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German Pages 198 Year 2022
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 540
Das Änderungsrecht des Architekten an Eigenheimen im Bereich der kleinen Münze der Baukunst Unter besonderer Berücksichtigung der „Geburtstagszug-Entscheidung“ des BGH und der Novellierung des Geschmacksmustergesetzes
Von
Dennis Lenze
Duncker & Humblot · Berlin
DENNIS LENZE
Das Änderungsrecht des Architekten an Eigenheimen im Bereich der kleinen Münze der Baukunst
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 540
Das Änderungsrecht des Architekten an Eigenheimen im Bereich der kleinen Münze der Baukunst Unter besonderer Berücksichtigung der „Geburtstagszug-Entscheidung“ des BGH und der Novellierung des Geschmacksmustergesetzes
Von
Dennis Lenze
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg hat diese Arbeit im Jahre 2021 als Dissertation angenommen.
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In Erinnerung an Ferdinande Lenze
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich Rechtswissenschaften der PhilippsUniversität Marburg im Sommersemester 2021 als Dissertation angenommen. Ganz herzlich bedanken möchte ich mich bei meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Wolfgang Voit für die Betreuung der Arbeit, die Erstellung des Erstgutachtens und die sehr lehrreiche, schöne Zeit am Lehrstuhl. Frau Prof. Dr. Monika Böhm danke ich herzlich für die Erstellung des Zweitgutachtens und Herrn Prof. Dr. Michael Kling für die Übernahme des Vorsitzes der Prüfungskommission. In besonderer Weise gilt mein Dank Ursula und Antonius Krämer, die mir zu jeder Zeit bedingungslosen Rückhalt gegeben haben und ohne die ich weder ein Studium der Rechtswissenschaften hätte absolvieren noch eine solche Arbeit hätte erstellen können. Ebenso danke ich meinem Vater Ludwig Lenze. Ich bin froh und stolz wundervolle Menschen meine Freunde nennen zu dürfen, denen ich nicht nur für die Unterstützung während der Promotionszeit zutiefst verbunden bin. Ich danke Jana Wiegard für die Geduld, die Zeit und dafür dich an meiner Seite zu wissen, Nicolai Bülte und Alexander Cramer für ein Zuhause in Marburg, Cornelius Homann für den Ansporn, Dr. Johannes Meier für den Zuspruch zur richtigen Zeit, Charlotte Schmidt-Nagel, Benjamin Hugo Braun, Sebastian Trumm, Rafael Wenk, Claudia Neumann und selbstverständlich auch den Vorgenannten für die unschätzbare Freundschaft. Gewidmet sei diese Arbeit meiner Großmutter Ferdinande Lenze, die mir mit ihrer unerschütterlichen Geduld, ihrer Menschlichkeit und Güte ein Vorbild ist. Marburg, im Juli 2021
Dennis Lenze
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
1. Kapitel Private Bauherren in der Auseinandersetzung mit dem Urhebergesetz
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A. Die („neue“) Ausgangslage des urheberrechtlichen Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 I. Werke der Baukunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1. Das Bauwerk nach § 2 I Nr. 4 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 a) Zweckneutralität des urheberrechtlichen Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 b) Schutz von Teilleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2. Der Kunst(werk)begriff des Urhebergesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 II. Der Werkbegriff des § 2 II UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1. Persönlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Geistig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3. Schöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 a) Wahrnehmbare Formgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 b) Individualität/Eigentümlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 aa) Subjektive Neuheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 bb) Vorhandener und genutzter Gestaltungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . 27 c) Die Gestaltungshöhe als deskriptives Element . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 d) Die Gestaltungshöhe als konstitutives Erfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 e) Allmählicher Abschied von der Gestaltungshöhe als konstitutives Element 30 f) Indizwirkung des Denkmalschutzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 III. Entstehen des urheberrechtlichen Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 B. Folgen dieser Rechtsentwicklung für Werke der Baukunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 I. Private Eigenheime als Schutzobjekte des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 II. Fehlende vertragliche Bestimmungen zum Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 III. Nunmehr kollidierende Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Die Interessenlage auf Seiten des Bauherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 a) Das Eigentumsrecht des Bauherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 aa) Verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie und einfachgesetzliche Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
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Inhaltsverzeichnis bb) Freiheitsaspekt und Sozialbindung des Eigentumsrechts . . . . . . . . . . . 37 cc) Die Wohnung als Ort der freiheitlichen Entfaltung des Eigentümers
38
b) Das Äquivalenzinteresse des Bauherrn aus dem Architektenvertrag . . . . . 41 2. Die Interessenlage auf Seiten des Architekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 a) Das Eigentumsrecht nach Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 b) Ideelles Schutzinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 c) Wirtschaftliches Nutzungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 aa) Zusammenspiel von Ausschließlichkeitsrechten und Nutzungsrechteeinräumung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 bb) Monistische Verknüpfung ideeller und wirtschaftlicher Interessen . . . 44 d) Wahrnehmung der Rechte im Falle des angestellten Architekten . . . . . . . . 45 e) Die Kunstfreiheit nach Art. 5 III GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 aa) Das Schaffen des Architekten als Kunst i. S. d. Art. 5 III GG . . . . . . . . 46 bb) Der durch Art. 5 III GG gewährte Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 f) Auswirkung der geringen Individualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 C. Zwischenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
2. Kapitel Theoretischer Ansatz eines angemessenen Ausgleichs der kollidierenden Interessen
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A. Der Regelungsgehalt des Urhebergesetzes und das zwingende Bedürfnis einer „Flexibilität“ des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 B. Die Möglichkeit einer „Flexibilisierung“ durch unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 I. Ausgangspunkt der Utopie rein kasuistischer Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . 53 II. Die Entwicklung von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen . . . . 55 C. Generalklauseln bzw. unbestimmte Rechtsbegriffe an den entscheidenden Stellen des urheberrechtlichen Änderungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 I. Entstellungsverbot nach § 14 UrhG – berechtigte Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . 59 II. Änderungsverbot nach § 39 UrhG – Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 D. Die Schlüsselfunktion von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen für einen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 I. Ausfüllungsbedürftigkeit durch Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe im Normtext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 1. Randunschärfe und „offener Begriffskern“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
Inhaltsverzeichnis
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2. Das Kriterium der Wertungsausfüllungsbedürftigkeit von Normen „offenen Begriffskerns“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 a) Ausfüllung des Norminhaltes durch die Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 b) Notwendigkeit der Qualifikation als Generalklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 II. Die Ausfüllung des Norminhaltes durch Wertungsentscheidungen der Gerichte als Gefährdung für die Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 1. Unbestimmte, wertungsausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe als mögliches Einfallstor für Willkür und Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Berechtigung und zwingende Notwendigkeit der Würdigung der Kritik . . . . 66 III. Eindämmung einer Gefährdung des Rechts im Ausfüllungsprozess unbestimmter, wertungsausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1. Notwendigkeit einer Systematisierung des Ausfüllungsprozesses . . . . . . . . . . 68 2. Die Konkretisierung unbestimmter, wertungsausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe als Grundlage eines solchen systematisierten Ausfüllungsprozesses
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a) Begriff der Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 b) Unmöglichkeit der Konkretisierung im engsten Wortsinn und Ausschluss einer urheberrechtlichen „Universalformel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 c) Eingrenzung der Wertungsentscheidungen der Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . 72 aa) Hinweise durch einen verfassungsrechtlichen Rahmen und die induktive Betrachtung der Norm selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 bb) Ordnung möglicher Anknüpfungs- und Gewichtungskriterien . . . . . . . 75 (1) Anlehnung an das bewegliche System nach Wilburg . . . . . . . . . . . 75 (2) Zusammenfassung generalisierbarer Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . 76 IV. Zwischenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
3. Kapitel Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung zur Eingrenzung der Wertungsentscheidung durch die Gerichte
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A. Verfassungsrechtliche Rahmensetzung einer systematisierten Konkretisierung – Bindung der Gerichte nach Art. 1 III GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 I. Der Grundsatz der praktischen Konkordanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Ausgleich des Spannungsverhältnisses durch beidseitige, größtmögliche Geltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 2. Erkenntnisse hinsichtlich einer Wertungsentscheidung im Rahmen der Ausfüllung unbestimmter, wertungsausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe . . . . . 83 a) Ausgangspunkt der „Waffengleichheit“ kollidierender Rechte . . . . . . . . . . 83 b) Keine urheberrechtliche Verlagerung dieses Gleichgewichts . . . . . . . . . . . 83 II. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 1. Inhaltliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 a) Legitimität des verfolgten Zwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
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Inhaltsverzeichnis b) Geeignetheit des Mittels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 c) Erforderlichkeit des Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 d) Angemessenheit bzw. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne . . . . . . . . . . 87 2. Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Zivilrecht . . . . . . . 88 3. Partiell mögliche Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 a) Anspruchsbegründung und staatliche Sanktionierung des Ausbleibens versprochener Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 b) Die Disposition des Schuldners über seine Freiheitssphäre als Ausdruck zivilrechtlicher Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 c) Privatheteronome Eingriffsrechte als Gegenstück der Privatautonomie . . . 93 d) Änderungsrechte des Architekten als privatautonome Öffnung der Freiheitssphäre des Bauherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 e) Zuspitzung auf die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engen Sinne als Hauptprüfungspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 f) Verpflichtete(r) einer Verhältnismäßigkeitsprüfung bei „offengelassener Gesetzgebung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 4. Die gleichwohl problematische Erforderlichkeitsprüfung im Zivilrecht . . . . . 103 a) Erforderlichkeitserwägungen in Bezug auf das Änderungsbegehren des Bauherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Erforderlichkeitserwägungen in Bezug auf die Abwehrrechte des Architekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 5. Erkenntnisse hinsichtlich einer Wertungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Unzulässigkeit einer urheberrechtlichen „Überreaktion“ auf die Einordnung als Baukunst i. S. d. §§ 1, 2 I Nr. 4, II UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Fokussierung der Betrachtung auf die Kollisionssituation und Minderung der Bedeutung des Kunstbegriffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 c) Anwendbarkeit des Erforderlichkeitsgrundsatzes in Bezug auf den Architekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
B. Ausfüllung des verfassungsrechtlichen Rahmens durch eine induktive Betrachtung der urheberrechtlichen Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 I. Die relevanten Bestimmungen für eine induktive Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . 114 1. Normkanon des Integritätsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2. Einschlägige Normen des Integritätsschutzes für Bauwerke . . . . . . . . . . . . . . 114 3. Notwendigkeit eines stillschweigend vorausgesetzten und allgemeinen Änderungsverbotes des UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 II. Das Entstellungsverbot gem. § 14 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 1. Geltung aller Schutzrechte unter der „Präambel“ des § 11 UrhG . . . . . . . . . . 116 a) Die Entwicklung des Urheberrechts vom rein wirtschaftlichen Schutzrecht zu einer Verknüpfung vermögensrechtlicher und ideeller Interessen . . . . . 117
Inhaltsverzeichnis
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b) § 14 UrhG als Teil des Urheberpersönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 aa) Schutzzweck und Wesen des Urheberpersönlichkeitsrechts . . . . . . . . . 120 bb) Erkenntnisse aus der Einordnung des § 14 UrhG als Norm des Urheberpersönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (1) Die Gestaltungshöhe als erstes Kriterium für die Interessengewichtung des Architekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (2) Keine eigenständige Wirkung der Gestaltungshöhe als konstitutives Merkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (3) Abnehmende Gewichtung des Urheberpersönlichkeitsrechts nach dem Tod des Schaffenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (4) Beschränkung des Schutzes auf die individuell gestalteten Teile des Werkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2. Der Entstellungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 3. Andere Beeinträchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 b) Gesamtzerstörungen eines Werkes als Beeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) Einbezug von Zerstörungen durch den BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 bb) Die Notwendigkeit und Systemwidrigkeit einer solchen Einbeziehung 129 cc) Festzustellender, dringender legislativer Handlungsbedarf . . . . . . . . . 131 c) Die Teilzerstörung eines Werkes als Entstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 aa) Betroffenheit sämtlicher individueller Gestaltungselemente durch die Teilzerstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 bb) Betroffenheit eines Teils der individuellen Gestaltungselemente bei bestehender „Restindividualität“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 d) Anspruch des Architekten auf Zerstörung des Werkes . . . . . . . . . . . . . . . . 137 4. Eignung zur Entstellung oder Beeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 a) Grundsätzliche Indizierung einer Beeinträchtigungsgefährdung . . . . . . . . 138 b) Beeinträchtigung bei geminderter Wahrnehmung im Privatbereich . . . . . . 138 5. Das Merkmal der „Gefährdung berechtigter Interessen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 a) Generelles Erfordernis der Abwägung auch bei Entstellungen eines Werkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 b) Unzulässigkeit rein kategorischer Ausschlüsse oder Vermutungswirkungen zu Gunsten des Urhebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 c) Berücksichtigung der Eingriffsintensität als Gewichtungskriterium zu Gunsten des Urhebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 d) Berücksichtigung des intendierten Gebrauchszwecks als Gewichtungskriterium zu Gunsten des Eigentümers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 aa) Notwendigkeit der Mitwirkung eines Bauherrn zur Realisierung eines Architektenkunstwerkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 bb) Regelmäßige Änderungsbegehren aus der Nutzung eines Bauwerkes als Wohnraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
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Inhaltsverzeichnis e) Berücksichtigung der Notwendigkeit der begehrten Änderung des Bauwerkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 aa) Einordnung etwaiger Änderungsbegehren in Anlehnung an Aufwendungen in der Bruchteilsgemeinschaft, der Erbengemeinschaft und im EBV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 bb) 1. Stufe: Zwingende Änderungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (1) Änderungsvorhaben auf Grund behördlicher Anordnungen . . . . . . 150 (2) Bestandserhaltende Änderungsvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (3) Gebrauchssichernde Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 (4) Geltung der gefundenen Gewichtungsergebnisse für Entstellungen 151 cc) 2. Stufe: Dienliche Änderungsvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (1) Änderungsbegehren zur Modernisierung des Werkes . . . . . . . . . . . 152 (2) Änderungsbegehren zur Optimierung oder Erweiterung des Gebrauchszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 dd) 3. Stufe: Änderungsvorhaben aus ästhetischen Gründen . . . . . . . . . . . 154 III. Das Änderungsverbot nach § 39 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 1. Verhältnis zwischen §§ 14 und 39 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 2. Übertragbarkeit der Überlegungen zu § 14 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 I. Generelle Abwägungsnotwendigkeit unter Vermeidung kategorischer Ausschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 II. Abwägungsnotwendigkeit bei Zerstörungen des Werkes und dringender legislativer Handlungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 III. Individualität als fließendes Gewichtungskriterium der Interessen des Architekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 IV. Abnahme der Gewichtung mit dem Tode des Schaffenden . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 V. Eingriffsintensität in das Werk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 VI. Besondere Gewichtung der Eigentümerinteressen bei Eigenheimen . . . . . . . . . . 160 VII. Berücksichtigung des intendierten Gebrauchszweckes des Bauwerkes . . . . . . . . 160 VIII. Notwendigkeit von Änderungen als Gewichtungskriterium für die Interessen des Bauherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 D. Verdeutlichung der Interessengewichtungen bei Änderungsbegehren an privaten Eigenheimen und Fassung in ein „bewegliches System“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 I. Grundsätzliche Gleichrangigkeit der kollidierenden Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . 162 II. Minderung der Gewichtung des Persönlichkeitsrechts des Architekten im privaten Innenbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 III. Berücksichtigung der Betroffenheit des Eigentumsrechts des Bauherrn in dessen Freiheitsaspekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 IV. Steigende Gewichtung des Urheberrechts mit zunehmender Bindung des Schaffenden zum Werk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
Inhaltsverzeichnis
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V. Steigende Gewichtung des Eigentumsrechts mit zunehmender Notwendigkeit der Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 VI. Abnahme der Urheberpersönlichkeitsinteressen nach dem Tode des Urhebers
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VII. Einfluss des Grades an Betroffenheit der individuellen Züge . . . . . . . . . . . . . . . 165 VIII. Gesamtbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 E. Beachtung der so entstehenden Abwägungskonstellationen innerhalb der Schutzumfangbestimmung des Urhebergesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 I. Fortsetzung der Flexibilität des Urhebergesetzes bei der Bestimmung des Schutzumfangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 1. § 14 UrhG als in der Rechtsfolge zunächst „starr“ formulierte Norm . . . . . . . 167 2. Die Gefährdung als Anknüpfungspunkt für eine Schutzumfangbestimmung 167 II. Schutzumfang bei einem deutlichen Überwiegen der Interessen einer Partei . . . 168 III. Weitere mögliche Rechtsfolgen mit Blick auf die Optimierung bei einem Aufoder leichtem Überwiegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 1. Anspruch des Urhebers auf Anonymität nach § 13 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . 168 2. Zugangs- und Dokumentationsrecht nach bzw. in Anlehnung an § 25 UrhG 169 3. Hinzuziehungsanspruch des Architekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 F. Anwendung des gefundenen Abwägungssystems und Rechtsfolgenzuordnung unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Abwägungssituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 I. Starkes Überwiegen der Interessen einer der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 1. Mögliche Fallgestaltungen eines eindeutigen Überwiegens der Eigentümerinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 a) Zwingende Änderungsbegehren an der Außen- oder Innengestaltung eines Eigenheims im Bereich der kleinen Münze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 b) Dienliche Änderungsbegehren an der Außen- oder Innengestaltung eines Eigenheims im Bereich der kleinen Münze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 c) Ästhetische Änderungsbegehren an der Innengestaltung eines Eigenheims im Bereich der kleinen Münze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2. Mögliche Fallgestaltungen eines eindeutigen Überwiegens der Architekteninteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 3. Schutzumfang des Urhebergesetzes in den Fällen des starken Überwiegens
176
II. Aufwiegen der Interessen der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 1. Mögliche Fallgestaltungen eines Aufwiegens der Interessen der Parteien . . . 177 a) Ästhetische Änderungsbegehren an der Außengestaltung eines Eigenheims mit deutlich wahrnehmbarer Individualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 b) Dienliche Änderungsbegehren an der Außengestaltung eines Eigenheims mit hoher Individualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 c) Ästhetische Änderungsbegehren an der Innengestaltung eines Eigenheims mit deutlich wahrnehmbarer Individualität in Form einer Entstellung . . . . 178 d) Zwingende Änderungsbegehren im Außenbereich eines Eigenheims mit hoher Individualität in Form einer Entstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
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Inhaltsverzeichnis 2. Schutzumfang des Urhebergesetzes in den Fällen des Aufwiegens der gegenläufigen Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 III. Leichtes Überwiegen der Interessen einer Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 1. Mögliche Fallgestaltungen eines leichten Überwiegens der Eigentümerinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 a) Ästhetische Änderungsbegehren an der Außengestaltung eines Eigenheims im Bereich der kleinen Münze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 b) Ästhetische Änderungsbegehren an der Innengestaltung eines Eigenheims im Bereich der kleinen Münze in Form einer Entstellung . . . . . . . . . . . . . 181 c) Ästhetische Änderungsbegehren an der Innengestaltung eines Eigenheims mit deutlich wahrnehmbarer Individualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 d) Zwingende Änderungsbegehren an der Außengestaltung eines Eigenheims mit hoher Individualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 2. Mögliche Fallgestaltung eines leichten Überwiegens der Architekteninteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 a) Ästhetische Änderungsbegehren an der Außengestaltung eines Eigenheims mit hoher Individualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 b) Dienliche Änderungsbegehren an der Außengestaltung eines Eigenheims mit hoher Individualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 c) Ästhetische Änderungsbegehren an der Außengestaltung eines Eigenheims mit deutlich wahrnehmbarer Individualität in Form einer Entstellung . . . . 184 3. Schutzumfang des Urhebergesetzes in den Fällen des leichten Überwiegens der Interessen einer Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 a) Rechtsfolgen bei einem leichten Überwiegen der Eigentümerinteressen
184
b) Rechtsfolgen bei einem leichten Überwiegen der Architekteninteressen
185
Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
Einleitung Wer an das Urheberrecht des Architekten im Bereich der Baukunst denkt, dem werden wahrscheinlich und wohl auch berechtigterweise zunächst Bauwerke wie die Hamburger Elbphilharmonie, das Sydney Opera House oder auch das FallingwaterGebäude nahe Pittsburgh in den Sinn kommen. Werke also, die hochindividuell gestaltet sind und demnach ein hohes Maß an Gestaltungshöhe aufweisen. Manche dieser Bauwerke wie beispielsweise das Heydar Aliyev Center in Baku lassen allein durch ihre Gestaltung eindeutig auf den Architekten oder die Architektin – in diesem Falle auf die Pritzker-Preisträgerin Zaha Hadid – schließen. In jüngerer Zeit ist im Urheberrecht demgegenüber eine Tendenz zu verzeichnen, die Schutzuntergrenze immer weiter herabzusetzen, sodass auch Werke, welche gerade noch über dem Alltäglichen liegen (die sog. kleine Münze), Gegenstand des urheberrechtlichen Schutzes sein können. Diese Idee ist dem Urhebergesetz grundsätzlich gar nicht fremd, werden doch beispielsweise im Bereich der Musik1 bereits Jingles2 bzw. Handy-Klingeltöne3 oder teilweise im Bereich der Schriftwerke allgemeine Geschäftsbedingungen,4 militärische Lageberichte5 oder auch Spielregeln6 als Werke der kleinen Münze geschützt; im Bereich der Baukunst wird diese Entwicklung allerdings zu einigen Schwierigkeiten führen, da sich die Interessenlage der dann betroffenen Bauherren graduell wie inhaltlich signifikant von den bisherigen typischen Fallgestaltungen unterscheidet. Bislang waren meist unternehmerisch genutzte oder öffentliche Bauwerke (Kirchen, Bahnhöfe, Schulen, etc.)7 Gegenstand urheberrechtlicher Verfahren. Die 1 Zum Schutz der kleinen Münze bei Musikwerken: BGH GRUR 2015, 1189, 1192 – Goldrapper; BGH GRUR 1988, 812, 814 – Ein bißchen Frieden; BGH GRUR 1981, 267, 268 – Dirlada; BGH GRUR 1968, 321, 324 – Haselnuß; Schricker/Loewenheim/Loewenheim/ Leistner, UrhR § 2 Rn. 148; Fromm/Nordemann/Nordemann, UrhR § 2 Rn. 131; Dreyer/ Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 2 Rn. 115. 2 Hierzu: OLG München GRUR-RR 2016, 62, 66 – „Heute“-Jingle. 3 Zum Schutz der kleinen Münze bei Schriftwerken, die nicht einheitlich bewertet wird siehe Fromm/Nordemann/Nordemann, UrhR § 2 Rn. 62b sowie die Auflistung der Beispiele in Rn. 67 ff. 4 Hierzu: OLG Köln GRUR-RR 2016, 59, 60 – Afghanistan-Papiere. 5 Hierzu: OLG Stuttgart GRUR-RR 2010, 369. 6 Hierzu: OLG Düsseldorf GRUR 1990, 263, 264 f. – Automaten-Spielplan. 7 Siehe zu Kirchen: BGH GRUR 1982, 107 – Kirchen-Innenraumgestaltung; BGH GRUR 2008, 984 – St. Gottfried; OLG München GRUR-RR 2001, 177; siehe zu Bahnhöfen: OLG Stuttgart GRUR-RR 2011, 56 – Stuttgart 21; LG Berlin GRUR 2007, 964; siehe zu unternehmerisch genutzten Bauwerken: LG Hamburg GRUR 2005, 672 – ASTRA-Hochhaus; BGH
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Einleitung
Rechtsprechung hinsichtlich der Schutzuntergrenze im Bereich der Baukunst ist uneinheitlich. Teilweise wird von einer „nicht zu hohen“ Schutzuntergrenze ausgegangen,8 teilweise wird auch ein „deutliches Überragen“ gefordert,9 so dass Wohnungsbauten nur in einigen seltenen Fällen Gegenstand dieser Verfahren waren und wenn doch, dann handelte es sich meist nicht um das typische, vom Bauherrn selbstgenutzte private Eigenheime, sondern um unternehmerisch vermietete Wohnungsbauten.10 Sofern dann doch eine Eigenheim Gegenstand eines Verfahrens war, handelte es sich hierbei wie in der Vorentwurf II-Entscheidung entweder um kein Werk der kleinen Münze11 oder wie bei der Entscheidung des AG Tempelhof vom 30. 7. 201412 um die Wohnung eines Architekten, der den gesamten Wohnkomplex geplant hatte. Mit der Novellierung des Geschmacksmustergesetzes im Jahre 2004, welche bis dato nur wenig Beachtung fand, und spätestens durch die sog. Geburtstagszug-Entscheidung des BGH im Jahre 201413 wurde der Annahme einer erhöhten Grenze allerdings die Grundlage entzogen. In naher Zukunft ist also auch im Bereich der Baukunst damit zu rechnen, dass sich die Erkenntnis einer grundsätzlich niedrigen Schutzuntergrenze durchsetzt und demnach auch Bauherren privater Eigeneheime sich in urheberrechtliche Streitigkeiten verwickelt sehen. Im Gegensatz zu den bislang geschützten Bauwerken ist in diesen Fällen, insbesondere bei der Innenarchitektur, der privateste Lebensmittelpunkt des Bauherrn betroffen. Insbesondere die Interessen des Bauherrn beruhen hier also auf anderen Erwägungen und müssen in der Gewichtung anders bewertet werden als dies beispielsweise bei Schulen, Unternehmenssitzen, Kirchen, öffentlichen Prestigebauten oder auch bei wirtschaftlichen Mietwohnräumen der Fall ist. Die Individualität wird hierbei gleichzeitig und im Kontrast dazu, regelmäßig allenfalls gerade noch über dem Alltäglichen liegen.
GRUR 1999, 230 – Treppenhausgestaltung; OLG Düsseldorf NZBau 2000, 88; siehe zu Schulen: BGH NJW 1974, 1381 – Schulerweiterung; LG München NZBau 2007, 49. 8 BGH GRUR 1973, 663, 664 – Wählamt; BGH GRUR 1982, 369, 370 – Allwetterbad; OLG Frankfurt a. M. GRUR 1996, 244, 244 – Verwaltungsgebäude. 9 OLG Schleswig, GRUR 1980, 1072, 1073 – Louisenlund; OLG München, GRUR 1997, 290, 290 – Wohnanlage; OLG Stuttgart BeckRS 1996, 30891729; OLG Celle BauR 2000, 1069, 1071; ebenso Neuenfeld, FS Locher, 403, 403 f. 10 BGHZ 24, 55 – Ledigenheim; OLG Karlsruhe GRUR-RR 2013, 423 – Zwölffamilienhaus, LG Hamburg BauR 1991, 645. 11 BGH GRUR 1988, 553, 535 – Vorentwurf II (Gestaltung hebt sich laut dem BGH deutlich vom Durchschnittsschaffen ab). 12 AG Tempelhof Beck-RS 2014, 16338. Auch hier stellte das Gericht einen Fall besondere Individualität und Einmaligkeit fest. Das Gericht zog hierbei im Übrigen unzutreffend den Denkmalschutz als Indizwirkung und offenbar wichtiges Entscheidungskriterium mit in die Bewertung ein. 13 BGH GRUR 2015, 175 – Geburtstagszug.
Einleitung
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Zudem stehen besonders private Eigenheime über ihre Nutzungsdauer regelmäßig im Fokus von Änderungsbegehren. Kaum ein errichtetes Eigenheim wird nicht im Laufe der Jahre in irgendeiner Weise umgebaut oder erweitert. So entwickeln sich, beispielweise auf Grund fortschreitender Familienplanung oder aber auch durch das Alter des Eigentümers, die Anforderungen an das entsprechende Bauwerk fort. Auch zunächst finanziell nicht umsetzbare Vorstellungen, werden häufig zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt und beispielsweise die Wohnfläche erweitert, ein Balkon oder eine Terrasse angebaut. Durch das Absenken der Schutzuntergrenze des Urhebergesetzes kommen nun also Bauwerke mit dem Urheberrecht in Berührung, die zum einen an der unteren Schutzgrenze des Urheberrechtes liegen, gleichzeitig aber von einem hohen Eigentümerinteresse und einer hohen Praxisrelevanz geprägt sind. Zu trennen ist hiervon die Frage nach dem Schutz von Planungsleistungen eines Architekten. Auch in Bezug darauf werden sich durch das Absenken der Schutzuntergrenze vermehrt Streitigkeiten ergeben, allerdings unterscheiden sich die Interessenlagen bzw. die Erwägungen, auf denen diese beruhen, in derartigen Fällen deutlich. Das Eigentumsrecht des Bauherrn beispielsweise, welches bei bestehenden Bauwerken insbesondere durch das Tangieren des Lebensmittelpunktes sehr stark ins Gewicht fallen wird, spielt bei Planungen eine lediglich untergeordnete Rolle, da es zu diesem Zeitpunkt noch keinen Lebensmittelpunkt gibt, der durch ein etwaiges Urheberrecht betroffen sein könnte. Die Bearbeitung wird sich vom Folgenden auf den Schutz von bestehenden Bauwerken und gerade im Bereich der kleinen Münze häufigen Änderungen eines Bauwerkes konzentrieren. Es soll der Frage nachgegangen werden, ob das Urheberrecht in der Lage ist, mit denselben Normen sowohl Prestigebauten als auch das durch den Bauherrn selbstgenutzte, private Eigenheim interessengerecht regeln zu können und wie bzw. wo die besondere Interessenlage der privaten Bauherren angemessen und einzelfallbezogen berücksichtigt werden kann und ob sich daraus möglicherweise eine übertragbare Systematik erarbeiten lässt.
1. Kapitel
Private Bauherren in der Auseinandersetzung mit dem Urhebergesetz A. Die („neue“) Ausgangslage des urheberrechtlichen Schutzes I. Werke der Baukunst Ausgangspunkt des urheberrechtlichen Schutzes, unabhängig von der Werkart oder der Beschaffenheit des Werkes, sind zunächst die §§ 1 und 2 UrhG. § 1 UrhG bestimmt unter der amtlichen Überschrift „Allgemeines“ präambelartig und bedingt aussagekräftig,1 dass die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst Schutz nach Maßgabe des Urhebergesetzes genießen. § 2 UrhG konkretisiert dies dann unter der Überschrift „Geschützte Werke“ durch einen nicht abschließenden2 („insbesondere“) Beispielskatalog und legt in § 2 I Nr. 4 UrhG fest, dass zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst die Werke der bildenden Kunst, einschließlich der Baukunst, und angewandten Kunst sowie Entwürfe solcher Werke zählen. 1. Das Bauwerk nach § 2 I Nr. 4 UrhG In wesentlicher, auch auf das Urheberrecht übertragbarer Übereinstimmung sind unter einem Bauwerk jegliche Arten von Bauten wie Museen, Brunnen, Denkmäler, aber auch Werke der Landschafts- und Innenraumarchitektur zu verstehen.3 a) Zweckneutralität des urheberrechtlichen Schutzes Das KUG enthielt als eines der Vorläufergesetze des Urhebergesetzes in § 2 I S. 2 KUG noch den Zusatz, dass Bauwerke künstlerischen Zwecken dienen müssen. Bereits damals wurde dies allerdings dahingehend ausgelegt, dass ein etwaiger zusätzlicher Gebrauchszweck des Bauwerkes einem Urheberrechtsschutz 1
Schricker/Loewenheim/Loewenheim, UrhR § 1 Rn. 1. Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR § 2 Rn. 2; Fromm/Nordemann/Nordemann, UrhR § 2 Rn. 11. 3 Sehr ausführlich hierzu und m. w. N.: v. Schildt-Lutzenburger, Schutz von Gebäuden, S. 37 ff. 2
A. Die („neue“) Ausgangslage des urheberrechtlichen Schutzes
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nicht entgegensteht.4 Mit Einführung des Urhebergesetzes im Jahre 1965 wurde dieser Zusatz gestrichen, sodass heute erst recht gelten muss, dass eine etwaige Zweckbestimmung einen urheberrechtlichen Schutz nicht verhindern kann.5 Auch wenn ein Bauwerk demnach als Wohnung dient, schließt dies einen etwaigen urheberrechtlichen Schutz also nicht aus. b) Schutz von Teilleistungen Weiterhin ist zu beachten, dass Architektenwerke in verschiedensten Realisierungsstadien Gegenstand eines urheberrechtlichen Streits sein können. Der augenscheinlichste Fall ist wohl der des fertig gestellten Bauwerkes. Doch auch Teile eines Bauwerkes können bereits die Hürde der §§ 1 und 2 UrhG nehmen und Gegenstand eines urheberrechtlichen Streits sein. Die § 36 KUG und § 46 LUG enthielten noch den Zusatz des Schutzes von Werkteilen. Ausdrücklich hat dieser Schutz 1965 keine Verankerung im Wortlaut des Urhebergesetzes gefunden, allerdings hat sich hierdurch die Rechtslage geändert; der möglichst umfassende Schutz, den der Gesetzgeber im Sinn hatte, könnte vielmehr andernfalls dadurch unterlaufen werden, dass lediglich Teile eines Werkes übernommen werden. Neben gesamten Bauwerken sind also auch Teile hiervon für sich genommen grundsätzlich schutzfähig.6 Die bloße Idee ist hierfür nicht ausreichend.7 Festzuhalten ist also, dass sowohl bereits errichtete Bauwerke als auch Teile dieser Bauwerke taugliche Schutzgegenstände des Urhebergesetzes sind. 2. Der Kunst(werk)begriff des Urhebergesetzes Auf den ersten Blick könnte man bei dem Begriff der Baukunst auf die Idee kommen, dass es nun auf eine wie auch immer geartete Definition der Kunst an4
Grundlegend vor allem BGH GRUR 1957, 391, 392 f. – Ledigenheim. BGH GRUR 1957, 391, 392 f. – Ledigenheim; siehe auch: BT-Drcks. IV/270, S. 37; Fromm/Nordemann/Nordemann § 2 Rn. 14 f.; Schricker/Loewenheim/LoewenheimLeistner, UrhR § 2 Rn. 66; Engl, Der Urheberrechtsschutz, S. 23; Loewenheim/Schulze, HB-UrhR § 9 Rn. 170; Dreier/Schulze/Schulze, UrhR § 2 Rn. 47. 6 BGH GRUR 1973, 663, 666 – Wählamt; BGH GRUR 1988, 533, 534 – Vorentwurf II; BGH GRUR 1989, 416, 416 – Bauaußenkante; BGH GRUR 2002, 799, 800 – Stadtbahnfahrzeug; Schricker/Loewenheim/Loewenheim, UrhR § 2 Rn. 87; Wandtke/Bullinger/Bullinger UrhR § 2 Rn. 42; Binder/Messer/Binder, UrhR für Architekten Rn. 53; Dreier/Schulze/ Schulze, UrhR § 2 Rn. 76; Ulmer, UrhR, S. 134; Rehbinder/Peukert, UrhR Rn. 182; Ullmann, GRUR 1993, 334, 336. 7 BGH GRUR 2011, 134, 137 – Perlentaucher; BGH RUR 2003, 231, 233 – Staatsbibliothek; OLG München GRUR 1990, 674, 675 – Forsthaus Falkenau; Schricker/Loewenheim/ Loewenheim, UrhR § 2 Rn. 73 m. w. N.; Ulmer, UrhR, S. 131; Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR § 2 Rn. 39; Schack, UrhR Rn. 37; Fromm/Nordemann/Nordemann, UrhR § 2 Rn. 44. 5
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1. Kap.: Private Bauherren in der Auseinandersetzung mit dem Urhebergesetz
kommt. Wer sich hieran allerdings versucht, wird schnell feststellen, dass es sich dabei durch die „Wandelbarkeit und das Wesen der Kunst, gesetzte Grenzen zu überschreiten“, um eine nicht lösbare Aufgabe handelt.8 Auch die aus der Anwendung des Art. 5 GG bekannten Definitionen bringen den Rechtsanwender hier nicht weiter, da das Grundgesetz den Schutz der künstlerischen Betätigung und die Freihaltung dessen von sämtlichen staatlichen Eingriffen an sich im Sinn hat. Unter anderem sind daher bereits die künstlerische Tätigkeit als solche und die Mußephase mit in den Schutz einbezogen.9 Das Urhebergesetz hingegen benötigt stets ein existentes Werk, wie aus § 11 UrhG deutlich wird, der unter der amtlichen Überschrift „Inhalt des Urheberrechts“ bestimmt, dass der Urheber in seiner geistigen und persönlichen Beziehung zu einem solchen Werk geschützt wird. Diese Wechselbeziehung kann nur mit einem bestehenden, nicht zwangsläufig vollendeten,10 aber existierenden Werk im Sinne des § 2 UrhG entstehen, so dass die Anknüpfungspunkte des Grundgesetzes und des Urhebergesetzes verschieden sind. Die Problematik lässt sich allerdings mit einem Blick auf § 2 II UrhG lösen, der bestimmt, dass Werke im Sinne des Gesetzes nur persönliche geistige Schöpfungen sein können. Selbst wenn demnach ein Werk beispielsweise als Baukunst eingeordnet werden kann, müssen kumulativ dazu stets die Voraussetzungen des § 2 II UrhG erfüllt sein. Nach der Konzeption des Urhebergesetzes kann es also Werke geben, denen auch das Urheberrecht die Kunsteigenschaft nicht aberkennt, diese allerdings dennoch nicht als schützenswert ansieht, da die Vorrausetzungen des § 2 II UrhG nicht erfüllt sind. Dem Gesetz kommt es demnach nicht auf eine Kunstdefinition an als vielmehr darauf, dass eine Schaffensleistung aus dem Bereich der Literatur, Wissenschaft oder Kunst als Werk eingestuft werden kann. Aus diesem Grund kommt das Urhebergesetz ohne eine genaue Definition der Kunst aus, welche letztlich lediglich ausschließende Wirkung hat.11 Ausgeschlossen werden an dieser Stelle lediglich rein technische Leistungen, bei denen, seien sie auch noch so innovativ und technisch brillant, der Lösungsweg durch physikalische und naturgesetzliche Umstände feststeht und bei denen daher kein Raum für eine kreative Entfaltung künstlerischer Tätigkeit des Schaffenden bleiben kann.12 8 BGH, NJW 1990, 3028, 3026 – Opus Pistorum; Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR § 2 Rn. 85; Schricker/Loewenheim/Loewenheim/Leistner, UrhR § 2 Rn. 157; Erdmann, FS v. Gamm, 389, 400; Hesse, BauR 1971, 209, 213; v. Schildt-Lutzenburger, Schutz von Gebäuden, S. 49; Binder/Messer/Binder, UrhR für Architekten, S. 20. 9 BVerfGE 30, 173, 188 f.; BVerfGE 67, 213, 226; BeckOK GG/Hillgruber, GG Art. 5 Rn. 169; Jarass/Pieroth/Jarass, GG Art. 5 Rn. 117; Sachs/Bethge, GG Art. 5 Rn. 188; v. Mangoldt/Klein/Starck/Starck, GG Art. 5 Rn. 298; Dreier/Wittreck, GG Art. 5 III Rn. 188 Rn. 47. 10 BGH GRUR 1999, 230, 231 – Treppenhausgestaltung; Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 2 Rn. 42; Schricker/Loewenheim/Loewenheim/Leistner, UrhR § 2 Rn. 49. 11 Schricker/Loewenheim/Loewenheim/Leistner, UrhR § 1 Rn. 2 sowie § 2 Rn. 27 und 157; Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR § 2 Rn. 85; Binder/Messer/Binder, UrhR für Architekten, S. 20; Fromm/Nordemann/Nordemann; UrhR § 2 Rn. 2. 12 Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 2 Rn. 177.
A. Die („neue“) Ausgangslage des urheberrechtlichen Schutzes
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Entscheidend ist folglich weniger ein wie auch immer gearteter Kunstbegriff als vielmehr ein urheberrechtlicher Kunstwerkbegriff. Für die Grundlagenbestimmung ist demnach das Augenmerk vornehmlich auf § 2 II UrhG zu lenken.
II. Der Werkbegriff des § 2 II UrhG Nach dem bislang Gesagten ist also die entscheidende Hürde die des Werkbegriffs des § 2 II UrhG, wonach Werke im Sinne des Urhebergesetzes lediglich persönliche geistige Schöpfungen sein können. 1. Persönlich Unter einer persönlichen Schöpfung versteht man solche Schaffensleistungen, die auf einer menschlich-gestalterischen Tätigkeit beruhen.13 Das Urhebergesetz schützt, wie § 11 UrhG andeutet, die Beziehung zwischen dem Urheber und seinem Werk. Beruht eine Schaffensleistung nun rein auf der eigenständigen Arbeit von Computerprogrammen oder Maschinen, kann eine solche Beziehung und damit auch ein etwaiger Urheberrechtsschutz nicht entstehen. Das – jedenfalls auf den ersten Blick als solches wirkende – Gemälde „Edmond de Balemy“ ist beispielsweise allein durch den Algorithmus „min G max D Ex[log(D(x))]+Ez[log(1-D(G(z)))]\“ geschaffen worden. Solche nicht menschlichen Leistungen durch Maschinen, Computer, Tiere etc. sollen durch das Merkmal der Persönlichkeit vom urheberrechtlichen Schutz ausgenommen werden. In der Praxis entstehen jedoch die meisten Bauwerke wohl nicht mehr am Reißbrett, sondern werden unter Zuhilfenahme von CAD-Programmen am Computer erstellt. Auch werden in Zukunft durch die BIM-Planungsmethode (= building information modelling)14 weitere Möglichkeiten der digitalen Planung hinzukommen. Diese möchte das Urhebergesetz aber auch gar nicht ausschließen. Der Schaffende soll sich stets bestimmter Hilfsmittel bedienen dürfen, entscheidend ist allerdings, dass diese nur lenkend als Werkzeuge des Menschen eingesetzt werden. Solange dieser „Herr der Gestaltung“ bleibt, ist Raum für das Entstehen der notwendigen Beziehung beispielsweise zu einem sodann errichteten Werk gegeben.15 13 Schricker/Loewenheim/Loewenheim/Leistner, UrhR § 2 Rn. 38; Dreyer/Kotthoff/ Meckel/Dreyer, UrhR § 2 Rn. 18; Schack, UrhR Rn. 183; Dreier/Schulze/Schulze, UrhR § 2 Rn. 8; Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR § 2 Rn. 15. 14 Näher zur Thematik der BIM-Planungsmethode: Eschenbruch, BauR 2016, 358; Fischer/ Jungedeitering, BauR 2015, 8; Eschenbruch/Grüner, NZBau 2014, 402. 15 OLG Hamm GRUR-RR 2005, 73, 74; Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR § 2 Rn. 16; Dreier/Schulze/Schulze, UrhR § 2 Rn. 8; Schricker/Loewenheim/Leistner, UrhR § 2 Rn. 13;
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1. Kap.: Private Bauherren in der Auseinandersetzung mit dem Urhebergesetz
Desweiteren können juristische Personen als rechtliches Konstrukt und demnach als nicht natürliche Personen keine Inhaber eines Urheberrechts sein.16 2. Geistig Weitere Voraussetzung des § 2 II UrhG ist die Geistigkeit der Schöpfung. Dies setzt voraus, dass das Werk eine menschliche Gedankenerklärung enthält, die über das bloße Vorhandensein des Substrats hinausgeht.17 Dies ist insbesondere bei reinen Zufallswerken nicht gegeben, welche bei Architektenwerken allerdings kaum denkbar sind. Wie ein Pianist, der Tonfolgen nach seiner Vorstellung18 aneinanderreiht, verbindet der Architekt nach seinen Vorstellungen Gestaltungselemente und vereint Synchrones mit Asynchronem, Rundungen mit Ecken und Kanten, Farben, verschiedene Materialien etc. miteinander. In dieser Kombination, die so gut wie jedem Architektenplan innewohnen dürfte, ist stets eine Gedankenerklärung des Architekten zu sehen, die dem Betrachter seine Vorstellung von eben diesem Bauwerk vermittelt. Als Realakt ist die Schöpfung hierbei nicht von der Geschäftsfähigkeit des Schaffenden abhängig.19 3. Schöpfung Neben der Persönlichkeit und der Geistigkeit der Schaffensleistung muss diese zudem eine Schöpfung im Sinne des § 2 II UrhG darstellen. a) Wahrnehmbare Formgestaltung Der Begriff der Schöpfung impliziert bereits, dass etwas „erschaffen“ werden, demnach etwas entstehen muss.20 Dies folgt auch nicht zuletzt daraus, dass die vom Urhebergesetz geschützte Beziehung des Urhebers zum Werk das Entstehen eines solchen voraussetzt. Entscheidend ist aber vor allem die Tatsache, dass es ohne eine Schack, UrhR Rn. 184; Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 2 Rn. 27; Loewenheim/ Loewenheim/Leistner, HB-UrhR § 6 Rn. 16 f. 16 Schricker/Loewenheim/Loewenheim/Leistner, UrhR § 2 Rn. 39; Fromm/Nordemann/ Nordemann, UrhR § 2 Rn. 21; Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR, Einl. Rn. 15. 17 BGH GRUR 1998, 916, 917 – Stadtplanwerk; BGH GRUR 1999, 923, 924 – Tele-InfoCD; Rehbinder/Peukert, UrhR Rn. 148; Schack, UrhR Rn. 157; Fromm/Nordemann/Nordemann, UrhR § 2 Rn. 25; Schricker/Loewenheim/Loewenheim/Leistner, UrhR § 2 Rn. 45; Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 2 Rn. 42; ähnlich Dreier/Schulze/Schulze, UrhR § 2 Rn. 12; Schricker, GRUR-Int. 2008, 200, 202. 18 Beispiel entnommen bei: Fromm/Nordemann/Nordemann, UrhR § 2 Rn. 25. 19 Dreier/Schulze/Schulze, UrhR § 2 Rn. 10; Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR § 2 Rn. 18. 20 So: Fromm/Nordemann/Nordemann, UrhR § 2 Rn. 26; Engl, Der Urheberrechtsschutz, S. 19.
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Notwendigkeit der wie auch immer gearteten Formgebung möglich wäre, den urheberrechtlichen Schutz und demnach unter anderem Unterlassenansprüche nach § 97 UrhG für Ideen eines Dritten geltend zu machen. Die Schaffensleistung muss demnach die Gedankenwelt des Urhebers verlassen und eine Form angenommen haben, die durch die menschlichen Sinne wahrnehmbar geworden ist.21 b) Individualität/Eigentümlichkeit Wie bereits angedeutet, schützt das Urhebergesetz den Urheber in seiner geistigen, persönlichen Beziehung zum Werk (§ 11 UrhG) und stellt diesen bereits in § 1 UrhG in den Fokus der Betrachtung. Im bislang Gesagten hat diese Verbindung allerdings noch keinerlei Anklang gefunden. Zu den erwähnten Kriterien muss also ein weiteres hinzutreten, das genau diese Verbindung sicherstellt. Auch der Gesetzgeber von 1965 hat im Übrigen diese Notwendigkeit gesehen, es allerdings dennoch nicht im Wortlaut verankert, um dessen Bedeutung nicht zu überbetonen.22 In Rechtsprechung und Literatur werden für dieses Merkmal unterschiedliche Termini verwandt. So liest man am häufigsten die Bezeichnungen „Individualität“ oder „Eigentümlichkeit“. Teilweise ist aber auch die Rede von „schöpferischer Individualität“, „Schöpfung mit individueller Prägung“, „individuelle Darstellungsweise“ oder auch „eigenschöpferische Prägung“. Am Ende ergeben sich hieraus allerdings keine inhaltlichen Unterschiede.23 Entscheidend ist stets, dass das Werk vom individuellen Geist des Urhebers geprägt ist24 und somit eine wechselseitige Verbindung zwischen Werk und Schaffenden entsteht.25 Diese Verbindung ist dann der in § 11 UrhG erwähnte Anknüpfungspunkt für den Schutz des Urhebergesetzes.26
21 Schricker/Loewenheim/Loewenheim/Leistner, UrhR § 2 Rn. 46; Wandtke/Bullinger/ Bullinger, UrhR § 2 Rn. 19 f.; Fromm/Nordemann/Nordemann, UrhR § 2 Rn. 23; Ulmer, UrhR, S. 130; Engl, Der Urheberrechtsschutz, S. 19 f. 22 BT-Drcks. IV/270, S. 38; Der Begriff der Eigentümlichkeit war noch im Entwurf von 1932 in § 2 enthalten. 23 So werden sogar in der Gesetzesbegründung beide Begrifflichkeiten hintereinander und offenbar synonym verwandt: BT-Drcks. VII/270, S. 38. 24 Schricker/Loewenheim/Loewenheim/Leistner, UrhR § 2 Rn. 50; Wandtke/Bullinger/ Bullinger, UrhR § 2 Rn. 21; BeckOK UrhR/Ahlberg, § 2 Rn. 66 (spricht von der Handschrift des Urhebers); Neumeister/v. Gamm, NJW 2008, 2678, 2679; Würtenberger, JuS 1968, 320, 322; Rehbinder/Peukert, UrhR Rn. 151; Loewenheim, GRUR 1987, 761, 766; Neuenfeld, FS Koeble, 433, 434; differenzierend: Troller, FG Kummer, 251, 273; siehe aber auch: Fromm/ Nordemann/Nordemann, UrhR § 2 Rn. 22 es sei ausreichend, dass die Persönlichkeit zum Ausdruck kommt, was immer bei freier kreativer Tätigkeit der Fall sei. Bei richtigem Verständnis sollte dies aber auch für die Prägung durch die Persönlichkeit anzunehmen sein. 25 Prüfungstechnisch wäre es sicherlich auch denkbar den Begriff der Persönlichkeit unterzuordnen, allerdings würde dies die Werkbezogenheit der Prüfung aus den Augen verlieren,
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1. Kap.: Private Bauherren in der Auseinandersetzung mit dem Urhebergesetz
aa) Subjektive Neuheit Sofern ein Schaffender während des Schöpfungsprozesses nun lediglich etwas von anderen übernimmt, so prägt er das Werk nicht mit seinem individuellen Geist, sondern gibt nur Vorhandenes wieder.27 Individualität setzt daher zunächst voraus, dass das Werk für den Schaffenden in gewisser Weise „neu“ ist. Dies ist allerdings nicht mit einer objektiven, absoluten Neuheit gleichzusetzen, da der Schutz des Urheberrechts ansonsten auf einige Meisterwerke der Antike beschränkt wäre, deren Schutzfrist nunmehr wohl abgelaufen ist.28 Kommen zwei Schaffende unabhängig voneinander und in Unkenntnis beider Werke zum gleichen Ergebnis, so ist bei zeitversetztem Schaffen das zweite Werk nicht objektiv neu, aber dennoch vom Geiste des Schaffenden geprägt. In einem solchen Fall der sehr seltenen Doppelschöpfung kann man demnach die individuelle Prägung weder dem einen noch dem anderen Werk absprechen. Individuelles Schaffen erfordert demnach keine objektive Neuheit im engen Sinne, als vielmehr eine subjektive Neuheit.29 Zu erwähnen ist hier zudem, dass wohl kaum ein Schaffender nicht in gewisser Weise auf bestimmte, bereits vorhandene Elemente zurückgreift und sich inspirieren lässt. Dies soll durch den urheberrechtlichen Schutz auch gar nicht unterbunden werden. Jeder Schaffende greift während des Schöpfungsprozesses in unterschiedlich starker Weise auf das Gemeingut, also all das, was den Bestand der allgemeinen, historischen und kulturellen Erfahrung bildet bzw. was Natur und menschliche Verhaltensweisen vorlegen,30 zurück.31 Hinzu treten dann neue, dem Schaffenden eigene Züge, welche auch in der besonderen Kombination des Gemeinguts liegen können. Das Gemeingut, das in gewisser Weise den Rohstoff jeglichen Schaffens bietet, muss daher zum einen verwandt werden können, zum anderen vom urheberrechtlichen Schutz ausgenommen werden, um ein Stagnieren des kulturellen Fortschritts zu vermeiden.32 so dass die Individualität hier der Schöpfung untergeordnet werden soll, aus der sie sich letztlich ergeben muss. 26 Aus diesem Grunde erscheint die Verwendung der Bezeichnung der „Individualität“ vorzugswürdig und soll der Ordnung und Übersicht halber einheitlich in der Bearbeitung verwandt werden. 27 BGH GRUR 1966, 503, 505 – Apfel-Madonna; Fromm/Nordemann/Nordemann, UrhR § 2 Rn. 26; Schricker/Loewenheim/Loewenheim/Leistner, UrhR § 2 Rn. 64. 28 So zutreffend: Fromm/Nordemann/Nordemann, UrhR § 2 Rn. 28. 29 BGH GRUR 1971, 266, 268 – Magdalenenarie; Schricker, Anm. BGH GRUR 1988, 816 – Ein bisschen Frieden, 816; BeckOK UrhR/Ahlberg, § 2 Rn. 65; Schricker/Loewenheim/ Loewenheim/Leistner, UrhR § 2 Rn. 64 f.; Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR § 2 Rn. 22. 30 Kummer, Das Werk, S. 51; v. Schildt-Lutzenburger, Schutz von Gebäuden, S. 123. 31 So sehr treffend: Fromm/Nordemann/Nordemann, UrhR § 2 Rn. 28. 32 v. Schildt-Lutzenburger, Schutz von Gebäuden, S. 123; v. Rauscher auf Weeg, GRUR 1967, 572, 574;
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bb) Vorhandener und genutzter Gestaltungsspielraum Weiterhin muss dem Schaffenden während des Schöpfungsprozesses ein gewisser Spielraum zur Verfügung stehen, den er mit seinen freien, gestalterischen Entscheidungen füllen kann. Wo die Gestaltung beispielsweise durch vertragliche, physikalische, topografische, technische etc. Vorgaben bereits feststeht, bleibt kein Raum für die Entfaltung eines individuellen Geistes des Schaffenden und demnach auch nicht für eine etwaige schützenswerte Verbindung, sei eine technische Lösung beispielsweise auch noch so brillant.33 Nun ist dieser Gestaltungspielraum, wie der Begriff schon impliziert, kein starrer Punkt, sondern ein gewisser Bereich, innerhalb dessen Gestaltungsentscheidungen des Schaffenden möglich sind. Diesen Bereich kann er in unterschiedlich stark ausgeprägter Art und in unterschiedlich individueller Weise für sich nutzen. Resultierend daraus enthält das Werk kreative Entscheidungen des Schaffenden in unterschiedlich starker Art und Weise, sodass dessen Persönlichkeit entsprechend unterschiedlich stark im Werk zutage treten kann. Die Individualität tritt also nicht als starr feststellbares Merkmal auf. Vielmehr sind je nach Art und Ausprägung der Nutzung eines vorhandenen Gestaltungsbereiches quantitative Unterschiede feststellbar. Diese Unterscheide werden mit der sog. Gestaltungshöhe beschrieben.34 Teilweise werden auch hier unterschiedliche Termini verwandt, so dass zu Teilen auch von Schöpfungshöhe,35 Grad eigenschöpferischer Prägung oder Eigentümlichkeitsgrad36 die Rede ist. c) Die Gestaltungshöhe als deskriptives Element Die Gestaltungshöhe beschreibt als deskriptives Element zunächst einmal das dem Werk innewohnende Maß an Individualität. Je stärker die Persönlichkeit des Schaffenden im Werk zutage tritt, desto stärker ist auch das Werk mit dem Schaffenden im Sinne des § 11 UrhG verbunden und umgekehrt. Bei einigen Werkgestaltungen kann dies also, wie einleitend erwähnt, so stark sein, dass das Werk förmlich den Stempel des Schaffenden trägt und eindeutig auf diesen hinweist. Selbst für den architektonischen Laien wird es so vergleichsweise leicht sein, ein Werk Zaha Hadids mit ihren futuristischen und teilweise sehr 33 BGH GRUR 1979, 464 465, – Flughafenpläne; BGH GRUR 1982, 305, 307 – Büromöbelprogramm; BGH GRUR 2004, 941, 942 – Metallbett BGH GRUR 2012, 58, 60 – Seilzirkus; Schricker/Loewenheim/Loewenheim/Leistner, UrhR §. 2 Rn. 53, 56; Rehbinder/Peukert, UrhR Rn. 204; Schricker, GRUR 1991, 563, 567; Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 2 Rn. 54; Schulze, NZBau 2007, 537, 538. 34 Schricker/Loewenheim/Loewenheim/Leistner, UrhR § 2 Rn. 52; Rehbinder/Peukert, UrhR Rn. 201; Fromm/Nordemann/Nordemann, UrhR § 2 Rn. 30; Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR § 2 Rn. 23. 35 So u. a.: Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 2 Rn. 59 ff. 36 So u. a.: LG Mannheim GRUR-RR 2010, 462, 463.
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ungewöhnlich anmutenden Gestaltungsformen zu erkennen. Eine solche Bindung ist urheberrechtlich zwar möglich, aber nicht erforderlich,37 denn auf der anderen Seite wird es genauso Werke geben, bei denen eine Prägung so gering ist, dass sie kaum noch wahrnehmbar und so gering ist, dass dem Werk der Urheber nicht gleichsam „auf der Stirn geschrieben“ steht. Dennoch wurde auch hier ein vorhandener Spielraum genutzt und im Werk kommt – wenn auch äußerst schwach – durch die Persönlichkeit des Schaffenden und dessen kreativen Entscheidungen die für den urheberrechtlichen Schutz notwendige Individualität zutage. Werke in diesem unteren, gerade noch wahrnehmbaren Bereich der Gestaltungshöhe werden als sog. „kleine Münze“ des Urheberrechts bezeichnet.38 Diese beiden Extreme bilden dann den Bereich, innerhalb dessen ein Werk die Persönlichkeit des Schaffenden ausdrücken kann. Sofern das Ergebnis eines Schaffensprozesses nun ein alltägliches Routinewerk, Dutzendware oder etwas ist, das im Grunde „jeder in der Art hätte herstellen können“, so kann hier nicht mehr davon gesprochen werden, dass dieses durch den individuellen Geist eines Schaffenden geprägt wurde.39 Der von der Gestaltungshöhe beschriebene Bereich des Schaffens reicht also von Werken der kleinen Münze, die gerade noch über dem Alltäglichen liegen, bis hin zu hochindividuellen Werkgestaltungen, bei denen die Prägung durch den Schaffenden so stark ist, dass diese förmlich dessen Handschrift tragen und ohne weiteres durch die Gestaltung auf diesen hinweisen. d) Die Gestaltungshöhe als konstitutives Erfordernis Dieses quantitative Element der Individualität gab Anlass dazu, nicht jede Gestaltungshöhe für einen urheberrechtlichen Schutz ausreichen zu lassen, so dass es in der Folge zu den eingangs erwähnten erhöhten Schutzuntergrenzen kam. Anstelle der Individualität als solches sollte erst eine „gewisse Gestaltungs- bzw. Schöpfungshöhe“40 ausreichen oder es wurde ein „deutliches Überragen des Alltäglichen Schaffens“41 gefordert.
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Fromm/Nordemann/Nordemann, UrhR § 2 Rn. 22. Der Begriff geht zurück auf Alexander Elsters Werk, Gewerblicher Rechtsschutz 1921 S. 40; BGH GRUR 1995, 581, 582 – Silberdistel; BGH GRUR 1981, 267, 268 – Dirlada; BGH GRUR 2012, 58, 62 – Seilzirkus; BGH GRUR 2015, 175, 176 – Geburtstagszug; BT-Drcks. IV/ 270, S. 38; Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 2 Rn. 59; HK-UrhG/Seifert/Wirth, § 2 Rn. 8; Schricker/Loewenheim/Loewenheim/Leistner, UrhR § 2 Rn. 61; Loewenheim, GRUR 1987, 761, 766. 39 BGH GRUR 1981, 520, 522 – Fragensammlung; BGH GRUR 1986, 739, 741 – Anwaltsschriftsatz; BGH GRUR 1991, 449, 452 – Betriebssystem; BeckOK UrhR/Ahlberg, § 2 Rn. 69; Loewenheim, GRUR 1987, 761, 766; Fromm/Nordemann/Nordemann, UrhR § 2 Rn. 24; Schricker, GRUR 1991, 563, 567; Schricker/Loewenheim/Loewenheim/Leistner, UrhR § 2 Rn. 53. 40 Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 2 Rn. 60; HK-UrhG/Seifert/Wirth, § 2 Rn. 7. 38
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Der Gestaltungshöhe wurde somit also eine über ihre zunächst beschriebene, rein deskriptive Bedeutung eine konstitutive Eigenschaft zuteil.42 Es konnte in der Folge eine schützenswerte Individualität oberhalb und eine nicht schützenswerte Individualität unterhalb der besagten Grenze geben, wobei diese Grenze in Bezug auf die unterschiedlichen Bereiche der Schutzobjekte unterschiedlich hoch angesetzt wurde. Beispielsweise wurde so im Bereich der Musik oder der Sprachwerke, wie eingangs erwähnt, von einer relativ niedrigen Schutzuntergrenze ausgegangen, wohingegen Werke der Baukunst überwiegend eine höhere Schutzgrenze zu nehmen hatten. Die Werke privater Bauherren lagen meist unterhalb dieser geforderten Schutzgrenze, da diese nur in Ausnahmefällen so individuell ausgestaltet sind, dass diese das Alltägliche deutlich übersteigen. Zwar ist wiederholt zu lesen, dass der Schutz der kleinen Münze gewollt sei, allerdings wurde oft gleichzeitig trotzdem eine erhöhte Schutzuntergrenze gefordert.43 Die Begründung für eine Forderung nach einer erhöhten Schutzuntergrenze vermittelt durch die Gestaltungshöhe lag im Verhältnis des Urhebergesetzes zum damaligen Geschmacksmustergesetz (GeschmMG, mittlerweile Designgesetz). Der Geschmacksmusterschutz umfasste vom Schutzbereich zunächst einmal Werke, welche neben ihrer möglichen schützenswerten Gestaltung einen Zweck hatten und weiterhin als industrielles oder handwerkliches Erzeugnis eingestuft werden konnten. Danach überschnitt sich der Bereich teilweise mit den Werken der angewandten Kunst, welche ebenso neben der Gestaltung eine Zweckbestimmung aufweisen mussten. Darüber hinaus forderte das Geschmacksmustergesetz in der Fassung vom 1. 1. 1964 in § 1 II GeschmMG eine gewisse Eigentümlichkeit. Auch in den Schutzvoraussetzungen waren sich das Urhebergesetz und das Geschmacksmustergesetz also sehr nah. Wenn nun bereits das Geschmacksmustergesetz eine gewisse Individualität fordert, müsse, so die Argumentation, das Urhebergesetz erst recht eine darüber liegende Individualität fordern.44 Im Bereich der angewandten Kunst ging man deshalb von einer erhöhten Schutzuntergrenze aus, die sich nach und nach auch auf die anderen Bereiche des urheberrechtlichen Schutzes übertragen hat. 41 OLG Schleswig GRUR 1980, 1072, 1073 – Louisenlund; OLG München GRUR 1997, 290, 290 – Wohnanlage; OLG Celle BauR 2000, 1069, 107; OLG Stuttgart BeckRS 1996, 30891729. 42 Ähnlich auch Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR § 2 Rn. 23 der davon ausgeht, dass die Individualität zunächst nicht mehr besagt, als dass ein Produkt überhaupt Individualität aufweist und deshalb des weiteren Kriteriums der Gestaltungshöhe bedarf, um einen bestimmten Mindestgrad an Individualität als Voraussetzung für den Urheberrechtsschutz festzulegen; ähnlich auch Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 2 Rn. 60; HK-UrhG/Seifert/Wirth, § 2 Rn. 7 die das Merkmal der Gestaltungshöhe als wichtigstes Merkmal der Zubilligung einer geistigen persönlichen Schöpfung bezeichnet und dieses danach unzutreffend mit der Individualität selbst gleichsetzen. 43 Zu Recht merkt dies Nordemann an in Fromm/Nordemann, UrhR § 2 Rn. 33; fordert aber trotzdem gleichzeitig das Vorliegen einer gewissen Gestaltungshöhe Rn. 30. 44 BGH GRUR 1995, 581, 582 – Silberdistel; für ein deutliches Überragen bei ComputerProgrammen BGH GRUR 1041, 1047 f. – Inkasso-Programm.
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e) Allmählicher Abschied von der Gestaltungshöhe als konstitutives Element Diese verschiedenen Schutzuntergrenzen in Bezug auf die unterschiedlichen Schutzbereiche als auch die Forderung nach einer erhöhten Untergrenze an sich sind nicht ohne Kritik geblieben. Schricker forderte beispielsweise bereits 1994 den „Abschied von der Gestaltungshöhe“.45 Auch der Gesetzgeber sprach sich mehrfach und teilweise sogar sehr deutlich für den Schutz der kleinen Münze aus. So wurde bereits bei der Erschaffung des Urhebergesetzes in der Begründung von 1962 das Merkmal der Eigentümlichkeit, welches im Entwurf von 1932 in § 2 noch enthalten war, nicht ins Gesetz aufgenommen, sei doch andernfalls zu befürchten, dass das Merkmal überbetont werde und der Schutz der kleinen Münze nicht mehr sichergestellt werden könne.46 Auch in einem Gesetz zur vierten Änderung des Urhebergesetzes im Jahre 1995 verdeutlichte der Gesetzgeber diese Absicht nochmals und fügte sogar ausdrücklich hinzu, dass es seiner Auffassung nach neben dem reinen Erfordernis der Individualität nicht auf ein besonderes Maß an Gestaltungshöhe ankomme.47 Im Zuge einer Novellierung des Geschmacksmustergesetzes im Jahre 2004 wurde überdies das angesprochene graduelle Verhältnis zwischen Urhebergesetz und Geschmacksmustergesetz beseitigt. Das Geschmacksmustergesetz in der Fassung vom 1. 1. 1964 enthielt in § 1 II noch das Merkmal der Eigentümlichkeit. Dieses wurde in der Fassung vom 2004 durch das Merkmal der Eigenart ersetzt. Hierdurch wird eine objektive Neuheitsprüfung erforderlich mit Blick darauf, ob das Werk zum einen nach § 2 II GeschmMG nicht bereits in identischer Art angemeldet ist und es sich zum anderen nach § 2 III GeschmMG von sonstig offenbarten Mustern unterscheidet.48 Der enge Bezug, welcher Anlass für die Etablierung des konstitutiven Erfordernisses der Gestaltungshöhe war, sollte ausdrücklich beseitigt werden und ein eigenständiges, neben das Urhebergesetz tretendes, gewerbliches Schutzrecht entstehen.49 Dem könnte entgegengehalten werden, dass ein entsprechender gesetzgeberische Wille keinen Niederschlag im Urhebergesetz erfahren hat und somit unbeachtlich sei.50 Zugegebenermaßen hat der Gesetzgeber in § 2 UrhG nicht direkt kodifiziert, 45
Siehe hierzu: Schricker, FS Kreile, S. 715. BT-Drcks. IV/270, S. 38. 47 BT-Drcks. 13/781, S. 10. 48 Siehe hierzu insbesondere: BT-Drcks. 15/1075, S. 33 f. 49 So ausdrücklich BT-Drcks. 15/1075, S. 29; BeckOK UrhR/Ahlberg § 2 Rn. 107; Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR § 2 Rn. 97; Fromm/Nordemann/Nordemann, UrhR § 2 Rn. 149; siehe auch Koschtial, GRUR 2004, 555, 556; a. A.: Erdmann, FS Loschelder, 65, 72 der auch nach der Reform des Geschmacksmusterrechts an der unterschiedlichen Beurteilung festhalten will. 50 So: Rehbinder/Peukert, UrhR Rn. 224 (In Berufung auf BVerfG NJW 1960, 1563, 1654, wo es allerdings darum ging, dass eine Norm, in diesem Fall § 401a RAbgO stillschweigend ohne Hinweise übernommen wurde. Daraus ließe sich nach dem BVerfG keine Schlüsse draus ziehen, dass der Gesetzgeber einen Bestätigungswillen für die Geltung der Norm als nachkonstitutionelles Recht hatte. 46
A. Die („neue“) Ausgangslage des urheberrechtlichen Schutzes
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dass er zusätzliche Bewertungskriterien ablehnt. Allerdings hat der Gesetzgeber, in dem das Merkmal der Eigentümlichkeit, verbunden mit einem ausdrücklichen und deutlichen Hinweis in der Begründung51 nicht in das Urhebergesetz aufgenommen sehr wohl den Gesetzeswortlaut in entsprechender Weise bewusst gestaltet, sodass dieser Wille zu berücksichtigen ist. § 62a III UrhG hat demnach letztlich klarstellende Wirkung. Damit war im deutschen Recht spätestens mit der Novellierung des Geschmacksmustergesetzes der Argumentation hinsichtlich einer erhöhten Gestaltungshöhe als zusätzlichem Erfordernis der Boden entzogen. Doch auch auf europarechtlicher Ebene ist eine Entwicklung zu verzeichnen, eine erhöhte Schutzuntergrenzen abzulehnen. So wurde in nunmehr drei Richtlinien bestimmt, dass für die Bereiche der Fotografie,52 der Datenbanken53 und der Computerprogramme54 keine anderen Kriterien als die der Gestaltungshöhe anzuwenden sind, was unter anderem auch im deutschen Urhebergesetz durch § 62a II UrhG genauso kodifiziert wurde. Trotz all dem änderte sich in der deutschen Rechtsprechung zunächst nicht viel. In der Seilzirkus-Entscheidung55 vom 12. 5. 2011 wurde die Frage zwar angesprochen, aber zunächst noch ausdrücklich offengelassen. Erst mit der Geburtstagszug-Entscheidung56 vom 13. 11. 2013, also knapp 10 Jahre nach der Novellierung des GeschmMG, reagierte der BGH auf die Rechtsentwicklung und entschied, dass auch für den Bereich der angewandten Kunst keine erhöhten Anforderungen an die Schutzfähigkeit eines Werkes zu stellen sind. Entscheidend war für die Richter hierbei die angesprochene Novellierung des Geschmacksmustergesetzes, welche das Stufenverhältnis zwischen Urhebergesetz und Geschmacksmustergesetz beseitigt hat und zwei selbstständig nebeneinanderstehende Gesetze zur Folge hatte.57 Der Senat hielt deshalb nicht mehr an der alten Rechtsprechung fest.58 Spätestens mit dieser Entscheidung für den Bereich der angewandten Kunst, der die Grundlage für die Annahme eines bestimmten Maßes an Individualität für den urheberrechtlichen Schutz im Allgemeinen war, muss sich der Rechtsanwender von der Gestaltungshöhe als konstitutives Merkmal verabschieden. Auch wenn der BGH unspezifisch noch fordert, dass hinsichtlich der langen Schutzdauer des Urheber51
BT-Drcks. IV/270, S. 38. Siehe RiLi 93/98/EWG. 53 Siehe RiLi 96/9/EG. 54 Siehe RiLi 2009/24/EG. 55 BGH GRUR 2012, 58, 62 – Seilzirkus (Individualität allgemein abgelehnt, sodass es nicht mehr darauf ankam, ob zweckgebundene Kunst höhere Anforderungen gestellt werden können oder nicht). 56 BGH GRUR 2014, 175 – Geburtstagszug; im Anschluss daran BGH GRUR 2016, 1291, 1295 – Geburtstagskarawane. 57 BGH GRUR 2014, 175, 178 f. – Geburtstagszug. 58 BGH GRUR 2014, 175, 177 – Geburtstagszug. 52
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1. Kap.: Private Bauherren in der Auseinandersetzung mit dem Urhebergesetz
gesetzes keine zu niedrige Gestaltungshöhe verlangt werden solle,59 so kann hier nur gemeint sein, dass Alltägliches nicht in den Schutz des Urheberrechts gerät. Dies schließt allerdings bereits die Individualität per definitionem aus, kann doch das alltägliche Schaffen und das, was jeder in der Art gemacht hätte, nicht Ausdruck der individuellen Persönlichkeit eines Schaffenden sein.60 Das Vorliegen der Individualität in irgendeiner Form muss also ausreichend sein, sprich ein Werk, das mindestens das Alltägliche übersteigt. Gleichgültig, ob man eine sehr niedrige Gestaltungshöhe ausreichend lässt oder ob man dies mit der hier vertretenen Auffassung bereits über die Definition der Individualität löst und der Gestaltungshöhe lediglich deskriptive Wirkung zuspricht, die kleine Münze rückt auch im Bereich der Baukunst immer mehr in den Fokus des urheberrechtlichen Schutzes. f) Indizwirkung des Denkmalschutzrechts Teilweise wird das Vorliegen einer urheberrechtlich geschützten Leistung mit dem Bestehen eines Denkmalschutzrechts in Verbindung gebracht. In einer Entscheidung vom 30. 7. 2014 stützt das AG Berlin Tempelhof-Kreuzberg so den Schutz eines Bauwerkes unter anderem auf eine Indizwirkung, welche eine denkmalschutzrechtliche Erfassung entfalte.61 Eine solche Indizwirkung muss allerdings bereits auf Grund der unterschiedlichen Schutzrichtungen von Denkmalschutzrecht und Urheberrecht abgelehnt werden. Das Denkmalschutzrecht soll dem Sinn und Zweck nach, etwaige menschliche Erzeugnisse der Geschichte und Kultur im öffentlichen Interesse schützen und für die Nachwelt erhalten.62 Anknüpfungspunkt ist dabei also das Erhaltungsinteresse der Allgemeinheit und nicht der Schutz der Bindung eines Einzelnen zu einem Werk, welche durch die Art und Weise der Gestaltung entsteht. Dieses Erhaltungsinteresse setzt beispielsweise bei einem Bauwerk keinerlei besondere Gestaltungsart geschweige denn etwaige individuelle Züge voraus, kann doch der Erhalt bereits dadurch geboten sein, dass das entsprechende Werk das erste oder aber auch das letzte Werk einer bestimmten Epoche darstellt. Ein bestehender Denkmalschutz ist also urheberrechtlich auch als Indiz nicht von Relevanz.63
59 BGH GRUR 2014, 175, 179 – Geburtstagszug (widersprüchlich zitiert der BGH hier allerdings Rehbinder/Peukert, UrhR 16. Aufl. Rn. 61 nunmehr in der 18. Aufl. Rn. 200, der im Gegensatz zur gewollten Angleichung an die im Urteil genannten Bereiche, in denen die kleine Münze geschützt ist, deren Ausschluss fordert). 60 Zutreffend bereits: Schricker, FS Kreile, S. 715. 61 AG Berlin Kreuzberg-Tempelhof GRUR-RS 2014, 16338. 62 Siehe hierzu bereits die §§ 1 der jeweiligen Denkmalschutzgesetze der Länder. 63 Ebenso: v. Schildt-Lutzenburger, Schutz von Gebäuden, S. 149.
B. Folgen dieser Rechtsentwicklung für Werke der Baukunst
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III. Entstehen des urheberrechtlichen Schutzes Bereits in der Berner Übereinkunft, welche am 5. Dezember 1887 in Kraft trat und welche die Gesetze innerhalb der unterzeichnenden Länder hinsichtlich des Urheberrechts angleichen wollte, ist in Art. 5 I geregelt, dass das Urheberrecht ohne jegliche Eintragungen und Formalia entsteht. Auch in Deutschland beginnt der Schutz des Urheberrechts deshalb ab dem Zeitpunkt, ab dem erstmalig ein Werk im Sinne des § 2 UrhG vorliegt. Der Schutz des UrhG entsteht also, anders als im Patent-, Markenschutz- oder Geschmacksmusterrecht,64 ipso iure mit der Werkschaffung65 und kann also insbesondere – wohl im Bereich der kleinen Münze gar nicht selten – auch ohne das Wissen der jeweiligen Parteien entstehen.66
B. Folgen dieser Rechtsentwicklung für Werke der Baukunst I. Private Eigenheime als Schutzobjekte des Urheberrechts Bislang waren Bauwerke in der privaten Eigennutzung des Bauherrn die Ausnahme im Schutzbereich des Urhebergesetzes. Wirft man einen Blick in die urheberrechtliche Rechtsprechung, findet man kaum derartig gelagerte Fälle. Erwähnt seien hier die Vorentwurf-II-Entscheidung67 des BGH und eine Entscheidung des AG Berlin Kreuzberg Tempelhof.68 Bei ersterer stellte der BGH eine Gestaltung bei einem Einfamilienhaus fest, die sich „deutlich vom durchschnittlichen Architektenschaffen abgrenzt.“ In der zweitgenannten Entscheidung war der Nutzer der Wohnung der Architekt bzw. dessen Erben, der den gesamten Wohnkomplex samt gestalterischer Einfügung seiner Wohnung selbst geplant hatte. Auch hier wurde zudem eine Gestaltung festgestellt, die „das durchschnittliche Architektenschaffen bei Weitem überragte“. In anderen Entscheidungen wie der Ledigenheim-Entscheidung69 oder der 12-Familienwohnung-Entscheidung70 ging es zwar gewissermaßen um Wohnraum, allerdings nicht im Sinne der privaten Eigennutzung als
64 Siehe hierzu die Bestimmungen der §§ 16 PatG, 32 II MarkenG, 27 I DesignG, die allesamt für den jeweiligen Schutz des Patent- Marken- oder DesignG eine Anmeldung als konstitutives Kriterium normieren. 65 Rehbinder/Peukert, UrhR Rn. 221; Lettl, UrhR § 2 Rn. 7; Schack, UrhR Rn. 254 ff.; Schulze, NZBau 2007, 537, 539; Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR § 2 Rn. 98; Dreier/ Schulze/Schulze, § 2 Rn. 245; Schricker/Loewenheim/Loewenheim/Leistner, UrhR § 2 Rn. 92. 66 Schack, UrhR Rn. 252. 67 BGH GRUR 1988, 533 – Vorentwurf II. 68 AG Berlin Kreuzberg-Tempelhof GRUR-RS 2014, 16338. 69 BGH GRUR 1957, 391 – Ledigenheim. 70 OLG Karlsruhe GRUR-RR 2013, 423 – Zwo¨ lffamilienhaus.
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1. Kap.: Private Bauherren in der Auseinandersetzung mit dem Urhebergesetz
Eigenheim durch den Bauherrn, sondern zur Vermietung und demnach für gewerbliche Zwecke. Wie die Vorentwurf-II-Entscheidung deutlich macht, schloss bereits vor der nun zu verzeichnenden Tendenz der Annahme einer niedrigen Schutzuntergrenze die Tatsache, dass ein privater Bauherr ein Bauwerk als Wohnung nutzt, keineswegs den Schutz des Urheberrechts per se aus. Das Gros der Eigenheime privater Bauherren liegt aber – bislang urheberrechtlich eher unbeachtet – im gerade noch wahrnehmbaren Bereich der Individualität oder darunter, so dass diese bei bisherigem Verständnis des Urhebergesetzes regelmäßig nicht als Schutzobjekt in Betracht kamen. Bei den letztgenannten, alltäglichen Gestaltungen wird sich an dieser Tatsache auch nichts ändern. Schaffensleistungen, die das Alltägliche nicht übersteigen, werden auch weiterhin nicht vom urheberrechtlichen Schutzbereich erfasst werden, mangelt es ihnen doch gänzlich an der notwendigen Individualität der Gestaltungsleistung. Nach der Geburtstagszug-Entscheidung71 ist allerdings auch in der Baukunst der Bereich an Gestaltungen einzubeziehen, der gerade noch als individuell bezeichnet werden kann und die alltäglichen Routineleistungen knapp übersteigt. Und genau in diesem Bereich werden auch zahlreiche Bauwerke privater Bauherren in Eigennutzung anzusiedeln sein, die beim bisherigen Verständnis einer notwendigen besonderen Gestaltungshöhe in der Baukunst eher außerhalb des urheberrechtlichen Schutzbereiches lagen. Dieser wird also um einen Personenkreis erweitert, der sich bis dato kaum mit derartigen Streitigkeiten auseinanderzusetzen hatte.
II. Fehlende vertragliche Bestimmungen zum Urheberrecht Im Grundsatz kann der Urheber eines Werkes nach den §§ 31 ff UrhG Nutzungsrechte an seinem Werk einräumen und damit vertraglich im Vorhinein bestimmen, welche Befugnisse anderen im Einzelnen bei der Nutzung seines Werkes zustehen. Man könnte also zunächst annehmen, dass sich etwaige Ausführungen im Folgenden dann erübrigen, wenn Architekt und Bauherr im Vorhinein angemessene vertragliche Regelungen zu einem bestehenden Urheberrecht in den Architektenvertrag aufnehmen. Tatsächlich wird aber im Gegenteil davon auszugehen sein, dass es im Bereich der kleinen Münze der Baukunst in Bezug auf private Eigenheime wohl lebensfern ist anzunehmen, dass die Parteien solche vertraglichen Regelungen hinsichtlich eines bestehenden Urheberrechts geschlossen haben. Insbesondere, weil es für den Schutz es für den Schutz der kleinen Münze bereits ausreichend ist, dass das entsprechende Werk gerade noch über dem Alltäglichen liegt, wird eine bestehende urheberrechtliche Relevanz des Werkes im oftmals weder dem Bauherrn noch dem Archi-
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BGH GRUR 2014, 175 – Geburtstagszug.
B. Folgen dieser Rechtsentwicklung für Werke der Baukunst
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tekten bewusst sein und möglicherweise erst in der Streitsituation Relevanz gewinnen werden. Im Folgenden wird es also deshalb im Besonderen darauf ankommen die gesetzlichen Lösungsmöglichkeiten derartiger Streitigkeiten zu beleuchten und zu untersuchen, ob das Urhebergesetz bereits unabhängig von einer vertraglichen Regelung einen Ausgleich der unterschiedlichen Rechtspositionen ermöglichen kann. Hierzu soll im Folgenden zunächst auf die unterschiedlichen Interessenlagen der Beteiligten im hier zu Grunde liegenden Fall geblickt werden.
III. Nunmehr kollidierende Interessen 1. Die Interessenlage auf Seiten des Bauherrn a) Das Eigentumsrecht des Bauherrn aa) Verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie und einfachgesetzliche Konkretisierung Spätestens durch die Verbindung des Bauwerkes bzw. der einzelnen Baustoffe mit dem Grundstück gem. § 946 BGB erlangt der Bauherr Eigentum am entstandenen Bauwerk. Das Eigentumsrecht ist zunächst verfassungsrechtlich in Art. 14 GG verankert und gibt dem Eigentümer einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich, der ihm die Entfaltung und eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens ermöglicht72 und ist damit ein grundlegendes Kernelement für die Freiheit und das selbstbestimmte Leben des Einzelnen.73 Freiheit ist ohne Eigentum nicht denkbar.74 Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff an sich ist hierbei offen, was genau inhaltlich erfasst ist, wird auf verfassungsrechtlicher Ebene nicht erläutert, sondern muss vom einfachen Gesetzgeber entwickelt werden. Das Eigentum nach Art. 14 GG kann aus diesem Grunde als ein normgeprägtes Grundrecht bezeichnet werden, bei dem sich die zugeordneten Vermögenswerte nicht selbst ergeben, sondern erst durch das gesetzgeberische Tätigwerden erkennbar werden.75 Gleichzeitig ist aber just dieser Gesetzgeber, der die vermögenswerten Rechte dem Eigentumsrecht nach Art. 14 GG zuordnen soll, gleichzeitig über Art. 1 III GG an die Grundrechte und demnach auch
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BVerfG NJW 1971, 2163; BVerfG NJW 1976, 31, 33; BVerfG NJW 2000, 2573, 2574. v. Mangoldt/Klein/Starck/Depenheuer/Froese, GG Art. 14 Rn. 1; Scheuner, Staatstheorie und Staatsrecht, 1978, 775, 780 ff.; Depenheuer/Kirchof, Eigentum, 2004, S. 14 ff. 74 v. Mangoldt/Klein/Starck/Depenheuer/Froese, GG Art. 14 Rn. 29. 75 BeckOk GG/Axer Art. 14 Rn. 7; v. Mangoldt/Klein/Starck/Depenheuer/Froese, GG Art. 14 Rn. 30 ff. 73
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1. Kap.: Private Bauherren in der Auseinandersetzung mit dem Urhebergesetz
an eben dieses Eigentumsrecht gebunden.76 Da dieser aber nicht gleichzeitig an etwas gebunden sein kann, das er selbst konstituieren soll, ist von einem verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff einerseits und einem einfachgesetzlich konkretisierten Eigentumsbegriff andererseits auszugehen.77 Art. 14 GG enthält dabei auf verfassungsrechtlicher Ebene eine erste grundlegende, normativ verpflichtende, weiteren Konkretisierungen zugängliche, ermöglichende und bedingende Konstituierung des Eigentums,78 sprich einen grundsätzlichen Rahmen. Diese Konstituierung ist dann auch gegenüber dem einfachen und konkretisierend tätigwerdenden Gesetzgeber als übergeordnetes Institut geschützt (= sog. Eigentumsgarantie oder Institutsgarantie).79 An dessen Stelle darf insbesondere in der einfachgesetzlichen Ausgestaltung nichts treten, „das den Namen Eigentum nicht verdient hat“.80 Der Gesetzgeber muss also Sorge dafür tragen, dass stets ein Grundbestand an Normen gewährleistet ist, der in der Lage ist, Eigentum i. S. v. Art. 14 GG zu begründen,81 um so den angesprochenen Freiheitsbereich im vermögensrechtlichen Raum zu schaffen. Vor diesem Hintergrund bewirkt das verfassungsrechtliche Eigentum nach Art. 14 GG also Sicherung des Instituts Eigentum als solches. Hiermit ist allerdings noch nichts über den Inhalt des verfassungsrechtlich gesicherten Eigentums gesagt. Der verfassungsgebende Gesetzgeber musste diesbezüglich 1949 den Eigentumsbegriff nicht neu erfinden, sondern konnte auf ein ausgeformtes Rechtsinstitut zurückgreifen, das sich im bürgerlichen Recht gebildet hatte,82 und orientierte sich demnach an einem Eigentumsverständnis, welches durch eine privatnützig zugewiesene, umfassende Herrschafts- und Verfügungsbefugnis gekennzeichnet war.83 Dieses Verständnis kommt insbesondere im Sacheigentum des heutigen § 903 BGB zum Ausdruck,84 welcher dem Eigentümer zunächst die Befugnis gibt, „mit der Sache nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen“. Dem Eigentümer stehen so positive wie negative Be-
76 v. Münch/Kunig/Bryde, GG Art. 14 Rn. 47; BeckOK GG/Axer, Art. 14 Rn. 7, 8; Maunz/ Dürig/Papier/Shirvani, Art. 14 Rn. 152 ff. 77 BVerfGE 58, 300, 335; Maunz/Dürig/Papier/Shirvani, GG Art. 14 Rn. 153; v. Mangoldt/ Klein/Starck/Depenheuer/Froese, GG Art. 14 Rn. 35; Dreier/Wieland, GG Art. 14 Rn. 48; Böhmer NJW 1988, 2561, 2568. 78 So passend: v. Mangoldt/Klein/Starck/Depenheuer/Froese, GG Art. 14 Rn. 33. 79 Hierzu: Dreier/Wieland, GG Art. 14 Rn. 143; BeckOK GG/Axer, Art. 14 Rn. 18, 19; Maunz/Dürig/Papier/Shirvani, Art. 14 Rn. 118 ff. 80 So: BVerfG NJW 1969, 309, 309 f. 81 BeckOK GG/Axer, Art. 14 Rn 19. 82 v. Mangoldt/Klein/Starck/Depenheuer/Froese, GG Art. 14 Rn. 33. 83 BeckOK GG/Axer, Art. 14 Rn. 10; Mangoldt/Klein/Starck/Depenheuer/Froese, GG Art. 14 Rn. 35. 84 Depenheuer und Froese bezeichnen das Sacheigentum deshalb gar als „Magna-Charta des Eigentumsrechts“. Siehe hierzu: v. Mangoldt/Klein/Starck/Depenheuer/Froese, GG Art. 14 Rn. 34; siehe auch Dreier/Wieland, GG Art. 14 Rn. 49.
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fugnisse zu, so dass er mit der Sache zunächst nach Belieben verfahren und gleichzeitig andere von der Einwirkung ausschließen kann.85 Dieses insbesondere im Sacheigentum verkörperte Herrschaftsrecht über einen bestimmten Bereich bildet den Kern des verfassungsrechtlichen Eigentums.86 Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff ist deshalb weit zu verstehen und umfasst alle vermögenswerten Rechtspositionen, „die Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass sie die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zum privaten Nutzen ausüben dürfen“,87 und deshalb letztlich mit dem Sacheigentum vergleichbar sind, sich allerdings nicht darin erschöpfen.88 Das verfassungsrechtliche Eigentum umfasst vielmehr, anders als § 903 BGB, beispielsweise auch Rechtspositionen, die nicht an eine Sache nach § 90 BGB gebunden sind.89 In jedweder Ausgestaltung des Eigentumsrechts auf einfachgesetzlicher Ebene muss also der Gesetzgeber zum einen garantieren, dass Eigentum als Institution stets gegeben ist, damit der Einzelne den angesprochenen, ihm zugeordneten Freiheitsbereich im vermögensrechtlichen Raum erhält. Zum anderen muss gesichert sein, dass die zugeordneten Rechte ein dem Sacheigentum vergleichbares Herrschaftsrecht begründen, sprich ein solches, das geprägt ist von der ausschließlichen und privatnützigen Zuordnung eines umfassenden Herrschafts- und Verfügungsrechts, ohne dass sich das verfassungsrechtlich gesicherte Eigentum dabei im Sacheigentum erschöpft. bb) Freiheitsaspekt und Sozialbindung des Eigentumsrechts Doch kann ein privatnütziges Herrschafts- und Verfügungsrecht in einem funktionierenden Gesellschaftsgefüge nicht endlos gewährleistet werden. Der Gesetzgeber ist deshalb gem. Art. 14 I S. 2 GG befugt, Grenzen des Eigentumsrechts festzulegen. Nach § 903 BGB stehen dem (Sach-)Eigentümer deshalb zwar die erwähnten ausschließlich wirkenden Befugnisse in negativer wie positiver Weise zu, allerdings lässt das Gesetz diese nach § 903 S. 1 BGB nur so weit gelten, wie einer Ausübung nicht anderweitige Gesetze oder die Rechte eines anderen entgegenstehen.
85 Hierzu: BeckOK BGB/Fritsche, § 903 Rn. 17 ff.; MüKo BGB/Brückner, § 903 Rn. 23 f.; Jauernig/Berger, BGB, § 903 Rn. 2 f.; HK-BGB/Schulte-Nölke, § 903 Rn. 2. 86 BVerfG GRUR 1988, 610, 612 – Esslinger-Neckarhalde II; BVerfG NJW 1977, 2024, 2028; BeckOK BGB/Axer, Einl. Art. 14 GG; Dreier/Wieland, GG Art. 14 Rn. 49. 87 BeckOK GG/Axer, Art. 14 Rn. 19; v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rn. 12; BVerfGE 83, 201, 209; BVerfGE 112, 93, 107; BVerfGE 131, 66, 79. 88 v. Mangoldt/Klein/Starck/Depenheuer/Froese, GG Art. 14 Rn. 35. 89 Dreier/Wieland, GG Art. 14 Rn. 71 f.; BeckOK GG/Axer, Art. 14 Rn. 43; v. Mangoldt/ Klein/Starck/Depenheuer/Froese, GG Art. 14 Rn. 114.
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1. Kap.: Private Bauherren in der Auseinandersetzung mit dem Urhebergesetz
Der Gesetzgeber darf das Sacheigentum also grundsätzlich trotz der umfassenden Rechte in bestimmtem Maße einschränken. Hierbei unterliegt er aber der durch Art. 14 GG gewährten Garantie des Eigentums als solches und muss überdies in der Ausgestaltung und dem Ausgleich kollidierender Rechte die Schutzentscheidungen der Verfassung hinsichtlich des einen wie des anderen Rechts berücksichtigen und somit den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahren.90 In diesem Ausgleich kann die Freiheit des Einzelnen also beispielsweise zu Gunsten der Belange der Allgemeinheit eingeschränkt werden, wenn zwar grundsätzlich die Baufreiheit des Einzelnen besteht, diese allerdings durch das öffentliche Baurecht reguliert wird,91 oder aber der Waldeigentümer den Zutritt der Allgemeinheit zu ungenutzten Waldflächen zum Zwecke der Erholung hinnehmen muss.92 Das Sacheigentumsrecht beinhaltet also neben dem Freiheitsaspekt des Einzelnen auch eine sozialgebunden Aspekt. Beide Aspekte sind im Einzelfall in Ausgleich zu bringen.93 Zu beachten ist insbesondere, dass der vermögensrechtliche Raum, den das Eigentum schützt, essentiell für die Entfaltung eines freien Lebens des Einzelnen in einer Gesellschaft ist. Je stärker dieser Freiheitsaspekt des Eigentums daher von einer Einschränkung betroffen ist, desto stärker müssen innerhalb einer Kollision die Interessen des Eigentümers beachtet werden.94 cc) Die Wohnung als Ort der freiheitlichen Entfaltung des Eigentümers In einem urheberrechtlichen Streit hinsichtlich eines Änderungsbegehrens des Eigentümers kollidieren nun das Sacheigentum auf der einen und das Urheberrecht des Architekten auf der anderen Seite miteinander. Der Eigentümer darf hierbei sein Recht nach § 903 BGB nur unter Beachtung anderer Gesetze und den Rechten Dritter, hier also des Architekten, verfolgen. In den bisherigen urheberrechtlich relevanten Konstellationen war diese Ausgangslage der Kollision von Urheber- und Eigentümerinteressen grundsätzlich zunächst einmal keine andere, spielen die genannten widerstreitenden Interessen doch auch bei sonstigen beispielsweise unternehmerischen, öffentlichen oder sakralen Bauwerken eine entscheidende Rolle.
90 Diller, Interessenausgleich, S. 118 ff. Siehe zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch im Folgenden S. 85 ff. 91 Zur Tatsache, dass dies im Grundsatz nicht die Baufreiheit als solche infrage stellt: v. Mangoldt/Klein/Starck/Depenheuer/Froese, GG Art. 14 Rn. 119. 92 v. Münch/Kunig/Bryde, GG Art. 14 Rn. 65, was im Bundeswaldgesetz in § 14 I S. 3 und 4, sowie in den unterschiedlichen landesrechtlichen Regelungen (siehe exemplarisch für Hessen § 15 II-IV des hessischen Waldgesetzes) oder sogar auf landesverfassungsrechtlicher Ebene (so in Bayern nach Art. 141 III der Landesverfassung des Freistaates Bayern) geregelt ist. 93 Dreier/Wieland, GG Art. 14 Rn. 91. 94 BVerfG NJW 2000, 2573, 2574; BVerfGE 14, 288, 293 f.; BVerfGE 42, 64, 77; BVerfGE 42, 263, 293 ff. 294 f.; siehe auch zuvor S. 35 ff.
B. Folgen dieser Rechtsentwicklung für Werke der Baukunst
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Durch das weitere Absinken der Schutzuntergrenze des Urhebergesetzes kommen nun aber auch Bauwerke mit dem Urheberrecht in Berührung, die dem Bauherrn als Wohnraum dienen und für gewöhnlich eher auf einer niedrigeren Individualitätsstufe anzusiedeln sind, als beispielweise öffentliche Repräsentativbauten oder Unternehmenssitze etc.95 In diesen Konstellationen der kleinen Münze der Baukunst ist nun ein neuer Aspekt enthalten, der bislang eine sehr untergeordnete Rolle gespielt hat. Es rücken Objekte in den Fokus des Urheberrechts und damit in die Reichweite der Rechte Dritter, die dem Bauherrn als privatester Bereich, Rückzugsort bzw. Raum der persönlichen Entfaltung dienen und die somit dem erwähnten Freiheitsaspekt des Eigentumsschutzes in besonderer Weise unterliegen und auch von der sonstigen Rechtsordnung bedacht und unter starken Schutz gestellt werden. Im Mietrecht verdeutlicht sich dies beispielsweise dadurch, dass vertragliche Einschränkungen des Lebensbereiches des Mieters nur schwerlich möglich sind. Eine Klausel, welche das Rauchen auf dem Balkon,96 das Musizieren in der Wohnung,97 Damen- respektive Herrenbesuch verbietet98 oder aber eine Kinderfreiklausel99 vorsieht, ist somit oftmals nicht wirksam möglich. Doch auch auf verfassungsrechtlicher Ebene ist neben dem Eigentum von einer besonderen Schutzwürdigkeit des Bereichs der Wohnung für den Einzelnen auszugehen. So berücksichtigt das Grundgesetz die Wohnung zum einen im allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG und zum anderen in Art. 13 GG. Das Persönlichkeitsrecht ordnet den Bereich der Wohnung zunächst der Intimsphäre zu und stellt damit an etwaige Eingriffe bereits sehr hohe Anforderungen.100 Das BVerfG sieht die Intimsphäre damit als einen letzten unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung an, der der öffentlichen Gewalt schlechthin entzogen ist.101 Art. 13 GG stellt darüber hinaus die Wohnung ferner sogar ausdrücklich unter Schutz und bestimmt in Abs. 1 dessen Unverletzlichkeit. Der Bereich der Wohnung soll als räumliche Sphäre der Privatheit und Mittelpunkt der menschlichen Existenz geschützt sein und dem Menschen einen Rückzugsraum und die freie Entfaltung der
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Schricker/Loewenheim/Loewenheim/Leistner, UrhR § 2 Rn. 178. BGH NJW 2015, 2023, 2024 ff.; Generell zum Rauchen als vertragsgemäßer Gebrauch BGH NJW 2006, 2915; BGH NJW 2008, 1439. 97 BGH NJW 2018, 773, 775 – Trompeter im Reihenhaus; Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 125; Gramlich, NJW 1985, 2131, 2131 f. 98 Sternel, MietR Rn. 292; Köhler/Kossmann, HB-Wohnraummiete, § 55 Rn. 1. 99 Sternel, MietR Rn. 292; Köhler/Kossmann, HB-Wohnraummiete, § 55 Rn. 1. 100 BVerfG NJW 2004, 999, 1021. 101 BVerfGE 80, 367, 373; BVerfGE 6, 32, 41; BVerfGE 54, 143, 146; BeckOK GG/Lang, Art. 2 Rn. 52. 96
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1. Kap.: Private Bauherren in der Auseinandersetzung mit dem Urhebergesetz
Persönlichkeit sichern.102 Jegliche Eingriffe, welche die räumliche Privatsphäre des Berechtigten verletzen und demnach die freie Entfaltung dessen Persönlichkeit gefährden,103 sind demnach nur unter den Voraussetzungen der Abs. 2 – 7 ausnahmsweise möglich. Der Berechtigte allein soll entscheiden können, wer wann Zutritt zur Wohnung in jedweder Art hat, also sowohl physisch als auch durch Tonoder Bildaufnahmen etc.104 Selbstverständlich beziehen sich diese Rechte auf Mietverhältnisse bzw. auf verfassungsrechtlicher Ebene im Falle des Art. 13 GG auf die Abwehr staatlicher Eingriffe, beispielweise das behördliche Betreten der Wohnung105 oder aber auch Überwachungen,106 und passen deshalb nicht direkt auf die hier zu untersuchenden Konstellationen. Dennoch verdeutlicht die besondere verfassungsrechtliche und sonstige einfachgesetzliche Beachtung des Bereiches der Wohnung in einer Rechtsordnung, dass die Wohnung eine besondere Stellung einnimmt und dieser im Grundsatz ein besonderer Schutz zukommen soll, der sich jedenfalls in der Gewichtung des Sacheigentums insbesondere auf Grund der Betroffenheit dessen freiheitlichen Elements107 niederschlagen wird. Gleichzeitig geht das Urhebergesetz nun aber konträr zu diesem grundsätzlich angelegten starken Schutz der Wohnung gem. § 14 UrhG davon aus, dass der Urheber Änderungen seines Werkes grundsätzlich verhindern darf, so dass diesbezüglich oftmals die Rede von einem urheberrechtlichen Änderungsmonopol ist.108 Letzteres liegt unter anderem deshalb gar nicht so fern, da das Urhebergesetz mit § 64 UrhG eine Schutzfrist von 70 Jahren Post mortem auctoris bestimmt. Schafft ein junger Architekt zu Beginn seiner Laufbahn mit vielleicht 25 Jahren also beispielsweise ein urheberrechtliches Werk im Sinne des Innenbereiches einer Wohnung und erreicht dieser Architekt ein Alter von 80 Jahren, so darf der Eigentümer dieses Werk im Grundsatz erst einmal für die weitere Lebzeit des Architekten von 55 Jahren zuzüglich der 70 Jahre aus § 64 UrhG, im Ergebnis also für 125 Jahre und damit für die Dauer von mehreren Generationen nicht verändern. Bereits vor der Geburtstagszug-Entscheidung des BGH gab es nicht zuletzt auf Grund dieser Schutzfrist Zweifel an der Rechtfertigung des urheberrechtlichen Schutzes. Die Schutzfristen des urheberrechtlichen Schutzes haben sich im Laufe der 102
BVerfGE 89, 1, 6; Hanau, Verhältnismäßigkeit, S 124; sehr treffend auch: Dreier/ Hermes, GG Art. 13 Rn. 16 die Wohnung sei die Stätte des privaten Lebens und Wirkens; v. Münch/Kunig/Kunig, GG Art. 13 Rn 10. 103 v. Mangoldt/Klein/Starck/Gornig, GG Art. 13 Rn. 1. 104 BVerfGE 76, 83, 89 f.; BVerfGE 89, 1, 12; v. Mangoldt/Klein/Starck/Gronig, GG Art. 13 Rn. 2. 105 BVerfGE 65, 1, 40. 106 BVerfGE 65, 1, 40; BVerfGE 109, 279, 309. 107 Hierzu zuvor S. 35 ff. 108 So beispielsweise: BGH GRUR 2012, 58, 60 lehnt den Schutz rein technischer Werke ab, da der Urheber diesen ansonsten für sich monopolisieren könne; ebenso Fromm/Nordemann/ Nordemann, UrhG, Einl. Rn. 72, § 2 Rn. 27; Schack, UrhR Rn. 198.
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Jahrzehnte immer weiter ausgedehnt. Genoss der Urheber nach § 25 KUG a. F.109 und § 29 LUG a. F.110 noch Schutz über eine Dauer von 30 Jahren post mortem auctoris, so wurde diese Schutzfrist durch eine Neufassung des § 25 KUG sowie des § 29 LUG zunächst auf 50 Jahre und 1965 durch das Inkrafttreten des Urhebergesetzes durch § 64 I UrhG auf 70 Jahre Post mortem auctoris verlängert. Die Schutzfrist wurde im Laufe der Zeit also mehr als verdoppelt. Die gleichzeitig unterlassene Anhebung der Schutzvoraussetzung führe zu einem „grotesken Auseinanderklaffen“111 von Schutzvoraussetzungen und Schutzumfang führen, was die Existenz und Rechtfertigung des Urheberrechts insgesamt infrage stelle.112 Sollte sich im weiteren Verlauf der Bearbeitung das erwähnte änderungsrechtliche Monopol bestätigen und führt man sich gleichzeitig nochmals vor Augen, dass es sich bei den Werken der kleinen Münze im Wohnungsbau um den privatesten Bereich des Bauherrn handelt, der gleichzeitig ein elementares und durch die Rechtsordnung stark beachtetes Element der freiheitlichen Entfaltung ist, und auf der anderen Seite ein Werk steht, dass gerade noch über dem Alltäglichen – und damit nicht geschützten– liegt und somit den Architekten gerade noch mit diesem verbinden kann, erscheint das Argument des Rechtfertigungsproblems zunächst nicht unberechtigt zu sein. Auf Seiten des Bauherrn ist jedenfalls zuallererst ein stark wiegendes Eigentumsrecht zu verzeichnen, welches durch die Betroffenheit der Wohnung stark in seinem freiheitlichen Element tangiert sein kann. b) Das Äquivalenzinteresse des Bauherrn aus dem Architektenvertrag Desweiteren wird der Architekt auf Grund der Vereinbarungen eines Architektenvertrages nach § 650p BGB tätig. Dieser verpflichtet den Architekten zunächst die Leistungen zu erbringen, die nach dem jeweiligen Stand der Planung und Ausführung des Bauwerkes erforderlich sind, um die Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen. Im Gegenzug ist der Bauherr verpflichtet, eine dem entsprechende vereinbarte Vergütung nach §§ 650p, 650q, 631 I, 632 I BGB oder eine taxmäßige Vergütung nach §§ 650p, 650q, 631 I, 632 II, BGB nach der HOAI zu zahlen. Als Äquivalent zur somit geschuldeten Vergütung wird dem Bauherrn daran gelegen sein, diese Planung auch im Sinne des Gebrauchszweckes eines Wohnungsbaus, bei dem etwaige Änderungen wohl den Regelfall darstellen, zu verwenden, also auch das bestehende Bauwerk gegebenenfalls hierfür ändern zu dürfen. 109
In der Fassung vom 9. 1. 1907. In der Fassung vom 19. 6. 1901. 111 So wörtlich: Thoms, Kleine Münze, S. 263; weniger drastisch: Rehbinder/Peukert, UrhR Rn. 153 spricht von fehlender sachlicher Rechtfertigung für das hohe Schutzniveau; Schmieder, UFITA 61 (1971), 127, 143; Schulze, Kleine Münze, S. 139 die angehobenen Fristen seien ein Indiz für höhere Anforderungen im UrhG. 112 Thoms, Kleine Münze, S. 262. 110
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1. Kap.: Private Bauherren in der Auseinandersetzung mit dem Urhebergesetz
2. Die Interessenlage auf Seiten des Architekten a) Das Eigentumsrecht nach Art. 14 GG Auf der anderen Seite steht etwaigen Änderungsinteressen des Bauherrn das Urheberrecht des Architekten gegenüber. Das Urhebergesetz schützt den Schaffenden zunächst nach § 11 UrhG in seiner geistigen persönlichen Beziehung zum Werk bzw. in der Nutzung des Werkes und soll dem Urheber gleichzeitig eine angemessene Vergütung für etwaige Nutzungen sichern. Auch das Urheberrecht findet dabei zunächst im Eigentumsrecht des Art. 14 GG eine verfassungsrechtliche Verankerung113 und stellt demnach im Ausgangspunkt ebenfalls ein ausschließliches absolutes Recht dar, das dem Architekten zugeordnet ist.114 Auch der Architekt kann sich folglich auf ein ihm privatnützig zugeordnetes Herrschaftsrecht über seine Gestaltung berufen und dieses etwaigen Änderungsbegehren des Sacheigentümers entgegenhalten. Das Urheberrecht des Schaffenden umfasst dabei, wie § 11 UrhG andeutet, eine ideelle und wirtschaftliche Komponente, welche sich in den Schutzrechten der §§ 12 ff. UrhG widerspiegelt. Die §§ 12 – 14 UrhG schützen zunächst im 2. Unterabschnitt des 4. Abschnitts des UrhG zum „Inhalt des Urheberrechts“ die ideellen Interessen des Schaffenden und damit das sog. Urheberpersönlichkeitsrecht. Die §§ 15 ff. sichern dem Urheber die Verwertung seines Werkes und eine angemessene Vergütung für jegliche Nutzungen dessen und damit die wirtschaftlichen Interessen. Der Urheber erhält hierdurch das erwähnte umfassende absolute Recht über seine Gestaltung i. S. d. Eigentumsrechts des Art. 14 GG. b) Ideelles Schutzinteresse Das Urheberpersönlichkeitsrecht des 2. Unterabschnitts des 4. Abschnitts des Urhebergesetzes schützt den Urheber in seiner ideellen Komponente des Urheberrechts. Das Urheberpersönlichkeitsrecht steht dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht wesensmäßig aus Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG nahe,115 unterscheidet sich jedoch dadurch, dass der urheberrechtliche Schutz nicht direkt an die Person des Schaffenden anknüpft, sondern vielmehr an die Beziehung des Schaffenden zu seinem Werk, welche durch die individuelle Prägung im Schaffensprozess entsteht.116 Je 113
BVerfG GRUR 1972, 481, 483; BVerfG GRUR 2012, 53, 56; Dreyer/Kotthoff/Meckel/ Dreyer, UrhG, Einl. Rn. 18; Schricker/Loewenheim/Loewenheim, UrhR, Einl. Rn. 13. 114 Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhG, Einl. Rn. 19; siehe auch BT-Drcks. IV/270, S. 29; Fromm/Nordemann/Nordemann, UrhR, Einl. Rn. 72. 115 BT Drcks. IV/270, S. 45; Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 14 Rn. 4. 116 Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhG § 14 Rn. 1, 3.
B. Folgen dieser Rechtsentwicklung für Werke der Baukunst
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deutlicher diese Prägung ausgestaltet ist, desto stärker wird das Werk auf den Schaffenden hinweisen. Bei manchen Werkgestaltungen wird diese Bindung so deutlich sein, dass die Gestaltungen ohne weiteres einem bestimmten Urheber zuzuordnen sind. Sieht man sich beispielsweise das „Heydar Aliyev Center“ in Baku, das „One Thousand Museum“ in Miami oder aber auch das Opernhaus in Guangzhou an, kann ohne weiteres schnell einen Bezug zur Architektin Zaha Hadid hergestellt werden, da die Werke förmlich die Handschrift der Urheberin tragen. Auch wenn eine derartige Ausprägung für einen urheberrechtlichen Schutz nicht notwendig ist,117 lässt sich daran doch der Schutzzweck des Urheberpersönlichkeitsrecht verdeutlichen. Steht der Schaffende nämlich mit seinem Werk in Verbindung und ist dieses der öffentlichen Anschauung ausgesetzt, lässt sich in der Theorie – bei Werken der kleinen Münze, also solchen, die gerade noch eine wahrnehmbare Individualität aufweisen, wird dies wohl sehr schwerfallen – eine Assoziation zum Schaffenden herstellen. Einem Architekten wird deshalb zunächst daran gelegen sein, dass das Werk ihm nur in der von ihm vorgesehenen Art und Weise der Gestaltung zugerechnet wird.118 Es soll verhindert werden, dass die vom Schaffenden autorisierte Wirkung des Werkes im öffentlichen Kommunikationsprozess mit dem Betrachter beeinträchtigt oder verfälscht wird.119 Aus diesem Grund geben die §§ 14 und 39 UrhG120 dem Urheber zunächst ein grundsätzliches Änderungsverbot121 über das Werk und bestimmen, dass dieser Änderungen und Entstellungen verhindern kann. Auf ideeller Ebene streitet also für den Architekten zunächst das Urheberpersönlichkeitsrecht, welches verfassungsrechtlich neben der Verankerung des Urheberrechts im Eigentumsrecht einen persönlichkeitsrechtlichen Einschlag aus Art. 1 I, Art. 2 I GG hat.122
117
Fromm/Nordemann/Nordemann, UrhR § 2 Rn. 22. RGZ 79, 397, 399 – Felseneiland mit Sirenen; BGH GRUR 1974, 675, 676 – Schulerweiterung; BGH 1999, 230, 232 – Treppenhausgestaltung, der Bauherr habe sich über das Interesse des Urhebers hinweggesetzt sich keine fremden Gestaltungen zurechnen lassen zu müssen; BGH GRUR 2008, 984, 986 – St. Gottfried; Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhG, § 14 Rn. 1; Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhG, § 14 Rn. 3. 119 BT-Drcks. IV/270, S. 45; Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhG, § 14 Rn. 1. 120 Zum Verhältnis beider Normen siehe im Folgenden S. 154 ff. 121 BGH GRUR 1974, 675, 676 – Schulerweiterung; Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhG, § 14 Rn. 2. 122 Hierzu im Folgenden ausführlich S. 119 ff. 118
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1. Kap.: Private Bauherren in der Auseinandersetzung mit dem Urhebergesetz
c) Wirtschaftliches Nutzungsinteresse aa) Zusammenspiel von Ausschließlichkeitsrechten und Nutzungsrechteeinräumung Auf Grund dieser Wesensähnlichkeit zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht ist das Urheberrecht zunächst an die Person des Schaffenden gebunden.123 Es ist deshalb nach § 28 UrhG zwar mit dem Tode vererblich, allerdings an sich grundsätzlich nach § 29 I UrhG nicht übertragbar. Damit der Urheber dennoch sein Werk verwerten, also wirtschaftlich nutzen kann,124 sprechen die §§ 15 ff. UrhG dem Schaffendem zunächst die sog. Verwertungsrechte in ausschließlich zu.125 Allein der Urheber kann so beispielsweise entscheiden, ob sein Werk nach § 16 UrhG vervielfältigt, nach § 17 UrhG verbreitet wird etc. Gleichzeitig ist es dem Urheber wie bereits zuvor erwähnt möglich, Nutzungsrechte nach §§ 31 ff. UrhG einzuräumen, für welche § 32 UrhG diesem einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung gibt, welcher nach § 32 I S. 3 UrhG zusätzlich einen Anspruch des Urhebers auf eine Einwilligung in die Vertragsänderung durch den Benutzer für den Fall umfasst, dass eine etwaig vereinbarte Vergütung nicht angemessen ist. Dieses Zusammenspiel von Ausschließlichkeitsrechten auf der einen und möglichen vertraglichen Bestimmungen auf der anderen Seite sichert dem Urheber eine wirtschaftliche Komponente an seinem Werk, welche dieses zunächst ideell erhalten kann, gleichzeitig aber auch hierdurch finanziell verwerten kann. Neben die ideellen Interessen, welche durch das Urheberpersönlichkeitsrecht gesichert werden, treten also finanzielle Interesse des Schaffenden am Werk. bb) Monistische Verknüpfung ideeller und wirtschaftlicher Interessen Diesem Zusammenspiel trägt § 11 UrhG Rechnung, der als Eingangsnorm der Schutzrechte präambelartig126 bestimmt, dass das Urhebergesetz den Urheber nach Satz 1 in seiner geistigen und persönlichen Beziehung zum Werk schützt, ihm zugleich aber auch eine angemessene Vergütung nach Satz 2 sichern soll. Auf Seiten des Architekten sind also ideelle und wirtschaftliche Interessen an seinem Werk zu verzeichnen, welche in einem eng verflochtenen und untrennbaren, sog. monistischen Verhältnis zueinanderstehen.127 123
Hierzu im Folgenden ausführlich S. 121 ff. Hierzu: Schricker/Loewenheim/Ohly, UrhG Vor. §§ 31 ff. Rn. 3 f. Der Urheber sei auf die Hilfe kommerzieller Verwerter angewiesen, welche somit das Bindeglied zwischen kreativem Urheber und dem Endnutzer eines urheberrechtlichen Werkes. 125 Schack, UrhR Rn. 475. 126 Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 11 Rn. 2 spricht von Generalklausel; BeckOK UrhR/Kroitzsch/Götting, § 11 Rn. 1 spricht von einer Konstituierung des Leitbildes des UrhG den Schaffenden in seiner umfassenden Beziehung zum Werk zu schützen; Wandtke/Bullinger/ Bullinger, UrhR § 11 Rn. 1 spricht von einem einleitenden Charakter der Norm. 127 BT-Drcks. IV/270, S. 43; Schricker/Loewenheim/Loewenheim/Peifer, UrhR § 11 Rn. 3; Ulmer, UrhR § 17 I 2; Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 11 Rn. 3. 124
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Verfassungsrechtlich sind die wirtschaftlichen Interessen des Architekten insbesondere durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG gesichert. Daneben treten die erwähnten ideellen Schutzrechte, welche ihre Verankerung im Grundgesetz in den Art. 1 I und Art. 2 I GG finden. d) Wahrnehmung der Rechte im Falle des angestellten Architekten Denkbar ist neben der Beauftragung eines selbstständigen Architekten auch die Beauftragung eines Architektenbüros, innerhalb dessen dann ein angestellter Architekt die Planungen für ein errichtetes Bauwerk erstellt hat. Auf Grund des persönlichkeitsrechtsähnlichen Charakters des Urheberpersönlichkeitsrechts und der aus § 29 UrhG folgenden Unübertragbarkeit des Urheberrechts an sich nach § 29 I UrhG verbleiben insbesondere die ideellen Schutzrechte stets beim schaffenden Architekten. Auch kann die vom Urhebergesetz vorausgesetzte persönliche Bindung zu einem Werk nur zu einer natürlichen Person bestehen und demnach nur zum angestellten Architekten selbst und nicht zum Architektenbüro als juristische Person.128 Sicherlich können hier arbeitsrechtliche Vereinbarungen bestehen, urheberrechtlich aber vermag dies nichts an der Tatsache der Unübertragbarkeit und demnach der Knüpfung ideeller Schutzrechte an die Person des schaffenden Architekten zu ändern. Sofern also ein Architektenbüro ein Bauwerk geplant hat, so bleibt das Urheberrecht stets beim Schaffenden. Hiervon zu unterscheiden sind jedoch die Verwertungsrechte an einer Gestaltung. Nach den §§ 15 ff. UrhG kann der Urheber Nutzungsrechte nach 31 UrhG einräumen, die es dem Architektenbüro so beispielsweise ermöglichen ein Planung nach § 16 UrhG auszuführen, also urheberrechtlich zu vervielfältigen oder aber Nutzungsrechte nach § 34 UrhG auf Dritte zu übertragen. Erst hierdurch, nicht aber etwa durch die Erlangung eines Urheberrechts an sich wird ein Architektenbüro in die Lage versetzt, ein Werk anstelle des Architekten zu verwerten. e) Die Kunstfreiheit nach Art. 5 III GG Auch wenn – und dies sei nochmals deutlich betont – es für eine Einstufung als urheberrechtlich schützenswertes Werk nicht auf die Einstufung als Kunst ankommen kann, so ist die Gestaltung des Architekten doch möglicherweise auch durch die in Art. 5 III S. 1 GG normierte Kunstfreiheit geschützt.
128
Siehe hierzu Fn. 16 in diesem Kapitel.
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1. Kap.: Private Bauherren in der Auseinandersetzung mit dem Urhebergesetz
aa) Das Schaffen des Architekten als Kunst i. S. d. Art. 5 III GG Auch im Rahmen des Art. 5 III GG sucht der Rechtsanwender zunächst vergeblich nach einer umfassenden Definition der Kunst. Auch das Bundesverfassungsgericht spricht nunmehr von der „Unmöglichkeit, Kunst generell zu definieren“.129 Doch kann dies allgemein nicht davon entbinden, den Schutzbereich und damit auch die Kunst so weit zu definieren, dass klar ist, was in den Anwendungsbereich zählen kann und was nicht.130 Der Staat kann letztlich nichts schützen, das er nicht – und wenn auch nur vage – definieren kann, so dass von einem Definitionsgebot auszugehen ist.131 Hierzu entwickelten sich über die Jahre unterschiedliche Ansätze einer Definition oder Umschreibung der verfassungsrechtlichen Kunst.132 Nach einem engeren materiellen Kunstbegriff sei das Wesentliche der künstlerischen Betätigung die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden. Alle künstlerische Tätigkeit sei ein Ineinander von bewussten und unbewussten Vorgängen, die rational nicht aufzulösen sind. Beim künstlerischen Schaffen wirken Intuition, Phantasie und Kunstverstand zusammen; es ist primär nicht Mitteilung, sondern Ausdruck und zwar unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers.133 Nach einem formellen Kunstbegriff komme es darauf an, dass bei formaler, typologischer Betrachtung die Gattungsanforderungen eines bestimmten Werktyps erfüllt sind, sich das streitgegenständliche Objekt also einer der überlieferten künstlerischen Tätigkeiten oder Werkkategorien zuordnen lässt.134 In jüngerer Zeit stellt das Bundesverfassungsgericht nunmehr auf einen offenen Kunstbegriff ab. Das entscheidende Merkmal einer künstlerischen Äußerung sei darin zu sehen, dass es wegen der Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehaltes möglich ist, der Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiterreichende Bedeutungen zu entnehmen, so
129 BVerfGE 67, 213, 225 – Anachronistischer Zug; vgl. auch BVerfGE 119, 1, 20; ebenfalls das Bundesverwaltungsgericht in BVerwGE 39, 197, 207; siehe näher zur Bestimmung durch einen formellen und materiellen Kunstbegriff Dreier/Wittreck, GG Art. 5 III (Kunst) Rn. 37 ff.; v. Mangoldt/Klein/Starck/Starck/Paulus, GG Art. 5 Rn. 420 ff.; Sachs/Bethge, GG Art. 5 Rn. 182 spricht von der „Quadratur des Kreises; Schack, UrhR Rn. 225. 130 BGH NJW 1975, 1882, 1884; zustimmend v. Münch/Kunig/Wendt, GG Art. 5 Rn. 89. 131 BVerfGE 75, 369, 377 – Strauß-Karikatur; BeckOK GG/Kempen, Art. 5 Rn. 157; v. Mangoldt/Klein/Starck/Starck/Paulus, GG Art. 5 Rn. 420; Maunz/Dürig/Scholz, GG Art. 5 III Rn. 25; v. Münch/Kunig/Wendt, GG Art. 5 Rn. 89; Stern, Staatsrecht IV/2, S. 623. 132 Hierzu im Überblick Dreier/Wittreck, GG Art. 5 III Rn. 37 ff.; v. Mangoldt/Klein/Starck/ Starck/Paulus, GG Art. 5 Rn. 420 ff. 133 Maßgebend: BVerfGE 30, 173, 188 f. – Mephisto. 134 Maßgebend: Müller, Freiheit der Kunst, S. 35 ff.
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dass sich eine praktisch unerschöpfliche, vielstufige Informationsvermittlung ergibt.135 Da das Schaffen des Architekten wohl nach allen Definitionsansätzen, insbesondere bereits nach dem engen, materiellen Ansatz136 verfassungsrechtlich als Kunst anzusehen ist, kommt es auf eine genauere Auseinandersetzung mit den einzelnen Begriffen nicht an. Im Grundsatz ist der Architekt in seinem Schaffen auch über die Kunstfreiheit geschützt. Fraglich ist indes, ob dies gegenüber etwaigen Änderungsbegehren gelten-, sprich ob die Kunstfreiheit auch die Werkintegrität Schützen kann. bb) Der durch Art. 5 III GG gewährte Schutz Der Schutz des Art. 5 III GG sichert dem Einzelnen sowohl den Werkbereich als auch den Wirkbereich des Schaffensprozesses. Der Werkbereich umfasst zunächst das Werkschaffen an sich, also die Erschaffung des Werkes, sowie alle Vorbereitungshandlungen dazu.137 Der Wirkbereich umfasst hingegen den Öffentlichkeitsaspekt der Kunst, also die Verbreitung oder sonstige Vermittlung an das Publikum, sprich den Kommunikationsaspekt der Schaffensleistung.138 Art. 5 III GG umfasst deshalb ein Freiheitsrecht für alle Kunstschaffenden und alle an der Darbietung und Verbreitung von Kunstwerken Beteiligten, das sie vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt in den künstlerischen Bereich schützt.139 Wie bereits der Bestimmungsversuch des Bundesverfassungsgerichts im Mephisto-Urteil verdeutlicht, ist ein Element der Kunst der Ausdruck und die Verwirklichung des einzelnen Bürgers durch seine Schaffenstätigkeit, so dass das Grundrecht zunächst eine höchstpersönliche (geistige) Freiheitsgarantie gibt.140 Gleichzeitig steht die Kunst aber in einem Grundrechtsartikel verbunden mit der Meinungsfreiheit, der Pressefreiheit etc., wodurch sich bereits erahnen lässt, dass sich die Kunst nicht in diesem Ausdrucks- und Verwirklichungsbestreben er135 BVerfG NJW 1985, 261, 262; OLG Nürnberg ZUM-RD 2020, 274, 285; Häberle, AöR 110 (1985), 577, 597; Ladeur, AfP 2008, 30, 31. 136 Dreier/Wittreck, GG Art. 5 III Rn. 39 bezeichnet diesen in Fn. 157 als obsolet. Auch heutige Entscheidungen führen allerdings teilweise lediglich aus, dass Schaffenstätigkeiten nach dem materiellen Ansatz geschützt seien, siehe hierzu beispielweise: BVerfG NJW 2019, 1277, 1278; BVerfG NJW 2008, 39, 40 – Esra; BVerfG 2247, 2250. 137 BVerfGE 30, 173 ,189 – Mephisto, BVerfGE 67, 213, 224; BVerfGE 119, 1, 21 f.; Stern, Staatsrecht IV/2, S. 633. 138 BVerfGE 30, 173, 189 – Mephisto, BVerfGE 119, 1, 21 f. BGH ZUM 2019, 521, 524 – PHaradise; BGH GRUR 2019, 609, 612 – HHole; BGH GRUR 2019, 619, 620 – Minigolfanlage; Stern, Staatsrecht IV/2, S. 633. 139 BVerfGE 30, 173, 189 – Mephisto. 140 BVerfGE 30, 173, 189 – Mephisto.
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1. Kap.: Private Bauherren in der Auseinandersetzung mit dem Urhebergesetz
schöpft.141 Vielmehr umfasst sie auch einen kommunikativen Aspekt, ist Kunst doch ein Medium des Ausdrucks, regt zum Denken an und kann ein machtvolles Instrument der Kritik sein. Fraglich ist, ob sich daraus ein Integritätsschutz beispielsweise für Werkgestaltungen eines Architekten ableiten lässt, weil dieser sich in seinem Wirkbereich beeinträchtigt sieht. So könnte man annehmen, dass die Substanz des Werkes eine Mittlerfunktion in der Kommunikation zwischen Künstler und Rezipienten übernehme, weshalb der Wirkbereich auch den Bestand der Substanz des Werkes schütze.142 Wirft man allerdings einen Blick auf den Sinn und Zweck eines Schutzes des Wirkbereiches, so überzeugt dies nicht. Ohne eine Erstreckung des Schutzbereiches des Art. 5 III GG wären gewisse Kunstarten trotz eines möglichen Schutzes des Schaffensprozesses an sich dennoch nicht gesichert. Ein Theaterstück beispielsweise wird ohne eine Aufführung nicht in Kommunikation mit dem Betrachter treten können, auch wenn der Regisseur das Werk im Einzelnen frei ausarbeiten kann, gleichsam benötigt Musik Aufführungsmöglichkeiten und die Verteilung durch Medien und Verleger, genau wie ein Roman oder ein Gedicht verlegt werden muss, will es nicht lediglich eine gute Idee auf dem Schreibtisch des Schaffenden bleiben. Der Schutz der Kunst wäre für solche Kunstbereiche nicht mehr als eine leere Worthülse, würde man den Kommunikationsakt an sich nicht mit einbeziehen, da eben jene eines Mitteilungsprozesses zum Publikum bedürfen.143 Auch gibt es Kunstarten, bei denen Werk- und Wirkbereich mitunter zusammenfallen, beispielsweise im Falle von Aktionskunst, Street Art oder auch der hier relevanten Baukunst.144 Durch die Errichtung des Bauwerkes, gelangt dieses in die Kommunikation mit der Öffentlichkeit. Würde dem Architekten nun das Bauen generell versagt, könnte dies mitunter ein Eingriff in die Kunstfreiheit sein. Mit Sicherung der Möglichkeit, in diesen Kommunikationsprozess eintreten zu können, endet der Schutzbereich des Art. 5 III GG. Möglicherweise wäre noch eine direkte Änderung nach Setzen des letzten Steines umfasst, da so die Kommunikation nicht entstehen könnte,145 einen
141
Sachs/Bethge, GG Art. 5 Rn. 23 auch in Bezug auf die Kunstfreiheit sei das Freiheitskonzept des Art. 5 daher ambivalent, wenn nicht gar multivalent. 142 Jänecke, Das Zerstörungsverbot, S. 121; scheinbar auch BGH GRUR 2019, 619, 620 f. – Minigolfanalage, das Gericht stellt hierbei heraus, dass als Gegenrecht zum Eigentum des Bauherrn, welches diesen berechtigt mit der Sache nach Belieben zu Verfahren und es auch zu zerstören die Kunstfreiheit nach Art. 5 III für den Schaffenden ficht; ebenso, aber ohne Hinweise auf ein Gegenrecht zum Eigentum, in: BGH GRUR 2019, 609, 612 – HHole; BGH ZUM 2019, 521, 524 – PHaradise. 143 Stern, Staatsrecht IV/2, S. 633. 144 v. Mangoldt/Klein/Starck/Starck/Paulus, GG Art. 5 Rn. 432. 145 So war beispielweise der verhüllte Reichstag von Christo und Jeanne-Claude auf Zeit vor beeinflussenden umgebenden Bauwerken geschützt, da ansonsten die intendierte Mahnwirkung
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Schutz auf Sicherung der Werkintegrität auf Dauer jedenfalls ist durch Art. 5 III GG nicht mehr erfasst.146 Der Architekt steht hierdurch allerdings nicht schutzlos dar, auch wenn ihm ein vorbehaltloses Recht147 über Art. 5 III GG nicht gewährt wird. Vielmehr kann sich der Architekt hier auf das Eigentumsrecht des Art. 14 GG oder aber auch auf persönlichkeitsrechtliche Elemente nach Art. 1 I, 2 I GG berufen.148 Verfassungsrechtlich streiten für den Architekten also mit Blick auf die hier zu untersuchenden Änderungsbegehren des Bauherrn an seinem Eigenheim insbesondere das Eigentumsrecht nach Art. 14 GG, welches hier auch geistige Leistungen erfassen kann, und Elemente des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 1 I, Art. 2 I GG. f) Auswirkung der geringen Individualität Durch die allmählich zu verzeichnende Absenkung der Schutzuntergrenze entstehen die genannten urheberrechtlichen Schutzrechte mitunter auch an architektonischen Leistungen der kleinen Münze, also solchen, die gerade noch über dem Alltäglichen einzuordnen sind. Insbesondere die ideellen Schutzrechte und damit auch das hier im Fokus der Untersuchung stehende urheberrechtliche Änderungsverbot knüpfen aber an eben diese Bindung des Schaffenden zum Werk an. Sie ist die Rechtfertigung, dem Urheber ein Recht einzuräumen, welches wesensnah zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht dessen Geltungsanspruch in der Öffentlichkeit und damit die Zurechnung einer Werkgestaltung in der Art, wie der Schaffende dies im Sinn hatte, sichert. Da wie oben angesprochen die Individualität graduell aber unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann und die angesprochene Beziehung oder Bindung des Schaffenden zum Werk das Resultat dieser vorhandenen Individualität ist, kann auch die Bindung des Schaffenden zum Werk in unterschiedlich starker Art und Weise zu Tage treten, bei Werken der kleinen Münze gerade noch wahrnehmbar sein. Je geringer der Grad der festzustellenden Individualität des Werkes ist, umso geringer ist äquivalent dazu die in § 11 UrhG angesprochene Bindung zwischen dem Werk und seinem Schöpfer. Das Urhebergesetz hat damit weniger Anknüpfungsfläche für einen etwaigen urheberrechtlichen Schutz. Zudem wird das Werk bei abnehmender Gestaltungshöhe bis zur Grenze des Alltäglichen immer weniger auf die Person des Schaffenden hinweisen, sodass auch die angesprochene Kommunikationswirkung der Schöpfung und der daraus folgende soziale Geltungsanspruch anders zu bewerten beeinflusst werden würde. Dieses Recht war allerdings ebenfalls zeitlich beschränkt. Siehe hierzu: VG Berlin NJW 1995, 2650 – verhüllter Reichstag. 146 Zu Recht deshalb ablehnend Riesenkampff, Inhalt und Schranken, S. 93 f. 147 Vorbehaltslos im Sinne einer fehlenden geschriebenen Schranke. Selbstverständlich gelten auch hier verfassungsimmanente Schranken. 148 Riesenkampff, Inhalt und Schranken, S. 94.
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1. Kap.: Private Bauherren in der Auseinandersetzung mit dem Urhebergesetz
sein werden. Ohne der weiteren Bearbeitung zu weit vorgreifen zu wollen,149 wird in der Folge auch die Gewichtung des Integritätsinteresses des Architekten hierbei äquivalent zur Gestaltungshöhe abnehmen müssen. Dennoch normiert das Urhebergesetz zunächst einmal das Recht, jegliche Beeinträchtigungen zu verhindern. Da nun das Gros der Bauwerke privater Bauherren in Eigennutzung eher gerade noch über dem Alltäglichen liegen wird, ist auch die angesprochene Bindung des Architekten zum Werk in diesem Bereich gering bis sehr gering. Der Fläche, welche dem Urheberrecht für die Anknüpfung von Recht des Schaffenden verbleibt, ist also in Relation zu einem hoch individuellen Prestigeobjekt vergleichsweise gering.
C. Zwischenbetrachtung Spätestens seit der Geburtstagszug-Entscheidung des BGH ist die Argumentation einer erhöhten Gestaltungshöhe als konstitutives Element eines urheberrechtlichen Schutzes nicht mehr tragbar, so dass auch im Bereich der Baukunst die kleine Münze in den Fokus des Schutzbereiches rückt. Bei solchen Werken der kleinen Münze ist die festzustellende Individualität und damit auch die Bindung zwischen dem schaffenden Architekten und seinem Werk sehr gering bis kaum noch wahrnehmbar. Erforderlich ist aber lediglich, dass das Werk über den alltäglichen, architektonischen Routineschaffensleistungen einzuordnen ist.150 Und genau in diesem Bereich, in dem eine Bindung des Urhebers weniger bis kaum noch festzumachen ist – und natürlich auch darunter –, liegt wohl ein Großteil der Bauwerke, welche dem Bauherrn gleichzeitig als Eigenheim und damit als privatester Rückzugsbereich dienen. Solche Bauwerke in der Nutzung als Eigenheim bergen allerdings einen neuen Aspekt, welcher bislang in der urheberrechtlichen Betrachtung der Baukunst eine eher untergeordnete Rolle gespielt hat. Mit der zunehmenden Öffnung des Schutzbereiches des Urhebergesetzes nach unten kommen Bauherren mit dem Urheberrecht in Kontakt, die durch die Nutzung des Werkes als Eigenheim und damit als privatester Lebensbereich etwaigen Urheberinteressen ein äußerst starkes und im Vergleich zu den bisherigen Konstellationen durch andere Erwägungen gestütztes, existenzielles Eigentümerinteresse entgegenhalten können, das auch in der sonstigen Rechtsordnung im Verfassungsrecht insbesondere durch Art. 13 GG deutliche Beachtung und starken Schutz findet. Dieses Zusammenspiel von äußerst starken und im Vergleich zu bisherigen Konstellationen anders zu begründenden Eigentümerinteressen, bei regelmäßig sehr niedriger, bis kaum wahrnehmbarer Bindung des Schaffenden zum entsprechenden Werk, prägt die Besonderheit der Bauwerke in privater Eigenheimnutzung im Schutzbereich des Urhebergesetzes. 149 150
Siehe hierzu im Folgenden S. 121 f. Siehe hierzu zuvor S. 30 ff.
C. Zwischenbetrachtung
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Auf der einen Seite möchte der Bauherr aus seinem Eigentumsrecht heraus mit der Sache verfahren, wie ihm dies beliebt und möchte Änderungen oder auch komplette Umgestaltungen beispielsweise des Innenraums, Anbauten etc. vornehmen können, welche mit einem geänderten Bedürfnis über die lange Nutzdauer eines Bauwerkes als Eigenheim verknüpft sind und regelmäßig auch wohl zu erwarten sind. Auf der anderen Seite gibt das Urhebergesetz dem Architekten diametral zu diesen starken Eigentümerinteressen ebenfalls starke subjektive und verfassungsrechtlich zum einem im Eigentumsrecht des Art. 14 GG und zum anderen auf ideeller, persönlicher Schutzebene im allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Art. 1 I, Art. 2 I GG gesicherte Schutzrechte. Trotz der geringen Bindung innerhalb der kleinen Münze der Baukunst, welche letztlich aber die Grundlage für einen persönlichkeitsrechtlichen Schutz des Schaffenden ist, hat auch hier der Architekt zunächst einmal das Recht, Änderungen an seinem Werk nach den §§ 14, 39 UrhG zu verhindern, so dass dieser im Grundsatz ein änderungsrechtliches Monopol am Werk hält, welches es ihm ermöglicht, Einwirkungen auf eine extrem lange Schutzdauer von insgesamt 70 Jahren post mortem auctoris gem. § 64 UrhG zu verhindern. Bereits vor der Geburtstagszug-Entscheidung und einer Entwicklung, innerhalb des Urheberrechts die Schutzuntergrenze nach und nach tiefer anzusetzen, wurden die Rechte des Urhebers insbesondere mit Blick auf die 70-jährige Schutzfrist post mortem auctoris als unangemessen kritisiert. Der starke Schutz des Urhebergesetzes sei nur zu rechtfertigen, wo Werke auch deutlich individuell gestaltet seien, also letztlich dort, wo eine starke Verbindung zwischen Werk und Schaffenden, wie sie § 11 UrhG anspricht, festgestellt werden kann. Wer zu viel schütze brauche sich nicht wundern, wenn der Bevölkerung bei Urheberrechtsverletzungen das Unrechtsbewusstsein fehle.151 Mit Blick auf diese äußerst konträre Interessenlage bei gleichzeitig grundsätzlich bestehenden starken Rechten aus dem Urhebergesetz, scheint dieses Argument an Bedeutung zu gewinnen, sofern es nicht in der Lage ist, jene Diskrepanzen angemessen und einzelfallbezogen zu regeln.
151 Rehbinder/Peukert, UrhR Rn. 202 der für eine Verweisung der kleinen Münze auf das Wettbewerbsrecht plädiert. Siehe auch Schack, UrhR Rn. 292 ff.
2. Kapitel
Theoretischer Ansatz eines angemessenen Ausgleichs der kollidierenden Interessen Im Ausgangspunkt stehen sich also die verfassungsrechtlich verankerten Positionen des Architekten und des Bauherrn gegenüber, wobei es auf Seiten des Architekten zu starken Schwankungen hinsichtlich der Gewichtung des Integritätsinteresses durch die unterschiedlich ausgeprägte Individualität kommen kann. Gerade im Bereich der kleinen Münze ist die Bindung zum Werk kaum noch wahrnehmbar, gleichzeitig zieht ein bestehendes Urheberrecht des Architekten unter Umständen weitreichende Schutzrechte mit extrem langen Schutzfristen nach sich und trifft den Bauherrn in einem auch von der sonstigen Rechtsordnung stark geschützten Bereich mitunter äußerst empfindlich. Will man nun die Rechtfertigung eines urheberrechtlichen Schutzes, in diesem Bereich, nicht infrage stellen, muss ein angemessener Ausgleichsmechanismus gefunden werden, der auf diese starke Diskrepanz der kollidierenden Interessen reagieren kann.
A. Der Regelungsgehalt des Urhebergesetzes und das zwingende Bedürfnis einer „Flexibilität“ des Rechts Wirft man hierzu einen Blick auf die infrage kommenden Schutzobjekte des Urhebergesetzes, so sind diese nach §§ 1, 2 UrhG Werke der Kunst und damit zunächst einmal Schaffensleistungen, bei denen dem Schöpfer eine unüberblickbare und unendliche Anzahl verschiedener und von Fall zu Fall variierender Kombinationsmöglichkeiten von wiederum unterschiedlichsten und kaum in ihrer Vielzahl überschaubareren Gestaltungselementen zur Verfügung stehen. Der Werkbegriff und das dort verankerte Kernmerkmal der Individualität, die nun diesen unendlich weiten Bereich im Sinne des Schutzzwecks des Urhebergesetzes eingrenzen und einer rechtlichen Handhabe zugänglich machen sollen,1 müssen hierfür an diese mannigfaltigen Kombinationsmöglichkeiten anknüpfen. Jedes Werk ist dabei wiederum eine eigenständige Kombination aus diesen unendlichen Kombinationsmöglichkeiten und muss bereits aus diesem Grund für sich genommen betrachtet werden. Auch in der Auswahl der zu bewertenden Gestaltungselemente 1
Siehe hierzu zuvor S. 25.
B. Die Möglichkeit einer „Flexibilisierung“ des Rechts
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muss das Urhebergesetz einzelfallbezogen agieren, denn es kommt hinzu, dass Vorgaben physikalischer, topographischer Art oder solche aus dem Zweck des Bauwerkes von der Bewertung ausgenommen werden müssen, weil hierauf beruhende Gestaltungselemente gerade keine freien, kreativen Entscheidungen des Schaffenden darstellen können.2 Welche Vorgaben hierbei durch den Verwendungszweck oder den Baugrund eine Rolle mit Blick auf die Gestaltung gespielt haben, wird kaum pauschal festlegbar sein. Durch das quantitative Element der Individualität, beschrieben durch die Gestaltungshöhe,3 können überdies sowohl das im Schutzbereich der kleinen Münze liegende Wohnhaus in der Nachbarschaft als auch architektonische, hochindividuelle Paradeleistungen wie das Heydar Aliyev Center oder die Elbphilharmonie der Architekten Herzog & deMeuron Gegenstand des urheberrechtlichen Schutzes sein. Derselbe Regelungskatalog muss also in der Lage sein, die widerstreitenden Positionen in beiden Extremen in Einklang zu bringen und dem entsprechenden Werk Schutzrechte in angemessener, einzelfallbezogener Art und Weise zugestehen zu können. Ordnete das Urhebergesetz in der Folge eines etwaigen Schutzes starre und pauschale Schutzrechte an, sorgte dies ins eine wie ins andere Extrem für unbillige Ergebnisse, da entweder der Schutz architektonischer Meisterleistungen unzureichend wäre oder aber kleinstindividuelle Leistungen in einem nicht zu rechtfertigenden Maße geschützt würden. Beginnend bei der Bestimmung der Schutzobjekte bis hin zur Bewertung der einzelnen, daraus folgenden Schutzrechte ist das Urheberrecht also durch die Natur der zu regelnden Sache in besonderer Weise darauf angewiesen die Umstände des Einzelfalls berücksichtigen und bewerten zu können, was nicht ohne ein hohes Maß an Flexibilität zu bewerkstelligen ist.
B. Die Möglichkeit einer „Flexibilisierung“ durch unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln Untersucht werden soll deshalb zunächst, wie eine solche Flexibilität des Rechts generell erreicht werden kann, um so dann etwaige Schlüsse auf die Handhabe des Urheberrechts im Bereich der kleinen Münze der Baukunst ziehen zu können.
I. Ausgangspunkt der Utopie rein kasuistischer Gesetzgebung Um die Hintergründe einer solchen Gestaltung des Rechts verstehen zu können, bietet sich eine rechtshistorische Betrachtung an. 2 3
Siehe hierzu zuvor S. 27. Siehe hierzu zuvor S. 27 f.
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2. Kap.: Theoretischer Ansatz eines angemessenen Ausgleichs der Interessen
Zur Zeit der Aufklärung im achtzehnten Jahrhundert versuchte man zunächst möglichst alle denkbaren Einzelfälle zu regeln und einen umfassenden Normkatalog zu schaffen. Paradebeispiel hierfür war das Allgemeine Preußische Landrecht vom 1. Juli 1794 mit seinen etwa 20.000 Einzelnormen. Leitgedanke war es, richterliche Willkür durch die klare Anordnung des Gesetzgebers auszuschließen, Wertentscheidungen auf der Ebene der Judikative möglichst zu vermeiden und so die Aufgabe des Richters auf die reine Subsumtion und logische Ableitungen aus dem Gesetz zu reduzieren.4 Die aufkommende Gewaltenteilung und das Misstrauen gegenüber dem freien Richtertum prägten die Gesetzgebung,5 wobei die Gesetzeskodifikation als Garant der Rechtsicherheit und als Mittel der einheitlichen und festen Rechtsprechung gesehen wurde. Doch um dieser Funktion wirklich gerecht werden zu können, müsste der Gesetzgeber es bewerkstelligen, Regelungen für zu der Zeit des Gesetzgebungsprozesses noch unklare Fallgestaltungen schaffen.6 Da die Gesellschaft und deren Bedürfnisse hinsichtlich der zu regelnden Sachverhalte einem stetigen und teilweise äußerst schnellen Wandel unterliegen und diese in ihrer Fülle für den Gesetzgeber im Gesetzgebungsprozess kaum bis nicht überschaubar sind, wird eine umfassende Kodifikation mit strenger Bindung des Richters schlicht nicht möglich, gar utopisch sein.7 „Das Leben spottet tagtäglich in seiner kaum zu überschauenden Vielfältigkeit der gesetzgeberischen Voraussicht, so dass auch die größte Vorsicht und Erfahrung nicht ausreichen werden, sämtliche Fallgestaltungen und auch den letzten atypischen Sonderfall zu erfassen und in angemessener Art und Weise zu regeln.“8
4 Bülow, Gesetz und Richteramt, S. 33 schreibt davon, dass der Gesetzgeber im Falle kasuistischer Gesetzgebung so weit gehen müsse, dass der Gesetzgeber letztlich durch derart spezielle Gesetze das Richtertum „unter der Maske der Gesetzgebung“ gleich mit ausübe; siehe hierzu auch Horn, NJW 2000, 40, 45. 5 Weber, AcP (192) 1992, 516, 518; Henrich, Formelle Freiheit und materielle Gerechtigkeit, S. 318. 6 Hierzu: Bülow, Gesetz und Richteramt, S. 30, der das Gesetz bei diesem Verständnis als ein Stück irdische Vorhersehung bezeichnet. 7 de Boor, Die Methode des engl. Rechts und die dt. Rechtsform, S. 36; Krey, Gesetzesvorbehalt, S. 100 f.; Weber, AcP 192 (1992), 516, 521; Beater, AcP 194 (1994) 82, 86; ebenso zum § 242 BGB Müko BGB/Schubert, § 242 Rn. 166. 8 So treffend: Bülow, Gesetz und Richteramt, S. 30 (es sei eine vermessene Hoffnung, der Gesetzgeber könne alles, was die Zukunft bringen wird überblicken, vordenken und in starre tote, Regeln zwängen).
B. Die Möglichkeit einer „Flexibilisierung“ des Rechts
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II. Die Entwicklung von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen Die Erkenntnis einer notwendigen Flexibilität auf Grund der Unzulänglichkeit menschlicher Gesetzgebungsbestrebungen in Bezug auf die mannigfaltige Lebenswirklichkeit und auch die Frage, wie eine solche Beweglichkeit erreicht werden kann, kam bereits zur Zeit des Römischen Reichs auf, wo hierauf auch erste Antworten gefunden wurden, die bis heute in gewisser Weise fortwirken. Das römische Recht war zunächst durch einen sog. „nummerus clausus“, sprich eine bestimmte Anzahl vordefinierter Klagen (= actiones) und Schuldverhältnisse (= obligationes)9 geprägt und unterlag demnach dem Typenzwang des „stricti iuris iudici“.10 Eine dem § 311 BGB vergleichbare Regelung, welche die freie Vereinbarung von Vertragsinhalten ermöglichte, bestand nicht. Wollte ein Bürger nun eine Forderung einklagen, begab er sich zu einem der Prätoren, der dann eine passende Klageart für eben diese Forderung in den vordefinierten Schuldverhältnissen finden musste. Der römische Bürger war also darauf angewiesen, dass der relevante Fall in einer passenden actio bedacht war. Doch auch bereits zur damaligen Zeit konnten diese Klagearten die Lebenswirklichkeit nicht in ausreichendem Maße abbilden und außerrechtliche Wertungen erhielten nach und nach Einzug in die juristische Arbeit.11 Um dem gerecht zu werden, entwickelten die römischen Juristen den Rechtsbegriff des „bonae fidei iudicia“. Dieser ermöglichte es, Prätoren auf etwas zu klagen, dass der Schuldner „ex bona fide“, also in gutem Glauben, zu leisten hatte.12 Durch diese Klagemöglichkeit, welche nach und nach gleichberechtigt neben die übrigen Klagen des römischen Formularprozesses trat, konnten die Prätoren so Rechtsgrundsätze für zahlreiche Schuldverhältnisse schaffen, die nicht durch die bis dahin bekannten Klagen erfasst waren.13 Doch auch zur inhaltlichen Bestimmung von Schuldverhältnissen im Zweifelsfall, Auflösungen von Widersprüchen bzw. Rechtsmissbrauch innerhalb der bestehenden actiones wurde die bona fides herangezogen.14 Neben der „bona fide“ entwickelte sich gleichzeitig die „aequitas“, zu Deutsch „Billigkeit“ aus. Anwendungsfeld der „aequitas“ im römischen Recht war vor allem ein Gleichberechtigungsgrundsatz, der zur objektiven Bewertung von Rechtsver-
9 Staudinger/Oelzen/Looschelders, BGB § 242 Rn. 8; siehe auch Meier, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 301. 10 Staudinger/Oelzen/Looschelders, BGB § 242 Rn. 8; Meier, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 301. 11 HKK/Duve/Haferkamp, § 242 Rn. 5; Staudinger/Oelzen/Looschelders, BGB § 242 Rn. 8. 12 Staudinger/Oelzen/Looschelders, BGB § 242 Rn. 8. 13 Staudinger/Oelzen/Looschelders, BGB § 242 Rn. 8; Müko BGB/Schubert, § 242 Rn. 10. 14 Staudinger/Oelzen/Looschelders, BGB § 242 Rn. 9.
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2. Kap.: Theoretischer Ansatz eines angemessenen Ausgleichs der Interessen
hältnissen herangezogen wurde und sich demnach teils mit der „bona fides“ überschnitt.15 Bereits das römische Recht als eine der Grundlagen des heutigen Zivilrechts stand also vor dem Problem, dass bestehende Regelungen (genauer die actiones des Formularprozesses) nicht ausreichten, die Lebenswirklichkeit in ausreichendem Umfang abzubilden. Um dennoch auch diese Bereiche regeln zu können, wurden mit der bona fides und der aequitas Rechtsbegriffe entwickelt, die nicht klar umrissen waren, sondern einer gewissen Wertung bedurften, wodurch auch im Formularprozess bislang nicht berücksichtigte Rechtsstreitigkeiten geregelt oder nicht bedachte Probleme innerhalb der Klagen des Formularprozesses gelöst werden konnten. Durch diese Unbestimmtheit war es möglich, auch außer den Formularklagen liegende Problematiken lösen zu können. In der jüngeren Rechtsgeschichte nahmen die deutschen Kodifikationen diesen Gedanken auf und bildeten auch auf der Vorlage des Code Civil unterschiedliche Rechtsbegriffe aus, die ähnlich der bona fides actio eine gewisse Flexibilität des Gesetzes durch nicht klar formulierte Regelungen und damit eine Reaktion auf nicht bedachte Fallkonstellationen ermöglichten.16 Der Code Civil von 1807 enthielt so in Art. 1134 und 1135 bereits derartige unbestimmt formulierte Regelungen, die durch das badische Landrecht und das rheinische Recht übernommen wurden. So sprach das badische Landrecht von 1810 bereits in Art. 1134 III vom redlichen Vollzug von Verträgen und in Art. 1135 von einer Verpflichtung zu dem, was u. a. aus Billigkeit aus solchen Verträgen folge. Ähnliches enthielt das rheinische Recht in Art. 1135, welches sich, ebenso wie ein Entwurf des BGB für das Königreich Bayern, dort Art. 83 und ein Dresdner Entwurf zum BGB, dort Art. 150 zudem noch auf die Natur der Sache bezog. Auch das sächsische Recht enthielt derartige Formulierungen und bestimmte in § 858, dass Verträge auch zu dem verpflichten, was nach Treu und Glauben und nach der Handlungsweise eines redlichen Mannes zu leisten ist. Das BGB von 1900, als erste Teilkodifikation eines einheitlichen deutschen Zivilrechts, nahm diese Entwicklung in § 242 BGB auf,17 der bis heute bestimmt, dass der Schuldner seine Verpflichtung so zu leisten hat, wie es Treu und Glauben sowie die Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern und der damit eine der bis heute prominentesten Generalklauseln des deutschen Zivilrechts normiert. Ähnlich wie zur Zeit der römischen bona fides actio soll § 242 BGB die Leistungsabwicklung des zweiten Buches des BGB ergänzen in den Fällen, die weder der Gesetzgeber in planvoller Voraussicht, noch die Vertragsparteien im Rahmen der Vertragsgestaltung 15
Staudinger/Oelzen/Looschelders, BGB § 242 Rn. 12. Siehe hierzu die Auflistung bei Staudinger/Oelzen/Looschelders, BGB § 242 Rn. 18 ff.; MüKo BGB/Schubert, § 242 Rn. 15 f. 17 Siehe hierzu in den Motiven zum BGB S. 197 f. abgedruckt in: Mugdan, Materialien II, S. 109 zum damalig geplanten § 359 BGB. 16
B. Die Möglichkeit einer „Flexibilisierung“ des Rechts
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voraussehen können.18 Zwar ist wohl keine durchgängige Entwicklung vom römischen Recht und der damaligen bona fides actio bis hin zur Normierung des Grundsatzes von Treu und Glauben im deutschen Zivilrecht nachvollziehbar, allerdings ist der heutige Grundsatz von Treu und Glauben stark im römischen Verständnis der von bona fides und aequitas verwurzelt.19 Ähnlich offen gestaltet sind zudem § 157 BGB, der die Vertragsauslegung ebenfalls an Treu und Glauben und die Verkehrssitte bindet, § 138 BGB, der Rechtsgeschäfte für nichtig erklärt, sofern diese gegen die guten Sitten verstoßen, § 826 BGB, der einen Schadensersatzanspruch bei vorsätzlichen Handlungen gegen die guten Sitten normiert oder aber auch die unterschiedlichen Vertragskündigungen die auf einen wichtigen Grund abstellen, beispielsweise in den §§ 314, 543, 626, 648a BGB, sowie zahlreiche Normen wie u. a. §§ 343, 552, 553, 554a, 588, 824, 1686 etc., die auf die berechtigten Interessen abstellen. Gemein ist all diesen Normen, dass sie in ihrer Formulierung unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten, die aus sich heraus nicht verständlich sind, sondern vielmehr weitere Präzisierung bezogen auf den Einzelfall bedürfen. Durch diese unbestimmten Rechtsbegriffe wird es dem Gesetzgeber möglich Raum für Fälle zu lassen, die bei einer „starren“ Gesetzesformulierung nicht hätten bedacht werden können oder deren Umschreibung durch die Natur der Sache schlicht nicht möglich ist. Die historische Betrachtung der zivilrechtlichen Rechtsentwicklung vom römischen Zivilrecht bis hin zum heutigen BGB zeigt also ein nach wie vor bestehendes Bedürfnis nach einer gewissen Beweglichkeit des Gesetzes, der durch unbestimmte Gesetzesformulierungen nachgekommen wird. Bis heute ist es zum einen Sinn und Zweck zahlreicher, derartiger Normierungen dort, wo starre Regelungen durch den Gesetzgeber nicht in der Lage sind die Lebenswirklichkeit abzubilden, durch ihre offenen Formulierungen und die Notwendigkeit der Ausfüllung durch einzelfallbezogene Wertungsentscheidungen, Raum für richterliche Rechtsfortbildung zu lassen, unbillige Härten zu vermeiden und Reaktionen auf nicht geregelte Fälle zu ermöglichen,20 oder aber wie im Falle des § 157 BGB Lücken in Verträgen durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen.21 Um der Realität des Gesellschaftslebens also gerecht zu werden und auch in der Lage zu sein, atypische Sonderfälle zu regeln und gleichzeitig auf unbillige Härten im Einzelfall reagieren zu können, aber auch um in der Lage zu sein, Materien regeln zu können, die sich einer rein kasuistisch gefassten Normierung entziehen, wird das Recht generell nicht ohne eine gewisse Flexibilität auskommen.22 18
Müko BGB/Schubert, § 242 Rn. 166. MüKo BGB/Schubert, § 242 Rn. 15; Staudinger/Oelzen/Looschelders, BGB, § 242 Rn. 7 ff. 20 Zu 242 BGB: BeckOK BGB/Sutschet, § 242 Rn. 2. 21 BeckOK BGB/Wendtland, § 157 Rn. 1. 22 MüKo BGB/Schubert, § 242 Rn. 29. 19
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2. Kap.: Theoretischer Ansatz eines angemessenen Ausgleichs der Interessen
Diesem Bedürfnis kann der Gesetzgeber durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und Generalklauseln nachkommen, die es durch ihre Präzisierungsbedürftigkeit ermöglichen den Einzelfall und dessen Besonderheiten zu berücksichtigen. Im Umgang mit diesen Normen, genauer in deren Präzisierung bezogen auf den Einzelfall, könnte dann die Möglichkeit zum Ausgleich der widerstreitenden Interessen liegen, die sich in den nun durch die Geburtstagszug-Entscheidung des BGH relevant werdenden Fällen der kleinen Münze der Baukunst gegenüberstehen. Zunächst einmal müsste der urheberrechtliche Gesetzgeber hierfür natürlich entsprechende unbestimmte Rechtsbegriffe oder Generalklauseln im Änderungsrecht vorgesehen haben.
C. Generalklauseln bzw. unbestimmte Rechtsbegriffe an den entscheidenden Stellen des urheberrechtlichen Änderungsrechts Ein Blick auf die urheberrechtliche Praxis zeigt, dass die Normen der §§ 14 und 39 UrhG eine entscheidende Rolle mit Blick auf die aus einem urheberrechtlichen Schutz folgenden Schutzrechte spielen müssen und diesen sogar durchbrechen können. So findet man zahlreiche Fallgestaltungen, bei denen die angerufenen Gerichte zwar die notwendige – teilweise sogar hohe – Individualität festgestellt haben, am Ende aber dennoch den Architekten im Einzelfall zur Duldung mitunter einschneidender Änderungen verurteilt haben. So bezeichnete exemplarisch beispielweise das LG Stuttgart23 unter Zustimmung des OLG Stuttgart24 den Hauptbahnhof der Stadt als „Bauwerk, in dem eine hohe eigenschöpferische Leistung zum Ausdruck komme“. Der Bahnhof sei gar „als prägendes Bauwerk Stuttgarts in Deutschland und Europa als architektonische Meisterleistung anerkannt“.25 Dennoch mussten die Erben des Architekten Paul Bonatz selbst bei einem solch offenbar außergewöhnlichen Werk architektonischer Gestaltungskunst den Abriss der prägnanten Flügelbauten und damit eines großen Teils der Bausubstanz hinnehmen, so dass am Ende lediglich das Hauptgebäude übrigblieb. In einem weiteren Fall, den das OLG Dresden zu entscheiden hatte, stellte das Gericht fest, dass die Schutzwürdigkeit des Dresdener Kulturpalastes „auf der Hand liege“ und dass „die Gestaltung das architektonische Durchschnittsschaffen bei ähnlichen Bauwerken bei weitem überrage“.26 Dennoch musste der Architekt am 23
LG Stuttgart ZUM-RD 2010, 491, 495 – Stuttgart 21. OLG Stuttgart ZUM 2011, 173, 179 – Stuttgart 21. 25 LG Stuttgart ZUM-RD 2010, 491, 495 – Stuttgart 21; zustimmend und auf die Ausführungen des LG verweisend: OLG Stuttgart ZUM 2011, 173, 179 – Stuttgart 21. 26 OLG Dresden GRUR-RR 2013, 51 – Kulturpalast. 24
C. Generalklauseln bzw. unbestimmte Rechtsbegriffe
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Ende eine Neugestaltung des 2.700 Menschen fassenden Mehrzwecksaals in einen reinen Konzertsaal hinnehmen. Selbst bei einer hohen Individualität einer Gestaltungsleistung besteht also die Möglichkeit, dass dennoch die Interessen des Bauherrn am Ende obsiegen und einschneidende Änderungen hingenommen werden müssen. Fraglich ist, weshalb eine es über eine Anwendung der §§ 14 und 39 UrhG möglich sein kann, trotz eines bestehenden starken Urheberrechts, zu solchen Ergebnissen zu gelangen.
I. Entstellungsverbot nach § 14 UrhG – berechtigte Interessen Nach § 14 UrhG hat der Urheber zunächst das Recht, eine Entstellung oder andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten. Der Urheber hat dem Werk die in seinen Augen bestmögliche Gestalt gegeben, mit der er sein Werk der Öffentlichkeit Preis geben und eine Zurechnung zu seiner Person erreichen möchte. Jede objektiv wahrnehmbare Änderung, völlig unabhängig davon, ob diese zu einer Verbesserung oder Verschlechterung führt, ändert diesen vom Urheber vorgesehenen Gesamteindruck und stellt damit eine relevante Beeinträchtigung des Werkes im Sinne des § 14 UrhG dar.27 Der Urheber hat also zunächst einmal ein Monopolrecht28 hinsichtlich vorzunehmender Änderungen am Werk. Dieses änderungsrechtliche Monopol wird aber gleichzeitig unter den Vorbehalt gestellt, dass etwaige Entstellungen oder Beeinträchtigungen in der Lage sind, die berechtigen Interessen des Urhebers zu gefährden. Damit enthält die Norm einen unbestimmten Rechtsbegriff, welcher in jedem Falle einer möglichen Beeinträchtigung Anwendung findet und gegebenenfalls das Änderungsmonopol des Urhebers durchbrechen kann, wie der Blick in die urheberrechtliche Praxis bereits zeigt hat.29 Der Gesetzgeber selbst bezeichnet die Formulierung des § 14 UrhG dabei in den Materialien als „generalklauselartig“ und verweist auf die notwendige Begrenzung der Unbestimmtheit.30
27
BGH GRUR 1999, 130, 231 – Treppenhausgestaltung; BGH GRUR 1989, 106, 107 – Oberammergauer Passionsspiele II; LG Mannheim GRUR 1997, 364, 364 – Freiburger Holbeipferd; Schricker/Loewenheim//Peukert, UrhR § 14 Rn. 13; Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR § 14 Rn. 6. 28 Fromm/Nordemann/Nordemann, UrhR Einl. Rn. 72, Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhG, Einl. Rn. 19; siehe auch BT-Drcks. IV/270, S. 29. 29 Siehe zuvor S. 58. 30 Siehe hierzu BT-Drcks. IV/270, S. 45; siehe auch Riesenkampff, Inhalt und Schranken, S. 84, der § 14 UrhG in seiner Bearbeitung unter der Überschrift „Generalklausel“ anführt.
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2. Kap.: Theoretischer Ansatz eines angemessenen Ausgleichs der Interessen
II. Änderungsverbot nach § 39 UrhG – Treu und Glauben Die zweite Hauptnorm des Änderungsrechts stellt die Bestimmung des § 39 UrhG dar, die Änderungen geschützter Werke im Falle der erfolgten Einräumung von Nutzungsrechten regelt. Hiernach darf auch der Inhaber eines Nutzungsrechts das Werk sowie dessen Titel oder Urheberbezeichnung auch bei Bestehen eines Vertrages im Grundsatz erst einmal nicht ändern, sofern es dort keine anderweitigen Vereinbarungen gibt. Auch an dieser Stelle schränkt sodann aber § 39 Abs. 2 UrhG das änderungsrechtliche Monopol direkt wieder ein und bestimmt, dass der Urheber (auch für den Fall, dass keine vertraglichen Regelungen bestehen) solche Änderungen hinnehmen muss, zu denen er seine Einwilligung nach Treu und Glauben nicht versagen kann.
D. Die Schlüsselfunktion von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen für einen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen Auch wenn das Urhebergesetz also im Ansatz von einem änderungsrechtlichen Monopol des Urhebers ausgeht,31 schränkt der Gesetzgeber dieses Monopol doch in beiden änderungsrechtlichen Zentralnormen durch unbestimmt gefasste Gesetzesformulierungen wieder ein. Durch die Begriffe der berechtigten Interessen in § 14 UrhG sowie Treu und Glauben in § 39 UrhG schafft es das Gesetz offenbar, die notwendige Flexibilität ins urheberrechtliche Änderungsrecht zu bringen. Selbst bei hochindividuellen Bauwerken, also Werken mit einer starken Bindung zum Schaffenden, wird es so offenbar möglich, dass sich dennoch die Gegeninteressen des Eigentümers durchsetzen können. Wenn dies im Bereich der hoch anzusetzenden Gestaltungshöhe möglich ist, so muss dies erst recht für den Bereich der kleinen Münze gelten, bei dem im Gegensatz lediglich eine vergleichsweise geringe bis kaum wahrnehmbare Bindung des Schaffenden zum Werk besteht32 und gleichzeitig äußerst gewichtige Eigentümerinteressen des Bauherrn dem entgegenstehen.33 Der Schlüssel zum angemessenen Ausgleich etwaiger kollidierender Interessen auch im urheberrechtlichen Änderungsrecht muss also in der Anwendung solcher unbestimmter Gesetzesformulierungen liegen. Diese sollen im weiteren Fortgang der Bearbeitung näher untersucht werden, um genauere Erkenntnisse in Bezug auf eine mögliche Schlüsselfunktion solcher Normen zu gewinnen.
31 32 33
Siehe hierzu bereits zuvor S. 59. Siehe hierzu bereits zuvor S. 32, 49 f. Zu den Interessen des Bauherrn zuvor S. 35 ff.
D. Schlüsselfunktion von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen
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I. Ausfüllungsbedürftigkeit durch Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe im Normtext 1. Randunschärfe und „offener Begriffskern“ Generalklauseln, bzw. genauer die im Normtext enthaltenen unbestimmte Rechtsbegriffe, für ihre Anwendbarkeit der weiteren Präzisierung bzw. Konkretisierung. Doch die Präzisierungsbedürftigkeit an sich trifft erst einmal auf fast alle rechtlichen Bestimmungen vielleicht mit der Ausnahme von Zahlenangaben zu.34 Nahezu alle Normtatbestände benötigen in gewisser Weise eine Präzisierung, jedenfalls dahingehend, ob bestimmte Sachverhalte noch unter etwaige Merkmale subsumierbar sind, so dass eine weitere Differenzierung der Normen mit unbestimmten Rechtsbegriffen erforderlich ist. Nimmt man nun einmal die wohl prominenteste Generalklausel des Zivilrechts, § 242 BGB, und vergleicht deren Unbestimmtheit einmal beispielsweise mit dem sachenrechtlichen Begriff der „Verwendung“ aus § 994 BGB,35 so werden wichtige Unterschiede deutlich. Sowohl bei § 242 BGB als auch bei dem Begriff der „Verwendung“ des § 994 BGB ist alleine auf Grund des Wortlautes nicht eindeutig klar, was in der jeweiligen Anwendung unter die einzelnen Begriffe zu fassen ist. Die Unbestimmtheit des § 242 BGB geht allerdings bedeutend weiter und erfordert andere Überlegungen. Die Unbestimmtheit kann sich auf unterschiedliche Bereiche der Norm erstrecken. So könnte diese lediglich auf gewisse Randunschärfen beschränkt sein, während der zu Grunde liegende Kernbereich des Begriffes eindeutig ist. So ergibt sich aus dem allgemeinen Verständnis des Begriffes der „Verwendung“ bereits, dass es sich um Vermögensopfer auf die Sache handeln muss. Der weitere Blick in die Gesetzesmaterialien zeigt sodann, dass der Gesetzgeber solche Arten von Aufwendungen erfassen wollte, „deren wirtschaftlicher Erfolg dem dinglich Berechtigten in irgendeiner Weise zu Gute kommen“.36 Die Präzisierungsbedürftigkeit des Begriffs der „Verwendung“ bezieht sich demnach auf eben solche Randunschärfen bei einem gleichzeitig feststehenden Begriffskern37 und lässt sich bereits mit den herkömmlichen Auslegungsmethoden, also der Berücksichtigung von Wortlaut, Historie der Norm, systematischem Zusammenhang und dem Schutzzweck, auflösen. Fragt man so beispielsweise danach, ob Reparaturen zum Erhalt einer Sache unter den Verwendungsbegriff fallen, kann man dies schnell bejahen, 34
Haubelt, Konkretisierung, S. 7; Weber, AcP 192 (1992), 516, 523 f. Beispiel entnommen bei Kamanabrou, AcP 202 (2002), 662, 663 f. 36 Siehe hierzu den Hinweis auf S. 30 der Motive abgedruckt bei Mugdan, Materialien III, S. 17 und den Verweis hierauf in den Motiven auf Seite 411 abgedruckt bei Mugdan, Materialien III, S. 229. 37 Hierzu Weber, AcP 192 (1992), 516, 524. 35
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2. Kap.: Theoretischer Ansatz eines angemessenen Ausgleichs der Interessen
denn diese kommen dem dinglich Berechtigten dadurch zugute, als dass sie den Bestand der Sache wahren. Vergleicht man das gefundene Ergebnis zu § 994 BGB mit den Begriffen Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte aus § 242 BGB wird deutlich, dass man bei gleichem Vorgehen bei letzteren Begriffen nicht weit kommen wird, da hier bereits kein klarer Begriffskern feststeht und daher eine etwaige Auslegung bereits keinen klaren Ausgangspunkt hat.38 2. Das Kriterium der Wertungsausfüllungsbedürftigkeit von Normen „offenen Begriffskerns“ a) Ausfüllung des Norminhaltes durch die Gerichte Die Inhalte derart offener, unbestimmter Rechtsbegriffe wie beispielsweise Treu und Glauben im § 242 BGB müssen zu Teilen erst in der Anwendung durch die Judikative gefunden werden und bedürfen dabei zusätzlicher, wertungsausfüllender Überlegungen des Richters. Bei hinreichend bestimmten Regelungen ergibt sich der Normgehalt direkt aus dem Tatbestand bzw. einem hinreichend bestimmten Begriffskern. Unter diesen Normgehalt sind dann etwaige Sachverhalte – gegebenenfalls durch Auslegung ausgehend von diesem klaren Begriffskern auf Randbereiche – zu subsumieren und auf Grundlage dessen etwaige Fallgestaltungen zu beurteilen. Bei unbestimmten und zudem wertungsausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffen hingegen fehlt eben dieser Begriffskern teilweise so gut wie vollends, so dass es bereits an einem Ausgangspunkt für eine Auslegung mangelt. Die im Normtext verwandten unbestimmten Rechtsbegriffe wie beispielweise „Treu und Glauben“ bzw. der „Verkehrssitte“ enthalten vielmehr lediglich allgemeine Prinzipien und Verhaltenserwartungen, dessen inhaltlicher Maßstab sich teils auch aus außer- bzw. überrechtlichen sozialen und ethischen Prinzipien ergeben kann, die der gesamten Rechtsordnung zu Grunde liegen.39 Es handelt sich bei den weitesten Formulierungen mehr um allgemeine Maximen für einen gewissen Problembereich, die lediglich einen Hinweis auf das anzustrebende Ziel bzw. eine Richtschnur40 für verschiedenste Problemkreise vorgeben, ohne dass sie aus sich heraus isoliert durch bloße Subsumtion anwendbar wären.41 Der Inhalt beispielsweise dessen, was also aus Treu und Glauben zu leisten ist, oder welche Interessen berechtigt sein können, muss vielmehr erst zusätzlich durch 38
Zur Unterscheidung von Begriffskern und Begriffshof siehe Jesch, AöR 82 (1957), 163 165 ff. 39 MüKo BGB/Schubert, § 242 Rn. 10. 40 So wörtlich in den Motiven zum BGB, S. 198 zur Vorgängernorm des heutigen § 242, dem damalig geplanten § 359 BGB, abgedruckt in: Mugdan, Materialien II, S. 109. 41 Haubelt, Konkretisierung, S. 4; BeckOK BGB/Sutschet, § 242 Rn. 2.
D. Schlüsselfunktion von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen
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eine oder mehrere Wertungsentscheidungen des Richters am speziellen Sachverhalt gefunden werden. Erst aus dieser Wertungsentscheidung ergibt sich dann, was im Konkreten von der Norm umfasst ist. Die Judikative bestimmt dadurch in gewisser Weise bei jeder Anwendung einer wertungsausfüllungsbedürftigen unbestimmten Rechtsnorm mal in mehr, mal in weniger umfangreichem Maße durch eben diese notwendige Wertungsentscheidung ein Stück weit den Anwendungsbereich der Norm innerhalb des vom Gesetzgeber vorgesehen Rahmens mit, so dass die Gesetzgebung so verstanden bei der Verwendung unbestimmter wertungsausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe nach dem oft zitierten Ausspruchs Hedemanns „ein Stück weit offenbleibt“.42 Erst im Laufe mehrerer Entscheidungen können dann bestenfalls einigermaßen klare Regelmäßigkeiten für gleich gelagerte Fälle abgeleitet werden,43 weshalb Bydlinski hier beispielweise sehr treffend von „Wegweisern zum erforderlichen Normmaterial“ spricht.44 Festigt sich dann eine solche Anwendung einer Norm in einem bestimmten Bereich über die Zeit, kann dies wiederum Vorlage für neue gesetzliche Regelungen sein, welche der Gesetzgeber im Vorhinein vielleicht nicht bedacht hat oder nicht bedenken konnte. So wurden beispielsweise die Grundsätze der unangemessenen Benachteiligung im AGB zunächst aus § 242 BGB hergeleitet, bevor sich diese dann zunächst in § 9 AGBG und so dann in § 307 BGB niedergeschlagen haben.45 Es gilt also zwischen unbestimmten, lediglich unpräzisen Rechtsbegriffen und unbestimmten, wertungsausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffen und damit bis zum Begriffskern offen formulierten Normen zu unterscheiden. Der Richter verdeutlicht durch die bei letzteren notwendige Wertungsentscheidung nicht nur Randunschärfen, sondern steht vor der Aufgabe, eben diesen unklaren Begriffskern zu bestimmen. Er ist demnach eben kein bloßer „Subsumtionsautomat“ oder der „Mund des Gesetzes“46. Durch diese offen formulierten, wertausfüllungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriffe und die dadurch erforderliche Wertungsentscheidung der Gerichte, ergibt sich erst die Möglichkeit, zum einen nicht normierbare oder jedenfalls nicht durch „starre“ Regelungen normierbare Fälle bzw. nicht vorhergesehene, atypische 42 Hedemann, Flucht in die Generalklauseln, S. 58; Hierzu auch Heck, Grundriß des Schuldrechts, S. 11 ff., der von „Delegationsnormen“ spricht; ähnlich Röthel, Normkonkretisierung, S. 49; Bydlinksi, Methodenlehre, S. 583, der von einer „Ermächtigung an die Entscheidungsorgane“ spricht; Kamanabrou, AcP 202 (2002) 662, 671. 43 Bydlinski, Methodenlehre, S. 683. 44 Bydlinski, Wieacker-Symposion, S. 199. 45 Siehe hierzu: BGH NJW1989, 222, 225 für Verträge nach Geltung des AGBG; BGH NJW 1986, 1803, 1803 für einen Vertrag vor Geltung des AGBG, auf den durch die Herleitung aus § 242 BGB dennoch die gleichen Prüfungsmaßstäbe anzuwenden seien. 46 Wenzel, NJW 2008, 345, 347; Leutheusser-Schnarrenberger, ZRP 2012, 93, 93 f. Der Richter könne – gerade in einer komplexen Gesellschaft mit entsprechend komplexen rechtlichen Regelungen – kein bloßer Mund des Gesetzes oder mechanischer Subsumtionsautomat sein.
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Konstellationen zu regeln47 und zum anderen aber auch eine dynamische Rechtsfortbildung zu ermöglichen, ohne dass bestimmte Bereiche ungeregelt bleiben müssten. b) Notwendigkeit der Qualifikation als Generalklausel Befasst man sich mit derart unbestimmten Normformulierungen, so wird man schnell auch auf den Begriff der Generalklausel oder auch der generalklauselartigen Norm stoßen. Ob und wann nun aber bei einer im Normtext unpräzisen Regelung im Einzelnen von einer Generalklausel, einer generalklauselartigen Bestimmung oder lediglich einer Norm mit wertungsausfüllungsbedürftigem Tatbestand gesprochen werden kann, ist Gegenstand vielfacher Abhandlungen.48 Die Versuche gehen über etwaige Einheitstheorien, welche die Qualifikation einer Generalklausel von der Unbestimmtheit49 her, von etwaigen Delegationsaufträgen50 oder auch zeitlich gebundenen Theorien, die die Qualifikation als Generalklausel unter Aufgabe einer klaren, nach dieser Auffassung unmöglichen Definition eine bestimmte, teils zeitlich beschränkte Anwendung der entsprechenden Norm abhängig machen.51 Diese Unterscheidung ist für die folgende Bearbeitung aber nicht von Relevanz, da es am Ende unbestimmte, wertungsausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe sind, welche die Generalklauseln letztlich so offen gestalten und es daher in jedem Fall auf die Konkretisierungsbedürftigkeit ankommt. Diese Konkretisierungsbedürftigkeit ist deshalb Bezugspunkt der weiteren Untersuchung und der Beantwortung der Frage, in welcher Weise mit derart unbestimmten und offen formulierten Normen zu verfahren ist. Die Einordnung als Generalklausel, generalklauselartige Norm oder Norm mit unbestimmtem, wer47
MüKo BGB/Schubert, § 242 Rn. 3. Hierzu ausführlich m. w. N.: Auer, Materialisierung, S. 126 ff. 49 Weber, AcP 192 (1992), 516, 524 f. „Als Generalklausel können damit nur solche Vorschriften bezeichnet werden, in denen sich die vom Gesetzgeber zur tatbestandlichen Fixierung verwandten Rechtsbegriffe durch einen so hohen Grad an Abstraktion und inhaltlicher Unbestimmtheit auszeichnen, dass ihnen neben den unvermeidlichen Randunschärfen im Begriffshof auch ein inhaltlich eindeutig belegbarer Begriffskern nicht mehr zugerechnet werden kann.“; in die Richtung ebenfalls Ohly, AcP 201 (2001) 1, 5. 50 Hierzu: Heck, Grundriß des Schuldrechts, S. 11 ff. spricht anstelle von Generalklauseln aus diesem Grund von „Delegationsnormen“; Krey, Gesetzesvorbehalt, S. 113: Der unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln als „unfertige“ Normen bezeichnet, die eine gesetzliche Ermächtigung zur richterlichen Rechtsfortbildung innerhalb des Rahmens der anzuwendenden Norm enthalten. 51 Auer, Materialisierung, S. 141 f. „Generalklausel ist eine Rechtsnorm genau insoweit und solange, als sie dem Rechtsdenken als zentraler Anknüpfungspunkt des Interessenausgleichs zwischen den drei Grundwiedersprüchen des Privatrechts dient. Das heißt also, dass eine Vorschrift zwar ursprünglich als Generalklausel intendiert oder sogar bezeichnet sein kann, aber später trotzdem nicht immer zu einer solchen entwickeln muss, wenn sie – wie das Schikaneverbot des § 226 BGB – trotz dieser Gesetzesintention keine Bedeutung als Anknüpfungspunkt des privatrechtlichen Wertungsausgleichs erlangt“. 48
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tungsausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriff ist hierfür nicht entscheidend. Die Probleme und deren Lösungsansätze bleiben die gleichen. Bezogen auf die zu Grunde liegende Bearbeitungsproblematik enthalten sowohl § 14 UrhG mit den „berechtigten Interessen“ als auch § 39 UrhG mit „Treu und Glauben“ in ihrem Tatbestand an einem entscheidenden Punkt unbestimmte, wertungsausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe. Der Wortlaut von § 39 UrhG entspricht zu Teilen dem des § 242 BGB, wohingegen § 14 UrhG auch vom Gesetzgeber selbst nicht klar eingeordnet und als lediglich „generalklauselartig(e)“ Norm52 bezeichnet wird. Unabhängig von der Einordnung kommt es am Ende auf die Art und Weise des Umgangs mit den unbestimmten, wertungsausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffen der berechtigten Interessen bzw. Treu und Glauben an, sprich deren Anwendung und Ausfüllung am Einzelfall durch die Gerichte. Auch sind die Grenzen letztlich fließend, so dass ohnehin eine Unterscheidung nicht möglich sein wird.53
II. Die Ausfüllung des Norminhaltes durch Wertungsentscheidungen der Gerichte als Gefährdung für die Rechtsordnung 1. Unbestimmte, wertungsausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe als mögliches Einfallstor für Willkür und Rechtsmissbrauch Bei aller Notwendigkeit einer Flexibilisierung des Rechts und dem Bedürfnis auf bestimmte Fallgestaltungen reagieren zu können, liegt es dabei zwar nahe, dass die Judikative nicht ohne Einschränkungen frei konkretisieren und sich so eigene Maßstäbe schaffen darf, sondern, dass dieser Konkretisierungsvorgang gewissen Regeln unterstellt werden muss; wie diese im Einzelnen aussehen sollen, ist allerdings fraglich, insbesondere ob und wie die Gefahr von Missbrauch und Willkür vermieden werden kann. Gerade wegen dieser offenen Ausgestaltung des Gesetzes und die damit verbundene Bestimmung des Begriffskerns einer Norm durch den Richter sind Generalklauseln und unbestimmte wertungsausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe Gegenstand auffällig harscher Kritik geworden. Durch eine derartige Gesetzgebungspraxis sei mit einer „Verweichlichung der juristischen Arbeit“ zu rechnen. Dem Gesetzgeber fehle die Zeit, die Kraft oder auch die Lust die entsprechenden Fälle insgesamt mühsam durchzugehen, so dass er jenes Denken vorher abbreche und „in einer juristischen Dekadenzerscheinung“54 die „Flucht in die Generalklauseln antrete.“55 Mit ausfüllungsbedürftigen Gesetzesbegriffen würden Problemstellungen an die Rechtsprechung abgetreten, die diese selbst entscheiden könnte und auch müsste.56 Ähnlich verhalte es sich beim Richtertum, 52 53 54 55 56
Siehe BT-Drcks. VII/270, S. 45. Möllers, Juristische Methodenlehre § 9 Rn. 8. So: Henle, Treu und Glauben, S. 3. Hedemann, Die Flucht in die Generalklauseln, S. 66. Engisch, Konkretisierung, S. 182.
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welches im Falle der Überlastung oder Müdigkeit nach dem „bequemen Polster der Generalklausel“ greifen könne. Es komme zu einer völligen Verwischung jeglicher Grenzen; das Gesetz sei nicht mehr die Norm für die Entscheidungen der Gerichte.57 Diese Verweichlichung sorge nicht zuletzt für große Rechtsunsicherheit, da sich zum einen die Maßstäbe – beispielsweise der Sittenwidrigkeit mit der Gesellschaft – mit der Zeit immer wieder wandeln. Auch seien weder Gerichtsprozesse vorhersehbar, noch könne man sich eines einmal geschlossenen Vertrages sicher sein, wenn dieser möglicherweise dennoch durch Generalklauseln aufgehoben werden kann.58 Aus Generalklauseln folge deshalb eine Gefährdung des Rechts, weil diese Willkürentscheidungen das Aufspielen Einzelner zum „obersten Vertreter der Gerechtigkeit“ ermöglichen, die dann entscheiden, was die Anschauung beispielsweise im Rahmen von Treu und Glauben oder aber auch der Sittenwidrigkeit ist.59 Der Richter höre auf Richter zu sein und wende nicht mehr Recht an, sondern verteile sentimental Milde und Härte nach ungesicherten Maßstäben.60 Generalklauseln seien eine „Seuche, die am Mark des Rechtslebens vergiftend zehre“61 und mündeten gar in einer „Perversion des Rechts“.62 2. Berechtigung und zwingende Notwendigkeit der Würdigung der Kritik Auch wenn die Kritik an Generalklauseln und damit auch an unbestimmten, wertungsausfüllungsbedürftigen Rechtbegriffen in der Art und Weise der Formulierung teils überzogen scheint, ist sie doch eine inhaltlich sehr ernstzunehmende Mahnung dahingehend, in welcher Art und Weise mit unbestimmten Gesetzesformulierungen auf keinen Fall verfahren werden darf und gibt wertvolle Hinweise auf die Ausgestaltung des Vorgangs der Konkretisierung derartig unbestimmter Gesetzesformulierungen. Wie sehr derartig offene Gesetzesausgestaltungen beispielsweise für bestimmte Zwecke instrumentalisiert werden können, zeigt bereits ein Blick in die jüngere deutsche Geschichte. So ermöglichten es zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland nicht zuletzt Generalklauseln des noch relativ jungen BGB den nationalsozialistischen Juristen ihre menschenverachtenden Wertungen ins Zivilrecht zu tragen und somit das Rechtsleben nach und nach im nationalsozialistischen Sinne zu gestalten.63 So forderte Carl Schmitt als einer der bekanntesten Juristen des NS57
Hedemann, Die Flucht in die Generalklauseln, S. 67; Hachenburg-Bing, DJZ 1932 Sp. 276. 58 Hedemann, Die Flucht in die Generalklauseln, S. 70 f., der Treu und Glauben als Gipfelpunkt der Unsicherheit des Rechtslebens bezeichnet. 59 Hedemann, Die Flucht in die Generalklauseln, S. 71. 60 Hedemann, Die Flucht in die Generalklauseln, S. 75. 61 Henle, Treu und Glauben, S. 3. 62 Beater, AcP 194 (1994) 82, 87. 63 Auer, Materialisierung, S. 119; selbst Justus Hedemann, der im Zuge der Kritik an Generalklauseln so gut wie immer zitiert wird, engagierte sich einige Jahre nach seinem Werk
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Regimes,64 dass „alle unbestimmten Rechtsbegriffe, alle sog. Generalklauseln unbedingt und vorbehaltslos im nationalsozialistischem Sinne anzuwenden sind“.65 Auch das Reichsgericht betonte, dass es von derartigen Gedanken geleitet werde und führte aus: „Der Begriff eines Verstoßes gegen die guten Sitten, wie er in § 138 BGB und § 826 BGB enthalten ist, enthält seinem Wesen nach den Inhalt durch das seit dem Umbruch herrschende Volksempfinden, die nationalsozialistische Weltanschauung.“66 Wenn nun die Gerichte wie dargestellt den Inhalt der Generalklauseln stückweise in ihren notwendigen Wertungsentscheidungen mitbestimmen und diese Wertungsentscheidungen von derartigen Erwägungen geleitet werden, so besteht eine enorm hohe Missbrauchsgefahr, wobei zu betonen ist, dass offen gestaltete Normen formal grundsätzlich gleichrangig zu den in ihrer Formulierung präzisesten und bestdurchdachtesten Normen der Rechtsordnung Anwendung finden.67 Zudem ist für eine Entscheidung auf Grundlage einer Generalklausel, anders als bei der sonstigen ergänzenden Rechtsfortbildung, keine Gesetzeslücke notwendig, da der Gesetzgeber die Geltung der entsprechenden Klausel unmittelbar angeordnet hat.68 Doch auch der Einwand der Rechtsunsicherheit ist völlig unabhängig vom Rechtsgebiet, also auch bei urheberrechtlichen Fallgestaltungen keineswegs unbegründet: Würde der beispielsweise urheberrechtliche Richter im Einzelfall völlig uneingeschränkt und nach seinem subjektiven Verständnis entscheiden können, hätte man abhängig von dem gerade im Geschäftsplan eingeteilten Richter Entscheidungen zum gleichen Problem unter variierenden Grundmaßstäben. Der derzeit eingeteilte Richter wäre der „nach Tagesform“ wandelnde Maßstab für „gute Sitten“, „berechtigte Interessen“ oder „Treu und Glauben“. Das Vertrauen in die Justiz würde stark geschädigt, sollte es dieser möglich sein, nach nicht vorhersehbaren und schwankenden Maßstäben zu entscheiden. Der Einzelne wäre bei gleicher Sachlage vollends auf den guten Willen des Richters angewiesen. So notwendig eine Flexibilität des Rechts gerade im Bereich des Urheberrechts auch sein mag, kann diese deshalb lediglich in einer Art erfolgen, die nicht zu Rechtsmissbrauch und Rechtsunsicherheit führt. Das Recht muss also in wertungsausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffen und Generalklauseln den Spagat zwischen Rechtssicherheit durch Vorhersehbarkeit und Klarheit des Gesetzes und der Möglichkeit der situationsbezogenen Reaktion69 schaffen.
und den darin enthaltenen Warnungen u. a. vor der Aufspielung Einzelner dennoch im Sinne des NS-Regimes u. a. für die Etablierung einer neuen NS-Kodifikation für das Privatrecht. 64 Näher zur Person Carl Schmitts siehe Mehring, Carl Schmitt. 65 Schmitt, JW 63 (1934), 713, 717. 66 So wörtlich: RGZ 150, 1, 4. 67 Bydlinksi, Wieacker-Sympsion 1990, 189, 199; Auer, Materialisierung, S. 134. 68 Bydlinski, Wieacker-Symposion 1990, 189, 199. 69 Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 47.
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III. Eindämmung einer Gefährdung des Rechts im Ausfüllungsprozess unbestimmter, wertungsausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe 1. Notwendigkeit einer Systematisierung des Ausfüllungsprozesses Um eine derartige Entwicklung nicht zuletzt auch im Urheberrecht zu vermeiden, muss der Konkretisierungsvorgang unbestimmter, wertungsausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe und Generalklauseln und die darauf beruhende Wertentscheidungsfindung, also dessen Ausfüllung, am Einzelfall gewissen Regelmäßigkeiten bzw. einer Systematisierung unterworfen werden. Nur durch eine solche Systematisierung des Ausfüllungsprozesses unbestimmter, wertungsausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe und Generalklauseln werden hierauf beruhende Entscheidungen im Sinne der Rechtssicherheit und trotz des zuvor bereits erwähnten, letztlich immer verbleibenden Bereich, innerhalb dessen der Richter seine Wertentscheidung treffen darf, einigermaßen einschätzbar. Auch sachfremden und willkürlichen Erwägungen könnte durch die Vorgabe gewisser zu beachtender Aspekte entgegengewirkt werden. Die Wertentscheidung kann dadurch also zwar nicht vollends vorweggenommen werden, allerdings wäre es möglich die Wertungsentscheidungen der Gerichte in gewisse Bahnen zu lenken und auf gewisse Bereiche zu beschränken.70 Denn nur innerhalb dieser systematisierten Vorgaben könnte dann eine Entscheidung auf einen unbestimmten, wertungsausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriff gestützt werden und wäre zudem in der Lage das zu erwartende Ergebnis und die relevanten Faktoren einzugrenzen. Aus der Ausfüllungsbedürftigkeit etwaiger unbestimmter Rechtsbegriffe und Generalklauseln folgt also die Notwendigkeit einer Systematisierung des den Wertungsentscheidungen zu Grunde liegenden Prozesses. Da solche Systematisierungen natürlich ebenso Gültigkeit für die Ausfüllung der unbestimmten, wertungsausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffe innerhalb der urheberrechtlichen Zentralnormen des Änderungsrechts haben, gäben sie folglich auch Hinweise darauf, in welchem Rahmen etwaige Urheberinteressen als „berechtigt“ im Sinne des § 14 UrhG angesehen werden können oder wann eine unterlassene Nutzungsrechteeinräumung als treuwidrig im Sinne des § 39 UrhG einzuordnen wäre, und damit auch, wann das „änderungsrechtliche Monopol“ des Urhebers durchbrochen werden kann.
70 Meier, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 303 spricht diesbezüglich von einem „zivilrechtlichen Korsett“ entsprechender Normen.
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2. Die Konkretisierung unbestimmter, wertungsausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe als Grundlage eines solchen systematisierten Ausfüllungsprozesses a) Begriff der Konkretisierung Im Zusammenhang nach der Frage einer näheren Ausfüllung unbestimmter, wertungsausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe fällt regelmäßig der schillernde Begriff71 der Konkretisierung. Gemeinhin wird unter einer Konkretisierung unbestimmter, wertungsausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe und Generalklauseln eine Art „Deklination“ der entsprechenden offenen Begriffe in der Art verstanden, dass aus der Norm sowie durch empirische oder gesicherte normative Sätze eine Regel abgeleitet werden kann, durch die eine Bewertung im individuellen Fall durch möglichst schlichte Subsumtion möglich wird.72 Durch verschiedene Konkretisierungsmethoden soll also die Unbestimmtheit der Norm so weit aufgelöst werden, dass eine möglichst direkte Anwendung auf den konkreten auch urheberrechtlichen Einzelfall mit seinen Besonderheiten möglich wird.73 b) Unmöglichkeit der Konkretisierung im engsten Wortsinn und Ausschluss einer urheberrechtlichen „Universalformel“ Man könnte demnach vermuten, dass es Ziel der Konkretisierung sein wird, die Ausfüllungsbedürftigkeit der Norm durch Vorüberlegungen vollends zu beseitigen. Die Hoffnung einer solchen „Konkretisierung im engsten Wortsinne“ schwindet allerdings bei genauerem Hinsehen schnell, was sich gut mit der der Bearbeitung Auers verdeutlichen lässt. Nach Auer ist das Privatrecht geprägt von drei sich gegenüberstehenden Grundwidersprüchen. Als ersten Widerspruch nennt sie das Zusammenspiel von Individualismus, sprich das Bestreben nach einer eigenverantwortlichen und freien Ausübung individueller Rechte sowie der damit verbundenen eigenverantwortlichen Pflicht des Tragens daraus resultierenden Folgen und Risiken74 und dem Kollektivismus, also der Notwendigkeit der Rücksichtnahme auf die Interessen anderer und der Schutz des Individuums75 vor zu starken und unangemessenen Folgen der eigenen Handlungen.76 71
Larenz bezeichnet die Konkretisierung gar als „Modewort“ siehe hierzu: Larenz, FS Nikisch, 275, 279. 72 Bydlinski, Wieacker-Sympsion, S. 189, 196. 73 Bydlinski, Wieacker-Symposion, S. 189, 196; Weber, AcP 192 (1992), 516, 527 f.; Auer, Materialisierung, S. 145, die im Folgenden aber der Frage nachgeht, ob dieser Anspruch tatsächlich erfüllbar sein kann; Röthel, Normkonkretisierung, S. 20 ff. 74 Auer, Materialisierung, S. 12 ff. 75 Auch dies sei unter den Kollektivismus zu fassen, da die „Begünstigten“ als Gegenstück zum Individualismus durch solch paternalistische Erwägungen an der Durchführung ihres Willens gehindert werden und demnach Abweichungen von der unter den Voraussetzungen der
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Als zweiten Widerspruch auf formaler Ebene sieht Auer das Gegenstreben von Rechtsicherheit, also der Ausgestaltung eines Gesetzes mit möglichst klar bestimmten, vorhersehbar subsumierbaren und allgemein leicht verständlichen Normen und Einzelfallgerechtigkeit, also der Möglichkeit trotz der Normierungen auf Besonderheiten des Einzelfalles angemessen reagieren zu können. Eine durch den Gesetzgeber geschaffene Norm, welche in Ihrer Anwendbarkeit direkt und klar ist,77 wird sicherlich die meisten Fallgestaltungen zutreffend erfassen, führt allerdings gleichzeitig auch dazu, dass bestimmte Sachverhalte ausgeschlossen werden, obwohl dies dem eigentlichen Sinn und Zweck der Norm widerspricht.78 Auf institutioneller Ebene macht sie den dritten und letzten Widerspruch zwischen der Richterfreiheit, sprich der freien und rechtsfortbildenden Entscheidungsmöglichkeit des Richters und der gegenläufigen, der Sicherheit dienenden Richterbindung aus.79 Ausgehend von diesen Widersprüchen80 ist die Konkretisierung demnach in konsequenter Fortführung eine Hinwendung zu Rechtsicherheit und daraus bedingter Richterbindung. Wenn sich der Gesetzgeber so beispielsweise für die Unzulässigkeit von Vereinbarungen in AGB entschieden hat, sofern diese eine der in § 309 Nr. 1 – 15 BGB aufgeführten Abweichungen enthalten, so liegt darin eine Hinwendung zu kollektivistischer Verantwortungsethik und eine Abwendung vom Individualismus, und damit der Pflicht zum Tragen der Folgen eigener Handlungen, die deshalb möglich wird, weil bereits abstrakt feststellbar ist, dass der Einzelne in einem solchen Lebenssachverhalt der überlegenen Stellung des Unternehmers unterworfen ist und demnach in seiner Entscheidung nicht frei handelt, somit schutzwürdig ist.81 Gleichzeitig lässt die Norm durch klare Formulierungen wenig Wertungsspielraum82 und wendet sich deshalb gleichzeitig hin zu einer stärkeren Richterbindung und rechtssicheren Formulierung. Selbstbestimmung erzielbaren Güterzuordnung entstünden (kollektivistische Verantwortungsethik), Auer, Materialisierung, S. 8, 19. 76 Auer, Materialisierung, S. 16 ff. 77 Nach Auer unter Berufung auf Jhering, Geist des römischen Rechts Bd. 1 S. 51 als formelle Realisierbarkeit bezeichnet Auer, Materialisierung, S. 47. 78 So beispielweise bei einer Bestimmung der Geschäftsfähigkeit mittels einer starren Altersgrenze, die zwar sicherlich den Großteil der Fälle zutreffend erfassen wird, allerdings auch Fallgestaltungen, in denen die Einsichtsfähigkeit trotz der Altersgrenze klar fehlt, kategorisch ausschließt. Auer, Materialisierung, S. 52 f. 79 Auer, Materialisierung, S. 64. 80 Deutlich kritisch zur Arbeit Auers: Winkler, RG 2006, 220, 220 ff. 81 Müko BGB/Basedow, Vorb. § 305 Rn. 4; Jauernig/Stadler, BGB, Vorb. §§ 305 – 309 Rn. 1. 82 Entgegen der Überschrift eröffnet auch § 309 in seinen aufgeführten Fällen teilweise Wertungsspielräume Siehe hierzu Müko BGB/Wurmnest § 309 Rn 2, der zu Recht darauf hinweist, dass Nr. 5 lit. b mit dem Begriff „wesentlich“, Nr. 8 lit. b cc mit dem Begriff „erforderlich“, Nr. 8 lit. b dd mit dem Begriff „unverhältnismäßig“ oder Nr. 15 lit. a mit dem Begriff „wesentlich höher“ dennoch wieder unbestimmte, wertungsausfüllungsbedürftige
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Betrachtet man hingegen § 308 BGB, der weitergehende Wertungsmöglichkeiten eröffnet, so liegt darin zwar auch ein Schutz des Einzelnen im Sinne einer kollektivistischen Verantwortungsethik, allerdings verbunden mit einer Zuwendung zu Einzelfallgerechtigkeit und Richterfreiheit, welche daher rührt, dass die relevanten Fallgestaltungen eine Gefährdung des Vertragspartners nahelegen, aber nicht zwingend voraussetzen. Es sind deshalb weitere Erkenntnisse des Einzelfalles notwendig, welche dann erst zeigen, ob die naheliegende Gefahr sich wirklich realisiert hat.83 Um bestimmen zu können, wann das eine oder andere Bestreben weichen muss, wann also beispielsweise kollektive Rücksichtnahmepflichten der Durchsetzung individueller Rechte zurückweichen müssen, sind Anhaltspunkte in den zu regelnden Fallgestaltungen erforderlich, die in der Bewertung einen Ausschlag zur einen oder anderen Seite ergeben. In vielen Fällen liegen diese Anhaltspunkte in ausreichender Form vor, so dass der Gesetzgeber eine klar bestimmbare Regelung fassen kann, welche beispielsweise zum Sinne des Schutzes des Einzelnen eine Hinwendung zu einer Rücksichtnahmepflicht einer dem Einzelnen überlegenen Partei normiert. In einigen Bereichen, so auch dem Urheberrecht,84 ist eine Erfassung der Lebenssachverhalte nicht möglich, da entsprechende Anhaltspunkte fehlen. Der Gesetzgeber ist dann gezwungen zu unbestimmten, und gegebenenfalls wertungsausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffen und Generalklauseln zu greifen.85 Lässt er dergestalt die Entscheidung offen und gibt sie an die Gerichte weiter, so setzen sich die bestehenden zuvor erläuterten Spannungen der Grundwidersprüche auch hier weiter fort. Auf abstrakter Ebene sind diese daher nicht bis ins letzte Detail auflösbar. Erst am konkreten Fall lassen sich hinreichend Anhaltspunkte für eine Entscheidung in die eine wie andere Richtung festmachen. Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe sind also in gewisser Weise auch Ausfluss dieser sich Widersprüche des Privatrechtsdenkens.86 Sofern der Gesetzgeber sich also gezwungen sieht, zu unbestimmten, wertungsausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffen zu greifen, wird es also bei jedem abstrakten Konkretisierungsvorhaben bei einem Rest an Wertungsentscheidung bleiben, der erst im Einzelfall durch die Gerichte und die Kenntnis des speziellen Lebenssachverhaltes aufgelöst werden kann. Eine allgemeine Konkretisierung von Generalklauseln und unbestimmten, wertungsausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffen mit positivistischer Wirkung im engsten Wortsinn, wird aus diesem Grunde also niemals in Gänze möglich sein.87 Rechtsbegriffe enthält und damit entgegen der Überschrift der Norm eine Wertungsentscheidung erforderlich macht. 83 Siehe hierzu insbesondere die Gesetzesbegründung zum AGBG, deren Normen weitestgehend den heutigen §§ 308 und 309 entsprechen. BT-Drcks 7/3919, S. 23. 84 Siehe hierzu bereits zuvor S. 53 f. 85 BT-Drcks. 7/3919, S. 23. 86 Zutreffend daher Auer, Materialisierung, S. 138. 87 Zutreffend daher Auer, Materialisierung, S. 175.
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Dies bedeutet zunächst für die Ausfüllung der urheberrechtlichen unbestimmten, wertungsausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffe und demnach für die Frage danach, ob das Urhebergesetz in der Lage sein kann, die nunmehr relevanten Baukunstwerke der kleinen Münze im privaten Wohnungsbau angemessen zu regeln, dass auch durch die systematisierte Ausfüllung der entsprechenden Formulierungen am Ende niemals eine Art „urheberrechtliche Universalformel“ stehen wird, welche die pauschale Bestimmung möglich macht, ob eine Änderung möglich ist oder nicht. Ohne den Bezug zum Einzelfall wird im Vorhinein keine endgültige Auflösung der notwendigen Wertungsentscheidung, also eine Konkretisierung im engsten Wortsinn, möglich sein. c) Eingrenzung der Wertungsentscheidungen der Gerichte Trotz der diametral wirkenden Widersprüche haben sich aber dennoch selbst aus sehr weit gefassten und unbestimmten Generalklauseln unterschiedliche Normen und weitere Prinzipien entwickelt, die heute das Rechtsleben prägen. So stand zu Beginn der Entwicklung des AGB-Rechts vor allem das denkbar weite Prinzip von Treu und Glauben nach § 242 BGB.88 Dieses wurde für den Fall des Einbezugs bestimmter Bedingungen weiter verdichtet, was sich am 1. 4. 1977 im AGBG89 und sodann am 1. 1. 2002 in den §§ 305 ff BGB90 niedergeschlagen hat. Letztere sind zwar nach wie vor zu Teilen wertungsausfüllungsbedürftig,91 aber dennoch weitaus greifbarer als der Grundsatz von Treu und Glauben und können von dieser Grundlage aus weiter konkretisiert und erweitert werden. Das AGB-Recht ist dabei durch die nähere Bestimmung, insbesondere die Herausarbeitung weiterer Anknüpfungspunkte, ein Schritt in Richtung Rechtssicherheit. Gleichzeitig erfolgt eine deutlichere Bindung des Richters durch die Merkmale der §§ 305 ff BGB, was in der Kumulation dann – in diesem Falle, wie auch bei der Entscheidung zur Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft – zu einer Entscheidung in kollektivistischer Verantwortungsethik führen kann, den Vertragspartner vor einer „Überrumplung“ durch AGB zu schützen. Auch die teleologischen Hintergrunderwägungen sind durch den Bezug auf die AGB und die daraus möglicherweise folgende Benachteiligung des Vertragspartners greifbarer, da fallbezogener. In einigen Bereichen des AGB-Rechts konnten hierdurch sogar einzelne Teilbereiche herausgearbeitet werden, welche so bestimmt sind, dass jedenfalls hier eine direkte Subsumtion möglich wird. Beispielsweise ist eine Bestimmung, welche den Vertragspartner verpflichtet, zunächst eine gütliche Einigung im außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren zu erwirken, 88
BT-Drcks VII/1319, S. 22. BT-Drcks. VII/3919, S. 22 zur Verwirklichung von Treu und Glauben im AGBG. 90 BT-Drcks. XIV/6040, S. 97 zur Aufnahme des AGBG in das BGB. 91 Siehe hier insbesondere § 307 BGB als „Generalklausel des AGB-Rechts“ BT Drcks. VII/3919, S. 22 bereits zu § 7 AGBG der als „Generalklausel“, das „Kernstück des AGBRechts“ bilde. Siehe auch den Katalog des § 308 BGB. 89
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bevor er klagen kann, ohne weitere Wertungsmöglichkeit nach § 309 Nr. 14 BGB unwirksam. Aus dem äußerst ungreifbaren Terminus von Treu und Glauben des § 242 BGB ist also durch weitere Eingrenzung eine Bestimmung entstanden, welche sogar teilweise eine direkte Subsumtion erlaubt. Auch die Rechtsprechung des BGH zur Unwirksamkeit einer Bürgschaft für einen Angehörigen92 ist letztlich eine Verdichtung des „sittenwidrigen Rechtsgeschäftes“ nach § 138 BGB durch die Judikative, bei der sich im Falle des Ausnutzens einer sozialen, emotionalen Drucksituation durch den Verwandtschaftsfall Anhaltspunkte dafür ableiten ließen, dass der BGH sich auf Grund der in der Generalklausel angelegten richterlichen Freiheit für eine vom Gedanken der kollektivistischen Verantwortungsethik im Sinne des Schutzes des Einzelnen für eine von ihm eingegangene Bindung und so gleichzeitig der Gerechtigkeit im Einzelfall entscheiden konnte.93 Auch wenn diese Rechtsprechung sicherlich noch weiter im Fluss ist, ist sie dennoch bereits ein Anhaltspunkt für eine Konkretisierung des sittenwidrigen Geschäftes. Selbst wenn nach dem bislang Gesagten zwar eine Konkretisierung in dem Sinne nicht möglich sein wird, dass am Ende eine reine Subsumtion die Unbestimmtheit und Wertungsbedürftigkeit entsprechender Normierungen vollends beseitigen könnte, so muss sie augenscheinlich doch in der Lage sein, bestimmte Anwendungsbereiche innerhalb einer unbestimmten und wertungsausfüllungsbedürftigen Norm herausarbeiten zu können. Durch diese Eingrenzung scheint der Konkretisierungsprozess dann, wie im Falle des AGB-Rechts oder auch der Bürgschaftsrechtsprechung, zwar zunächst lediglich Bereiche abstecken zu können, welche dann wieder für sich konkretisierungsbedürftig sind, gleichzeitig bilden sich dadurch aber spezifischere Anknüpfungspunkte, welche dann Wertungsentscheidungen lenken, begrenzen und eine weitere jedenfalls teilweise Verdichtung zu Normen wie § 309 BGB ermöglichen. aa) Hinweise durch einen verfassungsrechtlichen Rahmen und die induktive Betrachtung der Norm selbst Wenn aber eine solche Eingrenzung des Grundsatzes von Treu und Glauben oder der Sittenwidrigkeit im BGB möglich ist, muss es auch möglich sein, die unbestimmten, wertungsausfüllungsbedürftigen Rechtbegriffe des Urheberrechts näher zu bestimmen. Fraglich ist allerdings, wie eine solche Eingrenzung ohne die Kenntnis der genauen Umstände des Einzelfalls vollzogen werden kann, setzt doch die notwendige Wertungsentscheidung bei bis zum Begriffskern offenen Rechtsbegriffen diese Kenntnis gerade voraus. 92
Siehe hierzu BGH NJW 1997, 3372; BGH NJW 2000, 1182; BGH NJW 2002, 2230. Zur Begründung BGH NJW 1997, 3372, 3373; BGH NJW 2000, 1182, 1183; BGH NJW 2002, 2230, 2231. 93
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2. Kap.: Theoretischer Ansatz eines angemessenen Ausgleichs der Interessen
Erste Anhaltspunkte liefert hierfür das Grundgesetz, konkret Art. 1 III GG. Die Gerichte als Judikative sind über Art. 1 III GG an die Grundrechte und verfassungsrechtlichen Prinzipien gebunden,94 so dass jede Wertungsentscheidung zunächst mit den verfassungsrechtlichen Wertungen im Einklang stehen muss. Die in den Grundrechten und verfassungsrechtlichen Prinzipien zum Ausdruck kommenden Grundgedanken sind demnach ein erster Rahmen, innerhalb dessen sich die Wertungsentscheidungen bewegen müssen.95 Um diesen noch sehr weiten Rahmen weiter einzuengen, kann trotz der Wertungsausfüllungsbedürftigkeit auf die herkömmlichen Auslegungsmethoden zurückgegriffen werden. Zwar können diese, anknüpfend an den Wortlaut, die Historie, die Systematik und den Telos der Norm, die Unbestimmtheit an sich nicht direkt auflösen,96 allerdings sind der Wortlaut, die Systematik und der Schutzzweck der Norm, welche aus einem historischen Gesetzgebungsprozesses hervorgegangen sind, trotz der ansonsten offen gelassenen Norm, eine gesetzgeberische Entscheidung, welche die Gerichte in etwaigen Wertungsentscheidungen auf Grund ihrer Bindung an Recht und Gesetz folgend aus Art. 20 III GG zu achten haben. Auch wenn die herkömmlichen Auslegungsmethoden deshalb zwar im Falle wertungsausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe und Generalklauseln nicht die Unbestimmtheit der Norm auflösen können, so können hierdurch dennoch unterschiedliche Hinweise in der Entstehungsgeschichte, insbesondere aber in der systematischen Einbindung und aus dem Schutzzweck der Norm abgeleitet werden, die den verfassungsrechtlichen Rahmen der Wertungsentscheidungen weiter eingrenzen oder weitere Prinzipien offenbaren, die sodann weiter verengt werden können und in der Lage sind zu zeigen, welche Kriterien in den Entscheidungsprozess einbezogen werden können.97 So war beispielsweise den Gesetzgebungsmaterialien zu § 7 AGBG, welcher im heutigen § 307 BGB aufgegangen ist, also der AGB-rechtlichen Generalklausel, zu entnehmen, dass für eine Bewertung sowohl die sonstigen Vertragsbestimmungen, als auch die Eigenarten der Geschäftsbeziehungen, sowie die verankerten Anschauungen in den Verkehrskreisen oder dem Lebensbereich, in dem die Vertragspartner tätig sind, in die Bewertung einbezogen werden sollen.98 Auch sei für eine Unangemessenheit eine Benachteiligung von einigem Gewicht erforderlich.99 Der Gesetzgeber lieferte also zunächst Anknüpfungspunkte für eine etwaige Wertungsentscheidung der Gerichte und gab diesen zugleich eine Gewichtungsanordnung an die Hand.
94 95 96 97 98 99
Siehe auch im Folgenden S. 83 ff. Heinrich, Formale Freiheit, S. 330. Siehe hierzu bereits zuvor S. 61 ff. So zutreffend: Kamanabrou, AcP 202 (2002), 663, 675. BT-Drcks. VII/3919, S. 22 f. BT-Drcks. VII/3919, S. 22.
D. Schlüsselfunktion von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen
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Will man also unbestimmte, wertungsausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe näher bestimmen, so wird die Antwort zunächst durch die verfassungsmäßige Ordnung begrenzt. Innerhalb dieser Grenzen sind sodann die speziellen Gesetze mittels einer induktiven Betrachtung zu untersuchen, um Hinweise für die Ausfüllung dieses Rahmens zu gewinnen.100 Gegenstand einer solchen Untersuchung ist hierbei zweierlei: Zum einen muss herausgefunden werden, welche Kriterien in die Wertungsentscheidung einbezogen werden können.101 Diese bilden in ihrer Gesamtheit die unterschiedlichen Elemente der Abwägung, so dass man diese als „Anknüpfungskriterien“ bezeichnen könnte. Zum anderen ist zu untersuchen, welche Auswirkungen diese Kriterien aufeinander haben und wie sie zueinanderstehen. Solche Elemente sollen im Folgenden als „Gewichtungs- und Relationskriterien“ bezeichnet werden. bb) Ordnung möglicher Anknüpfungs- und Gewichtungskriterien (1) Anlehnung an das bewegliche System nach Wilburg Da gerade unbestimmte, wertungsausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe eine große Spanne an Lebenssachverhalten und Situationen abdecken sollen und müssen, werden die gefundenen Kriterien und Grundgedanken nicht in ihrer Gesamtheit in jedem zu betrachtenden Fall vorliegen. Wahrscheinlicher ist es hingegen, dass man unterschiedliche, mögliche Anknüpfungspunkte feststellen kann, welche so dann teilweise auf den zu betrachtenden Lebenssachverhalt zutreffen oder nicht, bzw. dass das gleiche Ergebnis durch das Vorliegen unterschiedlicher Elemente angezeigt werden kann. Insbesondere Walter Wilburg hat dies bezogen auf das Schadensrecht untersucht und in einer Rede zur Entwicklung des beweglichen Systems im bürgerlichen Recht am 22. 11. 1955 auf den Punkt gebracht. Nach Wilburg lässt sich die Schadensersatzhaftung auf ein Zusammenspiel von Gesichtspunkten zurückführen, welche er als „bewegende Kräfte“ bezeichnet. Im Einzelnen nennt er hierbei für die Begründung einer schadensrechtlichen Haftung zunächst einen kausalen Mangel mit unterschiedlicher Schwere, ausgelöst durch den Schädiger selbst oder einen Gehilfen, mit oder ohne Verschulden. Weiterhin die Schaffung einer Gefährdung beispielsweise durch ein Unternehmen oder eine Sache ein kausaler Zusammenhang und die soziale Vermögenslage des Beschädigten, so des Schädigers.102 Eine etwaige Haftung und deren Umfang ergeben sich nach Wilburg dann aus dem Zusammentreffen der unterschiedlichen Elemente, wobei er diese nicht als absolute Größen, sondern als Teil eines „variablen Spiels“ verstanden wissen will, dessen Gesamtergebnis die
100 So auch hinsichtlich einer induktiven Betrachtungsweise: Heinrich, Formale Freiheit, S. 330 f. 101 Kamanabrou, AcP 202 (2002), 663 675; Heinrich, Formale Freiheit, S. 326 f. 102 Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems, S. 12 f.
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2. Kap.: Theoretischer Ansatz eines angemessenen Ausgleichs der Interessen
Haftung ist.103 Trete dabei beispielsweise ein Element besonders stark auf, bedient also beispielsweise der Schädiger ein besonders gefährliches und anfälliges Flugzeug, so kann dies in der Schwere bereits eine Haftung begründen, wobei bei einem geringer gefährlichen Kraftfahrzeug weitere Elemente wie ein zusätzliches Fehlverhalten hinzutreten müssen.104 Sollten hierbei beispielsweise ein Mitverschulden des Geschädigten feststellbar sein, so kann auch dieses im Zusammenwirken gegen den Geschädigten wirken, so dass für einen gewissen Umfang der Haftung weitere Elemente auf Seiten des Schädigers hinzutreten müssen.105 Am Ende entscheidet hiernach also ein kumulatives bzw. komparatives Zusammenwirken unterschiedlicher Kriterien darüber, ob und in welchem Umfang eine Haftung des Schädigers anzunehmen sein kann. Die angesprochenen verfassungsrechtlichen Wertungen bilden also zunächst einen Rahmen für die weitere Präzisierung. Gelingt es innerhalb dieser Grenzen, durch die herkömmlichen Auslegungsmethoden und in einer induktiven Betrachtung der speziellen Norm, deren Schutzzweck und systematischer Einbindung, Merkmale herauszuarbeiten, so ist das Ergebnis ein äußerst flexibles Recht, welches auf Veränderungen der jeweiligen Parameter reagieren könnte, aber gleichzeitig aus dem Gesetz selbst abgeleitet ist und somit den Eigenwertungsbereich der Richter möglichst weit lenkt und sachfremde Erwägungen vermeidet. Die so gefunden Kriterien bilden dann das Grundgerüst der Wertungsentscheidung beruhend auf den entsprechenden unbestimmten, wertungsausfüllungsbedürftigen Normen und dem verfassungsrechtlichen, direktiven Rahmen und systematisieren so den Konkretisierungsvorgang. (2) Zusammenfassung generalisierbarer Sachverhalte Gerade die offenen urheberrechtlichen Kriterien der Individualität bzw. Gestaltungshöhe, reichen vom architektonischen Meisterwerk bis zum fast alltäglichen Einfamilienhaus. Auch die stark von Fall zu Fall differierenden Eigentümerinteressen umfassen, Änderungsbegehren von bestandsrettenden, bis hin zu rein ästhetischen Änderungsmaßnahmen. Eine systematisierte Konkretisierung durch Betrachtung des verfassungsrechtlichen Rahmens und induktiver Untersuchung der einschlägigen Normen stellt hierbei zwar zunächst sicher, dass keine sachfremden Erwägungen in die Wertungsentscheidung einbezogen werden dürfen und legt zu Teilen auch die Relationen dieser Kriterien zu- und etwaige Einflüsse aufeinander fest; es verbleibt allerdings nach wie vor bei einem großen Wertungsspielraum, innerhalb dessen ein Urteil im Einzelfall möglich ist. Gleichzeitig ist bereits jetzt absehbar, dass beispielsweise ein Einfamilienhaus der kleinen Münze nicht die gleichen Schutzrechte auslösen kann, wie ein architektonisches Meisterwerk, bei dem einschneidende Rechte sicherlich gerechtfertigt wären. Um nun eine Unter103 104 105
Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems, S. 13. Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems, S. 13. Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems, S. 14.
D. Schlüsselfunktion von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen
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suchung und Eingrenzung zu ermöglichen, die über das Herausarbeiten der Grundlagen der Anwendung einer entsprechenden, offen gestalteten Norm hinausgehen, muss eine Verknüpfung zwischen den herausgearbeiteten, aber noch abstrakten Hinweisen auf die Normanwendung und der zu regelnden Lebensrealität hergestellt werden. Fokussiert man sich auf die herausgearbeiteten Anwendungshinweise aus verfassungsrechtlichen Vorgaben und induktive Betrachtung der entsprechenden speziellen Normen, so drängen sich möglicherweise Lebenssachverhalte auf, welche unter bestimmten Gesichtspunkten Übereinstimmungen erkennen lassen und welche sich generalisieren lassen, ohne eine Fallindividualisierung vornehmen zu müssen. Solche unter bestimmten Aspekten übereinstimmenden Fallgestaltungen können so dann unter Fallgruppen gefasst werden, welche wiederum Gegenstand weiterer Untersuchungen sind.106 Beispielhaft stellt das Werk im Bereich des privaten Wohnungsbaus den Lebensmittelpunkt des Bauherrn dar, so dass dieser, wie bereits erläutert, ein äußerst hohes Interesse an der freien Ausübung seines Eigentumsrechts haben wird,107 das unter anderen Gesichtspunkten als beispielsweise unternehmerisches Bauwerk zu betrachten ist. Auch werden allein deshalb schon typische Konstellationen absehbar, welche regelmäßig im privaten Bereich anfallen werden, wie Renovierungen, energetische Modernisierungen oder An- bzw. Umbauten. Gleichzeitig wird ein Großteil der Werkgestaltungen in diesem Bereich der kleinen Münze zuzuordnen sein, also eine geringe Bindung zum Architekten aufweisen. Ohne der weiteren Bearbeitung vorzugreifen, könnte man hier beispielsweise im Bereich des privaten Wohnungsbaus die Nutzung als Lebensmittelpunkt möglicherweise als wichtiges Gewichtungs- und Relationskriterium ansehen und so der Variable des Eigentums eine hohe Gewichtung zukommen lassen, die wiederum weiter erhöht wird, je dringlicher etwaige Änderungsbegehren sind und umgekehrt. Solche generalisierbaren Fallkonstellationen können so dann als Fallgruppen zusammengefasst und weiter untersucht werden, so dass beispielsweise der Aspekt der Notwendigkeit weiter staffelbar erscheinen könnte. Letztlich kehrt man demnach in gewisser Weise die übliche Blickrichtung von Tatbestand zu Rechtsfolge um und geht anders als bei einer hinreichend bestimmten Norm zunächst von deren Wertungen aus.108 Hierbei übereinstimmende Aspekte lassen sich sodann zu übereinstimmenden Fallgruppen bündeln, woraus sich schließlich weitere Erkenntnisse ergeben.109 Nach und nach wird die Norm so immer konkreter für bestimmte Sachverhalte, auch wenn mit Auer klarzustellen sein wird, dass jede Fallgruppe für sich genommen wiederum weitere Wertungsaspekte eröffnet, also auch so nicht zu einer vollständigen Konkretisierung im engsten 106 107 108 109
Siehe hierzu Weber, AcP 192 (1992), 516, 527; Haubelt, Konkretisierung, S. 89. Hierzu zuvor S. 35 ff. So: Weber, AcP 192 (1992), 516, 527. Weber, AcP 192 (1992), 516, 527 f.
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2. Kap.: Theoretischer Ansatz eines angemessenen Ausgleichs der Interessen
Wortsinne, als lediglich zu einer weiteren Eingrenzung der zu erwartenden Ergebnisse führen kann.110 Die Schlüsselfunktion unbestimmter, wertungsausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe zu einer angemessenen Handhabe der hier im Blick stehenden Werke der kleinen Münze im Bereich des privaten Wohnungsbaus, bestätigt sich somit in der induktiven Betrachtung der Norm mittels der herkömmlichen Auslegungsmethoden und einer Zusammenfassung generalisierbarer Fallgestaltungen zu etwaigen Fallgruppen, welche so dann weiter untersucht werden können. Im folgenden Kapitel soll zunächst eine Betrachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben erfolgen, um die allgemeine Direktive der Wertungsentscheidungen herauszuarbeiten. So dann soll dieser Rahmen durch die angesprochene induktive Betrachtung der einschlägigen urheberrechtlichen Normen mittels der herkömmlichen Auslegungsmethoden ausgefüllt und im Anschluss daran zu der speziellen Grundproblematik immanenten Fallgruppen zusammengefasst werden.
IV. Zwischenbetrachtung Das Urheberrecht ist also bereits auf Grund seines nicht kasuistisch erfassbaren – da äußerst weit gespannten – Regelungsbereiches darauf angewiesen, ein hohes Maß an Flexibilität zu wahren, will es insbesondere in der Lage sein, die Extrembereiche der hochindividuellen Schaffensleistungen auf der einen und Werke der kleinen Münze auf der anderen Seite angemessen und unter Beachtung der insbesondere bei den nun relevant werdenden Bauwerken, welche dem Bauherrn als Eigenheim dienen, zu regeln. Auch die Interessen des Bauherrn werden sich von Fall zu Fall in ihrer Dringlichkeit insbesondere im Gegenstand des Begehrens unterscheiden.111 Nach Art. 14 I S. 2 GG obliegt es dem Gesetzgeber, Inhalt und Schranken des Eigentums, welchem verfassungsrechtlich sowohl das Sacheigentum als auch das Urheberrecht zuzuordnen sind, zu regeln. Die hierbei erforderliche Flexibilität kann der Gesetzgeber nur erreichen, indem er im Gesetzgebungsprozess zu unbestimmten, wertungsausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffen greift und somit die entsprechenden Normen bis zum Begriffskern offenlässt. Der Anwendungsbereich solcher Normen muss dann durch die Gerichte mittels Wertungsentscheidungen am Einzelfall näher bestimmt werden und ermöglicht so eine Reaktion auf die auf Legislativebene kaum in ihrer Fülle zu überblickenden Facetten der konkreten Lebenssachverhalte. Um hierbei gleichzeitig aber nicht Tür und Tor der Rechtsunsicherheit und dem Rechtsmissbrauch zu öffnen, muss diese Ausfüllung oder Konkretisierung einer Systematisierung unterworfen werden, welche sich an der Verfassung und am Gesetz selbst orientiert. Mittels der 110 111
Auer, Materialisierung, S. 176. Hierzu im Folgenden S. 148 ff.
D. Schlüsselfunktion von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen
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verfassungsrechtlichen Direktive an das Handeln der Judikative allgemein und aus einer induktiven Betrachtung der entsprechenden, zu konkretisierenden Normen können so Hinweise zur näheren Bestimmung erarbeitet werden, welche den Bereich der zu erwartenden Entscheidung möglichst weit eingrenzen können. Aus dieser Betrachtung lassen sich sodann unterschiedliche Anknüpfungskriterien zum einen, sowie Relations- und Gewichtungskriterien zum anderen ableiten, welche in Anlehnung an das bewegliche System miteinander wirken und die Wertungsentscheidung lenken. Zu einer Konkretisierung im engsten Wortsinn wird es hierbei bereits deshalb nicht kommen können, da jede Werkgestaltung letztlich in ihrer Besonderheit betrachtet und bewertet werden muss und sich die von Auer herausgearbeiteten Grundwidersprüche des Privatrechts, denen sich auch der Gesetzgeber gegenübersieht, nur mit den Kenntnissen des besonderen Einzelfalles in die eine oder andere Richtung auflösen lassen. Dennoch kann ein urheberrechtlicher Schutz durch eine Systematisierung des Konkretisierungsvorganges, folgend aus der Betrachtung der verfassungsrechtlichen Direktive an legislatives Handeln, sowie der induktiven Betrachtung der einschlägigen Normen, an bestimmte Anknüpfungskriterien auf der einen sowie Relationsund Gewichtungskriterien auf der anderen Seite gebunden werden. Diese Anknüpfungs- sowie Relations- und Gewichtungskriterien bilden die Grundlage einer jeden Wertungsentscheidung. Sollten sich auf diesen Kriterien Fallgestaltungen aufdrängen, welche unter gewissen Aspekten Übereinstimmungen aufweisen, können diese folglich als Fallgruppen zusammengefasst und auf dieser Grundlage weiter untersucht und in der Spannweite des Umfangs des Schutzes eingegrenzt werden. Ohne der Bearbeitung zu weit vorzugreifen wird beispielsweise die Unterscheidung der privaten Nutzung als Lebensmittelpunkt im Vergleich zu einer unternehmerischen Nutzung einen Unterschied in der Gewichtung des Eigentumsrechts ausmachen. Durch die Herausarbeitung möglichst vieler solcher aus der verfassungsrechtlichen Direktive und den einschlägigen Normen abgeleiteten Kriterien wäre für den Rechtsanwender zunächst klar, welchen Elementen innerhalb der Wertungsentscheidung Relevanz zukommen kann. Gleichzeitig lassen sich durch die Feststellungen etwaiger in ihren Wertungen übereinstimmenden Fallgestaltungen der ihnen zukommende Schutzumfang begrenzen und die angestellte Vermutung belegen, dass ein Bauwerk der kleinen Münze kein auf mehr als 100 Jahre angelegtes Schutzrecht genießen kann, welches bei einer hochindividuellen, architektonischen Meisterleistung vielleicht gerechtfertigt erscheinen mag, bei einem Einfamilienhaus hingegen, das gerade noch über dem Alltäglichen liegt, wohl kaum im Bereich des Angemessenen liegt. Je mehr Übereinstimmungen hierbei gefunden werden können, umso genauer kann der Bereich einer möglichen Wertungsentscheidung eingegrenzt werden und ergibt dann zusammengesetzt in ein bewegliches System ein Gesamtbild des möglichen urheberrechtlichen Schutzes.
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2. Kap.: Theoretischer Ansatz eines angemessenen Ausgleichs der Interessen
Einer Beantwortung der Frage nach einer angemessenen Regelung von Baukunstwerken der kleinen Münze im privaten Wohnungsbau kommt dem Umgang mit unbestimmten, wertungsausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffen also eine Schlüsselrolle zu. Gelingt es die Konkretisierung urheberrechtlicher, unbestimmter, wertungsausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe in ein System zu fassen, so muss in diesem System die Antwort nach der Frage liegen, ob das Urheberrecht in Lage sein kann Eigenheime im Bereich der privaten Münze in angemessener Art und Weise zu regeln.
3. Kapitel
Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung zur Eingrenzung der Wertungsentscheidung durch die Gerichte A. Verfassungsrechtliche Rahmensetzung einer systematisierten Konkretisierung – Bindung der Gerichte nach Art. 1 III GG Nach dem bislang Gesagten obliegt es den Gerichten, den vom Gesetzgeber offengelassenen Bereich einer Norm in konkreten Entscheidungen auszufüllen und somit auch im Urheberrecht den Ausgleich zwischen den Interessen des Bauherrn bzw. Eigentümers einerseits und des Urhebers andererseits einzelfallbezogen zu erreichen. Beide Rechte sind verfassungsrechtlich insbesondere in Art. 14 GG verankert, wobei es nach Art. 14 I S. 2 GG dem Gesetzgeber obliegt Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen. Nach Art. 1 III GG sind dabei zunächst alle Staatsgewalten in ihrem Handeln an die Grundrechte und die ihnen zu Grunde liegenden Wertungen und Prinzipien gebunden. Die Gerichte als judikative Staatsgewalt müssen folglich im Ausgangspunkt aller Überlegungen die Grundrechte und die ihnen immanenten Wertungen und Prinzipien auch bei der Normausfüllung und damit der vorzunehmenden Wertungsentscheidung achten. Sind so bei einer Auslegung und Anwendung der einfachgesetzlichen Normen mehrere Deutungen möglich, so verdient diejenige den Vorzug, die den Wertungsentscheidungen der Verfassung entspricht und die Grundrechte, im Falle der Kollision, in bestmöglichen Einklang und größtmögliche Geltung bringt.1
I. Der Grundsatz der praktischen Konkordanz Zur Auflösung solcher Kollisionssituationen hat sich auf verfassungsrechtlicher Ebene zunächst der Grundsatz der praktischen Konkordanz entwickelt.
1
101.
BVerfGE 8, 210, 211; BVerfGE 88, 145, 166; BVerfGE 129, 78, 102; BVerfGE 142, 74,
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
1. Ausgleich des Spannungsverhältnisses durch beidseitige, größtmögliche Geltung Jeder Bürger kann sich im Ausgangspunkt zunächst auf bestimmte Rechte und Freiheiten berufen. Diese Rechte und Freiheiten des Einzelnen werden an gewissen Punkten im Rechtsraum auf die Rechte und Freiheiten anderer Bürger treffen. Beide Seiten üben dann einzelfallabhängig unterschiedlich starken, gegensätzlich wirkenden Druck aufeinander aus.2 Die Verfassung hat dabei die Schutzentscheidung hinsichtlich des einen wie des anderen Rechts getroffen. Da sich die Verfassung sowohl zum Schutz des einen wie des anderen kollidierenden Rechts entschlossen hat, und um die Einheit der Verfassung zu wahren, ist jede der Schutzentscheidungen zu respektieren. Im Ergebnis darf deshalb bei einer Kollision zweier Grundrechte nicht durch vorschnelle Abwägung das eine Recht auf Kosten des anderen realisiert werden oder durch eine pauschale Vorprägung bzw. Vorgewichtung einzelner Rechte bestimmt werden; die unterschiedlichen Rechte und Freiheiten sind vielmehr so einander zuzuordnen, dass durch beidseitiges Nachgeben beiden Positionen die größtmögliche, optimale Geltung zukommen kann und diese so einzelfallbezogen ins Gleichgewicht kommen können.3 Die betroffenen Grundrechte sollen dabei nur so weit eingeschränkt werden wie es eine gleichzeitige Würdigung beider gegenüberstehenden Positionen zwingend erfordert (= Grundsatz der praktischen Konkordanz).4 Die Folge ist ein Verständnis der Grundrechte mit fluktuierenden Grenzen im Einzelfall, die mal mehr, mal weniger begrenzend im Kollisionsfall aufeinander einwirken.5 Im Schnitt entsteht so ein Zusammenspiel aus Geltungsanspruch auf der einen und Einschränkungsnotwendigkeit auf der anderen Seite, welches ein Gleichgewicht der einzelnen Grundrechte in ihrer Schutzwirkung erzeugt. So sind auch hier subjektive, verfassungsrechtlich verankerte Interessen des Bauherrn und des Architekten betroffen, die sich in ihrer Wirkung diametral gegenüberstehen. Sowohl der Bauherr als auch der Architekt berufen sich dabei auf verfassungsrechtlich gesicherte Rechte, so dass diese im Rahmen der praktischen Konkordanz einem Ausgleich zugeführt werden müssen.
2 Hubmann, AcP 155 (1956), 85, 126 spricht davon, dass die Gegensätzlichen Interessen so aufeinander eine begrenzende und mäßigende Wirkung ausüben. 3 BVerfG NJW 2018, 2965, 2701; Dreier/Dreier, GG Vor. Art. 1 Rn. 65; Schladebach, Der Staat 54 (2014), 261, 271; Dreier/Dreier, GG Vor. Art. 1 Rn. 65, Zuck, MDR 1999, 577, 580. 4 Zurückgehend auf: Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts Rn. 72; siehe auch: Schladebach, Der Staat 54 (2014), 261, 271; Dreier/Dreier, GG Vor. Art. 1 Rn. 65; v. Münch/Kunig/ Kunig, GG Art. 1 Rn. 50. 5 So treffend: Schladebach, Der Staat 54 (2014), 261, 271.
A. Verfassungsrechtliche Rahmensetzung einer systematisierten Konkretisierung
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2. Erkenntnisse hinsichtlich einer Wertungsentscheidung im Rahmen der Ausfüllung unbestimmter, wertungsausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe a) Ausgangspunkt der „Waffengleichheit“ kollidierender Rechte Sofern die Gerichte darüber entscheiden müssen, wie weit den urheberrechtlichen Schutzinteressen des Architekten bzw. den Gegeninteressen des Bauherrn Geltung zugesprochen werden kann, müssen also die verfassungsrechtlichen Schutzentscheidungen auf beiden Seiten hinreichend respektiert werden. Es darf demnach keine pauschale Aufopferung des einen Rechts für das andere geben. Beide Interessenpositionen sind gegenüberzustellen und einem angemessenen Ausgleich zuzuführen. Im Grundsatz ist also zunächst von einer Gleichwertigkeit der widerstreitenden Positionen auszugehen, welche einen Ausgleich überhaupt erforderlich macht. Dennoch geht am Ende die Entscheidung zu Lasten einer der beiden Seiten. Ziel der praktischen Konkordanz ist eine Optimierung und kein patt, so dass es im Einzelfall auch zu einem kompletten Zurücktreten eines der Rechte kommen kann.6 b) Keine urheberrechtliche Verlagerung dieses Gleichgewichts Diese grundsätzliche Waffengleichheit der Rechte kann sich allerdings zu einer Seite verlagern, falls Anhaltspunkte in der Verfassung oder innerhalb der einfachen Gesetze, aber auch aus sonstigen wertethischen oder gesellschaftlichen Erkenntnissen hierfür bestehen.7 Verfassungsrechtlich stehen sich mit dem Sacheigentum des Bauherrn und dem ebenfalls auf dem Eigentumsrecht sowie dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht fußenden Urheberrecht des Architekten8 zunächst einmal zwei gleichrangige verfassungsrechtliche Positionen gegenüber. Weil das Grundgesetz eine entsprechende Werterangordnung, die einem der gesicherten Rechte in Relation mehr Schutz zusprechen würde, nicht vorsieht,9 ergibt sich hieraus zunächst kein generelles Übergewicht zur einen wie zur anderen Seite. Dennoch können die einfachgesetzlichen Bestimmungen nach Art. 14 I S. 2 GG den Inhalt und die Schranken des Eigentumsrechts in die eine wie in die andere Richtung der Streitigkeit näher bestimmen. Doch auch dem hier einschlägigen Urhebergesetz als einfachgesetzliche Ausgestaltung des Eigentumsrechts ist ein solcher, jedenfalls genereller Vorzug nicht zu entnehmen. Zwar sind dem Urhebergesetz mitunter sehr starke Schutzrechte des 6
Hierzu: Schladebach, Der Staat 54 (2014), 263, 272. Hierzu: Riesenkampff, Inhalt und Schranken, S. 103 ff., 111. 8 Siehe hierzu zuvor S. 42 ff. 9 Hierzu: Sachs/Sachs, GG Art. 20 Rn. 156; Stern, Staatsrecht III/2, S. 830 f.; Diller, Interessenausgleich, S. 117. 7
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
Urhebers zu entnehmen, welche auch beispielsweise bei einer anzunehmenden konkludenten Einräumung etwaiger Nutzungsrechte zunächst nur soweit übertragen werden wie es der entsprechende Vertragszweck zwingend erfordert (sog. Zweckübertragungslehre),10 dennoch schränken die §§ 14 und 39 UrhG das Änderungsrecht in allen Anwendungsfällen dahingehend ein, dass das Recht des Schaffenden bei nicht berechtigten Interessen des Architekten bzw. bei einer treuwidrigen Verweigerung der Einräumung etwaiger Nutzungsrechte die Belange des Urhebers zurücktreten müssen und bestimmen so, dass sich das Urheberecht bei jeder Änderung erst am Maßstab des § 14 UrhG bzw. des § 39 UrhG gegen etwaige Gegeninteressen behaupten muss. Abgesehen davon legt der Gesetzgeber, wie zuvor erläutert, durch die Verwendung derartiger unbestimmter, wertungsausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe durch deren Wesen den Fokus gerade auf den Einzelfall11 und damit eben nicht auf pauschale Werterangordnungen, welche im Vorhinein bereits etwaige Urteile zuließen. Eine im Vorhinein zu bestimmende und pauschale Zuordnung, beispielsweise im Sinne eines „in dubio pro auctore“, kann bereits deshalb nicht angenommen werden.12 Auch ist die mögliche Fallvariation zwischen einzigartigen Prestigebauwerken und gerade noch über dem Alltäglichen liegenden Wohnungsbauten allein im Bereich der Baukunst schon viel zu groß, um Festlegungen hinsichtlich einer etwaigen pauschalen Vorabgewichtung treffen zu können. Um diese große Spannweite zu regeln kommt es gerade auf eine hohe Flexibilität des Urhebergesetzes an, so dass es keine von vornherein feststehende, generelle Überlegenheit des Urheberrechts geben kann, will man das entgegenstehende Eigentum des Bauherrn angemessen würdigen. Das Urheberrecht kann in der Zuordnung der gegenseitigen Rechtspositionen folglich kein „allmächtiges Schutzrecht“ sein, bei dem der Bauherr im Grundsatz unterliegt. Im Sinne des Grundsatzes der praktischen Konkordanz muss vielmehr ein Ausgleich bedeuten, dass auch bei urheberrechtlichen Fallgestaltungen der Schaffende möglicherweise weitreichende Einschränkungen oder Änderungen seines Werkes und damit ein Zurücktreten seines Urheberrechts zu Gunsten des Gegeninteresses des Bauherrn im Sinne eines angemessenen Ausgleichs hinnehmen muss. Erste Anzeichen hierfür sind die eingangs der Bearbeitung angesprochenen Entscheidungen, bei denen trotz überragender Gestaltungshöhe weitreichende Änderungen am Werk vorgenommen werden konnten.13 10
Das Urheberrecht hat hiernach das grds. Bestreben so weit wie möglich beim Urheber zu verbleiben BGH GRUR 1957, 391, 394 f. – Ledigenheim; GRUR 1998, 680, 682 – ComicÜbersetzungen; BGH GRUR 1996, 121, 122 – Pauschale Rechtseinräumung; Dreier/Schulze/ Schulze, UrhR § 31 Rn. 110; Korbion/Mantscheff/Vygen/Wirth, HOAI, Werkvertragsrecht Grundlagen B Rn. 116; Locher, Das private Baurecht, Rn. 373; Locher/Koeble/Frik/Koeble, HOAI, Einl. I Einl. Rn. 67. 11 Siehe hierzu zuvor S. 71 f. 12 LG München I, ZUM 2003, 73, 76; BeckOK UrhR/Soppe, § 31 Rn. 94, 1; Schricker/ Loewenheim/Loewenheim, UrhR § 1 Rn. 4. 13 Siehe zuvor S. 58 f. die Entscheidungen zur Umgestaltung des Hauptbahnhofs in Stuttgart im Rahmen von Stuttgart 21 oder dem Dresdener Kulturpalast.
A. Verfassungsrechtliche Rahmensetzung einer systematisierten Konkretisierung
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Das Urheberrecht kann also, auch wenn das Urhebergesetz an sich äußerst starke Schutzrechte grundsätzlich ermöglichen kann, dennoch kein stets absolut wirkendes Recht sein. Im Konkretisierungsvorgang der urheberrechtlichen unbestimmten, wertungsausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffe und der daraus folgenden Wertungsentscheidung der Gerichte sind unterschiedlichen Interessenlagen des Eigentümers und des Bauherrn also unter Berücksichtigung der Besonderheiten des entsprechenden Einzelfalls und insbesondere ohne dass eine der beiden Interessenlagen pauschal ein höheres Gewicht zukäme14 durch die Gerichte in angemessener Art und Weise zu würdigen und auszugleichen, sprich in praktische Konkordanz zu bringen.15
II. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Als Kollisionsprinzip16 hat sich zudem in Anknüpfung an die praktische Konkordanz der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bzw. des Übermaßverbotes entwickelt.17 Die Grundsätze der praktischen Konkordanz und der Verhältnismäßigkeit greifen ergänzend ineinander und bezwecken letztlich beide den Ausgleich der Grundrechtskollision.18 Aus dem Grundsatz der praktischen Konkordanz folgt, dass eine Grenzziehung der einzelnen Rechte notwendig ist, die keine der Positionen schlicht pauschal zu Gunsten des anderen opfert und somit die Einheit der Verfassung samt der enthaltenen Wertungsentscheidungen wahrt. Wie diese Grenze dann im Einzelnen zu ziehen ist, bestimmt sich mittels des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.19 Erstmals zum Ausdruck kam der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im deutschen öffentlichen Recht in § 10 II 17 des allgemein Preußischen Landrechts für das Polizeirecht, der trotz des ansonsten kasuistischen Ansatzes des Preußischen Landrechts als eine der ersten Generalklauseln galt. Die Norm sprach von den „nötigen 14 Goldmann, GRUR 2005, 639, 642; BeckOK UrhR/Kroitzsch/Götting, § 14 Rn. 21; Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR § 14 Rn. 33; Neuenfeld, BauR 1975, 365, 373; ausführlich hierzu Riesenkampff, Inhalt und Schranken, S. 111 ff. 15 Siehe so zu urheberrechtlichen Fallgestaltungen: BVerfG GRUR 2012, 389, 389 f.; ebenfalls Neuenfeld, BauR 1975, 365, 373. 16 Sachs/Sachs, GG Art. 20 Rn. 146; Dreier/Schulze-Fielitz, GG Art. 20 Rn. 179. 17 Siehe zur Begriffssynonymität: BeckOK GG/Huster/Rux, Art. 20 Rn. 189.1; im Folgenden „Verhältnismäßigkeit“. 18 So im Ergebnis bei: Hesse, Grundzüge des Verfassunsgrechts Rn. 72, 317 f.; Stern, III/2, S. 626 spricht von zwei Prinzipien, die auf dasselbe hinauswollen. 19 Hesse, Grundzüge des Verfassunsgrechts Rn. 72, 317 f.; siehe wohl ebenso: BVerfGE 81, 278, 292 – Bundesflagge es sei ein verhältnismäßiger Ausgleich mit dem Ziel der Optimierung beider Rechte herbeizuführen. Auch das BVerfG scheint also den Ausgleich, den ja letztlich die praktische Konkordanz vorsieht als Ziel anzusehen und die Verhältnismäßigkeit als Mittel zur Erreichung dieses Ziels.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
(sic) Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung“. Aus der Frage danach, was nötig in diesem Sinne ist, entwickelten sich die ersten Ansätze für den heutigen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz,20 von wo aus er nach und nach Eingang in die gesamte Eingriffsverwaltung erhielt.21 Auch wenn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz durch Vorarbeiten des Schrifttums22 und ersten Ansätzen des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs23 heute vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsrechtliches Prinzip herausgearbeitet worden ist,24 ist er dennoch nicht im Grundgesetz verankert. Meist wird hierfür das Rechtsstaatsprinzip herangezogen,25 teilweise erfolgt eine Herleitung aber bereits aus den Grundrechten selbst26 oder auch aus einer Zusammenschau verschiedener Artikel des Grundgesetzes.27 Dieses lässt jedenfalls mit den Art. 1, 20 und 28 I GG keinen Zweifel daran, dass die Bundesrepublik Deutschland ein Rechtsstaat ist. Wenn dem so ist, ist der Staat mit der Gerechtigkeit im engsten Sinne verbunden, aus der sich Maßstäbe ergeben, welche auch ohne Normierung gelten.28 Diese aus dem übergeordneten Gedanken der Gerechtigkeit abgeleiteten Maßstäbe gelten unabhängig von einer direkten Normierung aus der Rechtsordnung selbst heraus und sind dieser eigentümlich. Sie bilden die sog. Rechtsgrundsätze als Quellen der gesamten Rechtsordnung.29 Dieser Gerechtigkeitsgedanke schließt die Verpflichtung mit ein, die Ausübung von Rechten durch Hoheitsträger oder Individuen genauso wie die Auferlegung von Pflichten und Lasten, sprich den Ausgleich widerstreitender Interessen, dem Maßvollen zu unterwerfen.30 Es soll sprichwörtlich nicht „mit Kanonen auf Spatzen geschossen“ werden können, sondern das Mittel in angemessener Weise an den verfolgten Zweck angepasst werden. Zur Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes haben sich vier Prüfungsmerkmale herauskristallisiert.31
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Ausführlich hierzu: Naas, Die Entstehung, S. 145 ff.; Stern, Staatsrecht III/2, S. 766. Sachs/Sachs, GG Art. 20 Rn. 145. 22 Hierzu vor allem bereits in den 1950er Jahren v. Krauss, Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit; sowie in den Jahre 1960er Jahren: Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht. 23 BayVGH n. F. 1 II, 81, 91. 24 BVerfG NJW 1966, 243, 244. Ausführlich zu Entwicklung siehe Stern, Staatsrecht III/2, S. 762 ff.; Sachs/Sachs GG Art. 20 Rn. 145. 25 v. Mangoldt/Klein/Starck/Sommermann, GG Art. 20 Rn. 308. 26 BVerfGE 76, 1, 50 f.; BVerfGE 19, 324, 348; BVerfGE; BeckOK GG/Huster/Rux, Art. 20 Rn. 190. 27 Genauer zur Herleitung: Dreier/Schulze-Fielitz, GG Art. 20 Rn. 179. 28 Stern, Staatsrecht III/2, S. 772. 29 Stern, Staatsrecht III/2, S. 772. 30 Stern, Staatsrecht III/2, S. 772. 31 BVerfGE 80, 137 159 ff.; Sachs/Sachs, GG Art. 20 Rn. 149 ff.; BeckOK GG/Huster/Rux, Art. 20 Rn. 192; Detterbeck, Öffentliches Recht, Rn. 301. 21
A. Verfassungsrechtliche Rahmensetzung einer systematisierten Konkretisierung
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1. Inhaltliche Anforderungen a) Legitimität des verfolgten Zwecks Zunächst muss ein Eingriff einen legitimen Zweck verfolgen, um dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu entsprechen. Dies ist dann anzunehmen, wenn der verfolgte Zweck nicht von vornherein rechtswidrig ist bzw. auf einer Rechtsposition beruht.32 b) Geeignetheit des Mittels Weiterhin muss das Mittel geeignet sein, das verfolgte Ziel erreichen zu können. Dies ist lediglich dann abzulehnen, wenn das gewählte Mittel in keiner Weise in der Lage sein kann, das verfolgte Ziel fördern zu können, so dass der angestrebte Zweck also nicht in jedem Einzelfall mit höchster Wahrscheinlichkeit erreicht werden muss.33 c) Erforderlichkeit des Eingriffs Auch muss die Maßnahme erforderlich sein, soll sie denn dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen. Dies ist dann nicht mehr der Fall, wenn es für den verfolgten Zweck ein Mittel gäbe, das die gegenüberstehenden Rechte weniger belastet und gleichzeitig ebenso effektiv wäre. Kann also demnach der gleiche Zweck erreicht werden, wenn eine weniger einschneidende Maßnahme gewählt würde, wäre die belastende Maßnahme nicht erforderlich und demnach nicht verhältnismäßig. d) Angemessenheit bzw. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne Das Kernstück der Prüfung der Verhältnismäßigkeit bildet die Angemessenheit, welche auch als Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne,34 Zumutbarkeit35 oder aber auch Proportionalität36 bezeichnet wird, ohne dass sich dadurch inhaltliche Unterschiede ergäben.37 32
Detterbeck, Öffentliches Recht, Rn. 301. BVerfGE 16, 147, 183; BVerfGE 67, 157, 175; BVerfGE 96, 10, 23 ff.; Detterbeck, Öffentliches Recht, Rn. 302; Sachs/Sachs, GG Art. 20 Rn. 150; Stern, Staatsrecht III/2, S. 776. 34 Sachs/Sachs, GG Art. 20 Rn. 154. 35 BVerfGE 87, 287. 36 Sachs/Sachs, GG Art. 20 Rn. 154. 37 Sachs beispielsweise verwendet sowohl den Begriff der Proportionalität als auch der Verhältnismäßigkeit im engen Sinne synonym nebeneinander Sachs/Sachs, GG Art. 20 Rn. 154; siehe hierzu auch v. Mangoldt/Klein/Starck/Manssen, Art. 12 Rn. 139; auch Huster/ Rux verwenden die Begriffe offenbar synonym BeckOK GG/Huster/Rux, Art. 20 Rn. 197. 33
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
Angemessen ist ein Eingriff in diesem Sinne dann, wenn die aus dem Eingriff folgende Beeinträchtigung der entsprechenden Rechtsposition bei einer Gesamtabwägung der jeweiligen Interessenlagen nicht außer Verhältnis zum verfolgten Interesse auf der anderen Seite steht und demnach für die beeinträchtigte Person zumutbar ist,38 wenn also zwischen dem gewählten Mittel und dessen Auswirkungen sowie dem verfolgten Zweck eine angemessene Relation gewahrt bleibt. Je stärker hierbei der Eingriff in eine Rechtsposition ist, umso deutlichere und schwerwiegende Gründe müssen für eben diesen Eingriff angeführt werden.39 Es müssen also das mit der Einschränkung verfolgte Interesse mit dem davon betroffenen Gegeninteresse in Relation gesetzt werden, so dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung letztlich auf eine Interessenabwägung im Einzelfall hinausläuft.40 Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und der Dringlichkeit sowie dessen dringlicher Gründe muss die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleiben.41 Nur wenn durch eine solche Abwägung ein im Einzelfall verhältnismäßiges Gleichgewicht der Rechte erzeugt wird, ist dadurch eine Grenzziehung der kollidierenden Rechte im Sinne der praktischen Konkordanz und damit die Wahrung der unterschiedlichen Wertungen gesichert. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und die praktische Konkordanz gehen also ineinander über. Die praktische Konkordanz bestimmt das Ziel einer Zuordnung der unterschiedlichen kollidierenden Rechte, wohingegen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die Grenze und damit die Kollisionsschlichtung herbeiführt.42 2. Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Zivilrecht Gerade durch die Gegenüberstellung der unterschiedlichen Interessenlagen und die Beschränkung auf zumutbare Rechtseingriffe würde der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gut auf die urheberrechtlichen Fälle des Änderungsrechts im Bereich der kleinen Münze passen. Durch diesen könnte auch im Urheberrecht eine Zuordnung kollidierender Rechte im Sinne der praktischen Konkordanz herbeiführen werden, erscheint eine solche doch mit Blick auf die mitunter sehr einschneidenden Schutzrechte in Verbindung mit der entsprechend sehr langen Schutzfrist gerade in Bezug auf Werke der kleinen 38 Sachs/Sachs, GG Art. 20 Rn. 154; Detterbeck, Öffentliches Recht, Rn. 307, Stern, Staatsrecht III/2, S. 782. 39 BVerfGE 13, 97, 113; BVerfGE 113, 29, 54; BVerfGE 113, 167, 260; BVerfGE 115, 118, 163 f.; BVerfGE 115, 166, 192; BVerfE 130, 372, 391 ff.; BeckOK GG/Huster-Rux, Art. 20 Rn. 197, Sachs/Sachs, GG Art. 20 Rn. 154 ff.; Detterbeck, Öffentliches Recht, Rn. 307. 40 BVerfGE 30, 292, 316; BVerfGE 67, 157, 178; BVerfGE 68, 193, 219 f.; BVerfGE 78, 77, 85 ff.; BVerfGE 79, 84, 111; BVerfGE 83, 1, 19; BVerfGE 101, 331, 350; BVerfGE 113, 167, 260; BeckOK GG/Huster/Rux, Art. 20 Rn. 197; Sachs/Sachs, GG Art. 20 Rn. 155; siehe auch Stern, Staatsrecht III/2, S. 814 ff. 41 Stern, Staatsrecht III/2, S. 783. 42 Stern, Staatsrecht III/2, S. 781 f. der vom „kollisionsschlichtenden Regulator“ spricht.
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Münze, bei denen die Bindung des Schaffenden gerade noch so wahrnehmbar ist, notwendig und sehr passend. Doch inwiefern der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz überhaupt im Privatrecht, hier genauer innerhalb der Bestimmung der berechtigten Interessen bzw. der Einordnung einer verweigerten Nutzungsrechteeinräumung als treuwidrig, überhaupt Anwendung finden kann ist zweifelhaft. Sieht man sich einmal die ersten Ansätze des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Deutschland im Polizei- und Ordnungsrecht des allgemeinen Preußischen Landrechts und deren Entwicklung an, so fällt auf, dass es dort zunächst und auch heute in erster Linie darum ging und geht, die Befugnis des Staates, einseitig im Rahmen des bestehenden Machtgefälles in die Rechte des Bürgers eingreifen zu können, auszugleichen und zu regulieren.43 Im Privatrecht regeln die Parteien ihre Verhältnisse im Regelfall allerdings privatautonom und demnach nicht unter Ausnutzung eines hoheitlichen Machtgefälles.44 Bereits vom Sinn und Zweck scheint eine grundsätzliche Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bereits deshalb fraglich. Insbesondere stellt der Prüfungspunkt der Erforderlichkeit die Anwendung einer allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprüfung im weiten Sinne in privatrechtlichen Konstellationen vor größere Probleme. Dieser verlangt, dass das Gericht überprüft, ob es mildere Mittel gegeben hätte, welche das Ziel in gleicher Weise erreicht hätten. Bei einer polizeirechtlichen Maßnahme mag dies sicherlich zum Schutz des Bürgers plausibel und sinnvoll sein, wenn beispielsweise ein Straßenmusiker nicht gleich mit Warnschüssen vertrieben oder abgeführt wird, sondern zunächst einmal mit weniger einschneidenden Maßnahmen wie einem Platzverweis, einem Bußgeld etc. belegt wird. Es wird also sichergestellt, dass die Mittelauswahl des hoheitlichen Handelns in notwendiger Weise begrenzt wird und in Bezug auf die Härte willkürliche Maßnahmen beschränkt werden.45 In privatrechtlichen Konstellationen würde dies allerdings bedeuten, dass die Gerichte durch ihre Stellung im Hoheitsgefüge des Staates die Befugnis hätten, ein in Ausübung der Privatautonomie und unter der Schwelle des § 138 BGB geregeltes Rechtsverhältnis dahingehend zu überprüfen, ob andere Regelungen möglich gewesen wären, mit denen das Vertragsziel auch erreicht worden wäre. Der Richter beurteiltet dann nicht mehr einen vorgetragenen Lebenssachverhalt, sondern wird dadurch plötzlich gestaltend tätig, ohne dass sich ein Pendant innerhalb der Bindung der Parteien finden ließe, welches es auszugleichen gilt. Mit anderen Worten entscheiden die Gerichte dann nicht mehr über private Gestaltungsrechte, sondern gestalten privatrechtliche Verhältnisse selbst.46 In letzter Konsequenz würde dies auch dazu führen, dass unterschiedliche Maßstäbe im Privatrecht gälten, je nachdem, 43 Siehe hierzu beispielsweise § 10 17 2 ALR als erster Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Polizeirecht. 44 Zum einseitigen Eingriff: Bieder, Verhältnismäßigkeit, S. 110 ff. 45 Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 118. 46 So treffend Bieder, Verhältnismäßigkeit, S. 130.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
ob die Parteien sich eigenständig einigen bzw. im Prozess einen Vergleich schließen oder ob es zu einem Urteil kommt. In letzterem Falle müssten sich die Parteien dann mögliche Alternativen durch die Judikative aufoktroyieren lassen. Haben sich so zwei Personen in einem Vertrag auf ein bestimmtes Vertragsziel unter gleichzeitiger Verständigung eines bestimmten Weges zur Zielerreichung geeinigt, könnten die Gerichte trotz der vertraglichen Bindung der Parteien den Weg zum Vertragsziel überprüfen und den Parteien diesen aufnötigen. Auch ein Bauherr wäre dann faktisch gezwungen, mögliche Alternativen zur vorgesehenen Änderung vorzunehmen, wodurch die Gerichte in Urteilen indirekt die Gestaltung privater Bauwerke vorgeben könnten, ohne dass es bauordnungsrechtliche Gründe hierfür gäbe. Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im weiten Sinne mündet im Privatrecht also in einer starken Beschneidung der Privatautonomie und unterschiedlichen Ergebnissen, je nach Zeitpunkt der Konsensfindung. Ebenso werden Alternativvorschläge durch die Richter unpraktikabel sein, kann doch ein Gericht beispielsweise bei Änderungsmaßnahmen eines Bauherrn kaum voraussehen, welche technischen Änderungen in der Folge der Umsetzung noch möglich werden, oder sämtliche Belange des Bauherrn überblicken, die mit der geplanten Änderung eingeschlossen würden. Auch würde die leichteste Abweichung dann wieder in einem Prozess enden. Kaum eine Alternative würde ohne die Zuziehung von Sachverständigen ablaufen können, da beispielsweise die technische Gleichrangigkeit sichergestellt werden muss, was ein nicht unerhebliches Maß an technischer Erfahrung und Knowhow voraussetzt. Im zivilrechtlichen Prozess gilt überdies der Verhandlungs- oder auch Beibringungsgrundsatz, nach dem die Parteien auf der einen Seite die Befugnis haben, Tatsachen in den Prozess einzuführen, auf der anderen Seite erwarten dürfen, dass lediglich das von den Parteien Vorgetragene auch Grundlage des entsprechenden Urteils bildet.47 Würden die Gerichte nun Alternativen erforschen und diese dem Eigentümer anstelle der geplanten Änderungsart vorschlagen, würde dies gegen jenen Beibringungsgrundsatz verstoßen.48 Doch selbst wenn die Gegenpartei Alternativen in den Prozess einbringt und dem Beibringungsgrundsatz demnach genüge getan wäre, können diese Alternativvorschläge nicht maßgeblich für die Entscheidung der Gerichte sein,49 da auch dann ein faktischer Zwang und eine ungerechtfertigte Gestaltung der Verhältnisse zwischen zwei Privaten durch die Gerichte erfolgen würde. Im Bereich der Baukunst besteht darüber hinaus aber praktisch wohl bereits das Problem, dass diese Argumentation leicht mit ästhetischen Überlagerungen entkräftet werden könnte. Da ästhetische Änderungen im Grunde im Belieben des 47 Siehe hierzu: Musielak/Voit/Musielak, ZPO, Einl. Rn. 37; BeckOK ZPO/Bacher, § 284 Rn. 34. 48 So zutreffend, allerdings zu einem anderen Ergebnis kommend: Diller, Interessenausgleich, S. 119 f., der in den Prozess eingebrachte Alternativen in die Entscheidungsfindung einbeziehen möchte. 49 Ebenso: v. Gamm, BauR 1982, 97, 119; Schack, UrhR Rn. 396.
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Bauherrn liegen, wird sich die Frage der Zweckmäßigkeit des Mittels in der Praxis wohl kaum beantworten lassen. Eine Erforderlichkeit könnte so stets durch die Verknüpfung einer instandsetzenden Maßnahme, mit gleichzeitig einer damit einhergehenden und genauso gewollten ästhetische Veränderung des Werkes, erreicht werden. Obwohl der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dennoch immer wieder auch im Zivilrecht als Ausgleichsmechanismus herangezogen wird,50 erscheint dies zumindest begründungsbedürftig und wird wohl kaum in der Allgemeinheit gelten können. 3. Partiell mögliche Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Zivilrecht Nach dem bislang Gesagten erscheint es also zweifelhaft, ob die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Zivilrecht Anwendung finden kann. Doch trotz all der grundsätzlichen Probleme kann es auch auf privatrechtrechtlicher Ebene und trotz der Geltung der Privatautonomie Konstellationen geben, in denen die belastete Partei trotz vertraglicher Bindung schützenswert erscheint und deshalb etwaige Einschränkungen auf ein angemessenes Maß reduziert werden müssen. a) Anspruchsbegründung und staatliche Sanktionierung des Ausbleibens versprochener Leistungen Um solche Fallgestaltungen herausarbeiten zu können, ist es zunächst erforderlich zu untersuchen, weshalb die Verhältnismäßigkeit und die Privatautonomie im Zivilrecht überhaupt miteinander kollidieren. Durch Angebot und Annahme bzw. die dadurch erfolgende Willenseinigung erlangt der Gläubiger zunächst das Recht ein etwaiges Tun oder Unterlassen im Sinne des § 194 BGB vom Schuldner zu fordern. Grundlage hier ist also eine Vereinbarung der Parteien, die in Ausübung der das Zivilrecht beherrschenden Privatautonomie zustande kommt.51 Damit eine solche Vereinbarung Durchsetzungskraft erlangt, reicht der Vertrag allein genau genommen noch nicht aus, begründet dieser doch noch keine Bindungswirkung, da der Schuldner im Falle des Ausbleibens der Leistung mal abgesehen von sozialem Druck oder möglicherweise etwaigen Zurückbehaltungsrechten keine Möglichkeit hat, dem Anspruch zur Durchsetzung zu verhelfen. Die private Selbstvollstreckung oder Selbstdurchsetzung etwaiger Ansprüche wäre ein Akt der Selbstjustiz und demnach rechtswidrig.52 Auch die Selbsthilfe, die das BGB als Durchsetzungsakt Privater kennt, ist nach § 229 BGB 50
Stern spricht hier gar von der „Zauberformel“ des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, siehe hierzu Stern, Staatsrecht III/2 S. 817; ebenso Ossenbühl, DVBl. 1995, 904, 905. 51 Ausführlich zum Verhältnis von Privatautonomie und einer möglichen Verhältnismäßigkeitsprüfung im Privatrecht: Bieder, Verhältnismäßigkeit, S. 27 ff. 52 Musielak/Voit/Musielak, ZPO, Einl. Rn. 6; Musielak/Voit, Grundkurs ZPO, Rn. 21.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
nur in solchen engen Ausnahmefällen anwendbar, wenn staatliche Hilfe nicht rechtzeitig erlangt werden kann und ohne sofortiges Handeln die Gefahr des Verlustes des Anspruches oder die wesentliche Erschwerung der Durchsetzung besteht. In allen anderen Fällen ist der Einzelne nicht zur direkten Durchsetzung seiner Ansprüche berechtigt. Als Gegenstück und Ausgleich hierzu besteht deshalb eine Verpflichtung des Staates, dem Einzelnen bei der Durchsetzung seines Rechts zu helfen (= Justizgewährungsanspruch).53 Wirkliche Bindungswirkung und damit eine Durchsetzungsmöglichkeit kommt dem Vertrag also dadurch zu, dass der Staat im Falle des Ausbleibens der versprochenen Leistung und nach Feststellung oder Anerkennung54 des Bestehens eines Anspruches zur Durchsetzung übergeht und somit in gewisser Weise das Nichteinhalten der Vertragspflicht durch die Androhung von Zwangsmaßnahmen „sanktioniert“55 und dem Gläubiger zur Seite steht. Die Parteien lösen also mit dem Vertragsschluss den staatlichen Geltungsbefehl für das Rechtsgeschäft mit aus und nehmen die Folgen in Kauf.56 Erst diese mögliche Sanktionierung sorgt dafür, dass dem geschlossenen Vertrag bereits vorab Bindungswirkung zukommen kann, wenn der Schuldner mit Zwangsmaßnahmen rechnen muss, sofern er nicht leistet.57 Der Staat ist in seinem Handeln dabei durch Art. 1 III GG an die Grundrechte gebunden und demnach auch zum Ausgleich kollidierender Rechtspositionen verpflichtet. Zwischen den Bürgern selbst wirken die Grundrechte zunächst nicht.58 Wenn aber der Staat durch die Normierung im Gesetz nun einzelne Begehren mit Durchsetzungsqualität ausstattet und dem Gläubiger gegebenenfalls bei Nichtleistung zur Seite steht, so setzt sich diese Verpflichtung auch auf der Konkretisierungsebene des Privatrechts fort. Bereits die Normierung eines Anspruches im materiellen Recht stellt diesen in einen Zusammenhang mit der möglichen, zwangsweisen Durchsetzung im Rahmen des Zwangsvollstreckungsrechts der §§ 704 ff. ZPO. Bereits die Normierung des Anspruchs im materiellen Recht mit der Möglichkeit der Zwangsvollstreckung nach einem Urteil, welches die Voraussetzungen eben dieser Normierung im konkreten Falle feststellt, sorgt demnach für die Durchsetzungskraft und Belastung des Betroffenen, nicht erst die Durchsetzung an sich, würden doch sonst andere Maßstäbe im vorinstanzlichen Verfahren gelten. Auch insofern der Staat demnach private Begehren durch die Normierung einer Anspruchsbegründungsmöglichkeit mit Durchsetzungskraft versieht, ist er demnach an die Grundrechte gebunden, weshalb sich diese so auch auf das Verhältnis zwischen Privaten auswirken.59 53 54 55 56 57 58 59
Musielak/Voit, Grundkurs ZPO, Rn. 21. So: Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 48, ders. AcP 184 (1984), 201, 218 f. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 48; Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 38. So treffend: Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 38. Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 38. BeckOK GG/Hillgruber, Art. 1 Rn. 72; Sachs/Höfling, GG Art. 1 Rn. 116. Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 68 f.
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b) Die Disposition des Schuldners über seine Freiheitssphäre als Ausdruck zivilrechtlicher Privatautonomie Zu beachten ist allerdings, dass, anders als beispielsweise bei einem Akt der Eingriffsverwaltung, der Schuldner beim Abschluss eines Vertrages an der Begründung der Möglichkeit eines Eingriffs durch den Gläubiger mitgewirkt, bzw. die Eingriffsmöglichkeit überhaupt erst eröffnet hat. Denn im Angebot einer Willenseinigung liegt genau genommen nicht nur der Vorschlag des gemeinsamen Leistungsprogramms, sondern vielmehr auch bereits die antizipierte Ausübung der Durchsetzung des Anspruches, möglicherweise unter Zugriff auf die Rechtssphäre des voraussichtlichen Schuldners mit staatlichen Mitteln. In der Annahme liegt die dementsprechende Einwilligung.60 Der Schuldner gibt dabei dem potentiellen Gläubiger Eingriffsmöglichkeit in seine Rechtssphäre und disponiert somit u. a. über die Freiheit von Ansprüchen und Durchsetzungsmaßnahmen Dritter in seine Rechte verschont zu bleiben gleichzeitig der potentiellen Durchsetzung zu.61 Diese Disposition mündet zwar nicht in einem Verzicht auf den Schutz des Grundrechts, allerdings eröffnet der Schuldner den Freiheitsbereich, den dieses schützt, so dass die Abwehrfunktion des entsprechenden Grundrechts dann ohne Wirkung bleibt.62 Eine Grundrechtsprüfung zielt so folglich ins Leere, solange sich diese Beeinträchtigung im Rahmen einer erfolgten Disposition bewegt, so dass auch für eine Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kein Raum bleibe. Der Schuldner hat also bei Vertragsschluss die Eingriffsmöglichkeit des Gläubigers privatautonom überhaupt erst eröffnet. Ihm wird deshalb kein Eingriffs- oder Zwangselement auferlegt, er wird vielmehr schlicht bei seinem vertraglich festgehaltenen Wort genommen.63 Die zuvor angebrachten Bedenken greifen deshalb in der Tat dann durch, sofern der Betroffene das Zugriffsrecht selbst begründet hat. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung läuft durch die privatautonome Öffnung der eigenen Freiheitssphäre leer. c) Privatheteronome Eingriffsrechte als Gegenstück der Privatautonomie Anders liegt das Ergebnis allerdings bei einer Legitimation und einer Durchsetzung von Eingriffsrechten, die der Betroffene gerade nicht freiwillig legitimiert hat oder nicht legitimieren konnte. Dann nämlich hätte die staatliche Autorisierung bzw. eine daraus folgende zwangsweise Durchsetzung eine über die autonome Öffnung der eigenen Freiheitssphäre hinausgehende Wirkung bzw. würde ohne eine solche ablaufen, so dass die Abwehrfunktion des entsprechenden Grundrechts wieder greifen würde und ein Eingriff vorliegt. Dieser Eingriff bedarf der grund60 61 62 63
So treffend: Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 15 f., 20. Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 16, 24. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 50; Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 43, 45. Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 41.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
rechtlichen Überprüfung, was folglich zur Verweigerung der staatlichen Autorisierung des privaten Begehrens oder der Durchsetzung führen kann.64 Aus einer privatautonomen Öffnung wird also im Falle der Überschreitung der Disposition oder bei nicht wirksamer bzw. keiner Disposition ein privatheteronomer Eingriff in die Rechte des Einzelnen, der als Gegenstück zur Privatautonomie zu unterbleiben hat, sofern er nicht in der Grundrechtsprüfung und demnach auch durch den Maßstab der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt werden kann. Die Grundrechte in ihrer Abwehrfunktion gelten also immer dann, wenn es um eine staatliche Autorisierung fremder Gestaltungsmacht geht. Die Wirkung der Abwehrrechte kann sich allerdings erst dann entfalten, wenn diese Gestaltungsmacht nicht durch den Betroffenen, also in heteronomer Weise begründet wird.65 Im Grundsatz ist dieses Ergebnis auch den zivilrechtlichen Normierungen nicht fremd, trägt es doch selbst einer solchen Wertung Rechnung und belegt in unterschiedlichen Normen den beabsichtigten Schutz desjenigen, der sich einer über seine Disposition hinausgehende Beeinträchtigung oder einer Beeinträchtigung ohne Disposition gegenübersieht. So finden sich beispielsweise zahlreiche Normen des BGB, welche derartige Eingriffe entweder auf ein verhältnismäßiges Maß beschränken oder gar nicht erst ermöglichen und denen eben diese Wertung des Schutzes des Einzelnen vor nicht selbst frei begründeten Eingriffsrechten zu Grunde liegt. Ein erstes Beispiel, das noch nahe an einem direkten Eingriff liegt, wäre der bürgerrechtliche Defensivnotstand nach § 228 BGB; hiernach handelt jemand, der eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine drohende Gefahr abzuwehren, nicht widerrechtlich, sofern die Zerstörung der Sache zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht. Der Gesetzgeber legitimiert hier also unter bestimmten Voraussetzungen einer Person das Recht, beispielsweise in das Eigentum eines Dritten einzugreifen, ohne dass dieser in irgendeiner Weise mitgewirkt hätte. Der Eigentümer muss den Eingriff dulden. Um dieses Eingriffsrecht nicht ausufern zu lassen, muss deshalb – hier sogar gesetzlich direkt angeordnet – eine Zuordnung der kollidierenden Rechte im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung erfolgen, wenn § 228 BGB verlangt, dass „die Beschädigung oder die Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht“. Doch auch im Falle der Vertragssituation greift das Zivilrecht auf den Gedanken zurück, dass der Einzelne mitunter schützenswert ist, sofern von der Beeinträchtigung der Dispositionsfähigkeit oder dem Nichtvorliegen einer Disposition ausgegangen werden muss. So wäre ein anschauliches Beispiel die fehlende Geschäftsfähigkeit eines Schuldners. Auch wenn ein geschäftsunfähiger Mensch eine Erklärung entspre64 65
Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 69. Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 139.
A. Verfassungsrechtliche Rahmensetzung einer systematisierten Konkretisierung
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chenden Inhalts abgibt, kann hier mangels Willensbildung nicht von einer wirksamen Disposition ausgegangen, werden, so dass die §§ 104 ff. BGB dem Rechnung tragen. Ähnliches ist bei einer Willenserklärung zu beobachten, welche auf Grund von Täuschung oder Drohung im Sinne des § 123 BGB abgegeben wurde. Auch hier ist die entsprechende Willenserklärung auf Grund der Täuschung oder Drohung kein Ausdruck des privatautonomen Handelns des Erklärenden. Das Gesetz schützt deshalb die Entschließungsfreiheit66 des Einzelnen und sieht eine solche Erklärung als nichtig an, so dass Rechtsgeschäftliche aus einer Täuschungs- oder Drohungslage nicht wirksam geschlossen werden können. Ebenso ist oftmals bei der Stellung von allgemeinen Geschäftsbedingungen fraglich, inwiefern sich der Betroffene diesen tatsächlich freiwillig unterworfen hat. Auch wenn das BGB in den §§ 305 ff. BGB von einer Einbeziehung und Kenntnis des Vertragspartners ausgeht, wird es doch in der Praxis häufig der Fall sein, dass der unerfahrene Vertragspartner beispielsweise von einem größeren Konvolut an AGBRegelungen „erschlagen“ sein wird so dass er diese in ihrem Inhalt nicht wirklich überblicken kann. Das aus dem Vertrag folgende Eingriffsrecht wird zumindest durch die AGB in einer Art ergänzt oder modifiziert, dass dieses auf Grund der „Überrumplungssituation“ nicht mehr freiwillig erfolgt und deshalb auch nicht als privatautonome Öffnung des eigenen Rechtsbereichs angesehen werden kann. Auch hier trägt das Gesetz dem Rechnung und schützt den Vertragspartner sowohl über bestimmte Verbote der §§ 308 und 309 BGB, sowie die Inhaltskontrolle des § 307 BGB als auch vor einseitiger und demnach nicht autonom legitimierter Gestaltungsmacht eines Dritten.67 Da der Vertragspartner aber an der Einbeziehung mitwirkt, sind beispielsweise die §§ 308 und 309 BGB auf bestimmte Ausnahmefälle beschränkt und die Verwendung von AGB ansonsten möglich. Dies zeigt sich insbesondere auch dadurch, dass solche AGB der Prüfung nicht zugänglich sind, die der Betroffene selbst eingebracht hat.68 Auch können die Parteien zahlreiche Regelungen mittels individualvertraglicher Bestimmungen treffen, die über das AGBRecht nicht möglich sind, natürlich zwingend vorausgesetzt, dass diese auch tatsächlich individualvertragliche Vereinbarungen sind und nicht lediglich als solche bezeichnet werden.69 Der Vertragspartner wirkt in dem Fall gleichrangig an der Ausarbeitung mit. Mit dem Grad dieser Mitwirkung, sprich der privatautonomen Mitbegründung der Zugriffsrechte und der damit verbundenen Disposition des Schuldners, sinkt also auch hier dessen Schutzwürdigkeit. Es greift wieder die das 66 BGH NJW 1996, 925, 927; BGH MDR 2011, 296, 298 – Heros II; BeckOK/Wendtland, BGB § 123 Rn. 1. 67 Siehe hierzu: BeckOK BGB/Schmidt § 307 Rn. 1; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, AGB-Recht, Einl. Rn. 3 f. 68 BGH NJW 1987, 837, 838; BGH NJW-RR 2006, 740, 741; siehe ebenso noch zu § 9 AGBG: BT-Drcks. VII/5422, S. 6. 69 Zum Begriff der Individualabrede HK-BGB/Kollmann, § 305b Rn. 5 f.; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Lindacher/Hau, AGB-R, § 305b Rn. 5 ff.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
Zivilrecht beherrschende Privatautonomie. Der Grad des Schutzes bestimmt sich also als logische Konsequenz nach dem Grad der Mitwirkung und Öffnung des Freiheitsbereiches.70 Ein weiteres Beispiel, indem allerdings keine direkt zugeschnittene gesetzliche Norm zur Verfügung stand, wäre die Übernahme einer Bürgschaft für nahe Verwandte. Wie auch sonstige Rechtsgeschäfte unterliegt eine Bürgschaft zunächst dem Grundsatz der Privatautonomie, so dass ein Bürger im Grundsatz auch sehr unvorteilhafte und äußerst risikoreiche Bürgschaften übernehmen kann und davon auszugehen ist, dass er das Risiko abzuschätzen vermag, dass er eingeht.71 Doch auch hier kann es Konstellationen geben, in denen von einem „unerträglichen Ungleichgewicht“ der Vertragspartner auszugehen ist.72 So beispielsweise wenn wie oben erläutert, der eine Ehepartner für den anderen Ehepartner eine Bürgschaft übernimmt.73 Der BGH löst die Fälle über § 138 BGB, letztlich liegt dem aber die gleich Wertung zu Grunde wie oben angesprochen, denn der Bürger befindet sich in derartigen Konstellationen in einer emotionalen Bindung zum Schuldner und wird deshalb nur schwer eine Bürgschaft für den ihm verbunden Schuldner ablehnen können.74 Trotz der auch von den Gerichten deutlich hervorgehobene Geltung des Grundsatzes der Privatautonomie gehen die Gerichte richtigerweise nicht von einer freiwilligen Entscheidung des Betroffenen aus. Die staatliche Geltungsanordnung einer solchen Vereinbarung wäre durch die Zwangslage bzw. die dadurch erfolgte heteronome Verpflichtung des Bürgen und damit auf Grund der hier fehlenden Disposition mit freiwilliger Eröffnung des entsprechenden Freiheitsbereiches ein Eingriff in die Rechte des Betroffenen, welche der BGH hier im Falle der zusätzlichen Ausnutzung durch den Gläubiger zurecht als ungerechtfertigt ansieht und deshalb über § 138 BGB nichtig erklärt.75 Auch in dieser Fallkonstellation ist erkennbar, dass der BGH die rein „seelische Zwangslage“ des Bürgen noch nicht ausreichen lässt, um das Rechtsgeschäft als nichtig anzusehen. Dies trägt letztlich dem Umstand Rechnung, dass die Begründung dieser Lage für den Bürgen zwar nicht in Gänze privatautonom erfolgt, dennoch kann er trotz sozialen Drucks das Ausmaß der Bürgschaft an sich überblicken. Mag die Situation auch zu einer stark überhöhten Risikobereitschaft führen, übernimmt er die Bürgschaft doch aus einem eigenen Entschluss heraus. Die Begründung etwaiger Zugriffsrechte des Bürgen erfolgt also nicht gänzlich heteronom, zumal eine gleiche Bürgschaftserklärung in anderen Fällen wohl als risikoreich, aber wirksam angesehen werden würde. Erst bei einem Ausnutzen der Zwangslage des Bürgen durch 70
Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 65 ff. BGH NJW 1989, 830, 831; OLG Hamburg, NJW-RR 1988, 1074, 1075. 72 So wörtlich s. BGH, NJW 1994, 1278, 1279. 73 Siehe hierzu auch zuvor S. 73. 74 Hierzu: BGH NJW 1997, 3372, 3373; BGH NJW 2000, 1182, 1183; BGH NJW 2002, 2230, 2231. 75 Siehe hierzu: BGH NJW 2002, 2230, 2231. 71
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den Gläubiger geht der BGH hier von einer Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts aus. Erst diese Ausnutzung lässt ein Eingriffsrecht des Bürgen unverhältnismäßig erscheinen.76 Trotz des grundsätzlich bestehenden Widerstreites der Privatautonomie und der Verhältnismäßigkeit und die mögliche Disposition des Vertragspartners über seine Rechte, welche eine etwaige Grundrechtsprüfung leerlaufen ließe, kann es also auch im Privatrecht Fallgestaltungen geben, die eine Überprüfung durch die Grundrechte in ihrer Abwehrfunktion – möglicherweise wie bei § 138 BGB vermittelt über die Generalklauseln – und demnach auch Verhältnismäßigkeitserwägungen erfordern, namentlich immer dann, wenn ein Eingriffsrecht nicht durch den Betroffenen selbst, sondern in privatheteronomer Art und Weise begründet wurde. Da die Legitimierung eines solchen Anspruches in ein System mit einer danach möglichen Zwangsdurchsetzung gestellt wird, ist die Normierung eines solchen Eingriffsrechts zunächst ein Eingriff in die Sphäre des Einzelnen, so dass grundrechtliche bzw. rechtsstaatliche Erwägungen auch im Verhältnis Privater zueinander gelten und demnach auch der Verhältnismäßigkeit zugänglich sind. Eine unverhältnismäßige Belastung des Betroffenen wird umso eher anzunehmen sein, je weniger er an der Begründung des Zugriffsrechts des Gläubigers mitgewirkt hat. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung würde in dem Fall also nicht im Widerspruch zur Privatautonomie stehen, vielmehr diese sogar in gewisser Weise sichern, wenn nicht privatautonom begründete Eingriffsrechte Dritter nochmals begrenzt werden. Heteronome Eingriffsrechte sind also nicht per se ausgeschlossen, hat doch beispielsweise der Betroffene eines zivilrechtlichen Aggressiv- bzw. Defensivnotstandes nach §§ 228 bzw. 904 BGB oder aber auch der Schuldner eines deliktischen Schadensersatzanspruches nach den §§ 823 BGB keine direkte Zugriffsmöglichkeit auf die Anspruchsbegründung. Sie sind allerdings stets auf ein für den Betroffenen verhältnismäßiges Maß zu begrenzen. Der Staat darf demnach, bedingt durch die Abwehrfunktion der Grundrechte, im Ergebnis keine für den Betroffenen heteronome und unverhältnismäßigen Eingriffsrechte Dritter legitimieren, wobei ein Betroffener umso schützenswerter erscheint, je weniger er auf die Begründung des Zugriffsrechts Einfluss hatte. d) Änderungsrechte des Architekten als privatautonome Öffnung der Freiheitssphäre des Bauherrn Im Folgenden stellt sich die Frage, wie das Urheberrecht in diesen Kontext einzuordnen ist und ob bzw. inwiefern vor diesem Hintergrund die Verpflichtungen zwischen dem Architekten und dem Bauherrn als privatautonom bzw. privatheteronom angesehen werden können sind. Sollte hier am Ende das Ergebnis der privatheteronomen Eingriffsrechtbegründung stehen, so wäre – jedenfalls im Grund76 BGH NJW 1997, 3372, 3373; BGH NJW 2000, 1182, 1183; BGH NJW 2002, 2230, 2231; BGH NJW 2003, 1521, 1522.
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satz77 – eine Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes möglich, ja erforderlich, um etwaige Eingriffsrechte nicht ausufern zu lassen. Im Ausgangspunkt ist Grundlage eines jeden Handelns eines Architekten die Vereinbarung mit dem entsprechenden Bauherrn. Kein Architekt wird schlicht aus eigenen Stücken tätig, vielmehr beruht das Handeln und damit auch die Gestaltung des Bauwerkes, aus dem dann die etwaigen Urheberrechte folgen, auf einem geschlossenen Architektenvertrag, der seit dem 1. 1. 2018 in § 650p BGB geregelt ist. Dieser Architektenvertrag ist die Grundlage für Leistungen und Gegenleistungen der Parteien und ist letztlich ein nicht verzichtbares Glied in der Kausalkette zu einem Urheberrecht an einem bestehenden Bauwerk des Bauherrn, welches spätestens durch die Verbindung mit dem Grundstück nach § 946 BGB in sein Eigentum übergeht. Da der Architektenvertrag eine Einigung über die Planungs- und Überwachungsziele vorsieht (§ 650p II BGB) und der Bauherr trotz bekannter Planung den Vertrag dennoch eingeht, sieht also zunächst danach aus, als sei der Bauherr selbst für die Begründung des Eingriffsrechts auf sein Eigentum verantwortlich sei. Dies hätte zur Folge, dass eine privatautonome Begründung der Eingriffsbefugnisse des Architekten vorläge, die eine grundrechtliche Überprüfung ins Leere laufen ließe, solange der Architekt innerhalb dieses Rahmens bliebe. Doch bei genauerem Hinsehen lässt sich diese Annahme nicht halten. Zwar ist der Architektenvertrag ein notwendiger Zwischenschritt, damit es überhaupt zu einem Urheberrecht an einem Bauwerk des Bauherrn kommen kann. Zu beachten allerdings ist, dass das Urheberrecht – anders als beim Vertragsschluss mit einer zuvor beschriebenen, antizipierten und privatautonom geschlossenen Einwilligung in eine Durchsetzung etwaiger Rechte, und damit einer selbstbegründeten und privatautonomen, partiellen Öffnung des Sphärenbereiches des Schuldners – hier ipso iure im Moment des Erschaffen des Werkes ohne irgendein vertragliches Zutun entsteht.78 Die Parteien werden sich zwar über eine bestimmte Art der Planung einigen, ob diese allerdings urheberrechtlich geschützt ist oder nicht, obliegt nicht der Vereinbarung der Parteien. Das Urheberrecht entsteht völlig autonom von der vertraglichen Gestaltung – auch im Falle des Nichtbedenkens – und kann gegenteilig sogar dazu führen, dass etwaige zu weit gehende das Urheberrecht betreffende Regelungen unwirksam sind.79 Auch wenn der Architekt im Vorhinein in einer Mußestunde eine Planung entwirft, die dann passenderweise den Vorstellungen des Bauherrn entspricht, entsteht ein etwaiges Urheberrecht bereits zum Zeitpunkt des Schaffens des Werkes und nicht erst durch den geschlossenen Vertrag. Auf das Urheberrecht selbst hat der Vertrag keinerlei Auswirkung, wie auch § 29 UrhG zeigt, welcher Rechtsgeschäfte über das Urheberrecht selbst ausschließt. Gegenteilig wird ein etwaiges 77
Siehe zu den Anschlussproblemen im Folgenden S. 103 ff. Hierzu bereits zuvor S. 33. 79 So sind Vertragliche Regelungen, welche so weit reichen, dass Sie letztlich eine Entstellung des Werkes erlauben würden wohl unwirksam, da Sie den Kernbereich des § 14 UrhG tangieren würden BGH GRUR 1955, 201, 204 – Cosima Wagner; Metzger, GRUR-Int 2003, 9, 13. 78
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Urheberrecht für den Bauherrn aufgrund der großen Reichweite möglicher Schutzrechte kaum vorauszusagen und auch in der Begründung nur sehr schwer feststellbar sein, da gerade Werke der kleinen Münze gerade noch wahrnehmbar die Grenze zum Alltäglichen nehmen können. Der Architekt selbst wird zum Zeitpunkt des Schaffens eines Werkes der kleinen Münze oftmals nicht an ein bestehendes Urheberrecht gedacht haben und dieses vielleicht erst in der Konfliktsituation „für sich entdecken“. Ein Gegenbeispiel hierzu wäre der Werklohn, den die Parteien im Architektenvertrag vereinbaren. Sofern der Bauherr sich bei unberechtigter Nichtzahlung einer Durchsetzung der Ansprüche des Architekten notfalls durch staatliche Gewalt gegenübersieht, hat er dies selbst begründet und wird wie angesprochen schlicht beim Worte seiner vertraglichen Verpflichtung genommen. Und gerade Letzteres lässt sich in Bezug auf das Urheberrecht selbst im Falle einer Erwähnung im Vertrag nicht sagen. Findet sich dort beispielsweise die oftmals verwandte Klausel, dass ein etwaiges Urheberrecht beim Architekten verbleiben soll, wiederholt dies zunächst einmal nur die ohnehin zwingende Regelung des § 29 UrhG und ist letztlich eine lediglich klarstellende Norm. Auch ohne eine vertragliche Vereinbarung würde sich der Bauherr einem Eingriffsrecht gegenübersehen, sofern das Bauwerk ein Werk im Sinne des § 2 II UrhG darstellt. Im Grundsatz liegt in urheberrechtlichen Konstellationen also keine privatautonome Legitimation eines Eingriffsrechts durch den Bauherrn, jedenfalls nicht hinsichtlich des Urheberrechts des Architekten vor, was eine Grundrechtsprüfung ins Leere laufen ließe. Vielmehr sieht sich der Bauherr einer Lage gegenüber, auf die er kaum Einfluss nehmen kann und die ihn möglicherweise unvorbereitet erst im Falle des Konfliktes mit dem Architekten trifft. Die Grundrechte wirken hierbei auch im Privatrecht gegenüber der staatlichen Autorisierung und wirken sich dann aus, wenn der Eingriff nicht durch den Betroffenen legitimiert wurde, er also privatheteronom erfolgt.80 Auch im Urheberrecht und demnach ebenfalls bei änderungsrechtlichen Streitigkeiten zwischen Bauherrn und Architekt stehen sich demnach die das Zivilrecht beherrschende Privatautonomie und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht grundsätzlich ausschließend gegenüber. Wie genau diese Prüfung auszugestalten ist, soll nun im Folgenden erläutert werden. e) Zuspitzung auf die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engen Sinne als Hauptprüfungspunkte Der legitime Zweck stellt sicher, dass das verfolgte Ziel nicht von vornherein rechtswidrig ist, was ohnehin im Zivilrecht über die §§ 134, 138 BGB geregelt ist. Vermieden werden muss hier insbesondere eine kategorische Ablehnung dahinge80
Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 140.
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hend, dass bestimmte Änderungsbegehren allein wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kategorie, beispielsweise dem Bereich des ästhetischen Änderungsbegehrens, als unzulässig angesehen werden.81 Dies überdehnt die Prüfung des legitimen Zwecks und übersieht die Einzelfallbezogenheit der notwendigen Prüfung. Selbst wenn man annähme, dass ästhetische Änderungsbegehren – um einmal bei dem Beispiel zu bleiben – grundsätzlich in der Abwägungsentscheidung den urheberrechtlichen Interessen unterliegen, so ist dies dennoch innerhalb der einzelfallbezogenen Gegenüberstellung der Interessen zu prüfen und nicht durch kategorische Zuordnung abzulehnen, da ansonsten der intendierte Bezug zum konkreten Fall verloren geht und auf abstrakter Ebene ein bestimmter Gestaltungsbereich grob und ungerechtfertigt aus dem Prüfungszusammenhang gerissen würde. Es ist gerade auf Grund der dargelegten heteronomen Eingriffsrechtsbegründung zu Gunsten des Urhebers auch bei ästhetischen Änderungen nicht durch eine kategorische Ablehnung, sondern vielmehr durch eine Prüfung sicherzustellen, dass die Eingriffsrechte im Rahmen des Verhältnismäßigen bleiben, selbst wenn im Ergebnis anzunehmen sein könnte, dass ästhetische Erwägungen eine geringere Rolle spielen und gerade bei hochindividuellen Gestaltungen kaum in der Lage sind, gegen ein bestehendes Urheberrecht zu bestehen.82 Die Geeignetheit einer Maßnahme ist nur dann problematisch, wenn die Änderung in keiner Weise das verfolgte Ziel erreichen kann und ist demnach nur in seltenen Fällen des Einsatzes evident untauglicher Mittel einschlägig.83 Denkbar wäre hier vielleicht in der Theorie, dass der Bauherr gewisse, schwerwiegendere Gründe wie bestandserhaltende Maßnahmen vorschiebt, dann aber Änderungen vornimmt, welche eine ganz andere Absicht verfolgen. Im Ergebnis käme es also in erster Linie auf die Prüfung der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engen Sinne an. f) Verpflichtete(r) einer Verhältnismäßigkeitsprüfung bei „offengelassener Gesetzgebung“ Der Schutz des Einzelnen vor durch die Rechtsordnung privatheteronom begründet und unverhältnismäßigen Eingriffsrechten Dritter abgeleitet aus der Ab81 Anders: Riesenkampff, Inhalt und Schranken, S. 119, der beispielsweise ästhetische Änderungen grundsätzlich nicht als legitimen Zweck ansieht und damit die Prüfung überdehnt. Ob Auch Ästhetische Änderungen als zulässig angesehen werden können ist hingegen keine Frage eines kategorischen Ausschlusses über den Zweck, sondern muss im Einzelfall in der Angemessenheitsprüfung erforscht werden, um dem System Rechnung zu tragen, selbst wenn man annähme, dass bei ästhetischen Änderungsbegehren im Regelfall die Urheberinteressen überwiegen. 82 So zutreffend: Riesenkampff, Inhalt und Schranken, S. 118 ff.; für einen kategorischen Ausschluss hingegen: BGH GRUR 1999, 230, 231 f.; LG Stuttgart ZUM-RD 2010, 491, 501 – Stuttgart 21. 83 Hierzu Stern, Staatsrecht III/2, S. 778 f.
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wehrfunktion der Grundrechte ist zunächst originäre Aufgabe des Gesetzgebers als legislative Staatsgewalt. Für die meisten Fallgestaltungen finden sich so Normierungen, die entweder klar unverhältnismäßige Sachverhalte direkt regeln oder, etwas unbestimmter, Beschränkungen etwaiger Eingriffe auf ein verhältnismäßiges Maß in eben solchen Normen vorsehen. So ist beispielsweise der Aggressivnotstand nach § 904 BGB nur dann durch den Eigentümer zu dulden, „wenn die Einwirkung in das Eigentum in Relation zum drohenden Schaden des in Notstand Handelnden nicht unverhältnismäßig groß ist“. Im Regelungsbereich zur Geschäftsfähigkeit geht der Gesetzgeber im Falle geschäftsunfähiger Personen nach § 105 I BGB noch klarer formuliert grundsätzlich davon aus, dass keine Willensbildung möglich ist und demnach keine Disposition im Sinne des zuvor Gesagten vorliegen kann. Eingriffsrechte auf Grund einer von einem Geschäftsunfähigen getroffenen Vereinbarung wären, auf Grund der nicht in diesem Sinne freiwillig möglichen Disposition, stets unverhältnismäßige Eingriffe in die Rechte des Einzelnen, so dass Willenserklärungen von Geschäftsunfähigen deshalb grundsätzlich nichtig sind.84 Auch sind AGB stets nach § 309 Nr. 9 a) und b) BGB unwirksam, wenn durch diese eine Vertragsdauer eines Dauerschuldverhältnisses von mehr als zwei Jahren oder eine automatische, bei ausbleibender Kündigung eintretende Verlängerung von mehr als einem Jahr eintritt. Derartige Vereinbarungen würden auf Grund der AGB-typischen „Überrumplungssituation“ und der für einen unerfahrenen Verbraucher zu nicht zu überblickenden langen Bindungsdauer des Vertrages und damit einer starken Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Vertragspartners führen85 somit zur Begründung eines heteronomen und unverhältnismäßigen Eingriffsrechts führen. Gleichzeitig gibt es aber auch Fallgestaltungen, in denen eine unverhältnismäßige, heteronome Eingriffsrechtsbegründung möglich, letztlich aber nicht durch den Gesetzgeber auf abstrakt genereller Ebene ohne genauere Kenntnisse des Einzelfalles feststellbar ist und der Gesetzgeber so gezwungen ist, die Gesetzesformulierung offen zu lassen. So normiert beispielsweise § 543 BGB die Möglichkeit, Mietverträge fristlos zu kündigen, der Gegenpartei im Ergebnis also auch sämtliche Ansprüche zu entziehen und so auf deren Rechtssphäre Einfluss zu nehmen. Da eine jede Kündigung wesensgemäß einseitig erfolgt, beruht die daraus folgende Gestaltungsmacht des Kündigenden nicht auf einer privatautonomen Öffnung des Rechtsbereiches des Empfängers. Dennoch liegt es selbstverständlich nahe, dass eine Lösung vom Vertrag in bestimmten Fällen möglich sein muss. Die Autorisierung einer solchen einseitigen Gestaltungsmacht stellt dann allerdings eine Beeinträchtigung der Grundrechte des 84 Eine Ausnahme hiervon stellt der später normierte § 105a BGB dar, welcher schlicht ein praktisches Bedürfnis, wie den täglichen Einkauf beim Bäcker etc. möglich machen soll, da bei solchen Geschäften keine große Gefahr für den Handelnden besteht. 85 BeckOK BGB/Becker, § 309 Nr. 9 Rn. 4; NK-BGB/Kollmann, BGB, § 309 Nr. 9 Rn. 198; HK-BGB/Schulze, § 309 Nr. 9 Rn. 43 f.
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Betroffenen dar, welche der Rechtfertigung bedarf.86 Sie muss also im Bereich des Verhältnismäßigen liegen, sprich insbesondere unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen und Umständen des Einzelfalles angemessen erscheinen.87 Wann ein solcher Fall nun allerdings vorliegt, kann der Gesetzgeber nicht umfassend im Vorhinein für alle Fallgestaltungen überblicken und normieren, so dass die Norm mit dem Begriff des wichtigen Grundes in ihrer Formulierung offengelassen wurde und die letztliche Entscheidung an die Gerichte weitergegeben wird.88 Die erforderliche Sicherstellung einer Verhältnismäßigkeit einer solchen heteronomen Gestaltungsmacht des Einzelnen bleibt dadurch allerdings auch zunächst aus. Gibt der Gesetzgeber die Entscheidung darüber, wann ein berechtigter Fall der Kündigung im Einzelfall vorliegt, an die Gerichte weiter, so kann für die Richter bei der Bestimmung im Einzelfall auch in Ihrer Bindung aus Art. 1 III GG nichts anderes gelten als für den Gesetzgeber, dessen Aufgaben die Gerichte dann letztlich in delegierter oder weitergereichter Form wahrnehmen.89 Die verfassungsrechtliche Verpflichtung zum verhältnismäßigen Ausgleich kollidierender Interessen und die Vermeidung unverhältnismäßiger, privatheteronom begründeter Eingriffsrechte kann nicht durch die Verwendung derart offener Bestimmungen „wegdelegiert“ werden, sondern haftet diesen dann untrennbar an. Die Gerichte müssen folglich in ihrer Entscheidung im Einzelfall die Grundrechtskonformität etwaiger Falllösungen auf Grundlage der entsprechenden Regelungen sicherstellen. Eine Kompetenzwahrnehmung in diesem Sinne kann also nicht ohne die damit verbundene Pflichtwahrung erfolgen. Der Gesetzgeber deutet dies selbst in § 543 BGB an, indem er ausführt, dass ein wichtiger Grund insbesondere dann vorliegt, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Ähnliches ist in § 228 BGB zu beobachten, welcher dem Einzelnen das Recht gibt zur Gefahrenabwehr die Sache eines Dritten zu zerstören. Wann ein solcher Fall des berechtigten Defensivnotstands im Einzelnen vorliegt, konnte auch hier der Gesetzgeber nicht in jeglichen Facetten der entsprechenden Lebenswirklichkeit abbilden. Da die Autorisierung eines solchen direkten Eingriffsrechts zunächst eine Grundrechtverletzung darstellt, bedarf auch diese der Rechtfertigung, so dass der Gesetzgeber zum einen die Zerstörung als erforderlich und zudem den Schaden 86
Siehe zuvor S. 93 ff. BGH NJW-RR 2017, 134, 135 siehe zur Verhältnismäßigkeitsprüfung im Allgemeinen auch zuvor S. 85 ff. 88 Teilweise wird die Norm deshalb auch als Generalklausel bezeichnet. Siehe bspw.: BGH NJW 2016, 3720, 3721; BeckOGK BGB/Mehle, § 543 Rn. 4; MüKo BGB/Bieber, § 543 Rn. 1. 89 Hierzu: Heck, Grundriß des Schuldrechts, S. 11 ff. spricht anstelle von Generalklauseln aus diesem Grund von „Delegationsnormen“; Krey, Gesetzesvorbehalt, S. 113; siehe hierzu auch zuvor S. 62 f. 87
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verhältnismäßig in Relation zur Gefahr als zwingende Merkmale in der Norm aufgenommen hat. Und auch der urheberrechtliche Gesetzgeber hat sich so in den §§ 14 und 39 UrhG dafür entschieden, ein etwaiges Änderungsverbot des Schaffenden unter den Vorbehalt der Wertungsentscheidungen im Rahmen der Berechtigung der Architekteninteressen in § 14 UrhG bzw. die Treuwidrigkeit der Nichteinräumung etwaiger Nutzungsrechte in § 39 UrhG zu stellen. Die letztendliche Entscheidung, ob und in welchem Umfang das Urheberrecht des Architekten oder aber das Recht beispielsweise des Bauherrn auf der Gegenseite obsiegen, hängt letztlich von der Wertung der Gerichte ab. Die Kollisionsauflösung und damit auch die Vermeidung von ungerechtfertigten Grundrechtseingriffen durch privatheteronom begründete, unverhältnismäßige Eingriffsrechte wird also an die Gerichte weitergegeben.90 Letztlich ist dies auch auf Grund der besonderen Spannweite des urheberrechtlichen Regelungsbereiches nicht anders möglich. Wenn das Gesetz die kaum überblickbare Masse individueller Leistungen, vom Werk der kleinen Münze bis hin zum Meisterwerk, und das in jeglichen Bereichen der Kunst, Literatur und Wissenschaft abdecken soll, wird es nicht umhinkommen die letztliche Entscheidung an die Gerichte weiterzugeben. Auch bei urheberrechtlichen Fallgestaltungen ist demnach Adressat und Verpflichteter der Verhältnismäßigkeitsprüfung zur Vermeidung einer Autorisierung ungerechtfertigter und heteronomer Gestaltungsmacht eines Dritten der Gesetzgeber. Lässt dieser die Gesetzgebung allerdings offen und gibt die nähere Ausfüllung so an die Gerichte weiter, so geht damit auch dies Pflicht auf die Gerichte über. 4. Die gleichwohl problematische Erforderlichkeitsprüfung im Zivilrecht Ungeklärt geblieben ist bislang, dass die Anwendung der Verhältnismäßigkeit (im weiten Sinne) nach wie vor auf das Problem trifft, dass eine Erforderlichkeitsprüfung zu einer ungerechtfertigten Gestaltungsbefugnis privater Rechtsverhältnisse oder in diesem Fall der Gestaltung eines Bauwerkes durch die Gerichte führen könnte.91 Der Teilgrundsatz der Erforderlichkeit, der eigentlich – insbesondere im Bereich der Eingriffsverwaltung – sicherstellen soll, dass der Betroffene lediglich die mildeste mögliche Einschränkung zu erdulden hat, würde in dem Falle eine zusätzliche Belastung des Bauherrn nach sich ziehen, der sich nun faktisch die Gestaltung seines Lebensmittelpunktes durch Gerichte selbst bei gerade noch schützenswerten Werkgestaltungen aufoktroyieren lassen müsste. Der Erforderlichkeitsgrundsatz, der den Betroffenen eigentlich schützen soll, würde diesen also bei einer Anwendung hier entgegen der intendierten Schutzwirkung zusätzlich belasten. Es drängt sich aufgrund dieses „Paradoxons“ also die Frage auf, ob es möglich ist, die Verhältnismäßigkeitsprüfung im weiten Sinne lediglich auf die Angemessenheit 90 91
Siehe hierzu zuvor S. 62 f. Siehe hierzu zuvor S. 88 ff.
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bzw. die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne methodisch zulässig zu begrenzen und die Erforderlichkeitsprüfung aufgrund der dargelegten Problematik und im Sinne es eigenen Schutzzwecks außen vorzulassen, oder ob dies eine Zerstückelung zusammengehöriger und deshalb in sich geschlossener verfassungsrechtlicher Grundsätze wäre. Einen ersten Anhaltspunkt hierfür bietet die Schulerweiterungs-Entscheidung92 des BGH aus dem Jahre 1974. Er entschied dort, dass der Eigentümer, der sich zu einer Änderung des Bauwerkes genötigt sieht, eine den betroffenen Urheber in seinen urheberpersönlichkeitsrechtlichen Interessen möglichst wenig berührende Lösung suchen muss. Habe er sich allerdings einmal für eine bestimmte Maßnahme entschlossen, so gehe es im Rahmen der Interessenabwägung nur noch darum, ob dem betroffenen Urheber die geplanten konkreten Änderungen des von ihm geschaffenen Bauwerkes zuzumuten sind. Es habe der keine Bedeutung, ob daneben noch andere, den Urheber gegebenenfalls weniger beeinträchtigende Lösungen denkbar sind.93 Der BGH wendet damit im Ergebnis eine modifizierte – weil gekürzte – Form der Verhältnismäßigkeitsprüfung auf Werke der Baukunst94 an. Eine nähere Begründung, insbesondere hinsichtlich der methodischen Zulässigkeit der Begrenzung eines Grundsatzes auf Teilgrundsätze ist dem allerdings nicht zu entnehmen und auch in der Literatur stieß ein solches Verständnis auf Kritik.95 Um hier zu Ergebnissen zu gelangen, ist es zunächst noch einmal notwendig, einen Vergleich des ursprünglichen Anwendungsbereiches des Erforderlichkeitsgrundsatzes, sprich der Eingriffsverwaltung, und der hier vorliegen Konstellation anzustellen. Im Falle eines staatlichen Eingriffs beeinträchtigt der Staat mit einer bestimmten Maßnahme die Rechte des Bürgers. Lediglich der Bürger ist hierbei schutzbedürftig und das Handeln des Staates muss auf ein bestimmtes Maß, orientiert am konkreten Einzelfall, beschränkt werden. Anknüpfungspunkt für jegliche Überlegungen im Zusammenhang mit der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist demnach das staatliche Handeln. In der urheberrechtlichen Kollisionssituation greift eine Änderung des Bauwerkes in das Urheberrecht des Architekten und umgekehrt die legitimierten und ausgeübten Urheberrechte des Architekten ins Eigentumsrecht des Bauherrn ein. Es gibt dem92
BGH GRUR 1974, 675 – Schulerweiterung. Siehe hierzu: BGH GRUR 1974, 675, 678 – Schulerweiterung; in der Folge ebenfalls: BGH GRUR, 2008, 984, 988 – St. Gottfried; BGH GRUR; BGH GRUR 2012, 172 – Stuttgart 21; siehe auch: Schack, UrhR Rn. 396; v. Gamm, BauR 1982, 97, 119; a. A.: Riesenkampff, Inhalt und Schranken, S. 116 ff.; Diller, Interessenausgleich, S. 118 ff.; Bielenberg, GRUR 1974, 675, 679 Anm. zu BGH GRUR, 1974, 675 – Schulerweiterung. 94 Ob diese Erwägungen auch auf andere Schaffensbereiche auszuweiten sind, ist so im Übrigen nicht ersichtlich, da bislang alle ähnlich lautenden Entscheidungen Werke der Baukunst zum Gegenstand hatten. 95 Ablehnend: Riesenkampff, Inhalt und Schranken, S. 116 ff.; Diller, Interessenausgleich, S. 118 ff. 93
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nach zwei mögliche Anknüpfungspunkte für etwaige Verhältnismäßigkeitserwägungen, die es zu beachten gilt. a) Erforderlichkeitserwägungen in Bezug auf das Änderungsbegehren des Bauherrn Bezieht man die Erforderlichkeitserwägungen zunächst auf das Änderungsbegehren des Bauherrn, besteht nach wie vor das Problem, dass diesem durch ein milderes Mittel im Rahmen der Prüfung eine Gestaltung faktisch aufgezwungen würde und die Gerichte zudem nicht alle technischen und sonstigen Anforderungen des Bauherrn an die geplante Änderungsmaßnahme überblicken können. Die Gerichte würden demnach letztlich eine Entscheidung über die Gestaltung des in Streit stehenden Bauwerkes fällen und dieses faktisch mitgestalten.96 Doch auch die zu Grunde liegende Schutzfunktion des Erforderlichkeitsgrundsatzes spricht gegen dessen Anwendung, denn ein Eingriff in die Wahl der Mittel würde entgegen dem Zweck der Erforderlichkeitsprüfung den Bauherrn, der sich solchen Rechten gegenübersieht, sogar noch weiter belasten und nach einem Urteil faktisch auf eine bestimmte Art der Ausführung beschränken. Wenn man dem Bauherrn als Belasteten der urheberrechtlichen Regelungen die Wahl der Mittel überlässt, welche so dann im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung in Bezug auf die kollidierenden Urheberinteressen im Bereich des Angemessenen bleiben müssen und umgekehrt, spiegelt dies die Art und Weise der Mitwirkung an den Eingriffsrechten wider, denen sich der Bauherr gegenübersieht. Wie bereits zuvor erläutert,97 entstehen diese ohne jegliche Mitwirkung des Bauherrn ipso iure, also heteronom, und bedürfen in ihrer Legitimation deshalb der Überprüfung auch durch die Verhältnismäßigkeit. Da der Gesetzgeber diese Entscheidung aber nicht traf bzw. treffen konnte, hat er diese durch die offenen Tatbestandsmerkmale der §§ 14 und § 39 UrhG an die Gerichte weitergegeben, so dass diese nicht nur in die Kompetenzwahrnehmung, sondern auch in die Pflichtwahrung eintreten. Für die Gerichte kann demnach kein anderer Maßstab gelten als für den Gesetzgeber, dessen Aufgabe die Gerichte hier wahrnehmen. Bei Eingriffen des Staates, so auch bei gesetzlichen Bestimmungen, hat die Erforderlichkeit durch die Beschränkung auf das mildeste Mittel die wichtige Aufgabe, die Belastung des Bürgers so gering wie möglich zu halten und die Tatsache auszugleichen, dass dieser sich einer hoheitlich legitimierten Maßnahme gegenübersieht, auf dessen Legitimierung er keinerlei Einfluss hat. In der hier zu Grunde liegenden Konstellation würde durch die Anwendung des Erforderlichkeitsgrundsatzes und die Beschränkung des Bauherrn auf das mildeste Mittel zu einer weiteren 96 Aus diesem Grunde auch ablehnend gegenüber etwaigen Alternativgestaltungen: OLG Stuttgart GRUR-RR 2011, 65, 61 – Stuttgart 21. Für die Richtigkeit einer Ablehnung dieser Auffassung spreche die Überlegung, dass es nicht die Aufgabe des Gerichts sein kann, verschiedene Planungsvarianten zu bewerten und damit an die Stelle des Vorhabenträgers zu treten. 97 Siehe hierzu zuvor S. 33.
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Belastung desjenigen führen, der sich bereits Rechten gegenübersieht, auf deren Legitimation er keinen oder bestenfalls geringsten Einfluss hatte. Dem Bestreben der Erforderlichkeit die Einschränkung desjenigen so gering wie möglich zu halten, der sich heteronomen Eingriffsrechten gegenübersieht, wie dies bei polizeirechtlichen Eingriffen der Fall ist, wird man also in der hier zu Grunde liegenden Konstellation paradoxerweise am besten dadurch gerecht, dass der Teilgrundsatz in diesem Bereich keine Anwendung findet. Eine Anwendung des Grundsatzes der Erforderlichkeit rein aus dessen Selbstzweck, entgegen des Schutzzwecks erscheint indes äußerst fragwürdig. Da wie gesagt die gleichen Wertungen für die Gerichte gelten, müssen diese die mildere Belastung des Bauherrn dann allerdings dadurch herstellen, dass ihm die Wahl des durch die Gerichte zu beurteilenden Mittels überlassen wird. Eine Nichtanwendung des Grundsatzes der Erforderlichkeit führt also nicht zu einer Verschiebung der Gewichtungen, sondern gleicht vielmehr die Tatsache aus, dass der Bauherr sich hier heteronomen Eingriffsrechten gegenübersieht.98 Im Übrigen spiegelt eine solche Herangehensweise letztlich auch die Entscheidung des Gesetzgebers und die Notwendigkeit der Delegation einer letztlichen Entscheidung im Zivilrecht wider. Der Gesetzgeber hat die änderungsrechtlichen Normen der §§ 14 und 39 UrhG gerade durch die Verwendung unbestimmter, wertungsausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe offengelassen bzw. offenlassen müssen, da die entsprechende Spannweite des Urheberrechts kaum pauschale Erwägungen zulässt. Erst dadurch, dass die Parteien sich über eine gewisse Art der Änderung streiten, haben die Gerichte die notwendigen „Komponenten“, die dem Gesetzgeber bei der Schaffung abstrakter, genereller Regelungen fehlen und welche sie in jeweiligem Zusammenhang zueinander bewerten können, um so zu einem Urteil im Einzelfall zu kommen. Dem Gesetzgeber kam es also durch die Schaffung der Offenheit der Normen gerade darauf an, dass die Entscheidungen an den Einzelfall gebunden werden und demnach an konkrete Änderungsbegehren des Eigentümers. Erst durch dieses konkrete Änderungsvorhaben stehen genug Einzelheiten des Falles fest, welche in Beziehung gesetzt und dann bewertet werden können. Im Verhältnis zum Bauherrn erscheint aus diesem Grunde die Anwendung des Erforderlichkeitsgrundsatzes, wie auch von den Gerichten richtigerweise praktiziert, unpassend und sie führte zu einer ungerechtfertigten weiteren Belastung des Bauherrn, der sich ohnehin bereits heteronom begründeten Eingriffsrechten des Schaffenden gegenübersieht. Da der Erforderlichkeitsgrundsatz keinen Selbstzweck verfolgt und die gleichen Wertungen für die Gerichte gelten, die die gesetzgeberische Aufgabe der Konkretisierung wahrnehmen und dieser Wertung eine Anwendung des Erforderlichkeitsgrundsatz gerade zuwiderlaufen würde, erscheint hier die Trennung von Erforderlichkeitsgrundsatz und Verhältnismäßigkeit im engen Sinne notwendig
98 A. A. Riesenkampff, Inhalt und Schranken, S. 119 ff., der eine Verlagerung zu Gunsten des Bauherrn annimmt.
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und angezeigt.99 Gegenstand der Bewertung der Gerichte kann dann nur sein, ob die geplante Maßnahme im Rahmen des urheberrechtlichen Schutzes möglich ist oder nicht.100 b) Erforderlichkeitserwägungen in Bezug auf die Abwehrrechte des Architekten Fraglich ist, ob dieses Ergebnis auch in umgekehrter Blickrichtung für Erwägungen zu den Abwehrrechten des Architekten gilt. Das Urheberrecht an der Schaffensleistung des Architekten entsteht qua Gesetz und spricht diesem starke Zugriffsrechte auf eine sehr lange Dauer zu, welche insbesondere im Bereich der Baukunst am Eigentum eines Anderen entstehen und darüber hinaus weitere Rechte, wie ein Zugangsrecht zum Werk nach § 25 UrhG, umfassen. Da diese Rechte völlig unabhängig von der Kenntnis des Bauherrn, aber auch des Architekten entstehen können,101 können etwaige Urheberrechte nicht unwahrscheinlicherweise gerade bei Werken im Grenzbereich des urheberrechtlich relevanten Schaffens erst in der Streitsituation relevant werden. Den Bauherrn treffen diese in der Reichweite teils äußerst einschneidenden Rechte mitunter dann völlig unvorbereitet und ohne, jedenfalls auf die Begründung selbst, bestehende Einflussnahme. So wäre beispielsweise auch eine vertragliche Klausel, welche ein Urheberrecht pauschal ausschließt, unwirksam.102 Und auch etwaige Vereinbarungen hinsichtlich Änderungsrechten sind dennoch an den Voraussetzungen des § 14 UrhG zu messen, da diese niemals den Kernbereich des § 14 UrhG infrage stellen können.103 Der Bauherr sieht sich also einer starken Eingriffssituation gegenüber. Zum Schutze der ideellen wie vermögensrechtlichen Interessen des Architekten an seiner Schaffensleistung104 schafft der Gesetzgeber ein Gesetz, das auf Grund der Weite eingrenzungsbedürftig ist und fordert im Rahmen des § 14 UrhG eine Inter99 Zur möglichen Trennung von Verhältnismäßigkeit i. e. S. und dem Erforderlichkeitsgrundsatz: Bieder, Verhältnismäßigkeit, S. 41; Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 121 für eine partielle Verselbständigung; zur vollständigen Emanzipation des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vom Grundsatz der Erforderlichkeit Hirschberg, Verhältnismäßigkeit, S. 47. 100 BGH GRUR 1974, 675, 678 – Schulerweiterung; OLG Dresden GRUR-RR 2013, 51, 53 – Kulturpalast; OLG Stuttgart GRUR-RR 2011, 56, 61 – Stuttgart 21; Schack, UrhR Rn. 396; Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR § 14 Rn. 38; a. A. LG Hamburg BauR 1991, 645, 646 – Lärmschutzfenster; OLG München ZUM 2001, 339 ff. – Pfarrkirche; Riesenkampff, Inhalt und Schranken, S. 124. 101 Hierzu bereits zuvor S. 33. 102 Engl, Der Urheberrechtsschutz, S. 113 f.; Neuenfeld, BauR 1975, 365, 368; siehe auch zur Unwirksamkeit einer Klausel zum Ausschluss des Urheberrechts mit folgendem Wortlaut: „Der Auftraggeber ist berechtigt, nach Fertigstellung des Bauwerkes Änderungen an ihm vorzunehmen, ohne dass der Architekt unter Berufung auf das Urheberrecht irgendwelche Ansprüche stellen kann, auch wenn er mit der Planung und Durchführung der Änderungsarbeiten nicht betraut wird“ LG München I BeckRS 2011, 11985. 103 BGH GRUR 1955, 201, 204 – Cosima Wagner; Metzger, GRUR-Int. 2003, 9, 13. 104 Zur monistischen Einheit der vermögensrechtlichen – und ideellen Ansprüche im Urheberrecht siehe im Folgenden S. 118 f.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
essenabwägung, welche durch die „berechtigten Interessen“ angedeutet werden soll,105 sprich durch die Verwendung eines unbestimmten, wertungsausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffs. Auch wenn der Gesetzgeber dies hier nicht direkt schreibt, kann diese Interessenabwägung nur durch die zuvor erläuterte Notwendigkeit der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im weiten Sinne im Rahmen der Konkretisierung der Gerichte bei derartigen offenen Bestimmungen herrühren, dessen wichtigstes Merkmal die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne und demnach auch die Interessenabwägung der kollidierenden Rechtspositionen ist. Zu dieser Prüfung gehört aber auch, sofern anwendbar, die Erforderlichkeitsprüfung, welche sodann wertvolle Hinweise auf die Interessenabwägung geben kann. Anders als in Bezug auf den Bauherrn, bei dem eine Verweisung auf mildere Mittel einen faktischen Zwang zu einer nicht gewollten fremdbestimmten, aufoktroyierten Gestaltung nach sich ziehen würde, könnte eine solche Prüfung in Bezug auf den Architekten diesem sogar nützen. Im Randbereich des urheberrechtlich relevanten Schaffens wird es auch für den Architekten schwer überblickbar, ob und vor allem wie weit Rechte aus seinem Urheberrecht entstehen können, da letztlich die Gerichte dies im Einzelfall bestimmen müssen. Würde man nun wie beim Bauherrn annehmen, dass das Gericht keine Alternativen prüfen und es im Falle des Unterliegens zu einer Ablehnung des beantragten Schutzes kommen würde, wäre der Architekt gerade im Bereich der kleinen Münze besser gestellt, wenn das Gericht im Rahmen einer möglichen Erforderlichkeitsprüfung zwar ein Urheberrecht im gewünschten Maße nicht gewähren kann, aber dem Architekten alternativ als milderes Mittel beispielsweise das Recht gibt, sich ausreichende Aufzeichnungen und Bilder einer Gestaltung anzufertigen, damit diese nicht verloren gehen. Auch würde hierdurch weder wie beim Bauherrn private Angelegenheiten durch die Judikative gestaltet noch in einen privaten Bereich eingegriffen werden. Die Gerichte grenzen hier vielmehr ein durch den Gesetzgeber angeordnetes und ein durch diesen bewusst offen konzipiertes, deshalb auch nach der Gesetzesbegründung einschränkungsbedürftiges Recht, orientiert am Einzelfall, ein. Bereits jetzt werden solch mildere Mittel innerhalb des § 14 UrhG in Bezug auf Zerstörungen geprüft.106 So muss beispielsweise der Schaffende eine Zerstörung seines Werkes mitunter hinnehmen, wenn ihm der Bauherr zuvor das Original gegen einen angemessenen Preis zum Kauf angeboten hat.107 Auf Grund der daraus folgenden und im Sinne des Urheberrechts liegenden Erhöhung des Schutzes des Architekten, der somit nicht vor einer Ja- oder Nein-Entscheidung des Gerichtes stünde, kann auch für sonstige Änderungsbegehren im Ergebnis nichts anderes gelten. 105
BT-Drcks. IV/270, S. 45. Zur umstrittenen Frage, ob die Zerstörung eines Werkes als Fall des § 14 UrhG siehe die Grundsatzentscheidungen des BGH ZUM 2019, 521 – PHaradise; BGH GRUR 2019, 609 – HHole; BGH GRUR 2019, 619 – Minigolfanlage; siehe auch im Folgenden S. 129 f. 107 BGH GRUR 2019, 609, 613 – HHole; BGH ZUM 2019, 521, 525 – PHaradise; BGH GRUR 2019, 619, 623. 106
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Anders als in Bezug auf das Änderungsbegehren des Bauherrn erscheint also der Erforderlichkeitsgrundsatz in Bezug auf die Änderungsrechte des Architekten dem Sinn und Zweck nach hier passend und sorgt letztlich sogar dafür, dass die auch für den Architekten kaum abschätzbaren Schutzrechte im Falle eines überzogenen Begehrens dennoch in einem milderen und sodann verhältnismäßigen Rahmen geschützt werden können. 5. Erkenntnisse hinsichtlich einer Wertungsentscheidung a) Unzulässigkeit einer urheberrechtlichen „Überreaktion“ auf die Einordnung als Baukunst i. S. d. §§ 1, 2 I Nr. 4, II UrhG Zunächst setzt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in seinem Kernprüfungsmerkmal der Angemessenheit eine Interessenabwägung voraus. Nach dieser darf keiner der Parteien eine im Einzelfall unzumutbare Belastung aufgebürdet werden. Wie bereits zu Beginn der Betrachtung dargestellt, knüpft das Urheberrecht an die Individualität bzw. den durch die Gestaltungshöhe umschriebenen quantitativen Grad der Individualität an, weil aus diesem Grad der individuellen Gestaltung auch die Stärke der Bindung zwischen Werk und Schaffendem korrespondiert. Eine solche individuelle Bindung ist Dreh- und Angelpunkt eines jeden urheberrechtlichen Schutzes und bildet den Anknüpfungspunkt für etwaige Schutzrechte.108 Das Urhebergesetz ist auf Grund der Tatsache, dass es eine enorme Spannweite an Gestaltungen umfassen muss, so konzipiert, dass es Schutzrechte sowohl für kleinstindividuelle Gestaltungen als auch hochindividuelle Meisterwerke enthält. Bereits an dieser Stelle lässt sich deshalb schließen, dass derart starke Rechte, die individuelle Meisterleistungen schützen sollen und dort sicherlich auch angemessen erscheinen, im Rahmen der Wertungsentscheidung auf die Schutzfähigkeit eines Werkes bei kaum noch wahrzunehmender Bindung des Schaffenden zu seinem Werk nicht Ergebnis der Wertungsentscheidung sein können. Ein solch weitreichender Eingriff in die Rechte einer Partei bedarf auf der anderen Seite der Anführung bedeutender Gründe zur Vermeidung unverhältnismäßiger Einschränkungen. Wenn so beispielsweise bei Baukunstwerken der kleinen Münze im Bereich des privaten Wohnungsbaus etwaige Bindungen des Schaffenden noch gerade so wahrnehmbar sind, sich die Werke also nur noch marginal von urheberrechtlich nicht relevanten, alltäglichen Werken unterscheiden, und das Urheberrecht mangels ausgeprägter Bindung des Schaffenden zum Werk deshalb nur äußerst wenig Anknüpfungsfläche für etwaige Schutzrechte hat, wird es wohl – im Gegensatz zu hochindividuellen Gestaltungen – bei Werken der kleinen Münze schwer fallen, Gründe zu finden, die ein auf mehr als 100 Jahre angelegtes absolutes Verbotsrecht in Relation zu den schwerwiegenden Gegeninteressen eines Wohnungseigentümers als angemessen rechtfertigen können. Nur wenn Urheberrecht und Sacheigentum in ein angemes108
Siehe hierzu zuvor S. 25 ff.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
senes Verhältnis gesetzt werden und Werke der kleinen Münze nicht die „volle Breitseite des Urheberrechts treffen“, kann ein Schutz auch kleinstindividueller Werke der Baukunst gerechtfertigt sein. b) Fokussierung der Betrachtung auf die Kollisionssituation und Minderung der Bedeutung des Kunstbegriffes Auf Grund der angesprochenen Spannweite des Urheberrechts musste der Gesetzgeber den Ausgleich etwaiger Kollisionssituationen durch die Verwendung unbestimmter, wertungsausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe auf den Einzelfall und an die Gerichte weitergeben, da sich eine rein kasuistische Erfassung aller möglicher Gestaltungen als Utopie herausstellen würde. Die Gerichte müssen so dann anstelle des Gesetzgebers und insbesondere im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sicherstellen, dass aus der Anwendung des Urhebergesetzes unter Zugrundelegung der Besonderheiten der konkreten Umstände keine unzumutbaren Belastungen für die Parteien entstehen. Eine solche Entscheidung ist allerdings lediglich im Einzelfall, also der Kollisionssituation, und nicht ohne die Kenntnis der genauen Umstände möglich, da diese erst Schlüsse auf eine etwaige Unzumutbarkeit erlauben. Erst durch diese Einzelfallbezogenheit und die Kenntnis der genauen Umstände wird es den Gerichten im Gegensatz zum Gesetzgeber möglich etwaige Fallgestaltungen entscheiden zu können. Zunächst folgt hieraus nochmals die oben erwähnte Problematik, dass eine Konkretisierung im engsten Wortsinn nicht möglich sein wird, da es stets bei einem Rest Wertungsentscheidung verbleiben wird, der sich erst durch die Kenntnis aller Umstände des konkreten Falles lösen lassen wird.109 In konsequenter Anwendung bedeutet dies aber auch gleichzeitig eine Verlagerung des Fokus auf die Streitsituation und eine Regulation urheberrechtlicher Streitigkeiten über die Bestimmung des Umfangs, so dass es schlussendlich gar nicht entscheidend auf die nur extrem schwer vorzunehmende und die Gefahr des „Kunstrichtertum“110 bergende Einordnung eines Objektes als Werk der Baukunst ankommt. Die Gerichte bestimmen durch die Wertungsentscheidungen im Rahmen der §§ 14 und 39 UrhG letztlich darüber, ob etwaige Gegeninteressen den Schutz des Urheberrechts durchbrechen können, also über die Reichweite, sprich den Umfang eines urheberrechtlichen Schutzes, der auf Grund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der darin enthaltenen Zweck-Mittel nur äquivalent zum Einzelfall entfalten werden kann. Die eigentliche änderungsrechtliche Bedeutung der Schutz109
Siehe hierzu zuvor S. 69 ff. Siehe: Locher, Das private Baurecht, Rn. 542 – der nach dem hier verfolgten Ansatz nicht mehr zutreffenderweise – davon spricht, dass der Beurteiler gezwungen sei, sich auf den unsicheren Boden des Kunstrichtertums zu begeben, um festzustellen, ob das entsprechende Werk eine Qualität aufweist, die unter den Begriff des Kunstwerkes fällt. 110
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würdigkeit eines Gestaltungsobjektes verdeutlicht sich demnach erst in der Kollision der urheberrechtlichen Interessen mit verschiedenen Gegenrechten beispielsweise des Eigentümers im Einzelfall. Erst dort zeigt sich, wie weit der Schutz des Urhebers reichen kann. Die Einordnung als „Werk“ im Sinne der §§ 1, 2 UrhG ist demnach lediglich ein erster Zwischenschritt. Erst danach entscheidet sich im Einzelfall auch unter Beachtung der zuvor genannten Gestaltungshöhe des Werkes, wie weit das Werk über die Schutzrechte gesichert werden kann. Die Gerichte müssten sich dann überwiegend mit etwaig kollidierenden Rechten befassen und wären nicht mehr darauf angewiesen eine klare Definition der extrem vagen Begriffe der Individualität oder der Gestaltungshöhe zu finden. Anders als bei der bereits in der Umschreibung schwierigen und teils zirkelschlussartigen Beurteilung, ob denn eine Werkgestaltung nun vom individuellen Geiste des Schaffenden geprägt sein muss, um individuell im Sinne des § 2 III UrhG sein zu können,111 oder ob eine Schaffensleistung nach der von der Rechtsprechung oftmals verwandten Definition eines Werkes, wonach unter einem Kunstwerk im urheberrechtlichen Sinne eine „eigenpersönliche geistige Schöpfung zu verstehen ist, die mit Darlegungsmittel der Kunst und durch formgebende Tätigkeit hervorgebracht ist und deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach den im Leben herrschenden Anschauungen noch von Kunst gesprochen werden kann“,112 wäre der Richter dabei in weitaus gewohnterem Terrain. Insbesondere die Feststellung etwaiger Eigentümerinteressen stellt den Richter nicht vor zu große Schwierigkeiten, der somit einen ersten bestimmbaren Anhaltspunkt einer Abwägung finden kann. c) Anwendbarkeit des Erforderlichkeitsgrundsatzes in Bezug auf den Architekten Zudem sind Erforderlichkeitsüberlegungen in Bezug auf den Architekten möglich. Auch wenn demnach eine strikte Untersagung des Änderungsbegehrens im konkreten Fall nicht angezeigt wäre, steht der Architekt dann dennoch nicht schutzlos dar, wenn ihm trotzdem ein milderes Schutzmittel gewährt werden kann, welches den Bauherrn weniger weit in der Ausübung seines Eigentumsrechts einschränkt. Wäre beispielsweise eine Zerstörung des Werkes durch den Eigentümer intendiert, und könnte der Schaffende – was nach den Urteilen des BGH wohl auch in Zukunft den Regelfall darstellen dürfte113 – diese auf Grund seines Urheberrechts nicht verhindern, so wäre es dennoch möglich ihn im Ausgleich der kollidierenden Rechte nicht schutzlos zu stellen, sondern die urheberrechtlichen Interessen in der Art zu wahren, dass der Bauherr beispielsweise etwaige Skulpturen oder auch sonstige Bauwerke zunächst zu einem angemessenen Preis zum Kauf anbieten muss 111
So bei: Schricker/Loewenheim/Loewenheim/Leistner, UrhR § 2 Rn. 50. RGZ 18, 102, 107; RGZ 23, 116, 117; RGZ 76, 339, 344; RGZ 135, 385, 387; RGZ 155, 199, 205; BGHZ 16, 4, 6; BGHZ 22, 209, 214 f. – Europapost; BGH GRUR 1957, 391, 391 f. – Ledigenheim; BGH GRUR 1972, 38, 39 – Vasenleuchter; BGH GRUR 1981, 517, 519 – Rollhocker; ebenso u. a.: LG Oldenburg GRUR 1987, 636 f. 113 Siehe S. 127 ff. 112
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
oder die Originalplanungen an den Architekten übergibt bzw. es dem Architekten ermöglicht Aufzeichnungen und Dokumentationen des entsprechenden Bauwerkes für seinen Fundus zu erstellen, bevor das Werk dann unwiederbringlich zerstört wird.
III. Zwischenergebnis Streiten Bauherr und Architekt über die Zulässigkeit respektive Unzulässigkeit etwaiger Änderungen eines Bauwerkes, kollidieren im Ausgangspunkt zunächst das Eigentumsrecht auf der einen und das Urheberrecht auf der anderen Seite miteinander. Da sowohl das Sacheigentum des Bauherrn als auch das Urheberrecht des Architekten verfassungsrechtlich in Art. 14 GG gesicherte Positionen darstellen, die Verfassung also den Schutz beider Rechtsgüter vorsieht, sind auch die Gerichte in der nun erforderlichen Zuordnung der Rechtsgüter verpflichtet, die beidseitigen Schutzentscheidungen und die Einheit der Verfassung zu respektieren und zu wahren. Im Falle einer Rechtskollision darf deshalb zunächst nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz kein Recht schlicht pauschal zu Gunsten des anderen „geopfert“ werden. Vielmehr muss zur Wahrung der Einheit der Verfassung beiden kollidierenden Rechten möglichst hohe Geltung zukommen. Eine Einschränkung der Rechte darf nur soweit wie nötig vorgenommen werden. Mangels einer Rangordnung innerhalb des Grundgesetzes und auch etwaiger Hinweise auf eine solche auf einfachgesetzlicher Ebene sind keine Verlagerungen der Gewichtung zur einen oder anderen Seite innerhalb der Wertungsentscheidung anzunehmen. Für die nun notwendige Grenzziehung selbst hält die Rechtsordnung den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bereit. Hiernach ist auch innerhalb des Ausgleichs der kollidierenden Rechtspositionen stets die Angemessenheit zu wahren. Keiner Partei darf also im Ergebnis durch die notwendige Wertungsentscheidung der Gerichte im Rahmen der §§ 14 und 39 UrhG eine unzumutbare/unverhältnismäßige Einschränkung aufgebürdet werden. Aus dieser Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und insbesondere der daraus folgenden Angemessenheitsprüfung können bereits erste wichtige Schlüsse für einen Rahmen der Entscheidungen innerhalb unbestimmter, wertungsausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe wie in den §§ 14 und 39 UrhG gezogen werden. Das Verfassungsrecht setzt damit den Rahmen einer jeden Wertungsentscheidung auch innerhalb der unbestimmten, wertungsausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffe des Urheberrechts. Dieser mag zwar noch abstrakt und allgemein sein, dennoch birgt er wichtige Erkenntnisse, welche im Folgenden durch die speziellen Normen eine weitere Ausformung erhalten. So ist im Urheberrecht zunächst von einer grundsätzlichen Gleichrangigkeit der kollidierenden Rechte auszugehen, welche im Einzelfall auszugleichen sind. Pauschale generelle Vorgewichtungen verbieten sich daher. Auch verdeutlicht der
B. Ausfüllung des verfassungsrechtlichen Rahmens
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Teilgrundsatz der Angemessenheit bereits, dass die Schutzrechte sich stets an den Gegebenheiten und Interessenlagen des Einzelfalles orientieren müssen. Das Urhebergesetz enthält hierbei äußerst starke Schutzrechte, um auch höchstindividuelle Meisterwerke angemessen schützen zu können. Diesbezüglich zeichnet sich aber bereits hier ab, dass diese zwar im Urhebergesetz angelegten starken Schutzrechte kaum für ein Werk gelten können, dessen Individualität gerade eben noch wahrnehmbar ist, bei dem also die Bindung zwischen dem Schaffendem und seinem Werk äußerst marginal ausgeprägt sein wird. Es wird also kaum angemessen sein, dem Einfamilienhaus in der Nachbarschaft die gleichen, auf 70 Jahre post mortem auctoris angelegten Schutzrechte zuzusprechen wie dies sicherlich bei Bauwerken Frank Lloyd Wrights oder Zaha Hadids der Fall wäre. Der Teilgrundsatz der Erforderlichkeit würde in Bezug auf den Bauherrn zu einer doppelten Belastung führen, da dieser sich zunächst heteronom begründeten Eingriffsrechten des Architekten gegenübersieht und sich gleichzeitig noch von den Gerichten eine Alternativgestaltung aufzwingen lassen müsste. In Bezug auf den Architekten hingegen würde dieser im Ergebnis dafür sorgen, dass der Schaffende auch bei Ablehnung einer beantragten Verpflichtung zur Unterlassung der geplanten Änderungen nicht schutzlos dasteht, sondern er ermöglicht die Verweisung auf mildere Mittel, so dass dem Urheberrecht des Architekten auch dann im Sinne eines verhältnismäßigen Ausgleichs der widerstreitenden Interessen möglichst weit Schutz zugesprochen werden kann. Doch auch mit Blick auf die Schutzobjektebestimmung kann herausgelesen werden, dass eine Einordnung unter den Schutzbereich des Urhebergesetzes nicht automatisch mit einer absoluten Änderungshoheit des Urhebers gleichzusetzen ist. Vielmehr kommt es auf Grund der großen Spannweite und des daraus notwendigen Ausgleichs der kollidierenden Interessenlagen, welche der Gesetzgeber durch die Verwendung unbestimmter, wertungsausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe „anordnet“, stark auf die Ausgestaltung des Einzelfalles an. Der Fokus lässt sich dadurch also weg von der kaum vorzunehmenden Einordung etwaiger Schaffensleistungen als individuelle Baukunst auf den Ausgleich der kollidierenden Interessen verlagern, wobei mit den Eigentümerinteressen des Bauherrn jedenfalls ein sehr greifbares Element der Abwägung als Referenz abgelesen werden kann.
B. Ausfüllung des verfassungsrechtlichen Rahmens durch eine induktive Betrachtung der urheberrechtlichen Normen Wie genau innerhalb dieses verfassungsrechtlichen Rahmens nun weiter verfahren werden muss, insbesondere mittels welcher Anknüpfungs- bzw. Gewichtungs- und Relationskriterien die Gerichte die Wertungsentscheidung vorzunehmen haben, bzw. in welchen Fällen von Änderungsbegehren es vielleicht sogar gar nicht zu einer Wertungsentscheidung kommt, soll nun im Folgenden mittels induktiver
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
Betrachtung durch die herkömmlichen Auslegungsmethoden der einschlägigen Normen des Urhebergesetzes betrachtet werden.
I. Die relevanten Bestimmungen für eine induktive Betrachtung 1. Normkanon des Integritätsschutzes Zunächst einmal enthält das Urhebergesetz eine ganze Reihe an Normierungen, welche den Schutz der Werkintegrität im Blick haben. Im Einzelnen sind dies vor allem der § 14 UrhG als wichtigste Norm des Änderungsrechts und eine der Säulen des Kernbereiches des Urheberpersönlichkeitsrechts,114 das Änderungsrecht des § 39 sowie § 23 UrhG, der Bearbeitungen und Umgestaltungen unter den Einwilligungsvorbehalt des Schaffenden stellt. Daneben treten zudem weitere Normen, welche für bestimmte Kontexte weitere Regelungen enthalten. So konkretisieren die Normen des § 55a UrhG den Integritätsschutz für die Nutzung von Datenbanken, des § 62 UrhG für die Änderungen im Rahmen von Nutzungen in Folge der urheberrechtlichen Schrankenbestimmungen der §§ 44a ff. UrhG, wobei dieser letztlich auf § 39 UrhG verweist, des § 69c Nr. 2 UrhG für Computerprogramme, des § 75 für Lichtbilder sowie die der §§ 88, 89, 93 UrhG für Filmwerke. In ihrer Gesamtheit bilden diese Normierungen im Gesamtkontext den umfassenden und ausdifferenzierten Integritätsschutz des Urhebers.115 2. Einschlägige Normen des Integritätsschutzes für Bauwerke Anders als beispielsweise bei Filmwerken, wo mit dem § 88 UrhG eine spezielle Regelung besteht, welche in diesem Falle vorrangig zu prüfen wäre,116 finden sich im Urhebergesetz keine änderungsrechtlichen Vorschriften, welche sich speziell mit den Belangen von Werken der Baukunst befassen würden. Einschlägig sind demnach die „allgemeinen“ Vorschriften, welche den Integritätsschutz von Schaffensleistungen befassen, namentlich die §§ 14, 23 und 39 UrhG. § 23 UrhG erfasst hierbei Änderungen der Umgestaltungen eines Werkes. Dem ersten Anschein nach passt die Norm dabei gut auf die hier im Fokus stehenden Änderungsbegehren des Bauherrn in Bezug auf ein geschütztes Bauwerk. Wirft man allerdings einen Blick in die Gesetzesmaterialien, so wird deutlich, dass Bearbeitungen und Umgestaltungen im Sinne der Norm das Originalwerk selbst unberührt lassen und vielmehr dessen Verwertungsmöglichkeiten erweitern sollen.117 Gemeint 114 Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR Vor. §§ 12 ff. Rn. 4; Dreier/Schulze/Schulze, UrhR Vor. §§ 12 ff. Rn. 2. 115 So: Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR § 14 Rn. 5. 116 Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR § 14 Rn. 6. 117 BT-Drcks. IV/270, S. 51.
B. Ausfüllung des verfassungsrechtlichen Rahmens
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sind hiermit insbesondere Übersetzungen, Übertragungen in andere Kunstformen etc. Die eigentliche Änderung im engen Sinne in Bezug auf eine Schaffensleistung, also beispielsweise die Umgestaltung eines Bauwerkes, ist damit also nicht gemeint. Wenn § 23 UrhG in Abs. 2 Bauwerke erwähnt, so geschieht dies lediglich hinsichtlich etwaiger Nachbauten, da diese anders als Bearbeitungen im Privatbereich im Regelfall in der Öffentlichkeit stattfinden, ebenso wie Ausführungen etwaiger Planungen.118 § 23 UrhG erfasst demnach keine direkten Änderungen am Originalwerk, sondern blickt auf etwaige am Originalwerk angelehnte Schaffensleistungen,119 wie insbesondere auch der systematische Zusammenhang mit § 3 UrhG zeigt, welcher Bearbeitungen explizit regelt und diese wiederum unabhängig vom Originalwerk „wie selbstständige Werke“ einem möglichen Urheberrecht zugänglich macht. Der Bearbeitungsbegriff ist hierbei deckungsgleich.120 § 23 UrhG kann dennoch auch zum änderungsrechtlichen Normkanon gezählt werden,121 da er im weiteren Sinne das Werk vor einer Nutzung in nachgestalteter, aber geänderter Form schützt. Die Norm steht deshalb gleichzeitig im Zusammenhang mit § 16 UrhG, welcher es dem Urheber vorbehält, Vervielfältigungen des Werkes anzufertigen. Da die in § 23 UrhG umfassten Werke aber das Originalwerk in veränderter Form enthalten, stellt diese § 23 UrhG unter einen entsprechenden Schutz. Für die hier in Rede stehenden Änderungen eines Bauwerkes durch den Bauherrn ist der Fokus einer induktiven Betrachtung jedoch auf die änderungsrechtlichen Normen der §§ 14 sowie 39 UrhG und deren systematisches Umfeld wie deren Regelungszwecke zu lenken.
3. Notwendigkeit eines stillschweigend vorausgesetzten und allgemeinen Änderungsverbotes des UrhG Insbesondere in der Rechtsprechung,122 aber auch in Teilen der Literatur123 wird vertreten, dass neben diese Regelungen noch zusätzlich ein allgemein geltendes Änderungsverbot trete, welches aus dem Wesen und Inhalt des Urhebergesetzes 118
Hierzu auch im Folgenden S. 138 f. BeckOK UrhG/Ahlberg, Einl. § 23; Schricker/Loewenheim/Loewenheim, UrhG, § 23 Rn. 4. Ulmer, UrhR, S. 265 spricht von abhängigen Nachschöpfungen; Bearbeitungen sollen dem Werk dienen und dessen Verwertungsmöglichkeiten unter Beibehaltung des Originalwerkes erweitern, Umarbeitungen sein als Zueigenmachung des Werkes (also Plagiat) oder vergebliche freie Benutzung nach § 24 UrhG zu verstehen; BT-Drcks. IV/270, S. 51. 120 Auch der Gesetzgeber zieht diese Parallele siehe BT-Drcks IV/270, S. 38 und 51. 121 BeckOK UrhG/Ahlberg, § 23 Rn. 2. 122 Zurückgehend auf RGZ 69, 242, 244; so auch bei: BGH GRUR 2008, 984, 986 – St. Gottfried; BGH GRUR 1982, 107, 109 – Kirchen-Innenraumgestaltung; BGH GRUR 1974, 675, 676 – Schulerweiterung; OLG Stuttgart ZUM 2011, 173, 180 – Stuttgart 21; OLG Saarbrücken GRUR 1999, 420, 425 – Verbindungsgang. 123 Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, § 14 Rn. 7. 119
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
selbst abgeleitet werden könne und vom Gesetz stillschweigend vorausgesetzt werde. Ein allgemeines Änderungsverbot sei dem Urheberrecht als Herrschaftsmacht des schöpferischen Menschen über sein Geisteswerk immanent und diene dem Schutz der persönlichen, geistigen Interessen des Urhebers und der damit verbundenen Bestimmung, in welcher Gestalt das Werk an die Öffentlichkeit treten soll.124 Fraglich ist an dieser Stelle aber bereits die Notwendigkeit eines solchen allgemeinen Änderungsverbotes. Selbst wenn dieses allgemeine Änderungsverbot bestünde, hat dieses doch in einem Katalog ausdifferenzierter Regelungen Anklang im Gesetz gefunden, so dass neben diesem letztlich kein Platz für außergesetzliche Erwägungen bleibt.125 Die Gerichte sind überdies, wie bereits in anderem Kontext angesprochen, über Art. 20 III GG an Recht und Gesetz gebunden. Wenn der Gesetzgeber hierbei einem möglicherweise allgemein bestehenden Änderungsrecht eine gesetzliche Gestalt gegeben hat, sind die Richter allein deshalb schon verpflichtet, dieses zur Anwendung zu bringen und die etwaigen Besonderheiten der Normen zu achten. Für ein allgemeines Änderungsverbot bleibt also neben den ausdifferenzierten Regelungen des Integritätsschutzes, welches das Urhebergesetz vorsieht, kein Platz.126
II. Das Entstellungsverbot gem. § 14 UrhG Zunächst soll der Blick der Betrachtung auf das Entstellungsverbot des § 14 UrhG gelenkt werden. Bevor hierbei auf den Tatbestand des § 14 UrhG eingegangen wird, sollen zunächst die systematische Einordnung und der Telos der Norm beleuchtet werden. 1. Geltung aller Schutzrechte unter der „Präambel“ des § 11 UrhG Das UrhG normiert die aus einer Schutzfähigkeit folgende Rechte im 4. Abschnitt des Urhebergesetzes und leitet diese mit der Bestimmung des § 11 UrhG unter der Überschrift „Allgemeines“ durch eine für alle Schutzrechte geltenden Präambel127 ein. 124 So: BGH GRUR 1974, 675, 676 – Schulerweiterung; BGH GRUR 1971, 35, 37 – Maske in Blau. 125 Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR § 14 Rn. 5. 126 Wandtke/Bullinger/Wandtke/Grunert, UrhR § 39 Rn. 3; Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR § 14 Rn. 5; siehe auch der BGH in GRUR 1999, 230, 231 – Treppenhausgestaltung der in diesem Falle eine änderungsrechtliche Fragestellung lediglich auf die Normen der §§ 14 und 39 UrhG stützt und selbst keinen Bezug auf ein daneben noch zusätzlich bestehendes allgemeines, dem Wesen des UrhG immanentes Änderungsverbot nimmt. 127 Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR § 11 Rn. 1 spricht von einleitendem Charakter; siehe auch Fn. 143.
B. Ausfüllung des verfassungsrechtlichen Rahmens
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Die Norm bestimmt im ersten Satz, dass das Urheberrecht den Schaffenden in seiner geistigen und persönlichen Beziehung zum Werk und der Nutzung eines solchen Werkes schützt und erweitert dies im Folgenden dahingehend, als klargestellt wird, dass das Urhebergesetz gleichzeitig der Sicherung einer angemessenen Vergütung für etwaige Nutzung eines solchen Werkes diene. Damit schützt das Urhebergesetz ein Zusammenspiel aus vermögensrechtlichen und ideellen Interessen,128 die das Ende einer langen historischen Entwicklung des Schutzes künstlerischer Leistungen sind und dessen Verständnis für die Anwendung und Einordnung aller aus einem etwaigen Urheberrecht bestehenden Schutzrechten allgemein wichtig ist. a) Die Entwicklung des Urheberrechts vom rein wirtschaftlichen Schutzrecht zu einer Verknüpfung vermögensrechtlicher und ideeller Interessen Bereits im Mittelalter zeigten sich in etwa ab dem 12. Jahrhundert erste Anzeichen für eine Verbundenheit zwischen Werk und Urheber,129 allerdings gab es noch keinen allgemeinen urheberrechtlichen Schutz im heutigen Sine.130 Die Schaffensleistungen wurden zu dieser Zeit generell eher als „Ausdruck göttlichen Willens“ und weniger als Ergebnis eines persönlichen geistigen Schaffens eines Menschen gesehen.131 Erst um das Jahr 1440 entwickelte sich so etwas wie ein urheberrechtliches Denken: Durch den Buchdruck war es nunmehr möglich, Werke in größerer Auflage zu produzieren und zu reproduzieren. Da dies mit hohen Investitionen der Verleger und Drucker verbunden war, schützte man diese durch die Erteilung sog. Privilegien. Niemand außer dem Privilegieninhaber war demnach befugt, die entsprechenden Werke zu produzieren oder zu reproduzieren, damit dieser seine Investitionskosten wieder amortisieren konnte.132 Auffällig aus heutiger Sicht ist, dass der Schutz zu dieser Zeit einen ganz anderen Anknüpfungspunkt hatte, und lediglich das wirtschaftliche Interesse des Druckers und nicht des Urhebers schützte. Zudem entstand der Schutz auch nicht ipso iure, sondern bedurfte einer Erteilung. Erst ab dem 16. Jahrhundert wurden diese Privilegien auch auf Autoren ausgeweitet, wodurch erstmals, wenn auch unter rein wirtschaftlichen Aspekten, auch die Person des Urhebers Beachtung bei einem etwaigen Schutz von Schaffensergebnissen fand. 128 BeckOK UrhR/Kroitzsch/Götting, Einl. § 11; Dreier/Schulze/Schulze, UrhR § 11 Rn. 1 f. 129 So äußerte Eike von Repgow bereits in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Vers 221 f. der Reimvorrede des Sachsenspiegels „eine große Furcht davor, dass das Buch gemehrt werden würde“ und wünschte allen die „unrecht waren und werben an diesem Buche“ Aussatz und Hölle. Siehe dazu: Gieseke, Geschichtliche Entwicklung, S. 19. 130 Ulmer, UrhR, S. 50; Schricker/Loewenheim/Vogel, UrhR Einl. Rn. 108 f.; Heeschen, Urheberpersönlichkeitsrecht, S. 6; v. Gierke, Deutsches Privatrecht, S. 750. 131 Schricker/Loewenheim/Vogel, UrhR Einl. Rn. 109; Heeschen, Urheberpersönlichkeitsrecht, S. 6. 132 Heeschen, Urheberpersönlichkeitsrecht, S. 7.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
Zum Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte sich das Verständnis allmählich in einem stetigen und andauernden Prozess133 weg vom Schutz durch zu erteilende Privilegien hin zu einem natürlich gegebenen Recht des geistigen Eigentums. Werke, die ein Gelehrter erarbeite, seien unstreitig ein wahres (geistiges) Eigentum ihres Verfassers, so wie ein jeder das, was seiner Geschicklichkeit und seinem Fleiß sein Dasein zu danken hat, als sein Eigentum ansehen kann. Aus diesem Eigentum sei dann ein etwaiges Verlagsrecht abgeleitet.134 Ein Erteilungsakt oder ähnliches war nun nicht mehr nötig. Allerdings wurden hierdurch weiterhin überwiegend vermögensrechtliche Interessen geschützt. Eine ideelle Verbindung des Urhebers zu seinem Werk fand bis dato noch keinerlei Beachtung. Mit der Lehre vom Persönlichkeitsrecht135 verschob sich der Blickwinkel dann erstmals weg von rein vermögensrechtlichen Interessen hin zu einer persönlichen, schützenswerten Bindung des Urhebers zu seinem Schaffensergebnis. Das Werk als Geistesprodukt sei eine Offenbarung des persönlichen Geistes des Urhebers, eine Art Rede des Autors an den Leser. Der Autor dürfe daher nicht gegen seinen Willen gezwungen werden, zum Publikum zu sprechen.136 Er habe vielmehr ein nicht veräußerliches, persönliches Recht an seinem Werk.137 Der Vermögenswert, den das Werk für den Autor habe, sei zwar praktisch wichtig, aber juristisch nicht der innerste Kern des Autorrechts, sondern vielmehr lediglich ein sekundärer Teil dessen.138 Erstmals wurde herausgestellt, dass das Urheberrecht letztlich zweierlei Interessenlagen schützen soll: zum einen vermögensrechtliche, zum anderen aber gleichzeitig auch persönlichkeitsrechtliche, ideelle Interessen des Urhebers selbst. Erstere gerieten durch die Lehre des Persönlichkeitsrechts nun etwas in den Hintergrund. Daran anknüpfend entwickelte sich in der Folge die sog. dualistische Theorie, die beiden Bereichen Beachtung und Gewichtung schenkte. So sei das Urheberrecht einerseits Immaterialgüterrecht, also ein Recht an einem außerhalb des Menschen stehenden, aber nicht körperlichen, nicht fass- und greifbaren Rechtsguts. Daneben trete ergänzend und unabhängig davon aber gleichzeitig das Persönlichkeitsrecht, was zur Geltung bringe, dass auch neben dem Vermögensrecht etwas vorhanden sei, was andernfalls nicht geschützt werden würde, da dieser Bereich vermögensrechtlich nicht erfasst werden könne.139 Das Urheberecht bestehe danach aus zwei völlig unabhängigen Schutzbereichen, die nebeneinander 133
Näher dazu: Ulmer, UrhR, S. 54 ff. So bereits im 18. Jahrhundert: J. St. Püttner, Der Büchernachdruck nach ächten Grundsätzen des Rechts, 1774, zitiert bei: Ulmer, UrhR, S. 54. 135 Siehe dazu: Kant, Berlinische Monatsschrift 1785 (Bd. 5), 403, 403 ff. 136 Bluntschli, Deutsches Privatrecht, 191 f.; Kant, Berlinische Monatsschrift 1785 (Bd. 5), 403, 404, 417. 137 Kant, Berlinische Monatsschrift 1785 (Bd. 5), 403, 417; Bluntschli, Deutsches Privatrecht, 188 f.; v. Gierke, deutsches Privatrecht, S. 756. 138 Bluntschli, Deutsches Privatrecht, S. 192. 139 Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken, 1, 440. 134
B. Ausfüllung des verfassungsrechtlichen Rahmens
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und unabhängig Schutzwirkungen für den Urheber entfalten können (dualistische Theorie).140 Diese bereits zu erkennende, allmähliche Herauskristallisierung einer persönlichkeitsrechtlichen Komponente gipfelte in der die beiderseitigen Interessenlagen verknüpfenden141 monistischen Theorie. Hiernach habe sich das Urheberrecht über die Jahre zu einem Recht entwickelt, das weder zu einem klaren Persönlichkeitsrecht noch zu einem klaren Vermögensrecht zu zählen sei. Vielmehr bilde jenes ein Recht besonderer Art.142 Es nehme einen Platz zwischen Vermögensrecht und Persönlichkeitsrecht ein. Sofern man dabei der persönlichkeitsrechtlichen Komponente lediglich innerhalb der Einstufung zu einem Vermögensrecht Geltung zu kommen ließe, so werde dies den ideellen, immateriellen Interessen des Urhebers an seinem geistigen Werk nicht gerecht.143 Beide Rechtsbereiche werden also untrennbar miteinander verknüpft und bilden eine Rechtsmaterie eigener Art. Nach und nach hat sich das Urheberrecht also bis zu seiner heutigen Ausformung durch die immer stärker beachteten persönlichen und ideellen Interessen des Urhebers selbst in Bezug auf dessen Bindung zum Werk zu einem Recht entwickelt, das weder rein ideelle noch rein persönlichkeitsrechtliche Interessen schützen soll. Vielmehr sind ideelle und kommerzielle Interessen untrennbar, monistisch miteinander verknüpft, weshalb das Urheberpersönlichkeitsrecht eine Art „hybride Sonderstellung“144 zwischen Persönlichkeits- und Vermögensrecht einnimmt,145 die § 11 UrhG in seinem Wortlaut widerspiegelt, und so zunächst allen Schutzrechten vorausschickt. Das Urhebergesetz geht also von einer historisch gewachsenen, untrennbaren Verknüpfung ideeller und vermögensrechtlicher Interessen aus und stellt dies sämtlichen Schutzrechten voran. b) § 14 UrhG als Teil des Urheberpersönlichkeitsrechts Diese in § 11 UrhG verdeutlichte, historisch gewachsene Unterteilung der geschützten Interessen des Urhebers findet sich auch in der folgenden Ausgestaltung und Unterteilung der Schutznormen wieder. 140 de Boor, Wesen des Urheberrechts, S. 35; Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken, S. 440; siehe auch: Hegel, Philosophie des Rechts, 68 f. (wo bereits zwischen dem Werk an sich und dem Inhalt getrennt wurde). 141 Dreier/Schulze/Schulze, UrhR Vor. § 12 Rn. 2. 142 Allfeld, Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst, S. 23. 143 Allfeld, Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst, S. 23 (siehe dort Fußnote 1). 144 So treffend: Schricker/Loewenhein/Peukert, UrhR Vor. §§ 12 ff. Rn. 6; ebenso: Schlingloff, GRUR 2017, 572, 576 f. 145 Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR Vor. § 12 Rn. 3; Fromm/Nordemann/Dustmann, UrhR Vor. § 12 Rn. 8; Rehbinder/Peukert, UrhR Rn. 48; Ulmer, UrhR, S. 114 ff.; BT-Drcks. IV/ 270, S. 43 f.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
So ist, wie bereits zuvor angedeutet, der vierte Abschnitt des Urhebergesetzes nach dem erwähnten ersten Unterabschnitt „Allgemeines“ dementsprechend in zwei weitere Unterabschnitte zum „Urheberpersönlichkeitsrecht“ sowie den „Verwertungsrechten“ eingeteilt. Betrachtet man einmal den groben Regelungsgehalt der Teilbereiche, so sichern die entsprechenden Regelungen des Urheberpersönlichkeitsrechts mit Veröffentlichungsrecht in § 12 UrhG, dem Recht zur Anerkennung der Urheberschaft, eher das Urheberrecht an sich und damit vornehmlich die ideellen Schutzinteressen des Schaffenden.146 Die Normierungen der §§ 15 ff. UrhG hingegen, also der Verwertungsrechte auf der anderen Seite, sichern dem Urheber folglich die Nutzungsrechte an seinem Werk, also solche Befugnisse, die aus einer bestehenden Urheberschaft folgen. Diese kann der Schaffende nach den § 32 ff. UrhG Dritten einräumen und dabei eine Vergütung verlangen, sodass die Verwertungsrechte die vermögensrechtliche Seite der Schutzunteressen des Urhebers sichern.147 Das Entstellungsverbot des § 14 UrhG ist Teil des 2. Unterabschnitts und bildet damit neben dem Veröffentlichungsrecht nach § 12 UrhG und dem Recht auf Anerkennung der Urheberschaft gem. § 13 UrhG einen der Grundpfeiler des Urheberpersönlichkeitsrechts. aa) Schutzzweck und Wesen des Urheberpersönlichkeitsrechts Damit eine Gestaltung als Schutzobjekt des Urhebergesetzes infrage kommen kann, muss dieses die Hürde des § 2 II UrhG nehmen, insbesondere individuell gestaltet sein. Durch dieses Erfordernis der Individualität kommen in einem urheberrechtlich relevanten Werk die kreativen Entscheidungen des Schaffenden zum Tragen, welche auf dessen Erfahrungen, Wissensstand, Fähigkeiten, kulturellen Hintergrund und sonstigen persönlichen Eigenschaften beruhen.148 Durch die individuellen Züge geht das Werk in der Theorie sodann eine untrennbare Verbindung mit der Person des Urhebers ein, welche durch die quantitativen Elemente der Individualität bis hin zur eindeutigen und direkt erkennbaren Handschrift eines Schaffenden reichen kann,149 und welche beispielsweise der Grund dafür sind, weshalb das Urheberrecht nach § 29 UrhG als solches nach deutschem Verständnis nicht übertragbar ist. Ebendiese Beziehung zwischen Werk und Urheber ist Gegenstand des Urheberpersönlichkeitsrechts als Schutzrecht der ideellen Interessen
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Fromm/Nordemann/Dustmann, UrhR § 14 Rn. 2; Dreyer/Kothoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 11 Rn. 2. 147 BeckOK/Götting, UrhR § 15 Rn. 1; Schricker/Loewenheim/v. Ungern-Sternberg, UrhR § 15 Rn. 6 ff.; Fromm/Nordemann/Dustmann, UrhR § 14 Rn. 1. 148 Im Ergebnis ähnlich Schricker/Loewenheim/Peukert, Vor. §§ 12 ff. Rn. 4. 149 Siehe hierzu zuvor S. 28 f.
B. Ausfüllung des verfassungsrechtlichen Rahmens
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des Schaffenden.150 Der daraus resultierende Schutz knüpft nun an diese Bindung zwischen Werk und Schaffenden § 11 UrhG entsprechend an. Nach der Veröffentlichung wird das entsprechende Werk einer Masse an Betrachtern zugänglich gemacht, welche eben diese Assoziation zum Schaffenden herstellen können. § 14 UrhG übernimmt nun in diesem Kontext als Teilnorm des Urheberpersönlichkeitsrechts die Aufgabe, das entsprechende Werk in der Weise zu erhalten wie der Schaffende das Werk der Öffentlichkeit präsentieren und sich demnach auch zurechnen lassen wollte. Das Urheberpersönlichkeitsrecht knüpft also zwar nicht direkt an die Person des Schaffenden an, ist demnach kein Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, steht diesem aber wesensmäßig nahe,151 schützen doch beide einen sozialen Geltungsanspruch des Rechteinhabers.152 Die Folge ist ein Integritätsschutz des Werkes, welcher es dem Urheber ermöglicht, Entstellungen und sonstige Beeinträchtigungen im Ausgangspunkt verhindern zu können. bb) Erkenntnisse aus der Einordnung des § 14 UrhG als Norm des Urheberpersönlichkeitsrechts (1) Die Gestaltungshöhe als erstes Kriterium für die Interessengewichtung des Architekten Wenn nach dem Gesagten die Individualität des Werkes Grund für das Entstehen einer Beziehung zwischen Werk und Schaffenden ist und das Urheberpersönlichkeitsrecht an eben diese Bindung anknüpft, so muss dieser quantitative Aspekt der Individualität, umschrieben durch die Gestaltungshöhe,ein erstes wichtiges Kriterium einer Wertungsentscheidung darstellen, weil ein jeder Schutz an genau diese Bindung anknüpft. Je stärker diese Bindung im Werk hervortritt, desto stärker kann das Urhebergesetz etwaige Schutzrechte an dieses knüpfen. Bei einer architektonischen Meisterleistung kommt die persönliche Beziehung zur Person der/des Schaffenden meist in einer Art und Weise heraus, die einen direkten Rückschluss zulässt. Das Werk trägt dann praktisch den Stempel des Urhebers. Eine solche Prägung oder gar eine Handschrift des Schaffenden ist allerdings – insbesondere nach der Geburtstagszug-Entscheidung153 – kein Erfordernis für den urheberrechtlichen Schutz eines Werkes, als vielmehr ein Anhaltspunkt für starke, aus dem urheberrechtlichen Schutz folgende Rechte. Bei Gestaltungen, welche gerade noch über dem Alltäglichen liegen, ist im Gegensatz dazu die Individualität und somit auch die Prägung durch den Schaffenden vergleichsweise schwach ausgeprägt.154 In 150 Hierzu insbesondere BT-Drcks. IV/270, S. 43 f.; Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR Vor. §§ 12 Rn. 3 f. 151 BT-Drcks. IV/270, S. 45. 152 Schack, UrhR Rn. 90; Schricker/Loewenheim/Peukert, Vor. §§ 12 Rn. 7. 153 BGH GRUR 2015, 175 – Geburtstagszug; siehe auch zuvor S. 31 f. 154 Hierzu bereits zuvor S. 27 f.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
Relation dazu kann das Werk auch nur in einer entsprechend geringen Bindung zu seinem Schaffenden stehen und eine Assoziation mit dem Urheber wird mit abnehmender Individualität immer unwahrscheinlicher bis faktisch nicht mehr ohne Namensnennung nach § 13 UrhG möglich sein. Äquivalent dazu nimmt dann aber auch der zu schützende Geltungsanspruch des Urhebers mit sinkender Individualität ab, so dass die daraus folgenden Schutzrechte ebenfalls geringer ausfallen müssen.155 Der quantitative Aspekt der Individualität muss sich also auch entsprechend in der Bemessung der Schutzrechte niederschlagen, da der soziale Geltungsanspruch des Schaffenden umso geringer wiegt, je schwieriger Rückschlüsse auf seine Person möglich sind.156 Innerhalb einer Interessenabwägung bestimmt also auf Seiten des Urhebers die Quantität der Individualität des Werkes, die durch die Gestaltungshöhe umschrieben wird, das Gewicht des Geltungsanspruches des Urhebers, der dem Schutz des § 14 UrhG zugrunde liegt und den Anknüpfungspunkt für einen Schutz der Beziehung des Schaffenden zu seinem Werk i. S. v. § 11 UrhG.157 Ein absolutes Änderungsrecht des Architekten bei einer Gestaltung der kleinen Münze beispielsweise im Innenbereich eines Einfamilienhauses erscheint vor diesem Hintergrund äußerst fraglich. (2) Keine eigenständige Wirkung der Gestaltungshöhe als konstitutives Merkmal Zur Klarstellung sei nochmals darauf hinzuweisen, dass die Gestaltungshöhe auch hierdurch keine eigenständige Wirkung entfalten kann, sondern richtigerweise lediglich einen quantitativen Aspekt der Individualität umschreibt und somit rein deskriptive Wirkung entfalten kann. Eine Überhöhung des Merkmals der Gestaltungshöhe neben der Individualität selbst würde den Fokus auf den eigentlichen Grund des urheberpersönlichkeitsrechtlichen Schutzes, sprich die Beziehung des Schaffenden zum Werk, durch eine auf seiner kreativen Leistung beruhenden Gestaltung verdecken und birgt bereits durch den Begriff als solches in eigenständiger Betrachtung die Gefahr, die Gestaltung in ihrer Qualität als Maßstab zu nehmen und somit zum Kunstrichtertum überzugehen.158 (3) Abnehmende Gewichtung des Urheberpersönlichkeitsrechts nach dem Tod des Schaffenden Das Urhebergesetz gibt dem Schaffenden nach § 64 UrhG ein auf die Dauer von 70 Jahren nach seinem Tod angelegtes Schutzrecht, welches, wie das Urheberrecht 155 Schöfer, Rechtsverhältnisse, S. 96 ff.; 196 ff.; Schilcher, Schutz des Urhebers, S. 110; Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR § 14 Rn. 29. 156 Hegemann, FS Hertin 2000, 87, 100; Federle, Werkintegrität, S. 54 f. Schricker/ Loewenheim/Peukert, UrhR § 14 Rn. 29 bezeichnet die Kenntnis des Schaffenden als relevanten Faktor der Abwägung. 157 BGH GRUR 2008, 984, 986 – St. Gottfried. 158 Siehe hierzu die Ausführungen im Rahmen der Bestimmung der urheberrechtlichen Schutzobjekte S. 28 ff.
B. Ausfüllung des verfassungsrechtlichen Rahmens
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samt des Urheberpersönlichkeitsrechts und aller vermögensrechtlicher Befugnisse, nach § 28 UrhG vererbbar ist und damit durch dessen Rechtsnachfolger wahrgenommen werden kann.159 Wichtig zu sehen ist hierbei zunächst , dass auch nach dem Tod die Beziehung des Schaffenden zum Werk Anknüpfungspunkt des Schutzes bleibt, so dass es im Rahmen einer Interessenabwägung nicht auf die Interessen der Rechtsnachfolger, die den Schutz der Beziehung wahrnehmen, sondern nur auf die Interessen des Urhebers ankommen kann.160 Im Laufe der Zeit können diese Interessen allerdings an Bedeutung verlieren, so dass das Urheberpersönlichkeitsrecht nach dem Tode des Schaffenden mitunter nicht mehr das gleiche Gewicht haben kann, wie dies zu dessen Lebzeiten der Fall war und nach und nach relativiert wird.161 Eine solche Relativierung ist nicht zwingend, sondern hängt von der tatrichterlichen Feststellung ab, ob sich das Urheberinteresse mit dem Lauf der Jahre verändert hat.162 So wurde für den Stuttgarter Hauptbahnhof beispielsweise trotz der hohen Individualität des Bauwerkes angenommen, dass die Interessen des Architekten Paul Bonatz nach seinem Tod im Jahre 1956 zur Zeit des Rechtsstreites im Jahre 2010 nicht mehr das gleiche Gewicht haben, wobei gleichzeitig das Interesse des Eigentümers insbesondere hinsichtlich Modernisierungen steige.163 Wenn also bei einem Bauwerk, welches, wie das Gericht selbst schreibt, als architektonische Meisterleistung anerkannt ist,164 eine Schwächung der urheberpersönlichkeitsrechtlichen Interessen, deren Schutz auch § 14 UrhG dient, anzunehmen ist, muss dies erst recht für ein Werk der kleinen Münze gelten. Bei einem solchen Werk, dessen Bindung zum Schaffenden bereits zu Lebzeiten gerade so noch feststellbar ist und dessen vermittelter sozialer Geltungsanspruch ohnehin bereits sehr niedrig zu bewerten ist, scheint ein solches Schutzrecht, insbesondere in Bezug auf beispielsweise die Inneneinrichtung eines Bauwerkes, welche dann auf Grund der Schutzdauer des § 64 UrhG von 70 Jahren post mortem auctoris, mitunter zwei Generationen überdauern würde, äußerst fraglich. Auch vor dem Hintergrund, dass 159
BGH GRUR 1955, 201, 204 f. – Cosima Wagner, bereits zu der Zeit vor Geltung des UrhG von 1962; BGH GRUR 1989, 106, 107 – Oberammergauer Passionsspiele II; LG Stuttgart ZUM-RD 2010, 491, 495 – Stuttgart 21; Dreier/Schulze/Schulze, § 28 Rn. 7; Dreyer/ Kotthoff/Meckel/Kotthoff, UrhR § 28 Rn. 6; Schricker/Loewenheim/Ohly, UrhR § 28 Rn. 1, 6 ff.; Wandtke/Bullinger/Hoche, UrhR § 28 Rn. 2. 160 BGH GRUR 1989, 106, 107 – Oberammergauer Passionsspiele II; LG Stuttgart ZUMRD 2010, 491, 495 – Stuttgart 21; BeckOK UrhR/Kroitzsch/Götting, § 14 Rn. 21. 161 BGH GRUR 2008 984, 986 f. – St. Gottfried; BGH GRUR 1989, 106, 107 – Oberammergauer Passionsspiele II; OLG München GRUR-RR 2001, 177, 179 – Kirchenschiff; OLG Hamm ZUM 2006, 641, 647; LG Stuttgart ZUM-RD 2010, 491, 500 – Stuttgart 21; Schricker/ Loewenheim/Peukert Vor. §§ 12 ff. Rn. 23. 162 BGH GRUR 2008, 984, 986 – St. Gottfried in diesem Falle ablehnend bzw. das OLG bestätigend, bei einem Ablauf von 35 Jahren nach dem Tode des Urhebers; LG Stuttgart ZUMRD 2010, 491, 500 – Stuttgart 21. 163 LG Stuttgart ZUM-RD 2010, 491, 501 – Stuttgart 21. 164 LG Stuttgart ZUM-RD 2010, 491, 501 – Stuttgart 21.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
gerade im privaten Wohnungsbau Modernisierungsmaßnahmen der Regelfall sind und ein hohes Interesse an solchen Maßnahmen innerhalb kürzerer Zeit besteht, kommt dies – anders als bei einem öffentlichen Bauwerk – besonders zu tragen. Die Bindung zwischen Werk und Schaffendem und somit auch die urheberpersönlichkeitsrechtlichen Interessen, an welche der post-hum-Schutz des § 63 UrhG anknüpft, sind demnach im Bereich der kleinen Münze bereits zu Lebzeiten schon kaum wahrnehmbar. Eine mögliche Abnahme der Bedeutung urheberrechtlicher, sozialer Geltungsansprüche nach dem Tode kann somit als ein weiteres Relationskriterium gesehen werden, wobei das Gewicht urheberrechtlicher Interessen nach dem Tode des Schaffenden im Bereich der kleinen Münze rasch abnehmen wird. (4) Beschränkung des Schutzes auf die individuell gestalteten Teile des Werkes § 14 UrhG schützt in besonderer Weise die in § 11 UrhG als Anknüpfungspunkt erwähnte Bindung des Urhebers zu seiner Schaffensleistung, welche durch die persönlichen Züge entsteht, die dieser dem Werk verleiht. Der Anknüpfungspunkt der Beziehung zwischen Werk und Schaffendem besteht also nur in Bezug auf eben diese individuellen Elemente. Hieraus lässt sich schließen, dass sich auch die Frage des Gegenstandes eines etwaigen Schutzes mit Hilfe der Individualität bestimmt. Der Urheber kann deshalb lediglich solche Beeinträchtigungen oder Entstellungen verhindern, die auch jene Gestaltungsmerkmale tangieren, die die persönlichen Züge, sprich die notwendige Individualität und damit die geschützte Bindung, herstellen.165 Dies ist nicht weiter problematisch, wenn sich die zu Grunde liegende Individualität beispielsweise aus dem Gesamteindruck der Anordnung einer Außengestaltung eines Bauwerkes ergibt. Eine Änderung der Außenfassade wie die Montage einer Balkonkonstruktion o. ä. wird dann diesen Gesamteindruck abwandeln, so dass sich der Urheber auf § 14 UrhG und den in § 97 UrhG gewährten Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch stützen kann. Die Individualität kann sich aber auch nur auf einen bestimmten Teilaspekt einer Schaffensleistung beziehen,166 mit der Folge, dass in dem Fall genau danach gefragt werden muss, was die Individualität ausmacht und worauf sich ein etwaiger Schutz bezieht. Bei Bauwerksleistungen kann dies auf lediglich die Fassade, den Innen- oder Außenbereich, das Treppenhaus,167 einen einzelnen Raum168 etc. beschränkt sein. 165 BGH GRUR 1082, 107, 110 – Kirchen-Innenraumgestaltung; BeckOK UrhR/Koitzsch/ Götting, § 14 Rn. 12. 166 BGH GRUR 1973, 663, 666 – Wählamt; BGH GRUR 1988, 533, 534 – Vorentwurf II; BGH GRUR 1989, 416, 416 – Bauaußenkante; BGH GRUR 2002, 799, 800 – Stadtbahnfahrzeug; Binder/Messer, UrhR für Architekten, Rn. 53; Ulmer, UrhR, S. 134; siehe auch zuvor S. 21. 167 Hierzu: BGH GRUR 1999, 230 – Treppenhausgestaltung. 168 OLG Dresden GRUR 2013, 51 – Kulturpalast.
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Zudem kann sich die Individualität aber auch aus der gemeinsamen Wirkung mehrerer Bauwerke ergeben, die für sich genommen zwar nicht schutzfähig sind, allerdings als Ensemble eine gewisse Wirkung erzeugen,169 welche das Alltägliche überschreitet und demnach geschützt sein kann. Auch die Einbindung in einen bestimmten Kontext kann relevant sein, wie beispielsweise bei der Gestaltung des „Dockland-Gebäudes“ in Hamburg, welches im Hafen Hamburgs in der Bauweise ein Kreuzfahrtschiff andeutet, das die Elbe Richtung Meer herunterfährt oder auch die Spieglung des Inhaltes des Gebäudes durch bestimmte Gestaltungsmerkmale, wie dem Astra-Haus, das die Form einer Biertulpe andeutete170 oder das Motiv gekreuzter Linien, dass die Gestaltung des Bahnhofs Berlin als Kreuzbahnhof durchzieht.171 Beschränken sich die individuellen Gestaltungsmerkmale auf einen solchen eingrenzbaren Teilbereich des Bauwerkes, ist auch nur dieser Teil vor Entstellungen oder anderen Beeinträchtigungen jedenfalls durch das Urheberrecht geschützt. Umgekehrt ist eine Benutzung oder Änderung der sonstigen, nicht individuellen Teile des Werkes möglich.172 Sofern die individuellen Züge einer Schaffensleistung nicht betroffen sind, die diese zu einem urheberrechtlichen Werk im Sinne des § 2 II UrhG qualifizieren, kann sich der Urheber nicht auf Grundlage seines Urheberrechts gegen etwaige Änderungen schützen, so dass es hier auch auf keine Wertungsentscheidung der Gerichte ankommen kann. 2. Der Entstellungsbegriff Insbesondere mit den Ergebnissen der Untersuchung des dem § 14 UrhG zugrundeliegenden Schutze des Urheberpersönlichkeitsrechts soll nun der Blick auf die einzelnen Tatbestandsmerkmale der Norm gelenkt werden, um daraus weitere Anknüpfungs- oder Relations- bzw. Gewichtungskriterien für die anzustellende Wertungsentscheidung zu gewinnen. Zunächst einmal knüpft § 14 UrhG an eine Entstellung des Werkes an. Unter einer Entstellung in diesem Sinne versteht man zunächst die besonders schwere Beeinträchtigung eines Werkes, welche dieses in gravierender Weise verändert, verzerrt,
169 BGH GRUR 1957, 391, 393 – Ledigenheim der künstlerische Wer der architektonischen Leistung drücke sich u. a. in der Art aus, wie die Gebäude zueinander angeordnet sind; OLG München GRUR-RR 2001, 177, 178 f. – Kirchenschiff; LG München I, IBRS 2007, 0504 – Strehle-Schulzentrum. 170 LG Hamburg GRUR 2005, 672 – ASTRA-Hochhaus. 171 LG Berlin GRUR 2007, 964, 966 f. 172 BGH GRUR 1981, 267 – Dirlada; BGH GRUR 1953, 299, 301 – Lied der Wildbahn I; Schricker/Loewenheim/Loewenheim/Leistner, UrhR § 2 Rn. 87.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
verfälscht oder zerstückelt, sodass das Werk eine andere Aussage, Färbung oder Tendenz erhält.173 Insbesondere erfasst sind hiervon solche Eingriffe in die Werkgestaltung, welche den Sinn des gesamten Werkes oder seine wesentlichen Merkmale ändern.174 Nicht entscheidend ist hierbei, ob beispielsweise durch eine Verfälschung das entsprechende Werk abgewertet wird oder nicht.175 Entscheidend ist lediglich das objektive Vorliegen einer Verfälschung oder Verzerrung. Eine Entstellung kann deshalb auch vorliegen, wenn das Werk trotz Verfälschung aus objektiver Sicht eine Abwertung erfährt, vielleicht sogar aufgewertet wird.176 Es ist ebenso für eine Entstellung oder eine sonstige Beeinträchtigung unerheblich, ob die Änderung für sich genommen wieder urheberrechtlich schützenswert ist.177 In aller Regel wird eine Entstellung durch einen direkten Eingriff in die Substanz des Werkes erfolgen, wenn also beispielsweise der Eigentümer einen Bereich der Fassade neu streicht oder Fenster zu einer Front hinzufügt. Allerdings kann sich die Individualität der Gestaltung wie dargelegt178 auch gerade aus dem Kontext eines Bauwerkes ergeben. Folglich muss der Entstellungsbegriff des § 14 UrhG sowohl direkte als auch indirekte Eingriffe in die Werkgestaltung erfassen, sofern diese den Grad einer Verzerrung oder Entstellung erreichen.179 Wenn beispielsweise ein Gesamtkonzept eines Gebäudekomplexes in seiner zusammenwirkenden Komposition Gegenstand eines bestehenden Urheberrechts ist, so kann auch in einem Anbau eine Entstellung liegen,180 wenn diese geeignet ist, eben diese Komposition durch einen krassen Stilbruch181 oder einer Unterbrechung des Gesamtkonzepts zu beeinträchtigen.182 173
BGH GRUR 1986, 458, 459 – Oberammergauer Passionsspiele II; BGH GRUR 1982, 107, 109 – Kirchen-Innenraumgestaltung; KG GRUR 2004, 497, 498 – Schlacht um Berlin; Schricker/Loewenheim/Peukert/UrhR § 14 Rn. 18; Schack, UrhR Rn. 381; Dreier/Schulze/ Schulze, UrhR § 2 Rn. 7; Fromm/Nordemann/Dustmann, UrhR § 14 Rn. 9; Rehbinder/Peukert, UrhR Rn. 454; HK-UrhG/Seifert/Wirth, § 14 Rn. 3. 174 OLG Hamm ZUM-RD 2011, 343, 346; Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR § 14 Rn. 18. 175 BGH GRUR 1989, 106, 107 – Oberammergauer Passionsspiele II; BGH GRUR 1999, 230, 231 –Treppenhausgestaltung; BeckOK UrhR/Kroitzsch/Götting, § 14 Rn. 11; Dreier/ Schulze/Schulze, UrhG § 14 Rn. 7; Schilcher, Schutz des Urhebers, S. 61; Schöfer, Rechtsverhältnisse, S. 47. 176 GRUR 1982, 107, 110 – Kirchen-Innenraumgestaltung; Fromm/Nordemann/Dustmann, UrhR § 2 Rn. 11. 177 BGH GRUR 1999, 220, 223 – Treppenhausgestaltung; Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 14 Rn. 29. 178 Siehe zuvor S. 124. 179 Dreier/Schulze/Schulze, UrhR § 14 Rn. 6; Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 14 Rn. 42; Diller, Interessenausgleich, S. 34 allerdings in Berufung auf BGH GRUR 1982, 107 – Kirchen-Innenraumgestaltung; 180 Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 14 Rn. 43; BGH GRUR 1974, 675, 677 – Schulerweiterung. 181 BGH GRUR 1974, 675, 677 – Schulerweiterung.
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3. Andere Beeinträchtigungen a) Begriff Neben Entstellungen umfasst § 14 UrhG darüber hinaus alle sonstigen Beeinträchtigungen, welche, bereits dem Wortlaut nach, den Oberbegriff für die zuvor erwähnten Entstellungen bilden.183 Unter einer Beeinträchtigung versteht man jede Abweichung vom geistigen, ästhetischen Gesamteindruck der entsprechenden Gestaltung,184 völlig unabhängig davon, ob durch die ändernde Maßnahme das Werk verbessert oder verschlechtert wird.185 Gegenstand des Schutzes ist das Werk in der vom Urheber vorgesehenen Form, so dass die Beeinträchtigung zunächst jede objektiv nachweisbare Änderung miterfasst.186 b) Gesamtzerstörungen eines Werkes als Beeinträchtigung Fraglich ist, ob eine Beeinträchtigung auch dann vorliegen kann, wenn das Werk nicht verändert, sondern gänzlich zerstört wird. Geht man nämlich davon aus, dass der urheberpersönlichkeitsrechtliche Schutz vor Eingriffen schützen soll, die das Werk einer anderen Wahrnehmung aussetzen, als diese vom Urheber geplant war, könnte man annehmen, dass im Gegensatz dazu bei Vernichtungen des entsprechenden Werkes eben diese Bindung zum Schaffenden an sich nicht verfälscht wird. Vielmehr fällt die mögliche Zurechnung zum Schaffenden nach einer Zerstörung des Werkes im Sinne des § 2 II UrhG bzw. genauer der individuellen Züge weg, da durch diese das geistige Band zum Urheber durchtrennt wird.187 Der Urheber muss sich dann also eben keine Gestaltung zurechnen lassen, die er so nicht intendiert hatte, mit der Folge, dass Zerstörungen nach dem Urhebergesetz ohne eine Abwägung der beiderseitigen Interessen möglich wären.188 182 Bezugnehmend auf ein Konzept von sich kreuzenden Linien als Spieglung des Gebäudes als Kreuzbahnhof LG Berlin GRUR 2007, 964, 966 f. 183 BGH GRUR 2019, 609, 612 – HHole; OLG München BeckRS 9998, 3229 – Dachgaubengestaltung; Schack, UrhR Rn. 381; Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR § 14 Rn. 18. a. A. Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 14 Rn. 38; Fromm/Nordemann/Dustmann, UrhR § 14 Rn. 12. 184 Dreier/Schulze/Schulze, UrhR § 2 Rn. 10; Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR § 2 Rn. 13. 185 BGH GRUR 1989, 106, 107 – Oberammergauer Passionsspiele II; OLG München ZUM 1992, 307, 310 – Christoph Columbus; Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 14 Rn. 47; Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR § 14 Rn. 13; Dreier/Schulze/Schulze, UrhR § 14 Rn. 7; Fromm/Nordemann/Dustmann, § 14 Rn. 9; Schack, UrhR Rn. 383. 186 Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR § 14 Rn. 13. 187 Erdmann, FS Piper, 655, 674; ähnlich: Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR § 14 Rn. 24; Fromm/Nordemann/Dustmann, UrhR § 14 Rn. 32. 188 Grundlegend RGZ 79, 397, 401 – Felseneiland mit Sirenen; ebenfalls: LG Mannheim GRUR-RR 2015, 515, 519 – HHole; LG München I NJW 1983, 1205 – ADAC-Hauptverwaltung II das die Zulässigkeit einer Zerstörung auf den Hinweis des LG München I, NJW 1982,
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
Andererseits könnte man die Zerstörung des Werkes aber auch als schlimmste Form der Entstellung oder Beeinträchtigung ansehen,189 so dass der Anwendungsbereich und damit auch der Zugang zur Wertungsentscheidung innerhalb des § 14 UrhG eröffnet wären.190 Fraglich ist also zunächst, ob § 14 UrhG auch den Bestand einer solchen Beziehung und nicht nur deren Verfälschung mit Blick auf den Sinn und Zweck des Urheberpersönlichkeitsrecht sichern kann und soll. aa) Einbezug von Zerstörungen durch den BGH Der BGH entschied hierzu im Februar 2019 in drei am gleichen Tag ergangenen Urteilen191 erstmals diese lang geführte Diskussion im Urheberrecht dahingehend, dass Vernichtungen eines urheberrechtlich geschützten Werkes unter den Anwendungsbereich des § 14 UrhG fallen und demnach einer Abwägung zugänglich sind. Im ersten Fall ging es um eine Lichtinstallation an der Decke einer Kunsthalle in Mannheim (sog. Billing-Bau). Im Zuge von Sanierungsarbeiten wurde diese Lichtinstallation vollständig demontiert und nicht wiederaufgebaut.192 Gleichzeitig hatte die Urheberin in der entsprechenden Kunsthalle eine weitere Installation errichtet, welche aus mehreren, miteinander verbundenen Öffnungen in den Geschossdecken bis hin zum Dach bestand, durch die ein Lichtstrahl nach oben projiziert wurde.193 Gegenstand des dritten zu beurteilenden Sachverhaltes war eine Minigolfanlage, bei der zwei Künstler Räume mit unter Schwarzlicht leuchtenden Farben gestaltet sowie eine Brunnen- und Sterninstallation vorgenommen haben.194 Im Zuge von Sanierungsarbeiten der entsprechenden Kunsthalle und Umbaumaßnahmen der Minigolfanlage wurden die entsprechenden Gestaltungen in Gänze demontiert und nicht wiederaufgebaut. Die Urheber stützten ihre Klagen auf ein verletztes Urheberrecht wegen des Verstoßes gegen das Entstellungsverbot des 655 – ADAC-Hauptverwaltung I als Alternative zur Beseitigung von Änderungen bestätigte; LG Hamburg GRUR 2005, 672, 674 – Astra-Hochhaus; OLG Schleswig ZUM 2006, 426 – Kubus Balance; Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR § 14 Rn. 20 ff.; Fromm/Nordemann/ Dustmann, UrhR § 13 Rn. 33; Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR § 14 Rn. 22 ff.; Goldmann, GRUR 2005, 639, 643; Peukert, ZUM 2019, 567, 570 f. 189 So Schack, GRUR 1983, 56, 57. 190 Nunmehr: BGH ZUM 2019, 521 – PHaradise; BGH GRUR 2019, 609 – HHole; BGH GRUR 2019, 619 – Minigolfanlage; HK-UrhG/Seifert/Wirth, § 14 Rn. 8 mit knappem Hinweis auf die Notwendigkeit die Vernichtungen eines Werkes Schranken auf Grund des UPR zu unterwerfen; Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 14 Rn. 50 ordnet die Vernichtung der sonstigen Beeinträchtigung zu und unterwirft sie so § 14 UrhG; BeckOK UrhR/Kroitzsch/ Götting, § 14 Rn. 24; Schack, UrhR Rn. 297. 191 BGH ZUM 2019, 521 – PHaradise; BGH GRUR 2019, 609 – HHole; BGH GRUR 2019, 619 – Minigolfanlage. 192 BGH ZUM 2019, 521 – PHaradise. 193 BGH GRUR 2019, 609 – HHole. 194 BGH GRUR 2019, 619 – Minigolfanlage.
B. Ausfüllung des verfassungsrechtlichen Rahmens
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§ 14 UrhG. Der BGH führte in seinen Entscheidungen in dem Punkte wortgleich, allerdings ohne genauer auf diese einzugehen, aus, dass die Ratio des § 14 UrhG, die persönlichen und geistigen Interessen des Urhebers zu schützen, auch Zerstörungen erfassen müsse, da diese das Fortwirken des Werkes als Ausdruck der Persönlichkeit des Schöpfers vereitle oder erschwere.195 Auch sei es möglich, innerhalb der Interessenabwägung des § 14 UrhG eine Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen der die Änderung begehrenden Parteien auf der einen Seite und den Urhebern auf der anderen Seite angemessen zu berücksichtigen, sodass Zerstörungen auch unter den Anwendungsbereich des § 14 UrhG zu fassen seien.196 Zwar habe der Gesetzgeber ein Vernichtungsrecht bei bestehendem Erhaltungsinteresse der Öffentlichkeit nicht in das Urhebergesetz aufnehmen wollen, da dies Aufgabe des Denkmalschutzes sei, allerdings schließe eine solche Feststellung nicht den Schutz des privaten Interesses des Urhebers auf den Bestand seiner individuellen Beziehung zum Werk aus.197 Durch diese drei Urteile wendet sich der BGH von der bis dato herrschenden Meinung zur Einbeziehung von Vernichtungen eines Werkes unter den Schutzzweck des § 14 UrhG ab und vollzieht einen Paradigmenwechsel198 mit der Folge, dass es auch bei Zerstörungshandlungen auf eine Wertentscheidung des Richters im Rahmen des Begriffs der berechtigten Interessen ankäme. bb) Die Notwendigkeit und Systemwidrigkeit einer solchen Einbeziehung Bereits vor dem Hintergrund des Schutzzweckes, den die Urteile zwar anführen, auf den letztlich aber nicht im Detail eingegangen wird,199 scheint dieses Ergebnis fragwürdig, besteht doch im Falle der Zerstörung eines Werkes gerade keine Bindung mehr, die geschützt werden könnte und an die sich der urheberpersönlichkeitsrechtliche Schutz anknüpfen ließe. Wie bereits dargelegt, macht der urheberpersönlichkeitsrechtliche Schutz eine solche Beziehung aber gerade zum Gegenstand des Schutzes und setzt diese mithin zwingend voraus.200 Selbst der BGH schreibt in den angeführten Urteilen, dass bei einer Vernichtung keine Gefahr der Verfälschung eines Werkes bestehe, da dieses nicht mehr wahrnehmbar und das Band zum Urheber durchtrennt sei.201 Konsequenterweise muss dann aber auch davon ausgegangen werden, dass es keinen Anknüpfungspunkt des Schaffenden für einen sozialen 195
BGH ZUM 2019, 521, 524 – PHaradise. BGH ZUM 2019, 521, 524 – PHaradise; BGH GRUR 2019, 609, 612 – HHole; BGH GRUR 2019, 619, 620 f. – Minigolfanlage. 197 BGH ZUM 2019, 521, 524 – PHaradise; BGH GRUR 2019, 609, 612 – HHole; BGH GRUR 2019, 619, 620 f. – Minigolfanlage. 198 Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR § 14 Rn. 25a. 199 So spricht der BGH ZUM 2019, 521, 524 – PHaradise lediglich davon, dass das Urheberpersönlichkeitsrecht in besonderer Weise durch das Durchtrennen des Bandes betroffen sein kann. Ob dies Schutzgegenstand des urheberpersönlichkeitsrechts sein kann, da dieses nach § 11 UrhG eben an dieses Band oder diese Beziehung anknüpft, wird nicht thematisiert. 200 Hierzu bereits zuvor S. 25 ff. 201 BGH ZUM 2019, 521, 526 – PHaradise. 196
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
Geltungsanspruch mehr gibt, der vor einer Zerstörung des entsprechenden Werkes schützen kann.202 Zudem wird in der Rechtsprechung im Rahmen des Unterlassungsund Schadensersatzes des § 97 UrhG die vollständige Vernichtung des Werkes als Möglichkeit gesehen, den Schaffenden von der Zurechnung eines ungewollt geänderten Werkes zu befreien, da durch die vollständige Vernichtung auch die ungewollte Veränderung nicht mehr wahrnehmbar ist und sich der Urheber diese nicht mehr zurechnen lassen muss.203 Wenn eine Zerstörung aber als Mittel herangezogen wird, um einen Eingriff in den sozialen Geltungsanspruchs des Urhebers durch eine Veränderung des Werkes zu beseitigen und so eine nicht gewollte Zurechnung zum Schaffenden zu beenden, kann die Zerstörung, konsequent durchgedacht, nicht gleichzeitig als schärfster Verstoß gegen das Änderungsverbot des § 14 UrhG gewertet werden204. Bei Bauwerken kommt überdies entscheidend hinzu, dass diese anders als kleinere Skulpturen oder Gemälde nicht einfach „aus dem Wege“, sprich auf den Dachboden etc. geräumt werden können. Gerade im Bereich des Wohnungsbaus hat der Eigentümer keine andere Wahl als das Bauwerk zu nutzen, so dass ein Vernichtungsverbot auf eine mitunter kostspielige Erhaltungspflicht hinauslaufen würde. Auch der BGH zieht letzteres Argument in der Folge heran und lehnt bei den Installationen der Kunsthalle Mannheim deshalb ein Recht des Schaffenden aus § 14 UrhG ab.205 Das Interesse des Eigentümers bei Bauwerken oder aber auch Kunstwerken, welche fest mit einem Bauwerk verbunden sind, überwiege „in der Regel die Interessen des Urhebers“.206 Der BGH bezieht also auf der einen Seite Vernichtungen zwar in den Schutzbereich des § 14 UrhG mit ein, beschränkt den daraus resultierenden Schutz im Ergebnis aber gleichzeitig auf den Ausnahmefall.207 Auch öffentliche Interessen wie der kulturelle Auftrag eines Museums reichen dabei nach Annahme des Gerichtes aus, die Interessen des Urhebers in den Hintergrund
202 So zutreffend: Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR § 14 Rn. 24; Fromm/Nordemann/ Dustmann, § 14 Rn. 34; Schricker/Loewenheim/Peukert, § 14 Rn. 20. 203 LG München I, NJW 1982, 655 – ADAC-Hauptverwaltung I, das Gericht schlug die Vernichtung als Alternative zur Beseitigung vorgenommener Änderungen vor; siehe auch: Fromm/Nordemann/Dustmann, UrhR § 14 Rn. 32, 76. 204 So wohl auch Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR § 14 Rn. 24. 205 BGH GRUR 2019, 609, 613 – HHole. 206 BGH GRUR 2019, 609, 613 – HHole; BGH ZUM 2019, 521, 525; BGH GRUR 2019, 619, 621 – Minigolfanlage. 207 So: BGH ZUM 2019, 521, 525 – PHaradise; BGH GRUR 2019, 609, 613 f. – HHole; BGH GRUR 2019, 619, 620 f. – Minigolfanlage; Apel/König, ZUM 2019, 518, 520 sprechen hier sogar von einem Recht zum Abriss bei fest installierten Kunstwerken; so auch bei: Dreyer/ Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 14 Rn. 49 die Vernichtung tangiere weder den Ruf des Architekten, noch stünde dadurch ein verändertes Werk in der Öffentlichkeit, weshalb die Interessenabwägung in der Regel zu Gunsten das Eigentümers ausfalle. Anders könne es sich verhalten, wenn die Vernichtung aus Schädigungsabsicht vorgenommen werde oder gegen das Schikaneverbot verstoße.
B. Ausfüllung des verfassungsrechtlichen Rahmens
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treten zu lassen.208 Ob man nun also Vernichtungen des Gesamtwerkes in den Anwendungsbereich des § 14 UrhG fallen lässt oder nicht, kann den Schutz im Bereich der Baukunst deshalb nur darauf hinauslaufen lassen, dass im Extremfall eine Vernichtung von Bauwerken untersagt werden kann.209 Im Ergebnis ist das Bestreben nach einem gewissen Schutz auch bei Vernichtungen eines Werkes in Ausnahmefällen wohl berechtigt. Insbesondere in den auch vom BGH genannten Fallgestaltungen,210 in denen die Möglichkeit besteht, das Werk dem Schaffenden gegen einen angemessenen Wertersatz zurückzugeben oder aber dem Schaffenden die Dokumentationen des Werkes auf seine Kosten zu ermöglichen, erscheint eine Zerstörung ohne Rücksicht auf die Interessen des Schaffenden wohl unangemessen.211 Doch so berechtigt dieses Anliegen auch erscheinen mag, so kann ein solches Ergebnis nicht entgegen dem Sinn und Zweck des Schutzes des Urheberpersönlichkeitsrechts erreicht werden, wo dieses doch das Bestehen einer Verbindung zwingend voraussetzt. Auch birgt eine Einbeziehung von Vernichtungen unter den Anwendungsbereich des § 14 UrhG die Gefahr, dass der Ausnahmecharakters eines Schutzes vor Gesamtzerstörungen, von dem auch der BGH ausgeht, überdehnt wird und steht, wie dargelegt, in Widerspruch mit der Rechtsprechung, welche eine Heilung einer Beeinträchtigung des Urheberpersönlichkeitsrechts durch eine Zerstörung des gesamten Werkes als möglich betrachtet. cc) Festzustellender, dringender legislativer Handlungsbedarf Betrachtet man die Urteile des BGH zu Zerstörungen an urheberrechtlichen Werken noch einmal genauer, so wird ein weiterer und zwingender Grund für die Einbeziehung jener Zerstörungshandlungen unter den Schutzbereich des § 14 UrhG offenbar. Der BGH stellt in seinen Urteilen zunächst fest, dass Art. 5 III GG für den Architekten ficht und mit dem Eigentumsrecht kollidiert.212 So dann führt er aus, dass „diesen grundrechtlichen Wertungen im Falle der Vernichtung eines Werkes dadurch 208
BGH ZUM 2019, 521, 525 – PHaradise. So bereits vor den Urteilen des BGH in: Schulze, in: FS Dietz, S. 177; LG Hamburg GRUR 2005, 672, 674 – ASTRA-Hochhaus; siehe auch bei Dreier/Schulze/Schulze, UrhR § 14 Rn. 28; BeckOK UrhR/Kroitzsch/Götting § 14 Rn. 26; für die generelle Unmöglichkeit Zerstörungen zu vermeiden, selbst bei absichtlichen Zerstörungen: Rehbinder/Peukert, UrhR Rn. 456; Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR § 14 Rn. 21. 210 BGH GRUR 2019, 609, 613 – HHole; BGH ZUM 2019, 521, 525 – PHaradise; BGH GRUR 2019, 619, 623 – Minigolfanlage. 211 So von Vertretern beider Auffassungen: Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR § 14 Rn. 21; Fromm/Nordemann/Dustmann, UrhR § 14 Rn. 15; Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 14 Rn. 49; KG GRUR RR 2020; BeckOK UrhR/Ahlberg/Götting, § 14 Rn. 26. 212 BGH GRUR 2019, 619, 620 – Minigolfanlage; BGH ZUM 2019, 521, 524 – PHaradise; BGH GRUR 2019, 609, 618 – HHole. 209
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
Rechnung getragen werden kann, indem die diese als Beeinträchtigung eines Werkes im Sinne des § 14 UrhG angesehen wird und damit die im Tatbestandsmerkmal der berechtigen geistigen oder persönlichen Interessen des Urhebers angelegte Interessenabwägung eröffnet ist.“ Der BGH sieht also den Integritätsschutz eines Werkes von der Kunstfreiheit nach Art. 5 III GG erfasst und bezieht diesen somit in den Schutz des Wirkbereiches mit ein.213 Setzt man dies einmal voraus und fasst Vernichtungshandlungen dann nicht in den Anwendungsbereich des § 14 UrhG, so wären diese urheberrechtlich zulässig, ohne dass eine Abwägung erfolgen würde. Der BGH zielt mit der Einbeziehung von Zerstörungen in den Anwendungsbereich des § 14 UrhG auf die in dessen Merkmal der berechtigten Interessen angelegte Abwägung ab, um so einen durch den Grundsatz der praktischen Konkordanz notwendigen Ausgleich der kollidierenden verfassungsrechtlicher gesicherten Positionen herstellen zu können. Ohne diese Abwägung würde bei einer Einbeziehung von Zerstörungshandlungen in den Wirkbereich des Art. 5 III GG das Kunstrecht auf verfassungsrechtlich unzulässig pauschal zurücktreten müssen.214 Auch vor diesem Hintergrund ist eine Norm de lege ferenda dringend notwendig, welche den Schutz vor Zerstörungen vorsieht, diese aber nicht systemwidrigerweise dem urheberpersönlichkeitsrecht zuordnet. Das schweizerische Urheberrecht215 sieht in Art. 15 I unter der Überschrift „Schutz vor Zerstörungen“ eine Pflicht des Eigentümers vor, dem Urheber das Werk anzubieten oder nach Abs. 2 in angemessener Weise Nachbildungen anzufertigen. De lege ferenda wäre es möglich, eine an Art. 15 des schweizerischen Urheberrechts angelehnte Norm zu schaffen, die Vernichtungen von urheberrechtlich relevanten Werken im Blick hat, diese allerdings auf die auch vom BGH genannten Ausnahmefälle beschränkt.216 Ein solches Recht hätte im 4. Abschnitt des Urhebergesetzes zum Inhalt des Urheberrechts und dort im Unterabschnitt 4 zu den „sonstigen Rechten des Urhebers“ einen Platz, ohne dieses weder direkt dem Urheberpersönlichkeitsrecht des 2. noch den Verwertungsrechten des 3. Unterabschnitts wirklich zuordnen zu müssen. Gleichzeitig sieht das Urhebergesetz in diesem Abschnitt mit § 25 UrhG beispielsweise auch eine Norm vor, welche als Ausformung des Urhe213 Zur Unterscheidung von Werk- und Wirkbereich innerhalb des Anwendungsbereiches der Kunstfreiheit nach Art. 5 III GG zuvor S. 47 f. 214 Siehe zur Verpflichtung eines optimierenden Ausgleichs im Sinne der praktischen Konkordanz zuvor S. 82 ff. 215 Rechtsvergleichende Überlegungen des deutschen Urheberrechts mit anderen Rechtsordnungen sind deshalb möglich, da im Rahmen der sog. „Berner-Übereinkunft“ vom 9. 9. 1896 (aktuell in der Pariser Fassung von 24. 7. 1971) mittlerweile insgesamt 171 Staaten einen Verband gebildet haben, um den Schutz der Rechte der Urheber in wirksamer und möglichst gleichsamer Weise zu schützen. Die Berner Übereinkunft legt hier gemeinsame Grundüberlegungen fest, die alle Verbundstaaten in den nationalen Gesetzen mit ausdifferenzierten Einzelheiten umsetzen (siehe Art. 1 der revidierten Berner Übereinkunft vom 24. Juli 1971). 216 So auch bereits vor den BGH-Entscheidungen vorgeschlagen von Schulze, in: FS Dietz, S. 177; siehe zudem BeckOK UrhR/Kroitzsch/Götting, § 14 Rn. 26.
B. Ausfüllung des verfassungsrechtlichen Rahmens
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berpersönlichkeitsrechts gilt217 und dem Urheber ein Zugangsrecht sichert, damit es diesem auch nach dem Inverkehrbringen des Werkes noch möglich, ist eine Dokumentation des Werkes vorzunehmen oder sich eine frühere Lösung noch einmal anzusehen, um Folgewerke daraus aufzubauen.218 Eine Norm zur Zerstörung eines Werkes würde ebenfalls an die bis zu einer solchen Zerstörungshandlung bestehende urheberpersönlichkeitsrechtliche Bindung anknüpfen, ohne dass die Zerstörung selbst, wie dargelegt, direkt den Urheber in seinem Urheberpersönlichkeitsrecht betrifft, so dass eine Regelung im Anschluss daran in einem zu schaffenden § 25a UrhG denkbar wäre. Sofern man mit dem BGH, Zerstörungshandlungen im Schutz des Wirkbereiches des Art. 5 III GG sieht, wird sich die Praxis bis zum Tätigwerden des Gesetzgebers, jedenfalls mit der Einbeziehung von Vernichtungshandlungen unter § 14 UrhG, „behelfen“ müssen. c) Die Teilzerstörung eines Werkes als Entstellung Im Anschluss an die Überlegungen zum Anwendungsbereich des § 14 UrhG und die Subsumtion von Zerstörungen des Gesamtwerkes stellt sich anschließend die Frage, ob die angestellten Überlegungen auch auf Teilzerstörungen übertragen werden können. Der Eigentümer eines Eigeneheims wird wohl in den selteneren Fällen einen Abriss des gesamten Baus begehren. Die meisten Bauvorhaben stellen für den privaten Bauherrn eine große finanzielle Belastung dar und sind oftmals nur durch eine Verschuldung möglich. Über die Jahre werden aber oftmals Um- oder Anbauten notwendig und beabsichtigt sein, die nicht ohne die Zerstörung eines gewissen Teils des ursprünglichen Gebäudes, beispielsweise einer Raum- oder Fassadengestaltung, zu bewerkstelligen sind. Die meisten Änderungen eines Werkes enthalten gleichzeitig eine Teilzerstörung des solchen. Gerade im Bereich der kleinen Münze wird das eigentliche urheberrechtliche Werk teils eben noch wahrnehmbar sein und sich möglicherweise auf die Fassade, bestimmte Raumgestaltungen oder andere Teilbereiche beziehen.219 Ist nun durch eine nur partiell vorgenommene Zerstörungshandlung gerade jener Teil betroffen, in dem sich die individuellen Züge des Schaffenden niedergeschlagen haben, stellt sich die Frage, ob trotz der in Bezug auf das (Bau-)Werk an sich nur teilweise vorgenommenen Handlung nicht bereits eine Gesamtzerstörung des Werkes im urheberechtlichen Sinne vorliegt oder ob eine solche Fallgestaltung lediglich als Teilzerstörung anzusehen ist. Im Falle der Annahme einer Gesamtzer217 218
Rn. 1. 219
BeckOK UrhR/Freudenberg, Einl. § 25. Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR § 25 Rn. 1; Dreier/Schulze/Schulze, UrhR § 25 Siehe hierzu zuvor S. 21.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
störung würde der Architekt lediglich in Ausnahmefällen eine Wertentscheidung zu seinen Gunsten aus den zuvor ausgeführten Gründen erwarten können. Sieht man Teilzerstörungen nicht als Vernichtungen an, so stehen diese im Ergebnis einer Beeinträchtigung oder Entstellung des Werkes gleich, so dass es auf die vollständige Abwägung der gegenseitigen Interessen ankäme. aa) Betroffenheit sämtlicher individueller Gestaltungselemente durch die Teilzerstörung Zunächst ist hier der Fall denkbar, dass neben den betroffenen individuellen Zügen des Schaffenden, welche durch die partiell vorgenommene Zerstörungshandlung vernichtet werden, keinerlei weitere Gestaltungselemente übrigbleiben, die das verbleibende Werk noch über das Alltägliche heben können. Das OLG München entschied in einem derartig gelagerten Fall in einem Urteil vom 21. 12. 2001220 hierzu, dass es beim Abriss eines Gesamtensembles keine Rolle spielt, ob der nach einem Teilabriss übrig gebliebene Rest des Gesamtwerkes noch urheberrechtlichen Schutz begründen kann. Es reiche vielmehr aus, dass der verbleibende Teil des Gesamt- oder auch Einzelwerkes an das frühere Werk durch irgendwelche Merkmale hinweise oder erinnere; sei dies der Fall, so liege eine Teilvernichtung des Werkes vor.221 Dies hätte zur Folge, dass die Verhinderungsmöglichkeit von Teilvernichtungen durch den Architekten im Rahmen des § 14 UrhG dann aus den oben genannten Gründen nicht nur auf Ausnahmefälle beschränkt bleibt. Bereits die Eingangsnorm des § 2 II UrhG und der Wortlaut der §§ 11 wie 14 UrhG sprechen allerdings gegen eine Einstufung derartiger Teilzerstörungen als Werkänderung. Die in § 11 UrhG vorausgesetzte Beziehung zum durch § 14 UrhG geschützten Werk kann nur durch die in § 2 II UrhG angelegte Individualität erzeugt werden. Zum Verständnis muss hier unterschieden werden zwischen dem Werk im Sinne eines Bauwerkes als dessen Substanz und einem urheberrechtlichen Werk im Sinne des § 2 II UrhG. Letzteres setzt stets eine persönliche geistige Bindung und demnach eine in der Gestaltung liegende Individualität auf. Nur insoweit eine solche Bindung feststellbar ist, kann das Urhebergesetz eine Schaffensleitung schützen. Werden gerade jene individuellen Gestaltungselemente aber durch die Teilzerstörung gänzlich vernichtet, mag das Bauwerk in seiner Substanz zwar nur teilvernichtet sein, das urheberrechtliche Werk endet allerdings mit Erlöschen der individuellen Züge. Ab diesem Zeitpunkt ist § 2 II UrhG nicht mehr erfüllt, es gibt also auch keine Bindung des Schaffenden mehr, welche durch ein etwaiges urheberpersönlich-
220 221
OLG München GRUR-RR 2001, 177 – Kirchenschiff. OLG München GRUR-RR 2001, 177, 178 – Kirchenschiff.
B. Ausfüllung des verfassungsrechtlichen Rahmens
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keitsrechtliches Entstellungsverbot geschützt werden könnte.222 Wenn hier angeführt wird, dass das Werk nach wie vor in seiner ursprünglichen Form geschützt ist und sich der Schutz deshalb auch auf dieses in Gänze beziehen muss,223 so kann auch damit nur das urheberrechtliche Werk im Sinne des § 2 II UrhG gemeint sein und nicht das Bauwerk in seiner Substanz. Abgesehen davon wird eine solche Feststellung, wann und inwieweit der bestehende Rest an das Ursprungswerk erinnert, kaum möglich sein, da sich jemand, der die Ursprungsgestaltung kannte, sicherlich auch bei banalsten Überbleibseln an diese erinnern wird. Ein Schutz einer solchen Erinnerung, welche sich dann rein auf geistiger Ebene abspielt, käme faktisch dem Schutz einer Vorstellung eines Werkes oder einer Idee gleich, der durch § 2 II UrhG und dort durch das Merkmal der wahrnehmbaren Formgestaltung innerhalb des Merkmals der Schöpfung gerade ausgeschlossen wird.224 Sofern durch eine Vernichtung eines Teils des Werkes sämtliche individuellen Züge des Schaffenden vernichtet werden, besteht demnach auch bei einer Teilzerstörung keine Bindung zum Schaffenden mehr. Derartige Teilvernichtungen des (Bau-)Werkes sind urheberrechtlich als Vernichtung des Gesamtwerkes zu sehen und deshalb im Rahmen des § 14 UrhG wie Zerstörungen zu behandeln. Noch deutlicher nachzuvollziehen ist dieses Ergebnis bei isolierten eigenständigen Gestaltungen innerhalb eines Bauwerkes. Wenn die dort enthaltenen individuellen Züge sich ohnehin nur auf diesen Bereich, beispielsweise auf die Gestaltung eines einzelnen Raumes wie im Falle eines Kulturpalastes, über den das OLG Dresden zu entscheiden hatte, beziehen, so besteht das urheberrechtliche Werk auch nur in eben diesem Raum.225 Das Gericht bezog die Schutzfähigkeit lediglich auf den betroffenen Mehrzwecksaal, der zu einer Konzerthalle umgebaut werden sollte. Somit können Eingriffe in das entsprechende Werk, wenn sie alle individualisierenden Merkmale vernichten, lediglich in Ausnahmefällen durch den Architekten verhindert werden, selbst wenn man nach der Auffassung des BGH eine Interessenabwägung für erforderlich hält.
222 Richtigerweise deshalb wohl auch: Dreier/Schulze/Schulze, UrhR § 14 Rn. 29; ebenso: LG Hamburg GRUR 2005, 672, 674 – ASTRA-Hochhaus von einem (urheberrechtlichen) Werk könne nicht mehr die Rede sein, wenn alle prägenden Gestaltungselemente entfernt werden und nur ein Rest übrigbleibt, der fu¨ r sich genommen nicht urheberschutzfähig ist. Das Gericht ging deshalb bei einem Teilabriss des alten ASTRA-Hochhauses zu Recht von einer Gesamtzerstörung in urheberrechtlicher Hinsicht aus. 223 So: Fromm/Nordemann/Dustmann, UrhR § 14 Rn. 34; Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR § 14 Rn. 26. 224 Siehe hierzu zuvor S. 24 f. 225 So beispielsweise beim Kulturpalast in Dresden, OLG Dresden GRUR 2013, 51 – Kulturpalast bei dem sich die urheberrechtliche Betrachtung lediglich auf einen betroffenen Mehrzwecksaal beschränkte, der in der Gestaltung losgelöst vom Rest eigenständig und urheberrechtlich geschützt war.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
bb) Betroffenheit eines Teils der individuellen Gestaltungselemente bei bestehender „Restindividualität“ In der Folge stellt sich nun die Frage nach dem umgekehrten Fall, in dem durch eine Teilzerstörung nur ein Teil der individuellen Züge des Werkes vernichtet werden, wobei der verbleibende Teil nach wie vor urheberrechtlich als Werk eingestuft werden kann. Die individuellen Gestaltungsmerkmale beschränken sich in diesem Falle also nicht nur auf den zerstörten Teil, sondern durchziehen das Werk darüber hinaus. Wie bereits angedeutet, geht so gut wie jede gewünschte Änderung eines Werkes mit einer unterschiedlich stark ausgeprägten Zerstörung des gleichen einher. Sofern durch eine Zerstörungshandlung lediglich ein Teil der Züge des Werkes vernichtet wird, wird die Bindung zwischen Urheber und Werk nicht gekappt. Vielmehr setzt ein solcher Eingriff in das Werk den Urheber einer nicht gewollten Zurechnung aus, da die Gestaltung nach wie auf ihn hinweist, allerdings verändert wurde und demnach seinen urheberpersönlichkeitsrechtlichen Anspruch auf Werkintegrität verletzt.226 Anders als bei einer urheberrechtlichen Gesamtzerstörung eines Werkes hat der Architekt also im Falle der Teilzerstörung, bei der gewisse Teile des individuellen Werkes bestehen bleiben, möglicherweise ein berechtigtes Interesse, diese Änderungen auf Grund des § 14 UrhG zu verhindern, so dass es hier auf eine Wertentscheidung des Richters ankommt.227 Voraussetzung hierfür muss allerdings sein, dass das verbleibende individuelle Werk mit dem zerstörten Teilwerk in Verbindung steht und nicht zwei unterschiedliche Gestaltungen vorliegen, welche für sich betrachtet werden müssen. Zur Verdeutlichung kann hier der Fall des Dresdener Kulturpalastes228 herangezogen werden. Im dort zu entscheidenden Fall sollte der betroffene Konzertsaal geändert werden. Bei der dort anzustellenden Interessenabwägung soll nach Ansicht des Gerichtes die restliche Konstruktion keine Rolle spielen, da der Saal eine „eigenständige Innenwelt“ bilde. Der Augenschein verdeutliche, dass der Saal tatsächlich vom restlichen Gebäude gleichsam abgekoppelt sei. Wer den Saal betrete, fände sich in einer neuen gestalterischen Welt wieder, in einer speziellen Kapsel.229 Hieraus lässt sich schließen, dass, sofern sich eine Werkgestaltung also gänzlich vom Rest abkoppelt und ein eigenständiges, losgelöstes Werk an sich bildet, die Zerstörung dieses Werkes auch eine urheberrechtliche Vernichtung darstellen kann, obwohl beim sonstigen Werk ein Rest an Individualität verbleibt. Wird also beispielsweise die Außenfassade eines Bauwerkes verändert und verbleibt dennoch eine 226
Siehe zuvor S. 121. So auch für den Fall, dass individuelle Züge bestehen bleiben siehe: LG Hamburg GRUR 2005, 672, 674 – ASTRA-Hochhaus. 228 Siehe hierzu OLG Dresden GRUR 2013, 51 – Kulturpalast. 229 OLG Dresden GRUR 2013, 51, 53 – Kulturpalast; im Anschluss an die Auffassung der Vorinstanz des LG Dresden, hierzu LG Dresden GRUR-RR 2012, 273, 276 – Kulturpalast. 227
B. Ausfüllung des verfassungsrechtlichen Rahmens
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urheberrechtliche Werkgestaltung im Innenbereich, so sind diese Gestaltungen nicht miteinander verbunden. Obwohl die Substanz des Bauwerkes nur teilweise zerstört wird und obwohl noch eine individuelle Verbindung zum Schaffenden bestehen bleibt, ist eine solche Änderungs- bzw. Vernichtungshandlung dann dennoch als Gesamtzerstörung eines Werkes im Sinne des § 2 II UrhG anzusehen. d) Anspruch des Architekten auf Zerstörung des Werkes Ausgehend vom urheberpersönlichkeitsrechtlichen Schutz der Bindung des Schaffenden zum Werk drängt sich die Frage auf, ob dieser nicht nur gegen eine verfälschte Zurechnung der Öffentlichkeit seines Werkes geschützt wird, sondern ob er auch einen Anspruch darauf hat, eine nicht mehr gewollte Bindung zu beseitigen. Ein solcher Zerstörungsanspruch wird, wie bereits erläutert im Rahmen des Unterlassens- und Schadensersatzanspruchs des § 97 UrhG als Mittel herangezogen, die durch eine Beeinträchtigung oder Entstellung erzeugte, nicht gewollte Zurechnung des nun veränderten Werkes zu beseitigen.230 Entwickelt sich so der Stil des Architekten in eine völlig andere Richtung und möchte er lediglich noch mit dieser Art der Gestaltung in Verbindung gebracht werden, könnte man also darüber nachdenken, ob der Urheber e contrario mit Blick auf die Überlegungen zum § 14 UrhG einen Anspruch gerade auf die Zerstörung desjenigen Werkes hat, das nicht mehr mit seiner Person in Verbindung stehen soll. Ist dies nicht der Fall, so muss der Architekt eine durch den Bau des Werkes eine Veröffentlichung dessen dulden und hat im Ergebnis also eine Zurechnung gegen seinen Willen auf unbestimmte Zeit hinzunehmen. Doch die Überlegungen hinsichtlich eines Zerstörungsanspruchs des Urhebers sind letztlich nicht haltbar. Stünde dem Architekten ein so weitreichendes Recht gegen den Eigentümer zu, hätte dieser die Macht, dem Bauherrn sein Eigentum jederzeit faktisch zu entreißen und ihm damit gleichzeitig, bei Betroffenheit eines Eigenheims, die soziale Lebengrundlage zu entziehen. Auch finanziell stünde der Bauherr vor einer Verschuldung, ohne dass er hierdurch einen Mehrwert hätte. Zudem wurde der Architekt bereits vergütet. Es wäre schwer nachvollziehbar, wenn dieser nun zu einem ihm beliebigen Zeitpunkt die Zerstörung des Werkes verlangen könnte, auch wenn diese sich nur auf gewisse Teile des Bauwerkes bezieht. Auch das Urhebergesetz sieht zwar ein Zerstörungsrecht in § 98 UrhG vor, dieses bezieht sich allerdings auf rechtswidrig hergestellte, verbreitete oder zur Verbreitung vorgesehene Vervielfältigungen und nimmt mit § 98 V UrhG Bauwerke sogar dort ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich aus und lässt sie damit der Zerstörung nicht zu. Ein Zerstörungsrecht des Architekten mit Blick auf eine nicht mehr gewollte Zurechnung eines Werkes würde das Sacheigentum des Bauherrn in nicht zu 230
Siehe hierzu ebenfalls zuvor S. 121 f.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
rechtfertigenderweise insbesondere hinsichtlich der Verfügungsmacht entwerten und ist daher abzulehnen. 4. Eignung zur Entstellung oder Beeinträchtigung a) Grundsätzliche Indizierung einer Beeinträchtigungsgefährdung Ein Änderungsbegehren des Bauherrn muss zunächst, um die berechtigten Interessen des Architekten überhaupt beeinträchtigen zu können, zunächst generell geeignet sein, eine solche Verletzung hervorzurufen. Ist ein Änderungsbegehren demnach bereits abstrakt nicht in der Lage die Interessen des Architekten zu verletzen, so kann dieser auch nicht auf Grundlage von § 14 UrhG gegen das Änderungsbegehren vorgehen. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn der Schaffende den konkreten Änderungen im Vorhinein im Architektenvertrag zugestimmt, diesem also ein Nutzungsrecht eingeräumt hat.231 Noch relevanter für die hier in Frage stehende Fallgestaltung ist allerdings die Konstellation der Änderung des Innenraumes. b) Beeinträchtigung bei geminderter Wahrnehmung im Privatbereich Nach dem dargestellten Sinn und Zweck des § 14 UrhG, den Architekten davor zu schützen, dass er mit einem Werk in der Öffentlichkeit verbunden wird,232 dessen Gestaltung so von ihm nicht beabsichtigt war, scheint es fraglich, ob dies bei Änderungsbegehren im Privaten überhaupt anzunehmen sein kann. Selbst wenn das Werk eine hohe Individualität aufweist, muss dieses für einen etwaigen zu schützenden Geltungsanspruch des Schaffenden auch der Möglichkeit ausgesetzt sein, durch den Betrachter wahrgenommen und im Anschluss daran in Verbindung mit dem Urheber gebracht zu werden. Wird eine Schaffensleistung selbst bei hoher Individualität demnach der öffentlichen Wahrnehmung entzogen, stellt sich deshalb die Frage, ob überhaupt urheberrechtliche Interessen des Schaffenden berührt werden können, da durch mangelnde Kommunikation mit der Außenwelt dessen sozialer Geltungsanspruch eben nicht verletzt wird und er demnach auch nicht mit einem ungewollten Werk in der Öffentlichkeit steht.233 Wird die Person des Schaffenden also mangels Wahrnehmbarkeit nicht in Verbindung mit dem Werk gebracht, muss dies konsequenterweise auch die für das Urheberpersönlichkeitsrecht benötigte Anknüpfungsfläche und demzufolge auch den daraus ableitbaren Schutz verringern. Gerade bei den hier im Fokus stehenden 231
So: Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, § 13 Rn. 53. Siehe hierzu zuvor S. 121 f. 233 OLG Schleswig-Holstein ZUM 2006, 6426, 427; Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 14 Rn. 28; Rehbinder/Peukert, UrhR Rn. 412; Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR § 14 Rn. 25; Dreier/Schulze/Schulze, UrhR § 14 Rn. 25. 232
B. Ausfüllung des verfassungsrechtlichen Rahmens
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Bauwerken, die dem Eigentümer als Wohnung dienen, wird deshalb insbesondere zwischen dem für die Öffentlichkeit jederzeit wahrnehmbaren Außenbereich, also beispielsweise der Proportionierung des Gesamtbauwerkes oder der Fassadengestaltung einerseits, und dem Innenbereich zu unterscheiden sein, der nur durch einen begrenzten Kreis wahrgenommen wird. Die Gefahr, dass der Architekt durch die Änderung eines entsprechenden Bauwerkes sich von der Allgemeinheit ein Werk zurechnen lassen muss, welches er so nicht gewollt hat, also dessen sozialer Geltungsanspruch, sinkt also mit dessen Wahrnehmbarkeit und umgekehrt.234 Auf der anderen Seite wiegen hier die Interessen des Bauherrn besonders stark, da gerade der Innenbereich den privatesten Rückzugsort und Raum der Lebensentfaltung für den Bauherrn darstellt. Eingriffe in diesen sensiblen Bereich treffen den Bauherrn sehr hart, der sich wie bereits angedeutet im Regelfall auf viele Jahre verschuldet hat, um den Bau zu realisieren. Er hat keinerlei Ausweichmöglichkeit und wäre demnach gezwungen, tagtäglich mit einer seiner Vorstellung nicht mehr entsprechenden Gestaltung konfrontiert zu werden. Für den Bauherrn bedeutet dies im Umkehrschluss, dass Änderungen der Innengestaltung, bei der auch seine Interessen an der Wohnung als Lebensmittelpunkt und Rückzugsort nochmal mehr als bei der Außenfassade wirken, durch den gleichzeitig herabgesetzten öffentlichen Geltungsanspruch des Architekten eher möglich sein werden, bedarf es doch sehr gewichtiger Gründe auf Seiten des Architekten, insbesondere einer starken Bindung zum Werk, welche ein weitreichendes, heteronomes Eingriffsrecht des Architekten im Rahmen eines entsprechenden Urteils als verhältnismäßig erscheinen ließen. Gerade im Bereich der kleinen Münze wird dieses aber nicht feststellbar sein. Fraglich ist hierbei allerdings, ab wann von einem solch herabgesetzten Geltungsanspruch des Architekten auszugehen ist. Das Reichsgericht hatte in einem Fall235 aus dem Jahre 1912 über ein Fresko im Innenbereich einer Privatvilla zu entscheiden, welches dem Eigentümer missfiel, weil die dort abgebildeten Sirenen unbekleidet waren. Kurzerhand ließ er die entsprechenden Partien mit den aus seiner Sicht fehlenden Kleidungsstücken übermalen. Der Eigentümer berief sich unter anderem darauf, dass das Fresko der Öffentlichkeit entzogen sei und demnach das (Urheber-)Persönlichkeitsrecht des Schaffenden nicht verletzt werden könne. Das Gericht folgte dem nicht und führte an, dass trotz der Position im Treppenhaus einer Privatwohnung die Gestaltung in der nun verfälschten Form dennoch von Besuchern wahrgenommen werden könne. Zudem könne im Falle des Verkaufes des Hauses keine Sicherheit dafür gegeben werden, dass das Werk nicht mehr von Personen wahrgenommen werden könne.236 234
hofs. 235 236
LG Berlin GRUR 2007, 964 zur Wahrnehmbarkeit der Deckengestaltung eines BahnRGZ 79, 397 – Felseneiland mit Sirenen. RGZ 79, 397, 402 – Felseneiland mit Sirenen.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
Auch wenn das Gericht hier dem Schaffenden ein Urheberrecht zugesprochen hat, schreibt es doch gleichzeitig selbst, dass der Öffentlichkeitsbezug herabgesetzt ist.237 Wenn nun aber der Anknüpfungspunkt des § 14 UrhG eben dieser Geltungsanspruch des Schaffenden ist, so müssen mit dem herabgesetzten Öffentlichkeitsbezug auch die daran anknüpfenden Schutzrechte im Umfang reduziert werden. Das heutige Urhebergesetz spiegelt diese Wertung in § 23 UrhG wider. § 23 gehört neben den §§ 14 und 39 UrhG zu den Normen, die auf den Schutz der Integrität des Werkes und damit die Urheberpersönlichkeitsrechtliche abzielen, und schützt jene Werke vor Bearbeitungen oder anderen Umgestaltungen.238 Gemeint sind hiermit also entgegen einer ersten Vermutung, welche der Wortlaut der Bearbeitung vermitteln könnte, nicht Änderungen des Originalwerkes selbst, als vielmehr die vom Originalwerk abhängige Werkwiedergabe, die beispielsweise dieses übersetzen, in eine andere Form führen etc.239 Bemerkenswert ist für den hier relevanten Kontext aber, dass § 23 UrhG Bearbeitungen und Umgestaltungen erst dann verbietet, wenn diese veröffentlicht oder verwertet werden. Damit nimmt die Norm die Herstellung einer solchen Bearbeitung und Umgestaltung an sich aus dem Schutz aus, solange diese den privaten Bereich des Bearbeiters nicht verlässt.240 Sofern die Norm dies für den Nachbau von Bauwerken, die Ausführung von Plänen der bildenden Kunst einschränkt, so hat auch dies den Hintergrund, dass solche Bearbeitungen des Originalwerkes für gewöhnlich eben nicht im privaten Bereich bleiben und von vornherein mit der Absicht der gewerblichen Verwertung erfolgen.241 Das Ergebnis, dass innerhalb der Prüfung des Entstellungsverbotes aus § 14 UrhG Änderungen im privaten Bereich, also beispielsweise eine Umgestaltung der Innenarchitektur, weniger oder nur in sehr geringem Maße von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden können und demnach schutzmindernd zu berücksichtigen sind, deckt sich also auch mit der durch § 23 UrhG verfolgten Systematik des Schutzes eines Werkes vor Bearbeitungen und Umgestaltungen. Da auch § 23 UrhG dem Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechts des Schaffenden dient, kann dieser Gedanke auf Überlegungen hinsichtlich des Schutzes des § 14 UrhG übertragen werden.242 Die Wahrnehmbarkeit des Werkes ist also auf Grund der damit korrespondierenden „Kommunikationsmöglichkeit“ des Werkes mit potentiellen Betrachtern und der damit einhergehenden Gefahr einer Tangierung des sozialen Geltungsanspruchs des Schaffenden ein Relationskriterium innerhalb der Wertungsentscheidung der Gerichte. Änderungen des Bauherrn im Innenbereich einer Wohnung sind hierbei 237
RFZ 79, 397, 402 – Felseneiland mit Sirenen. BeckOK UrhR/Ahlberg, § 23 Rn. 1; Schricker/Loewenheim/Loewenheim, § 23 Rn. 1. 239 Siehe hierzu auch BGH GRUR 2002, 532, 534 – Unikatrahmen. 240 BT-Drcks. IV 270, S. 51; Schricker/Loewenheim/Loewenheim, UrhR § 23 Rn. 18. 241 BT-Drcks. IV 270, S. 51; Dreier/Schulze/Schulze, UrhR § 2 Rn. 19; Schricker/Loewenheim/Loewenheim, UrhR § 23 Rn. 19. 242 Dreyer/Kothoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 14 Rn. 63. 238
B. Ausfüllung des verfassungsrechtlichen Rahmens
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durch den herabgesetzten Öffentlichkeitsbezug eher hinzunehmen als Einwirkungen auf den jederzeit wahrnehmbaren Außenbereich, beispielsweise der Fassadengestaltung. 5. Das Merkmal der „Gefährdung berechtigter Interessen“ Das Merkmal der berechtigten Interessen ist dem Zivilrecht nicht fremd. Alleine im BGB gibt es zahlreiche Normen, die auf die „berechtigten Interessen“ einer Person abstellen. So bestimmt beispielsweise § 573 BGB, dass der Mieter den Vertrag dann kündigen kann, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietvertrages hat. Nach § 500 II BGB kann ein Darlehensnehmer eines Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrags, für den ein Sollzinssatz vereinbart wurde, seine Verbindlichkeiten nur vorzeitig erfüllen, wenn dieser ein berechtigtes Interesse an der vorzeitigen Erfüllung vorweisen kann. § 553 BGB sieht vor, dass der Mieter einen Teil des Wohnraums einem Dritten überlassen kann und der Vermieter dem zustimmen muss, wenn der Mieter ein berechtigtes Interesse an einer solchen Überlassung hat. Gemein ist diesen Fallgestaltungen, dass mit dem Merkmal der berechtigten Interessen ein Ausgleich der unterschiedlichen, widerstreitenden Interessen der betroffenen Personen erreicht werden soll.243 Nicht anders verhält es sich im Urhebergesetz. § 14 UrhG gibt dem Schaffenden bei Entstellungen und sonstigen Beeinträchtigungen lediglich dann das Recht, diese zu verbieten, wenn sie geeignet sind, seine berechtigten Interessen zu gefährden. Die hierdurch aufeinandertreffenden Rechte sollen in Einklang gebracht und in möglichst beiderseitiger Geltung einander zugeordnet werden. Damit gibt der Gesetzgeber die Entscheidung über die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit eines Änderungsbegehrens an die Gerichte weiter.244 Wie bereits erläutert, erreicht der Gesetzgeber so zunächst die zur Handhabe des Urhebergesetzes mit seiner enormen Spannweite notwendige Flexibilität.245 Gleichzeitig folgt hieraus die Notwendigkeit, die Wertungsentscheidungen in ge-
243 Siehe zu § 573 BGB MüKo BGB/Häublein, § 573 Rn. 1 ff. die Norm diene dem sozialen Wohnungsmietrecht und Schütze den vertragstreuen Mieter, lässt aber gleichzeitig unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Kündigung zu, um das Recht des Vermieters sein Eigentum zu nutzen und darüber verfügen zu können nicht zu gefährden; siehe zu § 500 BGB: BeckOK BGB/Möller, § 500 Rn. 10 Eine Abweichung zum Grundsatz der Vertragstreue (schließlich wurde ein Sollzinnsatz vereinbart) soll nur unter einer ausgewogenen Beachtung der beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien möglich sein; siehe zu § 553 BGB MüKo BGB/Bieber § 553 Rn. 1 f. dem Mieter soll es möglich sein trotz veränderter Lebenslage, also beispielweise auf Dauer angelegten einer Partnerschaft die Mietwohnung behalten zu können und den Partner/die Partnerin aufnehmen zu können, sofern dies dem Vermieter zugemutet werden kann und keinen Eingriff in seine Eigentumsposition darstellt. 244 Siehe hierzu zuvor S. 62 ff. 245 Siehe hierzu zuvor S. 60 ff.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
wisser Weise zu kanalisieren und zu lenken.246 Den Rahmen hierfür bietet zunächst das Verfassungsrecht, insbesondere die Grundsätze der praktischen Konkordanz und die der Verhältnismäßigkeit, durch die eine jede Konkretisierungsentscheidung zu kollidierenden Rechten diese in angemessenen Einklang bringen muss. Die konkrete Anwendung der bisher angestellten Überlegungen hinsichtlich einer systematisierten Konkretisierung unbestimmter, wertungsausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe ist also im § 14 UrhG im Merkmal der berechtigten Interessen vorzunehmen. In ihren Wertungsentscheidungen müssen die Gerichte es im Falle eines Änderungsbegehrens in Bezug auf ein Baukunstwerk der kleinen Münze im Bereich des privaten Wohnungsbaus bewerkstelligen, einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zu schaffen. Der Architekt kann ein Änderungsbegehren erst dann verbieten, wenn dieses nach § 14 UrhG seine berechtigten Interessen gefährdet, der Eigentümer hingegen kann sein Recht aus § 903 BGB nur unbeschadet der Rechte Dritter, hier also des Urheberrechts des Architekten ausüben. Wie genau die Auflösung dieses Spannungsverhältnisses im Einzelnen vorzunehmen ist, soll im Folgenden auf Grundlage der bisher gefundenen Ergebnisse untersucht werden. a) Generelles Erfordernis der Abwägung auch bei Entstellungen eines Werkes Hierzu wird vertreten, dass die angesprochene Abwägung lediglich für die „sonstigen Beeinträchtigungen“ gelten sollen, nicht aber für Entstellungen, sodass letztere faktisch stets unmöglich wären.247 Eine solche Einschränkung findet bereits im Wortlaut keine Stütze, der die Entstellungen als Unterbegriff der Beeinträchtigung sieht und diese unter den Vorbehalt der Verletzung berechtigter Interessen stellt. Auch die Gesetzesbegründung bezieht die Einschränkung auf die Norm an sich und nicht etwa nur auf Beeinträchtigungen des Werkes.248 In der Gesetzesbegründung wurde der persönlichkeitsrechtliche Einschlag der Norm gesehen und gerade deshalb durch eine Interessenabwägung eingeschränkt. Eine Ausnahme hiervon bei Entstellungen ist auch dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen. Im Gegenteil fordert der Gesetzgeber auf Grund dieses persönlichkeitsrechtlichen Einschlages und dessen Reichweite eine Einschränkung durch die Interessenabwägung, ohne hier zu differenzieren. Auch würde die notwendige Beachtung der beiderseitigen Interessen durch einen solch kategorischen Ausschluss der Abwägung nicht mehr sichergestellt, wenn 246
Siehe hierzu zuvor S. 65 ff. Diller, Interessenausgleich, S. 122 ff. bezieht die Menschenwürde mit ein seine Argumentation und bezeichnet die „Würde der Urheberpersönlichkeit“ als absolute Grenze der Befugnisse Dritter gegenüber den Rechten des Urhebers. 248 Siehe hierzu: BT Drcks. IV/270, S. 45. 247
B. Ausfüllung des verfassungsrechtlichen Rahmens
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Entstellungen einer Abwägung und demnach einer zwingend erforderlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung entzogen würden. Der Gesetzgeber hat die Norm gerade offenlassen müssen, da eine kasuistische Regelung urheberrechtlicher Fallgestaltungen nicht möglich ist. Da hierdurch aber Eingriffsrechte eines Dritten in heteronomer Weise begründet werden, muss auch deshalb die Interessenabwägung für jegliche Fälle der Beeinträchtigung, also auch für die Entstellung, gelten. Zudem ist eine solche Eingrenzung aus Schutzaspekten nicht notwendig, kann diese doch innerhalb der Abwägung berücksichtigt werden. Sofern also eine geplante Änderung einen solchen Einfluss auf das Werk hat, dass dieses verzerrt wird, also von einer Entstellung auszugehen ist, so wird dieser nur durch schwerwiegendere Gründe in der Abwägung zu rechtfertigen sein,249 so dass man ein weiteres Gewichtungs- und Relationskriterium für die Abwägung gewinnt. Je deutlicher die Beeinträchtigung des Werkes ist, also je stärker die individuellen Züge des Werkes betroffen sind, desto schwerwiegender müssen die Gründe für ein solches Änderungsvorhaben auf der anderen Seite sein. Mitunter wird auch vertreten, dass persönlichkeitsrechtliche Interessen des Urhebers aus den Art. 1 I und Art. 2 I GG und damit der Menschenwürde folgen. Da die Menschenwürde allerdings eine abwägungsfeindliche Barriere darstelle, könnten Entstellungen eines Werkes niemals zulässig sein.250 Richtig daran ist zunächst, dass ehrenrührige und die Menschenwürde tangierende Einwirkungen auf eine architektonische Schaffensleistung unter den Begriff der Entstellung fallen können und wohl auch in keinem Falle gerechtfertigt werden können.251 Solche Eingriffe liegen aber nicht bereits bei einer Verzerrung des Werkes vor, sondern bilden die Ausnahme bei beispielsweise diffamierenden Einwirkungen, welche lediglich die Diskreditierung des Schaffenden im Blick haben, oder im Falle der Literatur bei Buchverbrennungen, also entartete Kunst, wie diese unter dem Nazi-Regime vorgenommen wurden. Solch krasse Einwirkungen auf ein Werk erschöpfen aber nicht den Begriff der Entstellung, sondern bilden einen Teil der erfassten Fälle an der obersten und absolut geschützten Grenze und daher die Ausnahme. Entstellungen, also Verzerrungen etc., umfassen auch bereits Änderungen eines Werkes, welche zwar sehr stark in dessen Gestaltung eingreifen, allerdings keine Diffamierung etc. intendieren und demnach auch keine Verletzung der Menschenwürde beinhalten. Gerade bei Werken der kleinen Münze, bei denen sich eine etwaige Individualität ohnehin nur marginal zeigt, wird eine Verzerrung des Werkes vergleichsweise schnell zu erreichen sein. Paradoxerweise genössen derartige Werke dann stärkeren Schutz als hochindividuelle Werke, bei denen zum Beispiel nur ein 249
Dreier/Schulze/Schulze, UrhR § 14 Rn. 8 spricht davon, dass bei einer gravierenden Entstellung die Verletzung berechtigter Interessen wohl meist auf der Hand liege. 250 Diller, Interessenausgleich, S. 123 f., 131. 251 Siehe hierzu die diesbezüglich jedenfalls zutreffende Argumentation bei Diller, Interessenausgleich, S. 123 f.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
Teil eines ansonsten umfangreichen Gestaltungsfundus betroffen wäre, würde man Entstellungen von einer Interessenabwägung ausnehmen. Die Angemessenheitsprüfung bzw. die daraus folgende Interessenabwägung innerhalb der Anwendung des § 14 UrhG ist daher sowohl auf Beeinträchtigungen als auch auf etwaige Entstellungen des Werkes zu beziehen.252 Jegliche Änderungen müssen also daraufhin untersucht werden, ob diese die berechtigen Interessen des Schaffenden verletzen, weshalb ein absolutes Änderungsverbot, als welches der Schutz des Urheberrechts oftmals bezeichnet wird,253 die Sache nicht zutreffend beschreibt, führt doch das Vorliegen einer objektiven Beeinträchtigung als solche noch nicht zur berechtigten Ausübung des Verbotsrechts nach § 14 UrhG.254 Und selbst bei einer Beeinträchtigung der berechtigten Interessen muss die geplante Änderung stets im Lichte der Angemessenheit betrachtet werden. Wie bereits angesprochen ist das Urheberrecht deshalb in konsequenter Anwendung dieser Erkenntnis nicht das unflexible Recht, für das man es auf den ersten Blick halten könnte. b) Unzulässigkeit rein kategorischer Ausschlüsse oder Vermutungswirkungen zu Gunsten des Urhebers Innerhalb der notwendigen Abwägung sind sodann die beiderseitigen Interessen in jeglichen Belangen gebührend zu berücksichtigen, gegenüberzustellen und zu gewichten.255 Neben dem Ausschluss von Entstellungen aus der Interessenabwägung sind hierbei keine sonstigen rein kategorischen Abgrenzungen hinsichtlich der unterschiedlichen Interessen derart vorzunehmen, dass beispielsweise ästhetische Änderungsbegehren256 stets hinter dem Urheberrecht des Architekten zurücktreten müssten. Selbst wenn in einzelnen Fallgestaltungen, beispielsweise bei einem rein ästhetischen Änderungsbegehren mit Blick auf ein architektonisches Meisterwerk, es wohl in den allerseltensten Fällen zu einem Überwiegen der Änderungsinteressen kommen wird, so setzt eine angemessene Zuordnung der kollidierenden Rechte im Sinne des oben dargestellten verfassungsrechtlichen Rahmens der Konkretisierung 252
BGH GRUR 1999, 230, 231 – Treppenhausgestaltung; BGH GRUR 2008, 984, 986 – St. Gottfried; Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 14 Rn. 63; Schricker/Loewenheim/ Peukert, UrhR § 14 Rn. 12; Fromm/Nordemann/Dustmann, UrhR § 14 Rn. 14; Wandtke/ Bullinger/Bullinger, UrhR § 14 Rn. 10; Dreier/Schulze/Schulze, UrhR § 14 Rn. 8. 253 Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhG, Einl. Rn. 19. 254 Loewenheim, HB-UrhR § 16 Rn. 89, 103; angedeutet auch bei Wandtke/Bullinger/ Bullinger, UrhR § 14 Rn. 10. 255 Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 14 Rn. 62; Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR § 14 Rn. 26 ff. 256 Wie hier: Riesenkampff, Inhalt und Schranken, S. 118 ff.
B. Ausfüllung des verfassungsrechtlichen Rahmens
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unbestimmter, wertungsausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe dennoch deren Abwägung voraus, selbst wenn das Ergebnis im Regelfall in eine Richtung ausfallen wird. Es muss also stets der Einzelfall mit seinen besonderen Facetten betrachtet werden, mag das Ergebnis auch vorhersehbar sein, will man die Zuordnung der Rechte im Sinne der praktischen Konkordanz und der Verhältnismäßigkeit ernst nehmen. Dies begrenzt allerdings, wie bereits zuvor angesprochen,257 die zu erwartenden Ergebnisse auch dieser Untersuchung. Die Konkretisierung eines unbestimmten, wertungsausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffes durch die Gerichte setzt eine Beachtung der besonderen Umstände des Einzelfalles voraus, welche dem Gesetzgeber nicht bekannt waren und welche im Regelfall der Grund solch offener Normierungen sind.258 Auf Grund dieser zwingenden Einzelfallbezogenheit kann es lediglich Aufgabe sein, zunächst die Anknüpfungs- sowie Relations- und Gewichtungskriterien auszuarbeiten und diese mit Blick auf wahrscheinliche Konstellationen zu untersuchen. Selbst wenn sich hier gewisse Tendenzen hinsichtlich des Schutzes herausarbeiten lassen, so sind diese am Ende dennoch auf etwaige Besonderheiten im speziellen Fall zu untersuchen, auch wenn diese unwahrscheinlich sein mögen. Im Folgenden soll nun ein Blick auf die unterschiedlichen Positionen des Architekten wie des Bauherrn geworfen werden, um solche Tendenzen und weitere Anknüpfungs- sowie Gewichtungs- und Relationskriterien herauszuarbeiten. c) Berücksichtigung der Eingriffsintensität als Gewichtungskriterium zu Gunsten des Urhebers Auch wenn Entstellungen grundsätzlich der Abwägung zugänglich sein müssen, greift eine Änderung umso stärker in die Gestaltung des Schaffenden ein, je deutlicher sie diese verfälscht. Eine Entstellung beeinflusst das Werk daher stärker als eine leichte Beeinträchtigung des Werkes und bedingt damit auch in unterschiedlich starkem Maße eine veränderte Zurechnung des Werkes zu seinem Schöpfer. Ein erstes Gewichtungskriterium stellt daher die Intensität des Eingriffs in das entsprechende Werk dar.259 Je deutlicher die individuellen Züge des Schöpfens in Mitleidenschaft gezogen werden, umso deutlicher wird das Werk wahrnehmbar verfälscht, so dass äquivalent dazu das Interesse des Schaffenden stärker zu berücksichtigen ist. Zu berücksichtigen ist hierbei allerdings, dass auch bei einer Entstellung eines Werkes die Individualität zu berücksichtigen ist. Der Urheber wird sich deshalb der
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Hierzu zuvor S. 69 ff. Hierzu zuvor S. 62 f. 259 Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR § 14 Rn. 28; BGH GRUR 2008, 984, 988 – St. Gottfried. 258
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
Entstellung eines hochindividuellen Werkes deutlich eher widersetzen können als dies bei einer Entstellung eines Werkes der kleinen Münze anzunehmen sein wird. d) Berücksichtigung des intendierten Gebrauchszwecks als Gewichtungskriterium zu Gunsten des Eigentümers aa) Notwendigkeit der Mitwirkung eines Bauherrn zur Realisierung eines Architektenkunstwerkes Um sein künstlerisches Schaffen überhaupt in einen sozialen Kontext setzen zu können und dieses der Öffentlichkeit zu präsentieren, ist der Architekt auf die Hilfe von Bauherren als Werknutzer bzw. Erwerber seiner Werke angewiesen.260 Ohne Bauherren, die den Architekten mit der Planung eines Bauwerkes beauftragen und dieses sodann mit Hilfe etwaiger Bauunternehmer in der Realität umsetzen, gäbe es keine oder nur sehr wenig betrachtbare Architektur; kaum ein Werk könnte in der Realität und öffentlichen Wahrnehmung mit dem Schaffenden verbunden werden. Durch dieses Wechselverhältnis steht das Werk gleichzeitig in einem bestimmten Gebrauchszusammenhang.261 Dieser Gebrauchszweck schließt den urheberrechtlichen Schutz per se nicht aus,262 ist der Architekt aber auf die Mithilfe des Bauherrn angewiesen, um überhaupt ein Werk in die öffentliche Wahrnehmung zu bringen, so wird dieser, im Gegensatz zu einem Urheber der rein bildenden Kunst, ein etwaiges Urheberrecht nicht ohne Berücksichtigung des Gebrauchszweckes des Werkes geltend machen können, welcher umso deutlicher in den Vordergrund treten wird, je weniger das Werk lediglich rein künstlerischen Zwecken dient.263 Auch erhält der Architekt ein Honorar für seine Leistung und muss bereits deshalb damit rechnen, dass seine Leistung mit etwaigen Gegeninteressen des Bauherrn konfrontiert werden wird.
260
Allgemein hierzu: Schricker/Loewenheim/Peukert, § 14 Rn. 26. Grohmann, das Recht des Urhebers, S. 38; Schilcher, Schutz des Urhebers, S. 108 f. 262 BGH GRUR 1957, 391, 392 f. – Ledigenheim; BGH GRUR 1973, 663, 664 – Wählamt; Ulmer, UrhR, S. 147; Dreier/Schulze/Schulze, UrhR § 2 Rn. 183; Schricker/Loewenheim/ Loewenheim/Leistner, UrhR § 2 Rn. 66; BT-Drcks. IV/270, S. 37; die Einschränkung in § 2 I S. 2 KUG habe keine wesentliche praktische Bedeutung gehabt Loewenheim/Schulze, HBUrhR § 9 Rn. 120; Engl, Der Urheberrechtsschutz, S. 23. 263 Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR § 14 Rn. 26; dies wird man nicht zuletzt wohl auch aus der Kooperationspflicht des Werkvertrages herleiten können, der beide Parteien auf die Rücksichtnahme der Interessen des anderen Verpflichtet. Ist der Architekt nun also auf die Mithilfe des Bauherrn angewiesen, wird auch das Kooperationspflicht ihn zur Rücksichtnahme auf den Gebrauchszweck zwingen können. Ablehnend demgegenüber allerdings: Diller, Interessenausgleich, S. 129, 62 ff. 261
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Der intendierte Gebrauchszweck ist demnach ein wichtiges Relations- bzw. Gewichtungskriterium.264 Gerade im privaten Bereich wird sich hierbei ein gesteigertes Bedürfnis hinsichtlich etwaiger Änderungen feststellen lassen. bb) Regelmäßige Änderungsbegehren aus der Nutzung eines Bauwerkes als Wohnraum Die der Bearbeitung zu Grunde liegenden Werke dienen dem Bauherrn als Wohnraum. Bereits aus diesem Gebrauchszweckzusammenhang ergeben sich zahlreiche Änderungsbegehren, welche typischerweise mit der Nutzung eines Bauwerkes als Wohnraum verbunden sind. Insbesondere wird es so beispielsweise durch Familienplanungen etc. zu Änderungsbegehren in Form von Erweiterungen einzelner Räume durch das Entfernen von Innenwänden oder aber durch Anbauten kommen. Auch mit der Zeit veränderte Bedürfnisse können so zum Wunsch der Errichtung eines bislang nicht vorhandenen Balkons, einer Terrasse oder eines Wintergartens führen. Auch wird es für den Eigentümer im Alter möglicherweise notwendig sein, einen Treppenlift im Eingang oder aber einen Aufzug an der Außenfassade zu installieren, welcher das Gesamterscheinungsbild beeinflusst. Auch der Baustil wird sich über die Jahre ändern. Heutzutage wird man beispielsweise weniger Einrichtungen der 1970er Jahre finden, da diese einem Modernisierungsbedürfnis weichen mussten. Auch wenn das Urhebergesetz dem Schaffenden eine Schutzfrist von 70 Jahren post mortem auctoris einräumen mag, ist bei Bauwerken in privater Nutzung als Wohnraum davon auszugehen, dass diese im Laufe der Zeit verändert werden sollen. Wäre beispielsweise der Architekt unmittelbar nach dem Bau eines Eigenheims verstorben, wären heute lediglich solche Werke frei von einem urheberrechtlichen Schutz, die zu Beginn der 1950er Jahre gebaut wurden. Anders als solche Bauwerke, die der reinen Kunst dienen, werden zweckdienliche Werke oftmals mit derartigen, aus diesem Nutzungszweck folgenden Änderungsbegehren verknüpft sein. Da der Architekt aber beispielsweise bei Bauwerken darauf angewiesen ist, dass seine Entwürfe durch einen Bauherrn realisiert werden, kann er sich im Ergebnis vor eben diesen, mit der Errichtung verknüpften Änderungsbegehren nicht verschließen und erhält gleichzeitig eine Vergütung für seine Leistung, weshalb damit zu rechnen ist, dass der Bauherr Äquivalenzinteressen verfolgen und einem etwaigen Urheberrecht entgegenhalten wird.265 Wie auch in den zuvor erwähnten Fallgestaltungen, in denen selbst Werke mit hoher individueller Prägung letztlich geändert werden durften,266 wird der Urheber 264 Ebenfalls: BGH GRUR 2008, 984, 988 – St. Gottfried; Dreier/Schulze/Schulze, UrhR § 39 Rn. 25; Wandtke/Bullinger/Wandtke/Grunert, UrhR § 39 Rn. 36 f.; Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR § 14 Rn. 26; a. A. Diller, Interessenausgleich, S. 129. 265 Siehe bereits: RGZ 79, 397, 400 f. – Felseneiland mit Sirenen zu einem Fresko; im Anschluss zu Bauwerken: BGH GRUR 1974, 675, 676 – Schulerweiterung; OLG Dresden GRUR-RR 2013, 51, 52 – Kulturpalast. 266 Siehe hierzu S. 58 f.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
deshalb nur in absoluten Ausnahmefällen die Erhaltung seines Werkes in Reinform verlangen können.267 e) Berücksichtigung der Notwendigkeit der begehrten Änderung des Bauwerkes Doch auch wenn Änderungsbegehren im Wohnungsbau über die Dauer der Nutzung wohl den Regelfall bilden und der Architekt mit solchen Begehren rechnen muss, kann der Bauherr gleichzeitig sein Eigentum dennoch nur nach § 903 S. 1 BGB unbeschadet der Rechte des Architekten wahrnehmen. Durch diese daraus resultierende, gegenseitige Pflicht zur Achtung der Rechte des anderen wird auch der Bauherr eines Bauwerkes der kleinen Münze, welches ihm als Wohnraum dient, nicht jede beliebige Änderung vornehmen dürfen.268 Auch auf Seiten des Bauherrn wird vielmehr danach zu fragen sein, wie gewichtig die Interessen hinter dem Änderungsbegehren sind, was damit einhergehen wird, wie zwingend diese sind. Hat der Bauherr faktisch keine andere Wahl als die geplante Änderung vorzunehmen, um zum Beispiel den Bestand des Bauwerkes zu sichern, werden die Interessen des Bauherrn sehr stark zu gewichten sein. Umgekehrtes gilt für den Fall einer Änderung, welche nur untergeordneten Interessen dient, beispielsweise Änderungen zu rein ästhetischen Zwecken. Ein weiteres wichtiges Anknüpfungs- und Gewichtungskriterium innerhalb der Wertungsentscheidung der Gerichte ist demnach in der Notwendigkeit der geplanten Änderungen zu sehen. aa) Einordnung etwaiger Änderungsbegehren in Anlehnung an Aufwendungen in der Bruchteilsgemeinschaft, der Erbengemeinschaft und im EBV Um dies anschaulicher zu machen, bietet sich der Blick auf andere zivilrechtliche Normen an. Das BGB kennt im 4. Titel zu den Ansprüchen aus Eigentum und dort zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis die Unterscheidung von notwendigen Verwendungen einer Sache nach § 994 BGB einerseits und nützlichen Verwendungen gem. § 996 BGB andererseits. Als notwendig gelten hierbei alle Verwendungen, welche objektiv erforderlich sind, um die Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestand einschließlich ihrer Nutzungsfähigkeit zu erhalten oder sie ordnungsgemäß zu bewirtschaften.269 Als nützlich werden solche Verwendungen auf die Sache angesehen, welche nicht notwendig sind.270 Der Besitzer einer vindizierten Sache kann hiernach den Ersatz von Verwendungen zur Erhaltung der Sache stets verlangen, den Ersatz 267
So: Schricker/Loewenheim/Peukert, § 14 Rn. 26. BGH GRUR 1974, 675, 677 – Schulerweiterung; Diller, Interessenausgleich, S. 131. 269 RGZ 117, 112, 115; 139, 354, 357; BGH NJW 1975, 1553; BGH NJW 1996, 921, 922 m. w. N.; BGH NJW 1955, 340, 341. 270 BeckOK BGB/Fritzsche, § 996 Rn. 2. 268
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nützlicher Verwendungen jedoch nur unter weiteren Voraussetzungen, unter anderem der Wertsteigerung der Sache.271 Ähnlich unterscheidet auch das Bruchteilsgemeinschaftsrecht in § 745 BGB zwischen zur Erhaltung notwendigen Maßregeln und solchen, die der ordnungsgemäßen Verwaltung zählen. Erstere umfassen Maßnahmen zur Erhaltung der Substanz oder des Wertes der Sache272 und können durch jeden Teilhaber ohne Weiteres und ohne Zustimmung der anderen Berechtigten durchgeführt werden. Letztere sind durch die Teilhaber gemeinschaftlich vorzunehmen. Auch das Recht der Erbengemeinschaft und der Bruchteilsgemeinschaft kennt Ähnliches und lässt Maßregeln zur Erhaltung des Nachlasses ohne Mitwirkung der anderen Erben nach § 2038 I S. 2 BGB zu. Bei der sonstigen ordnungsgemäßen Verwaltung normiert § 2038 BGB lediglich eine Mitwirkungspflicht der anderen Erben. Obgleich die einzelnen Ausgangsituationen sicherlich nicht in Gänze vergleichbar sind, so ist ihnen doch gemein, dass sie von einer Rücksichtnahmepflicht auf Interessen anderer geprägt sind. Der Besitzer einer vindizierten Sache kann so beispielsweise mit der Sache nicht verfahren wie er möchte, was bei Kenntnis der Vindikationslage oder Rechtshängigkeit einer Klage über §§ 994 II, 990 BGB noch weiter eingeschränkt wird, da dem das Eigentum des anderen gegenübersteht. Auch die Teilhaber der Bruchteilsgemeinschaft haben die Interessen der Teilhaber zu wahren und deren Zustimmung einzuholen, da es gerade Wesen der Bruchteilsgemeinschaft ist, dass die Rechtszuständigkeit gemeinschaftlich an der ganzen Sache besteht und der Einzelne seine Rechte nur unter Berücksichtigung der Belange der Mitberechtigten ausüben kann.273 Bei übergeordnetem Interesse am Erhalt der Sache haben allerdings die Interessen derer, die mit den entsprechenden Maßregeln nicht einverstanden sind, zu Gunsten des Erhaltungsinteresses an der Sache zurückzutreten.274 In vorsichtiger Anlehnung hieran könnte man auch bei Änderungsbegehren in Bezug auf Baukunstwerke so gestaffelt nach deren Notwendigkeit unterscheiden. bb) 1. Stufe: Zwingende Änderungsmaßnahmen Auf einer ersten und obersten Stufe sind solche Änderungen anzuordnen, welche für den Bauherrn aus im Folgenden weiter zu differenzierenden Gründen unumgänglich sind. 271 272 273 274
BeckOK BGB/Fritzsche, § 996 Rn. 6. BeckOK BGB/Gehrlein, § 744 Rn 7. BeckOK BGB/Gehrlein, § 741 Rn. 3; BeckOGK BGB/Fehrenbacher, § 741 Rn. 8. HK-BGB/Kuhn/Radlmayr, § 744 Rn. 1.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
(1) Änderungsvorhaben auf Grund behördlicher Anordnungen Zunächst könnte man Änderungen ins Auge fassen, welche auf Grund behördlicher Anordnungen vom Bauherrn vorgenommen werden. Wenn eine (hessische) Behörde eine Anforderung an ein rechtmäßig bestehendes Bauwerk zur Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit für die Allgemeinheit nach § 61 III HBO oder eine sonstige Behörde eines anderen Bundeslandes eine solche stellt, weil beispielsweise eine Asbest-Fassade zu brechen beginnt etc., so stellt eben jene Anordnung eine behördliche Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalles mit Außenwirkung und damit einen Verwaltungsakt dar.275 Folgt der Bauherr dieser Anordnung – deren Rechtmäßigkeit natürlich vorausgesetzt – nicht, so kann die (hessische) Behörde nach vorheriger Androhung unter anderem nach § 74 HVwVG276 (§ 10 VwVG auf Bundesebene) zur Ersatzvornahme übergehen und die entsprechende Handlung selbst auf Kosten des Bauherrn ausführen.277 Der Bauherr hat hierbei also letztlich keine andere Wahl, als die geforderte Änderung vorzunehmen. Gleichzeitig kann das Urheberpersönlichkeitsrecht des Architekten bereits auf Grund rechtsstaatlicher Grundsätze nicht so weit gehen, dass dieses einen anderen verpflichtet, rechtswidrig zu handeln.278 Änderungen, welche auf Grund behördlicher Anordnungen vorzunehmen, sind wären hierbei vielleicht etwas ausgeklammert, da kaum mehr von Notwendigkeit als vielmehr von Zwang gesprochen werden muss, auf der höchsten Stufe anzusiedeln. (2) Bestandserhaltende Änderungsvorhaben Auf einer darunterliegenden zweiten Stufe sind Änderungsbegehren anzusiedeln, welche auf den Erhalt des Bauwerkes und dessen Gebrauchszweck abzielen und demnach das Äquivalent zur außerordentlichen Verwaltung in der Bruchteilsgemeinschaft oder den Verwendungen nach § 994 BGB im Eigentümer-BesitzerVerhältnis bilden. Auf verfassungsrechtlicher Ebene sichert Art. 14 GG das Eigentum als Rechtsinstitut und garantiert, dass an dessen Stelle nichts tritt, „das den Namen Eigentum nicht verdient hat“.279 Der Schranken und Inhalt bestimmende Gesetzgeber muss 275
Siehe hierzu die Definition in § 35 VwVfG. Siehe für die andern Bundesländer die entsprechenden Normen in den Landesverwaltungsverfahrensgesetzen: § 25 LVwVG für Baden Württemberg; § 59 VwVG für NordrheinWestfalen; § 70 NVwVG i. v. m § 66 NPOG für Niedersachsen; Art. 32 VwZVG für Bayern; § 63 LVwVG für Rheinland-Pfalz; § 24 SächsVwVG für Sachsen; § 77 VwVG LSA i. V. m. § 55 SOG LSA für Sachsen-Anhalt; § 8 I S. 1 VwVfG Bln i. V. m. § 10 VwVG für Berlin; § 19 VwVGBdg für Brandenburg; § 238 LVwG für Schleswig-Holstein; § 110 VwVfG M-V i. V. m. § 89 SOG M-V für Mecklenburg-Vorpommern. 277 Siehe beispielsweise zur Ersatzvornahme einer Abrissverfügung: OVG Saarland BauR 2011, 655. 278 So auch in Bezug auf das Titel- und Markenrecht Diller, Interessenausgleich, S. 139. 279 So BVerfG NJW 1969, 309, 309 f. 276
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deshalb stets die grundlegende Wertungsentscheidung der Verfassung zugunsten des Privateigentums beachten,280 so dass der durch das Grundrecht geschützte Freiheitsbereich nicht aufgehoben oder wesentlich eingeschränkt wird. In diesem Sinne darf der urheberrechtliche Gesetzgeber das Eigentum des Bauherrn zwar einschränken, aber nicht vollends entwerten. Würde es nun aber dem Architekten als Urheber eines Werkes der Baukunst durch § 14 UrhG ermöglicht, bestandserhaltende Maßnahmen zu verhindern, wäre eben dies der Fall. Aus diesem Grunde kann es dem Bauherrn also auch bei einem bestehenden Urheberrecht im Grundsatz nicht versagt werden, bestandserhaltende und demnach notwendige Änderungsmaßnahmen durchzuführen, ohne welche der Bestand des Bauwerkes und damit das Eigentums des Bauherrn gefährdet wäre.281 (3) Gebrauchssichernde Maßnahmen Fraglich ist, ob dies auch auf solche Maßnahmen übertragen werden kann, welche den Gebrauchszweck als Eigenheim sichern wie Änderungsbegehren, welche auf Grund des Alters oder eines Unfalles bzw. durch Krankheit notwendig werden, wie beispielsweise der Anbau eines Aufzuges an der Außenfassade, die Montage eines Treppenlifts im Innenbereich oder aber die behindertengerechte Umgestaltung durch Verbreiterung von Türen, Fluren etc. Auch hier spielt insbesondere die Nutzung als Eigenheim eine entscheidende Rolle. Hätte der Urheber die Möglichkeit solche Änderungsmaßnahmen zu verhindern, welche für den Erhalt des Gebrauchs als Eigenheim unerlässlich sind, so käme dies einer Entwertung des Eigentums und damit wiederum dem Entzug des Lebensmittelpunktes des Eigentümers gleich. Das Bauwerk bliebe zwar bestehen, allerdings wäre es für den Bauherrn als Eigenheim unbrauchbar. Diesem bleibe keine andere Wahl, als sein Eigenheim zu verkaufen und sich anderweitig umzusehen. Steht und fällt die weitere Nutzung des Bauwerkes mit der Vornahme dieser intendierten Änderungsmaßnahmen, so muss für diese das gleiche gelten wie für die oben aufgeführten Maßnahmen zur Bestandssicherung. (4) Geltung der gefundenen Gewichtungsergebnisse für Entstellungen Die vorgenannten Änderungsmaßnahmen bzw. die dahinterstehenden Interessen des Eigentümers wiegen also so schwer, dass sie als Gewichtungskriterium kaum mehr relativierbar sind. Fraglich ist allerdings, ob diese Überlegungen auch für Änderungsmaßnahmen gelten können, die im Ergebnis zu einer Entstellung führen. Ginge man hier, wie teilweise vertreten, davon aus, dass Entstellungen nicht der Abwägung zugänglich sind, so könnten Bestandssichernde Maßnahmen, welche gerade im Bereich der kleinen Münze schnell zu einer Verzerrung des Werkes führen 280 281
BVerfG NJW 1967, 1175, 1176. So hingegen Diller, Interessenausgleich, S. 122 ff.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
können, nicht vorgenommen werden, was einer Entwertung des Eigentums gleichkäme. Auch würde das Urheberrecht den Bauherrn dazu verpflichten eine behördliche Anordnung zu missachten, sofern diese eine Entstellung des Werkes darstellt und würde diesen zu rechtswidrigem Handeln zwingen.282 Auch stünde der Rechtsanwender vor dem Problem, dass Beeinträchtigungen und Entstellungen sich graduell voneinander unterscheiden und fließend ineinander übergehen, so dass eine klare Unterscheidung kaum vorzunehmen sein wird.283 Doch vor allem liegt dem, wie bereits angedeutet,284 das verkürzte Verständnis zu Grunde, dass Entstellungen lediglich solche Änderungen umfassen, welche den Menschenwürdegehalt des Urheberpersönlichkeitsrechts tangieren. Letzteres kann allerdings nicht bei jeder Verletzung des Urheberrechts angenommen werden, sondern beschränkt sich vielmehr auf diffamierende Eingriffe zum Zwecke der Schädigung und Verletzung des Schaffenden, welche den extremen Ausnahmefall der Entstellung bilden und daher selbstverständlich unzulässig sein müssen, ganz gleich welches sonstige Interesse der Bauherr neben der Diffamierung des Urhebers noch verfolgt. Abgesehen von diesen Ausnahmefällen müssen die zuvor gefundenen Ergebnisse also auch und insbesondere bei Werken der kleinen Münze der Baukunst ebenfalls für Entstellungen gelten, mögen diese auch in den sonstigen Fallgestaltungen zur Rechtfertigung Gegeninteressen von größerem Gewicht erfordern.285 cc) 2. Stufe: Dienliche Änderungsvorhaben Auf einer darunter liegenden zweiten Stufe sind Änderungsbegehren einzuordnen, die die Nutzung des Bauwerkes erweitern oder optimieren. (1) Änderungsbegehren zur Modernisierung des Werkes Zunächst kann der Bauherr Änderungen im Sinn haben, welche die Nutzbarkeit des Werkes direkt verbessern, indem sie das Werk auf dem aktuellen Stand der Technik halten. Hierunter fallen unter anderem energetische Sanierungen wie die Erneuerung von Dachdämmungen bzw. der Einbau neuer Fenster mit besserem Wärmedurch282 So im Ergebnis aber wohl: Diller, Interessenausgleich, S. 138, der eine Abwägung bei Entstellungen sowohl bei bestandssichernden, als auch behördlich angeordneten Änderungsmaßnahmen ausschließt. Die Eigentümerinteressen unterlägen dann wegen Art. 1 I GG den Urheberinteressen. 283 Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR § 14 Rn 18; KG ZUM 1997, 208, 212 – Fahrstuhlschacht; Hegemann, FS Hertin, 2000, 87, 91; Schöfer, Die Rechtsverhältnisse, S. 45; Schilcher, Schutz des Urhebers, S. 65. 284 Siehe hierzu zuvor S. 143 f. 285 Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR § 14 Rn. 18; Riekert, Der Schutz des Musikurhebers, S. 81.
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gangskoeffizienten oder vielleicht auch die Montage einer energiesparenden Photovoltaikanlage. Solche Änderungen sind für den Erhalt des Bauwerkes nicht zwingend notwendig, so dass das in den obigen Fällen geschilderte, erdrückende „Übergewicht“ auf Seiten der Interessen des Bauherrn, wie dieses bei bestandserhaltenden Änderungsmaßnahmen, deren Verweigerung einem Eigentumsentzug gleichkämen, zu verzeichnen wäre, hier also nicht gegeben ist. Dennoch aber schreitet die technische Entwicklung fortlaufend weiter. Mit Blick auf die lange Lebensdauer eines Bauwerkes und nicht zuletzt auch mit Blick auf die auch im staatlichen Handeln immer stärker in den Vordergrund tretenden Umweltschutzbestrebungen durch eine Verringerung der CO2-Emmissionen und generelle Energiesparsamkeit, womit der bereits vor 20 Jahren aufgenommenen Staatszielbestimmung des Art. 20a GG nachgekommen wird,286 ist es ein berechtigtes Anliegen des Bauherrn, in Ausübung seines Eigentumsrechts das Bauwerk zu modernisieren.287 Würde man hier solchen Änderungen nur geringes Gewicht zukommen lassen, so wären die entsprechenden Werke auch mit Blick auf die lange Schutzfrist des Urhebergesetzes vom technischen Fortschritt ausgenommen. Auch sind solche Änderungen im Laufe der Jahre für den Architekten absehbar. Auf Grund der Kooperationspflicht der Parteien und nicht zuletzt auch der Tatsache, dass Baukunst nicht ohne Mitwirkung etwaiger Bauherren möglich wäre,288 können solche Änderungsbegehren zwar nicht das erdrückende Übergewicht von bestandserhaltenden Maßnahmen erzeugen, welches diese per se ermöglichen könnte, diese wiegen aber dennoch in deutlichem Maße für die Seite des Bauherrn. (2) Änderungsbegehren zur Optimierung oder Erweiterung des Gebrauchszwecks Im Ergebnis ähnliches muss für solche Änderungsbegehren gelten, welche eine Optimierung oder Erweiterung des Gebrauchszweckes des Bauwerkes verfolgen. So könnte sich die Lebensplanung des Bauherrn insbesondere mit Blick auf die Familienplanung ändern, so dass beispielsweise durch die Entfernung von Wänden größere Räume geschaffen oder die Wohnfläche durch Anbauten erweitert werden soll. Auch könnte eine Verbesserung der Wohnqualität durch die Erweiterung um eine Terrasse oder einen Balkon mitsamt der Anbringung einer Markise an der Außenfassade verfolgt werden. Wie auch mit Blick auf die Modernisierungsarbeiten sind solche Änderungsbegehren zwar nicht zwingend notwendig, dennoch verbessern derartige Vorhaben die Nutzungsmöglichkeit des Eigentums des Bauherrn. Insbesondere auf Grund der langen Schutzfrist des Urheberrechts und der langen Lebensdauer von Bauwerken besteht ein starkes Bedürfnis nach Anpassung an die jeweilige Lebenssituation des Bauherrn. 286 287 288
BeckOK GG/Huster/Rux, Art. 26a Rn. 27. Zutreffend daher: Riesenkampff, Inhalt und Schranken, S. 123. Siehe hierzu zuvor S. 146 ff.
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Der Architekt, der gleichzeitig zur Errichtung und Verwirklichung der Baukunst auf den Bauherrn angewiesen ist, weiß um den in der Abwägung zu beachtenden Gebrauchszweck des Werkes und ist auch bei der Ausübung seines Urheberrechts zur Rücksichtnahme verpflichtet.289 Ähnlich wie die Änderungen zur Modernisierung des Werkes sind auch Maßnahmen zur Erweiterung oder Optimierung des Gebrauchszweckes demnach zwar nicht ohne weiteres möglich, wiegen allerdings doch zu Gunsten des Bauherrn. dd) 3. Stufe: Änderungsvorhaben aus ästhetischen Gründen Auf unterster Ebene stehen dann die ästhetischen Änderungsvorhaben. Diese dienen rein der Anpassung an den ästhetischen Geschmack des Bauherrn und sind weder zwingend erforderlich noch fördern sie den Nutzen des Werkes an sich. Oftmals werden Änderungen aus ästhetischen Gründen kategorisch ausgeschlossen,290 was allerdings der notwendigen Beachtung beider Rechte insbesondere im Sinne der verfassungsrechtlich gebotenen Optimierungspflicht zuwiderläuft. Vielmehr müssen auch ästhetische Änderungsbegehren des Bauherrn mit den urheberrechtlichen Interessen des Architekten abgewogen werden.291 Erst wenn diese Abwägung in einem starken Übergewicht auf Seiten des Architekten resultiert, können diese auf Grundlage der §§ 14, 39 UrhG verhindert werden. Gleichzeitig ist allerdings zu beachten, dass sich rein ästhetische Änderungen gegen die gewollte Gestaltung des Architekten richten. Zusätzliche Argumente mit Blick auf die Gewichtung des Eigentumsrechts sind hierbei nicht zu verzeichnen, so dass diese anders als bei bestandserhaltenden oder den Gebrauchszweck optimierenden Änderungsvorhaben weniger gewichtig sein werden. Aus diesem Grunde müssen ästhetische Änderungen auf der untersten Ebene der Einordnung auf Seiten des Bauherrn angesiedelt werden.
III. Das Änderungsverbot nach § 39 UrhG 1. Verhältnis zwischen §§ 14 und 39 UrhG Nach § 39 UrhG darf der Inhaber eines Nutzungsrechts das Werk, dessen Titel oder die Urheberbezeichnung nicht ändern, sofern nichts anderes vereinbart ist. Zugleich bestimmt § 39 II UrhG, dass solche Änderungen zulässig sind, zu denen der Urheber seine Einwilligung nach Treu und Glauben nicht versagen kann. Neben § 14 UrhG enthält also auch § 39 UrhG eine Regelung zu Änderungen eines urhe289
BGH GRUR 2008, 984, 988 – St. Gottfried; siehe hierzu auch bereits zuvor S. 146 ff. So beispielsweise LG Stuttgart ZUM-RD 2010, 491, 501 – Stuttgart 21 m. w. N. 291 Zutreffend deshalb: Riesenkampff, Inhalt und Schranken, S. 121; siehe auch bereits zuvor S. 144 f. 290
B. Ausfüllung des verfassungsrechtlichen Rahmens
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berrechtlich geschützten Werkes und führt wie § 14 UrhG ebenfalls im Tatbestand unbestimmte, wertungsausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe. § 39 UrhG enthält mit dem Begriff von Treu und Glauben gar eine der prominentesten Generalklauseln des Zivilrechts. Es stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis beide Normen stehen und inwiefern etwaige Überlegungen mit Blick auf eine Konkretisierung für beide Regelungen gelten können. So könnte man zunächst annehmen, dass §§ 14 und 39 UrhG eigenständig nebeneinanderstehen. Eine „Änderung des Werkes“ nach § 39 UrhG setze dem engen Wortsinn nach stets eine Substanzverletzung des entsprechenden Werkes voraus, wohingegen § 14 UrhG als Norm des Urheberpersönlichkeitsrechts auch die geistigen und persönlichen Interessen des Urhebers schütze.292 Da § 39 UrhG die tiefgreifenderen und die etwaigen Interessen des Schaffenden stärker beeinträchtigenden Eingriffe in die Substanz erfasse, sei § 39 UrhG vorrangig zu prüfen und erst wenn § 39 nicht einschlägig sei, könne es auf eine Abwägung nach § 14 UrhG ankommen.293 Demgegenüber wäre auch denkbar, dass der Begriff der Beeinträchtigung als Oberbegriff jeglicher Eingriffe und demnach auch der Änderung zu verstehen wäre, mit der Folge, dass die Anwendungsbereiche der §§ 14 und 39 UrhG deckungsgleich wären.294 Die Regelungen seien dabei als Teil eines einheitlichen Systems zu sehen, in dem § 39 UrhG keine eigenständige Geltung hätte, sondern lediglich klarstellende Zwecke für den Fall der Nutzungsrechteeinräumung verfolgen würde.295 Zunächst einmal enthalten beide Normen mit dem Begriff der „berechtigten Interessen“ sowie „Treu und Glauben“ unbestimmte, wertungsausfüllungsbedürftige Rechtbegriffe, welche durch die Gerichte im Einzelfall ausgefüllt werden müssen. Auch für den Begriff von Treu und Glauben müssen die Richter hierbei auf Grund der heteronom begründeten Eingriffsrechte in das Eigentum des Bauherrn sicherstellen, dass etwaige Entscheidungen die kollidierenden Interessen in Einklang bringen und sich im Rahmen des Verhältnismäßigen bewegen.296 Sowohl bei der Anwendung des § 14 UrhG als auch des § 39 UrhG kommt es am Ende entscheidend auf die in der Angemessenheit angelegte Abwägung der widerstreitenden Interessen an, wobei 292 BGH GRUR 1982, 107, 109 – Kirchen-Innenraumgestaltung; zustimmend: Dreyer/ Kotthoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 23 Rn. 7; Wandtke/Bullinger/Wandtke/Grunert, UrhR § 39 Rn. 15 ff., siehe gleichzeitig aber auch Rn. 4, wonach § 39 nur klarstellende Funktion habe und keine eigene Anspruchsgrundlage sei. 293 BGH GRUR 1982, 107, 109 – Kirchen-Innenraumgestaltung; Dreyer/Kotthoff/Meckel/ Dreyer, UrhR § 23 Rn. 7 f. 294 BeckOK UrhR/Kroitzsch/Götting, § 14 Rn. 4; BeckOK UrhR/Spautz/Götting, § 39 Rn. 4. 295 So: Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR § 39 Rn. 1; Wandtke/Bullinger/Wandtke/ Grunert, UrhR § 39 Rn. 4; BeckOK UrhR/Spautz/Götting, § 39 Rn. 4. 296 Siehe hierzu zuvor S. 81 ff.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
beide Normen dem gleichen Schutzzweck, nämlich der Sicherung der Werkintegrität,297 dienen sollen. Dies hat zur Folge, dass sich die Ergebnisse nicht danach unterscheiden, ob man nun § 39 UrhG als eigenständige Norm des Änderungsrechts ansieht oder §§ 14 und 39 UrhG in ein systematisches Verhältnis zueinander setzt, weshalb auch die Rechtsprechung die Streitfrage hinsichtlich des Verhältnisses der Normen regelmäßig offenlässt.298 Sieht man sich allerdings die Systematik des Gesetzes einmal genauer an, so wird dennoch davon auszugehen sein, dass §§ 14 und 39 UrhG ein einheitliches Regelungssystem bilden. Dafür spricht zunächst die Einordnung im Normkontext. Das Urhebergesetz enthält im vierten Abschnitt des ersten Teils Regelungen zum „Inhalt des Urheberrechts“ und setzt das Entstellungsrecht des § 14 UrhG in diesen Kontext, welches jegliche Beeinträchtigungen eines Werkes erfassen soll. § 39 UrhG hingegen wurde im fünften Abschnitt des ersten Teils zum „Rechtsverkehr im Urheberrecht“ vorgesehen. Es liegt deshalb bereits auf Grund dieser Einordnung nahe, dass § 39 UrhG insofern klarstellend wirken soll, als die Norm nach § 39 I UrhG sichert, dass auch bei einer etwaigen Einräumung von Nutzungsrechten das grundsätzliche Recht des Urhebers, etwaige Änderungen des Werkes verhindern zu können, dadurch zunächst nicht berührt wird. Zudem wird deutlich, dass trotz eines bestehenden Urheberrechts Vereinbarungen über etwaige Änderungen möglich sind. In Anknüpfung daran enthält § 39 UrhG auch mit dem Rechtsbegriff von Treu und Glauben eine Wendung des § 242 BGB, welcher im allgemeinen Schuldrecht die Aufgabe erfüllen soll, auf unvorhersehbare und unbillige atypische Ergebnisse reagieren zu können. Hierdurch wird verdeutlicht, dass eine Abwägung im Rahmen des § 39 II UrhG nur unter Beachtung des bestehenden urheberrechtlichen Vertrages vorgenommen werden kann.299 Doch auch die Ansicht, dass § 39 UrhG auf Grund des Wortsinnes lediglich direkte Substanzeingriffe erfasse, überzeugt nicht, da diese von einem verkürzten Verständnis eines urheberrechtlichen Werkes ausgeht.300 Ein solches Werk im Sinne 297
Siehe hierzu zuvor S. 81 ff. In der Rechtsprechung wird aus diesem Grunde eine Entscheidung hinsichtlich des Verhältnisses oftmals offengelassen. Unter Berufung auf ein allgemeines Änderungsrecht, das das UrhG stillschweigend voraussetze BGH GRUR 2008, 984, 986; ausdrücklich offengelassen bei OLG Stuttgart ZUM 2011, 173, 180 – Stuttgart 21; LG Stuttgart ZUM-RD 2010, 491, 498 – Stuttgart 21; LG Berlin GRUR 2007, 964, 967; siehe auch BeckOK UrhR/Kroitzsch/Götting, § 14 Rn. 4; Goldmann, GRUR 2005, 639, 642; Jänecke, das Zerstörungsverbot, S. 80; Engl, Der Urheberrechtsschutz, S. 47; Schilcher, Schutz des Urhebers, S. 51; Honscheck, GRUR 2007, 944, 945 stellt ausdrücklich fest, dass ein einer solchen Entscheidung „keine praktischen Folgen hängen“. 299 Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR § 14 Rn. 7, siehe auch § 39 Rn. 18 über dem Vertragszweck hinaus, seien die Kriterien der Abwägung im Rahmen des § 14 UrhG heranzuziehen. 300 So zu Recht: Schack, UrhR Rn. 390. 298
C. Zwischenergebnis
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des § 2 II UrhG beschränkt sich in der Gestaltung nicht auf die bloße Verkörperung des Werkstückes. Die besondere Individualität kann sehr wohl auch aus der Einbindung in die Umgebung etc. ergeben, wie sich beispielsweise beim oben erwähnten „Dockland-Gebäude“ veranschaulichen lässt.301 Wenn diese Einbindung aber einen Teil der individuellen Gestaltung und demnach die des Werkes ausmacht, kann das Werk also auch bei Zugrundelegung eines engen Wortsinnes „geändert“ werden, ohne dass direkt in die körperliche Substanz eben jenes eingegriffen wird. 2. Übertragbarkeit der Überlegungen zu § 14 UrhG Es sprechen deshalb die besseren Argumente dafür, dass §§ 14 und 39 UrhG in einem systematischen Zusammenhang stehen, der § 39 UrhG keinen eigenständigen Regelungsgehalt zuweist, sondern diesen als klarstellende Norm im Abschnitt zum Rechtsverkehr im Urheberrecht vorgesehen hat. Am Ende beinhalten aber beide Normen unbestimmte und wertungsausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe, weshalb es sowohl nach § 14 UrhG als auch nach § 39 UrhG auf Grund der zuvor ausgearbeiteten Systematik auf eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit etwaiger Entscheidungen und demnach im Kern auf eine Abwägung der widerstreitenden Interessen mit übereinstimmendem Ziel des Integritätsschutzes ankommt. Bei Änderungsbegehren in Bezug auf Bauwerke ohne eine Einräumung von Nutzungsrechten gilt lediglich § 14 UrhG. Bei solchen, wo möglicherweise Nutzungsrechte eingeräumt wurden, ist das Werk durch §§ 14 i. V. m. 39 UrhG geschützt. Die Erwägungen, welche im Rahmen des § 14 UrhG innerhalb der Interessenabwägung anzustellen sind, sind also auch im Rahmen des § 39 II UrhG zu beachten unter der Prämisse, dass daneben noch der Vertrag über die Einräumung der entsprechenden Nutzungsrechte einzubeziehen ist, so dass sich die Ergebnisse nach beiden Normen nicht unterscheiden.
C. Zwischenergebnis Die induktive Betrachtung der einschlägigen Normen zeigt nach dem Gesagten weitere Hinweise auf die Ausfüllung des durch die Grundsätze der praktischen Konkordanz, sowie der Verhältnismäßigkeit gesteckten Rahmens und damit für die Konkretisierung der wertungsausfüllungsbedürftiger Rechtbegriffe auf:
301 BGH GRUR 1957, 391, 393 – Ledigenheim; BGH GRUR 2011, 59, 61 – Lärmschutzwand; OLG Stuttgart ZUM 2011, 173, 179 – Stuttgart 21; OLG München GRUR 2001RR, 177, 179 – Kirchenschiff; OLG Köln GRUR-RR 2010, 182, 184 – Pferdeskulptur.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
I. Generelle Abwägungsnotwendigkeit unter Vermeidung kategorischer Ausschlüsse Zunächst ergibt sich aus der Systematik des Gesetzes, dass die in den §§ 14 und 39 UrhG angelegte Abwägung der Interessen auch mit Blick auf die notwendige Zuordnung der kollidierenden Rechte des Architekten und des Eigentümers für jegliche Änderungsvorhaben in Bezug auf das Werk gilt. Dem Urhebergesetz ist dabei weder eine Vermutungsregel „in dubio pro auctore“ noch ein Ausschluss der Interessenabwägung bei Entstellungen oder eine generelle Unzulässigkeit ästhetischer Änderungen zu entnehmen. Abwägungsfeindlich sind lediglich solche Änderungsmaßnahmen, welche der reinen Diffamierung des Schaffenden dienen, die allerdings die seltene Ausnahme darstellen sollten. Gleichzeitig ergibt sich hieraus, dass ein absoluter Änderungsschutz des Urhebers nicht angenommen werden kann.
II. Abwägungsnotwendigkeit bei Zerstörungen des Werkes und dringender legislativer Handlungsbedarf Dieses Abwägungserfordernis muss auch mit Blick auf Zerstörungen eines Werkes gelten, will man die kollidierenden Rechte des Architekten und des Bauherrn einander angemessen zuordnen. Nach derzeitiger Rechtslage widerspricht allerdings eine Einbeziehung von Zerstörungshandlungen in den Schutzbereich der §§ 14, 39 UrhG dem diesen zugrundeliegenden Telos des urheberpersönlichkeitsrechtlichen Schutzes und wäre demnach systemwidrig. Eine Zerstörung zieht keine Zuordnung eines Werkes nach sich, welche der Urheber in der Art nicht wollte, sondern beendet diese gänzlich. Der soziale Geltungsanspruch des Schaffenden wird dadurch nicht berührt. Wenn man allerdings den Schutz der Werkintegrität unter Art. 5 III GG einbezieht, wie dies offenbar auch der BGH in jüngster Rechtsprechung vornimmt, so wäre eine Möglichkeit von Werkzerstörungen ohne eine Beachtung der Gegeninteressen und ohne deren Abwägung auch verfassungsrechtlich bedenklich, so dass hier dringender legislativer Handlungsbedarf besteht. Es wäre sinnvoll eine Norm im vierten Unterabschnitt des vierten Abschnitts im ersten Teil des Urhebergesetzes zu den „sonstigen Rechten“ im Anschluss an § 25 UrhG zu formulieren, welcher mit dem Zugangsrecht auch einen Ausfluss des Urheberpersönlichkeitsrechts darstellt,302 ohne dem Kanon der §§ 12 ff. UrhG zugeordnet zu sein. Denkbar wäre eine neu zu schaffende Norm des § 25a UrhG, angelehnt an § 15 des schweizerischen Urhebergesetzes, welcher es dem Architekten im Falle der geplanten Zerstörung eines Werkes ermöglicht, dieses zu erwerben, mindestens aber eine Dokumentation zu erstellen und die entsprechenden Originalplanungen auf seine Kosten zu vervielfältigen. 302
Siehe zuvor S. 132 f.
C. Zwischenergebnis
159
III. Individualität als fließendes Gewichtungskriterium der Interessen des Architekten Das Urheberrecht knüpft nach § 11 UrhG insbesondere mit Blick auf die urheberpersönlichkeitsrechtlichen Ansprüche und demnach auch hinsichtlich des Integritätsschutzes des Werkes an die Bindung des Schaffenden zum Werk an. Diese Bindung ist umso stärker ausgebildet, je deutlicher das Werk von der Individualität des Urhebers geprägt ist, so dass die Individualität ein bedeutendes Kriterium bei der Gewichtung der Urheberinteressen sein muss. Je deutlicher sich das Werk vom Alltäglichen abgrenzt, je individueller dessen Gestaltung also ist, desto mehr Anknüpfungsfläche steht dem Urheberrecht für etwaige Schutzrechte bereit und so stärker wiegen die Interessen des Urhebers. Sollte ein Werk also eine so deutliche Prägung durch den Urheber erfahren, dass dieses förmlich die Handschrift des Schaffenden trägt, so müssen sehr gewichtige Gründe auf Seiten des Eigentümers ins Feld geführt werden, um dieses Werk verändern zu können. Umgekehrt kann ein Werk, dessen Gestaltung dieses noch gerade vom architektonischen Routineschaffen abhebt nicht in der Lage sein bedeutend mehr Rechte zu vermitteln, als dies die knapp darunter liegenden und nicht urheberrechtlich geschützten Werke vermögen.
IV. Abnahme der Gewichtung mit dem Tode des Schaffenden Das Urhebergesetz sieht im Grundsatz eine Schutzfrist von 70 Jahren post mortem auctoris vor. Nach Ablauf dieser Frist ist das Werk gemeinfrei und demnach für das Schaffen Dritter frei verfügbar. Einem Werk, das nahe an dieser Grenze zur Gemeinfreiheit liegt, wird dabei nicht mehr das gleiche Gewicht zukommen können, wie einem Werk dessen Urheber noch vor Kurzem verstorben ist. Im Extremfall wäre es so beispielsweise kaum angemessen, eine Änderung, welche in einigen Jahren ohnehin möglich wäre, gänzlich zu untersagen. Die Gewichtung des Urheberrechts muss also mit dem Tode des Schaffenden abnehmen.
V. Eingriffsintensität in das Werk Änderungsbegehren können in unterschiedlicher Intensität in ein Werk eingreifen und bis hin zu einer Verzerrung der durch den Architekten vorgesehenen Gestaltung reichen, sprich zu einer Entstellung des Werkes führen. Hierbei ist zunächst zwischen dem Bauwerk in seiner Gesamtsubstanz und dem urheberrechtlich geschützten Werk nach den §§ 1, 2 UrhG zu unterscheiden. Letzteres kann sich auch auf einen Teil des Gesamtwerkes beschränken. Eine Änderung, welche so zwar das Bauwerk an sich betrifft, aber die individuellen Züge des Schaffenden und demnach das urheberrechtliche Werk unberührt lassen, unterfallen nicht dem Integritätsschutz der §§ 14 und 39 UrhG. Umgekehrt müssen die Urheberinteressen aber umso deutlicher
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
gewichtet werden, je stärker die Individualität des Urhebers betroffen ist. Eine Entstellung des Werkes muss demnach deutlicher gerechtfertigt werden als eine leichte Beeinträchtigung.
VI. Besondere Gewichtung der Eigentümerinteressen bei Eigenheimen Auf Seiten des Bauherrn ficht für diesen zunächst das Eigentumsrecht. Verfassungsrechtlich gesichert, soll das Eigentumsrecht dem Einzelnen einen ihm zugeordneten Bereich im vermögensrechtlichen Raum sichern, welcher für die Entfaltung der persönlichen Freiheit des Einzelnen unerlässlich ist. Mit dem Eigenheim des Bauherrn ist ein Rechtsbereich betroffen, welcher auch von der sonstigen Rechtsordnung starken Schutz erfährt, da dieser dem Eigentümer als privatester Lebensbereich und Raum für die persönliche Entfaltung dient. Das Eigentumsrecht ist hier also in besonderer Weise in seinem Freiheitsaspekt betroffen, weshalb die Rechte des Eigentümers in Bezug auf Änderungsbegehren an seinem Eigenheim von besonderem Gewicht sein müssen.
VII. Berücksichtigung des intendierten Gebrauchszweckes des Bauwerkes Bereits auf Grund des im Werkvertragsrecht vorherrschenden Kooperationsgedankens aber auch auf Grund der Tatsache, dass Baukunst im Bereich von Eigenheimen nicht ohne die Mithilfe von Bauherren möglich wäre, die etwaige Pläne des Architekten in der Realität umsetzen, sind beide Parteien zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet. Insbesondere drängen sich bei einem Zweckbau wie einem Eigenheim gewisse Änderungen auf, welche über die Jahre üblicherweise vorgenommen werden. Die Interessen des Bauherrn müssen somit auch deshalb besondere Berücksichtigung finden, da sich durch den intendierte Gebrauchszweck gewisse Änderungen am Bauwerk faktisch aufdrängen.
VIII. Notwendigkeit von Änderungen als Gewichtungskriterium für die Interessen des Bauherrn Dennoch werden nicht alle Änderungsbegehren des Bauherrn eine gleiche Dringlichkeit aufweisen. Änderungen, welche beispielweise zum Bestand des Bauwerkes erforderlich sind, würden im Falle einer Verweigerungsmöglichkeit einen Verlust des Eigentums bedeuten, wohingegen sich ästhetische Änderungen gegen eine einst gewollte und auch vom Bauherrn akzeptierte Gestaltung des Bauwerkes richten.
D. Interessengewichtungen und Fassung in ein „bewegliches System“
161
In Anlehnung an das EBV-Recht und die Bruchteilsgemeinschaft, bietet es sich an, die Änderungsbegehren gestaffelt nach Notwendigkeit in drei Stufen einzuordnen. Auf der höchsten und gewichtigsten Stufe sind bestands- bzw. gebrauchssichernde Maßnahmen, wie notwendige Sanierungen oder aber umbauten zwingend notwendige Umbauten auf Grund von Krankheit etc. ohne die das Werk für den Eigentümer unbrauchbar würde, sowie Anordnungen durch eine Behörde, da das Urheberrecht nicht zu rechtswidrigem Handeln verpflichten kann. Ein bestehendes Urheberrecht wird nur in Extremfällen in der Lage sein können, solche Begehren abzuwehren. Darunter folgen in einer zweiten Stufe solche Änderungen, welche dem Werk dienlich sind, bzw. den Gebrauchszweck optimieren, wie etwa energetische Sanierungen, Photovoltaikanlagen oder nützliche Anbauten wie ein Balkon. Diese sind nicht derart gewichtig, wie Änderungsbegehren der ersten Stufe, wiegen aber dennoch deutlich für den Bauherrn und die Nutzung seines Eigentums. Auf der untersten und dritten Stufe liegen solche Änderungen, welche rein ästhetische Absichten verfolgen. Diese sind weder zwingend noch dem Werk als solchem dienlich. Darüber hinaus richten sie sich gegen eine einmal genauso gewolltes und bestätigte Gestaltung des Bauwerk. Ästhetische Änderung wiegen demnach auf Bauherrenseite am geringsten, so dass zur Durchführung deutlicher auf die Rechte des Architekten Rücksicht genommen werden muss. In nicht wenigen Fällen wird dies sogar dazu führen, dass der Architekt gerade im Bereich der sonstigen Baukunst, insbesondere der reinen bildenden Kunst eine Änderung gänzlich verhindern kann. Da bei Eigenheimen allerdings auch ein gewisser Gebrauchszweck dem Werk zu Grunde liegt, kann dieser Schutz, wie oftmals angenommen, trotz der geringen Gewichtung nicht per se absolut sein, sondern setzt die Abwägung der gegenläufigen Interessen voraus, auch wenn in einigen Fällen möglicherweise die Interessen der Eigentümer deutlich unterliegen werden.
D. Verdeutlichung der Interessengewichtungen bei Änderungsbegehren an privaten Eigenheimen und Fassung in ein „bewegliches System“ Die bisherige Bearbeitung hat also ganz im Sinne von Walter Wilburgs beweglichem System unterschiedliche Kriterien hervorgebracht, welche sich von Einzelfall zu Einzelfall unterscheiden und in ihrer kumulativen Zusammenwirkung eine Gewichtung der kollidierenden Interessen ergeben, nach denen sich dann etwaige Rechtsfolgen richten könnten. Durch ein solches System wäre zum einen die notwendige Nähe zum speziellen Lebenssachverhalt gesichert, gleichzeitig durch Darstellung der etwaigen Kriterien aber auch eine gewisse Vorhersehbarkeit möglich. Auch hat die Untersuchung ergeben, dass es weitere Möglichkeiten der
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
Rechtsfolgenzuweisung im Urhebergesetz gibt, welche eine Berücksichtigung der Stärke der Gewichtung zur einen, wie zur anderen Seite möglich machen könnten. Im Folgenden sollen diese Kriterien in ein solches zusammenhängendes System gebracht werden, um die bislang noch offenen Wirkungen auf bzw. gegeneinander darstellen zu können. Zur Verdeutlichung soll sich des Bildes eines zweiseitigen Hebels oder Waage bedient werden, bei der die unterschiedlichen Elemente nicht in Waagschalen, sondern frei auf den Armen platziert werden können und so unterschiedlich für die eine oder andere Seite wiegen können. Die unterschiedlichen Arme sollen die Interessen der Parteien abbilden. Die Wirkung des Gewichtes nach unten stellt hierbei die unterschiedlichen Schutzinteressen dar. Der Ausschlag der Waage durch das Gegenwirken der Gewichte bildet dann das Zusammenwirken der Schutzinteressen sprich die Interessenabwägung ab und soll als Grundlage für die Rechtsfolgenzuordnung dienen.
I. Grundsätzliche Gleichrangigkeit der kollidierenden Rechte Wie dargestellt, ankern sowohl die Rechte des Bauherrn als auch die Rechte des Architekten verfassungsrechtlich in Art. 14 GG, sodass zunächst von einer Gleichrangigkeit der Rechte auszugehen ist. Auch aus dem Urhebergesetz ergibt sich insofern nichts anders, da dieses Änderungsrecht des Architekten in § 14 UrhG unter den Vorbehalt einer Beeinträchtigung berechtigter Interessen steht und der Architekt nur dann ein etwaiges Änderungsbegehren verhindern kann. Bei Bestehen eines urheberrechtlichen Vertrages stellt § 39 UrhG zunächst fest, dass auch dann der Nutzungsrechteinhaber nicht allein deshalb zu Änderungen berechtigt ist, allerdings sind nach § 39 II UrhG solche Änderungen möglich, die nach Treu und Glauben nicht versagt werden können. Demnach steht dem Architekten zwar möglicherweise das Recht zu, etwaige Änderungen zu verhindern, allerdings kann er dies nur unter Beachtung der Gegenrechte des Eigentümers tun. Der Eigentümer seinerseits kann wegen § 903 S. 2 BGB sein Eigentum nur unbeschadet des Urheberrechts geltend machen.
D. Interessengewichtungen und Fassung in ein „bewegliches System“
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Beide Rechte sind also grundsätzlich gleichrangig in der Abwägung abzubilden:
II. Minderung der Gewichtung des Persönlichkeitsrechts des Architekten im privaten Innenbereich Der durch die §§ 14 und 39 UrhG geschützte urheberpersönlichkeitsrechtliche Integritätsanspruch des Urhebers in Bezug auf das geschaffene Werk soll diesen davor schützen, dass ihm keine Werkgestaltung von der Öffentlichkeit zugerechnet wird, welche er so nie intendiert oder genehmigt hat. Da insbesondere im privaten Bereich dieser Öffentlichkeitsbezug stark abnehmen wird, da sich der Kreis potenzieller Betrachter auf eine abgrenzbare Gruppe von Menschen beschränkt, wird bei Eigenheimen von einer Verringerung des Gewichtes der urheberpersönlichkeitsrechtlichen Interessen in der Abwägung auszugehen sein.
III. Berücksichtigung der Betroffenheit des Eigentumsrechts des Bauherrn in dessen Freiheitsaspekt Das Eigentumsrecht soll dem Einzelnen im vermögensrechtlichen Bereich einen Freiraum sichern, welcher es diesem ermöglicht sein Leben frei zu gestalten. Je deutlicher hierbei eben jener Freiheitsaspekt des Eigentumsrechts tangiert wird, umso stärker wiegt der Schutz. Mit dem Eigenheim ist hier ein Bereich betroffen, welcher dem Bauherrn als Lebensmittelpunkt und somit als Kernbereich seiner persönlichen Entfaltung dient, der auch in der sonstigen Rechtsordnung, beispielsweise dem Mietrecht und sogar verfassungsrechtlich durch Art. 13 GG besonders geschützt wird. Die Wohnung bildet also das Paradebeispiel für einen stark zu schützenden Freiheitsbereich des Einzelnen, sodass im Vergleich zu sonstigen Bauwerken, das Eigentumsrecht in Bezug auf die Wohnung in besonderer Weise zu gewichten ist.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
Hinzukommt, dass Änderungsbegehren durch den Gebrauchszweck eines Eigenheims, welcher dem Architekten von vornherein bekannt war, den Regelfall bilden und deshalb abzusehen sind.
IV. Steigende Gewichtung des Urheberrechts mit zunehmender Bindung des Schaffenden zum Werk Das Urheberrecht knüpft nach § 11 UrhG an die bestehende Beziehung zwischen Werk und Schaffenden an, welche dadurch entsteht, dass die Werkgestaltung individuelle Züge des Schaffenden enthält. Je deutlicher diese zu Tage treten, je stärker also die Individualität der Gestaltung hervortritt, umso stärker ist die Bindung zum Schaffenden und umso deutlicher muss das Werk durch das Urheberpersönlichkeitsrecht geschützt werden.
V. Steigende Gewichtung des Eigentumsrechts mit zunehmender Notwendigkeit der Änderungen Auf der anderen Seite wird das Eigentumsrecht umso stärker wiegen je dringlicher die Intendierten Änderungen zum Erhalt des Bauwerkes selbst oder des Gebrauchszweckes sind. Umgekehrt werden rein ästhetischer Änderungsbegehren, die sich gegen die einmal genau so gewollte und abgenommene Gestaltung des Architekten richten am geringsten auf Seiten des Bauherrn ins Gewicht fallen können.
D. Interessengewichtungen und Fassung in ein „bewegliches System“
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VI. Abnahme der Urheberpersönlichkeitsinteressen nach dem Tode des Urhebers Das Urhebergesetz schützt den Architekten gem. § 64 UrhG auf eine Dauer von 70 Jahren post mortem auctoris vor einem Eingriff in seine geschützte Gestaltung. Nach Ablauf der 70 Jahre wird das Werk gemeinfrei und geht demnach in den allgemein zur Verfügung stehenden Gestaltungs- und Formenschatz über. Je näher das Werk dieser Grenze kommt, umso geringer werden demnach auch die Urheberinteressen innerhalb einer Abwägung wiegen müssen.
VII. Einfluss des Grades an Betroffenheit der individuellen Züge Änderungsbegehren können in unterschiedlicher Art und Weise die individuelle Gestaltung des Schaffenden tangieren. So kann es im Extremfall beispielweise zu einer groben Verzerrung der ursprünglichen Gestaltung kommen oder aber lediglich zu einer leichten Beeinträchtigung der urheberrechtlich relevanten Gestaltungselemente. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass hierbei eine Zurechnung einer nicht vom Urheber gewollten Werkgestaltung vermieden werden soll, muss der Schutz des Urhebers umso stärker sein, je deutlicher ein Änderungsbegehren jene ursprüngliche Gestaltung tangiert. Eine Änderung, welche die individuellen Züge kaum verändert, wird eher möglich sein als eine Verzerrung des Werkes also eine Entstellung dessen. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass eine Entstellung eines Werkes der kleinen Münze auch eine Entstellung eines Werkes der kleinen Münze bleiben muss. Was zunächst banal klingt, muss im Einzelnen bedeutet, dass in der Abwägung, selbst im Falle einer Entstellung eines Werkes der kleinen Münze, dieses nicht gleich mit einem hochindividuellen Werk zu gewichten sein kann.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
VIII. Gesamtbild Unter Zugrundelegung all dieser Erkenntnisse ergibt sich also ein System, mit Hilfe dessen etwaige Gewichtungen für den Bereich der kleinen Münze der Baukunst in Bezug auf Eigenheime abgewogen und bewertet werden können:
E. Beachtung der so entstehenden Abwägungskonstellationen innerhalb der Schutzumfangbestimmung des Urhebergesetzes I. Fortsetzung der Flexibilität des Urhebergesetzes bei der Bestimmung des Schutzumfangs Die bislang angestellte Betrachtung des verfassungsrechtlichen Rahmens, sowie des spezialgesetzlichen Kontextes des urheberrechtlichen Integritätsschutzes hat aufgezeigt, dass eine differenzierte Betrachtung der besonderen Umstände des Einzelfalles grundsätzlich im Urhebergesetz angelegt ist. Damit die so gefundene Gewichtung aber auch von Wert sein kann, muss auch die Bestimmung des Schutzumfangs die Möglichkeit der Beachtung dieser unterschiedlichen Gewichtungen bieten. Sofern das Urhebergesetz hier lediglich eine Schwarz-Weiß-Betrachtung böte, wäre eine Optimierung der kollidierenden Rechte nicht möglich, da es bereits beim leichtesten Überwiegen beispielweise der Interessen des Urhebers zu einem Verbotsrecht ohne Berücksichtigung möglicher ebenfalls gewichtiger Gegenrechte des Eigentümers und umgekehrt führen würde. Die Rechte des einen müssten dann pauschal zur Verwirklichung der Rechte des anderen hintanstehen, was dem Gedanken der Optimierung im Rahmen der praktischen Konkordanz und der Verhältnismäßigkeit widerspräche. Es gilt also zunächst zu untersuchen, ob es eine Möglichkeit geben kann, die unterschiedlich ausgeprägten Gewichtungsverhältnisse der Parteien in der Bestimmung der aus § 14 UrhG folgenden Schutzumfangbestimmung abbilden zu können.
E. Beachtung der so entstehenden Abwägungskonstellationen
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1. § 14 UrhG als in der Rechtsfolge zunächst „starr“ formulierte Norm Sieht man sich § 14 UrhG nochmals genauer an, so fällt allerdings auf, dass sich die Unbestimmtheit der Norm nicht auf die Rechtsfolge erstreckt. Im Gegenteil kann der Urheber nach § 14 UrhG die in Rede stehende Änderung seines Werkes bei einer Gefährdung seiner berechtigten Interessen verbieten oder nicht. Die Rechtsfolgenbestimmung des § 14 UrhG an sich ist also klar formuliert; eine unterschiedlich gelagerte Gewichtung der Einzelinteressen des Architekten und des Eigentümers kann deshalb nicht dadurch erfasst werden, dass dem Architekten eine alternative Rechtsfolge zum Verbotsrecht zugestanden wird. 2. Die Gefährdung als Anknüpfungspunkt für eine Schutzumfangbestimmung Einen Ansatz dennoch im Sinne der praktischen Konkordanz und auch der vom Gesetzgeber geforderten Begrenzung des § 14 UrhG,303 die Abwägungsverhältnisse des speziellen Falles und somit auch mögliche Gegeninteressen bei der Bestimmung des Schutzumfangs achten zu können, bietet wiederum das Merkmal der berechtigten Interessen bzw. der Gefährdung solcher. Nur wenn und soweit eine Gefährdung solcher Interessen besteht, wird die in § 14 UrhG angelegte Rechtsfolge ausgelöst und dem Urheber kann die Verhinderung des Änderungsvorhabens zugestanden werden. Kann die Gefährdung der berechtigten Interessen beispielsweise im Falle eines lediglich leichten Überwiegens der Interessen einer der Parteien beseitigt werden, so löst sich damit auch die Rechtsfolge des § 14 UrhG auf und das Werk darf verändert werden. § 14 UrhG wäre dann beispielsweise so zu lesen, dass ein Änderungsbegehren des Bauherrn so lange in der Lage ist, die berechtigten Interessen des Urhebers zu gefährden, wie letzterem nicht bestimmte und in Relation zum Abwägungsergebnis zu bestimmende Befugnisse zugestanden werden, mit der Folge, dass dieser das Änderungsbegehren so lange auf Grundlage des § 14 UrhG verhindern kann. Je deutlicher hierbei die Urheberinteressen in der Abwägung wiegen, desto deutlicher müssen die Zugeständnisse ausgestaltet werden und umgekehrt. § 14 UrhG bietet also einen Ansatzpunkt für eine Schutzumfangbestimmung, welche sich am Verhältnis der kollidierenden Interessenlage orientieren kann, was im Folgenden weiter untersucht und verdeutlicht werden soll.
303
BT-Drcks. IV/270, S. 45.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
II. Schutzumfang bei einem deutlichen Überwiegen der Interessen einer Partei Die gegenläufigen Rechte im Rahmen der praktischen Konkordanz sollen in optimaler Weise einander zugeordnet werden, was im Einzelfall auch ein Unterliegen der Rechte einer Seite zur Folge haben kann, sofern dies in der Fallgestaltung angezeigt ist.304 Sollte sich so beispielsweise ein schaffender Künstler eines Werkes der reinen Kunst im Bereich höchster Individualität einem rein ästhetischen Änderungsbegehren gegenübersehen, so würde dies in der Abwägung zu einem erdrückenden Gewicht der Urheberinteressen führen. Dieses sehr starke Übergewicht rechtfertigt es dann – auch in Hinblick auf die praktische Konkordanz – dem Schaffenden ein bedingungsloses Verbotsrecht auf Grund seiner berechtigten Interessen am Werk zuzusprechen, so dass die geplanten Änderungen zu unterlassen wären. Umgekehrt wird der Architekt eines Eigenheims, welches sich gerade noch vom alltäglichen Routineschaffen abzuheben vermag, dem Eigentümer dieses Recht bei geplanten bestandserhaltenden Maßnahmen entgegenhalten können. Sollte es demnach in der Abwägung zu einem erdrückenden Übergewicht der Interessen einer der beiden Seiten kommen, so ist es im Einzelfall auch mit dem Grundsatz der praktischen Konkordanz und der damit einhergehenden Pflicht zur Optimierung der entgegengesetzten Interessenlagen angezeigt, dass eine der beiden Seiten ihre Rechte zur Optimierung der Rechte des anderen zurückstellen muss.
III. Weitere mögliche Rechtsfolgen mit Blick auf die Optimierung bei einem Auf- oder leichtem Überwiegen Schwieriger zu beurteilen sind jene Fälle, in denen es zu einem Aufwiegen der beidseitigen Interessen oder einem lediglich leichten Überwiegen zu einer der beiden Seiten kommt. In derartigen Konstellationen können beide Parteien gewichtige Argumente ins Feld führen, so dass sich mit Blick auf eine Optimierungspflicht im Rahmen der praktischen Konkordanz ein gänzliches Zurücktreten einer der beiden Seite konsequenterweise verbietet. 1. Anspruch des Urhebers auf Anonymität nach § 13 UrhG § 13 UrhG gibt dem Schaffenden als Norm des Urheberpersönlichkeitsrechts das Recht auf Anerkennung seines Werkes. Er kann bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung versehen wird305 und welche Bezeichnung hierbei zu wählen 304
Siehe hierzu zuvor S. 83. Siehe zur Urhebernennung bei weiteren Verwendungen: Schricker/Loewenheim/Peukert, UrhR § 13 Rn. 16 f. 305
E. Beachtung der so entstehenden Abwägungskonstellationen
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ist. Der Urheber kann gegen jeden klagen, der seine Urheberschaft bestreitet oder aber sich die Urheberschaft des Werkes selbst anmaßt.306 Der urheberrechtliche Schutz knüpft an die Bindung des Schaffenden zum Werk an. In der Folge soll der Urheber nicht mit einem Werk in Verbindung gebracht werden, das er so nicht der Öffentlichkeit preisgeben wollte. Da jene Bindung insbesondere im Bereich der kleinen Münze kaum noch wahrnehmbar ist bzw. vielleicht lediglich durch eine Urheberbezeichnung realistischerweise hergestellt werden kann, erscheint ein umgekehrter Anspruch des Architekten auf Entfernung jeglicher Bezeichnungen und die Unterlassung der Nennung des Architekten als ursprünglichen Urheber des Werkes, sprich ein Anspruch auf Anonymität,307 als ein Mittel, mit dem der soziale Geltungsanspruch des Schaffenden im Bereich der untersten Baukunst jedenfalls bei geringen Eingriffen oder einem leichten Überwiegen der Interessen des Eigentümers berücksichtigt werden kann. Die Zulässigkeit etwaiger Änderungsvorhaben könnte so in bestimmten Bereichen in Kumulation mit weiteren Zugeständnissen daran geknüpft werden können.308 2. Zugangs- und Dokumentationsrecht nach bzw. in Anlehnung an § 25 UrhG Nach § 25 UrhG kann der Urheber zum Zwecke der Herstellung von Vervielfältigungen oder Bearbeitungen eines Originalwerkes im Besitz eines anderen den Zugang zu diesem Werk verlangen, insofern nicht berechtigte Interessen des Besitzers dem entgegenstehen. Das Zugangsrecht soll als Ausfluss des Urheberpersönlichkeitsrechts309 der Tatsache Rechnung tragen, dass dieses Band auch dann nicht zerreißt, wenn der Urheber das Werk nicht mehr in seinem Besitz hat.310 Dem Urheber soll es möglich bleiben, weitere Werke auf Grundlage des Originals anfertigen zu können, so dass § 25 UrhG ideelle wie materielle Zwecke verfolgt.311 Allerdings soll das Zugangsrecht nicht dazu genutzt werden dürfen, den Zustand des Werkes zu überprüfen und sicherzustellen, dass keine Änderungen vorgenommen wurden bzw. ein Bauwerk nach den Planungen gebaut wurde.312 Das Recht des § 25 UrhG ist zweckgebunden und nur auf die Herstellung von Bearbeitungen im Sinne des § 23 UrhG und Vervielfältigungen im Sinne des § 16 UrhG beschränkt.313 306
Rn. 4. 307
Siehe hierzu: BT-Drcks. IV/270, S. 44; Schricker/Löwenheim/Peukert, UrhR § 13
Zum generellen Bestehen eines solchen Anspruchs aus § 13 UrhG: Dreyer/Kotthoff/ Meckel/Dreyer, UrhR § 13 Rn. 9. 308 So auch: Dreyer/Kothoff/Meckel/Dreyer, UrhR §14 Rn. 71. 309 BeckOK UrhR/Freudenberg, Einl. § 25. 310 Reimer, GRUR 1962, 619, 619; Schricker/Loewenheim/Vogel, UrhR § 25 Rn. 4. 311 Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR § 25 Rn. 10; Dreyer/Kothoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 25 Rn. 3; Schricker/Loewenheim/Vogel, § 25 Rn. 4. 312 Zu Fotografien eines Architekten zur Kontrolle OLG Düsseldorf GRUR 1979, 318, 318 – Treppenwangen. 313 OLG Düsseldorf ZUM-RD 2016, 368, 375.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
Da ein solches Zugangsrecht allerdings gleichzeitig sogar empfindlich in die Rechte wie die Privatsphäre des Eigenheimeigentümers eingreifen kann, ist hierbei eine Abwägung vorzunehmen, welche in Ausnahmefällen auch zur Verweigerung des Zugangsrechts führen kann.314 Das Zugangsrecht muss daher mit Rücksicht auf die betroffenen Interessen des anderen ausgeübt werden und ist demnach beispielsweise auf einen minimalen Aufwand315 und eine minimale Belastung zu begrenzen,316 so dass beispielsweise nur auf das Betreten des Urhebers ohne Hilfspersonen, die Vermeidung von Unzeiten, die Rücksicht auf Krankheiten etc. Voraussetzung einer Ausübung sein können.317 Wurde dem Urheber hingegen bereits ein Zugang zum Werk ermöglicht und haben sich in dieser Zeit keine wesentlichen Umstände geändert, so ist dem Eigentümer ein erneuter Zugang des Urhebers im Rahmen der Abwägung des § 25 UrhG nicht mehr zuzumuten.318 Bei Zerstörungen eines Werkes, welche der BGH in jüngster Rechtsprechung nunmehr dem Anwendungsbereich des § 14 UrhG unterstellt,319 bezieht der BGH in die Abwägung zur Zulässigkeit solcher Zerstörungshandlungen die Frage mit ein, ob dem Urheber im Vorhinein die Möglichkeit des Erwerbs der zu zerstörenden Sache oder die Vervielfältigung des Werkes ermöglicht wurde.320 Wenn der BGH hierbei Zerstörungen als Beeinträchtigungen im Sinne des § 14 UrhG ansieht, so muss dies konsequenterweise auch auf andere Arten der Beeinträchtigung oder Entstellungen übertragbar sein. Wenn also beispielsweise der Bauherr eine Änderung seines Innenbereiches plant, so kann daran geknüpft werden, dass der Bauherr dem Architekten hierfür noch einmal die Möglichkeit geben muss, das Werk abzulichten, abzuzeichnen, die Architektenpläne zu kopieren oder das Werk sonstig für sein Archiv oder für Akquisezwecke zu dokumentieren. In den Fällen, in denen ein solches Zugangsrecht als Rechtsfolge, gegebenenfalls in Kumulation mit dem Namensnennungsverbot angemessen erscheinen könnte, können weder die Rechte des Architekten die des Bauherrn ausstechen noch umgekehrt. Im Sinne der Optimierung der beidseitigen kollidierenden Rechtspositionen könnte also angenommen werden, dass im Falle der Änderung auch ein nochmaliger Zugang nach einiger Zeit sowie die Heranziehung eines professionellen Fotografen, der beispielsweise für eine angemessene Belichtung der Abbildungen sorgen kann, zumutbar erscheinen. 314
Schricker/Loewenheim/Vogel, UrhR § 25 Rn. 17. Erdmann, FS Piper, 655, 668; Schricker/Loewenheim/Vogel, UrhR § 25 Rn. 16. 316 Schricker/Loewenheim/Vogel, UrhR § 25 Rn. 16. 317 Schricker/Loewenheim/Vogel, UrhR § 25 Rn. 16. 318 Schricker/Loewenheim/Vogel § 25 Rn. 18. 319 Hierzu insbesondere zuvor S. 127 ff. 320 BGH GRUR 2019, 609, 613 – HHole; BGH GRUR 2019, 619, 620 – Minigolfanlage; Erdmann, FS Piper, 655, 674. 315
E. Beachtung der so entstehenden Abwägungskonstellationen
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3. Hinzuziehungsanspruch des Architekten Eine weitere Möglichkeit mit Blick auf die Rechtsfolgen könnte in einer Hinzuziehung des Architekten für die intendierten Änderungen des Bauherrn gesehen werden. Ob ein solcher Anspruch dem Architekten zugestanden werden kann, ist umstritten. Dem könnte entgegengehalten werden, dass der Architekt mit der Zahlung des im Architektenvertrag vereinbarten Honorars das Entgelt für die volle Auftragsund Urheberleistung bekommen habe.321 Sicherlich ist daran richtig, dass der Architekt für die ursprüngliche Leistung ein Entgelt erhalten hat, dies vermag allerdings nichts an der bestehenden urheberpersönlichen Bindung des Schaffenden zu verändern, welche auch nach Erhalt eines Entgelts fortbesteht und darüber hinaus weder abdingbar noch schuldrechtlich übertragbar ist.322 Wenn nun die Abwägung der kollidierenden Interessen ein Aufwiegen oder ein leichtes Überwiegen mit Blick auf die Rechte des Architekten zeigt, so ist dies an Rücksichtnahmepflichten für beide Seiten gebunden. Der Architekt kann die Änderung nicht gänzlich verhindern, der Bauherr muss dennoch die gewichtigen Urheberinteressen achten, die seinem Änderungsbegehren entgegenstehen. Geht man dabei zunächst von der im Werkvertragsrecht bestehenden Kooperationspflicht aus und führt sich noch einmal vor Augen, dass gerade in den Bereichen des leichten Überwiegens der Urheberinteressen bzw. dem Aufwiegen der gegensätzlichen Interessenlage beider Seiten sowohl Architekt als auch Bauherr Rücksicht auf die Rechte des anderen nehmen müssen, so würde eine Beteiligung des ursprünglichen Architekten die Beachtung der beidseitigen Interessen im Sinne der praktischen Konkordanz optimieren, an deren Notwendigkeit das für die ursprünglichen Leistungen erhaltene Entgelt nichts zu ändern vermag.323 Der Bauherr darf die Änderung seines Werkes dann zwar durchführen, der Architekt hat aber gleichzeitig die Möglichkeit, das Werk soweit es möglich ist in seinem Sinne zu erhalten oder vielleicht sogar durch die geplanten Änderungen künstlerisch zu erweitern. Zu begrenzen sein wird ein solcher Hinzuziehungsanspruch auf einen für den Bauherrn zumutbaren Rahmen, welcher umso weiter zu fassen sein wird, je deutlicher die Urheberinteressen ins Gewicht fallen. So kann es beispielsweise bei einem Überwiegen der Architekteninteressen auch geboten sein, aus Respekt vor und Rücksichtnahme auf die individuelle Schaffensleistung des Urhebers auch im Falle 321 So: Gerlach, GRUR 1976, 613, 623. Ohne weitere Begründung ablehnend siehe auch: BeckOK UrhR/Kroitzsch/Götting, § 14 Rn. 27; Hesse, BauR 1971, 209, 220 grds. ablehnend, nimmt allerdings eine mögliche Hinzuziehung oder beratende Tätigkeit des ursprünglichen Architekten an, wenn lediglich dieser eine möglichst weitgehende Erhaltung des Werkes sichern kann; Locher, Das private Baurecht, Rn. 360. 322 Siehe hierzu zuvor S. 120. 323 v. Waasen, Das Spannungsfeld, S. 129 f. bezeichnet den Hinzuziehungsanspruch deshalb als „bestechende Möglichkeit des Interessenausgleichs“; dem zustimmend Engl, Der Urheberrechtschutz, S. 84.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
eines Überwürfnisses diesen noch einmal zu kontaktieren. Sollte sich der Architekt allerdings dem Änderungsbegehren des Bauherrn verwehren und sich unkooperativ zeigen, so wird von einem Verwirken des Hinzuziehungsanspruches ausgegangen werden müssen. Dem kann auch nicht ablehnend entgegengehalten werden, dass der Architekt im Falle des § 39 UrhG an nichts beteiligt werden solle, dass nach Treu und Glauben zulässig ist.324 Bei der Frage der Zulässigkeit einer Änderung gem. § 39 S. 2 UrhG geht es nicht etwa um die Bestimmung dessen, was nach dem Architektenvertrag geschuldet und demnach in der verpreisten Leistung enthalten ist, als vielmehr um die Frage, ob der Architekt auf rein urheberrechtlicher Ebene und in Anbetracht des mit dem Architektenvertrag verbundenen urheberrechtlichen Vertrages der Einräumung eines weiteren Nutzungsrechts die Einwilligung versagen kann oder nicht. Da auch hier die gegenläufigen Rechte einem Ausgleich zugeführt werden müssen, schließt dies auch hier nicht aus, dass der Architekt an der Änderung beteiligt wird. Im Übrigen ist ein solches Einverständnis auch bei einer Beteiligung des Architekten an der Durchführung des Änderungsvorhabens notwendig, da nicht dieser, sondern ein vom Bauherrn beauftragter Bauunternehmer das Werk verändert.325 Auch die Berufung darauf, dass es im Rahmen des § 39 UrhG lediglich um persönlichkeitsrechtliche Interessen gehe, verfängt in Anbetracht der untrennbaren monistischen Verbindung der ideellen und materiellen Interessen innerhalb des Urheberrechts nicht. Mit der Hinzuziehung des Architekten steht also ein weiteres Mittel zur Beachtung der beidseitigen Interessen im Sinne der praktischen Konkordanz zur Verfügung, mit Hilfe dessen sich die grundsätzliche Flexibilität des Urhebergesetzes auch auf die Rechtsfolgen übertragen ließe.326
324
So: Gerlach, GRUR 1976, 613, 624. Dies übersieht beispielsweise auch der I. Zivilsenat des BGH in: BGH GRUR 1973, 663, 665 – Wählamt; eher beiläufig: BGH GRUR 1982, 107, 109 – Kirchen-Innenraumgestaltung; BGH GRUR 1984, 656, 658 – Vorentwurf, der im Gegensatz zum VII Zivilsenat des BGH (BGH GRUR 1975, 445; siehe auch OLG München NJW-RR 1995, 474, 474) eine Einräumung etwaiger Nutzungsrechte bei einer Beauftragung mit allen Leistungsphasen unzutreffenderweise für nicht erforderlich hält, da der Architekt dann das Werk selbst bauen könne. 326 So auch Engl, Der Urheberrechtschutz, S. 84 ff.; v. Waasen, Das Spannungsfeld, S. 129 f. m. w. N.; Tölke, Das Urheberpersönlichkeitsrecht, S. 85 f.; Neuenfeld, BauR 1975, 365, 373; Dreyer/Kothoff/Meckel/Dreyer, UrhR § 14 Rn. 73. 325
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F. Anwendung des gefundenen Abwägungssystems und Rechtsfolgenzuordnung unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Abwägungssituationen Auf Grundlage dieses Systems wird es nun möglich, einzelne allgemeine Abwägungssachverhalte durchzuspielen und die zu erwartenden Abwägungsergebnisse abzubilden. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass die Gestaltungshöhe, also der Grad der Individualität, sich nicht als klar fassbarer Wert definieren lässt. Auch werden zwei Werke niemals miteinander vergleichbar sein, so dass festgelegt werden könnte, dass ein Werk beispielsweise einen wie auch immer gearteten Individualität von „95“, ein anderes dagegen „93“ erreichen könnte. Die Entscheidung über den Schutzumfang eines Werkes ist und wird letzten Endes eine Einzelfallentscheidung bleiben müssen. Auch das gefundene System wird also zunächst nicht in der Lage sein, die Wertungsausfüllungsbedürftigkeit und Unbestimmtheit der §§ 14 und 39 UrhG gänzlich im Vorhinein aufzuheben. Gleichwohl ist es möglich, ein Werk grob danach einzuteilen, ob dieses eher im unteren mittleren oder höchsten Bereich einer möglichen Individualität anzusiedeln ist. Im Zusammenwirken mit den Eigentümerinteressen und unter Zugrundelegung der gefundenen verfassungsrechtlichen Rahmenbestimmungen und Kriterien aus der induktiven Betrachtung der urheberrechtlichen Normen ergibt sich ein grobes Abwägungsverhältnis. Dieses Verhältnis kann sodann als Grundlage dienen, um zu bestimmen, in welchem Rahmen etwaige Schutzrechte liegen müssen. Gerade letzteres könnte so den Beweis dafür liefern, dass das Urhebergesetz auch in der Lage ist die hier im Fokus stehenden Änderungsbegehren des Bauherrn an einem Eigenheim im Bereich der kleinen Münze der Baukunst angemessen zu regeln.
I. Starkes Überwiegen der Interessen einer der Parteien Zunächst soll der Fall betrachtet werden, dass das Interesse einer der beiden Parteien dem der anderen Partei deutlich überwiegt.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
1. Mögliche Fallgestaltungen eines eindeutigen Überwiegens der Eigentümerinteressen a) Zwingende Änderungsbegehren an der Außen- oder Innengestaltung eines Eigenheims im Bereich der kleinen Münze
Zunächst denkbar wären hierfür zwingende Änderungsbegehren an der Außengestaltung eines Eigenheims im Bereich der kleinen Münze. Würde der Bauherr zur Unterlassung solcher Änderungsbegehren verpflichtet werden können, so könnte das Urheberrecht diesen dazu zwingen entgegen behördlicher Anordnungen, also rechtswidrig zu handeln, dem Verfall seines Eigentums zusehen zu müssen oder aber das Werk nicht mehr zum ursprünglichen Gebrauchszweck nutzen zu können, da beispielsweise eine Krankheit oder ein Unfall besondere Änderungsmaßnahmen notwendig machen. Gleichzeitig ist auf Seite des Eigentümers der privateste Lebensmittelpunkt betroffen. Die Interessen des Eigentümers wiegen also derart schwer, dass sie die Urheberinteressen bei weitem übertreffen. Der Architekt kann dem lediglich eine geringe Bindung zum Werk entgegenhalten. Auch wenn die Beeinflussung seines Werkes im Außenbereich stattfindet, wird er derartige Änderungen also hinnehmen müssen. Im Falle einer Betroffenheit des Innenbereiches wäre die Abwägung sogar noch deutlicher, da sich der Betrachterkreis auf einen abgrenzbaren Bereich beschränkt und damit äquivalent auch der soziale Geltungsanspruch des Urhebers in geringerer Weise tangiert wird. Selbst eine Erhöhung des Schutzinteresses des Architekten durch die Tatsache, dass etwaige Änderungen zu einer Verzerrung des Werkes führen, können das deutliche Übergewicht auf Seiten des Urhebers nicht zu einem leichten Überwiegen relativieren.
F. Anwendung des gefundenen Abwägungssystems und Rechtsfolgenzuordnung
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b) Dienliche Änderungsbegehren an der Außen- oder Innengestaltung eines Eigenheims im Bereich der kleinen Münze
Ähnlich fällt die Abwägung bei dienlichen Änderungsbegehren an einem entsprechenden Werk der kleinen Münze im Außen- und Innenbereich aus. Auch hier ist das Urheberrecht des Architekten durch die sehr geringe Bindung zum Werk im Falle der kleinen Münze nicht in der Lage, das Gewicht des Eigentums des Bauherrn aufzuwiegen, welches auch hier durch die Betroffenheit des Bereiches einer Wohnung und zudem durch die Dienlichkeit der geplanten Änderung zwar weniger als bei einer zwingenden Änderung wiegt, aber dennoch deutlich für die Interessen des Eigentümers zu Buche schlägt. Auch eine Entstellung wird hier noch nicht in der Lage sein an dieser Gewichtung etwas zu ändern. c) Ästhetische Änderungsbegehren an der Innengestaltung eines Eigenheims im Bereich der kleinen Münze
Ebenfalls zu einem überragenden Gewicht auf Seiten des Bauherrn wird es bei ästhetischen Änderungen eines Eigenheims der kleinen Münze im Innenbereich kommen müssen.
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
Zwar ist mit ästhetischen Änderungen die geringste Stufe der Notwendigkeit etwaiger Änderungsbegehren des Bauherrn erreicht, dennoch wiegt das Eigentum durch den Einschlag der Nutzung als Wohnung und demnach der Betroffenheit des Eigentums in seinem freiheitlichen Aspekt sehr stark. Gleichzeitig kann der Architekt mit einem Werk der kleinen Münze wiederum nur ein geringes urheberpersönlichkeitsrechtliches Interesse vorweisen, das durch die Betroffenheit des Innenbereiches und die damit einhergehende Minderung der Wahrnehmbarkeit nochmals geringer ins Gewicht fallen muss als etwaige Änderungen im Außenbereich. Auch eine Entstellung des Werkes wird hier noch nicht in der Lage sein eine entscheidende Wendung zu Gunsten des Architekten zu erreichen. 2. Mögliche Fallgestaltungen eines eindeutigen Überwiegens der Architekteninteressen
Das Recht des Eigentümers eines Eigenheims wiegt durch das Tangieren des freiheitlichen Aspektes in der Abwägung sehr deutlich. Im Bereich der kleinen Münze der Baukunst, in denen wohl die meisten urheberrechtlich relevanten Eigenheimgestaltungen liegen dürften, kann es dadurch nicht zu einem deutlichen Überwiegen der Architekteninteressen kommen. Um dies zu erreichen, müsste beispielsweise ein Werk mit einer hohen Individualität vorliegen. Da allerdings auch hier gewichtige Interessen des Eigentümers den Architekteninteressen gegenüberstehen, wird erst die zusätzliche Gewichtung der Urheberinteressen durch eine Entstellung des Werkes ausreichen, zu einem eindeutigen Überwiegen zu führen. Ein deutliches Überwiegen der Architekteninteressen ist nach dem bislang Gesagten also nur im Falle von Ästhetischen Änderungsbegehren an der Außengestaltung eines Eigenheims mit hoher Individualität in Form einer Entstellung möglich. 3. Schutzumfang des Urhebergesetzes in den Fällen des starken Überwiegens Die Rechtsfolgenzuweisung muss wie dargestellt im Ergebnis den verfassungsrechtlichen Rahmenkriterien einer Abwägung in Gestalt der Grundsätze der prak-
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tischen Konkordanz und der Verhältnismäßigkeit genügen. Die kollidierenden Rechte sollen beidseitig in bestmöglicher Weise verwirklicht werden, ohne dass einer der Parteien eine unzumutbare Belastung aufgebürdet wird. Diese angestrebte Optimierung kann allerdings im Einzelfall auch bedeuten, ein Recht zur Durchsetzung des anderen zurücktreten zu lassen, sofern dies hierfür notwendig ist. Überragt nun das Interesse der einen Seite das Interesse der anderen Seite derart stark, stehen also beispielsweise dem urheberpersönlichkeitsrechtlichen Interesse an einem Werk der kleinen Münze im Innenbereich ein erdrückend gewichtiges Eigentumsrecht einer zwingenden Änderung gegenüber, kann es also dem Optimierungsgedanken des Grundsatzes der praktischen Konkordanz entsprechen, dem Urheber zuzumuten, die intendierte Änderung hinzunehmen. Umgekehrt wird es dem Eigentümer aufgebürdet werden können, dass dieser eine Entstellung, also eine grobe Verzerrung einer Gestaltung, aus ästhetischen Gründen bei einem hochindividuellen Werk selbst bei einem Eigenheim unterlassen muss.
II. Aufwiegen der Interessen der Parteien Schwieriger zu beurteilen sein wird der Fall, dass sich die Interessen beider Parteien „auf Augenhöhe“ gegenüberstehen und sich somit aufwiegen. 1. Mögliche Fallgestaltungen eines Aufwiegens der Interessen der Parteien a) Ästhetische Änderungsbegehren an der Außengestaltung eines Eigenheims mit deutlich wahrnehmbarer Individualität
So werden sich zum Beispiel die ästhetischen Änderungsinteressen des Eigentümers an der Außenfassade eines Eigenheims mit den urheberpersönlichkeitsrechtlichen Interessen des Architekten bei deutlich wahrnehmbarer Individualität aufwiegen. Zwar ist mit dem Bereich der Wohnung ein für den Bauherrn sensibler Bereich betroffen, gleichzeitig sind die geplanten Änderungen lediglich ästhetischer
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
Natur. Auch kann der Architekt, dem eine nunmehr deutlich wahrnehmbare Bindung zum Werk entgegenhalten. b) Dienliche Änderungsbegehren an der Außengestaltung eines Eigenheims mit hoher Individualität
Im Ergebnis ebenso einzuordnen sein wird der Fall dienlicher Änderungsbegehren an einem Eigenheim im Bereich der hochindividuellen Baukunst. Zwar kann der Architekt hier mit seiner starken Bindung zum Werk ein sehr gewichtiges Argument ins Feld führen, allerdings steht dem das Eigentum in seiner freiheitlichen Komponente bei gleichzeitig dem Werk dienlicher Änderung gegenüber. c) Ästhetische Änderungsbegehren an der Innengestaltung eines Eigenheims mit deutlich wahrnehmbarer Individualität in Form einer Entstellung
Sofern sich eine ästhetische Änderung eines deutlich individuellen Werkes im Innenbereich abspielt, ist das Werk weniger der Wahrnehmung der Außenwelt ausgesetzt und müsste demnach zu einem leichten Überwiegen zu Gunsten des Eigentümers führen. Greifen die Änderungen allerdings so drastisch in die Gestal-
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tung ein, dass von einer groben Entstellung des Werkes auszugehen ist, ist durch die Notwendigkeit der Beachtung der Intensität des Eingriffs auch ein Aufwiegen der Interessen von Bauherr und Eigentümer möglich. d) Zwingende Änderungsbegehren im Außenbereich eines Eigenheims mit hoher Individualität in Form einer Entstellung
Sofern sowohl der Eigentümer im Falle von zwingenden Änderungsbegehren, also auch der Architekt mit einer hohen Individualität sehr schwerwiegende Interessen anführen können, so würde eigentlich durch den freiheitlichen Einschlag des Eigentumsrechts dieses das Urheberrecht leicht überwiegen. Wird durch die Änderung allerdings das Werk entstellt, so sind die Urheberinteressen besonders zu berücksichtigen und können demnach in der Lage sein, das Eigentum trotz Betroffenheit eines Eigenheims und der zwingenden Notwendigkeit der Änderungen aufzuwiegen. 2. Schutzumfang des Urhebergesetzes in den Fällen des Aufwiegens der gegenläufigen Interessen Sofern sich beide Interessen aufwiegend gegenüberstehen, sprechen sowohl für den Bauherrn als auch den Architekten gewichtige Argumente, ohne dass ein Momentum in die eine oder andere Richtung feststellbar wäre. Vor dem Hintergrund der angestrebten Zuordnung im Sinne der praktischen Konkordanz müssen derartige Konstellationen in besonderer Weise vom Optimierungs- und damit auch gegenseitigen Rücksichtnahmegedanken geprägt sein. Wäre das Urheberrecht an dieser Stelle nur in der Lage Änderungen in Gänze zuzulassen oder abzulehnen wäre hier ein unverhältnismäßiges Ergebnis in die eine oder andere Richtung zu erwarten. In der hier gefundenen Ausgangssituation muss vielmehr eine Rechtsfolge gefunden werden, welche beide Rechte gleichermaßen begünstigt, aber auch im notwendigen Maße beschränkt. Der Bauherr darf weder ohne Einfluss des Architekten das Werk ändern können, noch wird es dem Architekten zuzusprechen sein, jegliche
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3. Kap.: Ausgestaltung einer systematisierten Konkretisierung
Änderungen verhindern zu können. Am besten wird dem im Ergebnis ein Hinzuziehungsanspruch des Architekten gerecht. Wie angestrebt muss dieser zwar eine Änderung seines Werkes hinnehmen, kann diese aber selbst beeinflussen, möglicherweise am Ende sein Werk sogar bereichern und gleichzeitig den Wunsch des Bauherrn umsetzen. Wie angedeutet wird dieser Anspruch allerdings auf ein zumutbares Maß zu beschränken sein. Haben sich etwa Architekt und Bauherr überworfen, ist der Architekt, oder dessen Erben, nicht mehr bzw. nur mit enormem Aufwand auffindbar, wird eine Hinzuziehung dem Bauherrn nicht zumutbar sein. Sollte der Architekt überdies das Bauvorhaben nicht fördern und sich dem Änderungsbegehren letztlich so widersetzen wollen, kann er hierdurch seinen Anspruch auf Hinzuziehung ebenfalls verwirken. Auf diese Weise wäre eine Übervorteilung beider Seiten vermieden und die Parteien gleichzeitig gezwungen, auch vor dem Hintergrund der Kooperationspflicht des Werkvertrages eine gemeinsame Lösung zu finden.
III. Leichtes Überwiegen der Interessen einer Partei 1. Mögliche Fallgestaltungen eines leichten Überwiegens der Eigentümerinteressen a) Ästhetische Änderungsbegehren an der Außengestaltung eines Eigenheims im Bereich der kleinen Münze
Einen solchen Fall des leichten Überwiegens stellen ästhetische Änderungsbegehren an der Außenfassade eines Eigenheims im Bereich der kleinen Münze der Baukunst dar. Zwar wiegen Eigentum und Urheberrecht im Ausgangspunkt zunächst gleich. Auch sind hier mit ästhetischen Änderungsbegehren auf der einen und einer Bindung zu einem Werk der kleinen Münze auf der anderen Seite die am wenigsten zu gewichtenden Bereiche betroffen, allerdings erhält das Eigentumsrecht hier durch den freiheitlichen Einschlag des Bereiches eines Eigenheims zusätzliche Gewichtung, welche die Rechte des Urhebers leicht überwiegt. Da im Bereich der kleinen Münze nur
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sehr wenige individuelle Züge des Schaffenden feststellbar sind und eine Entstellung demnach sehr schnell erreicht werden kann, kann auch die Intensität des Eingriffs in diesem minimal künstlerischen Bereich das Ergebnis nicht entscheidend verändern. b) Ästhetische Änderungsbegehren an der Innengestaltung eines Eigenheims im Bereich der kleinen Münze in Form einer Entstellung
Greift ein Änderungsbegehren derart stark in die Gestaltung einer Innengestaltung eines Eigenheims im Bereich der kleinen Münze ein, dass hierdurch die eigentliche Gestaltung stark verfälscht wird, erhöht sich dadurch auch das Gewicht des Urheberrechts, so dass es in dem Falle auch im Innenbereich zu einem lediglich leichten Überwiegen der Interessen des Bauherrn kommen kann. c) Ästhetische Änderungsbegehren an der Innengestaltung eines Eigenheims mit deutlich wahrnehmbarer Individualität
Spielt sich ein ästhetisches Änderungsbegehren im Innenbereich eines Eigenheims ab, dessen Gestaltung eine deutliche Individualität aufweist, so kann der Architekt den gewichtigen Eigentümerinteressen ein gewichtiges Eigeninteresse
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entgegenhalten, allerdings wird dieser urheberpersönlichkeitsrechtliche Anspruch durch die verminderte Wahrnehmbarkeit im Innenbereich vermindert, so dass es zu einem leichten Überwiegen der Interessen des Bauherrn kommt, insofern das Änderungsbegehren das Werk nicht grob entstellt. d) Zwingende Änderungsbegehren an der Außengestaltung eines Eigenheims mit hoher Individualität
Im Falle der beiderseitigen Extreme können sowohl der Bauherr mit der zwingenden Notwendigkeit, als auch der Urheber mit einem Werk von hoher Individualität ein überragendes Interesse zu ihren Gunsten anführen. Wieder wird hierbei allerdings der freiheitliche Einschlag des Eigentumsrechts den Unterschied machen müssen und die Interessen des Eigentümers leicht überwiegen lassen, sofern keine Entstellung des Werkes vorliegt.
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2. Mögliche Fallgestaltung eines leichten Überwiegens der Architekteninteressen a) Ästhetische Änderungsbegehren an der Außengestaltung eines Eigenheims mit hoher Individualität
Im Falle von ästhetischen Änderungsbegehren im Außenbereich bei gleichzeitiger hoher Individualität kann der Architekt eine hohe Bindung und damit ein sehr gewichtiges urheberpersönlichkeitsrechtliches Interesse vorweisen, welches das Eigentum auf der anderen Seite überwiegt. Durch den freiheitlichen Einschlag reicht dies aber noch nicht für ein vollständiges und deutliches Überwiegen der Urheberinteressen aus, sofern es sich nicht zusätzlich um eine grobe Entstellung des Werkes handelt. b) Dienliche Änderungsbegehren an der Außengestaltung eines Eigenheims mit hoher Individualität
Sofern der Eigentümer eines Eigenheims dienliche Änderungen an einer Außenfassade von hoher Individualität vornehmen will, so führt dies, wie bereits gezeigt, erst einmal zu einem Aufwiegen der Interessen. Sofern die Änderung aller-
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dings auf eine grobe Entstellung des Werkes hinausläuft, kann sich das Ergebnis zu einem leichten Überwiegen zu Gunsten des Urhebers verlagern. c) Ästhetische Änderungsbegehren an der Außengestaltung eines Eigenheims mit deutlich wahrnehmbarer Individualität in Form einer Entstellung Ähnlich verhält sich dies bei ästhetischen Änderungsvorhaben im Außenbereich bei mittlerer Individualität. Auch hier wiegen sich die Interessen zunächst auf, im Falle der Entstellung kann sich dieses Ergebnis aber zu Gunsten des Architekten verlagern.
3. Schutzumfang des Urhebergesetzes in den Fällen des leichten Überwiegens der Interessen einer Partei Sofern nun also die Interessen des Architekten oder des Eigentümers leicht überwiegen, muss sich dies auch in der Zuordnung der Rechtsfolgen niederschlagen, ohne den Optimierungsgedanken der praktischen Konkordanz aus dem Blick zu verlieren. a) Rechtsfolgen bei einem leichten Überwiegen der Eigentümerinteressen Ausgehend vom Ergebnis der Gleichgewichtung beider Interessenlagen muss im Falle des Überwiegens des Eigentümers diesem ein „Mehr“ an Rechten zugestanden werden, wohingegen der Urheber zur erhöhten Rücksichtnahme verpflichtet ist. Gleichzeitig darf aber der Bauherr nach wie vor das Werk nicht ohne weiteres ändern. Kann dieses Ergebnis bei einem Aufwiegen noch durch einen Hinzuziehungsanspruch des Architekten abgebildet werden, so wird dieser dem Bauherrn beispielsweise bei einer Änderung der Außenfassade eines Werkes der kleinen Münze nicht mehr angemessen erscheinen. Bereits bei einem Aufwiegen muss der Bauherr sich nur in einem zumutbaren Maße mit dem Architekten auseinandersetzen. Im
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Falle des leichten Überwiegens hingegen kann den Architekteninteressen dadurch nachgekommen werden, dass dem Architekten in Anlehnung an die jüngste Rechtsprechung des BGH zu Werkzerstörungen ein Anspruch auf Dokumentation und Zugang nach § 25 UrhG sowie einen Anspruch auf Anonymität nach § 13 UrhG gegeben werden, an welchen eine etwaige Änderung gebunden wird. Dieser Anspruch umfasst auch im Rahmen des § 25 UrhG einen erneuten Zutritt und eine erhöhte Zumutbarkeit des Bauherrn beispielsweise bei der Dokumentation durch Fotografen etc. Auf diese Weise kann der Bauherr die gewünschten Änderungen zwar bis zur Grenze der Entstellung vornehmen, muss dabei allerdings in gewissem Maße die hier schwächeren Gegenrechte des Architekten dennoch beachten. b) Rechtsfolgen bei einem leichten Überwiegen der Architekteninteressen Sofern die Interessen des Architekten hingegen leicht überwiegen, so gilt auch hier, dass diesem im Vergleich zur Gleichgewichtung ein „Mehr“ an Rechten zugestanden werden muss. Gleichzeitig reichen die Rechte aber nicht dafür aus, das Änderungsbegehren gänzlich abzuwehren. Es muss das Ziel sein, dem Architekten einen gewissen Einfluss auf die Änderungen zu gewähren und gleichzeitig das Änderungsvorhaben dennoch nicht gänzlich zu verhindern. Auch in diesem Falle wird man der Interessenlage wohl durch einen Hinzuziehungsanspruch des Architekten gerecht. Hierbei muss dem Bauherrn allerdings im Rahmen der Zumutbarkeit mehr abverlangt werden können als bei einem Aufwiegen der Rechte. Zwar wird auch hier anzunehmen sein, dass der Architekt bei einer missbräuchlichen Sperrung vor dem Änderungsvorhaben generell seinen Anspruch verwirkt, dennoch wird es in dem Falle dem Bauherrn aus Respekt und Achtung vor der individuellen Leistung des Architekten zuzumuten zu sein, diesen beispielsweise auch im Falle des Überwürfnisses noch einmal ernstlich zu kontaktieren und den Versuch einer Zusammenarbeit in die Wege zu leiten. Sollte der Bauherr hingegen ohne etwaige Kompromissbereitschaft in dem Falle seine Vorstellungen durchsetzen wollen, so wird der Architekt eine Änderung über § 14 UrhG verhindern können, da er bis zur ernstlichen Hinzuziehung in seinen berechtigten Interessen verletzt ist. So würde es gelingen, dem Architekten einen deutlicheren Einfluss auf das Werk zu geben, das Änderungsvorhaben beispielsweise im Falle einer ästhetischen Änderung der Außenfassade eines Eigenheims von hoher Individualität dennoch vorzunehmen.
Gesamtergebnis Im Ergebnis ist das Urheberrecht also bei weitem nicht das starre und absolute Schutzrecht, für das man es auf den ersten Blick halten könnte. Im Gegenteil ist es, bedingt durch seine äußerst große Spannweite, auf ein hohes Maß an Flexibilität angewiesen, welche der Gesetzgeber durch die Normierung unbestimmter, wertungsausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe in den entscheidenden änderungsrechtlichen Normen der §§ 14 und 39 UrhG erreicht. Weil auf abstrakt genereller Ebene niemals die Möglichkeit bestehen wird, die mannigfaltigen Fallgestaltungen vorauszusehen, sämtliche kollidierenden Interessen im Blick zu haben und jene so dann einem angemessenen Ausgleich zuzuführen, gibt er diese Entscheidung an die Judikative weiter, welche hierbei in ihrer Entscheidung auf die notwendigen Erkenntnisse des Einzelfalles zurückgreifen kann. Die Gerichte müssen so am speziellen Sachverhalt eine Wertungsentscheidung vornehmen und bestimmen, welche Änderungsbegehren berechtigte Interessen des Urhebers gefährden bzw. wann eine unterlassene Nutzungsrechteeinräumung treuwidrig wäre. Die Judikative nimmt also letztlich ein Stück weit legislative Aufgaben wahr und bestimmt den Anwendungsbereich der Normen in gewisser Weise mit. Damit hierdurch nicht Rechtsunsicherheit und Willkür ins Urheberrecht Einzug halten, ist diese Konkretisierung unbestimmter, wertungsausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe einer Systematisierung zu unterwerfen, welche sich im Ergebnis aus der verfassungsrechtlichen Zielsowie Rahmenbestimmung, insbesondere aus den Grundsätzen der praktischen Konkordanz bzw. der Verhältnismäßigkeit, ergibt. Diese Rahmenbestimmungen werden so dann durch Merkmale, abgeleitet aus einer induktiven Betrachtung der einschlägigen urheberrechtlichen Normen, ausgefüllt und somit anwendbar. Es entsteht ein System, bei dem ganz nach den Ausführungen Wilburgs zum Schadensrecht unterschiedliche Elemente zur Bestimmung der Schutzfähigkeit mal mehr, mal weniger vorliegen und in ihrer kumulativen Zusammenwirkung das Schutzinteresse des Architekten wie das des Eigentümers abbilden, woraus wiederum der angemessene Schutzumfang abgeleitet werden kann. Auf Seiten des Urhebers bestimmt konkret zunächst die Bindung zum Werk, bedingt durch die Individualität, das Gewicht des dem Änderungsrecht zu Grunde liegenden Urheberpersönlichkeitsrechtes. Dieses wird umso stärker ins Gewicht fallen, je deutlicher etwaige individuelle Züge im Werk wahrnehmbar sind. Zudem wird das Urheberpersönlichkeitsrecht des Schaffenden umso stärker betroffen sein, je mehr der Eigentümer bis hin zur Entstellung in die Gestaltung des Werkes eingreift.
Gesamtergebnis
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Auf der anderen Seite ist der Architekt im Bereich der Baukunst darauf angewiesen, dass der Bauherr das von ihm gestaltete Werk in der Realität verwirklicht. Dies und der Kooperationsgedanke des Werkvertragsrechtes gebieten es demnach, dass der Urheber hierbei Rücksicht auf den Gebrauchszweck des Werkes nehmen muss. Je notwendiger die intendierte Änderung demnach ist, desto deutlicher wird das Eigentumsrecht wiegen müssen. Auf Seiten des Bauherrn kommt entscheidend hinzu, dass dieser in den hier relevanten Fallgestaltungen das Werk als Wohnraum und damit als privatesten Lebensbereich nutzt. Das Eigentumsrecht ist demnach in seinem freiheitlichen Aspekt betroffen und fällt deshalb bei jeglichen Änderungsbegehren entscheidend ins Gewicht. Sofern das kumulative Zusammenwirken der unterschiedlichen Merkmale auf beiden Seiten ein erdrückendes Gewicht zur einen oder anderen Seite erzeugt, sind auch vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich notwendigen Ausgleichs den entsprechenden Interessen stattzugeben und eine Gefährdung berechtigter Interessen, sprich eine Ablehnung des Bauvorhabens oder aber gegenteilig eine Genehmigungspflicht der intendierten Änderungsmaßnahmen, anzunehmen. Sofern es allerdings lediglich zu einem leichten Überwiegen oder Aufwiegen der konträren Interessen kommt, spielt der Optimierungsgedanke der praktischen Konkordanz eine entscheidende Rolle, nachdem dann beide Rechte so weit als möglich berücksichtigt werden müssen und kein Recht pauschal zu Gunsten des anderen zurückzutreten hat. Obwohl § 14 UrhG in seiner Rechtsfolgenbestimmung lediglich die Ablehnung oder Zulässigkeit etwaiger Änderungsbegehren vorsieht, kann erstere nur so lange zugesprochen werden, wie auch eine Gefährdung etwaiger berechtigter Interessen vorliegt. Was zunächst banal klingt, bietet die Möglichkeit, die Zulässigkeit einer Werkänderung an weitere Zugeständnisse an den Urheber zu knüpfen, welche umso deutlicher ausfallen müssen, je stärker die Abwägung in Richtung des Schaffenden tendiert. Im Ergebnis ermöglicht das Urhebergesetz dem Anwender bei einem solchen Verständnis die hinreichende Beachtung des speziellen Einzelfalles selbst in Bezug auf Werke der kleinen Münze der Baukunst. Im Falle des Eigenheims als Schutzobjekt kann das Urheberrecht des Schaffenden demnach maximal im Falle der ästhetisch motivierten Entstellung einer Außenfassade eines Werkes mit hoher Individualität zu einem Ablehnungsrecht des Urhebers führen, welches auch nicht durch etwaige Zugeständnisse relativiert werden könnte. Im Bereich der kleinen Münze hingegen müsste der Bauherr „schlimmstenfalls“ bei konsequenter Anwendung des erarbeiteten Systems eine Hinzuziehung des Architekten unter zumutbaren Umständen hinnehmen, was sowohl die gewichtigen Gegeninteressen als auch die Tatsache, dass in dem Fall eine nur noch schwer wahrnehmbare Bindung des Architekten zu seinem Werk besteht, berücksichtigt. Das Urheberrecht ist also in der Lage, angemessen auf die Schutzfähigkeit der kleinen Münze der Baukunst reagieren, so dass der Rechtsanwender einer Absenkung der Schutzuntergrenze in Folge der Geburtstagszug-Entscheidung in Bezug auf bestehende Bauwerke auch in Zukunft gut gerüstet entgegensehen kann.
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Sachwortregister Änderungsverbot
154 ff.
Baukunst 21 ff. Berechtigte Interessen 141 ff. Bewegliches System 161 ff. Denkmalschutzrecht
32
Eigenheime als Schutzobjekte 33 f. Eigentümlichkeit siehe Individualität Eingriffsintensität 145 ff. Entstellungsverbot 116 ff. Erforderlichkeitsgrundsatz 87 ff. Gebrauchszweck des Werkes 146 ff. Geburtstagszug-Entscheidung 31 f. Gestaltungshöhe 27 ff. – „Abschied“ von 30 ff. – als Gewichtungskriterium 121 ff. Hinzuziehungsanspruch
171 ff.
Individualität 25 ff. Interessenabwägung 142 ff. Interessenlagen 35 ff. – des Architekten 42 ff. – des Bauherrn 35 ff.
Kleine Münze 28 ff. Kunstfreiheit Art. 5 III GG
45 ff.
Novellierung des GeschmMG 30 ff. Notwendigkeit von Änderungen 148 ff. – ästhetisch 154 – dienlich 152 ff. – zwingend 149 ff. Praktische Konkordanz 81 ff. Privatautonomie/Privatheteronomie Schöpfungshöhe Tod des Urhebers
93 ff.
siehe Gestaltungshöhe 122 ff.
Unbestimmte Rechtsbegriffe
53 ff.
Verhältnis §§ 14, 32 UrhG 154 ff. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 85 ff. – Anwendbarkeit im Zivilrecht 95 ff. Wahrnehmbarkeit des Werkes Werkbegriff 23 ff.
138 ff.
Zerstörung als Entstellung 127 ff. Zugangs- und Dokumentationsrecht 169 ff. Zweckneutralität des Urheberrechts 20 ff.