Das Kanarierbuch. Geschichte und Gesittung der Germanen auf den kanarischen Inseln [Aus dem Nachlasse herausgegeben, Reprint 2022 ed.] 9783112682029


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German Pages 603 [608] Year 1896

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Table of contents :
Vorwort des Herausgebers.
I. Ein altes historisches Räthsel
i. Früheste Kunde von den kanarischen Inseln
2. Sagen im Mittelalter
3. Die Wandschen
4. Verschiedene Meinungen
5. Wege der Germanen nach den kanarischen Inseln
6. Ein Burgenland
7. Tuaregs
8.Berichte über Germanen im nordwestlichen Afrika
9. Letzte Kämpfe der Vandalen
II. Die Berichterstatter
1. Edrisi 1154
2. Boccaccio 1341
3. Testament der dreizehn Spanier 1393
4. Bontier und Leverrier 1402 — 1406
5. Hemmerlin um 1450
6. Azurara 1453—1458
7. Bernaldez 1513
8. Sebastian Frank 1554
9. Espinosa 1590
10. Viana 1604
11. Galindo 1632
12. Nuñez de la Peña 1676
13. Sosa 1678
14. Castillo 1737
15. Viera 1773
16. Noch andere Berichterstatter
17. Erforscher von Einzelheiten
III. Der letzte Normanne
1. Ein reizvoll Abenteuer
2. Fahrt nach den Inseln
3. Kanarisches Gottesurteil
4. Schwierigkeiten der Eroberung
5. Berneval's Schandthaten
6. Asche Gegenkönig
7. Bethencourt in Spanien
8. Gadifer's Entdeckungsfahrten
9. Bekehrung der Lanzaroter zum Christentum
IV. Eroberung von Fuerteventura
1. Gadifer wider Bethencourt
2. Angriffsversuch auf Gran Canaria
3. Bethencourt in Sevilla
4. Verluste der Spanier
5. Die Wandschen auf Fuerteventura
6. Kanarier im Krieg wider Kanarier
7. Unterwerfung von Fuerteventura
V. Bethencourt König
1. Feste in der Heimat
2. Prächtige Rückkehr
3. Afrikanisches Unternehmen
4. Unglücksfahrt nach Gran Canaria und Palma
5. Erwerb auf Gomera
6. Menschenraub auf Ferro
7. Gesetzgebung
8. Abschied Bethencourt's
9. Einzug in Rom und Avignon
VI. Achtzig Jahre siegreicher Unabhängigkeit
1. Maciot's Regierung
2. Niederlagen der Portugiesen auf Gran Canaria
3. Fürst Ferdinand Peraza de las Casas
4. Wiedererwerb von Gomera und Ferro
5. Unglück auf Palma
6. Diego und Ines Herrera
7. Raub- und Friedensfahrten
8. Das wunderbare Bildniss
9. Ein junger Wandsche als Christprediger
10. Anknüpfung mit Teneriffa
11. Kanarische Treue und spanische Untreue
12. Spanier und Portugiesen besiegt auf Gran Canaria
13. Edelmut der Kanarier
14. Vergeblicher Friedensvertrag
15. Maninidra
16. Eine kanarische Friedensstifterin
17. Königliches Anrecht auf Gran Canaria, Teneriffa und Palma
VII. Spanische Generalshändel
1. General Rejon's Landung
2. Doramas Heerkönig
3. Schlacht bei Winiwada
4. Zweite Schlacht bei Winiwada
5. Neues Unglück der Portugiesen
6. Elend der Spanier auf Gran Canaria
7. Rejon's Streit mit den Herreras
8. Rejon in Fesseln
9. Niederlage des Dechanten
10. Rejon frei und zurückgewiesen
11. Niederlage des Oberadmirals
12. Hinrichtung des Statthalters
13. Errettung der gefangenen Christen
14. Statthalter und Generaloberst Vera
15. Geldbeschaffung
16. Doramas' Tod
VIII. Eroberung von Gran Canaria
1. Erbauung von Lagaete
2. Zweite Niederlage bei Tirajana
3. Bentagoya
4. Rejon's Wiederkehr und Tod
5. Peraza's Todesurteil und Brautlager
6. Gefangennahme des Königs Egonaiga
7. Spanische Reise eines Kanarier-Königs
8. Zwiespalt des Volkes
9. Egonaiga's Vermittlungsfahrt
10. Vera's Gebirgskrieg
11. Egonaiga's Sieg bei Telde
12. Niederlage von Ajodar
13. Ergebung der Kanarier
IX. Ausmorden der Bevölkerung von Gomera
1. Land und Leute
2. Aufstand gegen Peraza
3. Neue Verschwörung
4. Ermordung des Fürsten
5. Belagerung der Fürstin-Wittwe
6. Blutgericht
7. Vera's Sturz
8. Ende der Unheilsfürstin
X. Eroberung von Palma
1. Franz von Maldonado
2. Alfons von Lugo
3. Lugo's Bestallung
4. Teilnehmer der Kriegsfahrt
5. Landung auf Palma
6. Eroberung des Umkreises der Insel
7. Die grosse Caldera
8. Eroberung der Caldera
9. Erste Einrichtungen
10. Die letzten Freien von Palma
XI. Erstes Kriegsjahr auf Teneriffa
1. Neue Rüstungen
2. Columbus
3. Die ersten drei Teneriffa-Tage
4. Stimmungen bei den Eingeborenen
5. Misshelligkeit unter den Fürsten
6. König Benchomo
7. Landtag zu Taoro
8. König Anjaterfe
9. Königsbesuch im spanischen Lager
10. Lange Waffenruhe
11. Marsch auf Taoro
12. Vernichtung der Spanier
13. Flüchtlinge
14. Lugo's Dankbarkeit
15. Rückzug von Teneriffa
XII. Zweites Kriegsjahr auf Teneriffa
1. Neue Armadores
2. Neue Landung
3. Heerlager der Eingeborenen
4. Ausmarsch der Spanier
5. Schlacht bei Laguna
6. Der Sigonge
7. Benchomo's Leichenbegängnis
8. Die Modorra
9. Zug nach Teweste
10. Oberst Castillo
11. Die zwölf Kameraden
12. Hungersnot im Lager
13. Edelmut der Kriegsobersten
XIII. Drittes Kriegsjahr auf Teneriffa
1. Weihnacht vor der Acentejoschlucht
2. Schlacht von Vittoria
3. Neue Hungersnot
4. Teneriffa ein Leichenfeld
5. Auf und vor dem Tigayga
6. Ergebung von vier Fürsten
7. Letzte Kämpfe
8. Ergebung von vier andern Fürsten
9. Friedensfeste
10. Lichtmessfeier
11. Verschwinden der Fürsten
12. Lugo Adelantado
XIV. Die Kanarier unter spanischer Herrschaft
1. Verlust des Grundeigentums
2. Religiöser Gegensatz
3. Auswanderung
4. Niedergang
5. Waldverwüstung
6. Rückblick
XV. Geistesart und Körperbildung
1. Zielpunkte der Untersuchung
2. Leibliche Eigenart
3. Verstandeskräfte
4. Mannhaftigkeit
5. Waffenführung
XVI. Lebensweise
1. Charakter und Sitten der Vandalen
2. Stellung der Frauen
3. Wohnung
4. Gerät und Kleidung
5. Viehzucht, Ackerbau und Fischfang
6. Nahrung
7. Gewerbe
XVII. Sitten
1. Häusliches Leben
2. Familiengefühl
3. Edelmut
4. Volksfeste und Kampfspiele
5. Tänze und Lieder
XVIII. Religion
1. Grundanschauung
2. Gottesdienstliche Gebräuche
3. Staatspriester und Heermädchen
4. Totenbestattung
XIX. Recht und Staat
1. Volksabstufung
2. Ständewesen
3. Fürst und Volksversammlung
4. Recht und Gericht
5. Kleinstaaten und Kriege
XX. Sprachfrage
1. Reste der Wandschensprache
2. Gefährlichkeit der Wortanklänge
3. Vergleich mit der Berbernsprache
4. Vergleich mit dem Gothischen
5. Historische Sprachschichten
6. Ortsnamen
7. Ausdrücke des gewöhnlichen Lebens
8. Religiöse Ausdrücke
9. Personennamen
10. Ausdrücke im Staatswesen
11. Vandalische Wörter
XXI. Schluss
1. Ergebnisse
2. Aufgaben
Noten und Nachweise
Inhalt
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Das Kanarierbuch. Geschichte und Gesittung der Germanen auf den kanarischen Inseln [Aus dem Nachlasse herausgegeben, Reprint 2022 ed.]
 9783112682029

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Das Kanarierbuch. Geschichte und Gesittung der Germanen auf den

kanarischen Inseln. Von

Franz von Löher.

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München. J . S c h w e i t z e r V e r l a g (Jos. Eichbichler).

1895.

V o r w o r t des

Herausgebers.

„ E s giebt wenige Stellen auf der E r d e , über deren Geschichte so Vieles und Gutes geschrieben worden, als über die kanarischen Inseln. Ihr anziehendstes Räthsel sind die von den Spaniern Guanches (Gwandschen) genannten Ureinwohner, die in heldenmütigen, hundertjährigen Kämpfen nur deshalb vor der spanischen Uebermacht und Kriegskunde unterlagen, weil jeder Gau eigenwillig sich dem Ganzen nicht unterordnen wollte. Waren diese hochgewachsenen, kühnen, von Ehr- und Freiheitssinn beseelten Leute Karthager, Araber, A e g y p t e r , Römer, Peruaner, Karaiben oder gar Reste einer untergegangenen Atlantis? Zahllose Schriftsteller beschäftigte schon diese Frage. In einer Reihe von Artikeln, welche ich in der Beilage der Allgemeinen Zeitung von Februar bis April 1876 veröffentlichte, deren dürftige Uebersetzung ohne mein Wissen und Wollen als eine besondere Schrift „ L o s Germanos en las islas Canarias por Francesco von Löher, Madrid, imprenta central" erschien, suchte ich die Ansicht zu begründen, dass die alten Kanarier Germanen gewesen. Gelingt dies, wie ich jetzt hoffen darf, unwiderleglich darzuthun, so ist ein unschätzbarer Beitrag zur besseren Aufhellung der dunkeln Ger-

manenzeit in Geschichte und Sprache, Religion, Rechtssitte und Gewohnheiten aufgethan . . . ." Mit diesen W o r t e n begleitete mein seliger Vater die Edition eines alten spanischen Epos über die Eroberung von Teneriffa.*) Von vielen Seiten und wiederholt aufgefordert, ein umfassendes W e r k über die Geschichte der kanarischen Inseln und deren Urbevölkerung zu schreiben, beabsichtigte der V e r e w i g t e , obiger Publikation zunächst die Herausgabe des weiteren Quellenmateriales folgen zu lassen. Der Druck war bereits erheblich vorgeschritten, als die stetig anwachsende Stofffülle zum A u f g e b e n des Planes nötigte. V o n den 35 damals ausgedruckten Bogen sind drei A b z ü g e in meinen Besitz gelangt; ich werde sie den Staatsbibliotheken in Berlin, München und W i e n übergeben, damit Derjenige, der sich für das W e r k näher interessiert, das zerstreute und teilweise schwer zugängliche Material doch wenigstens in der Hauptsache vereinigt zu benutzen in der L a g e sei. D e r vorliegende Band aber, den ich einem W u n s c h e des Autors- gemäss herausgebe, bietet eine an der Hand der Berichterstatter ausführlich bearbeitete Geschichte der „glückseligen Inseln" und sucht die in den erwähnten Artikeln der Allgemeinen Zeitung aufgestellte Behauptung, dass die Ureinwohner der kanarischen Inseln Germanen g e w e s e n , in eingehender W e i s e zu begründen München,

im Mai 1895. Franz Löher.

*) D e r K a m p f um Teneriffa. Dichtung und Geschichte von Antonio Viana. H e r a u s g e g e b e n von F. v. L ö h e r . Publikationen des literar. V e r e i n s in Stuttgart ( C L X V ) 1883. —

E r s t e s Kapitel.

Ein altes historisches Rätsel, i. Früheste Kunde von den kanarischen Inseln. Als im Altertum unbekannte Seefahrer, durch Sturm verschlagen oder umherirrend aufweiten Meeren, zuerst die kanarischen Inseln erblickten und die Hochberge sahen, wie sie kühn gezackt und im zierlichsten Rotbraun zum blauen Aether emporragten, am Fusse von lichtgrüner Waldung umzogen, aus deren Schluchten krystallene Gewässer hervorbrachen, alles umgeben von zauberischem Farbenschimmer, alles voll stiller Pracht, voll Frieden und Einsamkeit mitten im flutenden Weltmeer, — da erschienen diese Eilande als der Sitz der Glückseligkeit, und ihr Ruf verbreitete sich in alle Länder des Mittelmeers. Sertorius dachte daran, sich dorthin zurückzuziehen, und vor Horaz Blicken schwebte als köstliche Errettung die Auswanderung nach den glückseligen Gestaden. Man fabelte überhaupt die seltsamsten Dinge von den Inseln, die südwärts von den Säulen des Herkules an der afrikanischen Küste lagen. Schon der Admiral Hanno sollte rauhbehaarte Frauen von dort nach Karthago gebracht haben, und Plinius trug allerlei zusammen, was der numidische König Juba, der zu Augustus Zeit sich um Länder- und Völkerkunde verdient machte, erforscht haben sollte: „Die erste der glückseligen Inseln heisse Ombrion und habe von Gebäuden keine S p u r : dort gäbe es im Gebirge einen Sumpf, wo Bäume wüchsen ähnv. Löher, Kanarier.

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Ein altes historisches Rätsel.

lieh wie Pfriemenkraut, aus denen man W a s s e r herausdrücke, aus den schwarzen bitteres, aus den helleren zum Trinken angenehmes. Die andere Insel werde Junonia genannt; auf ihr stehe bloss ein kleines Steingebäude. Nahebei liege eine kleinere vom selben Namen, ferner Capraria, voll von grossen Eidechsen. Ihnen im Angesicht liege Nivaria, welches diesen Namen vom ewigen Schnee erhielt, ein Nebelland. Die nächste Insel werde Canaria genannt, der Menge riesiger Hunde wegen, von denen zwei zu Juba gebracht worden. Dort zeigten sich Spuren von Gebäuden. Während auf allen ü b s t und Vögel aller Arten im Ueberfluss, habe diese Palmwälder, die Datteln trügen, und Harznüsse im Ueberfluss. Auch sei dort eine Fülle von Honig und Papyrus, und Welsfische entständen in den Bächen. Nachtheil brächten den Inseln die faulenden Wallfische, die fort und fort angetrieben würden." Von Bevölkerung ist hier keine Rede. Die wenigen Gebäude könnten auch von karthagischen Seefahrern herrühren, und hätte es, so sollte man denken, auf den Inseln Ortschaften gegeben, so wären sie nicht so fern von der Küste gewesen und von den Seefahrern entdeckt worden. Gleichwohl ist eine andere Deutung möglich. König Juba forschte nach Gebäuden: von Hütten und deren Bewohnern war vielleicht an andern Stellen seines Buchs die Rede, die bei Plinius nicht erhalten worden. W o sich fruchttragende Dattelpalmen finden und Hunde und Ziegen, — eine Insel heisst ja die Ziegeninsel, — da sind Ansiedelungen von Menschen vorauszusetzen. W a s also Plinius über die kanarischen Inseln gesammelt hat, lässt die Frage, ob sie schon zu seiner Zeit bewohnt gewesen, völlig im Dunkeln. Andere Berichte sind uns aber aus dem Alterthum nicht erhalten. Die Seefahrer mochten es nicht wagen, weit

Ein altes historisches Rätsel.

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über die Säulen des Herkules hinaus zu steuern. Dunkelheit und schreckliche Gefahren umgaben das unbekannte Gewässer. Glaubte man doch damals allgemein an Senecas Schilderung: „Regungslos steht das Meer gleichwie die träge Masse der an ihrem Ende abnehmenden Natur. Verwirrt ist das Licht durch tiefe Dämmerung und verschlungen der T a g von Finsternissen. Nicht vorhanden oder unbekannt die Gestirne." Nach allem diesen bleibt uns also eine Gewissheit und ungestört eine Wahrscheinlichkeit. Gewiss ist, dass im Altertum kein Verkehr mit den kanarischen Inseln statthatte, und dass aus Kulturstaaten keine Kolonien dorthin geführt wurden. Die Wahrscheinlichkeit besteht darin, dass die Inseln vom Festlande aus, dem sie gegenüber liegen, schon in uralter Zeit Bewohner empfingen. Der Eindruck aber, welchen die ersten Schilderungen von den Inseln gemacht hatten, war doch so mächtig gewesen, dass ihr Andenken leuchtend und lockend über den dunkeln Gewässern stehen blieb. 2. Sagen im Mittelalter. In der ganzen Christenheit fand desshalb schon frühe Glauben die S a g e von Brandanus, dem heiligen Mönch aus Irland, der zu Ende des sechsten Jahrhunderts sieben Jahre auf den Meeren umherirrte, bis er auf gewissen Inseln das irdische Paradies gefunden. Noch im Jahre 1526 war bei Engländern und Portugiesen die Rede davon, in welcher Richtung St. Brandan's Inseln zu suchen seien. Eine andere S a g e erhielt sich von sieben Bischöfen der Westgothen, die nach der unglücklichen Schlacht bei Xerez de la Frontera, als die Araber Spanien überschwemmten, über's Meer nach unbe1*

4 kanntem Lande geflüchtet und dort sieben Bistümer gegründet hätten. Die sieben Bistümer lassen sich wohl an die Siebenzahl der Inseln anknüpfen. E s gaben die kanarischen Inseln wohl auch Anlass zu Fabeln von einem im atlantischen Ozean untergegangenen Weltteil, der Atlantis, deren Plato gedenkt, und einer grossen Insel Antiglia, die irgendwo in den westlichen Meeren bald hier, bald dort gesehen wurde. Pedro de Medina, ein spanischer Schiffskundiger und Gelehrter des sechszehnten Jahrhunderts, erzählt: er habe in einer Ausgabe des Ptolemäus, welche dem Papst Urban gewidmet gewesen, die Insel Antilia angezeigt gefunden mit folgender Beischrift: „Diese Insel Antilia ist einst von den Portugiesen entdeckt; aber wenn man sie sucht, findet man sie nicht. E s wurden auf ihr Völkerschaften entdeckt, die in spanischen Zunge reden. Diese sollen zur Zeit König Roderich's, der zuletzt Spanien in der Gothenzeit regierte, nach dieser Insel vom Angesicht der Barbaren, die damals in Spanien eingedrungen, geflüchtet sein. Sie haben hier einen Erzbischof mit sechs andern Bischöfen, und jeder derselben hat seine eigene Stadt, wesshalb die Insel von vielen die Siebenstädte genannt wird. Dieses Volk lebt sehr christlich und hat alle Güter der Welt vollauf." Möglicherweise war der Bericht aber in jenes Exemplar des Ptolemäus später eingeschrieben. Denn nach der Inschrift auf der Nürnberger Weltkarte Martin Behaim's wäre „die Insel Antilia, genannt die Siebenstädte, im Jahre 734, als die Ungläubigen von Afrika Spanien eroberten, bevölkert worden durch den Erzbischof von Porto mit sechs andern Bischöfen und andern Christen, Männern und Frauen, die sich von Spanien auf Schiffen geflüchtet und dorthin gekommen seien mit ihrem Vieh und Vermögen. Zufällig sei ihr ein Schiff von Spanien im Jahre 1 4 1 4

Ein altes historisches Rätsel.

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ganz nahe gekommen." Wirklich erscheint Antilia schon im Jahre 1424 auf der ältesten Karte, die bekannt ist; sie befindet sich im Militärkabinet zu Weimar. Auf späteren Karten entweicht die Insel hierhin und dorthin in Dunst und Nebel, bald westlich, bald nördlich, und wenn man sie suchte, war sie entschwunden. Man wusste aber genau zu erzählen, dass die sieben Bischöfe bei ihrer Landung Schiffe und Tauwerk verbrannt hätten, um niemals zurückzukehren, und dass die Bewohner der Insel die Mannschaft eines portugiesischen Schiffes, welches zur Zeit des Infanten Heinrich dorthin verschlagen worden, zuerst zur Kirche geführt, um zu sehen, ob sie auch gute römische Katholiken seien. Da nun die christlichen Siebenstädte bis jetzt sich nirgends haben wiederfinden lassen, so bleibt von den Antilia-Erzählungen nur die Thatsache übrig, dass auf der pyrenäischen Halbinsel eine alte S a g e g i n g : es hätten sich Westgothen unter der Leitung ihrer Bischöfe auf's Meer und in ein fernes Land geflüchtet. A l s die Araber sich erobernd über die Küstenlande Nordafrikas ausbreiteten, wurden die kanarischen Inseln bekannter. Sie lagen ja nur achtzehn Stunden weit von der afrikanischen Küste entfernt, so nahe, dass im Hafenort Tuineje auf Fuerteventura das Sprichwort g e h t : De Tuineje en Berberia S e va y se vuelve en un dia

d. h. von Tuineje zur Berberei kommt und geht man in Tageszeit. Das Volk aber, welches dies benachbarte Festland bevölkerte, waren die Numidier, ein altes Kulturvolk, das unzweifelhaft seit der Römerzeit weit ausgedehnte Sitze behauptet hat und heutzutage den Namen Berbern führt. Wenn ein Berbernschiff sich nur wenig von der Küste entfernte, musste man vom Bord aus sehen, wie der Pik auf Teneriffa und

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Ein altes historisches Rätsel.

alsbald auch die Höhen von Palma und Gomera hinter den Wellen emporstiegen. Kamen dann Handelsschiffe die marokkanische Küste entlang, — und von den Arabern wissen wir, dass sie um die Mitte des zwölften Jahrhunderts noch vier Tagreisen bis über Safi hinaus steuerten, — so musste die Kunde von den wunderbaren Inseln zu ihnen gelangen. Dies konnte auch auf Karawanenwegen geschehen, die zum Mittelmeer zogen; denn verwirrte Berichte der A r t pflegen sich leicht mündlich durch weite Länderkreise zu verbreiten, ein Reisender erzählt es dem andern. Um Mitte des vierzehnten Jahrhunderts hatten die kanarischen Inseln bereits solchen Namen, dass der Graf L u d w i g de la Cerda, der vom spanischen Königshause stammte, den Papst Clemens V. anging, ihm diese Inseln zum fürstlichen Lehen zu geben. Es geschah wirklich im Jahre 1 3 4 4 ; allein man merkt in Briefen des Papstes wie des Grafen, dass sie beide bei Plinius sich Rats erholt hatten. Der König von Portugal wollte aber nichts von der Belehnung wissen; denn seine Leute, behauptete er, wären schon früher bei den Inseln gewesen. E s kam auch nicht zur Besitznahme, sie verschob sich von Jahr zu Jahr, bis der Graf im dritten in der Schlacht bei Crecy fiel. E s war auch in Umlauf gekommen, dass es auf diesen Inseln drei besonders wertvolle Waren gebe, an denen sie Ueberfluss hätten. Die eine war die Orseille, ein farbiges Moos, das hoch oben auf nackten Felsen wuchs, die andere die kostbare Arznei des Drachenblutes, ein Saft, welcher aus der Rinde des Drachenbaums bei Einschnitten ausfliesst und sich leicht verdickt: beides wurde aus der Hand der Eingeborenen für Waffen, Stücke alten Eisens, und allerlei Tand erworben, in Europa aber beinahe mit Gold aufgewogen. Noch grösseren Gewinn warf die Menschenware ab. Die Eingeborenen, Guanches oder

Ein altes historisches Rätsel.

Wandschen genannt, waren schöngewachsene kräftige Menschen, dabei gutwillig, von frohem Mut und raschem Begriff, deshalb vorzugsweise gesucht auf den Sklavenmärkten der christlichen wie der mohamedanischen Welt. 3. Die Wandschen. So wurden die kanarischen Inseln allmählich in Folge des Handels und Menschenraubs entschleiert, dunkel blieb aber die Natur und Herkunft des Volkes, das sie im frühen Mittelalter allein bewohnte. Jeder F r e m d e , der jetzt hier landet, nimmt auf der Stelle wahr, dass er zweierlei Volk vor sich hat, obwohl alles spanisch redet. Die echten Spanier wohnen in den Städten und auf den grossen Gütern. Die Bauern aber und die gemeinen Leute haben etwas andere Gesichtszüge und Körperbildung, und auch Tracht und Sitte und Benehmen sind bei ihnen etwas anders, als bei den Spaniern. Berthelot, der das grosse W e r k über die kanarische Inselgruppe verfasste, erklärt: nachdem er zehn Jahre lang sich an diese Gesichtszüge gewöhnt habe, kenne er sie sofort heraus, auch wo Kanarier in Amerika sich angesiedelt. Mich aber, den Verfasser dieses Buchs, blickte, als ich von der Teneriffa-Küste in's Innere und unter die Dorfleute kam, öfter ein so unverfälscht sächsisches Gesicht an, als je eines auf westfälischen Haiden über seinen Hofzaun ausschaute. Es wehte mich etwas Verwandtes an, ähnlich wie früher unter französisch redenden Burgundern, englisch redenden Pennsylvaniern, magyarisch redenden Zipsern in Ungarn. Ich war dann auf schwierigen Bergpfaden unter die ärmsten und abgelegensten Kanarier auf Teneriffa , Palma und Gran Canaria gekommen, hatte in ihren Hütten und Grotten verkehrt, und beständig hatte sich erneuert und verstärkt jene erste Ahnung, dass die Urbevölkerung der

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Ein altes historisches Rätsel.

Inseln germanisch gewesen und sich mit späteren Ansiedlern aus Europa vermischt habe. A l s im fünfzehnten Jahrhundert Franzosen, Spanier und Portugiesen herbeisegelten, um die glücklichen Inseln, diese schimmernden Juwelen im atlantischen Ozean, zu e r o b e r n , fanden sie dieselben bewohnt von einem zahlreichen Volke von heller Gesichtsfarbe und hellem Haar, das sich Wandschen, auf Teneriffa Windschen nannte. Die Spanier schrieben Guanches oder auch Guanxes, da sie unser w durch gu (wie in guay, W e h , guerra, W e h r e ) und unser dsch durch ihr ch wiedergeben. Die Aussprache „Guanchen" aber erweckt von vornherein eine irrige Vorstellung wie von etwas Indianischem. Dieses Volk war stark und tapfer und gewandt wie kein anderes, schön und kräftig gebaut und voll Geist und Leben. Ein natürlicher Frohsinn, sowie T r e u e und Redlichkeit schien ihm angeboren. In seinem ganzen W e s e n war etwas Edles und Hochgemutes, und die normannischen Barone wie die vornehmsten Spanier und Spanierinnen, die sich entsetzt hätten, Mauren und A r a b e r zu heiraten, fanden kein Bedenken darin, mit Männern und Frauen der Wandschen in Ehebündnisse zu treten. Aus deren Vermischung mit den Spaniern und einigen anderen Europäern, die zuwanderten, ist die bäuerliche, überhaupt die niedere Bevölkerung auf den kanarischen Inseln hervorgegangen und sie hat von dem fröhlichen und herzlichen W e s e n der Wandschen so viel b e w a h r t , dass etwas davon auch auf die Sprösslinge aus reinem Andalusierblut, welche die Inseln mit ihnen bewohnen, übergegangen ist und sehr zu ihrem Vorteil die schroffen Eigentümlichkeiten des Spaniers gemildert hat. Zwei Charakterzüge wurden aber der alten Kanarier Unglück. S i e waren die arglose Offenheit und

Ein altes historisches Rätsel.

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Gutmütigkeit selbst; hundertmal betrogen, vertrauten sie immer aufs neue. Ihr noch schlimmerer Fehler lag in dem innern Widerstand ihrer Natur gegen die Forderung, sich zusammenzuschliessen und zu handeln und Krieg zu führen nach der Leitung eines Planes und Oberhaupts. Unbesieglich war der Eigensinn bei Mann und Stamm. Dennoch widerstanden sie hundert Jahre lang mit ihren einfachen Waffen allen Angriffen. Ihre angeborene Tapferkeit und Klugheit besiegte die Vorteile, welche ihren Feinden Reiterei und Feuergewehr und die Taktik geschulter Heere brachte. Nachdem sie von der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts an vereinzelte Angriffe von Europäern stets siegreich abgewiesen hatten, landeten im Jahre 1402 Spanier und Franzosen mit geordnetem Heer auf den Afrika nächsten Inseln Lanzerote und Fuerteventura; jedoch erst im vierten Jahr eines mörderischen Kampfes gelingt es ihnen, die beiden Inseln nebst dem kleinen Ferro zu unterwerfen. Behaupten aber können sich die Fremden nur, indem sie planmässig die Ortschaften entvölkern. Die nächsten fünfzig Jahre wagte man an die Eroberung der drei Hauptinseln, wo die Kraft des Volkes wohnte, nicht zu denken. Wütend wird jeder Angriff zurückgeschlagen. Endlich fällt den Spaniern die kleine Insel Gomera in die Hände, die wie ein einziger gewaltiger Felsberg neben Teneriffa steht, kaum zwei Stunden von da entfernt. Aber umsonst bieten sie jetzt ein Jahr nach dem andern alle ihre Macht und T ü c k e und Grausamkeit auf, sich auf den andern Inseln festzusetzen. Noch weniger, als Spanier, vermögen Portugiesen auszurichten. Dann schicken Jene grössere Heere: von 1470 bis 1483 wütet der Krieg auf Gran Canaria, bis hier nach heldenmütigstem Kampfe das Volk gebrochen ist. Im Jahre 1491 wird Palma erobert und jetzt von allen

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Ein a l t e s h i s t o r i s c h e s

Rätsel.

Inseln mit gesamter Macht der A n g r i f f auf Teneriffa vorbereitet. Endlich im A p r i l 1493 geschieht die Landung, aber der Widerstand der Tapfern ist nicht zu bezwingen. Wiederholt verzweifeln die Spanier und verlassen die Insel wieder. Zuletzt kommen ihnen zu Hülfe Pest und Hunger, die Folgen übermenschlicher Anstrengungen. Im September 1496 unterwerfen sich die letzten freien Fürsten. Im Beginn und Verlauf und Schluss sind all diese Eroberungskriege g e g e n die W a n d s c h e n g a n z ähnlich den Sachsenkriegen K a r l des G r o s s e n , ähnlich auch in den Zwischenfällen. D e r Kampf tobt stets nur auf einer Insel allein, und auch hier haben die Spanier immer bloss mit einem T e i l e des Volkes, das in der Nähe w o h n t , zu thun. Dringen sie weiter vor, so steht gewöhnlich ein g r o s s e r Häuptling auf, dessen glühendes Reden und D r ä n g e n mehrere Stämme zusammenbringt. Dann werden die Eroberer auf allen Punkten geschlagen. Bei Nachlassen der Volkserhebung dringen sie aus ihren festen Orten an der Küste wieder vor und rächen sich mörderisch. Dann wüten Eigensinn und Zwietracht unter den Wandschen; ein T e i l lässt sich mit den Spaniern ein und hört auf ihre schmeichelnden Anerbietungen: sie sollen durchaus ebenbürtige Verbündete sein, bloss Unterthanen des gemeinsamen Königs. E s entspinnen sich Verhandlungen mit ehrgeizigen Häuptlingen und Liebeshändel mit den Töchtern des L a n d e s , von deren Schönheit und Anmut jeder Europäer entzückt war. Irgend eine Treulosigkeit der Spanier reisst plötzlich wieder einen T e i l der freien Männer zum ungestümen Aufstande fort; grimmig fallen ihre S c h l ä g e . Besiegt werden schliesslich auf allen Inseln die W a n d s c h e n nur durch ihr eigenes V o l k , indem einzelne Stämme und Fürsten gemeinsame Sache mit dem Eroberer machen, wiederholt ihn vom Untergange retten, und

II

durch ihre Treue, Kraft und Landeskenntnis den Ausschlag geben. Ist alles verloren, so flüchten die Kühnsten in unzugängliche B e r g e und Waldungen, führen dort das Leben von Verbannten, und werden Jahre lang wie Wild gehetzt, bis die Tapfersten unter den Kugeln und in Hunger und Elend verenden. 4. Verschiedene Meinungen. W o h e r kam nun dieses schöne und tapfere Volk auf die Inseln? W e s s e n Stammes und Landes sind seine Angehörigen? Diese F r a g e erhielt Jahrhunderte hindurch wechselnde Auflösungen, deren keine befriedigte. Man redete von Iberern aus fabelhafter Zeit; vom heldenmütigen Quintus Sertorius, der mit sechszig auserwählten Genossen herübergeschifft; von Numidiern, die von den Römern mit ausgeschnittenen Zungen a u f s Meer geschickt seien. Als Mönche nach den Inseln kamen, suchten sie selbstverständlich nach den zehn verlorenen Stämmen Israels. Andere aber meinten nun, dass die Kanarier Nachkommen der flüchtigen Bewohner Kanaan's seien, welche von den Juden aus dem gelobten Lande vertrieben wurden. Wieder andere dachten an Phönizier oder an Galater aus Kleinasien. Dagegen erhob sich die Ansicht: die Inseln müssten von den Berbern bevölkert sein, da sie ihnen am nächsten liegen. Dieser Meinung war auch Espinosa, der zuerst unter den Kanariern über die Sitten und Einrichtungen der Wandschen schrieb. Sein um ihre Geschichte hochverdienter Nachfolger, Galindo, dachte an arabische Verwandtschaft. Viera aber, der beste und fleissigste Forscher auf den Inseln, versicherte feierlich: „Die alten Kanarier, ein Urvolk von einfachen Sitten, wie die Heroen und Patriarchen, stammten vom Volke der Atlantiden, diese aber seien eine Kolonie der Aegypter, der Ab-

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kömmlinge Neptuns." Nun erklärten Champollion und seine Schule die Wandschen für unzweifelhafte alte Aegypter. Humboldt sagte spottend darüber: „Gelehrte, die überall, wo es Mumien, Hieroglyphen und Pyramiden gibt, Aegypter sehen, sind vielleicht der Ansicht: das Geschlecht Typhons und die Guanchen stehen im Zusammenhange mittelst der Berbern, echter Atlanten, zu denen die Tibbos und T u a r e g h s der W ü s t e gehören. Es genügt hier aber die Bemerkung, dass eine solche Annahme durch keinerlei Aehnlichkeit zwischen der Berbern-Sprache und dem Koptischen, das mit Recht für ein Ueberbleibsel des alten Aegypten gilt, unterstützt wird." Der Schotte Glas, welcher zuerst die Sprache der Wandschen untersuchte, entschied sich dahin, dass sie auf Teneriffa peruanisch und auf den andern kanarischen Inseln berberisch sprächen. Ein deutscher Forscher, Vater, hatte sogar gefunden, dass in der Wandschen-Sprache sich Aehnlichkeiten mit der Mundart der Huronen, Peruaner und Mandingo - Neger fänden. Bory St. Vincent aber und noch jüngst Roisel griffen auf das alte Märchen zurück: die Wandschen seien Ueberreste der Atlanten, die auf einem untergegangenen Weltteile gewohnt, und der erstere erklärte : sie seien ein hoch erleuchtetes Volk gewesen und keines habe jemals eine ehrenvollere Herkunft gehabt. Unser grosser Geograph Ritter hielt die Wandschen für Berber und der französische Konsul Berthelot, der von den Neuern am meisten über die kanarischen Inseln und ihre Bevölkerung geschrieben, bewies in langer Ausführung: auf diesen Inseln sei „ganz zweifellos" die Berbern-Sprache heimisch gewesen, und zwar die Schillah-Mundart. Seitdem, und da besonders Ritter es w a r , welcher die berberische Herkunft der Wandschen hinstellte, ging sie in alle Lehrbücher der Länder- und Völkerkunde über. Nichts

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schien ja natürlicher, als dass die kanarischen Inseln dieselbe Bevölkerung- hatten wie das benachbarte Festland, und es fehlte den Verfassern jener Bücher an A n r e g u n g , wie an Hülfsmitteln, eigene Studien zu machen. Je mehr ich mich mit Geschichte und Schicksalen des merkwürdigen Volkes beschäftigte, je mehr, was ich von seinen häuslichen, religiösen und bürgerlichen Wesen kennen lernte, mich anmuthete, als läse ich in den alten Volksgesetzen der Bayern oder Sachsen oder in Grimm's deutschen Rechtsaltertümern, um so mehr befestigte sich meine Ueberzeugung von der germanischen Herkunft. 5. Wege der Germanen nach den kanarischen Inseln. W i e sind aber Germanen nach den kanarischen Inseln g e k o m m e n ? Sollte ein W y k i n g e r - Z u g hier gestrandet sein ? W a r u m baute er dann nicht neue Schiffe, oder warum sandte er niemals Nachricht in die Heimat? Näher liegt der Gedanke: entweder Vandalen aus Afrika oder Westgothen aus Spanien seien hieher gekommen. In geographischer Beziehung stände dem nichts Wesentliches entgegen. Bei den Westgothen ergab sich der W e g von selbst. Leicht lässt sich denken, dass irgend ein kleiner Teil dieses Volkes bei der Eroberung Spaniens durch die Araber in See ging, um in der Ferne eine neue Heimat zu gründen. Die Westgothen waren ja seekundig, und hatten eine Flotte, die den Arabern hart zu schaffen gemacht hatte. Die Flüchtenden segelten aber gewiss nicht nach Westen in's weite unbekannte Meer hinaus. Denn dieses war ja das „Meer der Finsternis", welches nach Seneca's schon erwähnter Beschreibung sich da, wo die Erd-

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natur aufhörte, als ein starrender düsterer Sumpf ausdehnte, bedeckt von ewigen Nebeln, durch welche Licht und Sterne nur gebrochen hindurch schimmerten. Die Schiffe hielten sich vielmehr die afrikanische Küste entlang, deren nördlichster Teil den Westgothen ohne Zweifel auch bekannt war. Bei einigermassen gutem Wind konnte sie eine Fahrt von einer Woche recht wohl längs der Küste so weit hinabführen, dass sie die kanarischen Inseln entdecken mussten. Die Festlandsküste aber war durchaus nicht lockend; denn selbst bei ruhigem Meer ist die Brandung dort furchtbar. S o mussten die kanarischen Inseln, die hinter den Ozeanswellen g'eschirmt lagen, den Flüchtlingen als die ganz erwünschte Zuflucht erscheinen. Einen ungleich schwierigem W e g hätten die Vandalen gehabt. A l s diese Germanen in der Meerenge von Gibraltar landeten und Nordafrika durchzogen, bis sie in Karthago den Mittelpunkt ihres Reiches gründeten, wurde ihnen der Nordwesten Afrika's wohl bekannt und zum grossen Theil ihrer Herrschaft unterworfen. Wenn nun nach Zertrümmerung ihres Reiches durch Beiisar Vandalen in's Gebirge flüchteten, so kamen sie, da die Höhen des Atlas gar zu unwirtbar, auf der einen Seite zwischen den Gebirgszug und das Meer, auf der andern Seite zwischen die Atlasketten und die Wüste. Das Gebirge selbst zieht sich in einer Höhe von 7000 bis 9000 Fuss in weitausgeschweiftem Bogen nach Süden bis zum Kap Ger, und von dort streicht ein niedriger Z u g bis zum K a p Nun, welches den kanarischen Inseln gegenüber liegt. E s hatten aber die Vandalen lange und schwere Kriege mit den Berbern geführt, und wohl lässt sich denken, dass von diesem unduldsamsten aller Völker die Flüchtigen fort und fort gestossen wurden und immer weiter zogen. Oder wenn sie irgendwo längere Zeit standhielten, so war schwerlich ihres Bleibens,

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als bei dem Vordringen der ungestümen Araber der ganze Nordwesten Afrika's in Bewegung geriet. Kamen nun flüchtige Vandalen an die Südseite des Atlas, so verbot ihnen die Rauhheit des Gebirges, dasselbe zu übersteigen. An den Abhängen dagegen ist überall kulturfähiges Land, wo sich leben lässt. Zogen sie also am Südabhange hin, so kamen sie in die Gegend des Draa-Flusses, dessen Thalniederung sie geradenwegs bis den kanarischen Inseln gegenüber führte. Gerade hier aber verbot ihnen die W ü s t e weiter südlich zu gehen. W a r e n sie dagegen an den Nordabhang des Gebirges verschlagen, so leitete sie die Atlaskette das Meer entlang, wo sie ebenfalls überall Ackerland, wenigstens Weideland, fanden, bis sie in dieselbe Landschaft gegenüber den kanarischen Inseln gelangten, wo end- und trostlos das Sand- und Felsenmeer der W ü s t e sich vor ihnen ausdehnte, und ihre Kundschafter, die sie voraussandten, mit dem Bericht zurückkamen: es sei an kein Durchdringen zu denken. Gerade dort aber leuchtete, wenn der Himmel klar, allen von der Küste Entfernten, über's Meer herüber der schneeige Pik von Teneriffa. Mochte nun die Not sie treiben oder unbezwingliche Lust des W a n d e r n s und Abenteuern's, — Barken, um hin zufahren, waren bald gebaut, da es an Schiffsbauholz in jener Gegend nicht mangelt, und bei heiterem Himmel war die Ueberfahrt nach den Inseln nicht schwierig. Die geographische Möglichkeit eines GermanenZ u g s von Karthago oder von einem spanischen Hafen nach den kanarischen Inseln wäre also wohl gegeben. Haben nun Germanen wirklich diesen W e g gemacht? Keine Stelle in einem Geschichtswerke gibt uns Näheres an: wir können nur aus der Prüfung und Verbindung von Thatsachen und Andeutungen, die sich bei Verschiedenen zerstreut finden, Schlüsse ziehen.

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6. Ein Burgenland. Da ist zunächst von Wichtigkeit, was in neuester Zeit ein deutscher Reisender, Rohlfs, der mit wahrhaftem Heldenmut den afrikanischen Nordwesten forschend durchzogen hat, uns berichtet. Südlich von Ceuta, in der Landschaft el Gharbie zwischen Ain Filfil und Uessan, etwa eine kleine Tagreise westlich von letzterem, traf er auf germanische Grabhügel. „Eigentümlich," sagt er, „sind hier die zahlreichen runden kleinen H ü g e l , die jedenfalls von Menschenhänden aufgeworfen, ganz das Aussehen wie unsere Hünengräber in der Lüneburger Haide haben." Solche Grabhügel aber, die noch nach Jahrhunderten dauern, errichtet nicht leicht in Menge ein wanderndes, sondern ein solches Volk, das in der Gegend lange Zeit gewohnt hat. Als derselbe deutsche Reisende südlich von Mogador an der Küste nach Agadir vordrang, kam er am ersten T a g e um Mittag in einen herrlichen ArganWald, welcher die Landschaft Haha zu erfüllen scheint. Als ich selbst in Mogador war, fiel auch mir das frische Grün des Argan-Baumes auf. Rohlfs erzählt sodann: „Ich übernachtete in einer Sauya, wo nur der Thaleb Arabisch verstand; alle übrigen, Berber ihrer Nationalität nach, sprachen und verstanden nur Schellah. Es war hier das letzte Dorf, wenn man einige Hütten und Zelte, die sich um die Sauya herum gruppirt hatten, so nennen will. Denn wenn die Gegend schon dadurch einen eigentümlichen Reiz bekommt, dass der im herrlichsten Grün prangende Argan-Baum so vorwiegend sein Reich hier innehat, so wird man anderseits, je weiter man in Haha nach dem Süden zu vordringt, durch die eigentümliche Bauart, durch das merkwürdige Wohnen der Eingebornen berührt. Im Norden vom Atlas, im eigentlichen Marokko (Rharb

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el Djoani) wohnen alle Eingebornen, einerlei ob B e r b e r oder A r a b e r , entweder in Häusern aus Stein zu Städten und Dörfern vereint, oder in Zelten zu Zeltdörfern vereint. Einzelne W o h n u n g e n , einzelne Z e l t e findet man fast nie. Hier ist nun alles anders. Man glaubt sich plötzlich in's Mittelalter zurück versetzt; die kleinen B e r g e und fast jeden H ü g e l sieht man von einer g r o s s e n kastellartigen B u r g gekrönt. S e i es nun, dass von jeher diesen B e r b e r n gefallen hat, so zu wohnen, sei es, dass die g r o s s e Unsicherheit der G e g e n d , die steten Feindseligkeiten der einzelnen S t ä m m e und Familien, ein solches befestigtes Wehrsystem nötig machten — g e w i s s ist es einzig in seiner A r t . Denn die Städte, Dörfer, Zeltdörfer oder unbefestigte einzelne W o h n u n g e n fehlen ganz und g a r . Vier, fünf oder noch mehr Familien bewohnen solche kastellartige S c h l ö s s e r , welche meist viereckig von Form, eine Höhe von 20 bis 30 F u s s haben. F a s t alle haben an zwei E c k e n hohe flankirende T h ü r m e , und fast alle haben oben auf der Umfassungsmauer Zacken. S i e sind aus soliden Steinen mit Mörtel ausgeführt, haben einen schmalen Graben, besitzen nur ein T h o r , welches in der R e g e l durch eine Z u g b r ü c k e von dem umgebenden T e r r a i n erreicht wird. „Im Innern dient der ganze untere Raum, sowie der g r o s s e Hof für's V i e h ; die Menschen haben in der zweiten E t a g e , die einen gewölbten Boden hat, ihre Stätte, zu der man mittelst einer Leiter, die man im Notfall nach sich ziehen kann, hinauf kommt; jede Familie hat nur ein Zimmer. „ D a die hier vom grossen A t l a s entspringenden Flüsschen alle nur im W i n t e r W a s s e r fortschwemmen, so haben die Eingebornen für Zisternen g e s o r g t , die man manchmal am W e g e , manchmal an irgend einer Oertlichkeit, die den E r b a u e r n günstig schien, eingerichtet findet. Diese Zisternen sind g a n z in der A r t v. L ö h e r , K a n a r i e r .

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und Weise gebaut wie die der Römer. E s sind 15 bis 20 Fuss lange, 5 bis 10 Fuss breite, 20 Fuss tiefe und aus behauenen Steinen ausgemauerte Gruben, die oben überwölbt sind. Durch ein kreisrundes Loch wird mittelst eines Eimers das W a s s e r heraufgeholt, welches selbst, aus Regengüssen oder aus einem Rinnsal gesammelt, mittelst eines anderen Loches hineinfliesst. Zisternen mit mehreren Abteilungen sind mir nicht zu Gesicht gekommen: indess mögen sie auch vielleicht existieren. Einzelne dieser Wasserbehälter — und dies sind die schlechteren — scheinen aus verhältnismässig neuer Zeit herzustammen; die Mehrzahl aber trägt ein sehr altes G e p r ä g e an sich. „ A m zweiten T a g e hielt ich, der grossen Strasse (d. h. man muss dabei an marokkanische Strassen denken) folgend, durchaus südliche Richtung; es ging bergauf, bergab; denn ich hatte alle die unzähligen, oft breiteren, oft schmäleren westlichen Abhänge des Atlas zu übersteigen. Dabei w a r man fortwährend im herrlichen Argan-Wald und hin und wieder tauchten Schlösser und Burgen, oder auch nur die hohen Warttürme derselben vor meinen erstaunten Augen auf. Mittags desselben T a g e s hatte ich noch Gelegenheit, in einem solchen Schloss einer Hochzeit beizuwohnen." Von welchem Volk stammten diese mittelalterlichen Schlösser, diese sehr alten gewölbten Zisternen her? A n Berbern oder Araber ist gar nicht zu denken, denn diese bauten niemals solche Burgen, und wie schon Rohlfs bemerkt, widersteht ihnen durchaus das Einzelwohnen. In Deutschland aber und hier und da auch im romanischen Europa trifft man noch auf eine mittelalterliche Burg, die ganz so eingerichtet ist, wie Rohlfs sie uns beschreibt. Von Spaniern und Portugiesen, von Italienern oder Franzosen können diese Burgen in Afrika auch nicht wohl herrühren; denn

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sie erfüllen eine Landschaft, die sich etwa zwei Tagreisen weit erstreckt, die also ein kleines Reich bildet, und hätten Romanen ein solches Reich besessen, so wäre doch irgend eine Kunde davon nach Europa gelangt. Wir können also nur denken, dass dieses Burgenland einem germanischen Volke gehörte, das im frühen Mittelalter, sei es zu Schiff oder zu Land, an der atlantischen Küste hinabzog, und sich hier ansiedelte, wo die grünen Argan-Waldungen sich ausdehnten. Ein grosses mächtiges Volk ist es nicht gewesen, da seine Wohnsitze sich nur an dieser Stelle verbreiteten. W a s bleibt also übrig, als auf Trümmer von Vandalen oder Westgothen zu schliessen, die alle und jede Verbindung mit ihren Stammesgenossen verloren hatten? Aus dem Burgenland können sie später nach den kanarischen Inseln, die gegenüber liegen, übergesiedelt sein.

7. Tuaregs. Von der einstigen Anwesenheit der Germanen im nordwestlichen Afrika sind neben jenem Burgenlande ein redendes Zeugnis die Tuaregs oder, wie sie auch heissen, Tardschiks oder T a r j i s , die in den gebirgigen Teilen der Sahara wohnen. W a s neuere Reisende, wie Barth, Duveyrier, Daumas, v. Bar}-, Rohlfs, übereinstimmend von ihnen melden, stösst entschieden jede Vermutung ab, als konnten sie mit Berbern, Arabern oder gar Negern verwandt sein. W o sie im Laufe ihrer Wanderungen auf fremdartiges Volk trafen, da drängten sie dasselbe weg, und hielten um so fester an ihren nationalen Eigenheiten. Es sind die Tuaregs meist hochgewachsene Leute und von kräftiger Gestalt. Ihre Hautfarbe ist weisslich, Blondhaar und blaues Auge bei ihnen nicht sel2*

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ten. Die Gesichtszüge sind überhaupt vielmehr europäisch, als arabisch. Allgemein anerkannt ist die Ehr- und Freiheitsliebe der Tuaregs, ebenso ihr offener und ritterlicher Charakter; ihre Tapferkeit ist sprichwörtlich, ihre Gastfreiheit berühmt. Bei festlichen Zusammenkünften, die sie sehr lieben, erschallen Lieder von Frauen und Männern. Dem Islam konnten sie sich auf die Länge nicht ganz entziehen, scheueten aber stets zurück vor dessen Vielweiberei. Die Tochter wählt selbst sich den Gemahl, und die Frau ist bei den T u a r e g s eine wahrhafte Haus- und Heilfrau, Erzieherin der Kinder, Mitverwalterin des Vermögens. Nicht wenige Frauen geniessen ein solches Ansehen, dass die Männer sie gern in ihren Ratsversammlungen reden und raten hören. Das Volk teilt sich in vier Stämme, und jeder wieder in erbliche Gruppen, deren Mitglieder mit grosser Zähigkeit aneinanderhängen und stets geneigt sind, wie kleine selbständige Staaten sich zu benehmen. Fehden zwischen grossen und kleinen Stämmen sind an der Tagesordnung. Der Stände sind vier: Edle, Gemeinfreie, Hörige, Sklaven. Der Adel besteht in altererbtem Ansehen, im Vorrang bei Krieg- und Karawanenführern, und in erblichen Ansprüchen auf Leistungen von Hörigen. Die letzteren sind sehr zahlreich, und Grundbesitz wie Herden gehen bei ihnen vom Vater auf den Sohn über. Die Gemeinfreien stehen zwischen Adligen und Hörigen und sind, wenngleich an Vermögen gering, doch Niemand unterthan. Die Sklaven werden eher dem Vieh als dem Volke zugezählt. Von Despotie eines Fürsten kann bei den Tuaregs keine Rede sein, obgleich hier und dort ein Häuptling durch Geschick und Erfolg seiner Thaten

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sich hervorragende Stellung gewinnen kann. Der Wille der grossen Mehrheit, ausgesprochen in öffentlicher Versammlung, an welcher Edle und Freie teilnehmen, bleibt stets das Entscheidende. Erinnert alles dies an Recht und Sitte bei den Germanen, so weiset noch unverkennbarer darauf hin der Unterschied, der im Vermögen gemacht, und die Stellung, welche dem Schwestersohn zugestanden wird. Nur das unbewegliche Vermögen gilt als das rechte, das in der Familie dauern soll, das bewegliche Gut dagegen, das in Geld, Waffen, Zeug und Vieh besteht, unterliegt der Verfügung des Einzelnen. Schwestersöhne aber sind, wie es in Tacitus heisst, „bei dem Oheim in derselben Achtung, wie bei dem Vater. Einige halten dies Band der Blutsverwandtschaft für heiliger noch und enger, und legen, wenn sie Geiseln nehmen, noch mehr W e r t darauf, gleich als wenn jene die Gesinnung kräftiger und die Familie ausgedehnter festhielten." Solche nationale Eigentümlichkeiten bieten Anlass genug, um nach dem Vorgang eines ebenso allseitigen als scharfsinnigen Forschers, wie Alexander Peetz, germanisches Wesen bei den T u a r e g s zu ermitteln. Hatte aber W a n d e r u n g und Ansiedlung von Germanen in Nordafrika statt, so war dazu auch auf den kanarischen Inseln die Möglichkeit gegeben. Durch nähere Untersuchung, auch auf sprachlichem Gebiete, ist insbesondere noch zu ergründen, welche Art und welcher Grad von Einwirkung auf einander zwischen Berbern und Germanen stattgefunden.

8.Berichte über Germanen im nordwestlichen Afrika. Gehen wir aber die Geschichtschreiber durch, die etwas über Germanen-Wanderungen in Afrika enthalten, so finden wir solcher Berichte, die Beachtung

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verdienen, nur fünf: jedoch ergeben sie wenigstens ein dämmerndes Licht. Der Maure Alhassan, den man L e o den Afrikaner nannte, berichtet in seiner Beschreibung von A f r i k a , die er im ersten Drittel des sechzehnten Jahrhunderts verfasste, über die Gothen in Karthago: „Bei dem Verfall des römischen Reichs wurden alle Römer, so viel ihrer in Afrika gefunden wurden, von den Gothen aus dem Reiche vertrieben. A l s aber später Tripolis in der Berberei und Capis von den Mohammedanern erobert wurden, kamen die Einwohner dieser beiden Städte nach Karthago, wohin sich auch die Vornehmen der Römer und Gothen zurückgezogen hatten, die sich erkühnten, den Mohammedanern zu widerstehen. Allein nach vielen Schlachten zogen die Römer nach Bona, die Gothen aber überliessen Karthago den Mohammedanern zur Plünderung und Verheerung, und Jahrelang lag es unbewohnt." Später erzählt L e o Afrikanus die bekannte Geschichte vom Grafen Julian, wie folgt: „Die Stadt Septa ist an der Meerenge von Gibraltar von den Römern erbaut und war die Hauptstadt von Marokko. Deshalb haben die Römer sie vornehm gemacht, und es gab darin die feinste Sitte und Volksmenge. Später eroberten sie die Gothen und setzten einen Fürsten in ihr nieder, und das Fürstentum blieb bei ihnen, bis die Mohammedaner, in Marokko eindringend, auch dieser Stadt sich bemächtigten. Julian, der Graf zu Septa, der von Roderich, dem König der Gothen und Spaniens, beleidigt war, ergriff jetzt die Gelegenheit, verständigte sich mit den Ungläubigen, führte sie nach Granada und w a r Ursache, dass Roderich Krone und Leben verlor." Diese Nachrichten über die Jahre 675 und 7 1 1 hatte Alhassan, wie er sagt, aus arabischen Geschichtschreibern gezogen, und so verwirrt namentlich die erste klingt, so sehr die zweite

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bei andern Schriftstellern durch die Geschichte von der gewaltsamen Entehrung der schönen Tochter Julians durch den wilden Roderich ausgeschmückt erscheint, so geben doch beide Stellen bei Leo Afrikanus bestimmte Kunde davon, dass sowohl in der Umgegend von Karthago als von Septa (Ceuta), — obwohl auch nach dieser wichtigen Stadt Beiisar sich beeilte, eine Besatzung zu schicken, — Germanen in grösserer Anzahl zurückgeblieben sind und dort gewohnt haben bis zur Ankunft der Araber. Man weiss auch aus anderen Nachrichten, dass das Land von Ceuta und T a n g e r im Besitze der westgothischen Könige w a r ; jedoch melden nicht gleichzeitige, sondern erst spätere und unzuverlässige Geschichtschreiber von der Eroberung beider Städte. Möglich, dass hier Vandalen sitzen geblieben, die sich später der Herrschaft des stammverwandten Gothenkönigs unterworfen. Bei der Beschreibung des marokkanischen Reiches und des Atlas-Gebirges erwähnt Leo Afrikanus, obwohl er persönlich dort und weit umher gewandert war, nichts mehr von Gothen. W a s nun insbesondere die Wendungen der Vandalen betrifft, so fällt zunächst in die Augen, dass es rein unmöglich war, das ganze Volk gewaltsam aus Afrika wegzubringen. Man hätte es zur Küste drängen, und dort hätten zahllose Schiffe bereit stehen müssen, um die Masse aufzunehmen. Denn als die Vandalen nach Afrika kamen, schätzte man sie auf 80 000 streitbare Männer, und in den fast hundert Jahren ihres afrikanischen Reiches mussten sie notwendig sich vermehren. Auch Prokop, welcher Vandalen und Alanen bei ihrer Ankunft nur auf 50000 rechnete, setzt hinzu: „In der F o l g e aber vermehrten sie sich zu einer grossen Volkszahl, teils durch eigene Zeugung, teils weil sie andere Völker sich zugesellten." Die Vandalen lebten ja in Afrika auf einem üppigen

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Boden, hatten aller guten Dinge die Fülle und mit Not und Entbehrung nicht zu kämpfen. Zwar haben wir uns die vandalische Niederlassung in Afrika nicht als eine förmliche Besiedelung des Landes zu denken. W e r die europäische Türkei durchreiset hat, wird sich leicht eine richtige Vorstellung von dem Vandalenreiche machen. So dünn aber die Türken zwischen der Donau und dem thrazischen Meere gesäet sind, so würden sie dennoch nicht in kurzer Zeit auszurotten sein. Erst wenn des Islams Herrschaft völlig aufgehört hätte, würden sie samt und sonders von dannen ziehen. Nun lag bei den Vandalen die Sache viel schwieriger. Ihre Herrschaft dehnte sich über die ganze Weite des Nordwestens von Afrika. Bald war hier, bald dort eine Schar beisammen, wo das Land am lockendsten war. W o hätte Beiisar Leute genug hernehmen sollen, um das ganze weite Gebiet zu durchziehen und von Vandalen zu säubern? Undenkbar ist es daher, dass der byzantinische Feldherr oder feindliche Mauren das ganze Volk soweit aufgerieben hätten, dass man den ganzen Rest einschiffen konnte. Damit stimmt nun eine wichtige historische Nachricht. Es ist uns eine Erdbeschreibung erhalten, die etwa hundert Jahre nach dem Untergange des Vandalenreiches entstanden ist. Damals musste man also noch etwas davon wissen, welch ein Ende es denn mit diesem berühmten Volke genommen, das einst so lange Zeit die ganze gebildete W e l t in Schrecken gesetzt. Der Verfasser aber jener Kosmographie, von dessen Namen und Persönlichkeit wir jedoch nichts weiteres wissen, als dass man ihn den Ravennater Geographen hiess, sagt in der Vorrede zu seinem W e r k e : er sei zwar weder in Indien geboren, noch in Schottland erzogen, habe auch weder Mauritanien durchwandert noch Scythien durchforscht, — wohl aber

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habe er mit Christi Hülfe die Schriften der Gelehrten, welche unter vielen Kaisern über Länder- und Völkerkunde geschrieben, gut studiert. Dieser Mann also, der, nach Stil und Bibelkenntniss zu schliessen, wohl ein vielkundiger Mönch war, sagt wörtlich Folgendes: „Nach der Mauritania Perosis, und nach der Mauritania Tingitana steht in der achten Stunde des T a g s die Sonne über der Mauritania E g e l . In diesem Lande sind neben dem Busen des Ozeans B e r g e , und diese sollen brennen. D a s Gestade des Ozeans selbst aber besteht aus Bergen, die B r a c a e heissen. Gegenüber wird viele hundert Meilen breit, nämlich am Ufer des grossen Meeres, die sogenannte Mauritania Gaditana gesetzt, welche in berberischer Sprache Abrida heisst, und das Ufer des grossen M e e r e s grenzt an die vorgenannte Mauritania Tingitana. In diesem GaditanerLande floh das Vandalenvolk, von Beiisar besiegt, nach Afrika hinein und kam niemals wieder zum Vorschein. Dieses G a d i t a n e r - L a n d e s nächste Meeresstrasse soll die Septemgaditana (von Gibraltar) sein." Diese Nachricht wiederholt der Geograph später wieder, als er, und zwar nach seinem Gewährsmann Castorius, des Landes Städte und Flüsse aufführt, und hiebei drückt er sich so aus: „Die Mauritania Gaditana hänge mit der septemgaditanischen Meereng'e zusammen." Zweifellos ist also unter dem gaditanischen Mauritanien das Land südlich und etwas westlich von der S t r a s s e von Gibraltar verstanden, welches sich längs dem grossen atlantischen Meere hin erstreckt, und in diesem T e i l e Marokko's ist also das Volk, d. h. der Hauptrest der Vandalen, zuletzt gesehen worden, und dort haben sie sich tiefer nach Afrika hineingeflüchtet, und niemals hat man wieder von ihnen gehört oder gesehen.

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9. Letzte Kämpfe der Vandalen. Diesem so bestimmten Zeugnis eines Geographen, dessen Blick auf die Wohnsitze der Völker gerichtet war, wie erhalten sich ihm gegenüber die Nachrichten der Geschichtsschreiber? Unglücklicher Weise haben wir über den Untergang des Vandalenreiches nur zwei Berichterstatter, allerdings Augenzeugen. Der Eine ist aber ein dürftiger Chronist, Bischof Victor von Tununa: ihm wie seinem Zeitalter waren die Hauptsache die Glaubensstreitigkeiten, und das andere erwähnt er nur kurz nebenbei. Dem zweiten Geschichtsschreiber, dem Hofmann Prokop, ist ersichtlich viel mehr daran gelegen, romantische, insbesondere schauerliche Bilder auszumalen, als die W a n d e r z ü g e eines untergehenden Volkes festzustellen. Beide erzählen aber nicht das Geringste, was des Ravennaten Angabe hinfällig macht, wohl aber manches, was sie zwischen den Zeilen bestätigt. Der Bischof berichtet, wie das Hunnenvolk vermindert sei, wie von König Genserich dem katholischen Christenvolk, von König Gelimer den Fürsten- und Adelsgeschlechtern der Vandalen mörderisch mitgespielt worden; jedoch über den Sturz des Vandalenreiches begnügt er sich zu s a g e n : von Beiisar sei Gelimer in die Flucht geschlagen, Afrika eingenommen, Gelimer gefangen und mit seinen Schätzen nach Konstantinopel gebracht. W ä r e über das dem katholischen Bischof verhasste Arianervolk der Vandalen eine allgemeine Vernichtung ergangen, so würde er das doch wohl angeführt haben. Prokop aber berichtet nirgends, dass das ganze Volk der Vandalen und Alanen zu Grunde gegangen oder aus Afrika fortgeführt worden. Nach seiner Erzählung war der Vandalenkönig Gelimer nach den ersten Unfällen von dem unseligen Glauben befallen:

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eine grauenvolle Schicksalsgöttin habe sich vom Himmel auf sein Volk herabgestürzt, und sofort sei die Tapferkeit verschwunden und mit ihr das gute Glück. Als nun nach dem zweiten unglücklichen Treffen, welches an der Grenze Numidiens vorfiel, Beiisar noch am Abend rasch mit seiner ganzen Hauptmacht heranrückte, verlor Gelimer den Kopf, warf sich auf's Ross und riss die Vandalen mit sich fort zu allgemeiner Flucht. Nur die erste Nacht wurden sie verfolgt; denn Beiisar hielt seine Truppen beisammen und in seiner Hand, weil er fürchtete, die Vandalen würden umkehren und ihn angreifen. Hätten sie das gethan, sagt Prokop, so wäre nicht ein Mann von Belisar's Heer mit dem Leben davon gekommen. Andern T a g s wurde dem Vandalenkönig nachgesetzt; jedoch nur mit zweihundert Mann, und diese kleine Mannschaft, die unaufhörlich hinter ihm drein war, glaubte ihn schon am sechsten T a g e gefangen zu nehmen. Er hatte also nur seine nächsten Verwandten und wenige Diener bei sich. Von den anderen Vandalen aber fand man niemandem mehr, ausser denen, die noch in der Nähe des Schlachtfeldes umherirrten oder sich in die Kirchen als Schutzflehende begeben hatten. Zweifellos waren die andern alle entflohen, aber nicht auf Gelimers W e g e n ; denn der König hatte sich, wie früher durch seine Mordthaten bei dem Adel verhasst, so jetzt durch sein Ausreissen bei dem Volke verächtlich gemacht. W ä r e nur noch ein Teil des Vandalenheeres bei seinem König gewesen, so würde Beiisar wohl selbst ihnen mit seinem Heere nachgerückt sein. Aus Afrika fortgeführt wurden aber mit Gelimer nur diejenigen Vandalen, die man mit ihm gefangen genommen, oder die man in den Kirchen getroffen, oder einzeln in der Nähe des Schlachtfeldes aufgegriffen hatte. W i e wenig sorgfältig das Nachsuchen

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vor sich gegangen, zeigte sich auch darin, dass man in Karthago und den andern Städten noch drei und wieder noch sechs Jahre später vandalischeVornehme und Krieger antraf, die sich früher versteckt gehalten oder bei der Wegsendung übergangen worden. Auch kämpften noch tausend Vandalen auf das Tapferste viele Jahre lang im Heere des Sotzas gegen die byzantinischen Generale. Dass aber die Zahl der von Beiisar Weggeführten nicht gar gewaltig gewesen, lässt sich aus Folgendem schliessen. Einige davon reihte Beiisar unter seine Haustruppen ein, die Vornehmsten blieben bei ihrem König, der Hauptteil wurde an die persische Grenze geschickt. Von diesen machten sich unterwegs, als sie auf der Höhe von Lesbos waren, 400 Mann frei, indem sie die Besatzung ihrer Transportschiffe überwältigten, während „die meisten", die also wohl nicht viel über 1000 Mann betrugen, die fünf Regimenter, in welche sie eingeteilt wurden, vollzählig machten. E s liegt also, wie in der Natur der Dinge, so auch in den geschichtlichen Nachrichten nicht das Mindeste, was der A n g a b e des Ravennater Geographen widerspräche: es habe sich das von Beiisar besiegte Vandalenvolk nach Marokko gerettet. Wohl aber weisen einzelne Notizen auf jene Gegend als den Sammelplatz der flüchtenden Vandalen hin. A u s einer Stelle im Lobgedichte des gelehrten Bischofs Sidonius Apollinaris auf Kaiser Majorian erfahren wir, dass der Vandalenkönig Geiserich auch die Autololen beherrschte; diese aber wohnten im tingitanischen Mauritanien, das ist Marokko. Ihr Land war also bei den Vandalen bekannt. Andere Notizen finden wir im Prokop. Das Auress-Gebirge, wohin sich Gelimer geflüchtet hatte, lag nach seiner A n g a b e dreizehn Tagreisen westlich von Karthago, und die Gegend weiter westlich gehörte den Mauren, welche den

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Vandalen das Gebiet von A u r e s s entrissen, und noch über diese hinaus wohnten andere maurische Völkerschaften, welche Orthaias beherrschte. „Von diesem Manne," berichtet Prokop, „habe ich selbst erzählen hören, dass über das L a n d hinaus, welches er selbst beherrschte, g a r keine L e u t e wohnen, sondern eine wüste G e g e n d weit sich ausdehnt, und dass jenseit derselben Menschen leben, die nicht, wie die Mauren, eine bräunliche Haut, sondern sehr w e i s s e K ö r p e r und blondes H a a r haben." J e n e vierhundert Vandalen aber, die bei L e s b o s sich zu Herren der S c h i f f e machten, auf denen man sie nach S y r i e n bringen wollte, segelten zuerst zum Peloponnes und von da bis zu einer wüsten G e g e n d in L i b y e n . Dort Hessen sie die S c h i f f e stehen, packten ihre H a b e zusammen und zogen nach dem A u r e s s - G e b i r g e und weiter nach Marokko hin. S i e wussten also, w o sie Landsleute trafen. Sotzas aber zog sich, als er den grössten Teil seines Heers in der Schlacht bei S c a l ä veteres eingebüsst, mit seinen treuen Vandalen ebenfalls nach Marokko zurück, und als er von dort zu neuem K a m p f e g e g e n die byzantinischen Feldherrn noch im J a h r e 5 4 3 w i e d e r vorrückte, hatte er noch fast ein halbes T a u s e n d vandalischer K r i e g e r bei sich. D a s sind die letzten Nachrichten, die uns von Geschichtsschreibern über die Vandalen überliefert sind, und damit verschwindet dieses V o l k aus der Geschichte. Durchaus fehlt eine fernere E r w ä h n u n g bezüglich des Verbleibens der Vandalen. Erst nach sechshundert Jahren beginnen Berichte über ihre kleine Nachblüte auf den kanarischen Inseln, anfangs spärlich und voll weiter Dunkelheiten, dann aber rasch sich ausdehnend zu g r o s s e r Reichlichkeit und Helle. Indem wir nun an die Geschichte der kanarischen Germanen gehen, nehmen wir zunächst einen kurzen Ueberblick über Herkunft und Inhalt dieser Nachrichten.

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Die Berichterstatter.

Zweites Kapitel.

Die Berichterstatter, i. Edrisi

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Grosse altgeschichtliche Städte ausgenommen, mag es wohl kaum eine Stelle auf der Erde geben, über welche in früherer Zeit soviel Fabelhaftes, in den letzten vier Jahrhunderten soviel von Lern- und Lehrbegierigen geschrieben worden, als die kanarischen Inseln. Einer dieser Schriftsteller, Ludwig von Anchieta, weiss schon 1679 nicht weniger als 1 1 6 aufzuzählen, die bis gegen Ende des t7. Jahrhunderts über diese Inseln geschrieben, freilich Homer muss der erste sein. Ein halbes Jahrhundert später bringt Castillo, ein anderer Kanarier, die Zahl bereits auf 139. Die ersten acht Berichte mögen, mit Ausnahme eines buchlangen, möglichst vollständig hier Platz finden. Die früheste Nachricht erhalten wir aus der ersten Hälfte des zwölften Jahrhunderts. Abu Abdallah Mohammed, der Hamudit, gewöhnlich Edrisi genannt, vollendete im Jahre 1 1 5 4 am Hofe des Königs R o g e r von Sizilien sein berühmtes geographisches W e r k , und darin erzählt er wie folgt: „ E s war von Lissabon, von wo die Abenteurer abreisten, deren Unternehmen zum Z w e c k e hatte, zu wissen, was der Ozean verschliesst und welches seine Grenzen sind. E s besteht in Lissabon bei den Warmbädern eine Strasse, welche den Namen der Abenteurer trägt. Die Sache ging folgender Gestalt vor sich. Ihrer acht vereinigten sich, sämtlich Blutsvettern,

31 und nachdem sie ein Kauffahrteischiff erbaut hatten, nahmen sie W a s s e r und Lebensmittel ein, genug für eine Fahrt von mehreren Monaten. Bei dem ersten Wind aus Osten stachen sie in S e e . Nachdem sie elf T a g e lang, oder so ungefähr, geschifft hatten, kamen sie in eine S e e , deren dicke W e l l e n einen fauligen Geruch aushauchten, zahlreiche Steinklippen verhüllten und nur schwach erhellt waren. Aus Furcht unterzugehen änderten sie die Richtung ihrer S e g e l , liefen gegen Süden zwölf T a g e lang und berührten die Hammel-Insel, wo unzählige Heerden von Hammeln weideten, ohne Hirt und ohne Jemand, sie zu hüten. Als sie auf dieser Insel landeten, fanden sie eine Quelle fliessenden W a s s e r s und daneben einen Feigenbaum. S i e fingen und schlachteten mehrere H ä m m e l ; aber ihr Fleisch war so bitter, dass es unmöglich war, sich davon zu nähren. S i e nahmen nichts davon als die Häute, schifften wieder zwölf T a g e nach Süden, und erblickten zuletzt eine Insel, die bewohnt und angebaut schien. S i e näherten sich ihr, um zu wissen, was es dort gebe. Gleich darauf waren sie von Barken umringt, zu Gefangenen gemacht und in eine Ortschaft geführt, die an der Küste lag." „Sie landeten darauf bei einem Hause, wo sie Leute sahen von hohem W u c h s und von weiss-rötlicher Farbe, die wenig Z e u g anhatten, und das Haar lang" trugen, nicht kraus, und Frauen von einer seltenen Schönheit. Drei T a g e lang blieben sie gefangen in einer K a m m e r dieses Hauses. Den vierten sahen sie einen Mann kommen, der arabisch sprach und sie fragte: wer sie seien, woher sie gekommen und wo ihre Heimat sei. S i e erzählten ihm ihr ganzes Abenteuer. Dieser machte ihnen gute Hoffnung und liess sie wissen, dass er des Königs Dolmetscher sei. T a g s darauf wurden sie dem König vorgestellt, der

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dieselben Fragen an sie richtete, und dem sie antworteten, wie sie schon T a g s vorher dem Dolmetscher geantwortet: dass sie sich auf's Meer gewagt, um zu wissen, was es dort Besonderes und Seltsames geben könne, und um seine äussersten Grenzen festzustellen. Als der König sie so reden hörte, fing er an zu lachen, und sagte dem Dolmetscher: „Erkläre diesen Männern, dass mein Vater einst einigen von seinen Eigenleuten befohlen hatte, über dieses Meer zu fahren. Sie durchschifften es in seiner Breite einen Monat lang, bis, da die Helligkeit ihnen völlig mangelte, sie genötigt w a r e n , dieser eitlen Unternehmung zu entsagen." Der König befahl ausserdem dem Dolmetscher, die Abenteurer seines Wohlwollens zu versichern, damit sie eine gute Meinung von ihm fassten, und das geschah auch. Sie kehrten dann in ihr Gefängnis zurück und blieben dort, bis ein Wind vom Westen sich erhob. Man verband ihnen die Augen, liess sie in eine Barke steigen, und dann einige Zeit auf dem Meere treiben. „Wir fuhren," sagen sie, „ungefähr drei T a g e und drei Nächte, und wir berührten dann ein Land, wo man uns ausschiffte, die Hände auf dem Rücken gebunden, an einem Strande, wo wir verlassen wurden. W i r verweilten dort bis zum Sonnenaufgang in dem traurigsten Zustande wegen der Bande, die uns hart fesselten und uns sehr behinderten. Zuletzt, als wir Geräusch und menschliche Stimmen hörten, fingen wir alle an zu schreien. Da kamen einige Bewohner der Gegend zu uns, und als sie uns in einem so elenden Zustande fanden, banden sie uns los und richteten verschiedene Fragen an uns, auf welche wir durch Erzählen unserer Abenteuer antworteten. Es waren Berbern. Einer von ihnen sagte uns: „Wisst Ihr, welches die Entfernung ist, die Euch von eurem Lande trennt?" Und als wir das verneinten, versicherte er: „Zwischen dem

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Punkte, wo Ihr euch befindet und eurer Heimat gibt es einen W e g von zwei Monaten." D a sagte der Anführer der A b e n t e u r e r : wä asafi, d. h. O w e h ! desshalb heisst dieser Ort noch heutzutage Asafi." Diese höchst merkwürdige Fahrt muss schon vor 1147 stattgefunden haben, denn in jenem J a h r e wurden die Mauren aus Lissabon vertrieben. Man hat an der Wahrheit der Erzählung gezweifelt, und Peschel meinte: „ E s gehört einiger Mut dazu, diesen Bericht als Urkunde für einen Besuch atlantischer Archipelle zu betrachten." W o h e r sollte jedoch Edrisi den Bericht haben ? Denn unzweifelhaft hat er selbst ihn seinem W e r k e einverleibt. Edrisi aber, wenn er auch von einem Meer der Finsternisse, von Menschen mit Thierköpfen und von dergleichen im ersten T e i l e seines Buches berichtet, erweist sich nirgends als ein Mann, der eine Erzählung, wie die hier in R e d e stehende, leichtgläubig nachschreibt, sondern er prüft, misst und macht sich die S a c h e klar. • W i r haben uns auch nur an die Erzählung selbst zu halten, nicht daran, wie der Geograph sich damals die Dinge vorstellte. D e r Bericht selbst aber trägt eben nicht das G e p r ä g e von etwas Erdichtetem: bis ins Einzelne ist naiv geschildert. Auch wird die ganze Reise, wenn man einen Blick auf die K a r t e wirft und sich die unsichere Schiffahrt j e n e r frühen Zeiten vergegenwärtigt, wohl erklärlich. In elf T a g e n segeln die Abenteurer mit Ostwind bis in Gegenden der Azoren, dort scheint ihnen das Meer dick und faulig riechend, wahrscheinlich schwimmen vulkanische Auswürfe oder Massen von S e e t a n g am Ufer. S i e wenden die S e g e l und fahren oder kreuzen vielmehr zwölf T a g e lang südlich, bis sie zur Insel Madeira kommen, die damals wirklich noch unbewohnt war. S i e finden dort — das Einzige, was spätere Seefahrer nicht bestätigen — eine Menge Hämmel, deren unangenehm v. Löher, Kanarier.

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schmeckendes Fleisch sich aber durch die Nahrung von Bitterkräutern erklären würde; denn Aehnliches kommt auf den kanarischen Inseln auch vor. Noch mal zwölf T a g e fahren sie umher, bis sie auf Lanzarote oder Fuerteventura landen, und von da konnten S e e f a h r e r , die den W e g wussten, sie in weniger als drei T a g e n recht wohl nach A s a f i bringen an's Festland. W a s aber die Hauptsache: alles was die arabischen Abenteurer von der kanarischen Insel erzählen, von Wuchs und Haar und Hautfarbe sowie von den Häusern der Eingebornen, von welchen sie gutherzig, jedoch vorsichtig behandelt und endlich in der Nähe einer Stadt ausgesetzt werden, wo man sie am nächsten Morgen finden musste — das alles stimmt vollständig mit späteren Zuständen überein. E s fanden aber die Berichte Edrisi's wie anderer arabischer Reisender in den gebildeten Kreisen der Christen wenig Beachtung, und bei den Arabern selbst hiess es später, wahrscheinlich infolge der Erzählungen von Schiffern, die vergebens die Inseln aufgesucht hatten, diese seien vom Meere verschlungen und keine Spur mehr vorhanden. 2. B o c c a c c i o

1341.

Die kanarischen Inseln blieben mit ihrem Volk wieder über zweihundert Jahre lang hinter den Nebeln des Ozeans wie verschleiert. Zu Anfang des 14. Jahrhunderts scheinen, nach einer Notiz bei Petrarca zu schliessen, Genueser sie besucht zu haben. Die erste Nachricht wieder von ihren Bewohnern verdanken wir erst einem Tagebuche Boccaccio's, das sich auf der Bibliothek der Magliabecchi in Florenz befindet. Von Florentinern, die in Sevilla wohnten, kam ein Brief in ihre Vaterstadt über eine ferne Meerfahrt und, da Boccaccio, der Novellist, von allem Neuen und

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Wunderbaren sich angezogen fühlte, so schrieb er jenen Bericht ab, und zwar in sein Tagebuch, in welchem er aber erst 1827 entdeckt wurde. Wir erfahren daraus, dass im Jahre 1 3 4 1 zwei Handelsschiffe mit einem kleinen Kriegsschiff, welche der König von Portugal ausgeschickt hatte, zu den kanarischen Inseln kamen, die damals „die wiedergefundenen" hiessen. Nach der Erzählung des einen Kapitäns, da Recco, erschien die erste ganz felsig und bewaldet, aber voll von Ziegen und nackten Männern und Weibern von rohem Benehmen und Aussehen. Hier wurde gelandet und sammelte man viele Häute und T a l g , wagte sich jedoch nicht in's Innere. Auf der zweiten Insel, die grösser war, und Canaria hiess, strömte eine Menge Menschen beiderlei Geschlechts an den Strand, fast nackt alle. E s schienen aber einige vor den andern hervor zu ragen, bedeckt mit gelb und rot gefärbten Ziegenhäuten, die, so viel sich von weitem wahrnehmen liess, sehr zart und weich und künstlich genug aus Eingeweiden gesteppt waren. W i e es nach ihrem Benehmen schien, hatten diese einen Fürsten, dem Alle Ehrerbietung und Gehorsam bezeugten. A l s nun die Insel umschifft wurde, w a r sie auf der Nordseite viel besser, als auf der südlichen, angebaut, und man erblickte sehr viele Hütten, Feigen- und andere Bäume, Palmen ohne Datteln, wieder Palmen und Gärten und Kohl und Gemüse. Desshalb wurden von den Schiffsbuben fünfundzwanzig bewaffnet an's Land gesetzt. Diese wollten sehen, wer in jenen Häusern sei, und fanden darin etwa dreissig Menschen, alle nackt, die erschreckt, als sie die Bewaffneten erblickten, von dannen flohen. Diese aber eintretend, sahen jene Häuser aus Quadersteinen mit wunderbar geschicktem Kunstwerk gebaut und mit gewaltigen und überaus schönen Balken bedacht. Da sie die Thüren verschlossen fanden, und hineinblicken wollten, fingen sie 3*

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an, die Thüren mit Steinen zu brechen: darüber gerieten die, welche fortgegangen, in Zorn und fingen an, die Gegend mit dem heftigsten Geschrei zu erfüllen. Endlich brachen die Thüren ein und man trat in fast alle jene Häuser hinein, fand aber nichts darin, als trockene Feigen in Palmkörben, die gut wie die von Cesena, und viel schöneren Weizen, als unserer; denn er hatte längere und dickere Körner, und war sehr weiss; so auch die Gerste und anderes Getreide, von denen, wie man annahm, die Bewohner lebten. Die Häuser aber, gleichwie sie sehr schön waren, und die Dächer von den schönsten Balken, waren inwendig ganz weiss, als wären sie mit Gips geweisst. Ausserdem fanden sie ein Bethaus oder einen Tempel, in welchem aber durchaus nichts Gemaltes, noch eine andere Zier war ausser einer Statue aus Stein gehauen, die ein Menschengesicht hatte und in der Hand eine Kugel hielt, nackt, mit weiblichem Palmenschurz nach ihrer Weise die Schamteile bedeckt. Diese nahmen sie w e g und brachten sie zu Schiffe nach Lissabon bei der Rückkehr. Diese Insel ist vollauf bevölkert und bebaut, und ernten die Bewohner Korn, Getreide und Früchte und am meisten Feigen. Korn und Getreide aber essen sie entweder wie die Vögel, oder sie machen Mehl, das sie auch, ohne irgend Brot zu backen, geniessen, indem sie W a s s e r dazu trinken. Der Kapitän erzählte dann noch von mehreren andern Inseln, auf deren einer die Seefahrer grosse Holztauben fingen, während sie an einer andern nicht zu landen wagten, weil dort auf dem Gipfel eines dreissig tausend Schritte hohen Berges Rauch und Schnee eines Vulkans etwas Zauberhaftes darstellten. Ueber die Hauptsache, die Bevölkerung, erfahren wir noch, dass die Vier, welche bei der zweiten Canaria genannten Insel aus dem Meere gezogen und nach

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E u r o p a gebracht wurden, noch bartlos waren, schön von Antlitz und ausser einem S c h u r z von hängenden Palmblättern oder Binsen nackt g i n g e n , nur von langem, blonden H a a r bis zur Leibesmitte umhüllt. S i e hatten die G r ö s s e der S e e f a h r e r , starken Gliederbau, und waren kühn und tapfer und von grossem Verstände. Man sprach mit ihnen durch G e b e r d e n und ebenso antworteten sie. S i e sangen angenehm und tanzten fast nach französischer W e i s e , lachten und waren heiter und benahmen sich wie gute Bekannte. Wein mochten sie durchaus nicht, wohl aber Brod und F e i g e n und G e r s t e , sowie K ä s e und Fleisch. Ochsen, K a m e e l e , E s e l hatten sie nicht, wohl aber eine M e n g e von Z i e g e n , S c h a f e und W a l d e s e l . Goldund Silbermünzen w a r e n ihnen gänzlich fremd, ebenso alles G e w ü r z . Goldene H a l s b ä n d e r , hohle G e f ä s s e , D e g e n und S c h w e r t e r schienen sie niemals gesehen zu haben. Ihre T r e u e und Redlichkeit w a r offenbar sehr g r o s s : g a b man einem e t w a s zu essen, verteilte er es sofort in gleichen Teilen, ehe er davon kostete. Die verheirateten F r a u e n trugen nach Männerart Schamgürtel, clie Mädchen aber gingen ohne alles G e w a n d einher. E s galt bei ihnen das Zehnziffersystem, i hiess nait, 2 smetti, 3 amelotti, 4 acodetti, 5 simusetti. 6 sesetti, 7 satti, 8 tamatti, 9 aldamarava, 10 m a r a v a , ix nait marava, 1 2 smattamarava, 1 3 amierat marava, 1 4 acodat m a r a v a , 1 5 simuset m a r a v a , 1 6 sesatti marava. L e i d e r fand Boccaccio das Schreiben von mehr Ziffern zu langweilig und hörte hierbei mit A b schreiben auf.

3. Testament der dreizehn Spanier

1393.

E s w a r im J a h r e 1403, als Gadifer, der bevollmächtigte Bethencourts, des E r o b e r e r s von Fuerte-

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Ventura, an der Küste von Gran Canaria mit den Eingeborenen Handel zu treiben anfing-, jedoch mit seinemaus Franzosen und Spaniern bestehenden Schiffsvolk, als sie, um W a s s e r einzunehmen, an's Land wollten, wiederholt a b g e w e h r t wurde. A l s sie nun aus dem Hafen von Gando w e g s e g e l t e n , gewahrten sie einen Kanarier, welcher dem Schiffe nachschwamm, und als er näher kam, sie auf kastilianisch anrief. Sie Hessen ihn an Bord kommen, und er erzählte: er sei ein freier Mann von Geburt und aus der Ortschaft Niginiwada, w o vor 22 Jahren ein Schiff mit 36 Spaniern gescheitert sei. Dreizehn von ihnen seien noch lebendig' an's Ufer geworfen worden, der K ö n i g habe ihnen Freiheit und Frieden geschenkt, und sie hätten sieben Jahre lang in der Ortschaft ruhig gewohnt. Man habe sie nur die dreizehn Brüder genannt. Diese hätten ihn bekehrt und getauft, wobei sie ihm statt Tifetan, wie er ursprünglich geheissen, den Namen Peter beigelegt. Noch viele A n d e r e hätten sie in den Geheimnissen der christlichen Religion unterrichtet und sich sehr viele Mühe damit g e g e b e n . E s seien aber B i s k a y e r und Andalusier gekommen und hätten K r i e g angefangen, einige Wandschen getötet, andere fortgeschleppt. D a sei der Verdacht entstanden, Jene wären durch die dreizehn Kastilianer herbeigerufen und da habe man diese getötet. Einer von ihnen habe ihm eine Schrift geg e g e b e n , die er seit einiger Zeit im Säckchen auf dem Leibe getragen, um sie, wenn wieder ein Schiff" an die K ü s t e komme, abzuliefern. In der Schrift aber, als man sie getrocknet hatte und lesen konnte, stand folgendes: „ A m 5. Juli 1382 segelte das Schiff des Franz L o p e z von Sevilla nach dem Hafen von St. Lucar in Galicien, wurde durch schrecklichen Sturm an die W e s t k ü s t e von Gran Canaria verschlagen, w o von 36 Mann Besatzung nur wir dreizehn gerettet wurden: A n d r e a s Suarez, Johann

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Romero, Andreas Galindo u. s. w. An der Mündung der Schlucht Niginiwada wurden wir von den Eingeborenen ergriffen und in's Land gebracht vor den König, und, während wir Misshandlungen fürchteten, speisete er uns mit gebratenem Fleische, Honig und Mehl von gerösteter Gerste. Er gab uns die Freiheit und verbot bei Strafe all seinen Lehnsleuten, uns zu beleidigen oder zu belästigen. Es ist ein Volk, fromm, gutherzig und gehorsam seinem Könige. Denn sobald sie seinen Willen gehört, fehlten sie nicht dagegen, und gaben uns liebreich viele Ziegen, um sie aufzuziehen, wie sie es machen, und viele Gerste zur Saat. Männer und Frauen gehen gekleidet in weiche H ä u t e , und die Hemden sind noch weicher aus Palmenstoff. Sie rühmen sich, goldgelbes Haar zu besitzen. Die Volkszahl ist gross auf dieser Insel. Der Adeligen sind viele und vor allen ausgezeichnet durch ihre Trachten, und sie arbeiten niemals, denn das ist eine Schande für sie, und so bezahlen sie andere, die für sie säen und ihre Heerden hüten, und so unterhält jeder eine grosse Zahl von Hirten und von Dienstleuten für seine Ackerbaugeschäfte. Sie haben viel Regierung in ihrem Staatswesen, denn sie wählen in allen Ortschaften Fayacanes, die gleichwie Statthalter sind, die auch das Recht haben, einen Teil der Früchte einzunehmen, die sie jährlich zahlen. Sie werden bestellt durch den König, um junge Burschen und Mädchen zu vermählen, und die Verbrechen zu bestrafen, indem sie den Uebelthätern das Leben nehmen, die auf ihren Befehl ins Meer oder von den Felsen geworfen werden. Und da sie rechtlich sind in ihren Strafen, so leben sie alle ruhig und friedlich.



Die Berichterstatter.

E s ist ein sehr kriegerisches V o l k , und es kommt bei ihnen nicht vor, g e g e n die W a h r h a f t i g k e i t zu fehlen oder Verrat zu begehen, weil sie darin sehr empfindlich sind, ausserdem es streng bestrafen. W i r haben einige Knaben in der christlichen L e h r e unterrichtet und Kastilianisch zu sprechen, ohne dass sie verstehen, w a s sie sagen. E i n i g e haben wir getauft im Geheimen und haben das verhehlt, weil w i r alle G e f a h r laufen. Insbesondere einen Knaben von acht J a h r e n oder e t w a s mehr oder minder, der N e i g u n g b e k a m , uns zu dienen, genannt Tifetan im Kanarischen, behalten w i r in unserer Gesellschaft und haben ihn getauft und P e t e r genannt. W i r hoffen zu Gott dem Herrn, dass er ein guter Christ sein wird. A l l e auf dieser Insel w a r e n es, weil ihre Eingebornen g e l e h r i g und g e n e i g t sind zu guten Sitten, in dem, w a s sie als gut e r k e n n e n , und im Wohlthun an S c h w a c h e n . Die göttliche Majestät wolle uns g n ä d i g sein und uns zu unserer Heimat Spanien bringen, um unter Christen zu sterben. Elf J a h r e sind e s , dass w i r in G r a n Canaria w o h n e n , dreizehn S p a n i e r , in unserer Freiheit und schon einheimisch. Nun haben die Kanarier uns genommen und in Gemeinschaft mit uns sieben Spanier, vier aus G u y p u z c o a , und die drei aus Sevilla, die sie zu G e f a n g e n e n machten in dem K r i e g e , den ihnen zu machen kamen j e n e V ö l k e r in diesem J a h r e 1393, und sie halten uns in einem G e f ä n g n i s s e unter der E r d e : ich w e i s s nicht, w a s mit uns geschehen wird. W i r haben erfahren, dass sie viele Eingeborene dieser Insel w e g n e h m e n zu G e f a n g e n e n für Spanien, die sie auf andern Inseln sammelten, und auch auf dieser ; obgleich sie einen T u r m bauten, vertrieb die T a p f e r k e i t der Kanarier sie von der Insel. Und so schifften sich ein, die es konnten, obgleich sich ihrer nicht mehr sammelten, als ihrer Sieben, obgleich viele K a n a r i e r tot

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geblieben. Daher geht es jetzt mit unserm Leben zu Ende; denn die Kanarier sind sehr streng und vollziehen ihre Strafen unverbrüchlich. Bloss Peter, der Kanarier, bringt uns den Unterhalt und steht uns bei. Gott der Herr sei mit uns. Amen." So endet dieses Testament der dreizehn auf Gran Canaria gefangenen Kastilianer, das drittfrüheste Schriftstück, das wir über die Zustände der Wandschen besitzen, und zugleich eines der wertvollsten. Was aus den Dreizehn geworden, wurde niemals bekannt. Ohne Zweifel mussten sie es mit dem Tode büssen, dass einige von ihnen oder sie alle Anlass gegeben zur Herkunft von Menschenjägern, von denen die Wandschen viel Uebles erfuhren. Die Urkunde selbst fand sich in Archiven auf Gran Canaria, denen Castillo und spätere Schriftsteller sie entnahmen. 4. Bontier und Leverrier 1402 — 1406. Auf den kanarischen Inseln zeichneten von der ersten Stunde an, wo ein Teil von Europäern in Besitz genommen wurde, zwei gebildete und schreibgewandte Europäer alles auf, was sich dort zutrug oder bemerkenswert erschien. Es waren dies ein paar Geistliche, der Franziskaner Pater Bontier und der Weltpriester Johann, beide Kapläne des hochangesehenen normannischen Freiherrn von Bethencourt. Im Mai 1402 segelte er mit Verwandten und andern Edelleuten, achtzig Matrosen und zweihundert Mann Kriegsvolk nach den Inseln, um die Bewohner zu Christen und zu seinen Unterthanen zu machen. Er gründete sich in der That dort ein Königreich, indem er unter blutigen Gefechten die Herrschaft über Lanzarote, Fuerteventura und Ferro erwarb und Gomera wenigstens dem Namen nach hinzufügte. Vier Jahre später konnte er in fürstlichem Glänze als spanischer Lelms-

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könig zu Sevilla, Rom und Paris auftreten und alle Welt sprach von ihm. Seine beiden Geistlichen führten ein Tagebuch, in welchem sie in gutem Französisch über die schwierigen Unternehmungen, das Benehmen der tapfern Kanarier, die argen Händel unter den französischen Edelleuten berichten. W i r erfahren dadurch aus jener frühen Zeit nicht wenig über Natur und Anbau der Inseln, wie über die Sitten und Denkungsweise der Bewohner. Dieses Schriftwerk, le Canarien genannt, lag auf der Schlossbibliothek der Bethencourts in der Normandie, bis ein Späterer dieses Namens es nach 224 Jahren zu Paris drucken liess. Das Buch beginnt in der Vorrede und im ersten Kapitel gerade so, wie die von Froissard, Monstrellet, Commines und andern so hübsch geschriebenen geschichtlichen Denkwürdigkeiten, an denen die französische Literatur des fünfzehnten Jahrhunderts so reich ist. Die beiden Kapläne nennen sich Bethencourts Serviteurs, bei andern heissen sie seine Domestiques, und Leverrier sein Aumonier. Im ganzen Lauf ihrer Geschichte erscheinen sie als so treue Gefährten, dass man wohl annehmen darf, sie waren schon längere Zeit bei ihm zu Hause. Die vielerlei Fehler und Willkürlichkeiten in ihrer Schreibart, dass z. B. Orts- und Personennamen, die wir hier zuerst in Menge bei einander treffen, verschieden buchstabiert sind, fallen wahrscheinlich nicht ihnen, sondern den Abschreibern und Druckern zur Last. Wenigstens eine Stelle aus dem Buche möge hier Platz finden. Bethencourt's Kapläne, die der religiös gesinnte Mann stets hoch in Ehren hielt, machten ihm auch die Freude, dass sie einen Katechismus ausarbeiteten, „als ein paar Kleriker, die tüchtig genug und ihr Bestes thaten", — „gemäss dem geringen Wissen, das ihnen Gott gegeben".

43 In diesem ganz kurzen Abrisse des alten und neuen Testaments, der zehn Gebote und der Sakramente kamen hin und wieder wunderliche Dinge vor. Eva, die Mutter aller Lebendigen, nannte Gott der Herr Virago d. h. Frau aus meiner Seite. Nach dem Sündenfalle trafen die Schlange drei Flüche, Eva zwei, Adam einer. Die Arche musste Erzvater Noah aus viereckigen polierten Hölzern machen, und in- und auswendig mit Betun (Bitumen ?) bestreichen: denn dieses Betun ist ein Pech so stark und zäh, dass man zwei Stücke, die damit zusammengepasst und verbunden sind, durch keine Kunst wieder auseinander bringen kann, es sei denn durch das natürliche Blut der Frauenblüte, und man findet es schwimmen auf den grossen Seen Indiens. Der Katechismus legte viel Gewicht darauf, ob das Brot bei Christi Abendmahl gesäuert oder ungesäuert gewesen, begnügte sich aber von Christi Leben zu sagen: ,,Es gibt viele Sachen, die er sagte und that, die voll so grosser Geheimnisse sind, dass Keiner sie verstehen kann, wenn er nicht ein sehr grosser Geistlicher ist." 5. Hemmerlin um 1450. Zu den hergesetzten Berichten, die nur Natürliches und Wahrscheinliches enthalten, gesellt sich noch aus der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts ein anderer, als ein Beispiel wunderlicher Vorstellungen, wie sie damals ohne Zweifel viel im Umlaufe waren. Dr. Felix Hemmerlin, Stiftsprobst zu Solothurn, schrieb nicht lange vor 1450 ein Buch über den Adels- und Bauernstand, das in der Züricher Stadtbibliothek aufbewahrt und aus welchem in unsern Tagen folgendes gedruckt wurde. „Es habe ihm der Bischof von Tortosa erzählt, wie die im Jahre 1370 ,,wiedergefundenen Inseln"

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von aragonischen Seefahrern, die neun T a g e und Nächte lang auf eilender Flucht vor Seeräubern gewesen, angesegelt seien. Auf der ersten Insel waren Männer und Weiber umgürtet und umhüllt von blutigen Tierfellen, bellten wie Hündchen, wobei sie jedoch nach Art der Schweine sich gegenseitig deutlich verstanden, und hatten alle Gesichter gleichwie Affen. Vom Hunger getrieben näherten sich ihnen die Seefahrer. Jene waren höchlich verwundert, da weder sie noch ihre Eltern jemals solche Fremden oder Schiffe g - esehen hatten; gleichwohl, als sie sich überzeugten, dass die Ankömmlinge friedlich, nahmen sie aus menschlichem Gefühl dieselben auf, und als diese durch Geberde und Geschrei ihren Hunger kund thaten, brachten sie Ochsen, Schafe und Vögel herbei, Sie selbst assen das Fleisch roh, die Ankömmlinge aber kochten und brieten es in ihrem mitgebrachten G e r ä t e , nachdem sie es sorgfältig gesalzen, und während sie selbst von der gutbereiteten Speise assen, gaben sie den Eingeborenen davon mit, welche, als sie die wohlgekochte und so wohlduftende Speise kosteten, fröhlich wurden. Nachdem die Fremden so mehrere T a g e mit ihnen verkehrt hatten, kamen sie zu drei andern grösseren Inseln, nahmen ein paar von den Bewohnern mit sich und wurden dort ebenso gut empfangen, obwohl auf jeder Insel die Bewohner ihre eigentümliche Sprachweise hatten. Auf der fünften Insel, die sehr felsig war, zeigten die Eingeborenen solche Wildheit, dass die Seefahrer auf keinen Fall sich ihnen zu nähern w a g t e n , und dergestalt abgestossen kamen sie wieder nach der ersten Insel, und erwogen die tierischen Sitten aller, namentlich bei dem Essen, und auch, dass auf dem ersten besten öffentlichen Platze Männer und Frauen zur Begattung zusammen kamen, und die Frauen allen gemeinsam und nicht einem bestimmten Manne ange-

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hörten und ihre Sprösslinge gleichwie andere rohe Tiere nährten. Später hatte man auch erfahren, dass die Inselbewohner kein Sondereigentum kannten und alles bei ihnen gleichwie im Stande der Unschuld gemeinsam war. E s machten sich aber auf Grund der Erzählungen der Seefahrer Franziskaner, Landwirte und Handwerker aller Art nach den Inseln auf: da wurden deren Bewohner bald gebildete Leute und Christen, die Jünglinge lernten lesen, die Monogamie wurde überall eingeführt, und man lebte auf den Inseln gleichwie anderswo nach dem Sündenfalle."

6. Azurara 1453—1458. Der erste Archivar von Portugal, Gomez Eanez d'Azurara, erhielt von seinem König den Auftrag, eine „Chronik der Entdeckung und Eroberung von Guinea" zu schreiben, und wurde dabei geleitet vom Beirat des um die Entdeckungen zur S e e hochverdienten Prinzen Heinrich des Seefahrers. Wir finden darin auch folgendes: Im Jahre 1443 kamen zwei portugiesische Schiffe von der afrikanischen Küste, und als sie auf ein drittes stiessen, nötigten sie den Kapitän, sich anzuschliessen ihrer Fahrt nach Palma, wo sie Menschen fangen wollten, um sie als Sklaven mitzunehmen. Sie segelten zuerst Gomera an, wo die Bewohner in Menge an die Küste kamen zu freundlichem Verkehr, und mehrere auf ihr Bitten sogar halfen bei dem Angriff auf Palma. Hier aber flüchteten die Eingeborenen mit ihrem Vieh ins Gebirge, und sprangen über Felsen und Abgründe, und die Frauen, die Kinder an der Brust, machten es gerade so. Die J a g d ging bis in die Tiefen des grossen Bergkessels, der Caldera, die Angreifer wurden mit einem Hagel von Steinen über-

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schüttet, während die Wandschen mit wunderbarer Geschicklichkeit jedem Geschosse durch rasche Leibeswendung ausbogen. Zuletzt jedoch wurden 17 gefangen und mit 21 von Gomera, deren man sich durch List und B e t r u g bemächtigte, nach Portugal gebracht. A l l e s wunderte sich hier, mit welcher Zärtlichkeit diese W i l d e n an einander hingen und Eltern und Kinder sich nicht aus den A r m e n liessen. D e r edle Prinz Heinrich, empört über so viel Schändlichkeit, beherbergte die Entführten in seinem Palaste liess sie prächtig kleiden und in ihre Heimat zurückbringen. Diese und ähnliche Erzählungen entnahm A z u r a r a früheren und späteren A u f z e i c h n u n g e n , w o er nur etwas über die kanarischen Inseln finden konnte. Er beschrieb, so gut er konnte, sie alle mit ihren Bewohnern und finde hier noch P l a t z , w a s er über Gran Canaria mitteilt. „Von allen diesen Inseln ist die bedeutendste Gran Canaria. Sie hat 36 Meilen im Umfang, ihre Bewohner sind geistig begabt, aber w e n i g ehrlich. Sie glauben an das Dasein Gottes, der die Guten belohnt und die Bösen bestraft. Sie haben z w e i Fürsten, denen sie den Titel König und H e r z o g geben, aber die gesamte R e g i e r u n g der Insel ist in den Händen g e w i s s e r A d l i g e n , deren Zahl nicht unter hundert und nicht über zweihundert sein darf. W e n n fünf oder sechs von diesen A d l i g e n sterben, kommen die Andern zusammen, um die W a h l derjenigen zu treffen, welche die leeren Plätze einnehmen sollen, und die W a h l muss fallen auf Söhne von A d l i g e n in der W e i s e , dass die Zahl von hundert stets voll ist. Diese gehörend, niedrigeren und hüten

A d l i g e n werden betrachtet als zum Fürsten da sie niemals Verbindungen mit den Klassen eingegangen. Sie allein bewahren die Ueberlieferungen religiösen Glaubens,

47 wovon sie nichts gemein machen und andere nur glauben lassen, w a s ihnen gefällt. S i e haben Anspruch auf die Erstlinge der Jungfrauen, die sich nicht verheiraten dürfen, ohne diesem Gesetze genügt zu haben. Aber, ehe die Eltern sie dem Herrn anbieten, fetten sie dieselben mit Milchspeise, denn die fetten Frauen sind die weitaus beliebtesten, und erst wenn sie allen nötigen Umfang erlangt haben, bietet man sie dem Herrn dar. Findet dieser sie nach seinem Geschmack, so führen die Eltern sie zur Meeresküste, damit sie mehrmals sich baden, dann werden sie ihrem Herrn überliefert, damit er über sie bestimme. Die Kanarier verteidigen tapfer ihr L a n d ; sie sind gewohnt, mit Steinen und sehr kurzen Stöcken zu kämpfen; sie sind sehr kühn und von erstaunlicher Lebendigkeit. S i e gehen alle nackt und bedecken die Schamteile mit Palmblättern. S i e haben nicht Gold, nicht Silber und kennen kein Geld, keine Edelsteine, keine Feuerwaffen. S i e verfertigen jedoch Steinmesser und wissen H ä u s e r zu bauen. S i e schätzen sehr das Eisen, das sie mit ihren Steinmessern bearbeiten, und wovon sie Angeln machen. S i e bauen Weizen und Gerste, verstehen nicht Brot zu backen, aber sie machen Mehl, d a s sie mit Fleisch und Butter essen. S i e besitzen Feigenbäume, Drachenblut, Datteln, die nicht gut sind. S i e haben auch Schafe, Ziegen und Schweine. S i e rasieren sich mit scharfen Steinen. Die Kanarier verachten die Metzger: diejenigen, welche sich diesem G e w e r b e widmen, sind gering geachtet, und niemand möchte sie zu seiner Tafel ziehen. Durch Reiben von zwei Stücken trocken Holz sind diese Völker gewohnt, sich F e u e r zu verschaffen." Von Gomeras Bewohnern wird F o l g e n d e s berichtet: „ S i e haben keine Häuser und leben in Höhlen oder in Hütten. Eine der ersten Pflichten der Gast-

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Die Berichterstatter.

freundschaft bei diesem Volke ist, seine Frau seinem Gaste anzubieten, Ablehnung würde als ein Schimpf betrachtet. Auch erben die Kinder nicht, und ist dieses Recht den Neffen (Schwestersöhnen) vorbehalten. Die Bewohner von Gomera verbringen all ihre Zeit mit Singen und Tanzen : leben ohne zu arbeiten, Freude und Vergnügen ist für sie das höchste Glück. Sie befolgen kein Gesetz, nichts destoweniger glauben sie an das Dasein Gottes. Die Insel zählt 500 Krieger, unter denen man einen Herzog und gewisse Leute von hohem R a n g e zählt." E s liegt am T a g e , dass in diesen ältesten ausführlicheren Berichten über die Kanarier sich Wahres dick mit Falschem mischt. Man erkennt deutlich, wie vom Hörensagen allerlei Geschichten entstanden.

7. Bernaldez 1 5 1 3 . Unter den Geschichtschreibern, die am frühesten und meisten über die Kanarier berichten, nimmt Andreas Bernaldez eine Hauptstelle ein. E r stammte aus Fuentes, errang das Baccalauréat und die Stelle eines Hofkaplans des Erzbischofs von Sevilla. Alles Neue, was ihm geschichtlich von Bedeutung erschien, zog ihn an und am königlichen Hofe gewann er wie am erzbischöflichen Vertraute, durch welche er, wissbegierig wie er w a r , manches erfuhr, was anderen verschwiegen blieb, von ihm aber sorgfältig aufgezeichnet wurde. Auch bei Seefahrern und anderen Reisenden, welche die neu entdeckten Länder besucht hatten, erkundigte er sich nach dortigen Zuständen und Ereignissen : mit Columbus war er besonders befreundet. S o erwuchs allmählich seine „Geschichte der katholischen Könige Don Ferdinand und Donna Isabel", und darin war eine Reihe Kapitel den kanarischen Inseln gewidmet. Ueber die Landesnatur,

Die Berichterstatter.

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die religiösen Ansichten der Bewohner, die Händel der spanischen Generale finden wir besonders bei Bernaldez ausführlichen Bericht. Er erkundigte sich bei Leuten, die auf den Inseln gewesen, und las alles, was er in Schriften darüber finden konnte: jedoch ohne langes Prüfen mischte er Richtiges und Fabelhaftes unter einander. A u c h der Sprache widmete er Aufmerksamkeit und hat z. B. die Ortsnamen auf Gran Canaria in 66 Kapiteln in folgender W e i s e aufgezeichnet. „Telde, von wo sich nannten der König und ein Bischof. Galda, von wo sich nannten der andere König und der andere Bischof. Arajines. Themensay. Atrahanaca. Atairia. Atagad. Adfatagad. Fuvie. Artenaran. Afaganige. Aveaganigui. Arecacasumaya. Atasarti. A e v a g r a c a . Arbenugania. Arerehuy. Atirma. Aracuzem. Artubrirgains. Atamaraseid. Artagude. Aregayeda. Aregaldan. A r e a g r a x a . Areagamasten. Areachu. Afargad. Avehucas. Aterura. Atenoya. Aravemigada. Atevibiti. Arautiagada. A l l e diese Ortschaften waren bevölkert zu der Zeit, als die Eroberung begann." 8. Sebastian Frank 1554. Unter den Weltbeschreibern ist einer der verdientesten wie der frühesten der Donauwörther Sebastian Frank. In seinem 1534 zu Tübingen gedruckten „Weltbuch" musste er auch über die vielbesprochenen glücklichen Inseln sich vernehmen lassen und that es, indem er auch die über sie umlaufenden Irrtümer zusammenstellte, folgender Gestalt: „Von den zehen Inseln zu Canaria und yhren wunderbarlichen sitten und gewechsen. Von Madera bey .ccc. und .xx. meil weit stracks gegen dem Niderg a n g ligen die zehen Inseln Canarie, syben seind eingewonet, die drey ligen wüst, aus den syben seind vier eingewonet von Christen, die andern drey v. L ö h e r ,

Kanarier.

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Die Berichterstatter.

von Heyden, der Fürfürst der Christen ist genannt F e r r a r a , dem König von Hispania underworfen. Die speiss so die Christen daselbs mögen gehaben, ist brot von gersten, fleysch und milch gnug, besunder geyssfleysch. Haben weder wein noch korn, anders dann das man dahin bringt. Der Insel ist eine .xl. oder .1. meil von der andern über möhr, und ligen nach der schnür nach einander hinab gegen den nidergang von auffgang. Haben wenig frucht, sunst vil guts dings. Der wilden Esel ist die Menge allda, sunderlich in der Insel Ferro. Die Inseln heyssen mit nammen die erst Lanzaroto, die andere Forteuentura, die dritte Granchamaria, die vierdt Tenerisse, die v. Giemera, die sechsst Palma, die sybend Ferro. In disen Inseln wechsst das köstlich kraut Orisello, mit welchem man köstlich Violbraun färbt auff wullin tuch. Daher bringet man auch das gut leder Lorduam genant. Item seer gut käss. Die einwoner diser vier fürnempsten Inseln heissen Canary in sprachen also underscheyden, das wenig eine die antere vernemmen mag. Der Inseln hat keine kein gemaurt ort, sunder eittel Dörffer in gebürgen, haben aber feste porten und durchgang, gut für alle not und anleufif, also das man sy nit ee dann mit hunger bekriegen möcht in die lenge. Die geringest under disen hat unter .xc. meilen weit und lang nit umbfangen. Die drey Inseln aber, in welchen die Heyden wonen, seind grösser und vil bass besetzt. Canaria helt in sich bey acht tausent menschen. Tenerisse vermag bei .xv. tausent menschen. Palma hat fast wenig volcks, seind aber nit so gar der menge des volcks, als der gelegenheyt halb, gegen dem feind so trutzig und unuberwündtlich, das sy noch niemandt under die gehorsame und joch der Christen hat mögen bezwingen. Palma ist ein hohe Insel, so man auf erden finden mag. Diese kann man so es heyter ist, biss in zweihundert und fünffzig meil

Die Berichterstatter.

sehen, dann der höchst spitz der Insel, ist gleich als ein Diamant, und brennet stetigs, der obgenannt spitz ist biss indie sechtzig Welscher meil hoch. Welcher am gewaltigsten ist in diser Insel, der ist jr Fürst, haben auch zuzeitten krieg undereinander. Ire waffen seind krumme knüttel, steyn und kolben, etlich machen fornen daran ein scharpff Horn für ein eisen, damit würgen und stechen sy einander, andere waffen haben sy nit, geen allerding nackend, ausgenummen etlich, die decken sich mit zwo geyssheuten: eine fornen, die ander hinden hinab gehenkt. Haben yr eygne darzu gemachte salb, damit sy sich schmieren und grobe heut gewinnen, für alle kelte, wie wohl diser wenig allda ist, dann sy lencken sich gegen dem mittag. Sy baben gar kein wonung noch hauss, dann gegrabne löcher und höline in den bergen. Geyssmilch und fleysch, Item gerstenbrott ist yr narung, haben auch etlicher guten frücht den überfluss, sunderlich der Feygen. Bringen yhren habern in Mertzen und Aprillen ein. Betten mancherley zeychen des himmels an. Etlich die Sunn, ettlich den Mon mit yhren eygnen Ceremonien, davon lang wer zu sagen. Nemmen weiber so vil sy wollen, jedoch beschlafft keiner sein braut, sy sey dann zuvor die erst nacht bey yhrem Fürsten geschlaffen, der muss yhr die jungfrawschaft nemmen, das ist dem Breütgam auch und braut ein grosse eer. Die Christen aus den vier Inseln überfallen dise drey oflft onuersehen bei nacht, rauben bald etlich gefangene, damit auf das schiff und davon, die verkauften sy nachmals inn Hispaniam oder sunst zu ewiger dienstbarkeyt auf das mör, ergreifft man sy aber darob, so tödtens die Heyden nicht, sunder nemmen sy gefangen, müssen yhre geyss schinden, stechen und fleisch machen, das ist gar ein uneerlich handtwerk bey yn. So ein neüwer fürst antritt in das regiment, so ist yr brauch, das sich allveg 4*

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Die Berichterstatter.

eines zu eeren und triumph dem neuwen Regenten, willig" in den todt gibt, da zeucht die gantz gmayn hinaus in ein tal, so steet der wagenhalss auf einem hohen gehen berg, treibt ettlich apparat und wort zu eeren dem Fürsten mit eer entbiettender geberd, und verstürzt sich in das tal, das er zu stucken feit. Nachmals ist der Fürst des verstorbenen freunden vil guts zu beweisen schuldig. Es seind auch die einwoner diser Insel gar kostlich gutte Springer, springen auff den bergen wie die Kitzlin und Gempsen, barfuss von einem schrofen zu dem andern, das ein wunder ist zu sehen und schier ungleüblich. Auch werffen sy grosse steyn schier wa sy hin wollen, so krefftig das zu wundern ist, haben wundergrosse stercke, und seint in summa die aller thätigsten leut zu werffen, springen, ringen etc. das einer in meiner gegenwertigkeyt wolt mit dreyen wetten, er wolt yedem zwölff Pomerantzen geben, er vor yhm auch zwölff haben und solten acht oder zehen schritt von ym steen, so wolt er sy all treffen und mit keiner fälen, und yr keyner solt yn treffen anders dann an sein handt, wolt die würff all mit der Hand auff fahren, aber keiner wolt mit ym wetten. Wie die unsern getheylte kleyder etwa tragen, also lassen diese sich ettwa, so sy prangen wollen, an dem leib malen, mit safift, grün, rot, und geel, das ist ein wolstand bei yhn." 9. Espinosa 1590. Nach diesen Schriftstellern, welche im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert sich gelegentlich, und wohl auch mit innerem Anteil, über die kanarischen Inseln vernehmen liessen, treten im siebzehnten Jahrhundert vier andere auf, die sich forschbegierig in die Geschichte und Altertümer ihrer Bevölkerung versenken und jeder ein Buch davon schreiben. Ihnen geht ein Genosse ganz am Ende des sechzehnten

Die Berichterstatter.

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Jahrhunderts voraus und folgen noch zwei im achtzehnten, die ebenfalls nicht bloss ein paar Seiten oder Blätter, sondern jeder ein Buch über kanarische Geschichte verfassten, und in reicher Fülle Thatsachen berichten, wie wir sie bei keinem Andern finden. Diese Sieben sind sämtlich auf einer der kanarischen Inseln geboren oder wohnhaft geworden und wurden deshalb für ihre schöne Heimat mit Liebe, ja mit Leidenschaft erfüllt. Jener Erste war Alonzo de Espinosa, der, aus Spanien gebürtig, in Wimar auf Teneriffa als Predigermönch lebte. Dort w a r , als die Spanier den Eroberungskrieg begannen, ein Holzbild der Jungfrau Maria, von wunderbaren Sagen begleitet, an die Küste geschwommen, woran sich die Thatsache knüpfte, dass die Anwohnenden Christen und Anhänger der Spanier wurden und deshalb von diesen mildere Behandlung erfuhren, als alle andern Kanarier. Espinosa wollte gründlich den ganzen Hergang beschreiben, und wurde dabei angezogen von den öffentlichen und häuslichen Zuständen der Wandschen. Schon im Jahre 1594 wurde sein Buch in Sevilla gedruckt unter dem Titel: „Von Herkunft und Wundern des heiligen Bildes unserer Frau von Candelaria, das auf der Insel Teneriffa erschien, nebst Beschreibung dieser Insel." Im ersten Buch schilderte er die Insel selbst, das Staatswesen, die Sitten, Tracht und Bräuche der Bewohner, — im zweiten alles, was sich bei der Erscheinung des Bildnisses zugetragen, — im dritten, wie die Eroberung von Teneriffa, die Landesteilung und die Einrichtung des öffentlichen Wesens vor sich ging. Da Espinosa's Buch, das früheste seiner Art, und sein Gegenstand von besonderer Anziehung war, sein Verfasser auch den Eindruck machte, dass er es gründlich und ehrlich meinte, so erhielt es grosse Verbreitung.

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Die Berichterstatter.

10. V i a n a

1604.

Schon vierzehn Jahre später erschien zu Sevilla im Druck ein W e r k in Versen von ebenso geschichtlichem als poetischen Gehalt. Der Verfasser, Antonio de Viana, war 1578 in Laguna, der alten Haupt- und Universitätsstadt von Teneriffa, geboren und, durch Espinosa's Buch angeregt, lebte er sich frühzeitig in die Geschichten ein, welche einst auf dieser Insel sich abspielten, untersuchte deren Oertlichkeiten, und machte ausgedehnte Studien, in alten Schriften und Archiven. In letzteren lagen die alten Landtafeln, Schenkungsbriefe, Tausch- und Kaufverträge über Wälder und Ländereien, sowie die Urkunden über die Gründung von Städten, Bistümern, Klöstern und Pfarreien, und nicht minder die Akten der Prozesse, mittelst deren Gerichte und Inquisition wahre Verheerungen unter den Besiegten anrichteten. Allein mit ihrer wahren Geschichte sollte sich zugleich die strahlende Schönheit der vielgeliebten Heimat verschmelzen. Viana's Epos gehört an Reiz der Sprache, wie an Adel der Gesinnung zu dem Besten, was die spanische Poesie hervorgebracht. Mitten aber in blühender Schilderung schlug dem jungen Dichter sein historisches Gewissen: er beschreibt ängstlich genau die Oertlichkeiten und füllt seine G e s ä n g e auch wohl breit und trocken mit dem Inhalt der Urkunden. Leicht sind daher die Reden, die Liebesgeschichten, und so viel Kleines und Einzelnes in den Begebenheiten auszuscheiden: das gehörte zur poetischen Ausschmückung. W o es sich aber um eine Thatsache handelt, die in der Geschichte irgendwie Bedeutung hatte, da ist sie mit strenger Wahrhaftigkeit dargestellt. Besonders wertvoll aber ist das W e r k durch die Wörter und Formeln aus der kanarischen Ursprache,

55 die nur bei Viana sich reichlich finden, sowie deren richtigere Schreibung. W ä h r e n d andere spanische Schriftsteller sie bloss nach dem Gehör in ihre gewohnte Laut- und Schreibweise hineinzwängen und auch nach Belieben daran mäkeln und ändern, ist Viana ersichtlich bemüht, genau und vollständig wiederzugeben, was ihm aus der Sprache der Wandschen überliefert worden. i i . Galindo

1632.

E s w a r von hohem Wert, dass der Franziskaner Juan da Abrei Galindo aus Andalusien auf die Insel Palma kam und dort, als er so Vieles und Widersprechendes über ihre früheren Bewohner hörte, von dem Verlangen ergriffen w u r d e , der S a c h e auf den Grund zu gehen, die Geschichte der einen kanarischen Insel nach der andern, die Schlachten, das Auftreten der Feldherrn, und besonders die Sitten und Gewohnheiten der Wandschen, von Heirat und Kindererziehung angefangen bis zum Begräbniss, der Wahrheit gemäss darzulegen. Ohne ihn würden wir unvergleichlich weniger davon wissen. Sein Buch „Geschichte der Eroberung der sieben kanarischen Inseln", das er 1 6 3 2 zum Druck vollendete, blieb aber unbeachtet in einem Kloster liegen: wahrscheinlich w a r der Verfasser, ehe er in Spanien einen V e r l e g e r fand, gestorben. Erst hundert und dreissig J a h r e später wurde von Palma das Schriftwerk an den Bischof nach Gran Canaria geschickt, und hörte zum Glück der Engländer G e o r g G l a s davon, der sich auf den Inseln aufhielt. Dieser liess es sich abschreiben und veröffentlichte es in englischer Uebersetzung. Erst in unsern T a g e n erschien das Buch in der spanischen Ursprache, und z w a r in der Hauptstadt von Teneriffa. A u s s e r den Berichten der frühesten Seefahrer, sowie der beiden

56 französischen Geistlichen und den nur zu kurzen Aufzeichnungen Espinosa's, ist dieser Franziskaner aus Andalusien, der auf der Insel Palma lebte und schrieb, für die Altertümer der Wandschen die reinste wie die vorzüglichste Quelle. Sein Stil ist schlicht und ruhig, fliesst durchsichtig klar dahin und verräth ebenso viel Natürlichkeit, als Schärfe im Denken. In historischen Fragen war Galindo wohl bewandert, und wir dürfen ihm, wie auch anderen spanischen Geschichtschreibern seiner Zeit, eine gute gelehrte Bildung zuschreiben. Ueberall merkt man, wie er vorsichtig prüfte, verglich und e r w o g , bis er mit ordnendem Verstände die Dinge zurecht legte. Seine Quellen waren ausser Büchern und Handschriften, die er sorgfältig durchstudierte, das Gedächtniss der Greise und die Nationallieder der Wandschen. Er hörte die alten Leute ab, was diese noch von der Geschichte und dem Leben und Treiben ihrer Vorfahren inne hatten. Wussten sie aber selber noch gut Bescheid? Die Eroberung der Inseln schloss in der Hauptsache kurz vor Anfang des Reformationsjahrhunderts ab: es lebten also die Männer, die in ihrer Jugend gegen die Spanier mitkämpften, noch etwa bis zur Mitte jenes Jahrhunderts und noch darüber; denn in der heilsamen Luft der kanarischen Inseln wird man alt. Natürlich unterrichteten sie ihre Söhne und Enkel noch ordentlich in den Sitten, Anschauungen und Einrichtungen ihres Volkes, und diese Söhne und Enkel waren es, die Galindo im ersten Drittel des folgenden Jahrhunderts abfragte. W i r können auch nicht zweifeln, dass seine Gewährsleute noch selbst an den Uebungen des alten Rechts und Gerichts, an den Volksfesten und Kampfspielen teilgenommen. Denn das erlosch ja ebensowenig gleichwie die Sitte des Hauses und der Familie. W a r e n ja doch die Wandschen nur als ebenbürtige Unterthanen des Königs

57 neben die Spanier g e t r e t e n ! Christliche Religion und Bräuche und einige spanische Gesetze hatten sie angenommen; im übrigen war niemals R e d e davon gewesen, dass sie ihren sonstigen nationalen Sitten und Einrichtungen entsagen sollten. Wieviel auch daran durch Christentum, Kultur und spanisches Regiment zerbröckelt und weggeschliffen wurde, wenigstens lebhaftes Andenken an das geliebte Alte dauerte fort. Sollten z. B . die alten Sachsen hundert J a h r e nach Karl dem Grossen schon ihre Familiensitte, ihr R e c h t , ihre nationale Anschauungsweise abgestreift haben? Blickt j a auf den westfälischen und friesischen Bauernhöfen germanische Sitte und Denkungsart uns noch mit offenen Augen an. Die bäuerliche Bevölkerung aber auf T e n e r i f f a , Gomera, Palma, Kanaria hält noch heutzutage in T r a c h t und Lebensweise, in Aberglauben und Kindererziehung zahllose kleine S t ü c k e aus der Vergangenheit ihrer Vorfahren fest. Galindo widerspricht früheren Augenzeugen nur dort, wo sie in Einzelheiten offenbar irrten. Im Uebrigen empfangen sie durch ihn ihre Erklärung und Ergänzung. S t e t s gibt er nur das Nötige, und auch dieses nur in knapper W e i s e . Um Ausmalen und Ausschmücken ist es ihm nicht entfernt zu thun. W o er nicht sichere Kunde hat, schweigt er. W o das Nationale bei den Wandschen bereits erblasste, wie z. B . in religiösen Dingen, merkt man es auch sofort an Galindo's Darstellung. W a s ihm besonders zu Hilfe kam, war der Reichtum an Volksliedern, welchen die W a n d s c h e n noch hatten. E r merkte bald den klaren historischen Kern, der darin zu finden, und nicht wenige seiner schönsten und anschaulichsten Erzählungen sind offenbar nichts anderes, als W i e d e r g a b e der alten Gesänge.

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12. Nuñez de la Peña 1 6 7 6 . „Eroberung und Altertümer der kanarischen Inseln und ihre Beschreibung, mit vielen Berichten über ihre Rechte, Eroberer, Ansiedlungsgründer und andre Eigentümlichkeiten in der grossmächtigen Insel Teneriffa, gewidmet dem wunderthätigen Bildniss unserer Frau von Candelaria, verfasst vom Lizentiat Don Juan Nuñez de la Peña, beheimatet auf der genannten Insel Teneriffa in der Stadt Laguna." S o lautete der Titel eines dicken, in Madrid 1676 gedruckten Buches, dessen Verfasser sich durch Gelehrsamkeit und grossen Sammelfleiss auszeichnete, aber nur im geringen Masse eines Geschichtschreibers Urteil und Umsicht, noch weniger Vorsicht besass. E r zählt selbst 21 Bücher über die kanarischen Inseln auf, die seit der päpstlichen Belehnung des Grafen de la Cerda erschienen; leider fehlen unter ihnen die trefflichen W e r k e von Galindo und von Bethencourt's Kaplänen. Nuñez machte auch mit dem Bischof Ximenez eine grosse Reise durch alle die kanarischen Inseln, besuchte die Archive in jeder Stadt, die Bibliotheken in jedem Kloster, und verschaffte sich, worauf nicht wenig Gewicht zu legen, Urkunden aus den Bücherkammern der alten, vornehmen Familien. S o gelang es ihm, nicht nur alle Truppenführer, Beamte und Geistliche, die sich auf den Inseln einen Namen gemacht, sondern auch Diejenigen, denen von der Regierung Ländereien, Baustellen oder Brunnen zugeteilt wurden, aufzuführen. Mit Namen werden ausser dem Bischof, den Kirchen und Hospitälern, dem Herzog von Medina Sidonia und dem Adelantado von L u g o nahezu tausend Grundherrn aufgeführt, den vornehmen Familien selbst Beschreibungen ihrer Wappen beigegeben. Hin und wieder sind auch alte Urkunden mitgeteilt. Selbstverständlich fehlen

59 nicht die Wunder des Candelariabildes. Geschichtliche Ereignisse dagegen sowie kulturhistorische Denkwürdigkeiten, die Nunez aus Schriften oder durch mündliche Mitteilung erfuhr, nahm er ohne nähere Prüfung für richtig an. E s kam eben darauf an, ob es in einer Familie noch alte Erwerbsurkunden gab oder ob ein Vorfahr dagewesen, der sich Sachen, die ihm wichtig erschienen, aufgezeichnet hatte.

13. Sosa 1678. Zwei Jahre nach dem W e r k e von Nunez erschien von einem andern Kanarier eines unter noch längerem T i t e l : „Ortsbeschreibung der glückseligen Insel Gran Canaria, Haupt des Bezirkes der ganzen Provinz der sieben Inseln, gewöhnlich die glückseligen genannt: ihr Altertum, ihre Eroberung und Angriffe, ihre Häfen, Küsten, Festungen und Schlösser mit gewissem Bericht ihrer Verteidigungen, geschrieben in der viel edlen und vielgetreuen Stadt de las P a l m a s , von einem ihrer Söhne in diesem Jahre 1678." Der Verfasser, Joseph von Sosa, war Franziskaner und widmete das Buch seinem Ordensvorstande. Diesem Hauptwerk über die Insel Gran Canaria lag ein älteres aus dem Anfang des sechzehnten Jahrhunderts zugrunde, das nach den Berichten verfasst war, welche mehrere Anführer der Eingeborenen über ihren fast hundertjährigen Unabhängigkeitskampf gegeben hatten. Der neue Bearbeiter erwies sich als ein ebenso ernster wie geschickter Forscher. Im ersten Buch beschrieb er all die Unternehmungen der spanischen Generale, im zweiten gab er eine Art kurzer Geschichte der 29 kanarischen Bischöfe und der zwölf Generalstatthalter, im dritten fügte er über die Eigenschaften und Sitten und Bräuche der Wandschen wertvolle Bemerkungen hinzu, durch welche manches Vorurteil zerstört wurde.

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Die Berichterstatter.

14. C a s t i l l o

1737.

Zu seinem Vollnamen Peter Augustin von Castillo unterliess er nicht Ruiz de V e r g a r a beizufügen, denn er stammte aus einer vornehmen Familie auf G r a n Canaria, stieg empor zum Kapiteldekan und durfte seine „historische und geographische Beschreibung der kanarischen Inseln" dem Prinzen von Asturien widmen. Castillo's besonderer Vorzug ist, dass er nicht nur alle Schriftsteller, die über kanarische Inseln geschrieben, einerlei ob sie auf letztern oder in Europa wohnten, kennt und benutzt, sondern dass er sie auch sämmtlich mit den betreffenden Stellen ihrer Bücher anführt. Die Franzosen Bontier und Leverrier, den Engländer Scory, Espinosa, Galindo und Nunez und viele Andere hat er fleissig benutzt, teilt auch, z. B. von dem Dichter Figueroa, Verse mit, nur Viana kannte er nicht. E r forschte aber auch selbst in den Urkunden der Archive, wobei ihm vorzügliche Dienste leistete ein „Memorial der H e r r e n von Fuerteventura". S o r g s a m verfolgt Castillo die geschichtlichen Ereignisse, die sich von Bethencourt's Ankunft an auf der Insel zugetragen, und lässt es auch an geographischen Beschreibungen nicht fehlen. 15. V i e r a 1 7 73Noch weit übertreffen wurden die beiden letztgenannten Forscher durch Joseph von Viera y Clavigo, den Archidiakon von Fuerteventura und Domherrn von Gran Canaria. Vier Q u a r t b ä n d e arbeitete er aus, die in Madrid g e d r u c k t wurden, und welche er in seiner Bescheidenheit Noticias, „Nachrichten zur allgemeinen Geschichte der kanarischen Inseln" nannte. Er hatte sich ernstlich vorgesetzt, alles gründlich zu untersuchen, was von ihrer Geschichte überliefert

Die Berichterstatter.

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worden, und diesem Vorsatze blieb er ein Jahr wie das andere treu. Mit der lebhaften Heimatsliebe, welche das Herz jeden Kanariers wärmer schlagen macht, stellten ihm die Regierung, die Magistrate, die vornehmsten Familien ihre Urkunden, Akten und Bücher zur Einsicht, und sein Fleiss ermüdete nicht, das Grösste wie das Kleinste durchzuarbeiten. Unparteiisch, voll strengen Rechtsg'efühls, ohne Vorliebe für dies oder jenes, ergründete er die Wahrheit, diese aber vollständig. Sein Mitgefühl aber für die edlen Eigenschaften und Handlungen der Wandschen bricht überall durch, und nichts liegt ihm ferner, als es zu machen wie andere Spanier, welche die unnötigen Grausamkeiten ihrer Landsleute beschönigten. Da zu diesen Vorzügen Viera's heller Verstand, reiche Geschichtskenntniss, und ein leichter lebensvoller Stil hinzukamen, so vollendete er ein W e r k , das für die Geschichte der kanarischen Inseln von grösstem und bleibendem W e r t e ist. Im Übrigen, so schön sein Stil und seine edle patriotische Wärme, geht es ihm wie fast allen, die über die alten Kanarier geschrieben. Dieses Volk war schon in frühester Zeit ein anziehendes Rätsel, jeder machte sich seine eigenen Gedanken, und wer gar über sie schreiben wollte, ging mit einem gewissen Vorurteil daran. Entweder waren sie ihm amerikanische W i l d e , oder Patriarchen und Heroen, oder idyllische Schäfer, oder endlich eine Art veredelter Berbern. Demgemäss färbte sich sein Stil und modelte er an den Wörtern, die er aus ihrer Sprache mitteilte. Das ist auch noch bei den Neueren, dem Franzosen Berthelot und den Deutschen Minutoli und Bolle, deutlich zu merken. Eine Ausnahme machte, wie erwähnt, fast nur Galindo.

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i6. Noch andere Berichterstatter. Es sind nun die hauptsächlichsten Berichterstatter dargestellt. Bezüglich der übrigen wird es genügen, wenn kurz ihr Buch und seine Entstehungszeit angezeigt wird, und z w a r in den drei Gruppen der Geschichtschreiber, Entdeckungserzähler und Erdbeschreiber. • G e s c h i c h t s c h r e i b e r : P u l g a r : Chronik der Könige Ferdinand und Isabella von Kastilien und Aragonien, um 1490. N e b r i s s e n s i s : Thaten von Ferdinand und Isabella, Spaniens hochbeglückten Königen, 1509. M a r j n e u s S i c u l u s : D e n k w ü r d i g e Ereignisse Spaniens, 1539. L[as C a s a s : Allgemeine Geschichte der Indier, 1527 ff. C a s t e l l a n o s : Elegien berühmter Männer, 1589. P e t e r v o n M e d i n a : Grössen und Denkwürdigkeiten von Spanien, 1595. L o p e z de V e g a : Die berühmte Eroberung der Guanches von Teneriffa und die Eroberung von Canaria, 1621. C h r i s t o v e l d e l a C a m a r a : Synodal-Satzungen des Bistums von Gran Canaria, 1634. A u c h Gomera, Herrera, Mariana, Garibay und die andern spanischen Geschichtschreiber im Zeitalter der grossen Entdeckungen Hessen sich natürlich nicht entgehen, w a s auf den kanarischen Inseln geschah. E n t d e c k u n g s e r z ä h l e r : C a d a m o s t o : 1455 in Ramusio's Buch der Schifffahrten und Reisen, 1455. P e t r u s M a r t y r : Von den ozeanischen D i n g e n und dem neuen Weltteil, 1516.

Die Berichterstatter.

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N a v a r r e t e : Sammlung der Reisen und Entdeckungen, 1475 ffT h o m a s N i c o l s : Beschreibung der glücklichen Inseln, sonst die kanarischen Inseln genannt und ihrer seltenen Früchte und Gelegenheiten, um 1560 unter Hackluyt „Hauptreisen". B a r r o s : Asien, Thaten der Portugiesen bei Entdeckung und Eroberung von Meeren und Ländern im Orient, 1 5 6 1 . E r d b e s c h r e i b e r : J o h. B ö h m : Repertorium von aller Völker Brauch, 1520. B e n z o n i : Neue Geschichten der neuen Welt aus den Aufzeichnungen des Mailänders Benzoni, der vierzehn Jahre diese Länder bereiste, 1541. T h o m a s M ü n s t e r : Cosmographey, 1555. T h e v e t : L e s singelaritez de la France antartique (Anvers 1558), darin des Verfassers Reise durch die kanarischen Inseln, 1555. T h a m a r a : Bräuche aller Völker der Welt und der Indier, 1556. E s bedarf kaum der Bemerkung, dass die 17 Bücher, welche in diesem Paragraphen aufgeführt sind, über die Kanarier bald nur ein paar Blätter, bald nur ein paar Seiten enthalten. Das Meiste steht schon in Schriften, die früher erschienen. Gleichwohl müssen auch die Siebzehn durchgegangen werden, weil sich manches sonst Zerstreuete darin findet, und hin und wieder auch eine Bemerkung, die E r w ä g u n g verdient. Selbstverständlich ist gar viel Fabelhaftes in diesen Büchern zusammengetragen, besonders bei Cadamosto, nach ihm bei Benzoni, und gerade diese W e r k e waren, weil schön geschrieben, in vielen Händen und gern gelesen. Durch sie besonders wurde all der Aberglauben über die Wandschen verbreitet,

64

Die Berichterstatter.

wie vom Recht der ersten Nacht und der Dreimännerehe, wovon natürlich gar nicht mehr die Rede war, als man die Inseln näher kennen lernte.

17. Erforscher von Einzelheiten. Eine Menge Schriften über die kanarischen Inseln und die Wandschen rührt nicht her von eigentlichen Berichterstattern, nämlich von solchen, die aus dem Munde von Augen- und Ohrenzeugen oder deren Gewährsmännern oder unmittelbar aus sicheren Urkunden ihren Stoff erhielten. Ihre Verfasser beschäftigten sich vielmehr mit F r a g e n , die sie selbst aufwarfen zur Klärung der Geschichte und Kultur der Urbevölkerung. Schriften dieser Art haben für uns deshalb nur in zweiter Linie einigen Werth. S o untersuchte in seinem Buche „Vorzüge und Altertümer der kanarischen Inseln", das 1679 zu Xerez de la Frontera gedruckt wurde, der Jesuit L u d w i g v o n A n c h i e t a , gebürtig wie Nunez aus Laguna auf Teneriffa, den Ursprung der Inselnamen. S o gelehrt er war, so viele Vermutungen sprossten ihm auf, der Pic von Teneriffa wurde ihm zum Atlas der Alten und die T h ä l e r , welche den B e r g umgeben, zu den Gärten der Hesperiden. Ein J o s e p h A n c h i e t a v o n A l a r c o n verwandte um Mitte vorigen Jahrhunderts seinen Scharfsinn darauf, in „Berichten über die kanarischen Inseln" das Staats- und Rechtswesen der Wandschen bis ins Einzelne hin zu entwikeln. G a r c i a d e l C a s t i l l o aus Teneriffa, anfangs Offizier, später Geistlicher, verfasste etwa fünfzig Jahre früher ein Buch „Altertümer der Insel Ferro", um den berühmten Wasserbaum derselben darzustellen. Darüber schrieb auch um dieselbe Zeit ein hoher Staatsbeamter, A n t o n P o r l i e r , der sich in andern Abhandlungen über die Urbevölkerung in frühester Zeit und die An-

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fänge der spanischen Eroberung aussprach. Auch der Engländer E d u a r d S c o r y suchte über die Bewohner der kanarischen Inseln Licht zu verbreiten. Unter den Neueren machten sich neben G l a s am verdientesten B a r k e r - W e b b und S a b i n B e r t h e l o t . Der schon erwähnte Uebersetzer von Galindo's hochverdientem W e r k e fügte zu seiner 1764 zu London erschienenen Ausgabe ausführliche und wertvolle Erörterungen über die Wandschen und ihre Wohnsitze hinzu. Die beiden Andern gaben in drei Quartbänden (Paris 1839—1842) eine bedeutende Fülle alles dessen, was aus Vergangenheit und Gegenwart der kanarischen Inseln irgendwie wissenswert erscheinen kann.

v. Löher,

Kanaricr.

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Der letzte Normanne.

Drittes

Kapitel.

Der letzte Normanne, i. Ein reizvoll Abenteuer. E s kommt nicht selten in alten Geschlechtern vor, dass ein später Sprössling erscheint, der einem Urahn so ähnlich ist in Gestalt und Aussehen und Benehmen, als wäre er ihm aus den Augen geschnitten. S o sollte auch die Normandie im letzten Jahrhunderte des Mittelalters noch einen Helden erblicken, der ganz wie in grauer Vorzeit ein germanischer Seekönig eines T a g e s sein Schiff bemannte, Gefolge, W a f f e n und Proviant hineinschaffte und von dannen segelte, um in fernen unbekannten Meeren sich ein fabelhaftes Königreich zu erobern. Die Fahrt ging nach den kanarischen Inseln. Im Altertum hatten sie den Ruhm als Sitz der Glückseligkeit, allein sie waren hinter den dunstigen Schleiern der S e e verschwunden; erst um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts fing man von ihnen zu reden an als von den »wiedergefundenen Inseln«, und seitdem verbreitete sich lebhafter die Kunde, wie dort alles so köstlich und wunderbar sei, und wie immer mehr Schiffe hinsegelten, die goldwertes Drachenblut holten und schöne starke Menschen, die sich als Sklaven b e s s e r verkauften, als die besten AraberR o s s e . Habe doch auch der Papst schon einen Grafen zum Könige dieser Inseln gesalbt, welchem die Eroberung nur nicht habe glücken wollen.

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Davon war nun viel Redens auch auf dem Grainviller Schlosse in der Normandie, wo man allerlei Bücher voll Geschichten und wissenswerten Dingen hatte, und ein paar Geistliche, der Franziskaner Peter Bontier und der Weltpriester Johann Leverrier, dem Burgherrn oft aus den Chroniken von den berühmten Thaten seiner Vorfahren, den alten Normannen, vorlasen. Johann von Bethencourt, Ritter und Kammerherr des Königs Karl VI. von Frankreich, stammte aus dem ältesten Adel des Landes und besass die Baronie Grainville la Taincturiere, die zwischen Rouen und dem Meere liegt, mit noch anderen Ortschaften, Schlössern, Mühlen und Höfen. Der Gedanke an die glückseligen Inseln, die da frei und schimmernd draussen im Meere lagen, wollte ihm nicht wieder aus dem Sinne, er sann und dachte darüber nach, bis er zuletzt den Seinigen den Entschluss eröffnete: er wolle hin, das Inselvolk zu Christen und sich selbst einen grossen Namen und Stand in der Welt machen. Thatendurst, Erwerbslust, religiöser Eifer, wie damals noch von den Kreuzzügen her in den Menschen nachglomm, hatten an diesem Entschlüsse gleichen Anteil, wohl auch etwas Bethencourt's Gemahlin. Herr Johann hatte, während er schon über die Vierzig war, eine sehr junge schöne Dame geheiratet aus dem Hause der du Fayel in der Champagne, die entweder seinen Ehrgeiz stachelte oder ihm sonst im Hause Verdruss machte. Nun wurde zu Verwandten und Freunden gesendet, und mehrere Edelleute, wie Peter du Plessis, Wilhelm d'Allemaigne, d'Andrac, Raimund von Leneden, Johann le Courtois, auch drei Neffen Bethencourt's sagten zu, die Fahrt mitzumachen. Die beiden Geistlichen freuten sich schon auf das Bekehren und Taufen der wilden Heiden. Festere Aussicht gewann das Unternehmen, als der kühne und vielgescheidte 5*

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Gadifer de la Salle, ein reicher Herr, erklärte, er mache mit. Der dritte, welcher mit seinem Degen und Namen der Sache besonders Vorschub leistete, war Berthin von ßerneval, ebenfalls wie Gadifer ein Normanne. Die Herren verkauften und verpfändeten Höfe und Güter, Bethencourt selbst seine ganze Herrschaft, um Geld zu schaffen. Man rüstete in L a Rochelle ein Schiff aus, warb Matrosen an, die schon über S e e gewesen, und hatte auch das Glück, zwei zu Dolmetschen zu bekommen, die von den kanarischen Inseln stammten und auf die Namen Alonso und Isabella getauft waren. Am i. Mai 1402 stach das Schiff in S e e mit nahe zweihundert Mann Kriegsvolk und achtzig Matrosen. Diese normännische Eroberungsfahrt gehört nun zu den anziehendsten, die es in der ganzen Geschichte der geographischen Entdeckungen gibt, sowohl durch die Leute, die sie ausführen, als weil der Schauplatz und seine Bewohner sich so eigentümlich auszeichnen. Auch ist das Unternehmen eines der frühesten dieser Art, von welchem überhaupt die Rede ist: man denke, gleich zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts. Endlich, und das ist kein geringer Vorzug, haben wir darüber einen anschaulichen, ausführlichen und ziemlich genauen Bericht. E s haben nämlich, wie schon erwähnt, eben jene beiden geistlichen Gefolgsleute Bethencourt's, Bontier und Leverrier, ein Tagebuch geführt, das uns erhalten, im siebzehnten Jahrhunderte auch gedruckt worden, jedoch Wenigen bekannt ist. Berichtigende Zusätze erhalten wir durch den sehr gebildeten und wissbegierigen Franziskaner, Juan de Abreu Galindo, der, wie schon erwähnt, zweihundert Jahre später die Greise unter den Eingeborenen ausfragte, was ihnen von ihren Eltern und Grosseltern über die Eroberung der Inseln überliefert worden, und ihre Erzählungen sorgsam zusammenhielt mit

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Nachrichten, die er in alten Schriften fand. Sein Buch ist zwar vor jetzt vierzig Jahren auf Teneriffa gedruckt worden, jedoch in Bibliotheken ausser in spanischen noch seltener zu finden, als das T a g e b u c h der beiden Geistlichen. 2. Fahrt nach den Inseln. Bethencourt kam mit Schiff und Leuten nach mancherlei Fährlichkeiten nach Cadix. Hier wurde er von italienischen und englischen Kaufleuten, die das Ihrige auf dem Meere verloren hatten, beschuldigt, er treibe Seeraub und habe schon drei Schiffe ausgeplündert. Man nahm ihn fest, und er musste nach Sevilla. W ä h r e n d er sich dort vor des Königs Rate glücklich verteidigte, entstand unter seinem Schiffsvolke Meuterei; denn Berthin von Berneval konnte Herrn Gadifer nicht ausstehen, und da der eine Teil der Leute aus der G a s c o g n e und Nachbarschaft war, die Normannen aber treu zu ihrem Landsmanne Gadifer hielten, so wurde es Berthin nicht schwer, die G a s c o g n e r aufzuhetzen. Sie bestiegen den Mastkorb und schleuderten ihre Lanzen auf Gadifer und seine Anhänger, und nur mit grosser Mühe liess sich der Aufruhr beschwichtigen. V o m Kriegsvolke verschwanden über hundert Mann, und auch ein Drittel der Matrosen verliess das Schiff und s a g t e : es führe zu wenig Lebensmittel, und sie hätten keine Lust, zu verhungern. Die j u n g e Frau von Bethencourt aber, die ihr Gemahl mitgenommen, hatte das wilde Leben auf dem Schiffe bereits übersatt, und der Baron musste sie in Cadix zurücklassen. Er aber beeilte sich, auf's Meer zu kommen, und g e w a n n nach einigem W a r t e n so günstigen Wind, dass schon nach fünf T a g e n — es w a r im Juli 1402 — die kanarischen Inseln in Sicht kamen. Vorsichtig segelten die



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Abenteurer nicht gleich eine grössere, sondern erst die kleine Insel Graciosa an, die ganz in der Nähe von Lanzarote liegt, und Hessen, da sie guten Hafen fanden, den Anker fallen. Hier sah man nun Lanzarote vor sich liegen, auf der Seite nach Westen hin mit hohem Küstenrande, auf der andern Seite flach und leicht zugänglich. Die Insel erschien so gross wie Rhodus und von ähnlicher Gestalt. Bethencourt fuhr zuerst hinüber mit ausgesuchter Mannschaft, stieg an's Land und als er einen Haufen der Inselbewohner s a h , die sich seinen Leuten widersetzen wollten, fiel er ungestüm darüber her: Jene aber flohen in's Innere des Landes. Bethencourt folgte ihnen. Es erschienen Gerstenfelder, herrliche Weiden, Brunnen und Zisternen voll Wasser. Dann zeigten sich Wohnungen mit Steinmauern und ganz engen Eingängen, in der Ferne auch etwas wie befestigte Anhöhen. Gar gern hätte Bethencourt einige Eingeborne aufgegriffen, aber keiner liess sich mehr blicken. Entsetzliches hatten sie schon von den Fremden erfahren. Diese waren öfter gelandet, hatten die Männer mit Geschossen erlegt, Frauen und Kinder und leicht Verwundete in ihre Schiffe geschleppt. W i e hätten die Eingeborenen sich ihrer erwehren sollen! Die Räuber erschienen plötzlich, wo Niemand eines Überfalles gewärtig. Diese waren bewaffnet mit Schwert und Armbrust, mit Schild und Lanze: Jene hatten nur Steinwürfe und hölzerne Spiesse. Die fortgesetzten Menschenjagden hatten die Insel entvölkert: die Normannen wollten später wissen, dass Lanzarote bei ihrer Ankunft nur noch dreihundert streitbare Männer besessen habe. Mit leeren Händen kam Bethencourt zu seinen Gefährten zurück und berief Gadifer, Berneval und alle Edelleute zum Kriegsrate. Man kam überein, mit gesamter Macht auf Lanzarote zu landen und die Insel

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nicht wieder zu verlassen, als bis ihre Einwohner erschienen. So geschah es, und die Franzosen beeilten sich, ein Lager aufzuwerfen und zu befestigen. Da merkten die Eingebornen wohl, dass Jene nicht gewöhnliche Räuber seien, auf deren baldiges Wiederwegziehen sie zu hoffen hätten, und hielt ihr König Wadarfia es für rätlich, sich mit den Fremdlingen in friedliches Benehmen zu setzen. Er sendete Botschafter aus den Bergen, wo er sich aufhielt, und verlangte Waffenstillstand und ein Gespräch mit dem Anführer. Ein Ort wurde dazu bestimmt, und da erschien der Fürst mit seinem Gefolge vor Bethencourt und seinen vornehmsten Offizieren. Die Lanzaroter gingen beinahe ohne Unterkleider, aber alle trugen wallendes Haar und Mäntel von weichen Tierhäuten, die bis an die Kniekehle gingen und am Saume Stickerei zeigten. Den Bart hatten sie in eine Spitze gezogen, und auf dem Kopfe eine Art grosser Haube mit drei Federn über der Stirne. Es waren stattliche Männer und ihre Frauen noch viel schöner. Diese benahmen sich sehr schamhaft und gingen in Mäntel gehüllt, die auf der Erde schleppten, und trugen statt der Hauben gefärbte Stirnbinden. Der König aber hatte eine Art Bischofsmütze auf, geschmückt mit Meermuscheln. 3. Kanarisches Gottesurteil. Als nun die Normannen mit den Bewohnern von Lanzarote näher bekannt wurden, fanden sie dieselben in zwei Parteien zerfallen. Die Einen wollten kämpfen für ihre Freiheit auf Tod und Leben, die Andern hielten es für klüger, mit den mächtigen Fremden, die offenbar auf der Insel bleiben wollten, sich auf guten Fuss zu stellen. Das Haupt der friedlichen Partei war König Wadarfia, der Führer der Gegner sein Blutsverwandter Asche. Der König schloss nun

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mit Bethencourt ein Schutz- und Trutzbündnis. Man gelobte einander Frieden und Freundschaft, und insbesondere verbürgten sich die französischen Offiziere, die Verbündeten wider Jedermann zu schützen und zu verteidigen, der ihnen Uebles anthun wollte. Nun wurden die Wandschen gleich zutraulich und fröhlichen Mutes, sie kamen und sprangen in's L a g e r hinein. A l s die Franzosen anfingen, von Stein, Holz und Lehm eine kleine Festung zu bauen, halfen Jene dabei, und alles, was man ihnen sagte, thaten sie gern. Insbesondere hatten sie ihr Gefallen an Bethencourt; denn bei aller Klugheit war der ritterliche Herr doch freundlich und leutselig von Herzen. Nun konnten auch die beiden Geistlichen zu den Wandschen reden von der Schönheit und Würde der christlichen Religion, und was sie ihnen von deren Grundsätzen sagten, fand eine gute Statt. Die Gegner Wadariia's aber mussten ihren Groll noch verbergen. Um so lebhafter erinnerten sie daran, was vor dreissig Jahren mit seiner Mutter vorgegangen. Damals, um das Jahr 1370, war der portugiesische Admiral Martin Ruiz von Avendanjo durch Sturm bis zu den kanarischen Inseln verschlagen und auf Lanzarote an's Land gestiegen. Die Wandschen, zu jener Zeit noch selten beunruhigt von Europäern, nahmen ihn liebreich auf und brachten Fleisch, Milch und Käse, um seine Leute zu erquicken. Den Admiral aber führten sie in das Haus ihres Königs Zonzamas, dass er sich wohl sein lasse. Der portugiesische Herr blieb dort geraume Zeit, denn die schöne Königin F a y n a gefiel ihm zu sehr und er ihr. A u s ihrem heimlichen Liebesbunde entspross eine Tochter, Iko, die viel weisser und schöner wurde, als die andern Frauen. A l s sie erwachsen war, vermählte sich Iko mit Wanaram, dem Bruder des regierenden Königs, und ihr Sohn war eben Wadarfia. A l s nun Wanaram

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nach des Bruders T o d e den königlichen Schmuck anlegte, entstand wilde Parteiung unter den Wandschen. Die Einen hielten zu ihm und seinem Sohne als dem rechtmässigen T h r o n e r b e n , die Anderen aber riefen: Iko sei nicht vom fürstlichen Blute des Landes, eines Fremden T o c h t e r sei sie und nicht des Königs Zonzamas. Die S a c h e kam endlich zum Entscheid in offener Volksversammlung, und dieser lautete dahin, man wolle das Gottesurteil anrufen. Die Königin solle mit drei ihrer Dienerinnen in Zonzamas Hause in einem G e m a c h e verschlossen und dieses ganz von Rauch erfüllt werden: ersticke sie daran, so sei sie eine Fremde, überlebe sie es, sei ihre königliche Abstammung dargethan. Also geschah es. Die drei Mädchen, die für ihre Gebieterin in den T o d gehen wollten, fanden sich, man verschloss alle Vier in dem Gemache, und dann wurde ihnen wieder und wieder eingefeuert. E s hatte sich aber vorher eine Alte an Iko herangemacht und ihr heimlich einen Schwamm voll W a s s e r zugesteckt. Diesen nahm, wenn neue Rauchwolken heranwirbelten, die Schlaue an den Mund und zog den Athem heraus. A l s man nun das Gemach aufschloss, lagen die drei armen Mädchen tot am Boden, Iko aber trat lebend hervor und wurde empfangen mit Freudengeschrei und grossen Ehren, ihr Sohn Wadarfia aber als Kronerbe anerkannt.

4. Schwierigkeiten der Eroberung. Als Bethencourt seine Festung — er nannte sie Rubicon — aufgebaut sah und auf der ganzen Insel Frieden und Ordnung herrschte, liess er Berthin von Berneval als Befehlshaber zurück, fuhr mit Gadifer hinüber nach der • nächstgelegenen grossen Insel und suchte und fand dort einen guten Hafen. Dieser hiess bei den Eingebornen Valtarhays (Walterhaus), der Insel

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aber gaben die Franzosen den Namen „Gut Abenteuer", das ist Forte aventure. Die Bewohner hatten sich in grossen Haufen versammelt, und die Ankömmlinge ersahen mit einigem Zagen, wie diese Wandschen an Zahl und Leibesstärke, auch an Bewaffnung viel furchtbarer seien, als die auf Lanzarote. Erst in der Nacht stiessen Raimund von Leneden und andere mit einer Kriegsschar ans Land und marschierten eilends bis auf einen Berg, von welchem ein Fluss herniederströmte. Die Wandschen jedoch hatten sich zurückgezogen und liessen nichts mehr von sich sehen, obgleich die Franzosen noch eine ganze W o c h e am Strande blieben. Kein Teil wollte angreifen, jeder fürchtete Hinterhalt. Als die Offiziere nun davon sprachen, ein befestigtes Lager einzurichten, da weigerte sich das Schiffsvolk, länger an der Küste zu bleiben, und fing an zu meutern. Nun kamen alle wieder in Rubicon auf der anderen Insel zusammen, und da war guter Rat teuer. Ein Vierteljahr waren sie jetzt auf den Inseln und gar wenig hatten sie vor sich gebracht. Die Einsicht war gekommen, dass es mit dem Erobern doch nicht so leicht gehe. Bethencourt musste sich entschliessen, hülfeflehend irgend einen König in Europa aufzusuchen, folglich auch dessen Oberherrschaft anzuerkennen. Zerronnen war der schöne Traum vom freien Insel-Königreiche. W a s die Franzosen noch mehr verdross, der König, auf dessen Beistand allein sie rechnen konnten, war nicht der ihrige, sondern der spanische. Vergebens hatte man in Frankreich alle guten Freunde in Bewegung gesetzt, um vom französischen Hofe die nötige Unterstützung zu erlangen. Nicht die geringste Aussicht eröffnete sich dort. So fuhr denn Bethencourt im Oktober auf dem Schiffe, welches sie hergebracht, und mit jenen Matrosen, die tobend nach Hause verlangten, nach Spanien,

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und liess Gadifer, den er zu seinem Statthalter ernannte, nur das grosse Boot zurück. Dieser aber gab all seine reiche Habe her, damit um so eher Mannschaft, Proviant und Waffen herbeigeschafft würden. Vielleicht hatte Niemand hochfliegendere Hoffnungen gehegt, als Berthin von Berneval, ein Mann aus vornehmer Familie, und Keiner war erbitterter über das Fehlschlagen. Nun machte er im Stillen seinen Plan, wie er zu Geld und Gewinn komme, und zettelte eine Verschwörung mit den Gascognern an. Sie verbanden sich durch einen heimlichen Eid, sie wollten wider Jedermann zusammenhalten und wollten vierzig der stattlichsten Wandschen auf das erste beste Schiff schleppen und nach Europa bringen; dort dachten sie dieselben für zweitausend Francs zu verkaufen. Denn, so sagte Berneval seinen Mitverschwornen, das viele Geld, welches er in dieser verunglückten Unternehmung stecken habe, müsse er wieder herausschlagen. Bald darauf kamen zwei spanische Schiffe, um Handel zu treiben, je nach Umständen auch der gewinnreichen Menschenjagd auf den Inseln zu obliegen. Der Kapitän des einen ging gern auf Berneval's Vorhaben ein. 5. Berneval's Schandthaten. Gadifer, nichts ahnend, fuhr in seinem Boote mit zehn Mann nach der kleinen Insel, die zwischen Fortaventura undLanzarote liegt, um Seehunde zu schlagen, welche dort in grosser Menge sich auf dem breiten Rande zu sonnen pflegten. Ihre Felle gaben treffliches Schuhzeug ab. Jetzt stiegen Spanier in Lanzarote ans Land und suchten, wie das Brauch war, hier aus einem Hinterhalte, dort im plötzlichen Ueberfalle Eingeborne zu fassen. Da die Wandschen nach Rubicon schickten und den versprochenen Beistand

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verlangten, schwur ihnen Berneval hoch und teuer, er wolle sie beschützen mit seinem Blut und Leben. Ja, er werde zu den Spaniern gehen und sie zwingen, von ihrem Beginnen abzulassen, und thäten sie es nicht, so würden sie von ihm oder er von ihnen erschlagen. Dann marschierte er mit seinen Verschworenen und den Dollmetschen nach der Ortschaft Grossalden, wo er einige der Vornehmsten antraf. Auf sein freundliches Ersuchen erschien auch König Wadarfia mit Gefolge, so dass vierundzwanzig Wandschen beisammen waren. Berneval gab ihnen ein Festmahl, und nach dem Schmause sagte er ihnen, sie möchten nur ruhig schlafen, er wache für sie. Als sie nun der Ruhe pflegten, wurden sie verräterisch überfallen, rasch gefesselt und fortgeschleppt nach der Küste. Nur einer Namens A v a g o entkam. Jetzt aber, als er die ganze Schändlichkeit erkannte, ergrimmte Wadarfia, zerbrach die Fesseln, warf seine drei Wächter zurück und entfloh. Ein Gascogner wollte folgen, da kehrte rasch der König um und versetzte ihm einen Schlag, dass Keiner mehr nach dem Gewaltigen zu greifen wagte. Es war das sechste Mal, dass dieser König sich aus den Händen von Sklavenjägern befreien musste. Die Zweiundzwanzig aber übergab Berneval den Spaniern. Darauf liess er die Festung ausplündern, indem er schrie, alles gehöre ihm, und hängen solle, wer etwas da lasse. Am Abende kam er wieder und überlieferte die Französinnen, die in der Festung waren, seinen spanischen Spiessgesellen vom Schiffe. Diese schleppten sie trotz ihres W e h r e n s an den Strand, und man hörte in der Nacht weithin ihre Hilferufe. Als anderen T a g e s die beiden Geistlichen nebst Peter du Plessis und Wilhelm l'Allemaigne zu dem spanischen Schiffe fuhren und um Himmels willen baten, Berneval möchte ihnen doch die Dolmetschin

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Isabella da lassen, und unverrichteter Sache schon wieder abfuhren, da stürzten die Spanier das Mädchen ins Meer, dass es ihnen nachschwimme. Zwölf von den Gascognern a b e r , deren Geständnisse Berneval fürchtete, trieb er aus dem Schifte, und da sie anders sich nicht helfen konnten, nahmen sie das Boot, welches Gadifer von der Seehundsinsel um Lebensmittel gesendet hatte, und fuhren hinüber nach dem afrikanischen Festlande. In der hohen Brandung, welche dort an die Küsten donnert, kenterte das Boot. Zehn kamen um, und die Zwei, die sich durch Schwimmen retteten, wurden von den Berbern ergriffen und zu Sklaven gemacht. Unsägliche Frevel geschahen damals von Freibeutern. W a r dieses Volk in fernen Landen, so fielen nieder die von Kindheit an gewohnten Schranken von Gesetz und Zucht, und das Raubtier, das im rohen Menschen nur gebändigt liegt, brach unaufhaltsam hervor. Gadifer war auf der Seehundsinsel mit seinen Leuten in grosse Not geraten. Da sein Boot verloren gegangen, konnte man nichts zu ihm bringen, und es war schon so weit gekommen, dass seine Leute, weil die Insel kein Trinkwasser darbot, Nachts Tücher ausspannten, um am Morgen den Thau auszuringen. Hätte sich der Kapitän des zweiten spanischen Schiffes ihrer nicht erbarmt, so wären sie verschmachtet. Als Gadifer nun in das ausgeräumte Fort zurückkam, geriet er ausser sich über die Verwüstung. W a s nicht niet- und nagelfest, war fortgeschleppt, selbst ein Vorrat von Bogensehnen, und man musste ein altes Kabel zerspleissen, um Bogen bespannen zu können. Denn nichts fürchteten die Wandschen mehr, als den Bogenschuss, der aus Hinterhalt und Ferne den Mann niederwirft.

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6. Asche Gegenkönig. Die Eingebornen waren empört über so viele Schmach und Niederträchtigkeit, die das fremde Volk gegen sie und unter einander verübte. Die heiligsten Zusicherungen, auf welche sie wie auf Felsen gebaut hatten, waren wie Dunst und Nebel zerflossen. Hatten diese Naturkinder früher gelauscht auf die himmlischen Lehren von Gottes Herrlichkeit in der Höhe und von Frieden und Nächstenliebe unter den Menschen auf Erden, so sagten sie j e t z t : wie kann deren Religion gut sein, die sich unter einander verraten ? Jetzt hielten auch sie nimmer sich gebunden an ihr W o r t . Hier und dort wurden Franzosen überfallen und verwundet. Eines T a g e s blieb ihrer eine ganze S c h a r auf dem Platze, unter ihnen ein Bethencourt. Gadifer verlangte, man solle die T h ä t e r ihm bringen. W e i l es nicht geschah, liess er ausrufen, er würde alles erschlagen, wenn man die Frevler nicht ausliefere, welche den V e r t r a g gebrochen. Niemand erschien. D a stellte sich eines T a g e s Asche, des Fürsten Verwandter, bei Gadifer ein und verhandelte mit ihm vertrauensvoll, wie man dem öffentlichen Elende ein Ende mache. E r wusste sich so zu benehmen, dass er des Normannen ganzes Vertrauen gewann. A s c h e wälzte einen doppelten Plan in seinem Herzen. E r hatte eingesehen, dass nur K r i e g bis auf's Messer seines Volkes Freiheit r e t t e , dass aber der Fürst, dessen gutmütige S c h w ä c h e sie in solche Not gebracht, niemals zu den Mitteln greifen werde, die allein noch helfen konnten. A s c h e beschloss daher, den König zu stürzen, sich selbst auf den T h r o n zu schwingen, und dazu sollte ihm Gadifer helfen: dann aber wollte er mit der letzten Kraft seines Volkes über die lasterhaften Fremdlinge herfallen und sie vertilgen alle mit einander.

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Ein paar T a g e später, als Asche im besten Einverständnisse vonGadifer geschieden war, schickte er seinen Neffen, eben jenen Alfons, welchen Bethencourt aus Frankreich als seinen Dolmetsch mitgenommen. Dieser überbrachte Gadifer: der König hasse den Oheim tödlich und sei die Ursache alles Blutvergiessens; so lange Wadarfia lebe, höre die Not und Unruhe nicht auf; wenn Gadifer wolle, werde es sich schon machen lassen, dass er mit leichter Mühe den König und alle die Totschläger in seine Gewalt bekomme. Mit Freuden ging Gadifer darauf ein und liess erwidern, Asche solle die Sache nur fleissig betreiben und ihn T a g und Stunde wissen lassen. Alfons blieb nun fortwährend bei den Franzosen, um sie sicher zu machen, und zugleich unter der Hand auszukundschaften, wie man die Festung überrumpeln und der sehr schwachen Besatzung, die noch darin war, den Garaus machen könne. Asche zettelte unterdessen seine heimliche Verschwörung an. A l s diese nun im Gange w a r , schickte er Botschaft nach Rubicon: Gadifer solle eilends sich aufmachen, der König sei auf einem seiner Schlösser im Dorfe bei Aratif und mit ihm seien Fünfzig. Sofort nahm Gadifer zwanzig seiner besten Leute und marschierte mit ihnen — es war gerade der Vorabend von St. Katharina, am 24. November 1402 — die ganze Nacht, bis er bei Tagesgrauen anlangte, wo sie in einem Hause versammelt waren und Rat hielten. A l s er sie aber überfallen wollte, standen Schildwachen da, die Lärm machten, und die Franzosen wurden blutig zurückgeworfen, hielten sich jedoch in der Nähe. Siegesfroh traten nun fünf der Tapfersten von denen, welche französisches Blut vergossen hatten, vor das Haus, ihren Feinden in's Gesicht zu schauen. Zwei davon fielen von Pfeilen und einer vom Degen durchbohrt, und über ihre Leiber hinweg stürmten die Fran-

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zosen in's Haus und bemächtigten sich seiner Insassen, so viele ihrer noch lebten. Da erklärte Asche, der unter ihnen w a r , diese da hätten keinen Franzosen erschlagen, und auf seine Fürsprache wurden sie ihm frei übergeben. Nur den König und noch Einen Namens Alby liess Gadifer fesseln und sofort hinaus und bis zu der Stelle führen, wo seine Mannschaft getötet war. Man fand die Leichname noch daselbst eingescharrt. Zornerfüllt befahl er, Alby niederzuhauen. Jedoch König Wadarfia trat vor und erklärte: Alby sei nicht schuldig, er biete sein eigenes Haupt zum Pfände, dass man es nicht anders finden werde, als er sage. Gadifer erwiderte, er nehme das Pfand an, der König solle sich hüten, es werde die Sache genau untersucht werden. Wadarfia versprach sogar, er wolle des Friedens wegen alle Die stellen, welche Franzosen erschlagen hätten. Darauf wurde er zur Festung gebracht, und da er ein paar T a g e später seine Fesseln abstreifte, so legte man ihm andere an, die so eng waren, dass sie ins Fleisch schnitten. Bald darauf kam Asche nach Rubicon und verhandelte mit Gadifer darüber, dass er König werde und dass er dann mit allen seinen Anhängern sich taufen lasse. Als der alte König ihn erblickte, sah er ihn an mit der Miene tiefster Verachtung und rief dann: Fore tronc queve. „C'est ä dire — setzt der französische Chronist hinzu - traistre mauvais". Wirklich, wenn man die dritte Silbe zu den beiden ersten zieht und die letzten beiden Silben getrennt liest, klingt es ganz, wie etwa im Gothischen „Verräter, geht w e g ! " gelautet haben würde: Foretron get w e g ! Den Franzosen, die den Ausruf des gefesselten Königs vernahmen, erschien er so merkwürdig, dass sie ihn aufzeichneten, natürlich blos nach ihrem Gehöre. Asche legte nun die königliche Tracht an. Da man in Rubicon Gerste verlangte, so liess er eine

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grosse Menge zusammenbringen und vor Gadifers Leuten in dem alten T u r m e niederlegen, welchen, wie man sagte, einst Lanzelot Maloisel gebaut hatte. Darauf erschienen Sieben von seinem Gefolge in Rubicon mit dem Auftrage, man solle Leute schicken, die G e r s t e zu holen. Als diese sich nun auf den W e g machten, kam ihnen Asche mit vierundzwanzig Mann entgegen, begrüsste sie auf das freundlichste und kehrte dann mit ihnen um, sie nach Lanzelots T u r m e zu geleiten. Das fiel den Franzosen auf. Sie wurden vorsichtig, hielten sich stets dicht beisammen und gaben Acht darauf, dass die Wandschen zerteilt gingen. Nur Wilhelm von Andrac ging sorglos mit den Wandschen, hatte auch kein A r g darin, als diese mit ihm hinter den andern zurückblieben. Auf einmal sah er sich niedergerissen und blutete aus dreizehn Wunden, und wären auf sein Geschrei nicht seine Landsleute hergerannt und hätten ihn herausgehauen, so wäre er ganz verloren gewesen. In der Nacht darauf brach König Wadarfia aus dem Gefängnisse aus und erreichte, Fesseln und Kette mit sich schleppend, glücklich seinen Hof. Sofort liess er Asche ergreifen, steinigen, verbrennen. Die Franzosen aber, die in Lanzelots T u r m e waren, nahmen einen armen Kanarier, schlugen ihm das Haupt ab und stellten es auf einer Höhe aus, aufgesteckt auf so hoher S t a n g e , dass man es sehr weit sehen konnte. Damit war nun der allgemeine Krieg entbrannt. Ein Teil der Franzosen bewachte die Festung, ein anderer war beständig auf der Menschenjagd. Sie fingen auch so viele Frauen und Kinder, dass die übrigen vor Furcht sich in Höhlen versteckten. Die Gefangenen wurden, wo und wie man konnte, zu Geld gemacht. Aber die Rache der Wandschen säumte nicht. Mörderisch führten sie den Krieg. Ihre Steinwürfe sausten daher und zerschmetterten Schild und v. L ö h e r , K a n a r i e r .

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Arm und Bein, und ihre Lanzen und Wurfspiesse, wenn die hölzerne Spitze auch nur im Feuer gehärtet war, stiessen doch tiefe Löcher. Es dauerte nicht lange, so sah Gadifer seine besten Leute am Boden todt oder verwundet. Nahrungsmittel waren immer schwieriger zu erlangen. Die Geistlichen mussten das Fastengebot aufheben; es gab nichts mehr als Fisch und Fleisch; Brot und Wein waren nur noch Erinnerung. Die Kleider zerrissen, und die ganze Besatzung der Festung ging in Lumpen und schlief des Nachts auf hartem Boden; denn jede Nacht musste man sich des Anstürmens der Wandschen versehen. 7. Bethencourt in Spanien. Gadifer geriet in Verzweiflung. Bethencourt war bald seit Jahr und T a g fort und liess nichts von sich hören. Sonst kamen und gingen Schiffe, jetzt wollte sich seit vielen Monaten kein Segel mehr blicken lassen. Man hatte kein Schiff, kein Boot. Es blieb kein A u s w e g , als dahin zu trachten, wie man alle Wehrhaften auf der Insel erschlage, die Frauen und Kinder taufe und mit ihnen lebe, bis Erlösung erscheine. W i e aber sollte sich dies W e r k vollbringen! Die Wandschen traten immer stärker und grimmiger auf, die Festung gab nur noch schwachen Rückhalt. Der einzige Trost war ein religiöser. W a s die Geistlichen den Wandschen von Christus, seinem wohlthätigen Wandel auf Erden und seinen göttlichen Lehren erzählten, erschien ihnen so schön und rührend, dass sie im tiefsten Gemüte davon ergriffen wurden. Zu Pfingsten zählte man bereits mehr als achtzig Getaufte. Als die Not am höchsten gestiegen war und die Franzosen schon den nahen T a g berechneten, an welchem die schwache Festung dem Feinde in die Hände

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falle und es dann aus sei mit ihnen allen, tauchte — es war im August 1403 — ein S e g e l am Horizonte auf. Wirklich, es war ein Schiff, welches Bethencourt sendete, und brachte dem Kriegsvolke an 50 Mann Verstärkung, dazu Lebensmittel, Z e u g und Waffen und einen Brief an Gadifer, der ihn von allem in Kenntniss setzte, wie es seinem Waffenbruder ergangen. Seit Bethencourt im Herbste des Jahres vorher nach Spanien gekommen, hatte er anfangs Unglück gehabt. Seine Gemahlin traf er zwar noch in Cadix, konnte auch die Meuterer vom Bord in's Gefängnis liefern: als er aber weiter fahren wrollte nach Sevilla, scheiterte das Schiff an der Küste und ging verloren mit seiner wertvollen Ladung, und Gadifer kam um all das Seinige, was darauf war. In Sevilla fand Bethencourt grosse Hilfe an seinem Oheim von Mutterseite, dem Admiral von Frankreich, Robert von Bracquemont, der sich in Spanien mit einer reichen Erbin verheiratet hatte. Dieser Oheim hatte ihm bereits Geld vorgestreckt und Hess auch des Neffen Herrschaft in der Normandie verwalten, die ihm dafür verpfändet worden. Bracquemont und seine einflussreichen spanischen Verwandten thaten bei Hofe und in der Stadt ihr Möglichstes, Bethencourt's Sache zu bessern. Sie wussten auch den Prinzen Ferdinand von Aragon und insbesondere dessen Gemahlin Katilina dafür zu begeistern. Bethencourt selbst aber konnte so schön, so klar und herzlich reden, sein ganzes Auftreten war eben so offen und gewinnend, als sein Unternehmen als eine wahre Blüte ritterlichen Thuns und Begehrens erschien. Auch schmeichelte es den Spaniern nicht wenig, dass ein französischer Herr diese glückseligen Inseln, die vielberühmten, die er schon halb wollte erobert haben, vom spanischen Königsthron wollte zu Lehen empfangen. Der König sagte Bethencourt die freundlichsten D i n g e , dass er so

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w a r o : „ S a g t Euerm General, dass dies blutige Haupt uns nicht s c h r e c k e ; bringt es hin, wo der Körper liegt, und sehe sich j e d e r vor, dass er das seinige auf dem Rumpfe behält." Die Gesandten aber legten, wie ihnen geboten war, das Haupt nieder und zogen sich zurück. D a s spanische H e e r hielt noch zwei Stunden im Felde, dann machte es K e h r t und marschierte im strömenden R e g e n zurück nach dem Hafen und der Festung Santa Cruz. Die Fürsten aber zogen mit ihrem Lehns- und Kriegsvolk nach T a o r o und hielten Rat, wie sie dem grossen König eine würdige Leichenfeier ausrichteten. Als sich die Nachricht davon verbreitete, schickten sämtliche F ü r s t e n , auch die in Zwietracht mit dem Gefallenen gelebt hatten, Gesandtschaften, ihr Beileid zu bezeugen und der Totenfeier beizuwohnen; so allgemein war die Verehrung, welche dem grossen König die ganze Insel zollte. Nun wurde sein Haupt in einem Gehäuse aufgestellt auf hohem Felsblock, der wie ein Grabmal gestaltet war, das Behältnis bedeckt mit zarten schwarzen Fellen. Da bezeugte alles Volk dem Todten seine Huldigung mit vielem W e i n e n und Klagen und rief: „Nun ist der mächtige Vater tot und liess seine Kinder als W a i s e n . " Und unter solchen Klageliedern salbten sie das Haupt und setzten es in den Sonnenschein, dass alle es sehen konnten. Jeden T a g um zehn Uhr Vormittags strömte das Volk wieder zu der Stelle, und wurde der alte Brauch der Leichenfeier wiederholt. D a s dauerte über vierzehn T a g e lang. Dann aber wurde das Haupt im unabsehlichen Geleite nach der Grotte gebracht, welche das E r b b e g r ä b n i s der Herrscher zu T a o r o war, und dort trauervoll beigesetzt. D a s Andenken des grossen Königs lebte noch lange fort in den Volksliedern. Die Spanier konnten sich kaum vorstellen, dass ein F ü r s t von so viel Edel-

387 mut und Geistesgrösse nicht in das himmlische Reich eingegangen sei, und es bildete sich die S a g e : Benchomo sei im letzten Augenblicke getauft worden, er selber habe darnach verlangt, und ein Soldat habe ein wenig Wasser gebracht, ehe er ausgeatmet. 8. Die Modorra. General Lugo dachte zunächst nur daran, wie er seine Armee möglichst gegen die Unbilden des winterlichen Wetters sichere. Die Hütten in der Festung wurden wohnlicher eingerichtet, man suchte sie insbesondere gegen das Eindringen des unaufhörlichen Regens zu schützen. J e sechs Mann hatten sich in eine Wohnhütte zu teilen. Das Standlager selbst aber umgab der Feldherr ringsum mit regelrechten Wällen und Schanzen. Die Arbeit hielt die Soldaten in Bewegung und Gesundheit. Dabei wurden unaufhörlich kleine Streifzüge angestellt, um Sklaven und Vieh beizutreiben. Man konnte indessen wohl merken, wie die Umgegend in stets weiteren Kreisen still und stiller wurde. Die Menschen verschwanden. Das Vieh war auf Bergweiden getrieben. Für die Bewohner von Anaga erwies sich Sebensayas als Wohlthäter. Hatte er in früheren Zeiten den Heerdenraub in's Grosse getrieben, nahm er jetzt die geflüchteten Heerden schützend in sein Gebiet auf. Dieses trat als eine bergige Halbinsel in's Meer vor und war gegen Angriff zu Lande wie von der See her leicht zu verteidigen. Endlich zu Ende des ersten Monats im neuen Jahr 1495 hörte es mit Regnen etwas auf, die schüttenden Wolkenschleusen schienen endlich sich zu schliessen. Lugo hiess das halbe Heer sich in Marschordnung stellen, damit es ausziehe in weitere Ferne und

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Vieh und Proviant beitreibe, denn schon fing der Mangel an Lebensmitteln wieder an empfindlich zu werden. Den Oberbefehl vertrauete Lugo seinen Freunden an, den vielerprobten Obersten Fernando de Truxillo und Gonzalez Garcia del Castillo. Am i. Februar rückten sie aus und rasteten wieder auf der Hochebene von Laguna. Kein Mensch Hess sich erblicken. Die Umgegend erschien völlig ausgestorben. Soweit Vorposten und Kundschafter sich hinauswagten, stiessen sie nur auf modernde Leichen und erloschene F e u e r , oder auf flüchtiges Vieh, das sich hirtenlos umhertrieb. Es war furchtbare Thatsache: die Pest wütete unter den Eingeborenen. Auf dunkeln Flügeln war die Würgerin herbeigezogen , und die Eingeborenen waren unter ihren Griffen so wehrlos, wie arme Kinder. Die Verwesung der Gestorbenen, die übermenschlichen Anstrengungen, allgemeiner Misswachs, Not und Hunger und Seelenqual in jeder Familie erzeugten die pestartige Krankheit. Schaarenweise fielen ihr die Wandschen zum Opfer. Totenfelder breiteten sich vor den Hütten und Höhlen aus, und im Innern sassen und lagen die Letzten in dumpfer Verzweiflung. Sie konnten es nimmer fassen, warum die Gottheit sie den Spaniern zur Ausrottung überliefert habe. Unter der Krankheit, welche die Spanier Modorra nannten, litten am fürchterlichsten die Gebiete von Taoro, Tacoronte, Teweste, — sodann Anaga. Aber auch Wimar und die vier Fürstentümer, die hinter dem grossen Gebirge lagen, blieben nicht verschont. Teneriffa's gesamtes Volk empfing eine breite tödliche Wunde, die niemals wieder ausheilte. Den Spaniern wurde es auf der stillen Hochebene zu Laguna nach und nach unheimlich. Die Soldaten wollten zurück. Da kamen Vorposten und meldeten:

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auf einer Berghöhe sei ein Weib erschienen, das Klagegeschrei erhoben und sein Wesen getrieben. Als sie Jemand herangeholt, der des Weibes Sprache verstanden , habe es ihnen zugerufen: „Was steht Ihr da und wartet, Ihr Fremdlinge? Geht nur und nehmt alles Land, es ist ja Keiner mehr da, der Euch wehrt! Alle müssen sterben, sterben!" 9. Zug nach Teweste. Als die Erzählung von dem seltsamen Weibe sich unter den Truppen verbreitete, hiess es allgemein, dahinter stecke Tücke und Hinterhalt. Es wurde Kriegsrat gehalten. Viele wünschten den Rückzug nach dem festen Lager. Dagegen wurde eingewendet, Feigheit sei es zurückzukehren, wie man hergekommen, und diese Meinung behielt die Oberhand. Nun stieg das Heer zu dem Bergzug des Penjuelas hinauf, an welchem an einer Felsspitze das Weib erschienen war. Dieses aber Hess sich nirgends mehr erblicken. Da sich nun das fruchtbare Thal von Teweste eröffnete, so wurde beschlossen, hinabzuziehen und es zu durchstreifen. Auch in dieser herrlichen Thallandschaft zeigten sich nur verfallene Strohhütten und leere Wohngrotten. In einigen gab es noch Vorräte von Gofio, Gerste, Käse und Butter, ein Beweis, dass die Bewohner nicht geflüchtet, sondern irgendwo in der Nachbarschaft zu Grunde gegangen. In einer Grottenwohnung sah man jedoch etwas sich bewegen. Es waren ein zitternder Greis, zwei Knaben und ein kleines Mädchen. Die Kinder sassen weinend bei der Leiche ihrer Mutter, die an diesem T a g e gestorben war. Der Alte gab ehrlich Bescheid auf die Fragen der Soldaten und berichtete: wenn sie an die andere Seite des Berges kämen, der das Thal

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durchziehe, so würden sie Herden finden, welche man der Sicherheit wegen dort zusammen getrieben; tiefer unten im Thale stehe der König mit seinem Lehensgefolge. Die Spanier umzogen die Anhöhe in der Mitte des Thaies und erblickten zahlreiche Herden. Sogleich fielen sie darüber her, sich ihrer zn bemächtigen. Die Hirten aber eilten zum Könige. Bei diesem war sein Vetter, der ritterliche Sebensayas. Diese boten sofort den Heerbann auf; rasch entschlossen umgingen sie auf Umwegen das räuberische H e e r , bis sie ihm in den Rücken kamen. Hier besetzten sie die Gebirgsscheide von Penjuelas, über welche die Eingedrungenen den Rückweg nehmen mussten. Die Spanier, sehr erfreuet ob ihrer fetten und reichlichen Beute, hatten sich zur Heimfahrt gewendet. Einige wollten aber noch feineren Eang machen und die Kinder mitnehmen, die sie bei der Leiche ihrer Mutter gefunden. Als sie zur Wohnung eintraten, lagen die drei Kinder tot und ihr Vater stiess sich einen Spiess durch den Leib, dass die Spitze auf der andern Seite wieder herauskam. „Ich dachte mir wohl," sagte er röchelnd „dass Ihr wieder kämet: ich wollte aber meine Kinder lieber mit eigenen Händen e r w ü r g e n , als dass Ihr sie zu Euren Leibeigenen machet." Als das Heer vor der Höhenscheide der Penjuelas anlangte, teilte es sich auf Truxillo's Rat in fünf Streithaufen. Kundschafter gingen voraus, dann folgten neben einander die fünf Abteilungen, eine jede mit einem Teil der Viehherden vor sich, welche die Soldaten trieben; den Z u g schloss die Reiterei. Dies geschah, damit bei einem Angriff, von welcher Seite er auch kam, man rascher sich dagegen stellen und zu Hilfe eilen konnte, auch von den Herden nicht gehindert wurde. So zog man vorsichtig die Höhe hinauf und hatte Acht nach allen

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Seiten hin. Der erste Z u g kam gerade den Berg herauf, da that der Tewester Fürst einen Pfiff, dass das ganze Thal schrillte. Seine Krieger warfen sich den Spaniern entgegen. Es wurde ein heisses Gefecht. Aber während die drei mittleren Haufen den Anprall aushielten, erstiegen die beiden äussersten die Kammhöhe des Gebirges und fielen plötzlich den Eingeborenen in den Rücken. Da gaben diese den Sieg verloren und flohen in Unordnung den Abhang hinunter. Als sie in's Thal kamen, wo die Reiterei besser ausholen konnte, richteten diese ein grosses Blutbad an. Die Menge Vieh aber war durch das Pfeifen und Schreien der Wandschen flüchtig geworden, ein Teil rannte zum Thal nieder, der grössere höher in's Gebirge. Von diesem fingen die Spanier so viel, als sie in der Eile konnten, dann beschleunigten sie ihren Marsch und kamen noch am selben Abend in Santa Cruz wieder an. 10. Oberst Castillo. Ihren Reiteroberst hatten die Spanier dahinten gelassen. Es war Derjenige, auf dessen Rat und Antrieb man in's Tewester Thal heruntergezogen, Fernando Garcia del Castillo, unter den besten Offizieren des Heeres der mutigste und geschickteste. Es ging im Heer die Sage, Castillo habe damals, als er die erste Streitschaar in's Innere geführt, die junge Dazila erblickt, die schöne Königstochter von Taoro, und auch sie habe Wohlgefallen an dem schmucken Krieger gefunden. Jetzt sollte er Dazila als Gefangener wiedersehen. Als nämlich die Reiterei die Flüchtigen verfolgte, hatte sich der Oberst ein edles Ziel erkoren, den fürstlichen Sebensayas. Spornstreichs setzte er ihm nach und hatte ihn eben erreicht, als die Wandschen

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alle, wie es ihre Sitte w a r , herbeiströmten, ihrem Führer zu helfen. Ein furchtbarer Steinwurf schlug dem Pferde Castillo's die Stirne ein, dass es tot hinstürzte. Sogleich war der Gefallene ergriffen und von den Eilenden mit fortgerissen. Der Oberst wurde vor den Fürsten von Teweste gebracht. Dieser bestimmte,, der Oberkönig solle über ihn das Urteil sprechen. Tewaco aber, der eigene Sohn, werde den Gefangenen mit einem Geleite von vierzig Mann nach Taoro bringen und über den ganzen H e r g a n g Bericht erstatten. Es war dies eine Artigkeit, die der Tewester Fürst dem Oberkönig bezeugte: es sollte aber auch dem edlen Gefangenen die Bitterkeit der Niederlage etwas versüssen. König Tinwaro jedoch sagte unwillig, als Tewaco ihm den Spanier übergab: „Gebt den Mann frei, Vetter! Ich will nicht gegen einen Einzelnen meine Stärke zeigen. Lasst ihn gehen: kommt er mit den Seinigen, werde ich ihn schon treffen." Wohl möglich, dass Dazila's Fürbitte Castillo zu Hilfe kam, und offenbar hatte ihr Vater Tinwaro selbst sein Wohlgefallen an dem ritterlichen jungen Manne. Castillo blieb nun noch mehrere T a g e am Hof zu T a o r o , wohl bewirtet und dankbar für alle Güte. Dann wollte er es wagen, allein seinen W e g nach Santa Cruz zurück zu suchen. Niemand that ihm etwas zu Leide, die Einen kannten ihn, den Andern ging er klüglich aus dem W e g e . Wohlbehalten traf er im Lager ein, zu allgemeiner Freude und Verwunderung. Er und Dazila aber hatten sich innig liebgewonnen , und als später Frieden geschlossen war, wurden sie vermählt, das erste Paar auf Teneriffa, welches durch seine Verbindung die bürgerliche Gleichstellung von Spaniern und Wandschen besiegelte.

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i i . Die zwölf Kameraden. Zwölf Spanier hatten einen festen Bund mit einander geschlossen : sie marschierten und kämpften zusammen und wohnten und speiseten in einer Hütte zusammen, ihre anderen Lagerhütten Hessen sie leer stehen. J e d e r hatte die vorzüglichsten Waffen und sich meisterlich in ihrer Führung geübt. E s waren dies zwölf Adelige, die auf eigene Kosten die Kriegsfahrt mitmachten, jedoch als Gemeine. S i e hiessen Rodrigo de Barrios, Juan de Guzman, Diego Fernandez Manzanilla, Juan de Llarena, Francisco Melian, Francisco del Portillo, Gonzalo Munoz, Juan Mendez, Diego de Solis, L o p e de Fuentes, Rodrigo de Burguillos, Alonso Fernando Gallegos. Als nun in der Festung der Vorrat auf die Neige ging, erschienen die Zwölf in schönster Rüstung vor dem General und baten um Erlaubnis, bis in grössere Ferne eine Beutefahrt zu unternehmen und zwar in's Gebiet von A n a g a . Die Erlaubnis wurde gegeben, und jetzt kamen Soldaten herbei, die mit wollten. Die Zwölf aber lehnten j e d e Hilfe ab und hielten sich stark und klug genug, die ganze Insel zu durchziehen. S i e nahmen Abschied von General und Offizieren und marschierten wohlgemut a b , während die Soldaten nicht anders glaubten, als dass die Verwegenen in den gewissen T o d hineinzögen. Die Zwölf nahmen, mit allem wohl versehen, ihren W e g der Küste entlang bis zur Schlucht, die jetzt San Andreas heisst. In dieser zogen sie hinauf bis in die Höhe, überstiegen dann den Bergzug und sahen jenseits hinab in's T h a l von Taganana. Sie blieben unangefochten: wie es scheint, war die Südseite des Gebietes von Anaga, an welcher Santa Cruz l a g , von den Eingeborenen und ihren Herden ganz

394 verlassen. A l s sie nun nach T a g a n a n a auf Schleichwegen hinab stiegen, g e l a n g es ihnen, sechs Hirten zu überfallen und ihrer Herden sich zu bemächtigen. E s waren ein paar hundert Stück Vieh, und mit diesen und den gefangenen Hirten suchten sie nun eilends den R ü c k w e g . Glücklich kamen sie wieder über die Schneide des G e b i r g s , waren aber noch auf dessen Höhe, als ihnen eine S c h a a r Wehrleute nachsetzte, befehligt von einem stattlichen Fürsten aus dem regierenden H a u s e von A n a g a . Wohlvertraut mit solchen Abenteuern eilten sie, die Hirten an Händen und Füssen zu fesseln und nieder zu legen, sich selbst aber etwas tiefer am B e r g e vorteilhaft aufzustellen. Auf einer abstürzenden Höhe fassten sie Posten, hinter sich die Felswand. Die Wandschen kamen heran und R o d r i g o de Barrios, welcher ihre S p r a c h e etwas verstand, hörte den Anführer s a g e n : „ D i e s e Zwölf haben wir einmal, büssen sollen sie die Verwegenheit, in unser Gebiet einzufallen; ich lasse sie vom Felsen springen." E r meinte den T o d des Hinabstürzens. Rodrigo aber rief ihnen zu: „Ihr Herren Wandschen, w a s wollt Ihr? Wir unsererseits haben schon die Rechnung gemacht, wie viel von Euch J e d e r auf seinen Degen nimmt." D a brach der F ü r s t in Gelächter aus, und das kühne Wort des Tapferen gefiel ihm so sehr, dass er ihrer zu schonen beschloss. „ S p a n i e r ! " erwiderte er, „lachen muss ich über Euer Prahlen. Steigt aber nur herab und ziehet hin, wo E u r e Kameraden sind: ich schwöre es Euch bei den Gebeinen meines Ahnen Tinerfe, ich thue Euch nichts, ich habe nur noch Mitleiden mit Euch." E s wäre ihm auch bei den Seinigen verdacht worden, hätte er sich mit seiner Uebermacht gleich auf die Wenigen werfen wollen. Die zwölf Spanier zögerten hinabzusteigen: es fiel ihnen zu s c h w e r , ihren R a u b den Feinden zu

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lassen. D a sagte Juan de L l a r e n a : „ W a s thun w i r ? E s wäre doch eine S c h a n d e , ohne Beute heim zu kommen. J e d e r würde sagen, aus blosser Furcht hätten wir sie im Stich gelassen. Greifen wir an bei San J a g o ! " Und „San J a g o ! " schrieen nun Alle, und zugleich schössen sie ihre Armbrüste ab und gaben rasch auch eine zweite L a g e , und ehe die Wandschen nur an sie heran konnten, wälzte sich schon eine Menge im Blute. Dann gab es ein hitziges Handgemenge, das wohl eine Viertelstunde dauerte. Verwundet wurden alle Zwölf, sie aber hatten den Vorteil ausgezeichneter Waffen und gedeckter Stellung. Die Wandschen konnten sie nicht überwältigen, und als die Spanier im rechten Augenblick einen Vorstoss machten, flüchteten die Eingeborenen; denn sie glaubten nicht anders, als eine hohe Macht beschütze die Fremden. Ihr Fürst aber kämpfte noch voll stolzen Grimmes und wich nicht von der Stelle. Als er sich umringt sah, da stürzte er sich, — lieber als dass Die er sich e r g a b , — von der Felshöhe hinunter. Spanier schrieen den Flüchtenden n a c h : „Lauft nur, Ihr Prahler! Ruft ganz A n a g a zusammen, wir wollen hier auf Euch w a r t e n ! " Indessen hielten sie es doch für klüger, eilends die sechs Hirten los zu binden und mit ihnen und den Herden abzuziehen. Im Uebermut der Siegeslust sagte Francisco Melian, als ihm L o p e de Fuentes mit einem Tüchlein die blutende Hand verbinden wollte: „Ei lass nur fliessen, K a m e r a d , das Blut ersetzt sich von dem, was wir hier mitnehmen." Glücklich kamen sie wieder im Heerlager a n , keiner ohne Wunden, aber keiner fehlte. Unter dem Jubel und den Glückwünschen der Soldaten wollten sie nicht einmal um ihre Wunden sich kümmern und sagten: „Es ist nichts, davon stirbt noch k e i n e r ! " D e r General aber gebot, sie sollten sich verbinden lassen und dann aus-

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fürlich berichten, wie es ihnen ergangen. Sie aber riefen die Hirten an, damit diese und nicht sie selbst erzählten, was vorgefallen, als Augenzeugen der Heldenthat. Die zwölf Kameraden hielten ihren Bund fest während des ganzen Krieges, bis die Insel erobert war. Sie kämpften und lebten zusammen und zeichneten sich noch vielfach aus durch Kraft und Kühnheit.

12. Hungersnot im Lager. Ein Vierteljahr war seit der Schlacht bei Laguna verflossen, die Siegesnachricht hatte die andern Inseln in eine fröhliche Aufregung versetzt, die mehr und mehr anschwoll. Man übertrieb die Bedeutung dieses Erfolges und glaubte Teneriffa schon so gut wie erobert. W o ein paar Leute zusammen kamen, wurde davon geredet, ob man nicht am besten thue, hinüber zu fahren, um Anteil zu haben an Sieg und Ruhm, noch lieber an der Verteilung der vielen fruchtbaren Ländereien, die nun bald folgen musste. Insbesondere war es ein angesehener Herr auf Lanzarote, Diego de Cabrera, der das Anwerben und Einschiffen betrieb. Im Laufe des März setzte Barke auf Barke neue Streiter ab im Hafen von Santa Cruz, und das übertreibende Gerücht sagte, ihrer seien mehr als zweitausend gewesen. Lugo geriet in Verlegenheit. Wohl hatte er durch Treffen und Streifzüge, durch Krankheit und Strapazen viele Leute verloren, und der Ersatz war ihm willkommen. Allein die Lebensmittel fehlten, so vieles Kriegsvolk zu ernähren, und neue herbeizuschaffen, wurde von W o c h e zu W o c h e schwieriger. Es hatte das ganze Vierteljahr nicht aufgehört, vom Himmel zu strömen. Diese ewigen Regengüsse, die Modorra unter den Eingeborenen, ihre Flucht und

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Angst und Verzweiflung hatten verhindert, die Felder zu bestellen, und wo einige Saaten aufblühen wollten, wurden sie von Wolkenbrüchen zerstört. Die Herden aber waren jetzt samt und sonders nach den äussersten Punkten und in unersteigliches Gebirge fortgetrieben. Um in gesündere Luft zu kommen und bequemer Streifzüge in die Ferne anzustellen, marschierte Lugo im März, als der Himmel wieder heiter w u r d e , mit seinem Heere auf die Hochebene von Laguna und schlug dort ein Lager auf, das er sogleich mit festen Wällen umzog. Von hier wurden nun fort und fort Streifzüge angestellt, teils um Beute zu machen, teils Furcht einzujagen. Anfangs fing man noch etwas Vieh, dabei eine Menge Weiber und Männer, die nach dem Hafen getrieben w u r d e n , um in die Sklaverei verkauft zu wTerden. Die Armen Hessen sich ohne Widerstand greifen, fast ohne Flucht. Sie waren wie blöde und gelähmt vor Hunger und Siechtum und verzehrendem Kummer. Allein immer weiter mussten die Streitschaaren das Land absuchen, immer weniger brachten sie zurück. Sie fanden die Felder leer, die Hütten leer, nur modernde Leichen. Die Gebiete von Teweste und Tacoronte lagen da wie Wüsteneien, soviel von der Bevölkerung noch lebte, war drüben in Taoro. Auch aus Anaga Hess sich nur mit grosser Mühsal und Gefahr etwas Vieh und Korn herbeischaffen. Der General bat den König zu Wimar um Hilfe; dieser schickte auch an tausend Stück Vieh: in vier Wochen waren sie verzehrt, so sparsam man auch damit umging. Mehr aber konnte Wimar nicht liefern, denn auch dort war Misswachs und Modorra. Es wurde zu den vier Kriegsrhedern auf Canaria geschickt, um sie an ihre Vertragspflichten zu mahnen. Die Antwort lautete: sie könnten keinen Proviant aufbringen, denn

398 auch auf Canaria und den andern Inseln herrsche Misswachs. Lugo konnte sich die schreckliche Wahrheit nicht mehr verbergen, sie blickte ihn mit grossen, trüben Augen an. In den Eingeborenen hatte er sich völlig verrechnet, und das herdenreiche Teneriffa konnte sein Kriegsvolk nicht mehr ernähren. Als unausbleiblich hatte er sich vorgestellt, die Eingeborenen würden sich, wenn der Spanier machtvolle Gegenwart ihnen mehr und mehr als unabwendbar einleuchte, nach und nach darein finden und sich ergeben. Allein Monat auf Monat verging, er wartete vergebens. Sein Sieg bei Laguna war wie ein Schlag in die Luft. Hunger und Seuche wüteten, aber sie häuften nur Leichen, sie zerbrachen nur die Stärke, nicht den Mut der Ueberlebenden. Jegliches Elend überdauerte der hartnäckige Freiheitsstolz. W a s sollte Lugo thun? Mit ganzem Heer nach Taoro marschieren, eine Schlacht w a g e n ? Das hiess die Heerfahrt geradezu auf's Spiel setzen. Seine Soldaten waren entkräftet und entmutigt und, verlor er die Schlacht, war alles verloren. Dann musste er nochmals mit Schande abziehen, wenn er nicht vorzog, auf der Unglücksinsel sein eigen Grab zu nehmen. Allein auch ohne Krieg und Schlacht schwand das Heer dahin. Die ganze Umgegend war wie ausgekehrt , der Hunger nagte, die Mannschaften verzweifelten. Mehr und mehr Leute fehlten beim Aufruf, sie hatten sich nachts heimlich zur Küste hinabgeschlichen, dort sich Boote verschafft und waren auf und davon, um nicht Hungers zu sterben. Zuletzt musste man es gleichgültig ansehen, wenn bald hier bald dort eine Schaar, um andere Inseln aufzusuchen, fortzog und den alten Wahlspruch wiederholte: „Keine Händel mehr mit Teneriffa!"

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So ging die Zeit dahin ohne Entscheidung, ohne Aussicht. Der kurze Frühling mit seiner entzückenden Frische und Duftfülle war vergangen, der Sommer kam mit sengenden Gluten, das Gras vertrocknete, die Quellen flössen matt und lau, es kam der Herbst mit seiner bleiernen Schwüle, seinem bleichen Dunst, in welchem die Wälder standen ohne Laub und totenstill. 13. Edelmut der Kriegsobersten. Man war Ende Septembers. Die Regenzeit näherte sich wieder , die im vorigen Jahr die Insel mit endlosen Fluten übersättigte. Ein entscheidender Entschluss musste gefasst werden. Der General gab seinen vertrauten Freunden Guerra, Castellanos, Vergara und Truxillo und einigen der ehrenhaftesten Offiziere einen Wink, und sie zogen mit ihm in der Stille nach Santa Cruz hinunter und versammelten sich in der Nähe der Festung in einer einsamen Gegend am Strande, wo Niemand sie belauschen oder stören konnte. Lugo setzte ihnen hier die verzweifelte Lage auseinander. Er wollte noch einen Schnellsegler nach Canaria schicken mit Briefen an die vier Rheder, worin er sie wegen der Folgen, welche die Nichterfüllung ihrer Vertragspflicht habe, verantwortlich mache und vor Gericht lade. Ob es etwas helfe, wisse er nicht, hoffe es jedoch kaum. W e n n nun keine Hilfe komme, so wisse er gar nicht mehr, was zu thun, ob er alles aufgeben solle und selbst wieder nach Canaria g e h e n , oder Jeden, der wolle, in seine Heimat entlassen? — Ergriffen von diesen Klagen, dieser Verzweiflung Lugo's, des hochgeachteten Feldherrn, erhob sich Lope Fernandez de la Guerra und sprach: „Edler Ritter Don Alonso! Hätte ich das Glück, hunderttausend Dukaten zu besitzen, wahrlich

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ich legte sie in Eure Hände. Aber das gelobe ich Euch als Freund, ich verkaufe meine beiden Zuckermühlen, und was ich dafür bekomme, das wende ich an unsere Soldaten. Ich will keinen Nutzen davon, nur Euch helfen will ich. Lasst mich gehen mit diesem nächsten Schiff, meinen Vorsatz auszurichten." Da stand Lugo auf und fiel dem edlen Mann um den Hals und rief: „O Freund, welch grossen Trost habt Ihr mir gegeben! Allmächtiger, Du hast meinen Kummer in Trost gekehrt, Du gabst mir hochherzige Freunde: hier auf dieser Stelle errichte ich eine Dankkapelle, und sie soll heissen „Unsere Liebe Frau zum Tröste". Die Kapelle wurde auch nach dem Kriege gebaut, und de la Guerra stiftete eine ewige Messe darin. Dieser fuhr nun hinüber nach Canaria und verkaufte seine Mühlen und Ländereien für 16000 Dukaten und nahm dafür Mehl und andere Lebensmittel. Mit ihm war Juan de Sotomayor gekommen, um im Namen Estupinan's, des Bevollmächtigten des Herzogs von Medina Sidonia, Klage anzustellen gegen die vier Rheder. Der Prozess zog sich hin und her, zuletzt aber verhängte das Gericht Exekution gegen die Vier, und sie mussten Wein, Weizen und Gerste aufbringen. Diese Geschäfte auf Canaria nahmen den Oktober und November in Anspruch, und während dieser Zeit litt man auf Teneriffa äusserste Not. Eine Hand voll Gerste und fünf Feigen — darin bestand die ganze Tagesration der Soldaten. Sie hatten sich aber, als sie von de la Guerra's Aufopferung hörten, das Wort gegeben, um der Religion Jesu Christi willen und für Spaniens Ehre auszuhalten. Sie gingen an's Meer und lasen Muscheln auf, und in den Wäldern suchten sie nach essbaren Beeren und Kräutern und Knollen und hatten darin zu Lehrmeistern die verbündeten Eingeborenen aus den andern Inseln; denn diese Inseln

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tragen alle dieselben Wald- und Bodenfrüchte. Insbesondere kam ihnen die Wurzel des Farrenkrautes zu Statten. An allen Abhängen sah man die Hungernden nach diesen Wurzeln graben. Sie wurden am Feuer oder an der Sonne ausgetrocknet und wenn sie allen Wassergehaltes entledigt waren, konnte man sie zu Mehl zerstampfen und daraus kleine Kuchen backen. Es war wenig und schmeckte bitter, fristete aber doch das Leben.

v. L ü h e r , K a n a r i e r .

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Dreizehntes Kapitel.

Drittes Kriegsjahr auf Teneriffa. i. Weihnacht vor der Acentejoschlucht. Am i. Dezember liefen im Hafen von Santa Cruz die Proviantschiffe ein, welche die Herren de la Guerra und Sotomayor in Canaria beladen hatten. Sofort verbreitete sich Leben und Zuversicht durch die Lagerhütten. Vorbei war die lange lange Hungersnot, neun Monate hatte sie angedauert. Die Soldaten hatten geglaubt und gelobt, sie müssten um Gottes und Spaniens Ehre willen aushalten, endlich müsse ihnen Hilfe werden: jetzt war die Hilfe da, und nun könnte es auch, behaupteten sie, gar nicht anders sein, als dass Teneriffa ihr Eigen würde. Drei Wochen wartete Lugo noch, seine Leute hatten sich wieder gekräftigt und verlangten vorwärts. Unversehends dachte er in Taoro einzufallen, ehe dessen König die Streithaufen der verbündeten Fürsten an sich ziehen könnte. Weihnachtszeit schien ihm die rechte heilige Zeit zum Kampfe zu sein. Am T a g e vor Weihnachten brach in Morgenfrühe das Heer nach Laguna auf, marschierte durch das menschenleere Gebiet von Tacoronte, und zog durch die Schlucht von Acentejo unheilvollen Andenkens. Noch bleichten darin unbegraben die Gebeine so vieler tapferer Spanier. Es mochte eilf Uhr Mittags sein, als man bereits das ebene Land hinter der Schlucht erreichte und vor dem Bergriegel stand, der vom Monte Pedro

Drittes Kriegsjahr auf Teneriffa.

Gil zum Meere niederläuft und damals die Gebiete von Taoro und Tacoronte von einander schied. Hier wurde Halt gemacht und ein Lager aufgeschlagen. Kaum aber hatten die Soldaten Gepäck und Waffen niedergelegt, als bereits kleine Streifschaaren nach verschiedenen Richtungen zogen, um Eingeborene aufzugreifen und heran zu bringen, von denen man Kundschaft einziehen konnte. Es kam nur darauf an, sie zum Sprechen zu bringen, indem man durch Herzlichkeit und Schmeichelei, oder durch List und plötzliche Ueberraschung, oder durch Martern und Todesfurcht auf ihr Gemüt starken Eindruck machte. Es war ihnen unmöglich, Lügen vorzubringen, und fingen sie einmal an zu reden, kam gewöhnlich alles zum Vorschein, was man wissen wollte. Auch des Feindes Kundschafter lagen hier und dort auf der Lauer. Lope Fernandez de la Guerra war in seinem Eifer allein umhergeritten, als in felsiger W a l d g e g e n d auf einmal ein Dutzend Wandschen hinter dem Gestein hervorbrachen und ihn ansprangen wie Windhunde. Er aber gab dem Pferd die Sporen, bis er, die Verfolger hinter ihm her, auf eine ebene Stelle kam. Dann wandte er sich, schoss und stach die Nächsten nieder, und während die Uebrigen sich verloren, gelang es ihm, einen zu überreiten. Rasch sprang er vom Pferde, fesselte den am Boden Liegenden und schleppte ihn glücklich in's Lager. Hier brachte man aus dem Gefangenen heraus, König Tinwaro und Akaymo, der Fürst von Tacoronte, hätten all ihre Krieger beisammen und würden andern T a g s in erster Morgenfrühe angreifen, und zwar in zwei Sturmhaufen. Dies wurde nun den Soldaten kundgegeben, und Lugo und die Obersten gingen umher und redeten ihnen a u f s Herzlichste zu und sagten: „Freunde und Söhne! hier auf dieser Stelle ging vor Jahr und T a g

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uns Ehre und Achtung verloren, auf dieser Stelle müssen wir sie wieder erwerben. Augenscheinlich hat uns der Himmel zum Siegen aufgespart, nachdem wir soviel geduldet. Die Königin der Engel selbst bittet für uns und der grosse St. Michael der Erzengel steht uns bei! Haltet nur tapfer aus, dann kann Sieg gar nicht fehlen." Der Zuspruch des Generals und der Offiziere, Ort und Stelle, und die heilige Nacht erweckte in den Soldaten eine flammende Begeisterung. Niemand durfte sich schlafen legen, sie redeten einander zu und zündeten festliche Feuer an. Um die zwölfte Stunde begannen die drei Weihnachtsmessen. Das ganze Heer lag auf den Knieen, als die Predigt durch die Nacht scholl, wie sie für den gekreuzigten Heiland kämpfen müssten bis zum letzten Blutstropfen, damit das herrliche Land nicht mehr vom Heidentume besudelt werde. Viele Offiziere und Soldaten beichteten und nahmen das Abendmahl, und die Vigilien und Kirchengesänge dauerten die Nacht hindurch bis zum Frührot. 2. Schlacht von Vittoria. Die Wandschen, welche in der Nähe standen und vernahmen, wie unruhig und festlich es bei den Spaniern herging, wussten nicht, was sie aus der Sache machen sollten. Offenbar waren sie überrascht, Tinwaro hatte in der Eile ein allgemeines Aufgebot erlassen, von seinen Verbündeten aber nur erst aus dem anstossenden Tacoronter Gebiet die Streitkräfte heranziehen können. Wahrscheinlich hatten die Wandschen darauf gerechnet, durch Verluste in den Schlachten und Gefechten, durch Hunger und Entbehrungen aller Art würde der Feind zuletzt sich genötigt sehen, das Land wiederum zu verlassen. Jetzt auf einmal mit frischer Kraft angegriffen, sahen sich die Fürsten von Taoro und Tacoronte und ihre Krieger

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in einer verzweifelten Lage. Mit den Heerden und mit Weib und Kind noch weiter sich zurückziehen — das konnten und mochten sie nicht: lieber wollten sie kämpfen, bis ihnen Sehnen und Knochen brächen. Auf Tod und Leben nahmen sie von einander Abschied, als sie am frühen Morgen aufbrachen. Von zwei Seiten dachten sie sich auf den Feind zu stürzen, die von Taoro auf der einen, die Tacoronter auf der andern Seite, jeder Gau seinen Fürsten an der Spitze. Auch Lugo hatte sein Heer geteilt, er führte die eine, Guerra die andere Hälfte. Die Spanier erfüllte an diesem heiligen Weihnachtsmorgen religiöse Begeisterung, die Wandschen rückten an in düsterer Verzweiflung. Lugo Hess sie wieder herankommen, während seine Kriegsmusik nach Kräften aufspielte. Ehe noch ihre Steingeschosse daher rasselten, schrie er: „San Jago über sie," und die Schlacht entbrannte und der Tod hielt seine Ernte. So oft die Reihen der W e h r männer erschüttert wurden, so oft schlössen sie sich wieder und stürmten heran. Ihr Heldenmuth und die W u c h t und Raschheit ihrer Bewegungen brachten wiederholt die Spanier in's Gedränge, doch die europäische Waffen- und Kriegskunst behielt immer wieder die Oberhand. Fast den ganzen T a g dauerte die Schlacht. Die Wandschen versuchten es auf alle Weise, Godeto, W a d e n e t h , Careto und die andern Helden leisteten das Ungeheuerste, um die festen Haufen zu zerbrechen, — vergebens, die Spanier standen wie Mauern. Ihrer hatte sich, wie damals öfter in schwerer Schlachtennot bei ihnen geschah, eine finstere Entschlossenheit bemächtigt. Gleichgültig, jeder Mann sofortigen Todes gewärtig, standen oder marschierten sie auf Kommando und brauchten ihre Waffen mit der Wucht und Raschheit lebloser Maschinen. Der einäugige Benitez erschlug Badojol,

406 des Königs Bruder, diesem selbst wurde der Arm zerschmettert, Akaymo durch die Lende geschossen. Als die verwundeten Fürsten am späten Nachmittag erkannten, dass alles Blut und jede verzweifelte Anstrengung umsonst, brachten sie noch einen geordneten Rückzug zu Stande. Die Spanier folgten ihnen nicht. Aufatmend nach furchtbarer Not und Arbeit sanken sie auf die Knie, dem Himmel zu danken. Und dann, als kein Feind mehr sichtbar, sprangen sie wieder auf und riefen: „Vittoria!", und fielen sich um den Hals und jubelten wieder „Vittoria!" Lugo aber gelobte, das Feld solle fortan Vittoria heissen und eine Kapelle sich darauf erheben „Unserer Lieben Frau vom Siege". So stehen jetzt an beiden Seiten der Acentejoschlucht Ortschaften zum Andenken der Schlachten, hüben die eine Matanza d. h. die Stätte des Gemetzels geheissen, drüben die andere, welche durch ihren Namen den Sieg verkündet. 3. Neue Hungersnot. Neun T a g e lang lagerte der General auf der Siegesstätte. Die Soldaten hatten Zeit, die Reste des im vorigen Jahre in der Schlucht erschlagenen Heeres mit Erde zu bedecken. Der Feind machte keinen neuen Angriff. Weiter aber in dessen Land hinein zu marschieren und die Unternehmung zu verfolgen, dazu war das Heer zu schwach. Denn schrieben gleich die Spanier am Abend des Weihnachtstages ihrerseits nur 64 Tote auf, während sie die Gefallenen auf Feindes Seite bis zu 2000 rechneten, so waren doch wenige im Lager, die nicht Wunden von Steinwürfen, Keulen und Spiessen zu pflegen hatten. A m 4. Januar trafen die Spanier wieder in ihrer Festung an der Küste ein, und als sie wieder darin.

4°7 herbergten sie dort noch sechs volle Monate, ohne einen Schlag zu thun. Wiederum stellte sich bei ihnen der Mangel ein. L u g o heischte a u f s neue Hilfe und Proviant von seinen vier Rhedern in Canaria, allein mit mehr Gewicht noch als im vorigen J a h r , wiederholten sie ihre Einreden, dass er die beste Gelegenheit vorüberlasse, die Eroberung zu vollenden; dass er absichtlich damit zögere; dass sie nicht entfernt auf so lange Zeit des Krieges gerechnet hätten, als sie ihren Vertrag mit ihm abgeschlossen. Vergebens beriefen sich Lugo's Bevollmächtigte auf die Unmöglichkeit, mit entkräftetem Heere Neues zu unternehmen oder ihm, wenn man in's Innere vorrücke, soviel Proviant nachzuführen, als doch bei der völligen Entleerung des Landes nötig sei. Die Rheder konnten ihrerseits darlegen, dass all ihre Mittel erschöpft wären. Die Not wurde a r g , wieder musste man zu trockenen Feigen und bitterem Farrenmehl greifen. Wieder beklagten Viele den unglückseligen Feldzug nach Teneriffa, dem nimmer ein gutes Ende werde. Nur noch eine Zuflucht blieb, der Herzog von Medina Sidonia, der das Beste gethan, dass vor zwei Jahren die Kriegsfahrt zu Stande kam. L u g o und Estupiñan schickten zu Ende April ihren Bevollmächtigten Alonso de la Peña nach Spanien. Dieser legte dem Herzog den Stand der Unternehmung vor, und warum sie so viele Zeit erfordere und wie man sie jetzt kurz vor der sicheren Vollendung nicht im Stiche lassen dürfe. Der reiche Fürst liess sofort ein Schiff mit Mehl, spanischen Erbsen, Z w i e b a c k , Wein und Oel, Essig und anderem Proviant befrachten und unverzüglich absegeln: widrigen Windes wegen konnte es aber erst am letzten Mai 1496 auf Teneriffa landen. Seine Landung belebte die Hungernden wieder. Weil Soldaten und Offiziere sich als Streiter Christi

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betrachteten, und da nach der Einigung Spaniens durch ein glorreiches Herrscherpaar und nach der gewinnreichen Eroberung von Granada ihres Volkes Macht ihnen als etwas Unerschöpfliches, j a Ungeheures erschien, so gehörte auch bei der grössten Entbehrung und Mühsal nur wenig dazu, um spanischen Mut zu j e n e r Zeit wieder aufzurichten. Ungemein wohlthätig wirkte auf die Gemüter besonders die Gewissheit, dass ihr Vaterland sie nicht verlasse und auf sie als seine tapferen Söhne hinblicke. Gestützt auf den Beistand eines Fürsten, welchem an Macht und Reichtum nächst dem Königspaar kein Anderer in Spanien g l e i c h k a m , rüsteten sie freudig zu neuen Märschen und Schlachten, um endlich die Eroberung des Landes zu vollenden.

4. Teneriffa ein Leichenfeld. Die Insel gehörte bereits den Spaniern: die Kraft des Widerstandes war völlig vernichtet. Unselig Land, unglückliches V o l k ! Jammervoller ist niemals ein tapferes Volk unterlegen. Nach der Niederlage der Spanier in der Acentejoschlucht brachen alle Mächte des Verderbens über die Eingeborenen herein. Vertrieben oder geflüchtet von ihren Ländereien oder ungewiss, ob ihnen der Feind oder der T o d die Ernte noch einmal gönnen werde, hatten sie auch für das neue J a h r wenig oder nichts gesäet und der Mangel an Speise war allgemein. Die Modorra aber mordete um so rascher. Hungernd und fiebernd sassen die Aermsten in ihren Hütten und erwarteten den T o d als ihren einzigen Befreier. Ihnen brachte Niemand Hilfe, Niemand ein W o r t des Trostes. Ihre kummervollen Gedanken wendeten sich immer aui den einen Punkt zurück, warum die Gottheit es gewollt, dass die S p a n i e r , die doch so reich und ge-

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bildet, aus weiter Ferne kommen mussten, um einem V o l k e , das ihnen niemals etwas zu Leide gethan, Glück und Heimat zu nehmen ? W e n n diese übermütigen Spanier wirklich die Gottgeliebten waren, warum sie denn die T o t g e w e i h t e n ? W a s verbrachen sie, dass ihr ganzes Volk erliegen, dass Pest und Hunger kommen mussten, um seine Leichen dem siegreichen Feinde auf den W e g zu streuen? In den Ortschaften, welche durch Flucht oder allgemeines S t e r b e n sich entvölkerten, blieb zuletzt nichts zurück, als kleine Hunde. Die Wandschen hatten diese gern gehabt, jede Hütte besass ein paar. D a niemand diese T i e r e mehr zähmte, niemand ihnen Nahrung g a b , so verwilderten sie und warfen sich auf die Leichen, sich zu sättigen. Diese Hunde hatten sich in den letzten beiden Jahren rasch vermehrt, und als ihre Rudel kein Totenfleisch mehr zu verschlingen fanden, so trieb sie der H u n g e r , Lebendige anzufallen. Kam ein Eingeborener des W e g s durch die menschenleeren Gemarkungen, so durfte er nicht mehr wagen, nachts am Boden zu herbergen. Um nicht von den Hunden im Schlafe zerrissen zu werden, stiegen die Menschen auf die B ä u m e , das Nachtlager zwischen ihren Zweigen zu suchen. Vier W o c h e n brauchten die Spanier, sich von den Entbehrungen zu erholen, nachdem das Proviantschiff angekommen. Erst dann hielt L u g o sein Heer für gekräftigt g e n u g , um T a o r o , den Sitz und Hort des langen Widerstandes, selbst aufzusuchen. Mit grösster Vorsicht und F ü r s o r g e hatte man sich dazu gerüstet. Am i . Juli brachen die Spanier auf und der Marsch ging diesmal nicht über Tacoronte und die Niederungen an der K ü s t e , sondern von Laguna wendete L u g o sich gleich zum Gebirgszug, der unter dem Namen Esperanza die Insel teilt. Die Spanier marschierten längs des Höhenzuges hin, um gesündere

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Luft zu haben und etwa hierher geflüchtete Herden zu erbeuten. Dann stiegen sie mit grösster Wachsamkeit in der Richtung nach Acentejo wieder zur Küste hinab und schlugen auf dem Gefilde von La Vittoria das Lager auf. Sie sahen den ganzen T a g über keine Menschen, das Land war völlig ausgestorben. W o die Soldaten auch eindrangen in Hütten und Grotten, in die tiefsten Schluchten und Gebirgswinkel, in welche die Bevölkerung sich verkrochen, überall fand man nur Leichen oder Gerippe. Zu Hunderten lagen sie beisammen. Oefter erschien der grüne Abhang auf und nieder wie mit weissen Punkten besäet: es waren die bleichenden Gebeine derer, die einst so herzensfröhlich hier gewohnt hatten. Die Hunde, welche sich mit gräulichem Gekläffe und Zähnefletschen umhertrieben, hatten Stücke der Gerippe aller Orten hin verschleppt. 5. Auf und vor dem Tigayga. Andern Morgens früh langte man in Arautapala an, der grössten und schönsten Ortschaft Taoro's, wo der Oberkönig seinen Hof hielt. Noch immer blühet dort die schönste Stadt der Insel, der Name aber hat sich in Orotava umgebildet. Auch dort fanden die Spanier alles leer und verödet. Wohl hatte König Tinwaro durch seine Kundschafter Nachricht bekommen, als die Spanier sich wieder zum Ausmarsch rüsteten, und sofort hatte er die verbündeten Fürsten von Tacoronte, Teweste, Anaga und Sebensayas entboten, mit dem Reste ihrer Heereskraft zu ihm zu stossen. Sie waren auch schon in Arautapala eingetroffen, ehe die Spanier ankamen. Als sie aber beisammen, erkannten sie mit Entsetzen, wie wenig kernige Mannschaft noch übrig geblieben. Verdorrt und erschlagen lag die kriegerische Blüte

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ihres Volkes. E s war nicht mehr daran zu denken, das Feld zu halten, und wurde beschlossen, sich auf den Kamm des T i g a y g a zurückzuziehen und dort sich zu verschanzen. Von dem steilen Ausläufer, der von dem hochstarrenden Bergring um den P i k , den dürren LavaCanjadas, zum Meere sich hinstreckt, und der damals die Gebiete von Taoro und von Icod trennte, ist der T i g a y g a das Endstück, das wie ein eiserner Kamm an der Küste hinstreift und schroff zur Tiefe abfällt. Dort hinauf zogen die Letzten der Wehrmänner, die Letzten der heldenhaften Weiber. Die Uebrigen blieben auf ihren Gehöften sitzen, gleichgültig noch grösseres Elend erwartend, oder verloren sich in den Tiefschluchten und auf den nackten Höhen des Gebirges. L u g o sah auf den ersten Blick, dass er die Wandschen oben auf ihren Klippen nicht angreifen könne: er verschanzte sich zu Füssen des Berges und wartete ruhig, bis Hunger und Durst sie herunter trieben. Allein vergebens wartete er eine Woche nach der andern. Noch immer hielten die Unseligen da oben aus und verzehrten sich in Elend und Mangel an allem. Kein guter Geist kam zu ihnen herauf, ihre Leiden zu sänftigen, ihres Volkes Jammerschicksal zu wenden. In heller Verzweiflung mögen sie wohl öfter hinabgeblickt haben in die Tiefen, voll dunklen Dranges, durch freiwilligen Sturz in den Abgrund sich der Gottheit zu opfern und allen Jammer zu enden. Zurückhalten konnte sie nur der Gedanke, dass es doch edler sei, im Kampfe gegen die Bedränger zu sterben, oder die Rücksicht auf Weib und Kind, die, soviel ihrer noch übrig, in den wilden und entsetzlich öden Canjadas umher irrten. Das dauerte so drei volle Wochen lang. Endlich früh am Morgen des 24. Juli stiegen sie hinunter und näherten sich von unterwärts dem Feinde. A l s sie

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noch etwa einen Büchsenschuss von dessen Lager entfernt waren, machten sie Halt. Die Spanier standen in Schlachtordnung, des letzten Angriffs gewärtig. Doch die Wandschen blieben stehen. Fühlten sie vielleicht, dass ihnen Blut und Saft in den Adern vertrocknet sei? Lugo wagte nicht, die Verzweifelten anzugreifen. Den ganzen T a g standen sich beide Heere gegenüber, das Kriegsgeschrei und Pfeifen liess sich nicht hören, und als der Abend kam, lagerten sich, von Leid und Hunger verzehrt, die Wandschen da, wo sie standen. Die Spanier aber zündeten mehrere grosse Feuer an, welche die Umgegend erhellten, damit sie erkennen könnten, was der Feind etwa im Dunkel der Nacht vorhabe. Noch heute bezeichnen die zwei Ortschaften Ober-Realejo und Nieder-Realejo die Stätte, wo die Spanier und die Wandschen in jener Nacht ihr Lager hatten.

6. Ergebung von vier Fürsten. In dieser Nacht entschied sich Tinwaro. Er fühlte das tiefste Erbarmen mit seinem Volke und konnte es nicht über sich gewinnen, auch den winzigen Rest noch zu opfern. Die Weisheit und Milde seines edlen Charakters siegte über die Freiheitsliebe. Am Morgen berief er den letzten freien Landtag. Noch einmal setzte er sich auf den erhöheten, mit weissem Fell bedeckten Stein, neben ihm nahmen die Fürsten Platz, im weiten Umkreis standen die Krieger. Mit bebender Stimme hob er seinen Vortrag an: „Er müsse ihnen die F r a g e vorlegen, ob die Letzten ihres Volkes noch streiten und sterben sollten? Sie hätten einen gerechten Kampf geführt um ihre alte Freiheit und Heimat, ihre Weiber und Kinder und die Gräber ihrer Ahnen zu schützen. Vergebens, alles vergebens.

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Der allwaltende Gott habe ihr Schicksal bestimmt, als tapfere Männer müssten sie es auf sich nehmen. Er f r a g e , ob ihnen dadurch, dass sie trotz all ihrer Tapferkeit und Ausdauer in einem dreijährigen Krieg und Elend unterlegen seien, nicht angekündigt worden, dass das Christentum besser sei, als ihre angestammte Religion? Er erkenne den göttlichen Willen und stimme für Ergebung und Annahme des Christentums." Mit tiefer Niedergeschlagenheit nahm die Versammlung diese Rede auf. Dann aber erhob sich Aufruhr und lauter Widerspruch. Viele Krieger wollten nimmermehr sich unterwerfen, besonders waren es Männer von Teweste und Anaga, Sebensayas an ihrer Spitze. Sie wiesen auf die Treulosigkeit und Verräterei der Spanier hin, die selbst ihre eigenen Verbündeten und Helfer von Wimar auf's Schändlichste behandelt hätten. Laut erklärten sie: sich ergeben heisse soviel als einwilligen, dass man in die Sklaverei verkauft werde. Ihnen wurde entgegnet: davon dürfe gar keine Rede sein, es könne sich nur darum handeln, freie Unterthanen des Königs von Spanien zu werden; das müsse vor jeder Unterwerfung zweifellos feststehen. Die Fürsten erklärten sich für Tinwaro's Vorschlag, und die Mehrheit stimmte ihnen bei. Beschlossen wurde aber: die vier Fürsten sollten zuerst und allein in's Lager der Spanier gehen und die Unterwerfung und Annahme des Christentums erklären, zugleich aber feste Bürgschaft fordern, dass Jedermann vor Hörigkeit und Sklaverei gesichert sei. Die Andern blieben dabei, dass sie spanischer Schändlichkeit sich nicht opfern wollten, traten zusammen und rüsteten sich trotzig zum Abzug. Nun traten die Fürsten von T a o r o , Tacoronte, Teweste und Anaga den schweren Gang an und näherten sich den Spaniern, indem sie Zeichen des Friedens machten. Lugo schickte ihnen Gonzalo del

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Castillo mit einem Dolmetscher entgegen, zu wissen, was sie vorhätten. Tinwaro sagte ihm: er möge dem Feldherrn melden, sie wollten sich unterwerfen, forderten aber als Bedingung, dass Niemand von ihnen eines Mannes Leibeigener werde. Castillo überbrachte die Meldung dem General, und freudig sagte dieser zu: er halte die drei Bedingungen, deren Annahme er früher von ihnen gefordert, — Frieden und Freundschaft, Anerkennung seines königlichen H e r r n , als Unterthanen Annahme des Christentums, — gern wolle er ihnen die heiligste Bürgschaft gewähren, dass Jedermann an Person und Eigentum frei bleibe. Als Castillo mit dieser Botschaft zurückkehrte, gingen die Fürsten zu den Spaniern. Lugo und seine vertrauten Offiziere kamen ihnen schon entgegen und boten ihnen auf das Liebreichste die Hand. Thränen stürzten den Fürsten aus den A u g e n , als sie vor die Reihen des Feindes traten. Zitternd an allen Gliedern näherte sich Tinwaro, aber er zwang sich zur Selbstbeherrschung. Die Offiziere waren ergriffen von seiner edlen Haltung. Er legte seine Hände in die des Generals und sagte: „Edler und tapferer Feldh e r r ! Wir bedauern den langen blutigen Kampf, aber wir mussten glauben, Du seiest unser Feind und wollest unser Volk vertilgen. W i r geloben jetzt Ehrfurcht und Gehorsam Deinen Herren, den Königen und übergeben ihnen die Insel unseres grossen Ahnen Tinerfe. Auch wollen wir Christen werden, wie Ihr seid. Das aber schwören wir hoch und heilig: Sklaven werden wir nicht und auch unsere Kinder nicht." — „Das verpreche ich Euch", rief Lugo, selbst gerührt, „und ich kann es nicht heiliger beteuern nach meinem Glauben, als auf das Messbuch." Darauf liess er sich ein solches reichen, legte die rechte Hand darauf, kniete nieder und schwur mit lauter Stimme: alle

4*5 Artikel des Vertrages sollten immerdar aufrecht und unverletzt gehalten werden. Nachdem dieses den Kriegern drüben gemeldet war, kamen sie herbei, traurig und niedergeschlagen über den Untergang ihrer Freiheit. Die meisten Spanier boten Alles auf, sie ihr Unglück vergessen zu machen, und begrüssten sie mit Handschlag und Umarmung. L u g o und seine Offiziere begegneten den Fürsten mit grösster Hochachtung. Spanier und Wandschen wechselten Zeichen der Freundschaft. Auch war reichlich für Speise und Trank gesorgt, und den T a g beschloss ein grosses Gastmahl. Sebensayas dagegen und die Krieger von Teweste und A n a g a , soviel ihrer von Unterwerfung nichts wissen wollten, mochten dem Schauspiel der Verbrüderung mit den Spaniern nicht beiwohnen und zogen ab mit wildem Ungestüm. Die Spanier jener Zeit der Maurenkriege sahen in begeistertem Glauben, gleichwie einst die Kreuzzugskrieger, beständig hoch über ihren Häuptern himmlische Heerschaaren ziehen und kämpfen. S o hatte L u g o nachdenkend ein himmlisches Geheimnis erschlossen und sagte an jenem Abend zu seinen Vertrauten : Wunderbarer Weise sei dieser T a g , der 24. Juli, Festtag des Apostels San J a g o und zugleich des grossen San Christobal. Da aber der Erstere bereits Schutzherr von ganz Spanien sei, so wolle San Christobal offenbar Schutzpatron von Teneriffa werden. Dieser grosse Heilige habe ihnen gewiss bei der Eroberung mit Macht geholfen. Sie müssten ihn zum Schutzpatron der Insel erklären, und die erste Stadt, welche erbaut w e r d e , müsse seinen Namen tragen. E r , L u g o , habe bereits dem heiligen Jakob eine Kirche hier in Realejo versprochen gehabt, in jener ersten Stadt aber wolle er dem heiligen Christoph nun eine noch grössere bauen. Dieser Vorschlag

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gefiel den Spaniern nicht wenig, und feierlich riefen sie: „Senor San Christobal" aus als Schutzheiligen von Teneriffa. 7. Letzte Kämpfe. Andern T a g s kam der Fürst von Wimar heran mit Gefolge und Gepränge, seinen Besuch abzustatten, und da Anjaterfe sah, wie jetzt die Sachen standen, so erklärte auch er, dass er seine Krone niederlege, Ferdinand und Isabella als seine Oberherren anerkenne, und das Christentum annehme. Zugleich stellte er, um seine Ergebenheit zu bezeugen, seine ganze Macht und alle Hilfsquellen seines Landes dem General zur Verfügung. Diese Hilfstruppen, welchen die Spanier schon so viel verdankten, kamen Lugo höchst gelegen. Denn nach dem Oberkönig zu Taoro konnte der Herrscher von Wimar am meisten Wehrmänner aufstellen, und da die Modorra in seinem Gebiete noch am wenigsten Opfer gefordert hatte, so traten seine Krieger mit frischen ungeschwächten Kräften auf. Sie vorzüglich waren es, die nun das letzte Stück Arbeit bezwingen mussten. Die vier Fürsten zu Icod, Daute, Adeje und Abona rüsteten eilig aus allen Kräften, ihre Unabhängigkeit zu verteidigen. Sie hatten sich hinter dem gewaltigen Bergringe des Pik für sicher gehalten, auf der einen Seite bildete das mächtige Reich von Taoro ihre Vormauer, auf der andern Wimar. Jetzt war geschehen, was sie kaum für möglich gehalten : Taoro und Wimar waren spanisch, von der einen wie der andern Seite lag ihr Land dem Angriff offen. Jetzt, wo es zu spät war, wollten sie kämpfen auf Tod und Leben. Aus dem Nordwesten der Insel aber, dessen Fürsten sich unterworfen hatten, kamen in's spanische

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Lager gar schlimme Nachrichten. Die Wehrmänner von Teweste und Anaga, die unwillig vom Heere bei Realejo weggegangen, hatten in ihrer Heimat wilden Aufruhr entzündet. Alle kriegerisch Gesinnten schaarten sich zusammen, zogen haufenweise umher und besetzten im Gebirg und an der Küste feste Punkte. Laut erklärten sie: Niemand könne freie Männer zwingen, einem fremden König zu gehorchen, und wenn ihre Fürsten Feiglinge seien, so wollten sie des Landes Ehre retten und kämpfen bis zum letzten Mann. Auch der Herr von Sebensayas hatte auf seinem Gebiete das Banner ewiger Unabhängigkeit aufgepflanzt. Lugo machte jetzt das Standlager zu Realejo zum Mittelpunkt seiner Unternehmungen. Hier war er den unabhängigen Fürsten am nächsten, und konnte von hier aus die Unterworfenen besser im Zaum halten. Von den Letzteren verlangte er: nun sollten sie zeigen, dass sie es redlich meinten mit ihrer Anerkennung der spanischen Könige und treulich helfen, ihnen die ganze Insel zu unterwerfen. So geschah es. Die beiden Fürsten von Teweste und Anaga mussten in den sauren Apfel beissen und ihre eigenen Unterthanen bekriegen. Mit ihren Treugebliebenen und mit Spaniern vereinigt marschierten sie in ihre Heimat, die jetzt nach allen Seiten noch von der Geissei des Bürgerkrieges zerschlagen wurde. Verfolgung und Widerstand zogen sich hin durch zwei lange Monate. Eine Schaar Aufständiger nach der andern musste aufgesucht, besiegt und unterjocht werden. Das gütliche W o r t that, wie es scheint, am Ende das Meiste. In Anaga hatten die Aufständigen sich auf hohem Felsberg eine starke Festung erbauet, die sie, nur durch Zureden ihres Fürsten überwunden, verliessen. Der Fürst von Teweste hatte dagegen mit Sebensayas zu schaffen, der Freiheitsliebende an sich gezogen hatte, und auf seiner Berghöhe sich verv. Lölier, K a n a r i e r .

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4i8 teidigte. Zu Ende August hatten Lugo und seine verbündeten Fürsten die Genugthuung, dass alle Aufständischen aus Teweste und Anaga zu ihm kamen, um persönlich den Königen von Spanien zu huldigen. Z u r selben Zeit, in den Monaten August und September, wüteten Krieg und Pest in den Gebieten der noch freien Fürsten. An diesen musste sich der von Wimar mit seinen Häuptlingen die Sporen verdienen, selbstverständlich unter spanischer Führung und Beihilfe. Mehrere Kriegszüge wurden unternommen, hart wurde gekämpft. Auch hier röteten sich die geliebten Berghöhen der Heimat vom Blut ihrer Verteidiger. Auch hier lieferten Not und Hunger und Seelenqual der würgenden Modorra ungezählte Opfer.

8. Ergebung von vier andern Fürsten. Wiederholt hielten die Fürsten Pelinor von Adeje, Roman von Daute, Adchoncho von Abona und Pelicar von Icod mit ihren vornehmsten Lehensleuten Versammlungen, um sich zu beraten, ob und wie sie den Krieg fortsetzen sollten. Dann kamen sie in Icod zusammen, einen letzten Entschluss zu fassen. Der Fürst von Daute nahm das W o r t : „Vettern und Freunde! Unsere Völker sinken zusehends durch Pest und Schwert dahin. Setzen wir den Kampf fort und werden besiegt, sollen wir Könige dann Sclaven werden eines spanischen Trossbuben? W i r können aber Herr unseres Willens bleiben, wenn wir dem König von Spanien Gehorsam erklären, wie es unsere Vettern gethan, die doch stärker als wir. Gehen wir also zum spanischen Feldherrn und schliessen Frieden mit ihm; jeder sehe zu, wie er am besten mit ihm zurecht kommt, — das ist meine Meinung." Die drei anderen Fürsten konnten nicht anders, als beistimmen.

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Jeder ging zu seinen Wehrleuten und hielt ihnen vor, wie keine Aussicht mehr sei, sich aufrecht zu halten, und was die Fürsten für's Beste hielten. Die Einen stellten sich auf ihre Seite, die Andern erklärten: sie wollten lieber sterben, als sich unterwerfen. Die Häuptlinge sammelten sich nun mit ihren Getreuen zu Icod und zogen von da nach dem L a g e r der Spanier. Am Morgen des 29. September gegen 9 Uhr wurde ihre Schaar von dort aus wahrgenommen. Der Lärmruf erschallte, man erwartete Angriff. Der Z u g aber machte Halt, bloss vier der vornehmsten Adligen kamen näher und verlangten zum General geführt zu werden. Sobald dieser ihren Herren sicheres Geleit zugestanden, kamen die vier Fürsten mit ihrem adligen Gefolge und berühmten Kriegsvolk heran. Die Fürsten erschienen zuerst vor dem General, der sie freundlichst im Kreise seiner Vornehmen empfing, sie willkommen hiess und einlud, sich zu setzen. Dann erhob sich der Fürst von Adeje und erklärte, wie sie von Uebermacht besiegt gekommen seien, den spanischen Königen zu huldigen, und Frieden und Christentum begehrten, unter der Bedingung, dass ihre und ihrer Getreuen Freiheit nicht gekürzt werde; ein Teil ihrer Unterthanen wolle den Krieg fortsetzen, mit diesen Ungehorsamen möge der General verfahren wie er könne und möge; zum Zeichen aber fester Freundschaft gäben sie ihm die Hände. L u g o stand auf und umarmte sie und gab ihnen jede Zusage, die sie wünschten. Dann riefen sie die Ihrigen herbei. Auch diese wurden von den Spaniern mit grösster Freundschaft aufgenommen und in ihrer Gegenwart leistete der General wiederum den Schwur auf das Messbuch.

9. Friedensfeste. Dieser T a g , an welchem die vier letzten freien Fürsten kamen, ihr Gelübde als Unterthanen zu leisten, ¿7*

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war der Festtag des Erzengels Michael. W e r war froher darüber, als General L u g o ? Ein feierliches Hochamt wurde vom Kanonikus de Samarinas unter Teilnahme der andern Mönche und Weltgeistlichen gehalten. Nach der Messe sang man das Tedeum, wie es bei den Spaniern nach jeder siegreichen Schlacht Brauch war. Dabei erhob Don Alonso, der Oberfeldherr, das Banner mit dem Wappen von Kastilien und Leon und sprach: „Heute am T a g e des St. Michael, meines und aller Gläubigen Beschützers und obersten Generals Jesu Christi, unseres Erlösers, erkläre und verkündige ich S i e g und Eroberung, die wir mit unseres Gottes Hilfe erlangt haben. Die neun Könige, die mit so viel Tapferkeit Volk und Land verteidigten, haben Gehorsam und Lehnstreue unsern grossmächtigen Königen Ferdinand und Isabella gelobt: den Spaniern gehört fortan Teneriffa, das so viel Blut gekostet." Dann erhob er die Stimme und rief dreimal: „Teneriffa für die Könige von Kastilien und L e o n ! " und alle Spanier riefen jauchzend unter rauschender Musik: „Hoch! hoch! hoch! unsere katholischen Könige!" Der St. Michaelstag, der 29. September, galt fortan als Gedenktag der Eroberung. Ueber all diese glorreichen Begebenheiten nun wurde ein ausführlicher Bericht aufgesetzt und damit ein Offizier an die Majestäten in Spanien abgefertigt. E r kam im Oktober an und traf Ferdinand und Isabella in Burgos. Hier überreichte er Lugo's Schreiben, das mit der Bitte schloss, nunmehr über das Schicksal der Insel Teneriffa zu bestimmen, insbesondere Denjenigen zu ernennen, der die Ländereien zu verteilen habe. Hocherfreut war das königliche Paar ob all der guten Nachrichten. E s würdigte vollständig das ausgezeichnete Verdienst des Feldherrn, der im Laufe von drei Jahren eben so viel durch kluges Zögern

421 und Unterhandeln, als mit den Waffen im Schlachtfelde erreicht hatte. L u g o wurde zum lebenslänglichen Statthalter und Oberrichter von Teneriffa ernannt, mit dem Rechte, alle Beamte zu ernennen. Zugleich aber, als einen Beweis ihres vollen Vertrauens, erhielt Don Alonso königliche Vollmacht, dass er, und zwar er allein, die Verteilung der Ländereien vornehme, sowohl für die Conquistadoren, welche an der Eroberung der Insel Teil genommen, als für die Pobladoren, die jetzt sich auf ihr ansiedelten, — ein Amt das sich, wie kaum zu bemerken nötig, ganz von selbst reichlich in Golde ausmünzte. Mit all seinem Kriegsvolk blieb L u g o noch bis in den Januar des nächsten Jahres 1496 in Realejo stehen. Die eroberten Gebiete waren nämlich noch längst nicht beruhigt. Schaarenweise trieben sich die Aufständischen umher und hatten bald hier bald dort sich auf hohen Punkten verschanzt. Auch musste der General erst die dem hl. Jakob gelobte Kirche bauen, welche die erste Pfarrkirche auf Teneriffa wurde. Unterdessen fing man an, die ungefähre Grösse der Insel zu berechnen und eine Liste anzulegen, auf welcher die fruchtbarsten und schönsten Plätze zur Ansiedlung verzeichnet und ihrem Werte nach abgeschätzt wurden. Bereits meldeten sich Lugo's Freunde, Offiziere und Beamte, mit ihren Anliegen; der Eine hatte sich diesen, der Andere jenen Punkt ausgesucht, und es war öfter nicht leicht, die verschiedenen Wünsche auszugleichen. Die gesuchtesten Plätze waren solche, die mit Wasserkraft versehen waren, und eifrig wurde geforscht, wie ergiebig und ausdauernd sie sei, um die Räder von Korn- und Zuckermühlen zu treiben, und Felder und Anpflanzungen zu bewässern. Das stolze Kriegsheer verwandelte sich in eine Gesellschaft habgieriger Ansiedler und es wiederholten sich die

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Zeiten, wo die Wehrmänner der Sueven, Alanen und Vandalen das eroberte Land unter einander verteilten.

10. Lichtmessfeier. Unter solchen Beschäftigungen nahete sich der 2. Februar, und alle Gedanken wendeten sich darauf, wie man würdig die Himmelskönigin feiere, „Unsere Liebe Frau mit dem Lichte", welche gerade über diese Insel ihre Glorie verbreitet hatte. W a r es doch nach dem Glauben der Spanier neben dem grossen Erzengel St. Michael und den beinahe ebenso grossen St. Jakob und St. Christoph die Königin der Engel gewesen, welche die Insel, auf der sie vor hundert Jahren freiwillig ihren Sitz genommen, für Spanien erobert hatte. Sämtliche neun Könige und ihre vornehmsten Verwandten, die nun im Christentum hinlänglich belehrt erschienen, wurden nebst einer Menge Ritter zum Feste der Lichtmesse nach Wimar entboten. Hier wurden die Fürsten mit den Ihrigen feierlich getauft. Tinwaro der Oberkönig empfing den Namen vom neuen Schutzpatron der Insel und wurde ein Don Christobal, Prinz Weton ein Don Francisco Bueno, Prinzessin Dazila eine Donna Mancia del Castillo, da sie mit ihrem geliebten Oberst Ferdinand Garcia del Castillo sich vermählte. Prinzessin Wacimaro bekam den Namen Anna, ihre Verwandte Rosalba Isabella. Der Fürst von A n a g a hiess fortan Don Pedro de los Santos, der von Adeje Diego, der Wimarfürst aber, der glückliche Besitzer des geheiligten Gebietes, auf welchem Nuestra Senhora del Candelaria Platz genommen, erhielt den Namen Don Juan del Candelaria. Nach der Taufe ordneten sich Alle zu der festlichen Prozession am Lichtmesstage. E s trugen die

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neun Fürsten das Wunderbild, das auf einer T r a g e stand, ehrfürchtig auf ihren Schultern. Zuerst traten an die vier vornehmsten Fürsten, die von Taoro, W i mar, Anaga und Tacoronte, und wechselten später mit den andern ab. Natürlich fehlten später einem solchen T a g e die W u n d e r nicht. Schon am Abend fand man auf einer nahen Sandbank zwei Lichtstümpfe von weissem und fünf von grünem W a c h s , obgleich es nicht einmal Bienen auf der Insel gab. In der Nacht aber zog die Himmelskönigin, von Engeln mit Lichtern, köstlicher Musik und lieblichem G e s ä n g e begleitet, durch die Lüfte daher. All die Fische kamen aus Meerestiefe herauf und erhoben ihr Haupt, und es waren ihrer so viele, dass man, wo die himmlische Prozession daher wallte, das W a s s e r nicht mehr sah vor Fischköpfen. D e r General aber liess eine Kapelle „Zur Hilfe" auf der Stelle bauen, wo das Wunderbild erschienen war, während er die Grotte, in welcher es stand, dem hl. Blasius weihete, dessen Gedenktag unmittelbar nach Lichtmess folgt. Diese Grotte diente jetzt mehrere J a h r e lang, bis eine grössere Kirche gebaut wurde, zur Pfarrkirche. D e r längst heimgegangene Anton der W a n d s c h e hatte einen Nachfolger gefunden an einem alten französischen Geistlichen Namens Robert, welcher in der Kirche den Gottesdienst hielt, eifrig den Eingeborenen predigte, und einen nach dem andern dazu brachte, die Taufe zu nehmen. Im Juli zog Lugo mit seinem Geleite nach der Hochebene, auf welcher er den ersten grossen S i e g gewonnen, und gründete dort die Hauptstadt des Landes, San Christobal de la Laguna, indem er Kirchen, Strassen, Plätze, Häuserstellen und Gärten ausmessen liess und den neuen Eigentümern übergab. Förmlich wurde dem heiligen Christoph die Bestallung als Schutzpatron der Insel ausgefertigt und dabei ange-

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ordnet, dass alle Jahre am Festtage des St. Christoph das Hauptbanner des Eroberungsheeres in feierlicher Prozession entfaltet werden solle. Da dieser T a g aber mit dem St. Jakobstag zusammenfiel und dem grossen Apostel der Vorrang nicht zu nehmen war, so wurde zum Jahresfest der Eroberung der zweite T a g nach dem St. Jakobstage, nämlich der 27. Juli bestimmt. Und so wird es noch gehalten bis auf den heutigen T a g . Von einer Hauptstadt aber bewahrt Laguna nur noch eine verblichene Würde. L u g o und seine Beamten glaubten den trefflichsten Platz dafür ausgesucht zu haben, der übermächtige Handel aller machte den besten Hafen zur Hauptstadt, während Adel und Geselligkeit zum Lieblingsort die anmutige Stätte erkoren, wo unter den erhabensten Reizen der Natur einst die schöne Dazila und der ritterliche Castillo ihre Schwüre ausgetauscht.

1 1 . Verschwinden der Fürsten. Die unglücklichen Fürsten sollten, nachdem sie Kronopfer und Taufe über sich hatten ergehen lassen, auch noch die Heimat verlieren. Den General drängte es, sich in seiner Siegesherrlichkeit in Spanien zu zeigen, und die fürstlichen Landeszeugen bei Hofe vorzustellen. E r begab sich auf die Reise nach Cadix, und mit ihm fuhr zurück eine grosse Menge Soldaten, denen Spanien lieber war, als das üppige Neuland, in welchem sie so viel Mühsal und Gefahren erduldet hatten. Mit ihnen mussten die neun Fürsten die Schiffe besteigen, Anjaterfe von Wimar ohne Zweifel begierig, seine Verdienste lobpreisen zu hören. Sie wurden bei Hofe, der damals in Almazan, auf's schönste empfangen, und L u g o hatte die Ehre,

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die Fürsten in feierlicher Audienz bei Ferdinand und Isabella einzuführen. Man kann sich wohl vorstellen, wie alles Volk zusammenlief, wie man sie anstaunte, wie sie umhergeführt wurden bei Hof und Heer und in den Städten, um die Herrlichkeiten Spaniens zu bewundern. Die A r m e n ! Bei allem Glanz der Bewirtung waren sie doch nur Gefangene, und kam die Rede auf die Rückkehr in die Heimat, so erhoben sich dunkle Berge von Bedenken und Hindernissen. Keiner von den neun Fürsten kehrte nach Teneriffa zurück, keiner hinterliess dort Leibeserben, der einzige Diego von Adeje ausgenommen. Man machte ihnen bemerklich, wie ungern die Könige ihre Rückkehr sähen; denn die Insel sei noch nicht beruhigt, noch immer sei im Gebirge der Widerstand nicht erloschen, und ihr Anblick könne alles zum Aufstande aufregen. Wohl mochten auch den Fürsten selbst die farbenreichen Gestade Teneriffa's jetzt in düsterem Lichte erscheinen. Dort, wo sie hochgemut über stolze Kriegerschaaren geherrscht, musste ihre Beraubung, ihre Erniedrigung und ach, das Jammerschicksal ihres ganzen Volkes sie zehnmal tiefer niederdrücken, als in jedem anderen Erdwinkel. Wahrscheinlich starben diese Fürsten irgendwo in Spanien bei schmaler königlicher Leibrente, oder gingen unter auf den neuen Schlachtfeldern in Amerika. W i r hören nichts mehr von ihnen, ausser dass einer, der König von Teneriffa gewesen, in Venedig durch sein fremdartiges W e s e n Aufsehen erregte. Ausser Diego von Adeje und seinen Nachkommen erscheint niemand von ihnen oder aus ihrem Geschlechte in den langen Listen der Gutsbesitzer und obrigkeitlichen Machthaber auf Teneriffa. Auch von Anjaterfe ist nicht wieder die Rede, so viel auch noch von der Senhora Candelaria, ihrem Dienst und ihren W u n d e r n berichtet wird.

426 12. Lugo Adelantado. General Lugo nahm bei seiner Rückkehr vom Hofe einen Auftrag mit, der ein weit grösseres Gebiet und viel glänzendere Hoffnungen umfasste, als die kanarischen Inseln mit all ihrer prangenden Schönheit gewährten. Dem glorreichen Feldherrn, der Canaria, Palma und Teneriffa bezwungen, trauete man es zu, dass er endlich auch jene heissen Eroberungswünsche befriedige, die schon seit hundert Jahren das erträumte grosse Goldland, das den Inseln gegenüber liegen sollte, stets von Neuem umflatterten. W a r Lugo doch schon früher zum Generalkapitän über das afrikanische Küstenland von Kap Ger bis Kap Bojador ernannt. Jetzt aber sollte er die gesamte militärische Macht der kanarischen Inseln, nötigenfalls auch die der Herreras und Saavedra's, die von Lanzarote und Fuerteventura aus fort und fort Einfälle in das gegenüberliegende Küstenland machten, unter seinen Befehl nehmen. Desshalb und um seine glänzenden Verdienste zu belohnen, wurde er zum Adelantado der kanarischen Inseln erhoben, mit dem Rechte, diese fürstliche Stellung auf Söhne und Enkel zu vererben. Titel und Amt eines Adelantado entsprachen in Spanien damals dem eines Markgrafen im deutschen Mittelalter. Gleichwie der Markgraf in einem Grenzlande, das Unruhen und Angriffen ausgesetzt war, allen Beamten und Bewohnern vorstand, um Gesetz und Ordnung unter ihnen aufrecht zu halten und beständig ihre gesammte kriegerische Kraft zur Verfügung zu haben, so vereinigte der Adelantado, das heisst der Allen Vorgehende, zu gleichem Zwecke in seiner Person die höchste Gewalt für Krieg und Frieden. An ihn, den persönlichen Stellvertreter des Königs, ging in Zivil- und Kriminal-, wie in Militärsachen die Berufung, um in letzter Instanz die Entscheidung zu geben.

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Geschmückt mit dieser hohen W ü r d e rüstete Lugo im zweiten oder dritten Jahre nach der Eroberung Teneriffa's eine afrikanische Kriegsfahrt. Als nächste Aufgabe war ihm gestellt, an der Küste des Festlandes ein Fort zu erbauen, und spanische und portugiesische Bevollmächtigte in den Stand zu setzen, Grenzstreitigkeiten zwischen beiden Kronen an Ort und Stelle zu schlichten. Der Adelantado nahm auf seinen Schiffen bereits fertig alle Holz- und Eisenteile mit, wie man sie brauchte zum Aufbau einer Burg, die stark genug war, Mannschaft und Geschütz einzunehmen. Er landete im Hafen Nul, etwa zwanzig Stunden von Tagaost, liess die Burg rasch aufrichten, und umgab sie mit Wall und Graben. Kaum aber hörten die Tagaoster davon, so versammelten sie eine Streitmacht von vierzehnhundert Lanzenträgern und achtzig Reitern, umzingelten das Fort und belagerten und berannten es fünfzehn T a g e lang. Die Gefechte waren blutig. Der Adelantado verlor seinen ältesten Sohn Ferdinand, welcher im Schmucke eines Pagen der Königin Isabella glänzte. Mit ihm fielen die beiden Brüder Benitez, Franz und der berühmte einäugige Peter, derselbe, der bei dem Gemetzel in der Acentejoschlucht sich auszeichnet hatte, und durch Gestalt und Auftreten so gefürchtet machte, dass man mit seinem Namen die kleinen Kinder zu Bett jagte. Es fiel auch die schöne Tochter des Hieronymus Valdez, die ihren geliebten Bruder selbst auf dem Schlachtfelde nicht hatte verlassen wollen. Verloren ging auch dem Adelantado, was an kostbarer Ausrüstung ihm seine Gemahlin Eleonore von Bobadilla als berühmtes Erbstück der Familie verehrt hatte. Mit einem traurigen Rest seiner Mannschaft kehrte der Adelantado nach den Inseln zurück.

Die Kanarier unter spanischer Herrschaft.

Vierzehntes Kapitel.

Die Kanarier unter spanischer Herrschaft. i. Verlust des Grundeigentums. Nichts macht uns mit einem Volke besser bekannt, als seine Geschichte. In fort und fort wiederkehrenden Thatsachen prägt sich sein Charakter und Staatsleben, wie seine innere Kraft und Dauerhaftigkeit aus, blickt aber auch sein eigentliches Haus- und Religionswesen klar hindurch. In den fast hundertjährigen Freiheitskämpfen der Wandschen spiegeln sich in hellstem Lichte ihre Tugenden wie ihre Schwächen, und zwischendurch zieht sich eine Folge von romantischen Wechselfällen, die bald ergötzlich, bald erschütternd wirken. Die Conquistadorenzeit der Spanier konnte sich auf den kanarischen Inseln recht entfalten mit all den Eigenschaften, die sie auszeichnen, jener Kühnheit und Hartnäckigkeit, welcher der endliche Sieg nicht fehlen konnte, aber auch jenem Gewirr von Ränken und Raubsucht, wie sie entsetzlicher nirgends auf Erden gehaust haben. Die folgenden Zeiten sind eintöniger: ein stätiger langsamer Niedergang ist das Loos der Kanarier. In den ersten fünfzig Jahren nach der Eroberung traten all die Ursachen, durch welche Land und Volk sich ändern, noch mit einer gewissen Heftigkeit auf, in den nächsten vierthalb Jahrhunderten wirken sie leiser und langsamer, jedoch fort und fort ohne grössere Unterbrechung. W i r haben diese Ursachen jetzt näher

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in's Auge zu fassen, um die neuere Geschichte der Germanen auf den kanarischen Inseln zu verstehen. Die am frühesten und am tiefsten wirkende Ursache lag in der Landesnatur. Reiset man auf einer der kanarischen Inseln, so führt der W e g gewöhnlich an der Küste hin, — am Strande kann man nicht wohl sagen; denn ein Strand besteht hier höchstens aus einem schmalen dunkeln Saum von Sand und Geröll, gemischt mit demselben schwärzlichen oder dunkelgrünen Gesteine, wie dicht daneben die aufragende Felsklippe, um welche die Brandung schäumt. Nur zwei der Inseln, Fuerteventura und Lanzarote, bestehen hauptsächlich aus sandigen Flächen, die andern ragen wie steile tiefgefurchte Gebirgshäupter über der See, die an ihren Flanken mehrere hundert Fuss tiefer steht. Auch unten auf Meeresgrund überdeckt die Flut noch Felsenthäler und Riffe und Schlünde, zwischen denen nicht eine einzige Auster ein stilles Sandplätzchen fände. W a s aber aus dem Meere emporragt, gleicht nicht griechischen und italienischen Eilanden, wo Steilwände und Felsmassen, Ebenen und grüne Berglehnen sich neben und übereinander lagern: auf den kanarischen Inseln steigt vielmehr alles riffig und rundlich hoch empor, jedes Thal noch von tiefen Schründen durchzogen, jede scharfe Bergrippe wieder ausgefurcht unten und oben. Und dazwischen gähnen überall die weit aufgerissenen dunkeln Schluchten, die Barrancos, von deren buschüberhangenen Wänden helle Gewässer niederrauschen. Einerlei aber, ob die Insel aus mässig oder schroff und hoch ansteigendem Gebirge besteht, immer ist sie durch solche grosse oder kleine Schluchten zerrissen, die vom höchsten Punkte, der stets ein ausgebrannter Vulkan, strahlenoder fächerförmig zum Meere niederlaufen. Die Folge dieser Menge von engen oder weiten, stets aber in sich abgeschlossenen Stücken und Ge-

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bieten, in welche der Boden von Natur zerfiel, prägte sich tief und unausrottbar in's Staatswesen der Wandschen ein. Allerwärts zerfiel das Land in kleine Königreiche und Herrschaften, Gaue und Gemeinden, deren Bewohner sich eifersüchtig, ja etwas feindselig gegen die Nachbarn verhielten. Die Spanier aber fanden in der Zerstückelung der Inseln eine erwünschte Unterlage für ihr Adelswesen, eine scharfe Handhabe für ihre Habsucht, eine feste Stütze für ihre allhin verbreitete Herrschaft. Ein Landstück nach dem andern wurde den Eingeborenen entzogen: jede Auflehnung, jedes unehrerbietige Benehmen, jeder kirchliche Vorwurf wurde benützt, durch amtlichen Ausspruch die Beteiligten, ihre Verwandten und Freunde des Grundeigentums für verlustig zu erklären. So wurde das gesamte Land ab- und aufgeteilt in zahlreiche Grossgüter, Grafschaften und Marquisate. Der hohe Adel wurde zuletzt der eigentliche Grundeigentümer, auf dem Lande jedes Dorf und jedes Haus ihm hörig. Im Schatten der grossen Adelsbäume erwuchs eine ganze Menge kleiner, und die kanarischen Inseln wurden das adelsreichste Gebiet auf Erden. Es lässt sich denken, wie peinlich der Freiheitsstolz der Wandschen unter diesen Vorgängen litt. Auch denen, die mit Mühe und Not ihr kleines väterliches Erbe auf dem Lande behaupteten, wurde das Vaterland gründlich verleidet. Die Andern aber gerieten unter den Druck des Medianeiro-Unwesens, einer Einrichtung, die aus eben der Anhäufung des Grundbesitzes in wenigen Händen herrührte. W e r Land hat, das er nicht selbst bebauen kann oder, noch öfter, nicht bebauen will, giebt es an Pächter, und diese Pächter entrichten nicht etwa einen billigen Zins, noch weniger als hörige Bauern einen kleinen Teil der Erträgnisse, sondern sie müssen die volle Hälfte allen Ertrages an den Herrn abliefern und dazu noch

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die Steuern tragen. Die Medianeiros sehen sich, wenn Misswachs, Krankheit oder ein Unglück sie trifft gleich in Not und Kummer versetzt, eine kleine Schuldenlast wird unablösbar und steigert sich und drückt den Mut darnieder. Keiner von ihnen denkt daran, seine Kinder regelmässig zur Schule zu schicken, er braucht sie notwendig zu Hause oder kann das Schulgeld nicht aufbringen. 2. Religiöser Gegensatz. Ein Anderes, was die Wandschen in tiefster Seele verwundete und empörte, war die Verachtung, welche der spanische Stolz gegen ihr neues Christentum an den T a g legte. Selbst die eingeborenen Fürsten und ihre Verwandten, wenn sie auch ihre Besitzungen bewahrt hatten, wurden ihrer Religion wegen behandelt, als wären sie unedeler Herkunft. Auf der pyrennäischen Halbinsel setzte man nämlich eine eigentümliche Ehre darein, „ein alter Christ" zu sein. Das gab einer Familie etwas wie alten Adel. Dieser Religionsadel, der seine Mitglieder mit tiefem Stolz erfüllte, war nicht bloss durch die langwierigen Kriege mit den Mauren entstanden, sondern schrieb sich schon aus frühem Mittelalter her, als man in Spanien anfing, die sehr zahlreichen Juden, die sich durch Bildung wie durch Vermögen auszeichneten, durch Tauf- oder Mordfeste auszurotten. Die erzwungene Taufe machte natürlich noch keine guten Christen: man wusste oder argwöhnte, dass selbst unter den Geistlichen am Altare geheime Juden steckten. Kein W u n d e r daher, dass Familien, in deren Adern erweislich kein Tröpfchen jüdischen oder arabischen Blutes floss, sich vornehm dünkten gegen Neuchristen, wie die Wandschen es sämtlich waren. Diese hatten zuviel Wahrhaftigkeit in sich, als dass sie sich hätten

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verstellen und die germanische Grübel- und Zweifelsucht unterdrücken können. Schon ihre unruhige Wissbegierde in Sachen der religiösen Geheimnisse, ihr ewig unbefriedigtes Fragen beleidigte die in ihrem Glauben so Sicheren und Stolzen. Da nun gerade zu der Zeit, als die letzten Freien auf den kanarischen Inseln sich ergeben mussten, die Inquisitionsgerichte eingesetzt wurden, fielen unter ihre Ketten und Foltern die Wandschen gleichwie wehrlose Opfer. Nichts war leichter, als gegen einen Kanarier Beweise des Unglaubens aufzubringen. Es genügte dazu irgend eine leise Zweifelsäusserung, oder auch nur ein unrichtiges Wort, eine unklare Geberde bei Gebeten und kirchlichen Feierlichkeiten. W a r aber ein Unglücklicher überwiesen, gleich war seine ganze Familie verdächtig. Zahllose Urteile der geistlichen Gewalt, die Gut und Ehre und Leben zerstörten, waren die Folge. Kam doch auch der Marchese von St. Andreas, der vom Eroberer Alonso de L u g o in gerader Linie abstammte, auf Gran Canaria in den Kerker der Inquisition. Wohin die Armen sich auch wenden mochten, überall fanden sie sich niedergedrückt durch solchen Argwohn. E s ist eine Urkunde vom 30. August 1485 überliefert, worin Ferdinand und Isabella dem ersten Bürgermeister in Sevilla anbefohlen, er solle sich der dort wohnenden Kanarier annehmen. Diese, an der Spitze Fernando Guanarteme, hätten bei Hofe geklagt, dass man ihnen, um sie als Diener zu brauchen, Weiber und Kinder unter dem Vorwande nehme, sie seien keine Christen oder vom Glauben wieder abgefallen, oder doch rechtmässige Kriegsgefangene. Die Obrigkeit solle die Kanarier, — auch damit sie in ihren Häusern keinen heidnischen Gebräuchen sich hingäben, — vorsichtiger Weise beschützen gegen allen Angriff, die Männer aber nötigen, sich selbst

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einen Herrn zu suchen, dem sie, vereinigt jeder mit seinem Weibe, zu dienen hätten, und Sorge zu tragen, damit die noch nicht vollständig Unterrichteten in Lehre, Recht und Brauch der Christen befestigt würden. Die Inquisition nimmt in der Geschichte der Kanarier eine Schreckensstelle ein. Durch sie wurde der Rest des Nationalgeistes und der Freiheitsliebe gebrochen und ausgemerzt. So stolz und aufrecht dieser Unabhängigkeitssinn dastand, so lange dauernd er aushielt, so tückisch und grausam vereinigte die spanische Inquisition all ihre fürchterlichen Mittel, um ihn gründlich auszurotten. 3. Auswanderung. Es war Regel, dass, sobald eine Insel erobert worden, die Schiffe, welche weiter südlich an die afrikanische Küste oder nach Indien oder nach Amerika gingen, anlegten und nebst Holz und Wasser Getreide, Vieh und Sämereien in Menge einnahmen. Vorzüglich aber trachteten die Kapitäne, so viele Eingeborene als möglich zu bekommen, damit sie in fremden Landen als Kriegs- und Arbeitervolk Dienste leisteten; denn sie waren drüben die besten, redlichsten und genügsamsten Arbeiter, die ehrgeizigsten und ausdauerndsten Krieger. Reizmittel aller Art wurden zu ihrer Verlockung angewendet, und dadurch gewöhnten sich die Eingeborenen an den Gedanken der Auswanderung. Die Erbitterung über den Verlust der ererbten Höfe, Not und Armut, dann aber auch der verachtungsvolle Trotz, welchen die Betroffenen den Urteilen der Gerichte und der Inquisition entgegensetzten, und viele andere Misshelligkeiten, wie sie nicht ausbleiben konnten, als ein altes freiheitsstolzes Volk sich herabgewürdigt sah unter v. L ö h e r , K a n a r i e r .

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