Das mittelniederdeutsche Theophilus-Spiel: Text – Übersetzung – Stellenkommentar 9783110221480, 9783110221473

This publication of the three 15th century Low German versions of the play of Theophilus is based on the revised edition

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German Pages 374 [379] Year 2009

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Table of contents :
Frontmatter
Inhaltsverzeichnis
1.1 Herstellung der Texte, Einrichtung von Text und Apparat
1.2 Zur Übersetzung
1.3 Fassung H und S in paralleler Wiedergabe
1.4 Fassung T im Originaltext
1.4 Fassung T in Übersetzung
2.0 Vorbemerkung
2.1 Kommentar
3.0 Vorbemerkung
3.1 Traditionen: zur Stoffgeschichte des mittelniederdeutschen ‚Theophilus‘
3.2 Der Gruppe der mittelniederdeutschen Spiele
4.0 Vorbemerkung
4.1 Theophilus auf Pergament, in Stein und auf Glas
Backmatter
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Das mittelniederdeutsche Theophilus-Spiel: Text – Übersetzung – Stellenkommentar
 9783110221480, 9783110221473

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Andre´ Schnyder Das mittelniederdeutsche Theophilus-Spiel

Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte Begründet als

Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker von

Bernhard Ten Brink und Wilhelm Scherer

Herausgegeben von

Ernst Osterkamp und Werner Röcke

58 ( 292 )

≥ Walter de Gruyter · Berlin · New York

Das mittelniederdeutsche Theophilus-Spiel Text − Übersetzung − Stellenkommentar

von

Andre´ Schnyder

≥ Walter de Gruyter · Berlin · New York

앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier, 앪 das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

ISBN 978-3-11-022147-3 ISSN 0946-9419 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 쑔 Copyright 2009 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Sigurd Wendland, Berlin

Das mittelniederdeutsche Theophilus-Spiel

Text mit Übersetzung – Kommentar – Einführung ins Werk

von André Schnyder

II

Vorwort

III

Vorwort

Das vorliegende Buch ist aus Anlass eines Seminars über den Teufelspakt entstanden. Bei der Vorbereitung wurde rasch deutlich, dass der interessanteste einschlägige mittelalterliche deutsche Text, das niederdeutsche ‚Theophilus‘-Spiel, für die Studierenden aus sprachlichen Gründen unter heutigen Lehrbedingungen unrezipierbar bleibt, wenn ihnen nicht geeignete Hilfsmittel in Form von Übersetzung und Kommentar zur Verfügung gestellt werden. Dass dann aus Veranstaltungsmaterialien ein Buch geworden ist, hat gewiss mit Interesse und mit Freude an der Sache zu tun. Beides ging einher mit Lust und Bedenkenlosigkeit eines Germanisten beim Dilettieren. Wer ja die deutschen ‚Theophilus‘-Spiele in einem einigermassen angemessen weiten Rahmen sehen will, muss sich auch auf das Territorium etlicher mehr oder weniger benachbarter Disziplinen vorwagen: Theologie, Byzantinistik, Mittellatein, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft – um nur einige zu nennen; andere, wie etwa die verschiedenen romanischen Philologien oder die mittelenglische, sind dabei bereits übergangen (dies ist ein gutes Recht des Dilettanten). Ziel war es nicht, die deutschen Spiele vor einem gleichmässig ausgeleuchteten und umfassend angelegten Hintergrund zu zeigen. Versucht wird vielmehr, den interessierten Lesern des deutschen ‚Theophilus‘ erste Instrumente zu einer eigenständigen, gründlichen und vielseitigen Lektüre, die weder philologische Genauigkeit im Textverständnis noch den weiten Horizont kulturgeschichtlicher Betrachtung verschmäht, an die Hand zu geben. Am Anfang eines solchen in kurzer Zeit „nebenher“ geschriebenen Buches steht das Vergnügen bei der ersten überschaubaren Zeile. Am Ende sind daraus unabsehbar viele geworden, und sie enthalten Tausende von Informationen, die der Autor nach bestem Wissen recherchiert, hingesetzt und schliesslich, nach Monaten schon etwas betriebsblind geworden, mühevoll kontrolliert hat. Es bleibt so nur noch die Hoffnung, dass nicht zu viele Irrtümer stehen geblieben sind. Immerhin mag sich der Leser daran erfreuen, wenn er welche findet und sie für sich korrigieren kann.

VI

Vorwort

Am Beginn hat meine Lausanner Helferin Catalina Schiltknecht beim Abtippen und bei der Einrichtung des Textes mitgearbeitet; beim Korrekturenlesen am Schluss konnte ich auf die sachkundige und wie immer engagierte Unterstützung meiner Lausanner Assistentin Catherine Drittenbass, die zahlreiche Fehler zur Strecke gebracht hat, zählen. An sie beide geht mein herzlicher Dank ebenso wie an Therese Bruggisser-Lanker (Bern), Cora Dietl (Giessen), Edith Keller (Bern), Dieter Möhn (Hamburg), Simone Häberli (Bern) und Max Schiendorfer die mir mit Sachauskünften weiter geholfen haben. Verpflichtet bin ich schliesslich Werner Röcke, dem Herausgeber, für die Aufnahme des Buches in die Reihe „Quellen und Forschungen“. Ein besonderer Dank gebührt der neugermanistische Berner Kollegin Barbara Mahlmann-Bauer dafür, dass sie seinerzeit auf die Idee eines gemeinsamen Seminars über den mittelalterlichen und den modernen Faust eingegangen ist und es mit ihrer Sachkenntnis und Begeisterung bereichert hat.

Muri bei Bern, Sommer 2009

A.S.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort .............................................................................................................. V Inhaltsverzeichnis...........................................................................................VII 1 Die Texte und ihre Übersetzung.................................................................. 1 1.1 Herstellung der Texte, Einrichtung von Text und Apparat .......... 1 1.2 Zur Übersetzung................................................................................... 6 1.3 Fassung H und S in paralleler Wiedergabe....................................... 8 1.3 Fassung H und S in paralleler Übersetzung ..................................... 9 1.4 Fassung T im Originaltext...............................................................130 1.4 Fassung T in Übersetzung...............................................................131 2 Stellenkommentar .......................................................................................185 2.0 Vorbemerkung ..................................................................................185 2.1 Kommentar .......................................................................................187 3 Einführung ins Werk..................................................................................273 3.0 Vorbemerkung ..................................................................................273 3.1 Traditionen: zur Stoffgeschichte des mittelniederdeutschen ‚Theophilus‘ ..............................................273 3.1.1 Die griechische Erzählung des 7. Jahrhunderts und ihre motivischen Parallelen ...................................................273 3.1.2 Eine zentrale dogmatische Voraussetzung der Pakterzählungen: die Lehre vom Dämonenpakt...............279 3.1.3 Die lateinische Tradition der Theophilus-Geschichte......284 3.1.4 Frühe deutsche Beispiele von ‚Theophilus‘Bearbeitungen .........................................................................287 3.1.5 Stationen der deutschsprachigen Rezeption im 13. Jahrhundert..............................................................................289 3.2 Der Gruppe der mittelniederdeutschen Spiele ............................296 3.2.1 Beschreibung der Handschriften H (W), S, T ...................296 3.2.2 Die Frage des absoluten und des relativen Alters der drei Fassungen..................................................................299 3.2.3 Zu Aufbau und Struktur des Stückes in H, S, T ...............301 3.2.4 Inhaltliche Aspekte: Zum Profil der Figuren und zum theologischen Gehalt ....................................................311

VIII

Inhaltsverzeichnis

3.2.5 Überlegungen und Beobachtungen zur Rekonstruktion der Bühnenwirklichkeit in den Texten...............323 3.2.5.1 Vorbemerkung.....................................................................323 3.2.5.2 Überlieferungsform und medialer Status der Texte H, S, T ....................................................................325 3.2.5.3 Zur Bühne der Theophilus-Spiele ....................................327 3.2.5.4 Requisiten und Kostüme in den Theophilus-Spielen....332 3.2.5.5 Handlungsanweisungen......................................................333 4 Anhang: Zur Ikonographie der Theophilus-Figur ................................335 4.0 Vorbemerkung ..................................................................................335 4.1 Theophilus auf Pergament, in Stein und auf Glas.......................336 5 Bibliographie................................................................................................345 5.0 Vorbemerkung ..................................................................................345 5.1 Quellen: Ausgaben des mittelniederdeutschen Theophilus-Spiels.............................................................................345 5.2 Weitere Text- und Bildquellen........................................................347 5.3 Forschungsliteratur (inkl. Abkürzungen von Handbüchern und Zeitschriften) ............................................................................352 6 Register zum Stellenkommentar...............................................................365

1 Die Texte und ihre Übersetzung 1.1 Herstellung der Texte, Einrichtung von Text und Apparat Grundlage der Textpräsentation bildet Petschs Ausgabe von 1908; wegen des hohen Zeitaufwandes wurde auf eine Neuüberprüfung des Textes an den Handschriften verzichtet. Dies konnte umso leichter geschehen, als die Versionen H (Wolfenbüttel, HAB, cod. Guelf. 1203 Helmst) und S (Stockholm, Kungliga Biblioteket, cod. Holm Vu 73) seither im Rahmen von Gesamteditionen der jeweiligen Sammelhandschriften neu ediert worden sind (Krobisch 1997 und Geeraedts 1984). In diesen beiden Werken findet man auch ausführliche Informationen über das Aussehen, die Entstehung und die Geschichte der zwei Codices. Der Rückgriff auf Petsch und nicht auf die beiden genannten Sammeleditionen bot sich unter anderem deswegen an, weil Petsch seinen Text interpungiert und ihn damit besser lesbar gemacht hat. Zudem bietet einzig seine Ausgabe auch noch das Trierer Fragment. Dieses wiederum ist heute über grosse Strecken hin praktisch unleserlich; ein Zurückgehen ad fontem ist in diesem Falle also kaum mehr oder nur mit grossem Aufwand möglich1. Mit der Verwendung von Petschs Edition verfügt man über eine einheitliche Textkonstitution, was bei einer Kombination der beiden diplomatischen Abdrucke von Krobisch und Geeradts mit T nach Petsch nicht der Fall wäre. Das wichtigste Ziel einer Neuausgabe lag im Blick auf die an sich sorgfältige Arbeit Petschs ohnehin nicht in der Neukonstitution der drei unikal tradierten Versionen, sondern in ihrer Neupräsentation: Der ‚Theophilus’ sollte so auf dem Papier erscheinen, dass ein Vergleich von H und S ohne das sinnstörende Hin- und Herblättern möglich wurde.2 Immerhin wird man sich daran erinnern, dass Petschs hundertjährige Arbeit heutigen Ansprüchen an Genauigkeit in der Wiedergabe des handschriftlichen Befundes nicht immer gerecht werden kann.3 _____________ 1 2 3

Die Handschrift aus Trier lag mir in Digitalaufnahme vor. Das erschien erst einmal wichtiger als die von Krobisch anempfohlene Textausgabe mit den Parallelen aus Schernbergs ‚Juttaspiel’. So wird etwa (um nur auf einige bei der Musterung der Digitalaufnahmen von T gemachte Beobachtungen hinzuweisen) die Auflösung von Abkürzungen nicht signalisiert, der Zeilenfall in den Prosapartien (Regieanweisungen) entspricht nicht jenem in der Handschrift. Erratisch ist es, wenn Petsch etwa in S V. 968 einen Hinweis auf ein Wort, das er entgegen der Überlieferung klein geschrieben hat, bringt, obwohl ein Vergleich mit den späteren

2

Die Texte und ihre Übersetzung

Wenig sinnvoll erschien es hingegen, auch Petschs Apparat wörtlich zu übernehmen. Er neigt nicht selten zu kommentarhaft breiten Auslassungen (was ihn schwer überschaubar macht). Zudem bezieht Petsch – wenn auch nur selektiv – Resultate seiner Vorgänger Bruns, Ettmüller, Hoffmann von Fallersleben und Sprenger ein. Diese Vorarbeiten nun schienen für die hier vorgelegte Leseausgabe entbehrlich; hätte man sich darauf einlassen wollen, dann hätten heutige Normen der Vollständigkeit und Präzision einen durchgehenden Bezug auf die genannten Ausgaben erfordert und dies wiederum wäre ohne ein Zurückgehen auf die handschriftlichen Originale in vielen Fällen nicht möglich gewesen. So wurde also zu Petschs Text aus Informationen seines Apparates und solchen der beiden jüngeren Editionen ein neuer Apparat zusammengestellt. Er soll erstens bei Korrekturen Petschs (diese sind meist, jedoch nicht immer durch Kursivdruck im Text signalisiert) die handschriftliche Lesart verzeichnen. Anderseits gibt Petsch nicht zu allen durch Kursivdruck markierten Änderungen einen Hinweis auf den originalen Wortlaut; diesem Mangel sollte durch Ergänzungen des Apparates abgeholfen werden; namentlich im Falle von T sind dem freilich Grenzen gesetzt (vgl. Anm. 3 und nachfolgend). Zweitens verzeichnet Petsch Besonderheiten der originalen Textdarbietung (Verschreibungen, fehlende Initialen usw.); auch solche Angaben sind in der Substanz übernommen worden. Soweit die grossen Leitlinien; folgende Regelungen von Einzelheiten seien zusätzlich hier noch vermerkt: Auch wo Petsch (wohl aus Versehen) bei H und S eine Textänderung nicht durch Kursivierung anzeigt, wird nicht in seinen Text eingegriffen; ein Apparateintrag verzeichnet aber den handschriftlichen Befund gemäss Krobisch oder Geeraedts. Bei T markiert Petsch unsicher Lesbares prinzipiell ohne Apparatvermerk durch Kursivierung (Petsch 1908, S. IX); daran wird nichts geändert. Petschs Setzung der Sprecherbezeichnungen in Kapitälchen wird übernommen (dies wäre höchstens beim hier ohnehin nicht applizierten Prinzip diplomatischer Abschrift problematisch).4 In Petschs Text wird auch keine Änderung der Interpunktion vorgenommen; hingegen markiert gelegentlich der Wortlaut der Übersetzung eine von Petsch abweichende Auffassung der Syntax. In Petschs Text kommen kleine Unstimmigkeiten der Verszählung5 vor; diese werden nicht korrigiert, denn das brächte lästige Divergenzen in der Verszählung zu seiner Ausgabe.6

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Ausgaben von H und S zeigt, dass dies nicht der einzige Fall von Veränderung bei der Gross- und Kleinschreibung ist. Vgl. dazu kritisch Krobisch 1997, S. 159. Etwa: H V. 715 oder S 544f. Bedingt durch die unterschiedliche Position der zwei Stellen gegenüber dem Werkende wirkt sich die Divergenz in S sehr viel länger aus als jene in H.

Herstellung und Einrichtung der Texte

3

Im mnd. Text verweisen Sterne auf einen Kommentareintrag zur betreffenden Stelle. Die neueste Beschreibung der Handschrift T (Bushey 1996) rechnet mit einer Folienzählung, während Petsch die aus dem 19. Jh.stammende (teilweise schlecht lesbare) Paginierung angibt. Zur rascheren Orientierung beim Rückgriff auf das Original (oder eine Digitalaufnahme) wird Petsch Seitenzählung im Rand durch die aktuelle Folienangabe ergänzt. An einigen Stellen müssen diese Marginalien auf zwei Zeilen verteilt werden. Die Apparate bei Geeraedts und Krobisch weisen gewisse Einträge auf, die nicht zu übernehmen waren. Bei Geeradts taucht für einzelne Buchstaben nicht selten der Vermerk „nachträglich hochgestellt“ auf; das kann ja wohl am ehesten heissen, dass der Buchstabe über der Zeile steht, kaum aber, dass hier eine Aussage über den Schreibprozess (theoretisch gesehen etwa ablesbar an verschiedenen Händen oder Tinten) getroffen wird. Auf diese verwirrlichen Angaben konnte verzichtet werden. Krobisch wiederum notiert bei Supraskripten, die er vielleicht aus technischen Gründen nicht wiedergeben konnte (Petsch war da teilweise noch besser dran7), jeweils „v über u“ (oder „e über o“): Auch dies konnte im allgemeinen keinen Eintrag in unserem Apparat rechtfertigen, denn Petschs Supraskripte werden übernommen.8 Einige Mängel in den Apparaten können ohne Rückgriff auf die Handschriften nicht (oder nicht sicher) behoben werden. So liest man zu H V. 121 bei Krobisch etwa: „121a/b Zwei Zeilen als ein Vers gezählt.“ Das ist in mehr als einer Hinsicht eine zweifelhafte Hilfe an den Leser: Einmal fehlt im Haupttext die Zusatzzählung mit Buchstaben9; zweitens gibt die Formulierung an sich ein Rätsel auf: Wer „zählt“? Sicher nicht die Handschrift, denn von einer (schon grundsätzlich unwahrscheinlichen) Versz ä h l u n g der Handschrift ist in der Literatur nirgendwo die Rede. Also Petsch? Tatsächlich erscheinen die zwei Zeilen bei ihm als ein Vers. Aber um das festzustellen, muss man zu seiner Ausgabe greifen. Zudem ist ohne Blick in die Handschrift nicht jeder Zweifel ausgeräumt, ob die denn nun den Vers auf zwei Zeilen verteilt oder nicht, denn immerhin definiert hier der

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6 7 8

9

Dabei ist dieses zweite Beispiel lehrreich, da es nicht einfach auf einem schlichten Zählfehler beruht, sondern auf dem iudicium der Editoren; deswegen begeben wir uns für einen Moment ins dornige Gestrüpp der Details: Petsch betrachtet die Worte Jhesus sach sytten eynen tolnere als Incipitzitat zur Predigt und somit als „Regieanweisung“ und zählt nicht; dafür spricht, dass dieser „Vers“ keinen Reimpartner hat. Geeraedts stellt offenbar auf die Zeileneinrichtung seiner Handschrift ab, rechnet also einen „Vers“. Allerdings ergeben sich damit geringfügige Differenzen zu den Editionen von Krobisch und Geeraedts; sie lassen sich aber verschmerzen. Vgl. die Hinweise zur Behandlung der Supraskripte bei Petsch 1908, S. VIIIsq. Andere Apparatvermerke namentlich bei Geeraedts bleiben unklar: Wie soll man S V. 975 „dahinter fehlt uen“ verstehen, wenn man nicht bei Petsch liest: „Schluss abgerissen“? Erst umständliche Nachsuche in Geeraedts’ Einleitungsteil (S. 15 und 51) könnte mit den Angaben über die Beschädigungen von Bl. 83 die Erklärung bringen. Dieser Mangel, der den Leser bei der raschen optischen Orientierung im Text behindert, findet sich noch oft, am meisten stört er bei V. 305ff.

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Die Texte und ihre Übersetzung

Reim eindeutig, wo die Versgrenze liegt..10 – Ein anderes Beispiel liefert S V. 110, wo beide, Petsch und Geeraedts, uns pflichtschuldigst versichern, dass e in werue übergeschrieben sei; allerdings bleibt der Leser mit seiner nicht ganz unberechtigten Frage „Welches denn?“ allein…11 Oder etwa S V. 618: Petsch liest vnsŭte und vermerkt „Das zweite u scheint durchgestrichen“, während bei Geeraedts kommentarlos vnsute steht. Störend ist bei Krobisch auch die Vermischung von textkritischem Apparat und Kommentar: So ist sein erklärender Eintrag aus Anlass von H V. 624 Ik bidde zusammen mit dem unklaren Apparatvermerk Petschs dazu angetan, den Leser zu längerem Grübeln darüber, was denn nun in der Handschrift steht, zu zwingen (vgl. auch Kommentar zur Stelle). Wo nicht Angaben Petschs (Apparathinweis oder Kursivierung im Text) die Apparatvermerke bei Geeraedts und Krobisch bestätigen, wird durch „Geeraedts“ bzw. „Krobisch“ auf die Herkunft der Information hingewiesen, so etwa in S V. 130 anders, wo Geeraedts einen Nasalstrich über n signalisiert, Petsch aber schweigt. Dieses Schweigen ist uneindeutig (vgl. seine unklare Bemerkung zur Frage auf S. VIII und im Apparat zu V. 132): Liegt ein Wiedergabefehler vor? Gibt er Nasalstriche nicht wieder? Die Divergenz ist ohne erneuten Rückgriff auf die Handschriften nicht zu klären; der Hinweis auf die Herkunft der Angabe schafft mindestens eine teilweise Transparenz. – Die Regelung betrifft etwa die zahlreichen Fälle, wo Krobisch für H das Fehlen von Initialen durch Kursivierung und Apparatangabe signalisiert. Petsch erwähnt diesen Fall pauschal in seiner Einleitung (1908, S. VI) und versichert, er habe dann „Kursiv-Kapitälchen ergänzt“. In H V. 162 etwa fehlt aber bei ihm die Kursivierung, Krobisch gibt an, eine T-Initiale fehle: Wer hat recht? Wo Angaben Petschs und solche Geeraedts bzw. Krobischs sich nicht decken, wird oft stillschweigend jenen Petschs der Vorzug gegeben (so vermerkt etwa S V. 528 Petsch ein durchgestrichenes nŭ l, Geeraedts hingegen nur nu l).

Diese Ausnahmen und Einschränkungen vom Prinzip der handschriftengetreuen Wiedergabe mögen v.a. in einer Epoche, in der technische Hilfsmittel der Liebe zur Variante, sei sie auch inhaltlich belanglos, neuen Auftrieb gegeben haben, schwerwiegend erscheinen. Es sei deshalb an das _____________ 10

11

In H V. 464 passiert dann in Folge der oben monierten nicht klaren Bezifferung das Malheur: Krobisch teilt dem auf zwei Zeilen verteilten Vers auch zwei Zahlen (statt die zwei Buchstaben) zu, womit seine Zählung von jener Petschs zu divergieren beginnt. Bei V. 500 ist hingegen der Gleichschritt wieder erreicht, weil die Zeile mit dem Aue Maria… anders als bei Petsch nicht gezählt wird (im gleichgearteten Fall von 521 Salue regina… wird allerdings sehr wohl gezählt). Der Fall wiederholt sich etwa bei S V. 214.

Herstellung und Einrichtung der Texte

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erste Ziel dieses Buches erinnert: allen Interessierten den Zugang zur faszinierenden Gestaltung eines gesamteuropäischen Mythos zu ebnen; demgegenüber konnte und durfte die Sicherung philologischer Quisquilien, die mit ihren methodischen Zwängen den Abschluss dieser Leseausgabe erheblich hinausgezögert hätte, zurückstehen.

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Die Texte und ihre Übersetzung

1.2 Zur Übersetzung Das Spiel ist voll wirkungsmächtiger Szenen, deren Dramatik sich nicht zuletzt im Sprachlichen ausgedrückt denken liesse: Da ist etwa das teils gemessene, teils hemdsärmlige Sprechen der Kanoniker in der Wahlszene, da ist die Bitterkeit und Angst des sich marginalisiert vorkommenden Theophilus, seine metaphysische Verzweiflung nach der Einsicht in die Tat, die juristische Wortklauberei in den Paktverhandlungen, das hoheitsvolle Sprechen Marias gegenüber dem Teufel, dessen Sprechen selber ein ganzes Register stilistischer Valeurs enthält. Es hätte nun verführerisch nahe gelegen, durch eine kolorierte, flotte Übersetzung dergleichen unmittelbar hörbar machen zu wollen. Es solches Unternehmen wäre allerdings bestenfalls ein Trapezakt ohne Netz, denn die stilistischen Nuancen des Originals sind für uns beim heutigen lexikographischen Kenntnisstand bestenfalls erahnbar (und dabei hätte man sich erst noch dauernd zu fragen, wieweit der heutige Leser hier halb unbewusst Tonlagen etwa des ‚Faustbuches’ oder gar des goetheschen Mephisto objektiv falsch, aber rezeptionsgeschichtlich unvermeidlich mithört). Es war also entschieden ein anderes Ziel zu verfolgen: Die Übersetzung soll möglichst originalnahe den sprachlichen Bestand dokumentieren. Wer mit Grundkenntnissen des älteren Deutsch ausgestattet ist, soll dank der Übersetzung dem Original mit seinen Wortformen, Wörtern, Satzfügungen folgen können. Glanzlosigkeit, ja Holprigkeit wird also nicht gefürchtet und nicht vermieden. Diesem Grundsatz der interlinearen Worttreue stellen sich aber manchmal die sprachlichen Normen und Gepflogenheiten des heutigen Deutsch entgegen; sie erfordern Abweichungen von diesem Prinzip in unterschiedlichen Bereichen: die Wortstellung kann etwas gewunden sein, am Rande des in der Gegenwartssprache Zulässigen; Syntax und Wortschatz können so altertümeln, wie das in einem frei formulierten Text unangemessen wäre; Idiomatismen können Zusätze erzwingen; auf eine an sich prägnante Wendung wird verzichtet, weil sie zuwenig originalnahe ist. Vielfach sind solche kleine Mängel im Translat nicht vermeidbar, will man das Prinzip der ausgangssprachlichen Orientierung nicht zugunsten einer freien Übersetzung preisgeben. Gelegentlich können nötig werdende Distanzierungen vom Original durch einfache Mittel signalisiert werden (so erscheinen manchmal Zusätze in eckigen Klammern). Manchmal wird die Sperrigkeit der Übersetzung eigens gesucht; so namentlich wenn bei Mehrdeutigem, etwa bei Modalverben wie scal und wil, gerade nicht jene Übersetzungsvariante, an die der heutige Leser zuerst denkt („sollen“ und „wollen“), sondern die ferner stehende (Futurumschreibung) gewählt wird. Um Sperrigkeit zu erzeugen, werden manchmal

Zur Übersetzung

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auch Verse, die in H und S gleich lauten oder Ausdrücke, die mehrfach auftreten, je anders wiedergegeben (vgl. etwa H V. 99 und S V. 280 oder S V. 225 und 306, H V. 547 und S V. 782). Dass Übersetzen immer wieder auch Auswählen zwischen verschiedenen Verstehensmöglichkeiten bedeutet, liess sich durch dieses gleiche Verfahren gewollter Varianz bewusst machen. Um die Vergleichbarkeit von Original und Übersetzung zu erleichtern, wird, soweit möglich, Petschs Interpunktion auch für das Translat übernommen. Doch Abweichungen von der Grundregel waren auch hier nicht zu umgehen, umso mehr als Petsch die Tendenz hat, ohne Punkt sehr lange Satzreihen auch über inhaltliche Grenzen hinweg zu konstruieren. Gelegentlich markieren Fragezeichen die Unsicherheit einer vorgeschlagenen Übersetzung; meistens liegt das Problem tiefer als nur bei einem einzelnen Wort, weshalb das Fragezeichen auch selten „zielgenau“ eingesetzt werden kann; man konsultiere deshalb den Kommentar für genauere Erläuterungen.

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Die Texte und ihre Übersetzung

1.3 Fassung H und S in paralleler Wiedergabe Text H Keine Entsprechung zu dieser Stelle in H Text S [1551] HYR GHEYT THEOPHELUS AN. (EPISCOPUS DICIT2) Ik hebbe ghewesen eyn bysschop ryke vnde here Wol druttych yar vnde mere, Nu vordretet mych dat arebeyt; Jd3 sy yw lef ofte leyt, 5 Jk wyl dat bysschopdŭm up gheuen Vnde wyl mer myt ghemake leuen. Kezet* eyn junghen man, De dat bysschopdum wol vorstankan! PREPOSITUS DICIT*: Herre, jk, byn eyn prouest4 yn dessemestychte, 10 Ik wolghe des myt nychte, Gy en synt na vnseme vromen Vmme eynen man, de desseme stychte* euene kome. EPISCOPUS DICIT: Werlyken, dat do yk alto hant: Theophelus ys he ghenant. [156] Dat rade yk, dat gy ene kesen! Dar ane møghe gy nycht vorlesen; He ys eyn synnygher man, Eyn bysschopdum kan he wol vorstan. PREPOSITUS DICIT: Stat up, her deken, 20 Wy wyllen vns myt yw bespreken. Gy heren, jk spreke dat to vøren – Ik byn de erste an deme kore: – Ik kese Theophelum nycht,

________________ 1 2 3 4

Petsch verwendet die jüngere Paginierung (Geeraedts 1984, S. 19). – Titel rot. Personenangabe fehlt in Hs. Davor Ik gestrichen. en prouest] dazwischen gestrichenes b.

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Übersetzung der Fassungen H und S

1.3 Fassung H und S in paralleler Übersetzung Übersetzung H Keine Entsprechung zu dieser Stelle in H [155]

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Übersetzung S HIER BEGINNT THEOPHILUS. (DER BISCHOF SPRICHT): Ich bin ein mächtiger und angesehener Bischof gewesen etwa dreissig Jahre lang und mehr, nun verdriesst mich diese Mühe, ob es euch gefällt oder nicht, ich werde das Bischofsamt aufgeben und will mehr in Ruhe leben. Wählt einen jungen Mann, der dem Bistum gut vorstehen kann! DER PROBST SAGT: Herr, ich bin der Probst in diesem Stift, ich pflichte dem keinesfalls bei, wenn ihr nicht sinnt zu unserem Wohl auf einen Mann, der diesem Stift zupass kommt. DER BISCHOF SAGT: Bestimmt, das tue ich sogleich: Theophilus heisst er. Das rate ich, dass ihr ihn wählt! Dabei könnt ihr nichts verlieren; er ist ein verständiger Mann, einem Bistum weiss er gut vorzustehen. DER PROBST SAGT: Erhebt euch, Herr Dekan, wir wollen uns mit euch beraten. Ihr Herren, ich sage das vorab – ich bin der erste bei der Wahl: – ich gebe Theophilus meine Stimme nicht,

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Keine Entsprechung zu dieser Stelle in H 25

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Text S Des sy jw van my berycht5. He ys eyn so vorbolghen man, Dat jk em dat bysschopdum nychten ghan. DECANUS DICIT: Here her prouest, denket dar an: Theophelus so rechte wol vorstankan Dyt godeshus vnde alle syn ghud. Wat des kores an my dŭet* Ghemak vnde ere Des wyl yk em nycht vorkeren. PRIMUS CANONICUS DICIT: Horet6, leue here, her deken, Dat gy dar vele wyllen up7 spreken – Ik weyt vyl wol Theophelus sin: An syneme kore yk nycht en byn! SECUNDUS CANONICUS8 DICIT: Here, yk byn ok eyn dumhere ghenant. Theophelus ys my so wol bekant, Dat yk ene kesen wylle Beyde open bar vnde stylle. TERCIUS CANONICUS DICIT: Here, hebbe gy dat ghe swaren, Hodet, dat juwe eyt nycht werde vorloren. Dat gy Theophelŭm wyllen kezen, Dat godeshus mach dar ane vorlezen. Ik en kese syner nycht, Des sy yw van my berycht. QUARTUS CANONICUS DICIT: Nu horet, gy heren ouer al, Eyne rede yk yw zaghen schal: Theophelus ys so wys, Ik gheue em lof vnde prys; Dar vmme yk dat zegghe vorwar Vnde kese ene al openbar. QUINTUS CANONICUS DICIT: Gy wyllen jo Theophelum kezen.

________________ 5 6 7 8

berycht] e klein und deutlich über grösserem undeutlichem e. t aus r verbessert. Davor ein Loch; zudem der Ansatz eines s. Scecundus kanonicus Hs.

Übersetzung der Fassungen H und S

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Übersetzung H Keine Entsprechung zu dieser Stelle in H 25

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Übersetzung S das sei euch von mir gesagt. Er ist ein so hochfahrender Mann, dass ich ihm das Bistum nicht anvertraue. DER DEKAN SAGT: Ehrwürdiger Herr Probst, denkt daran: Theophilus kann sehr gut diesem Gotteshaus und allem seinem Besitz vorstehen. Soweit diese Wahl an mir liegt, an Einkünften und Ansehen werde ich ihm nichts verwehren. DER ERSTE KANONIKER SAGT: Hört, liebe Herren, Herr Dekan, ob ihr [auch] darüber viele Worte verlieren werdet – ich kenne die Einstellung des Theophilus genau: bei seinen Wählern bin ich nicht! DER ZWEITE KANONIKER SAGT: Herren, ich trage auch den Titel eines Domherrn, Theophilus ist mir so gut bekannt, dass ich ihn wählen werde in offener und geheimer Wahl. DER DRITTE KANONIKER SAGT: Ihr Herren, habt ihr das [auch] eidlich vereinbart, [so] hütet euch, dass euer Eid nicht leeres Wort bleibt. Dass ihr Theophilus wählen wollt, daran kann das Stift wohl Schaden nehmen. Ich wähle ihn nicht. Das sei euch von mir gesagt. DER VIERTE KANONIKER SAGT: Nun hört, ihr Herren überall, etwas werde ich euch sagen: Theophilus ist so weise, Ich gebe ihm Anerkennung und rühmende Worte; deshalb sage ich das aufrichtig und gebe ihm öffentlich meine Stimme. DER FÜNFTE KANONIKER SAGT: Ihr wollt Theophilus wählen?

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Keine Entsprechung zu dieser Stelle in H Text S 55

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Set, dat gy dar ane jo nycht vorlezen! Theophelus ys eyn vorlaten man, He heft so monneghen leyde ghe dan. Dar vmme kese yk syner nicht, Dat rede yk vor jw allen, schit*! SEXTUS CANONICUS DICIT: Djt ys plaghe vnde kummer! Wo mach dat9 wesen jummer, Dat gy Theophelum so sere vorsman?10 Ik kese eme sunder wan. He schal hyr jo doch bysschop syn, Mach yt wesen an den wyllen myn. SEPTIMUS11 CANONICUS DICIT: Gj heren, jk swyghe hyr to alstylle; Doch weret alle juwer wylle, So en weret nummer de wylle myn, Dat Theophelus scholde bysschop syn. OCTAUUS12 CANONICUS DICIT: Djt synt wŭnderlyke mere. Des were ghe noch, das Theophelus were Eyn vntruwer, valscher man. Der herschop yk em jo wol ghan. Doch schal he an mynen kore wezen*: He kan beyde scryuen vnde lesen*. NONUS CANONICUS DICIT: Ik mot ok myne rede beghynnen: Theophelus was gy vorbolghen* an synen synnen. Nen man en was em to mathe An steden noch an straten, An dorpen noch an welden. Dar wedder wyl yk jummer schelden*,

________________ 9 10 11 12

dat] dy Hs. vorsman] vorsam Hs. septimus] septius Hs. octauus] octaus Hs.

Übersetzung der Fassungen H und S

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Übersetzung H Keine Entsprechung zu dieser Stelle in H 55

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[158] 75

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Übersetzung S Schaut zu, dass ihr dabei nichts verliert! Theophilus ist ein skrupelloser Mann, er hat so manchen Unrecht getan. Deswegen wähle ich ihn nicht, das sage ich euch allen ins Gesicht, Sch… noch mal! DER SECHSTE KANONIKER SAGT: Das ist ein Unglück und Anlass zur Besorgnis! Wie kann das nur immer sein, dass ihr Theophilus so völlig ablehnt? Ich wähle ihn ganz bestimmt. Er soll hier doch Bischof sein, kann es nach meinem Willen gehen. DER SIEBTE KANONIKER SAGT: Ihr Herren, ich bin hierzu ganz still; doch wäre das [auch] euer aller Wille, so wäre es niemals mein Wille, dass Theophilus Bischof sein sollte. DER ACHTE KANONIKER SAGT: Das sind seltsame Geschichten. Das fehlte gerade noch, dass Theophilus ein treuloser, falscher Mann wäre. Die Herrschaft gönne ich ihm sehr wohl; und er wird meine Stimme haben; er versteht beides: das Schreiben und das Lesen. DER NEUNTE KANONIKER SAGT: Ich muss ebenfalls das Wort ergreifen: Theophilus war zu euch so hochmütig in seiner Einstellung. Niemand war ihm genehm weder in der Stadt noch auf dem platten Land, weder im Dorf noch im Wald. Dagegen werde ich immer protestieren,

14

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Keine Entsprechung zu dieser Stelle in H Text S

85

90

95

100

[159]

110

Dat Theophelus scholde syn Eyn bysschop, noch de here myn. THEOPHELUS DICIT: Nu schal my wesen leyde*, Dat ys ene snode veyde, De wy scholen draghen*! Weme møghe wy se nu claghen? Dat ys eyn selden by spyl, Dat jk jw nu saghen wyl: Wo* vele můze møghen byten Ene katte vnde eren balch13 to ryten, Alzo vele ys my vmme juwen kore! Nu tredet alle gy hyr vore – Wat møghe gy my nŭ wynnen af? Ik achte nycht uppe juwen core vnde uppe juwen staf. PREPOSITUS DICIT: Her Theophel, juwe grot stoltheyt, De schal jw hutene werden leyt. Ik saghe jw dat vorware Vnde wyl dat be thughen openbare Myt alle dessen dŭmheren myn, Dat gy der proŭene nycht werdych en syn. Gy hebben dycke vnrechte ghedan – Dar vmme schole gy van der prouene ghan – Dessen heren vnd dessen luden14, Des byn jk eyn duch huden*. Gy hebben dycke vnkuscheyt15 Ghe dreuen vnde vnvledycheyt, Gy dreuen dycke vnghevore, Luttyk schonede* gy juwen kore*: Juwe tyde lete gy vnder weghen Des hebbe gy dycke vnde mennych werue16 pleghen Gy hebben dycke meyne ghesworen, Dar vmme hebbe gy juwe prouene vorloren.

________________ 13 14 15 16

Über a ein Loch; a aus l korrigiert. Dahinter des by gestrichen. unkusheyt Hs. werue] e übergeschrieben.

Übersetzung der Fassungen H und S

15

Übersetzung H Keine Entsprechung zu dieser Stelle in H

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[159]

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Übersetzung S dass Theophilus Bischof sein sollte und mein Herr. THEOPHILUS SAGT: Verdamt, das ist eine üble Kampfansage; Die werden wir [aber] ertragen. Bei wem können wir nun dagegen klagen? Dies ist ein selten vorkommender Fall: (das werde ich euch nun darlegen) wie viel [auch die] Mäuse beissen können eine Katze und ihr Fell zerreissen gleichviel gebe ich auf eure Wahl! Nun tretet ihr alle hier vor – was könnt ihr mir jetzt anhaben? Ich kümmere mich nicht um eure Wahl und euren Stab. DER PROBST SAGT: Herr Theophilus, eure grosse Arroganz, die wird euch heute [noch] leid tun. Ich bekräftige euch das und werde das öffentlich bezeugen mit allen diesen meinen Kanonikern, dass ihr der Pfründe nicht würdig seid. Ihr habt euch oft vergangen – darum werdet ihr die Pfründe frei geben – gegenüber diesen Herren und diesen Leuten. Deshalb bin ich ein Zuchtmeister. Ihr habt oft Unkeuschheit begangen und unsaubere Dinge getrieben ihr habt euch oft schlecht aufgeführt, ihr habt eurer [Kanoniker]regel wenig Ehre angetan: euer Chorgebet habt ihr unterlassen, das habt ihr oft und zahlreiche Male praktiziert. Ihr habt oft Meineide geleistet, deshalb habt ihr eure Pfründe verwirkt.

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Keine Entsprechung zu dieser Stelle in H

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Text S Gy heren, hebbe gy dat wolghe hort? TUNC VNUS CANONICUS RESPONDIT PRO OMNIBUS: Ja, alzo ys vnser aller wort. Er Theophelus scholde in der proŭene blyuen, Dar wolde wy alle wedder kyuen. He schal hutene van vns varen Vnde schal ok nycht lengher sparen. THEOPHELUS PLANGHEBAT: Owe my vyl arme man, Wo so schal jk nu bestan? Nu hebbe jk ghut vnde ere vorloren, Ik were beter vngheboren*! Ik* hadde ghut vnde wysheit vyl, Nu ga yk vor eyn doren spyl*. Alle tyd so was jk vore, Nu mot jk blyuen vor der dore. Ik at vnde drank je myt17 den besten, Nu mot jk wesen myt den lesten. Ik hadde walt vnde macht18 – Wol hen, hir wert anders19 up ghedacht! Ach wůste jk eynen kloken man – Ghar na synem wyllen wolde jk stan – De my hulpe wolde gheŭen, Na syner lere wolde jk leŭen. MAGISTER YN NYGROMANTICIA DICIT: Ik byn eyn meyster an kŭnsten ryke, Vp der erden ys nen man myn ghelyke: An grammatycan vnde an phylozophyan Vnde ok an nygromantician20. Ik kan wol de swarte kunst, In aller behendycheyt21 byn jk vornŭmst*.

________________ 17 18 19 20 21

myt] y aus e verbessert. macht] m aus n. Über n Nasalstrich. an nygromantician] an nygromatician Hs., dazwischen nygronat gestrichen. -cheyt] t statt durchstrichenes s.

Übersetzung der Fassungen H und S

17

Übersetzung H Keine Entsprechung zu dieser Stelle in H

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Übersetzung S Ihr Herren, habt ihr das gut gehört? DA SAGT EIN KANONIKER IM NAMEN ALLER: Ja; so ist unser aller Entscheid. Ehe [dass] Theophilus im Besitz seiner Pfründe bleiben sollte, würden wir alle dagegen Einwände erheben. Er muss heute [noch] unseren Kreis verlassen und darf auch nicht länger säumen. THEOPHILUS KLAGTE: Wehe, ich verlassener Mann, Wie werde ich jetzt ein Auskommen haben? Jetzt habe ich Besitz und Ansehen verloren, ich wäre besser nie geboren! Ich hatte reiche Einkünfte und viel Weisheit. Nun bin ich zum Narren geworden. Jederzeit stand ich vorne, nun muss ich [draussen] vor der Türe stehen. Ich ass und trank in Gesellschaft der Nobelsten, nun muss ich bei den Niedrigsten stehen. Ich verfügte über Einfluss und Macht – schön: hier wird umgedacht! Oh, kennte ich doch einen erfahrenen Mann (ich wäre ihm zu Diensten), der mir Hilfe zu geben bereit wäre, (nach seinen Ratschlägen würde ich mich richten). DER MEISTER DER SCHWARZEN KÜNSTE SAGT: Ich bin ein Meister, reich an Können, auf Erden kommt mir keiner gleich in Grammatica und in Philosophia und auch in Nigromantica. Ich beherrsche die Schwarze Kunst perfekt, in allen Fertigkeiten bin ich höchst bewandert.

18

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Keine Entsprechung zu dieser Stelle in H Text S

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165 [161]

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Den duuel kan jk dŭynghen, Dat he my mot brynghen Ghut vnde aller leyghe schat; Ik dwyngghe ene vorebat*, Dat he my vøre, wor yk wyl. Alsulker kunste kan yk vyl, Ik spreke dat myt ghelpe: Be høuet yennych man myner22 helpe, Deme wyl yk rat gheuen, Wo he na myneme rade wylle leuen; Hadde yenich man ghud vorloren, Edder hadde he synes heren thorn, Dat wolde yk allent tryuen af; Vmme ghud ys my also vmme eyn hauer kaf. Ofte hyr ok yennych were, De na werlyker ere Wolde stan vnde wesen, So vele han yk an boken ghelezen, Deme23 wolde yk rat gheuen24 altohant, He moste ouer hebben eyn groter pant: Dar yeghen settede he to waghe, Dat na syneme daghe De duŭel des weldych* were, Ofte he jummer25 mere Aan Ghodes ryke mochte komen. Dyt hebbe gy alle wol vornamen. We desser helpe be gherende sy, De kome nŭ her to my Ik em ok nŭ helpe do Aŭent spade, morghen wro.

________________ 22 23 24 25

r übergeschrieben. m aus n verbessert. gheuen] ghuen Hs. j aus y verbessert.

Übersetzung der Fassungen H und S

19

Übersetzung H Keine Entsprechung zu dieser Stelle in H Übersetzung S

145

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160

165 [161]

170

Den Teufel kann ich bannen, dass er mir Gut und vielerlei Schätze herbeibringen muss. Ich banne ihn sodann, dass er mich führt, wohin ich will. Von solchen Fertigkeiten beherrsche ich viele. Das sage ich mit Stolz: Benötigt einer meine Hilfe, dem werde ich Rat geben, wenn er nach meinem Rat leben will; hätte einer seinen Besitz verloren, oder wäre er mit seinem Herrn verfeindet so würde ich für alles Abhilfe schaffen. um Besitz ist mir ganz wie um Haferspreu. Falls hier einer wäre, der nach Ansehen in der Welt streben wollte, so viel wie ich aus den Büchern weiss: dem wollte ich sogleich Rat geben. Er müsste aber einen gewichtigeren Preis zahlen: Dagegen würde er [nämlich] im Tausch einsetzen, dass nach seinem Ableben der Teufel darüber bestimmen könnte, ob er jemals mehr ins Reich Gottes kommen könnte. Das habt ihr nun alle gehört. Wer solche Hilfe wünscht, der komme nun her zu mir ich leiste ihm auch nun Hilfe da: abends spät und morgens früh.

20

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Keine Entsprechung zu dieser Stelle in H Text S THEOPHELUS DICIT: Got grutze jw, leue meyster vnd here, Ik mot jw don wytlyk myne swere; Ofte gy my de konden benemen, So wolde yk na juwem wyllen leuen.

Übersetzung der Fassungen H und S

21

Übersetzung H Keine Entsprechung zu dieser Stelle in H Übersetzung S THEOPHILUS SAGT: Grüss euch Gott, lieber Meister und Herr, ich muss euch meine Nöte berichten; wenn ihr mir die nehmen könntet, so würde ich nach eurem Belieben leben.

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text H [143r] IK26 BYN GHE NANT* THEOPHOLUS*. Mine claghe kundeghe ik alsus: Ik was* ghe nant eyn cloker man, Der papheit* konde ik my wol vor stan 5 Vnde ok an vroliken saken*: Ik konde wol recht maken Vnde recht konde ik vor keren* Vnde vnrecht wol meren. Ik was woldich vnde rike*. 10 My was* neyman ghe like An reden vnde ok an synnen. Des27 hadde ik alle en bynnen* Noch eren, so ik hope. Ghe koren wart ik to eynem biscope. Text S 175

180

185

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Ik byn gheheten Theophelus, Myne klaghe kundeghe yk jw aldus: Ik was gheheyten eyn ryker* man, An papen kŭnst konde jk my wol vorstan Vnde an werlyken saken. Ik konde ok wol recht maken, Ik konde recht vorkeren. Ik was weldych by den heren; Sprak yk hyr edder dar, It was recht edder war*, Neman dorste my straffen, Id weren leyghen edder papen. Neman konde my ghelyken – Noch de armen ofte de ryken – An kloken rade vnde an wyzen synnen, Der yk hadde wele bynnen, Noch dar an dat yk hope*. Ik was ghekoren to eyneme bysschope;

________________ 26 27

Raum für Initiale ausgespart, Text vollständig (Krobisch). De Hs.

Übersetzung der Fassungen H und S

23

Übersetzung H [143r] ICH HEISSE THEOPHILUS. Meine (An)Klage lautet so: Ich war bekannt als kluger Mann; auf das Klerikeramt verstand ich mich wohl 5 und kannte auch Lebensfreude. Ich konnte das Recht ausüben, und das Recht konnte ich verkehren und das Unrecht tüchtig vermehren. Ich war mächtig und reich. 10 Mir war niemand ebenbürtig im Wort und auch im Gedanken. Deshalb hatte ich alles [alle Ämter] in ehrenhafter Weise inne, will ich hoffen. Ich wurde zum Bischof gewählt.

175

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Übersetzung S Ich heisse Theophilus, Meine (An)Klage trage ich euch so vor: Man nannte mich einen mächtigen Mann; In den Wissenschaften der Geistlichen kannte ich mich wohl aus und in weltlichen Belangen. Ich konnte auch weise das Recht ausüben, Ich konnte das Recht verdrehen. Ich war einflussreich unter den Mächtigen; griff ich hier oder dort zum Wort, – war es auch weder richtig noch wahr (?) – [so] getraute niemand, mich zu tadeln, ob es nun Laien oder Geistliche waren. Niemand konnte mir gleichkommen – weder die Niedrigen noch die Mächtigen – an klugem Rat und weisem Verstand; davon besass ich viel … (?) will ich hoffen. Ich wurde zum Bischof gewählt;

24

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Ik scolde eyn here sin ghe wesen, Do vor drot my synghen vnde lesen*. Gans28 haue ik eyn ander ghe koren. O wi, dat ik jŭ wart ghe boren*: Myn prouende wart my ghe nomen, 20 De plach my to houe komen An wine vnde an wete29, Des mot ik eyn arm man heten. Ik wil od alle waghen [143v] Vnde* wil don30 dar solke claghe, 25 Dat swar is to draghen. Doch wil ik od waghen, Vnde wart my alto swar*: Ik mot my gheuen in der duuel schar; Eft* ienich duuel were 15

Text S 195 [162] 200

205

Ik scholde eyn here syn ghewezen, Do vordrot my syngghen vnde lezen*; Nu hebben se eynen anderen ghekoren, Owe dat yk ye wart gheboren. He duet my so grote vnghelaghe*, Dat yk dat hŭtene Ghode claghe: He hat my myne prouene benomen, De my deghelyken pleghen to komen An wyne vnde an weyten, Des mot yk eyn arm man heyten. Ik wyl dar vmme alsulke sake duen, Scholde yk ok ghan also eyn krŭen*, Dat my swarlyken ys to draghen*. Nu wol hen, yk wyl dat alle waghen, Vnde weret my ok alto swar; Wuste yk eynen duuel hyr so nar*

________________ 28 29 30

G unsicher lesbar. vete Hs. don] dem Hs.

Übersetzung der Fassungen H und S

25

Übersetzung H Ich sollte ein Herr sein, da wurden mir Chordienst und [geistliche] Lesung verdriesslich; Völlig etwas anderes habe ich mir gewählt. Wehe, dass ich je geboren wurde! Meine Pfründe wurde mir weggenommen, 20 die mir regelmässig auf den Hof gebracht wurde, [in Form von] Wein und Weizen; deshalb muss ich als mittelloser Mann gelten. Ich will alles wagen [143v] und will solche Klage führen, (?) 25 dass [sie] schwer zu ertragen ist. Dennoch will ich es wagen (und [es] wurde mir [nämlich] allzu schwer): Ich werde mich unter die Schar der Teufel begeben. Wenn ein Teufel gegenwärtig wäre 15

195 [162] 200

205

Übersetzung S ich wäre ein Herr gewesen, da wurden mir Chordienst und [geistliche] Lesung verdriesslich; jetzt haben sie einen anderen gewählt: Weh, dass ich je geboren wurde. Der bereitet mir so grosse Widerwärtigkeiten, dass ich dagegen heute vor Gott Klage erhebe: Er hat mir meine Einkünfte weggenommen, die mir [sonst] täglich regelmässig zuflossen [in Form von] Wein und Weizen, deswegen muss ich als mittelloser Mann gelten. Ich werde darum etwas tun, müsste ich auch wie ein Kranich daherkommen, was mir schwer erträglich ist. Nun auf, ich werde das alles wagen, und wäre es für mich auch zu verhängnisvoll. Wüsste ich einen Teufel hier so in der Nähe

26

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H 30

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40

By my hir up erden, Syn eghen wolde ik werden. Ik wolde ome beden ere* Nu vnde jummer mere, Groter, wan ik Gode dede, Dat he my hulpe dar mede, Dat ik worde eyn so rike man, Dat ik mochte weder stan Dem biscope vnde den heren* Vnde alle den, de myne weder saten weren. De don my so grote anlaghe, Dat ik dat Gode van himmel claghe. Ik* beyde dy, Satanas, Text S

210

215

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225

By my uppe der erden, Syn eyghen wolde yk werden* Myt selen vnde ok myt lyue31 Syn eyghen wolde yk blyuen Nu vnde jummer mere. Ik wolde em beden groter32 ere, Wan jk Gode ye ghe dede, Dat he my helpe dar mede, Dat jk werde so rechte eyn man, Dat yk mochte wedder stan Den pysschop vnde de heren, De myne wedder sathen syn vnde weren. THEOPHELUS DICIT: Is nu yenych duuel an desser stunt Be halden an der helle grunt, De openbare syk Vnde kome her to myk! Ik werde syn vnder dan, Godes wyl yk auestan. Ik bede dy, bose Satanas,

________________ 31 32

Myt selen vnde ok myt lyue] Myt lyue vnde ok myt selen Hs. r übergeschrieben.

Übersetzung der Fassungen H und S

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Übersetzung H 30

35

40

210

215

220

225

bei mir hier auf Erden, wollte ich sein Eigenmann werden. Ich wollte ihm Ehre erbieten jetzt und für immer, grössere, als ich sie Gott erwies, dass er mir dazu verhelfe, dass ich so mächtig würde, damit ich die Stirn bieten könnte dem Bischof und den Kanonikern und all jenen, die meine Feinde wären. Die stellen mir so heftig nach, dass ich darüber vor Gott im Himmel Klage erhebe. Ich rufe dich, Satan, Übersetzung S bei mir auf der Erde, so wollte ich sein Dienstmann werden mit der Seele und auch mit dem Leib, so wollte ich sein Dienstmann bleiben jetzt und für immer. Ich wollte ihm grössere Ehre erweisen, als ich sie Gott je erwies, damit er mir dazu verhelfe, dass ich so richtig ein [solcher] Mann werde, damit ich die Stirn bieten könnte dem Bischof und den Kanonikern, die meine Feinde sind und waren. THEOPHILUS SAGT: Ist nun irgend ein Teufel in diesem Augenblick drunten im Abgrund der Hölle, [so] zeige er sich und komme [er] her zu mir! Ich werde sein Untertan, Gott will ich absagen. Ich rufe dich, böser Satan,

28

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Bi dem Gode, dede hefft ghe scapen lof vnde gras*, De alle dingk ghe scapen hefft, 45 Dem himmel vnde erde to bode stad! Ik33 be swere di bi dem valle,34* [144r] Den de dŭuel deden alle, Du vnde dine ghe noten, Do gy van dem himmel worden ge stoten. 50 Ik be swere dy by den jungesten dage, Wan God deyt so grote clage Ouer alle syne vndersaten, Dat du komest vil drade Vnde antwordes hir my 55 Alle, des ik vrage dy. SATINAS35* SPRAK*: Theophile, wat menestu hir mede? Dat is io der papen sede*, Text S [163] 230

235

240

By deme Gode, de lof vnde gras De den hemmel vnde de erden schop, Dat du komest myt der spot*; Ik beswere dy by deme valle, Den gy vyllen alle, Du vnde alle dyne ghe noten, Do gy van deme hemmele worden ghestoten; Ik be swere dy by deme junghesten daghe, Wan Godes sone wyl claghen36 Ouer alle syne wedder saten, Dat du komest al vnwordroten Vnde antwardest my, Des yk wyl vraghen dy. SATANAS DICIT: Theophele, wat meynestu hyr mede? Dat ys yuwer papen sede,

________________ 33 34 35 36

Ik] Jb Hs. (Krobisch). Der Vers zuoberst auf 144r mit ortographischen Varianten wiederholt. S-Initiale fehlt (Krobisch). claghn Hs.

Übersetzung der Fassungen H und S

29

Übersetzung H bei dem Gott, der Laub und Gras erschaffen hat, der [überhaupt] alle Dinge erschaffen hat, 45 dem Himmel und Erde zu Gebote stehen! Ich beschwöre dich bei dem Sturz, [144r] den alle Dämonen taten, du und deine Genossen, als ihr aus dem Himmel gestossen wurdet. 50 Ich beschwöre dich bei dem Jüngsten Tag an dem Gott grosse Anklage erhebt gegen alle seine Untertanen, dass du ganz rasch kommst und hier mir antwortest 55 auf alles, wonach ich dich frage. SATAN SAGTE: Theophile, was beabsichtigst du damit? Das haben ja die Pfaffen so zum Brauch,

[163] 230

235

240

Übersetzung S bei jenem Gott, der Laub und Gras, der den Himmel und die Erde erschaffen hat, dass du eilig herbeikommst. Ich beschwöre dich bei dem Sturz, den ihr alle tatet, du und alle deine Genossen, als ihr aus dem Himmel gestossen wurdet. Ich beschwöre dich beim Jüngsten Tag, an dem Gottes Sohn Klage erheben wird gegen alle seine Feinde, dass du ganz unverdrossen kommst und mir antwortest [auf das], was ich dich fragen werde. SATAN SAGT: Theophilus, was beabsichtigst du damit? Das habt ihr Pfaffen so zum Brauch,

30

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Dat du my so sere be sweret37* hest Bi dem Gode, dede heft ge scapen lof vnde gras, 60 De alle ding ghe scapen hat, Beyde grot vnde stat*. Alsus plege gy papen*, Gy be dregen vns, so de lude de apen*. Gy binden vns up in eyt*, 65 Dat sy vns lef edder leyt, Dat wy moten to ju komen. Du heft my lange reyse be nomen*. Ik was hen to Jŭdea*: [144v] Myne ghe sellen schochte ek aldar. 70 De38 koning* is dar ghe storuen, De zele hedde ek wol ir woruen. Dar hedde ek gerne bleuen, Du heft my dar af ghe dreuen. Text S 245

250

255

Dat du my so dure besworen hast Be deme Gode, de lof vnde gras Vnde alle dyngh ghe schopen hat, Beyde ghut vnde39 quat*, Mynschop vnde ok erdeschop40*; It ys yw alse en eyghes dop*. Gy bynden vns myt juwen eyden, Dat sy vns lef ofte leyde, Dat wy moten to jw komen. Du hauest my ene langhe reyse benomen: Ik was gheuaren yn Endya, Myne ghesellen let yk aldar. De konyngh van Endia ys nu ghestoruen, Syne sele hadde yk wol vorworuen; Dar were jk gherne ghebleuen, Nu heuestu my van dar ghedreuen.

________________ 37 38 39 40

be sweret] w aus s korrigiert H. De] Das grosse D gilt auch für jenes in V. 71. vn Hs. erdesschop Hs.

Übersetzung der Fassungen H und S

31

Übersetzung H dass du mich so sehr belästigt hast bei jenem Gott, der Laub und Gras erschaffen hat, 60 der alle Dinge erschaffen hat, gleichermassen gross und beständig. So pflegt ihr Pfaffen [es zu machen]: Ihr täuscht uns wie die Menschen die Affen, ihr bindet uns mit einer Beschwörung (?), 65 ob es uns gefällt oder nicht, so dass wir vor euch erscheinen müssen. Du hast mich von einer langen Reise abgehalten. Ich war unterwegs nach Judäa. [144v] Meine Gesellen habe ich dorthin geschickt. 70 Der König dort ist gestorben, seine Seele habe ich mit gutem Recht erworben. Dort wäre ich gerne geblieben, du hast mich von dort weggeholt. Übersetzung S 245

250

255

dass du mich so nötigend beschworen hast bei jenem Gott, der Laub und Gras und alle Dinge erschaffen hat, beides: Gutes und Böses. Menschenwelt und auch Nicht-Menschliches; das ist für euch wie eine Eierschale. Ihr bindet uns mit euren Beschwörungen, ob es uns gefällt oder nicht, so dass wir vor euch erscheinen müssen. Du hast mich von einer langen Reise abgehalten. Ich war nach Indien gefahren. meine Gesellen habe ich dort zurückgelassen. Der König von Indien ist eben gestorben, seine Seele hatte ich mit gutem Recht erworben. Dort wäre ich gerne verblieben, nun hast du mich von dort weggerufen.

32

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H 75

80

85

To hant do ek dynen syn vor nam, Vil drade dat ek to dy quam. Nu sage: wat wultu my, Nu ek byn ghe komen to dy? THEOPHILE41 SPRAK: Satanas*, hastu suluer vnde golt? Ik wil dy geuen den duresten solt*, Den ek ju ghe wan: Wente ek byn eyn edele42 man*. Ik wil dy vor kopen Myn43 zele; in der dopen Myt Godes blode war se reynicheit Vnde na Godes bilde vor eynicheit*: De wil ek dy geuen in dyne hant, Ik en han neyn durer pant*, Wultu dat also vnfangen, So wil ik den winkop an gangen*. Text S

260 [164] 265

270

Alto hant do yk hørde Dynes edes worde* Do44 moste* yk komen tody. Sprek an, Theophele, wat wultu my? THEOPHELUS DICIT: Hestu suluer vnde gholt? Ik wyl dy gheuen duren solt*, Den yk kan vor kopen: Myne sele, de45 an der dopen Myt Godes blode wart ghereynyghet Vnd myt Ghode wart vor eynyghet; De wyl yk dy gheuen an dyne hant, Ik en hebbe neyn durer pant; Wultu sulke pande vnt fan, So wyl yk eynen lyken kop myt dy aneghan.

________________ 41 42 43 44 45

T-Initiale fehlt (Krobisch). d überschreibt b. Myn] My Hs. o nahezu unleserlich. de] fehlt.

Übersetzung der Fassungen H und S

75

80

85

260 [164] 265

270

33

Übersetzung H Sofort, als ich deine Absicht vernahm, kam ich eilends zu dir. Nun sag: was willst du von mir, jetzt, da ich zu dir gekommen bin? THEOPHILUS SAGTE: Satan, hast du Silber und Gold? Ich will dir [dafür] das Wertvollste geben, das ich je hatte denn ich bin ein Edelmann. Ich will dir meine Seele verkaufen; in der Taufe wurde sie mit dem Blut Gottes gereinigt und nach ihrer Gottebenbildlichkeit [mit ihm] vereinigt: die will ich dir in die Hand geben. Ich habe keine wertvollere Gegenleistung; Willst du dieses also annehmen, so will ich den Handel abschliessen. Übersetzung S Sofort als ich deine Beschwörung hörte, da musste ich zu dir kommen. Sag, Theophilus, was willst du von mir? THEOPHILUS SAGT: Hast du Silber und Gold? Ich will dir [dafür] das wertvolle Entgelt geben, das ich anbieten kann: meine Seele, die in der Taufe durch Gottes Blut gereinigt wurde und mit Gott vereinigt wurde; die werde ich dir in deine Hand geben, ich habe kein kostbareres Entgelt. Willst du eine solche Bezahlung entgegennehmen, so werde ich einen ausgewogenen Handel mit dir schliessen

34

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H 90 SATANAS46 SPRAK: Neyn, de rede doget* nicht, [145r] Duncket dy, suluer vnde golt wesen nicht? Dat is vul dicke ghe scheyn, Des wil wy vns vor seyn*, Dat wy den luden vnse gud geuen*, 95 Dat se oren wollust mede dreuen Twintich edder wol drittich jar, Do be gunden se dencken dar, An den wech to komen*, Dat* se vns worden ghe nomen. 100 Is dek nu vnse gud lef, So lat vns scriuen eynen bref* Vnde eyne hant feste, Also plegen* io de besten*. De scal alsus wesen: 105 Alle, de dussen bref lesen*, Horen edder seyn, Text S 275

280

285

SATANAS DICIT: Nen, de rede helpet nicht. Id is vns dikke beschicht47*, Dat wy luden ghut gheuen*, Dar se ere lust mede dreuen Twyntych edder dortich yar So beghunden se denne dar An den wech to komen, Dat se vns worden ghenomen. Is dy myn ghud lef, So scholtu scriuen eynen bref Vnde dar to eyne hantfeste*, Also dar pleghen de besten, De schal aldus luden* Nu vnde to allen tyden*, De bref de schal aldus wezen: Alle de ene seen edder horen lezen,

________________ 46 47

S-Initiale fehlt (Krobisch). dikke beschicht] dazwischen rot gestrichenes p.

Übersetzung der Fassungen H und S

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Übersetzung H 90 SATAN SAGTE: Nein, dieser Vorschlag hilft nicht. [145r] Glaubst du, Silber und Gold seien nichts? Das ist sehr viele Male geschehen (dagegen wollen wir uns vorsehen), dass wir den Leuten unser Gut gaben, 95 Dass sie ihrer Wollust damit frönten, zwanzig oder gar dreissig Jahre lang. Da begannen sie darauf zu sinnen, auf den Weg zu kommen, damit sie uns abhanden kämen. 100 Ist dir also unser Gut gefällig, so lass uns einen schriftlichen Vertrag aufsetzen und ein Dokument, so pflegen ja die Ehrlichsten [zu tun]. Der soll so lauten: 105 Alle, die diesen Vertrag [selber] lesen, hören oder sehen, Übersetzung S 275

280

285

SATAN SAGT: Nein, dieser Vorschlag hilft nichts. Es geschieht uns häufig, dass wir den Leuten zu Besitz verhalfen, womit sie ihren Lüsten frönten zwanzig oder dreissig Jahre [lang], so begannen sie dann dorthin auf den [rechten] Weg zu gelangen, so dass sie uns abhanden kamen. Ist dir mein Gut [etwas] wert, so wirst du einen schriftlichen Vertrag aufsetzen und dazu eine Unterschrift, wie das die Ehrlichsten [zu tun] pflegen. Der soll so lauten jetzt und für immer soll der Vertrag so lauten: Alle, die ihn sehen oder lesen hören,

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text H De scullen48 des be kennen vnde gen, Dat Theophilus des duuel sy. Dyn jngesegel henge ok dar by, 110 De bref mot vullen komen syn. Henge ok dar an dyn vingerlin, Dat du dregest an dyner hant, So antworde my den bref vnde pant. Du scalt herliken leuen; [145v] Ek wil dy gudes en noch* gheuen. THEOPHILE49 SPRAK: Wat scolde dy de bref myn*? Myne wort schullen war syn, Ek wil dy nicht vor leghen. Wolde ik dy be dregen, Text S 290

[165] 295

300

De scholen des bekennen vnd ghen (Alle de ene horen edder sen), Dat Theophelŭs50 des duuels sy. Dyn51 yngheseghel henghe dar by, Dat de bref vulkomen vnd ghans sy. Henghe ok dar an dyn ghulden vyngheryn, Dat du dreghest an der hant dyn, So antwerde my bref vnde pant, So wyl yk dy* gheuen alto hant Beyde suluer vnd gholt wyl yk dy gheuen, Dar mede scholtu erlyken leuen. THEOPHELUS DICIT: Wat schølen dy de breue myn? Myne wort, de schølen recht syn, Ik wyl dy nycht wor leghen; Wolde yk dy bedreghen,

________________ 48 49 50 51

Mit undeutlichem Nasalstrich (Krobisch). T-Initiale fehlt (Krobisch). Theophelŭs] thoephelus Hs., u aus i verbessert. Dyn] Dy Hs.

Übersetzung der Fassungen H und S

37

Übersetzung H die sollen das erfahren und [weiter] bezeugen, dass Theophilus dem Teufel angehört. Dein Siegel sollst du auch daran hängen, 110 der Vertrag muss ohne Mängel sein. Hänge auch deinen Ring dran, den du an deiner Hand trägst, so übergib mir Vertrag und Preis. Du wirst prächtig leben; [145v] ich will dir genug Reichtümer geben. THEOPHILUS SAGTE: Was sollte dir mein Vertrag? Meine Worte werden verlässlich sein, ich werde dich nicht täuschen. Wollte ich dich betrügen, Übersetzung S 290

[165] 295

300

die sollen das erfahren und weiter bezeugen, (alle die ihn [vorlesen] hören oder sehen), dass Theophilus dem Teufel angehört. Dein Siegel sollst du daran hängen, damit der Vertrag ohne Mängel und vollständig sei. Hänge auch deinen goldenen Ring daran, den du an deiner Hand trägst, so übergib mir Vertrag und Sicherheit, so werde ich dir sogleich geben beides: Silber und Gold werde ich dir geben, damit wirst du standesgemäss leben. THEOPHILUS SAGT: Was soll dir mein Vertrag? Meine Worte, die werden aufrichtig sein, ich werde dich nicht täuschen. Wollte ich dich betrügen,

38

Die Texte und ihre Übersetzung

120

125

130

Text H So en hete ek neyn pape*. SATANAS SPRAK: Neyn, du en52 kanst dar nicht mede schapen.53 Wuldu vns werden vnder dan, Dyn hant feste wil ik han Vnde de breue dyn, Dat du willest wesen myn. So lat my eynen bref scriuen, Dat du willest by my bliuen. Dar scrif in, dat lif vnde de zele* dyn Sculle des duuel* syn, Vnde nummer dyner trost* sculle mer werden, Beyde an himmel vnde an erden; We ok vor dy beyde, De vns vnrechte dede. Text S

305

310

315

Sone heyte yk54 nen pape Noch nen bysschop noch neyn pryllate. SATANAS DICIT: Wultu wezen myn vnderdan*, Dyne hantueste wyl yk haan; Dar in so schøltu scryuen, Dat du myt my wyllest blyuen. Du schalt scryuen aldar by, Dat neen trost* mer an dy sy, Dat dy nen man moghe to troste komen, Dyme lyue ofte diner selen to wromen55 An hemmele noch an erden Dy mach to troste werden, So we vor dy bede, Dat he dy vnrecht dede*. Aldus scholen wesen vnse rede, Ok scholtu my denen myt dyme bede*.

________________ 52 53 54 55

en] eyn Hs. Vers 121 in der Hs. auf zwei Zeilen (mit Bruch nach kanst) (Krobisch). heyte yk] dazwischen gestrichenes e. r übergeschrieben.

Übersetzung der Fassungen H und S

120

125

130

305

310

315

39

Übersetzung H dann trüge ich meinen Titel als Priester zu Unrecht. SATAN SAGTE: Nein, du kannst damit nichts ausrichten. Willst du unser Vasall werden, will ich deine Urkunde haben und deinen Vertrag, wonach du mir gehören wirst. Also lass mir einen Vertrag schreiben, dass du bei mir bleiben wirst. Setz darin fest, dass dein Leib und deine Seele dem Teufel gehören werden, und dass es niemals für dich je einen Beistand geben wird im Himmel und auf Erden; wer auch für dich Fürsprache leistete, der verletzte unsere Rechte. Übersetzung S dann trüge ich meinen Titel als Priester zu Unrecht wie den des Bischofs oder des Prälaten. SATAN SAGT: Willst du mein Untertan werden, will ich deinen Vertrag haben. Darin wirst du schreiben, dass du bei mir bleiben wirst. Du wirst an gleicher Stelle schreiben, dass kein Helfer mehr bei dir sei, dass dir keiner zu Hilfe kommen kann, deinem Leib oder deiner Seele als Rettung [weder] im Himmel noch auf der Erde dir zu Hilfe kommen kann; wer aber für dich Fürsprache leistete, dass der für dich [etwas] Unrechtes täte. So sollen unsere Abmachungen lauten, auch sollst du mir dienen mit deinem persönlichen Dienst.

40

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Be haget dy sus de sake, 135 So wil ik den winkop maken. [146r] THEOPHILE56 SPRAK: Wat eyn io don mot, Dat is dicke mate gud. Ek byn dar vmme to dy komen, So en deil ik han vor nomen*, 140 Ik wil dyn denst man werden*: Wat* du my bust vp erden, Dat do ik nu vnde jummer mere. SATANAS SPRAK: Do also eyn here*. THEOPHILE57 SPRAK: Du wult58 my dar to driuen, 145 Dat ek eynen bref late scriuen Vnde eyne59 hant feste – Also don, sprekestu, de beste60* – De my an myne zele geyt, Dar to byn ek al be reyt. Text S 320

325 [166]

330

335

Be haghet dy alsulke saken, So wyl yk enen lyken kop myt dy maken. THEOPHELUS DICIT: So wat en man yo don moed, Dat ys by wylen maten ghued. Ik byn dar vmme to dy komen, Also du wol hest vornomen, Dat yk dyn denest wyl werden, De wyle dat yk leue up der erden. Dat do yk jummer mere, Du sprekest also eyn here*. THEOPHELUS DICIT: Nu du my wult dar to dryuen, Dat yk eynen bref schal scryuen, De my an myne sele gheit, – Dar to byn yk ghar bereit, – So scholtu my løuen openbare By dyner rechten ware*,

________________ 56 57 58 59 60

T-Initiale fehlt (Krobisch). T-Initiale fehlt (Krobisch). wlt Hs. eyn Hs. Also du sprekest also de beste Hs.

Übersetzung der Fassungen H und S

41

Übersetzung H Ist dir die Sache so genehm, 135 so will ich den Handel schliessen. [146r] THEOPHILUS SAGTE: Was einer jedenfalls tun muss, das ist oft [nur] mässig vorteilhaft, 139 wie ich zum Teil (?) gehört habe. 138 Ich bin deshalb zu dir gekommen, 140 ich will dein Gefolgsmann werden: was du mir hier auf Erden [schon] gebietest, das tue ich jetzt und immer. SATAN SAGTE: Handle ganz wie ein Herr. THEOPHILUS SAGTE: Du willst mich dazu bringen, 145 dass ich einen Vertrag schreiben lasse und einen Kontrakt – so machen es, sagtest du, die Ehrlichsten – der mich meine Seele kostet, dazu bin ich völlig bereit. 320

325 [166]

330

335

Übersetzung S Sind dir diese Sachen genehm, so will ich einen Handel, der recht und billig ist, mit dir schliessen. THEOPHILUS SAGT: Was einer tun muss, das ist zuweilen [nur] mässig befriedigend. Ich bin deshalb zu dir gekommen, wie du genau gehört hast, weil ich dein Dienstmann werden will, so lange, wie ich lebe auf Erden. Das tue ich ganz gewiss, du sprichst wie ein Herr. THEOPHILUS SAGT: Nun willst du mich dazu bringen, dass ich einen Vertrag ausstellen werde, der mir meine Seele aufs Spiel setzt (dazu bin ich durchaus bereit), also sollst du mir öffentlich zusagen, bei Treu und Glauben,

42

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H THEOPHILE SPRAK*: So loue my openbar By der helleschen schar, Dat du my gudes so vele willest geuen, Dat ik moge herliken leuen, Vnde maken my to eynem heren, 155 So dat me my beyde ere. SATANAS SPRAK: Twiuel nicht en har, Wente ik sage dy vor war: Wes du be gheret eyne, Des scaltu hebben twene. [146v] Ik wil dat waghen* wol, Dat me dy vrochten sol. THEOPHILE61 SPRAK: Ik wil id alle waghen62. Ik mot doch alle daghe Ewichliken syn vor loren, 165 Ik were beter vnghe boren*. 150

Text S

340

345

350

Dat du my wyllest vele ghudes gheuen, Dat yk moghe erlyken leuen. Du scholt my beden grote ere Vnde maken my to eneme63 heren. SATANAS DICIT: Nu en twyuele nycht eyn har*, Ik segghe dy dat vor war: Wes du begherest eyn, Des scholtu hebben twey. Dat* loue yk dy an dyne hant, Ik wyl dy gheuen nen durer pant. THEOPHELUS DICIT: Ik wyl yd allent waghen. Wente yk mot in alle mynen daghen Jummer syn vorloren; Ik were beter vngheboren! Nu wyl64 yk scryuen ane torne.

________________ 61 62 63 64

T-Initiale fehlt (Krobisch). waghen fehlt in Hs. to eneme] dazwischen eme gestrichen. wyl] wyk Hs.

Übersetzung der Fassungen H und S

43

Übersetzung H THEOPHILUS SAGTE: So sage mir öffentlich zu bei der höllischen Heerschar, dass du mir so viel Besitz geben wirst, dass ich ein herrenmässiges Leben führen kann, und [dass du] mich zu einem Herrn machen wirst, 155 so dass man mir Ehre erweist. SATAN SAGTE: Zweifle keinen Moment, denn ich sichere dir wahrheitsgemäss zu: Wovon du eines wünschest, davon wirst du zwei haben. [146v] Ich will das veranlassen, dass man dir Respekt entgegenbringt. THEOPHILUS SAGTE: Ich werde alles wagen. Ich werde gewiss für alle Tage ewig verloren sein. 165 Ich wäre besser nie geboren worden. 150

Übersetzung S

340

345

350

dass du mir grossen Besitz geben wirst, dass ich standesgemäss leben kann. Du sollst mir zu grossem Ansehen verhelfen und mich zu einem Herrn machen. SATAN SAGT: Nun zweifle keinen Moment, ich sichere dir das wahrheitsgemäss zu: Wovon du eines wünschest, davon wirst du zwei haben. Das verspreche ich dir in die Hand, ich werde dir kein verlässlicheres Pfand geben. THEOPHILUS SAGT: Ich werde alles wagen. Denn ich werde in allen meinen [Lebens]tagen auf immer verloren sein; ich wäre besser nie geboren worden. Jetzt will ich ohne Groll schreiben.

44

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H

170

175

Nu reke my eyn blak horne*, Vederen vnde parmynt. SATANAS SPRAK: Id is my be reit also eyn65 wint. THEOPHILE SPRAK: Ik wil scriuen eyn tractat66, Dat myn zele nummer werde67 rat. SATANAS SPRAK: Er du scriuen be gunnest*, So do, dat du meyn scop* wynnest Myn vnde alle myner ghe sellen, De dar woldich syn in der helle. Godes schaltu vor saken68 gar Vnde siner moder, de one gebar. Se is so kreftich vnde gud, Dat ik or nicht nomen mot*. Du scalt vor saken aller dingk, Text S

355 [167]

360

Reke my eyn blachorne*, Eyne wedder69 vnde permynt – Dat ys my rechte, also eyn wynt. Ik wyl scriuen eynen trachtat, De an myne zele ghat. SATANAS RESPONDIT: Er du scriuen70 beghynnest, So dat du menschop wynnest Ik vnde myne ghesellen*, De dar weldych synt in der hellen, So schaltu Godes vor saken ghar Vnde syner moder de ene ghebar71, Se ys so kreftych vnde so ghud, Dat yk se nycht nomen mod. Du72 scholt vorsaken alle dynk,

________________ 65 66 67 68 69 70 71 72

eyn fehlt in Hs. tractat] karat Hs. werde] werdde Hs., de durchgestrichen (Krobisch). vor seken Hs. wedder] wedde Hs. scriuen] scruen Hs. de ene ghebar] der eynyghebar Hs.; vgl. zu V. 421. Vor Du, rot gestrichenes S.

Übersetzung der Fassungen H und S

170

175

45

Übersetzung H Nun reiche mir ein Tintenhorn, Feder und Pergament. SATAN SAGTE: Es ist mir in Windeseile zur Verfügung. THEOPHILUS SAGTE: Ich werde einen Vertrag aufsetzen, so dass es für meine Seele niemals mehr Rettung gibt. SATAN SAGTE: Ehe du zu schreiben anfängst, so mach, dass du Bruderschaft bekommst mit mir und mit allen meinen Kumpanen, die da herrschen in der Hölle. Gott musst du Absage erteilen und seiner Mutter, die ihn gebar. Sie ist so mächtig und gütig, dass ich sie nicht nennen darf. Du musst auf alles verzichten, Übersetzung S

355 [167]

360

Reiche mir ein Tintenhorn, eine Feder und Pergament – das ist mir völlig wie Wind. Ich werde einen Vertrag ausstellen, der über meine Seele verfügt. SATAN SAGTE: Ehe du anfängst zu schreiben, damit du Bruderschaft bekommst mit mir und mit meinen Kumpanen, die da herrschen in der Hölle, so musst du Gott ganz absagen und [auch] seiner Mutter, die ihn gebar. Sie ist so mächtig und so gut, dass ich sie nicht nennen darf. Du musst auf alles verzichten,

46

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H De myt Gode an dem hymmel synt. Du scal vor saken* hute Aller guden lute, [147r] De hir up erden syn, Sunnen, man, der sterne schin*. 185 Vor sake ok aller dyngk*, Deme73 in der kerken sincht, Spreken, dencken vnde lesen: Alle dyn dancke scal to my wesen. Du scholt neyn cruce vor dy legen*, 190 Also gude lude plegen. Dyn tunge scal stille lighen, An Godes denste sik nicht wegen. Vor but ok dynen oren, Dat se Godes denst nicht horen. 180

Text S 365

370

375

380

De myt Gode yn deme hemmele synt*. Du scholt vorsaken huten Alder salyghen luten, De hyr uppe der erden Gode to denste werden; Du schalt vorsaken sŭnnen, manen, sternenschyn, De dar luchtet also fyn; Du schalt vorsaken alder dyngh, De myt Gode in deme hemmele synd*; Du scholt dencken vnde lezen*, Al dyn dancke de schal tø my wezen. Du scholt vor dy nen crŭce leghen, Also dar de crystenen lude pleghen; Dyn tungghe schal lygghen stylle, Numme schal zee doen Godes wylle; Du schalt vor beden74 dynen oren75 Dat ze Godes word nycht en horen;

________________ 73 74 75

dynk De myt gode an dem hemel synt Vnde dem Hs. vor beden] dazwischen bd gestrichen. oren] horen Hs. (mit gestrichenem h).

Übersetzung der Fassungen H und S

47

Übersetzung H was bei Gott im Himmel ist. Du wirst heute [dich] lossagen von allen guten Menschen, [147r] die hier auf Erden leben, [verzichten auf] Sonne, Mond, Sternenschein. 185 Sag auch allem ab, was man in der Kirche singt. Sprechen, denken und lesen: alle deine Gedanken sollen mir gelten. Du darfst kein Kreuz verehren, 190 wie das fromme Menschen zu tun pflegen. Deine Zunge soll still verharren, im Dienste Gottes sich nicht rühren. Verbiete es auch deinen Ohren, so dass sie den Gottesdienst nicht anhören. 180

365

370

375

380

Übersetzung S was bei Gott im Himmel ist. Du wirst heute ablassen von allen guten Menschen, die hier auf Erden Gott dienstbar werden. Du wirst dich lossagen von Sonne, Mond, Sternenschein, der hier so schön leuchtet; Du musst auf alles verzichten, was bei Gott im Himmel ist. Du wirst denken und lesen, alle deine Gedanken sollen mir gelten. Du darfst kein Kreuz verehren, wie das die Christen zu tun pflegen. Deine Zunge soll still verharren, niemals soll sie Gottes Willen tun. Du sollst es deinen Ohren verbieten, dass sie bei Gottes Wort hinhören.

48

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Kerken gan scaltu vor myden, Neyne almissen scaltu snyden*, Du en geuest se dorch myne ere: Ik dy des nicht vor kere. Wultu dat ane ganghen, 200 So wil ik dy to denste en fangen. THEOPHILE76 SPRAK: Du heft my sware rede vor ge saghet77, Alseme io den mistrosteten78* pleget79. Id is mi nŭ misse ghe vallen*, [147v] Doch wil ik vor saken alle 205 An himmel vnde an erden, Vp dat ik rike moge werden. Doch wil ik sunder leyden* Eyne dar ut be scheyden: De is ghe heten Maria*: 210 Der wil ik nicht af stan. De mach myne zele wol vlien, 195

385

[168]

395

Text S Du schalt kerkghank vor myden; Nene allemyssen schaltu snyden, Du en wult ze an myne ere gheuen, De en wyl yk dy nycht vor keren80. Wultu dat allent an ghan, So wyl yk dy to deneste vntfan THEOPHELUS DICIT: Nu heuestu my byttere wort voregheleghet, Also men jo den mystrostyghen pleghet, Dat ys my zere mysseuallen* – Ik wyl doch vorsaken alle An hemmele vnde an erden; Ene wyl yk dar butene bescheyden, Dat ys de sute maghet Maria De yk node* vortya*.

________________ 76 77 78 79 80

T-Initiale fehlt. Der Vers in der Hs. auf zwei Zeilen (mit Zeilenbruch nach my). mistroteren Hs. Oder plaget? Lesung unsicher. be keren Hs.

Übersetzung der Fassungen H und S

49

Übersetzung H Den Kirchgang sollst du meiden, keine Almosen darfst du verteilen, ausser wenn du sie zu meiner Ehre gibst: das verwehre ich dir nicht. Willst du das vertraglich übernehmen, 200 so werde ich dich als Vasall annehmen. THEOPHILUS SPRACH: Du hast mir schwere Auflagen gemacht, wie man das bei den Hoffnungslosen [zu tun] pflegt. Es fügt sich für mich nun schlecht, [147v] dennoch will ich allen absagen 205 im Himmel und auf der Erde, damit ich reich werden kann. Doch werde ich ohne Bedenken eine davon ausnehmen: die heisst Maria: 210 von der will ich mich nicht lossagen. Die kann meine Seele wohl befreien, 195

385

[168]

395

Übersetzung S Du wirst den Gang in die Kirche vermeiden; Almosen darfst du keine verteilen, ausser wenn du sie zu meiner Ehre gibst: das will ich dir nicht verwehren. Willst du das alles vertraglich übernehmen, so werde ich dich als Vasall annehmen. THEOPHILUS SAGT: Nun hast du mir harte Bedingungen vorgelegt, wie man das bei den Hoffnungslosen [zu tun] pflegt, das hat mir sehr missfallen – Ich werde jedoch allen absagen im Himmel und auf Erden. Eine werde ich davon ausnehmen, das ist die süsse Jungfrau Maria, die ich nur gezwungenermassen aufgebe.

50

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H

215

220

225

Der wil ik nicht vor tigen. SATANAS81 SPRAK: O wy, dat sote wort*, Dat hebbe ik van dy vnsachte hort*! Swich du io des wordes me, Ed bernet my vnde deit my we. Wultu my werden vnder dan, Godes moder scaltu af stan. Se is so gud vnde reyne, Be heldestu se alleyne, We en mochten dy nicht scaden: Se brochte dy wol to gnaden. THEOPHILE SPRAK: So mot ek or vor saken, Vp dat du my willest rike maken. Id is my ok twar alleyn! Dyn wille scal an my scheyn*. Text S

400

405

410

SATANAS DICIT: Owe dat søte wort, Dat ys my vnghehort! Swych, swych des wordes mer, Id bernet my vnde dot my we. Wultu syn myn denest man, Godes moder scholtu aue stan. Se ys so ghut vnde so reyne, Beheldestu de alleyne82 To eneme steden vrunde, Ik nŭmmer dy en kunde, Ik vnde myne ghe sellen dy schaden, Se ne brohte dy wedder to gnaden. THEOPHELUS DICIT: So mot yk erer yo83 vorzaken, Uppe dat du my wyllest ryke maken. Id ys my allent ghut*, Also my leret de mot:

________________ 81 82 83

S-Initiale fehlt. de alleyne] dazwischen alleyle gestrichen. yo] ys Hs.

Übersetzung der Fassungen H und S

51

Übersetzung H

215

220

225

400

405

410

von der werde ich nicht lassen. SATAN SAGTE: Auweh, dieses süsse Wort, das habe ich von dir mit Pein gehört. Sag dieses Wort nicht mehr, es brennt mich und tut mir weh. Willst du mein Gefolgsmann werden: von Gottes Mutter musst du ablassen. Sie ist so gütig und rein, hieltest du einzig an ihr fest, so könnten wir dir nichts anhaben: Sie brächte dich sicher in den Stand der Gnade. THEOPHILUS SAGTE: So muss ich ihr absagen, damit du mich reich machen wirst. Es ist mir wahrhaftig auch alles einerlei! Dein Wille soll an mir geschehen. Übersetzung S SATAN SAGT: Au, dieses süsse Wort, das ist für mich unerhört! Schweig, verschweig dieses Wort fortan, es brennt mich und tut mir weh. Willst du mein Gefolgsmann sein: von der Mutter Gottes musst du ablassen. Sie ist so gütig und so rein, behieltest du die allein als verlässliche Verbündete, ich könnte dir in nichts schaden, ich und meine Kumpane, ohne dass sie dich wieder in den Stande der Gnade brächte. THEOPHILUS SAGT: So muss ich ihr doch absagen, damit du mich reich machen wirst. Es ist mir alles [gleichermassen] gut, wie mir mein Verstand sagt:

52

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H [148r] SATANAS SPRAK: Du sprekest84 also eyn here*. Ik en sculdeghe dy nu nicht mere*. Nu scaltu don wat ik dy hete*. 230 THEOPHILE SPRAK: Dar to so byn ik gar bereit, Dat sage ik dy up myn trŭwicheit. SATANAS SPRAK: Dat ga to scaden edder to lucke, So* tret dre vote achter rucke, Sprek85: Ek vor sake Godes gar, 235 Vnde siner moder, de on ge bar. THEOPHILE SPRAK86: Ik haue eynen87 bref ge screuen Ouer myn lif, zele vnde leuen. Solk grimmelik bref wart ne88, My gruwet, wen ik on seyn*. 240 Dusse bref dudet wol: Lif vnde zele des dŭuels wesen sol. SATANAS SPRAK: Do* her den bref, leue vrunt. Text S

415

[169]

Also* wol myt beyden voten in den stok, Also myt eneme dar vp. SATANAS DICIT: Du heuest ghe spraken also eyn here*, Nene schult gheue yk dy mere*. Nu schaltu spreken, dat yk dy heyte. Hyr to byn yk ghar bereyte*. Nu tret dre vøte tu rŭgghe Vnde trore* nycht ene mŭgghe* Vnde sprek: Yk vorzake Godes ghar Vnde Mariaz* de eneghe bar89 THEOPHELUS DICIT: Ik wyl myt dy blyuen Myt zele vnde myt lyue.

________________ 84 85 86 87 88 89

sprek Hs. sperk Hs. Sprecherangabe fehlt. eyne Hs. ye Hs. eneghebar] eynyghebar Hs., vgl. zu V. 361.

Übersetzung der Fassungen H und S

53

Übersetzung H [148r] SATAN SAGTE: Du sprichst [ganz] wie ein Herr. Ich gebe dir jetzt keinen weiteren Aufschub mehr. Nun wirst du tun, was ich dir befehle. 230 THEOPHILUS SAGTE: Dazu bin ich völlig bereit, das sage ich dir bei meiner Treue. SATAN SAGTE: Das gehe zum Schaden oder zum Vorteil: So tritt drei Schritt zurück, sage: „Ich schwöre Gott ganz und gar ab 235 und seiner Mutter, die ihn gebar.“ THEOPHILUS SAGTE: Ich habe einen Vertrag über Leib und Seele und Leben aufgesetzt. Einen solch harten Vertrag gab es noch nie, mir graut, wenn ich ihn sehe. 240 Dieser Vertrag bedeutet klar: Leib und Seele werden dem Teufel gehören. SATAN SAGTE: Her mit dem Vertrag, teurer Freund!

415

[169]

Übersetzung S So gut wie mit beiden Füssen im Stock, wenn man einen drin hat. SATAN SAGT: Du hast [ganz] wie ein Herr gesprochen. Keine weitere Bedingung diktiere ich dir mehr. Nun wirst du sagen, was ich dir befehle. Dazu bin ich ganz bereit. Nun tritt drei Schritt zurück und zeige nicht das kleinste Bedauern und sprich: „Ich sage Gott ganz und gar ab und Maria, die ihn gebar.“ THEOPHILUS SAGT: Ich werde bei dir bleiben mit Seele und Leib.

54

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Ik vore on in de helle grunt, Vnde antworde90 on mynem meyster Lucifere, 245 De is myn ouerste here. [HE NAM DEN BREF TO HANT*, DO SPRAK HE*:] Ik haue eyn gud pant Vnde wil one voren en wech, Beide ouer bruge vnde ouer stech*, 250 Dat he on holde an den dach, [148v] Dat he vns nutte werden mach. Text S 425

430

435

SATANAS DICIT91: Nu sytte nedder vnde scryf, Dat schal wesen ane kyf*. THEOPHELUS SPRAK: Ik hebbe eynen bref ghescreuen, Dar mede hebbe yk eyn ordel gheuen So engghestlyken yk ne en* scref: My gruwet, dat yk se den bref. Desse bref be dudet also vyl, Dat Theophelus des duuels wezen wyl. SATANAS DICIT: De bref be haghet my ghar wol, Also he my to rechte behaghen zol; Nu dene my*, vyl leue vrunt; Ik wyl ene vøren an de helle grunt Vnde wyl ene antwørden Lucyfer an synen orden, Dat he ene be holde bet an den dach, Dat he vns nutte92 werden mach.

________________ 90 91 92

antwor Hs. Sprecherangabe fehlt in Hs. nycht Hs.

55

Übersetzung der Fassungen H und S

Übersetzung H Ich trage ihn in den Höllengrund, und übergebe ihn meinem Meister Luzifer, 245 der ist mein oberster Herr. [ER NAHM DEN VERTRAG IN DIE HAND, DA SAGTE ER:] Ich habe eine gute Sicherheit und ich werde den Vertrag wegbringen über Brücke und Steg, 250 damit Luzifer ihn aufbewahrt bis zum Tag, [148v] an dem er uns nützlich werden kann. Übersetzung S 425

430

435

SATAN SAGT: Nun setz dich und schreibe, das wird ohne Widerrede abgehen. THEOPHILUS SAGTE: Ich habe einen Vertrag verfasst; damit habe ich ein Urteil gefällt; so angstvoll schrieb ich nie einen [Vertrag]: Mir graut, wenn ich den Vertrag sehe. Dieser Vertrag besagt soviel, [wie] dass Theophilus des Teufels sein wird. SATAN SAGT: Der Vertrag gefällt mir sehr, wie er mir mit Recht gefallen muss. Nun diene mir, teuerster Freund. Ich will ihn in den Höllengrund bringen und werde ihn übergeben dem Lucifer zu seiner Verfügung, damit er ihn aufhebe bis zu dem Tag, an dem er uns nützlich werden kann.

56

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Keine Entsprechung zu dieser Stelle in H 440

445

[170]

Text S SATANAS PORTAT LITERAM AD LUCYFERUM: Lucyfer, vnser aller here, Ik hebbe arbeydet rechte zere Vmme eynen eddelen ghuden bref, Den en twyuelere* suluen scref. Deme kofte yk af to vnzeme dele Myt gholde syne leue zele. Syne sele schal vnse wesen, Den bref schaltu ouer lezen. Is dat denne wol dyn wylle, So sent em gholdes so vylle. LUCIFER RESPONDIT: Truwen, dat schal my wol behaghen, Dat wyl wy jo bynamen waghen*. Ik proue, he is wol vnse ghe voch. Ik wyl em ghudes gheuen rechte noch*.

Übersetzung der Fassungen H und S

57

Übersetzung H Keine Entsprechung zu dieser Stelle in H 440

445

[170]

Übersetzung S SATAN BRINGT DEN VERTRAG ZU LUCIFER: Lucifer, unser aller Herr, ich habe mich sehr hart gemüht, um einen hervorragenden, vorteilhaften Vertrag, den ein Verzweifelter selber verfasste. Dem handelte ich zu unserer Verfügung gegen Gold seine teure Seele ab. Seine Seele wird uns gehören, diesen Vertrag musst du durchlesen. Entspricht er dann wirklich deinem Willen, so schick ihm eine Menge Gold. LUCIFER ANTWORTET: Wirklich, das muss mir sehr gefallen, das werden wir wirklich riskieren. Ich sehe, der Mann ist uns gefügig. Ich werde ihm Gut geben bis zur Sättigung.

58

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H

255

260

265

SATANAS93 SPRAK: Ik bringe dy Schone cleder, des loue my, Suluer clar vnde golt; Schone cleder du dragen scholt, Samit vnde baldekin* Scal myt suluer dor slagen syn. Dit is eyn stŭcke suluer fyn; Dat hebbe to der koste dyn. De besten spise scaltu eten, Dines leydes scaltu vor gheten. Dit synt edele stene; De gyf den vrowen reyne94, Dat se dyner winnen kunde95, Vnde kesen dy to vrunde. Text S

455

460

465

SATANAS PORTAUIT AURUM: Ik brynghe dy hyr rot golt. Schone kledere du draghen scholt, Samyt vnde bøldekyn*, De myt golde wolbeslaghen syn. Hyr ys eyn borde sulueryn Vnde eyn vyngheryn ghuldyn. Du scholt hebben to der kost dyn Clareyd* vnde guden wyn. Du schalt de besten spyse* etten96 Vnde tu dyner tafelen zetten. Vnde ghyf den vrowen reyne Edele dure steyne, So wynnet* se dyner kunde Vnde kezen dy to eneme vrunde.

________________ 93 94 95 96

S-Initiale fehlt. reyde Hs. kunne Hs. besten spyse etten] besten etten Hs.

Übersetzung der Fassungen H und S

59

Übersetzung H

255

260

265

455

460

465

SATAN SPRACH: Ich bringe dir schöne Kleider, glaub mir, helles Silber und Gold; schöne Kleider wirst du tragen, Samt und Seide wird mit Silber durchwirkt sein. Das ist ein Stück feines Silber; das nimm für deinen Unterhalt. Die vorzüglichsten Speisen wirst du essen, deinen Verdruss wirst du vergessen. Hier sind Edelsteine; die gib den edlen Frauen, damit sie auf dich aufmerksam werden, und dich zu ihrem Freund wählen. Übersetzung S SATAN BRACHTE GOLD: Ich bringe dir hier rotes Gold. Prächtige Kleider wirst du tragen, aus Samt und Seide, die schwer mit Gold[fäden] bestickt sind. Hier ist ein silberner Gürtel und ein Ring aus Gold. Du wirst für deine Verpflegung Claret und guten Wein haben. Du wirst die besten Speisen essen und auf deinen Tisch setzen. Und verehre den noblen Damen edle kostbare Steine, so werden sie auf dich aufmerksam und wählen dich zu ihrem Freund.

60

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H DO97 SPRAK THEOPHILUS ROMICHLIKEN ALSUS: Nu wil ik gar in vraude varen, Myn lif wil ik be waren*. 270 Ik wil myk vraude wynnen, De sorge mot van hinnen. Ik sage dat vor war: Ik han ghe sorget mennich jar. [149r] He mote nŭ myner walden, 275 An vroden wil ik alden; Alle, deit id lif vor deyt, Des mot de zele vur gelden. De duuel wil myner welden, Nu late de zele sorgen 280 Den auent vnde den morgen. Wy riden in dem lande Ghe cledet myt schonem wande, De zele steit to pande. Text S 470

475

[171]

THEOPHELUS DICIT: Wy wyllen alle* myt98 vroyden varen*, Vor sorghent wylle wy vns be waren. Ik hebbe sorget mennych yar, Nu wyl yk sorghen nycht eyn har. Ik han suluer vnde golt, An vroyden wyl yk werden olt. Allent, dat de lycham vor dut, Dat mot gelden de zele gut*. Nu lat* de zele sorghen Den aŭent vnde den morghen; Wy ryden achter99 lande, Ghe cledet myt schonem wande; De zele steit doch to pande,

________________ 97 98 99

D-Initiale fehlt. myt] my Hs. acter Hs.

Übersetzung der Fassungen H und S

61

Übersetzung H DA SPRACH THEOPHILUS PRAHLEND FOLGENDERMASSEN: Jetzt werde ich in Saus und Braus leben, auf meinen Leib will ich [wenigstens] Acht haben. 270 Ich will mir Lust gewinnen, die Sorge muss von hinnen. Ich sage die Wahrheit: ich habe mich manches Jahr gesorgt. [149r] Er muss jetzt sich um mich kümmern, 275 im Vergnügen will ich alt werden. Alles, was der Leib vertut, dafür muss die Seele aufkommen. Der Teufel wird sich meiner annehmen, nun lasse [ich] die Seele sich sorgen 280 abends und morgens. Wir reiten durch das Land in prächtige Gewänder gekleidet. Die Seele leistet Bürgschaft.

470

475

[171]

Übersetzung S THEOPHILUS SAGT: Wir werden alle mit Vergnügen ausfahren, von Sorgen werden wir uns frei halten. Ich habe mich manches Jahr gesorgt, nun will ich nicht mehr die geringste Sorge haben. Ich habe Silber und Gold, in Freuden will ich alt werden. Alles, was der Leib verprasst, dafür muss die gute Seele aufkommen. Nun lasse [ich] die Seele sorgen am Abend und am Morgen. Wir reiten durch die Lande, in prächtige Gewänder gekleidet. Die Seele steht jedoch als Preis,

62

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Dat is eyn iamerlik elende: 285 Dat lif* wil in vrauden leuen, Des mot de zele beuen. Neynen rad kan ik or gheuen, De zele mot ewichliken euen In der helle grunt sweuen. 290 SATANAS100 SPRAK: Alsus scaltu jummer bliuen: Du macht alle dyn lust driuen, Du macht noch lange leuen, Ik wil di gudes en noch gheuen. DO SPRAK THEOPHILUS 295 JAMERLIKEN ALSUS: Me* spreket, dat de zele si cleyne* – Des mot ek scrien vnde weynen – Vnde dat se si van clener nature, [149v] Des is my de vroude dure*. Text S

485

490

Se is in der dŭuele hande. Nu lat* den lycham101 leuen, De zele de mŭt beuen; Nenen trost kan yk er gheuen, Se mot in der hellen sweuen, Wente se mot vorloren syn Ander depen hele pyn*. SATANAS DICIT: Be kennestu, dat du myn byst*? Dat sprek hyr an korter vryst. Mochtestu langhe leuen, Ghudes wyl yk dy noch* gheuen. THEOPHELUS DICIT: Men spreket, dat de zele cleyne sy, Des ys myn102 herte harde vry. De zele kranket103 an natŭren,

________________ 100 101 102 103

S-Initiale fehlt. lychan Hs. myn] my Hs. t aus r verbessert.

Übersetzung der Fassungen H und S

63

Übersetzung H Das ist ein trauriges Elend: der Leib will in Freude leben, deshalb muss die Seele beben. Keine Hilfe kann ich ihr geben, die Seele muss auf ewige Zeiten im Höllenabgrund schweben. 290 SATAN SPRACH: So wird es für dich immer bleiben: du kannst jeder Lust frönen, du kannst noch lange leben, ich werde dir genug Besitz geben. DA SPRACH THEOPHILUS 295 JAMMERND SO: Man sagt, dass die Seele subtil sei, (deshalb muss ich klagen und weinen) und dass sie von feiner Natur sei, [149v] deshalb ist Freude mir fern. 285

485

490

Übersetzung S sie ist in der Hand des Teufels. Nun lasse [ich] den Leib leben, die Seele die muss zittern. Keinen Trost kann ich ihr geben, Sie wird in der Hölle schweben, denn sie wird verloren gehen in der tiefen Höllenpein. SATAN SAGT: Bekennst du, dass du mir gehörst? Das sage hier sogleich. Magst du auch lange leben, will ich dir genug Besitztümer geben. THEOPHILUS SAGT: Man sagt, die Seele sei etwas sehr Kleines, deshalb ist mein Herz ganz frei. Die Seele ist von Natur aus schwächlich,

64

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H 300

305

Ik wil id euenturen104, Vnde wil se om wol duren*. De wile dat ik byn by dy, Wil ik wol ghe holden my, De wile dat ek leue. Wente ik sterue*, so mot de zele beuen, O wy, in der leyden stunde, Wente se senket se in de af grunde, Dar se nummer mach ut rouuen105*, Noch Godes antlate* be schauwen. Text S

495

500

505

[172]

515

Jo doch wyl yk dat euentŭren; Der zele hebbe yk my vor wegen, Des lyues wyl yk wol plegen, De wyle dat yk dat ghut han. De zele de mot doch vor ghan. Wuste yk wan yk stŭrue Vnde dat yk dat vorwŭrue*, Wor danne de zele bleue; Och wan106 yk dat nummer leue*! Owe se mot vor synken Vnde in dat afgrunde107 drynken*, Dar se nŭmmer mach rouwen* Noch Godes antlat be scouwen. De duuel mot se klouwen Vnd se to ryten vnde to houwen. SATANAS DICIT: Be kennestu*, dat du wult syn Myt zele vnde myt lyue myn, Also schaltu blyuen, Dyne lust schaltu dryuen. Mochtu langhe leuen, Ghudes wyl yk dy noch* gheuen.

________________ 104 105 106 107

euenture truren Hs. (das zweite Wort unsicher lesbar). o undeutlich, vielleicht rauuen. wan] wat Hs. afgrunde] afgrude Hs.

Übersetzung der Fassungen H und S

65

Übersetzung H 300

305

Ich will es riskieren, und werde es ihm teuer werden lassen. Solange wie ich bei dir bin, will ich es mir gut gehen lassen, während ich am Leben bin. Weil ich sterblich bin, so muss die Seele beben, wehe! in dieser peinvollen Stunde, denn sie senkt sich in den Abgrund, wo sie niemals mehr ruhen kann, noch das Antlitz Gottes schauen. Übersetzung S

495

500

505

[172]

515

dennoch werde ich das wagen; meine Seele habe ich preisgegeben, für meinen Leib werde ich gut sorgen, so lange ich die Mittel habe. Die Seele wird ja doch vergehen. Wüsste ich [doch], wann ich sterbe! Und könnte ich das erreichen, – wo dann auch immer die Seele bliebe: oh, dass ich das niemals erleben müsste! Weh, sie muss versinken und in den Abgrund vordringen (?), wo sie niemals ruhen (?) kann noch das Antlitz Gottes schauen. Der Teufel wird sie mit seinen Krallen packen und sie zerreissen und zerhauen. SATAN SAGT: Bekennst du, dass du mit Seele und mit Leib mir gehören wirst, dann wirst du [noch etwas] bleiben, deiner Lust wirst du frönen. Magst du [noch] lang leben, Besitz will ich dir genug geben.

66

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Keine Entsprechung zu dieser Stelle in H

520

525

530

535

[173] 540

Text S PRIMUS SERUUS DICIT: Here*, nu wylle wy ghan spasseren* Vnde wyllen modych hoŭeren. Gy scholet des lyues modych plegen, Gy wyllet jw doch der zele vor wegen. Ik ze dar vele lude stan, Dar wylle wy to samende ghan. Lychte wat gy dar moghen zen, Dar jw108 euenture mach van schen. THEOPHELUS DICIT: Truwen, knecht, du saghest al war, Nu ga wy hen al apenbar Manch de meghede vnde junghen wyf, Dar vor luste wy vnse lyf. SECUNDUS SERUUS DICIT: Here, wylle wy den duuel109 nŭ bedoren? Hyr moghe wy Godes wort horen: Eyn prester ys hyr up ghe steghen, Dar hebbet syk de lude by gevleghen. Dar to synt wy wol to mate kømen : Nu horet Godes wort, dat mach jw vromen110. Ik rade dat up alle truwe, Dat nen man Godes wort en schuwe. THEOPHELUS DICIT: Nu gha wy hen in Godes namen, Oft wy des besten konden ramen*. SE GHYNGHEN AL111 BE DYLLE VOR DEN PRESTER VNDE SWEGHEN STYLLE. SATANAS DICIT: Hore, hore wedder du. Nŭ zegghe, war wultŭ nŭ?

________________ 108 109 110 111

Dar jw] dazwischen Ansatz zu w gestrichen. den duuel] dazwischen nŭ l gestrichen. vronen Hs. ghynghen al] dazwischen ab gestrichen.

Übersetzung der Fassungen H und S

67

Übersetzung H Keine Entsprechung zu dieser Stelle in H

520

525

530

535

[173] 540

Übersetzung S DER ERSTE DIENER SAGT: Nun werden wir promenieren gehen und wollen fröhlich Feste feiern. Ihr sollt euch fröhlich um Euer leibliches Wohl kümmern, ihr werde euch gewiss doch von der Sorge um die Seele freihalten. Ich sehe dort viele Leute stehen, dorthin lasst uns zusammen gehen. Leicht könnt ihr dort etwas sehen, was euch zu einer Aventiure werden kann. THEOPHILUS SAGT: Wahrhaftig, Knappe, du hast völlig recht, lass uns nun ganz offen zu den Mädchen und jungen Frauen gehen, dort vergnügen wir uns. DER ZWEITE DIENER SAGT: Herr, sollen wir jetzt den Teufel übertölpeln? Hier können wir Gottes Wort vernehmen. Ein Priester ist hier aufs Podium gestiegen, um ihn herum haben sich die Leute eilig versammelt. Dahin sind wir gerade eben recht gekommen. Nun vernehmt Gottes Wort, das kann euch retten. Ich rate euch dies in Treuen, indem niemand Gottes Wort fürchten soll. THEOPHILUS SAGT: Nun lasst uns hingehen, in Gottes Namen, [sehen], ob wir das Beste erreichen könnten. SIE GINGEN ALLE BEIDE HIN VOR DEN PRIESTER UND SCHWIEGEN. SATAN SAGT: He, he du. Jetzt sag, wohin willst du jetzt?

68

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H DUSSE112* NABE SCREUEN PREDEGHE* HORDE THEOPHILUS. TEMA* PREDICATORIS: VIDIT JHESUS HOMINEM SEDENTEM IN THELONIO113*. 310 God vor lene vns alle syne synne, Vnde geuen* vns syne gotliken mynne, Vrede vnde syne gnade to reden, Dat ed annamen mote wesen. Ik han eyn wort to latine gelesen, 315 Dat weit vil mennich gud cristen, Dat be scriuet vns de ewangelisten. Dat wil ik na be duden Vor allen cristen luden. [150r] Ere wy de rede be gynnen, 320 So grote wi erst de koninghinne114 Myt eynem „Pater noster“ vor war, Vnde myt eynem „Aue Maria“ clar,

545

550

Text S THEOPHELUS AL STYLLE SWECH, VOR DEN PRESTER DAT HE SYK VLECH. SACERDOS JNCIPIT SERMONEM: JHESUS SACH SYTTEN EYNEN TOLNERE. Got vor lene vns115 zynen vrede Vnde dar to guden zede, Syne gnade my to redende alzo, Dat jd Gode anneme sy vnde wy des werden vro. Ik han eyn wort to latyne ghe lezen, So vns de Ewanghelysten openbare zeghen, Dat wyl yk be duden vnde bezynnen*; Er wy nu der rede beghynnen, So grotet vnse leue vrouwa Myt eyneme „Aue Maria“,

________________ 112 113 114 115

Zweizeilige D-Initiale fehlt. theolonie Hs. koninghnne Hs. vns] in der Hs. aus unklarer Vorgabe verbessert; vgl. zu V. 554.

Übersetzung der Fassungen H und S

69

Übersetzung H DIESE NACHFOLGEND AUFGESCHRIEBENE PREDIGT HÖRTE THEOPHILUS. DAS THEMA DES PREDIGERS: VIDIT JHESUS HOMINEM SEDENTEM IN THELONIO. 310 Gott verleihe uns allen seinen Verstand, und [gewähre], uns zu geben seine göttliche Liebe, Frieden und seine Gnade, um zu sprechen, so dass es gut aufgenommen wird. Ich habe ein Wort auf Latein gelesen, 315 das kennt gar mancher gute Christ, das schreibt uns der Evangelist. Das will ich hernach auslegen vor allen Christenmenschen. [150r] [Doch] ehe wir die Predigt anfangen, 320 so grüssen wir zuerst die Königin mit einem „Pater noster“ wahrlich und mit einem schönen „Ave Maria“,

545

550

Übersetzung S THEOPHILUS SCHWIEG, INDEM ER SICH ZUM PRIESTER HIN ZURÜCKZOG. DER PRIESTER BEGINNT DIE PREDIGT: JESUS SAH EINEN ZÖLLNER SITZEN. Gott schenke uns seinen Frieden und dazu gute Sitte [und] mir seine Gnade so zu predigen, dass es Gott wohl gefällig sei und wir dadurch Freude empfangen. Ich habe ein Wort auf Latein gelesen, das uns die Evangelisten öffentlich verkündigen, das will ich deuten und bedenken. Bevor wir nun [aber] mit der Predigt anfangen, so grüsst unsere Liebe Frau mit einem „Ave Maria“,

70

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H 325

330

335

Dat se my vor lyge to redenne eyn clene, Dat wy ge trostet werden116 alge meyne, Vnde God, Godes sone, Ghe louet werde an synem trone. DAT SCHACH TO HANT DAR NA, EYN ISLIK SPREKE* EYN „AUE MARIA“. Sunte117 Matheus sprak also: Dat steit be screuen in ewangelio: Vidit Jhesus hominem sedentem in thelonio118. Dat sprak Jhesus vnse here Vnde sach sitten eynen tolnere An sinem tollen openbar – Dat was ome alto swar – He sprak: Volge my du! Alsus, salghe minsche, su*! Text S

555

560

565 [174]

Da se vns119 gnade lene, My to sprekende eyn clene Alzo, dat de here Godes sone Des ghe louet werde an den trone. So spreket Aue Maria an, Dar na wyl yk de rede bestan: Sunte Mateus spreket alzo: – Nu swyghet vnde vornemet myne rede jo – [HIC120 INCIPIT SERMO*] Jhesus Cristus vnse here De sach sytten enen tolnere An eme tolhuse openbare, Dat duchte em so rechte sware. He sprak: Tolnere hore myn! Wultu eyn salych mynsche zyn, So sta up vnde volghe my, Also yd wol temet dy

________________ 116 117 118 119 120

werden] werdden Hs. S-Initiale fehlt. Theolonie Hs. vns] vnde Hs; vgl. zu V. 544. Ik incipit Hs.

Übersetzung der Fassungen H und S

71

Übersetzung H 325

330

335

555

560

565 [174]

dass sie mir gewähre, ein wenig zu predigen, auf dass wir alle zusammen gestärkt werden, und [auf dass] Gott, Gott Sohn, auf seinem Thron gepriesen werde. DAS GESCHAH HERNACH UMGEHEND, JEDER SPRECHE EIN „AVE MARIA“. Sankt Matthäus sprach so: Das steht geschrieben im Evangelium: Vidit Jhesus hominem sedentem in thelonio. Das sagte Jesus unser Herr und [er] sah einen Zöllner sitzen öffentlich an seinem Zoll – das war ihm sehr zuwider –, er sagte: Folge mir! Frommer Mensch, siehe! Übersetzung S damit sie uns die Gnade verleihe, dass ich kurz so predige, dass der erhabene Sohn Gottes dadurch in seinem Thron gepriesen werde. So sprecht ein Ave Maria, dann werde ich mit der Predigt anfangen. Sankt Matthäus spricht also: – schweigt jetzt und vernehmt meine Worte – [HIER FÄNGT DIE PREDIGT AN] Jesus Christus, unser Herr, der sah einen Zolleinnehmer sitzen an einer Zollstelle, gut sichtbar. Das betrübte ihn sehr. Er sagte: Zöllner, höre mir zu. Willst du ein gnadenvoller Mensch sein, so steh auf und folge mir, so steht es dir gut an.

72

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H He volgede ome to hant, Vnde sanden121 in alle lant. 340 Erst was he eyn tolnere, Nu is he eyn apostel vnde eyn predeghere. [150v] He was eyn sunder openbar, Nu gheit he in Cristus scar. Erst was om rechte122 vnde vnrechte like*, 345 Nu leret he den wech to dem himmelrike. Eya, wes sundighestu dicke123? Nu heftu di to sunden vor plicht. Kere weder vnde twiuel nicht. We willen di lefliken ent fan, 350 So du nŭ hebbest wedder124 vns ghe dan. Mark* an Marien Magdalenen*, Wo se to gnaden queme. Se was to mennigen stunden Text S 570

575

580

He volgede eme altuhant Wyde syde dorch de lant; Er was he eyn sunder openbare, Nu gheit he an Crystus schare. Er dede he vnrecht ghe lyke*, Nu ladet he den wech* to deme hemmelryke. Eya sunder, wes sundeghestŭ? Horestu Godes myldycheyt nycht nŭ? Heuestu to den sunden zere plycht, Kere wedder vnde twyuele nycht: Got wyl dy so leflyken vntfan, Eftu ne wedder em haddest ghe dan. Nu proue ansunte Maria Magdalenen, Wo se to Gode queme. Se was to mannyghen stunden

________________ 121 122 123 124

sande Hs. rech Hs. dik Hs. wedder fehlt in Hs.

Übersetzung der Fassungen H und S

73

Übersetzung H Er folgte ihm sogleich, und jener sandte ihn in alle Lande. 340 Erst war er ein Zöllner, jetzt ist er ein Apostel und ein Prediger. [150v] Er war ein öffentlicher Sünder, jetzt schreitet er in der Schar Christi. Früher waren ihm Recht und Unrecht einerlei, 345 jetzt weist er den Weg zum Himmelreich. He, warum sündigst du oft? Nun hast du dich der Sünde anheim gegeben. Kehre um und sei nicht ungläubig. Wir werden dich liebevoll empfangen, 350 wenn du nun gegen uns gehandelt hast. Schau an Maria Magdalena, wie sie zu Gnaden kam. Sie war sehr lange Zeit 570

575

580

Übersetzung S Er folgte ihm sogleich überallhin durch das Land. Früher war er ein öffentlicher Sünder gewesen, nun schreitet er in der Schar Christi. Früher beging er Unrechtes, nun lädt er ein (?) auf den Weg zum Himmelreich. He, Sünder, warum sündigst du? Hörst du die [Botschaft von der] Barmherzigkeit Gottes jetzt nicht? Hast du dich den Sünden sehr anheim gegeben, so kehre wieder um und verzweifle nicht: Gott wird dich so liebreich empfangen, als ob du nie gegen ihn gesündigt hättest. Nun betrachte an der heiligen Maria Magdalena, wie sie zu Gott gelangte. Sie war lange Zeit

74

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Myt seuen dŭuelen be bunden*. 355 To hant do se gnade san, Godes torne se gans vor wan. Loue*, sunder, an koning Dauid*, De lach an sunden menche tijd; Do he gnade be gerende was, 360 God halp om, dat he ge nas. Wy lesen an sunte Peters boke*, Wo he Godes drie vor soke. He swor by duren worden, So gy in dusser passien* mogen horen: [151r] Summe dat werde hilghe licht, Ik be kenne Godes namen nicht*. An der suluen stunde* He be wenede syne sunde. Ome wart so vele gnade125 be reit, Text S 585

590

595

[175]

Myt zeuen dŭŭelen ghebunden*; Alto hant do ze syk vorsan, Godes toren126 ze do vor wan. Nu nym eyn bylde by konyngh Dauyd*: De lach ansunden monnyghe tyd; Alto hant do he gnade synnende was, Got halp em, dat he wol ghenas. Wy lezen an sunte Peters buke*, Dat he Godes drye vor zoke; He swor by duren worden, Also gy an der passyen wol horden: Summe* dat hylghe lycht, Ik be kenne des mannes nycht; An der suluen stunden*, Do beweynede he syne sunden, Em wart so wele gnaden be reyt,

________________ 125 gaade Hs. 126 e übergeschrieben.

Übersetzung der Fassungen H und S

75

Übersetzung H mit sieben Dämonen gefesselt. 355 Sobald sie Gnade begehrte, überwand sie Gottes Zorn völlig. Denk, Sünder, an König David, der lag lange Zeit in der Sünde; als er Gnade begehrte, 360 half Gott ihm, dass er rein wurde. Wir lesen im Buche St. Peters, wie er Gott dreimal herausforderte. Er schwur hoch und heilig, wie ihr in dieser Passion hören könnt: [151r] „Beim teuren heiligen Licht, ich kenne den Namen Gottes nicht.“ In der nämlichen Stunde beweinte er seine Sünde. Ihm wurde so grosse Gnade zuteil, Übersetzung S 585

590

595

[175]

von sieben Dämonen gefesselt; sobald sie wieder zu Sinnen kam, überwand sie Gottes Zorn. Nun nimm dir ein Beispiel an König David: der lag lange Zeit in der Sünde; sobald er Gnade begehrte, half Gott ihm, dass er gerettet wurde. Wir lesen im Buche St. Peters, dass er Gott dreimal herausforderte. Er schwur hoch und heilig, wie ihr in der Passion hörtet: „Beim teuren heiligen Licht, ich kenne den Mann nicht.“ In der nämlichen Stunde da beweinte er seine Sünden. Ihm wurde [aber] so viel Gnade zuteil,

76

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H 370

375

380

Dat he is eyn vorste der apostelheit. Merke, sunder, Godes mildicheit, Wo grot dat se is vnde breit. Twiuel nicht also eyn har. Got nympt diner alle tijd war, Wor du in der werlde varest, Vp dat du van sunden latest. O wy, du twiuelere, Du bist doch gans vmmere127. Wan du twiuelst an Jhesum Crist, So bistu argher, wen de duuel ist. Du bist myt senden oghen blint, Dat* du nicht louest an Marien kint, De di heft bitterliken er lost*, De is din leuent vnde dyn trost. Text S

605

610

615

Dat he der apostele vorste heyt. Sŭnder, nŭ merke Godes myldycheyt, Ze ys so grot vnde so breyt; Nu en twyuele nycht en har*: Got nympt dyner vyl grote war, Wor du an der werlde varest ofte gheyst, Up dat du dyne sunde leyst*. Owe, du arme twyuelere, Du byst Gode vmmere; O du arme twyuelere*, Du deyst deme duuele ere! Wan du twyuelest an Jhesum Cryst, So bystu ergher, van de duuel128 yst*. Wo bystu myt senden oghen blynt, Dat du nycht en louest an Marien kynt, De* dy so bytter lyken hat gelost? He ys dyn leuent, he ys dyn trost,

________________ 127 vmmere] erstes m aus Nasalstrich aufgelöst. 128 e nachträglich über misslungenes e hingesetzt.

Übersetzung der Fassungen H und S

77

Übersetzung H 370

375

380

dass er [jetzt] der Apostelfürst ist. Achte, Sünder, auf Gottes Erbarmen, wie gross es ist und wie umfassend. Zweifle keinen Augenblick. Gott wacht über dich zu jeder Zeit, wohin du in der Welt ziehst, auf dass du von der Sünde lässest. Wehe, du Ungläubiger, du bist doch ganz und gar widerwärtig. Weil du zweifelst an Jesus Christ, so bist du schlimmer als der Teufel. Du bist mit sehenden Augen blind, [so] dass du nicht an Marias Kind glaubst, der dich bitter erlöst hat, der ist dein Leben und dein Schutz. Übersetzung S

605

610

615

dass er der Apostel Fürst heisst. Sünder, nun achte auf Gottes Erbarmen; es ist so gross und so umfassend. Nun verzweifle nicht einen Augenblick: Gott wacht sehr aufmerksam über dich, wohin du in der Welt ziehst und gehst, auf dass du deine Sünde ablegst. Wehe, du armer Ungläubiger: du bist Gott verhasst. O du armer Ungläubiger: du erbietest dem Teufel Ehre! Weil du zweifelst an Jesus Christ, so bist du schlimmer, als der Teufel ist. Wieso bist du mit sehenden Augen blind, [so] dass du nicht an Marias Kind glaubst, der dich so bitter erlöst hat? Er ist dein Leben, er ist dein Schutz.

78

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Du bist ghe screuen an sine vote Mit eynem griffel vnsote. [151v] Du bist ok alle tijd an sinen henden*, He hef dy ge lost van des duuels benden. Du bist ghe screuen an syn herte, 390 He leit dorch dy grote smerte Vt wendich vnde inwendich vnde nicht stille*. Sunder, dat leit he dorch dinen willen! Eftu nu gnade to ome sokest, Vnde syn bod rokest, 395 He en wel diner nicht vor tigen. Des bidde wy alle Marien, Dat se alle werden vntbŭnden Van oren groten houet sunden*, De129 an130 sinem denste* werden vunden. 400 Alle, de nu Godes wort 385

Text S 620

625

630 [176]

Du byst ghe screuen* an syne vote Myt eme gryffele gar vnsŭte; Du byst ghe screuen an syne hande, He hat dy ghe lozet van des duuels bande; Du byst ghe screuen an syn sute131 herte, He hat dorch dy ghe leden grote smerte Vth wendych, in wendych, openbar vnde stylle, Sunder, dorch dynen wyllen*. Wultu gnade wynden, So volghe Marien kynde, De wyl* dy nŭmmer vortyen. Help, sute maghet Maria, Dat se werden vnt bunden Van eren houet sunden*, De an dynen denste werden ghevunden. Alle de nu Godes wort132

________________ 129 130 131 132

De vor der Zeile nachgetragen. An Hs. an sute (u gestrichen) Hs. Dahinter my gestrichen.

Übersetzung der Fassungen H und S

79

Übersetzung H Du bist geschrieben auf seine Füsse mit einem grausamen Griffel. [151v] Du bist alle Zeit in seiner Hand, er hat dich befreit von des Teufels Banden. Du bist geschrieben in sein Herz, 390 er litt deinetwillen grosse Schmerzen, aussen und innen, leise und laut (?). Sünder, das litt er deinetwillen! Wenn du nun Gnade bei ihm suchst, und auf sein Gebot achtest, 395 wird er dich nicht im Stich lassen. Darum wollen wir alle Maria bitten, dass jene alle befreit werden von ihren grossen Todsünden, die in seinem Dienste befunden werden. 400 Alle, die nun Gottes Wort 385

Übersetzung S 620

625

630 [176]

Du bist geschrieben auf seine Füsse mit einem grausamen Griffel. Du bist geschrieben auf seine Hände, er hat dich befreit von des Teufels Banden. Du bist geschrieben in sein süsses Herz, er hat deinetwillen grosse Schmerzen erlitten, aussen und innen, sichtbar und im Verborgenen, Sünder, deinetwillen. Willst du Gnade finden, so folge Marias Kind, die wird dich niemals im Stich lassen. Hilf, süsse Magd Maria, dass sie [alle] befreit werden von ihren Todsünden, die in deinem Dienste vorgefunden werden. Alle, die nun Gottes Wort

80

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Myt innicheit hebben ge hort, De scullen aflates133* so vele* hauen: Eft se hedden ge wesen to dem hilgen graue Ouer meres, syt be richt, 405 On134 en worde so vele aflates nicht. Hir vmme, leuen salighen lude, Nu dancket Gode hude, [152r] Vmme135 alle synen gnaden, De he hir heft ghe dan. 410 Gy136 salighe man vnde wif137, Iwe zele vnde jwe lif Be vele ek hute vnsem heren Text S 635

640

645

650

Myt ynneghen herten hebben ghehort, De scholen so wele aflates* haŭen: Al oft se weren varen to deme hyllegen graŭe Ower mer, des syt be rycht, En worde so wele aflates nycht. Hyr vmme, salyghen lude, Danket Gode hude Syner gude vnde syner gnade, De he vns gherne dade, De jw here heft ghelaten*. Konde wy vnse herte to eme zaten*! Salyghen man vnde wyf, Ik be ŭele yw sele vnde jw lyf Gode, vnser aller here. Wor gy jw in der werlde keren, Got mote jw alle wol be waren, Al wor gy an den lande varen, Beyde lyf vnde sele vnde jw ere

________________ 133 134 135 136 137

R-Haken über f, ebenso beim selben Wort in V. 405. Ome Hs. Vnde Hs. Gif Hs. vif Hs. (Krobisch).

Übersetzung der Fassungen H und S

81

Übersetzung H mit Andacht angehört haben, die werden so grossen Ablass bekommen: wenn sie am Heiligen Grabe gewesen wären, jenseits des Meeres; das wisst, 405 ihnen würde kein so grosser Ablass zuteil. Deswegen, liebe, fromme Gläubige, dankt nun Gott heute [152r] für alle seine Gnadengaben, die er hier gewirkt hat. 410 Ihr frommen Männer und Frauen, eure Seele und euren Leib befehle ich heute unserem Herrn Übersetzung S 635

640

645

650

mit andächtigem Herzen vernommen haben, die werden so viel Ablass erhalten: wenn sie zum Heiligen Grabe gepilgert wären übers Meer, das sei euch gesagt, so erhielten sie nicht so viel Ablass. Deshalb, begnadete Menschen, dankt Gott heute für seine Güte und seine Gnade, die jener uns bereitwillig gewährte, der euch hierher geladen (?) hat. Könnten wir [doch] unsere Herzen auf ihn richten! Ihr frommen Männer und Frauen, ich befehle eure Seele und euren Leib Gott, unserem gemeinsamen Herrn. Wohin ihr euch in der Welt wendet – Gott möge euch alle gut behüten, wohin ihr auch geht, [er behüte] Leib und Seele und eure Ehre

82

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Vnde Marien nŭ vnde jummer mere. DO138 SPRAK THEOPHILUS* 415 JAMERLIKEN ALSUS: O we, ik vil kloker man*; Myne oghen latet* my bister* gan, Dat* ik bin sus sere ghe douet, Dat ik bin so dŭm: 420 Des is my myn munt worden stum. Ik bin also eyn gok. Myne oren synt my worden dof, Des wil ik my lange doren, Dat* ik nicht kan Godes wort horen*. 425 Ik han vor sellet eynen kop*: Ik han dat lange leuent Gar vmme eyn kort ge gheuen; Des mot ik sin vor loren Vnde de zele io to voren, 430 Id were beter, dat ik nicht were boren*. [152v] O wy, wat scal ik vil armen, We wil sik ouer my vor barmen? Text S

655

[177]

Ewychlyken jummer mere. THEOPHELUS DICIT: Owy vnde jummer mere, Wat schal jk armesundere? Owe, my arme man, Dat yk my aldus zere vor deruet han! Myn munt is stum, dof synt myne oren, Ik en kan Godes nycht ghe horen*. Enen kop kofte yk, dat ys my torn: Ik han dat eŭyghe leŭent vor loren, Wele beter were yk vnghe boren! Owe my arman, wat schal yk, We vor barmet syk nu ower myk?

________________ 138 D-Initiale fehlt.

Übersetzung der Fassungen H und S

83

Übersetzung H und Maria: jetzt und immer dar. DA SPRACH THEOPHILUS 415 JAMMERND SO: Wehe, ich vielkluger Mann; Meine Augen lassen mich herum irren, weil ich so ganz benommen bin, weil ich so betäubt bin: 420 deshalb ist mir mein Mund verstummt. Ich bin wie ein Narr. Meine Ohren sind mir taub geworden, deswegen werde ich mich lange betrügen, weil ich Gottes Wort nicht hören kann. 425 Ich habe einen Handel geschlossen: ich habe das lange Leben um ein sehr kurzes hingegeben; deshalb werde ich verloren sein und die Seele vorab. 430 es wäre besser, dass ich nicht geboren wäre. [152v] Weh, was soll ich Elender [tun], wer wird sich über mich erbarmen?

655

[177]

Übersetzung S ewig und immerdar. THEOPHILUS SAGT: O weh und immer mehr, was soll ich armer Sünder tun? O weh ich elender Mann, dass ich mich so sehr ins Unglück gebracht habe! Mein Mund ist stumm, taub sind meine Ohren, ich vermag [das Wort] Gottes nicht zu hören. Einen Handel schloss ich, der gibt mir Anlass zum Zorn: ich habe das ewige Leben verloren, viel besser wäre ich nie geboren! O weh, ich Elender, was soll ich? Wer erbarmt sich jetzt über mich?

84

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H 435

440

445

To weme mach ik wiken? Ik han God van himelrike Vnde alle sine hilgen vor sworen. Ik were beter vnghe boren*! Ik han my to spade be dacht: Ik mot sorgen dach vnde nacht. Ik wil doch weder keren To eyner vrowen heren, De is ghe heten Maria. To der scal my gnade werden Vp dusser jamerliken erden: To der scal my werden gnaden, To or wil ek iu139 spaden*. Dat scal vor weruen de maget gut, Se is aller gnade eyn ouer vlot. THEOPHILE140 SPRAK: Ik grote dy, Maria*, du edele vad141*, Du bist aller sunder142 eyn to vorlat*. Text S

665

670

675

To weme schal yk nu wyken? Jo hebbe yk Got van hemmel ryke Vnde syne hylghen vor wracht. Ik han my leyder alto spade bedacht. Noch wyl yk wedder keren To ener vrouwen heren, De heytet Godes moder var, Van allen sunden reyne vnde clar. Schal my jummer rat werden, My vyl armen up der erden, Dat schal my weruen de juncvrouwe gut, Wente se ys aller gnaden eyn oŭer vlut. THEOPHELUS DICIT: Ik grote dy, Maria, vyl eddele vat, Aller sundere eyn to vorlat*!

________________ 139 140 141 142

Lesung unklar: in (so Krobisch)? T-Initiale fehlt. In der Hs. auf zwei Zeilen (mit Zeilenwechsel nach grote). sunde Hs.

Übersetzung der Fassungen H und S

435

440

445

665

670

675

85

Übersetzung H Zu wem kann ich fliehen? Ich habe Gott im Himmelreich und allen seinen Heiligen abgeschworen Ich wäre besser nie geboren worden! Ich habe mich zu spät besonnen: ich muss mich Tag und Nacht sorgen. Ich werde aber wieder mich hinwenden zu einer erhabenen Frau, die heisst Maria. Bei der wird mir Gnade [zuteil] werden auf dieser schrecklichen Erde: bei der wird mir Gnade [zuteil] werden, zu ihr werde ich immer eilen. Das wird die gnädige Jungfrau erreichen, sie ist ein Überfluss aller Gnaden. THEOPHILUS SAGTE: Ich grüsse dich, Maria, du edles Gefäss, du bist eine Zuflucht aller Sünder Übersetzung S Zu wem soll ich nun fliehen? Ich habe mich gegen Gott im Himmelreich und seine Heiligen vergangen. Ich habe mich zu meinem Unglück allzu spät besonnen. Dennoch will ich mich wieder hinwenden zu einer mächtigen Herrin die heisst Gottes Mutter in Wahrheit, von allen Sünden unbefleckt und leuchtend schön. Wird mir je Hilfe zuteil mir Elendestem auf der Erde, [dann] wird mir das die liebreiche Jungfrau erwirken, denn sie ist aller Gnaden ein Überfluss. THEOPHILUS SAGT: Ich grüsse dich, Maria, edles Gefäss, eine Zuflucht aller Sünder!

86

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Du bist aller salden eyn scrin, Vt dek, edele keyseryn, [153r] Nu vnde jummer gnade vlot. God gaf sik in dynen schot Vnde kos dy to eyner trutinnen, 455 Dat du scoldest* gnade winnen. Den armen sundern to vromen, De vte dem wege sint ghe komen. Du bist eyn edele leyde sterne Buten dem wege verne. 460 Help my weder in den wech: Wente du bist beide bruge vnde stech*. Alle de to dy komen, De werden dem duuel ghe nomen. THEOPHOLE143 SPRAK*: Vro we144, ik han sere misse ghe dan, 465 Ik dor myn oghen nicht up slan To dem almechtigen Gode, 450

Text S 680

685

[178] 690

Du byst aller gnaden eyn scryn, Vth dy, vyl eddele keyseryn, Je de gnade vlot. Got ghaf syk suluen an dynen schot Vnde kos dy to ener sonerynnen*, Dat du vns soldest gnade vynnen, Deme armen sundere, De to dy ut deme veghevure komen* here. Nu byn yk, wyl eddele seder sterne*, Vth deme veghevure* komen vyl werne; Help my wedder an den wech! Du byst eyn pat vnde en stech145: Alle de to dy komen, De werden deme duuele benomen. Wrouwe, yk hebbe sere mysdan Myne oghen dore yk nycht up slan To deme alle weldyghen Gode,

________________ 143 T-Initiale fehlt. 144 Vro were Hs. 145 e über misslungenes e hingesetzt.

Übersetzung der Fassungen H und S

87

Übersetzung H du bist ein Schrein allen Heiles, aus dir, edle Kaiserin, [153r] floss jetzt und immerdar Gnade. Gott gab sich in deinen Schoss und erwählte dich zur Liebsten, 455 damit du Gnade erwerben solltest den armen Sündern zum Heil, die vom Weg abgekommen sind. Du bist ein schöner Leitstern fern ausserhalb des Pfades. 460 Hilf mir wieder auf den Weg: denn du bist beides: Brücke und Steg. Alle, die zu dir kommen, die werden dem Teufel entrissen. THEOPHILUS SAGTE: Herrin, ich habe sehr gefehlt, 465 ich getraue meine Augen nicht aufzuschlagen zu dem allmächtigen Gott, 450

Übersetzung S 680

685

[178] 690

Du bist ein Schrein allen Heiles, aus dir, hoch edle Kaiserin, floss je die Gnade. Gott gab sich selber in deinen Schoss und erwählte dich zu einer Fürsprecherin, damit du uns Gnade erwerben solltest, dem armen Sünder, die [wir uns] zu dir aus dem Fegefeuer zuwenden. Nun bin ich, viel edler (?) Stern, aus dem Fegefeuer von der Ferne gekommen. Hilf mir wieder auf den Weg! Du bist ein Pfad und ein Steg: alle, die zu dir kommen, die werden dem Teufel entrissen. Herrin, ich habe schwer gefehlt; meine Augen getraue ich nicht aufzuschlagen zum allgewaltigen Gott,

88

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Du en willest syn myn bode* Vnde eyn hulperinne. Help my, dat ik gnade wynne 470 Myt dinem saligen bede*, Dar is my hulpen mede*. Vrowe, sprek din salige wort, Dat is vor alle dingk ge hort. [153v] Wente dyn kint* Jhesus Crist 475 Wil dy twiden, wes du biddende bist. MARIA146 SPRAK: Theophile* dyn wenen147* Kan dy gar luttich renen148. Du heft ghe legen dre daghe* An wenende vnde an groter clage. Text S 695

700

705

Du ne wyllest werden myn bode. Vyl reyne konynghynne, Wes nu myn sonerynne! Myt149 dyneme salyghen bede Dar ys my hulpe mede; Eya, Maria, nu sprek en salych wort, Dat ys my bouen allen dynghen ghehort*: Dyn* leue kynt Jhesus Cryst, De dy twyden wyl, wes du em byddyst. MARIA DICIT: Dyn weynend dat helpet150 cleyne. Du heuest hyr gheleghen vnreyne Mer wene dre daghe An weynen vnde an claghe.

________________ 146 147 148 149 150

M-Initiale fehlt. venne Hs. renne Hs. (Krobisch). Myt] my Hs. Zweites e über misslungenes e hingesetzt.

Übersetzung der Fassungen H und S

89

Übersetzung H ausser du willst mein Bote sein und eine Helferin. Hilf mir, damit ich Gnade erlange 470 mit deinem heilbringenden Fürbitten, damit ist mir geholfen. Herrin, sprich dein heilbringendes Wort, auf das vor allem anderen gehört wird, [153v] denn dein Kind Jesus Christ 475 wird dir gewähren, worum du bittest. MARIA SAGTE: Theophilus, dein Weinen vermag dich kaum zu läutern. Du hast jetzt drei Tage hier gelegen mit Weinen und mit grosser Klage. 695

700

705

Übersetzung S ausser du wärest bereit, meine Vermittlerin zu werden. Reinste Königin, sei nun meine Fürbitterin! Mit deinem heilbringenden Bitten, damit kommt mir Hilfe. Oh, Maria, nun sprich ein heilbringendes Wort, das für mich jenseits jeden Richterspruchs Gehör findet. Dein liebes Kind Jesus Christ, das wird dir gewähren, worum du es bittest. MARIA SAGT: Dein Weinen das hilft wenig. Du hast hier sündenbeschmutzt gelegen mehr als drei Tage lang. in Weinen und in Klagen

90

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H 480

485

490

710

715

[179]

Ek han des nicht vor nomen, Dat dy iemant sy to hulpe komen. We scal vnde we mach dyn hulper syn?* THEOPHILE SPRAK: Dat scaltu, vil leue keyserin. MARIA SPRAK: Wes scol ek diner151 plegen? Jo hastu myner vor teghen*, Myner vnde mynes kindes Vnde alles himelschen ghe sindes An himel vnde an erden. Dyn hulp kan ek nicht werden. Wolde iemant dy to hulpe komen, Ik wolde dy gherne dar to vromen*. THEOPHILE152 SPRAK: Ach du edele rose van Jericho*, Wo trostestu my armen also! Text S Ik en hebbe des nycht vor nomen, Dat dy yenych man to hulpe sy ghekomen. We mach denne dyn helpe syn? THEOPHELUS DICIT153: Dat scholtu wezen, vyl eddele keyzeryn. MARIA DICIT: Wor vmme schal yk dyner pleghen? Du heuest myner ghans vorteghen Vnde alles hemmeles ghesynde, Alle de dar synt by mynen leuen154 kynde An hemmele vnde an erden, Ik kan dy nycht to helpe werden. Wyl dy yenych man to helpe komen, Dar to wyl yk dy gherne vromen155. THEOPHELUS DICIT: Vyl eddle rose156 van Yerycho, Wo redestu nu also?

________________ 151 152 153 154 155 156

siner Hs. T-Initiale fehlt. Sprecherbezeichnung fehlt hier und im nächsten Vers. mynen leuen] myne leue Hs. gherne vromen] dazwischen vronen gestrichen. rose] roso Hs.

Übersetzung der Fassungen H und S

480

485

490

710

715

[179]

91

Übersetzung H Ich habe nichts davon gehört, dass dir jemand zu Hilfe gekommen wäre. Wer wird und wer kann dein Helfer sein? THEOPHILUS SAGTE: Das wirst du, liebste Kaiserin. MARIA SAGTE: Wieso soll ich mich um dich kümmern? Du hast dich von mir losgesagt, von mir und meinem Kind und von allen Bewohnern des Himmels, im Himmel und auf Erden. Deine Helferin kann ich nicht werden. Wollte jemand dir zu Hilfe kommen, [so] wollte ich dir gerne dabei Vermittlerin sein. THEOPHILUS SAGTE: Ach, du edle Rose von Jericho, wie tröstest du mich Elenden auf solche Weise! Übersetzung S Ich habe davon [dennoch] nichts gehört, dass dir jemand zu Hilfe gekommen wäre. Wer kann denn dein Helfer sein? THEOPHILUS SAGT: Das sollst du sein, hoch edle Kaiserin. MARIA SAGT: Warum soll ich mich um dich kümmern? Du hast dich von mir ganz losgesagt und auch von allen Bewohnern des Himmels, [von] allen, die da wohnen bei meinem lieben Kind im Himmel und auch auf Erden, ich kann dir nicht zur Helferin werden. Will dir jemand zu Hilfe kommen, dabei will ich dir gerne Vermittlerin sein. THEOPHILUS SAGT: Hochedle Rose von Jericho, wie sprichst du nun so?

92

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Du bist io der gnaden157 vul. 495 De engele schone to di sprak: – [154r] Goteliken dat ghe scach: – Aue gracia plena etc.158* Woldestu dorch my alleyne Vor leysen dynen namen reyne159, 500 Des wolde ek schemen vor dy*. Nu bidde dyn leue kint vor my; Dat ek vel boses han ghe dan, Des geyt my grote rwe160* an. Ik wil gerne don noch dynem willen. 505 MARIA SPRAK: Nŭ liche stille*,

725

730

735

Text S Jo bystu wul aller gnaden, Dar vmme hebbe yk dy gheladen Jo myt deme suluen bede*, Also de enghel Gabryel dede: Aue Maria gracia plena! Woldestu nu alleyna Dorch my vor lezen dynen werden namen? Des wolde yk my vor dy schamen. Ik vorzoek dyner myldycheyt, Dat ys my nŭ van herten leyt. So wo yk arme dat hebbe ghedaan, Des gheyt my ghansse ruwe an. Ik wyl don na dyneme rade Des morghens vro, des auendes spade. MARIA DICIT: Theophele, lygghe an dyneme bede stylle*. THEOPHELUS DICIT161: Ach vrouwe, wat yk dat wyl* gherne don wylle.

________________ 157 158 159 160 161

gna Hs. Vers durch Linien oberhalb und unterhalb der Zeile abgetrennt (Krobisch) (vgl. V. 521). Davor durchgestrichen alleyne. twe Hs. (Lesung unsicher). Sprecherbezeichnung fehlt.

Übersetzung der Fassungen H und S

93

Übersetzung H Du bist [doch] voll der Gnade. 495 Der Engel sprach feierlich zu dir: – [154r] als göttliches Wunder geschah das: – „Ave gratia plena“ etc. Wolltest du in meinem Fall allein deinen guten Namen verlieren, 500 wollte ich [mich] deshalb schämen für dich. Nun bitte dein liebes Kind für mich; weil ich schwere Sünde begangen habe, deswegen überkommt mich grosse Reue. Ich werde bereitwillig nach deinem Willen handeln. 505 MARIA SAGTE: Nun lieg still,

725

730

735

Übersetzung S Du bist [doch] voll der Gnade, deshalb habe ich dich her gebeten mit eben dem Gruss wie der Engel Gabriel [ihn] benutzte: Ave Maria gracia plena! Möchtest du nun einzig meinetwegen deinen guten Namen verlieren? Deshalb wollte ich mich an deiner Stelle schämen. Ich erteilte deiner Gnade eine Absage, das ist mir jetzt von Herzen leid. Da ich Elender das getan habe, deshalb überkommt mich wahrhaftige Reue. Ich werde nach deinem Gebot handeln morgens früh, abends spät. MARIA SAGT: Theophilus, bleib still in deinem Gebet liegen. THEOPHILUS SAGT: Herrin, wie ich das so gerne tun werde!

94

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Ik wil gan to mynem kinde. Kan ik dy gnade vinden, Ik wil dyn trwe bode syn. THEOPHILE SPRAK: Dat do, vil edele keyserin. 510 MARIA SPRAK: Ek* bidde dy, leue kint myn, Dat du willest twiden my. Dar is ghe komen eyn vil arme, Lat dyne gnade sin162 vor barmen. De heft dre daghe leghen, 515 Dat he* nŭ heft ent swegen, Nicht wen wenen vnde gillen*. Gunne my, dat ik one mote stillen [154v] Vnde lat my delghen syne trene. Wente ek bin de reyne, 520 Dar de sunder an* scre163*: Text S 740

745

750 [180]

MARIA DICIT164: Ik wyl ghan to myneme leuen kynde, Ik wyl be sen dat yk dy gnade vynde; Ik wyl gherne dyn165 truw bode syn. THEOPHELUS DICIT: Dat du, wyl eddele keyzeryn. MARIA DICIT: Vyl leue kynt, yk bydde dy, Dat du wyllest twyden my: Dar ys ghe komen eyn arme, De be gheret dyn er barme166; De hat ghe leghen, dat yk wol weyt, Dre daghe, dat* he nychtes vmbeyt, Men weynen vnde ghellen. Ghyf my, dat yk ene moghe styllen; Lat my delghen syne trane Wente yk byn de ghene, Dar de sundere to scryen:

________________ 162 163 164 165 166

sin] fehlt Hs. Krobisch liest kre; Petsch: undeutliches scre. Sprecherbezeichnung fehlt; ebenso in V. 741. Dyn] dy Hs. dyn erbarme] dy ner barme Hs.

Übersetzung der Fassungen H und S

95

Übersetzung H ich werde zu meinem Sohn gehen. Kann ich dir Gnade erwirken, so werde ich dein treuer Gesandter sein. THEOPHILUS SAGTE: Das tu, edelste Kaiserin. 510 MARIA SAGTE: Ich bitte dich, mein lieber Sohn, dass du mich erhören wirst. Es ist ein sehr elender [Sünder] gekommen, lass deine Gnade sich seiner erbarmen. Der hat drei Tage gelegen 515 (so dass er nun verstummt ist) nichts als weinend und schreiend. Gewähre es mir, dass ich ihn trösten kann [154v] und lass mich trocknen seine Tränen. Denn ich bin die Reine, 520 zu der der Sünder schrie:

740

745

750 [180]

Übersetzung S MARIA SAGT: Ich werde zu meinem lieben Sohn gehen, ich werde mich darum kümmern, dass ich für dich Gnade finde; Ich werde gerne dein treuer Gesandter sein. THEOPHILUS SAGT: Das tu, hochedle Kaiserin. MARIA SAGT: Liebstes Kind, ich bitte dich, dass du mir willfahren wollest: dort ist ein elender Mensch gekommen, der bittet um dein Erbarmen: Der hat gelegen, ich weiss es genau, drei Tage [lang], ohne dass er etwas [anderes] gegessen hätte als Tränen und Klagen. Gewähre mir, dass ich ihn trösten kann; lass mich trocknen seine Tränen, denn ich bin jene, zu der die Sünder schreien:

96

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H

525

530

535

Salue regina misericordie.167* Ik hete eyn moder, also ek weit, Aller barmherticheit Vul trostes vnde vul gnade, Des sunders heil, des duuels scade*. Ek bin ghe heten morgen rot*. Des bidde ek dy dorch dinen dot: Ik hete eyn scrin der salden*, Lat my nu syner walden. Des bidde ek dy, kint vnde here, Dorch dines sulues ere*. MARIA168 SPRAK: Vil leue kint, wes swichtu?* Antworde diner moder nŭ. Dencke, leue kint, do* wi vns beide Van dem ertrike scheiden, Text S

755

760

765

Salue regyna, mater myserycordye. Och169 sone, syn scryent dot my we, Ik byn de ghene, de dar heytet Eyn moder der barmehertycheyt Vul trostes vnde vul gnade, Der sundere hulpe, der duuele schade. Ik byn ghe heyten eyn morghen roed, Des sunders lyf, des duuels doet. Ik byn ghe heyten eyn scryn der salden, Nu lat my mynen nomen behalden*. Des bydde yk dy, kynt vnde here, Dorch dynes sulues ere. – Leue kynt, wes swyghestu170*? Antwerde dyner moder nŭ. Dencke, sone, do wy vns beyde Van deme ertryke scholden scheyden,

________________ 167 168 169 170

Vers durch Linien oberhalb und unterhalb der Zeile herausgehoben, vgl. V. 497 (Krobisch). M-Initiale fehlt. c über der Zeile geschrieben. wes swyghestu] dazwischen wy gestrichen.

Übersetzung der Fassungen H und S

97

Übersetzung H

525

530

535

755

760

765

„Salve regina misericordie“. Ich heisse (wie ich weiss) Mutter aller Barmherzigkeit voll des Trostes und voll Gnade, des Sünders Heil, des Teufels Niederlage. Ich bin Morgenröte genannt. Deshalb bitte ich dich um deines Todes willen: ich bin ein Schrein der Gnade genannt, Lass mich jetzt mich seiner annehmen. Darum bitte ich dich, Sohn und Herr, um deiner eigenen Ehre willen. MARIA SAGTE: Liebster Sohn, warum schweigst du? Antworte deiner Mutter jetzt. Gedenke, lieber Sohn, als wir beide von der Erde zum Himmel gefahren waren, Übersetzung S „Salve regina, mater misericordie“ Ach Sohn, sein Schreien schmerzt mich. Ich bin jene, die da heisst eine Mutter der Barmherzigkeit voll des Trostes und voll der Gnade, für die Sünder eine Helferin, für die Teufel eine Verheerung. Ich bin genannt eine Morgenröte, des Sünders Leben, des Teufels Tod. Ich bin genannt ein Schrein der Gnade. Nun lass mich meinen Namen bewahren. Darum bitte ich dich, Sohn und Herr, um deiner eigenen Ehre willen. – Liebes Kind, warum schweigst du? Antworte deiner Mutter jetzt. Erinnere dich, lieber Sohn, als wir beide von der Erde zum Himmel fahren sollten,

98

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Dat du my do geuest de walt171*, He were junk edder alt, Dat ik mochte vor one dinghen*, Vnde one to gnaden bringen. [155r] Wultu my de gnade be nemen, Dat is my gar vnbequeme172. Du heft my lef, vnde ek ok dy. Ik bidde, dat den sunder latest my, Vnde latest vor gan dyn vn ge mote. 545 Ik wil seyn, wu ik vor one bote* Siner groten sunde swere. JHESUS SPRAK: Moder, wes biddestu so sere Vor dat stinkende as, Dar nu reynicheit inne was? 550 He heft vor saken diner, Text S 770

775

780 [181] 785

Dat du my gheuest de walt, Se weren junc edder alt, Dat yk mochte vor en dynghen Vnde se to gnaden mochte brynghen. Wultu my de walt benemen? Dat ys my harde vmbequeme. Du heuest my lef, so hebbe yk dy, Hyr vmme so scholtu twyden my. Lat vor synken dyn173 vnghemote Vnde sent em dyner gnaden bote, Dat yk em, sone here, Beneme syne sundelyken swere. CRISTUS DICIT: Maria, moder here, Wo byddestu so rechte zere Vor dat stynkende as, Dar du nen del ane hast? He hat vor saket dyner myldycheyt,

________________ 171 walt] l überschreibt vorgängiges s in der Hs. 172 vnbequem Hs. 173 dyn] dy Hs.

Übersetzung der Fassungen H und S

99

Übersetzung H dass du mir da die Macht gabst, dass ich für einen, sei er jung oder alt, Fürbitte einlegen dürfe und ihm Gnade erwirken. [155r] Willst du mir diese Gnade nehmen, [so] ist mir das sehr unwillkommen. Du hast mich lieb, und ich auch dich. Ich bitte, dass [du] den Sünder mir überlässt und deinen Zorn vergehen lässt. 545 Ich will zusehen, wie ich für ihn Abhilfe für seine grosse Sündenlast schaffe. JESUS SAGTE: Mutter, warum bittest du so hartnäckig für dieses stinkende Aas, in dem nie etwas Reines war? 550 Er hat sich von dir los gesagt, Übersetzung S 770

775

780 [181] 785

dass du mir die Macht gabst, – ohne Rücksicht auf ihre Jugend oder ihr Alter – dass ich für sie Fürbitte einlegen dürfe und ihnen Gnade erwirken könne. Willst du mir diese Macht nehmen? Das ist mir sehr unwillkommen. Du hast mich lieb, und ich auch dich, darum sollst du mich erhören. Lass deinen Unmut fahren und schicke ihm einen Boten deiner Gnade, damit ich ihm, erhabener Sohn, seine Sündenlast wegnehme. CHRISTUS SAGT: Maria, hohe Mutter, warum bittest du so inständig für dieses stinkende Aas, an dem dir nichts liegt? Er hat sich von deinem Erbarmen losgesagt,

100

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Also heft he ok myner. Hedde he dyner nicht vor teghen*, Ome hedde dat sin vor gheuen*, Dat he hedde gnade wunnen. 555 My deden we myne wunden*, Do he myner also vor sok, Vmme174 de vrucht*, de he my ge druch. MARIA SPRAK: Sin scrien* vor mynen oghen Des en kan ek nicht lenger dogen. 560 JHESUS SPRAK: Syn vles stincket vor mynem antlate, Dat is gar vter mate. [155v] Dar vmme sage ik di, moter myn, Ik wil al vnghebeiden syn. MARIA SPRAK: Vil leue kint, 565 Do175 so soyke ek, wur dine vote synt; Text S

790

795

800

Dat claghe yk mer, wenne myn leyt. Hadde he dyner nycht vor theghen*, Em worde denne wol rat ghe176 gheuen, Dat he hadde gnade wunden. My deden we myne wunden, Do177 he dyner vor soch, Der salyghen vrucht*, de my droch. Syn ghellent vor mynen oghen*, Des mach yk nycht ghe doghen. Syn vlesch stynket sere vtermate Vor myneme benedyden antlate. Dar vmme segghe yk dy, moter myn: Ik en weyt* vnde wyl ok mych* ghe beden syn. MARIA DICIT: Nv mot yk, vyl leue kynt, Zoken, wor dyne vøte synt,

________________ 174 175 176 177

Vnde Hs. Do] Lesung unsicher. g aus d verbessert. Davor hir in Rot nachträglich eingefügt.

Übersetzung der Fassungen H und S

101

Übersetzung H ebenso auch von mir. Hätte er dich nicht verleugnet, hätte ich ihm seine [Schuld] vergeben, so dass er Gnade erlangt hätte. 555 Mich schmerzten meine Wunden, als er sich von mir so los sagte, um der Furcht willen, die er [früher] vor mir hatte. MARIA SAGTE: Sein Schreien vor meinen Augen das kann ich nicht länger ertragen. 560 JESUS SPRACH: Sein Fleisch stinkt vor meinem Antlitz, das übertrifft jedes Mass. [155v] Deshalb sage ich dir, Mutter, ich will gar keine weiteren Bitten mehr hören. MARIA SPRACH: Viel geliebter Sohn, 565 So suche ich denn deine Füsse,

790

795

800

Übersetzung S das beklage ich mehr als die Beleidigung meiner Person. Hätte er dich nicht preisgegeben, ihm würde denn gewiss Hilfe geleistet, so dass er Gnade gefunden hätte. Mich schmerzten meine Wunden, als er sich von dir lossagte, dem seligen Geschöpf, das mich trug. Sein Schreien in meiner Gegenwart das kann ich nicht länger ertragen. Sein Fleisch stinkt über jedes Mass vor meinem erhabenen Antlitz. Deshalb sage ich dir, Mutter: Ich ignoriere und wünsche auch nicht, mit Bitten angegangen zu werden. MARIA SAGT: Nun muss ich, teurer Sohn, suchen, wo deine Füsse sind,

102

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H

570

575

580

Sint du my nicht twiden wilt178, Dat ek werde eyn vrede scilt* Des armen, de dar liget Vnde grote ruwe pleghet, Nu mane ik di aller bitterheit, De ik ju dorch dinen willen leit; Dencke, kint, dat myn hant Myt kranken doken dy bewant, Do du an der krubben legest Vnde grotes armodes plegest. Su kind, dat sint de brusten*, De du to dinen lusten Dicke heft ghe soghen Vnde lefliken to dem munde179 togen. Dencke, kint, an mynen willen, Dat ek di er nerde myt der spillen180*. Dat was an den stunden, Dat wi des nicht beteren konden.181 Text S

805

810

Dat yk werde syn vredeschylt Des mynschen de hyr lycht182 Vnde grotes weynendes plecht. Se, kynt, dyt synt de brusten, De du to dynen lusten Dycke heuest ghe søghen Vnde vth dynen munde ghetoghen*. Dencke, leue sone, doch mynen wyllen*, Dat yk dy vødede myd myner spylle183. Dat was ander stunde Do yk des nycht beteren kunde;

________________ 178 179 180 181 182 183

wlt Hs. mde Hs. (Krobisch). splllen Hs. Nach dem Seitenwechsel wird das Reimpaar 582f. auf Bl. 156r oben wiederholt. de hyr lycht] de lycht hyr Hs., danach h gestrichen. Petsch hält auch spyllen für möglich.

Übersetzung der Fassungen H und S

103

Übersetzung H

570

575

580

weil du mich nicht erhören willst, damit ich ein Friedensschild werde für den Armen, der hier liegt und tiefe Reue zeigt. Jetzt erinnere ich dich an alle Bitternis, die ich deinetwillen ertrug. Denke, Sohn, dass meine Hand, mit dünnen Windeln dich wickelte, als du in der Krippe lagst und in schwerer Armut warst. Schau, Sohn, das sind die Brüste, an denen du zu deinem Behagen oft gesogen hast und [die du] gerne in den Mund genommen hast. Denke, Sohn, an meinen [guten] Willen, als ich dich dank der Spindel ernährte. Das war in der Zeit, als wir daran nichts verbessern konnten. Übersetzung S

805

810

damit ich sein Schutzschild werde für den Menschen, der hier liegt und heftig weint. Siehe, Kind, dies sind die Brüste, an denen du zu deinem Behagen oft gesogen und [die du] wieder aus deinem Mund gelassen hast. Denk daran, lieber Sohn, um meinetwillen, dass ich dich ernährte dank meiner Spindel. Das war in der Zeit, als ich das nicht zum Besseren ändern konnte.

104

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H [156r] Dencke, sone, dat ik vloch mannighen wech, 585 Beyde ouer bruge vnde ouer stech. Ik toch vnde vloch hir vnde dar, In Egipten lant vnde anders war. Denk, wat ik leyt an der stunt, Do dyn herte wart ge wunt 590 Van dem* blinden ioden * spere grot, Dat dat blot dorch dine184 siden vlot. Leue kint, dorch alle de bitterlicheit, De ek ju dorch dinen willen leit, Efte ek di do wat gudes dede, 595 So twide my dusser bede, Vnde lat my dussen sunder bewaren, Vnde lat one an mynen hulden varen. Text S

815 [182]

820

825

Dencke, leue sone, dat yk vloch Vnde engghestlyken myt dy toch Mennyghen gruwelyken wech, Dar to mennych hoch stech. Ik toch hyr vnde dar In Egypten vnde anders war. Denke wat yk leyt an der stunt, Do dyn185 herte was ghe vunt, Do des blynden* sper so ghut Dorch dyne vorderen syden stůt*. Wyl leue kynt, dencke an de186 byttrycheit, De yk dorch dynen wyllen leyt187. Her, ofte yk dy gycht leues dede, So twyde my desser bede: Lat* my dessen sŭnder bewaren Vrolyken an dyne hulde varen.

________________ 184 185 186 187

sine Hs. dyn] dy Hs. de fehlt Hs. e über misslungenem e wiederholt.

Übersetzung der Fassungen H und S

105

Übersetzung H [156r] Denke, Sohn, dass ich auf manchem Weg floh, 585 über Brücke und über Steg. Ich zog und floh hierhin und dorthin, nach Ägypten und anderswohin. Denke, was ich litt in der Stunde, als dein Herz durchbohrt wurde 590 vom langen Speer des blinden Juden, so dass das Blut über deine Seite floss. Lieber Sohn, durch alle Bitterkeit, die ich um deinetwillen erlitt, wenn ich dir da etwas Gutes tat, 595 so gewähre mir diese Bitte, und lass mich diesen Sünder retten, und lass ihn in meiner Huld ziehen. Übersetzung S

815 [182]

820

825

Denke, lieber Sohn, dass ich auf der Flucht war und angstvoll mit dir hin zog manchen bösen Weg, dazu über manche hohe Brücke. Ich zog hierhin und dorthin in Ägypten und anderswohin. Denke, was ich litt in der Stunde, als dein Herz durchbohrt war, als der so scharfe Speer des Blinden durch deine Brust fuhr. Viel geliebter Sohn, denke an die Bitterkeit, die ich um deinetwillen erlitt. Herr, wenn ich dir [je] etwas Liebes tat, so erhöre mir diese Bitte: Lass mich diesen Sünder retten, [damit er] fröhlich in deiner Huld dahingeht.

106

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H JHESUS SPRAK: Maria, leue moder myn, Stant vp vnde lat dyn biddent syn. 600 Ik geue one an dine hant. Kanstu* ome scicken syn pant* Vnde synen suluen bref*, Den* he dem duuel scref, [156v] Den he hef ghe screuen, 605 So late ek one an dynen hulden leuen188. MARIA189 SPRAK: Theophole, Du heft dre dage vnde mere An groten ruwen ghe wesen, Dar vmme scaltu wol ge nesen. 610 Ik han dy gnade ghe wunnen, Du bist van allen sunden vnt190 bŭnden. Du bist ghe geuen an myne hant, Ik* wil dyne sele vnde dyn pant Losen myt mynen henden Text S 830

835

840

CRYSTUS DICIT (CRYSTUS SPRAK)*: Leue moter myn, Stant up, lat dyn weynent syn. Ik gheue ene an dyne hant; Konstu em wedder scheppen191 syn pant* Vnde de breue, de he hadde ghegheuen, Ik late ene an mynen hulden leuen. MARIA DICIT: Stant up, Theophele! Du ne schalt weynen mer; Ik hebbe dy gnade vunden, Du byst van allen sunden vnt bunden. Du byst ghegheuen an myne hant, Ik wyl dyne sele vnd dyn dureste pant Lozen myt mynen handen

________________ 188 189 190 191

leuen fehlt Hs. M-Initiale fehlt. vñt Hs. Erstes e über der Zeile nachgetragen.

Übersetzung der Fassungen H und S

107

Übersetzung H JESUS SAGTE: Maria, meine liebe Mutter, Steh auf und lass dein Bitten sein. 600 Ich gebe ihn in deine Hand. Kannst du ihm sein Unterpfand [wieder] beschaffen und seinen eigenen Vertrag, den er dem Teufel ausstellte, [156v] den er ausgestellt hat, 605 so lasse ich ihn in deiner Huld leben. MARIA SAGTE: Theophilus, du bist drei Tage und mehr in tiefer Reue gewesen, deshalb wirst du gerettet. 610 Ich habe dir Gnade erwirkt, du bist von allen Sünden frei. Du bist in meine Hand gegeben, ich werde deine Seele und deine Sicherheit eigenhändig auslösen

830

835

840

Übersetzung S CHRISTUS SAGT (CHRISTUS SPRACH): Meine liebe Mutter, steh auf, lass dein Weinen sein. Ich gebe ihn in deine Hand; kannst du ihm sein Unterpfand wieder beschaffen, und seinen Vertrag, den er gegeben hat, [so] lasse ich ihn in meiner Gnade leben. MARIA SAGT: Erhebe dich, Theophilus! Du wirst nicht mehr weinen; ich habe für dich Gnade erlangt, du bist von allen Sünden befreit. Du bist in meine Hand gegeben, ich werde deine Seele und deinen überaus wertvollen Einsatz eigenhändig auslösen

108

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Van des duuels benden. THEOPHOLE192 SPRAK: Ach* vrowe, wo wart my de bref, De dar is in der helle dep, Vnde de inghesegel dar mede? So loue ek wol der rede*, 620 Eya en torne dy nicht, Ik* spreke, so id my ghe want is. Ik sage, so id my is ge wand. 623 Wente id is myn hogeste pand. 709 MARIA193 SPRAK: Nŭ* sclap194*,Theophile195, [159r] De* heft dre196 dage vnde mere 615

Text S

845 [183] 850 852 955

Van des duuels banden. THEOPHELUS DICIT: Eya, vrouwe, seghe yk den bref, Den yk myt197 myner hant scref, De dar lycht an der helle so deph, Vnde dat yngheseghel198 dar mede, So wolde yk louen desser rede. De wyle dat wy des breues nycht en hauen, De dar lycht an der helle be grauen, So truwe yk des nŭmmer mere. Eya199 torne dy nycht, vrouwe here, Ik mot spreken, so my ys bewant, Scholde my dat kosten myn dureste200 pant. MARIA DICIT: Nv sclap* eyn luttyk, Theophele! Du heuest dre daghe ghe201 leghen vnde mer

________________ 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201

T-Initiale fehlt (Krobisch). M-Initiale fehlt (Krobisch). scal Hs. Zwischen 709 und 710: Wechsel der Schreiberhand. Danach durchgestrichenes gl oder gi. myt] my Hs. l verbessert aus n. a über der Zeile nachgetragen. dureste] duresteste Hs. Fehlt in Hs.

Übersetzung der Fassungen H und S

109

Übersetzung H aus den Schlingen des Teufels. THEOPHILUS SAGTE: Ach, Herrin, wie bekomme ich die Urkunde, die da in der Hölle tief [unten] liegt, und das Siegel damit? So glaube ich [zwar] deinen Worten, – 620 Erzürne dich nicht, – ich rede, wie die Sache für mich steht. Ich sage, wie es für mich steht, 623 denn dies ist mein sehr hoher Einsatz. 709 MARIA SAGTE: Nun schlaf, Theophilus, [159r] du bist drei Tage und mehr 615

845 [183] 850 852 955

Übersetzung S aus den Schlingen des Teufels. THEOPHILUS SAGT: Oh, Herrin, erblicke ich den Vertrag [wieder], den ich mit eigener Hand schrieb, der dort in der Hölle so tief unten liegt und das Siegel damit, dann wollte ich diesen Worten Glauben schenken. So lange wir diesen Vertrag nicht haben, der in der Hölle begraben liegt, so traue ich dieser Sache niemals. Oh sei nicht aufgebracht, erhabene Herrin, ich muss so reden, wie die Sache für mich steht, sollte mich das meinen überaus wertvollen Einsatz kosten. MARIA SAGT: Nun schlaf ein wenig, Theophilus! Du hast drei Tage gelegen und länger

110

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H An grotem twenge wesen. Du bist aller sorge ge nesen*, 713 Dar vmme bistu wol ge nesen. 624 MARIA SPRAK: Ik bidde di*, Satanas, Dŭ vnreyne saghe vnde twas*, [157r] Dat du komest hir vore Neden ut der helle dore*. Theophole sint sine sunde vor geuen, De scal ewichliken myt my leuen. 630 He is my be volen to be waren: Du scalt van ome varen Vnde halen my den bref. Dar vmme ik di to my rep. Text S 958 853 855

860

865

An groten ruwen ghewezen; Nu du slepst, nu bustu ghe nezen. MARIA DICIT: Satanas, nu kum hyr vore, Do my up de helle dore! Ik bede dy, bose Satanas, Du vule vnreyne dwas, Dat du komest hyr vore Vth der helle dore Vnde dost hyr wedder den bref, Den Theophelus suluen scref; So wat du em hefst heyten ghedan, Dat ys em alto male vorghan, Ik wyl ene wol be waren, Du schalt van hynnen varen Vnde202 halen my wedder den bref, Den Theophelus suluen scref.

________________ 202 Vor Vnde Ansatz zu h gestrichen.

Übersetzung der Fassungen H und S

111

Übersetzung H in grosser Not gewesen. Du bist [jetzt] von allen Sorgen frei, 713 deshalb bist du gerettet. 624 MARIA SAGTE: Ich fordere dich auf, Satan, du schmutziger Lump und Querulant, [157r] dass du hervor kommst unten aus dem Höllentor heraus. Theophilus sind seine Sünden vergeben, er wird ewig bei mir leben. 630 Er ist mir in meine Obhut gegeben: Du wirst von ihm weggehen und mir den Vertrag holen. Deshalb rief ich dich zu mir. Übersetzung S 958 853 855

860

865

[du bist] in grosser Reue gewesen; nun da du schläfst, nun bist du gerettet. MARIA SAGT: Satan, nun komm hier heraus, öffne mir das Höllentor! Ich gebiete dir, boshafter Satan, du fauler, schmutziger Nichtsnutz, dass du hier hervor kommst aus dem Höllentor und [dass] du den Vertrag wieder beschaffst, den Theophilus eigenhändig ausstellte. Was auch immer du ihm zu tun befohlen hast, das ist für ihn allzumal erledigt. Ich werde ihn gut behüten, du wirst dich von hier aufmachen und den Vertrag mir wieder holen, den Theophilus eigenhändig ausstellte.

112

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H SATANAS203 SPRAK: Vrowe, des syd bericht: 635 Van sinem breue en weyt ik nicht*. He* heft syk myk204* Also sulues vor plicht Myt synes sulues breue, Ome en werde leyde oder205 leŭe, 640 Neymant vor one beyde, De vns anders vnrechte deyde. MARIA SPRAK: Ik beyde dy, Satanas, Du vnreyne saghe206 vnde twas, Dat du Theophile los latest 645 Solker lofte*, he dy hefft ge louet, Wente he do was vor douet207. Nu is he wedder synnich ge worden*, Vnde steit an dem himelschen orden. [157v] SATANAS SPRAK: Vrowe, des syt be richt:

870

875 [184]

Text S SATANAS DICIT208: Vrouwe, van den reden yk nycht en weyt. He heft syk ghe maket also breit Myt syme209 breue, Dat were de leyde edder de leue, Wede vor em bede Dat heem vnrecht dede*. MARIA DICIT: Ik bede dy, bose Satanas, Dat du Theophelum quid last. Also he dy heft gheloŭet He was eyn del be thoŭet210; Nu ys he synnych ghe vorden: He weruet na den hemmelyschen orden. SATANAS DICIT: Vrouwe, nu wes des berycht:

________________ 203 204 205 206 207 208 209 210

S-Initiale fehlt (Krobisch). syk my myk Hs. eder Hs. (Krobisch). tzage Hs. vor domet Hs. Sprecherbezeichnung am Rand nachgetragen. Nach syme ist ein n weg radiert. bethoŭet] bethoŭert Hs.

Übersetzung der Fassungen H und S

113

Übersetzung H SATAN SPRACH: Herrin, das sei euch berichtet: 635 von seinem Vertrag weiss ich nichts [Weiteres]. Er hat sich mir so selber vertraglich gebunden mit seinem eigenhändigen Vertrag, es sei ihm zu Lasten oder Nutzen, 640 niemand soll sich für ihn verwenden, oder er griffe denn in unsere Rechte ein. MARIA SAGTE: Ich gebiete dir, Satan, du schmutziger Lump und Querulant, dass du Theophilus aus diesem Vertrag, 645 den er mit dir geschlossen hat, entlässest, denn da war er nicht urteilsfähig. Jetzt ist er wieder zu Verstand gekommen, und gehört zum Stand der Gläubigen. [157v] SATAN SPRACH: Herrin, das sei euch gesagt:

870

875 [184]

Übersetzung S SATAN SAGT: Herrin, von diesen Dingen weiss ich nichts. Er hat sich bereit erklärt durch seinen Vertrag, ob es missfällt oder beliebt: Wer für ihn Fürsprache einlegte, dass der ihm nicht sein Recht widerfahren liesse. MARIA SAGT: Ich gebiete dir, boshafter Satan, dass du Theophilus [aus dem Vertrag] entlässt. Als er dir [das Treueversprechen] geleistet hat, war er halbwegs nicht bei Sinnen; nun ist er [wieder] zur Einsicht gekommen: er ringt nach dem himmlischen Leben. SATAN SAGT: Herrin, jetzt musst du es wissen:

114

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H 650

655

660

Van synem breue en weit ik nicht*. Ik211 han sint so vele wunders ghe dreuen*, Ik en weit des nicht, wur sin bref is ghebleuen 212, Wur he is vnde wur ik one leyt, Wente ik dar nicht af en weit. MARIA213 SPRAK214*: vore hen snelle In de afgrunt der helle, Vore de lenghe vp vnde nedder, Sok my den bref wedder. SATANAS SPRAK: Vrowe, ik sage ju ware: Ik han alle de helle dorch varen* By mynen besten synnen – Des breues kan ik nicht vinden. Ik han one ghe vraget sere Mynen heren Lucifere. Text S

880

885

890

Synes breues en weyt yk nycht. Ik hebbe so wele wunders ghe dreuen, Ik ne weyt nycht, wor de bref ys ghebleuen. MARIA DICIT: Nu vare hen scnelle In de grunt der helle, Sok my den bref, vp vnde nedder215, Vnde brynk ene my wedder. SATANAS DICIT: Owe, yk mot dat don, Dar brynghet my dyne walt to. – Ik hebbe al de helle dore varen* Myt alle mynen scharen, Den bref konde wy nerghene vynden; Wy sochten ene in allen enden. Ik hebbe mynen meystere Lucyfer ghevraget216,

________________ 211 212 213 214 215 216

V. 651f. besteht in der Hs. aus vier Kurzversen (mit zusätzlichem Bruch nach vele bzw. nicht). ghebleuen fehlt in der Hs. M-Initiale fehlt (Krobisch). sprak fehlt in der Hs. Vp vnde nedder. Sok my den bref sodder Hs. r aus a verbessert.

Übersetzung der Fassungen H und S

650

655

660

115

Übersetzung H Von seinem Vertrag weiss ich nichts [Weiteres], ich habe seither so viel Staunenswertes bewerkstelligt, ich weiss deshalb nicht, wo sein Vertrag geblieben ist, wo er ist und wohin ich in legte, denn ich weiss nichts darüber. MARIA SAGTE: Fahr schleunigst in den Höllenabgrund, fahre die [ganze] Strecke auf und ab, suche mir den Brief wieder [hervor]. SATAN SAGTE: Herrin, ich sage euch die Wahrheit: ich bin durch die ganze Hölle gefahren bei meinem besten Wissen – den Vertrag kann ich nicht finden. Ich habe danach eingehend meinen Herrn Luzifer gefragt. Übersetzung S

880

885

890

von seinem Vertrag weiss ich nichts [Weiteres] ich habe so viel Staunenswertes bewerkstelligt, ich weiss nicht, wo der Vertrag geblieben ist. MARIA SAGT: Nun fahr schnell hin in den Höllengrund, suche mir den Vertrag überall und bring ihn mir wieder. SATAN SAGT: Oh weh, ich muss es tun, dazu zwingt mich deine Macht. – Ich habe die ganze Hölle durchfahren mit allen meinen Trabanten, den Vertrag konnten wir nirgends finden. Wir suchten ihn an allen [Ecken und] Enden. Ich habe meinen Meister Lucifer [danach] gefragt,

116

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H De heft also217 ghe saghet, Des si sint so mennich iar be daget*, Dat he des breues nicht en sach*. [158r] Vor war ik dat spreken mach*: We en kunnen des breues nicht vinden. 670 MARIA SPRAK: Ik wil di noch binden Mit myner tucht vnde ghe walt, Dat du den bref wol vinden scalt. Ik beyde dy by mynem namen Vnde bi rechtem horsame, 675 Dat du varest an dusser stunt In de helle grunt, Vnde bringhest my den bref, Den Theophile screff. 665

Text S 895

900

905 [185]

He heft my al dus ghe saghet, Dat he des breues ny en sach; Vor war yk dy dat saghen mach*. MARIA DICIT: Ik wyl dy also bynden, Dat du ene wol schalt wynden, Myt myner tunghen vnde myt myner walt, Dat du ene wol vynden schalt*. Ik bede dy*218, bose Satanas, by myneme nomen* Vnde by deme rechten horsamen, Dat du an desser stunt Varest an de helle grunt, Dar de bref ys be hut Vnde kamest dar ok nummer ut, Du ne brynghest wedder den bref, Den Theophelus suluen scref.

________________ 217 allo Hs. (Krobisch). 218 bede dy] in Hs. zusammen, aber mit Trennungsstrich.

Übersetzung der Fassungen H und S

117

Übersetzung H Der hat dies gesagt: Es sei seither so manches Jahr vergangen, dass er den Vertrag nicht [mehr] gesehen habe. [158r] Das kann ich wahrheitsgemäss berichten: wir können den Vertrag nicht finden. 670 MARIA SAGTE: Ich werde dich weiterhin unter Zwang nehmen mit meiner Autorität und Macht, damit du den Brief sicher finden wirst. Ich gebiete dir bei meinem Namen und bei dem [mir] zustehenden Gehorsam, 675 dass du augenblicklich in den Höllengrund fährst, und mir den Vertrag bringst, den Theophilus ausstellte. 665

895

900

905 [185]

Übersetzung S er hat mir ganz ebenso gesagt, dass er den Vertrag nie gesehen hat. Das kann ich dir wahrheitsgemäss berichten. MARIA SAGT: Ich werde dich so unter Zwang nehmen, dass du ihn gewiss finden wirst, mit meinem Wort und mit meiner Macht, dass du ihn gewiss wirst finden. Ich gebiete dir, boshafter Satan, bei meinem Namen und bei dem [mir] zustehenden Gehorsam, dass du augenblicklich in den Höllengrund fährst, wo der Vertrag aufbewahrt wird, und [dass] du von dort auch niemals wieder heraus kommst, wenn du nicht den Vertrag zurück bringst, den Theophilus eigenhändig ausstellte.

118

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H He lit Lucifere vnder sinem rucke219*; 680 Sprek: Ik en beyde om, dat he sik bucke, Dat du den bref mogest vinden. SATANAS SPRAK: Vil edele telerinne*, Gif my en wenich vrist – Ik weit wol wur de bref is* – 685 Vnde lat van my dyn twingen. Ik wil one wedder bringhen. SATANAS220 SPRAK221: Here Lucifere, gif my rad: Vnse walt nu cleyne macht had, [158v] Nu Goddes moder is ghe komen, 690 Vnde hef vns Theophilum ghe nomen, De den bref hadde ghe screuen, Text S 910

915

920

925

Du schalt to Lucifere222 ghan aldare, Ik weyt dat wol vor ware: Vnder syner tunghen* lycht de bref, He heft ene stolen also eyn def. Wyl he ene nycht vynden, So schole gy* ene bynden Vnde sclan ene myt runghen*; De bref lycht vnder syner tunghen. SATANAS DICIT: Eja, konynghynne reyne, Du byndest my alleyne*, Dat yk al dat mot ghen, Also yt hyr vore ys gheschen. Ik weyt wol vor he yst. Ghyf my eyne korte wryst Vnde lat nu dyn dŭynghen, Ik wyl ene dy wedder bryngghen. SATANAS DICIT: Here meyster Lucyfer, nu ghyf rat, Wente vnse walt nu vyl kleyne stat.

________________ 219 220 221 222

jucke Hs. S-Initiale fehlt (Krobisch). spraf Hs. Lucifare Hs.

Übersetzung der Fassungen H und S

119

Übersetzung H Er liegt unter Luzifers Rücken. 680 Sag [diesem], ich gebiete ihm, dass er sich vornüber beuge, damit du den Vertrag finden kannst. SATAN SAGTE: Edelste Mutter, gib mir eine kurze Frist – ich weiss genau, wo der Vertrag ist – 685 und höre auf, mich unter Zwang zu setzen. Ich werde ihn wieder bringen. SATAN SAGTE: Herr Luzifer, gib mir Rat: Unsere Herrschaft hat jetzt [nur noch] geringe Macht, [158v] [da] nun Gottes Mutter gekommen ist, 690 und uns Theophilus weggenommen hat, der den Vertrag ausgestellt hat, Übersetzung S 910

915

920

925

Du wirst zu Luzifer dort gehen: (ich weiss das sehr genau) unter seiner Zunge liegt der Vertrag, er hat ihn unterschlagen wie ein Dieb. Will er ihn nicht finden, so werdet ihr ihn fesseln und ihn schlagen mit Knüppeln; der Vertrag liegt unter seiner Zunge. SATAN SAGT: Oh, jungfräuliche Königin, du allein vermagst mich unter Zwang zu nehmen, dass ich alles das gestehen muss, wie es hier zuvor sich zugetragen hat. Ich weiss genau, wo er ist. Gib mir eine kurze Frist und lass jetzt deinen Zwang, ich werde ihn dir wieder bringen. SATAN SAGT: Herr Luzifer, gib jetzt Rat, denn unsere Macht ist jetzt eng beschränkt.

120

Die Texte und ihre Übersetzung

695

700

Text H Den ik dy hadde ghe gheuen, De vnder di lit be grauen, Den wil se weder hauen. Se* is vrowe vnde wi sint knechte, We en moghen nicht weder se vechten. So223 wi ere van or komen, Jo beter is vnse vromen. SATANAS224 SPRAK: Vrowe, ik kan juwer nicht leng225* sparen, Nemet den bref bi juwen waren. Text S

930

935 [186] 940

Nene macht wy nu mer en han: We hebben enen quaden man* bestan; Hyr226 ys nu Godes moder komen Vnde heft vns Theophelum ghenomen, De den bref hat ghescreŭen, Den yk dy hadde ghegheuen, Dede vnder dy lycht ghegrauen*: Den wyl227 se nu wedder228 hauen. Here Lucyfer, wat redestu dar to*? Wy synt des breues229 vnwro. LUCIFER DICIT: Se* ys vnse vrouwe, we synt ere knechte, We moghen nycht myt er wechten; Dat we des wol beghunden, Dat were vnse ergher stunde*: Jo we er van er komen, Deste bet mach yt vns vromen. SATANAS DICIT: Vrouwe, nemet dessen bref. Id sy weme leyt edder lef,

________________ 223 224 225 226 227 228 229

Oder ist in der Hs. Jo zu lesen? S -Initiale fehlt (Krobisch). Lies lenger? (Krobisch). Hyr] Hys Hs. Den wyl] dazwischen wl gestrichen. wedder] wedde Hs. breues] breue Hs.

Übersetzung der Fassungen H und S

695

700

930

935 [186] 940

121

Übersetzung H den ich dir gegeben habe [und] der unter dir [zugedeckt] liegt, den will sie zurück haben. Sie ist Herrin und wir sind Knechte, wir vermögen nicht, gegen sie zu kämpfen. Wenn wir eher von ihr [los] kommen, desto besser für uns. SATAN SAGTE: Herrin, ich kann euch nicht lang hinhalten, nehmt den Vertrag in euren Gewahrsam. Übersetzung S Keine Macht haben wir nunmehr: wir sind an die falsche Seele geraten. Hier ist jetzt Gottes Mutter aufgetreten und hat uns Theophilus genommen, der den Vertrag ausgestellt hat, den ich dir gereicht hatte, der unter dir begraben liegt, den will sie jetzt zurück haben. Herr Luzifer, was sagst du dazu? Wir sind über den Vertrag wenig glücklich. LUZIFER SAGT: Sie ist unsere Herrin, wir sind ihre Knechte, wir können nicht gegen sie kämpfen. So wir damit anfingen, so wäre das unsere schlimmste Stunde: Je eher wir von ihr [los] kommen, desto mehr kann es uns nützen. SATAN SAGT: Herrin, nehmt diesen Vertrag. Es sei einem leid oder lieb,

122

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H Se syn legen edder papen, Se en doruen vns nicht mer affen*. Sint vns dusse is ghe nomen, So en derf vns nemant230 to komen. 705 Kumpt vns gemant mere, Ik wil one vneren also sere, Dat ome scal werden eyn bi iacht*, 708 Dat he sine nese wol huden mach. [159r] [Für V. 709-713 vgl. oben bei 623.] 714 [SO SINGET* THEOPHOLE: ALMA MATER DEIPARA*.] 715 MARIA SPRAC: Theophile, ik wil di ricken* Vnde wil di nicht vor stricken: Ik leyde* den bref* vp din herte; Vor delget sin alle dine smerte Mit sunderliken saken*. Wen du nu werst vnt waken, Text S 945

950

955 959 960

Se syn de leygen edder de papen, Se dorven vns nycht mer apen*. Sunt dat desse man vns ys ghenomen, So dorf ne man mer to vns komen, De vns vmme ghut bede. Vorwar yk dat rede: Kumpt hyr jumment mere, Ik wyl ene also vorweren*, Dat eme schal de hals knoken231, Ofte yk ene kan roken*. [Für V. 955-958: vgl. oben bei V. 853*.] MARIA DICIT: Theophele, yk wyl dy wecken* Vnde wyl dy van allen sunden trecken. Den bref legghe yk up dyn herte, Ghe delghet synt alle dyne smerte Vnde alle dyne sundelyken saken. Wan du werdest vntwaken,

________________ 230 nemat Hs. 231 hals knoken] dazwischen zweimal ko gestrichen.

Übersetzung der Fassungen H und S

123

Übersetzung H Es seien Laien oder Geistliche, sie dürfen es nicht wagen, uns weiter zu täuschen. Da uns dieser genommen worden ist, so braucht uns keiner zu kommen. 705 Kommt jemand uns wieder, so will ich ihn so verhöhnen, indem ihm eine [solche] Gabe zuteil wird 708 dass er seine Nase wohl hüten mag. [159r] [V. 709-713 vgl. oben bei 623f.] 714 [DA SINGT THEOPHILUS: ALMA MATER DEIPARA.] 715 MARIA SAGTE: Theophilus, ich will dich reich machen und werde dich [dabei] nicht verstricken. Ich legte [eben] den Vertrag auf dein Herz; geheilt sind alle deine Schmerzen auf geheimnisvolle Weise. Wenn du nun erwachen wirst, Übersetzung S 945

950

955 959 960

sie seien Laien oder Geistliche, sie haben uns [jedenfalls] nicht mehr zu foppen. Da uns diese Seele genommen worden ist, so darf uns keiner mehr kommen, der uns um Besitztümer bittet. Ich sage die Wahrheit: Kommt hier einer [noch] jemals ich werde ihn so zurückschicken, dass ihm der Hals knacken soll, falls ich ihn zwischen die Finger bekommen kann. [V. 955-958: vgl. oben bei V. 853f.] MARIA SAGT: Theophilus, ich will dich wecken und werde dich von allen Sünden losmachen. Den Vertrag lege ich dir auf dein Herz, getilgt sind alle deine Schmerzen und alle deine Sünden. Sobald du erwachen wirst,

124

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H So dancke minem kinde Vnde allem232 himmelschen ge sinde, Dat di gnade is ge geuen*. Werf vmme eyn ewich leuent. THEOPHILE SPRAK IN KORTER233 VRIST: 725 Ik loue an dinen sonen, den hilligen Crist234. Vnde wil one nummer mer vortigen235*; Noch236 de soyten juncfrowen maget Marien, De my gnade wunnen hat*; Dat alle, grot vnde stat237*, 730 Konden spreken, dwingen vnde heten*, Se238 konden* se mit loue nummer mer boten*, Se239 en konden se nummer wul louen, [159v] Se sin* alles loues en bouen. 720

Text S 965

[187] 970

So schaltu dancken myneme leuen kynde Vnde al deme hemmelyschen synde, Dat dy gnade ys ghe gheuen; Werf nu vmme dat ewyghe240 leuen. THEOPHELUS DICIT: Ik dancke dy, søte Jhesu Cryst, Wente du myn241 schepper vnd myn loze* byst; Dar to de vyl eddele søte moder Maria, Dat se vns gnade vor lya! Ik was vyl na ewelyken ghestoruen, Nu heft my Maria dat ewyghe leuent ghewor(uen)242.

________________ 232 233 234 235 236 237 238 239 240 241 242

alleme Hs. (mit gestrichenem –e). Davor korfer durchgestrichen (Krobisch). Crist] god Hs. vnt dugen Hs. Ergänzung von Petsch. sat Hs. e undeutlich, evtl. so (Krobisch). e undeutlich, evtl. so (Krobisch). Ewyghe Hs. myn] my Hs. ghewor(uen)] Textverlust durch Blattrandbeschädigung.

Übersetzung der Fassungen H und S

125

Übersetzung H so danke meinem Sohn und dem ganzen himmlischen Heer, dass dir der Gnadenstand [wieder] gegeben ist. Strebe nach dem ewigen Leben. THEOPHILUS SAGTE BALD DARAUF: 725 Ich glaube an deinen Sohn, den heiligen Christ, und werde ihm niemals mehr absagen; noch der süssen Jungfrau und Magd Maria, die mir [wieder] in den Gnadenstand geholfen hat; so dass alle, gross und ... (?) 730 sagen konnten, zwingen und befehlen (?) sie könnten sie mit Preisen niemals weiter erhöhen sie könnten sie niemals ausreichend loben, [159v] sie sei über jedem Lob (?). 720

965

[187] 970

Übersetzung S so wirst du meinem lieben Sohn Dank abstatten und all den himmlischen Scharen, dass dir die Gnade geschenkt worden ist. Strebe nun nach dem ewigen Leben. THEOPHILUS SAGT: Ich danke dir, süsser Jesus Christ, denn du bist mein Schöpfer und meine Erlösung; dazu [danke ich] der hochedlen, süssen Mutter Maria, dass sie uns Gnade verleihe! Ich war sehr nahe dem ewigen Tod, nun hat mir Maria das ewige Leben erwirkt.

126

Die Texte und ihre Übersetzung

Text H 735

740

745

Louet se, vrowen vnde man*, Alle vnse trost lid dar an. Se is aller gnade eyn vul schryn 243 Dat is an mi worden schyn. Ik hadde my vor redet solke244 mere245* Dat ik iummer mere Scholde des duuels sin gewesen. Se halp my, dat ik bin genesen. Ik wil ok alle tijd na orem loue ringen Mit lesen vnde mit singen*, Vnde wil or nummer mer vor tigen Der soyten iuncfrowen maget Marien. Et sic est finis. Ach wat was ik vro, Do ik sach finito libro. Text S

975

980

985

Nu schole gy se246 louen beyde vrouwen vnde man*, Wente al vnse salycheyt lycht dar an. Se ys al der werlde eyn clar sunnen schyn*, Maria, dat vyl eddele ghulden scryn*. Ik hadde my vor redet alto zere, Dat yk nu vnde jummer mere Des duuels scholde syn ghewezen; Des halp my Maria, dat yk byn ghenezen, Myn houet schal er jummer nyghen, Myn tunghe schal er lof nŭmmer swyghen. Se schal na ereme denste rynghen Beyde myt lezen vnde ok myt syngghen*. Nu schole gy alle spreken na: Help vns, leue vrouwe sunte Maria,

________________ 243 244 245 246

gnade eyn vul schryn] gnade wul. Hs. solker Hs. (mit nicht eindeutigem Kürzungsschnörkel). Über der Zeile nachgetragen, darunter durchgestrichenes Wort, evtl. rede. se] fehlt Hs.

Übersetzung der Fassungen H und S

735

740

745

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Übersetzung H Lobt sie [dennoch], ihr Frauen und Männer, unsere ganze Hoffnung liegt bei ihr. Sie ist ein Schrein aller Gnadengaben; das ist an mir offenbar geworden. Ich hatte mich verpflichtet zu solcher Abmachung (?), dass ich auf immer hätte des Teufels sein müssen. Sie half mir, so dass ich [jetzt] gerettet bin. Ich werde alle Zeit auf ihr Lob bedacht sein beim Lesen und beim Singen, und werde sie nie mehr verleugnen die süsse Jungfrau und Magd Maria. Und so ist das Ende. Hei, was war ich froh, Als ich sah: finito libro! Übersetzung S

975

980

985

Nun sollt ihr sie loben, Frauen und Männer, denn unser Heil liegt darin. Sie ist für die Welt ein heller Sonnenstrahl, Maria, der hochedle, goldene Schrein. Ich hatte mich mit Worten allzu sehr verstrickt, [so] dass ich jetzt und für immer dem Teufel hätte gehören müssen. Dagegen half mir Maria, dass ich gerettet bin, Mein Haupt muss sich ihr immer neigen, meine Zunge wird ihr Lob niemals verschweigen. Sie wird sich in ihrem Dienst mühen mit Lesen und auch mit Singen. Nun müsst ihr alle [mir] nachsprechen: Hilf uns, liebe Herrin, heilige Maria,

128

Die Texte und ihre Übersetzung

Text S 990

995

An dat hoghe hemmel ryke, Dat wy dar komen alghelyke, Des help vns alle samen, In Godes nomen, amen! Dyt* bok ys vthe247 Got neme vns an syne hute. Hyr ys Theophelus vthe, Me gheue248 vns ber up de snŭte. Help* Got toden besten, Ik blyue by den mesten249.

________________ 247 ys vthe] dazwischen hut gestrichen. 248 gheue] ghe Hs. 249 Die Verse 995-998 in Rot; vor 995 und 997 je eine Leerzeile.

Übersetzung der Fassungen H und S

129

Übersetzung S 990

995

[hin] ins hohe Himmelreich, dass wir dorthin alle kommen, dazu verhilf uns allen zusammen, in Gottes Namen, Amen! Dieses Buch ist zu Ende, Gott nehme uns in seine Obhut. Hier ist Theophilus aus, man gebe uns Bier auf die Schnauze. Helfe Gott zu den Besten, ich bleibe bei den Meisten.

130

Die Texte und ihre Übersetzung

1.4 Fassung T im Originaltext Text T [1/2v] Silete*, Silete, Silencium habete! Nu hord, wo sich Theophil gaff Dem duuele vnde dar weder aff 5 Myds* Marien wart verloyst; Dey aller sunder is eyn troest* Des* salmen v doen ersten schyn, Woe hey neyn biscop wolde syn.250 [2/2r] HYR KUNDIGHET DE BOEDE DAT SPEL VON THEOPHOLO ERSTEN VET* VNDE SECHT IN MYDDEN DES KREZES: Nu hoert, nu hoert vnde swiget still, 10 Doet to den munt, dat is myn will! Swyget dor iuwes selues ere, Ich wyl iv kunnyghen lieue mere*; Dey tyt sich heft versateghet* gar Teghen eynen seuten zommer* clar, 15 Des weset vrysch vnde dar by vro, Es dunket my vnde is also*: Sych haet ghehoget de sunne*, Des vreuwet uch der wunne! Y solt v herte to vreden setten 20 Vnde alles leydes gar verghetten. Vns wyl an staen eyn vrolich iar, Wal ghetoget* all oppenbar, Des wy all moghen gheneten. Nu en latet des iv nicht verdreten 25 Vnd swiget all ghemeyne, Beyde groet vnde cleyne; ________________ 250 Z. 1-8 mit Noten für zwei Stimmen versehen und entsprechend doppelt geschrieben, Oberstimme rot, Unterstimme schwarz.

Übersetzung von Fassung T

131

1.4 Fassung T in Übersetzung Übersetzung T [1/2v] Schweigt, schweigt, haltet Ruhe! Nun hört, wie sich Theophilus ergab dem Teufel und danach wieder 5 dank Maria befreit wurde, die aller Sünder Trost ist. Von diesen Ereignissen wird man euch zuerst zeigen, wie er nicht Bischof sein wollte. [2/2r] HIER KÜNDIGT DER SPIELERÖFFNER DAS SPIEL VON THEOPHILUS ERST EINMAL AN UND SAGT IN DER MITTE DES KREISES: Jetzt hört, jetzt hört und schweigt still, 10 schliesst den Mund, so will ich’s! Schweigt zu eurer eigenen Reputation, ich werde euch eine willkommene Botschaft berichten. Die Jahreszeit hat sich vollends gegen den angenehmen, heiteren Sommer hin bewegt, 15 darum seid munter und dazu fröhlich. Es scheint mir und ist [wirklich] so: Es ist die Sonne hochgestiegen, deshalb freut euch über dieses Glück! Ihr sollt euch völlig zufrieden geben 20 und alles Leidvolle ganz vergessen. Uns steht ein gutes Jahr bevor, es zeigt sich ganz offenkundig, wo wir alle Gewinn ziehen können. Nun lasst es euch nicht verdriessen 25 und schweigt alle zusammen, gross und klein.

132

Die Texte und ihre Übersetzung

Text T Mallike syne oeren syn up ghedaen, Dat hey moge recht verstaen, Woe Theopholus sich dem duŭel gaff 30 Tho eygen vnde dar weder aff War verloest vermyddes Maryen, Der nummer sunder sall vertyen; Dat soele gy all gerne hoeren Stilles mundes myt oppen oren, 35 Soe dat vns dar van all samen, De hebben intfangen cristen namen, Maria troest der zele sy Vnde vns ouch make des duuels vry, Als se Theopholo heuet ghedaen, 40 Als y, eff Got wyl, solt verstaen. Dat vns dat moete al gader Be scheyn, des help vns Got de vader, De soen vnde ouck de hilge geist, Dey dry eyn Got, aller wunder meist. 45 Des spreket all samen*: Amen, in Godes namen. HYR GEIT DAT CAPITTEL* TO RADE*, EYNEN BISSCOP TO KEYSENDE, NŬ ER HERE GESTORUEN IS: [3/3r] DE PROEUEST*: Gy heren, vns is vnse bisscop doet, Des lyt vnse sticht groete noet Van mangerhande vnrechticheit, 50 Dat sall vns billiken wesen leit. Wy weren manger sorgen vry, Doe vns was vnse here by. Vp ene en moghen wy nu nicht borgen, Wy moeten vmb eynen anderen sorgen. 55 Dar vmme, her deken, raedet thoe, Woe men hyr wysliken mede doe. HER RENVERT DE DEKEN*: Here her proeuest, my dunket goet, Wat ghy vnde dey anderen dar to doet. Wy en kunt nicht wall eyns heren enberen,

Übersetzung von Fassung T

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Übersetzung T Jedermanns Ohren sollen offen stehen, dass er genau verstehen kann, wie Theophilus sich dem Teufel ergab 30 als Leibeigener und davon wieder befreit wurde durch Maria, von der kein Sünder sich los sagen soll. Das werdet ihr alle mit Vergnügen anhören mit geschlossenem Mund, mit offenen Ohren, 35 so dass davon uns allen zusammen, die [wir] den Christennamen erhalten haben, Maria Fürsprecherin für die Seele sei und uns ebenfalls vom Teufel losmache, wie sie es für Theophilus getan hat: 40 So sollt ihr, wenn Gott will, es verstehen. Dass uns das allen zusammen widerfahre, dazu verhelfe uns Gott der Vater, der Sohn und auch der Heilige Geist, die Drei ein Gott, aller Wunder grösstes. 45 Deshalb sprecht alle zusammen: Amen. In Gottes Namen. HIER GEHT DIE KAPITELSVERSAMMLUNG ZU RAT, UM EINEN BISCHOF ZU WÄHLEN, [DA] JETZT IHR HERR GESTORBEN IST: [3/3r] DER PROBST: Ihr Herren, uns ist unser Bischof gestorben, deshalb leidet unser Stift in grosser Not durch allerlei Rechtlosigkeit, 50 das muss uns billigerweise widerstreben. Wir waren von manchen Sorgen frei, als uns unser Herr [noch] zur Seite stand. Auf ihn können wir nun nicht [mehr] bauen, wir müssen für einen anderen [Herrn] sorgen. 55 Deshalb, Herr Dekan, ratet zu, wie man hier klug verfährt. HERR RENVERT, DER DEKAN: Hoher Herr Probst, mir scheint gut, was ihr und die andern dazu tut. Wir können nicht wohl einen Herrn entbehren;

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60

65

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text T Vnde* soelen wy vns myt dem rochelen weren Ich vroechten, wy hebben soe verre heym, Recht eff wy weren thoe Jherusaleym. HER BRUN DE KEMERER*: Me Got, her deken, y seghet all waer: Sulden wy leŭen aldus eyn iar? Denket myr dar anders by*! Woe ryke nu dat stichte sy, Hed ich noch dur prouenden251 drey*, Ich gheue sy to iar all vmb eyn ey. Hyrvmb laet vns eynen heren keyzen, Dat wy vr haue sus hunt hursliken* nicht verleyzen. HER SYNERT DE SCHOLASTER*: Ghy heren, ich wyl dar dit to segghen: Wy en willen vns noch anders wegghen*, Ich sold myne scholastrje Wael verteren an slechten brye, Soe en dede der andere prouende eyn Nauwe des iars eynen beker sleyn*. Hyr vmb so keyzen wy252 slichte Eynen heren vor dit arme stichte. DE THESAUREIR*: Her scholaster y en duelet* nicht all Wo dul ich sy, ich proeue dat wal;

Keyzen wy by tyden nicht eynen heren, De vns …….253 helpe keren*, [4/3v] Wy soldes wal en ware werden, Dat sy vns vet aller genaeden serden*, 85 So dat mallick dat vnse kricht Vnd latet vns des haers in dem erse* nicht. HER DREIS DE KELNER: Ghy heren, ich segghe dar soe vele thoe: Al dat hey seghet, dat is alsoe.

________________ 251 prouenden] proueden Hs. 252 Nach wy gestrichen sch. 253 Text wegen Blattzerstörung weitgehend unleserlich; vielleicht: vns vyende.

Übersetzung von Fassung T

135

Übersetzung T und müssen wir uns im Chorhemd verteidigen, [dann] fürchte ich, wir haben einen so weiten Nachhauseweg, wie wenn wir zu Jerusalem wären. HERR BRUN DER KÄMMERER: Bei Gott, Herr Dekan, ihr habt völlig recht: Sollten wir so ein Jahr lang verbleiben? 65 Das käme mir wie ein Wunder vor. (?) Wie reich nun das Stift auch sei, Hätte ich noch drei einträgliche Pfründen, ich gäbe sie nächstes Jahr alle [zusammen] für ein Ei. Darum lasst uns einen Herrn wählen, 70 Damit wir unsere Habe so schändlich (?) nicht verlieren. HERR SYNERT DER SCHOLASTER: Ihr Herren, ich will dazu das sagen: Wenn wir uns nicht noch anders ins Zeug legen, werde ich mein Schulmeisteramt wohl bei gewöhnlichem Brei verbringen. 75 [Und] so wäre der Wert einer der anderen Pfründen in Jahresfrist gerade knapp der eines kleinen Bechers. (?) Deshalb so lasst uns ohne Umstände einen Herrn für dieses bedauernswerte Stift wählen. DER SCHATZMEISTER: Herr Scholaster, ihr irrt nicht gar, 80 wie bescheiden auch mein Verstand ist, so sehe ich das [doch] klar: Wählen wir beizeiten nicht einen Herrn, der uns … hilft zu wenden… [4/3v] so merkten wir genau, dass sie uns aus allen Privilegien vertrieben, 85 so dass mancher das unsere kriegt, und uns kein Haar am Hintern belässt. HERR DRES DER KELLERMEISTER: Ihr Herren, ich sage so viel dazu: Alles was er sagt, verhält sich [auch] so. 60

136

Die Texte und ihre Übersetzung

Text T 90

95

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Hyr vmb latet vns gheringhe Sunder lange dedynghe254 Keysen vet dusser matscop Eynen guden, harden bysscop, De van vrunden vnde van magen sy Vnde vns myt truwen wese by. Soe moeghen wy doch behalden ycht. Gy heren, ich en gecken* iuwer nicht. DE PREBENDEIR*: Troen, her kelner, soe en doe y ouck, Dat wy nu helden schonen pouck* Vnde koeren soe eynen kuckedues*, Dat queme* allet to vnsem hues. Ich wyl v raden als eyn vrent255: Wy kesen eynen harden vent*, De den ruteren* iaghe nae, Leyuer dan hey toe koere ghae. Doe wy des nicht, ich segghe dat: Wy hebben dat fallentoeuel in dat vat*. DE KUSTER*: Per Deum sanctum, hey secht all war. Ich hebbe schyr wall dertich iar In dussem stichte eyn kuster gewezen. Nue en halpet vns eyne vesen256*, Dat wy vyl synghen den mediavyt*, Wy ghingen lickwal vr haue quyt, Hyr vmb meyne ich, y beruen* lude*, Dat dat pantzer* vil mer bedude. DER ARMEN KANONIKE EYN: Ich hoere wall, y syt des eyns

Vnde woldys gheloeuen, et is my aleyn(s). Ghy claghet all, y verleyzet groet Des en is my, Godeloff, io neyne noe(t). [5/4r] Wy hebben eynen biscop efte nenen,

________________ 254 dedynghe] dedindynghe Hs. 255 e über durchgestrichenem o. 256 s aus z.

Übersetzung von Fassung T

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Übersetzung T Deshalb lasst uns schnell 90 ohne langes Palaver aus diesem Gremium einen tüchtigen, entschlossenen Bischof wählen, der Verbündete und Versippte hat und uns unverbrüchlich zugetan ist. 95 So können wir doch etwas wahren. Ihr Herren, ich halte euch nicht zum Narren. DER PFRÜNDENMEISTER: Gewiss, Herr Kellermeister, das tu auch ich nicht. Indem wir jetzt einen schönes Spielchen spielten und so ein Schreckgespenst (?) wählten, 100 [so] käme das alles zu Lasten unseres Stiftes (?). Ich werde euch wie ein Freund raten: Wir wählen einen hartgesottenen Burschen, der lieber Jagd auf Strauchdiebe macht, als dass er zum Chorgebet geht. 105 Tun wir das nicht, so sage ich [euch voraus]: Wir haben das fallende Übel im ... (?). DER KÜSTER: Per deum sanctum, er hat Recht. Ich bin schier etwa dreissig Jahre in diesem Stift Küster. 110 Nun hilft es uns keinen Deut, dass wir lang das „Media in vita“ singen, wir verlören gleichwohl unseren Besitz. Deshalb meine ich, ihr lieben Amtsbrüder, dass [hier] ein Panzer viel besser angezeigt ist. 115 EINER UNTER DEN ARMEN KANONIKERN: Ich höre, ihr seid euch diesbezüglich einig und wollt es für richtig halten, das ist mir gleichgültig. Ihr beklagt euch alle, ihr hättet grosse Verluste; diesbezüglich habe ich, Gottlob, keine Schwierigkeiten. [5/4r] Ob wir einen Bischof haben oder keinen,

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text T 120

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145

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Ich byn allike rike althenen*. Eyn vordel hebbe ich vor v allen: My kan ser oeuel wat intfallen. Doch nŭ et v leyf is alsamen, So keyze ich mede in Godes namen. DER PROUENTHERER* EYN VAN XVIIJ. SCHILLING. Laet wall, dat ich hyr achter stae, Doch bort257 my ouck, to segghen jae. Gy moghen seggen, wat y willen, Aen ich claghe hyr myt mym gesellen, Dat wy io nicht verwelighen*; Ich wil dat sweren an dey hilghen, Dat ich van dusser ganzer vasten Nue vysches ouge en dorfte betasten*, Aen alleyne toe mendel daghe* Vergat ich allinck myner claghe Vnde kofte, nŭ ick et io seggen sall, Eyn penninckwort stynttis*, do vor ich wal. Mer en eten vnse prelaten* nicht de vaker*, En* weren dey kynnebacken des dey laker. DER VICARIUS EYN: Ich wil v segghen mynen syn: Dusse deedynghe brenget nycht yn; Wy en kunnent vns den prelaten nicht geliken, Wy syt to kranck in der vesiken*. Dat wy vns dan wroegden* vmb den koer, Ich hed angst, et en queme nergen voer. Den arbeit moghen wy wal behalden, Dey prelaten wylt* doch boeuen walden; Dat wy vns dan makeden vil verbolgen*! Wat sy wilt*, des moten wy volghen, Soe goet dan voer, alze nae. Ist iv leyff, soe segget jae (OMNES)258: Jae, jae, jae259.

________________ 257 Über o ein Punkt. 258 Omnes] fehlt in Hs. 259 Die jae (versehentlich auch das dem Sprecher in den Mund gelegte) rot unterstrichen.

Übersetzung von Fassung T

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Übersetzung T ich bin immer gleich reich. Einen Vorteil habe ich euch allen voraus: Mir kann sehr schlecht etwas aus der Tasche fallen, Doch da nun es euch allen zusammen beliebt, so wähle ich in Gottes Namen mit. EIN KANONIKER MIT EINER 18-SCHILLING-PFRUND: Lasst mich bitte hier im Hintergrund stehen; doch es gebührt sich für mich auch, Ja zu sagen. Ihr könnt sagen, was ihr wollt, aber eines beklage ich hier mit meinem Gesellen, dass wir nicht in Saus und Braus leben. Ich will das beschwören bei [allen] Heiligen, dass ich in dieser ganzen Fastenzeit nie ein Fischauge [auch nur] betasten durfte; einzig am Gründonnerstag vergass ich völlig meine Klage und kaufte [das, was] ich jetzt sagen werde: Stint für einen Pfennig; da ging es mir gut! Mehr essen [auch] unsere Prälaten nicht öfters, ihnen sässen [sonst] die Kinnbacken umso lockerer. EINER DER VIKARE: Ich will euch meine Meinung sagen: Dieses Gejammer bringt nichts ein; wir können uns mit den Prälaten nicht gleichsetzen, Wir sind [dafür] zu schwach auf dem Beutel. Indem wir uns dann um die Wahl stritten, [dann] hätte ich Angst, die Sache käme durchaus nicht voran. Diese Mühe können wir [uns] wohl ersparen, dass wir uns dann viel böses Blut machten, die Prälaten werden doch dagegen handeln. Was sie wollen, dem müssen wir folgen, so gut gestern wie morgen. Ist [es] euch genehm, so sprecht Ja. ALLE: Ja, ja, ja.

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text T HYR GHEUEN SE NŬ DEM PROUEST DAT VORKEYSEN* VNDE DE SECHT ALDUS TO DEN HEREN: Nu dey koer an vns is komen, Soe willen wy keyzen vns al to vromen Eynen strenghen, kloken, wizen man, De wal dat stichte verwaren kan. [6/4v] Dat is Theopholus, vnse mede dom here; Hey kan wal weretlike ghebere*, Hey weit ouch wal des stichtes lop, Hey sal sin vnse byscop. HER FREDERIK DE SUCCENTOR*: En troen, alzo had ich ouch gedacht. 160 Dat sall io werden vollenbracht: Theopholus is de rechte man, Van allen dynghen hey io wat kan. Hey is eyn kerne* in kleresye*, Hey is eyn tacke* in ruterye, 165 Hey is vor vyanden al vnvorvart*, Vor herlicheit hey nicht en spart*; Wat eyn here hebben sall, Dat heft hey an sich deger* vnde all: Ich dorstet wal toen hilghen sweren, 170 Dat numment beter is tom heren. DE VICEDOEM: Me Got, ghy heren, des wil ich v waren:

175

180

Wy solden al dat lant dor varen, Er wy vns verbeteren kunden: Hey is van maghen vnde ouck van vrunden, Soe dat hey wal myt alme rechte Vnse weder partye to schotte brechte*. Ich gheue dar vmb myn beste pert, Dat hey al rede were ynne wert*. DE PRESENCIONEIR*: Ghy heren, y segghet all schoen Vnde wyst y, wat ich weit en troen

Übersetzung von Fassung T

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Übersetzung T HIER GEBEN SIE NUN DEM PROBST DAS RECHT, SEINEN WAHLVORSCHLAG VORZUBRINGEN, UND DER SPRICHT FOLGENDERMASSEN ZU DEN HERREN: Jetzt, da die Wahl an uns gekommen ist, so wollen wir uns allen zum Nutzen einen gestrengen, klugen, weisen Mann wählen, der das Stift gut sichern kann. [6/4v] Das ist Theophilus, unser Mitdomherr. Er kann sich gut in weltlichen Belangen bewegen, er kennt auch genau den Ruhm des Stiftes; er wird unser Bischof sein. HERR FRIEDRICH, DER SÄNGER: Wirklich, so habe ich’s mir auch gedacht. 160 Das soll geschehen: Theophilus ist der richtige Mann; von allen Dingen versteht er etwas. Er ist der Inbegriff eines Klerikers. Er ist ein Gipfel in der Ritterschaft. 165 Er ist gegenüber Feinden unerschrocken, aus Vornehmheit spart er nicht; Was ein Herr haben muss, darüber verfügt er völlig und ganz. Ich getraute mich wohl, bei den Heiligen zu schwören, 170 dass niemand besser zum Herrn geeignet ist. DER VICEDOM: Bei Gott, ihr Herren, das will ich euch garantieren: Wir müssten alle Länder durchreisen, bevor wir uns [diesbezüglich] besser stellen könnten: Er ist durch seine Verwandten und Genossen so gestellt, 175 dass er bestimmt mit jedem Recht unseren Widerpart zur Strecke brächte. Darum gebe ich mein bestes Pferd, dass er allbereits [im Amt] drin ist. DER PRÄSENTIONIERER: Ihr Herren, ihr sprecht alle gut. 180 Aber wüsstet ihr, was ich – glaubt mir! – weiss

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text T Van Theopholo vor vnde nae, Mach scheyn*, v en were nicht half so gae, En to keyzen tot eynem heren: Hey solde eyns daghes mer vorteren, 185 Dan wy kunden tom eye* brenghen; Solde hey dar vmb dat sticht enthenghe(n)*? Hey en heft nicht, dar hey260 vns mede vorleg(ge) Hey en kunde nicht borgen* eyn hellinck weg(ge); Hedde wy vil, et genghe eynen ganc(k) 190 Vnde brecht vns tytliken vust in pran(ck)*. Hyr vmb seit eŭen, wat y doen Vnde vart nicht vort, als eyn hoftlos hoe(n). DE EBDOMEDEIR*: Neyn, gummen, neyn, et en hel(pet) dy nicht: Wer noch Theopholus dry also licht*, [7/5r] Mach et nae mynen willen ghaen, Hey sal dat bisschedom io intfaen. Joe wan wy eyner dedinghen eyns syn, Soe werpstu eynen vŭlen roeden* daryn: Mach scheyn du ampels* dar selue na, 200 Dat du bisscop261 werdes, ha ha! Dat sall wal weder varen dy To zunte Nicolaus auent*, loue wy. HER RENVERT DE DEKEN: Ghy heren, ich byn iuwer aller deken, 205

210

Des eyge ich io dat vorspreken. Wor de meste hop hen wel, Dem sal dey mynste volghen snel. Nu dunket my, dat de meste partye Sich an hern Theopholum vlye*. Hyr vmb, Theophole, leyff here, So bydden wy v al gader sere, Dat y dat bisschdom van vns entfaen Vnde doen, als dey anderen hebt gedaen, Soe dat y proeuen des stichtes beste.

________________ 260 dar hey] In der Hs. zusammen aber mit Trennungsstrich. 261 Hinter bisscop Punkt.

Übersetzung von Fassung T

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Übersetzung T von Theophilus seit je, möchte [es] geschehen, dass es euch nicht halb so eilig wäre ihn zum Herrn zu wählen. Er sollte [angeblich] an einem Tag mehr ausgeben, 185 als wir bis zum Jüngsten Tag (?) erbringen könnten. Sollte er darum das Stift von seinen Verpflichtungen dispensieren? Er hat nichts, womit er uns bezahlen könnte; er könnte [uns] nicht ein Hellerbrötchen borgen. Hätten wir viel, es ginge seinen Gang 190 und brächte uns zeitig in einen Konflikt. (?) Deshalb sagt gleich, was ihr tut und fahrt nicht weiter wie ein kopfloses Huhn. DER WOCHNER: Nein, Mann, nein: es hilft dir nichts: Wäre Theophilus noch dreimal so leichtsinnig, [7/5r] wenn es nach meinem Willen gehen wird, er soll [jedenfalls] das Bischofsamt erhalten. Jedesmal wenn wir in einer Debatte einig sind, so wirfst du einen faulen Rüden dazwischen. Es kann geschehen, dass du selber danach strampelst, 200 Bischof zu werden, ha ha! Das wird dir wohl [aber einzig] am St. Nikolausabend geschehen, glaub mir. HERR RENVERT DER DEKAN: Ihr Herren, ich bin euer aller Dekan, deshalb habe ich das Recht auf das erste Wort. 205 Wo die Majorität hin will, da soll die Minderheit rasch folgen. Nun scheint mir, dass die Mehrheit sich Herrn Theophilus zuwendet. Deshalb, Theophilus, lieber Herr, 210 bitten wir euch alle gemeinsam dringlich, dass ihr das Bischofsamt von uns annehmt und handelt, wie die andern gehandelt haben, so dass ihr das Wohl des Stiftes wirkt.

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text T Dey erste kop soe gut als de leste, 215 Dat capittel vnde de prelaten En willens* iv io nicht verlaten. THEOPHOLUS: Ghy heren, ich danck iv allen sere Dusser groeten, micheliken ere, Dat y my hebt tom bisscop gekoren – 220 Den arbeit heb y gantz verloren. Ich doen gern all iuwen willen, Aen y solen my er slippen vnde villen, Er ghy eynen bisscop van my maken. Vnde wil v seggen wol by saken: 225 Ich en heb neyn gut, dat is eyn, Vnde kan vmb gelt ouch numment vleyn; Ouch byn ich wal so ouermodich, Ich sloege my wol blae vnde blodich Myt eyme vmb eyn hauer kaff 230 Dar vmb komdes* roeckloes* aff Vnde keyzet eynen anderen snel, Want ich neyn bisscop wesen wel*; Aen, mach et sin, so byd ich sere Vor mynen maech, den kemmerere. 235 HER DEGENHART: Nu seeghen my dey werde got! Horde262 (eyn) mynsche sulik marot*? [8/5v] Nu hey neyn bisscop wesen wyl, Nu speld hey gherne vadder spyl* Vnde makede wol synen maech tom heren; 240 Dat wyl ich io tom ersten keren*! Hey nemet vor vruntscap efte vor hoen, Hey meynt myt kyderen syt gut doen*. HER GUMPRECHT: Me Got vnde hilghen, et is all war, 245

Vnde wil dat seggen al oppenbar: Nu hey dar to is to goet, Dat hey up sette eynen bisscops hoet, Soe woldick, dat en de mort io sloge,

________________ 262 Hinter Hord Loch im Papier, mynsche fast unleserlich.

Übersetzung von Fassung T

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Übersetzung T Der erste Kopf so gut wie der letzte, 215 das Kapitel und die Prälaten werden euch das nicht erlassen. THEOPHILUS: Ihr Herren, ich dank euch allen sehr für diese grosse, überwältigende Ehre, dass ihr mich habt zum Bischof gewählt – 220 [doch] eure Mühe habt ihr ganz und gar verloren. Ich tue gern allen euren Willen, aber ihr werdet mich eher schleifen und schinden, ehe ihr einen Bischof aus mir macht. Und ich werde euch sagen: mit gutem Grund. 225 Ich habe keinen Besitz, das ist das eine, und kann um Geld auch niemanden angehen. Auch bin ich wohl so stolz, ich schlüge mich gewiss blau und blutig mit einem um Haferspreu. 230 Deshalb kommt davon ohne Bedauern ab und wählt einen anderen rasch, weil ich kein Bischof sein will. Einzig [dies]: wenn es sein kann, so lege ich dringend ein Wort ein für meinen Verwandten, den Kämmerer. 235 HERR DEGENHART: Nun segne mich der gute Gott! Hörte je ein Mensch solche Narrheit? [8/5v] Jetzt, da er kein Bischof sein will, da machte er gerne in Nepotismus und kreierte wohl seinen Vetter zum Herrn. 240 Das rechne ich zum ersten dazu! Er nimmt es für Freundschaft oder für Hohn, er meint, mit Schwatzen sei es gemacht. HERR GUMPRECHT: Bei Gott und [allen] Heiligen, es ist wirklich wahr, und ich will das laut sagen: 245 Nun da er dafür zu gut ist, dass er [sich] einen Bischofshut aufsetze, so möchte ich, dass der Schlag ihn trifft,

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text T 250

255

De synem maghen dat stichte up droge HER WYNOLT: Ghy heren, dit is all vysevase, My duncket wal, dat Theopholus rase. Nu hey nicht gern bisscop were – Ich were troen vil gerne eyn here; Nu en mach is my leyder nicht bescheyn, Wy moeten vmb eynen anderen seyn. Hyr vmb, so latet, leyue her deken, Vns heren de houede to samen steken263*. HYR* STEKEN SE NU DE HOUEDER TO SAMEN VNDE VORRAMET* OP ENEN, DE DEM PROUEST NICHT EN BEHAGET; DES GEIT DE PROEUEST VAN TORNE* VAN ENE. DE WILE KESEN SE ENE VNDE SENDET DEN KELNER TOT EM, DE SECHT ALDUS: DE KELNER: Her prouest, y solen wezen vro!

260

Vnse heren hebbet gerŭnet also: Ghy syt de herlixte van vns allen, Des is dat lot vp v gheuallen, Dat y solt syn eyn bisscop groet, Des ege ich wal eyn bodenbroet. HYR GEIT DE PROUEST, TO DEN HERREN VNDE ALSE HE BY SE KOMET, SO NYGHE(N) SE DEYPE VNDE DE DEKEN KUNDIGET EME DE NYE MERE ALDUS:

Her prouest, wy zynt des eyns geworden, Als y wal van dem kelner horden, 265 Dat y solt vnse bisscop syn. Seyt, her schencken wy u (krut) vnd (wyn)264*, [9/6r] Dat Got v mote gelucke geuen, Vnde vns myt v eyn selich leuen. HYR SCHENKET SY WYN VNDE KRUT DEM NYEN BISSCOP. DES WIL HE SICH DES BISCHDOMES EN QUANSES* INTSEGGEN VNDE SECHT ALDUS: Gy heren, wat helpet dyt gedaen?

________________ 263 Petschs Apparateintrag zu V. 256 ist als irrtümlich zu streichen. 264 Löcher im Papier (Ergänzungen von Hoffmann von Fallersleben).

Übersetzung von Fassung T

250

255

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Übersetzung T der seinem Vetter das Stift anträgt. HERR WYNOLT: Ihr Herren, das ist alles Wischiwaschi, Mir scheint sehr wohl, dass Theophilus verrückt ist. Jetzt, da er nicht gern Bischof wäre (ich wäre wahrhaftig sehr gerne ein Herr; nun [aber] kann das mir leider nicht geschehen), so müssen wir nach einem anderen sehen. Deshalb, so lasst, lieber Herr Dekan, uns Herren beraten. HIER BERATEN SIE NUN ZUSAMMEN UND ENTSCHEIDEN SICH FÜR EINEN, DER DEM PROBST NICHT GENEHM IST; DESHALB GEHT DER PROBST ZORNIG VON IHNEN WEG; UNTERDESSEN WÄHLEN SIE IHN UND SENDEN DEN KELLERMEISTER ZU IHM; DIESER SAGT FOLGENDES: DER KELLERMEISTER: Herr Probst, ihr werdet zufrieden werden!

Unsere Herren haben dies in geheimer Beratung beschlossen: ihr seid zur Herrschaft am meisten befähigt von uns allen, 260 deshalb ist der Entscheid auf euch gefallen, dass ihr ein mächtiger Bischof seid. Dafür habe ich nun gutes Anrecht auf ein Botenbrot. JETZT GEHT DER PROBST ZU DEN HERREN UND ALS ER ZU IHNEN KOMMT, SO VERNEIGEN SIE SICH TIEF UND DER DEKAN VERKÜNDET IHM DIE NEUIGKEIT FOLGENDERMASSEN: Herr Probst, wir sind diesbezüglich überein gekommen, wie ihr wohl vom Kellermeister gehört habt, 265 dass ihr unser Bischof sein werdet. Seht, hier reichen wir euch Kraut und Wein: [9/6r] dass Gott euch Glück verleihen möge, und uns mit euch ein erfülltes Leben. HIER REICHEN SIE DEM NEUEN BISCHOF WEIN UND KRAUT. IN DER FOLGE WILL ER AUF DAS BISCHOFSAMT SCHEINBAR VERZICHTEN UND SAGT DIES: Ihr Herren, was hilft dieses Getue?

148

Die Texte und ihre Übersetzung

Text T 270

275

Ich en kan des stichtes nicht verstaen*, Went ich byn vp myne dage komen. My is des rides* vyl benomen, My ghadede* vyl bet huys gemak, Dan stedes to riden up mynem bak*. Ich vrochte, dat ich neyn nŭt en sy, Ich* byddes iv, verlates* my! Doch wyl yt* van my hebben io, So ist mogelick, dat icht do*. OMNES: Ja, ja! HYR BESTEDIGET SY ENE VNDE SINGENT: O PASTOR ETERNE*, VNDE WERPENT EN OP VNDE DOET EM, ALS MEN BYSSCHOPEN PLECHT TO DOEN. ALS DAT DAN AL GEDAEN IS, SO BRENGET MEN EN OP SYNEN BYSSCOPS STOIL. DAR SITTET HE DAN HERLIKEN VNDE SATET SYNE STATUTA VNDE SYN GEBOT, IN WAT WYSE MEN DE HALDEN VNDE BEWAREN SOLE VNDE SECHT ALDUS:

Nu* ich iv bisscop wesen sall, Soe beydick to voeren iv oeuer all, Dat y my wesen truwe vnde holt Vnde helpen my, als y billiken solt, Dat my dey slote* huldighen. Ouch* sal sich neymen enschuldighen, 285 Dey syne prouende wyl intfaen, Hey en sole myt vlite to kore* gaen. THEOPHOLUS: Her biscop, wezet vns nicht to hart! Latet vns tom ersten vnvervart*. Vart schoen, dor Got des bidden wy: 290 Heb y macht, so hebbet dar syn by*! Vnde er y my kore tocken*, Y solden er eynen kreŭet* vet der rure* locken. [10/6v] DE BISSCOP: Her Theophil, y syt vnmaten spe*! Ick wyl iv seggen eyn kort que*: 295 Sal ich vor eynen biscop walden, Soe sole y myne statuten halden, 280

Übersetzung von Fassung T

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Übersetzung T Ich vermag nicht, das Stift zu leiten, denn ich bin in die Jahre gekommen. Mir ist viel von meinem Schneid genommen (?), mir wäre viel eher häusliche Gemütlichkeit bekömmlich, als ständig zu reiten auf meiner Hinterbacke. 275 Ich fürchte, dass ich nichts tauge, ich bitte euch darum, erlasst es mir! Doch wollt ihr es von mir haben, so mag es sein, dass ich es tue. ALLE: Ja, ja! JETZT BESTÄTIGEN SIE IHN [IM AMT] UND SINGEN: ‚O PASTOR ETERNE’ UND WERFEN IHN IN DIE HÖHE UND ERWEISEN IHM, WAS MAN BISCHÖFEN ZU ERWEISEN PFLEGT. ALS DAS ALLES DANN VORBEI IST, SO HEBT MAN IHN AUF SEINEN BISCHOFSSTUHL. DA SITZT ER DANN IN SEINER MACHTFÜLLE UND SETZT SEINE ERLASSE UND GEBOTE FEST, IN WELCHER WEISE MAN DIE HALTEN UND RESPEKTIEREN SOLL UND SAGT FOLGENDES: Jetzt, da ich Bischof sein werde, 280 so gebiete ich zuerst euch vor allem, dass ihr mir treu und gewogen seid und mir helft, wie ihr billigerweise [es] schuldig seid, dass mir die Burgen (?) huldigen. Auch wird sich niemand von seiner Verpflichtung befreien, 285 der seine Pfründe in Empfang nehmen will, ohne beflissen [zuvor] in den Chor kommen zu müssen. THEOPHILUS: Herr Bischof, seid mit uns nicht zu streng! Lasst uns vorerst ungeschoren, verfahrt milde, darum bitten wir bei Gott. 290 Habt ihr ein Amt, so habt Verstand dabei! Und bevor ihr mich zum Chor schleppt, müsstet ihr zuvor einen Krebs aus der Röhre (?) locken. [10/6v] DER BISCHOF: Herr Theophilus, ihr seid übermässig arrogant! Ich werde euch ein kurzes Wörtchen sagen: 295 Soll ich als Bischof amten, so werdet ihr meine Regeln beachten, 270

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text T

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305

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315

320

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Gaen to kore, syngen vnde lezen Vnde vort my vnderdeenich wezen. Y en seyn dar to, sŭme Godis graff! Veldet* my war, ich neymt v aff*. Gy heren, y hebt doch all wal gehord Theopholus verbolgene word, Dey hey my gyfft to weder krumme*. Ich vraghe dar eyns rechten ordels vmme, Wat eyn pape heft verbort, Dey syns ouersten bot verstort. Her kemerer, dyt settick an iv, Y syt syn maech, dit richtet nŭ. HER BRUN DE KEMERER: Ich wil v seggen, dat war is: Myn maech de is irregularis* Vnde moet syr proeuende plat enberen, Gy en willen myt eme dispenseren Vnde laten en geneten des to voren, Dat hey ouch was tom biscop koren. DE BISSCOP: Neyn*, twaeren des en schut* myt nichte: Ich wil tom ersten myn gerichte Soe vorderen, dat dar eyn ander an denke Vnde myn gebot so nicht en krenke. Theophole, du salt dyt stichte rŭmen, Der stŭnt265 vnde saltz dar nicht an sumen. Komestu iummer weder her, Du moechtes leyuer syn ouer mer. THEOPHOLUS: Her bisscop, et is hyr to komen: Nu y hebbet macht vernommen, Dey mote io an weme schenigen*, An my so goet als anders iennigen. Ich hebbe to maele groete schult! – Hyr enhort nicht to, dan grot gedult; Dat ich266 nu berste als eyn bone*,

________________ 265 Hinter stunt ein Punkt. 266 Hinter ich durchgestrichener b-Haken.

Übersetzung von Fassung T

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Übersetzung T zum Chorgebet gehen, singen und lesen und in Zukunft mir untergeben sein. Achtet ihr nicht darauf, beim Heiligen Grab! fehlte es mir wo, ich bestrafte (?) euch. Ihr Herren, ihr habt doch alle des Theophilus aufrührerische Worte gut gehört, die er mir zur Widerrede gibt. Ich verlange dazu ein gerechtes Urteil darüber was ein Kleriker verwirkt hat, der das Gebot seines Vorgesetzten missachtet. Herr Kämmerer, das übergebe ich euch, ihr seid sein Verwandter, das beurteilt nun. HERR BRUN, DER KÄMMERER: Ich werde euch sagen, was wahr ist: Mein Verwandter der ist irregularis und muss auf seine Pfründe ohne Wenn und Aber verzichten, wenn ihr mit ihm nicht eine Dispens aushandeln wollt und ihm vorab zu Gute kommen lassen [wollt], dass auch er zum Bischof gewählt worden war. DER BISCHOF: Nein, wirklich davon geschieht mit nichten etwas. Ich werde zum Ersten meinen Urteilsspruch so fällen, das ein anderer daran denken soll und mein Gebot so nicht missachte. Theophilus, du wirst das Stift räumen zur Stunde und wirst dabei nicht säumen. Kämest du jemals wieder hierher, [so] möchtest du lieber jenseits des Meeres sein. THEOPHILUS: Herr Bischof, es ist soweit gekommen: Jetzt, da ihr die Macht übernommen habt, die werdet ihr an jemandem zeigen, an mir so gut als an anderen. Ich trage zumal grosse Schuld. Hierzu gehört nichts als grosse Duldsamkeit. Wenn ich nun platze wie eine Bohne,

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text T We gheue my dar aff wat to lone? Ich moetes* grypen eynen troest: Woe licht worden de pande na loest*, [11/7r] Dat ich my mochte wreken* ycht. We weyt, de kloet en lach no267 nycht*, 335 Ich hebbe eyn dynck in my gedacht: Gy heren, Got gheue iv guden nacht! HYR WERPT THEOPHOLUS DEM BISSCOP DE BEFFE VNDE ROECHELEN* VOR DE VOETE VNDE 330

268

TUT SYN STRATE WEDER VORT VNDE CLAGET OEUER DEN BISSCOP SYNE NOET* VNDE SECHT:

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345

350

Gy beruen* lude yŭnck vnde alt, Wat ye in masscop* verynck* galt, Wat iuwer is beyde arm vnde rike, Ich clage v allen clegelike Oŭer den bisscop van Odenzee*, My en dede myn dage ny man so woe Sunder stot vnde sunder slach*; Dat fallent oeuel sla en nacht vnde dach! Hey heuet my myr proeuende berouet, De duuel to breke eme hals vnde houet. Ich wolde269, sŭme de vyf270 wunden271 Godis, Dat em de buck vol heytes sodis Were272 vnde to dem herten273 genge; My dochte, wo dat ich dar vmb gerne henge. Wat den duuel sal de beleŭet*, Dey eyne kroden* nicht en heuet! It ist ene vientlike mere: Dey erste gewezen heft* en here

________________ 267 268 269 270 271 272 273

Hinter no senkrechter Strich. weder vort vnde] weder vnde vort Hs. wolde] woldes mit gestrichenem s Hs. vyf mit verblasstem Nasalstrich? wunden] wundes Hs. Hinter were ein Punkt Hs. herten] hten mit durchgestrichenem h.

Übersetzung von Fassung T

330 333 332 335

340

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Übersetzung T wer gäbe mir danach etwas zum Lohn? Ich werde darum einen Trost ergreifen, damit ich mich schadlos halten kann: Wie leicht werden Pfänder nach [ihrem] Verlust (?). Wer weiss, die Kugel ist noch in Bewegung. Ich habe eine Sache bei mir gedacht: Ihr Herren, Gott gebe euch gute Nacht! HIER WIRFT THEOPHILUS DEM BISCHOF SEINEN KRAGEN UND CHORROCK VOR DIE FÜSSE UND GEHT SEINES WEGES FORT UND FÜHRT KLAGE ÜBER DEN BISCHOF WEGEN SEINER MISSLICHEN LAGE UND SAGT: Ihr werten Leute, jung und alt, wer je in einer Genossenschaft einen Viertelheller bezahlt hat, wer von euch auch immer es ist, der Arme und der Reiche, ich erhebe vor euch allen heftig Klage gegen den Bischof von Odense. Mir fügte meiner Lebtag lang niemand solche Kränkung zu ohne Stoss und ohne Schlag. Die Fallsucht schlage ihn Nacht und Tag. Er hat mir meine Pfründe geraubt, der Teufel zerbrech ihm Hals und Haupt. Ich wollte, bei den fünf Wunden Christi, dass ihm der Buckel voll heisser Brühe wäre und [ihm] ins Herz liefe. Mir scheint, dass ich darum gerne hinge. Was, zum Teufel, soll der am Leben, der nicht eine Kröte hat! Das ist eine schlimme Geschichte: Wer erst gewesen ist ein Herr

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text T 355

360

In welden vnde in eren groet, Vnde moet* dan dar na bydden broet! Hyr vmb were ienich gut geselle, Dem ouch gelucke nicht en velle, Dem woldich helpen al de weken* Roeuen, schynnen, keelen stecken. Ich moet doch steruen sunder wer* – Teyn iar eft twintich myn noch mer*. HYR SITTEN GESELLEN IN ER MASSCOP* TO BEIR.274 DAR IS EYN KOCHELER MEDE, DE SECHT ALDUS TO THEOPHOLUS:

Leyue geselle, woe ludestu soe? Begyf* dyr clage, wes gummen* vroe! 365 It mach noch al wal beter werden, Der gesellen is noch mer up erden, [12/7v] De wal so kummerich syt als du. Hyr vmb wes, berue man, vrolich nŭ. Ich wil dy loŭen, dat all dyn dynck 370 Wal beter wert275; koem her vnde drynck. HYR GEIT THEOPHOLUS TO DEN GESELLEN VNDE DRYNKET; DAN SO LOEPET DE KOCHELER MYDDEN IN DEN KREIS VNDE ROEPET DUSSEN RYMEN: Ich byn eyn meyster in gokelye: Myn kunst heyt nigromancye, Dat is dey swarte kunst genant, Dey manighem manne is vnbekant; 375 Wey dey seluen kunst wyl leren, Dey moet Godis gantz enberen; Do ich dey kunst aller erste lerde, Van Gode ich my gensliken kerde. Vnde quam in des duuels schoele. 380 Dar sach ich liggen up eynem stoele Eyn boeck was michel vnde groet,

________________ 274 Punkt hinter beir. 275 Hinter wert senkrechter Strich.

Übersetzung von Fassung T

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Übersetzung T in Macht und in grossem Ansehen, – und muss dann nachher um Brot betteln. Deshalb, gäbe es einen freundlichen Kumpan, dem das Glück auch nicht zufiel, dem wollte ich helfen alle Zeit 360 zu rauben, schinden, Gurgeln abzustechen. Ich muss doch sterben, so oder so, zehn Jahre oder zwanzig, weder weniger noch mehr. HIER SITZEN KUMPANE IN IHRER GENOSSENSCHAFTSSTUBE BEIM BIER. EIN ZAUBERER IST MIT DABEI, DER SAGT FOLGENDES ZU THEOPHILUS: Lieber Freund, wieso schreist du derart? Lass deine Klage, Kerl, sei fröhlich! 365 Es kann noch alles sehr wohl besser werden, solche Gesellen gibt es noch mehr auf Erden, [12/7v] die vermutlich ebenso bekümmert sind wie du. Deswegen sei, braver Mann, jetzt fröhlich. Ich will dir versprechen, dass deine ganze Angelegenheit 370 viel besser wird; komm her und trink. HIER GEHT THEOPHILUS ZU DEN ZECHGESELLEN UND TRINKT MIT; DANN TRITT DER ZAUBERER MITTEN IN DEN KREIS UND SPRICHT LAUT DIESE VERSE: Ich bin ein Meister im Zaubern; meine Kunst heisst Nigromantie. sie ist die schwarze Kunst genannt, die manchem Mann nicht geläufig ist. 375 Wer diese Kunst erlernen will, der muss ganz ohne Gott auskommen. Als ich diese Kunst zu lernen begann, wandte ich mich von Gott völlig ab und ich kam in die Schule des Teufels. 380 Da sah ich auf einem Stuhl liegen ein Buch, das war gross und dick, 355

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text T Buten swart, inwendich roet. Doe ich dat seluet boeck an sach, To hant my all myn lyf irschrach: 385 Soe gruweliken wat is 276 geschapen; It en wart geschreuen ny van papen, Ich wil eyn tuch* der wairheit geŭen: Dey duuel had dat seluen schreuen. To hant an der seluen stunde, 390 Als dey meyster loesen* begunde, Der wairheit moet ich bekennen: Ich horde mer* duuele nennen, Dan lude synt an ertriken. De quemen all hir vor gensliken, 395 Eyn na dem anderen, alse dwerge, All myne har stonden my to berge. Woldich nochtant de kunste leren, Ich moeste my to eyme duuele keren Vnde wynnen syner kŭnde 400 Vnde halden en to vrunde; Der wyle dat ich kochelen wyl Vnde dryuen dyt leyue kochelespyl, Soe moet ich ene to vrunde halden, Des moet ich myt schanden alden. 405 THEOPHOLUS: Leyue meyster, were deym also, So were ich vtermaten vro. [13/8r] Verstae y v in der nigromantie, Soe segget my sunder leycherie: Mach men wal den duuel to sich laden, 410 Dat hey dem lyue nicht moge schaden? DE KOCHELER: Here, ich vruchten, dat y mich277 schympen!

415

Y dreget doch eyns papen tympen* Vnde schynet als eyn geleert man. Wet y dan nicht, wat horsam kan? Horsam dem duuel doet sulke noet,

________________ 276 wat is] so Petsch mit Druckfehler; die Hs. hat richtig: wat is. 277 Hinter mich gestrichenes ss.

Übersetzung von Fassung T

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Übersetzung T aussen schwarz, inwendig rot. Als ich dieses selbe Buch ansah, erschrack ich gleich zutiefst, 385 so schrecklich war [sein Inhalt]. Es wurde nicht von Geistlichen geschrieben, ich werde ein wahres Zeugnis geben: Der Teufel hat [das] eigenhändig verfasst. Sogleich in dem Augenblick, 390 als der Meister zu lesen begann (ich muss die Wahrheit gestehen), da vernahm ich mehr Dämonen beim Namen nennen als es Menschen auf Erden gibt. Die traten alle vollzählig hier nach vorne, 395 einer nach dem andern, wie die Kobolde. Alle meine Haare standen mir zu Berge. Wollte ich gleichwohl diese Künste lernen, ich musste mich an einen Teufel wenden und seine Bekanntschaft machen 400 und ihn zum Freund haben. So lange, dass ich zaubern will und dieses geschätzte Zauberspiel betreiben, so muss ich einen [Teufel] zum Freund haben; deswegen muss ich in Schande alt werden. 405 THEOPHILUS: Teurer Meister, wäre dem so, so wäre ich ungemein erfreut. [13/8r] Kennt ihr euch in der Schwarzen Kunst aus, so sagt mir ohne Schönfärberei: Kann man wohl den Dämon zu sich holen, 410 so dass er an Leib und Leben nicht Schaden zufügt? DER ZAUBERER: Herr, ich fürchte, dass ihr euch über mich lustig macht! Ihr tragt doch geistliche Tracht und macht den Eindruck eines gelehrten Mannes. Wisst ihr denn nicht, was Gehorsam vermag? 415 Gehorsam setzt den Teufel derart unter Zwang,

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text T Dat hey dey helle rŭmen moet Vnde twynget den duuel tot aller stunt, Als dey piper synen hŭnt*. Nu saget my, wat iv moge schellen*, 420 Dar y den duuel vmme* laden wellen. THEOPHOLUS: Ich woelde en gerne dar vmb laden: Ich hebbe genomen groeten schaden, De my swar to dreghene ist: Ich wil geneiten all myner list*, 425 Den wil ich weder remmen yn*, Soldich dar vmb des duuels syn. DE KOCHELER: Och, leyue here, versynnet iv! Hord, wat ich iv segge nŭ: Wey sich menget manck dem ate*, 430 Dey wert den sogen gerne to vrate; Ouch we sich myt dem duuel besleyt, Dar an hey ghern en snyppen* veyt; Hey scheydet nicht van eme sunder schaden; Latet v vil leyuer de ioden* raden. 435 THEOPHOLUS: Meyster, nu iv dat duncket beste, Geyn* gae ich, y seyt my achter leste. HYR GEIT THEOPHOLUS TO DEN YODEN VNDE SECHT: ... yoden278, Got gheue v guden dach! DE YODEN: De katte279* byt v dat hoeuet aff. THEOPHOLUS: Gy ioden, wer iv icht dar vmme, 440 Dat ich my mit …r280 ee beklumme*, [14/8v] Vnde myner cristenheyt versoeke*? My sint wal kundich der cristen boeke. Mochte281 my wat geldes van v werden, Wy wolden dey cristen vnmatten serden*. 445 MUSIN*: Twaer, her pape, dat wyl ich v seggen: Dar en willen wy neyn gelt an leggen.

________________ 278 279 280 281

Versbeginn durch Papierbeschädigung verloren. Ganz verblasste Stelle; Wort katte ergänzt durch Hoffmann von Fallersleben. Hoffmann ergänzt: iuwer. Hinter mochte gestrichenes v.

Übersetzung von Fassung T

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Übersetzung T dass er die Hölle verlassen muss, und er macht den Teufel jederzeit so zahm wie der Pfeifer seinen Hund. Nun sagt mir, was euch fehlen kann, 420 weshalb ihr den Teufel [zu euch] laden wollt. THEOPHILUS: Ich möchte ihn gerne deshalb holen: Ich habe einen grossen Schaden erlitten, der mir schwer erträglich ist. Ich will Gewinn haben von all meinem Können, 425 den Schaden will ich wieder wett machen (?), müsste ich [auch deshalb] dem Teufel angehören. DER ZAUBERER: Ach, lieber Herr, bedenkt! Hört, was ich euch jetzt sage: Wer sich unter das Schweinefutter mischt, 430 der wird den Schweinen häufig zum Frasse. [So] auch wer sich mit dem Teufel einlässt, der fängt dabei gerne eine Schnepfe. Er kommt nicht von ihm ohne einen Schaden. Lasst euch [also] viel lieber von den Juden beraten. 435 THEOPHILUS: Meister, [da] es euch nun das beste scheint, gehe ich hin, ihr folgt mir hinterher. HIER GEHT THEOPHILUS ZU DEN JUDEN UND SAGT: … Juden, Gott gebe euch einen guten Tag! DIE JUDEN: Die Katze beiss euch den Kopf ab. THEOPHILUS: Ihr Juden, hättet ihr etwas einzuwenden, 440 dass ich mir mit … euren Glauben in die Zange nehme (?) [14/8v] und meinen Christenglauben auf die Probe stelle? Ich kenne die christlichen Schriften wohl. Falls für mich etwas Geld bei euch herausspränge, [so] würden wir die Christen überaus in Bedrängnis bringen. 445 MUSIN: Wahrhaftig, Herr Pfaffe, das will ich euch sagen: Für diese Sache wollen wir kein Geld anlegen.

160

Die Texte und ihre Übersetzung

Text T

450

455

460

465

Wy wilt v gherne myt vns lyden, Aen wy wilt* v nae vnser ee besnyden. THEOPHOLUS: My were leyuer, dat all y ioden In eyner heyten pannen soden. Meyn y, dat dat v nummer gut en schee, Dat ich wil ver saken myner ee? ISAAC: Vnde off du wers eyn iode worden, Soe werstu wellike to male besorden*. Salstu leuen, du machst en troen Na all degher* als ouel* doen. THEOPHOLUS: Gy heren, want ernst wesen sall, Soe behoyf* ich uwes rades* wall, Want my de luter armoyde Hyr brenget manck de ioden hoyde*. Hyr vmb wer iumment in iuwen hope*, Dem wolde ich geuen myn lyf to kope, Soe dat ich syn eghen were: Ich wolde syn knecht syn, hey myn here. JUDIKE: Dat hore y* wal, her Bonenfant*.

Y sint de rikeste iode* ge nant! Settet toe* vnde kopet syn lyf*, Soe hebben wy vndertyden tyt ver(dryf)282* BONENPHANT: En troen, en troen, ich en kop syr* ny(cht)283. 470 Queme des vor den lantheren ycht, Dat wy koften papen to eeghen, Men kore vns aben vet vor veeghen284* Vnde toghe myt vns also dey mŭken*, Dat wy mosten altomal in de bussen ru(ken)*. [15/9r] Hyr vmb, here, sin y gedoft, So blyue y van my all vngekoft*. THEOPHOLUS: Nu my dey ioden nicht en welt285, Soe neme my doch de duuel vmb gelt;

________________ 282 283 284 285

Versschluss abgebröckelt. Versschluss abgebröckelt. Diese und die nächsten Verse stark abgegriffen und zerstört. welt] kleines, deutliches e über grösserem, undeutlichem e.

Übersetzung von Fassung T

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Übersetzung T Wir werden euch [aber] gerne bei uns dulden, ausser ihr (?) wollt euch nach unserem Gesetz beschneiden. THEOPHOLUS: Mir wäre lieber, dass alle ihr Juden 450 in einer heissen Pfanne schmortet. Meint ihr, dass das euch nicht zum Guten ausschlägt, wenn ich meinem Glauben abschwören werde? ISAAC: Und wenn du ein Jude geworden wärest, so wärst du in Wahrheit betrogen. 455 Falls du am Leben bleibst, so kannst du wirklich nach allem ganz ebenso wie früher Übles tun (?). THEOPHOLUS: Ihr Herren, da es ernst gelten soll, so brauche ich eure Unterstützung sehr, weil mich die nackte Armut 460 hierher unter die Obhut der Juden bringt. Deshalb: wäre jemand unter euch, dem wollte ich mich verkaufen, so dass ich sein Höriger wäre: ich wollte sein Knecht sein, er mein Herr. 465 JÜDELCHEN: Das möge euch sehr zupass kommen, Herr [Bonenfant. Euch nennt man den reichsten Juden! Greift zu und kauft ihn euch, so haben wir dazwischen einen Zeitvertreib. BONENPHANT: Bestimmt, bestimmt: ich kaufe ihn nicht. 470 Käme davon dem Landesherrn etwas zu Gehör, dass wir Geistliche als Hörige kauften, so wählte man uns aus zum Tode (?) und man loste mit uns so dass wir jedenfalls in den Beutel langen müssten. [15/9r] Deswegen, mein Herr: wenn ihr getauft seid, so kaufe ich euch nicht. THEOPHOLUS: Da nun mich die Juden nicht wollen, so möge mich doch der Teufel gegen Geld nehmen.

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text T 480

485

490

495

500

505

510

Vmb gelt wil ich dem duuel gheuen Lyf vnde286 sele, hed ich er seuen*. SAMŬEL: Wo ludy* so, vil lieue here? Dat weren vientlike mere. My gruwelt, dat ich sy horen noymen. Woldy wal lyf vnde sele verdoymen? Vmb dyt arm vnselige gut, Lyeue here, des nicht en dut! Y sint eyn kristen vnde ich eyn iode; Ich wolde nochtant harde node* Vmb alle dat gut vp erden Des duuels eyghen werden. Ich meynde, y weren eyn wyser man: Begheuet der dedingen vnde kompt dar van. THEOPHOLUS: Twar, iode, ich weyt dat seluen wal, Dat pyne myne sele lyden sal. Heb ich dan gut to myme lyue, Wat achtich, war dey sele blyue? See var dar hen to Galilee! Wert eer wee, so wert eer wee. Doe wal vnde helpe my to raden, Dat ich ene moghe to my laden, Vnde helpe my ghyssen*, war hey sy, Dat ich en spreke, so danck ich dy. SAMUEL: Synt y nicht willen aŭe laten, So wil ich v wysen an ener straten, Dar y den duuel vyndet wysse, Ist anders recht, also ich ghysse. Wete y ghen Ouelenghunnen* wol? …287 ghenomen manich vnrecht tol, Manich roff dar vp gebracht, Manich valsch raet bedacht, Manich boesheit uppe dreuen, Manich valsch breyff uppe schreuen,

________________ 286 Hinter vnde gestrichen sede. 287 Anfang hier und in den Folgeversen durch Papierbeschädigung verloren.

Übersetzung von Fassung T

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Übersetzung T Für Geld will ich dem Teufel Leib und Seele ausliefern, hätte ich [auch] deren sieben. SAMUEL: Wie schreit ihr so, lieber Herr? Das wären schreckliche Dinge. Mir graut, dass ich sie [auch nur] nennen höre. Wollt ihr wirklich Leib und Seele ins Verderben stürzen? Wegen dieses geringen, schäbigen Besitzes – Lieber Herr, tut das nicht! Ihr seid ein Christ und ich ein Jude; ich wollte aber dennoch kaum für allen Besitz auf Erden des Teufels Höriger werden. Ich dachte, ihr wäret ein weiser Mann: Gebt die Sache auf und nehmt davon Abstand. THEOPHOLUS: Bestimmt, Jude, ich weiss das selber genau, dass meine Seele Pein leiden wird. [Aber] habe ich Besitz für mein irdisches Leben, was kümmere ich mich, wo die Seele bleibt? Sieh! Fahr hin nach Galiläa! Geht’s ihr schlecht, so geht’s ihr [eben] schlecht. Tu [was] Gutes und hilf mir mit einem Rat, dass ich ihn zu mir herholen kann, und hilf mir herausfinden, wo er ist, damit ich ihn spreche; dafür weiss ich dir Dank. SAMUEL: Da ihr nicht ablassen wollt, so will ich euch auf einen Weg weisen, wo ihr den Teufel gewiss findet, wenn es mit richtigen Dingen zugeht, wie ich vermute. Wisst ihr [den Weg] nach Missgönnen? [Dort wurde] mancher unberechtigte Zoll erhoben, mancher Raub dorthin gebracht, mancher böse Plan ausgeheckt, manche Übeltat begangen manch gefälschter Vertrag abgefasst,

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text T (M)anich pilgrym dat syn genomen, (…). hynet* dar numment kunde hen komen. [16/9v] Des en wold Got nicht lenck verdragen, Hey leyt dat royfhuys weder* plagen: Sus wont de duuel nŭ dar ynne; Balde maket iv van hynne, Dar moghy en sunder twyuel vynden. 520 Vnde werden eyn van synen gesynden. THEOPHOLUS: Du yode, du rest* my als eyn broeder, Dat moete dy gelden Godes moeder*! Kom ich weder, soo wil ich al wysse Dy io brengen eyne kermysse*. 525 Vp dat et my wal en hant ghae, Soe werp my eynen alden schoe nae*. HYR GEIT THEOPHOLUS IN DEN KREIS HER VNDE DER VNDE CLAGET, WO HE VERDREUEN SY: Ich byn geheyten Theopholus*, Myne clage beghynt aldus: Ich was geheyten eyn kloker man, 530 An papeit kundich my wol verstan Vnde ouch noch, als ich hoppe. Ich was gekoren to eynem bysscoppe Vnde sold eyn here syn gewesen, Doe verdroet* my synghen vnde lesen. 535

540

Nu hebben sy eynen anderen koren, De heuet my dor synen toren Verdreuen288 vnde myne proeuende nomen, Dey my plach degelix in to komen, An wyne vnde ouch an weyte, So dat ich nu eyn arm man heyte. Seit, dit moeget* my also sere, Wystich eff ienich duuel were Hyr an dusser erden*, Syn eygen woldich werden,

________________ 288 Hinter verdreuen Punkt.

Übersetzung von Fassung T

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Übersetzung T manchem Pilger seine Habe weggenommen [ungeschoren] konnte niemand dorthin kommen. [16/9v] Das wollte Gott nicht länger gestatten, er liess die Räuberhöhle ihrerseits heimgesucht werden: So haust jetzt der Teufel darin. Macht euch rasch auf den Weg, dort könnt ihr ihn zweifellos finden 520 und einer seiner Hausgenossen werden. THEOPHOLUS: Jude, du rätst mir wie ein Bruder; das möge dir Gottes Mutter vergelten! Komme ich zurück, so will ich ganz gewiss dir ein Kirmesgeschenk bringen. 525 Damit es mir wohl vonstatten gehe, so wirf mir einen alten Schuh nach. HIER GEHT THEOPHILUS IM KREIS HIERHIN UND DORTHIN UND KLAGT, DASS ER VERTRIEBEN WORDEN SEI. Ich heisse Theophilus, Meine (An)Klage beginnt so: Man nannte mich einen verständigen Mann; 530 In den Wissenschaften der Geistlichen kannte ich mich wohl aus und auch [jetzt] noch, wie ich hoffe. Ich wurde zum Bischof gewählt; und wäre ein Herr gewesen, da wurden mir [aber] Chordienst und [geistliche] Lesung verdriesslich. 535 Jetzt haben sie einen anderen gewählt, der hat mich aus Unwillen verjagt und [mir] meine Pfründe genommen, deren [Ertrag] mir täglich zuzufliessen pflegte als Wein und auch als Weizen, 540 so dass ich nun als ein mittelloser Mann gelte. Seht, dies quält mich so sehr, wüsste ich, ob ein Teufel wäre hier in dieser Gegend, wollte ich sein Sklave werden,

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text T De my helpen wold dar an, Dat ich worde soe ryke man, Dat ich dem bisscop vnde dem stichte Mochte wederstan myt289 gichte*; Is ouch an dusser stŭnt 550 Jenich duuel an hellen grŭnt Edder an der hellen dore, De make drade sich her vore, Edder war hey beslaten sy*, De kome draede her to my!290 555 Ich beswere dy, duuel Sathanas, By dem Gode, de loff vnde gras Vnde alle dynck geschapen haet Des hemels loep, der erden s(tat); [17/ Ich beswere dy by dem valle*, 10r] Den ghy duuele vellen alle, Du vnde dyne mede ghenoten, Doe y worden van dem hemel stoten; Ich beswere dy by dem iungesten dage, Wan Godis soen kompt myt syr clage 565 Ouer alle sunder lude, Dat du to my komes hude Mit bescheyde vnde antwordes my, Allet des ich vraghen dy. HYR KOMET NU DE DUUEL SPRINGEN* VNDE SECHT 545

TO THEOPHOLUS DUSSEN RYMEN:

570

291

MYT GRESELIKER STEMME *

Theophole, wat menstu hyr mede? Dyt is io uwer papen sede: Wan v is eyn vort* entghaen, Soe wyl y vns armen duuele haen*, Wy en blasen v den weder yn.

________________ 289 Hinter myt gestrichen gis. 290 Im freien Raum rechts auf Höhe von V. 554 und 555 hat der Schreiber ein Kreuzzeichen hin gesetzt. 291 Die Abkürzung (theoph@l) könnte auch Theopholo meinen.

Übersetzung von Fassung T

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Übersetzung T [wenn] der mir dabei helfen wollte, dass ich so mächtig würde, dass ich dem Bischof und dem Stift Widerstand in etwas entgegen setzen könnte. Gibt es in diesem Augenblick 550 irgend einen Teufel auf dem Grund der Hölle oder am Höllentor, [so] komme der rasch heraus, oder wo er auch immer eingesperrt sei, der komme rasch her zu mir! 555 Ich beschwöre dich, Dämon Satanas, bei jenem Gott, der Laub und Gras und alle Dinge geschaffen hat, des Himmels Lauf, der Erde Stillstand. [17/ Ich beschwöre dich bei dem Fall, 10r] den ihr Teufel alle fielet, du und deine Mitgenossen, als ihr aus dem Himmel gestossen wurdet. Ich beschwöre dich beim Jüngsten Tag, da Gottes Sohn kommt mit seiner Anklage 565 gegen alle sündigen Menschen: dass du heute zu mir kommst mit Bescheid und mir antwortest auf alles, was ich dich frage. HIER KOMMT JETZT DER TEUFEL HERBEIGEHÜPFT UND 545

SPRICHT ZU THEOPHILUS MIT SCHAUDERERREGENDER STIMME DIESE VERSE:

570

Theophilus, was meinst du hiermit? Das habt ihr Pfaffen ja zum Brauch: Wenn euch ein Wind entfahren ist, so wollt ihr uns arme Teufel hängen, wenn wir euch den nicht wieder hineinblasen.

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text T Sus serdy* vns, eft wy v eghen syn. 575 Jo en eghen wy es* nicht van v papen; Wynte wer wy duuele nicht geschapen, Dat y de leyen myt vns vorvert*, Y moesten ouch halden den plockstert*. Nu twing ghy vns myt vwer klockeit, 580 It sy vns leyf, it sy vns leit, Dat wy moeten to v komen. Du hefst my eyne lange reyse benomen. Ich was dar hen to India, Myne gesellen socht ich da; 585 Dar was de koningh ghestoruen, Ich had sin sele na* erworŭen. To hant do ich din bannen horde, Vnde dyne greseliken worde, Doe moistich292 roeclose* komen to dy: 590 Nu segh op drade, wat woltu my? THEOPHOLUS: Hefstu siluer vnde golt, So wil ich dy den dursten solt, Den ich y ghewan, verkopen: Myne sele, dey in der dopen 595 (M)yt Godes bloede is ghereynet* Vnde nae synem bilde is vereynet; Dey wil ich setten in dyne hant, Ich en hebbe neyn durer pant. (W)oltu solke pande entfaen, 600 (So) wil ich myt dy eynen koep an gaen. SATHANAS293 SECHT WEDER: [18/ Neyn, neyn, dar mede en schaffestu nicht; 10v] Dat is vns ouck wal mer gheschicht*, Dat wy gut den luden gheuen, Dat sy er wallust mede dreuen 605 Twyntich edder dertich iar, So beghunden sy dan to lesten dar

________________ 292 moistich] oder moestich? 293 Der Name Sathanas ist oben auf der nächsten Seite wiederholt.

Übersetzung von Fassung T

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Übersetzung T So piesackt ihr uns, wenn wir euch Knechte sind. 575 Doch wir verdienen dies nicht von euch Pfaffen, denn wenn wir Dämonen nicht geschaffen wären, so dass ihr mit uns die Laien in Schrecken versetzt – ihr hättet auch den Pflugsterz zu führen! Nun zwingt ihr uns dank eurer Raffiniertheit, 580 ob es uns passt oder nicht, dass wir zu euch her kommen müssen. Du hast mich von einer langen Reise abgehalten. Ich war hin nach Indien [unterwegs]. Meine Gesellen suchte ich dort. 585 Dort war der König gestorben, Ich hatte seine Seele [schon] fast erworben. Sofort als ich deine Beschwörung hörte, und deine schrecklichen Worte, da musste ich sofort zu dir kommen: 590 Nun sag rasch, was willst du von mir? THEOPHILUS: Hast du Silber und Gold, so will ich dir das höchste Gut, das ich je hatte, [dafür] verkaufen: meine Seele [nämlich], die in der Taufe 595 mit Gottes Blut reingewaschen [worden ist] und nach seinem Bild geschaffen. Die werde ich in deine Hand geben, ich habe keinen höheren Kaufpreis. Willst du ein solches Entgelt entgegen nehmen, 600 so werde ich mit dir einen Handel schliessen. SATAN ERWIDERT: [18/ Nein, nein, damit kommst du nicht durch. 10v] Das ist uns auch [schon] mehr passiert, dass wir den Leuten Geld gaben, dass sie ihre Lüste damit befriedigten, 605 zwanzig oder dreissig Jahre lang. So begannen sie dann nach und nach zu letzt

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text T

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In eynen wech to komen, Dat sy vns worden benomen. Doch woe em sy, is dy icht leyff Gelt vnde gut, so schryf eynen breyff; De breyff sal also wesen: Al dey en seyn efte horen lesen, Den salstu bekennen vnde gheyn* Oppenbar vnde dar nicht in teyn*, Dat Theopholus des duuels sy; Din segel sal dar hangen by, Dat du dregest an dyner hant, So antword my breyff vnde pant. Ich wil dy so vele gudes gheuen, Dat du herliken moghes leuen. THEOPHOLUS: Wat soelen dey breyue myn? Myn wort doch recht solen syn, Ich en wyl dy nicht vor leyghen*; Wente woldich dy bedreyghen, Wat dochtich dan to eynem papen? SATHANAS: Nicht, nicht, it294 is all anders schapen; Woltu my werden vnder daen, Dyne hantveste wyl ich erst entfaen, Dar ynne salstu dat schryuen, Dat du myn willes ewich blyuen Myt lyf, myt sele; ouch schryf dar by, Dat neyn troest* mer an dy en sy Vnde ouch, wee vor dy beede, Dat hey dy vnrecht deede. Hefstu leyue to soelken saken, Soe wil ich den koep myt dy m(aken) Vnde wyl dy so vyl gudes gh(euen), Dat du moegest herliken leuen. THEOPHOLUS: Ich byn dar vmb to dy gheko(men), Als du eyn deyl wol hefst v(ernomen),

________________ 294 it aus is verbessert.

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Übersetzung T auf einen Weg zu geraten, dass sie uns abhanden kamen. Doch wie dem sei, ist dir etwa Geld und Gut lieb, so schreib einen Vertrag. Der Vertrag wird so lauten: All [jene], die ihn sehen oder lesen hören, denen wirst du erklären und öffentlich kundtun und keinerlei Einwendungen machen, dass Theopholus dem Teufel angehört. Dein Siegel wirst du daran hängen, das du an deiner Hand trägst. So händige mir [dann] Vertrag und Kaufpreis aus. Ich werde dir so viel Geld geben, dass du in Saus und Braus leben kannst. THEOPHOLUS: Was sollen Urkunden von meiner Hand? Meine Worte werden doch verlässlich sein, ich werde dir nichts vorlügen. Denn wollte ich dich täuschen, wie taugte ich dann zu einem Geistlichen? SATHAN: Nicht, nicht. Es verhält sich in allem anders. Willst du mir untertan werden, will ich erst deine Urkunde bekommen. Darin wirst du schreiben, dass du auf ewig mein bleiben wirst mit Leib [und] mit Seele. Auch halte dabei fest, dass du über kein Rechtsmittel [dagegen] mehr verfügst und auch: wer für dich Partei ergriffe, dass der dich ins Unrecht versetzte. Sind dir solche Klauseln genehm, so werde ich den Vertrag mit dir schliessen und werde dir so viel Geld geben, dass du in Saus und Braus leben kannst. THEOPHOLUS: Ich bin deshalb zu dir gekommen, wie du ein Stück weit genau gehört hast,

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text T [19/ Dat ich gerne iummermere 11r] Vmb geldes willen dyn eegen were. SATHANAS: Dyn wille sall dy wal gescheyn, Aen ich wil erst pand vnde breyue seyn. 645 THEOPHOLUS: Nu du my dar to wolt dryuen, Dat ich dy eynen breyff sal schryuen, Dey my an myne sele gheyt*, Dar to bin ich ghar bereyt. Wat* helpet, dat ich dar weder saghe? 650 Went ich moet doch all myn daghe Eweliken sin verloren. Nu reket my her eyn ynkethoren, Eyne vederen vnde permynt – Dat is my recht, so eyn wynt – 655 Ich wyl schryuen eyn tractaet, Dat nummer myr* sele werde raet. SATHANAS: Nu hoere, Theophole, nu hoere, Ich wyl dy erst wat leggen voere. Noch er du schryuen beghynnes, 660 Soe wyl ich, dat du menscap wynnes Myner vnde werdes ouch geselle Der ghener, dey syt in der helle. Du salt Godis versaken ghar Vnde syner moder, de en ghebar; 665 Du salst versaken hude Aller seligen lude; Du salst versaken genslike Aller dynck* in hemelrike; Du salt vertyen van allen dyngen, 670 De men van Gode plecht to syngen, Spreken, dencken edder lesen. All dyn danck sal to my wesen. Dyne tunghe sal stille liggen, Nummer in Godes deynst sich wiggen; 675 Du salst verbeyden dynen oeren, (D)at sy nicht Godis wort en hoeren,

Übersetzung von Fassung T

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Übersetzung T [19/ weil ich gerne auf immer 11r] gegen Geld dein Höriger wäre. SATAN: Dein Wille soll dir bestimmt geschehen, bloss: ich will vorerst Preis und Vertrag sehen. 645 THEOPHOLUS: Nun da du mich dazu bringen willst, dass ich dir einen Vertrag schreiben soll, der mich meine Seele kosten wird, [so] bin ich dazu völlig bereit. Was hilft es, dass ich dagegen Einwände erhebe? 650 Denn ich werde doch alle meine Tage auf Ewigkeit verloren sein. Nun reicht mir ein Tintenhorn her, eine Feder und Pergament (das ist mir völlig gleichgültig): 655 ich werde einen Vertrag abfassen, dass es niemals für meine Seele einen Ausweg gibt. SATAN: Nun hör, Theopholus, nun hör. Ich werde dir erst was vorlegen, noch bevor du zu schreiben anfängst, 660 so verlange ich, dass du Bruderschaft schliessest mit mir und [dass] du auch Genosse jener wirst, die in der Hölle sind. Du wirst Gott völlig abschwören und [auch] seiner Mutter, die ihn gebar. 665 Du wirst heute [dich] von allen gläubigen Menschen trennen. Du wirst gänzlich verzichten auf alle Anwartschaft im Himmel. Du wirst dich lossagen von allem, 670 was man von Gott zu singen pflegt, zu sagen, denken oder lesen. Dein ganzes Denken wird mir gelten. Deine Zunge wird still ruhen, nimmer im Gottesdienst sich regen. 675 Du wirst [es] deinen Ohren verwehren, [so] dass sie nicht Gottes Wort hören.

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text T Du salst dy hoeden vor cruces seghen, (Also) dey kerstenen lude pleghen. Kerkganck salstu vormiden, 680 Neyn almisse* salstu snyden, Du en willes sy gheuen dorch myne ere, (Solke)r ghyft ich nicht vorkere; (Woltu) dit alle an ghaen, (So wil ik dy to myme) deynste entfaen [20/ Vnde wyl dy maken tot eyme heren, 11v] Dyn gut sal sich al daghe meren, THEOPHOLUS: Nu hefstu my bitter wort vor leghet, Als men io den mystroestighen pleghet. It is my sere mysvallen*, 690 Doch wil ich er versaken allen An hemel vnde an erden beyde, Sunder eyne ich dar buten bescheyde, Als der reynen maghet Marien, Der wyl ich vnmaten noede vertien. 695 SATHANAS: Owe, owe, dat soete word *, Dat is my gar vnsachte hord! Swich balde, swich des wordes me295, Dat bernet my vnde doet my we. Woltu werden myn vnderdaen, 700 Godes moder salstu auelaen; Sy is so milde vnde ouch so reyne, Machstu behalden sy alleyne Toe eynem steden vrunde, Ich noch nenich dŭuel en kŭnde 705 Dy nummer also vil schaden, Sy en hulpe dy weder to genaden. THEOPHOLUS: War wil ich hen, ich en moet er versaken, Du en wolt my anders nicht rike* maken. It is my twar, neŭe, alleyn.

________________ 295 me] in der Hs. mer mit durchgestrichenem r.

Übersetzung von Fassung T

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Übersetzung T Du wirst dich hüten vor dem Segen des Kreuzzeichens, wie [das] die Christen praktizieren. Den Kirchgang wirst du meiden, 680 keine Almosen wirst du verteilen, ausser wenn du sie zu meiner Ehre gibst; solche Geschenke verwehre ich nicht. Wirst du dies alles [vertraglich] übernehmen, so will ich dich in meine Dienstbarkeit aufnehmen [20/ und werde dich zu einem Herrn machen; 11v] dein Besitz wird sich alle Tage mehren. THEOPHOLUS: Nun hast du mir bittere Bedingungen vorgelegt, wie man [es] bei den Hoffnungslosen [zu tun] pflegt. Das ist für mich sehr schlecht herausgekommen, 690 doch will ich ihnen allen absagen, im Himmel und auf der Erde, an beiden [Orten]. Allerdings eine nehme ich da aus nämlich die reine Jungfrau Maria; der werde ich aussergewöhnlich ungern abschwören. 695 SATAN: Weh! Weh! Dieses süsse Wort das höre ich sehr ungerne. Schweig sofort, verschweige dieses Wort fortan; das brennt mich und tut mir weh. Willst du mir untertan werden, 700 musst du die Mutter Gottes preisgeben. Sie ist so barmherzig und auch so rein: kannst du sie allein als sichere Verbündete wahren, [so] könnte [weder] ich noch irgend ein Teufel 705 dir je so viel Schaden zufügen, ohne dass sie dir wieder in den Gnadenstand hülfe. THEOPHOLUS: Wo soll ich hin? Ausser wenn ich ihr absagen werde, so willst du mir sonst nicht zu Macht verhelfen. Es ist mir wirklich, Freund, alles einerlei.

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text T So gut myt beyden voeten in den stock*, als myt eym; Aen du salst my louen dat vorwaer, Noch er ich er versake ghaer, Dat du my so vele willes gheuen, Dat ich als eyn vorste moghe leŭen. 715 SATHANAS: En twiuele nicht als vmb eyn haer, Ich wil dy louen dat vorwaer; Wes dyn herte gheret eyn, Des sal dy wedervaren tweyn. Ich wyl ouch dar to brenghen wal, 720 Dat dy al dat* vrochten sal, Dat dy II werlde wern bekant*; Dat loue ich dy in dyne hant. HYR ENTFEIT SATHANAS THEOPHO(LUS TO) EYME DEYNSTMANNE V(N)DE (SECHT): [21/ Nu is de koep der gheganghen, 12r] Ich hebbe dy to deynst entfanghen. 725 Myner salstu wynnen kunde* Vnde halden my to eynem vrunde Vnde ouch al myne ghesellen, De dar syt in der hellen, Vnde doen296 stedes, wat ich beyde. 730 THEOPHOLUS: Dar to byn ich bereyde, It sy myn schade off myn gelucke. SATHANAS: Soe tred* dry voete achter rucke, Spreck: Jch versake Godis gar – THEOPHOLUS: Ich versake Godis gar – 735 SATHANAS: Vnde syner moder dey in gebar – THEOPHOLUS: Vnde syner moder dey en gebar – SATHANAS: Dyn eygen dat ich blyue – THEOPHOLUS: Dyn eygen dat ich blyue – SATHANAS: Myt sele vnde ouch myt lyue – 740 THEOPHOLUS: Myt sele vnde ouch myt lyue. 710

________________ 296 doen] doe Hs.

Übersetzung von Fassung T

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Übersetzung T So gut mit beiden Füssen in den Stock als mit einem. Aber du musst mir das wirklich versprechen, noch ehe ich ihr bedingungslos abschwöre, dass du mir so viel geben wirst, dass ich wie ein Fürst leben kann. 715 SATAN: Nun zweifle nicht um Haaresbreite; ich will dir das sicher als zusagen. Was dein Herz einmal begehrt, davon wirst du zwei bekommen. Ich werde es auch gewiss dazu bringen, 720 dass dich alle Leute (?) fürchten werden. Dass sich dir zwei Welten als tributpflichtig erklären, (?) das verspreche ich dir in deine Hand. HIER NIMMT SATAN DEN THEOPHILUS ALS DIENSTMANN AN UND SAGT: [21/ Jetzt ist der Handel geschlossen, 12r] ich habe dich in Dienst aufgenommen. 725 Mich wirst du kennen lernen und mich als Verbündeten betrachten und auch alle meine Genossen, die dort in der Hölle sind, und [du wirst] stets tun, was ich gebiete. 730 THEOPHOLUS: Dazu bin ich bereit, es sei mein Schaden oder mein Vorteil. SATAN: So tritt drei Schritte rückwärts, sag: „Ich schwöre Gott ganz ab“ THEOPHILUS: Ich schwöre Gott ganz ab 735 SATAN: „und seiner Mutter, die ihn gebar,“ THEOPHILUS: und seiner Mutter, die ihn gebar, SATAN: „damit ich dir hörig bleibe“ THEOPHILUS: damit ich dir hörig bleibe SATAN: „mit Seele und auch mit dem Leib“ 740 THEOPHOLUS: mit Seele und auch mit dem Leib. 710

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text T SATHANAS: Nu sitte neder vnde schryf. THEOPHELUS: D(it) schryuen is my eyn scharper knyf – (Ich) volghen alt*, dat men my vor secht. Nu doe my reetschap*, myn leyuer knecht. 745 THEOPHOLUS KNECHT: Her, hyr is dat enkethorn (Aen) et is my vter maten torn, (So wy)sen man als y synt (Vnde wu)lt werden des duuels kynt *. [22/ Vnde gheuen eme to grotem vnheyle 12v] Vmb snode haue lyf vnde seyle. THEOPHOLUS: Wanne, du arme perynck*, Woldestu297 weten vnse dynck? Tue hen, du en drafst my nicht leren. Proeue* gherynge vmb eynen anderen heren. 755 DE KNECHT: Here, nu iv io dit is betermet, Hyr is enket, vedere vnde permet: Schryuet ens duuels namen eynen breyff, Behagedet v, et is my io leyff. THEOPHOLUS: War wil ich hen? ich en werde wol teyn*, 760

765

770

Ymme stocke brenget men eynen wal geyn*. Ich wil schryuen sunder beŭen*, Wente ich hebs* my all oeuer gheŭen. HYR SCHRIUET THEOPHOLUS DEN BREIF VNDE SECHT: Ich hebbe eynen breyff geschreuen, Dar mede heb ich eyn ordel gheuen Oeuer myn lyf vnde sele all beyde, Dat is my eyn harde meyde*. Boeser breyff en schreyff ich ney. My gruwelt, dat ich en an sey. Dusse breyff bedudet so vele, Dat myn lyf vnde ouch myn sele Des duuels ewich wesen sal.

________________ 297 woldestu] über e vielleicht e.

Übersetzung von Fassung T

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Übersetzung T SATAN: Nun setz dich und schreib. THEOPHILUS: Dieses Schreiben ist mir ein scharfer Dolch. Ich befolge alles, das man mir vorspricht. Nun gib mir die Gerätschaft, lieber Knecht. 745 KNECHT DES THEOPHILUS: Herr, hier ist das Tintenhorn. Aber es ist mir ausserordentlich ärgerlich, [dass] ein weiser Mann, wie ihr [einer] seid, [doch] ein Kind des Teufels werden will [22/ und ihm zu [eigenem] grossem Unheil 12v] um schnöden Besitz Leib und Seele geben [will]. THEOPHILUS: Warum, du armer Wurm, willst du in unseren Angelegenheiten Bescheid wissen? Lass ab, du brauchst mich nicht zu belehren. Sieh dich rasch nach einem andern Herrn um. 755 DER KNECHT: Herrn, jetzt da euch das festgelegt ist, hier ist Tinte, Feder und Pergament: Fasst in Teufels Namen einen Vertrag ab. Behagt er euch, ist’s mir auch recht. THEOPHILUS: Wo soll ich hin? Ich werde keine Einwendungen machen. 760 Im Stock bringt man einen wohl zum Geständnis. Ich werde ohne Zögern schreiben, denn ich habe mich völlig ausgeliefert. HIER SCHREIBT THEOPHILUS DEN VERTRAG NIEDER UND SAGT: Ich habe einen Vertrag aufgesetzt, damit habe ich ein Urteil gesprochen 765 über meinen Leib und [die] Seele, alle beide. Das ist für mich ein harter Vertrag. Einen schlimmeren Vertrag schrieb ich nie. Mir graut [davor], indem ich ihn ansehe. Dieser Vertrag besagt so viel, 770 dass mein Leib und auch meine Seele auf ewig dem Teufel gehören wird.

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text T HYR* DOET THEOPHOLUS DEM DUUEL DEN 298 BREIFF . VNDE HE LEST EN OEUER VNDE SECHT: Neŭe, de breyff behaget my wal. Hey is al recht, myn leyue vrunt, Ich wil hen varen in hellen grunt 775 Vnde antworden en mynem heren, Mynem meystere Luciferen; De sal en halden went an den (dach), Dat hey vns nutte werden mach. HYR DRAUET* SATHANAS IN DE HELLE V(NDE…) LUCIFER DEN BREIF VNDE SECHT: Nu vreuwe dich, meyster Lucifer, 780 Ich wil dy seggen gude me(r), Dat Theopholus, de wyse m(an), Godis is plat* vet aue(st)a(en) [23/1v]Vnde moet eweliken vnse blyuen Myt sele vnde ouch myt lyuen, 785 Dat sy Gode leyt edder leyff. Su, hyr hefstu es eynen guden breyff. LUCIFER: Danck hebbe, Sathanas! Dyn raet io de beste was. Ich en kunde* ny so vele leygen, 790 Dat ich wene kunde so bedreygen. Nu nym siluer vnde golt Vnde ghyf Theopholo duren solt Vnde heit en io herliken leŭen. HYR NEMET SATHANAS SILUER VNDE GOLT MYT SICH VNDE OUCK ANDER KOSTLIKE CLENOEDE VNDE SECHT:

795

Soe wil ich my op den wech erheuen. HYR KOMET SATHANAS TO THEOPHILO VNDE SECHT: Hyr brenge ich dy siluer vnde golt, Schoene cleyder, dey du dragen solt; Samyt vnde baldock salstu dragen,

________________ 298 Hinter breiff ein Punkt.

Übersetzung von Fassung T

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Übersetzung T HIER GIBT THEOPHILUS DEM TEUFEL DEN VERTRAG. UND DER ÜBERLIEST IHN UND SAGT: Gevatter, der Vertrag gefällt mir sehr. Er ist ganz richtig, mein lieber Freund. Ich werde zum Grund der Hölle fahren 775 und [ihn] meinem Herrn aushändigen, meinem Meister Luzifer. Der wird ihn aufheben bis an den Tag, da er uns nützlich werden kann. HIER TRABT SATAN IN DIE HÖLLE UND [GIBT] LUZIFER DEN VERTRAG UND SAGT: Nun freue dich, Meister Luzifer, 780 ich will dir eine gute Nachricht bringen, dass Theophilus [nämlich], der weise Mann, Gott glattwegs abtrünnig geworden ist, [23/1v][und dass] er ewig uns gehören muss mit Seele und auch mit Leib, 785 das mag Gott missfallen oder nicht. Nimm, hier hast du darüber einen soliden Vertrag. LUCIFER: Hab Dank, Satan! Dein Rat war je der beste. Ich verstand nie so kräftig zu lügen, 790 dass ich irgendwen so betrügen konnte. Nun nimm Silber und Gold und gib Theophilus [seinen] teuer verdienten Lohn, und heiss ihn ein prächtiges Leben führen. HIER NIMMT SATAN SILBER UND GOLD MIT SICH UND AUCH ANDERE KOSTBARE KLEINODIEN UND SAGT: So werde ich mich auf den Weg machen. HIER KOMMT SATAN ZU THEOPHILUS UND SAGT: 795 Hier bringe ich dir Silber und Gold, schöne Kleider, die du tragen wirst. Samt und Seide sollst du tragen,

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Die Texte und ihre Übersetzung

Text T Dey sint myt golde wal dor slagen. Hyr synt vate silueryn, 800 Dey hebbe to der koste dyn. Nummerme en salstu vasten; De riken salstu bidden to gasten, Dey armen salstu versmaen Vnde laten sy vor dy henen gaen. 805 Hyr is ouch edele ghesteyne, Dat ghyf den vrouwen reyne, So wynnen sy dyr kunde Vnde halden dy to vrŭnde. Bedrafstu ouch to dyme lyue 810 Junger megede eff schoner wyue, Dat salstu my dan laten verstaen, Soe machstu myt en to labure* ghaen. Op dusser borg, all ist hyr kalt, Salstu hebben eyn to enthalt*. HYR BRENGET NU SATHANAS THEOPHILUM OP DE OUELGUNNE VNDE THEOPHILUS SECHT: 815 Troen, Sathanas, dyt behaghet my wal, Nu leue299 ich alles des ich sal*. Ich wil nŭ syn eyn fyn geselle Vnde hebben allet, dat ich welle. [24/1r]HYR SINGET MEN NU SILETE ALSE TO VOREN 300

IN DEN SELUEN NOTEN: Silete, silete, Silencium habete! Nu sal v werden vort vertalt*, Woe Theopholus myt gewalt Ouertoich den bisscop starck, De erst gewalt an eme warck301. HYR* SAL THEOPHOLUS NŬ SYNGEN: MYR ENBOYD MYN 302 LEYF ALSO , DAT ICH* ETC. ETC. VNDE DUSSEN RYMEN

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________________ 299 leeue oder leue? 300 rymen] ryme Hs. 301 Z. 819-824: mit Noten für zwei Stimmen versehen und doppelt geschrieben, Oberstimme rot, Unterstimme schwarz. Sprachliche Unterschiede zwischen den beiden Stimmen: die schwarze Fassung ghewalt und wark. 302 Hinter also ein Punkt.

Übersetzung von Fassung T

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Übersetzung T die sind mit Gold dicht durchwirkt. Hier sind silberne Gefässe, 800 die nimm für deine Tafel. Niemals wirst du fasten; die Mächtigen wirst du zu Gast bitten, die Armen wirst du verachten und sie vor dir hin treiben. 805 Hier ist auch edles Gestein, das gib den noblen Damen. So machen sie deine Bekanntschaft und halten dich in Freundschaft. Bedarfst du für dich ferner 810 junger Mädchen oder schöner Frauen, das sollst du mich dann wissen lassen, so kannst du bei ihnen zur Sache kommen. Auf dieser Burg (ganz kalt ist es hier), wirst du einen Wohnsitz haben HIER BRINGT NUN SATAN DEN THEOPHILUS NACH MISSGÖNNEN UND THEOPHILUS SAGT: 815 Wahrhaftig, Satan, das behagt mir sehr, nun lebe ich ganz wie ich soll. Ich werde nun ein feiner Kerl sein und alles haben, was ich will. [24/1r]HIER SINGT MAN NUN SILETE WIE VORHER UND DIESE VERSE AUF DIE GLEICHEN NOTEN: Schweigt, schweigt, 820 Haltet Ruhe! Jetzt wird euch weiter erzählt werden, wie Theophilus mit Gewalt den mächtigen Bischof überzog, der vorher Gewalt an ihm geübt hatte. HIER SOLL THEOPHOLUS NUN SINGEN: „MIR ENTBOT MEINE LIEBE ALSO, DASS ICH…“

2 Stellenkommentar 2.0 Vorbemerkung Der Kommentar verfolgt namentlich zwei Ziele: Er soll vorab sprachlich schwierige Stellen grammatisch und lexikalisch erörtern; da wohl nicht allen Lesern das Mittelniederdeutsche gut vertraut sein dürfte, wird mit Worterklärungen (samt Angabe der einschlägigen Wörterbuchstelle) nicht gegeizt. Zweitens soll er durch Erläuterungen verschiedener Art – Verweise auf innertextliche Zusammenhänge, auf Realien, materiale und immaterielle, auf mögliche Quellen und Parallelen, auf Forschungsstandpunkte – helfen, die Texte besser zu verstehen. Immer steht beim Kommentieren die einzelne Fassung im Mittelpunkt; eine ausführliche und systematische Besprechung aller Konvergenzen und Divergenzen zwischen den drei Versionen oder gar der systematische Beizug des lateinischen „Mirakels“1 in der Paulus-Fassung des 9. Jh.s (deren Kenntnis bei den Verfassern der deutschen Spiele, wenn sie Kleriker waren, vorausgesetzt werden darf) sprengte jedoch den hier gegebenen Rahmen eines Einzelstellenkommentars und ist deshalb nicht beabsichtigt. Dies wäre im Rahmen einer vergleichenden Interpretation zu tun; darauf will der hier vorgelegte Kommentar hinführen, ohne solches schon zu leisten.2 Das Gleiche gilt für die ________________ 1

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Man ist in Verlegenheit, diesen Text bündig zu benennen; eine „Legende“ liegt (noch) nicht vor (für die vitenhafte Ausgestaltung des Stoffs in der späteren Rezeption vgl. Gier 1977, S. 335-337), mit einem „Mirakel“ im genauen Sinn ist für diese frühe Zeit ebenfalls noch nicht zu rechnen; die Bezeichnung „Urversion“ erweckt methodisch falsche Assoziationen. Dennoch wird im Folgenden ab und zu einer dieser Notnamen auftauchen. Mit Meersseman (1963, S. 3 Anm. 1) mag man hier von einer „theologischen Legende“ sprechen, weil die Geschichte weder hagiographisch noch historisch angelegt sei, sondern „een theologisch begrip of een religieuse praxis“ progagiere. Damit hebe ich mich ab von den Vorschlägen „für eine neue Form der Kommentierung geistlicher Spiele“ wie sie Klaus Wolf vor einiger Zeit vorgebracht hat (2004). Bei den von ihm kommentierten Frankfurter Spielen ist die Quellenlage durch ihre Fülle von Nachrichten zur Aufführungsp r a x i s und durch die Möglichkeit, das Spiel einem konkreten Ort zuzuweisen, über den dann historische Nachrichten von ausserhalb der reinen Spielsphäre vorliegen, völlig anders als etwa für das Theophilus-Spiel (aber auch anders als etwa für das ‚Redentiner Osterspiel‘: insofern finde ich Wolfs harte Kritik am Kommentar von Brigitte Schottmann (S. 273) nicht ganz fair). Was er für seine Spiele bietet, ist ganz gewiss bestechend, doch es wird eben ermöglicht durch die Quellensituation. Deshalb scheint es mir

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Berücksichtigung der sonstigen ‚Theophilus‘-Tradition, ist doch die lateinische „Urversion“, die selber heute noch in rund 100 Abschriften vorliegt (Gier 1977, S. 344-347), unter immer neuen Modifikationen von anderen Autoren übernommen und weitergereicht worden. Dabei verdienten manchmal auch kleinste Änderungen die volle Aufmerksamkeit der Forschung (und sie können schwierige Probleme aufwerfen). Ein Beispiel dafür bildet das bis heute in Ursprung, Tradierung und Motivation nicht genau geklärte Auftreten des Motivs der Blutunterschrift (vgl. im Kommentar zu S V. 351). Auch in diesem Bereich kann das Folgende höchstens einzelne Hinweise und Denkanstösse geben.3 Eingearbeitet sind auch Ergebnisse der bisherigen Forschung, v.a. jener Arbeiten, die es auf eine Analyse des überlieferten Textes abgesehen haben; dabei werden jeweils Verweise auf diese Arbeiten gesetzt. Es wird aber nicht angestrebt, in forschungsgeschichtlicher Ambition etwa auch offensichtlich irrige oder überflüssige Deutungen der älteren Forschung zu dokumentieren.4 Der Kommentar berücksichtigt die Versionen H, S und T in dieser Reihenfolge bei durchlaufender Verszählung. Wenn auf eine Stelle innerhalb der gleichen Fassung verwiesen wird, steht kein Sigel, sondern nur „V. + Verszahl“. – Mit P wird die lateinische Übersetzung der griechischen Theophilus-Geschichte, die der Diakon Paulus aus Neapel im 9. Jahrhundert angefertigt hat, bezeichnet (vgl. Petsch 1908 und Meersseman 1963, jeweils Angabe des Kapitels5). Zwischenzeilen mit Angaben über die szenische Gliederung (gemäss der Tabelle in der Werkeinführung unter 3.2.3) sollen die Orientierung im uniformen Fluss der Kommentareinträge erleichtern. Da H und S über weite Strecken textlich parallel verlaufen, passen manche Erläuterungen zu einer Fassung auch zur andern; in solchen Fällen werden kaum Querverweise gesetzt, weil bereits der Blick auf die einschlägige Textseite allenfalls zu konsultierende Kommentierungen der Parallelfassung zeigen kann.

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auch nicht angemessen, das berechtigte Postulat „Aufführungswirklichkeit zu rekonstruieren“ mit der Frage, in welcher äusseren Form dies zu tun sei (ob als klassischer Stellenkommentar oder in Form eines „neuen Kommentarmodells“), zu verquicken. Die geforderte Rekonstruktion der Aufführung anhand des Textes liesse sich sehr gut in einer irgendwie zweckmässig organisierten monographischen Form gestalten. Die z. Zt. noch beste Übersicht über die Gesamttradition des Stoffes bietet Gier 1977; dazu demnächst der einschlägige Artikel in der EdM (Bd. 13). Deshalb findet die konjekturalphilologisch angelegte Arbeit von Sarauw wenig Berücksichtigung. Der Text bei Petsch und Meersseman ist nicht identisch.

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2.1 Kommentar H 1-55 Monolog des Theophilus – S 1-18 Abdankung des Bischofs – T 1-46 Spieleröffnung H 1 Ik byn ghe nant] Wie das gattungsmässig verwandte ‚Miracle de Théophile‘ von Rutebeuf beginnt das Spiel in Version H und S mit einem Monolog des Protagonisten. Dieser ist bei Rutebeuf anders als im deutschen Spiel als heftiger Gotteshasser gezeichnet. Gekoppelt ist damit das Motiv der Absage an Gott, da dieser seine Verpflichtungen gegenüber Theophilus nicht eingehalten habe (V. 1-43) – eine lehensrechtlich geprägte Auffassung des Glaubens, die uns auch etwa aus dem ‚Parzival‘ vertraut ist. H 1 Theopholus] Die Selbstnennung am Textbeginn hat vordergründig eine elementar informierende Funktion, zugleich zeigt sich die Dialektik zwischen Namensbedeutung und existentieller Verfassung des Namensträgers: Ist er wirklich ein „Freund Gottes“? Es sei daran erinnert, dass Theophilus Widmungsempfänger von Lukasevangelium und Apostelgeschichte ist (Lc 1,3; Act 1,1). Vgl. auch Kommentar zu H V. 476. T 1 Silete] Zur Melodieaufzeichnung auf Bl. 2v (Eingangspartie: V. 1-8) und 1r (Schlusspartie: nach V. 819-Textende) vgl. Geering 1952, S. 19, 33f., 48, 54, 83 und von Fischer 1972, Bd. 1 S. 391f. H 3 Ik was] Die lateinische Fassung betont namentlich Theophils Vorzüge in seiner ruhig besonnenen Amtsführung (quies, moderatio), ferner die Fürsorge für Witwen und Waisen. Diese zwei Aspekte finden auch ihren Niederschlag in der Ikonographie, etwa in zwei Szenen des Scheyerner Matutinalbuches (Hauke 1980, S. 62f., 17v). Die Formulierung als Fremdurteil (was ghenant) lässt sich vielleicht gerade nicht als Ausdruck von Theophils Bescheidenheit, sondern im Gegenteil als gewandte Kaschierung seiner Arroganz, superbia, deuten. Es fällt auf, dass am Beginn von Selbsterkenntnis und Busse in V. 416 ein ironischer Reflex steht und dort nun direkt formuliert wird: o we ik vil kloker man. H 4 papheit] In der lateinischen Prosafassung des Paulus erscheint Theophilus als vicedominus: dies die Entsprechung zu oikonomos der griechischen Vorlage (zu Profil und Wandlungen dieses Amtes im Laufe der Jahrhunderte vgl. LdM, Bd. 8 Sp. 1621f.). Die Verwaltung von Kirchengütern in einem Bistum (dies die Hauptfunktion eines Viztums) setzte in Spätantike und Mittelalter mindestens die niederen Weihen voraus; deswegen kann Theophilus in vielen Fassungen der Geschich-

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te auch zum Bischof geweiht werden (vgl. mit Quellennachweisen: Gier 1977, S. 86f.). H 5 an vroliken saken] Es ist unklar, ob hier an einen wertenden Gegensatz zum Ernst des Priesteramtes im Sinne der gleich folgenden Antithese recht maken – recht vor keren zu denken ist; der Held erschiene somit gleich als ambivalent. Sollte es indessen um eine positiv gedachte Lebensfreude gehen, so mochte das mittelalterliche Publikum sich erinnern, dass Trübsinn und Melancholie förderlich für Sünde und Teufelsverfallenheit galten. Schliesslich ergibt sich hier eine Anknüpfung für das spätere Weltleben des Theophilus. In S (V. 105f.) wirft das Kapitel Theophilus vnkuscheyt und vnvledycheyt vor. Nicht auszuschliessen ist freilich auch eine Beschädigung des Textes (vgl. die entsprechende Stelle in S V. 179). T 5 Myds] „vermittelst“, vgl. V. 31. T 6 Dey aller sunder is eyn troest] Hier eine erste implizite Rezeptionsanleitung für das zuschauende Publikum: Marias Interzessionsmacht für die Sünder soll gezeigt werden; vgl. nachfolgend die V. 24-46. Damit setzt Fassung T ein Element in die Spielform um, das in der Schlussszene der griechischen und lateinischen Prosa mit dem Bericht über den Auftritt Theophils vor der Gemeinde im sonntäglichen Gottesdienst in narrativer Entsprechung angelegt ist; für troest vgl. zu T V. 632 H 7 recht … vor keren] Die Aussage verwundert doppelt: einmal insofern Theophilus in der Tradition bis zu seiner Wiedereinsetzung ins Amt nach dem Paktschluss sonst als vorbildlicher Verwalter gezeichnet wird (der Machtmissbrauch beginnt erst später), zum andern, weil er selber sich hier negativ darstellt. Die Wiederholung der Aussage in V. 8 lässt aber textkritischen Besserungsversuchen wenig Raum. Der analogen Stelle in T (V. 527ff.) fehlt diese Aussage, nicht aber in S (V. 181); sie stimmt dort ausserdem im Tenor zu Urteilen mancher Mitglieder des Domkapitels in der Wahlszene. Man wird sich entweder damit abfinden müssen, dass das Drama keinen psychologisch kohärenten „Charakter“ zeichnet, sondern eine Figur kaleidoskopartig aus verschiedenen Blickwinkeln zeigt: dies die eine Lesart. Die andere mag darin bestehen, in H einen Theophilus zu finden, der von allem Anfang an zwiespältig und gebrochen ist (und es nicht erst nach der Vertreibung aus dem Amt wird). – Auf einen moralisch zwielichtigen Theophilus passt dann H V. 344 aus der Predigt, die als Ganzes indirekt auf den Helden gemünzt ist. S 7 kezet] Die hier und in T dargestellte Prozedur der Bischofswahl durch ein Kapitel unterscheidet sich deutlich von den Verhältnissen in der frühen Kirche des ersten Jahrtausends (Wahl durch Volk und Priester,

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Bestätigung durch den Metropoliten), wie sie etwa in der griechischen und lateinischen Fassung (Petsch 1908, Kapitel 2) oder noch bei Hrotsvitha erscheinen (was aber nicht Rückschlüsse auf die Realität im Reich des 10. Jahrhunderts gestattet). T 7 Des] Das Demonstrativpronomen bezeichnet „die ganze Geschichte Theophils“; die Genitivform ist durch die Wendung schyn doen bedingt. T nach 8 VET] ein durch Kapitaldruck verunklärtes Mt (so in der Folge noch öfters); es ergibt sich: ûthkundigen „öffentlich verkündigen“ (Lübben 1888, S. 459). H 9 rike] Vgl. unten, zu T V. 708. S 9 Prepositus dicit] Die in S durchgängige Verwendung des Präsens in den „Bühnenanweisungen“ ist für eine Lesefassung, als welche S gilt, eher ungewöhnlich; vgl. unten, S. 196. H 10-13 My was … ik hope] Damköhler (1913, S. 123f.) schlägt folgende Interpunktion vor: My was neyman ghelike / An reden unde ok an synnen – / De hadde ik alle enbynnen – / Noch [an] eren, so ik hope. Freilich unterlässt er es dann zu erklären, wie er V. 12 versteht. H 12 en bynnen] Sprenger (1890, S. 135) setzt hier einen Punkt und bezieht den nächsten Vers auf V. 14 (ghekoren); doch ergibt das m. E. keinen zufrieden stellenden Sinn. S 12 stychte] Vgl. zu T V. 46 capittel. T 12 lieue mere] Damit ist keinesweg die Fiktivität der Geschichte impliziert (zur Semantik von maere vgl. Ehrismann 1995, S. 31-34). Die Theophilus-Geschichte galt als wahr und fand damit Eingang in die Chronistik, so etwa in die Chronik Sigeberts von Gembloux (ca. 1028-1112); er rapportiert unter dem Jahr 537 Folgendes: Apud Persas regnat Chosroe annis 37. … Hoc tempore in una urbium Cilitiae quidam Theophilus vicedominus tam prudenter et utiliter secundas partes ecclesiasticae dispensationis sub episcopo agebat, ut mortuo episcopo omnium ore dignus episcopatu esse acclamaretur. Qui contentus vicedominatu, alium ordinari maluit episcopum. A quo a vicedominatu iniuste amotus, ad tantam impatientiam est delapsus, ut conducto sibi Hebreo quodam mago, per eum opem ad dignitatem suam recuperandam expeteret a principe demoniorum; et ab eo iussus abnegare Christum filium Dei eiusque matrem Mariam cum omni christianismi proposito, et ipsam abnegationem scripto firmare et scriptam signare et signatam sibi tradere, eius se servitio addixit. Qui in crastinum recuperato vicedominatus honore, non multo post ad se reversus, per dies 40 omni penitendi modo se affligens, primo piam Dei matrem Mariam sibi reconciliavit; eaque sibi apparente, abrenuntians diabolo, Christumque verum Dei filium verumque Deum et hominem ex Maria virgine natum, et omne christianismi propositum profitens, per eam etiam scriptum abrenuntiationis, quod signatum diabolo dederat, reposuit super pectus eius. Quo Theophilus recepto, incrastinum, dominica scilicet, coram episcopo et omni aecclesia pandens ordinem rei, omnes ad stu-

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porem et laudem Dei et genitricis suae Mariae commovit; et in eodem loco, quo sibi pia Christi mater apparuerat, perstans, ibidem post triduum mortuus et sepultus est. (MGH SS Bd. 6 S. 316,40-54). H 12f. en bynnen / Noch eren] Ettmüller (1849; ebenso Hoffmann) erklärt: „darin, d.h. unter diesen umständen, hatte ich genug der ehren“, was sprachlich nicht überzeugt. noch bedeutet hier: „nach“, „gemäss“ (Sprenger 1890, S. 135). T 13 versateghet] zu satigen „festsetzen“, „ordnen“, reflexiv: „sich niederlassen“ (Lübben 1888, S. 317) T 14 seuten zommer] Plenzat (1926, S. 175f.) knüpft an diesen Verweis auf eine Wirklichkeit ausserhalb des Textes – freilich ergebnislos bleibende – Vermutungen über die Aufführungszeit des Stückes (Ostern? Mariä Verkündigung?) an. Doch die Ausgangsfrage bleibt und ist unter der Annahme, dass die Theophilus-Geschichte praktisch ausnahmslos im Umfeld der Marienverehrung rezipiert wird, neu zu erwägen. Akzeptiert man die (freilich nicht erweisbare) Prämisse, dass das Stück notwendig in Verbindung mit einem liturgischen Marienfest aufgeführt worden sei, dann richtet sich der Blick auf sommerliche Marienfeste. Als solches kommt im mittelalterlichen liturgischen Kalender nur In visitatione BMV am 2.7. in Betracht (vgl. Beinert 1984, S. 428: seit 1389 sich rasch verbreitend). Auf Assumptio (15.8.) oder gar Nativitas (8.9.) scheinen die Aussagen des Prologs weniger zu passen (obwohl etwa die ‚Legenda aurea‘ die Theophilus-Geschichte gerade unter dem 8.9. bringt). Wie schlecht man allerdings mit logischen Deduktionen dem historisch Realen zu Leibe rückt, zeigen die zwei (einzigen) Belege Neumanns (1987, Nr. 68 und 1191) zu Aufführungen von Theophilus-Spielen in Bocholt (Paulinustag, wohl 31.8.6) und Deventer (21.2.): In beiden Fällen ergibt sich keine sichtbare Verknüpfung mit einem Marienfest. – Daten von Aufführungen in Frankreich verzeichnet Faral (1959f., Bd. 2 S. 174f. A. 9: Sonntag nach Johannes Baptist 1384 [26.6.], 8. Dezember 1533, 8./9. September 1539). – Vgl. auch unten, zu T V. 17. H 16 vor drot my synghen vnde lesen] In der griechischen und lateinischen Fassung bezeichnet sich Theophilus als unwürdig für das hohe Amt (Radermacher 1927, S. 164f.; Petsch 1908, Kapitel 2: indignum se esse; Meersseman 1963, Kapitel 2f.). Daneben kursierten lateinische Versio________________ 6

Neumann (1975, S. 188 Anm. 188) erwägt auch Verschreibung der Quelle, womit eine Ansetzung auf Conversio Pauli am 24.1., d.h. in jahreszeitlicher Nähe zum Fastenbeleg aus Deventer, möglich würde; die Aufführung geistlicher Spiele in der zweiten Jahreshälfte ist Neumann zufolge höchst selten.

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nen, welche keine Wahl erwähnen, sondern den Sturz des Vicedominus auf seine Anschuldigung beim Bischof zurückführten (Grässe 1890, S. 871). In den Wahlszenen von S und T dagegen erklären ihn Kapitelsmitglieder als nicht würdig (in T allerdings auch er sich selber: V. 227-229). So oder so rücken also die Fassungen des Spiels Theophilus an diesem Punkt in ein schiefes Licht. Fragwürdig aus der Sicht klerikaler Ethik war freilich die hartnäckige Ablehnung der Wahl in ein geistliches Amt auch unter der anscheinend moralisch hochstehenden Berufung auf die eigene Unwürdigkeit: vgl. dazu T V. 232. – Die Aussage unseres Verses findet in der Motivierung des die Wahlszene abschliessenden Skandals in T eine Parallele (oder mindestens eine Analogie): Theophilus weigert sich, den berechtigten Residenzforderungen des neuen Bischofs für die Kapitelsangehörigen nachzukommen (T V. 287-292). Vgl. auch zu S V. 194. T 16 also] Das al wird in der Übersetzung als Verstärkung aufgefasst. T 17 Sych haet ghehoget de sunne] Die Sonne ist ein häufiges Marien- und Christussymbol. Damit stellt sich die oben bei V. 14 diskutierte Problematik in neuem Licht: Bezeichnet der Vers eine alltagsreale oder eine spirituelle Wirklichkeit? Gleitet womöglich die eine in die andere hinüber? Immerhin lässt sich etwa im Prolog des ‘Redentiner Osterspiels’ eine solche Überblendung der säkularen Zeit des Publikums durch die heilbringende Zeit der Erlösungsgeschichte, wie sie die Liturgie immer wieder erneuert, belegen (V. 15f. huten). H 18 O wi dat ik jŭ wart ghe boren] Die Verwünschung der Geburtsstunde ist bereits in einem altägyptischen Text von ca. 2000 v.Chr. belegt und seither durch die ganze europäische Geistesgeschichte nachweisbar; vgl. Rölleke 1979 und 2002/2003. Zwei der vier biblischen Belege (Mt 26,24 und Mc 14,21) zielen auf Judas, den Verräter. Er steht in doppeltem Bezug zu Theophilus: einmal in Parallele als „Verräter Gottes“, einmal im Gegensatz, denn seine Reue (Mt 27,3-10) wird ihm nichts nützen; vgl. ferner die Stellen H V. 165, 430, 436 (und die Entsprechungen in S). – Als Judas Rew wertet im Übrigen die Glosse im Faustbuch die Reuebezeugungen in der Abschiedsrede des Helden ab (Kapitel 68). S 19-82 Kapitelsversammlung, Nicht-Wahl des Theophilus T 22 ghetoget] Hoffmann (1853 S. 79) leitet von mnl. toyen „schmücken“ ab; wahrscheinlicher ist aber wohl: tôgen „zeigen“, „kundtun“ (Lübben 1888, S. 407).

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H 24-27 Vnde … swar] Die Stelle ist auch nach der zurückhaltenden Verbesserung durch Petsch schwer verständlich, und es ist mit Textstörungen zu rechnen; vielleicht sind alternativ gedachte Versdubletten (24f. zu 26f.) zu einem fortlaufenden Text verbunden worden. Hoffmann von Fallersleben griff radikal ein, indem er aus V. 23-28 nur noch drei Verse formte: Doch wil ik it wagen / Unde weret my al to swâr: / Ik môt my geven in der duvel schâr. Ettmüller konjizierte freihändig; V. 2226 lauten bei ihm: des môt ik ên arm man hêten, / dat swâr ist tô dragen. – / ik will it allet wâgen! / it wârt mî nu altô swâr: / ik môt mi geven in der dûfel scar. Auch die vorgeschlagene Übersetzung rückt sich einen verständlichen Text zurecht. H 27 Vnde ... swar] Bei Interpunktion nach Petsch bleibt m.E. der Passus nicht recht verständlich; ich fasse V. 26 als begründende Zwischenbemerkung. H 29f. Eft ienich duuel were…] Man wird sich hier der Differenz zwischen der realen Omnipräsenz des Einen und der fingierten Allgegenwart der vielen, überall herumschwirrenden Dämonen (vgl. dazu die Beschreibung Richalms, unten zu T V. 392) erinnern. S 30 Wat des kores an my dŭet] Die Wörterbücher liefern keine Parallelen für diesen Gebrauch von don (auch nicht Lasch 1956, Bd. 1 Sp. 443-445); ich folge dem Übersetzungsvorschlag von Sprenger (1891, S. 133). H 32 ere] „Ehre“ ist ein zentraler Wert im Verhältnis der Menschen untereinander und in ihrem Verhältnis zu Gott. Vgl. etwa: Brunner 1972, „Ehre, Reputation“; TRE, „Ehre“; 3LThK. „Ehre“, „Ehre Gottes“; Ehrismann 1995, 65-70. Die Bereitschaft, dem Teufel Ehre zu erweisen, ist pervers. – Ehrverlust wird in manchen weiteren TheophilusFassungen als Anlass der schweren Kränkung des Helden und als Motiv für seinen Pakt betont (vgl. etwa ‚Passional‘: Richert 1965, Nr. 23 V. 4, 55, 58-63, 151). Hrotsvitha gestaltet diesen Aspekt namentlich durch den Einsatz von pompa und honor als Leitworte (vgl. Homeyer 1970, etwa V. 15, 18, 45, 54, 62, 81, 94); die Ehre und Macht spielen als „Zunder“ der Verführung eine wichtige Rolle. Beim Eingreifen Marias zugunsten des Sünders spielt deren und Christi Ehre ebenfalls eine Rolle (etwa: H V. 531); zum Ehrverlangen Satans: H V. 197, S V. 384, T V. 681). H 38 heren] Es bleibt offen, an wen hier zu denken ist: An die Ministerialen des Bischofs? An die Domherren? H 42 Ik] Die Version H lässt anders als T und anders als das antike Mirakel die den Kontakt zum Dämon vermittelnde Figur des Juden weg (in S erscheint der konfessionell nicht einzuordnende Schwarzkünstler); Theophilus wendet sich mit Erfolg direkt an den Teufel; vgl. für

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die Gestaltung dieses Details in anderen Fassungen: Gier 1977, S. 113f. H 42-55 Ik beyde … vrage dy] Wie beschwört man den Teufel? Dass auch andere Formeln als hier möglich waren, zeigt etwa Rutebeuf, bei dem die Vermittlerfigur Salatin ein unverständliches, hebräisch oder arabisch tönendes Kauderwelsch anwendet (V. 160-168; dazu: Faral 1959f., Bd. 2 S. 175, Dahan 1977, S. 460-465 und Dufournet 1987, S. 88). Es stellt sich darüber hinaus die Frage, wie weit die hier vorgeführte Teufelsbeschwörung sowohl in ihren verbalen wie in den (uns mangels genauer Regieanmerkungen verlorenen) rituell-gestischen Elementen von realer Praxis absteht. Mit Blick auf die frommen Intentionen des Textes wird man die Distanz als eher gross beurteilen: Alles, was irregeleiteten Lesern (und Zuschauern) womöglich Nachahmung erlaubte (vgl. etwa einschlägige Bemerkungen im ‚Faustbuch‘: Füssel 1988, S. S. 12), war ebenso zu vermeiden wie das, was fromme Seelen in Schrecken versetzen konnte (vgl. das Kreuz am Rand der Beschwörungsszene in T V. 554 oder die (vielleicht) psychologisch aufschlussreiche Verschreibung des Wortes nygromanticia in S V. 138!). Allerdings kann man im Gegenzug vermuten, dass der Schilderung immerhin eine gewisse Wahrscheinlichkeit zu verleihen war, sollte denn die Absicht der Warnung wirksam vermittelt werden. Dem heutigen Betrachter stellt sich zudem die Schwierigkeit, damalige Beschwörungsprozeduren überhaupt zu dokumentieren. Beckers zufolge, der eine Formel aus einer Prager Handschrift mitteilt, scheinen derartige Quellenfunde sehr selten zu sein – dies bei allem Reichtum an literarischen Schilderungen von Beschwörungspraktiken (1984, S. 136-145, vgl. auch: 2VL, Bd. 9, Sp. 729). Das Vorgehen ist gemäss dem Prager Beleg sehr einfach: Man ruft nachts auf freiem Feld laut Diabolo diaboliczo, Satana sathaniczo, kum her zuo mir, ich will dir zuo sprechen und der Teufel erscheint darauf in Gestalt eines schwarzen Hündleins; „schlichte natürliche Gaben“ wie Kohle, Brot, Käse, drei Hufnägel, Gerste, Salz sind empfohlen. Weitaus umständlicher ist da das gegenläufigen Motivationen entspringende Vorgehen des kirchlichen Exorzisten, wie es etwa im ‚Rituale Romanum‘ nachzulesen ist (Tit. XI). Eine weitere methodische Möglichkeit besteht in der synthetisierenden Erstellung eines Idealtypus der Beschwörung, wie ihn etwa das HDA (Bd. 1 Sp. 1109-1129) aus zahlreichen, nach Zeit und Provenienz sehr heterogenen Quellen mit freilich geringer Kraft zur Systematik entwirft. Zweifellos weist unser Text typische Elemente einer Beschwörung auf; dazu gehört etwa der einleitende namentliche Anruf Satans, verbunden mit einer Aufforderung und gleichzeitiger Nennung einer hö-

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heren Macht (Gode), die fähig ist, den Gerufenen überhaupt zu zwingen. Diese Vormacht Gottes wird durch drei Elemente, die in Form einer Historiola (Schulz 2003, S. 29) erscheinen, begründet: durch die Schöpfungsgewalt Gottes, durch den Engelssturz und schliesslich den Gerichtstag. Die theologische Pointe ist offensichtlich: der Dämon ist als Geschöpf, durch seinen Sturz und im Horizont des Jüngsten Gerichtes, an welchem er in die Hölle eingesperrt werden wird, auf immer und ewig Gott unterworfen; insofern kündigt sich hier auch schon die Möglichkeit eines guten Ausgangs für Theophilus an: Kein Wunder also, dass Satan in V. 56f. eher mürrisch reagiert. Bezüglich der sprachlichen Machart unseres Textes beachte man die dreimalige geringfügig variierende Anapher (V. 42, 46, 50), der je ein verschiedenes Motiv (Schöpfung, Engelssturz, Endgericht) entspricht; auf die zwei Vierergruppen von Versen (V. 42-45, 46-49) folgen mit Achtergewicht drei Reimpaare (V. 50-55). Syntaktisch und sachlich löst sich die mit Ik beyde dy gesetzte Spannung erst am Schluss: … dat du komest… Nicht belegbar sind hingegen manche Elemente, die gewiss zu einer regelrechten Beschwörung gehörten: über Ort und Zeit erfahren wir (anders als in der griechischen und lateinischen Erzählung) ebenso wenig wie über Begleithandlungen (vgl. aber: H V. 233) oder die Verwendung von Hilfsmitteln (Räucherwerk, Kreis). – Zur Frage der Teufelsversammlung vgl. unten, bei H V. 229. H 43 lof vnde gras] Angesprochen wird hier das Schöpfungswerk des dritten Tages (Gn 1,11-13). T 45 spreket all samen] Gattungstypische Form des Einbezugs des Publikums; dieses schaut nicht passiv zu, sondern bezieht das Gesehene auf sich selber: ein Zug, den das Spiel mit der Liturgie gemeinsam hat. Zudem wird hier mit diesem kurzen Glaubensbekenntnis eine Gegenposition zum Gottesleugner Theophilus bezogen. H 46 valle] Die biblische Stütze für das wirkungsmächtige Mythologem des Teufelssturzes ist schmal: Is 14,12 (bei allegorischer Deutung); vorausgesetzt in: II Pt 2,4 und Iud 6. Wichtig für die abendländische Tradition waren unter den alttestamentlichen Apokryphen das ‚Henochbuch‘ (Kautzsch, Bd. 2 S. 217-310), und die ‚Vita Adae et Evae‘ (Kautzsch, Bd. 2 S. 513); vgl. RDK, Bd. 5 Sp. 621-674; einschlägige Szenen im geistlichen Spiel erschliesst das Register bei Bergmann 1986, 519. Den Teufel bei seinem Falle zu beschwören, zeugt eher von heilsgeschichtlichem Tiefsinn als von geschickter „Psychologie“ (sofern diese hier eine angemessene Strategie bieten kann…). Vielsagenderweise wird jedenfalls Satan dieses Beschwörungsmotiv ignorieren (vgl. H V. 58-60).

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T 47-278 Kapitelsversammlung T nach 46 capittel] Das Kapitel (das Stift) ist eine Gemeinschaft von Weltgeistlichen (Kanonikern), die nach einer gemeinsamen Regel leben; zum Rechtsinstitut des Kapitels und zu seinen historischen Wandlungen vgl.: DDC, Bd. 3 Sp. 530-565, HRG, Bd. 1 Sp. 757-761, TRE, Bd. 9 S. 136-140, LdM, Bd. 5 Sp. 938-941. – In unserem Spiel handelt es sich um ein Kathedral- (oder Dom-)kapitel; es steht dem Bischof beim Gottesdienst und bei der Diözesanverwaltung zu Seite, vertritt ihn bei Sedisvakanzen und wählt – allein oder zusammen mit anderen Körperschaften – den neuen Bischof. Die Anzahl der Kleriker, die einem Kapitel angehörten, wurde mit Blick auf die jeweilige materielle Ausstattung desselben beschränkt gehalten. In unserem Spiel entsteht der seltsame (vielleicht gewollt komische) Kontrast zwischen einer recht ausgedehnten Verwaltung mit vielen Funktionsträgern (mehr als ein Dutzend) und einer in vielen Voten der Kanoniker beklagten Knappheit der Mittel. T nach 46 to rade] Plenzat (1926, S. 181, 192-194, 201f.) sieht die theatralischen Qualitäten dieser Ratsszene (im Gegensatz zu jener in S) namentlich in der „polyphonen“ Redegestaltung (Bezugnahme einer Figur nicht nur auf den Vorredner), der Figurenzeichnung und der gewundenen und sich steigernden, damit spannenden Handlungsführung (Eintrittsdebatte zur Notwendigkeit einer raschen Bischofswahl, peripetienreiche Wahl mit mehreren Vorschlägen, Konflikt des ausgeschiedenen Kandidaten Theophilus mit dem neugewählten Bischof und abschliessender Skandal). T 47 proeuest] Der Probst steht an der Spitze eines Kapitels; ihm obliegt v.a. die Verwaltung der Kapitelsgüter. H 56-251 Aushandlung und Abschluss des Paktes H 56 Satinas] Die Bild- und Textquellen über das Aussehen des Teufels sind in ihrer Masse unüberschaubar; vgl. etwa: LcI, Bd. 4 Sp. 295-300; Russell 1984; Grübel 1991; Link 1995; Lorenzi 1997; speziell zur Teufelsrepräsentation im Theater: Neumann 1987, Bd. 2 Register. H 56 sprak] Diese Form der Rollenangabe ist typisch für die (womöglich umformende) Aufzeichnung eines Spieltextes für die Privatlektüre (vgl. dazu grundlegend: Williams-Krapp 1980). Sie verleiht dem Text den Charakter einer Erzählung, unterstreicht damit ausserdem den Wahrheitsanspruch. Trifft die Vermutung von Krobisch (1997, S. 159) zu, wonach der Fassung H ein Aufführungstext zu Grunde lag, dann

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erscheinen die Personenangaben durch die Präteritumsform wie protokollierende Einschübe eines Zuschauers, der den Spieltext aus der Erinnerung genau aufschreibt. H 57 der papen sede] Bezieht sich der Teufel hier auf den ihm nicht sonderlich genehmen Exorzismus der Geistlichen oder unterstellt er ironisch, dass Kleriker eine Neigung zur schwarzen Magie und Teufelsbeschwörung haben? Dieser Vorwurf wäre nicht neu; bekannt ist etwa der Fall Silvesters II. (Gerbert), dem derlei nachgesagt wurde. Walther von der Vogelweide stellt den ihm verhassten Innozenz III. gleich mehrmals in diese Traditionsreihe (Walther, L 33,21, 33,1). Und auch in Hans Vintlers kulturhistorisch aufschlussreicher Darstellung magischer Praktiken erscheint der Vorwurf, Geistlichen übten Magie (‚Pluemen der Tugent‘, V. 7701f.). T 57 deken] Leiter der inneren Angelegenheiten eines Stiftes (Gottesdienstordnung; Strafgewalt über die Kanoniker); vgl. LdM, Bd. 3 Sp. 651654. H 58 be sweret] Die mnd. Wörterbücher bieten keine Anhaltspunkte dafür, dass das stV besweren „beschwören“ auch schwach flektiert würde; S hat an entsprechender Stelle (V. 243) die reguläre starke Form; also ist von besweren „belasten“, „belästigen“ auszugehen. Dennoch braucht man hier nicht mit einem Fehler zu rechnen: Aus Judäa (V. 68) herbeizitiert zu werden und erst noch im Namen Gottes ist dem Teufel kaum erfreulich. – Je nach zeitlicher Perspektive ist seine Klage unterschiedlich zu beurteilen: Kurzfristig wird sich ja der nun Herbeikommandierte gegenüber Theophilus in allem durchsetzen, die Machtverhältnisse werden kippen; so gesehen dient das untertänige Verhalten der Einlullung und Täuschung des Opfers. Vom Ende her, an dem der Dämon als Verlierer dasteht, ist hingegen die hier schon gezeigte Larmoyanz des „Bedrückten“ in höherem Sinne richtig. S 58 schit] Sprenger (1890, S. 133) holt seinem bürgerlichen Anstand die Reimgrammatik zu Hilfe: „Der unreine Reim ist nicht glaublich. Sollte nicht alle schicht ‚für jeden Fall‘ zu lesen sein?“ – Was aber, wenn unter mittelalterlichen Kanonikern gegen Reimgrammatik und Anstand zugleich verstossen würde? – Plenzat (1926, S. 171f.) bucht hingegen die Stelle als Beleg für das Bemühen, mit Flickwörtern und Wiederholungen Reime herzustellen (so auch noch: S 24f., 45f., 47f., 39f., 51f. ~ 97f., 63f. ~ 67f.). Die Häufung der Beispiele gerade in der Kapitelszene führt freilich zur Gegenfrage, wieweit solche „Unbeholfenheit des Stils“ sich nicht auch als gewollte Charakterisierung der Figuren verstehen liesse. T 60-62 Vnde soelen wy … Jherusaleym] Der Sinn ist nur vermutbar; es werden wohl Idiomatismen verwendet. Gemeint könnte sein: „Wenn wir

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ohne einen Schutz gewährenden Herrn auf uns allein gestellt (d.h. im Chorhemd) uns gegen Übergriffe wehren müssen, so wird das ein sehr schwieriges Unternehmen.“ H 61 Beyde grot vnde stat] Die schwer verständliche Stelle hat eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen hervorgerufen (grot vnde sat „Sand und Saat“ (Ettmüller), dem beide grot vnde klein to bode stat (Hoffmann), got vnde quat (Sprenger)); Petsch (1908, z.St.) hält keinen für recht befriedigend und vermutet im Übrigen einen Zusammenhang mit dem ebenfalls schwer verständlichen Vers 729. Die vorgelegte Übersetzung versucht, konservativ dem Tradierten einen Sinn abzugewinnen. H 62 Alsus plege gy papen] Der Gedanke findet sich etwa auch im ‚Redentiner Osterspiel‘ (Schottmann 1975, V. 1914f.). H 63 so de lude de apen] Der Affe spielt etwa in der Tierfabel meist eine unvorteilhafte Rolle; einen genaueren (Teil)bezug zum hier Gesagten bietet etwa die Fabel von Affe und Spielmann (der Spielmann gibt dem Affen Kleider, legt ihn aber in Ketten und richtet ihn ab); vgl. Dicke 1987, Nr. 26. Zu erinnern ist ferner an den Topos vom Teufel als simia Dei. T 63 kemerer] Zu seinem Kompetenzbereich gehören Aufgaben des Finanz- und Verwaltungswesens und der Rechtsprechung im Kapitel. H 64 eyt] Das Gemeinte ist nicht recht klar: Ist der Zwang durch eidliche Vereinbarungen gemeint? Oder eher (worauf die Fortsetzung in V. 65f. zielt) der Zwang durch Beschwörungen? T 65 Denket … by] Die Übersetzung beruht auf dem Vorschlag Sprengers (1890, S. 131) dunket my dar wunders by. H 67 reyse be nomen] Hier und nachfolgend (V. 72f.) ist nicht ganz klar, ob Satan bereits in Judäa war, bloss unterwegs dorthin oder eben in der Abreise begriffen, als der Ruf Theophils ihn erreichte. Entsprechend hält sich die Übersetzung im Unbestimmten. Anders als in der griechisch-lateinischen Urversion muss sich Theophilus nicht zum Herrscher der Unterwelt verfügen, sondern ein Teufel (freilich nicht Luzifer selber) kommt zu ihm. Dies lässt sich im Rahmen einer Selbsttäuschung des Theophilus (oder einer satanischen Täuschungsstrategie) lesen: Der Teufelsbündner in spe glaubt so, er sei der Herr, der Teufel der Knecht. Im Verlauf der Paktverhandlungen zerfliesst diese Illusion (vgl. etwa H V. 136f., 201-206, 223-226). Eine ähnliche Beobachtung kann auch im ‚Faustbuch‘ gemacht werden. T 67 dur prouenden drey] Sprengers Vorschlag (1890, S. 131), dur in der zu korrigieren, scheint plausibel. Zu erwägen wäre aber vielleicht auch, ob dur soviel wie „teuer, kostbar“ (Lübben 1888, S. 88) meint. H 68 Jŭdea] In S steht Endya (V. 253, 255), in T India (V. 583). Bei Judäa liess sich an den Erzbösewicht Herodes (Agrippa) denken, auch wenn

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dies im heilsgeschichtlichen Rahmen einigermassen anachronistisch war (seinen jämmerlichen Tod berichtet im Anschluss an Flavius Josephus etwa die ‚Legenda aurea‘ im Kapitel zu Petri Kettenfeier: Maggioni 1998, Bd. 2 S. 702f.). H 70-74 De koning … ghe dreuen] Über die Reime und über den Inhalt ergibt sich ein Bezug zur Satanas-Luzifer-Szene im ‚Redentiner Osterspiel‘ (Schottmann 1975, V. 1188-1191); Satan wirft dort Luzifer vor, er habe ihn mit seinem Aufgebot eine gerade aufgestöberte Seele verlieren lassen. Jenseits der reimsprachlich gestifteten Parallele zeigt sich damit eine inhaltliche Topik: der Teufel als nimmermüder (aber oft verhinderter) Seelenfänger. T 70 hunt hursliken] Unverständlich; Hoffmann (1853, S. 64) deutete als „hundeschnell“ (von Lübben 1888, S. 154 mit Fragezeichen übernommen); Petsch (1939/40, S. 49) paraphrasiert mit „hundsföttisch“. Sprenger (1890, S. 131) will zu schantêrliken „schimpflich“ ändern. T 71 scholaster] Leiter der vom Kapitel betriebenen Domschule T 72 wegghen] „bewegen, sich rühren“ (Lübben 1888, S. 568) S 73 Doch schal he an mynen kore wezen] Der Satz macht Schwierigkeiten: Steht an für „an“ (etwa: S V. 16) oder „ohne“ (etwa: S V. 425)? Also: „Theophilus ist in meiner Wahl“? Oder eher: „Theophilus ist ohne meine Stimme“? Der unmittelbare Redekontext (Ablehnung der Vorwürfe gegen Theophilus, Befürwortung der Herrschaft durch ihn, folgende Betonung seiner Kompetenzen als Kleriker) spricht für eine Pro-Stimme, ebenso der weitere Kontext der Szene, in der sich immer ein Ja- mit einem Nein-Votum abwechselt. Wenn doch „eine Versicherung gegen eine ausgesprochene oder gedachte Behauptung“ anzeigt (Schiller 1875, Bd. 1 S. 529), dann zielt der Widerspruch wohl nicht auf V. 72, sondern auf die Rede des 7. Kanonikers, die der Sprechende in V. 69-71 ironisch-distanziert referiert. S 74 He kan beyde scryuen vnde lesen] Es ist unklar, was der Satz im Kontext besagen soll. Ist er ernst gemeint? Oder soll er ein ironisches Licht auf den Sprecher und seine Amtsgenossen werfen, denen bereits das Schreiben und Lesen als ausreichende Qualifikation für die Wahl zum Bischof galt? Dabei geht es im Kontext ohnehin eher um die moralischen Qualitäten des Theophilus. S 76 vorbolghen] zu vorbelgen „auf- und anschwellen“, also: „erregt“, „trotzig“, „stolz“, „aufgeblasen“ (Lübben 1888, S. 491) T 76 sleyn] Hoffmann schlug vor: = slagen; Sprenger (1890, S. 131) weist das als unbelegt zurück und korrigiert zu: cleyn; für Petsch ist der Vers unverständlich. Folgt man Sprenger, bleibt aber der Bezug von nauwe (Lübben 1888, S. 251) undeutlich; je nach grammatischem Bezug ist

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wohl zu verstehen: „in kaum einem Jahr“ oder aber: „in einem Jahr knapp…“. H 78 Satanas] Die Partie über den Inhalt des Paktes und dessen Abschluss mag in H etwa bei V. 251 abgegrenzt werden (entsprechend: S V. 263439, T V. 591-778). Sie bietet eine Reihe reizvoller, aber durch interdisziplinäre Verzweigungen auch schwierige Fragen und Interpretationsperspektiven (vgl. namentlich zu: H V. 93-99, 101f., 140, 171, 209, 229, 233f. und S V. 351, T V. 732). In allen drei Versionen ist pragmatisch gesehen das Grundmuster dasselbe: Zu Beginn liegt die Initiative bei Theophilus, der einen rasch und einfach zu schliessenden Handel wünscht: Gold gegen Seele per Handschlag. Über mehrere Etappen hin erhebt aber Satan jeweils neue inhaltliche und formale Forderungen (bzw. er präzisiert Implizites): Schriftlichkeit (V. 90ff.), Dienstmannschaft mit der Hölle (V. 122ff.), Forderung von Seele u n d Leib (V. 128), Verbot der Fürsprache Dritter (V. 132ff.), Apostasie und Einhaltung der „Gebote der Hölle“ (V. 171ff.). Bis auf zwei Momente (V. 150-155 und 207-212) kann Theophilus immer nur noch reagieren und klein beigeben. Es mag nicht zufällig sein, dass der zweite Versuch, wieder die Initiative an sich zu reissen, die Klausel über Maria betrifft. Von der Vertragsform her überlagern sich zwei Vorstellungen: die des schriftlichen Kontraktes und die der beschworenen mündlichen Vereinbarung. Diese zwei Formen gehören in unterschiedliche Diskurse hinein (Kaufvertrag, Taufgelöbnis). H 79 duresten solt] Geht man von der im Text zunächst unterstellten Logik eines Kaufvertrages aus, so erhebt sich hier aus mittelalterlicher Perspektive das Problem des „gerechten Preises“ (vgl. Kroeschell 1972, Bd. 2 S. 98-100, Zelger 1996, S. 65-67). Das mag in Marias späterer Behauptung, Theophilus sei nicht urteilsfähig gewesen (H V. 647) mitgemeint sein. T 79 thesaureir] Das Wort ist mir bei Schiller und bei Lübben nicht nachweisbar; offenbar bezeichnet es hier den Kanoniker, der für den Domschatz verantwortlich ist. T 79 duelet] zu dullen „sich wie toll benehmen“, „verrückt sein“ (Lübben 1888, S. 88) S 80 jummer schelden] Mit diesem Votum steht – mindestens bei szenischer Realisierung sogleich augenfällig – der Entscheid fest: 6 zu 5 Stimmen, Theophilus ist bei der Wahl durchgefallen. Bevor der Probst aber auch nur das Resultat bestätigen kann, bricht der gescheiterte Kandidat verbal schon die Brücke hinter sich ab und gibt damit jenen Kanonikern recht, die ihn als arrogant und jähzornig charakterisiert hatten. H 81 edele man] Die Berufung auf adlige Herkunft in diesem Kontext erstaunt; sie fehlt an analoger Stelle in S (V. 265) und T (V. 593).

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T 82 De … keren] Sprenger (1890, S. 131) vermutet als Wortlaut der unleserlich gewordenen Stelle: De uns dat unrecht helpe keren „der uns das Unrecht abzuwenden helfe“. S 83-118 Hohn des Nichtgewählten, Streit mit Eskalation bis zum Pfründenentzug S 83 Nu schal my wesen leyde] Petsch (Apparat z.St.) versteht die Stelle als „Beteuerungsformel“ (eher: (milde) Formel der Selbstverwünschung); entsprechend die Übersetzung. T 84 serden] „schädigen“?; auf welcher zusätzlichen Belegbasis die Angabe bei Lübben (1888, S. 345) beruht, bleibt offen (weiter unten, V. 444f. kehrt das Reimpaar wieder; dort serden als Infinitiv, ferner mit anderer Morphologie: V. 574 serdy); die Normalform lautet jedenfalls ohne Dental seren (vgl. auch DWb, Bd. 10 I Sp. 164f.). Dazu kommen zwei weitere Schwierigkeiten: die Erklärung der syntaktischen Fügung und die Semantik (seren bezeichnet durchwegs das Verletzen im konkreten, körperlichen Sinne). Die Übersetzung nimmt an, dass bei serdes (wie auch bei soldes) ein Konjunktiv Präteritum als Ausdruck der Irrealität vorliegt. H 85 na Godes bilde vor eynicheit] zu vorênigen „vereinigen“, „verbinden“ (Lübben 1888, S. 499); also etwa: „gemäss ihrer Gottebenbildlichkeit [mit ihm] vereinigt; vgl. auch S: myt Ghode … vor eynyghet (V. 268); in T (V. 596) ist der Text nicht mehr lesbar. S 85 De wy scholen draghen] Weniger prägnant liesse sich verstehen: „(das ist eine üble Kampfansage), die wir jetzt werden ertragen müssen.“ Man beachte den Übergang in den Pluralis maiestatis. T 86 des haers in dem erse] Der TPMA weist das immerhin sinnmässig benachbarte Sprichwort Nudum culum nullus spoliabit nach (Bd. 8 S. 326). H 87 pant] „Pfand“ war bei der Übersetzung meist zu vermeiden, da sich schon vom heutigen standardsprachlichen Gebrauch her wie namentlich aus rechtsgeschichtlicher Perspektive (vgl. DRW, Bd. 10 Sp. 667684) eine falsche Vorstellung ergeben hätte: Theophilus’ Seele ist nicht eine hinterlegte Sicherheit für eine andere, erst zu erbringende Leistung, sondern die Leistung, die Bezahlung, selber. Manchmal kann pant die Sicherheit, die Theophilus Vertragseinhaltung garantieren soll, bezeichnen, also das schriftliche Dokument. H 89 den winkop an gangen] hier wohl „Wein, mit dessen Trunk man einen Vertrag … bekräftigt“ (Lübben 1888, S. 585), bzw. dann metonymisch der Vertrag selber; S hat lyken kop (V. 272), was Petsch (1908, z.St.) als „gerechter Kauf“ versteht. Wer sich den Spieltext gerne mit theologi-

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schem Hintersinn auflädt, mag an Mt 26,27f. denken; es ergibt sich so das auf Polaritäten beruhende Paradigma „Schwarze Messe“: der Umgang mit dem Dämon wird als spiegelbildliche Verkehrung des christlichen Kultes vorgestellt. – Zur Teufelsversammlung vgl. V. 229. S 89-91 Wo vele … juwen kore] Der Bezug zwischen den zwei Vergleichsgrössen ist sprachlich nicht präzise durchgeführt; genau wäre: „Soviel wie eine Katze sich um die Bisse der Mäuse schert, soviel kümmere ich mich um eure Wahl.“ Fasste man kor als „Wahlversammlung“ (wozu freilich die Wörterbücher keine Handhabe bieten), dann wäre die Vergleichsführung genauer. Offen bleibt auch, ob vele mit můze zu verbinden ist oder als Adverb gefasst werden soll (die Übersetzung rechnet mit Blick auf V. 91) mit Letzterem. Im Hintergrund dürfte ein (allerdings nicht sonderlich breit belegtes) Sprichwort stehen: vgl. TPMA, Bd. 8 S. 153 1.4 Swâ miuse loufent eine katzen an, Unde diu verbizzen wirt, Dâ muoz der miuse sîn gar vil (einziger deutscher Beleg); lat.: Murilegum mures nexuri sint sibi plures; eine Fabel ist bei Dicke 1987 nicht nachgewiesen. H 90f. … doget nicht / … wesen nicht] Der identische Reim könnte auf Probleme bei der Konversion des Spieltextes in eine Lesefassung hindeuten (so Krobisch 1997, S. 138). H 93-99 Des wil wy vns vorseyn…] Hier das Motiv des Paktbruches durch den Menschen; es fehlt in der griechischen und lateinischen Ursprungsversion (Radermacher 1927, S. 58, 166-169, Petsch 1908, Kapitel 4), einen sehr frühen Beleg bietet die ‚Historia Theophili metrica‘ des Marbod von Rennes (um 1100; MPL, Bd. 171 Sp. 1596A; weitere einschlägige Stellen bei Gier 1977, S. 129). Hingegen tritt das Motiv in der Teufelsbündnergeschichte des Proterius auf (Radermacher 1927, S. 126-129). Fragt man nach der Funktionalität dieses Einzelzugs, dann zeigen sich mehrere Aspekte: das potentiell komische Motiv des geprellten Teufels und seine Kehrseite, die Allmacht Gottes, die plausible Begründung einer Verurkundung des Paktes und schliesslich eine Vorausdeutung auf das günstige Ende. H 94 geuen] Mehrdeutige Form (Präsens oder Präteritum), vgl. zu H V. 103 und S V. 275. T 96 gecken] „zum Narren halten“ (Lübben 1888, S. 111) T 97 prebendeir] genaue Bedeutung unklar; Lübben (1888, S. 283) gibt mit zweifelndem Fragezeichen: „praebendator, praebitor (d.h. der die Präbenden austeilende Domherr)?“, vgl. auch Diefenbach 1857, S. 451, wo für prebendarius und prebendator gegenläufige Glossierungen ausgewiesen werden (prouennemer bzw. pfrundgeber). H 98 An den wech to komen] Der Teufel vermeidet es, theologisch genau von „Reue“ und „Busse“ zu reden, sondern begnügt sich mit einer

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wolkigen, ihm weniger anstössigen Ausdrucksweise; explizit äussert er sich zu seiner „Verdrängungsstrategie“ etwa in H V. 177f., 213. Im Übrigen ist „Weg“ eine der vielen Marienmetaphern (vgl. Salzer 1886, S. 540f.; ferner unten, zu H V. 249): im teuflischen „Subtext“ erscheint mithin für den Gläubigen hier schon Maria – dies eine weitere Spielart des Zeugnisgebens des Teufels gegen sich selber (vgl. zu T V. 695). T 98 pouck] „Spiel“ (ironisch) Schiller 1875, Bd. 3 S. 358; Lübben (1888, S. 281) setzt auch „Geschwätz“, „Scherz“ an; wodurch sich „einen hübschen Schwatz hielten“ als Übersetzung anbietet. H 99 Dat] Neben „damit“ wäre auch „so dass“ eine mögliche Übersetzung. T 99 kuckedues] Offenbar ein Hapax; Schiller (1875, Bd. 2 S. 590) bietet die Erklärung Hoffmanns zur Stelle; der rechnet mit einer Zusammensetzung von daus „As“ „höchste Karte“ und von kucke (der Hahn)“, wodurch „nun das Ausgezeichnete in der Untüchtigkeit ausgedrückt [wird]“. Petsch (Apparat) hielt das für „sehr gezwungen“, sah aber keine bessere Alternative. Damköhler (1913, S. 124f.) betrachtete die von Petsch aus sprachgeographischen Gründen verworfene Verknüpfung mit kiken „gucken“ als durchaus angängig und deutete kuckedues als „stolzer, prachtliebender Mann, der sich gern von anderen angaffen und anstaunen lässt und darüber das Beste des Stiftes versäumt“. Das Mnd. HWb (Lasch 1956, Bd. 2,1 Sp. 698) schliesslich setzt „Schreckgespenst“ „böser Geist“ an, dies unter Verweis auf mnl. cocketoys (vgl. Verwijs 1885, Bd. 3 Sp. 1688 und 1693). T 100 queme … to vnsem hues] Mir unverständlich; die Angaben zu präpositionalen Verbindungen von komen bei Schiller (1875, Bd. 2 S. 522) sehr lückenhaft; auch das DWb (Bd. 5 Sp. 1677f.) kennt kommen zu nicht; vielleicht idiomatisch im Sinne von „kommt auf die Rechnung ...“. H 101f. bref … hant feste] Das Motiv eines schriftlich vereinbarten Paktes findet sich bereits in der ältesten griechisch-lateinischen Tradition der Geschichte (Radermacher 1927, S. 168f., Petsch 1908, Kapitel 4). Meersseman hat gezeigt, dass sich hier eine entscheidende Strategie der Erzählung fassen lässt. Indem Maria die Urkunde wiederbeschafft und so ihre Vernichtung ermöglicht, wird sie durch impliziten Rekurs auf Col 2,14 mit einem christologischen Attribut versehen: delens quod adversus [v.l. adversum] nos erat chirographum decreti [v.l. decretis] quod erat contrarium nobis (1963, S. 7). Zu dieser Analogsetzung (nicht: Gleichsetzung!) Mariens mit Christus passt auch das in manchen Versionen, darunter unseren Spielen, entwickelte Motiv des Höllensturms der Gottesmutter. Die wichtige Beobachtung Meerssemans unterstreicht im Übrigen, dass der Scopus der Erzählung an ihrem griechischen Ur-

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sprung bei der Marienverehrung und nicht der Propagierung gewisser Busspraktiken liegt (auch wenn solche im Hintergrund fassbar werden und etwa im Laufe der frühmittelalterlichen Rezeption dann eine Rolle spielen: vgl. auch Geenen 1972, S. 321f. und Pittalunga 2002, S. 304306). – Die scheinbare Doppelspurigkeit – nach der Schuldverzeihung durch Christus muss doch noch die Pakturkunde her – lässt sich auch als Fall einer sakramentalen Repräsentation lesen: So wie das Sakrament zugleich bedeutet und bewirkt, so bedeutet und bewirkt das nunmehr dem Teufel entrissene Dokument des Theophilus Schuldlossprechung. Dies gewiss nicht im Sinn voll entwickelter theologischer Orthodoxie wohl aber analog zu ihrem Konzept des Sakramentes, das durch die Einheit von Repräsentanz und Präsenz charakterisiert ist (vgl. die geläufige Formel: omne sacramentum efficit quod figurat significando, etwa sinngemäss: Thomas von Aquin, Sentenzenkommentar, 4 23d q 1 responsio). Insofern Satan höchsten Wert auf eine materiale Bezeugung der „Konversion“ des Theophilus legt, erweist er sich im übrigen nicht bloss und nicht einzig als ein öder Bürokrat, sondern als gewiefter Theologe. T 102 vent] „Bursche, Geselle, Genosse“ (Lübben 1888, S. 475) H 103 plegen] Es besteht in der IV. und V. Verbklasse vielfach keine graphisch fassbare Differenz zwischen pluralischem Präsens- und Präteritumsablaut: plēgen zu plêgen (Lasch 1914, § 416, 429: vgl. auch Krobisch 1997, S. 40 2.1.4.3; dabei vermerkt Krobisch diese Belege aus dem ‚Theophilus‘ nicht). Ich deute die Form als Präsens (Ausdruck der Allgemeingültigkeit); dafür spricht auch das don in der Wiederaufnahme dieser Ausage durch Theophilus (H V. 147); vgl. im Übrigen V. 94 geuen und S V. 275f. H 103 de besten] Satan appelliert mit einiger Beharrlichkeit an die Eitelkeit seines Gegenübers: vgl. noch H V. 143, 227; ferner Kommentar zu S V. 414. T 103 ruteren] „Wegelagerer“, „Strassenräuber“ (Lübben 1888, S. 312) S 104 duch huden] Formal absonderlich, so in den Wörterbüchern nicht nachgewiesen; der Kontext lässt ein tuchthuder „Hüter der Zucht“ vermuten. H 105f. lesen … Horen] Das von Petsch gesetzte Komma ist entbehrlich; es ergibt sich dann bei Inkaufnahme eines Enjambements eine Zweierformel: alle, die das vorgelesen bekommen, und jene, die den Vertrag selber einsehen; so S V. 288 und T V. 612. Es liegt eine der üblichen Urkundenformeln vor. T 106 vat] „Fass“, doch unklar, was gemeint sein soll. Auch die bei Lübben (1888, S. 470) angeführte Redensart ênem wat int vat heben „jm. etwas gedenken“ hilft hier kaum weiter, ebenso wenig die Versuche frü-

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herer Herausgeber (Hoffmann: vat als „Harnblase“, Sprenger 1890, S. 131: gat „Loch (im Hintern“)). Sollte wat „Gewand, Kutte“ gemeint sein (Lübben 1888, S. 558)? Offen bleibt allerdings, ob Reim a : â möglich wäre. T 107 kuster] hier nicht der dem Laienstand angehörende Kirchendiener, sondern der Kanoniker, der die kirchlichen Gerätschaften betreut (vgl. DRW, Bd. 8 Sp. 222-225). S 108 schonede] „schonen“, „rücksichtsvoll behandeln“, also: „ihr respektiertet eure Regel wenig [d.h. nicht]“ S 108 kore] hier: „(Kanoniker)Regel“ (Lübben 1888, S. 184) T 110 vesen] „Spreu“, „Hülse“, „Hülle“ (Lübben 1888, S. 477), hier als adverbialer Akkusativ zur idiomatischen Verstärkung einer Negation. T 111 mediavyt] ‚Media vita in morte sumus‘ – seit dem 11. Jh. bezeugte Prozessionsantiphon, wurde in der Liturgie vielfältig eingesetzt: im Advent, in der Fastenzeit, am Karsamstag und Ostersonntag, in der Komplet, bei Begräbnissen usw.; vgl. 2VL, Bd. 6 Sp. 271-275. T 113 beruen] = bederve „tüchtig“, „rechtschaffen“ (Lübben 1888, S. 42 und 30) T 113 beruen lude] Eine sprachlich simple Stelle, bei der sich aber die Problematik des stilistischen Registers beim Übersetzen besonders dringlich stellt: In welchem Tonfall spricht ein niederdeutscher Kanoniker – kein realer, sondern eine literarische Kunstfigur obendrein – seine Amtsbrüder an? „Ihr lieben Leute“ etwa weckte von vorneherein schwere, allerdings nicht leicht begründbare Bedenken. Die vorgeschlagene Übersetzung sucht eine unverbindliche Mitte zwischen sehr hemdsärmliger und sehr förmlicher Anrede zu halten. T 114 pantzer] hier (wie auch sonst) neutrum (Lübben 1888, S. 269) H 115 en noch] „genug“ (Lübben 1888, S. 96) H 116 Theophile sprak … de bref myn?] Krobisch (1997, S. 138) sieht in diesem überlangen Vers eine Spur der Umarbeitung des Dramentextes zum Lesetext. S 119-134 Klage des Theophilus H 120 So en hete ek neyn pape] Die Berufung auf das klerikale Ethos mit seiner Verpflichtung zur Wahrhaftigkeit wirkt vor dem Hintergrund von Aussagen wie H V. 6f. oder der Kapitelszene in T doppelbödig. T 120 althenen] al to enen „immerzu“ (Lübben 1888, S. 13) S 122 vngheboren] Zur Verfluchung der Geburtsstunde vgl. zu H V. 18. S 123-130 Ik…] Eine bemerkenswerte Mikrostruktur, formal konstituiert durch vier Reimpaare; die drei ersten jeweils inhaltlich antithetisch

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(früher – heute), das vierte gleich anfangend, doch dann unter gedanklicher und syntaktischer Rückung den letzten Gegensatz („Jetzt bin ich machtlos“) aussparend (als wäre er peinlich auszusprechen) und sich zum Handeln aufraffend. S 124 Nu ga yk vor eyn doren spyl] Unklar; vielleicht ein Idiomatismus: gan vor „gelten als“ („Ich gelte als Narr“); freilich bei Schiller (1875, Bd. 2 S. 9f.) nichts Entsprechendes nachgewiesen (im ‚gehen‘-Artikel des DWb gälte es, die Nadel im Heuhaufen zu suchen). T 124 prouentherer] Pfründner; hier wohl ein schon alter Geistlicher, der sich durch eine (einmalige oder jährlich wiederkehrende) Zuwendung an das Stift ein lebenslängliches Bleiberecht erworben hat (vgl. Lübben 1888, S. 285, Schiller 1875, Bd. 3 S. 381). Die Angabe xviij schilling bezeichnet wohl die jährlichen Aufenthaltskosten; es dürfte sich um eine geringe Summe handeln, worauf schon die in V. 128 vorliegende Solidarisierung des Spreches mit dem Vorredner verweist. Der später sich ergebende Kontrast zu Theophilus, der in Saus und Braus lebt, sollte nicht übersehen werden. H 128 lif vnde de zele] Im Kontext der Auferstehung des Fleisches würde dem Teufel auch Theophilus’ Leib anheim fallen; vgl. die Formulierung in H V. 237-241. Zur Diskussion um die Auferstehung des Leibes vgl. Bynum 1996, S. 226-301. In H und T ergibt sich der Eindruck, als biete Theophilus dem Teufel einzig seine Seele an, müsse dann aber auch den Leib verschreiben (H V. 83, 128; T V. 594, 631), was sich gut in die Dramatik des vom Teufel ständig höher geschraubten Preises einfügt; in S lässt sich diese Differenz hingegen am Text nicht festmachen (dagegen: S V. 211). H 129 des duuel] Lasch verbucht mit Bezug auf unsere Stelle (anders: H V. 740) das Fehlen des Genetiv-s als offenbar reguläre Varianz (1914 § 363 A. 1); eine Korrektur, wie Krobisch (1997, S. 325) sie vornimmt, drängt sich also nicht auf. T 129 verwelighen] „üppig werden“, „übermütig werden“ (Lübben 1888, S. 534) H 130 trost] mariologisches Beiwort, vgl. zu T. V. 632. T 132 betasten] „tastend wonach greifen“ (Lübben 1888, S. 399). Wenn Sprenger (1890, S. 132) die Stelle mit „kosten“ wiedergibt, mag dies lexikalisch nicht falsch sein, doch es verpatzt die rhetorische Pointe: der Fisch war so selten, dass man nicht einmal dazu kam, ein Fischauge zu betasten, geschweige denn, es zu kosten und zu essen. T 133 mendel daghe] „Gründonnerstag“, „Hoher Donnerstag“; Lexer leitet das Wort von dem in der Tagesliturgie rezitierten Christuswort mandatum do hoc vobis... (Io 13,34) her (Lexer 1872, Bd. 1 Sp. 2024, 2098).

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S 135-226 Auftritt des Magiers T 136 stynttis] „Stint“ (vgl. DWb, Bd. 10 II II Sp. 3173); kleiner, billiger Speisefisch, der während der Laichzeit früher in den Flüssen mit einfachen Waschkörben gefangen werden konnte. Oft wird nur der Kopf entfernt; pro Person sind etwa 6 Stücke vorzusehen, intensiver gurkenähnlicher Geruch, ausgebacken im Teig oder gebraten. T 137 prelaten] Der Sprecher akzeptiert also das Wohlstandsgefälle innerhalb der Kapitelsmitglieder und betont, dass es allen schlecht gehe. Erwarten könnte man allerdings auch die Klage, dass es den Prälaten viel besser gehe; das scheint in der Bezugnahme des nächsten Redners unterstellt zu werden (V. 141). T 137 vaker] Komparativ zu vake „oft“ T 138 En] hier nicht das Negationswort, sondern: „ihnen“ H 139 So en deil ik han vor nomen] Das Gemeinte ist im überlieferten Kontext unverständlich; S hat (V. 325; vgl. T V. 640): Also du wol hest vornomen „wie du genau gehört hast“, was hier nicht weiterhilft. Ein wenigstens halbwegs zufrieden stellender Sinn ergibt sich, wenn man V. 138 und 139 in der Abfolge umkehrt und 139 noch auf das Vorausgehende, das redensartlichen Charakter hat, bezieht (so auch Damköhler 1913, S. 124). H 140 Ik will dyn denst man werden] Vgl. auch meyn scop V. 172, to denste en fangen V. 200. Hier stellt sich mit besonderer Deutlichkeit die Frage nach dem Status des Rechtshandels zwischen Theophilus und dem Teufel. Die Verse 79-89 erwecken vorerst den Eindruck, es gehe um einen Kaufvertrag; unsere Stelle hingegen deutet eher auf die Begründung einer personenrechtlichen Beziehung hin. Freilich liegt die Zweideutigkeit in der Sache (und nicht in der Darstellung): Die Seele ist keine Ware, die man verkaufen kann. Bereits der Vorschlag des Theophilus enthält somit die personenrechtliche Komponente, welche Satan in der Folge durch die Forderung nach Dienstmannschaft betont. Geht man einmal davon aus, dann entstehen gleich weitere Fragen: Was genau bedeutet „Dienstmannschaft“ hier? Zielt das Wort auf völlige Unfreiheit? Das eghen (V. 31) scheint dies nahezulegen. Lässt sich das Abkommen zwischen Theophilus und dem Teufel (Geld gegen ungemessene, persönliche Verfügbarkeit im Jenseits) mit dienstrechtlichen Kategorien fassen (vgl. DRW, Bd. 2 Sp. 905-918; HRG, Bd. 2 Sp. 403-406)? Im Übrigen wird, schon im Blick auf den klassischen Hinweis etwa des ‚Sachsenspiegels‘ (Landrecht, 3,42,2) auf die nicht gut systematisierbare Vielfalt der Dienstverhältnisse, die Antwort nicht leicht fallen. Sodann ist jenseits dieser in die Kompetenz der Rechtsgeschichte gehörenden Probleme die Schnittstelle zwischen Rechts-

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wirklichkeit, wie sie das zeitgenössische Publikum vor Augen hatte, und der literarischen Darstellung zu beachten: Die Rechtsterminologie hat in unserem Text jedenfalls einen metaphorischen Charakter (vgl. auch: Texier 1985, S. 27: „l’hommage … constituait un véritable moule à contrat, propre à donner naissance à toutes sortes de liens obligatoires“). Sie lässt sich als Versuch des Klerus lesen, den Laien in deren eigenen Kategorien die Bedeutung des Paktes verständlich zu machen. Im theologischen Diskurs wäre im Sinne der Dekalogtraktate und Beichtspiegel eher von einem Verstoss gegen das Erste Gebot auszugehen: Anbetung einer Kreatur anstelle des Schöpfers, Abfall vom Taufbund. – Noch weitere Perspektiven vermag der Einbezug von ikonographischem Material zu eröffnen. So dürfte etwa die Paktszene in der Miniatur des um 1195 in Nordfrankreich entstandenen ‚Ingeborgpsalters‘ zwei im Alltag disparate Symbole kombinieren: Einerseits bietet Theophilus dem Teufel seine Hände zur lehensrechtlichen immixtio manuum dar, anderseits liegt vor ihm sein abgelegtes altes weisses Kleid, das er gegen ein dunkles getauscht hat: ein Ritus, der von der Ordensprofess her geläufig ist (vgl. die Abbbildung bei Deuchler 1967, Abb. 39, dazu: S. 67-70; der Zyklus im ‚Scheyerner Matutinalbuch‘ bietet dafür keine Entsprechung, vgl. Hauke 1980, S. 61-73, dazu die Abbildung von Bl. 18v). In einer spanischen Bilderhandschrift der ‚Cantigas de Santa Maria‘ erscheint Theophilus mit einer Huldigungsgeste, wie sie offenbar für Spanien, wo aus historischen Gründen das Lehenssystem eine Sonderstellung einnahm, typisch war (Klein 1981, S. 190-196, Abb. 15-18). Noch eine andere Gestik bietet die Pariser Reliefplatte des frühen 14. Jahrhunderts; sie zeigt Theophilus und den Teufel in enger Umarmung (Abbildung 8.1 bei Davis 2002, und dort S. 112 eine Deutung). – Die in den Bildquellen augenfällige Gestik darf zwar für unser Spiel auch vorausgesetzt werden, doch sie wird uns mangels einschlägiger „Regieanweisungen“ in unseren Texten weitgehend vorenthalten (vgl. immerhin: H V. 233 und T V. 722-729, wo uns die Gestik in einer allgemeinen Formel freilich gerade vorenthalten wird); grundlegend zum Ritual der vasallitischen Investitur: Le Goff 1976. – Ein Blick in die nach der PaulusÜbersetzung älteste abendländische Version der Geschichte, das etwa um 950 entstandene hexametrische carmen der Hrotsvitha von Gandersheim, zeigt übrigens, dass dort feudale Rechtsmetaphorik noch fehlt, was seine gute Logik in der Entwicklung der Rechtsgeschichte haben könnte. Der Paktinhalt lautet bei Hrotsvitha: [carta] In qua spirituum testatur velle nigrorum / Esse sub aeternis socius per saecula poenis (V. 127f.). – Was die F u n k t i o n solcher Annäherungen der TheophilusGeschichte an mittelalterliche Alltagspraxis mit Hilfe von anachroni-

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stischen Ausschmückungen betrifft, so gilt die Überlegung von Michael W. Cothren, dass derlei das lehrhafte Potential verstärkt haben dürfte (1984, S. 324, 327). S 140 vornŭmst] Superlativ zu vornomen „vorzüglich“ (Lübben 1888, S. 514) H 141f. Wat du my bust vp erden / Dat do ik nu vnde jummer mere] Die Stelle wirkt verwirrend, weil sie zu suggerieren scheint, es gehe um die aus manchen Pakterzählungen bekannte (schein)adäquate Regelung, wonach der Teufel dem Menschen im Hier dient, dieser aber jenem im Dort. Das dürfte allerdings schwerlich gemeint sein, weil die Antithese zu vp erden fehlt. Gemeint sein könnte vielmehr, dass der Teufel von seinem Lehensmann bereits im irdischen Leben gewisse Verhaltensregeln fordert; dies zeigt auch die Fortsetzung. T 142 vesiken] „Reisesack“, „Beutel“, vgl. Schiller 1875, Bd. 5 S. 694. H 143 Do also eyn here] Der vorerst nicht recht klare Text wird im Licht von S V. 329 und H V. 227 als höhnischer Einwurf des Teufels verständlich. T 143 wroegden] zu wrogen hier: „sich streiten“ (Lübben 1888, S. 597) S 144 vorebat] „fürbass“, „herbei“, vielleicht auch im Sinne des Fortschreitens in einer Aufzählung zu verstehen (vgl. S V. 141): „sodann“ T 146 wylt] Vgl. zu T 148. H 147 Also don sprekestu de beste] Vgl. H V. 103; Petschs schonende Verbesserung erzeugt einen glatten Text; freilich ist der originale Wortlaut (Also du sprekest also de beste) nicht schlechterdings sinnlos: „...einen Vertrag ausstellen ... so wie (so behauptest du es) die Ehrlichsten (es tun)“. Theophilus bezieht sich auf H V. 103. T 147 Dat wy vns dan makeden vil verbolgen] Schliesst syntaktisch an V. 145 an. T 148 sy wilt] „sie wollen“, vgl. Lasch 1914, § 447. H 150 Theophile sprak] Die Angabe ist redundant, da kein Sprecherwechsel stattgefunden hat. T nach 151 vorkeysen] Je nach der Bedeutung von vor-/ver-: Negativierung („verschmähen“) oder Präferenz („vorziehen“); ich verstehe die Stelle im zweiten Sinn; der Probst kann hier seinen Wahlvorschlag einbringen. T 156 weretlike ghebere] „weltlich benehmen“, d.h. „sich in weltlichen Belangen bewegen“ T 159 succentor] „Nachsänger“, bei Isidor (‚Etymologiae‘ 7,12,27: Succentor autem, qui subsequenter canendo respondet.); bei Diefenbach 1857, S. 653 glossiert mit: vndersinger, bassist. H 160 waghen] Hier wohl: wegen (tr.) „bewegen“, „bewirken“, „veranlassen“ (Lübben 1888, S. 567f.) T 163 kerne] „Kern“ (Lübben 1888, S. 172), hier wohl: „Inbegriff“

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S 163-165 weldych … komen] Die Formulierung macht besonders deutlich, was der Pakt a u c h impliziert: dass nämlich Gott die Verfügung über die rechtlicherweise ihm gehörende Menschenseele entzogen wird. T 163f. kleresye … ruterye] Es erscheint das bekannte Gegensatzpaar von miles et clericus; dass einer nun in sich so gegensätzliche Vorzüge vereinigt, könnte hier, obwohl von der Figur ernst gemeint, ironisch gelesen werden. T 164 tacke] „Ast“, übertragen: „tüchtiger Kerl“, manchmal auch ironisch (Lübben 1888, S. 398) H 165 vnghe boren] Zur Verfluchung der Geburtsstunde vgl. zu H V. 18. T 165 vnvorvart] zu vorvêren „in Schrecken setzen“ (Lübben 1888, S. 531) H 166 blak horne] „Tintenbehälter (aus einem Tierhorn)“; vgl. zu S V. 351. – Es besteht Dreireim mit V. 164 und 165. T 166 Vor herlicheit hey nicht en spart] Das Gemeinte ist nicht recht klar: „an herrschaftlichem Auftreten lässt er es nicht fehlen“? Das passte gut in den Kontext, doch spricht zweierlei dagegen: die nicht belegbare Verbindung von sparen mit einem solchen Abstraktum (vgl. Schiller 1875, Bd. 4 Sp. 304f., DWb, Bd. 10,I, v.a. Sp. 1925, 1927-1929), auch ist die so wohl unumgängliche Ansetzung eines nicht belegten Substantivs vorherlicheit bedenklich. Damit scheint sich das vorgeschlagene Verständnis von sparen im üblichen ökonomischen Sinne aufzudrängen, auch wenn das in den Tenor der ganzen Verhandlung – das Stift hat keine Mittel – wenig passt: Die Figur braucht sich nicht an diese Logik zu halten (vgl. zudem: V. 168)! T 168 deger] „völlig“, „ganz“ (Lübben 1888, S. 75) H 171 Er du scriuen be gunnest] Bevor die im Dialog mehrmals angekündigte Vertragsausfertigung beginnt, tritt nun also nochmals eine Verzögerung ein, diesmal durch Satan, der umständlich die Vertragsklauseln erneut formuliert und darüber hinaus eine „Ethik des Bösen“ skizziert. Die rituellen Formen des schriftlichen und mündlichen Vertrags überlagern sich hier, und der Stückeschreiber kann dem Publikum nochmals die Ungeheuerlichkeit dessen, was Theophilus hier vereinbart, vorführen. Ausserdem mag man sich vorstellen, dass die Beschaffung der Schreibutensilien doch etwas Zeit in Anspruch nahm. – Bei Rutebeuf erscheint eine inhaltlich vergleichbare Stelle erst nach dem Paktschluss (V. 256-284); situationsgemäss ist sie also auf eine Konkretisierung der Verhaltensweisen, die der Teufel von Theophilus nun erwartet, zugespitzt; manche Interpreten sahen dabei eine Analogie zu den Zehn Geboten (Faral 1959f., Bd. 2 S. 189 Kommentar z.St. (mit Hinweis auf die belegbaren „Zehn Gebote des Antichrist“), Dufournet 1987, S. 90). Im Übrigen führt Rutebeuf dann auch Theophils im Zeichen dieser Gegenmoral geändertes Verhalten gegenüber an-

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dern Menschen vor (Dufournet 1987, S. 21). – Zu bedenken bleibt ferner, dass die Apostasie, der Glaubensabfall, den Theophilus mit dem Pakt vollzieht, eine umfassende Absage an den Glauben (und nicht nur die punktuelle Leugnung von Teilaspekten desselben) voraussetzt. Diese Totalität wird hier dargestellt. H 172 meyn scop] „Gemeinschaft“ (Lübben 1888, S. 225, Schiller 1875, Bd. 3 S. 71, Lasch 1956, Bd. 2,1 Sp. 957). Der Artikel im DRW (Bd. 9 Sp. 460f.) zeigt das weite Bedeutungsspektrum des Wortes: „“Vermögensgemeinschaft“ – „Teilhaberschaft, Handels- und Betriebsgemeinschaft“ – „Mitgliedschaft“ – „geschlechtliche Gemeinschaft“ – „Mittäterschaft“ – „Umgang mit Gebannten oder anderen Personen, die die Gemeinschaft schädigen“. T 176 to schotte brechte] Hoffmann (1853, S. 76) erklärt: „schosspflichtig, tributär machen“ (wobei schot „Vermögenssteuer“, vgl. Lübben 1888, S. 333); indessen bleiben Zweifel, ob damit die Bedeutung dieser offenbar idiomatischen Wendung richtig erfasst ist; vielleicht: „zu Schuss bringen“ (d.h. „überwältigen“)? S 177 ryker] Vgl. unten, zu T V. 708. H 178 nicht nomen mot] Denkbar wäre auch: („sie ist so mächtig und gütig, dass ich sie) nicht nennen muss/werde.“ Bei dieser Verstehensvariante verdeckte der Teufel elegant seine Unlust, Maria beim Namen zu nennen; zu den Beschwerden, die der Name ihm verursacht vgl. H V. 213. T 178 Dat hey al rede were ynne wert] Ist mir nicht recht verständlich; evtl. idiomatisch: ynne wert syn „drinnen sein“ (d.h. „gewählt sein“)? al rede = „allbereits“, „schon“ (Lübben 1888, S. 12). T 179 presencioneir] Die presencie ist die „Geldzahlung für Mitwirkung beim Chordienst“ (Schiller 1875, Bd. 3 S. 237). Da in manchen Stiften die Teilnahme der Kanoniker am täglichen Chorgebet mangelhaft war, ging man vielerorts dazu über, die Einnahmen aus den Pfründen täglich und in Abhängigkeit von der Präsenz beim Chorgebet zu verteilen; der presencioneir (in lat. Quellen: punctator) besorgt die damit anfallenden Aufgaben, namentlich auch die Anwesenheitskontrollen; vgl. DDC, Bd. 3 Sp. 556-560. H 181f. vor saken … aller guden lute] Mit dem Pakt schliesst sich Theophilus aus der Gemeinschaft der Gläubigen aus. Auch bei Faust hat man „soziale Bindungslosigkeit“ diagnostiziert (Müller 1986, S. 588). T 181f. vor vnde nae / scheyn] Petschs Interpunktion bezieht offenbar vor vnde nae auf weit und versteht „früher und später“ als „immer“ (der Sprecher kennt „seit je“ den schlechten Ruf des Theophilus). Liesse sich (wozu die Wörterbücher allerdings keine Handhabe bieten) vor

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vnde nae idiomatisch als „früher oder später“ fassen, dann wäre die Adverbialgruppe auch auf scheyn („geschehen“) beziehbar. H 184 Sunnen man der sterne schin] Der Teufel zwingt zur Absage an die ganze Schöpfung, insofern diese Werk seines Feindes ist (zur Schönheit dieser Schöpfung vgl. S V. 371); zudem wird Theophilus bei einem Höllenaufenthalt die Himmelsleuchten nicht mehr sehen. S 184 It was recht edder war] So scheint mir der Satz sinnlos; die Übersetzung rechnet mit einer ausgefallenen Negation im ersten Teil der Alternative. Denkbar wäre auch, dass das edder des vorangehenden Verses hier ein korrektes vnd verdrängt hat. T 185 tom eye] Unklar; Petsch (1908, Apparat) erwägt, ob ey = „Abgabe“; Sprenger (1890, S. 132) korrigiert zu: to weie (= to wege) „zustande“. Ich vermute: ewe „aevum“, „Weltzeit“, „irdische Zeit“ (Lübben 1888, S. 107); der Sprecher stellt in rhetorischer Übertreibung einen Tag und die ganze irdische Zeit einander gegenüber. H 185f. dyngk / Deme] Petsch (vgl. Apparat) streicht hier einen ganzen Vers, der als Dublette von H V. 180 anmutet. Damköhler (1913, S. 124) sieht als zusätzliches Argument für diese Athetese die Beobachtung, dass die im gestrichenen Vers auftretende Form hemel für H atypisch ist. T 186 enthengen] „dispensieren“ (Lübben 1888, S. 97); unklar scheint freilich, an welche Verpflichtungen speziell gedacht ist. T 188 borgen] Hier ist wohl gemeint, dass Theophilus dem Stift kein Darlehen geben könnte, weil er selber alle seine Mittel ausgibt. H 189 scholt neyn cruce vor dy legen] Mit Hoffmann von Fallersleben liesse sich umstellen zu: scholt di vor neyn cruce legen „sollst dich vor keinem Kreuz zu Boden werfen“; vgl. auch S V. 376. Der Kontext mit liturgischen Bezügen lässt hingegen vermuten, dass hier der Gestus des Bekreuzigens gemeint sein könnte. Die Übersetzung bleibt so absichtlich im Unverbindlichen. T 190 Vnde brecht vns tytliken vust in pranck] Schwer verständlich; liegt vûst „Faust“ (idiomatisch: „bringt unsere Fäuste in einen Kampf“?) oder vuste „sogleich“, „durchaus“ vor? – pranck „Kampf“ (Lübben 1888, S. 283) S 191 Noch dar an dat yk hope] Hoffmann (1854, z. St.) konjiziert Unde nochtant so ich hope („… und weiterhin besitze, wie ich hoffe.“). Petsch (1908, z.St.) findet das nicht „überzeugend“, ohne freilich etwas Besseres bieten zu können. T 193 ebdomedeir] „Wochner“, „hebdomadarius“ (jener, der ein Wochenamt im Kloster verrichtet), vgl. DWb, Bd. 14 II Sp. 961f. S 194 vordrot my syngghen vnde lezen] Vgl. S V. 986. Der Satz steht vorerst seltsam inkohärent im Kontext; soll man verstehen: „Ich hatte ein

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Herr sein können, da nahm man mir meine Pfründe weg; da widerten mich Gottesdienst und lectio divina an”? Erst durch das ferne Echo am Spielschluss, wo Theophilus das nicht enden sollende Lob Marias anstimmt, rückt der Vers in einen Zusammenhang (so auch in H V. 16 und 742f.). Bei näherem Zusehen wird leicht eine „theologische Sprachlehre“ in bonam et malam partem erkennbar: Sündenbekenntnis, Schweigen bei der Verkündigung (Regiebemerkung nach S V. 541), Gotteslob einerseits, Beschwören des Dämons und Verlust des Heiles in wortreichem Feilschen mit dem Teufel anderseits (vgl. vor redet S V. 979). Vielfach erscheint dabei das Wort selbstverständlich in der doppelten medialen Dimension des Sprechens und Schreibens. – Der Verdruss am Singen verweist schliesslich auf die MelancholieThematik, die auch Faust, dem „neuzeitlichen Theophilus“, nicht fremd ist: Der Sünder mag in seiner Trauer das Gotteslob nicht anstimmen. T 194 licht] „leicht“, „leichtsinnig“ (Lübben 1888, S. 205); dabei meint der Sprecher diese für Theophilus negative Qualifikation nicht wörtlich, sondern bezieht sich ironisch auf die Aussage des Vorredners (V. 184f.), um dann zum Schluss zu kommen, dass er seine Stimme Theophilus als dem besten Kandidaten gibt. H 196 almissen … snyden] Das mnd. HWb setzt als eine mögliche Bedeutung für almissen „Scheibe Brot“, die elementarste Form eines Almosens, an, woher dann das „schneiden“ hier sogleich verständlich wird. S 197 He duet my so grote vnghelaghe] Wer ist mit he gemeint (hier und in V. 199)? Gott? In diesem Falle würde eine gewisse Auflehnung des Helden gegen Gott fassbar – ein Zug, der bei Rutebeuf (im Eingangsmonolog) viel stärker entwickelt ist. Allerdings wird bei dieser Annahme die Fortsetzung des Gedankens unlogisch: Gott als Schuldiger und zugleich als Richter? Die andere denkbare Referenzgrösse liefert V. 195 mit eynen anderen: der anstelle Theophils gewählte neue Bischof (vgl. dazu die Fassung T V. 279ff.). T 198 roeden] Der maskuline Artikel spricht eher für die Ansetzung von rode „grosser Hund“, „Rüde“ als für rôde „Rute“ (vgl. Lübben 1888, S. 304). Das Gemeinte lässt sich durch den Kontext vermuten: dem Angesprochenen wird die Anzettelung von Streitigkeiten vorgeworfen; die wahrscheinlich vorliegende Redensart ist mir aber nicht identifizier- und belegbar (was bei der Reichhaltigkeit der Sammlungen etwa im TPMA etwas heissen will). Hoffmann (z.St.) dachte an: „Hundehaare darunter geben“, wofür es neuzeitliche Belege gibt: vgl. Wander 1867, Bd. 2 Sp. 900 oder Röhrich 1973, Bd. 1 S. 455. T 199 ampels] „strampeln“ (Lübbe 1888, S. 15)

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H 202 mistrosteten] Gemeint ist wohl: jenen, die keine andere Wahl haben, kann man harte Bedingungen diktieren; trost bezeichnet in konkretisierendem Gebrauch auch „Helfer“. Theophilus steht jetzt ohne Patron da, ist also sehr schwach; entsprechend auch Sprenger (1890, S. 136 mit der Lesung mistrosteren). Inwiefern dies „schief“ sein soll (so Petsch 1908 im Apparat z.St.) ist mir nicht klar. T 202 zunte Nicolaus auent] Zum reichen Brauchtum des Nikolausfest (an dem jedenfalls immer in Darstellung des Heiligen, der ja Bischof von Myra war, einer im Spiel für einen Tag Bischof wurde, was die Pointe in unserem Text abgibt) vgl. HDA 1927, Bd. 6 Sp. 1086-1107. H 203 misse ghe vallen] Vgl. S V. 390; „missfallen“ oder „schlecht herauskommen“, „fehlschlagen“ (Lübben 1888, S. 323, Lasch 1956, Bd. 2,1 Sp. 991); Schiller (1875, Bd. 3 S. 103) belegt allerdings nur die zweite Bedeutung; hd. gilt hingegen die erste ausschliesslich (DWb, Bd. 6 Sp. 2283f.). Die Übersetzung in H und S divergiert absichtlich. S 204 krŭen] = krôn „Kranich“ (Lübben 1888, S. 190); das tertium comparationis ist nicht eindeutig (vielleicht gewollt vieldeutig): Einmal erscheint der Kranich in der Tradition als schlecht zu Fuss bzw. als träge; dazu: TPMA, Bd. 7 S. 173 (dafür allerdings nur wenige französische Belege: Alons, alons, ce dit la grue, De tout lou jour ne se remue), ferner: Bote, ‚De Köker‘, V. 1402f. De dâr hüppen geyt sô de krôn up der sât, / De möt den strede [Schritt] wol bewaren. Es gibt ferner eine Fabeltradition, wonach der Kranich wegen seiner Unreinheit das Land verlassen will; da erklärt ihm ein anderer Vogel, das sei sinnlos, da er sein Hinterteil mitnehme (Dicke 1987, Nr. 489). Ob nun auf den mühsamen Gang oder die äussere Unansehnlichkeit und Schmutzigkeit (dies die entscheidende proprietas in der Fabel von Kranich und Pfau, Dicke 1987, Nr. 362) abgehoben wird, so darf die Höhe des Kranichfluges als implizite Pointe in Theophilus’ Aussage nicht übersehen werden. S 205 Dat my swarlyken ys to draghen] Der syntaktische Anschluss ist unklar; bezieht sich der Satz auf das Kranichhafte oder auf die von Theophilus in V. 203 angekündigte Tat? H 207 sunder leyden] Wohl zu lêde, leide „Schmerz“ „Angst“, hier situationsgemäss: „ohne Bedenken“; Satan wird im Gegensatz dazu gerade solche Vorbehalte empfinden. S 208 duuel hyr so nar] Zur Nähe der Dämonen vgl. zu T V. 392. T 208 vlye] reflexiv gebraucht: „zuwenden“, „sich jm. anschliessen“ (Lübben 1888, S. 484f.) H 209 Maria] Es beginnt der Streit um eine Sonderklausel bezüglich der Verehrung Mariens durch den Teufelsbündner. – Die eigens geforderte Absage an Maria gehört bereits in die griechische Urfassung hinein (Radermacher 1927, S. 166f.), gelangt von da über die lateinische Ver-

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sion des Paulus (Petsch 1908, Kapitel 4) in die abendländische Traditionslinie der Geschichte. Noch liegt dort allerdings auf diesem Punkt freilich nicht die Emphase späterer Texte, denn der Dämon erhebt die Forderung nach Absage an Christus und an Maria in einem Atemzug, und Theophilus stimmt beidem diskussionslos zu. Erzähllogisch entspricht dieser Einzelzug der nachher herausragenden Rolle Marias bei der Rettung des Theophilus. Frömmigkeitsgeschichtlich und textfunktional gesehen, ergibt sich aus beiden Momenten die später zwar dominante, aber nicht ausschliessliche Verwendung des Textes in mariologischen Kontexten (etwa als Mirakelanhang für eine Marienvita). Dieser Schritt ist bereits beim frühen Beleg aus der Predigt des Fulbert von Chartres zu Mariä Geburt vollzogen (um 1000; vgl. MPL, Bd. 141 Sp. 323B-324A); vgl. Gier 1977, S. 337-343; ferner: Kommentar zu V. 101f. Wie nicht selten ist der Teufel ein guter Theologe: die enge Verbindung von Christus und Maria ist charakteristisch für die im Frühmittelalter einsetzende Diskussion um Maria als mediatrix (vgl. Bäumer 1988, Bd. 4 S. 487-493, bes. 488, ferner: Bd. 6 S. 388f.). Indem der Dämon allerdings von sich aus die herausragende Stellung Mariens betont, legt er zugleich den Grund dafür, dass ihm die Seele des Theophilus dann doch entgeht. S 210 Syn eyghen wolde yk werden] Versdublette zu S V. 212: Syn eyghen wolde yk blyuen; vgl. zu H V. 603f. H 213 O wy dat sote wort] In H V. 209 steht der Name Marias reimlos am Versende, in der Parallele S V. 394f. erscheint ein gezwungener Reim. Beides mag als Ausdruck der Belästigung, die dem feinen Gehör des Teufels zugefügt wird, gedeutet werden. – Der Inquisitor Institoris berichtet, dass anlässlich des Sabbats Maria vom Teufel und seinesgleichen verhüllend und despektierlich zugleich extensa mulier („dicke Frau“) genannt werde; vgl. das vollständige Zitat hier unten zu H V. 229. – Im Jesuitendrama von 1596 meidet der Teufel den verhassten Namen, indem er ihn bei der Paktabfassung nur buchstabiert (Rädle 1979, S. 478f.). Vgl. zu S V. 421 und T 695. H 214 Dat hebbe ik van dy vnsachte hort] Kaum hat Satan diskret angedeutet, dass er den Namen Marias lieber nicht hören möchte (V. 178), tritt Theophilus ins Fettnäpfchen. T 216 willens] Verbform mit angehängter Genitivendung des sächlichen Personalpronomens (abhängig von verlaten) H 226 Dyn wille scal an my scheyn] Die Paternoster-Bitte wird ins Blasphemische gewendet.

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S 227-240 Herbeirufung Satans H 227 Du sprekest also eyn here] Vgl. H V. 143, dazu Kommentar bei S V. 414. H 228 Ik en sculdeghe dy nu nicht mere] Wohl mehrdeutig verstehbar: entweder en sculdeghe als Variante von entschuldigen (Lübben 1888, S. 99): „ich entschuldige dich nicht weiter [gemeint: von der Notwendigkeit, nun den Vertrag zu unterzeichnen]“ oder als proklitische (pleonastische) Negation im Verbund mit schuldige „ich fordere nichts mehr weiter von dir [mit Bezug auf die Abschwörung Mariens]“. Jedenfalls markiert Satan hier einen Übergang in den Verhandlungen: die Bedingungen sind klargestellt und akzeptiert, nun kann zur förmlichen Ausstellung des Vertrags geschritten werden; vgl. auch zu S V. 415. H 229 Nu scaltu don wat ik dy hete] Es beginnt die Paktszene im eigentlichen Sinne. Nach der Terminologie der Inquisition handelt es sich um einen „privaten“ Pakt, da er nicht im Rahmen einer Massenversammlung von Teufelsanhängern geschlossen wird. Ein Ausschnitt aus dem ‚Malleus maleficarum‘ von 1487 mag illustrieren, wie man sich den Teufelspakt der Hexen dachte. Modus autem profitendi duplex est. Unus solennis per simile ad votum solenne, alius priuatus, qui seorsum demoni quacunque hora fieri potest. Solennis [modus] inter eos fit vbi malefice in certam concionem statuto die veniunt et demonem in assumpta effigie vident hominis, qui dum super seruanda sibi fidelitate cum temporalium prosperitate et longitudine vite hortatur, ille que assunt nouiciam suscipiendam sibi comendant et demon, si de abneganda fide et cultu christianissimo et de extensa muliere, sic enim et beatissimam virginem Mariam nuncupant. et de sacramentis nunquam venerandis inuenerit nouiciam seu discipulum voluntarium, tunc demon manum extendit et viceuersa discipulus seu nouicia stipulata manu illa seruare promittit. Et demon habitis illis promissis statim subiungit hec non sufficere, et vbi discipulus quenam vlterius sint facienda inquirit, demon homagium petit, quod continet, vt in anima et corpore sibi eternaliter pertineat et pro posse alios quoscumque vtriusque sexus sibi associare velit. Adiungit denique vt certa vnguenta ex ossibus et membris puerorum et precipue renatorum fonte baptismatis sibi conficiant [lies : conficiat] per que cunctas suas voluntates explere cum sua assistentia poterit. (II, I, 2; Schnyder 1991, 96Cf., Übersetzung bei Behringer 2000, S. 373; zum privat geschlossenen Pakt vgl. Schnyder 1991, S. 98B, Behringer 2000, S. 377f.) In der ältesten Überlieferungsformation unserer Geschichte ist ebenfalls von einer öffentlichen Versammlung des Dämons die Rede (Radermacher 1927, S. 166-169; ferner Petsch 1908, Kapitel 4); die weitere Entwicklung dieses Zuges in den Theophilus-Versionen bleibt zu prüfen. Dieses noch von Vorstellungen des urban geprägten spätantiken Christentums bestimmte concilium steht bei gleicher typologischer Grundstruk-

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tur (die Teufelsanhänger als Gegenmodell zur communio sanctorum) doch deutlich ab vom ländlichen Sabbat, wie ihn einschlägige Quellen des westlichen Alpenraumes ab etwa 1440 zu überliefern beginnen. Vermutlich waren diese Sabbatvorstellungen Verfasser, Bearbeitern und Publikum des niederdeutschen Spieles noch unbekannt; zur Genese des Hexensabbats vgl. Ostorero 1999. – Zur Teufelsbeschwörung vgl. oben, bei H V. 42-55. – Eine Literaturgeschichte des Theophilus-Paktes, seine feudalrechtliche Analyse und mögliche Verbindungen zum Dr. Faustus wollte van Nuffel in seinem Aufsatz vorlegen (1966, S. 29), allerdings resultierte einzig eine mit massenhaften Zitierfehlern behaftete, kaum schlüssige, methodisch ungesicherte Parallelensammlung. Elementare Informationen zur Paktvorstellung im Rahmen der frühneuzeitlichen Hexenverfolgung gibt Robbins 1959, S. 369-379; zu „realen“ Pakten aus dieser Epoche vgl.: Freud 1923, Pickl 1987, Williams 2003, Schäfer 2005. S 230 myt der spot] „eilig“ (Lübben 1888, S. 370) T 230 komdes] = komet des T 230 roeckloes] „sorglos“, „unbekümmert“ auch: „sofort“, „plötzlich“ (Lübben 1888, S. 305) T 232 neyn bisscop wesen wel] Die Ablehnung des Bischofsamtes durch Theophilus war für mittelalterliche Begriffe ambivalent. Zwei Kapitel im ersten Teil der ‚Regula pastoralis‘ Gregors des Grossen beleuchten diesen Sachverhalt. Gregor mustert verschiedene analoge Fälle aus dem AT und dem NT und unterscheidet dort jene, die durch alle Tugenden ausgezeichnet, das Amt dennoch ablehnen, weil sie eigensüchtig nur zu ihrem eigenen Wohl die Ruhe der Beschauung erstreben und den Dienst an der Gemeinschaft verweigern (secretum quietis diligunt, secessum speculationis appetunt) und jene, die aus reiner Demut dem Amt widerstreben (ex sola humilitate refugiunt). Den Unterschied zwischen verwerflicher Eigensucht und löblicher Demut macht das hartnäckige Beharren in der Ablehnung. Denn wer die Stimme Gottes in der angetragenen Wahl hört, wird schliesslich diesem Ruf, wenn auch ungern, Folge leisten (invitus oboedire); vgl. MPL, Bd. 77 Sp. 18B-21A, Übersetzung bei Funk 1933, S. 72-76). – Anderseits gehörte die Ablehnung einer erfolgten Wahl und der vielgestaltige Widerstand gegen die Amtseinsetzung zur Topik der Vita von Kirchenmännern (und war wohl auch ein Ritual in der Realität); vgl. unten, zu T V. 268, ferner: MGH AA, Bd. 4,2 S. 30 (Albinus von Angers); MGH S. rer. Merov., Bd. 1,1 S. 481 (Gregor I.), MGH S. rer. Merov., Bd. 4 S. 303 (Bischof Johannes von Konstanz); MGH SS, Bd. 4 S. 616 (hl. Nilus); S. 834 (Burchard von Worms); MGH SS, Bd. 15,1 S. 345 Kap. 6 (hl. Friedrich von Utrecht); Bd. 15,2 S. 690 (Kaddroa, Abt von Waulsort). Aus dem 13. Jh.

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bekannt ist der Fall Coelestins V.; Dante versetzt ihn wegen des Amtsverzichts (freilich ohne namentliche Nennung) ins Inferno zu den Kleinmütigen: che fece per viltade il gran rifiuto (Inferno 3,59). – Als weitere Ebene neben der Moral ist die rechtliche Seite eines Amtsverzichtes zu berücksichtigen; vgl. hierzu: LdM, Bd. 1 Sp. 560 (wobei die Differenz zwischen Verzicht auf ein bereits innegehabtes Amt und Verzicht vor Amtsantritt wohl zu beachten bliebe). H 233f. So tret … sprek] Der Text belegt, dass hier (wie in S V. 418-421) Verse ausgefallen sind; T (V. 732-740) bietet das, was man bei szenischer Umsetzung des Handlungsvorwurfes erwarten muss: Der Satan spricht Vers für Vers die Paktformel vor und Theophilus spricht sie nach. Die Textvariante illustriert die bereits in der materialen Überlieferung sichtbare Funktionsdifferenz zwischen den Lesetexten H und S (im Rahmen von Sammelhandschriften) einerseits und dem „Bühnenmanuskript“ T anderseits. – Plenzat (1926, S. 165f.) sieht in S V. 422425 den Versuch, die Lücke in H auszufüllen. T 236 marot] „Narrheit“, „Marotte“ (Lübben 1888, S. 220) T 238 vadder spyl] „Nepotismus“ (Lübben 1888, S. 466) H 239 seyn] Die von Krobisch (1997, S. 328, Apparat) vorgeschlagene Verbesserung dieser 1. Sgl. Präs. Ind. zu seyn ist überflüssig: vgl. Lasch 1914, § 418 („-n findet sich in verben aller klassen manchmal in westlich gefärbten texten“). T 240 tom ersten keren] Die Narrheit des Theophilus ist also eine doppelte: Ablehnung der Wahl und Versuch, auf die Wahlbehörde zu Gunsten eines Verwandten Einfluss zu nehmen. S 241-439 Aushandlung und Abschluss des Paktes mit Satan H 242-251 Do her…] Die unverhohlene Genugtuung Satans bei Vertragsabschluss kontrastiert mit der erheblichen Unlust, die er bei der gewaltsamen Vertragsauflösung durch Maria zu ertragen hat (vgl. Kommentar zu H V. 636 und 707). T 242 mit kyderen syt gut doen] Unklar; ich verstehe: … sy it gut (ge)doen. nach H 245 to hant] Zweideutig; übertragen: „sofort“ oder unmetaphorisch: „zur Hand“; für beide Auffassungen liefert der Kontext Argumente: Satan hat es eilig, Theophilus die Urkunde abzunehmen (vgl. den Imperativ V. 242), bzw. er wiegt selbstzufrieden die Urkunde in seiner Hand (V. 247-251). S 246 Beyde ghut vnde quat] Gott als Schöpfer des Bösen – eine Formulierung, die, wenn beim Wort genommen, jeden mittelalterlichen (und modernen) Theologen zu heftigem Widerspruch veranlassen muss(te).

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Auch als Figurenrede des Teufels wirkt sie wenig plausibel. Die Stelle wirft deutlicher als andere die Frage auf, wieweit man volkssprachliche Spieltexte für theologisch präzise Aussagen beanspruchen kann. H 246f. He nam den bref to hant / Do sprak he] In H ist dies eine der ganz wenigen (vgl. noch H nach V. 309) Bühnenanweisungen, die über eine blosse Sprecherbezeichnung hinausgehen. Im Vergleich mit dem gleichen szenischen Moment in T 771a werden die typischen Differenzen zwischen Lesefassung und Spielfassung plastisch deutlich (vgl. Bergmann 1985, S. 315f.). S 247 erdeschop] Anscheinend ein Hapax; Schiller (1875, Bd. 2 S. 716) gibt dafür „die irdischen Dinge“. S 248 dop] „Topf“, „rundes Behältnis“ (Lübben 1888, S. 81); das Gemeinte ist allerdings nicht recht klar. Wirft der Teufel den Menschen vor, dass sie die Schöpfung Gottes geringschätzen und ihre Begehrlichkeit auf Verbotenes richten? H 249 ouer bruge vnde ouer stech] „Brücke und Steg“ ist auch einer der Beinamen Mariens (vgl. H V. 461); aus dieser Perspektive bekommen Satans siegessichere Worte einen ironischen, ihm nicht bewussten Hintersinn (vgl. zu H V. 98). H 252-309 Das Weltleben des Theophilus H 256 baldekin] „Seidenstoff aus Baldac (Bagdad)“ T 256 de houede to samen steken] „die Köpfe zusammen stecken“ nach T 256 Hyr steken se …secht aldus] Das Spiel geht hier momentan in die Pantomime über. nach T 256 vorramet] „sich entscheiden für (up)“ (Lübben 1888, S. 516) nach T 256 torne] Ukena liest die Stelle als – schliesslich erfolgreichen – Manipulationsversuch des Probstes, der selber Bischof werden wolle (1975, S. 175f.). S 260 Dynes edes worde] „die Worte deiner Beschwörung“ S 261 moste] Gibt man dem Wort Gewicht, so eröffnen sich unterschiedliche Perspektiven auf das Verhältnis zwischen dem Beschwörenden und dem Teufel. Findet sich hier eine Bestätigung für die Macht des Beschwörers über den Teufel? Oder erweist sich hier eher die Lügenhaftigkeit des Dämons, der seinem Gegenüber schmeichlerisch dessen Macht vorgaukelt, während er, der Teufel, dran ist, seine Netze auszuspannen? S 264 duren solt] Die Satzfügung lässt hier eher einen Superlativ erwarten: „den höchsten Preis, den ich dir anbieten kann“.

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T 266 krut vnd wyn] Hoffmann (1853, S. 41) dachte im Anschluss an Grimms „Rechtsaltertümer“ an die Überreichung eines ausgeschnittenen Rasenstückes, das den Grundbesitz eines Bischofs andeutete. Woeste (1871, S. 357) verstand als „wein und gewürz (zimmt)“ und schloss Hoffmanns Erklärung wegen der Ausdrucksweise (schenken) aus. Sprenger (1890, S. 132) glossierte mit: „Confect und Wein“. nach T 268 en quanses] „zum Schein“; offenbar wird ein Ritual, bei dem der Gewählte sich zum Schein wehrt, abgewickelt (vgl. oben, zu T V. 232). – Ukena sieht hier allerdings einzig „geheuchelte Bescheidenheit“ des Probstes, der es von vorneherein auf die Wahl abgesehen habe, entsprechend handle es sich hier um eine „Pervertierung des zum Motivbestand der Legenden vom Leben heiliger Bischöfe gehörigen Motivs der aus vorbildhafter Demutsgesinnung zunächst verweigerten Amtsannahme“ (1975, S. 175). Ein Argument zur Erhärtung dieser Deutung steht aus. H 269 Myn lif wil ik be waren] Das Gemeinte ist nicht recht deutlich; S V. 469 hat: vor sorghent wylle wy vns bewaren. T 270 verstaen] „vorstehen“, „verwalten“; der Gebrauch des Genetivs ist auffällig, wird aber bei Schiller (1875, Bd. 5 S. 458) neben unserer Stelle mindestens noch einmal belegt. T 272 rides] Ein schwieriger Fall; Hoffmann las rades vil, was für das Verständnis problemlos, aber paläographisch ganz unmöglich ist. Sprenger bietet nichts; Petsch dachte bei seinem kommentarlosen Verweis auf V. 274 wohl an rit „Ritt“, „Kriegszug zu Pferd“ (Lübben 1888, S. 303 und 299; Schiller 1875, Bd. 3 S. 490 und 468; Lasch 1956, Bd. 2,2 Sp. 2168) – eine Auffassung, die auch Dieter Möhn teilt (briefliche Auskunft). Wörtlich genommen liesse sich das so verstehen: „Mir ist die Möglichkeit eines langen Kriegszuges (vieler Kriegszüge?) benommen“; die Übersetzung rechnet vermutungsweise mit einer idiomatischen Wendung. T 273 ghadede] „passen“, „convenieren“ (Lübben 1888, S. 108) S 274 beschicht] Hier steht ausnahmsweise eine schwach gebildete Form des Partizips Präteritum (vgl. Lasch 1914, § 426 A. 2); vgl. T V. 602. T 274 bak] „Rücken“, „Hinterbacke“ (Lübben 1888, S. 25) S 275f. gheuen] Die Form ist uneindeutig (Präsens oder Präteritum: Lasch 1914, § 429); den Ausschlag für die Übersetzung muss der Kontext geben; vgl. H V. 94 und H V. 103. T 276 verlates] Petsch verweist im Apparat auf V. 216, wo für willen des ein willens erscheint. Freilich liegt dort ein Ind. Pl. (und nicht ein Imperativ) vor und der Nasal ist gerade nicht ausgefallen. Hingegen lässt sich bezüglich der „Endungslosigkeit“ an V. 83 wy soldes wal, ferner: V. 296

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sole y, V. 476 blyue y, V. 519 moghy denken; vgl. auch den Kommentar zu T V. 465. Für die Endungen des Verbs vgl. Lasch 1914, § 418-421. T 276-278 Ich…] Hier liegt die entscheidende Differenz der nur rituellen Absage zur wörtlich gemeinten Verweigerung in Theophils Rede (V. 217-234); sie beruht auf zwei Elementen: der Bitte um Rücknahme der Wahl und der Bereitschaft, diese doch anzunehmen, wenn das Wahlgremium dabei bleibt. T 277 wyl yt] Auch diese Form ist vor dem Hintergrund der Lasch’schen Normgrammatik problematisch (vgl. § 447 für willen/wellen). Petsch (Apparat) rechnet für yt mit der Kontraktion von y und et, vgl. auch: V. 312 gy ... wyllen, 503 y ... willen und 572 wyl y; Endungslosigkeit in der 2. Pers. Pl. bietet unser Text auch bei andern Verben: etwa V. 290 heb y. T 278 So ist mogelick dat icht do] Der Text befremdet, man erwartet eher: „dann tue ich, was möglich ist“, doch Petschs Lesung ist handschriftenkonform. nach T 278 O pastor eterne] Der Hymnus (zur Wahl eines Bischofs?) ist in den ‚Analecta hymnica‘ nicht nachweisbar. T 279 Nu…] Durch die Inaugurationsrede des neugewählten Bischofs bahnt sich der Konflikt mit Theophilus an. Die Stelle wird bei Ukena und Biermann kontrovers gedeutet. Jene sieht den neuen Bischof, der „mit geschickter Manipulation“ zum Amt gekommen sei, als „herrschsüchtige[n] Potentat[en]“. Die Sanktion gegen Theophilus mute angesichts der vorher gezeigten allemeinen Weltverfallenheit dieser Domherren „fast als Zufallstreffer“ an (Ukena 1975, S. 175f.). Für Biermann erinnert der neue Bischof in einer ersten Amtshandlung die Stiftsmitglieder an ihre geistlichen Aufgaben. Deshalb: „Sein Vorgehen gegen Theophilus erscheint nunmehr objektiv gerechtfertigt, auch wenn es von diesem subjektiv als Willkürakt empfunden wird.“ – Beide Interpretationen scheinen mir in je unterschiedlicher Weise den Text zu überfordern. T 283 slote] „Schlösser“, „Burgen“. Sprenger (1890, S. 132) bezweifelt die Richtigkeit dieser Lesarten und vermutet scoler „junge Kleriker“ oder einen unbekannten mundartlichen Ausdruck wie etwa: „die Banausier mit ihren Schloten“. Beim letzten handelt es sich freilich um einen Ausdruck der neuzeitlichen Studentensprache (vgl. DWb, Bd. 9 Sp. 782). Allerdings ist nicht einzusehen, wieso hier „Schlösser“ nicht metonymisch vom (weltlichen) Adel (mit dem das Stift offenbar nach früheren Aussagen Konflikte auszufechten hatte) gesagt sein könnte; Parallelbelege fehlen allerdings auch hier. S 283 hantfeste] „eigenhändige Unterschrift“, metonymisch aber auch das ganze, mit einer solchen versehene Dokument (Lübben 1888, S. 136); hier lässt der Kontext eher für die erste Bedeutung optieren (sonst

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liegt Redundanz vor); in V. 307 ist dagegen mit „Urkunde“ zu rechnen. T 284-286 Ouch…] Die Übersetzung kann den originalen Satzbau nicht wiedergeben: V. 286 drückt als konjunktionsloser, konjunktivischer, negierter Nebensatz aus, unter welcher Bedingung das in V. 284 Gesagte eintritt: „Niemand wird sich von seiner Verpflichtung frei machen [können], ... ausser er wird [zuvor] beflissen in den Chor kommen“ (PWG, § 447). H 285 Dat lif] Das Wort ist häufiger neutrum als masculinum (vgl. Lübben 1888, S. 208). S 285 De schal aldus luden] Versdublette zu S V. 287: De bref de schal aldus wezen; vgl. zu H V. 603f. S 286 Nu vnde to allen tyden] Der Vers kann nach vorne und nach rückwärts bezogen werden, was die (dennoch beibehaltene) Interpunktion Petschs verdeckt; die Übersetzung trägt dem Rechnung. T 286 kore] Hier = „Chor der Kirche“; das Wort wird erstaunlicherweise weder bei Schiller noch bei Lübben noch bei Lasch als einfaches Lemma angesetzt (nur: kôr „Wahl“), muss aber doch existiert haben, wie Zusammensetzungen kôrkappe, kôrrochele nahe legen; vgl. auch oben, S V. 89-91. T 288 vnvervart] „uneingeschüchtert“, „unerschrocken“ (Lübben 1888, S. 446) T 290 Heb y macht, so hebbet dar syn by] Verstehen liesse sich wohl auch eine indikativische Aussage („... dann habt ihr...“); der Imperativ ist aggressiver und passt damit wohl besser in den Kontext. Das im Nhd. häufige Sprichwort „Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand“ (Wander 1867, Bd. 2 Sp. 75 Nr. 1818), ist im TPMA nicht nachgewiesen. T 291 tocken] „zupfen“, „reissen“, „heranholen“ (Lübben 1888, S. 406) T 292 kreŭet] „Krebs“ T 292 rure] vielleicht zu rôr „Rohr“, „Schilf“, „Röhre“ (Lübben 1888, S. 306; dort hauptsächlich allerdings als Neutrum!); den Krebs aus seiner Wohnröhre locken (was wegen des Krebsganges besonders langsam vonstatten geht); zum sprichwörtlichen Krebsgang vgl. TPMA, Bd. 7 S. 200f.; denkbar allerdings auch die von Krobisch (1990, S. 318) geäusserte Annahme, dass mit rur ein Nebenfluss des Rheins im niederfränkischen Sprachgebiet gemeint sein könnte. Für den Sinn des Bildes änderte sich damit wenig, doch würde damit die Spielfassung T im Städtedreieck Solingen, Mühlheim an der Ruhr und Uerdingen eingrenzbar; vgl. auch die Erwähnung von Odenzee, unten, Kommentar zu T V. 341. T 293 spe] „spöttisch“, „naseweis“, „feindlich“ (Lübben 1888, S. 365)

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T 294 que] „Wort“, „Rede“ (Lübben 1888, S. 288) H 296 de zele si cleyne] Dass die Seele ein rein geistiges Prinzip sei, dürfte für den Text und seine Rezipienten ausser Frage stehen; die Ausdrucksweise ist somit metaphorisch zu lesen; der übliche Gebrauch von klêne (Lübben 1888, S. 176) weist in zwei Richtungen: „dünn“ und „fein, zierlich“; die variierende Übersetzung von H und S lässt die Alternative in der Schwebe. Bilddarstellungen – etwa die Seelenwägung oder das Entschwinden der Seele aus dem Mund des Sterbenden – lassen die zweite Variante favorisieren (vgl. auch LcI, Bd. 8 Sp. 138-142). H 296-299 Me spreket … dure.] Der Gedankengang ist nicht recht nachvollziehbar; S (V. 492-499) bietet mehr Klarheit: Theophilus hält fest, dass die Seele unbedeutend (cleyne), schwach (kranket), ja sterblich (vor ghan) sei und das rechtfertige das Risiko, das er eingehe. S 297f. dy gheuen … / Beyde suluer vnd gholt wyl ik dy gheuen] suluer vnd gholt ist hier vom wiederholten, einmal voranstehenden, einmal folgenden Prädikat wyl gheuen abhängig (Konstruktion Apokoinu; PWG, § 493); die Übersetzung gibt das wieder, was nicht ohne grammatische Härte abgeht. H 299 is … de vroude dure] Vgl. mhd. tiure sîn „rar, unerreichbar sein“; denkbar wäre aber vielleicht auch: „die Lust (des Leibs) ist mir wertvoll“. T 300 Veldet] Sprenger (1890, S. 132) erklärt als: velde it „fehlte es (mir irgendwo)“. T 300 neymt v aff] Sprenger (1890, S. 132) erklärt affnemen als „vergelten“ und verweist auf Schiller 1875, Bd. 1 S. 30. Freilich wird dort das Wort mit „wiedervergelten“ glossiert, dies jedoch, wie die Belege erkennen lassen, im Sinne von „entschädigen“; ein Beleg für das hier erwartbare „strafen“ fehlt somit. H 301 Vnde wil se om wol duren] duren „teuer machen“ oder „dauern“ (Lübben 1888, S. 89); die Crux liegt im unklaren Bezug des Pronomens: zielt om auf Satan oder auf lif? Und bezieht sich se auf zele oder auf vroude? Glagla übersetzt: „dat schall sick de Düwel wat kosten loten!“ Bei dieser Auffassung von om sind die V. 290-301 als Selbstgespräch des Theophilus mit folgender Hinwendung zum Teufel (Personalpronomen in V. 302) aufzufassen. T 303 weder krumme] Lübben (1888, S. 562) vermutet: „Entgegnung“, „Einwand“ H 305 Wente ik sterue] Zwar besteht über den allgemeinen Sinn des Satzes kaum ein Zweifel, doch bleibt die genaue syntaktische Fügung unklar. Ist wente hier eine kausale oder eine temporale Konjunktion? Die zweite Gebrauchsweise wird bei Schiller-Lübben (1875, Bd. 5 S. 584 und 671f.) viel schwächer belegt; ähnlich wie bei mhd. wan/wande (PWG §

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53a) sind die Verhältnisse unübersichtlich; vgl. auch H V. 51 und S V. 236. Glagla übersetzt: „wenn ick starf, denn mutt mien Seel bewen“. S 306 vnderdan] Das Bedeutungsspektrum des Wortes ist zu weit, als dass sich aus ihm ein genauer Aufschluss über den rechtlichen Status des Theophilus gegenüber dem Teufel entnehmen liesse; vgl. DWb, Bd. 11 III Sp. 1861-1868; vgl. auch zu H V. 140. H 308 ut rouuen] wohl „ausruhen“ und nicht „bereuen“; vgl. S V. 506. H 309 antlate] Das Motiv des göttlichen Antlitzes, von dem der Mensch die Fülle des Seins empfängt, vor dem er aber selten zu bestehen vermag, erscheint auch in H V. 560. H 310-413 Busspredigt H nach 309 Dusse…] Krobisch (1997, S. 139) ortet hier „einen krassen Fehler des Redaktors“ (der aus einem Spieltext eine episierte Lesefassung hergestellt habe), indem die Regiebemerkung „wörtlich“ und unter Auslassung von Vers und Reim übernommen worden sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Gebrauch eines Präteritums für Regiebemerkungen nicht typisch ist (vgl. Williams-Krapp 1980, S. 27); es wäre also wohl die These der „wörtlichen“ Übernahme zu revidieren. H nach 309 predeghe] Der Predigt entspricht von der Handlungsstruktur her in vielen erzählenden Fassungen das durch den Erzähler vermittelte direkte Eingreifen Gottes, „der nicht den Tod des Sünders will“ und deshalb Theophilus metanoia schenkt (so etwa: Radermacher 1927, S. 168f., Petsch 1908, Kapitel 6, Meersseman, Kapitel 11). Vordergründig kann diese Umformung gewiss als Folge des Gattungswechsels gesehen werden; in der Substanz spielen hier freilich Paradigmenwechsel in der Ekklesiologie entscheidend mit: Dem Heilsinstitut „Kirche“ kommt bei der Bekehrung des Sünders nunmehr eine zentrale Rolle zu. H nach 309 tema] Dieser Fachbegriff der mittelalterlichen Ars praedicandi bezeichnet das in einer Predigt vorrangig ausgelegte Bibelwort; es stammt üblicherweise aus den Perikopen des betreffenden (Fest)Tages; vgl. etwa: Charland 1936, S. 111-124. H nach 309 Vidit Jhesus hominem sedentem in thelonio] Vgl. Mt 9,9-13 (auch: Mc 2,13-17, Lc 5,27-32); die Matthäus-Passage dient als Evangelium für das Matthäus-Fest am 21. 9. Berührungspunkt ist hier die Möglichkeit der Sündenvergebung. Die Predigt spricht auf der Spielebene zu Theophilus und leitet dessen Bekehrung ein. Ebenso gut musste und konnte sich aber das Publikum des Spieles angesprochen und ernst gemahnt fühlen. Ein wichtiges Instrument ihrer paränetischen Wirkung

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sind die Exempla (vgl. unten zu H V. 351 und 367). Sie sind in reduzierter Zahl aus der lateinischen Version übernommen (Petsch 1908, Kapitel 10). Im Wechsel zwischen den Sprechebenen (Figurenebene, Publikumsebene) erhält das Spiel von Theophilus für Publikum und Leser selber den Status eines weiteren Exemplums für das, was die Predigt behauptet; vgl. unten zu H V. 414. – Über das Thema (Wortlaut vollständig: Cum transiret Iesus vidit…) liessen sich „reale“ Predigten ermitteln und mit der hier vorliegenden „fiktiven“ vergleichen (vgl. etwa die Nachweise bei Morvay 1974, S. 231). T 310 irregularis] Die Reimstellung unterstreicht die Sprachmischung, mit der witzig klerikaler Jargon nachgeahmt wird. H 311 geuen] Da die Deutung als Opt. Sgl. (parallel zu vor lene) nicht in Betracht kommt (vgl. Lasch 1914 § 416), muss wohl ein Inf., abhängig von vor lene, angenommen werden; im Vergleich mit H V. 323 fällt allerdings das Fehlen des to auf. S 311f. trost … to troste] Das Wort tendiert teilweise zu deutlich personalem Gebrauch; es bleibt offen, ob eine rechtliche Konnotation („Fürsprech”) denkbar ist; vgl. Schiller 1871, Bd. 4 S. 616f., DWb, Bd. 11 I II Sp. 912f., 917f. T 315 Neyn] Markiert die scharfe Ablehnung des zuvor vom Kämmerer, der in einer doppelten Loyalität steht, in feiner Diplomatie nahe gelegten Kompromisses. T 315 schut] „geschieht“ S 317 Dat he dy vnrecht dede] Das ist wohl nicht im Sinne von „jm. ein Unrecht antun“ zu verstehen, sondern: „wer Theophilus gegen den Satan in Schutz nähme, liesse jenem (und diesem!) sein durch den Vertrag gesetztes Recht nicht widerfahren“, vgl. S V. 872. S 319 denen myt dyme bede] wohl weniger bede im Sinne von „Abgabe“ (Lübben 1888, S. 29, Schiller 1871, Bd. 1 S. 167) als im Sinne von „persönlicher Hofdienst“ (Lasch 1956, Bd. 1 Sp. 157f.). Problematisch bei dieser Auffassung ist freilich das Genus des sonst feminin gebrauchten Wortes (vgl. noch zu H V. 470); auch scheint die Gedankenführung etwas sprunghaft. T 325 schenigen] „zeigen“, „demonstrieren“ (Lübben 1888, S. 324); unklar ist die Gebrauchsweise: Petsch macht gegen Hoffmann und die auf diesem fussenden Wörterbücher geltend, dass es keine Parallele für die hier vorauszusetzende intransitive Verwendung des Verbs gibt; daraus folgt sein Vorschlag, io als Personalpronomen der 2. Pers. Pl. zu verstehen. H 327 schach ... spreke] Hier überkreuzen sich die Sprechebenen und die Redemuster: der Erzählgestus, der sich in fast allen Regieanweisungen

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in der Verwendung des Präteritums bemerkbar macht (vgl. oben zu H V. 56) und die Anweisung der Predigerfigur an sein Publikum. S 329 Du sprekest also eyn here] dazu später in V. 414 (und in den Parallelstellen von H: V. 143, 227) die höhnische Entsprechung; vgl. den Kommentar z. St.; ferner die Prätention des Theophilus in H V. 154 bzw. S V. 339. Petsch erwägt (Apparat z.St.), ob der Vers allenfalls Rest einer (mindestens zweizeiligen) Rede Satans, die hier ausgefallen wäre, gehörte; dafür könnte auch das Auftreten einer Personenangabe in S V. 330 sprechen. T 329 berste als eyn bone] Sprenger (1890, S. 132) lehnt Hoffmanns Deutung (der übrigens bove „Bube“ liest) „bersten vor Zorn“ ab und erklärt: „Das Gleichniss scheint daher genommen, dass die Schote der Bohne, wenn sie trocken geworden ist, oft von selber platzt“ und sieht das tertium comparationis in der Betrübnis des also Gemassregelten. Allerdings ist im Text von Betrübnis nicht die Rede und die angestrebte gedult kann sehr wohl den Gegensatz des Unwillens implizieren. Sprengers Interpretation scheint einigermassen gewunden, während die Vorstellung der übermässig (in Zorneshitze) gekochten und darum geplatzten Bohne einiges für sich hat. Ebenfalls ablehnend zu Sprengers Interpretation äussert sich Plenzat, der ausserdem auf das GrimmMärchen Nr. 18 verweist (1926, S. 180 A. 17). Freilich bietet dieses keine direkte Parallele zu unserer Situation. Weder historische Idiomatik (Röhrich) noch die Parömiologie (TPMA, Wander) liefern für die eine oder andere Deutung einen Anhaltspunkt. Man beachte noch, dass Theophilus in der folgenden Rede durchaus Zorn gegen den Bischof zeigt. T 331 moetes] das –s wohl Rest eines elidierten Pronomens des im Genetiv (mit kausaler Funktion) T 332 worden de pande na loest] Petsch bemerkt: „Pfänder lösen (ironisch) = Abrechnung halten“ (1908, Apparat z.St.). Allerdings ist damit der Satz als Ganzes nicht übersetzt noch plausibel in den Kontext eingefügt (loest als präfixloses Part. Prät.? na „nachher“?). Einen guten Sinn ergäbe: „Wie leicht werden Pfänder nach Verlust (oder: Einlösung?)“, doch diese Auffassung lässt sich grammatisch mit dem überlieferten (völlig unleserlich gewordenen) loest nicht gut zur Deckung bringen: ein entsprechendes Substantiv fehlt in den Wörterbüchern. T 333 wreken] „(sich) rächen“ (Lübben 1888, S. 596) T 334 de kloet en lach no nycht] Hoffmann (1853, S. 42) übersetzt: „Die Kugel lag noch nicht“, d.h. sie läuft noch, m.a.W.: „Es ist noch nicht aller Tage Abend“; keine Parallele im TPMA. S 335 ware] „Verbürgung“, „feste Zusicherung“ (Lübben 1888, S. 555)

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nach T 336 de beffe vnde roechelen] „Chorkragen und Chorrock“; zu beffe vgl. FWB 1989, Bd. 3 Sp. 483, Rosenqvist 1943, S. 194. Die Übersetzung „Chorhut“, die etwa Lübben (1888, S. 50) und in seinem Gefolge weitere Wörterbücher bis hin zu Kluge (1999, S. 90) in unbesehener Umsetzung von frnhd. Glossierungen ins Nhd. bieten, scheint eher irreführend: „Hüte“ wurden beim Gottesdienst gewiss nicht getragen! Allenfalls handelt es sich um Kapuzen, die am Kragen angebracht waren, oder Käppchen. nach T 336 claget oeuer den bisscop syne noet] Die Konstruktion von clagen mit ihrer Kombination von ‚über‘ und Akk.objekt bereitet Schwierigkeiten; die mnd. Wörterbücher und auch das DWb bieten dazu nichts Vergleichbares. Damit bleibt auch im Zwielicht, ob von „gerichtlich belangen“ oder „beweinen“ auszugehen sei. H 337 Alsus salghe minsche su] Sprenger (1890, S. 137) ändert zu nu und will die Aufforderung auf den Zöllner Mätthaus beziehen, Petsch (Apparat z.St.) und Hoffmann dagegen – wegen der Form der Anrede wohl zu Recht (vgl. V. 410) – auf die Hörer der Predigt. T 337 beruen] zu bederve „bieder“ (Lübben 1888, S. 42) T 338 masscop] zu mageschop (Lübben 1888, S. 220 und 215) „Verwandtschaft“ T 338 verynck] vêrlink „Viertelheller“ (Lübben 1888, S. 476, Schiller 1875, Bd. 5 S. 238: „alles, was je in einer Genossenschaft einen Heller Mitgliederbeitrag bezahlte“, „alles, was jemals zu einer Genossenschaft gehörte“); die davon abweichenden Erklärungen Sprengers zur Stelle (1890, S. 132) helfen wenig weiter, um den Gedankengang zu klären. Die kollektivierende Setzung des neutralen Pronomens für eine Mehrzahl von Personen findet in V. 339 wat iuwer eine Parallele. S 340 Nu en twyuele nycht eyn har] Die gleichen Worte dann später in der Predigt (S V. 604); auch wenn man den Einfluss einer sprachlich fixierten Wendung in Anschlag bringt, behält doch diese gegenläufige Wiederholung ihr bedeutungsvolles Gewicht; zum „Zweifel“ im theologischen Sinn vgl. zu S V. 443 . T 341 Odenzee] Der Name tritt einzig in T und nur hier auf; ob sich daraus Einsichten zu Entstehungs- oder Aufführungsort gewinnen lassen, steht völlig dahin (zur Erwähnung der Ruhr, ebenfalls in T, vgl. Kommentar zu T V. 292). Man denkt im Übrigen an die ebenso langen wie ergebnislosen Forschungsdiskussionen um Wismar und Lübeck im Fall des ‚Redentiner Osterspieles‘ (zusammenfassend: Schottmann 1975, S. 4-7). – Odense, auf der Insel Fünen, war seit dem 10. Jahrhundert ein Bistum (LdM, Bd. 6 Sp. 1347f.). T 343 stot vnde … slach] Die Stelle nimmt sich wie eine alliterierende Rechtsformel aus, ist jedoch offenbar nicht weiter belegbar (DWb,

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Bd. 10 III Sp. 458) und lässt sich unterschiedlich deuten: Theophilus hat zu dieser Kränkung keinen Anlass geboten („ohne Stoss oder Schlag seinerseits“) oder: die Verletzung ist immateriell, nicht physisch. H 344 Erst was om rechte vnde vnrechte like] Dies erinnert an die Selbstcharakterisierung des Theophilus in V. 6f. S 344f. Dat loue … nen durer pant] Hier besteht also eine offensichtliche Ungleichheit der Vertragspartner: Theophilus muss sich schriftlich verpflichten, der Teufel begnügt sich mit dem Handschlag; vgl. die Differenz in H (V. 156-161) und die Parallele in T (V. 722). H 351 Mark] Die älteste lateinische Theophilus-Erzählung bringt neben den drei hier genannten Gestalten eine ziemliche Liste von weiteren biblischen Figuren, denen ihre Sünden verziehen wurden (Petsch 1908, Kapitel 10, in der griechischen Erzählung nur in der Eutychianus-Fassung: Radermacher 1927, S. 200, 202): die Bewohner von Ninive, Raab, Paulus, das Gemeindeglied aus Korinth, ferner erscheint dort der Teufelsbünder Cyprianus. Die spätere, auch lateinische Tradition, hat hier gekürzt. Zu beachten ist ferner der Funktionswandel dieser Exempla. In der Erzählung dienen sie dem beredten Theophilus dazu, Maria von seiner Aussicht auf Sündenvergebung zu überzeugen – eine etwas manirierte Dialogpointe. – Auch beim „modernen Theophilus“, Faust, spielen solche – freilich nun aufs Negative beschränkten – Modellfiguren (Kain, Judas), gerade bei der Schulddiskussion eine nicht unerhebliche Rolle (Kapitel 16 und 68 des ‚Faustbuches‘). Dabei ist konform zum lutherischen Schriftprinzip die hagiographische Tradition ausgeschaltet. H 351 Marien Magdalenen] In der legendenumrankten, intensiv verehrten reumütigen Sünderin Maria Magdalena sind zwei neutestamentliche Frauenfiguren verschmolzen: die mehrfach genannte Maria aus Magdala (Lc 8,2, Mc 16,9: die Befreiung von den sieben Dämonen; ferner: Anwesenheit bei der Kreuzigung: (Mt 27,36) und Grablegung (Mt 27,61), die Erste, der der erstandene Christus begegnet (Mc 16,9, Io 20,11-18)) einerseits und die namenlose Sünderin aus Lc 7,37-50 anderseits. S 351 blachorne] „Tintenhorn“. Bereits in der griechischen Erzählung ist die Verschriftlichung des Paktes zentral und sie bleibt es in der lateinischen und volkssprachlichen Tradition. Selten ist hingegen das Motiv der Unterschrift mit dem eigenen Blut (das hingegen beim „Theophilus der Neuzeit“, dem Doktor Faustus, zum ehernen Motivbestand gehört). Für Theophilus kenne ich als früheste Belege einerseits die Stelle aus der Hoheliedparaphrase des Brun von Schonebeck (2. Hälfte 13. Jahrhundert): der tubel twank in also harte, / daz her gewan blut uz si-

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ner swarte / und schreib durch der rede urhaf / eine hantveste... (Fischer 1893, V. 6217-6220); vgl. Gier 1977, S. 132 mit A. 249, dannS. 226f., 255, 261; anderseits jene aus dem ‚Miracle de Théophile‘ (V. 653f.) des Rutebeuf (um 1263/1264 entstanden). Bei diesem zweiten Beleg fällt auf, dass Rutebeuf das Motiv nur im Vorübergehen in der abschliessenden Rekapitulation der Ereignisse erwähnt, nicht aber beim eigentlichen Paktschluss. In der ‚Legenda aurea‘ erfolgt in späteren Handschriften des 14. Jahrhunderts der Zusatz sanguine proprio (Maggioni 1998, Bd. 2 S. 912 Apparat). Auch in der wohl späten und, soweit bis jetzt zu sehen, singulären Fassung der Geschichte, die Johannes Herolt als Marienmirakel darbietet, ist von einer mit Blut geschriebenen Urkunde die Rede: chirographum scriptum sanguine Theophili (das Mirakel bei Meyer 1905, S. 69f.). Die barocken Jesuitendramen von 1596 und 1621 über den Stoff kennen das Blutmotiv ebenfalls; Georg Bernardt, der Verfasser des jüngeren Stücks, gewinnt ihm eine besondere Nuance ab, indem er seinen Magier eine diabolische Typologie (Blut Christi – Blut des Theophilus) konstruieren lässt (Rädle 1979, S. 478-481; Rädle 1984, S. 106f.); eine nahe vergleichbare Denkfigur liegt freilich auch vor, wenn schon bei Brun von Schonebeck Christus gegenüber Maria erklärt: so hat Theophilus der vil ungute / uns mit sines selbes blute / vorkouft (Fischer 1893, V. 6305-6307). – Die Auffassung des Blutes als eines fundamentalen Lebensprinzips lässt sich exemplarisch etwa durch eine Aussage in Isidors ‚Etymologiae‘ belegen: Proprie autem sanguis animae possessio est: inde genas lacerare mulieres in luctu solent; inde et purpureae vestes et flores purpurei mortuis praebentur (11,1,123); aufschlussreich sind etwa auch die erhaltenen Blutsegen; vgl. HDA, Bd. 1 Sp. 1434-1442 und EdM, Bd. 1 Sp. 506-522. Wenn Blut Lebenskraft ist, dann hat Theophilus die seine dem Teufel preisgegeben; wenn das Blut stellvertretend für den Menschen steht, dann hat Theophilus sich jenem ausgeliefert. – Zum Blutpakt allgemein: Zelger 1996, S. 86-89. T 351 sal de beleŭet] Entweder, wie Sprenger (1890, S. 132) annimmt, steht beleŭet als Part.Prät. statt Infinitiv bei sal (vgl. PWG, § 331e); oder es liegt eine verkürzte Relativsatzfügung vor: „was soll [jener], der lebt [und dabei] nicht eine Kröte hat“. T 352 kroden] Übersetzung nach Sprenger (1890, S. 132); demnach krode „Kröte“ hier metaphorisch für „Geld“, diese Deutung (dieser und anderer Stellen) schon 1873 im DWb (Bd. 5 Sp. 2419); Schillers wenige Belege (1875 Bd. 2 S. 574) bieten dafür allerdings keinen Anhaltspunkt. H 354 Myt seuen dŭuelen be bunden] Die biblische Grundlage in: Mc 16,9 und Lc 8,2; vgl. zu H V. 351.

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T 354 gewezen heft] Zur Konkurrenz zwischen hebben und sîn bei den zusammengesetzten Tempora von sîn vgl. Lasch 1914, § 449, ferner Peters 1987, S. 82. T 356 Vnde moet] Satzbruch, die Konstruktion von V. 354 wird nicht weitergeführt; die Übersetzung verzichtet auf eine Glättung. H 357 Loue] hier als gelove „glaube“, d.h. „erinnere dich gläubig an“ aufgefasst (Lübben 1888, S. 115) H 357 Dauid] Es wird wohl vorab an den mit der Tötung des Ehemanns Urias verbundenen Ehebruch Davids mit Bethseba gedacht (II Sm 11). S 358 Ik vnde myne ghesellen] Die Hs. H hat an entsprechender Stelle (V. 173) my vnde alle myner ghesellen, was sich in den syntaktischen Zusammenhang einfügt. Um diesen herzustellen, korrigierte Hoffmann zu myn vnde myner; Petsch (1908, z.St.) hielt das für überflüssig und deutete V. 358f. als Apposition zu menschop (was immer das heissen soll…). T 359 al de weken] „die ganze Woche“; mehrdeutig: metonymisch „für immer“? Oder eher (mit sarkastischem Bezug auf Theophils bisheriges Leben im Zeichen einer Mönchsregel): „dem Wochenlauf entlang“? H 361 sunte Peters boke] Gedacht ist wohl an eine Petrus-Legende, durch Umfang selbständig oder als Kurzlegende Teil einer Sammlung (etwa die ‚Legenda aurea‘ des Jacobus a Voragine, ed. Grässe 1890, dort die Verleugnungsgeschichte fromm weitergesponnen: S. 369f.). Diese Episode wird in allen vier Evangelien berichtet: Mt 26,69-75, Mc 14,66-72, Lc 22,55-62, Io 18,25-27. T 361 sunder wer] Angesichts des Bedeutungsspektrums von wer scheint eine Übersetzung etwas aleatorisch: „ohne einen schützenden Herrn“? „ohne Schutz und Wehr“? „ohne Besitz“? „ohne Einsprachemöglichkeit“? Vgl. Lübben 1888, S. 573. T 362 myn noch mer] „weder weniger noch mehr“, „just“ (Lübben 1888, S. 229) nach T 362 masscop] Das Wort schon V. 338; hier scheint aber die bei Lübben (1888, S. 220) angesetzte Bedeutung „Verwandtschaft“ nicht sehr sinnvoll. H 364 dusser passien] Gedacht wird auch hier wohl an ein hagiographisches Stück, eine ‚passio Petri‘, nicht an die evangelischen Passionsberichte, in denen die Geschichte von der Verleugnung Christi allerdings ihren Ursprung hat. T 364 Begyf] zu begeuen (hier mit Genetiv) „aufgeben“, „aufhören“ (Lübben 1888, S. 31) T 364 gummen] Von Lübben (1888, S. 131) als gude man gedeutet.

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S 365 De myt Gode yn deme hemmele synt] Bezieht man yn dem hemmele auf Gott und nicht auf de, dann verschwindet die verwunderliche Einschränkung: „alles was mit dem Gott, der im Himmel ist, existiert“. H 366 Ik be kenne Godes namen nicht] Zwar ist bei den Synoptikern davon die Rede, dass Petrus bei der dritten Frage der Magd zu schwören beginnt (iurare, Mt 26,74 vgl. auch Mc 14,71; abweichend: Lc 22,54-62, Io 18,15-18), woran diese Wendung vorerst denken lässt. Anvisiert sind aber wohl die bei der ersten und zweiten Verleugnung überlieferten Worte non novi hominem (Mt 26,72, auch Mc 14,66-72, Lc 22,54-62; abweichend: Io 18,15-18); indem jedoch metonymisch für „Christus“ Godes namen steht, ergibt sich im Kontext eine besonders schlagende Anspielung an Theophilus, der Gott abgeschworen hat. Die Lesart von S (V. 597 des mannes) bleibt beim Bibeltext. – Schliesslich ermöglicht die Formulierung einen Bezug zur Narrentradition im Sinne des Psalmverses Dixit insipiens in corde suo: Non est Deus (Ps 52,1); der Teufelsbündner und dadurch zum Gottesleugner gewordene Theophilus erscheint im Kreis der Narren; vgl. Mezger 1981, S. 15-23. Er wird sich H V. 421, 423 selber durch Narrenterminologie charakterisieren. H 367 An der suluen stunde] In der dreigliedrigen Exempelkette Maria Magdalena – David – Petrus scheint sich hier eine Klimax anzudeuten: Reue kann noch „in der gleichen Stunde“ des Sündenfalls Gnade und Verzeihung finden. S 373 De myt Gode in deme hemmele synd] Vgl. zu S V. 365. S 374 dencken vnde lezen] Die Aussage bereitet inhaltliche Schwierigkeiten, die vielleicht von einer Textstörung herrühren. Man vermisst ein Objekt zu dencken vnde lezen: Was soll Theophilus exklusiv denken und lesen? Der weitere Kontext der V. 372-375 und die parallele Stelle in H (V. 185-188) scheinen die Antwort zu liefern. Denken und geistige Tätigkeit des Theophilus müssen nun ausschliesslich Satan gelten. Im Hintergrund steht wie an anderen Stellen (etwa H V. 16, S V. 194, T V. 534) der Gedanke der lectio divina: Lesen als Gottesdienst. H 382 Dat] Konform zum Gebrauch des mhd. daz, lässt sich diese Konjunktion hier auch modal oder kausal deuten (PWG, § 458, 466). H 383 bitterliken er lost] Es folgt ein eindringlicher Appell an den Sünder und eine Erinnerung an die Passion Christi. Wie in den seit dem 13. Jahrhundert sich stark verbreitenden Passionstraktaten (vgl. etwa: ‚Interrogatio St. Anselmi de Passione Domini‘) üblich, werden hier – freilich in knappster Ausgestaltung – die Leiden Christi unter Bezugnahme auf einzelne Körperteile beschworen; vgl. zum Themenbereich Haug 1993. Sachlich korrespondiert in unserem Text dazu H V. 555.

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H 387 henden] Hier lockert sich vom Wortlaut her der Bezug zur eben (V. 383) geschaffenen Passionsfrömmigkeit, um dann mit V. 389 (durchbohrtes Herz Christi) nochmals fester zu werden. T 387 tuch] „Zeugnis“ (Lübben 1888, S. 419) S 390 mysseuallen] Vgl. zu H V. 203. T 390 loesen] Hoffmann verstand das Wort wegen seiner suggestiven Graphie als „wahrsagen“; indessen fehlen dafür mnd. Belege (Sprenger 1890, S. 132); das Naheliegende dürfte richtig sein: „lesen“. H 391 vnde nicht stille] Hier hat H offenbar eine Lücke; in S V. 624 steht: Vth wendych, in wendych, openbar vnde stylle. In dieser Richtung müsste eine Verbesserung gesucht werden, wenn man mit Konjekturen arbeiten will; allerdings ergeben sich so metrische Probleme. T 392f. mer duuele … / Dan lude synt] Die Demographie der Hölle hat die Dämonologen seit jeher besonders interessiert. Der Zisterzienserabt Richalm aus Schöntal an der Jagst etwa hielt in seinem ‚Liber Revelationum de insidiis et versutiis daemonum adversus homines‘ dazu fest: Sicut autem atomi in sole, sic et multitudo eorum, vel eo amplius, qui circumvallant hominem… ut mirum sit, quod aliquis nostum [sic] vivit. Saepe, quando claudo oculos, video daemones tanquam pulverem densum, undique mihi circumfusos (zitiert bei Dinzelbacher 1988, S. 151). Einer mir vorliegenden Pressemeldung nach AFP vom Dezember 1988 zufolge bezifferte der bekannte vatikanische Dämonologe Corrado Balducci die höllische Einwohnerschaft mit der heute erwartbaren Präzision auf 1'758'640'176 Köpfe. – Hier erscheinen übrigens die Teufel mit Namen versehen, mithin individuiert und für den Magier anrufbar. S 395 node] „wider Willen“, „kaum“, „schwerlich“ (Lübben 1888, S. 248f.) S 395 vortya] zu vortien „ablassen von“, „sich lossagen von“ (Lübben 1888, S. 528) H 398 houet sunden] Im terminologischen Sinne gefasst die sieben sog. „Todsünden“ (vitia principalia) gemäss der SALIGIA-Reihe der mittelalterlichen Moraltheologie (superbia, avaritia, luxuria, ira, gula, invidia, acedia); vgl. Gothein 1907, Schulze 1914. H 399 an sinem denste] Mit dieser Eingrenzung ist Theophilus zugleich ausgeschlossen, denn er gehört wegen seiner Apostasie nicht mehr zur Gemeinschaft der Gläubigen (communio sanctorum). H 402 aflates] „Ablass“ (indulgentia) und „Vergebung“ (absolutio, remissio) sind gemäss der kirchlichen Lehre unterschieden: Die Sündenvergebung wird in dem von Gott selber eingesetzten Beichtsakrament erlangt, sie setzt die Reue voraus. Demgegenüber beruht der Ablass auf einer kirchlichen Einrichtung: er vermittelt dem durch die Sünde nunmehr mit Sündenstrafen (welche die sakramentale Beichte nicht tilgt) beladenen Menschen aus dem Gnadenschatz der Kirche eine Minde-

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rung oder gänzliche Aufhebung dieser sonst im Purgatorium abzubüssenden Strafen. Ablässe konnten auch für bereits Gestorbene, die man im Fegefeuer glaubte, gesammelt werden. Die mittelalterliche Moraltheologie bemass diese Sündenstrafen und entsprechend den Ablass mit Jahren (die im Fegefeuer zuzubringen waren). Voraussetzung zum Ablass war – neben entsprechender Disposition des Sünders – die Leistung von guten Werken: Gottesdienstbesuch, Gebet, karitatives Wirken und – hier im Text angesprochen – das Pilgern. Ein Streit um Ablasspraktiken liefert 1517 bekanntlich die Initialzündung zur Reformation; vgl. Paulus 1922f. H 402 so vele] Zwischen dem Anhören der Predigt und einer Heiliglandfahrt besteht eine so offensichtliche Diskrepanz, dass ein Vergleich des Ablasses für beide Leistungen kaum gerechtfertigt erscheint; reale Praktiken werden damit wohl kaum anvisiert. Eher will der Text hier der Predigt, welche im Stück die Umkehr Theophils auslöst, Emphase verleihen. S 410 Id ys my allent ghut] „Es ist mir alles gut“: der Satz ist wohl sarkastisch gemeint; etwas anders im Sinn, aber in der Gemütslage ähnlich: H V. 225. T 412 tympen] „Zipfel“, „Spitze“ (bezogen auf einen hier nicht genannten Teil der priesterlichen Tracht (Kapuze?) und dann metonymisch für diese überhaupt), Lübben 1888, S. 404 S 412f. Also wol myt beyden voten … mit enem dar vp] Sprichwort; der TPMA (Bd. 11 S. 158) bringt neben einer lateinischen Fassung – Nil refert bino fore cippo vel pede solo – Belege aus dem Mnl. und dem Mnd. (aber nicht unsere Stelle). Das Fehlen des Reims und die metrische Irregularität zeigen, dass das Verspaar mindestens formal gestört ist. Vgl. die Parallele T V. 710. H 414-439 Reue des Theophilus und Hinwendung zu Maria H 414 Do sprak Theophilus] Für Petsch steht die Predigt als Fremdkörper ausserhalb des Spieles und von ihr gehe namentlich kein Einfluss auf Theophilus aus (1933, S. 67: „So ist er auch nicht durch die Predigt zu seinem Bußeschritt geführt worden“). Er sieht dies dadurch belegt, dass Theophilus andernfalls „zu Jesus selbst, und, wenn nicht unmittelbar, dann durch die Vermittlung der Gottesmutter vordringen wolle“. Im Übrigen zeige H V. 424, dass der Apostat die Predigt überhaupt nicht mehr hören könne. – Das mutet als von der Handlung und ihren Zusammenhängen doch ziemlich abgehobene Spekulation an und widerspricht auch dem Wortlaut der Regieanweisung nach H

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V. 307. Sie ist offenbar einer Theorie über die Entstehung des geistlichen Dramas verpflichtet und hängt wohl nicht zuletzt mit Petschs Vorstellung vom hohen Alter von H zusammen. Dagegen gilt mit Blick auf den Text: Theophilus tut mit seiner Hinwendung zu Maria genau das, was in der Predigt implizit als Weg der geistlichen Rettung aufgezeigt worden ist (H V. 371-395) und die Fortsetzung des Geschehens wird genau das belegen, was dieser Passus explizit besagt: bei Busse und Einkehr ist jede Sünde verzeihbar. – Eben dies, die desperatio, der Zweifel an der Gnade Gottes, wird übrigens zum Stolperstein für den Dr. Faust. S 414 also eyn here] Vgl. H V. 227, S V. 329; höhnisches Lob des Teufels; dabei vor dem Horizont eines christlichen Freiheitsverständnisses durchaus hintergründig: die vermeintliche Freiheit, mit der Theophilus sich von Gott lossagt, führt ihn in die Sklaverei des Dämons. S 4l5 Nene schult gheue yk dy mere] schult für „was man einem andern zu geben schuldig ist“ (Schiller 1875, Bd. 4 S. 149); demnach liesse sich die Stelle so verstehen: „ich schreibe dir keine weitere Verpflichtung mehr zu“; in H V. 228 eine ähnliche, nicht identische Formulierung mit abweichendem Sinn (vgl. z. St.). H 416 O we ik vil kloker man] Vgl. oben, zu V. 3. H 417 latet] Einformenplural; vgl. Lasch 1914, § 416, 419. H 417 bister] „umherirrend“, „vom rechten Weg abweichend“ (Lübben 1888, S. 55): Theophilus wird es schwarz vor den Augen und ihm schwindelt. S 417 Hyr to byn yk ghar bereyte.] Der Vers liesse sich auch Theophilus zuweisen (vgl. H V. 230). T 418 piper synen hŭnt] Vgl. das mlat. Sprichwort Et lenis sibilus equos mitigat, catulos instigat, TPMA, Bd. 9 S. 91. H 418f. Dat ik bin sus sere ghe douet, / Dat ik bin so dŭm] Das Fehlen eines Reimes und die etwas ungewöhnliche Syntax zeigen möglicherweise eine Textstörung an; Sprenger (1890, S. 137) kürzt und erhält so ein korrektes Reimpaar: Dat ik bin so sere ghedovet unde dum, / Des ist myn munt worden stum. S 419 trore] „trauern“, „beklagen“; bezieht sich in der Logik des Dialogs auf S V. 388-390 und 408-413. S 419 ene mŭgghe] die redensartliche Mücke; analoge Belege bringt der TPMA (Bd. 8 S. 251-258). Plenzat (1926, S. 173) sieht hier einzig die „Verlegenheit des Bearbeiters..., der ... keinen geeigneten Reim fand“. T 419 schellen] für schelen „fehlen“ „mangeln“ (Lübben 1888, S. 323) T 420 Dar … vmme] Tmesis S 421 Mariaz] Plenzat kritisiert, dass der Teufel hier den Namen Marias ausspricht, obwohl er zuvor (S V. 396) die Unerträglichkeit des Wor-

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tes betont hat (1926, S. 169 A. 9). Es fragt sich, ob solche Forderungen nach (psycho)logisch durchstrukturierter Figurenzeichnung dem geistlichen Spiel angemessen sind. – In H (V. 213 und 235) ist mit der Umschreibung siner moder die Tabuisierung der Form nach immerhin gewahrt. Vgl. zu H V. 213 und T 695. H 424 Dat] Vgl. oben zu V. 382. H 424 nicht kan Godes wort horen] Durch die mit dem Teufel eingegangenen Verpflichtungen, darunter das Verbot des Gottesdienstbesuches (V. 194f.), wird Theophilus nunmehr objektiv verhindert, das Wort Gottes zu hören. T 424 list] Das weite Bedeutungsspektrum des Wortes lässt es hier offen erscheinen, worauf sich Theophilus beruft: Sein Können als kirchlicher Vorsteher? Sein Können als Dämonenbeschwörer? H 425 vor sellet eynen kop] Petsch (1908, z. St.) erwägt Ergänzung zu eynen goden kop und denkt an „Ich habe mich zu einem billigen Kauf verleiten lassen“; allerdings findet das in der belegbaren Verwendung von vorsellen keine Stütze, denn dessen Bedeutung ist: „Waren im Kleinhandel verkaufen“ (Schiller 1871, Bd. 5 S. 441). S 425 Dat schal wesen ane kyf] Mehrdeutig: „setz dich und schreib, niemand hat etwas dagegen“ oder: „setz dich und schreib, du wirst keine weiteren Einwände mehr erheben“ oder: „(schreibe etwas,) das keinen Anlass zum Streit gibt“ (also: fass den Vertrag klar). T 425 remmen yn] Hoffmann dachte an „Einhalt tun“ (1853, S. 65), Schiller (1875, Bd. 2 S. 374) erklärte die Stelle durch metaphorische Verwendung von „einrammen“, allerdings ohne dass das Gemeinte völlig klar wird. Sprenger (1890, S. 133) hielt dies für nicht überzeugend und erwog Konjektur von brengen in. S 428 en] = eynen bref T 429 Wey sich menget manck dem ate] ât „Speise“ (Lübben 1888, S. 24); ein weitverbreitetes Sprichwort: Hos porci [oft auch: canes] comedent, qui se sub furfure miscent vgl. TPMA, Bd. 7 S. 82f. (unser Beleg fehlt). H 430 boren] Zur Verfluchung der Geburtsstunde vgl. zu H V. 18. T 432 snyppen] „Schnepfe“, das DWb (Bd 9 Sp. 1313f.) verweist auf verschiedene Redensarten und Sprichwörter (diese bei Wander 1867, Bd. 4 Sp. 305); eine Parallele zu unserem Passus fehlt allerdings und dieser erscheint eher isoliert, insofern im anderen Material die Schnepfe fast immer als etwas Wertvolles erscheint („Die Schnepfen fliegen nicht gebraten ins Maul“ oder: „Wenn es an Schnepfen fehlt, muss man Krähen speisen“). Der Weg zur Erklärung unserer (freilich schon aus sich heraus eindeutigen Stelle) führt vielleicht über eine Redensart wie „Die Schnepfe ist gefangen“ (er ist angeführt); aber der TPMA bietet kein mittelalterliches Material. Sprenger (1890, S. 133) hingegen

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schlägt Korrektur von sneppen zu snoppen „Schnupfen“ vor. Parallelen dafür hat er keine beizubringen, und ob das vor dem Hintergrund mittelalterlichen medizinischen Wissens plausibel ist, muss hier offen bleiben (spätmittelalterliche Redensarten zu „Schnupfen“ heben alle auf die Beeinträchtigung des Geruchs ab: TPMA, Bd. 10 S. 217f.). S 434 dene my] Lübben (1888, S. 76) gibt für dênen „als Feudalabgabe entrichten“; so ist hier wohl vom Geben des Vertrags die Rede; H hat an der Stelle (V. 242): nu her den bref. T 434 de ioden] Von der griechischen Erstversion an gehört der Jude als Begleiter Theophils in die Welt des Teufels zum Grundbestand der Figuren in unserer Geschichte. Dieses Stereotyp beruht biblischerseits auf Io 8,44 und Apo 2,9, 3,9. In der ‚Theophilus‘-Rezeption macht der Jude freilich nicht selten einem glaubensmässig nicht näher charakterisierten Zauberer Platz (so etwa in der ‚Elsässischen Legenda aurea‘, Williams 1980, S. 584 und 585; dabei spricht die lateinische Vorlage von cuiusdam Iudei malefici, Maggioni 1998, Bd. 2 S. 912). Unsere breit angelegte Version T kombiniert hingegen beide Figuren und erreicht damit eine zusätzliche Steigerung des Geschehens: Der zuerst angesprochene Zauberer schreckt vor den Absichten des Theophilus zurück und weist ihn weiter in die Judenschule. Es ist also aus dem einen Juden hier eine ganze Gruppe geworden. Der Autor gewinnt aus dieser Vervielfachung der Personen eine Vermehrung der Perspektiven. An einigen Stellen erscheinen nämlich Judenfiguren in positivem Licht (so etwa der nüchtern abwägende Bonenfant (V. 469-476) oder der mahnende Samuel (V. 479-492; vgl. dann aber: V. 503-506)); zur Differenzierung mag auch das unterschiedliche Anredeverhalten (Duzen oder Ihrzen) auf Seite der Juden beitragen. Daneben werden jedoch die bekannten antijüdischen Vorstellungen der Zuschauer bedient. Primäres Ziel der Darstellung ist aufs Ganze gesehen allerdings hier nicht Antijudaismus um seiner selbst willen; vielmehr dienen die Juden in ihrer Ablehnung des wahren Glaubens vorab als aufgehellte N e g a t i v folie für den noch schlimmeren Teufelsbündner: Dieser hat nämlich den Glauben, gibt ihn jedoch preis (vgl. T V. 486-490). Dabei liegt in dieser Kontrastierung nicht nur ein dramatisierender Kunstgriff der literarischen Darstellung vor, denn in der Rechtsauffassung der Inquisition etwa war Apostasie effektiv ärger als die Glaubensverweigerung der Juden, diese schlimmer als die Glaubenslosigkeit der Heiden (vgl. z.B. Institoris/Sprenger ‚Malleus maleficarum‘ 72CD). – Bei Rutebeuf bleibt die religiöse Identität des Salatin genannten Zauberers offen: Jude oder Moslem? Zur eingehenden Diskussion dieser alten Streitfrage der Forschung schlug Dahan 1977 nach eingehender

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Prüfung der Fakten eine (vorläufig) abschliessende und salomonische Lösung vor. H 436 vnghe boren] Zur Verfluchung der Geburtsstunde vgl. zu H V. 18. T 436 Geyn] Sprenger (1890, S. 133) schlägt Korrektur zu hen vor. T 438 katte] Die Katze erscheint als Teufels- und Hexentier (HDA 1927, Bd. 4 v.a. Sp. 1117f.) hier auch als passender Bezug für den Gruss des Juden. Die von vorneherein aggressive Haltung des Juden gegenüber dem vorerst höflich auftretenden Theophilus ist typisch für die Judendarstellung etwa im geistlichen Spiel (vgl. Wenzel 1987, S. 66); zum sprachlichen Aspekt vgl. Frey 1992, v.a. S. 61f. T 440 beklumme] wohl zu beklemmen „umspannen“, „einschliessen“ (Lübben 1888, S. 36) T 441 myner cristenheyt versoeke] Es wird hier auf die topische Situation der Glaubensdisputation, die einen grossen Teil der antijüdischen Literatur des Mittelalters strukturell und inhaltlich prägt, angespielt (Wenzel 1987, S. 59 et passim); freilich bleibt hier das Motiv blind: Theophilus wird keinen Disput führen; er will ja seinen Glauben preisgeben; diese Ruchlosigkeit erhält freilich durch die Anspielung zusätzlichen Nachdruck. S 443 twyuelere] Gemeint ist nicht ein Mensch mit intellektuellen Zweifeln (am Glauben), sondern ein Verzweifelter im Sinne der desperatio: diese ist neben der „Vermessenheit“ (praesumptio) eine der Zerrformen der christlichen Kardinaltugend der Hoffnung (spes). Der Vermessene glaubt sich des Heiles sicher, der Verzweifelte glaubt, es nie und nimmer zu erreichen; vgl. zum Leitwort twyueln etwa: S V. 340, 579, 604, 608, 610, 612. T 444 serden] Lübben (1888, S. 345) setzte diese Form als Lemma mit der Bedeutung „schädigen“, „schänden“, „quälen“ an; sie fehlte noch im grossen Wörterbuch (Schiller 1875), womit auch die Belegsituation unklar ist; vermutlich handelt es sich um eine reimbedingte Variante des geläufigen seren; vgl. auch Kommentar zu T V. 84 und 574. – Theophilus scheint hier den Juden eine Art Verschwörung gegen die Christen vorzuschlagen, womit ein stark verbreitetes antijüdisches Stereotyp angesprochen wird (vgl. Heil 2006). H 445 spaden] „sputen“, „eilen“ (vgl. Lübben 1888, S. 370) T 445 Musin] Vgl. zu T V. 469. H 448-509 Das Ringen um die Fürbitte Marias H 448 Ik grote dy Maria] Die szenische Realisierung bleibt in H und S mangels genauer Angaben offen (T bricht vorher ab). Kernfrage dabei ist,

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ob mit einer Verdoppelung Marias – zuerst als Statue, dann „leibhaftig“ auftretend – zu rechnen ist. Dafür gäbe es eine Parallele etwa in der buchmalerischen Umsetzung des einschlägigen Mirakels von Gautier de Coinci aber auch in Psaltern und Stundenbüchern (Russakoff 2003/2004, S. 138f., 140f., zur ikonographischen Darstellung von Visionärem Lapostolle 1982 passim); für eine Analogie dazu im Medium der Erzählung vgl. Kommentar zu H V. 717. T 448 Aen wy wilt] Der Text scheint unplausibel. Zwar gibt es neben den gängigeren –en-Formen seltene Fälle von –t-Plural für die 1. Person (ausser V. 447 noch 59 (oder eher gekürztes Prät. II.?) und 141). Doch auch bei dieser Annahme ist hier die Fügung syntaktisch und inhaltlich unklar („Wir nehmen euch gerne bei uns auf, ausser wenn wir euch beschneiden wollen“?). Anderseits bestätigt die hier einwandfrei lesbare Handschrift Petschs Lesung. Durch den Kontext von V. 447 ergibt sich der Verdacht einer Verschreibung aus aen y wilt… Die Übersetzung rechnet mit dieser Annahme. – Das mittelalterliche Judentum hatte keine einheitliche Auffassung über die Wünschbarkeit solcher Konversion; darüberhinaus war der Vorgang durch folgende Repression von christlicher Seite stark risikobehaftet (LdM, Bd. 5 Sp. 1424-1425). Entsprechend mag die Ablehnung Musins als Ausdruck solcher Furcht verstanden werden (vgl. auch T V. 469-474). Verbunden mit der Bereitschaft Judikes, Theophilus zu „kaufen“, mag sich aber auch der besonders zugespitzte Vorwurf ergeben, einen zur Apostasie bereiten Christen prinzipiell nicht aufnehmen, sondern einzig als Hörigen halten zu wollen. H 448-461 vad] typischer Beiname Marias (lateinisch: vas); vgl. Salzer 1886, Register; Gleiches gilt für eine Reihe der nachfolgenden Wörter (sie stehen vielfach im Reim): tovorlat (für refugium?), scrin, keyseryn, vlot, trutinne, leydesterne, bruge vnde stech, hulperinne, rose van Jericho; weitere Namen erwähnt Maria selber. Ein Meisterlied Nestlers von Speyer bringt 72 solcher Namen und verknüpft diese Liste auf nicht restlos klare Weise mit Theophilus: Dise namen worden unser lieben frauwen geben von dem heiligen [geiste] und die der heilige Theophile in sinen wunderzeichen sach und worden geoffenbaret eim seligen bischofe von Sclavonia (vgl. Cramer 1977, Bd. 2 S. 399-403). – Bereits die griechische Fassung der Geschichte verwendet dieses Darstellungsmittel; die lateinische Übersetzung folgt ihr darin; vgl. Meersseman 1963, S. 12f. (Liste mit rund 40 Beinamen). H 449 to vorlat] „Zuverlass“, „Zuflucht“ (Lübben 1888, S. 415) S 451 waghen] Hier vielleicht ironisch, denn das Vertragsrisiko ist für Luzifer gering. S 453 noch] „genug“, so auch in S V. 510

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S 454-515 Das Weltleben des Theophilus T 454 wellike to male besorden] Unklar; Petsch (z.St.) vermutet wêrliken / wârliken; besoren „betrügen“ (Lübben 1888, S. 46). H 455 scoldest] Die gewählte Übersetzung („solltest“, denkbar wäre auch eine Futurumschreibung) betont, dass Marias Rolle als Fürbitterin dem Plane und Willen Gottes konform ist. S 456 bøldekyn] Vgl. zu H V. 256. T 456 degher] „gänzlich“, „völlig“ (Lübben 1888, S. 75) T 456 als ouel] Hoffmann (1853, S. 45) ergänzt zu: als vor ouel. – Das Gemeinte ist unklar. T 458 behoyf] behoven „brauchen“, „nötig haben“ (Lübben 1888, S. 34) T 458 rades] „Ratschlag“ aber auch: „Geldmittel“ (Lübben 1888, S. 293) T 460 de ioden hoyde] Hoffmann (1853, 45) fasst als „Judenhüte“ und dieses wiederum metonymisch für „Juden“; es gilt aber eher: hoyde = „Hut“, „Aufsicht“ (Lübben 1888, S. 146). H 461 bruge vnde stech] Die typischen Beinamen Mariens (vgl. Salzer 1886, S. 519f.) betonen besonders die ihr zugeschriebene Rolle als Mittlerin (Bäumer 1988, Bd. 4 S. 488); sie finden sich bereits in der griechischen Fassung (Radermacher 1927, S. 206,17). Hingegen bietet die lateinische Übersetzung an entsprechender Stelle nicht die Metapher, sondern das wenig bildhafte Wort mediatrix dei ad homines (Petsch 1908, S. 7,32; Meersseman 1963, Kapitel 29); hierbei scheint es sich um einen frühen lateinischen Beleg für diese später in der Mariologie oft konzeptualisierte Vorstellung (Bäumer 1988, Bd. 4 S. 487-493) zu handeln: Söll 1978, S. 154 und A. 36; freilich kennen auch manche griechischen Versionen die Entsprechung mesiteia (Radermacher 1927, S. 206,18). Zur Verwendung der Bildvorstellung durch den Teufel: vgl. oben, zu H V. 249. S 461 Clareyd] mit Honig und Kräutern versetzter Wein T 461 hope] „Haufen“ (Lübben 1888, S. 148) S 462f. spyse etten … tu dyner tafelen zetten] Stilfigur des Hysteronproteron: die logisch-chronologische Folge von zwei Sachverhalten wird umgekehrt. H 464 Theophole sprak] Anders als an sonstigen vergleichbaren Stellen (etwa H V. 414, 448) rechnet Petsch (1933, S. 73) hier nicht mit einer versehentlichen Wiederholung der Sprecherbezeichnung innerhalb derselben Personenrede, sondern mit einem Abbruch und Neueinsatz der Rede Theophils; dazwischen liegt das vielsagende Schweigen der angesprochenen Maria (vgl. zu diesem Verfahren auch H V. 532) T 465 hore y] Morphologisch und syntaktisch unklar; ich verstehe hore als Präs. Konj. (3. Sgl.), wobei horen = „zukommen“, „gebühren“ (Lübben

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1888, S. 149, y als Dativ (der Beteiligung). Oder sollte ein Imp. der 2. Pers. Pl. („hört euch das an“) vorliegen? Vgl. dazu oben den Kommentar zu T V. 276. T 465 Bonenfant] Arndt 1904, S. 14 deutet den Namen als französische Version von„Gutkind“, was als deutscher Judenname auch sonst belegt ist. Er verweist zudem auf Musin (T V. 445), womit die zwei einzigen französischen Judennamen aus geistlichen Spielen beide in T überliefert wären, was ihm wiederum zu Vermutungen über die Entstehung des Werks „in einer niederdeutschen Stadt nicht allzufern der französischen Grenze“ Anlass gibt. In Rutebeufs Spiel treten die zwei Namen nicht auf. S 466f. wynnet … kezen] Falls nicht teilweise Numerusinkongruenz („eine Dame“ / „die Damen“) vorliegt, grammatisch deutbar als Nebeneinander von zwei Formen des mnd. Einheitsplurals im Präsens; dieser endet in allen drei Personen auf -(e)t oder -en (Lasch 1914, § 416, 419). T 466 de rikeste iode] Das Motiv des Reichtums ruft hier einerseits den bekannten antijüdischen Topos in diffamierender Intention ab und dient anderseits dazu, eine Parallele zwischen Juden und Teufel herzustellen: ein Jude wäre geneigt, einen Christen als Hörigen zu kaufen, der Teufel kauft dagegen die Christenseele. H 467 bode] Gedacht ist hier nicht an den Briefboten, sondern an den Gesandten mit Verhandlungsmandat, vgl. Siegert 1997. T 467 Settet toe] „seinen Willen auf etwas richten“ (Schiller 1875, Bd. 4 S. 198f.) T 467 kopet syn lyf] Die Formulierung, beim Wort genommen, zielt offenbar auf Sklavenhaltung, was im 15. Jahrhundert in Deutschland schwerlich eine reale Grundlage mehr hatte; man mag immerhin an real belegbare Schuldknechtschaft und Abhängigkeit von jüdischen Geldverleihern denken. Anderseits benötigen negative Stereotype über eine Gruppe nicht unbedingt einen genauen Realitätsbezug: Gerade das Unerhörte dessen, was Judike dem Bonenphant vorschlägt, einen Geistlichen als Hörigen zu nehmen, gehört zu den Wirkungsbedingungen solcher Vorurteile. Für frühmittelalterliche Sklavenhaltung durch Juden vgl. LdM, Bd. 7 1985. S 468 Wy wyllen alle] Unklar, was alle hier meint: An welche Begleitung denkt Theophilus? An Satan? Oder ist alle adverbialisch auf myt vroyden zu beziehen („ganz mit Freude“)? S 468ff. Wy wyllen alle myt vroyden varen] In diesem folgenden monologischen Passus (bis etwa S V. 487, in H: 268-289) kondensiert sich das „Weltleben“ des Theophilus, das in T offenbar auch szenisch repräsentiert worden ist. Die Worte des Helden bieten sich vor dem Hintergrund einer dualistischen (potentiell leibfeindlichen) Anthropologie

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als Projektionsfläche für alle Christen überhaupt an, d.h. Theophilus erscheint hier nicht so sehr als Teufelsbündner mit einem standesspezifischen ethischen Problem, der Arroganz des Klerikers, (was seine Exemplarität einschränkte), sondern als Figur des Christen zwischen den Ansprüchen von „Fleisch“ und „Geist“ überhaupt. T 468 tyt verdryff] Gedacht wird anscheinden an Misshandlung des zum „Haussklaven“ gemachten Theophilus. T 469 syr] statt sîner Gen. Sgl. zu he (Lasch 1914, § 404; Lübben 1888, S. 349) H 470 bede] Das Neutrum des Wortes kommt ausser an dieser Stelle so noch namentlich in S vor (V. 698, 724 und 736); in H V. 595 und S V. 825 ist das Wort hingegen feminin gebraucht (wie die Wörterbücher es ansetzen); vgl. auch zu S V. 319. Vor allem S V. 724 und 736 muten wie eine präfixlosen Variante des Kollektivabstraktums gebet „Gebet“ an, wozu freilich das Mnd. HWb bemerkt, ge- sei im kollektiven Neutrum „am besten bewahrt“ (Lasch 1956, Bd. 2,1 Sp. 26 vgl. auch Sp. 27). H 471 Dar … mede] „damit“, hier in Tmesis stehend T 472 vnd aben vet vor veeghen] Der Text ist an dieser Stelle über mehrere Verse hin stark zerstört; Hoffmann gibt als Text: uns allen ût vor vegen, was Petsch bestreitet. aben ist mir unverständlich. T 472 veeghen] zu vege wie mhd. veige „todgeweiht“ (Schiller 1875, Bd. 5 S. 220) T 473 toghe … dey mŭken] „Halme ziehen“ (Schiller 1875, Bd. 3 S. 131); offenbar redensartlich im Sinne von „ein Hühnchen rupfen“; allerdings bieten weder TPMA, noch Wander, noch Röhrich 1973 direkt anschliessbare Parallelen. Vielleicht besteht ein Bezug zum „Halme ziehen“ als Losverfahren; dabei wäre hier unterstellt, dass das Los wegen Manipulation nur zu Ungunsten der Juden ausfallen kann: sie ziehen den Kürzeren; vgl. DWb, Bd. 4,II Sp. 239f. H 474 kint] Das einfache Wort stellt den Übersetzer vor das unlösbare Dilemma „Kind“ oder „Sohn“? Denkt man sich Maria pochend auf ihre (ehemals) dem kleinen Kind völlig überlegene Stellung? Oder tritt sie stärker als Bittstellerin dem nunmehr erwachsenen Gott-Sohn gegenüber? Beides ist in der Tradition angelegt und lässt sich auch im unmittelbaren Kontext unseres Stückes finden (vgl. etwa H V. 533-539, 565, 572-581, 588-591). T 474 in de bussen ruken] redensartlich für: „eine Geldstrafe bekommen“, vgl. Schiller 1875, Bd. 1 S. 460; DWb, Bd. 2 Sp. 477, ferner Wander 1867, Bd. 1 Sp. 500 Nr. 15f. S 475 gelden de zele gut] gut hier vielleicht auch adverbial deutbar (wegen des Reims anstelle von wol) und auf gelden bezogen („teuer bezahlen“)

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T 476 blyue y van my all vngekoft] wörtlich: „bleibt ihr von mir durchaus ungekauft“ H 476 Theophile] Zum ersten Mal spricht Maria hier den Teufelsbündner mit seinem beziehungsreichen Namen an (dann wieder: H V. 606, 709, 715; in S V. 736, 834, 955, 959); beide Versionen verzichten somit darauf, den sprechenden Namen erst dann einzusetzen, als er auch inhaltlich berechtigt ist. In der griechischen Version (wenigstens in jener des Marcianus) fällt „Theophilus“ ein einziges Mal als Selbstanrede im Monolog, als der Teufelsbündner bereut. Maria ihrerseits verwendet als Apostrophe immer „Mensch“, zuletzt bei der Verkündigung der Sündenvergebung „Mensch Gottes“ (Radermacher 1927, S. 168f., 170-175). In weiteren griechischen Handschriften fehlt eine so klare Struktur, ebenso in der lateinischen Fassung, welche hier nicht der Fassung des Marcianus folgt. Für die spätmittelalterlichen volkssprachlichen Texte bleibt allerdings zu bedenken, dass die Etymologie von „Theophilus“ nicht ohne weiteres als bekannt vorausgesetzt werden kann. Ein lateinkundiger Kleriker konnte aber immerhin der Glossa ordinaria zu Act 1,1 dies entnehmen: Theophile. Dei amicus: vel dei amator: quia si tu sis amicus dei tibi scribitur. H 476 wenen] Die Tränen gelten traditionell als Zeichen der contritio, Reue, der Voraussetzung für die Sündenvergebung. Marias Ablehnung trifft also sogleich ins theologische Zentrum der Erlösungsproblematik; vgl. Schumacher 1996. S 476 lat] Die Form ist in sich mehrdeutig und gewinnt wegen des Kontextes keine Eindeutigkeit: Richtet sich Theophilus mit einem Imperativ an ein imaginäres Gegenüber? Oder ist ein Subjektspronomen ik zu ergänzen? Wenige Verse später (V. 482) stellt sich das Problem erneut. H 478 dre daghe] Die Dreitagesfrist erscheint in ambivalenter Beleuchtung; hier: „drei volle Tage – und kein Helfer hat sich für Theophilus geregt; später (H V. 514): „drei ganze Tage lang hat er Reue gezeigt“ (vgl. auch noch H 710; dann: S 706, 747, 956). Die Symbolzahl „Drei“ eröffnet ein sehr weites Bezugsspektrum für die geistliche Deutung; vgl. Meyer/Suntrup 1987, Sp. 214-331; denken lässt sich v.a. an die Dreitagesfrist dieser heilsamen Reue und an Triaden im Zusammenhang mit der Sündenvergebung (etwa: contritio, confessio, satisfactio (Sp. 228)). In der griechischen Version und ihrer lateinischen Übersetzung und in einer Reihe weiterer Texte (etwa in der ‚Legenda aurea‘) dauert die Reuezeit des Theophilus vierzig Tage (vgl. Radermacher 1927, S. 170f. und Petsch 1908, Kapitel 8). Damit ergeben sich deutlicher auf die Bussthematik fokussierte Bezüge. „Die Zahl 40 ist vor allem Zeichen des irdischen Lebens, der Bedrängnis und Entsagung. Ihre Bedeutung

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wird geprägt durch die Dauer der biblischen Fastenzeiten“ (Meyer/ Suntrup 1987, Sp. 710). T 480 seuen] Obwohl sprachlich nicht ganz eindeutig, dürfte hier an sieben Teufel (und nicht sieben Leben des Theophilus gedacht sein). Nach Mc 16,9 trieb Christus der Maria aus Magdala sieben Dämonen aus; dies wird in H V. 354 erwähnt. T 481 ludy] zu luden „laut sein“, „schreien“, morphologisch ist mit einer synkopierten Form (ludet > lud) und angehängtem Personalpronomen y zu rechnen (vgl. auch T 574 serdy). Aufführungspraktisch ist die Stelle interessant, weil sie eine implizite Regieanweisung enthält. H 482 We scal vnde we mach dyn hulper syn] Maria fingiert (?) vorerst Unkenntnis des von Theophilus Erbetenen und setzt diesen zusätzlichem Erklärungszwang aus. S 482 lat] Vgl. oben, zu S V. 476. H 485 myner vor teghen] Theophilus hat – allerdings nur unter äusserstem Zwang des Teufels – sich auch von Maria losgesagt; vgl. H V. 203226. S 487 depen hele pyn] Beziehbar ist depen auf hele („tief“) oder auf pyn („endlos und schmerzhaft“). S 488 Be kennestu, dat du myn byst] Der Vers lässt sich nach einem Vorschlag Petschs (1928, S. 416) auch (wie S V. 510) als Bedingungssatz verstehen („Wenn du bekennst, dass du mir angehörst, dann gestehe dies…“). T 488 harde node] Litotes; „mit grösster Mühe“, d.h. keinesfalls S 488-515 Be kennestu…] Die Passage scheint auf Grund einzelner Formulierungen und auch inhaltlicher Momente Dubletten zu enthalten: vgl. V. 488-490 ~ 510-515 (dazu unten der Kommentar zur Stelle); die Erwägungen des Theophilus über die Seele V. 492-509 greifen (freilich stark erweiternd) auf V. 476-487 zurück. H 491 Ik wolde dy gherne dar to vromen] In der umsichtig-raffinierten Dialogführung des Spiels lässt Maria hier die Türe noch einen kleinen Spalt offen stehen. S 491 noch] „genug“ (Lübben 1888, S. 248) H 492 rose van Jericho] Bezugsstelle ist Sir 24,18, den mariologischen Bezug (Jericho als Typus der Kirche) belegt Salzer 1886, S. 191. H 497 Aue gracia plena] Zunächst einfach ein Zitat aus dem Englischen Gruss, dem (neben dem Vaterunser) meist verbreiteten Gebet der vorreformatorischen Kirche, auch dem mittelalterlichen Laien unmittelbar vertraut (biblische Basis: Lc 1,28). Im Kontext wird nun daraus ein „Argument“, mit dem der Sünder seine mögliche Fürbitterin angeht. Er liefert ihr gleichsam die Begründung der Möglichkeit ihrer Hilfe an ihn, ist sie doch eben „voll der Gnade“. Maria wird dieses

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„Argument“ gegenüber ihrem Sohne der Sache nach, aber nicht wörtlich wiederholen (V. 535-546). Zudem lässt sich der im Gebet liegende Gruss als mindestens implizite Aufhebung des Absage-Aktes verstehen (vgl. V. 234f.). Der einfache Gläubige sah hier die ihm aus zahllosen Erzählungen geläufige besondere Kraft dieses Gebetes schlagend bestätigt. Der Vers ist (wie die analoge Stelle V. 521) in der Handschrift durch Einrahmung hervorgehoben. H 500 Des wolde ek schemen vor dy] Der Sünder legt eine für heutiges religiöses Empfinden fremdartige, aber in mittelalterlichen Belegen keineswegs einzig dastehende Unverfrorenheit gegenüber Maria an den Tag. Man vergleiche etwa das Marienmirakel ‚Die Witwe und ihr Sohn‘: Der einzige Sohn einer Witwe wird von Feinden gefangengesetzt. Die Mutter bittet Maria Tag und Nacht um Hilfe; als alles nichts fruchtet, nimmt sie das hölzerne Jesuskind der Marienfigur in der Kirche als Geisel; der Erfolg ist unmittelbar (etwa: Richert 1965, S. 30-35, ferner: Tubach 1969, Nr. 1024). S 501 vorwŭrue] Hoffmann schlug „in Erfahrung bringen“ vor (Petsch 1908, Apparat z.St.), was in der Forschung auf keine Zustimmung stiess. Die vorgeschlagene Übersetzung (Lübben 1888, S. 535: vorwerven „erwerben“ „sich verschaffen“) stützt sich auf Überlegungen Sarauws (1923, S. 43): Zur Hölle Verdammte wünschen sich ihre Auslöschung zur Vermeidung der Höllenqualen. T 501 ghyssen] „mutmassen“, „raten“ (Lübben 1888, S. 125) H 503 rwe] Krobisch gibt als überlieferte Lesart twe und deutet als „Zwiespalt“. S 503 Och wan yk dat nummer leue] das Überlieferte schwer verständlich; die Übersetzung folgt dem Vorschlag Petsch’s (Apparat z.St.), leuen als „erleben“ aufzufassen. Sarauw (1923, S. 43) schlägt vor: Dat yk dan nummer scholde leuen. H 505 Nŭ liche stille] Die Aufforderung zum Stillehalten kann mit Ukena (1975, S. 208) als Hinweis auf das gnadentheologisch zentrale Faktum verstanden werden, dass zwar die Sündenvergebung das Dazutun des Sünders (bestehend in Reue, Bekenntnis, Genugtuung) erfordert, dann jedoch das lösende Eingreifen „von oben“, welches der Sünder nicht selber zu bewirken vermag, dazu treten muss. S 505 drynken] schwierig; vielleicht eher graphische Variante von dringen als „trinken“, denn letztere Deutung macht syntaktische Schwierigkeiten (obwohl Schiller (1875, Bd. 1 S. 575) für ersteres nur die Bedeutung „drängen“ ansetzt, anders Lasch 1956, Bd. 1 Sp. 479: dringen in „nach einem Orte vordrängen“); vgl. H V. 307. S 506 rouwen] Zweideutig; es könnte von der Reue (contritio) als einer der Voraussetzungen zur Sündenvergebung die Rede sein; in der Hölle ist

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sie nicht mehr möglich. Vielleicht ist rouwen aber „ruhen“: die Ruhe der Seligen in der Beschauung Gottes (Lübben 1888, S. 308); vgl. H V. 308. T 507 Ouelenghunnen] Nicht ganz seltener Ortsnamen im niederdeutschen Raum; Hoffmann (1853, S. 47) zählt deren 24 auf. Nach Grimms Vermutung war üblicherweise wohl eher die Ungunst der geographischen Lage das Benennungsmotiv, nicht ein sagenhafter Bezug auf den Teufel (Grimm 1981, S. 836). Weitere Thesen zu Motivation bzw. zur lautlichen Herleitung diskutiert Fischer 1967, S. 93f.; vgl. ferner Witkowski 1978, S. 29f. H 510-605 Marias Kampf um die Gnade Christi für Theophilus H 510-605 Ek…] Die Szene der Interzession Marias bei Christus verdoppelt die in V. 448-509 beobachtbare Doppelläufigkeit von Bitte / Ablehnung, Wiederholung der Bitte / Gewährung nun gar noch: 1. Bitte Marias (V. 510-531) und 1. Ablehnung Christi (einzig durch sein Schweigen markiert: V. 532!); 2. Bitte Marias (V. 532-546) und 2. Ablehnung Christi (V. 547-557); 3. Bitte Marias (V. 558f.) und 3. Ablehnung Christi (V. 560-563); 4. Bitte Marias (V. 564-597) und Gewährung durch Christus (V. 598-605). Zu beachten ist namentlich auch die Steigerung bei den verbal-argumentativen und den nonverbal-gestischen Mitteln, die Maria einsetzt (Argumentation von Theophilus her, Berufung auf die ihr verliehene Interzessionsmacht, schliesslich Berufung auf ihre mütterlichen „Verdienste“ um Christus, dazu Fussfall und Weisen der Brüste). Gegenläufig dazu lässt sich bei der Christusfigur eine Antiklimax des Ablehnens konstatieren (Schweigen, Ablehnung in drastischen Worten, deren Wiederholung in kürzerer Form, schliessliches Nachgeben). An der gesteigerten Komplexität des dialogischen Ablaufs wird so die heilstheologische Schwierigkeit des Vorgangs ablesbar. Die Inszenierung der Fürbitte Marias bei ihrem Sohn fehlt etwa bei Rutebeuf vollständig und ist in dieser ausführlichen Form – mindestens nach Massgabe der von Gier untersuchten Belege – ein Spezifikum deutscher Versionen. Sie tritt erstmals und breit entwickelt bei Brun von Schonebeck (Fischer 1893, V. 62726326), dann noch stark gerafft in der ‚Passional‘-Version (Richert 1965, V. 246f.) sowie in H und S auf (Gier 1977, S. 71 („Element

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158“), 175f.). Denkbar wäre ein stoffgeschichtlicher Einfluss7 der ‚Militariuslegende‘ (Gier 1977, S. 175, 327-329). Klarer sind die theologischen Implikationen der Ausgestaltung dieses Momentes, das sich in knappster Andeutung freilich schon in der griechischen und der lateinischen Fassung findet (Petsch 1908, S. 7,35f.: accedo et rogo illum [Christum] pro te prouoluta pedibus eius, quatinus te suscipiat): Maria erscheint als Mittlerin (vgl. zum theologiegeschichtlichen Hintergrund: LcI, Bd. 2 Sp. 346-352). Dabei ist der Dialog Marias mit Christus in seiner Wirkung und Aussage nicht frei von Ambivalenzen. Er macht einerseits unmissverständlich klar, dass Maria nicht „Erlöserin“, höchstens „Mittlerin“ sein kann; anderseits gibt er gerade durch den Widerstand, den Christus ihren Bitten anfänglich entgegensetzt, ihrem Einfluss Emphase. S 510-515 Be kennestu … gheuen] Wirkt wie eine erweiterte Dublette von S V. 488-491, was den Interpreten Kopfzerbrechen bereitete (Plenzat 1926, S. 166: „die rätselhafte Szene“) oder zu radikalen Athetese-Vorschlägen und Spekulationen über die Urfassung U provozierte (Petsch 1928, S. 416: „Wir können die Verse S. 510-515 einfach streichen!“). T 514 hynet] Hoffmann las hier (noch?): ungeschinnet „nicht geschunden“. S 515 noch] „genug“, so auch V. 453 H 515f. he nŭ heft ent sweghen / Nicht wen wenen vnde gillen] Die schwierige Syntax der Stelle hat Ettmüller und Hoffmann zu massiven Eingriffen veranlasst; Sprenger (1890, S. 137f.) schlägt mit entwegen (statt ent swegen) „an etwas denken“ (Lübben 1888, S. 101) eine minimale Retusche vor: „er hat drei Tage gelegen, indem er an nichts als an Weinen und Schreien gedacht hat“. Fasst man wenen und gillen hingegen als Partizipia (Lasch 1914, § 420) und bezieht man sie auf leghen, kann der überlieferte Text auch stehen bleiben (so Petsch, Apparat z.St.). Eine weitere Perspektive eröffnet sich durch den leicht geänderten Kontext in S V. 747f. (vgl. dort). S 516 spasseren] Die gewählte absichtsvoll sperrige Wiedergabe soll auf das hier besonders gut greifbare Problem (kultur)geschichtlicher Distanz hinweisen. Was verstand ein Hörer des 15. Jahrhunderts unter „spazieren“? Wohl kaum genau dasselbe wie ein Leser der Goethezeit angesichts von Fausts Osterspaziergang. Mögliche Differenzen liessen ________________ 7

Allerdings gerät man mit dieser Vermutung Giers rasch in methodische Engpässe. Einerseits hat man einen Einfluss der Theophilus-Tradition auf jene der ‚Militariuserzählung‘ anzunehmen, anderseits eine Rückwirkung von dieser auf jene. Das zwingt zur Statuierung eines Rückkoppelungseffektes, doch lässt sich ein solcher anhand von Einzeltexten (bisher wenigstens) nicht nachweisen.

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sich etwa von Texten wie dem topischen Spaziereingang der Minnerede oder von „Neidharts Veilchen“ her ausloten; vgl. auch die Belege im DWb (Bd. 10 I Sp. 2011-2018). S 516-523 Here…] Theophils Weltleben wird mit Hilfe von Vorstellungen und Werten aus der Welt des Laienadels repräsentiert: Hof, Aventiure, Frauen. Ein vergleichbares Verfahren der Darstellung liess sich schon in der Rede Satans beobachten: S V. 454-467: Luxus der Kleider und des Essens, Galanterie; vgl. H V. 252-265 und 266-289. T 516 weder] „abermals“, „wieder“ hier: „im Gegenzug“, „ebenfalls“ H 520 Dar … an] „daran“; erneut eine Tmesis (vgl. zu H V. 471, T V. 420). H 520 scre] Die handschriftliche Lesung ist undeutlich; Krobisch liest kre und denkt an eine „verkürzte Form von kregeren ‚schreien, rufen‘“ H 521 Salue regina misericordie] Beginn der seit dem 11. Jahrhundert bezeugten, weit verbreiteten marianischen Antiphon; seit dem 13. Jahrhundert regelmässiger Schluss der Komplet; auch Verwendung durch Laien ausserhalb der Liturgie belegt (Text: Analecta hymnica, Bd. 50 S. 318f.; vgl. auch 2VL, Bd. 8 Sp. 552-559). In unseren genaueren Erzählzusammenhang führen Exempla, welche die heilsame Wirkung des ‚Salve regina‘ belegen, so etwa im ‚Seelentrost‘ (Schmitt 1959, S. 101f.): Maria erscheint Mönchen, die das ‚Salve regina‘ beten, und tut genau das, was im Text ausgesagt wird (weitere Exempla: Tubach 1969, Nr. 4163-4170). – Der Incipitvers scheint ein erstes „Argument“ Marias für eine Hilfeleistung an Theophilus zu liefern: ihre Barmherzigkeit. Später folgt im Dialog mit ihrem Sohn ein zweites: die ihr von Gott verliehene Gnadenfülle (V. 532-541); dies ist ein „stärkeres“ Argument. Das Gnadenargument kristallisiert sich im Vers aus dem ‚Ave Maria‘: Gratia plena; es wurde erstmals von Theophilus eingebracht (H V. 497). Die Stelle ist in der Handschrift durch Markierung hervorgehoben (vgl. zu H V. 497). T 521 rest] wohl für: „rätst“ T 522 Dat moete dy gelden Godes moeder] Ein schillernder Satz! Markiert er Sarkasmus des Theophilus gegenüber dem Juden (vgl. seine frühere Aggressivität in V. 449f.)? Ist er ernst gemeint? Auf der Metaebene jenseits der Figurenrede zielt sein Marienlob auf den Skopus des Spiels. T 524 kermysse] „Kirchweih“, „Kirchweihgeschenk“ (Lübben 1888, S. 171); zu Wort und Sache vgl. DWb, Bd. 5 Sp. 822, 828-834 und HDA 1927, Bd. 4 Sp. 1421-1425. Der Sarkasmus des Theophilus richtet sich hier bemerkenswerterweise vorab gegen ihn selber. H 525 Des sunders heil des duuels scade] Erneut folgt eine Reihe von mariologischen Beiwörtern; vgl. Salzer 1886, S. 570-574, 589-591.

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H 526 morgen rot] Vgl. Salzer 1886, S. 23f. T 526 werp my eynen alden schoe nae] Weitverbreiteter Aberglaube, vgl. HDA 1927, Bd. 7 Sp. 1316f. T 527 Ich byn geheyten] Hier biegt die Handlung von T nach umfangreichem Vorspiel nun in die Linie von H V. 1 bzw. S V. 175 ein. H 528 scrin der salden] Vgl. Salzer 1886, Register s.v. H 531 ere] Vgl. zu H V. 32. H 532 swichtu] Vgl. zu H V. 464 und S V. 765. T 534 verdroet] Das stimmt sachlich nicht zu den Gründen, die Theophilus in der Sitzung vorbringt (T V. 217-234). Die Differenz lässt sich verschieden begründen: durch die Annahme absichtsvollen Sprechens bei Theophilus oder durch die Annahme eines genetisch erklärbaren Bruches im Text. H 534f. do wi vns beide / Van dem ertrike scheiden] Die Formulierung befremdet vorerst, weil sie eine gemeinsame Himmelfahrt von Mutter und Sohn zu suggerieren scheint. Sie kann dann sinnvoll anmuten, wenn man sie als Ausdruck der genauen Christusnachfolge Marias liest. – Die ausführlichste Darstellung der Himmelfahrt Christi liefert die Apostelgeschichte (Act 1,9-14), die Evangelien streifen sie nur kurz oder überliefern sie gar nicht, vgl. Mc 16,19, Lc 24,51; nie wird die Anwesenheit Marias erwähnt. Sowohl die Aufnahme Mariens in den Himmel (Assumptio) wie der sachlich damit verbundene Tod Mariens (Transitus BMV, Dormitio) haben keine neutestamentlichen expliziten Grundlagen (für die Himmelfahrt höchstens Ansätze zu entsprechenden Interpretationen: Gn 3,15, Lc 1,28 und 42, Apo passim). Die Vorstellung einer Himmelfahrt Mariens schafft sich im Westen erst im hohen Mittelalter Bahn; auch lässt sich in Lehre und Liturgie eine Unterscheidung zwischen der Aufnahme der Seele und der Aufnahme des Leibes beobachten. Die ‚Legenda aurea‘ liefert um 1300 zum 15.8. dann einen ausführlichen Bericht, der aus älteren Texten kompiliert ist (vgl. LcI, Bd. 2 Sp. 276-283, und Bd. 4 Sp. 333-338). Das von Pius XII. 1950 verkündete Dogma der Aufnahme Mariens mit Leib und Seele ist das jüngste der einschlägigen Dogmen. H 536 de walt] Maria beruft sich zur Durchsetzung ihrer Absicht vorerst auf ihre Gottnähe, später, in der Rede V. 564-597, die dann erst den Erfolg bringt, betont sie dagegen stärker die Menschennähe ihres Sohnes. Das scheint seinen guten theologischen Sinn zu haben, handelt es sich doch darum, die unendliche Distanz zwischen dem sündigen Menschen Theophilus und dem absolut guten und gerechten Gott zu verringern. Dazu braucht es Mittlerfiguren, in unserem Falle sind dies deren zwei, Maria und Christus als Mensch. Sie stehen unter sich wieder in einem hierarchischen Verhältnis: Maria ist zwar von Gott unter

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allen Menschen ausgezeichnet, doch sie bleibt immer Mensch; in Christus hingegen sind die beiden Naturen zu einem Dritten verbunden (vgl. dazu Krämer 2008, S. 127-131). So bringt erst Marias Appell an die Menschennatur Christi und nicht schon das Pochen auf ihre Auserwählung unter allen Menschen die Wendung. S 537 Oft wy des besten konden ramen] Petsch (Apparat z.St.) erklärt: „das Beste (hier: das Heil) ins Auge fassen“. H 538 dinghen] ein Ausdruck der Rechtssprache: „verhandeln“ (Lübben 1888, S. 78) T 541 moeget] hier nicht das Präteritopräsens mögen „mögen“, sondern das schwache Verb molen / mogen „quälen“ „Mühe machen“ (Lübben 1888, S. 233) S 542-652 Busspredigt T 543 an dusser erden] Vielleicht eher ins Lokale „in dieser Gegend“ als ins Globale („auf dieser Erde“) zielend (vgl. auch S V. 208f. hyr so nar / By my uppe der erden, anderseits aber: T V. 549-551); angesichts der dichten Teufelspopulation, mit welcher mittelalterlicher Glaube rechnete (vgl. dazu bei T V. 392f.), ist die Bedingung so oder so rhetorisch. H 545 bote] zu boten „bessern“, „flicken“, „heilen“ mit Genetiv (Lübben 1888, S. 64) T 548 myt gichte] Eher als mit giht = „Zugeständnis“, „Aussage“, „Geständnis“ (Lübben 1888, S. 123) liesse sich im Kontext mit einer Variante für icht „etwas“ rechnen (ebd.). S 550 duden vnde bezynnen] „deuten und bedenken“, ein Hysteronproteron H 552 vor thegen] zu vortîen, vortigen (Lübben 1888, S. 528): „sich lossagen“ (mit Genetiv) H 553 Ome hedde dat sin vor gheuen] Sprenger (1890, S. 138) erklärt: „Ihm wäre das (dass er sich von mir losgesagt hat, vgl. H V. 551) vergeben worden“, doch es ist hier wohl eher mit einer Ersparung des pronominalen Subjektes ik zu rechnen. T 553 beslaten] zu besluten, stV der 2. Ablautklasse (zu a statt o im Part. Prät. vgl. Lasch 1914, § 426) H 555 wunden] Vgl. zu diesem Bezug auf das Leiden Christi oben den Kommentar zu H V. 383. H 557 vmme de vrucht] Eine schwierige Stelle, die unterschiedliche Lösungen veranlasst hat: Ettmüller verstand wrocht, „die Feindschaft, die er mir trug“, doch die semantische Verschiebung von „Anklage“ zu „Feindschaft“ ist bedenklich; Hoffmann und Sprenger (1890, S. 138) rechneten angesichts des Wortlautes in S (V. 790-792) mit vruht, er-

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gänzten salighe und bezogen den Satz (unter weiteren damit erforderlichen Änderungen) auf Maria. Petsch begnügt sich sibyllinisch (wie leider oft) mit Ablehnung seiner editorischen Vorgänger. Die Auffassung von vruht als „Furcht“ (Lübben 1888, S. 541) scheint ebenfalls erwägbar, auch wenn der Gedankengang etwas gewunden anmutet. Gedacht ist dann an den timor domini, den Theophilus vor seinem Fall Christus bewies und ihm nunmehr schuldig bleibt. H 558 scrien] Der Text arbeitet hier mit der Evokation starker Sinneseindrücke: Christus ist angewidert durch den Gestank des Theophilus in seiner Sündhaftigkeit (H V. 548 und 560), sein Wehgeschrei ist hingegen für Maria unerträglich. Nimmt man ihre Verse beim Wort (statt eine Verlegenheitsformulierung aus Reimzwang zu unterstellen), dann ist sein Schreien von entsprechender Gestik begleitet. – Von Tränen und Schlägen ins Gesicht beim Warten auf die Rückgabe der Pakturkunde berichtet die lateinische Fassung (Petsch 1908, S. 7,39f.). T 559 valle] Vgl. Kommentar zu H V. 46. S 562 Hic incipit sermo] Falls dieser Verweis als Regieanweisung zu verstehen ist, markiert er möglicherweise einen Wechsel im Tonfall: vom Gebetston zum Predigtton. H 567 vrede scilt] mariologisches Beiwort, vgl. Salzer 1886, S. 561,1). T nach 568 springen] Die Übersetzung „hüpfen“ liegt insofern nahe, als wohl hier nicht so sehr auf die Eile als auf den unernsten, womöglich auch lasziven Gang des Dämons abgehoben wird: Teufel tanzen und tänzeln, Heilige schreiten; vgl. zu T V. 778. T nach 568 myt greseliker stemme] Der ‚Malleus maleficarum‘ behandelt die Frage, wie die Dämonen in den von ihnen angenommenen Körpern „sprechen, sehen, hören, essen und zeugen“ können, eingehend (vgl. II, I, 4; Schnyder 1991, 106C-108A, Übersetzung bei Behringer 2000, S. 397-401). T 571 vort] „Wind“, „Furz“ (Lübben 1888, S. 527) T 572 haen] hier: „aufhängen“, „henken“ (Lübben 1888, S. 135) S 574 ghe lyke] Das Wort ist im Kontext nicht recht verständlich; vielleicht handelt es sich um den Überrest einer Formulierung, wie H V. 344 sie zeigt: Erst was om rechte vnde vnrechte like. Sprenger (1890, S. 134) ändert zu: Er dede he unrecht genslike („gänzlich“). T 574 serdy] aus: seret y „quält ihr“, vgl. Kommentar zu T V. 444. S 575 ladet he den wech] Der Sinn scheint klar, doch das Fehlen einen Präposition bei der adverbialen Bestimmung scheint bedenklich. Sprenger (1890, S. 134) ändert zu lidet „geht“, Sarauw (1923, V. 365) zu leret he den wech. T 575 en eghen wy es] zu eghen „verdienen“, „von Rechts wegen haben sollen“ mit Genetiv (Schiller 1875, Bd. 1 S. 634)

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H 576 dat sint de brusten] Das Motiv der beim Fürbitten ihre Brüste zeigenden Maria ist in Hoch- und Spätmittelalter auch ikonographisch gut belegbar, bevor es dann selbst im katholischen Bereich durch die in der Frühe Neuzeit veränderten Schicklichkeitsvorstellungen – nicht zu reden von den theologischen Verdammungsurteilen der protestantischer Seite – der Tabuisierung anheimfiel, vgl. Bott 1983, Nr. 445 und 446 (mit Abbildungen), ferner: Marti/Mondini 1994, speziell zur späteren Tabuisierung: LcI, Bd. 2 Sp. 347. T 577 vorvert] vorvêren „einschüchtern“ (Lübben 1888, S. 531). Ein mittelalterlicher Teufel, der sich als Priestertrug entlarvt und damit scharfe, wenngleich im Kontext flüchtige Religions- und Sozialkritik übt, verdient zweifellos einige Aufmerksamkeit! T 578 plockstert] „Pflugsterz“, „Lenkstange des Pflugs“; gemeint: „ihr hättet auch mal Hand anzulegen“: topischer Vorwurf der Trägheit an die Adresse der Geistlichkeit. Der Pflug ist das traditionelle Symbol des dritten Standes der laboratores (neben der Stola der oratores und dem Schwert der bellatores), vgl. etwa die Spruchstrophe von Regenbogen (bei de Boor 1965, S. 787). In der Bilddarstellung tragen die Figuren freilich meist primitive Hacken (Niccoli 1979, Abb. Nr. 4-6, 9f.); zum technischen Unterschied zwischen Hakenpflug und Räderpflug und den zivilisatorischen Implikationen vgl. Rösener 1985, S. 118-123. H 581 spillen] Wo für das Leben der heiligen Familie die Evangelien nur knappe Andeutungen boten (Mt 2,21-23 und Lc 2,41-52), sprangen die apokryphen Kindheitsevangelien, namentlich jene des Pseudo-Jacobus und des Thomas, mit ausführlichen Berichten ein (Hennecke 1959, Bd. 1 Abschnitt VIII). S 585 Mit zeuen dŭŭelen ghebunden] Vgl. zu H V. 354. T 586 na] „beinahe“; sofern man dem Wort Gewicht geben und es nicht einfach als Floskel übergehen will, so lässt sich daran denken, dass der Teufel bei der Seelenwaage immer auch um seine Seelen „kämpfen“ muss; das „beinahe“ enthielte so gesehen auch das Eingeständnis, dass letztlich der ewige Richter über die Seele entscheidet und nicht der Teufel. S 588 Dauyd] Vgl. zu H V. 357. T 589 roeclose] „sorglos“, „unbekümmert“, „plötzlich“ (Lübben 1888, S. 305) H 590 Van dem blinden ioden] Hoffmann ändert zu van des blinden..., was Petsch unverständlich findet (1908, Apparat z.St.). Freilich ist die Artikellosigkeit von blinden ioden doch einigermassen befremdlich; die mhd. Syntax wenigstens bietet jedenfalls keine plausible Analogie (PWG, § 421).

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H 590 blinden ioden] Der bei Johannes (19,34) noch namenlose, später Longinus genannte römische Soldat gilt in der mittelalterlichen Tradition z.T. als Jude, vgl. Dauven-van Knippenberg 1990. S 592 sunte Peters buke] Vgl. zu H V. 361. T 595f. ghereynet … nae synem bilde is vereynet] ein theologisches Hysteronproteron: die Erlösung (redemptio) erscheint hier vor der Erschaffung (creatio); vgl. auch S. V. 970. S 596 Summe] Beteuerungsformel (Lübben 1888, S. 391) S 598 An der suluen stunden] Vgl. zu H V. 367. H 601 Kanstu…] Dem genauen Wortlaut nach macht Christus die Rettung des Theophilus von einer erfolgreichen Rückholung der Pakturkunde aus der Hölle abhängig; dabei obliegt es Maria, dies zu leisten. Der Gedanke erinnert an die Darstellung in der Hoheliedparaphrase Bruns von Schonebeck; dort sieht sich Christus wegen eines dem Teufel beim ersten Höllensturm gegebenen Versprechens ausserstande, ein weiteres Mal die Hölle aufzubrechen. So übernimmt Maria diese Rolle (Fischer 1893, V. 6301-6388). Es fällt auch auf, dass gemäss dem Wortlaut von H V. 605 (anders als im entsprechenden funktional, aber inhaltlich gerade divergierenden Vers S V. 833) Christus sich des reuigen Sünders nicht annimmt, sondern ihn Maria recht eigentlich überlässt: Möge sie mit ihm nach Gutdünken verfahren. H 601f. pant … bref] Da Theophilus Satan kein eigentliches Pfand gegeben hat, lässt sich am ehesten an das Vertragsdokument denken; stilistisch läge dann eine synonymia vor (Lausberg 1960, § 649-656). Eine andere Möglichkeit bestünde darin, im pant den Vertrag (bzw. dessen Klauseln) zu verstehen; dann ginge es um die Rückgängigmachung des Vertrags und die Wiederbeschaffung des Dokumentes; vgl. H V. 613. Indessen mag man sich fragen, ob solche Abwägungen, die heutigem Bedürfnis nach terminologischer Schärfe Genüge tun, dem Verständnishorizont des mittelalterlichen Autors und seines Publikums angemessen sind. T 602 is vns ouck … gheschicht] Sofern man nicht einfach is streichen will, ist mit einer seltenen schwachen Part. Prät.-Form zu geschên zu rechnen (Lasch 1914, § 426 Anm. 2); vgl. S V. 274. H 603f. Den…] Hier (wie auch anderswo: etwa H V. 621f., S V. 210/212, 285/287, 898-900) scheint ein Vers in identischer oder fast gleicher Form wiederholt zu werden, damit ein reguläres Reimpaar entsteht. S 604 Nu en twyuele nycht en har] Vgl. zu S V. 340.

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H 606-623 Theophilus’ Sorge um die Vertragsurkunde und Hilfszusage Marias S 607 leyst] „(du) lässt“, vgl. Lasch 1914, § 418. S 610 twyuelere] Vgl. zu S V. 443. S 613 ergher van de duuel yst] Man kann in dieser Aussage einen Reflex der scholastischen These sehen, wonach der Dämon auf Grund seiner reinen Geistnatur nach seiner Sünde gegen Gott nicht mehr fähig sei, das Gute zu wollen, also seine Schuld zu bereuen, der Mensch aber sehr wohl (etwa: Thomas von Aquin, ‚De Malo‘, q. 16 a. 5). Insofern – dies die Argumentation unseres Predigers – der Sünder von dieser Möglichkeit der Umkehr nicht Gebrauch machte, wäre er dann eben „ärger als der Teufel“. Gewiss dürften die Laien nicht unbedingt in der Lage gewesen sein, diesen Hintergrund ohne Weiteres zu erfassen; es gab aber immerhin volkssprachliche Texte, welche diese Lehre anschaulich und auch für Laien fasslich darstellten (etwa die Erzählung von der ‚Teufelsbeichte‘, vgl. 2VL, Bd. 9 Sp. 727-729). T 613 gheyn] gên „sagen“ (Lübben 1888, S. 116); vgl. auch T V. 760. H 613f. Ik wil … dyn pant / Losen] Vorausdeutung auf die nun unmittelbar folgende Szene der Rückholung der Pakturkunde T 614 in teyn] „Einwendungen machen“ (Lübben 1888, S. 402); vgl. auch T V. 759. H 616-708 Ach…] Hier inszeniert der Text eine „zweite“ Rettung des Theophilus, obwohl in der Logik einer Busstheologie zuvor schon das Zureichende getan worden ist. Ein Skopus mag gewesen sein, die Macht Marias und die Unterlegenheit des Dämons zu demonstrieren; dies konnte im geistlichen Spiel, wo wir wohl mit einer Art von Höllensturm Marias rechnen dürfen, noch augenfälliger geworden sein, als in der originalen griechischen Erzählung, die freilich auch schon diese Wendung aufweist. Ob damit theologisch ungebildetes Publikum Maria als „Zweiterlöserin“ wahrnahm, lässt sich mangels Zeugnissen nicht belegen. Immerhin markieren unsere Texte auch auf szenischer Ebene (und damit auch für die illitterati sichtbar) wichtige Differenzen zum Höllensturm Christi: Anders als dieser bricht Maria nämlich nicht direkt in die Hölle ein, sondern bleibt vor dem Tor stehen und erteilt Satan die nötigen Befehle, auch legt sie Luzifer nicht an die Kette; schliesslich führt sie keine gerechtfertigten Seelen aus dem Limbus, denn das hat ihr Sohn schon ein für alle Male getan. Dass für die lateinische Erzählung Maria in anderer Rolle als Christus handelt (eben als dessen Mutter), dass somit ihre Rolle im Heilswerk nicht mit jener des Sohnes zusammenfällt, hat Geenen (1972, passim; zusammenfassend: 343-345) erschöpfend aufgezeigt; seine Beobachtungen können mu-

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tatis mutandis auch für unsere deutschen Texte gelten, die ja nichts Wesentliches am Handlungsablauf ändern (selbst wenn die Beurteilung eines volkssprachlichen Textes mit den Instrumenten der lateinisch argumentierenden Schultheologie prekär bleibt). – Zur Übertragung des Christusattributes delens chirographum auf Maria vgl. oben, zu H V. 101f. und zur Doppelläufigkeit der Rettung des Theophilus unten, zu H V. 712. – Im Übrigen musste Theophilus nun als zweiter Thomas dastehen, der handgreifliche Beweise sehen will, bevor er glaubt. Sowohl die frühchristliche griechische und die lateinische Version (Petsch 1908, Kapitel 13) wie auch unsere Spieltexte (H V. 620f., S V. 850f.) scheinen dem durch die Beschwichtigungen des Theophilus gegenüber Maria Rechnung tragen zu wollen. Die frühe Rezeption der Geschichte in der Predigt zu Mariä Geburt bei Fulbert von Chartres († 1028) wertet die Rückgabe der Verschreibung als pignus libertatis (MPL, Bd. 141 Sp. 323C) Eine symbolisch besonders prägnante Wendung gibt der überlieferten Doppelläufigkeit von Sündenvergebung und Paktbeschaffung die Version, die Brun von Schonebeck in seiner ‚Hoheliedparaphrase‘ erzählt. (Singulär ist dort übrigens bereits das Motiv der Paktunterzeichnung mit Blut.) Auf die Bitten Marias erklärt Christus sich zur Hilfe ausserstande, denn es hat Theophilus der vil ungute / uns mit sines selbes blute / vorkouft (Fischer 1893, V. 6305-6307; vgl. auch oben, S. 229); ausserdem könne er nicht wieder in die Hölle gehen, denn die Befreiung Adams sei einmalig gewesen (V. 6311-6317). So führt denn Maria als Vertreterin Christi einen zweiten Höllensturm aus (V. 6327). Unter der Hand wird dabei auch die redundante Doppelläufigkeit preisgegeben: Sündenvergebung und Paktrückgabe bilden in dieser eigenwilligen Version eine Einheit. Auch Rutebeufs Mirakelspiel inszeniert eine kurze Szene, die sich bei entsprechender Lokalisierung als Höllensturm verstehen lässt (V. 572-585); Faral vermutete Anregung durch eine Passage bei Fulbert (1959f., Bd. 2 S. 168 und Anm. 5; vgl. MPL, Bd. 141 Sp. 323C: supradictum chirographum diabolo potenter ereptum captivo). Darüber hinaus ist besonders bei einer handgreiflichen Auseinandersetzung Marias mit Satan der typologische Bezug zu Gn 3,15 offensichtlich. Rutebeuf unterstreicht ihn noch mit einer Formulierung wie Marias Drohung Et je te foulerai la pance! („Ich trete dich in den Bauch!“, V. 585). S 616-625 De…] Wegen der hier auftretenden Motive der Passionsfrömmigkeit vgl. zu H V. 383. S 618 byst ghe screuen] Die hier passend angewendete Schreibmetaphorik verbindet das Faktum der Erlösung mit dem Faktum des von Theophilus vollzogenen Teufelspaktes per Verschreibung.

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H 619 So loue ek wol der rede] Die Interpunktion bei Petsch verdeckt, dass eine Ellipse vorliegt: „Zwar glaube ich dir, doch möchte ich den Vertrag wieder sehen“. In S (V. 842-846) ist das ohne Auslassung formuliert. Die Ellipse mag man sich bei szenischer Aufführung durch Gestik und Intonation ergänzt denken. H 621f. Ik…] Vgl. zu H V. 603f. T 623 vor leyghen] vorlêgen „vorlügen“ (Lübben 1888, S. 508) H 624-686 Kampf Marias um die Vertragsurkunde mit Satan H 624 Ik bidde di] Man wird hier angesichts der Umstände nicht gerade „bitten“, sondern eher „verlangen“, „fordern“ als Bedeutung ansetzen (vgl. Lasch, Bd. 1 Sp. 272); mit beyde in V. 642 dürfte Maria den Ton verschärfen: „befehlen“, „gebieten“; vgl. S V. 855 und 873. Krobischs kommentierende Anmerkung zu H V. 624 ist mir nicht nachvollziehbar: bidde ist eben gerade nicht beyde (oder soll das die Lesung der Handschrift sein?). H 625 twas] „Querkopf“, „Narr“, „Tor“ (Lübben 1888, S. 90); die gewählte Übersetzung betont die Rolle Satans als „Geist der stets verneint“. S 625 Sunder, dorch dynen wyllen] Der Satz lässt sich, was die Interpunktion Petschs zu verdecken geeignet ist, nach vorne und nach hinten beziehen. H 627 Neden ut der helle dore] Hier müssen mangels zeitgenössischer Realien und Abbildungen die räumlichen Verhältnisse bloss gedacht werden. Maria stürmt offenbar nicht wie der auferstandene Christus in die Hölle hinein (was eine theologisch erforderliche Abgrenzung ergibt), sondern kommandiert Satan vor das Tor heraus, wo sie steht. S 628 De wyl] Wegen der Einheitsform des Relativpronomens, lässt sich nicht sicher entscheiden, ob sich der Relativsatz auf Maria oder ihr Kind (hier wie schon S V. 616 mit natürlichem Geschlecht als Maskulinum gefasst) bezieht; bei der ähnlichen Stelle S V. 616 gab der Inhalt den Ausschlag. Der analoge Vers H 395 spricht dagegen grammatisch eindeutig von Christus. Die Übersetzung gibt hier wegen der folgenden Handlung dem femininen Pronomen den Vorzug. S 631 houet sunden] Vgl. zu H V. 398. T 632 troest] Das Wort hat in der älteren Sprache ein sehr viel breiteres Bedeutungsspektrum, das u.a. auch das Rechtliche beschlägt und auch personifizierende Verwendung ermöglicht; vgl. DWb, Bd. 11 I II Sp. 901 und 903. Der hier vorliegende Kontext lässt an eine juristische Akzentuierung denken, ohne dass das Religiöse (spes) oder Anthropologische („Zuversicht“) ausgeschlossen wäre; entsprechend differiert

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die Übersetzung dieses Verses, der in S 315 ähnlich lautet (vgl. auch H V. 130). Im Übrigen ist consolatio/consolamen/consolatrix ein breit belegtes Beiwort Mariens (Salzer 1886, S. 591-594 und Register). In den drei Spielfassungen kommt trost (mit Ableitungen) oft vor: H V. 130, 202, 324, 384, 493, 524, 735; S V. 311f. 315, 389, 484, 617, 757; T V. 6, 37, 331, 632, 688. H 635 en weyt ik nicht] Mit V. 638 scheint sich Satan in einen flagranten Widerspruch zu verwickeln; er lässt sich mindestens mildern, indem man V. 635 im Sinne von „Vom weiteren Verbleib der Pakturkunde weiss ich nichts“ versteht. Nötig ist dies freilich nicht, denn Satan ist bekanntlich der „Vater der Lüge“ und derartiges mag auch zur Komik der Teufelsfigur beigetragen haben. Theologisch tiefgründiger liesse sich dieser Selbstwiderspruch auch als Folge der von Maria über den Teufel ausgeübten Macht verstehen: Diese zwingt ihn, fortlaufend seine eigene Lügenhaftigkeit zu desavouieren. In dieselbe Richtung können auch die respektvollen, heilsgeschichtlich „korrekten“ Anreden Marias, die der Teufel gebraucht, verstanden werden (vgl. etwa: H V. 682 oder S V. 917); vgl. auch H V. 649f. und 684 und jeweiliger Kommentar dazu. S 635 aflates] Vgl. zu H V. 402. H 636-641 He…] Der Teufel rekurriert hier geschickt auf schriftlich festgelegte Klauseln und fordert Respektierung des Vertrages ein. Himmlischerseits schert man sich darum wenig, auch wenn Maria mit dem Argument der Unzurechnungsfähigkeit des Theophilus bei Vertragsabschluss noch auf iuristischem Boden bleibt. Damit erscheint der Teufel letztlich als ein Betrogener, und für die Zuschauer dürfte gegolten haben: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Satan seinerseits formuliert klar, dass man sich in einer Zwangslage befindet: H V. 695. Zur Frage des Rechtsbruches gegenüber dem Teufel vgl. Zelger 1996, v.a. S. 186-192 und Wünsche 1905. H 636 He heft syk myk] Die Handschrift liest: He heft syk my myk, was sinnlos scheint. Petsch kommentiert seine Tilgung von my im Apparat: „Augenscheinlich lautete die Zeile He heft syk my also vor pflicht ...; der Schreiber wollte dem Dreireim ausweichen, nahm aus 638 zur Erweiterung sulues herüber, stellte durch Spaltung und durch Einführung der Form myk ein notdürftiges Reimpaar her und liess versehentlich das ältere my stehen.“ Man fragt sich, wieso Krobisch keinen Verbesserungsvorschlag für den sinnlosen Text bringt. S 643 ghelaten] Sprenger (1890, S. 134; entsprechend Sarauw 1923, S. 45) schlägt für diese schwer verständliche Stelle die Korrektur zu geladen vor; dementsprechend wurde übersetzt.

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S 644 zaten] Lübben (1888, S. 317) liefert dafür u.a.: „beruhigen“, „sich stellen“; also wohl: „das Herz auf Gott hin ausrichten“. H 645 lofte] „Versprechen“ (Lübben 1888, S. 211) H 647 wedder synnich ge worden] Dass Verträge geändert werden, weil einer der Partner es sich nachträglich anders überlegt hat, ist nicht unbedingt üblich. In der iuristischen Schwäche von Marias Position (die sie mit einem Machtwort zu überspielen sucht) spiegelt sich anderseits die Gewalt der göttlichen Gnade, die alles ausser Kraft setzen kann. T 647 an myne sele gheyt] wohl eher „meine Seele aufs Spiel setzt“ (vgl. DWb, Bd. 4 I 2 Sp. 2451) als „meine Seele betrifft“ T 649-651 Wat helpet … verloren] Dieses Räsonnement mutet punktuell gesehen nicht recht logisch an, denn noch hätte Theophilus es ja in der Hand, den Pakt nicht zu schliessen, sich damit nicht in Gefahr zu bringen. Im Kontext bieten sich mehrere Deutungen an: Es kann sich um eine Darstellung aus verzerrter Figurenperspektive handeln. Es könnte darum gehen, die Verzweiflung des Theophilus (vgl. Kommentar zu H V. 5) als Voraussetzung für einen Pakt zu zeigen. Oder Theophilus könnte sagen wollen, dass das Feilschen um Einzelheiten des Vertrags im Grundsatz wenig ändert (gerade das wird sich ja dann hinsichtlich Marias in gewissem Sinne als Fehleinschätzung erweisen). H 650 en weit ik nicht] Erst kann es scheinen, als ob Satan das Vorliegen eines Vertrages überhaupt in Abrede stellen wolle; das erweist sich dann H V. 652 als so nicht zutreffend, immerhin bleibt der Verdacht der Lüge bestehen; vgl. auch H V. 634f. und 684 und jeweiliger Kommentar dazu. – Auf das iuristisch eher dürftig gestützte Machtwort Marias (H V. 642-648) wechselt der Teufel die Argumentationsstrategie, indem er zu allerlei Ausflüchten greift. H 651 vele wunders ghe dreuen] Die Selbstrechtfertigung Satans ist ambivalent lesbar: einerseits wirkt seine Geschäftigkeit komisch-wichtigtuerisch, anderseits zeigt sie die für den Menschen bedrohliche Energie des Bösen; nicht umsonst sprachen die Theologen vom mille artifex (Schumacher 1992), allerdings beruhen alle seine „Wunder“ auf Gauklertricks und Täuschungen. S 653-675 Reue des Theophilus und Hinwendung zu Maria H 655 Maria sprak:] An dieser bereits von Petsch ergänzten Stelle ortet Krobisch (1997, S. 139) einen „schwerwiegenden Fehler“ des Redaktors, der aus einem Spieltext eine episierte Lesefassung in dialogischer Form herstellte; ähnlich: H V. 236 (auch da von Petsch korrigiert).

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T 656 myr] Zur Kontraktion des stark flektierten Possessivums miner vgl. Lasch 1914, § 402. S 658 Godes nycht ghe horen] Als Akk.obj. kann hier das nominal aufgefasste nycht „nichts“ gelten; manchmal wird horen allerdings auch mit dem Genetiv konstruiert (Lübben 1888, S. 149). H 660 Ik han … dorch varen] Es bleibt offen, ob Satan hier schon gleich dem eben ergangenen Befehl der Maria als nutzlos widerspricht oder ob er nach H V. 658 abgeht, sucht und dann wiederkommt. H 666 mennich iar be daget] Es bleibt offen, ob dies eine Schutzbehauptung Luzifers ist oder ob wir von einer langen Zeit zwischen Theophils Apostasie und seiner Reue auszugehen haben. In der lateinischen Erzählung ist von einer nur kurzen Zeit die Rede: Et cum paruum tempus in tali iactantia et abnegationis sue fouea conmoraretur… (Petsch 1908, Kapitel 6); anders die griechischen Fassungen: Radermacher 1927, S. 168f., 192f.; zu den Verhältnissen in den mittelalterlichen Ausformungen: Gier 1977, S. 143f. Im Faustbuch von 1587 beläuft sich die im Pakt festgelegte Frist auf 24 Jahre (Kapitel 6). Einmal die Frage offengelassen, ob ein lutherischer Autor und sein Zielpublikum biblisch begründete Zahlenallegorie aus patristisch-mittelalterlicher Tradition noch kannten und für akzeptabel hielten, so bietet jedenfalls gerade diese Überlieferung eine hier sehr pertinente Deutung e negativo. Bei Hieronymus Lauretus liest man zur Zahl 24 (unter Bezugnahme auf Agg 2,10 und Lc 2,21) nämlich: Die vicesima quarta coepit aedificari templum Domini, quia octonarius numerus, qui sanctus est et in verae circumcisionis typo accipitur, triplicatus vicesimum quartum numerum facit: figuraliter nos docemur, ut aedificemus domum Domini in amputatione carnis et vitiorum circumcisione… (Lauretus 1681, S. 1086). H 667 nicht en sach] Luzifers Behauptung findet V. 679 ihre komische Beglaubigung: der Vertrag liegt nämlich unter seinem Hintern, also hat er ihn wirklich nicht gesehen. H 668 Vor war ik dat spreken mach] Vgl. zu S V. 896. T 668 dynck] Das Bedeutungsspektrum von „Ding“ ist überaus weit (vgl. Lübben 1888, S. 78; DWb, Bd. 2 Sp. 1152-1169); die Annahme rechtlicher Terminologie liegt nahe; die vorgeschlagene Übersetzung sucht dem Rechnung zu tragen; andere Lösungen sind gewiss auch denkbar. S 676-741 Das Ringen um die Fürbitte Marias S 677 to vorlat] Vgl. zu H V. 449. H 679 vnder sinem rucke] In S liegt der Vertrag unter Luzifers Zunge; vgl. zu S V. 911. – Eine ausführliche Beschreibung des auf einem Rost ange-

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ketteten Luzifer bietet der deutsche ‚Tondolus‘ (Palmer 1980, Z. 785844), ferner: Kommentar zu H V. 101f. und S V. 911. T 680 almisse … snyden] Vgl. zu H V. 196. H 682 telerinne] „Gebärerin“ (vgl. Schiller 1875, Bd. 4 S. 522), offenbar exklusiv für Maria gebraucht, analog zu lateinisch genitrix und deipara (vgl. Salzer 1886, S. 101f.). Diese übersetzen das in der Frühzeit der Kirchengeschichte entstandene gr. theotokos. Zu dessen Konnotationen gilt: „theotokos ist eine Neubildung in der Gräzität des 4. Jh. und ein Wort herben Klangs. Meint „Mutter“ (meter) die „Erzeugerin-Ernährerin-Erzieherin“, so meint die Worthälfte -tokos die blosse Gebärerin. Der Neologismus theotokos aber verbindet das Irdisch-Animalische mit dem Spirituell-Himmlischen.“ (TRE, Bd. 22 S. 121f.). Das Auftreten des Wortes in unserem Spiel – und zwar nur hier –, dazu in Teufelsmund ist bemerkenswert. S 682 kos dy to ener sonerynnen] Der Vers beugt der heterodoxen Vorstellung, wonach Maria „Miterlöserin” sei, vor; vgl. auch S V. 745, 769-772, 969-972; ähnlich, aber weniger deutlich: H V. 454-456. S 683f. vns … deme armen sundere, de … komen] Der Text weist Numerusinkongruenzen auf, die in der Übersetzung so nicht stehen bleiben konnten. H 684 Ik weit wol wur de bref is] Satan verschwatzt sich hier (vgl. V. 669) und macht seine frühere Lüge in komischer Weise sichtbar. Die Formulierung verknüpft diese Stelle mit den früheren in V. 635 und 650; vgl. dort und jeweiliger Kommentar dazu. S 686 seder sterne] Der überlieferte Text ist kaum sinnvoll; Hoffmann schlug leidestêrne (sic! Fehler bei Petsch) vor, Sarauw (1923, V. 468 und S. 47) schloss sich an; Petschs Versuch einer Rettung des Überlieferten (vgl. Apparat z.St.): die Passage als „später ein edler Stern“ zu verstehen) überzeugt kaum. Zur reich entwickelten Stern-Metaphorik bei den mariologischen Beiwörtern vgl. Salzer 1886, Register. S 687 veghevure] Insofern Theophilus nicht gestorben ist, hat die Aussage hier bloss metaphorischen Charakter, sie verweist aber auf die Maria zugeschriebene Rolle als Helferin im Fegefeuer. Zur Entstehung der Fegefeuerkonzeption vgl. LdM, Bd. 4 Sp. 328-331, Jezler 1994, S. 296299 (Rosenkranzgebet und Marienmilch). T 689 mysvallen] Vgl. zu H V. 203.

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H 687-698 Satan bei Luzifer: Herausgabe des Vertrags unvermeidlich H 695-698 Se…] Diese Verse gibt S mit einigen Ergänzungen (V. 937942) dem Luzifer, was gewiss plausibel ist: einmal fällt so die Anrede Satans an Luzifer nicht ins Leere; auch scheint es zweitens nahe liegend, dass sich Stückschreiber und Regisseur die Möglichkeit zu einem Auftritt des obersten aller Teufel nicht haben entgehen lassen. Das etwas jüngere ‚Redentiner Osterspiel‘ zeigt verbürgt durch die überlieferten Regieanmerkungen Möglichkeiten der Inszenierung eines solchen pathetisch-lächerlichen Auftrittes dessen, der einmal der schönste Engel war: Tunc diaboli educunt Luciferum cathenatum, qui sedens in doleo lamentando dicit (Schottmann 1975, S. 104); vgl. dazu auch die davon weit abstehende gewaltige Schilderung Dantes (‚Inferno‘ canto 34 passim). T 695 dat soete word] Noch in der Abwehr des Göttlichen muss der Teufel gegen sich Zeugnis ablegen, indem er Marias Namen so bezeichnet, wie er möchte, dass er nicht wäre: „süss“; vgl. auch H V. 98, 213 und S V. 421. Dieser Gestus durchzieht alle Reden Satans und Luzifers über und mit der „Gegenpartei“. H 699-708 Rückgabe der Urkunde an Maria H 699 leng] Die Form des Stammvokals kann einen Komparativ lenger vermuten lassen, was aber nicht zwingend ist. S 701 Dat ys my bouen allen dynghen ghehort] Ich nehme dynghen als subst. Infinitiv und verstehe das Verb als auf den Richter bezogen, somit: „Urteil fällen“, „Recht sprechen“ (Lübben 1888, S. 78, Schiller 1875, Bd. 1 S. 519f., Lasch 1956, Bd. 1 Sp. 428f.). Theophilus wünscht also, dass Gnade vor Recht ergehen möge. H 702 doruen vns nicht mehr affen] Zur Übersetzung von doruen vgl. Lasch 1956, Bd. 1 Sp. 460. – Trotz all seiner Vorsicht ist der Teufel erneut übervorteilt worden, was ihn von radikalem Verhaltenswechsel reden lässt; das Publikum weiss, dass er davon dann doch wieder abrücken wird (vgl. H V. 90-99 und Kommentar zu H V. 636-641). S 702f. Dyn…] Der überlieferte Text ist syntaktisch holprig; Hoffmann und Sarauw 1923 (V. 484f.) glätten zu Din leve kint, Jhesus Crist, / Wil di twiden, wes du biddende bist; Petsch (Apparat z.St.) lehnt dies als „unnötig“ ab; er hat offensichtlich nur die inhaltliche Plausibilität im Auge. H 707 bi iacht] Vgl. mhd. bejac „Beute“: ein Beispiel der für die Teufelsdarstellung typischen Fäkalkomik. Damit erhält auch das vneren (V. 706),

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an dem Ettmüller und Hoffmann mit Konjekturen herumlaboriert haben und das Petsch (Apparat z.St.) nur widerwillig zu akzeptieren scheint, seinen guten Sinn. Vielleicht haben die früheren Herausgeber diese Komik nicht erkannt. In der Darstellung Satans wird hier ausserdem in letzter Position so etwas wie psychologische Plausibilität und eine „Entwicklung“ fassbar: Von V. 624 an hat er mit unterschiedlichen Strategien versucht, sein Interesse zu wahren: iuristische Argumente, ausweichende Hinhaltetaktik, dabei immer gefasst und respektvoll gegenüber Maria, die ihn ihrerseits beschimpft. Nun ist die Sache endgültig verloren, und er macht sich in ohnmächtiger Wut in Drohungen und Fäkalreden Luft. Dies bildet zugleich den publikumswirksamen Abgang der Teufelsfigur. In S V. 953f. ist die Drohung dagegen auf physische Gewalt hin akzentuiert. – Zum Kontrast mit Satans Zufriedenheit bei Vertragsabschluss vgl. Kommentar zu H V. 242. H 715-723 Rückgabe des Vertrags an den schlafenden Theophilus T 708 rike] Das Bedeutungsspektrum von rîch/rike ist erheblich breiter als jenes von „reich“ (vgl. DWb, Bd. 8 Sp. 579-584, Ehrismann 1995, S. 165-169; ferner: Ris 1971). Die nhd. Wiedergabe durch „Macht“ wurde hier etwa im Blick auf V. 546-548 gewählt; andere Perspektiven wären möglich. Die heute verlorene Partie mit der Darstellung von Theophils Weltleben enthielt wohl noch weiteren Stoff zur Konkretisierung des Wortinhaltes. Zu beachten wäre ferner das Gegensatzwort arm (etwa: H V. 22 bzw. S V. 119). Dafür, dass mittelalterliche Beobachter die Theophilus-Geschichte durchaus auch auf wenig konventionelle Weise im Zeichen der Machtproblematik lasen, liefert ihre offenbar singuläre Integration in das Raster der Rota-Fortunae, wie sie eine Miniatur aus einem Psalter-Fragment des Fitzwilliam-Museums zeigt – eine ikonographische Umsetzung, die bis heute offenbar kaum das Interesse der Forschung auf sich gezogen hat (vgl. Fryer 1935, Tafel 9 mit (schlechter) Abbildung und S. 318f. mit (ausführlicher) Beschreibung. Die in acht Szenen aufgeteilte Theophilus-Geschichte beginnt mit seiner Absetzung, plaziert in der Position 1 Uhr, ordnet die Wiedereinsetzung dank dämonischer Hilfe bei 6 Uhr (man sieht Theophilus in Herrscherpose thronend, links und rechts zwei Teufelchen, die ihn verehren). Die Szenen der Reue und Befreiung durch Maria finden sich in der „Regnabo“-Position des Rades; den Schluss bei 12 Uhr macht die Darstellung von Theophils Tod. Die Gegenläufigkeit von negativierter irdischer Karriere und Erwerb jenseitigen Heiles mutet in ihrer Weltverachtung zwar durchaus konformistisch an; doch

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mit der Einfügung der Büsservita des Theophilus in ein Fortuna-Rad, das im Prinzip die moralische Verantwortung ausschliesst, ergibt sich doch eine recht sperrige Lesart der bekannten Geschichte. H 709-713 Nŭ...] Nach einem nicht unplausiblen Vorschlag Plenzats (1926, S. 143 Anm. 11) werden diese Verse hier nach vorne, hinter V. 623, gerückt, weil die Aufforderung Marias an Theophilus zu schlafen, an der überlieferten Stelle wenig sinnvoll scheint, wohl aber nach 623 eine passende Parallele zu 505 bildet: Jedes Mal, wenn Maria weggeht – zu ihrem Sohn oder ans Höllentor – hat Theophilus still zu bleiben. Dem widerspricht Petsch (1933, S. 76): es gehe um einen allmählichen Übergang im „Stimmungsgefüge“ zwischen Erregung zur Beruhigung (vgl. auch Petsch 1928, S. 415: der Gesang des Theophilus an dieser Stelle sei „ein Gebet vor dem Einschlafen“) – eine Argumentation, die schwerlich überzeugt, weil sie die dramatische Aktion zeitlich überfordert: Maria kommt mit der guten Nachricht, hält aber den Vertrag zurück, lässt Theophilus einschlafen (V. 709-713). Dieser singt, schläft ein, und ist V. 715 schon wieder wach, um die nächste Anrede der Maria hören zu können! Schlüssiger für Petschs Position, das Tradierte irgendwie zu retten, wäre schon der Hinweis, dass in S sich an analoger Stelle analoge Verse finden (S V. 955-958); da allerdings die Textgenese nicht geklärt ist, lässt sich eine Abhängigkeit dieser zwei Fassungen voneinander nicht ausschliessen. Sarauw schliesslich haut den gordischen Knoten auf seine Weise mit rigorosen Eingriffen in die Überlieferung durch (1923, S. 32 und Kommentar dazu: S. 51). Wenig einleuchtend scheint mir schliesslich Ukenas Versuch, die Schwierigkeiten auf dem weichen Weg der Interpretation zu lösen (1975, S. 216f.: V. 709ff. als verklärter Tod des Theophilus). H 709 Nŭ sclap] Zum Motiv des heilenden Schlafes vgl. bei S V. 959. H 710 De…] Hier Einsatz des zweiten Schreibers von H; Krobisch (1997, im Apparat z.St.) erwägt deshalb wegen der Reimstörung, es sei in der Folge zu einem Textverlust gekommen. Allerdings steht das Verspaar auch in S V. 956f. T 710 myt beyden voeten in den stock] Vgl. oben, zu S V. 412f. H 712 aller sorge ge nesen] Die Aussage in V. 712f. bezieht sich einzig auf die Rechtfertigung vor Christus und ergibt keinen Widerspruch zur vorgeschlagenen Umstellung. Dieser Bezug ist auch theologisch befriedigender, weil er die Rechtfertigung vor dem Weltenrichter und die Niederschlagung der Ansprüche der Hölle auf die Seele nicht auf die gleiche Ebene setzt (und dem zweiten Aspekte schon gar kein Achtergewicht vor dem ersten zubilligt): Fundamental und allein heilsgenügend ist die Rechtfertigung vor Christus. Die Wiederbeschaffung des Ver-

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trags ist vorab theatralische Aktion und Symbolhandlung.8 Vgl. Kommentar zu H V. 616-708. H 714 singet] Das Präsens an dieser Stelle fällt auf, denn sonst verwendet H in den „Bühnenanweisungen“ regelmässig das Präteritum. Neuere Betrachtungsweisen betonen das mediale Oszillieren von Spieltexten zwischen „dialogischen Lesetexten“ und „Aufführungsskript“ (Herberichs 2007, S. 183-185). Weiter hat man im gleichen Zusammenhang erwogen, ob Initien von lateinischen Gesängen in Lesehandschriften der quasi-performativen Evokation dieser Gesänge und der Erzeugung entsprechender Stimmungen beim Leser dienten (Neumann 2004, S. 35 Anm. 20). Man mag sich daher überlegen, ob das „falsche“ Präsens hier ebensolche Vergegenwärtigung beabsichtigte. – Petsch schlägt durch Einklammerung die Tilgung dieses „Verses“ (in Wirklichkeit: eine Regieanweisung in Prosa) vor; im Apparat fehlt eine Begründung. Sie dürfte in der Annahme, dass hier Theophilus noch schläft, zu finden sein. Dafür liefert H zwar keinen expliziten Hinweis, doch der Wortlaut in S (v.a. V. 959 mit wecken statt: ricken) bietet plausible Anhaltspunkte; auch der Ablauf im lateinischen Exemplum kann diese Vermutung unterstützen. Allenfalls liesse sich die Zeile nach V. 724 einfügen. – Vgl. auch den Kommentar zu H V. 709-714 H 714 Alma mater deipara] Weder Bäumer 1988 (Bd. 1 S. 103f.), noch Wackernagel, Kehrein oder Bäumker weisen einen Text mit solchem Incipit nach, ebenso nicht die ‚Analecta hymnica‘ (dort aber (Bd. 20 S. 168): Alma mater Domini). – Unmittelbar (mindestens, wenn man Plenzats Umstellungsvorschlag akzeptiert, vgl. oben, S. 263) auf den unanständigen Witz Satans folgt der weltentrückte selige Lobgesang Theophils: Exkrement und Sakrament nebeneinander. Maria wird in allen drei Versionen durchgängig über ihre Rolle als Gottesgebärerin definiert, sogar durch den Teufel (H V. 682); in ihren eigenen Reden werden die verschiedenen Aspekte und Stationen dieser Rolle genauer expliziert (zur Dogmengeschichte vgl. Beinert 1984, S. 264-268 und Söll 1978, passim). – Petsch setzt im Übrigen die Anweisung in eckige Klammern, denn sie lässt sich mit V. 719, wo Theophilus schlafend gedacht wird, schlecht in Übereinstimmung bringen; allenfalls wäre sie hinter die Rede der Maria zu verschieben, wo der Gesang den Abgang Marias, das Erwachen des Theophilus und damit den Beginn der Schlussszene markieren könnte; vgl. Kommentar zu H V. 717. ________________ 8

Das ist freilich die theologisch orthodoxe Lesart von Legende und Spiel; demgegenüber hat etwa Warning 1974 für die Zulassung auch heterodoxer Verständnisweisen solcher Vorgänge im geistlichen Spiel plädiert.

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H 715 riken] Genauer Bezug auf das Bereicherungsmotiv, das (neben dem Machtmotiv) den Teufelspakt Theophils mitbegründet (V. 9, 19-22, 152-155, 254, 281f.). Einzubeziehen ist auch das mit dem Reimwort stricken Anvisierte: Der Teufel stellt Bedingungen, die Gnade Gottes ist frei (gratia gratis data). H 717 leyde] Das Präteritum ist etwas befremdlich; S (V. 961) hat legghe. – Im Übrigen bleibt auch mit der hier nachvollzogenen Änderung Plenzats (vgl. oben, S. 263) die Situation, hält man sich strikte an das Überlieferte, unklar: Angesichts von V. 714 denkt man sich Theophilus erwacht und aufrecht, dazu passt die Ausdrucksweise mit „legen“ nicht sehr gut. Anderseits erscheint der Büsser in V. 719 schlafend. In der lateinischen Prosa geschieht die Übergabe in raffinierter Inszenierung auf zwei Wirklichkeitsebenen (vgl. zur Verdoppelung Marias als Statue und in „leibhaftiger“ Vision: Kommentar zu H V. 448): dem in tränenreiche Gebete versunkenen Theophilus „händigte“ Maria erst tamquam in uisione den Vertrag aus (oder auch nur „zeigte vor“; exhibuit ist vieldeutig): exhibuit ei cartulam cautionis. Dann erwacht er aus dem Schlaf und findet das Papier auf seiner Brust: et de somno surgens inuenit cartulam supra pectus suum (vgl. Petsch 1908, Kapitel 14; entsprechend der griechische Text: Radermacher 1927, S. 176f.). Einmal auf das Gewicht von Tempusformen für die Bestimmung des medialen Ortes von Spieltexten aufmerksam geworden (vgl. oben, S. 196), mag man sich überlegen, ob hier ein trivialer Überlieferungsfehler vorliegt: Vielleicht hat hier die im Zuge der Episierung vorgenommene Umsetzung der Regieanweisungen ins Präteritum versehentlich auf den Redetext übergegriffen? Eine nicht-triviale (aber kaum beweisbare) Deutung wäre hingegen die: In der narrativen Überformung des Spieltextes der Lesefassung, die beim Rezipienten nicht auf die Präsenzwirkung einer theatralisch dargestellten Handlung, sondern auf die Imagination des (stillen) Lesers baut, kann Maria aus schon himmlischer Höhe zurückblickend im Präteritum sagen, dass sie Theophilus die Urkunde auf die Brust gelegt h a b e . – Gewiss hat im Übrigen der Gestus Marias, das Dokument dem Theophilus auf die B r u s t zu legen, eine (auch) symbolische Dimension. H 717 bref] Anders als in vielen anderen Versionen der Geschichte (so schon in der griechischen Urfassung: Radermacher 1927, S. 176f. und bei Paulus (Petsch 1908, Kapitel 17)) wird der Vertrag nicht verbrannt; ob dies einfach eine Folge aus dem Fehlen eines Regievermerks ist, muss offen bleiben (dasselbe gilt auch für S V. 959ff.). H 718 Mit sunderliken saken] Der Übersetzungsvorschlag stammt von Sprenger (1890, S. 139), in S (V. 962f.) heisst es: Ghe delghet synt alle dyne smerte / Vnde alle dyne sundelyken saken.

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T 720 al dat] Sprenger (1890, S. 133) schlägt unter Berufung auf H V. 161f. Korrektur zu deit/dêt „Volk“ vor. T 721 Dat dy II werlde wern bekant] Der Text fällt durch eine modern kleingende Wendung auf; ein Lesefehler Petschs ist auszuschliessen, es ist in T ganz klar das Zahlzeichen ij erkennbar (Hoffmann schreibt dementsprechend twe). Auch wenn mir in Wander und im TPMA keine Parallele für die Vorstellung der „zwei Welten“ nachweisbar ist (aber immerhin der Gedanke einer Parallelwelt im Meer: vgl. Leclerc-Marx 2006), scheint die Einebnung einer solchen zwar ungewöhnlichen aber gedanklich doch nachvollziehbaren Vorstellung durch Sprengers (1890, S. 133) Verbesserungsvorschlag: Dat dy al de werlde werde bekant, nicht unbedingt erstrebenswert. – Ein weiteres Problem bildet das Verständnis des heute nur noch mühsam zu entziffernden bekant. Sprenger schlägt die Auffassung „sich als abhängig bekennend“, „als pflichtig bekennend“ (Schiller 1875, Bd. 1 S. 208) vor; diese hat den Vorteil, eine vorschnelle Zuschreibung von faustischem Erkenntnisdrang an den mittelalterlichen Sünder zu vermeiden (auch wenn ein solcher Aspekt gerade in T nicht völlig auszuschliessen ist). H 722 di gnade is ge geuen] Die Stelle liesse sich auch allgemeiner verstehen als: „… dass dir Gnade widerfahren ist“; Entsprechendes gilt von H V. 728. H 724-745 Dankgebet des Theophilus an Christus und Marienpreis S 724 Jo myt deme suluen bede] Genau genommen stimmt das nicht, denn das ‚Ave Maria‘ fällt erst jetzt. Es bleibt offen, ob der Text sich auf V. 676f. bezieht, ob durch nachträgliche Veränderungen die genaue Bezugsstelle verloren gegangen ist – oder ob Theophilus in frommem Überschwang und absichtsvoll die Wirklichkeit etwas zurechtbiegt. T 725 wynnen kunde] „Bekanntschaft machen“ mit Genetiv (Schiller 1875, Bd. 2 S. 596) H 726 vortigen] Eine Konjektur Petschs; dagegen schlägt Krobisch für das überlieferte vnt dugen ein vntdingen „durch Abschliessung eines Vertrages entziehen“ vor. H 728 my gnade wunnen hat] Vgl. zu H V. 722. H 729 Dat alle grot vnde stat] Petsch (1908, z.St.) hält den überlieferten Wortlaut (sat) für unerklärbar, vermutet einen Zusammenhang mit V. 61 (siehe oben) und verbessert zu: stat; wie er das versteht, ist mir freilich nicht klar. Will man stärker eingreifen, so hat Sprengers Variante einige Plausibilität für sich: … alle got unde quat…(1890, S. 139).

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H 730 Konden spreken, dwingen vnde heten] Petsch bietet nichts zur Erklärung der Stelle; Ettmüller (1849, S. 29): konden spreken unde se grôten; Hoffmann (1854, S. 74f. und 92) lässt die V. 724-733 als verdorben weg; Sprenger (1890, S. 139) schlägt: konden spreken, de wenegen unde groten vor. H 731 Se konden] Bedingt durch die Störungen in V. 730 ist hier die Syntax unklar: „sie [die Gläubigen] sagten … sie könnten sie [Maria] mit Rühmen niemals genug erhöhen“? H 731 boten] „ausbessern“ (Lübben 1888, S. 64), dann im Kontext wohl: „erhöhen“ (mit Bezug auf Marias Lobwürdigkeit gesagt) T 732 Soe tred] Einzig in T ist die Abschwörung so breit ausgestaltet und wird damit deutlich erkennbar zu einer eigenen Phase des Paktschlusses mit dem Teufel (vgl. dazu die verkürzte Abschwörung in H V. 232ff. bzw. S V. 416ff. sowie den Kommentar zu H V. 78). Man mag der so entstehenden Doppelstruktur von Abschwörung und Vertragsausfertigung die zwei Momente der Sündenvergebung und der Rückgabe der Pakturkunde am Spielende entsprechen lassen. Diese Spiegelung ist wegen des fragmentarischen Zustandes von T allerdings nur noch in H und S sichtbar und dort wegen der Verkürzung zusätzlich verunklärt. H 733 sin] Man erwartet bei Bezug auf Maria is oder si; sin scheint zum pluralischen Subjekt von vorher zu passen. Aber was sollte enbouen sin dann bedeuten? „Jenseits der Fähigkeit sein zu preisen“? H 734 Louet se vrowen vnde man] Mit der Wendung ad spectatores initiiert der Text die Nutzanwendung des Geschehens durch das (in H und S) lesende Publikum. Diesem Gestus entspricht unter den Bedingungen der Narration die Schluss„szene“ des Sonntagsgottesdienstes in der griechischen und lateinischen Prosa (Radermacher 1927, S. 176f., Petsch 1908, Kapitel 15-17, Meersseman 1963, Kapitel 33-40). S 736 lygghe an dyneme bede stylle] Vgl. zu H V. 505. S 737 wyl] „viel“ H 738 mere] Der Gebrauch von mere im Sinne der hier vorauszusetzenden Bedeutung „Abmachung“ „Übereinkunft“ ist auffällig und durch die Wörterbücher (Lübben; Schiller) nicht abzustützen. S 742-833 Marias Kampf um die Gnade Christi für Theophilus H 743 Mit lesen vnde mit singen] Verkündigung des Klerikers im gesprochenen Wort und im Chorgesang, vgl. H V. 16, ferner zu S V. 194. T 743 alt] wohl: allet „alles“

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T 744 reetschap] „Barschaft“, „Gerätschaft (u.a. zum Schreiben)“, vgl. Schiller 1875, Bd. 3 S. 446; freilich ist die Verbindung mit doen ungewöhnlich. S 747f. dat he nychtes vmbeyt / Men weynen vnde ghellen] Zwar können sich weynen und ghellen als Partizipia wie in der entsprechenden Passage von H auf leghen (V. 747) beziehen. Doch der hier geringfügig geänderte Kontext erlaubt es auch, eine Anspielung an Ps 41,4 Fuerunt mihi lacrymae meae panes die ac nocte vermuten; dann ist mit zwei substantivierten Infinitiven zu rechnen (vgl. zu H V. 515f.). T 748 kynt] Petschs Punkt ist besser durch ein Komma zu ersetzen. T 751 perynck] „Wurm“, offenbar ein Hapax; Hoffmann (1853, S. 73) verweist auf mnl. pier „Regenwurm“; vgl. auch Schiller 1875, Bd. 3 S. 320f. T 754 Proeue] „sich umsehen nach“ (Lübben 1888, S. 285) T 759 teyn] wohl wie in T V. 614 „Einwendungen machen“ T 760 geyn] wohl wie in T V. 613 „gestehen“ (vgl. Sprenger 1890, S. 133) T 761 beŭen] „beben“, „zittern“ (Lübben 1888, S. 50) S 762 lat my mynen nomen behalden] Vgl. zu S V. 901. T 762 hebs] Das -s bereitet grammatische Schwierigkeiten; es mag sich um den elidierten Rest des sächlichen Pronomens it im Genetiv handeln, doch bleibt der syntaktische und inhaltliche Bezug unklar. S 765 wes swyghestu] Das Schweigen Christi mag als Kontrast zum vorher durch Maria beschworenen Schreien des Theophilus „gehört“ werden. Ein Stück weit erinnert die Situation auch an jene bei der Nachfrage Satans an seinen Meister und Herrn S V. 934f. T 766 meyde] mêde „Miete“, „Lohn“ (Lübben 1888, S. 222); hier wohl im weiteren Sinne: „Vertrag“, allenfalls auch: „hart verdienter Lohn“. nach T 771 Hyr doet … secht] Vgl. Kommentar zu H V. 246f. nach T 778 drauet] Erneut (vgl. zu V. 568) stellt sich die Frage nach der Gangart des Teufels. Die im DWb (Bd. 11 I 1 Sp. 952-972) ausgebreitete Fülle von Belegen zu „traben“ (Schiller-Lübben wirft wenig ab: Bd. 1 S. 568) lässt unterschiedlichste Deutungen zu, etwa inhaltsbezogen im Sinne einer „mittelschnellen“ Bewegungsart oder eher mit situationsbezogener Spezifizierung: „sich trollen“; da das Wort primär von Tieren (nicht nur Pferden: Sp. 960-962) verwendet wird, mag man auch die Konnotation auf den Teufel als nicht-menschliches Wesen heraushören (vgl. Sp. 968); die Übersetzung versucht die Frage nach dem hier Gemeinten offenzuhalten. Bemerkenswert bleibt der Wille zur szenischen Nuancierung. T 782 plat] „schlechterdings“ „gänzlich“ (Lübben 1888, S. 278) S 787 vor theghen] Vgl. zu H V. 552. T 789f. kunde … kunde] Möglich wäre auch die Auffassung als Irrealis.

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S 792 vrucht] Die Stelle ist auf Maria bezogen; erneut (vgl. oben, S. 249) wird die enge Verbundenheit von Sohn und Mutter unterstrichen. S 793 Syn ghellent vor mynen oghen] Die paradoxe, vorerst als nachlässige Formulierung erscheinende Synästhesie findet ihre Berechtigung im Kontext: Christus s i e h t Theophilus schreien, doch noch dringt das nicht an sein Ohr. T 794-818 Das Weltleben des Theophilus S 798 weyt] Sprenger (1891, S. 135) schlägt Verbesserung zu mot „darf“ vor. S 798 ok mych] Die Übersetzung folgt hier dem Verbesserungsvorschlag Hoffmanns (ok nicht), denn es ist nicht einsichtig, wie Petsch der Stelle ohne eine Korrektur Sinn abgewinnen will. (Sprenger (1891, S. 135) liest stillschweigend nicht. Im Übrigen bestätigt Geeraedts Abdruck die Richtigkeit der Lesung Petschs. S 807 vth dynen munde ghetoghen] Die Stelle weckt aus inhaltlichen Gründen wenig Vertrauen. Hoffmann ändert nicht, Sprenger und Petsch schweigen, Sarauw (V. 589) übernimmt den glatten Text von H (V. 579). S 808 Dencke … doch mynen wyllen] Hoffmann (1854, S. 31) ergänzt nach doch ein an; Sprenger (1890, S. 135) korrigiert unter Verweis auf S V. 823 zu dorch (mynen wyllen); Petsch (z. St.) übergeht dies zwar, findet aber Hoffmanns Vorschlag „unnötig“. Die Übersetzung hält sich an Sprengers Vorschlag. T 812 labure] labûr „Arbeit“ (Lübben 1888, S. 195); hier sarkastisch-uneigentlich gebraucht T 814 to enthalt] „Aufenthalt“ (Lübben 1888, S. 407) T 816 Nu leue ich alles des ich sal] Zum Gebrauch des Genetivs vgl. Schiller 1875, Bd. 2 S. 678, wo unsere Stelle mit „lebe ich ganz nach meinem Gefallen“ paraphrasiert. Allerdings kann der Genetiv auch das Mittel bezeichnen, vgl. dazu neben der zitierten Stelle auch DWb, Bd. 6 Sp. 402f., damit wäre dann hier zu verstehen: „lebe von allem, was ich haben werde“.

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T 819-825 Ankündigung der Fortsetzung durch den Chor, Abbruch der Überlieferung S 820 des blynden] Longinus; vgl. zu H V. 590. S 821 stůt] Zu stên „stehen“; für die Präteritumsformen ohne Nasal vgl. Lasch 1914, § 430 Anm. 6 und 448,3. Die Formulierung ist lexikalisch auffällig; Schiller (1875, Bd. 4 S. 359-362) bietet keine Parallele für die Verwendung von stan mit durch. Der Verfasser mag zugleich das Durchbohren und das Stehenbleiben der Lanze auszudrücken beabsichtigt haben; indessen heben die Evangelienberichte einzig auf die Bewegung des Durchbohrens ab: ein weiterer Anlass des Befremdens über die vorliegende Formulierung. Vielleicht steht schlicht Reimnot am Ursprung des Ausdruckes. T 821 Nu sal v werden vort vertalt] Hier dürfte der Chor und nicht der Spielleiter sprechen; dies legen die Anklänge in den Formulierungen an T V. 1-8 nahe. T nach 824 Hyr sal Theopholus…] Es handelt sich nicht um eine ergänzte oder korrigierte Stelle, weshalb unklar bleibt, wieso Petsch diesen Passus kursiviert. T nach 824 Myr enboyd myn leyf also, dat ich] Recherchen in verschiedenen Liederrepertorien (u.a. bei Grijp und in der elektronischen Datenbank des Meertens Instituuts) bieten keine Parallele; das anzitierte weltliche Liebeslied (?) dürfte verloren sein (freundliche Auskunft von Max Schiendorfer, Zürich). S 826f. Lat my … bewaren / Vrolyken an dyne hulde varen] Obwohl über den Sinn kaum ein Zweifel bestehen kann, bleiben einzelne Formen und damit der syntaktische Zusammenhang undeutlich: Ist bewaren ein Infinitiv („bewahren“)? Oder eher ein Adverb („wahrlich“)? Wie ist in der Folge der Anschluss von varen zu denken? Als Ergänzung zu lat (wenn bewaren nicht schon ein Infinitiv)? Auch die Konstruktion von an mit Richtungs- statt Ortsangabe befremdet. Hoffmanns Lesart an dyner verdient im Übrigen wenig Kredit, denn sie wird weder bei Petsch noch bei Dasent (1845, S. 60), noch bei Geeraedts (1984, S. 268) bestätigt, dürfte also einen nicht nachgewiesenen Eingriff Hoffmanns darstellen. Sarauw (1923, V. 609f.) hat sich einen Text ohne Anstoss zurechtgeschnitten: Lat mi dussen sunder bewaren / Unde lat ene an dinen hulden varen. S 831 pant] Vgl. zu H V. 601.

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S 834-852 Theophilus’ Sorge um die Vertragsurkunde und Hilfszusage Marias

S 853-924 Marias Kampf mit Satan um die Vertragsurkunde S 872 vnrecht dede] Vgl. S V. 317. S 889 Ik hebbe al de helle dore varen] Zwischen V. 888 und 889 liegt eine szenische Aktion: Satans Gang in die Hölle und seine Rückkehr. Es bleibt offen, wie sie auf der Bühne umgesetzt wurde: Ging Satan in den Höllenschlund hinein und kehrte nach einiger Zeit wieder zurück? Der bald folgende Dialog mit Luzifer setzt jedenfalls auch das Hölleninnere als Schauplatz voraus. S 896 Vor war yk dy dat saghen mach] Je nach der Auffassung von vorwar (adverbial als kolloquiale Formel „wahrhaftig“ oder prädikativ „als Wahrheit“) bekommt die Aussage eine andere Färbung und betont die Lügenhaftigkeit Satans in unterschiedlichem Grade; die differenzierende Übersetzung in H (V. 668) und S sucht dem Rechnung zu tragen. S 900 Dat du ene wol vynden schalt] Zur Redundanz mit V. 898 vgl. auch oben Kommentar zu H V. 603f. S 901 Ik bede dy] Zum dritten Mal erfolgt in magisch beschwörendem Gestus der Befehl an Satan (vgl. S V. 855, 873). S 901 by myneme nomen] Die Berufung auf den Namen ist im Sinne eines vormodernen Weltverständnisses prägnant zu nehmen; andere Stellen im Spiel (etwa die Beschwörungen Marias durch Theophilus (S V. 676ff.) oder ihre dazu komplementäre Argumentation vor Christus (S V. 742ff., bes.: 762)) können das belegen und illustrieren: Wer den Namen weiss, hat Macht über den Namensträger – der Rumpelstilzeffekt. S 911 Vnder syner tunghen] Die Vorstellung begegnet im Buch Hiob (20,12: [vom Gottlosen und vom Heuchler] Cum enim dulce fuerit in ore eius malum, abscondet illud sub lingua sua) und in Ps 10,7 ([ebenfalls vom Sünder] Cuius maledictione os plenum est, et amaritudine, et dolo: sub lingua eius labor et dolor). Im Deutschen scheint die Vorstellung, obwohl in paradigmatischen Bezügen unmittelbar verständlich (vgl. „das Herz auf der Zunge tragen“) sonst nicht belegt (Fehlanzeige etwa im TPMA oder bei Röhrich 1973); das DWb belegt „unter der Zunge“ nur vereinzelt (Bd. 16 Sp. 593f.). Dieser Befund kann als Hinweis, dass der Text von einem lateinisch gebildeten Kleriker stammt, gedeutet werden. In H V. 679 liegt der Vertrag unter Luzifers „Rücken“ (Hintern?).

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S 914 schole gy] wohl nicht unvermittelter und vereinzelter Übergang zum Ihrzen, sondern auf Satan samt seinen Helfern bezogen, vgl. S V. 890. S 915 runghen] „Bolz, pfosten, stange … besonders zur bezeichnung der vier stangen oder pfosten, welche in das gestell eines arbeitswagens, zwei auf jeder seite, schräge eingesteckt werden, und die leitern oder bretter halten“ (DWb Bd. 8 Sp. 1520). S 918 Du byndest my alleyne] Man mag den Satz in zwei inhaltlich nicht ganz unerheblichen Nuancen hören: „Du ganz allein fesselst mich“ (Maria wird ohne göttliche Hilfe mit dem Teufel fertig; Forcierung des redemptrix-Aspektes) oder: „Einzig du fesselst mich“ (Unter allen Heiligen ist einzig sie zu solcher Tat fähig). Gewiss trägt der ganze Spielkontext im Gegenzug zur Desambiguierung bei; doch einen Moment lang blitzt Ambivalenz auf. S 925-942 Satan bei Luzifer: Herausgabe des Vertrags unvermeidlich S 928 quaden man] Man mag hier, auch wenn die Situation nicht gleich ist, an das seit der Patristik verbreitete Mythologem denken, dass die Menschennatur Christi seine Gottnatur verbarg und so den Teufel zu einem (für diesen fatalen) Irrtum über sein wahres Wesen verleitete (vgl. die Belege dazu bei Schottmann 1975, S. 198f.). S 933 vnder dy lycht ghegrauen] Hier scheint nun die in H herrschende Vorstellung, dass Luzifer auf dem Vertrag sitzt oder liegt, auf. Es muss offen bleiben, wie es zu diesem Widerspruch kommt und ob es überhaupt einer ist – könnte doch S V. 911 auch metaphorisch-unräumlich gedacht sein. S 935 wat redestu dar to] Luzifer schweigt zunächst wie zuvor Christus auf die Worte seiner Mutter (S V. 765). S 940 vnse ergher stunde] Zum Ersatz von Superlativ durch Komparativ vgl. Behaghel 1923, Bd. 1 S. 227f. S 943-954 Rückgabe der Urkunde an Maria S 946 apen] Vgl. zu H V. 702. S 952 vorweren] „abwehren“ (Lübben 1888, S. 535) S 954 roken] Wohl mehrfach deutbare Graphie (Lübben 1888, S. 305, zur Vermischung von raken und roken vgl. Schiller 1875, Bd. 3 S. 416): roken = „besorgt sein um“, „sorgen für“, es läge dann hier sarkastischdrohendes Sprechen vor; oder: raken = „erreichen“, „treffen“, „erwischen“ (Lübben 1888, S. 291); diese Deutung nimmt Geeraedts an

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(1984, S. 78), dafür spricht auch der transitive Gebrauch (vgl. Lasch 1956, Bd. 2,2 Sp. 1845f. raken gegenüber Sp. 2003 roken). Über das Gemeinte besteht so oder so kein Zweifel. S 955-968 Rückgabe des Vertrags an den schlafenden Theophilus S 955-958 Nv sclap] Vgl. zu H V. 709. S 959 yk wyl dy wecken] Man stösst mit diesem Motiv auf eine älteste Schicht unseres Mirakels; sie findet sich bereits im griechischen Original (Radermacher 1927, S. 176,6 bzw. 177); die lateinische Übersetzung des Diakons Paulus hat sie ans Abendland weitergegeben (Petsch 1908, Kapitel 14: de somno surgens inuenit cartulam). Im griechischen Original mögen noch recht unmittelbar vorchristliche Praktiken – der Inkubationsschlaf im Tempel des Asklepios (Belege bei Müri 1986, S. 432-439 und Giebel 2006, S. 162-187, vgl. DNP 1996, Altertum Bd. 5 Sp. 1006f.; Wöhrle 1995, S. 47-50) – christianisiert und zusätzlich auf eine moralische Ebene gehoben, aufscheinen. Von der Heilung körperlicher Gebresten im Rahmen einer Inkubation berichten etwa die im 7. Jahrhundert (somit zeitgenössisch zur TheophilosGeschichte) aufgezeichneten Mirakel des in Konstantinopel verehrten Heiligen Artemios (Crisafulli 1997, S. 23-26; Rosenqvist 2007, S. 32). Ein zusätzlicher Berührungspunkt ergibt sich dabei durch den Wochentag, an dem Artemios-Verehrer geheilt und Theophilos von Maria seine Pakturkunde wieder bekommt: Samstagnacht (Belege: Crisafulli 1997, S. 174f., Radermacher 1927, S. 176f., Petsch 1908, Kapitel 15). – Für den mittelalterlichen Verstehenshorizont verschob sich dann wohl die Bedeutung des Motivs. Der Schlaf dürfte nunmehr vorab als Sündenschlaf aufgefasst worden sein, auch wenn dies nicht bruchlos mit dem Kontext, wo ja Maria zum Schlafen auffordert (H V. 709; S V. 955), zu vereinen ist. Zum Spektrum spiritueller Deutungen des Schlafes vgl. Hieronymus Lauretus (S. 362-364). S 969-992 Dankgebet des Theophilus an Christus und Marienpreis S 970 myn schepper vnd myn loze] Es erscheinen die traditionell im typologischen Denken zusammengehörigen Vorgänge von creatio und redemptio; vgl. auch zu T V. 595. S 975 Nu schole gy se louen beyde vrouwen vnde man] Vgl. zu H V. 734. S 977 eyn clar sunnen schyn] Mehrperspektivisches Marienbeiwort: Maria ist selber die Sonne (Salzer 1886, S. 391-399 u.ö.), doch der Sonnenstrahl

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des Heiligen Geistes, der durch das unbeschädigte Glas dringt, verweist metonymisch auch auf die jungfräulich gebliebene Maria. S 978 scryn] wie sein Reimpartner sunnen schyn in V. 977 ein mariologisches Symbolwort (Salzer 1886, S. 340 u.ö.) S 986 myt lezen vnde ok myt syngghen] Vgl. zu S V. 194. S 993-998 Dyt bok ys vthe … by den mesten] Es fällt die Doppelung des Explicit-Signales auf. Der Hinweis auf das Textende erscheint einmal begleitet von einem frommen Augenaufschlag, das zweite Mal von einem in sich wieder gedoppelten Stammtisch-Spruch. Vielleicht sind dies Spuren mehrfacher Abschreibevorgänge. S 997f. Help Got … mesten] Petsch (1908, z.St.) verweist auf die Redensart „Nicht nach den meisten, sondern nach den besten“, die hier spasshaft umgekehrt wird. Vgl. auch die Stelle S V. 127f.

3 Einführung ins Werk 3.0 Vorbemerkung Das Folgende bietet eine geraffte Übersicht zu wesentlichen Feststellungen, Einsichten, Fragen und Problemen, die sich bei einer Lektüre des mnd. Stückes ergeben. Dazu war einmal in grossen Linien auch die griechisch-lateinische und die bereits deutschsprachige Vorgeschichte des Textes zu betrachten, es galt sodann mit Blick auf die Textgattung die theaterwissenschaftlichen Aspekte zu beleuchten; drittens sollte die ikonographische Tradition mindestens im Grundriss gezeigt werden. Eine lückenlose Behandlung auch nur éiner Traditionslinie (etwa der im deutschen Sprachraum entstandenen Werke) ist hingegen nicht beabsichtigt; sie überstiege die Möglichkeiten einer solchen Einführung bei weitem. Über lange Strecken hin nimmt die Darstellung immer wieder den Charakter eines kritischen Forschungsberichtes an; dies in der Hoffnung den Leser zur Beschäftigung mit ungelösten Fragen der Motivgeschichte zu anzuregen.

3.1 Traditionen: zur Stoffgeschichte des mittelniederdeutschen ‚Theophilus‘ 3.1.1 Die griechische Erzählung des 7. Jahrhunderts und ihre motivischen Parallelen Wann die griechische Fassung der Theophilusgeschichte entstanden ist, wissen wir nicht; die überlieferten Handschriften reichen nicht über das 11. Jahrhundert zurück. 1 Einen gewissen Anhaltspunkt zur Datierung im Sinne eines terminus post quem liefert die zeitliche Selbstsituierung der Geschichte mit Bezug auf Kaiser Heraklius und auf den Krieg zwischen Byzanz und dem Perserreich unter Chosroe. Damit sind Verhältnisse in ________________ 1

Eine brauchbare Übersicht zur griechischen (und lateinischen) Überlieferung bringt Meersseman 1963, S. 15f.; die zerstreuten Angaben Radermachers sind dagegen verwirrt und verwirrlich. Er bietet drei Versionen in teilweisem Paralleldruck, dabei die Venediger-Fassung mit deutscher Übersetzung (1927, S. 164-177, 182-219; Stellenkommentar: S. 247-257); seine Charakterisierung der drei Fassungen vgl. ebd., S. 153-162; zur literaturgeschichtlichen Einordnung der griechischen Fassung vgl.: Kazhdan 1999 (Register).

3 Einführung ins Werk 3.0 Vorbemerkung Das Folgende bietet eine geraffte Übersicht zu wesentlichen Feststellungen, Einsichten, Fragen und Problemen, die sich bei einer Lektüre des mnd. Stückes ergeben. Dazu war einmal in grossen Linien auch die griechisch-lateinische und die bereits deutschsprachige Vorgeschichte des Textes zu betrachten, es galt sodann mit Blick auf die Textgattung die theaterwissenschaftlichen Aspekte zu beleuchten; drittens sollte die ikonographische Tradition mindestens im Grundriss gezeigt werden. Eine lückenlose Behandlung auch nur éiner Traditionslinie (etwa der im deutschen Sprachraum entstandenen Werke) ist hingegen nicht beabsichtigt; sie überstiege die Möglichkeiten einer solchen Einführung bei weitem. Über lange Strecken hin nimmt die Darstellung immer wieder den Charakter eines kritischen Forschungsberichtes an; dies in der Hoffnung den Leser zur Beschäftigung mit ungelösten Fragen der Motivgeschichte zu anzuregen.

3.1 Traditionen: zur Stoffgeschichte des mittelniederdeutschen ‚Theophilus‘ 3.1.1 Die griechische Erzählung des 7. Jahrhunderts und ihre motivischen Parallelen Wann die griechische Fassung der Theophilusgeschichte entstanden ist, wissen wir nicht; die überlieferten Handschriften reichen nicht über das 11. Jahrhundert zurück. 1 Einen gewissen Anhaltspunkt zur Datierung im Sinne eines terminus post quem liefert die zeitliche Selbstsituierung der Geschichte mit Bezug auf Kaiser Heraklius und auf den Krieg zwischen Byzanz und dem Perserreich unter Chosroe. Damit sind Verhältnisse in ________________ 1

Eine brauchbare Übersicht zur griechischen (und lateinischen) Überlieferung bringt Meersseman 1963, S. 15f.; die zerstreuten Angaben Radermachers sind dagegen verwirrt und verwirrlich. Er bietet drei Versionen in teilweisem Paralleldruck, dabei die Venediger-Fassung mit deutscher Übersetzung (1927, S. 164-177, 182-219; Stellenkommentar: S. 247-257); seine Charakterisierung der drei Fassungen vgl. ebd., S. 153-162; zur literaturgeschichtlichen Einordnung der griechischen Fassung vgl.: Kazhdan 1999 (Register).

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Einführung ins Werk

der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts berührt.2 Anderseits bietet die Übersetzung des griechischen Originals ins Lateinische durch den neapolitanischen Diakon Paulus3 im dritten Viertel des 9. Jahrhunderts eine Abgrenzung nach vorne. Nichts zur entstehungsgeschichtlichen Einordnung trägt hingegen die Selbstnennung eines Eutychianus bei, der als Kleriker und Hausgenosse des Theophilus in Augen- und Ohrenzeugenschaft alles aufgeschrieben habe, denn die Forschung rechnet mit einer Autorfiktion.4 Der ‚Theophilus‘ bietet innerhalb der christlichen Tradition5 keineswegs die einzige und erste Erzählung vom Pakt eines Menschen mit dem Bösen. Aus der griechischsprachigen Spätantike sind nämlich noch die durch ihr Kernmotiv vergleichbare Geschichte von Cyprianus (4. Jahrhundert6) und die von Helladius und Proterius (5./6. Jahrhundert7) überliefert. Jene erzählt, wie ein Heide die zum Christentum bekehrte Justina sich durch Mithilfe des ebenfalls heidnischen Zauberers Cyprianus gefügig zu machen sucht. Nachdem mehrere von diesem aufgebotene Dämonen an der Standhaftigkeit Justinas gescheitert sind, bekehrt Cyprianus sich selber ________________ 2

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Regierungszeit von Herakleios: 610 bis 641; die Auseinandersetzung mit den Persern gehört in die Zwanziger Jahre. Die Herrschaft des Herakleios brachte Byzanz eine letzte Blüte der Literatur und Kunst vor dem „dunklen“ 8. Jahrhundert (LdM, Bd. 4 Sp. 2141). Die mittelalterliche Chronistik, welche die Theophilus-Geschichte als Fakt weitergab, datierte das Vorkommnis auf 537 (vgl. z.B. den Eintrag in der Chronik Sigeberts von Gembloux; hier im Kommentar zu T V. 12). Vgl. Brunhölzl 1975, Bd. 2 S. 336-339 (bei Manitius nichts Zusammenhängendes zum Diakon Paulus). Er ist vom bekannteren Schriftsteller Paulus Diaconus, der zur Zeit Karls des Grossen arbeitete, zu unterscheiden. Zur zeitweiligen Identifikation des sonst nicht näher bekannten Theophilus-Übersetzers mit dem bekannten Paulus Diaconus und zu den Argumenten dagegen vgl. Gier 1977, S. 40-42 (mit weiterführender Literatur). Mühe macht zudem die Unterscheidung des nicht genau benannten Karolingers Karl, dem Paulus seine beiden Übersetzungen (die des Theophilus und jene der Maria-Aegyptiaca-Legende) gewidmet hat (das Widmungsschreiben in MGH Epistolae, Bd. 6 S. 193f., auch: MPL, Bd. 73 Sp. 671): Karl der Kahle oder Karl der Dicke (vgl. Gier 1977, S. 41 Anm. 31)? Meist entscheidet sich die neuere Forschung für Karl den Kahlen (Argumente bei Kunze 1969, S. 26-28). Chronologisch gesehen ergibt sich freilich nur ein Unterschied von wenigen Jahren. Die weitreichende Wirkung der von Paulus geschaffenen Übersetzung der beiden Legenden (Maria Aegyptiaca und Theophilus) betont Kunze im Anschluss an Forschungen nach dem 2. WK (1969, S. 26-28). – Den Hintergrund, die „neapolitanische Übersetzerschule“ um 900, beleuchtet Berschin 1980, 204-210; er unterstreicht in Anm. 40, dass der Widmungsbrief „streng genommen“ nicht schon belegt, dass Paulus auch wirklich der Übersetzer der zwei Texte war. Radermacher 1927, S. 218, dazu: 153f., 257. Eine Übersicht zur Motivgeschichte bietet mein Artikel in der EdM (Bd. 13 Sp. 447-455); Hinweise auf nichtchristliche (orientalische, keltische, germanische) Belege liefert HabigerTuczay (1995, S. 223), ohne allerdings die Vergleichbarkeit derselben bei dem anderen religiösen Hintergrund zu diskutieren. Datierung nach dem EdM-Artikel (vgl. Anm. 8). Die Datierung ohne weitere Begründung bei d’Agostino 2004, S. 703; unbestimmter die Angabe bei Frenzel 1999, S. 683: „in die frühchristliche Zeit reicht … zurück“.

Zur Stoffgeschichte

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zum einzig wahren Glauben. Eine Anschlussgeschichte berichtete dann das Martyrium von Cyprianus und Justina.8 Auch in der Helladius-undProterius-Geschichte9 geht es um einen Teufelspakt aus erotischen Motiven. Teufelsbündner ist hier der namenlos bleibende Diener des Proterius; er hat ein Auge auf die zum Nonnenstand bestimmte Tochter seines Herrn geworfen, und versucht, sie mit Beihilfe eines Zauberers und unter Schliessung eines Paktes zu verführen. In diesem Fall haben die Dämonen – vorderhand wenigstens – Erfolg: Das Töchterchen will den Burschen heiraten und der Vater, ahnungslos über die im Hintergrund wirkenden dunklen Mächte, stimmt der Ehe, um Schlimmeres zu verhüten, zu. Allerdings fällt nun das paktgemässe Fernbleiben des jungen Ehemannes vom Gottesdienst rasch auf. Die Ehefrau vermutet Schlimmes und wendet sich an den hl. Basilius um Hilfe. Dieser nimmt erst den Ehemann, später auch einen Teufel direkt ins Gebet, kann so alles aufdecken und den Pakt brechen. Diese Hinweise lassen erste Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen den verschiedenen Formungen des Grundmotivs erkennen:10 Zweimal geht es um die Hilfe des Dämons bei der Erfüllung erotischer Wünsche; derlei spielt bei Theophilus höchstens in späteren Ausgestaltungen und auch dann nur am Rand eine Rolle. Er erhofft sich dagegen vom Teufel die Wiedergewinnung seines sozialen Status und des damit verbundenen materiellen Wohlstandes. Während bei Cyprianus mit den Dämonen mündliche Abmachungen geschlossen werden, bietet die Proterius-Geschichte in Gemeinsamkeit mit dem ‚Theophilus‘ das später vielfach übernommene Motiv eines schriftlichen Paktes. Im ‚Proterius‘ ist es wichtig genug, um in verschiedenen Handschriften das Thema der Überschrift abzugeben.11 Im Verlauf der Geschichte wird es gedoppelt: der vermittelnde Magier und der Dämon fordern je ein Schriftstück, in einem Fall wird auch der Wortlaut genau zitiert, die Rückgewinnung des Vertrags bildet eine wesentliche Etappe bei der Befreiung des Teufelsbündners; zu guter Letzt flattert das Dokument vom Himmel herab dem erfolgreichen Exor________________ 8 9

10 11

Vgl. dazu EdM, Bd. 3 Sp. 197-200; griechisch-deutsche Textausgabe bei Radermacher 1927, S. 76-113. Den griechischen Text mit Übersetzung bietet Radermacher 1927, S. 122-149. Einen eingebürgerten Titel dieser Erzählung gibt es nicht; Helladius ist der alles erzählende (aber nicht involvierte Gewährsmann), Proterius hat eher eine Nebenrolle, die Hauptfiguren, der Teufelsbündner und die Verführte sind namenlos. Die spätere Tradition wird die Namen z.T. vertauschen; so erscheint in der ‚Legenda aurea‘ ein Heradius an Stelle des Proterius (vgl. Maggioni 1998, Bd. 1 S. 182). Falsch sind die Namenszuteilung bei d’Agostino 2004, S. 703 und meine darauf basierenden Angaben im EdM-Artikel (Bd. 13 Sp. 448). Hrotsvitha wird dann gleich beide Teufelsbündner-Geschichten bearbeiten (vgl. unten, S. 282). Vgl. Radermacher 1927, S. 122f.

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Einführung ins Werk

zisten in die Hand. Während Cyprianus als Heide ohnehin mit den Bösen im Bunde steht, somit keinen Pakt im strengen Sinne schliessen muss, tun der Proterius-Diener und Theophilus als Christen genau dies. So erweist sich die Zweiseitigkeit des Paktes: Er impliziert die Absage an den Christengott und die Verschreibung an dessen Konkurrenten, den Dämon; weder dieser noch Gott dulden bei ihren Anhängern eine fremde Loyalität. Zu beachten ist bei unseren drei Erzählungen schliesslich ihre unterschiedliche Einbindung in grössere Kontexte: ‚Cyprianus‘ bildet Bestandteil des hagiographischen Dossiers zu einer fiktiven (sich aber an den realen Bischof Cyprianus anschliessenden) Heiligenfigur.12 Die Proterius-Erzählung steht als einzelnes Mirakel neben anderen in der Vita des hl. Basilius.13 Der griechische ‚Theophilos‘ scheint als Einzelwerk konzipiert,14 doch wird die Geschichte mindestens im Verlaufe ihrer lateinischen Rezeption ebenfalls zu einem Mirakel-Anhang, diesmal bei der Gottesmutter Maria. Die vorher erwähnte Doppelstruktur prägt übrigens zahlreiche Gestaltungen der Theophilus-Geschichte, denn in ihrer narrativen Entfaltung ermöglicht sie vorerst den Bericht über den Abfall von Gott und die entsprechende Zuwendung zum Bösen, erfordert in der Folge dann anlässlich der Bekehrung den spiegelbildlich entsprechenden Vorgang der Absage an den Teufel und der erneuten Hinwendung zu Gott. Diese Doppelung der erzählerischen Grundstruktur findet in zahlreichen ebenfalls gedoppelten Einzelzügen ihre Entsprechung. Im griechischen ‚Theophilos‘ begegnet sie etwa in der Überschrift der Venediger Fassung („Fall und Umkehr“15), dann in der Raumregie (das moralisch verpönte Hippodrom als Schauplatz für Theophilus‘ Teufelsgelübde, die Kirche der Maria als Ort seiner Busse und Rettung). Gleichermassen lässt sodann die Zeitgestaltung eine Antithese zwischen der nächtlichen Teufelsversammlung und dem Anbruch des Morgens erkennen, der die von Maria in nächtlicher Erscheinung verheissene Rettung zeichenhaft schon ratifiziert.16 Dem Juden als Vermittler beim Teufel steht Maria als Vermittlerin bei Christus gegenüber; mit der Leichtigkeit des Zugangs zum Dämon und mit der Raschheit der Verschreibung kontrastieren die vierzigtägige Dauer härtester Busse, die Schwierigkeit, Maria zur Hilfe zu bewegen, und die Notwendigkeit ________________ 12 13 14 15 16

Vgl. RAC, Bd. 3 Sp. 467-477. Quellenkundliches im EdM-Artikel (Bd. 1 Sp. 1315-1317), die westliche Normal-Version der Legende, die der ‚Legenda aurea‘, enthält die Helladius-Geschichte (vgl. Maggioni 1998, S. 180-187, dort: 182-185). Radermacher gibt keinerlei Informationen zu den Überlieferungskontexten. Vgl. Radermacher 1927, S. 164f. Vgl. Radermacher 1927, S. 174f.

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eines doppelten Ansetzens – mit Gang zu Christus und Wiederbeschaffung der Verschreibungsurkunde – zur Rehabilitation des Abtrünnigen.17 Wer für wen die griechische Geschichte verfasst hat, wissen wir nicht. Damit entfallen für uns auch die Möglichkeiten, den Gehalt der Geschichte von Autorintention und Publikumsrezeption her auf Grund expliziter Zeugnisse genauer zu erfassen. Für ihre Rezeption in späteren Jahrhunderten liesse sich anhand der handschriftlichen Überlieferung im ostkirchlichen Raum wohl noch einiges ermitteln; allerdings scheint diese Aufgabe von der Byzantinistik noch ungelöst zu sein.18 Immerhin bleibt die Möglichkeit, auf Grund des Textes selber Aussagen über die Intentionen des Autors zu machen. Liest man die Geschichte, dann eröffnen sich unterschiedliche Optionen: Ging es ihm darum, einem als heilig verehrten Theophilus ein Denkmal zur Erinnerung und zur Nachahmung zu setzen?19 Haben wir also eine eigentliche Legende vor uns? Sollte die Erzählung die Problematik einer ganz bestimmten Sünde, des Glaubensabfalls, diskutieren? Ging es um bestimmte Buss- und Beichtpraktiken?20 Standen für den Verfasser mariologische Fragen im Vordergrund? Meersseman hat sich in der Einleitung zu seiner Textausgabe von 1963 mit der Frage der Intention beschäftigt. Die Möglichkeit, es gehe dem griechischen Autor primär um die Propagierung der öffentlichen Busse, verwirft Meersseman mit dem Argument, diese sei im oströmischbyzantinischen Raum seit dem 4. Jahrhundert nicht mehr praktiziert worden. Allenfalls könnte diese Lesart für das Publikum der lateinischen Fassung Aktualität besessen haben, was mindestens die Titelgebung – publica Theophili poenitentia et satisfactio – in bestimmten Abschriften derselben nahelegt.21 Hingegen gehe es dem griechischen Original darum, die Mutter ________________ 17

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Vgl. Radermacher 1927, S. 166-169 gegen 170-177. Damit ist die Reihe der Antithesen noch keineswegs erschöpfend aufgezählt. Bei genauem Zusehen (nunmehr auch mit Einbezug des originalen Wortlautes und seiner Konnotationen) liesse sich unschwer noch mehr aufdecken. So fällt etwa bei der Darstellung der Teufelsversammlung deren quasi körperhafte Massigkeit auf – die Teufel sind da, sichtbar, hörbar, vielzählig –; demgegenüber erscheint Maria bei der Rückgabe der Pakturkunde dem Theophilos „wie in einem Gesicht“ (Radermacher 1927, S. 176f.). Vgl. dazu auch Geenen 1973, S. 342. Die gleiche Feststellung gilt i.Ü. auch für die lateinische Tradition: Die mehr als 100 bei Gier (1977, S. 344-347) aufgelisteten Abschriften der lateinischen Erstfassung, der Übersetzung des Paulus, sind nur oberflächlich bekannt, so dass wenig über die Rezeption im Einzelnen gesagt werden kann. Anders als die Aufnahme des Theophilos unter dem 4. Februar in das hagiographische Grundlagenwerk der Acta Sanctorum vermuten lässt, ist weder im Osten noch im Westen ein entsprechender Kult nachzuweisen. Diese Auffassung vertritt etwa Homeyer (1970, S. 149). Vgl. Meersseman 1963, S. 6f. und Anm. 20. Geenen (1972, S. 321f.) bringt dazu wichtige Argumente und Ergänzungen; einige davon relativieren die Annahme, dass in der lateini-

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Christi als Mittlerin des Heiles darzustellen. So werde Maria namentlich mit einem christologischen Attribut versehen, nämlich als delens quod adversus nos erat chirographum decreti. Im Kolosserbrief 2,14 wird von Christus gesagt, er habe „uns alle Übertretungen vergeben dadurch, dass er die gegen uns lautende Urkunde austilgte“. Diese Rolle – so Meersseman mit Hinweis auf die entsprechende Episode in der Erzählung – werde nun auf Maria übertragen. Eine Bestätigung für diese These findet der Forscher darüber hinaus in den für Marias Handeln verwendeten Verben und die entsprechenden nomina agentis. Sie sind in grosser Menge aus dem Bereich der Rechtssprache entnommen, zielen namentlich auf den Einsatz des Anwalts für seinen Klienten vor Gericht.22 Ein Vergleich mit der lateinischen Übersetzung des Paulus zeigt, dass dieser sich um die adäquate Wiedergabe dieser Terminologie bemüht hat.23 Ein anderer Bildspender zum Ausdruck von Marias Mittlerinnenrolle war – dies ein weiteres Ergebnis Meerssemans – die Sprache der Seeleute („Hafen“).24 Die These einer mariologischen Ausrichtung unserer Geschichte wird durch Befunde bei der lateinischen Überlieferung bestätigt. Vielfach erscheint nunmehr die Erzählung nämlich in mariologischem Umfeld (etwa in Predigten oder Legendarabschnitten zu Marienfesten (15.8. oder 8.9.) oder in mariologischer Auslegung des ‚Hohen Liedes‘.25 ________________

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schen Tradition die Lesart der Geschichte als Propagierung der öffentlichen Busse grosses Gewicht gehabt haben könnte (nämlich: der „Gang in die Öffentlichkeit“ erfolgt erst, als Theophils Schuld bereits vergeben ist; der Bischof erlegt ihm keine Strafe auf), anders die Akzentuierung bei Pittalunga 2002, S. 304-306. Jedenfalls verlieren die Divergenzen an Gewicht, wenn man sich die elementare Tatsache, dass Texte im Laufe jahrhundertelanger Rezeption immer wieder anders gelesen werden können, vor Augen hält. – Eine ganz andere (und von der Forschung bisher völlig vernachlässigte) Frage lautet freilich, wie sich der ‚Theophilus’-Stoff in der grundlegend gewandelten Busstheologie und -praxis nach 1215 (Einführung der jährlichen Beichte für alle Christen) neu positioniert hat; zu den weitreichenden mentalen Folgen dieser Änderung vgl. Dinzelbacher 2001. Es wird dabei allerdings nicht völlig klar, ob Meersseman an einen Privat- oder einen Strafprozess denkt. Eingangs ist offenbar an die Auseinandersetzung Schuldner/Gläubiger gedacht (Meersseman 1963, S. 7), weiteres angeführtes Material lässt dann aber auch an strafprozessuale Verhältnisse denken. Vgl. Meersseman 1963, S. 7-9. Vgl. Meersseman 1963, S. 11f. Begleitet ist – worauf Meersseman nicht mehr eintritt – die Hafen-Metapher von weiteren ähnlichen, die sich aber auf Theophilos beziehen („Schiffbruch“, „sinken“); man berührt damit die von Hugo Rahner 1945 eindrücklich dargestellte Homer- und Mythenrezeption des frühen Christentums. Zum Problemkreis aus neuerer Sicht vgl. den Sammelband von Raban von Haehling (2005), darin namentlich den Aufsatz von Markschies. Geenen (1972, S. 342f.) verweist darauf, dass die Kenntnis unserer „Legende“ trotz ihrer Verbreitung offenbar bei bedeutenden mittelalterlichen Theologen nicht vorausgesetzt werden kann, so bei Bernhard von Clairvaux und Petrus Damianus. Dabei bleibt freilich das methodische Problem des argumentum e silentio zu bedenken: Kann man aus der Nichterwähnung der Geschichte auf eine Nicht-Kenntnis schliessen?

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Geenen hat unter erschöpfender Auswertung des (lateinischen) Textes und unter Anwendung des feinen Sezierbestecks neoscholastischer Mariologie die Stichhaltigkeit der bei Meersseman nur knapp skizzierten Grundthese gezeigt. Demnach erscheint Maria im Text als mediatrix Dei et hominum und der Text stellt diese Rolle theologisch korrekt26 dar. Sie vermittelt dem grossen Sünder Theophilus a l s M u t t e r C h r i s t i die Vergebung seiner Sünden und damit seine Erlösung.27 Geenens Arbeit lässt freilich andere, auch theologisch interessante Aspekte – etwa die Rolle des Dämons – ganz unterbelichtet. 3.1.2 Eine zentrale dogmatische Voraussetzung der Pakterzählungen: die Lehre vom Dämonenpakt Die mittelalterliche Kirche erfasst die Problematik dessen, was Theophilos und seinesgleichen tun, moraltheologisch und kirchenrechtlich mit dem Begriff der Apostasie,28 des Abfalls vom Glauben. Dieser wiederum gewinnt im vorliegenden Fall seine Gestalt im Pakt mit dem Teufel. Was liegt diesem Befund an religionsgeschichtlicher Entwicklung und theologischer Begriffsbildung voraus? – Dass Menschen mit jenseitigen, göttlichen Wesen in Verbindung zu treten und durch gewisse Übereinkünfte sich deren Hilfe zu sichern suchen, gehört zum Grundbestand wohl jeder Religion. Das für den Teufelspakt Charakteristische, der Gedanke eines B ü n d n i s s e s (zwischen Ungleichen), scheint nun allerdings dem Christentum im Wesentlichen durch sein jüdisches Erbe ver________________ 26 27

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Als ideologische Norm ist dabei selbstverständlich die Lehre der katholischen Kirche gesetzt. In der von Meersseman betonten Zuordnung des christologischen Attributs delens chirographum an Maria (vgl. oben, S. 278) muss also nicht etwa eine Vermischung der Rolle Christi und jener Marias bei der Erlösung, die die Erzählung vornähme, gesehen werden: Vielmehr betont der Text andauernd, dass Maria Mutter Christi ist und als solche handelt; darin ist bereits die Unterschiedlichkeit der Rollen im Heilswerk festgeschrieben. Vgl. Geenen 1972, S. 322; grundsätzliche Darstellung des Problems: DThC, Bd. 1 Sp. 1602-1612, DDC, Bd. 1 Sp. 640-652, RAC, Bd. 1 Sp. 550f. und 3LThK, Bd. 4 Sp. 696-698. Das heutige Kirchenrecht (CC von 1983) definiert in can. 751 Dicitur … apostasia, fidei christianae ex toto repudiatio; zu den Strafbestimmungen vgl. can. 1364 § 1 (Exkommunikation) und speziell für die Geistlichen can. 1336 § 1-3 (Aufenthaltsverbot an gewissen Orten, Verlust von Amt, Titeln, Funktionen, Pfründen usw., Verbot der Amtsausübung).– Es leuchtet ein, dass die Distinktionen jahrhundertelanger theologischer und kanonistischer Debatten in unserem Text, der kein theologischer Traktat sein will, nicht unbedingt belegbar sind; dennoch scheint (wie im Kommentar zu H V. 171 zu zeigen versucht), der Dialogverlauf wesentliche Aspekte der Apostasie, die Explizitheit der Glaubenspreisgabe, ihre Totalität und ihre Gegenläufigkeit zum Taufakt, abbilden zu wollen.

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mittelt worden zu sein.29 Primär ist allerdings dabei die Vorstellung eines positiv gewerteten „Bundes“ der Gemeinschaft mit dem eigenen Gott. Bei dessen Exklusivsetzung durch die monotheistische Wende können dann Beziehungen zu fremden „Abgöttern“ als Perversion des einzig zulässigen Bundes mit dem einzig wahren Gott gedeutet werden.30 In den Evangelien wird Jesus in der seinem öffentlichen Wirken vorausgehenden Erprobung, wie sie die drei Versuchungsgeschichten berichten, selber der Versuchung des (impliziten) Teufelspaktes ausgesetzt (Mt 4,8 mit Entsprechungen bei Mc und Lc). Später sieht er sich bei Wundertaten von den Pharisäern explizit mit dem Dämonenbund-Vorwurf konfrontiert (Mt 12,24, Mc 3,22, Lc 11,15) – und repliziert souverän. Von aussen gesehen fügen sich die Wundertaten Christi, seiner Apostel und späterer Anhänger in die Reihe der Heil- und Abwehrpraktiken ein, wie sie in der antiken Welt im Namen der verschiedensten Gottheiten ausgeübt wurden. In der Innensicht dieser jüdischen Sekte, die am Ursprung einer neuen Religion stehen sollte, bestand hingegen gewiss eine Trennung zwischen dem eigenen geistlegitimierten Tun und dem der anderen Konkurrenten, die sich, wenn es nicht von vorneherein fauler Zauber war, illegitimer Mittel und böser Helfer des Geisterreiches bedienten. Musterhaft sind in diesem Sinn die Episode um Simon Magus in der Apostelgeschichte (Act 8,4-25) und ihre späteren Weiterspinnungen in apokryphen Apostelakten.31 Die für Zeitgenossen verwirrliche Gleichheit der Wirkung beim Wunderhandeln der Heiligen und ihrer Konkurrenten liess sich klar differenzieren, wenn man statt der Wirkung Ziele und Voraussetzungen prüfte. So erklärt etwa Augustinus zur Frage, wieso die Zauberer des Pharao anscheinend gleiche Dinge wie Moses zustande brachten: Cum ergo talia faciunt magi, qualia nonnunquam sancti faciunt, … diverso fine et diverso jure fiunt. Illi enim faciunt quaerentes gloriam suam, isti quaerentes gloriam Dei … Quapropter aliter magi faciunt miracula, aliter boni christiani, aliter mali christiani: magi per privatos contractus, boni christiani per publicam justitiam, mali christiani per signa publicae justitiae.

Wenn also die Zauberer solche Wunder tun wie sie die Heiligen manchmal vollbringen…, so geschehen diese mit anderem Ziel und anderem Recht. Jene nämlich vollbringen sie, weil sie eigenen Ruhm, diese, weil sie Gottes Ruhm suchen. … Deshalb wirken die Zauberer, die guten Christen und die schlechten Christen auf

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Wichtige Stellen sind: Gn 9,1-17 (Noah-Bund), Gn 17,7 (Bund mit Abraham), Ex 6,2-8, Dt 26,16-19, 29,12f. (Sinaibund); vgl. grundlegend zur Problematik der Übersetzungsterminologie für das hebräische und bibelgriechische Wort und zur Begriffsentfaltung in AT und NT: TRE, Bd. 7 S. 397-410. Vgl. etwa Ex 23,32; Is 28,15.18. Über Simon Magus vgl. 3LThK Bd. 9 S. 598f., Schmidt 2005, S. 751 und Anm. 9 (mit Literatur).

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je andere Weise Wunder: Die Zauberer durch private Verträge, die guten Christen durch öffentliche Gerechtigkeit, die schlechten Christen durch die Zeichen der öffentlichen Gerechtigkeit.

Die eben zitierte Stelle illustriert ausser der unterschiedlichen Wertung dessen, was andere und was man selber tut, die für unseren Zusammenhang wichtige Verknüpfung des Pakt-Konzeptes mit jenem der Zauberei: Zauberhandlungen setzen einen Vertrag zwischen dem menschlichen Akteur und einer jenseitigen, mit entsprechender Verfügungsmacht über die Natur ausgestatteten Instanz voraus. Bei „weisser Magie“ hilft der Christengott oder ein von ihm „delegierter“ Heiliger dem frommen Wundertäter, implizit ist dabei der Glaubensbund vorausgesetzt. „Schwarze Magie“ erfordert dann aber ein Bündnis mit Dämonen. Dieses wiederum stellt im monotheistischen Rahmen eine Verletzung der Pflicht zur exklusiv Gott geschuldeten Verehrung dar, denn ein gleichzeitiges Bündnis mit beiden Instanzen ist ausgeschlossen.33 Mit der Ausbreitung, dem numerischen Erstarken und der Zunahme der theologischen Elaborierung der neuen Religion in den ersten Jahrhunderten ergab sich so ein spezifisch christliches Konstrukt in Sachen Pakt mit dem Bösen. Einen für die Folgezeiten wirkungsmächtigen Beitrag finden wir bei Augustinus. Er zweifelt nicht an der Wirksamkeit magischer Praktiken, die im Rahmen heidnischer Kulte ebenso wie des Christenglaubens ausgeübt werden. Aktiv sind dabei Geistwesen, die auf Grund ihrer Natur mit sehr viel mehr Macht als die Menschen ausgestattet sind, je nachdem handelt es sich bei diesen entweder um Engel im Dienste des wahren Gottes oder um Dämonen. Weder im einen noch im anderen Fall erhält freilich der Mensch diese Hilfe „umsonst“; vorausgesetzt ist immer ein do ut des. Die menschliche Gegenleistung besteht nun in Huldigung und Verehrung des helfenden Geistwesens. Diese wiederum vollziehen sich im Rahmen eines Bündnisses. Ein Abkommen setzt aber eine gemeinsame Sprache der Bündnispartner voraus; im Fall des Dämonenpaktes beruht diese Sprache auf Zeichen, welche von den Gebräuchen, Wor________________ 32 33

Lateinisches Original (‚De diversis quaestionibus‘ Nr. 79) nach MPL, Bd. 40 Sp. 92, die deutsche Übersetzung bei Götz 1988, S. 185f. Anm. 18. Loci classici für diese Vorstellungen sind die Christusworte Mt 6,24 (~ Lc 16,13) und 12,30 (~ Mc 9,40). Vgl. dann diesen Gedanken bei Isidor (‚Etymologiae‘, 8,11,11f.): Idolatria idolorum servitus sive cultura interpretatur. Nam latreia Graece, Latine servitus dicitur, quae quantum ad veram religionem adtinet, nonnisi uni et soli Deo debetur. („‚Idolatria‘ wird mit ‚Götzendienst‘ oder ‚Götzenverehrung‘ wiedergegeben. Denn das griechische ‚latreia‘ heisst auf Lateinisch ‚servitus‘, dieser Dienst wird im wahren Glauben allein dem einen Gott geschuldet.“)

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ten, Materialien, die bei magischen Praktiken Anwendung finden, konstituiert werden. Die wesentlichen Elemente dieser von Augustinus an verschiedenen Orten und in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen entwickelten und diskutierten Lehrstücke34 rücken im Verlauf ihrer späteren Rezeption in einen umgreifenden Diskurs, der sich in Traktaten niederschlägt, die typischerweise mit ‚De magia‘ ‚De magicis artibus‘ u.ä. überschrieben sind. Ein frühes Beispiel dafür bietet etwa ‚De magis‘ in den ‚Etymologiae‘ (8,9) Isidors von Sevilla. Isidor beginnt mit einem historischen Abriss (Magorum primus Zoroastres …); es folgen in dieser gedanklichen Linie weitere Namen. Als Quellen zitiert Isidor vorwiegend heidnische Dichtung (Lucan, Vergil) aber auch christliche Texte (Bibel, Prudentius). Unter der Hand verschiebt sich dabei der Gesichtspunkt von chronologischen Abläufen hin zu einer Phänomenologie der magischen Praktiken. Daraus resultiert eine katalogartige, mehr als ein Dutzend knapp erläuterter Begriffe umfassende Aufzählung von Teilbereichen der Magie: Necromantia, hydromantia, aeromantia, geomantia… Zuvor ist freilich ein Satz gefallen, der wie eine Definition des Gesamtphänomens anmutet: Magi sunt, qui vulgo malefici ob facinorum magnitudinem nuncupantur (8,9,9).35 Und am Ausgang des Katalogs stossen wir auf eine weitere zentrale Aussage: In quibus omnibus ars daemonum est ex quadam pestifera societate hominum et angelorum malorum exorta. Vnde cuncta vitanda sunt a Christiano, et omni penitus execratione repudianda atque damnanda (8,9,31).36 Die hochmittelalterliche Theologie behandelt die Frage der Magie vielfach im Rahmen der für den universitären Unterrichtsbetrieb spezifischen Textform der Quaestio, womit (wenigstens im günstigen Fall) ein Gewinn an transparenter Systematik gegeben ist. Ein Beispiel dafür bietet der einschlägige Abschnitt aus dem ‚Sentenzenkommentar des Thomas von Aquin (Buch 2 distinctio 7 quaestio 3 articulus 2): Utrum uti auxilio daemonis ad effectus corporales sit malum („Ob es ein Übel darstelle, zur Erzielung von Wirkungen in der materialen Welt sich der Hilfe des Dämons zu bedienen“). Das Zentrum der Erörterung, die sog. responsio auf die gestellte Frage sei hier wegen seiner Konzision zitiert: ________________ 34

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Wichtige Stellen sind: ‚De civitate Dei‘, 10. Buch (über Engel und Dämonen in ihrem Verhältnis zum Menschen), ‚De doctrina christiana‘, 2, 30-40 (über den Pakt mit Dämonen im Rahmen der augustinischen Zeichenlehre). Im ersten Fall liegt ein geschichtstheologischer Traktat vor, während ‚De doctrina christiana‘ eine Schrifthermeneutik entwickelt; vgl. Harmening 1979, 303-317. „Zauberer sind die, die im Volksmund Übeltäter wegen der Grösse ihrer Verbrechen genannt werden“ (Möller 2008, S. 305). „Bei allen diesen ist die Kunst der Dämonen aus einer unheilvollen Gemeinschaft der Menschen und bösen Engel entstanden. Weshalb sie auch alle von einem Christen gemieden und mit jeder Verfluchung zurückgewiesen und verurteilt werden müssen“ (Möller 2008, S. 307).

Zur Stoffgeschichte

Respondeo dicendum, quod ea quae sunt supra facultatem humanam et naturae, a solo deo requirenda sunt; et ideo sicut graviter peccat qui illud quod est dei, creaturae impendit per idolatriae cultum; ita graviter peccant qui ea quae a deo expetenda sunt, auxilio daemonum implorant: et hujusmodi est vaticinatio de futuro; unde dicitur isai 8,19: numquid non populus a deo suo requiret? et similiter etiam in aliis operibus magicis; in quibus complementum operis ex virtute daemonum expectatur; in his enim omnibus est apostasia a fide per pactum initum cum daemone, vel verbotenus, si invocatio intersit, vel facto aliquo, etiam si sacrificia desint: „non enim potest homo duobus dominis servire, ut dicitur matth.6.

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In Beantwortung der Frage ist zu sagen, dass alles, was die menschlichen und natürlichen Möglichkeiten übersteigt, einzig bei Gott gesucht werden darf. Und wie jener schwer sündigt, der was Gottes ist, im Götzendienst einem Geschöpf zuwendet, so sündigen also jene schwer, die das, was von Gott zu erbitten ist, durch die Hilfe der Dämonen erflehen: und von dieser Art ist die Weissagung über die Zukunft. Deshalb sagt Isaias 8,9 „Soll nicht ein Volk seinen Gott befragen?“ Entsprechendes gilt von andern magischen Handlungen; auch in diesen wird der Erfolg von der Macht der Dämonen erwartet. In all dem liegt nämlich ein Glaubensabfall infolge eines Bündnisses mit dem Dämon vor: entweder verbal, wenn eine Anrufung vorliegt, oder durch irgend eine Handlung, auch wenn ein Opfer fehlt. „Niemand kann zwei Herren dienen“ wie es bei Matthäus heisst (6,24)37

Als Thomas dies formulierte, dürften zwar magische Praktiken in der Bevölkerung durchaus zum Alltag gehört haben, doch die Kirche hatte offenbar deren Bekämpfung noch nicht zur ersten Priorität erhoben. Das wird sich im Verlauf des Spätmittelalters ändern, und damit verschiebt sich auch der Stellenwert und die Position des Paktdiskurses im Wissenssystem der Zeit. Ablesbar wird dies etwa im ‚Malleus maleficarum‘, dem 1487 erschienenen ersten umfassenden Hexereitraktat an der Schwelle zur Frühen Neuzeit. Weiterhin stellt der Pakt mit dem Dämon hier die Voraussetzung für jede auf Wirksamkeit bedachte magische Handlung dar. Doch nunmehr nimmt die kirchliche Obrigkeit unter allen, die Magie betreiben, eine ganz bestimmte Gruppe ins Visier: die Frauen. Zudem konstatiert man, dass sich die Vorstellung von der Dringlichkeit und sozialen Gefährlichkeit des Phänomens erheblich gesteigert hat. Diese notwendigerweise bruchstückhaften Hinweise auf die im Millennium zwischen Augustin und der Niederschrift unserer Texte liegende Diskurstradition und deren Kontinuitäten und Umbrüche mag dazu dienen, das Verhältnis des ‚Theophilus‘ dazu klarer einzuschätzen. Zweifellos gehören unsere Texte durch das Paktmotiv in diesen umfassenden Zu________________ 37

Eigene Übersetzung. – Was Thomas hier im theologischen Traktat entwickelt, wird später in Texttypen, die der Pastoral und Katechese dienen, etwa in Dekalogtraktaten rezipiert; vgl. dazu: Baumann 1989.

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sammenhang hinein. Anderseits wird man nicht übersehen, dass der Held insofern kaum Züge des typischen Magiers zeigt, als er sich aus vorab situativ sehr begrenzten und selbstbezogenen Motivationen teuflischer Hilfe versichert. Er zielt weder auf Wissenszuwachs, noch Naturbeherrschung, noch auf Schadenzauber an der christlichen Gemeinschaft überhaupt; er zielt eher auf die sozialen Verhältnisse, in denen er lebt, und auf deren Veränderung zu seinen Gunsten.38 Damit ist auch die deutliche Grenze zwischen „Theophilus, dem Faust des Mittelalters“ und „Faust dem Theophilus, der Neuzeit“ gezogen. Dass der Magiediskurs in der Tradition unseres Textes nur sehr punktuell aufscheint, dürfte mit der intentionalen Ausrichtung der Erzählung, die sich über tausend Jahre hin nicht wesentlich verschoben hat, zusammenhängen: im Mittelpunkt steht der Preis Marias und nicht die Warnung vor Zauberei. 3.1.3 Die lateinische Tradition der Theophilus-Geschichte Mit der Übersetzung des Diakons Paulus verfügte auch das lateinische Abendland über den Theophilus-Stoff, und damit war der Anfang einer kaum überschaubaren, erst im 17. Jahrhundert – wohl wegen der übermächtigen Konkurrenz durch den Fauststoff – abbrechenden Tradition gesetzt.39 Diese entwickelt sich vor dem Hintergrund anderer40 Teufelsbündner-Geschichten. Sie läuft vorerst exklusiv in lateinischer Sprache ________________ 38 39

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Höchstens der Schluss von T lässt die Möglichkeit einer Verknüpfung von Teufelspakt und Schädigung des zum Feind gewordenen Bischofs und Kapitels aufscheinen. Einen sehr punktuellen, essayistisch gehaltenen Überblick über einige Theophilus-Erzählungen bietet Kretzenbacher (1968, S. 34-41). Umfassend angelegt dagegen und trotz ihres Alters immer noch wertvolle Einsichten vermittelnd ist Plenzats Arbeit von 1926, nützlich namentlich auch die chronologischen Tabellen von Theophilus-Versionen (nach S. 252); hilfreich ferner: Fustin 1966, Lazar 1972, Koll 2001. Die literarische Tradition in England zeichnet sich in Fryers Liste mit zwei Dutzend Handschriften aus der BL mit lateinischen oder englischen Texten des Mirakels ab (1935, S. 312-315). Dabei ist die Theophilus-Tradition im grösseren Rahmen der sonstigen Teufelspakt-Erzählungen zu sehen. Einen gerafften Überblick dazu bietet d’Agostino 2004. Er versucht, das enorme, schon heuristisch erst teilweise überschaubar gemachte Material im Rückgriff auf ein Verfahren Adolf Mussafias nach einer Typologie zu ordnen. Allerdings bleiben deren Kategorien unexpliziert, damit wenig transparent. Stringenter ist dagegen das Verfahren, das Albert Gier auf einen Teilbereich dieser Tradition, ein ausgewähltes Corpus 19 lateinischer und romanischer Theophilus-Gestaltungen, anwendet. Gier segmentiert den Handlungsablauf in eine Vielzahl von „Elementen“, deren Auftreten und individuelle Prägung in den verschiedenen Einzeltexte anschliessend untersucht wird: eine fruchtbare, allerdings auch aufwendige Prozedur. Eine sehr grobe, dazu auf heterogenen Kriterien beruhende, damit methodisch wenig einleuchtende Typologie der Teufelspakterzählungen skizziert Walter Haug in seinem dennoch anregenden Aufsatz (2001, S. 193-195). Auch sachliterarische Texte verzeichnet Habiger-Tuczay in ihrer (freilich nicht immer fehlerfreien) Übersicht (1995, passim).

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fort. Einerseits wird dabei die Paulus-Erzählung immer neu kopiert, anderseits wird sie von lateinisch schreibenden Autoren neu geformt. Eine sehr frühe produktive Rezeption des Theophilus finden wir bei Hrotsvitha von Gandersheim.41 Sie formt in ‚Lapsus et conversio Theophili vicedomini‘ die Prosa des Paulus in 447 leoninische Hexameter um und setzt bei ihrer Neugestaltung auch gewisse neue inhaltliche Akzente. Das Werk bildet mit 7 anderen Texten, die ebenfalls erbauliche, mitunter im engeren Sinn legendarische Erzählungen bieten, im Gesamtwerk der Hrotsvitha einen überlieferungsmässig zusammengehörenden, 962 abgeschlossenen Block,42 den liber primus der Werke der sächsischen Kanonisse. Am Ende des ‚Theophilus‘, der an fünfter Stelle steht, erscheint ein wertvoller Hinweis zur Nutzung dieser Texte, nämlich ein Tischgebet: die Theophiluserzählung somit als Tischlektüre im Nonnenkloster.43 Die im Corpus unmittelbar folgende aber erst einige Zeit später entstandene ‚Basilius‘-Erzählung gestaltet dann das Teufelspakt-Motiv gerade nochmals. Hrotsvitha hat an den Ereignissen der Erzählung keine einschneidenden Veränderungen vorgenommen. Manche aus unserer Sicht farbige Einzelheit ist allerdings weggelassen, ohne dass die Gründe dafür deutlich wären; Zusätze bleiben schon quantitativ begrenzt.44 Indem zu Beginn auch Theophilus’ Jugend und Ausbildung gestreift wird, erhält der Bericht von seiner Sünde und Bekehrung, der bereits in der Vorlage auch das selige Ende einschliesst, eine vitenhafte45 Rundung. Mit dieser scheint neben einer gewissen Verschiebung in der Handlungsstruktur46 auch eine gegenüber der Vorlage stärkere Betonung der moralisch-psychologischen Problematik gegeben. Des Theophilus Absage an die Wahl zum Bischof war für die Zeitgenossen keineswegs fraglos ein Akt der Demut; man konnte sie etwa in Anwendung der einschlägigen Aussagen Gregors des Grossen ________________ 41 42

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Vgl. Manitius 1911, Bd. 1 S. 619-632, bes. 621, ferner: 2VL, Bd. 4 Sp. 196-210. Ablesbar ist das an den unterschiedlichen Titulaturen in der zweimal vollzogenen Widmung des liber primus an Gerberga, erst Kanonisse, dann Äbtissin in Gandersheim; so lässt sich für die erste Werkteilgruppe, die der ‚Theophilus‘ vorläufig abschliesst, eine Entstehung vor 955 ermitteln (vgl. 2VL, Bd. 4 Sp. 198). Neuere Ausgabe von Homeyer 1970 (lat., dazu Einleitung ins Gesamtwerk und Stellenkommentar) und 1973 (dt. Übersetzung mit knappen Werkeinführungen). Nähere Angaben bei Homeyer 1970, S. 150-152. Diese sieht den Fluchtpunkt der Bearbeitung in der „religiös-überpersönlichen Absicht …, die [die Dichterin] in dem Gedicht verfolgt“ (S. 152) – was nicht unbedingt erhellend ist. Die Bearbeitungstendenz müsste auf Grund des von Homeyer bereitgestellten Materials neu untersucht und beurteilt werden. Einen Versuch in dieser Richtung legte in jüngster Zeit Wailes 2006 vor (vgl. Anm. 47); vgl. ferner Figge 1955. Zum vitenhaften Charakter mancher Stoffgestaltungen vgl. Gier 1977, S. 335-337. Dies betont Plenzat (1926, S. 29f.); freilich wäre sein symmetrisches, aber etwas freihändig daherkommendes Schema (bei welchen Versen liegen die Abschnittgrenzen?) überhaupt erst mit präzisem Blick auf Hrotsvithas Text und seine Vorlage zu prüfen.

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(vgl. Kommentar zu T V. 232) als Verstockung gegenüber dem, was als Willle Gottes von Theophilus hätte erkannt werden müssen, sehen. Damit verbunden erscheint das Phänomen verletzten Stolzes nach der Absetzung als vicedominus. In diesem Interesse an der inneren Verfasstheit eines hochgestellten Klerikers nobler Herkunft liesse sich wohl etwas für die Lebenswelt der Hrotsvitha und ihrer Umgebung Spezifisches entdecken – dies mindestens vermutungsweise, denn für eine solide Literatursoziologie fehlen uns hier weitgehend die Fakten.47 Folgt man dieser Lesart,48 dann tritt in Hrotsvithas Bearbeitung der Aspekt der Marienverehrung in den Hintergrund, was innerhalb der Gesamttradition unseres Stoffes eher selten beobachtbar ist. – Im Wortlaut hält sich Hrotsvitha gegenüber ihrer Vorlage recht unabhängig; stilistisch scheint sich neben Anleihen bei der lateinischen Epik (Vergil, Prudentius) eine gewisse Ausrichtung an liturgischen Formeln bemerkbar zu machen.49 Folgen wir dem Faden der Chronologie, dann gelangen wir mit der Erwähnung des Theophilus bei Fulbert von Chartres (ca. 960-1028) in seiner Marienpredigt50 über die Jahrtausend-Grenze, erreichen, immer noch im Norden Frankreichs bleibend, mit dem hexametrischen Kurzepos ‚Historia Theophili metrica‘ dessen Zuschreibung an Marbod von Rennes (ca. 1035-1123) umstritten ist,51 das Ende des 11. Jahrhunderts, gelangen mit der ausführlichen Nacherzählung in der Predigt zu Mariä Himmelfahrt bei Honorius Augustodunensis52 in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts und springen schliesslich mit Rahewin († zwischen 1170 und 1177) nach Freising und ein gutes halbes Jahrhundert weiter.53 Spät, d.h. erst ins 13. oder gar 14. Jahrhundert einzuordnen ist eine anonyme, meist nur trümmerhaft überlieferte ‚Vita Theophili metrica‘, die ________________ 47 48

49 50

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52 53

Vgl. die Entwicklung dieses Ansatzes bei Wailes 2006, S. 79-87. Ein ausgeprägtes Interesse an den menschlichen Beziehungen und Verhaltensweisen, welche das Machtgefüge an einem Bischofshof bestimmen, zeigt dann wieder das frühbarocke Stück Georg Bernardts (was angesichts der Tradition des Jesuitentheaters keineswegs verwundert). Einzelnachweise im Kommentar bei Homeyer 1970, S. 154-170. Text in MPL, Bd. 141 Sp. 320-324 (Theophilus: 324), vgl. Manitius 1911, Bd. 2 S. 682-694; Manitius verweist darauf, dass Fulbert schon für die Zeitgenossen als starker Marienverehrer galt (S. 688); ferner: Brunhölzl 1975, Bd. 2 S. 238-253, 589f.; speziell zu den 9 sermones: 241f.; speziell zum Mariologischen bei Fulbert: Bäumer 1988, Bd. 2 S. 561. Text in MPL, Bd. 171 Sp. 1593-1604, eine Würdigung bei Manitius 1911, Bd. 2 S. 719-730, speziell 721f., ferner: Pittalunga 2002 (zur kontroversen Zuschreibung: S. 307f. und zur Affäre um den Bischofsstuhl von Angers, einem möglichen Berührungspunkt zwischen Marbods Biographie und der Theophilus-Geschichte: 315f.). Im ‚Speculum ecclesiae‘, einer stark verbreiteten Predigtsammlung, findet sich auch die Theophilus-Geschichte (MPL, Bd. 172 Sp. 992-994), vgl. Manitius 1911, Bd. 3 S. 364-376. ‚Versus de vita Theophili‘ (651 gereimte Hexameter), Text in: Meyer 1873, S. 93-114 und wiederholt in: Meyer 1905, S. 99-135; vgl. Manitius 1911, Bd. 3 S. 388-392, speziell 391.

Zur Stoffgeschichte

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mit den Worten Mater sancta Dei, fuga noctis, origo diei beginnt. Rund 184 der insgesamt 318 (teils hexametrischen, teils pentametrischen) Verse sind der Erzählung des Geschehens gewidmet, der Rest gilt dem Preis Marias.54 3.1.4 Frühe deutsche Beispiele von ‚Theophilus‘-Bearbeitungen Damit sind wir freilich auch schon über die Zeitmarke mit dem ältesten deutschsprachigen Beleg hinweg gesprungen! Er liegt mit der ‚Rede vom Glauben‘ des Armen Hartmann bei 1140/60. Hier wird in den V. 19262001 aus unbekannter Quelle die Theophilus-Geschichte nacherzählt. Dabei stellt das Gesamtwerk55 – der weitere Rahmen, von dem wir auszugehen haben – eine 3708 Reimpaarverse umfassende Auslegung des nikäno-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnisses dar. Im dritten Teil, der dem Heiligen Geist gewidmet ist, werden fünf Räte des Heiligen Geistes entwickelt; der dritte lautet, die eigene Sündhaftigkeit zu bedenken und sich um Vergebung zu bemühen. Für die Fruchtbarkeit dieses Bestrebens führt der Autor eine Reihe von Beispielfiguren an, deren Geschichte er jedes Mal genauer schildert: der gute Schächer, Theophilus, Petrus der Zöllner, Maria Magdalena, Afra und Maria Aegyptiaca.56 Diese Anknüpfung erinnert an die entscheidende Predigt im mnd. ‚Theophilus‘; die Berührung ist aber kaum durch eine quellenmässige Beziehung erklärbar. Wer mit der Erklärung „durch Zufall“ sich nicht zufrieden gibt, mag die Kontinuität kirchlicher Verkündigungsformen als Grund erwägen. Die Theophilus-Erwähnung in der ‚Rede vom Glauben‘ hebt sich durch ihren nicht-mariologischen Bezugspunkt deutlich vom breiten Hauptstrom der Belege ab. Konsequent dazu tritt Maria in der Erzählung klar im Hintergrund, wenngleich ihre Rolle als Vermittlerin nicht übergangen wird; doch sie erscheint inmitten aller Heiligen und Seligen, die für Theophilus Fürbitte einlegen (V. 1962-1973). Dieser Gewichtung entspricht auch der Erzählverlauf; ohne ein eigentliches Zusammentreffen Marias mit Theophilus und erst recht ohne Dialog vermerkt der Erzähler, nachdem er vom Gebet des Abtrünnigen an die himelisce kuninginne (V. 1964) berichtet hat, dieses: ________________ 54 55

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Vgl. die erstmalige Wiederherstellung und die knappe Charakterisierung des Werkes durch Klein 2000. Vgl. zu Autor und Gesamtwerk: 2VL, Bd. 1 Sp. 450-454, Vollmann-Profe 1994, S. 137-140; Text bei Maurer 1964-1970, Bd. 2 S. 569-628, speziell: 604f. (danach zitiert), eine umfassende Untersuchung bei Rupp 1958, S. 134-216, speziell zum Theophilus-Teil und seinem unmittelbaren Kontext: S. 156-162. Überlegungen zur inneren Logik dieser Auswahl bei Rupp 1958, S. 161f. Die besondere Überlieferungssymbiose von Theophilus und der Maria Aegyptiaca scheint er nicht zu kennen.

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Einführung ins Werk

Do begonde sich got irbarmen des sundigen armen mit siner gotelicher craft, da er alle dinc mite getu(n) mach. den ubelen tuvel er bedwanc daz er ane sinen danc wider gab den selben brief… (V. 1974-1980)

Die dominierenden Kräfte bei seiner Befreiung aus Teufelsmacht sind Christus und der Heilige Geist (V. 1942, 1987-1992, 1994f., 1998f.). Eine zeitliche oder geographische Situierung der Ereignisse fehlt ebenso wie eine breitere Darlegung der Vorgeschichte. Durch die Verkürzung derselben auf wenige Verse (V. 1926-1931) erscheinen richtum, groze[r] werltliche[r] rum als die zentralen Beweggründe für den Pakt; der Teufel selber hat dazu angestiftet. Dem Skopus, der die Möglichkeit der Sündenvergebung zeigen will, entsprechend, liegt der Akzent der Nacherzählung auf Theophilus’ Busse57 und Sündenbefreiung; die Urkunde, der brief, Symbol von Schuld und Sühne, wird infolgedessen zweimal erwähnt (V. 1936-1938, 19781986); der Teufel lässt sie vor einer Vielzahl von Zeugen herabfallen. Aus paläographischen Gründen wird die frühmittelhochdeutsche Predigtsammlung in der Münchner Handschrift (cgm 39), auch ‚Speculum ecclesiae‘ genannt, noch ins 12. Jahrhundert gelegt (etwa 1180); sie enthält in der Predigt zu Mariä Geburt58 eine exempelhaft auf acht (Druck)zeilen verkürzte Wiedergabe unserer Geschichte, sogar der Name des Helden fehlt.59 Die auer ze riwe choment, den recchet ſi [Maria] ire ſŏzze hant ſo uon rechte ein mŏter aller gnaden, alſ wir leſen uon einem vicetŏme, der durc trŏbeſal goteſ uerlŏgenote unde deme leidigen tieuele ze hantueſte einen brief ſchreib. Do in do ſine ſunde ruwen, do ſŏht er gnâde mit grozzer bŏzze ze der oberſten chuneginne .s. Marien, do uernam ſi genadeclichen ſin gebêt unde brâhte in zire ſuneſ hulden; ſi nam dem tieuele den brief vnde erloſte in uon der bitteren helle.60

Wenn gleich nachher als weiteres Beispiel für die Hilfe Marias die Geschichte der Maria Aegyptiaca angeführt wird, erkennen wir in dieser inhaltlich, sieht man einmal von der Thematik „grosse Sünde – viel Gnade“ ab,61 doch eher befremdlichen62 Paarung das Nachwirken der uns nicht ________________ 57 58 59 60 61 62

Zwar ist diese Busse öffentlich (V. 1957), doch dürfte darin keine für den Autor entscheidende Akzentuierung liegen, denn einige der anderen Beispielfiguren büssen still. Mellbourn 1944, Nr. 41, ein Titel mit Festbezug fehlt, dieser wird hingegen in der Anfangspartie gemacht (S. 95 Z. 25f.). Ein etwas jüngeres Stoffzeugnis aus dem Umfeld der Predigt bietet das Predigtfragment aus der Hoffmannschen Sammlung (Wien, OeNB, cod. 2718, Anfang 13. Jh.), der Abdruck bei Hoffmann 1830, Bd. 1 S. 120f. Mellbourn 1944, S. 99 (Kursiviertes gerade und umgekehrt). Zum Problemkreis des sündigen Heiligen vgl. Dorn 1967 (über Theophilus: Register). Befremdlich wirkt auch die Einbettung der Theophilus-Geschichte in den weiteren Kontext, geht es doch dort spezieller um die Keuschheit als weibliche Tugend, wozu dann die Maria Aegyptiaca-Geschichte, nicht aber jene des Theophilus passt.

Zur Stoffgeschichte

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mehr leicht erklärbaren63 Überlieferungssymbiose Theophilus-Maria Aegyptiaca beim Diakon Paulus (vgl. Anm. 3). Aus der Perspektive der späteren Stoffgeschichte, namentlich jener des Melancholikers Dr. Faustus, erscheint hier die Motivation des Paktes durch trŏbeſal bemerkenswert, wird hier doch ein epochenübergreifender Zusammenhang sichtbar: Melancholie und Trauer als Vorbedingungen für ein erfolgreiches Wirken des Teufels und entsprechend ein Konstituens des Teufelsbündners.64 3.1.5 Stationen der deutschsprachigen Rezeption im 13. Jahrhundert Als erster Beleg verdient die Aufnahme der Theophilus-Geschichte in das ‚Rheinische Marienlob‘, entstanden im 2. Viertel des 13. Jahrhunderts am Niederrhein (5146 Verse), Beachtung.65 Anders als in unserem soeben besprochenen Fall gibt nun mariologische Thematik Anlass, die Teufelsbündner-Erzählung in 50 Versen (V. 618-667) weniger zu erzählen als begleitet von hymnischen Zwischenrufen zu verkündigen. Der Erzähler wendet sich darin nicht selten unter direkter Anrede an sein Publikum und liefert so indirekt Anweisungen, wie dieses das Geschilderte aufnehmen soll: mit Erschrecken über die Apostasie (V. 622), die Verführungsgewalt des Teufels und die Torheit des Menschen (V. 635-637), ahnungsvoll über die Heftigkeit der Gewissensbisse des Abtrünnigen (V. 643). Verankert ist die Geschichte im grossangelegten Werk durch den Bezug auf das Marienbeiwort leidesterre; dieser ist Teil der in vier Richtungen entfalteten traditionellen Etymologie des Namens des Jungfrau.66 Ein weiteres Mal finden ________________ 63

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Kunze (1969, S. 40) vermutet einen von Paulus gewollten Zusammenhang, „denn das verbindende Motiv beider Erzählungen ist das Eintreten der Jungfrau Maria zugunsten der Sünder“; allerdings fehlt einer solchen hermeneutisch gewonnenen Aussage jede Stütze durch die Aussagen Pauls in seinem Widmungsbrief an König Karl. Zur Verbindung beider Geschichten in späterer Überlieferung vgl. Kunze 1969, S. 41 (Reichenauer Hymnus ‚De beata Virgine‘), 50 (Predigt zum 8.8. im frmhd. ‚Speculum ecclesiae‘), 55 (‚Rede vom Glauben‘ des Armen Hartmann), 61 (‚Rheinisches Marienlob‘). Vgl. den Kommentar zu H V. 5 und S V. 194, ferner zum Faust, stellvertretend für manche andere Untersuchung: Maria E. Müller 1986, Schmidt 1997. Vgl. 2VL, Bd. 8 Sp. 33-37; ferner: Plenzat 1926, S. 42-45 und Weber 1966, S. 24-40, zitiert wird die Ausgabe von Bach. Maria: die Erleuchtete, der Leitstern, die Bittere, die Herrin: mit diesen vier Begriffen bestreitet der anonyme Verfasser den zweiten Teil des komplex angelegten Werkes, in dem sich verschiedene Darstellungsweisen, diskursive, narrative, hymnisch preisende, vermischen; zur Gesamtanlage vgl. Bach 1930, S. LXXIIIsq. Zur hier angewendeten traditionellen Etymologie des Namens „Maria“ (bei Hieronymus: illuminatrix, illuminata, zmyrna maris, stilla maris, domina, bei anderen noch zusätzlich: amarum maris, stella maris) vgl. Bäumer 1988, Bd. 4 S. 467-469.

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Einführung ins Werk

wir übrigens Theophilus in der Begleitung der Maria Aegyptiaca; hier dürfte direkte Kenntnis der beiden Texte des Paulus anzunehmen sein.67 Wieder wird die Vorgeschichte nur sehr summarisch eingeholt. Ehrverlust (smaheit V. 620) bringt Theophilus zur Absage an Christus und Maria und zum Pakt. Eine Vermittlerfigur fehlt und der Auftritt des Teufels ist sehr knapp gehalten. Das Wie und Wann der Einsicht ins begangene Verbrechen bleibt ausgespart (Dů de arme zů im selvem quam / ind sine groae sünd vernam... V. 638f.): Andere Gestaltungen der Legende nutzen sonst diese Stelle, um die Rolle Gottes beim Aufkommen der Reue zu betonen und damit einen Ausgleich zur Hervorhebung Marias zu schaffen. Schilderung und Kommentierung des Paktschlusses sind hingegen breiter entwickelt (V. 622-637); sie verleihen der bereits im Eingangsvers behaupteten Grösse von Theophils Schuld (de sündigst man, / van dem man árgen gelesen kan) Nachdruck, setzen auch ein Gegengewicht zur (freilich breiter ausgeführten) Darstellung der Bekehrung und Erlösung. Der schriftliche Pakt sanktioniert nachträglich das vorerst in der feudalen Form der immixtio manuum geschlossene Bündnis mit dem Teufel (V. 624 he ded im manschaf in sin hende). Ganz entsprechend bekräftigt die Rückgabe der Urkunde auf die Brust des schlafenden Theophilus diesem die Vergebung: Dat was im ein ware lere, / dat dá sFn volgangen were / entüschen dem sünder inde gode (V. 662664). Diese letztzitierte Stelle klärt (neben anderen) auch die Rolle Marias in der Heilsökonomie: sie ist Mittlerin (vgl. auch: V. 650). Ganz entsprechend zu ihrer im Text mehrfach betonten mildicheide (V. 593f., 610) weiss der Bericht nichts vom Tadel Marias für den Sünder.68 Die Erzählung ist durchgängig von Anreden des Erzählers an Maria durchsetzt (V. 620f., 646, 649-651, 654-667); sie vollzieht damit die dem aussertextlichen Adressaten anempfohlene Hinwendung zu Maria nach und demonstriert so auch die „Ansprechbarkeit“ der Gottesmutter für menschliche Anliegen;69 der Erzähler wird so selber zur Mittlerfigur, diesmal zwischen seinem Leser und Maria. ________________ 67

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Vgl. Kunze 1969, S. 62, sein Argument: die Verwendung des im Westen seltenen Beiwortes „Bürge“ für Maria, das in der Maria-Aegyptiaca-Legende auftritt. – Das den nach der Maria-Aegyptiaca-Episode eingefügten Theophilus-Abschnitt schliessende Verspaar verweist auch nochmals auf die Sünderin zurück (… du wers ir beider bode, V. 665). Vgl. dagegen die anfänglichen Vorbehalte in der griechischen und der lateinischen Fassung: Radermacher 1927, S. 170f., Petsch 1908, S. 5. Man beachte auch die von beiden Versionen betonte Leibhaftigkeit der tadelnden Maria; sie steht in Kontrast zum Ephemeren ihrer Erscheinung nach der Sündenbefreiung des Theophilus (Radermacher 1927, S. 176f., Petsch 1908, S. 8). Das Vertrauen genau darauf bewegt den Theophilus der griechischen und der lateinischen Prosa, bei Maria um Vermittlung zu bitten (vgl. Radermacher 1927, S. 170f., Petsch 1908, S. 4f.).

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In die 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts gehören die zwei Gestaltungen der Geschichte durch den Magdeburger Patrizier Brun von Schonebeck; der Zuschnitt seiner Werke, von denen einzig eine ‚Hohelied‘-Bearbeitung noch vollständig vorliegt, verrät, dass er offenbar eine geistliche Schule besucht und entsprechend über Latein- und Theologiekenntnisse70 verfügt hat; auch Vertrautheit mit der oberdeutschen höfischen Dichtung (Wolfram von Eschenbach) lässt sich aus Anspielungen belegen. Die eine Version seines ‚Theophilus‘ finden wir in der ‚Hohelied‘-Paraphrase, dem einzigen vollständig erhaltenen Werk, die andere in einem Fragment der AveMaria-Exposition.71 Wir sehen uns angesichts der schwierigen Überlieferungsverhältnisse der ‚Ave-Maria‘-Version nachfolgend einzig jene in der ‚Canticum‘-Bearbeitung an.72 Sie steht etwa in der Werkmitte; mit rund zweihundert Versen Umfang (V. 6167-6388) ist sie zwar deutlich kürzer als die etwa gleich alte Verserzählung aus dem Mirakelteil des ‚Passional‘,73 doch durch ihre Machart ungleich komplexer und reizvoller als diese, die ganz auf einer schlicht narrativen Anlage beruht. Wir vergegenwärtigen uns vorab den Textverlauf:74 ________________ 70

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Gemäss der Forschung waren diese allerdings „nicht sonderlich tiefgehend“ (2VL, Bd. 1 Sp. 1057), Einzelheiten (Missverständnisse der lateinischen Vorlagen) bei Fischer 1893, S. XVII-XX; die ästhetischen Wertungen Fischers sind auf jeden Fall revisionsbedürftig; Kritik meldete bereits Plenzat (1926, S. 52f.) an. Zu Person und Werk: 2VL, Bd. 1 Sp. 1056-1061 und – knapper, aber in manchem klarer – LdM, Bd. 2 Sp. 757. Edition der beiden Werke durch Fischer 1893 (dort der ‚Theophilus‘ in V. 6203-6388) und durch Breucker 1904 (‚Ave Maria‘: S. 128-130); Breucker rekonstruiert eine Gesamtfassung, indem er in die Theophilus-Version aus dem Göttinger Fragment des ‚Ave Maria‘ nach eigenem Gutdünken Passagen aus der ‚Hohelied‘-Fassung einfügt; ebd., S. 130-133). Das m.W. seither nie diskutierte Ergebnis müsste nach heutigen methodischen Standards überprüft werden. Übersehen wird dabei – dies ein grundsätzlicher Einwand –, dass Brun eben nicht durchgängig logisch-chronologisch eine Geschichte erzählt, sondern dass sich Erzählpassagen mit Auslegung wechseln und dass die Erzählung immer wieder zwecks Kommentierung aufgebrochen wird; Bruns Wiedergabe der Legende setzt deren Kenntnis voraus. V. 6207f. sagt dies explizit. (An der Stelle liesse sich Fischers Text wohl sinnvoller interpungieren: Punkt (statt Komma) nach V. 6208: daz hat ir ane mich vornomen. Dann Neueinsatz mit Doppelpunkt (statt Punkt) am Versende: doch were iz nicht gut vorswigen… Es folgt – zuvor unter iz subsumiert – nicht die im Kontext entbehrliche Vorgeschichte (Motivation zum Pakt), sondern dessen schwerwiegender Inhalt wird in Erinnerung gerufen. So wie Fischer interpungiert, wirkt der Gedankengang Bruns geschwätzigredundant: Er scheint zu erklären, die Vorgeschichte sei bekannt, und erzählt sie dann doch. Doch dem ist, wie gezeigt, eben nicht so. Vgl. die kursorische Deutung bei Plenzat 1926, S. 45-53 (sie beruht freilich auf der Rekonstruktion Breuckers), ferner: Weber 1966, S. 40-75. Zum ‚Passional‘: 2VL, Bd. 7 Sp. 332-340; der Text der Theophilus-Erzählung bei Richert 1965, Nr. 23, zur Deutung: Plenzat 1926, S. 57-61, Weber 1966, S. 75-101. Eine tabellarische Übersicht über das gesamte Werk bei Fischer 1893, S. LVIII-LXII. Seine Grenzziehung für die ‚Theophilus‘-Erzählung scheint mir z.T. (Abschluss schon bei V. 6366) bestreitbar. – An den meisten Gelenkstellen der obigen Gliederung treten dispo-

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6167-6202 Anknüpfung der Theophilus-Geschichte an den umfassenden Kontext des ‚Hohelied‘-Kommentars (unter Anknüpfung an Ct 6,9) 6203-6388 Theophilus-Geschichte 6203-6235 der Paktschluss 6236-6271 Verzweiflung des Theophilus und Anrufung Marias 6272-6326 Marias Fürsprache vor Christus; die Schwierigkeiten einer Hilfe 6327-6366 Marias Höllensturm, die Niederlage der Teufel 6367-6388 generalisierender Abschluss: Maria als Heilsbringerin

Die hermeneutische Komplexität von Bruns Text wird gleich zu Beginn deutlich. Anknüpfungspunkt ist der auf Maria hin ausgelegte Vers 6,9 des Hohenlieds (Quae est ista, quae progreditur quasi aurora consurgens, pulchra ut luna, electa ut sol, terribilis ut castrorum acies ordinata?). Brun verbindet dies mit der Psalmenstelle 23,7-10 (Attollite portas principes vestras, et elevamini portae aeternales, et introibit rex gloriae. Quis est iste rex gloriae?...). Was ursprünglich ein alttestamentliches Prozessionslied für den Einzug in Jahwes Tempel war, wurde später in neutestamentlichem Umfeld auf den Einzug Christi in Jerusalem bezogen.75 Die Frage nach der Identität des Einziehenden fällt indessen zitatweise auch in der Descensus-Erzählung des apokryphen Nicodemus-Evangeliums.76 Dort stellt sie der verwirrte Hades-Luzifer, als Christus sich daran macht, die Hölle zu stürmen und die Seelen der Gerechtfertigten nach Abschluss des Erlösungswerkes zu befreien. Auf genau diese Szene greift Bruns Text, jedoch unter Verwendung der situativ angepassten Stelle aus dem ‚Hohelied‘ (Quae est ista…, vgl. V. 6198, 6340, 6490), zurück.77 Im ganzen Theophilus-Abschnitt lassen sich so drei Aussageebenen unterscheiden: die litterale mit dem Bezug auf das ‚Hohelied‘, die allegorische mit der Auslegung auf Maria, und schliesslich die durch eine Marginalie in der Handschrift78 angelegte bispel-Ebene. Die Theophilus-Erzählung konkretisiert und belegt also Marias für alle Menschen wirksame Rolle als „Befreierin“. Diese Generalisierung wird im abschliessenden Passus (ab V. 6367; speziell: der habituelle Charakter von Marias ________________

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nierende Erzählerhinweise auf. Diese überraschen i.Ü. manchmal durch reizvolle mediale Mischungen (meist orale Ausdrucksweise (sagen u.ä), aber in V. 6359 plötzlich Schriftlichkeit: also ich uch schreib da bevorne). Vgl. Schottmann 1975, S. 207 (zu den Versen 512ff. des ‚Redentiner Osterspiels‘, das den Höllensturm Christi gestaltet). Vgl. Hennecke 1959, Bd. 1 S. 350f. Zur Descensus-Tradition in Text und Bild: LcI, Bd. 2 Sp. 322-331. Eine Quelle Bruns für die Höllenfahrt Marias ist m.W. nicht bekannt (vgl. Plenzat 1926, S. 46, 53). Sie könnte im Bereich der Tradition lateinischer Osterspiele bzw. -feiern liegen. Theologischem Denken ergibt sie sich aus der Sache selber, d.h. daraus, dass Maria mit christologischen Attributen versehen wird (wie das etwa auch der Fall beim delens chirographum-Attribut der Fall ist: vgl. Kommentar zu H V. 101f.); das frühe Christentum kennt offenbar noch keine Höllenfahrt Marias, wohl aber die anderer Auserwählter (vgl. RAC, Bd. 15 Sp. 1022f.). Vgl. Fischer 1893, S. 187 neben V. 6203: ditz ist ein bispel.

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Beutezügen in die Hölle: V. 6380-6383, ferner die Rückblende: V. 6929f.) vorgenommen. Theologisch korrekt erscheint Maria dabei als Beauftragte Christi (V. 6368-6372) und ist so Antitypus von Moses, der vom Herrn den Auftrag erhielt, Israel aus Ägypten herauszuführen.79 Wieder (vgl. oben, S. 282 und 282) beginnt die Erzählung ohne Vorschichte gleich beim Paktschluss. Ausnahmsweise gelingt es hier Theophilus, Maria aus seiner Abschwörung als einzige herauszuhalten; dies wird sogar zweimal betont (durch den Erzähler: V. 6214-6216 und in der wörtlichen Wiedergabe des Paktes: V. 6223-6225). Dann unterzeichnet er – ein weiteres neues Element in der Stofftradition – mit Blut. Die unmittelbare Erzählung assoziiert dies, einigermassen vordergründig, mit dem vom Teufel angewandten Zwang: der tubel twank in also harte, / daz her gewan blut uz siner swarte (V. 6217f.). Im späteren Rückgriff schlägt Brun dann doch noch allegorische Funken aus diesem Stein. Er lässt Christus nämlich zu Maria sagen: so hat Theophilus der vil ungute / uns mit seines selbes blute / vorkouft… (V. 6305-6307): Theophilus als Anti-Christus, der Pakt als Gegenstück zur Erlösung am Kreuz.80 Ganz ausgeblendet ist freilich die Gegenleistung des Teufels, was allerdings zum Fehlen der Vorgeschichte und der darin enthaltenen Motivation zum Paktschluss durchaus passt. Die verzweifelte Einsicht in das Ungeheuerliche seiner Tat kommt Theophilus erst Jahre später, als es ans Sterben geht (V. 6237-6239). Wir kennen diese Ausweitung ins Vitenhafte bereits etwa von Hrotsvithas Fassung her; allerdings wird dort in Theophils Jugend zurückgeblendet, während Brun hier aufs Lebensende vorausgreift. Dabei interessiert dieses Leben im Zeichen trügerischer Allmacht dank des Paktes – hier das Faszinosum für die frühneuzeitlichen Faust„biographien“ – nicht. Betont wird (vielleicht im Reflex auf die kurz vorher gemachte Selbstaussage des Erzählers: V. 6170-6179) die Notwendigkeit rechtzeitiger Bekehrung und Busse. Wie in kaum einem anderen der hier betrachteten Texte fällt die gestische Darstellung dieser Verzweiflung drastisch aus: Theophilus reisst ________________ 79

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Brun legt (was traditionell: Hieronymus Lauretus 1971, S. 70f.) Ägypten allegorisch als „Hölle“ aus. Das als Befehl Gottes zitierte descende in Egyptum steht gerade im gegenläufigen Sinne gebraucht in Gn 46,3 und ist dort an Jakob gerichtet. Bruns Allegorese überträgt den Satz unter Nutzung der passenden Situation (Moses auf dem Berg) auf die Berufungsszene des Moses beim Dornbusch (Ex 3f.). Dieser Moses-Maria-Bezug ist auch etwa in der reichen Typologie-Bildung des ‚Speculum humanae salvationis‘ nachzuweisen: Appuhn 1979, S. 18: 7. Die Dornbusch-Szene als Typus der Verkündigung Gabriels. Die Deutung des brennenden, aber sich nicht verzehrenden Busches auf die Jungfräulichkeit bietet einen anderen Ansatzpunkt für die Verknüpfung. Die für die Höllenfahrtspassage bei Brun entscheidende Parallele liegt indessen im Befreiungsauftrag: des Volkes Israel bei Moses, der Sünder bei Maria. Die Gedankenfigur erscheint dann wieder unter etwas anderer Nuancierung im barocken Drama Bernardts (vgl. den Kommentar zu S V. 351).

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Einführung ins Werk

sich Haare und Nägel aus, beisst in die Erde, zerkratzt sich das Gesicht und hört nicht auf zu schreien (V. 6254-6264). Doch der Erzähler hält sich nicht beim Flehen des Sünders zu Maria auf (V. 6270-6272), sondern er eilt zur Szene der Fürbitte Mariens am Thron ihres Sohnes.81 Erst jetzt setzt er das Kunstmittel des Dialogs ein. Der anfängliche Widerspruch Christi gegen eine Hilfeleistung an Theophilus betont deren ganz konkrete Schwierigkeit: Der Pakt liegt in der Hölle, Christus hat dem Teufel versprochen, nicht ein zweites Mal in die Hölle zu stürmen: wer also soll das Dokument herausholen?82 Marias Antwort erfolgt ohne Zögern, noch innerhalb des Reimpaares: sich wer mag iz dan irwenden? / Maria sprach: du solt mich senden / in die helle…(V. 6317-6319) und die Erzählung wartet nicht einmal das Placet des Weltenherrschers ab (V. 6326f.). Die Erzählung über Marias Höllensturm folgt nicht dem ordo naturalis, denn in atemloser Kürze wird zuerst Marias descensus bis zum erfolgreichen Ende in nur zehn Versen erzählt. Maria hält sich auch gar nicht damit auf, das belastende Dokument ihrem Schützling auszuhändigen, sondern sie zerreisst es offenbar noch in der Hölle (V. 6333). Dabei wird kein einziges Mal der Teufel erwähnt! Als dann alles schon vorbei ist, gewährt erst der Erzähler den Dämonen seine Aufmerksamkeit: do di tubele dese gewalt sahen… (V. 6337). Und er wendet fast dreissig Verse (V. 63376366) auf, um nun die Verwirrung der Teufel und ihre schmähliche Unterlegenheit darzustellen, alles ad maiorem Mariae gloriam. Beachtlich ist auch – besonders wenn man etwa von der alles wörtlich nehmenden Darstellung im ,Theophilus‘-Spiel her denkt – die Art der Darstellung: sie arbeitet über weite Strecken mit einer nur mittelbar erzählenden Allegorese. Dazu werden im Wesentlichen drei Bibelzitate gebracht: Einmal – unter leichter Variation – das den ganzen Exkurs auslösende Schlüsselzitat Quae est ista speciosa (V. 6340); daran schliesst sich die Stelle aus Ps 47,6 (Ipsi videntes sic admirati sunt, conturbati sunt, commoti sunt, tre________________ 81 82

Vgl. unten, Anm. 160. Es wäre ungenau, hier von einer Remythisierung der Geschichte (im Sinne des Wörtlichnehmens) zu sprechen, denn diese trägt durchwegs in der Tradition schon mythische Züge; freilich sind diese schon im griechischen Original durch allegorische Überhöhung einzelner Momente (etwa die Verlegung der Marienerscheinung in den Schlaf oder Traum des Theophilus oder die Entmaterialisierung der Pakturkunde, wie sie sich in deren abschliessendem Verschwinden ergibt) gekennzeichnet. Besser wäre es somit, von einer Verstärkung der Mythisierung zu reden. Sie betrifft aber einen theologisch heiklen Bereich: Christus wäre in seiner Allmacht an ein Versprechen (quasi einen Pakt) an den Teufel gebunden? Dass Christi Höllensturm ein einmaliger Vorgang der Heilsgeschichte bleiben musste, ergab sich durch die Verknüpfung mit dem Ostergeschehen überhaupt. Doch gerade von dieser, das Mythische verlassenden, theologischen Deutung weiss Bruns Text nichts. Indem die Heilstat Christi durch Maria „nachstellbar“ erscheint (vgl. auch: V. 6380), wird die Mythisierung (wieder) vorangetrieben; vgl. zum ganzen Problemkomplex die Thesenbildung von Warning 1974.

Zur Stoffgeschichte

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mor apprehendit eos) und wenig später jene aus Ps 43,16 (Tota die verecundia mea contra me est et confusio faciei meae cooperuit me). Die zwei Psalmenstellen lassen sich trefflich auf die Lage der Teufel83 nach dem marianischen Einbruch aus- und umlegen,84 was denn der Erzähler mit Übersetzung und weiterführender Paraphrase auch ungesäumt tut. Brun hat mit diesem Abschluss der Theophilus-Geschichte mehr gewonnen, als nur die beim Publikum vielleicht Langeweile auslösende Einförmigkeit chronologisch-handlungsbezogener Erzählung durch spannungsvolle und des Autors Gelehrsamkeit betonende Allegorese aufzulockern. Das allegorische Verfahren verleiht vielmehr dem Theophilus-Mirakel eine biblische Grundlage; der Autor verweist selber auf diese Absicht, wenn er eingangs betont: Maria do in di helle vur / also mir hie di schrift swur (V. 6327f., vgl. 6196). Abschliessend sei noch auf das gewandelte soziale Profil der Figur hingewiesen. Durch das Fehlen der Vorgeschichte ist ihr der klerikale Bezug verloren gegangen. An einigen Stellen glaubt man zu sehen, wie der Laie Brun, klerikal gebildet, aber durch Herkunft und Lebensumstände ein Patrizier, seiner Figur solche Züge verleiht, die dann auch der Adressatenschaft des Werks gemäss sein könnten (vgl. V. 6248f.). So erscheint Theophilus inmitten eines Gefolges vor der Marienkirche (V. 6243) und Marias Worte geben seinem Verhältnis zu ihr allenfalls Züge einer Dienst-Minne (V. 6292 zu einer vrouwen hete her mich irkorn). Auch die bei Theophilus hervorgehobene Zeitproblematik der Busse – wann das flotte Weltleben rechtzeitig abbrechen (V. 6237-6240)? – scheint ein „typisch“ laikales Problem zu sein.

________________ 83

84

Möglicherweise denkt sich Brun hier eine Abstufung zwischen den vielen anonym bleibenden Teufeln (V. 6337) und dem einen namentlich genannten Satan (V. 6356); dieser hätte dann die Rolle inne, die später im Theophilus-Spiel Luzifer als Höllenfürst übernimmt (beachte auch die Numerus-Verhältnisse in den zwei Psalmenzitaten: Plural vs. Singular). Die Glossa ordinaria bietet keinen Beleg für eine anderweitige Applikation der zwei Passagen auf den Teufel.

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Einführung ins Werk

3.2 Der Gruppe der mittelniederdeutschen Spiele 3.2.1 Beschreibung der Handschriften H (W), S, T Die nachfolgende Beschreibung der drei Handschriften soll eine verkürzende Zusammenstellung der wesentlichen Fakten zur materialen Überlieferung des ‚Theophilus‘85 und zu seinem damit gegebenen literaturgeschichtlichen und gebrauchssituativen Profil präsentieren; für zusätzliche Einzelheiten sei auf die einschlägigen Spezialuntersuchungen verwiesen.86 Handschrift H (Helmstedt; heute oft: W) Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, cod. guelf. 1203 Helmst. 160 Blätter — 14,1 x 9,5 — Papier — Mitte des 15. Jahrhunderts — beschädigter und abgenutzter Einband des 15. Jahrhunderts (lederüberzogene Holzdeckel) Inhalt:87 10 mnd. Texte und 1 lat.88 ‚Zeno‘ 1r-37r — ‚Des Kranichhalses neun Grade‘ (Minnerede) 37v-41v — Vruwen Loff (Minnerede) 41v-44v — ‚Rat der Vögel‘ 44v-46v — Die neun Helden 46v-47r — Alexanderhistorie 47r-71v — Legende der hl. Marina 72r-80v — Brandansgeschichte 81r-107v — ‚Flos vnde Blankeflos‘ 108r-142v — ‚Theophilus H‘89 143r-159v — Carmen latinum90 159v-160r

________________ 85 86 87 88 89

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Basisinformationen über die mnd. Theophilus-Spiele liefert: 2VL, Bd. 9 Sp. 778-782; zur Einführung nützlich, wenngleich weitgehend überholt die Darstellung bei Brett-Evans 1975, Bd. 2 S. 27-31. Vgl. Krobisch 1997 für H, Geeraedts 1984 für S und Bushey 1996 für T. Nachfolgend signalisieren die einfachen Häkchen, dass es sich um einen durch Gebrauch im „Verfasserlexikon“ standardisierten Titel handelt; in all diesen Fällen bietet somit das 2VL nähere Informationen zum Werk. Prosa zeigt einzig die Alexanderhistorie. Neumann (1975, S. 189) verwies auf die in H und S zu beobachende Koppelung von ‚Flos vnde Blankeflos‘ mit der ‚Theophilus‘-Geschichte; sie wird durch eine Spielnachricht noch auffälliger: 1483 wurden die zwei Stoffe in Deinze in dramatischen Bearbeitungen auf die Bühne gebracht. Weitere Überlegungen zu dieser Überlieferungssymbiose stellt Krobisch 1997, S. 121f. an. Aus inhaltsbezogener Perspektive scheint diese Verbindung eines geistlichen und eines weltlichen Stoffes in der Spielpraxis nicht auffälliger als die entsprechende Textmischung in einer Sammelhandschrift – dies ganz abgesehen von der Tatsache, dass wir über die genauen Umstände der Aufführungssymbiose im Falle von Deinze nicht informiert sind. Unikat, 17 lateinische Verse (leoninische Hexameter), Scherzgedicht (zu Inhalt und Funktion: Krobisch 1997, S. 143-145).

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Entstehung, weitere Geschichte Kursive von vier Händen des 15. Jahrhunderts, zwischen 1450 und 1479 aus zwei Teilen in Braunschweig zusammengesetzt,91 durchgehend ostfälisch.92 Zusammenfassend hält Krobisch fest: „Das Problem einer bürgerlichen, adeligen oder klerikalen Urheberschaft der von weltlichen Texten beherrschten Wolfenbütteler Sammlung kann aufgrund der Handschriftenuntersuchung nicht gelöst werden.“ Auch seine sonstigen Überlegungen, die mit penibler Genauigkeit bei den Inhalten ansetzen, gelangen hinsichtlich der Urheberschaft, deren sozialer Einordnung und Intention nicht wesentlich weiter.93 Als die Handschrift 1798 in ihrer fast vollständigen Edition durch Paul Jakob Bruns bibliotheksgeschichtlich fassbar wird, steht sie noch in der Sammlung der 1809 aufgehobenen Universität Helmstedt; von da gelangt sie 1815 nach Aufhebung der Universität in die Wolfenbütteler Sammlung.

Handschrift S (Stockholm) Stockholm, Königliche Bibliothek, cod. Holm. Vu 73 (olim Vitterhet Tysk 29) 98 Blätter — 20,2 x 14,1 — Papier — zwischen ca. 1420 und 1480 entstanden94 — abgenutzter alter Einband95 (Holzdeckel nur z.T. mit Leder bezogen; eingeschnitztes Wappen des Rittergeschlechtes der Bengtsson) Inhalt: 7 mnd. Texte96 ‚Valentin und Namelos‘ 1r-33r — De vorlorne sone (Verserzählung) 33r-47r — ‚Flos vnde Blankeflos‘97 47r-67r — ‚Theophilus S‘ 67r-83r — ‚Die Buhlschaft auf dem Baume‘ 83r — ‚Der Dieb von Brügge‘ 84r-95v — ‚Die Frau des Seekaufmanns‘ 96r-97v — Verzeichnis von Reisekosten 98r

________________ 91 92 93

94 95 96 97

Vgl. Krobisch 1997, S. 32f. (wichtigstes Argument: starke Verschmutzung von Bl. 108r; daneben weitere Indizien, die erst in ihrer Gesamtheit zwingend werden). Der Einband ist über Blindmusterung lokalisier- und datierbar. Krobisch stellt eine eingehende Untersuchung an, um zu einer regionalen Feindifferenzierung der Texte und Hände zu gelangen (1997, S. 33-56). Zitat: Krobisch 1997, S. 56; vgl. S. 148-154; 154 das Schlussfazit: „Das Signum der WS [Wolfenbütteler Sammlung] ist ihre Heterogenität. Nicht einmal die übliche Charakterisierung als „weltliche Sammelhandschrift“ hat bei näherem Hinsehen Bestand. Allein im Kontext einer geistlich dominierten literarischen Produktion im 15. Jahrhundert hebt sie sich mit ihren zahlreichen weltlichen Elementen ab…“ Es stellt sich allerdings bei diesem Ergebnis denn doch die Frage, ob dies nicht eben auf einen weltlichen Auftraggeber weist. Die Gegenprobe, ob denn Handschriften eindeutiger klösterlicher Provenienz einen so hohen Grad an nichtgeistlichen Texten aufweisen, hat Krobisch nicht gemacht. Vgl. Geeraedts 1984, S. 24f. (Anhaltspunkte: Wasserzeichen, Besitzerwappen); Entstehung vermutlich eher am Beginn des angegebenen weiten Zeitraumes. Wahrscheinlich ist dies nicht der originale Einband (Argument: Anfangs- und Schlusslage sind nicht mit dem Spiegel eingebunden; Geeraedts 1984, S. 11, 19). Anders als Krobisch stellt Geeraedts keine Untersuchungen zu Inhalt und Zusammenstellung der Handschrift an. Vgl. dazu Anm. 89.

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Entstehung, weitere Geschichte Kursive von 3 Händen des 15. Jahrhunderts,98 das verwendete ostelbische Mnd. weitgehend ohne regionale Varietäten, ausgeprägte hd. Entlehnungen.99 Als Vorbesitzer ist über Initialen und das Wappen der Bengtsson der zwischen 1445 und 1471 zu belegende Ritter Arend Bengtsson zu ermitteln.100 1742 ging die Handschrift aus dem Besitz des 1630 gegründeten Antikvitetskollegiums in den der königlichen Bibliothek über.

Handschrift T (Trier) Trier, Stadtbibliothek, Hs. 1120/128 4° 12 Blätter — 29 x 10,5101 — Papier102 — um 1430 — Leineneinband von 1907 (dabei das ursprüngliche äussere doppelteilige Blatt der Sechserlage falsch eingebunden103); früher mit der Minnereden-Handschrift 1120/128a 4° zusammen gebunden Inhalt: Theophilusspiel T (auf zwei Seiten mit Melodie in gotischer Choralnotation die V. 1-8 und 819-824) Entstehung, weitere Geschichte Kursive von éiner Hand, sprachlich ins westfälisch-südniederfränkische Übergangsgebiet gehörig;104 das Format scheint jenes einer typischen Spielhandschrift, doch muss das insofern relativiert werden, als die ursprünglich beigebundene Handschrift 1120/128a 4° dasselbe Format aufweist, ohne Spieltexte zu enthalten (sie differiert freilich bezüglich Schreiber, Mundart, Wasserzeichen); Vorbesitzer waren die Grafen von Manderscheid-Blankenheim, von denen 1806 der Trierer Bibliothekar Johann Hugo Wyttenbach die Handschrift erwarb.

________________ 98

99 100 101

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Geeraedts (1984 S. 24): „Entstehungszeit der Handschrift etwa zwischen den ersten beiden Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts und 1480...“ Die 3. Hand findet sich nur auf dem separat angeklebten Einzelblatt am Schluss. Geeraedts nimmt auf Grund der Fehler an, dass eine meist bereits mnd. Vorlage abgeschrieben wurde und nicht etwa autographe Texte oder (bei einer Ausnahme) direkte Übersetzungen vorliegen; mindestens für einige Texte könnte eine gemeinsame mfr. Sammelhandschrift verwendet worden sein (1984, S. 20-22, 62-65, 74f., 101f.). Vgl. Geeraedts 1984, S. 99f. Vgl. Geeraedts 1984, S. 9-11. Petsch 1908, S. IX sprach missverständlich von einer „Bühnenrolle“, was in der Forschung falsche Annahmen geweckt hat; vgl. korrigierend Krobisch 1990, S. 316f. Grundlegend zur Bestimmung von Funktionstypen mittelalterlicher Spielhandschriften ist der Aufsatz von Bergmann 1985, der unter anderem betont, dass das Format allein nicht schon eine „Spielhandschrift“ definiert; vgl. ferner Williams-Krapp 1980. Blätter durch mechanische Beschädigung und Wasserflecken unter Textverlust teilweise zerstört. Die richtige Reihenfolge: 2v, 2r, 3r-12v, 1v, 1r (Bushey 1996, S. 169); Krobisch (1990, S. 312): „Das letzte Blatt ist bei der Bindung im Jahre 1907 seitenverkehrt an die erste Stelle gerückt und mit dem ebenfalls seitenverkehrten Blatt 1 verbunden worden.“ Einen zusätzlichen Lokalisierungshinweis (auf Handschrift oder Spieltext) bietet T V. 292 mit der möglichen Erwähnung der Ruhr (Nebenfluss des Rheins); vgl. im Kommentar zur Stelle.

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3.2.2 Die Frage des absoluten und des relativen Alters der drei Fassungen Methodisch zu unterscheiden ist das Alter des jeweiligen Textzeugen vom Alter der durch ihn repräsentierten Fassung. Grundsätzlich ist dabei nicht auszuschliessen, dass eine jüngere Handschrift eine ältere Fassung wiedergibt. Die in den Handschriftenbeschreibungen referierten Altersbestimmungen der Handschriften Helmstedt/Wolfenbüttel, Stockholm und Trier sind somit für die absolute und relative Datierung der drei Fassungen nur von begrenztem Wert; sie liefern einen terminus ante quem. Von beschränkter Bedeutung für die Chronologie sind auch die von Neumann zu Tage geförderten Aufführungsbelege für Theophilus-Spiele (Deventer 1436, Bocholt 1459, Deinze 1483), denn keiner unserer Texte lässt sich direkt mit einer dieser Aufführungen in Verbindung bringen. Die ältere Forschung hielt es allerdings für möglich, mit genetischen Überlegungen wenigstens eine relative Chronologie unter den drei Fassungen herzustellen. Robert Petsch, durch seine bis heute unersetzte Ausgabe von 1908 und durch eine Reihe von Arbeiten über mehrere Jahrzehnte hin der bedeutendste ‚Theophilus‘-Forscher vor 1945, sah in Fortführung der bereits im 19. Jahrhundert aufgestellten These105 in H die älteste, in T die jüngste Redaktion; diese Auffassung wurde von einer Mehrheit der Forschung geteilt. Damit befand er sich freilich insofern in einer paradoxen Situation, als er in der Redaktion H gegenläufige und für ihn ästhetisch gegensätzlich zu wertende Merkmale sah. H gefiel durch „seine starke Geschlossenheit und Folgerichtigkeit, durch die Schlichtheit seiner Linienführung und die Einheitlichkeit seiner Sprachgebung“; es hatte als „ein Meisterwerk des älteren, strengeren Stils der geistlichen Dramatik in ihrer reichsten Entwicklung“ zu gelten.106 Anderseits war unverkennbar, dass H keinen Spieltext bot; dagegen sprachen etwa die materiale Form der Überlieferung (kein Einzelheft, kein spieltypisches Hochformat wie T) und auch die sprachliche Gestaltung mit ihrem häufigen episierenden Einbezug von Sprecherbezeichnungen. Dieser Widerspruch schien sich durch Ansetzung einer als Spieltext zu betrachtenden Urfassung U lösen zu lassen. Petsch glaubte, sie in H, „das dafür dem Geiste der Urschrift treuer geblieben ist“ immerhin in Umrissen noch zu finden.107 H und S boten demgegenüber unterschiedlich originalnahe „Lesedramen“.108 ________________ 105 Vgl. dazu etwa Lambels Rezension der Dissertation von Sasse; gegen eine Priorität von H optierte dagegen Sprenger (1890, S. 128 u.ö.). 106 So Petsch 1932, S. 60. 107 Vgl. Petsch 1932, S. 65. 108 Petsch unterscheidet unter der Hand zwischen einem „Lesedrama“ für Vorlesezwecke und einer „episch gehaltenen, aber ganz in Dialog aufgeteilten Dichtung“, an die H erinnert, die

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Die hier in den Grundlinien referierte Position galt in Forschung bis weit in die Nachkriegszeit hinein.109 Freilich war dies nicht Ergebnis einer lebhaften Diskussion, welche alte Auffassungen überprüft und bestätigt hätte, sondern Folge der Stagnation. Erst die in den 80er Jahren einsetzenden heuristischen Arbeiten von Bergmann110 und Neumann111 und die im Rahmen neuer editorischer Doktrinen angefertigten Textausgaben von Geeraedts und Krobisch führten zur Neubelebung und mindestens zu einer Infragestellung überkommener Auffassungen. Darüber ist hier jetzt zu berichten. Krobisch112 kommt zunächst auf Grund der Datierung der Handschriften und bei Berücksichtigung der Spielzeugnisse (vgl. Anm. 111) zur allerdings kaum stichhaltig zu begründenden Auffassung, das mnd. Spiel sei „in seiner ursprünglichen Fassung vielleicht in den 20er oder 30er Jahren des 15. Jahrhunderts entstanden“.113 Ebenfalls wenig Stichhaltiges ergeben die Überlegungen (1) zur Frage nach Art (Spieltext?) und Anzahl der Vorstufen von H und (2) zur Frage, ob eher H mit seinem Monologbeginn oder S (und T) mit der Ratsszene als Eröffnung einen älteren (den ursprünglichen?) Zustand dokumentieren. Zur ersten Problematik zeigt Krobisch an einigen Beispielen, dass Fehler in H sich als Folgen des Versuchs, einen Spieltext in einen Lesetext umzuwandeln, erklären lassen.114 Das wirkt plausibel; vom argumentatorisch nächsten Schritt Krobischs lässt sich dies aber nicht mehr unbedingt behaupten. Er trifft nämlich folgende Annahme: „Wahrscheinlicher ist aber, dass ein Kopist offensichtliche Fehler beseitigen würde.“115 Dies wiederum soll für die These sprechen, dass H direkt aus einer Spielfassung durch Umarbeitung ________________

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er freilich gattungsgeschichtlich im 15. Jahrhundert für unmöglich hält (1932, S. 65); vgl. zur Frage des medialen Status unten, S. 282. Vgl. etwa: Borchling 1949, Wolffs Artikel im 1VL (1953, Bd. 4 Sp. 431-433, Bd. 5 Sp. 1087) und Wolff 1968, v.a. S. 97-100. Vgl. Bergmann 1986, Nr. 154 (Stockholm), 157 (Trier), 173 (Wolfenbüttel). Vgl. Neumann 1987, Nr. 69 (Bocholt 1459), 1191 (Deventer 1436), 3658-60 (Verweis auf die drei Handschriften); für den in Neumanns grosser Sammlung von 1987 fehlenden Beleg aus Deinze 1483 vgl. Neumann 1975, S. 189 oder Krobisch 1997, S. 135; vgl. Kommentar zu T V. 14. Anders als Krobisch referiert Geeraedts knapp die ältere Forschung (Plenzat, Petsch), ohne neue Theorien zu entwickeln (1984, S. 45-50). Krobisch 1997, S. 136. Dem lässt sich mangels einschlägiger Zeugnisse wenig entgegen halten, sehr zwingend scheinen mir freilich diese Vermutungen nicht. Hypothetische Aussagen zu einer absoluten Werkchronologie sind letztlich einzig dann von Interesse, wenn man über verlorene Urfassungen spekuliert: eine Unbekannte wird so durch weitere Unbekannte erklärt. Sinnvoller scheint da die Feststellung, dass wir es nicht wissen. – Man beachte, dass auch Krobisch in der Sache, nicht in der Terminologie, an Petschs verlorener Urfassung U festhält. Vgl. dazu den Kommentar zu H V. 90, 116, 309, 655. Vgl. Krobisch 1997, S. 140.

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entstanden ist und nicht die Abschrift einer bereits erstellten „Lesefassung“ darstellt. Da wir keinerlei Informationen über den Schreiber von H besitzen, wirkt eine solche Annahme einigermassen beliebig – ebenso wenig relevant erscheint der so erzielte „Erkenntnisfortschritt“, dass zwischen H und seiner Vorlage keine weiteren Zwischenstufen liegen sollen. Monologischer Beginn oder die Ratsszene als Anfang? Krobisch lässt die Alternative unentschieden in der Schwebe. Einerseits macht er geltend, der Monolog in H biete schwerlich „als Auftakt eines Spiels eine ausreichende sachliche Herleitung für Theophilus’ Handlungsweise und das nachfolgende Geschehen“.116 Anderseits gibt er zu bedenken, dass der Spielautor bei seinem Publikum mit Bekanntheit der Geschichte rechnen konnte, somit nicht auf eine ausführliche Exposition angewiesen war. Dem ist ebenso wenig entgegenzuhalten wie dem anschliessenden Wunsch Krobischs, die Priorität unter den drei Fassungen möge neu untersucht werden. Vermutungsweise hält er dann noch fest, „dass diese beiden Fassungen mit der einleitenden Wahlszene und der Magisterszene eher den Urtext widerspiegeln als das ThspW“117 – damit befinden wir uns in direkter Opposition etwa zu Petsch, der im monologischen Beginn gerade das Zeichen hohen Alters gesehen hatte. So ergibt sich der vielleicht nicht untypische Befund, dass Thesen in der Forschungsgeschichte v.a. bei Beweisnot sich gerne um 180° wenden – schliesslich glauben nachfolgende Generationen, auch noch ihr Wörtchen in einer an sich unbeantwortbaren Frage anbringen zu müssen!118 3.2.3 Zu Aufbau und Struktur des Stückes in H, S, T Eine tabellarische Gegenüberstellung der wesentlichen Abschnitte soll die Handlung des mnd. ‚Theophilus‘ und zugleich die wichtigsten Differenzen in den drei Fassungen vergegenwärtigen. Eine genaue Analyse der Nuancen in der Handlungsführung kann dagegen in diesem Rahmen ebenso wenig wie eine detaillierte Auseinandersetzung mit den beiden bis heute wesentlichen119 Untersuchungen der Werkstruktur (Fassung H: Petsch 1932, alle drei Fassungen: Ukena 1975) geleistet werden.120 ________________ 116 Vgl. Krobisch 1997, S. 141. 117 Vgl. Krobisch 1997, S. 142 und Petsch 1939/40, S. 46f. 118 Denkt man sich die Sache von der Methodenkritik her, die Williams (vgl. unten, S. 282) formuliert hat, dann mag der Versuch, von der Textform zu einer Chronologie zu gelangen, zusätzlich problematisch scheinen. Im Gegenteil können H, S, und T als Text-Typen, die sich nicht zwingend in eine lineare zeitliche Abfolge einordnen lassen, aufgefasst werden. 119 Plenzat bietet nur wenig zur Frage: 1926, S. 152f. (zu H). Generell gilt für seine sehr umfangreiche Besprechung der drei Versionen (S. 141-203), dass er ein breites Spektrum von

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Bei vielen wertvollen Einzelbeobachtungen krankt Petschs Arbeit am grundlegenden Übel geisteswissenschaftlich induzierten, vielfach völlig ahistorisch vorgehenden Vergleichens zeitlich weit entfernter Phänomene (vgl. etwa S. 60, 63 zu Problemen der Dramenstruktur121). Anderseits nimmt er manchmal dort eine historische Perspektive ein, wo mangels Überlieferung nur Spekulationen möglich sind (vgl. etwa die Erörterungen über den Status der Predigt in der Mitte des Stückes, S. 66). Unbestreitbar ist freilich, dass Petschs Fragestellung in der damaligen Forschungssituation neuartig war122 und damit an sich schon einen Fortschritt darstellte (vgl. S. 59). Petsch liefert im Übrigen eine breit angelegte, mit Kommentaren durchsetzte Gliederung des Stückes (S. 68-77). Sie rechnet mit zwei „Akten“ (die Grenze bei H V. 309 bzw. 416; die dazwischen liegende Predigt gilt als Fremdkörper; ihre Binnengliederung: S. 66f.) und mit teilweise drei Gliederungsebenen. Eine genaue Auseinandersetzung scheitert an den nicht ganz seltenen offensichtlichen Falschangaben bei den Verszahlen (z.B. S. 71, 75). Ukena hingegen benutzt zur Analyse des Stückaufbaues zweifellos richtig einen ausserästhetischen, theologisch ausgerichteten Ansatz, den Dreischritt einer Sündervita von Gottferne, Bekehrung, Gottnähe. Sie greift damit Ansätze, die Erhard Dorn entwickelt hat (1967, 121-130), auf. Eine präzise aus hagiographischen Texten oder aus Busstraktaten der Zeit entwickelte Fundierung fehlt diesem Schema allerdings. Die Triade scheint auf eine ganze Textreihe, Ukenas Gattung „Mirakelspiel“, anwendbar. Wieweit das in jedem Einzelfall plausibel ist, kann hier nicht erörtert werden. Zweifellos gestattet es aber diese Perspektivierung, ein grösseres Textcorpus auf gemeinsame Merkmale hin zu untersuchen. Im Fall des ‚Theophilus‘ verdeckt freilich die Rubrik „Gottferne“ schon gleich etwas Wesentliches: Das Stück führt nicht einen Zustand, sondern einen Vorgang, den Abfall des Helden von Gott, vor. Schon von daher mag es sich rechtfertigen, dass in der folgenden tabellarischen Übersicht auf eine hierarchische Über- und Unterordnung der einzelnen Handlungssegmente bewusst verzichtet worden ist. Differenzen (neben zahlreichen Übereinstimmungen) ergeben sich zudem bei der Abtrennung einzelner Abschnitte (vgl. die Übersicht bei Ukena 1975, S. 164-166). Da die Forscherin diese Grenzziehungen nicht im Einzelnen begründet, erscheint eine Kritik daran wenig sinnvoll. Die Divergenzen machen den Grad des Ermes________________ Fragen bearbeitet (Stückverlauf, Profil der Figuren, szenische Umsetzung, Verstechnik). Leider gehen interpretatorische Einsichten nicht selten in ausufernden Inhaltsparaphrasen unter (besonders bei T: S. 174-189!). 120 Bei einer solchen Untersuchung müsste namentlich die Problematik von „Lesedrama“ und Spieltext aufbauend auf der provozierenden These von Williams-Krapp (1980) und auf den Reaktionen der Forschung (vgl. dazu: Herberichs 2007, S. 169f. und passim) einbezogen werden. 121 In das gleiche Kapitel gehören übertriebene und kaum fundierbare Wertungen („Wir greifen nicht zu hoch mit der Behauptung, dass wir es mit dem stärksten und klarsten dramatischen Talent des deutschen Mittelalters – und vielleicht des Ma. überhaupt! – zu tun haben.“ [vom Bearbeiter von T gesagt], Petsch 1928, S. 417). Aufschlussreich für den zeitbedingten Wertungshorizont ist auch das Ende von Petsch’s Rezension der Monographie Plenzats: 1928, S. 418f. 122 Eine Art synchroner Phänomenologie des geistlichen Schauspiels bildet die materialreiche, freilich mangels Register kaum benutzbare Sammlung von Heinzel 1898.

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sens bei solchen Gliederungsexerzitien sichtbar. Für die Beurteilung der nachfolgenden Sequenzierung sei immerhin darauf verwiesen, dass sie nicht von einem, als archimedischen Punkt proklamierten Prinzip ausgeht, sondern pragmatisch Überlegungen und Beobachtungen an der szenischen Gestaltung (Auf- und Abtreten von Personen, Raumwechsel, Zeitsprünge) mit solchen zum Handlungsverlauf (der selber wieder theologische Denkmuster reproduzieren mag) verbindet. Hauptziel ist es, dem Leser eine plausible Übersicht über das Geschehen in den drei Fassungen zu vermitteln.123

H (Helmstedt/Wolfenbüttel) Verse von/bis (Anzahl Verse) fehlt

fehlt

fehlt

fehlt

S (Stockholm) T (Trier) Verse von/bis (Anzahl Verse von/bis (Anzahl Verse) Verse) fehlt

001-018 (18) Abdankung des Bischofs; Theophilus als Nachfolger vorgeschlagen 019-082 (64) Kapitelsversammlung; Beratung und Abstimmung, knappe Mehrheit gegen Theophilus 083-118 (36) Hohn des Theophilus auf die Nichtwahl; in der Folge: auch Entzug der Pfründen

001-046 (46) Spieleröffner: attentum parare, Vorstellung des Spielinhaltes fehlt

047-278 (232) Kapitelsversammlung; Wahl des Theophilus, Verweigerung der Wahlannahme; zweiter Wahlgang mit Wahl des Probstes 279-336 (58) Streit zwischen dem neuen Bischof und Theophilus, dieser des Stiftes verwiesen

________________ 123 In diesem Sinn wird etwa auch ein sich weder szenisch noch handlungsmässig aufdrängender Schnitt bei H V. 42, S V. 227 und T V. 527 gelegt: die entsprechenden Verse lauten alle gleich und markieren den Beginn der Teufelsbeschwörung; Ukena trennt hingegen bei H V. 1, S V. 221 und T 526a.

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H (Helmstedt/Wolfenbüttel) Verse von/bis (Anzahl Verse) fehlt

fehlt

fehlt

001-055 (55) Monolog des Theophilus: frühere Ehrenstellung, abgelehnte Wahl zum Bischof, Verlust der Pfründe; Entschluss zum Teufelsbündnis: 42 Herbeirufung Satans

Einführung ins Werk

S (Stockholm) T (Trier) Verse von/bis (Anzahl Verse von/bis (Anzahl Verse) Verse) 119-134 (16) (An)Klagerede des Theophilus über den Verlust seiner Privilegien, Wunsch nach einem Verbündeten 135-226 (92) Auftritt des Magisters yn nygromanticia; Selbstanpreisung seiner Fähigkeit zum Teufelsbannen; Theophilus bereit, bei Hilfe gegen das Stift dem Teufel (wie früher Gott) zu dienen, dann… fehlt

227-240 (14) … Herbeirufung Satans durch Theophilus

337-362 (25) Empörte Anklagerede des Theophilus; Suche nach einem Raubgesellen 363-436 (73) Kneipenszene; Auftritt des Zauberers: Theophilus für Hilfe beim Beschwören des Teufels an die Juden verwiesen

437-526 (90) Theophilus in der Synagoge, nach einigem Hin und Her von Samuel nach Ouelenghunne verwiesen 527-568 (42) Herbeirufung eines Teufels durch Theophilus

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H (Helmstedt/Wolfenbüttel) Verse von/bis (Anzahl Verse) 056-251 (195) Erscheinen Satans, der nur zu einem schriftlichen Vertrag bereit; Vorgabe der Klauseln durch Satan; Auseinandersetzung wegen Absage an Maria; Ausstellung der Urkunde durch Theophilus (mit Tinte) und Kommentar zur Schwere dieser Tat; Satan mit dem Vertrag ab zu Luzifer keine Entsprechung

252-309 (58) von Satan Gold, schöne Kleider, gute Speisen, Edelsteine und Schmuck zur Eroberung von Frauen¸ Entgegennahme durch Theophilus im Wissen um den Preis; Aufruf Satans zum Lebensgenuss, aufkommende Verzweiflung des Theophilus

305

S (Stockholm) T (Trier) Verse von/bis (Anzahl Verse von/bis (Anzahl Verse) Verse) 241-439 (199) entsprechend

569-778 (210) entsprechend

440-453 (14) Überbringung des Vertrags und selbstzufriedener Bericht Satans an Luzifer 454-515 (62) entsprechend

779-793 (15) entsprechend

794-818 (25) entsprechend

306

Einführung ins Werk

H (Helmstedt/Wolfenbüttel) Verse von/bis (Anzahl Verse) keine Entsprechung

S (Stockholm) T (Trier) Verse von/bis (Anzahl Verse von/bis (Anzahl Verse) Verse)

keine Entsprechung

516-542 (27) Theophilus am Scheideweg mit gegensätzlichen Ratschlägen zweier Knechte: Lebensgenuss oder Anhören des Gotteswortes; Hinwendung zum Prediger, vergeblicher Versuch Satans, ihn zurückzuhalten 543-652 (112) entsprechend

310-413 (104) Predigt über Vidit Jesus hominem sedentem in thelonio (Mt 9,9-13): Auslegung moraliter: Aufruf zur Umkehr; Exempel bekehrter Sünder: Maria Magdalena, David, Petrus; Aufforderung zum Vertrauen in Gottes Barmherzigkeit; Klage über den Zweifler, Sündenbefreiung durch die Passion; Fürbitte Marias; Aufruf zur Umkehr; Schlusssegen

keine Entsprechung

819-824 (6) Ankündigung des Folgenden durch den Spielherold: Krieg gegen den Bischof Abbruch des Textes

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H (Helmstedt/Wolfenbüttel) Verse von/bis (Anzahl Verse) 414-447 (34) Verzweiflung des Theophilus wegen Verlust der Gnade, Hinwendung zur einzig möglichen Helferin Maria 448-508 (61) Maria erst nach langem Bitten und Beten zur Fürbitte bereit, Gang zu ihrem Sohn 509-605 (97) lange und harte Auseinandersetzung Marias mit dem Sohn um die Rettung des Theophilus, dann Zustimmung Christi, Wiederbeschaffung des Vertrags durch Maria notwendig 606-623 (18) Beschwichtigung des Theophilus durch Maria: Absicht, den Vertrag wieder zu holen 709-713124(5) Befehl Marias an Theophilus, nach drei durchwachten Nächten zu schlafen

307

S (Stockholm) T (Trier) Verse von/bis (Anzahl Verse von/bis (Anzahl Verse) Verse) 653-675 (23) entsprechend

676-741 (66) entsprechend

742-833 (92) entsprechend

834-852 (19) entsprechend

955-959125(5) entsprechend

________________ 124 Umstellung dieser Verse nach einem Vorschlag von Plenzat (1926 S. 143 A. 11), denn sie sind an der überlieferten Stelle wenig sinnvoll; analog für die V. S 955-959. 125 Vgl. Anm. 124.

308

H (Helmstedt/Wolfenbüttel) Verse von/bis (Anzahl Verse) 624-686 (63) Auseinandersetzung Marias am Höllentor mit Satan um die Rückgabe des Vertrags, dessen Widerstand und Ausflüchte 687-698 (12) Satan vor Luzifer: Bericht über Marias Befehl; die Lage aussichtslos, Einlenken 699-708126 (10) Rückgabe des Vertrags an Maria, Wut Satans 715-723 (9) Vertrag von Maria dem schlafenden Theophilus auf die Brust gelegt, dieser geweckt 724-745 (22) Dank des Theophilus an Christus und Maria für die Vergebung

Einführung ins Werk

S (Stockholm) T (Trier) Verse von/bis (Anzahl Verse von/bis (Anzahl Verse) Verse) 853-924 (72) entsprechend

925-942 (18) entsprechend

943-954 (12) entsprechend 959-968 (10) entsprechend

969-992 (23) entsprechend

Die allen Fassungen gemeinsame Struktur dieser Handlung ist durch das theologische Fundament vorgegeben: In einem dualen127 Ablauf werden zuerst der Fall, dann die Reue, Busse, Lossprechung128 des Theophilus ge________________ 126 Zum Zwischenstück V. H 709-713 vgl. oben, Anm. 124. 127 Plenzat rechnet mit Zweiteiligkeit (1926, S. 152f.), Petsch bei der Fassung H ebenso (1933, 65), Ukena setzt drei Teile an (1975, S. 164-166), bei Gier, der sich auf den Stoff überhaupt bezieht, begegnen eine Drei- und eine Fünfteilung (1977, S. 73-77). 128 Hier zeigen sich Schwierigkeiten, die sich dem Bemühen, theologisch angemessene Worte zu verwenden, stellen. „Lossprechung“ lässt an die Absolution in einem (auch) kirchenrechtlich und dogmatisch durchstrukturierten Bussverfahren denken; ein solches liegt aus der Perspektive des späten Mittelalters in unserem Stoff nicht vor, denn Theophilus beich-

Die Gruppe der mittelniederdeutschen Spiele

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zeigt; es ist das wohlbekannte Muster von Sündenfall und Erlösung. An der unterschiedlichen Länge dieser zwei Sequenzen lässt sich schon ablesen, dass Theophilus rasch in den Netzen Satans zappelt, aber nur mit Mühe sich wieder herauswinden kann. Er ist zu seiner Befreiung auf Hilfe von oben angewiesen.129 Man mag darin eine doppelte Botschaft erkennen. Dass rascher gesündigt als gebüsst ist,130 zeigt zum ersten im Sinn des felix-culpa-Paradoxes131 die Inkommensurabilität zwischen der Erbärmlichkeit menschlicher Sünde und der Grösse des göttlichen Erlösungshandelns (vgl. H V. 381-392 und die Entsprechung in S). Zum andern erfährt der mittelalterliche Gläubige, der sich dem majestätischen Richter Gott unendlich entfernt fühlt, dass durch die Vermittlung einer nahe stehenden Figur dieser Abstand überbrückt werden kann. Innerhalb des dualen Musters herrscht weitgehend Antinomie vor: Glaubensabfall und Bekehrung, (implizite) Verdammung132 und Lossprechung; antithetisch sind auch zentrale Figuren, ihr Handeln und Reden: Satan mit Luzifer gegenüber Maria mit Christus. In der szenischen Umsetzung wurde dem Zuschauer die Gegensätzlichkeit ebenfalls durch die Bühnenräume, Himmel und Hölle, sinnenhaft erkennbar. Gewisse im Stoff angelegte Antithesen greift die Spielhandlung hingegen nicht auf (oder überlässt sie mindestens dem im Sprechtext nicht vollständig dokumentierten theatralischen Agieren); dies gilt etwa für die Pakturkunde: Ihre Ausfertigung wird gezeigt, nicht jedoch ihre Vernichtung. Eine Vorgeschichte führt motivierend zur Abschwörung des Theophilus hin und eine Nachgeschichte schliesst die Handlung, nachdem er von seiner Rettung durch Auffindung der Urkunde erfahren hat. Diese ist ausgeführt, wenngleich H und S mit der Beschränkung auf einen Monolog des Helden die erbaulichen Möglichkeiten, welche die traditionelle Ge________________

129 130 131 132

tet ja nicht. Anderseits scheint mir auch „Rettung“ kein guter Begriff, weil man damit die kollektive Erlösung der sündigen Menschheit durch den Kreuzestod verbindet. Vgl. dazu oben, S. 277. Vgl. dazu die Worte der Poenitentia im Theophilus-Drama eines anonymen Jesuiten von 1596 (hg. von Rädle 1979): O quam laboriosa res conversio! / Quam facilis est descensus averni, sed gradum / revocare quam difficile (V. 648-650). Vgl. die Formulierungen im ‚Exultet‘ der Osternacht-Feier (O inaestimabilis dilectio caritatis, ut servum redimeres, Filium tradidisti! O certe necessarium Adae peccatum, quod Christi morte deletum est! O felix culpa, quae talem ac tantum meruit habere Redemptorem!). Da Theophilus erst nach seiner Bekehrung stirbt, bleibt das göttliche Verdammungsurteil vorerst in der Schwebe und das Spiel kann anders als die Faustgestaltungen die Höllenfahrt des Sünders nicht zeigen. In der Folge wendet der Text einiges auf, um dennoch die Schwere der Schuld anschaubar zu machen (etwa durch den „negativen Dekalog“, den der Teufel seinem Anhänger auferlegt (H V. 171-200, die indirekt auf Theophilus anwendbaren harten Worte des Predigers (H V. 377-380) oder das harte Urteil Christi über den Teufelsbündner (H V. 547-563).

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Einführung ins Werk

schichte133 mit der Erzählung von Gottesdienst, Auftritt des Theophilus und seiner Erzählung vor versammelter Gemeinde, Ansprache des Bischofs, Verbrennung der Urkunde, Tod des geretteten Sünders bot, wenig nutzen. Die szenische Umsetzung dieses Handlungsschlusses hätte eine Art „Liturgie im Theater“ erzeugt – denkbar, dass der Autor dies aus irgendwelchen Gründen134 vermeiden wollte (wenngleich anderseits eine solche mise en abyme sich bei der Predigtszene in H/S beobachten lässt). Ein weiter Grund könnte in der spezifischen Überlieferung von H und S als Lesedrama liegen. Ferner mag man darin auch eine gewollte Strategie der Darstellung, die sich als Konzentration und Fokussierung auf das innere Drama des Sünders beschreiben lässt, sehen. Auch bildet sich – wenigstens in H – durch den gleichermassen monologischen Beginn und Schluss des Dramas eine formale Klammer. In dieses Muster „Verinnerlichung“ passte dann auch die Behandlung der Vorgeschichte durch H hinein. Im Kontrast dazu demonstriert uns vorab Version T, in etwas grösserer Zurückhaltung auch Fassung S, welche theatralischen Möglichkeiten die Darstellung einer wenig programmgemäss verlaufenden Bischofswahl in sich barg. Es wäre allerdings kaum sachgerecht, diese zwei unterschiedlichen Verfahren einander polarisierend gegenüberzustellen und das eine auf Kosten des anderen abzuwerten.135 Jedes hat seine Möglichkeiten und Begrenzungen. Der Blick durchs Schlüsselloch in die Versammlung solch abgehobener Gesellschaft mochte für ein mehrheitlich aus Laien bestehendes Publikum den Reiz des Sensationellen gehabt haben, ganz abgesehen davon, dass bereits der schonungslose satirische Blick auf das Verhalten von Klerikern kaum ohne Unterhaltungswert gewesen sein dürfte.136 Zudem bestand einzig hier die Möglichkeit, die Hauptfigur aus einer Vielzahl von Perspektiven137 zu ________________ 133 Vgl. Radermacher 1927, S. 176f., Petsch 1908, S. 8-10, Meersseman 1963, S. 29-32; vgl. unten, Anm. 177. 134 Man berührt hier die in der älteren Forschung in genetischen Paradigmen, in der Gegenwart im Zusammenhang mit der Performanzfrage immer erneut diskutierte Nähe von Spiel und Liturgie; vgl. unten, S. 282 sowie etwa Henkel 2004. 135 Methodisch ebenso unbefriedigend ist es, wenn Plenzat in unreflektierter Anwendung des Prinzips „ursprünglich = kurz = gut“ ohne Weiteres voraussetzt, dass S die Wahlszene nachträglich erfunden hätte (Plenzat 1926, S. 163, 167). Wie, wenn H eine solche weggelassen hätte? 136 Damit sei die erbauliche Intention und Wirkung dieser Szene nicht geleugnet. Nur mit ihr rechnen zu wollen, ginge wohl am Menschlich-Allzumenschlichen vorbei. Im Übrigen zeigt etwa das regelmässige Auftauchen von Klerikern auf der linken Seite von Weltgerichtsdarstellungen die schöne Unbefangenheit, welche die mittelalterliche Kirche ihrer Elite gegenüber haben konnte. Mit „Renaissanceluft“, wie Plenzat meint (1926, S. 202), dürfte das wenig zu tun zu haben. 137 Einen Mangel an Kunst „polyphoner Gesprächsführung“ konstatiert hingegen Plenzat bei S (1926, S. 169).

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zeigen, wie sie sich durch seine keineswegs einhellige Einschätzung der Standesgenossen eröffneten. Anderseits mag man eine Stärke des Monologbeginns in H darin sehen, dass ein Automatismus zwischen dem, was Theophilus an Kränkung widerfährt, und dem, was er in der Folge tut, umgangen wird. Die Monologsituation mit analeptischer Einholung der Vorgeschichte aus der einzigen Optik des Betroffenen schafft schon vordergründig einen zeitlichen Abstand und ausserdem eine reflektierende Distanz zwischen Anlass und Tat. Die erlittene Ungerechtigkeit entschuldigt in dieser Sichtweise nicht den Abfall von Gott – noch rechtfertigt sie ihn gar138 – ganz abgesehen davon, dass im Monolog H der Zusammenhang zwischen Bischofswahl und Pfründenverlust unklar bleibt (V. 14f. und 19). Der Monolog und damit die Ausblendung der sozialen Bezüge, in denen Theophilus steht, verdeutlicht und verschärft die Zeichnung des Figurencharakters – dies ein zweites Merkmal der in H gewählten dramaturgischen Umsetzung des fast ausschliesslich als Erzählung tradierten Stoffes. 3.2.4 Inhaltliche Aspekte: Zum Profil der Figuren und zum theologischen Gehalt Der folgenden Erörterung einiger ausgewählter inhaltsbezogener Aspekte legen wir hauptsächlich die Fassung S zugrunde; die Version T, obwohl zweifellos durch ihren inhaltlichen und dramatischen Reichtum die bemerkenswerteste, steht im Hintergrund, da unvollständig.139 Gleiches gilt von der Fassung H; sie ist als die angeblich älteste und originärste in der älteren Forschung schon bevorzugt berücksichtigt worden.140 Punktuell werden wir aber immer wieder auch Aspekte dieser beiden Versionen in unsere Beobachtungen einbeziehen. Einzelphänomene, Figuren, Motive und Szenen, sollen immer im grösseren Zusammenhang von Figurenkonstellationen, Gedankengängen und Szenenfolgen betrachtet werden. Dabei sind Sprünge und schwer verständliche Passagen im Text vorzugsweise141 weder mit genetischen noch konjekturalphilologischen Erörterungen bei________________ 138 Der Spieltext betont mehrfach auch während der Unterhandlung mit dem Teufel die luzide Einsicht des Theophilus in die Schwere dessen, was er tut (H V. 162-165, 201-206). Zugleich wird der geheimnisvolle Zwang, unter dem er handelt, herausgearbeitet. 139 Auf Besonderheiten der Fassung T geht kurz Biermann 1977, S. 181-186 ein; vgl. auch Kommentar zu T V. 279. 140 Vgl. Petsch 1932 und 1939. 141 Eine Ausnahme bildet die Übernahme von Plenzats Vorschlag zur Verschiebung von S V. 955-959 (bzw. der Entsprechung in H V. 709-713).

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Einführung ins Werk

seite zu schaffen, sondern zu registrieren und als Stoff interpretierender Reflexion stehen zu lassen. Betrachtet man den ‚Theophilus‘ als Drama des Menschen, „an dem beide Teil haben, Himmel und Hölle“ (‚Parzival‘ 1,8f.), dann lassen sich auf beiden Seiten der Hauptfigur die guten und bösen Mächte ordnen: hier Maria und Christus, dort Satan und Luzifer. Die zwei Lager verfügen je über Vermittler und Zwischenträger: der Prediger (ab S V. 543) und der Secundus Servus (S V. 528ff. ) einerseits, der Magister yn nygromanticia (S V. 135ff.) und der Primus Servus (S V. 516ff.) anderseits. Der Kürze des Auftritts dieser Nebenfiguren entspricht nicht immer ihre reale Bedeutung in der Handlung. Die acht Verse des zweiten Dieners veranlassen Theophilus, dem Prediger zuzuhören, womit die Bekehrung ihren Anlass nehmen kann. Allerdings wird in keiner Weise motiviert, wieso Theophilus diesem Diener mehr Gehör als dem andern (dem ebenfalls gerade acht Verse zugemessen werden) schenkt. Das Stück verzichtet also an diesem eigentlichen Nullpunkt des Geschehens auf eine nachvollziehbare Begründung; sie hätte psychologisch – Angst des Sünders vor dem Gericht – oder erlösungstheologisch – Gott will nicht den Tod des Sünders – oder als Kombination beider Diskurse ausfallen können.142 Aus Publikumsperspektive besteht hier eine Lücke, die sich durch eigene Überlegungen ausfüllen liess. Der Blick auf andere Fassungen, die hier unterschiedlich verfahren, zeigt, was für mittelalterliches Verständnis in Sichtweite lag. Die griechische und die lateinische Prosa verzeichnen je das Eingreifen Gottes, der gnädig dem Apostaten „Einkehr“ schenkt.143 Ganz ohne äusseren Anlass oder Eingriff von oben kommt dagegen Rutebeuf aus (V. 384ff.); er verfährt damit noch radikaler minimalistisch als unsere Fassung S, die das sich anbahnende innere Geschehen der Umkehr und Busse wenigstens durch ein Moment der äusseren Handlung markiert, wenngleich nicht motiviert. Besonders bemerkenswert ist die Motivation in der Exempelerzählung des ‚Verspassionals‘: Nu wolde ouch unser herre got, / … / an im geben ein bilde / uns sundern, uns cranken, / daz wir nicht solden wanken / uz siner heiligen zuversicht (Richert 1965, S. 154 V. 154-159). Die Begründung ist hier überindividuell und lehrhaft: Gott will ein (hoffnungsvolles) Exempel statuieren; zugleich wird hier die Gattung „Exemplum“ autoreferentiell. ________________ 142 Freilich gelangen solche Aspekte später im Text zur Geltung: die aufkommende Sündenangst Theophils in S V. 653ff. (nach der Predigt); als Indiz für die Bekehrungsmotive des Theophilus können auch seine Äusserungen beim Paktschluss gelten: S V. 346-355, 426431. Hingegen erweckt die Darstellung der Christusfigur sehr wenig den Eindruck, dass Gott den Tod des Sünders nicht will: dieser Christus gibt eher unwillig-unwirsch den Bitten Marias nach. 143 Vgl. Radermacher 1927, S. 168f. (der Terminus ist metánoia), Petsch 1908, S. 6 (conuersio penitentie), dabei spricht das frühere gute Leben zu Gunsten des Sünders; Hrotsvitha (V. 149-156) folgt dem ebenso wie der Arme Hartmann (V. 1942-1955).

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Die Predigtszene scheint in der Theophilus-Tradition auf die Versionen H und S beschränkt und damit singulär zu sein.144 Betrachtet man sie unter ekklesiologischem Aspekt, so wird hier die Kirche als heilsvermittelnde Institution gezeigt. Man mag darin die Intention des Stückverfassers erkennen, indem dieser seinem Publikum, das gewiss aus lauter bekehrungsbedürftigen Sündern bestand (wenngleich wohl kaum einer vom Format des Theophilus war), den Wert regelmässigen Gottesdienstbesuchs vor Augen führte. Gattungsgeschichtlich betrachtet, macht sich hier das geistliche Spiel in seinem liturgischen Ursprung und in seinen pastoralen Absichten selbst reflex.145 Zu beachten ist bei den vermittelnden Nebenfiguren auf der „schwarzen“ Seite der Magister yn Nygromanticia. In stoffgeschichtlicher Langzeitperspektive hat diese Figur seit der griechischen Prosa eine deutliche Funktionseinbusse erlitten.146 Während der magiekundige Jude in der griechischen und lateinischen Prosa unumgänglicher Vermittler zum Throne Luzifers ist147 – damit funktional mit Maria auf der Gegenseite vergleichbar – fehlt dem Magier im Spiel eine solche Bedeutung. Nachdem er in längerer Rede seine Künste dargelegt und seine Vermittlerdienste angepriesen hat – nicht ohne das Heilsrisiko, das darin liegt, zu unterstreichen –, dient er zwar noch als Adressat für den grossen Klagemonolog des Theophilus (S V. 171ff.). Doch als dieser nach fünfzig Versen nicht endet, sondern sich der Held an den nächstbesten Teufel wendet (S V. 221), ist der Schwarzkünstler damit bereits aus der Handlung herausgefallen. Seine Bedeutung ist damit auf einen (freilich wichtigen) Aspekt beschränkt: Erstmals im Stück wird von ihm der Einsatz eines Teufelspaktes klar genannt (S V. 160-165; ähnlich: T V. 427-434). Beachtung verdient ________________ 144 Borchling (1949, S. 290) vermutet hier den Einfluss französischer Marienmirakel, in denen häufig Predigten vorkommen; die gleiche Annahme ergibt sich ihm aus der strukturellen Ähnlichkeit des Monologbeginns bei Rutebeuf und in H. 145 Die Ansprache des Boten in Fassung T (V. 1-46) enthält manche dieser predigtmässigen Elemente des Spiels in expliziter Form. Vgl. auch oben, Anm. 134. 146 Vgl. Radermacher 1927, S. 164-169, Petsch 1908, S. 2f., Meersseman 1963, 18-20, Hrotsvitha, V. 82-130, Rutebeuf, V. 44-226. 147 Einzig die Fassung T enthält diese Figur noch. Aus éinem Juden ist dort eine ganze Gruppe geworden. (Drei Juden treten übrigens auch schon auf einer Miniatur aus der LambethApokalypse von 1240 auf; vgl. die Tafel 10A bei Fryer 1935.) Zwar zeigen sich einige vorab aus Eigeninteresse und zum Selbstschutz den (vorerst unklar geäusserten) Wünschen des Strauchelnden nicht aufgeschlossen (T V. 438-476), doch einer, Samuel, warnt ihn explizit vor einem Teufelspakt, erweist sich somit gottesfürchtiger als der Getaufte (T V. 481-492) – obgleich die Figur dann auf dieser Position nicht bis zuletzt verharrt (T V. 503-520). Zudem ist aus der Vermittlung am Throne Satans hier eine eher unwillige Wegbeschreibung zu einem angeblich sicheren Treffpunkt mit ihm geworden (und Theophilus wird diese dann ohnehin nicht nutzen). Der umstandslose Antijudaismus der Urfassung erscheint somit nuancierter, auch wenn es dem Spielverfasser eher um die Anschwärzung des Theophilus als um die Weisszeichnung der Judenfiguren gegangen sein dürfte.

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Einführung ins Werk

daneben auch, wie der Schwarzkünstler und der Kleriker über ihre Bildungsvoraussetzungen (S V. 137f.), die Beherrschung der Sprache und wohl auch hinsichtlich ihres Habitus (S V. 136, 146-150; ähnlich T V. 411414) nahe aneinander gerückt werden. Aus dieser Optik mutet es dann nicht mehr verwunderlich an, dass Theophilus keines Vermittlers beim Dämon bedarf.148 Dämonologisch gesehen, ergibt sich aus dieser Spielanlage, dass der Teufel dem Menschen beträchtlich näher gerückt ist, als dies in der ältesten Prosa der Fall war.149 Dies lässt sich vorab als Folge einer komplexeren Organisation des Teufelsreiches sehen: Theophilus leistet seinen Eid nun nicht mehr dem obersten Teufel direkt, sondern dieser verfügt über eine Reihe von Unterteufeln; deren einer, Satan, der „Mann fürs Grobe“, nimmt sich des Theophilus an. Luzifer erscheint damit nur noch als der alles aus dem Hintergrund in Pseudomajestät beherrschende, in Wirklichkeit aber komische Oberteufel (S V. 450-453, 925-942). Das mutet bei einem Blick auf die Teufelsvorstellungen des ausgehenden 14. und des 15. Jahrhunderts nicht untypisch an. Zudem lassen sich im Gottesreich mit dem ferngerückten Gottmenschen Christus und den zahlreichen, meist auf bestimmte Anliegen spezialisierten Heiligen, die als Zwischenträger fungieren, ähnliche Merkmale beobachten.150 In die neutrale Mitte gehören Bischof und Kapitel. In S gehen die Chorherren weitgehend in ihrer Funktion, die Nicht-Wahl des Theophilus darzustellen, auf und gewinnen kaum individuellere Statur. Ablesbar wird das bereits an der Statik der Partien: jeder der neun Kanoniker nimmt in vier oder sechs151 Versen, die jedenfalls immer eine reimpaarig geschlossene Gruppe bilden, Stellung für oder gegen Theophilus. Die Eigenart dieser Gestaltung wird bei einem Vergleich mit der Szene in T sofort deutlich: Dort tragen die Mitglieder des Kapitels Namen und Amtsbezeichnungen, ihre Voten sind von unterschiedlicher Länge und deren Funktion beschränkt sich nicht auf die Äusserung eines Pro oder Contra, sondern sie charakterisieren durch Inhalt und sprachlichen Habitus zu________________ 148 Im Gesagten zeigt sich immerhin eine zweifache Funktion dieses Auftritts und damit ein Einwand gegen Plenzat, der hier einzig eine (nicht die einzige) Fehlleistung des Bearbeiters von S sieht (1926, S. 165). 149 Vgl. den als orientalischen Despoten thronenden Teufel in der griechischen und der lateinischen Prosa (Radermacher 1927, S. 166-169; Petsch 1908, S. 2f.); im Wesentlichen analog: Hrotsvitha, V. 107-130. Bei Rutebeuf nimmt Theophilus an der ersten Teufelsbeschwörung gar nicht teil (V. 144-203), trifft den Dämon dann aber anschliessend (V. 230ff.); gattungsbedingt erfährt man aus dem Dialogtext im Übrigen wenig über das Auftreten des Teufels. 150 Vgl. dazu Krämer 2008, S. 122-138. 151 Einzig beim letzten, dem Nonus Canonicus, registrieren wir mit 8 Versen ein schliessendes Achtergewicht.

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gleich den Sprecher. So entsteht in T ein äusserst farbiges, von satirischen Zügen belebtes Bild; diesbezüglich ist die Darstellung in S weniger eindrücklich und bühnenwirksam. Wie eng sind die Vorgänge und Äusserungen in der Kapitelsversammlung mit dem Sündenfall des Theophilus verquickt? Eine Verbindung auf der Darstellungsebene mag man einmal darin suchen, dass aus den Voten der Domherren ein zwiespältiges Bild des Helden entsteht. Durch sein jugendliches Alter und seine intellektuellen Gaben ist er zwar zum Hirtenamt befähigt: dies die Auffassung des Bischofs. Sein hochfahrendes und aufbrausendes Wesen lassen ihn jedoch als ungeeignet erscheinen, wie das der Probst geltend macht. Weitere Nuancierungen ergeben sich allerdings nicht, da die übrigen Wähler ihr Votum entweder nicht begründen oder sich auf die bereits vorgetragenen Begründungen berufen. Die Intervention des Kandidaten mit offener Ablehnung der Wahlbehörde gibt schliesslich dem Probst recht. Die Sanktion in Form des Pfründenentzugs begründet dann hinreichend die Reaktion des Theophilus mit ihrer Mischung aus Wut über die erlittene soziale Kränkung, Sorge um das künftige materielle Wohlergehen und Rachegelüsten gegenüber den ehemaligen Standesgenossen (S V. 119-129, 216-220). Eine Kohärenz in der Figurenzeichnung bei gleichzeitiger Knappheit, wie sie die Erzählfassungen bieten, lässt sich hier allerdings nicht feststellen.152 Blickt man von S auf den lateinischen Ursprungstext des Diakons Paulus zurück, dann konstatiert man eine gewichtige Verschiebung im Handlungsverlauf: Dort kehrte Theophilus nach der Ablehnung der Bischofswahl auf seinen Posten als vicedominus zurück, wurde von diesem bald danach auf Betreiben Dritter entfernt: quidam de clero instigauerunt ut amoto illo alium ecclesie ordinaret uicedomnum (Petsch 1908, S. 2,9f.).153 In der Darstellung von S fehlt diese Intrige (oder Verleumdung) Dritter gegen den Helden; der hat den Verlust seines Amtes mindestens zu einem Teil sich selber zuzuschreiben. Folge dieser Veränderung ist die Verringerung der „Fallhöhe“: nicht ein hochmoralischer, allenfalls durch eine gewisse tugendhafte Versteifung negativ gekennzeichneter Held stürzt durch zugefügtes Unrecht in schwerste Sünde, sondern eine von vorneherein als moralisch zwielichtig dargestellte Figur verstrickt sich noch tiefer in Schuld. Welche Antriebe zur Sünde sind in der Figur des Teufelsbündners sichtbar? Ein Gang entlang der Verhandlung des Helden mit Satan soll helfen, diese Frage zu beantworten. – Rutebeufs Eingangsmonolog des Théophile zeigt diesen in offener, heftiger Auflehnung gegen Gott; nicht ________________ 152 Vgl. etwa die Stelle bei Radermacher 1927, S. 164-167, Petsch 1908, S. 2 (Abschnitt 3), Meersseman 1963, S. 18 (Abschnitt 4). 153 Ähnlich auch die Darstellung im ‚Verspassional‘ (V. 46-50).

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wenig schmerzt dabei dessen Unerreichbarkeit (V. 27-35). Daraus ergibt sich dann in Weiterverfolgung vasallitischer Treuenormen der Schluss, diesem Herrn die Gefolgschaft aufzusagen und sie einem anzutragen, dessen Dienst mehr Nutzen verspricht. Der funktional entsprechende Monolog in S steht freilich nicht am absoluten Beginn; damit ist Theophil für das Publikum schon kein unbeschriebenes Blatt mehr, vielmehr schon in seiner moralischen Ambivalenz erkennbar. Der deutsche Text rückt sehr viel stärker die Existenzangst des aus allen sozialen Bindungen herausgefallenen Helden ins Zentrum. Eine gewisse Auflehnung gegen Gott wird in einigen nicht ganz eindeutigen154 Versen allenfalls hörbar; sie stehen bereits im Dialog mit dem Schwarzkünstler: He duet my so grote vnghelaghe, Dat yk dat hŭtene Ghode claghe: He hat my myne prouene benomen. (S V. 197-199)

Wird Gott hier anvisiert? Hat e r Theophil die Pfründe weggenommen? – In der Folge sieht dieser sich bereit, alles zu wagen, nur um sich gegen den neuen Bischof und das Kapitel zur Wehr zu setzen (S V. 206-220). Diese Bereitschaft zum „Alles oder nichts“ betont er nach dem Erscheinen Satans erneut (S V. 264-272) und sie wird in der folgenden Verhandlung mit Satan bei dessen immer neuen Forderungen mehrfach neu bekräftigt. Dieser will einen schriftlichen Vertrag (S V. 282) und er beharrt darauf (S V. 306f.). Theophilus lenkt schliesslich ein – Anlass, erneut seinen hohen Einsatz zu betonen (S V. 346-349). Die erst abgewiesene, dann zähneknirschend akzeptierte Forderung, Maria eigens abzusagen, löst erneut Äusserungen der Entschlossenheit zum Pakt aus (S V. 408-413). Als die Urkunde ausgestellt und der Pakt geschlossen ist, hören wir von Theophilus ein weiteres Mal, dass er sich über die Folgen seines Tuns völlig im Klaren ist (S V. 426-431) und wir erfahren dies wieder beim Aufbruch ins Weltleben (S V. 475-509).155 Die Predigtszene lässt Theophilus eine Weile in den Hintergrund treten; dies wendet sich wieder bei V. 653 mit dem Beginn des „Verzweiflungsmonologes“; hier setzt unsere Beobachtung erneut ein. Im Zentrum des Interesses steht nun des Theophilus Verhalten bei Umkehr und Busse. Die Verzweiflung treibt die Frage hervor, wer in dieser Lage helfen könne, da doch eine direkte Hinwendung zu Gott nach der Absage nicht mehr denkbar ist. Die Antwort darauf ist nicht einen Augenblick lang zwei________________ 154 Vgl. Kommentar zu S V. 197. 155 Von hier aus liesse sich Werner Röckes These, wonach „gerade die Transgression zum Bösen, nicht seine blosse Exklusion, die Chance moralischer Selbstvergewisserung“ bietet (2005, S. 289), bedenken und auch für das Theophilusspiel weiter entfalten.

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felhaft: Maria. Theophilus setzt damit für seine individuelle Situation um, was in der Predigt für alle Gläubigen formuliert worden war: Wultu gnade wynden, So volghe Marien kynde (S V. 626f.)

Dass nicht Christus selber angerufen wird, scheint anders als in der griechischen und der lateinischen Version selbstverständlich und keiner Erklärung bedürftig156 – bzw. die Begründung dafür wird in der nun folgenden Szene mit Maria gesucht. Theophilus beschwört ihre Mittlerinnen-Rolle mit immer neuen Beiwörtern der kirchlichen Tradition. Diese vorerst monologisch bleibenden Anrufungen werden durch das Erscheinen Marias und ihre Weigerung, den Bitten Gehör zu schenken, in einen zunächst kontradiktorisch verlaufenden Dialog gezwungen (ab S V. 711ff.). Dabei gibt Marias Frage die Richtung schon vor: We mach denne dyn helpe syn? (S. V. 710)

Theophil antwortet knapp und ohne zu Zögern: Dat scholtu wezen… (S V. 711),

was eine neue, wieder richtungsweisende Frage auslöst: Wor vmme…? (S V. 712). Die Antwort des Abgefallenen vollzieht mit Aue Maria gracia plena (S V. 726) etwas Doppeltes: im Verweis auf die „Urszene“ der Begnadung Marias wird deren besondere Rolle heilsgeschichtlich begründet157 und in der betenden Rezitation des Englischen Grusses wird diese performativ verwirklicht. Damit wird für den Text explizit, was vorher bloss implizit, damit ungenügend, da in unwirksamer Form, gesagt worden war.158 Die Anrufung Marias verletzt ausserdem – dies ein Drittes – den Pakt mit dem Dämon; in diesem Ungehorsam liegt ein erster Schritt zur Befreiung. Die Wirkung bleibt nicht aus: Maria befiehlt Theophilus still liegen zu bleiben und macht sich zu ihrem Sohn auf. – Ein Blick in die lateinische Fassung des Paulus kann hier deutlicher zeigen, was im Spieltext in den Hintergrund rückt, wenngleich nicht völlig verschwindet. Diese westliche „Urversion“ (selbstverständlich auch ihre griechische Vorlage) liess Theophilus ein von Maria ausdrücklich gefordertes und in einzelnen Formulie-

________________ 156 Vgl. Radermacher 1927, S. 170f., Petsch 1908, S. 4f. (Abschnitt 7), Meersseman 1963, S. 22 (Abschnitt 15f.). 157 Im Sinne einer Theorie des magischen Wortes kann hier die freilich mehr evozierte als ausgeführte Historiola gesehen werden (vgl. Schulz 2003, S. 29). 158 Dem Gruss in V. 676 fehlte die einzig wirksame Codierung in der Sakralsprache Latein; damit konnte auch der bereits in V. 681 sinngemäss vorhandene Bezug auf die Verkündigung durch Gabriel nicht wirksam werden.

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rungen vorweggenommenes ausführliches Credo sprechen.159 Damit wird die vorangegangene Apostasie aufgehoben und der Sünder hat im Sinne der Busslehre nach contritio und confessio das dritte Stück, die adäquate satisfactio, durch erneute Ablegung des Glaubensbekenntnisses geleistet. Mit dem rund hundert Verse umfassenden Auftritt Marias vor Christus macht das Spiel etwas anschaubar, das in fast allen früheren Stoffgestaltungen verhüllt blieb.160 Es lassen sich drei je paarig geteilte Redegänge beobachten;161 besonders auffällig ist in der ersten Runde, dass sich die Reaktion Christi auf eisiges Schweigen beschränkt.162 Die Gliederung des Dialogverlaufs sieht folgendermassen aus: A Maria (S V. 742-764)

A' Christus (Schweigen)

B Maria (S V. 765-780) C Maria (S V. 799-827)

B' Christus (S V. 781-798) C' Christus (S V. 828-833)

In A hebt Maria vorerst die in Schreien und Weinen bestehende „Bussleistung“ des Theophilus heraus; diese wird jedoch nicht im Sinne einer Busstheologie etwa nach rechtlichen Kriterien beurteilt; es steht vielmehr vorab das Affektive im Vordergrund: Das Weinen des Unglücklichen ist für sie, mater misericordie, nicht mehr erträglich. In einem zweitem Sinnabschnitt dieses ersten Blockes A (ab S V. 755) beruft sie sich dann auf einige ihrer Beinamen, welche ihre Rolle als verzeihende Mutter zugleich rückwärts gerichtet „historisch“ begründen und vorwärts immer von neuem vollziehen.163 Im zweiten Gang (B) argumentiert sie ad personam: Will der Sohn ihr die früher gewährte Vollmacht entziehen? Bei der zwischen ihnen herrschenden Liebe möge er ihre Bitte erfüllen. Christus reagiert auf diese Annäherung mit Distanzierung; diese schafft er einerseits dadurch, ________________ 159 Vgl. Petsch 1908, S. 7,8-22, Meersseman 1963, S. 26 (Abschnitt 26f.), bei Radermacher 1927, S. 172f. und Kommentar dazu S. 250; die Vorwegnahme durch Maria: Petsch 1908, S. 6,33-36. 160 Die „Urversion“ hält als Zusage Marias nur fest: accedo et rogo illum pro te (Petsch 1908, S. 7,35f.; entsprechend Radermacher 1927, S. 174,8f., Meersseman 1963, S. 27 Abschnitt 29), so halten es auch Hrotsvitha und Rutebeuf; den Ausnahmebeleg liefert Bruns ‚Hohelied‘Paraphrase, die damit in einem weiteren Punkt sich als ungewöhnlich erweist (vgl. oben, S. 282). Das historisch späte Auftreten dieser „Heilstreppe“ (die hier auf Maria und Christus, der die sonst Gottvater vorbehaltene Spitze einnimmt, verkürzt ist) in der Theophilus-Geschichte scheint dadurch bedingt, dass die Vorstellung sich erst im Umfeld bernhardinischer Mariologie entwickelt hat (vgl. LcI, Bd. 2 Sp. 346f.). 161 In H ergeben sich durch ein weiteres Paar von Redewechseln vier Gänge (vgl. Kommentar zu H V. 510). 162 Insofern Maria dieses Verhalten ihres Gegenübers „metakommunikativ“ benennt (S V. 765), erhält dieses Schweigen den Status eines eigenen Gesprächsbeitrages (turn), was sich etwa darin äussert, dass Maria in V. 765 wieder eine Anrede bringt. 163 Gleich hatte Theophilus in seiner ersten Ansprache an Maria „argumentiert“ (S V. 676703); es ist deutlich die Grundfigur jeden magischen Sprechens, die Identität von res et signum, sichtbar.

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dass er Maria auf das für sie zu allererst Kränkende in ihrer Verleugnung durch Theophilus hinweist (S V. 785f.). Die Betonung seines eigenen Leides über die Verletzung der Mutter begrenzt zugleich die Distanzierung auf Theophilus, nicht auf das Mutter-Sohn-Verhältnis;164 anderseits weist er jede Anteilnahme am Los dieses Sünders zurück. Die am Eingang und Schluss der Rede wiederholte Ekelmetaphorik (S V. 783, 795) veranschaulicht das anthropologische Faktum, dass sich Theophilus mit der Preisgabe seiner Seele an den Teufel auf seine Körperlichkeit reduziert hat. In ihrer Duplik (C) verstärkt Maria gleich mehrfach – durch die Anrede, ihren Fussfall und ihre Tränen165 – nun den Druck auf den Sohn. Die episodenweise Evokation ihrer Rolle als leibliche Mutter Christi – Bedingung ihrer geistlichen Mutterschaft für alle Christen – führt zum Passionsgeschehen, damit zur letzten Ermöglichung einer Verzeihung für Theophilus. Damit ist der Kampf gewonnen. Der Sohn eröffnet seine dritte Erwiderung mit einer Anrede, die grösste Annäherung markiert – leue moter myn (vgl. S V. 828, dagegen: 781) –, und gibt den Sünder in die Hand der Fürbitterin. Die Verklausulierung dieser Zusage (S V. 831f.) öffnet zugleich einen Ausblick auf die nächste Episode, den Höllensturm.166 Zuvor kommt es aber zu einer kurzen Zwischeneinkehr Marias bei Theophilus (S V. 834-852). Wie für volkssprachliche Texte, die meist nicht über die elaborierte Terminologie des lateinischen theologisch-gelehrten Diskurses verfügen, wohl nicht untypisch, scheint in gewissen Formulierungen die Rolle Marias als Mediatrix im Zwielicht (vgl. S V. 835-841). Theologische Richtigkeit ergibt sich beim Blick auf das Ganze; da hat ja der Gang an den Thron Christi die erlösungstheologischen Gewichtungen auch dem illiteraten Gläubigen klar gezeigt: Maria erlöst nicht aus eigener Machtvollkommenheit, sondern ist einzig Fürsprecherin. Die Erwähnung der Pakturkunde durch Theophilus ist sachlich redundant, macht aber die subjektive Sicht des noch immer geängstigten Sünders fasslich. So las man dieses Insistieren (mitsamt der Abbitte: S V. 850) bereits in der griechischen und in der lateinischen Ausgangsversion.167 Es entspricht im Übrigen spiegelbildlich der Beharrlichkeit, mit der Satan einen schriftlichen Vertrag gefordert hatte. ________________ 164 Dieses wird allerdings einer Probe unterworfen, wenn Christus gerade die von Maria geltend gemachte Unerträglichkeit der Schreie des Theophilus (S V. 754) gegen sie kehrt: sie sind wirklich unerträglich und rechtfertigen die Verstossung des Sünders, nicht seine Erhörung (S V. 793f., man beachte die paradoxe Formulierung der g e s e h e n e n Schreie). 165 Die Tränen erwähnt Christus: S V. 829. 166 Vgl. die besondere Ausgestaltung dieses Motivs bei Brun (oben, S. 282). 167 Vgl. Radermacher 1927, S. 174,28-176,2, Petsch 1908, S. 8,14-20, Meersseman 1963, S. 28 (Abschnitt 31).

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Eine für S spezifische Formulierung scheint im Übrigen noch besonders angetan, die Notwendigkeit dieser Rückholung der Urkunde verständlich zu machen. Theophilus sagt (S V. 842ff.): Eya, vrouwe, seghe yk den bref / Den yk myt myner hant scref, / De dar lycht an der helle so deph. Die Stelle mag mit ihrer Betonung des Sehens und der leibhaftigen Präsenz besser als die Entsprechung in H verdeutlichen, dass das in die Hölle verbrachte Vertragsdokument eine Platzhalterfunktion für seinen Aussteller erfüllt: eigenhändig ausgestellt (was ja in der mittelalterlichen Praxis durchaus nicht üblich war: da genügte die Eigenhändigkeit der Unterschrift), eigenhändig unterschrieben, mit Siegel168 und Ring des Ausstellers versehen (S V. 292-294) – damit war die Urkunde (ganz abgesehen von ihrem Inhalt: S V. 291) ein Stück von Theophilus, ja sie war in „Realpräsenz“ sein zweiter Körper. So war sie ihm in die Hölle vorangegangen, und sie sollte nun von Maria zum Zeichen auch seiner wahrhaften Befreiung aus den Fängen des Teufels von dort wieder heraufgeholt werden. Des Theophilus Bitte um Herbeischaffung der Urkunde ist einerseits heikel, weil er damit das Wort Marias in Zweifel zu ziehen scheint (vgl. S V. 850). Anderseits bot sich aus mariologischer Sicht hier die Gelegenheit, die Macht der Gottesmutter ein weiteres Mal auf die Probe zu stellen und zu demonstrieren. Im Drama konnte eine solche Demonstration der Konvergenz von Wort und Tat besonders eindrücklich ausfallen. Mit dem „Höllensturm“ Marias erreichen wir nach Theophilus-Bitte und Interzession Marias die dritte agonal ausgestaltete Kernszene des Dramas; nun stehen Teufel und Gottesmutter gegeneinander. Wir vergegenwärtigen uns zuerst die Dialogsequenzen: A Maria (S V. 853-866) A' Satan (S V. 867-872) B Maria (S V. 873-878) B' Satan (S V. 879-882) C Maria (S V. 883-886) C' Satan (S V. 887-896) D Maria (S V. 897-916) D' Satan (S V. 917-924) (Gang Satans zu Luzifer und Rückkehr) E Satan (S V. 943-954) E' Maria (keine Erwiderung)

Zwar erzeugt die kontradiktorische Wechselrede über mehrere Gänge hinweg eine gewisse oberflächliche Ähnlichkeit zur Szene im Himmel, doch ist die Sequenz durch kürzere Redeabschnitte und ein gewisses Hin und Her auf der Bühne auch im äusseren Ablauf deutlich unterschieden vom gemessen-ruhigen Ablauf des Maria-Christus-Dialogs. Mit dem zweiten Abgang Satans in die Hölle (S V. 924) ergibt sich gar ein Szenenwechsel, obwohl der Handlungsfaden weiterläuft und erst mit der Wiederkehr Satans und der Rückgabe des Paktdokumentes sein Ende erreicht hat (S V. ________________ 168 Man denke an die Anbringung von Porträt, Wappen und Titulaturen auf dem Siegel, wodurch dieses zum Stellvertreter dessen, der es führt, wird. Aufschlussreich in dieser Hinsicht sind auch die Ausführungen Isidors über (Siegel)ringe (‚Etymologiae’ 19,32).

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954). In diesem „Nachspiel“ E verändern sich auch die Abfolge und Gestalt der Gesprächsbeiträge; Satan spricht zuerst und noch als einziger, Maria würdigt ihn keines Wortes mehr.169 Dabei entsteht die Bewegung auf Seiten Satans und sie charakterisiert ihn zugleich als den ständig unruhigen, rastlosen Herumtreiber, den milleartifex.170 Der Auftaktvers Marias legt zugleich die szenische Situation v o r dem Höllentor fest. Sie befiehlt Satan zu erscheinen; ein einfacher Befehl genügt dazu, was im Nachhinein einen bedeutungsvollen Kontrast zur doch recht grossen Aufwand an Worten benötigenden Beschwörung Satans durch Theophilus setzt (vgl. S V. 221-240). Dazu fordert die Himmelskönigin die Rückgabe der Urkunde und bekräftigt ihren Anspruch auf Theophilus. Der gewiss taktisch bedingt respektvollen Anrede Satans – Maria erlegt ihrer Verachtung anderseits keine Zurückhaltung auf – folgt eine allgemein gehaltene, vage, kaum anders als offensichtliche Lüge zu verstehende, dilatorische Entgegnung: van den reden yk nycht en weyt (S V. 867). Sie geht einher mit dem Verweis auf vertragliche Rechte am Teufelsbündner; diese verbieten die vermittelnde Intervention Dritter.171 Maria widerspricht diesem solid anmutenden Argument damit, dass sie Theophilus als unzurechnungsfähig bezeichnet. Auf einer litteralen Ebene mag das wenig überzeugen, denn der Held hat immerhin einige Male vor Vertragsschluss sich als über die Konsequenzen seines Tuns durchaus informiert bezeichnet. Gewiss aber trifft es zu, dass die Sünde den Geist verdunkelt; insofern mag Maria Recht behalten. Satan greift in der Folge ein zweites Mal zum Argument des Nicht-Wissens, diesmal spezifischer gewendet: er weiss angesichts seiner Überbürdung mit Aufgaben nichts über den Verbleib der Vertragsurkunde (B'). Das charakterisiert zugleich seine für die Gläubigen gefährliche Umtriebigkeit: ik hebbe so wele wunders ghe dreuen (S V. 881). Maria nimmt ihn beim Wort und auferlegt ihm, nach dem Dokument zu suchen. Damit hat sie einen ersten Zwischenerfolg erreicht; mit einer Unmutsbezeugung verschwindet Satan in der Hölle – ein szenischer Effekt, über dessen Ausgestaltung wir nur Vermutungen anstellen können. Nach gemessen langer Zeit kehrt Satan wieder und versucht es mit neuen Ausflüchten – man durchschaut sie in Erinnerung an die frühere Stelle (S V. 432-453) mühelos als solche –: nichts gefunden, niemand weiss Bescheid, das Dokument bleibt verschwunden. Maria reagiert mit Verschärfung, was gleich an der Erweiterung ihrer Rede ablesbar wird: Dem nun zum drittenmal wörtlich wiederholten Befehl (Ik bede dy, S V. 901; 855, 873) geht eine Ligationsformel, wie sie für Exorzismen nicht un________________ 169 Man kann auch überlegen, ob S V. 944-954 als Abgangsworte Satans nicht auch eher ans Publikum als an Maria gerichtet sind. 170 Vgl. den Kommentar zu H V. 651. 171 Vgl. zu S V. 872 die Stelle 310-317.

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typisch ist, voraus.172 Indem sie sodann den Fundort der Urkunde bezeichnet, versperrt sie Satan die Möglichkeit einer Wiederholung seiner vorigen Lüge. Damit bricht Satans Widerstand zusammen, er gibt klein bei und trollt sich. Der Dialog mit Maria findet erst nach der Zwischenszene Satan–Luzifer173 seinen Abschluss mit einer von Maria hoheitsvoll gar nicht mehr beantworteten Rede Satans. Voll ohnmächtigen Zornes macht er sich in einer Ankündigung, deren Unhaltbarkeit für das Publikum des Spiels offensichtlich ist174 und in einer aggressiven Drohung gegen Unbeteiligte Luft. – Im Rückblick zeigen sich die zwei wesentlichen Darstellungsfunktionen der Szene: Der Satan enthüllt seine ganze Schwäche und Lügenhaftigkeit, Maria dagegen behauptet sich in unangefochtener Autorität als Herrin des Bösen. Beide Aspekte sind miteinander verkoppelt: Marias Macht ist die Niederlage Satans.175 Die Art, wie Satan und sein Meister Luzifer den Kürzeren ziehen, dürfte für das Publikum nicht ohne komischen Reiz gewesen sein. Es folgt nun die Rückkehr Marias vom Höllentor und – wenn man Plenzat mit seinem Vorschlag, V. 955-959 zu verschieben, – Folge gibt, eine kurze Ansprache Marias an den schlafenden Theophilus. Sie gibt ihm die Urkunde zurück, erklärt die Tilgung seiner Sünden, womit das delens quod adversus nos erat chirographum decreti quod erat contrarium nobis176 im Spiel nachvollzogen wird (S V. 961f.). Die Schlussworte stellen aber die Hierarchie der Heilsbringer gegen jede heterodoxe Konfusion klar: So schaltu dancken myneme leuen kynde / Vnde al deme hemmelyschen synde. Die genaue szenische Ausgestaltung der Folge bleibt mangels Angaben im Text unserer vermutenden Phantasie überlassen. Jedenfalls ist die Schlussszene ohne Gang zur Kirche, Geständnis coram publico und dessen feierliche Entgegennahme durch den Bischof, ohne Hochamt, Predigt und Verklärung des wieder in den Schoss der Kirche aufgenommenen ________________ 172 Die offenbar aus Reimzwang geborene Redundanz von V. 898 und 900 begegnet in S auch sonst (vgl. Plenzat 1926, S. 171f.). Vgl. auch den Kommentar zu H V. 603f. 173 Die Zwischenszene Satan–Luzifer zeigt eine Konstellation, wie sie sich im ‚Redentiner Osterspiel‘ gleich zweimal (was dort eine typologische Struktur abgibt) einstellt: Der etwas beschränkte, doch sehr eifrige Unterteufel Satan bringt dem Höllenherrn Beutestücke, die nichts als Scherereien und eine Niederlage zur Folge haben: einmal die Seele Christi (V. 373-486), dann den zwar moralisch schändlichen, aber durch seine objektiv wirksame priesterliche Banngewalt für den Teufel dennoch gefährlichen Geistlichen (V. 1754-1929). 174 Satan begann seine Verhandlungen über den Pakt mit Misstrauensbekundungen und Cautelen, die er in der Gier nach einer Seele dann selber in den Wind schlug: S V. 273-280. 175 Die theologische Reflexion über den Teufel sieht hier einen zentralen Punkt: Certum est enim quod inter omnes displicentias… hec precipua est qua sibi displicet [diabolus] quod deus omnia sua machinamenta in sui gloriam etc. conuertit ‚Malleus maleficarum‘ 83B: tiefste Kränkung dessen, der wie Gott sein wollte, ist seine ständige Niederlage „zur grösseren Ehre Gottes“. 176 Vgl. Kommentar zu H V. 101f.

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Sünders (all dies die Elemente der erzählenden Ausgangsversion177) allein dem Helden vorbehalten. Seine Anfangsworte nehmen genau die unmittelbar vorangegangene Mahnung Marias auf: Ik dancke dy, søte Jhesu Cryst, / Wente du myn schepper vnd myn loze byst; / Dar to de vyl eddele søte moder Maria (S V. 969-971). Dann schlägt die mariologische Ausrichtung des Stoffes letztmals durch. Mit V. 975 erfolgt die Hinwendung ad spectatores178 – eine Sprechrichtung, die bis zur alles schliessenden Anrufung Marias in V. 988, beibehalten wird. Die entsprechenden Aufforderungen (V. 975 und 987) bilden eine Klammer. Die dazwischen liegende Passage bringt vorerst ein allgemein gehaltenes, von zwei mariologischen Beiworten (sunnenschyn und scryn) gestütztes Marienlob. Dann geht sie über in einen summarischen Rückblick auf den Weg des Sünders Theophilus (V. 979-982) und mündet in den vorab auf den Sprecher bezogenen Ausdruck des Marienpreises (V. 983-986). Der rahmende Schlussvers weitet diesen Gestus auf alle Anwesenden aus, verschiebt das Lob zur Fürbitte und leitet performativ in deren kollektiven Vollzug über: Help vns… – zweifellos ein funktional durchdachter und wirksamer Abschluss des Stücks. 3.2.5 Überlegungen und Beobachtungen zur Rekonstruktion der Bühnenwirklichkeit in den Texten 3.2.5.1 Vorbemerkung Eine umfassende Analyse unserer drei Texte aus theatergeschichtlicher Sicht steht aus; sie kann und soll hier nicht vorgelegt werden, weil sie schon durch ihren Umfang den Rahmen einer Einführung sprengte.179 ________________ 177 Vgl. Radermacher 1927, S. 176f., Petsch 1908, S. 8-10, Meersseman 1963, S. 29-32; der in der lateinischen Fassung Petschs und Meerssemans beobachtbaren kräftigen Ausdehnung der Schlusssequenz durch eine Predigt des Bischofs entspricht im griechischen Text die Eutychianus-Version (Radermacher 1927, S. 210-218). – Der Schluss bei Rutebeuf hält sich an diese Vorgaben. – Vgl. oben, S. 282. 178 Insofern rücken die Zuschauer in gewissem Masse in die Rolle, die im epischen Bericht der frommen Gemeinde zu Adana zufiel; Messe und Bischof fehlen freilich. 179 Eine einfache Überlegung kann das illustrieren: Die Frage nach den Schauplätzen etwa führt weiter auf die Frage nach der Aufstellung des Spielleiters; Handschrift T sagt nichts Genaues darüber; damit ist man auf Analogie-Schlüsse verwiesen. Die üppigen Materialien der Luzerner Spiele können hier in der sorgfältigen Aufbereitung durch Evans erst einmal weiterhelfen. Aber für eine wirklich gründliche Untersuchung muss mindestens auch das Material bei Neumann durchgearbeitet werden; sein Register bietet aber einzig für den Spielleiter unter diversen Rubriken mindestens 100 Einträge. Sie müssen alle durchgeprüft werden, auch wenn vermutbar ist, dass am Schluss wenig für die spezifische Ausgangsfrage abfällt. Damit ist nur eine kleine Teilproblematik erfasst, bis das Gesamtziel erreicht ist, die Spielwirklichkeit des Theophilus-Mirakels auf Grund unserer drei Handschriften und unter

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Eine solche Analyse hätte anzusetzen bei der umfassenden Erhebung der expliziten und der impliziten Hinweise der Texte auf ihre Darstellung im Spiel; diese betreffen die Aktionen der Figuren auf der Bühne, ihre Gestik und Mimik, die Verwendung von Kostümen und Requisiten, die Ausgestaltung und Nutzung des Bühnenraumes. Zu prüfen wäre sodann, ob die von Neumann180 gesammelten Angaben über Spielorte und Spielzeiten von Theophilus-Dramen sich mit Fakten der Lokalgeschichte verknüpfen liessen. Zusätzliche textexterne Informationen könnte das Spiel Rutebeufs181 liefern. Die Sichtung dieser Materialien, die vorab auf die konkrete Präsentation des Spieles bezogen sind, führte weiter zur Erörterung von Fragen, wie im Theophilus-Spiel die Interaktion von Darstellern und Publikum zu denken sei, wie sich das Spielbewusstsein charakterisieren lässt. Immer zu beachten wäre schliesslich bei all diesen Aspekten der weitere Horizont der mittelalterlichen volkssprachlichen Spielpraxis,182 soweit er sich noch aus den Texten selber und den archivalischen Zeugnissen, die ja selten theoretisches Gepräge haben, erschliessen lässt. In historisch etwas länger ausgezogener Perspektive wäre auch noch die Aufführungsrealität in Georg Bernardts „Theophilus“ von 1621 (und die der weiteren Dramatisierungen183 im Umfeld des Jesuitentheaters) mit einzubeziehen. Auch ________________

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Beizug von weiterem Material, das Analogieschlüsse erlaubt, zu rekonstruieren, sind zahlreiche weitere solcher Recherchen zu führen. Vgl. oben, S. 282 und Anm. 111. Der französische Mediävist Gustave Cohen brachte zwischen 1933 und 1950 mit einer Truppe von Studenten, die sich „Théophiliens“ nannten, eine Reihe von Spielen des französischen Mittelalters zur Aufführung, darunter im Mai 1933 das ‚Miracle de Théophile‘. Cohens Übersetzung des Mirakelspiels enthält vier Abbildungen (Zeichnung, Photos) dieser Aufführungen (Cohen 1934). Eine Art Regiebuch und eine Beschreibung der Kostüme sind bei Dufournet 1987, S. 99-110 abgedruckt; weitere Materialien zu dieser Praxis liefern schliesslich die „Témoignages Théophiliens“ in: Mélanges 1950, S. 278-291. Für die theaterpraktischen und -historischen Schriften Cohens (namentlich Cohen 1926, 1948 und 1956) vergleiche man die Bibliographie in Mélanges 1950, S. 19-22. Eine übergreifende Darstellung der geistlichen Spiele unter diesem Aspekt am Schnittpunkt von Literatur- und Theaterwissenschaft fehlt; man ist auf ältere oder jüngere Einzeluntersuchungen verwiesen (vgl. nachfolgend); manches in der vorzüglichen Geschichte des weltlichen deutschen Schauspiels von Simon (2003) lässt sich direkt auch auf das geistliche Spiel übertragen (ganz abgesehen davon, dass diese Trennung in mancher Hinsicht als ahistorisch und sachbezogen wenig angemessen gelten mag). Im Übrigen dominiert z.Zt. auf literaturwissenschaftlicher Seite das Interesse an eher theoriegeleiteten Arbeiten unter Stichwörtern wie „Performanz“, „Frömmigkeitspraxis“, „Multimedialität“ (vgl. dazu: Meier 2004, Kasten 2007); programmatisch wird auch die Verbindung von Textualität und Performativität gefordert (Herberichs 2007), anderswo eher umstandslos auch praktiziert (Ziegeler 2004). Einen alternativen Zugang, der die Trennung „weltlich“ – „geistlich“ vermeidet, dokumentiert die auf Aufführungsorte zentrierte Arbeit von Freise 2002. Die zwei heute in Editionen bequem greifbaren „Theophilus“-Dramen (Rädle 1979 und 1984 bilden nur die Spitze eines Eisbergs, wie das die Zusammenstellung Rädles (1978, S. 458-460) zeigt.

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ein Ausblick auf moderne Belebungsversuche des mittelalterlichen deutschen Spiels im 19. und 20. Jahrhundert könnte rezeptionsgeschichtlich reizvoll sein.184 – Insofern hat das Folgende den Charakter einer Einführung und Wegweisung zu tiefer schürfenden Nachforschungen. 3.2.5.2 Überlieferungsform und medialer Status der Texte H, S, T Nun ist mit der Frage nach der Bühnenwirklichkeit jene nach dem medialen Status der in H, S und T überlieferten Texte gestellt. Bereits die ältere Forschung rechnete mit H (und S) als „Lesedramen“185 und sprach bei der Handschrift von T von einem „Bühnenmanuskript“; die drei Texte erschienen problemlos als „Fassungen“ ein und desselben Gattungstyps, eines Dramas, verstehbar. Die kleine, aber ziemlich ikonoklastische Untersuchung von Werner Williams-Krapp von 1980 verwirrte diese anscheinend einfachen Verhältnisse mit der provokativen These, „dass viele Ergebnisse der mittelalterlichen Spielforschung zu einem erheblichen Teil auf Texten beruhen, die nicht für eine Aufführung bestimmt waren.“186 Williams-Krapp nannte eine Reihe von Kriterien, nach denen die anscheinend einschlägigen Texte sich in „Spieltexte“ und „Lesetexte“ ordnen liessen. Dabei erwies sich allerdings rasch der zweite Terminus als zunehmend problematisch, weil die Forschung dorthin nicht selten Werke gestellt hatte, die einzig auf Grund ihrer dialogischen Form „dramatisch“ anmuten konnten. Tatsächlich müsste aber – immer Williams-Krapp zufolge – zwischen nie für eine szenische Darbietung gedachten dialogischen Werken einerseits und Texten, in denen sich eine Spielaufführung reflektierte, anderseits unterschieden werden. Die überlieferungsorientierte Forschung erhob zwar gewisse Einwände und monierte Übertreibungen, gewann aber doch eine durch Radikalkritik geschärfte Methodik. Neue Aktualität erhielten dann Williams-Krapps Überlegungen im Zeichen einer kulturgeschichtlichen Betrachtung des geistlichen Spiels. Die Frage, ob ein Text nun direktes Zeugnis einer Inszenierung oder bloss ein zeitverscho________________ 184 Allerdings müsste dieses Material (etwa Besprechungen in der Lokalpresse) erst ausgegraben werden! Moderne Aufführungen bezeugen Plenzat u.a. für Königsberg (1926, S. 159 und Anm. 39) und Glagla für Hamburg 1981 (1981, S. 12); die Übersetzung Johannes Weddes (1888) könnte ebenfalls für eine solche gedacht gewesen sein, jene von Max Gümbel-Seiling (1918) war es erklärtermassen. 185 So etwa Petsch 1932, S. 65. Methodisch weitsichtig formulierte Hoffmann (1853, S. 78): „... ein Schauspiel ... als Erzählungen von dem Abschreiber behandelt...“ 186 Vgl. Williams-Krapp 1980, S. 8. Nach einem Hinweis Farals (1960, Bd. 2 S. 171f.) findet sich das Phänomen von „Bühnenanweisungen“, die in den Verstext integriert sind, in der französischen Tradition ebenfalls. Freilich übersieht Faral dann die möglichen gattungstheoretischen Konsequenzen aus dieser Beobachtung.

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bener Reflex einer solchen war, erschien nicht mehr vorrangig relevant für die Frage der – womöglich binär zu beantwortenden – Gattungseinordnung dieses Textes. Vielmehr zeigte sich die Möglichkeit, ein nuanciertes Spektrum von Ausdrucksweisen des Performativen anhand der verschiedenartigen „Spiel-“ und „Lesedramen“ zu entdecken. Genau dieser Punkt müsste anhand der drei Fassungen des ‚Theophilus‘ gründlich untersucht werden. Im Sinne einer Vorarbeit sollen hier die unmittelbar textgebundenen Hinweise auf den performativen Status von H, S und T im Spannungsfeld von Aufführung einerseits und Lektüre anderseits zusammengestellt und charakterisiert werden. Dabei wird man schon grundsätzlich nicht von einem dualen Entweder-Oder auszugehen haben, sondern von einer Skala verschiedener, im Einzelfall nicht immer klar bestimmbarer Möglichkeiten.187 Dies erweist sich besonders auch in unserem Fall. Williams-Krapp und Bergmann machen für die Bestimmung eines Lese- bzw. Aufführungstextes folgende Merkmale der Überlieferung namhaft:188 Lesetext Aufführungstext (hier: „Regiebuch) Quartformat Schmalfolio Sammelhandschrift Einzelüberlieferung Paratexte mit Hinweis auf Nutzung durch Lesen häufig: starke Abnutzungsspuren verdichtete Aufzeichnung des Tex- lockere Aufzeichnung des Textes, tes (bis hin zur Nicht-Absetzung einspaltig von Versen), u. U. mehrspaltig

________________ 187 Bereits Williams-Krapp geht von Zwischenstufen aus: „eine zu Lesezwecken niedergeschriebene genaue Wiedergabe eines Regieexemplars“, „ein nur zum Lesen konzipiertes Stück mit dialogischem Aufbau“ (1980, S. 9); dies ergänzend wäre weiter mit Regiebüchern, Dirigierrollen (Zusammenstellung der Bühnenanweisungen und Anfangsverse der Figurenreden, entweder effektiv in Rollenform oder dann als schmales und hohes Heft), Einzelrollentexten u.a. zu rechnen (vgl. dazu Bergmann 1985, S. 322-326 und 1986, S. 502f.): so die vorwiegend an der materialen Form der Textüberlieferung orientierte Betrachtungsweise. Einen weiteren Fall repräsentiert etwa die Kasseler Handschrift des Alsfelder Spieles: hier ist in einem Aufführungsexemplar der Text derart stark überarbeitet worden, dass zuletzt ein solcher Gebrauch nicht mehr möglich war (Bergmann 1986, S. 173). – Zwischenstufen ergeben sich aber auch, wenn man (wie die Performanzforschung neuerer Prägung das tut), ausgehend von anthropologischen und rezeptionstheoretischen Kategorien unterschiedliche Nutzungen und Wahrnehmungen eines Textes in Anschlag bringt. 188 Die Tabelle stellt Merkmale zusammen, die bei Williams-Krapp 1980 und Bergmann 1985 an verschiedenen Stellen ihrer Arbeiten genannt werden; sie vereinfacht und typisiert.

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Lesetext Personenbezeichnungen und Regieanweisungen im Präteritum, in den Vers integriert Regieanweisungen stark reduziert keine Notenaufzeichnung

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Aufführungstext (hier: „Regiebuch) Personenbezeichnungen und Regieanweisungen im Präsens, sprachlich und optisch abgesetzt, oft rubriziert Regieanweisungen vollumfänglich vorhanden Notenaufzeichnungen bei Gesangspartien

In seinem Aufsatz von 1985, der als direkte Reaktion auf den Aufsatz von Willliams-Krapp konzipiert ist, stellt Bergmann Handschrift H und T als Modellfälle für „Lesehandschrift“ und „Aufführungshandschrift“ einander gegenüber. Anhand von H 246f. bzw. T 771a zeigt er die funktionsbedingt unterschiedliche Form der Bühnenanweisung. Nach diesen klaren Fällen stellt er auch solche dar, die unklar und unsicher sind, die Handschrift S erscheint auch hier nicht unter den Beispielen. Allerdings mag man sich mit Blick auf die obige Zusammenstellung fragen, ob nicht auch S unter diese Rubrik gehört. Zwar fehlen Notenaufzeichnungen, und wir haben es mit einer Sammelhandschrift zu tun. Doch ist die versweise Aufzeichnung (mit Reimpunkten) locker, die Regieanweisungen und die Personenbezeichnungen sind rot,189 sprachlich schon durch ihren lateinischen Wortlaut abgesetzt, sie verwenden meist das Präsens.190 Es wäre also zu überlegen, ob hier nicht ein Fall wie bei der durch Bergmann besprochenen Wolfenbütteler Handschrift Helmstedt 965 vorliegt, in der er eine Zwischenaufzeichnung des Textes vor seiner erneuten Umsetzung als Aufführungsgrundlage erkennt.191 3.2.5.3 Zur Bühne der Theophilus-Spiele Wie die Bühne192 des Theophilus-Spieles genau ausgesehen hat, wissen wir nicht. Wir sind darauf verwiesen, von erhaltenen Bühnenplänen und sonstigen Informationen aus anderweitiger Spielüberlieferung Rückschlüsse ________________ 189 Vgl. Geeraedts 1984, S. 21. 190 Interessant ist S V. 828, wo die Sprecherbezeichnung verdoppelt erscheint, einmal in Form einer Bühnenhandschrift, einmal in Lesetextform (vgl. Kommentar zur Stelle). 191 Bergmann 1985, S. 324; in Bergmann 1986 (S. 340) wird die Stockholmer Handschrift ohne Wenn und Aber der Gattung „Lesebuch“ zugeschlagen. 192 Petsch (1939/40, S. 54) riskierte die Aufstellung eines „kleinen Bühnenplans“ für T. – Zur Bühne überhaupt vgl. die Übersichtsdarstellungen in: 2RL, Bd. 4 S. 70f., Linke 1987, S. 149-151, 3RL, Bd. 1 S. 269-274 und Michael 1963; bei diesem auch Abbildung und Besprechung der nachfolgend genannten Bühnenpläne (S. 26-51).

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zu ziehen. Freilich finden sich Bühnenpläne erst im 16. Jahrhundert beim Alsfelder Passionsspiel (1501-1517),193 dem ‚Bozener Palmsonntagsspiel‘ (1514)194, dem Luzerner Passionsspiel von 1583,195 schliesslich der Villinger Passion (vor 1600?).196 Die zeitliche Distanz zu unserem Spiel ist somit beträchtlich; dabei ist zusätzlich der sachlich-stoffgegebene Abstand zu bedenken. Alle erhaltenen197 Bühnenpläne beziehen sich auf Darstellungen der Passion und Auferstehung. Es handelt sich also um Stoffe, die anders als beim ‚Theophilus‘, Anlass zu komplexen Bühnenhandlungen mit vielen Figuren an zahlreichen Schauplätzen geben konnten. Ein gemeinsamer Nenner ergibt immerhin sich durch den Bühnentyp: die offene, von überall her einsehbare Simultanbühne unter freiem Himmel. Bühnenstände (mansiones, castra, sedes, loci, loca, bürge, ort, hof, stand) markieren die einzelnen Spielorte;198 es handelt sich bei ihnen offenbar vielfach um „Miniaturhäuser ohne Wände …, die nur durch die sie begrenzenden Kanten, Pfosten und Türrahmen gekennzeichnet werden…“199 Dazu kamen – mindestens die reichen Luzerner Pläne zeigen das – zahlreiche kulissenähnliche Bauten für bestimmte Szenen (etwa der Baum, an dem sich Judas erhängt, Altar und „Tannbusch“ für Abrahams Opfer und für den Widder). Üblicherweise befanden sich bei Spielbeginn alle Figuren an dem ihnen zugewiesenen Stand;200 dort blieben sie auch während der ________________ 193 Zur Überlieferungssituation: Bergmann 1986, Nr. 70; der Plan ist sehr rudimentär; vgl. die Abbildungen bei Froning 1891f., S. 267 und 860, Erläuterungen dazu: 266-275. 194 Vgl. Bergmann 1986, Nr. 138; auch hier ein sehr rudimentärer Plan, er bezieht sich wohl auf eine Aufführung in der Bozener Pfarrkirche, Abbildung: 1VL, Bd. 3 Sp. 952 (die Beschriftung vereinfacht) ferner: Henker 1990, S. 301 und Nr. 161, ausführliche Diskussion bei Michael 1950. 195 Vgl. Bergmann 1986, Nr. 109; „die einzigen vollständig detaillierten Bühnengrundrisse eines mittelalterlichen Passionsspiels“ (Evans 1961, S. 23, 143; Henker 1990, Nr. 163, S. 303-306 (fehlerhafte Signaturangabe): je ein Plan für jeden der zwei Spieltage, dazu Abbildungen des einen modernen Holzmodells (von Albert Köster)); für das andere, in Luzern befindliche (Hersteller: August am Rhyn): vgl. Evans 1961, S. 173 und Abb. 16-26, Erläuterungen S. 142-173). 196 Vgl. Bergmann 1986, Nr. 35 (S. 94!), Nr. 36; Abbildung: Froning 1891f., nach S. 276, Nagler 1955, S. 319, Knorr 1976, Tafel III (nach S. 26), Touber 1985, S. 28: auch hier ein eher rudimentärer Plan, bei dem sich zudem das Problem stellt, zu welchem Spiel er denn überhaupt gehört; dazu: Knorr 1976, S. 26-30, Touber 1985, S. 27-31. 197 Einen Bühnenplan rekonstruieren Petersen 1922, S. 122f. und Wolf 2004, S. 284-290 für die ‚Frankfurter Dirigierrolle‘. 198 Die Luzerner Quellen liefern für die Dimensionen der einzelnen Stände genaue Massangaben, vgl. Evans 1961, S. 164-173. 199 Vgl. Kindermann 1957, Bd. 1 S. 276, ferner: Heinzel 1898, S. 19-23. 200 Das zeigt eine Bemerkung am Beginn des ‚Alsfelder Passionsspieles‘: Primo igitur omnibus personis ordinate in suis locis constitutis… (vgl. Bergmann 1986, S. 171). Vorangegangen war dem oft der prozessionsweise Einzug der Spieler (vgl. etwa: Bergmann 1986, S. 171: processio huius ludi auf Bl. 81 des Alsfelder Spieles (dazu Freise 2002, S. 263-272) oder für Luzern:

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theatralischen Handlung, traten allenfalls aus ihrem locum heraus, um zu agieren, kehrten dann wieder dorthinein zurück. Simultaneität galt somit in mehrfacher Hinsicht: während des ganzen Spieles waren alle201 Schauplätze und Personen sichtbar, auch fanden offenbar gewisse Bühnenaktionen gleichzeitig statt. Simultaneität galt schliesslich auch für die Rollen: der gleiche Spieler konnte im Verlauf der oft mehrtägigen Handlung unterschiedliche Figuren darstellen – und musste das aus praktischen Gründen wohl auch.202 Die erhaltenen Pläne lassen vielfach eine Ausrichtung nach einer symbolisch aufgeladenen Achse zwischen Himmel und Hölle erkennen.203 Unser Spiel passt vom Handlungsverlauf wie vom Symbolgehalt her vorzüglich in eine solche Struktur. Die Version T enthält nur in ganz wenigen Fällen Bühnenanweisungen mit Ortsangaben,204 diese betreffen meist den „Kreis“, wohl eine nicht näher markierte, „neutrale“, Stelle in der Mitte der Bühne.205 Dort treten der Spielleiter, der Zauberer und schliesslich Theophilus auf (T V. 8a, 370a, 526a). Einmal (T V. 814a) wird Ouelgunne206 erwähnt. Alle anderen Schauplätze sind einzig auf Grund der Handlung vermutungsweise erkennbar. Es sind nach Beginn der eigentlichen Spielhandlung: der Kapitelsaal (T V. 47-370), die Taverne (T V. 371-436), die Judenschule (T V. 437526), die Hölle (T V. 779-793), ein unbestimmter Ort (T V. 795-814). Der Raum am Beginn (T V. 1-46) und Schluss (T V. 819-824), praktisch wohl erhöhte oder sonst wie hierarchisch markierte Stellen auf der Bühne207 für ________________

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Evans 1961, S. 215-220 und bes. Anm. 1, ferner: S. 145: Adam und Eva ziehen nicht auf den Platz, sondern liegen dort in einer Grube verborgen bis vff ir zyt). Unbedingt galt diese durchgehende Sichtbarkeit freilich nicht; so vermerkt etwa der Luzerner Plan für die Schlange: Darinn ist die Schlang verborgen bis vff ir zyt (Evans 1961, S. 145). Vgl. Evans 1961, S. 150. In Luzern befand sich das irdische Paradies und der Himmel auf der Ost-Seite des Platzes beim Haus zur Sonne, die Hölle lag gegenüber im Westen. Ihr Eingang bestand aus einem Rachen, den man vffzücht vnd ablasst (Evans 1961, S. 164). Auch bei Rutebeuf gibt es nur sehr wenige explizite Ortsangaben (so V. 383 une chapele de Nostre Dame; nicht mehr eindeutig ist V. 431 devant Nostre Dame: eine Statue Marias? Oder ist sie mittlerweile leibhaftig anwesend?). Zu beachten sind sodann Ortsangaben in den Figurenreden (etwa: V. 190: der Teufel schlägt als Treffpunkt „ein Tal“ vor); vgl. zur Bühne des Rutebeuf-Mirakels: Faral 1960, Bd. 2 S.172-174. Es fällt auf, dass in T V. 8a und 370a die prinzipiell gleiche Situation (wenngleich beim Zauberer potenziert als Spiel im Spiel) vorliegt: eine Person (der Spielleiter, der Zauberer) wendet sich informierend und werbend an Zuschauer. Von daher gesehen, bekommt dann auch der dritte Beleg, der „Monolog“ des Theophilus (T V. 526a), den Anschein bewusster Schaustellung. Allerdings gleitet die Klage des Helden dann in die Teufelsbeschwörung hinüber, womit der Ort des Geschehens seinen Charakter wechselt (vgl. oben). Vgl. zur Natur dieses Ortes: T V. 507-520. Der Luzerner Spielplan platziert den Proclamator im Südosten (Jörg krämers hus) und gibt ihm (freilich abgetrennt) die Spielleute bei (Evans 1961, S. 145 und Anm. 15, ferner: 154, 155), er hat auch einen hoff (ebd., S. 168), er verfügt über einen Tisch (S. 161), was gewiss nicht nur eine praktische Erfordernis, sondern auch eine hierarchische Hervorhebung dar-

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den Auftritt von Chor und Spielleiter (boede), dürfte für die Wahrnehmung der Zuschauer eine Art theatralischer „Nullpunkt“ gewesen sein: nicht mehr ihr Alltagsraum, aber auch noch nicht Ort des Spiels. Nicht näher lokalisiert und beschrieben ist der Kreis, in dem Theophilus den Dialog mit dem Teufel führt. Von der dämonologischen Topik der Zeit her lässt sich an einen Platz in der freien Natur denken.208 Stimmt diese Annahme, dann baut sich ein Spannungsfeld zwischen Orten der Menschen und der Wildnis auf. Zudem markierte diese Ödnis auch den vorläufigen Endpunkt auf dem Weg des Theophilus, der ihn in ständigem moralisch-geistlichem Niedergang vom Kapitelsaal209 über Taverne und Judenschule immer weiter weg aus der Gemeinschaft der Gläubigen wegführt.210 Die Hölle öffnet sich beim fragmentarischen Text T nur für kurze Zeit; im weiteren Spielverlauf wäre sie noch mehrfach Schauplatz gewesen. Sie lag wohl dem hier noch gar keine Rolle spielenden Himmel gegenüber. Bedingt durch die Handlung muss sie als bespielbarer und durch die Zuschauer von aussen einsehbarer Ort gedacht werden – dies im Gegensatz etwa zu den Verhältnissen im ‚Luzerner Osterspiel. 211 ________________

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stellte. Von dieser Aufstellung her kann allerdings wohl nicht schon unbedingt auf den Ort der Rezitation geschlossen werden. Vgl. im Kommentar zu H V. 42-55 mit den Hinweisen auf die Anweisungen zur Beschwörung in der Prager Handschrift. D’Agostino verweist auf einige italienische Stücke, wo die Begegnung mit Satan an einem Kreuzweg angesiedelt wird (2000, S. 210), ferner: Gier 1977, S. 118f., 261 (der Kreuzweg auch in der durch zahlreiche Sonderzüge singulären Exempel-Fassung bei Johannes Herolt). Im späteren ‚Faustbuch‘ hat Dr. Faustus sein erstes Treffen mit dem Teufel auf freiem Feld (Kapitel 2), erst später wird der sich zu seinem Opfer nach Hause begeben. Ebenso liegen die Dinge im ‚Wagnerbuch‘, wo von „einem öden und wüsten Ort“ die Rede ist (Mahal 2005, Bd. 1 S. 27,22f. und Kommentar z.St.: Bd. 2 S. 50). Biblischer Einfluss (die Wüste als bevorzugter Aufenthaltsort von dämonischen Wesen in der jüdischen Tradition, Mt 4,1) ist dabei mit zu veranschlagen! Mindestens für monastisch-klerikales Bewusstsein war der Kapitelsaal der Ort regelmässiger Lesungen (u.a. der Regel), auch der Ort öffentlichen Schuldgeständnisses und der Sanktion durch Abt und Klostergemeinde. Anschaulich wird diese Bedeutung etwa in der Geschichte vom Teufel, der sich weigert, in Begleitung des hl. Dominikus den Kapitelsaal zu betreten, weil er hier, anders als in Dormitorium, Refektorium, Locutorium und sogar im Chor der Kirche seine grossen Niederlagen erleidet (Iacobus a Voragine: bei Maggioni 1998, 735f., bei Benz 1975, S. 551f.). In unserem Stück entsteht so durchaus eine Spannung zwischen Anspruch und Wirklichkeit, denn das Verhalten mancher Domherren während der Kapitelsversammlung ist ja durchaus nicht makellos. Die mehrfache Formulierung, wonach Theophilus diesen Weg aktiv „geht“ (T V. nach 370a, 436a, 526a), ist in ihrer doppelten Implikation von praktischer Regieanweisung und symbolisch verstehbarer Aussage zu beachten. Die „Luzerner Hölle“ bestand aus einem seitlich und oben geschlossenen Brettertunnel, der nach hinten in eine Gasse mündete, an seiner Front durch das bewegliche Höllenmaul begrenzt wurde (Evans 1961, S. 154, 164, 172); platziert war sie an der Westseite des Weinmarktes am Rand einer der Zuschauertribünen. Damit war das Innere der Hölle nicht bespielbar; die Teufel (die im Übrigen nicht sehr oft auftraten) kamen bei ihrem Hauptauftritt im Actus 6 des 2. Tages zur Klage über die gelungene Erlösung der Menschheit aus der

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Die letzten erhaltenen Verse (T V. 795-818) lassen gerade noch erkennen, dass auch Ouelgunne Schauplatz war; er wird als borg bezeichnet (T V. 813). Hier vollzog sich mindestens der Beginn von Theophilus’ Weltleben; der Text gibt vorwiegend einen Blick auf den symbolischen Aspekt des Ortes frei, dies allerdings aus der doppelten Perspektive von Schein und Sein: vordergründig eine Art Schlaraffenland, durch den Teufel organisiert, mit Tafelfreuden in Damengesellschaft. Theophilus fühlt sich hier behaglich, doch der Teufel hat seine eigenen Vorstellungen von der längerfristigen Ausgestaltung dieses Ortes, eines „kalten“ Paradieses. Der Abbruch von T zwingt nun, unsere Informationen in den beiden anderen Quellen, H und S, zu suchen. Wir beschränken uns allerdings auf die ausführlichere, der Bühnenwirklichkeit näher stehende Stockholmer Version, gehen dazu wieder an den Stückbeginn. Die Handlung setzt auch hier im Kapitelsaal ein; indirekte „Regieanweisungen“ zeigen, dass die Szene bestimmt Sitzgelegenheiten geboten haben muss (S V. 19); der Reihe nach könnten also die Domherren bei ihren Voten aufgestanden sein und sich dann wieder gesetzt haben. Der Vers he schal hutene van vns varen (S V. 117) markiert dann einen Szenenwechsel, ohne dass wir freilich Angaben bekommen, wo – allenfalls an wie vielen Orten – die nächsten Handlungszüge spielen (so bis S V. 440). Diese Sequenz umfasst die Klage des Theophilus, sein Gespräch mit dem Schwarzkünstler dann die sehr langen Verhandlungen mit dem Teufel (der jedenfalls zu Theophilus hinzutritt). Immerhin setzt uns erneut ein Vers in einer Figurenrede eine wichtige Markierung für die symbolische Ebene: Theophilus steht „draussen vor der Tür“ (S V. 126). Bei der Niederschrift der Pakturkunde musste der Held eine Sitzgelegenheit und vielleicht ein Pult zur Verfügung haben (S V. 424). Nach Abschluss dieses Geschäftes begibt sich Satan zur Übergabe der Urkunde an seinen Herrn kurz in die Hölle, was auch im Dialog nachvollzogen wird (S V. 440-453). Danach kehrte er möglicherweise an den früheren Ort zu Theophilus, der dort geblieben war, zurück. Es schliesst die Szene mit „Theophilus am Scheideweg“ an (ab S V. 516); sie lässt sich auf einem Marktplatz denken, auf der einen (linken?) Seite eine Taverne, gegenüber das Podest des Predigers.212 In ihrem Verlauf nähert sich Theophilus der Kanzel des Predigers (S V. 541a). Mit dem Reuemonolog bewegen wir uns vermutlich, ohne dass der Text dies deutlich macht, erneut, ________________ Hölle heraus und verstreuten sich dann brüllend in alle Welt hinaus (Wyss 1967, Bd. 2 S. 250, 258; vgl. auch Bd. 1 S. 260, 262). 212 Man assoziiert sich eine Szene wie sie etwa das fränkische Tafelbild mit der Predigt des Johannes von Capistrano (ca. 1470, Historisches Museum Bamberg, Abbildung in: Franz von Assisi 1982, Tafel 3 nach S. 48) oder die Zeichnung mit Berchtold von Regensburg (aus cod. Vind. 2829) zeigen.

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Einführung ins Werk

diesmal vielleicht in eine Marienkirche, -kapelle213 oder vor eine im Freien aufgestellte Marienstatue214 (ab S V. 676). Damit ist der zum Paktschluss antithetische Schauplatz erreicht (S V. 653-852); er wird einzig aus Anlass von Marias durch ihr Ziel ebenfalls gegensätzlichen Gängen verlassen: einmal in den Himmel vor den Thron Christi (S V. 742-833) und einmal vors Höllentor (S V. 853-886, 887-924). In die Szene am Höllentor sind zwei Gänge Satans in die Hölle eingefügt (S V. nach 886, 925-942). Beim ersten Gang kommt es zu keinem Dialog, die Szene ist also pantomimisch zu denken. Wurde sie entsprechend ausgeführt, so bot sie dem Spielleiter die Chance, dem Publikum die Lügenhaftigkeit des Teufels, der hier wohl nur vorgibt, in der Hölle nach der Pakturkunde gesucht zu haben, vor Augen zu führen. 3.2.5.4 Requisiten und Kostüme in den Theophilus-Spielen Für die Handlung ist eine Reihe von Requisiten erforderlich,215 Handschrift T benennt sie in den Spielanweisungen oft explizit, manchmal auch nur implizit, in S herrschen entsprechend der Funktion dieses Textzeugen die indirekten Erwähnungen vor. Fundamental sind Schreibgerät und Schreibstoff für die Pakturkunde, die Theophilus auszustellen hat; sie erscheinen nur indirekt (T V. 652f., 745, 756f. analog: S V. 351f.). Das dabei ausgestellte Dokument (T V. 762a) wird mehrfach noch im Mittelpunkt des szenischen Geschehens stehen; entsprechend seiner Bedeutung taucht es vielfach auch in den Figurenreden auf (T V. 771a, 778a; S V. 440 litera, ferner: 885, 907, 911, 924, 931, 933, 943, 961). Für die Kapitelszene werden wyn vnde krut (T V. 268a) verlangt; die dafür nötigen Trinkutensilien werden nicht erwähnt. Wenig später stossen wir auf den Bischofsthron (T V. 278a); zur Schenkenszene werden ebenfalls Trinkgefässe und wohl auch Tranksame andeutungsweise gefordert (T V. 362a); entsprechendes Mobiliar wird hier stillschweigend ein weiteres Mal vorausgesetzt. Von Kostümen erfahren wir zweimal im gleichen Zusammenhang aber durch einen längeren Handlungsabschnitt getrennt: Dann nämlich, wenn Theophilus in zwei Schritten seine priesterliche Würde preisgibt, indem er dem Bischoff beffe vnde roechelen vor die Füsse wirft, und als er später nach dem Paktschluss von seinem neuen Herrn frisch eingekleidet wird (T V. 336a ________________ 213 Dieser Schauplatz erscheint bei Rutebeuf explizit (nach V. 383). 214 Man denkt hier an Mirakelerzählungen mit lebendig werdenden Marienstatuen (vgl. etwa Richert 1965, Nr. 22). 215 Angesichts des begrenzten Umfangs und der relativen stofflichen Kargheit der Handlung kann das ‚Theophilusspiel‘ gewiss die Requisitenfülle der Luzerner Spiele nie erreichen (vgl. Evans 1961, S. 174-214).

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und 796). Beide Male übertrifft der symbolische Gehalt dieser Angaben den kostümgeschichtlichen Informationswert bei weitem. 3.2.5.5 Handlungsanweisungen Die direkten Handlungsanweisungen in T sind zahlreich und informieren über eine Fülle von Einzelheiten. So werden etwa die entscheidenden Peripetien der Wahl in den Regieanweisungen markiert: die Eröffnung der Wahlversammlung durch den Probst (T V. 46a), seine Erstwahl (T V. 150a), die Wahlberatung der Domherren, nachdem die erste Wahl an der Absage des Theophilus gescheitert ist (T V. 256a), die Bekanntgabe des zweiten Wahlergebnisses durch den Dekan (T V. 262a), die rituelle Wahlverweigerung des Gewählten (T V. 268a) und seine Amtseinsetzung (T V. 278a). Entsprechendes lässt sich für die nun folgenden Etappen der Handlung, die Theophilus von seiner skandalträchtigen Absage an den neuen Bischof bis zu seiner Selbstübergabe in die Gewalt eines anderen Herrn, des Teufels, führt, beobachten: Absage an den Bischof (T V. 336a), Kneipenszene (T V. 362a, 370a), Gang in die Judenschule (T V. 436a), Monolog (T V. 527a), Auftritt des Teufels (T V 568a), Huldigung an den Teufel (T V. 722a), Ausstellung und Übergabe der Urkunde (T V. V. 755, 762a, 771a), Ausstattung des Theophilus für sein neues Weltleben (T V. 793a, 814a). Auch bringen die szenischen Anweisungen sehr viele Elemente, die uns das Agieren der Personen, ihre Gestik, Mimik und Stimmführung explizit konkret machen. Der Zauberer schreit seine Künste aus (T V. 370a), Theophilus geht bei seinem Klagemonolog hin und her (T V. 526a), der Teufel kommt herbeigehüpft und spricht mit grauenerregender Stimme (T V. 568a), der Teufel überliest die eben ausgestellte Urkunde (T V. 771a), er „trabt“ in die Hölle ab (T V. 778a). Wenn gewisse Vorgänge trotz den Szenenanweisungen uns gleichwohl nicht genau nachvollziehbar sind, mag die Ursache in der kulturellen Distanz zu dem für die Zeitgenossen selbstverständlichen Alltagswissen liegen216 oder etwa auch darin, dass die Regieanweisungen vielleicht absichtlich unbestimmt bleiben.217 Nur selten enthalten anderseits die Rollentexte zusätzliche szenische Informationen.218 ________________ 216 Beispiel: wie genau sind die Formen der Teufelshuldigung Theophils zu denken (T V. 722a)? 217 Das könnte bei der Beschwörungsszene der Fall sein. 218 Vgl. etwa: T V. 796, 799, 805: Satan bringt neue Kleider, silbernes Tafelgeschirr und Schmuck für das neue Leben des Theophilus.

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Einführung ins Werk

Wegen unterschiedlicher Handlungsführung (etwa in der Kapitelsszene) aber auch wegen des unterschiedlichen Textbestandes ist die Vergleichbarkeit von S mit T vielfach nicht gegeben. Erwartungsgemäss bietet S hier ungleich weniger an Regieanweisungen, selbst wenn wir hier noch einen Restbestand an solchen, die dem Prozess der Episierung widerstanden haben, konstatieren können.219 Dagegen enthalten die Figurenreden zahlreiche indirekte, aber eindeutige Angaben zu den Aktionen auf der Bühne und zu ihrer Ausführung mit den Mitteln der Mimik und Gestik.220 Doch man muss auch an manchen Stellen auf Gestik und Mimik schliessen, ohne dass dies den Reden der Figuren zweifelsfrei zu entnehmen wäre.221

________________ 219 Vgl. S V. 440, 454, 538f., 562. 220 Auswahl von Belegen: S V. 294 (Beifügung eines goldenen Ringes zur Pakturkunde), 351f. (Forderung nach Schreibutensilien), 418 (Zurücktreten um drei Schritte bei der Eidesleistung), 748 (Schreien und Heulen des Theophilus vor Maria; hier ist anders als üblich bereits vergangenes Bühnengeschehen berührt), 765 (Schweigen Christi), 799f., 804 (Fussfall Marias und Entblössen der Brüste), 829 (Weinen Marias, Aufstehen), 834 (Aufstehen des Theophilus), 955 (Einschlafen des Theophilus), 961 (Niederlegen der Urkunde auf die Brust des Theophilus). 221 Belege in Auswahl: S V. 396 (hält sich der Teufel die Ohren zu?), 646ff. (schlägt der Prediger segnend das Kreuz?), 676 (verneigt sich Theophilus vor der Marienstatue oder gar schon vor Maria?), 791 (rotes hir am Versanfang (vgl. im Apparat): weist Christus auf seine Wunden?), 853 (pocht Maria ans Höllentor?), 897 (macht sie eine gebieterisch-beschwörende Geste gegen Satan?), 953 (macht Satan eine Drohgeste?).

4 Anhang: Zur Ikonographie der Theophilus-Figur 4.0 Vorbemerkung Einen ersten Einblick in die Ikonographie der Theophilusgeschichte gibt der – freilich nicht sonderlich gründlich recherchierte – Artikel des LcI auf dem Stand etwa der späten Sechzigerjahre, während eine monographische Bearbeitung des Gegenstandes bis heute fehlt.1 Das nachfolgende Kapitel entwickelt keine Ambitionen, diese Lücke zu schliessen; im Sinne interdisziplinärer Wahrnehmung der Gegenstände soll hingegen dem neugierigen Leser des mnd. ‚Theophilus‘ vorab der Weg zur – zeitlich meist älteren – Bildtradition geebnet werden. Eine weitere Absicht kommt dazu: In manchen kunsthistorischen Einzelbeiträgen namentlich der letzten zehn Jahre zeigen sich methodische Ansätze, die durch Einbezug von Fragen der Rezeption und Funktion der Bilddenkmäler über die rein kunsthistorische Erfassung der Zeugnisse hinaus auch für ein erweitertes Verständnis der Spiele, wie sie heute die Literaturwissenschaft erstrebt, wertvoll sind. Derlei soll nachfolgend dokumentiert werden.

________________ 1

Vgl. LcI, Bd. 8 Sp. 462; der Artikel erwähnt das Scheyerner Matutinalbuch nicht, kennt die Arbeiten von Faligan (1890) und Fryer (1935) nicht, übergeht die Wandmalerei völlig. Vom sehr materialreichen, in der Quellenauswertung eklektischen Aufsatz Fryers zehrt noch manche neuere Arbeit. Informativ und gründlich namentlich für die Felder der Buch- und Glasmalerei ist die Untersuchung von Cothren (1984). – Bibliographiert wurde für das Folgende mit der International Medieval Bibliography (ab 1958/1967) und der Bibliography of the History of the Art (ab 1973), beide elektronisch; recherchiert wurde auch im „Kubikat“ Florenz – München – Rom, im „Bildindex der Kunst und Architektur“ des Bildarchivs Foto Marburg, in der Deutschen Fotothek, und in „Poikile“. – Anliegen war es u.a., den interessierten Leser möglichst genau über den Inhalt der genannten Arbeiten zu informieren, damit eine gezielte Literaturbeschaffung möglich wird.

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Anhang: Zur Ikonographie der Theophilus-Figur

4.1 Theophilus auf Pergament, in Stein und auf Glas Am Anfang steht ein Zeugnis aus der Buchmalerei.2 Noch ins 11. Jahrhundert zurück führt eine Bildinitiale in einem aus Paris (Abtei St-Germain) stammenden lateinischen Legendar (BN, ms. lat. 11750); es enthält auf Bl. 50v-57r die lateinische Fassung des Paulus. Die F-Initiale auf Bl. 51r zeigt eine thronende Maria; zu ihren beiden Seiten je ein Engel, links unter ihr steht Theophilus und streckt hilfesuchend seine Hände zu ihr empor.3 Bei der Skulptur macht ein Relief aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts in der Abteikirche Ste-Marie von Souillac (département du Lot) den Anfang.4 Es bildet heute das Tympanon des Kircheneingangs von Westen her, ist aber an der Innenseite der Mauer – also dem Kircheninneren zugewandt – angebracht. Diesen Platz hat es offenbar bei Restaurationsarbeiten im 17. Jahrhundert erhalten. In dem nicht gegliederten Mittelfeld – links und rechts stehen flankierend die Statuen St. Benedikts und des Apostelfürsten5 – werden drei Momente der Geschichte dargestellt: 1. Pakt mit Satan: Ausstellung der Urkunde (links unten) 2. Pakt mit Satan: immixtio manuum (rechts daneben), 3. Rückgabe der Pakturkunde durch Maria (darüber liegende Schlusszene).6 Aus dem Blickwinkel der gesamten ________________ 2

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5 6

Einen Überblick über dargestellte Szenen aus 11 Handschriften (darunter auch der Ingeborgpsalter und das Scheyerner Matutinalbuch) bietet Cothren 1984, S. 339-341. In 7 Fällen handelt es sich um Psalterhandschriften, in den restlichen vier um Handschriften mit der Mirakelsammlung des Gautier de Coinci. Meist beschränkt sich die Illustration in letzteren auf eine Bildinitiale; ungewöhnlich ist hingegen der Zyklus in der Handschrift Besançon, Bibliothèque municipale 551. Abbildungen bei: Schapiro (1993, Abbildung 15 (nicht sehr gut), dazu Thirion 1976. Anm. 17), ferner: Deslandres 1955, Tafel 1 nach S. 176. Die Identifikation des Hilfesuchenden beruht einzig auf dem daneben stehenden Text der Paulus-Erzählung, denn die Szene zeigt nichts Spezifisches. Deslandres ordnet die anonymen Illustrationen dieser Handschrift auf Grund ihres Stiles einem Ingelardus zu, der sich in einem anderen Codex nennt (BN, ms. lat. 11751; Text bei Deslandres 1955, S. 3); Entstehungszeit: 1030-1060. Vgl. die grundlegende Studie von Meyer Schapiro von 1939 (nachfolgend zitiert nach dem Abdruck von 1993); ihre Stärke liegt in einer sehr präzisen formalen Analyse; unzureichend bleibt freilich der Versuch, das Relief inhaltsbezogen zu verstehen. Spätere Arbeiten widmen sich mit unterschiedlichem Ergebnis dem bereits von Schapiro erörterten Problem, ob das Relief ursprünglich schon ein Tympanon war: Thirion 1976 (mit sehr guten Abbildungen der Szenen), Labourdette 1979, Pradalier 1994 (zusammenfassender Literaturbericht). Schapiro (1993, S. 118): „The presence of Peter and Benedict … pertains to the administrative, ecclesiastical context of the affair“ und er betont, dass diese Figurenkombination einzigartig sei. Diese krönende Schlussszene ist auf älteren Reproduktionen wegen ungenügender Ausleuchtung nicht vollständig erkennbar (gut dann Fustin 1966, nach S. 127 und Thirion 1976, Abbildungen 1, 2, 7). Schapiro übergeht – in Kontrast zur Detailbesessenheit seiner übrigen Analysen – die Figuren Marias und der beiden Engel ganz einfach (Schapiro 1993, Abb. 1f.).

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Tradition fällt auf, dass hier das mariologische Moment im unmittelbaren Kontext zurücktritt: Maria erscheint einzig in éiner – freilich der entscheidenden – Szene. Hingegen erhält der Pakt durch seine Doppelung7 (einmal als Verurkundung, einmal in der feudalen Form des Lehenseides8) grosses Gewicht. Für die Wahl des Themas dürfte das Kirchenpatrozinium allerdings gewiss einen primären Anknüpfungspunkt gegeben haben. Die Überlegungen Schapiros machen weitere Aussageintentionen denkbar. Indem freilich der ursprüngliche Ort des Reliefs unbekannt und damit mögliche Betrachtergruppen – Laien? Mönche? – nicht benannt werden können, bleibt eine intentionale Analyse, wie sie etwa Davis (vgl. Anm. 42) für die jüngere Pariser Reliefplatte versucht hat, problematisch.9 Im dritten Viertel des 12. Jahrhunderts wird im Benediktinerkloster St. Nikolaus und Medardus zu Brauweiler (heute Ortsteil der Stadt Pulheim) ein Kapitelsaal gebaut und ausgemalt.10 Die Bilder sind heute durchgehend sehr blass, einige auch ganz oder teilweise zerstört; doch lässt sich mit Hilfe von denkmalpflegerischen Informationen des 19. Jahrhunderts Verlorenes teilweise rekonstruieren. Die Vielzahl der gemalten Szenen, die die 24 Gewölbefelder und die Lünetten bedecken, folgt einem Gesamtprogramm, das durch Hbr 11,33-39 umrissen wird und im deutlichen Bezug zur Funktion des Raumes als Ort der Selbsterforschung, des Schuldgeständnisses und der Lossprechung steht.11 In diese weite Thematik von Schuld, Strafe, Sieg im Glauben, Erlösung lässt sich auch die nur noch als Pause und als verkleinerte Aquarellkopie des 19. Jh.s erhaltene Theophilus-Darstellung gut einfügen.12 Sie zeigt eine Doppelszene zusammen________________ 7

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Diese Verdoppelung erinnert etwa an die Darstellung im Ingeborg-Psalter, wo neben der immixtio manuum auch der Kleiderwechsel als Signal für den rite de passage, den der Pakt repräsentiert, erscheint, dort allerdings die zwei Momente in éin Bild zusammengedrängt. Verdoppelung des Paktmotivs ist auch im deutschen Theophilus-Spiel erkennbar. Es fällt im Übrigen auf, dass diese immixtio manuum hier nicht regelrecht ist, denn der Teufel packt Theophilus beim Arm; dies belegt jedenfalls die von Schapiro betonte emotionale Heftigkeit in dieser Szene (Schapiro 1993, S. 110); Texier (1985, S. 27) sieht darin „une certaine perversion du rituel de l’hommage vassalique“ signalisiert und er schliesst: „L’arrogance du diable de Souillac paraît suggérer que le clerc a été victime d’une manœuvre dolosive portant sur la nature même de la convention.“ Folgt man Thirion (1976, S. 166), so bekleidete das Relief ursprünglich die Innenseite der Seitenmauern der Torvorhalle. Er schliesst auch nicht aus, dass andere Szenen vorhanden gewesen sein könnten. Wesentlich komplizierter die Annahmen von Labourdette; er betrachtet das heutige Ensemble als Überrest einer nie vollendeten Torkomposition im Untergeschoss des Turms). Zur Datierungsproblematik: Bathe 2003, S. 68-70, 371. Zum Gesamtprogramm und zu seiner Ausrichtung auf die Funktion eines Kapitelsaales im geistlichen Leben eines Klosters: Bathe 2003, S. 56-64, 355-366. Der Rekonstruktionsvorschlag und die Einordnung in die heute noch erkennbare Traditionslinie (namentlich des Ingeborg- und des Lambeth-Psalters) bei Waldvogel 1997; seither

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gefasst in ein Bild: im Zentrum oben Maria, wie sie dem unterhalb zu ihrer Linken knienden (also nicht schlafenden) Theophilus die wiederbeschaffte Pakturkunde überreicht.13 Eine zweite Theophilusfigur zur Rechten Marias verwies auf das vorangegangene Bittgebet des Sünders. In engeren, sachbezogenen Zusammenhang trat sie zu einem (ursprünglich) gegenüberliegenden Bild, das Christus als Seelenretter zeigte. Auch hier ist also die Verbindung zur Marienverehrung unbestreitbar, doch sie dominiert den Verständnisrahmen, wie er sich durch den weiteren und engeren Kontext ergibt, nicht völlig. Das chronologisch nächste Denkmal, der „Ingeborgpsalter“, bietet die Geschichte in vier Szenen dar. Entstanden ist diese mit 27 vollseitigen (aber meist mehrere Szenen abbildenden), goldgeschmückten Miniaturen14 – dazu kommen noch zahlreiche Initialbilder – überaus königlich ausgestattete Psalterhandschrift in einer nordfranzösischen Werkstatt (Noyon?) wohl in der ersten Dekade des 13. Jahrhunderts; sie war für Ingeborg von Dänemark, die verstossene zweite Frau des französischen Königs Philippe Auguste, bestimmt.15 Die vier Episoden erscheinen, begleitet von kurzen Begleittexten in französischer Sprache, auf zwei Seiten verteilt: 1. Paktschluss und 2. Gebet des reuigen Sünders und Erscheinung Marias (Bl. 35v), 3. Maria entreisst dem Teufel die Pakturkunde und gibt sie 4. dem schlafenden Theophilus zurück (Bl. 36r). Da der Maler sich für diese Szenen noch kaum auf eine verbindliche Bildtradition stützen konnte, arbeitete er mit moduli, von anderswo stammenden isolierten Mustern.16 Dieser kleine Zyklus schliesst sich an Marienkrönung und -tod an, womit der mariologische Bezug, der bereits in der prominenten Stellung Marias ________________

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ist die umfassende Untersuchung des ganzen Kapitelsaales durch Bathe 2003 erschienen (zur Theophilus-Darstellung dort: S. 354f., dazu die Abb. 183). Das Bild befand sich auf der östlichen Hälfte der Nordwand; im Gewölbe darüber erschien Maria Aegyptiaca (zur inhaltlichen und überlieferungsmässigen Paarung dieser beiden Sünderfiguren: oben, Kapitel 3 Anm. 3); Abbildungen der Aquarellkopie des 19. Jahrhunderts bei Bathe 2003, S. 233 Abb. 183 und Waldvogel 1997, Abb. 27f. Ausführliche Beschreibung und s/w Abbildung jeder Miniatur bei Deuchler 1965, S. 27-70 und Abb. 14-40. Die Handschrift heute im Musée Condé in Chantilly (ms. 9 olim 1695), vgl. Deuchler 1967, S. 67-70 (kurze ikonographische Bestandesaufnahme), Tafel 31 (alle vier Szenen); ferner: Deuchler 1985, und Merrill 1994 (mit der oben referierten, gegenüber Deuchler etwas späteren Datierung). Vgl. Deuchler 1967, S, 69f., 125-127 und Cothren 1984, S. 323 Anm. 16. Die an sich zutreffenden Ausführungen Deuchlers zur ikonographischen Tradition der Theophilus-Geschichte (1967, S. 67f.) lassen mit ihrer etwas diffusen Chronologie leicht übersehen, dass diese Tradition bei der Entstehung des „Ingeborgpsalters“ um 1200 eben noch kaum verfügbar war (ausser man rechnet mit Übernahmen aus der Skulptur). Vollends problematisch ist die Annahme, „dass die Inszenierungen einzelner Szenen in der Buch- und Glasmalerei des 12. und 13. Jh. fraglos auf zeitgenössische Bühnenstücke zurückgehen“ (S. 68).

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in drei der vier Miniaturen gegeben ist, sich zusätzlich festigt.17 Es ergibt sich so eine Abfolge, wie man sie auch im Textmedium der Legende mit ihrer Abfolge von Marien-Vita und Mirakelberichten findet. Ins zweite Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts gehören die vermutlich frühesten englischen Wandmalereien, welche das Mirakel in zwei nur mehr schlecht erhaltenen Szenen (1. Theophilus bittet Maria um Hilfe; 2. diese entreisst dem Teufel die Urkunde) darstellen; sie befinden sich in St. Giles, Risbey (Suffolk) und werden dem Duxford Meister zugeordnet.18 Nur wenig jünger ist ein umfangreicher, aber kaum noch lesbarer Zyklus mit Marienmirakeln, darunter auch einer Theophilus-Szene, an der W-Wand der Kapelle St Mary de Castro von Chester Castle.19 Mit dem folgenden Zeugnis, dem Matutinalbuch aus Scheyern, sind wir erneut im Medium der Buchmalerei.20 Die wegen ihrer liturgischen Verwendung grossformatige und auch durch ihre Blattzahl mächtige Handschrift wurde im Kern zwischen 1215 und 1225 angelegt. Mit zehn Bildern21 auf fünf hälftig geteilten Seiten (Bl. 17v-19v) ist der TheophilusZyklus sehr umfangreich; lateinische Beischriften erläutern jedes Einzelbild. Dargestellt wird:22 A) 1. Theophilus beim Austeilen von Almosen, 2. Theophilus zum vicedominus ernannt; B) 3. Absetzung des Theophilus und Einstellung eines anderen vicedominus; 4. Trauer des Theophilus, dann 5. Gang zum Juden; C) 6. Theophilus, vom Juden begleitet in der Teufelsversammlung; 7. Theophilus erneut im Amt, neben ihm der Jude als „graue Eminenz“;23 D) (hier zusätzliche Aufteilung des oberen Bildfeldes durch einen Rahmen) links: 8. Theophilus, sehr zum Unwillen des Teufels, beim Austeilen von Almosen, rechts: 9. Gebet des Theophilus vor Maria; 10. ein Engel legt dem schlafenden Theophilus die Urkunde auf die Brust und 11. Theophilus überreicht dem Bischof die Urkunde; E) 12. vor versammelter Gemeinde macht der Bischof den Vorgang publik, Preis ________________ 17 18 19 20

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Ein weiterer Bezug ergibt sich durch die Nähe des Zyklus zum 1. Psalm (auf Bl. 37v), dessen Incipit auf Theophilus passt: Beatus vir qui non abiit in consilio impiorum (Deuchler 1967, S. 125). Vgl. Park 2001, S. 312-314 (mit Abbildung 1). Vgl. Cather 2000, S. 173-176, Zeichnung. 6 und Tafel 34B; zur Datierungsfrage: S. 183185. Es handelt sich um Handschrift clm 17401 der Bayerischen Staatsbibliothek; vgl. dazu: Hauke 1980 (mit vollständiger s/w Wiedergabe aller Bilder), dazu das farbige Faksimile der Bildseiten in Originalgrösse (Matutinalbuch 1980); ferner: Kroos 1980, S. 482-484 und Tafel 76 (= f. 19r). Teilweise enthalten Bilder chronologisch zu trennende (manchmal auch durch Rahmen effektiv geteilte) Szenen, womit sich dreizehn Szenen auf fünf Bildseiten ergeben; nachfolgend die Bildseiten mit Buchstaben bezeichnet, die Szenen arabisch nummeriert. Hauke 1980, S. 61-73 (Bildkommentar), dazu die unnummerierten Abbildungen. Die Seite mit Nr. 6 und 7 bei Glaser 1980, Bd. I/2 Kat. Nr. 157 als Tafel 9 farbig wiedergegeben.

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Anhang: Zur Ikonographie der Theophilus-Figur

Marias; 13. Tod des Theophilus und Aufstieg seiner Seele in den Himmel. Erneut ist der mariologische Bezug unübersehbar: Das Matutinalbuch war für die 1215 geweihte neue Marienkirche des Klosters bestimmt. Zudem bildet unsere Bilderreihe den Abschluss eines Marienzyklus: Voran gehen vier Einzelbilder, die Mutter und Sohn im siegreichen Kampf gegen den Teufel zeigen; dieser Darstellung der kollektiven Erlösung folgen zwei Beispiele individueller Hilfe Marias an verirrte Sünder: an die schwangere Äbtissin24 und an Theophilus. Nach Kalenderbildern (auf Bl. 20r-23r) steht dann ein zweiter, als Leben Marias gestalteter Zyklus. Diese bildliche Umsetzung der Theophilus-Geschichte erregt einmal durch ihre Breite, welche an die Glasfenster-Zyklen am Ende des Jahrhunderts denken lässt, sodann durch einige auffällige Bildformulierungen Interesse.25 In chronologischem Anschluss und im selben Medium verbleibend lässt sich hier weiter auf eine Reihe von Theophilus-Darstellungen in Handschriften des 13. Jahrhunderts verweisen.26 Sie stammen entweder aus Psalter-Handschriften (einmal aus einem Stundenbuch) oder aus Überlieferungszeugen der Mirakelsammlung Gautiers de Coinci. Im zweiten Fall ergibt sich der Anknüpfungspunkt für Illustrationen von selber, denn Gautier behandelt die Theophilus-Geschichte ausführlich.27 Bei beiden Gruppen ist Umfang und Ausgestaltung der jeweiligen Zyklen unterschiedlich: fünf (freilich zentrale) Szenen in Bildinitialen etwa im Fall des Psalters MS Stowe 17 aus der British Library stehen neben der doppelt so ________________ 24

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Es handelt sich um das Exemplum Tubach Nr. 4. – Die Verbindung der Theophilus-Geschichte mit dem Exemplum einer durch luxuria sündigenden Frau erinnert an ihre Kombination mit der Maria Aegyptiaca-Legende beim Diakon Paulus (vgl. oben, Kapitel 3 Anm. 3). Als Stichworte dazu: (scheinbarer oder tatsächlicher) Detailrealismus, Wechsel zwischen genauer Anlehnung an die Legende in ihrer „klassischen“ Form bei Paulus und freier Verfügung darüber, ungewöhnliche Darstellung des Theophilus in der Szene der Teufelsversammlung, die „ungemein anstössige“ Vergemeinschaftung des Teufelsbündners mit dem Juden (in Szene 7, vgl. Kroos 1980, S. 483). Manches verzeichnet Cothren 1984, S. 339-341. Weiteres Material (meist englischen Ursprungs und oft auch jünger) bei Fryer 1935, S. 318-325, 333. Besonders interessant, da offenbar singulär, mutet die Integration eines achtteiligen Theophilus-Zyklus in eine Rota Fortunae an (in: Cambridge, Fitzwilliam Museum, ms. 330 (Fragment eines Psalters mit Miniaturen von W. de Brailes)), vgl. Fryer 1935, S. 300, 318f. und Abb. 9; vgl. auch Kommentar zu T V. 708. Eine zweisprachige Textausgabe des mehr als 2000 Verse umfassenden, nach dem Prolog an der Spitze der Sammlung stehenden Theophilus-Mirakels bei Garnier 1998; Gesamtausgabe der ‚Miracles‘ von Koenig 1955-1970 (,Theophilus‘ dort: Bd. 1 S. 50-176). Eine angemessene Beschreibung der Überlieferung sucht man bei Koenig allerdings vergebens; man muss auf die Studie von Ducrot-Granderye (1932) zurückgreifen. Unter den verschiedenen Handschriften, die Miniaturen enthalten (oder enthielten) ragen v.a. die Handschriften Paris, BN, nouvelles acquisitions fr. 24541 (= S; 40 Miniaturen daraus reproduziert bei Focillon 1950) und Besançon, Bibliothèque municipale, ms. 551 (= T) heraus; vgl. Russakoff 2003/ 2004.

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langen Serie in der Handschrift Add. MS 49999.28 Im Fall der GautierTextzeugen schwankt die Anzahl der Bilder zwischen je drei bei drei Pariser Manuskripten und deren 25 beim Zeugen aus Besançon.29 Mit sechs Einzelbildern (zusammengefasst auf einer Seite) deckt eine Madrider Handschrift der ‚Cantigas de Santa Maria‘ Alphons’ X. die ganze Geschichte ab.30 Im gleichen Zeitraum, dem 13. Jahrhundert, – aber mangels genauer Datierungsmöglichkeiten jedenfalls chronologisch nicht immer sicher einzuordnen – entstehen etliche Theophilus-Zyklen in Glasfenstern der damals in die Höhe schiessenden Bauten der französischen Kathedralgotik. Zu nennen sind (alphabetisch):31 Auxerre, Beauvais, ClermontFerrand,32 Laon33, Le Mans,34 Troyes; dazu kommt die Kollegiatskirche in ________________ 28 29 30

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Vgl. dazu Donovan 1991. Vgl. Cothren 1984, S. 339-341. Die Theophilus-Geschichte wird in cantiga 3 behandelt (Mettmann 1959, Bd 1 S. 9f.). Es handelt sich um Codex T.I.1 aus der Bibliothek des Escorial; die Szenen stellen dar: 1. Gespräch mit dem Juden; 2. Paktschluss; 3. Maria im Kampf mit dem Teufel um die Urkunde; 4. Rückgabe derselben an den schlafenden Theophilus; 5. Bericht des Theophilus an den Bischof; 6. Verkündigung des Wunders an die Gläubigen durch den Bischof. Der Liedtext (5 achtzeilige Strophen, dazu ein Refrain) deutet mehr an, als er erzählt, wogegen die Miniatur im Bild recht breit schildert. Vgl. Klein 1981, (mit Abb. 15f.), dazu: S. 182-195; ferner: Jackson 2007 und Rodríguez Barral 2007, S. 215-218 und Abb. 1f. (Berichtigung: diese Abbildungen stammen aus der Escorial-Handschrift T I.1 (nicht wie angegeben aus B I.1!) f. 8r). Das Corpus Vitrearum Medii Aevi enthält zur Zeit einzig die Dokumentation über Troyes (Pastan 2006, S. 197-205, 472-479 und Abb. 163-174, 416-419, mit manchem Seitenblick auf andere Belege). Eine Reihe von Abbildungen anderer Fenster bietet Cothren, dort auch ältere Literatur zu einzelnen Denkmälern. Ein Ausschnitt aus dem Fenster in St-Julien findet sich bei Fustin 1966, nach S. 126. Einen neunteiligen Zyklus mit Fenstern des 16. Jahrhunderts in Montangon (Aube) dokumentiert Fryer (1935, S. 331f.), ebendort Verweis auf zwei Scheiben der Kirche Notre Dame in Le Grand Andelys (Eure), S. 332. Vgl. die Beschreibung bei Fryer 1935, S. 328f. (mindestens zwölf Szenen). Das vor 1235 (Gesamtweihe) entstandene linke Chorfenster der Kathedrale von Laon bietet neben sechs Szenen aus der Stephanus-Legende einen umfangreichen Zyklus in 18 Medaillons (in Klammern jeweils die Nummern im Fensterschema bei Deuchler 1967, S. 150f., dazu die Abbildungen 242f.; auch Cothren 1984, S. 335-338 bietet ein Schema, das freilich nicht in allem mit jenem bei Deuchler übereinstimmt (bei diesem letzteren fehlt in der Liste die Position 23; nochmals anders: Garnier 1998, S. 230f.); dazu Abbildung 1f. bei Cothren): 1. (7) Theophilus im Gespräch mit dem Bischof von Adana, 2. (8) Theophilus fällt in Ungnade; 3. (9) Theophilus von Teufeln verfolgt, 4. (10) Theophilus beim Juden, 5. (11) Verhandlungen mit dem Teufel, 6. (12) der Pakt (mit Unterzeichnung einer Urkunde), 7. (13) Theophilus wieder ins Amt eingesetzt, 8. (14) Theophilus erhält Abgaben von Untertanen, 9./10. (15/16) Theophilus als kirchlicher Bauherr, 11. (17) Gebet zu Maria, 12 (18) Erscheinung Marias, 13. (19) Vertreibung des Teufels durch Maria, 14. (20) Rückgabe der Pakturkunde durch Maria, 15. (21) Übergabe der Urkunde an den Bischof, 16. (22) Lossprechung durch den Bischof, 17. (23?) Verkündigung des Vorgefallenen durch den Bischof an die Gläubigen, 18. (24) Tod und Begräbnis des Theophilus. Über das Kirchenpatrozinium der Kathedrale ergibt sich der übliche Bezug zur Marienverehrung. Nicht zu Ta-

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Anhang: Zur Ikonographie der Theophilus-Figur

St-Julien-du-Sault. Nur noch einzelne Scheiben sind aus Angers, Dreux, St-Quentin und Gercy35 überliefert.36 Dieses Medium förderte wohl noch stärker als die Buchmalerei die Bildung langer „narrativer“ Reihen.37 Die Zusammenstellung bei Cothren weist für Laon (den ausladendsten Zyklus) 17, für Le Mans immerhin noch 7 Szenen aus.38 Charakteristisch scheint in diesem Bereich auch, dass Szenen auftreten, die gegenüber den schriftlichen Versionen der Geschichte neuartig und also nicht davon herleitbar sind. Das gilt etwa für die fast in allen Fensterzyklen auftretende Darstellung der Fischdarbietung an den wieder als vicedominus eingesetzten Theophilus, seine Tätigkeit als Kirchenbauherr im gleichen Zusammenhang oder schliesslich für die vom Bischof am büssenden Theophilus vollzogene Züchtigung mit Ruten.39 Die Bilderwelten der textbezogenen Miniaturen und jene der ohne Begleittext wirkenden Glasfenster decken sich – wie übrigens auch das von ihnen adressierte Publikum – somit nur teilweise. Am Tympanon des Portals zum nördlichen Querhaus von Notre Dame de Paris („porte du cloître“, vermutlich auf etwa 1250 zu datieren)40 ________________

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ge liegt hingegen die Logik einer Kombination der Theophilus- mit der Stephanusgeschichte, welche die sechs untersten Medaillons des Fensters einnimmt. Vgl. die Beschreibung bei Fryer 1935, S. 327f. (zwei Szenen). Das Fenster aus Gercy abgebildet bei Pastan 2006, Abb. 159 und S. 190f. Fryer macht darüber hinaus Fenster in der Kathedrale von Lincoln und der Abteikirche von Bury namhaft (1935, S. 317f.). Cothren: „…the size of the space available for illustration led logically to the development of an expanded window cycle“ (1984, S. 310 Anm. 11). Als Aussage über die ursprünglichen Verhältnisse können diese Angaben angesichts der hohen Verlustrate dieser Objekte natürlich nicht gelten; manchmal stellen sich auch Deutungsprobleme bei einzelnen Szenen. Cothren sieht die Quelle für solche Darstellungen in sozialen Praktiken der Zeit (Fische werden Feudalherren als Naturalabgabe geliefert, selbst hohe Würdenträger sind öffentlichen Bussen mit Körperstrafen unterworfen). Wenn Cothren an diese Beobachtung anknüpfend Überlegungen zur Didaxe, welche diese Darstellungen vermitteln wollten, und zu deren Adressaten anstellt, so wirken diese für die speziellen Szenen plausibel. Allerdings kommt dabei die mariologische Botschaft der Geschichte in ihrer Ganzheit eher zu kurz. Dasselbe gilt für die in sich richtige Aussage, „the full significance of the windows seems to have been directed at the small group of wealthy and powerful men“ (1984, S. 333): die Botschaft, dass Maria dem reuigen Sünder auch in verzweifelten Fällen zu helfen vermag, konnte jeden betreffen. Die Theophilus-Geschichte im Medium der Glasbilder enthielt auch eine vielleicht etwas anders akzentuierte Botschaft für die Laien. Freilich war bei ihnen eine vorgängige Vermittlung durch mittelalterliche „Massenmedien“ wie Predigt oder geistliches Spiel nötig, denn aus sich waren die Bilder nicht verständlich. Unbedacht bleibt schliesslich bei Cothren, wie weit ein genaues Lesen dieser Bildgeschichten, befanden sich die Scheiben einmal in situ, überhaupt noch möglich war; vgl. auch Sangster 1999. Grundsätzlich zur Frage unter Einbezug mittelalterlicher Äusserungen zum Thema: Kurmann 2005. Vgl. Sauerländer 1970, Tafel Nr. 186, dazu: S. 153f.; Kimpel 1971 bringt dazu noch aufschlussreiche Detailabbildungen aller Szenen (Abb. 43-48, 50-55), nicht unbedingt weiter

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stossen wir auf unseren in zeitlicher Abfolge nächsten Beleg für die Skulptur.41 Das in drei Querstreifen geteilte Feld bringt zuunterst Szenen aus der Geburtsgeschichte (Geburt, Darbringung, Kindermord, Flucht nach Ägypten). Die zwei darüber liegenden Streifen enthalten hingegen die Theophilus-Geschichte; im ersten (mittleren) Streifen folgen von links nach rechts: 1. der Pakt, 2. die Verteilung von Almosen nach der Wiedereinsetzung ins Amt, 3. das Gebet zu Maria, 4. Marias handgreiflicher Kampf gegen den Teufel. Das spitz zulaufende Giebelfeld bietet dann noch Raum für 4. die Verkündigung des Rettungswunders durch den Bischof an das staunende Volk.42 An der nördlichen Aussenmauer des Chors von Notre Dame in Paris auf der Höhe der drei Kapellen St-Ferréol, St-Michel und St-Martin treffen wir auf ein weiteres Relief mit der Theophilus-Geschichte; es steht in einer Reihe weiterer, gleich gearbeiteter aber unterschiedliche Themen darstellender Reliefplatten; das ganze Ensemble ist etwa auf 1320 zu datieren.43 Von O nach W ergibt sich diese Abfolge:44 1. Theophilus, 2. Christus in der Glorie, 3. Marienkrönung, 4. Christus mit Engeln, 5. Aufnahme Mariens in den Himmel, 6. Begräbnis Mariens, 7. Marientod. 45 Die Theophilus-Platte46 zeigt in einem Vierpass-Rahmen zwei Szenen: links entreisst Maria Satan die Pakturkunde, rechts schliesst Theophilus mit Satan den Pakt. Durch den ganz weiten Rahmen des Patronats und den engeren Kontext der Reliefserie ergibt sich somit der bekannte Bezug auf mariologische und christologische Muster.47 Eine noch genauere Funktionsbestimmung mag sich ergeben, wenn man im Anschluss an Michael T. Davis berücksichtigt, dass dieser Abschnitt der Kathedrale zu Beginn des 14. Jahrhunderts als Teil des abgeschlossenen Kapitelsbezirks vorwiegend ________________

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führt hingegen die seitenlange, von den Inhalten abgehobene stilgeschichtliche Erörterung darüber, ob der Theophilus-Zyklus dem Madonnenmeister zuzuschreiben sei (S. 136-153). Englisches Material bringt Fryer 1935, S. 315f. (Altarschrein mit drei Theophilus-Szenen aus dem Dom von Beverley und Skulpturen (Reliefs?) aus der Marienkapelle der Kathedrale Ely), dazu ein Medaillon von der Westfront der Kathedrale von Lyon (S. 327). Davis (2002, S. 111f.) versucht spezifische Differenzen zwischen der Tympanondarstellung und der nur wenig entfernten Reliefplatte an der nördlichen Chor-Aussenmauer von den jeweils intendierten Betrachtern her zu verstehen. Vgl. Davis 2002, S. 104. Vgl. das Schema bei Davis 2002, S. 107; es ist freilich verwirrend, weil es suggeriert, die Reliefs seien an der Innenseite der Kirchenmauer angebracht. Heilsgeschichtlich gesehen beginnt die Leserichtung natürlich im Westen. Davis erinnert aber daran, dass sich die Leserichtung des Betrachters je nach seiner Bewegung änderte und dass diesem variablen Betrachterstandpunkt die relative Lockerheit in der inhaltlichen Fügung des Zyklus entgegen kam (Davis 2002, S. 107, 109, 112f.; zu den inhaltsbezogen überlappenden Teilgruppierungen der Reihe: ebd., S. 105f.). Abbildung 8.1 bei Davis 2002. Man denkt unmittelbar an die Bildfolge im Scheyerner Matutinal.

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Klerikern zugänglich war und dass unsere Reliefserie von diesen täglich bei ihren Gängen zwischen Kapitelsgebäude und der Kathedrale frequentiert wurde. Aus diesem Blickwinkel ergibt sich so die Frage: „What then might the priestly spectator have read into these scenes?“48 Damit ist auf unserem chronologischen Gang die Grenze zum 14. Jahrhundert überschritten. Blickt man auf die heute verfügbare kunsthistorische Literatur, dann entsteht der Eindruck, jenseits dieser Linie sei das Theophilus-Mirakel nur noch selten Gegenstand bildender Kunst gewesen. Ob wirklich bei diesem Thema das Wort die Bilder so radikal verdrängt hat, oder ob – abgesehen vom Denkmälerverlust – die Imponderabilien der Inventarisierung und des Forschungsinteresses jüngere Belege bis heute einfach ignoriert haben, muss hier offen bleiben. Die gleiche Frage stellt sich bei der räumlichen Verteilung der Zeugnisse; hier dominiert in dem vorgelegten Material bei weitem Frankreich. Ob dies dem realen Befund entspricht oder eine durch die Quellenerschliessung sich ergebende Täuschung darstellt, wird künftige kunsthistorische Heuristik zu prüfen haben.

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Vgl. Davis 2002, S. 109. Davis’ Antworten (die hier nicht im Einzelnen zu referieren sind) entbehren nicht der Plausibilität. Allerdings ist man angesichts der Ausgangsfrage erstaunt, dass der Kunsthistoriker das Nächstliegende übersieht (oder mindestens keinen Deutungsgewinn daraus schlägt): dass nämlich den Pariser Domherren in Theophilus ein Standesgenosse präsentiert wurde, somit die aus seiner Geschichte ableitbare Moral besondere Pertinenz für diese Adressatengruppe hatte.

5 Bibliographie 5.0 Vorbemerkung Die folgende Bibliographie enthält zunächst alle im Buch zitierten Titel. Sie versucht sodann, die Literatur zum mnd. Theophilus vollständig zu erfassen. Werke über die nicht-deutschsprachige Theophilus-Tradition sind in Auswahl aufgeführt.1 Ebenfalls in Auswahl geboten werden Publikationen zur Teufelspakt-Motivik, soweit sie mittelalterliche Quellen betrifft. Mit Blick auf die Uferlosigkeit allein schon der Faust-Literatur mussten also in diesem Teilbereich nachmittelalterliche Texte unberücksichtigt bleiben. Bei Publikation, die an abgelegenen und schwer zugänglichen Stellen erschienen sind, werden nachfolgend gelegentlich nähere Hinweise zum Inhalt geboten. Titel, die ich nicht einsehen konnte, sind mit * versehen. Im laufenden Text verwendete Abkürzungen suche man nachfolgend an entsprechender Stelle des Alphabets.

5.1 Quellen: Ausgaben des mittelniederdeutschen Theophilus-Spiels *Bruns, Paul Jacob (Hg.): Romantische und andere Gedichte in altplattdeutscher Sprache aus einer Handschrift der akademischen Bibliothek zu Helmstädt. Berlin 1798 [der Theophilus H’ auf 289-330]. Dasent, George Webbe (Hg.): Theophilus in Icelandic, Low German and other tongues. From Mss. in the Royal Library Stockholm. London 1845 [enthaltend: zwei altisländische, je eine altschwedische, angelsächsische, anglonormannische, mittelniederländische und die mittelniederdeutsche Version S, dazu die lateinischen Fassungen des Paulus Diaconus Neapolitanus, der Hrotsvitha, das Exemplum aus der ‚Legenda aurea’; ferner: wegen motivischer Berührungen die altisländische Legende von St. Anselm und die wendische Geschichte von Diter Bernhard (in nhd. Übersetzung)]. Ettmüller, Ludwig (Hg.): Theophilus, der Faust des Mittelalters. Schauspiel aus dem vierzehnten Jahrhunderte in niederdeutscher Sprache. Erläutert und hg. ________________ 1

Eine umfangreiche Quellenbibliographie zu diesem Bereich bietet d’Agostino 2004 (S. 745749).

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Bibliographie

Quedlinburg 1849 (Bibliothek der gesammten deutschen National-Literatur von der ältesten bis auf die neuere Zeit 27) [der mnd. Text in normalisierter Form]. Geeraedts, Loek (Hg.): Die Stockholmer Handschrift Cod. Holm. Vu 73 (Valentin vnde Namelos, De vorlorne sone, Flos vnde Blankeflos, Theophelus, ‚Die Buhlschaft auf dem Baume’, De deif van brugghe, De segheler). Edition und Untersuchung einer mittelniederdeutschen Sammelhandschrift. Köln 1984 (Niederdeutsche Studien 32). Glagla, Helmut: Der Teufelsbündner Theophilus. Ein niederdeutsches Mysterienspiel des Mittelalters. Plattdeutsche Übertragung. Hamburg 1981 (Quickborn-Bücher 76) [spielbare Fassung nach Petschs Abdruck von H (der hier wiederholt wird), knappe, sachlich solide Einführung zur Stofftradition; nhd. Übersetzung der lateinischen Prosaversion des Diakons Paulus]. Gümbel-Seiling, Max: Theophilus. Der Faust des Mittelalters. Die Legende und das Schauspiel. Leipzig 1918 (Deutsche Volksspiel des Mittelalters 6) [rekonstruierend und Aufführbarkeit erstrebend; soweit möglich, nach Fassung T, anschliessend nach H; beigegeben eine Versübersetzung der Passional-Legende]. Hoffmann von Fallersleben, August Heinrich (Hg.): Theophilus. Niederdeutsches Schauspiel aus einer Trierer Handschrift des XV. Jahrhunderts mit Einleitung, Anmerkungen und Wörterbuch. Hannover 1853. Hoffmann von Fallersleben, August Heinrich (Hg.): Theophilus. Niederdeutsches Schauspiel in zwei Fortsetzungen aus einer Stockholmer und einer Helmstädter Handschrift mit Anmerkungen. Hannover 1854 [zeitgeschichtlich aufschlussreiches Vorwort mit Hinweis auf die politischen Schikanen, denen Hoffmann von Fallersleben ausgesetzt war]. Krobisch, Volker (Hg.): Die Wolfenbütteler Sammlung (Cod. Guelf. 1203 Helmst.). Untersuchung und Edition einer mittelniederdeutschen Sammelhandschrift. Köln 1997 (Niederdeutsche Studien 42). Petsch, Robert (Hg.): Theophilus. Mittelniederdeutsches Drama in drei Fassungen herausgegeben. Heidelberg 1908 (Germanische Bibliothek 2/2) [mit einem Abdruck der lateinischen Theophilus-Version des Diakons Paulus in einer eklektischen Rekonstruktion; deren Kapitelgliederung nicht mit jener bei Meersseman überein stimmend, deswegen separat zu zitieren]. *Rieckmann, Gerhard: „Theophilus“, übersetzt in die nordniedersächische Mundart. In: Über niederdeutsche Sprache und Dichtung. Herrn Prof. Dr. Walther Niekerken zum 50. Geburtstag von seinen Schülern. Hamburg 1950 115-135 [hektographiert]. Sarauw, Christian (Hg.): Das niederdeutsche Spiel von Theophilus. Kritische Ausgabe. København 1923 (Det Kgl. Danske Videnskabernes Selskab. Historisk-filologiske Meddelelser 8,3) [Versuch einer kritischen Herstellung auf der Basis von Petsch, ohne erneuten Rekurs auf die Handschriften; der Text ist (zwangsläufig) normalisiert; zahlreiche Entscheide im Anhang diskutiert und begründet; das Fehlen eines Apparates macht die Kontrolle, wo welcher Überlieferung gefolgt wird, mühsam]. Wedde, Johannes: Theophilus. Das Faust-Drama des deutschen Mittelalters übersetzt und mit einer erläuternden Einleitung versehen. Hamburg 1888 [aus H, S, T frei rekonstruierende, Aufführbarkeit erstrebende Übersetzung; die Kombination der verwendeten Verse tabellarisch nachgewiesen, textkritische Diskussion einzelner Stellen; breite, gut informierte, allerdings in ihren Wertungen zeitgebundene stoffgeschichtliche Einleitung].

Weitere Text- und Bildquellen

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5.2 Weitere Text- und Bildquellen Afonso X o sábio: Cantigas de Santa Maria editadas por Walter Mettmann. Volume IIV. Coimbra 1959-1972 (Acta Universitatis Conimbrigensis). Analecta hymnica medii aevi. 55 Bd., Registerbd. Leipzig 1886-1922. Bach, Adolf (Hg.): Das Rheinische Marienlob. Eine deutsche Dichtung des 13. Jahrhunderts. Leipzig 1934. Bäumker, Wilhelm: Das Katholische Deutsche Kirchenlied in seinen Singweisen. Von den frühesten Zeiten bis gegen Ende des Siebzehnten Jahrhunderts, aufgrund handschriftlicher und gedruckter Quellen bearbeitet. 4 Bd. Freiburg i. B. 18861911. (Nachdruck: Hildesheim 1997). Behringer, Wolfgang] Vgl. Kramer, Heinrich. Benz, Richard] Vgl. Iacobus a Voragine. Bernardt, Georg SJ: Dramen I Theophilus Cilix 1621. Ein Faust-Drama der Jesuiten. Lateinisch und deutsch. Hg., übersetzt und kommentiert von Fidel Rädle. Amsterdam 1984 (Geistliche Literatur der Barockzeit. Texte und Untersuchungen (GLB) 5). Bote, Hermann: Der Köker. Mittelniederdeutsches Lehrgedicht aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts. Hg. von Gerhard Cordes. Tübingen 1963 (Altdeutsche Textbibliothek 60). de Boor, Helmut (Hg.): Mittelalter. Texte und Zeugnisse. 2 Teilbände. München 1965 (Die deutsche Literatur. Texte und Zeugnisse hg. von Walter Killy 1). Breucker, F.: Gedichte Brunos von Schonebeck. In: Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 30 (1904)81-146. Brun von Schonebeck] Vgl. Fischer, Arwed und Breucker, F. Cramer, Thomas (Hg.): Die kleineren Liederdichter des 14. und 15. Jahrhunderts. 4 Bd. München 1977, 1979, 1982, 1985. Crisafulli, Virgil S. (u.a. Hg.): The Miracles of St. Artemios. A Collection of Miracle Stories by an Anonymous Author of Seventh-Century Byzantium. Leiden 1997 (The Medieval Mediterranean. Peoples, Economies and Cultures, 400-1453 13). Deuchler, Florens: Der Ingeborg-Psalter. Berlin 1967. *Deuchler, Florens: Der Ingeborg Psalter. Le psautier d’Ingeburge de Danemark. Vollständige Faksimile-Ausgabe im Originalformat der Handschrift ms 9 olim 1695 aus dem Besitz des Musée Condé, Chantilly und Kommentarband. Graz 1985 (Codices selecti 80). Dufournet] Vgl. Rutebeuf. Eike von Repgow: Der Sachsenspiegel. Hg. von Clausdieter Schott. Übertragung des Landrechts von Ruth Schmidt-Wiegand. Übertragung des Lehenrechts und Nachwort von C. S. Zürich 1984 u.ö. Faral] Vgl. Rutebeuf. Fischer, Arwed (Hg.): Brun von Schonebeck. Tübingen 1893 (Bibliothek des litterarischen Vereins Stuttgart 198). Fischer, Kurt von (Hg.): Handschriften mit mehrstimmiger Musik des 14., 15. und 16. Jahrhunderts, mehrstimmige Musik in italienischen, polnischen und tschechischen Quellen des 14. Jahrhunderts, mehrstimmige Stücke in Handschriften aller Länder aus der Zeit um 1400-1425/30, organale Sätze im älteren Stil und mehrstimmige Stücke in Choralhandschriften des 15. und 16. Jahrhunderts. Beschrie-

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Bibliographie

ben und inventarisiert. 2 Bd. München 1972 (Répertoire international des sources musicales B 4,3 und 4). Froning, Richard (Hg.): Das Drama des Mittelalters. Die lateinischen Osterfeiern und ihre Entwickelung in Deutschland. Die Osterspiele. Die Passionsspiele. Weihnachts- und Dreikönigsspiele. Fastnachtspiele. Stuttgart 1891f. (Nachdruck: Darmstadt 1964). Füssel] Vgl. Historia von D. Johann Fausten Funk] Vgl. Gregor I. Gautier de Coinci: Les miracles de Nostre Dame. Publiés par V. Frédéric Koenig. 4 t. Genève 1955, 1961, 1966, 1970 (Textes littéraires français). Gautier de Coinci] Le miracle de Théophile ou Comment Théophile vint à la pénitence. Texte, traduction, introduction et notes par Annette Garnier. Paris 1998 (Textes et Traductions des classiques français du moyen âge 6). Giebel, Marion (Hg.): Träume in der Antike. Griechisch/Deutsch, Lateinisch/ Deutsch. Stuttgart 2006 (RUB 18395). Gregor I.] Des heiligen Papstes und Kirchenlehrers Gregor des Grossen Buch der Pastoralregel. Mit einem Anhang: Zwölf Briefe Gregors des Grossen. Aus dem Lateinischen übersetzt von Joseph Funk. München 1933 (Bibliothek der Kirchenväter 2,4,1). Hauke, Hermann (u.a. Hg.): Das Matutinalbuch aus Scheyern. Die Bildseiten aus dem clm 17401 der Bayerischen Staatsbibliothek. Einführung in die Geschichte und die Texte der Handschrift von H. H. Die Miniaturen und Initialen von Renate Kroos. Wiesbaden 1980 [verkleinerte sw, aber vollständige Wiedergabe aller Bildseiten aus dem clm 17401]. Hauke] Vgl. Matutinalbuch. Hennecke, Edgar (Hg.): Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung. 3., völlig neubearbeitete Auflage hg. von Wilhelm Schneemelcher. 2 Bd. Tübingen 1959, 1964. Historia von D. Johann Fausten. Text des Druckes von 1587. Kritische Ausgabe. Hg. von Stephan Füssel und Hans Joachim Kreutzer. Stuttgart 1988 u.ö. (Reclams Universal-Bibliothek 1516). Hoffmann [von Fallersleben], [August] Heinrich (Hg.): Fundgruben für Geschichte deutschen Sprache und Litteratur. 2 Teile. Breslau 1830, 1837 (Nachdruck: Hildesheim 1969). Hrotsvithae opera. Mit Einleitungen und Kommentar von Helene Homeyer. München 1970. Hrotsvitha von Gandersheim. Werke in deutscher Übertragung. Mit einem Beitrag zur frühmittelalterlichen Dichtung von Helene Homeyer. München 1973. Iacobus a Voragine] Grässe, Theodor (Hg.): Jacobi a Voragine Legenda aurea vulgo historia lombardica dicta. 3. Auflage Breslau 1890 (Nachdruck: Osnabrück 1969). Iacobus a Voragine] Iacopo da Varazze: Legenda aurea. Edizione critica a cura di Giovanni Paolo Maggioni. 2 vol. Tavarnuzze – Firenze 1998. Iacobus a Voragine] Die ‚Elsässische Legenda Aurea’. Bd. 1: Das Normalcorpus. Hg. von Ulla Williams und Werner Williams-Krapp. Bd. 2: Das Sondergut. Hg. von Konrad Kunze. Tübingen 1980, 1983 (Texte und Textgeschichte 3 und 10). Iacobus a Voragine] Die Legenda aurea des Jacobus de Voragine aus dem Lateinischen übersetzt von Richard Benz. 8Heidelberg 1975. Institoris, Heinrich] Vgl. Kramer, Heinrich.

Weitere Text- und Bildquellen

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Bibliographie

schen Übersetzung des Paulus Diaconus; steht in Wortlaut und Kapitelnumerierung von der Version bei Petsch 1908 deutlich ab, weswegen separat zitiert werden muss.]. Mellbourn, Gert: Speculum ecclesiae. Eine frühmittelhochdeutsche Predigtsammlung (Cgm 39). Mit sprachlicher Einleitung neu herausgegeben. Lund 1944 (Lunder germanistische Forschungen 12). Mettmann] Vgl. Afonso X. Meyer, Wilhelm: Radewins Gedicht über Theophilus und die Arten der gereimten Hexameter. In: Gesammelte Abhandlungen zur Mittellateinischen Rhythmik. Berlin 1905 Bd. 1 S. 59-135 (Wiederabdruck aus: Münchener Akademie SB philosophisch-philologische Klasse 1873 49-120). MGH] Monumenta Germaniae Historica (mit verschiedenen Untergruppen: AA (Auctores antiquissimi), S. rer. Merov. (Scriptores rerum Merovingicarum), SS (Scriptores), Ep (Epistolae) Möller] Vgl. Isidor von Sevilla. MPL] Migne, Patrologia latina Müri, Walter (Hg.): Der Arzt im Altertum. Griechische und lateinische Quellenstücke von Hippokrates bis Galen mit der Übertragung ins Deutsche. 5München 1986. Neumann, Bernd (Hg.): Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Aufführung mittelalterlicher religiöser Dramen im deutschen Sprachgebiet. 2 Bd. München 1987 (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 84f.). Ostorero, Martine (u.a. Hg.): L’imaginaire du sabbat. Edition critique des textes les plus anciens (1430 c. – 1440 c.). Lausanne 1999 (Cahiers lausannois d’histoire médiévale 26). Palmer, Nigel F. (Hg.): Tondolus der Ritter. Die von J. und C. Hist gedruckte Fassung. München 1980 (Kleine deutsche Prosadenkmäler des Mittelalters 13). Radermacher, Ludwig: Griechische Quellen zur Faustsage. Der Zauberer Cyprianus. Die Erzählung des Helladius. Theophilus. Eingeleitet, hg. und übersetzt. Wien 1927 (Akademie der Wissenschaften in Wien. Philosophisch-historische Klasse SB 206,4). Rädle, Fidel (Hg.): Lateinische Ordensdramen des XVI. Jahrhunderts mit deutschen Übersetzungen. Berlin 1979 (Ausgaben deutscher Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts. Reihe Drama 6). Rädle 1984] Vgl. Bernardt. Rahewin] Vgl. Meyer 1873, 1905. Rheinisches Marienlob] Vgl. Bach. Richert, Hans-Georg (Hg.): Marienlegenden aus dem Alten Passional. Tübingen 1965 (Altdeutsche Textbibliothek 64). Rituale Romanum Pauli V Pontificis Maximi jussu editum aliorumque pontificum cura recognitum atque auctoritate Ssmi D. N. Pii Papae XI ad normam Codicis Juris Canonici accomodatum. Editio secunda juxta typicam. Ratisbonae 1926. Rutebeuf: Le miracle de Théophile. Transposition de Gustave Cohen. Paris 1934. Rutebeuf] Œuvres complètes de Rutebeuf. Publiées par Edmond Faral et Julia Bastin. 2 tomes. Paris 1959/1960. Rutebeuf: Le miracle de Théophile. Texte original établi et traduit, introduction, notes, bibliographie et chronologie par Jean Dufournet. Paris 1987 (Garnier Flammarion 467).

Weitere Text- und Bildquellen

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Bibliographie

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Forschungsliteratur

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6 Register zum Stellenkommentar Das Register versucht, wesentliche Themen des Kommentars zu erschliessen; die Registereinträge erscheinen am Ort nicht immer als Stichwort, sondern oft nur der Sache nach. Manchmal mögen sich auf einer Seite auch mehrere Treffer ergeben, ohne dass dies vermerkt ist. Ablass, 231 Abschwörung, 265 Apostasie, 199, 210, 231, 235, 237 Aufführungszeit, 190, 191 Ave Maria, 242, 246, 264 Bischofswahl, 188 Blut, 186, 228, 253 Brun von Schonebeck, 227, 244, 253 Dreitagesfrist, 241 Explicit-Vermerk, 272 Fäkalrede, 196 Faustbuch, 191, 193, 197, 227, 257 Flickreim, 233 Flickwortstil, 196 Fulbert von Chartres, 214, 253 Glaubensdisputation, 236 Höllensturm, 202, 251, 252, 254 Hörigkeit, 233 Inkubationsschlaf, 271 Jude, 192, 235 Teufelsdiener, 239 Verschwörung, 236 Judenname, 239 Kapitel, 195 Lesetext, 195, 204, 217, 218, 223, 262 Longinus, 251 Luzifer in Ketten, 252 Luzifers Zunge, 257, 269 Maria Absage an sie, 213 Beiname, 202, 205, 237, 238, 242, 246, 247, 249, 255, 258, 271 Brüste, 244, 250 Fürbittemacht, 188, 242, 244, 250, 270 Fürbitterin, 238, 244 Gottesgebärerin, 258, 262 Himmelfahrt, 247

Mittlerin, 214, 238, 245, 247, 252, 258 Name, 259 Maria Magdalena, 227, 230, 242 Melancholie, 188, 212 Namensmagie, 269 Odense, 226 Pakt Forderungen des Teufels, 209 rechtlicher Status, 206, 215 Rückgabe der Urkunde, 263 schriftlicher, 202 Paktbruch, 201 Paktschluss, 199 Modalitäten, 227 Passionsfrömmigkeit, 230 Petrus Verleugnung, 230 Predigt Funktion, 223, 232 Rechtfertigung vor Christus, 261 Redentiner Osterspiel, 197, 198, 226, 259 Regieanweisung, 193, 207, 223, 224, 232, 242, 249, 259, 262 Reuetränen, 241 Ruhr (Fluss), 221 Rutebeuf, 187, 193, 209, 212, 228, 235, 239, 244, 253 Salve regina, 246 Schweigen, 238, 244, 266 Sprichwort, 200, 201, 212, 213, 221, 225, 232, 233, 234, 240 Ständesymbolik, 250 Sündengestank, 249 Sündenvergebung, 243 Exempelfiguren dafür, 227 Szenische Realisierung, 199, 217, 218, 236, 252, 254, 266, 269

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Register zum Stellenkommentar

Teufel Allgegenwart, 192 als Priestertrug, 250 Anzahl, 231 Beschwörung, 193 betrogener, 196, 201, 255 Betrüger, 197, 218 Fäkalrede, 259 Gangart, 249, 266 Komik, 256 Lügner, 255, 269 Stimme, 249 Sturz, 194 Widerwillen gegen Marias Namen, 210, 214, 233, 259 Zeugnis gegen sich selber, 202, 259 Textstörung, 192, 211, 217, 230, 233, 237, 238, 249, 256, 258, 261, 264

Theophilus im Schlaf, 261 Namen, 187, 241 Wahlablehnung, 190, 216 Weltleben, 188, 239, 246, 260 Theophilus-Geschichte Historizität, 189 im Glücksrad, 260 Übersetzungsproblem, 200, 204, 221, 234, 240, 245, 260, 263 Verfluchung der Geburtsstunde, 191 Versdublette, 192, 211, 214, 221, 242, 245, 251 Verständnisproblem, 197, 198, 202, 203, 209, 210, 211, 218, 219, 222, 226, 234, 243, 245, 248, 249, 255, 263, 265, 266, 267 Vertragstreue, 255, 256 Verzweiflung am Heil, 226, 236, 252 vicedominus, 187 Wahlablehnung als Ritual, 219