herbergen
alle komen dan,
do hiez diu edel vrouwe
nach Giselheren gän,
und ouch nach ir muoter.
den beden sagt’ si daz,
daz si gezasme weinen
und niht anderes baz.
1243 Do sprach ir bruoder Giselher: und wilz ouch wol gelouben,
‘swester, mir ist geseit, daz elliu diniu leit
der künic Etzel swende,
und nimstu in z’einem man.
swaz ander lernen rate,
so dunket ez mich guot getan.’
1244 ‘Er mac dich wol ergetzen’,
sprach aber Giselher.
‘vorne Roten zuo dem Rine, so ist künec deheiner
von der Elbe unz an daz
so gewaltec niht.
du mäht dich vreun balde, 1245 Si sprach: ‘vil lieber bruoder, klagen unde weinen
[mer,
so er dm ze konen giht.’ zwiu rxtestu mir daz?
mir immer zxme baz.
wie sold’ ich vor recken
da ze hove gän?
wart min lip ie schoene,
des bin ich äne getän.’
1246 Do sprach diu vrouwe Uote ‘swaz dine bruoder räten, volge dinen friunden,
ir lieben tohter zuo: liebez kint, daz tuo.
so mac dir wol geschehen,
ich hän dich doh so lange mit grozem jämer gesehen.’ 1247 Do bat si got vil dicke fliegen ir den rät, daz si ze gebene hete sam e bi ir manne,
golt silber unde wät, do er noch was gesunt.
si gelebte doch nimmer mere sit so vrceliche stunt. 1248 Si gedähte in ir sinne: ‘und sol ich minen lip geben einem heiden
(ich bin ein kristen wip),
des muoz ich zer werlde gxb’ er mir elliu riche, 1249 Dä mit siz lie beliben. diu vrouwe an ir bette
immer schände hän. ez ist von mir vil ungetän.’ die naht unz an den tac mit vil gedanken lac.
diu ir vil liehten ougen
getruckenten nie, unz daz si aber den morgen hin ze mettine gie.
1250 Ze rehter messezite
die kümge wären komen.
20. Äventiure
si heten aber ir swester
under hende genomen.
ja rieten si ir ze minnen
den künic von Hiunen lant.
die vrouwen ir deheiner lützel vroeliche vant. 1251 Do hiez man dar gewinnen die Etzelen man, die nu mit urloube
gerne wasren dan,
geworben oder gescheiden,
swie ez do möhte sin.
ze hove kom do Rüedeger. die helde reiten under in, 1252 Daz man reht’ erfüere des edeln fürsten muot, und tasten daz bezite, ir wege wasren verre
daz diuhtes’ alle guot. wider in ir lant.
man brähte Rüedegeren
da er Kriemhilde vant.
1253 Vil minnecliche bitten
der recke do began
die edeln küneginne,
si solde in hoeren lan
waz si enbieten wolde
in Etzelen lant.
er wasn’ an ir niht anders niwan lougenen vant, 1254 Daz si nimmer minnen wolde mer deheinen man. do sprach der marcgräve:
cdaz wasre missetän.
zwiu woldet ir verderben
einen also schoenen lip?
ir muget noch mit eren 1255 Niht half daz si gebaten,
werden guotes mannes wip.’ unz daz Rüedeger
gesprach in heimliche er wolde si ergetzen
die küneginne her, swaz ir ie geschach.
ein teil begonde ir senften
do ir vil grozer ungemach.
1256 Er sprach zer küneginne:
‘lät iuwer weinen sin.
ob ir zen Hiunen hetet
niemen danne min,
getriuwer miner mäge,
und ouch der miner man,
er müeses ser’ engelten,
unt het iu iemen iht getan.’
1257 Da von wart wol geringet si sprach: ‘so swert mir eide, daz ir sit der nashste,
do der vrouwen muot. swaz mir iemen getuot,
der büeze miniu leit.’ ‘des bin ich, vrouwe, bereit.’
do sprach der marcgräve:
swuor ir do Rüedeger
1258 Mit allen sinen mannen mit triuwen immer dienen, ir nimmer niht versageten des si ere haben solde, 1259 Do gedähte diu getriuwe:
unt daz die recken her üz Etzelen lant,
des sichert’ ir Rüedegeres hant. ‘sit ich vriunde hän
145
146
Nibelungenlied: Text
also vil gewunnen,
so sol ich reden län
die liute swaz si wellen,
ich jämerhaftez wip.
waz ob noch wirt errochen
des minen lieben mannes lip?’
1260 Si gedähte: ‘sit daz Etzel sol ich den gebieten,
der recken hat so vil,
so tuon ich swaz ich wil.
er ist ouch wol so riche,
daz ich ze gebene hän.
mich hat der leide Hagene
mines guotes äne getan.’
1261 Si sprach ze Rüedegere:
‘het ich daz vernomen,
daz er niht wxre ein heiden, swar er hete willen,
so wold’ ich gerne komen
und ntem’ in z’einem man.’
do sprach der marcgräve:
‘die rede sult ir, vrouwe, län.
1262 Er hat so vil der recken
in kristenlicher e,
daz iu bi dem künige
nimmer wirdet we.
waz ob ir daz verdienet,
daz er toufet sinen lip?
des muget ir gerne werden
des künic Etzelen wip.’
1263 Do sprächen aber ir bruoder: iuwer ungemiiete
‘nu lobt iz, swester min.
daz sult ir läzen sin.’
si bätens also lange
unz doch ir trürec lip
lobte vor den heiden, si würde Etzelen wip. 1264 Si sprach: ‘ich wil iu volgen, ich armiu künegin, daz ich var zuo den Hiunen,
so daz nu mac gesin,
swenne ich hän die vriunde,
die mich füeren in sin lant.’
des bot do vor den heiden
diu schoene Kriemhilt ir hant.
1265 Do sprach der marcgräve:
‘habt ir zwene man,
dar zuo hän ich ir mere.
ez wirdet wol getän
daz wir iuch wol näch eren
bringen über Rin.
ir sult niht, vrouwe, langer 1266 Ich hän fünf hundert manne die suln iu hie dienen,
hie zen Burgonden sin. und ouch der mäge min,
unt dä heime sin,
vrouwe, swi ir gebietet.
ich tuon iu selbe alsam,
swenne ir mich mant der maere, daz ich michs nimmer 1267 Nu heizet iu bereiten iuwer pfertkleit! [gescham. die Rüedegeres rsete
iu nimmer werdent leit;
und saget ez iuwern magedin, jä kumt uns üf der sträze 1268 Si heten noch gesmide
die ir dä füeren weit,
vil manic üz erwelter heit.’ daz man dä vor reit
20. Äventiure
bi Sifrides ziten,
147
daz si vil manige meit
mit eren mohte füeren,
swenne si wolde dan.
hey waz man guoter sätele den schämen vrouwen gewan! 1269 Ob si e ie getruogen deheiniu richiu kleit, der wart zuo zir verte vil manigez nu bereit, wand’ in von dem künige si sluzzen üf die kisten,
so vil gesaget wart, die e stuonden wol bespart.
1270 Si wären vil unmüezec
wol fünftehalben tac,
si suochten uz der valden
des vil dar inne lac.
Kriemhilt do ir kamere
entsliezen began.
si wolde machen riche
alle Rüedegeres man.
1271 Si hete noch des goldes
von Nibelunge lant
(si wand’ ez zen Hiunen
teilen solde ir hant),
daz ez wol hundert moere
ninder künden tragen,
diu nmere horte Hagene
do von Kriemhilde sagen. 1272 Er sprach: ‘sit mir vrou Kriemhilt nimmer wirdet holt, so muoz ouch hie beliben
daz Sifrides golt.
zwiu sold’ ich minen fienden
län so michel guot?
ich weiz vil wol waz Kriemhilt 1273 Ob si in brazhte hinnen,
mit disem schätze getuot.
ich wil gelouben daz,
er wurde doch zerteilet
üf den minen haz.
si’n habent ouch niht der rosse, in wil behalten Hagene,
daz sol man Kriemhilde sagen.’
1274 Do si gehörte diu mxre,
do was ir grimme leit.
ez wart ouch den künegen
allen drin geseit.
si woltenz gerne wenden; Rüedeger der edele 2275 ‘Richiu küneginne,
di in solden tragen,
do des niht geschach,
harte vroeliche sprach: zwiu klagt ir daz golt?
iu ist der künic Etzel
so groezlichen holt,
gesehent iuch siniu ougen,
er git iu also vil
daz irz verswendet nimmer, 1276 Do sprach diu küneginne:
des ich iu, vrouwe, sweren ‘vil edel Rüedeger,
ez gewan küniges tohter
nie richeite mer
danne der mich Hagene
äne hat getan.’
do kom ir bruoder Gernöt
[wil.’
hin zir kameren gegän.
1277 Mit gewalt des küniges den slüzzel
stiez er an die tür.
148
Nibelungenlied: Text
golt daz Kriemhilde
reichte man darfür,
ze drizec tüsent marken
oder dannoch baz.
er hiez iz nemen di geste;
liep was Gunthere daz.
der Gotelinde man: 1278 Do sprach von Bechelären ‘ob ez min vrouwe Kriemhilt allez möhte hän, swaz sin ie wart gefüeret
von Nibelunge lant, min oder der küneginne hant.
sin solde lützel rüeren
wand’ ich sin niht enwil.
1279 Nu heizet ez behalten, ja fuort’ ich von lande
des minen also vil
daz wirs üf der sträze
haben guoten rät
und unser koste hinnen
harte herlichen stät.’
1280 Da vor in aller wile
gefüllet zwelf schnn
des aller besten goldes, heten di ir mägede.
daz inder mohte sin daz fuorte man von dan,
und gezierde vil der vrouwen,
daz si zer verte solden hän.
1281 Gewalt des grimmen Hagenen si het ir opfergoldes
duhte si ze starc.
noch wol tüsent marc.
si teiltez siner sele,
ir vil lieben man.
daz duhte Rüedegeren mit grozen triuwen getän. 1282 Do sprach diu klagende vrouwe: ‘wä sint die vriunde mm, die durch mine liebe
wellent eilende sin?
die suln mit mir riten
in der Hiunen lant.
die nemen schaz den minen 1283 Do sprach zer küneginne ‘sit daz ich aller erste
[gewant.’
und koufen ros unt ouch der marcgräve Eckewart:
iwer gesinde wart,
so hän ich iu mit triuwen
gedienet’, sprach der degen,
‘und wil unz an min ende
des selben immer bi iu pflegen.
1284 Ich wil ouch mit mir füeren der ich iu ze dienste
fünf hundert miner man,
mit rehten triuwen gan.
wir sin vil ungescheiden,
ez entuo dan der tot.’
der rede neig im Kriemhilt:
des gie ir wserliche not.
1285 Do zöch man dar die moere, da wart vil michel weinen Uote diu vil riche
si wolden varn dan. von vriunden getän.
und manic schoene meit,
die zeigeten daz in wsere 1286 Hundert richer magede
näch vroun Kriemhilde leit. fuort’ si mit ir dan,
21. Äventiure
die wurden so gekleidet
als in daz wol gezam.
do vielen in di trehene
von liehten ougen nider.
si gelebte vil der vreuden
ouch bi Etzelen sider.
2287 Do kom der herre Giselher mit ir gesinde,
149
und ouch Gernot
als in ir zuht gebot,
do wolden si beleiten
ir liebe swester dan.
do fuorten si ir recken
wol tüsent wsetlicher man.
d288 Do kom der snelle Gere
und ouch Ortwin.
Rümolt der kuchenmeister
da mite muose sin.
si schuofen die nahtselde
unz an Tuonouwe stat.
do reit niht fürbaz Günther 2289 £ si von Rine füeren,
wan ein lützel für die stat.
si heten für gesant
ir boten harte snelle
in der Hiunen lant,
die dem künige sageten
daz im Rüedeger
ze wibe het’ erworben
die edeln küneginne her.
21. Äventiure Wie Kriemhilt zuo den Hiunen fuor 2290 Die boten läzen riten: wie diu küneginne
wir suln iu tuon bekant füere durch diu lant,
oder wä von ir schieden si heten ir gedienet
Giselher und Gernot.
als in ir triuwe daz gebot.
2291 Unz an die Tuonouwe
ze Vergen si do riten.
si begonden urloubes
die küneginne biten,
wan si wider wolden
riten an den Rin.
done mohtez äne weinen 2292 Giselher der snelle
sprach zer swester sin:
‘swenne daz du, vrouwe, ob dir iht gewerre,
von guoten friunden niht gesin. bedürfen wellest min,
daz tuo du mir bekant,
so rite ich dir ze dienste 2293 Die ir mäge wären, vil minnecliche scheiden die snellen Burgonden do fuort’ diu küneginne
in daz Etzelen lant.’ kustes’ an den munt. sach man an der stunt von Rüedegeres man. vil manige meit wol getan,
Nibelungenlied: Text
150
die truogen richiu kleit 1294 Hundert unde viere, von gemälet riehen pfellen. vil der Schilde breit fuort’ man bi den vrouwen do kerte von ir dannen
nähen üf den wegen, vil manic herlicher degen.
1295 Si zogeten dannen balde
nider durch Peyer lant.
do sagte man diu masre, vil unkunder geste,
da wahren für gerant da noch ein kloster stät in die Tuonouwe gät.
unt da daz In mit fluzze 1296 In der stat ze Pazzouwe
saz ein bischof. unt ouch des fürsten hof.
die herberge wurden lxre si llten gegen den gesten
üf in Beyer lant,
da der bischof Pilgnn
die schoenen Kriemhilden vant.
1297 Den recken von dem lande do si ir volgen sähen dä trüte man mit ougen guote herberge
was do niht ze leit,
so manige schoene meit. der edeln ritter kint.
gap man den gesten sint.
1298 Der bischof mit siner nifteln do daz den burgseren
ze Pazzouwe reit,
von der stat wart geseit,
daz dar koeme Kriemhilt, diu wart wol enpfangen
des fürsten swester kint, von den koufliuten sint.
1299 Daz si beliben solden,
der bischof hetes wän.
do sprach der herre Eckewart: wir müezen varn nidere
in Rüedegeres lant.
uns wartet vil der degene 1300 Diu msere nu wol wesse si bereite sich mit vlize ir het enboten Rüedeger daz si der küneginne
‘ez ist ungetän. wan iz ist in allen wol bekant.’
diu schoene Gotelint. und ir vil edel kint. daz in daz diuhte guot, dä mite tröste den muot,
1301 Daz si ir rite engegene üf zuo der Ense.
mit den sinen man do daz wart getän,
do sah man allenthalben
die wege unmüezec sten.
si begonden gegen den gesten 1302 Nu was diu küneginne
genuoge üz Peyer lande, den roub üf der sträzen so heten si den gesten
beidiu riten unde gen.
ze Everdingen komen. solden si hän genomen näch ir gewonheit, dä getän vil lihte leit.
21. Äventiure
151
1303 Daz was wol understanden von dem marcgräven her. er fuorte tüsent ritter unde dannoch mer. do was ouch komen Gotelint, mit ir kom herliche
Rüedegeres wip;
vil maniges edeln recken lip.
1304 Do si über die Trüne komen do sah man üf gespannen da die geste solden
bi Ense üf daz velt, hütten unt gezelt,
die nahtselde hän.
diu koste was den gesten da von Rüedeger getan. 1305 Gotelint diu schoene die herberge lie hinder ir beliben.
üf den wegen gie
mit klingenden zoumen
manic pfert wol getan.
der antpfanc wart vil schoene: 1306 Die in ze beden siten die riten lobeliche:
liep was iz Rüedeger
komen üf den wegen,
[getan.
der was vil manic degen.
si pflügen ritterschefte,
daz sach vil manic meit.
ouch was der ritter dienest
niht der küneginne leit.
1307 Do zuo den gesten komen vil der trunzüne
die Rüedegeres man,
sach man ze berge gän
von der recken hende da wart wol ze prise
mit ritterlichen siten. vor den vrouwen do geriten.
1308 Daz liezen si beliben.
do gruozte manic man
vil güetliche ein ander,
do fuorten si von dan
die schoenen Gotelinden
da si Kriemhilde sach.
die vrouwen dienen künden, 1309 Der voget von Bechelären
die heten kleinen gemach. ze sinem wibe reit,
der edeln marcgrävinne
was daz niht ze leit,
daz er so wol gesunder
was von Rine komen.
ir was ein teil ir swasre
mit grozen vreuden benomen.
1310 Do si in hete enpfangen,
er hiez si üf daz gras
erbeizen mit den vrouwen, da wart vil unmüezec da wart vrouwen dienest
swaz ir da mit ir was.
manic edel man. mit grozem vlize getan.
1311 Do sach diu vrouwe Kriemhilt
mit ir gesinde:
die marcgrävinne sten
sine lie niht näher gen.
daz pfert mit dem zoume
zucken si began,
und bat sich snellecllchen
heben von dem satel dan.
152
Nibelungenlied: Text
1312 Den bischof sach man wüsen (in und Eckewarten)
süner swester kint
zuo Gotelinde sint.
da wart vil michel wichen do kuste diu eilende
an der selben stunt.
an Gotelinden munt.
1313 Do sprach vil minneclüchen
daz Rüedegeres wüp:
‘nu wol mich, liebiu vrouwe, hän in disen landen
daz ich iuwern schoenen lip
mit ougen min gesehen.
mir enkunde an disen ziten
nimmer lieber geschehen.’
1314 ‘Nu Ion’ iu got’, sprach Kriemhilt, sol ich gesunt beiüben
und Botelunges kint,
ez mag iu komen ze liebe
daz ir mich habt gesehen.’
in beiden was unkünde
daz sider muose geschehen.
1315 Mit zühten zuo z’ein ander do waren in die recken
gie vil manic meit. mit dienste vil bereit,
si säzen nach dem gruoze
nider üf den kle.
si gewunnen maniger künde
die in vil vremede wären e.
1316 Man hiez den vrouwen schenken, daz edel ingesinde
ez was wol mitter tac.
da niht lenger lac.
si riten da si funden
manige hütten breit;
da was den edeln gesten
vil michel dienest bereit.
1317 Die naht si heten ruowe die von Bechelären
unz an den morgen vruo.
bereiten sich dar zuo
wie si behalten solden
vil manigen werden gast.
wol hete gehandelt Rüedeger 1318 Diu venster an den müren diu burc ze Bechelären
die man vil gerne sach.
den hiez der wirt vil edele 1319 Diu Rüedegeres tohter dä si die küneginne
daz in da wenic iht gebrast. sah man offen stän,
diu was üf getän.
do riten dar in die geste,
schaffen guoten gemach. mit ir gesinde gie
vil minneclüch enpfie.
dä was ouch ir muoter, mit liebe wart gegrüezet 1320 Si viengen sich behänden in einen palas wüten, dä diu Tuonouwe
‘vil edeliu Gotelint.
des marcgräven wüp. vil maniger juncvrouwen lüp. unde giengen dan der was vil wol getän,
under hin vloz.
si säzen gegen dem lüfte
unde heten kurzewile groz.
21. Äventiure
1321 Wes si da mere pflasgen,
des enkan ich niht gesagen.
daz in so übele zogete,
daz horte man do klagen
die Kriemhilde recken,
wan iz was in leit.
hey waz do guoter degene
mit ir von Bechelären reit!
11322 Vil minneclichen dienest
Rüedeger in bot.
do gap diu küneginne
zwelf armbouge rot unt also guot gewant
der Gotelinde tohter
daz si niht bezzers brahte
in daz Etzelen lant.
11323 Swie ir genomen w£ere alle die si gesähen,
der Nibelunge golt, die machte si ir holt
noch mit dem kleinem guote, des wirtes ingesinde 1324 Da wider bot do ere
daz si da mohte hän.
dem wart groziu gäbe getan. diu vrouwe Gotelint
den gesten von dem Rine
so güetliche sint,
daz man der vremden si trüegen ir gesteine
harte wenic vant, oder ir vil herllch gewant.
11325 Do si enbizzen wären von der hüsvrouwen
unt daz si solden dan, wart geboten an
getriuwelicher dienest da wart vil getriutet
daz Etzelen wip. der schoenen juncvrouwen lip.
11326 Si sprach zer küneginne:
‘swenne iuch nu dunket guot,
ich weiz wol daz iz gerne
min lieber vater tuot,
daz er mich zuo ziu sendet daz si ir getriuwe waere,
unt für Bechelären körnen.
do hete diu edel künegin von Rüedegeres wibe
in der Hiunen lant.’ vil wol daz Kriemhilt ervant.
11327 Diu ross bereitet wären
urloup nu genomen und der tohter sin.
do schiet ouch sich mit gruoze 1328 Ein ander si vil selten üzer Medelicke
vil manic schoene magedin.
gesähen näch den tagen,
üf handen wart getragen
vil manic goltvaz riche, den gesten zuo der sträze: 1329 Ein wirt was dä gesezzen, der wiste si die sträze gegen Mütären
153
dar inne bräht’ man win si muosen willekomen sin. Astolt was der genant: in daz Österlant
die Tuonouwe nider.
dä wart vil wol gedienet
der riehen küneginne sider.
Nibelungenlied:
154
Text
1330 Der bischof minnecllche
von siner nifteln schiet.
daz si sich wol gehabete,
wie vast’ er ir daz riet,
unt daz si ir ere koufte
als Helche hete getan,
hey waz si grozer eren
sit da zen Hiunen gewan! man die geste dan.
1331 Zuo der Treisem brähte ir pflägen vlizecliche
die Rüedegeres man,
unze daz die Hiunen
riten über lant. vil michel ere bekant.
do wart der küneginne 1332 Bi der Treisem hete
der künic von Hiunen lant
eine burc vil riche,
diu was vil wol bekant,
geheizen Zeizenmüre:
vrou Helche saz da e
unt pflac so grozer tugende
daz wa:tlich nimmer mer
1333 Ez ent^te danne Kriemhilt,
diu also künde geben:
si mohte nach ir leide
daz liep vil wol geleben
daz ir ouch jähen ere
die Etzelen man,
der si sit grozen vollen
bi den helden gewan.
1334 Diu Etzelen herschaft
was so wit erkant,
daz man z’ allen ziten
in sinem hove vant
die küenesten recken.
von den ie wart vernomen
under kristen und under heiden: 1335 Bi im was z’ allen ziten, kristenlicher orden
[erge,
die wären mit im alle
(daz wxtlich mer erge)
[komen.
unt ouch der heiden e.
in swie getänem lebene
sich ietslicher truoc,
daz schuof des küniges milte,
daz man in allen gap genuoc.
22. Äventiure Wie Kriemhilt von Etzel enpfangen wart 1336 Si was ze Zeizenmüre
unz an den vierden tac.
diu molte üf der sträze
die wile nie gelac,
sine stübe alsam ez brünne dä riten durch Österriche 1337 Do was ouch dem künige (des im von gedanken wie herlichen Kriemhilt
allenthalben dan. des künic Etzelen man. vil rehte nu geseit,
swunden siniu leit) dä koeme durch diu lant.
22. Äventiure
der künic begonde gähen
da er di wolgetänen vant.
1 1338 Von vil maniger spräche vor Etzelen riten
sah man üf den wegen
manigen küenen degen,
von kristen und von heiden
vil manige wite schar,
da si die vrouwen funden,
si körnen herlichen dar.
1 1339 Von Riuzen und von Kriechen den Pcelän unt den Walachen ir ross diu vil guoten, swaz si site heten,
reit da vil manic man. sach man swinde gän
da sie mit kreften riten. der wart vil wenic vermiten.
11340 Von dem lande ze Kiewen
reit da vil manic degen,
unt die wilden Petschenatre. mit dem bogen schiezen die pfile si vil sere
da wart vil gepflegen
zen vögeln die da Augen,
zuo den wenden vaste zugen.
I 1341 Ein stat bi Tuonouwe
lit in Österlant,
diu ist geheizen Tulne:
da wart ir bekant
vil manic site vremede,
den si e nie gesach.
si enpßengen da genuoge,
den sit leit von ir geschach.
11342 Vor Etzeln dem künege vro und vil riche,
ein ingesinde reit,
höfsch unt gemeit,
wol vier und zweinzec fürsten daz si ir vrouwen sähen, 1343 Der herzoge Rämunc
üzer Walachen lant,
mit siben hundert mannen sam vliegende vögele
kom er für si gerant.
sah man si varn.
do kom der fürste Gibeche 11344 Hornboge der snelle
tiwer unde her.
dä von engerten si niht mer.
mit vil herlichen scharn.
wol mit tüsent man
kerte von dem künege
gegen siner vrouwen dan.
vil lute wart geschadet
näch des landes siten.
von der Hiunen mägen
wart ouch dä sere geriten.
1345 Do kom von Tenemarken
der küene Häwart, vor valsche wol bewart,
und Irinc der vil snelle, unt Irnfrit von Düringen,
ein waetlicher man.
daz sis ere muosen hän, si enpßengen Kriemhilde die fuortens in ir schar, 1346 Mit zwelf hundert mannen,, do kom der herre Blcedelin der Etzelen bruoder
mit drin tüsent dar,
üzer Hiunen lant.
155
156
Nibelungenlied: Text
der kom vil herliche
da er die küneginne vant.
1347 Do kom der künic Etzel
und ouch her Dietrich
mit allen sinen gesellen. manic ritter edele,
da was vil lobelich
biderbe unde guot.
des wart do vroun Kriemhilde 1348 Do sprach zer küneginne ‘vrouwe, iuch wil enpfähen
hie der künic her.
swen ich iuch heize küssen,
daz sol sin getan:
jane muget ir niht geliche
grüezen alle Etzelen man.’
1349 Do huop man von dem mcere Etzel der vil riche
vil wol gehoehet der muot.
der herre Rüedeger:
die küneginne her.
enbeite do niht mer.
er stuont von smem rosse man sah in vrceliche
mit manigem küenem man.
gegen Kriemhilde gän.
1350 Zwene fürsten riche,
als uns daz ist geseit,
bi der vrouwen gende
truogen ir diu kleit,
da ir der künic Etzel
hin engegen gie,
da si den fürsten edele
mit küsse güetlich enpfie.
1351 Of ruhte si ir gebende:
ir varwe wol getan
diu lüht’ ir üz dem golde.
da was vil manic man,
die jähen daz vrou Helche
niht schoener künde sin.
da bi so stuont vil nähen
des küniges bruoder Bloedelin.
1352 Den hiez si küssen Rüedeger,
der marcgräve rieh,
unt den künec Gibechen.
dä stuont ouch Dietrich,
der recken kuste zwelve
daz Etzelen wip.
do enpfie si sus mit gruoze vil maniges riters lip. 1353 Al die wlle und Etzel bi Kriemhilde stuont, do täten dä die tumben
als noch die liute tuont.
vil manigen puneiz riehen daz täten kristen helde 1354 Wie rehte ritterliche
sah man dä geriten. und ouch die heiden näch ir siten.
die Dietriches man
die schefte liezen vliegen hohe über Schilde,
mit trunzünen dan
von guoter ritter hant!
von den tiuschen gesten
wart dürkel manic Schildes rant.
1355 Da wart von schefte brechen
do wären von dem lande unt ouch des küneges geste,
vil michel doz vernomen. die recken alle körnen, vil manic edel man;
22. Äventiure
do gie der künec riche 1356 Si sähen bi in stende
157
mit vroun Kriemhilde dan. ein vil herlich gezelt.
von hütten was erfüllet
al umbe daz velt,
da si solden ruowen
nach ir arbeit.
von helden wart gewiset dar under manic schoeniu meit 1357 Mit der küneginne da si sit gesaz uf riche stuolgewxte.
der marcgräve daz
hete wol geschaffen,
daz man ez vant vil guot,
daz gesidele Kriemhilde.
des vreut’ sich Etzelen muot.
1358 Waz do redete Etzel, in der sinen zeswen
daz ist mir umbekant. lac ir wiziu hant.
si gesäzen minnecliche
da Rüedeger der degen
den künec niht wolde läzen
Kriemhilde heinliche pflegen.
1359 Do hiez man län beliben
den bühurt über al.
mit eren wart verendet
da der groze schal,
do giengen zuo den hütten man gap in herberge
die Etzelen man.
vil wite allenthalben dan.
1360 Der tac der hete nu ende;
si schuofen ir gemach,
unz man den liehten morgen do was zuo den rossen
aber schinen sach.
körnen manic man.
hey waz man kurzewile
dem künege ze eren began!
1 1361 Der künec ez nach den eren
die Hiunen schaffen bat.
dö riten si von Tulne
ze Wiene zuo der stat.
da funden si gezieret
vil maniger vrouwen lip.
si enpfiengen wol mit eren 1 1362 Mit harte grozem vollen swaz si haben solden.
des künec Etzelen wip. so was in bereit
vil manic heit gemeit
sich vreute gegen dem schalle. des küneges hohgezite 1 1363 Sine mohten geherbergen die niht geste wären, daz si herberge
herbergen man began.
diu huop sich vroelichen an. niht alle in der stat. Rüedeger die bat
nahmen in daz lant.
ich warne man alle zite 1 1364 Den herren Dietrichen
bi vroun Kriemhilde vant und ander manigen degen.
si heten sich der ruowe
mit arbeit bewegen,
durch daz si den gesten
trösten wol den muot.
158
Nibelungenlied: Text
Rüedeger und sine vriunde
heten kurzewile guot.
an einen pfinxtac, 1365 Diu hohzit was gevallen bi Kriemhilde lac da der künec Etzel in der stat ze Wiene.
si waen’ so manigen man
bi ir ersten manne
nie ze dienste gewan. dem der si nie gesach.
1366 Si kunte sich mit gäbe vil maniger dar under
zuo den gesten sprach:
‘wir wänden daz vrou Kriemhilt nu ist hie mit ir gäbe
niht guotes möhte hän:
vil manic wunder getän.’
1367 Diu hohzit diu werte
sibenzehen tage,
ich warne man von deheinem des hohzit grcezer waere, alle die dä wären,
künige mere sage, daz ist uns gar verdeit.
die truogen iteniuwe kleit.
1368 Si wxn in Niderlande
dä vor niene gesaz
mit so manigem recken.
dä bi geloube ich daz,
was Sifrit rieh des guotes,
daz er nie gewan
so manigen recken edele
so si sach vor Etzelen stän.
1369 Ouch gap nie deheiner
zuo sin selbes hohgezit
so manigen riehen mantel,
tief unde wit,
noch so guoter kleider,
der si mohten vil hän,
so si durch Kriemhilde
heten alle getän.
1370 Ir friunde unt ouch die geste daz si dä niht ensparten
die heten einen muot, deheiner slahte guot.
swes iemen an si gerte,
daz gäben si bereit.
des gestuont dä vil der degene 1371 Wie si ze Rine sieze,
von milte bloz äne kleit.
si gedäht’ ane daz,
bi ir edelen manne.
ir ougen wurden naz.
si hetes vaste hxle,
daz ez iemen künde sehen,
ir was näch manigem leide
so vil der eren geschehen.
1372 Swaz iemen tet mit milte, unz an Dietrichen. im gegeben hete,
daz was gar ein wint
swaz Botelunges kint daz was nu gar verswant.
ouch begie da michel wunder 1373 Üzer Ungerlande
des milten Rüedegeres hant.
der fürste Bloedelin
der hiez dä lxre machen von silber und von golde,
vil manic leitschrin daz wart dä hin gegeben.
22. Äventiure
man gesach des küneges helde 1374 Wärbel unde Swemmelin, ich warne ir ieslicher
159
so rehte vrceliche leben. des küniges spilman,
zer höhgezit gewan
wol ze tüsent marken
oder dannoch baz,
da diu schcene Kriemhilt
bi Etzel under kröne saz.
1375 An dem ahtzehenden morgen
von Wiene si dö riten. Schilde vil versniten
da wart in ritterschefte von spern di da fuorten
die recken an der hant.
sus kom der kiinic Etzel
unz in daz hiunische lant.
1376 Ze Heimburc der alten
si wären über naht,
done künde niemen wizzen mit wie getaner krefte
wol des Volkes aht,
si riten über lant.
hey waz man schcener vrouwen 1377 Ze Misenburc der riehen daz wazzer wart verdecket alsam ez erde wsere,
von ross und ouch von man,
swaz man sin vliezen sach.
die wegemüeden vrouwen
die heten senfte und ouch
1378 Zesamene was geslozzen
manic schif vil guot,
daz in niht enschadete
[gemach,
di ünde noch diu fluot.
dar über was gespannen sam ob si noch heten
manic guot gezelt, beidiu lant unde velt.
1379 Dö körnen disiu maere
ze Etzelnburc von dan.
dö vreuten sich dar inne
wip unde man.
daz Helchen ingesinde
des e diu vrouwe pflac,
gelebte sit bi Kriemhilde
vil manigen vroelichen tac.
1380 Dö stuont da wartende
vil manic edel meit,
die von Helchen töde siben künige tohter
in siner heimüete vant!
da schiften si sich an.
heten manigiu leit. Kriemhilt noch da vant,
von den was gezieret
wol allez Etzelen lant.
1381 Diu junevrouwe Herrät
noch des gesindes pflac,
diu Helchen swester tohter, diu gemahele Dietriches, diu tohter Näntwines; 1382 Gegen der geste kümfte
an der vil tugende lac, eins edeln küneges kint,
diu hete vil der eren sint. vreute sich ir muot.
ouch was dar zuo bereitet wer künde iu daz bescheiden,
vil kreftigez guot. wie sit der künec saz?
Nibelungenlied: Text
160
si gelebten da zen Hiunen
nie mit küneginne baz.
1383 Do der künec mit sinem wibe wer ieslichiu wacre,
von dem stade reit,
daz wart do wol geseit.
die edelen Kriemhilde
si gruoztens’ deste baz.
hey wie gewaltecliche
si sit an Helchen stat gesaz! wart ir vil bekant.
1384 Getriuwelicher dienste
golt unt ouch gewant,
do teilte diu küneginne silber unt gesteine.
swaz si des über Rin
mit ir zen Hiunen brähte,
daz muose gar zergehen sin.
1385 Ouch wurden ir mit dienste alle des küniges mäge
sider undertän
unt alle sine man,
daz nie diu vrouwe Helche so si nu muosen dienen
so gewalteclich gebot,
unz an den Kriemhilde tot.
1386 Do stuont mit sölhen eren daz man da z’allen ziten swar nach ieslichem
der hof unt ouch daz lant, die kurzewile vant,
daz herze truoc den muot,
durch des küneges liebe
unt der küneginne guot.
23. Äventiure Wie Kriemhilt warp, daz ir bruoder zuo der hochzit körnen 1387 Mit vil grozen eren,
daz ist alwär,
wonten si mit ein ander
unz an daz sibende jär.
die zit diu küneginne
eines suns was genesen,
des kund’ der künic Etzel
nimmer vrcelicher wesen.
1388 Sine wolde niht erwinden, daz getoufet würde
sine würbe sint
daz Etzelen kint
nach kristenlichem rehte;
ez wart Ortliep genant,
des wart vil michel freude 1389 Swaz ie guoter tugende
über elliu Etzelen lant. an vroun Helchen lac,
des vleiz sich nu vrou Kriemhilt die site si lerte Herrät, diu hete tougenlichen
dar nach vil manigen
diu eilende meit. nach Helchen grozlichiu leit.
1390 Den vremden unt den künden die jähen daz nie vrouwe
was si vil wol bekant. besacze ein küneges lant
[tac.
23. Äventiure
bezzer unde milter,
daz heten si für war.
daz lop si truoc zen Hiunen 1391 Nu het si wol erkunnen unt daz si alle zite
unz an daz driuzehende jär. daz ir niemen widerstuont,
also noch fürsten wibe
küneges recken tuont, zwelf künige vor ir sach.
si gedäht’ ouch maniger leide,
der ir da heime geschach.
1392 Si gedaht’ ouch maniger eren der si da was gewaltic mit Sifrides tode
von Nibelunge lant,
unt die ir Hagenen hant
hete gar benomen,
ob im daz noch immer
von ir ze leide möhte körnen.
1393 ‘Daz geschache ob ich in möhte ir troumte daz ir gienge Giselher ir bruoder;
si kuste’n z’aller stunt sit wart in arbeiten kunt.
1394 Ich warne der übel välant
Kriemhilde daz geriet,
daz si sich mit friuntschefte den si durch suone kuste
von Gunthere schiet, in Burgonden lant.
do begonde ir aber salwen
von heizen trehen ir gewant.
1395 Ez lag ir an dem herzen
spät unde vruo,
wie man si äne schulde
brachte dar zuo
daz si muose minnen
einen heidenischen man.
die not die het ir Hagene
unde Günther getan.
1396 Des willen in ir herzen
kom si vil selten abe.
si gedähte: ‘ich bin so riche daz ich minen vienden
bringen in ditz lant.’
vil dicke an der hant
vil ofte in senftem släfe:
unt hän so gröze habe gefüege noch ein leit.
des wacre et ich von Tronege 1397 Nach den getriuwen jämert die mir da leide täten, so würde wol errochen des ich küme erbeite’, 1398 Ze liebe si dö heten die Kriemhilde recken;
Hagenen gerne bereit. dicke daz herze min.
möhte ich bi den sin, mines vriundes lip, sprach daz Etzelen wip. alle ’sküneges man, daz was vil wol getän.
der kameren der pflac Eckewart, den Kriemhilde willen 1399 Si dähte z’ allen ziten: daz er ir des gunde
161
dä von er friunt gewan.
künde niemen understän. ‘ich wil den künec biten’, mit güetlichen siten,
162
Nibelungenlied: Text
daz man ir friunde brxhte
in der Hiunen lant.
den argen willen niemen
an der küneginne ervant.
bi dem künige lac, 1400 Do si eines nahtes (mit armen umbevangen het er si, als er pflac die edeln vrouwen triuten: do gedähte ir viende
si was im als sin lip),
daz vil herliche wip. ‘vil lieber herre min,
1401 Si sprach zuo dem künige:
möht’ iz mit hulden sin,
ich wolde iuch bitten gerne,
ob ich daz het versolt,
daz ir mich sehen liezet, ob ir den minen vriunden
waeret inneclichen holt.’
1402 Do sprach der künic riche,
getriuwe was sin muot:
‘ich bringe iuch des wol innen, den recken widerfüere,
swa liep unde guot
des müese ich freude hän,
wände ich von wibes minne 1403 Do sprach diu küneginne: ich hän vil hoher mäge;
nie bezzer vriunde gewan.’ ‘iu ist daz wol geseit, dar umbe ist mir so leit
daz mich die so selten
ruochent hie gesehen,
ich hoere min di Hute
niwan für eilende jehen.’
1404 Do sprach der künec Etzel:
‘vil liebiu vrouwe min,
diuht’ ez si niht ze verre,
so lüede ich über Rin
swelhe ir da gerne ssehet
her in miniu lant.’
des vreute sich diu vrouwe,
do si den willen sin ervant.
1405 Si sprach: ‘weit ir mir triuwe so sult ir boten senden
leisten, herre min,
ze Wormez über Rin.
so enbiut’ ich minen vriunden so kumt uns her ze lande
des ich da habe muot,
vil manic edel ritter guot.’
1406 Er sprach: ‘swenne ir gebietet, ir’n kündet iuwer vriunde als ich si gesaehe,
so läzet ez geschehen. so gerne niht gesehen
der edeln Uoten kint.
mich müet daz harte sere, 1407 Ob ez dir wol gevalle,
daz si uns so lange vremde sint. vil liebiu vrouwe min,
so wold’ ich gerne senden
nach den vriunden din
die minen videlaere
in Burgonden lant.’
die guoten videlasre
hiez er bringen sä zehant.
1408 Si ilten harte balde bi der küneginne.
dä der künec saz er saget’ in beiden daz,
23. Äventiure
si solden boten werden
in Burgonden lant.
do hiez er in bereiten
harte herlich gewant.
1409 Vier und zweinzec recken
bereite man diu kleit.
ouch wart in von dem künege
diu boteschaft geseit,
wie si dar laden solden
Günther und sine man.
Kriemhilt diu vrouwe
si sunder sprechen began.
1410 Do sprach der künec nche:
‘ich sage iu wie ir tuot.
ich enbiute minen vriunden daz si geruochen riten
liep und allez guot,
her in miniu lant.
ich hän so lieber geste
harte wenic noch bekant.
1411 Und ob si mines willen
wellen iht began,
die Kriemhilde mage,
daz si des niht enlän,
sine körnen an disem sumere
zuo miner hohgezit,
wand vil der minen wünne 4412 Do sprach der videlsre,
an minen konemägen 11t.’ der stolze Swemmelin:
Venne sol iuwer hohzit
in disen landen sin?
daz wir daz iuwern vriunden do sprach der künec Etzel: 4413 ‘Wir tuon swaz ir gebietet’, in ir kemenäten
künnen dort gesagen.’ ‘zen nxhsten sunewenden sprach do Wärbelin.
[tagen.’
bat si diu künegin
bringen tougenliche
da si die boten sprach.
da von vil manigem degene 4414 Si sprach zen boten beiden: daz ir minen willen
sit wenic liebes geschach. ‘nu dienet michel guot,
vil güetlichen tuot,
und saget swaz ich enbiete ich mache iuch guotes riche 4415 Und swaz ir miner vriunde ze Wormez bi dem Rine, daz ir noch ie gesxhet
heim in unser lant. unt gibe iu herlich gewant. immer muget gesehen den sult ir niht verjehen
betrüebet minen muot.
unt saget minen dienest 11416 Bittet daz si leisten
163
den helden küene unde guot. daz in der künic enbot,
unt mich da mite scheiden
von aller miner not.
die Hiunen wellent warnen ob ich ein ritter wxre, 1417 Unde sagt ouch Gernot, daz im zer werlde niemen
daz ich ane vriunde si.
ich kcem’ in etwenne bi. dem edelen bruoder min, holder müge gesin.
Nibelungenlied: Text
164
bittet daz er mir bringe
her in diz lant
unser besten vriunde,
daz ez uns zen eren si gewant.
1418 So sagt ouch Giselhere
daz er wol gedenke dar an,
daz ich von sinen schulden des ssehen in vil gerne
nie leides mht gewan;
hie diu ougen min.
ich het’ in hie vil gerne
durch die grozen triuwe sin.
1419 Sagt ouch miner muoter
die ere die ich hän.
und ob von Tronege Hagene wer si danne solde
welle dort bestän,
wisen durch diu lant?
dem sint die wege von kinde 1420 Die boten nine wessen
her zen Hiunen wol bekant.’
wä von daz was getan,
daz si von Tronege Hagenen beliben bi dem Rine.
niht solden län
ez wart in sider leit.
mit im was manigem degene 1421 Brieve unde botschaft
zem grimmen töde widerseit.
was in nu gegeben.
si fuoren guotes riche
und mohten schone leben,
urloub gap in Etzel
und ouch sin schcene wip.
in was von guoter wxte
wol gezieret der lip.
24. Äventiure Wie Wärbel unt Swämmel ir herren boteschaft würben 1422 Do Etzel zuo dem Rine do Augen disiu masre
sine boten sande, von lande ze lande,
mit boten harte snellen zuo siner hohgezite:
er bat und ouch gebot des holte maniger da den tot.
1423 Die boten dannen fuoren zuo den Burgonden:
üzer Hiunen lant
dar wären si gesant
nach drin edeln künegen
und ouch nach ir man.
si solden körnen Etzele;
des man do gähen began.
1424 Hin ze Bechelären
körnen si geriten.
da diente man in gerne,
daz enwart da niht vermiten.
Rüedeger sinen dienest
enbot und Gotelint
bi in hin ze Rine, 1425 Sine liezens’ äne gäbe
und ouch ir beider liebez kint. von in niht scheiden dan,
24. Äventiure
daz deste baz gefüeren
165
die Etzelen man.
Uoten und ir kinden
enbot do Rüedeger,
sine heten in so wsge
deheinen marcgräven mer. 4426 Si enbuten ouch Prünhilde dienest unde guot, stastecliche triuwe
und willigen muot.
do si die rede vernämen,
die boten wolden varn.
si bat diu marcgrävinne
got von himele bewarn.
[427 £ daz die boten koemen
vol durch Peyer lant,
Wärbel der vil snelle
den guoten bischof vant.
waz der do sinen friunden
hin ze Rine enbot,
daz ist mir niht gewizzen:
niwan sin golt also rot
1428 Gap er den boten ze minne;
riten er si lie.
do sprach der bischof Pilgrim:
‘und solde ich si sehen hie,
mir w^re wol ze muote,
die swester süne min,
wand’ ich mac vil selten
zuo z’in körnen an den Rin.’
4429 Weihe wege si frieren
ze Rine durch diu lant,
des kan ich niht bescheiden.
ir silber unt gewant
daz nam in niemen:
man vorht’ ir herren zorn.
ja was vil gewaltec
der edele künec wol geborn.
4430 Inner tagen zwelfen
komens an den Rin,
ze Wormez zuo dem lande, do sagte man diu masre
Wärbel und Swemmelin.
den künegen und ir man,
do koemen boten vremde.
Günther do vragen began.
1431 Do sprach der vogt von Rine: von wannen dise vremden daz enwesse niemen
‘wer tuot uns daz bekant, riten in daz lant?’
unze daz si sach
Hagene von Tronege
do ze Guntheren sprach:
1432 ‘Uns koment niuwemaere,
des wil ich iu verjehen.
die Etzeln videlaere
die hän ich hie gesehen,
si hat iuwer swester
gesendet an den Rin.
si suln uns durch ir herren 1433 Si riten al bereite
für den palas dan.
ez gefuoren nie herlicher des küneges ingesinde man gap in herberge 1434 Ir reisekleider wären
groze willekomen sin.’ fürsten spileman. enpfie si sä zehant.
unt hiez behalten ir gewant. rieh und so wol getän,
166
Nibelungenlied: Text
ja mohten si mit eren
für den künic gän.
der enwolden si niht mere ob ir iemen mochte,
da ze hove tragen,
die boten hiezen daz sagen.
1435 In der selben mäze
man ouch liute vant
die ez vil gerne namen;
den wart ez gesant.
do leiten an die geste
verre bezzer wät, ze tragen herliche stät.
als ez boten küneges
da der künic saz,
1436 Do gie mit urloube, daz Etzeln gesinde:
gerne sach man daz.
Hagene zühtecliche
gegen den boten spranc
unt enpfie si minnecliche.
des sageten im die knappen
1437 Durch diu künden mxre
vrägen er began,
wie sich Etzel gehabete
unde sine man.
do sprach der videlsere:
‘daz lant gestuont nie baz,
noch so vro die liute;
nu wizzet endeliche daz.’
1438 Si giengen zuo dem wirte:
der palas der was vol.
do enpfie man die geste güetlichen grüezen
so man von rehte sol
in ander künige lant.
Wärbel vil der recken
da bi Guntheren vant.
1439 Der künec gezogenliche
grüezen si began.
‘sit willekomen beide,
ir Hiunen spilman,
und iuwer hergesellen.
hat iuch her gesant
Etzel der vil riche
[danc
zuo der Burgonden lant?’
1440 Si nigen deme künige;
do sprach Wärbelin:
‘dir enbiutet holden dienest
der liebe herre min,
und Kriemhilt din swester,
her in ditze lant.
si habent uns iu recken üf guote triuwe gesant.’ 1441 Do sprach der fürste riche: ‘der masre bin ich vro. wie gehabt sich Etzel’,
so vräget’ der degen do,
‘und Kriemhilt mm swester do sprach der videlxre:
üzer Hiunen lant?’ ‘diu maere tuon ich iu bekant,
1442 Daz sich noch nie gehabten
deheine liute baz
danne si sich gehabent beide, und allez ir gedigene, si vreuten sich der verte, 1443 ‘Genäde siner dieneste,
ir sult wol wizzen daz,
die mäge und ouch ir man. do wir schieden von dan.’ die er mir enboten hat,
24. Äventiure
unde miner swester,
sit ez also stät,
daz si lebent mit freuden,
der künec und sine man,
wand’ ich doch der masre
gefräget sorgende hän.’
1444 Die zwene junge künege die wären ouch nu körnen, si heten disiu masre alrerst do vernomen. durch siner swester liebe Giselher der junge
die boten gerne sach
zuo zin do minneclichen sprach:
11445 ‘Ir boten solt uns groze ob ir dicker woldet
willekomen sin. her nten an den Rin,
ir fündet hie die friunde, iu solde hie ze lande
die ir gerne möhtet sehen,
vil wenic leides geschehen.’
■ 1446 ‘Wir trüwen iu aller eren’,
sprach do Swemmelin.
‘ine könde iu niht bediuten
mit den sinnen min,
wie rehte minneclichen
iu Etzel enboten hat
unt iuwer edel swester,
der dinc in hohen eren stät.
i 1447 Genäde unde triuwe
mant iuh des kiineges wip,
unt daz ir ie was wasge
iuwer herze unt iuwer lip.
und ze vorderst dem künege daz ir geruochet nten
in daz Etzelen lant.
11448 Daz wir iuch des basten, Etzel der nche
sin wir her gesant, vil vast’ uns daz gebot
iu allen daz enbot,
ob ir iuch iuwer swester
niht sehen woldet län,
so wold’ er doch gerne wizzen 1449 Daz ir in also vremdet ob iu diu küneginne
waz er iu hete getän,
und ouch smiu lant. wasre nie bekant,
so möht’ er doch verdienen swenne daz ergienge,
daz ir in ruochet sehen,
so wasr’ im liebe geschehen.’
1450 Do sprach der künec Günther:
‘über dise siben naht
so künd’ ich iu diu masre,
wes ich mich hän bedäht
mit den minen friunden.
die wile sult ir gän
in iuwer herberge
und sult vil guote ruowe hän.’
1451 Do sprach aber Wärbelin: daz wir mme vrouwen Uoten die vil riehen, Giselher der edele
‘unt möhte daz geschehen, könden e gesehen,
e wir schüefen uns gemach?’ do vil zühteclichen sprach:
1452 ‘Daz sol iu niemen wenden,
weit ir für si gän:
167
168
Nibelungenlied: Text
ir habet miner muoter
willen gar getan,
want si sihet iuch gerne vroun Kriemhilden;
durch die swester min, ir sult ir willekomen sin.’
1453 Giselher si brähte
da er die vrouwen vant.
die boten sach si gerne
von der Hiunen lant.
si gruoztes’ minnecliche
durch ir tugende muot.
do sagten ir diu masre
die boten höfsch unde guot.
1454 ‘Ja enbiutet iu min vrouwe’, ‘dienest unde triuwe.
so sprach Swemmelin,
möhte daz gesin,
daz si iuch dicke saehe,
ir sult gelouben daz,
so wsr’ ir in der werlde
mit deheinen vreuden baz.’
1455 Do sprach diu küneginne:
‘des enmac niht gesin.
swie gerne ich dicke sadhe
die lieben tohter min,
so ist leider mir ze verre
des edeln küneges wip.
nu si immer saslic
ir und Etzelen lip.
1456 Ir sult mich läzen wizzen,
e irz gerumet hie,
wenne ir wider wellet.
me gesach so gerne nie
boten in langen ziten
denne ich iuch han gesehen.’
die knappen ir do lobeten 1457 Zen herbergen fuoren
die von Hiunen lant.
do het der künic riche Günther der edele
daz si daz liezen geschehen. nach friunden sin gesant.
vrägte sine man,
wie in diu rede geviele. 1458 Daz er wol möhte riten
vil maniger sprechen do began. in Etzelen lant,
daz rieten im die besten, äne Hagene eine.
die er dar under vant,
dem was ez grimme leit.
er sprach zem künige tougen: ‘ir habt iu selben widerseit. 1459 Nu ist iu doch gewizzen waz wir haben getan, wir mugen immer sorge
zuo Kriemhilde hän,
wand ich sluoc ze tode
ir man mit miner hant.
wie getorste wir geriten
in daz Etzelen lant?’
1460 Do sprach der künec riche: mit küsse minnecliche daz wir ir ie getäten,
‘min swester lie den zorn.
si hat üf uns verkorn e si von hinnen reit:
ez ensi et, Hagene, danne 1461 ‘Nu lät iuch niht betriegen’,
iu einem widerseit.’ sprach Hagene, ‘swes si jehen,
24. Äventiure
die boten von den Hinnen.
169
weit ir Kriemhilde sehen,
ir muget da wol Verliesen die ere und ouch den 11p: ja ist vil lancrazche des künec Etzelen wip.’ 1462 Do sprach zuo dem rate
der fürste Gernot:
‘sit daz ir von schulden
fürhtet da den tot
in hiunischen riehen,
solde wirz dar umbe län
wir ensxhen unser swester, daz wxre vil übele getan.’ 1463 Do sprach der fürste Giselher zuo dem degene: ‘sit ir iuch schuldec wizzet, so sult ir hie beliben
friunt Hagene,
unt iuch wol bewarn,
und läzet, die getürren, 1464 Do begonde zürnen
zuo miner swester mit uns varn.’ von Tronege der degen:
‘ine wil daz ir iemen der getürre riten
füeret üf den wegen, mit iu ze hove baz.
sit ir niht weit erwinden,
ich sol iu wol erzeigen daz.’
1465 Do sprach der kuchenmeister, ‘der vremden unt der künden nach iuwer selbes willen,
wand’ ir habet vollen rat.
ich wxne niht daz Hagene
iuch noch vergiselet hat.
1466 Welt ir niht volgen Hagene, wand’ ich iu bin mit triuwen daz ir sult hie beliben
dort bi Kriemhilde sin.
1467 Wie künde iu in der werlde
immer sanfter wesen?
ir muget vor iuwern vienden ir sult mit guoten kleidern trinket win den besten
harte wol genesen, zieren wol den lip:
unt minnet wxtlichiu wip.
1468 Dar zuo git man iu spise,
die besten di ie gewan
in der werke künec deheiner. e ir so kintllche
iu rxtet Rümolt, vil dienestlichen holt,
durch den willen min,
und lät den künec Etzel
ir soldet noch beliben
Rümolt der degen: möht ir wol heizen pflegen
ob des niht möht’ ergän,
durch iuwer schoene wip,
soldet wägen den lip.
1469 Des rät’ ich iu beliben. man mac iu baz erloesen danne dä zen Hiunen. ir sult beliben, herren: 1470 ‘Wir wellen niht beliben’,
rieh sint iuwer lant. hie heime diu pfant wer weiz wie iz dä gestät? daz ist der Rümoldes rät.’ sprach do Gernot,
170
Nibelungenlied: Text
‘sit daz uns min swester unt Etzel der riche.
so friuntlich enbot
zwiu solde wir daz län?
der dar niht gerne welle,
der mac hie heime bestand
1471 Des antwurte Hagene:
‘lät iuh unbilden niht
mme rede dar umbe,
swie halt iu geschiht.
ich rät’ iu an den triuwen,
weit ir iuch bewarn,
so sult ir zuo den Hiunen
vil gewerliche varn.
1472 Sit ir niht weit erwinden,
so besendet iuwer man,
die besten die ir vindet
oder inder miiget hän.
so wel ich üz in allen
tusent ritter guot,
sone mag iu niht gewerren
der argen Kriemhilde muot.’
1473 ‘Des wil ich gerne volgen’, do hiez er boten riten
sprach der künec zehant.
witen in siniu lant.
do brähte man der helde
driu tusent oder mer.
si wänden niht z’ erwerben 1474 Si riten vrceliche
also groezllchiu ser.
in Guntheres lant.
man hiez in geben allen die dä varen solden
ross unt ouch gewant, von Burgonden dan.
der künec mit guotem willen
der vil manegen gewan.
1475 Do hiez von Tronege Hagene
Dancwart den bruoder sin
ir beider recken ahzec
füeren an den Rin.
die komen ritterliche.
harnasch unt gewant
fuorten die vil snellen
in daz Guntheres lant.
1476 Do kom der küene Volker, zuo der hovereise
ein edel spilman,
mit drizec siner man,
die heten sölich gewaete,
ez möht’ ein künec tragen,
daz er zen Hiunen wolde, 1477 Wer der Volker waere,
daz hiez er Gunthere sagen. daz wil ich iuch wizzen län.
er was ein edel herre.
im was ouch undertän
vil der guoten recken
in Burgonden lant.
durch daz er videlen konde, 1478 Hagene weite tusent.
unt waz in starken stürmen oder swaz si ie begiengen, den konde anders niemen 1479 Die boten Kriemhilde
was er der spilman genant.
die hete er wol bekant, gefrümet het ir hant, des het er vil gesehen, niwan frümekeite jehen. vil sere dä verdroz,
24. Äventiure
wände ir vorht z’ir herren si gerten tägeliche
171
diu was harte groz.
urloubes von dan.
des engonde in niht Hagene:
daz was durch liste getan.
1480 Er sprach zuo sinem herren:
‘wir suln daz wol bewarn,
daz wir si lazen nten
e daz wir selbe varn
dar nach in siben nahten
in Etzelen lant.
treit uns iemen argen willen,
[bekant.
daz wirt uns deste baz
11481 Sone mac ouch sich vrou Kriemhilt bereiten niht dar zuo, daz uns durch ir raete iemen schaden tuo. hat aber si den willen,
ez mac ir leide ergän.
wir füeren mit uns hinnen so manigen üz erwelten man.’ 11482 Schilde unde sätele unt allez ir gewant, daz si füeren wolden
in Etzelen lant,
daz was nu gar bereitet
vil manigem küenen man.
die boten Kriemhilde
hiez man für Guntheren gan.
11483 Do die boten komen,
do sprach Gernot:
‘der künec wil gevolgen
des uns Etzel her enbot.
wir wellen komen gerne
zuo siner hohgezit
und sehen unser swester:
daz ir des äne zwifel sit.’
1484 Do sprach der künec Günther: wenne si diu hohzit
‘kunnet ir uns gesagen
oder in weihen tagen
wir dar komen solden?’
do sprach Swemmelin:
‘zen nashsten sunewenden
sol si wasrliche sin.’
’ 1485 Der künic in erloubte,
(des was noch niht geschehen)
ob si wolden gerne
froun Prünhilde sehen,
daz si für si solden
mit sinem willen gän.
daz understuont do Volker;
daz was ir liebe getan.
11486 ‘Jane ist min vrouwe Prünhilt daz ir si müget schouwen’, ‘bitet unz morgen,
nu niht so wol gemuot sprach der ritter guot.
so lat mans’ iuch sehen.’
do si sie wänden schouwen, 1487 Do hiez der fürste riche
done kundes niht geschehen. (er was den boten holt)
durch sin selbes tugende
tragen dar sin golt
üf den breiten Schilden,
des moht’ er vil hän.
ouch wart in richiu gäbe 1488 Giselher und Gernot,
von sinen vriunden getän. Gere und Ortwin,
Nibelungenlied: Text
172
daz si ouch milte wären, also riche gäbe
daz täten si wol schm.
si buten die boten an,
daz si se vor ir herren
niht getorsten enpfän.
1489 Do sprach zuo dem künige
der bote Wärbelin:
‘her künic, lät iuwer gäbe
hie ze lande sin.
wir mugen ir doch niht füeren. daz wir iht gäbe nxmen,
min herre iz uns verbot,
ouch ist es harte lützel not.’
1490 Do wart der vogt von Rine daz si versprechen wolden
so riches kiineges guot.
doch muosen si enpfähen daz si mit in fuorten
dä von vil ungemuot, sin golt und sin gewant,
sit in Etzelen lant.
1491 Si wolden sehen Uoten Giselher der snelle
e daz si schieden dan.
der bräht’ die spileman
für sine muoter Uoten. swaz si eren hete,
diu vrouwe enbot do dan,
daz wxr’ ir liebe getän.
1492 Do hiez diu küneginne
ir porten und ir golt
geben durch Kriemhilde,
want der was si holt,
unt durch den künic Etzel
den selben spileman.
si mohtenz gern’ enpfähen; 1493 Urloup genomen heten
ez was mit triuwen getän. die boten nu von dan
von wiben und von mannen, fuoren unz in Swäben;
vroelich si do dan
dar hiez si Gernot
sine helde leiten, daz ez in niemen missebot. 1494 Do sich die von in schieden, die ir solden pflegen, herschaft diu Etzeln
si vridet’ üf allen wegen,
des ennam in niemen
ross noch ir gewant.
si ilten harte balde in daz Etzelen lant. 1495 Swä si der vriunde iht wessen, daz täten si den kunt, daz die Burgonden
in vil kurzer stunt
koemen her von Rine dem bischof Pilgerime 1496 Do si für Bechelären
in der Hiunen lant. wart ouch daz maere bekant. die sträze nider riten,
man sagetez Rüedegere unde Gotelinde,
(daz enwart niht vermiten) des marcgräven wip.
daz sis’ sehen solde
1497 Gähen mit den mxren
des wart vil vroelich ir lip. sah man die spilman.
24. Äventiure
Etzeln si funden
173
in siner stat ze Gran.
dienest über dienest,
der man im vil enbot,
sageten si dem künige. vor liebe wart er freuden rot. 1 1498 Do diu küneginne diu mxre reht’ ervant, daz ir bruoder solden
körnen in daz lant,
do was ir wol ze muote. mit vil grozer gäbe;
si lonte den spilman daz was ir ere getan.
1499 Si sprach: ‘nu saget beide, weihe mine mäge
Wärbel und Swemmelin,
zer hohzit wellen sin,
der besten die wir ladeten
her in ditze lant?
nu sagt, waz redete Hagene,
do er diu maere bevant?’
1500 Er sprach: ‘der kom zer spräche
an einem morgen fruo.
lützel guoter Sprüche
redet’ er dar zuo.
do si die reise lobten
her in Hiunen lant,
daz was dem grimmen Hagene 1 1501 Ez koment iuwer brüeder, in herlichem muote.
gar zem tode genant.
die künige alle dri,
swer mer dä mite si,
der mxre ich endeclichen ez lobt’ mit in riten
wizzen nine kan.
Volker der küene spileman.’
1 1502 ‘Des enbasr’ ich harte lihte’, ‘deich immer hie gessehe
sprach des küneges wip, den Volkeres lip.
Hagenen bin ich wasge:
der ist ein heit guot.
daz wir in hie sehen müezen,
des stät mir hohe der muot.’
1503 Do gie diu küneginne
dä si den künec sach.
wie rehte minnecliche
vrou Kriemhilt dö sprach:
‘wie gevallent iu diu maere, des ie min wille gerte,
vil lieber herre min?
daz sol nu wol verendet sin.’
1504 ‘Din wille deist min vreude’, ‘ine wart min selbes mäge ob si iemer komen solden durh liebe diner friunde 1 1505 Des küneges ambetliute mit gesidele rihten
sprach der künic do. nie so rehte vro, her in miniu lant.
so ist mm sorge verswant. die hiezen über al
palas unde sal
gegen den lieben gesten, sit wart von in dem künege
die in dä solden komen. vil michel wünne benomen.
Nibelungenlied: Text
174
25. Äventiure Wie die Nibelunge zen Hinnen fnoren 1506 Nu läze wir daz beliben,
wie si gebären hie.
hbchgemuoter recken so rehte herliche
die gefuoren nie
in deheines küneges lant.
si heten swaz si wolden,
beidiu wäfen unt gewant.
1507 Der vogt von dem Rine sehzec unde tüsent,
kleidete sine man,
als ich vernomen hän,
und niun tüsent knehte
gegen der hohgezit.
die si da heime liezen,
die beweinten ez sit.
1508 Do truoc man diu gereite
ze Wormez über den hof.
do sprach da von Spire
ein alter bischof
zuo der schoenen Uoten: gegen der hohgezite:
‘unser friunde wellent varn got müez’ ir ere da bewarn.’
1509 Do sprach zuo zir kinden ‘ir soldet hie beliben,
diu edel Uote:
helde guote.
mir ist getroumet hinte
von angestlicher not,
wie allez daz gefügele
in disem lande wsere tot.’
1510 ‘Swer sich an troume wendet’, ‘der enweiz der rehten mxre wenn’ ez im ze eren
sprach do Hagene, niht ze sagene,
volleclichen ste.
ich wil daz min herre 1511 Wir suln gerne riten
ze hove nach urloube ge. in Etzelen lant.
da mac wol dienen künegen
guoter helde hant,
da wir da schouwen müezen
Kriemhilde hohgezit.’
Hagene riet di reise, 1512 Er hetez widerraten, mit ungefuoge
iedoch gerouw ez in sit. wan daz Gernot
im also missebot:
er mant in Sifrides,
vroun Kriemhdden man.
er sprach: da von wil Hagene
die grozen hovereise län.’
1513 Do sprach von Tronege Hagene:
‘durch vorhte ich niht
swenne ir gebietet, helde, so sult ir grifen zuo. ja rit’ ich mit iu gerne in Etzelen lant.’ sit wart von im verhouwen 1514 Diu schif bereitet waren.
[entuo.
vil manic heim unde rant. da was vil manic man.
25. Äventiure
swaz si kleider heten,
diu truoc man dar an.
si wären vil ummüezec
vor äbendes zit.
si huoben sich von hüse
vil harte vroeliche sit.
11515 Gezelt unde hütten
spien man an daz gras
anderthalp des Rines.
do daz geschehen was,
der kiinec bat noch beliben
sin vil schcene wip;
si trüte noch des nahtes 11516 Pusünen floytieren
175
den sinen wxtlichen lip. huop sich des morgens fruo,
daz si varn solden.
do griffen si do zuo.
swer liep hete an arme,
der trüte friundes lip.
des schiet sit vil mit leide
des künec Etzelen wip.
i 1517 Diu kint der schoenen Uoten küene und getriuwe.
di heten einen man,
do si wolden dan,
do sagt’ er dem künege
tougen sinen muot.
er sprach: ‘des muoz ich trüren 11518 Er was geheizen Rümolt
und was ein heit zer hant,
er sprach: ‘wem weit ir läzen daz niemen kan erwenden diu Knemhilden masre
liute und ouch diu lant? iu recken iuwern muot!
nie gedühten mich guot.’
11519 ‘Daz lant si dir bevolhen
unt min kindelin,
unt diene wol den vrouwen: swen du sehest weinen,
daz ist der wille min.
dem troeste sinen lip.
ja getuot uns nimmer leide 1520 Diu ross bereitet wären
des künec Etzelen wip.’ den künegen und ir man.
mit minneclichem küssen dem in hohem muote
daz ir die hovereise tuot.’
schiet vil maniger dan, lebte do der lip.
daz muose sit beweinen
vil manic waetllchez wip.
1521 Do man die snellen recken
sah zen rossen gän,
do kos man vil der vrouwen daz ir vil langez scheiden
trüreclichen stän. sagt’ in wol ir muot
üf grozen schaden ze komene,
daz herzen niemer sanfte tuot.
1522 Die snellen Burgonden
sich üz huoben.
do wart in dem lande
ein michel uoben.
beidenthalp der berge
weinde wip und man.
swi dort ir volc get^te,
si fuoren vrceliche dan.
176
Nibelungenlied: Text
1523 Die Nibelunges helde
körnen mit in dan
in tüsent halspergen.
ze hüs si heten lan
vil manige schcene vrouwen, die Sifrides wunden
di si gesähen nimmer me.
täten Kriemhilde we.
1524 Do schihten si ir reise
gegen dem Meune dan,
üf durch Östervranken,
die Guntheres man.
dar leite si do Hagene;
dem was ez wol bekant.
ir marschalk was Dancwart,
der heit von Burgonden lant. gen Swalevelde riten,
1525 Do si von östervranken do mohte man si kiesen
an herlichen siten,
die fürsten unt ir mäge,
die helde lobesam. der künic zer Tuonouwe quam.
an dem zwelften morgen 1526 Do reit von Tronege Hagene er was den Nibelungen
z’aller vorderost.
ein helflicher trost.
do erbeizte der degen küene sin ross er harte balde
nider üf den sant,
zuo zeinem boume gebant.
1527 Daz wazzer was engozzen,
diu schif verborgen,
ez ergie den Nibelungen wie si kcemen übere:
ze grozen sorgen, der wäc was in ze breit,
do erbeizte zuo der erden
vil manic ritter gemeit.
1528 ‘Leide’, so sprach Hagene,
‘mac dir wol hie geschehen, voget von dem Rine. nu mäht du selbe sehen, daz wazzer ist engozzen, vil starc ist im sin fluot. ja wxne wir hie Verliesen noch hiute manigen heit guot.’
1529 ‘Waz wizet ir mir, Hagene?’
sprach der künec her.
‘durh iuwer selbes tugende
untroestet uns niht mer.
den furt sult ir uns suochen
hin über an daz lant,
daz wir von hinnen bringen
beidiu ross unt ouch gewant.’
1530 ‘Jan’ ist mir’, sprach Hagene,
‘min leben niht so leit,
daz ich mich welle ertrenken
in disen ünden breit. ersterben manic man
e sol von minen handen in Etzelen landen,
des ich vil guoten willen hän.
1531 Belibet bi dem wazzer,
ir stolzen ritter guot.
ich wil die vergen suochen die uns bringen übere
selbe bi der fluot,
in Gelfrätes lant.’
do nam der starke Hagene
sinen guoten Schildes rant
25. Äventiure
1532 Er was vil wol gewäfent.
den schilt er dannen truoc,
smen heim uf gebunden,
lieht was er genuoc.
do truog er ob der brünne daz ze beden ecken
ein wäfen also breit,
harte vreislichen sneit.
1533 Do suocht’ er näh den vergen er horte wazzer giezen
wider unde dan.
(losen er began)
in einem schoenen brunnen.
daz täten wisiu wip.
di wolden sih dä küelen
unde badeten ir lip.
1534 Hagene wart ir innen,
er sleich in tougen näch.
do si daz versunnen, daz si im entrunnen,
do wart in dannen gäch.
er nam in ir gewaste;
der heit enschadete in niht mer.
des wären si vil her.
1535 Do sprach daz eine merwip, ‘edel ritter Hagene,
Hadeburc was si genant:
wir tuon iu hie bekant,
swenne ir uns, degen küene, wie iu zuo den Hiunen
gebet wider unser wät,
disiu hovereise ergät.’
1536 Si swebten sam die vögele des dühten in ir sinne
vor im üf der fluot.
starc unde guot.
swaz si im sagen wolden,
er geloubte ez deste baz.
des er do hin z’in gerte,
wol beschieden si im daz.
1537 Si sprach:‘ir muget wol riten des setze ich iu ze bürgen daz helde nie gefuoren
in deheiniu riche baz
näch also grozen eren.
nu geloubet wserlichen daz.’
1538 Der rede was do Hagene do gap er in ir kleider do si do an geleiten do sagten si im rehte
in Etzelen lant.
mine triuwe hie zehant,
in sinem herzen her. und sümte sich niht mer.
ir wunderlich gewant, die reise in Etzelen lant.
1539 Do sprach daz ander merwip, ‘ich wil dich warnen, Hagene, durch der waete liebe
wand’ ir helde küene daz ir sterben müezet swelhe dar geritent,
daz Aldriänes kint.
hät min muome dir gelogen,
kumestu hin zen Hiunen, 1540 Jä soltu keren widere;
diu hiez Sigelint:
so bistu sere betrogen. daz ist an der zit, also geladet sit, in Etzelen lant.
die habent den tot an der hant.’
177
178
Nibelungenlied: Text
1541 Do sprach aber Hagene:
1542
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1544
1545
1546
1547
1548
1549
wie möhtez sich gefüegen, daz wir alle tot solden da beliben durh iemannes haz?’ si begonden im diu mxre sagen küntlicher baz. Do sprach aber diu eine: ‘ez muoz also wesen, daz iuwer deheiner kan da niht genesen, niwan des küneges kappelän, daz ist uns wol bekant. der kumet gesunder widere in daz Guntheres lant.’ Do sprach in grimmem muote der kiiene Hagene: ‘daz wxre minen herren müelich ze sagene, daz wir zen Hiunen solden vliesen alle den lip. nu zeige uns überz wazzer, daz aller wiseste wip.’ Si sprach: ‘sit du der verte niht welles haben rat: swä obene bi dem wazzer ein herberge stät, da inne ist ein verge und niender anderswä.’ der mxre der er vrägte, der geloubet’ er sich da. Dem ungemuoten recken sprach diu eine nach: ‘nu bitet noch, her Hagene, ja ist iu gar ze gäch. vernemet noch baz diu msre, wi ir körnet über sant. dirre marc herre der ist Else genant. Sin bruoder ist geheizen der degen Gelpfrät, ein herre in Beyer lande. vil müelich ez iu stät, weit ir durch sine marke. ir sult iuh wol bewarn und sult ouch mit dem vergen vil bescheidenliche varn. Der ist so grimmes muotes, er lät iuch niht genesen, ir enwelt mit guoten sinnen bi dem helde wesen, weit ir daz er iuch füere, so gebet im den solt. er hüetet disses landes unt ist Gelpfräte holt. Und kum er niht bezite, so ruofet über fluot, unt jehet ir heizet Amelrich. der was ein heit guot, der durch fientschefte rümte ditze lant. so kumt iu der verge, swenne im der name wirt genant.’ Der übermüete Hagene den vrouwen do neic; er’n redete niht mere, wan daz er stille sweic. do gie er bi dem wazzer hoher an den sant, da er anderthalben eine herberge vant.
25. Äventiure
1550 Er begonde vaste ruofen
hin über den fluot.
nu hol mich hie, verge’,
sprach der degen guot,
‘so gib’ ich dir ze miete ja ist mir dirre verte,
einen bouc von golde rot. daz wizzest, waerlichen not.’
:l 551 Der verge was so riche,
daz im niht dienen zam,
da von er Ion vil selten
von iemen da genam.
ouch waren sine knehte
Vli
noh stuont allez Hagene
hohe gemuot.
eine disehalp der fluot.
:L 552 Do ruofte er mit der krefte
wan des heldes Sterke
daz al der wäg erdoz,
was michel unde groz:
‘nu hol mich Amelrichen!
ich bin der Elsen man,
der durch starke fientschaft von disem lande entran.’ 1553 Vil hohe an dem swerte einen bouc er im do bot, lieht unde schoene
was er von golde rot,
daz man in über fuorte
in Gelpfrätes lant.
der übermüete verge nam selbe daz ruoder an die hant. : 554 Ouch was der selbe schifman niulich gehn. diu gir nach grozem guote
vil boesez ende git.
do wold’ er verdienen
daz Hagenen golt so rot;
des leit er von dem degene : 555 Der verge zoh genote
den swertgrimmigen tot.
hin über an den sant.
den er da nennen horte,
do er des niht envant,
do zurnde er ernstlichen.
als er Hagenen sah,
vil harte grimmeclichen
er do zuo dem helde sprach:
: 556 ‘Ir muget wol sin geheizen
benamen Amelrich,
des ich mich hie verwsene,
dem sit ir ungelich.
von vater und von muoter
was er der bruoder min.
nu ir mich betrogen habet,
ir müezet disehalben sin.’
5 557 ‘Nein, durch got den riehen’, ‘ich bin ein vremder recke nu nemet hin vriuntüche daz ir mich über füeret:
sprach do Hagene. unt sorge üf degene.
hiute minen solt, ich bin iu waerlichen holt.’
5 558 Do sprach aber der verge: ez habent fiande
‘des mac niht gesin.
die lieben herren min,
dar umbe ich niemen vremden so liep dir si ze lebene,
füere in ditze lant.
so trit vil balde üz an den sant.’
179
180
Nibelungenlied: Text
1559 ‘Nune tuot des niht’, sprach Hagene: nemet von mir ze minne
unt füeret uns über tüsent ross do sprach der grimme verge: er sluoc ez üf Hagenen
[min muo
unt also manigen man.’ ‘daz wirdet nimmer getan.’
1560 Er huop ein starkez ruoder,
michel unde breit, (des wart er ungemeit),
daz er in dem schiffe
strüchte an siniu knie.
so rehte grimmer verge
der kom dem Tronegxre nie.
1561 Do wolde er baz erzürnen
den übermüeten gast:
er sluoc im eine schalten,
daz diu gar zerbrast,
Hagenen über daz houbet; da von der Elsen verge
er was ein starker man. den grozen schaden da gewan.
1562 Mit grimmigem muote
greif Hagene zehant
vil balde z’einer scheiden,
da er ein wäfen vant.
er sluoc im ab daz houbet
und warf ez an den grünt,
diu majre wurden schiere 1563 In den selben stunden
den stolzen Burgonden kunt. do er den schifman sluoc,
daz schif daz vloz en ouwe; e erz gerihte widere,
daz was im leit genuoc.
müeden er began.
do zoh vil kreftecliche
des künec Guntheres man.
1564 Mit Zügen harte swinden
kert’ez der gast,
unz im daz starke ruoder
an siner hende brast.
er wolde zuo den recken
üz an einen sant.
da was aehemez mere.
hey wie schier’ er dä’z gebant
1565 Mit einem schiltvezzel! gegen einem walde
‘wan trürec ist
diz golt vil guot
daz was ein porte smal. kert’ er hin ze tal.
do vant er sinen herren
an dem stade stän.
do gie im hin engegene
vil manic wxtlicher man.
1566 Mit gruoze in wol enpfiengen do sähens in dem schiffe von einer starken wunden,
die er dem vergen sluoc.
do wart von den degenen 1567 Do der künic Günther sweben in dem schiffe,
gevräget Hagene genuoc. daz heize bluot ersach wie balde er do sprach:
wan sagt ir mir, her Hagene, iuwer starkez eilen
die snellen ritter guot.
riechen daz bluot
war ist der verge körnen?
warn’ im daz leben hat benomen.’
25. Äventiure
•1568 Do sprach er lougenliche:
‘dä ich daz schif da vant,
bi einer wilden widen,
da lostez min hant.
ich hän deheinen vergen ez ist ouch niemen leide
hiute hie gesehen; [geschehen.’ von minen schulden hie
1569 Do sprach von Burgonden
der herre Gernot:
‘hiute muoz ich sorgen
üf lieber friunde tot,
sit wir der schifliute
bereite nine hän,
wie wir körnen übere.
des muoz ich trüric gestän.’
11570 Vil lute rief do Hagene: ir knehte, diu gereite.
‘leit nider üf daz gras,
ich gedenke daz ich was
der aller beste verge,
den man bi dem Rine vant.
ja trüwe ich iuch wol bringen 1571 Daz si deste balder
wand’ in diu starke ünde
deheinez da benam. als ez ir müede gezam.
1.572 Do truogen si zem scheffe
ir golt und ouch ir wät,
niht mohten haben rät.
Hagene was dä meisten
des fuort’ er üf den sant
vil manigen riehen recken
in daz unkunde lant.
1573 Zem ersten bräht’er über
tüsent ritter her,
dar näch die sinen recken,
dannoch was ir mer.
die fuort’ er an daz lant.
des tages was unmüezec 1574 Do er si wol gesunde
des küenen Tronegasres hant. brähte über die fluot,
do gedähte vremder mxre diu im e dä sageten
der snelle degen guot,
diu wilden merwip.
des het des küneges kapelän .575 Bi dem kappelsoume ob dem heilectuome
er den pfaffen vant. do in Hagen sach, muose liden ungemach.
576 Er swang in üz dem schiffe, do riefen ir genuoge: Giselher der junge,
näch verlorn sinen lip.
er leinte an smer hant.
des moht’ er niht geniezen. der gotes arme priester
[lant.’
der swimmen daz wart guot,
etlichez ouwete verre,
niun tüsent knehte
hin über in Gelpfrätes
koemen über fluot,
diu ross si an sluogen.
sit daz si der verte
181
dar zuo wart im gäch.
‘nu vähä, herre, väch!’ zürnen erz began.
er’n wold’ iz doh niht läzen
er enhet im leide getän.
182
Nibelungenlied: Text
1577 Do sprach von Burgonden
der herre Gernot:
‘waz hilfet iuch nu, Hagene,
des kappelänes tot?
txt’ ex ander iemen,
daz sold’ iu wesen leit.
umbe weihe schulde
habt ir dem priester widerseit?’
1578 Der pfaffe swam genote. ob im iemen hülfe.
er wolde sin genesen,
des mohte do niht wesen,
wan der starke Hagene
vil zornec was gemuot.
er stiez in zuo dem gründe; 1579 Do der arme pfaffe
daz endühte nieman guot.
der helfe niht ensach,
do kert’ er wider übere:
des leid er ungemach.
swi er niht swimmen künde, daz er wol kom gesunder 1580 Do stuont der arme priester da bi sach wol Hagene
unde schütte sine wät.
daz sin niht waere rät,
daz im für msere sageten
diu wilden merewip.
er dähte: ‘dise degene
müezen Verliesen den lip.’
1581 Do si daz schif entluoden swaz dar üfe heten
im half diu gotes hant hin wider üz an daz lant.
und gar getruogen dan,
der drier künege man,
Hagene ez sluoc ze stucken des hete michel wunder
und warf ez an die fluot.
die recken küene unde guot.
1582 ‘Zwiu tuot ir daz, bruoder?’ ‘wie sul wir komen übere,
so sprach Dancwart: so wir die widervart
riten von den Hiunen
ze lande an den Rin?’
sit do sagete in Hagene
daz des künde niht gesin.
1583 Do sprach der heit von Tronege: ob wir an dirre reise der uns entrinnen welle
durch zägeliche not,
der muoz an disem wäge
doch liden schamelichen tot.’
1584 Si fuorten mit in einen
üz Burgonden lant,
einen heit ze sinen handen der redete spaffieliche
der was Volker genant.
allen sinen muot.
swaz ie begie her Hagene, 1585 Ir ross bereitet wären, si heten an der verte
‘ich tuon iz üf den wän,
deheinen zagen hän,
daz düht’ den videlsre guot. die soumer wol geladen,
noch deheinen schaden
genomen der si muote, der muose üf sinen füezen
wan des küneges kappelän. hin wider zuo dem Rine gän.
26. Äventiure
183
26. Äventiure Wie Gelpfrät erslagen wart von Dancwarte 11586 Do si nu waren alle
komen üf den sant,
der künec begonde vrägen: die rehten wege wisen,
‘wer sol uns durch daz lant daz wir niht irre varn?’
do sprach der starke Volker:
‘daz sol ich eine bewarn.’
11587 ‘Nu enthaltet iuch’, sprach Hagene, man sol friunden volgen: vil ungefüegiu msere
‘ritter unde kneht.
ja dunket ez mich reht.
diu tuon ich iu bekant:
wir enkomen nimmer
wider in der Burgonden lant.
11588 Daz sageten mir zwei merwip daz wir niht koemen widere.
hiute morgen fruo, nu rät’ ich waz man tuo:
daz ir iuch wäfent, helde.
ir sult iuch wol bewarn!
wir hän hie starke fiende;
daz wir gewerliche varn.
11589 Ich wände an lügen fünde si jähen daz gesunder
diu wisen merwip.
unser deheines lip
wider ze lande kceme,
niwan der kappelän.
dar umb ich in wolde
so gerne hiut’ ertrenket hän.’
1590 Do Augen disiu masre
von schare baz ze schar.
des wurden snelle helde do si begonden sorgen an dirre hovereise.
vor leide missevar, üf den herten tot
des gie in waerliche not.
1591 Dä ze Moeringen
si wären über komen,
dä dem Elsen vergen
was der lip benomen.
do sprach aber Hagene:
‘sit daz ich viende hän
verdienet üf der sträze,
wir werden sicherlich bestän.
11592 Ich sluoc den selben vergen si wizzen wol diu msere. ob Gelpfrät und Else unser ingesinde,
hiute morgen fruo. nu grifet balde zuo!
hiute hie beste
daz iz in schädelich erge.
11593 Ich erkenne si so küene, diu ross diu sult ir läzen daz des iemen waene, ‘des rätes wil ich volgen’, 1594 ‘Wer sol daz gesinde
ez wirdet niht verlän. deste sanfter gän, wir vliehen üf den wegen.’ so sprach Giselher der degen. wisen über lant?’
184
Nibelungenlied: Text
si sprächen: ‘daz tuo Volker, stige unde sträze,
dem ist hie wol bekant
der küene spileman.’
e daz mans vollen gerte,
man sach wol gewäfent stän
1595 Den snellen videkere. in herlicher varwe
den heim er üf gebant. was sin wicgewant.
er bant ouch z’einem schäfte
ein Zeichen, daz was rot.
sit kom er mit den künegen 1596 Do was tot des vergen
Gelpfräte körnen
mit gewissem mxre. Else der vil starke;
in eine grcezllche not.
dö het ez ouch vernomen ez was in beden leit.
si sanden nach ir helden, 1597 In vil kurzen ziten,
ich wil iuch hoeren län,
sah man zuo in riten in starken urliugen,
die wären schiere bereit. die schaden heten getän
vil ungefüegiu ser.
der körnen Gelpfräte
wol siben hundert oder mer.
1598 Do si ir grimmen fienden jä leiten si ir herren.
begonden riten näch,
den was ein teil ze gäch
näch den küenen gesten;
si wolden anden ir zorn.
des wart der herren friunde
sider mere verlorn.
1599 Do hete von Tronege Hagene
wol gefiieget daz,
(wie möhte siner mäge
ein heit gehüeten baz?)
er pflac der nächhuote
mit den sinen man,
und Dancwart sin bruoder.
daz was vil wislich getän.
1600 In was des tages zerunnen,
des enheten si niht mer.
er vorhte an sinen vriunden si riten under Schilden
leit unde ser.
durch der Beyer lant.
dar näch in kurzer wile
die helde wurden an gerant.
1601 Beidenthalp der sträze
und hinden vaste näch
si hörten hüeve klaffen;
dem liute was ze gäch.
do sprach der küene Dancwart: ‘man wil uns hie bestän. nu binden üf die helme: daz ist rötlich getän.’ 1602 Si hielten ab ir verte,
als iz muoste sin.
si sähen in der vinster döne wolde Hagene
der liehten Schilde schin. niht langer si verdagen:
‘wer jaget uns üf der sträze?’ 1603 Do sprach der marcgräve
daz muos’ im Gelpfrät dö üzer Beyer lant:
[sagen.
26. Äventiure
wir suochen unser viende
185
und haben her nach gerant.
l’ne weiz niht wer mir hiute
minen vergen sluoc.
der was ein heit zen handen,
des ist mir leide genuoc.’ 11604 Do sprach von Tronege Hagene: Vas der verge din? der wold’ uns niht füeren. do sluoc ich den recken.
des ist diu schulde min. deiswär des gie mir not.
ich het von sinen handen
vil nach gewunnen den tot.
11605 Ich bot im ze miete golt und ouch gewant, daz er uns über fuorte, heit, in din lant. daz zurnde er so sere, daz er mich do sluoc mit einer starken schalten: des wart ih grimmic genuoc. 11606 Do kom ich zuo dem swerte und wert’ im sinen zorn mit einer starken wunden, daz bringe ich iu ze suone
des wart der heit verlorn. swie iuch dunket guot.’ si wären herte gemuot.
do gie ez an ein striten.
11607 ‘Ich wesse wol’, sprach Gelpfrät,
‘do hie für gereit
Günther und sin gesinde, daz uns taste leit Hagene von Tronege. nu sol er niht genesen, für des vergen ende der heit muoz hie bürge wesen.’ 1608 Si neigten über Schilde
ze Stichen nu diu sper,
Gelpfrät und Hagene;
in was z’ein ander ger.
Else unde Dancwart
vil herliche riten, [gestriten. si versuochten wer si wären; dä wart vil grimme 11609 Wie möhten sich versuochen immer helde baz? von einer starken tjoste Hagene der küene
hinder daz ross gesaz
von Gelpfrätes hant.
im brast daz fürbüege. 11610 Von ir ingesinde
do wart im striten bekant.
der krach der schefte schal.
do erholt’ ouch sich dort Hagene, körnen von dem Stiche
nider an daz gras,
er warne unsanftes muotes 11611 Wer in diu ros behielte, si wären zuo der erden Hagene unde Gelpfrät des hülfen ir gesellen, 11612 Swie bitterlichen Hagene
der e was zetal
wider Gelpfräten was. daz ist mir umbekant. körnen üf den sant. ein ander liefen an.
daz in wart striten kunt getän. zuo Gelpfräte spranc,
186
Nibelungenlied: Text
der edel marcgräve
des Schildes hin im swanc
ein vil michel stücke,
daz’z fiwer drahte dan.
des was vil nach erstorben der küene Guntheres man. 1613 Do begonde er ruofen Dancwarten an. ‘hilfä, lieber bruoder,
ja hat mich bestän
ein heit ze sinen handen,
der’n lat mich niht genesen.’
do sprach der küene Dancwart: 1614 Der heit dö spranc dar naher mit einem scharpfen wäfen, Else wolde gerne
‘des sol ich scheidxre wesen.’ und sluoc im einen slac da von er tot gelac.
rechen do den man.
er und sin gesinde
schieden schedelichen dan. 1615 Im was erslagen der bruoder: selbe wart er wunt. wol ahzec siner degene
beliben da zestunt
mit dem grimmen töde.
der herre muose dan
flühtechchen wenden
von den Guntheres man.
1616 Do die von Beyer lande
wichen üz dem wege,
do hört’ man nach hellen
die vreislichen siege,
do jageten die von Tronege
ir fianden nach,
di sin niht enkelten wänden, 1617 Do sprach an ir flühte
den was allen ze gäch.
Dancwart der degen:
‘wir suln wider wenden balde üf disen wegen, und läze wir si riten: si sint von bluote naz. gähe wir zen friunden, ich rät’ iu wxrlichen daz.’ 1618 Do si hin wider körnen
da der schade was geschehen, do sprach von Tronege Hagene: ‘helde, ir sult besehen
wes uns hie gebreste hie in disem strite
oder wen wir hän verlorn durh den Gelpfrätes zorn.’
1619 Si heten vlorn viere,
die muosen si verklagen,
die waren wol vergolten. der von Beyer lande
dä wider was erslagen
hundert oder baz.
des wären den von Tronege 1620 Ein teil schein uz den wölken do sprach aber Hagene:
[naz.
ir Schilde trüebe und bluotes des liehten mänen brehen.
‘niemen sol verjehen
den rninen lieben herren waz wir hie hän getän. lat si unz morgen äne sorge bestän.’
26. Äventiure
1621 Do si nu nach in körnen,
187
die dort striten e,
do tet dem ingesinde
diu müede harte we.
‘wie lange sul wir riten?’
des vrägte manic man.
do sprach der küene Dancwart: ‘wir mugen niht herberge 1622 Ir müezet alle riten unz ez werde tac.’ [hän. Volker der snelle,
der des gesindes pflac,
bat den marschalch vrägen:
‘wä sul wir hinte sin,
da gerasten unser moere
und ouch die lieben herren min?’
1623 Do sprach der küene Dancwart: wir enmugen niht geruowen swa wirz danne vinden, do si diu masre horten,
wie leit in sümelichen was! des heizen bluotes rot,
ir liehtez schinen bot
dem morgen über berge,
daz ez der künic sach
daz si gestriten heten.
der heit vil zorneclichen sprach:
1625 ‘Wie nu, friunt Hagene? daz ich bi iu wxre
iu wasn’ versmähet daz,
da iu die ringe naz
sus wurden von dem bluote. er sprach: ‘daz tet Else: dö sluoc Gelpfräten
wir wurden an gerant. mines bruoder hant.
sit entran uns Else.
des twang in michel not.
in hundert und uns viere
beliben in dem strite tot.’
1627 Wir kunnen niht bescheiden
wä si sich leiten nider.
die gevrieschen sider
daz ze hove füeren
der edeln Uoten kint.
si wurden wol enpfangen
da ze Pazzouwe sint.
1628 Der edeln künege oeheim,
der bischof Pilgerin,
dem was vil wol ze muote, mit also vil recken
do die neven sin
körnen in daz lant.
daz er in willec w£ere, 1629 Si wurden wol enpfangen da ze Pazzouwe
wer hat daz getan?’
der het uns nähten bestän.
1626 Durch den sinen vergen
alle die lantliute
e iz beginne tagen. da legen uns an ein gras.’
1624 Si beliben unvermeldet unz daz diu sunne
‘me kans iu niht gesagen.
daz wart in schiere bekant. von vriunden üf den wegen,
man konde ir niht gelegen.
si muosen über’z wazzer, da wurden üf gespannen
da si funden velt. beide hütten und gezelt.
188
Nibelungenlied: Text
1630 Si muosen da beliben
allen einen tac
und ouch die naht mit vollen. dar nach si muosen riten
in Rüedegeres lant.
dem wurden ouch diu mxre 1631 Do die wegemüeden unde si dem lande
wie schone man ir pflac! dar nach vil schiere bekant.
ruowe genamen näher quämen,
do fundens’ üf der marke
släfende einen man,
dem von Tronege Hagene
ein starkez wäfen an gewan.
1632 Ja was geheizen Eckewart er gewan dar umbe
der selbe ritter guot.
einen trürigen muot,
daz er verlos daz wäfen
von der helde vart.
die marke Rüedegeres
di fundens’ übele bewart.
1633 ‘Owe mir dirre schände’,
sprach do Eckewart.
‘jä riuwet mich vil sere
der Burgonden vart.
sit ich verlos Sifride,
sit was min freude zergän.
ouwe, herre Rüedeger,
wie hän ich wider dich getän!’
1634 Do hört’ vil wol Hagene
des edelen recken not.
er gab im wider sin wäfen
und sehs bouge rot.
‘die habe dir, heit, ze minnen, du bist ein degen küene, 1635 ‘Got Ion’iu iwer pouge’,
sprach do Eckewart,
doch riuwet mich vil sere ir sluoget Sifriden:
zen Hiunen iuwer vart.
man ist iu hie gehaz.
daz ir iuch wol behüetet,
in triuwen rät’ ich iu daz.’
1636 ‘Nu müeze uns got behüeten’, ‘jan’ hänt niht mere sorge wan umb’ die herberge,
die künige und ouch ir man, noch hinte nahtselde hän.
1637 Diu ross sint uns verdorben unt der spise zerunnen’, wir vinden’z ninder veile.
uns wzere wirtes not, durch sine tugende sin bröt.’
1638 Do sprach aber Eckewart: in deheinem lande,
üf den verren wegen, sprach Hagene der degen.
der uns noch hinte gxbe
ob ir vil snelle degene
sprach do Hagene. dise degene
wa wir in disem lande
daz ir ze huse selten
daz du min friunt sist.
swie eine du üf der marke list.’
‘ich zeig’ iu einen wirt,
so wol bekomen birt als iu hie mac geschehen, wellet Rüedegeren sehen.
26. Äventiure
1639 Der sitzet bi der sträze
und ist der beste wirt,
der ie kom ze hüse.
sin herze tugende birt,
alsam der süeze meije
daz gras mit bluomen tuot.
swenne er sol helden dienen, 1640 Do sprach der künec Günther: ob uns welle enthalten
so ist er vroelich gemuot.’ ‘weit ir min bote sin,
durch den willen min
min lieber friunt Rüedeger,
mine mäge und unser man?
daz wil ih immer dienen 1641 ‘Der bote bin ich gerne’,
so ich aller beste kan.’ sprach do Eckewart,
mit vil guotem willen
huob er sich an die vart
und sagete do Rüedegere
als er hete vernomen.
im was in manigen ziten
niht so lieber mzere körnen,
1642 Man sah ze Bechelären
ilen einen degen.
selbe erkande in Rüedeger; dort her gähet Eckewart,
er sprach: ‘üf disen wegen ein Kriemhilde man.’
er wände daz die viende
im heten leide getan.
1643 Do gie er für die porten
da er den boten vant.
daz swert er ab gurte
und leitez von der hant.
diu msere diu er brähte
wurden niht verdaget
den wirt und sine friunde.
ez wart in schiere gesaget.
1644 Er sprach zem marcgräven: Günther der herre
‘mich hat zuo iu gesant
von Burgonden lant
und Giselher sin bruoder der recken ieslicher
und ouch Gernot.
iu sinen dienest her enbot.
1645 Daz selbe hat ouch Hagene mit triuwen vlizecliche.
unde Volker noch sage ich iu mer,
daz iu des küneges marschalch daz den guoten knehten 1646 Mit lachendem munde
antwurte Rüedeger:
‘nu wol mich dirre mxre,
daz di künige her
geruochent miner dienste, koment si mir ze hüse,
der wirt in niht verseit. des bin ich vro unt gemeit.’
1647 ‘Dancwart der marschalch wen ir ze hüse
bi mir daz enbot:
wsere iwer herberge not.’
der hiez iuch wizzen län
mit in soldet hän:
sehzec sneller recken und niun tüsent knehte.’
unt tüsent ritter guot do wart er vroelich gemuot.
189
190
Nibelungenlied: Text
1648 ‘Nu wol mich dirre geste’,
sprach do Rüedeger,
‘daz mir koment ze hüse
dise recken her,
den ich noch vil selten
iht gedienet hän.
nu ritet in engegene,
beide mäge unde man,’
1649 Do llten zuo den rossen
ritter unde kneht.
swaz in gebot ir herre,
daz dühtes’ alle reht.
do liezen sie in der dienste
zogen deste baz.
noch enweste es niht vrou Gotelint,
diu in ir kemenäten
27. Aventiure Wie si ze Bechelaren komen 1650 Do gie der marcgräve
da er di vrouwen vant,
sin wip mit siner tohter, diu vil lieben mxre,
und sagete in zehant
diu er hete vernomen,
daz in ir frouwen brüeder dar ze huse solden komen. 1651 ‘Vil liebiu triutinne’, sprach do Rüedeger, ir sult vil wol enpfähen so si mit ir gesinde
die edelen künige her,
her ze hove gän.
ir sult ouch schone grüezen
Hagenen Guntheres man.
1652 Mit in kumt ouch einer,
der heizet Dancwart;
der ander heizet Volker, die sehse sult ir küssen
an zühten wol bewart. unt diu tohter min,
unde sult ouch bi den recken 1653 Daz lobeten do die vrouwen si suochten üz den kisten dar inne si begegene
in zühten güetliche sin.’ und wären sin bereit, diu herlichen kleit
den recken wolden gän.
da wart vil michel vlizen 1654 Gevelschet frouwen varwe si truogen uf ir houbte (daz waren schapel riche),
von schoenen wlben getän. vil lützel man dä vant. von golde liehtiu bant daz in ir schoene här
zefuorten niht die winde: daz ist an den triuwen wär. 1655 In solhen unmuozen sul wir die vrouwen län. hie wart vil michel gähen
über velt getän
von Rüedegeres vriunden
dä man die fürsten vant.
27. Äventiure
191
si wurden wol enpfangen in des marcgräven lant. 1656 Do si der marcgräve zuo im komen sach, Rüedeger der snelle,
wie vrcelich er sprach:
sit willekomen, lr herren,
und ouch mwer man
hie in minem lande. vil gern’ ich luh gesehen hän!’ 11657 Do nigen im die recken mit triuwen äne haz. daz er in willec wacre,
vil wol erzeigete er daz.
besunder gruozte er Hagenen: alsam tet er Völkern
den het er e bekant.
üzer Burgonden lant.
1658 Er enpfie ouch Dancwarten. ‘sit ir uns weit beruochen, des unsern ingesindes,
do sprach der kiiene degen: nu wer sol danne pflegen
daz wir haben bräht?’
do sprach der marcgräve: 1659 Und allez iwer gesinde. habt mit iu gefüeret,
‘ir sult haben guote naht swaz ir in daz lant
ross und ouch gewant,
dem schaffe ich sölhe huote, daz iu ze schaden bringe
daz sin niht wirt verlorn gegen einigem sporn.
11660 Spannet üf, ir knehte,
die hätten an daz velt.
swaz ir hie verlieset,
des wil ich wesen gelt,
ziehet ab die zoume,
diu ross diu läzet gän.’
daz het in wirt deheiner
da vor vil selten getan.
11661 Des vreuten sich die geste. die herren riten dannen. über al die knehte;
sich leiten in daz gras
si heten guot gemach,
ich warne in an der verte
nie so sanfte geschach.
11662 Diu edele marcgrävinne
was für di burc gegän
mit ir vil schoenen tohter.
do sah man bi ir stän
die minneclichen vrouwen die truogen vil der bouge 11663 Daz edel gesteine
do daz geschaffen was,
und manige schoene meit, und ouch herlichiu kleit.
lühte verre dan
üz ir vil riehen waste:
si wären wol getän.
do komen ouch die geste hey waz man grozer zühte 11664 Sehs unt drizec mägede den was wol ze wünsche die giengen in engegene
und erheizten sä zehant. an den Burgonden vant! unt ander manic wip, geschaffen der lip, mit manigem küenem man.
192
Nibelungenlied: Text
da wart ein schoene grüezen
von edeln vrouwen getan.
1665 Diu junge marcgrävinne
kuste die künige alle dri da stuont ouch Hagene bi.
(alsam tet ir muoter). ir vater hiez in küssen;
do blihte si in an.
er dühte si so vorhtlich
daz siz vil gerne hete lan. daz ir der wirt gebot,
1666 Doch muoste si da leisten gemischet wart ir varwe,
bleich unde rot. dar nach den spileman.
si kuste ouch Dancwarten
wart im daz grüezen getan.
durch sines libes eilen 1667 Diu junge marcgrävinne Giselher den recken
diu nam bi der hant
von Burgonden lant.
alsam tet ouch ir muoter
Günther den küenen man.
si giengen mit den helden
vil harte vrceliche dan.
1668 Der wirt gie bi Gernote ritter unde vrouwen
in einen witen sal. gesäzen da zetal.
do hiez man balde scenken
den gesten guoten win.
jane dorften nimmer helde
baz gehandelet sin.
1669 Mit lieben ougen blicken
wart gesehen an
diu Rüedegeres tohter,
diu was so wol getan,
ja trütes’ in den sinnen
vil manic ritter guot.
daz konde ouch si verdienen: 1670 Si gedähten swes si wolden: hin und her widere
des enmoht’ aber niht
wart da vil gesehen
an mägede und an vrouwen, der edele videlaere 1671 Nach gewonheite
si was vil hohe gemuot. [geschehen,
der saz da genuoc.
dem wirte holden willen truoc. so schieden si sich da;
ritter unde vrouwen
die giengen anderswä.
do rihte man die tische den unkunden gesten
in dem sale wit. man diente herllche sit.
1672 Durch der geste liebe
hin ze tische gie
diu edele marcgrävinne.
ir tohter si do lie
beliben bi den kinden,
da si von rehte saz.
die geste ir niht ensähen:
si muote wasrlichen daz. unt gezzen über al,
1673 Do si getrunken heten do wiste man die schoenen gämelicher Sprüche
wider in den sal.
wart dä niht verdeit.
27. Äventiure
193
der redete vil da Volker, ein degen küen’ unt gemeit. 1674 Do sprach offenlichen der edel spilman: ‘richer marcgräve,
got hat an iu getan
vil genxdeclichen,
wand’ er iu hat gegeben
ein wip so rehte schoene, 1675 Ob ich ein fürste wasre’,
dar zuo ein wunneclichez leben. sprach der spilman,
‘und solde ich tragen kröne,
ze wibe wold’ ich han
die mwern schoenen tohter,
des wünschet mir der muot.
diu ist minneclich ze sehene,
dar zuo edel unde guot.’
1676 Do sprach der marcgräve:
‘wie möhte daz gesin,
daz immer künec gerte wir sin hie eilende,
der lieben tohter min? beide ich und min wip:
waz hülfe gröziu schcene der guoten juncvrouwen lip?’ 1677 Des antwurte Gernot, der wol gezogen man: ‘und sold’ ich triutinne
nach minem willen han,
so wold’ ich solhes wibes
immer wesen vrö.’
des antwurte Hagene vil harte güetlichen dö: 1678 ‘Nu sol min herre Giselher nemen doch ein wip: ez ist so hoher mäge
der marcgrävinne lip,
daz wir ir gerne dienten,
ich unde sine man,
und soldes’ under kröne
da zen Burgonden gän.’
1679 Diu rede Rüedegeren
dühte harte guot,
und ouch Gotelinde:
ja freutes’ in den muot.
sit truogen an die helde Giselher der edele,
daz si ze wibe nam
als ez wol künege gezam.
1680 Swaz sich sol gefüegen,
wer mac daz understen?
man bat die juncvrouwen
hin ze hove gen.
dö swuor man im ze gebene
daz wünnecliche wip.
do lobt’ ouch er ze minnen
den ir vil minneclichen lip.
1681 Man beschiet der juncvrouwen des sichert’ da mit eiden
des edeln küniges hant,
unde ouch der herre Gernot, dö sprach der marcgräve: 1682 So sol ich iu mit triuwen ich gibe zuo miner tohter so hundert soumaere
bürge unde lant. daz wurde daz getan,
‘sit ich der bürge niht enhän, immer wesen holt, silber unde golt
meiste mügen tragen,
194
Nibelungenlied: Text
daz ez des heldes mägen
nach eren müge wol behagen.’
1683 Do hiez man si beide nach gewonheite.
sten an einen rinc vil manic jungelinc
in vroelichem muote
ir zegegene stuont.
si gedähten in ir sinnen
so noch die tumben gerne tuont.
1684 Do man begonde vrägen ob si den recken wolde,
die minneclichen meit, ein teil was ez ir leit,
unt dähte doch ze nemene si schämte sich der vräge
den waetlichen man. so manic maget hat getan,
1685 Ir riet ir vater Rüedeger unt daz si in gerne nxme. mit sinen wizen handen,
daz si spraeche ja vil schiere do was da der si umbeslöz,
Giselher der edele, swie lützel si sin doch genöz. 1686 Do sprach der marcgräve: ‘ir edelen künege rieh, als ir nu wider ritet
(daz ist gewonlich)
heim ze Burgonden,
so gib’ ich iu min kint,
daz ir si mit iu füeret.’ daz gelobten si sint. 1687 Swaz man da schalles horte, den muosen si do län. man hiez die junevrouwen und ouch die geste släfen do bereite man die spise; 1688 Do si enbizzen wären, gen der Hiunen lande, wan ich so lieber geste wä naemet ir die spise,
mir hät der künec Etzel 1691 Swie sere si sich werten,
‘jane mag es niht gesin. daz bröt und ouch den win,
daz ir so manigem recken
mit allem dem gesinde,
‘ir sult noch hie bestän; selten hie gewunnen hän.’
1689 Des antwurte Dancwart:
jä gaebe ich iu die spise
der wirt ir güetliche pflac. si wolden dannen varn ‘daz heiz’ ich wol bewarn’,
sprach der wirt vil edele:
do daz der wirt gehörte, 1690 Mine vil lieben herren,
zir kemenäten gän, und ruowen an den tac.
noch hinte miieset hän?’ er sprach: ‘ir sult die rede län. ir sult mir niht versagen, ze vierzehen tagen, daz mit iu her ist komen: noch vil wenic iht genomen.’
si muosen dä bestän unz an den vierden morgen. do wart dä getän
von des wirtes milte
daz verre wart geseit.
27. Äventiure
er gap den sinen gesten beidiu ross unde kleit. (692 Ez enkunde niht wern langer, si muosen dannen varn. Rüedeger der künde vil wenic lht gesparn vor der siner milte.
swes iemen gerte nemen,
daz versagete er niemen: ez muose in allen gezemen. 693 Ir edel ingesinde brähte für daz tor gesatelt vil der moere.
do kom zuo zin da vor
vil der vremden recken: wände si wolden riten
si truogen schilde enhant, in daz Etzelen lant.
(694 Der wirt do sine gäbe
bot über al
e daz die edeln geste
koemen für den sal.
er konde miltecliche
mit grozen eren leben,
die sine tohter schcene
die het er Giselher gegeben,
(695 Do gap er Gunthere,
dem helde lobelich,
daz wol truoc mit eren
der edel künic rieh,
swie selten er gäbe enpfienge, dar nach neic do Günther (696 Do gap er Gernote
ein wäfenlich gewant. des edeln Rüedegeres hant.
ein wäfen guot genuoc,
daz er sit in sturme
vil herlichen truoc.
der gäbe im vil wol gonde
des maregräven wip,
dä von der guote Rüedeger (697 Gotelint bot Elagenen,
als ir vil wol gezam,
ir minneclichen gäbe,
sit si der künec nam,
daz er ouch äne ir stiure
zuo der hohgezit
von ir varn niht solde,
doh widerredete er iz sit.
(698 ‘Alles des ich ie gesach’,
sprach do Hagene,
‘sone gert’ ich niht mere niwan jenes Schildes
hinnen ze tragene dort an jener want.
den wolde ich gerne füeren (699 Do diu maregrävinne ez mante si ir leides:
in daz Etzelen lant.
Hagenen rede vernam, weinen si gezam.
do gedähte si vil tiure
an Nuodunges tot.
den het erslagen Witege, 7700 Si sprach zuo dem degene: daz wolde got von himele, der in dä truoc enhende!
sit muose vliesen den lip.
dä von so het si jämers not. ‘den schilt wil ich iu geben, daz er noh solde leben, der lag in sturme tot.
196
Nibelungenlied: Text
den muoz ich immer weinen, 1701 Diu edele marcgrävinne
des gät mir armem wlbe von dem sedele gie.
mit ir vil wizen handen
si den schilt gevie.
diu vrouwe truog in Hagenen, diu gäbe was mit eren
er nam in an die hant.
an den recken gewant.
1702 Ein hulft von liehtem pfelle (bezzern schilt deheinen
ob siner varwe lac beluhte nie der tac)
von edelem gesteine.
swer sin hete gegert
ze koufen, an der koste
was er wol tüsent marke wert.
1703 Den schilt hiez dö Hagene do begonde Dancwart
von im tragen dan.
hin ze hove gän.
dem gap vil richiu kleider
des maregräven kint.
diu truoc er da zen Hiunen
vil harte herliche sint.
1704 Allez daz der gäbe
von in wart genomen,
in ir deheines hende
wxr’ ir niht bekomen,
wan durh des wirtes liebe,
derz in so schone bot.
sit wurdens’ im so vient 1705 Volker der snelle gie gezogenliche
daz si in muosen slahen tot.
mit siner videlen dan für Gotelinde stän.
er videlte süeze doene
und sanc ir siniu liet.
dä mit nam er urloup,
do er von Bechelären schiet.
1706 Ir hiez diu marcgrävinne von friuntlicher gäbe
eine lade tragen,
muget ir hoeren sagen.
dar üz nam si zwelf bouge
und spiens’ im an die hant.
‘die sult ir hinnen füeren
in daz Etzelen lant.
1707 Und sult durh minen willen swenne ir wider wendet, des diu vrouwe gerte,
si ze hove tragen, daz man mir müge sagen,
wie ir mir habt gedienet
dä zer hohgezit.’ vil wol leister daz sit.
1708 Do sprach der wirt zen gesten: ich wil iuch selbe leiten daz iu üf der sträze do wurden sine soume
‘ir sult deste sanfter varn:
und heizen wol bewarn niemen müge geschaden.’ harte schiere geladen.
1709 Der wirt wart wol bereitet mit rossen und mit kleidern. vil harte frcelichen
[not.’
mit fünf hundert man die fuort’ er mit im dan
zuo der hohgezit:
27. Äventiure
der einer mit dem lebene
kom nie ze Bechelären sit.
10 Mit küsse minnecliche
der wirt do dannen schiet;
also tet ouch Giselher,
als im sin tugent riet,
mit umbeslozzen armen
si träten schoeniu wip.
daz muose sit beweinen
vil maniger juncvrouwen lip.
.1 Do wurden allenthalben
diu venster üf getan,
der wirt mit sinen mannen
zen rossen wolde gän.
ich warn’ ir herze in sagete
diu krefteclichen leit.
da weinte manic vrouwe 12 Nach ir lieben friunden die si ze Bechelären
und manic wsetlichiu meit.
genuoge heten ser, gesähen nimmer mer.
doch riten si mit vreuden zetal bi Tuonouwe
nider über sant
üz in daz hiunische lant.
.3 Do sprach zen Burgonden Rüedeger der edele:
der ritter vil gemeit,
‘ja suln niht verdeit
wesen unser maere,
daz wir zen Hiunen körnen.
im hat der künic Etzel
nie so liebes niht vernomen.’
Zetal durch Österriche
der bote balde reit,
den Hüten allenthalben
wart daz wol geseit,
daz die helde kcemen
von Wormez über Rin.
des küneges ingesinde
konde ez niht lieber gesin.
Die boten für strichen
mit den maeren,
daz die Nibelunge
zen Hiunen wasren.
‘du solt si wol enpfähen,
Kriemhilt, vrouwe min:
dir koment nach grozen eren Kriemhilt diu vrouwe
die vil lieben bruoder din.’
in ein venster stuont:
si warte nach den mägen, von ir vater lande
197
so friunt nach friunden tuont.
sach si manigen man.
der künic vriesc ouch diu maere; ‘Nu wol mich miner vreuden’, ‘hie bringent mine mäge und halsperge wize: der gedenke miner leide,
vor liebe er lachen began. sprach Kriemhilt.
vil manigen niuwen schilt swer nemen welle golt, und wil im immer wesen holt.’
198
Nibelungenlied: Text
28. Äventiure Wie die Burgonden zuo den Hinnen körnen 1718 Do die Burgonden
körnen in daz lant,
do gevriesch ez von Berne
der alte Hildebrant.
er sagtez sinem herren.
ez was im harte leit.
er bat in wol enpfähen
die ritter küene unt gemeit.
1719 Wolfhart der snelle
hiez bringen diu marc.
do reit mit Dietriche
vil manic degen starc,
da er si grüezen wolde,
zuo in an daz velt.
da hetens’ üf gebunden
vil manic herlich gezelt,
1720 Do si von Tronege Hagene zuo den sinen herren
verrist riten sach,
gezogenlich er sprach:
‘nu sult ir snelle recken
von dem sedele stän,
und get in hin engegene,
die iuch da wellent enpfän.
1721 Dort kumt her ein gesinde, daz ist mir wol bekant. ez sint vil snelle degene von Amelunge lant. die füeret der von Berne, si sint vil höhgemuot. ir sult iz niht versmähen, swaz man iu dienste getuot.’ 1722 Do stuonden von den rossen (daz was michel reht) neben Dietriche manic ritter unde kneht. si giengen zuo den gesten da man die helde vant. si gruozten minneclichen die von Burgonden lant. 1723 Do si der herre Dietrich
gegen im körnen sach,
hie muget ir gerne hoeren,
waz do der degen sprach
zuo den Uoten kinden.
ir reise was im leit.
er wand’ ez weste Rüedeger, 1724 "Sit willekomen, ir herren, Gernöt unde Hagene,
daz erz in hete geseit. Günther und Giselher,
sam si her Volker
und Dancwart der vil snelle. Kriemhilt noch sere weinet 1725 ‘Si mac wol lange weinen’, ‘er lit vor manigem järe den künec von den Hiunen
ist iu daz niht bekant? den heit von Nibelunge lant.’ sprach do Hagene:
ze töde erslagene. sol si nu holden haben:
Sifrit kumt niht widere, er ist vor maniger zit begraben.’ 1726 ‘Die Sifrides wunden läzen wir nu sten:
28. Äventiure
sol leben diu vrouwe Kriemhilt, so redete von Berne
noch mac schade ergen.’
der herre Dietrich.
‘trost der Nibelunge,
da vor behüete du dich.’
1727 ‘Wie sol ich mich behüeten?’ ‘Etzel uns boten sande
sprach der künic her.
(wes sol ich vragen mer?),
daz wir zuo zim solden
riten in daz lant,
ouch hat uns manigiu mxre 1728
199
min swester Kriemhilt
Ich kan iu wol geraten’, sprach aber Hagene, ‘nu bitet iu diu mxre baz ze sagene den herren Dietrichen
unt sine helde guot,
daz si iuch läzen wizzen
der vrouwen Kriemhilde muot.’
1729 Do giengen sundersprächen Günther und Gernot
die drie künige rieh,
und ouch her Dietrich.
‘nu sage uns, von Berne wie dir si gewizzen
vil edel ritter guot,
umb der küneginne muot.’
1730 Do sprach der voget von Berne: ich hoere alle morgen
‘waz sol ich iu mere
weinen und klagen
mit jämerlichen sinnen
Volker der videlaere,
[sagen?
daz Etzelen wip
dem riehen got von himele 1731 ‘Ez ist et unerwendet’,
des starken Sifrides lip.’ sprach der küene man,
‘daz wir vernomen hän.
wir suln ze hove riten
und suln läzen sehen
waz uns vil snellen degenen 1732 Die küenen Burgonden si komen herliche
[gesant.’
müge zen Hiunen geschehen.’
hin ze hove riten;
nach ir landes siten.
do wunderte da zen Hiunen
vil manegen küenen man
umb Hagenen von Tronege,
wie der wasre getan.
1733 Durch daz man sagete msere daz er von Niderlande sterkest aller recken, des wart michel vragen
den Kriemhilde man. ze hove näh Hagene getän.
1734 Der heit was wol gewahsen, groz was er zen brüsten,
(des was im genuoc),
Sifriden sluoc,
daz ist alwär, gemischet was sin här
mit einer grisen varwe.
diu bein wären im lanc
und eislich sin gesihene.
er hete herlichen ganc.
1735 Do hiez man herbergen
di Burgonden man.
200
Nibelungenlied: Text
Günthers ingesinde
daz wart gesundert dan.
daz riet diu küneginne,
diu im vil hazzes truoc.
da von man sit die knehte
an der herberge sluoc.
1736 Dancwart, Hagenen bruoder,
der was marschalch.
der künic im sin gesinde
vlizeclich bevalch,
daz er ir vil wol pflege
und in gxbe genuoc.
der heit von Burgonden
in allen guoten willen truoc.
1737 Kriemhilt diu schoene
mit ir gesinde gie,
da si die Nibelunge si kuste Giselheren
mit valschem muote enpfie. und nam in bi der hant.
daz sah von Tronege Hagene.
den heim er vaster gebant.
1738 ‘Nach sus getanem gruoze’, ‘mugen sich verdenken
sprach do Hagene, snelle degene:
man grüezet sunderlingen
di künige und ir man.
wir haben niht guoter reise
zuo dirre hohgezit getan.’
1739 Si sprach: ‘nu sit willekomen
swer iuch gerne siht.
durch iuwer selbes friuntschaft
grüeze ich iuch niht.
saget waz ir mir bringet
von Wormez über Rin,
dar umb ir mir so groze
soldet willekomen sin.’
1740 ‘Het ich gewest diu mxre’, ‘daz iu gäbe solden
sprach do Hagene,
bringen degene,
ich wxre wol so riche,
het ich mich baz verdäht,
daz ich iu mine gäbe
her ze lande hete bräht.’
1741 ‘Nu sult ir mich der mxre hört der Nibelunge,
mere wizzen län:
war habt ir den getän?
der was doh min eigen,
daz ist iu wol bekant.
den soldet ir mir füeren
in daz Etzelen lant.’
1742 ‘Entriuwen, min vrou Kriemhilt, daz ich hört der Nibelunge den hiezen mine herren dä muoz er wxrliche
senken in den Rin, unz an daz jungeste sin.’
1743 Do sprach diu küneginne:
‘ich häns ouch gedäht.
ir habt mirs noch vil wenic swi er min eigen wxre des hän ich alle zite
des ist vil manec tac
niene gepflac.
her ze lande bräht,
unde ich sin wilen pflac. vil manigen trürigen tac.’
1744 ‘Jä bringe ich iu den tiuvel’,
sprach aber Hagene.
28. Äventiure
‘ich hän an minern Schilde
201
so vil ze tragene
und an der minen brünne;
min heim der ist lieht,
daz swert an miner hende,
des enbringe ich iu nieht.’
1745 Do sprach diu küneginne
zen recken über al:
‘man sol deheiniu wäfen
tragen in den sah ir helde, ir sult mirs’ üf geben: ich wil si behalten län.’ ‘entriuwen’, sprach do Hagene, ‘daz wirdet nimmer 1746 Jane ger ich niht der eren, daz ir zen herbergen
fürsten wine milt,
und ander min gewaefen:
ir sit ein künegin.
daz enlerte mich min vater niht: 1747 ‘Owe miner leide’,
ich wil selbe kameraere
sprach do vrou Kriemhilt.
‘war umbe wil min bruoder niht läzen behalten?
[sin.’
und Hagene sinen schilt
si sint gewarnot.
und wesse ich wer daz taete,
er müese kiesen den tot.’
1748 Des antwurte ir mit zorne
der fürste Dietrich:
‘ich binz der hat gewarnet
die edeln künege rieh,
und Hagenen den küenen,
den Burgonden man.
nu zuo, välandinne,
[getan.
trüeget minen schilt
du solt mihs niht geniezen lan.’
1749 Des schämte sich vil sere
daz Etzelen wip.
si vorhte bitterlichen
den Dietriches lip.
do gie si von im balde,
daz si niht ensprach,
wan daz si swinde blicke
an ir viande sach.
1750 Bi henden sich dö viengen
zwene degene:
daz eine was her Dietrich, do sprach gezogenliche
daz ander Hagene. der recke vil gemeit:
‘daz iuwer körnen zen Hiunen 1751 Durch daz diu küneginne
daz ist mir wserliche leit,
also gesprochen hat.’
do sprach von Tronege Hagene:
‘es wirt wol alles rät.’
sus redeten mit ein ander
die zwene küene man.
daz sach der künec Etzel;
dar umbe er vrägen began.
1752 ‘Diu mxre ich weste gerne’,
sprach der künec rieh,
‘wer jener recke waere,
den dort her Dietrich
so friuntlich enpfähet.
er treit vil hohen muot.
swer sin vater wasre,
er mac wol sin ein heit guot.’
1753 Des antwurte dem künege
ein Kriemhilde man:
Nibelungenlied: Text
202
‘er ist geborn von Tronege,
sin vater hiez Aldriän.
swie blid’ er hie gebäre,
er ist ein grimmer man.
ich läze iuch daz wol schouwen, 1754 ‘Wie sol ich daz erkennen
daz ich gelogen niene
daz er so grimmec ist?’
dannoch er niene wiste
[han.’
vil manigen argen list,
den sit diu küneginne
an ir mägen begie,
daz si mit dem lebene
deheinen von den Hiunen lie.
1755 ‘Wol erkande ich Aldriänen; lob unde michel ere
der was min man.
er hie bi mir gewan.
ich machete in ze ritter
und gap im min golt.
Helche diu getriuwe
was im inneclichen holt.
1756 Da von ich wol erkenne
allez Hagenen sint.
ez wurden mine gisel
zwei wsetlichiu kint,
er und von Spänje Walther,
die wuohsen hie ze man.
Hagenen sande ich wider heim: 1757 Er gedähte langer msere,
Walther mit Hiltegunde
diu waren e geschehen, [entran.’
sinen friunt von Tronege
den het er rehte ersehen,
der im in siner jugende
vil starken dienest bot.
sit frumt’ er im in alter
vil manigen lieben vriunt tot.
29. Äventiure Wie Kriemhilt Hagenen verweiz unt wie er niht gen ir üf stuont 1758 Do schieden sich die zwene Hagene von Tronege do blihte über ahsel
der Guntheres man
nach einem hergesellen, 1759 Do sah er Volkeren
recken lobelich,
unt ouch her Dietrich, den er vil schiere gewan. bi Giselhere sten.
den spashen videlsere
bat er mit im gen,
wand’ er vil wol erkande er was an allen dingen 1760 Noch liezen si die herren
sinen grimmen muot. ein ritter küene unde guot. üf dem hove stan.
niwan si zwene aleine
sach man dannen gän
über den hof vil verre
für einen palas wit.
die uz erwelten degene
vorhten niemannes nit.
29. Äventiure
1761 Si gesäzen vor dem hüse gegen einem sal (der was Kriemhilde) üf eine banc zetal. do lühte in von ir libe ir herlüch gewant. genuoge die si sähen si heten gerne bekant. 1762 Alsam tier diu wilden wurden gekapfet an die übermüeten helde von den Hiunen man. si ersah ouch durch ein venster daz Etzelen wip. des wart aber betrüebet der schoenen Kriemhilden lip. 1763 Ez mante si ir leide: weinen si began. des hete michel wunder die Etzelen man, waz ir so schiere beswasret het ir muot. si sprach: ‘daz hat Hagene, ir helde küene unde guot.’ 1764 Si sprächen zuo der vrouwen: ‘wie ist daz geschehen? wand’ wir iuch niuliche haben vrö gesehen. nie niemen wart so küene, derz iu hät getän, heizet irz uns rechen, ez sol im an sin leben gän.’ swer rasche miniu leit. 1765 ‘Daz wold’ ich immer dienen, alles des er gerte, des wasr’ ich im bereit, ich biute mich iu ze füezen’, sprach des küniges wip: ‘rechet mich an Hagene, daz er vliese den lip.’ sehzec küener man. 1766 Do garten sich vil balde durh Kriemhilde willen si wolden hine gän und wolden slahen Hagenen, den vil küenen man, und ouch den videlasre. daz wart mit räte getän. Do diu küneginne ir schar so kleine sach, 1767 in einem grimmem muote si zuo den helden sprach: ‘des ir dä habet gedingen, des sult ir abe gän. jane dürfet ir so ringe nimmer Hagenen bestän. von Tronege Hagene si, 1768 Swie starc unt swie küene noch ist verre sterker, der im dä sitzet bi, Volker der videlasre, der ist ein übel man. niht so lühte bestän.’ jane sult ir die helde do garte sich ir mer, 1769 Do si daz gehörten, vier hundert sneller recken. diu küneginne her was des vil genoete, daz si in taste leit. dä von wart sit den degenen vil michel sorge bereit.
203
204
Nibelungenlied: Text daz ir gesinde sach,
1770 Do si vil wol gewäfent
diu küneginne sprach:
zuo den snellen recken
ja sult ir stille stän.
‘nu bitet eine wile;
zuo minen vianden gän.
ich wil under kröne 1771 Und hoeret itewize,
waz mir hat getan der Guntheres man.
Hagene von Tronege ich weiz in so übermüeten
daz er mir lougent niht.
so ist ouch mir unmsere,
swaz im dar umbe geschiht.’
1772 Do sach der videlaere,
ein küene spilman,
die edeln küneginne
ab einer stiege gän
nider ab einem hüse.
als er daz gesach,
Volker der vil küene
zuo sinem hergesellen sprach:
1773 ‘Nu schouwet, vriunt Hagene, diu uns äne triuwe
wä si dort her gät,
inz lant geladet hat.
ine gesach mit küniges wibe
nie so manegen man,
die swert enhende trüegen,
also stntlichen gän.
1774 Wizzet ir, friunt Hagene, so wil ich iu daz räten, des libes unt der eren. als ich mich versinne,
ob si iu sin gehaz? ir hüetet deste baz jä dunket ez mich guot.
si sint zornec gemuot.
1775 Und sint ouch sümeliche swer sin selbes hüete,
zen brüsten also wit, der tuo daz enzit.
ich warn’ si under siden
die liehten brünne tragen,
wen si dä mit meinen,
daz kan ich niemen gesagen.’ 1776 Do sprach in Zornes muote Hagen der küene man: ‘ich weiz wol daz iz allez ist üf mich getän, daz si diu liehten wäfen
tragent an der hant.
vor den möht’ ich geriten
noch in der Burgonden lant.
1777 Nu saget mir, vriunt Volker
ob ir mir weit gestän,
ob wellent mit mir striten daz läzet ir mich hceren, ich won’ iu immer mere 1778 ‘Ich hilf’ iu Sicherheiten’, ‘ob ich uns hie engegene mit allen sinen recken,
die Kriemhilde man? als lieb als ich iu si. mit triuwen dienstlichen bi.’ sprach der spilman. sashe den künec gän die wile ich leben muoz,
so entwich’ ich iu durh vorhte
[fuoz.’
üz helfe nimmer einen
29. Äventiure
1779 ‘Nu Ion’ iu got von himele, ob si mit mir striten,
vil edel Volker.
wes bedarf ich danne mer?
sit ir mir helfen wellet, so suln dise recken
als ich hän vernomen,
vil gewärlichen komen.’
1780 ‘Nu ste wir von dem sedele’, ‘si ist ein küneginne; bieten ir die ere:
205
sprach der spilman:
und lät si für gän. si ist ein edel wip.
da mit ist ouch getiuret
unser ietweders lip.’
1781 ‘Nein durch mine liebe’,
sprach aber Hagene:
‘so wolden sich versinnen
dise degene
daz ihz durch vorhte taste,
und sold’ ich hin gen.
ich enwil durch ir deheinen
nimmer von dem sedele sten.
1782 Ja zimet ez uns beiden
zeware läzen baz.
zwiu sold’ ich den eren,
der mir ist gehaz?
daz engetuon ich nimmer,
die wile ich han den lip.
ouch enruoch’ ich waz mich nidet 1783 Der übermüete Hagene
des künec Etzelen wip.’
leit’ über smiu bein
ein vil liehtez wäfen,
üz des knöpfe schein
ein vil liehter jaspes,
grüener danne ein gras,
wol erkandez Kriemhilt,
daz ez Sifrides was.
1784 Do si daz swert erkande,
do gie ir trürens not.
sin gehilze daz was guldin, ez mante si ir leide:
weinen si began.
ich wasne ez hete dar umbe 1785 Volker der snelle
diu scheide ein porte rot. der küene Hagene getan.
zöch näher üf der banc
einen videlbogen starken,
vil michel unde lanc,
gelich einem swerte,
vil scharpf unde breit.
do säzen unervorhte
die zwene degene gemeit.
1786 Nu dühten sich so here
die zwene küene man
daz si niht enwolden
von dem sedel stän
durch niemannes vorhte. diu edele küneginne
des gie in an den fuoz
und bot in vientlichen gruoz.
1787 Si sprach: ‘nu saget, her Hagene, daz ir getorstet riten
her in ditz lant,
und ir daz wol erkandet hetet ir guote sinne,
wer hat nach iu gesant,
waz ir mir habet getan?
ir soldet ez billiche lan.’
Nibelungenlied: Text
206
1788 ‘Nach mir sande niemen’,
sprach do Hagene.
‘man ladete her ze lande
drie degene:
die heizent mine herren, deheiner hovereise
so bin ich ir man.
bin ich selten hinder in bestän.’
1789 Si sprach: nu saget mir mere, daz ir daz habt verdienet, ir sluoget Sifriden,
zwiu tätet ir daz, daz ich iu bin gehaz?
den minen lieben man.
des ich unz an min ende
immer genuoc ze weinen hän.’
1790 Er sprach: ‘waz sol des mere? ich binz aber Hagene,
der rede ist nu genuoc.
der Sifriden sluoc,
den heit ze sinen handen.
wie sere er des engalt
daz diu vrouwe Kriemhilt 1791 Ez ist et äne lougen,
die schoenen Prünhilden schalt
küneginne rieh,
ich hän es alles schulde,
des schaden schedelich.
nu rechez swer der welle,
ez si wip oder man.
ich enwolde danne liegen,
ich hän iu leides vil getän.’
1792 Si sprach: ‘nu hoert, ir recken, aller miner leide.
wä er mir lougent niht
swaz im da von geschiht,
daz ist mir vil unmasre,
ir Etzelen man.’
die übermüeten degene
ein ander sähen si an.
1793 Swer den strit dä hüebe,
so wasre dä geschehen
daz man den zwein gesellen
der eren müese jehen,
wan siz in stürmen heten
vil dicke wol getän.
des sich jene vermäzen,
durch vorhte muosen si daz län.
1794 Do sprach ein der recken: daz ich e dä lobte,
‘wes sehet ir mich an?
des wil ich abe gän,
durch niemarmes gäbe jä wil uns verleiten
Verliesen minen lip. des künec Etzelen wip.’
1795 Do sprach dä bi ein ander: der mir gasbe türne disen videlaere
‘des selben hän ich muot.
von rotem golde guot,
wold’ ich niht bestän,
durh sine swinde blicke,
die ich an im gesehen hän.
1796 Ouch erkenne ich Hagenen
von sinen jungen tagen;
des mac man von dem recken in zwein und zweinzec stürmen dä vil maniger vrouwen
lihte mir gesagen. hän ich in gesehen,
ist herzeleide geschehen.
29. Äventiure
1797 Er unt der von Spänje do si hie bi Etzeln
207
träten manigen stic, vähten manigen wie
ze eren dem künege;
des ist vil geschehen.
dar umb muoz man Hagenen der eren billiche jehen. 1798 Dannoch was der recke siner jär’ ein kint. daz do die tumben wären, nu ist er körnen ze witzen
wie gris die nu sint! und ist ein grimmec man.
ouch treit er Balmungen,
daz er vil übele gewan.’
1799 Dä mit was gescheiden,
daz niemen däne streit,
do wart der küneginne
herzenlichen leit.
die helde kerten dannen:
jä vorhten si den tot des gie in sicherlichen not.
von dem videlazre; 11800 Do sprach der videlaere:
Vir haben daz wol ersehen,
daz wir hie vinde vinden,
als wir e horten jehen.
wir suln zuo den künegen
hin ze hove gän,
sone tar unser herren mit strite niemen bestän.’ 11801 Wie dicke ein man durch vorhte manigiu dinc verlät, swä so friunt bi friunde
friuntlichen stät,
und hät er guote sinne,
daz erz nine tuot.
schade vil maniges mannes
11802 cNu wil ich iu volgen’,
wirt von sinnen wol behuot. sprach do Hagene.
si giengen dä si funden
die zieren degene
in grozem antpfange
an dem hove stän.
Volker der vil küene
vil lute sprechen began
11803 Zuo den sinen herren:
‘wie lange weit ir sten,
daz ir iuch läzet dringen?
ir sult ze hove gen
und heeret an dem künege, do sach man sich gesellen 1804 Der fürste von Berne
die helde küene unde guot. der nam an die hant
Günthern den vil riehen Irnfrit nam Gernoten,
von Burgonden lant, den vil küenen man.
do sach man Rüedegeren
ze hove mit Giselheren gän.
1805 Swie iemen sich gesellete Volker unde Hagene
wie der si gemuot.’
und ouch ze hove gie, di geschieden sich nie,
niwan in einem sturme daz muosen edele vrouwen
an ir endes zit. beweinen groezlichen sit.
Nibelungenlied: Text
208
1806 Do sach man mit den künegen ir edeln ingesindes
tüsent küener man,
dar über sehzec recken,
die waren mit in körnen,
die het in sinem lande
der küene Hagene genomen.
1807 Häwart und ouch Irinc,
zwene üz erwelte man,
die sach man geselleclichen
bi den künegen gän.
Dancwart und Wolfhart,
ein tiwerlicher degen,
die sach man wol ir tugende 1808 Do der vogt von Rine Etzel der riche
hin ze hove gän
vor den anderen pflegen.
in den palas gie,
daz langer niht enlie,
er spranc von sinem sedele,
als er in körnen sach.
ein gruoz so rehte schoene
von künege nie mer geschach.
1809 ‘Sit willekomen, her Günther,
und ouch her Gernot,
und iuwer bruoder Giselher.
min dienst ich iu enbot
mit triuwen willeclichen
ze Wormez über Rin.
und allez daz gesinde
sol mir willekomen sin.
1810 Nu sit uns groze willekomen, Volker der vil küene
ir zwene degene,
und ouch Hagene,
mir und miner vrouwen
her in ditze lant.
si hat iu boten manige
hin ze Rine gesant.’
1811 Do sprach von Tronege Hagene: wxre ich durch mine herren so wxre ich iu zen eren
zen Hiunen her niht körnen,
geriten in daz lant.’
do nam der wirt vil edele 1812 Er brähte si zem sedele,
die lieben geste bi der hant. da er e selbe saz.
do schancte man den gesten in witen goldes schälen
(mit vlize tet man daz) met, moraz unde win,
und bat die eilenden
groze willekomen sin.
1813 Do sprach der künec Etzel:
‘des wil ich iu verjehen,
mir enkunde in dirre werlde danne ouch an iu helden, des ist der küneginne
lieber niht geschehen daz ir mir sit bekomen.
vil michel trüren benomen.
1814 Mich nimt des michel wunder, (so manigen gast vil edeln, daz ir nie geruochet
[vernomen.
‘des hän ich vil
waz ich iu habe getän den ich gewunnen hän),
körnen in miniu lant.
daz ich iuch nu gesehen hän,
[gewant.’
daz ist zen vreuden mir
30. Äventiure
1815 Des antwurte Rüedeger,
ein ritter höhgemuot:
‘ir muget si sehen gerne;
ir triuwe diu ist guot,
der miner vrouwen mäge si bringent iu ze hüse
so schone kunnen pflegen, vil manegen wsetlichen degen.’
1816 An sunewenden äbent
die herren wären komen
in Etzeln hof des riehen,
vil selten ist vernomen
von also hohem gruoze
als er die helde enpfie.
nu was ouch ezzenes zit:
der künic mit in ze tische gie.
1817 Ein wirt bi sinen gesten
schöner nie gesaz.
man gab in volleclichen alles des si gerten
trinken unde maz.
des was man in bereit.
man hete von den helden
vil michel wunder geseit.
JO. Äventiure Wie Hagen unt Volker der schiltwaht pflagen 1818 Der tac der hete nu ende
und nähet’ in diu naht,
die wegemüeden recken,
ir sorge si an vaht,
wanne si solden ruowen
und an ir bette gän.
daz bereite Hagene;
ez wart in schiere kunt getän.
1819 Günther sprach zem wirte:
‘got läz’ iuch wol geleben,
wir wellen varn släfen;
ir sult uns urloup geben,
swenne ir daz gebietet,
so kome wir morgen fruo.’
er schiet von sinen gesten 1820 Dringen allenthalben Volker der küene
vil harte vrcelichen duo. die geste man dö sach.
zuo den Eliunen sprach:
‘wie geturret ir den recken
für die füeze gän?
und weit irs iuch niht miden, 1821 So slah’ ich etelichem hät er getriuwen iemen, wan wichet ir uns recken! ez heizent allez degene 1822 Dö der videlaere Elagene der küene
so wirt iu leide getän.
so swaeren gigen slac, daz erz beweinen mac. jä dunket ez mich guot. und sint geliche niht gemuot.’
so zorneclichen sprach, hinder sich dö sach.
er sprach: ‘iu raetet rehte
der küene spileman.
209
210
Nibelungenlied: Text
ir Kriemhilde helde,
ir sult zen herbergen gän.
1823 Des ir da habet willen,
ich warn’ iz iemen tuo.
weit ir ihtes beginnen,
so körnet uns morgen fruo
und lät uns eilenden
hint haben gemach.
ja warne ez von helden
mit solhem willen ie geschach.’
1824 Do brahte man die geste
in einen witen sah
den funden si berihtet
den recken über al
mit vil riehen betten.
lanc unde breit.
in riet diu vrouwe Kriemhilt diu aller groezesten leit. 1825 Vil manigen kolter spache von Arraz man da sach der vil liehten pfellel
und manec bettedach
von arabischen siden,
die beste mohten sin.
dar üfe lagen listen, 1826 Diu declachen härmin
die gäben herlichen schin. vil manegiu man da sach
und von swarzem zobele,
dar under si ir gemach
des nahtes schaffen solden
unz an den liehten tac.
ein künec mit sinem gesinde nie so herlich gelac. 1827 ‘Owe der nahtselde’, sprach Giselher daz kint, ‘und owe miner friunde,
die mit uns komen sint.
swie et ez uns min swester
so güetliche erbot,
ich fürhte daz wir müezen 1828 ‘Nu läzet iuwer sorgen’,
von ir schulden ligen tot.’ sprach Hagene der degen.
‘ich wil noch hinte selbe
der schiltwahte pflegen,
ich trüwe uns wol behüeten
unz uns kumet der tac.
des sit gar an’ angest: so genese danne swer der mac.’ 1829 Do nigen si im alle und sagten im des danc. si giengen zuo den betten. daz sich geleget heten
diu wile was niht lanc die wactlichen man.
Hagene der küene der heit sich wäfen began. 1830 Do sprach der videla;re, Volker der degen: ‘versmähetez iu niht, Hagene, der schiltwahte hinte
so wolde ich mit iu
unz morgen fruo.’
der heit vil minnecliche dancte Volkere duo. 1831 ‘Nu Ion’ iu got von himele, vil lieber Volker, z’allen minen sorgen niwan iuch aleine,
son’ gerte ich niemens mer, swä ich hete not.
[pflegen
30. Äventiure
ich sol ez wol verdienen, 1832 Do garten si sich beide do nam ir ietwedere
mich enwendes der tot.’ in liehtez ir gewant.
den schilt an sine hant,
und giengen uz dem hüse
für die tür stän.
do pflägen si der geste, 1833 Volker der snelle,
daz was mit triuwen getan. zuo des sales want
sinen schilt den guoten
leint’ er von der hant.
do gie er hin widere,
die videln er genam.
do diente er sinen friunden 1834 Under die tür des hüses küener videlaere
211
als ez dem helde gezam. saz er üf den stein,
wart nie dehein.
do im der seiten doenen die stolzen eilenden
so süezlich erklanc, sagtens Volkeren danc.
11835 Do klungen sine seiten
daz al daz hüs erdoz.
sin eilen zuo der fuoge siiezer unde senfter
diu beidiu wären groz. videlen er began:
do entswebte er an den betten 1836 Do si entsläfen wären
vil manegen sorgenden
und er daz ervant,
do nam der degen widere und gie üz dem gademe
für die tür stän,
und huote der eilenden
vor den Kriemhilde man.
11837 Des nahtes wol enmitten,
ine weiz iz e geschach,
daz Volker der küene
einen heim schinen sach
verre üz einer vinster.
die Kriemhilde man
die wolden an den gesten
schaden gerne hän getän.
1 1838 Do sprach der videlxre:
‘friunt her Hagene,
uns zimet disiu sorge
ensamt ze tragene.
ich sihe gewäfent liute als ich mich versinne,
vor dem hüse sten. ich wazne si wellent uns besten.’
1839 ‘So swiget’, sprach do Hagene, e si unser werden innen, verrücket mit den swerten si werdent Kriemhilde 1840 Ein der Hiunen recken daz diu tür was behüetet. ‘des wir dä heten willen,
[man.
den schilt an die hant,
‘lät se uns her näher baz.
so wirt hie helmvaz von unser zweier hant. hin wider übele gesant.’ vil schiere daz gesach, wie balde er do sprach: jan’ mag es niht ergän.
212
Nibelungenlied: Text
ich sihe den videlame
an der schiltwahte stän.
1841 Der treit üf sinem houbte luter unde herte,
einen heim glanz,
starc unde ganz.
ouch lohent im die ringe
sam daz fiwer tuot.
bi im stet ouch Hagene:
des sint die geste wol behuot.’
1842 Zehant si kerten widere. wider sinen gesellen
do Volker daz ersach,
er zorneclichen sprach:
‘nu lat mich zuo den recken ich wil vrägen masre
von dem hüse gän.
der vrouwen Kriemhilde man.’
1843 ‘Nein durch mine liebe’,
sprach do Hagene.
‘komt ir von dem hüse,
die snellen degene
bringent iuch mit swerten
vil lihte in sölhe not,
daz ich iu miiese helfen,
wasrez aller miner mäge tot.
1844 So wir danne beide
koemen in den strit,
ir zwene oder viere
in einer kurzen zit
Sprüngen zuo dem hüse an den slafenden,
und taeten uns diu leit
diu nimmer würden verkleit.’
1845 Do sprach aber Volker:
‘so lät doch daz geschehen,
daz wir si bringen innen
daz ich si habe gesehen,
daz des iht haben lougen
die Kriemhilde man,
daz si ungetriweliche
vil gerne heten getan.’
1846 Zehant do rief in Volker
hm engegene:
‘wie get ir sus gewäfent, weit ir schachen men, dar sult ir mich ze helfe
und minen hergesellen hän.’
1847 Des antwurte im niemen. ‘pfi, ir zagen boese’, ‘wolt ir slafende
ir snellen degene? ir Kriemhilde man? zornec was sin muot:
sprach der heit guot, uns ermordet hän?
daz ist so guoten helden 1848 Do wart der küneginne
noch vil selten her getan.’ vil rehte geseit
daz ir boten niht enwurben. do fuogte si ez anders; des muosen sit verderben
von schulden was ir leit.
vil grimmec was ir muot. helde küene unde guot.
31. Äventiure
213
31. Äventiure Wie si ze kirchen giengen 11849 ‘Mir kuolent so die ringe’,
so sprach Volker,
‘ja wasne diu naht uns welle
nu niht wern mer.
ich kiusez von dem lüfte,
ez ist vil schiere tac.’
do wahten si der manigen,
der noch släfende lac.
11850 Do erschein der liehte morgen Hagen begonde wecken
den gesten in den sah
die ritter über al,
ob si zuo dem münster
zer messe wolden gän.
nach siten kristenlichen
man vil liuten began.
1851 Si sungen ungeliche,
daz da vil wol schein,
kristen unde heiden,
die wären niht enein.
do wolden zuo der kirchen si wären von den betten 11852 Do naeten sich die recken daz nie helde mere
die Guntheres man. al geliche gestän. in also guot gewant,
in deheines küneges lant
ie bezzer kleider brähten.
daz was Hagenen leit.
er sprach: ‘ja sult ir helde
hie tragen anderiu kleit.
1853 Jä sint iu doch genuogen
diu mazre wol bekant. diu wäfen an der hant,
nu traget für die rosen
die liehten helme guot,
für schapel wol gesteinet
der argen Kriemhilden muot.
sit daz wir wol erkennen
daz wil ich iu sagen,
11854 Wir müezen hiute striten,
die halsperge tragen,
ir sult für siden hemde
die guoten Schilde wit,
unt für die riehen mentel
daz ir vil werliche sit.
ob iemen mit iu zürne,
dar zuo mäge und man,
11855 Mine vil lieben herren, ir sult vil willeclichen
zuo der kirchen gän, sorge und iuwer not,
und klaget got dem riehen und wizzet sicherlichen
daz uns nähet der tot.
11856 Ir’n sult ouch niht vergezzen, und sult vil vlizecliche des wil ich iuch warnen,
swaz ir habet getän,
dä gein gote stän. recken vil her.
ez enwelle got von himele, 11857 Sus giengen zuo dem münster
[mer.’
ir vernemet messe nimmer die fürsten und ir man.
214
Nibelungenlied: Text
üf dem vronen vrfthove Hagene der küene,
da hiez si stille stän
daz si sich schieden niht.
er sprach: ‘ja weiz noch niemen 1858 Leget, mme friunde,
waz von den Hiunen uns
die Schilde für den fuoz,
und geltet ob iu iemen
[geschiht.
biete swachen gruoz,
mit tiefen verchwunden:
daz ist Hagenen rät.
daz ir so werdet funden
daz ez iu lobelichen stät.’
1859 Volker unde Hagene,
die zwene giengen dan
für daz wite münster.
daz wart durh daz getan,
daz si daz wolden wizzen, müese mit in dringen;
daz des küneges wip
ja was vil grimmec ir lip.
1860 Do kom der wirt des landes mit richem gewande
und ouh sin schoene wip.
gezieret was ir lip,
der vil snellen recken,
die man sach mit ir varn.
do kos man hohe stouben 1861 Do der künec riche
von den Kriemhilde scharn.
sus gewäfent sach
die künege und ir gesinde,
wie balde er do sprach:
‘wie sihe ich friunde mme
under helme gän?
mir ist leit üf mine triuwe,
und hat in iemen iht getan.
1862 Ich solz in gerne büezen hat iemen in beswteret
swie si dunket guot, daz herze und ouch den muot.
des bringe ich si wol innen, swaz si mir gebietent, 1863 Des antwurte Hagene:
‘uns hat niemen niht getan,
ez ist site miner herren, z’allen hohgeziten
daz ez mir ist vil leit.
des bin ich alles in bereit.’ daz si gewäfent gän
ze vollen drien tagen,
swaz man uns hie getaete,
wir soltenz Etzelen sagen.’
1864 Vil wol horte Kriemhilt wie rehte fientliche
waz Hagene do sprach,
si im under diu ougen sach!
sine wolde doch niht melden swie lange si den hete
den site von ir lant,
zen Burgonden bekant.
1865 Swie grimme und swie starke
si in vient wsere,
het iemen gesaget Etzeln
diu rehten masre,
er het’ wol understanden
daz doch sit da geschach.
durch ir vil starken übermuot ir deheiner ims verjach. 1866 Do gie vil groziu menege mit der küneginne dan.
31. Äventiure
done wolden dise zwene zweier hande breite.
doch niht hoher stan daz was den Hiunen leit.
ja muose si sich dringen 1867 Etzeln kameraere
mit den helden gemeit.
dine dühte daz niht guot.
ja heten si den recken
erzürnet do den muot,
wan daz sine torsten
vor dem künege her.
da was vil michel dringen
unde doch niht anders mer.
1868 Do man da gote gediende
unt daz si wolden dan,
vil balde kom zen rossen
vil manec Hiunen man.
do was bi Kriemhilde
manec schoeniu meit.
wol siben tüsent degene
bi der küneginne reit.
1869 Kriemhilt mit ir vrouwen zuo Etzel dem riehen;
in diu venster gesaz vil liep was im daz.
si wolden schouwen riten
die helde vil gemeit.
hey waz vremder recken
vor in üf dem hove reit!
1870 Do was ouch der marschalch Dancwart der vil küene.
von Burgonden lant.
diu ross man wol gesatelet
den küenen Nibelungen vant.
1871 Do si zen rossen körnen, Volker der starke
mit den knehten körnen, der het zuo zim genomen
sines herren ingesinde
die künige und ouch ir man,
raten daz began,
si solden bühurdieren
nach ir landes siten.
des wart von den helden 1872 Der heit het in geraten
sit vil herlich geriten. des si doch niht verdroz.
der bühurt unt daz schallen, üf den hof vil witen
diu wurden beide groz.
kom vil manec man.
Etzel unde Kriemhilt
daz selbe schouwen began.
1873 Üf den bühurt körnen
sehs hundert degene den gesten ze gegene.
der Dietriches recken, si wolden kurzewile
mit den Burgonden hän.
het ers in gegunnen,
si hetenz gerne getan,
1874 Hey waz guoter recken dem herren Dietriche
in da nach reit! dem wart daz geseit.
mit Guntheres mannen
daz spil er in verbot,
er vorhte siner manne,
des gie im sicherlichen not.
1875 Do dise von Berne
215
gescheiden wären dan,
216
Nibelungenlied: Text
dö komen von Bechelaren
die Rüedegeres man
fünf hundert under Schilde
für den sal geriten.
liep wsere dem marcgräven daz siz heten vermiten. 1876 Do reit er wislichen zuo z’in durh die schar und sagete sinen degenen,
si wasren des gewar,
daz in ummuote wahren
die Guntheres man:
ob si den bühurt liezen,
daz wxre im liebe getan,
1877 Do sich von in geschieden
die helde vil gemeit,
do komen die von Düringen,
als uns daz ist geseit,
unt der von Tenemarken
wol tüsent küener man.
von Stichen sach man vliegen vil der trunzüne dan. 1878 Irnfrit unde Häwart in den bühurt riten. ir heten die von Rine
vil stolzlich erbiten.
si buten manige tjoste
den von Düringen lant.
des wart von Stichen dürkel vil manic herlicher rant. 1879 Do kom der herre Blcedelin mit drin tüsent dar. Etzel unde Kriemhilt nämen sin wol war, wände vor in beiden
diu ritterschaft geschach.
diu küneginne ez gerne 1880 Schrütän unde Gibeche
durch leit der Burgonden sach üf den bühurt riten,
Rämunc und Hornboge si hielten gegen den helden die schefte dr^ten hohe 1881 Swes iemen da pflaege,
nach hiunischen siten. von Burgonden lant. über des küneges sales want.
so was ez niwan schal,
man horte von Schilde stoezen harte lüt’ erdiezen
palas unde sal
von Guntheres man.
den lop daz sin gesinde 1882 Do was ir kurzewile
mit grozen eren gewan. so michel unde groz,
daz durch die kovertiure von den guoten rossen,
der blanke sweiz do floz diu die helde riten.
si versuochtenz an die Hiunen mit vil hohvertigen siten. 1883 Do sprach der küene recke Volker der spilman: ‘ich warn’ uns dise recken ich hört’ ie sagen msere, nune kundez sich gefüegen 1884 ‘Zen herbergen füeren’,
türren niht bestän. si wjeren uns gehaz. zwäre niemere baz.’ sprach aber Volker,
31. Äventiure
‘sol man uns di mcere, gegen äbende,
und riten danne mer
so des wirdet zit.
waz op diu küneginne
den lop den Burgonden git?’
1885 Do sähens’ einen riten
so weigerlichen hie,
daz ez al der Hiunen
getet deheiner nie.
ja moht’ er in den ziten
wol haben herzen trüt.
er fuor so wol gekleidet
sam eines edeln ritters brüt.
1886 Do sprach aber Volker:
‘wie möht’ ich daz verlän?
jener trüt der vrouwen
muoz ein gepiuze hän.
ez künde niemen gescheiden;
ez gät im an den lip.
jane ruoche ich ob ez zürne
des künec Etzelen wip.’
1887 ‘Nein durch mine liebe’,
sprach der künec sän.
‘ez wizent uns die liute,
und ob wir si bestän.
ir lät iz heben die Hiunen,
daz füeget sich noch baz.’
dannoch der künec Etzel
bi der küneginne saz.
1888 ‘Ich wil den bühurt meren’,
sprach do Hagene.
‘lät die vrouwen schouwen wie wir künnen riten;
und die degene,
daz ist guot getan.
man git doh lop deheinen 1889 Volker der vil snelle
des künec Guntheres man.’
den bühurt wider reit.
daz wart sit maniger vrouwen er stach dem riehen Hiunen daz sach man sit beweinen 1890 Vil harte hurtecliche
daz sper durch sinen lip. beide maget unde wip.
Hagene und sine man,
mit sehzec siner degene nach dem videlaere,
vil grcezliche leit.
riten er began da daz spil geschach.
Etzel unde Kriemhilt
ez bescheidenlichen sach.
den ir spilman 1891 Done wolden die dri künege bi den fianden niht äne huote län. da wart von tüsent helden si täten daz si wolden 1892 Do der riche Hiune man horte sine mäge
ze tode was erslagen,
do vrägte al daz gesinde: ‘daz hät der videlsere,
vil künstlich geriten.
in vil hohvertigen siten. ruofen unde klagen, ‘wer hät ez getän?’ Volker der küene spileman.’
1893 Nach swerten und näch Schilden
riefen dä zehant
217
218
Nibelungenlied: Text
des marcgräven mäge
von der Hiunen lant.
si wolden Volkeren
ze töde erslagen hän.
der wirt üz einem venster
vil harte gähen began.
1894 Do huop sich von den liuten die künege und ir gesinde
erheizten für den sal.
diu ross ze rucke stiezen
di Burgonden man.
do kom der künec Etzel:
der herre ez scheiden began.
1895 Ein des Eliunen mäge,
den er bi im vant,
ein vil starkez wäfen
brach er im üz der hant.
do sluoc ers’ alle widere,
wand’ im was vil zorn:
‘wie het ich minen dienest
an disen helden verlorn,
1896 Ob ir hie bi mir slüeget
disen spilman’,
sprach der künec Etzel,
‘daz waere missetän.
ich sach vil wol sin riten
do er den Hiunen stach,
daz ez äne sine schulde
von eime strüche geschach.
1897 Ir müezet rnine geste do wart er ir geleite. zuo den herbergen;
allenthalben schal.
vride läzen hän.’ diu ross diu zoh man dan si heten manegen kneht,
die in mit vlize wären z’allem dienste gereht. 1898 Der wirt mit sinen friunden in den palas gie. zorn er mer deheinen
dä niht werden lie.
do rihte man di tische,
daz wazzer man in truoc.
dä heten die von Rine 1899 E die herren gesäzen,
der starken viende genuoc. des was harte lanc.
diu Kriemhilde sorge
si ze sere twanc.
si sprach: ‘fürste von Berne,
ich suoches dinen rät,
helfe und genäde: min dinc mir angestlichen stät.’ 1900 Des antwurte ir Hildebrant, ein recke lobelich: ‘swer sieht die Nibelunge, der tuot iz äne mich, durch deheines Schatzes liebe, si sint noch umbetwungen,
ez mac im werden leit: die snellen ritter gemeit.’
1901 Do sprach in sinen zühten ‘die bete lä beliben,
dar zuo her Dietrich: küneginne rieh,
mir habent dine mäge daz ich die degen küene 1902 Diu bete dich lützel eret,
der leide niht getän, mit strite welle bestän. vil edeles fürsten Wip,
31. Äventiure
daz du dinen mägen
rastest an den lip.
si komen üf genäde
her in diz lant.
Sifrit ist ungerochen
von der Dietriches hant.’
1903 Do si der untriuwe
an dem Bernasre niht envant
do lobtes also balde eine wite marke,
in Blcedelines hant die Nuodunc e besaz.
sit do sluoc in Dancwart,
daz er der gäbe gar vergaz.
1904 Si sprach: ‘du solt mir helfen, ja sint in disem hüse
herre Bloedelin.
die viande min,
di Sifriden sluogen,
den minen lieben man.
swer mir daz hilfet rechen,
dem bin ich immer undertän.’
1905 Des antwurte ir Blcedelin:
‘vrouwe, nu wizzet daz,
jane getar ich in vor Etzeln wände er di dine mäge,
geraten keinen haz, vrouwe, vil gerne siht.
tast’ ich in iht ze leide,
der künec vertrüege mir sin niht.’ ich bin dir immer holt,
1906 ‘Neinä, herre Bloedelin,
silber unde golt,
jä gib’ ich dir ze miete
daz Nuodunges wip:
und eine maget schoene,
den ir vil minneclichen lip.
so mäht du gerne triuten
wil ich dir allez geben:
1907 Daz lant zuo den bürgen
mit vreuden immer leben,
so mäht du, ritter edele,
da Nuodunc inne saz.
gewinnestu die marke, swaz ich dir gelobe hiute, 1908 Do der herre Bloedelin
unt daz im durch ir schoene mit strite wände er dienen dar umbe muose der recke 1909 Er sprach zer küneginne: e is iemen werde innen,
mit triuwen leist’ ich dir daz.’ die miete vernam,
diu vrouwe wol gezam, daz minnecliche wip. do Verliesen den lip. ‘get wider in den sah so heb’ ich einen schal,
ez muoz erarnen Efagene
daz er iu hat getan,
ich antwurte iu gebunden
des künec Guntheres man.’
‘alle die ich hän! 1910 ‘Nu wäfent iuch’, sprach Bloedelin, wir suln den vianden in die herberge gän; des wil mich niht erläzen
daz Etzelen wip.
dar umbe suln wir helde
alle wägen den lip.’
1911 Do diu küneginne
219
Blcedelmen lie
220
Nibelungenlied: Text
in des strites willen,
ze tische si do gie
mit Etzel dem künege
und ouch mit sinen man.
si hete swinde rxte
an die geste getan.
1912 Do der strit niht anders
künde sin erhaben
(Kriemhilde leit daz alte
in ir herzen was begraben),
do hiez si tragen ze tische
den Etzelen sun.
wie künde ein wip durch räche 1913 Dar giengen an der stunde
immer vreislicher tuon? vier Etzelen man;
si truogen Ortlieben,
den jungen künec, dan
zuo der fürsten tische,
da ouch Hagene saz.
des muose daz kint ersterben 1914 Do der künec riche
durch sinen mortlichen haz.
sinen sun ersach,
zuo sinen konemägen
er güetliche sprach:
cnu seht ir, friunde mine,
daz ist min einec sun,
und ouch iwer swester:
daz mac iu allen wesen frum.
1915 Gevadht er nach dem künne, rieh und vil edele,
er wirt ein küene man,
starc und wol getan.
leb’ ich deheine wile,
ich gib’ im zwelf lant:
so mag iu wol gedienen 1916 Dar umbe bit’ ich gerne
des jungen Ortliebes hant. iuch, lieben friunde min,
swenne ir ze lande ritet
wider an den Rin,
so sult ir mit iu füeren
mwer swester sun,
und sult ouch an dem kinde 1917 Und ziehet in zen eren, hat iu in den landen
vil genaedeclichen tuon. unz er werde ze man.
iemen iht getan,
daz hilfet er iu rechen,
gewahset im sin lip.’
die rede hört’ ouch Kriemhilt, des künec Etzelen wip. 1918 ‘Im solden wol getrüwen dise degene, gewüehs’ er z’einem manne’, ‘doch ist der künec junge man sol mich sehen selten
so sprach Hagene: so veiclich getan: ze hove nach Ortliebe gän.’
1919 Der künec an Hagenen bhhte;
diu rede was im leit.
swie niht dar umbe redete
der fürste vil gemeit,
ez betruobete im sin herze
und beswärte im den muot.
done was der Hagenen wille niht ze kurzewile guot. 1920 Ez tet den fürsten allen mit dem künege we
32. Äventiure
daz Hagen von sinem kinde
221
hete gesprochen e.
daz siz vertragen solden,
daz was in ungemach.
sin’ wessen niht der mxre,
waz von dem recken sit geschach.
32. Äventiure Wie Dancwart Bloedelinen sluoc 1921 Blcedelines recken
die waren alle gar.
mit tüsent halsbergen
huoben si sich dar
da Dancwart mit den knehten
ob dem tische saz.
da huop sich under helden
der aller groezeste haz.
1922 Also der herre Blcedelin
für die tische gie,
Dancwart der marschalch
in vlizecliche enpfie:
‘willekomen her ze hüse,
min her Blcedelin.
ja wundert mich der masre: waz sol disiu rede sin?’ 1923 ‘Jane darftu mich niht grüezen’, so sprach Bloedelin: ‘wan diz körnen daz mine
daz muoz din ende sin,
durch Hagenen dinen bruoder, des engiltest du zen Hiunen
und ander degene genuoc.’
1924 ‘Neinä, herre Bloedelin’,
so sprach do Dancwart:
‘so möhte uns balde riuwen
disiu hovevart.
ich was ein wenic kindel
do Sifrit vlos den lip.
ine weiz niht waz mir wizet
des künec Etzelen wip.’
1925 ‘Jane weiz ich dir der mxre ez täten dine mäge,
niht mer ze sagene:
Günther und Hagene.
nu wert iuch vil eilenden; ir müezet mit dem tode
ir kunnet niht genesen, pfant daz Kriemhilde wesen.’
1926 ‘Sone weit ir niht erwinden?’ ‘so riuwet mich min vlehen: der snelle degen küene
daz im daz houbet schiere ‘daz si din morgengäbe’,
so sprach Dancwart. daz wxre baz gespart.’
von dem tische spranc.
er zoch ein scharpfez wäfen, 1927 Do sluoc er Bloedeline
‘zuo Nuodunges briute,
der SIfriden sluoc.
daz was michel unde lanc.
einen swinden swertes slac, vor den füezen lac. sprach Dancwart der degen, der du mit minnen woldest pflegen
222
Nibelungenlied: Text
1928 Man mac si morgen mehelen wil er die brütmiete,
einem andern man.
dem wirt alsam getan.’
ein vil getriuwer Hiune
het im daz geseit,
daz in diu küneginne
riet so groezlichiu leit.
1929 Do sähen Bloedelmes man,
ir herre lac erslagen;
done wolden si den gesten
niht langer daz vertragen,
mit üf erburten swerten
si Sprüngen für diu kint
in grimmigem muote.
daz gerou vil manigen sint.
1930 Vil lute rief do Dancwart
daz gesinde allez an:
‘ir seht wol, edeln knehte,
wie ez wil umbe gän.
nu wert iuch eilenden,
deiswär des gät uns not,
swie uns diu edele Kriemhilt 1931 Die niht swert enheten,
so rehte güetlich enbot.’
die reichten für die banc
und huoben von den füezen der Burgonden knehte
vil manigen schamel lanc.
in wolden niht vertragen,
do wart von swseren stüelen
durch helme biulen vil
1932 Wie grimme sich do werten si triben üz dem hüse
diu eilenden kint!
doch beleip ir tot dar inne do was daz ingesinde
fünf hundert oder baz.
von bluote rot unde naz.
1933 Disiu starken msere
wurden dan geseit
den Etzelen recken
(ez was in grimme leit),
daz erslagen wsere
Bloedel und sine man:
daz het’ Hagenen bruoder
mit den knehten getan.
1934 £ ez der künec erfunde,
die Hiunen durch ir haz
der garte sich zwei tüsent
oder dannoch baz.
si giengen zuo den knehten, und liezen des gesindes
für daz hüs ein michel her.
die stuonden wol ze wer.
waz half ir baldez eilen?
si muosen ligen tot.
dar nach in kurzen stunden 1936 Hie muget ir hceren wunder niun tüsent knehte
daz muos’ et also wesen,
ninder einen genesen.
1935 Die ungetriuwen brähten die eilenden knehte
[geslagen.
die gewäfenten sint,
huop sich ein vreislichiu not. bi ungefüege sagen:
die lägen tot erslagen,
dar über ritter zwelfe
der Dancwartes man.
man sah in alterseine
noch bi den vianden stän.
32. Äventiure
1937 Der schal der was geswiftet, dö blihte über ahsel
der döz der was gelegen,
Dancwart der degen.
er sprach: ‘owe der friunde,
die ich verlorn hän!
nu muoz ich leider eine
bi mmen fianden stän.’
1938 Diu swert genöte vielen
üf sin eines lip.
daz muose sit beweinen
vil maneges heldes wip.
den schilt den ruht’ er hoher, do frumt’ er vil der ringe
den vezzel nider baz; mit bluote vliezende naz.
1939 ‘So we mir dirre leide’,
sprach Aldriänes kint.
‘nu wichet, Hiunen recken, daz der luft erküele
223
ir lat mich an den wint,
mich sturmmüeden man.’
do sah man den recken 1940 Also der strites müede
vil harte herliche gän. üz dem hüse spranc,
waz iteniuwer swerte
üf sinem heim erklanc!
die niht gesehen heten,
waz Wunders tet sin hant,
die Sprüngen hin engegene
dem von Burgonden lant.
1941 ‘Nu wolde got’, sprach Dancwart, der minen bruoder Hagenen
‘möht’ ich den boten
künde wizzen län
[hän,
daz ich vor disen recken
sten in solher not!
er hülfe mir von hinnen
oder er gelxge bi mir tot.’
1942 Do sprächen Hiunen recken: so wir dich tragen töten so siht im erste leide
‘der bote muostu sin!
für den bruoder dm, der Guntheres man.
du häst dem künege Etzel
so grözen schaden hie getän.’
1943 Er sprach: ‘nu lät daz dreuwen
und wichet höher baz.
ja getuon ich etelichem
noch die ringe naz.
ich wil diu msere selbe
hin ze hove sagen
und wil ouch mmen herren 1944 Er leidete sich so sere
minen grözen kumber
den Etzelen man,
daz si in mit den swerten dö schuzzen si der gere
torsten niht bestän. so vil in smen rant
daz er in durch die swaere 1945 Dö wänden si in betwingen, hey waz er tiefer wunden des muose vor im strüchen dar umbe lop vil grözen
[klagen.’
muose läzen von der hant. dö er niht Schildes truoc. durch die helme sluoc! vil manic küener man, der küene Dancwart gewan.
224
Nibelungenlied: Text
1946 Ze beiden sinen siten
Sprüngen si im zuo.
ja kom ir eteslicher
in den strit ze fruo.
do gie er vor den vienden
als ein eberswin
ze walde tuot vor hunden
wie möht’ er küener gesin?
1947 Sin vart wart erniuwet
von heizem bluote naz.
jane künde ein einec recke mit sinen vianden
gestriten nimmer baz
danne er hete getan,
man sach den Hagenen bruoder 1948 Truhsaezen und schenken
die horten swerte klanc.
vil maneger do daz trinken und etesliche spise,
ze hove herlichen gän. von der hende swanc,
die man ze hove truoc.
do kom im vor der stiegen 1949 ‘Wie nu, ir truhsszen?’
der starken viende genuoc. sprach der müede degen.
‘ja soldet ir der geste
güetliche pflegen,
und soldet den herren
guote spise tragen,
und liezet mich diu mxre 1950 Swelher durch sin eilen
minen lieben herren sagen.’ im für die stiege spranc,
der sluoc er eteslichem
so swasren swertes swanc,
daz si durch die vorhte
üf hoher muosen stän.
ez het sin starkez eilen
vil michel wunder getan.
33. Äventiure Wie die Burgonden mit den Hinnen striten 1951 Also d er küene Dancwart daz Etzeln gesinde
under di tür getrat,
er hoher wichen bat.
mit bluote was berunnen ein vil starkez wäfen
allez sin gewant; daz truog er bloz an siner hant.
1952 Vil lute rief do Dancwart ‘ir sitzet al ze lange,
bruoder Hagene.
iu unde got von himele ritter unde knehte
zuo dem degene: klag’ ich unser not:
sint in den herbergen tot.’
1953 Er rief im hin engegene: daz hat der herre Blcedelin ouch hat ers sere engolten,
‘wer hat daz getan?’ unde sine man. daz wil ich iu sagen:
33. Äventiure
ich hän mit minen handen
im sin houbet abe geslagen.’
1954 ‘Daz ist ein schade kleine’, ‘da man saget macre
sprach aber Hagene,
von einem degene,
ob er von recken henden in suln deste ringer
verliuset sinen lip.
klagen wxtlichiu wip.
1955 Nu saget mir, bruoder Dancwart, ich warne ir von wunden
wie sit ir so rot?
lidet groze not.
ist er inder ime lande,
derz iu hat getan,
in erner der übel tiuvel,
ez muoz im an sin leben gän.’
1956 ‘Du sihest mich wol gesunden: von ander manne wunden der ich also manegen
min wät ist bluotes naz. ist mir geschehen daz,
hiute hän erslagen,
ob ich des swern solde,
ine kund’ iz nimmer gesagen.’
1957 Er sprach: ‘bruoder Dancwart, und lat der Hiunen einen
so hüetet uns der tür,
komen niht derfür.
ich wil reden mit den recken, unser ingesinde
225
als uns des twinget not.
lit vor in unverdienet tot.’
1958 ‘Sol ich sin kameraere’, ‘also riehen künegen
sprach der küene man, ich wol gedienen kan.
so pflige ich der stiegen
nach den eren min.’
den Kriemhilde degenen
künde leider niht gesin.
1959 ‘Mich nimt des michel wunder’, ‘waz nu hinne rünen
die Hiunen degene.
si warn’ des lihte enbasren unt diu hovemacre
sprach aber Hagene,
der an der tür stät,
gesaget den Burgonden hat.
1960 Ich hän vernomen lange daz si ir herzen leide
von Kriemhilde sagen, wolde niht vertragen.
nu trinken wir die minne
und gelten ’sküneges win.
der junge vogt der Hiunen,
der muoz der aller erste sin.’
1961 Do sluoc daz kint Ortlieben daz im gegen der hende und daz der küneginne
Hagen der heit guot,
ame swerte vloz daz bluot daz houbet spranc in die schoz.
do huop sich under degenen
ein mort vil grimmec unde groz.
1962 Dar näch sluog er dem magezogen mit beiden sinen henden,
einen swinden slac
der des kindes pflac,
226
Nibelungenlied: Text
daz im daz houbet schiere
vor tische nider lac.
ez was ein jasmerlicher Ion, 1963 Er sach vor Etzeln tische Hagen in sinem zorne
den er dem magezogen wac. einen spilman.
gahen dar began.
er sluoc im üf der videlen
ab die zeswen hant:
‘daz habe dir ze botschefte 1964 ‘So we mir miner hende’,
in der Burgonden lant.’ sprach Werbel der spilman.
‘her Hagene von Tronege,
waz het ich iu getan?
ich kom üf groze triuwe
in iuwer herren lant.
wie klenke ich nu die doene, sit ich verlorn hän die hant?3 1965 Hagene ahtet’ ringe, gevidelte er nimmer mer. do frumt’ er in dem hüse an den Etzeln recken,
diu verchgrimmen ser der er so vil ersluoc.
do bräht’ er in dem hüse Hutes ze tode genuoc. 1966 Volker der vil snelle von dem tische spranc, sin videlboge im lüte
an siner hende erklanc.
do videlte ungefuoge
Guntheres spilman.
hey waz er im ze viende der küenen Hiunen gewan! 1967 Ouch Sprüngen von den tischen die drie künege her. si woldenz gerne scheiden, e daz schaden geschehe mer. sine mohtenz mit ir sinnen
do niht understän,
do Volker unde Hagene
so sere wüeten began.
1968 Do sach der vogt von Rine do sluoc der fürste selbe durch die liehten ringe
ungescheiden den strit;
vil manige wunden wit den vianden sin.
er was ein heit zen handen, 1969 Do kom ouch zuo dem strite ja frumte er der Hiunen mit einem scharpfen swerte,
daz tet er groezlichen schin. der starke Gernot. vil manegen heit tot daz gap im Rüedeger.
den Etzelen recken tet er diu groezlichen ser. 1970 Der junge sun vroun Uoten zuo dem strite spranc. sin wafen herlichen den Etzelen recken
durch die helme erklanc üzer Hiunen lant.
da tet vil michel wunder 1971 Swie frum si alle wahren, doch sach man vor in allen
des küenen Giselheres hant. die künige und ouch ir man, Giselheren stän
33. Äventiure
gegen den vianden;
227
er was ein heit guot.
er frumte da mit wunden
vil manegen vallen in daz
1972 Ouch werten sich vil sere
die Etzelen man.
do sach man die geste
[bluot.
houwende gän
mit den vil liehten swerten
durh des küneges sal.
do horte man allenthalben
von wuofe groezlichen schal.
11973 Do wolden die dar uze
z’ir friunden sin dar in.
die namen an den türen
vil kleinen gewin.
do wahren die dar inne
vil gerne für den sal.
Dancwart liez ir deheinen
die stiegen üf noch zetal.
D974 Des huop sich vor den türen
vil starker gedranc
unde ouch von den swerten
grozer helmklanc.
des kom der küene Dancwart daz besorgete sin bruoder,
in eine groze not: als im sin triuwe daz gebot.
[1975 Vil lute rief do Hagene
Volkeren an:
‘sehet ir dort, geselle,
minen bruoder stän
vor hiunischen recken
under starken siegen?
vriunt, nert mir den bruoder
e wir vliesen den degen.’
11976 ‘Daz tuon ich Sicherheiten’,
sprach der spilman. durch den palas gän;
er begonde videlende ein hertez swert im ofte
an siner hende erklanc.
die recken von dem Rine 11977 Volker der küene
im sageten groezlichen danc.
zuo Dancwarten sprach:
‘ir habet erbten hiute
vil grozen ungemach.
mich bat iuwer bruoder
durch helfe zuo z’iu gän.
weit ir nu sin dar uze, 11978 Dancwart der snelle
so wil ich innerthalben stän.’ stuont üzerhalp der tür.
er werte in die stiege,
swaz ir kom darfür.
des horte man wäfen hellen sam tet ouch innerthalben 11979 Der küene videlsere
den helden an der hant. Volker von Burgonden lant.
rief über die menege:
‘der sal ist wol beslozzen, jä ist also verschränket
vriunt her Hagene. diu Etzelen tür:
von zweier helde handen 11980 Do von Tronege Hagene den schilt warf do ze rucke
da gent wol tüsent rigel für.’ die tür sah so behuot, der msre degen guot.
228
Nibelungenlied: Text
alrerst begond’ er rechen daz im da was getan, do heten sine viende ze lebene deheiner slahte wän. 1981 Do der vogt von Berne rehte daz ersach, daz Hagene der starke so manegen heim brach, der künec der Amelunge spranc üf eine banc; er sprach: ‘hie schenket Hagene daz aller wirsiste träne.’ 1982 Der wirt het groze sorge, als im daz gezam (waz man im lieber vriunde vor sinen ougen nam!) wan er vor sinen vienden vil küme da genas. er saz vil angestlichen: waz half in daz er künec was? 1983 Kriemhilt diu riche rief Dietrichen an: ‘nu hilf mir, ritter edele, mit dem übe dan durch aller fürsten tugende üz Amelunge lant! wand’ erreichet mich Hagene, ich han den tot an der 1984 ‘Wie sol ich iu gehelfen’, sprach her Dietrich, [hant.’ ‘edeliu küneginne? nu sorge ich umbe mich. ez sint so sere erzürnet die Guntheres man, daz ich an disen ziten gefriden niemen enkan.’ 1985 ‘Neinä, herre Dietrich, vil edel ritter guot, läzä hiute schinen dinen tugentlichen muot daz du mir helfest hinnen, oder ich belibe tot.’ der sorge gie Kriemhilde vil harte groezüche not. 1986 ‘Daz wil ich versuochen, ob ich iu gehelfen kan; wände ich in langen ziten nie gesehen hän so bitterlich erzürnet so manegen ritter guot. ja sihe ich durch die helme von swerten springen daz 1987 Mit kraft begonde ruofen der degen üz erkorn, [bluot.’ daz sin stimme erlüte alsam ein wisentes horn, unt daz diu burc vil wite von siner kraft erdoz. diu Sterke Dietriches was unmxzliche groz. 1988 Do gehörte Günther ruofen disen man in dem herten sturme: losen er began. er sprach: ‘Dietriches stimme ist in min ore körnen, ich warne im unser degene haben etwen hie benomen. 1989 Ich sih’ in üf dem tische; er winket mit der hant. ir friunt unde mäge von Burgonden lant,
33. Äventiure gehabet üf des strites,
lät hceren unde sehen,
waz hie dem degene
von minen mannen si geschehen.’
11990 Do der künec Günther
bat und ouch gebot,
si habten üf mit swerten
in des strites not.
daz was gewalt vil grozer
daz da niemen sluoc.
er vrägte den von Berne
der msere schiere genuoc.
11991 Er sprach: ‘vil edel Dietrich,
waz ist iu hie getan
von den minen vriunden? buoze unde suone
willen ich des hän:
der bin ich iu bereit.
swaz iu iemen tacte,
daz wter’ mir inneclichen leit.’
11992 Do sprach der herre Dietrich: lät mich üz dem hüse
‘mir ist niht getan,
mit iuwerm vride gän
von disem herten strite
mit dem gesinde min:
daz wil ich sicherlichen
immer dienende sin.’
11993 ‘Wie vlehet ir so schiere?’ ‘ja hat der videlaere
sprach do Wolfhart.
die tür nie so verspart,
wir entsliezen si so wlte
daz wir dar für gän.’
‘nu swlget’, sprach her Dietrich: 11994 Do sprach der künec Günther: füeret üz dem hüse äne mlne vlende;
‘ir habet den tiuvel getän.’ ‘erlouben ich iu wil:
lützel oder vil, die suln hie bestän.
si hänt mir hie zen Hiunen 11995 Do er daz erhörte,
so rehte leide getän.’
under arme er besloz
die edeln küneginne;
der sorge diu was groz.
do fuort er anderthalben
Etzeln mit im dan.
ouch gie mit Dietriche
sehs hundert wjetllcher man.
11996 Do sprach der marcgräve, ‘sol aber üz dem hüse
der edel Rüedeger:
iemen körnen mer
die iu doch gerne dienen, so sol ouch vride starte 11997 Des antwurte Glselher ‘vride unde suone
229
daz läzet uns vernemen. guoten vriunden gezemen.’ von Burgonden lant:
si iu von uns bekant,
slt ir sit triuwen staste, ir sult unangestllchen 1998 Do Rüedeger der herre
ir und iuwer man. mit iuwern vriunden hinnen gän.’ gerümete den sal,
230
Nibelungenlied: Text
fünf hundert oder mere der von Bechelären,
im volgeten über al vriunt und siner man,
von den der künic Günther 1999 Do sach ein Hiunen recke bi Dietriche nähen:
schaden grozen sit gewan. Etzelen gän
genozzen wold’ ers hän.
dem gap der videlacre
einen solhen slac,
daz im vor Etzeln füezen
daz houbet schiere gelac.
2000 Do der wirt des landes
kom für daz hüs gegän,
do kerte er sich hin widere ‘owe mir dirre geste, daz alle mine recken
und sach Volkeren an.
ditz ist ein grimmiu not, suln vor in ligen tot.
2001 Ach we der hohgezite’,
sprach der künec her.
‘da vihtet einer inne,
der heizet Volker,
als ein eber wilde,
und ist ein spilman.
ich dankes minem heile,
daz ich dem tiuvel entran.
2002 Sine leiche lütent übele, ja vellent sine doene
sine züge die sint rot: vil manigen heit tot.
ine weiz niht waz uns wize wand’ ich gast deheinen 2003 Si heten die si wolden
so rehte leiden nie gewan.’ läzen für den sal.
do huop sich innerthalben die geste sere rächen
der selbe spilman,
ein grcezlicher schal,
daz in e geschach.
Volker der vil küene, hey waz er helme zerbrach! 2004 Sich kerte gegen dem schalle Günther der künec her. ‘hcert ir die doene, Hagene, videlt mit den Hiunen, ez ist ein roter anstrich, 2005 ‘Mich riuwet äne mäze’,
die dort Volker swer zuo den türn gät? den er zem videlbogen hät.’ so sprach Hagene,
‘daz ich ie gesaz in dem hüse ich was sin geselle
vor dem degene.
unde ouch er der min,
[triuwen sin.
und kome wir immer wider heim, daz suln wir noch mit 2006 Nu schouwe, künec here, Volker ist dir holt! er dienet willecliche sin videlboge im snidet er brichet uf den helmen 2007 Ine gesach nie videlsere
din silber und din golt. durch den herten stäl; diu liehte schinenden mäl. so herlichen stän,
34. Äventiure
als der degen Volker
231
hiute hat getan.
die sinen leiche hellent
durch heim unde rant.
ja sol er riten guotiu ross
und tragen herlich gewant.’
2008 Swaz der Hiunen mage
in dem sal was gewesen,
der enwas nu deheiner
dar inne me genesen,
des was der schal geswiftet,
daz iemen mit in streit:
diu swert von handen legeten
die küenen recken gemeit.
34. Äventiure Wie si die toten uz dem sal würfen 2009 Die herren nach ir müede Volker unde Hagene
säzen dö zetal.
giengen für den sal.
sich leinten über Schilde
die übermüeten man.
do wart da rede vil spashe
von in beiden getan.
2010 Do sprach von Burgonden
Giselher der degen:
‘jane muget ir, liebe vriunde, ir sult die toten liute
noch ruowe niht gepflegen.
üz dem hüse tragen.
wir werden noch bestanden,
ich wilz iu wasrliche sagen.
2011 Sine suln uns under füezen e daz uns die Hiunen
hie niht langer ligen.
mit sturme an gesigen,
wir gehouwen noch die wunden, des hän ich’, sprach do Giselher, 2012 ‘So wol mich sölhes herren’, ‘der rät enzseme niemen den uns min junger herre
sprach do Hagene. hiute hat getan. alle vrceliche stän.’ unt truogen für die tür
2013 Do volgeten si dem rate
würfen si darfür. vielen si zetal.
vor des sales stiegen
dö huop sich von ir mägen 2014 Ez was ir etelicher
‘einen stetigen muot.’
wan einem degene,
des muget ir Burgonden siben tüsent töten
diu mir vil sanfte tuot.
ein vil klagelicher schal.
so maezlichen wunt,
(der sin sanfter pflege, der von dem höhen valle daz klageten dö ir friunde,
er würde noch gesunt) muose ligen tot. des gie in wxrliche not.
232
Nibelungenlied: Text
2015 Do sprach der videltere,
Volker, ein heit gemeit:
‘nu kiuse ich des die wärheit, die Hiunen di sint boese,
als mir ist geseit, si klagent sam diu wip.
nu solden si beruochen
der vil sere wunden lip.’
2016 Do wände ein marcgräve,
er reit’ iz durch guot.
er sach einen sinen mäc
gevallen in daz bluot.
er besloz in mit den armen
und wolde in tragen dan.
den schoz ob im ze tode
der vil küene spileman.
2017 Do daz di andern sähen,
diu fluht huop sich dan.
si begonden alle vluochen einen ger er üf zuhte,
dem selbem spileman. vil scharpf unde hart,
der von einem Hiunen
zuo z’im dar üf geschozzen wart.
2018 Den schoz er krefteclichen
durch die burc dan
über daz volc vil verre. gab er herberge
den Etzelen man
hoher von dem sal.
sin vil starkez eilen
die liute vorhten über al.
2019 Do stuonden vor dem hüse Volker unde Hagene
vil manec tüsent man.
reden do began
mit Etzeln dem künege
allen ir muot.
des körnen sit in sorge
die helde küene unde guot.
2020 ‘Ez zieme’, so sprach Hagene, daz die herren vaehten also der minen herren
hie ieslicher tuot.
die houwent durch die helme, 2021 Etzel was so küene,
cvil wol Volkes tröst,
z’aller vorderost, daz näch swerten vliuzet
er vazzete sinen schilt.
‘nu vart gewerliche’, ‘und bietet ir den recken
daz golt über rant,
wände erreichet iuch dort Hagene, 2022 Der künec der was so küene, daz von so richem fürsten
‘die Etzel unde Sifrit künec vil boese,
er wold’ erwinden niht, ziehen wider dan.
in aber hoenen began.
2023 ‘Ez was ein verriu sippe’, er minnete Kriemhilde
[der hant.’
ir habet den tot an
selten nu geschiht.
man muose in bi dem vezzel Hagene der grimme
[daz bluot.’
sprach vrou Kriemhilt,
sprach Hagene der degen, zesamne hänt gepflegen. e si ie gestehe dich:
war umbe rxtest an mich?’
35. Äventiure
, 2024 Dise rede horte
233
des edeln küneges wip.
des wart in unmuote
der Kriemhilde lip,
daz er si torste schelten
vor Etzelen man;
dar umbe si aber raten
an die geste began.
2025 Si sprach: ‘der mir von Tronege unde mir sin houbet
Hagenen slüege
her für mich trüege,
dem fult’ ich rotes goldes
den Etzelen rant,
dar zuo gsebe ich im ze miete
vil guote bürge unde lant.’
2026 ‘Nu enweiz ich wes si bitent’, ‘ine gesach nie helde mere da man horte bieten
sprach der spilman. so zägelichen stän,
also hohen solt.
jäne sold’ in Etzel
dar umbe nimmer werden holt.
2027 Die hie so lästerlichen
ezzent des fürsten brot
unde im nu geswichent
in der groezesten not,
der sihe ich hie manigen
vil zageliche stän,
und wellent doch sin küene:
si müezens immer schände hän.’
35. Äventiure Wie Irinc erslagen wart 2028 Do rief von Tenemarke ‘ich hän üf ere läzen
der marcgrave Irinc: nu lange miniu dinc
und hän in Volkes stürmen nu brinc mir min gewsefen: 2029 ‘Daz wil ich widerräten’,
des besten vil getän. jä wil ich Hagenen bestän.’ sprach do Hagene.
‘so heiz üf hoher wichen
die Hiunen degene.
gespringent iuwer zwene
oder dri in den sal,
die stiegen wider hin zetal.’ sprach aber Irinc. 2030 ‘Dar umbe ih’z niht läze’, sam sorclichiu dinc. ‘ich hän ouch e versuochet jä wil ich mit dem swerte eine dich bestän. waz hilfet din übermüeten, daz du mit rede häst getan?’ der degen Irinc !2031 Do wart gewäfent balde ein küener jungelinc, und Irnfrit von Düringen, wol mit tüsent man. und Häwart der vil starke, die sende ich vil ungesunde
234
Nibelungenlied: Text
swes Irinc begunde,
si woldens alle im gestän.
2032 Do sah der videlaere die mit Iringe
eine vil groze schar,
gewäfent körnen dar.
si truogen üf gebunden
vil manegen heim guot.
do wart der küene Volker
ein teil vil zornec gemuot.
2033 ‘Seht ir, vriunt Hagene,
dort Iringen gän
der iuh mit dem swerte
lobt’ eine bestän?
wie zimet helde lügene?
ich wil unprisen daz.
ez gent mit im gewäfent
wol tüsent recken oder baz.’
2034 ‘Nu heizet mich niht liegen’, ‘ich wilz gerne leisten
sprach Häwartes man.
swaz ich gelobet hän.
durh deheine vorhte
wil ich es abe gän.
swie griulich si nu Hagene,
ich wil in eine bestän.’
2035 Ze füezen bot sich Irinc daz si in eine liezen
mägen unde man, den recken bestän.
daz täten si ungerne,
wand’ in was wol bekant
der übermüete Hagene
üzer Burgonden lant.
Doch bat er si so lange
daz ez sit geschach.
do daz ingesinde
den willen sin ersach,
daz er warp näch eren,
do liezen si in gän.
des wart do von in beiden ein grimmez striten getän. 2037 Irinc von Tenemarken vil hohe truoc den ger.
sich dahte mit dem Schilde
der tiwer degen her.
do lief er üf zuo Hagenen
vaste für den sal;
do huop sich von den degenen ein vil grcezlicher schal. 2038 Do schuzzen si die gere mit krefte von der hant
durch die vesten Schilde üf liehtez ir gewant, daz die gerstangen vil hohe drazten dan. do griffen zuo den swerten 2039 Des küenen Hagenen eilen do sluoc ouch üf in Irinc palas unde türne
daz was starke groz.
[man.
daz al daz hüs erdoz.
erhullen näch ir siegen.
daz konde wol beschermen 2040 Irinc der lie Hagenen zuo dem videlsere
die zwene grimme küenen
Volker der zierliche degen.
unverwundet stän. gähen er began.
er wände in möhte twingen
mit smen starken siegen:
35. Äventiure
daz konde wol beschermen Volker der zierliche degen. 2041 Do sluoc der videlxre daz über des Schildes rant drste daz gespenge von Volkeres hant. den liez er do beliben;
er was ein übel man.
do lief er Guntheren
von den Burgonden an.
2042 Do was ir ietwedere
ze strite starc genuoc.
swaz Günther und Irinc
üf ein ander sluoc,
daz brähte niht von wunden daz behuote ir gewaefen,
daz vliezende bluot.
daz was starc unde guot.
2043 Günthern er lie beliben
und lief Gernoten an;
daz fiwer üz den ringen
er houwen im began.
do hete von Burgonden
der starke Gernot
den küenen Iringen
erslagen nxhlichen tot.
2044 Do spranc er von dem fürsten: der Burgonden viere des edeln ingesindes
snel er was genuoc.
der heit vil balde sluoc, von Wormez über Rin.
done künde Giselher
nimmer zorneger gesin.
2045 cGot weiz, her Irinc’,
sprach Giselher daz kint,
‘ir müezet mir die gelten, gelegen hie ze stunde.’
die vor iu tot sint do lief er in an,
er sluoc den Tenelender,
daz er muose da bestän.
2046 Er schoz vor sinen handen daz si alle wolden wxnen
nider in daz bluot, daz der heit guot
ze strite nimmer mere
geslüege keinen slac.
Irinc doh äne wunden
hie vor Giselheren lac.
und von des swertes klanc 2047 Von des helmes doze wären sine witze worden harte kranc, daz sich der degen küene
des lebens niht versan.
daz het mit sinen kreften
der starke Giselher getan.
von houbte der doz, 2048 Do im begonde entwichen den er e da dolte von dem slage groz, er dähte: ‘ich bin noch lebende nu ist mir aller erste
unde ninder wunt:
daz eilen Giselheres kunt.’
die viande stän. 2049 Do hört’ er beidenthalben wisten si diu mxre, im wxre noch mer getan, ouch het er Giselheren
da bi im vernomen.
235
236
Nibelungenlied: Text
er dähte wie er solde
von den vianden komen.
2050 Wie rehte tobeliche siner snelheite
er üz dem bluote spranc!
er mohte sagen danc.
do lief er üz dem hüse
da er aber Hagenen vant,
und sluoc im siege grimme 2051 Do gedähte Hagene:
mit siner ellenthafter hant.
‘du muost des todes wesen.
dich envride der übel tiuvel,
dune kanst niht genesen.’
doch wunte trinc Hagenen
durch sinen helmhuot.
daz tet der heit mit Wasken, 2052 Do der herre Hagene
daz was ein wäfen also guot.
der wunden enpfant,
do erwägt’ im ungefuoge
daz swert an siner hant.
aldä muose im entwichen
der Häwartes man.
hin nider von der stiegen
Hagene im volgen began.
2053 trinc der vil küene
den schilt über houbet swanc.
und wxre diu selbe stiege
drier stiegen lanc,
die wile liez in Hagene
nie slahen einen slac.
hey waz roter vanken 2054 Wider zuo den sinen
ob sinem helme gelac! kom trinc wol gesunt.
do wurden disiu mtere
Kriemhilde rehte kunt,
waz er von Tronege Hagenen des im diu küneginne 2055 ‘Nu Ion’ dir got, trinc,
vil mxre heit guot,
du hast mir wol getroestet
daz herze und ouch den muot.
nu sihe ih rot von bluote
Hagenen sin gewant.’
Kriemhilt nam im selbe
den schilt vor liebe von der hant.
2056 Tr muget im mäzen danken’, ‘wold’ erz noch versuochen, koem er danne hinnen,
so wasr’ er ein küener man.
2057 Daz ir von miner wunden
die ich von im enpfangen die ringe sehet rot,
üf maniges mannes tot.
ich bin allererst erzürnet mir hat der degen trinc
so sprach Hagene. daz zaeme degene.
diu wunde frumt iuch kleine, daz hat mich erreizet
mit strite het getan,
vil hohe danken began.
üf Häwartes man. schaden kleinen noch getan.’
2058 Do stuont gegen dem winde
trinc von Tenelant;
er kuolte sich in ringen,
den heim er ab gebant.
do sprachen al die hüte,
sin eilen wa:re guot.
[hän.
35. Äventiure
des het der marcgräve
237
einen riche hohen muot.
2059 Aber sprach do Irinc:
‘mine vriunt, wizzet daz,
daz ir mich wäfent schiere;
ich wilz versuochen baz,
ob ich noch müge betwingen sin schilt was verhouwen,
einen bezzern er gewan.
2060 Vil schiere wart der recke einen ger vil starken
den übermüeten man.’ do gewafent baz.
nam er durch den haz,
da mit er aber wolde do warte im vientliche
Hagenen dort bestan. der mortgrimmege man.
2061 Sin mohte niht erbiten
Hagene der degen.
er lief im hin engegene
mit schiizzen und mit siegen die stiegen üz an ein ende; sin zürnen daz was groz. Irinc siner Sterke
do vil wenec genoz.
2062 Si sluogen durch die Schilde von fiwerroten winden.
daz iz lougen began der Häwartes man
wart von Hagenen swerte
krefteclichen wunt
durch schilt und durch di brünne, 2063 Do der degen Irinc
den schilt er baz do ruhte sit tet im aber mere
den er da gewan.
des künec Guntheres man.
2064 Hagen vor sinen füezen
einen ger ligen vant.
den heit von Tenelant,
daz im von dem houbte im hete der recke Hagene 2065 Irinc muost’ entwichen
diu Stange ragete dan. den grimmen ende getan. zuo den von Tenelant.
e daz man do dem degene
den heim ab gebant,
man brach den ger von houbte: daz weinten sine mäge,
do nähete im der tot.
des gie in wserliche not.
2066 Do kom diu küneginne den starken Iringen
[gesunt.
über diu helmbant.
des schaden in dühte der volle,
er schoz üf Iringen,
des er wart nimmer mer
der wunden enpfant,
über in gegän. klagen si began.
si weinte sine wunden, do sprach vor sinen magen 2067 cLät die klage beliben,
waz hilfet iuwer weinen? Verliesen von den wunden,
ez was ir grimme leit. der recke küene unt gemeit: vil herlichez wip.
ja muoz ich minen lip die ich enpfangen hän.
238
Nibelungenlied: Text
der tot wil mich niht langer
iu und Etzeln dienen Iän.’
2068 Er sprach zuo den von Düringen ‘die gäbe sol enpfähen von der küneginne,
iwer deheines hant ir liehtez golt vil rot.
und bestet ir Hagenen,
ir müezet kiesen den tot.’
2069 Sin varwe was erblichen, Irinc der vil küene;
des tödes Zeichen truoc
daz was in leit genuoc.
genesen niht enkunde
der Häwartes man.
dö muost’ ez an ein striten 2070 Irnfrit unde Häwart
von den von Tenemarke gän.
Sprüngen für daz gadem
wol mit tüsent helden.
vil ungefüegen kradem
hört’ man allenthalben,
kreftec unde gröz.
hey waz man scharpfer gere 2071 Irnfrit der küene
zuo den Burgonden schöz!
lief an den spilman,
des er den schaden grözen der edel videlxre
unt den von Tenelant:
von siner hant gewan.
den lantgräven sluoc
durch einen heim vesten:
ja was er grimme genuoc.
2072 Dö sluoc der herre Irnfrit
den küenen spilman,
daz im muosen bresten unt daz sich beschütte
diu ringes gespan, diu brünne fiwerröt.
doch viel der lantgräve 2073 Häwart unde Hagene
vor dem videlsere tot. zesamne wären körnen,
er mohte wunder kiesen,
ders hete war genomen.
diu swert genöte vielen
den helden an der hant.
Häwart muost’ ersterben
von dem üz Burgonden lant. 2074 Dö die Tenen und die Düringe ir herren sähen tot, dö huop sich vor dem hüse e si die tür gewunnen
ein vreislichiu not,
mit ellenthafter hant.
des wart da verhouwen
vil manic heim unde rant.
2075 ‘Wichet’, sprach dö Volker, ez ist sus unverendet
‘und lät si her in gän.
des si dä habent wän.
si müezen drinne ersterben
in vil kurzer zit.
si erarnent mit dem töde daz in diu küneginne git.’ 2076 Dö die übermüeten körnen in den sal, vil manegem wart daz houbet daz er muose ersterben
geneiget so zetal
von ir swinden siegen.
36. Äventiure
wol streit der küene Gernöt; 2077 Tüsent unde viere
239
sam tet ouch Giselher der
komen in daz hüs.
von swerten sach man blicken
[degen.
vil manegen swinden süs.
sit wurden doch die recken
alle drinne erslagen.
man mohte michel wunder
von den Burgonden sagen.
12078 Dar nach wart ein stille,
do der schal verdoz.
daz bluot allenthalben und da zen rigelsteinen
durch diu löcher vloz
daz heten die von Rme
mit grozem eilen getan,
von den toten man.
22079 Do säzen aber ruowen
die von Burgonden lant. diu wäfen mit den Schilden si leiten von der hant. do stuont noch vor den türen der küene spilman.
er warte ob iemen wolde
noch zuo z’in mit strite gän.
22080 Der künec klagete sere,
sam tet ouch sin wlp;
megede unde vrouwen
die quelten da den lip.
ich warne des, daz hete
der tot üf si gesworn.
des wart noch vil der recken
von den gesten da verlorn.
36. Äventiure Wie diu küneginne den sal vereiten hiez 22081 ‘Nu bindet ab die helme’, ‘ich und min geselle
sprach Hagene der degen.
wir suln iuwer pflegen.
und wellent iz noch versuochen so warne ich mine herren
so ich aller schiereste kan.’
22082 Do entwäfent’ daz houbet si säzen üf die wunden, wären zuo dem tode
vil manic ritter guot. die vor in in daz bluot
von ir handen komen.
dä wart der edeln geste
vil übele goume genomen.
22083 Noch vor dem äbende
do schuof der künec daz,
und ouch diu küneginne, die hiunischen recken.
zuo z’uns di Etzeln man,
daz ez versuochten baz der sah man vor in stän
noch wol zweinzec tüsent: 22084 Sich huob ein sturm herte Dancwart, Hagenen bruoder,
si muosen dä ze strite gän. zuo den gesten sän. der vil snelle man,
240
Nibelungenlied: Text
spranc von sinen herren
zen vienden für die tür.
man wände er wxre erstorben: 2085 Der herte strit werte
er kom gesunder wol dar
unz inz diu naht benam.
dö werten sich die geste, den Etzelen mannen
[für.
als guoten helden zam, den sumerlangen tac.
hey waz noch küener degene vor in veige gelac! 2086 Z’einen sunewenden der gröze mort geschach, daz diu vrouwe Kriemhilt an ir naehsten mägen
ir herzen leit errach
und ander manigem man,
da von der künec Etzel vreude nimmer mer gewan. 2087 In was des tages zerunnen: dö gie in sorge not. si gedähten daz in bezzer
wxre ein kurzer tot
denne lange da ze quelne
üf ungefüegiu leit.
eines vrides si dö gerten,
die stolzen ritter gemeit.
2088 Si bäten daz man brashte die bluotvarwen helde träten üz dem hüse,
den künec zuo in dar.
und ouch harnaschvar die drie künege her.
sin wessen wem ze klagene diu ir vil grcezlichen ser. 2089 Etzel unde Kriemhilt die körnen beide dar. daz lant was ir eigen,
des merte sich ir schar,
er sprach zuo den gesten:
‘nu saget, waz weit ir min?
ir warnet vride gewinnen: daz künde müelich gesln 2090 Üf schaden also grözen als ir mir habt getän. ir sult is niht geniezen, sol ich min leben hän: mm kint daz ir mir sluoget
und vil der mäge min!
vride unde suone sol iu vil gar versaget sin.’ 2091 Des antwurte Günther: ‘des twanc uns gröziu not. allez min gesinde an der herberge.
lac vor dinen helden tot wie het ich daz versolt?
ich kom zuo dir üf triuwe, 2092 Dö sprach von Burgonden ‘ir Etzelen helde,
ich wände daz du mir wärest Giselher daz kint:
die noch hie lebende sint,
waz wizet ir mir recken? wand’ ich vriuntliche
waz hän ich iu getän? in diz lant geriten hän.’
2093 Si sprächen: ‘diner güete mit jamer zuo dem lande.
ist al diu burc vol jä gonden wir dir wol,
[holt.’
36. Äventiure
daz du nie komen waerest
241
von Wormez über Rin.
daz lant habt ir verweiset,
du unt ouch die brüeder din.’
22094 Do sprach in Zornes muote
Günther der degen:
‘weit ir diz starke hazzen
ze einer suone legen
mit uns eilenden recken,
daz ist beidenthalben guot. swaz uns Etzel getuot.’
ez ist gar äne schulde,
22095 Do sprach der wirt zen gesten: diu sint vil ungeliche.
‘min und iuwer leit
diu michel arbeit
des schaden zuo den schänden, des sol iwer deheiner
die ich hie hän genomen
nimmer lebende hinnen komen.’
22096 Do sprach zuo dem künege ‘so sol iu got gebieten
der starke Gernot:
daz ir friuntlichen tuot.
slahet uns eilenden,
und lät uns zuo z’iu gän
hin nider an die wite:
daz ist iu ere getan. 22097 Swaz uns geschehen künne, daz lät kurz ergan. ir habt so vil gesunder,
und turrens’ uns bestän,
daz si uns sturmmüede
läzent niht genesen,
wie lange suln wir recken 22098 Die Etzelen recken
in disen arbeiten wesen?’
die hetenz nach getan,
daz si si wolden läzen
für den palas gän.
daz gehörte Kriemhilt:
ez was ir harte leit.
des wart den eilenden
der vride ze gähes widerseit.
22099 ‘Neinä, Efiunen recken,
des ir dä habt muot,
ich rät’ an rehten triuwen,
daz ir des niht entuot,
daz ir die mortraechen
iht läzet für den sal:
so müesen iuwer mäge
liden den tcetlichen val.
22100 Ob ir nu niemen lebte
wan diu Uoten kint,
die minen edelen bruoder, erkuolent in die ringe,
und koments’ an den wint, so sit ir alle vlorn.
ez enwurden küener degene
nie zer werlde geborn.’
22101 Do sprach der junge Giselher: des träte ich vil übele, ladetes her ze lande
in dise groze not.
wie hän ich an den Hiunen 22102 Ich was dir ie getriuwe, üf solhen gedingen
‘vil schoeniu swester min,
do du mich über Rin hie verdienet den tot? nie getet ich dir leit.
ich her ze hove reit,
242
Nibelungenlied: Text
daz du mir holt wasrest,
vil edeliu swester min.
bedenke an uns genäde,
ez mac niht anders gesin.’
2103 ‘Ine mac iu niht genaden:
ungenäde ich hän.
mir hat von Tronege Hagene ez ist vil unversüenet,
so groziu leit getan,
di wile ich hän den lip.
ir müezet es alle engelden’,
sprach daz Etzelen wip
2104 ‘Welt ir mir Hagenen einen
ze gisel geben
sone wil ich niht versprechen
ich welle iuch läzen leben,
wände ir sit mine bruoder
und einer muoter kint:
so rede ich ez nach der suone
mit disen helden die hie
2105 ‘Nune welle got von himele’, ‘ob unser tusent wteren, der sippen diner mäge, gxben hie ze gisel:
sprach do Gernot.
[sint.’
wir ltegen alle tot,
e wir dir einen man ez wirdet nimmer getan.’
2106 ‘Wir müesen doch ersterben’, ‘uns enscheidet niemen
sprach do Giselher.
von ritterlicher wer.
swer gerne mit uns vehte,
wir sin et aber hie,
wände ich deheinen minen friunt 2107 Do sprach der küene Dancwart ‘jane stet noch niht eine des bringe wir iuch innen:
[dagene):
ez mac in werden leit.
daz si iu wsrlich geseit.’
2108 Do sprach diu küneginne:
‘ir helde vil gemeit,
nu get der stiege näher daz wil ich immer dienen
und rechet miniu leit. als ich von rehte sol.
der Hagenen übermüete 2109 Lät einen üz dem hüse
an den triuwen nie (im zteme niht ze
min bruoder Hagene.
die hie den vride versprechent,
[verlie.’
der gelon’ ich im wol. niht körnen über al,
so heiz’ ich viern enden
zünden an den sal;
so werdent wol errochen die Etzelen degene
elliu miniu leit.’ wurden schiere bereit.
2110 Die noch hie uze stuonden, mit siegen und mit schüzzen,
die tribens’ in den sal des wart vil groz der schal,
doch wolden nie gescheiden
die fürsten und ir man.
sine konden von ir triuwen
an ein ander niht verlän.
2111 Den sal den hiez do zünden do quelte man den recken
daz Etzelen wip. mit fiwer dä den lip.
36. Äventiure
daz hüs von einem winde
243
vil balde allez enbran.
ich warne daz volc deheinez groezer angest le gewan. 2112 Genuoge ruoften drinne: ‘owe dirre not! wir möhten michel gerner
sin in sturme tot.
ez möhte got erbarmen: nu richet ungefuoge
wie sin wir alle vlorn! an uns diu küneginne ir zorn.’
2113 Ir einer sprach dar inne:
‘wir müezen ligen tot.
waz hilfet uns daz grüezen,
daz uns der künec enböt?
mir tuot von starker hitze
der durst so rehte we,
des wasn’ min leben schiere
in disen sorgen zerge.’
2114 Do sprach von Tronege Hagene: swen twinge durstes not,
‘ir edeln ritter guot,
der trinke hie daz bluot.
daz ist in solher hitze
noch bezzer danne win.
ez enmac an disen ziten
et nu niht bezzer gesin.’
2115 Do gie der recken einer
da er einen toten vant.
er kniete im zuo der wunden, dö begonde er trinken
den heim er ab gebant.
daz vliezende bluot.
swie ungewon ers waere,
ez duhte in grcezlichen guot.
2116 ‘Nu Ion’ iu got, her Hagene’, ‘daz ich von iuwer lere
sprach der müede man,
so wol getrunken han.
mir ist noch vil selten
geschenket bezzer win.
lebe ich deheine wile,
ich sol iu immer wasge sin.’
2117 Do di andern daz gehörten,
daz ez in duhte guot,
dö wart ir michel mere,
die trunken ouch daz bluot.
da von gewan vil krefte
ir etesliches lip.
des engalt an lieben friunden 2118 Daz fiwer viel genöte
sit vil manec wajtlichez wip.
uf si in den sal,
dö leiten siz mit Schilden
von in hin zetal.
der rouch und ouch diu hitze ich wazne der jämer immer
in täten beidiu we. mer an helden erge.
2119 Dö sprach von Tronege Hagene: lat niht die brende vallen tret si mit den füezen
üf iuwer helmbant. tiefer in daz bluot.
ez ist ein übel höhzit, 2120 In sus getanen leiden
‘stet zuo des sales want.
die uns diu küneginne tuot.’ in doch der naht zeran.
noch stuont vor dem hüse
der küene spileman
Nibelungenlied: Text
244
und Hagene sin geselle,
geleinet über rant:
si warten schaden mere
von den üz Etzelen lant.
2121 Do sprach der videlsere:
‘nu ge wir in den sal.
so wasnent des die Hiunen, tot von dirre quäle,
daz wir sin über al
diu an uns ist getan:
si sehent uns noh begegene
in strite ir etelichen stän.’
2122 Do sprach von Burgonden
Giselher daz kint:
‘ich wsn’ ez tagen welle:
sich hebt ein küeler wint.
nu läz’ uns got von himele
noch lieber zit geleben,
uns hat min swester Kriemhilt 2123 Do sprach aber einer:
ein arge hohzit gegeben.’
‘ich kiuse nu den tac.
sit daz ez uns nu bezzer
wesen niht enmac,
so wäfent ir iuch, helde,
gedenket an den lip.
ja kumt uns aber schiere
des künec Etzelen wip.’
2124 Der wirt wolde warnen, von ir arbeite
die geste wxren tot
und von des fiwers not.
do lebte ir noch dar inne
sehs hundert küener man,
daz nie künec deheiner 2125 Der eilenden huote
bezzer degene gewan. hete wol ersehen
daz noch die geste lebten,
swie vil in was geschehen
ze schaden unt ze leide,
den herren unde ir man.
man sach si in dem gademe
noch vil wol gesunde stän.
2126 Man sagete Kriemhilde,
ir wsre vil genesen.
do sprach diu küneginne, daz ir deheiner lebte
daz künde nimmer wesen, von des fiwers not:
‘ich wil des baz getrüwen, 2127 Noch gensesen gerne
daz si alle ligen tot.’
die fürsten und ir man,
ob noch iemen wolde
genäde an in begän.
dine künden si niht vinden do rächen si ir sterben
an den von Hiunen lant.
mit vil williger hant.
2128 Des tages wider morgen mit hertem urliuge;
grüezen man in bot
des körnen helde in not.
do wart zuo z’in geschozzen sich werten ritterlichen 2129 Dem Etzeln gesinde daz si wolden dienen
vil manec starker ger.
die recken küene unde her. erweget was der muot, daz Kriemhilde guot,
37. Äventiure
dar zuo si wolden leisten
daz in der künec gebot,
des muose maneger schiere
von in kiesen den tot.
22130 Von geheize und ouch von gäbe si hiez golt daz rote
man mohte wunder
dar mit Schilden tragen.
si gab ez swer sin mochte
[sagen,
und ez wolde enpfän.
jane wart nie groezer solden
mer üf viende getan.
22131 Ein michel kraft der redken
dar zuo gewäfent gie.
do sprach der küene Volker: ine gesach üf vehten
245
Vir sin et aber hie.
nie helde gerner körnen,
die daz golt des küneges
uns ze väre hänt genomen.’
22132 Do riefen ir genuoge:
‘näher, helde, baz,
daz wir dä suln verenden, hie belibet niemen
und tuon bezite daz.
wan der doh sterben sol.’
do sach man schier’ ir Schilde
stecken gerschüzze vol.
22133 Waz mac ich sagen mere?
wol zwelf hundert man
di versuochten ez vil sere
wider unde dan.
do kuolten mit den wunden
die geste wol ir muot.
ez mohte niemen gescheiden:
des sach man vliezen daz bluot
22134 Von verchtiefen wunden,
der wart dä vil geslagen.
ieslichen näch sinen vriunden die biderben stürben alle des heten holde mäge
horte man do klagen, dem riehen künege her.
näch in groezlichiu ser.
37. Äventiure Wie Rüedeger erslagen wart 22135 Ez heten die eilenden wine der Gotelinde
wider morgen guot getän. kom ze hove gegän.
do sach er beidenthalben daz weinte innecliche
diu groezlichen ser; der vil getriuwe Rüedeger.
22136 ‘Owe mir’, sprach der recke, daz disen grozen jämer
‘daz ich ie den lip gewan. kan niemen understän!
swie gerne ihz vriden wolde, wände er der sinen leide
der künec entuot es niht, ie mer und mere gesiht.’
246
Nibelungenlied: Text
2137 Do sande an Dietrichen
der guote Rüedeger,
ob siz noch künden wenden
an den künegen her.
do enbot im der von Berne:
cwer möht’ iz understän?
ez enwil der künec Etzel
nieman scheiden län.’
2138 Do sah ein Hiunen recke
Rüedegeren stän
mit weinenden ougen,
und hetes vil getan.
der sprach zer küneginne:
nu seht ir wie er stät,
der doch gewalt den meisten 2139 Unt dem ez allez dienet,
hie bi Etzelen hat, liut unde lant.
wie ist so vil der bürge
an Rüedeger gewant,
der er von dem künege
so manege haben mac!
er gesluoc in disen stürmen
noch nie lobelichen slac.
2140 Mich dunket, er enruoche sit daz er den vollen
wie ez hie umbe gät,
nach sinem willen hat.
man giht im, er si küener
danne iemen müge sin:
daz ist in disen sorgen
worden boesllche schln.’
2141 Mit trürigem muote
der vil getriuwe man,
den er daz reden horte,
der heit der bliht’ in an.
er gedaht’: ‘du solt ez arnen. du hast dlniu masre
du gihest, ich sl verzagt,
ze hove ze lute gesagt.’
2142 Die füst begond’ er twingen.
do lief er in an
und sluoc so kreftecliche
den hiunischen man,
daz er im vor den füezen
lac vil schiere tot.
do was aber gemeret
des künec Etzelen not.
2143 ‘Hin, du zage mxre’,
sprach do Rüedeger.
‘ich hän doch genuoge
leit unde ser.
daz ich hie niht envihte, jä waere ich den gesten
zwiu wlzest du mir daz? von grozen schulden gehaz,
2144 Und allez daz ich möhte,
daz het ich in getan,
niwan daz ich die recken ja was ich ir geleite
her gefüeret hän. in mlnes herren lant,
des ensol mit in niht strlten 2145 Do sprach zem marcgraven wie habt ir uns geholfen, wand’ wir so vil der veigen wir bedürften ir niht mere;
min vil eilendes hant.’ Etzel der künec her: vil edel Rüedeger! hie ze lande hän, ir habt vil übele getän.’
37. Äventiure
;2146 Do sprach der ritter edele:
‘da beswärt’ er mir den muot
und hat mir geitewizet
ere unde guot,
des ich von dmen handen
hän so vil genomen.
daz ist dem lügenaere
ein teil unstäteliche komen.’
i2147 Do kom diu küneginne
und het iz ouch gesehen
daz von des heldes zorne
dem Hiunen was geschehen.
si klaget’ ez ungefuoge;
ir ougen wurden naz.
si sprach ze Rüedegere:
‘wie habe wir verdienet daz,
: 2148 Daz ir mir unt dem künege
meret unser leit?
nu habt ir uns, edel Rüedeger, ir woldet durch uns wägen ich hört’ iu vil der recken
den prls vil grcezlichen geben, und ir mir habt gesworn,
do ir mir zuo Etzeln rietet
ritter üz erkorn, an unser eines tot.
daz ir mir woldet dienen des wart mir armem wibe
nie so grcezliche not.’
ich swuor iu, edel wip,
daz ich durch iuch wägte
ere und ouch den lip:
daz ich die sele vliese, zuo dirre hohgezite
des enhän ich niht gesworn. bräht’ ich die fürsten wol geborn.’
2151 Si sprach: ‘gedenke, Rüedeger, der stsete und ouch der eide, immer woldest rechen,
der grozen triuwe din, daz du den schaden min
und elliu miniu leit.’
do sprach der marcgräve: 2152 Etzel der riche
allez her geseit, die ere und ouch daz leben,
;2149 Ich man’ iuch der genaden
2150 ‘Daz ist äne lougen,
‘ich hän iu selten iht verseit.’
vlegen ouch began.
do buten si sich beide
ze füezen für den man.
den edelen marcgräven
unmuotes man do sach.
der vil getriuwe recke
harte jämerlichen sprach:
2153 ‘Owe mir gotes armen, aller miner eren triuwen unde zühte, owe got von himele, 2154 Swelhez ich nu läze so hän ich boesliche
247
daz ich ditz gelebet hän.
der muoz ich abe stän, der got an mir gebot, daz mihs niht wendet der tot! unt daz ander begän, und vil übele getän:
mich schiltet elliu diet. läze aber ich si beide, nu ruoche mich bewisen der mir ze lebene geriet.’
248
Nibelungenlied: Text
2155 Do bäten si genote,
der künec und ouch sin wip.
des muosen sider recken
Verliesen den lip
vor Rüedegeres hende,
da ouch der heit erstarp.
ir muget daz hie wol hoeren,
daz er vil jämerlichen warp.
2156 Er wiste schaden gewinnen er hete dem künege
und ungefüegiu leit.
vil gerne verseit,
und ouch der küneginne.
vil sere vorhte er daz,
ob er ir einen slüege,
daz im diu werlt trüege haz.
2157 Do sprach zuo dem künege
der vil küene man:
‘her künec, nu nemt hin widere daz lant mit den bürgen:
al daz ich von iu hän,
des sol mir niht bestän.
ich wil üf minen füezen
in daz eilende gän.5
2158 Do sprach der künec Etzel: daz lant zuo den bürgen
‘wer hülfe danne mir? daz gib’ ich allez dir,
daz du mich rechest, Rüedeger,
an den vienden min.
du solt ein künec gewaltec
beneben Etzelen sin.5
2159 Do sprach aber Rüedeger:
‘wie sol lhz ane van?
heim ze minem hüse trinken unde spise
ich si geladen hän, ich in güetlichen bot,
und gap in mine gäbe: 2160 Di liute warnent lihte
wie sol ich räten in den tot? daz ich si verzaget,
deheinen minen dienest hän ich in widersaget, den vil edeln fürsten unde den ir man. ouch riuwet mich diu vriuntschaft, die ich mit in geworben 2161 Giselher dem degene gab ich die tohter min. [hän. sine künde in dirre werlde uf zuht und üf ere,
niht baz verwendet sin
üf triuwe und ouch üf guot.
ine gesach nie künec so jungen so rehte tugentlich gemuot.' 2162 Do sprach aber Kriemhilt: ‘vil edel Rüedeger, nu lä dich erbarmen
unser beider ser,
min und ouch des küneges. daz nie wirt deheiner 2163 Do sprach der marcgräve ez muoz hiute gelten
gedenke wol dar an,
so leide geste gewan.5 wider daz edel wip: der Rüedegeres lip
swaz ir und ouch min herre
mir liebes habt getän.
dar umbe muoz ich sterben;
daz mac niht langer gestän.
37. Äventiure
. 2164 Ich weiz wol daz noch hiute
249
mine bürge und miniu lant
iu müezen ledec werden
von ir eteliches hant.
ich bevilhe iu üf genäde
min wip und miniu kint
und ouch die vil eilenden,
die da ze Bechelaren sint.’
. 2165 ‘Nu Ion’ dir got, Rüedeger’, er unt diu küneginne
sprach der künec do.
si wurden beidiu vro.
‘uns suln dine liute
vil wol bevolhen wesen;
ouch trüwe ich minern heile 12166 Do liez er an die wage do begonde weinen
daz du mäht selbe wol sele unde lip.
daz Etzelen wip.
er sprach: ‘ich muoz iu leisten owe der minen friunde, do vant er sine recken
vil trüreclichen gen.
vil nähen bi im sten.
er sprach: ‘ir sult iuch wäfen, die küenen Burgonden
alle mine man.
die muoz ich leider bestän.’
12168 Si hiezen balde springen ez der heim wasre
als ich gelobet hän.
die ich vil ungerne bestän.’
,2167 Man sah in von dem künege
von ir ingesinde
[genesen.’
da man ir gewaefen vant.
oder des Schildes rant, wart ez in dar getragen.
sit horten leidiu maere
die stolzen eilenden sagen.
12169 Gewäfent wart do Rüedeger dar über zwelf recken
mit fünf hundert man.
ze helfe er gewan,
die wolden pris erwerben
in des sturmes not.
sin’ wessen niht der mxre, 12170 Do sah man Rüedegeren
daz in so nähete der tot. under helme gän.
ez truogen swert diu sdharpfen di Rüedegeres man, dar zuo vor ir handen die liehten Schilde breit, daz sach der videlaere: ez was im groezliche leit. 12171 Do sah der junge Giselher mit üf gebundem helme.
sinen sweher gen wie moht’ er do versten
waz er dä mit meinte,
niwan allez guot?
des wart der künic edele
so rehte vroelich gemuot.
12172 ‘Nu wol mich solher vriunde’, ‘die wir hän gewunnen wir suln mmes wibes
sprach Giselher der degen,
üf disen wegen. vil wol geniezen hie.
mir ist liep üf mine triuwe
daz ie der hirät ergie.’
250
Nibelungenlied: Text
2173 Tne weiz wes ir iuch troestet’, ‘wa gesähet ir ie durch suone mit üf gebunden helmen,
die trüegen swert enhant?
an uns wd dienen Rüedeger 2174 Bedaz der videl^ere
sprah do der spilman. so manegen heit gän sine bürge und siniu lant.5
die rede volsprach,
Rüedegern den edelen
man vor dem hüse sach.
sinen schilt den guoten
sazt’ er für den fuoz.
do muos’ er sinen friunden 2175 Der edel marcgräve
versagen dienest unde gruoz.
rief in den sal:
‘ir küenen Nibelunge,
nu wert iuch über al.
ir soldet min geniezen,
nu engeltet ir min.
e do waren wir friunde:
der triuwen wil ich ledec sin.5
2176 Do erschrahten dirre maere
die nothaften man,
wände ir deheiner vreude daz mit in wolde striten
da von niht gewan, dem si da wären holt,
si heten von ir vienden
michel arbeit gedolt.
2177 ‘Nune welle got von himele’, daz ir iuch genaden
sprach Günther der degen,
sült an uns bewegen
unt der vil grozen triuwe, ich wil iu des getrüwen,
der wir doch heten muot. daz ir ez nimmer getuot.5
2178 ‘Jane mac ichs niht geläzen5, sprach do der küene man: ‘ich muoz mit iu striten, wände ihz gelobt hän. nu wert iuch, küenen helde,
so lieb iu si der lip.
mich enwoldes niht erläzen
des künec Etzelen wip.’
2179 Tr widersagt uns nu ze späte5, ‘nu müez5 iu got vergelten,
sprach do der künec her. vil edel Rüedeger,
triuwe unde minne,
die ir uns habt getän,
ob irz an dem ende
woldet güetlicher län.
2180 Wir soldenz immer dienen,
daz ir uns habt gegeben,
ich und mine mäge,
ob ir uns liezet leben.
der herlichen gäbe,
do ir uns brähtet her
in Etzeln lant mit triuwen, 2181 ‘Wie wol ich iu des gunde5, daz ich iu mine gäbe also willeclichen
des gedenket, edel Rüedeger.5 sprach Rüedeger der degen,
mit vollen solde wegen
als ich des hete wän!
sone wurde mir dar umbe
nimmer schelten getan.5
37. Äventiure
2182 ‘Erwindet, edel Rüedeger’,
sprach do Gernot.
‘wand’ ez wirt deheiner so rehte minneclichen
251
gesten nie erbot als ir uns habt getan.
des sult ir wol geniezen,
ob wir bi lebene bestand
‘vil edel Gernot, 2183 ‘Daz wolde got’, sprach Rüedeger, daz ir ze Rine wahret unde ich wasre tot mit etelichen eren,
sit ich iuch sol bestän!
ez enwart noch nie an helden
wirs von friunden getan.’
sprach aber Gernot, 2184 ‘Nu Ion’ iu got, her Rüedeger’, ‘der vil riehen gäbe. mich riuwet iuwer tot, sol an iu verderben
so tugentlicher muot.
hie trage ich iuwer wäfen,
daz ir mir gäbet, heit guot.
in aller dirre not. 2185 Daz ist mir nie geswichen under sinen ecken lit manic ritter tot. ez ist luter unde staste,
herlich unde guot.
ich warne so riche gäbe
ein recke nimmer mer getuot.
2186 Und weit ir niht erwinden slaht ir mir iht der vriunde, mit iuwer selbes swerte
ir’n wellet zuo uns gän, die ich noch hinne hän, nim ich iu den lip:
so riuwet ir mich, Rüedeger,
und iuwer herlichez wip.
und möhte daz ergän, 2187 ‘Daz wolde got, her Gernot, daz aller iuwer wille wazre hie getän, unt daz genesen wxre
iuwer friunde lip!
jä sol iu wol getrüwen
beide min tohter und min wip.’
der schoenen Uoten kint: 2188 Do sprach von Burgonden ‘wie tuot ir so, her Rüedeger? die mit mir körnen sint, di sint iu alle waege. ir grifet übel zuo. die iuwern schoenen tohter weit ir verwitwen ze fruo. mit strite mich bestät, 2189 Swenne ir und iuwer recken wie rehte unvriuntliche ir daz schinen lät, für alle ander man, daz ich iu wol getrüwe iuwer tohter mir gewan.’
dä von ich z’einem wibe
vil edel künec her, 2190 ‘Gedenket iuwer triuwe, gesende iuch got von hinnen’, so sprach Rüedeger. ‘lät die junevrouwen
niht engelten min.
durch iuwer selbes tugende
so ruochet ir gemedec sin.'
252
Nibelungenlied: Text
2191 ‘Daz tast’ ich billichen’,
sprach Giselher daz kint.
‘die hohen mine mäge,
die noch hier inne sint,
suln die von iu ersterben,
so muoz gescheiden sin
diu vil starte vriuntschaft
zuo dir und ouch der tohter dir
2192 ‘Nu müez’ uns got genaden’, do huoben si die Schilde,
also si wolden dan
striten zuo den gesten
in Kriemhilde sal.
do rief vil lute Hagene 2193 ‘Belibet eine wile,
sprach der küene man.
von der stiegen hin zetal:
vil edel Rüedeger.’
also sprach do Hagene.
‘wir wolden reden mer,
ich und mine herren,
als uns des twinget not.
waz mac gehelfen Etzeln 2194 ‘Ich sten in grozen sorgen’,
unser eilenden tot?’ sprach aber Hagene.
‘den schilt den mir vrou Gotelint den habent mir die Hiunen
gap ze tragene,
zerhouwen vor der hant.
ich fuort’ in friwentliche 2195 Daz des got von himele
in daz Etzelen lant. ruochen wolde,
daz ich schilt so guoten
noch tragen solde
so den du hast vor hende,
vil edel Rüedeger!
so bedorfte ich in den stürmen 2196 ‘Vil gerne ich dir wasre guot torst’ ich dir in bieten
deheiner halsperge mer.’ mit mmem Schilde,
vor Kriemhilde.
doch nim du in hin, Hagene, hey soldest du in füeren
unt trag’ in an der hant.
in der Burgonden lant!’
2197 Do er im so willeclichen
den schilt ze gebene bot,
do wart genuoger ougen von heizen trähen rot. ez was diu leste gäbe, die sider immer mer gebot deheinem degene von Bechelären Rüedeger. 2198 Swie grimme Hagene wxre ja erbarmte in diu gäbe, bi sinen lesten ziten
und swi herte gemuot, die der heit guot
so nähen het getän.
vil manec ritter edele
mit im trüren began. 2199 ‘Nu Ion’ iu got von himele, vil edel Rüedeger. ez wirt iuwer geliche
deheiner nimmer mer,
der eilenden recken
so herliche gebe,
got sol daz gebieten
daz iuwer tugent immer lebe.’
37. Äventiure 2200 ‘So we mir dirre mm’,
2201
2202
2203
2204
2205
2206
2207
2208
253
sprach aber Hagene. ‘wir heten ander swasre so vil ze tragene: sul wir mit friunden striten, daz sl got gekleit.’ ‘daz ist mir inneclichen leit. dö sprach der marcgräve: vil edel Rüedeger, ‘Nu Ion’ ich iu der gäbe, dise recken her, swie halt gein iu gebären in strite hie min hant, daz nimmer iuch gerüeret ob ir si alle sliieget die von Burgonden lant.’ Des neig im mit zühten der guote Rüedeger. si weinten allenthalben, daz disiu herzen ser niemen gescheiden künde; daz was ein michel not. vater aller tugende lag an Rüedegere tot. Do sprach von dem hüse Volker der spilman: ‘slt min geselle Hagene den fride hät getän, den sult ouch ir staste haben von miner hant. daz habt ir wol verdienet, do wir körnen in daz lant. Vil edel marcgräve, ir sult min bote sin. dise röten bouge gap mir diu marcgrävin, daz ich si tragen solde hie zer höhgezit; die muget ir selbe schouwen, daz ir min geziuc des sit.’ ‘Daz wolde got von himele’, sprach dö Rüedeger, ‘daz iu diu marcgrävinne noch solde geben mer! diu masre sag’ ich gerne der triutinne mm, gesihe ich si gesunde, des sult ir äne zwivel sin.’ den schilt huop Rüedeger. Als er im daz gelobte, done beit er dä niht mer, des muotes er ertobete, einem degen gelich. dö lief er zuo den gesten sluoc der marcgräve rieh. manegen slac vil swinden Volker und Hagene, Die zwene stuonden höher, die küenen degene. wand’ ez im e gelobten bi den türn stän, noch vant er also küenen mit grözen sorgen began. daz Rüedeger des strites so liezen in dar in Durch mortraschen willen si heten helde sin. Günther unde Gernöt, döstuontüf höher Giselher; zwäre ez was im leit. [meit. er versach sich noch des lebenes, dar umb er Rüedegeren
254
Nibelungenlied: Text
2209 Do Sprüngen zuo den vienden man sach si nach ir herren diu snidenden wäfen
des marcgräven man. vil degenliche gän.
si truogen an der hant,
des brast da vil der helme
und manec herllcher rant.
2210 Do sluogen die vil müeden den von Bechelären,
manegen herten slac
der eben und tiefe wac,
durch die liehten ringe
vaste unz üf daz verch.
si täten in dem sturme
diu vil herlichen werch.
2211 Daz edel ingesinde
was nu komen gar dar in.
Volker unde Hagene,
die Sprüngen balde hin,
sine gäben vride niemen
wan dem einem man.
von ir beider handen
daz bluot durh helme nider ran.
2212 Wie rehte grimmecliche vil der schiltspangen
vil swerte darinne erklanc! üz den siegen spranc;
des reis ir schiltgesteine
verhouwen in daz bluot.
si vähten also grimme
daz man ez nimmer mer getuot. 2213 Der vogt von Bechelären gie wider unde dan, also der mit eilen
in sturme werben kan.
dem tet des tages Rüedeger daz er ein recke wsere,
harte wol gelich,
vil küene unt ouh vil lobelich.
2214 Hie stuonden dise recken, si sluogen in dem strite
Günther und Gernot, vil manegen heit tot.
Giselher unt Dancwart, des frumten si vil manegen 2215 Vil wol zeigte Rüedeger küene und wol gewäfent.
di zwene ez ringe wac. unz üf ir jungesten tac. daz er was starc genuoc, hey waz er helde sluoc!
daz sach ein Burgonde:
Zornes gie im not.
da von begunde nähen
des edeln Rüedegeres tot.
2216 Gernot der starke,
den heit ruoft’ er an.
er sprach zem marcgräven: niht genesen läzen,
‘ir weit mir miner man
vil edel Rüedeger.
daz müet mich äne mäze: 2217 Nu mag iu iuwer gäbe sit ir mir miner vriunde nu wendet iuch her umbe, iwer gäbe wirt verdienet
ich’n kans niht an gesehen mer. wol ze schaden komen, habt so vil genomen. vil edel küene man. so ich aller hoheste kan.’
37. Äventiure
: 2218 £ daz der marcgräve
zuo im vol kceme dar,
des muosen liehte ringe
werden missevar.
do Sprüngen zuo ein ander ir ietweder schermen
die ere gernde man.
für starke wunden began.
i 2219 Ir swert so scherpfe waren, do sluoc Gernoten
255
ez enkunde niht gewegen.
Rüedeger der degen
durch heim vlinsherten,
daz nider vloz daz bluot.
daz vergalt im schiere
der ritter küene unde guot.
;2220 Die Rüedegeres gäbe
an hende er hohe erwac:
swie wunt er zem tode wtere,
er sluoc im einen slac
durch den schilt vil guoten
unz üf diu helmgespan.
da von so muos’ ersterben
der schcenen Gotelinde man.
12221 Jane wart nie wirs gelonet
so richer gäbe mer.
do vielen beide erslagene, gelich in dem sturme,
Gernot und Rüedeger, von ir selber hant.
alrerst erzurnde Hagene
do er den grozen schaden vant.
2222 Do sprach der heit von Tronege:
‘ez ist uns übel komen.
wir haben an in beiden
so grozen schaden genomen,
den nimmer überwindet
ir liute und ouch ir lant.
die Rüedegeres helde
sint unser eilenden pfant.’
2223 ‘Owe mines bruoder,
der tot ist hie gefrumt.
waz mir der leiden msere
z’allen ziten kumt!
ouch muoz mich immer riuwen der schade ist beidenthalben 2224 Do Giselher der herre
der edel Rüedeger. unt diu vil grcezlichen ser.’
sach sinen bruoder tot,
die dö dar inne wären,
die muosen liden not.
der tot der suochte sere
dä sin gesinde was.
der von Bechelären
do langer einer niht genas.
i2225 Günther unde Giselher
und ouch Hagene,
Dancwart unde Volker,
die guoten degene,
die giengen dä si funden
ligen die zwene man.
do wart dä von den helden i 2226 ‘Der tot uns sere roubet’, ‘nu läzet iuwer weinen,
mit jämer weinen getän. sprach Giselher daz kint. und ge wir an den wint,
daz uns die ringe erkuolen
uns sturmmüeden man.
jä wasn’ uns got niht langer
hie ze lebene engan.’
256
Nibelungenlied: Text
2227 Den sitzen, disen leinen
sah man manegen degen.
si wären aber müezec:
da wären tot gelegen
die Rüedegeres helde.
vergangen was der doz.
so lange wert’ diu stille 2228 ‘Owe dirre dienste’,
daz sin Etzeln verdroz. sprach des küneges wip.
‘dine sint niht so staete, müge des engelten
daz unser viende lip
von Rüedegeres hant.
er wil si wider bringen
in der Burgonden lant.
2229 Waz hilfet, künec Etzel,
daz wir geteilet hän
mit im swaz er wolde?
der heit hät missetän.
der uns dä solde rechen,
der wil der suone pflegen.’
des antwurte Volker,
der vil zierliche degen:
2230 ‘Der rede enist so niht leider, getörste ich heizen liegen so het ir tiuvellichen
vil edel küneges wip. alsus edeln lip,
an Rüedegeren gelogen.
er unt die sinen degene 2231 Er tet so willecliche
sint an der suone gar betrogen. daz im der künec gebot,
daz er und sin gesinde
ist hie gelegen tot.
nu sehet al umbe, Kriemhilt, iu hät unz an den ende
wem ir nu gebieten weit,
gedienet Rüedeger der heit.
2232 Welt ir des niht gelouben, durch ir herzen leide
man solz iuch sehen län.’
so wart do daz getan:
man truoc den heit verhouwen den Etzelen degenen 2233 Do si den marcgräven
sähen toten tragen,
ez enkunde ein schriber die manegen ungebtere
aldä zeigen began.
der wart also groz,
als eines lewen stimme mit herzen leidem wuofe; si klageten ungefuoge
gebrieven noch gesagen von wibe und ouch von man,
diu sich von herzen jämer 2234 Der Etzelen jämer
dä in der künec sach.
so rehte leide nie geschach.
der riche künec erdoz alsam tet ouch sin wip. des guoten Rüedegeres lip.
38. Äventiure
257
38. Äventiure Wie herrn Dietriches recken alle erslagen wurden 12235 Do hört’ man allenthalben daz palas unde türne
jämer also gröz,
von dem wuofe erdöz.
dö hört’ ez ouch von Berne
ein Dietriches man.
durch disiu starken mxre
wie balde er gähen began!
12236 Do sprach er zuo dem fürsten:
‘hcert, min her Dietrich,
swaz ich noch her gelebt hän,
so rehte unmügelich
gehört’ ich klage nie mere
als ich nü hän vernomen.
ich wxn’ der künec Etzel
ist selbe zuo dem schaden
12237 Wie möhtens’ anders alle
haben solhe not?
der künec oder Kriemhilt, von den küenen gesten
durh ir nit gelegen,
ez weinet ungefuoge
vil manec zierlicher degen.’
22238 Do sprach der heit von Berne: nu gähet niht ze sere.
‘mine vil lieben man,
swaz hie hänt getan
die eilenden recken,
des gät in michel not.
und lät si des geniezen,
daz ich in minen fride bot.’
22239 Do sprach der küene Wolfhart: und wil der msere vrägen,
‘ich wil dar gän
waz si haben getan,
und wilz iu sagen danne,
vil lieber herre min,
als ich ez dort ervinde,
waz diu klage müge sin.’
22240 Do sprach der herre Dietrich: ob ungefüegiu vräge daz betrüebet lihte
[körnen,
ir einez daz ist tot
‘swa man Zornes sich
danne da geschiht,
[versiht,
recken ir muot.
jane wil ich niht, Wolfhart, 22241 Do bat er Helpfrichen und hiez in daz ervinden oder an den gesten selben, done het man von liuten !2242 Der bote begonde vrägen:
daz ir die vräge gein in tuot.’
vil balde dar gän an Etzelen man waz waere dä geschehen, so grözen jämer nie gesehen. ‘waz ist hie getän?’
dö sprach einer drunder:
‘dä ist vil gar zergän
swaz wir vreuden heten
in der Hiunen lant.
hie lit erslagen Rüedeger 22243 Die mit im dar in körnen,
von der Burgonden hant. der ist einer niht genesen.’
258
Nibelungenlied: Text
done konde Helpfriche
nimmer leider wesen,
jane gesaget’ er msere
so rehte ungerne nie.
der bote ze Dietriche
vil sere weinende gie.
2244 ‘Waz habt ir uns erfunden?’ ‘wie weinet ir so sere,
sprach do Dietrich.
degen Helpfrich?’
do sprach der edele recke:
‘ich mac wol balde klagen:
den guoten Rüedegeren
hant die Burgonde erslagen.’
2245 Do sprach der heit von Berne: daz wasre ein starkiu räche wä mit hete Rüedeger
an in daz versolt?
ja ist mir daz wol künde,
er ist den eilenden holt.’
2246 Des antwurte Wolfhart: so solt’ ez in allen
‘daz ensol niht wellen got. und ouch des tiuvels spot,
‘und heten siz getan,
an ir leben gän.
ob wirz in vertrüegen,
des wtere wir geschant.
ja hat uns vil gedienet
des guoten Rüedegeres hant.’
2247 Der vogt der Amelunge vil harte senecliche
hiez ez ervinden baz.
er in ein venster saz.
do bat er Hildebranden daz er an in erfünde
zuo den gesten gän, waz dä wsere getän.
2248 Der sturmküene recke,
meister Hildebrant,
weder schilt noch wäfen
truog er an der hant:
er wolde in sinen zühten
zuo den gesten gän.
von siner swester kinde
wart im ein sträfen getän.
2249 Do sprach der grimme Wolfhart: so mag ez äne ein schelten
‘weit ir dar blozer gän,
nimmer wol gestän,
so müezet ir lästerlichen
tuon die widervart.
komt ir dar gewäfent, 2250 Do garte sich der wise
daz etelicher wol bewart.’ durch des tumben rät.
e daz ers innen wurde, alle Dietriches recken
do wären in ir wät unt truogen swert enhant.
dem helde was iz leide,, 2251 Er vrägte war si wolden.
vil gerne het erz erwant.
‘wir wellen mit iu dar. waz ob von Tronege Hagene deste wirs getar gein iu mit spotte sprechen,
do er daz gehörte,
des er wol kan gepflegen.’
dä von gestattes in der degen.
2252 Do sach der küene Volker
wol gewäfent gän
38. Äventiure
die recken von Berne,
die Dietriches man,
begürtet mit den swerten;
si truogen schilt enhant.
er saget’ ez sinem herren
üzer Burgonden lant.
12253 Do sprach der videlsere: so rehte vientliche
259
‘ich sihe dort her gän
die Dietriches man
gewäfent under helme:
si wellent uns bestän.
ich warn’ ez an daz übele 12254 In den selben ziten
uns eilenden welle gan.’
kom ouch Hildebrant.
do sazt’ er für die füeze er begonde vrägen
sines Schildes rant.
die Guntheres man:
‘owe ir guoten beide,
waz het iu Rüedeger getan? 12255 Mich hat min herre Dietrich her zuo iu gesant. ob erslagen hete
iwer deheines hant
den edeln marcgräven,
als uns daz ist geseit,
wir’n künden überwinden niht diu groezlichen leit.’ 12256 Do sprach von Tronege Hagene: ‘daz msere ist ungelogen. wie wol ich iu des gunde,
het iuch der bote betrogen,
durch Rüedegeres liebe,
daz lebte noch sin lip,
den immer mugen weinen
beide man unde wip!’
12257 Do si daz rehte erhörten
daz er waere tot,
do klageten in die recken, den Dietriches recken
ir triuwe in daz gebot.
sach man trähene gan
über berte und über kinne: 12258 Der herzoge üz Berne ‘nu hat gar ein ende
genomen der gemach,
den uns ie fuogte Rüedeger vröude eilender diete ‘und ob ich hiute sadre
der degen Wolfwiin:
tot den vater min,
mir enwurde nimmer leider owe wer sol nu troesten 12260 Do sprach in Zornes muote ‘wer wiset nu die recken owe, vil edel Rüedeger,
nach unser leide tagen,
lit von iu helden erslagen.’
12259 Do sprach von Amelungen
also der marcgräve
in was vil leide getan.
Sigestap do sprach:
denne umbe sünen lip. des guoten marcgräven wip?’ der degen Wolfhart: so manege hervart,
vil dicke hat getan? daz wir dich sus verlorn hän!’
Nibelungenlied: Text
260
2261 Wolfprant und Helpfrich mit allen ir vriunden
und ouch Helmnot,
si weinten sinen tot.
vor siuften mohte vrägen
niht mere Hildebrant.
er sprach: ‘nu tuot, ir degene, 2262 Gebt uns Rüedegeren
dar nach min herre hat
also toten üz dem sal,
an dem gar mit jämer
[gesant.
lit unser vreuden val,
und lät uns an im dienen
daz er ie hat begän
an uns vil groze triuwe
und an manegem andern man.
2263 Wir sin ouch eilende
als Rüedeger der degen.
wes läzet ir uns biten?
lät in uns after wegen
tragen, daz wir nach töde wir hetenz billicher
Ionen noch dem man.
bi sime lebene getan.’
2264 Do sprach der künec Günther: so den ein vriunt vriunde
‘nie dienest wart so guot
nach dem tode tuot.
daz heiz’ ich sttete triuwe,
swer die kan begän.
ir lonet im von schulden:
er hät iu liebe getän.’
2265 ‘Wie lange suln wir vlegen?’
sprach Wolfhart der degen.
‘sit unser trost der beste
von iu ist tot gelegen,
und wir sin leider mere
mugen niht gehaben,
lät in uns tragen hinnen
daz wir den recken begraben.’
2266 Des antwurte Volker:
‘niemen in iu git.
nemt in in dem huse
da der degen lit
mit starken verchwunden so ist ez ein voller dienest,
gevallen in daz bluot, den ir Rüedegeren tuot.’
2267 Do sprach der küene Wolfhart: ir endurfet uns niht reizen; törst’ ich vor minem herren, des müezen wirz läzen, 2268 Do sprach der videlxre: swaz man im verbiutet, daz kan ich niht geheizen
‘got weiz, her spilman, ir habt uns leit getän. so koemet irs in not.
wand’ er uns striten hie verbot.’ ‘der vorhte ist gar ze vil, derz allez läzen wil. rehten heldes muot.’
diu rede dühte Hagenen
von sinem hergesellen guot. 2269 ‘Des enlät iuch niht gelangen’, sprach aber Wolfhart, ‘ich entrihte iu so die seiten, swenne ir die widervart ritet gein Rine, iuwer übermüeten
daz irz wol muget sagen. mag ich mit eren niht vertragen.’
38. Äventiure
22270 Do sprach der videlxre:
‘swenne ir die seiten min
verirret guoter doene,
der iuwer helmschin
der muoz vil trüebe werden swie halt ich gerne
von der minen hant,
in der Burgonden lant.’
22271 Do wold’ er zuo z’im springen, Hildebrant sin oeheim
wan daz in niht enlie
in vaste z’im gevie.
‘ich wasne du woldest wüeten mines herren hulde
durch dinen tumben zorn.
du hetes immer mer verlorn.’
22272 ‘Lat abe den lewen, meister,
er ist so grimme gemuot.
kumt aber er mir zen handen’, ‘het er die werk alle
sprach Volker der degen
mit siner hant erslagen,
ich slahe in daz erz widerspei
der Bernxre muot.
den schilt gezuhte Wolfhart, alsam ein lewe wilder
ein sneller degen guot.
lief er vor in dan;
im wart ein gxhez volgen
von sinen vriunden getan.
22274 Swie witer Sprunge er pflxge doch ergahte in vor der stiege er enwolde in vor im läzen
für des sales want, der alte Hildebrant. niht körnen in den strit.
si funden daz si suochten
an den eilenden sit.
22275 Do gespranc zuo Hagenen
meister Hildebrant.
diu swert man horte erklingen
an ir beider hant.
si wären sere erzürnet,
daz moht’ man kiesen sint.
von ir zweier swerten
gie der fiwerroter wint.
222 76 Die wurden do gescheiden
in des sturmes not,
daz täten die von Berne,
als in ir kraft gebot,
zehant do wände Hildebrant do lief der starke Wolfhart 222 77 Er sluoc den videla^re
von Hagenen wider dan. den küenen Volkeren an.
üf den heim guot,
daz des swertes ecke unz an die Spangen wuot. daz vergalt mit eilen der küene spilman. do sluog er Wolfharten, daz er stieben began. 22278 Des fiwers üz den ringen
hiuwen si genuoc.
dem anderen truoc.
die schiet do von Berne ob ez ein heit niht wsere,
[guot,
nimmer mere darf gesagen.’
22273 Des wart vil harte erzürnet
haz ir ieslicher
261
der degen Wolfwin. des enkunde niht gesin.
262
Nibelungenlied: Text
2279 Günther der recke
mit vil williger hant
enpfie die helde mxre
von Amelunge lant.
Giselher der herre,
diu liehten helmvaz,
der frumt’ er da vil manigez
von bluote rot unde naz.
2280 Dancwart, Hagenen bruoder,
was ein grimmec man.
swaz er da vor hete
in strite getan
den Etzelen recken,
daz was gar ein wint.
nu vaht vil tobeliche
des küenen Aldriänes kint.
2281 Ritschart unde Gerbart,
Helpfnch und Wichart,
die heten in manegen stürmen des brähten si wol innen
vil selten sich gespart,
die Guntheres man.
do sach man Wolfpranden
in strite herliche gan.
2282 Do vaht alsam er wuote
der alte Hildebrant.
vil der guoten recken
vor Wolfhartes hant
mit tode muosen vallen
von swerten in daz bluot.
sus rachen Rüedegeren
die recken küene unde guot.
2283 Do vaht der herre Sigestap hey waz er in dem strite den sinen vianden,
als im sin eilen riet, guoter helme verschriet
Dietriches swester sun!
er enkunde in dem sturme nimmer bezzers niht getuon. 2284 Volker der starke, do er daz ersach, daz Sigestap der küene
den bluotegen bach
hiu üz herten ringen,
daz was dem helde zorn.
er spranc im hin engegene: 2285 Von dem videlsre
do het Sigestap verlorn
vil schiere da daz leben.
er begonde im siner künste daz er von sinem swerte
alsolhen teil da geben muose ligen tot.
daz rach der alte Hildebrant, 2286 ‘Owe liebes herreri, ‘der hie lit erstorben nu sol der videlatre
von Volkeres hant. langer niht genesen.’
Hildebrant der küene, 2287 Do sluoc er Volkeren Stuben allenthalben
als im sin eilen daz gebot.
sprach meister Hildebrant,
wie künde er grimmer gewesen? daz im diu helmbant zuo des sales want
von heim und ouch von Schilde, da von der starke Volker
dem küenen spileman:
do den ende da gewan.
38. Äventiure
;2288 Do drungen zuo dem strite si sluogen daz die ringe
die Dietriches man. vil verre drxten dan,
unt daz man ort der swerte
vil hohe vliegen sach.
si holten üz den helmen
den heize vliezenden bach.
;2289 Do sach von Tronege Hagene daz was zer hohgezite
Volkeren tot.
sin aller meistiu not,
die er da hete gewunnen
an mägen und ouch an man.
owe wie harte Hagene
den heit do rechen began!
;2290 ‘Nune sol es niht geniezen min helfe lit erslagen
der alte Hildebrant.
von des heldes hant,
der beste hergeselle,
den ich ie gewan.’
den schilt ruht’ er hoher:
do gie er houwende dan.
^2291 Helpfrich der starke
Dancwarten sluoc.
Günther unde Giselher,
den was ez leit genuoc,
do si in sähen vallen
in der starken not.
er hete mit sinen handen
wol vergolten sinen tot.
i 2292 Die wile gie do Wolfhart allez houwende
263
beide wider unde dan,
die Guntheres man.
er was die dritten kere
komen durch den sal,
da viel von sinen handen
vil manec recke zetal.
.2293 Do rief der herre Giselher
Wolfharten an:
‘owe daz ich so grimmen edel ritter küene,
vient ie gewan.
nu wendet gegen min.
ich wilz helfen enden;
ez enmac niht lenger gesin.’
,2294 Zuo Giselhere kerte
Wolfhart in den strit.
do sluoc ir ietwedere
vil manege wunden wit.
so rehte krefteclichen
er zuo dem künege dranc
daz imez bluot under füezen 2295 Mit swinden siegen grimme enpfie Wolfharten,
al über daz houbet spranc. der schoenen Uoten kint
den küenen heit, sint.
swie starc der degen wasre,
ern künde niht genesen,
ez endorfte künec so junger 2296 Do sluoc er Wolfharten daz im von der wunden er wunte zuo dem tode ez enhet an’ einen recken
nimmer küener gewesen. durch eine brünne guot, nider vloz daz bluot.
den Dietriches man. zwäre niemen getan.
264
Nibelungenlied: Text
2297 Also der küene Wolfhart
der wunden enpfant,
den schilt den liez er vallen.
hoher an der hant
huob er ein starkez wäfen,
daz was scharpf genuoc.
durch heim unt durch ringe
der heit do Giselheren sluoc.
2298 Si heten beide ein ander
den grimmen tot getan,
done lebte ouch nu niht mere Hildebrant der alte
der Dietriches man.
Wolfharten vallen sach;
im wacne vor sinem tode 2299 Do wären gar erstorben
so rehte leide nie geschach. die Guntheres man
und ouch die Dietriches.
Hildebrant was gegän
da Wolfhart was gevallen er besloz mit armen 2300 Er wolde’n uzem hüse
nider in daz bluot.
den recken küen’ unde guot. mit im tragen dan:
er was ein teil ze swacre,
er muose in ligen län.
do blihte ouch üz dem bluote er sach wol daz im gerne 2301 Do sprach der totwunde:
der rewende man.
sin neve het geholfen dan. ‘vil lieber oeheim min,
ir muget an disen ziten
mir niht frum gesin.
nu hüetet iuch vor Hagenen: er treit in sinem herzen 2302 Unde ob mich mine mäge
ja dunket ez mich guot.
einen grimmigen muot. nach tode wellen klagen,
den nächsten unt den besten daz si nach mir niht weinen,
den sult ir von mir sagen, daz ist ane not.
vor eines küneges handen
lige ich hie herlichen tot.
2303 Ich hän ouch so vergolten
hier inne minen lip,
daz ez wol mugen beweinen ob iuch des iemen vräge, vor min eines handen
der guoten ritter wip.
so muget ir balde sagen, lit wol hundert erslagen.’
2304 Do gedäht’ ouch Hagene
an den spileman,
dem der küene Hildebrant do sprach er zuo dem degene: ir habt uns hinne erbunnen 2305 Er sluoc uf Hildebranden,
sin leben an gewan. ‘ir geltet miniu leit. vil maneges recken gemeit.’ daz man wol vernam
Balmungen diezen,
den Sifride nam
Hagene der küene,
da er den heit sluoc.
do werte sich der alte:
ja was er küene genuoc.
38. Äventiure
12306 Der recke Dietriches
265
sluoc ein wafen breit
üf den heit von Tronege,
daz ouch vil sere sneit.
done kund’ er niht verwunden do sluoc aber in Hagene 12307 Do der alte Hildebrant
den Guntheres man,
durch eine brünne wol getan. der wunden enpfant,
do vorhte er schaden mere
von der Hagenen hant.
den schilt warf über rucke
der Dietriches man.
mit der starken wunden
der heit do Hagenen entran.
.2308 Da was niemen lebende
al der degene,
niwan die einen zwene,
Günther und Hagene.
mit bluote gie berunnen
der alte Hildebrant.
er brähte leidiu mxre
da er Dietrichen vant.
12309 Do sah er trürecliche
sitzen hie den man.
der leide michel mere
der fürste do gewan.
er sah ouch Hildebranden
in siner brünne rot;
do vrägete er in der mxre,
als im diu sorge gebot:
2310 ‘Nu sagt mir, meister Hildebrant, von dem verchbluote?
wie sit ir so naz
oder wer tet iu daz?
ich warne ir mit den gesten
zem hüse habt gestriten.
ich verbot ez iu so sere,
ir hetez billich vermiten.’
2311 Do sagt’ er sinem herren:
‘ez tet Hagene.
der sluog mir dise wunden
in dem gademe,
do ich von dem recken
wolde wenden dan.
mit dem minem lebene
ich dem tiuvel küme entran.’
12312 Do sprach der Bernasre: do ir mich friuntschefte daz ir den vride brächet,
‘vil rehte ist iu geschehen, den recken hortet jehen, den ich in hete gegeben,
het ihs niht immer schände, 12313 ‘Nu zürnet niht so sere,
ir soldet vliesen daz leben.’ min herre Dietrich.
an mir und minen friunden wir wolden Rüedegeren
der schade ist alze rieh, hän getragen dan,
des enwolden uns niht gunnen
des künec Guntheres man.’
ist Rüedeger doch tot! 2314 ‘So we mir dirre leide. daz muoz mir sin ein jämer vor aller miner not: Gotelint diu edele
ist miner basen kint.
ach we der armen weisen,
die da ze Bechelären sint.’
266
Nibelungenlied: Text
2315 Triuwen unde leides
mant’ in do sin tot.
er begonde starke weinen, ‘owe getriuwer helfe,
des gie dem helde not:
die ich verlorn hän!
jane überwinde ich nimmer
des künec Etzelen man.
2316 Muget ir mir, meister Hildebrant, wer der recke wsere,
er sprach: ‘daz tet mit kreften vor Rüedegeres handen
der starke Gernot. ‘nu sagt minen man,
daz si sich balde wäfen;
wand’ ich wil dar gan.
und heizet mir gewinnen ich wil selbe vrägen
[sagen
ist ouch der heit gelegen tot.’
2317 Er sprach ze Hildebrande:
mm liehtez wicgewant.
die helde üz Burgonden lant.’
2318 Do sprach meister Hildebrant: swaz ir habt der lebenden, daz bin ich alterseine:
‘wer sol zuo iu gen? die seht ir bi iu sten.
die andern die sint tot.’
do erschraht’ er dirre maere, 2319 Wand’ er leit so grozez
des gie im wserliche not, zer werlde nie gewan.
er sprach: ‘und sint erstorben
alle mine man,
so hat min got vergezzen, ich was ein künec here,
ich armer Dietrich, vil gewaltic unde rieh.’
2320 ‘Wie künde ez sich gefüegen’, ‘daz si alle sint erstorben,
sprach aber Dietrich,
die helde lobelich,
von den stritmüeden,
die doch heten not?
wan durch min ungelücke, 2321 Sit daz es min unsxlde
in wasre vremde noch der tot. niht langer wolde entwesen,
so sagt mir, ist der geste
noch iemen genesen?’
do sprach meister Hildebrant: niwan Hagene aleine
‘daz weiz got, niemen
und Günther der künec her.’
2322 ‘Owe, lieber Wolfhart, so mac mich balde riuwen Sigestap und Wolfwin wer sol mir danne helfen 2323 Helpfrich der vil küene, Gerbart und Wichart,
sol ich dich han verlorn, daz ich ie wart geborn! und ouch Wolfprant! in der Amelunge lant? und ist mir der erslagen, wie solde ich die verklagen?
daz ist an minen vreuden owe daz vor leide
diu rehten mxre
der in da hat erslagen?’
mir der leste tac.
niemen sterben nemaci’
[mer
39. Äventiure
267
39. Äventiure Wie her Dietrich mit Günther und mit Hagene streit 2324 Do suocht’ der herre Dietrich im half, daz er sich wäfent’, do klagete also sere
selbe sin gewant. meister Hildebrant.
der kreftige man,
daz daz hüs erdiezen
von siner stimme began.
2325 Do gewan er widere
rehten heldes muot.
in grimme wart gewäfent einen schilt vil vesten
do der heit guot, nam er an die hant.
si giengen balde dannen,
er unde meister Hildebrant.
2326 Do sprach von Tronege Hagene: den herren Dietrichen,
‘ich sihe dort her gän
der wil uns bestän
nach sinem starken leide,
daz im ist hie geschehen,
man sol daz hiute kiesen,
wem man des besten müge
2327 Jane dunket sich von Berne nie so starc des libes
[jehen.
und ouch so gremelich,
und wil erz an uns rechen, also redete Hagene, 2328 Dise rede horte
der herre Dietrich daz im ist getan’,
‘ich tar in rehte wol bestän.’
Dietrich und Hildebrant.
er kom da er die recken uzen vor dem hüse,
beide stende vant geleinet an den sal.
sinen schilt den guoten 2329 In leitlichen sorgen
den sazte Dietrich zetal. sprach do Dietrich:
‘wie habt ir so geworben, wider mich eilenden? alles mines trostes
Günther, künec rieh, waz het ich iu getan?
des bin ich eine bestän.
2330 Iuch endühte niht der volle do ir uns Rüedegeren
den heit sluoget tot:
nu habet ir mir erbunnen jane het ich iu helden
an der grozen not, aller miner man.
sölher leide niht getän.
2331 Gedenket an iuch selben
unde an iuwer leit,
tot der iuwern vriunde
und ouch diu arbeit,
ob ez iu guoten recken
beswxret iht den muot.
owe wie rehte unsanfte
mir tot der Riiedegeres tuot!
2332 Ez geschach ze dirre werlde
nie leider manne mer.
268
Nibelungenlied: Text
ir gedähtet übele
an min und iuwer ser.
swaz ich freuden hete,
diu lit von iu erslagen.
jane kan ich nimmer mere
die mine mäge verklagen.’
2333 ‘Jane sin wir niht so schuldic’,
sprach do Hagene.
‘ez giengen zuo disem hüse gewafent wol ze vlize,
iuwer degene, mit einer schar so breit,
mich dunket daz diu maere
iu niht rehte sin geseit.’
2334 ‘Waz sol ich gelouben mere? do mine recken gerten
mir seitez Hildebrant,
von Amelunge lant
daz ir in Rüedegeren
gaebet üz dem sal,
do bütet ir niwan spotten
den küenen helden her zetal.’
2335 Do sprach der künec von Rine: Rüedegeren hinnen, Etzeln ze leide,
‘si jähen wolden tragen
den hiez ich in versagen und niht den dinen man,
unz daz do Wolfhart
dar umbe schelten began.’
2336 Do sprach der heit von Berne:
‘ez muos’ et also sin.
Günther, künec edele,
durch die zühte din
ergetze mich der leide,
di mir von dir sint geschehen,
und süene iz, ritter küene, daz ich des künne dir gejehen. 2337 Ergip dich mir ze gisel, du und ouch din man. so wil ich behüeten,
so ich aller beste kan,
daz dir hie zen Hiunen
niemen niht entuot.
dune solt an mir niht vinden 2338 ‘Daz enwelle got von himele’, ‘daz sich dir ergxben die noch so werliche
gewafent gegen dir stänt vor ir vianden gänt.’
2339 Tr ensult iz niht versprechen’, ‘Günther unde Hagene.
so redete Dietrich,
ir habt beide mich
daz herze und ouch den muot,
weit ir mich ergetzen,
daz irz vil billichen tuot.
2340 Ich gibe iu mine triuwe daz ich mit iu rite
sprach do Hagene,
zwene degene,
und noch so ledecliche
so sere beswseret,
niwan triuwe unde guot.’
und sicherliche hant,
heim in iuwer lant.
ich leit’ iuch nach den eren und wil durch iuch vergezzen 2341 ‘Nune muotet sin niht mere’,
oder ich gelige tot, der minen groezlichen not.’ sprach aber Hagene.
39. Äventiure
‘von uns enzimt daz mxre daz sich iu ergaben
niht wol ze sagene,
zwene also küene man.
nu siht man bi iu niemen
wan eine Hildebranden stän.’
2342 Do sprach meister Hildebrant: der iu den vride biutet
‘got weiz, her Hagene,
mit iu ze tragene,
ez kumt noch an die stunde die suone mines herren
daz ir in möhtet nemen.
möht ir iu lazen gezemen.’
2343 ‘Ja na:me ich e die suone’, ‘e ich so lästerliche
269
sprach aber Hagene,
üz einem gademe
flühe, meister Hildebrant,
als ir hie habt getan,
ich wände daz ir kündet
baz gein vianden stän.’
2344 Des antwurte Hildebrant:
‘zwiu verwizet ir mir daz?
nu wer was der uf einem Schilde do im von Spänje Walther
so vil der friunde sluoc? [saz,
ouch habt ir noch ze zeigen
an iu selben genuoc.’
2345 Do sprach der herre Dietrich: daz si suln schelten mich eilenden recken
daz ir iht sprechet mer.
twingent grcezlichiu ser.
2346 Lät hoeren’, sprach Dietrich, waz ir beide sprächet,
‘recke Hagene,
snelle degene,
do ir mich gewäfent
zuo iu sähet gän? mit strite woldet mich bestän.’
2347 ‘Jane lougent iu des niemen’, ‘ine wellez hie versuochen ez ensi daz mir zebreste
daz Nibelunges swert. hie ze gisel ist gegert.’
den grimmen Hagenen muot,
den schilt vil balde zuhte wie balde gein im Hagene Nibelunges swert daz guote 2349 Do wesse wol her Dietrich vil grimmes muotes wxre. der herre von Berne
sprach Hagene der degen, mit den starken siegen,
mir ist zorn daz unser beider 2348 Do Dietrich gehörte
‘daz enzimt niht helde lip,
sam diu alten wip.
ich verbiut’ iu, Hildebrant,
ir jähet daz ir eine
vor dem Waskensteine
der snelle degen guot. von der stiege spranc! vil lute uf Dietriche erklanc. daz der küene man schermen im began
vor angestlichen siegen.
wol erkand’ er Hagenen, 2350 Ouch vorht’ er Balmungen,
den vil zierlichen degen. ein wäfen starc genuoc.
270
Nibelungenlied: Text
under wilen Dietrich
mit listen wider sluoc,
unz daz er Hagenen
mit strite doch betwanc.
er sluoc im eine wunden,
diu was tief unde lanc.
2351 Do däht’ der herre Dietrich: ich häns lützel ere,
‘du bist in not erwigen.
soltu tot vor mir geligen.
ich wil ez sus versuochen,
ob ich ertwingen kan
dich mir ze einem gisel.’
daz wart mit sorgen getan.
2352 Den schilt liez er vallen;
sin Sterke diu was groz.
Hagenen von Tronege
mit armen er besloz.
des wart do betwungen Günther der edele
von im der küene man. dar umbe trüren began.
2353 Hagenen bant do Dietrich
und fuort’ in, da er vant
die edeln küneginne,
und gab ir bi der hant
den küenesten recken
der ie swert getruoc.
nach ir vil starkem leide
do wart si vrcelich genuoc.
2354 Vor liebe neic dem degene ‘immer si dir saelic
daz Etzelen wip:
din herze und ouch din lip.
du hast mich wol ergetzet
aller miner not.
daz sol ich immer dienen,
mich ensümes der tot.’
2355 Do sprach der herre Dietrich: edeliu küneginne.
und mac daz noch gewesen,
wie wol er iuch ergetzet
daz er iu hat getan!
er ensol des niht engelten,
daz ir in seht gebunden stän.’
2356 Do hiez si Hagenen füeren da er lac beslozzen
an sin ungemach,
unt da in niemen sach.
Günther der künec edele
rüefen do began:
‘war kom der heit von Berne? 2357 Do gie im hin engegene daz Guntheres eilen
der herre Dietrich, er lief her für den sal.
huop sich ein groezlicher schal.
2358 Swie vil der herre Dietrich Günther was so sere
der hat mir leide getan.’
daz was vil lobelich.
done beit ouch er niht mere, von ir beider swerten
‘ir sult in lan genesen,
lange was gelobt,
erzürnet und ertobt,
wand er nach starkem leide
sin herzevient was.
man sagt ez noch ze wunder, daz do her Dietrich genas. 2359 Ir eilen und ir Sterke beide wären groz.
39. Äventiure
palas unde türne
271
von den siegen doz,
do si mit swerten hiuwen
üf die helme guot.
ez het der künec Günther
einen herlichen muot.
22360 Sit twang in der von Berne,
sam Hagenen e geschach.
daz bluot man durch die ringe von einem scharpfen swerte, do het gewert her Günther
nach müede lobeliche sich.
22361 Der herre wart gebunden
von Dietriches hant,
swie künege niene solden er däht’ ob er si lieze, alle die si fünden,
dem helde vliezen sach daz truoc Dietrich,
liden solhiu bant. den künec und sinen man,
die müesen tot von in bestän.
22362 Dietrich von Berne
der nam in bi der hant,
do fuort’ er in gebunden do was mit sinem leide
da er Kriemhilde vant. ir sorgen vil erwant.
si sprach: ‘willekomen Günther 22363 Er sprach: ‘ich solt’ iu nigen,
üzer Burgonden lant.’ vil liebiu swester min,
ob iuwer grüezen möhte
gensedeclicher sin.
ich weiz iuch, küneginne,
so zornec gemuot,
daz ir mir unde Hagenen
vil swachez grüezen getuot.’
22364 Do sprach der heit von Berne: ez enwart nie gisel mere
‘vil edeles küneges wip,
so guoter ritter 11p,
als ich iu, vrouwe here,
an in gegeben hin.
nu sult ir die eilenden
min vil wol geniezen lan.’
22365 Si jach si txt’ iz gerne,
do gie her Dietrich
mit weinenden ougen
von den helden lobelich. sit rach sich grimmeclichen daz Etzelen wip: den üz erwelten degenen
nam si beiden den lip. durch ir ungemach,
22366 Si lie si ligen sunder daz ir sit dewedere
den andern nie gesach,
unz si ir bruoder houbet der Kriemhilde räche
wart an in beiden genuoc.
22367 Do gie diu küneginne wie rehte fientliche
hin für Hagenen truoc. da si Hagenen sach.
si zuo dem helde sprach:
‘weit ir mir geben widere so muget ir noch wol lebende
daz ir mir habt genomen, heim zen Burgonden komen.’
272
Nibelungenlied: Text
2368 Do sprach der grimme Hagene: vil edeliu küneginne.
daz ich den hört iht zeige
die wile daz si leben,
deheiner miner herren,
so sol ich in niemene geben.’
2369 ‘Ich bringez an ein ende’, do hiez si ir bruoder
so sprach daz edel wip.
nemen den lip.
man sluoc im ab daz houbet;
bi dem häre si ez truoc
für den heit von Tronege. 2370 Also der ungemuote
do wart im leide genuoc.
sines herren houbet sach,
wider Kriemhilde
do der recke sprach:
du hast iz nach dinem willen
z’einem ende bräht,
und ist ouch rehte ergangen 2371 Nu ist von Burgonden Giselher der junge
‘diu rede ist gar verlorn,
ja hän ich des gesworn,
als ich mir hete gedäht. der edel künec tot,
und ouch her Gernot.
den schaz den weiz nu niemen der sol dich, välandinne,
wan got unde min:
immer wol verholn sin.’
2372 Si sprach: so habt ir übele
geltes mich gewert.
so wil ich doch behalten
daz Sifrides swert.
daz truoc mm holder vriedel, an dem mir herzeleide
do ich in jungest sach,
von iuwern schulden geschach.’
2373 Si zoh iz von der scheiden, do dahte si den recken
daz künde er niht erwern. des libes wol behern.
si huob ez mit ir handen,
daz houpt si im ab sluoc.
daz sach der künec Etzel:
do was im leide genuoc.
2374 ‘Wafen’, sprach der fürste, von eines wibes handen der ie kom ze sturme
‘wie ist nu tot gelegen der aller beste degen,
oder ie schilt getruoc!
swie vient ich im waere,
ez ist mir leide genuoc.’
2375 Do sprach der alte Hildebrant: daz si in slahen torste, swie er mich selben brachte idoch so wil ich rechen 2376 Hildebrant mit zorne
‘ja geniuzet si es niht,
swaz halt mir geschiht. in angestliche not, des küenen Tronegaeres tot.’ zuo Kriemhilde spranc.
er sluoc der küneginne einen swaeren swertes swanc. ja tet ir diu sorge von Hildebrande we. waz mohte si gehelfen
daz si so groezlichen schre?
39. Äventiure
12377 Do was gelegen aller
da der veigen lip.
ze stücken was gehouwen Dietrich und Etzel
weinen do began,
si klagten innecliche 12378 Diu vil michel ere
beide mage unde man. was da gelegen tot.
die liute heten alle
jämer unde not.
mit leide was verendet als ie diu liebe leide
do daz edele wip.
des küniges hohgezit, z’aller jungeste git.
12379 Ine kan iu niht bescheiden,
waz sider da geschach:
wan ritter unde vrouwen
weinen man da sach,
dar zuo die edeln knehte,
ir lieben friunde tot.
hie hat daz mjere ein ende:
daz ist der Nibelunge not.
273
NACHERZÄHLUNG 1. Aventiure (Str. 1-19) Am Anfang seines Epos stellt der Dichter die burgundische Königssippe und ihren Hof vor und beginnt dabei mit Kriemhilt, um deren Leben die Ereignisse, von denen er sich anschickt zu erzählen, zentriert sind. Kein schöneres Mädchen als sie gibt es in allen Landen, und sie ist zu einer ebenso schönen Frau geworden - aber „um ihretwillen mußten viele Helden das Leben verlieren“ (2, 4). Kriemhilt steht in der Obhut dreier Könige, ihrer Brüder: Günther, Gernot, Giselher. Sie sind die Herren des Burgundenlandes, dessen Hauptstadt Worms ist. Viele Ritter sind ihre Lehnsleute, und sie dienen ihnen bis an ihr Lebensende - „sie starben später auf bejammernswerte Weise infolge des Hasses zweier adliger Damen“ (6, 4). Die Mutter der Geschwister ist Uote, ihr verstorbener Vater Dancrat. Die besten Recken sind den Königen untertan: Hagen von Tronege und sein Bruder Dancwart, Ortwin von Metz, die Markgrafen Gere und Eckewart, Volker von Alzey, Rumolt der Küchenmeister, Sindolt und Hunolt. Dancwart versieht am Hofe das Amt des Marschalls, Ortwin das des Truchsessen, Sindolt ist Schenk und Hunolt Kämmerer. Inmitten des höfischen Glanzes hat Kriemhilt einen be¬ ängstigenden Traum: Sie träumt, daß sie einen starken, schönen und wilden Falken aufgezogen habe, den ihr zwei Adler zerfleischten. Sie erzählt ihrer Mutter Uote von diesem Traum, und diese deutet ihn ihrer Tochter: „Der Falke, den du aufziehst, das ist ein vornehmer Mann. Wenn Gott ihn nicht behütet, mußt du ihn bald verloren haben (= ver-
2. Aventiure
275
Heren)“ (14, 3/4). Aber Kriemhilt weist jeden Gedanken an einen Mann und an Liebe von sich: „Ohne die Liebe eines Recken will ich immer bleiben“ (15, 2), und sie will sich vor ihr bis zu ihrem Tod bewahren, „damit ich von der Liebe eines Mannes niemals Leid gewinnen werde“ (15, 4). Die erfahrene Mutter rät der Tochter, den Gedanken an Liebe nicht zu sehr abzulehnen: „Wenn du auf Erden jemals von Herzen froh werden willst, dann geschieht das durch die Liebe eines Mannes“ (16, 2/3a). Die junge Kriemhilt indes bekräftigt ihren Standpunkt: „Es ist an vielen Frauen gar oft offenbar geworden, wie die Liebe (und ihre Freude) zu¬ letzt mit Leid zu lohnen weiß. Ich will sie beide vermeiden, dann kann es mir nie schlecht ergehen“ (17, 2-4). Sie entschlägt sich aller Gedanken an die Minne - und doch ist sie später die Frau eines kühnen Recken geworden, wie der Dichter
wiederum
vorausdeutend
bemerkt.
Ausdrücklich
stellt er die Beziehung des Traumes zu den Ereignissen der Dichtung her: „Der war derselbe Falke, den sie in ihrem Traum gesehen hatte, den ihre Mutter ihr deutete. Wie furchtbar hat sie das an ihren nächsten Verwandten ge¬ rächt, die ihn später erschlagen haben! Um des Todes eines einzigen willen (= weil ein einziger starb,) starben die Kin¬ der gar vieler Mütter“ (19).
2. Aventiure (Str. 20-43) Zur gleichen Zeit wächst im Land am Niederrhein, in der Stadt Xanten, als Sohn des Königs Sigemunt und der Köni¬ gin Sigelint Siegfried auf. Seine Eltern sind darauf bedacht, daß er eine sorgfältige ritterliche Erziehung erhält, und er zeigt glänzende Eigenschaften. Nicht zuletzt widmen die höfischen Damen dem jungen Mann ihre Aufmerksamkeit, und er beginnt seinerseits, sich auf geziemende Weise mit ihnen zu beschäftigen. Nachdem seine Erziehung abgeschlos-
276
Nibelungenlied: Nadierzählung
sen ist, lädt König Sigemunt zu einem großen Fest ein, auf dem sein Sohn das Schwert erhalten, d. h. Ritter werden soll und mit ihm viele andere Knappen, vierhundert an der Zahl. Im Xantener Münster wird eine Messe zelebriert, dann fin¬ det ein großer Buhurt statt, an dem sich neben den Rittern auch die Knappen beteiligen. Daran schließt sich ein Mahl, bei dem vorzügliche Speisen und der beste Wein aufgetragen werden, während Spielleute die festliche Gesellschaft unter¬ halten und dafür reiche Gaben empfangen. Sigemunt über¬ läßt es an diesem Tage seinem Sohn, Lehen zu vergeben, Land und Burgen. Sieben Tage dauert das Fest. Die großen Vasallen des Landes hätten Siegfried gern zu ihrem Herrn, doch dieser will die Krone nicht tragen, solange seine Eltern noch am Leben sind. Wohl aber bekämpft er tatkräftig alle Gewalttaten im Lande. 3. Aventiure (Str. 44-138) Die Kunde von Kriemhilts Schönheit verbreitet sich und dringt auch in das Land am Niederrhein. Viele Werber kom¬ men nach Worms, doch Kriemhilt wünscht keinen von ihnen zum Mann - „er war ihr noch gar fremd, dem sie später untertan wurde“ (46, 4). In der nächsten Strophe präzisiert der Dichter, daß Kriemhilt die Frau des kühnen Siegfried geworden ist. Seine Verwandten und Mannen raten Sieg¬ fried, daß er um eine Frau werben solle, die ihm ebenbürtig sei. Sogleich bekundet er seinen Entschluß, die schöne Kriem¬ hilt zur Frau zu nehmen, die selbst ein Kaiser lieben dürfe. Als Sigemunt von der Absicht seines Sohnes hört, bedauert er diese lebhaft, und auch die Königin ist von großer Sorge um das Leben ihres Kindes erfüllt, kennt sie doch Günther und seine Mannen. Die Eltern versuchen, ihrem Sohn sein Vorhaben auszureden. Aber Siegfried bleibt bei seinem Vor¬ satz und erklärt, eher auf die Liebe vornehmer Damen über¬ haupt verzichten zu wollen, als sich nicht um die zu be-
3. Aventiure
277
mühen, nach der er sich sehnt. Ohne weiteren Widerspruch ist der König nun bereit, Siegfried bei der Durchführung seines Plans zu unterstützen, weist ihn freilich zugleich dar¬ auf hin, daß König Günther manchen überaus stolzen Mann habe, vor allen anderen Hagen, der von hochfahrendem Sinne sei, so daß Sigemunt fürchtet, die Werbung seines Sohnes um Kriemhilt könne ihnen noch leid werden. Sehr selbstbewußt erwidert Siegfried: „Was kann uns das hin¬ dern?“ (55, la). Was er nicht durch Bitten erreichen könne, das vermöge er mit seiner Stärke zuwege zu bringen: „Ich traue es mir zu,
ihnen Leute und Land abzuzwingen“
(55, 4). Sigemunt bedauert diese Rede Siegfrieds, da er weiß, daß niemand Kriemhilt mit Gewalt erwerben kann. Gleich¬ wohl erklärt er sich abermals bereit, das Unternehmen seines Sohnes zu unterstützen, und bietet ihm an, seine Ritter auf¬ zubieten. Siegfried jedoch will nicht mit einem großen Heer, sondern nur mit elf 1 Begleitern nach Worms reiten. Sigelint fürchtet weiterhin, ihr Sohn werde im Burgundenland sein Leben verlieren, und sie bricht in Tränen aus. Aber Siegfried tröstet sie; er ist ohne alle Sorge und bittet seine Mutter, ihn und seine Gefährten mit kostbaren Gewändern zu versehen. Sigelint verspricht ihm, sie mit den besten Kleidern auszu¬ statten, die je ein Ritter getragen hat. Tag und Nacht sind schöne Frauen nun damit beschäftigt, die Gewänder zu nähen. Als die Stunde des Aufbruchs gekommen ist, befällt Frauen und Männer die Sorge, ob die, die fortreiten wollen, je wieder zurückkehren werden, und in trauriger Stimmung nimmt das Königspaar von dem einzigen Sohn, der selbst sehr zuversichtlich ist, Abschied. Am siebten Morgen nach ihrem Wegritt ist die kleine Schar vor Worms angelangt. Ihre prächtige Erscheinung er¬ regt bewunderndes Staunen. Günthers Mannen gehen den Fremden entgegen und nehmen ihnen, höfischem Brauch entsprechend, die Pferde und zugleich die Schilde ab. Sie 1 Kurz darauf (64, 3) spricht Siegfried von zwölf Begleitern.
278
Nibelungenlied: Nacherzählung
wollen die Tiere in den Stall führen, doch Siegfried unter¬ sagt ihnen das: sie sollen die Pferde stehen lassen. Sofort fragt er, wo er den König finde. Inzwischen ist Günther von der Ankunft der fremden Ritter, die niemand kennt, unter¬ richtet worden. Ortwin von Metz rät Günther, Hagen, seinen Oheim, holen zu lassen, dem die fremden Lande bekannt seien. Der König bittet Hagen, zu ihm zu kommen, und er¬ klärt ihm auf seine Frage, weshalb er nach ihm gesandt habe, worum es sich handelt. Hagen tritt an ein Fenster und be¬ trachtet die Ausrüstung der Ankömmlinge. Obwohl er Sieg¬ fried nie gesehen hat, glaubt er doch, daß es dieser ist. An dieser Stelle schaltet der Dichter in Form eines zusam¬ menfassenden Berichtes Hägens eine gedrängte Erzählung von Siegfrieds Jugendabenteuern ein. Der Troneger stellt voran, daß Siegfried Schilbunc und Nibelunc, die Söhne des Königs Nibelunc, erschlagen hat. Als Siegfried einmal ganz allein ausgeritten ist, trifft er vor einem Berg viele kühne Recken um den Nibelungenhort versammelt, den man aus einem hohlen Berg in der Absicht herausgebracht hat, ihn draußen zu teilen. Einer der Recken erkennt Siegfried. Schilbunc und Nibelunc empfangen ihn freundlich und bitten ihn, den Schatz zu teilen, was Siegfried ihnen zusagt. Un¬ vorstellbar ist der Reichtum, den Siegfried sieht: Hundert Lastwagen könnten allein die Edelsteine nicht fortschaffen, und noch größer ist die Menge des Goldes. Als Lohn für seine Mühe geben Nibeluncs Söhne Siegfried das Nibelun¬ genschwert. Doch damit ist ihnen schlecht geholfen. Denn mit diesem Schwert, das den Namen Balmunc hat, erschlägt Siegfried, als sich der Zorn der Nibelungen gegen ihn wen¬ det, zwölf Riesen, siebenhundert Recken und auch die beiden Könige. Schließlich überwindet er den Zwerg Alberich, der seine Herren an ihm rächen will: Er nimmt ihm die Tarn¬ kappe ab und ist damit zum Herrn über den Nibelungenhort geworden. Siegfried läßt ihn wieder in den Berg zurückbrin¬ gen. Alberich aber muß Siegfried schwören, ihm immer zu dienen. Noch mehr weiß Hagen von Siegfrieds Jugendtaten
3. Aventiure
279
zu berichten: Er hat einen Lindwurm getötet und sich in dessen Blut gebadet. Dadurch ist seine Haut fest wie Horn geworden, so daß ihn kein Schwert verletzen kann. Hagen empfiehlt, Siegfried freundlich aufzunehmen, da¬ mit die Burgunden sich nicht etwa seine Feindschaft zu¬ ziehen. Günther will seinem Gast, der mit seinen Begleitern kampfbereit dasteht, entgegengehen, und Hagen bestärkt den König in diesem Vorsatz: das könne er tun, ohne sich etwas zu vergeben,
da Siegfried aus hohem Geschlecht
stamme und der Sohn eines mächtigen Königs sei. Nach der Begrüßung erklärt Siegfried auf Günthers Frage nach dem Grund seines Kommens, er habe gehört, daß in Günthers Land die kühnsten Recken lebten und Günther selbst der kühnste aller Könige sei. Seine Absicht sei es, dem König im Kampf abzunehmen, was er besitze: „Land und Burgen, die sollen mir untertan werden“ (110,4). Mit Verwun¬ derung und Zorn haben Günthers Mannen diese Rede ge¬ hört. Als der burgundische König den jungen Helden fragt, womit er das verdient habe, daß er sein Erbe verlieren solle, erwidert Siegfried nur, er wolle von seiner Absicht nicht ablassen, Günthers Land zu besitzen. Dieser könne seiner¬ seits sein, Siegfrieds, Erbe gewinnen, wenn er ihn überwinde. Wer von ihnen beiden siege, dem sollten Land und Leute des anderen zufallen. Gernot erklärt dem Herausforderer, daß die Burgunden nicht im Sinne haben, irgendwelche Län¬ der im Kampf zu gewinnen, da ihnen selbst reiche Länder gehören. Ortwin von Metz mißfällt diese Stellungnahme: er will Siegfrieds übermütiges Benehmen im Kampf nieder¬ ringen. Dies erzürnt wiederum Siegfried, weil er ein König, Ortwin aber Mann eines Königs und ihm also nicht eben¬ bürtig ist. Gleichwohl verlangt Hägens Neffe nach seinem Schwert. Gernot jedoch beschwichtigt ihn: noch könne man den Streit gütlich und nach höfischem Brauch beilegen und Siegfried zum Freunde gewinnen. Zwar geraten Siegfried und Hagen in einen Wortwechsel, aber Gernot verbietet allen seinen Degen, das Wort zu herausfordernden Reden zu
280
Nibelungenlied: Nacherzählung
ergreifen. Und da Siegfried jetzt an Kriemhilt denkt, ist er schließlich bereit einzulenken. Gernot heißt ihn nochmals willkommen, man reicht Siegfried den Willkommenstrunk, und Günther lädt ihn gastfreundlich ein, sein Haus als das seine zu betrachten. So wird Siegfried am burgundischen Hof freundschaftlich aufgenommen, wo er nun längere Zeit lebt. Bei dem zur Unterhaltung veranstalteten Steinwerfen und Speerschießen übertrifft Siegfried die Leistungen aller anderen. Immer wieder schweifen seine Gedanken zu dem Mädchen, um dessentwillen er hierher gekommen ist und das er noch nicht zu Gesicht bekommen hat, während Kriemhilt ihn oft heimlich sieht, wenn er sich auf dem Hof mit ritter¬ lichen Spielen vergnügt. Wenn Siegfried aber mit dem Ge¬ folge der Könige durch deren Land zieht und also von Worms abwesend ist, dann bedauert das Kriemhilt. So ver¬ geht ein ganzes Jahr, ohne daß Siegfried die burgundische Königstochter auch nur einmal gesehen hätte, und er be¬ ginnt darob, die Hoffnung zu verlieren und zu verzagen.
4. Aventiure (Str. 139-264) Da tritt ein neues Ereignis ein: König Liudeger von Sachsen und König Liudegast von Dänemark senden Boten an Günther. Dieser empfängt sie freundlich, wiewohl er nicht weiß, in wessen Auftrag sie gekommen sind. Die Boten aber fürchten seinen grimmen Sinn, haben sie ihm doch Fehde anzusagen. Nach zwölf Wochen werde der Feldzug anheben, sofern er nicht zu Verhandlungen bereit sei. Mit seinen Ver¬ wandten und Freunden hält Günther eine Beratung über die Kriegserklärung und die zu ergreifenden Maßnahmen ab. Gernot setzt sich dafür ein, die Herausforderung mit dem Schwert zu beantworten: „Da sterben nur die, denen es be¬ stimmt ist, zu sterben: die wollen wir tot liegen lassen“ (150,2). Doch Hagen äußert das Bedenken, es werde nicht
4. Aventiure
281
möglich sein, in so kurzer Zeit das eigene Heer aufzubieten, und er fragt, warum man nicht Siegfried unterrichte. Gün¬ ther ist fortan sehr gedrückt, und das bemerkt Siegfried. Er fragt ihn nach dem Grund, aber Günther antwortet aus¬ weichend, da man nur erprobten Freunden die Not seines Herzens klagen solle. Siegfried, abwechselnd bleich und rot werdend, versichert ihm, wenn er Freunde suche, wolle er einer von ihnen sein und ihm all sein Leid wenden helfen. Daraufhin macht Günther ihm Mitteilung von dem, was ihn bedrückt, und Siegfried ist sofort bereit, ihm beizu¬ stehen. Wenn er von Günther nur tausend Recken bekomme, werde er dessen Land verteidigen. Und sogleich rät er, wie Günther sich weiter verhalten soll. Den Boten wird als Ant¬ wort an ihre Herren mitgeteilt, daß die Burgunden die Herausforderung annehmen. Mit reichen Geschenken werden sie entlassen; Günther gewährt ihnen sogar Geleit. Als Liudegast von ihnen erfährt, daß auch Siegfried zu Gün¬ thers Recken gehört, ist ihm das gar nicht angenehm, und die Dänen bemühen sich, um so mehr Krieger aufzubieten. 20 000 Mann bringt Liudegast zusammen, Liudeger noch einmal die gleiche Zahl. In Worms sind unterdessen die Vorbereitungen für den Gegenangriff getroffen worden, zu dem Siegfried geraten hat. Alle großen burgundischen Va¬ sallen beteiligen sich an dem Zug - Volker als Fahnenträ¬ ger, Hagen als Befehlshaber über die Krieger -, während der eigentliche Führer Siegfried ist. Dem König aber rät Siegfried, zu Hause zu bleiben und, des Sieges sicher, ihre Rückkehr zu erwarten. Durch Hessen ziehen die Burgunden ins Sachsenland, das sie mit Raub und Brand heimsuchen. Als die Schlacht bevor¬ steht, bleiben der Troß und die Knappen unter der Führung Dancwarts und Ortwins zurück. Siegfried übernimmt es, die Stellung des gegnerischen Heeres zu erkunden, und über¬ trägt das Kommando über die Ritter Hagen und Gernot. Allein reitet er ins feindliche Land hinein und erspäht in der Tat das Heer. Er trifft auf einen Recken, der ebenfalls auf
282
Nibelungenlied: Nacherzählung
dem Wartritt ist. Es ist niemand anders als König Liudegast. Die beiden spornen ihre Pferde gegeneinander an und dringen zuerst mit ihren Speeren, dann mit den Schwertern aufeinander ein. Siegfried erweist sich im Zweikampf als der Stärkere und fügt seinem Gegner drei tiefe Wunden zu. Da bittet Liudegast um sein Leben und gibt sich gefangen. In diesem Augenblick kommen dreißig seiner Leute dem König zu Hilfe, doch Siegfried erschlägt sie alle bis auf einen, der dem Heer die Kunde von dem Geschehen überbringt. Den Gefangenen vertraut Siegfried Hagen an und führt das burgundische Heer zum Angriff gegen die Feinde, die Sach¬ sen und Dänen. Zwar umfaßt es nur tausend Mann und dazu Siegfrieds zwölf Recken; aber es vollbringt außer¬ ordentliche Kampfleistungen, die größten indes Siegfried selbst. Der heit von Niderlant stößt in der Schlacht auf Liudeger und schlägt dessen Schildspangen entzwei. Als Liudeger seinen Gegner am Schildzeichen erkennt, gibt er den Befehl zum Abbruch des Kampfes und ruft entsetzt aus: „Ihn hat der böse Teufel her zu den Sachsen gesandt“ (216, 4). Er bittet um Waffenstillstand. Dieser wird ihm ge¬ währt, doch muß er sich als Geisel in burgundische Gefan¬ genschaft begeben und mit ihm fünfhundert Mann, während die übrigen in ihre Heimat zurückkehren dürfen. Gernot veranlaßt, daß Boten mit der Nachricht vom er¬ rungenen Siege nach Worms geschickt werden. Einer der Boten erstattet heimlich auch Kriemhilt Bericht. Ausdrück¬ lich fragt diese nur, wie es ihrem Bruder Gernot und ihren anderen Verwandten ergangen sei, ob die Burgunden große Verluste gehabt haben und wer sich im Kampf am meisten ausgezeichnet habe. Sogleich antwortet ihr der Bote darauf, daß niemand sich so hervorgetan hat wie Siegfried: „Da hat des kühnen Siegfrieds Hand große Wunder vollbracht. Was immer auch alle Recken im Kampfe geleistet haben, Dancwart und Hagen und die anderen Mannen des Königs, was sie auch um Ehre fochten, das ist ganz und gar ein Nichts im Verhältnis zu Siegfried allein“ (227, 4-228, 4a).
5. Aventiure
283
Auch im Folgenden kann sich der Bote nicht genugtun, Sieg¬ frieds überragende Leistungen
zu
rühmen.
Erst
danach
kommt er auf die Taten der anderen zu sprechen, kehrt dann aber noch einmal zu Siegfried zurück und berichtet, daß er es gewesen ist, der die beiden feindlichen Könige gefangengenommen hat. Kriemhilts Antlitz färbt sich rosen¬ rot, als sie all das über Siegfried hört, und sie gibt dem Boten voller Freude über die guten Nachrichten kostbare Kleider und zehn Mark Gold. Das siegreiche Heer, das nur sechzig Mann verloren hat, kehrt mit den gefangenen Feinden zurück. Günther emp¬ fängt Liudegast und Liudeger mit höflicher Distanz. Liudeger bietet ihm viel von ihrer Habe an, damit sie in der Ge¬ fangenschaft gut behandelt werden. Der burgundische König aber ist so großmütig, seinen beiden gefangenen Standes¬ genossen Bewegungsfreiheit zu gewähren, wenn sie ihm mit Handschlag versprechen, sein Land nicht ohne seine Zu¬ stimmung zu verlassen. Besonders ist man darauf bedacht, die Verwundeten gesundzupflegen. Die auswärtigen Ritter wollen nun die Heimfahrt antreten. Günther bittet sie, noch zu bleiben, und beruft seinen Rat ein, um zu erörtern, wie man ihnen für ihre Dienste lohnen könne. Gernot schlägt vor, sie zunächst nach Hause reiten zu lassen; in sechs Wo¬ chen jedoch sollen sie zu einem Fest wiederkommen. Auch Siegfried will sich verabschieden. Günther bittet ihn herz¬ lich, noch in Worms zu verweilen, und im Gedanken an Kriemhilt erfüllt Siegfried ihm diese Bitte, nach wie vor hoffend, daß er sie sehen werde. Nun wird das große Fest vorbereitet, zu dem Günther eingeladen hat.
5. Aventiure (Str. 265-324) Bei diesem Fest, das an Pfingsten stattfindet, entfaltet sich die ganze Pracht des burgundischen Königshofes. Zwei-
284
Nibelungenlied: Nacherzählung
unddreißig Fürsten haben sich eingefunden. Günther ist es nicht verborgen geblieben, daß der heit von Niderlant seine Schwester liebt, obwohl er sie noch nie gesehen hat. Ortwin ist es dann, der den König auffordert, zu veranlassen, daß die burgundischen Jungfrauen
auf dem Fest erscheinen:
„Was wäre die Freude des Mannes, worüber er sich freuen könnte, wenn es nicht schöne Mädchen und hochgemute Frauen täten?“ (274, 1/2). So heißt Günther seine Mutter und seine Schwester sich mit ihrem Gefolge zur Festhalle begeben. Aufs kostbarste kleiden sich die Frauen. Hundert burgundische Ritter leisten ihnen den Ehrendienst. Als die Frauen eintreten, erhebt sich ein großes Gedränge, hoffen die Recken doch, Kriemhilt zu Gesicht zu bekommen. Würde¬ voll und alle überstrahlend schreitet sie einher: „Nun ging die Liebliche, wie das Morgenrot aus den trüben Wolken hervortritt“ (281, l/2a). Siegfrieds Liebeskummer schwin¬ det bei ihrem Anblick. „Wie der helle Mond vor den Ster¬ nen steht, dessen Schein so klar aus den Wolken hervorgeht, ebenso stand sie vor mancher trefflichen Dame“ (283, 1-3). Freilich: Siegfried wird, als er das geliebte Mädchen be¬ trachtet, doch zugleich wieder lieb unde leit, und er denkt bei sich: „Wie könnte das geschehen, daß ich dich lieben dürfte? Das ist eine törichte Hoffnung. Soll ich dir aber fremd bleiben, so wäre ich lieber tot“ (285, lb-3). Gernot rät seinem Bruder, Siegfried zu Kriemhilt treten zu lassen, damit ihn diese begrüße: „Die nie Recken gegrüßt hat, die soll ihn grüßen, damit haben wir den stattlichen Degen (für uns)
gewonnen“
(289, 3/4).
Als
Verwandte
des
Königs
Siegfried mitteilen, Günther habe ihm erlaubt, daß er vor ihm von seiner Schwester begrüßt werde, erfüllt ihn das mit Freude, und nun empfindet er lieb äne leit. Kriemhilt be¬ grüßt den von ihr längst heimlich Geliebten, und beflissen verneigt er sich vor ihr. Dann nimmt sie ihn bei der Hand, und insgeheim blicken Kriemhilt und Siegfried einander mit liebevollen Blicken an. Der Dichter versichert, es sei ihm zwar nicht bekannt, ob sie auch ihre Hände gedrückt haben,
5. Aventiure
285
aber er könne nicht glauben, daß sie es unterlassen hätten. Mancher Recke wünscht sich, an Siegfrieds Statt zu sein und neben Kriemhilt einherschreiten oder gar neben ihr liegen zu dürfen, und alle blicken nur das schöne Paar an. Kriem¬ hilt wird jetzt erlaubt, den Helden geziemend zu küssen. Der König von Dänemark aber meint, um dieses Grußes willen liege mancher von Siegfrieds Hand verwundet, was auch er selbst zu spüren bekommen habe, und er bittet Gott, Siegfried nie mehr in seine Lande gelangen zu lassen. An¬ schließend besucht die festliche Gesellschaft im Münster die Messe, wobei die Ritter und die Damen getrennt sind. Sieg¬ fried kann es kaum erwarten, bis die Messe vorüber ist. Als Kriemhilt das Gotteshaus verlassen hat - die Ritter sind vor den Damen aus der Kirche gegangen und erwarten sie vor dem Portal -, darf Siegfried sich wieder zu ihr ge¬ sellen, und nun erst dankt ihm die burgundische Prinzessin für das, was er im Kampfe gegen die Sachsen und Dänen für ihre Verwandten getan hat. Siegfried verspricht ihr, ihnen immer zu Diensten sein zu wollen: Lfm Kriemhilts Huld zu gewinnen, will er, solange er lebt, sein Haupt nie¬ mals eher zur Ruhe legen, bis er den Willen ihrer Ver¬ wandten erfüllt hat. Zwölf Tage sieht man Kriemhilt mit dem jungen Helden zusammen. Dann geht das Fest zu Ende. Die Dänen und Sachsen wünschen, bevor sie in ihre Heimat zurückreiten, eine dauerhafte Friedensregelung und bieten für ihre Freilassung eine derartige Menge Goldes, wie sie fünfhundert Pferde tragen können. Günther sucht Siegfried auf und bittet ihn um Rat, wie er sich verhalten solle. Sieg¬ fried rät ihm, die Könige ohne Lösegeld, nur gegen ihre feierliche Zusicherung, künftighin die Burgunden nicht mehr anzugreifen,
ziehen zu lassen. Günther verfährt gemäß
diesem Rate. Ebenso folgt er Gernots Vorschlag, an die Gäste, die jetzt nach Hause reiten wollen, reiche Geschenke zu verteilen. Auch Siegfried will sich verabschieden, da er immer noch nicht zu hoffen wagt, die erwerben zu können, um derentwillen er nach Worms gekommen ist. Doch Gisel-
286
Nibelungenlied: Nacherzählung
her bewegt ihn zum Bleiben, und wiederum ist es die außer¬ ordentliche Schönheit Kriemhilts,
die den Ausschlag für
Siegfrieds Entschluß gibt. Fortan darf er täglich mit Kriemhilt zusammen sein. 6. Aventiure (Str. 325-388) Ganz neue Nachrichten kommen an den Rhein. Jenseits des Meeres herrscht eine Königin, ebenso schön wie stark als Kämpferin, die von den Männern, die sie zur Frau begehren, das Bestehen dreier Kampfspiele, Speerwurf, Steinschleu¬ dern und Weitsprung, verlangt. Wer ihr auch nur in einem Kampf unterliegt, hat sein Leben verwirkt. Oft haben auf diese Weise schon Werber ihr Leben verloren. Als Günther von dieser Jungfrau, Brünhilt, hört, entschließt er sich, um sie zu werben: er will sie zu seiner Frau gewinnen oder sein Leben verlieren. Der Dichter aber macht deutlich, daß aus ebendiesem Geschehen letztlich alles kommende Unheil er¬ wachsen wird. Zwar rät Siegfried Günther von diesem über¬ aus gefährlichen Wagnis ab. Doch Hagen redet seinem Herrn zu, Siegfried um dessen Hilfe zu bitten, da er wisse, wie es um Brünhilt stehe. Siegfried ist zu dieser Hilfe unter der Bedingung bereit, daß Günther ihm Kriemhilt zur Frau gibt. Günther gelobt ihm das in die Hand: „Wenn die schöne Brünhilt hierher in dieses Land kommt, so will ich dir meine Schwester zur Frau geben“ (334, 2/3). Mit Eiden bekräftigen sie ihre Abmachung. Siegfried wird seine Tarn¬ kappe mitnehmen, die ihn nicht nur unsichtbar macht, son¬ dern ihm auch die Stärke von zwölf Männern zusätzlich zu seiner eigenen verleiht. Der Dichter begleitet diese Erzäh¬ lung mit der Vorausdeutung, daß Siegfried mit Hilfe der Tarnkappe Brünhilt gewinnen, ihm selbst aber Leid zuteil werden wird. Auf des Königs Frage legt Siegfried seinen Plan dar, wonach sie nur zu viert, in recken wise, den Rhein hinunterfahren sollen: außer ihm selbst Günther,
6. Aventiure
287
Hagen und Dancwart. Günther wünscht nun von Siegfried zu erfahren, in welchen Kleidern sie vor Brünhilt erscheinen sollen, und dieser antwortet ihm, daß sie dort ausgesucht kostbare Gewänder anlegen müssen. Der burgundische König will seine Mutter bitten, daß ihre Jungfrauen ihnen schöne Kleider herrichten. Hagen indes meint, er solle sich mit dieser Bitte nicht an seine Mutter, sondern an seine Schwester wenden. Günther läßt Kriemhilt mitteilen, daß er und Siegfried sie sehen möchten, und trägt ihr dann seinen Wunsch nach prächtigen Gewändern für eine bevorstehende höfische Fahrt in fremde Lande um Minne vor. Kriemhilt will wissen, wem das Minneverlangen gilt. Als sie hört, daß es sich um Brünhilt handelt, sagt sie ihrem Bruder jegliche Hilfe zu, zu der sie in der Lage ist. Freilich: Er solle sie nicht zaghaft bitten, ihr vielmehr gebieten: „Was immer Euch von mir (zu erhalten) gefällt, dazu bin ich Euch bereit und tue es willig“ (356, 3/4a). Nun teilt Günther ihr mit, was er konkret von ihr und ihren Jungfrauen wünscht. Drei¬ ßig von ihnen, die im Nähen besonders geschickt sind, wählt Kriemhilt aus. Sie selbst schneidet aus wertvollen orientali¬ schen Seidenstoffen die Gewänder zu, die dann mit Edel¬ steinen besetzt werden. Sieben Wochen sind die Frauen an der Arbeit und fertigen in dieser Zeit die besten Kleider an, die es je gegeben hat. Währenddessen ist auch ein stabiles kleines Schiff gebaut worden, das die vier Recken rheinabwärts aufs Meer tragen soll. Beim Abschied rät Kriemhilt ihrem Bruder, hierzubleiben und um eine andere Frau zu werben, die er gewinnen könne, ohne sein Leben aufs Spiel zu setzen, und alle Mädchen brechen (als Günther nicht von seinem Vorhaben absteht) in Tränen aus. Kriemhilt legt daraufhin Siegfried den Schutz ihres Bruders ans Herz. Der heit von Niderlant versichert ihr, daß sie um Günther un¬ besorgt sein könne, solange er selbst am Leben sei. Danach werden Waffen, Kleider und Proviant sowie die Pferde auf das Schiff gebracht. Günther fragt, wer Steuermann sein solle; Siegfried antwortet: „daz wil ich“ (378, la). Mit
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Nibelungenlied: Nacherzählung
einer Ruderstange stößt er das Schifflein vom Ufer ab, und Günther unterstützt ihn mit einem zweiten Ruder. Zwanzig Meilen fahren die vier Recken bei günstigem Wind am ersten Tag rheinabwärts. Zwölf Tage dauert ihre Fahrt insgesamt, dann sind sie vor Isenstein in Brünhilts Land angelangt, das allein Siegfried kennt. Günther er¬ kundigt sich bei Siegfried erstaunt, wem die vielen Burgen gehören. Siegfried gibt ihm Bescheid und trägt seinen Be¬ gleitern zugleich auf, ihn auf Isenstein als Mann Günthers auszugeben. Dann werde eintreten, was Günther erhoffe. Keiner unterläßt aus Übermut, das zu sagen, was er wünscht. Siegfried aber betont, daß er Günther die Hilfe bei der Werbung um Brünhilt mit dem jetzt eingeleiteten Betrug nicht so sehr ihm zuliebe, sondern um seiner Schwester willen zugesichert hat: „Die ist mir (so lieb) wie meine Seele und wie mein eigenes Leben. Ich will das gerne leisten, damit sie meine Frau werde“ (388, 3/4).
7. Aventiure (Str. 389-481) Als das Schifflein mit den vier Männern nahe an die Burg gekommen ist, sieht Günther in den Fenstern viele schöne Jungfrauen stehen, und er fragt Siegfried, um wen es sich handele. Dieser erwidert, er solle sich die jungen Damen ansehen und ihm dann sagen, welche von ihnen er nehmen würde, wenn es in seiner Macht stünde. Diejenige, auf die Günthers Wahl fällt, ist Brünhilt. Die Königin läßt nun ihre Mädchen von den Fenstern Weggehen, damit sie nicht von den Fremden gesehen werden. Doch treten sie an die Scharten, durch die sie zwar die Ankömmlinge be¬ obachten können, selbst aber unsichtbar bleiben. Inzwischen sind die vier Ritter gelandet. Siegfried führt Günthers Pferd ans Ufer, was die Mädchen bemerken. Günther fühlt sich durch Siegfrieds Dienstleistung erhoben. Dann hält Sieg-
7. Aventiure
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fned das Roß am Zaum, bis der König aufgestiegen ist. Der Erzähler fügt in einer Vorausdeutung hinzu, daß Günther diesen Dienst, den Siegfried ihm geleistet hat, später ver¬ gessen wird. Erst nach Günthers Pferd führt Siegfried sein eigenes an den Strand. In prächtiger Aufmachung reiten die Helden zu Brünhilts weiträumiger Burganlage. Während Günther und Siegfried schneeweiß gekleidet sind - es ist dies auch die Farbe ihrer Pferde —, sind die Gewänder Hä¬ gens und Dancwarts rabenschwarz. Brünhilts Mannen lau¬ fen den Fremden entgegen, um sie im Lande ihrer Herrin geziemend zu empfangen. Ein Kämmerer bittet die Gäste, ihre Rüstungen und ihre Schwerter abzulegen und Brünhilts Leuten zu übergeben. Hagen lehnt das ab: „Wir wollen sie selber tragen“ (406, 3b). Aber Siegfried belehrt ihn, daß es in Brünhilts Land Brauch ist, daß kein Gast Waffen trägt. Nur höchst ungern fügt sich Hagen diesem Brauch. Nun er¬ halten die Ankömmlinge den Willkommenstrunk, und man weist ihnen eine Ruhestatt zu. Brünhilt wird über die Ankunft unbekannter Ritter unter¬ richtet,2 und sie erkundigt sich, wer sie wohl seien. Ein Mann aus ihrem Gefolge antwortet, einer gleiche Siegfried, die anderen kenne er nicht. Von ihnen sehe einer aus, als ob er ein mächtiger König über ein großes Land wäre. Der dritte blicke furchterregend drein, wiewohl er von schöner Gestalt sei, und er sei wohl grimmig gesinnt. Den letzten zeichne jugendliche Anmut aus, zugleich aber eine solche Stärke, daß wohl viele schöne Frauen Grund hätten zu weinen, wenn er in Zorn gerate. Brünhilt läßt sich ihr Ge¬ wand bringen. Wenn Siegfried in ihr Land gekommen sei, um ihre Minne zu erringen, so gehe es ihm ans Leben. Mit hundert Jungfrauen und fünfhundert bewaffneten Recken sucht die Königin ihre Gäste auf. Sie begrüßt Siegfried und fragt ihn nach dem Grund seines Kommens. Er entgegnet, es 2 Nach der Erzählung in Strophe 392 hat Brünhilt die An¬ kunft der vier Fremden selbst beobachtet; s. überdies Str. 401, 4.
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Nibelungenlied: Nacherzählung
sei zuviel Ehre für ihn, daß sie ihn vor dem edlen Recken begrüße, der vor ihm stehe und der sein Herr sei. Dieser sei am Rhein geboren und hierhergekommen, um ihre Minne zu erwerben. Sie möge sich rechtzeitig, noch ehe sie im Kampf dazu gezwungen werde, besinnen, da sein Herr es ihr nicht erlasse, seine Frau zu werden. Dann nennt er auch Günthers Namen und stellt ihn als mächtigen König vor, der es ihm geboten habe, mit ihm zu fahren. Hätte er es ihm versagen können, hätte er auf diese Fahrt gern verzichtet. Brünhilt verkündet, daß sie Günthers Frau werde, wenn dieser sie in den Kampfspielen überwinde; wenn sie aber siege, gehe es ihnen allen vier ans Leben. Hagen fragt nun, welche Kämpfe sein Herr, der sich wohl zutraue, ein so schönes Mädchen zu erwerben, zu bestehen habe. Die Königin nennt die drei Spiele und warnt ihre Gäste, sich zu übereilen: sie möchten sich genau überlegen, daß sie hier ihre Ehre und ihr Leben verlieren könnten. Siegfried raunt Günther zu, Brünhilt seine feste Absicht zu bekunden, die Spiele zu bestehen. Er solle ohne Sorge sein: „Ich werde Euch mit meinen Künsten vor ihr wohl behüten“ (426, 4). So fordert Günther Brün¬ hilt auf, die Bedingungen der Spiele festzusetzen, und be¬ kräftigt seinen Vorsatz: „Ich will meinen Kopf verlieren, wenn Ihr nicht meine Frau werdet“ (427, 4). Daraufhin heißt die Königin eilends die Vorbereitungen für die Kämpfe treffen. Hagen und Dancwart sind in großer Sorge, wie es Günther ergehen werde. Unterdessen ist Siegfried unbemerkt zum Schiff gegangen und hat die Tarnkappe angelegt, in der er, von niemandem gesehen, zum Schauplatz der Kämpfe zurückeilt. Brünhilt ist schon in dem abgesteckten Ring erschienen, bewaffnet, als ob sie um alle Königreiche kämpfen sollte. Zugleich aber ist sie von reizendem Aussehen. Ihr Schild, der ganz aus Gold besteht und mit stahlharten Spangen versehen ist, wird herbeigetragen. Seine Tragriemen sind mit kostbaren Edelsteinen verziert. An seiner stärksten Stelle ist der Schild drei Spannen dick, und vier Männer haben Mühe,
7. Aventiure
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ihn zu tragen. Als Hagen Brünhilts Schild sieht, sagt er voll Grimm: „Wo nun, König Günther? Wie verlieren wir unser Leben! Die Ihr da zu lieben begehrt, die ist des Teufels Weib“ (438, 3/4). Nachdem der Dichter schon vorher er¬ wähnt hat, daß Brünhilt unter ihrer Brünne aus rotem Gold ein seidenes Waffenhemd trägt, beschreibt er jetzt ihren Waffenrock, der ebenfalls aus wertvoller orientalischer Seide genäht und mit herrlichen Edelsteinen besetzt ist. Nun wird Brünhilts Ger herbeigebracht. Drei Männer können ihn kaum tragen, so schwer ist er. Günther erfüllt das, was er sieht, mit großer Sorge, und er wünscht sich, lebend zu Hause zu sein, dann bliebe Brünhilt hier gar lange von seiner Minne frei. Auch Dancwart fürchtet ihrer aller Tod durch eine Frau. Er und Hagen bedauern, nicht ihre Waffen zur Hand zu haben, mit denen sie sich Brünhilts und ihrer Mannen Übermut wohl erwehren würden. Brünhilt hat Hägens Worte gehört, und lächelnd befiehlt sie, den Recken ihre Rüstungen und ihre Waffen zu geben. Als das geschehen ist, erklärt Dancwart: „Nun mögen sie spielen, was sie wollen: Günther ist unbezwungen, da wir unsere Waffen haben“ (448, 3/4). Schließlich wird noch der Stein herbei¬ getragen, den Brünhilt und Günther werfen müssen. Zwölf Männer sind kaum in der Lage, ihn zu transportieren. Als Hagen ihn sieht, befällt ihn erneut die Sorge um seinen König, und er wünscht Brünhilt als Braut des Teufels in die Hölle. Brünhilt krempelt nun ihre Ärmel hoch und ergreift Schild und Ger. In diesem Augenblick berührt Siegfried un¬ sichtbar Günthers Hand und läßt sich von ihm dessen Schild geben. Er trägt ihm auf: „Nun mache du die Bewegungen, die Handlungen führe ich aus“ (454, 3) und ermahnt ihn, seine List vor jedermann zu verbergen. Die Kampfspiele beginnen. Brünhilt schleudert den Ger auf Günthers Schild. So stark ist der Wurf, daß der Schild durchbrochen wird, der Ger Günthers Rüstung trifft, beide Männer, Siegfried und Günther, straucheln und aus Sieg¬ frieds Mund Blut trieft. Doch Siegfried springt alsbald wie-
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Nibelungenlied: Nacherzählung
der nach vorn und greift zu Brünhilts Ger. Um die Jungfrau aber nicht zu verletzen oder gar zu töten, dreht er die Waffe um und schleudert sie mit ihrem stumpfen Ende auf die Königin. Sie vermag diesem Wurf nicht standzuhalten und stürzt zu Boden. Lapidar bemerkt der Erzähler dazu: „König Günther hätte das wahrlich niemals fertiggebracht“ (460,4). Sogleich erhebt Brünhilt sich wieder und
ruft
Günther ihre Anerkennung zu. Dann ergreift sie voll Zorn den riesigen Stein, wirft ihn ein großes Stück und springt in voller Rüstung hinter dem Wurfe her. Wohl zwölf Klaf¬ ter weit ist der Stein geflogen, aber diese Weite überbietet die jungfräuliche Königin noch mit ihrem Sprung. Siegfried indes übertrifft sowohl die erste wie die zweite Entfernung, und dies, obwohl er im Sprunge noch König Günther tragen muß. Brünhilt wird rot vor Wut und erklärt ihrem Gefolge mit lauter Stimme: „Ihr sollt alle dem König Günther untertan werden“ (466, 4). Ihre Recken legen ihre Waffen ab und werfen sich ihrem neuen Herrn zu Füßen, und auch Brünhilt übergibt sich in seine Gewalt, indem sie seine Hand ergreift. Dann gehen sie alle in den Palas. Siegfried hat mittlerweile seine Tarnkappe auf das Schiff¬ lein zurückgebracht und sucht dann ebenfalls den Saal auf. In kluger Verstellung fragt er Günther, weshalb er noch warte, warum er denn nicht mit den Spielen anfange. Er¬ staunt will Brünhilt von ihm wissen, wie das komme, daß er die Spiele und Günthers Sieg nicht gesehen habe. Hagen antwortet ihr, Siegfried sei während der Spiele auf dem Schiff gewesen. Nun äußert Siegfried seine Genugtuung, daß Brünhilt überwunden ist: „Welch frohe Kunde, daß Euer Hochmut hier so daniederliegt, daß jemand lebt, der Euer Meister sein kann. Nun müßt Ihr, edle Jungfrau, uns von hier an den Rhein folgen“ (474). Da erklärt Brünhilt, das könne nicht geschehen, bevor ihre Verwandten und ihre Mannen nicht über das Ereignis unterrichtet seien, und sie läßt diese durch Boten herbeiholen. In Scharen treffen sie auf Brünhilts Burg ein. Hagen fürchtet, Brünhilt könne einen
8. Aventiure
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Anschlag auf die Burgunden planen, doch Siegfried ver¬ sichert, das werde er zu verhindern wissen: er will ihnen in kurzer Zeit die Hilfe von tausend hervorragenden Recken verschaffen. Günther bittet ihn, nicht zu lange wegzubleiben, und Siegfried sagt ihm zu, in wenigen Tagen wieder da¬ zusein. 8. Aventiure (Str. 482-528) Siegfried setzt die Tarnkappe auf und rudert das Schifflein mit so kräftigen Schlägen vom Ufer fort, daß es dahin¬ schießt wie vom Winde getrieben. Und da niemand den Steuermann sehen kann, glaubt man, daß ein besonders starker Wind das Schiff hinwegführe. Innerhalb eines Tages und einer Nacht kommt Siegfried zum Nibelungenland, dessen Herr er ist. Wie es sich gebührt, sind die Tore der Burg fest verschlossen. Siegfried schlägt kräftig ans Tor. Auf die Frage des Riesen, der Burgwächter ist, wer an das Tor schlage, antwortet Siegfried mit verstellter Stimme, er sei ein einsam umherziehender Held, und fordert ihn auf, das Tor zu öffnen. Der Riese aber wappnet sich und greift Sieg¬ fried mit einer Eisenstange an, so daß der König in Bedräng¬ nis gerät und um sein Leben fürchten muß. Trotzdem ist ihm Siegfried ob der Verläßlichkeit, mit der er die Burg hütet, gewogen. Nach hartem Kampf überwindet Siegfried den Riesen und bindet ihn. Den Kampflärm hat auch der Zwerg Alberich vernommen. Er wappnet sich und eilt vor die Burg. Sogleich dringt er auf Siegfried ein. Mit einer Geißel, an der sieben schwere Metallkugeln hängen, schlägt er so heftig auf Siegfrieds Schild, daß dieser zersplittert. Siegfried jedoch will seinem Kämmerer nicht das Leben nehmen und stößt deshalb sein Schwert in die Scheide. Im Ringkampf wird Alberich besiegt und danach gebunden. Auf die Frage des Zwerges, wer er sei, gibt sich Siegfried zu erkennen. Da freut Alberich sich, hat er doch erfahren, daß Siegfried zu
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Nibelungenlied: Nacherzählung
Recht Herr des Landes ist. Siegfried löst nun des Riesen und Alberichs Fesseln und befiehlt dem Zwerg, die Nibelun¬ gen herbeizuholen. Aus den dreitausend Recken, die ge¬ kommen sind, wählt Siegfried die tausend besten aus. Er trägt ihnen auf, sich prächtig auszustatten, und führt sie so schnell wie möglich nach Isenstein. Als Brünhilt die Schiffe sieht, die sich ihrem Lande nahen, fragt sie, wer die Krieger sind. Günther antwortet ihr, es seien seine Leute, die er in der Nähe zurückgelassen und nach denen er gesandt habe. Da Günther der Königin gesagt hat, daß sie die Ankömmlinge vor dem Palas begrüßen solle, geht sie ihnen entgegen, beachtet aber Siegfried, im Unterschied zu den anderen, kaum. Zur Bekundung ihrer Freigebigkeit wünscht Brünhilt, ihren Gästen Silber und Gold verteilen zu lassen. Dancwart erklärt sich bereit, diese Aufgabe zu übernehmen, verfährt dabei jedoch so großzügig, daß es der Königin leid tut. Sie klagt Günther, daß Danc¬ wart ihr gesamtes Gold verschwende, so, als ob sie zu ster¬ ben gedächte und daher in Zukunft kein Gold mehr benötigte. Hagen klärt sie darüber auf, daß König Günther so viel besitze, daß sie nicht beabsichtigten, ihren Schatz an den Rhein zu führen. Aber Brünhilt möchte zwanzig Reisetruhen voll Gold und Seidenstoffen mitnehmen, die sie in Günthers Land verteilen kann. So geschieht es. Bei der Verpackung sind Brunhilts eigene Kämmerer zugegen, da die Königin Dancwart nicht traut, was Günthers und Hägens Heiterkeit hervorruft. Vor der Abreise bestellt Brünhilt, nicht, ohne vorher Günther um Rat gefragt zu haben, ihren Oheim zum Statthalter und wählt aus ihrem Gefolge eine größere An¬ zahl von Männern, Frauen und Jungfrauen aus, die sie in ihre neue Heimat begleiten sollen. Zum Abschied küßt Brün¬ hilt ihre nahen Verwandten, die sie nicht Wiedersehen wird. Der Überfahrt der Flotte kommt ein günstiger Wind zu¬ statten. Günther will schon auf dem Schiff die Ehe mit Brünhilt vollziehen, doch verweigert sie sich ihm.
9. Aventiure
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9. Aventiure (Str. 529-578) Nach neuntägiger Fahrt mahnt Hagen seinen König, nicht länger damit zu warten, Boten nach Worms zu senden. Günther stimmt Hagen zu und bittet ihn, selbst die Aufgabe des Boten zu übernehmen, da hierfür niemand besser geeig¬ net sei als er. Aber Hagen lehnt ab: „Ich bin kein guter Bote“ (531, lb); er will lieber auf dem Schiff für das Wohl¬ ergehen der Damen sorgen und schlägt vor, Siegfried als Boten nach Worms zu schicken. Sollte er hierzu nicht bereit sein, soll Günther ihn bitten, es seiner Schwester zuliebe zu tun. Es geschieht genauso, wie Hagen es vorhergesehen hat: Siegfried widersetzt sich zunächst Günthers Bitte, erfüllt sie jedoch, als Günther sie unter Hinweis auf Kriemhilt wieder¬ holt - „was immer Ihr um ihretwillen gebietet, das ist alles (schon) getan“ (536, 4). So reitet Siegfried mit vier¬ undzwanzig Begleitern nach Worms, während das Gros der Ritter und die Frauen auch weiterhin mit dem Schiff fahren. Als Siegfried ohne den König in Worms einreitet, fürchtet man dort, daß Günther sein Leben verloren habe, etwa auch Giselher, der Siegfried willkommen heißt. Aber Siegfrieds Bericht zerstreut rasch alle Besorgnisse. Giselher übernimmt es selbst, seine Mutter und seine Schwester davon zu unter¬ richten, daß sie Siegfried empfangen sollen, sagt ihnen aller¬ dings noch nichts über den Inhalt von Siegfrieds Botschaft, so daß Kriemhilt erst durch den geliebten Mann von dem glücklichen Ausgang der Werbung um Brünhilt erfährt. Als eine besondere Auszeichnung läßt sie den Boten sich setzen. Gern würde sie Siegfried Gold als Botenlohn geben, meint indes: „Dazu seid Ihr zu reich. Ich will Euch immer gewogen sein“
(und Euch
dadurch meine Dankbarkeit
bezeigen)
(556, 4). Siegfried erwidert, selbst wenn er dreißig Länder besäße, so würde er doch aus ihrer Hand bereitwillig Gaben entgegennehmen. Darum gibt ihm Kriemhilt vierundzwanzig mit Edelsteinen besetzte Armringe als Botenlohn, die er
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Nibelungenlied: Nacherzählung
sofort an ihre Dienerschaft, die sich in der Kemenate auf¬ hält, weiterschenkt. Dann übermittelt Siegfried den könig¬ lichen Frauen seinen Auftrag, Günther und seine Begleitung vor Worms am Ufer festlich zu empfangen. Kriemhilt ver¬ sichert daraufhin ihre Bereitschaft, in verwandtschaftlicher Verbundenheit mit ihrem Bruder alles zu tun, was dieser wünsche. Den Boten aber hätte sie am liebsten geküßt, wenn sie es nur gewagt hätte. Eine rege Geschäftigkeit entfaltet sich zur Vorbereitung des Empfangs des Königs und seiner Braut und zur Vor¬ bereitung des großen Festes, das sich anschließen wird. Ein¬ gehend schildert der Dichter die Pracht, die die Burgunden aufbieten
(wobei
seine
besondere
Aufmerksamkeit,
wie
öfters in seinem Epos, den Kleidern gilt). Die Frauen und Mädchen tragen erlesene Gewänder aus Seide und darüber wertvolle Pelze aus Zobel und Hermelin, die Sättel der Pferde, auf denen sie den Ankömmlingen entgegenreiten, sind aus rotem Gold, das Zaumzeug ist mit funkelnden Edelsteinen besetzt, die Brustriemen der Tiere bestehen aus der allerbesten Seide.
10. Aventiure (Str. 579-689) Günther und Brünhilt werden den getroffenen Vorbe¬ reitungen entsprechend prunkvoll empfangen. Zu Ehren der Ankommenden tragen die Ritter Kampfspiele aus. Günther führt seine Braut an der Hand vom Schiff, Kriemhilt geht ihnen entgegen. Die beiden Damen küssen sich, und Kriem¬ hilt heißt ihre Schwägerin in ihrem eigenen Namen und in dem ihrer Mutter und ihrer Verwandten willkommen. Auch U°te küßt ihre Schwiegertochter. Die Empfangszeremonie zieht sich lange hin. Nie hat man schönere Frauen gesehen als Kriemhilt und Brünhilt, die beide, wie der Dichter an¬ merkt, sich keinerlei trüge, d. h. keiner Schönheitsmittel
10. Aventiure
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bedienen. Die Erfahreneren aber, die schärfer beobachten, urteilen, daß man Kriemhilt vor Brünhilt den Vorzug geben müsse. Noch immer zeigen die Ritter im Buhurt ihre Künste, wobei Siegfried sich besonders hervortut. Im Aufträge Gün¬ thers sorgt Hagen dann dafür, daß der Buhurt beendet wird, damit die vielen Damen durch den aufgewirbelten Staub nicht zu sehr in Mitleidenschaft gezogen werden. Den Rest des Tages verbringen die Ritter und die Damen mit kurz¬ weiligen Gesprächen in dem Zeltlager, das vor den Toren der Stadt aufgeschlagen worden ist. Gegen Abend, als es kühl zu werden beginnt, bricht man zur Burg auf, wo ein festliches Mahl stattfinden soll. Brün¬ hilt trägt bereits die Krone als Königin der Burgunden. Noch ehe Günther das Waschwasser nimmt, das vor dem Essen gereicht wird, mahnt ihn Siegfried an sein Ver¬ sprechen, das er ihm vor der Werbung um Brünhilt gegeben hat: „Ihr sollt daran denken, was mir Eure Hand (= was Ihr mir mit Eurer Hand) geschworen habt: daß Ihr mir Eure Schwester gäbet, sobald Brünhilt in dieses Land komme. Wohin
sind
die Eide
gekommen?“
(608, 1-3).
Günther
erwidert, Siegfried habe ihn zu Recht gemahnt, er wolle nicht meineidig werden und werde tun, was in seiner Macht stehe, um Siegfried bei der Erfüllung seines Wunsches be¬ hilflich zu sein. Kriemhilt wird geholt und erscheint mit ihrem Gefolge. Giselher eilt ihr entgegen, um zu veranlassen, daß ihre Mädchen umkehren: nur sie allein soll sich zu dem König begeben. Günther bittet seine Schwester, den Eid ein¬ zulösen, den er abgelegt, indem er sie eidlich einem Recken versprochen hat. Kriemhilt antwortet, Günther brauche sie nicht flehentlich zu bitten - „wie immer Ihr mir gebietet, das soll getan sein. Ich bin gerne bereit, den zum Manne zu nehmen, den Ihr mir, Herr, zum Manne gebt“ (613, 3/4). Liebevoll blickt Kriemhilt Siegfried an, der errötet, und er erbietet sich, ihr zu Diensten zu sein. Im Kreise der Ritter wird Kriemhilt gefragt, ob sie Siegfried zum Manne wolle. Jungfräuliche Zurückhaltung läßt sie sich ein wenig schämen.
298
Nibelungenlied: Nacherzählung
Aber natürlich bejaht sie die Frage. Anschließend gelobt auch
Siegfried,
mit
Kriemhilt
die
Ehe
einzugehen.
Er
schließt seine Gattin in seine Arme und nimmt mit ihr auf dem Ehrensitz gegenüber dem burgundischen Königspaar Platz. Brünhilt aber bricht, als sie ihre Schwägerin neben Siegfried sitzen sieht, in Tränen aus. Auf Günthers Frage, was ihr sei, erklärt sie, seine Schwester tue ihr von Herzen leid, da sie mit seinem Eigenmann vermählt und dadurch erniedrigt worden sei. Günther weicht aus: Er werde ihr ein anderes Mal erzählen, warum er seine Schwester Siegfried gegeben habe, mit dem sie für immer in Freuden leben könne. Doch Brünhilt gibt sich mit dieser Antwort nicht zufrieden: Sie bedauert Kriemhilts Schönheit und Wohl¬ erzogenheit (die in einer unstandesgemäßen Ehe zugrunde gerichtet würden) und besteht darauf, zu erfahren, wieso Kriemhilt die Geliebte Siegfrieds geworden sei. Günthers Erklärung, Siegfried sei ein mächtiger König und verfüge ebenso über Burgen und Länder wie er selbst, ist nicht ge¬ eignet, Brünhilts finstere Stimmung aufzuhellen. Nach dem Mahl wird der Buhurt wiederaufgenommen und mit solcher Heftigkeit ausgetragen, daß die ganze Burg von dem Lärm der Kämpfe erfüllt ist. Günther ist verdrießlich, daß er noch in der Gesellschaft weilen muß, während sein ganzes Sinnen und Sehnen der Hochzeitsnacht mit Brünhilt gilt. Schließlich wird das ritterliche Treiben vor der Burg beendet, und das burgundische Königspaar sowie Siegfried und Kriemhilt begeben sich, jeweils geleitet von ihrem Gefolge, in ihre Gemächer.
Alsbald vollzieht Siegfried das Beilager mit
Kriemhilt, und sie beglücken einander in gegenseitiger vor¬ behaltloser Hingabe. Anders ergeht es Günther, der oft angenehmer bei anderen Frauen gelegen hat als diese Nacht bei Brünhilt. „Er glaubte, ihren lieblichen Leib minnen zu dürfen. In Wahrheit aber war es noch fern, daß sie seine Frau wurde“ (631, 3/4). Der König sucht Brünhilt, die sich in einem feinen Leinenhemd zu Bett gelegt hat, liebevoll in seine Arme zu nehmen, stößt
10. Aventiure
aber auf haßerfüllte
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Zurückweisung. Brünhilt will ihre
Jungfräulichkeit solange bewahren, bis Günther ihr das Nähere über die Ehe zwischen Siegfried und Kriemhilt mit¬ geteilt hat. Günther versucht sie nun mit Gewalt zu der Seinen zu machen. Doch die Königin greift zu ihrem Gürtel, bindet Günthers Füße und Hände zusammen, trägt ihn zu einem Nagel an der Wand und hängt ihn dort auf. Der König fleht sie an, ihm seine Fesseln zu lösen, und ist bereit, ihr Fager künftighin zu meiden. Aber sie kümmert sich nicht darum, wie es ihm an der Wand ergeht, ruht sie selbst doch bequem im Bett. Bis zum Tagesanbruch muß Günther in seiner Stellung verbleiben. Dann fragt ihn Brünhilt: „Nun sagt mir, Herr Günther, ist Euch das nicht leid, wenn Eure Kämmerer Euch von der Hand einer Frau gebunden fin¬ den?“ (640, 1-3). Günther erwidert zwar einerseits, das würde ihr übel ausschlagen, während er keine Ehre davon hätte, sichert ihr aber andererseits zu, er werde nie mehr mit seinen Händen ihr Kleid berühren. Daraufhin löst sie ihn von seinen Banden. Er legt sich ins Bett, jedoch abseits von der Königin. Am Morgen suchen die beiden Paare das Münster auf. Dort wird eine Messe zelebriert und die Ehen werden ein¬ gesegnet. Außerdem findet die Schwertleite von sechshundert jungen Adligen statt. Die freudige Stimmung ist allgemein, Günther aber ist traurig. Siegfried bemerkt Günthers Stim¬ mung und weiß sogleich, welchen Grund sie hat. Der burgundische König sagt zu seinem Gast, er habe Schande und Schaden, „denn ich habe (mir) den bösen Teufel ins Haus geladen“ (649, 2), und er erzählt, wie es ihm in der letzten Nacht ergangen ist. Siegfried bedauert das Mißgeschick sei¬ nes Schwagers und verspricht ihm, es in der folgenden Nacht dahinzubringen, daß Brünhilt ihm nicht mehr ihre Minne versage. Günther ist froh über diese Ankündigung, und Siegfried wiederholt, daß Brünhilt noch heute nacht Gün¬ thers Frau werden müsse. In seiner Tarnkappe will er heim¬ lich in Günthers Kemenate kommen und Brünhilt bezwin-
300
Nibelungenlied: Nacherzählung
gen. Dem König ist das recht, und er gibt ihm freie Hand, mit Brünhilt zu verfahren, wie er will, ihr notfalls sogar das Leben zu nehmen („sie ist ein schreckliches Weib“, 655, 4b), nur nicht, sie zu minnen, was Siegfried sofort zu¬ sagt: Er liebt allein Kriemhilt, die ihm lieber als sein Leben ist und die ihm über allen Frauen steht, die er je gesehen hat. Die Abendmahlzeit dauert Günther viel zu lang. Er ist voll froher Erwartung im Hinblick auf das, was sein Schwa¬ ger ihm in Aussicht gestellt hat, und voll Ungeduld. Alle seine Gedanken sind auf den Vollzug der Ehe mit Brünhilt gerichtet. Kriemhilt drückt zärtlich die Hand ihres Mannes. Da verschwindet er plötzlich vor ihren Augen (er hat die Tarnkappe aufgesetzt) und begibt sich in Günthers Gemach, wo er die von Pagen gehaltenen Lichter auslöscht. Günther schickt die Mädchen und Frauen fort und verschließt eigen¬ händig die Tür mit zwei starken Riegeln. Siegfried legt sich neben die Königin, die ihn warnt, daß es ihm wie gestern ergehen werde. Kein Wort sagt Siegfried, um sich nicht zu verraten. Günther hört, obwohl er es nicht sieht, daß zwi¬ schen den beiden kein Liebesspiel stattfindet. Siegfried ver¬ hält sich, als wäre er Günther: Er umarmt Brünhilt, worauf¬ hin diese ihn aus dem Bett schleudert, so daß sein Kopf an einer Fußbank aufschlägt. Doch Siegfried versucht erneut, sie zu umarmen. Nun beginnt ein heftiges Ringen zwischen ihnen. Brünhilt will ihn ebenso binden wie am Abend zuvor Günther. Mit ihrer riesigen Leibeskraft trägt sie den Mann aus dem Bett und drückt ihn zwischen die Wand und eine Truhe. Bei dem Gedanken, daß er sein Leben durch eine Jungfrau verlieren werde, was dazu führe, daß hinfort alle Frauen gegenüber ihren Männern einen übermütigen Sinn zeigten, wird Siegfried von Scham und Zorn erfüllt, und er leistet Brünhilt erbitterten Widerstand. Sie drückt seine Hände derart zusammen, daß ihm das Blut aus den Nägeln rinnt. Er aber, aufs äußerste erzürnt, preßt die Königin so gewaltig aufs Bett, daß sie vor Schmerz laut aufschreit. Den-
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noch greift sie nach ihrem Gürtel an ihrer Seite, um Sieg¬ fried zu binden. Aber er bedrängt sie so, daß ihre Glieder und ihr ganzer Körper krachen. Da gibt sie das Ringen auf und verspricht dem vermeintlichen Günther, sich seinem Liebesverlangen nie mehr zu widersetzen, weil sie gefunden habe,
„daß
du verstehst,
Meister der
Frauen zu sein“
(678, 4b). Ohne daß Brünhilt es merkt, zieht ihr Siegfried einen goldenen Ring vom Finger und nimmt ihr auch ihren Gürtel. „Ich weiß nicht, ob er das aus seinem Übermut her¬ aus tat“, bemerkt der Erzähler dazu (680, 2), und er fährt fort: „Er gab sie seiner Frau; das wurde ihm später leid“ (680, 3). Nun kann sich Günther zu Brünhilt legen, die sich ihm nicht mehr verweigert. Zugleich mit ihrer Jungfräulich¬ keit hat sie auch ihre übermenschliche Kraft verloren: von nun an ist sie nicht stärker als irgendeine andere Frau, und selbst wenn sie versucht hätte, Günther weiter zu wider¬ stehen, hätte es ihr nichts mehr genützt. Heimlich hat Sieg¬ fried die Kemenate wieder verlassen und ist zu Kriemhilt gegangen. Lange verbirgt er vor ihr, was er mitgebracht hat, bis sie Königin in seinem eigenen Lande ist. Doch dann unterläßt er nicht, ihr Brünhilts Ring und Gürtel zu geben. — Vierzehn Tage dauert das Fest. Nie ist es Gästen besser ergangen als auf ihm, und viele Fahrende erhalten reiche Gaben: Gold und Silber, Gewänder und Pferde.
11. Aventiure (Str. 690-723) Nachdem die Gäste alle aufgebrochen sind, will nun end¬ lich auch Siegfried in sein Land zurückkehren. Kriemhilt nimmt den Entschluß ihres Mannes mit Freude auf, wünscht aber, daß ihre Brüder vorher mit ihr die burgundischen Lande teilen, etwas, woran Siegfried gar kein Interesse hat, so daß die von Kriemhilt geäußerte Forderung ihm leid ist. Die drei burgundischen Könige versichern ihm, ihm in Treue
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Nibelungenlied: Nacherzählung
immer und bis zu ihrem Tode zur Verfügung zu stehen, und sind ihrerseits zu der Teilung des Landes bereit, doch lehnt Siegfried ihr Angebot ab. Kriemhilt verzichtet daraufhin auf die Teilung, nicht aber auf die Forderung, die ihr zu¬ stehende Anzahl von Lehnsmannen zu erhalten. Gernot sagt ihr zu, sie könne aus dreitausend Recken diejenigen tausend als ihren persönlichen Hofstaat auswählen, die sie mitzu¬ nehmen wünsche. Da läßt Kriemhilt Hagen und seinen Neffen Ortwin holen, um sie und ihre Leute mit sich nach Xanten zu führen. Diese Absicht Kriemhilts erregt Hägens Zorn: „Wahrlich, Günther kann uns niemandem auf Erden übergeben. Euer anderes Gesinde, das laßt mit Euch gehen. Denn Ihr kennt doch gewiß der Troneger Sitte: Wir müssen bei den Königen hier am Hofe bleiben. Wir werden ihnen, denen
wir bisher
gefolgt sind,
auch
fernerhin
dienen“
(698, 4-699, 4). So muß Kriemhilt auf Hagen verzichten. Der vornehmste Lehnsmann, der sie nach Xanten begleitet, ist Graf Eckewart; insgesamt nimmt sie aus Worms fünf¬ hundert Mann und zweiunddreißig Mädchen mit. Ihre Ver¬ wandten geben Kriemhilt auf der Reise eine große Strecke das Geleit. Bald werden Boten zu Sigemunt und Sigelint vorausgesandt, um ihnen zu melden, daß ihr Sohn mit seiner Frau Kriemhilt kommen werde. Das alte Königspaar ist über diese Nachricht hocherfreut, und Sigemunt erklärt sogleich, zugunsten seines Sohnes abdanken zu wollen. Sige¬ lint und Sigemunt reiten selbst Siegfried und seiner Frau mit großem Gefolge eine Tagereise weit entgegen und küssen vor Freude lachend immer wieder die beiden. Und so großartig das Fest in Worms auch gewesen ist: das in Xanten über¬ trifft es noch mit der auf ihm gezeigten Freigebigkeit. Sige¬ munt teilt jetzt offiziell seinen Entschluß mit, die Herrschaft seinem Sohne Siegfried zu übergeben. Als Herrscher ist Siegfried hoch geachtet, wegen seiner Strenge aber auch gefürchtet. Im zehnten Jahr ihrer Ehe schenkt Kriemhilt einem Sohn das Leben, der in der Taufe nach seinem Oheim den Namen Günther erhält. In eben-
12. Aventiure
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dieser Zeit stirbt Sigelint, die Königinmutter, und von nun an hat Kriemhilt die volle Herrschermacht, in die sie sich bisher mit ihrer Schwiegermutter geteilt hat. Auch Brünhilt wird Mutter eines Kindes, das Siegfried genannt wird. Beide Länder, das Siegfrieds wie das Günthers, erfreuen sich all¬ gemeinen Ansehens. Siegfried gehört außer dem vom Vater ererbten Land auch das der Nibelungen, wo der größte Hort sein eigen ist, den je ein Held gewonnen hat.
12. Aventiure
(Str. 724-777) Brünhilt indes denkt ständig: „Wie trägt Frau Kriemhilt sich (= den Kopf) so hoch? Nun ist doch Siegfried, ihr Mann, unser Vasall. Er hat uns nun gar lange keine Dienste geleistet“ (724, 2-4). Sie nimmt Anstoß daran, daß Sieg¬ fried seine Dienstpflichten 3 gegenüber Günther nicht erfülle, und hätte gern erfahren, wieso das kommt. Darum wendet sie sich mit der Frage an den König, ob es nicht möglich sei, noch einmal Kriemhilt (und damit zugleich Siegfried) zu sehen. Günther gefällt diese Absicht seiner Frau durchaus nicht, und er versucht sie ihr auszureden, indem er auf die große Entfernung verweist, die sein Land und das Siegfrieds trenne und die eine Einladung unmöglich mache. Brünhilt entgegnet klug, wie mächtig auch der Mann eines Königs sein möge, dürfe er es doch nicht unterlassen, das zu tun, was sein Herr ihm gebiete. Günther lächelt ob der irrigen Vorstellung Brünhilts über das Verhältnis zwischen ihm und Siegfried. Aber Brünhilt wiederholt hartnäckig ihren Wunsch, Kriemhilt und Siegfried nach Worms kommen zu lassen, wobei sie jetzt die Freude, ihre Schwägerin wieder¬ zusehen, in den Vordergrund rückt. Endlich gibt Günther dem Drängen seiner Frau nach. Er sendet dreißig Boten in 3 Darunter sind Lehnsdienste, aber auch Abgaben zu verstehen.
304
Nibelungenlied: Nacherzählung
Siegfrieds Land, die dem König und seiner Gattin die Ein¬ ladung zu einem Fest in Worms überbringen sollen. Brünhilt stattet die Boten mit kostbaren Gewändern aus. Die Boten treffen Siegfried nicht in seinem Reich am Niederrhein, sondern im Nibelungenland, in der Mark von Norwegen, an. Drei Wochen sind sie unterwegs gewesen, bis sie Siegfried und Kriemhilt gefunden haben. Kriemhilt er¬ hält die Nachricht, daß Ritter angekommen seien, die Klei¬ der nach burgundischem Schnitt trügen, als sie auf einem Ruhebett liegt. Sie läßt eines ihrer Mädchen, das ihr be¬ richten soll, ans Fenster treten, und das Mädchen erkennt den Markgrafen Gere, den Führer der Boten. Diese werden sehr freundlich aufgenommen. Nachdem Gere und seine Begleiter vor dem Königspaar erschienen sind, bittet man den Markgrafen, sich zu setzen. Doch höfisch-zuchtvoll lehnt er die Aufforderung ab, bis er seine Botschaft ausgerichtet hat. Siegfried erkundigt sich, wie es den Verwandten seiner Frau ergangen ist, seitdem er und Kriemhilt von ihnen Abschied genommen haben, und sagt sofort seine Hilfe zu, falls sie von Feinden bedrängt würden. Gere überbringt Siegfried und Kriemhilt nun Günthers Einladung. Siegfried erklärt, er könne sie schwerlich annehmen, Kriemhilt aber dünkt die Botschaft ihrer Verwandten gut. Danach fordert der König Gere nochmals zum Sitzen auf und läßt die Boten bewirten. Mittlerweile ist auch Sigemunt hinzugekommen, der die Boten ebenfalls willkommen heißt, und er meint,' man sollte sie öfter in diesem Lande sehen. Neun Tage blei¬ ben Günthers Beauftragte ohne Antwort. In der Zwischen¬ zeit hat Siegfried seine Freunde holen lassen, um sich mit ihnen über die an ihn ergangene Einladung zu beraten, gibt aber sogleich zu erkennen, daß er nicht abgeneigt ist, die Reise anzutreten. Seine Mannen raten ihm, die Einladung anzunehmen und mit tausend Recken an den Rhein zu ziehen. Sigemunt will seinen Sohn mit weiteren hundert Kriegern begleiten, was diesen sehr erfreut. Nun werden die Boten über Siegfrieds Antwort unterrichtet und von dem
13. Aventiure
305
Königspaar so reich beschenkt, daß ihre Reitpferde die Gaben nicht tragen können, sondern Saumtiere mit ihnen beladen werden müssen. Während Siegfried und Kriemhilt die Vorbereitungen für die Reise treffen - die Frauen, die Kriemhilt auf dem Zug nach Worms begleiten sollen, werden mit kostbaren Ge¬ wändern ausgestattet und nicht minder kostbar ist die Aus¬ rüstung der Ritter —, kehren Gere und seine Begleiter nach Worms zurück. Eine neugierige Menge umdrängt die An¬ kommenden und will wissen, was sie zu berichten haben. Aber Gere verweist sie auf die offizielle Berichterstattung vor Günther. Bei ihr erkundigt sich Brünhilt ausdrücklich nicht bloß, ob Kriemhilt kommen werde, sondern auch, ob sie noch die gleiche feine höfische Lebensart pflege wie früher. Gere erwidert nur, daß Kriemhilt gewiß komma. Dann empfängt auch Uote die Boten, um sich von ihnen über das Ergehen ihrer Tochter berichten zu lassen. Die überaus reichen Geschenke, die die Boten von Siegfried und Kriem¬ hilt erhalten haben, erregen das Staunen der Mannen am burgundischen Hofe. Hagen jedoch meint abschätzig, Sieg¬ fried könne leicht etwas weggeben, da er ja den Nibelungen¬ hort besitze, und fügt hinzu: „Hei! Käme der jemals in der Burgunden Land!“ (774, 4). Jetzt setzen auch in Worms eifrig die Vorbereitungen für das bevorstehende Fest ein, die Hunolt, der Kämmerer, und Sindolt, der Schenk, beauf¬ sichtigen,
worin
sie
Ortwin
tatkräftig
unterstützt.
Der
Küchenmeister Rumolt aber kümmert sich um die Speisen und die zu ihrer Zubereitung benötigten Kessel, Töpfe und Pfannen. 13. Aventiure (Str. 778-813) In der Erwartung großer Freude reiten Siegfried und Kriemhilt nach Worms - „seitdem wurde sie ihnen allen in großes Leid verwandelt“, bemerkt der Erzähler hierzu
306
Nibelungenlied: Nacherzählung
(779, 4). Ihren kleinen Sohn lassen sie zu Hause zurück „seinen Vater und seine Mutter sah das Kindlein niemals wieder“, lautet dazu eine weitere Vorausdeutung des Er¬ zählers (780, 4). Sigemunt begleitet seinen Sohn und seine Schwiegertochter - und zum drittenmal in drei aufeinander¬ folgenden Strophen kündet der Erzähler von drohendem Unheil, wenn er hinzufügt: Hätte Sigemunt gewußt, was sich nach dieser Zeit auf dem Fest ereignete, würde er es nie gesehen haben. Nach Worms werden Boten voraus¬ geschickt, die die Ankunft der Gäste melden sollen. Günther sucht seine Frau auf und mahnt sie, seine Schwester so will¬ kommen zu heißen, wie sie selber seinerzeit von ihr empfan¬ gen worden ist, was Brünhilt sofort zusagt. Nun werden die letzten Vorbereitungen für den Empfang am nächsten Mor¬ gen getroffen. Das Königspaar selbst zieht mit großem Ge¬ folge seinen Gästen entgegen, und nach dem Urteil der An¬ wesenden übertrifft die Freundlichkeit, mit der Brünhilt ihre Schwägerin begrüßt, noch die Kriemhilts bei Brünhilts Ankunft am Rhein vor vielen Jahren. Auch Sigemunt und Siegfried werden mit größter Liebenswürdigkeit empfan¬ gen, und Sigemunt äußert dabei seine Freude, hierzusein, indem er zu Günther sagt, seitdem sein Sohn der Verwandte der burgundischen Könige geworden sei, habe ihn sein Herz getrieben, sie einmal zu sehen. Nachdem die Begrüßungs¬ zeremonie zu Ende ist, reitet man auf die Stadt zu, während die Ritter zu Ehren der Gäste ihre Reit- und Fechtkünste zeigen. Lange verweilt Günther mit seinen Gästen vor dem Tor, um dem Treiben zuzuschauen. Endlich begibt man sich zum Palas, wo die Xantener in ihre Gemächer geführt werden. Brünhilt aber wirft immer wieder einmal einen Blick auf Kriemhilt, die in ihrer ganzen Schönheit erstrahlt. Mit herzlicher Gastfreundschaft werden die Gäste aufge¬ nommen und bewirtet. Wie seinerzeit bei den Vermählungs¬ feierlichkeiten wird Siegfried der Ehrenplatz dem König gegenüber eingeräumt, und wohl zwölfhundert Recken sit¬ zen in seinem Kreis. Brünhilt denkt bei diesem Anblick, daß
14. Aventiure
307
Unfreie nicht mächtiger und reicher sein könnten, ist je¬ doch noch frei von irgendwelchem Haß auf Siegfried. Am Morgen werden die Ritterspiele fortgesetzt, zunächst nur von den jungen Rittern, dann auch von den berühmten Kriegern. Günther und seine Verwandten beteiligen sich gleichfalls an dem Turnier, dem die Frauen und Mädchen von den Fenstern der Burg aus Zusehen. Bis zum elften Tag herrscht so eine ununterbrochene und ungetrübte Festfreude.
14. Aventiure (Str. 814-876) Bei einem Ritterspiel, das am Nachmittag stattfindet, sitzen die beiden Königinnen, Kriemhilt und Brünhilt, ne¬ beneinander und schauen dem Treiben zu. Voll Stolz auf Siegfried meint Kriemhilt, sie habe einen solchen Mann, daß alle diese Länder ihm gehören sollten. Brünhilt verweist demgegenüber darauf, daß dies nicht möglich sein könne, solange Günther lebe. Doch Kriemhilt achtet gar nicht auf diesen Einwand, sondern fährt fort, Siegfried zu rühmen. Ihre Schwägerin Günther,
beansprucht dagegen
woraufhin Kriemhilt
den
Siegfrieds
Vorrang für Ebenbürtigkeit
versichert. Nun aber erklärt Brünhilt geradezu, sie habe von Günther und Siegfried, als sie sie zum erstenmal gesehen hat, sagen hören, Siegfried sei der Mann des Königs, wes¬ halb sie ihn für eigen halte. Kriemhilt ersucht ihre Schwä¬ gerin freundlich, aber bestimmt, solche Reden zu unter¬ lassen, was diese indes nicht tut: Sie will nicht auf den Dienst so vieler Ritter verzichten. Das versetzt Kriemhilt in Zorn: Brünhilt müsse auf Siegfrieds Dienstleistungen ver¬ zichten; sie behauptet jetzt geradewegs: „Er ist vornehmer als Günther, mein Bruder“ (824, 2b/3a) und fügt spottend hinzu, es wundere sie sehr, daß Siegfried so lange keine Abgaben entrichtet habe, da er doch Brünhilts eigen und sie über ihn und sie, Kriemhilt, so mächtig sei. Die burgun-
308
Nibelungenlied: Nacherzählung
dische Königin will eine Rangprobe: Sie will sehen, ob Kriemhilt ebenso geehrt wird wie sie. Kriemhilt geht so¬ gleich darauf ein und setzt die Bedingungen fest, unter denen sich die Rangprobe vollziehen soll: „Da du von mei¬ nem Manne behauptet hast, er sei ein Eigenmann, so mögen (noch) heute die Mannen der beiden Könige wahrnehmen, ob ich vor der Frau des Königs in das Münster gehen darf“ (827, 2-4). Noch einmal behauptet sie, Siegfried sei vor¬ nehmer als Günther, und sie beansprucht eine solche Vor¬ rangstellung nun auch für sich selbst. Ihren Mädchen trägt Kriemhilt auf, sich so prächtig wie nur möglich zu kleiden: „Ich muß hier ohne Schande bleiben“ (831, 2). Mit den dreiundvierzig Mädchen, die sie nach Worms mitgebracht hat, begibt sich Kriemhilt zum Münster - zur Verwun¬ derung der Leute getrennt von Brünhilt und deren Gefolge. Die burgundische Königin erwartet die mit größter Pracht gekleidete Kriemhilt und deren ebenfalls aufs kostbarste angezogene Mädchen vor dem Münster. Voller Haß und Bosheit heißt sie ihre Schwägerin Stillstehen und schleudert ihr die Worte entgegen: „Wahrlich, es darf die leibeigene Dienerin nicht vor der Frau des Königs gehen“ (838, 4). Diese in
aller Öffentlichkeit ausgesprochene Beleidigung
reizt Kriemhilt, nun ihrerseits Brünhilt aufs schwerste zu beschuldigen: „Du hast selbst Schande über dich gebracht: Wie könnte die Kebse eines Eigenmannes je die Frau eines Königs werden?“ (839, 3/4). Auf Brünhilts Frage, wen sie eine Kebse gescholten habe, erklärt sie, es sei nicht ihr Bruder gewesen, der Brünhilt ihre Jungfrauschaft genom¬ men
habe,
sondern
Siegfried,
ihr,
Kriemhilts,
geliebter
Mann. Und höhnisch dann: „Warum ließest du ihn (dich) lieben, da er (doch) dein Eigenmann ist?“ (841, 2). Kriem¬ hilt kümmert es nicht, daß ihre Schwägerin diese Anschul¬ digung Günther mitteilen will. Während Brünhilt in Trä¬ nen ausbricht, betritt Kriemhilt vor ihr das Münster. Nach dem Gottesdienst erwartet die Wormser Königin Kriemhilt wieder vor der Kirche, um Aufklärung über den von ihr
14. Aventiure
309
erhobenen Vorwurf zu verlangen. Und sie ist entschlossen: „Hat er [Siegfried] an sein Leben“
sich dessen gerühmt, geht es (ihm)
(845, 4). Sie fordert von Kriemhilt Be¬
weise für ihre Behauptung. Kriemhilt zeigt ihr daraufhin den Ring, den ihr Siegfried nach ihrer Überwindung vom Finger gezogen hat. Brünhilt erwidert, dieser Ring sei ihr gestohlen worden, jetzt wisse sie, wer ihn ihr genommen habe, das heißt, sie bezichtigt Kriemhilt des Diebstahls. Doch diese entgegnet, wenn Brünhilt ihre Ehre lieb wäre, hätte sie besser geschwiegen, und sie weist Brünhilts Gürtel vor, den sie trägt und der, auch für sie selbst, es über jeden Zwei¬ fel sicherzustellen scheint, daß es keine Lüge ist, wenn sie sagt:
„Mein
Siegfried
wurde
wahrhaftig
dein
Mann“
(849, 4b). Brünhilt bricht nun in Tränen aus und läßt Gün¬ ther herbeiholen, um ihm zu klagen, wie seine Schwester sie beleidigt hat: „Sie sagt, mich habe Siegfried, ihr Mann, zur Kebse gemacht“
(853, 3). Günther antwortet darauf zu¬
nächst nur: „So hätte sie übel gehandelt“ (853, 4b). Aber Brünhilt verlangt, daß Günther sie in einem gerichtlichen Verfahren
gegen
Kriemhilts
Beschuldigungen
verteidige.
Günther läßt Siegfried holen. Als der burgundische König ihm eröffnet, wessen Kriemhilt ihre Schwägerin beschuldigt, kündigt Siegfried nicht nur an, das werde seiner Frau alsbald leid tun, sondern er erklärt sich auch sofort bereit, feierlich zu beeiden, daß er ihr das nicht gesagt hat, was sie behaup¬ tet. Die burgundischen Ritter bilden nun den zur Gerichts¬ verhandlung gehörigen Kreis. Doch Günther, der gerade noch Siegfrieds Eid gewünscht hat, verzichtet auf diesen Schwur, was die Ritter im Umstand in Erstaunen versetzt. Siegfried fordert Günther auf, auf Brünhilt einzuwirken, übermütige Reden zu unterlassen; er selbst werde das näm¬ liche bei Kriemhilt besorgen, und er versichert, daß er sich ihres unziemlichen Betragens schäme. Brünhilt ist voller Trauer. Da kommt Hagen von Tronege zu ihr und erfährt, was vorgefallen ist. Sogleich gelobt er ihr, daß Siegfried dies entgelten müsse. Es schließt sich eine
310
Nibelungenlied: Nacherzählung
Unterredung zwischen Günther, Hagen, Gernot, Giselher und Ortwin an, in der die Helden über Siegfrieds Tod be¬ raten. Giselher wendet ein, Siegfried habe keinen derartigen Haß verdient, daß er deshalb sein Leben verlieren sollte. Aber
Hagen
fragt:
„Sollen
wir Bastarde4
aufziehen?“
(867, la), und er bekräftigt seinen Vorsatz: „Daß er [Sieg¬ fried]
sich
meiner
lieben
Herrin
gerühmt
hat,
darum
will ich sterben, wenn es ihm nicht an das Leben geht“ (867, 3/4). Zwar gibt nun auch der König zu bedenken, Siegfried habe den Burgunden nur guot und ere erwiesen und sei ihnen immer treu gewesen und man solle ihn leben lassen. Aber Ortwin unterstützt die Ansicht Hägens, der unermüdlich auf Günther einwirkt, dem Mord an Sieg¬ fried zuzustimmen, wobei er ihm auch vor Augen stellt, daß Siegfrieds Tod ihm die Herrschaft über viele Länder brin¬ gen werde. Während all dieser Beratungen und Überlegun¬ gen setzen Siegfrieds Mannen die Festfreude fort, wohin¬ gegen viele Burgunden über die Kränkung ihrer Königin aufgebracht
sind.
Noch
einmal
versucht
Günther,
das
drohende Unglück von Siegfried, der ihnen zum Heil und zur Ehre geboren sei, abzuwenden, und er verweist auch auf Siegfrieds unüberwindliche Stärke. Doch Hagen versichert, er werde es heimlich so einzufädeln wissen, daß Brünhilts Weinen Siegfried leid werde. Auf Günthers Frage, wie das geschehen könne, entwickelt Hagen seinen Plan: Angebliche Boten sollen nach Worms reiten, um den Burgunden Krieg zu erklären. Siegfried werde Günther dann geloben, sich an dem Kriegszug zu beteiligen, und auf ihm sein Leben verlieren. Die Stelle, wo Siegfried verwundbar sei, werde er, Hagen, schon von Knemhilt erfahren. Der Erzähler aber kennzeichnet das, was hier anhebt, als große Treulosigkeit
4 Der von Hagen hier gebrauchte Begriff gouch erlaubt eine unterschiedliche Auffassung des Gemeinten. So versteht ihn Hel¬ mut de Boor im Sinne von ‘Buhler’ Ausgabe, S. 146).
(Anmerkung zur Stelle,
15. Aventiure
311
und kündet voraus: „Infolge des Zankes zweier Damen verlor gar mancher Held sein Leben“ (876, 4).
15. Aventiure (Str. 877-915) Am vierten Morgen nach dem Mordrat der Burgunden erscheinen zweiunddreißig angebliche Boten am Wormser Hof, um Günther den Krieg zu erklären. Sie geben sich als Gesandte des einst von Siegfried besiegten Liudeger aus und künden in seinem Namen und in dem von Liudegast den seinerzeit geschlossenen Frieden auf. Günther tut so, als ver¬ setze ihn diese Botschaft in Zorn, und er verabschiedet die Boten sehr kurz. Heimlich berät er sich mit seinen Ver¬ wandten und Freunden. Viele von ihnen hätten den An¬ schlag auf Siegfried gerne noch verhindert. Aber Hagen ist nicht von seinem Vorsatz abzubringen. Eines Tages kommt Siegfried dazu, als sich die Burgunden heimlich beraten, und erfährt auf seine Frage von der Kriegserklärung des sächsi¬ schen und des dänischen Königs. Sofort ist Siegfried wieder zur Hilfe bereit und stellt in Aussicht, mit Günthers Fein¬ den ebenso verfahren zu wollen wie damals. Da er diesmal seine eigenen Leute dabei hat, könne Günther mit seinen Rittern zu Hause bleiben. Zum Zeichen seiner Dankbarkeit verneigt sich Günther, der treulose Mann (887, 3), tief vor Siegfried. Dieser trifft nun die Vorbereitungen für den Feldzug. Sigemunt soll hier in Worms bei dem König
Zu¬
rückbleiben. Voller Zuversicht sagt Siegfried zu seinem Va¬ ter: „Wir kommen in kurzer Zeit, wenn uns Gott Glück verleiht, wieder hierher an den Rhein“ (889, 2b/3). Während der burgundische Troß für den bevorstehenden Zug gerüstet wird - auch er ist der Meinung, daß es sich tatsächlich um einen Krieg handelt -, sucht Hagen Kriemhilt auf. Sie ist stolz auf Siegfried, der ihre Verwandten so schützen kann, und bittet Hagen, ihn nicht entgelten zu
312
Nibelungenlied: Nacherzählung
lassen, wenn sie Brünhilt Unrecht getan habe. Das habe sie inzwischen bereut; auch habe Siegfried sie wegen ihrer Brün¬ hilt
kränkenden
Reden
kräftig verprügelt.
Hagen,
der
Kriemhilt zweimal betont mit ‘(meine) liebe Herrin’ an¬ spricht (895, 2; 905, 1), spielt ihr seine Dienstbereitschaft vor. Kriemhilt erklärt ihm, sie wäre ohne jede Sorge um Siegfried, wenn er sich nur nicht von seiner Tollkühnheit zu unvorsichtigem Handeln verleiten ließe. Sogleich greift Ha¬ gen diese Sorge Kriemhilts, auf die er es gerade abgestellt hat, auf, indem er sagt, Kriemhilt solle ihn wissen lassen, wie er es verhindern könne, daß ihrem Mann etwas zustoße. Ausdrücklich empfiehlt Kriemhilt nun Siegfried Hägens, ihres Verwandten, Schutz und teilt ihm das Geheimnis von Siegfrieds gefährdeter Stelle mit: Als Siegfried in dem ihn unverwundbar machenden Blute des Drachen badete, fiel ihm ein großes Lindenblatt zwischen die Schulter, und eben dies ist der Ort, an dem er verwundbar ist. Hagen rät Kriemhilt jetzt dringend, auf Siegfrieds Gewand ein Zeichen aufzunähen, damit er genau wisse, auf welche Stelle er im Kampf besonders achten müsse, um Siegfried zu behüten. Kriemhilt geht auf diesen Vorschlag ein: Mit feinen Seiden¬ fäden will sie auf Siegfrieds Gewand ein kleines Kreuz auf¬ nähen, wie sie meint zu seinem Schutz - doch gerade damit wird Siegfried verraten. Fröhlich geht Hagen davon. Der Erzähler aber fügt hinzu: „Ich glaube, daß nie mehr irgend¬ ein Recke einen so großen Verrat begeht, wie er [Hagen] da beging, als sich Kriemhilt, die Königin, auf seine Treue verließ“ (906, 2-4). Am nächsten Morgen ist Siegfried mit seinen tausend Nibelungen zum Aufbruch bereit. Nachdem Hagen sich durch einen Blick vergewissert hat, daß das mit Kriemhilt verabredete Zeichen aufgenäht ist, läßt er zwei seiner Man¬ nen auftreten, die im Namen von Liudeger die Kriegs¬ erklärung an die Burgunden zurückziehen - was Siegfried lebhaft bedauert. Günther dankt Siegfried für seinen guten Willen und kündigt statt des Kriegszuges eine Jagd im Was-
16. Aventiure
313
genwald an, an der er sich selbst beteiligen will. Auch dies hat Hagen, der treulose Mann (911, 4), geraten. Siegfried möchte an der Jagd teilnehmen und bittet Günther, ihm einen Jäger zum Aufspüren des Wildes und einige Spür¬ hunde zu überlassen. Aufgeräumt meint Günther, warum Siegfried nur einen Jäger haben wolle, er stelle ihm gern vier zur Verfügung. 16. Aventiure (Str. 916-1001) Zu Beginn dieser Aventiure bringt der Erzähler noch ein¬ mal zum Ausdruck, daß Günthers und Hägens Tun untriuwe, Treulosigkeit, ist (916, 2), und wiederum gilt eine seiner vielen Vorausdeutungen der Ermordung Siegfrieds, die er als den Rat Brünhilts bezeichnet. Siegfried geht zu Kriemhilt, um sich von ihr zu verabschieden. Sie erinnert sich voll trüber Ahnungen, was sie Hagen ausgeplaudert hat, wagt aber nicht, es Siegfried einzugestehen. Eindringlich beschwört sie ihren Mann, nicht an der Jagd teilzunehmen. In der Nacht hat sie einen unheilverkündenden Traum gehabt: Zwei wilde Schweine haben Siegfried über die Heide ge¬ jagt, wovon die Blumen rot wurden. Sie fürchtet allerhand Anschläge, die Siegfried gelten könnten. Doch er erwidert, er kenne hier niemanden, der ihm irgendwie feindlich gesinnt sei, und er habe ja auch gegenüber den burgundischen Degen nichts anderes verdient. Aber Kriemhilt wiederholt ihre Warnung und erzählt einen zweiten Traum, in dem sie sah, wie über Siegfried zwei Berge zusammenstürzten, so daß sie ihn nicht mehr schauen konnte. Siegfried entgegnet hier¬ auf nichts, küßt liebevoll seine Frau und nimmt Abschied von ihr - „sie sah ihn leider danach nie mehr gesund (= lebend)“, fügt der Erzähler hinzu (925, 4). Siegfried bricht also zu der Jagd auf. Gernot und Giselher beteiligen sich nicht an ihr, sondern bleiben in Worms zurück. Reichen Proviant für die Jagdgesellschaft tragen die
314
Nibelungenlied: Nacherzählung
Pferde: Brot und Wein, Fleisch und Fisch und vieles andere. Auf Siegfrieds Frage, wer sie in den Wald auf die Spur des Wildes weisen solle, schlägt Ffagen vor, sich zu trennen, da man auf diese Weise erkennen könne, wer die besten Jäger auf diesem Jagdzug seien. Siegfried will keine Hetzjagd, sondern möchte das Wild nur mit Hilfe eines Bracken auf¬ spüren, und diesen bekommt er auch. Kein Tier vermag Siegfried und seinem schnellen Pferd zu entfliehen. Sogar einen großen Löwen bringt Siegfried zur Strecke, danach ein Wisent und einen Elch, vier starke Auerochsen und einen Scheich5, Hirsche und Hinden und einen starken Eber. So erfolgreich ist Siegfried, daß die ihm beigegebenen Jäger meinen, er solle noch einen Teil der Tiere am Leben lassen und nicht das Gebirge und den Wald von Tieren leerjagen, was Siegfrieds Schmunzeln hervorruft. Als Günther mittels eines langen Hornstoßes das Zeichen zur Beendigung der Jagd geben läßt, begibt sich auch Siegfried mit seinen Leu¬ ten zum Jagdlager des Königs. Unterwegs treffen sie auf einen wilden Bären, und Siegfried entschließt sich sogleich, zum Vergnügen der Jäger eine Bärenhatz zu veranstalten. Es gelingt ihm, zu Fuß den Bären einzuholen, zu fangen und zu binden. Er befestigt das Tier an seinem Sattel und bringt es so in das Lager. Der Dichter benutzt die Gelegenheit, kurz vor Siegfrieds Tod noch einmal seine strahlende Erscheinung auszumalen, und er hebt dabei auch seine Kleidung und seine Waffen hervor, die die aller anderen überragen. Kaum ist Siegfried in Günthers Lager von seinem Pferd abgestie¬ gen, als er die Fesseln des Bären löst, der daraufhin in den Wald enteilen will, während die Hunde laut zu bellen be¬ ginnen. Verwirrt flieht der Bär in die Lagerküche, wo ein großes Durcheinander entsteht. Da jetzt alle Hundemeuten
5 Vgl. Leonhard Franz: Was war der schelchl, in: ZfdA 96, 1967, S. 74-78, der zu dem Ergebnis gelangt, daß es sich um ein Wildpferd, genauer: um den Hengst einer Wildpferdherde han¬ delt.
16. Aventiure
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losgelassen werden und den Bären umringen, ist es nicht möglich, diesem mit Pfeil und Bogen zu Leibe zu gehen, so daß er entkommen kann. Als einziger vermag ihm Siegfried zu folgen. Er erschlägt ihn mit seinem Schwert. Nun beginnt das Essen. Aber man vermißt die Schenken, und Siegfried moniert, daß kein Wein aufgetragen wird. Günther gibt Hagen die Schuld, daß der Wein fehlt. Dieser erklärt, er habe geglaubt, die heutige Jagd solle im Spessart stattfinden und darum den Wein dorthin bringen lassen. Da Siegfried darüber unmutig ist, schlägt Hagen vor, sich zu einem in der Nähe befindlichen kalten Quell zu begeben. Zugleich mit der Feststellung, er habe oft gehört, daß nie¬ mand Siegfried im Laufe folgen könne, äußert er den Wunsch, eine Probe von dessen Können zu sehen, das heißt, er führt einen Wettlauf mit Kriemhilts Mann herbei, bei dem dieser sich selbst ungünstigere Bedingungen gibt: Er will nicht allein aus dem Liegen aufspringen, während die anderen aus dem Stand starten sollen, sondern auch mit voller Jagdausrüstung laufen. Trotzdem gewinnt Siegfried den Wettlauf mühelos und erreicht als erster den Quell, wo er seine Waffen und seinen Schild niederlegt. Aber sosehr ihn der Durst bedrängt, läßt er doch höfisch-zuchtvoll Kö¬ nig Günther den Vortritt beim Trinken — „dafür sagte er [Günther]
ihm
gar
bösen
Dank“
(978, 4b).
Während
Siegfried trinkt, trägt Hagen seine Waffen fort, nimmt dann Siegfrieds Wurfspeer und bohrt ihn an der durch das aufgenähte Kreuz bezeichneten Stelle tief in seinen Körper hinein; nahe am Herzen bleibt die Gerstange stecken. Darauf eilt Hagen hinweg, wie er noch nie vor einem Mann ge¬ flohen ist. Siegfried, zu Tode verwundet, sucht vergeblich seine Waffen, findet aber nur seinen Schild, mit dem er Ha¬ gen einen derartigen Schlag versetzt, daß dieser zu Boden stürzt. Doch dann verlassen den Todwunden seine Kräfte, und er sinkt seinerseits, vom Tode gezeichnet, zu Boden. Als erbärmliche Feiglinge redet der Sterbende die Burgunden an, versichert, daß er ihnen immer treu war, und kündet
316
Nibelungenlied: Nacherzählung
ihnen an, sie würden mit Schande von edlen Recken getrennt sein. Die herbeigelaufenen burgundischen Ritter, die Treue besitzen, beklagen Siegfried, und Günther tut das nämliche. Siegfried hält ihm vor, derjenige, der den Schaden herbei¬ geführt habe, habe keinen Grund, darüber zu klagen. Un¬ gerührt triumphiert Hagen: „Ich weiß wahrhaftig nicht, was ihr klagt. All unsere Sorge und unser Leid sind nun endgültig vorüber. Wir finden ihrer keine, die uns zu be¬ stehen wagen. Wohl mir, daß ich seiner Herrschaft ein Ende bereitet habe“ (993). Ein letztes Mal ergreift Siegfried das Wort: Nichts schmerzt ihn so wie Kriemhilt; er fürchtet, daß sein kleiner Sohn an der Schande, die Kriemhilts Sippe auf sich geladen hat, teilhaben werde, und empfiehlt König Günther Kriemhilt, seine holde triutinne, der er zugute kommen lassen solle, daß sie seine Schwester ist. Dann stirbt Siegfried. Den Toten legt man auf einen Schild und berät, wie man verheimlichen könne, daß Hagen die Tat begangen habe. Viele äußern die Ansicht, man solle sagen, Siegfried sei allein jagen geritten und im Wald von Räubern erschla¬ gen worden. Hagen aber erklärt, ihm sei es gleichgültig, wenn seine Tat Kriemhilt, die Brünhilt beleidigt habe, bekannt würde, und ihr Weinen kümmere ihn gar wenig.
17. Aventiure (Str. 1002-1072) Die Burgunden warten die Dunkelheit der Nacht ab, um wieder über den Rhein zurückzukehren. Auf daß Kriemhilt Siegfrieds Leichnam finde, wenn sie die Frühmesse besucht, was sie regelmäßig tut, läßt Hagen ihn vor Kriemhilts Kemenate tragen, was der Dichter als gröze übermüete und eidlche räche bezeichnet (1003, 1/2). Am frühen Morgen, nachdem die Glocke zur Messe geläutet hat, bemerkt ein Kämmerer den Toten. Er fordert Kriemhilt und ihr Ge¬ sinde, die im Begriffe sind, zum Münster zu gehen, auf,
17. Aventiure
317
nicht hinauszutreten. Sofort und noch ehe sie richtig fest¬ gestellt hat, daß der Tote ihr Mann ist, bricht Kriemhilt in maßlose Klagen aus und denkt sogleich an Hägens Frage, wie er Siegfried schützen könne. Ohnmächtig sinkt sie zu Boden. Zwar versucht man sie noch mit der Mutmaßung, es könne ein Fremder sein, zu trösten. Aber sie weiß: „Es ist Siegfried, mein geliebter Mann: Brünhilt hat es geraten, damit Hagen es tat“ (1010, 3/4). Und als Kriemhilt Sieg¬ frieds unbeschädigten Schild erblickt, ist es ihr völlig klar, daß ihr Mann nicht in einem offenen Kampf sein Leben ver¬ loren hat, sondern ermordet wurde, und sie droht dem Mör¬ der, wenn er überführt sein werde, den Tod an. Trotz ihres ungeheuren Schmerzes ist Kriemhilt diejenige, die die Über¬ sicht behält und veranlaßt, daß Sigemunt und Siegfrieds Mannen benachrichtigt werden. Diese wollen zuerst nicht glauben, daß Siegfried ermordet worden ist - Sigemunt hält die Kunde zunächst für einen üblen Scherz -, aber das Wehklagen der Frauen, das sie vernehmen, überzeugt sie, und alsbald stimmen sie, nachdem sie ihren toten Herrn ge¬ sehen haben, in das Klagen mit ein, das so anschwillt, daß auch die Stadt Worms von ihm widerhallt. Jetzt werden die Wunden des Toten gewaschen, und er wird aufgebahrt. Während Siegfrieds Leute vorher nur rasch ihre Schwerter ergriffen haben, bewaffnen sie sich nun vollständig und kehren kampf- und rachbegierig zu dem Ort der Trauer zurück, ohne freilich genau zu wissen, gegen wen sie kämp¬ fen sollen. Aber Kriemhilt hält sie vom Kampf ab, was ihr nur mit Mühe gelingt: sie weiß, daß die Burgunden ihnen an Zahl weit überlegen sind - den tausend Nibelungen und den hundert Mann Sigemunts steht wohl die dreißigfache Zahl der Burgunden gegenüber -, so daß der Versuch, Siegfrieds Tod sofort zu rächen, aussichtslos wäre. Statt einen vergeblichen Kampf zu beginnen, sollen sie sich an ihrer Klage beteiligen. Mittlerweile sind auch die Bürger der Stadt auf den außergewöhnlichen Lärm aufmerksam geworden und zur Burg geeilt, wo sie ihre Klagen mit denen
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Nibelungenlied: Nacherzählung
Kriemhilts und ihrer Freunde vereinigen. Aus Silber und Gold wird für Siegfried ein Sarg geschmiedet. Bei Tages¬ anbruch wird der Ermordete auf Veranlassung Kriemhilts ins Münster getragen. Dort erscheinen auch Günther und die Seinen, darunter Hagen. Der König versichert seiner Schwester sein Mitgefühl. Doch Kriemhilt weist dies zurück: „Wäre es Euch (wirklich) darum leid, so wäre es nicht ge¬ schehen“ (1042, 1). Da die Burgunden die Tat hartnäckig leugnen, heißt Kriemhilt sie zu Siegfrieds Bahre treten, damit auf diese Weise die Wahrheit kund werde. Der Dich¬ ter nennt es ein großes Wunder, das noch oft vorkomme: Wo man den Mörder bei seinem Opfer stehen sieht, fangen dessen Wunden zu bluten an, wie auch jetzt, als Hagen zu Siegfrieds Leiche tritt. Günther erklärt daraufhin, Räuber hätten Siegfried erschlagen und nicht Hagen. Aber Kriem¬ hilt erwidert, ihr seien die Räuber sehr wohl bekannt, und sie sagt ihrem Bruder und Hagen ihre Untat auf den Kopf zu. Nun kommen auch Gernot und Giselher herbei. Ihre Klage um Siegfried ist aufrichtig. Sie stellen Kriemhilt in Aussicht, sie den Verlust vergessen machen zu wollen, so¬ lange sie leben. Doch niemand vermag die Witwe zu trö¬ sten. Um Mittag ist der in Auftrag gegebene Sarg fertig, in den Siegfried gelegt wird. Kriemhilt will indes ihren Mann noch nicht begraben lassen. Im Münster werden unaufhörlich Totenmessen gesungen, und um Siegfrieds Seelenheil willen werden reiche Opfergaben gespendet. Kriemhilt läßt Sieg¬ frieds Gold austeilen, damit die Empfänger, auch kleine Kinder, wie der Dichter eigens hervorhebt, es als Toten¬ opfer wieder der Kirche darbringen können. Drei Tage und drei Nächte will Kriemhilt bis zum Begräbnis ihres Mannes vergehen lassen, um ihm wenigstens in seinem Sarge nahe sein zu können, und sie hofft: „Wie wenn das Gott ge¬ bietet, daß auch mich der Tod hinwegnimmt?“ (1056, 3). Tag und Nacht müssen die Geistlichen Messen lesen, viele Leute fasten, andere beteiligen sich an dem opulenten Lei¬ chenschmaus, und Kriemhilt kann sich nicht genugtun, den
18. Aventiure
319
Armen Silber und Kleider zukommen zu lassen. Innerhalb von vier Tagen werden den Armen um Siegfrieds Seelenheil willen 30 000 Mark oder noch mehr gegeben. Zu Siegfrieds Begräbnis findet sich eine große Menschenmenge ein. Kriemhilt wird von solchem Schmerz gepackt, daß man wiederholt frisches Wasser über sie schütten muß, um sie vor Ohnmäch¬ ten zu bewahren bzw. sie aus ihnen aufzuwecken, und der Dichter bezeichnet es als ein großes Wunder, daß sie über¬ haupt am Leben bleibt. An Siegfrieds Mannen appelliert sie, aus Treue zu ihr Siegfrieds Sarg aufzubrechen, damit sie den Geliebten noch einmal sehen kann. Als man ihren Wunsch erfüllt hat, nimmt sie sein Haupt in ihre Hände und küßt den Toten. So ungeheuer ist ihr Leid, daß sie Blut weint und man sie ohnmächtig von dannen tragen muß.
18. Aventiure (Str. 1073-1100) Sigemunt sucht seine Schwiegertochter auf, um ihr seine Absicht mitzuteilen, heimzukehren. Er sichert ihr zu, daß sie die gleiche herrscherliche Stellung innehaben werde, die Siegfried besessen habe; alle Mannen Siegfrieds würden ihr bereitwillig dienen. Nachdem die Vorbereitungen für den Aufbruch schon getroffen sind, bitten Kriemhilts Verwandte die Königin, doch hier bei ihrer Mutter zu bleiben. Kriemhilt lehnt es ab, diese Bitte zu erfüllen: Wie könnte sie je¬ mals den sehen, von dem sie so viel Leid erfahren hat? Auch gegenüber Giselhers Einwand, sie bedürfe derer nicht, die ihr Kummer und Schmerz bereitet haben, sondern möge von seinem Besitz allein leben, wiederholt sie ihre Ableh¬ nung mit dem gleichen, nun ausdrücklich Hagen nennenden Argument. Uote, Gernot und andere ihr aufrichtig zuge¬ tane Verwandte schließen sich Giselhers Bitten an. Gernot weist seine Schwester darauf hin, daß sie in Siegfrieds Reich keine Verwandten habe; darum solle sie hier im
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Nibelungenlied: Nacherzählung
Kreise ihrer Sippe bleiben. Schließlich gibt Kriemhilt ihre Zustimmung. Als Sigemunt seine Schwiegertochter abholen will, erklärt sie ihm, daß ihre Verwandten ihr raten, hier¬ zubleiben, was Sigemunt mit Schmerz erfüllt. Er bekräftigt noch einmal, daß Kriemhilt in ihrem Lande die gleiche machtvolle Stellung haben werde wie zu Lebzeiten Sieg¬ frieds, und fügt hinzu, daß sie nicht zu befürchten brauche, als Angehörige der Sippe, die Siegfried ermordet hat, irgend¬ welche Nachteile erwarten zu müssen. Endlich erinnert er sie an ihren kleinen Sohn, den sie nicht verwaist sein lassen solle und der ihr, wenn er herangewachsen sei, ein Trost sein werde. Kriemhilt erwidert nur, sie könne nicht mit ihm reiten und müsse hier in Worms Zurückbleiben. Den nibelungischen Recken mißfällt dieser Entschluß ihrer Köni¬ gin, der ihnen erst recht Leid verursacht. Aber Kriemhilt geht nicht mehr von ihrer Entscheidung ab. Mit Jammer und das Fest verwünschend, das ihm so viel Leid gebracht hat, scheidet Sigemunt aus Worms. Von niemandem verabschie¬ den sich die Nibelungen, und sie verlangen auch kein Ge¬ leit. Doch die jüngeren Brüder Günthers, Gernot und Giselher, suchen Sigemunt auf. Gernot versichert dem Leidgeptüften bei Gott, daß er, Gernot, an Siegfrieds Tod schuldlos sei, und Giselher gibt den Scheidenden das Geleit. Ganz ihrer Trauer und der Klage um Siegfried hingegeben, bleibt Kriemhilt in Worms zurück. Ihre Tränen sind Brünhilt, die der Erzähler hier nochmals erwähnt, gleichgültig; die burgundische Königin ist nun voller Überheblichkeit. Der Dichter jedoch kündet voraus, daß auch ihr künftig von Kriemhilt Leid erwachsen wird. 19. Avent.iure (Str. 1101-1142) Mit Kriemhilt ist in Worms Graf Eckewart zurückgeblie¬ ben, der seine Klagen um den toten Siegfried mit denen sei¬ ner Herrin vereint. Ganz in der Nähe des Münsters wird
19. Aventiure
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für Kriemhilt ein geräumiges Gebäude errichtet, wo sie fortan, bar jeder Freude, mit ihrem Gesinde wohnt. Oft geht sie in die Kirche und betet für Siegfrieds Seelenheil. Alle Versuche, sie zu trösten, die etwa ihre Mutter Uote unter¬ nimmt, bleiben vergeblich: der Schmerz um ihren Mann und die Sehnsucht nach ihm sitzen zu tief in ihr. Dreieinhalb Jahre vergehen, ohne daß Kriemhilt mit Günther auch nur ein Wort spricht oder ihren Feind Flagen zu Gesicht bekommt. Da schlägt Hagen dem König vor, sich mit seiner Schwester zu versöhnen: „So käme Nibeluncs Gold in diese Lande. Von diesem könntet Ihr viel ge¬ winnen, wenn uns die Königin gnädig würde (= sich mit uns versöhnte)“ (1107,3/4). Günther ist damit einverstan¬ den; seine jüngeren Brüder, die Kriemhilt in ihrer Gesell¬ schaft duldet, sollen die Trauernde zu einem Sinneswandel bewegen. Gernot teilt Kriemhilt Günthers Bereitschaft mit, vor Gericht zu beweisen, daß er Siegfried nicht erschlagen habe. Kriemhilt entgegnet, dessen beschuldige ihn auch nie¬ mand, Hagen sei es, der Siegfried erschlagen habe. Doch be¬ zieht sie Günther in den Kreis der Schuldigen mit ein, wenn sie hinzufügt, sie werde denen, die die Tat begangen haben, niemals gewogen werden. Aber als Giselher sie ebenfalls bittet, sich mit Günther zu versöhnen, erklärt sie sich bereit, ihn zu empfangen. Hagen bleibt der unter vielen Tränen vollzogenen Versöhnung fern, und er ist auch der einzige, den Kriemhilt ihrerseits ausdrücklich von ihr ausnimmt. Nicht lange danach bewegen die Burgunden Kriemhilt, den Hort, der ihr als ihre Morgengabe mit Recht gehören solle, aus dem Nibelungenland an den Rhein bringen zu lassen. Unter der Führung Gernots und Giselhers ziehen achttausend Mann ins Nibelungenland. Da Kriemhilt den Schatz als Morgengabe beansprucht, wagt Alberich nicht, ihr ihn vor¬ zuenthalten, dies freilich nur, weil er nicht mehr die Tarn¬ kappe besitzt, mit deren Hilfe er sich und den Hort hätte verbergen können. So unermeßlich groß ist der Schatz, daß zwölf vollbeladene Lastwagen, die täglich dreimal von dem
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Nibelungenlied: Nacherzählung
Berg zu den Schiffen fahren, vier Tage und Nächte mit dem Transport beschäftigt sind. Der Hort besteht nur aus Edel¬ steinen und Gold, und auch eine goldene Wünschelrute ge¬ hört zu ihm, die demjenigen die Herrschaft über jeden Men¬ schen verleihen würde, der von ihrer Eigenschaft erfahren hätte. In Worms werden mit dem Nibelungenhort Schatz¬ kammern und Türme gefüllt. Doch, so bemerkt der Dichter, wenn er auch noch tausendmal größer, Siegfried aber am Leben gewesen wäre, unbekleidet würde Kriemhilt bei ihm geblieben sein: „Nie wieder hat ein Held eine treuere Frau gewonnen“ (1126,4). Da Kriemhilt Armen wie Reichen sehr freigebig von ihrem Reichtum spendet, lockt sie auf diese Weise zahlreiche fremde Recken an. Hagen sieht vor¬ aus, daß sie in einiger Zeit so viele gewinnen werde, daß sie mit ihnen ihre Rache für Siegfrieds Ermordung ausführen kann. Günther ist nicht bereit, dagegen einzuschreiten, daß Kriemhilt von dem Hort so reiche Gaben verteilt. Auf Hä¬ gens fortgesetztes Drängen entgegnet er, er habe Kriemhilt einen Eid geschworen, ihr nie mehr ein Leid zuzufügen. Ungerührt erklärt Hagen daraufhin: „Laßt mich den Schul¬ digen sein“ (1131,4b). Er bemächtigt sich aller Schlüssel zu den Räumen, in denen der Schatz liegt. Gernot ist dar¬ über erzürnt und ebenso Giselher, der dem Täter nach dem Leben trachten würde — wenn es nicht eben Hagen wäre. Von Gernot geht der Vorschlag aus, das Gold in den Rhein zu versenken, um mit ihm nicht dauernd Unannehmlichkei¬ ten zu haben. Kriemhilt klagt Giselher ihr Leid und fordert ihn auf, ihr Beschützer über Leben und Gut zu sein. Er sagt ihr zu, ihr beizustehen, sobald er von einem Ausritt zurückkomme. Zusammen mit seinen Verwandten verläßt Günther vorübergehend den Hof. Nur Hagen bleibt aus Haß auf Kriemhilt zurück und versenkt in dieser Zeit den Hort bei Loche ® in den Rhein. Als die Könige zurück6 Dies dürfte der Ort Lochheim nördlich von Worms sein, der Anfang des 13. Jahrhunderts einer Überschwemmung zum Opfer fiel und unterging.
20. Aventiure
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gekehrt sind, klagt ihnen Kriemhilt, zusammen mit ihren Frauen, ihren Verlust. Zwar sagen alle, Hagen habe böse gehandelt, aber sie unternehmen nichts gegen ihn, der sich überdies ihrem Zorn entzieht, indem er sich eine Zeitlang nicht bei Hofe sehen läßt. Doch dann wird er wieder in ihre Huld aufgenommen. Bevor Hagen den Hort in den Rhein versenkt hat, haben die Burgunden eidlich festgelegt, daß er verborgen bleiben solle, solange einer von ihnen am Leben sei. Aber weder sich selbst noch jemand anderm konn¬ ten sie seitdem etwas von dem Gold geben, und auch Hagen hat sich in der Hoffnung getäuscht, einst Nutzen von ihm zu haben; so die Vorausdeutungen des Dichters. - Dreizehn Jahre lebt Kriemhilt nach Siegfrieds Tod in dem doppelten Leid, das ihr zuerst die Ermordung ihres Mannes und so¬ dann der Raub des Nibelungenhortes bereitet hat, Sieg¬ fried in unwandelbarer Treue zugetan. Mit dieser Hervor¬ hebung von Kriemhilts Treue schließt der Dichter den ersten Teil seines Epos. 20. Aventiure (Str. 1143-1289) Im Hunnenland ist Etzels Gemahlin Helche gestorben, und seine Freunde raten dem Herrscher, um Kriemhilt zu werben. Etzel hat Bedenken, da er Heide und also ungetauft ist, und er glaubt nicht, daß Kriemhilt einwillige, seine Frau zu werden. Seine Ratgeber meinen indes, er könne es immer¬ hin versuchen, vielleicht tue es Kriemhilt um seines bekann¬ ten Namens und seines großen Reichtums willen. Auf Etzels Frage, wer über Land und Leute am Rhein Bescheid wisse, meldet sich Rüedeger von Bechelaren zu Wort, der die drei königlichen Brüder und ihre Schwester von Kindheit an kennt. Rüedeger bestätigt auch, daß Kriemhilts Schönheit der Helches durchaus gleichkomme. Daraufhin trägt der König Rüedeger auf, die Werbung zu übernehmen, und verspricht ihm reichen Lohn, wenn Kriemhilt seine Frau
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Nibelungenlied: Nacherzählung
werde. Rüedeger antwortet, es sei unangemessen, wenn er, der schon so viel von Etzel bekommen habe, etwas von sei¬ nem Besitz verlange. Als Etzels Bote ist er entschlossen, nur auf sein eigenes Gut zurückzugreifen. Mit fünfhundert wohlausgestatteten Mannen will Rüedeger seine Fahrt antreten. Er erinnert Etzel daran, daß Kriemhilt Siegfried, den der Hunnenherrscher selbst in seinem Lande gesehen habe,7 mit edeler minne untertan war. Etzel zieht daraus nur den Schluß, daß Siegfried so vortrefflich gewesen sei, daß er selber die Königin nicht zu verschmähen brauche: „Wegen ihrer großen Schönheit gefällt sie mir gut“ (1158,4). Nach vierundzwanzig Tagen will Rüedeger aufbrechen. Seiner Gattin Gotelint teilt er in einer Botschaft mit, daß er den Auftrag übernommen hat, für Etzel eine Frau zu werben, was sie zugleich mit Trauer wie mit Freude erfüllt. Traurig wird sie deshalb, weil sie an die verstorbene Königin er¬ innert wird und überdies nicht weiß, ob sie wieder eine solche Herrin bekommen werde. Nachdem Rüedeger und seine Mannen in Wien kostbare Kleider erhalten haben, will der Markgraf seine Reise nicht länger aufschieben. In Bechelaren 8 heißen ihn und seine Begleiter seine Frau und seine Tochter herzlich willkommen. In der Nacht fragt die Mark¬ gräfin ihren neben ihr liegenden Mann, wohin ihn der Hunnenkönig gesandt habe. Als sie hört, daß es Kriemhilt ist, um die er werben soll, ist sie überaus froh und spricht die Hoffnung aus, daß Kriemhilt sie, wenn sie alt sind, den Verlust ihrer Herrin vergessen mache. Auf Riiedegers Rat hin beschenkt Gotelint die ihn begleitenden Ritter aufs frei¬ gebigste. Am siebten Morgen bricht Rüedeger mit seinen Recken von Bechelaren auf. Daß sie, wiewohl sie schwer beladene Saumtiere mit sich führen, auf ihrem Zug durch
Von einem Aufenthalt Siegfrieds am Hunnenhof berichtet keine
Dichtung.
„Es
ist
ein
Augenblickseinfall
des
(Helmut de Boor, Anm. zur Stelle, Ausgabe, S. 189).
8 Das ist das heutige Pöchlarn in Niederösterreich.
Dichters“
20. Aventiure
325
Bayern nicht ausgeraubt werden, hebt der Dichter besonders hervor. Zwölf Tage dauert ihr Ritt bis an den Rhein. Günther, über die Ankunft der Fremden unterrichtet, fragt, ob sie jemandem bekannt seien, und sendet nach Hagen, der er¬ klärt, sie müßten schon sehr weit herkommen, wenn er sie nicht sogleich erkenne. Und in der Tat weiß er sofort, daß es sich um Rüedeger handelt, den er lange nicht gesehen hat. So groß ist die Freude über die Ankunft der Gäste, daß Hagen und seine Freunde ihnen aus dem Saal entgegen¬ laufen. Des Königs nächste Verwandte folgen ihnen. Gün¬ ther selbst bleibt in dem Saal, erhebt sich aber, als die Gäste eintreten, von seinem Sitz und geht ihnen entgegen - ein Erweis besonderer Freundlichkeit. Er bietet Rüedeger den Platz neben sich an und läßt Met und den besten Wein auf¬ tragen, den es in seinem Lande gibt. Inzwischen hat sich die Ankunft
Rüedegers
herumgesprochen,
und
immer
mehr
Ritter kommen in den Saal. Günther erkundigt sich nun nach dem Befinden von Etzel und Helche. Der Markgraf und seine Leute erheben sich daraufhin von ihren Sitzen, damit er offiziell seine Botschaft ausrichten kann, wozu er sich Günthers Erlaubnis erbittet. So erfahren die anwesen¬ den Burgunden von Helches Tod, aber auch von Etzels Absicht, um Kriemhilt zu werben. Günther will Rüedeger über Kriemhilts Entschluß innerhalb von drei Tagen Be¬ scheid geben. Aufs beste werden die Gäste untergebracht. Unterdessen läßt Günther seine Berater Zusammenkommen, um von ihnen ihre Ansicht über Etzels Werbung zu hören. Alle raten, Kriemhilt solle die Werbung annehmen, nur Hagen ist strikt dagegen, auch wenn Kriemhilt selbst dafür wäre. Günther für seinen Teil will seiner Schwester gönnen, was sie an Freude haben könne. Doch Hagen bekräftigt seine ab¬ lehnende Haltung: Falls Kriemhilt Etzel heirate, werden die Burgunden erst wirklich Grund zur Sorge haben. Auch als der König erklärt, er werde nie so in Etzels Nähe kom-
326
Nibelungenlied: Nacherzählung
men, daß er, wenn Kriemhilt dessen Frau würde, etwas von ihm zu befürchten habe, bleibt Hagen dabei: „Ich rate nie¬ mals
dazu“
(1206, 4b).
Eindringlich
versucht
Giselher
Hagen zu einer Sinnesänderung zu bewegen. Er appelliert an ihn, Kriemhilt das schwere Leid vergessen zu machen, das er ihr zugefügt hat. Hagen indes weiß: Wenn sie Etzel zum Mann nimmt, „wird sie uns noch viel Leid bereiten, wie auch immer sie das anfangen mag“ (1210, 3). Auch Gernots Versicherung, daß die Burgunden bis zum Tode Etzels und Kriemhilts niemals ins Hunnenland reiten wür¬ den, vermag Hagen nicht umzustimmen, was Giselhers Zorn hervorruft. Die drei Könige einigen sich schließlich darauf, daß sie mit Kriemhilts Entscheidung einverstanden sein wollen, wenn ihre Schwester die Werbung annimmt. Markgraf Gere übernimmt es, Kriemhilt von Etzels Wer¬ bung zu unterrichten. Doch Kriemhilt meint, Gere wolle sie verspotten, und fragt: „Was sollte ich einem Mann, der je von einer trefflichen Frau Herzensglück gewonnen hat?“ (1218, 3b/4). Sie lehnt die Annahme der Werbung hart¬ näckig ab, auch als Gernot und Giselher sie bitten, in die Heirat einzuwilligen. Nur Rüedeger zu empfangen ist sie bereit, und auch dies nur, weil sie von seinen vielen tagenden weiß. Der Markgraf ist mit dieser Antwort Kriemhilts zu¬ nächst zufrieden und vertraut seinen Fähigkeiten, die Köni¬ gin zur Annahme der Werbung überreden zu können. Am nächsten Morgen trägt Kriemhilt ihre gewöhnliche Witwen¬ kleidung, während sie ihr Gesinde kostbare Kleider anlegen heißt. Mit elf Begleitern sucht Rüedeger Kriemhilt in ihrer Kemenate auf, wo sich auch die Markgrafen Eckewart und Gere eingefunden haben. Kriemhilt gibt sich ganz ihrem Leid hin, so daß der Brustteil ihres Kleides von ihren Trä¬ nen naß wird. Wenngleich innerlich widerstrebend, erlaubt sie Rüedeger, seine Botschaft vorzubringen. Nachdem sie sie vernommen hat, entgegnet Kriemhilt, wenn irgend jemand ihren tiefen Schmerz kennen würde, bäte er sie nicht, noch einen Mann zu lieben. Rüedeger sagt daraufhin, nur hin-
20. Aventiure
327
gebungsvolle Liebe könne Leid vergessen machen, und er malt ihr aus, welche gewaltige Stellung sie als Gemahlin Etzels haben werde, keine geringere, als Helche sie inne¬ gehabt hat. Auch die Hunnen unterstützen Rüedegers Be¬ mühen, Kriemhilts entschiedenes Nein in ein Ja zu ver¬ wandeln, indem sie ihr ein wonnevolles Leben an Etzels Seite vor Augen stellen. Kriemhilt verschiebt ihre Antwort auf den nächsten Morgen. Sie bittet Giselher und ihre Mutter, zu ihr zu kommen, und erklärt ihnen, ihr stehe Weinen an und nichts anderes. Giselher rät ihr, Etzels Wer¬ bung anzunehmen: „Er kann dich wohl (für deinen Verlust) entschädigen. [. . .] Von der Rhone bis zum Rhein, von der Elbe bis an das Meer ist kein König so mächtig. Du kannst dich sehr freuen, wenn er dich zu seiner Frau macht“ (1244). Doch Kriemhilt wiederholt: „Klagen und Weinen stünde mir immer besser an“ (1245, 2), und sie meint, wenn sie je schön gewesen wäre, so sei diese Schönheit geschwun¬ den. Uote unterstützt Giselhers Bemühen, Kriemhilt zur Annahme der Werbung zu bewegen, indem sie ihre Tochter auffordert, das zu tun, wozu ihre Brüder raten. Wieder allein, überdenkt Kriemhilt noch einmal ihre Situation und macht sich dabei auch den Einwand, daß sie Christin, Etzel aber Heide ist. Ihn zu heiraten werde ihr immer Schande bringen. Und sie gelangt zu dem Entschluß: „Wenn er mir alle Reiche gäbe, es geschieht nicht“ (daß ich ihn heirate, 1248, 4). Ihren Gedanken hingegeben und ständig weinend, findet Kriemhilt in der Nacht keinen Schlaf. Am nächsten Morgen reden die Könige ihrer Schwester von neuem zu, Etzel zum Mann zu nehmen. Dann werden die Boten des Hunnenherrschers herbeigeholt, denen daran gelegen ist, bald wieder wegreiten zu können, auch wenn ihre Mission ohne Erfolg bleiben sollte. Rüedeger bittet Kriemhilt, ihm mitzuteilen, was er Etzel ausrichten solle. Sie lehnt Etzels Werbung ab.
Abermals versucht Rüedeger sie zu einer
Sinnesänderung zu bewegen - was so lange vergeblich bleibt, bis er ihr in einer Unterredung unter vier Augen in
328
Nibelungenlied: Nacherzählung
Aussicht stellt, sie für das, was ihr je geschehen sei, zu ent¬ schädigen: „Wenn Ihr bei den Hunnen niemanden hättet als mich, meine treuen Verwandten und auch meine Mannen, derjenige, der Euch etwas angetan hat, müßte das sehr ent¬ gelten“ (1256, 2-4). Daraufhin fordert Kriemhilt ihn auf, ihr zu schwören, daß er der erste sein werde, ihr Leid zu rächen, was immer ihr jemand tue. Rüedeger ist dazu bereit und schwört mit allen seinen Mannen, ihr stets in Treue zu dienen und ihr nie etwas abzuschlagen. Nun, da sie so viele Freunde für sich gewonnen hat, ist es Kriemhilt gleichgültig, was die Leute reden, sieht sie doch eine Möglichkeit, für die Ermordung ihres lieben Mannes Rache zu nehmen. Zwar äußert sie gegenüber Rüedeger noch das Bedenken, Etzel sei Heide, aber der Markgraf versichert ihr, es lebten in der Umgebung des Königs so viele christliche Recken, daß sie wegen des Glaubensunterschiedes keine Sorge zu haben brauche, und vielleicht könne sie sogar erreichen, daß Etzel sich taufen lasse. So gelobt Kriemhilt, nachdem auch ihre Brüder ihr noch einmal dazu geraten haben, öffentlich, Etzels Frau werden zu wollen. Rüedeger drängt nun auf einen raschen Aufbruch. Vier¬ einhalb Tage lang werden die Vorbereitungen getroffen. Unter anderem veranlaßt Kriemhilt, daß kostbare Kleider hergerichtet werden. Den Rest des Nibelungengoldes immerhin noch so viel, daß hundert Pferde ihn nicht tragen können - will sie ins Hunnenland mitnehmen, um es dort auszuteilen. Aber Hagen, der weiß, daß Kriemhilt das Gold verwenden würde, um Haß gegen ihn zu erwecken, läßt nicht zu, daß Kriemhilt es mit sich führt. Auch hätten Rüedegers Leute, so sagt er, nicht genügend Pferde, um es transportieren zu können. Mit dem Hinweis auf Etzels un¬ ermeßlichen Reichtum sucht Rüedeger Kriemhilt zu trösten. Gernot indes öffnet eigenhändig die Tür zu der Schatz¬ kammer, die Hagen verschlossen hat, und bietet das Gold den Gästen an. Jedoch Rüedeger erklärt, er wolle es nicht. So wird nur ein kleiner Teil des Goldes mitgenommen,
21. Aventiure anderes als
opfergolt für Siegfrieds
329 Seelenheil gegeben.
Eckewart erklärt sich bereit, mit fünfhundert seiner Leute Kriemhilt ins Hunnenreich zu folgen. Dazu nimmt Kriemhilt hundert Jungfrauen als ihr Gesinde mit. Tränenreich ist Kriemhilts Abschied von den Ihren, so von ihrer Mutter. Während Günther seine Schwester nur ein kleines Stück vor die Stadt begleitet, geben ihr Gernot und Giselher, Gere, Ortwin und Rumolt das Geleit bis an die Donau.
21. Aventiure (Str. 1290-1335) In Vergen 9 an der Donau trennen sich Gernot und Gisel¬ her von ihrer Schwester. Ausdrücklich versichert ihr Giselher beim Abschied, er werde zu ihr in Etzels Land reiten, wenn ihr dort irgend etwas Böses widerfahre und sie seiner be¬ dürfe. Durch Bayern hindurch geht Kriemhilts Reise zu¬ nächst nach Passau, wo den Gästen ein großer Empfang bereitet wird.
In
Passau residiert Bischof Pilgrim,
der
burgundischen Könige und Kriemhilts Oheim (Uote ist seine Schwester). Gern sähe es der Bischof, wenn Kriemhilt länger bei ihm verweilte. Doch Eckewart entgegnet, daß sie in Rüedegers Land schon erwartet würden. So begleitet der Bischof seine Nichte ein gutes Stück auf ihrem weiteren Weg. Der Dichter meint, wenn viele aus dem Bayernland nach ihrer Gewohnheit auf der Straße einen Raubüberfall verübt hätten, so hätten sie den Gästen gar leicht Leid zufügen können. Aber angesichts der Tatsache, daß der Zug von Rüedeger und seinen Rittern begleitet wird, hüten sich die Bayern, einen Versuch hierzu zu wagen. Auf Rüedegers Wunsch reitet seine Gattin Gotelint der neuen Herrin bis zur Enns entgegen, ebenso viele seiner Mannen, die, als sie die Königin erreicht haben, ihre Reit- und Kampfkünste vorDas ist das heutige Pförring.
330
Nibelungenlied: Nacherzählung
führen. Jenseits der Traun, auf dem Feld bei dem Ort Enns, hat Rüedeger ein Zeltlager aufschlagen lassen. Nachdem Kriemhilt vom Pferd gehoben worden ist, wird sie von Pilgrim und Eckewart zu Gotelint geführt und küßt diese auf den Mund. Fferzlich heißt nun Gotelint die Königin willkommen, und Kriemhilt erwidert ihre Begrüßung ebenso freundlich. Daran schließt sich die allgemeine Begrüßung an. Den Rest des Tages - es ist erst Mittag - verbringt man in dem vorausschauend hergerichteten Lager. Am nächsten Morgen reitet man nach Bechelaren, wo Rüedegers Tochter mit ihrem Gesinde den Ankommenden entgegengeht. Aufs freigebigste werden die Gäste bewirtet und beschenkt. Den¬ noch ist es Kriemhilts Recken leid, daß der Zug nur so lang¬ sam vorangeht. Endlich nimmt Kriemhilt Abschied von Rüedegers Gattin und Tochter, die sie seit jenem Tage nicht wiedergesehen hat. Über Melk, wo den Gästen im Vorüber¬ reiten ein Willkommenstrunk gereicht wird, reiten Rüedeger und Kriemhilt mit ihren Leuten weiter nach Mautern. Liier verabschiedet sich Bischof Pilgrim von seiner Nichte, nicht ohne ihr gute Ratschläge für ihr Verhalten im Hunnenreich gegeben zu haben. An der Traisen erreicht der Zug Etzels eigenes Gebiet. Dort liegt die Stadt Zeizenmüre 10, in der vormals Helche gelebt hat. Etzels Herrschaft steht weithin in solchem Ansehen, daß die kühnsten Recken, gleicher¬ maßen Christen wie Heiden, an seinem Hofe leben, und welchen Glaubens auch einer ist: für des Königs Freigebig¬ keit macht das keinen Unterschied. 22. Aventiure (Str. 1336-1386) Vier Tage bringt Kriemhilt in Zeizenmüre zu. Etzels Scharen reiten ihrer künftigen Herrin entgegen, und Etzel
10
Den
geographischen Verhältnissen entsprechend
Treisenmüre heißen (das ist das heutige Traismauer).
müßte es
22. Aventiure
331
selbst eilt zu ihr. Der Dichter zählt die vielen Völkerschaften auf, die Etzel untertan sind und die sich nun zum Empfang der Königin in den Westen seines Reiches, nach Tulln, be¬ geben. Vor Etzel reiten vierundzwanzig angesehene Fürsten zu Kriemhilt. Der Erzähler läßt die Namen einer ganzen Reihe hervorragender Helden Revue passieren: Ramunc — der Herzog der Walachei -, Gibeche, Hornboge, der kühne Hawart von Dänemark, Irinc, Irnfrit von Thüringen, so¬ dann Etzels Bruder Bloedelin und schließlich König Etzel selbst, bei dem sich Dietrich von Bern mit allen seinen Ge¬ fährten befindet. Der Anblick so vieler erlauchter Fürsten gibt Kriemhilt die Stimmung des höhen muotes. Rüedeger teilt Kriemhilt mit, daß Etzel sie empfangen möchte, und will ihr jeweils sagen, wen sie bei der Begrüßung durch ihren Kuß auszeichnen soll. Kriemhilt wird vom Pferd gehoben, voller Freude schreitet ihr Etzel entgegen. Zwei mächtige Fürsten geleiten die Königin und tragen die Schleppe ihres Kleides. Zum Begrüßungskuß schiebt Kriemhilt ihr Gebende zurück, und viele, die sie sehen, bezeugen, daß Frau Helche nicht schöner gewesen ist. Zwölf Recken - der Dichter nennt des Königs Bruder Bloedelin, den König Gibeche und Dietrich - heißt Rüedeger sie nach dem Hunnenherrscher küssen, viele andere begrüßt sie ohne Kuß. Die ganze Zeit über steht Etzel neben Kriemhilt, während die Jungen Ritterspiele aufführen, bei denen die deutschen Gäste 11 manchen Schild durchstechen. Das ganze Feld ist mit Hütten übersät. Etzel führt Kriemhilt zu einem prächtigen Zelt. Minniglich sitzen Kriemhilt und Etzel nebeneinander, ihre weiße Hand ruht in seiner Rechten. Mehr Vertraulichkeiten, die Etzel haben möchte, läßt Rüedeger nicht zu. Am näch¬ sten Tag reiten die Scharen von Tulln nach Wien, wo frei¬ lich nicht alle untergebracht werden können. Darum bittet
11
Darunter sind Kriemhilts burgundische Begleiter, Rüedegers
Mannen und die Amelungen, also die Lehnsleute Dietrichs von Bern, zu verstehen.
332
Nibelungenlied: Nacherzählung
Rüedeger die Einheimischen, sich außerhalb der Stadt Quar¬ tiere zu suchen. Das große Fest der Vermählung Etzels mit Kriemhilt beginnt an Pfingsten und dauert siebzehn Tage. Kriemhilt stehen mehr Mannen zu Diensten, als sie je in Siegfrieds Reich gehabt hat. Nie ist auf einem Fest eine solche Frei¬ gebigkeit zutage getreten wie auf diesem. Was jemand von den Recken begehrt, geben sie bereitwillig dahin, so daß am Ende viele ihr eigenes Gewand verschenkt haben. Dietrichs, Riiedegers und Bloedelins Freigebigkeit hebt der Dichter besonders hervor. Wärbel und Swemmelin, Etzels Spielleute, erhalten jeder wohl tausend Mark oder noch mehr. Kriemhilts Gedanken aber gehen an den Rhein zurück, zu Sieg¬ fried, und ihre Augen füllen sich mit Tränen.12 Am acht¬ zehnten Morgen bricht die Festgesellschaft aus Wien auf. In der alten Stadt Heimburc 13 übernachtet man, in Misenburc 14 schifft man sich ein, um den Rest des Weges zu Wasser zurückzulegen. Um besser gegen den Wellengang geschützt zu sein, werden die Schiffe zusammengebunden. Auf ihnen werden Zelte errichtet, als ob man auf dem festen Fand wäre. Die Kunde, daß die neue Königin im Fände sei, eilt den Schiffen nach Etzelnburc 15 voraus und ruft dort bei 12 Der Dichter berichtet dies an einer etwas früheren Stelle, nämlich mitten zwischen der Schilderung der bis zum Verschen¬ ken der eigenen Kleider gehenden Freigebigkeit (Str. 1370) und der Hervorhebung der milte einzelner Fürsten (Str. 1372 f.). In der verkürzenden und zusammenfassenden Nacherzählung hier eine Umstellung zweckmäßig und erlaubt.
ist
13 Heute: Hainburg. ‘Alt’ wird der Dichter Heimburc genannt haben, weil unmittelbar in seiner Nähe die mächtige römische Festung und Stadt Carnuntum liegt, von der zu seiner Zeit noch viele Ruinen zu sehen waren. 14 Wahrscheinlich ist dies das spätere Wieselburg, ungarisch Moson, an der Kleinen Donau. 15 Vermutlich hat nach der Vorstellung des Dichters des Nibe¬ lungenliedes die Etzelburg in Gran, ungarisch Esztergom, gele¬ gen.
23. Aventiure
333
Männern und Frauen große Freude hervor. Sieben Königs¬ töchter befinden sich unter denen, die erwartungsvoll nach Kriemhilt Ausschau halten. Als Etzel und Kriemhilt vom Ufer emporgeritten sind, werden ihnen die Damen einzeln vorgestellt, und Kriemhilt teilt reiche Gaben aus, die sie vom Rhein mitgebracht hat. Alsbald besitzt sie eine größere herrscherliche Gewalt, als Helche sie innegehabt hat, und Hof und Reich Etzels stehen in größtem Ansehen.
23. Aventiure (Str. 1387-1421) Im siebten Jahr ihrer Ehe mit Etzel schenkt Kriemhilt zur größten Freude des Königs einem Sohn das Leben. Sie be¬ steht darauf, daß das Kind getauft wird. Es erhält den Namen Ortliep. In die Gebräuche, die am hunnischen Hofe üblich sind, ist die neue Königin von Herrat, Dietrichs Ver¬ lobten, eingeführt worden. Kriemhilt lebt im Hunnenreich allseits hochgeachtet, und Etzels Untertanen erklären, daß nie eine Fürstin besser und freigebiger gewesen sei. Nachdem dreizehn Jahre vergangen sind, kann Kriemhilt gewiß sein, daß niemand ihren Plänen Widerstand entgegensetzt. Immer wieder gedenkt sie des Leides, das ihr in ihrer Heimat widerfahren ist, und sie sinnt auf Rache an Hagen, die sie ausführen könnte, wenn es gelänge, ihn ins Hunnenland zu bringen. Nachts träumt sie, daß gar oft ihr Bruder Giselher Hand in Hand mit ihr ginge, und sie küßt ihn im Schlafe. Der Dichter aber fügt in diesem Zusammenhang die wichtige Bemerkung ein: „Ich glaube, der böse Teufel hat Kriemhilt das geraten, daß sie Günther, den sie zur Aussöhnung im Burgundenland geküßt hatte, die Freundschaft aufkündigte“ (1394, 1-3). Früh und spät macht Kriemhilt sich Gedanken darüber, daß man sie grundlos dazu gebracht habe, einen Heiden zu heiraten: „Diesen Kummer hatten ihr Hagen und Günther angetan“ (1395, 4). Nach denen, die ihr ge-
334
Nibelungenlied: Nacherzählung
treu sind, nämlich Gernot und Giselher,
trägt sie eine
schmerzliche Sehnsucht, Hagen und auch Günther dagegen wünscht sie in Etzels Reich, um an ihnen Siegfrieds Er¬ mordung rächen zu können. Allezeit denkt sie, sie wolle den König bitten, ihre Verwandten zu sich einzuladen - „nie¬ mand bemerkte den bösen Willen an der Königin“ (1399, 4). Eines Nachts, während der König sie umarmt, schweifen ihre Gedanken wieder zu ihren Feinden, und sie schmeichelt Etzel die Einladung ab: Es sei ihr schmerzlich, daß sie ihre hohen Verwandten hier nie sehe, so daß sie von den Leuten nur eine Fremde genannt werde. Gern ist Etzel bereit, die Burgunden einzuladen, worüber Kriemhilt sehr froh ist. Etzel wiederum versichert ihr, sie könne ihre Verwandten nicht so gern sehen, wie er der edlen Uote Kinder sehen möchte. Mit Kriemhilts Einverständnis will er seine Spiel¬ leute als Boten ins Burgundenland senden. Vierundzwanzig Recken werden ihnen als Begleiter mitgegeben, und alle erhalten kostbare Gewänder. Etzel unterrichtet die beiden Boten über den Inhalt ihres Auftrags. Auf Swemmelins Frage, wann das Fest stattfinden solle, zu dem Etzel die Burgunden einlädt, nennt dieser die Tage der nächsten Sonnenwende. Kriemhilt läßt die beiden Spielleute heimlich in ihre Kemenate kommen, um ihnen, nicht ohne ihnen aus¬ drücklich reiche Gaben in Aussicht zu stellen, noch besondere Instruktionen einzuschärfen. Sie untersagt den Boten, in Worms zu berichten, je beobachtet zu haben, daß sie betrübt sei; sie sollen die Burgunden bitten, daß sie die Einladung des Königs annehmen, um sie, Kriemhilt, von ihrem Kum¬ mer zu scheiden, daß die Hunnen glauben, sie hätte keine Freunde; wenn Hagen von Tronege Zurückbleiben wolle, so sollen sie sagen, wer die Burgunden denn auf dem Zuge führen werde wenn nicht Hagen, dem die VAge zu den Hunnen von Kindheit an bekannt seien. Die Boten wissen nicht, weshalb sie darauf achten sollen, daß gerade Hagen nicht am Rheine bleibt. Der Erzähler jedoch verweist vor¬ ausdeutend nicht nur darauf, daß es ihnen selbst seitdem
24. Aventiure
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leid wurde, sondern auch, daß zusammen mit Hagen noch viele andere Degen sterben müssen.
24. Aventiure (Str. 1422-1505) Etzels Boten machen in Bechelaren Station, wo sie freund¬ lich aufgenommen werden und von Rüedeger, Gotelint und ihrer Tochter den Auftrag erhalten, den Burgunden ihre Ergebenheit zu versichern. Auch in Passau kehren die Boten ein. Bischof Pilgrim würde es freuen, seine Neffen auf ihrem Zuge ins Hunnenland bei sich begrüßen zu können. Auf dem Wege durch Bayern bleiben die Boten unbehelligt, da man den Zorn Etzels fürchtet. Zwölf Tage dauert Wärbels und Swemmelins Reise nach Worms. Günther, über die Ankunft fremder Boten unterrichtet, fragt, wer die Boten kenne. Sobald Hagen sie gesehen hat, weiß er, daß es sich um Etzels Spielleute handelt, und er rät, sie mit Rücksicht auf ihren Herrn freundlich willkommen zu heißen. So kost¬ bar auch Wärbels und Swemmelins Reisekleider sind: sie kleiden sich für den Empfang durch König Günther noch kostbarer und lassen bekanntmachen, wer Interesse für ihre Reisekleider habe, könne sie bekommen. So geschieht es auch. Breit schildert der Dichter das höfische Empfangszeremoniell mit seinen wechselseitigen Komplimenten und Reden. Unter¬ dessen sind auch die beiden jüngeren Königsbrüder hinzu¬ gekommen, und Giselher, der seiner Schwester in herzlicher Liebe zugetan ist, gibt seiner Freude Ausdruck, die Hunnen hier zu sehen. Dann übermittelt Swemmelin Etzels Ein¬ ladung und hebt dabei hervor, daß es den Hunnenherrscher befremden würde, wenn die Könige ihre Schwester nicht besuchten und sein Land mieden. Günther stellt in Aussicht, ihnen nach Ablauf von sieben Tagen seine Entscheidung mit¬ zuteilen. Wärbel äußert noch die Bitte, Uote sehen zu dürfen, und Giselher bringt die Boten zu ihr. Swemmelin über-
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Nibelungenlied: Nacherzählung
mittelt ihr Kriemhilts ergebene und aufrichtige Empfehlun¬ gen und betont, wie sehr es Kriemhilt mit Freude erfüllen würde, ihre Mutter wiederzusehen. Uote antwortet, dazu sei ihre Tochter zu weit entfernt. Sie trägt den Boten auf, sie wissen zu lassen, wann sie wieder aufbrechen: „Seit langem habe ich niemals Boten so gerne gesehen wie euch“ (1456, 2b/3). In der Versammlung seines Rates reden alle Günther zu, Etzels Einladung anzunehmen, mit Ausnahme von Hagen: „Ihr habt Euch selber den Kampf angesagt. Es ist Euch doch bekannt, was wir getan haben. Wir haben Grund, immer vor Kriemhilt in Sorge zu sein, denn ich habe mit meiner Hand ihren Mann getötet. Wie dürften wir wagen, in Etzels Land zu reiten?“ (1458, 4b-1459, 4). Darauf ent¬ gegnet Günther zwar, Kriemhilt habe sich mit ihnen allen, wenn auch nicht mit Hagen, versöhnt. Doch warnt Hagen weiterhin: Wenn sie Kriemhilt besuchen wollten, drohe der Verlust von Leben und Ehre - „wahrlich, König Etzels Frau verfolgt ihre Rache unversöhnlich“ (1461, 4). Giselher meint, da Hagen sich schuldig wisse, so solle er in Worms Zurückbleiben und diejenigen reiten lassen, die es wagen. Darüber gerät Hagen in Zorn: Niemanden sollen sie mit sich führen, der mutiger ist als er. Da ergreift Rumolt, der Küchen¬ meister, das Wort: Hagen habe ihnen noch nie einen schlechten Rat gegeben. Und wenn sie Hagen nicht folgen wollten, so rate er ihnen, hierzubleiben und König Etzel dort bei Kriem¬ hilt sein zu lassen. Mit guten Kleidern sollen sie sich schmükken, den allerbesten Wein trinken und schöne Frauen lieben. Dazu gebe man ihnen die beste Speise, die ein König je in der Welt erhalten habe. Und selbst wenn das nicht möglich wäre, sollten sie um ihrer schönen Frauen willen bleiben, anstatt so kindlich-leichtfertig ihr Leben zu wagen. Er schließt mit den Worten: „Ihr sollt bleiben, Herren: das ist der Rat Rumolts“ (1469, 4). Sogleich erwidert Gernot: „Wir wollen nicht blei¬ ben
(1470, la). Wer aber nicht bereitwillig mitreite, der
könne zu Hause bleiben. Daraufhin rät Hagen, wenigstens
24. Aventiure
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wohlgerüstet zu den Hunnen zu ziehen. Aus dem Aufgebot ihrer Lehnsleute will er tausend Ritter aussuchen, die sie be¬ gleiten sollen. Diesem Rat Hägens folgt Günther gern. Drei¬ tausend oder noch mehr Recken erscheinen in Worms. Hagen läßt seinen Bruder Dancwart mit achtzig ihrer beider Krieger kommen, mit dreißig seiner Leute erscheint Volker der Spiel¬ mann, den der Dichter als adligen Herrn neu einführt. Etzels Boten verdrießt es, daß sie so lange auf eine Ant¬ wort warten müssen. Sie bitten täglich um die Erlaubnis, wieder zurückkehren zu dürfen, was Hagen aber vereitelt: Nicht früher als sieben Tage vor ihnen sollen sie fortreiten, damit Kriemhilt keine Zeit zu umfassenden Vorbereitungen gegen die Burgunden bleibt. Endlich erhalten die Boten Ant¬ wort. Erst jetzt erkundigt sich Günther übrigens, wann Etzels Fest stattfindet. Er erlaubt den Boten, Brünhilt auf¬ zusuchen. Doch Volker verhindert das, da Brünhilt nicht in der Stimmung sei, sie zu empfangen. Er vertröstet sie auf den nächsten Tag, an dem der Empfang aber wiederum nicht zustande kommt. Vor ihrem Aufbruch sollen die Boten reiche Gaben erhalten. Wärbel weist mit Rücksicht auf die hohe Stellung ihres Herrn, der ihnen die Annahme von Gaben verboten habe, die angebotenen Geschenke zurück. Das kränkt Günther, und er drängt ihnen sein Gold und seine Gewänder auf. Noch einmal machemsie Frau Uote ihre Aufwartung, deren Geschenke sie willig annehmen. Bis nach Schwaben läßt Gernot den Hunnen Geleit geben, und auf dem weiteren Wege sind sie aufgrund von Etzels Namen vor Überfällen sicher. Wo immer sie Freunde wissen, verbreiten sie die Nachricht, daß in Kürze die Burgunden in Etzels Reich kommen werden, so auch in Passau und Bechelaren. Etzel errötet vor Freude über die Nachricht, die er erhält, und auch Kriemhilt ist sie angenehm. Sie erkundigt sich bei den Boten, welche ihrer Verwandten zu dem Feste erscheinen werden und wie Hagen die Einladung aufgenommen habe. Daß Volker mitkommt, ist der Königin gleichgültig. Aber über Hägens Kommen ist sie froh, und sie heuchelt, sie sei
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Nibelungenlied: Nacherzählung
ihm gewogen. An Etzel richtet sie die Worte: „Was mein Wille je begehrt hat, das soll (oder: wird) nun wohl voll¬ endet werden“ (1503, 4). Etzel erwidert: „Dein Wille, das ist meine Freude“ (1504, la). Er versichert, ein Besuch seiner eigenen Verwandten könne ihm nicht so viel Freude be¬ reiten wie der Besuch der Verwandten seiner Frau, und be¬ fiehlt seiner Dienerschaft, alles für den Empfang der lieben Gäste vorzubereiten. Der Erzähler jedoch bemerkt: „Seit¬ dem wurde dem König von ihnen gar große Freude ge¬ nommen“ (1505, 4). 23. Aventiure (Str. 1506-1585) 1060 burgundische Ritter und 9000 Knappen werden für den Zug ins Hunnenland ausgerüstet. Der alte Bischof von Speyer äußert vor ihrem Aufbruch den Wunsch, Gott möge dort ihre Ehre bewahren. Uote hat in der Nacht vor dem Auszug der Helden einen unheilverkündenden Traum ge¬ habt: Alle Vögel im Land hat sie tot liegen sehen, und sie fordert die Recken auf, hierzubleiben. Aber Hagen erklärt, wer sich nach Träumen richte, der wisse nicht, was die Ehre von einem Manne verlange. So rät Hagen zu der Fahrt, was ihn seitdem gereute. Zwar hätte er von ihr abgeraten, aber Gernot erinnert ihn noch einmal an Siegfried, um dessentwillen Hagen den Zug gern unterlassen möchte. „Aus Furcht tue ich nichts“, erwidert der Troneger darauf (1513, lb) und bekundet nochmals seine Bereitschaft, seine Herren auf ihrem Zuge zu begleiten. Am Abend setzen die Recken über den Rhein und verbringen die Nacht jenseits des Stroms im Heerlager, wo sich auf Günthers Bitten auch Brünhilt zu einem letzten liebenden Zusammensein eingefunden hat. Rumolt, der den Ritt der Burgunden an Etzels Hof bedauert, fragt Günther, wem er die Sorge für Land und Leute wäh¬ rend seiner Abwesenheit anvertrauen wolle.
Der König
überträgt ihm selbst die Verwaltung des Landes und emp-
25. Aventiure
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fiehlt seinen Sohn und die Frauen seinem besonderen Schutz. Während die zurückbleibenden Frauen und auch Männer weinen, brechen die Burgunden frohgestimmt auf - die schönen Frauen werden sie nie Wiedersehen. Durch Ost¬ franken reiten die Burgunden, die jetzt auch Nibelungen genannt werden, geführt von dem wegekundigen Hagen, zum Swalevelt16. Am zwölften Morgen erreichen sie die Donau. „Da ritt Hagen von Tronege ganz vorn. Er war den Nibelungen ein hilfreicher Trost“ (1526, 1/2). Die Donau ist über ihre Ufer getreten, keine Schiffe sind zu sehen, und die Nibelungen sind in Sorge, wie sie den breiten Fluß überqueren sollen. Hagen glaubt, daß sie infolge des Hochwassers heute noch manchen Recken verlieren werden. Als Günther ihn auf¬ fordert, die Furt zu suchen, meint Hagen, er sei seines Lebens nicht so leid, daß er sich in den Wogen selbst er¬ tränken wolle - in Etzels Land sollen durch ihn noch viele den Tod finden. Aber er ist bereit, Fährleute zu suchen. Stromauf und stromab hält Hagen nach ihnen Ausschau. Da hört er in einem schönen Brunnen das Rauschen von Wasser. Es ist durch Wasserfrauen verursacht, die in ihm baden. Als sie Hagen bemerken, der zu ihnen schleicht, ent¬ fliehen sie. Doch nimmt Hagen ihnen ihre Kleider weg. Die eine der Wasserfrauen, Hadeburc, verspricht ihm, ihn wissen zu lassen, wie es den Burgunden auf ihrem Zug ins Hunnen¬ land ergehen werde, wenn er ihnen ihre Kleider zurückgäbe. Hagen glaubt an das, was sie ihm sagen wollen. Er erfährt von Hadeburc, daß sie unbesorgt zu Etzel reiten können, und gibt den Nixen ihre Kleider zurück. Aber jetzt spricht ihn die andere Wasserfrau, Sigelint mit Namen, an und er¬ öffnet ihm, daß ihre Verwandte ihn belogen habe, nur um die Gewänder zurückzuerhalten: „Kommst du hin zu den 16 Das ist der alte schwäbische Gau Swalafeld (‘Schwalben¬ feld5) nördlich der Donau, benannt nach der Schwalb, einem klei¬ nen Nebenfluß der Wörnitz.
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Nibelungenlied: Nacherzählung
Hunnen, so bist du arg betrogen. Wahrhaftig, du sollst umkehren; noch ist es an der Zeit. Denn ihr kühnen Helden seid auf eine solche Weise eingeladen, daß ihr in Etzels Land sterben müßt. Diejenigen, die dahin reiten, sind des sicheren Todes“
(1539, 4—1540, 4). Und auf Hägens Entgegnung,
sie suche ihn zu täuschen, bestätigt die erste Nixe: „Es muß so sein, daß keiner von euch da am Leben bleiben kann, außer dem Kaplan des Königs; das ist uns wohlbekannt. Der kommt
gesund
wieder in
Günthers
Land zurück“
(1542). Auf seine Frage erfährt Hagen schließlich noch, wie er es erreichen kann, daß das Heer über den Fluß gesetzt wird. Er erhält nähere Auskünfte über die Herren des Landes - es sind dies Else und sein Bruder Gelpfrat - und auch darüber, auf welche Weise er den Fährmann dazu veranlassen könne, herüberzukommen. In der Tat findet Hagen alsbald das Haus des Fergen. Dem Rat der Wasserfrauen folgend, gibt er sich, als der Fährmann auf seinen ersten Zuruf nicht reagiert, als Amelrich aus, einen aus dem Lande geflohenen Lehnsmann Elses, der auch der Lehnsherr des Fergen ist, und bietet ihm als Lohn einen goldenen Armring. Nun rudert der stolze Fähr¬ mann selbst über den Fluß, gerät aber in heftigen Zorn, als er nicht auf den ihm bekannten Amelrich trifft. Hägens Bitte, das Heer für reichen Lohn überzusetzen, weist er schroff zurück. Seine Herren hätten Feinde, und darum setze er keine Fremden in ihr Land über. Wenn Hagen sein Leben lieb sei, solle er schnell wieder aus dem Schiff (in das er mittlerweile gesprungen ist) ans Ufer treten. Noch einmal bittet Hagen ihn, das Heer überzusetzen. Doch der Ferge ergreift ein großes und starkes Ruder und versetzt mit ihm Hagen einen mächtigen Schlag. Dann greift er zu einer Ruderstange und schlägt sie dem in die Knie Gesunkenen derart auf den Kopf, daß sie zerbricht. Nun zieht Hagen sein Schwert und trennt seinem Gegner das Haupt vom Rumpfe ab. Während des Kampfes ist das Schiff strom¬ abwärts getrieben, und Hagen hat große Mühe, es wieder
26. Aventiure
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stromaufwärts zu rudern. Dabei zerbricht ihm das Ruder. Aber er bindet es mit seinem Schildriemen wieder zusammen. Den Burgunden bleibt nicht verborgen, daß das Schifflein von Blut bedeckt ist, und Günther vermutet sogleich, Hagen habe dem Fährmann das Leben genommen, was Hagen in¬ des bestreitet: Er habe das Schiff ohne Fährmann gefunden. Nun müssen die Pferde, denen man Zaum und Sattel ab¬ nimmt, über den Fluß schwimmen. Kein einziges geht trotz der starken Strömung verloren,
wenngleich einige weit
stromabwärts getrieben werden. Die Ritter und die Knappen aber, insgesamt mehr als 10 000 Mann, rudert Hagen wäh¬ rend des ganzen Tages eigenhändig über die Donau. Bei einer der Überfahrten ergreift er den Kaplan und wirft ihn über Bord. Weder Giselhers noch Gernots Zorn vermag Hagen von seinem Vorsatz abzubringen. Der Geistliche sucht sich eifrig über Wasser zu halten und wieder ins Boot zu gelangen, doch Hagen stößt ihn unter Wasser. Daraufhin kehrt der Priester ans Ufer zurück. „Zwar konnte er nicht schwimmen, doch half ihm Gottes Hand, daß er wieder gesund hinaus an das Land kam“ (1579, 3/4). Hagen er¬ kennt daraus, daß das den Burgunden von den Wasserfrauen prophezeite Geschick unabwendbar ist und alle ihr Leben ver¬ lieren müssen. Nachdem alle und alles übergesetzt ist, schlägt er das Schiff in Stücke. Keiner soll feige entrinnen können, sondern, wenn er es versucht, an diesem Strom einen schmäh¬ lichen Tod finden. 26. Aventiure (1586-1649) Auf Günthers Frage, wer sie durch das Land führen werde, erklärt Volker - von dem der Dichter gerade vor¬ her gesagt hat, ihn dünke alles gut, was Hagen tut -, diese Aufgabe übernehmen zu wollen. Da ergreift Hagen das Wort und verkündet den Nibelungen, daß keiner von ihnen in die Heimat zurückkehren werde. Das habe er von zwei
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Nibelungenlied: Nacherzählung
Nixen erfahren und in der Hoffnung, ihre Voraussage als lügenhaft erweisen zu können, den Kaplan als den einzigen, dem sie die Rückkehr prophezeit haben, ertränken wollen. Nun rät er dem Heer, sich auf einen Kampf einzustellen, da sie hier starke Feinde hätten. Von Schar zu Schar fliegt die Kunde von dem allen bevorstehenden Tod, und selbst tapfere Helden erbleichen, als sie sie vernehmen. Jetzt be¬ kennt Hagen sich auch zu der Tötung des Fährmanns und leitet eben aus ihr die Feindschaft von Gelpfrat und Else ab. Auf die nochmalige Frage, wer denn das Gesinde durch das Land weisen solle, wird wieder Volker genannt. Inzwischen ist in der Tat Gelpfrat und Else die Nachricht von der Tö¬ tung des Fährmanns überbracht worden, und sie bieten ihre Leute zur Verfolgung derjenigen auf, die ihn erschlagen haben. Hagen übernimmt zusammen mit seinem Bruder Dancwart die Nachhut. Kaum ist die Nacht hereingebro¬ chen, hören sie das Klappern von Hufen. Man hält an, und alsbald sind die Feinde bei ihnen. Hagen gibt Gelpfrat gegenüber offen zu, den Fergen getötet zu haben, nachdem er selbst von ihm in arge Bedrängnis gebracht worden sei, und erklärt sich zu einer Sühne bereit. Aber Gelpfrat lehnt den Vergleich ab, greift Hagen mit seinem Speer an und wirft ihn aus dem Sattel. Auf der Erde setzen sie ihren Kampf fort, und Hagen hätte gegen den starken Markgra¬ fen beinahe sein Leben verloren. Er muß seinen Bruder Dancwart um Hilfe anrufen. Dieser versetzt Gelpfrat einen tödlichen Schlag. Else wird verwundet, und achtzig seiner Leute fallen; er muß fliehen. Die Burgunden haben nur vier Mann verloren. Hagen ordnet an, den Königen bis zum nächsten Morgen nichts von dem Kampf zu sagen: „Laßt sie bis morgen ohne Sorge bleiben" (1620, 4). Das Gesinde ist nach dem langen Ritt ermüdet. Doch kann Dancwart ihm keine Hoffnung auf baldige Rast machen: vor dem nächsten Morgen ist nicht an sie zu denken. Als Günther nach Sonnenaufgang die blutbefleckten Rüstungen der Krie¬ ger bemerkt, wird er zornig, daß Hagen ihn nichts von dem
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Kampf hat wissen lassen. Nun berichtet Hagen von dem nächtlichen Geschehen. Wo sich die Burgunden schließlich gelagert haben, weiß der Dichter nicht zu erzählen, wohl aber, daß Bischof Pilgrim von Passau sie freundlich emp¬ fängt. Da die Stadt für so viele Gäste zu klein ist, müssen sie sich jenseits des Flusses auf einem breiten Feld lagern, wo Hütten und Zelte aufgeschlagen werden. Einen Tag und eine Nacht verbringen sie dort. Dann setzen sie ihren Zug in Rüedegers Mark fort. Auf der Grenze treffen sie auf einen schlafenden Mann, dem Hagen sein Schwert wegnimmt. Dieser Grenzwächter ist Eckewart. Als er den Verlust seiner Waffe bemerkt, be¬ klagt er die Schande, die es für ihn bedeutet, schlafend an¬ getroffen worden zu sein. Doch Hagen gibt Eckewart das Schwert zurück und dazu sechs rote Armringe. Eckewart dankt für diese Gabe, indem er eine Warnung an die Bur¬ gunden richtet: „Mich schmerzt eure Fahrt zu den Hunnen gar sehr. Ihr habt Siegfried erschlagen: man haßt euch hier. Daß ihr euch wohl behütet, das rate ich euch aufrich¬ tig“
(1635, 2-4). Hagen erwidert nur:
„Nun möge uns
Gott behüten“ (1636, la) und verweist darauf, daß sie zu¬ nächst eine andere Sorge bedrückt: die um eine Unterkunft, denn ihre Pferde sind ermattet und ihr Vorrat an Proviant ist aufgebraucht. Eckewart kann sie trösten: Ihr Weg führt sie zu dem freundlichsten Gastgeber, den es überhaupt gibt, zu Rüedeger. Gern ist Eckewart auf Günthers Bitte hin bereit, als Bote zu Rüedeger zu eilen, um die Ankunft der Gäste zu melden. Als Rüedeger Eckewart sich eilig nahen sieht, glaubt er, daß ihm von Feinden Leid widerfahren wäre. Sobald er jedoch vernommen hat, worum es sich wirklich handelt, ist er voller Freude, daß die burgundischen Könige und ihre Mannen seine Gäste sein wollen, und er befiehlt seinen Leu¬ ten, ihnen zum Empfang entgegenzureiten.
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Nibelungenlied: Nacherzählung
27. Aventiure (Str. 1650-1717) Er selbst begibt sich zu seiner Frau und zu seiner Tochter, um ihnen die frohe Nachricht von der Einkehr der Burgunden in Bechelaren zu überbringen. Die beiden Frauen sollen die drei Könige, dazu Hagen, Dancwart und Volker beim Empfang vor den anderen durch ihren Kuß auszeichnen. Gotelint und ihre Tochter bereiten sich nun mit ihren Frauen und Mädchen auf die Begrüßung der hohen Gäste vor, und der Dichter betont, wie schon bei früherer Gelegenheit, daß keine von ihnen geschminkt ist. Herzlich heißt Rüedeger die Burgunden willkommen. Dancwart fragt ihn, wer sich denn des Gefolges annehme, woraufhin Rüedeger ihm ver¬ sichert, daß er auch für die Knappen sorgen werde. Er läßt für sie auf dem Feld Zelte aufschlager, und versorgt sie so gut, wie sie es auf dem Zuge noch nie gehabt haben. Inzwi¬ schen ist auch die Markgräfin mit ihrer Tochter und den übrigen Damen vor die Burg getreten, und sie gehen den Gästen entgegen. Gotelint und ihre Tochter küssen die drei Könige. Aber als Rüedeger seine Tochter auch Hagen küssen heißt, zögert sie, da ihr der Kämpe so furchterregend vor¬ kommt. Doch muß sie das Gebot des Vaters erfüllen, was sie unter abwechselndem Erbleichen und Erröten tut. Da¬ nach küßt sie auch Dancwart und Volker, dem diese Aus¬ zeichnung wegen seiner persönlichen Tüchtigkeit*7 zuteil wird. Rüedegers Tochter geleitet Giselher, ihre Mutter Gün¬ ther, Rüedeger selbst Gernot in den Saal, wo die Gäste bewirtet werden. Die junge schöne Markgräfin erregt all¬ gemeine Aufmerksamkeit, und mancher Ritter wendet ihr zärtliche Gedanken zu. Während aber ihre Mutter an der Tafel der Herren Platz nimmt, bleibt sie bei den jungen Mädchen, so daß sie die Gäste bei dem Mahl nicht zu Ge¬ sicht bekommen. Erst nachdem das Mahl beendet ist, werden 17 Also nicht wegen seiner hohen Abkunft.
27. Aventiure
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die Mädchen wieder in den Saal geholt, wo sich eine ange¬ regte Unterhaltung entwickelt. Volker sagt zu Rüedeger, wenn er ein Fürst wäre, wollte er seine Tochter zur Frau nehmen. Rüedeger entgegnet, er und seine Frau lebten hier als Landflüchtige, und er zweifelt, daß je ein König um die Hand seiner Tochter anhalten werde. Da schlägt Hagen vor, Giselher solle sich mit der jungen Markgräfin vermählen. Rüedeger und Gotelint sind hierüber beglückt, und die Ver¬ mählung wird beschlossen. Erst danach wird Rüedegers Tochter hinzugezogen. Beide Seiten bekräftigen die Ver¬ bindung. Die burgundischen Könige weisen der Braut Bur¬ gen und Land als Morgengabe zu und beeiden diese Zu¬ sicherung. Da Rüedeger keine Burgen sein eigen nennen kann, will er seiner Tochter so viel Silber und Gold mit¬ geben, wie hundert Lasttiere zu tragen vermögen. An¬ schließend wird im Ring der Ritter die Vermählung förm¬ lich geschlossen. Als Rüedegers Tochter gefragt wird, ob sie Giselher zum Manne nehmen wolle, schämt sie sich über diese Frage, wie es so manches Mädchen getan hat. Aber auf die Aufforderung des Vaters, ja zu sagen, tut sie das nur zu gern. Wenn die Burgunden auf der Rückreise von Etzels Hof wieder in Bechelaren einkehren, will Rüedeger ihnen seine Tochter mitgeben. Am nächsten Morgen wollen die Burgunden weiterziehen, doch das läßt Rüedeger nicht zu: Noch vierzehn Tage könne er die Gäste hier bewirten, und wie sehr sie auch wider¬ streben: sie müssen bis zum vierten Morgen in Bechelaren bleiben. Vor dem Abschied beschenkt er sie aufs freigebigste. Günther, der sonst keine Gaben anzunehmen pflegt, ehrt den Markgrafen, indem er sich mit einem Waffenrock be¬ schenken läßt. Gernot erhält ein ausgezeichnetes Schwert durch das alsbald Rüedeger den Tod finden wird. Gotelint bietet Hagen Geschenke an. Aber dieser will bloß den Schild haben, den er an der Wand hängen sieht. Als Gotelint Hä¬ gens Bitte vernommen hat, bricht sie in Tränen aus. Denn sie wird durch sie an Nuodunc erinnert, der durch Witege
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Nibelungenlied: Nacherzählung
sein Leben verloren hat.18 Doch gibt sie Hagen den auch in seinem materiellen Wert kostbaren Schild und überreicht ihn ihm eigenhändig. Dancwart empfängt aus den Händen von Rüedegers Tochter prächtige Kleider. Alle nehmen diese Gaben nur Rüedeger zuliebe an, den sie schon bald erschla¬ gen müssen. Nun tritt Volker vor Gotelint, fiedelt ihr lieb¬ liche Melodien und singt ihr Lieder. Zwölf Armringe sind der Lohn der Markgräfin für Volkers Minnedienst. Rüede¬ ger gibt den Burgunden das Geleit zu Etzel. Mit fünf¬ hundert seiner Mannen, von denen keiner je wieder nach Bechelaren zurückkehren wird, begleitet er sie zu dem Fest. In froher Stimmung reiten sie die Donau entlang. Rüedeger sendet Boten voraus, die Etzel die Nachricht von der An¬ kunft der rheinischen Gäste überbringen. Aus einem Fen¬ ster hält Kriemhilt, von Rachegedanken erfüllt, Ausschau nach ihren Verwandten, während Etzel vor Freude lacht, als er hört, daß seine Gäste in Kürze bei ihm eintreffen werden.
28. Aventiure (Str. 1718-1757) Von der Ankunft der Burgunden erfährt auch der alte Hildebrant, und br berichtet das Dietrich, seinem Herrn, dem diese Nachricht sehr leid ist.1» Dietrich reitet mit den’ Seinen zum Empfang der Burgunden hinaus. Diese sind gerade im Begriff, von ihrem letzten Lagerplatz vor der Burg Etzels aufzubrechen. Hagen bemerkt die Ankommen¬ den zuerst, erkennt sie sogleich und rät seinen Herren, ihnen entgegenzugehen. Noch einmal wiederholt der Dichter, daß Dietrich der Zug der Burgunden in Etzels Land leid ist. Da-
Nach der Angabe anderer deutscher Dichtungen ist Nuodunc Gotelints Sohn. 19 Weil er Kriemhilts hinterhältige Absichten durchschaut.
28. Aventiure
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bei glaubt Dietrich, daß Rüedeger, ebenfalls von Kriemhilts Absichten wissend, die Burgunden schon gewarnt habe. Jetzt verbindet er seinen Willkommensgruß mit der Frage: „Ist euch das nicht bekannt? Kriemhilt beweint noch immer vol¬ ler Schmerz den Helden von Nibelungenland“ (1724, 3b/4). Unbeeindruckt erwidert Hagen: „Sie mag wohl lange wei¬ nen. Er liegt seit manchem Jahr zu Tode erschlagen [...]. Siegfried kommt nicht wieder, er ist seit langer Zeit begra¬ ben“ (1725). Dietrich entgegnet darauf, Siegfrieds Wunden wollten sie auf sich beruhen lassen. Aber solange Kriemhilt leben werde, könne Schaden eintreten. Und zu Günther gewandt:
„Trost
der
Nibelungen,
davor
hüte
dich!“
(1726, 4). Während Günther meint, warum er sich hüten solle, da sie doch von Etzel und von seiner Schwester ein¬ geladen worden seien, rät Hagen, sich in einer vertraulichen Besprechung von Dietrich genauer über Kriemhilts Pläne unterrichten zu lassen. In dieser Unterredung bestätigt Diet¬ rich, daß er Kriemhilt jeden Morgen Gott ihren Schmerz um den starken Siegfried klagen hört. Volker zieht daraus in¬ dessen nur den Schluß: „Es ist nun einmal unabwendbar, was wir vernommen haben“ (1731, la/2b), und so reiten die Burgunden an Etzels Hof, wo die Hunnen neugierig auf Hagen sind, von dem sie wissen, daß er den ersten Mann ihrer Königin, den stärksten aller Recken, erschlagen hat. Auf Anweisung der haßerfüllten Kriemhilt werden
die
Knappen getrennt von den Rittern untergebracht. Die Sorge für die Knappen vertraut Günther angelegentlich Dancwart an. Jetzt tritt Kriemhilt mit ihrem Gefolge den Nibelungen entgegen, küßt nur Giselher und nimmt ihn bei der Hand. Daraufhin bindet Hagen seinen Helm fester: Nach dieser Begrüßung weiß er, was sie alle erwartet: „Wir haben keine gute Reise zu diesem Fest unternommen“
(1738, 4). Da
wendet sich Kriemhilt direkt an ihn: „Nun seid dem will¬ kommen, der Euch gerne sieht. Wegen Eurer bloßen Freund¬ schaft grüße ich Euch nicht. Sagt, was Ihr mir von Worms
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Nibelungenlied: Nacherzählung
über den Rhein bringt, weswegen Ihr mir so sehr willkom¬ men sein solltet“ (1739). Hagen antwortet, wenn er ge¬ wußt hätte, daß Kriemhilt Gaben erwarte, so sei er wohl so reich, daß er ihr eine hätte mitbringen können. Sogleich fragt Kriemhilt nun nach dem Verbleib des Nibelungen¬ hortes, ihres Eigentums, den er ihr hierher in Etzels Land hätte bringen sollen. Und als Hagen erklärt, seine Herren hätten den Hort im Rhein versenken lassen, wo er bis zum Jüngsten Tage liegen müsse, wiederholt sie, er habe ihr nichts von dem gebracht, was ihr Eigentum sei. Höhnisch ent¬ gegnet Hagen, er habe an seiner Rüstung genug zu tragen, und das Schwert in seinen Händen 20 bringe er ihr nicht. Kriemhilt gibt nun den Befehl, den Gästen die Waffen ab¬ zunehmen, die sie aufbewahren wolle, da niemand bewaffnet den Saal betreten dürfe. Aber Hagen widersetzt sich, wie¬ derum Kriemhilt verhöhnend: Diese Ehre begehre er nicht, daß sie, die Gattin eines Königs, seine Waffen in die Her¬ berge trage: „Das hat mich mein Vater nicht gelehrt: ich will selbst (=
ich wdl mein eigener)
Kämmerer sein“
(1746,4). Hieraus ersieht Kriemhilt, daß die Burgunden gewarnt sind, und sie droht demjenigen den Tod an, der es getan hat. Offen und zornig bekennt Dietrich, daß er es ge¬ wesen ist, der die Burgunden gewarnt hat, und er fährt Kriemhilt an: „Nur zu, Teufelin, du sollst’s mich nicht entgelten lassen!“
(1748,4). Da schämt sich Etzels Ge¬
mahlin vor dem Berner und geht hinweg, ohne ein Wort zu sagen, wirft aber ihren Feinden haßerfüllte Blicke zu. Hagen und Dietrich fassen sich an der Hand, und Dietrich bedauert nach dem Empfang, den Kriemhilt den Gästen bereitet hat, nochmals, daß die Nibelungen an Etzels Hof gekommen sind. Hagen antwortet nur: „Das wird sich alles finden“ (1751, 2b). Von ferne bemerkt Etzel, wie vertraut Dietrich mit einem der burgundischen Gäste spricht, und fragt, wer es wohl sei. 20 Es ist das Schwert Siegfrieds.
29. Aventiure
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Als er gehört hat, daß es sich um Hagen handelt, steigen alte Erinnerungen in ihm auf: Hägens Vater Aldrian war sein Lehnsmann, ja, er hat ihn zum Ritter gemacht. Und er kennt auch Hagen, ist dieser doch, zusammen mit Walther von Spanien, als Kind als Geisel an seinen Hof gekommen, wo er heranwuchs. Später hat er ihn wieder zurückgesandt, wohingegen Walther mit Hildegunt entfloh. So ergeht sich der Hunnenherrscher in Erinnerungen an lange zurück¬ liegende Zeiten - während Hagen sehr bald vielen von Etzels Verwandten und Freunden das Leben nehmen wird.
29. Aventiure (Str. 1758-1817) Hagen hält Ausschau nach einem Kampfgefährten und findet ihn in Volker. Während die Könige noch auf dem Hof Zurückbleiben, schreiten die beiden furchtlos zu einem großen Palas, vor dem sie sich auf einer Bank niedersetzen. Die Hunnen starren die stolzen und mächtigen Kämpen wie die wilden Tiere an. Auch Kriemhilt bemerkt sie und wird durch ihren Anblick an ihr Leid erinnert. Sie bricht in Tränen aus, woraufhin die Hunnen sie erstaunt nach der Ursache ihres Schmerzes fragen. Als sie von ihr hören, daß Hagen an ihm die Schuld trägt, sind die hunnischen Krieger bereit, ihm nach dem Leben zu trachten, falls sie es ihnen befiehlt. Sech¬ zig Hunnen wappnen sich, um den Willen ihrer Herrin zu erfüllen. Aber Kriemhilt ist sich völlig darüber im klaren, daß diese Schar viel zu klein ist, als daß sie gegen Hagen und Volker, den sie einen übelen man nennt, etwas ausrichten
könnte.
So bereiten
sich vierhundert
Hunnen
zum
Kampf. Kriemhilt heißt sie noch eine Weile warten: Mit der Krone auf dem Haupt will sie vor ihre Feinde treten und die Hunnen aus Hägens eigenem Mund hören lassen, was er ihr angetan hat: „Ich weiß, daß er so stolz ist, daß er es mir gegenüber nicht abstreitet“ (1771, 3). Volker er-
350
Nibelungenlied: Nacherzählung
blickt die Königin als erster und macht Hagen auf sie, die die Burgunden treulos eingeladen hat, aufmerksam. Hagen weiß sehr wohl, daß alles ihm gilt, fügt aber hinzu, vor den Hunnen getraue er sich noch ins Burgundenland zurückzu¬ reiten, und er fragt Volker, ob dieser ihm beistehen wolle, wenn Kriemhilts Mannen den Kampf mit ihm suchten. Der Spielmann sagt ihm seine Hilfe zu, was Hagen mit tiefer Befriedigung erfüllt. Er schlägt dem Troneger vor, von den Sitzen
aufzustehen,
da Kriemhilt Königin sei; mit
der
Ehrerweisung ihr gegenüber ehrten sie auch sich selbst. Doch Hagen widerspricht: Wenn sie jetzt aufstünden, würden die Hunnen gar glauben, sie täten es aus Furcht, und er fragt rhetorisch: „Warum sollte ich den ehren, der mich haßt?“ (1782, 2). Herausfordernd legt Hagen sein mit einem gras¬ grün funkelnden Jaspis versehenes Schwert über seine Knie — das Schwert Siegfrieds. Kriemhilt wird durch seinen Anblick an ihr Leid erinnert, und sie beginnt zu weinen. „Ich glaube, daß es der kühne Hagen darum getan hatte“, bemerkt
der
Dichter hierzu
(1784,4).
Feindselig
redet
Kriemhilt Hagen an und fragt ihn, wer nach ihm gesandt habe, daß er nach dem, was er ihr angetan habe, wage, hier¬ her in dieses Land zu reiten. Hagen erwidert, nach ihm habe niemand gesandt. Aber die Könige, seine Herren, seien eingeladen worden; er sei ihr Lehnsmann und noch bei keiner Reise sei er hinter ihnen zurückgeblieben. Kriemhilt sagt ihm nun auf den Kopf zu, er habe Siegfried, ihren lieben Mann, erschlagen, und Hagen bekennt sich zu der Tat: „Was soll’s noch weiter? Der Rede ist nun genug. Ich bin es, Hagen, der Siegfried erschlug, den tapferen Helden. Wie sehr hat er das entgolten, daß die Fürstin Kriemhilt die schöne Brünhilt beleidigte! Es ist nicht zu leugnen, mächtige Königin: Ich habe an allem schuld, an dem schadebringen¬ den Verlust. Nun räche das, wer immer es will, es sei Frau oder Mann. Ich müßte denn lügen: ich habe Euch viel Leid zugefügt
(1790/91). Allein, die Hunnen wagen es auch
nach diesem rückhaltlosen Geständnis Hägens nicht, die bei-
29. Aventiure
den
furchterregenden
351
burgundischen Recken
anzugreifen.
Einer von ihnen spricht es offen aus: „Was ich zuvor ge¬ lobt habe, davon will ich abstehen und wegen niemandes Gabe mein Leben verlieren. Wahrhaftig, König Etzels Ge¬ mahlin will uns ins Verderben führen“ (1794,2-4). Ein zweiter erklärt daraufhin, gleichen Sinnes zu sein: Türme von rotem Gold könnten ihn nicht dazu bewegen, mit dem Fiedler zu kämpfen, und Hagen kenne er aus seiner Jugend. Schon damals habe er im Kampf Hervorragendes geleistet, und mittlerweile sei aus dem Jüngling ein alter und erfah¬ rener Kämpfer geworden. Alle Hunnen entfernen sich wie¬ der. Auf Volkers Vorschlag kehren nun Hagen und er selbst zu ihren Herren zurück, die noch im Hofe stehen. Volker fordert die Könige auf, sich zu Etzel zu begeben, um von ihm zu erfahren, wie er gesinnt sei. Vornehme Helden des Etzelhofes geleiten die burgun¬ dischen Könige zu dem Hunnenherrscher: Günther wird von Dietrich, Gernot von Irnfrit, Giselher von Rüedeger geführt. Aber wie sich auch sonst die Paare zusammenfinden: Volker und Hagen trennen sich nie, bis sie an ihrem Ende im Kampf geschieden werden. Als Günther den Festsaal be¬ tritt, springt Etzel von seinem Thron auf und heißt ihn, seine Brüder und alle anderen, von denen er ausdrücklich Hagen und Volker nennt, willkommen. Hagen macht ihm das Kompliment: „Wäre ich nicht wegen meiner Herren hierher zu den Hunnen gekommen, so wäre ich Euch zu Ehren in das Land geritten“ (1811,2/3). Etzel führt nun seine Gäste zu Ehrenplätzen und läßt ihnen als Willkom¬ menstrunk in goldenen Schalen Met, Maulbeerwein und Wein
einschenken.
Er
bekundet
seine
außerordentliche
Freude über die Anwesenheit der Burgunden und bedauert nur, daß sie nicht schon früher gekommen sind. Es folgt das Festmahl, bei dem es in Überfluß zu essen und zu trinken gibt.
352
Nibelungenlied: Nacherzählung
30. Aventiure (Str. 1818-1848) Am Abend wünschen die von der langen Reise ermüdeten Burgunden, sich bald zur Ruhe zu begeben. Hagen ist es, der dies zur Sprache bringt, woraufhin Günther sich mit der Bitte, daß sie sich entfernen dürfen, an Etzel wendet. Beim Aufbruch werden die Gäste von den Hunnen umdrängt. Volker rät ihnen, davon abzulassen, andernfalls werde er einigen von ihnen einen schweren Bogenschlag versetzen. Und Hagen fordert die Hunnen auf, wenn sie etwas Feind¬ liches gegen die Burgunden im Schilde führten, morgen früh zu kommen und vorher den eilenden die Ruhe zu gönnen; so sei es immer von Helden gehandhabt worden. In einem großen Saal stehen für die Gäste so kostbar hergerichtete Betten bereit, daß der Erzähler bemerkt: „Nie hat ein Kö¬ nig mit seinem Gefolge so herrlich gelegen“ (1826,4). Ha¬ gen übernimmt es, in der Nacht die Schildwacht zu halten, damit die Nibelungen unbesorgt ruhen
können.
Volker
schließt sich ihm an, wofür ihm Hagen den Dank Gottes wünscht. Vor der Tür des Hauses hüten die beiden Recken ihre Gefährten. Volker hat nicht nur seine Waffen mitge¬ nommen, sondern auch seine Fiedel. Er setzt sich auf die steinerne Türschwelle und fiedelt mit zuerst mächtig an¬ schwellendem, dann sanfterem Spiel die sorgenerfüllten Bur¬ gunden in den Schlaf. Mitten in der Nacht sieht Volker in der Finsternis einen Helm aufblitzen: Kriemhilts Mannen wollen den Gästen heimlich Schaden zufügen. Einer der Hunnen bemerkt, daß die Tür von Volker und Hagen be¬ wacht ist. Da kehren die Elunnen um, ohne einen Angriff auch nur versucht zu haben. Zornig will Volker zu den hunnischen Kriegern gehen, um sie zur Rede zu stellen. Ha¬ gen widerspricht: Die Hunnen könnten Volker in solche Be¬ drängnis bringen, daß er selbst ihm zu Hilfe kommen müßte, wodurch andere die Gelegenheit erhielten, in den Saal ein¬ zudringen und die Schlafenden zu überfallen. Aber der
31. Aventiure
353
Spielmann möchte die Hunnen wenigstens wissen lassen, daß er sie gesehen hat, und so ruft er sie an. Und da niemand antwortet, beschimpft er sie als erbärmliche Feiglinge: „Wolltet ihr uns im Schlafe ermorden? Das ist so tapferen Helden bisher noch gar selten geschehen“ (1847, 3/4). Kriemhilt wird gemeldet, daß ihre Leute nichts ausgerichtet haben. Da setzt sie ihre Rache auf andere Weise ins Werk.
31. Aventiure
(Str. 1849-1920) Am nächsten Morgen weckt Hagen die burgundischen Rit¬ ter, damit sie zur Messe gehen können. Nach christlichem Brauch läuten am Hunnenhofe Glocken, und die Burgunden beginnen, ihre Festkleidung anzulegen. Doch Hagen fordert sie auf, angesichts der hinterhältigen Absichten Kriemhilts hier andere Kleider zu tragen: „Wir müssen heute kämpfen, das will ich euch sagen. Anstelle von seide¬ nen Hemden sollt ihr die Halsberge tragen und anstelle kostbarer Mäntel die festen, großen Schilde“ (1854, 1-3). Sodann rät Hagen den Burgunden, in die Kirche zu gehen, wo sie nicht nur dem mächtigen Gott ihre Sorge und Not klagen, sondern ihm auch alles bekennen sollen, was sk ge¬ tan haben: „Wenn Gott im Himmel nicht anders will, hört ihr niemals mehr eine Messe“ (1856,4). So gehen die Kö¬ nige und ihre Mannen bewaffnet zu dem Münster. Auf dem Kirchplatz heißt Hagen sie Stillstehen und trägt ihnen auf, ihre Schilde dicht vor die Füße zu legen und einen etwaigen Angriff mit tiefen tödlichen Wunden zu vergelten. Als Etzel, der zusammen mit Kriemhilt jetzt ebenfalls auf dem Platz vor dem Münster erscheint, seine Gäste bewaffnet sieht, glaubt er, jemand habe ihnen etwas zuleide getan, und er verspricht ihnen Wiedergutmachung. Doch Hagen erklärt, niemand habe ihnen etwas getan; vielmehr sei es die Sitte seiner Herren, bei einem Fest drei Tage lang be-
354
Nibelungenlied: Nacherzählung
waffnet zu gehen. Kriemhilt hat Hägens Worte gehört. Zwar wirft sie ihm feindselige Blicke zu, klärt Etzel aber nicht darüber auf, wie die Sitte ihres Landes tatsächlich ist. Der Erzähler fügt hinzu, wenn jemand dem Hunnenkönig mitgeteilt hätte, wie die Verhältnisse wirklich liegen, hätte er wohl verhindert, was seitdem geschehen ist. Indes führt der große Stolz der Burgunden dazu, daß niemand ihn un¬ terrichtet. Hagen und Volker stehen am Eingang des Mün¬ sters und weichen keine zwei Handbreit zurück, als Kriem¬ hilt mit einem großen Gefolge die Kirche betritt, so daß ein erhebliches Gedränge entsteht, freilich nichts Schlimmeres. An den Gottesdienst schließen sich Ritterspiele an, zu de¬ nen auch Dancwart mit den Knappen erscheint. Etzel und Kriemhilt schauen dem Buhurt zu. Auch die sechshundert Recken Dietrichs finden sich ein. Doch untersagt Dietrich ihnen den Buhurt gegen Günthers Ritter, weil er in der spannungsgeladenen
Situation
um
seine
Leute
fürchtet.
Ebenso hält Rüedeger seine fünfhundert Leute davon ab, sich an dem Buhurt zu beteiligen. Dagegen nehmen wohl tausend Thüringer und Dänen,
die unter ihren Herren
Irnfrit und Hawart an Etzels Hof leben, an den Ritter¬ spielen teil. Dann reitet auch Bloedelin mit dreitausend seiner Leute auf den Turnierplatz, auf dem sich ein lautes und lebhaftes Treiben entwickelt. Schon rät Volker, jetzt die Pferde in die Ställe zurückzubringen und den Buhurt gegen Abend fortzusetzen, da sehen sie einen Hunnen da¬ herreiten, so stutzerhaft, wie noch keiner der Hunnen auf¬ getreten ist, aufgeputzt wie eine Dame. Volker will dem Liebling der Damen einen Denkzettel verpassen. Zwar bittet König Günther, davon abzustehen: man solle es den Hun¬ nen überlassen, den Kampf zu eröffnen. Hagen aber er¬ klärt, am Buhurt teilnehmen zu wollen, und Volker reitet auf den Hunnen zu, dem er den Speer durch den Leib stößt. Sogleich sprengen Hagen und seine sechzig Lehnsmannen zu dem Schauplatz dieses Vorfalles hin. Und da die Könige ihren Spielmann nicht ohne Schutz lassen wollen, reiten auch
31. Aventiure
355
sie mit den übrigen tausend burgundischen Rittern hinzu. Die Verwandten des von Volker erstochenen hunnischen Markgrafen rufen nach Schwertern und Schilden, um sei¬ nen Tod an Volker zu rächen. Als Etzel das gewahr wird, eilt er von seinem Platz herunter, um den drohenden Aus¬ bruch des Kampfes zu verhindern. Einem der Verwandten des hunnischen Markgrafen reißt er die Waffe aus der Hand und treibt sie alle zurück, indem er erklärt, genau gesehen zu haben, daß Volker den Hunnen nur infolge eines Straucheins und unbeabsichtigt getötet habe:
„Ihr müßt
meine Gäste Frieden haben lassen“ (1897, 1). Nun begibt man sich zum Mahl in den Palas. Es dauert eine lange Zeit, bis alle Platz genommen haben. Kriemhilt wendet sich unterdessen an Dietrich von Bern und bittet um seinen Rat, seine Hilfe und seinen Beistand. Sogleich, noch ehe Dietrich antworten kann, erwidert Hildebrant: „Wer die Nibelungen erschlägt, der tut es ohne mich“ (1900, 2), und der Berner sagt ihr, ihre Verwandten hätten ihm nichts zuleide getan, weswegen er mit ihnen kämpfen müsse: „Die Bitte ehrt dich wenig [. . .], daß du deinen Verwandten nach dem Leben trachtest. Sie kamen voll Vertrauen hierher in dieses Land. Siegfried bleibt ungerächt von der Hand Dietrichs“ (1902). Daraufhin versucht Kriemhilt Bloedelin für ihren Plan zu gewinnen, verspricht ihm eine große Grenzmark, die Nuodunc gehört hat, und bittet ihn, Sieg¬ frieds Ermordung an ihren Feinden zu rächen. Bloedelin wagt das zunächst nicht mit Rücksicht auf Etzel. Aber Kriemhilt setzt ihre Bitten fort, stellt ihm nicht nur Silber und Gold, sondern auch ein schönes Mädchen, Nuoduncs Braut, in Aussicht, dazu noch einmal Land und Burgen. Als Bloedelin von diesem Lohn hört und zumal von dem schö¬ nen Mädchen, das er für sich gewinnen kann, ist er bereit, Kriemhilts Wunsch zu erfüllen. Er sagt ihr zu, ihr Hagen gebunden auszuliefern. Während Bloedelins Mannen sich wappnen, geht Kriem¬ hilt mit Etzel in den Festsaal, wo das Mahl stattfindet, und
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Nibelungenlied: Nacherzählung
zu diesem läßt sie auch den kleinen Ortliep bringen: „Da der Kampf nicht auf andere Weise begonnen werden konnte - ihr altes Leid war in Kriemhilts Herz eingegraben ließ sie Etzels Sohn zur Tafel tragen. Wie hätte eine Frau aus Rache je schrecklicher handeln können?“ (1912). Vier Männer tragen Ortliep zu der Tafel, an der die Könige und auch Hagen sitzen - „darum mußte das Kind durch seinen mordgierigen Haß sterben“
(1913, 4).
Voller Vaterstolz
spricht Etzel von seinem Kinde, das, wenn es nach seiner Sippe gerate, ein kühner, mächtiger, edler, starker und schö¬ ner Mann werde. Seine lieben Freunde sollen Ortliep an den Rhein mitnehmen und ihn in Ehren erziehen. Hagen er¬ widert, Ortliep sei so vom Tode gezeichnet, daß man ihn, Hagen, selten an den Hof zu ihm kommen sehen werde. Diese Rede bereitet Etzel tiefen Schmerz, doch schweigt er. Auch alle hunnischen Fürsten sind erbittert über das, was Hagen von dem Sohn ihres Herrn gesagt hat, und es ver¬ drießt sie, daß sie es hingehen lassen sollen.
32. Aventiure (Str. 1921-1950) Mit tausend Mann zieht Bloedelin zu dem Saal, wo zur gleichen Zeit die Knappen beim Mahle sitzen. Dancwart begrüßt ihn höflich und fragt erstaunt nach dem Grund seines Kommens. Bloedelin weist seinen Gruß zurück. Danc¬ wart müsse es jetzt, ebenso wie viele andere Degen, ent¬ gelten, daß Hagen Siegfried erschlagen habe. Hägens Bru¬ der beruft sich darauf, daß er ein kleines Kind gewesen sei, als Siegfried das Leben verloren hat21: „Ich weiß nicht, 21 Diese Behauptung steht im Widerspruch zur früheren Er¬ zählung: Dancwart hat schon am Sachsenkrieg und an der Fahrt zur Werbung um Brünhilt teilgenommen. Sicherlich ist hier ein altes Wort Giselhers vom Dichter des Nibelungenliedes aus seiner Vorlage irrtümlich auf Hägens Bruder übertragen worden.
32. Aventiure
357
was mir König Etzels Gemahlin vorwirft“ (1924, 4). Da aber der Hunne nicht von seinem Vorhaben ablassen will, springt Dancwart auf, zieht sein Schwert und schlägt Bloedelin mit einem einzigen Streich den Kopf ab. Sarkastisch fügt er hinzu: „Das sei deine Morgengabe zur Braut Nuoduncs, die du minnen wolltest!“ (1927, 3/4). Mit der Er¬ klärung, Dancwart habe durch einen treuen Hunnen von Kriemhilts Plan erfahren, versucht der Dichter zu erläu¬ tern, wieso der Burgunde etwas von Kriemhilts Zusage an Etzels Bruder wissen kann. Als die Hunnen sehen, daß ihr Herr tot ist, dringen sie mit gezogenen Schwertern auf die Knappen ein, die von Dancwart aufgefordert werden, tap¬ feren Widerstand zu leisten. Diejenigen, die kein Schwert zur Hand haben, wehren sich mit Fußbänken, und sie trei¬ ben die Angreifer aus dem Saale hinaus. Fünfhundert oder mehr Hunnen haben ihr Leben verloren. Als sich die Nach¬ richt vom Tode Bloedelins und so vieler hunnischer Krieger verbreitet — ohne daß sie freilich bis zu Etzel dringt -, rüsten sich von neuem zweitausend oder noch mehr Hunnen zum Kampf, und sie machen die Knappen trotz deren er¬ bitterter Gegenwehr bis zum letzten Mann nieder. Neun¬ tausend Knappen und zwölf Dancwart beigesellte Ritter liegen tot im Saal. Dancwart allein ist am Leben geblieben. Beim Verlassen des Saales wird er von hunnischen Kriegern, die nicht gesehen haben, welch wunderbare Kampfleistungen er vollbracht hat, angerannt. Gern hätte er einen Boten, um seinen Bruder Hagen von seiner Bedrängnis zu unterrich¬ ten. Aber die Hunnen rufen ihm zu: „Der Bote mußt du (selbst) sein! Wenn wir dich tot vor deinen Bruder tragen, dann sieht Günthers Lehnsmann zuerst, was ihm leid ist“ (1942, lb-3). So gewaltig ficht Dancwart, daß die Hun¬ nen ihn nicht mehr im Nahkampf anzugreifen wagen. Statt dessen schießen sie so viele Gere in seinen Schild, daß er ihn, ihm zu schwer geworden, als daß er ihn noch halten könnte, aus der Hand sinken lassen muß. Jedoch auch ohne Schild vermag Dancwart alle Angriffe abzuwehren. Wie ein
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Nibelungenlied: Nacherzählung
Eber im Wald durch die Meute der Hunde, so schlägt Dancwart sich durch die Schar seiner Feinde hindurch zu dem Saal, wo Etzel mit seinen Gästen noch beim Mahle sitzt. Hunnische Krieger suchen ihm den Eintritt in den Raum zu verwehren, aber er vertreibt sie mit wuchtigen Schwerthieben.
33. Aventiure (Str. 1951-2008) Blutbespritzt betritt Dancwart den Saal. Er ruft Hagen zu, er sitze hier allzu lange, und berichtet, was inzwischen geschehen ist. Hagen fürchtet angesichts der blutbefleckten Rüstung Dancwarts, daß sein Bruder verwundet sei. Doch versichert ihm Dancwart, daß er unverletzt ist: er ist rot von dem Blut anderer, von denen er so viele erschlagen hat, daß er ihre Zahl nicht angeben kann. Nun trägt Hagen ihm auf, die Tür zu hüten und keinen Hunnen hinauszulassen. Bevor er selbst den ersten Schwertstreich führt, spricht er die düsteren Worte: „Ich habe seit langem von Kriemhilt sagen hören, daß sie ihr Herzeleid nicht verschmerzen wolle. Nun trinken wir die Minne 22 und bezahlen den Wein des Königs. Der junge Herr der Hunnen, der muß der allererste sein“ (1960). Danach schlägt Hagen Etzels Sohn das Haupt ab, das Kriemhilt in den Schoß springt. Hägens nächstes Opfer in dem jetzt im Saale anhebenden blutigen Gemetzel ist der Erzieher des Prinzen. Dem Spielmann Wärbel schlägt er die rechte Hand ab, mit der dieser eben noch gefiedelt hat: „Das habe (= nimm) für deine Botschaft in das Land der Burgunden!“ (1963,4). Wärbel klagt, daß er künftig nicht mehr fiedeln könne. Aber das kümmert Hagen wenig, vielmehr beginnt er nun, unter den hunnischen Recken zu wüten. Desgleichen tut Volker. Auch die drei burgundischen
Das heißt: zum Gedächtnis der Toten. Vgl. hierzu die Wortund Begriffserklärungen, S. 697.
33. Aventiure
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Könige sind aufgesprungen. Gern hätten sie die Ausein¬ andersetzung noch geschlichtet. Indes ist es zu spät für ein besonnenes Eingreifen: sie können Hägens und Volkers Kampfeswut nicht mehr Einhalt gebieten. So beteiligen sich Günther, Gernot und Giselher selbst an dem Kampf. Der Dichter hebt hervor, daß die Kampfleistungen Giselhers die der anderen noch übertreffen. Die Hunnen, die sich außer¬ halb des Saales aufhalten, versuchen, ihren Landsleuten zu Hilfe zu kommen; umgekehrt versuchen die Hunnen in dem Saal, ins Freie zu gelangen. Doch Dancwart verhindert bei¬ des. Allerdings gerät er in ein solches Gedränge, daß Hagen, der das bemerkt, Volker zu seiner Unterstützung an die Tür schickt.
Nun bezieht Dancwart, Volkers Vorschlag ent¬
sprechend, Stellung vor der Tür, während Volker den Hun¬ nen den Zugang zur Tür von innen verwehrt. Hagen steigert jetzt sein Toben noch. Dietrich von Bern meint daraufhin, Hagen schenke den allerschlimmsten Trank aus. Etzel ist in großer Sorge und sitzt angstvoll auf seinem Platz - „was half es ihm, daß er König war?“ fragt der Dichter (1982, 4b). Kriemhilt fleht den Berner an, ihr zu helfen, „denn erreicht mich Hagen, bin ich des sicheren Todes“ (1983, 4). Dietrich erwidert, er wisse nicht, wie er ihr helfen solle, da er selbst bedroht sei. Aber Kriemhilt beschwört ihn, seinen edlen Sinn heute unter Beweis zu stellen, indem er ihr aus dem Saale helfe. Dietrich erklärt sich bereit, einen Versuch hierzu zu unternehmen. Er beginnt mit solcher Kraft zu rufen, daß seine Stimme wie der Ruf mit dem Horn eines Wisents erschallt und durch die Burg hindurch tönt. Günther, der Dietrich rufen hört und auf dem Tische stehend winken sieht, gebietet seinen Rittern, mit dem Kämpfen innezuhalten. Er fragt Dietrich, was ihm von seinen, Günthers, Freunden geschehen sei, und sagt ihm Buße und Sühne zu. Der Berner versichert, daß ihm nichts geschehen sei, vielmehr bittet er, aufgrund einer Friedens¬ zusicherung Günthers zusammen mit seinem Gefolge aus dem Saal gehen zu dürfen, wofür er ihm seinen immerwährenden
360
Nibelungenlied: Nacherzählung
Dank in Aussicht stellt. Dem jungen Wolfhart mißfällt, daß Dietrich um den Abzug bittet: der Fiedler habe die Tür nimmermehr so fest versperrt, daß die Amelungen sie nicht weit öffnen könnten. Aber Dietrich verweist ihn barsch in seine Schranken. Günther gestattet Dietrich, den Saal mit al¬ len, die er mitnehmen will, außer seinen Feinden, zu verlassen. Da legt Dietrich seinen einen Arm um die Königin, seinen anderen um Etzel und führt sie aus dem Saale hinaus, den auch
seine
sechshundert
Lehnsleute
verlassen.
Rüedeger
bittet gleichfalls um freien Abzug für sich und seine Mannen, und Giselher sichert ihm, dem in steter Treue Erprobten, vride unde suone zu. Ein Ffunne versucht, sich mit Dietrichs Rittern aus dem Saal zu schleichen. Aber Volker bemerkt ihn und versetzt ihm einen solchen Schlag, daß sein Kopf vor Etzels Füße springt. Als Etzel das Haus verlassen hat, fängt er zu klagen an: „Wehe über diese Gäste, das ist eine bittere Not, daß alle meine Recken vor ihnen tot liegen sollen. Ach, wehe über das Fest [. . .]. Da kämpft einer darinnen, der heißt Volker, wie ein wilder Eber und ist ein Spielmann. Ich verdanke es (nur) meinem Glück, daß ich dem Teufel entronnen bin“
(2000, 3-2001, 4).
Nachdem
alle, denen die Burgunden freien Abzug gewährt haben, den Saal verlassen haben, hebt in ihm wieder der Kampf an. Abermals ist es Volker, dessen Leistungen besonders hervorgehoben werden. Günther fragt Hagen, ob er die Töne höre, die Volker mit (vom Blute) rot gefärbtem Bogen den Hunnen fiedele. Hagen seinerseits wird nicht müde, seinen Freund zu preisen, und bedauert, bei den festlichen Mahlzeiten im Saale einen in der Rangordnung höheren Platz als der Spielmann eingenommen zu haben. Der Kampf währt so lange, bis alle Hunnen, die im Saal gewesen sind, ihr Leben verloren haben.
34. Aventiure
361
34. Aventiure (Str. 2009-2027) Giselher ist es, der den Rat gibt, die Toten aus dem Saal zu werfen. Er weiß, daß die Burgunden noch weitere An¬ griffe zu erwarten haben, und dann sollen die Toten ihnen nicht unter den Füßen liegen. Hagen äußert daraufhin seine tiefe Zufriedenheit, einen solchen, ebenso tapferen wie um¬ sichtigen Herrn zu haben. Siebentausend Tote werden aus dem Saal herausgebracht. Auch eine Anzahl nur Verwunde¬ ter ist darunter, die an sich hätten genesen können, die aber nun infolge des hohen Falls ihr Feben verlieren. Die toten Hunnen werden von ihren Freunden beklagt, was Volker zum Anlaß nimmt, ihnen Feigheit vorzuwerfen: „Sie kla¬ gen wie die Frauen“ (2015, 3b). Fieber sollten sie sich der schwer Verwundeten annehmen. Ein hunnischer Markgraf, der glaubt, Volker habe dies in freundlicher Absicht gesagt, will einen seiner Verwandten forttragen. Doch der Spiel¬ mann streckt ihn mit einem Speerwurf zu Boden. Da fliehen alle anderen Hunnen aus Volkers Nähe. Einen Ger, der von den Hunnen zu ihm hinübergeworfen wird, schleudert er mit einem mächtigen Wurf über den ganzen Burghof hin zurück, und nun weichen die Hunnen endgültig aus seiner Reichweite. Als Hagen Etzel vorwirft, sich nicht am Kampfe zu be¬ teiligen - „es ziemte dem König23 gar wohl, daß die Herren in vorderster Reihe kämpften, wie es ein jeder mei¬ ner Herren hier tut“ (2020, 1-3) -, greift der Hunnen¬ herrscher zu seinem Schild. Aber Kriemhilt warnt ihn: Wenn Hagen ihn erreiche, sei er des sicheren Todes. Dennoch will sich Etzel in den Kampf stürzen, so daß man ihn am Schild-
23 Eigentlich: Volkes tröst „Schutz des Volkes“, tröst wird im Mittelhochdeutschen häufig als Personenbezeichnung gebraucht. In der Wendung Volkes tröst für ‘König’ dürfte eine alte Kenning nachleben.
362
Nibelungenlied: Nacherzählung
griff zurückhalten muß. Das trägt ihm wiederum den höhni¬ schen Spott Hägens ein, der ihn mit Siegfried vergleicht: Dieser habe Kriemhilt geliebt, ehe sie je den hunnischen König gesehen habe, und er fragt ihn: „Unwürdiger König, warum hegst du hinterhältige Pläne gegen mich?“ (2023, 4). Kriemhilt wird durch Hägens Beleidigungen um so mehr dazu angetrieben,
die Hunnen zum Kampf gegen
Feinde anzustacheln.
Sie verspricht demjenigen,
ihre
der ihr
Hägens Haupt vor die Füße lege, nicht nur Etzels Schild mit Gold zu füllen, sondern ihm dazu auch Burgen und Län¬ der zu geben. Daß sich trotzdem zunächst keine Kämpfer finden, ruft Volkers Entrüstung hervor: Gar manche sehe er hier stehen, die schimpflich des Königs Brot äßen und ihn nun in seiner größten Not feige im Stich ließen, obwohl sie als kühn gelten wollten: „Deshalb müssen sie immer Schande haben“ (2027, 4b). 35. Aventiure (Str. 2028-2080) Diese Worte hat Markgraf Irinc von Dänemark gehört, der von sich sagen kann, in seinem Verhalten immer auf Ehre bedacht gewesen zu sein. Darum will er jetzt zum Kampf gegen Hagen antreten, und zwar ausdrücklich allein. Außer Irinc werden auch Irnfrit von Thüringen und Hawart gewappnet, dazu etwa tausend Mann. Sie alle wollen Irinc beistehen. Volker bemerkt als erster, daß zusammen mit Irinc eine große Schar von Feinden kommt, und fragt zor¬ nig:
„Wie ziemt es Helden zu lügen?“
(2033, 3a). Da
wendet sich Irinc an seine Begleiter und bittet sie dringend, ihn nicht zum Lügner werden zu lassen: ganz allein will er den Kampf gegen Hagen wagen, wie schreckenerregend der Troneger auch sei. Nur ungern erfüllt man ihm seinen flehentlich vorgebrachten Wunsch, kennt man doch die Ver¬ wegenheit und Kampfkraft Hägens. Die beiden Recken be¬ ginnen den Kampf, indem sie gegenseitig ihre Gere durch
35. Aventiure
363
die Schilde hindurchwerfen, die auf die Rüstungen auf¬ treffen. Danach greifen sie zu den Schwertern. So gewaltig ist ihr Fechten, daß Palas und Türme von ihren Schlägen widerhallen. Aber es gelingt Irinc nicht, Hagen zu ver¬ wunden. Darum läßt er ihn stehen und wendet sich gegen Volker, von dem er glaubt, daß er ihn bezwingen könne. Doch auch gegenüber Volker bleibt ihm der Erfolg versagt. Günther ist sein dritter Gegner. Wiederum sind die beiden Kämpfer einander ebenbürtig. Deshalb läßt Irinc von Gün¬ ther ab und greift Gernot an, der sich derart mächtig zur Wehr setzt, daß Irinc beinahe das Leben verloren hätte. Rasch springt Irinc hinweg und tötet vier burgundische Rit¬ ter. Daraufhin läuft ihn Giselher an und schlägt ihn zu Boden. Alle glauben, Irinc sei tot, doch ist er ohne Wunde und nur infolge des Klangs des auf den Helm treffenden Schwertes und des Dröhnens des Helmes betäubt. Als der Däne wieder zur Besinnung gekommen ist, springt er wie rasend vom Boden auf und stürzt aus dem Raum, wobei er wieder auf Hagen trifft. Er fügt dem Überraschten mit seinem Schwert Wasken durch den Helm hindurch eine Wunde zu. Hagen reizt das zu maßloser Wut, und Irinc muß vor seinen Schlägen fliehen. Seinen Schild hält er dabei schräg empor über seinen Kopf, und er hat keine Gelegen¬ heit, selbst auch nur einen einzigen Schlag gegen den ihn verfolgenden Hagen zu führen. Doch entkommt er, ohne eine Wunde empfangen zu haben, zu den Seinen. Kriemhilt dankt ihm überschwenglich für seinen Einsatz. Es erfüllt sie mit Befriedigung, Hägens Rüstung vom Blute rot zu sehen, und aus Freude nimmt sie Irinc selber den Schild aus der Hand. Hagen aber ruft der Königin zu, sie brauche Irinc nicht zu sehr zu danken, und die Wunde, die er selbst er¬ halten habe, nütze ihr wenig. Einem Helden gezieme es, wenn Irinc noch einmal den Kampf mit ihm wagte; die Wunde habe ihn erst gegen den Mann Hawarts in Zorn versetzt. Irinc hat seinen Helm abgenommen, ist im übrigen jedoch
364
Nibelungenlied: Nacherzählung
gerüstet geblieben. Er ist entschlossen, einen zweiten Waffengang gegen Hagen, den übermüden man, zu wagen. Da sein Schild zerschlagen ist, läßt er sich einen neuen bringen. Ebenso nimmt er sich einen neuen Speer. Hagen, von grim¬ miger Kampflust erfüllt, kann nicht abwarten,
bis sein
Gegner die Stiegen hinaufgekommen ist, vielmehr läuft er ihm bis zum Fuße der Treppe entgegen. So heftig schlagen die beiden aufeinander ein, daß aus ihren Schilden die Fun¬ ken stieben. Hagen trifft den Dänen durch Schild und Brünne hindurch derart, daß dieser schwer verwundet wird. Um weiteren Schlägen zu entgehen, hält Irinc seinen Schild höher bis über das vom Helmband umschlossene Kinn. Aber Hagen hebt vom Boden einen Speer auf und wirft ihn so auf den Markgrafen, daß der Speerschaft in dessen Kopf steckenbleibt. Irinc gelingt es noch, zu seinen Leuten zu ent¬ kommen. Bevor man ihm den Helm abbinden kann, muß man ihm den Speer aus dem Kopf reißen. Kriemhilt tritt zu dem Sterbenden und beklagt ihn. Irinc fordert sie auf, ihr Klagen seinzulassen, und wendet sich an die Thüringer und Dänen, die er warnt, von der Königin Gaben anzunehmen: „Kämpft ihr gegen Hagen, so müßt ihr den Tod erleiden“ (2068, 4). Danach stirbt der Markgraf. Trotz seiner War¬ nung wollen ihn die Thüringer und Dänen rächen. Irnfrit, Hawart und mit ihnen wohl tausend Mann stürzen sich auf die Burgunden. Irnfrit greift Volker an. Aber obgleich er ihm einen solchen Schlag versetzt, daß ihm die Panzerringe auseinanderspringen und seine Brünne mit stiebenden Fun¬ ken übersät ist, kann Volker ihm seinerseits mit einem ge¬ waltigen Schlag durch seinen Helm hindurch das Leben nehmen. Ebenso unterliegt Hawart Hagen nach erbittertem Kampf. Als die Dänen und Thüringer sehen, daß ihre Her¬ ren tot sind, versuchen sie desto mehr, bis zur Tür des Saales vorzudringen. Volker rät, sie hineinzulassen, da er weiß, daß sie innerhalb des Raumes in kurzer Zeit ihr Leben ver¬ lieren müssen. Eintausendundvier Mann dringen in den Saal ein, und alle finden in ihm den Tod. Nachdem das Tosen des
36. Aventiure
365
Kampfes vorüber ist, tritt eine um so auffälligere Stille ein. So viele Erschlagene liegen in dem Saal, daß das Blut durch die Abflußlöcher in der Mauer in die Rinnsteine hinunter¬ fließt. Die Burgunden setzen sich, um sich auszuruhen. Der kühne Spielmann bleibt indessen vor dem Saal stehen und hält Ausschau, ob noch jemand mit ihm zu kämpfen wünscht. Aber zunächst ist das, was er auf seiten der Hunnen wahr¬ nehmen kann, nur die maßlose Klage um die Toten. 36. Aventiure (Str. 2081-2134) Hagen fordert die Burgunden auf, die Helme abzubinden, während er und Volker die Wache übernehmen. Noch bevor es Abend wird, treiben Etzel und Kriemhilt ein neues, riesi¬ ges Hunnenheer, wohl 20 000 Mann, zum Kampf gegen ihre Feinde an, ohne daß es ihm gelingt, die Burgunden nieder¬ zumachen. Inzwischen ist die Nacht hereingebrochen, die dem Kampf ein Ende setzt. Die Nibelungen würden einen raschen Tod dem langen und qualvollen Sterben vorziehen. Sie bitten um einen Waffenstillstand und wünschen König Etzel zu sprechen. Mit Blut besudelt und von ihren Rüstun¬ gen geschwärzt, treten die drei Könige aus dem Haus. Etzel und Kriemhilt kommen hinzu. Noch ehe die burgundischen Könige das Wort genommen haben, erklärt ihnen Etzel, daß sie nach dem großen Schaden, den sie ihm zugefügt haben, keinen Frieden haben können: sein Kind und viele seiner Verwandten haben sie erschlagen - „Friede und Versöh¬ nung sollen euch durchaus versagt sein“ (2090, 4). Günther erwidert, zu dem, was sie ihm getan haben, habe sie große Not gezwungen, ist doch sein gesamtes Ingesinde von Etzels Recken erschlagen worden. Und Giselher fragt die Hunnen, was sie ihm, der in freundschaftlicher Gesinnung zu ihnen gekommen sei, vorwerfen. Ironisch erwidern sie, von seiner „Güte“ sei die ganze Burg in schmerzlicher Weise voll: er und seine Brüder haben das Land verwaist. Doch hätten sie
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Nibelungenlied: Nacherzählung
es ihm gegönnt, daß er nie hierher gekommen wäre. Noch einmal versucht Günther, die Hunnen für den Gedanken einer suone zu gewinnen. Aber Etzel bleibt unerbittlich: „Mein und euer Leid sind sehr ungleich.
[. . .]
Deshalb
soll keiner von euch je lebend von hinnen kommen“ (2095). Da bittet Gernot, sie wenigstens anständig zu behandeln und sie ins Freie zu lassen, wo sie, die vom Kampfe Ermüde¬ ten, gegen die hunnische Übermacht bald den Tod fänden; das würde den Hunnen Ehre einbringen. Etzels Leute wären beinahe darauf eingegangen. Doch Kriemhilt verhindert es: Falls sie die mortraechen herausließen, müßten viele Hunnen das Leben verlieren: „Wenn von ihnen nun niemand lebte außer den Söhnen Uotes, [. . .] so seid ihr alle verloren, wenn sie an die frische Luft kommen und ihre Ringe sich abkühlen“ (2100, 1-3). Jetzt wendet sich Giselher an seine Schwester, hält ihr vor, daß er ihr immer treu war und ihr nie etwas zuleide getan hat, und appelliert an sie, ihnen Gnade zu erweisen. Darauf Kriemhilt:
„Ich kann euch
kerne Gnade erweisen, ich habe kein Erbarmen (mit euch). Mir hat Hagen von Tronege so großes Leid getan. Eine Aussöhnung ist unmöglich, solange ich lebe. Ihr müßt es alle entgelten
(2103). Freilich fügt sie hinzu, wenn sie ihr
Hagen auslieferten, so wolle sie es nicht ausschließen, sie am Leben zu lassen, „denn ihr seid meine Brüder und (wir sind) einer Mutter Kinder“ (2104, 3), und sie sagt zu, sich in diesem Falle bei den Hunnen für eine Versöhnung einzu¬ setzen. Gernot weist ihr Begehren, ihr einen Mann als Geisel auszuliefern, sofort zurück, und Giselher bekräftigt diese Haltung, seine Rede mit den Worten einleitend: „Wir müs¬ sen doch sterben“ (2106, la). Auch Dancwart bekennt sich zu seinem Bruder. Da fordert Kriemhilt die Hunnen unter abermaligem Lohnversprechen zum erneuten Angriff gegen die Burgunden auf. Zugleich kündigt sie an, sie wolle den Saal an den vier Ecken anzünden lassen. Die Burgunden, die noch vor der Türe stehen, werden nun zurückgetrieben und der Saal in
37. Aventiure
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Brand gesetzt. Viele burgundische Ritter rufen, sie möchten lieber im Rampf ihr Leben verlieren als hier verbrennen. Als einer von ihnen über furchtbaren Durst klagt, rät Hagen den Nibelungen, von dem Blut der Toten zu trinken: „Das ist in solcher Hitze noch besser als Wein“ (2114,3). Einer der Recken kniet daraufhin zu einem der Toten nieder, trinkt aus dessen Wunden das Blut und dankt Hagen für seinen guten Rat: „Mir ist noch sehr selten besserer Wein eingeschenkt worden“ (2116, 3). Viele andere folgen seinem Beispiel. Auch gegen das Feuer weiß Hagen einen Rat: Die Burgunden sollen sich an die Wände des Saales stellen und darauf achten, daß die Brände nicht auf ihre Helme fallen, sondern sie tiefer in das Blut hineintreten. So geht die Nacht vorüber. Etzel glaubt, die Gäste seien alle tot. Aber sechs¬ hundert von ihnen sind noch am Leben, und alsbald be¬ merken auch die Hunnen, die um den Saal herum die Wache bilden, daß viele Burgunden den Saalbrand überlebt haben. Man sagt es Kriemhilt, die das nicht glauben will. Doch es ist wahr. Darum eröffnen die Hunnen, kaum daß der Tag angebrochen ist, den Kampf wieder mit Gerwürfen. Die von Kriemhilt versprochenen reichen Gaben - auf Schilden läßt sie rotes Gold herbeitragen für jeden, der zum Kampf bereit ist — und ihre Treuepflicht gegen ihren Herrn stacheln die Hunnen zum neuerlichen Angriff an. Zwölfhundert dringen auf die überlebenden Burgunden ein — alle verlieren sie in dieser Schlacht das Leben.
37. Aventiure (Str. 2135-2234) Rüedeger erscheint auf dem Kampfplatz. Das Leid, das er auf beiden Seiten bemerkt, läßt ihn in Tränen ausbrechen, und er beklagt es, geboren zu sein. Zutiefst bedauert er, daß niemand das große Herzeleid verhindern kann. Dennoch senidet er zu Dietrich, ob das Geschick der burgundischen
368
Nibelungenlied: Nacherzählung
Könige nicht noch zum Guten gewendet werden könnte. Der Berner antwortet ihm: „Wer könnte es verhindern? König Etzel will niemanden einen Schlichtungsversuch unternehmen lassen“ (2137, 3b/4). Da sieht ein hunnischer Recke Rüedeger stehen, und er sagt zur Königin, der Markgraf, der über die größte Macht in Etzels Reich verfüge und so viele Bur¬ gen von Etzel als Lehen habe, habe in diesem Kampf noch keinen Schwertstreich getan. „Man sagt von ihm, er sei kühner, als irgend jemand [sein könne]. Das hat sich in diesen
gefahrvollen
Kämpfen
schlimm
bestätigt“
(2140,
3/4). Betrübt blickt Rüedeger den Hunnen an, der ihn öffentlich der Feigheit bezichtigt hat, läuft auf ihn mit ge¬ ballter Faust zu und schlägt ihn nieder. „Fort mit dir, du bekannter Feigling!“
ruft er
dem Toten zu (2143, la).
„Daß ich hier nicht kämpfe, warum wirfst du mir das vor?“ (2143, 3) Mit Recht müßte er die Gäste hassen und alles gegen sie tun, wenn er sie nicht in Etzels Land geleitet hätte. „Darum werde ich, der ich selbst aus fremdem Lande bin, nicht gegen sie kämpfen“ (2144,4). Etzel hält Rüede¬ ger vor, unrecht gehandelt zu haben, indem er die Zahl der hunnischen Toten noch vermehrt hat. Auch Kriemhilt, die hinzutritt, beklagt, was geschehen ist. Der Markgraf habe: bisher immer gesagt, für das Königspaar Ehre und Leben wagen zu wollen. Nun mahnt sie ihn an die genäde, d. h. die Hilfsbereitschaft, die er eidlich gelobt hat, als er ihr riet, Etzel zu heiraten. Rüedeger entgegnet: „Das ist nicht zu leugnen, ich habe Euch, hohe Frau, geschworen, um Euret¬ willen die Ehre und auch das Leben zu wagen. Daß ich die Seele verliere, das habe ich nicht geschworen. Zu diesem Fest brachte ich die hochgeborenen Fürsten“ (2150). Kriemhilt mahnt auf diese Antwort hin den Markgrafen an seine triuwe und staete, daran, daß er ihr geschworen hat, all ihr Leid zu rächen. Auch Etzel fleht ihn an, ihm beizusteben, und zusammen mit Kriemhilt wirft er sich seinem Lehns¬ mann zu Füßen. Dieser bricht nun in die Klage aus: „Weh mir Gottverlassenem, daß ich dies erlebt habe! All meine
37. Aventiure
369
Ehre muß ich aufgeben, die Treue und die Zucht, die mir durch Gott zuteil geworden sind. Ach, Gott im Himmel, daß mich der Tod nicht davon abhält (= daß mich der Tod nicht der Entscheidung enthebt)! Welches von beiden ich nun unterlasse und das andere tue, so habe ich verwerflich und gar schlecht gehandelt. Unterlasse ich aber beides, so macht mir das ganze Volk Vorwürfe. Möge mich jetzt der unter¬ weisen, der mir zu leben gebot“ (2153/54). Gern hätte Rüedeger dem König und der Königin den Dienst ver¬ weigert, fürchtet er doch, daß er sich den Haß der Menschen zuzieht, wenn er einen der Burgunden erschlägt. Darum trägt er dem König an, seine gesamten Lehen zurückzuneh¬ men, und erklärt sich bereit, zu Fuß in die Verbannung zu gehen. Etzel nimmt dieses Angebot nicht an, sondern ist im Gegenteil willens, Rüedeger das Land mit den Burgen zu eigen zu geben und ihn zum König neben sich zu erheben. Demgegenüber verweist der Markgraf darauf, daß die Bur¬ gunden seine Gäste waren, die er beschenkt hat, und daß er Giselhers Schwiegervater geworden ist. Da appelliert Kriemhilt an Rüedeger, sich ihres Leides und das des Königs zu erbarmen: „Denke daran, daß nie irgendein Gastgeber so verhaßte
Gäste
bekommen
hat“
(2162, 3b/4).
Rüedeger
erwidert, er wisse, daß er heute zurückerstatten müsse, was er von Etzel und ihr Liebes erfahren habe. „Dar m muß ich sterben; es kann nicht länger aufgeschoben werden“ (2163, 4). Seine Frau, seine Kinder 24 und die Heimatlosen, die in Bechelaren sind, empfiehlt er der Gnade des Herrscherpaares. Etzel ist gerne bereit, sich ihrer anzunehmen, vertraut aber seinem Glück, daß Rüedeger am Leben bleibe. Seele und Leib setzt der Markgraf aufs Spiel, und voll Trauer geht er hinweg zu seinen Mannen, denen er befiehlt, sich zu wapp¬ nen: „Ich muß leider mit den kühnen Burgunden kämpfen“ (2167, 4). Mit fünfhundert Mann wird er gewappnet, zwölf weitere Recken, die im Kampf Ruhm erwerben wollen, 24 Sonst ist immer nur von einer Tochter die Rede.
370
Nibelungenlied: Nacherzählung
schließen sich ihm freiwillig an, nicht wissend, daß ihnen der Tod so nahe ist. Volker ist der erste, der Rüedeger mit seinen Rittern her¬ anschreiten sieht, und ihr Anblick erfüllt ihn mit Leid, während Giselher voller Freude glaubt, sein Schwiegervater komme ihnen zu Hilfe. Der Spielmann berichtigt ihn so¬ gleich: „An uns will Rüedeger seine Burgen und seine Lande verdienen“ (2173,4). Noch ehe Volker das letzte Wort ge¬ sprochen hat, ist Rüedeger schon vor dem Hause angelangt. Er setzt seinen Schild vor den Fuß. Dienst und Gruß muß er seinen Freunden versagen, und er kündigt ihnen die Treue auf. Günther entgegnet, Gott möge verhüten, daß Rüedeger sich seiner genäde und seiner großen triuwe ihnen gegenüber entschlage. Aber der Markgraf versichert ihm, nicht anders handeln zu können: „Mir wollte König Etzels Gattin das nicht erlassen“ (2178,4). Zu spät, erwidert Günther, kün¬ dige er ihnen die Freundschaft auf. Er erinnert ihn an die Treue und Liebe, die sie von ihm empfangen haben: er und seine Verwandten wollten ihm immer dankbar vergelten, was er ihnen gegeben habe, wenn er sie leben ließe. Des¬ gleichen erinnert ihn Gernot an die herrlichen Gaben, die er den Burgunden geschenkt hat. „Wollte Gott“, antwortet Rüedeger, „daß ihr am Rhein wäret und ich wäre auf eine Weise tot, daß ich einigermaßen meine Ehre wahren könnte, da ich mit euch kämpfen muß! Noch nie ist Helden von Freunden Schlimmeres widerfahren“ (2183). Gernot dankt Rüedeger für seine Gabe, das Schwert, das ihn in diesen Kämpfen nie im Stich gelassen hat. Wenn er aber nicht von seinem Vorhaben ablasse und hier seine, Gernots, Freunde erschlage, werde er ihm mit seinem eigenen Schwert das Leben nehmen. Auch Giselher wendet sich an den Mark¬ grafen, fragt ihn, warum er so handele, und stellt ihm vor Augen, er wolle seine schöne Tochter allzu früh zur Witwe machen. Rüedeger bittet seinen Schwiegersohn, falls Gott ihm gewähre, von hinnen zu kommen, das Mädchen nicht entgelten zu lassen, was der Vater getan habe. Doch Gisel-
37. Aventiure
371
her entgegnet, wenn seine Verwandten, die noch im Saale sind, von Rüedegers Händen stürben, müsse das verwandt¬ schaftliche Band zu Rüedeger wie seiner Tochter zerrissen sein. Mit
der
Bitte:
„Nun
möge
Gott uns
gnädig
sein!“
(2192, la) will Rüedeger den Kampf eröffnen. Da ruft Hagen ihm zu, noch eine Weile zu warten. Hagen ist in großer Sorge. Den Schild, den er von Frau Gotelint erhalten hat, haben ihm die Hunnen zerhauen, und er wünscht sich, noch einmal einen so guten Schild tragen zu können, wie Rüedeger einen in der Hand hält. Gern wollte Rüedeger ihm mit seinem Schild helfen, wenn er ihn ihm vor Kriemhilt zu geben wagte. Doch dann reicht er ihn ihm: „Ach, könntest du ihn in der Burgunden Land tragen!“ (2196, 4). Als der Markgraf Hagen seinen Schild gibt, füllen sich viele Augen mit Tränen. Der Erzähler aber bemerkt: „Es war die letzte Gabe, die Rüedeger von Bechelaren [seitdem] je [wieder] irgendeinem Degen schenkte“ Hagen
ist
durch
Rüedegers
Gabe
(2197, 3/4). Auch
zutiefst
gerührt.
Er
wünscht ihm Gottes Lohn, klagt Gott, daß die Burgunden mit Freunden streiten müssen, und sichert Rüedeger zu, nicht gegen ihn zu kämpfen, „und wenn Ihr die von Burgundenland alle erschlüget“ (2201, 4). Volker folgt dem Entschluß seines Freundes Hagen, Rüedeger seinen Frieden zuzusichern, und trägt dem Markgrafen auf, Gotelint zu berichten, daß er die Ringe, die sie ihm in Bechelaren gegeben hat, bis zu¬ letzt getragen habe. Gern will Rüedeger der Markgräfin diese Botschaft überbringen, wenn er sie gesund wieder¬ sieht. Nun beginnt der Kampf, und Rüedeger verfällt sogleich in Kampfeswut. Günther und Gernot lassen ihn mit dem Willen, daß er den Tod finde, hinein, während Giselher, noch in der Hoffnung, mit dem Leben davonzukommen, das Zusammentreffen mit Rüedeger vermeidet. Auch Rüedegers Mannen dringen jetzt in den Saal, wo Volker und Hagen sich unverzüglich gegen sie wenden. Fechtend durchschreitet
372
Nibelungenlied: Nacherzählung
Rüedeger die Reihen der Burgunden und kehrt wieder zu seinen Leuten zurück. Viele Gegner fallen durch sein Schwert. Als Gernot das bemerkt, ruft er Rüedeger zu, seine eigene Gabe werde ihm zum Schaden gereichen, da er ihm so viele seiner Freunde erschlagen habe. Die beiden auf Ehre ver¬ sessenen Männer springen zueinander. Rüedeger schlägt den burgundischen König durch den steinharten Helm, so daß das Blut niederrinnt. Doch kann Gernot seinerseits Rüedeger noch mit einem durch dessen hochgehaltenen Schild geführ¬ ten Schlag tödlich treffen. Gleichzeitig fallen Gernot und Rüedeger entseelt zu Boden. Sie werden von den Burgunden gleichermaßen beklagt. Vermehrt wendet sich die Kampfwut der Burgunden nun gegen das Gefolge des Markgrafen, von dem kein einziger am Leben bleibt. Nachdem der Kampf zu Ende ist, rät Giselher, vor die Tür zu gehen, damit sie ihre Kettenpanzer an der frischen Luft kühlen können, und er fügt hinzu: „Fürwahr, ich glaube, Gott gönnt uns nicht länger, hier zu leben“ (2226, 4). Die Stille nach dem Kampf währt so lange, daß dies Etzels Verdruß hervorruft. Und Kriemhilt beschuldigt Rüe¬ deger gar, seine Pflicht nicht erfüllt zu haben, vielmehr wolle er die Burgunden wieder in ihr Land zurückbringen: „Was hilft es, König Etzel, daß wir mit ihm alles geteilt haben, was er wollte? Der Held hat unrecht gehandelt“ (2229, 1/2). Aber Volker weist sie zurecht: Wenn er es wagte, eine so vornehme Dame als Lügnerin zu bezeichnen, so würde er sagen, daß sie Rüedeger teuflisch verleumdet habe. Jetzt wird Rüedegers Leichnam vor die Tür getragen, so daß ihn Kriemhilt und die Hunnen sehen können. Kein Dichter, so äußert sich der Erzähler, könnte den Schmerz schildern, dem Frauen und Männer sich hingeben, als sie den toten Markgra¬ fen erblicken. Etzels Leid ist so groß, daß er wie mit Löwen¬ stimme aufbrüllt, und Kriemhilt stimmt in seine maßlose Klage ein.
38. Aventiure
373
38. Aventiure (Str. 2235-2323) Die gewaltige Klage hört auch ein Mann Dietrichs von Bern. Er eilt zu seinem Herrn, um ihm davon zu berichten, und meint, Etzel selbst oder Kriemhilt müßten das Leben verloren haben. Dietrich mahnt seine Mannen, sich nicht zu übereilen, und erinnert sie daran, daß er den Burgunden Frie¬ den zugesagt hat.25 Wolfhart will sich nun an den Ort des Geschehens begeben, um sich nach dem Grund der Klage zu erkundigen. Aber Dietrich, der genau weiß, daß in einer gereizten Situation eine barsche Frage den Recken leicht jegliche Besonnenheit rauben kann, will nicht, daß Wolfhart nach der Ursache des Jammers fragt, vielmehr betraut er Helpfrich mit dieser Aufgabe. Als dieser erfahren hat, was geschehen ist, beginnt er voller Schmerz zu weinen. Die ihm von Helpfrich überbrachte Kunde vom Tode Rüedegers läßt Dietrich in die Worte ausbrechen: „Das darf Gott nicht wollen. Das wäre eine furchtbare Rache und auch der Hohn des Teufels“ (2245, 1/2). Wolfhart aber kündigt allen Bur¬ gunden, wenn sie wirklich diese Tat begangen haben, den Tod an. Um Näheres über das Vorgefallene zu erfahren, sendet Dietrich Hildebrant zu den Gästen. Unbewaffnet will dieser zu ihnen gehen. Das trägt ihm den Tadel seines Neffen Wolfhart
ein:
Wenn
er
unbewaffnet
komme,
habe
er
Schmähungen zu erwarten und müsse dann schimpflich um¬ kehren. Daraufhin legt der erfahrene Alte auf den Rat des unbesonnenen jungen Mannes seine Rüstung an, und alle Amelungen tun das gleiche. Der erste, der das Nahen von Dietrichs Mannen bemerkt, ist wiederum Volker, und er nimmt sogleich an, daß sie mit den Burgunden kämpfen wollen. Hildebrant fragt die Nibe¬ lungen, was ihnen Rüedeger getan habe. Hagen bestätigt 25 Als Gegendienst für den ihn und den Seinen gewährten Abzug aus dem Saal (33. Aventiure).
374
Nibelungenlied: Nacherzählung
ihm, daß die Amelungen recht gehört haben, wenn man sie von Rüedegers Tod unterrichtet hat, wiewohl er es ihnen gönnen möchte, daß der Bote ihnen die Unwahrheit gesagt hätte. Nun klagen auch Dietrichs Leute um Rüedeger, der, wie gerade sie wissen, den Vertriebenen Hilfe und Trost war, und sie beweinen den toten Markgrafen. Hildebrant bittet, ihnen den Leichnam des Erschlagenen herauszugeben, damit die Amelungen Rüedeger nach seinem Tode danken können, was er ihnen Gutes getan hat. Günther bekräftigt, daß kein Dienst so gut sei wie der, den ein Freund dem Freunde nach dessen Tod leiste, und nennt das eine stete Treue. Da fragt Wolfhart ungeduldig: „Wie lange sollen wir (noch) flehen?“ (2265, la), und er verlangt, daß man ihnen Rüedegers Leichnam übergibt, damit sie ihn begraben können.
Schroff
entgegnet
Volker:
„Niemand
gibt
ihn
euch“ (2266, lb). Die Berner sollten ihn sich selber nehmen, das erst sei ein vollwertiger Dienst, den sie Rüedeger er¬ wiesen. Wolfhart und Volker geraten daraufhin in einen hitzigen Wortwechsel (wobei Hagen wieder die Rede seines Kampfgefährten gut dünkt). Als Wolfhart voller Grimm auf Volker zuspringen will, hält ihn Hildebrant mit festem Griff zurück. Aber der Spielmann ruft Hildebrant zu, den Löwen freizulassen, und stellt Wolfhart in Aussicht, wenn er auch die ganze Welt erschlagen habe, er werde ihn derart treffen, daß er nicht mehr davon berichten könne. Dies nun erregt den Zorn der Berner. Vhe ein wilder Löwe stürzt sich Wolfhart auf die Burgunden, und alle seine Freunde folgen ihm. Hildebrant holt ihn noch vor der Treppe ein — aber nicht, um ihn vom Kampf abzuhalten, sondern um ihn nicht den ersten Streich führen zu lassen. Hagen ist der erste Gegner, an den Hildebrant gerät, doch werden sie von den Bernern wieder getrennt. Wolfhart dringt auf den kühnen Spielmann ein, dem er einen solchen Schlag versetzt, daß die Schneide seines Schwertes bis zu den Helmspangen durch¬ dringt. Aber der Fiedler verteidigt sich so kraftvoll, daß Wolfharts Rüstung Funken zu sprühen beginnt. Schließlich
375
38. Aventiure
trennt Wolfwin die beiden Kämpfer. Auf beiden Seiten voll¬ bringen die Recken außerordentliche Kampfleistungen. Von Volkers Hand fällt Dietrichs Schwestersohn Sigestap. Seinen Tod rächt sofort Hildebrant, indem er Volker zunächst mit rasenden Schlägen die Spangen an Helm und Schild zer¬ schlägt und dann den seiner Schutzwaffen Beraubten tödlich trifft. Der Tod seines Freundes stachelt wiederum Hagen zu noch größerem Einsatz an. Dancwart findet sein Ende durch Helpfrich. Unterdessen bahnt sich Wolfhart zum dritten Male den Weg durch Günthers Mannen und zurück. Da ruft Giselher ihn an und fordert ihn auf, sich ihm zum Kampf zu stellen. Wolfhart empfängt von Giselher eine tödliche Wunde. Er läßt den Schild fallen, den er nicht mehr be¬ nötigt, um mit ganzer letzter Kraft seinerseits Giselher einen tödlichen Streich zufügen zu können. Alle Burgunden außer Günther und Hagen und alle Mannen Dietrichs außer Hilde¬ brant haben in diesem mörderischen Kampf ihr Leben ver¬ loren. Hildebrant will seinen sterbenden Neffen aus dem Saale tragen. Doch Wolfhart ist zu schwer und so muß Hildebrant ihn liegenlassen. Wolfhart rät Hildebrant, sich vor Hagen zu hüten. Wenn seine Verwandten seinen Tod beklagen wollen, so soll Hildebrant ihnen sagen, daß sie dazu keinen Grund haben: „Vor den Händen eines Königs liege ich hier in Ehren tot“ (2302, 4), und den Verlust sei¬ nes Lebens habe er schon im voraus vergolten, indem er wohl hundert Burgunden erschlagen habe. Hagen indes will den Tod des Spielmanns an Hildebrant rächen, und es ge¬ lingt ihm,
Hildebrant
zu
verwunden.
Daraufhin
wirft
Hildebrant seinen Schild über den Rücken und entkommt auf diese Weise. Mit blutüberströmtem Panzer tritt Hildebrant vor seinen Herrn, berichtet ihm aber zunächst nur, daß er von Hagen verwundet worden ist. Dietrich erklärt, das sei ihm ganz recht geschehen, da er den Frieden gegenüber den Burgun¬ den gebrochen habe. Als er dann von Hildebrant hört, daß Rüedeger tatsächlich tot ist, wird er vom Schmerz um den
376
Nibelungenlied: Nacherzählung
Toten überwältigt, erkundigt sich jedoch zugleich, wer ihn erschlagen habe. Nach Hildebrants Antwort trägt Dietrich ihm auf, den Amelungen zu sagen, daß sie sich waffnen sollen; er will jetzt die burgundischen Helden selbst fragen. Nun muß ihm Hildebrant eingestehen, daß auch seine Leute gefallen sind: „Was Ihr an Lebenden habt, die seht Ihr bei Euch stehen: das bin ich ganz allein - die andern sind tot“ (2318,2/3). Da erschrickt Dietrich zutiefst und glaubt sich von Gott verlassen. Er will von Hildebrant wissen, wie es kommen konnte, daß seine ruhmvollen Helden von den durch viele Kämpfe Ermüdeten den Tod fanden, und führt dies, ohne eine Antwort Hildebrants abzuwarten, auf sein eigenes Unglück und sein unheilvolles Schicksal zurück. Mit¬ ten in seinen Klagen fragt Dietrich den alten Hildebrant, wer von den Burgunden noch am Leben sei, und gibt sich dann wieder dem Schmerz über den Verlust seiner Krieger hin, der in die Worte mündet: „Ach, daß niemand vor Leid sterben kann!“ (2323, 4).
39. Aventiure (Str. 2324-2379) Dann holt Dietrich seine Rüstung hervor, und Hilde¬ brant hilft sie ihm anlegen. Aus seiner Klage heraus, die so heftig ist, daß das Gebäude von seiner Stimme widerhallt, gewinnt Dietrich wieder die Gesinnung eines rechten Helden. Zusammen mit seinem Waffenmeister begibt er sich zu den beiden letzten Burgunden. Hagen weiß, daß es noch einmal zu kämpfen gilt: „Man wird heute sehen, wem man den Preis zuerkennen darf“ (2326,4). Außen vor dem Saal, vor Müdigkeit an die Wand gelehnt, erwarten Günther und Hagen die beiden Amelungen. Leidvoll spricht Dietrich den burgundischen König an, fragt ihn, warum er gegen ihn so gehandelt hat, fordert ihn auf, an sein eigenes Leid und an den Tod seiner Freunde zu denken, und hält ihm vor,
39. Aventiure
3 77
ihrer beider Leid nicht bedacht zu haben. Hagen erwidert, sie seien nicht so schuldig, und äußert die Vermutung, daß Dietrich der Vorgang nicht richtig dargestellt worden sei. Dietrich ist im Zweifel, was er nun glauben soll. Jetzt er¬ greift Günther das Wort und erklärt, er habe die Heraus¬ gabe Rüedegers Etzel und nicht den Amelungen zuleide verweigert,26 und da habe Wolfhart mit Schmähungen an¬ gefangen. Dietrich entgegnet hierauf nur: „Es mußte nun einmal so sein“ (2336, lb) und verlangt von dem burgundischen König Entschädigung für das Leid, das er ihm zu¬ gefügt hat. Günther und Hagen sollen sich ihm als Geiseln übergeben, wofür er ihnen zusagt, sich mit all seiner Kraft dafür einzusetzen, daß ihnen im Hunnenland nichts ge¬ schieht. Aber Hagen lehnt ab, daß zwei wohlbewaffnete Degen sich Dietrich ergeben. Der Berner sucht ihm klarzu¬ machen, daß es gerechte Sühne, nicht Feigheit wäre, wenn sie sich ihm ergäben, und verspricht ihnen, sie in ihr Land zu begleiten, mit dem Einsatz seines Lebens sie der Rache der Hunnen zu entziehen: Um ihretwillen ist er bereit, sein eige¬ nes schweres Leid zu vergessen. Hagen weist auch dieses An¬ gebot zurück. Hildebrant meint darauf zu dem Troneger, es käme noch die Zeit, da er den Versöhnungsvorschlag Diet¬ richs gern annehmen möchte. Doch Hagen wirft ihm vor, vorhin schimpflich geflohen zu sein, worauf Hildebrant mit dem Hinweis auf Hägens Untätigkeit bei dem Kampf auf dem Waskenstein antwortet: Er, Hagen, habe sich selbst genug vorzuwerfen. Da greift Dietrich in das Streitgespräch ein: Es zieme Helden nicht, wie die alten Weiber zu zan¬ ken, und er verbietet Hildebrant ausdrücklich, weiterzure¬ den. Vielmehr wendet er sich selbst wieder an Hagen, der beim Nahen Dietrichs gesagt hat, es wagen zu wollen, ihn
26 Aus der Erzählung in der 38. Aventiure geht nicht hervor, daß Günther die Herausgabe von Rüedegers Leichnam verwei¬ gert hat; seine Worte in Strophe 2264 stehen sogar im Wider¬ spruch zu dem, was er jetzt sagt.
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Nibelungenlied: Nacherzählung
im Kampf zu bestehen. Der Troneger ist dazu auch bereit, wenn ihm nicht das Nibelungenschwert zerbricht: „Mich erzürnt, daß man uns beide hier als Geiseln begehrt“ (2347, 4). So beginnt der Kampf zwischen ihnen. Dietrich, der die Stärke und Wut seines Gegners kennt, schützt sich vor seinen gefährlichen Hieben mit seinem Schild, versetzt ihm aber bisweilen sehr geschickt Schläge, und einer von ihnen fügt Hagen eine lange und tiefe Wunde zu. Indes glaubt Dietrich, es bringe ihm wenig Ehre ein, wenn er einen von vielen Kämpfen erschöpften Mann töte. Deshalb ver¬ sucht er, Hagen im Ringkampf zu überwinden und ihn ge¬ fangenzunehmen, was ihm auch gelingt. Gebunden wird Hagen von Dietrich zu Kriemhilt geführt, die überaus froh ist - vor Freude verneigt sie sich vor dem Berner. Dieser fordert sie auf, Hagen am Leben zu lassen, der sie, wenn das geschehen könne, für das entschädigen werde, was er ihr ge¬ tan habe. Kriemhilt läßt Hagen in den Kerker führen. Günther wartet derweil ungeduldig auf die Rückkehr Diet¬ richs, um mit ihm zu kämpfen. Er ist infolge des schweren Leides, das Dietrich ihm bereitet hat, dessen Todfeind und voller Kampfgrimm. Nach einem heftigen Schwertkampf überwindet Dietrich den König der Burgunden auf die gleiche Weise wie Hagen. Auch Günther wird gebunden, weil Dietrich fürchtet, wenn er ihn und Hagen ohne Fesseln lasse, würden sie noch ein Blutbad anrichten. So führt Diet¬ rich ihn zu Kriemhilt, die ihren Bruder kühl mit den Worten begrüßt: „Willkommen, Günther aus Burgundenland“ (2362, 4). Günther begreift sofort, was dieses swache griiezen zu bedeuten hat. Ehe Dietrich weinend fortgeht, appelliert er an Kriemhilt: „Nun sollt Ihr den Heimatfernen meine Fürsprache zugute kommen lassen“ (2364, 4). Kriemhilt sagt, sie wolle das gerne tun. Der Erzähler jedoch fügt hinzu, daß sie den Gefangenen das Leben genommen hat. Getrennt voneinander läßt Kriemhilt die beiden Burgun¬ den einkerkern und sucht Hagen auf. Feindselig redet sie ihn an: „Wollt Ihr mir wiedergeben, was Ihr mir genommen
39. Aventiure
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habt, so könnt Ihr wohl noch lebend heim zu den Burgunden kommen“ (2367, 3/4). Hagen entgegnet, er habe ge¬ schworen, den Hort nicht zu zeigen, solange einer seiner Herren am Leben sei. Daraufhin läßt Kriemhilt ihrem Bru¬ der das Haupt abschlagen und trägt es selbst an den Haaren zu Hagen. Als dieser den Kopf seines Herrn sieht, spricht er voller Betrübnis zu Kriemhilt: „Du hast es nach deinem Willen zu einem Ende gebracht, und es ist auch gerade so gekommen, wie ich es mir gedacht hatte. Nun ist der edle König der Burgunden tot, der junge Giselher und auch Herr Gernot. Den Schatz weiß nun niemand als Gott und ich: der soll dir, Teufelin, für immer verborgen sein“ (2370, 3 bis 2371, 4). Kriemhilt, die Siegfrieds Schwert an Hägens Seite erblickt („das trug mein geliebter Mann, als ich ihn zuletzt gesehen habe“, 2372, 3), zieht es aus der Scheide, hebt es mit ihren Händen empor und schlägt ihrem Feind den Kopf ab. Etzel beklagt den Tod des Helden durch die Hände einer Frau: „Wie feind ich ihm auch war: es ist mir sehr leid“ (2374, 4). Hildebrant aber erklärt, obwohl Hagen ihn in gefährliche Bedrängnis gebracht habe, wolle er doch den Tod des kühnen Tronegers rächen, und so schlägt er die Königin, ungerührt durch ihr gellendes Schreien, in Stücke. Dem Dichter verbleibt nur noch, das Fazit aus seiner Erzählung zu ziehen: „Die Blüte des Rittertums lag da tot. Die Leute hatten alle Herzeleid und Not. Mit Leid war das Fest des Königs zu Ende gegangen, so wie Freude immer zuallerletzt Leid gibt“ (2378). Die Überlebenden, voran Etzel und Dietrich und bis hin zu den Knappen, können nichts mehr tun, als den Tod ihrer Freunde zu beweinen. Von dem aber, was seitdem geschehen ist, versichert der Dichter, wisse er nichts zu erzählen. „Hier hat die Dichtung ein Ende: das ist der Nibelungen Not“ (2379, 4).
'
KUDRUN
ERLÄUTERUNGEN ZUM DRUCKBILD DES TEXTES ■
1. Ergänzungen von Lücken der Handschrift sind durch Kursiv¬ satz hervorgehoben. 2. Bei Umstellungen von Strophen gegenüber der handschrift¬ lichen Überlieferung erscheint die ursprüngliche Strophennummer jeweils in runden Klammern rechts vom ersten Vers der umgestell¬ ten Strophe. 3. Die im Text der Kudrun’ auftretenden Nibelungenstrophen sind durch ein vorgesetztes N kenntlich
gemacht
(abweichend
von der Ausgabe von Symons/Boesch, wo für diesen Zweck das Zeichen '■ verwendet wird, und in Übereinstimmung mit der ‘Kudrun’-Ausgabe Karl Stackmanns).
DITZE BUOCH IST VON KÜDRÜN 1. Äventiure 1 Ez wuohs in Irlande
ein richer künic her;
geheizen was er Sigebant,
sin vater der hiez Ger.
sin muoter diu hiez Uote
und was ein küniginne.
durch ir hohe tugende
so gezam dem riehen wol ir minne.
2 Gere dem riehen künege,
daz ist wol erkant,
dienten vil der bürge;
er het siben vürsten lant.
dar inne het er recken
vier tüsent oder mere,
da mite er tägelichen
mohte erwerben beide guot und
3 Dem jungen Sigebande da er solte lernen,
man gen hove gebot,
ob im des wurde not,
mit dem sper riten,
schirmen unde schiezen,
so er zuo den vinden keeme, 4 Er wuohs unz an die stunde, in heldes ahte er künde des in solten prisen des lie der heit edele
sich deheine zite betragen.
so noch den edelen liuten
geschiht ze grozer not.
der wir mit grozen sorgen
[liehen,
müezen warten allertäge-
den witewenstuol besaz.
der macre heit guoter,
dar umbe liez er daz,
daz er niht wolte minnen
ze rehter siner e. was nach Sigebanden we.
7 Sin muoter riet dem riehen,
nach sines vater tode
do schiet si der tot,
in aller vürsten riehen,
■N 6 Diu Sigebandes muoter
da von getiuret wurde
daz ers deste baz möhte daz er wäfen truoc.
alles des genuoc,
ja erstänt diu urkünde
nach so grozem sere,
[geniezen.
man unde mägen.
5 Dar nach in kurzen stunden
den edelen küniginnen
[ere.
t daz er im naeme ein wip,
sin lant und ouch sin lip er und ouch sin künne:
[wünne.
volgte im beide vreude und michel
384
Kudrun: Text
8 Siner muoter lere
diu behaget im wol;
der begunde er volgen sere
als man vriunden sol.
er hiez im werben eine
die besten von den riehen,
diu saz in Norwa:ge.
des hülfen im sine mage vlizic-
9 Si wart im gemahelet, do wart ir hovegesinde
also ist uns geseit. vil manic schoeniu meit
[liehen,
und siben hundert recken
von Frideschotten lande,
die vuoren mit ir gerne,
wan si den jungen künic wol
10 In magetlichen eren,
die ir da vuoren mite,
si brahtens im ze lande die si da sähen gerne,
[erkanden.
nach richem kiimges site. die begunden ilen.
bedecket man die sträze vant vil wol in vierdehalber 11 Zertretet allenthalben bi den wegen was [mile. von der liute krefte bluomen unde gras. ez was in einen ziten,
so diu loup entspringent
und daz ouch in dem walde 12 Geifer tumber liute vil manic soumermule daz ir hovegesinde der gienc bi ir tusent
diu vogellin ir wise beste
reit mit ir genuoc. Tich gcwt€t6 truoc,
[singent.
brähte von dem lande. [gewande. geladen mit schätze unde mit
13 Enphangen wart vil schone uf zweier lande marke, von des meres ünde
daz minnicliche kint da si der westerwint
wa^jen ab begunde.
[schaffen künde,
man gap ir herberge, daz der junge künic vil wol geN 14 Mit buhurt wart enphangen diu ritterliche meit: der was nu zergangen
mit grozer arbeit.
diu vrouwe wart gevüeret si wart da vil gewaltic N 15 Swaz si ir künden dienen,
in daz Geren lant. und sider verre bekant. des was man ir bereit,
den vil guoten moeren
diu guoten satelkleit
hiengen vür die hüeve
nider üf daz gras,
ahi wie hohes muotes der voget von Irlande was! 16 Do er küssen solte die minniclichen meit, blim. Wart Sedrungen do horte man erdiezen von ir Schilde stoezen.
mit grozer arbeit.' manegen buckel riehen
[wichen,
si mohten einander niht ent-
1. Äventiure
17 An dem naehsten morgen
385
dö wart vür gesant,
wie si komen solte
in des vürsten lant,
da si bi dem recken
solde tragen kröne.
si wart sit küniginne
und diente an dem helde michel
18 Daz er si solte minnen,
daz dühte niemen reht:
si was ein küniginne,
[lone.
do was er dannoch kneht;
doch muose er tragen kröne
ob edelen vürsten riche:
des hülfen im sine mäge. sit wart er ze künde lobeliche. 19 Vünf hundert recken nämen bi im swert. alles des si wolten,
wurden si gewert
von rossen und von kleidern,
von maneger hande wsete:
der junge künic edele beleip an sinen eren harte staete. 20 Er saz in Irlande sit vil manegen tac, daz sin höhiu ere
ringe nie gelac.
er rihte swem er solte
und rach der armen anden.
er was bevollen milte
und was ein tiurer heit ze sinen
I 21 Im dienten sine huobe
daz kreftige guot.
sin wip diu küniginne der si gewaltic taete,
drizic künege lant,
ob si diu haben solte, 22 Inner drien jären,
diu zergsebe gar ir hant. so wir hoeren sagen,
si begunde bi dem künege daz wart getoufet
[handen.
diu was ouch so gemuot,
ein edel kint tragen.
unde sit genennet
bi sinem namen Hagene, 23 Man hiez ez ziehen schöne
[erkennet.
da von man daz mxre wol und vil vliziclichen phiegen,
geriete ez nach dem künne,
so wurde ez wol ein degen.
sin phlägen wise vrouwen
und vil schoene meide.
sin vater und sin muoter
sähen an im ir liehten ougen-
24 Do was ez gewahsen
ze siben järe tagen:
man sach ez dicke recken im leidet bi den vrouwen sit wart ez in vremede: 25 Swä daz kint diu wäfen (der mohte ez bekennen), daz ez ze kleidern gerte daz wart im sit vremede.
[weide,
üf ir handen tragen. und liebte bi den mannen, ez wart von in gevüeret verre üf dem hove sach
[dannen,
dicke daz beschach, heim unde ringe. dö gelac vil gar sin gedinge.
386
Kudrun: Text
N 26 Eines tages Sigebant
üf einer greden saz.
sin wip diu küniginne
mit im redete daz
under einem zederboume:
‘wir hän eren vil.
mich wundert einer nuere,
der ich verdagen niht enwil.’
27 Er vrägte, waz daz wxre.
do sprach daz edele wip:
min herze und minen 11p,
‘des verdriuzet sere
daz ich dich sihe so selten,
dar umb so ist mir leide,
bi dinen küenen helden
in der minen liebten ougen-
28 Do sprach der künic edele:
weide.’ ‘wie solte daz geschehen,
daz du mich woldest gerne daz laz du mich ervinden, durch den dinen willen
so hän ich arbeite deste mere.’
29 Si sprach:‘so riche niemen
ist lebendic erkant,
der habe so vil der bürge
Silber und gesteine
vor minen recken sehen? küniginne here.
und ouch witiu lant,
unde golt daz swaere.
dem tuon wir ungellche: des ist mir ze lebene vil unN 30 Do ich magetllchen in Frideschotten saz [mxre. - her künic, miniu mxre
merket äne haz
do sach ich tägellchen
mlnes vater man
nach hohem prise werben, 31 Ein künic so richer solte als ir sit genennet
des ich hie künde noch nie sich dicker lazen sehen,
und ich iu hoere jehen.
er solte mit slnen helden da mite er siniu erbe
ofte buhurdieren, unde sich selben solte zieren.
32 Ez ist an riehen vürsten die zesamene bringent ob siz mit recken
[gewan.
harte kranker muot, äne mäze guot,
niht willecllchen teilen.
die si üz stürmen bringent,
[die heilen?’
tiefe wunden, wie sol man
33 Do sprach der künic edele: ‘vrouwe, ir spottet min. ich wil in dem gedingen vllzicllchen sin daz sich des min herze man müge mich vil llhte 34 Si sprach: so sult ir senden
nimmer sol verkeren, edeler vürsten site noch geleren.’ näch vürsten in daz lant
und bietet in ze gebene
schätz und gewant:
so wil ich boten senden
näch der, minen mägen;
1. Äventiure
ich enbiute in holden willen:
so mac uns deste minner
hie betragen.’ zuo sinem wibe sprach:
35 Der künic von Irlande ‘ich wil iu gerne volgen,
als ez mer geschach,
daz man nach vrouwen rate rnine und iuwer mäge
lobeten höchziten.
wil ich her ze hove heizen riten.’
36 Do sprach diu küniginne: so gibe ich besunder
‘daz ist mir niht leit.
vünf hundert vrouwen kleit;
vier und sehzic meiden
den gibe ich guot gewagte.’
dö daz der künic erhörte, 37 Do er lobete höchzite,
er jach daz er ez williclichen
dar nach in ahtzehen tagen
den vriunden und den mägen die hin ze Irlande
von des winters stunden solten
38 Gesidele hiez er werken,
so wir hoeren sagen.
des muose man von dem wilden sehzic tüsent helden
[biten.
walde dar tragen,
den hiez man allen benken.
daz künden wol geprüeven 39 Riten si begunden
des küneges truhsxzen unde
üf vil manegen wegen
- die ze hove körnen,
[schenken.
der hiez man schöne phiegen -,
unz daz dem künege
üz aller vürsten riehen
körnen heim ze hove
sehs und ahtzic tüsent lobeliche.
40 Von des wirtes gademe
kleider man dö truoc.
den gap man ir genuoc.
dar zuo gap man in Schilde diu edele küniginne
und ros von Irlande.
zierte ouch vil der vrouwen mit
41 Si gap wo! tüsent wiben unde vil den meiden,
herliche wät
[gewande.
daz kinden rehte stät,
von borten und von gesteine die minneclichen vrouwen 42 Alle die sin gerten
und manegen phelle riehen, stuonden in ir waete süber-
heten guot gewant.
da sach man ros springen
den knaben an ir hant.
die brühten liehte Schilde
unde schefte riche.
Uote diu vil edele
saz in den venstern lobeliche.
43 Do erloubte buhurdieren des wart da tunkel
[taete.
hiez er allen sagen,
gerne wolten riten,
daz si nach dem sumere
allen die ir gerten,
387
der wirt den gesten sin.
vil maneges helmes schin.
[liehen,
388
Kudrun: Text
die wol gelobeten vrouwen swes die helde phlägen,
säzen also nähen, daz si ez bescheidenlichen sähen.
44 Der buhurt werte lange,
so dicke ist geschehen,
der wirt sich wolte läzen
bi sinen gesten sehen,
daz lobete in guoter mäze wände si so nähen
sin wip diu küniginne,
saz mit den vrouwen obene an der
45 Do er geriten hete,
als ez vürsten wol gezam,
[zinne.
do begunde er wenden
- daz tet er äne schäm -
den sinen lieben gesten
die starken arbeite
näch vil grozen eren.
do was er vür die vrouwen ir
46 Uote diu schoene
grüezen do began
die vremeden zuo den vriunden. manegen gast mit willen, diu Uoten gäbe
man bi einander vant.
in was des wirtes wille
allen wol bekant,
daz er in eren gunde
bi sinen hochziten.
hiez er aber die werden geste riten.
48 Diu hochgezit werte
unz an den niunden tac.
swes man mit ritters vuore die varnde diet des mohte die heten arbeite:
lützel dä verdriezen: vil lute man do vernam;
vloiten unde harphen, rotten unde singen,
swes man dä began, des vlizzen si sich sere,
phifen unde gigen.
— nu hoeret wunder sagen!—
muose ir maneger klagen. hebent sich niuwiu msere.
näch ir grozen vreuden 51 Do der wirt mit vreuden do kom der varnden einer. daz er vür si alle
[mere.
in wart der guoten kleider deste
50 An dem zehenden morgen näch ir aller wünne
bi dem künege phlac,
wan si sin ouch wolten geniezen.
49 Pusunen unde trumben
von der hochzite
dä von si gewan
die si ouch gerne sähen.
dorfte ir deheinem niht versmähen.
47 Ritter unde vrouwen
wider äbendes
[geleite,
si körnen in vil herzenliche bi sinen gesten saz,
[swsere.
mit vlize künde er daz,
- wer möhte des getrouwen? -
dä spilte mit gevuoge,
daz in werde vürsten muosen
52 Do wiste an ir hende ein schoene magedin dä üz Irlande des wirtes kindelin.
[schouwen.
1. Äventiure
da mite giengen vrouwen,
die sin mit zühten phlägen,
und ouch des wirtes vriunde: 53 In des wirtes hüse
ja zugen ez mit vlize sine
horte man grozen schal.
die Hute begunden lachen
[mägen.
allez über al.
des jungen Hagenen magezogen daz si der jungen meide
körnen gar ze nähen,
und des kindelines niht
54 Des wirtes ungelücke
nähen do began,
dä von er und vrou Uote
[ensähen.
groziu leit gewan.
ez hete der übele tiuvel sinen boten verre.
389
gesant in daz riche
daz ergienc in allen klageliche.
55 Ez was ein wilder grife,
der kom dar gevlogen.
daz im der künic Sigebant sin groz ungelücke
het ze liebe erzogen,
mohte er dä bi kiesen:
sinen sun den jungen
[vliesen.
muose er von dem starken grifen
56 Er begunde schatewen
dar in sin gevidere truoc,
als ez ein wölken wasre.
starc was er genuoc.
vor ir manegen vreuden
si nämens war vil kleine.
diu maget mit dem kinde
stuont vor dem hüse vil eine.
57 Vor des grifen krefte
der walt dä nider brach,
do diu maget edele
den vogel vliegen sach,
do nerte si sich selben
und lie daz kint beliben.
durch ditze starke maere
möhte man ez vür ein wunder schnben.
58 Der grife lie sich nidere in sine kläwe.
und besloz daz kindelm
do tete er grozen schm,
daz er grimmic wa:re
und übele gemuot.
daz muosen sit beweinen
die helde stolz unde guot.
59 Ez begunde lute ersehnen, er truoc ez harte hohe
ez was sere erschraht. mit der sinen mäht.
do kerte er gegen dem lüfte daz muose do beweinen i 60 Sigebandes vriunde si klageten harte sere des was in unmuote si klageten al gemeine ( 61 Von dem unmuote
zuo den wölken verre. üzer Irlande der herre.
greif disiu leide not. des kindelines tot. der künic und ouch sin wip. des edelen kindes werden lip. diu werde Wirtschaft
390
Kudrun: Text
diu muose sich zerläzen.
die hete mit siner kraft
der grife so zervüeret,
daz si mit arbeit
sich alle muosen scheiden: N 62 Der wirt weinte sere,
in was vil innerlichen leit.
sin brust diu wart im naz.
diu edele küniginne
mit zühten sprach do daz,
daz er die klage lieze:
daz liut lasg allez tot,
ez müese sich verenden,
als got von himele gebot.
N 63 Die geste wolten riten.
do sprach diu künigin:
ja sult ir, edele helde,
noch hie ze hove sin,
und lät iu niht versmähen daz haben wir ze gebene: N 64 Do nigen ir die recken. vil hohez danken.
silber unde golt. wir sin iu grcezlichen holt.’ si begunden alle sagen
der wirt hiez in tragen
manegen riehen phelle,
die wären ungesniten.
si waren sumeliche von verren landen dar geriten. N 65 Dar zuo gap er in moere, zelter unde marc, diu ros uz Irlande
michel hoch unt starc.
man gap in golt daz rote,
silber ungewegen.
der wirt hiez siner geste schone und güetlichen phiegen. N 66 Do lie diu küniginne scheiden manic wip und vil der edelen meide, ir gäbe was getiuret.
also daz ir lip
si truogen guot gewant.
diu hochzit sich endet.
si rümten Sigebandes lant.
2. Äventiure Wie Hagene von dem grifen wart hin gevüeret N 67 Nu lazen wir beliben,
wie da gescheiden wart
und grifen an diu maire,
welch ein swindiu vart
mit dem wilden grifen ez heten sine mage
daz kint dannen treit. umbe ez vil starkez leit.
N 68 Ez was noch unerstorben, iedoch het ez besunder wan ez der alte grife do ez die vor in heten,
wan ez got gebot, dar umbe groze not;
den sinen jungen truoc. do hete ez arbeit genuoc.
2. Äventiure
69 Als diu kunft des alten
zuo dem neste ergie,
daz kint er üz den kläwen do zuhte ez ir einer.
zuo den jungen lie.
daz er ez niht verslant,
da wart diu gotes güete
vil verre an bekant.
70 Si woltenz hän zerbrochen, da hoeret michel wunder
von Irlant der herre.
in habet der jungen einer 71 Von boume ze boume
under sinen kläwen harte er mit dem kinde vlouc.
den grifen do sin Sterke
[verre.
ein teil ze sere trouc.
er gestuont üf einem aste,
dem was er ze swasre:
des muose er üf die erde, 72 Von des grifen valle
do er zuo dem neste gerner
daz kindel im enbrast.
sich bare in einem krüte sit kom er ze tröste
[wasre.
der wenige gast.
er was noch übele enbizzen
an dem sinen übe.
in ir eilende manegem schcenen wibe.
73 Got tuot michel wunder: von der grifen Sterke
des mac man verjehen, was ouch e geschehen,
daz drier künege tohter
wären dar getragen,
si säzen dä vil nähen.
nu kan iu niemen gesagen,
74 Wie si den lip nerten
ie so manegen tac,
wan daz ir got von himele Hagene solte beliben
vil gnaedicüchen phlac.
dä niht al eine.
die minneclichen meide
vant daz kint in einem holn
75 Do ez die vrouwen slichen
sähen an den berc,
do wolten si des wasnen, oder ein merwunder
[steine,
ez waere ein wildez twerc
von dem se gegangen.
sit kom ez in so nähen: 76 Hagene wart ir innen: alles unmuotes
mit kläwen gar zertragen. von sinen sorgen sagen,
wie da den lip behielte
i
391
jä wart ez von in güetüche si wichen in daz hol.
[enphangen.
was ir herze vol,
e daz si ervünden, mit siner arbeite
daz ez ein kristen wasre.
schiet er si sit von maneger herzen
f 77 Do sprach diu eltiste:
‘wie getarst du zuo uns gän,
sit wir von gote von himele nu suoche dine genöze wir liden doch arbeit
[swasre.
dise herberge hän?
in dem wilden se. und ist uns hie griuüchen we.’
392
Kudrun: Text
78 Do sprach daz edele kindel: ob ir daz weit gelouben,
‘lat mich iu wesen bi, daz ich ein kristen si.
mich truoc der wilden grifen ich wasre bi iu gerne:
einer zuo dem steine,
ja mac ich niht hie beliben eine.’
79 Do enphiengens minneclichen si gewunnens künde
daz wenige kint.
von sinem dienste sint.
si begunden vrägen
von wannenz komen wasre.
von sines hungers sorgen
verdroz ez gen den vrouwen der msere. ‘mir wxre enbizens not.
80 Do sprach daz edele kindel: weit ir mir mite teilen
iuwer trinken und iuwer brot —
daz ist mir gewesen tiure
wol drier tage wile,
wände mich der grife
[mile.’
truoc da her wol hundert lange
81 Do sprach der vrouwen einiu: ‘ez ist so geschehen, daz wir unser schenken selten hän gesehen noch unser truhssezen,
die uns solten tragen spise.’
si lebeten gotes güete
und wären in ir tumben jären wise.
N 82 Si begunden balde suochen si wolten bi in neren des si da lebeten,
würzen und ander krüt.
daz Sigebandes trüt. des brähtens im genuoc.
ez was ein vremede spise,
die im diu juncvrouwe truoc.
N 83 Diu krüt diu muose er niezen müelich ist ze lxden
er wonte bi den vrouwen daz er ir güetliche
durch des hungers not:
der bitterliche tot. da vil manegen tac,
mit sinem dieneste phlac.
84 Ouch heten sin in huote,
daz wil ich iu sagen.
ja wuohs er da mit sorgen unze daz den kinden
in sinen jungen tagen, bi ir grozen swacre
vor dem holn steine
erstuonden aber diu sunderba?.ren
85 Ich enweiz von welhem ende kom zen steinwenden
gevlozzen über mer
ein grozez gotes her.
die starken gruntwelle die eilenden meide
[msere,
koken si vil sere. heten ungemüetes deste mere.
N 86 Die kiele in zerbrästen,
des liutes niht genas,
die alten grifen komen
da daz geschehen was.
si truogen zuo ir neste
vil manegen toten man;
2. Äventiure
des manic wip von vräge
393
vil der sorgen gewan.
87 Do si den jungen grifen
ir spise heten län,
die alten grifen kerten
von ir geniste dan,
ich enweiz in welhez ende si heten üf dem berge
üf des meres sträzen.
einen grimmen nachgebüren läzen. sach ligen bi dem mer,
88 Hagene rät der liute die da ertrunken wären
- daz was ein gotes her
do wände er daz er solte
vinden dä ir spise.
vor den übelen grifen sleich er zuo dem stade harte lise. 89 Do vant er niemen mere, wan gewäfent einen man; des er von dem grifen groze not gewan. er schütte in üz den ringen; bogen und gewarien
er liez im niht versmähen.
vant er der siten harte nähen.
90 Do garte sich selbe
daz wenige kint.
dä obene in den lüften
horte er einen wint:
do hete sich versümet
der wenige herre.
do kom der alte grife;
Hagene was dem steine gar ze
91 Er swanc sich zornicliche den sinen burgasre,
nider üf den griez.
[verre.
den er dä heime liez,
den wolte er harte gerne do wart der küene
an der zite hän verslunden.
in vil guotes heldes mäze vunden.
92 Mit siner bloeder krefte manic starke sträle
het er üf gezogen schoz er üz dem bogen.
er kundes niht versniden:
wes mohte er dä geniezen?
do versuohte erz mit dem swerte.
er horte die vrouwen klagen unde riezen.
93 In sinen siten tumben
grimme er was genuoc.
dem grifen einen vetech
er von der ahsel sluoc
und verhoute an einem beine daz er getragen mohte 94 Den sic het er erworben. schiere kom der ander: sit sluoc er si alle,
in starke unde sere,
von der stat sinen lip niht mere. der eine der was tot. des leit er sundernot.
die jungen zuo den alten,
des half im got von himele; 95 Als er daz michel wunder
do hiez er sine vrouwen
jä mohte er solher krefte hete dä getän,
[niht gewalten.
von dem steine gän.
394
Kudrun: Text
er sprach: ‘lät iu erschinen sit uns got von himele
den luft und ouch die sunnen,
wil etelicher vreuden gunnen.’
96 Si enphiengen in güetlichen:
ofte bi der stunt
wart er von den vrouwen
geküsset an den munt.
ir voget lac da veige.
waz mohte in do gewerren,
si giengen an dem berge
nach ir willen nähen oder
97 Do in der grozen sorgen
von im gar gebrast,
do lernte so wol schiezen daz im die vögele künden er lernte swes er gerte,
[verren?
der eilende gast, vliegende niht entrinnen, do er nach siner not begunde sinnen.
98 Er wart so baldes herzen, hei waz er von tieren
so vrevele und so zam.
sneller Sprunge nam!
als ein pantel wilde
lief er üf die steine,
ja zoch er sich selbe:
er was aller siner mäge eine.
99 Wie ofte er zuo den ünden er sach in dem wäge
durch kurzwile gie!
die räwen vische ie:
die künde er gevähen,
möht er ir iht geniezen.
sin kuchen diu rouch selten:
des mohte in alle tage dä
100 Von siner herberge gienc er in den walt. da sach er vil der tiere vrevele unde balt. dar under was ir einez,
daz wolte in verslinden.
daz sluoc er mit dem swerte: N 101 Einem gabilüne
ez muose sines Zornes
was ez anelich.
er begunde ez schinden: in luste sines bluotes.
[verdriezen.
[harte enphinden.
do wart er krefte rieh, do er des vol getranc,
do gewan er vil der krefte. er hete manegen gedanc. N 102 Mit des tieres hiute der heit sich bewant. bi im er harte nähen
einen lewen vant;
oer mohte im niht enphliehen.
wie schiere er zuo im gie!
des beleip er unverhouwen. der heit ez güetliche enphie. 103 Daz tier daz er hiete dä ze tode erslagen, daz gedähte er ze hüse
heim mit im tragen,
die vrouwen zaller zite
genuzzen siner güete.
von der vremeden spise
hohte sich ir herze und ir
104 Viur was in tiure,
walt heten si genuoc.
[gemüete.
2. Äventiure
üz einem herten velsen
er manegen vanken sluoc.
daz in vor was vremede,
des wurden si beraten,
ja tet ez ander niemen,
si muosenz selbe bi der glüete
105 Do si die spise nuzzen,
do merte sich ir kraft.
ouch kuhten sich ir sinne, si wurden an ir üben sam ir ietesüchiu
395
[braten,
von gotes meisterschaft schoene und lobebasre,
da heime in ir vater lande wtere.
106 Ouch hete der wilde Hagene des er bi sinen ziten
krefte zwelf man,
hohen lop gewan.
in und die juncvrouwen
muote daz harte sere,
daz si in der wüeste
solten beliben immer mere.
107 Do bäten si sich wisen
zuo des wazzers vluot.
si giengen schamüchen.
ja wären niht ze guot
ir kleider diu si truogen:
diu strihte ir selber hant,
da si der junge Hagene
in ir eilende vant.
108 Tage vier und zweinzic
si giengen durch den tan.
an einem morgen vrüeje
do sach der junge man
ein schif geladen swasre.
ez kom von Garade.
den eilenden vrouwen
den tet ir arbeit vil we.
109 Hagene ruofte lute,
daz in des niht verdroz,
swie sere von den winden
daz mer mit ünden vloz
daz schif begunde krachen,
die bi in vuoren nähen,
si vorhten wildiu merkint,
do si die vrouwen an dem
110 Daz schif het einen herren Hagene und sin künne
was im vil kunt e.
sun den Sigebandes
der pilgerine einer niht bekant.
111 Der grave sinen schifman
zem stade niht enliez.
vüeren sich do hiez
durch die gotes güete do erkaltet ir gemüete, 112 Der gräve selbe zwelfte e er diu mxre ervüere, obe ez schräwaz wxren er gesach bi sinen ziten 113 Er begunde vrägen,
[stade sähen,
do het von Irlant
er was ir nächgebüre:
der eilende recke
üz Salme.
von dem wilden sande. do er Krist so vrevelliche nande. in eine barken spranc. diu wile dühte in lanc, oder wildiu merwunder. nie niht so herüchiu kunder. e er zem stade gie:
396
Kudrun: Text
‘sit ir kint getoufet,
waz tuot ir danne hie?’
er sach ir lip den schoenen do baten si die geste,
in jungen mies gewunden.
daz si in mit in ze varne gunden.
3. Äventiure Wie Hagene an den kiel kom N 114 £ si zem schiffe giengen,
do brähte man in gewant,
daz die pilgerine mit in vuorten in daz lant. swie kiusche si wahren, daz muosen si do tragen, ja schämten si sich sere: iedoch verendet sich ir klagen. 115 Do si die schoenen meide
brähten üf die vluot,
do giengen in engegene
die ritter stolz und guot.
si enphiengen vlizicliche
die vürsten tohter tiure,
swie si sich e versahen
daz si wahren wilde und
116 Do beliben si des nahtes diu ungewonheite
bi in üf dem se. tet den kinden we.
[ungehiure.
hieten siz vür wirde
so diuhten si mich wise.
der grave von Garadie
hiez in balde geben guote spise. und er bi in gesaz,
N 117 Do si gespiset wären der grave do die meide
bat im sagen daz,
wer si so rehte schoene
her braffite zuo dem se. den kinden tet sin vrägen und ouch ir arbeite we.
118 Do sprach diu eltiste,
diu under in da saz:
‘ich bin von verren landen, von India der guoten
— da was künic inne
min vater, do er lebete
da ich kröne leider nimmer mer gewinne.’ ‘ich bin von verren körnen; ze Portigäl genomen.
119 Do sprach diu mitteliste: mich hat ein wilder grife der min da jach ze kinde, ein voget vil gewaltic 120 Diu jungiste drunder, diu sprach gezogenliche: ich bin von Iserlande,
herre, wizzet daz,
der was da landes herre. was er geheizen nähen unde verre.’ diu bi dem gräven saz, ‘herre, ich sage iu daz:
aä was min vater herre.
3. Äventiure
die mich da ziehen solten,
den kom ich sit leider al ze
121 Do sprach der ritter edele:
‘got hät vil wol getän: [verre.’
sit er iuch bi den mägen ir sit mit genaden
397
niht wolte beliben län,
üz grozer not enbunden,
sit ich iuch so schoene
meide hän an disem stade vunden.’
122 Swes er da vrägen möhte, wie daz körnen wsere,
des wxre im unnot, daz si den grimmen tot
niht von den grifen nämen, si liten leit manegez,
die si ze neste truogen.
des si doch nie mere gewuogen.
123 Do sprach der riche grave ‘vriunt und geselle,
wider den jungen man:
ir sult mich hceren län,
sit daz mir die vrouwen
gesaget hänt ir msere,
nu weste ich harte gerne, 124 Do sprach der wilde Hagene: mich hat der grifen einer
‘daz wil ich iu sagen, ouch da her getragen,
min vater hiez Sigebant;
ich bin von Irriche
und bin bi disen vrouwen 125 Do vrägten si alle: daz ir bi den grifen
[wsere.’
wä iuwer lant oder künne
gewesen vil lange kumber-
‘wie mohte daz wesen,
[liehe.’
so lange sit genesen?’
do sprach der junge Hagene: an in ist wol erküelet
‘daz wolte diu gotes güete;
beidiu min herze und ouch min gemüete.’ ‘daz solt du mir sagen,
126 Do sprach der uz Garadie: wie dir si diu not geringet?’
‘da hän ich erslagen
die alten zuo den jungen,
ir einer niht genas,
bi den ich mines libes
in vil grozen sorgen was.’
127 Do sprächens al gemeine:
‘so ist starc dln lip.
dich mügen loben balde
beide man und wip.
ez möhten unser tusent
nimmer hän getän,
daz wirs erslagen hieten:
ez ist dir sxlicliche ergän.’
128 Der gräve und sin gesinde ez het unmsezlich Sterke:
vorhten ditze kint. daz geschadete in sint.
man wolte in von den wäfen daz werte er zornicliche. 129 Do sprach aber der gräve:
mit listen hän gescheiden: jä mohte in sin körnen balde ‘mir ist wol geschehen
näch manegem schaden grozen,
[leiden,
den ich hän gesehen.
398
Kudrun: Text
und bistw der mäge
da her von Irlande
des vürsten Sigebandes,
so wil ich dich haben mir ze
130 Du bist mir körnen rehte,
daz si dir geseit.
mir habent dine vriunde
[phande.
getan so manegiu leit
ze Garadie dem lande,
daz lit in gar ze nähen:
si hiezen mme helde
in herten stürmen slahen unde
131 Do sprach der junge Hagene: daz si iu getäten.
‘unschuldic ich des bin,
nu bringet mich ze in,
so getrouwe ich wol versüenen lat mich genxdicliche
ir haz und iuwer striten.
zuo den minen künden erbiten.’
132 Der grave sprach zem kinde:
‘du muost min gisel sin:
so sin min hovegesinde
diu schoenen magedin.
diu wil ich mir ze eren
haben in minem lande.’
diu rede dühte Hagenen,
[schände,
si wsere im beide schade unde
133 Der recke sprach in zorne: des enmuote niemen,
‘ich wil niht gisel wesen,
der welle genesen.
ir guote schifliute,
ir bringet mich ze lande:
des lone ich iu gerne,
[wände,
ich gilte mit schätze und mit ge-
134 Ir muotet minen vrouwen äne dine helfe
[vähen.’
daz si iuwer gesinde wesen:
si mügen wol genesen.
si iemen hie so wise,
der volge miner lere.
wendet iuwer segele, daz daz scbif gen Irlande iht kere.’ 135 Daz liut in wolte vähen; ir herre daz gebot. dö stuont er in ze nähen: er holte bi dem häre
des komens in groze not.
wol drizic in die ünde.
diu kraft sines libes
wart den pilgerinen harte künde.
136 Hetenz niht gescheiden den heit von Garadie
diu minniclichen kint, het er erslagen sint.
si wären im geliche
die armen zuo den heren.
die selben schifliute
muosen do gen Irlande keren.
137 Ilen si begunden,
daz si niht wurden vlorn,
wan si muosen vürhten tage sibenzehene
des jungen Hagenen zorn.
si vil unmüezic wären.
si vorhten in al gemeine, wan si sähen in übele gebären. 138 Do er begunde nähen in sines vater lant - die vil witen bürge
het er e bekant -,
3. Äventiure
einen palas hohen
399
kos er bi dem vluote;
driu hundert türne
sach er da vil veste unde guote.
1139 Dar inne was her Sigebant die pilgerine muosen
und ouch sin edel wip.
sorgen umb ir lip,
ob ir wurde innen
der üz Irriche,
daz er si alle sliiege.
daz understuont Hagene lobeliche.
1140 Do sprach zuo den gesten
der wxtliche man:
‘ich wil ez gerne süenen,
swie ich niht enhän
gewaltes hie ze lande.
ich wil dar boten senden
und wil haz den alten
mit iu und mit dem künege gar
141 Der nu welle dienen
an mir michel guot,
diu msere diu ich enbiute,
[verenden,
swer daz gerne tuot,
der si sage dem künege,
dem gibe ich golt daz riche.
ja lonet im vil gerne
min vater und min muoter
142 Der pilgerine zwelve
hiez er riten dan.
‘nü saget dem künege’,
[richliche.’
sprach der junge man,
‘ob er welle Hagenen
sinen sun sehen,
an dem von einem grifen
im herzenleide was geschehen,
1143 Ich weiz wol, sin geloubet so vräget mine muoter,
der edele künic niht. ob si iu des vergiht,
daz si mich danne welle
haben ze einem kinde,
ob si ein guldin kriuze
vor an miner brüste bevinde.’
! 144 Die boten riten dannen
nähen in daz lant.
da saz in einem hüse
vrou Uote und Sigebant.
do erkante er, daz da vüeren ez wären sine vinde.
da her von Garadine:
dar umbe zürnte der wirt und ouch die sine.
1145 Er vrägte, wie si getörsten do sprach einer drunder:
‘dä hät uns her gesant
din sun der junge Hagene. der ist hie so nähen,
körnen in daz lant. swer den gerne ssehe,
daz daz in kurzer zite wol geschehe.’
1146 Do sprach der vürste Sigebant: er ist so hin gescheiden, dicke hät erwecket ‘ob irs niht geloubet, 147 Der ist er also dicke
‘ir trieget äne not.
daz mir des kindes tot
mines herzen sinne.’ so vräget iuwer wip die küniginne. gewesen nähen bi:
400
Kudrun: Text
ob im an siner brüste
ein guldin kriuze si,
ob man des an dem degene geruochet ir des beide,
die rehten wärheit vinde,
so müget ir sin wol jehen ze einem
148 Uoten der vrouwen
ditze wart geseit.
si vreute sich der masre;
[kinde.’
e was ir ofte leit.
si sprach: ‘wir suln riten
da wirz ze rehte ervinden.’
der wirt hiez do satelen
im und sinen besten ingesinden.
149 Zehant do sprach ein pilgerin
der schoenen Uoten zuo:
‘wilt du mir, vrouwe, volgen, du solt bringen kleider
ich rate dir waz du tuo:
den vil schoenen kinden.
die koment dir zallen eren;
si heizent daz sin jungez ingesinde.’ mit der vrouwen dan.
N 150 Man brähte richiu kleider ouch volgte der küniginne
vil manic küener man.
her Hagene was gestanden da man die von Garadie
nider üf den sant, bi dem eilenden vant.
4. Äventiure Wie Hagene enpbangen wart von vater und von muoter N 151 Do gesach er riten
wip unde man.
do wolte in Hagene
hin engegene gän.
wer im grüezen kunt t^te,
daz wolte er gerne sehen.
da muose ein starkez dringen 152 Der künic hiez in willekomen er sprach: ‘sit irz der recke, und jehet ze einer muoter
sin in sin lant.
[schehen.
der nach uns hat gesant, der edelen küniginne?
und sint war diu majre, 153 Uote diu schoene
von sinen vriunden ge-
so bin ich vro von allen minen
gezogenlichen sprach:
[sinnen.’
‘heiz uns vor den liuten
schaffen hie gemach.
ich sol in wol erkennen,
ob im hie zimt diu kröne.’
si ervant diu waren bilde; N 154 Mit weinenden ougen e west ich mich sieche,
do enphiengen si den jungen
heit vil schone. si kuste in an den munt. nü bin ich wol gesunt.
4. Äventiure
bis willekomen Hagene,
min einigez kint.
nu mügen sich din wol trcesten 155 Der künic trat dar näher,
die hie bi Sigebande
üz sinen ougen vlöz
trähene da genuoc.
dem kinde er holden willen 156 Die eilenden vremeden
[truoc.
von schulden vriuntlichen vroun Uoten wurden kunt.
si gap in maneger hande
grä unde bunt,
phelle ob liehten vederen, sich ringet ir gemüete
daz wol gezam ir libe. von des küneges Sigebandes wibe.
157 Man kleite die schoenen vrouwen die zit muosens dulden unze si behängen
[sint.’
sin vreude diu was groz.
von sines herzen liebe im der vil heizen
401
als ez in wol gezam.
dar under michel schäm,
mit riehen horten giengen.
der wirt und sine helde
die jungen meide vlizicliche en-
1 158 Hagene hiez genaedic
den von Garadie sin
den künic und die liute
[phiengen,
durch den willen sin,
daz er in vergxbe
schaden unde schulde.
Hagene der junge
der gewan den pilgerinen hulde.
1159 Do der künic mit küsse
versuonte sinen zorn,
do muose man in gelten
swaz si heten verlorn.
daz was in vrume vil groziu sit wurden si vinde
mit dem von Irlande nimmer mere.
i 160 Do hiez man den gesten
tragen üf den sant
in dem vride Hagenen
ir spise und ir gewant,
daz si da ruowen solten die stolzen pilgerine
ze vierzehen tagen, muosen im des gnade sagen.
1161 Do riten si mit schalle
von dem mere dan.
zuo der burc ze Baljän
kom vil manic man
durch diu vremeden maere,
daz noch leben solte
des vil riehen küneges sun. 1162 Hagene sine vrouwen baden ze allen ziten
und was ouch Hagenen ere.
lützel iemen daz gelouben niht unberuochet liez.
[wolte.
ers vliziclichen hiez.
den minniclichen meiden man gap in richiu kleider; 1163 Nach tagen vierzehenen die wazzermüeden helde,
den diente er vil lise.
[wise.
er was in sinen jungen jären scheiden man do lie die bi in waren hie.
(164)
402
Kudrun: Text
do gap in sine gäbe
der wirt von liehtem golde.
durch sines sunes liebe
ze stteten vriunden er si haben
164 Wahsen er begunde
bevollen zeinem man.
do phlac er mit den helden sit wart er gewaltic
(163)
swes man ie began,
daz ritter prüeven solten,
mit werken und mit handen.
in sines vater Sigebandes landen.
165 Der junge Hagene lernte
daz helden wol gezam,
vor so manegem degene, muose beliben.
[wolde.
daz er des äne schäm
daz lobeten schoene vrouwen.
er wart so rehte milte,
daz es niemen möhte wol
166 Dar zuo wart er so küene, als uns ist geseit, daz er getorste rechen siner vriunde leit. er behabete gar sin ere
[getrouwen.
an aller hande dingen.
des horte man in dem lande
von dem helde sagen unde
167 Er wuohs in einer wüeste, bi den wilden tieren.
[singen,
der edele vürste junc,
des mohte im einen sprunc
lebendes niht enphliehen,
swaz er wolte vähen.
er warne und sine vrouwen
bi dem mere manic wunder
168 Sin rehter name hiez Hagene.
sit wart er genant
Välant aller künege.
dä bi was er bekant
von der sinen Sterke Hagene der küene
wol in allen riehen.
[sähen.
urborte sinen namen vlizicliche.
169 Im rieten sine mäge,
er würbe umb ein wip. diu was im da vil nähen, daz nindert schoener lip
lebete in al der weide
üf dem ertriche.
diu hete erzogen in selben; 170 Si was geheizen Hilde sie hete im ofte liebe do er si aller erste uz allen landen
jä wuohs er bi ir harte
und was von Indiän. in grozer not getän,
[sorcliche.
vant in einem steine, gerte er vür si bezzer deheine.
171 Sin vater hiez in gähen,
daz er nxme swert
mit hundert sinen helden: gsb er ie vier gesellen
tüsent marke wert
vür ros und vür gewxte.
do sprach der degen Hagene, 172 Do hiez er ez künden wanne ez wesen solte,
daz er daz vil williclichen
in diu vürsten lant: daz tet man in bekant.
[tsete.
4. Äventiure
403
sit wart sin groziu milte harte wol bevunden. [stunden, man sagete die höchzit in dnen tagen und in järes 173 Dar zuo sich vlizzen recken die gerne wolten dar. si hiezen würken Schilde lieht und wol gevar. dar zuo man in bereite satele vil riche. vürbüege und zoume bereite man von golde süberliche. 174 Üf einem witen plane herbergen man dö hiez des riehen küneges geste. wie wenic er des liez des si an in gerten! da sidelte man vil witen. man sach an allen enden sine geste zuo dem lande riten. 175 Die vremeden die da wolten wapen mit im nemen, die hiez er kleiden alle: daz muose in wol gezemen. die da von vremeden erben körnen zuo dem lande, der wären tusent helde. die zierte er wol mit rosse und mit gewande. 176 Er sprach ze sinen vriunden: ‘nu ratet ir mir daz, daz ich ein künic heize. ez zimt mir deste baz, ob ich von herzen minne diu bi mir trage kröne, ich erwinde nimmer, unz ich ir ir arbeit gelöne.’ 177 Wer diu vrouwe wajre, des vrägten sine man, diu vor sinen helden ze hove solte gän. er sprach: ‘daz ist vrou Hilde von Indiä dem lande, der ich und mine vriunde ze dirre weite haben wenic schände.’ 78 Wol behagete ez siner muoter - sim vater tet ez sam -, daz man si solte kroenen, dö si daz vernam. si was wol in der mäze, daz lant hete ir ere. wol sehs hundert degene nämen bi im wapen oder mere. i 79 Nach siten kristenlichen wihen man dö hiez beide zuo der kröne: niht lenger man daz liez. her Hagene und vrou Hilde riten vor in dannen, manegen buhurt riehen sach man da von des küneges ■80 Her Sigebant reit selbe; höhe stuont sin muot. [mannen, in ahte harte ringe, verzert er michel guot. dö si geriten hieten wol nach ritters rehte, [knehte. dö wurden vil unmüezic üf des küneges hove die kamer-
Kudrun: Text
404
181 Si truogen an gesidele stüele unde tische.
breit unde lanc, do man vol gesanc,
ze hove reit vrou Uote die die junge helde
und mit ir vil der vrouwen, da vil williclichen mohten schouwen.
182 Do der künic Sigebant
bi vroun Uoten saz
und Hagene bi Hilden,
die liute redeten daz:
im wsere wol gelungen
an sinem lieben kinde.
den krach von manegem schäfte 183 Do der herre üz Irlande
pruofte vor den tischen
wol enbizzen was,
schiere wart ze molten
[ir ingesinde.
bluomen unde gras
von sinen manegen gesten;
die riten da mit schalle,
die man gesunde weste,
die buhurdierten vor den vrouwen alle.
N 184 Vier und zweinzic recken komen under Schilde. manic richiu tjoste
die wären üf den plan
da wart ez wol getan, wart von in getriben.
daz sähen schoene vrouwen: 185 Sun der Sigebandes
jä wacr daz übele beliben.
den buhurt selbe reit,
daz sach sin triutinne: ob si im iht gedienet
jä was ez ir niht leit. hete in vremeden landen,
[handen.
des lonte er ir gerne. er was ein mxrer heit ze sinen 186 Dä vant man under stoube dem wirte riten bi, daz ouch künege hiezen,
zwelf unde dri,
die lehen von im hieten,
kristen unde heiden.
Sigebande und Hagenen
den dienten si vliziclichen
187 Diu hochzlt werte lange;
diu vreude diu was groz.
von hurte und von dringen der wirt hiez sine geste do wart in daz erloubet, 188 Vor den sinen genozen ‘minem sune Hagenen
ludern unde doz. ir arbeite läzen: daz si zuo den vrouwen sprach her Sigebant:
[gesäzen.
gibe ich miniu lant,
die liute mit den bürgen alle mine recken
[beiden,
nähen unde verren. suln in in haben ze einem herren.’
189 Do sich verzigen hiete do begunde Hagene lihen mit vil guotem willen.
der vürste Sigebant, bürge unde lant die si nemen solten,
4. Äventiure
er dühte si so biderbe,
daz sis von im gerne nemen
190 Nach lehenlichem rehte
gestraht ir maneges hant [wolten.
wart dem jungen ktinege. gap er sinen gesten
schätz und ouch gewant
nähen unde verren.
so miltes vürsten höchzit wären gevüeret.
[gewerren.
möhte noch den armen niht
191 Ze hove wären vrouwen,
die mit im in daz lant
näch der einer wart gesant;
die hiez man zuo vroun Hilden diu was von Iserlande bi der küniginne.
vür den künic gän.
und was ze wünsche wol getän.
192 Ir gerte ein junger vürste.
der hete si gesehen
des mohte er wol verjehen,
daz si von allem rehte
solte tragen kröne.
si was gespil vroun Hilden:
der künic und sine man.
die edelen juncvrouwen gegen Norwxge
[ze löne.
sit wart ir ein ridhez lant
193 Do schieden sich die geste,
vuorte man dan
in des vürsten riche.
näch ir grözen leide 194 Do begunde rihten swaz er unbilliches
so stuont ir dinc vil gensedicliche. her Hagene in Irlant. an den liuten vant,
des muosen si engelten in einem järe
405
von im harte sere.
enthoubter ir ahtzic oder mere.
195 Nu schuof er herverte
in siner vinde lant.
durch die armen woher
vüeren deheinen brant. deheiner wart ervunden,
swä ir mit übermuote
und rach sich mit den tiefen verchwunden.
dem brach er die bürge 196 Swä er kom ze strite,
er was ein ritter guot.
den höchvertigen helden von siner vorgetxne
swachet er den muot. nähen unde verren
er hiez Välant aller künege: 197 Der heit lebete schöne;
näch ir muoter Hilde,
daz mohte sinen vinden
vrö was er genuoc.
von Indiä diu vrouwe eine tohter schoene.
[wol gewerren.
bi dem recken truoc sit wart diu genennet dä von man diu mtere wol
1198 Do hiez der wilde Hagene ez beschein diu sunne selten
ziehen so daz kint,
[erkennet,
noch daz ez der wint
406
Kudrun: Text
vil lützel an geruorte.
sin huoten edele vrouwen.
sam taten sine mäge,
den er aller beste mohte getrouwen.
199 Inner zwelf jären
diu herliche meit
wart unmäzen schcene. edele vürsten riche
verre ez wart geseit.
die begunden sinnen,
wie si wolten werben
nach des wilden Hagenen tohter
200 Der selben vürsten einer
bi Tenemarke saz
ze Waleis in dem lande.
[minnen.
do er gehörte daz,
daz si so schoene wtere,
dö ranc er nach ir sere.
daz versmähte Hagenen:
er nam im beide lip unde ere.
201 Swaz man ie boten sande
nach der megede guot,
die hiez her Hagene vliesen
durch sinen übermuot.
er wolte si geben deheinem dö horte man allenthalben 202 Boten hiez er hähen
der swacher danne er waere. sagen von dem vürsten daz
wol zweinzic oder mer
- diez niht gerechen mohten, alle die man sande
[mtere.
den was ez herzen ser —,
nach siner tohter here.
genuoge den manz sagete,
die gerten ir ze wibe nimmer
203 Noch beleip ez ungeworben hat ir einer übermuot,
von guoten recken niht.
also man des giht,
da bi man vindet einen, von ir höhen minne
[mere.
der dunket sich sam here. huop sich siner sorgen deste mere.
3. Äventiure Wie Wate ze Irlande vuor 204 Ein heit der was erwahsen ze Stürmen in einer marke, da säzen sine mäge,
ja was er vil gewaltic unde
- Wate was er genant -
der hete von dem degene durch daz er was sin künne, er lerte in alle tugende; 206 Ze Tenemarke herre
daz ist wol erkant,
die zugen in nach eren.
im diente ouch Nortlant. 205 Einer siner mäge
in Tenelant.
[here.
bürge unde lant. er zöch in vliziclichen. er liez in üz der huote niht
was Waten swesterkint,
[entwichen.
5. Äventiure
Horant der biderbe.
407
der verdiente sint
an Hetelen dem künege,
daz er im der kröne
wol ze tragene gunde. er gaps dem helde volliclich ze i 207 Hetele der riche ze Hegelingen saz [löne. nahen bi Nortlande,
ich wil iu sagen daz;
dar inne hete er bürge die der phiegen solden,
wol ahtzic oder mere die dienten im tägelich mit
. 208 Er was ze Friesen herre
wazzer unde lant, was in siner hant.
Dietmers unde Wäleis Hetele der was riche
und hete vil der mäge.
er was ouch grimme küene. 2 209 Hetele was ein weise. ob er ein wip hiete.
ofte schuof er sinen vmden
da von so wart im not, die im diu lant dä liezen.
sus het er vil der vriunde.
bi den muos in ze lebene verdriezen. er solte minne phiegen,
210 Dö rieten im die besten, diu im ze mäze kceme. ‘ich enweiz deheine,
dö sprach der junge degen: diu zen Hegelingen
mit eren wsre vrouwe,
noch die man mir ze hüse möhte bringen.’ Mörunc der junge man:
2 211 Dö sprach von Niflande ‘ich weiz eine vrouwen,
als ich vernomen hän,
daz deheiniu lebet so schceniu wir suln ahten gerne,
oder wie si si genant,
er sprach: ‘si heizet Hilde
und ist üz Irlant.
ir vater heizet Hagene
und ist daz Geren künne. so häst du immer vreude unde
2 213 Dö sprach der vürste Hetele: swer werbe nach ir minne, dar umbe si erstorben deheinem minem vriunde heiz Höranden bringen:
nindert üf der erde,
daz si iu zeiner triutinne werde.’
2212 Er vrägte, wer si wtere
2214 Dö sprach aber Mörunc:
[läge,
im wären beide tot
vater und ouch muoter,
kumt si her ze lande,
[grözer ere.
wünne.’ ‘nu ist mir doch geseit, ez si ir vater leit.
vil manic edel man. ich des tödes niht engan.’ ‘so sende in sin lant, dem ist wol erkant
Kudrun: Text
408
alle site Hagenen äne sine helfe
hat er wol gesehen, künde ez nimmer geschehen.’
215 Er sprach: ‘ich wil dir volgen,
nu si so schoene si.
da man si sol gewinnen,
da muost du wesen bi,
wan ich dir alles guotes
von schulden wol getrouwe.
du hast es vrume und ere
wirt si ze Hegelingen vrouwe.’
216 Do hiez er boten riten da man Horanden
hin ze Tenelant, sinen neven vant.
er enbot dem recken,
daz er in sehen solte
inner tagen sibenen,
ob er im deheinen dienest leisten
N 217 Do die boten komen
und daz er die vernam,
getriulicher dienste
[wolte.
was er im so zam,
daz er leiste gerne
swaz er im gebot. des gewan er sider arbeit unde grcezliche not. 218 Er reit ze hove schiere mit sehzic slner man. do der heit da heime
urloup genam,
do gähte er deste vaster,
daz er diu maere ervunde,
wä mite er dem degene
nach eren wol gedienen künde.
219 An dem sibenden morgen er und sine gesellen
kom er in daz lant.
truogen guot gewant.
der künic hin engegene
gie den recken guoten.
do sach er bi dem recken 220 Ez was im ein liebez masre, der künic sach si gerne. ein teil siner sorgen,
daz si wahren komen. da von im was benomen
die er hete in smern muote,
do sprach er lachende:
‘bis willekomen, neve Fruote.’
221 Do gienc vür den vürsten
Fruote und Horant.
er vragte wie ez stüende
da heime in Tenelant.
do sageten si im beide: in herten stürmen
‘wir hän in kurzen stunden
geslagen vil schädeliche wunden.’
222 Er vragte, wä si wahren ‘da ze Portigäle
[Fruoten.
von Tenemarke den küenen
durch vehten hin geriten.
hän wir gestriten.
des wolte uns niht erläzen er enschadete uns sere
der edele künic riche,
in der marke aller tägeliche.’
223 Do sprach der junge Hetele: jä warne ich, Wate der alte
‘nu lät ez hin gän. der welle niht län
5. Äventiure
die marke da ze Stürmen,
da er da sitzet inne.
danc habe er des immer,
der im eine burc an gewinne.’
!224 Die helde giengen sitzen
in einen palas wit.
mit tumplichen witzen
begundens reden sit
von edeler vrouwen minnen, der künic horte ez gerne. !225 Hetele Höranden
Horant unde Fruote. dar umbe gap er in miete
biten dö began:
‘ist dir daz macre künde, der wolte ich mmen dienest
die jungen küniginne? unde mme botschaft heizen bringen.’ ‘ez ist mir vil wol erkant.
1226 Do sprach der degen küene: maget also schoene
[guote.
du solt mich wizzen lan,
wie stät ez umb vrou Hilden,
als von Irlande
409
ich mere nie bevant Hilde die riehen,
des wilden Hagenen tohter. !227 Hetele dö vrägte:
ja stüende ir ein kröne
‘möhte daz gesin,
daz mir ir vater gäbe
[lobeliche.’
daz schoene magedin,
und diuhte ich in so biderbe,
so wolte ich si minnen
und wolte im immer Ionen,
der mir die maget hülfe ge-
!228 ‘Daz mac sich niht gevüegen’, ‘ze boten rftet niemen des wil ich mich selbe den man dar gesendet,
den heizet man da slahen oder ‘mirst nach ir also not.
[hähen.’
dar umbe müese tot
selbe geligen Hagene er ist nie so vrevele,
[winnen.’
nimmer vergähen.
!229 Dö sprach aber Hetele: hähet er mir einen,
sprach Horant.
in daz Hagenen lant.
der künic von Irnche. im kome sin grimmer muot vil schädeliche.’
’230 Dö sprach der degen Fruote: gegen Irlande
‘wolte Wate sin
nü der bote dm,
so möhte uns wol gelingen
und brachten dir die vrouwen,
oder uns wurden wunden
üf daz herze al durch den lip
!231 Hetele der herre
sprach: ‘da wil ich hin
senden zuo den Stürmen. Wate rite gerne
[gehouwen.’
an angest ich des bin,
swar ich im gebiute.
heizet mir von Friesen
körnen Irolden und sine liute.’
410
Kudrun: Text
232 Die boten riten gashes
ze Stürmen in daz lant,
da man Waten den küenen
bi sinen helden vant.
man saget im von dem künege, Waten hete wunder,
waz sin der künic von Hegelingen
N 233 Er vrägte, ob er vüeren heim oder brünne
solte mit im dan
[wolte.
und iemen siner man.
der boten sprach do einer:
‘des enhorte wir niht,
daz er bedörfte iht recken, N 234 Wate wolte dannen.
wan daz er iuch gerne siht.’
sine liute er lie
dem lande und den bürgen.
do er ze rosse gie,
do volgte im niemen mere, Wate der vil küene
wan zwelve siner man.
ze hove gähen began.
235 Er kom ze Hegelingen. hin ze Campatille,
do der degen reit
daz was niht ze leit
Hetelen dem degene.
er begunde zuo im gähen.
er dähte wie er Waten
sinen alten vriunt solte enphähen.
236 Er gruozte in willicliche.
der vürste lute sprach:
‘her Wate, sit willekomen. des ist nu lange zite, da wir uns urliuges N 237 Wate im antwurte:
daz er im körnen solte
daz ich iuch niht ensach,
daz wir ensamet säzen, üf unser widerwinnen vermäzen.’ ‘ensamet solten wesen
gerne guote vriunde:
so möhten si genesen
vor ir starken vinden
immer deste baz.’
er vienc in bi der hende und tete vil güetlichen daz. 238 Si giengen beide sitzen und ander niemen mer. der künic der was riche, und ouch übermüete
Wate der was her ze allen sinen dingen.
Hetele hete gedanke, wie er in ze Irlande solte bringen. 239 Do sprach der junge recke: ‘ich hän nach dir gesant: boten ich bedörfte
in des wilden Hagenen lant.
nu enweiz ich niemen,
der mir dar bezzer wsere,
danne ir, Wate, lieber vriunt:
ir sit zer botschaft vil redebtere/
240 Do sprach Wate der alte: iu ze liebe und zeren,
‘swaz ich werben sol daz tuon ich gerne und wol.
des sult ir mir getrouwen,
ich bringe ez an ein ende
5. Äventiure
411
nach iuwerme willen, ez ensi daz michs der tot erwende.’ 241 Hetele sprach: ‘mir ratent al die vriunde min, ob mir geben welle
die schcenen tohter sin
Hagene der starke,
daz si ein küniginne
werde in mmem lande. 242 Wate sprach mit Zorne: ob ich hiute stürbe,
dar nach stänt hohe mme sinne.’ ‘swer dir daz hat geseit,
daz wsere im niht ze leit.
ja hat dich ander niemen
gereizet des gedingen,
wan Fruote von Tenemarke,
Hilden müge bringen. diu minnecliche meit -
243 Ez ist in solher huote Horant unde Fruote, daz si si so schcene,
deich dir die schoenen
die ditze hant geseit, ich wil e niht erwinden,
du solt mich und si beide 244 Er wolde nach in beiden mere siner vriunde
senden an der stunt;
[vinden.’
tete man ez kunt,
daz si ze hove solten heimlicher spräche
in dinem dienst genendiclichen
vür den künic here. heten si dar umbe deheine mere.
245 Wate der vil küene, unde ouch Fruoten,
do er Horanden sach wie schiere er do sprach:
‘got lone iu helden beiden, und miner hovereise
daz ir der mi'nen ere
under wilen muotet also sere.
246 Ir sit es vil genoete,
daz ich bote bin.
nu müezet ir ouch beide
mit samet mir da hin.
so sul wir dem künege dienen der mines gemaches väret,
wol nach sinen hulden.
der sol die selben triuwe mit mir dulden.’
\ 247 Do sprach der recke Horant: ob michs der künec erlieze, ich enwolte haben arbeit
erlichiu vreude von in geschehe.’
l 248 ‘Wir suln’, sprach her Fruote, deheiner voller ere.
so wolte ich niht bewarn,
da ich schoene vrouwen sxhe,
daz mir und minem künne
die reise mit uns vüeren.
‘ich wil dar gerne varn.
‘siben hundert man
her Hagene niemen gan
er ist nie so vermezzen,
ob er uns warnet twingen,
[vergezzen.
so muoz er siner hochvart gar
412
Kudrun: Text
N 249 Her künic, ir sult heizen
bereiten üf die vluot
ein schif von ziperboumen daz iuwer gesinde
veste unde guot,
miige wol getragen,
mit silberwizen spangen
suln siule werden beslagen.
250 Und werbet umbe spise
die man haben sol.
heizet würken helme
vliziclichen wol
und halsperge veste,
die wir vüeren hinnen,
des wilden Hagenen tohter
[gewinnen,
müge wir deste baz also
251 Ja sol min neve Horant,
der ist ein wiser man,
stan in siner krame
— des ich im wol gan —
nuschen unde bouge
verkoufen den vrouwen,
golt und edel gesteine:
so sol man uns deste baz ge-
252 Wir suln vüeren veile
wäfen unde wät.
sit ez umb Hagenen tohter daz si niemen mac erwerben, nu kiese Wate selbe,
[trouwen.
so angestlichen stät, er enmüeze umb si striten:
weihe er mite welle heizen riten.5
253 Do sprach Wate der alte: ‘ich kan niht koufes phiegen, min habe ist vil selten müezic her gelegen, ich teiltes ie mit helden:
daz ist noch min gedinge.
ich bin niht so gevüege, 254 Sit ez min neve Horant
daz ich kleinet schoenen vrouwen üf mich geraten hat,
[bringe,
er weiz in guoter mäze,
wie ez umb Hagenen stät. der genozet sich mit Sterke sehs und zweinzic mannen, gevreischet er daz werben, so körnen wir harte sorcliche 255 Her künic, heizet gahen.
decken man uns sol
unser schif mit dillen. wesen guoter recken,
[dannen,
ja muoz ez unden vol die uns helfen striten,
ob uns der wilde Hagene niht mit gemache welle läzen 256 Der suln wol hundert stritlich gewant [riten. mit uns hinnen vüeren gegen Irlant. so sol min neve Horant wesen in der krame:
mit zwei hundert manne so koment zuo im schoene vrouwen
257 Dar zuo sol man würken guoter kocken dri, die ros unde spise uns nähen tragen bi, daz uns in einem järe wir suln sagen Hagenen,
des si unzerunnen.
[danne. [entrunnen,
daz wir küme üz Stürmen sin
5. Äventiure
t 258 Und daz uns ungenäde
413
der künic Hetele tuo.
mit unser grozen gäbe
sul wir ofte zuo
ze Hilden und ze Hagenen
hin ze hove gän:
so wirt uns von dem künege < 259 Wir suln jehen alle,
sin vride vil staete getan.
daz wir in adite sin.
zehant so vähet gnäde
der wilde Hagene min.
man heizet herbergen
uns eilenden geste:
so lät uns her Hagene
in sinem lande lützel iht gebresten.’
260 Die helde vrägte Hetele:
‘wanne mac daz sin,
daz ir scheidet hinnen, si sprächen:
lieben vriunde min?’
swanne ez sumeret
so si wir gekleidet i 261 Die wile man würket
daz man haben sol,
segele unde riemen
vliziclichen wol,
kocken und galeide,
die wir suln vüeren,
daz uns die gruntwelle ir dürfet niht verkosten allen die iu volgent,
mac gesehen ein ietslichiu vrouwe.’
263 Do reit mit urloube
Wate in Sturmlant;
Horant unde Fruote
die kerten sä zehant dä si hiezen herren.
si gedähten sich mit dienste . 264 Do tete sines willen
dem künic Hetelen nimmer
dä heime Hetele schm.
ez wurden vil unmüezic siniu schif si worhten
[geverren.
die zimberliute sin; so si beste künden,
die wende zuo den stoezen i 265 Die masboume wurden mit dem liehten golde:
wurden mit silber wol ge-
veste unde guot.
do bewant man diu ruoder
266 Ir ankerseil wurden
heim in iuwer lant.
üf ros noch gewant. den gibe ich solch gezouwe,
daz iuch wol mit eren
do si varn solten,
[rüeren.’
ze schaden iht mügen an ge-
; 262 Her Hetele sprach: ‘nu ritet
hin ze Tenemarke,
von des winters ziten,
und suln aber her ze hove nten.
[bunden.
rot alsam ein gluot der herre der was riche.
si bereiten sich zer vart lobeliche. dä her von Arabe
gevüeret harte verre,
daz man sit noch e
deheiniu also guoten
nindert vinden künde.
414
Kudrun: Text
deste baz si vuoren
von Hegelingen üf den tiefen ünden.
267 Do worhte man die segele
späte unde vruo.
der künic hiez des ilen.
do weite man dar zuo
von Abali der siden
die besten die si vunden.
vil unmüezic wären
die si würken solten an den stunden.
N 268 Wer mac uns daz gelouben, hiez die anker würken? stuont näch hoher minne. vil gar unmüezic,
er machte manegen man
do er sin gähen began.
269 Gedillet und geträmet
diu schif man do vant
gen wetere und gen strite.
schiere wart gesant
nach den die varn solten dar zuo bat man niemen, N 270 Wate reit von Stürmen
näch der schoenen vrouwen. wan den der künic wol mohte dä er Hetelen vant.
sin ros giengen swsere
[getrouwen.
von silber und gewant.
vier hundert manne
vuorte er mit im dan.
Hetele der biderbe
vil küene geste gewan.
271 Dar reit von Tenemarke boten guotes willen tüsent oder mere,
daz man üz silber guot des küneges gernder muot
Horant der küene man.
(272)
Hetele do gewan die er wolte senden.
waere er niht so riche, 272 Morunc der snelle
er enkunde ez nimmer verenden. dä her von Friesen reit.
(271)
er brahte zwei hundert degene; dem künege wart geseit, daz si körnen wahren mit helme und mit brünne. vil schiere kom ouch Irolt. ja wären si Hetelen künne. 273 Irolt von Nortlande het sich so bereit, ob im der künic gsebe doch wären sine helde
nimmer siniu kleit,
swä si hin gewanden,
daz si lützel iemen ihtes bäten,
und er so beräten,
N 274 Der künic si alle gruozte Irolt bi der hende
als ez wol gezam.
er güetlichen nam.
er gienc dä er sitzen
den alten Waten vant. do die helde mit witzen solten rümen daz lant,
275 Do hiez man allenthalben swaz si vüeren solten die helde sahen selbe
vil kleine nemen war,
daz siz heten gar. ir schef diu wären riche.
5. Äventiure
nach der schcenen Hilden
415
sande er sine boten listecliche.
veste unde guot, 2 276 Zwo galie niuwe, und ouch zwene kocken die hetens bi der vluot, und einen kiel den besten, üf des meres ünden
den bi allen stunden
in dem lande iemen hete vunden.
277 Do wolten si von dannen.
ir ros und ouch ir wät
daz was üf den schiffen.
Wate smen rät
gap do dem künic Hetelen,
unz si komen solten, wan si im alle gerne dienen
daz er sich wol gehabete,
‘lät iu bevolhen sin
i 278 Der künic sprach trürende:
[wolten.
in dem dienste min die tumben, die von hinnen durch iuwer selber ere
varent sorcliche. aller tägeliche
gebet den tumben helden iuwer lere.’
: 279 Wate sprach zem künege: nu schaffet so hie heime,
‘swaz man dort getuot, daz iu iuwer muot
niht dar an geswiche,
swä man sol haben ere.
hüetet uns der erbe;
in gebristet niht an miner lere.’
der kameren do phlac, : 280 Fruote der küene da golt und gesteine und vil dinges inne lac. der künic leiste gerne
swes man an in gerte:
des Fruote einez wolte, i
281 Hundert man do weite verborgen in dem scheffe,
der künic in ietslichs wol drizic die da solten sin
mit liste solte erwerben, sine groze gäbe 282 Aller hande liute ritter unde knehte
[werte.
da man daz magetin ob in strites geschehe not.
der künic in williclichen bot. vuortens mit in dan, drizic hundert man,
sam si gerümet hieten
ir lant mit arbeite. [sin geleite!’ ‘nu gebe iu got von himele Hetele sprach zen helden: ‘ir sult än angest sin. 283 Hörant sprach zem künege: so schcene magedin swenn ir uns sehet nähen, müget ir danne schouwen,
die ir gerne sult enphähen.’
der künic horte ez gerne.
dannoch was ir komen vil unnähen.
284 Mit küsse liez er scheiden näch ir arbeite
manegen von im dan.
der junge künic gewan
416
Kudrun: Text
trüric gemüete;
er vorhte ir alle stunde.
der künic sich getrcesten
in sinen siten ir niht enkunde
285 Do kom in daz ze heile,
daz ein nortwint
den helden nach ir willen
ir segele ruorte sint.
ir schif giengen ebene,
do si üz dem lande kerten.
die ze arbeite künden,
die tumben si do williclichen
286 Wir kunnenz niht bescheiden wa si ir nahtselde
[lerten.
noch wizzenz niht ze sagen,
ze sehs und drizic tagen
üf dem mere nämen. mit gestabten eiden
die da bl in vuoren, ze behalten si die alle swuoren.
N 287 Swie so was ir wille,
üf dem wilden se
so was in etewenne
von ungemache we.
da bi so hetens ruowe,
so daz mohte wesen,
swer die ünde bouwet,
der muoz mit ungemache genesen,
288 Si hete wol tüsent mile
daz wazzer dan getragen hin ze Hagenen burc ze Baljän; so wir hoeren sagen, daz er herre wsere
ze Polin lästerliche,
si liegent tobeliche: ez enist dem msere niht geliche. 289 Do die von Hegelingen wären hin bekomen zuo der Hagenen bürge,
do wart ir war genomen.
die Hute wundert alle, si die ünde trüegen.
von welher künege lande si wären wol gezieret mit gewande.
290 Ir schif si schiere bunden ir segele nider läzen
mit anker üf den grünt,
wurden sä ze stunt.
do werte daz unlange,
unz daz man sagete msere
in der Hagenen bürge,
daz vremede liute dar körnen wseren. und truogen üf den sant.
291 Si giengen üz den schiffen swes so man bedorfte
veile man dä vant
und swes iemen gerte.
ir armuot diu was kleine.
swie manege marc si hieten, 292 In burgxre maze sehzic oder mere
sach man uf dem stade stän der wsetlichen man.
von Tenemarke Fruote
[vil seine,
meister was dar under;
°uch truoc er bezzer kleider 293 Der stat rihtasre
der sande man näch koufe
danne ander iemen dä
von der burc ze Baljän,
[besunder.
5. Äventiure
durch daz er die geste
so riche da gewan,
mit sinen burgseren
reit er da si vunden
die spsehe koufliute.
die gehabeten sich so si beste künden,
2 294 Der rihtasre vrägte,
von wannen si dar
über se gevarn wseren.
‘daz sage ich iu vür war
so sprach der degen Fruote, wir sin koufliute
417
‘unser lant lit verren.
und haben in dem scheffe riche herren.’
295 Her Wate hiez gedinges
des landes herren biten.
man mohte da wol kiesen
an sinen heren siten,
den sin gewalt gereichte,
daz er da grimme wäre.
Hagenen dem künege
brähte man die geste mit dem
296 Er sprach: ‘min geleite
unde minen vride
den wil ich in enbieten.
[msere.
er büezet mit der wide,
der an iht beswa^ret
die unkunden herren.
des sin ane sorge:
in sol in minem lande niht gewerren.’
297 Dem künege si do gäben an riehen kleinäten.
wol tüsent marke wert
er hete niht gegert
gen einem phenninge,
wan daz si liezen schouwen
waz si da veile hieten,
daz wol gezxme rittern unde vrouwen.
298 Her Hagene dankte sere. drier tage stunde,
er sprach: ‘und sol ich leben
daz ir mir hat gegeben,
daz wirt den minen gesten hänt si ihtes gebresten,
also vergolten,
daz ich immer mere bin bescholten.’
299 Der künic begunde teilen bouge drunder lägen,
daz im was vür getragen; die mohten wol behagen
den minniclichen vrouwen. schapel unde vingerlin,
die horten also riche, diu teilte dö der wirt vlizicliche.
300 Sin wip und ouch sin tohter daz so riche gäbe
heten wol gesehen,
selten was geschehen
von deheinen koufliuten Hörant unde Wate 301 Sehzic rlcher phelle, und vierzic sigeläte
in des küneges landen.
allererste hin ze hove ir gäbe sanden. die besten die man vant, truoc man üf den sant.
purpur unde baldekin si gäben hundert sabene,
het man dä unwert vunden.
[den.
die besten die si bi in vinden kun-
Kudrun: Text
418
302 Nach der phelle mäze, bezöge vil riche
die man ze hove truoc,
der gap man da genuoc.
der mohte werden
vierzic oder mere.
sol iemen lop erkoufen,
so muosen si der gäbe haben ere.
303 Dar brähte man gesatelet
zwelf kastelän, und ouch manege brünne und helme wol getan hiez man mit in vüeren unde zwelf Schilde, gevazzet mit golde. des künic Hagenen geste wären
N 304 Mit der gäbe Horant
do ze hove reit
und Irolt der starke.
(man brähte im aber masre
von den gesten sin),
si wacren landes herren.
daz was wol an der gäbe schm.
305 Ze hove mit in körnen
wol vier und zweinzic man
die si mit in vuorten,
die wären wol getän.
si wären so gekleidet,
ob ez kiesen wolten
des künic Hagenen recken,
sam si des tages swert nemen
306 Einer sprach zem künege: dise gäbe grdze,
[milde,
dem künege wart geseit
‘herre, ir sult enphän
[solten.
diu iu wirt getän.
ir sult ouch ungedanket
niht den gesten läzen.’
swie riche er selbe wsre,
[mäze.
er dankte den gesten äne
307 Er sprach: ‘ich danke ins gerne, als ich des schulde hän.’ sine kamersere hiez man dar gän. man hiez si daz gewsete
schouwen al besunder.
do siz rehte ersähen,
do nam si der gäbe michel wunder.
308 Do sprach ein kamerasre: ez lit hie bi von silber mit edelem gesteine,
‘herre, ich sage iu daz, und von golde manic vaz
edele unde riche.
ze zweinzic tüsent marken
hänt si iu gegeben sicherliche.’
309 Der wirt der sprach: ‘die geste nü wil ich teilen
der künic gap in allen, ieclichen sunder
müezen scelic sin.
mit den recken min.’ swer an in ihtes gerte.
er näch sinem willen wol werte.
310 Der wirt hiez zuo im sitzen Irolden und Horanden. wannen si dar wseren ‘wan mir gäben geste
die zwene junge man, vrägen er began,
körnen in daz riche: bi minen ziten nie so lobeliche.’
5. Äventiure
3 311 Do sprach der recke Horant: herre, üf genäde
419
‘daz wil ich iu sagen,
so müezen wir iu klagen:
wir sin vertribene liute
von unser selber landen,
ez hat ein künic riche
an uns getan sinen grozen andern’
3 312 Do sprach der wilde Hagene:
‘wie ist er genant,
durch den ir muoset rümen
iuwer bürge und iuwer lant?
ich sihe iuch in der mäze,
künde er witze walten,
ir dunket mich also biderbe, 3 313 Er vrägte, wie er hieze,
unde von des schulden daz si in ir vlühte
so möhte er iuch gerne hän
der si ze ashte bot
[behalten.’
si wären in der not, suohten vremediu riche.
do sprach der recke Horant: 3 314 Sin name heizet Hetele
[sicherliche.
‘den tuon wir iu bekant
von Hegelinge lant.
sin kraft und ouch sin eilen, hänt uns gemachet äne
sin Sterke und ouch sin hant
maneger vreuden guot,
daz wir sin von schulden
deste trüeber gemuot.’
3 315 Do sprach der wilde Hagene:
‘ez ist iu wol bekomen;
ez wirt iu gar vergolten
daz er iu hat genomen.
ez ensi daz mir gebreste
also gar des minen,
den künic von Hegelingen
sult ir selten biten des sinen.’
316 Er sprach: ‘und weit ir recken so wil ich mit iu teilen daz iu der künic Hetele
nie gebot die ere.
swaz er iu genomen hät,
sprach von Tenen Horant;
‘ich vürhte, ob uns gevreische üz Hegelingen Hetele
daz uns der recke nindert leben
zuo den gesellen sprach:
‘vereinet iuch sin rehte
[läze.’
und schaffet iu gemach,
iuch getar her Hetele
nimmer hie ze lande
gesuochen schädeliche,
wan daz wasre mir ein groziu
319 Er hiez si herbergen sin selbes burgsere
hie in Irlant
- jä sint im kunt die sträze -,
ich sorge zallen ziten,
daz si in erbüten ere
[mere.’
des gibe ich iu zehen stunt
' 317 ‘Wir beliben bi iu gerne’,
3 318 Hagene der herre
bi mir hie bestan,
diu lant diu ich da hän,
balde in die stat.
[schände.’
der wilde Hagene bat, swä so si künden.
die wazzermüeden helde
[vunden.
si vil dicke an ir gemache
Kudrun: Text
420
320 Von der stat die liute
in werten siner bete.
hüs diu aller besten
— mit willen man daz tete — wurden in da Ixre,
vierzic oder mere
den üz Tenelande.
dar üz zugen sich die burgasre.
321 Zuo dem stade si brähten
daz kreftige guot.
die da verborgen lägen,
die heten ofte muot,
daz si in herten stürmen
gerner wolten striten,
danne si gelückes
nach der schoenen Hilden solten biten.
322 Der künic hiez vrägen ob si wolten niezen unze si besxzen
die werden geste sin, sin bröt und sinen win,
bi im vürsten riche.
dö sprach von Tenen Fruote: 323 Ob uns der künic Hetele
[schämeliche.
‘daz stüende uns allen
ze rehte wxre holt,
und ob wir ezzen solten
silber oder golt,
des möhte wir da heime
wol so vil bevinden,
daz wir grözen hunger
da von ofte möhten überwinden.’
324 Fruote hiez üf swingen von so richem koufe
siner krame dach, daz wunder nie geschach
al umbe in den landen,
daz ie burgaere
gaeben guot so ringe:
si möhten eines tages werden lxre. 325 Ez kouften die ez wolten steine unde golt - der künic was sinen gesten swer aber äne koufes
ze guoter mäze holt
ir gäbe ihtes gerte,
si wären in dem willen,
daz man ir manegen güetliche
326 Swaz aber iemen sagete
von den küenen man,
von Waten und von Fruoten,
[werte,
waz dä wart getän,
der milte was noch mere
dan iemen möhte getrouwen.
si würben vaste umb ere.
daz sagete man ze hove den schoenen vrouwen.
327 Man sach arme liute
tragen ir gewant.
die sich verzert hieten,
den wart dicke ir phant
geloeset und gevriget.
von ir kamerxre
diu junge küniginne
hörte ofte sagen von in daz mxre.
328 Si sprach zuo dem künege:
heiz ze hove riten
‘vil lieber vater min, die werden geste din.
man saget, hie si einer,
swenne daz geschehe,
5. Äventiure
so wunderliches muotes,
421
daz ich in under wilen gerne sxhe.’
329 Der künic sprach zer meide:
‘daz mac vil wol geschehen.
sine site und sine gebaerde
die läz ich dich sehen.’
dannoch was er Hagenen
gar in unkünde.
die vrouwen erbiten küme, S 330 Der künic sine geste
unz si die site an Waten dem
bat und in gebot,
ob si von gebresten daz si ze hove koemen
und nüzzen sine spise.
daz riet von Tenen Fruote.
der was beide küene unde
331 Ze hove sich do vlizzen
die von Tenelant,
daz nieman itewizzen
sam täten ouch von Stürmen 5 332 Die Morunges recken
rot alsam ein gluot
sach man dar üz erschinen
golt mit dem gesteine.
der gienc da ze hove niht al eine.
3 333 Horant der snelle,
des hete niemen strit
der baz gekleidet waere.
mentel tief und wit
sach man daz si truogen,
die wären lieht gevar.
die selben Tene küene
körnen herlichen dar.
3 334 Swie rieh her Hagene waere
er gie in hin engegene.
und swie hochgemuot,
diu küniginne guot
stuont üf von gesidele,
do si Waten sach.
der hete die gebaerde
daz im lachens gebrach.
335 Si sprach gezogenliche:
‘nu sit uns willekomen.
ich und der künic min herre ir sit vermüete helde
hän daz wol vernomen,
von urliuge sere, der künic sin lop und ouch sin ere.’
nu sol an iu bedenken
zühtic was ir muot.
336 Si nigen ir al gemeine,
als man geste tuot.
der künic hiez si sitzen, do truoc man in ze trinken
den aller besten win,
in vürsten hüse mac gesin.
337 Mit schimphlichen Worten
diu edele küniginne
die Waten ingesinden.
einen guoten swertdegen vinden. die truogen mentel guot,
rocke üz Campalie.
der in allen landen
[wise.
in möhte ir gewant.
ja mohte man in selben
Irolt der küene
[alten ervünden.
hieten deheine not,
säzens über al.
rümte den sal.
422
Kudrun: Text
daz er ir gehieze
si bat den wilden Hagenen,
durch maere zuo ir kemenäten
daz er die snellen helde 338 Daz lobte der künic schiere,
als uns ist geseit:
[lieze.
der jungen küniginne
was ez niht ze leit.
dö vlizzen si sich alle
mit golde und mit gewjete:
si wolten sehen gerne,
wie daz vremede ingesinde txte.
339 Do nu diu alte Hilde
bi ir tohter saz,
die minniclichen meide
vil wol behuoten daz,
daz si iemen vünde
in der gebxre,
daz man iht anders spreche
wan daz iecliche ein
340 Do hiez man Waten den alten swie gris er dö wxre, daz si sich huote
zuo der meide gan.
si hete iedoch den wän, in kintlichem sinne.
Waten hin engegene
mit zühten gie diu junge küniginne.
341 Si enphienc in aller erste. ob si in küssen solte.
ja wäre ir lihte leit,
sin bart was im breit,
sin här was im bewunden si hiez si sitzen beide
mit horten den vil guoten.
Waten und von Tenemarke
342 Vor ir gesidele stuonden die manege zuht künden in ir tagen tugende
die wxtlichen man,
[Fruoten.
und heten vil getan
in manegem strite schone, [da ze lone.
daz lobet man an den helden. 343 Vrou Hilde und ir tohter begunden Waten vragen,
man gap in des den pris durch schimphlichen muot ob in daz diuhte guot,
swann er bi schoenen vrouwen oder ob er gerner
[küniginne wsere.
also sitzen solte,
in den herten strlten vehten wolte.
344 Do sprach Wate der alte: wan bi schoenen vrouwen
‘mir zimet einez baz: so sanfte ich nie gesaz,
ich entxte einez lihter,
daz ich mit guoten knehten,
swenne ez wesen solte,
in vil herten stürmen wolte
345 Des erlachte lute
diu minnecliche meit:
si sach wol, daz im wxre
[vehten.’
bi schoenen vrouwen leit.
da von wart des schimphes mere in der selde. vrou Hilde und ir tohter redeten do mit Morunges N 346 Si vrägte von dem alten: wie ist er genant? [helden. hat er indert liute, bürge unde lant?
5. Äventiure
oder hat er in der bürge
423
wip oder kint?
ich warne si getriutet
selten in siner heime sint.’
: 347 Do sprach der recken einer: hat er in sinen landen.
‘kint unde wip
guot unde lip
daz waget er durch ere: er ist ein küener recke
daz ist an im wol ervunden. gewesen her von allen sinen
3 348 Irolt sagete nuere
von dem küenen man,
daz künic deheiner
[stunden.’
nie noch gewan
so rehte küenen recken
in sinen landen:
‘swie sanfte so er gebäre,
er ist ein magrer heit ze sinen
349 Do sprach diu küniginne:
‘her Wate, ez ist min rät,
sit iuch von Tenemarke Hetele der herre,
[handen.’
her vertriben hät
nu sult ir hie beliben.
ez lebet so richer niemen,
[vertriben.’
der iuch wol von hinnen müge
350 Er sprach zer küniginne:
‘jä hete ich selbe lant. ros und gewant.
dö gap ich, swem ich wolte,
müelichen ich daz tsete.
solt ich nu lehen dienen, von den minen erben
belibe ich nimmer järes vrist staete.’
351 Der künic zallen stunden
bot vil michel guot.
die üz erwelten recken
die wären so gemuot,
daz si von niemen gerten
nemen ze einer marke,
her Hagene der was riche:
ein teil in muote ir übermüete starke.
352 Von dannen si do giengen. daz si ze allen ziten
diu schoene Hilde bat,
ze hove hieten stat
sitzens bi den vrouwen;
ez wazre in äne schände,
do sprach der degen Irolt:
‘sam bot manz uns in mines herren lande.’
353 Vür den künic si giengen; dä vunden si besunder in dem brete zabelen, si ahten niht so hohe, 354 Näch site in Irlande
dä wären ritter vil. maneger hande spil, schirmen under Schilden,
als man doch hete, Hagenen den vil ofte man began
maneger hande vreude. den künic zeinem vriunde. durch der vrouwen liebe
[wilden,
dä von Wate gewan Horant von Teneriche, vant man in vil ofte gämelichen.
424
Kudrun: Text
355 Her Wate und ouch Fruote, vil nach in einer mäze ir beider grise locke
die snelle ritter halt,
die recken waren alt. sach man in golt gewunden,
swä man bedorfte recken,
da wurden si gar ritterlichen
356 Des küneges ingesinde kiule und buckelxre.
ze hove Schilde truoc, geschirmet wart da gnuoc,
gevohten mit den swerten, vil üf guote Schilde.
mit gabilote geschozzen
die jungen helde wären unverdrozzen.
357 Der vürste Hagene vrägte ob in in ir lande
[vunden.
Waten und sine man,
wasre iht kunt getan
schirmen also starke,
alsam in Irriche
die sinen helde phlaegen.
des ersmielte Wate versmäh-
358 Do sprach der heit von Stürmen: der aber mich ez lerte, bevollen zeinem järe,
‘ich gesach ez nie. [liehe,
dar umbe wtere ich hie daz ich ez rehte künde.
swer des meister wasre,
miner miete ich im gerne gunde.’
359 Do sprach der künic zem gaste:
‘den besten meister min
wil ich dich leren heizen
durch die liebe din,
daz du doch dri swanke
künnest, swä man strite
in herten veitstürmen:
ez vrumet dir ze etelicher zite.’
360 Do kom ein schermmeister. Waten den vil küenen. des sines libes sorge.
leren er began
dä von er gewan Wate stuont in huote,
sam er ein kemphe wsere.
des erlachte do. von Tenen
361 Daz half dem schermmeister, alsam ein lebart wilde.
daz er wite spranc [Fruote.
an Waten hende erklanc
vil dicke daz schoene wäfen, daz die viurvanken draten üz den Schilden. des mohte er sinem schermknaben 362 Do sprach der wilde Hagene: ich wil kurzwilen
gedanken. ‘gebt mir daz swert enhant!
mit dem von Sturmlant,
ob ich in müge leren
der minen siege viere,
daz mirs der recke danke.’ 363 Der gast sprach zem künege: haben, vürste Hagene, slüegest du mir wunden,
[schiere,
daz lobete do der alte Wate ‘ich sol vride din
daz du iht värest min.
[vrouwen’.
des schämte ich mich vor
5. Äventiure
Wate künde schirmen
425
daz es in der weite niemen mohte
: 364 Hagene swtzre dolte
den kunstlosen man,
daz er als ein begozzen brant
[trouwen.
riechen began,
der meister vor dem junger.
ja was er starc genuoc.
der wirt ouch sinem gaste
siege unmazzlichen sluoc.
365 Die liute sähenz gerne
durch ir beider kraft.
der künic vil schiere erkande ein teil begunde er zürnen,
die Waten meisterschaft.
waerez im niht an ere.
swaz man sach ir Sterke,
doch hete ir Wate da bezeiget
366 Wate sprach zem künege:
‘läz ane vride sin
[mere.
unser beider schirmen.
ich hän der siege din
gelernet nü wol viere:
ich wil dirs gerne danken.’
er lonte im sit so hohe
sam einem wilden Sahsen oder
367 Do si den vride liezen
beliben under wegen,
der sal begunde diezen
[Franken,
von ir beider siegen.
swaz si anders taeten,
in möhte sin gelungen,
ir schirmen was als swinde, 368 Si giengen beide sitzen.
daz in die swertes knöphe hin Sprüngen.
der wirt zem gaste sprach:
‘ir sprecht, ir wellet lernen? des junger ich so gerne
ja waen ich nie gesach nach solher künste waere.
swä man phliget der dinge, 369 Irolt sprach zem künege:
da sit ir üf dem ringe lobe‘herre, ez ist geschehen, [baere.’
daz ir iuch habet versuochet.
wir hän ez e gesehen
in unsers herren lande.
wir habenz uns ze rehte,
daz sin aller tägeliche
phlegent beide ritter unde knehte.’
370 Do sprach aber Hagene:
‘und hete ich daz erkant,
so waer daz schermwäfen ich ensach nie junger
lernen also swinde.’
der rede wart gelachet
von maneger edeler muoter kinde.
371 Do erloubte er den gesten hin getriben möhten. die von Nortlande.
niht komen in mine hant.
swä mite si die zit
des volgten im sit do si begunde verdriezen,
do würfen si die steine
und begunden mit den scheften schiezen.
426
Kudrun: Text
6. Äventiure Wie suoze Horant sanc 372 Daz kom an einen äbent, daz von Tenemarke
daz in so gelanc,
der küene degen sanc
mit so herlicher stimme,
daz ez wol gevallen
muose al den liuten.
da von gesweic der vogelline
373 Daz horte der künic gerne
und alle sine man,
[schallen,
da von von Tenen Horant
der vriunde vil gewan.
ouch hete ez wol gehoeret
diu alte küniginne.
ez erhal ir durch daz venster, 374 Do sprach diu schcene Hilde: diu aller beste wise
‘waz hän ich vernomen?
ist in min oren komen,
die ich ze dirre weite
von iemen hän ervunden.
daz wolte got von himele, 375 Si hiez ir gewinnen
daz si mine kameraere
der so schone sanc.
do si sach den recken, daz ir der äbent waere
mit vreuden hin gegangen, wart der heit harte wol enphangen. ‘ir sult uns hoeren län
376 Do sprach diu küniginne: die wise, die ich hinte
von iu vernomen hän.
daz gebet mir zeiner gäbe
ze allen äbunden,
daz ich iuch hoere singen:
so wirt iuwer Ion wol ervunden.’
377 ‘Vrouwe, ob irs geruochet, ich singe iu zallen ziten
weit ir mirs sagen danc, also guotez sanc,
swer ez rehte erhoeret,
daz im sin leit verswindet
und minnert gar sin sorgen, 378 Er sprach, er diente ir gerne. sin singen Ion so grozez
der mine süeze wise rehte ervindet.’ dä mite schiet er dan.
ze Irlant gewan,
daz man im nie dä heime
gelonet also verre.
üz Tenemarke der herre.
379 Do sich diu naht verendet Horant begunde singen, geswigen alle vögele
[künden!’
si sagete ims grozen danc,
von vroun Hilden wiben
also diente Hetelen
[zinne.
da si was gesezzen an der
und ez begunde tagen, daz dä bi in den hagen
von sinem süezen sänge.
6. Äventiure
die liute, die da sliefen,
die enlägen dd niht ze lange.
: 380 Sin liet erklanc im schone,
ie hoher und ie baz.
Hagene ez selbe horte: üz der kemenäten
bi sinem wibe er saz.
muosens in die zinne.
der gast wart wol beraten: die säzen unde loseten vergäzen ir doene
[küniginne.
ez horte ez diu junge
381 Des wilden Hagenen tohter
und ouch ir magedin
daz diu vogellin üf dem hove vröne.
wol horten ouch die helde, 382 Do wart im gedanket
[so schone,
daz der von Tenemarke sanc
von wiben und von man.
do sprach von Tenen Fruote: sin ungevüege doene,
‘min neve möhte län
die ich in hoere singen.
wem mac er ze dienste
als ungevüege tagewise bringen?’
383 Do sprächen Hagenen helde: niemen lebet so siecher, hoeren sine stimme,
‘herre, lät vernemen.
im möhte wol gezemen diu get üz sinem munde.’
‘daz wolte got von himele’, 384 Do er dri doene
427
sprach der künic, ‘daz ich si
sunder vol gesanc,
alle die ez horten si hetenz niht geahtet ob er solte singen,
einer hende wile, daz einer möhte riten tüsent mile.
385 Do er nu hete gesungen diu junge küniginne
und er von sedele gie, vroelicher nie
wider morgen wart gekleidet diu junge maget edele, 386 Der herre gie balde
mit liehtem ir gewande.
nach ir vater Hagenen si do sande. da er die maget vant.
in triutelicher wise an ir vater kinne.
[selbe künde.’
dühte ez niht ze lanc.
do was der megede hant si bat in vil sere;
si sprach: ‘liebez vaterlin, 387 Er sprach: ‘liebiu tohter, wolte er dir singen,
heiz in hie ze hove singen ze übendes stunt
[mere.’
ich gaebe im tüsent phunt.
nu sint so hochvertic
die geste mine,
daz uns hie ze hove
niht wol erklingen die doene sine.’
388 Swaz si gebiten künde, des vleiz sich aber wise gesanc so ritterliche.
der künic dannen gie. Hörant, daz er nie die siechen zen gesunden
428
Kudrun: Text
sich mit ir sinnen dannen niht wol gescheiden künden. 389 Diu tier in dem walde ir weide liezen stän. die würme die da solten in dem grase gän, die vische die da solten in dem wäge vliezen, [geniezen. die liezen ir geverte. ja künde er siner vuoge wol N 390 Swaz er da dienen mohte, daz dühte niemen lanc. sich minnert in ir koeren da von der phaffen sanc, die glocken niht klungen so wol alsam e. allez daz in horte, dem was nach Höranden we. 391 Do bat in ir gewinnen daz schoene magedin, daz ez äne ir vater wizzen vil tougen solte sin, noch daz ir muoter Hilden lernen sagt daz majre, daz er also tougenliche bi ir in ir kemenäten wtere. 392 Ein gevüeger kamertere der erarnte den solt. daz si im gap ze miete, daz was rot golt, lieht unde tiure zwelf bouge swacre, daz der sanges meister ze äbende in ir kemenäten waere. 393 Er warp ez tougenlichen. jä vreute sich der man, daz er so guoten willen dä ze hove gewan. er was von vremeden landen gevarn nach ir minne. durch die sine vuoge truoc si im wol von schulden holde 394 Si hiez ir kamerzere vor dem hüse stän, [sinne, daz niemen ensolte näch im dar in gän, unz si vol gehörte die wise die er sunge. dä was manne niemen wan er unde Mörunc der junge. 395 Den heit bat si sitzen, ‘ir sult mich hoeren län’, sprach diu maget edele, ‘daz ich e vernomen hän: des lüstet mich vil sere, wände iuwer stimme diu ist vor aller vreude ob aller kurzwile ein gimme.’ 396 ‘Getörste ich iu singen, vil schcenez magedin, daz mir dar umbe nme niht daz houbet min iuwer vater der künic Hagene, mir solte niht versmähen swä ich iu möhte dienen, waeret ir mins herren lande 397 Do huop er eine wise, diu was von Amile, [nähend die gelernte nie kristen mensche sit noch e, wan daz er si hörte üf dem wilden vluote.
6. Äventiure da mite diente ze hove
429
Horant der snelle degen guote.
398 Do er die süezen wise
ze hove vol gesanc,
dö sprach diu maget schoene: si gap im ab ir hende,
‘vriunt, du habe danc.’
niht goldes was so guotes.
si sprach: ‘ich löne iu gerne, 399 Si gab im des ir triuwe
des bin ich iu vil williges
mit willen an die hant:
getrüege si immer kröne
[muotes.’
und daz si gewünne lant,
daz man in verrer
künde niht vertriben
wan zuo ir bürge.
da möhte er mit eren wol beliben.
400 Swaz im diu vrouwe büte, wan einen gürtel:
des enwolte er niht,
‘des man mir vergiht,
daz ich si behalten,
maget vil minnecliche.
den bringe ich mmem herren,
so ist er mmer msere vreuden riche.’
401 Si sprach:‘wer ist din herre mac er haben kröne
oder wie ist er genant?
oder hat er eigen lant?
ich bin im durch dine liebe
holt vil sicherlichen.’ [riehen.’
dö sprach der Tene küene:
‘ich gesach nie künic also
402 Er sprach: ‘und melde uns niemen,
vil schcene magedm,
so sagete ich dir gerne,
wie uns der herre min
von im scheiden lieze,
dö er uns her sande,
durch dinen willen, vrouwe,
ze dines vater bürge unde
403 Si sprach:‘läz mich hoeren, uz iuwerm lande enbiete.
waz mir der herre dm ist ez der wille mm,
des bringe ich dich wol innen, Horant vorhte Hagenen: daz dich sin herze minnet
e daz wir uns gescheiden.’
im begunde da ze hove leiden.
404 Er sprach zuo der vrouwen: nu läz in geniezen,
‘so enbiutet er dir daz, an aller slahte haz.
vrouwe, diner güete.
er hat durch dich einen
ob du mir woldest singen
[gemüete.’
genomen von allen vrouwen sin
405 Si sprach:‘got müeze im Ionen, koeme er mir ze mäze,
[lande.’
daz er mir wasge si.
ich wolde im ligen bi, den äbent und den morgen.’
er sprach: ‘ich tuon ez gerne, 406 Er sprach zer schoenen Hilden:
des sit äne aller slahte sorgen.’ ‘vil edelez magedm,
430
Kudrun: Text
min herre tägeliche
hat in dem hove sin
zwelve, die ze prise
vür mich singent verre.
swie süeze si ir wise,
doch singet aller beste min herre.’
407 Si sprach: ‘nu so gevüege
din lieber herre si,
ich wil gen im nimmer
des willen werden vri,
ich gelone im der gedanke,
die er hat nach minen minnen.
getörste ich vor dem vater min,
volgen hinnen.’ ‘vrouwe, uns sint bereit
408 Do sprach der degen Morunc: siben hundert recken,
die liep unde leit
gerne mit uns dulden.
komet ir üf die sträze,
so sit an alle sorge,
daz ich iuch dem wilden Hagenen
409 Er sprach: ‘wir wellen hinnen so sult ir Hagenen biten, junge maget edele,
so wolte ich iu gerne
urloubes gern.
[läze.’
daz er iuch müeze gewern,
er und iuwer muoter
sol unser kiele schouwen 410 ‘Daz tuon ich vaste gerne, dar zuo sult ir biten
ob mirs min vater gan.
den künic und sine man,
daz ich und die magede
riten zuo den ünden.
ob iuz min vater geheize, 411 Der hoehste kameraere
so sult ir mirz drier tage vor hete des gewalt,
daz er ofte bi ir wxre.
[künden.’
der selbe degen balt
der gienc an der wile
durch maere vür die vrouwen.
die helde vant er beide:
do mohten si ir lebenes niht getrouwen. ‘wer sint die sitzent hie?’
412 Er sprach ze vroun Hilden: do wart den helden
[guoter.
und ir selbe’, sprach der degen
so rehte leide nie.
er sprach: ‘wer hiez iuch beide swer iu daz gevuocte,
der hat iuch entriuwen gar
413 Si sprach:‘nu lä din zürnen, ob du mit ungemache
verraten.’ si mügen wol genesen,
niht immer wellest wesen,
du solt si tougenlichen ja hülfe in anders übele, 414 Er sprach: ist ez der recke der selben weiz ich einen,
gän ze kemenäten?
ze ir gemache bringen, [gesingen.’ daz er so ritterlichen kan der so wol singen kan? daz künic nie gewan
6. Äventiure
bezzeren recken -
431
mm vater und sin muoter [degen guoter.’
diu waren eines vater kint —.
wan er was ein zierer
415 Diu maget begunde vrägen:
‘wie was der genant?’
er sprach: ‘er hiez Hörant
und was von Tenelant.
swie er ir niht entrüege,
er diente im die kröne,
swie si mir sin vremede,
wir lebeten ie bi Hetelen schöne.’
416 Dö Mörunc den erkande,
den man in ashte böt
da heime in sinem lande,
dö gienc dem recken not,
im erwielen siniu ougen,
truoben er began.
dö sach diu küniginne
den recken güetlichen an.
417 Ouch sach der kamersere
der recken ougen naz.
er sprach: ‘liebiu vrouwe, ez sint mäge mine. dise helde beide.
ich wil iu sagen daz,
nu helfet, daz genesen ich wil ir hüetasre wesen.’
418 Dem recken wart in sorge
ein teil sin herze wunt.
‘törste ich vor miner vrouwen, dise recken beide.
des ist nu langiu stunde,
daz ich von Hegelingen mir suln deste lieber
‘sint si die neven dm,
dise geste sin:
so solt du die helde
minem herren künden, niht enkomen zuo des meres ünden.’
420 Dö giengen sundersprächen Mörunc dem kamerasre
die zwene ritter guot. sagete sinen muot,
daz si durch vroun Hilden
kcemen zuo dem lande, [sande.
und wie der künic Hetele
si nach vroun Hilden dar
421 Dö sprach der kamersere: nach des küneges ere
‘mir ist beidenthalben not,
und wie ich iu den tot
gevremede von dem künege. daz ir gert der magede,
und wirt er des inne,
so enkumt ir nimmer von hinnen.’
422 Dö sprach der degen Hörant: wir gern urloubes
[künde.’
nach dem künic Hetelen vrägen
419 Dö sprach diu juncvrouwe:
daz si also gähes
ich kustes an ir munt,
‘hcere waz ich dir sage,
an dem vierden tage,
daz wir wellen scheiden so muotet uns ze gebene
hinnen von dem lande, der künic mit schätze unde mit gewande.
432
Kudrun: Text
423 So muote wir nihtes mere
— des solt du uns helfen biten
wan daz uns wer her Hagene
mit vil guoten siten
riten zuo den scheffen,
er und min vrouwe,
sin wip diu küniginne,
unde unser kiele da schouwe.
424 Mac uns dar an gelingen, und ist wol gewendet
so swindet unser leit unser arbeit,
ob diu maget edele
ritet zuo den griezen.
des miige wir da heime
wider den künic Hetelen wol
425 Do brähte si üz dem hüse
der listige man,
also daz der masre
der künic sich nie versan,
do si zir herberge
balde solten gähen.
also getriuwer dienest
[geniezen.’
dorfte da ze hove in niht
426 Si sageten heimlichen
dem alten Waten daz, [versmähen.
daz diu maget edele
minnet äne haz
den ir vriunt Hetelen
von den Hegelingen.
do rietens mit dem degene,
wie sis mit in ze hüse solten
427 Do sprach Wate der alte: ‘kceme si üz dem tor, [bringen, daz ich si wan eines gestehe da vor, swie halt wir gerungen
mit den von dem hüse,
diu junge küniginne koeme nimmer zuo ir vater klüse.’ 428 Ditze starke masre gar verholn wart. si rihten sich vil tougen
zuo ir widervart
und sagetenz ouch den degenen, si hortenz niht ungerne. 429 Si brühten zuo einander do wart ein geriune daz in Irlande
under in getan, klagten genuoge sere.
swie leit ez Hagenen wasre, 430 An dem vierden morgen inniuwiu kleider
die Hegelinge würben vaste ze hove si do riten.
si wolten scheiden dannen, [mannen, von dem künege und allen sinen
431 Her Hagene sprach zen gesten: alle mine sinne wie ich iu geliebte
[umb ere.
ze wünsche wol gesniten
truogen an die geste: si gerten urloubes
die in den schiffen lägen.
ja mohte si nu lange da betragen. die si mohten hän.
‘wie lat ir miniu lant?
ich dar zuo hete gewant, min lant und min riche.
nu weit ir hinnen scheiden
unde lät mich ungesellicliche.’
6. Äventiure
432 Do sprach Wate der alte:
433
‘nach uns gesendet hat
der voget von Hegelingen
und wil niht haben rät,
er enbringe ez zeiner suone. die wir da heime liezen:
ouch jämert nach uns sere da von gähen wir vil deste mere.’
‘so ist mir nach iu leit. ‘ 433 Do sprach der wilde Hagene: nu ruochet von mir nemen mm ros und mmiu kleit, golt und gesteine.
ich sol iu also gelten
iuwer groze gäbe,
daz mich die liute drumbe iht dürfen
434 Do sprach Wate der alte: daz ich iuwers goldes
‘ze riche ich dar zuo bin, mit mir iht vüere hin.
an dem uns unser mäge Hetele der riche,
[scheltend
erworben habent hulde,
der vergebe uns nimmer unser schulde.
435 Wir hän eines dinges,
her künic, an iuch muot
— daz dunket uns ere,
ob ir daz gerne tuot
daz ir daz sehet selbe, biderber liute spise
wie wir uns mügen verkosten. wxr uns in drien jären niht gebrosten.
sit wir hinnen varn. ' 436 Wir gebenz swer es ruochet, got müeze iuwer ere und iuch selben hie bewarn. jä scheiden wir nu hinnen, daz hoehste geleite
wir mügen niht lenger biten.
sol mit uns zuo den schefTen riten.
- 437 Iuwer schoene tohter
und min vrouwe iuwer wip
sol unser habe schouwen. getiuret an ein ende.
des ist uns der lip geschiht uns disiu ere,
edeler künic Hagene,
so bite wir iuch deheiner gäbe
438 Der wirt sprach den gesten ‘nu ir niht weit erwinden, satelen hundert moere
ir schif wurden ringe:
so heize ich morgen vruo und wil iuwer schef gerne
si riten zuo der vluot.
do truoc man zuo der erde gelegen in den kocken,
[mere.’
mageden unde vrouwen.
ich wil ouch mit in selbe ■ 439 Die naht mit urloube
gezogenliche zuo:
[schouwen.’
win, der was vil guot, und dar zuo vil der spise.
Fruote von Tenemarke der was vil wise.
434
Kudrun: Text
7. Äventiure Wie die juncvrouwen diu schef scbouweten und wie si hin gevüeret wurden 440 An dem nshsten morgen do kleiten sich meide
nach vruomessezit, und wip wider strit,
die Hagene vüeren wolte hie mite riten
zuo des meres sande.
wol tüsent recken guot uz Irlande.
441 Die geste heten messe
ze Baljän vernomen.
der künic niht enwesse,
daz ez im möhte körnen
ze als schädelichem leide.
ez was im gar an ere
der vremeden recken scheiden. 442 Do si nu körnen waren
da von verlos er siner
da er diu schef vant,
vroun Hilden und ir vrouwen
[tohter ere.
die huop man üf den sant.
do solten zuo den scheffen
die minniclichen vrouwen.
die krame stuonden offen,
da diu küniginne mohte wunder schouwen. swaz üf der krame lac,
443 Her Hagene sach ouch selbe vil manic kleinat nche,
diu man vil hohe wac.
do er und sine gesellen
daz geschouwet hieten,
do lie manz sehen die magede,
nemen rieten. durch schouwen was gegän.
444 Der künic üf einen kocken e diu tür der krame
vol wurde üf getan,
die Waten anker wären
alle von dem gründe.
do schiet man die vrouwen, 445 Niemens ungemüete
den si ir guote bouge
so man aller gaeheste künde.
Waten do wac.
er enruohte war daz koeme daz üf der krame lac. die alten küniginne schiet man von der meide, üf Sprüngen die da lägen: do was dem künic Hagenen 446 Üf zuhten si die segele,
die liute sähen daz. [grimme leide,
die si üz dem scheffe stiezen, si swebeten sam die vögele der alten küniginne 447 Do der wilde Hagene wie rehte grimmicliche
der wart vil maneger naz; in dem wazzer bi dem sande.
wart nach ir vil lieben tohter ande. die gewäfenten sach, der heit mit zorne sprach:
7. Äventiure
‘nu bringet mir vil dräte
die minen gemangen,
si miiezen alle sterben,
die ich mit miner hant erlange.’
#48 Schone sprach her Morunc: swaz ir durch striten
‘nu si iu niht ze gäch.
uns immer ilent nach,
st danne wol gewäfent
tüsent iuwer helde,
die kol wir in die vlüete.
des küenen Hagenen man.
der grünt begunde erglitzen: erzogen sach man wäfen
striten wart getan,
und ouch mit spern schiezen.
si würfen in diu ruoder. 5150 Wate der vil küene
[selde.’
wir geben in die wazzerküelen
#49 Do wolten ez niht lazen
in eine galle,
435
man sach die kocken von dem
von dem stade spranc [stade vliezen.
daz im diu brünne erklanc.
mit vünfzic siner helde
er ilte Hilden nach,
den stolzen burgxren
den was ze urliuge gäch.
5151 Do kom der degen Hagene.
gewsefen er do truoc
und ein swert vil scharphez, sich hete do her Wate der heit was vil grimme, 5152 Er ruofte harte lute.
er truoc nu hohe sine gerstange.
ilen er do hiez
- daz Hut allenthalben ob er sine geste
ez was swsere genuoc.
gesümet nach ze lange.
er ungeruowet liez -,
möhte noch ergähen,
die täten im vil leide.
er wolte si alle slahen unde hähen.
5153 Vil schiere er hete gewunnen do künde ern niht gevolgen diu schif diu wären dürkel diu dä gähen solten.
üf dem wilden mer: und vil unbereite,
Hagenen den schaden man do seite.
5154 Do enweste er wie gebären, mit anderm sime gesinde iteniuwer schiffe
ein vil michel her.
wan daz er üf den griez die wercliute hiez
gähen zuo dem vluote.
im komen die dä mohten: 5155 An dem sibenden morgen die der künic Hetele
wan tüsent siner manne. drizic hundert helde näch in dannen.
5156 Die küenen Tene hieten si kunten im diu masre,
[guote.
näch Hilden hete gesant,
der enwas niht mere do brähte Hagene
er gewan vil ziere degene rümten si Irlant.
näch Hetelen gesant. daz si im in sin lant
Kudrun: Text
436
die Hagenen tohter brächten
nach grozer siner ere.
swie si des niht gedächten,
ja gewunnen si der arbeite
457 Hetele der herre
vil vroeliche sprach:
‘min sorge ist mir nu verre. arbeit miner helde
in dem Hagenen lande,
die rumten mine selde,
nach den was mir ze allen ziten
458 Ob du mich niht triegest,
vil lieber bote min,
und mir daz niht liegest,
gesehen in disen riehen,
so wil ich dir Ionen
dirre macre vil lobelichen.’
459 ‘Ich sage dir äne triegen, daz si ir vorhte sere.
[ande.
hast du daz magedin
bi minen vriunden
daz ich die maget sach, diu küniginne sprach,
swie si von dannen wäeren des bin ich in swacren,
[Ile.’
nu vil manege mile:
ob min vater mit schiffen nach uns
460 Dem boten hiez er geben
wol hundert marke wert,
die ritter die da waren,
heim unde swert
brähte man den helden
und manegen schilt guoten.
üz Hetelen seiden
[mere.
mir ist liep, daz ie geschach
begunden si der hovereise muoten.
461 Alle die er bringen
künde mit im dan,
des het er gedingen,
daz er sine man
so ze velde brächte, mit so grozer ere, daz man kiineges tohter enphienge nie so lobeliche mere. 462 Swie harte si sin gähten, die mit im solten dan, wie lützel si des nähten,
e er daz volc gewan,
des si dar zuo bedorften.
ez muote si vil sere.
doch brähte er siner vriunde 463 Gekleidet vliziclichen
gegen Hilden tüsent oder
- des enwas niht rät -
die armen zuo den riehen
[mere.
in liehter sarwät
wolten si die vrouwen
heim ze lande bringen,
die stolzen helde ziere
heten zuo der verte hoch gedinge.
464 Do si von hüse wolten, do si von hinnen solten, mohte man vil liute Hetele dar zuo gähte, 465 Nu was Wate der alte, ze Wäleis in der marke
man horte grozen schal, ze berge und ouch ze tal dä bi dem wege schouwen. wie er gesäehe sine schcene vrouwen. der heit von Sturmlant, körnen uf den sant.
7. Äventiure
die wazzermüeden helde an der vriunde seiden
437
ze stade si do giengen. [viengen. vroun Hilden si do herberge
666 Si hiezen nider spannen
hütten zuo der vluot
des alten Waten mannen.
(467)
ir leben daz wart guot.
do erstuonden in vil schiere
iteniuwiu macre.
man sagete den helden ziere,
daz Hetele von den Hegelingen dar körnen wacre
667 Unde rite engegene
der triutinne sin,
er und sine degene.
diu vil schcene magedin
heten des gedingen,
daz man si mit eren
zuo ir lande brachte.
si versähen sich deheines strites mere.
68 Ez wolten niht gelouben
die von Tenelant,
si ensachenz mit ir ougen, die von Nortlande
(466)
ze Wäleis üf den sant
Hagenen helde koemen
nach Hilden der riehen,
die lägen üf dem stade gämelichen.
669 Si heten swes si gerten,
spise unde win.
die lantliute werten,
die mite solten sin,
die geste swes si mohten:
des si solten bringen
und des si haben wolten, 770 Hetele do nähen
(468)
dar an liezens in niht misse-
zuo in in daz lant
mit den begunde gähen,
[lingen.
näch den e was gesant,
zuo sines vater erbe,
die körnen ouch so riche
mit liehter sarwacte,
daz si die geste sähen willicliche.
771 Die von Hegelingen
riten üf den plän.
von den snellen helden
ein buhurt wart getän
näch der tumben muote do kom von Tenen Fruote. 172 Von verren sach si Hetele. er sprancte dar durch liebe dä er sach zwene die besten, mit den werden gesten 773 Do sähen ouch si gerne si muosen vreude lernen si heten kumber grozen Wate mit sinen genozen;
ze ritterlichem prise. mit im reit ouch Wate der vil er wart hoch gemuot.
[wise.
der macre heit guot, die er hin ze Irlande näch des wilden Hagenen tohter den heit vil lobelich.
[sande.
aller tägelich. dä vor in vremeden landen, den buozte künic Hetele nu ir anden.
Kudrun: Text
438
474 Vor liebe kuste er beide lieber ougenweide
die altgrise man.
(476)
der künic hie gewan,
danne er in langen ziten
wxtlich ie gestehe,
ich geloube, daz dem degene 475 Mit lachendem muote
[geschehe,
in kurzer zite lieber noch
vor den vriunden sin
sprach der künic Hetele:
(474)
‘ir liebe boten min,
ich hete nach iu helden
groze und michel swtere,
daz in den Hagenen seiden 476 Do sprach Wate der alte:
[wtere.’
al min volc in vancnüsse (475)
‘des ist niht geschehen,
von so grözem gewalte
horte ich nie gejehen,
als der starke Hagene
phliget in sinem lande,
sin volc ist übermüete.
selbe ist er ein heit ze siner hande.
477 Ez was ein stelic stunde,
daz sin ie wart gedäht,
swer dir daz raten künde,
daz wir dir haben bräht
die schcenesten vrouwen,
daz ist äne lougen,
geloube mir der mcere,
die ich ie gesach mit minen
478 Do sprach der ritter edele:
‘swie schiere ez mac geschehen
- die vinde die sint vrevele -, daz uns iht ergähe
[ougen.’
ir sult umbe sehen,
hie in dirre marke
Hagene der ist grimme.
[starke.’
so gemüejet uns sin übermüete
479 Wate und ouch her Fruote die küene helde guote,
die vuorten mit in dan, des künic Hetelen man
da si die schoenen Hilden
des tages solten schouwen.
ob den vil liehten Schilden
wart sit der helme vil verhouwen.
N 480 Under einem schoenen huote
diu edele maget gie.
die von Hegelingen
bi dem künege hie
wären nu von rosse
körnen üf daz gras,
mit vroelichem muote 481 Irolt von Nortriche
daz edele ingesinde was. und Morunc von Friesenlant,
der recken ietwedere
gienc ir an der hant,
Hilden der schoenen,
da si den künic ersähen,
ir lop man möhte kroenen. 482 Mit ir giengen meide samet in wizen sabenen, die aller besten siden,
do gedähte si den heit
zweinzic oder baz ich wil gelouben daz. die man möhte vinden
[enphähen.
8. Äventiure
— daz mohten si wol liden —, 483
In guoten siten schone
439
die sach man an den tugent-
grüezen dö began, [liehen kinden.
diu sit bi im truoc kröne,
der wsetliche man
die maget minnecliche,
des in wol gelüste,
er beslöz mit armen der schcenen lip vil süezeclich er 484 Do enphie er al besunder diu schoenen magedin. [kuste. da was einiu under,
diu mohte vil wol sin
geborn von küneges künne.
si was von riehen mägen;
si was der vrouwen einiu,
die da lange bi dem grlfen
485 Diu was geheizen Hildeburc. diu hete erzogen nach eren si was von Portegäle
ir tugenthaften lip. geborn uz dem lande.
si sach vil vremeder diete: 486 Hetele hete gegrüezet
da von was ir nach ir vriunden in zühten diu magedm.
noch was in ungebüezet. körnen von arbeite,
lägen. vrou Hilde, Hagenen wip,
[ande.
dö si wänden sin
an dem nadrsten morgen,
do ez aller erste tagete, 487 Daz edele ingesinde
dö körnen aber si ze grözen sorgen. wart gegrüezet über al.
bi dem Hagenen kinde
säzen si ze tal
an die liehten bluomen
under guoten siden.
Hagene was nu nähen:
da von muosens gröze arbeit liden.
8. Äventiure Wie Hagene vuor nach siner tohter 488 Do ez äbenden begunde,
dö sach von Tenelant
Hörant der degen küene
- ez was im wol bekant -
ein kriuze in einem segele; solher pilgerine
bilde lägen drinne.
hete Wate der alte lützel minne.
489 Lute ruofte dö Mörunc
Iroldenzuo:
‘nu sage dem künic Hetelen, ich sihe diu Hagenen wäfen wir haben ze vil gesläfen. 490 Hetelen saget man msere,
waz er dar umbe tuo: in einem segele riehen, jä schiede wir von im harte undaz von Irlant
[senfticlichen.’
Kudrun: Text
440
sin sweher her gevüeret
zuo im üf den sant
vil manegen kocken hiete
unde ouch galeide.
raten mit dem künege
begunden Wate unde Fruote beide.
491 Do horte ez vrou Hilde,
daz schoene magedin.
diu edele und diu milde kumt er her ze lande,
sprach: ‘der vater min, maneger schcenen vrouwen
er tuot mit sinen handen,
des zer weide niemen mac getrouwen.’
492 ‘Daz sul wir wol behüeten’
sprach der degen Irolt.
‘ob er begunde wüeten,
und wasre ein berc golt,
den naeme ich niht dar umbe,
so der strit geschehe,
daz ich Waten minen öheim
bi dem wilden Hagenen niht
493 Do weinten und klageten
diu wxtlichen kint.
diu schif vil sere wägeten.
[ensadie.’
ez hete ein äbentwint
ze Wäleis in die marke
gevüeret vil der helde.
in den herten stürmen
gäbens in die bluotvarwen selde.
494 Wate hiez vroun Hilden
üf einem kocken sin.
begähen mit den Schilden was in allen enden
vür diu magedin
daz schef behüetet sere.
ez was bi den vrouwen
ze huote hundert ritter oder mere.
495 Do rihten sich ze strite
alle die üf den sant
mit Hilden körnen wären
und die von Irlant
die maget heten gevüeret
dem künege ze leide.
vil maneger gesunder
gestuont sines libes an der vreide.
496 Hetelen hörte man rüefen ‘nu wert iuch, snelle degene! dem heize ich ez mezzen ir sult des niht vergezzen, 497 Mit ir stritgeziuge gemüet mit urliuge wart in den ziten
vaste an sine man: der nie golt gewan, mit vollen äne wäge. ir stät den von Irlant hie
si Sprüngen an den sant.
[ze läge.’
Wäleis al daz lant von den guoten helden.
die vinde mit den vriunden 498 Nu was komen Hagene
wolten alle sin an einer selde. zuo in an den sant.
dä wurden sper geschozzen
von guoter helde hant.
die üf dem sande stuonden,
die werten sich vil sere
der von Irlande.
dä von geschach der wunden deste mere.
441
8. Äventiure
499 Wie gar selten iemen
gxbe dar sin kint,
da man so künde dienen,
daz man des viures wint
slüege üz herten helmen
ze sehene schoenen vrouwen!
ir reise mit den gesten
hete die schoenen Hilden nach ge-
500 Do stuonden wider wehsei
die under den Schilden
mit den herten spern [rouwen. ein ander wolden wern
der vil tiefen wunden
durch halsberge guote.
geverwet was daz wazzer 501 Hagene ruofte lute, an die sine trüte
mit dem . .. verchbluote.
daz im der wac erdoz, - sin Sterke diu was groz -,
daz si im erwerben hülfen daz täten si vil gerne.
daz lant mit tiefen wunden,
des wurden wäfen an der herte
502 Hagene hete gedrungen
vil nähen an den sant.
diu swert vil lute erklungen. ze nähest bi dem wazzer er hete ez lobeliche
[vunden.
Hagene Hetelen vant an dem stade stän.
mit sinen eilen dä getän.
503 Hagene in grozem zorne
spranc üz in die vluot.
der degen üz erkorne
zuo dem stade wuot.
do sach man üf den recken
sam snewes vlocken swinde
geschiezen dä mit philen.
daz tete von Hegelingen daz gesinde.
504 Do wart ouch von den swerten die in dä slahen gerten, vor sinen siegen wenken.
Hetele der vil here
kom ze sinem swehere. swie starc Hagene wxre, der Hegelinge herre.
als uns diu buoch kunt tuont, daz vor im ie gestuont
do si begunden dringen
mit strite zuo einander,
mit Waten von Sturmlande. wären vil guote recken zuo ir handen.
507 Do kom der degen Fruote von den Hegelingen
in so kurzer stunt.
wart von Hagenen wunt.
do kamen sine mägen
tüsent helde guote
[erklingen,
man horte guoter helme vil
506 Ez wart doch nicht gescheiden
Irolt unde Morunc
[vil sere.
daz beweinte diu schoene Hilde
505 Ez was ein michel wunder,
Hetele der küene
ein vil michel klanc.
die muosen manegen wanc
und Wate mit siner schar,
drungen mit in dar. die Hetelen magen
442
Kudrun: Text
die sluogen vil der wunden.
die geste beidenthalp gestrewet lagen. erworben nu daz lant
508 Do heten ouch mit eilen die Hagenen gesellen.
do körnen üf den sant
mit disen werden gesten
die von Irriche.
da muosen helme bresten.
si würben nach den vrouwen
509 Bi im gevriesch Hagene
Hetelen daz kint. [grimmicliche.
manegen ungesunden
vrumten si da sint,
die von Tenelanden
und die von Hegelingen.
ze Hagenen dem wilden 510 Hagene der starke
hiezen si Waten den alten
durch die schar brach.
sin swert daz sneit sere.
[dringen,
willicliche er rach,
daz im wären enphüeret
die minniclichen meide,
do wart manic rinc gerüeret:
im was harte grcezliche
511 Er troute mit dem swerte gerechen niht den haz. von stner gerstangen hinder sich gesaz vil manic ritter edele,
der nimmer mer diu mxre
gesagete in sinem lande, 512 Do kom Wate schiere,
wie im in dem strite gelungen ein edel ritter guot,
da er üz den liehten ringen die im da helfen gerten,
den sinen mägen.
vünf hundert der bi im da
513 Do hete sich gesamenet
daz volc über al,
die vremeden zuo den künden. Wate unde Hagene
[wasre.
daz vliezende bluot
sach rinnen von den swerten
[veige lägen,
do huop sich michel schal.
zuo einander drungen:
die in da mohten wichen,
die dühte in wxre wol gelungen.
514 Do gienc üf Waten den alten wol mohte er Sterke walten. daz viur üz helmen stieben si künden helme klieben 515 Do sluoc Wate der alte, ez wurden vor gewalte
der künic mit grozen siegen, dä sach manic degen sam die rostbrende.
beide mit vil manhafter hende. daz im erwäget der wert, die vrouwen küme ernert.
do was dem künic Hetelen er begunde vrägen,
[leide,
gebunden sin wunde.
wä er sinen neVen Waten vunde.
516 Bi Valande aller künege des wert sich in der mäze
sinen neven er do vant. der von Sturmlant,
8. Äventiure
daz man von in beiden
sagen möhte masre,
wie Wate der vil küene
[wacre.
bi Hagenen in dem herten strite
517 Hagenen brast diu Stange, üf dem Waten Schilde,
die er in dem strite truoc, der was starc genuoc.
ouch enkunde baz vehten recken deheiner.
443
in allen den riehen
Wate wolte Hagenen niht entwichen.
518 Do sluoc er durch die hüben Waten den vil küenen,
des künic Hetelen man,
daz üz dem helme ran
daz bluot von siner wunde. ez was gen äbunde.
do kuolten nu die winde,
man sach striten allez daz gesinde.
519 Wate galt mit zorne
den grimmen verchslac,
daz bluotiger zehere
so vil üf im lac.
er sluoc den wilden Hagenen, daz swert sere erglaste. 520 Do was ouch wunt Irolt,
der heit von Nortlant.
swie vil der toten liege er künde Waten den alten 521 Hilde diu vil schoene
niht von Hagenen bringen, do si horten der swerte so vil
ruofte trüreclichen an
Hetelen den recken,
[klingen.
daz er brzhte dan
ir vater üz den noeten
von Waten dem grisen.
er hiez nach sinem venre
daz volc zuo dem herten
vil herlichen streit.
er kom ze Waten dem alten:
[sturme wisen.
daz was dem helde leit.
der recke ruofte an Hagenen: lät sich den haz verenden, 523 Hagene vrägte lüte
[ougen.
gestreut von siner hant,
die vrouwen weinten sere,
522 Hetele der herre
daz von des helmes bouge
im gebrast des tages vor den
‘durch iuwer selbes ere daz unser vriunde niht ensterbe
- grimme was sin muot -,
durch wen erz scheiden solde.
[mere.’
do sprach der heit guot:
‘ditze bin ich Hetele
von Hegelinge lande,
der sine liebe mäge
so verre nach vroun Hilden gesande.’
524 Hetele spranc dar näher,
so noch maneger tuot,
der strit wasnet scheiden. hete Wate der küene,
doch wichen si von dannen,
do stuont balde üf hoher 525 Hetele der vürste
(525)
swie harte grimmen muot Hagene mit allen sinen mannen.
den heim ab gebant.
den vride horte man rüefen
da über al daz lant.
(526)
444
Kudrun: Text
do sprach vater der Hilden,
daz ez gescheiden wsere.
do horten die vrouwen
in maneger zite in nie so liebez
526 Do engarten si sich alle,
maere. (527)
die strites phlägen e.
genuoge in schuofen ruowe.
manegem was ouch we
von den tiefen wunden,
die si üz strite brähten.
maneger wart da vunden,
[dähten.
die der noete nimmer mer ge-
527 Do gienc der künic Hetele
zuo dem wilden Hagenen
er sprach zuo dem recken:
‘sit ich eren gan
[dan. (528)
Hilden iuwer tohter,
so sult ouch ir der gunnen [wunnen.’
daz si trage kröne,
da si hat manegen zieren heit ge-
528 Do sprach der iibermüete:
‘sit ich hän vernomen,
daz si mit maneger güete sit ist iu grözer eren
(524)
wären nach ir komen,
von helden unzerunnen.
ir hat mit schcenen listen mine liebe tohter gewunnen.’ 529 Hetele boten sande. do hiez er Waten komen. si heten in langer zite da vor wol vernomen, daz Wate arzät wasre
von einem wilden wibe.
Wate der vil mxre,
des gevrumte er manegem an dem
530 Do er sich entwäfent
und selben sich gebant,
eine guote würzen und eine bühsen,
[libe.
nam er in die hant da was phlaster inne.
do viel im vür die vüeze
Hilde diu schoene küniginne.
531 Si sprach: Wate, lieber vriunt, — swie du mir gebiutest,
ner den vater min
so wil ich immer sin —
und hilf sinen recken,
die da ligent in der molten,
und wer diner künste
die minem vater helfen wolten.
532 Du solt ouch niht vergezzen der Hetelen vriunde.
von Hegelinge lant
ja habent si den sant
genetzet mit bluote, sam ez ein regen waere. ich mac von dirre reise sagen immer mere leidiu mxre.' 533 Do sprach Wate der alte: ‘ich bin ir arzät niht - ich wer ez mit gewalte -, daz ez redet üf eine suone mit Hetelen minem herren. 534 Do sprach diu maget edele:
unze daz geschiht, Hagene der vil riche die wile ich si rmde schuldic‘getörste ich dar gän! [liehe/
8. Äventiure
ich hän ab leider verre
445
wider minen vater getan,
daz ich minen besten vriunt im und ouch den sinen
niht getar enphähen.
warn min gruoz harte müge versmähen.’
535 Hagene wart gevräget:
‘heit, mac daz geschehen?
ob iuch des niht betraget, iuwer schoene tohter, diu wolte helfen
iuch wolte gerne sehen
diu junge küniginne.
iuwern wunden, hietet irz ze minne.’
536 ‘Ich wil si sehen gerne,
swie si habe getan.
ich minne ouch ir enphähen.
war umbe solte ichz län
hie in vremeden landen,
ich ennxme ir grüezen?
mir und miner tohter
mac der künic Hetele wol ge-
537 Horant von Tenemarke
wiste si bi der hant
und ouch der degen Fruote,
da si den künic vant,
niwan mit einer magede
ir vater wunden schouwen.
ir was leit umb ir vriunde,
swes halt ir Hetele mohte ge-
538 Do er si und Hildeburge
zuo im komen sach,
do spranc von dem gesidele ‘willekomen, tohter,
her Hagene also sprach:
ich kan des niht geläzen,
ich engrüeze iuch vil willicliche.’ diu kint niht sehen län:
die wurden im gebunden.
uf hoher hiez er gän
die edelen juncvrouwen.
Wate gähte sere,
wie er den künic heilte,
daz diu maget weinte dä niht
würzen und krüt genoz,
er wart der sorgen vrie sin tohter gienc hin widere. 541 Der erzenie meister
des künic Hagenen wunden, do vant si ir vater wol
vil unmüezic wart.
solte er guot verdienen
[gesunden,
in grozer hervart, niht von stat getragen.
von so grozer künste
horte ich nie deheinen man gesagen.
542 Zehant do heilte er Hetelen dar näch die andern alle, die mit deheinen listen
[mere.
näch sinem schaden groz.
als er bestreich mit phlaster
so kundenz olbende
[trouwen.
Hilde diu vil riche.
539 Er wolte sine wunden
540 Do er die erzenie,
[büezen.’
von Hegelinge lant, swaz man der dä vant.
heilen iemen künde,
die mohte ouch er gevristen.
[gesunde,
er machtes vor dem tode wol
446
Kudrun: Text
543 Do wolten si die magede
niht lenger läzen da.
Hagene sprach ze Hilden: in der zit beliben,
Vir suln anderswä
unz man daz velt gerüme
von den manegen toten. 544 Hetele bat do Hagenen
si hänt ir tages erbiten her vil mit im in sin lant.
[kume.’
ein teil lobete erz träge,
wan daz er wol ervant,
daz der von Hegelingen
hete lant vil riche.
mit siner lieben tohter
vuor er ze hüse sit vil lobelichen.
545 Die jungen helde sungen,
do si wolten dan: den lebenden was gelungen. si heten dort verlän
armer unde richer
wol dnu hundert tote,
si lagen j^merlichen
mit den scharphen swerten gar
N 546 Die hermüeden helde
die vuoren in daz lant,
daz man die liute drinne iedoch jener mäge,
[zerschroten,
vil vroeliche vant.
die dort lägen tot,
die vreuten sich vil träge. 547 Diu Hilden heimreise
des gienc in wserlichen not. mit Hetelen geschach.
do weinte manic weise.
dar näch ir gemach
si vuocte in den landen.
von dem künege here
gekrcenet wart vrou Hilde. 548 Hetelen was gelungen, die alten zuo den jungen
daz was den Hegelingen gar
als er hete gegert.
[ein ere.
ze hove truogen swert.
sam täten ouch die geste
bi dem vürsten riehen.
die höchzit vroun Hilden 549 Mit wie getäner ere diu maget vil here! daz da wafen namen
lobete ir vater Hagene billiche. im brutstuole saz jä saget man daz, vünf hundert ritter guote.
do was aber kameracre von Tenemarke der wise Fruote. 550 Die ncheit gröze het Hagene wol gesehen. die Hetelen genöze heten e dort verjehen, daz er herre wazre
ob siben riehen landen,
die armen si dö alle
mit vreuden heim zeherberge sanden 551 Do gap der künic Hetele silber und gewant, ros und golt daz röte den von Irlant, daz sis niht mohten vüeren er gewan si im ze vriunde.
von sinem hüse mere. des hete vrou Hilde michel ere.
8. Äventiure
552 An dem zwelften morgen
rümten si diu lant.
diu ros von Tenemarke
diu zoch man üf den sant,
den die mane verre
üf die hüeve giengen.
liep was ez den gesten,
daz si Hetelen künde ie geviengen.
553 Truhsajze unde marschalc
mit Hagenen riten dan,
schenke und kameraere.
swaz er der ie gewan,
man diente im nie so schone daz Hilde truoc da kröne,
bi sin selbes guote. des was dem wilden Hagenen
wol ze muote. namens üf den wegen.
554 Imbiz und nahtselde
Hagenen und siner helde daz siz da heime
447
wart also gephlegen,
wol sagen künden,
die Hetelen vriunde,
daz si in wol aller eren gunden.
555 Hagene Hildeburgen
mit armen umbeslöz.
er sprach: ‘nu phlic Hilden ez gewirret lihte vrouwen nu tuo genaediclichen,
durch dine triuwe gröz. an so grözem ingesinde.
daz man die zuht an dir bevinde.’
556 ‘Herre, ich tuon ez gerne. do ich bi ir muoter
ez ist iu wol geseit,
hete vil manic leit,
daz ich si zeiner wile
ze vriunde nie verlos,
ir volgte ich manege mile, 557 Die andern hiez er alle
e si iuch ze vriedel ie erkös.’ vür sich ze hove gän.
do mohten die vrouwen
ir weinen niht verlän.
er enphalch si dem wirte
alle bi der hende.
[eilende.’
er sprach: ‘sit in genasdic.
ja sint diu schoenen kint hie vil ‘ir sult kröne tragen,
558 Er sprach ze siner tohter: daz ich und iuwer muoter
iemen hoeren sagen,
daz iuch iemen hazze.
ir sit so guotes riche,
liezet ir iuch schelten,
daz stüende iuwerm namen unlobe-
559 Hagene kuste Hilden er und sin gesinde
und neic dem künege her. gesähen nimmer mer
daz lant ze Hegelingen: gegen Baljäne
si körnen in ze verre.
schifte sich Hagene der herre.
560 Sit do er da heime
bi ir muoter saz,
der alten küniginne
Hagene sagete daz,
er künde ze niemen
sin tohter baz bewenden.
[liehen.’
448
Kudrun: Text
hete er ir noch mere, er woldes hin ze Hegelingen senden. 561 Des lobte diu schcene Hilde den waltenden Krist: ‘daz uns mit unser tohter
so wol gelungen ist,
des vreunt sich mine sinne,
daz herze mit dem muote.
wie gehabet sich ir gesinde
da und ouch vrou Hildeburc diu guote?’
562 Do sprach der herre Hagene: des habent si sich getroestet. bi uns nie getruogen
Tiute unde lant, also rieh gewant
unser tohter junevrouwen.
wir müezens län beliben.
durch ir willen wart der brünnen vil verhouwen.’
9. Äventiure Wie Wate, Morunc unde Horant ze lande vuoren 563 Nu läzen disiu mtere:
ich wil iu sagen daz,
daz Hetelen künne,
daz in dem lande saz,
wie si im muosen zinsen
die bürge zuo dem lande,
ze hove komens alle,
als Hetele und vrou Hilde nach in
564 Wate reit zen Stürmen,
Morunc in Niflant.
Horant von Tenemarke, brahte er sine helde,
wan si in da hiezen herre.
si erwerten da ir selde. 565 Irolt ze Nortlande
man erkande ir vogetes namen gewalteclichen saz.
er was da landes herre. Hetelen gedienen
der künic was so biderbe: gevriesch von edelem künne, so er die ze hüse braehte
die sine mäge
diu schoenen magedin getiuret wolte er sin, im ze ingesinde.
daz dienten si des wilden Hagenen
567 Der künic mit sinem wibe daz er die weit alle
[landes herren.
man gevriesch nie bezzern
566 Swa Hetele in den landen
sam was sit ir libe,
[verre.
des mähte er deste baz
nahen unde verren.
al des si willen hiete,
[sanden.
ze Givers üf den sant
vil vrcelichen saz.
[kinde.
die liute westen daz, verkür durch si eine.
gesähen schoener vrouwen nie deheine.
9. Äventiure
6568 Dar nach in siben jären
449
dri stürme vaht
Hetele ze waren.
die tac unde naht
varten siner eren,
swä siz gevüegen künden,
von Hetelen dem degene
wurden si dicke an grozem schaden vunden.
669 Sine bürge er stifte
und vridete sin lant
wol nach küneges rehte.
dicke tete sin hant,
daz man diu m^re sagete daz er nie verzagete: 670 Wol ze hohem prise Wate der vil wise,
verre in vremediu riche,
er trüege sinen namen lobelichen. her Hetele gesaz. selten liez er daz,
dri stunt in dem järe
ern saehe sinen herren.
ja diente er im mit triuwen 371 Horant von Tenemarke
ouch dicke ze hove reit,
er brähte dem gesinde golt unde siden.
beide vil nahen unde verren.
steine unde kleit,
daz vrouwen tragen solten,
daz vuorte er von Tenelant
und gap ez den diez gerne nemen wolten.
372 Der gemeiner dienest,
den des küneges man
künic Hetelen täten,
da von er gewan
vor anderen degenen
also michel ere:
des volzoch vrou Hilde,
ein richiu küniginne here.
373 Hilde Hagenen tohter
zwei kindelin gewan
bi Hetelen dem künege.
do daz was getan,
diu hiez man schone ziehen. lant unde bürge,
daz niht an erben wseren
man sagete harte wite disiu maere.
374 Daz eine wart ein recke
und hiez Ortwin.
den enphalch er Waten.
er zoch daz kindelin,
daz er an hohe tugende
sine sinne wände,
man lerte in von der jugende: 375 Diu vil schoene tohter Küdrün diu schoene
er wart ein degen maere ze
bi namen wart genant von Hegelingelant.
die sante er ze Tenemarke dar an si dienten Hetelen, 376 Nu wuohs diu maget junge. daz si loben muosen
[siner hande.
durch zuht ir nächsten mägen. des enliezen si sich niht beschoene wart ir lip,
man unde wip,
[trägen,
Kudrun: Text
450
wände man si verre
von ir lande erkande.
si was geheizen Küdrün
unde wart erzogen in Tenelande.
577 Si wuohs ouch in der mäze, ob si ein ritter wajre.
daz si wol trüege swert,
da von wart gegert
nach ir edelen minnen
von vürsten harte riehen,
genuoge die ez würben,
den ergienc ez vil schädelichen.
578 Swie schoene wasre Hilde
des künic Hetelen wip,
noch wart michel schoener
der Küdrunen lip,
oder danne ir ane Hilde
da her von Irriche.
vür ander schoene vrouwen 579 Er versagete si einem künege, do er in verzihen horte,
der saz in Alzabe.
daz tete im vil we.
der dühte sich also riche, der ie gebärte
[tägeliche.
lobete man Küdrunen
daz deheiner wsre,
mit siner tugende also lobebaere.
580 Sin name hiez Sivrit,
er saz in Morlant.
mit siten ellenthaften
verre er was bekant.
er was ein künic gewaltic
über siben künege here.
er muote Hilden tohter,
durch daz man saget von ir so
581 Mit den sinen genozen manegen pris grozen
üz Ikarjä
die sinen hergesellen,
da si die vrouwen sähen,
vor der Hetelen bürge
si täten dicke ritterschaft vil
582 Do Hilde und ir tohter vor Wigäleises hüse
[michel ere.
si erwürben dicke da,
giengen in den sal,
[nähen,
horten si dicke schal,
dä die von Morlande
mit ritterlicher krefte
wol riten in ze sehene.
des erhullen dicke Schilde unde
583 Ez künde ein ritter edele si truoc im holden willen
nimmer gevarn baz. (ofte tete si daz),
swie salwer varwe er wxre er phlxge ir minne gerne: 584 Daz klagete er äne mäze daz riten manege sträze, dar umbe drote er Hetelen
[schefte.
ze sehene an sinem libe. do gap im si niemen ze wibe.
und was im vil zorn, solte er daz hän verlorn. ze brennen al sin riche.
die von Morlande gehabeten drumbe sich vil trüricliche. 585 Hetelen muot der hohe versagete im sin kint. vriuntlicher dienste
schieden si sich sint.
10. Äventiure
er sprach, ob ez im immer
451
koeme an die stunde,
daz gelieze er nimmer,
daz man in üf Hetelen schaden
586 Von Hegelingelande
kerten si do dan.
da von ein ritter edele
[vunde.
schaden vil gewan
sit in langer wile
nach den selben stunden:
si taten Herwige
swaz si gevüegen sines schaden künden.
10. Äventiure Wie Hartmuot umbe Küdrünen warp 887 Do gevriesch man diu mxre
in Ormanielant,
daz niemen schoener w£ere, diu Hetelen tohter,
danne was erkant
Küdrün diu here.
ein künic der hiez Hartmuot: 888 Daz riet im sin muoter, do volgete ir lere
[minne sere.
der junge voget sint.
sin vater hiez Ludewic
von Normandielande.
do sis ze rate wurden, 889 Ludewic der alte
nach ir wände er sine
diu hiez Gerlint.
nach dem alten künege man do
ze Hartmuoten reit.
des er willen hiete,
[sande.
des wart in niht verdeit.
do er horte diu m^re
von dem jungen Hartmuote,
diu waren sorgebaere.
doch priste im si der degen guote.
890 ‘Wer saget iu daz’ sprach Ludewic, wxr si aller lande vrouwe, mit hüse niht gesezzen, boten under wilen
si ist uns so nähen bi daz wir si möhten werben,
möhten durch ir liebe vil verderben.’
591 ‘Ez sol niht sin ze verre’ ‘swä eines landes herre wirbet im ze stacte,
‘daz si so schoene si?
sprach do Hartmuot. lip unde guot
daz wert unz an daz ende.
nu volget miner nete:
ich wil daz man boten zuo ir
992 Do sprach aber Ludewic: wie ir muoter Hilde
‘ist iu daz erkant,
(593)
koeme üz irlant,
oder waz den guoten recken daz volc ist übermüete:
[sende.’
an ir reise geschadie?
Küdrünen mägen warne ich si wir smaehe.’
452
Kudrun: Text
593 Do sprach aber Hartmuot: nach ir vüeren solde
‘ob ich ein michel her
(594)
erde unde mer,
daz taste ich willicliche.
ich bin in dem sinne, [gewinne/
ich erwinde nimmer, unz ich der schoenen Hilden tohter 594 Do sprach diu alte Gerlint von Ormanielant: (592) nu heizet brieve schnben. schätz und ouch gewant gib ich den boten gerne,
die solhiu masre bringen,
man sol die sträze lernen
nach Küdrunen der küniginne/
595 ‘Ich hilfe ez gerne vüegen’
sprach Ludewic der degen.
‘lat iuch des geniiegen,
daz ich iu zuo den wegen
mit minem silber sende ob sich iht nach eren
zwelf soumasre, deste senfter künde ditze masre/
596 Hartmuot do weite,
die er wolte dan
nach der vrouwen senden,
sehzic siner man.
die wurden wol bereitet
mit waste und mit spise
und wurden wol beleitet. 597 Do si bereitet wären
Ludewic der alte der was wise.
des si solten hän,
mit versigelten brieven
sach man zuo in gän
den snellen Hartmuoten
und vroun Gerlinde.
si vrumten von dem lande 598 Si riten swaz si mohten unze daz si vunden
schiere do daz stolze ingesinde. die naht zuo den tagen,
da si solten sagen
daz in enboten wasre
von Ormanielande.
die wile was Hartmuoten
mit gedanken vil liebe und ouch vil ande.
599 Wol hundert tageweide was ir arbeite,
wazzer unde lant
e in wurde erkant,
in welhem ende lasge
daz lant ze Hegelingen.
diu ros wurden trasge, 600 Doch körnen si ze ende,
e si die brieve mohten Volbringen. daz si ab dem se
ze Tenemarke vuoren. e si daz erkunten
in was ofte we,
und den künic gesähen.
do gerten si geleites:
do hiez man in die wasgisten nähen.
601 Man sagete ez Horanden;
der was wol gezogen,
si vrieschen ouch daz masre, daz man gesaget hiete
daz was niht gelogen
von Hetelen und von Hilden.
10. Äventiure
453
man sach ir landes Hute dicke varn mit helme und ouch 602 Sin geleite wisen hiez do Horant [mit Schilde, die eilenden geste da her von Tenelant, unze daz si braehten die Hartmuotes mägen, daz si ze hove koemen. des liezen sich die helde niht be603 Do man ze Hegelingen die boten körnen sach, [trägen, si vuoren in der mäze, daz iegelicher sprach daz si waeren riche, swie si dar körnen waeren. man begunde ez dem künege ze hove bringen mit vil gan604 Geherberget wurden die von Normend!. [zen maeren. man hiez in vlizicllchen mit dienste wesen bi. er enweste waz si würben in dem sinen lande, an dem zwelften morgen der künic nach Hartmuotes boten sande. 605 Ein grave was dar under, wie schoener zühte er phlac! ir wät die si truogen, vil hohe man die wac. si riten ros diu besten, diu man hete vunden. sus körnen si ze hove dem künege so si aller beste künden. 606 Der wirt si gruozte schone und ouch sine man. sit wart in ze lone, do er sich versan daz si nach minne vüeren, do hete man si vil simehe. ich wsne künic Hetele Hartmuote guotes willen niht 607 Als einer der daz künde die brieve gelas, [verjaehe. der künic in übele gunde, daz ir geleite was Horant der biderbe, ein sneller degen riche. [schädeliche. si müesen anders widere scheiden von dem künege 608 Do sprach der künic Hetele: ‘ez was iu niht ze guot, daz iuch her hat gesendet der künic Hartmuot. des müezet ir engelten, guote boten here. [vil sere.’ der gedinge Hartmuotes müet mich und vroun Hilden 609 Do sprach einer drunder: ‘ja heizet er iu sagen: liebet er der meide und wil si bi im tragen vor den sinen vriunden kröne in Ormanie, daz mac vil wol verdienen Hartmuot der heit vor schänden gar der vrle.’ 610 Do sprach vrou Hilde: ‘wie laege si im bi?
Kudrun:
454
ez lech mm vater Hagene sinem vater bürge
Text
hundert unde dri
da ze Garadine.
diu lehen nasmen übele
von Ludewiges hant die mäge
611 Er gesaz in Frideschotten.
do gediente er daz,
daz im des küneges Otten
bruoder wart gehaz,
der ouch diu lehen hiete
von Hagenen minem herren.
der vremdet sich sere.
des muose im von dem künege
612 Nu saget Hartmuote: daz der heit guote
[mine.
si wirt niht sin wip, [harte werren. immer sinen lip
dar üf dürfe prisen,
daz in min tohter minne.
ir sult in anders wisen,
wa er sinem lande werbe ein küniginne.’
613 Den boten den was leide.
diu swaere in niht gezam,
daz si so manege tageweide muosen hin wider riten
in sorgen unde in schäm
ze Orrname verre.
ir arbeit harte erkomen
Ludewic unde Hartmuot klageten da vil sere.
614 Do sprach der junge Hartmuot: ob ir daz Hagenen künne ist Küdrün so schoene,
inder habet ersehen? so man mir saget zemEere: [waere.’
daz Hetelen got gehoene,
daz er mir ie so arges wdllen
615 Do sprach der grave riche:
‘ich kan iu wol gesagen:
swer gesiht die minnicliche, daz si ir tugent prisent
dem muoz si wol behagen,
vor meiden und vor wiben.’
do sprach der herre Hartmuot: 616 Do klagete weinunde si sprach sä ze stunde: daz wir unser boten
‘müget ir mir verjehen,
‘so wil ich ane si niht
diu vrouwe Gerlint.
[belibend
‘owe, vil liebez kint, hin nach ir ie gesanden!
wie gerne ich daz gelebete,
daz ich si saehe noch in disen landen.’
11. Äventiure Wie Herwic unde Hartmuot umbe Küdrünen dar körnen 617 Die boteschaft beliben sich huoben ander mxre
si liezen manic jär. - diu rede ist al war -
11. Äventiure
von einem künege jungen.
455
Herwic was er genennet.
den sach man ofte in prise.
da von man noch den recken wol erkennet.
' 618 Der begunde werben,
ob in diu schcene meit
ze vriunde nemen wolte. versuohte er ez ofte
mit grözer arbeit
und mit sinem guote.
ob ez diu maget nu taete,
[ze muote.
es was dem künic Hetelen niht
619 Swie der heit gebärte,
swaz boten drumbe reit,
der man da ervärte,
daz was im grimme leit.
des was sin stolzez herze
gebunden mit swacre.
er tete dem wol geliche,
daz er bi Küdrünen gerne wasre.
620 Ez hete sich gar gevüeget,
swie ez was geschehen,
daz da zen Hegelingen ritter unde magede
muosen gesehen und ouch schoene vrouwen
den stolzen Hartmuoten. | 621 Nu was der nötveste
des enmohte Hetele niht körnen in daz lant.
die vil werden geste
beliben unerkant.
Hartmuote und sinen mägen er hete des gedingen, in sinen höhen zühten
dö er was gegan
[kröne,
vür vroun Hilden stän,
man sach in der gebasre
Hartmuoten den riehen,
daz er edeler minne
an höhe vrouwen gerte billichen.
623 Sin lip was wol gewahsen,
schoene unde balt,
ich enweiz wes er engalt,
daz in versprochen hiete
diu schcene tohter here
Hetelen und vroun Hilden. 624 Der sin herze gerte,
daz muote Hartmuoten
die hete er nu gesehen.
tougen ougen blicke
[harte sere.
was da vil geschehen.
er enböt ir heimliche,
daz si daz erkande,
daz er hieze Hartmuot 625 Do kunte si dem degene, daz er gähen solte
und wacre von Ormanielande. daz ez ir wasre leit
— si gunde im wol ze lebene, ob er leben wolte
[schone.
den helden diente man
daz diu maget noch trüege mit im
622 In sähen vrouwen edele.
milte unde küene.
[getrouwen.
diu herliche meit —:
von dem hove dannen, vor ir vater und vor allen sinen
626 Si sach in also schoenen,
daz irz ir herze riet.
[mannen.
Kudrun: Text
456
swie sin bote gehoenet
üz dem lande schiet,
si was im doch genaedic
der er in herzen gerte,
swie si Hartmuoten
sins willen vil lützel iht gewerte.
627 Also schiet von dannen daz er über rücke
der wol gezogene gast,
truoc den grozen last,
wie er sich gerseche
an Hetelen der leide, [schcenen meide.
und daz er doch dar under 628 Sus rümte Hegelinge
niht vlür die hulde der vil
der degen Hartmuot.
ja was sin gedinge
übel unde guot,
wie er verenden künde
daz werben nach der vrouwen.
do wart nach der stunde 629 Do er kom ze lande,
vil helme durch ir willen ver-
da er hete verlän
[houwen.
vater unde muoter,
rihten sich began
ze starkem urliuge
Hartmuot der vil grimme,
daz riet im zallen zlten
Gerlint diu alte välentinne.
12. Äventiure Wie Herwic herverte üf Hetelen und im Kudrun gegeben wart 630 Nu läzen wir behben
wie ez im erge.
dem küenen Herwige alse Hartmuote
was wol also we
nach Kudrun der riehen.
mit allen slnen mägen
versuohte erz an die maget
631 Er was ir nachgebüre het er tüsent stunde
und hete bl ir lant.
er vunde da niht anders
wan hochvart und versmähen.
swie sere si imz werten, 632 Hetele bat in läzen,
[vllzicllchen.
eins tages dar gesant, sit gelac er Küdrünen nähen.
er würbe iht umb sin kint.
do enbot er dem künege
zornicllchen sint,
er wolte niht erwinden,
er ensashe in dä mit Schilden,
daz ez im schade waere
und ouch der küniginne vroun
633 Ich enweiz wer im daz riete:
Hilden. driu tüsent küener man,
die er ze vriunde hiete,
Herwic do gewan.
dä mite spilte er leide
dä zen Hegelingen
12. Äventiure
der die er in sin dienest
457
mit aller hande liebe wolte
634 Do woltenz niht getrouwen
die von Sturmlant. [bringen,
den von Tenemarke
was ez ouch unerkant.
sit gevriesch ez Irolt
da her von Nortriche,
daz Herwic der küene
Hetelen suohte vil gewalticliche.
635 Do ez nu Hetele weste, züge ane vorhte
daz er mit siner schar
under wegen dar,
er sagete ez sinen mannen
und ouch der küniginne.
er sprach: ‘waz redet ir danne?
ich hoere uns geste ze büse bringen.’
636 ‘Waz sol ich dar zuo sprechen ez dunket mich niht unbillich, mit liebe und ouch mit leide
‘daz er iht beswasre
ob ein ritter tuot daz man üf ere prise.
wie möhte im misselingen? 637 Ja sul wir daz behüeten’
niwan allez guot?
Herwic ist biderbe unde sprach daz edele wip,
[wise.
den helden hie ir 11p.
ich hän des hoeren jehen,
daz er an iuwer schranken
kum also mit helden,
daz ims iuwer tohter müeze danken.’
638 Ein teil sich do ze lange
der künic und sine man
versümten: des do Herwic in einer morgenküele
des hazzes hie began.
er und sine geste
vür Hetelen burc bekomen.
er tete selbe sit daz
639 Do noch die beide sliefen
in Hetelen sal,
do ruofte ein wahtaere
vür die burc ze tal:
‘wol üf in der selde!
[aller beste,
wir haben vremede geste,
und wäfent iuch, ir helde!
ich sihe von manegem liebten helme gleste.’
640 Si Sprüngen von den betten swer da inne wasre
armer oder her,
der muose haben sorge also gerte Herwic
der ere und ouch des libes.
in dem berten sturme sines wibes.
641 Hetele und vrou Hilde Herwic der hiete
und lägen do niht mer.
in daz venster wären körnen.
ein volc an sich genomen,
daz saz vor einem berge die der starke Morunc
ze Gäleis in dem lande,
[kande.
ze Wäleis an der marke wol er-
Kudrun: Text
458
642 Hetele sach ir dringen
vaste gen dem tor.
do wasre er ungerne Küdrünen vater,
gewesen dar vor, swie küene er doch wasre.
ja erzürnten in die geste.
im hülfen sider sine burgasre.
643 Gewäfent wart dar inne
ein hundert oder baz.
der wirt der streit selbe;
mit willen tete er daz.
sin volc daz was küene:
daz mohte in niht gewerren.
man vant schaden starken, 644 Ofte sluoc üz helmen
den Hetelen tete Herwic der
den viurheizen wint
Herwic der herre. Küdrün diu schoene;
daz hete si zougenweide.
der heit der dühte si biderbe: 645 Hetele grimmes muotes libes unde guotes
daz was ir beide liebe
selbe wäfen truoc.
der wirt der tete unrehte; 646 Do si hieten gerne
er kom im sit ze nähen, si den strit bescheidenlichen sähen.
die porten zuo getän,
do muosen si daz lernen
durch schumphentiure verlän.
si begunden mit den gesten
in die porten dringen,
üf schoener vrouwen Ionen 647 Hetele unde Herwic,
stuont Herwige aller sin
vür ir beider man
die guoten ritter Sprüngen. der louc üz gespenge,
[gedinge.
liuhten in began
daz in dä hie vor handen.
daz werte vil unlange, 648 Do der künic Hetele
unz si bede einander wol beso rehte küenen sach
den stolzen Herwigen,
[kanden.
in dem strite er sprach:
‘die mir ze einem vriunde die enwesten wer er wasre.
des recken niht engunden, er houwet durch daz verch die
tiefen wunden.’ diu sach und horte den schal,
649 Küdrün diu schoene gelücke daz ist sinewel
dicke alsam ein bal.
do ez diu vrouwe anders ir vater und dem gaste ‘Hetele, vater here,
[unde leide,
was er biderbe genuoc.
also daz ab der bürge
650 Si begunde rüefen
[herre.
daz sach des wirtes kint
mohte niht gescheiden - si wünschte des si gedähte in
zuo im über den sal:
[beiden
nu vliuzet ze tal
daz bluot durch halsberge.
dä von sint uns die müre
12. Äventiure
besprungen allenthalben.
459
Herwic ist ein übel nächgebüre.
651 Durch den minen willen
so sult irz beide vriden.
nu schaffet eine wile
dem herzen und den liden
ruowe in dem strite,
unz ich iuch beide vräge,
wa der vürste Herwic
habende si die aller beste mäge.’
652 Do sprach der ritter edele:
‘der vride ist ungetan,
ir enlät mich ungewäfent, so wil ich iu künden
vrouwe, vür iuch gän.
von minen besten mägen.
hän ich vride die zite, 653 Durch der vrouwen liebe
gescheiden wart der strit.
sich schütten üz den ringen nach harnasches räme
die sturmmüeden sit.
si wuoschen sich mit brunnen.
do wärens wol getane:
man mohte in ze lebene wol
654 Mit hundert siner helde
gienc er da er vant
gezweiet in ir muote
mit anderen vrouwen.
der ritter edel unde guot 655 Die geste hiez do sitzen daz Herwiges eilen
mohte in volleclichen niht
daz wastliche kint.
[getrouwen.
daz geliebte sich sint.
durch sine groze zühte
behagete er wol in beiden.
Hilden und ir tohter
riet man an alle twäle ez scheiden.
656 Herwic sprach zer vrouwen: - doch hat ez mich gerouwen daz ich iu versmähe
‘mir ist daz geseit von miner arbeit -,
durch min lihtez künne. habent riche liute guote wünne.’
657 Si sprach: ‘wer wxr diu vrouwe, der ein heit so diente,
der versmähet daz,
daz si dem trüege haz?
geloubet mir’ sprach Küdrün, holder danne ich iu wxre 658 Wolten mir des gunnen
‘daz es mir niht versmähet. ist deheiniu die ir ie gesähet.
die nshsten vriunde min,
nach iuwer selbes willen mit lieplichen blicken
wolte ich bi iu sin.’ er sach ir under dougen.
si trüege in ime herzen, 659 Urloubes gerte
[gunnen.
von Hegelingelant
Küdrün enphienc in
ofte bi den armen
[vrägen.’
swes ir weit, so müget ir mich wol
daz redet si vor den liuten äne
ze werben umb daz kint
der recke vil küene.
daz erloubte sint
Hetele unde Hilde.
die wolten hceren beide,
[tougen.
460
Kudrun: Text
ob ir lieben tohter wxre
liep der gewerp oder leide.
660 Vil schiere wart er inne,
wie si wxre gemuot.
vor der juncvrouwen
stuont der heit guot,
sam er üz meisters hende
wol entworfen waere
an einer wizen wende:
dem geliche stuont der degen
661 ‘Geruochet ir mich minnen, mit allen minen sinnen
vil schoenez magedin, [msere.
so wil ich immer sin
swie ir mir gebietet.
min bürge und mine mage
daz sol iu allez dienen,
daz mich des, vrouwe, hin ze iu niht betrage.’ daz ich iu wese holt,
662 Si sprach: ‘ich gihe iu gerne, du hast mit dieneste
hiute hie versolt,
daz ich den haz wil scheiden
von dir und minem künne.
daz mac mir niemen leiden.
du solt immer haben mit mir wünne.’ - des endet sich der strit -
663 Hetelen hiez man bringen zuo der küniginne.
nach im komen sit
die aller besten degene
von Hegelingelande,
die der künic hiete.
do verendet sich al sin ande.
664 Vrägen si begunde
nach rate siner man
Hetele da ze stunde, wolte Herwigen,
ob si ze einem man den edelen ritter guoten.
do sprach diu maget schoene:
‘ich wil mir niht bezzers
665 Do vestent man die schoenen
vriundes muoten.’ dem recken an der stunt,
der si da solde kroenen.
von ir wart im kunt
vreude und ungemüete.
do gap mans im ze wibe:
daz geschach in kurzen ziten 666 Er wände mit im vüeren
die juncvrouwen dan:
des gunde im niht ir muoter. von unkunden recken
si woltes zuo der kröne baz
daz er si lieze da,
daz er mit schoenen wiben die zit und sine stunde
[libe.
da von er gewan
michel arbeite.
Hilde sprach zem künege, 667 Man riet Herwigen,
in sturme vil guoter recken
[bereiten,
vertribe anders wä dar nach in einem järe.
daz vrieschen die von Alzabe.
si rieten Herwige do ze väre.
13. Äventiure
461
13. Äventiure 668 Do besande sich Sivrit,
der künic von Morlant.
nach schiffen hiez er werben. diu hiez er vaste rüsten
swa er diu vant,
mit wäfen und mit spise,
ze schaden Herwige:
er besande sich mit vriunden harte
669 Zweinzic starke kiele
zimbern er do hiez.
ez wxn den niht geviele, daz er hin ze Selande
wolte herverten.
gelobet wart diu reise,
so sich verendet der winter herte.
670 Mit ahtzic tüsent helden
hete er sich besant.
von liuten wart do lasre
ze Alzabe daz lant.
die künege von den Meeren si beliben sumeliche, ^ 671 Hin ze Selande
herverten swuoren.
die andern nach des küneges willen
hiez er widersagen.
daz was dem vürsten ande; wan er nie verdiente
672 Er klagete ez sinen vriunden, daz man im brennen wolte swaz er ze gebene hiete,
den komz gemeinlicbe gar
si körnen über se,
[ze heile,
und die von Alzabe,
sam si gewalticlichen
der weite zende wolten.
vil gelfer vuor dar under, 674 In lant daz Herwiges
die man sider kolte mit der
würfen si den brant.
swaz er do helfe hiete
[molten.
an vriunden besant,
die bat er mit im riten.
si huoben stürme grimme,
si kouftenz mit dem verhe 675 Dem recken üz Selande er was ein heit zer hande.
swaz man in gap, golt silber was sin schade leit: [oder gimme. ahi wie er streit,
daz velt mit den toten.
die alten ez also jungte. 676 Der strit werte lange.
swa er die vant,
daz was nach dienest veile.
673 Gen des meien ziten die helde üz Abakie
[klagen,
hiez er hüeten deste baz. und wüesten sin lant.
die gerne solt enphiengen,
unze er gar tungte
[vuoren.
von schulden mohte erz
der riehen künege haz.
der marke und siner bürge
Herwic der edele
[lise.
die erz wizzen liez,
da wart gesunder houbte vil verdes lac da maneger tot.
kom in groze not,
[schroten.
462
Kudrun: Text
daz er uf sine marke
muose sit entrinnen,
daz lant rouch allenthalben. 677 Die boten hiez er riten
daz enböt er Kudrun der
in daz Hetelen lant.
si vuoren mit manegem trahene
[küniginne.
die er da bete gesant.
dö si diu mxre sageten
und Hetelen gesähen,
dem vil riehen künege
si alles leides äne vrume verjähen.
678 Swie er si stehe gebären,
so enphienc ers also wol,
als man in vremeden
landen vriunde sol. von ir herren lande,
er vrägte, wie si koemen
sit man im brach die bürge
und im die marke in allen enden brande.
679 Si sprächen do: ‘mit sorgen äbent unde morgen die urborent sere
si wir gevarn dan.
die Herwiges man die gäbe mit ir libe.
si werbent vaste umb ere: 680 Do sprach der künic Hetele: swaz diu gebiutet, bite si uns rechen
[vil der wibe.’
des hoert man bi in weinen ‘get vür die vrouwen min.
daz sol allez sin. den schaden in dem lande,
so dienen wir iu gerne. 681 £ daz die boten giengen do sähen dä die liute
[sin ande.’
ez wirt vil wol gerochen gar vür die schoenen meit,
wol ir herzen leit.
des troute niht erbeiten
Kudrun diu here.
do hiez si näch in senden.
si klagete, daz verlorn wtere ir
682 Die boten vür si körnen.
mit triuwen tete si daz,
daz diu maget vil edele
[ere.
weinende saz.
si vrägte, wie si schieden
von ir lieben manne:
[dannen,
ob si in lebenden liezen,
dö si von ir lande schieden 683 Dö sprach dar under einer: ‘wir liezen in wol gesunt. sit wir vuoren dannen,
uns enist niht kunt,
wie mit im haben geworben ir was vil verdorben; 684 Nu hoere, maget edele, er und sine helde
die von Mörlande.
[brande,
si täten niht wan rouben mit dem waz dir min herre enböt.
sint in grözer not.
si vürhtent tägelichen, nu wil min herre Herwic
si vliesen lip und ere. versuochen dine triuwe, vrowwe
685 Von sedele stuont dö Kudrun,
diu schoene meit.
[here.’
13. Äventiure
die schaden wurden beide man slüege ir die liute
dem künege geseit, und brauche ir bürge wüten.
si bat ir vater Hetelen
ze des künic Herwüges helfe rüten.
686 Mit weinenden ougen ‘hilfä, künic here!
463
si ir vater umbesloz. min schade wirt alze groz,
ez enwellen düne degene
mit williclüchen henden [genden.’
helfen münen vriunden.
ja kan ez ander niemen so wol
687 ‘Daz läze ich durch niemen,
daz wil ich dir sagen,
ich enwelle ze Herwigen
in vil kurzen tagen.
ich wil dün schaden grozen,
so ich beste mac, verenden,
und wil nach Waten dem alten 688 Der bringet von Stürmen
alle die er hat.
gevreischet ez her Morunc, der mac uns guoter helde
[senden,
wie ez in dem lande stät, wol tüsent gevüeren.
die vünde werdent inne,
daz wir uns under helme türren
689 Horant von Tenemarke
sol uns üf den wegen
driu tüsent ritter vüeren. sol al daz gesinde
unde nach den anderen
[gerüeren.
Irolt der degen
nach dem vanen wüsen.
ouch kumt ir bruoder Ortwün: 690 Boten riten gähes,
so mac min tohter unser
die da sande diu meit.
si westen niht so nahes.
alle die ir leit
mit helfe wolten büezen,
den bot si michel ere. des kom der recken vil deste
si künde helde grüezen:
diu sprach wol dar zuo:
691 Der meide muoter Hilde
so si rüten hinnen,
im sol sin mite geteilet,
swaz wir immer mere gewinnen.’
692 Do sloz man üf die kisten. der si da inne wisten,
hin ze hove man truoc,
harnasche genuoc,
genagelet wol mit stäle.
der silberwüzen ringe [küniginne.
brähte man vil den helden. 693 Der wirt wol tüsent helden die zugens üz den seiden, der vehten wolte rüten swaz ir der künic hiete, 694 Der wirt urloubes gerte
[mere.
williclüchen tuo
‘swer under sünem Schilde helfe dünen vriunden,
[helfe prüsen.’
des vreute sich diu junge gap ros unde wät.
so si der ofte hat, zuo langen sträzen. der wolte er vil wenic verläzen. von sünem wübe dan.
464
Kudrun: Text
Hilde unde ir tohter
weinen dö began;
doch sähen si vil gerne
helde mit im riten.
si sprächen: ‘got von himele
läze iuch lop und ere
695 Do si nu körnen wären
vür daz bürgetor,
vil singender knappen die sich in herten striten
roubes versähen,
si muosen verre riten:
jä wären in die vinde niht ze
696 An dem dritten morgen Wate der vil alte
do kom in harte vruo
[nähen.
mit tüsent helden zuo.
an dem sibenden morgen
do kom von Tenelande
Hörant mit vierzic hundert, 697 Von Wäleis der marke
näch den diu schoene Küdrün
kom Mörunc der degen.
durch schcener vrouwen liebe er brähte sunder
[erstriten.’
horte man dar vor,
[sande.
wolte er strites phiegen,
zweinzic hundert manne,
die vuoren wol gewäfent
und riten alle vrcelichen
698 Der küniginne bruoder,
der degen Ortwin,
üf des wazzers vluote
vuorte er der swester sin
wol vierzic hundert
recken oder mere.
westenz die von Alzabe,
so möhten si in vürhten harte
699 Do si im ze helfe körnen,
Herwige und sinen man,
dö was im misselungen. dar an er schaden grözen
vil ofte muose enphähen si riten sinem bürgetor vil nähen.
700 Sich huop von küneges künne daz kom von untriuwen
und grözem übermuote. dem vervähet man ez niht ze
701 Die boten gähes vüeren,
Herwige saget man daz. [guote.
die vinde begundenz rüeren
702 Do ez die von Karadie
vil gröz ungemach.
und vesten bürge brach,
swen man dar an ervindet,
vil manegen äbent späte dö sigen allenthalben
[sere.
swes er ie began,
mit sinen stritgenözen. daz man dä die porten
[dannen,
vil vaste durch ir haz unde manegen morgen.
Herwiges helfe zuo vil unvergevrieschen, in was leit.
daz wären zwene künege,
den ir arbeit
kom ze unsanften mseren,
dö Hetele der herre
mit sinen helden mseren 703 Durch daz si vrevele wären,
[borgen,
gestrichen was näch in vil harte si rihten sich ze wer. [verre.
13. Äventiure
man sach so gebaren
465
von Morlant daz her,
sam si durch vehten wolten
niemen dan entwichen.
die es mit in phiegen solten, die muose ez maneger arbeite 704 Wate der vil küene kom mit grozer kraft: [riehen, ez hete dar gevüeget groze ritterschaft Küdrün diu schoene
Herwige ir manne,
swie si da würben,
si riten sit unvroelichen dannen,
705 Swie si beiden hiezen
die von Morlant,
dringen si sich niht liezen.
an in was wol erkant,
ez wseren ie die besten
von allem ertriche.
si gäben andern gesten vil ofte herberge schädeliche. 706 Herwic von Sewen wolte sich erholn an den von Alzabe.
dar umbe muosen doln
diu her ze beiden siten.
wunden vil ir mägen
gewunnen zallen ziten.
sin mohte den künic Hetelen vil
707 Do si zesamene wären,
von den ich hän geseit,
komen mit ir kreften, heten zallen ziten
äne vreude leit die recken unde sorgen,
waz in die naht geschsehe. 708 Dri veitstürme
si dähten: ‘wie geleben wir den
si mit den Meeren striten.
do heten vride die bürge vrides si niht gerten.
und mit den spern sere:
da von wart sit der wunden deste
709 Die geste zuo den künden, si enstriten zallen stunden. der krefte dä beliben,
des komen si niht abe,
[mere.
des muose ir bestiu habe
do sis niht wolten läzen.
daz saget man schcenen wiben; 710 Waz Wate der küene
die begunden weinen äne
in sturme dä gestreit!
[mäzen.
daz er diu herzen leit
ofte vremeden gesten
mit schaden vrumte nähen;
wan si in zallen ziten
mit smen helden bi den besten
711 Horant von Tenemarke,
vrum was er genuoc.
waz er der helme starke ouch vergaz er selten si muosen sin engelten. 712 Morunc der snelle,
[morgen!’
näch ritterlichen siten.
si teiltenz mit den swerten
er was vil wise,
[beträgen.
[sähen,
mit slner hant durchsluoc!
der vil liehten brünne. er tete den vmden die dicken dicke über rant
[schar vil dünne.
466
Kudrun: Text
mit ellenthaftem muote
strahte er sine hant.
er wolte niht entwenken
den von Morlande,
den edelen künegen riehen. 713 Hetele der riche,
an den rach er den Herwiges
durch daz in dar gesant
het sin schceniu tohter
[anden.
in Herwiges lant,
daz erz vriden solte,
sit tete er in der mäze,
der gerne leben wolte,
der mohte im sine marke ligen
714 Herwic streit da selbe,
daz niemen künde baz,
vor porten und an velde. wart im sin houbet
[läzen.
da von vil dicke naz
von sweize under ringen.
ir wart da vil betoubet, 715 Wigäleis der guote
die in hin hinder wänden dringen.
tete den gesten leit.
von Tenelant her Fruote
so ritterlichen streit,
daz man ims danken mohte in sturme er wol getohte. 716 Ortwin der junge,
von schulden wol nach eren. man gevriesch nie alten recken
der heit üz Nortlant,
des jach im manic zunge,
daz küener heldes hant
niemen in den striten
als vollicliche triiege.
man sagete zallen ziten, 717 Si heten tage zwelve die Hetelen helde
[also heren.
daz er die ungeviiege wunden
mit sorgen nu gestriten.
[slüege.
sach man in herten siten
ofte vor dem künege
liehte Schilde houwen.
da von die stolzen Meere 718 Am drizehenden morgen
vor vruomessezit
sprach Sivrit mit sorgen: unser guoten recken.
ir herverten mohte han ge[rouwen.
‘sehet waz hie lit der künic von Selanden
nach vil hoher minne lät im ez also sere enblanden.’ 719 Er begunde raten mit den von Karade - wie gerne si ez täten riten in eine veste,
und die von Alzabe! dä si genesen künden,
daz si die werden geste
niht al gemeine erslagen vunden.
720 Si wichen von dem strite dä ze einer site
ze einer warte dan,
ein grozer phlüm hin ran.
do si begunden riten
dar si entwichen solten,
do sach man mit in striten 721 Der künic von den Moeren
die in gemaches niht gunnen ze Hetelen gereit.
[wolten.
14. Äventiure
man mohte daz wol hoeren, daz was ein anegenge,
467
swaz er ie gestreit,
sit er nu hete vunden,
der im siner mäge
also manegen lazte mit vil tiefen
: 722 Von Hegelingen Hetele
und her Sivrit
die täten daz si künden
in hochverten sit.
durchhouwen liehte Schilde
sach man vor ir henden.
der künic von den Moeren 723 Do schuofen ir geligere
der muose von dem von Tenedie von Tenelant. [lande wenden,
da ist niht rede widere: die vil küene geste
[wunden,
da von man sit bevant
in vil maneger swsere.
swie guot in was ir veste, 724 Do wären dä besezzen
ieclicher doch da heime gerner mit der vinde kraft
die helde so vermezzen,
[wsere.
daz si ritterschaft,
so man es an si gerte,
niht wol gegeben künden,
si werten ir herberge,
so si aller bezziste künden.
14. Äventiure Wie Hetele boten sande üz Herwiges lande 725 Do enbot hin heim Hetele,
daz si niht solten klagen,
den schoenen vrouwen edele in wasre wol gelungen
hiez er daz sagen,
in stürmen und in striten,
alten und jungen:
si solden ir gensedicliche biten.
! 726 Und hiez in daz künden, er mit al den sinen,
daz in gesseze lac
dä man dienen phlac
der schoenen Küdrünen
und Herwige üz Selanden.
si tzeten daz si künden
aller tägeliche mit ir handen.
• 727 Hilde diu schcene
wünschen do began
gelückes Herwige
und allen sinen man,
daz in näch ir ere
müese wol gelingen.
‘daz gebe got’ sprach Küdrün,
‘daz si unser vriunt ge¬ sunde wider bringen.’
728 Do liezen die von Stürmen die von Morlande si muosen angestlichen
ninder üf den se
und die von Alzabe. bi in dä türen.
Kudrun: Text
468
an Waten und an Fruoten 729 Hetele swuor des eide,
heten si vil übele nächgebüren. i er koeme nimmer dan
und rümte in niht die heide, ze gisel da gewunne
unz er und sine man
die von Morriche.
si wären unversunnen.
sit kom in ir hervart schädeliche.
730 Diu spehe Hartmuotes
was dar gesant
- si goumten da niht guotes si speheten zallen ziten,
von Ormanielant.
waz da wurde ervunden.
in stürmen und in striten
Hetelen si deheines guotes
731 Si sähen, sunder scheiden
hie besezzen lac
- daz mohte im vil wol leiden der künic üz Karadine,
naht unde tac
der edelen Moere herre.
im kom vil wenic helfe.
siniu lant diu lägen von im gar ze
732 Die boten ilten widere
in Ormanielant,
die Ludewic und Hartmuot si sageten in da heime
[verre.
heten dar gesant.
diu lieben rmere,
daz Hetele unde Herwic 733 Der lieben masre in dankte
[wahren,
vil unmüezic in dem strite der voget von Ormandin.
‘kunnet ir mir bescheiden,
wie lange mac daz sin,
daz die von Karadine bi ir widerwinnen,
[gunden.
sin in Selande
[anden?’
oder wanne si dä volrechen gar ir
734 Do sprach der boten einer:
‘her künic, diu rede ist wär:
si müezen dä beliben
lenger danne ein jär.
die von Hegelingen
wellent si niht läzen;
si hänt si so besezzen,
daz si nindert mügen zuo den
735 Do sprach von Ormanie
der snelle Hartmuot:
‘daz mich so sorgen vrien
[sträzen.’
hochgedinge tuot!
sit si so sint besezzen,
daz si müezen striten,
e Hetele wider koeme,
wir solten hin ze Hegelingen riten.’
736 Ludewic und her Hartmuot ob si beide hieten daz si Küdrünen
zehen tüsent dä, wol dannen rnöhten bringen,
e Hetele wider koeme 737 Des was dä vil genoete wie si daz rechen möhte, versagete smäheliche
vereinten sich alsä,
mit den sinen hin ze Hegelingen. diu alte Gerlint, daz Hetele sin kint ir sune Hartmuoten.
,
14. Äventiure
si wünschte, daz si hähen
solten beide Waten unde
738 Do sprach diu tiuvelinne: weit ir riten hinnen,
469
‘nu hat ir grozen solt. [Fruoten.
min silber und min golt
daz wil ich geben recken
und wilz entsagen vrouwen.
ja enruochte ich, ob ez Hetelen
gerouwen.’ ‘wir suln von Normandin
739 Do sprach der herre Ludewic: brüeven herverten
unde Hilden hiete nu
mit den recken min.
ich trouwe wol gewinnen in vil kurzen ziten:
zweinzic tüsent manne
da mite so vüeren Küdrünen dannen.’
740 Do sprach der junge Hartmuot: daz ich die Hilden tohter da vür ich niht naeme
solte hie gesehen,
[schehen,
ein witez vürsten riche,
daz uns beiden zxme 741 Räten alle stunde
‘und möhte daz ge-
bi einander wesen vriuntliche.’ mit vlize man began,
wie manz gevüegen künde,
daz Ludewic gewan
ein her, daz wolte er vüeren
hin zen Hegelingen.
wie solte daz Hilde wizzen,
daz ir da von solte misselin-
742 Swä mite und immer mähte si hete in ir ahte,
bi Hartmuote erwärmen.
si vleiz sich des ze wäre, 743 Ludewic ze Hartmuote
er umbeslüzze si mit sinen sinem sune sprach:
‘nu gedenke, degen guote, haben, e wir bringen 744 Si teilten groze gäbe
wir müezen ungemach so gib ich hie heime minen
wider unde dan,
daz man dä ze Swäben
den die mersträze si muosen arbeiten 746 Etelicher mäze lant unde sträze
[helden.’
solhez nie gewan
von rossen und von soumern, ich warn siz gerne tasten. 745 Si bereiten sich dräte
[armen,
die Hute von den seiden.
gip et den gesten,
die guote schifliute
[gen?
der Küdrünen lip
solte ze Ormanie
sun,
daz Ludewiges wip,
von satelen unde schilten. jä vant man Ludewigen nie so
zuo in verre dan.
[milten.
Ludewic gewan, ze rehte wären künde. näch dem hohen solde durch die ünde. wurden si bereit. dä wart ez hin geseit,
470
Kudrun: Text
daz Ludewic und Hartmuot si heten doch gröze sorge,
von ir lande wolten. wie si hin ze Hegelingen komen
747 Do si zem stade komen,
bereit man da vant
diu schef diu si da solten
[solten.
tragen üf den sant.
geworht wärens veste
von Gerlinde guote.
des alles niht enweste
her Wate der alte noch von Tenen
748 Mit dri und zweinzic tüsent ez was nach Küdrünen
si vuoren über se.
Hartmuoten we:
dem tete er wol geliche.
mit allen sinen mägen
er begunde künic Hetelen
mit urliuge grcezliche lägen.
749 Si muosen, swie si mohten, des kom in arbeite
[Fruote.
dar bekomen sint.
maneger muoter kint.
ja truogen si die ünde
neben Nortlande,
e Hetele ez ervünde,
daz si die Hilden bürge wol er-
750 Wol inner zwelf milen
[kanden.
kom daz Hartmuotes her
in den selben wilen
ab dem tiefen mer
ze Hegelinge lande
die mäze wol so nähen,
daz si palas unde türne
in der schcenen Hilden bürge
751 Ludewic von Normandme die anker nider läzen.
der hiez üf den sant
[sähen,
do bat ers alle sant,
daz si nider gähten
so si beldiste künden.
ez was dä bi so nähen, 752 Do si nu getruogen
si vorhten, deiz die Hegelinge
und vuorten ab der vluot [ervunden.
vil Schilde si besluogen
und manegenhelm guot.
si rihten sich ze strite:
ir boten si do sanden.
si versuohten, ob si iht vunden
vriunde in den Hetelen landen.
15. Äventiure Wie Hartmuot Küdrünen mit gewalte nam 753 Hartmuot hiez riten
sine boten dan.
do wart der schcenen Hilden und ir lieben tohter: so txte er nach ir minne, N 754 Ob si in minnen wolte,
schiere kunt getän
möhte ez sich gevüegen, des si beide mohte wol als er ir e enbot
[genüegen.
15. Äventiure
- im was mit gedanken
vil dicke nach ir not
daz wolte er immer dienen sines vater erbe
471
die wlle er möhte leben,
wolde er Küdrünen geben.
755 Ob si des niht entsete,
so wasre er ir gehaz.
daz er die maget bsete, daz ers an urliuge
da von versuochte er daz, ze lande wolte bringen,
die schoenen juncvrouwen: 756 ‘Widerredet siz danne’
des hete der küene Hartmuot sprach do Hartmuot,
‘so saget, daz ich niht nxme
deheiner slahte guot,
ich enbringe ez üf die zite,
e ich hinnen scheide,
daz ich der schcenen Küdrün 757 Mine boten biderbe,
welle machen recken ougen-
ir sult ir sagen me:
ich kume nimmer mere widere ich welle mich ze stücken mir envolge hinnen
üf den breiten se,
von Hegelingelant diu juncvrouwe. daz siz niht entuo,
si sol mich sehen riten
mit minen recken zuo.
zweinzic tüsent helde
wil ich beliben läzen veige beidenthalben der sträze.
vor Hegelinge bürge
des gevolget hat
759 Daz Hetele Wigäleise
daz wir niht haben rät
unde Waten dem alten,
her ze Hegelingen,
so maneger langen reise des wirt vil manic weise.
ich wilz an ein ende gerne
näch Hartmuotes rate
vür eine burc wit;
diu hiez ze Mateläne:
vrou Hilde saz dar inne ir tohter diu junge küniginne.
und diu vil wol getäne, 761 Zwene riche gräven
[bringend
dannen - des was zit -
760 Die boten riten vil dräte
hete er dar gesant
- die brähte er mit im über mer daz si sageten Hilden
üz Ormamelant -,
sin dienest vliziclichen:
er wolte niht erwinden,
[wichen,
er wolte üz ir dienste niht ent-
762 Daz si im der maget gunde,
daz er die vrouwen guot
- dannoch im ie der muot
stuont üf hohe minne —; daz si so edel wsere,
[weide,
läzen e zerhouwen,
758 Ob siz gar verspreche,
hiete vor in allen
[gedingen.
si solte es wol geniezen, in solte ir dienen nimmer verdriezen.
763 Die der vrouwen phlägen,
den wart daz geseit,
472
Kudrun: Text
daz daz ingesinde
von Ormame reit
durch gewerbes willen
hin ze Mateläne.
vrou Hilde si hiez geswigen. 764 Die Hilden schaffsere
des erschrac diu vil wol-
sluzzen uf daz tor,
swer dar komen wxre,
[ getane.
daz man den da vor
niht lenger solte läzen.
man entslöz die porten witen:
die boten Hartmuotes
hiez man dö in Mateläne riten.
765 Ze sehene si dö gerten
daz Hetelen wlp.
die helde si des werten, solten behüeten
die ir schoenen 11p nach des küneges eren.
man liez si selten eine
Hilden und ouch Küdrün die
766 Do nu ze hove körnen Hilde diu schcene
die Hartmuotes man,
[heren.
grüezen si began;
sam tete in hohem muote
vrou Kudrun diu here.
diu edele und diu guote minte den küenen Herwigen sere. 767 Swie erbolgen si in wxren schenken man in hiez, den boten vor den magren, vrou Hilde si sitzen liez vor ir und vor ir tohter.
waz si dar wolten,
des vrägte diu küniginne,
wände si sis niht verdagen
768 Vil gezogenliche
von dem sedele stuont so noch boten tuont. si sageten, waz si wolten ze Hegelingelande:
[solten.
allez daz gesinde,
daz si ir herre Hartmuot
nach der schoenen Küdrün dar
769 Dö sprach diu maget edele: daz der küene Hartmuot vor unser beider vriunden
under küneges kröne, dem ich sines guoten willen gerne
770 Dem bin ich bevestent:
ich lobete in zeinem man,
[löne.
dem recken ich wol gan
swaz im immer künde alle mine stunde
‘ich wil des haben rät, bi mir niht enstät
er ist geheizen Herwic, er nam mich ze wibe.
[sande.
geschehen grözer ere.
ger ich üf minne deheines vriundes
771 Dö sprach der boten einer: ‘iu hiez her Hartmuot sagen, des er dinget, ob ir des niht entuot,
[mere.’
daz ir in mit sinen recken
sehet ze Mateläne
an dem dritten morgen.’
des erlachte diu vil wolgetäne.
772 Die boten wolten dannen.
urloubes hörte mans gern,
15. Äventiure
die zwene gräven here.
473
vrou Hilde hiez si wern,
swie vremede si ir wasren,
ir gäbe riche,
der si doch niht nämen.
die boten würben vil listicliche.
773 Die Hetelen recken,
den boten saget man daz,
daz si vorhten kleine
ir zorn und ir haz.
ob si niht wolten trinken
des küneges Hetelen win,
man schankte mit dem bluote 774 Do brähten disiu mxre
im und den recken sin.
die boten an die stat
hin widere, da si Hartmuot do lief er in engegene
von im riten bat.
und vrägte, wiez in ergienge,
ob si diu edele Küdrün
durch siniu msere iht vrceliche enphienge. ‘iu ist also verseit,
1 775 Der einer sprach zem recken: ez habe einen vriedel
diu herltche meit,
den si im herzen minne
vor aller slahte diete.
weit ir ir win niht trinken,
so schenket man iu heizez
bluot ze miete.’ also sprach Hartmuot,
7 776 ‘Ach miner schände!’ ‘in minem herzen ande
mir disiu rede tuot.
nach bezzeren vriunden
darf ich nimmer vrägen,
wan der mir helfe striten.’
do Sprüngen üf die bi dem stade lägen.
' 777 Ludewic und Hartmuot
sich huoben mit ir schar
mit vanen üf gerihtet
vil zorniclichen dar.
man kos üf Mateläne
ir Zeichen schinen verre.
do sprach diu wol getäne:
‘wol mich! dä kumet Hetele und min herre.’
778 Si bekanden, daz ez wxre ‘ach grozer swxre,
des wirtes Zeichen niht.
diu hiute hie geschiht!
uns koment grimme geste manegen heim veste 779 Die von Hegelingen
siht man vor äbende noch zersprächen Hilden zuo:
‘swaz Hartmuotes gesinde des sul wir si letzen do hiez diu küniginne 780 Des wolten niht volgen
näch Küdrün der vrouwen. [houwen.’
hiute hie tuo,
mit vil tiefen wunden.’
[stunden,
diu bürgetor versliezen an den die küenen Hetelen man.
474
Kudrun: Text
die des landes huoten, ir herren Zeichen.
die hiezen binden an
zuo in üz der veste
die Hetelen degene
wolten, slahen die vil werden geste.
781 Die schranken, die man solte durch ir übermüete
alle nider län,
wurden üf getan.
daz goumen Hartmuotes
liezen si in versmähen.
dö die ersten in drungen,
dö körnen in ouch die lesten al ze
782 Mit üf geworfen swerten
vant man do dar vor
wol tusent oder mere,
[nähen,
die habten vor dem tor.
dö was ouch komen Hartmuot si erheizten an die heide;
wol mit tusent mannen,
man hiez diu ros schiere ziehen dannen.
783 Si truogen schefte in henden
mit smdenden spern.
wer mohte den strit da wenden? die stolzen burgajre dö kom von Orrname
Ludewic mit helden sä ze stunde.
784 Des heten vrouwen sorgen, si sähen unverborgen bi der ieclichem
dö er dort her reit,
siniu Zeichen breit,
wo! driu tusent manne
komen dar mit zorne,
swie die küenen recken schieden
785 Si wurden alle unmüezic
dort unde hie.
man gesach von einem lande danne ouch dise wären
wänden vride hän,
der vater Hartmuotes
dä her von Ormandine.
[schme.
daz wart des tages dicke ze
der voget uz Ormandin,
üz herten Schildes spangen die sinen spilgesellen N 788 Den stolzen burgxren
(787)
näher dar gegän
dem heide gunde er guotes:
mit sinem starken eilen,
[helden.
si tätenz wol mit Hartmuotes
dö kom mit helden msere
N 787 Ludewic der küene,
[dannen,
küener recken nie,
in den Hetelen seiden.
si künden wunden vären; 786 Dö die burgacre
si begunden wern
mit den tiefen wunden.
(786)
sluoc er röten schm daz er in brüsten truoc.
wären küene genuoc. leiden dö began,
daz si den rät liezen,
den Hilde hete getän,
diu schcene vrouwe,
daz Hetelen wip.
des sach man dürkel Schilde
[den lip.
und vlös ouch maneger dä
15. Äventiure
789 Ludewic und Hartmuot
beide waren komen
so nähen zuo einander:
si heten wol vernomen,
daz man die burc vroun Hilden dö giengens mit den Schilden, des nam si vil untüre:
wolde versliezen. daz si diu Zeichen in die burc
790 Swie vil man von der müre si ahte harte kleine
warf und geschöz,
[stiezen.
ir eilen daz was gröz. swaz man da sach der veigen.
mit grozen lassteinen
sach man der helde vil geneigen.
791 Ludewic und Hartmuot
körnen in daz tor.
vil manegen serewunden
liezen si dar vor.
des begunde weinen
ein juncvrouwe sere.
in der Hetelen bürge
wart des grozen schaden dannoch
792 Der künic von Ormanie
der was vrö genuoc,
dö er und ouch die sine
obene durch die zinne
liez man den vanen weiben.
daz Hartmuotes helde
[ginne,
des trürte diu vil here küni-
793 Mich wundert, waz doch wasre ob Wate der vil grimme
[mere.
sins landes wäfen truoc
vür den sal künic Hetelen.
den gesten da geschehen,
hiete daz gesehen, durch den sal so giengen da si die schoenen Küdrünen
mit samet Ludewlge, 794 Wate und ouch Hetele
hietenz so gewert,
[viengen.
uf helme so gebert
der inz gesaget hiete,
daz ez nimmer wasre ergangen,
mit den guoten swerten, daz si Küdrünen
475
ze Ormanie brashten gevangen.
795 Swaz man da vant der liute, sam taste man noch hiute. die daz wolten rouben, daz müget ir gelouben: 796 Hartmuot der snelle er sprach: ‘maget edele,
maneger hande guot, die vuortenz üz der selde. rieh wurden alle Hartmuotes ze Küdrünen gie.
[helde.
ich versmähte iu ie. solte ouch nu versmähen,
mir und minen vriunden daz wir hie niemen viengen. 797 Dö redete si niht mere
die wären ungemuot;
wir soltens alle slahen unde
wan: ‘owe vater min,
[hähen.’
soltest du daz wizzen,
daz man die tohter dm
gewalticllchen vüeret
üz dlnem lande,
mir armen küniginne
geschehe niht der schade noch diu
[schände.’
476
Kudrun: Text
798 Do si genomen hieten
schätz und ouch gewant,
dar zuo man Hilden wiste die guoten Mateläne
bi ir wizen hant.
wolten si verbrennen.
swaz in da von geschadie, 799 Hartmuot hiez do lazen
die burc unverbrant.
des llte er äne mäze, e daz ez ervunden
[erkennen,
die von Ormanie woltens niht
wie er rümte daz lant, die mit heres kreften lägen
ze Waleis bi der marke,
des künic Hetelen man und sine
N 800 ‘Lät den roup beliben!’
also sprach Hartmuot.
‘ich gibe iu da heime uns ist ouch deste lihter
ze varne uf dem se.’
gewalt der Ludewiges
tete Küdrünen we.
801 Diu burc diu was zerbrochen, do hete man gevangen
vil minnecliche meide,
die vuorten si von dannen.
do was der edelen Hilden
des wirtes wine stän! in ein venster gän,
daz si nach den mageden
[herzenleide,
her nider möhte schouwen.
noch liezens in dem lande 803 Rüefen unde weinen vro was ir deheine,
diu stat diu was verbrant.
die besten die man vant,
zwo und sehzic vrouwen, 802 Wie trüric si liezen do ilte diu küniginne
[mägen.
mines vater guot.
klagende vil manege schoene
vil lute man da vant. do man über lant
[vrouwen.
mit der Hilden tohter vuorte ir ingesinde. [ritters kinde. daz geschadete sit in alter dar nach maneges werden 804 Hartmuot brähte die gisel verbrennet und zervüeret
mit im üf den sant. liez er des vürsten lant.
ez was nach sinem willen
die zit wol ergangen:
Küdrün und Hildeburge
vuorte er mit im von dannen
805 Er weste wol, daz Hetele durch urliuge wsere. er was niht so gashes
in daz vierde lant des rümte er den sant. von den Hegelingen,
vrou Hilde hiez diu maere 806 Wie rehte klägeliche
[gevangen.
Hetelen unde sinen vriunden
si dem künege enbot,
[bringen,
daz im da heime langen
sine ritter tot;
si hiete Hartmuot lazen
in dem bluote touwen. [vrouwen.
sin tohter wxre gevangen:
da mite vuorte er manege schoene
16. Äventiure
807 ‘Ir boten, saget dem künege, ez ist mir körnen übele: vert ze sinem lande
477
daz ich vil eine bin.
mit hochverte hin Ludewic der riche.
tusent oder mere
ligent vor der porte jazmerliche.’
808 Hartmuot sich do schifte wider üf die kiele.
snelle in drien tagen
swaz die mohten getragen,
daz heten sine recken
genomen und geroubet.
des künic Hetelen degene 809 Wie si nu gevüeren,
waren hie vil schädeliche be-
wer möhte iu daz gesagen?
man horte in ir segele
[toubet.
diezen unde wagen,
do si gewendet wären
von des küneges lande
ze einem wilden werde.
der was geheizen da zem Wülpensande.
16. Äventiure Wie Hilde boten sande Hetelen und Herwigen 810 Hilde diu vil here
ir herze und ouch ir sin
dar zuo wände sere,
wie si gevrumte hin
ir boten dem künege.
diu herzenliche leide
geschach von Hartmuote:
der liez ir mit jämer ougen-
811 Ir manne und Herwige
diu vrouwe do enbot,
ir tohter wazre gevangen, und hieten si al eine
mit ungemüete läzen;
ir golt und ir gesteine
vuorten die von Ormanle an den
812 Die boten riten gazhes
und ilten über lant.
si hete in grozen sorgen
si komen da si sähen
die Hegelinge bi den Meeren harte ritterschefte vil.
ouch mohte man dä hoeren daz si an dem legere
814 Do sach von Tenemarke
[nähen,
maneger hande spil,
dürfte niht verdriezen.
man sach si loufen und springen
die Hilden boten riten
[sträzen.
diu vrouwe dar gesant.
an dem sibenden morgen in ir grozen sorgen 813 Si gäben tägeliche
[weide,
ir helde wseren tot
unde dicke mit den scheften schiezen.
der degen Hörant zuo in in daz lant.
478
Kudrun:
Text
er sprach zuo dem künege: ‘uns koment niuwiu masre. got gebe, daz uns helden da heime niht geschehen st schade 815 Der künic gienc in engegene selbe da ers sach. [swxre.’ zen ungemuoten boten gezogenliche er sprach: ‘sit willekomen, ir herren, her ze disem lande. [sande.’ wie gehabet sich min vrou Hilde? saget uns, wer iuch her 816 Er sprach: ‘daz tete min vrouwe, diu hat uns her gesant. dine bürge sint zerbrochen, verbrennet ist dm lant; Küdrün ist gevüeret hin mit ir gesinde. schaden also grozen ich wasne din lant niht überwinde.’ 817 Er sprach: ‘ich klage dir mere, des get uns michel not. diner mäge und diner manne lit wol tüsent tot; din schätz ist gevüeret ze vremeden künicrichen; din hört ist an gerüeret: daz stät so guoten helden 818 Er vrägte, wie er hieze, der ez hete getan. [lästerlichen.’ do sprach zuo dem künege ein des recken man: ‘der eine heizet Ludewic von Ormanieriche, [schädeliche.’ der ander heizet Hartmuot. die körnen uns mit helden N 819 Do sprach der vürste Hetele: ‘darumbe daz ich verzech im mine schcene tohter: wol weste ich, daz im lech, dem künege üz Ormanie, Hagene sin lant. dar umbe warne Küdrün hin ze im nach eren niht gewant. 820 Man sol unser vinde disiu msere gar verdagen; man sol si unsern vriunden heimlichen klagen, nu heizet uns die mäge balde her bringen. ez endörfte guoten recken da heime nimmer wirser ge821 Do hiez man Herwige hin ze hove gän, [lingen.’ vriunde unde mäge und ander sküneges man. do dise guote recken ze hove komen wären, [bären. man sach den künic Hetelen in sinem muote truobe geN 822 Der voget von Hegelingen sprach: ‘ich wil iu klagen und muoz iu üf genäde minen kumber sagen, waz uns min vrou Hilde her enboten hät, daz ez ze Hegelingen so rehte unvroelichen stät. 823 Min lant ist verbrennet, mine bürge gebrochen nider — uns ist gehüetet übele dä heime leider sider —,
16. Äventiure mm tohter ist gevangen,
erslagen mine mägen,
die mir mtnes landes
und miner ere da heime phlägen.’
824 Do trehenden Herwige
diu ougen umbe daz,
daz diu Hetelen ougen
von weinen wurden naz.
sam täten die andern alle,
do sis weinen sähen.
der was vro deheiner,
die dem künege stuonden also
825 Do sprach Wate der alte: swaz uns an vriunden
‘nu vermeldet niht.
vil trüric wirt gesetzet
her näch mit maneger wünne. Hartmuotes unde Ludewiges
‘wie sol daz ergän?’
do sprach Wate der alte: den von Morlande,
[künne.’
£dä sul wir vride län
dem künege und sim gesinde.
so vüeren wir die degene 827 Wate wislichen
[nähen,
schaden nu geschiht,
des müge wir uns erholen 826 Hetele do vrägte:
479
näch der schoenen Küdrün
räten künde duo.
‘wir suln mit den gesten und ouch in der mäze, ob wirs niht läzen,
[dinern kinde.’
werben morgen vruo daz si werden inne,
daz si ir volc nimmer bringen hinnen.’
828 Do sprach der küene Herwic: bereitet iuch also hiute,
‘nu ist geräten wol;
wie man morgen sol
gebären mit den vinden,
daz wir daz läzen schouwen.
swie wir hinnen scheiden,
mir ist unmäzen leit näch den vrouwen.’
829 Si rihten sich ze strite si liezen vil ungerne
mit rossen und mit wät: des alten Waten rät.
do in erschein der morgen, an die von Abakine.
si versuochtenz vil sere
dä mite si würben beide lop und
830 Die paniere allenthalben
in gedrenge man do truoc;
der vil wol gesunden
manegen man dä sluoc.
die von Sturmlande
lute riefen ‘näher!’
die si dä twingen wolten, 831 Irolt begunde rüefen
den was zuo dem strite deste
über Schildes rant:
[gäher.
‘weit irz mit uns süenen,
ir helde üz Morlant?
des heizet iuch min herre
der künic Hetele vrägen.
iuwer lant sint iu ze verre: 832 Des antwurte Sivrit,
[ere.
ir verlieset beide guot unde
der künic üz Morlant:
[mägen.’
480
Kudrun: Text
‘swenne ir den sige erwerbet, ich wil mit niemen dingen
wan nach miner ere.
warnet ir uns twingen,
ir verderbent beidenthalben deste
833 Do sprach der recke Fruote: ze wesene dienestliche,
‘nu sichert ir uns bi
[mere.’
so läze wir iuch vrl
urliuges immer mere die von Karadine
so habet ir guotiu phant.
üz mines herren landen.’ strahten dar den vride mit ir handen.
834 Also kom ez ze suone,
als ich iu hän geseit.
do giengen zuo einander
die recken vil gemeit;
einander buten dienest
die e vinde waren.
ir haz der was versüenet: 835 Nu sagete alrerste Hetele
[ze väre.
si rieten den von Ormame dem künege üz Morlant,
waz er von sinen boten
leider mazre ervant.
ob er im helfen wolte,
daz diente er an sin ende,
daz er hern Hartmuote
gelonte dirre starken missewende.
836 Do sprach der herre Sivrit, ‘westen wir si vinden,
der künic üz Alzabe:
so müese in werden we.’
do sprach Wate der alte:
‘ich weiz hie bi vil nähen
ir rehte wazzersträze.
wir mügens üf dem mer vil wol ergähen.’
837 Hetele sprach zin allen:
‘wä solde ich kiele hän?
ob ich in gerne schatte,
wie möhte daz ergän,
ez enwazre, ob ich dä heime daz ich si dä gesashe?
so geriche ich an in beide schaden und andern’ ‘sin mac wol werden rät;
838 Do sprach Wate der alte: got tuot mit gewalte,
als ez umbe in stät.
jä weiz ich hie vil nähen
bi uns in dem lande
wol sibenzic guoter kiele. 839 Die habent pilgerine
die stänt mit guoter spise üf
gevüeret üf den se.
die müezen wir gewinnen, si suln gedulticlichen
[einem sande.
swiez uns dar nädh erge.
üf dem sande erbiten,
unz wir mit unsern vinden 840 Waten dem küenen
mich bereite zuo ir lande,
uns versüenen oder aber
wart dannen gäch
wol mit hundert recken; er sprach, er wolte koufen,
[gestriten.’
die andern zugen näch. heten si iht spise veile.
17. Äventiure
481
des starp im vil der mäge: im selben kom ez sit ze unheile. : 841 Die si an dem sande vunden, vür war so weiz ich daz, der was drizic hundert,
ich wasne, und dannoch baz.
die mohten niht so gashes sich gerihten ze strite. do kom in dar näher der künic mit maneger schar witen. i 842 Swie so si gebärten, man truoc in üf den sant, des Wate niht enwolte
ir silber und ir gewant.
die spise hiez er lazen
beliben üf den ünden. er sprach, man solte inz gelten, so si allernashste her wider wünden. und vluochten: des gienc in not.
> 843 Die pilgerine klageten
swaz si im ir dinges sageten, Wate der vil küene
er ahte ez niht ein brot;
trahte äne smiele,
daz si im lazen müesen
mit ir spise kocken unde kiele.
> 844 Hetele der enruochte,
ob si immer üf daz mer
mit ir kriuze kcemen.
er nam üz ir her
vünf hundert oder mere
der besten, die si vunden.
des brühten si vil wenic
ze Hegelingelande der gesunden.
! 845 Ich enweiz, ob des engulte daz ditze volc eilende
Hetele und sine man
daz herzenleit gewan,
daz si sich da muosen scheiden ich wsene, got von himele
in den vremeden landen,
rasche da selbe sinen anden.
846 Si vuoren so si mohten
beldiste dan.
Hetele und die sine
guoten luft gewan.
si begunden segelen
nach ir vianden,
swä si die bevunden,
und wolden an in rechen schaden und anden. 17. Äventiure
Wie Hetele nach siner tohter kom üf den Wülpensant 847 Nu was künic Ludewic mit ir landes volke
und ouch her Hartmuot
bi des meres vluot
beliben durch ir ruowe
üf den wilden griezen.
swie vil si liute hieten,
des mohten si doch lützel geniezen.
848 Ez was ein wert vil breiter
und hiez der Wülpensant,
482
Kudrun: Text
da die von Ormanie
üz Ludewiges lant
gemach gevüeget hieten
ir rossen und in selben,
daz sich ir schade muose 849 Die vil edele gisel
nach ir gemache grimmicliche
von Hegelingelant
die hete man gewiset
[melden,
üf den wilden sant.
die mäze und si da mohten
sach man si gebären,
die minnecliche meide,
bi den vinden trüric si wären.
850 Diu viur man allenthalben die von verren landen
bi dem sande sach.
schuofen in gemach.
si wänden dä beliben mit den schoenen wiben
— daz kom in al ze sere — wol ze siben nahten oder mere.
851 Do dise recken lägen
an einer wilden habe, Hartmuot mit sinen mägen muose läzen abe den gedingen den si hieten, daz si solten beliben dä ze siben tagen
an ir gemache mit den schoenen wiben.
852 Ez was von Mateläne
nu so verre dan
Kudrun diu wol getäne, heten an ir gemache
daz Ludewiges man deheiner slahte gedingen,
daz Wate und sine vriunde 853 Do sach der marnxre
ez in ze schaden ie möhten
üf den ünden wagen
ein schif mit riehen segelen. do daz gesach her Hartmuot
und ouch al die sine,
in den segelen wteren kriuze, 854 Schiere sähens vliezen und niun kocken riche.
[bringen,
dem künege hiez erz sagen, si jähen ez wteren pilgerine.
dri kiele guot die truogen üf der vluot
manegen der daz kriuze truoc an sinen kleiden. 855 Si körnen in nu so nähen,
durch gotes ere selten
[engelten.
des muosen die üz Ormanie daz man die helme sach
ab den schiffen schinen. und ir schade sere
sich huop ir ungemach Ludewigen und den sinen.
wol uf! rief do Hartmuot, 856 Si gähten zuo dem lande,
diu ruoder an den handen die üf dem stade wären, die enwesten wie gebären,
‘hie koment die grimmen widerwarten mine.’ daz man wol vernam krachen manegem man. die alten zuo den jungen,
[gen.
wan daz si werliche dar sprun-
17. Äventiure
857 Ludewic und Hartmuot
483
truogen schilt enhant.
si waren e vil sanfter
komen in ir lant,
wan daz si ir ruowe
trouc ein teil ze sere.
si versähen sich zir vinden,
Hetele hete der mäge niht
; 858 Lute ruofte do Ludewic
an alle sine man:
cez was gar ein kintspil
swes ich ie began:
nu muoz ich aller erste ich geriche immer
[mere.
mit guoten helden striten.
der ir tar under mmern vanen erblten.’
' 859 Hartmuotes Zeichen
truoc man üf den sant.
diu schif so nähen wären,
daz sis mit der hant
mit scheften mohten langen
bi in an dem grieze.
ich warn her Wate der alte sinen schilt niht müezic enlieze. > 860 So rehte grimmicliche werte man nie ein lant: die von Hegelingen
drungen uf den sant.
mit spern und mit swerten einander si do werten,
stritens also sere. daz si des koufes sit niht gerten
861 Si wären allenthalben
an daz stat gestän.
näch winden von den alben
[mere.
sach man nie sne gän
so dicke, so da drxten
die schüzze von den henden.
ob siz nu gerne tteten,
so möhte den schaden niemen wol er-
862 Man vant ein sperwehsel.
diu wile diuwaslanc, [wenden,
e si daz lant gewunnen.
der alte Wate spranc
zuo den vinden sere:
si wären im so nähen.
er was so grimmes muotes, 863 Ludewic von Ormame
daz si sinen willen wol geder lief Waten an.
mit einem sper vil scharphen daz diu stücke hohe
schoz er üf den man,
Sprüngen in die winde.
Ludewic der was küene. 864 Wate Ludewigen
do kom ouch daz Waten inge-
durch den heim sluoc,
daz des swertes ecke
[sinde.
üf daz houbet truoc.
ouch hete er under brünne von Abalie ein hemede: 865 Ludewic im vil küme die stat muose er rümen. Wate dä er solte
[sähen,
von vil guoten siden anders müese er nü daz ende mit sinem libe enbrast.
bi vinden sige erwerben.
man sach von siner hende
[liden.
ez was ein übel gast [sterben,
manegen guoten recken dä
Kudrun: Text
484
866 Hartmuot und Irolt
zuo einander spranc.
ir ietweders wäfen
üf dem helme erklanc,
daz man ez mohte hceren
durch die schar verre.
Irolt was vil biderbe:
küene was ouch Hartmuot der
867 Herwic von Sewen,
ein masrer heit guot,
der enmohte vollangen. er stuont unz an die üehsen herter vrouwen dienest
tiefe in einer ünde. wart da dem küenen Herwige
868 Disen recken guoten
wolten in der vluot
ertrenken sine vinde.
[künde,
manegen schaft vil guot
sach man üf im zebrechen. nach sinen vinden.
im was gäch zem sande
do wart gerochen maneges recken ande.
869 Als si daz stat erwürben,
man sach des meres vluot
von den, die da stürben, bi in allenthalben
gevar als daz bluot
in roter varwe vliezen
so wite, daz ez niemen 870 Grcezer arbeite
[herre.
ja spranc er in die vluot.
mit einem sper wol möhte über-
wart nie helden kunt:
ez wart nie heit als maneger
[schiezen.
gedrücket an den grünt.
ein lant si möhten erben,
die äne wunden stürben.
die in da schaden täten,
ich wasn si allenthalben da ver-
871 Nach sinem lieben kinde
der küene Hetele streit, [durben.
er und sin gesinde.
schaden unde leit
täten allenthalben
die vremeden zuo den künden.
des wart vil maneger
veige üf dem Wülpensande vunden.
872 Mit ungevüegem dienste der von Ormanie
urborte sich ir hant,
und von Hegelingelant.
man sach die Tene küene swer genesen wolte,
so herlichen striten:
der endorfte ir nimmer dä enbiten.
873 Ortwin und Morunc
die bouten daz lant
näch also grozen eren,
daz man ir wenic vant,
die baz gevüegen künden
schaden mit ir eilen.
si sluogen vil der wunden, 874 Die vil stolzen Moere, die wären von ir schiffen
die zwene helde und ir herals ich hän vernomen,
[gesellen,
zuo ir vinden körnen.
der wände dä Hetele
in sorgen wol geniezen.
[vliezen.
si wären helde küene:
man sach daz bluot durch veste helme
18. Äventiure
1 875 Ir voget den si hieten,
485
wie möhte der küener sin?
des tages vrumte er sweizic
maneger brünne schm;
er was in starken stürmen
ein maerer heit vil guote.
wie kundens wesen küener
der alte Wate und ouch von Tenen Fruote?
• 876 Diu sper verschozzen wären
dort und ouch hie.
Ortwin mit sinen gesellen
vrevellichen gie.
des wart des tages helme
vil von in verhouwen.
grimme weinte Küdrün.
also täten ouch bi ir ander
877 Der herte strit der werte
des selben tages lanc. [vrouwen.
daz volc einander gerte.
groz was der gedranc.
da muose snellen helden
sere misselingen,
[gewinnen,
da die Hetelen vriunde
wolden sine tohter wider
; 878 Der äbent seic ie näher,
dä von der künic gewan
schaden deste mere.
die Ludewiges man
täten swaz si solten.
si enwesten war entrinnen.
si sluogen tiefe wunden:
also werten si die küniginne.
; 879 Diz werte in grozen sorgen, von einem vruomorgen. allez daz si künden,
unz inz diu naht benam, si täten äne schäm
die alten zuo den jungen,
e daz künic Hetele
kom zuo dem von Ormanie ge¬ drungen. 18. Äventiure
Wie Ludewic Hetelen sluoc und bi der naht vuor von dannen 880 Hetele unde Ludewic
die truogen hoch enhant
ir vil scharphiu wäfen.
ir ietweder vant
mit kreften an dem andern
rehte wer er warne.
Ludewic sluoc do Hetelen.
des wurden do herzenleidiu
881 Do von Mateläne
der wirt wart erslagen,
daz gevriesch diu wol getäne. die schoenen Küdrünen
und ouch alle ir meide.
ez wart gescheiden küme. 882 Do Wate der vil grimme er begunde limmen.
[mtere.
jä horte man do klagen den liuten wart beidenthalben
gevriesch des küneges tot, [leide,
sam ein äbentröt
486
Kudrun: Text
sach man helme schinen in und al die sinen
von sinen siegen swinden.
die muose man vil zornige vinden.
883 Swaz täten die helde guote, von dem heizen bluote
waz mohte helfen daz?
der wert wart vil naz.
des vrides niht engerten
die von Hegelingen:
uf dem Wülpenwerde
884 Die von Wäleis und von Stürmen die von Tenemarke bi den Hegelingen
rächen sküneges tot.
wären in der not und bi den von Nortlande.
den vil zieren helden
brästen guotiu wäfen an denhanden.
885 Sinen vater wolte rechen
der küene Ortwin.
dö kom mit grözer menege der tac was verendet,
Horant und die helde sin.
nahten ez begunde.
dö wart alrerst erhouwen
von den helden manic vil tiefiu
886 Einer von Tenemarke
ze Höranden spranc,
sin swert im harte lute
er wände er wxre der vinde.
do vrumte im an den
hete ze töde erslagen,
er erkande bi der stimme
sit daz wir niht lenger
[wunden,
nach sinem vanen tragen. den er da hete verschroten
mit sinen starken eilen. 888 Lute ruofte Herwic:
[stunden
der degen küene sluoc im eine
den vanen hiez er schiere
Horant klagete sere do den töten. ‘hie wirt mort getän. des tages mügen hän,
wir slahen alle einander,
die vremeden zuo den künden,
ob ez wert unz an den morgen,
hie wirt niht der dritte lebende vunden.’ in stürmen ie vernam,
889 Swa man Waten den küenen niemen zuo im dringen
in der not gezam.
sin ungevüegez zürnen
niemen bi im dolte.
er brahte ir vil manegen
da hin, dä er immer wesen solte.
890 Ouch mohten siz wol scheiden, ir volc da beidenthalben der tac der was zergangen.
unze ez wurde tac:
mit verchwunden lac
erslagen von den vremeden. 891 Die grimme müelichen
[wunde,
an der hende erklanc.
Horant schaden grözen: 887 Do er sinen neven
[bringen,
woltens Küdrün gerne wider
in gebrast des mänen schinen; des vlös den sige der gast mit
liezen dö den strit.
[al den sinen.
18. Äventiure
mit vil müeden handen
schieden si sich sit.
si beliben bi einander
dannoch also nähen,
swä diu viur brunnen,
daz si ir helme und ouch ir Schilde
892 Ludewic und Hartmuot
üz Ormandm
giengen sundersprächen.
[sähen,
daz gesinde sin
liez der künic hoeren,
wes er beliben solte
bi Waten dem vil küenen,
wände der in gerne sterben
893 Er riet in sinen listen:
‘nu leget iuch ze tal,
iuwer houbet üf die Schilde,
[wolte.
und habet grozen schal,
so mügen niht enwtenen
die von Hegelingen,
ob ichz kan gevüegen,
daz ich iuch von hinnen also
894 Do volgte Ludewige
mäge unde man.
trumben und pusünen
lute man vernam,
sam daz lant da wxre
gewalticliche ir eigen.
sine starke liste
487
[bringe.’
begunde Ludewic do zeigen.
895 Man horte dä allenthalben
gebraht unde wuof.
do verbot man den kinden
den weinenden ruof,
die des niht wolten läzen,
daz man die alle ertränkte: daz man die in die ünde sankte.
swelhe man dä gehörte,
daz wart in üf getragen,
896 Swaz si gehaben mohten,
die in wären erslagen.
si liezen dä die toten,
daz was in vil swasre,
in gebrast vil vriunde; des liezen si ir kocken
hinder in dä vil manegen lasre.
897 Mit also grozen listen
komens üf den se,
die von Ormanie.
den vrouwen den was we,
daz si verswigen muosen
daz varn von ir mägen.
des westen niht die helde, 898 £ in der tac bekoeme,
die noch üf dem Wülpenwerde do wärens üf den wegen,
mit den die von Tenemarke Wate hiez lüte
[lägen,
strites wänden phiegen.
sin herhorn schellen,
do wolte er zuo in gähen, 599 Ze rosse und ouch ze vuoze
die er mit tiefen wunden wolte von Hegelingelant
[veilen,
daz volc sach man allez
sigen über sant
näch den von Ormanie,
Ludewige und sinen mannen,
mit den si wolten striten: 900 Diu schif si vunden latre,
do wären si gevarn verre gestrewet ir gewant;
[dannen.
488
Kudrun: Text
daz sach man allez ligende der herrenlosen wäfen
üf dem Wülpensant. wart da vil vunden.
si heten daz versläfen,
[künden,
daz si in nimmer geschaden
901 Do man daz Waten sagete
- des gienc im michel not
wie angestliche er klagete
des künic Hetelen tot,
daz erz niht hete errochen
an Ludewiges libe.
vil helme lac zerbrochen.
daz klaget da heime vil der schcenen wibe.
902 Wie rehte jxmerlichen Ortwin do klagete
durch zornigen muot die sinen recken guot!
er sprach: ‘wol üf, ir helde, e daz si rümen die selde!
ob wir si mügen ergähen, ja sint si noch dem stade nähen.’
903 Des wolte do gerne volgen Fruote bi dem lüfte
Wate der alte man.
kiesen do began;
er sprach zuo den recken:
‘waz hilfet, ob man lle?
merket mich vil ebene:
si sint von hinnen wol drizic mile.
904 Ouch mügen wir der liute daz in iht schade werde
die state niht gehän, von unser vart getan.
nu lat iu mine lere’,
sprach Fruote, ‘niht versmähen;
waz weit ir rede mere?
ja müget ir si nimmer wol
905 Nu heizet die wunden
zuo den schiffen tragen
und suochet ouch die toten, und heizet die bestaten
die uns sint erslagen, üf den wilden griezen.
si hänt hie vil der vriunde.
war umbe solten si des niht
906 Si stuonden al gemeine mit windender hant. ob in niwan eine der schade wurde erkant, daz si verlorn hieten waz si nu der maere
[ergähen.
[geniezen?’
die jungen küniginne: [bringen! möhten vroun Hilden wider
907 Do sprach Morunc:
‘und wurde es nu niht mer,
wan daz wir selbe liden
leit und herzen ser —
wir dienen swache gäbe,
so wir ir bringen diu mxre,
daz Hetele lit erstorben.
noch sanfter ich von vroun Hil-
908 Do suochte man die toten die dä wären kristen,
die hiez der heit von Stürmen wä si beliben solten,
über al den sant.
[den wsere.5
swaz man der dä vant, zuo einander bringen,
daz ahten si mit den jungelingen.
18. Äventiure
909 Do riet der degen Ortwin:
‘da sul wir si begraben,
daz sul wir ahten danne,
daz si urkünde haben
mit einem riehen kloster
immer nach ir ende,
und daz ein teil guotes
489
ieclichez künne dar zuo sende.’
910 ‘Daz hast du wol geraten’ ‘ja sol man verkoufen
sprach der von Sturmlant,
ir ros und ir gewant,
die da ligent tote,
daz man der armen diete
nach ir libes ende
von ir guote disen vrumen biete.’
911 Do sprach Jrolt:
‘sol man ouch die begraben,
die uns den schaden täten, und die wilden wolve
oder sol man si die raben üf dem werde läzen niezen?’
do rieten daz die wisen,
daz si der einen ligen niht
912 Do si do müezic wurden
nach ir maneger not,
den künic si begruoben, durch vriunde liebe hiete
genomen üf dem sande.
swie si geheizen wxren,
sam tete man die von ieclichem
913 Die Moere man besunder
ir ieclichen vant.
sam tete man da die degene und die von Ormanie:
si wären beide kristen unde
914 Vil unmüezic si wären
unz an den sehsten tac,
si heten niht der wile.
daz gesinde nie gelac,
wie si ze gotes hulden
die von Hegelingen
von ir grozen schulden
man horte so vil dä,
gote so schone diente
[heiden.
und von ir missetät möhten
daz man bi sturmtoten
[bringen.
nindert anders wä in deheinem lande. vil der pfaffen üf dem Wülpen-
sit lie man bi den veigen
die ir solten phiegen.
916 Ouch muosen dä beliben die hiez man ane schnben diu mxre erschullen verre,
wie daz kloster dä gestiftet
heten dä verlän,
die gäben dar ir stiure,
[sande.
daz in dä wart gegeben, ez wurden spitälxre.
wol driu hundert huobe; 917 Alle die ir mäge
[lande,
von Hegelingelant
man muose ir stat bescheiden.
die legete man besunder
915 Lesen unde singen
[enliezen.
der den werden tot
[wsere.
wip unde man,
durch willen der sele
der licham si begruoben.
[huoben.
sit wart ez also riche,
daz dar dienten wol driu hundert
Kudrun: Text
490
918 Nu ruoche in got genaden,
die da sint gelegen,
und den in dem lande.
nu vuoren after wegen
die noch gesunt wären
üf dem Wülpensande.
die körnen nach ir sorgen
ietslicher heim zuo ir herren lande.
19. Äventiure Wie die Hegelinge heim ze lande vuoren 919 Die Hetelen mäge in des tödes läge,
heten läzen hie daz guote recken nie
mit so grözen sorgen
me körnen zuo ir lande.
sit sach man schoene vrouwen 920 Ez getorste uz Nortlande
weinen mit windenden der degen Ortwin
näch schaden und näch schände
[handen.
die lieben muoter sin,
Hilden die schcenen,
vor jämer nie beschouwen.
diu warte tägeliche,
ob si brsehten Kudrun die vrouwen.
921 Wate reit mit vorhten
in daz Hilden lant
- die andern niht getorsten het übele gehüetet
sin kraft und ouch sin hant
in volcstürmen grimmen,
er entroute niht so gadies 922 Do die liute sageten,
die Hilden hulde widere
Wate wsere komen,
genuoge des verzageten.
[gewinnen.
si heten e vernomen,
swanne er reit uz strite,
so vuor er ie mit schalle,
daz tete er zallen ziten:
si swigen nu gemeinlichen alle,
923 ‘Owe’ sprach vrou Hilde,
‘wie ist ez nu ergän?
ez vüerent dürkel Schilde
des alten Waten man.
unsanfte gent die moere,
geladen harte swsre.
si gehabent sich übele.
ich weste gerne, wä der künic
924 Dar näch in kurzer wile.
dö si daz gesprach, da man Waten sach,
dö sach man manegen llen die von ir lieben vriunden dö saget er in diu mxre,
gerne wolten vrägen. der ieclichen mohte wol beträgen.
925 Dö sprach Wate von Stürmen: noch sol iuch niht betriegen: des erschräken sere
[waere.’
‘ich mac iuch niht verdagen si sint alle erslagen.’
die alten zuo den kinden.
19. Äventiure
man künde nimmer mere 926 ‘Owe miner leide!’
491
so rehte trüric ingesinde
sprach des küneges wip.
‘wie ist von mir gescheiden Hetelen des riehen!
[vinden.
mines herren lip,
wie swindet min ere!
wie hän ich vlorn beide! 927 Ritter unde meide
ja gesihe ich Küdrün nimmer
kolten do den lip
von ungevüegem leide.
[mere.’
do des küneges wip
ir man so sere klagete,
man horte den sal erdiezen.
‘owe mir’ sprach vrou Hilde,
‘und sol sin künic Hartmuot geniezen.’
928 Do sprach Wate der küene:
‘vrouwe, lät daz klagen:
si koment niht her widere.
noch nach disen tagen,
so uns die liute erwahsent so tuo wir Ludewige
hie in disem lande,
unde Hartmuote ouch alsam ande.’
929 Do sprach diu trürende: allez daz ich hiete
‘hei, solte ich daz geleben!
wolte ich dar umbe geben,
daz ich errochen wurde,
swie so daz geschehe,
daz ich vil gotes armiu
mme tohter Küdrün gesashe.’ ‘vrouwe, lät daz klagen,
930 Wate sprach ze Hilden:
in disen zwelf tagen
wir suln uns besenden
swaz wir der mügen bringen,
mit allen iuwern recken,
so muoz Ormanie misselingen.’
und raten eine reise:
931 Er sprach: ‘min vrou Hilde, ich hän pilgerinen
ez ist also körnen:
niun schif genomen.
diu sul wir den armen
dar umbe wider bringen,
ob wir mere striten,
daz uns danne baz müge gelingen.’
932 Do sprach diu jämerhafte:
‘daz rate ich daz man tuo:
daz man ir schaden büeze, swer iht nimt pilgerinen,
dä hän ich willen zuo. der hat des sünde starke,
man sol in ie wider eine
mines silbers geben dri marke.’
933 Diu schef brähte man widere, e daz dehein pilgerin do wart in allen
von dem stade schiet, also wol vergolten,
daz si dä vluochten niemen 934 Dar näch des nsehsten morgens Herwic der küene
als diu vrouwe riet, [unbescholten,
und daz Hagenen kint beleip do kom von Selant
dä er vroun Hilden vant
492
Kudrun: Text
nach ir mannes ende
weinen grimmicliche.
mit windenden henden
enphienc si doch den heit vil
935 Von der vrouwen weinen Herwic der edele.
trähenen dö began
do sprach der junge man:
‘si sint niht alle erstorben, und ez gerne täten.
die iu da helfen solten
des habent sumeliche sere engolten.
936 Ez geruowet nimmer
min herze und ouch min lip,
ez muoz erarnen Hartmuot, getorste hin geviieren
daz er mir ie min wip
und slahen unser helde.
ich rite im noch so nähen,
daz ich gesitze üf siner selde.’
937 Swie leit in allen wasre, hin ze Mateläne.
[lobeliche.
si riten gegen der stat
diu küniginne bat,
swaz in geschehen watre,
die triuwe haben wolten,
daz si die küniginne doch dar umbe niht miden solten. 938 Do körnen die von Friesen und die von Sturmlant. näch den Tenemarken
hete si ouch gesant.
von Wäleis dar körnen dö riten die Hegelinge
die Mörunges helde. mit in zuo der schoenen Hilden
939 Dö kom von Nortlande si klagete, als si solte,
ir sun Ortwin.
die helde sunderspräche ez wart ein urliuge
mit ir vrouwen täten:
mit den starken helden geräten.
940 Do sprach von Tenen Fruote: e wir die state der liute daz wir herverten
[selde.
den lieben vater sin.
‘ez mac niht e ergän, (942)
mügen vol gehän,
riten von hinnen,
swaz halt die vinde
.dort gewinnen.5
941 Do sprach diu küniginne: sol allez bi den vinden in vremeden landen sitzen ich vil armiu küniginne, 942 Dö sprach Wate der alte: die wir dä hän ze kinden,
‘wanne möhte daz sin? diu liebe tohter min als«s dort gevangen, [gangen.5 so ist mir min vreude gar zer‘ez kan niht e geschehen,
(940)
unz daz wir gesehen,
daz si sint swertmaszic:
vil manic edel weise,
si gedenkent an ir mäge
und helfent uns vil gerne zuo der
943 Dö sprach diu küniginne: mir vil armer vrouwen
[reise.5
‘daz läze uns got geleben, ist der tac ze lanc gegeben.
19. Äventiure
swer an mich gedenket
und an Küdrün die armen,
dem wil ichs wol getrouwen, 944 Si gerten urloubes.
493
der sich über uns lät er-
do sprach daz edele wip:
‘swer an mich gedenket,
[barmen.’
scelic si sin lip.
ja sult ir, küene recken,
gerne zuo mir riten
und schaffet unser reise,
so ir beste kunnet in den ziten.’
945 Do sprach mit listen Wate,
der alte heit halt:
‘vrouwe, man sol swenden sit wir ze herverte
da zuo den besten walt.
haben guot gedinge,
von ieclichem lande
heizet ir iu vierzic kocken gewinnen.’
946 Si sprach: ‘so sol ich würken zweinzic veste kiele,
heizen bi der vluot
starc unde guot,
und wil die heizen rüsten: daz si mine vriunde
des hän ich guot gedinge,
mit staten zuo den vianden bringen.’
947 Do wolten si sich scheiden. der gie gezogenliche
der voget üz Morlant,
da er die vrouwen vant.
er sprach: ‘man sol mir künden so si hinnen wellen,
daz man nimmer nach mir gesende.’
948 Güetlichez scheiden
liez si do geschehen,
man mohte nach ir leiden dise guote geste
der zit ein rehtez ende,
trürende sehen
und ouch die schoenen vrouwen.
si rieten zallen stunden
des man ze Ormanie nimmer möhte getrouwen.
949 Do si von dannen wären mit trüeben gebären, der toten beteliuten
geriten in ir lant üf den Wülpensant
hiez man vüeren spise,
daz si ir gen gote gedachten. 950 Dar zuo hiez si müren kloster und spitäle
ein münster, daz was wit. hiez si müren sit.
mich dunket daz ez wurde von den die dä lägen.
[vil wise.
diu vrouwe Hilde diu was
erkant in manegem lande
sit nande man ez dä zem Wülpensande.
494
Kudrun: Text
20. Äventiure Wie Hartmuot heim ze lande kom 951 Nu läzen wir beliben,
wie ez umbe si gestä,
oder waz die klosterliute
ze schaffen heten da.
wir suln läzen hceren
umbe Hartmuote,
wie er ze lande brähte
manege maget edele unde guote.
952 Do si gescheiden wären,
als wir iu sageten e,
von vil manegem recken, die si in den stürmen
den was von wunden we, wunde heten läzen,
daz muosen sit die weisen 953 Mit vil grozen sorgen
beweinen in ir lande äne mäze.
komens über vluot.
äbent unde morgen
vil manic degen guot
schämten sich vil sere,
die alten zuoden jungen,
daz si entrunnen wxren, 954 Si nähten Ormanie,
swie wol in anders wxre ze Ludewiges lant:
den guoten schifliuten do si ir heimwesen
in ir sorgen sähen,
do sprach einer drunder:
Vir sin der Hartmuotes bürge
955 Do hülfen in die winde
in des vürsten lant.
daz liut üz Ormanie die e warnen wolten, der von Ormanie
[nähen.’
vreute sich zehant,
daz si noch körnen solten 956 Ludewic der vrie
[gelungen,
was dä erkant.
zir kinden und zir wiben,
daz si dort tot müesen beliben. sine bürge sach. ze Küdrünen sprach:
cseht ir die bürge, vrouwe? weit ir uns sin genxdic,
ir müget iuch vreude nieten. wir wellen iuch mit richem lande mieten.’ daz edele magedin:
957 Do sprach vil trüricliche ‘wem möhte ich sin genxdic?
wan diu genäde min,
von der bin ich so verre
leider nu gescheiden,
ich wxne et harte verre!
des belibe ich alle tage in leide.’
958 Do sprach aber Ludewic: minnet Hartmuoten,
‘lät iu niht wesen leit: den recken gemeit.
allez daz wir sin habende, ir müget iuch mit dem degene
daz wellen wir iu bieten, [ten.’ ere unde wünne noch genie-
20. Äventiure
959 Do sprach diu Hilden tohter: e ich Hartmuoten nseme,
Van lät ir mich an not?
ich wolte e wesen tot.
im wsr ez von dem vater geslaht, den lip wil ich Verliesen,
tete diu rede we. wie balde er daz werte,
daz er die maget edele
von den starken ünden vor im
961 Do si nu wolte sinken,
dö kom her Hartmuot.
si möhte wol ertrinken,
[nerte.
wan daz der degen guot
erreichte mit den henden.
da mite zoch er si widere. 962 Si brähte in eine barken si saz in dem hemede,
[erwenden.
anders mohte er ir sterben niht Hartmuot der degen.
Ludewic künde unsanfte
schoener vrouwen phiegen: do ers üz dem wage brähte.
diu zuht diu was ir vremede. 963 Do weinten al gemeine vro was ir deheine.
hei wie rehte leide si ir
diu schcene magedin,
[gedähte!
wie künde in leider sin,
do man des küneges tohter si gedähten in ir muote:
strafte also sere?
[mere.’
‘man tuot uns der leide noch
964 Do sprach der herre Hartmuot: die schcenen Küdrünen? txte ez ander iemen,
‘zwiu ertrenket ir mm
diu ist mir als der lip.
[wip,
so zürnte ich also sere,
dan Ludewic der vater min, 965 Do sprach aber Ludewic: komen in min alter
ich nseme im beide lip unde ‘unbescholten ich noch bin [ere.5
und wolte ouch also hin
leben nach minen eren
unze an min ende. daz si ir zorn niht an mir verende.’
966 Die boten komen wären
vroelich gemuot.
do enbot man vroun Gerlinde und willigen dienest
liep unde guot
von ir sune Hartmuoten,
und daz si enphähen solte 967 Er hiez ouch daz künden, diu maget von Hegelingen, wsere Hartmuote,
[gewinnend
er warf si üf den se.
Hartmuot der küene,
nu bite Küdrünen,
[minnen,
daz er mich solte
e ich in ze vriunde welle
960 Dem künic Ludewige er vienc si bi dem häre,
ir valwe zophe
495
üf dem stade vil manegen ritter ez kume über se
[guoten.
näch der dicke we
e daz er si gesashe.
do daz gehörte Gerlint,
jä wsene ich ir lieber nie geschsehe.
496
Kudrun: Text
968 Do sprach der bote biderbe: vor der burc da nidene, mit minniclichem gruoze ir und iuwer tohter
enphähet in ir leide,
sult riten zuo dem stade beide.
969 Ouch sult ir mit iu vüeren
hin nider zuo der vluot
magede unde vrouwen da man die eilende
und ouch ritter guot, in der habe vinde.
mit minneclichem gruoze
sult ir da enphahen daz gesinde.’
970 ‘Daz tuon ich williclichen’
sprach vrou Gerlint,
‘ez sol mich vreuden riehen kumt si her ze lande
hie daz Hetelen kint,
mit ir ingesinde,
ich wil, daz ich Hartmuoten 971 Diu ros hiez man gewinnen, diu junge küniginne
dicke bi ir vroelichen vinde.’ dar zuo diu satelkleit.
was vro und gemeit,
wanne daz geschehe, Küdrün gessehe,
‘vrouwe, ir sult sin
da ir diu magedin
daz si in ir vater lande
die man vil dicke in hohem prise nande.
972 Do suohtens üz den kisten die si da inne wisten
die allerbesten wät,
und die ouch iemen hat.
mit vlize hiez man kleiden des küneges ingesinde
die Hartmuotes helde:
reit vil schone mit zierde uz der
973 An dem dritten morgen swaz man Gerlinde
wip unde man,
[selde.
gesindes gewan,
daz was wol bereitet
ze vrowem antphange.
si riten üz der bürge
und biten da ze hove niht lange.
974 Do wären ouch die geste allez daz si brähten,
komen in die habe, daz wart gevüeret abe.
si wären zuo ir lande
komen vroelichen,
wan eine Küdrün und ir gesinde vuoren trüriclichen. 975 Hartmuot der snelle si vuorte bi der hant. möhte ez sich gevüegen, si hiete ez gerne erwant: jä nam ouch diu arme
den dienst von im durch ere:
do tete ab erz vil gerne
unde swaz er dienen künde mere.
976 Mit ir giengen dannen dem gelich, si solten komen üz ir lande.
wol sehzic magedin, in hohen zühten sin si wären e vil mxre
in manegen künicrichen:
[swxre.
done liez si vreude hän ir groziu
20. Äventiure
1 977 Diu Hartmuotes swester
bi zwein vürsten gie
da si die Hilden tohter
vlizicliche enphie.
mit weinenden ougen
diu maget vil eilende
kuste des wirtes tohter. 1 978 Küssen si do wolte
do nam si Ortrün bi ir wizen daz Ludewxges wip,
des was in unmuote
[hende.
der juncvrouwen lip.
si sprach ze Gerlinde:
‘wes get ir mir so nähen?
swie ich iuwer tohter kuste, i 979 Ez wären iuwer raste, üf michel unstaste
497
ir endurfet mich niht
daz ich vil armiu meit
[enphähen.
vil manegiu herzen leit
mit schänden hän geduldet.
es wirt noch leider mere.’
do begunde näch ir hulden
diu küniginne ringen barte
f 980 Si gruozte ouch albesunder
die vrouwen über al.
do kom liute ein wunder; do hiez man üf den griezen mit sidinen snüeren
[sere.
dä von was michel schal, manege hütten spannen
dem herren Hartmuote und sinen
>981 Die liute unmüezic wären,
e daz si ab dem se
brähten daz si vuorten. daz die von Ormanie
[mannen,
Küdrünen tete we, bi ir megeden wären.
man sach si wider niemen
wan gen Ortrünen wol gebären,
f 982 Ortrün was alles arges
gegen ir tugende vri.
swaz anders iemen taste,
si was ir gerne bi
und liebte ir ze wesene
in ir vater lande.
(983) [ande.
was näch ir vriunden leit unde
der armen juncvrouwen
beliben al den tac.
1 983 Si muosen üf den griezen ir ougen sach man riezen,
(982)
swes ander iemen phlac;
diu wurden selten trucken
und ir liehten wange.
Hartmuot si dicke tröste:
doch muose ir ungemüete weren — daz was michel reht -, [lange,
984 Vro sis dä heime vunden den si erzeigen künden,
ritter oder kneht,
waz si von Hegelingen
heim ze lande brähten.
wie vroelich sis enphiengen! 985 Do si gemuozet hasten swaz do die liute tasten,
wan si ir dar ze lande niht
ab dem wilden mer,
[gedähten.
daz Hartmuotes her
daz wart do gescheiden
des landes manegen ende,
etliche sach man lachen,
sumeliche winden die hende.
498
Kudrun: Text
986 Do vuor ouch von dem sande er brähte Küdrünen
der degen Hartmuot.
ze einer bürge guot.
da muose si sh lenger
beliben danne wasre
der juncvrouwen wille.
si leit da michel angest unde
987 Do diu maget edeie
in der bürge saz,
die man da solde kroenen,
[swasre.
der wirt der riet in daz,
daz si ir al gemeine
dienten vliziclichen:
so lieze si deheinen,
si machtes alle sant mit guote rlche.
988 Do sprach diu alte Gerlint, ‘wanne sol nu Küdrün
daz Ludewiges wip:
den Hartmuotes lip,
den jungen künic riehen,
mit armen umbesliezen?
er mac sich ir wol geliehen: 989 Ditze erhörte Küdrün,
wolte si, si endörfte es niht diu eilende meit.
si sprach: ‘vrou Gerlint, der iuch eines note,
[verdriezen.’
ez waere iu lihte leit,
von dem ir iuwer mägen
so manegen vlorn hietet.
[trägen.’
ja möhte iuch im dienen wol be-
990 ‘Daz niemen mac erwenden’ ‘mit triuwen sol manz enden: daz habe üf minem houbte, wiltu heizen künigin,
sprach do des küneges wip, nu minne sinen lip. ich wil dirs immer Ionen,
ich wil dir gerne geben mine kröne.’
991 Do sprach diu ungemuote: von sinem grozen guote
‘der wil ich niht tragen, mäht du mir niht gesagen,
daz ich den recken immer
gerne welle minnen.
ich ger hie niht ze wesene:
ja muote ich aller tägeliche
992 Der junge wirt der lande, diu rede was im ande
der degen Hartmuot, [hinnen.’
und dühte in niht guot.
er sprach: ‘sol ich erwerben
niht die edelen vrou wen,
so sol ouch mir diu schoene
deheines guoten willen niht ge-
993 Do sprach ze Hartmuote ‘die wisen suln ziehen
diu übele Gerlint:
weit et ir, her Hartmuot,
mich si ziehen läzen,
ich trouwe ez wol gevüegen, 994 ‘Ich gan iu wol der dinge’ ‘swie halt mir gelinge, habet in iuwer zühte diu maget ist eilende:
[trouwen.’
also diu tumben kint, daz si sich ir hochvart müeze sprach do Hartmuot, [mazen.’ daz ir die maget guot nach ir und iuwern eren. vrouwe, ir sult si güetlichen leren.’
20. Äventiure
> 995 Die schoenen Küdrünen,
499
e daz er dannen gie,
der junge künic ze zühte
siner muoter lie.
die junge küniginne
gemuote ez harte sere:
si wolt iedoch niht gelouben,
swie si txte, der Gerlinde
> 996 Do sprach diu tiuvelinne
wider die schoenen meit:
‘wilt du niht haben vreude, nu sich et allenthalben,
so muost du haben leit. wer dir daz wende:
du muost eiten minen phiesel
[brende.5
und muost schürn selbe die
' 997 Do sprach diu maget edele: swaz ir mir gebietet,
‘da kan ich wol zuo,
daz ich daz allez tuo,
unz mir got von himele iedoch hat vil selten
mine sorge wende.
[brende.5
miner muoter tohter geschürt die
> 998 Si sprach: ‘du muost beginnen,
ob ich daz leben hän,
daz ander küniginne
selten hänt getan,
dine michel hochvart
trouwe ich dir wol geleiden.
e morgen äbent werde,
du muost von dinen meiden sin
1 999 Du dunkest dich so tiure, da von dir arbeite
als ich hoere jehen. [gescheiden.
dicke muoz geschehen,
dinen muot vil grimmen
trouwe ich dir wol geleiden.
von allen hohen dingen
wil ich dich swachen unde
.000 Ze hove gienc mit zorne
diu übele Gerlint.
si sprach ze Hartmuote:
[scheiden.5
‘daz Hetelen kint
wil dich und dine vriunde e ich daz hoeren wolte,
haben also smadhe.
ich wolte e daz ichs nimmer be-
ilOOl Do sprach ze siner muoter ‘swie daz kint gebäre, also güetliche,
[lere.
Hartmuot der degen:
[saehe.5
vrouwe, ir sult sin phiegen
daz ichs iu müge gedanken.
ich hän ir getän so leide, 1002 Do sprach diu küniginne: si envolget niemen.
si mac wol von minen diensten ‘swaz ir iemen tuot, [wanken.5
si ist so hartgemuot,
man enwende sis mit übele, ze rehter mäze nimmer. 003 Do sprach von Ormanie ‘vrouwe, nu lät schinen
si kumt dir zeinem wibe daz tuon ouch, e sis äne belibe.5 der üz erwelte degen: und ruochet ir also phiegen,
ob ir mir triuwe leistet,
ir ziehet si in der mäze,
[läze.5
daz mich diu küniginne
üz der vriuntschefte niht gar
500
Kudrun: Text
N1004 Diu übele tiuvelinne
zornicliche gie
da si daz ingesinde
von Hegelingen lie.
si sprach: ‘ir juncvrouwen,
ir sult würken gan.
daz ich iu gebiute, daz sol iuwer deheiniu verlän.’ 1005 Do wurden da gescheiden diu schcene magedin, daz si einander lange
muosen vremede sin.
die mit grozen eren
herzoginne wasren,
die muosen garn winden. 1006 Sumliche muosen spinnen
si säzen sit in ungevüeger und bürsten ir den har,
die von hohen dingen
wären körnen dar
und die wol legen künden mit edelem gesteine: 1007 Diu diu allerbeste
golt in die siden
die muosen michel arbeite liden. ze hove solte sin,
der gebot man besunder,
daz si diu magetin
ze Ortrünen kemenäte
daz wazzer tragen hieze:
diu was geheizen Heregart.
ja mohten si ir adeles niht
1008 Ouch was ir einiu drunder von Galitzenlant, die hete ir ungelücke von Portigäl gesant. si was von Irlande hin ze Hegelingen.
geniezen. (1009)
körnen mit Hagenen kinde sit wart si ze Ormame ingesinde.
1009 Eines vürsten tohter, si muose den oven heizen
der het bürge unde lant, mit ir wizen hant,
so Gerlinde vrouwen
in die Stuben giengen.
daz si in also diente,
(1008) [viengen!
daz si irz zem besten niht ver-
1010 Nu müget ir hceren wunder der swachesten drunder, daz muose si leisten,
[swsere.
umb dise groze not. swaz ir diu gebot,
swaz si diu würken hieze.
si mohte ir edelen magen da ze Ormanie niht geniezen. 1011 Werc diu vil smsehen, daz ist al war, der phlägen die vrouwen unze daz her Hartmuot was körnen heim ze lande. 1012 Hartmuot hiez im zeigen
vierdehalbez jär, üz drien herreisen dannoch dienten allez da die
die triutinne sin. an der edelen vrouwen was worden schin. daz si hete vil selten gemach und guote spise.
[weisen,
20. Äventiure
man lie si des engelten,
daz si lebete in tugentlicher wise.
)1013 Do si im gie engegene,
der junge künic sprach:
‘Küdrün, schcene vrouwe,
welch ist din gemach,
sit ich und mine degene
schieden von dem lande?’
si sprach: ‘da muose ich dienen,
Gerlint, liebe muoter?
ich het si iu doch verlän
ze huote üf die genäde,
daz ir diu groze swaere
an aller hande dingen
geringet in disem lande wasre.’
31015 Do sprach diu wülpinne: die Hetelen tohter?
‘wie möhte ichs ziehen baz,
du solt wizzen daz:
ich künde nie gewinnen,
gebiten noch gebieten,
daz si dich und dinen vater,
dar zuo din mäge niht bescholten hiete.’ ‘des get ir michel not.
31016 Do sprach aber Hartmuot: wir sluogen ir die mäge,
so manegen ritter tot,
wir machten ze weisen
Küdrün die heren,
min vater ir vater sluoc:
ja mac man si mit lihter rede
31017 Do sprach aber sin muoter:
‘sun, daz ist war:
daz si bi dir laege.
‘baz unde baz
wil ich si haben gerne.’
do enweste daz
niht rehte der recke küene,
daz siz in allen ende
wirs danne da vor hiete. 31019 Do gie si hin widere
daz mohte der armen leider nieda sis sitzen vant.
si sprach ze Küdrünen
[men wenden,
von Hegelingelant:
‘ob du dich, maget schoene,
niht baz wilt verdenken,
du muost mit dinem häre
strichen stoup von schamelen
daz wil ich dir sagen, [und von benken.
die muost du dri stunde
ze ieclichem tage
mir daz viur darinne.’
si sprach: ‘daz tuon ich allez, 1021 Si leiste güetlichen
oder geisel dar zuo bringen,
anders kan irz niemen an ertwingen.’
31018 Si sprach ze Hartmuote:
keren unde zünden
[geseren.’
vlegten drizic jär,
ichn möhtes wan mit besemen
4020 Mine kemenäten,
daz ir sin habet sünde und ich schände.’ ‘wie habet ir so getan,
1014 Do sprach aber Hartmuot:
ob wir Küdrünen
501
e ich vür minen vriedel
allez daz mans hiez
[iemen minne.’
Kudrun: Text
502
tuon die maget edele. siben jär bevollen
wie lützel si des liez! leit si in vremeden riehen
die grozen arbeite.
man hete si küneges kinde niht ge-
1022 Do ez dem niunden järe
nähen began
[liehe,
- Hartmuot der was wise
der heit sich versan,
daz im und sinen vriunden
wasre gar ein schände,
daz er niht kröne trüege
und doch herre hieze ob küneges lande.
1023 Er kom geriten üz strite, mit vil hohem eilen
er und sine man:
pris er gewan.
do wände er die schoenen
ze rehte minnen solte,
die er vor allen meiden
zeinem liebe gerne haben wolte.
1024 Do er nu was gesezzen,
bringen er si im hiez.
deheiniu guote kleider Gerlint diu übele.
tragen si enliez
swie der heit nu txte,
die maget ez ahte ringe,
wan si was an grozen eren vil
1025 Do rieten sine vriunde, siner muoter wasre,
ez liep oder leit
in sinen willen brachte,
swä mite er künde:
er möhte mit der vrouwen 1026 Näch siner mäge räte in einer kemenäte.
geleben noch vil manege liebe gie er dä er si vant
[stunde,
er nam si bi der hant.
er sprach: ‘ir sult mich minnen, und sit ein küniginne.
vil edele maget riche,
iu dienent mme helde lobeliche.’
1027 Do sprach diu maget schoene: wan mir diu übele Gerlint
‘des hän ich nindert muot, so vil ze leide tuot,
daz mich niht mac gelüsten ir und al ir künne
[staete.
daz er die schoene meit
deheines recken minne.
bin ich vint von allen minen sinnen.’
1028 ‘Daz ist mir leit’ sprach Hartmuot. swaz iu min muoter Gerlint des wil ich iuch ergetzen
näch unser beider ere.’
do sprach diu maget edele:
‘ich wil iu getrouwen nimmer
1029 Do sprach von Ormanie
Hartmuot daz kint:
‘ir wizzet daz wol, Küdrün, diu lant und die bürge wer hienge mich darumbe,
‘ob ichz gedienen kan,
ze leide hät getän,
[mere.’
daz min eigen sint
und ouch die liute. [einer briute?’ ob ich iuch gewunne mir ze
20. Äventiure
503
31030 Do sprach diu Hetelen tohter: ‘daz hieze ich missetän. dar zuo ich keine sorge entriuwen nie gewan: ez sprachen ander viirsten, so si des horten mxre, [waere.’ daz daz Hagenen künne in Hartmuotes lande kebese j)L031 ‘Waz mochte ich, waz si txten?’ sprach do Hartmuot. ‘ob et ez iuch, vrouwe, eine diuhte guot, so wolte ich künic werden und ouch ir küniginne.’ si sprach: ‘sit ane sorge, daz ich iuch immer gerne minne. j 31032 Ir wizzet wol, her Hartmuot, wie ez darumbe stät, waz iuwer baldez eilen mir geschadet hat, do ir mich dort vienget und mich vuortet dannen, waz schaden iuwer recken täten an mines vater mannen. 31033 Nu ist iu wol künde - daz ist mir leit genuoc daz iuwer vater Ludewic minen vater sluoc. ob ich ein ritter waere, er dürfte äne wafen zuo mir körnen selten. warumbe solte ich danne bi iu 131034 Ez was noch her der zite ein site also getan, [släfen? daz kein vrouwe solte nemen nimmer man, ez enwxre ir beider wille. daz was ein michel ere.’ Küdrün diu schoene klagete nach ir vater harte sere. 131035 Do sprach vil zornicliche der recke Hartmuot: ‘mir ist vil unmxre swaz man iu getuot, sit ir niht enruochet tragen mit mir kröne, ir vindet daz ir suochet. ja git man iu daz tägelich ze 31036 ‘Den Ion wil ich dienen als ich hän her getan. [loned swaz ich gewürken künne den Hartmuotes man und Gerlinde wiben, sit min hat got vergezzen, [sezzen.’ daz lide ich allez gerne. ich bin mit manegem kumber be;01037 Si woltenz baz versuochen: ze hove hiez man gän die vil schcenen Ortrün, ein maget wol getan, diu solte in ir zühten, si mit ir gesinde, eines guoten willen die armen Küdrünen überwinden. 31038 Do sprach offenlichen der degen Hartmuot: ‘ich wil iuch immer riehen, swester, ob irz tuot daz ir mir des gehelfet, daz Küdrün diu here [sere/ vergezze ir grozen leides, daz si doch enklage niht so
504
Kudrun: Text
1039 Do sprach üz Ormanie
Ortrün daz kint:
‘ich sol ir immer dienen
und alle die da sint,
daz si vergezze ir leides. ich und mine meide
min houbet wil ich ir neigen,
suln ir immer dienen hie vür eigen.’
1040 Des sagete ir do genäde
diu maget wol getän:
‘daz ir mich so gerne
gekroenet sashet stän
bi Hartmuote dem künege
und daz ich lebete in ere,
des lone ich iu mit triuwen.
doch müejet mich min eilende sere.’
21. Äventiure Wie Kudrun muose waschen N 1041 Do bot man Küdrünen do si des niht wolte, waschen tägeliche
bürge unde lant. sit muose si gewant
von morgen unz an die naht,
des vlos den sige her Ludewic, N 1042 Do bat man Küdrünen
do er mit Herwige vaht.
von dem sedele stän
und hiez die maget edele
mit Ortrünen gän,
daz si gemaches phlaege
und trunke guoten win.
do sprach diu eilende:
‘ich wil niht küniginne sin.
1043 Ir wizzet wol, her Hartmuot, daz man mich bevestent mit vil starten eiden
swie iuwer wille stät,
einem künege hat zeinem elichen wibe.
ez ensi daz er sterbe,
ich gelige nimmer bi recken libe.’
1044 Do sprach der vürste Hartmuot:
‘ir sent iuch äne not.
uns enscheidet niemen,
ez entuo danne der tot.
ir sult mit guoten siten
sin bi miner vrouwen.
diu senftet iu iuwer swa^re: 1045 Hartmuot warnen wolte, da mite senften solte, al geliche teilte
des wil ich ir ze vlize wol gedaz sich ir stseter site [trouwen.*
daz ir sin swester mite
swaz si möhte bringen.
ja gedahten si in beide, 1046 Si begunde enphähen Ortrun saz zuo ir nähen. wart in kurzen ziten
daz in möhte noch an ir gelingen. swer ir dienest bot. ir varwe rosenrot von trinken und von spise.
21. Äventiure
des wart ir vil bereite:
do enwas diu arme niht so wise.
:i047 So si der künic ie gruozte
und irz schone bot,
wie lützel daz ir buozte! die si und ir gesinde
si gedähte an ir not,
dulten in vremeden landen,
mit rede harte swinde
si rach an Hartmuoten ir anden.
1048 Daz tete si also lange,
daz sin den künic verdroz.
er sprach: ‘min vrou Küdrün, des vürsten Herwiges,
ich wsere wol genoz
den ir vür michel ere
nähmet iu ze vriunde. 1049 Woltet ir daz läzen,
ja strafet ir mich dicke al ze sere. daz wsere uns beiden guot.
mir ist leit unmäzen,
swer iu iht leides tuot,
da mite er iu beswaeret
daz herze und ouch die sinne,
swie vint ir mir wseret,
ich lieze iuch gerne wesen küni-
31050 Von dannen gie do Hartmuot vlegte, daz si solten
da er diesmenman [ginne.’
des landes huote hän
und ander siner eren.
er gedähte im under stunden:
‘man hazzet mich so sere, 1051 Gerlint diu übele
daz ich an dem schaden iht
dienen ir do hiez
die si an vrouwen sedele alle zit solte suochen, 31052 Diu alte wülpinne
[werde ervunden.’
harte selten liez.
die man von allem rehte
bi vürsten kinden die muose man da bi den swachen
sprach ir vintlichen zuo:
‘ich wil daz mir den dienest nu si sich durch ir übele nu muoz si mir dienen
dunket also stsete, daz si mir sus nimmer getazte.’ ‘swaz ich dienen mac
mit willen und mit henden daz sol ich vliziclichen sit mir min ungelücke
[vinden.
diu Hilden tohter tuo -
1053 Do sprach diu maget edele:
naht unde tac, tuon in aller stunde,
[gunde.’
bi minen vriunden niht ze wesene
31054 Do sprach diu übele Gerlint: tragen tägeliche
505
‘du solt min gewant
hin nider üf den sant,
unde solt daz waschen
mir und mime gesinde,
und solt daz behüeten,
daz man dich deheine wile müezic
31055 Do sprach diu maget edele:
‘vil riches küneges wip,
so schaffet, daz man mich lere, dar zuo bringen künne,
[vinde.’
daz ich den minen lip
daz ich iu wasche kleider.
506
Kudrun: Text
ich sol niht haben wünne.
ich wolte, daz ir mir noch tagtet
1056 Nu heizet mich ez leren,
sit ich waschen sol.
ich weiz mich niht so here,
ich künde ez gerne wol,
sit ich da mite sol dienen ich versage ez niemen.’
die mine spise, Küdrün diu arme was vil wise.
1057 Do hiez si eine weschen diu si da leren solte,
tragen daz gewant, mit ir üf den sant.
alrerst begundes dienen
mit sorgen angestlichen.
daz understuont do niemen: 1058 Vor Ludewiges seiden
Gerlint kolte dö Küdrün
lerte man si daz,
daz si so diente helden,
[die riehen,
daz niemen künde baz
gewaschen in diu kleider
in Ormanielande.
ir junevrouwen wart nie leider, 1059 Do was ir einiu drunder, swaz si alle klageten, disiu arbeite
[leider.
[dem sande.
do si si sahen dienen üf
diu was ouch küneges kint: daz was gar ein wint.
diu gienc in allen nähen,
do si ir edelen vrouwen 1060 Do sprach in ir triuwen ‘ez mac si alle riuwen die mit Küdrünen
also jämerlichen waschen sähen. Hildeburc diu meit: ~ gote si ez gekleit -,
körnen herze lande,
[dem sande.’
die erbeitent reste küme. nu stet si selbe waschende üf 1061 Ditz gehörte Gerlint. si sprach ir übele zuo: ‘wiltu, daz din vrouwe
der dienste niht entuo,
so solt du si vervähen
der dienste zaller stunde.’
‘ich tsete ez vür si gerne’ 1062 Ir sult durch got den riehen, si niht eine läzen:
sprach Hildeburc, ‘ob mirs iemen min vrou Gerlint, [gunde.
si ist ein küneges kint.
ouch truoc min vater kröne. lät mich mit ir waschen, 1063 Si erbarmet mir so sere,
daz wil ich noch Volbringen, swie uns übele oder wol gelinge.
swie ich selbe lide not,
durch ir höhen ere,
die got an ir gebot.
richest aller künege
daz wären vor ir mägen.
ir dienest zimt hie übele,
doch läze ich mich niht bi ir
1064 Do sprach diu übele Gerlint: swie herte si der winter,
[betrügen.*
‘so wirt dir ofte we. du muost üf den sne
und muost diu kleider waschen
in den küelen winden,
22. Äventiure
so du dich ofte gerner
507
in dem phieselgademe liezest
1065 Si erbeite harte küme,
daz ez äbenden began.
dä von diu edele Küdrün
einen trost gewan:
zuo ir gie vrou Hildeburc
in eine kemenäten.
klagen si do beide
[vinden/
von ir dienste herzeliche täten.
1066 Hildeburc diu here
weinende sprach:
‘ja riuwet mich vil sere
din grozer ungemach.
ich hän die tievelinne
erbeten, daz du niht eine
waschest üf dem grieze;
ich trage mit dir die sware
1067 Do sprach diu eilende: daz du also trürec
‘des lone dir Krist,
[gemeine/
mxnes leides bist.
wiltu mit mir waschen,
daz git uns vreude guote
und kürzet uns die wile.
uns ist ouch deste baz ze muote/
1068 Do ir daz was erloubet,
daz si daz gewant,
diu vreuden was beroubet,
mit ir üf den sant
ze waschen tragen müese
in ir grozem leide,
swaz ander iemen taete,
noch muosen mere waschen dise
1069 So ir ingesinde
die muoze mohte hän,
si weinten harte swinde, waschen an dem grieze.
daz klagetens alle sere,
und heten si doch arbeit, 1070 Daz werte also lange,
[beide.
so sis sähen stän daz ir in der weite hete niemen daz ist al wär,
[mere.
daz si waschen muosen
wol sehstehalp jär,
bereiten wiziu kleider
den Hartmuotes helden.
ez wart nie vrouwen leider:
man vant si jämerlichen vor den seiden.
22. Äventiure Wie Hilde herverte nach ir tohter "1071 Nu läzen wir beliben, mannen unde wiben. läzen üz gedanken, wie si ir lieben tohter 1072 Si hete heizen würken starker kiele sibene
wie si dienten hie vrou Hilde hete nie wie si dä näch gesunne, üz Ormamelande gewunne. bi des meres vluot veste unde guot,
508
Kudrun: Text
zwene und zweinzic kocken swaz die haben solten, 1073 Vierzic galeide
niuwe unde riche.
des waren si berihtet vlizicliche.
hete si üf dem mer;
daz was ir ougenweide.
si warte einem her,
daz si senden solte. dem hete si riche spise erworben swä si künde si lonte ir helden rehte wol ze 1074 Ez nähent zuo den zxten, daz si zuo dem se [prise. niht lenger wolten biten nach jenen, den vil we was in vremeden landen
mit starken arbeiten,
do hiez diu schoene Hilde
ir boten mit kleidern wol be-
1075 Daz was zen wihen nahten, den die daz solten rechen,
do kunte si den tac
[reiten,
daz Hetele tot gelac.
do bat siz allen künden
ir vriunden und ir mannen,
daz man ir liebe tohter
üz Ormanie wider vuorte dannen. Herwige dan
1076 Do sande si aller erste ir boten, daz er weste
unde sine man,
wie si in gesworn hieten
lange herreise,
von den in was bestanden
da zen Hegelingen manic ri-
1077 Do llten Hilden boten
in Herwiges lant: si wazren dar gesant.
er weste wol war umbe
[eher weise,
do gienc er hin engegene
da si si körnen sahen. do gruozte ers vliziclichen, do si im Hilden botschaft 1078 Tr wizzet wol, herre, wie zen Hegelingen
wie ez darumbe stät,
[verjähen.
daz volc gesworn hat.
des getrouwet iu vrou Hilde Küdrünen eilende
baz dan ander iemen.
daz erbarmet billicher niemen.’
N 1079 Do sprach der ritter edele: daz Hartmuot mit vrevele durch daz si im versagete
‘ich weiz wiez drumbe stät, min trüt gevangen hat und mich ze vriunde erkos.
darumbe ouch mm vrou Küdrün ir vater Hetelen verlos. 1080 Du bote vil biderhe solt ir min dienest sagen: ja wirt ez Hartmuote daz er mine vrouwen baz dan ander iemen 1081 Ir und ir gesinde
nimmer vertragen, so lange hat gevangen.
so mac mich der arbeit belangen. solt du, bote, sagen,
daz ich nach wihen nahten
in sehs und zweinzic tagen
22. Äventiure
zen Hegelingen rite
509
mit dri tüsent mannen.’
do biten si niht mere:
vroun Hilden boten schieden von
H 082 Do rihte sich Herwic
üf strites wän
[dannen,
mit den die ez vil dicke
heten guot getan. do bereite er zuo der verte die mit im varn wolten in einem winter herte,
die des urliuges mit im phiegen
11083 Hilden der schcenen hin ze Tenemarke
helfe wacre not:
daz die vil snellen recken die ze Ormanie
[solten.
ir vriunden si ez enbot, niht lenger solten biten,
nach der schcenen Küdrünen wolten riten.
'1084 Si hiez ez sagen Horande,
daz er gedachte dran,
er wacre des küneges künne, die ir lieben tohter
daz er und sine man
in liezen erbarmen.
si wolte e selbe ersterben, 1085 Do sprach der degen küene: daz ichz also süene
[armen,
e si gelaege ie an Hartmuotes ‘vroun Hilden solt du sagen,
mit maneges wibes klagen,
ich kume zuo ir gerne
und allez min gesinde.
man hoert noch drumbe weinen
in dem lande von maneger muoter kinde.
C-1086 Dar zuo sult ir mere
miner vrouwen sagen,
daz ich ir vil gerne
kume in kurzen tagen,
und wie ze urliuge
stä min gedinge,
daz ich zehen tüsent
miner helde üz Tenemarke bringe.’ gerten von im dan
11087 Die boten urloubes ze Wäleis in die marke , Morungen vunden,
da si mit sinen man den marcgräven riehen,
er sach die boten gerne
und enphie si harte minniclichen.
11088 Do sprach der ritter biderbe: da wirs gewinnen widere. daz wir herverten
‘ich kum vil gerne dar (1090) des ist driuzehen jär,
ze Ormanie swuoren,
do Hartmuotes vriunde
von uns mit Küdrünen hinnen
C1089 Do hiez daz Morunc künden
in Holzänelant,
[vuoren.’
daz nach ir vriunden
vrou Hilde hete gesant.
man solte herverten:
daz kunte man den guoten.
do sagete man diu macre 1090 Do sprach der degen Irolt:
[ten.
von Tenemarke dem küenen Fruo‘wan mir ist wol erkant, (1088)
510
Kudrun: Text
daz ich in siben wochen
ze Hegelingelant
mit recken solte riten,
swaz ich der möhte bringen,
daz tuon ich vil gerne,
swie joch minen recken da gelinge.’
1091 Wate ouch wol gedähte, sine helfe er brähte.
der heit üz Sturmlant. swie im niht wart bekant
der bote der küniginne
von den Hegelingen,
doch ilte er swaz er künde,
waz er guoter ritter möhte
1092 Do vlizzen si sich alle
zuo der hervart.
wol mit tüsent helden
wol bereitet wart
Wate da zen Stürmen
von mannen und von mägen,
da mite er Hartmuote
üz Ormanielande wolte lägen,
1093 Die eilenden vrouwen bi Gerlinde wären,
[bringen.
übele bewart wan vrou Heregart
- so hiez ir einiu drunder -, mit des küneges schenken.
diu phlac hoher minne si wolte wesen gewaltic herzo-
1094 Daz beweinte vil dicke der schoenen Hilden kint. [ginne. ouch geschadete ez vil sere der selben vrouwen sint, daz si dä niht tragen wolte mit in die grozen swxre. swaz ir dä von geschehe,
daz was Küdrünen unmsere.
1095 Die liute unmüezic wären, vil lützel wart gebüezet der si vil ofte phlägen
in Hegelingelande.
die helde do daz rieten 1096 Die boten riten balde dä man üf dem pläne
als ich iu hän geseit. doch der arbeit,
daz man näch Küdrünen bruogegen Nortlant, [der sande. den jungen degen vant
bi einem breiten phlüme,
der was vögele riche.
mit sinem valkenxre
beizte dä der künic vil kündic1097 Die boten sach er gähen. do sprach er sä zehant: [liche. dort ritent liute nähen, Hilde min vrouwe,
die hät näch uns gesant ir helde vil vermezzen.
nu wil si des warnen,
daz wir der herverte haben ver-
1098 Die valken liez er vliegen. dä er in kurzen ziten die boten er do gruozte. daz si die küniginne 1099 Si sageten im ir dienest,
do reit er balde dan [gezzen.’
trüeben muot gewan. wie schiere si im daz künden, ze allen ziten weinende vunden. triuwe unde guot:
22. Äventiure
wie da der recke
511
darumbe wa:re gemuot
oder wen er siner manne si solten herverten
dar wolte bringen,
hin ze Ormanie von den Hegelingen.
100 Do sprach der degen Ortwin: ich wil von hinnen vüeren ein her mit guoten helden, die wil ich dar vüeren,
mit zweinzic tüsent mannen, ob ir deheiner nimmer kome von
101 Man sach in allen enden nach den vrou Hilde
‘du hast mir war geseit. michel unde breit
riten in daz lant
[dannen/
hiete gesant.
wie si der wol gedienten,
des vlizzens sich durch ere.
die helde die ir körnen, i 102 Von Waleis her Mörunc
der was sehzic tüsent oder mere. der hete üf der vluot
wol sehzic kocken starke
veste unde guot.
swaz die liute mohten
hin zen Hegelingen
[bringen,
getragen üf der vliiete,
die wolte er nach vroun Küdrünen 103 Man brahte ouch schif diu riehen da her von Nortlant. harte lobelichen
ir ros und ir gewant
allez was gezieret
gen dem urliuge,
ir heim und ir wäfen.
si vuorten harte ritterlich geziuge.
104 Man ahte bi den Schilden,
wie vil ir möhte sin,
die der schoenen Hilden
daz edele magedin
solten helfen bringen
üz Ormanieriche.
der wurden sibenzic tüsent. 105 Swelhe bekomen wären
oder swer ze hove gie,
diu vreudenlöse vrouwe
selten daz verlie,
si engienge in engegene
und gruozte si besunder.
den üz erwelten degenen
gap man von richer wate manic
106 Die Hilden kiele wären ob si varn solten
wol bereit dar zuo, des nsehsten tages vruo,
ez gezseme wol ze mäzen
unz si heten deheiner slahte ge-
107 Diu wäfen hiez vrou Hilde halsberge wize
[wunder,
den lobelichen gesten.
dö wolte sis niht läzen,
und helme vil guote
[köstliche,
in gap vrou Hilde ir gäbe
bresten. zuo den schiffen tragen
üz stahele geslagen. wol fünf hundert mannen
über allez daz si hieten
[dannen,
hiez si die recken mit in vüeren
Kudrun: Text
512
1108 Ir ankerseil diu wären
von vesten siden guot,
ir segele harte riche,
da mite si über vluot
von Hegelingelande
ze Ormanie solten,
die der vrouwen Hilden 1109 Ir anker die waren
Küdrünen gerne wider bringen
von isen niht geslagen,
von glockenspise gozzen,
so wir hoeren sagen.
von spanischem messe
wären si gebunden,
daz den guoten helden 1110 Hilde diu schcene
[wolten.
die magneten niht geschaden vil manegen bouc bot
Waten und den sinen.
dä von muosen tot
geligen vil der helde,
do er mit den Hegelingen
üz Hartmuotes bürge 1111 Hilde vliziclichen
[künden.
die schoenen vrouwen solte wider do begunde biten
die von Tenelande:
[bringen,
‘swaz ir her hät gestriten
in herten volcstürmen, volget minem venre,
des lone ich iu näch eren. der kan iuch daz beste wol ge-
1112 Si vrägten, wer der waere.
daz tete si in bekant.
si sprach: ‘daz ist Horant
dä her von Tenelant:
sin muoter diu was swester weit irs im getrouwen,
Hetelen des riehen,
[wichen,
so sult irm in dem sturme niht ent-
1113 Ir sult ouch niht vergezzen
des lieben sunes min:
der heit ist vil vermezzen, küme in zweinzic jären
[leren/
er ist der tage sin gewahsen zeinem manne.
beginnet sin iemen vären,
so helfet ir im, guote recken.
1114 Daz si daz gerne tasten,
und wasren si dä bi,
daz sprächen si gemeine:
er koeme schaden vri
wol heim ze sinem lande, do was der heit Ortwin 1115 Ez wart zuo den schiffen
[dannen/
ob er in wolte volgen. in sinen jungen siten unerbolgen. gevüeret und getragen,
daz iu daz wunder niemen
künde vol gesagen. gen ir arbeite. [beleiten. den riehen Krist von himele bat si diu schcene Hilde wol si gerten urloubes
1116 Genuoge mit in vuoren, die biderbe weisen wolten joch weinte vil der vrouwen wanne in got von himele
den ir vater was erslagen: ir schaden niht vertragen, dä ze Hegelingen, ir liebiu kint solte wider bringen.
22. Äventiure
: 117 Si mohtenz in ir sinne
513
allez niht getragen
und wolten die Hute
niht lenger läzen klagen,
si huoben sich dannen
mit vreuden und mit schalle,
do si zen schiffen giengen,
die guoten ritter horte man
118 Do nu gescheiden wären
hie die liute dan,
do sach man vil der vrouwen si beleitens mit den ougen
[singen alle,
in den venstern stän. so si verriste künden
von der burc ze Mateläne, 119 Ir masboume erkrachten, vil segele sich erstrahten.
[gunden.
do die helde dannen varn bein kom ein rehter wint: maneger muoter kint
vuor üf den gedingen,
daz si würben ere. der kom in vil ze handen; dar nach si muosen arbeiten 'A20 Ja enweiz ich ez niht allez, wie ir dinc ergie, [sere. wan der künic des landes von Karadie der vuor mit sinem volke er brähte üz sinem lande
den recken hin engegene. wol zehen tusent sneller degene. da e was der strit,
1121 Üf dem Wülpensande, von iegelichem lande
da heten si sich sit
vermezzen alle geliche
ze einer samenunge.
ir klöster daz was riche;
dar gap der alte und der junge.
-122 Die abe den schiffen wären
gegangen von der habe,
der schiet nu vil maneger
von sines vater grabe
mit solhem ungemüete,
daz ez wart jenen swsere,
an den si daz erkanden,
der in schädelich in strite wsere.
Ü23 Der künic von den Moeren
wart enphangen wol.
vier und zweinzic kocken dar zuo vil der spise,
brähte er Hutes vol,
daz in in zweinzic jären
niht gebresten solte.
si wolten der von Ormanie vären.
60 Do sprach der heit von Sewen: ‘daz ist diu angest wirt man unser innen, enphüere also verre
daz man diu meidin [min, (1257) - des si wir bi in tougen -,
man lät uns deheine
[ougen.’
nimmer mer gesehen mit unsern
i61 Do sprach aber Ortwin: ‘wie lieze wir danne hie daz edele ingesinde? daz hat gebiten ie in disem vremeden riche,
deis si mac verdriezen.
miner swester Küdrün
suln alle ir meide wol geniezen.’
>62 Si giengen zuo dem schiffe. si sprach: ‘owe mir armen! der ich mich ie getroste,
(1258)
do klaget diu schoene meit. nu ist endelos min leit.
sol ich den nu versmähen,
Kudrun: Text
530
daz mich ir helfe loste?
mir ist min gelücke vil unnähen.’
1263 Den ellenthaften degenen Küdrün diu arme
was von dem stade gäch.
ruofte Herwigen nach:
‘e was ich diu beste,
nu hat man mich zer bcesten.
wem wil du mich läzen
oder wes sol ich mich armer weise
1264 ‘Du bist niht diu bceste, vil edele küniginne,
du muost diu beste sin. [trcesten?’ verhil die reise min.
e morgen schint diu sunne,
ich bin vor disen seiden,
daz habe üf minen triuwen, 1265 Si vuoren so si künden
mit ahzic tüsent miner beldiste dan.
da wart ein herter scheiden
[küenen helde.’
von vriunden getan,
dan noch vriunde tagten,
daz weiz ich äne lougen.
so si verriste künden,
beleiten si die boten mit den ougen.
1266 Der wesche do vergäzen
diu herlichen kint.
des hete wol gegoumet
diu übele Gerlint,
daz si stuonden müezic
da nidene üf dem sande.
daz zurnde si vil sere:
ez was ir an ir wesche leit und
1267 Do sprach diu vrouwe Hildeburc,
diu meit üz Irlant:
‘wes lät ir, küniginne,
ligen ditz gewant?
daz ir niht enwaschet
Ludwiges man diu kleider,
und wirt des Gerlint innen,
[ande.
so getete si uns mit siegen noch nie leider.’
1268 Do sprach diu Hilden tohter: daz ich Gerlinde
‘dar zuo bin ich ze her,
wasche immer mer.
dienest also swachez
sol mir nu versmähen: [umbevahen.’
mich kusten zwene künege 1269 Do sprach aber Hildeburc: daz ich iuch daz lere:
und ruochten mich mit armen ‘lät iu niht wesen leit,
wir bleichen baz diu kleit,
daz wir si iht so salwiu
tragen ze kemenäten;
anders wirt uns beiden
der rücke mit siegen wol beraten.’
1270 Do sprach daz Hagenen künne: trost unde wünne.
‘mir get vreude zuo,
der mich unz morgen vruo
die zit mit besemen slüege, die uns da tuont so leide,
1271 Nu wil ich disiu kleider si suln des wol geniezen’
ich troute niht ersterben, der muoz etelicher e verderben. tragen zuo der vluot. sprach diu maget guot,
25. Äventiure
daz ich mac geliehen
531
einer küniginne.
ich wirfe si uf die ünde, 272 Swaz Hildeburc geredete, die Gerlinde sabene.
daz si vriliche vliezen hinnen.’ Küdrün truoc dan
zürnen si began.
si swanc si von den handen si swebeten eine wile:
verre zuo den ünden.
ine weiz, ob sis immer mere vünden.
273 Do nähent ez der nahte, Hildeburc gie swasre
daz in des tages zeran. zuo der bürge dan;
si truoc ander kleider diu Ortwines swester
und siben sabene riche. gienc bi Hildeburge ledicliche. si körnen hin gegän
7174 Ez was nu harte späte, ze Ludewiges bürge.
da vundens vor stän
Gerlint die übelen;
diu warte ir ingesinde.
die vil edelen weschen
gruozte si mit Worten harte swinde. 7175 ‘Wer hat iu daz erloubet?’ sprach des küneges wip. ‘ez sol sere erarnen
iuwer beider lip,
daz ir get den äbent
über wert vil späte.
ez zimt niht küneges wibe, 7176 Si sprach: ‘nu saget mir balde, ir versprechet riche künege, und koset gegen äbent
[näten.’
daz si iuch sehe in ir kemewar umbe tuot ir daz? den sit ir gehaz,
wider boese knehte.
weit ir erwerben ere,
so enkumet ez iu niht ze rehte.’
/277 Do sprach diu maget here: wände ich vil armiu
‘wes lieget ir mich an?
den willen nie gewan,
daz iemen lebe so tiure,
mit dem ich sprechen wolte,
ez enwasren mine mäge,
mit den ich von rehte reden
7-78 ‘Nu swic, du übele galle. du heizest liegen mich? daz sol ich hint rechen also über dich, daz dir dm zorn erhillet so lute nimmer mere. e daz ich erwinde,
[solte.’
so gemüet ez dinen rücke sere.’
■7179 ‘Daz wil ich widerräten’ ‘daz ir mich mit besemen
sprach diu maget her, gesträfet nimmer mer.
jä bin ich verre tiurer
danne ir mit iuwern mägen:
als ungevüeger zühte
der möhte iuch lihte nu beträgen.’
K80 Do sprach diu wülpinne: daz du also gewunden
‘wä sint die sabene min, häst die hende dm
532
Kudrun: Text
so rehte müezicliche
in den dinen geren?
und leb ich deheine wile,
ich wil dich ander dienest leren.’
1281 Do sprach daz Hagenen künne: da nidene bi der vlüete.
dö ich si wolte dan
mit mir her ze hove tragen,
si waren mir ze swasre.
beschouwet ir si nimmer,
daz ist mir üf min triuwe vil unmaere.’
1282 Do sprach diu tiuvelinne: e daz ich entslafe,
‘ja geniuzest du sin niht.
wie leide dir geschiht!’
do hiez sis üz ziehen,
uz dornen besemen binden:
der ungevüegen zühte
wolte diu vrouwe Gerlint niht er-
1283 Ze einem bettestalle in der kemenate
‘ich han si ligen län
binden si si hiez.
[winden,
niemen si bi ir liez.
si wolte ir hüt die schoenen
slahen von den beinen.
die vrouwen die daz westen,
die begunden krefticlichen weinen.
1284 Mit listen sprach do Küdrün: wird ich mit disem besemen gesiht mich immer ouge
‘daz wil ich iu sagen: hint hie geslagen,
gestan bi künegen riehen,
daz ich trage kröne,
iu wirt sin gelönet sicherlichen.
1285 Daz ir mich der zühte
müget vil gerne erlän,
so wil ich e minnen
den ich versprochen hän.
ich wil daz künicriche
ze Ormanie bouwen.
wird ich gewaltic immer,
[trouwen.’
so tuon ich des niemen mac ge-
1286 Do sprach diu vrouwe Gerlint:
‘so lieze ich minen zorn.
und ob du tüsent sabene
hietest mir verlorn,
die wolte ich verkiesen.
ez koeme ouch dir ze guote,
ob du von Ormanie
minnen wilt den vürsten Hartmuote.’
N 1287 Do sprach diu maget schcene: dise manege quäle
‘ja wil ich mich erholn:
mac ich niht verdoln.
heizet mir gewinnen
den künic üz Ormanin.
swie er mir gebiutet,
so wil ich immer mere sin.’
1288 Die do die rede hörten,
die liefen balde dan.
dem snellen Hartmuote
wart ez kunt getan,
bi im sazen mere
der sines vater manne.
dö sagete im einer msere,
[dannen,
daz er ze Küdrünen gienge
25. Äventiure
' 5289 Der sagete im offenlichen:
‘gebet mir daz botenbrot:
der schoenen Hilden tohter daz ir körnen ruochet
ir dienest iu enböt,
zuo ir kemenaten.
si wil iuch nimmer vremeden; |?290 Do sprach der ritter edele: wasren war diu mame, guoter bürge drie
533
si hat sich bezzer dinge sit ‘du liugest äne not. [beraten.’
ich gsbe dir botenbrot und dar zuo huobe riche
und sehzic bouge goldes. i>291 Do sprach ein sin geselle: die gäbe wil ich teilen.
‘ich hän ez ouch vernomen;
ir sult ze hove körnen,
ez sprach diu maget edele, ob ir des geruochet,
daz si iuch gerne minne,
si werde hie ze lande küniginne.’
5292 Hartmuot der sagete
dö dem boten danc.
wie rehte vrcelichen
er von dem sedele spranc!
er wände daz in minne in vrcelichem sinne
[liehe.’
ja wolte ich immer leben wünnic-
hiete got beraten, gienc er zuo der meide kemenäten.
1293 Do stuont in nazzem hemede mit weinenden ougen
daz herliche kint.
gruozte si in sint.
si gienc im hin engegene
und stuont im also nähen,
daz er mit sinen armen
wolte Küdrünen umbevähen.
294 Si sprach:‘neinä Hartmuot, jä wizent iuz die Hute,
des entuot noch niht:
swer so daz ersiht.
ich bin ein armiu wesche: ir sit ein künic riche:
ez mac iu wol versmähen.
wie gezseme ich iu mit armen ze umbevähen?
1295 Ich erloube ez iu danne
vil wol, Hartmuot,
swanne ich stän under kröne so heize ich küniginne,
so zimt ez wol uns beiden,
15296
vor iuwern recken guot.
so sol ich iu niht versmähen. so sult ir mich mit armen um-
In sinen grözen zühten
er stuont üf höher dan. [bevähen.’
er sprach ze Küdrünen:
‘maget vil wolgetän,
nu du mich ruochest minnen, mir und minen vriunden
mäht du, swaz du selbe wilt, ge-
X97 Do sprach diu junevrouwe: sol ich vil gotes armiu so ist min gebot daz erste,
ich wil dich höhe mieten, ‘mir wart sanfter nie. [bieten.’
nu gebieten hie, näch grözer arbeite,
534
Kudrun: Text
e daz ich hint släfe,
daz man mir ein schcenez bat bereite.
1298 Min gebot daz ander
daz sol ditze sin,
daz man mir balde bringe swie man si vinde
miniu magedin,
under Gerlinde wiben.
in ir phieselgademe
ensol ir deheiniu niht beliben.’
1299 ‘Daz schaffe ich willicliche’
sprach her Hartmuot.
do suochte man üz dem gademe die mit strübendem häre hin ze hove giengen:
diu übele Gerlint was unbescheiden.
1300 Do komen dri und sehzic Küdrün diu edele
da Hartmuot si sach.
gezogenliche sprach:
‘nu schouwet, künic riche,
weit ir daz han vür ere?
wie sint erzogen die meide?’ 1301 ‘Tuot mirz ze liebe, Hartmuot’ ‘alle mine meide, ir sult si sehen selbe,
daz si stän in wünniclicher wste.’ der ritter üz erkorn:
‘liebiu min vrou Küdrün,
ist iht der kleider vlorn,
diu mit in her brühten
iuwer ingesinden,
so gibet man in diu besten, 1303 Ich sol si sehen gerne bades vliziclichen
[vinde.
gähen man began. wart maneger kamerasre.
si llten ir alle dienen,
durch daz si in dar nach genasdic
1304 Do wart gebadet schone mit ir juncvrouwen.
diu herliche meit
[wasre.
diu aller besten kleit,
diu iemen haben künde, diu swacheste drunder 1305 Do si gebadet wären,
brühte man in allen. diu möhte einem künege wol gedo brühte man in win,
[vallen.
niht bezzer mohte sin. brühte man den vrouwen.
wie es im gedanket wurde, ir tohter Ortrünen
diu man in der weite indert
bi iu gekleidet stän.’
Hartmuotes künnes
1306 In einen sal gesäzen
in nimmer mere.’ sprach daz edele kint,
volget miner raste.
1302 Des antwurte Hartmuot,
daz in Ormanie
do sprach er: ‘ez geschiht
die hie verderbet sint,
daz man si bade hinte.
mete den vil guoten
manege maget guot,
und in swachen kleiden
wie solte des her Hartmuot
diu minniclichen kint. hiez vrou Gerlint
[getrouwen?
25. Äventiure
daz si sich dar zuo kleite
535
mit ir juncvrouwen,
ob si die Hilden tohter wolte mit ir ingesinde schouwen. '.307 Ortrun diu edele kleite sich zehant. si gienc vil vroelichen
da si Küdrünen vant.
do gienc ir hin engegene
des alten Waten künne.
do si ensamet wären,
do gesach man vreude unde wünne.
308 Si kusten beide einander
under rotem golde guot.
dar zuo schein ir varwe. liep was Ortrünen,
gezweiet was ir muot:
der küniginne riche,
daz si die edele weschen
sach gekleidet also wünnicliche.
309 Do vreute sich diu arme,
als wir hän verjehen,
daz si ir edelez künne
so schiere solte sehen.
spilnde bi einander
säzen do die heren.
swar si dicke ssehen,
ez möhte ein trüric herze vreude
1310 ‘Wol mich’ sprach vrou Ortrun, daz du bi Hartmuote
‘daz ich gelebet hän,
wilt hie bestän.
des dinen guoten willen die ich tragen solte,
gibe ich dir ze löne, miner muoter Gerlinde kröne.’
1311 ‘Nu lone dir got, Ortrun’ ‘swie du mir gebiutest,
sprach daz meidin. so wil ich gerne sin:
du häst beweinet dicke getriulicher dienste
mines herzen leide, wil ich mich nimmer tac von dir
1312 In kintlichen listen
sprach diu maget guot:
‘ir sult boten senden, in Ormanieriche,
[leren.
[scheiden.’
min her Hartmuot, ob ez in wol gevalle,
näch iuwern besten vriunden, 1313 Gestänt mit vride diu erbe, so wil ich bi iu kröne
wer min ger ze vrouwen.
läze ich danne iuwer recken schou-
1314 Ez was ein list so wiser: wol hundert oder mere
swaz er der boten vant, do die Hegelinge
daz was ouch der meide gedinge.
1315 Do sprach diu vrouwe Gerlint: nu sult ir iuch scheiden.
[wen.’
wurden üz gesant.
deste minner was der vinde, suochten Hartmuoten.
[alle,
vor den helden tragen,
daz ich daz müge erkennen, mich und mine mäge
daz si her ze hove körnen daz wil ich iu sagen,
‘liebiu tohter min,
sol ez aber morgen sin,
536
Kudrun: Text
so sit bi einander
mit gezogenheite.’
dö neic si Küdrünen
unde bat got sin ir geleite.
1316 Von dannen gienc do Hartmuot. unde truhsszen.
schenken man ir schuof
da was vil kleiner ruof.
man hiez da haben schone
die stolzen meide riche.
mit trinken und mit spise
phlac man der eilenden vlizic-
1317 Do sprach von Hegelingen
ein vil schcene meit:
‘so wir dar an gedenken,
[liehen,
so wirt uns dicke leit,
sul wir bi den beliben,
die uns her brähten,
uns selben äne wünne:
des wir uns doch selten ie ge-
1318 Si begunde weinen do der kinde mere
da ir vrouwe saz.
si gedähten in ir sorgen
ir ungemaches sere;
si weinten sumeliche.
des erlachte Küdrün diu here.
1319 Si wänden, daz si solden
immer da bestän.
do was der vrouwen wille daz si belibe gerne
[dahten.’
gesehen heten daz,
nindert so getan,
bi in tage viere.
do kom ez an die zite, daz siz Gerlinden rünten schiere. 1320 Ein teil üz ir zühten lachen si began, diu in vierzehen jären
vreude nie gewan.
daz hete wol gehoeret
diu übele tiuvelinne.
diu winkte Ludewigen: 1321 Do gienc si schiere
ez was ir leit von allen ir sinnen. da si Hartmuoten vant.
si sprach: ‘sun der mine, müezen hän arbeit
über allez ditze lant
die liute dar inne.
ich enweiz, wes hat gelachet 1322 Swiez sich habe gevüeget ir sint von ir vriunden
heimliche boten körnen.
da von solt du dich hüeten, daz du von ir vriunden 1323 Er sprach: ‘lat ez beliben. swaz si bi ir wiben
Küdrün diu here küniginne. oder swie siz habe vernomen, edel ritter here, iht vliesest beidiu lip und ouch ich gan ir harte wol, [die ere.’
vreude haben sol.
mir sint ir nashste mäge
gesezzen also verre:
wa koeme ich in ir läge?
jä warn mir von in immer iht
1324 Küdrün ir gesinde ob ir gebettet wtere:
vrägen do began, si wolde släfen gän.
[ge wer re.*'
25. Äventiure
si was die naht al eine
537
gescheiden von ir swasre.
do giengen mit der meide
des künic Hartmuotes kame-
51325 Diu kint von Ormanie diu truogen ir diu lieht. si heten ir gedienet da vor vil selten ieht. man vant da gerihtet wol drizic oder mere vil süberlicher bette,
[rxre.
da solten ligen der ritter tohter
1326 Dar uf lägen golter
da her von Arabe vil maneger hande varwe, und grüene als der kle
von listen harte tiure
[here.
diu deckelachen riche.
rot von dem viure schein golt üz den siden süberliche 51327 An den liehten phellen. von maneger vische hüt bezöge wären drunder.
Hartmuot wände er trüt
der minnicllchen wsere
dä her von Hegelingen:
er weste niht der rmere
waz im ir künne leides möhte
51328 Do sprach diu maget edele:
‘ja sult ir släfen gän, [bringen. wir wellen ruowe hän,
ir Hartmuotes helde. ich und mine vrouwen,
doch dise naht al eine,
sit wir her bekomen,
so gewunne wir mer deheine.5
51329 Swaz dä was der vremeden,
die sach man dannen gän,
die wisen mit den tumben. die ilten zir gemache
die Hartmuotes man
üz der vrouwen kemenäten.
von mete und ouch von wine
die armen wären vliziclich
1330 Do sprach diu Hilden tohter:
beräten. ‘besliezet mir die tür.’
starker rigele viere
schoz man dar vür.
ouch was daz gadem so veste, deiz üz der kemenäte >1331 Do säzens allererste
und trunken guoten win.
do sprach diu allerherste: alle mine vrouwen,
swes man dä begunde,
bescheidenlichen niemen hoeren
näch starkem iuwerm leide,
ich läze iuch morgen schouwen 1332 Ich hän geküsset hiute
an iuwer vil lieben ougen-
Herwige minen man
und Ortwin minen bruoder. swelhiu wil werden riche diu si des genoete,
[künde,
‘vro müget ir wol sin,
[weide,
dä sult ir gedenken an: von mir an allez sorgen,
daz si näch der naht verkünde uns den morgen.
538
Kudrun: Text
1333 Ir miete wirt niht ringe,
uns nahent vreuden zit.
ja gibe ich ir ze miete
guote bürge wit,
dar zuo vil der huoben.
die mac ich wol gewinnen,
gelebe ich an die stunde,
daz man mich nennet eine küni-
1334 Do legten si sich släfen.
vro was in der muot:
si westen daz in koeme
[ginne.*
manic ritter guot,
die in gehelfen möhten
von ir grozen sorgen.
dar zuo stuont ir gedinge,
daz sis sadien an dem nsehsten morgen.
26. Äventiure Wie Herwic und Ortwin wider zuo dem here komen 1335 Nu hceren wir ein maere, Ortwin und Herwic
des habe wir niht vernomen.
wären nu balde komen
da si ir recken vunden
noch üf dem wilden sande.
do liefen in engegene
die helde üz Hegelingelande.
1336 Die boten si wol enphiengen
und baten in daz sagen,
waz si maere brachten;
si soltens niht verdagen.
Ortwin den küenen,
den man dar umbe sande,
si vrägten: ‘lebet noch Küdrün 1337 Do sprach der ritter edele: allen besunder;
[lande?*
in des künic Ludewiges
‘ich mac iu niht gesagen
ja muoz ich iuch verdagen,
unz unser beste vriunde
bi mir gestänt vil nähen:
so läze wir iuch hoeren,
swaz wir vor Hartmuotes bürge sähen.’ der kom ein michel kraft,
1338 Do sagete manz den helden: do wurdens umbestanden
mit grozer ritterschaft.
do sprach der degen Ortwin: möhte ez sich gevüegen,
der ich mit minen vriunden gerne
1339 Nu hoeret michel wunder, Küdrün mine swester und Hildeburge, do er in daz sagete,
‘nu bringe ich iu maere,
daz hie ist geschehen, [enbaere.
die hän ich gesehen
die maget üz Irriche.’ do heten ez vür lüge sumeliche.
1340 Do sprächen sumeliche: wan wir näch ir gesinnet
‘den spot müget ir wol län, nu lange zite hän,
26. Äventiure
539
wie wir si wider braehten
von Ludewiges lande,
Ortwin und sine degene
die sint noch üf dem schaden und der schände.’
1341 ‘Nu vräget Herwigen, und also, daz uns künde
der hät si ouch gesehen leider niht geschehen,
nu gedenket, alle ir mäge,
ob uns daz si ein schände:
wir vunden Hildeburgen
und vroun Küdrün waschen üf
die man dä sach. 1342 Do weinten alle mäge, zornecliche sprach: Wate der vil alte ‘ir gebäret alle
[dem sande.’
wiben vil geliche,
ir enwizzet war umbe. >1343 Welt ir Küdrünen
jä stät ez helden niht lobeliche. helfen uz der not,
so sult ir näch der wize
diu kleider machen rot,
diu dä hänt gewaschen
ir vil wize hende.
dä mite sult ir ir dienen:
so mac si komen üz ir eilende.’
(1344 Do sprach von Tenen Fruote: daz wir ze ir lande kcemen, und Hartmuotes helde
‘wie viengen wir daz an, e Ludewiges man
ervunden disiu ma^re,
daz daz Hilden ingesinde
bi in in Ormaniertche wsere?’
‘daz kan ich räten wol. 11345 Do sprach Wate der aide: ich getrouwe in vor der halde gedienen als ich sol, gelebe ich die zite,
daz ich in kume so nähen,
ir helde, ir sultz hie rümen (1346 Der luft ist so heiter, der mäne schinet hinte: nu gähet von dem sande, e ez morgen tage,
unde sult gen Ormanie gähen.
so riche und so breit des bin ich gemeit. ir tiurlichen helde,
daz wir sin ze Ludewiges selde.’
11347 Si wurden harte unmüezic
durch den Waten rät,
e si zen schiffen brsehten
ir ros und ir wät.
si ilten, swaz si mohten,
des nahtes zuo dem lande,
e daz ez tagen begunde, >1348 Wate der bat swigen daz si sich sanfte legten den wazzermüeden helden
si wären vor der bürge üf dem daz her über al,
[sande.
den griez hin ze tal. den wart daz erloubet,
daz si strahten nider die Schilde.
dar üf legten sumeliche ir houbet.
Kudrun: Text
540
1349 ‘Swer an dem morgen vrüeje
gerne welle gesigen’
sprach Wate der alte,
‘der sol sich niht trügen.
ja hän wir dirre verte
erbiten harte küme:
so wir den morgen kiesen, 1350 Und wil iuch warnen mere: swer so hoere diezen
mines hornes schal,
daz der sich sä ze stunde
rihte gen dem strite,
künde ich iu den morgen,
daz iuwer deheiner da iht lenger
1351 So ich anderstunt gebläse, iu ensi gesatelet.
[dann süme.
daz iuch guote recken ihres iht üf und ouch ze tal
des sult ir niht län,
[bite,
zen rossen sult ir gän
und stat da bereite,
unz ich den tac erkiese,
ze rehter sturmes zlte
daz niemen da sin arbeit Verliese.
1352 So ich dri stunt gebläse,
ir lieben vriunde min,
so sult ir wol gewäfent
üf den rossen sin.
dannoch sult ir degene
mm gerne biten,
(1353)
[zeichen riten.’
unz ir mich sehet gewäfent näch der schcenen Hilden 1353 Si jähen, siz gerne treten swaz er geriet. (1352) waz er da schoener vrouwen mit verchtiefen wunden
von ir vriunden schiet in dem herten strite!
si warten al gemeine niwan gen des nächsten tages ziten. 1354 Do legten sich die müeden üf den wert ze tal. si waren da vil nahen
vor Ludewiges sal:
swie ez bi der naht wazre,
den sähen si doch alle,
die stolzen helde mjere 1355 Nu was der morgensterne
lägen dä mit wenigem schalle. hohe üf gegän.
do kom ein maget schoene
in ein venster stän.
si spehete, wanne ez wsere, dä mite si groze miete
daz ez tagen solte, an vroun Küdrünen dienen wolte.
1356 Do kos diu maget edele
ein teil des morgens schm, und gen des wazzers brehene, als ez solte sin. sach si liuhten helme und vil der liebten Schilde. diu burc was besezzen; von gewsefen lühte al daz gevilde.
1357 Do gienc si hin widere ‘wachet, maget edele! und disiu burc veste unser vriunt dä heime
dä si ir vrouwen vant. allez ditze lant mit vinden ist besezzen. hänt unser armen niht vergezzen.’
26. Äventiure
358 Küdrün diu here
541
üz dem bette spranc.
gach was ir in daz venster. dirre boteschefte:
si saget der meide danc
da von wart si riche.
von ir grozen swxre
si goumte nach ir vriunden
359 Do sach si riche segele
wagen üf dem se.
do sprach diu maget edele: owe ich gotes armiu,
[vlizicliche.
‘nu ist mir erste we.
daz ich ie den lip gewan!
man siht hie hiute sterben i.360 Do si daz geredete,
manegen wastlichen man.’
daz Hut noch meistec slief.
Ludewiges wahtaere
krefticlichen rief:
‘wol üf, ir stolzen recken!
wäfen, herre, wafen!
ir küene von Ormame,
ja warne ich ir ze lange habet ge-
361 Ditze erhörte Gerlint,
daz Ludewiges wip.
do liez si ligen släfen
[släfen.’
des alten küneges lip.
do gähte si harte balde
selbe in eine zinne.
da sach si vil der geste:
unmäzen leit was do der tiuve-
1.362 Si llte hin widere
da si den künic vant.
‘wachä, herre Ludewic! daz ist umbemüret
[linne.
din burc und ouch dm lant
von gesten ungehiure.
daz lachen Küdrünen
koufent dine recken hiute tiure.’
11363 ‘Swiget’ sprach do Ludewic, wir müezens alles erbiten,
‘ich wil si selbe sehen, swaz uns nu mac geschehen.’
do gienc er harte snelle
in sin palas schouwen:
er hete des tages geste,
der er übele mohte getrouwen.
51364 Do sach er vanen breite
vor siner bürge wagen,
do sprach der künic Ludewic: minem sune Hartmuote. und ligent hie durch koufen
51365 Man wahte Hartmuote. do sprach der degen guote: ich erkenne vürsten Zeichen ich warne, daz die vinde
‘ja sul wir ez sagen
ez sint lihte pilgerine vor der stat und vor der bürge do ez im wart geseit,
[mine.’
‘lät iu niht wesen leit. wol in zweinzic landen, wellen rechen an uns ir alten andern’
542
Kudrun: Text
27. Äventiure Wie Hartmuot Ludewigen nante der vürsten Zeichen 1366 Do liez er ligen släfen
alle sine man.
Ludewic und Hartmuot
die zwene giengen dan
schouwen in diu venster.
do si diu here sähen,
schiere sprach do Hartmuot: 1367 Ez sint niht pilgerine,
‘si ligent miner bürge ein teil
vil lieber vater min:
Wate und ouch die sine der heit von Sturmlanden
und der von Nortriche.
dort sihe ich wagen ein Zeichen, 1368 Ez ist ein brüner phelle e daz sich der geneige,
daz mac dem msere sich vil
dä her von Karade. [wol geliehen, dä bi wirt helden we.
dar inne swebet ein houbet, also küener geste
[ze nähen.
mügen ez vil wol sin,
daz ist von rotem golde.
ich hie ze lande gerne enberen wolde.
1369 Uns bringet der voget von Meeren daz sint vil kiiene degene, die wellen an uns erwerben
wol zweinzic tüsent
als ich gesehen kan.
[man.
mit strite michel ere.
noch sihe ich dort ein Zeichen,
dä bi der beide lit noch 1370 Der van ist Horandes dä her von Tenelant. [mere. dar bi sih ich hern Fruoten, der ist mir erkant, und hern Mörungen
von Wäleis dem lande,
der hat uns vil der vinde gevüeret wider morgen zuo dem 1371 Noch sihe ich ir einen mit liehten Sparren rot, [sande. da stant Örter inne. des koment helde in not: der ist Ortwines
dä her von Nortriche,
[vriuntliche.
dem wir den vater sluogen. der enkumt uns niht ze 1372 Dort sihe ich vanen einen, der ist wizer danne ein swan. guldiniu bilde müget ir kiesen dran: den hät min swiger Hilde
gesendet über ünde.
der haz der Hegelinge wirt e morgen äbent vil wol 1373 Noch sihe ich hie bi weiben einen vanen breit [künde, von wolkenbläwen siden. den bringet uns her Herwic
daz si iu geseit:
sebleter swebent dar inne.
er wil hie vaste rechen sinen
1374 Ouch kumt uns her Irolt,
dä her von Selanden. des mac ich wol jehen; [anden.
27. Äventiure
543
er bringet vil der Friesen,
als ich mich kan versehen,
und ouch der Holzsaczen:
daz sint ziere helde.
ez nahet zeinem sturme.
nu wäfent iuch, ir recken, in der
S 375 Nu wol üf’ sprach Hartmuot, wan ich den grimmen gesten daz si ze miner bürge
‘alle mine man! der ere niht engan,
geriten sint so nähen.
wir suln si vor der porten
die man noch ligende vant.
si ruoften, daz man brachte
ir liehtez wicgewant:
helfen wern daz riche.
wol vierzic hundert degene 3 377 Do wäfent sich Ludewic
garten sich dar inne süberund ouch Hartmuot.
die vrouwen eilende
dühte ez übel und guot:
si heten in der bürge
ganzen trost deheinen.
dö sprach einiu drunder:
[weinen.’
daz Ludewiges wip.
‘waz weit ir tuon, her Hartmuot?
zwiu weit ir den lip
und alle dise helde?
jä slahent iuch die vinde,
kumet ir zuo in üz der selde.’
3 379 Do sprach der ritter edele: ir müget niht bewisen
‘muoter, get hin dan.
mich und mine man.
rätet iuwern vrouwen, wie si gesteine
[liehe,
‘der vert lachte, den lät hiure
1378 Vil schiere kom vrou Gerlint, selbe hie Verliesen
[phähen.’
mit den swertslegen wol en-
1 376 Do Sprüngen von den betten si wolten dem künege
[selde!
die mügenz sanfte liden,
legen mit dem golde in die siden.
15.380 Nu sult ir’ sprach Hartmuot, Küdrün mit ir meiden, ir wändet, si enhiete
‘waschen heizen gän
als ir e hät getän. niht vriunt noch ingesinde:
ir müget noch hiute schouwen,
daz uns die geste gedankent swinde.’
3.381 Do sprach diu tiuvelinne:
‘dä mite diente ich dir,
daz ich si wände twingen.
nu solt du volgen mir.
din burc ist so veste: so mügen dise geste
heiz dmiu tor besliezen. ir reise harte wenic her geniezen.
3.382 Du weist vil wol, Hartmuot, den du ir mäge slüege:
daz si dir sint gehaz,
nu hüete dich deste baz.
du hast vor der bürge
gesipter vriunde deheinen;
die stolzen Hegelinge
bringent ie drizic wider einen.
544
Kudrun: Text
1383 Ir sult ouch daz bedenken, ir habet in disem hüse unde guote spise
vil lieber sun min:
brot unde win
vollen zeinem järe.
swer hie wirt gevangen,
ja läzent si den loesen harte un-
1384 Do riet aber dem recken ‘behüetet iuwer ere,
daz Ludewiges wip:
[däre.’
verlieset niht den lip.
mit armbrusten heizet
üz den venstern schiezen
die grimmen verchwunden, 1385 Antwerc diu besten
daz ez ir vriunt da heime be-
heizet seilen wol
gegen disen gesten.
[riezen.
diu burc ist recken vol.
e ich iuch mit den vinden ich und mine meide
der swerte laze brüchen,
tragen iu die steine in wizen stüchen.’
1386 Do sprach in zorne Hartmuot: waz müget ir mir geraten? e man mich beslozzen
‘vrouwe, nu get hin. zwiu solte mir min sin?
in dirre bürge vinde,
e wolde ich sterben
da uzen bi Hilden ingesinde.’
1387 Do sprach weinende
des alten küneges wip:
‘ja tuon ichz dar umbe, deste baz behüetest.
daz du dinen lip swer sich lät hiute schouwen
under dinem Zeichen,
der mac uns alles guotes wol getrou-
1388 Nu wäfent iuch’sprach Gerlint, ‘bi dem sune min. houwet uz den helmen den heizen viures schin. ir sult bi dem recken ja sult ir die geste
[wen.
hiute wesen nähen: mit den tiefen wunden wol enphähen.’
1389 ‘Min vrouwe saget iu rehte’ ‘ir vil guote knehte.
sprach do Hartmuot,
swer ez mit willen tuot
und mir ez mit den vinden
hiute hilfet tichen,
swaz der alten stirbet, den wil ich die weisen alle riehen.’ 1390 Gewäfent wart dar inne der Ludewiges man tüsent unde hundert. üz des küneges porte, noch liezen si dar inne
e daz si vüeren dan der bürge schuof er huote: wol vünf hundert snelle ritter
1391 Do sloz man uf die rigele si heten niht gebresten die dem jungen künege mit helmen uf gebunden
ze vier bürgetorn.
[guote.
gegen einigem sporn. wolten helfen striten,
[im riten.
sach man der drlzic hundert nach
27. Äventiure
i 392
Nu nähent ez dem strite.
der heit üz Sturmlant
begunde ein horn blasen,
daz manz über sant
wol von sinen kreften
horte drizic mile:
die von Hegelingen
begunden zuo dem Hilden Zeichen
393 Do blies er ander stunde. daz ieclicher recke
545
daz tete er umbe daz,
[llen.
in den satel saz
und ir schar schihten
dar si wolten keren.
man gevriesch in den striten 15*94 Er blies ze dritten stunden
nie alten recken also heren. mit einer krefte groz,
daz im der wert erwagete
und im der wäc erdoz.
Ludewiges eckesteine
möhten üz der müre risen.
do hiez er Horanden
der schcenen Hilden Zeichen dannen
395 Si vorhten Waten sere.
da wart niemen lüt:
man horte ein ros ergrinen.
daz Herwiges trüt
stuont obene in der zinne.
stateliche riten
sach man die küenen,
die mit Hartmuoten wolten striten.
; 3*96 Nu was ouch komen Hartmuot ze vlize wol gewäfent, erglasten in die helme.
durch die venstersteine
ja enwas ouch Hartmuot da niht
3'97 Der bürge in vier enden
giengen zuo die schar.
[eine,
was nach silber var,
dar zuo sach man schinen
gespenge ab liehten Schilden,
si vorhten Waten den alten
alsam einen grimmen lewen
398 Die helde von den Meeren schiezen starke schefte.
man sunder riten sach, [wilden, vil trunzen da zerbrach,
do si den strit erhuoben
mit den von Ormandine,
do sach man üz ir wäfen 399 Die von Tenemarke Irolt der vil starke
und üz ir brünnen viures blicke
zer bürge riten dan. sehs tüsent oder mere.
daz waren guote helde:
ez geschadete Ludewigen sere.
-rOO Do reit mit sinen mannen
sunder Ortwin.
er vuorte wol ahzic hundert. dem lande ze Ormanie
[erschinen.
wisen do began
der müre an ein ende
Gerlint und Ortrün
unde sine man,
üz der porten dan.
von vremeden und von künden
allez ir gewaste
[wisen.
daz muose schade sin
und ouch den liuten drinne. stuonden weinende an der zinne.
Kudrun: Text
546
1401 Do kom ouch her Herwic,
vroun Küdrünen man,
des vil manic vrouwe
grozen schaden gewan,
do er begunde striten
nach sines herzen trüte,
von den starken wäfen
[lute,
horte man helme erdiezen harte
1402 Nu was ouch Wate der alte
mit sinen recken körnen,
der heit was grimmes muotes, mit spern ungeneigten
daz heten si vernomen.
reit er unz an die schranken,
leit was ez Gerlinde: do mohte aber es Küdrün im ge1403 Do sach man Hartmuoten riten vor der schar: [danken, ob er ein keiser waere,
so künde er nimmer gar
vliziclicher werben. allez sin gewaete. 1404 Do sach in Ortwin,
ez lühte gen der sunnen im was noch hohes muotes unzerunnen. der künic von Nortlant.
er sprach: ‘und saget uns iemen, wer ist jener recke? sam er mit siner hende
an uns welle erdienen ein künic-
N 1405 Do sprach ir einer drunder: da man sol helde kiesen, ja ist ez der selbe,
dem ez si erkant,
er vert dem wol geliche, ‘daz ist Hartmuot.
[riche/
da ist er ein ritter guot.
der dinen vater sluoc.
er ist in allen striten küene und biderbe genuoc/ 1406 In zorne sprach Ortwin: ‘so ist er min geschol. er muoz mir sicherliche
hiute gelten wol,
swaz wir von im verlorn hän,
daz sul wir hie gewinnen,
des hilfet im niht Gerlint, daz er immer lebende kome 1407 Do hete Ortwinen Hartmuot erkorn. [hinnen/ swie er sin niht erkande,
doch houte er mit den sporn
sin ros, daz spranc vil wite. ir sper si neigten beide. N 1408 Ir ietweder des andern
mit Stiche niht vergaz:
Ortwines ros daz guote
si mohten niht verdoln
do sach man ouch strüchen von der künege swerten. daz si den strit erhuoben si wären beide küene:
[schinen.
üf die hähsen saz
- der künege ungemüete 1409 Diu ros üf gesprungen,
er reit üf Ortwinen.
da von man sach liehte brünne er-
des künic Hartmuotes voln. do huop sich michel klanc man mohte in sagen danc, so rehte ritterlichen.
[wichen,
si wolten an einander niht ent-
27. Äventiure
1410 Ir beider ingesinde
547
kom mit geneigten spern.
daz geschadete manegem kinde. mit hurte tiefer wunden,
einander sach mans wern
die guoten ritter, sere.
si waren alle biderbe
unde würben vaste umb ere.
1411 Tüsent wider tüsent
der Hartmuotes man
ze Waten ingesinde
dringen dö began.
der herre von den Stürmen swer im kom so nähen,
leidet ez in sere: der gedähte des dringens nimmer
1412 Do was underschüttet
diu Herwiges schar
mit zehen tüsent mannen; e daz si iemen solte
[mere.
die körnen zornic dar.
von dem lande triben,
si wären in dem muote,
daz si wolten tot dä beliben.
1413 Herwic was ein recke.
wie wackerliche er streit!
er diente vliziclichen, deste holder wsere.
daz im diu schoene meit wie im dä gelunge,
wie möhte er des getrouwen?
ez sach allez Küdrün diu
3414 Do hete sich gesamenet mit den von Tenelant Ludewic der alte. der truoc an siner hant ein vil starkez wäfen: er und sine degene
er stuont alsam ein herre. körnen vür die schranken ze verre.
1415 Mit den Holzsiezen
manegen ersluoc
Fruote der küene:
vrum was er genuoc.
von Wäleis üz dem lande vor Ludewiges bürge 1416 Irolt der iunge
[junge.
Mörunc den degen jungen sach man die erde mit den töten
was ein ritter guot:
der houwet üz den ringen bi dem Hilden Zeichen
daz heize walbluot. streit daz Waten künne. [vil dünne,
man sach diu houbet bleichen. 1417 Do samente sich her Hartmuot die winde waeten verren so die helde täten
und Ortwin alsam e.
so dicke nie den sne, von dem künege üz Nortlant
biderbe was genuoc.
Hartmuot der starke daz im sin liehtiu brünne daz sähen vil ungerne
ja täten si die dicken schar
diu swert an den handen.
dö wart aber Hartmuot 1418 Ortwin der junge
[tungen.
[bestanden.
in durch den heim sluoc, mit bluote gar heran, des küenen Ortwines man.
Kudrun: Text
548
1419 Do wart ein michel dringen;
gemischet wart der strit.
si sluogen durch die ringe
vil manege wunden wit.
do sach man mit den swerten der Tot tet dem geliche,
geneiget manegez houbet.
daz er die liute guoter vriunde
1420 Do sach von Tenen Horant do begunde er vragen,
Ortwinen wunt.
[beroubet.
wer iht ungesunt
gemachet in dem strite
sinen lieben herren.
Hartmuot der lachte:
[verren.
ja wärens von einander vil un-
1421 Ortwin sagete im selbe:
cdaz tete her Hartmuot.’
do gap daz Hilden Zeichen
von im der degen guot,
daz er wol künde bringen
nach maneger grozer ere
ze schaden sinen vinden.
des dranc er nach Hartmuoten
1422 Hartmuot bi im horte
ungevüegen schal.
er sach daz bluot richlichen
vliezen hin ze tal
vil manegen üz den wunden do sprach der degen küene:
[sere.
nider zuo den vüezen. ‘den schaden sol ich minen helden büezen.’
1423 Do kerte er sich hin umbe
da er Horanden sach. balde daz geschach,
von ir beider eilen
daz viur von den ringen
in dräte vür diu ougen.
sich bugen swertes ecke
von ir handen üf den helm-
1424 Er wundet Horanden,
als ouch e geschach
dem küenen Ortwinen, vloz uz sinen ringen
von Hartmuotes handen.
er was so rehte biderbe:
wer solte muoten do nach sinen
1425 Gescheidet wart mit strite in angestlicher zite
[landen?
diu si üf einander sere Hartmuot werte sich nach grozer ere.
1426 Ortwxnes und Horandes daz si üz der schar wichen, vrumte gebunden:
von ir beider man
vil Schilde wol getan
mit den guoten swerten, vliziclichen sluogen.
[bougen.
daz im ein roter bach
vriunde huoten sit daz man ir wunden wit
des gähten si vil sere.
do riten si hin widere. 1427 Nu läze wir si muoten wer da vrume gewinne daz ist nu underscheiden
von in wart gestriten sider mere. swes si nu gezeme: oder wer da schaden neme, vor Ludewiges veste.
27. Äventiure
sin volc daz werte sich grimme:
549
dö würben wol nach ere die geste.
128 Man künde iu von in allen der man da gedenket, man horte in vier enden
geliche niht gesagen.
der wart da vil erslagen. der swerte vil erschellen.
man mohte da zen stunden
niht gescheiden die trasgen noch die snellen. des ich gelouben wil.
129 Wate stuont niht müezic, er het ir vil gegrüezet
des libes an ein zil,
die von sinen handen
vor im zerhouwen lägen,
daz wolten rechen gerne
üz Ormanie der guoten ritter
1-30 Nu was körnen Herwic, gegen Ludewige
als uns ist geseit,
[mägen.
mit einer schar breit,
aldä er sach striten
Ludewigen den alten,
daz er und sine degene
wunder vil der guoten recken
3-31 Lute ruofte do Herwic: wer ist jener alte?
‘ist iemen daz erkant,
[valten.
der hat mit siner hant
so vil der tiefen wunden
al hie gehouwen
von sinem starken eilen,
daz ez beweinen müezen schoene
3-32 Daz erhörte Ludewic,
[vrouwen.’
der voget uz Ormanin.
‘wer ist der in der herte
hat gevräget min?
ich bin geheizen Ludewic
von Ormanieriche.
möhte ich mit den vinden
gestriten wol, daz taste ich sicherliche.’
3 33 Do sprach der künic Herwic: nu du heizest Ludewic,
‘du hast verdienet daz,
daz ich dir bin gehaz,
wan du uns vil der helde
slüege üf einem sande.
von dir erstarp ouch Hetele.
der was ein küener heit ze siner hande.
3334 Du taste uns schaden mere, den klage wir noch vil sere. so vil der herzen swasre. üf dem Wülpensande
da von ich gewan du stxle mir min vrouwen,
du lieze miner helde vil verhouwen.
335 Ich bin geheizen Herwic: die muost du geben widere, muoz dar umbe sterben,
e daz du schiedest dan:
du naeme mir min wip; oder unser eines lip dar zuo der recken mere.’
Kudrun: Text
550
do sprach der künic Ludewic: 1436 Du hast mir dine bihte
‘du dröuwest mmem lande
äne not getan.
[gar ze sere.
ir ist hie noch mere,
den ich genomen hän
ir guot und ir mäge.
des solt du mir getrouwen,
ich sol ez also schaffen,
daz du nimmer küssest dine
1437 Nach dem selben worte
liefens einander an,
die zwene riche künege.
swer ez da guot gewan,
der holte ez unsanfte,
von ir ungelinge
von ir beider Zeichen
sach man manegen guoten zuo in
1438 Herwic was biderbe
und küene genuoc:
der vater Hartmuotes
[springen,
den jungen künic sluoc,
daz er begunde strüchen
vor Ludewiges handen.
er wolte in hän gescheiden 1439 Wseren niht so nähen
von sinem libe und von sinen
die Herwiges man,
die im mit vlize hülfen, äne sin ende
[vrouwen.’
[landen,
so künde er nimmer dan
von im sin gescheiden.
also künde Ludewic
der alte den kinden bi im leiden.
1440 Die hülfen Herwige, do er sines valles
daz er dä genas, wider körnen was,
do blihte er harte schiere ob er indert saffie
ze berge gegen der zinne,
dar inne stän sins herzen triutinne.
28. Aventiure Wie Herwic Ludewigen sluoc 1441 Er gedähte in sinem muote: ob min vrouwe Küdrün gelebe wir daz immer,
daz ich si sol umbevähen,
si tuot mir itewize,
so ich bi miner vrouwen lige nähen.
1442 Daz mich der alte grise
hie nider hät geslagen,
des schäm ich mich vil sere.’ hin nach Ludewige
sin Zeichen hiez er tragen
mit den sinen mannen.
si drungen näch den vinden: 1443 Ludewic der horte
‘ach wie ist mir geschehen!
ditze hät gesehen,
si wolten in läzen niht von
hinder im den schal.
do kerte er wider umbe
gegen im ze tal.
[dannen,
28. Äventiure
do horte man uf den helmen die da bi in waren,
551
swerte vil erdiezen.
die mohte ir beider grimmes wol verdriezen.
1144 Si Sprüngen zuo einander da herte wider herte
durch strit in daz wal,
in dem sturme ergab
waz da liute erstürbe,
wer künde des wizzen aht?
des vlos den sige Ludewic, 4145 Der Küdrünen vriedel
do er mit Herwige vaht. under helme über rant
erreichte Ludewigen
mit ellenthafter hant.
er wundet in so sere,
daz er niht mohte gestriten.
da von muose Ludewic
des grimmen todes da vor im
H46 Er sluoc im ander stunde
einen vesten swanc,
daz des küneges houbet
[erbiten.
von der ahsel spranc.
er hete im wol vergolten,
daz er was gevallen.
der künic was erstorben:
des muosen schoeniu ougen über-
1147 Die Ludewiges helde wider zuo der selde,
daz Zeichen wolten tragen
[wallen,
als er wart erslagen.
do waren si der porten
komen gar ze verre.
do nam man in daz Zeichen. 1148 Do sach der bürge huote, do horte man weinen
wie er verlos den lip.
[herren.
man unde wip:
si westen wol erstorben
den alten künic riehen, stuonden da ze hove angestlichen.
Küdrün und ir gesinde 149 Do weste niht der maere daz er erslagen wxre
ir muose vil beliben bi ir
der degen Hartmuot, mit manegem ritter guot,
sin vater und manic tumbe do horte er in der bürge 5150 Do sprach ze smen mannen
die ir mäge waren, [gebären, lute schrien und angestliche Hartmuot der degen:
ir ist hie vil gelegen, ‘nu wendet mit mir dannen. in dem herten strite. die uns slahen wolten nu keret zuo der bürge, >51 Des wolten si im volgen: si hetenz überhouwen da si gewesen wären daz bluot vloz witen >52 ‘Ir habet mir so gedienet,
unze daz wir bezzer wile ersi kerten dä er reit.
[bitend
mit grozer arbeit bi grimmen vianden.
[handen.
von Hartmuotes und siner recken ir mäge und mine man,
552
Kudrun: Text
daz ich iu mmer erbe
mit mir ze habene gan.
nu sul wir riten ruowen
zuo der veste min.
man tuot uns üf die porten
und schenket uns mete unde
1453 Si heten vil der degene
hinder in verlän.
wter daz lant ir eigen,
[win.’
si enkunden han getan
niht bezzers in dem strite. Wate sümte si starke
si wolten zuo der selde:
mit tüsent siner.helde.
1454 Er was unz an die porte
mit grozer kraft gegän,
da Hartmuot hin wolte
mit den sinen man.
si kundenz niht verenden; si sahen ab der müre
in zouwet es harte kleine:
werfen mit manegem lassteine.
1455 Üf Waten und sine helde
so grimme man da schoz,
sam von dem lüfte nidere
gienge ein schür groz.
wer lebete oder stürbe,
daz ahte Waten ringe:
wie er den sige erwürbe, 1456 Do sach in her Hartmuot
dar nach stuont aller sin gedinge. vor dem bürgetor.
er sprach: ‘daz wir verdienet daz wil sich wserliche
haben hie bevor,
hiute an uns erzeigen.
die gesunden haben sorge: 1457 Daz ich der starken vmde
ja lit hie vaste vil der veigen. ie so vil gewan,
daz müet mich nu vil sere.
Waten und sine man
den sihe ich an dem bürgetor sol er sin portensere,
dort mit swerten houwen.
so mac ich im deheines guotes niht getrouwen. die müre und ouch diu tor
1458 Ir recken, schouwet selbe: sint vaste umbezimbert;
da ist vil der helde vor.
in allen vier enden
bouwent si die sträze.
Küdrünen vriunde
werbent nach dem sige äne mäze.
1459 Daz müget ir selbe kiesen.
als ich kan gesehen,
wir müezen vriunde vliesen. vor der üzern porten
swie daz si geschehen,
sih ich von Morrichen [vliziclichen.
wagen des landes Zeichen. daz werent mine helde 1460 Da bi in der nashsten sih ich den vinden min den wint diu Örter rüeren:
da ist her Ortwin,
vroun Küdrünen bruoder;
der wil hie dienen vrouwen.
e im der muot erkuolet,
so wirt mere helme hie verhouwen.
28. Äventiure
553
461 So sihe ich bi der dritten Herwigen stän: dem hänt dar gevolget wol siben tüsent man. er dienet ritterliche nach sines herzen wünne. daz siht hiute gerne vrou Küdrün und ouch der meide 462 Nu hat sich versümet mines herzen sin. [künne. nu enweiz ich wä ich wende mit minen recken hin, sit daz Wate der alte zer vierden porten strltet. min gesinde drinne daz warn et siner vriunde lange bitet. 463 Ich mac niht gevliegen: veder hän ich niht. ich enmac ouch under die erde, swaz anders mir geschiht. wir mügen ouch vor den vinden niht zuo den ünden. den besten minen willen wil ich iu bescheidenlichen kün464 Sin mac niht anders werden, ir edele ritter guot: [den. erbeizet zuo der erden und houwet heizez bluot uz den liehten ringen: des lat iuch niht verdriezen.’ si stuonden von den satelen, diu ros si hinder sich ze rücke stiezen. 465 ‘Nu zuo, ir mxren helde!’ sprach do Hartmuot. ‘get näher zuo der selde. ez si übel oder guot, ich muoz ze Waten dem alten, swie mir da gelinge, ich wil doch versuochen, ob ich in hoher von der porten 466 Mit üf geworfen swerten begunden si do gän, [bringe.5 Hartmuot der küene und ouch sine man. [ein ere. do bestuont er Waten den grimmen: daz was dem helde do horte man swert erklingen; do starp guoter ritter 467 Do Wate Hartmuoten zuo im dringen sach [deste mere. - den vanen truoc her Fruote -, der heit mit zorne sprach: ‘ja hoere ich zuo uns vaste vil guoter swerte erklingen, vil lieber neve Fruote, lät iuch niemen von der porten 468 Wate vil zorniclichen lief Hartmuoten an. [dringen.5 do wolte im niht entwichen der wxtliche man. der melm gen der sunnen truobte harte sere: ir kraft was unzerunnen. Hartmuot und Wate würben vaste umb ere. sehs und zweinzic manne kraft 469 Waz half daz man sagete, hiete Wate der alte? doch gap im ritterschaft
554
Kudrun: Text
Hartmuot der junge,
der herre von Ormanine.
swie die geste tasten,
er versuochte ez vaste mit den sinen.
N 1470 Er was ouch ein recke
und tete in strite wol.
der berc von den toten
lac allenthalben vol.
ez was ein michel wunder,
daz da Hartmuot
von Waten niht muose sterben: 1471 Er horte lute ersehnen
vil grimme was der recke
daz Ludewiges wip:
sin muoter Gerlint klagete si bot vil groze miete,
[gemuot.
des alten küneges lip.
daz manz iht vertrüege:
daz man Küdrünen mit allem ir ingesinde slüege. 1472 Do lief ein ungetriuwer - dem was liep daz guot daz er beswarte sere
der schoenen vrouwen muot,
da bi einander säzen
diu kint von Hegelingen.
durch die vil hohen miete N 1473 Als diu Hilden tohter
wolte er si alle von dem lebene sach bloz ein wäfen tragen
gegen ir zornicliche,
si mohte balde klagen,
daz si so verre wasre
von ir vriunden körnen,
und sashe ez niht her Hartmuot, 1474 Si vergaz ein teil ir zühte. als si ersterben solte!
ir wasre ir houbet da
wie lute si schre,
obene in den venstern.
der recke Hartmuot:
in wundert waz ir wasre. einen ungezogenen
die da bi ir wären
jä sach man si vil übele gebären.
N 1475 Si erkande bi ir stimme
do sach der heit guot
mit dem swerte stän,
als er si slahen wolte. 1476 ‘Wer sit ir, zage boese? daz ir die junevrouwen und slüeget ir ir eine,
der heit rüefen do began: waz twinget iuch des not, wellet slahen tot? iuwer leben wser zergangen.
müese Sicherheiten drumbe hangen.’
1477 Jener spranc üf hoher:
er vorhte sinen zorn.
do hete der künic selbe
näch den lip verlorn,
daz er die gotes arme
durch sine triuwe tröste,
do er selbe stuont in sorge,
1478 Schiere kom Ortrün diu junge küniginne,
[benomen.
diu angest tete ir we.
sam täten die andern vrouwen,
allez iuwer künne
[bringen,
daz er si von dem grimmen
von Ormanielant, mit windender hant
[töde erlöste,
28. Äventiure ze vroun Küdrünen.
diu junge maget here
viel ir vür die viieze;
si klagete ir vater Ludewigen sere.
479 Si sprach: ‘lä dich erbarmen, so vil miner mäge,
edelez vürsten kint,
die hie erstorben sint,
und gedenke wie dir wsere, edele küniginne,
555
do man sluoc den vater dinen.
nu hän ich hiute vlorn hie den minen.
480 Nu sich, maget edele,
ditz ist ein grdziu not:
min vater und mine mäge
sint aller meiste tot.
nu stät der recke Hartmuot vor Waten in grözer vreise. verliuse ich den bruoder, so muoz ich immer mere sin ein 481 Und läz mich des geniezen’ sprach daz edele kint, [weise. ‘so dich niemen klagete aller die hie sint, du hetest vriunde niht mere swaz dir iemen tste,
danne mich vil eine,
so muose ich zallen ziten umb dich weinen.
1482 Do sprach diu Hilden tohter:
‘des hast du vil getan,
ich enweiz niht wie ich müge
den strit understän,
ich enwxre danne ein recke,
daz ich wäfen trüege:
so schiede ich ez gerne, 1483 Si weinte angestliche.
daz dir dinen bruoder niemen wie tiure si si bat,
unze daz vrou Kudrün
in daz venster trat,
si winkte mit der hende ob von ir vater lande
[slüege.’
und vrägte si der msere, iemen guoter dar komen wasre.
1484 Des antwurte Herwic,
ein edel ritter guot:
‘wer sit ir, juncvrouwe,
diu uns vrägen tuot?
hie ist von Hegelingen
nähen bi iu niemen.
wir sin her von Sewen.
nu saget uns, maget, waz sul wir
485 Do sprach daz küneges künne: möhtet irz gescheiden
[iu dienen?’
‘ich wolte iuch gerne biten,
- hie ist doch vil gestriten -,
daz wolte ich immer dienen, daz er mir Hartmuoten i486 Do sprach gezogenliche ‘nu saget mir, maget edele, si sprach: ‘ich heize Kudrun swie riche ich vor ie wsere,
swer mich des getroste,
üz strlte von dem alten Waten der heit von Selant:
[erlöste.’
wie sit ir genant?’ und bin daz Hagenen künne. so sihe ich hie vil wenec deheine wünne.’
556
Kudrun: Text
1487 Er sprach: ‘sit ir ez Küdrün, so sol ich iu gerne
diu liebe vrouwe min,
immer diende sin:
so bin ich ez Herwic
und kos iuch mir ze tröste,
und läze iuch daz wol schouwen,
daz ich iuch von allen sorgen gerne löste/
1488 Si sprach: ‘weit ir mir dienen, so sult ir uns vervähen
ritter üz erkorn,
daz vür deheinen zorn:
mich bitent vlizicliche
hie die schoenen meide, [scheide/
daz man Hartmuoten
uz strite von dem alten Waten
1489 ‘Daz sol ich gerne leisten, lute ruofte dö Herwic
vil liebiu vrouwe min.’ zuo den recken sin:
‘nu bringet miniu Zeichen
Waten venden engegene.’
dö sach man sere dringen
Herwige und alle sine degene. wart von im getan.
1490 Ein herter vrouwen dienest Herwic ruofte dö lute
den alten Waten an.
er sprach: ‘Wate, lieber vriunt, disen strit vil swinden: 1491 Wate sprach mit zorne:
‘her Herwic, nu get hin! [meide/
solte ich nu vrouwen volgen, solte ich sparn die vinde, des volge ich iu nimmer: 1492 Durch Kudrünen liebe Herwic der küene.
gunnet daz man scheide
des bitent iuch die minnicliche war txte ich minen sin? daz txte ich üf mich selben, Hartmuot muoz siner vrevele zuo in beiden spranc
[engelden/
der swerte vil erklanc.
Wate was erzürnet:
er künde daz wol leiden,
daz in strite niemen 1493 Dö sluoc er Herwigen der da wolte scheiden, dö Sprüngen sine recken
in von sinen vinden torste scheiden. einen tiuren slac, daz er vor im lac. und hülfen im von dannen:
genomen wart dö Hartmuot
vor Herwige und vor allen sinen mannen.
29. Äventiure Wie Hartmuot gevangen wart 1494 Wate tobete sere.
dö gienc er vür den sal
gegen der porten höher.
manegen enden schal
29. Äventiure horte man von weinen
und von swerte klingen.
Hartmuot was gevangen:
do muose ouch sinen helden misse-
495 Do vienc man bi dem künege
ahzic ritter guot.
die andern sluoc man alle. üf ir schif gevüeret
do wart Hartmuot
ez hete noch niht ende:
si muosen liden arbeit dannoch von der bürge dan
mit würfen und mit schüzzen, die rigele üz der müre:
sit wurden üf gehouwen
daz beweinten do die schoenen vrouwen. daz Hilden Zeichen truoc.
1497 Horant von Tenemarke im volgten vil der recken
- der hete er da genuoc -
vür einen palas witen den die Hegelinge
[mere.
Wate doch gewan
die burc mit grimmen stürmen.
üf den turn allerbesten, indert in der bürge da westen.
498 Diu burc was gewunnen,
als ich iu han geseit;
die si da inne vunden,
den was grimme leit.
do sach man nach gewinne
dringen vil der recken, [secken?’
do sprach Wate der grimme: (499 Do wart üf gehouwen
vil ungevüegen kradem.
ouch wären die geste
niht in einem muote:
genuoge sluogen wunden, >500 Si vuorten üz der bürge, daz ez zwene kiele
‘wa sint nu die knehte mit den
vil manegez richez gadem.
do horte man dar inne
[dem guote.
die andern würben vaste nach so wir hoeren sagen,
künden niht getragen,
von phelle und ouch von siden, der üf tiefer vlüete
von silber und von golde,
siniu schef da mite laden wolde.
601 In der bürge niemen
deheiner vreude gezam.
daz volc von dem lande do sluoc man dar inne
grozen schaden nam. man unde wip.
der kindel in den wiegen
verlos da manegez sinen lip.
ruofte Waten an:
‘ja hänt iu den tiuvel
diu jungen kint getan;
si hänt an unsern mägen durch die gotes ere
[lingen.
und beslozzen sere.
r496 Swie dicke man si schiede
602 Irolt der starke
557
deheiner slahte schulde.
so lät die armen weisen haben hulde!’
603 Do sprach Wate der alte:
‘du häst kindes muot.
558
Kudrun: Text
die in der wiegen weinent, daz ich si leben lieze?
diuhte dich daz guot, solten die erwahsen,
so wolte ich in niht mere
getrouwen danne einem wilden
1504 Bluot in manegem ende
uz den gademen vloz. [Sahsen.’
ir vriunde die daz sahen,
wie sere si des verdroz!
do kom vil sorcliche
Ortrün diu here
da si sach Küdrünen.
ja vorhte si des schaden dannoch
1505 Do neigte si ir houbet
vür die schoenen meit.
sie sprach: ‘vrou Küdrün, rninen starken jämer
läz dir wesen leit
und lä mich niht verderben.
ezn stä an dinen tugenden,
ich muoz von dinen vriunden hie ersterben.’ ob ich mit rehte kan,
1506 ‘Ich wil dich nern gerne, wan ich dir aller eren
und alles guotes gan.
ich wil dir vride gewinnen:
mit dinen meiden unde wiben.’ sprach Ortrün daz kint.
mit dri und drizic meiden
ernerte si si sint.
zwene und sehzic degene
stuonden bi den vrouwen:
wxren die niht entwichen,
si wxren von den gesten gar
1508 Do wart ir Wate der alte
in der zit gewar.
mit grisgramenden zenden mit schulenden ougen,
zerhouwen. (1510)
zehant huop er sich dar, mit ellenbreitem barte;
[harte,
vorhten den heit von den Stürmen
1509 Mit bluote was er berunnen, swie gerne in sxhe Küdrün, daz er so tobeliche
naz was sin wät.
(1511)
doch hiete si des rät,
gegen ir iht gienge.
jä wxn ich ir deheiniu
[enphienge.
vor vorhte in iht minneclicbe
1510 Niwan Küdrün diu vrouwe diu reine Hilden tohter ‘willekomen Wate! ob so vil der diete
[beliben.
du mäht lebendec wol
so stant mir deste näher 1507 ‘Daz tuon ich harte gerne’
alle die da wären
[mere.
gienc dä si Waten sach. (1512) sorgende sprach:
wie gerne ich dich sxhe, hie niht leide von dir geschehe.’
1511 ‘Genäde, maget edele! wer sint dise vrouwen,
sit ir daz Hilden kint? die iu so nähen sint?’
do sprach diu vrouwe Küdrün:
(1513)
‘daz ist Ortrün diu here:
29. Äventiure
der soltu,Wate, schonen.
ja viirhtent dich die vrouwen harte
512 Daz ander sint die armen,
sere. (1514)
die mit mir über mer
von Hegelingen brähte
daz Ludewiges her.
ir sit von bluote sweizic:
nur get uns niht so nähen,
swaz ir uns danne gedienet, 513 Wate gienc üf hoher, unde Ortwinen,
559
daz läze wir arme uns niht versmähen.’ (1515)
da er Herwigen vant
den künic von Nortlant,
Irolden und Morungen
und ouch von Tenen Fruoten.
die wären vil unmüezic:
si sluogen dö vil manegen ritter
514 Vil schiere kom Hergart, ‘Küdrün vil edele,
guoten. (1516)
diu junge herzogin.
du solt genxdic sin
mir vil armen wibe.
gedenke daz wir hiezen
und sin noch din gesinde.
[geniezen.’
des läz mich, edele vrouwe,
515 In zorne sprach vrou Küdrün: allez daz uns armen
cir sult üf hoher
leides wart getän,
daz klagetet ir vil kleine
[stän: (1517)
und ahte ez iuch ringe,
nu ist ouch mir unmasre,
ob iu übele oder wol gelinge.’
516 Do kom ouch dar gegähet diu bot sich vür eigen
diu übele Gerlint.
(1508)
vür daz Hilden kint.
‘nu ner uns, küniginne,
vor Waten und sinen mannen:
ezn stä an dir al eine,
ich wxne ez si umbe mich ergangen.’
517 Do sprach diu Hilden tohter:
‘nu hoere ich iuch gern, (1509)
daz ich iu si gensedic:
wie möhte ich iuch gewern?
ich bat iuch nie zer weite, ir wärt mir ungensedic;
des ir mir woltet volgen. des müese ich iu von herzen sin
518 Iedoch stät mir dar näher
under diu magedin.’ [erbolgen.
noch suochte Wate der alte
die widerwarten sin,
wä er vinden solde
die übelen Gerlinde.
bi vroun Küdrünen
was diu tiuvelinne mit ir ingesinde.
519 Wate grimmicliche
gienc hin vür den sah
er sprach: ‘min vrou Küdrün, Gerlint mit ir vriunden,
gebt mir her ze tal
die iuch der wesche noten,
560
Kudrun: Text
und der selben künne,
die uns da heime manegen recken
1520 Do sprach diu minnicliche: Wate in sinem zorne
‘der ist deheiniu hie.’ [toten.’
do dar näher gie.
er sprach: ‘weit ir niht balde
mir die rehten zeigen,
die vremeden zuo den vriunden 1521 Er zürnte harte sere;
müezen alle wesen hie
des wurden si gewar.
im winkte ein maget schoene da von er bekande
die übelen tiuvelinne.
er sprach: ‘sagt mir, vrou Gerlint, 1522 Er vienc si bi der hende Gerlint diu übele
[die veigen.’
mit den ougen dar: [gewinnen?’
wellet ir der weschen mer
und zoch si von in dan.
trüren do began.
er sprach in tobeheite:
‘küniginne here,
iu sol min juncvrouwe
iuwer kleider waschen nimmer
1523 Als er si danne brähte
vür des sales tür,
wes er mit ir gedähte,
[mere.’
des goumten si hin vür.
er vienc si bi dem häre:
wer het im daz erloubet?
sin zürnen was vil swaere:
er sluoc der küniginne ab daz houbet.
1524 Die vrouwen schrirn alle:
des twanc si michel ser.
do gienc er hin widere.
er sprach: ‘wä ist ir mer,
die ir da heizent sippe?
die sult ir mir zeigen.
ir deheiniu ist so tiure,
ine getürre ir houbet wol ge-
1525 Do sprach weinende
daz Hetelen kint:
‘nu lat min geniezen
die durch vride sint
her ze mir gegangen
und bi mir gestanden.
daz ist Ortrün diu edele
die hiez man hoher stän.
vrägen began:
‘wä ist min vrou Hergart, diu in disem lande
diu junge herzoginne,
des küneges schenken nam durch hohe
1527 Si wolten si niht zeigen;
do trat er aber dar.
er sprach: ‘ob ir vür eigen solher hochverte
[lande.’
und ir gesinde von Ormanie-
1526 Den si het vride gewunnen, Wate vil ungüetliche
[neigen.’
[minne?’
hetet diu riche gar,
wer möhte iu der getrouwen?
ir hät gedienet kleine 1528 Si ruoften al gemeine: do sprach Wate der alte:
in disem lande Küdrün iuwer ‘lät si noch genesen.’
[vrouwen.’
‘des enmac niht wesen.
29. Äventiure ich bin kamersere:
561
sus kan ich vrouwen ziehen.’
er sluoc ir ab daz houbet. 2529 Si heten nu gemuozet
si begunden hinder Küdrünen
des strites über al.
do kom der künic Herwic mit sinen walgenozen
[vliehen.
ze Ludewiges sal
nach bluote var gegangen,
als in ersach vrou Kudrun,
do wart er von ir minnicliche enphangen. von der siten bant.
530 Sin swert der degen schiere do schütte er sin gewasfen
in des Schildes rant.
do gie er isenvarwer
da stän zuo der vrouwen.
er hete durch ir liebe
daz wal des tages dicke durchhouwen.
331 Do kom ouch her Ortwin, Irolt unde Morunc
der künic von Nortlant,
die zugen ab ir gewant,
durch daz si erkuolten
üzerhalp der ringe.
si wolten zuo den vrouwen: 332 Do sich erhouwen hieten
die helde heten des guot die helde üz Tenelant,
ir Schilde und ouch ir wafen ir helme si ab gebunden
leitens üz der hant. und giengen zuo den meiden,
ein gruoz vil minnecliche 333 Irolt und Morunc
wart von Kudrunen in beiden.
nigen sa zehant
der minniclichen meide. daz si gerne ssehe
wie schiere man daz bevant,
daz edele ingesinde!
do was wol ze muote
[kinde.
üz Hegelingelant dem Hilden
3534 Der künic von den Meeren als man guote recken
der wart enphangen
nach arbeite sol.
gedanket von der vrouwen daz er von Karadine
[wol, (1540)
wart do dem guoten herren,
hete gehervertet also verre.
335 Do wurden ze rate sit man Kassiane
[gedinge.
die herren und ir man,
(1534)
die guoten burc gewan,
da mite waeren betwungen do riet Wate der alte,
die bürge zuo den landen,
daz man türne unde palas brande.
336 Do sprach von Tenen Fruote: hie inne muoz beliben nu heizet ir die toten ez mac diu min gewerren 5i37 Diu burc ist vil veste,
‘des enmac niht sin: (1535)
diu liebe vrouwe min. tragen üz den seiden, hie ze lande allen disen helden. wit unde guot.
(1536)
Kudrun: Text
562 heizet ab den wenden
waschen daz bluot,
daz iht verdrieze hinne
die minniclichen vrouwen.
daz Hartmuotes erbe
sul wir baz mit herverte schouwen.’
1538 Des wart gevolget Fruoten: vil manegen ritter guoten sere verhouwen
1539 Der bevulhen si dem wäge daz was ein ungenäde; des si phiegen solten,
die si erslagen vor der porten vier tüsent oder baz.
(1538)
daz was noch unergangen. wart Ortrün diu küniginne gevangen.
1540 Zwene und sehzic degene
und drizic meidin
die wurden mit ir gisel.
(1539)
do sprach diu künigin:
‘der meide wil ich hüeten:
si nämen vride den minen.
nu tuo, swaz er welle,
Wate mit den giselen sinen.’
1541 Do bevalch man Horande,
dem helde üz Tenelant,
ze Kassiane vant.
man bevalch im Küdrünen,
si und alle ir vrouwen.
er was ir nadistez künne:
man mohte im deste baz getrou-
1542 Man hiez in wesen meister und sehzic sale witer, und dri palas riche.
[vunden.
Fruote riet in daz.
in Ludewiges bürge
swaz man der gisel
(1537)
man üz der bürge truoc
mit tiefen verchwunden.
do vuortens zuo den ünden
der vierzic türne guot
[wen.
die stuonden bi der vluot, ein herre er was dar inne.
do muose noch beliben
bi im vrou Küdrün diu küniginne.
1543 Do hiez man schaffen huote hin wider wart gevüeret üf Kassianen
wise was er genuoc.
den schiffen bi der vluot. der degen Ffartmuot
ze andern sinen mägen,
da die schoenen vrouwen
ouch hi den helden do gevangen
1544 Man hiez ir also hüeten, und liez ouch da beliben
daz niemen in entran, tüsent küener man,
die mit dem Tenemarken
huoten dä der vrouwen.
Wate und der küene Fruote 1545 Do schihtens ir reise daz viur allenthalben do begunde ir erbe
[lägen,
wolten noch der Schilde mer
mit drizic tüsent man.
[zerhouwen.
hiez man werfen an: an manegen enden brinnen.
dem edelen Hartmuote wart erste leit von allen sinen 1546 Die helde von den Stürmen und von Tenelant [sinnen.
29. Äventiure die brächen guote bürge,
563
swaz man der da vant.
si nämen roup den meisten,
den iemen möhte bringen,
vil manic schoeniu vrouwe
wart da gevangen von den Hegelingen.
47 £ daz die Hilden vriunde
ir reise kerten wider,
sehs und zweinzic bürge
brächen si dä nider.
si wären ir urliuges
vil stolz unde here.
sit brähten si vroun Hilden ■ 48 Man sach daz Hilden Zeichen
durch Ormanielant
vüeren unverirret
hin wider üf den sant,
dä si heten läzen
die edelen maget here.
si wolten dannen scheiden: >49 Die si dä heten läzen
[mere.
tüsent gisel oder dannoch
si muoten dä ze wesene
in Hartmuotes sal,
die riten gen ir vriunden
[niht mere.
üz der burc ze tal.
si gruozten willicliche
die alten zuo den jungen,
dö sprächen die von Tenelant:
‘wie ist in jungelingen dort gelungen?’
> 50 Do sprach der künic Ortwin:
‘daz ist die mäze wol,
daz ichs minen vriunden
immer danken sol:
wir haben in vergolten
mit strite also sere,
[mere.’
swaz si uns ie getäten,
wir nämen in wol tüsent stunde
>51 Do sprach Wate der alte:
‘wen wellen wir hie län,
der uns phlege der lande?
nu heizet abe gän
die schoenen Küdrünen.
wir suln gen Hegelingen
und läzen dä vroun Hilden
sehen waz wir ir ze lande
>52 Do sprächens al gemeine,
alt unde junc:
‘dä tuon die Tene Hörant die suln hie beliben
unde Morunc.
mit tüsent küenen mannen.’
do muosen si in volgen. '53 Do si ze Hegelingen
die herren vuorten manegen gisel der verte heten muot,
si brähten zuo den schiffen daz si genomen hieten
und daz was ir eigen,
>54 Do hiez man Hartmuoten die alle gisel hiezen
[dannen,
maneger slahte guot,
die vremedez gerne brähten, den recken vil guoten,
[bringen.’
die mohten ez dä heime vil üz dem sale gän, [wol zeigen,
mit vünf hundert man, und wären dä gevangen.
564
Kudrun: Text
si gewunnen bi ir vinden
sider manegen zadien tac vil
1555 Man brähte ouch Ortrünen, mit ir ingesinde
die herlichen meit,
[langen,
ze grozer arbeit.
do si von dem lande
und von vriunden muosen scheiden,
do mohtens wol gelouben, 1556 Die gevangen liute
wie Küdrünen w^re und al
vuorten si dan.
die gewunnen bürge Morunge und Horande.
do si vuoren dannen,
si beliben in Ormanie
wol mit tüsent ir vil küenen
1557 ‘Nu bxte ich iuch gerne’
sprach do Hartmuot,
‘dar umbe wolte ich setzen daz ir mich ledic läzet
[mannen,
lip unde guot, in mines vater riche.’ [vliziclxche.
do sprach Wate der alte:
‘ja behalten wir iuch selben
1558 Ich enweiz von weihen schulden der im gerne nasme
[ir meiden,
wurden undertan
ez min neve tuot,
lip unde guot,
daz er den heizet vüeren
heim ze sinem lande.
wolt er, ich schüefe ez schiere,
den banden.’ sprach her Ortwin,
1559 ‘Waz hülfe, ob wir si alle’ ‘hie ze tode slüegen
daz er gesorgte nimmer in
in dem lande sin?
Hartmuot und sin gesinde ich wil si lobeliche
die suln baz gedingen:
ze lande minermuoter Hilden bringen.’
1560 Si brähten zuo den schiffen mit golde und mit gesteine des si gedingen hieten,
den kreftigen rät, ros unde wät.
dar an was in gelungen,
die vor vil harte klageten,
man horte daz si sumeliche sungen.
30. Äventiure Wie si Hilden boten sanden 1561 Sich huop mit vreuden widere die si mit in hieten der muose da beliben driu tusent unde mere. 1562 Ir schif giengen ebene,
duz Hegelinge her.
gevüeret über mer, toter unde wunder si klageten ir vriunt heimliche ir winde wären guot.
[besunder.
30. Äventiure die den roup da brähten,
565
die wären hoch gemuot.
swie si daz gevuogten,
ir boten si vür sanden,
die brachten disiu mxre
Hilden heim ze Hegelingelande.
.1563 Si gähten swaz si mohten,
daz wil ich iu sagen.
si körnen heim ze lande
in neizwie manegen tagen,
ez gehörte vrou Hilde
nie so liebiu mxre,
dö si ir daz sageten,
daz der künic Ludewic erslagen
1564 Si sprach: ‘wie lebet min tohter
und ir meidin?’
‘da bringet iu her Herwic
die triutinne sin.
ez darf niht baz gelingen
helden also guoten:
si bringent Ortrunen
[muoten.’
gevangen und ir bruoder Hart-
.1565 ‘Daz sint mir liebiu mxre’ ‘ez was von in bekumbert ich solz in itewizen,
sprach daz edele wip. min herze und ouch mm lip.
gesehent si min ougen:
michel ungemüete
leit ich offenlichen unde tougen.
1566 Ir boten, ich sol iu Ionen
daz ir mir hat geseit,
da von mir ist entwichen
min ungevüegez leit.
ich gibe iu golt daz mme
und tuon daz billichen.’
si sprächen: ‘vrouwe here,
jä müget ir uns sanfte geriehen.
1567 Daz wir dä hän geroubet,
des bringen wir so vil:
wir tuonz niht durch versmähen, jä sint unser kocken
swer daz iuwer niht
von liehtem golde swxre.
wir hän üf unser verte
so siz hete vernomen,
gen ir vil lieben gesten, trinken unde spise,
die ir dä solten körnen, stüele zuo den benken,
dä si dä sitzen solten.
jä künde siz näch eren wol
unmüezic man dö vant,
dä nidene üf dem pläne
und ouch uf dem sant
schuof man zimberliute.
die ilten des vil sere,
wie dä näch eren sxze heten iht der leide.
[bedenken,
Herwic und Kudrün diu here.
1570 Ich kan iu niht bescheiden, was in sehs wochen
[enwil.
läzen vil guote kamerxre.’
1568 Vrou Hilde hiez bereiten,
1569 Die ze Mateläne
[wxre.
ob si üf dem mer
daz Ortwines her hin ze Mateläne.
si brähten dar die vrouwen
unde manege maget wol getäne.
566
Kudrun: Text
1571 Do si nu komen waren
— daz saget man uns vür war —,
do hete ir herverten
geweret wol ein jar:
ez was in einem meien,
do si ir gisel brähten.
nu vuoren si mit schalle, swie si maneger arbeit gedähten. 1572 Do man nu ir kocken vor Mateläne sach, von trumben und pusunen horte man manegen krach, vloiten unde blasen, üf sumber sere bözen. Waten schif des alten wären nu in eine habe gestözen. 1573 Do komen ouch die degene üz Nortlant. do reit in engegene
nider üf den sant
vrou Hilde und ir gesinde
üz der burc ze Mateläne.
do was ouch komen Küdrün:
dä sach man manege
vrouwen wol getäne. gestanden üf den sant,
1574 Si wären von den rossen vrou Hilde und ir gesinde.
do vuorte an siner hant
die schoenen Kudrunen swie si Hilde erkande, 1575 Si sach mit ir gesinde
Irolt der msere. si weste niht wer ir deheiniu wsere. wol hundert vrouwen gän.
nu enweiz ich’ sprach vrou Hilde, vür mine liebe tohter:
willekomen sin min vriunde, 1576 ‘Daz ist iuwer tohter’
‘wen ich sol enphän
diu ist mir gar unkünde. die getreten sint ab der
sprach Irolt der degen.
do gienc si ir dar naher.
[ünde.’
wer möhte in widerwegen
mit guote dise vreude,
die si do gewunnen?
do si einander kusten,
do was in ir leides zerunnen.
1577 Vrou Hilde enphienc Irolden und alle sine man. Waten si vil tiefe nigen began: ‘willekomen, heit von Stürmen! wer möhte dich versolden,
du hast gedienet schone,
man engebe dir danne lant
A 1578 Do sprach er zuo der vrouwen:
und eine kröne?’ ‘swaz ich iu gedienen mac,
des bin ich iu vil willic
unz an den lesten tac.’
do kuste si in vor liebe:
sam tete si ouch Ortwinen.
do was ouch komen Herwic
mit den stolzen werden
1579 Der vuorte an siner hende Ortrün daz kint. [recken sinen. Kudrun bat ir muoter güetlichen sint:
30. Äventiure
‘nu küsset, liebiu vrouwe,
567
dise maget here.
in mmem eilende bot si mir manegen dienest unde ere.’ 1:1580 ‘Ich wil hie niemen küssen, ern si mir danne bekant. wer sint der vrouwen mäge die du mich heizest küssen si sprach: ‘ez ist Ortrün,
oder wie ist si genant, so rehte vriuntliche?’ diu junge maget von Ormame-
1581 ‘Ich sol ir niht küssen,
zwiu rastest du mir daz?
[riche.’
daz ich si hieze toeten,
daz zasme mir vil baz.
ja habent mir ir mäge
getan vil der leide, [ougenweide.’
swaz ich hän her geweinet,
daz was ir künden bestiu
11582 ‘Vrouwe, dir riet selten
disiu schoeniu meit’
so sprach aber Küdrün,
‘dehein herzen leit.
gedenke, liebiu muoter,
waz ich des hiete schulde,
swen slüegen mme mäge: 1583 Si wolte es ir niht volgen. Küdrün ir muoter
läz die armen maget haben weinende allez an
vlehen do began.
si sprach: ‘ich wil dich lenger hät si dir iht gedienet,
niht sehen also riezen.
des muoz si in disem lande ge-
1584 Do kuste diu schcene Hilde
daz Ludewiges kint. [niezen.’
si gruozte ouch mer der vrouwen do kom ouch vrou Hildeburc
durch Küdrünen sint. üz vremeden landen,
diu mit ir hete gewaschen. 1585 Do sprach aber Küdrün:
die vuorte her Fruote an siner ‘vil liebiu muoter mm,
nu grüezet Hildeburgen,
möhte iht bezzers sin
dan vriuntlichiu triuwe?
golt oder edel gesteine,
swaz des ein riche hiete,
[hande.
daz solte man Hildeburgen geben
1586 Do sprach diu küniginne:
‘ez ist mir wol geseit,
wie si mit dir getragen hät ich gesitze nimmer
[hulde.’
[eine.’
liep unde leit.
vroelich under kröne,
des si dir hät gedienet, 1587 Do si die maget kuste
unze ich irs mit rehten triuwen - die andern tete si sam -, [gelone.’
vrou Hilde sprach ze Fruoten: daz ich dir gienc engegene willekomen sit ir degene 1588 Si nigen ir vliziclichen. den künic von den Meeren
‘daz ist mir äne schäm,
und dinen Wiganden, alle her ze Hegelingelande.’ do ir gruoz geschach, körnen man do sach
568
Kudrun: Text
mit den smen recken
üf den griez mit schalle,
ein wise von Aräben
sungen do die bezzisten alle.
1589 Vrou Hilde do gebeite,
daz er zem stade gie.
den voget von Karadie
si vlizicliche enphie:
‘sit willekomen, her Sivrit,
ein künic üz Morlanden,
ich sol ez immer dienen,
daz ir hülfet rechen minen andern’ swa ich iu gedienen mac.
1590 ‘Vrouwe, ich tuon ez gerne, so ich in diu lant nu kume,
diu mm vil manegen tac
sint her gewesen von jugende, uf schaden Herwiges,
sit ich begunde riten
nu wil ich nimmer mer mit im gestriten.’ und truogen üf den sant
1591 Do entluoden si die kocken vil dinges, des si brühten
mit in in daz lant.
.sach man si gegen Herwige gähen. 1592 Vrou Hilde mit ir gesten reit üf daz velt. man sach vor Matelane von golde gezieret.
hütten und ouch gezelt manic sedel riche
heten si da vunden:
dar inne phlac man ir vlizicliche.
1593 Vrou Hilde hete heizen daz si da niht liezen
vüeren in ir lant, ir bürgen noch ir phant.
ez wart in allen riehen
ein wirt nie so guoter
sam diu edele witewe:
[vuoter.
ir geste gulten weder win noch
1594 Do ruoweten die müeden
unz an den vünften tac.
swie wol man doch ir aller
mit handelunge phlac,
dar under wart Hartmuot
mit sorgen doch beraten,
unz daz die schoenen meide 1595 Ir tohter und Ortrün
vroun Hilden umb einen vride
giengen da si saz.
si sprach: vil liebiu muoter,
[bäten,
gedenket an daz,
daz niemen mit übele
sol deheines hazzes Ionen.
ir sult iuwer tugende
an dem künege Hartmuote schonen.’
1596 Si sprach:‘vil liebiu tohter, ich han von sinen schulden im sol min kärkazre wol mit sehzic meiden
des solt du mich niht biten: grozen schaden erliten.
sins übermuotes büezen.’
[vüezen.
vielen ir die vrouwen do zen
30. Äventiure 1597 Do sprach Ortrün:
‘vrouwe, lät in genesen,
daz er iu gerne diene,
des wil ich bürge wesen,
ir sult genxdiclichen
minen bruoder halten:
ez kumt iu ze allen eren,
sol er noch siner kröne walten.’
1598 Si weinten al gemeine
durch daz er gevangen saz
in vil starken banden.
ir ougen wurden naz
umbe Hartmuoten,
den künic von Ormandine:
die vil grözen boien
lägen an im und an den sinen.
1599 Do sprach diu küniginne: ich wil si ungebunden
‘ir sult daz weinen län. ze hove läzen gän.
si müezen mir erstxten,
daz si uns iht entrinnen,
und müezen swern eide, 1600 Die vil edele gisel
569
daz si äne min gebot iht riten
man üz den banden liez.
Küdrün die helde
[hinnen.’
tougen baden hiez
unde schone kleiden
und hin ze hove bringen,
si wären guote degene:
des muose in deste baz gelingen. sach bi den recken stän,
1601 Do man Hartmuoten man vant wxtlicher
nie deheinen man. stuont er in der gebxre,
in allen sinen sorgen
an einer wende wol entworfen [wxre. güetlichen an,
als er mit einem pensel 1602 Do sähen in die vrouwen dä von er heimliche
bezzer sit gewan.
mit vollen wart versüenet daz si des gar vergäzen, (1603 Herwic do gedähte,
der haz, den si dä truogen, daz ir recken e einander sluogen.
wie er Hegelingelant
mit eren möhte rümen.
wäfen und gewant
hiez er zen rossen bringen.
man ladete sine soume.
daz gevriesch vrou Hilde:
si werte in der reise harte
(1604 Si sprach: ‘min her Herwic, mir ist so vil der liebe daz ichz immer diene. e sich die geste scheiden,
ir sult hie bestän.
[koume.
von iuwer schult getän, jä sult ir nindert riten,
[ziten.
ich wil mit minen vriunden hoch-
‘vrouwe, ez ist wol erkant, 1605 Do sprach der vürste Herwic: die ir mäge sendent in ander künege lant, daz ieteslicher
die sinen gerne sxhe;
si erbeitent des vil küme,
[geschehe.’
wann unser widervart hin heim
570
Kudrun: Text
1606 Do sprach aber Hilde:
‘ir sult mir gunnen hie
der eren und der vreude,
so wart mir sanfter nie.
vil edel künic Herwic,
nu gebet mir daz ze lone,
daz mm liebiu tohter
bl mir armen vrouwen trage
1607 Er volgte des ungerne.
si bat und ouch gebot:
da mite die eilenden
komen sit üz not.
do er verjehen hiete,
daz erz gerne tajte,
[kröne/
do wart vrou Hilde
beraten mit hohen vreuden stsete. 1608 Den helden hiez si sidelen ie baz unde baz, da sit vil manic recke ze einer hochzite,
mit eren bi ir saz die erkande man sit verre.
die schoenen Kudrunen hiez do kroenen Herwic der herre. 1609 Die mit in komen wären, der schiet e niemen dan, unz man der hochzite
vor Mateläne began.
dar zuo kleidete Hilde
wol sehzic oder mere
minniclicher meide. vil liep was ir ir lop und ouch ir ere. 1610 Wol hundert schoenen wiben gap man guot gewant. man liez der mht beliben, dar ze gisel brahte:
die man in daz lant
die kleidete man besunder.
diu vil schoene Hilde 1611 Irolt wart kamersere: muose komen gadies.
tete mit ir gäbe michel wunder. der degen in ir lant vil schiere man den vant.
Wate wart truhsaeze,
der heit von Sturmlande. [sande. näch dem starken Fruoten von Tenemarke man do ouch 1612 Man hiez in wesen schenke. der heit sprach ir zuo: ‘ich leiste ez gerne, vrouwe; diu lehen sult ir lihen
weit ir daz ichz tuo,
mit zwelf vanen riehen:
so wirde ich herre in Tenelant/
des lachte do vrou Hilde
minniclichen. 1613 Do sprach diu küniginne: ‘des mac niht gesin: in Tenelant ist herre Horant der neve din. du solt in vriundes mäze
an siner stat schenken, [denken/
swie er si ze Ormanie, so solt du doch hie heime in be1614 Daz liut hiez man berihten, wes si solten phiegen, vrou Hilde hiez zervüeren in kisten und in kameren,
daz lange was gelegen manegen phelle riehen.
30. Äventiure
die truogen kameraere:
die teilte man den gesten williclichen. man engaebe im guot gewant.
1615 Da was so swacher niemen, ob si noch vremeder iemen
brähten in daz lant,
daz ist mir ungewizzen,
wes si da mite gedähten.
der was wol drizic tüsent,
die si von Ormanie dar
1616 Der si alle wolte kleiden, ob ze Arabi daz riche
wä solte er daz hän? [brähten. im w^re undertän,
so warne ich drinne niemen
vunde bezzer waste,
dan man da gap den gesten. 1617 Do diu vil minnicliche
daz wären ouch vroun Küd-
bi den gesten saz,
nach Ortwin si sande.
dar umbe tete si daz,
daz si im raten wolte
näch Ortrünen minne:
diu Ludewiges tohter Ortwinen vlizicliche
[rünen rxte.
saz bi Küdrünen ouch dar inne. zir kemenäten gie.
1618 Der heit von Nortriche
manegiu maget enphie.
sin swester stuont von sedele Küdrün diu edele
571
und nam in bi der hende.
gie mit im des hoves an ein ende.
1619 Si sprach: ‘vil lieber bruoder, mit vil rehten triuwen
nu solt du volgen mir.
so wil ich räten dir:
wilt du bi dinem lebene
vreuden iht gewinnen, [minnen.’
swie du daz gevüegest,
so solt du Hartmuotes swester
l 1620 Do sprach der ritter küene:
‘diuhte dich daz guot? ich und Hartmuot;
wir sin so niht gevriunde
swann si dar an gedrehte, wir sluogen Ludewigen. und si bi mir lajge, ir warn ez under wilen siuften brashte.’ lf 1621 ‘Dä solt du daz verdienen, an minen rehten triuwen
so rate ich dir dar zuo,
die ich zer weite ziemen du häst mit ir wünne,
daz si des niht entuo. bi miner zit gewan.
sol si dir werden ze vrouwen under-
1 1622 Do sprach der ritter edele: daz ir suln dienen
‘ist si dir so bekant,
[tän.’
liute unde lant,
weist dus in den zühten,
ich wil si gerne minnen.’
do sprach aber Küdrün: 1623 Er sagete ez sinen vriunden.
‘jane kanst du bi ir leiden tac gewinnen.’ vrou Hilde ez widersprach,
572
Kudrun: Text
unz er sin Herwigen
dem recken ouch verjach.
der riet ez im mit triuwen.
ouch sagete er ez Fruoten.
er sprach: ‘du solt si minnen:
du hast von ir manegen recken guoten. den wir hän getragen:
1624 Man sol den haz versüenen, mit wie getanen dingen,
daz wil ich dir sagen.’
also redete.der snelle degen Fruote: da sul wir Hildeburge
gemahelen dem künege Hartmuoten.’
1625 Herwic der biderbe
mit triuwen sprach dar zuo:
ich wilz gerne raten
daz ez diu maget tuo:
von Hartmuotes landen
ist si vrouwe riche.
er hat under sinen handen 1626 Kudrun diu schoene
wol tüsent bürge vil ge-
heimlichen sprach
zer edelen Hildeburgen:
si vuogte ir gemach.
si sprach: ‘trütgespil min,
wilt du, daz ich dir lone
des du mir hast gedienet,
so wirt dir ze Ormanie ein
1627 Do sprach diu schoene Hildeburc: sol ich einen minnen,
[walticliche.’
richiu kröne.’ ‘unsanfte mir daz tuot,
der herze noch den muot
nie an mich gewande
zuo deheinen stunden.
sol ich mit im alten,
[vunden.’
wir werden etewenne in zorne
1628 Do sprach diu vrouwe Küdrün: ‘daz solt du understän. ich wil nach Hartmuoten balde heizen gän, ob im daz gevalle,
daz ich in üz banden
loese mit den recken und in sende heim ze sinen landen. 1629 So saget er mir genade. zehant rate ich daz, daz erz immer gerne diene deste baz; so wil ich in vrägen, ob er welle minnen, [winnen.’ da mite er mine mäge unde mich ze vriunden müge ge1630 Man brähte Hartmuoten, den künic von Normandin. mit im gie do Fruote da stolziu meidin vor der Hilden tohter die sit vil maneges leides 1631 Do sun der Ludewiges diu beste noch diu bceste
ze kemenäten säzen, von der vrouwen rate vergäzen. durch den palas gie, deheiniu daz verlie,
30. Äventiure
si tätenz im ze liebe
573
und stuonden von dem sedele.
er was bevollen küene:
dar zuo was er riche unde edele.
1632 Do bat in sitzen Küdrün,
diu minnicliche meit.
ez hete niht ir grüezen
deheiniu im verseit.
do sprach diu Hilden tohter: solt du sitzen, Hartmuot,
‘zuo der gespiln minen diu e mit mirwuoschdenhelden
1633 ‘Ir weit mir itewizen,
küniginne her,
[diinen.’
daz wären miniu ser.
swaz man iu tete ze leide, ja hiez michz alle zite
heln diu vrouwe mine,
daz ichs niht ervunde
noch min vater und al die helde ‘ich kan des niht verlän:
1634 Do sprach diu juncvrouwe: ich muoz mit iu, Hartmuot, daz sol niemen hoeren
[sine.’
sundersprächen gän.
wan ich und ir eine.’
do gedähte im Hartmuot: 1635 Dar zuo hiez si niemen
‘nu gebiete ir got, daz siz mit wan Fruoten gän. [triuwen meine.’
do sprach zuo dem künege
diu maget wol getan:
‘weit ir des volgen, Hartmuot, tuot ir daz willicliche,
also ich iuch lere,
[sere.’
so scheidet ir von aller hande
1636 ‘Ich weiz iuch in den tugenden’ ‘daz ir mir niht ratet
sprach do Hartmuot,
wan ere unde guot.
ich weiz in minem herzen ich entuo willicliche
niht alsölher sinne,
swaz ir mir ratet, edele küniginne.’
1637 Si sprach: ‘so rate ich gerne ich und mine mäge
dir vristen dinen lip.
wir geben dir ein wip:
da mite wirt behalten
din lant und ouch din ere,
und ouch der vintschefte
[mere.’
da von wirt gewahenet nimmer
wen weit ir mir geben? 1638 ‘So lät mich wizzen, vrouwe, e daz ich also minte, e lieze ich min leben, daz ez da heime diuhte
mine mäge smzehe, daz man mich e veigen gesadie.’
so wolde ich weerliche,
die schcenen swester din,
1639 ‘Dä wil ich Ortrünen, hie ze wibe geben
dem lieben bruoder min.
so nim du Hildeburgen, du kanst in der weite
die edelen küniginne: tiurer maget nindert dir gewinnen.’
-1640 ‘Müget ir daz gevüegen, daz iuwer bruoder Ortwln
als ir mir hät geseit, Ortrün die schoenen meit
574
nimet wxrlichen
Kudrun: Text
hie ze einem wibe,
so nim ich Hildeburgen,
daz ez immer äne haz belibe.’
1641 Si sprach: ‘ich hänz gevüeget, ob dich des genüeget,
daz erz gelobet hat.
daz er dir wider lat
din lant und ouch din erbe
und ouch die bürge drinne,
so mac dich des wol lüsten,
daz Hildeburc da werde küniginne.’ und lobete ez an ir hant.
1642 Er sprach: ‘daz lobe ich gerne’ ‘swie schiere so min swester stät under kröne,
bi dem von Nortlant
so wil ich niht verzihen
die schcenen Hildeburge,
si enmüeze mit mir geben unde
1643 Do erz gelobet hiete,
dö sprach diu maget her:
‘ich wil der vriuntschefte daz si mit uns stxte
immer mer belibe,
wir geben ouch dem von Karadie 1644 Ich warne als gröziu süene die tiure helde küene
nie wart als tete daz kint. üz Tenelande,
daz man nach Ortwine
unde nach der Moere künege sande. und truogen guot gewant.
dö schuof daz vrou Kudrun, man hiez ouch Irolden
daz ez Wate ervant.
sagen diu selben masre.
si giengen sundersprächen:
dö wart der helde rat vil lobe-
1646 Dö sprach Wate der alte:
‘wer möhte ez süenen e, [bxre.
unz Ortrun unde Hartmuot und biete sich ze vüezen und lobet siz al eine,
vür vroun Hilden ge der edelen küniginne?
so müge wirs alle wol ze hulden bringen.’ ‘daz wil ich iu sagen,
1647 Dö sprach diu edele Kudrun: si ist in niht ungenasdic.
nu sehet ir si doch tragen
diu kleider, diu min muoter ich wil ez gerne süenen: 1648 Dö hiez man Ortrünen und ouch Hildeburge, Ortwin und Hartmuot
[einem wibe.’
Herwiges swester ze
körnen zesamene sint.
daz riet allez Fruote 1645 Ze hove si dö giengen
[lihen.’
gerne machen mer,
gap mir und minen vrouwen. des mügen die eilenden mir gezuo dem ringe gän
[trouwen.’
die maget wol getan. die nämen si ze wibe.
nu wil ich sprach vrou Hilde,
[belibe.’
‘daz ez immer mit vride
30. Äventiure
(1649 Ortwin von dem ringe
575
ze im daz meidin
zuhte minniclichen.
ein guldin vingerlin
gap er der küniginne
in ir vil wizen hende.
da mite was verdrungen gar von ir daz michel eilende. (1650 Do umbesloz ouch Hartmuot die meit uz Irlant. ir ietwederz dem andern
daz golt stiez an die hant.
si hete niht untugende,
diu si im möhte leiden:
Hartmuot und Hildeburc (1651 Do sprach Hilden tohter: mügen diniu erbe
die waren sit mit triuwen un‘lieber herre min,
[gescheiden.
hie so nahen sin,
daz man dine swester,
swie man daz bedachte, [brachte?’
dem künege üz Karadie her ze miner muoter lande 1652 Do sprach der künic Herwic: ‘daz wil ich dir sagen: der sin wolte gahen,
ez geschehe in zwelf tagen,
der die maget junge
brachte her ze lande,
er müese es hän arbeit,
e ich ir min geleite dar sande.’
il653 Do sprach Hilden tohter:
‘wie gerne ichs biten wil!
so brüevet ir iu selben
maneger hande spil.
dar zuo git iu min muoter
kleider unde spise.
nu bringet uns die vrouwen,
daz ich iuchs mit rehten triuwen prise.’
1654 Do sprach der vürste Herwic: der von Karadie
‘wä nacme si gewant?
wuoste mir min lant
und brande mine bürge:
do vlos ich ir gewxte.’
do sprach der künic von Moeren, 1655 Herwic hundert recken
nach ir sande dan. [hemede baete.
do hiez er üf der verte
gahen sine man.
Waten bat er mit in
riten unde Fruoten.
daz was in ein arbeit; do si die maget vunden,
die tage zuo der naht, daz Wate do niht vaht,
daz understuonden küme
die Herwiges helde. [der selde.
mit vier und zweinzic vrouwen da er zwo galeide
[guoten.
iedoch gewerten si den degen
1656 Si strichen, swaz si künden,
1657 Wate was ir geleite
daz er ir wan in einem
brähten si die recken von
von der bürge unz üf den sant, und zwene kocken vant.
der nämen si den einen;
si begunden ilen.
576
Kudrun: Text
des hülfen in die winde:
si körnen wider in zwelf tage-
1658 Do si die maget brähten
ze Hegelingelant,
die ritter des gedähten,
wie si über sant
ilten gen der schoenen:
mit panieren si vuoren.
si behielten wol ir eide,
die nach der edelen vrouwen
1659 Wie möhte ein gruoz iht schoener ir vuoren hin engegene
minnen swuoren. von edelen kinden sin?
diu schcenen meidin
und Hilde diu edele
mit vrouwen vil gemeine.
swie ir lant verbrennet wsere, 1660 Ir volget üz dem hüse
Herwiges swester vuor niht
wol driu hundert man.
dö ir der künic Herwic
nähen nu began,
manegen puneiz riehen
reit er durch ir ere.
sam taten die andern alle: 1661 Die vier künege riche do si zesamene körnen,
[helde sere.
von helden wart gestriten wer diu beste waere:
man lobete ir aller tugende.
und die andern al zehant.
si giengen üf dem grieze von vil riehen siden,
[rmere.
hie mite gestuonden disiu
1662 Dö kuste si vrou Küdrün
da man ein hütte vant da si gestuonden under.
wes man da phiegen wolte, 1663 Den künic von Karadie
si sprächen zuo der vrouwen: bi dem sach si salwen
des nam Herwiges swester
hiez man dar gän.
der machet iuch gewaltic
[wunder,
‘weit ir disen man?
niun künicriche.’ stän manegen ritter lobelichen.
1664 Sin vater und sin muoter sin varwe kristenliche
diu wären niht enein: an dem helde schein;
sin har lac uf dem houbte
als ein golt gespunnen.
soltes im ir minne niht engunnen.
1665 Doch lobete si in träge,
als dicke ein maget tuot.
do bot man im ir minne.
dö sprach der degen guot:
si behaget mir in der mäze,
daz ich niht erwinde,
me gediene so der vrouwen, 1666 Dö lobeten si einander,
[eine,
man hörte Schilde stözen ir hin engegene riten.
umb ir aller schoene,
si wxre gar unwise,
[wilen.
daz man mich an der schoe¬
nen bette vinde.’ der ritter und daz kint.
31. Äventiure
si erbiten alle küme ir aller heimliche
577
der naht des tages sint. vuogte sich also schone,
vier künege tohter
die wihte man vor den helden zuo der kröne. 31. Äventiure
Wie die vier künege in Hilden lande hochziten (1667 Do wären ouch die künege dö wurden swertdegene
gewihet nach ir e. vünf hundert oder me.
disiu werde höchzit
geschach in Hilden lande:
ez was ze Mateläne
vor der bürge nidene üf dem sande.
(1668 Dö gap diu schoene Hilde hei wie vor dem gesidele Irolt unde Fruote,
al ir gesten kleit. der alte Wate reit,
die recken uz Tenelanden!
man hörte vil schefte brechen, il669 Swie lützel windes wiete, die helde lobebxre
ir handen. der stoup wart sam diu naht,
hetens lützel aht,
ob da an schcenen vrouwen si nämen buhurt manegen (1670 Man wolte dö niht läzen in diu witen venster
salwet iht guoter wsete: vor dem gesidele in Mateläne beliben dä diu kint.
mit der schoenen Hilden
[staste.
brähte man si sint den recken ze ougenweide.
dö sach man bi den vieren (1671 Der varnden kunst muose swaz ieclicher künde,
wol hundert meide in wünnicschinen den tac. [lichem kleide,
wie gerne er des phlac!
an dem andern morgen
näch vruomesse zite,
dö dä wart gote gedienet, (1672 Waz möhte dä sin mere daz werte vollicliche
dö sähens aber die swertdegene dan vreude unde schal?
von maneger hande döne daz edele ingesinde
die da die helde neigten in
der palas ofte erhal.
unz an den vierden tac: selten müezic dä gelac.
:1673 Dö was der milten einer der hete von den varnden daz si alle wurden riche,
hin ze hove körnen. daz vil wol vernomen, dar näch stüend ir gedinge
[riten.
578
Kudrun: Text
do erhuop erz williclichen,
daz den varnden möhte deste baz gelingen. 1674 Ez was der voget von Sewen, der die erste gäbe swanc so williclich von hende, daz im des sageten danc alle die ez sähen unde sit ervunden. [phunden. des sinen roten goldes gap do her Herwic wol ze tüsent 1675 Dar zuo gäben kleider sine mäge und sine man. ros mit guoten satelen maneger dä gewan, der si selten hiete geriten vor disen ziten. daz sach do Ortwin: si begunden mit der milte striten. 1676 Der künic von Nortlande gap so riche wät: ob iemen bezzer deheine sit getragen hät, des wizzen wir niht maere noch habens niht ervunden. er und sine degene gestuonden kleider bloz in kurzen stunden. 1677 Ez künde erahten niemen, wie manege riche wät die von Morlanden, als man uns gesaget hät, liezen dä beliben ze rossen den vil guoten. [muoten. den si dä geben wolten die dorften dä hcehers niht en1678 Die jungen zuo den alten die wurden guotes rieh. do sach man Hartmuoten : der tete dem wol gelich, ob er niht verheret wazre, der junge künic here. den weste man so milten, daz deheiner hiete niht gegeben 1679 Er und sine vriunde, die im volgten dan, [mere. die dä gisel hiezen, wie sanfte man gewan swaz si haben mohten und iemen an si gerte! Hartmuot mit den sinen die hüte des güetlichen werte. 1680 Küdrün diu schoene diu was holt genuoc Hildeburgen üz Jrlande, diu ofte mit ir truoc diu kleider zuo dem grieze, dä si waschen solden. [holden. si wazn des ouch niht lieze, sine gewünne ir Hartmuoten 1681 Dem hiez si von ir kameren der mäze guotes tragen, swem si daz geben wolte, daz man daz mohte sagen, daz im diu junge künegin so guotes willen wazre, daz er ze gebene hiete beidiu wät unde golt daz swxre. 1682 Man sach die von den Stürmen von dem sedele stän
31. Äventiure in so guoter wsete,
daz künic noch küneges man
bezzer nie getruogen
in deheinen ziten.
die da ir gäbe wolten, >683 Wate der gap eine
die liezen si dar nach niht lenger also guot gewant,
daz man an küneges libe mit einem netze riche. 1684 In ieclichem stricke
was ez überhangen da mite kom der heit ze hove
lac ein edelstein:
swie sin name hieze,
[gegangen,
da bi wol daz schein,
daz si versliffen wären
ze Abali dem lande.
Waten und sine helde
nämen do die helde bi ir handen.
685 Si muosen al geliche, Waten dem degene
[biten.
bezzer nie bevant.
von golde und von gesteine
die ez heten dä gesehen, der wärheite jehen,
daz vür küneges gäbe
sin gäbe reichte verre.
dem si dä kom ze handen,
der was von hohem guote lange
1686 Irolt der liez schouwen daz im niht erbarmte
willic sinen muot,
[ein herre.
deheiner slahte guot.
von Tenemarke Fruote
was Hilden kamerxre:
er diente siner vrouwen,
daz man dä von lange sagete
687 Do wolten si sich scheiden;
diu höchzit ende nam. [msere.
do liez man Hartmuoten
die mäze als im gezam
gedingen mit den vinden
in vride siner vrouwen.
si körnen sit ze lande
baz dan sin iemen möhte ge-
>>688 Vrou Hilde minniclichen si und ir tohter
579
si scheiden von ir lie. [trouwen.
mit Hildeburge gie
und allez daz gesinde
von der bürge verre,
dö si von dannen wolten, ' 689 Vrou Hilde in gap geleite si gewunnen sunder
[herre.
urloup nam do Hartmuot der üf erde und üf dem mer.
ein süberlichez her,
die Ortwin und her Herwic die ir gesinde hiezen,
hin wider mit in sanden.
der brähten si wol tüsent zuo den landen.
69C Küssen manegen enden
man sich die vrouwen sach.
ir sumelicher scheiden
also dä geschach,
daz si dar näch selten
gesähen einander mere.
si beleite unz üf ir kocken
Ortwin und Herwic der herre.
580
Kudrun: Text
1691 Ir geleite muose werden
Irolt unz an ir lant.
den hiez der künic so werben, Horande von Tenemarke,
wie si gescheiden wasren.
sit vuorte er ze lande
mit im vil manegen degen msere.
N 1692 Ich enweiz, in welher zlte
späte oder vruo
daz si begunden segelen
Kassianen zuo.
sich vreute do williclichen ich wasn nach arbeite
daz erz txte erkant
alliu diu diet:
got vil manegen da beriet,
1693 Irolt saget Horande
in Normanielant,
wie in die künege hieten
mit in dar gesant.
er sprach: ‘so ist ez billich, si sint hie heime gerne,
daz manz den recken rüme.
so erbite ouch ich ze minen landen küme.’
1694 Si enphiengen Hartmuoten wie er der lande phisege,
daz ist mir unbekant.
Horant und sine vriunde
gähten des vil starke,
do si von dannen schieden, 1695 Ir vart wir län beliben daz von hochgeziten recken al deheine
und rümten im sin lant.
daz si koemen schiere in Tene-
und wellen ahten daz, nie geschieden baz
[marke.
noch von ir mägen.
dannoch hochverte
die von Karadie in dem lande phlägen.
32. Äventiure Wie die andern ze lande vuoren 1696 Da ze Hegelingen Herwiges swester
biten si niht me: gegen Alzabe
vuorten si mit schalle:
in was da wol gelungen.
do si üf der sträze wären, 1697 Vrou Hilde liez si alle swie rlche si ir körnen, si liez si äne ir gäbe der nu so milte waere,
die stolzen ritter vrcelichen minniclichen dan.
dannoch niht beliben.
[schriben.
jä müese man imz vür ein wunder
1698 Vrou Küdrün sprach zir muoter: getrceste dich der veigen.
[sungen.
Herwiges man,
‘nu solt du sselic sin.
ich und der herre min
32. Äventiure
suln dir also dienen,
daz selten din gemüete
belibe in deheiner swxre:
du solt geniezen Herwiges
.'•699 Do sprach diu küniginne:
‘vil liebiu tohter min,
wil du mir sin genaedic,
hie zen Hegelingen.
an michel ungemüete
mit lachen und mit weinen
‘muoter, daz sol sin.’ si und ir meidin
verwendecliche giengen
üz Mateläne.
ir sorge hete nu ende.
man gesach nie niht so wol getanes.
' 701 Do brahte man gesatelet, si und ouch ir meide,
diu solten tragen dan
diu ros vil wol getan
mit goltröten zoumen,
mit smalen vürbüegen.
langer da ze wesene
ich wxn die vrouwen dö iht gewüegen. under golde riten bi,
ich wxne die des hazzes
iht wasren vri, schieden und ouch ir meiden,
ob iemen schöner lebete,
daz waere Küdrün der vrouwen
7 703 Diu triutinne Ortwines
7
danken do began
der edelen Küdrünen,
daz von ir schult gewan
Hartmuot ir bruoder
daz lant ze Normandie:
‘des löne dir got, Küdrün; 704 Des begunde si ouch genäde daz si ze Nortlande
bi Ortwine dem künege,
des bin ich immer mer diu sorgen vrie.’ ir muoter Hilden sagen, daz si da vrouwe hieze. daz siz immer ungeniten lieze.
die swuoren beide ensamt
mit triuwen staete einander, nach ir höhen eren
[leide,
kröne solte tragen
dö sprach diu küniginne, 7.705 Ortwin und Herwic
[dingen.’
getrouwe ich sus nimmer hie ge-
’ 700 Do sprach diu edele Küdrün:
do si von Ortrünen
[güete.’
mich suln die boten din
dri stunt des järes sehen
’ 702 Die ir ungebunden
581
daz si ir vürsten amt
vil lobeliche trüegen:
swelhe in schaden wolten,
daz si die beide viengen unde slüegen.
HIE HAT KÜDRÜN EIN ENDE
NACHERZÄHLUNG 1. Aventiure (Str. 1-66) In Irland wächst Sigebant auf, der Sohn des mächtigen Königs Ger und der Königin Uote. Er wird in der Waffen¬ kunst unterwiesen. Nach dem Tode seines Vaters tritt er die Herrschaft an. Sigebant ist noch unvermählt, und seine Mutter rät ihm, eine Frau zu nehmen, die ihm selbst wie dem Lande Ehre bringe. Dem jungen Mann gefällt dieser Rat, und er läßt um eine Prinzessin aus Norwegen werben, deren Namen Uote wir erst später erfahren. In Irland wird ihr ein prächtiger Empfang bereitet, und die Ritter wett¬ eifern um den Sieg in den ihr zu Ehren ausgetragenen Kampfspielen. Da Sigebant noch Knappe und nicht Ritter ist, geht dem Vollzug der Ehe seine Schwertleite voran. Deren Feierlichkeit wird dadurch erhöht, daß fünfhundert junge Edelleute gleichzeitig mit dem König zu Rittern ge¬ macht werden. Als König zeigt Sigebant alle Eigenschaften, die einem Herrscher anstehen. Nach drei Jahren schenkt Uote einem Jungen das Leben, der den Namen Hagen er¬ hält und dessen Geschichte, wie der Erzähler hinzufügt, allgemein bekannt sei. Das Kind, an dem die Eltern große Freude haben, wird zunächst von Frauen und dann, als es sieben Jahre alt ist, von Männern erzogen. In der Gesell¬ schaft der Frauen gefällt es ihm fortan nicht mehr; dafür zieht es den kleinen Hagen zu Waffen und Rüstungen hin. Eines Tages macht die Königin ihrem Gemahl Vorhal¬ tungen, daß sie ihn nie im ritterlichen Kampfspiel mit seinen Leuten Ruhm erwerben sehe, so wie sie es von den Rittern am Hofe ihres Vaters gewohnt gewesen ist: ein so mäch-
1. Aventiure
583
tiger König „sollte mit seinen Helden oft buhurdieren, womit er seinem Erbe und sich selbst Glanz verleihen sollte (= um damit seinem Erbe und sich selbst Glanz zu ver¬ leihen)“ (31, 3/4), und sie rät ihm, zu diesem Zweck zu einem großen Fest einzuladen. Sigebant ist gern bereit, sich von seiner Gattin über ritterliche Gepflogenheiten belehren zu lassen und ein großes Fest mit Turnieren zu veranstal¬ ten, und er meint dazu, es sei schon öfter geschehen, daß man auf den Rat der Damen hin zu Festen eingeladen habe. Während die Boten die Einladung des Königs überbringen, unter anderem auch den Verwandten der irischen Königin, werden am Hof die Vorbereitungen für das bevorstehende Ereignis getroffen. Für nicht weniger als 60 000 Recken werden eigens Bänke angefertigt. 86 000 Männer und Frauen folgen Sigebants Einladung. Mit Waffen, Gewändern und Pferden werden die Gäste beschenkt, und ausdrücklich hebt der Erzähler hervor, daß auch das fahrende Volk, das mit allerlei Instrumenten zur Unterhaltung der Festgesellschaft aufspielt, mit guten Kleidern bedacht wird. Neun Tage lang buhurdieren die Ritter vor den Augen der Damen und sorgen die Spielleute mit ihrer Musik für die Unterhaltung der festlichen Gesellschaft. Am zehnten Tage geschieht es, daß, während einer der Fahrenden vor dem König seine Kunstfertigkeit zum besten gibt, auch der junge Hagen, geleitet von einem jungen Mäd¬ chen und in Begleitung der Frauen und Männer, die für seine Erziehung zuständig sind, am Hofe erscheint. Hägens Er¬ zieher werden von der Fröhlichkeit angelockt, die in Sige¬ bants Haus herrscht, und lassen das Mädchen mit dem Prin¬ zen aus den Augen. In diesem Augenblick bricht das Un¬ glück über den König herein. Ein wilder Greif, ein riesiger Vogel, den der Teufel geschickt hat, kommt herbeigeflogen. So mächtig ist er, daß er mit seinen Flügeln den Himmel verfinstert und daß (infolge des Luftdrucks) die Bäume des Waldes daniederbrechen. Als Hägens Wärterin das Unge¬ heuer nahen sieht, bringt sie sich selbst in Sicherheit und
584
Kudrun: Nacherzählung
läßt den Königssohn im Stich, den der Greif in seine Klauen nimmt und entführt. Alle glauben, daß das Kind tot sei, und beklagen sein Geschick. Auch der König überläßt sich hemmungslos seinem Schmerz. Anders die Königin. Sie be¬ währt die Haltung höfischer Selbstbeherrschung, die zu¬ gleich von der Ergebung in Gottes Willen gespeist ist: „Alle Menschen müßten sterben, (und) es müsse ein Ende nehmen, wie Gott im Himmel es bestimmt hat“. So sagt sie zu ihrem Gemahl (62, 3/4). Und als die Gäste nach der so jäh abgebrochenen Festesfreude nach Hause reiten wollen, ist es wiederum die Königin, die auf die Einhaltung der höfischen Sitte achtet, zu der die Überreichung von Ge¬ schenken
für die Abschiednehmenden
gehört.
Nach den
vorausgegangenen Worten seiner Gattin ist es dann freilich der König selbst, der die Gäste mit wertvollen Gaben be¬ denkt: mit kostbaren Stoffen, mit edlen und starken Pfer¬ den, mit Gold und Silber.
2. Aventiure (Str. 67-113) Der junge Hagen ist entgegen der Befürchtung aller am irischen Hofe keineswegs tot. Ausdrücklich bemerkt der Erzähler, daß dies Gottes Wille ist, und er wird auch im Folgenden nicht müde, die Rettung des irischen Königs¬ sohnes immer wieder auf das Eingreifen Gottes zurückzu¬ führen. Der Greif trägt den Knaben über das Meer, um ihn seinen Jungen zum Fräße vorzuwerfen. Aber der junge Greif, der, den Prinzen in seinen Klauen, von Baum zu Baum fliegt, ist zu schwach und muß auf einem Aste eine Rast einlegen. Dieser ist zu dünn, der Greif muß zur Erde und verliert dabei seine Beute. Hagen gelingt es, sich vor ihm zu verbergen. Er findet in einer Höhle Zuflucht, in der vor ihm schon drei Königstöchter, die ebenfalls Opfer des Greifen sind, sich haben in Sicherheit bringen können. Zu-
2. Aventiure
585
nächst glauben die drei, es handele sich um einen wilden Zwerg oder um ein Meeresungeheuer, und sie ziehen sich vor ihm in das Innere der Höhle zurück. Doch als Hagen sich als Mensch und als Christ zu erkennen gegeben hat, nehmen sie das Kind, das über großen Hunger klagt, liebevoll auf. Freilich können sie Hagen mit nichts anderem bewirten als mit selbstgesuchten Wurzeln und Kräutern. So leben die vier lange Zeit in ihrer Höhle und deren Umgebung. Da geschieht es eines Tages, daß eine Flotte mit Kreuz¬ fahrern infolge des heftigen Seegangs an der Felsenküste strandet und keiner der Männer das Unglück überlebt. Die alten Greifen tragen die Toten als Nahrung für ihre Jun¬ gen in ihr Nest. Auch Hagen begibt sich in der Hoffnung, Speise zu finden, an die Küste. Dort sieht er einen noch ge¬ wappneten Toten und zieht dessen Rüstung an. Dabei über¬ rascht ihn der alte Greif. Vor den Augen der drei klagen¬ den Prinzessinnen entspinnt sich ein Kampf auf Leben und Tod zwischen dem Königssohn und dem riesigen Vogel. Nachdem Hagen dem Greifen mit dem Schwert einen Flügel abgeschlagen und an einem Bein schwer verwundet hat, ist der Vogel nicht mehr in der Lage, sich in die Luft zu er¬ heben, so daß Hagen ihn vollends töten kann. Aber kaum hat er den Sieg errungen, naht sich schon der zweite alte Greif. Auch ihn und dazu alle jungen Vögel überwindet Hagen mit Gottes Hilfe. Voller Freude küssen die Prinzes¬ sinnen ihn auf den Mund, sind sie doch jetzt von der stän¬ digen Furcht vor den Untieren befreit. Nun, da er im Besitz von Waffen ist, übt sich Hagen selbst zu einem vortreff¬ lichen
Jäger.
Allerdings haben
die vier Menschen
kein
Feuer, so daß es ihnen nichts nützt, daß Hagen kein Tier zu entrinnen vermag. Einmal stößt er auf ein seltsames Tier, das einem gabilün ähnlich ist.1 Hagen trinkt das Blut des 1 Wahrscheinlich handelt es sich um ein drachenartiges Tier. Zu den textkritisch-exegetischen Problemen dieser Stelle vgl. man zuletzt Franz H. Bäuml, The gabilün-episode in ‘Kudrun’: some palaeographic implications, in: Manuscripta 9, 1965, S. 67-77.
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Kudrun: Nacherzählung
von ihm erlegten Tieres und gewinnt dadurch außerordent¬ liche Kraft. Jetzt gelingt es Hagen auch, mit den Funken, die er aus einem harten Felsen schlägt, sich und seinen Ge¬ fährtinnen Feuer zu verschaffen, und die lange Zeit hin¬ durch entbehrte kräftige Nahrung, die sie sich nun bereiten können, gibt ihnen neue Kräfte. Hagen selbst, den der Dich¬ ter in diesem Zusammenhang zum erstenmal den wilden nennt (ein Epitheton, das ihm fortan ständig beigelegt wird), verfügt über die Stärke von zwölf Männern. Die vier entschließen sich jetzt, die Höhle zu verlassen, um an das Meer zu gelangen. Vierundzwanzig Tage mar¬ schieren sie durch den Wald,2 dann sind sie am Ziel. Hagen erblickt ein Schiff, das Kreuzfahrer befördert. Die Besatzung glaubt zunächst, es mit wilden Meerungeheuern zu tun zu haben. Aber als Hagen den Namen Christi nennt, sind die Matrosen bereit, die körperlich Heruntergekommenen auf¬ zunehmen. Der Graf von Garade, der Befehlshaber des Schiffes, begibt sich selbst zusammen mit elf seiner Leute in einer Barke ans Ufer, um die seltsamen Wesen auf sein Schiff zu holen. 3. Aventiure (Str. 114-150) Ehe die vier das Schiff betreten, erhalten sie von den Kreuzfahrern Kleider, und wiewohl die Mädchen sich schä¬ men, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als Männerkleider anzuziehen. Obschon alle neugierig sind zu erfahren, um wen es sich bei den drei Damen und dem jungen Mann han¬ delt, gönnt man ihnen erst eine stärkende Mahlzeit, bevor der Graf sie nach ihrer Herkunft zu fragen beginnt. Die Damen beschränken sich darauf, in kurzer Form ihre Iden¬ tität zu enthüllen: die älteste ist die Tochter des Königs von
Überraschend genug nach den Angaben in der vorausgegan¬ genen Erzählung!
3. Aventiure
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Indien, die mittlere die Tochter des Königs von Portugal, die jüngste die Prinzessin von Iserlant. Danach fragt der Graf auch Hagen, wer er sei. Dieser nennt den Namen sei¬ nes Vaters Sigebant und das Königreich Irland als seine Hei¬ mat. Man geht auf seine Antwort nicht ein, sondern fragt ihn erstaunt, wie es möglich gewesen ist, daß er und seine drei Gefährtinnen vor den Greifen ihr Leben behalten ha¬ ben. Hagen entgegnet: „Das wollte Gottes Güte“ (125, 3b) und berichtet dann, daß er die Greifen, die alten wie die jungen, allesamt erschlagen habe. Da sind die Zuhörer nicht nur voller Bewunderung für seine Stärke - tausend von ihnen hätten das nicht tun können, geben sie selbst zu -, sondern man beginnt ihn auch zu fürchten. Listig sucht man ihn von seinen Waffen zu trennen, und der Graf von Garade äußert auf einmal, daß Sigebant sein Feind sei. Er will Hagen als Unterpfand haben, daß ihm Genugtuung da¬ für zuteil wird, daß die Iren viele seiner Leute gefangen¬ genommen und erschlagen haben. Sigebants Sohn verweist demgegenüber darauf, daß er daran unschuldig sei, und er¬ klärt sich bereit, zwischen den Iren und denen von Garade zu vermitteln und eine Versöhnung herbeizuführen. Doch der Graf geht auf dieses Anerbieten nicht ein, vielmehr er¬ klärt er Hagen zu seinem Geisel, der zusammen mit den drei Prinzessinnen, die er seinem Hofgesinde einverleiben will, in seinem Lande leben müsse. Voller Zorn sagt Hagen daraufhin, daß er nicht Geisel werden wolle, und er appel¬ liert an die Schiffer, ihn nach Irland zu bringen, wo er sie reich belohnen werde. Aber der Graf befiehlt, den Sohn des irischen Königs gefangenzunehmen - was indes nur dazu führt, daß Hagen etwa dreißig von denen, die dem Gebot ihres Herrn nachkommen wollen, an den Haaren packt und ins Meer schleudert und das Schiff doch Kurs auf Irland nehmen muß. Den Grafen selbst hat er nur am Leben ge¬ lassen, weil die drei Königstöchter sich für ihn eingesetzt und zwischen den beiden Männern vermittelt haben. Nach siebzehntägiger Seefahrt erkennt Hagen am Hori-
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Kudrun: Nacherzählung
zont die türmereiche Burg seines Vaters. Nun überfällt die Besatzung des Schiffes die Furcht, daß sie in Irland alle ihr Leben verlieren werden. Doch hochherzig erneuert Hagen seine Zusicherung, eine Versöhnung zwischen seinem Vater und dem Grafen von Garade versuchen zu wollen, fügt allerdings hinzu, daß er nicht die Herrschaft ausübe. Zwölf Ritter sendet er als Boten zu dem König, die dem Herr¬ scherpaar die Rückkehr seines vor Jahren von dem Greifen geraubten Sohnes melden sollen. Und da er wohl weiß, daß sein Vater die Botschaft nicht glauben wird, trägt er ihnen auf, der Königin ein Zeichen zu nennen, an dem sie ihr Kind erkennen könne: ein goldfarbenes Muttermal in Ge¬ stalt eines Kreuzes auf seiner Brust. In der Tat meint Sigebant, daß die Abgesandten seiner Feinde ihn betrügen wol¬ len. Aber Uote, die von der Ankunft der Boten und ihrer Behauptung unterrichtet wird, erklärt kurzentschlossen, man solle zum Strand reiten, um dort festzustellen, was es mit der Sache auf sich habe.
4. Aventiure (Str. 151-203) Am Ufer angekommen, veranlaßt Uote, daß Sigebant die Umstehenden zurücktreten läßt, damit Hagen, abseits der Menge, seine Brust entblößen kann, um mittels des Muttermals seine Identität zu beweisen. Nachdem sie in Ha¬ gen ihr verloren geglaubtes einziges Kind erkannt hat, küßt die Königin mit Freudentränen in den Augen Hagen auf den Mund, und auch der König vergießt Freudentränen über die unerwartete Wiederkehr seines Sohnes. Als Uote die drei heimatlosen Prinzessinnen bemerkt, läßt sie sie als erstes mit standesgemäßen Kleidern ausstatten. Später nimmt sich Ha¬ gen ihrer an und sorgt etwa dafür, daß sie sorgsam gebadet werden. Seiner Zusage gemäß bringt Hagen eine Versöh¬ nung zwischen seinem Vater und dem Grafen von Garade
4. Aventiure
589
zustande. Vierzehn Tage verweilt dieser mit seinen Leuten in Irland. Dann scheiden sie reich beschenkt und sind von nun an zuverlässige Freunde des irischen Königs. Hagen nimmt auf der väterlichen Burg die einem Königs¬ sohn geziemende Lebensweise wieder auf und vollendet seine Ausbildung, die seinerzeit infolge seiner Entführung durch den Greifen so jäh unterbrochen worden ist. Er übertrifft an Stärke und Gewandtheit alle anderen; aber auch den wilden Tieren ist er an Schnelligkeit überlegen. Vorausdeu¬ tend nennt ihn der Erzähler an dieser Stelle zum erstenmal Välant aller künege (168, 2), ‘Teufel aller Könige’, das heißt, Hagen wird der Schrecken aller Könige werden. Seine Verwandten raten ihm, eine Frau zu nehmen. Die Wahl ist für ihn nicht schwierig: sie fällt auf Hilde von Indien, die älteste seiner drei Gefährtinnen auf der Greifeninsel. Sigebant drängt darauf, daß Hägens Vermählung seine Schwert¬ leite vorausgeht. Nach Ablauf von einem Jahr und drei Ta¬ gen soll das Fest, das aus Anlaß dieser beiden Ereignisse gefeiert werden wird, beginnen. Als der festgesetzte Zeit¬ punkt gekommen ist, empfangen in Anwesenheit einer gro¬ ßen Menge geladener Gäste zusammen mit dem Königssohn viele junge Adlige das Schwert, nicht allein hundert von Hägens Recken, sondern noch mehr fremde, deren Aus¬ stattung der König übernommen hat. Dann wird die Ehe zwischen Hagen und Hilde nach christlicher Sitte geschlos¬ sen. Das Fest erhält nicht zuletzt durch die Buhurte, an de¬ nen auch Sigebant und Hagen teilnehmen, einen glanzvol¬ len Rahmen. Sigebant tritt nun sein Land an den jung ver¬ mählten Sohn ab, und Hagen belehnt seine Vasallen, die ihm ihrerseits den Lehnseid leisten. Hier erinnert sich der Dichter, daß außer Hilde von Indien auch noch die beiden anderen Prinzessinnen, die mit Hagen die Fährnisse des Aufenthalts auf der Greifeninsel geteilt haben, am irischen Hofe leben. Um die Hand der Prinzessin von Iserlant hält ein junger Fürst an, der sie im Gefolge der Königin ge¬ sehen hat, und er führt sie über See als seine Gattin in sein
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Kudrun: Nacherzählung
Land. Uber die dritte der Prinzessinnen, die Tochter des Königs von Portugal, erfahren wir in diesem Zusammen¬ hang indes nichts. Als König von Irland ist Hagen ein strenger Herrscher. Innerhalb eines Jahres läßt er achtzig oder mehr, die sich gegen das geltende Recht vergangen haben, enthaupten, und auch die übermütigen Landesfeinde haben allen Grund, ihn als Välant aller kiinege zu fürchten: er bricht ihre Burgen und nimmt ihnen das Leben. Zugleich aber ist er bei seinen Heereszügen darauf bedacht, die Armen zu schonen, wes¬ halb er es unterläßt, Brände zu legen. Hilde schenkt einer Tochter das Leben, die nach ihrer Mutter ebenfalls den Na¬ men Hilde erhält. Der Erzähler versäumt nicht, anzumer¬ ken, daß auch ihre Geschichte wohlbekannt sei. Hagen läßt sein Kind so abgeschlossen erziehen, daß es mit der Sonne und der frischen Luft kaum in Berührung kommt. Aber als Hilde zwölf Jahre alt ist, ist sie zu einer solchen Schönheit herangewachsen, daß sich ihr Ruf über die Lande verbreitet. Viele Fürsten werben um sie. Doch in übermütigem Stolz weist Hagen, der seine Tochter niemandem gönnt, der ihm im Range nicht gleichstehe, nicht nur sämtliche Werber ab, sondern läßt alle Boten, die mit dem Auftrag, um Hilde zu werben, nach Irland gekommen sind, aufhängen, insgesamt wohl zwanzig oder mehr. Vielen, die das erfahren, vergeht daraufhin die Lust, sich die irische Königstochter als Frau zu wünschen, und dennoch unterlassen es nicht alle tüchtigen Recken, um sie zu werben.
5. Aventiure (Str. 204-371) Im Land der Hegelingen herrscht der junge König Hetel, der Lehnsherr über viele mächtige Vasallen ist. Einer von ihnen, Wate von Stürmen, hat ihn erzogen. Hetel ist Waise, und seine Verwandten und Freunde raten ihm, eine Frau zu
5. Aventiure
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nehmen. Aber Hetel kennt keine, die für ihn in Frage käme. Da nennt Morunc von Niflant Hilde, die Tochter Hägens, deren Schönheit die aller anderen Frauen auf der ganzen Welt übertreffe. Auch Hetel hat schon von ihr gehört, indes auch davon, daß Hagen jedem das Leben nimmt, der um sie zu werben wagt, und er möchte nicht, daß die Wer¬ bung einen der Seinen in tödliche Gefahr bringt. Morunc erklärt daraufhin, ohne die Hilfe Horants, der Hagen kenne, könne die Werbung nicht durchgeführt werden. He¬ tel sendet Boten zu Horant nach Dänemark, und dieser beeilt sich, mit sechzig seiner Leute an Hetels Hof zu er¬ scheinen. In seiner Begleitung befindet sich auch Fruote, nach welchem der König nicht ausdrücklich geschickt hat, den er aber ebenso freundlich begrüßt wie Horant. Nach¬ dem ihn die beiden auf seine Frage über ihren letzten Kriegszug unterrichtet haben, erkundigt er sich nach Hilde. Horants Worte bestätigen, was Morunc schon gesagt hat und was man allgemein weiß: daß Hilde von außerordent¬ licher Schönheit ist, aber auch, daß Werbungsboten in Ir¬ land mit Sicherheit der Tod droht. Fruote meint, wenn Wate der Bote des Königs wäre, dann könnte das gefährliche Unternehmen wohl gelingen. Hetel greift diesen Vorschlag gern auf und schickt nach Stürmen zu Wate. Dieser fragt die Boten, ob er seine Leute aufbieten und mit sich führen solle. Einer von ihnen antwortet ihm, daß der König dies nicht gewünscht habe. So eilt Wate ohne seine Recken zu Hetel, und ohne zu zögern ist er auch willens, eine Botschaft nach Irland zu überbringen. Als er aber erfahren hat, welches der Inhalt der Botschaft sein soll, gerät er in Zorn - nicht gegen den König, sondern gegen die, die diesen Rat gegeben ha¬ ben, gegen Fruote und Horant. Doch er entzieht sich dem Auftrag
seines Lehnsherrn
nicht:
Er wird nach
Irland
fahren; allerdings müssen die beiden, die dem König zu Hilde geraten haben, ihn begleiten, und er sagt ihnen dies auch: „Gott lohne euch beiden Helden, daß ihr auf meine Ehre und auf meine Reise an den Hof bisweilen so sehr
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Kudrun: Nacherzählung
bedacht seid. Ihr drängt darauf, daß ich Bote bin. Nun müßt ihr auch beide mit mir zusammen dorthin. So sollen wir dem König dienen, daß wir seine Huld gewinnen. Wer meiner Ruhe nachstellt, der soll ebendiese Aufrichtigkeit (= die Folgen seiner Aufrichtigkeit) mit mir gemeinsam er¬ dulden“
(245, 3-246, 4). Horant wie Fruote sind sofort
dazu bereit, Wate zu begleiten. Zunächst ist es Fruote
und
dann Wate, die sogleich einen Plan entwickeln, wie man das gefahrvolle Unternehmen ins Werk setzen könne. Fruote schlägt vor, siebenhundert Mann auf die Fahrt mitzunehmen. Hetel soll aus Zypressenholz ein besonders festes Schiff zimmern und kostbar ausrüsten lassen; der geschickte Horant soll in Irland Spangen und Armreifen, Gold und Edel¬ steine verkaufen. Mit anderen Worten: Die Hegelingen sol¬ len sich in Irland als Kaufleute ausgeben, um auf diese Weise das Vertrauen des wilden Hagen zu gewinnen. Dieser Plan ist nicht nach Wates Geschmack („ich verstehe mich nicht aufs Handeln“, 253, lb), doch widersetzt er sich ihm nicht, sondern ergänzt ihn: Er schlägt vor, im Bauch des Schiffes tüchtige Krieger zu verbergen, die ihnen notfalls im Kampf gegen Hagen und dessen Leute zur Verfügung stehen. Auf drei Koggen 3 sollen Pferde und dazu Lebens¬ mittel für ein ganzes Jahr mitgeführt werden. In Irland sollen sich die Hegelingen als von Hetel Vertriebene aus¬ geben, damit sie so Hägens Gastfreundschaft erwerben kön¬ nen. Zu Beginn des nächsten Sommers soll die Flotte in See stechen. Bis dahin kehren Wate, Horant und Fruote in ihre Länder zurück. Nun setzen die Vorbereitungen für das Unternehmen ein. Die Schiffe werden nicht allein besonders fest gezimmert, sondern auch mit einem derartigen Luxus ausgestattet, daß der Erzähler selbst mit dem Zweifel seiner Hörer rechnet (268, 1): die Schiffswände werden zum Schutz vor dem An3 Koggen (auch: Kocken) sind ein- bis dreimastige, hodibordige, breitgebaute Schiffe.
5. Aventiure
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prall der Wellen statt mit Eisen mit Silber beschlagen und die Ruder mit rotem Golde umhüllt, die Anker sind eben¬ falls aus Silber, und die Segel werden aus orientalischer Seide hergestellt. Nachdem die Vorbereitungen abgeschlos¬ sen sind, werden Wate, Horant, Morunc und Irolt (und auch Fruote, den der Dichter erst etwas später wieder eigens nennt) herbeigeholt, und jeder von ihnen bringt ausgesuchte Krieger mit, zum Beispiel Wate vierhundert. Der Abschied von seinen Mannen stimmt König Hetel traurig. Er emp¬ fiehlt die Jungen dem besonderen Schutz der Erfahrenen und wünscht ihnen allen Gottes Geleit auf ihrer gefahrvollen Fahrt. Ein günstiger Wind treibt die Schiffe aus dem Hafen und bringt sie in sechsunddreißig Tagen, in denen sie wohl tausend Meilen zurücklegen, vor die irische Hauptstadt Baljan. An dieser Stelle der Erzählung schaltet der Dichter eine Strophe ein (288), in der er sich polemisch gegen eine andere, nach seiner Ansicht falsche Tradition wendet, die Hägens Residenz nach Polen verlegt. Die Ankunft der unbekannten Schiffe erregt in Irland Aufsehen, zumal die Ankömmlinge sogleich am Strand die mitgebrachten Waren aufstellen und unter der Leitung Fruotes zum Kauf anbieten. Alsbald erscheint der Stadtrichter am Strand und fragt die Fremden nach ihrer Herkunft. Fruote antwortet, sie seien Kaufleute, fügt aber hinzu, daß sie auf dem Schiff mächtige Herren haben. Wate läßt den König um eine vertragliche Übereinkunft bitten, und Ha¬ gen gewährt den Fremden gern Geleit und Frieden. Die Hegelingen wiederum zeigen sich erkenntlich, indem sie ihm zweimal wertvolle Geschenke übergeben, zuerst solche, die für die Damen, dann solche, die für die Ritter des Hofes in Betracht kommen:
Armreifen,
Ringe,
Gürtel,
Kopf¬
schmuck und kostbare Stoffe verschiedener Art, aber auch zwölf gesattelte kastilische Pferde, Ringpanzer, Helme und mit Gold überzogene Schilde. Am irischen Hof hat man eine solche Pracht noch nicht gesehen, und einer der Kämmerer meint, die Gäste hätten dem König gewiß Geschenke über-
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Kudrun: Nacherzählung
reicht, die 20 000 Mark wert seien. Hagen seinerseits ruft aus: „Die Gäste mögen glücklich sein!“ (309, 1) und teilt die Gaben mit den Damen und seinen Kriegern. Irolt und Horant, die zusammen mit vierundzwanzig ihrer Leute die zweiten Geschenke überbracht haben, fragt er, woher sie seien. Daraufhin erzählt ihm Horant, sie seien Vertriebene. Hagen wundert sich, daß jemand so wenig Verstand zeige, Männer wie sie aus seinem Reich zu vertreiben, und fragt weiter, wer denn das sei, der sie in die Acht getan habe. Jetzt nennt Horant den Namen Hetels. Hagen bietet ihnen an, bei ihm zu bleiben und ihnen den Schaden, den Hetel ihnen zugefügt habe, zehnfach zu ersetzen, und ausdrück¬ lich versichert er sie auf Horants vorgespiegelte Furcht, He¬ tel könne sie in Irland aufspüren, nochmals seines Schutzes und befiehlt den Bürgern der Stadt, seinen Gästen Ehre zu erweisen, wo immer es möglich ist. So geschieht es auch: Vier¬ zig oder noch mehr der besten Häuser der Stadt werden von ihren Bewohnern geräumt und den Gästen zur Verfügung gestellt. Hagen selbst bietet ihnen an, für ihren Unterhalt zu sorgen, bis sie von seinem weiteren Angebot Gebrauch gemacht haben, in Irland fürstliche Lehen zu empfangen, d. h. seine Vasallen zu werden. Aber Fruote gibt in einem stolzen, schroffen Ton eine ablehnende Antwort und erklärt, das gereichte ihnen allen zur Schande. Danach ist es nament¬ lich wieder Fruote, der die mitgebrachten Waren an die Bürger verkauft, ja, wer kein Geld hat, erhält das, wonach sein Herz begehrt, geschenkt. Die Kunde von dieser Freigebigkeit dringt auch zu der jungen Hilde, und ebenso hört sie, daß unter den Fremden einer durch seine Erscheinung besonders hervorsteche (es handelt sich um Wate), und sie bittet ihren Vater, ihn sie sehen zu lassen. Die Hegelingen nehmen die Einladung des Königs, auf seine Burg zu kommen, an. Für den Empfang durch den irischen Herrscher tragen sie ausgesucht prächtige Gewänder. Hagen zeichnet seine Gäste dadurch aus, daß er ihnen ein Stück entgegengeht, und die Königin erhebt sich
5. Aventiure
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von ihrem Sitz. Ihrem Gemahl gegenüber äußert sie den Wunsch, den Helden zu erlauben, ihre Kemenate zu betre¬ ten, damit sie und ihre Tochter sich dort mit ihnen unter¬ halten können. Hagen ist sofort damit einverstanden. So begeben sich unter anderem Wate und Fruote in die Keme¬ nate. Das Aussehen des mächtigen Wate erfüllt die junge Hilde mit Staunen, aber auch mit etwas Furcht: Er trägt einen breiten Bart und hat sein wallendes graues Haar mit Borten durchflochten. Scherzend fragen die Königin und ihre Tochter den Recken, ob er es vorziehe, in der Gesell¬ schaft schöner Frauen zu weilen oder einen harten Kampf auszutragen, und ohne Umschweife antwortet Wate, daß es ihm besser gefällt, mit tüchtigen Rittern zusammen die Ge¬ fahren des Kampfes auf sich zu nehmen - eine Antwort, über die die junge Hilde laut lacht. Bei anderen Recken er¬ kundigen sich die Frauen nach Wate und erfahren so von einem der Leute Moruncs, daß Wate, dem es in der Ge¬ sellschaft der Damen gar nicht zu behagen scheint, zu Hause Frau und Kinder hat. Und Irolt sagt von ihm, daß noch nie ein König einen kühneren Mann gehabt habe: „Wie sanft er sich so auch gebärdet, er ist ein berühmter tapferer Held“ (348, 4). Als die Königin das Anerbieten ihres Gemahls an Wate erneuert, für immer in Irland zu bleiben, weist er diese Einladung mit stolzem Sinn zurück, und in der näm¬ lichen Haltung weigern sich die Hegelingen insgesamt, et¬ was von dem Gute anzunehmen, das der König ihnen zu wiederholten Malen anbietet, was seinen heftigen Unwillen hervorruft, ohne daß er darob den Gästen für längere Zeit gram wäre. In heiterer Stimmung geht man auseinander, nachdem die Königin noch den Wunsch geäußert hat, daß die Gäste wieder die Gesellschaft der Damen am Hofe auf¬ suchen möchten. Um sich die Zeit zu vertreiben, tragen die irischen Ritter mit Schwertern und Wurfspeeren Kampfspiele aus. Der König fragt Wate und seine Leute, ob auch in ihrem Lande die Kunst des Fechtens, wie sie die Iren beherrschen, be-
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Kudrun: Nacherzählung
kannt sei. Daraufhin lächelt Wate verächtlich und behaup¬ tet, nie fechten gesehen zu haben, aber begierig zu sein, es zu lernen. Gern läßt der König seinen besten Fechtmeister kommen, um seinen Gast wenigstens mit den Anfangsgrün¬ den der Fechtkunst vertraut zu machen. Wate pariert zur Belustigung
Fruotes
die
Schläge
wie
ein
berufsmäßiger
Kämpfer und bringt den Fechtmeister sehr schnell in solche Bedrängnis, daß er um sein Leben fürchtet und Wates Hie¬ ben nur ausweichen kann, indem er Sprünge macht wie ein Leopard. Als Hagen das sieht, verlangt er ein Schwert, um selbst mit dem alten Wate die Klinge zu kreuzen. Humor¬ voll bittet Wate vor dem Waffengang den König um die Zusicherung, daß listige Schläge ausgeschlossen bleiben, da er sich vor den Damen schämen würde, wenn sein Gegner ihn verwundete. Und danach, als er sich sehr rasch auch Hagen gegenüber als der Überlegene erweist, setzt er den grimmigen Humor fort, wenn er erklärt, er habe jetzt die vier Schläge, die der König ihm beizubringen sich vorge¬ nommen hat, gelernt und bedürfe daher der erbetenen Schonung nicht mehr. So schwillt die Heftigkeit des Kamp¬ fes noch einmal an, ohne daß einer der beiden einen klaren Sieg davonträgt. Hagen reagiert auf die Lektion, die ihm Wate erteilt hat, mit Humor, indem er feststellt: „Wenn ich das gewußt hätte, so wäre das Fechterschwert nicht in meine Hand gekommen. Ich habe nie einen Schüler so schnell lernen sehen (370, lb—3). Die Ritter brechen darüber in ein allgemeines Lachen aus.
6. Aventiure (Str. 372-439) Im Folgenden rückt Horant, der bisher gegenüber Wate und Fruote weniger hervorgetreten ist, in den Vordergrund des Geschehens. Eines Abends geschieht es, daß Horant einen herrlichen Gesang anstimmt. Die Königin ist von ihm so
6. Aventiure
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beeindruckt, daß sie nach dem Sänger schickt und ihn bittet, sie die Weise, die er vorgetragen hat, wieder hören zu lassen. Bereitwillig sagt er zu, ihr zu allen Zeiten zu singen. Früh am nächsten Morgen läßt Horant abermals seinen Gesang erschallen, der auf Menschen und Tiere einen großen Ein¬ druck macht: die Vögel im Walde verstummen, die Leute, die noch im Schlafe liegen, erwachen und beeilen sich aufzu¬ stehen, Hagen und seine Gemahlin treten aus der Kemenate auf die Zinne, um Horant besser hören zu können, und die junge Hilde und ihr Gefolge lauschen hingegeben dem Sän¬ ger. Alle danken Horant, nur Fruote meint, sein Verwandter hätte seine ungeschickten Töne besser unterlassen, womit er erreicht, daß man nur um so begieriger wird, ein Lied von Horant zu vernehmen. Hagen selbst wünscht sich, so singen zu können wie Horant, der an diesem Morgen drei Weisen vorträgt. Die junge Hilde, die durch Horants Gesang in eine besonders heitere Stimmung versetzt worden ist, bittet ihren Vater, Horant zu veranlassen, am Hofe noch mehr zu sin¬ gen. Hagen wäre sehr froh darüber, wenn dies geschehen könnte, glaubt aber, seine Gäste seien so stolzen Sinnes, daß eine entsprechende Bitte keinen Erfolg haben werde. Doch bedarf es keiner ausdrücklichen Bitte, daß Horant erneut seine Weisen anstimmt, und diesmal schöner als je zuvor. Von seinem Gesang geht eine geradezu verzaubernde Wir¬ kung aus: die Tiere im Walde hören auf zu fressen, andere, Kriechtiere und Fische, halten ihren Lauf an. Der Chor¬ gesang der Geistlichen wird gegenüber Horants herrlicher Weise weniger beachtet, und der Klang der Glocken dünkt die Menschen nicht mehr so schön wie früher. Wiederum ist es besonders die junge Hilde, die von Horants Gesang aufs tiefste beeindruckt ist. Heimlich, ohne Wissen ihres Vaters und ihrer Mutter, bittet sie den Ritter, am Abend in ihre Kemenate zu kommen, um ihr dort vorzusingen. Und sie besticht einen Kämmerer, daß er den Sänger einläßt und seinen Aufenthalt im Frauengemach verschweigt. In Begleitung von Morunc erscheint Horant im Gemach
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Kudrun: Nacherzählung
der jungen Hilde. Horant weiß, daß er damit sein Leben aufs Spiel setzt, und sagt das der Prinzessin auch. Aber er singt ihr gleichwohl, diesmal eine fremdartige orientalische Weise, die er auf geheimnisvolle Art auf dem Meer gehört hat. Voller Dankbarkeit verspricht ihm Hilde, ihm in ihrem Land immer Schutz zu gewähren, wenn sie einmal Königin sei. Von den Gaben, die das Mädchen ihm anbietet, will Horant nichts nehmen — außer einem Gürtel, den er seinem Herrn bringen will. Damit hat der Sänger die Neugierde der Königstochter geweckt, und sogleich fragt sie nach die¬ sem Herrn. Jetzt enthüllt Horant ihr unter dem Siegel der Verschwiegenheit den wahren Grund, warum die Hegelin¬ gen nach Irland gekommen sind, und überbringt ihr Hetels Bekenntnis seiner Liebe zu ihr. Darauf erklärt sie: „Möge Gott es ihm lohnen, daß er mir gewogen ist“ (405, 1). Hilde ist bereit, Hetels Werbung anzunehmen, vorausgesetzt, daß er ihr ebenbürtig sei - und Horant ihr am Abend wie am Morgen Vorsingen wolle, woraufhin dieser ihr versichert, sein Herr habe an seinem Hof zwölf Männer, die weit besser sängen als er selbst, deren Kunst jedoch von der des Königs noch übertroffen werde. Wenn sie es mit Rücksicht auf ihren Vater wagte, würde Hilde gern mit den Helden von dannen fahren. Da ergreift Morunc, der bis jetzt ge¬ schwiegen hat, das Wort und legt Hilde den Plan zu ihrer Entführung dar, in den sie ohne Bedenken einwilligt. In diesem Augenblick aber erscheint der Oberkämmerer in Hildes Kemenate, zu der er jederzeit Zutritt hat, und für die beiden Hegelingen entsteht eine bedrohliche Lage. Doch Hilde befiehlt ihm unter Androhung des dauernden Verlusts ihrer Gnade, die beiden heimlich zurückzugeleiten, und voll¬ ends schwindet jede Gefahr für sie, als der Kämmerer, der, wie sich herausstellt, aus dem Hegelingenreich verbannt worden ist, in Horant einen Verwandten erkennt (sein Vater und Horants Mutter sind Geschwister). Er bittet seinerseits Hilde, dazu beizutragen, daß Horant und Morunc nichts zustößt. Morunc weiht ihn nun in das Geheimnis ein
7. Aventiure
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was den Kämmerer insofern in eine schwierige Lage bringt, als er die Ehre des Königs wahren muß und andererseits seinen Verwandten beistehen will. Indes ersucht Horant ihn nur, ihre Bitte an Hagen, mit seiner Familie zu einer Be¬ sichtigung ihrer Schiffe an den Strand zu kommen, bei dem König zu unterstützen. Sicher geleitet der Oberkämmerer die Hegelingen dann aus dem Hause. Als die beiden Wate von Hildes Einverständnis berichtet haben, bricht dessen kriegerischer Sinn hervor, und er erklärt, wenn Hilde außer¬ halb der Burg wäre, würde ihm das genügen: dann käme sie nicht wieder zurück. Doch läuft alles nach dem voraus¬ berechneten Plan ab. Am vierten Morgen bitten die Hegelin¬ gen unter dem Vorwand, Hetel habe nach ihnen gesandt, um sich mit ihnen zu versöhnen, Hagen um die Erlaubnis, sein Land verlassen zu dürfen. Der König ist über ihren Abschied sehr betrübt und bietet ihnen als Gegengabe für die reichen Geschenke, die er von ihnen erhalten hat, Pferde, Gewänder, Gold und Edelsteine an. Aber Wate weist alles zurück: Hetel würde es ihnen nie vergeben, wenn sie aus Irland Geschenke mitbrächten. Dafür bittet er die königliche Familie um einen Besuch auf ihren Schiffen. Hagen nimmt die Einladung für den nächsten Morgen an.
7. Aventiure (Str. 440-487) Am anderen Morgen bricht eine große Hofgesellschaft, Damen wie Ritter, unter Führung des Königs zum Strande auf, um die Schiffe der allen so lieb gewordenen Gäste und die von ihnen noch einmal ausgestellten prunkvollen Waren zu besichtigen. Während Hagen auf einer Kogge ist, werden die Anker gelichtet und die Königin und ihre Tochter von¬ einander getrennt, die im Inneren des Schiffes verborgenen Krieger springen hervor, die Iren, die auf den Schiffen weilen, werden ins Wasser gestoßen, das freilich nahe dem
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Kudrun: Nacherzählung
Ufer nicht sehr tief ist. Voller Zorn und Grimm ruft der überlistete Hagen nach seinem Wurfspeer und droht allen mit dem Tod, die er erreichen werde. Doch schon eilen die hegelingischen Schiffe von dannen, und die Iren müssen sich darauf beschränken, mit ihren Speeren nach den sich ent¬ fernenden Schiffen zu werfen. Wate, der mit fünfzig seiner Leute zur Sicherung des Unternehmens am Strand zurück¬ geblieben ist, springt im letzten Augenblick auf eine Galeere und hat Mühe, dem inzwischen bewaffneten Hagen zu ent¬ kommen. Eilends bringt Hagen sein Heer zusammen. Aber er kann den Entführern seiner Tochter nicht sogleich folgen, weil seine Schiffe durchlöchert und nicht zum sofortigen Einsatz bereit sind. Erst am siebten Morgen kann er mit dreitausend Mann die Verfolgung aufnehmen. Unterdessen haben die Hegelingen die Botschaft von dem glücklichen Verlauf der Werbung Hetel übermittelt, und dieser rüstet sich zum Empfang seiner Braut. Trotz aller Eile, deren man sich befleißigt, dauert es, eine geraume Zeit, bis der König eine genügend große Schar zusammengebracht hat — tausend Mann oder mehr —, die für einen standes¬ gemäßen Empfang, zu dem auch die entsprechende Kleidung gehört, als notwendig betrachtet wird. Wate und die Seinen sind mittlerweile in die Mark Waleis gelangt, wo sie, von der Fahrt ermüdet, eine Ruhepause einlegen und wo sie die Nachricht erreicht, daß Hetels Ankunft unmittelbar bevor¬ stehe. Alsbald erscheint er tatsächlich mit seinem Heer. Vor Freude über die glückliche Rückkehr seiner Mannen küßt er Wate und Fruote, die ihm entgegengeritten sind, und er verschweigt nicht die Sorge, die ihn bedrückt hat, daß alle seine Helden in Hägens Gefangenschaft schmachten müßten. Wate bestätigt ihm noch einmal, daß dies nicht geschehen ist, fügt aber hinzu, daß er noch nie eine so große Macht gesehen habe, wie Hagen sie in seinem Lande ausübe: „Sein Volk ist stolz, er selbst ist ein tapferer Held“ (476, 4). An ihren Händen geleitet von Irolt und Morunc und in Begleitung zahlreicher Jungfrauen, die mit Gewändern aus
8. Aventiure
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weißem Leinen und kostbarer Seide bekleidet sind, geht die junge Hilde - von der der Dichter hervorhebt, daß sie einen schönen Hut trägt - ihrem künftigen Gemahl ent¬ gegen. Hetel nimmt sie in seine Arme und küßt sie zärtlich. Dann wird ihm Hildes Gefolge vorgestellt. Unter ihm ist eine der Jungfrauen, die mit Hagen auf der Greifeninsel geweilt haben, Hildeburc von Portugal. In ungetrübter Stimmung verbringt man den Tag am Strand. Der Er¬ zähler jedoch macht deutlich, daß denen, der
Freude
hingeben,
bald
Leid
zuteil
die sich jetzt werden
wird:
er kündigt das Nahen des von Rachegedanken erfüllten Hagen an.
8. Aventiure (Str. 488-562) Es ist Horant, der die Annäherung der irischen Flotte als erster bemerkt. Morunc veranlaßt, daß man den König von der Ankunft Hägens unterrichtet. Hilde und ihre Begleite¬ rinnen weinen und klagen ob des bevorstehenden Kampfes, in dem, wie die Prinzessin sehr wohl weiß, viele ihr Leben verlieren werden. Wate ordnet an, daß Hilde auf einer Kogge in Sicherheit gebracht wird, wo er zu ihrem Schutz hundert oder noch mehr Ritter postiert. Das hegelingische Heer erwartet die Feinde am Strand. Hetel spornt seine Mannen zu besonderer Tapferkeit an und stellt ihnen reiche Belohnung in Aussicht. Mit Speerwürfen wird der Kampf eröffnet. Hagen fordert seine Leute mit gewaltiger Stimme auf, ihm zu helfen und den Feinden tiefe Wunden zu¬ zufügen. Voller Zorn springt er von dem Schiff ins Wasser und watet ans Land, unbeeindruckt von den wie Schnee¬ flocken herabfallenden Pfeilen der hegelingischen Bogen¬ schützen. Am Ufer treffen Hagen und Hetel aufeinander, und der Dichter nennt es ein großes Wunder, daß der junge König von Hegelingen dem mächtigen Hagen standzuhalten
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Kudrun: Nacherzählung
vermag. Freilich empfängt Hetel von Hagen eine Wunde. Dann prallen auch die irischen und die hegelingischen Krie¬ gerscharen aufeinander. Mehr als alle anderen wütet auf der einen Seite Hagen mit seinem Schwert und besonders seinem Ger und auf der anderen der alte Wate, und die beiden stehen sich bald im Zweikampf gegenüber. So gewaltig schlagen sie aufeinander ein, daß aus ihren Helmen Feuer sprüht. Da zerbricht Hägens Gerstange an Wates hartem Schild. Mit seinem Schwert jedoch durchschneidet er derart die Helmhaube seines Gegners, daß unter ihr das Blut her¬ vorrinnt. Das aber stachelt Wates Kampfgrimm zum äußer¬ sten an, und er versetzt Hildes Vater einen solchen Schlag, daß es diesem dunkel vor den Augen wird. Die Frauen, die den Kampf beobachten, weinen schmerzlich, und Hilde ruft ihrem künftigen Gatten betrübt zu, er möge ihren in Be¬ drängnis geratenen Vater und Wate auseinanderbringen, was er auch tut — zum Leidwesen des kampfbegierigen Wate. An Hagen appelliert Hetel, der Feindschaft ein Ende zu setzen, damit nicht noch mehr Menschen ihr Leben ver¬ lieren. Hagen fragt, wer sein Gegenüber sei, woraufhin Hetel sich zu erkennen gibt und zum Zeichen des Waffen¬ stillstandes seinen Helm vom Haupte bindet. Da Hagen dem Abbruch des Kampfes zustimmt, ist zur Freude der Frauen die Schlacht zu Ende. Hetel fordert Hagen auf, seiner Tochter die Ehre zu gönnen, die Krone zu tragen, wie er es seinerseits tue. Und da Hagen gesehen hat, welch treffliche Eigenschaften, welche Tapferkeit der hegelingische König bei der Werbung um Hilde an den Tag gelegt hat, willigt er ein. Hetels Sorge gilt nun den Verwundeten, und er läßt Wate holen, der von einer zauberkundigen Frau die Heilkunst erlernt hat. Zunächst verbindet Wate sich selbst. Dann bittet ihn Hilde dringlich, ihrem verwundeten Vater und den anderen verletz¬ ten Iren beizustehen, aber auch die Hegehngen nicht zu ver¬ gessen, ist doch der Sand vom Blute der Helden getränkt wie von einem Regen. Wate weigert sich, Hagen und den Seinen
8. Aventiure
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Hilfe zu bringen, solange dieser nicht zum Friedensschluß mit Hetel bereit sei: „Ich bin nicht ihr Arzt [. . .], bis das geschieht, daß der mächtige Hagen in Unterhandlungen mit Hetel, meinem Herrn, Versöhnung schafft. Bis dahin bleibe ich ihnen mit Recht fern“ (533, lb-4). Hilde, die weiß, daß sie von ihrem Vater erlangen könnte, was Wate als Voraussetzung für seine ärztliche Hilfe fordert, würde gern zu Hagen gehen, wenn sie sich nur getraute, ihm nach dem, was geschehen ist, unter die Augen zu treten. Man sagt Hagen, daß seine Tochter ihn sehen wolle, wenn es ihm recht sei, und gern ist er bereit, sie ungeachtet dessen, was sie getan hat, zu empfangen. Zusammen mit Hildeburc und geleitet von Horant und Fruote, geht Hilde zu ihrem Vater, der sie geziemend begrüßt, dabei aber darauf bedacht ist, die Mädchen nicht seine Wunden sehen zu lassen. Aber nun beeilt Wate sich, die Verletzungen des irischen Königs zu heilen, und nimmt sich danach auch der anderen Verwunde¬ ten, darunter seines eigenen Königs, an. Hetel bittet Hagen, ihn in sein Land zu begleiten. Zögernd willigt dieser ein, und überhaupt nur, weil Hetel ein so mächtiger Herrscher ist. Wohl dreihundert Tote müssen die Recken, die in Hetels Reich aufbrechen, an der Stätte des Kampfes zurücklassen. Im Hegelingenland wird Hilde zur Königin gekrönt und die Hochzeit mit einem großen Fest gefeiert. Überaus reich beschenkt, verläßt Hagen nach zwölf Tagen mit den Seinen Hetels Hof. „Daß Hilde dort die Krone trug (= Königin war), darüber war der wilde Hagen froh gestimmt“ (553, 4). Beim Abschied empfiehlt er seine Tochter der besonderen Obhut Hildeburcs, seiner einstigen Gefährtin auf der Grei¬ feninsel, alle aber, die jetzt in der Fremde leben, der Für¬ sorge Hetels. Nachdem er seine Tochter noch einmal geküßt und sich vor seinem Schwiegersohn verneigt hat, schifft er sich nach Baljan ein. Zu Hause angekommen, erzählt er mit sichtlichem Stolz der Königin, einen wie mächtigen Schwie¬ gersohn sie bekommen haben, und sagt, wenn er noch mehr Töchter hätte, würde er sie auch ins Hegelingenreich senden.
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Kudrun: Nacherzählung
Die alte Hilde aber lobt Christus, daß es ihrer Tochter so gut ergangen ist. 9. Aventiure (Str. 563-586) Hetels Vasallen sind in ihre Länder zurückgekehrt, er¬ scheinen jedoch von Zeit zu Zeit am Hofe ihres Herrn. In den nächsten sieben Jahren führt der König drei Kriege gegen Feinde im Äußeren und befriedet sein Reich im Inne¬ ren. Überall genießt er hohes Ansehen. Seme Gemahlin schenkt zwei Kindern das Leben, einem Sohn namens Ortwin und einer Tochter Kudrun. Ortwin wird von Wate so erzogen,
daß
er seine Lebensweise
auf
die Bewährung
höfischer Tugenden ausrichtet; Kudrun läßt Hetel in Däne¬ mark, also von Horant, erziehen. Als sie heranwächst, über¬ trifft sie die große Schönheit ihrer Mutter und ihrer Gro߬ mutter noch um ein beträchtliches. Aber den Fürsten, die um sie werben, versagt Hetel sie. Einer von ihnen ist Sieg¬ fried von Morlant, zu dessen Reich auch Alzabe und Ikarja gehören und dem sieben Könige untertan sind. Siegfried glaubt von sich, daß im höfischen Benehmen niemand ebenso ruhmvoll wäre wie er selbst, und in der Tat besitzt er alle ritterlichen Eigenschaften in hervorragendem Maße. Vor Hetels Burg veranstaltet er ritterliche Kampfspiele. Kudrun ist ihm durchaus zugeneigt, obwohl er von dunkler Haut¬ farbe ist. Doch Hetel, voll stolzen, ja hochmütigen Sinnes, weigert sich, ihm Kudrun zur Frau zu geben. Siegfried ist darob sehr erzürnt und droht, Hetels gesamtes Reich mit Brand zu verwüsten. Der Dichter aber fügt vorausdeutend hinzu, daß es ein Ritter namens Herwic sein wird, der nach langer Zeit von ihm großen Schaden gewinnt.
10. Aventiure
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10. Aventiure (Str. 587-616) Der Schauplatz der 10. Aventiure ist zunächst das Nor¬ mannenland, in das ebenfalls die Kunde von Kudruns außer¬ ordentlicher Schönheit gedrungen ist. Hartmut, der Sohn König Ludwigs und der Königin Gerlint, richtet sein Be¬ gehren auf die hegelingische Königstochter, wozu ihm seine Mutter geraten hat. Als Ludwig von der Absicht seines Sohnes hört, sucht er sie ihm mit allerlei Gründen auszu¬ reden: Vielleicht sei Kudrun gar nicht so schön, sie wohne zu weit entfernt, die Werbungsboten könnten ihr Leben ver¬ lieren, und schließlich erinnert Ludwig daran, wie es bei der Werbung um ihre Mutter Hilde ergangen ist. Insgesamt meint er: „Das Volk ist übermütig; ich glaube, Kudruns Verwandten sind wir verächtlich“ (592, 4). Doch Hartmut besteht auf seinem Vorhaben: „Ich werde nicht ruhen, bis ich die Tochter der schönen Hilde gewinne“ (593, 4), er¬ klärt er, und seine Mutter rät, noch bevor der König seine Zustimmung gegeben hat, Briefe an Hetel zu schreiben, und sagt die angemessene Ausrüstung der Boten zu. Auch Ludwig ist nun mit Hartmuts Plan einverstanden und verspricht seine Unterstützung. Hundert Tage sind die von Hartmut ausgewählten sechzig Boten zu Wasser und zu Lande unterwegs, ehe sie auch nur in die Nähe von Hetels Reich gelangen. Dann kommen sie nach Dänemark, wo sie um Geleit zum Hofe König Hetels bitten, das ihnen Horant bereitwillig gewährt. Dort werden sie zwar geziemend aufgenommen, doch erst nach zwölf Tagen vom König empfangen. Er begrüßt die Boten freund¬ lich, ändert aber seine Haltung ihnen gegenüber, sobald er erfahren hat, weshalb sie gekommen sind. Hetel verübelt es nicht nur Horant, daß er ihnen Geleit gewährt hat, sondern droht den normannischen Boten sogar, sie ihren Auftrag persönlich entgelten zu lassen. Die Begründung, warum Hartmuts Werbung auf eine so schroffe Ablehnung stößt,
606
Kudrun: Nacherzählung
gibt dann Hilde: Hartmut sei Kudrun nicht ebenbürtig, da ihr Vater Hagen seinem Vater 103 Burgen zu Lehen ge¬ geben habe, Ludwig mithin Lehnsmann ihres Vaters sei. Und sie trägt den Boten auf, Hartmut auszurichten: „Sie wird nicht seine Frau. [. . .] Ihr sollt ihn anderswohin weisen, wo er für sein Land eine Königin werben mag“ (612). So müssen
die
Boten
unverrichteterdinge
den
weiten
und
beschwerlichen Rückweg in ihre Heimat antreten. Hartmut indes findet sich mit der Zurückweisung seiner Werbung nicht ab. Als der Führer seiner Gesandtschaft, ein Graf, ihm die außerordentliche Schönheit Kudruns bestätigt hat, erklärt er lapidar: „So will ich nicht ohne sie bleiben“ (615,4b), und auch Gerlint wünscht sich nach wie vor, Kudrun noch in ihrem Lande zu sehen.
11. Aventiure (Str. 617-629) Mehrere Jahre vergehen. Da wirbt König Herwic von Seeland um Kudrun. Doch Hetel weist seine Werbung wie die früheren zurück und läßt die Boten gefangensetzen. Nun erscheint auf einmal Hartmut am hegelingischen Hofe, wo er sich unerkannt eine Zeitlang aufhält. Sein Aussehen und sein Auftreten, aufgrund dessen er zu Recht die edle Minne vornehmer Damen begehren darf, erregen allgemein Be¬ wunderung. Er sieht Kudrun, nach der sein Herz verlangt, und läßt ihr insgeheim die Botschaft zukommen, daß er am Hofe weilt. Kudrun, die Wohlwollen für den glänzenden Ritter empfindet, rät ihm daraufhin, sich so schnell wie möglich zu entfernen, ehe ihr Vater von seiner Anwesenheit erfahre. So scheidet Hartmut vom hegelingischen Hofe, ohne an das Ziel seiner Wünsche gelangt zu sein, und er sinnt darauf, wie er die ihm zuteil gewordene Verletzung seiner Ehre an dem König rächen könne, ohne deshalb doch die Gunst der von ihm geliebten Kudrun zu verlieren. Wie-
12. Aventiure
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der in der Heimat, rüstet er, angestachelt von seiner Mutter, die der Dichter hier erstmals ‘die alte Teufelin’4 nennt (629, 4), zum Kriege.5
12. Aventiure (Str. 630-667) Inzwischen sind Herwics Bemühungen um Kudrun weiter¬ gegangen, doch bleibt Hetel bei seinem Nein: „Hätte er [Herwic] an einem Tage tausendmal dorthin [zu Hetel] gesandt, er hätte da nichts anderes als Hochmut und Ver¬ schmähen gefunden“
(631, 2/3).
In
einer Vorausdeutung
bemerkt der Erzähler dazu, daß Herwic trotzdem Kudruns Gemahl geworden ist. Hetels Aufforderung an Herwic, die Werbung um seine Tochter zu unterlassen,
beantwortet
dieser mit der Botschaft an den König, daß er ihn mit Heeresmacht Wiedersehen werde, und in der Tat stellt er ein Heer von dreitausend Mann auf. Irolt, der das erfährt, unterrichtet seinen Lehnsherrn davon. Hetel hält mit seinen Mannen eine Beratung ab, an der auch die Königin beteiligt ist, die in ihren Äußerungen Sympathie für den stattlichen Werber erkennen läßt, zugleich aber zur Vorbereitung der Verteidigung rät. Doch man gelangt nicht zum Beschluß einer tatkräftigen Abwehr, vielmehr wird man eines Mor¬ gens durch den Alarmruf eines Wächters geweckt, der die Feinde vor der Burg erspäht hat. Herwics Leute dringen gegen das Tor vor, und der junge König von Seeland zeich¬ net sich im Kampf besonders aus. Kudrun, die ihn sieht, ist von widerstreitenden Gefühlen erfüllt: Zum einen freut es 4 Nur an dieser Stelle findet sich für Gerlint die mittelhochdeut¬ sche Bezeichnung välentinne; im Folgenden ist stets das synonyme tiuvelinne gebraucht. 5 Daß dies darum geschieht, weil Hartmut entschlossen ist, Kudrun notfalls mit Gewalt zu entführen, wird vom Dichter in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich vermerkt.
608
Kudrun: Nacherzählung
sie, daß ein so tüchtiger Kämpfer um sie wirbt, zum andern aber ist es ihr schmerzlich, daß er den Ihren so viel Schaden zufügt. Herwics Heer ist der Schar der Verteidiger zahlen¬ mäßig überlegen und dringt durch das Tor in die Burg ein. Hetel und Herwic treffen im Zweikampf aufeinander, und Hetel bekennt während des Kampfes, diejenigen, die ihm geraten hätten, Herwics Werbung abzulehnen, hätten nicht gewußt, wer er, der so tapfer kämpft, wirklich ist. Kudrun, die Herwic ebenso den Sieg wünscht wie ihrem Vater, ruft diesem aus der Burg zu, den Streit, der schon so viele Opfer gekostet hat, zu beenden. Derweil möchte sie sich, wie sie sich ausdrückt, nach Herwics nächsten Verwandten erkundi¬ gen.6 Herwic will den Waffenstillstand nur gewähren, wenn Kudrun ihn unbewaffnet zu sich kommen läßt, damit er ihr von seinen nächsten Verwandten berichten, also seine Eben¬ bürtigkeit darlegen kann. Um Kudruns willen wird der Kampf abgebrochen, und mit hundert seiner Helden tritt Herwic zu Kudrun, die in Begleitung ihrer Mutter ist und noch immer zwischen der Neigung zu ihren Eltern und zu dem kühnen Ritter, der um sie wirbt, hin und her schwankt; aber Herwics Erscheinung gibt sehr schnell den Ausschlag zu seinen Gunsten. Herwic hält Kudrun vor, daß man ihn seines geringen Geschlechtes wegen schmählich behandelt habe, während doch, wie er mit einer sentenzhaften Wen¬ dung hinzufügt, oft reiche Leute gerade bei den Armen große Freude hätten. Kudrun erwidert: „Wer wäre die Dame, die das geringachtete, wenn ihr ein Held so diente, daß sie den hassen würde? Glaubt mir, daß es [Euer Ge¬ schlecht] mir nicht gering dünkt. Gewogener, als ich Euch bin, ist (Euch) keine, die Ihr je gesehen habt“ (657). Wenn ihre nächsten Verwandten es ihr erlaubten, so wolle sie gern seine Frau werden. Mit liebevollen Blicken sieht Herwic Kudrun in die Augen, und sie wiederum spricht offen aus, Das heißt, sie will sich — zum Erweis seiner Ebenbürtigkeit — nach seiner Herrschaft erkundigen.
13. Aventiure
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daß sie ihn im Herzen trage. Daraufhin bittet der König von Seeland Kudruns Eltern um die Erlaubnis, um ihre Tochter werben zu dürfen, und sie geben sie ihm. Herwic verspricht Kudrun, daß er, wenn sie ihn liebe, immer so sein werde, wie sie es von ihm wünscht, und daß sein ganzes Land und seine Leute ihr dienen werden. Kudrun antwortet: „Ich
gestehe
Euch
gerne,
daß
ich Euch
gewogen
bin“
(662, 1), und sie geht dann von dem distanzierten ‘Ihr’ zum vertrauten ‘du’ über, wenn sie fortfährt: „Du hast es mit (deinem) Dienst heute hier verdient, daß ich die Feind¬ schaft zwischen dir und meinem Geschlechte beenden will“ (662, 2/3). Nun versammeln sich Hetels vornehmste Man¬ nen, und auf ihren Rat hin fragt der König seine Tochter, ob sie Herwic zum Manne haben wolle, worauf sie er¬ widert: „Ich will für mich keinen besseren Geliebten be¬ gehren“ (664, 4b). Im Kreise der Ritter wird nun die förm¬ liche Vermählung geschlossen. Herwic will die ihm an¬ getraute Gattin mit sich in sein Land führen. Aber das läßt Hilde nicht zu: sie will ihre Tochter zuvor auf ihre künftigen Aufgaben als Königin besser vorbereiten. Ein Jahr, während dessen er die Zeit mit schönen Frauen ver¬ bringen könne, soll Herwic noch auf Kudrun warten. Aus¬ drücklich bemerkt der Erzähler, daß eben aus dieser Ver¬ zögerung Herwic großes Leid erwachsen wird; denn Sieg¬ fried erfährt von dem, was vorgegangen ist, und berat¬ schlagt mit den Seinen, wie er Herwic Schaden zufügen könne. 13. Aventiure (Str. 668-724) Der König von Morlant bietet ein Heer auf, läßt zwanzig Schiffe bauen und rüstet seine Flotte, mit der er gegen See¬ land fahren will, mit Waffen und Proviant aus. So groß ist Siegfrieds Aufgebot - der Dichter spricht von 80 000 Mann -, daß das Land von Alzabe menschenleer wird. Siegfried läßt
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Kudrun: Nacherzählung
Herwic den Krieg erklären, der daraufhin Vorbereitungen zur Verteidigung trifft. Im nächsten Frühjahr fallen Sieg¬ frieds Scharen in Seeland ein, wo es zu heftigen Kämp¬ fen kommt. Herwic und seine Leute unterliegen den ge¬ waltigen Massen der Mohren, die sein Land verwüsten und verbrennen. Zwar setzt der König von Seeland sich so tapfer zur Wehr, daß das Schlachtfeld mit Toten übersät ist, gerät aber schließlich doch in starke Bedrängnis. Da entschließt er sich, Kudrun Kunde von seiner Lage zukommen zu lassen. Hetel, der die Boten empfangen hat, verweist sie nach ihrem Bericht an Kudrun: Was sie gebietet, das soll geschehen: „Wenn sie uns bittet, den Schaden in dem Lande zu rächen, so werden wir euch bereitwillig dienen. Sein
[Herwics]
Leid wird gar wohl vollständig gerächt werden“ (680, 3/4). Die Boten treffen Kudrun weinend an, und sie fragt sie, ob ihr lieber Mann noch am Leben gewesen sei, als sie aus See¬ land aufgebrochen sind. Diese Sorge können ihr die Boten nehmen, schildern dann aber die schlechte und gefährliche Lage, in der Herwic sich befindet: „Er und seine Helden sind in großer Not. Sie fürchten täglich, ihr Leben und ihre Ehre zu verlieren“ (684, 2/3). Sogleich bittet Kudrun unter Tränen ihren Vater, Herwic zu Hilfe zu kommen. Hetel sagt ihr ohne Zögern seine und seiner Lehnsleute Hilfe zu und sendet unverzüglich Boten an seine Vasallen. Er selbst rüstet wohl tausend Mann aus. Weinend nehmen Hilde und ihre Tochter von dem Könige Abschied. Doch freut es sie, daß so viele Helden mit ihm reiten, und sie wünschen ihnen: „Gott im Himmel lasse euch Ruhm und Ehre erstreiten“ (694, 4). Neben dem König beteiligt sich auch Kudruns Bruder Ortwin mit einem eigenen Kontingent von vier¬ tausend Kriegern an dem Unternehmen zur Unterstützung Herwics, und auch die großen Vasallen Hetels, Wate, Horant, Morunc, stoßen in den folgenden Tagen jeweils mit ihren Heeren zu dem Zug hinzu. Inzwischen hat sich Herwics militärische Lage weiter ver¬ schlechtert, und die Mohren sind seiner Burg schon recht
14. Aventiure
611
nahe. So kommt Hetel mit seinem Heer in letzter Stunde und führt nun eine Wende des Kriegsglücks herbei. Sieg¬ frieds Leute setzen sich freilich erbittert zur Wehr: „Obwohl sie Heiden hießen, die von Morlant, ließen sie sich nicht zurückdrängen. Von ihnen war wohlbekannt, daß es immer die Besten von der ganzen Erde wären“ (705, 1-3). Die Kampfleistungen der großen Recken führt der Dichter im einzelnen vor. Nachdem die Schlacht zwölf Tage getobt hat, haben die Mohren allen Grund, zu bereuen, daß sie diese Heerfahrt unternommen haben. Am Morgen des dreizehn¬ ten Tages beruft Siegfried, dessen Situation ausweglos ge¬ worden ist, einen Kriegsrat ein. Dieser beschließt, daß man sich in eine Befestigung an einem großen Fluß zurückzieht. Auf dem Wege dorthin kommt es noch einmal zu heftigen Gefechten und auch zu einem Zweikampf zwischen Hetel und Siegfried, der damit endet, daß Siegfried sich zur Flucht wenden muß. In der Feste werden er und der Rest seines Heeres nun von Hetel und Herwic belagert.
14. Aventiure (Str. 725-752) Hetel läßt seiner Gemahlin und seiner Tochter die Kunde von dem glücklichen Verlauf, den der Krieg für ihn und Herwic jetzt genommen hat, zukommen und teilt ihnen mit, daß Siegfried belagert wird. Die beiden Frauen hinwiederum übermitteln den Ihren ihre besten Wünsche. So scheint für die Hegelingen und Herwic alles zum besten zu stehen, und Hetel schwört, nicht eher von hinnen zu weichen, bevor er die von Morlant zu Geiseln gemacht habe. Der Dichter aber kündigt bevorstehendes Unheil an. Denn Hartmut hat durch Späher auskundschaften lassen, was in Seeland vorgegangen ist, und erfährt von ihnen, daß das Hegelingenreich von Kriegern entblößt und Hetel und Hefwic mit ihren Heeren durch den Kampf gegen Siegfried gebunden sind. Für Hart-
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Kudrun: Nacherzählung
mut sind das erfreuliche Nachrichten, zumal die Boten ihm versichern, daß die Belagerung Siegfrieds mehr als ein Jahr dauern werde. Es ist Hartmuts Plan, Hetels Burg zu über¬ fallen und Kudrun zu entführen, solange ihr Vater in See¬ land weilt. Bei den Vorbereitungen entwickelt Hartmuts Mutter Gerlint, welche die Kränkung,
die
die
Zurück¬
weisung der Werbung ihres Sohnes durch Hetel bedeutet, nicht verwunden hat, eine besondere Aktivität. Nicht allein, daß sie wünscht, man solle Wate und Fruote aufhängen, sondern sie verspricht auch den Kriegern ihr eigenes Silber und Gold, das sie den Hofdamen vorenthalten will, und ihr ganzes Sinnen und Trachten geht darauf, Kudrun als Hart¬ muts Gattin im Normannenland zu sehen. Audi Ludwig ist von einer ungewöhnlichen Freigebigkeit gegenüber seinen Leuten, und überdies trägt er seinem Sohne auf, die von auswärts gekommenen Recken mit Geschenken zu bedenken. So große Gaben an Reit- und Lasttieren, an Sätteln und Schilden habe es in Schwaben 7 nie gegeben, meint der Dich¬ ter dazu. Ludwig nimmt tüchtige Steuerleute in Dienst, denen die Fahrtroute ins ferne Hegelingenreich bekannt ist. Mit 23 000 Mann brechen Ludwig und der von Sehnsucht nach Kudrun erfüllte Hartmut zum Hegelingenland auf, wo man von dem drohenden Überfall nichts ahnt. Die Nor¬ mannen landen in einiger Entfernung von Hetels Burg, deren Palas und Türme sie sehen können, und Hartmut schickt Boten aus, deren genaue Mission vom Dichter erst zu Beginn der nächsten Aventiure enthüllt wird.
15. Aventiure (Str. 753-809) Sie haben die Aufgabe, Kudrun noch einmal Hartmuts Möglicherweise hat statt Schwaben’ ursprünglich eine andere Landschaftsangabe gestanden.
15. Aventiure
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Werbung vorzutragen, ihr seine Liebe zu versichern und ihr das Erbe seines Vaters in Aussicht zu stellen. Freilich: Wenn sie ihn nicht minnen will, dann wird er ihr feind. Zwar ist es ihm lieber, wenn Kudrun ihm freiwillig folgt. Doch wenn sie sich ihm versagt, dann will er sich im Kampf, den er androht, eher selbst in Stücke hauen lassen als darauf ver¬ zichten, die hegelingische Prinzessin mit sich zu führen. Die Abgesandten, zwei angesehene Grafen, reiten eilends nach Matelane, wie Hetels Burg heißt. Als der Königin ihre An¬ kunft gemeldet wird, erschrickt sie. Aber nichtsdestoweniger empfängt sie die normannischen Boten, wie es sich geziemt. Sie läßt sie nicht lange vor dem Tor warten, sondern be¬ grüßt sie alsbald, und ebenso Kudrun, von der der Erzähler an dieser Stelle hervorhebt, daß sie Herwic sehr liebe. Be¬ vor sie ihre Botschaft ausrichten, bewirtet die Königin die beiden Normannen mit Getränken. Erst dann können sie Hartmuts Werbung übermitteln. Entschieden weist Kudrun diese zurück und erklärt, daß sie vermählt sei: „Er heißt Herwic, dem ich seine freundliche Gesinnung (mir gegen¬ über) bereitwillig lohne. Dem bin ich versprochen: ich habe gelobt, ihn zum Manne zu nehmen, er nahm mich zur Frau. Ich gönne dem Recken gern alles, was ihm je an großer Ehre zuteil werden könnte. All mein Lebtag begehre ich [zur Liebe] keinen (anderen) Geliebten mehr“ (769, 4-770,4). Daraufhin kündigen die Boten auftraggemäß an, daß Hart¬ mut mit seinen Recken am dritten Morgen vor Matelane erscheinen werde, eine Drohung, über die Kudrun lacht. Als die Normannen um die Erlaubnis bitten, sich entfernen zu dürfen, vollendet Hilde ihre höfische Zucht und Selbst¬ beherrschung, indem sie ihnen Geschenke anbietet, die die vornehmen
Abgesandten jedoch nicht
annehmen.
Hetels
Leute indes sagen ihnen, daß sie den Zorn und Haß der Nor¬ mannen nicht im mindesten fürchten, und wenn sie nicht Kö¬ nig Hetels Wein trinken wollten, so werde man Hartmut und den Seinen Blut einschenken. Voller Spannung hat Hartmut die Rückkehr seiner Boten
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Kudrun: Nacherzählung
erwartet. Jetzt läuft er ihnen entgegen und fragt sie, wie Kudrun seine Botschaft aufgenommen habe. Der Bote, der ihm Bescheid gibt, unterläßt es nicht, ihm auch ausdrücklich die Drohung von Hetels Recken zu wiederholen, daß man ihm heißes Blut einschenken werde, wenn er nicht den Wein der Hegelingen trinken wolle.8 Kaum hat Hartmut von der neuerlichen Ablehnung seines Antrags gehört, ist er, tief gekränkt, sofort entschlossen, sich Kudruns mit Gewalt zu bemächtigen. Ludwig und er ziehen mit ihren Heeren vor Matelane. Als man dort Feldzeichen bemerkt, glaubt Kud¬ run zuerst, Hetel sei zurückgekommen und mit ihm Herwic. Aber sehr rasch erkennt man dann, daß es Feinde sind, die sich der Burg nähern. Die Königin heißt die Burgtore ver¬ schließen. Doch Hetels Mannen folgen dieser Anordnung nicht, vielmehr wollen sie den Normannen vor der Burg in offener Feldschlacht gegenübertreten, was der Dichter auf ihre übermüete, d. h. auf ihre hochmütige Selbstüberschät¬ zung zurückführt (781, 2). Als erster erreicht Hartmut mit seiner Schar die Burg. Die Verteidiger können ihm zunächst widerstehen. Wenig später aber folgt Ludwig mit der seinen, offenbar der Hauptmacht, und die beiden Abteilungen ver¬ einigen sich. Jetzt bedauern es die stolzen Burgmannen, Hildes Rat nicht gefolgt zu sein. Doch nun ist es zu spät, die Tore noch zu verschließen: schon dringen die zahlen¬ mäßig weit überlegenen Normannen trotz schwerer Verluste, die die von der Mauer heruntergeschleuderten Steine in ihren Reihen verursachen, in das Innere der Burg ein und pflanzen zum Zeichen ihres Sieges auf der Zinne ihr Banner auf. In zwei Strophen erwägt der Dichter, was geschehen wäre, wenn Wate und auch Hetel anwesend gewesen wären: dann hätten die Normannen Kudrun niemals gefangen nach Ormanie führen können. Während die Sieger dazu über-
Zu beachten ist, daß aus dem Bericht des Boten nicht her¬ vorgeht, daß es nicht Hilde und ihre Tochter gewesen sind, die diese herausfordernde Drohung ausgesprochen haben.
15. Aventiure
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gehen, die Burg zu plündern, tritt Hartmut vor Kudrun und erklärt ihr, es wäre an sich recht, wenn sie hier keine Gefangenen machten, sondern alle erschlügen und aufhingen. Kudrun erwidert nur: „Ach, mein Vater, wüßtest du, daß man deine Tochter mit Gewalt aus deinem Lande hinweg¬ führte, so würde mir armer Königin dieser Schade und diese Schande nicht widerfahren“ (797). Die Normannen wollen nun die Burg in Brand setzen, doch untersagt das Hartmut. Ihm kommt es, nachdem er seinem Ziel, Kudrun, und sei’s mit Gewalt, nach Ormanie zu bringen, nahe ist, vor allem darauf an, das Land so schnell wie möglich wieder zu ver¬ lassen, ehe Hetel von dem Überfall auf seine Burg erfährt. Er befiehlt den Seinen auch, das Plündern einzustellen, und verspricht ihnen dafür, sie zu Hause mit dem Gute seines Vaters schadlos halten zu wollen; außerdem sei es für sie dann leichter, auf dem Meere zu segeln, als wenn sie mit vieler Beute beladen seien. Gleichwohl ist viel geraubt wor¬ den, und die Stadt 9 geht in Flammen auf. Zweiundsechzig Jungfrauen führen die Normannen mit sich fort, unter ihnen Kudrun und Hildeburc. Hilde vermag nur noch, an ein hochgelegenes Fenster zu eilen und den gewaltsam Hinweg¬ geführten einen letzten Blick nachzuwerfen. Dann sendet sie Boten an ihren Gemahl, die ihm von dem Unglück, das über ihn hereingebrochen ist, berichten sollen: „Ihr Boten, sagt dem König, daß ich ganz allein bin. Es ist mir schlimm ergangen: Hochmütig fährt der mächtige Ludwig zu seinem Lande. Tausend oder noch mehr liegen kläglich ( = tot) vor dem Tor“ (807). - Unterdessen sind die Normannen fort¬ gesegelt. Auf dem Wülpensand, einer unbewohnten Insel, unterbrechen sie ihre Fahrt, um eine Ruhepause einzulegen.
9 Man hat sie sich unterhalb der Burg zu denken.
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Kudrun: Nacherzählung
16. Aventiure (Str. 810-846) Nach sieben Tagen kommen Hildes Boten im Lager der Hegelingen an, wo die Ritter während der langwierigen Belagerung sich die Zeit mit sportlichen Wettkämpfen, mit Laufen, Springen und Speerwerfen, vertreiben. Horant ist der erste, der die Boten bemerkt, und er äußert dem König gegenüber die Hoffnung, daß zu Hause nichts Schlimmes ge¬ schehen sei. Hetel geht den Boten entgegen, und in knappen Worten erstatten sie ihm Bericht: „Deine Burgen sind zer¬ brochen, verbrannt ist dein Land; Kudrun ist mit ihrem Ingesinde hinweggeführt“ (816,2/3); „wohl tausend deiner Verwandten und deiner Mannen liegen tot; dein Gut ist zu fremden Königreichen geführt“ (817,2/3). Hetel fragt die Boten, wer das getan habe, und weist, nachdem er hierüber unterrichtet worden ist, zunächst auf den Grund hin, warum er Hartmuts Werbung um Kudrun abgelehnt hat: weil der normannische König von Hagen Land zu Lehen genommen habe. Dann ordnet er an, dafür Sorge zu tragen, daß die Feinde nichts von den Ereignissen erfahren, und läßt seine Verwandten und Freunde und andere Mannen herbeiholen, denen er die ihm übermittelte Botschaft wiederholt. Herwics Augen füllen sich mit Tränen, als er Hetel dabei wei¬ nen sieht, und auch die anderen brechen daraufhin in Trä¬ nen aus. Der alte Wate aber wendet die allgemeine Klage zur Handlung und kündigt Rache an Hartmut und Ludwig an. Auf Hetels Frage, wie sie möglich sei, legt er sogleich seinen Plan dar: Mit den Mohren solle man Frieden schlie¬ ßen, und damit sie dazu geneigt sind, soll am nächsten Mor¬ gen gegen sie ein derartig starker Angriff unternommen wer¬ den, daß sie erkennen, daß ohne die Beendigung des Kamp¬ fes für sie keine Chance des Überlebens besteht. Wates Plan gelingt: Siegfried erklärt sich auf eine ent¬ sprechende Frage Irolts, die dieser im Auftrag Hetels ge¬ stellt hat, zum Friedensschluß bereit, freilich nur unter ehren-
16. Aventiure
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haften Bedingungen. Nachdem der Friede geschlossen ist, berichtet Hetel dem König von Morlant von dem Unglück, das ihn betroffen hat, und fragt ihn, ob er ihm gegen Hart¬ mut beistehen wolle. Siegfried sagt ihm in der Tat seine Hilfe zu. Wate weiß, daß die Normannen auf der Rück¬ fahrt nicht weit von Seeland vorbeisegeln müssen, so daß die Hegelingen und ihre Verbündeten sie noch erreichen können. Auch auf den Einwand Hetels, daß er keine Schiffe zur Verfügung habe, weiß Wate Rat: Ganz in der Nähe liegt eine wohlausgerüstete Kreuzfahrerflotte, siebzig Schiffe: „Die müssen wir gewinnen, wie immer es uns danach er¬ gehen mag“ (839, 2). Die Kreuzfahrer sollen am Strand warten, bis die Hegelingen zurückkehren. Sogleich wird Wates Plan ausgeführt. Uber dreitausend Kreuzfahrer werden am Strand von den Hegelingen überrascht, so daß sie sich nicht mehr zum Kampfe stellen können und auch nicht in der Lage sind zu verhindern, daß ihr Silber und ihre Ge¬ wänder ans Ufer gebracht werden. Die Lebensmittel da¬ gegen bleiben auf Wates Befehl auf den Schiffen. Dafür stellt er ihnen Entschädigung in Aussicht. Die Kreuzfahrer klagen und fluchen, aber Wate achtet nicht im mindesten darauf. Hetel geht sogar noch einen Schritt weiter als Wate und reiht fünfhundert oder mehr der besten Krieger zur Verstärkung seiner Kampfkraft kurzerhand in sein eigenes Heer ein. Der Erzähler jedoch macht in wiederholten, das kommende Geschehen antizipierenden Bemerkungen deutlich, daß es nach seiner Ansicht eben dieses Unrecht an denen, die im Dienste Gottes stehen, ist, das die Niederlage der Hege¬ lingen in der bevorstehenden Schlacht verursacht hat (840, 4; 844, 4; 845), und er meint, Gott selbst habe das Leid, das ihm an seinen Streitern zugefügt worden ist, gerächt. Bei günstigem Wind segelt Hetels Flotte den Normannen nach.
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Kudrun: Nacherzählung
17. Aventiure (Str. 847-879) Ludwig und Hartmut haben auf dem Wülpensand eine Ruhepause eingelegt. Den Gefangenen erlaubt man, sich an dem unwirtlichen Strand zu bewegen. An eine Gefahr glau¬ ben die Normannen nicht mehr, und sie richten sich für einen Aufenthalt von einer Woche oder noch länger auf dem Wül¬ pensand ein. Auf einmal erblickt ein Schiffer am Horizont ein Schiff mit geschwellten Segeln. Da in ihnen Kreuze ange¬ bracht sind, meinen die Normannen, daß es sich um ein Kreuzfahrerschiff handele. Bald tauchen noch mehr Schiffe auf, die, so bemerkt der Dichter, manchen befördern, der das Kreuz zur Ehre Gottes nie an seinem Gewand getragen hat. Als sie nahe genug herangesegelt sind, erkennen die Normannen auf den Schiffen die glänzenden Helme und wissen nun, daß wider Erwarten ihre Feinde gekommen sind. Eilends wappnen sich die Überraschten zur Verteidi¬ gung. Unter einem Hagel von Wurfspeeren, der, wie der Er¬ zähler sagt, dichter ist als ein von den Alpen herabwehen¬ der Schneefall, gehen die Hegelingen an Land. Wate und Ludwig sind die ersten Einzelkämpfer, die in einen heftigen Zweikampf miteinander geraten, und nur mit Mühe und darum, weil er unter seiner Brünne ein schützendes Hemd aus arabischer Seide trägt, 10 kann Ludwig den gewaltigen Schlägen des grimmen Wate entrinnen, während viele Un¬ genannte ihm erliegen. Herwic kann vom Schiff aus nicht sogleich das Land erreichen und muß zunächst bis in Achsel¬ höhe ins Wasser springen, was der Dichter als schweren vrouwen dienest bezeichnet. Die Normannen suchen ihn im Wasser zu ertränken, indem sie in großer Zahl ihre Speere auf ihn schleudern, und er muß sich sehr anstrengen, um un¬ versehrt ans Ufer zu gelangen. Bis es den Hegelingen und 10 Wahrscheinlich denkt der Dichter daran, daß in das Hemd Reliquien eingenäht sind.
18. Aventiure
619
ihren Bundesgenossen allesamt gelungen ist, ans Land zu kommen, hat sich das Meer blutrot gefärbt. „Größere Müh¬ sal wurde nie Helden kund: nie wurden so viele Helden auf den Grund (des Wassers) gedrückt. Ein Land hätten die als Erbe
hinterlassen
(Auch)
die,
können,
die
ohne
Wunden
starben.11
die ihnen da Schaden zufügten, verdarben,
glaube ich, allenthalben“ (870). Wieder berichtet der Dich¬ ter von den Kampfleistungen der bedeutenden Recken. Den ganzen Tag über dauert die Schlacht. Endlich bricht der Abend herein, und noch ist keine Entscheidung gefallen.
18. Aventiure (Str. 880-918) Da treffen Hetel und Ludwig aufeinander, und der Nor¬ mannenherrscher erschlägt mit seinem Schwert den König der Hegelingen. Rasch verbreite^ sich die Kunde vom Tode Hetels. Sie dringt auch zu Kudrun und ihren Jungfrauen, die in laute Klagen ausbrechen. Wate stachelt die Nachricht vom Tode seines Herrn zu besonderer Kampfeswut an. Er brüllt auf wie ein wildes Tier und färbt mit gewaltigen Schlägen die Helme seiner Feinde so blutrot, als würden sie im Abendrot leuchten. Und auch die anderen Mannen suchen ihres Königs Tod an den Feinden zu rächen. Aber jetzt ist die Nacht hereingebrochen, ohne daß der Mond schiene, und in der Dunkelheit geschieht es, daß Horant einen seiner eigenen Leute, zudem einen Verwandten, den er für einen Gegner gehalten hat, erschlägt. Herwic ruft laut, daß es unsinnig sei, weiterzukämpfen („hier wird Mord began¬ gen“, 888, lb), und so wird die Schlacht beendet. Die beiden
11 Dieser Vers kann verschieden verstanden werden. Er meint wohl, daß das hinterlassene Erbe derer, die äne wunden stürben (v.
3b),
hätte.
nämlich
durch
Ertrinken,
ein
ganzes
Land
ergeben
620
Kudrun: Nacherzählung
Heere ziehen sich etwas zurück, bleiben indes einander doch so nahe, daß man im Schein der angezündeten Feuer die Helme und Schilde des Feindes erkennen kann. Ludwig und Hartmut beraten sich, wie die Normannen sich weiter verhalten sollen. Ludwig befiehlt seinen Kriegern, sich niederzulegen und auszuruhen, dann aber einen großen Lärm zu veranstalten, so daß die Hegelingen glauben müs¬ sen, die Normannen seien noch auf der Insel anwesend und feierten ihren Sieg, während sie sich (das ist Ludwigs Kriegs¬ list) in Wirklichkeit einschiffen und heimlich davonsegeln sollen. In den Lärm der Normannen mischt sich das Weh¬ klagen der entführten Mädchen. Man verbietet es ihnen, damit sie ihre Landsleute nicht aufmerksam machen, und droht denen, die weiterhin laut klagen, mit dem Tode des Ertranktwerdens. Die Normannen lassen nicht nur ihre Toten zurück, sondern auch eine Anzahl von leeren Koggen. „Mit so großen Listen kamen sie auf das Meer“ (897, 1). Den Gefangenen ist es schmerzlich, daß sie schweigen müssen und so ihre Freunde nicht wissen lassen können, was ge¬ schieht. Am Morgen bläst Wate sein Schlachthorn, und zu Pferde und zu Fuß zieht das Heer gegen das normannische Lager - und findet es verlassen. Ortwin rät, sofort die Verfolgung aufzunehmen, und Wate, den es zutiefst be¬ drückt, daß er den Tod seines Königs nicht hat rächen kön¬ nen, will diesem Rat folgen. Aber Fruote widerspricht: Er hat auf den Wind geachtet und meint, die Normannen seien schon dreißig Meilen fort; auch seien sie selbst zu schwach, um gegen die Normannen etwas ausrichten zu können. Da¬ für rät er, die Verwundeten auf die Schiffe zu bringen und die Toten zusammenzusuchen und zu bestatten.
Ortwin
schlägt außerdem vor, zum bleibenden Gedächtnis an die vielen Gefallenen auf dem Wülpensand ein Kloster zu grün¬ den, das die großen Geschlechter des Landes reich ausstatten sollen. Wate stimmt sogleich zu und rät, die Pferde und die Bekleidung der Gefallenen zu verkaufen und den Erlös für das Seelenheil der Toten zu verwenden. Sechs Tage lang
19. Aventiure
621
sind die Hegelingen und ihre Verbündeten eifrig beschäftigt, die Toten, Christen wie Heiden, zu begraben - und zwar nicht nur die der eigenen Seite, sondern auch die der Feinde, damit sie nicht die Beute der Raben und Wölfe werden und für das Seelenheil der Gefallenen Messen lesen zu las¬ sen, mehr, als im Kampfe Umgekommenen sonst irgendwo zugedacht werden. Viele Geistliche bleiben bei den Gefalle¬ nen auf dem Wülpensand zurück und zu ihrer Hut auch andere Leute. Die Kunde von der Stiftung des Klosters verbreitet sich weithin, und durch großzügige Zuwendun¬ gen, namentlich auch von denen, die einen Angehörigen in der Schlacht auf dem Wülpensand verloren haben, wird es so reich, daß ihm die Abgaben von dreihundert Hufen zu¬ fließen. 19. Aventiure (Str. 919-950) Hilde wartet von Tag zu Tag auf die Rückkehr ihres Heeres. Ortwin, dem es zukäme, ihr die Nachricht vom Tode des Königs zu überbringen, wagt nicht, vor ihr zu erschei¬ nen, und Wate ist der einzige, der dies auf sich nimmt, wenn¬ gleich nicht ohne Sorge, hat er doch im Kampf seinen König nicht so behütet, wie er es für seine Aufgabe hält, und fürchtet er doch, Hildes Huld verloren zu haben. Wates Ankunft ist diesmal nicht von fröhlichem Lärm begleitet wie sonst bei der Rückkehr aus einer Schlacht, sondern schweigend reiten er und die Seinen einher, und die Königin bemerkt sogleich, daß die Schilde seiner Leute zerhauen und die Pferde mit Rüstungen (der Erschlagenen) schwer beladen sind. Ohne Umschweife gibt Wate Kunde von dem Ge¬ schehenen: „Ich kann es Euch nicht verschweigen und werde Euch
auch
nicht
betrügen:
Sie
sind
alle
erschlagen“
(925, lb/2). Ein tiefer Schrecken erfaßt daraufhin die Um¬ stehenden, und Hilde klagt, jetzt, nach dem Tode ihres Gat¬ ten, werde sie Kudrun nie Wiedersehen. Wate vermag sie
622
Kudrun: Nacherzählung
nicht zu trösten, aber er stellt ihr Rache in Aussicht: „Her¬ rin, laßt das Klagen sein. Sie kommen nicht wieder. (Aber) später, wenn uns die Leute hier in diesem Lande heran¬ gewachsen sind, fügen wir Ludwig und Hartmut ebenso Schmerz zu“
(928, lb-4). Hilde greift diesen
Gedanken
sofort auf: „Ach, dürfte ich das erleben! Alles, was ich hätte, wollte ich dafür hingeben, daß ich gerächt würde, wie immer das geschähe, daß ich von Gott Verlassene meine Tochter Kudrun (wieder)sähe“ (929, lb—4). Nun berichtet Vate, das Unglück sei deshalb über die Hegelingen herein¬ gebrochen, weil er Kreuzfahrern neun Schiffe fortgenom¬ men habe. Man solle sie ihnen zurückgeben, „wenn wir künftig wieder Krieg führen, daß es uns dann besser er¬ gehen möge“ (931,4). Hilde, die sehr wohl weiß: „Wer immer Kreuzfahrern irgend etwas nimmt, begeht damit eine schwere Sünde“ (932, 3), stimmt unverzüglich zu, den den Kreuzfahrern zugefügten Schaden wiedergutzumachen, ja mehr noch: man soll ihnen für jede Mark Silber, die sie verloren haben, das Dreifache geben. Am nächsten Morgen trifft auch Herwic von Seeland in Matelane ein und findet Hilde in tiefem Schmerz über den Verlust ihres Gatten. Das Weinen der Königin läßt auch ihn in Tränen ausbrechen, und er versichert ihr: „Mein Herz und mein Leib werden niemals ruhen, bis Hartmut es ent¬ golten (= gebüßt) hat, daß er mir je meine Frau zu ent¬ führen und unsere Helden zu erschlagen wagte“ (936, 1-3). Auch die anderen Recken kommen jetzt in Matelane an. Zusammen mit der Königin findet eine Beratung der großen Vasallen statt, in der ein Kriegszug gegen die Normannen beschlossen wird. Aber er kann erst unternommen werden, wenn die junge Generation herangewachsen, wenn sie, wie Wate es ausdrückt, swertmaezic geworden ist (942, 3): reif für das Führen des Schwertes und die Schwertleite. Die Kö¬ nigin stimmt dem zu und wünscht: „Möge Gott uns das erleben lassen!“ (943, lb). Als die Vasallen dann in ihre Länder zurückkehren wollen, bittet Hilde sie, sie oft am
20. Aventiure
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Hofe aufzusuchen. Wate rät, bis die Zeit für die Heerfahrt gegen die Normannen gekommen sein wird, schon seetüch¬ tige Koggen zimmern zu lassen, ein Vorschlag, den die Kö¬ nigin sofort aufgreift. Beim Abschied versichert der König von Morlant Hilde seine Bereitschaft, an der Befreiung Kudruns mitzuwirken, und bittet sie, ihm den Termin des Unternehmens rechtzeitig mitzuteilen. Kaum sind die Krie¬ ger davongeritten, gilt Hildes nächste Sorge den frommen Leuten, die auf dem Wülpensand für das Seelenheil der Ge¬ fallenen beten und denen sie Lebensmittel schicken läßt. Auch erteilt sie den Befehl, dort ein großes Münster und dazu Klostergebäude und Pilgerherbergen zu bauen.
20. Aventiure (Str. 951-1040) Mit der 20. Aventiure wendet sich die Erzählung wieder den Normannen zu, die mit den gefangenen Mädchen auf der Fahrt nach Ormanie sind. Viele treffliche Degen, alte wie junge, schämen sich darüber, daß sie ihren Feinden ent¬ flohen sind, obwohl ihnen ihr Anschlag gut gelungen ist. Als Ludwig sein Land erblickt, spricht er Kudrun an und fordert sie auf, sich mit den Normannen zu freuen. Wenn sie ihnen geneigt sein wolle, werde sie mit einem reichen Land be¬ lohnt. Aber Kudrun lehnt es ab, glücklich zu sein: Ständiges Leid ist ihr Los, zu dem sie sich bekennt. Ludwig rät ihr, ihr Leid zu vergessen und Hartmut zu lieben, dann werde ihr alles zuteil, was sie selber haben, und sie werde immer Ansehen und Freude genießen. Schroff weist Hildes Tochter dieses Ansinnen zurück: „Warum laßt Ihr mich nicht unbelästigt? Ehe ich Hartmut (zum Manne) nähme, wollte ich lieber tot sein. Selbst wenn er mir ebenbürtig wäre, (so) daß er mich lieben dürfte, so wollte ich doch eher das Leben ver¬ lieren, als ihn mir zum Geliebten nehmen“ (959, lb-4). Den König schmerzt diese Äußerung, die seine Familie
624
Kudrun: Nacherzählung
herabsetzt: Er packt die hegeling;ische Königstochter an den Haaren und wirft sie ins Wasser. Doch Hartmut, der den Vorfall beobachtet hat, rettet Kudrun. Gerade als sie un¬ terzugehen droht, kommt er hinzu und zieht sie an ihren blonden Zöpfen aus dem Wasser in eine Barke. Seinem Vater macht er Vorwürfe, daß er Kudrun, die ihm so lieb wie sein eigenes Leben sei, habe ertränken wollen, und ver¬ sichert, wenn es jemand anders als sein Vater getan hätte, würde er diesem Leben und Ehre nehmen. Ludwig bittet daraufhin seinen Sohn, Kudrun zu bewegen, ihm künftig¬ hin nicht zu zürnen. Inzwischen sind Boten vorausgeschickt worden, die der Königin den glücklichen Ausgang des Unternehmens gegen Matelane melden und ihr einen standesgemäßen Empfang Kudruns und der anderen Mädchen auftragen. Zweimal be¬ tont der Bote, daß Gerlint die Gefangenen mit minneclichem gruoze empfangen möge, und gern ist die Königin,
der es nur darauf ankommt, daß ihr Sohn mit Kudrun glücklich wird, dazu bereit. Auch Ortrun, ihre Tochter, freut sich auf die Ankunft Kudruns, von der sie so oft Rühm¬ liches hat erzählen hören. Die allerbesten Gewänder wer¬ den
hervorgesucht,
um Kudrun
und ihre
Begleiterinnen
wirklich festlich im Lande der Normannen begrüßen zu können. In fröhlicher Stimmung landen die Normannen. Kudrun und ihr Gefolge aber sind traurig. Hartmut führt Kudrun an der Hand, was sie gern vermieden hätte, wenn es sich hätte einrichten lassen, und nur der höfischen Sitte wegen nimmt sie seinen Dienst an. Sehr freundlich begrüßt Ortrun die hegelingische Prinzessin, und Kudrun küßt sie unter Tränen. Als nun Gerlint Kudrun küssen will, ver¬ wehrt ihr diese das voller Unwillen, sind es doch, wie sie sehr wohl weiß, Gerlints Ratschläge gewesen, die ihr hartes Geschick herbeigeführt haben. Gerlint erwidert hierauf un¬ mittelbar nichts. Aber sie bemüht sich, Kudruns Wohlwollen zu gewinnen, und begrüßt einzeln die Begleiterinnen der hegelingischen Königstochter. Nur gegen Ortrun ist Kudrun
20. Aventiure
625
freundlich, und diese ist, wie der Dichter betont, die einzige, die Kudrun in voller Selbstlosigkeit und Lauterkeit der Ge¬ sinnung begegnet und ihr den Aufenthalt im fremden Land so angenehm wie möglich zu machen sucht. Den ganzen Tag über bleibt man am Strand, wo die gefangenen Mädchen die Zeit mit Weinen ausfüllen. Dann bringt Hartmut Kudrun auf eine der normanni¬ schen Burgen.
„Da mußte die Prinzessin seitdem länger
bleiben, als ihr Wille war. Sie litt da großen Kummer und Beschwernis“ (986, 3/4). Hartmut trägt seinen Leuten auf, Kudrun eifrig zu dienen. Ungeduldig fragt Gerlint, wann nun Kudrun die Gemahlin ihres Sohnes werden solle, der sich ihr gewißlich gleichstellen könne. Kudrun, die diese Frage gehört hat, ergreift das Wort: Auch Gerlint würde es wahrscheinlich weh tun, wenn man sie zur Ehe mit jeman¬ dem zwingen wollte, von dessen Hand so viele ihrer Ver¬ wandten das Leben verloren haben. Aber Gerlint meint, man müsse sich eben in das fügen, was niemand ändern könne, und verspricht ihr, ihr die Krone abzutreten, wenn sie Hartmut heirate. Doch das Versprechen materiellen Be¬ sitzes beeindruckt Kudrun nicht: die Krone wolle sie nicht, und wieviel Gerlint ihr auch von Hartmuts Reichtümern er¬ zähle, sie werde ihn nicht lieben — „ich verlange nicht, hier zu sein. Wahrlich, ich trachte täglich (nur) danach, von hier fortzukommen“ (991, 4). Hartmut schmerzt es, von Kud¬ run solche Woi'te hören zu müssen. Seine Mutter indes er¬ klärt: „Die Erfahrenen sollen
[so]
die törichten jungen
Leute erziehen“ (993, 2), und sie erbietet sich, dies mit Kudrun so zu tun, daß sie sich in ihrem Hochmut mäßigen müsse (993, 4). Hartmut willigt ein, appelliert freilich an seine Mutter, das eilende Mädchen gut zu behandeln. Aber Kudrun gibt nicht nach, und nun stellt Gerlint die hege¬ lingische Königstochter vor die Wahl: Freude haben,
„Willst du nicht
so mußt du Leid haben!“
(996, 2). Als
‘Erziehungsmaßnahmen’ hat die Teufelin, wie sie hier wie¬ der genannt wird, vorgesehen, daß Kudrun das Gemach der
626
Kudrun: Nacherzählung
Königin heizen und selbst das Feuer unterhalten muß - Ar¬ beiten, die nicht einer Königin geziemen, sondern Mägden Vorbehalten sind. Kudrun fügt sich ohne Widerspruch und ergibt sich in ihr Geschick, „bis mir Gott im Himmel meinen Kummer wende“ (997, 3). Gerlint ist durch Kudruns Ant¬ wort noch mehr in Wut geraten und kündigt ihr an, daß sie sie noch heute von allen anderen hegelingischen Mädchen trennen und ihr alle Annehmlichkeiten entziehen werde. Ihrem Sohn berichtet Gerlint entstellt über ihre Unterre¬ dung mit Kudrun, indem sie behauptet, Kudrun wolle ihm und seinen Freunden mit Geringschätzung begegnen. Auch diesmal empfiehlt Hartmut seiner Mutter, Kudrun, der er so viel Leid zugefügt habe, daß sie sehr wohl Grund habe, von seinem Dienst nichts wissen zu wollen, gut zu behandeln. Doch die Königin entgegnet, nur mit Härte könne man Kud¬ run von ihrer trotzigen Gesinnung abbringen, und eben das will sie tun. Hartmut widersetzt sich dem zwar nicht direkt, wünscht aber immerhin von seiner Mutter, daß sie Kudrun so behandele, daß diese ihm nicht ganz und gar feind werde. Gerlint trennt jetzt auch Kudruns Gefolge voneinander und überträgt ihm gleichfalls standeswidrige Arbeiten: die adli¬ gen Mädchen müssen Garn wickeln, spinnen und Flachs bürsten, während sie nur gewohnt gewesen sind, Seiden¬ stoffe mit Gold zu durchwirken und mit Edelsteinen zu be¬ setzen. Eine der Adligen namens Heregart ist als Auf¬ seherin über die Mädchen tätig, die das Wasser in Ortruns Kemenate tragen müssen, eine andere, die Königstochter Hildeburc, muß mit ihren weißen Händen den Ofen heizen, wenn Gerlints Gesinde in die Stube 12 geht. Dreieinhalb Jahre müssen die hegelingischen Jungfrauen solche schweren und erniedrigenden Arbeiten verrichten. Da kehrt Hartmut, der während dieser Zeit auf drei Kriegs¬ zügen außer Landes geweilt hat, zurück und läßt sich diejenige zeigen, die er sich als tnutmne wünscht. Schon ihr 12 Vielleicht ist damit die Badestube gemeint.
20. Aventiure
627
Aussehen kündet davon, daß sie Annehmlichkeiten und gu¬ tes Essen entbehren muß. Auf seine Frage nach ihrem Er¬ gehen erwidert sie nur: „Da muß ich dienen, daß Ihr des¬ wegen Sünde habt und ich Schande“ (1013,4). Hartmut entgegnet nichts, vielmehr fragt er seine Mutter, warum sie Kudrun, die er ihr doch in Erwartung gnädiger Gesinnung übergeben habe, so behandele. In ihrer Antwort erklärt die Wölfin, wie der Dichter sie in diesem Zusammenhang zum erstenmal nennt (1015, 1), daß sie es durch kein Bitten und Befehlen je dahin habe bringen können, daß Kudrun ihn selbst, seinen Vater und seine Verwandten nicht geschmäht habe. Hartmut hat Verständnis für die Haltung Kudruns, die die Normannen zur Waisen gemacht haben und die man deshalb
schon
mit
einem
geringfügigen Wort
verletzen
könne. Doch Gerlint erwidert: Wenn wir Kudrun auch dreißig Jahre lang inständig bitten würden, würde das nichts nützen; bloß mit äußerster Härte, nämlich mit Zucht¬ rute und Peitsche, könne man erreichen, daß sie Hartmut heirate. Gleichwohl verspricht Gerlint ihrem Sohn, Kudrun in Zukunft besser zu behandeln. In Wirklichkeit aber ergeht es der hegelingischen Prinzessin nur noch schlechter: Wenn sie sich nicht eines Besseren besinnen wolle, müsse sie mit ihrem Haar den Staub von den Schemeln und Bänken fe¬ gen und ihre, Gerlints, Kemenate dreimal am Tage aus¬ kehren und dort das Feuer anzünden. Kudrun antwortet auf diese Ankündigung nur: „Das tue ich alles, ehe ich an¬ stelle meines Liebsten jemand anders liebe“ (1020, 4). Als Kudruns Leidenszeit ins neunte Jahr geht, erinnert sich Hartmut, der mittlerweile wieder auf Kriegszügen ge¬ wesen ist, daß es für ihn und die Seinen schändlich sei, daß er noch immer nicht die Krone trage.13 Seine Freunde raten ihm, daß er Kudrun seinem Willen fügsam mache, womit auch immer er es vermöchte. Er geht zu ihr und fordert sie auf, ihn zu lieben, dann werde sie Königin. Kudrun er13 Sie fiele ihm nach seiner Heirat zu.
628
Kudrun: Nacherzählung
widert, daß sie dazu keineswegs bereit sei, da die böse Ger¬ lint ihr so viel zuleide tue; darum sei sie ihr und ihrem gan¬ zen Geschlechte feindlich gesinnt. Hartmut bedauert die schlechte Behandlung, die ihr durch seine Mutter zuteil wird, und verheißt ihr Entschädigung. Kudrun indes erklärt, ihm nicht mehr trauen zu wollen. Nun läßt Hartmut sich zu der Drohung hinreißen, daß er, der Herr über das Land, sie notfalls mit Gewalt zu seiner Frau machen könne, ohne daß ihm deswegen der Galgen drohe. Hetels Tochter bleibt auch auf diese Drohung hin standhaft: Das fürchtet sie nicht, und sie fügt hinzu: „Wenn andere Fürsten davon hörten, würden sie sagen, daß Hägens Enkelin in Hartmuts Land Kebse wäre“ (1030, 3/4). Zwar behauptet Hartmut, sich darum nicht zu kümmern, redet Kudrun aber doch noch einmal zu, darin einzuwilligen, Königin in seinem Lande zu werden. Kudrun beharrt nach wie vor bei ihrem Nein: Er solle nicht glauben, daß sie ihm nach alledem, was man ihr angetan habe, jemals freiwillig ihre Liebe schenke, und sie erinnert daran, daß sein Vater den ihren erschlagen hat. Wäre sie ein Ritter, so habe Ludwig keine Ursache, ohne Waffen zu ihr zu kommen; warum sollte sie dann bei seinem Sohn schlafen? Zornig erklärt Hartmut daraufhin, es sei ihm fortan gleichgültig, was man ihr antue: „Da Ihr nicht mit mir die Krone tragen wollt, findet Ihr, was Ihr sucht“ (1035, 3/4a). Kudrun jedoch ist bereit, alles auf sich zu nehmen, da Gott sie vergessen habe. Noch einmal will Hart¬ mut versuchen, auf gütliche Weise Kudrun zu einem Sinnes¬ wandel zu bewegen: Ortrun soll sich bemühen, sie von ihrem Nein abzubringen, wofür Hartmut seiner Schwester ver¬ spricht, sie reich zu machen. Kudrun dankt Ortrun sehr freundlich für ihre Absicht, sie neben ihrem Bruder als Kö¬ nigin des Normannenreiches sehen zu wollen, aber sie bleibt auch jetzt bei ihrer ablehnenden Haltung.
21. Aventiure
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21. Aventiure (Str. 1041-1070) Kudrun wird vorübergehend besser behandelt, doch ändert sie ihren Entschluß nicht. Hartmut gegenüber beruft sie sich jetzt auf die Ehe, die sie mit Herwic eingegangen ist, und solange Herwic lebt, wird sie nie die Frau eines anderen Mannes werden. Hartmut ist auf seine Weise von der glei¬ chen Hartnäckigkeit wie sie und versichert ihr, sich nie von ihr trennen zu wollen („uns scheidet niemand, es tue [= sei] denn der Tod“, 1044, 2), und in der Hoffnung, so ihren harten Sinn erweichen zu können, überläßt er sie der Gesell¬ schaft seiner Schwester. Kudrun gewinnt dank der standes¬ gemäßen Behandlung, zu der auch gutes Essen und Trinken gehören, in kurzer Zeit ihre frische Farbe wieder. Hartmut indes kommt sie keinen Schritt entgegen, sondern macht ihm im Gegenteil heftige Vorwürfe. Da wird dieser eines Tages ungeduldig und erklärt ihr, er sei Herwic wohl ebenbürtig, und wie feindlich sie ihm auch begegne, würde er sie doch gern als seine Frau zur Königin in Ormanie erheben. Wäh¬ rend Hartmut sich dann von neuem dem Schutz des Landes durch Kriegszüge zuwendet, nimmt Gerlint wieder ihre ‘Erziehung’ der hegelingischen Königstochter auf: Täglich soll Kudrun fortan am Strande Wäsche waschen. Kudrun widersetzt sich auch diesmal nicht, sondern verlangt nur, daß man sie unterweise, wie sie das zu machen habe. Da es ihr nun einmal bestimmt sei, keine Freude zu haben, will sie, daß ihr die böse Gerlint noch mehr Leid zufügt. Nie¬ mand wagt es, der normannischen Königin zu widerspre¬ chen, aber Kudruns Gefolge hat nie größeres Leid empfun¬ den als jetzt, da es seine Herrin am Strande die Arbeit einer Magd verrichten sehen muß. Eine von ihm jedoch, Hildeburc, beschränkt sich nicht darauf, heimlich zu klagen, son¬ dern äußert ihren Schmerz über das Los ihrer Herrin laut. Gerlint, die ihre Klage gehört hat, droht ihr, ihr die gleiche Arbeit aufzutragen. Nichts ist der treuen Hildeburc lieber,
630
Kudrun: Nacherzählung
und sie bittet die Königin, sie, die gleich Kudrun Tochter eines Königs ist, zusammen mit dieser die unkönigliche Ar¬ beit ausführen zu lassen. Gerlint gesteht ihr das zu, kündigt ihr aber an, daß ihr das noch oft weh tun werde: auch im härtesten Winter, wenn sie lieber in einem geheizten Raume wäre, werde sie im schneidend kalten Wind am Gestade Kleider
waschen
müssen.
Doch
Hildeburc
macht
diese
Drohung in ihrem Entschluß nicht wankend. Sie kann es kaum erwarten, bis es Abend wird und Kudrun zurück¬ kommt, damit sie ihr berichten kann, daß sie von morgen an mit ihr zusammen am Strande waschen werde. Kudrun ist voll Dankbarkeit hierfür und voller Freude, daß sie in Zukunft nicht mehr den ganzen Tag allein sein muß. Fünf¬ einhalb Jahre verbringen die beiden Frauen nun damit, täg¬ lich am Ufer des Meeres zu waschen.
22. Aventiure (Str. 1071-1141) In all den langen Jahren hat Kudruns Mutter Hilde nie ^en Gedanken an die Befreiung ihrer Tochter aus norman¬ nischer Gefangenschaft aufgegeben. Wie Wate es geraten hat, hat sie eine große Flotte aus kielen, kochen und galeiden 14 bauen lassen. Nachdem dreizehn Jahre seit dem Beschluß, einen Vergeltungszug gegen die Normannen zu unternehmen, vergangen sind, setzt Hilde an Weihnachten den Tag fest, an dem die Rache anheben soll, und sie läßt ihn durch Boten allen ihren Freunden und Lehnsmannen mitteüen. Als ersten benachrichtigt sie Herwic - der in einer längeren Erklärung den Boten gegenüber seine Entschlossen¬ heit bekundet, sich dafür an Hartmut zu rächen, daß dieser
14
Die galeide (auch die Formen gälte und galine kommen vor)
ist die Galeere, im Unterschied zur koche ein länglicher Schiffs¬ typ mit niedrigem Bord.
22. Aventiure
631
seine Frau gefangengenommen und entführt hat
danach
suchen die Boten Horant, Morunc, Fruote und Irolt auf, die alle ihre Hilfe Zusagen. Wate wartet das Erscheinen von Hildes Boten gar nicht erst ab, sondern bietet seine Ritter auf, noch bevor ihn die Botschaft der Königin erreicht hat. An dieser Stelle findet sich ein befremdlicher Einschub von zwei Strophen (1093/94), in denen der Schauplatz des Ge¬ schehens wieder Ormanie ist. Der Dichter erzählt, daß es den gefangenen Frauen unter Gerlint schlecht ergeht außer einer namens Heregart15, die sich in ein Liebesverhältnis mit dem Schenken des Königs einläßt, weil sie dadurch eine mächtige Herzogin zu werden hofft. Kudrun klagt oft hierüber. Der Erzähler aber kündet voraus, daß Heregart die mangelnde Be¬ reitschaft, mit ihrer Herrin zusammen die Not der Gefangen¬ schaft auf sich zu nehmen, später sehr geschadet habe. An Ortwin, Kudruns Bruder, wird gleichfalls Hildes Bot¬ schaft gesandt. Die Boten treffen ihn in der Nähe eines brei¬ ten Flusses bei der Falkenjagd an, die er sofort abbricht, als er die Boten seiner Mutter sieht. Auch er verspricht seine Teilnahme an dem Zug gegen die Normannen. Zum fest¬ gesetzten Zeitpunkt treffen an Hildes Hof von allen Seiten die Aufgebote ein, insgesamt 70 000 Mann.
Keinen der
großen Recken versäumt Hilde persönlich zu begrüßen. Sie veranlaßt die reiche Ausstattung der Krieger und kümmert sich auch darüber hinaus persönlich um die Vorbereitungen für das große Unternehmen. Die Schiffe sind mit besonderer Sorgfalt ausgerüstet worden: die Ankerseile bestehen aus Seide und die Segel ebenfalls aus einem kostbaren und festen Stoff. Besonders aber hebt der Erzähler hervor, daß die Anker nicht aus Eisen, sondern aus Glockenspeise ge¬ gossen und die Schiffe mit spanischem Messing beschlagen sind,16 damit die Magnetfelsen im Meer ihnen nicht schaden 15 Sie ist beiläufig schon einmal Str. 1007 erwähnt worden. 16 Zu den Angaben in Strophe 1109 vgl. man Gerhard Eis, Zu Kudrun Str. 1109: glocken spise und spdnischez messe, in: Studia Neophilologica 30, 1958, S. 27-29.
632
Kudrun: Nacherzählung
können. Horant von Dänemark macht Hilde zu ihrem Fah¬ nenträger, und ihren Sohn Ortwin empfiehlt sie dem be¬ sonderen Schutz der Ausfahrenden, da er kaum zwanzig Jahre alt sei.17 Für ihr Heer erbittet Hilde Christi Schutz. Unter denen, die hinausfahren, sind viele, deren Väter in der Schlacht auf dem Wülpensand den Tod gefunden haben, und groß ist der Schmerz des Abschieds für viele Frauen, wenn sie an das Geschick ihrer Söhne denken. Die Krieger aber können das Jammern der Frauen nicht länger ertragen und ziehen mit fröhlichem Gesang zu den Schiffen. Aus den Fenstern blicken ihnen die Frauen nach, solange sie die aus¬ fahrenden Kiele überhaupt noch sehen können. Bei günstigem Wind segeln die Schiffe zunächst zum Wül¬ pensand, wo Siegfried von Morlant sich mit seiner Flotte zu den Hegelingen gesellt und die jungen Krieger die Gräber ihrer Väter aufsuchen. Die Erinnerung an das Geschehen von damals stachelt den Rachewillen der Hegelingen von neuem an. Nachdem man wieder in See gestochen ist, beeinträchti¬ gen widrige Witterungsverhältnisse die Fahrt. Südwinde machen den Helden schwer zu schaffen, und außerdem ziehen Magnetsteine die Schiffe trotz der getroffenen Vor¬ sichtsmaßnahmen in das vinster mer, zum dunklen Meer.18 Am Berge Givers liegen sie fest. Wate ist der einzige, der in dieser Situation einen Rat weiß. Er gibt nicht allein die An¬ weisung, die Anker in das grundlose Meer fallen zu lassen, sondern
erzählt
auch
ein
seltsames
wazzermaere,
eine
Schiffererzählung, die er in seiner Jugend gehört hat, wo¬ nach sich in dem Berg Givers ein großes Königreich befinde, das unermeßliche Reichtümer an Silber, Gold und Edelstei17 Dies steht im Widerspruch zu der früheren Erzählung, nach der Ortwin schon in der Schlacht auf dem Wülpensand tatkräftig mitgekämpft hat. 18 Über die dieser Partie zugrunde liegenden Vorstellungen hat zuletzt ausführlich Leopold Peeters gehandelt: Historische und literarische Studien zum dritten Teil des Kudrunepos 1968 S. 131 ff. ’
23. Aventiure
633
nen enthalte, und er meint, man solle die Gelegenheit be¬ nutzen, ihre Schiffe mit den im Innern des Berges liegenden Kostbarkeiten zu beladen. Aber Fruote rät davon ab, sich auf dieses Abenteuer einzulassen, vielmehr solle man darauf bedacht sein, mit aufkommendem Wind von dem Berg fort¬ zusegeln. Die Christen beten in der Not, in die man geraten ist, zu Gott, und ihre Gebete werden erhört: Nachdem die Schiffe vier Tage oder noch mehr festgelegen haben, befiehlt Gott, daß der Nebel sich lichtet und das Wasser in Bewe¬ gung gerät. Die Sonne bricht hervor, und ein Westwind treibt die Schiffe von dem gefährlichen Berge weg wieder ins freie
Meer
Sünden“
-
„sie
[die Recken]
entgalten
nicht
ihre
(1136,2a). Doch noch einmal entsteht für die
Hegelingen und ihre Verbündeten eine bedrohliche Lage, als unweit
des
Normannenlandes
eine
starke
Dünung
die
Außenwände der Schiffe beinahe in Stücke schlägt, so daß einer der Schiffer wünscht, daß sie lieber am Berge Givers den Tod gefunden hätten. Aber Horant tröstet die Helden: Er klettert in den Mastkorb und kann ihnen berichten, daß sie der normannischen Küste ganz nahe sind.
23. Aventiure (Str. 1142-1164) In der Nähe eines Berges, vor dem sich ein großer Wald ausdehnt und von dem frische Quellen herabsprudeln, gehen die Hegelingen an Land. Irolt besteigt einen besonders hohen Baum und erblickt von ihm aus die normannische Königs¬ burg. Wate befiehlt daraufhin, die Waffen, Rüstungen und Pferde an Land zu bringen und dort die Tiere, die von dem langen Stehen auf den Schiffen steif geworden sind, zu be¬ wegen. Am nächsten Morgen findet eine Beratung der Heer¬ führer statt (Wate, Fruote, Ortwin und Herwic werden ge¬ nannt). Ortwin schlägt vor, Kundschafter auszusenden, die in Erfahrung bringen sollen, ob Kudrun und die anderen
634
Kudrun: Nacherzählung
Gefangenen noch am Leben sind, und er erbietet sich, selbst diese Aufgabe zu übernehmen, da Kudrun doch seine Schwe¬ ster sei. Herwic will ihn begleiten: „Ich will bei (= mit) dir sterben oder aber am Leben bleiben. War die Jungfrau deine Schwester: mir gab man sie zur Frau. Von ihrem Dienst bleibe ich niemals (auch nur) einen Tag fern“ (1155,2-4). Zwar rät Wate zornig davon ab, Ortwins Plan zu billigen: Wenn Hartmut sie bemerke, werde er sie aufhängen lassen. Aber Herwic erklärt, zugleich im Namen von Ortwin, nicht darauf verzichten zu wollen, Kudrun zu suchen, wie immer es ihnen auch ergehen möge. Die beiden versammeln ihre Mannen, und sehr genau um die Gefahr wissend, in die sie sich begeben, trägt Ortwin den Seinen auf, wenn er und Herwic gefangengenommen werden und sich mit Lösegeld freikaufen können, sein Land und seine Burgen zu ver¬ äußern. Wenn sie aber bei ihrer Kundschaft das Leben ver¬ lieren, sollen ihre Mannen sie an den Normannen rächen. Und auf keinen Fall sollen sie die gefangenen Mädchen hier zurücklassen, solange sie noch kämpfen können. Die Ritter versprechen den Fürsten in die Hand, nicht zurückzukehren, ohne daß sie die Gefangenen mit sich in ihre Heimat führen. Die Beratungen haben sich vom Morgen bis zum Abend hingezogen, und da die Sonne schon untergegangen ist, kön¬ nen Ortwin und Herwic an diesem Tage nicht mehr auf¬ brechen. 24. Aventiure (Str. 1165-1206) Der Dichter wendet sich nun wieder Kudrun und ihrer Freundin Hildeburc zu, die, wie jeden Tag, am Strand waschen. Es ist in der Fastenzeit. Da schwimmt um die Mittagsstunde ein Vogel auf sie zu, der aber ein Engel ist und der Kudrun mit menschlicher Stimme anspricht: „Ich bin ein Bote von Gott, und wenn du mich zu fragen ver¬ stehst,
[. . .] so gebe ich dir Nachricht von deinen Ver-
24. Aventiure
635
wandten“ (1167,3/4). Kudrun ist zunächst voller Zweifel, doch der Engel redet sie wieder an und verkündet ihr, ihr werde große Freude zuteil werden. Er sei ein für sie be¬ stimmter Bote und von Gott ihr zum Tröste gesandt. Darauf wirft sich Kudrun zu Boden, als ob sie ihr kniefälliges Ge¬ bet an Gott richte, und äußert Hildeburc gegenüber ihre tiefe Beglückung, daß Gott sich ihrer beider annimmt: „Wir sollen wahrhaftig nun nicht mehr traurig sein“ (1170,4b). Sie fragt den Boten Gottes, wie er sie aufgefordert hat, nach ihren Verwandten, als erstes, ob ihre Mutter Hilde noch am Leben sei. Der Engel berichtet ihr, daß Hilde ihr ein großes Heer hierher ins Land geschickt habe. Kudruns nächste Frage gilt Ortwin, ihrem Bruder, und Herwic, ihrem Mann. Sie hat der Engel auf den Wogen des Meeres rudern sehen. Nachdem der Engel auch noch Kudruns Frage nach Irolt und Morunc beantwortet hat, erklärt er, scheiden zu wollen, und verschwindet plötzlich. Das tut Kudrun leid, und sie gebietet ihm im Namen Christi, ihr noch weitere Fragen zu beantworten. In der Tat kehrt der göttliche Bote zurück, um auf Kudruns Fragen zu antworten, da sie es ihm im Namen Christi befohlen habe. Kudrun erkundigt sich nun nach Horant, Wate und Fruote und erhält jedesmal die ge¬ wünschte Auskunft. Dann will der Engel sich wieder ent¬ fernen, doch die hegelingische Prinzessin fragt ihn noch, wann sie die Boten ihrer Mutter Hilde sehen werde. Der himmlische Bote erwidert: „Dir naht Freude. Morgen in der Frühe kommen zwei Boten zu dir“
(1185, lb/2).
Jetzt
scheidet der Engel wirklich von den beiden Frauen. Nach dem, was sie gehört haben, sind Kudrun und Hildeburc mit ihren Gedanken und Worten ganz bei den Helden, die Hilde zu ihrer Befreiung ausgesandt hat, und waschen nur noch langsam. Dies beobachtet Gerlint von der Burg aus, und sie zürnt am Abend heftig mit den beiden Wäscherinnen, wie sie es auch sonst zu tun pflegt. Hildeburc entgegnet, daß sie tun, was sie können, daß sie aber bei dem kalten Wetter nicht imstande seien, schneller zu arbeiten. Voller Bosheit
636
Kudrun: Nacherzählung
erklärt Gerlint ihnen, daß sie sich nicht zu versäumen haben, wie immer auch das Wetter beschaffen
sei.
Der
Palmsonntag sei nahe, an dem die königliche Familie Gäste erwarte, und wenn sie dann die Kleider nicht weißge¬ waschen hätten, so werde es noch niemals Wäscherinnen auf der ganzen Welt schlimmer ergangen sein als ihnen beiden. Der Erzähler flicht an dieser Stelle ein, daß die Gefangenen nur Roggenbrot und Wasser als Nahrung erhalten, auf har¬ ten Bänken schlafen müssen und ihre ganze Kleidung bloß aus je einem armseligen Hemd besteht. Kudrun und Hildeburc finden in dieser Nacht keinen tiefen Schlaf und können den Anbruch des Tages kaum er¬ warten. Als das erste Tageslicht in den Raum dringt, tritt Hildeburc an das Fenster und sieht, daß über Nacht Schnee gefallen ist. Beider Sorge, in dieser Kälte mit bloßen Füßen am Strand waschen zu müssen, was gar leicht ihr Tod sein kann, wird doch gemindert durch die Hoffnung, heute Hil¬ des Boten zu treffen. Kudrun ersucht ihre Gefährtin, Ger¬ lint um die Erlaubnis zu bitten, Schuhe tragen zu dürfen. Sie gehen in die königliche Kemenate, wo Gerlint und Ludwig noch eng umschlungen schlafen. Auf das Klagen der Frauen hm erwacht die Königin, und sie fragt sie sogleich vorwurfs¬ voll, warum sie nicht an den Strand gehen, um zu waschen. Als die beiden sie um Schuhe bitten, ohne die sie in der Kälte sterben müßten, verweigert die Wölfin Gerlint sie ihnen unter Drohungen, und sie fügt hinzu: „Was kümmert es mich, wenn ihr sterbt?“ (1203, 4a). Die Wäscherinnen brechen in Tränen aus, Kudrun aber sagt: „Nun gebe Gott, daß ich Euch (einst) daran [an Eure Hartherzigkeit oder Grausamkeit]
erinnere“
(1204,2).
Wie
jeden
Tag
wa¬
schen die hegelingische Königstochter und ihre treue Freun¬ din am Meeresufer, doch heute werfen sie oft sehnsuchtsvolle Blicke auf das Wasser und halten Ausschau nach den Boten, deren Ankunft ihnen verheißen ist.
25. Aventiure
637
25. Aventiure (Str. 1207-1334) Endlich sehen sie auf dem Meer zwei Männer in einer Barke. Da glaubt Kudrun, daß es für sie eine Schande wäre, die sie niemals verwinden werde, wenn Hildes Boten, soll¬ ten sie es wirklich sein, sie am Strand waschend fänden, und sie bittet Hildeburc, ihr zu raten, ob sie entfliehen oder sich in dem elenden Zustand hier antreffen lassen solle, neigt freilich selbst dazu, sich zu entfernen. Hildeburc, die bereit ist, mit Kudrun alles zu erdulden, vermag ihr keinen Rat zu geben. So laufen die beiden Frauen davon, und es bedarf eindringlicher Bitten der mittlerweile gelandeten Männer, um sie zur Umkehr zu bewegen. Noch einmal vergegen¬ wärtigt der Dichter die bejammernswerte Lage der Wä¬ scherinnen, und er betont, daß sie in ihren nassen Hemden vor Kälte zittern. Freundlich begrüßt Herwic die eilenden kinde, und Ortwin erkundigt sich, wem die kostbaren Klei¬ der gehören, die sie waschen. Wie könne der Betreffende ihnen ein solches Leid antun, ihnen, die so schön seien, daß sie eigentlich Landesherrinnen sein sollten? Die Fremden bieten den Wäscherinnen vier goldene Armreifen, wenn sie ihre Fragen beantworten (wozu Kudrun sich schon vorher bereit erklärt hat). Kudrun weist diesen Lohn dankend zu¬ rück und wiederholt ihre Bereitschaft, Fragen zu beant¬ worten. So erfahren Herwic und Ortwin, daß Ludwig und Hartmut hier herrschen und sich zusammen mit viertausend Mann auf der Burg aufhalten. Herwic will wissen, warum die beiden Könige sich mit so vielen Kriegern umgeben, und erhält die Antwort, daß die Normannen einen Einfall aus dem weit entfernt liegenden Hegelingenland befürchten. Er¬ neut erzählt der Dichter nun, daß die Lrauen vor Kälte zittern, und mit höfisch-galanten Worten bietet Herwic ihnen seinen und seines Begleiters Mantel an. Auch dieses Angebot lehnt Kudrun dankend ab: nie sollen irgend je¬ mandes Augen an ihr Männerkleider sehen. Immer wieder
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Kudrun: Nacherzählung
blickt Herwic Kudrun an und vergleicht sie mit der einen, an die er oft innig denkt. Aber er kann seinen Gedanken zunächst nicht weiter nachgehen, denn Ortwin fragt jetzt die beiden Wäscherinnen direkt, ob sie eine Schar von Ge¬ fangenen kennen, die man in dieses Land gebracht habe und bei der eine namens Kudrun gewesen sei. Kudrun bejaht diese Frage. Nun kommt Herwic die Einsicht: Wenn Kudrun noch am Leben ist, so muß es die sein, mit der sie sprechen: „Ich sah nie irgendeine, die ihr so gleicht“
(1238, 4b).
Ortwin hingegen meint, zwar sei dieses Mädchen sehr lieb¬ lich, aber seiner Schwester trotzdem nicht ähnlich. Daraufhin ergreift Kudrun das Wort und sagt, ihr Gegenüber erinnere sie an Herwic von Seeland, den sie gekannt habe, fügt je¬ doch hinzu: „Wenn der Held noch lebte, so hätte er uns aus diesen starken Banden (= aus dieser Gefangenschaft) befreit
(1241, 4). Sie selbst sei eine der von Hartmuts Heer
gefangenen Jungfrauen; wenn sie aber Kudrun suchten, so sei das vergebens, denn die sei tot. Die beiden Recken bre¬ chen auf diese Auskunft hin in Tränen aus, und als Kudrun bemerkt, sie verhielten sich so, als ob sie mit Kudrun ver¬ wandt seien, erklärt Herwic, daß diese seine Frau gewesen ist. Nun gibt Kudrun vor, gehört zu haben, Herwic lebe nicht mehr, und sie fährt fort: „Wäre er irgend noch am Leben, so hätte er mich von hinnen geführt“ (1246,4). Doch Herwic kann die Zweifel an seiner Identität beseitigen. Er trägt nämlich an seiner Hand den goldenen Ring, den er von Kudrun am Tage der Vermählung empfangen hat und den sie sogleich wiedererkennt. Sie zeigt ihm ihrer¬ seits den Ring, den sie damals von ihm erhalten hat. Her¬ wic schließt die wiedergefundene Gattin in seine Arme und bedeckt sie und auch Hildeburc mit Küssen. Diese Wieder¬ sehensfreude unterbricht Ortwin mit einer Frage, die Kudrun sehr verletzt: ob sie hier nicht auf andere Weise dienen könne als am Strande Wäsche zu waschen. Und er fragt sie, wo denn die Kinder seien, die sie Hartmut geboren habe, daß sie sie allein am Strande waschen ließen. Weinend
25. Aventiure
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erwidert Kudrun, daß sie ja gerade diese Mühsal erdulden muß, weil Hartmut sie nie dazu hat bringen können, ihn zum Manne zu nehmen. Herwic drängt nun zum Aufbruch und will Kudrun und Hildeburc in der Barke mitnehmen. Aber Ortwin widersetzt sich dieser Absicht: Er möchte die¬ jenigen, die im Kampf geraubt worden sind, nicht heimlich entführen. Sein Schwager hält das für unvernünftig. Doch Ortwin ist unnachgiebig: Eher will er sich zusammen mit Kudrun in Stücke hauen lassen als sie auf diese Weise be¬ freien. Seiner Schwester, die seine Entscheidung nicht ver¬ stehen kann, versichert er, er handele nicht aufgrund man¬ gelnder Liebe zu ihr, und wiederholt, daß er sie nur unter ehrenvollen Umständen mit sich führen könne. Noch einmal versucht Herwic, Ortwin umzustimmen, aber nun bringt dieser ein neues Argument vor: Wie sollten sie denn hier Kudruns Gefährtinnen zurücklassen, die ebenso die Be¬ freiung herbeisehnen wie Kudrun und Hildeburc? Voller Schmerz muß Kudrun mitansehen, wie ihr Mann und ihr Bruder hinweggehen, ohne sie aus der Gefangenschaft be¬ freit zu haben. Doch Herwic sagt ihr zu: „Ehe morgen die Sonne aufgeht, bin ich vor dieser Residenz, dafür stehe ich mit meinem Wort ein, mit 80 000 [meiner] kühnen Hel¬ den“ (1264, 3/4). Solange sie das Boot mit den beiden Männern sehen kön¬ nen, blicken Kudrun und Hildeburc ihm nach und vergessen darüber, ihre Arbeit wiederaufzunehmen. Gerlint ist es nicht entgangen, daß sie müßig herumstehen. Ganz mit Recht fürchtet Hildeburc, daß die Königin ihre Untätigkeit be¬ merkt habe und sie dafür schlagen werde. Kudrun indes ist nicht mehr bereit, die erniedrigende Arbeit fortzusetzen: „Dazu bin ich zu hehr, daß ich Gerlint jemals mehr wasche. Einen so niedrigen Dienst steht es mir nun zu zu mißachten: Mich haben zwei Könige geküßt und zu umarmen geruht“ (1268, lb-4). Hildeburc rät ihr noch einmal, die Kleider zu bleichen, da sie sonst Schläge zu erwarten hätten. Aber Hägens Enkelin kümmert das nicht: Sie glaubt nicht zu
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Kudrun: Nacherzählung
sterben, auch wenn jemand sie bis morgen früh schlüge, und eher müßten etliche von denen, die sie quälten, zugrunde gehen. Wiewohl Hildeburc ihr zuredet, läßt sie sich nicht da¬ von abbringen, Gerlints Leinwand ins Wasser zu schleudern, auf dem sie weggetrieben wird. Und während Hildeburc am Abend die von ihr gewaschene Wäsche und die Leinen¬ gewänder zur Burg trägt, kommt Kudrun mit leeren Händen von der Arbeit zurück. Schon vor der Burg empfängt die böse Gerlint die beiden mit Vorwürfen und Drohungen. Sie schlügen die Werbung mächtiger Könige aus, sprächen aber gegen Abend mit nied¬ rigen Knechten. Kudrun erklärt, Gerlint lüge, wenn sie be¬ haupte, daß sie mit jemandem sprechen wolle, es seien denn ihre Verwandten. Voller Wut fährt daraufhin Gerlint die Gefangene an: „Nun schweige, du böse Galle! Du sagst, daß ich lüge? Das werde ich heute abend so an dir rächen, daß dir dein Zorn nimmermehr so laut ausbricht. Ehe ich davon ablasse, wird es deinen Rücken schmerzhaft be¬ schweren“ (1278). Kudrun warnt Gerlint, sie, die bei wei¬ tem höher an Rang sei als sie selbst und ihre Verwandten, mit der Rute zu züchtigen. Gerlint geht auf diese Heraus¬ forderung nicht ein, sondern fragt, wo ihre Leinengewänder geblieben seien. Sie erhält zur Antwort: „Ich habe sie da unten am Wasser liegenlassen. Als ich sie von dort hinauf zum Hofe tragen wollte, waren sie mir zu schwer. Wenn Ihr sie nicht mehr erblickt, ist mir das wahrlich ganz gleichgültig“ (1281, lb-4). Da befiehlt die Teufelin, dornige Zuchtruten zusammenzubinden und Kudrun entkleidet an eine Bettstelle zu fesseln. Sie bleibt allein mit Kudrun im
Raume zurück, um ihr die Haut von den Knochen zu peit¬ schen. Angesichts dieser Gefahr greift Kudrun zu einer List: Werde sie heute abend hier gezüchtigt und sehe man sie jemals so bei mächtigen Königen stehen, daß sie die Krone trage, so werde Gerlint gewiß dafür gelohnt. Und doppel¬ deutig erklärt sie, sie wolle Königin in Ormanie werden.
25. Aventiure
641
„Gewinne ich je herrscherliche Gewalt, so tue ich, was mir niemand
Zutrauen
kann“
(1285, 4).
Gerlint,
die
diese
Worte im Sinne von Kudruns Bereitschaft versteht, Hartmut zu heiraten, ist sofort entschlossen, von ihrem Zorn abzu¬ lassen, und würde auf tausend Leinengewänder verzichten, wenn Kudrun nur ihren Sohn lieben wolle. Kudrun bittet nun, diesen herbeizuholen. Hartmut vermag es zunächst nicht zu glauben, daß Kudrun ihren Sinn geändert habe, und meint, der Bote lüge ihn an, läßt sich dann aber über¬ zeugen und eilt zu Kudrun, wähnend, Gott selbst habe ihm die Liebe der hegelingischen Prinzessin beschieden. Er will sie, die noch immer in ihrem nassen Hemd und weinend dasteht, umarmen.
Doch sie verweigert ihm diese Um¬
armung - wie würde es einem mächtigen König geziemen, eine arme Wäscherin in seine Arme zu schließen? Sie werde es ihm erlauben, wenn sie gekrönt, als Königin, vor seinen Recken stehe. In vollendeter höfischer Zucht respektiert Hartmut Kudruns Wunsch und versichert ihr, nun, da sie ihn liebe, könne sie ihm und den Seinen gebieten, was sie wolle. Kudrun verlangt als erstes, daß man ihr ein schönes Bad bereite, sodann, daß man alle ihre Mädchen zu ihr bringe. Dies geschieht, und sie erscheinen mit struppigen Haaren und in armseligen Kleidern. Vorwurfsvoll fragt Kudrun Hartmut, ob ihm das wohl zur Ehre gereiche, und wünscht, daß auch ihr Gefolge gebadet wird und schöne Kleider erhält, was Hartmut sogleich zusagt. Alle auf der Burg beeilen sich, Kudrun zu dienen, „damit sie ihnen nach¬ her gnädig wäre“ (1303, 4b). Nachdem die hegelingischen Frauen gebadet worden sind und die besten Kleider be¬ kommen haben, die es in Ormanie gibt, kredenzt man ih¬ nen erlesenen Wein sowie Met, und Gerlint schickt ihre Tochter mit ihren Mädchen zu Kudrun. Die beiden Prinzes¬ sinnen küssen sich, und Ortrun ist voller Freude, daß sie die arme Wäscherin so prächtig gekleidet sieht. Kudrun hin¬ gegen ist von der Vorfreude erfüllt, alsbald ihre Verwand¬ ten Wiedersehen zu können. Ortrun spricht von ihrer Freude
642
Kudrun: Nacherzählung
auch zu Kudrun, und diese versichert Hartmuts Schwester ihrer Dankbarkeit für die herzliche Anteilnahme, die sie allezeit an ihrem Los genommen hat; sie werde ihr dafür immer zu treuen Diensten bereit sein. Dann wendet sich Kudrun wieder an Hartmut und fordert ihn auf, Boten in alle Teile seines Landes zu schicken, die seine Freunde einladen sollen, an den Hof zu kommen. Ausdrücklich bemerkt der Erzähler, daß dies eine kluge List ist: Wohl hundert oder mehr Boten sendet Hartmut fort und vermindert da¬ mit nach Kudruns Plan die Zahl der Verteidiger der Burg. Zu später Stunde mahnt Gerlint Kudrun, Hartmut und Ortrun,
jetzt
auseinanderzugehen.
Hartmut
und
seine
Schwester entfernen sich, während die hegelingischen Jung¬ frauen noch bei einem lange entbehrten guten Mahle zu¬ sammensitzen. Eine von Kudruns Begleiterinnen beklagt, daß sie nun für immer in einem Lande bleiben sollen, wohin man sie wider ihren Willen gebracht hat, und sie und manche andere beginnen zu weinen. Kudrun aber, die vierzehn Jahre hindurch keine Freude gehabt hat, bricht in Lachen aus. Dieses laute Lachen, mit dem sie gegen die Normen der höfischen Zucht verstößt, wird in der Burg gehört, und man informiert Gerlint, die es auch selbst vernommen hat. Sie deutet Kudruns Lachen ganz richtig, sucht Hartmut auf und warnt ihn, daß den Normannen Bedrängnisse durch Kud¬ runs Verwandte bevorstünden. Doch Hartmut schenkt der Warnung seiner Mutter keine Beachtung. Er gönnt Kudrun eine jegliche Freude im Kreise ihrer Frauen und meint, Kud¬ runs Verwandte wohnten weit weg: „Wo käme ich’in ih¬ ren Hinterhalt? Ich glaube einfach nicht, daß mir von ihnen jemals irgendein Schaden erwächst“ (1323,4). Für die hegelingischen Frauen sind inzwischen kostbar ausgestattete Betten hergerichtet worden. Kudrun schickt Hartmuts Man¬ nen, die zu ihrer Bedienung zur Verfügung stehen und die sie in die Kemenate geleitet haben, weg und heißt, nachdem die Kämmerer und Pagen gegangen sind, die Tür mit festen Riegeln verschließen. Dann enthüllt sie ihren Gefährtinnen,
26. Aventiure
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daß sie heute Herwic und Ortwin geküßt hat und daß mor¬ gen die Stunde der Befreiung kommen wird. Welches der Mädchen ihr als erstes den anbrechenden Morgen verkünde, das werde sie reich machen. In froher Erwartung des bevor¬ stehenden Tages legen sie sich schlafen.
26. Aventiure (Str. 1335-1365) Ortwin und Herwic sind unterdessen zum hegelingischen Heer zurückgekehrt. Die Krieger laufen ihnen entgegen und bestürmen sie mit Fragen nach dem, was sie erkundet haben. Aber Ortwin erklärt, nicht jedem einzelnen berichten zu können, und vertröstet sie, bis sich die Ritter versammelt haben. Als er diesen dann erzählt, daß er seine Schwester und Hildeburc gesehen hat, findet er anfangs keinen Glau¬ ben. Doch kann er sich zur Bestätigung seiner Erzählung auf Herwics Zeugnis berufen. Sein Bericht, daß Kudrun und Hildeburc am Strande waschen müssen, löst allgemeines Weinen aus. Der alte Wate indes verweist den Recken solches weibische Gebaren, das tapferen Kriegern nicht gezieme, und fordert sie auf, Kudrun dadurch aus ihrer Notlage zu be¬ freien, daß sie das Weiß der von ihr gewaschenen Kleider (mit Blut) rot färben. Fruote fragt, wie man es anfangen solle, in Ludwigs und Hartmuts Gebiet zu gelangen, ehe die Landung von Hildes Heer in Ormanie bekannt werde. Wiederum ist es Wate, der Rat weiß: Die Helden sollen sich das helle Licht des Mondes zunutze machen und sich ein¬ schiffen, damit sie am nächsten Morgen am Strand vor Lud¬ wigs Burg sind, und er gibt für den Morgen, an dem er mit drei Hornstößen ihre Aktionen einleiten wird, genaue Ver¬ haltensmaßregeln. Der Schauplatz des Geschehens wechselt nun zur norman¬ nischen Königsburg. Eine von Kudruns Jungfrauen erblickt das erste Licht des anbrechenden Morgens und zugleich das
644
Kudrun: Nacherzählung
Glänzen der Helme und Schilde des hegelingischen Heeres, das die Burg umzingelt hat. Sie weckt ihre Herrin. Kudrun dankt dem Mädchen, eilt in die Fensternische, sieht die Flotte auf dem Meer - und beklagt im mitfühlenden Wissen, daß ihre Befreiung vielen Menschen das Leben kosten wird, in bewegten Worten, daß sie jemals geboren wurde: „Man wird hier heute manchen stattlichen Mann sterben sehen“ (1359, 4). Jetzt hat auch der Burgwächter die fremden Krie¬ ger bemerkt und schlägt Alarm. Gerlint ist die erste, die seine Stimme hört, und sie eilt an eine Zinne, von wo sie die Feinde erblickt. Sie weckt Ludwig, teilt ihm mit, was sie gesehen hat, und fügt hinzu: „Kudruns Lachen haben deine Recken heute teuer zu kaufen (= zu bezahlen)“ (1362, 4). Der König heißt seine Gemahlin schweigen; er will die Fremden mit eigenen Augen sehen und sagt: „Wir müssen alles abwarten, was uns nun geschehen kann“ (1363, 2). Als er dann die Fremden gesehen hat, meint er, vielleicht han¬ dele es sich um Kreuzfahrer, die in seiner Stadt einkaufen wollten. Er läßt Hartmut wecken, der die Fahnen vieler Fürsten kennt und der, anders als Ludwig, die Situation so¬ fort richtig beurteilt: „Ich glaube, daß die Feinde an uns ihr altes Leid rächen wollen“ (1365, 4).
27. Aventiure (Str. 1366-1440) Gemeinsam treten Ludwig und Hartmut an ein Fenster, und Hartmut sieht seine Vermutung bestätigt, daß es nicht Kreuzfahrer sind, die sich vor der Burg versammelt haben. Er nennt seinem Vater die Wappen der einzelnen Heeres¬ gruppen und gibt damit zugleich eine Helden- und Heeres¬ schau. Wate, Siegfried von Morlant, Horant, Fruote, Morunc, Ortwin, Herwic, Irolt: sie alle sind gekommen, um Kudrun zu befreien und an den Normannen Vergeltung zu üben. Die Verteidiger, insgesamt viertausend Mann, wapp-
27. Aventiure
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nen sich. Gerlint, die alsbald hinzukommt, erkennt an den Vorbereitungen, daß sie den Hegelingen und ihren Ver¬ bündeten in offener Feldschlacht begegnen wollen, und sie fragt ihren Sohn, ob er und alle anderen denn darauf aus seien, ihr Leben zu verlieren. Hartmut aber weist die Ein¬ mischung einer Frau in militärische Angelegenheiten schroff zurück: Sie solle lieber ihre Frauen unterweisen, wie sie Steine und Gold in die Seide legen sollen; und dann mit scharfem Vorwurf: „Nun sollt Ihr Kudrun mit ihren Mäd¬ chen waschen gehen heißen, wie Ihr es seither getan habt. Ihr glaubtet, sie hätte keine Freunde noch Gefolge: Ihr könnt noch heute sehen, daß uns die Feinde auf gefährliche Weise (für die Behandlung Kudruns) danken“ (1380). Ger¬ lint erwidert, daß sie das nur um seinetwillen getan habe, um Kudruns Widerstand gegen die Eheschließung mit ihm zu brechen. Nun bittet sie ihren Sohn, es nicht auf eine Schlacht mit den vielfach überlegenen Feinden ankommen zu lassen, sondern sich in der Burg, die Proviant für ein volles Jahr enthalte, zu verteidigen, ja, sie gibt Hartmut konkrete Ratschläge für die Verteidigung und will mit ihren Frauen selbst die schweren Steine herbeitragen, die von den Burg¬ mauern auf die Feinde hinabgeschleudert oder hinabgewor¬ fen werden. Voller Zorn fährt daraufhin Hartmut seine Mutter an, wegzugehen. Er könne sich selbst raten und wolle eher draußen vor der Burg sterben als sich in ihr belagern lassen. Weinend versichert Gerlint ihrem Sohn, daß sie nur sein Wohl im Sinne habe. Dann wendet sie sich an Hartmuts Mannen, die sie auffordert, den Feinden tapfer entgegenzutreten. Hartmut unterstützt diesen Appell seiner Mutter und verspricht ihnen, daß er ihre Kinder reich machen werde, wenn sie selbst fallen sollten. Zum Schutz der Burg läßt Hartmut fünfhundert Mann zurück, die vier Burgtore werden geöffnet, und die Normannen reiten aus ihnen hinaus. Da bläst Wate, wie er es am Abend vorher angekündigt hat, dreimal sein Horn, woraufhin die Hege¬ lingen und ihre Verbündeten sich zum Kampfe bereitmachen.
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Kudrun: Nacherzählung
Der dritte Hornstoß ist so gewaltig, daß der Strand erbebt, die Wellen zu rauschen beginnen und beinahe die Ecksteine aus der Burgmauer gefallen wären, und es ist nicht ver¬ wunderlich, daß die Normannen den alten Wate sehr, ja „wie einen grimmigen wilden Löwen“ fürchten (1397,4b). Von einer Zinne aus beobachtet Kudrun das Geschehen, an einer anderen Zinne stehen Gerlint und ihre Tochter. Die Schlacht entwickelt sich an verschiedenen Stellen. Der Dichter wiederholt noch einmal die Namen der Heerführer, die mit ihren Scharen in den Kampf reiten. Auf der Seite der Normannen reitet Hartmut an der Spitze seiner Trup¬ pen, und der Erzähler vergleicht seine strahlende Erschei¬ nung mit der eines Kaisers. Ortwin fragt, ob jemand diesen Recken kenne, der so aussehe, als ob er mit seiner Hand von ihnen ein Königreich erwerben wolle. Einer seiner Leute sagt ihm, daß es Hartmut ist, und fügt hinzu: „Wahrlich, es ist derselbe,
der
deinen Vater erschlug“ 19
(1405, 3).
Ortwin und Hartmut sprengen gegeneinander. Zunächst dringen sie mit ihren Speeren aufeinander ein, so daß beider Pferde straucheln, dann folgt der Schwertkampf, und zwar (anders als gewöhnlich) ebenfalls zu Pferde. Allenthalben erhebt sich jetzt das Schlachtgetümmel, und wieder führt der Dichter die großen Kämpfer und ihre Leistungen auf. Da¬ nach kehrt seine Schilderung zu dem Zweikampf zwischen Hartmut und Ortwin zurück, die heftig aufeinander einschlagen. Dichter als Schneeflocken, so meint der Erzähler in einem Bild, prasseln ihre Hiebe nieder. Dem normannischen Königssohn gelingt es, seinen Gegner mit einem Schlag so zu verwunden, daß dessen helle Brünne vom roten Blut über¬ strömt wird. Das sieht Horant und fragt, wer das getan habe. Hartmut, der die Frage gehört hat, lacht auf, während Ortwin
antwortet:
„Das
hat
Herr
Hartmut
gemacht“
(1421, lb). Nun gibt Horant Hildes Banner aus der Hand,
19 Dies ist selbstverständlich eine eindeutig falsche Behaup¬ tung, wie immer sie zu erklären sein mag.
28. Aventiure
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um mit seinem Schwert selber auf Hartmut einzudringen. Aber auch diesen Gegner verwundet der Normanne derart, daß ein roter Bach aus seinem Kettenpanzer fließt. Doch Ortwins und Horants Mannen kommen ihren Herren zu Hilfe und sorgen dafür, daß deren Wunden verbunden wer¬ den. Als dies geschehen ist, reiten Ortwin und Horant in den Kampf zurück. Im Verlauf der Schlacht trifft Herwic mit seiner Abteilung auf Ludwig, und er fragt, ob jemand wisse, wer dieser Alte sei, unter dessen Schwerthieben in diesem Kampf schon viele seiner Feinde ihr Leben verloren haben. Ludwig hat die Frage gehört und gibt sich selbst zu erkennen. Herwic hält ihm daraufhin den Schaden vor, den er ihnen zugefügt hat: die Tötung Hetels sowie vieler Helden auf dem Wülpensand und den Raub Kudruns. Auch nennt er seinerseits seinen Namen. Ironisch und herausfordernd erwidert Ludwig: „Du hast mir deine Beichte ohne Grund abgelegt“ (1436, 1); hier seien noch mehr, die durch ihn ihr Leben verloren haben, und er werde es dahinbringen, daß auch Herwic seine Herrin nie mehr küssen werde. Danach rennen die beiden Könige einander an. Ludwig versetzt seinem Gegner einen solchen Schlag, daß er strauchelt, und wenn nicht seine Leute in der Nähe gewesen und ihm zu Hilfe gekommen wären, hätte er sein Leben verloren. Aber nun fürchtet Herwic, slns herzen triutinne habe von der Zinne aus seine Niederlage beobach¬ tet. 28. Aventiure (Str. 1441-1493) Herwic denkt bei sich: „Wenn meine Herrin Kudrun das gesehen hat und wir das jemals erleben, daß ich sie umarmen werde, so wird sie mir Vorwürfe machen“ (1441, 2-4a), und er schämt sich sehr. Er befiehlt seinen Kriegern, Ludwig nachzusetzen. Ludwig, der den Lärm hinter sich hört, stellt sich dem König von Seeland erneut zum Kampf. Und dies-
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Kudrun: Nacherzählung
mal trifft der Küdrünen vriedel den Normannen an einer Stelle, wo weder der Helm noch der Schild ihm Schutz ge¬ währen (also wohl am Hals) mit einem tödlichen Schlag; mit einem zweiten Hieb trennt er ihm das Haupt vom Rumpfe. Die Burgwache hat den Tod des normannischen Königs gesehen, und als die Nachricht davon sich in der Burg verbreitet, erhebt sich dort lautes Klagen. Dieses Ge¬ schrei hört auch Hartmut, der noch nichts vom Tode seines Vaters weiß, und er entschließt sich, in die Burg zurüdczukehren, wo er seinen Mannen eine Ruhepause und eine Erfrischung in Aussicht stellt. Aber Wate hat sich mit seiner Schar rrotz des Steinhagels, der von der Mauer auf die Krieger niederprasselt, schon bis zu jenem Burgtor vor¬ gekämpft, durch das Hartmut in die Feste zurückreiten will: „Wer lebte oder stürbe, das war Wate gleichgültig: wie er den Sieg erringen könne, darauf war all sein Sinnen gerichtet“ (1455, 3/4). So gelingt es Hartmut nicht mehr, die Burg zu erreichen. Als er Wate vor dem Burgtor sieht, bekennt er: „Was wir da zuvor verdient haben, das will wahrlich heute an uns offenbar werden“ (1456, 2/3). Auch die anderen Eingänge zur Burg sind von seinen Feinden, von Siegfried, Ortwin und Herwic, versperrt, und Hartmut muß sich eingestehen, zu spät an den Rückzug gedacht zu haben: „Nun weiß ich nicht, wohin ich mich mit meinen Recken wenden soll.
[. . .]
Ich kann nicht fliegen: Federn habe
ich nicht. Ich kann auch nicht unter die Erde, was immer mir auch sonst geschieht. Wir können auch vor den Feinden nicht an
das
Wasser
(gelangen)“
(1462,2/1463,1-3).
Doch
Hartmut gibt nicht auf, sondern befiehlt seinen Mannen, ab¬ zusitzen und mit ihren Schwertern zu versuchen, sich zu dem von Wate besetzten Tor durchzuschlagen. Kaum hat Wate den normannischen Königssohn erblickt, als er ihn auch schon anläuft. Aber obwohl V^ate über die Kraft von sechs¬ undzwanzig Männern verfügt, kann Hartmut ihm stand¬ halten, was der Dichter ein großes Wunder nennt. Während des erbitterten Kampfes vernimmt Hartmut die Stimme
28. Aventiure
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seiner Mutter. Sie klagt laut über den Tod ihres Gatten und verheißt demjenigen großen Lohn, der Kudrun und ihr Ge¬ folge erschlage. Ein Normanne, der sich den Lohn verdienen will, eilt mit bloßem Schwert dorthin, wo sich die hegelingi¬ schen Jungfrauen um ihre Herrin geschart haben. Als sie den Mörder kommen sehen, stoßen sie in Todesangst gellende Schreie aus. Hartmut erkennt Kudrun an ihrer Stimme, blickt zur Burg hinauf und sieht den Normannen, der im Begriff ist, sie zu erschlagen. Da droht er dem zagen boesen (dem ‘erbärmlichen Feigling’), sein Leben sei verloren, wenn er auch nur eine der Gefangenen erschlüge, und mit ihm das seiner ganzen Sippe. Aus Furcht vor Hartmut zieht sich der Normanne zurück. Die Rettung Kudruns aber hat Hartmut im Kampf gegen Wate so in Nachteil gebracht, daß er selber fast sein Leben verloren hätte. Gleich darauf kommt Ortrun mit gerungenen Händen zu Kudrun, fällt ihr zu Füßen und bittet sie, indem sie sie an den Tod ihres eigenen Vaters und an die aufrichtige Anteilnahme erinnert, die sie selbst als einzige allezeit an ihrem Geschick genommen hat, ihrem Bruder das Leben zu retten: „Verliere ich (auch noch) den Bruder, so muß ich für immer eine Waise (= ohne An¬ gehörige) sein“ (1480, 4). Kudrun weiß zunächst nicht, wie sie die Kämpfer trennen soll, dann aber tritt sie in eine Fensternische, winkt mit der Hand und fragt diejenigen, die das bemerkt haben, ob irgendein Krieger aus ihrem Vater¬ land hier sei. Niemand anders als Herwic ist es, der ihre Frage vernommen hat. Er erkennt Kudrun jedoch nicht, bis sie ihren Namen nennt, woraufhin auch der König von See¬ land sich zu erkennen gibt und ihr zusichert, ihr immer zu Diensten zu sein und sie gerne von allen ihren Sorgen er¬ lösen zu wollen. Kudrun bittet ihn nun unter Hinweis auf die Bitten der Mädchen, den Kampf zwischen Hartmut und Wate zu beenden. Herwic ersucht daraufhin Wate mit höfisch-gewandten Worten,
vom Kampf gegen Hartmut
abzulassen, wobei er den Hinweis auf die Bitten der Mäd¬ chen wiederholt. Doch Wate erwidert zornig: „Herr Her-
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Kudrun: Nacherzählung
wie, nun geht weg! Sollte ich [nun] Damen folgen, wohin täte ich (= wo hätte ich) (dann) meinen Verstand? Sollte ich die Feinde schonen, täte ich das gegen mich selbst (= zu meinem eigenen Nachteil). Deshalb werde ich Euch niemals folgen: Hartmut muß seine Vermessenheit entgelten“ (1491, lb-4). Kudrun zuliebe springt Herwic zwischen die Kämp¬ fer, um sie zu trennen. Da streckt Wate ihn voll Zorn mit einem harten Schwertstreich nieder. Herwics Leute aber eilen hinzu und bewahren ihren Herrn vor Schlimmerem. Hartmut wird gefangengenommen.
29. Aventiure (Str. 1494-1560) Man bringt ihn auf ein Schiff, wo er in Fesseln gelegt wird. Währenddessen sind die Hegelingen in die Burg ein¬ gedrungen. Horant trägt Hildes Banner auf den höchsten Turm der Burg, wo er es zum Zeichen des Sieges und der Inbesitznahme der feindlichen Residenz aufpflanzt. Nun wird die Burg geplündert. Mehr, als zwei Schiffe aufnehmen können, bringen die Hegelingen und ihre Verbündeten an Beute - kostbaren Stoffen, Silber und Gold - zum Strand. Aber nicht allein an der Feste und ihren Schätzen, sondern auch an den Bewohnern toben die Sieger ihren Zorn aus: Männer und Frauen fallen ihm gleichermaßen zum Opfer, und selbst die Kinder in der Wiege verschonen sie und zumal Wate nicht. Irolt hält Wate vor, daß die kleinen Kinder ihm nichts getan haben und schuldlos sind an dem, was den Hegelingen widerfahren ist, und er fordert ihn auf, um Gottes willen den armen Waisen gnädig zu sein. Wate weist das ab: „Du hast den Verstand eines Kindes. Dünkte dich das gut, daß ich die leben ließe, die in der Wiege weinen? Sollten die heranwachsen, so wollte ich ihnen nicht mehr trauen als einem wilden Sachsen“ (1503, lb-4). Voll Angst sucht Ortrun die hegelingische Königstochter auf und bittet
29. Aventiure
651
sie, sie nicht zugrunde gehen zu lassen. Gern ist Kudrun dazu bereit: Sie heißt sie mit ihren Mädchen zu den ihren treten, und so entgehen Ortrun und dreiunddreißig ihrer Jungfrauen dem Massaker. Jetzt dringt Wate mit knirschen¬ den Zähnen und blutbespritzt in den Raum ein, in dem sich Kudrun und ihr Gefolge aufhalten. Nur Kudrun wagt es, ihm entgegenzugehen, doch auch sie tut dies mit Angst. Sie begrüßt ihn, meint aber, sie sähe ihn lieber, wenn nicht so vielen Menschen von ihm Leid zuteil würde. Sogleich fragt der grimme Kämpe, wer die vielen Frauen sind, die sich in dem Raum befinden. Kudrun gibt ihm die Auskunft, daß es sich bei einem Teil um Ortrun und ihr Gesinde handelt, die er schonen solle, und bei den anderen um diejenigen, die zusammen mit ihr aus dem Hegelingenland entführt worden sind. Wate läßt es dabei sein Bewenden haben und entfernt sich. Kurz danach erscheint Heregart, die tatsächlich Her¬ zogin geworden ist, und fleht Kudrun um Gnade an. Doch Kudrun wirft ihr vor, daß es sie nicht gekümmert habe, was all den anderen an Leid zugefügt worden ist. „Nun ist es auch mir gleichgültig, ob es Euch übel oder gut ergeht“ (1515,4). Auch Gerlint sucht bei Kudrun Schutz vor dem rasenden Wate und bietet sich ihr sogar als Leibeigene an. Kudrun scheint ihr zunächst den Schutz verweigern zu wol¬ len, gesteht ihr dann jedoch zu, daß sie sich zwischen ihre eigenen Mädchen stellen dürfe. Wate, der die normannische Königin immer noch nicht gefunden hat, kehrt auf der Suche nach ihr zu dem Saal zurück, in dem Kudrun mit den ande¬ ren Frauen weilt. Er fordert die Auslieferung Gerlints und ihrer Verwandten. Kudrun erklärt, von diesen sei niemand hier. Da droht Wate, alle im Saal, die Fremden wie die Freunde, umzubringen. Eines der Mädchen gibt ihm mit den Augen einen Wink, wer Gerlint ist. Mit grimmer Ironie spricht Wate sie an: „Sagt mir, Frau Gerlint, wollt Ihr auch fernerhin Wäscherinnen haben?“ (1521, 4). Er faßt sie an der Hand, zieht sie aus dem Saal und richtet in rasender Wut noch einmal das Wort an sie: „Edle Königin, meine
652
Kudrun: Nacherzählung
junge Herrin soll Euch nie mehr Eure Kleider waschen!“ (1522, 3b/4). Dann packt er sie bei den Haaren und schlägt ihr das Haupt ab. Gleich darauf kehrt er in den Raum zurück und fragt nach Gerlints Verwandten, denen er eben¬ falls das Leben nehmen will. Whinend bittet Kudrun ihn, Ortrun und ihre Mädchen, die hierhergekommen seien, um Frieden zu erlangen, zu schonen. Das tut Wate, erkundigt sich aber nach der treulosen Heregart. Man will sie ihm nicht zeigen, doch er erkennt sie selbst und schlägt ihr, wie vorher Gerlint, trotz der Bitten der Mädchen, sie am Leben zu lassen, den Kopf ab. Damit ist das Gemetzel auf der Burg zu Ende. Die Heer¬ führer suchen nun Kudrun auf, die sie freundlich empfängt. Dann beratschlagen sie, was sie weiterhin unternehmen sol¬ len. Wate rät, Kassiane 20 in Brand zu stecken. Aber Fruote widerspricht ihm: die Burg müsse für Kudruns Aufenthalt erhalten bleiben. Man solle die Toten hinaustragen und die Wände vom Blut säubern. Dagegen solle man Hartmuts Land mit Krieg heimsuchen. Dieser Rat findet Zustimmung. Über viertausend Tote werden, wiederum auf Fruotes Rat hin, ins Meer geworfen. Zweiundsechzig Ritter und einund¬ dreißig Mädchen - Ortrun und ihr Gefolge - sind ge¬ fangengenommen worden. Über die Mädchen beansprucht Kudrun die Aufsicht, da sie ihnen ihren Schutz gewährt habe. Auch Hartmut wird als Gefangener von dem Schiff wieder auf die Burg zurückgebracht. Tausend Mann bleiben unter dem Befehl Horants in Kassiane zurück, während die anderen unter der Führung Wates und Fruotes raubend und brennend Ormanie durchziehen. Sechsundzwanzig Burgen werden von ihnen zerstört und tausend oder noch mehr Gefangene gemacht, darunter viele Frauen, die als Geiseln ms Hegelingenland gebracht werden sollen. Auf die Frage der in Kassiane gebliebenen Dänen, wie es den Hegelingen
20 Das ist die normannische Königsburg, (Str. 1535,2) zum erstenmal genannt wird.
deren Name hier
30. Aventiure
653
auf ihrem Zuge durch Ormanie ergangen sei, kann Ortwin antworten: „Wir haben ihnen [den Normannen] mit ( = im) Kampf so sehr vergolten, was sie uns je taten, wir haben ihnen wohl tausendmal mehr genommen“ (1550, 3/4). Jetzt denken die Hegelingen an die Rückfahrt. Horant und Morunc bleiben als Statthalter in Kassiane, mit ihnen tausend Mann. Hartmut bittet, ihn freizulassen, und will mit seinem Leben und seinem Besitz für seine Loyalität bürgen. Aber Wate verweigert ihm das und erklärt, er verstehe nicht, warum man ihn nicht überhaupt töte: „Wenn er [Ortwin] es (zulassen) wollte, würde ich es sehr bald dahinbringen, daß er [Hartmut] keine Sorgen mehr in den Banden (= in der Gefangenschaft) hätte“ (1558, 4). Doch Ortwin tritt Wate entgegen: „Was nützte es, wenn wir 21 sie alle hier erschlü¬ gen?“ (1559, l/2a), und entschlossen bekundet er seinen Willen, Hartmut und die anderen Gefangenen in das Land seiner Mutter zu bringen.
30. Aventiure (Str. 1561-1666) In fröhlicher Stimmung tritt das hegelingische Heer die Rückfahrt an. Aber über dreitausend Tote und Schwerver¬ wundete muß man im Lande der Normannen zurücklassen. Die Fahrt wird von gutem Wetter begünstigt und verläuft ohne Zwischenfälle. An Hilde werden Boten vorausgeschickt. Die Königin empfindet über die Nachrichten, die sie erhält - daß König Ludwig erschlagen ist, daß Kudrun zurück¬ kehrt, daß Ortrun und Hartmut als Gefangene in ihr Land kommen -, große Zufriedenheit, und sie droht den Ge21 In der Handschrift steht )r ‘Ihr’, doch folgt das finite Verb in der Form der 1. PL: schlüegen, so daß die Besserung des Textes sowohl von dem überlieferten Subjekt (2. Pl.) wie dem überlieferten Prädikat (1. PL) ausgehen kann.
654
Kudrun: Nacherzählung
fangenen mit Bestrafung, sobald sie hier sein werden. Die Boten wdl sie mit Gold belohnen. Aber diese weisen darauf hin, daß sie schon reich sind, führen die Hegelingen doch so viel Gold als Beute mit sich, daß es die Koggen kaum zu fassen vermögen. Für den Empfang des Heeres, das ein ganzes Jahr abwesend gewesen ist, werden nun die not¬ wendigen Vorbereitungen getroffen. Als die Schiffe in Sicht¬ weite sind, beginnt man vor Matelane zur Begrüßung der Helden mit Schlag- und Blasinstrumenten zu musizieren. Mit ihrem Gefolge reitet Hilde den Recken ein Stück ent¬ gegen. Irolt führt Kudrun zur Königin, die mittlerweile vom Pferd gestiegen ist. Doch die Mutter erkennt unter den etwa hundert Frauen, die Kudrun begleiten, ihre Tochter nicht, und Irolt muß sie ihr erst zeigen. Groß ist die Wiedersehens¬ freude der beiden Frauen. Danach begrüßt Hilde besonders herzlich Wate, und sie meint, man könne ihm für das, was er geleistet habe, eigentlich nur mit einem Land und einer Krone lohnen. Der Alte erwidert bloß: „Was immer ich Euch dienen kann, dazu bin ich [Euch] ganz und gar bereit bis zum letzten Tag“
(1578, lb/2).
Inzwischen ist auch
Herwic hinzugekommen, der Ortrun an der Hand führt. Kudrun bittet ihre Mutter, das Mädchen zu küssen, das ihr in der Fremde so viel beigestanden habe. Hilde indessen erklärt, hier niemanden küssen zu wollen, der ihr nicht be¬ kannt sei. Als Kudrun ihr sagt, daß es sich um Ortrun handelt, erhält sie von ihrer Mutter die Antwort: „Ich werde sie nicht küssen! Weshalb rätst du mir das? Daß ich sie töten hieße, das käme mir viel eher zu. Mir haben ihre Verwandten wahrhaftig viel zuleide getan. Was (= wor¬ über) ich seither geweint habe, das war die angenehmste Augenweide ihrer Verwandten“ (1581). Obwohl Kudrun ihrer Mutter versichert, daß Ortrun nie etwas zu ihrem, Hildes, Schaden geraten hat und sie um ihre Huld für die Arme bittet, bleibt Hilde zunächst unerbittlich. Doch er¬ weichen Kudruns Tränen rasch ihre harte Haltung, und sie gibt Ortrun den Willkommenskuß (der zugleich das Zeichen
30. Aventiure
655
des Friedens, des Schutzes, der Versöhnung ist). Um Kudruns willen begrüßt sie auch noch andere normannische Mädchen. Daran schließt sich die Begrüßung Hildeburcs, der Hilde für die treuen Dienste, die sie Kudrun geleistet hat, reichen Lohn in Aussicht stellt, und der anderen Recken, die an der Befreiung Kudruns mitgewirkt haben, zuletzt des Königs von Morlant, dessen Krieger unter dem Gesang einer orien¬ talischen Melodie einherziehen. Vor der königlichen Burg entwickelt sich dann ein lebhaftes Treiben, während die von der langen Seefahrt Ermüdeten sich erholen. Am fünften Tage nach ihrer Ankunft suchen Kudrun und Ortrun Hilde auf, und Kudrun bittet ihre Mutter um Scho¬ nung Hartmuts, d. h. um seine Begnadigung: „Denkt daran, daß niemand irgendeine Feindschaft mit Bösem lohnen soll“ (1595, 2b/3). Hilde hält diese Bitte für unangemessen: „Ich habe durch seine Schuld großen Schaden erlitten. Mein Ker¬ ker soll ihn für seinen Übermut strafen“ (1596,2/3). Auch Ortrun bittet die Königin um Gnade für ihren Bruder und verbürgt sich dafür, daß er ihr bereitwillig dienen werde. Aber erst die Tränen der Mädchen bewirken, daß Hilde nachgibt: Gegen die eidliche Versicherung der normanni¬ schen Gefangenen, nicht zu fliehen, ordnet Hilde ihre Frei¬ lassung an. Heimlich läßt Kudrun sie baden und mit schönen Kleidern ausstatten. Hartmuts glänzende Erscheinung erregt am Hofe Aufsehen und trägt ihm viele freundliche Blicke der Damen ein. Herwic ist ungeduldig, in sein Land zurückzukehren. Doch Hilde bittet ihn dringend, hierzubleiben, weil sie für ihre Freunde und Gäste ein großes Fest veranstalten will. Nur ungern folgt Herwic der Bitte seiner Schwiegermutter. Das Fest, in dessen Verlauf Kudrun zur Königin von Seeland gekrönt wird, wird mit besonderer Pracht gefeiert und gibt der Königin Gelegenheit, ihre außerordentliche Freigebig¬ keit zu bekunden. Irolt fungiert bei ihm als Kämmerer, Wate als Truchseß, Fruote als Schenk. In dieser Zeit läßt Kudrun ihren Bruder zu sich kommen und rät ihm, Ortrun
656
Kudrun: Nacherzählung
zu heiraten. Ortwin hat Bedenken: Er und Hartmut seien nicht gerade befreundet, und wenn Ortrun, wenn sie bei ihm liege, sich an den Tod ihres Vaters erinnere, werde ihr das manchmal Seufzen bringen. Aber Kudrun entgegnet, er solle durch seinen Dienst erreichen, daß Ortrun das nicht tue, und verheißt ihm Freude an Ortruns Seite. Nun stimmt Ortwin zu, und Kudrun wiederholt, er könne mit Ortrun als seiner Frau keinen einzigen leidvollen Tag gewinnen. Hilde wider¬ spricht zwar der Verbindung zwischen ihrem Sohn und der normannischen Prinzessin, doch Herwic und Fruote unter¬ stützen Kudruns Plan, dieser mit den Worten: „Man soll die Feindschaft beilegen, die wir gehegt haben“ (1624, 1), und er schlägt als ein Mittel, mit dem dieses Ziel zu er¬ reichen sei, vor, Hildeburc mit Hartmut zu vermählen. Kudrun teilt ihrer alten Freundin in einem Zwiegespräch mit, daß sie Königin von Ormanie werden solle. Hildeburc zögert, jemanden zu lieben, der ihr nie seine Neigung zu¬ gewandt habe. Kudrun erwidert, sie wolle Hartmut als freien Mann in sein Land zurückkehren lassen, wofür er ihr danken werde, und dann wolle sie ihn fragen, ob er sich nicht auf eine solche Weise verheiraten wolle, daß er sie und ihre Verwandten zu Freunden gewinne. Hartmut wird ge¬ holt, und Kudrun heißt ihn sich neben Hildeburc setzen, „die einst mit mir zusammen für deine Helden gewaschen hat“ (1632, 4b). Hartmut, der nicht weiß, worum es geht, verteidigt sich: Was ihnen in Ormanie angetan worden sei, habe er nicht gewußt, da seine Mutter es ihm, seinem Vater und all seinen Mannen verheimlicht habe. Kudrun wünscht eine geheime Unterredung mit Hartmut, und dieser, noch immer im ungewissen, was Kudrun will, denkt bei sich: „Nun gebiete ihr Gott, daß sie es aufrichtig meine“ (1634, 4b). Nur Fruote ist bei der Aussprache Kudruns mit Hart¬ mut zugegen. Kudrun kündigt ihm an, sie werde ihn von jeglichem Kummer befreien, wenn er ihrer Anweisung willig folge. Hartmut antwortet, er kenne sie als so untadelig, daß sie ihm gewiß nichts raten werde, was nicht seiner Ehre und
30. Aventiure
657
seinem Nutzen diene. Als Kudrun ihm dann mitteilt, daß man ihm eine Gattin geben wolle, ist er nur bereit, sie zu nehmen, wenn dadurch seine Ehre nicht in Frage gestellt werde; andernfalls will er lieber sein Leben verlieren. Mit Hildeburc ist er aber sogleich einverstanden, um so mehr, als er erfährt, daß seine Schwester Ortwin heiraten soll. Kudrun ist mit dem Erreichten noch nicht zufrieden, sondern will die Freundschaften durch eine weitere Eheschließung verstärken: Siegfried von Morlant soll Herwics Schwester zur Frau erhalten. „Ich glaube, es gab nie eine so große Versöhnung, wie sie das Mädchen [Kudrun] bewirkt hat“, bemerkt der Erzähler dazu (1644, 1). Wate freilich meint, der Aussöhnung müsse vorausgehen, daß Ortrun und Hart¬ mut sich Hilde zu Füßen würfen. Doch Kudrun belehrt ihn, daß die Königin ihnen schon vergeben hat. So werden die Ehen zwischen Ortwin und Ortrun und zwischen Hartmut und Hildeburc geschlossen, und Hilde betont dabei ihren Willen, daß fortan Frieden herrschen soll. Kudrun wünscht nun, daß Herwics Schwester herbei¬ geholt wird, damit sie die Ehe mit dem König von Mor¬ lant eingehen kann. Herwic äußert das Bedenken, sie habe keine standesgemäße Kleidung, da ja Siegfried ihm sein Land verwüstet und seine Burgen verbrannt habe. Aber die¬ ser würde sie selbst dann zur Frau begehren, wenn sie, ohne jede Mitgift, nur mit einem einzigen Gewand zu ihm käme. Wate und Fruote führen die Boten an, die nach See¬ land gesandt werden. Auf der Hinreise benutzen sie an¬ scheinend den Landweg, die Rückfahrt erfolgt mit einem Schiff. Im Hegelingenreich wird Herwics Schwester von Hilde und ihren Frauen, den vier Königen und vielen Rit¬ tern festlich empfangen. Erst jetzt erfährt sie, weshalb man sie geholt hat. Sie gibt ihre Zustimmung zur Eheschließung mit Siegfried, wenn auch nur zögernd, „wie es eine Jung¬ frau oft tut“ (1665, lb). An dieser Stelle hebt der Dichter übrigens hervor, daß Siegfried von heller Hautfarbe ist er hat sie von dem einen Elternteil geerbt -, während seine
658
Kudrun: Nacherzählung
Leute dunkel sind. In der Nacht findet gleichzeitig das Bei¬ lager der vier Paare statt.
31. Aventiure
(Str. 1667-1695) Danach werden die Ehen kirchlich eingesegnet. Zugleich werden fünfhundert oder noch mehr Knappen in den Ritter¬ stand aufgenommen. Am Strand vor der Burg Matelane wird nun noch einmal ein glanzvolles Fest veranstaltet: Die Ritter buhurdieren eifrig vor den Augen der schönen Da¬ men, die Fahrenden zeigen ihre Künste, und die Flerren, Könige wie Vasallen, übertreffen sich gegenseitig in ihrer Freigebigkeit. Herwic ist es, der mit der zur Verschwen¬ dung werdenden Freigebigkeit den Anfang macht. Von Ortwin und seinen Rittern erzählt der Dichter sogar, daß sie ihre eigenen Kleider verschenken und also entblößt von ihnen dastehen. Da Hartmut über keine Mittel verfügt, um sich an
der allgemeinen
Freigebigkeit beteiligen
zu
können, läßt Kudrun ihm, auch Hildeburcs wegen, so viel Gold und Kleider zukommen, daß er im Schenken nicht hinter den anderen Zurückbleiben muß. Durch besondere Freigebigkeit zeichnet sich auch Wate aus. Er verschenkt das Gewand, mit dem er zu dem Fest gekommen ist und wie es kostbarer ein König nicht hätte tragen können, ist es doch mit einem Netzwerk aus Gold und herrlichen Edelsteinen behängen. Die Zeit ist herangerückt, da die Gäste aufbrechen wollen. Als erste verabschieden sich Hartmut und Hildeburc, denen Hilde ein ehrenvolles Geleit unter der Führung Irolts bis in ihr Land geben läßt. Sie selbst und Kudrun begleiten mit ihrem Gefolge Hildeburc und den normannischen König ein gutes Stück vor die Burg, Ortwin und Herwic sogar bis auf das Schiff. In Kassiane berichtet Irolt Horant, was sich in¬ zwischen zugetragen hat. Horant räumt daraufhin mit sei-
32. Aventiure
659
nen Truppen das Normannenland und beeilt sich, nach Dänemark zurückzusegeln.
32. Aventiure
(Str. 1696-1705) Der König von Morlant - von dessen Leuten der Dich¬ ter gerade gesagt hat, daß sie diejenigen Gäste sind, die das festliche Treiben am längsten fortsetzen - kehrt mit seiner Gattin ebenfalls in sein Reich zurück. Dann verabschiedet sich auch Kudrun von ihrer Mutter. Hilde bittet sie, ihr dreimal im Jahre durch Boten Nachricht zukommen zu las¬ sen, was Kudrun ihr verspricht. Unter Lachen und Weinen verlassen Kudrun und die Mädchen, die sie nach Seeland begleiten werden, die Burg, wobei sie sich oft umwenden, um noch einmal einen Blick auf Matelane zu werfen. Ortrun dankt beim Abschied ihrer Schwägerin, daß sie ver¬ anlaßt hat, ihrem Bruder sein Land zurückzugeben: „Dafür möge Gott dir lohnen“ (1703, 4a), und Hilde sagt sie Dank, daß sie Ortwin heiraten durfte und dadurch zur Königin von Nortlant geworden ist. Hilde antwortet, daß sie es ihr immer gönne. Ortwin und Herwic aber schwören einander mit festem Versprechen, ihr Fürstenamt, ihrem hohen Stande entsprechend, ruhmvoll auszuüben und irgendwelche Feinde, die ihnen Schaden zufügen wollen, gefangenzunehmen und zu erschlagen. Mit der Erwähnung dieses Gelöbnisses und dieses Bündnisses beschließt der Dichter sein Werk.
.
WORT- UND BEGRIFFSERKLÄRUNGEN ZU BEIDEN DICHTUNGEN
WORT- UND BEGRIFFSERKLÄRUNGEN Für eine eingehendere Beschäftigung mit Fragen der mittelhoch¬ deutschen
Wortgeschidhte
und
Wortbedeutungskunde
seien
die
wichtigsten Hilfsmittel, insbesondere Wörterbücher, genannt, auf die sich auch die folgenden Erläuterungen weitgehend stützen:
a) Spezialwörterbücher zum Nibelungenlied und zur ‘Kudrun’ August Lübben: Wörterbuch zu der Nibelunge Not (Liet), 3. Aufl., 1877, Neudruck 1966. Karl Bartsch: Der Nibelunge Not. Zweiter Teil. Zweite Hälfte: Wörterbuch, 1880, Nachdruck 1966. Robert Bliem: Vollständiges Glossar zum Kudrunepos, Diss. Wien, 1954 (Masch.-Schr.). [Die Stellennachweise sind nicht immer vollständig und vielfach unrichtig. Infolge seiner Unzuverlässig¬ keit ist das Glossar nur begrenzt brauchbar.]
b) Mittelhochdeutsche 'Wörterbücher Georg Friedrich BENECKE/Wilhelm MÜLLER/Friedrich Zarncke: Mittelhochdeutsches Wörterbuch, 3 Bände in 4, 1854-1866, Nach¬ druck 1963 (abgekürzt: Mhd. Wb. oder BMZ). [Hier ist der Wort¬ schatz nach Wortstämmen angeordnet.] Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, 3 Bände, 1872-1878, Neudruck 1913 und 1965 (abgekürzt: Lexer Hwb.). [Alphabetische Anordnung des Wortschatzes.] Matthias
Lexer:
Mittelhochdeutsches
Taschenwörterbuch,
33. Aufl., 1969, mit Nachträgen von Ulrich Pretzel (abgekürzt: Lexer Twb.). [Das Twb. ist ohne Stellenbelege aus dem Hwb. ge¬ kürzt. Die seit der 29. Auflage hinzugefügten Nachträge berück¬ sichtigen neue Forschungsergebnisse. Dagegen sind die beiden gro¬ ßen mittelhochdeutschen Wörterbücher, das von Benecke, Müller
664
Wort- und Begriffserklärungen
und Zarncke einerseits, das von Lexer andererseits, veraltet, aber noch nicht durch ein zureichendes, heutigen Erfordernissen genü¬ gendes neues Wörterbuch ersetzt.]
c) 'Wörterbücher zur deutschen Sprache insgesamt Jacob Grimm und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, 16 (
32) Bände, 1854—1960 (abgekürzt: DWb.). [Das umfassendste
und bedeutendste deutsche Wörterbuch. Die älteren Artikel sind freilich durchweg überholt. Neubearbeitung 1965 ff.] Trübners Deutsches Wörterbuch, 8 Bände, 1939-1957, hg. von Alfred Götze (Bd. 1-4) und Walther Mitzka (Bd. 5-8). Hermann Paul: Deutsches Wörterbuch, 5., völlig neubearbeitete und erv/eiterte Auflage von Werner Betz, 1966 (auch als unver¬ änderte Studienausgabe = 6. Aufl.). Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 20. Aufl., bearbeitet von Walther Mitzka, 1967. Duden-Etymologie. Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache, 1963 (= Der Große Duden, Bd. 7).
d) Darstellungen Deutsche Wortgeschichte, hg. von Friedrich Maurer und Fried¬ rich Stroh, 2., neubearbeitete Auflage, Bd. 1 und 2, 1959, Bd. 3 (Register, bearbeitet von Heinz Rupp), 1960 (abgekürzt: DWg.). [Für die Zwecke der folgenden Worterklärungen am wichtigsten. In erster Finie kommt in Betracht der Abschnitt über das Hoch¬ mittelalter ( Höfisches Rittertum’) von Edmund Wiessner, Bd. 1, S. 149-203, dazu der Beitrag von Emil Öhmann über den ‘Roma¬ nischen Einfluß auf das Deutsche bis zum Ausgang des Mittelalters’ Bd. 1, S. 269-327.] Adolf Bach: Geschichte der deutschen Sprache, 8. Aufl., 1965. Hans Eggers: Deutsche Sprachgeschichte. Bd. II: Das Mittel¬ hochdeutsche, 1965 (= rde 191/192). Fritz Tschirch: Geschichte der deutschen Sprache. 2. Teil: Ent¬ wicklung und Wandlungen der deutschen Sprachgestalt vom Hoch¬ mittelalter bis zur Gegenwart, 1969 (= Grundlagen der Germa¬ nistik, Bd. 9).
Wort- und Begriffserklärungen
665
Innerhalb der Wort- und Begriffserklärungen sind die in der Fachwissenschaft üblichen Abkürzungen benutzt worden.
Abkürzungen von Sprachen afrz.
altfranzösisch
germ.
germanisch
ags.
angelsächsisch
got.
gotisch
ahd.
althochdeutsch
griechisch
an.
altnordisch
gfhd.
as.
altsächsisch
idg.
indogermanisch
bair.
bairisch
lat.
lateinisch
dt.
deutsch
md.
mitteldeutsch
engl.
englisch
mhd.
mittelhochdeutsch
finn.
finnisch
mlat.
mittellateinisch
f rmhd. frühmittelhochdeutsch
nd.
niederdeutsch
frnhd. frühneuhochdeutsch
ndl.
niederländisch
nhd.
neuhochdeutsch
obd.
oberdeutsch
frz.
französisch
hochdeutsch
Abkürzungen grammatischer Termini Adj.
Adjektiv
PL
Akk.
Akkusativ
refl.
Plural reflexiv
Dat.
Dativ
Sg.
Singular
Fern.
Femininum
stf.
starkes Femininum
Gen.
Genitiv
stm.
starkes Maskulinum
Inf.
Infinitiv
stn.
starkes Neutrum
mask. maskulin
stv.
starkes Verb
Mask. Maskulinum
Subst. Substantiv
Neutr. Neutrum
subst. substantiviert
Part.
swf.
schwaches Femininum
swm.
schwaches Maskulinum
Präs. Part. Prät.
Partizipium Präsentis Partizipium Präteriti
swv.
schwaches Verb
Wz.
Wurzel
666
Wort- und Begriffserklärungen Abkürzungen von Dichtungstiteln (in Verbindung mit Stellennachweisen)
aH.
Hartmann von Aue: Der arme Heinrich
Er.
Hartmann von Aue: Erec
Gr.
Hartmann von Aue: Gregorius
Hl.
Hildebrandslied
Iw.
Hartmann von Aue: Iwein
MF
Des Minnesangs Frühling
Parz.
Wolfram von Eschenbach: Parzival
Tr.
Gotfrid von Straßburg: Tristan und Isold
Wa.
Walther von der Vogelweide
Um Raum zu sparen, wurden die Titel ‘Nibelungenlied’ und ‘Kudrun’ stets abgekürzt: NL, Ku.
Siglen von Zeitschriftentiteln Beitr.
Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur
ZfdA
Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur
ZfDk. Zeitschrift für Deutschkunde ZfMf. Zeitschrift für Mundartforschung
Besondere Zeichen *
erschlossene Form
< entstanden aus > geworden zu -
über Vokal: Länge
~
über Vokal: Kürze
ande (swm., stf.): die Kränkung, die einem widerfährt, und das dadurch verursachte Leid; ande (Adj. und Adverb): schmerzlich.
Während im NL nur einmal
das Verbum
anden „ahnden, bestrafen, rächen“ vorkommt (1598, 3), ist in
Wort- und Begriffserklärungen
667
der Ku. ande häufig. Das Subst. erscheint dabei vor allem in der Wendung den anden rechen „das Leid rächen“, das Adj. regelmäßig in der Formel mir ist ande. Sie bedeutet zum einen „mir tut weh, mich schmerzt“ (598, 4; 671, 2; 992,2; zusammen mit leit 1196,4; 1266,4); zum andern heißt mir ist ande nach jedoch: ich vermisse schmerzlich, ich sehne mich nach etwas oder jemandem (so Ku. 446, 4 [hier: mir wirt ande]; 457, 4; 485, 4; 983, 4 [wiederum: leit und ande]), wofür gelegentlich sogar das Verbum anden eintreten kann: mich andet nach = ich sehne mich nach etwas (vgl. ‘Der große Alexander’ [ed. Gustav Guth], v. 4376 f.). ande gehört
zu
dem
im
Hochmittelalter
veraltenden
Wortgut. In den Dichtungen des 12. Jh. wird es oft ge¬ braucht, die Dichter der staufischen Blütezeit verwenden es mit sehr unterschiedlicher Häufigkeit (etwa Hartmann von Aue nur einmal in seiner ‘Klage’ [v. 1780], dagegen Gotfrid von Straßburg öfters im ‘Tristan’; vgl. z. B. auch noch MF 89, 25). In der sog. Heldendichtung des 13. Jh. ist ande außer in der Ku. besonders im ‘Biterolf und Dietleib’ sehr beliebt. Noch in dem im Jahre 1484 gedruckten Prosaroman von Tristrant und Isalde findet sich der Satz: Jch hab mei¬ nen anden gerochen (Z. 4971 f. [ed. Alois Brandstetter]). Heute ist die einst verbreitete Wortfamilie ande bis auf das Verbum ahnden und die Ableitung Ahndung ausgestorben. arc (Adj.): Bei den Langobarden war die Schmähung eines Menschen als arga
„Nichtswürdiger, Feigling“
mit
schwerer Strafe bedroht (vgl. zur Bedeutung „feige“ auch das aus dem Germ, entlehnte finn. arka). Im Ahd. ist diese Bedeutung nicht direkt belegt, aber doch zu erschließen (vgl. Hl., v. 58). Dort meint arg sonst, wie mhd. arc, „schlecht, böse, schlimm“. Manchmal verbindet sich mit arc die Vor¬ stellung des Hinterhältigen, so in seinem Gebrauch als Attri¬ but zu list (NL 841, 1; 1754, 2). Im hoch- und spätmittel¬ alterlichen Deutsch hat arc außerdem die Bedeutung „geizig, hartherzig“ (z. B. Parz. 142, 15: ein arger wirt), die aber im NL und in der Ku. nicht vorkommt. - Das Subst. arc (stm.;
668
Wort- und Begriffserklärungen
Gen. arges) bedeutet: das Böse — auch im Sinne eines kör¬ perlichen Übels (vgl. Er. 5142)
die Feindseligkeit, die fal¬
sche Gesinnung (so Ku. 983, 1). Beachte: ze arge verstän „übel aufnehmen“ (NL 820, 1). ar(e)beit (stf.): Not (besonders auch die Kampfesnot), Beschwernis, Mühe, Mühsal, Anstrengung, aber nicht „Ar¬ beit“ (oder „Arbeit“ doch nur als Ergebnis der Mühe, als das mit Mühe Zustandegebrachte, Hergestellte oder Erwor¬ bene). Die Bedeutung „Mühsal, Plage, Not“ hat schon das ahd. Wort ar(a)beit. Daneben zeigt sich allerdings, nament¬ lich beim Verbum arbeiten, auch bereits eine der heutigen ähnliche Bedeutung. Im Mhd. ist der Begriffsinhalt der Müh¬ sal und Not noch stärker ausgeprägt, wie beispielsweise auch aus zahlreichen Stellen des NL und der Ku. hervorgeht, so etwa aus der Wendung arbeit liden „Not, Mühsal leiden, erdulden, ertragen“ (NL 137,4; 666,3; Ku. 77,4; 487,4; 1021, 3/4 u. a.; den gleichen Sinn hat die Wendung arbeit doln, NL 2176,4); s. weiterhin z. B. NL 608,4; 1059,3; Ku. 61,3 (hier speziell „Kummer“); 666,3. Das Verbum arbeiten (Ku. 745,4; 1119,4) bedeutet „sich anstrengen, sich bemühen“. Daß der Begriff der arbeit in mhd. Zeit auch positiv ge¬ wertet werden kann, zeigt insbesondere Wolframs ‘Parzival’; vgl. den Schluß des Romans, v. 827, 19 ff., mit der Wendung nütziu arbeit - neben der Bedeutung „Mühe“ (im Sinne von „Not“) tritt die der Bemühung, des Strebens in den Vordergrund. Die in der ritterlichen Dichtung des Hoch¬ mittelalters und dann vor allem von der Mystik angebahnte positive Wertung des Arbeitsbegriffs vollzog endgültig Mar¬ tin Luther. Doch hat das Wort „Arbeit“ bei ihm die Be¬ deutung „Mühsal“ nicht überhaupt verloren, eine Bedeu¬ tung, die ihm auch später noch eignen kann und die sich etwa in dem Ausruf „War das eine Arbeit!“ bis heute er¬ halten hat. balt (Adj.): Das gemeingerm. Adj. *balpa- hat die Be¬ deutung „kühn, mutig, tapfer“ (vgl. noch engl. bold). In
Wort- und Begriffserklärungen
669
ebendieser Bedeutung ist balt im NL beliebtes Epitheton der Helden und steht als solches stets unflektiert hinter dem zugehörigen Substantiv im Reim (so auch fünfmal in der Ku.); nur in der alten Formel baldez eilen steht es vor dem Substantiv (NL 1935, 3; Ku. 1032, 2; desgleichen Ku. 98, 1: baldes herzen [Gen.]). Das Adj. halt gehört zu dem im Hochmittelalter veraltenden und schließlich ausgestorbenen Wortgut. Hartmann von Aue verwendet das Wort nur noch einige Male in seinen frühen Werken (‘Klage’, ‘Erec’), Gotfrid von Straßburg gebraucht es gar nicht, während Wolf¬ ram von Eschenbach, hier wie oft im Wortgebrauch der Heldenepik nahe, sich in seinem ‘Parzival’ (nicht mehr im ‘Willehalm’) der Wendung degen balt nicht weniger als fünfzehnmal bedient. Innerhalb der Heldendichtung kommt das Adj. balt noch einmal häufig im ‘Wolfdietrich D’ vor (immer nachgestellt und unflektiert im Reim). Wie schon ahd. bald, das u. a. „zuversichtlich“ und „frei“ bedeutet, hat auch mhd. balt neben der dominierenden Bedeutung „kühn“ einige andere entwickelt, so: rasch, schnell (an etwas gehend), eifrig (z. B. helfe balt „rasche Hilfe“). Das zu balt gehörende Adverb (ahd. as. baldo, mhd. frnhd. balde) hat zunächst die gleiche Bedeutung wie das Adj., also „kühn“, doch herrscht im Mhd. bereits die Bedeutung „schnell“, deutlich in Wendungen wie balde gäben, -^ilen, ~komen,
~loufen; vgl. weiter NL 98,2; 1749,3; Ku.
846, 1 (hier der Superlativ beldiste „schleunigst“); 1298,2. Oft dient balde auch zur Verstärkung und Bekräftigung einer Aussage und ist dann etwa zu übersetzen mit „aus vollem Herzen, nachdrücklich, überaus, sehr“, und zwar regelmäßig in Verbindung mit mugen und Inf., so NL 619, 3 (ir muget iuch vreun balde)-, 620, 1 (ich mac wol balde wei¬ nen); 2244, 3 (ich mac wol balde klagen); Ku. 127,2 (dich mügen loben balde
beide man und wip).
baneken (swv.): Gehört zu dem breiten Strom des frz. Wortschatzes, der, vielfach durch flandrische Vermittlung, aus dem Westen in die Sprache der dt. ritterlichen Dichtung
670
Wort- und Begriffserklärungen
eingedrungen ist und der auch in die Heldendichtung des 13. Jh. Eingang gefunden hat. Im NL fehlt das Wort noch, in der Ku. hingegen kommt es vor: diu ros sol man baneken (1146,4), d.h. in Bewegung setzen, umherreiten (um sie wieder beweglich zu machen; s. Str. 1149). Sonst: den lip baneken, sich baneken „sich zur Erholung oder zur Stärkung der Kräfte Bewegung verschaffen, sich tummeln“ (und da¬ durch erlustigen; vgl. zu dieser Bedeutung z. B. auch das Kreuzzugslied des Tannhäusers, I, 8). Gotfrid von Straßburg hat zu dem Verbum baneken das Substantiv banekie „Erholung, Erlustigung“ gebildet. besenden
(swv.):
holen
lassen,
zusammenrufen
(z. B.
NL 57,4; 163,4; 475,4); refl.: sein Heer aufbieten (da¬ durch, daß man seine Lehnsmannen holen läßt; vgl. NL 151,3; 170,1 und 170,4; Ku. 668,1 und 668,4; 670,1; 930, 2). bestän
(stv.):
Das
Verbum
bestän
(auch
besten)
hat
zahlreiche Bedeutungen, von denen die wichtigsten ange¬ führt seien. 1) stehenbleiben, Stillstehen, einhalten. 2) (an einem Ort) bleiben (hie bestän „hier bleiben“ [NL 912,3; 1688,3; 1994,3; Ku. 1310,2], da heime bestän „daheim bleiben
[NL 319, 2; 926, 4]); NL 375, 1 wird man bestän
mit „erhalten bleiben“ übersetzen, NL 2157, 3 mit „ver¬ bleiben“, den Sinn von „im Kampf bleiben“ hat bestän NL 457, 4 und 2361, 4, den von „Zurückbleiben“ Ku. 1076, 4. 3) umstellen, besetzen (so NL 929,1). 4) sich einem entgegen¬ stellen, um mit ihm zu kämpfen, ihn anzugreifen, anfallen, bekämpfen; jemandes Gegner sein; einem standhalten (vgl. NL 160,2; 1591,4; 1944,2 u. ö.; Ku. 1417,4; 1466,3). 5) befallen. In diesem Sinne wird bestän von Krankheiten gebraucht, ebenso von Hunger und Durst, von Unglück und Leidenschaften. 6) etwas (Schweres, Unangenehmes) unter¬ nehmen, sich einer Sache unterziehen, etwas auf sich neh¬ men^ wagen, auch „bestehen“ (NL 423, 2; 427, 3). 7) mich bestät: mir kommt zu, mich geht an, mich betrifft (NL 1017,4; vielleicht auch Ku. 838,2, doch ist die Stelle ver-
Wort- und Begriffserklärungen
671
derbt und bestät hier nur eine Konjektur). Man merke auch: bestanden sin: zu etwas verpflichtet sein, besonders zu einer Zahlung oder einer Buße. boese (Adj.): Die Ausgangsbedeutung des Wortes ist „ge¬ ring, wertlos“. Sie zeigt sich nicht nur in ahd. bösi, sondern ist auch noch im Mhd. weit verbreitet. So ist boese z. B. Attribut zu kleider, wird aber ebenso mit Abstrakta, mit Tieren (ein boesez pfert ist ein schwaches, elendes Pferd) und mit Personen verbunden. Bei diesen kann es auch den niedrigen Stand bezeichnen (vgl. Ku. 1276, 3: boese [„nied¬ rige“] knehte-, Kontrastierung von diu beste und diu boeste [die Vornehmste und die Niedrigste]
Ku.
1263, 3 und
1631,2; s. etwa auch noch Tr. 8411: boesiu diet). Es steht dann im Gegensatz zu vornehm, adlig (edel), ritterlich, was besonders zu beachten ist, da es sich bei „böse“ in bezug auf Personen im heutigen Verständnis immer um einen Moral¬ begriff handelt. Weiter eignen boese die Bedeutungen „übel, schlimm“ (z. B. boesiu maere [NL 1019,2], boese weter [Parz. 448, 29], auch von Krankheiten gesagt) und, von Menschen gebraucht, „schlecht“, boese kann also auch schon im Mhd. ein sittlicher Begriff sein (vgl. hierzu NL 989, 1; 1847, 2; Ku. 1476, 1 [jeweils als Attribut zu zage im Sinne von „verächtlich, erbärmlich“]; mit der Bedeutung „feige“ auch NL 2015,3; s. überdies NL 2023,4). Durch Luthers Bibelübersetzung wird „böse“ zum Gegensatz von dem, was vor Gott gut ist, und verdrängt teilweise das bis dahin vor¬ herrschende übel (vgl. in Luthers Lied ‘Eine feste Burg’ „der alt böse Feind“, d. h. der Teufel, während im Mhd. der Ausdruck der übel välant gängig ist). brüt (stf.): Allgemein die junge Frau, insbesondere die Neuvermählte (so gemeingerm.; got. brüps bedeutet daneben speziell die Schwiegertochter), aber nicht die Verlobte im modernen Sinne.
Vgl. auch die Gleichstellung von daz
Nuodunges wip (NL 1906, 3) und Nuodunges briute (NL 1927,4; briute ist Dativ). Im älteren Deutsch konnte die Bezeichnung brüt für die junge Frau ohne weiteres bis zur
672
Wort- und Begriffserklärungen
Geburt des ersten Kindes beibehalten werden, ja sogar dar¬ über hinaus (vgl. HL, v. 21), namentlich im Nd. Noch im Frnhd. war es möglich, unter der braut die verheiratete Frau zu verstehen. Mhd. brüt bezeichnet indes nicht nur die junge Ehefrau, sondern überhaupt eine weibliche Person, die zu einem Manne in eine geschlechtliche Beziehung tritt, sei es gelegentlich, sei es in einem länger dauernden illegitimen Verhältnis, so daß brüt auch zur Benennung einer Kon¬ kubine dienen kann (vgl. ‘Vorauer Alexander’, v. 436 und ‘Straßburger Alexander’, v. 484 und 504; Gr. 387). Viel¬ leicht gehört hierher auch Ku. 1029, 4, wenn Hartmut Kudrun droht: wer hienge mich darumbe,
ob ich iuch ge¬
wänne mir ze einer briute?, sofern an dieser Stelle nicht
doch mit der Bedeutung „Ehefrau“ zu rechnen ist. In der geistlichen Literatur des Mittelalters, mit dem Höhepunkt in der Mystik, von ihr aber auch in weltliche Dichtungen eindringend,
spielt die Vorstellung
von
der
frommen Seele als Gottesbraut (lat. sponsa), von der Christus vermählten Seele eine große Rolle. Man pflegt geradezu von Brautmystik zu sprechen. Entsprechend findet sich die Wendung des tiuvels brüt, so bei Mechthild von Magdeburg (zwischent dem tüvel und siner brüt, der verdampneten sele, Das fließende Licht der Gottheit [ed. Gail Morel], 3- Buc^> KaP-
XI). Wenn Hagen im NL von Brünhilt sagt: sin des Übeln tiuvels brüt (450, 4;
ja solde si in der helle
vgl. dazu, wieder mit der Gleichung von brüt und wip, 438, 4: diu ist des tiuveles wip), so wird man nicht an eine bewußte Transponierung eines geistlichen Ausdrucks in den weltlichen Bereich, nicht an eine Analogiebildung denken, sondern an die volkläufige Vorstellung von Teufelsbräuten.
LiU: Wilhelm Braune: Nhd. Braut Sprachen, in: Beitr. 32, 1907, S. 30-59.
in
den
germanischen
bühurt (daneben auch die Form behurt, stm.; aus afrz. bouhourt, behort, dem seinerseits ein germ. Wort zugrunde
liegt: hurt(e): Stoß, stoßendes Losrennen): Ein ritterliches Kampfspiel, bei dem die Teilnehmer gruppenweise mit ein-
Wort- und Begriffserklärungen
673
gelegten Lanzen (ohne Spitze) gegeneinander sprengten; die schwächere Schar wurde zurückgedrängt oder umgeritten. Dazu das Verbum bühurdieren, behurdieren „einen bühurt reiten“ (NL 1871, 3; Ku. 31, 3; 43, 1; 183, 4). burc (stf.; flektiert nach der i-Deklination, weshalb im Gen. Dat. Sg. und im PI. Umlaut auftritt: bürge, im Gen. Dat. Sg. aber auch die Form burc-, das Wort steht im Ablaut zu Berg): Bedeutet sowohl „Burg“ als auch „Stadt“, und nicht immer ist zu entscheiden, welche Vorstellung an der be¬ treffenden Stelle dominierend ist. Die germ. Burg war ihrer Grundbestimmung nach nicht Wohnstätte, sondern Flucht¬ burg: In ihr konnte sich bei Gefahr die Einwohnerschaft eines Bezirkes in Sicherheit bringen, während in friedlichen Zeiten nur wenige Menschen hier wohnten. Später wurde aus der Volksburg die Herrenburg, die gleichzeitig Wehr¬ und Wohnbau und also ständiger Wohnsitz war. Etwa das Jahr 900 markiert in dieser Entwicklung einen deutlichen Einschnitt. Die im Anschluß an Burgen, zunächst Volks-, dann Herrenburgen, entstehenden Städte übernahmen deren Namen, und das Subst. burc selbst deckt den Begriff „Stadt“ (wie schon im Ahd. und Got. [got. baurgs gibt fast immer gr. jtoÄag wieder]; auch die römischen Städte an Rhein und Donau wurden von den Germanen als „Burgen“ bezeichnet). Daneben erhält aber mit dem Aufblühen der Ritterburgen die Bedeutung arx neuen Auftrieb; eben darum die häufige Schwierigkeit, gerade in der hochmittelalterlichen Dichtung, burc eindeutig als „Burg“ oder als „Stadt“ festzulegen. Ent¬ sprechend bezeichnet burgaere, burger sowohl den Bewoh¬ ner einer Burg und das Ingesinde des Burgherrn als auch den Stadtbewohner. Diese zweite Bedeutung zeigt das Wort z. B., wenn im NL die Einwohner der Stadt Worms oder der Stadt Passau und in der Ku. die Einwohner von Hägens Hauptstadt Baljan burgaere genannt werden. Insofern die Hauptbedeutung der mittelalterlichen Stadt auf wirtschaft¬ lichem Gebiete lag - die Stadt als Markt -, kann burgaere auch
im
Sinne
von
koufliute (mercatores,
negotiatores)
674
Wort- und Begriffserklärungen
gebraucht werden (s. Ku. 292,1; 324,3; vgl. auch NL 1298, 4 im Verhältnis zu 1298, 2). Mhd. stat (stf.; zunächst „Ort, Stelle, Stätte“) wird seit frmhd. Zeit auch im Sinne von „Stadt“ verwendet und hat allmählich burc in dieser Bedeutung verdrängt. Bisweilen werden in der hochmittelalterlichen Dichtung die Begriffe burc und stat bereits ausdrücklich unterschieden (so Parz. 746, 5: bürge, laut unde stete; vgl. auch Ku. 801, 1). Lit-:
Max Pfütze: ‘Burg5 und ‘Stadt5 in der deutschen Litera¬
tur des Mittelalters, in: Beitr. 80 (Halle), 1958, S. 272-320.
degen/helt/recke/wigant: Diese Bezeichnungen für den tapferen Krieger, den Helden — weshalb man auch von ‘Heldenwörtern5 spricht - finden sich im NL und in der Ku., in unterschiedlicher Häufigkeit, nebeneinander.
Insgesamt
gehören sie zu dem im Hochmittelalter veraltenden Wort¬ gut, das in der höfischen Dichtung seltener verwendet wird als in der sog. Heldendichtung. degen (stm.; germ. *pegna~; an. ags. pegn, as. thegan, ahd.
thegan, degan)
bedeutet ursprünglich
„(männliches)
Kind, Knabe“, eine Bedeutung, die z. B. auch der ‘Heliand’ zeigt, wenn v. 851 der zwölfjährige Christus im Tempel thegan genannt wird, und mit der gelegentlich noch im Mhd. zu rechnen ist; dann einerseits „Diener, Gefolgsmann, Jünger“ (dies die herrschende Bedeutung im Ahd.) oder auch allgemein „Mann“, andererseits „Krieger, Held“ (so durchweg im Mhd.). Hartmann von Aue hat im ‘Erec’ degen öfters gebraucht, im Twein’ aber nur noch selten. Häufig ist es in Wolframs ‘Parzival5; dagegen meidet es der Dichter im ‘Willehalm’, und auch in Gotfrids Wortschatz fehlt es gänzlich. Doch kommt degen bei späteren Dichtern des 13. Jh., wie Rudolf von Ems und Konrad von Würz¬ burg (‘Engelhard’, ‘Trojanerkrieg’), durchaus noch vor. Von den Komposita des in der Heldendichtung sehr beliebten Wortes degen begegnet im NL und in der Ku. swertdegen, NL 30, 1 und 646, 4 sowie Ku. 1667, 2 und 1671, 4 in der Bedeutung „Knappe, der Ritter werden soll oder gerade
Wort- und Begriffserklärungen
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Ritter geworden ist“, Ku. 331, 4 bezeichnet es hingegen den im Schwertkampf erfahrenen Krieger. Als Kollektivbildung zu degen erscheint im Mhd. gedigene: die Gesamtheit der degen, das Gefolge (NL 1442, 3; Ku. 1154, 4). - Im Spät¬ mittelalter schwand das Wort degen mehr und mehr. Im 18. Jh. wurde es neu belebt; der Anstoß dazu ging von Lessing aus, der das Wort bei Logau gefunden hatte. heit (stm.; der Gen. lautet also beides-, die schwache Fle¬ xion kommt im 14. Jh. auf und überwiegt seit dem 16. Jh.): Das Wort dürfte im Nord- und Westgerm, allgemein be¬ kannt gewesen sein (an. halr < *halip „Mann“ und h