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German Pages 134 Year 1990
SUSANNE BECKH
Das Instrumentarium der Deutschen Bundesbank seit dem Übergang zur Geldmengensteuerung
Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen Abteilung A: Wirtschaftswissenschaft Herausgegeben von G. Ashauer, W. Ehrlicher, H.-J. Krümmet, F. Voigt
Band 141
Das Instrumentarium der .. Deutschen Bundesbank seit dem Ubergang zur Geldmengensteuerung Bestandsaufnahme und Entwicklungsperspektiven
Von
Dr. Susanne Beckh
Duncker & Humblot · Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Beckh, Susanne:: Das Instrumentarium der Deutschen Bundesbank seit dem Übergang zur Geldmengensteuerung: Bestandsaufnahme und Entwicklungsperspektiven I von Susanne Beckh. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1990 (Untersuchungen über das Spar-, Giro und Kreditwesen: Abt. A, Wirtschaftswissenschaft; Bd. 141) Zug!.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1989 ISBN 3-428-06931-5 NE: Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen I A
Alle Rechte vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübernahme: Werksatz Marschall. Berlin 45 Druck: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0720-7336 ISBN 3-428-06931-5
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde Ende 1988 abgeschlossen. Inzwischen erhielten die in dieser Untersuchung positiv beurteilten Offenmarktgeschäfte auf Pensionsbasis und Feinsteuerungsmaßnahmen ein noch stärkeres Gewicht. Die traditionelle Refinanzierungspolitik wurde in kleinerem Rahmen fortgeführt; die Mindestreservepflicht hat weiterhin Bestand. Grundlegende Veränderungen des Instrumentariums fanden somit nicht statt. Es gäbe deshalb unter diesem Blickwinkel keinen zwingenden Grund, in einem Vorwort auf neuere Entwicklungen einzugehen. Bekanntlich haben sichjedoch die Rahmenbedingungen, in denen sich die Geldpolitik vollzieht, in den letzten Monaten überraschend geändert. Mit der geplanten deutschdeutschen Wirtschafts- und Währungsunion steht die Deutsche Bundesbank vor neuen Herausforderungen. In den letzten Monaten wurde viel daiiiber diskutiert, inwieweit die Währungsunion und der wirtschaftliche Wiederaufbau der DDR zu Inflation und zu ·einer Schwächung der DM führen wird. Inzwischen überwiegt die Meinung, daß die Risiken der Währungsunion begrenzt sind. Denn zum einen kann davon ausgegangen werden, daß nur ein Teil der umgestellten DMGuthaben sofort nachfragewirksam wird. Zum anderen weist die Bundesbank in ihrer Bilanz momentan einen Bestand an Wertpapieren aus Pensionsgeschäften von ca. 100 Mrd. DM aus. Damit sind die Möglichkeiten der Liquiditätsabschöpfung ausreichend. Ein größeres Problem stellt hingegen der Wiederaufbau der DDR dar. Unabhängig davon, wie groß der Finanzierungsbedarf letztlich exakt sein wird und in welchem Zeitraum die Lebensverhältnisse in der DDR den unseren angeglichen werden, steht die Deutsche Bundesbank vor einer schwierigen Aufgabe. Sie muß versuchen, Inflationstendenzen im Zaum zu halten und gleichzeitig eine Übersteuerung zu vermeiden. Dabei wird es ein zentrales Ziel sein, das Vertrauen in die deutsche Wirtschaftspolitik und damit in die D-Mark zu erhalten. Es ist nicht zu erwarten, daß die Deutsche Bundesbank vor diesem Hintergrund ihr Instrumentarium grundlegend verändern wird. Dazu besteht kein Anlaß, wie die vorliegende Untersuchung zeigt. Die neuere Offenmarktpolitik wird das Herzstück der Geldpolitik bleiben. Entsprechend ist geplant, mittelfristig die durch die Währungsumstellung entstehenden Ausgleichs-
Vorwort
6
forderungender DDR-Banken- neben anderen zu schaffenden Wertpapieren - für Pensionsgeschäfte heranzuziehen. Es ist jedoch zu vermuten, daß die Offenmarktpolitik in Zukunft wieder durch Maßnahmen, die deutliche Signalwirkungen haben, verstärkt flankiert sein wird; denn den psychologischen Wirkungen der Geldpolitik wird wahrscheinlich in nächster Zukunft eine größere Bedeutung zukommen. So wird den Kreditinstituten in der DDR sehr rasch die Möglichkeit der traditionellen Refinanzierung gegeben werden. Darüber hinaus plädiert die Bundesbank in ihrem Monatsbericht vom März - mit dem expliziten Hinweis auf die deutsch-deutsche Problematik - erneut für die Beibehaltung der Mindestreservepflicht. Es bleibt allerdings abzuwarten, welche Entscheidungen hinsichtlich des geldpolitischen Instrumentariums auf EG-Ebene gefällt werden, nachdem die Gründung einer EG-Zentralbank beschlossen ist. Eine grundlegende Reform ist jedenfalls aus bundesdeutscher Sicht nicht angezeigt. Im Mai 1990
Die Verfasserin
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
Erster Teil: Der Wandel des Notenbankinstrumentariums seit dem Übergang zur Geldmengeusteuerung A. Notenbankinstrumentarium und geldpolitisches Konzept
15
Die Neuorientierungdes geldpolitischen Konzepts in den Jahren 1973/74
15
l. Gründe für die Neuorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
2. Bausteine des "neuen" geldpolitischen Konzepts . . . . . . . . . . . .
18
a) Die Wahl der Zentralbankgeldmenge als Zwischenziel und Indikator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
I.
b) Die Vorankündigung von Geldmengenzielen . . . . . . . . . . . .
20
c) Die Verstetigung der Geldpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
3. Zusammenfassung und weiterfuhrende Überlegungen . . . . . . . .
22
I/. Zu den Konsequenzen für das Notenbankinstrumentarium: Der theore-
tische Zusammenhang zwischen geldpolitischem Konzept und Instrumenten . . . . . . . . . • . . • . • • . • • . . • • . . . . . . . . . . . • • • . • • • . • • . . .
24
l. Die Verbindung mit Zwischenziel und Endziel . . . . . . . . . . . . . .
24
2. Die Verbindung mit der Steuerungsstrategie . . . . . . . . . . • . . . .
25
a) Stetige Steuerung des Zwischenziels . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
aa) Verstetigung auf kurze Sicht . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
bb) Verstetigung auflängere Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
b) Diskretionäre Steuerung des Zwischenziels . . . . . . . . . . . . . .
27
3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . • . . . .
29
8
Inhaltsverzeichnis
B. Die einzelnen Entwicklungsphasen des Notenbankinstrumentariums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
Modifizierter Instrumenteneinsatz zur unmittelbaren Steuerung der Zentralbankge/dmenge (1973-1974) • • • • . • . . • • • . • • • . • • • • . . . . •
29
l. Herstellung notwendiger Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . .
29 ·
2. Der Instrumenteneinsatz im Zeichen einer konsequenten Inflationsbekämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . .
30
a) Schnelle Eindämmung des Zentralbankgeldmengenwachstums als primäres Ziel im Jahre 1973 . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
b) Fortsetzung der restriktiven Politik im Jahre 1974 bei weitgehender außenwirtschaftlicher Absicherung . . . . . . . . . . . .
33
I.
3. Probleme der restriktiven Geldmengensteuerung
33
4. Gründe für die Abkehr der Bundesbank von der Politik der unmittelbaren Kontrolle der Zentralbankgeldmenge . . . . . . . . . . .
35
li. Überwiegend traditioneller Instrumenteneinsatz bei wieder größeren
Spielräumen der Geschäftsbanken (1975-1978) • • . . . • • • • • . • • . . . •
36
l. Vorbemerkungen . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
2. Verstärkter Einsatz der Offenmarktpolitik bei der Rezessionsbekämpfung im Jahre 1975 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
a) Geldpolitische Maßnahmen . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
b) Verzögerte Wirkung der Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
3. Zunehmende Dominanz der außenwirtschaftliehen Komponente bei der Geldversorgung der Wirtschaft in den Jahren 1976 bis 1978
39
a) Devisenmarktpolitik und Geldversorgung . . . . . . . . . . . . . .
39
b) Der Einsatz binnenwirtschaftlicher Instrumente . . . . . . . . . .
41
Ill. Grundlegende Neuerungen im Instrumenteneinsatz (1979 bis heute)
44
l. Charakteristika der neueren Geldpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
a) Der Strukturwandel in der Zentralbankgeldversorgung . . . .
44
b) Die neue Steuerungsstrategie . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
c) Die neuen Instrumente . . . . • . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
aa) Wertpapierpensionsgeschäfte . . . . . . . . . . . . • . • . . • . .
47
bb) Devisenpensionsgeschäfte . . • • . . . . . . . . . . . . . • . . . . .
50
2. Die Erprobung der neueren Geldpolitik in der Restriktionsphase von 1979 bis 1982 • • . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . • . . . . . . . . . •
51
Inhaltsverzeichnis
9
3. Zunehmende Bedeutung der Offenmarktpolitik bei weitgehender Einschränkung der Mindestreservepolitik ab 1983 . . . . . . . . . . .
54
a) Die Rolle der Offenmarktpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
b) Die Mindestreservepolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
4. Die Wirkungen auf die Zinsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
a) Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
b) Im Vergleich: Phase I (8/72 bis 10/78) und Phasae 2 (11/78 bis 8/88) . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
c) Vergleich der beiden Restriktionsphasen (8/72 bis 10/74 und ll/78 bis 7/82) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . .
65
d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
Zweiter Teil: Entwicklungsperspektiven des Notenbankinstrumentariums
A. Anforderungen an das Notenbankinstrumentarium
72
B. Überlegungen zur Weiterentwicklung des Notenbankinstrumentariums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
I.
Die Steuerung der Zentra/bankgeldversorgung . . . . . • • • . . • . • • . . .
74
1. Die Deckung des dauerhaften Liquiditätsbedarfs . . . . . . . . . . . .
74
a) Die traditionelle Rediskontpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
aa) Eine Beurteilung hinsichtlich der geldpolitischen Effizienz
74
bb) Eine Beurteilung aus wettbewerbspolitischer Sicht . . . .
76
b) Dieneuere Offenmarktpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
aa) Eine Beurteilung hinsichtlich der geldpolitischen Effizienz
78
bb) Eine Beurteilung aus wettbewerbspolitischer Sicht . . . .
79
c) Die fiskalische Komponente als Alternative? . . . . . . . • . . . .
82
2. Die kurzfristige Steuerung des Geldmarktes durch Feinsteuerung
84
a) Eine Beurteilung hinsichtlich der geldpolitischen Effizienz
84
b) Eine Beurteilung aus wettbewerbspolitischer Sicht . . . . . . . .
85
11. Die Steuerung des Z entralbankge/dbedarfs: Die Mindestreservepolitik
81
I. Eine Beurteilung hinsichtlich der geldpolitischen Effizienz . . . . .
87
2. Eine Beurteilung aus wettbewerbspolitischer Sicht . . . . . . • . . . .
88
Inhaltsverzeichnis
10
III. Fazit • . • . . • . . . . . • • . • • • • • . . • • . • • • . . • . • . • • . • • • • • . . • . . . .
90
C. Das Notenbankinstrumentarium bei fortschreitender währungspolitischer Integration in der Europäischen Gemeinschaft . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
Ziele und Instrumente der währungspolitischen Integration • . . • • . • •
91
1. Das Fernziel: Die Europäische Währungsunion . . . . . . . . . . . . .
91
2. Die aktuelle Diskussion . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
II. Unterschiede zwischen den Notenbankinstrumentarien in den einzelnen EG-Mitg/iedsstaaten . • . • . • • • • • . . • . . . • • . . • . . . • • • • • • • . • . • •
94
1. Die Mindestreservepolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
2. Der Notenbankkredit . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
3. Die offenmarktpolitischen Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
I.
4. Andere Instrumente . • • • . . . • . . . . . . • • . . • . . . • . . . . . . . . . • •
97
a) Die Kreditp1afondierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . .
97
b) Zinsreglementierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
c) Pflicht der Wertpapierhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
111. Der instrumentelle Harmonisierungsbedarf innerhalb der Europäischen Gemeinschaft: Konsequenzen für das Instrumentarium der Deutschen Bundesbank • . . • • . • • • • • • • • • • • . • • • . • • • • • • • • • . • • • • • • • • • • •
98
1. Option 1: Die Errichtung eines Finanz-Binnenmarktes . . . . . . .
98
a) Die Mindestreservepolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
b) Die Refinanzierungspolitik i. w. S. . . • . . . . . . • . . . • . . . . . •
101
c) Andere Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
102
2. Option 2: Die Gründung einer Europäischen Notenbank . . . . .
103
D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
104
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
107
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
127
Verzeichnis der Tabellen TabeDen im Text Tab. 1:
Durchschnittliche Wachstumsraten der Zentralbankgeldmenge 1972 bis 1975 . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . • . . . . . . . . . . •
30
Tab. 2:
Bestand an freien Liquiditätsreserven im Bankensektor 1972 bis 1975 . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . • • . . • . . . . . . . . . . . • . . • . . . .
31
Tab. 3:
Devisenzugänge bzw. -abgänge der Deutschen Bundesbank im Jahre 1973 . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . • . . . . • . . . . . .
32
Tab. 4:
Bestand an freien Liquiditätsreserven im Bankensektor 1974 bis 1979 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . • . . . . . . . . . . . . . . • . . . .
36
Tab. 5:
Devisenzugänge bzw. -abgänge der Deutschen Bundesbank 1974 bis 1979 . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . • • . . . . . . . . . . . . . • . . . .
37
Tab. 6:
Absolute Interventionsbeträge am DM/Dollar-Markt und im Rahmen des Europäischen Wechselkursverbundes 1976 bis 1978
40
Tab. 7:
Devisenzugänge bzw. -abgänge der Deutschen Bundesbank 1974 bis 1987 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . • . . . . • . . . . . . . . . • . . . .
40
Tab. 8:
Veränderungen der Preise für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte 1975 bis 1978 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . • . . . .
42
Tab. 9:
Durchschnittliche Wachstumsraten der Zentralbankgeldmenge 1975 bis 1978 . . • • • . • . • . • . . . . • • • • • . . • . • • . . • • • • . • . . • .
42
Tab. 10:
Festgesetzte Rediskontkontingente 1974 bis 1987 . . . . . • . . . .
45
Tab. 11:
Die Refinanzierungsstruktur der Geschäftsbanken 1979 bis 1987
46
Tab. 12:
Veränderungen der Preise für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte 1978 bis 1987 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . • .
53
Tab. 13:
Unausgenutzte Refinanzierungslinien 1983 bis 1988 . . . . . . . .
55
Tab. 14:
Bestand an Lombardkrediten 1983 bis 1987 . . . . . . . . • • . . . .
55
12
Verzeichnis der Tabellen
Tab. 15:
Bestand der Bundesbank an im Offenmarktgeschäft mit Rücknahmevereinbarung angekauften Wertpapieren 1980 bis 1988
56
Tab. 16:
Bereitstellung bzw. Absorption von Zentralbankguthaben der Geschäftsbanken durch Wertpapierpensionsgeschäfte 1980 bis 1987 ........................................... .
56
Tab. 17:
Anzahl der Wertpapierpensionsgeschäfte und durchschnittliche Volumina pro Geschäft 1980 bis 1988 ...••..••........ .•
56
Tab. 18:
Entwicklung der Geldmarktsätze 1972 bis 1988 .......... . .
63
Tab. 19:
Entwicklung des Kapitalmarktzinses 1972 bis 1988 ........ .
64
Tab. 20:
Schwankungen der Geldmarktsätze innerhalb eines Monats 1972/74 und 1978/82 ............. . .............. . . .
66
Tab. 21 :
Zuteilungsergebnis bei Zinstendem 1980 bis 1987 ... .. .... .
81
Tabellen im Anhang Tab. 22 a:
Entwicklung des Tagesgeldsatzes 1972 bis 1988 .. . ....... •.
107
Tab. 22 b:
Entwicklung des Monatsgeldsatzes 1972 bis 1988 . . . . . . . . . .
112
Tab. 22 c:
Entwicklung des Dreimonatsgeldsatzes 1972 bis 1988 . . . . . . .
I 17
Tab. 22 d:
Entwicklung des Kapitalmarktzinses 1972 bis 1988 . . . . . . . . .
122
Einleitung Instrumentellen Aspekten der Geldpolitik wird in der wissenschaftlichen Literatur relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt. In der Regel stehen Fragen des geldpolitischen Konzepts und damit der Zwischen- und Endziele im Vordergrund; Aussagen zum Notenbankinstrumentarium werden dann oft nur am Rande gemacht. Der Erfolg der Geldpolitik hängt aber nicht nur von der Wahl des geldpolitischen Konzepts ab; dies zeigt sich schon ganz deutlich in den Jahren 1973/74, als die Bundesbank nach dem Übergang zur Geldmengensteuerung eindeutig Probleme im instrumentellen Bereich hatte. Aus diesen Gründen steht im Mittelpunkt dieser Arbeit das Notenbankinstrumentarium, während Fragen des geldpolitischen Konzepts nur behandelt werden, sofern sie für die instrumentelle Entwicklung Relevanz besitzen. Im ersten Teil der Arbeit werden instrumentelle Wandlungen und deren Bestimmungsgründe seit dem Übergang zur Geldmengensteuerung im Jahre 1973 herausgearbeitet. Den Anfang bildet- nach einer kurzen Charakterisierung der konzeptionellen Neuorientierung - ein theoretischer Teil, der sich mit dem Zusammenhang zwischen geldpolitischem Konzept und Notenbankinstrumentarium beschäftigt; gerade dieser Problemkreis wird in der Literatur häufig sehr unsystematisch dargestellt. Den Schwerpunkt in den nachfolgenden Ausführungen bildet der Zeitraum seit 1979. Die Gründe für die Gewichtung liegen nicht nur in der aktuelleren Sicht; vielmehr führt die Bundesbank Ende der 70er Jahre Instrumente sein, die im Verlauf der 80er Jahre zu einer deutlichen Veränderung der Qualität des Notenbankinstrumentariums führen. In einem zweiten Teil wird der Frage nachgegangen, welche Entwicklungsperspektiven sich für die Geldpolitik in instrumenteller Hinsicht bieten. Als Beurteilungskriterien dienen drei Punkte: die geldpolitische Effizienz, die wettbewerbspolitische Neutralität und die Kompatibilität mit dem Ziel der währungspolitischen Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft. Während die beiden erstgenannten gängige Kriterien sind, um die Qualität von geldpolitischen Instrumenten zu beurteilen, wird der dritte Punkt erst in Zukunft Bedeutung erlangen. Bisher stand immer nur im Vordergrund der wissenschaftlichen Diskussion, auf welchem Wege eine Währungsunion in Europa zu erreichen sei und - gelegentlich - auf welches geldpolitische Konzept man sich verständigen sollte; instrumentelle Aspekte blieben bisher jedoch weitgehend ausgeklammert. Da der Beschluß, den EG-Binnenmarkt
14
Einleitung
bis 1992 zu verwirklichen, gefaßt ist und dieser nur bei freiem Kapitalverkehr denkbar ist, scheint es an der Zeit zu sein, sich Gedanken darüber zu machen, ob und wenn ja in welcher Weise eine fortschreitende währungspolitische Harmonisierung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft instrumentelle Konsequenzen haben wird.
ERSTER TEIL
Der Wandel des Notenbankinstrumentariums seit dem Übergang zur Geldmengensteuerung A. Notenbankinstrumentarium und geldpolitisches Konzept I. Die Neuorientierung des geldpolitischen Konzepts in den Jahren 1973/74
1. Gründe für die Neuorientierung
Wirtschaftspolitische Konzepte erfahren in der Regel nur dann eine tiefergehende Veränderung, wenn sich die ersten Mißerfolge eingestellt haben. Diese sind allerdings häufig kein Zeichen dafür, daß die bisherige Strategie von vornherein verfehlt war; vielmehr lassen sie sich gewöhnlich auf ein verändertes wirtschaftliches Umfeld und damit im Zeitablauf auch unterschiedlichen Problemstellungen zurückführen. So ging auch der Neuorientierung des geldpolitischen Konzepts, die die Bundesbank mit dem Übergang zur Geldmengensteuerung im Jahre 1973 vollzog, eine Periode relativ erfolgloser Geldpolitik in der Bundesrepublik voraus. Die Bundesbank vermochte nicht, den lnflationsprozeß, der im Zuge des kräftigen Aufschwungs nach der Rezession von 1966/67 entstand und der sich Anfang der 70er Jahre stark beschleunigte, zu bremsen. Die Gründe hierfür waren vielfältig. Zunächst hätte man annehmen müssen, daß das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967 die notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Inflationsbekämpfung geschaffen hatte.• Denn zum einen wurde die Finanzpolitik, die sich zuvor hauptsächlich dem Wachstums- und Verteilungsziel gewidmet hatte, explizit in die konjunkturpolitische Verantwortung eingebunden; insofern konnte sich die Bundesbank von nun an in erster Linie auf die Preisniveaustabilisierung konzentrieren, während sie sich zuvor in der Regel um das am meisten verletzte Konjunkturziel angenommen hatte. Zum anderen erhielt die Bundesbank durch dieses Gesetz einen größeren Spielraum für den restriktiven Einsatz offenmarktpolitischer Instrumente. 2 1
Vgl. hierzu und im folgenden: Möller, A. (1968).
16
A. Notenbankinstrumentarium und geldpolitisches Konzept
Trotz alledem blieb der Einfluß der Bundesbank auf die Preisniveauentwicklung unzureichend. 3 Denn zum einen war sie im Rahmen des Festkurssystems von Bretton Woods immer wieder gezwungen, durch Devisenmarktinterventionen Zentralbankgeld zu schöpfen, da die DM häufig unter Aufwertungsdruck geriet. Sie konnte zwar im nachhinein die Liquidität bei den Geschäftsbanken durch kompensierende Maßnahmen abzuschöpfen versuchen, doch war sie gegen den massiven Zufluß von Auslandsgeldern zu den Nicht-Banken machtlos. Zum anderen wurde ihr Steuerungskonzept, in dem die Bankenliquidität eine dominierende Rolle spielte, mehr und mehr ineffizient. Während die Bundesbank noch in den 60er Jahren die Kreditexpansion einzudämmen vermochte, indem sie die freien Liquiditätreserven auf eine bestimmte Quote, die die Geschäftsbanken aus Vorsichtsgründen halten wollten, zurückfuhr, griff diese Strategie Anfang der 70er Jahre nicht mehr. Aufgrund des wachsenden nationalen Interbankenmarktes und der zunehmenden Bedeutung internationaler Finanzplätze waren die Kreditinstitute nicht mehr darauf angewiesen, ein gewisses Polster an freien Liquiditätsreserven zu halten. Die mangelnde Kontrollmöglichkeit der Zentralbankgeldschöpfung durch die Deutsche Bundesbank im Festkurssystem von Bretton Woods, ihre Machtlosigkeit gegenüber massiven Kapitalimporten der Nicht-Banken und ihre unzureichende Einflußmöglichkeit auf die Giralgeldschöpfung der Geschäftsbanken führte zu einer sich beschleunigenden monetären Expansion, die von den Tarifpartnern für überhöhte Lohnabschlüsse und vom Staat für wachsende Ausgaben genutzt wurde. Zur Inflationsbekämpfung galt es daher, zum einen die Einflußmöglichkeiten der Bundesbank auf die Entwicklung der monetären Expansion zu erhöhen und zum anderen das Stabilitätsbewußtsein der verschiedenen gesellschaftspolitischen Gruppen zu stärken. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen verschärfte sich die wissenschaftliche Diskussion über das "richtige" geldpolitische Konzept: Schon bevor es evident wurde, daß die Bankenliquidität ihre Funktion als wichtigster Indikator und Zwischenziel bzw.- wie es die Bundesbank bis Mitte der 70er Jahre formulierte - als Zielgröße nur noch unzureichend erfüllen konnte, war das Liquiditätskonzept mit dem Zins als entscheidende Transmissionsvariable von Teilen der Wissenschaft, insbesondere von Vertretern des Monetarismus, heftiger Kritik ausgesetzt. Die Gegner der bisher von der Bundesbank verfolgten Strategie plädierten - mit dem Hinweis auf empirische Untersuchungen, die für die Geldbasis eine engere Beziehung zur 2 So wurde im § 29 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft eine Ergänzung des§ 42 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank festgelegt: danach muß der Bund auf Verlangen der Notenbank neben den Mobilisierungs- auch Liquiditätspapiere bis zu einem Höchstbetrag von 8 Mrd. DM aushändigen. Vgl. Möller, A. (1968), S. 247 ff. 3 Vgl. im folgenden Schlesinger, H . (1983), S. 71 ff.
I. Die Neuorientierung des geldpolitischen Konzepts 1973/74
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Geldmenge als für die Bankenliquidität konstatieren - für ein Geldbasiskonzept, nach dem die Geldmenge die relevante Transmissionsvariable darstellt.4 Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Größen besteht darin, daß der Begriff der Bankenliquidität sowohl aktuelles, also tatsächlich vorhandenes, als auch potentielles Zentralbankgeld - d. h. Aktiva, die die Kreditinstitute jederzeit in Zentralbankgeld umwandeln können- umfaßt; hingegen stellt die Geldbasis nur aktuelles Zentralbankgeld dar. Während das Liquiditätskonzept damit die Einflußmöglichkeiten - die es zu steuern gilt- der Geschäftsbanken auf die Zentralbankgeldschöpfung betont, hebt das Geldbasiskonzept die - theoretische und in der Konsequenz faktisch herzustellende - Monopolstellung der Bundesbank bei der Zentralbankgeldschöpfung hervor. Diese Auseinandersetzung um die geeignete monetäre Zwischenzielgröße war Teil einer umfassenderen Diskussion um das richtige Stabilisierungskonzept. 5 Es ging mit anderen Worten nicht nur um die Frage, welche Größe die Bundesbank steuern sollte, sondern es wurde auch erörtert, ob das bisherige Konzept einer antizyklischen Steuerung nicht grundsätzlich verfehlt sei. Nach Meinung vieler Monetaristen sollte die Geldpolitik stetig sein, da diskretionäre Eingriffe Konjunkturschwankungen eher verstärken würden; außerdem sollten geldpolitische Maßnahmen ausnahmslos auf das Ziel der Preisniveaustabilisierung gerichtet werden, da- zumindest auf längere Sicht - von monetären Impulsen keine Effekte auf die reale Wirtschaftstätigkeit zu erwarten seien. Die Ausführungen haben gezeigt, daß eine Neuorientierung des geldpolitischen Konzepts aufgrund der Erfolglosigkeit der Geldpolitik Anfang der 70er Jahre nahelag. Die Bundesbank hebt in ihren Veröffentlichungen hervor, daß der Übergang zur Geldmengensteuerung erst durch die Freigabe der Wechselkurse möglich und durch das veränderte Verhalten der Geschäftsbanken notwendig geworden wäre. 6 Schlesinger räumt darüber hinaus ein: "Daß es zu einem weitreichenden Regimewechsel in der Geldpolitik kommen konnte,( .. .) hing auch damit zusammen, daß manche Grundanschauungen des akademischen Monetarismus in den Stäben der Notenbanken und letztendlich auch bei den Trägern der Wirtschaftspolitik und der öffentlichen Meinung im Verlauf der siebziger Jahre mehr und mehr rezipiert wurden. " 7 Allerdings - das werden die weiteren Ausführungen, insbesondere unter Kapitel B, zeigen- kann das Konzept der Deutschen Bundesbank nach 1973 nicht als ein streng monetaristisches bezeichnet werden. Insofern wäre es 4
5 6 7
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
2 Beckh
z. B. Neumann, M. J. M. (1971) und derselbe (1972). hierzu eine kurze Übersicht von Simmert, D. B. (1972). Deutsche Bundesbank (1974a), S. 3 und dieselbe (1974b), S. 14. Schlesinger, H. (1985), S. 127 f.
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auch etwas mißverständlich, wenn man von einem Konzeptwechsel sprechen würde. Gleichwohl haben deutliche Akzentverschiebungen stattgefunden, die im folgenden erläutert werden. 2. Bausteine des "neuen" geldpolitischen Konzepts a) Die Wahl der Zentralbankgeldmenge als Zwischenziel und Indikator
Die Bundesbank wählt 1973 mit der Zentralbankgeldmenge als Zwischenziel und Indikator eine von herkömmlichen Definitionen der Geldbasis abweichende Größe; abgesehen davon verwenden Monetaristen in der Regel die Geldbasis lediglich als Indikator, während sie als Zwischenziel das Geldmengenaggregat Ml und M2 wählen. 8 Der von der Bundesbank präferierte Zentralbankgeldbegriff um faßt den Bargeldumlauf und das Mindestreservesoll auf Inlandsverbindlichkeiten zu konstanten Reservesätzen vom Januar 1974; damit ist die Zentralbankgeldmenge das verkleinerte Abbild von M3, das vierzehn Jahre später zum neuen Zwischenziel der Bundesbank werden sollte. 9 Unberücksichtigt bleiben -anders als bei den sonst üblichen Geldbasis begriffen - die Überschußreserven der Geschäftsbanken sowie die Mindestreserven auf Ausländereinlagen. Nicht gebräuchlich ist außerdem die Berechnung des Mindestreservesolls zu konstanten Sätzen. Die Nichtberücksichtigung der Überschußreserven rechtfertigt die Bundesbank hauptsächlich mit dem Hinweis auf deren geringe quantitative Bedeutung. Nicht ganz unberechtigt ist der Einwand, daß dies nur zutrifft, wenn Jahresdurchschnitte zugrunde gelegt werden, während Monats- oder Vierteljahresdaten - beispielsweise in Zeiten unerwartet hoher Devisenzuflüsse - ein anderes Bild entstehen lassen. 10 Diese Argumentation ist allerdings dann nicht mehr stichhaltig, wenn man die erklärte Zielsetzung der Bundesbank, mit dem Begriff der Zentralbankgeldmenge ganz bewußt nur die schon erfolgte monetäre Expansion anzeigen zu wollen, für legitim hält. Hier deutet sich schon an, daß die Bundesbank von Anfang an - entgegen monetaristischer Vorstellung- von der Einflußmöglichkeit der Geschäftsbanken und der Nicht-Banken auf die Zentralbankgeldschöpfung ausging. Vgl. Duwendag, D. (1976), S. 292. Bekanntlich übernahm seit diesem Jahr das Geldmengenaggregat M3 die Funktion der Zentralbankgeldmenge. Der Unterschied zwischen beiden Größen besteht nur darin, daß bei M3 der Bargeldumlaufund die Sicht-, Termin- und Spareinlagen voll berücksichtigt werden, während in die Zentralbankgeldmenge nur der Bargeldumlauf gänzlich eingeht, die anderen Aggregate jedoch nur entsprechend der Mindesreservesätze. Für die folgenden Ausführungen haben diese Unterschiede jedoch keine Relevanz. Ausgenommen sei hier natürlich die Frage der konstanten Reservesätze. 10 Vgl. Booms, H. (1980), S. 197 f. 8 9
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Auch die Nichtberücksichtigung der Ausländereinlagen ist nicht unumstritten; so gehen sie beispielsweise beim Sachverständigenrat in die Berechnung der Zentralbankgeldmenge mit ein. 11 • 12 Nach Meinung der Bundesbank können jedoch Ausländereinlagen unabhängig von der Auslandsnachfrage nach inländischen Produkten gesehen werden, die für die Wirkungen der Geldpolitik allein interessant sei; aus Sicht der Bundesbank handelt es sich bei Ausländereinlagen hauptsächlich um Finanzanlagen. 13 Es kommt somit darauf an, welche Annahmen über den Verwendungszweck der Ausländereinlagen getroffen werden. Der Einwand, daß es angesichtsder weitgehenden Verflechtung der Weltwirtschaft durchaus vorstellbar ist, daß Ausländer Einlagen halten, um damit im Inland Güter und Dienstleistungen nachzufragen, ist nicht unberechtigt. 14 Die Berechnung der Zentralbankgeldmenge zu konstanten Reservesätzen dient dazu, nur die auf dem Wachstum der Bankverbindlichkeiten, nicht aber die auf Mindestreservesatzvariationen beruhende Schaffung von Zentralbankgeld anzuzeigen. Dies kann allerdings auch dadurch erreicht werden, daß - so die Vorgehensweise des Sachverständigenrats - die Wirkungen der Mindestreservepolitik von Jahr zu Jahr herausgerechnet werden. Es ist nicht ganz einzusehen, warum die Bundesbank die willkürliche Festlegung historischer Reservesätze bevorzugt. Davon aber abgesehen, verliert die Zentralbankgeldmenge dadurch den Bezug zur Geldbasis und auch zur Geldentstehung. "Aufgrund der Besonderheit ihrer Konzeption spiegelt die ,Zentralbankgeldmenge' mehr die Entwicklung der Gesamtgeldmenge als die der Geldbasis wider. Gleichzeitig verliert sie damit - als relativ weiter Geldmengenbegriff - den von den Monetaristen geforderten Bezug zur Geldentstehung und wird zu einer ausgeprägt verwendungsorientierten Größe, in der sich - mehr als die Maßnahmen der Bundesbank - die im Zuge der Geldverwendung maßgebenden Entscheidungen der Nichtbanken und der Geschäftsbanken niederschlagen." 15 Aus monetaristischer Sicht eignet sich die Zentralbankgeldmenge - wie oben schon angeklungen ist- als Zwischenziel deshalb nicht, weil nach ihrer Meinung insbesondere die Spareinlagen nicht zur relevanten Geldmenge gehören. Allerdings ist die Zentralbankgeldmenge - anders als M3 - so konstruiert, daß der Bargeldumlauf voll, die Spareinlagen hingegen nur mit ca. 8 % in diese Größe miteingehen. Insofern kommt immerhin der unter11 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlicvhen Entwicklung (1974), Ziffer 382. 12 Vgl. im folgenden Maier, G. (1987), S. 138 ff. 13 Vgl. Deutsche Bundesbank (1974b), S. 19. 14 Vgl. Claassen, E.-M. (1974), S. 276. 15 Ehrlicher, W. (1984a), S. 13 f.
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schiedliche Liquiditätsgrad der Einlagen in der Berechnung der Zentralbankgeldmenge zum Ausdruck. Nach der kurzen Diskussion um die richtige Abgrenzung der relevanten Geldmenge bleibt noch anzumerken, daß die Bundesbank immer wieder betonte, daß die Zentralbankgeldmenge zwar der wichtigste Indikator und das wichtigste Zwischenziel für sie darstellte, daß sie sich aber in ihrenjeweils aktuellen Entscheidungen durchaus auch an anderen Größen, wie beispielsweise die Geldmengenaggregate M1, M2 und M3, orientieren würde. Auch die freien Liquiditätsreserven werden nach wie vor in der Liquiditätsrechnung der Bundesbank ausgewiesen. Sie dienen als zusätzlicher Indikator, da die Zentralbankgeldmenge - wie im übrigen auch M3 - nur ein ex postIndikator sein kann. 16 b) Die Vorankündigung von Geldmengenzielen
Im Dezember 1974 gibt die Bundesbank der Öffentlichkeit zum ersten Mal - mit ausdrücklicher Billigung der Bundesregierung - ein Geldmengenziel für das nächste Jahr bekanntY Anlaß dazu geben nicht zuletzt die zweistelligen Lohnabschlüsse im Jahre 1974; das Verhalten der Tarifpartner führt der Bundesbank vor Augen, daß sie ihre geldpolitischen Absichten der Öffentlichkeit nicht deutlich genug darlegte. Dieser Schritt bedeutet für die Bundesbank ein besonderes Wagnis, da sie auf keinerlei Erfahrungen- weder auf eigene noch auf die anderer Länderzurückgreifen kann. Entsprechend vorsichtig sind die Erläuterungen der Bundesbank zu ihrem Vorgehen. 18 Die Bundesbank betont, daß das Wachstum der Zentralbankgeldmenge nur längerfristig von ihr bestimmt werden könne, während es in kurzer Frist vom Verhalten der Banken und NichtBanken abhängig sei; sie werde zwar versuchen, auch kurzfristig die Expansion auf gewünschtem Niveau zu halten, doch müsse man hier mit zeitlichen Wirkungsverzögerungen von Ausgleichsmaßnahmen rechnen. Sie macht außerdem deutlich, daß das Geldmengenziel als Orientierungsrahmen zu verstehen sei, an dem sich - soll das Ziel der Preisniveaustabilität erreicht werden - alle am Wirtschaftsprozeß Beteiligten auszurichten hätten. Das Geldmengenziel sei so gewählt, daß " ... von der monetären Seite dem angestrebten realen Wachstum der Wirtschaft der notwendige Spielraum eingeräumt und die Beschäftigungsaussichten verbessert (würden)" und" ... keine inflatorischen Spannungen entstehen dürften, sondern im Verlauf des Vgl. Obst, G. I Hintner, 0. (1988), S. 31. Schon für das Jahr 1974 hatte die Bundesbank sich ein Geldmengenziel gesetzt, das sie jedoch nicht der Öffentlichkeit bekanntgab bzw. dem kein formeller Beschluß zugrundelag. Vgl. Deutsche Bundesbank (1975a), S. 18. 18 Vgl. Deutsche Bundesbank (1974c), S. 8. 16
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Jahres durchaus weitere Stabilitätsfortschritte erzielt werden könnten" . 19 Sie geht damit zwar bei der Berechnung der Höhe des Geldmengenziels von einem Erwartungswert für das reale Wachstum- und einer "unvermeidlichen" Preissteigerungsrate- aus, betont aber an anderer Stelle," ... daß kurzfristig kein enger Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Sozialprodukts und der Zentralbankgeldmenge besteht". 20 Die Sorge der Bundesbank, eventuell Erwartungen zu erzeugen, die sie möglicherweise nicht würde erfüllen können, zeigt sich auch darin, daß sie offen läßt, ob sie auch in den folgenden Jahren ein Geldmengenziel verkünden würde. Das Experiment der Bundesbank stößt im Inland wie im Ausland auf ein überwiegend positives Echo. 21 Verschiedene Länder, wie die Schweiz, die USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich und Japan folgen bald dem Beispiel der Deutschen Bundesbank.22 Kritische Stimmen gibt es im Grunde nur, was die Höhe des Geldmengenziels, aber nicht was den Vorgang als solchen anbetrifft. 23 c) Die Verstetigung der Geldpolitik
Ein Konzept der Geldmengensteuerung wird häufig gleichgesetzt mit einer Politik der Verstetigung, weil beides von Monetaristen bisweilen gefordert wird. Gleichwohl ist der Verstetigungsgedanke keineswegs zwingender Bestandteil eines Konzepts der Geldmengensteuerung; die Geldmenge kann grundsätzlich auch diskretionär gesteuert werden. Ebenso ist die Vorankündigung von Geldmengenzielen für ein Jahr im voraus von sich aus kein eindeutiges Indiz für eine strikte Verstetigung; bei einer Zielfestlegung auf nur ein Jahr besteht zumindest ein gewisser Spielraum für die Notenbank, auf konjunkturelle Erfordernisse gegebenenfalls Rücksicht zu nehmen, indem sie die prognostizierte konjunkturelle Entwicklung des nächsten Jahrs bei der Berechnung des Geldmengenziels antizipiert. Bei mehrjährigen Zielfestlegungen hingegen wäre eine solche Vorgehensweise aufgrund der um einiges unsichereren Datenlage nicht praktikabel. Deutsche Bundesbank (1974c), S. 8 Deutsche Bundesbank (1974d), S. I. 21 Vgl. Deutsche Bundesbank (1974d), S. I ff. 22 Eine Übersicht über Geldmengenziele und ihre Realisierung in verschiedenen Ländern gibt Schlesinger, H. (1985), S. 140. 23 Zum einen wurde argumentiert, daß das angestrebte Wachstum der Zentralbankgeldmenge nicht ausreiche, um das Beschäftigungsziel zu erreichen und daher politisch nicht durchsetzbar sei; zum anderen könnten instrumentelle Schwierigkeiten dem Erreichen des Ziels entgegenstehen, nämlich dann, wenn der - zum damaligen Zeitpunkt hohe- Devisenzufluß aus den Erdölländern weiter anhielte oder sich die Bundesregierung zu einer Auflösung ihrer Konjunkturausgleichsrücklage entschließen würde. Vgl. Deutsche Bundesbank (1974d), S. 2. 19
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Die Bundesbank selbst spricht das erste Mal im Zusammenhang mit der Bekanntgabe des ersten Geldmengenziels vom längerfristigen Ziel einer stetigen Ausweitung der Zentralbankgeldmenge. Im Jahre 1973, dem Beginn der Geldmengensteuerung, stellte sie noch - angesichts der sich beschleunigenden monetären Expansion- das Ziel einer möglichst knappen Liquiditätsversorgung der Geschäftsbanken in den VordergrundY Außerdem weist die Bundesbank an anderer Stelle darauf hin, daß .ihre Ausrichtung des Geldmengenziels am Wachsturn des Produktionspotentials - und nicht an der Entwicklung des Sozialprodukts- eine längerfristige Verstetigung implizieren würde. 25 Auch die Tatsache, daß die Geldmengenziele für die ersten vier Jahre jeweils die gleiche Höhe haben, spricht für den Verstetigungswillen der Bundesbank. Allerdings- das werden die späteren Ausführungen zeigenhält sie sich nicht immer im Rahmen des Verstetigungspfades. 3. Zusammenfassung und weiterführende Überlegungen Die Erfahrungen der frühen 70er Jahre, als die Bundesbank die monetäre Expansion nicht einzudämmen vermochte und dies in einen sich beschleunigenden Inflationsprozeß mündete, legten Reformüberlegungen bezüglich des geldpolitischen Konzepts nahe. Die Freigabe der Wechselkurse im März 1973 macht schließlich eine Neuorientierung des geldpolitischen Konzepts möglich. Die Bundesbank steuert nun nicht mehr die Bankenliquidität bzw. die freien Liquiditätsreserven, sondern die Zentralbankgeldmenge. Dies bedeutet, daß alle geldpolitischen Maßnahmen darauf ausgerichtet werden, ein bestimmtes, auf mittlere Sicht möglichst stetiges Wachstum der Zentralbankgeldmenge zu erreichen. Die Bundesbank geht dabei davon aus, daß der Umfang der Zentralbankgeldmenge kurzfristig von den Geschäftsbanken -oder konkreter durch deren Liquiditätsbedarf aufgrund schon erfolgter Einlagenexpansion - bestimmt wird, daß sie aber die zukünftige monetäre Expansion insofern steuern kann, als sie die Konditionen vorgibt, zu denen sich die Geschäftsbanken Zentralbankgeld beschaffen können. 26 Zum anderen kündigt sie seit 1974 Geldmengenziele für ein Jahr im voraus an, um deutlich zu machen, daß sie nicht gewillt ist, grundsätzlich jede wirtschaftliche bzw. wirtschaftspolitische Aktivität monetär zu alimentieren. Auch der Verstetigungsgedanke kann dahingehend interpretiert werden. Somit haben die Geldmengenziele Appellcharakter für die Tarifpartner und den Staat. In dem Sinne kann man dieses Instrument der .,moral suasion" zuordnen. Völlig neu daran ist umgekehrt, daß sich der Erfolg der Geldpolitik an einer 24
25 26
Vgl. Deutsche Bundesbank (1974a), S. 4. Vgl. Deutsche Bundesbank (1987c), S. 96. Vgl. Deutsche Bundesbank (1975a), S. 26.
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einzigen Größe messen läßt; so steht die Notenbank von nun an im Rechtfertigungsdruck,. was die quantitative Festlegung des Zieles und seine Erreichung anbetrifft. Es stellt sich nun die Frage, welche Auswirkungen die Neuorientierung des geldpolitischen Konzepts auf die Instrumente hatte. Bekanntlich war die wissenschaftliche Diskussion über das geldpolitische Konzept begleitet von Überlegungen zu einer Neuordnung des Notenbankinstrumentariums. Die Bundesbank selbst unterbreitete Ende 1972 ein entsprechendes Reformpapier; es sah eine Verschärfung der bestehenden Mindestreservepolitik durch Anhebung der maximal zulässigen Höchstsätze und die Einführung einer Aktiva-Zuwachsreserve oder einer Kreditplafondierung vor. Der Sachverständigenrat setzte sich hingegen in seinem Gutachten für das Jahr 1973 für eine Ausweitung der Offenmarktpolitik einY Beide Vorschläge wurden jedoch nicht in die Praxis umgesetzt. Daß die Vorschläge der Bundesbank nicht zum Zuge kamen, lag zum einen daran, daß der Übergang zu flexiblen Wechselkursen gegenüber dem US-Dollar im März 1973 eine Verschärfung des Notenbankinstrumentariums weitgehend überflüssig zu machen schien. Zum anderen bestanden gewichtige ordnungspolitische Bedenken gegen eine mehr autoritäre Ausgestaltung des Notenbankinstrumentariums. Schon in den 60er Jahren hatte die Bundesbank im Zusammenhang mit dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz die Einführung einer Kreditplafondierung gefordert. Als die damalige Bundesregierung grundsätzlich einwilligen wollte, jedoch die Bedingung stellte, daß ihr ein Mitspracherecht eingeräumt wird, zog die Bundesbank vor dem Hintergrund dieses Kompetenzstreits den Vorschlag wieder zurück. 28 Der Vorschlag des Sachverständigenrats, die Offenmarktpolitik zum dominierenden Instrument zu machen, entspringt ebenso wie die Forderung nach einer Steuerung der Geldmenge monetaristischen Ideen. 29 Nun führte der Übergang zur Geldmengensteuerung im Jahre 1973 aber nicht zu einer entscheidenden Zäsur für das Notenbankinstrumentarium, wie es beispielsweise eine weitgehende Verlagerung von der Refinanzierungs- und Außenwirtschaftskomponente zur Offenmarktkomponente bedeutet hätte. Dies wirft die Frage nach dem Zusammenhang zwischen geldpolitischem Konzept 27 Eine vergleichende Analyse der Reformvorschläge erfolgt bei Ehrlicher, W. (1973). VgL auch Kath, D. (1973). Siehe auch Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (1973), Tz. 171. Im Gutachten für das Jahr 1974 erfolgt eine ausführlichere Erörterung. VgL Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (1974), Tz. 383ff., insb. Tz. 384. 28 VgL Möller, A. (1968), S. 249 ff. 29 So hatte beispielsweise schon in den 50er Jahren Mitton Friedman für den ausschließlichen Einsatz offenmarktpolitischer Instrumente zur Liquiditätssteuerung plädiert. VgL Friedman, M. (1959), S. 24 ff., insb. S. 30 ff.
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und Instrumenten auf; der Frage soll im folgenden aus theoretischer Sicht nachgegangen werden, bevor der Wandel des Notenbankinstrumentariums seit 1973 nachgezeichnet wird. II. Zu den Konsequenzen für das Notenbankinstrumentarium: Der theoretische Zusammenhang zwischen geldpolitischem Konzept und Instrumenten
1. Die Verbindung mit Zwischenziel und Endziel Ob sich ein Zusammenhang zwischen geldpolitischem Konzept und Notenbankinstrumentarium herleiten läßt, hängt im wesentlichen davon ab, was unter einem geldpolitischen Konzept zu verstehen ist. Charakterisiert man es lediglich durch das monetäre Zwischenziel und durch das angestrebte Endziel, läßt sich ein direkter Zusammenhang mit den Instrumenten nicht ableiten. Wenn man beispielsweise weiß, daß eine Notenbank die Geldmenge, den Zins oder den Wechselkurs steuert, um Preisniveaustabilität, Vollbeschäftigung, ein angemessenes Wirtschaftwachstum oder ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht zu erreichen, können keine eindeutigen Rückschlüsse auf das Notenbankinstrumentarium gezogen werden. Dies hängt zunächst damit zusammen, daß es zwischen einzelnen geldpolitischen Instrumenten und wirtschaftspolitischen Endzielen grundsätzlich keine direkten Beziehungen gibt. Geldpolitische Instrumente wirken primär nur auf monetäre Größen ein, die- je nach den transmissionstheoretischen Vorstellungen- in einem bestimmten Verhältnis zu den Endzielen stehen. Aber selbst wenn Informationen darüber vorliegen, welches Zwischenziel eine Notenbank verfolgt, kann nicht eindeutig auf den Instrumenteneinsatz geschlossen werden. Denn jedes zinspolitische Instrument hat auch liquiditätspolitische Wirkungen et vice versa. Eine Steuerung der Geldmenge muß dann unter Umständen nur bedeuten, daß alle Instrumente so eingesetzt werden, daß ein bestimmtes Wachstum der Geldmenge erzielt wird. Aus demselben Grund kann auch das Zinsniveau mit allen denkbaren - eben auch mit liquiditätspolitischen-Instrumentengesteuert werden. 30 30 Analog dazu wird zum Erreichen des Wechselkursziels die binnenwirtschaftliche Komponente so gesteuert, daß sich durch eine Kombination von Zinsniveau und Wachsturn des Geldvolumens - im Einklang mit devisenmarktpolitischen Maßnahmen zur direkten Beeinflussung des Außenwerts der Währung - ein bestimmter Wechselkurs einstellt. In der Regel wird allerdings der außenwirtschaftliehen Komponente eine größere quantitative Bedeutung zukommen, als es bei der Geldrnengen- oder Zinssteuerung der Fall ist. Die Orientierungarn Wechselkurs wird im folgenden nicht gesondert behandelt werden, weil die Wechselkursorientierung aus instrumenteller Sicht kein eigenständiges Ziel darstellt.
II. Zu den Konsequenzen für das Notenbankinstrumentarium
25
Die grobe Charakterisierung eines geldpolitischen Konzepts durch Zwischenziel und Endzielläßt offenbar keine eindeutigen Rückschlüsse auf das Notenbankinstrumentarium zu. Es bleibt nun zu überlegen, ob eine präzise Kenntnis der Steuerungsstrategie der Notenbank eine direktere Beziehung zur instrumentellen Ebene herzustellen vermag. Dabei wird unterschieden werden zwischen einer stetigen und einer diskretionären Steuerung. 2. Die Verbindung mit der Steuerungsstrategie a) Stetige Steuerung des Zwischenziels aa) Verstetigung auf kurze Sicht Unter einer Verstetigungsstrategie soll im folgenden eine Notenbankpolitik verstanden werden, die auf geldpolitische Kurswechsel verzichtet, die vielmehr auf eine stetige Entwicklung des monetären Zwischenziels gerichtet ist. Mit anderen Worten möchte die Notenbank zum Beispiel eine bestimmte Wachsturnsrate der Geldmenge oder ein bestimmtes Zinsniveau innerhalb eines gewissen Zeitraums anstreben. Wichtig ist deshalb bei der Ausgestaltung des Notenbankinstrumentariums die Dosierbarkeit der Instrumente. Welchen Stellenwert dieses Kriterium einnimmt bzw. einnehmen muß, hängt vorn zeitlichen Horizont der Verstetigung ab. Wenn sich das monetäre Zwischenziel auch auf sehr kurze Frist- beispielsweise von Woche zu Woche - stetig entwickeln soll, benötigt die Notenbank exakt dosierbare Instrumente: Eine solche Strategie könnte nur über den ausschließlichen Einsatz offenmarktpolitischer Instrumente praktiziert werden. Im Falle einer Zinssteuerung müßte die Notenbank solange Wertpapiere verkaufen bzw. ankaufen, bis sich ein bestimmter Zins einstellt, im Rahmen einer Geldmengensteuerung müßte sie das Volumen der Wertpapiertransaktionen bestimmen, während der Zins sich jeweils danach richtet, zu welchem Preis die anvisierte Menge von den Geschäftspartnern aufgenommen wird. 31 Diese Vorgehensweise würde gleichzeitig implizieren, daß die Notenbank allein die Kontrolle über die Zentralbankgeldversorgung hat. Der Kreditsektor hätte keine Möglichkeit, sich bei der Notenbank über die Einreichung von rediskontfahigen Wechseln, lombardfähigen Wertpapieren oder geldmarktregulierten Offenmarkttiteln Zentralbankgeld zu besorgen.32 Ebenso dürfte Vgl. Ehrlicher, W. (1981), S. 443 f. So setzen sich Vertreter einer strikten Geldmengensteuerung dafür ein, die Refinanzierungsmöglichkeiten des Bankensektors über Rediskont- und Lombardkredite zu besei31 32
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A Notenbankinstrumentarium und geldpolitisches Konzept
die Notenbank nicht verpflichtet sein, am Devisenmarkt zu intervenieren. Die Mindestreservepolitik würde sich darauf beschränken, bei gleichbleibenden Mindestreservesätzen einen entsprechenden Zentralbankgeldbedarf zu schaffen. bb) Verstetigung auf längere Sicht Die oben beschriebenen Anforderungen an das Notenbankinstrumentarium im Rahmen einer Verstetigungsstrategie nehmen in dem Maße ab, in dem der Zeithorizont der Verstetigung zunimmt. Strebt eine Notenbank beispielsweise an, die Geldmenge lediglich von Jahr zu Jahr stetig steigen zu lassen und damit Schwankungen dieser Größe innerhalb des Jahres zum Ausgleich des wechselnden Zentralbankgeldbedarfs zuzulassen, um zu große Zinsausschläge auf dem Geldmarkt zu vermeiden, kann sie dies auch über eine indirekte Geldmengensteuerung erreichen. 33 Das ganze Spektrum an geldpolitischen Instrumenten kann dann zum Einsatz kommen. Zinspolitische Instrumente finden beispielsweise Anwendung, um über die Beeinflussung der Geldmarktzinsen den Rahmen für die zukünftige monetäre Expansion abzustecken. Analog gelten diese Zusammenhänge auch bei einer Zinssteuerung. Eine solche Strategie kann auch verfolgt werden, wenn die Geschäftsbanken über gewisse Spielräume bei der Beschaffung von Zentralbankgeld, die oben ausgeschlossen wurden, verfügen. Allerdings ist die Steuerung für die Notenbank um so leichter, je geringer diese Spielräume sind. Für die Ausgestaltung des Notenbankinstrumentariums ist die Frage von Bedeutung, ob sich die Kreditinstitute von sich aus Zentralbankgeld besorgen können. Ist dies nicht der Fall, benötigt die Notenbank bei dieser Strategie spezielle Instrumente, mit Hilfe derer den Kreditinstituten kurzfristig Liquidität - im Falle eines gestiegenen Zentralbankgeldbedarfs - zugeführt und- im Falle eines gesunkenen Bedarfs- entzogen werden kann, um zu große Zinsausschläge am Geldmarkt zu vermeiden; im anderen Falle können die Geschäftsbanken selbst für einen Ausgleich sorgen. Diese speziellen Instrumente müssen kurzfristig reversibel sein, und -falls die Notenbank den Zins steuern möchte- muß die Notenbank den Preis, bei einer Geldmengensteuerung die Menge, fixieren können. Diese Anforderungen erfüllt in einer zinsorientierten Strategie die traditionelle Lombardpolitik: Die Kreditinstitute können sich durch die Lombardierung tigen und die Geldmenge ausschließlich mit offenmarktpolitischen Instrumenten zu steuern. Vgl. hierzu Rohde, A. (1985a), S. 34 f. und S. 37 ff. 33 Die Schwankungen des Liquiditätsbedarfs ergeben sich aus den Zahlungsgewohnheiten der Nicht-Banken und bestimmten institutionellen Gegebenheiten. So erhöht sich beispielsweise der Liquiditätsbedarf zum Wochenende hin oder vor der Ferienzeit und bei großen Steuerterminen.
II. Zu den Konsequenzen für das Notenbankinstrumentarium
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von Wertpapieren für beliebig kurze Zeit Zentralbankgeld im erwünschten Umfang besc\laffen, wobei die Notenbank den Preis vorgibt. In einem Geldmengenkonzept hingegen erfüllen beispielsweise die 1973 eingeführten Wechselpensionsgeschäfte und die seit 1975 hin und wieder praktizierten vorübergehenden Verlagerungen von Bundesmitteln in den Geldmarkt diese Funktion; für die restriktive Richtung wären die kurzfristigen Schatzwechselabgaben der Bundesbank als Beispiel zu nennen. Feinsteuerungsmaßnahmen müssen um so häufiger ergriffen werden bzw. ihr Umfang ist um so höher, in je stärkerem Maße die Notenbank Anspannungen auf dem Geldmarkt verhinden möchte, je unelastischer das Geldangebot im Bankensektor ist und je knapper die Notenbank die Kreditinstitute mit Zentralbankgeld versorgt. Die traditionellen Grobsteuerungsinstrumente erfüllen dann die Aufgabe, die längerfristige Zentralbankgeldversorgung- entsprechend der Zielvorgabe- zu steuern. Auf häufigere Mindestreservesatzvariationen kann auch in diesem Fall verzichtet werden; lediglich zum Ausgleich umfangreicherer Devisenbewegungen müßten eventuell Satzänderungen vorgenommen werden. b) Diskretionöre Steuerung des Zwischenziels
Wenn eine Notenbank hingegen ihr monetäres Zwischenziel nicht stetig, sondern diskretionär steuern möchte, kommt es ihr nicht so sehr auf die Erreichung eines bestimmten Niveaus dieser Größe an; insofern können alle -auch die weniger dosierbaren-Instrumentezum Einsatz kommen. Vielmehr ist entscheidend, Zins oder Geldmenge möglichst rasch in eine Richtung - im Sinne einer geldpolitischen Kursänderung - beeinflussen zu können. Wichtig sind deshalb Instrumente, die eine hohe Signalwirkung haben- deren Einsatz mit anderen Worten den Wirtschaftssubjekten ein möglichst eindeutiges und leicht erkennbares Indiz für einen Kurswechsel liefert-, und die in einem entsprechenden Umfang eingesetzt werden können. Beide Anforderungen erfüllt die Mindestreservepolitik. Denn Satzvariationen werden von den Wirtschaftssubjekten mit hoher Aufmerksamkeit verfolgt. Außerdem führt eine vergleichsweise geringe Erhöhung bzw. Senkung der Sätze zu einer relativ großen Liquiditätswirkung. 34 Hinzu kommt, daß sich diese Effekte sehr rasch und sicher einstellen, da durch solche Maßnahmen Liquidität unmittelbar gebunden oder freigesetzt wird. Ein weiteres beliebtes Instrument ist die Refinanzierungspolitik: Von Variationen des Diskont- und Lombardsatzes gehen die erwünschten Signalwirkungen aus und mit Kürzung oder Erhöhung der Rediskontkontingente können auch größere Volumina bewegt werden. 35 34 So führte beispielsweise die lineare Anhebung der Sätze um I 0 % im Februar 1987 zu einer Mittelabschöpfung von ca. 5,5 Mrd. DM. Vgl. Deutsche Bundesbank (1987e), S. 10.
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A. Notenbankinstrumentarium und geldpolitisches Konzept
Auch im Rahmen einer diskretionären Steuerung der Geldmenge kann sich eine Notenbank überlegen, ob sie den Aufbau umfangreicher freier Liquiditätsreserven zuläßt oder ob sie den Geldschöpfungsprozeß einer strengeren Kontrolle unterwirft. 36 Entscheidet sie sich für letzteres, ist sie auf den Einsatz offenmarktpolitischer Instrumente angewiesen. Denn geht man davon aus, daß die Bundesbank nur dann expansive Maßnahmen ergreift, wenn die Produktion sich abschwächt und wenn damit auch die Kreditnachfrage nachläßt, so wird bzw. kann der Bankensektor das zusätzliche Zentralbankgeldnur zum Teil für eine erhöhe Kreditvergabe verwenden. Mit dem anderen Teil werden die Kreditinstitute ihre Verschuldung bei der Notenbank reduzieren, indem sie beispielsweise Wechsel vorzeitig zurückkaufen oder geldmarktfähige Papiere erwerben; in beiden Fällen erhöhen sich die freien Liquiditätsreserven, nicht aber die Geldmenge. Der Aufbau freier Liquiditätsreserven kann in diesem Fall nur verhindert werden, wenn die Notenbank keine Papiere mit Ankaufszusage an die Banken abgibt und die Rediskontkontingente so bemißt, daß nur ein Teil des dauerhaften Liquiditätsbedarfs des Kreditsektors dadurch gedeckt wird. Der restliche Liquiditätsbedarf müßte dann über offenmarktpolitische Instrumente, bei denen die Notenbank die Menge vorgibt, befriedigt werden. Wenn die Einreichung von Wechseln bei der Notenbank die billigste Refinanzierungsquelle für den Bankensektor darstellt, werden die Kontingente stets ausgeschöpft sein. Auch wenn bei der diskretionären Steuerung das Vorhandensein entsprechender Grobsteuerungsinstrumente unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg ist, so kann ebenso wie bei der stetigen Steuerung der Einsatz von Feinsteuerungsinstrumenten notwendig werden. Gerade dann, wenn die Notenbank nach einer relativ expansiven Phase einen sehr restriktiven Kurs einschlägt, der mit einer Rückführung der freien Liquiditätsreserven auf einen Wert nahe Null verbunden ist, reicht die Pufferfunktion der Mindestreserven nicht mehr aus, um kurzfristig extreme Zinsausschläge zu verhindern. Wenn die Notenbank diese Anspannung auf dem Geldmarkt nicht als willkommene Signalwirkung betrachtet, ist sie - bei der diskretionären Steuerung sogar in sehr viel höherem Maße als bei einer stetigen - auf Instrumente angewiesen, mit deren Hilfe sie kurzfristig und geräuschlos gegensteuern kann bzw. auf die der Geschäftsbankensektor- im Falle einer Zinssteuerung - zurückgreifen kann. 35 Die Kürzung der Rediskont-Kontingente um rd. 8 Mrd. DM im Februar letzten Jahres führte zu einer effektiven Liquiditätsabschöpfung von ca. 6,5 Mrd. DM (die Differenz erklärt sich aus zuvor nicht ausgeschöpften Kontingenten). Vgl. zu den Zahlen Deutsche Bundesbank (1987e), S. 10. 36 Im Rahmen einer diskretionären Zinssteuerung dürfte diese Überlegung keine Rolle spielen, da Spielräume des Kreditsektors in quantitativer Hinsicht keinen Störfaktor darstellen.
li. Zu den Konsequenzen des Notenbankinstrumentariums
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3. Fazit Die Ausführungen haben gezeigt, daß der Übergang zur Geldmengensteuerung im Jahre 1973 dann nicht mit einer völligen Neuordnung des Notenbankinstrumentariums verbunden sein mußte, wenn die Notenbank die Geldmenge entweder nur auf mittlere Sicht stetig oder - wie zuvor die Bankenliquidität und den Zins - diskretionär steuern wollte. Wie oben erwähnt, ließ die Bundesbank 1973174 erkennen, daß sie die Geldmenge zwar stetig steuern wolle, aber nicht aufkurze Sicht. Deshalb war es von ihrem Standpunkt aus auch nicht notwendig, ausschließlich oder zumindest überwiegend offenmarktpolitische Instrumente einzusetzen, wie es der Sachverständigenrat empfohlen hatte. 1973174, als die Bundesbank die Wachstumsraten der Zentralbankgeldmenge drastisch zurückschrauben wollte, bot sich der Einsatz der traditionellen Instrumente an, wie die Mindestreservepolitik und die Rediskontpolitik, die erfahrungsgemäß eine hohe Signalwirkung haben. Auch wenn es 1973174 nicht zu einer einschneidenden Reform des Notenbankinstrumentariums kam, so blieb die Neuorientierung des geldpolitischen Konzepts aber andererseits nicht ohne jeglichen Einfluß in instrumenteller Hinsicht: Das traditionelle Grobsteuerungsinstrumentarium wurde durch Feinsteuerungsinstrumente ergänzt, die der kurzfristigen Steuerung des Geldmarktes dienen. Diese Neuerung wurde 1973174 zunächst aus der Notwendigkeit heraus geboren, bei Fehlen freier Liquiditätsreserven im Bankensektor und knapper Zentralbankgeldversorgung größere Zinsausschläge am Geldmarkt zu verhindern. Die weiteren Ausführungen werden allerdings noch zeigen, daß sich der Bundesbank dadurch generell die Möglichkeit eröffnet, kurzfristigen Störungen der Liquiditätsversorgung, wie sie beispielsweise durch vorübergehende Devisenzu- oder -abflüsse verursacht werden können, wirksam zu begegnen.
B. Die einzelnen Entwicklungsphasen des Notenbankinstrumentariums 1 I. Modifizierter Instrumenteneinsatz zur unmittelbaren Steuerung der Zentralbankgeldmenge (1973-1974)
1. Herstellung notwendiger Rahmenbedingungen Als die Bundesbank 1973 zur Steuerung der Geldmenge übergeht, entschließt sie sich, die Zentralbankgeldmenge unmittelbar zu steuern. Eine 1 Vgl. zu einzelnen geldpolitischen Maßnahmen im folgenden Deutsche Bundesbank, Geschäftsberichte für die jeweiligen Jahre, insbes. die wirtschaftspolitische Chronik.
30
B. Die einzelnen Entwicklungsphasen des Notenbankinstrumentariums
notwendige Voraussetzung wird- wie oben erwähnt- mit der Aufbebung der Interventionspflicht gegenüber dem US-Dollar im Jahre 1973 geschaffen. Darüber hinaus führt die Bundebank die umfangreichen freien Liquiditätsreserven des Bankensektors auf einen Wert nahe Null zurück. Zwischen beiden Punkten besteht insofern ein Zusammenhang, als nach Freigabe der Wechselkurse ausländische Geldmarktanlagen statistisch nicht mehr zu den freien Liquiditätsreserven gezählt werden; somit ist die drastische Reduktion der Einflußmöglichkeiten des Kreditsektors auf die Zentralbankgeldschöpfung nicht nur das Ergebnis entsprechender liquiditätsabschöpfender Maßnahmen der Bundesbank, sondern auch zu einem Teil eine Folge der Neuordnung des internationalen Währungssystems. Die Politik der konsequenten unmittelbaren Steuerung der Zentralbankgeldmenge bei weitgehender Beseitigung der Einflußmöglichkeiten der Geschäftsbanken auf die Zentralbankgeldschöpfung betreibt die Bundesbank zunächst von Anfang des Jahres 1973 bis Ende des Jahres 1974. Welche Probleme diese geldpolitische Strategie aufwarf, werden die folgenden Ausführungen zeigen. 2. Der Instrumenteneinsatz. im Zeichen einer konsequenten Inflationsbekämpfung a) Schnelle Eindämmung des Zentralbankgeldmengenwachstums als primäres Ziel im Jahre 1973
Erklärtes Ziel der Bundesbank für das Jahr 1973 ist es, durch eine Verlangsamung des Zentralbankgeldmengenwachstums den Preisanstieg - die Inflationsrate hatte im Jahre 1972 5,5% betragen- zu bremsen. Tabelle I Durchschnittliche Wachstumsraten der Zentralbankgeldmenge 1> 1972 bis 1975 (in%) 1972
1973
+ 13,6
1974
1975
+7,9
+6,2
+ 10,1
0 Saisonbereinigte Werte. Quelle: Deutsche Bundesbank, Geschäftsberichte.
Wie aus Tabelle I zu entnehmen ist, gelang es der Bundesbank, das Wachstum der Zentralbankgeldmenge von 13,6% im Jahre 1972 auf7,9%
I. Unmittelbare Steuerung der Zentralbankgeldmenge (1973-1974)
31
im Jahre 1973 und 6,2% im Jahre 1974 zu reduzieren. Ein erster Schritt dazu war - wie oben angesprochen - die Reduzierung der freien Liquiditätsreserven der Geschäftsbanken; dies wird schon im zweiten Halbjahr 1972 vorbereitet, indem die Bundesbank mehrmals die Rediskontkontingente kürzt und die Mindestreservesätze in mehreren Schritten erhöht. Diese Politik der Liquiditätsabschöpfung wird im Jahre 1973 konsequent weiterverfolgt. Insgesamt werden den Banken im Jahre 1973 durch Änderung der Refinanzierungslinien 13,2 Mrd. DM, durch mindestreservepolitische Maßnahmen 5,1 Mrd. DM entzogen. 2 Zusätzlich schließt die Bundesbank Offenmarktgeschäfte mit Nicht-Banken in erheblichem Umfang ab; insgesamt verkauft sie Wertpapiere in Höhe von 7,7 Mrd. DM gegenüber nur 2 Mrd. DM im Vorjahr und 28 Mio. DM im folgenden Jahr. Die Finanzpolitik unterstützt diesen Kurs durch Hinterlegung der ersten Tranche der Stabilitätsanleihe bei der Bundesbank. Durch diese liquiditätspolitischen Maßnahmen und durch den Umstand, daß nach Freigabe der Wechselkurse die ausländischen Geldmarktanlagen statistisch nicht mehr zu den freien Liquiditätsreserven gezählt werden, betragen diese am Ende des ersten Halbjahres 1973 nur noch 1,8 Mrd. DM; ein Jahr zuvor hatten sie noch eine Höhe von fast 16 Mrd. DM (s. Tab. 2). Tabelle 2 Bestand an freien Liquiditätsreserven im Bankensektor 1972 bis 19751l, 2l (in Mrd. DM) 1972
0
21
1973
1974
1975
l. Halbj.
15,9
1,8
1,5
9,1
2. Halbj.
7,3
3.0
4.5
14.9
Überschußguthaben, Geldmarktpapiere und unausgenutzte Refinanzierungskontingente (1975: nur unausg. Rediskontkontingente). Am Ende des jeweiligen Zeitraums. Quelle: Deutsche Bundesbank, Geschäftsberichte.
Dabei muß berücksichtigt werden, daß die Bundesbank im ersten Vierteljahr 1973 vor Freigabe der Wechselkurse Dollars in Höhe von über 20 Mrd. DM ankaufen muß (s. Tab. 3), was zu entsprechenden expansiven Wirkun2 Die Rediskontpolitik wird dahingehend verfeinert, daß die Bundesbank eine prozentuale Höchstgrenze der Inanspruchnahme der bestehenden Kontingente bis auf weiteres einführt; dadurch wird dieses Instrument flexibler einsetzbar, da sich die Kreditinstitute nach Aufhebung der Regelung nicht erst unter Zeitaufwand geeignetes Wechselmaterial beschaffen müssen, wie es bei Kürzung der Kontingente und späterer Erhöhung oft zu beobachten ist. Vgl. Deutsche Bundesbank (1974a), S. 6.
32
B. Die einzelnen Entwicklungsphasen des Notenbankinstrumentariums
gen führt. Aber auch nach Freigabe der Wechselkurse gegenüber dem USDollar bleibt die Bundesbank von Interventionspflichten, nämlich im Rahmen des Europäischen Währungsverbundes, nicht verschont: Durch den einsetzenden Dollarkursverfall, von dem die DM als alternative internationale Reserveanlagewährung mehr als die anderen europäischen Währungen betroffen ist, gerät die ohnehin schon starke DM im europäischen Währungsverbund unter zusätzlichen Aufwertungsdruck. Dies erklärt die hohen Devisenankäufe im dritten Quartal des Jahres 1973 (s. Tab. 3). Tabelle 3 Devisenzugänge- (+) bzw. -abgänge (-)der Deutschen Bundesbank im Jahre 1973 (in Mrd. DM)
insgesamt
+ 27,2
I. Vj.
2. Vj.
3. Vj.
4. Vj.
+ 20,5
+ 0,1
+ 7,1
-0,4
Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte.
Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, daß die Bundesbank im Verlauf des Jahres 1973 weitere Maßnahmen zur außenwirtschaftliehen Absicherung ergreift. So wird beispielsweise der Basisbetrag zur Berechnung des Zuwachses an mindestreservepflichtigen Auslandsverbindlichkeiten in zwei Schritten gekürzt. Auch die Bundesregierung baut ihre Maßnahmen zur Abwehr von Kapitalzuflüssen aus dem Ausland in Absprache mit der Bundesbank weiter aus. So wird zum Beispiel eine Genehmigungspflicht für den Verkauf von Inlandsforderungen an das Ausland eingeführt. Die insgesamt restriktive Liquiditätspolitik des Jahres 1973 wird ergänzt durch gleichgerichtete zinspolitische Maßnahmen. In drei Schritten wird der Diskontsatz von 4 1/2% auf 7 % und der Lombardsatz von 6 1/2% auf 9% heraufgesetzt. Ab Juni wird der Lombardkredit zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte ausgesetzt. Das ist insofern eine konsequente Maßnahme, als diese Refinanzierungsform quantitativ unbegrenzt ist; deshalb war nämlich zu befürchten, daß die Kreditinstitute vermehrt auf diese Zentralbankgeldquelle zurückgreifen und damit die Restriktionspolitik der Bundesbank unterlaufen würden. Wie weiter unten noch erörtert werden wird, bietet die Bundesbank stattdessen ab November täglich kündbaren Sonderlombardkredit an zu erhöhten Zinsen. Diese Art der Refinanzierung ist zwar auch formal quantitativ nicht begrenzt. Aberaufgrund der täglichen Kündbarkeit stellt sie eine sehr unsichere Zentralbankgeldquelle dar, was die Inanspruchnahme faktisch kontingentiert.
I. Unmittelbare Steuerung der Zentralbankgeldmenge (1973-1974)
33
Die Bundesbank verknappt im Jahre 1973 somit nicht nur die Zentralsondern macht sie für den Kreditsektor auch teuer. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß die Bundesbank in ihrem Geschäftsbericht für das Jahr 1974 explizit darauf hinweist, daß die Zinspolitik ausschließlich dazu diene, das monetäre Wachstumsziel zu erreichen: "Der Zins ist für die Notenbank also ein Instrument, aber nicht ein selbständiges Ziel. " 3 bankgeldver~orgung,
Schon im Verlauf des Jahres stellen sich erste Preisniveaustabilisierungserfolge ein, die jedoch durch die drastische Erhöhung der Erdölpreise vom Herbst 1973 wieder in Frage gestellt werden. Die Fortsetzung der restriktiven Politik ist somit vorgezeichnet. b) Fortsetzung der restriktiven Politik im Jahre 1974 bei weitgehender außenwirtschaftlicher Absicherung
Von der außenwirtschaftliehen Flanke her ergibt sich für die Bundesbank im Jahre 1974 ein gänzlich anderes Bild: Die Währungsunruhen hatten sich gelegt, die Maßnahmen zur außenwirtschaftliehen Absicherung können weitgehend beseitigt werden; persaldogibt die Notenbank Devisen im Wert von 2,8 Mrd. DM ab. Aus diesem Grunde kann die Bundesbank unter Beibehaltung ihres restriktiven Kurses die Mindestreservesätze senken, was zu einer Liquiditätsfreigabe von insgesamt 12,8 Mrd. DM führt, und die Refinanzierungslinien um 4,5 Mrd. DM erhöhen. Ab Anfang Juli wird außerdem wieder traditioneller Lombardkredit gewährt. Insgesamt verlangsamt sich erneut das Wachstum der Zentralbankgeldmenge im Jahre 1974 mit 6,2% gegenüber 7,9% im Vorjahr (s. Tab. 1). Die Bundesbank nahm somit Lockerungsmaßnahmen vor," . .. ohne daß damit schon ein grundlegender Kurswechsel vollzogen wurde". 4 Gegen Jahresende zeichnet sich hingegen- vor dem Hintergrund der sich im Zuge der Ölpreiserhöhungen abschwächenden Konjunktur- schon recht deutlich der Übergang zu einem expansiveren Kurs ab. 3. Probleme der restriktiven Geldmengensteuerung Die restriktive Geldmengensteuerung führt - vor dem Hintergrund stark eingeschränkter Spielräume der Geschäftsbanken - zu einigen Problemen. Denn die Kreditinstitute, die bisher gewohnt waren, bei Auftreten von Liquiditätsspitzen sich das notwendige Zentralbankgeld am Interbankenmarkt zu 3 4
Deutsche Bundesbank (1975a), S. 42. Deutsche Bundesbank (1975a), S. 18.
3 Beckh
34
B. Die einzelnen Entwicklungsphasen des Notenbankinstrumentariums
beschaffen, und zwar zu Zinssätzen, die unterhalb des Lombardsatzes lagen, sehen sich nun aufgrund der fehlenden freien Liquiditätsreserven, der Einstellung des Lombardkredits und insgesamt knapper Zentralbankgeldbereitstellung bisweilen einem sehr geringen Angebot liquider Mittel am Geldmarkt gegenüber. Starke Bewegungen der Geldmarktzinsen sind die Folge. Die Tagesgeldsätze schwanken beispielsweise im April des Jahres 1973 zwischen 2% und 30%, im August des gleichen Jahres zwischen 6 3/4% und 40 %. 5 Im folgenden Jahr sind die Zinsausschläge zwar nicht mehr ganz so groß wie 1973, aber immer noch um einiges stärker als beispielsweise 1972. Noch größere Zinsunterschiede verhindert die Bundesbank allerdings -wie weiter oben erwähnt- durch den Abschluß von sogenannten Wechselpensionsgeschäften:6 Durch den Ankaufvon Wechseln am offenen Markt unter der Bedingung, daß die Kreditinstitute sie nach 10 Tagen wieder zurückkaufen, wird dem Bankensektor kurzfristig Zentralbankgeld bereitgestellt. Als die Bundesbank sieht, daß der Umfang der Wechselpensionsgeschäfte nicht ausreicht, um die Zinsausschläge am Geldmarkt im gewünschten Umfang zu verhindern, bietet sie im November 1973 zum ersten Mal -wie oben erwähnt - täglich kündbaren Sonderlombardkredit an; diese Politik wird bis Mitte Januar 1974 fortgeführt, ebenso von Mitte März bis Anfang April und erneut von Ende Mai bis Anfang Juli betrieben. Die Feinsteuerung des Geldmarktes führt die Bundesbank im übrigen auch in umgekehrter Richtung durch: Bei kurzfristig geringem Liquiditätsbedarf der Banken kauft sie hin und wieder für 5 bis 10 Tage Schatzwechsel an. Für die Geschäftsbanken bedeutet der recht schnelle und einschneidende Kurswechsel der Notenbank auch dadurch ein besonderes Problem, als sie auf jeden Fall ihren schon gegebenen Kreditzusagen nachkommen müssen. Teilweise ergeben sich negative Zinsspannen. 7 Manche Bankkunden nutzen die Situation dergestalt aus, daß sie frühere Kreditzusagen in Anspruch nehmen, um das erhaltene Geld gewinnbringend an andere Banken ausleihen zu können. 8 Darin liegt auch der Grund dafür, daß die Kreditexpansion erst ab Mitte 1973 spürbar eingedämmt werden konnte. Allerdings dürften diese Schwierigkeiten der Kreditinstitute zu einem Teil als vorübergehende Anpassungsprobleme an die neue Strategie der Bundesbank einzustufen sein; denn es ist nicht ganz einzusehen, warum die Banken Vgl. Deutsche Bundesbank (1973), S. 47 (Statistischer Teil). Vgl. Deutsche Bundesbank (1974a), S.4f. 7 Allerdings ist sich die Fachpresse weitgehend darüber einig, daß die Bankenzusammenbrüche dieser Zeit - am spektakulärsten war die Schließung der Herstatt-Bank im Sommer 1974- auf Fehlentscheidungen des jeweiligen Managements- im Falle Herstatt waren es beispielsweise fehlgeschlagene Devisenspekulationen - zurückgingen und keineswegs Folge der restriktiven Politik waren. 8 Vgl. Deutsche Bundesbank (1974a), S. 8. 5
6
I. Unmittelbare Steuerung der Zentralbankgeldmenge (1973-1974)
35
nicht in der Lage sein sollten, eine entsprechende Liquiditätsvorsorge von sich aus zu treffen. 9 Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist das Vorhandensein zentralbankfähiger Aktiva keineswegs unabdingbare Voraussetzung für einen verhältnismäßig reibungslosen Ablauf der Bankgeschäfte. Es muß somit andere oder zumindest noch weitere Gründe gegeben haben, daß die Bundesbank ab Ende 1974 den Aufbau freier Liquiditätsreserven wieder zuließ. 4. Gründe für die Abkehr der Bundesbank von der Politik der unmittelbaren Kontrolle der Zentralbankgeldmenge Im vierten Quartal 1974 deutet sich schon an, was im Jahre 1975 offensichtlich wird: Die Bundesbank geht zu einem expansiven Kurs über. Gleichzeitig vollzieht sich ein erneuter Strategiewechsel: Die Bundesbank steuert die Zentralbankgeldmenge nicht mehr unmittelbar, sondern läßt dem Bankensektor über die Bildung freier Liquiditätsreserven wieder einen gewissen Spielraum. Diesen Strategiewechsel begründet die Bundesbank damit, daß sie durch die expansiven Maßnahmen die sich abschwächende Konjunktur anregen wolle. 10 Diese Argumentation kann jedoch nicht befriedigen. Denn sie widerspricht zunächst dem, was die Bundesbank in ihrem Geschäftsbericht für das Jahr 1973 andeutete 11 und was Schlesinger später explizit ausführt: "Nun bedeuten freie Liquiditätsreserven von nahe Null nicht zwangsläufig eine wirklich restriktive Politik. Bei diesem Zustand wird lediglich die Steuerfunktion geändert." 12 Demnach scheint es nicht ganz einsichtig zu sein, warum die Entscheidung der Bundesbank Ende 1974, zu einem expansiveren Kurs überzugehen, zwangsläufig mit einem erneuten Strategiewechsel einhergehen muß. Die theoretische Auseinandersetzung mit der Frage des Zusammenhangs zwischen geldpolitischer Steuerungsstrategie und Instrumenteneinsatz unter Kapitel A hat jedoch gezeigt, daß es dabei um ein instrumentelles Problem geht: Ohne den Aufbau freier Liquiditätsreserven kann sich- falls die Notenbank keine Ankaufszusagen für Geldmarktpapiere gibt - ein Vgl. Bockelmann, H. (1974), S. !SOff. Vgl. Deutsche Bundesbank (197Sa), S. 41. 11 "Mit der Beseitigung der freien Liquiditätsreserven wurde die Geldpolitik der Bundesbank auf eine neue Basis gestellt. Prinzipiell steuert nun die Notenbank unmittelbar die Schaffung von Zentralbankgeld, während sie das vordem nur über die freien Liquiditätsreserven tat. Wenn die Geldpolitik des vergangenen Jahres von den Banken als hart und einschneidend empfunden wurde, so letztlich deshalb, weil die Notenbank Zentralbankgeld nur in stark eingeschränktem Umfang zur Verfügung stellte." Deutsche Bundesbank (1974a), S. 4. 12 Schlesinger, H. (1983), S. 75. 9
10
3"
B. Die einzelnen Entwicklungsphasen des Notenbankinstrumentariums
36
expansiver Kurs nur dann vollziehen, wenn sie einen Teil des dauerhaften Liquiditätsbedarfs der Geschäftsbanken über Offenmarktgeschäfte deckt. Tatsächlich gibt die Bundesbank ab 1975 keine geldmarktfähigen Papiere mehr ab. 13 Insofern können die Kreditinstitute über freie Liquiditätsreserven nur noch in Form von unausgenutzten Refinanzierungslinien verfügen. Da die Bundesbank Mitte der 70er Jahre keine entsprechenden offenmarktpolitischen Instrumente einsetzt, um damit einen Teil des dauerhaften Liquiditätsbedarfs der Kreditinstitute zu befriedigen, geht der Übergang zu einer expansiveren Politik mit einer Erhöhung der Elastizität des Geldangebots einher. Somit ist dies nur vordergründig eine Frage der geldpolitischen Wirkungsrichtung; vielmehr hängt es mit der Beschaffenheit des Notenbankinstrumentariums bzw. der Struktur der Zentralbankgeldversorgung zusammen. 11. Überwiegend traditioneller Instrumenteneinsatz bei wieder größeren Spielräumen der Geschäftsbanken (1975-1978) 1. Vorbemerkungen Für die Zeit von 1975 bis 1978 ist charakteristisch, daß zum einen die Geschäftsbanken wieder über relativ umfangreiche Liquiditätsreserven verfügen (s. Tab. 4) und zum anderen die Bundesbank in den Jahren 1976 bis 1978 erneut in größerem Stil Devisen ankauft (s. Tab. 5), wobei es sich zu einem großen Teil um freiwillige Devisenmarktoperationen handelt. Tabelle 4 Bestand an freien Liquiditätsreserven im Bankensektor 1974 bis 19791>, 2> (in Mrd. DM)
1974 4,5 11 2'
1975 14,9
1976
1977
1978
7,3
13,6
13,8
1979 4,1
Überschußguthaben, Offenmarkttitel, deren Ankauf die Bundesbank zugesagt hat, und unausgenutzte Rediskontkontingente. Jahresendwerte. Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte.
Die Gründe, warum die Bundesbank den Aufbau freier Liquiditätsreserven wieder zuläßt, wurden oben schon diskutiert. Zu erörtern bleibt hingegen, warum die Bundesbank ab 1975 wieder vermehrt an den Devisen13
Vgl. Deutsche Bundesbank (1987c), S. 30 und S. 67.
II. Überwiegend traditioneller Instrumenteneinsatz (1975-19';"8)
37
Tabelle 5 Deyisenzugänge (+) bzw. -abgänge (-)der Deutschen Bundesbank 1974 bis 1979 (in Mrd. DM)
1974
1975
1976
-2,8
-2,1
+ 8,3
1977 +8,4
1978
1979
+20,3
-5,2
Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte.
märkten interveniert. Denn es sind nicht nur- wie eingangs erwähnt- die obligatorischen Interventionen im Rahmen des Europäischen Wechselkursverbundes, die zum Anstieg der Währungsreserven führen. Im Gegenteil geht der größte Teil auf das Konto von freiwilligen Devisenmarktinterventionen auf dem DM-Dollar-Markt. Die Hoffnung, die mit der Einführung flexibler Wechselkurse verbunden wurde, nämlich die Möglichkeit einer autonomen nationalen Geldpolitik, wird schon in diesen ersten Jahren nach dem Zusammenbruch des Systems von Bretton Woods enttäuscht. Der US-Dollar-Wechselkurs fallt ab 1976 sehr rasch, und zwar um mehr, als es den Kaufkraftparitäten entspricht. Die Erfahrung zeigte, daß spekulative Kapitalbewegungen dazu führen können, daß der Wechselkurs nicht mehr die unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklung widerspiegelt; es kommt zu über- oder unterschießenden Wechselkursen. Vor diesem Hintergrund interveniert die Notenbank- um den Erwartungen entgegenzuwirken, die den spekulativen Kapitalbewegungen zugrundeliegen - auf den Devisenmärkten, wenn sie die möglicherweise negativen Wirkungen ihresEingreifensauf die Binnenwirtschaft geringer einschätzt als die negativen Effekte der Wechselkursentwicklung. Diese können zum einen -wie es in der Zeit von 1976 bis 1978 der Fall war- darin liegen, daß ein niedriger US-Dollar-Wechselkurs den heimischen Exportsektor gefährdet; gerade in einem stark außenhandelsabhängigen Land wie die Bundesrepublik stellt dies ein besonderes Problem dar. Zum anderen bedeutet ein sehr hoher US-Dollar-Wechselkurs eine Verteuerung der importierten Rohstoffe. Darüber hinaus muß berücksichtigt werden, daß die Entwicklung auf dem DM-Dollar-Markt nicht ohne Einfluß auf die Stellung der DM im Europäischen Wechselkursverbund bleibt; so besteht in dem hier im Vordergrund stehenden Zeitraum die Schwierigkeit, daß der Aufwertungsdruck, dem die DM häufig im Rahmen des Europäischen Wechselkursverbundes ausgesetzt ist, durch einen sinkenden Dollarkurs verstärkt wird. 14 14
Vgl. hierzu Wesierski, B. (1983), S.ll9ff.
38
B. Die einzelnen Entwicklungsphasen des Notenbankinstrumentariums
Es ist in diesem Zusammenhang jedoch sicherlich nicht richtig, wenn gesagt wird, daß die Bundesbank die monetären Rahmenbedingungen, die vor 1973 herrschten, ab Mitte der 70er Jahre wiederherstellt. 15 Zutreffend ist dies nur, was den Aufbau freier Liquiditätsreserven anbetrifft. Hingegen ist es ein großer Unterschied, ob die Bundesbank zu Devisenmarktoperationen verpflichtet ist, oder ob sie freiwillig interveniert. Im ersten Fall muß sie unter allen Umständen intervenieren, während sie im zweiten Fall binnen- und außenwirtschaftliche Erfordernisse- wie oben beschrieben- gegeneinander abwägen kann. Devisenmarktinterventionen auf dem DM-Dollar-Markt gehören heute zum Instrumentarium im eigentlichen Sinn, während sie vor 1973 keine strategische Variable darstellten. 2. Verstärkter Einsatz der Offenmarktpolitik bei der Rezessionsbekämpfung im Jahre 1975 a) Geldpolitische Maßnahmen
Schon Ende 1974 schwächte sich die Konjunktur- nicht zuletzt als Folge der Rohstoffverteuerungen- spürbar ab. Entsprechende Kurswechsel wurden von der Geld- und Finanzpolitik im Herbst eingeleitet. Die Bundesbank senkte in zwei Schritten den Diskontsatz von 7 % auf 6% und den Lombardsatz von 9% auf 8 %; darüber hinaus wurden die Rediskontkontingente aufgestockt und die Mindestreservesätze gesenkt. Ende 1974 verfügten die Banken über freie Liquiditätsreserven von 4,5 Mrd. DM. Im Jahre 1975 wird diese Politik konsequent weiterverfolgt. In sechs Schritten wird der Diskontsatz auf 3 1/2%, der Lombardsatz auf 4 1/2% gesenkt. Die Rediskontkontingente werden um insgesamt 5,5 Mrd. DM aufgestockt, die Mindestreservesätze zunächst um 5%, später noch einmal um 10% gesenkt; die Sätze für Inlands- und Auslandsverbindlichkeiten werden angeglichen. Darüber hinaus spielt die Offenmarktpolitik eine herausragende Rolle: Von Juli bis Oktober kauft die Bundesbank öffentliche Anleihen im Wert von insgesamt 7,5 Mrd. DM. Außerdem tätigt sie ab Juli wieder Offenmarktgeschäfte über Wechsel mit Rückkaufsvereinbarung zu einem Zinssatz, der dem Diskontsatz entspricht. Zum ersten Mal nimmt die Bundesbank - als weiteres Feinsteuerungsinstrument-Verlagerungen von Bundesmitteln in den Geldmarkt vor.
15
Vgl. beispielsweise Booms, H . (1980), S. 140ff.
II. Überwiegend traditioneller Instrumenteneinsatz (1975-1978)
39
b) Verzögerte Wirkung der Maßnahmen
Entgegen den Zielsetzungen der Bundesbank gewint die monetäre Expansion in der ersten Jahreshälft nicht an Dynamik; die Zentralbankgeldmenge steigt - trotzexpansiver Maßnahmen- nur relativ schwach. 16 Die Zinsen am Wertpapiermarkt beginnen sogar wieder zu steigen. Erst die verstärkte Offenmarktpolitik- neben weiteren Maßnahmen- in der zweiten Jahreshälfte bewirkt eine Beschleunigung der monetären Expansion; g;lnz besonders kräftig fallt diese am Jahresende aus, da der Staat verstärkt Kredite bei den Geschäftsbanken aufnimmt. Wie oben erwähnt, gab die Bundesbank für das Jahr 1975 zum ersten Mal ein Geldmengenziel bekannt. Angekündigt waren 8% im Verlauf des Jahres, die Zentralbankgeldmenge steigt aber tatsächlich um 10%. 17 Die Bundesbank kommt zu der Einsicht, daß ein Verlaufsziel als Maßstab das Bild verzerren kann, wenn die Zentral bankgeldmenge sehr unstetig steigt. So fallt die beschleunigte Expansion am Jahresende ungerechtfertigterweise- die Bundesbank klassifiziert sie als vorübergehendes Phänomen- stark in das Gewicht; denn im Durchschnitt steigt die Zentralbankgeldmenge wie angekündigt nur um 7,9 %. Aus diesem Grund entschließt sich die Bundesbank, in den folgenden Jahren Durchschnittsziele flir das Zentralbankgeldmengenwachstum anzugeben. 18
3. Zunehmende Bedeutung der außenwirtschaftliehen Komponente bei der Geldversorgung der Wirtschaft in den Jahren 1976 bis 1978 a) Devisenmarktpolitik und Geldversorgung
Im Zeitraum von 1976 bis 1978 gewinnt - wie oben erwähnt - die außenwirtschaftliche Komponente für die Geldversorgung der Wirtschaft wieder zunehmend an Bedeutung. Während es sich im Jahre 1976 hauptsächlich um Interventionen im Rahmen des Europäischen Wechselkursverbundes handelt, greift die Bundesbank in den Jahren 1977 und 1978 vor allem am DM-Dollar-Markt ein (vgl. Tab.6). Vgl. Deutsche Bundesbank (1976), S. 6f. Vgl. im folgenden Deutsche Bundesbank (1976), S. 9f. 18 Auch wenn die Bundesbank diese Zielverfehlung mit technischen Faktoren zu erklären vermag, so spricht aus dem Geschäftsbericht des Jahres 1975 doch eine gewisse Ernüchterung; vermutlich hatte die Bundesbank - bei aller Vorsicht, die aus ihren Stellungnahmen der Jahre 1973 und 1974 sprach - mit diesen Schwierigkeiten nicht gerechnet. So betont sie beispielsweise erneut, daß sie die Zentralbankgeldmenge nur auf 16
17
40
B. Die einzelnen Entwicklungsphasen des Notenbankinstrumentariums
Tabelle 6 Absolute Interventionsbeträgell am DM/Dollar-Markt und im Rahmen des Europäischen Wechselkursverbundes 1976 bis 1978 (in Mrd. DM) Interventionen
11
Jahr
am DM/Dollar-Markt
im Rahmen des Europ. Wechselkursverbundes
1976 1977 1978
3,5 11.5 27,2
22,1 4.9 12,6
Summe aller Devisenankäufe und -verkäufe. Quelle: Deutsche Bundesbank, Geschäftsberichte.
Tabelle 7 Devisenzugänge (+) bzw. -abgänge (-)der Deutschen Bundesbank 1974 bis 1987 (in Mrd. DM) 1974 -2,8
1975 -2,1
1976 + 8,3
1977 +8,4
1978 + 20,3
1979 -5,2
1980 -24,6
1981 -3,1
1982 + 1,7
1983 -2,0
1984 -4,0
1985 -0,7
1986 + 8,7
1987 + 38,7
Quelle: Deutsche Bundesbank, Geschäftsberichte.
Wie Tabelle 7 zeigt, kauft die Bundesbank in den Jahren 1976 bis 1978 Devisen in beträchtlichem Umfang an, was entsprechende expansive Liquiditätswirkungen hat; 1978 ist dabei das erste Jahr seit dem Übergang zu flexiblen Wechselkursen, in dem die Devisenzugänge der Bundesbank erheblich darüber hinausgehen, was zur Finanzierung des Wachstums der Zentralbankgeldmenge notwendig war. In den folgenden Jahren hingegen- bei steigendem Dollar-Kurs- verkauft in der Regel die Bundesbank Devisen. Erst in den Jahren 1986 und 1987- während des starken Dollarkursverfalls- wird erneut über die außenwirtschaftliche Komponente ein größerer Teil des Zentralbankgeldbedarfs der Geschäftsbanken gedeckt; im Jahr 1987 übersteigt die Höhe der Devisenzugänge nach 1978 zum zweiten Mal bei weitem den Umfang des zusät~lich bereitgestellten Zentralbankgeldes. längere Frist steuern könnte, während der Zentralbankgeldbedarf auf kurze Frist eine "gegebene Größe" sei. Vgl. Deutsche Bundesbank (1976), S. 9 ff., insbes. S. 12ff.
li. Überwiegend traditioneller Instrumenteneinsatz (1975-1978)
41
Der Interventionsbedarf im Rahmen des Europäischen Währungsverbundes, der innerhalb des hier im Vordergrund stehenden Zeitraums besonders im Jahr 1976 sehr hoch ist, rührt zum einen von anhaltenden Divergenzen in der Preis- und Kostenentwicklung der Partnerländer her und zum anderen von der im Vergleich zu den anderen Mitgliedswährungen starken Aufwertung der DM gegenüber dem Dollar. Es kommt zu umfangreichen Devisenbewegungen zwischen den Teilnehmerstaaten aufgrund von Wechselkursänderungserwartungen. Das Ausscheiden Frankreichs aus dem Verbund im Frühjahr 1976 bringt nur für kurze Zeit eine Entlastung. Schließlich werden im Oktober Paritätsänderungen vereinbart, die nun nachhaltig zum Abbau der Spannungen führen. Erst im Jahre 1978 werden wieder umfangreichere Interventionen notwendig (s. Tab. 6). 19 Bei näherer Betrachtung des Engagements der Bundesbank am DM/Dollar-Markt im Zeitraum von 1976 bis 1978 fällt auf, daß sie für längere Zeit überwiegend in eine Richtung interveniert, nämlich hauptsächlich Dollars ankauft; die Interventionsbeträge gleichen sich über ein Jahr gerechnet nicht aus, was aber der Fall sein müßte, wollte man nur den Kurs glätten. Es ist daher zu Recht zu vermuten, daß die Bundesbank durchaus auch Einfluß auf den Trend - aus oben genannten Gründen - nehmen wollte. Dies gilt im übrigen auch für die folgenden Jahre, in denen überwiegend Dollars verkauft werden. 20 b) Der Einsatz binnenwirtschaftlicher Instrumente
Die Bundesbank ist im Zeitraum von 1976 bis 1978 bemüht, einerseits Preisniveaustabilisierungserfolge zu erzielen, aber andererseits die konjunkturelle Erholung nach der schweren Rezession von 1975 nicht zu behindern, sondern eher zu fördern. Während sich die Stabilisierungserfolge recht schnell - nicht zuletzt auch aufgrund einer zurückhaltenden Lohnpolitik und infolge des Konsolidierungskurses der Bundesregierung im Jahre 1976- einstellen (s. Tab. 8), erholt sich die Konjunktur nur langsam. Vor allem zeigt sich in dieser Zeit- was uns inzwischen vertraut geworden ist-, daß die Beschäftigung trotz erhöhter Produktion nur verzögert zunimmt. Vor dem Hintergrund dieser wirtschaftlichen Probleme bleibt die Geldpolitik nach der Rezession von 1975 weiterhin expansiv; die jahresdurchschnittliehen Zuwachsraten der Zentralbankgeldmenge liegen im gesamten Zeitraum- im Jahre 1978 besonders deutlich- höher als 1975 (s. Tab. 9).
19
20
Vgl. Deutsche Bundesbank (1977), S. 53ff. Vgl. hier Wesierski, B. (1984), Kap. II, insbes. S. 31 ff.
42
B. Die einzelnen Entwicklungsphasen des Notenbankinstrumentariums Tabelle 8 Veränderungen der Preise für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte 1975 bis 1978 (in v. H.)
1975 1976 1977 1978
+6,0
+ 4,5 + 3,9 +2,6
Quelle: Deutsche Bundesbank, Geschäftsberichte.
Tabelle 9 Durchschnittliche Wachstumsrate der Zentralbankgeldmenge 1975 bis 19781)
(in v. H.)
1975
+ 7,8 11
1976
+9,2
1977
+ 9,0
1978
+ 11,4
Saisonbereinigte Werte.
Quelle: Deutsche Bundesbank, Geschäftsberichte.
Die Bundesbank stellt zunächst relativ billiges, zu Beginnjedoch nicht allzu reichliches Zentralbankgeld zur Verfügung. Der Diskont- und Lombardsatz werden auf dem- schon relativ niedrigen- Niveau des Jahres 1975 belassen, im Jahre 1977 wird der Diskontsatz dann um einen weiteren halben Prozentpunkt auf 3 %, der Lombardsatz in zwei Schritten um einen Prozentpunkt auf 3 l/2% gesenkt. Andererseits schöpft die Bundesbank zum Ausgleich der Devisenzugänge Liquidität ab. Im Jahre 1976 geschieht dies vor allem durch offenmarktpolitische Instrumente: Zum einen verkauft die Bundesbank in großem Stil einen Teil ihrer im Jahre zuvor angekauften öffentlichen Anleihen; diese Transaktionen vollziehen sich relativ geräuschlos, ohne das es zu unerwünschten Zinssteigerungen kommt. Zum anderen bietet sie nicht in die Geldmarktregulierung einbezogene Mobilisierungspapiere an. Insgesamt wird dem Bankensektor dadurch Liquidität in Höhe von 8,6 Mrd. DM entzogen. Zusätzlich bindet sie durch Mindestreservesatzerhöhungen Liquidität in Höhe von 4,4 Mrd. DM. Liquiditätsentziehende Wirkungen in Höhe von 4,5 Mrd. DM werden darüber hinaus dadurch erzielt, daß Bundesguthaben vom Geldmarkt wieder zur Bundesbank verlagert werden. Die Geschäftsbanken
II. Überwiegend traditioneller Instrumenteneinsatz (1975-1978)
43
gleichen diese Maßnahmen zum Teil dadurch aus, daß sie verstärkt Lombardkredite in Anspruch nehmen- insgesamt erfolgt eine Zunahme um 6,5 Mrd. DM- und die unausgenutzten Rediskontkontingente um 7,2 Mrd. DM abbauen; damit stehen dem Liquiditätsentzug von insgesmt 17,5 Mrd. DM kompensierende Maßnahmen der Kreditinstitute von fast 14 Mrd. DM entgegen. Aufgrund der nur zögernd anspringenden Konjunktur führt die Bundesbank den Geschäftsbanken im Jahre 1977 über Mindestreservesatzsenkungen 8,2 Mrd. DM und über Erhöhung der Rediskontkontingente 6,5 Mrd. DM Zentralbankgeld zu. Offenmarktpolitische Aktivitäten spielen per saldo eine nur untergeordnete Rolle; nach 1975 bietet die Bundesbank zur Feinsteuerung des Geldmarktes das erste Mal wieder Wechselpensionsgeschäfte an. Die Inanspruchnahme des Lombardkredits geht um 6,5 Mrd. DM zurück und erreicht damit wieder das Niveau von 1975; die unausgenutzten Rediskontkontingente erhöhen sich um 5,5 Mrd. DM. Flankiert werden diese Maßnahmen- wie oben erwähnt- durch Diskont- und Lombardsatzsenkungen. Im Jahre 1978 versorgt die Bundesbank die Wirtschaft relativ reichlich mit Zentralbankgeld; es kommt dabei zu einer beträchtlichen Verfehlung des Geldmengenziels, worauf weiter unten noch zurückzukommen sein wird. Zum Ausgleich der umfangreichen Devisenzuflüsse werden nur 1,8 Mrd. DM durch mindestreservepolitische und 3,6 Mrd. DM durch offenmarktpolitische Instrumente - erneut auch über Wechselpensionsgeschäfte - abgeschöpft. Hingegen werden die Refinanzierungslinien um 4,4 Mrd. DM aufgestockt. Als Ergebnis kann festgehalten werden, daß die Bundesbank im Zeitraum von 1976 bis 1978 versucht, mit überwiegend traditionellen Instrumenten die Zentralbankgeldversorgung so zu steuern, daß einerseits die Preissteigerungsraten vermindert werden und andererseits die konjunkturelle Erholung nicht gebremst wird. Während das Ziel der Preisniveaustabilisierung zunächst den Vorrang hat, rückt das Beschäftigungs- und daneben auch das Wechselkursziel gegen Ende des Zeitraums mehr und mehr in den Vordergrund. Wie schon im Jahre 1975 verfehlt die Bundesbank von 1976 bis 1978 ihre Geldmengenziele; bei einem angekündigten Wachstum von 8% liegt die Zuwachsrate der Zentralbankgeldmenge in den Jahren 1976 und 1977 um ca. 1 Prozentpunkt darüber, während das Geldmengenziel im Jahre 1978 gar um 3 Prozentpunkte verfehlt wird. Dies kann nur vordergründig allein der zunehmenden Beschäftigungs- und Wechselkursorientierung zugeschrieben werden. Nach Emminger spielte auch eine Rolle, daß die Bundesbank die Veränderungen der Umlaufsgeschwindigkeit falsch prognostiziert hatte, so
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B. Die einzelnen Entwicklungsphasen des Notenbankinstrumentariums
daß die Geldmengenziele von vornherein zu niedrig lagenY Denn die Bundesbank ging davon aus, daß die Umlaufsgeschwindigkeit nach der Rezession - wie gewohnt - wieder steigen würde. Tatsächlich ging sie in den folgenden Jahren jedoch weiter zurück. Als Gründe für diese "anormale" Entwicklung werden" ... das Absinkendes Zinsniveaus bis Mitte 1978, die Aufwertungstendenz der DM(. . .) und- teilweise verbunden damit- der Abfluß von D-Mark-Noten ins umliegende Ausland sowie die D-Mark-Vorauszahlungen an deutsche Exporteure, welche die Termingelder aufblähten ... " 22 angegeben.23 Die Zentralbankratsbeschlüsse vom Dezember 1978, die eine Kürzung der Rediskontkontingente für den Januar des folgenden Jahres vorsehen, deuten schon einen Kurswechsel an. Die Ausführungen im folgenden Kapitel werden zeigen, daß sich die Bundesbank aus Sorge um das Ziel der Preisniveaustabilität zu einer einschneidenden Korrektur ihrer Politik veranlaßt sieht. 111. Grundlegende Neuerungen im Instrumenteneinsatz (1979 bis heute)
I . Charakteristika der neueren Geldpolitik a) Der Strukturwandel in der Zentralbankgeldversorgung
Ein Strukturwandel in der Zentralbankgeldversorgung ergibt sich ab Ende der 70er Jahre zunächst dadurch, daß sich die Bundesbank bei steigendem US-Dollar-Wechselkurs veranlaßt sieht, per saldo in der Regel Devisen zu verkaufen. Kontraktive Effekte auf die Geldversorgung gehen dabei nicht nur von Interventionen auf dem DM-Dollar-Markt aus, sondern auch von entsprechenden Eingriffen im Rahmen des Europäischen Währungssystems. Allgemein führt der steigende US-Dollar-Wechselkurs hier zwar zu einer Entspannung; denn in der Regel - wie an anderer Stelle schon erwähnt steht die DM als Währung des Landes mit der höchsten Stabilität im Aufwertungsdruck, der durch den steigenden Dollarkurs gedämpft wird. Im Jahre 1980 jedoch, als die Bundesrepublik ein hohes Leistungsbilanzdefizit hinnehmen mußte, und im Jahre 1983 nach dem großen Realignment tendiert die DM im Europäischen Währungssystem ausgesprochen schwach, so daß Devisenverkäufe notwendig werdenY Vgl. Emminger, 0. (1984), S. 52ff. Emminger, 0. (1984), S. 53. 23 Dies zeigt einmal mehr- worauf unter Kapitel A schon hingewiesen wurde-, daß die Bundesbank letztlich die monetäre Gesamtnachfrage steuern möchte. Darauf weist auch Emminger in diesem Zusammenhang hin. Vgl. Emminger, 0. (1984), S. 54. 24 Vgl. Deutsche Bundesbank (1987d), S. 74. 21
22
III. Grundlegende Neuerungen im Instrumenteneinsatz {1979 bis heute)
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Insgesamt verkauft die Bundesbank 1979 Devisen in Höhe von 5,2 Mrd. DM, 1980 von 24,6 Mrd. DM, 1981 von 3,1 Mrd. DM, 1983 von 2,0 Mrd. DM, 1984 von 4,0 Mrd. DM und 1985 von 0,7 Mrd. DM; lediglich im Jahre 1982 nehmen die Devisenbestände der Bundesbank um 1,7 Mrd. DM zu (s. Tab. 7). In jüngerer Zeit kehrte sich die Entwicklung allerdings wieder um: Bei erneut fallendem Dollarkurs kauft die Bundesbank 1986 und 1987 in größerem Stil Devisen (s. Tab. 7). Aus den oben genannten Gründen wird die Bundesbank Ende der 70er Jahre mit der Situation konfrontiert, daß über Devisenbewegungen nicht mehr wie in den Jahren zuvor Zentralbankgeld bereitgestellt wird. Die Bundesbank reagiert darauf mit unterschiedlichen Maßnahmen. Zum einen reduziert sie durch Senkungen der Mindestreservesätze den Zentralbankgeldbedarf der Geschäftsbanken. Zum anderen zieht sie andere Quellen der Geldversorgung heran. So werden die Refinanzierungsmöglichkeiten des Kreditsektors über die Einreichung von Wechseln zur Diskontierung durch massive Aufstockungen der Kontingente erheblich vergrößert. Tabelle 10 Festgesetzte Rediskontkontingente 1974 bis 1987 (in Mrd. DM) 1974 12,9
1975 15,7
1976 15,7
1977 22,4
1978 27,0
1979 31,7
1980 42,6
1981 46,6
1982 51,7
1983 51,6
1984 59,8
1985 63,8
1986 59,4
1987 52,7
Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte.
Wie Tabelle 10 zeigt, werden die Rediskontkontingente im Zeitraum von 1979 bis 1985 um rund 37 Mrd. DM erweitert, was eine Verdopplung innerhalb von 6 Jahren bedeutet. Damit wird der Rediskontkredit zur wichtigsten Zentralbankgeldquelle. Gleichzeitig verliert diese Refinanzierungsform jedoch im Laufe der 80er Jahre an relativem Gewicht innerhalb der- wie oben gezeigt immer gewichtiger werdenden - binnenwirtschaftlichen Geldversorgungskomponente. Zunehmende Bedeutung erlangen die im Jahre 1979 eingeführten Wertpapierpensionsgeschäfte. Dieses Instrument erscheint im Bilanzausweis der Bundesbank unter "Kredite an Kreditinstitute" .25 25 Wir werden weiter unten sehen, daß dieses Instrument zum Zwecke der Systematisierung korrekterweise den offenmarktpolitischen Instrumenten zugerechnet wird.
46
B. Die einzelnen Entwicklungsphasen des Notenbankinstrumentariums
Tabelle 11 Die Refinanzierungsstruktur der Geschäftsbanken 1979 bis 1987
Jahr
Kreditaufn. insgesamt (inMrd.DM)
Wechsel
davon in%: Wertpapiere aus Pensionsgeschäften
1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987
36,2 57,6 68,1 74,9 85.5 96,3 105,3 96,4 82,4
91,4 75,9 73,7 71,7 65,5 65,0 58,3 63,1 65,5
10,7 17,5 12,2 18,9 26,7 39,5 34,4 33,6
Lombardforderungen 8,6 13,4 8,8 16,1 15,6 8,3 2,2 2,5 0,9
Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte. Eigene Berechnungen.
Wie Tabelle 11 zeigt, erfolgt die Refinanzierung der Geschäftsbanken im Jahre 1980 zu rund 75% über die Einreichung von Wechseln, zu 10% über den Abschluß von Wertpapierpensionsgeschäften und zu 13% über Lombardkredite. Im Jahre 1985 haben der Wechsel- und der Lombardkredit hingegen nur noch einen Anteil an der gesamten Refinanzierung von ca. 58% bzw. 2 %, der Anteil der Wertpapierpensionsgeschäfte hingegen steigt auf fast 40% (s. Tab. 11); in den Jahren 1986 und 1987 kann der Rediskontkredit wieder leicht an Boden gewinnen, während der Anteil des Lombardkredits zunächst ansteigt, 1987 jedoch auf unter ein Prozent zurückgeht. Zusammenfassend läßt sich der Strukturwandel in der Zentralbankgeldversorgung ab Ende der 70er Jahre dahingehend kennzeichnen, daß zum einen bis Mitte der 80er Jahre über die außenwirtschaftliche Komponente kein Zentralbankgeld bereitgestellt werden kann; deshalb gewinnt die binnenwirtschaftliche Komponente in diesem Zeitraum entsprechend an Bedeutung. Zum anderen erlangt im Verlauf der 80er Jahre die Offenmarktpolitik innerhalb der binnenwirtschaftlichen Komponente zunehmendes Gewicht zu Lasten der traditionellen Refinanzierungspolitik. Teilweise mit diesem Strukturwandel zusammenhängend, betreibt die Bundesbank ab 1979 eine neue Steuerungsstrategie, die im folgenden charakterisiert werden soll.
111. Grundlegende Neuerungen im Instrumenteneinsatz (1979 bis heute)
47
b) Die neue Steuerungsstrategie
Die Bundesbank modifiziert ihr bisheriges Steuerungskonzept in zweierlei Hinsicht. Zum einen ermöglicht der Ausbau der Offenmarktkomponente das, was die Bundesbank 1973/74 angekündigt und praktiziert, 1975 aber wieder aufgegeben hatte, als sie zu einem expansiveren Kurs überging: Die Steuerung der Geldmenge bei geringen freien Liquiditätsreserven der Geschäftsbanken auch nach der Restriktionsphase. Denn nur ein Teil des dauerhaften Liquditätsbedarfs wird über die Rediskontierung von Wechseln bereitgestellt, so daß die Rediskontkontingente - da der Rediskontkredit nach wie vor die billigste Refinanzierungsform darstellt - in der Regel ausgeschöpft sind. Insofern kontrolliert nun die Bundesbank die Geldmenge wieder direkter. Zum anderen intensiviert die Bundesbank die Steuerung des Geldmarktes auf kurze Sicht;26 diese Strategie behält sie auch nach 1982 bei. Mit Hilfe reversibler Ausgleichsoperationen kontrolliert die Bundesbank den Geldmarkt auf kurze Frist gemäß ihren längerfristigen Zielvorstellungen; dabei orientiert sie sich an " ... in der Gewichtung pragmatisch wechselnde (... ) Operationsziele, die sich sowohl an herkömmlichen Liquiditäts- wie auch an Zinsvorstellungen orientieren."27 Zu den bisher verwendeten Feinsteuerungsinstrumenten, von denen hauptsächlich kurzfristige Schatzwechselabgaben und vorübergehende Verlagerungen von Bundesmitteln zum Bankensektor sehr viel regelmäßiger als zuvor eingesetzt werden, treten 1979 neue Intrumente, nämlich die oben schon erwähnten reversiblen Offenmarktgeschäftein Form von Wertpapierpensionsgeschäften und Devisenpensionsgeschäfte; außerdem werden Devisenswapgeschäfte zu diesem Zweck reaktiviert. Im folgenden sollen die 1979 hinzugekommenen Instrumente ausführlich vorgestellt werden. c) Die neuen Instrumente
aa) Wertpapierpensionsgeschäfte Schon im Jahre 1973, als die Bundesbank die Wechselpensionsgeschäfte einführte, beabsichtigte die Bundesbank, die Pensionsgeschäfte auch auf Wertpapiere auszudehnen. "Dieser Weg erwies sich jedoch wegen gewisser wertpapierrechtlicher und verwahrungstechnischer Fragen kurzfristig als nicht gangbar." 28 In den folgenden Jahren aber verminderte sich der Fein26 Eine ausführliche Beschreibung der kurzfristigen Geldmengenkontrolle gibt Dudler, H.-J. (1983). 27 Dudler, H.-J. (1983), S. 42. 28 Deutsche Bundesbank (1983), S. 23.
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B. Die einzelnen Entwicklungsphasen des Notenbankinstrumentariums
steuerungsbedarf, da die Bundesbank die Geschäftsbanken wieder reichlicher mit Zentralbankgeld versorgte; die Kreditinstitute konnten nun auch -nachdem der Lombardkredit in der Restriktionsphase von 1973/74 zeitweise ganz eingestellt oder durch einen Sonderlombardkredit zu erhöhten Zinssätzen ersetzt worden war - wie gewohnt auf diese Refinanzierungsform zurückgreifen. Erst als die Bundesbank im Jahre 1979 wieder einen restriktiveren Kurs einschlägt und der Feinsteuerungsbedarf dadurch steigt, sieht sich die Bundesbank- auch vor dem Hintergrund stark zurückgehender Wechselbestände im Bankensektor - 29 veranlaßt, auf ihre früheren Pläne zurückzukommen und nun auch Wertpapierpensionsgeschäfte anzubieten. Wie oben schon erörtert, bleiben die Wertpapierpensionsgeschäfte jedoch kein Feinsteuerungsinstrument im engeren Sinne, sondern dienen nach 1979 zunächst der Zwischenrefinanzierung und ab 1985 der Dauerrefinanzierung der Geschäftsbanken. Angesichts der bedeutenden Stellung, die die Wertpapierpensionsgeschärte innerhalb des Notenbankinstrumentariums zunehmend eingenommen haben, soll dieses Instrument im folgenden ausführlich charakterisiert werden. Die Grundlage für die Geschäfte bilden im wesentlichen lombardfahige Wertpapiere. Die Kreditinstitute halten diese Papiere in Depots bei den Landeszentralbanken und können immer wieder darüber entscheiden, ob sie ein bestimmtes Wertpapier als Basis eines Lombardkredits oder eines Pensionsgeschäftes verwenden wollen. Der Verwaltungsaufwand ist gering; inzwischen sucht die jeweilige Landeszentralbank nach dem sogenannten Aneignungs verfahren sogar selbst die geeigneten Wertpapiere aus dem Depot aus, was eine zusätzliche Zeitersparnis bedeutet. Wie oben schon angedeutet, wird die Einordnung der Wertpapierpensionsgeschäfte in das geldpolitische Instrumentarium in der Literatur bislang unterschiedlich vorgenommen. Zunächst werden sie übereinstimmend als Offenmarktgeschäfte mit Rückkaufsvereinbarung bezeichnet. Das Kreditinstitut, das das Wertpapier zur Bundesbank "in Pension" gibt, verpflichtet sich gleichzeitig, es zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einem vorher festgelegten Zuschlag entsprechend der Laufzeit und dem jeweiligen Pensionssatz zurückzukaufen. Zu den offenmarktpolitischen Instrumenten werden die Wertpapierpensionsgeschäfte deshalb gezählt, weil zum einen die Initiative bei der Bundesbank liegt und zum anderen die Papiere am offenen Markt zu Börsenkursen angekauft werden. 30 Die Bundesbank ordnet sie dementspre29 Seja sieht in diesem Vorgang eine Bevorzugung der Groß banken, da diese besonders starke Rückgänge der Wechselbestände verzeichnen mußten. Vgl. Seja, J . (1983a), S. 254 f. 30 Ob darüber hinaus der Pensionssatz als Marktzins bezeichnet werden kann, hängt -wie im folgenden noch gezeigt werden wird- von der jeweiligen technischen Ausgestaltung der Geschäfte ab.
III. Grundlegende Neuerungen im Instrumenteneinsatz (1979 bis heute)
49
chend den offenmarktpolitischen Instrumenten zu. 31 Möchte man hingegen nicht den systematischen, sondern den ökonomischen Aspekt in den Vordergrund stellen, muß man die Wertpapierpensionsgeschäfte zu den Refinanzierungsinstrumenten zählen, wie es bisweilen in der Literatur geschieht und wie die Bundesbank auch in ihrem Bilanzausweis vorgeht. 32 Denn das Wertpapier wechselt während der Zeit des Pensionsgeschäftes zwar seinen Eigentümer, ökonomisch interpretiert handelt es sich aber lediglich um eine Sicherheit für ein Geldgeschäft. 33 Wertpapierpensionsgeschäfte werden im Ausschreibungs- bzw. Tenderverfahren angeboten. 34 Hiervon gibt es zwei Ausprägungen: Der sogenannte "Mengen-" und der sogenannte "Zinstender". Sie unterscheiden sich hinsichtlich des Zustandekommens des Pensionssatzes und der Zuteilungsart. Beim Mengentender setzt die Bundesbank den Pensionssatz von vornherein fest. Die Kreditinstitute geben an, in welcher Höhe sie bei diesem Zinssatz Wertpapiere in Pension zu geben bereit sind. Zugeteilt wird nach einer einheitlichen Quote, die sich nach der nachgefragten Menge und dem von der Bundesbank gewünschten Gesamtbetrag richtet. Beim Zinstender kommt der Pensionssatz hingegen erst durch die Gebote zustande; er kann deshalb - eher als beim Mengentender - als Marktzins bezeichnet werden. Die Kreditinstitute geben an, zu welchem Zinssatz sie in welcher Höhe Wertpapiere in Pension geben wollen. Hierbei muß zwischen dem sogenannten holländischen und dem sogenannten amerikanischen Verfahren unterschieden werden. 35 Beim holländischen Verfahren, nach dem die Bundesbank bis 1987 vorgegangen ist, gilt für alle Bieter der gleiche Pensionssatz; er richtet sich nach dem Angebot, das die Bundesbank noch als letztes berücksichtigen muß, um ihr gewünschtes Volumen zu realisieren. Volle Zuteilung erhalten alle Institute, die ihre Angebote zu einem höheren Zinssatz einreichten, - falls nötig - nur einen Teil ihres gewünschten Abgabevolumens bekommen diejenigen, die zum tatsächlichen Zinssatz boten, und schließlich gehen diejenigen prinzipiell leer aus, deren Gebote Vgl. Deutsche Bundesbank ( 1987c), S. 68 ff. Vgl. z. B. Obst, G. I Hintner, 0. (1980), S. 15 ff. 33 Vgl. Deutsche Bundesbank (1983), S. 24 34 1979, im Jahr der Einführung des Instruments, wurde zunächst ein Verfahren ohne Ausschreibung angewandt: Das Angebot blieb so lange erhalten, bis die gewünschte Summe erreicht war; die Inanspruchnahme wurde dabei für das einzelne Kreditinstitut volumenmäßig begrenzt. Mit diesem Verfahren war der Nachteil der mangelnden Dosierbarkeit verbunden; der gewünschte Betrag wurde beispielsweise beim ersten Angebot im Juni 1979 bereits am selben Tag erreicht und überschritten. Um diesen Nachteil zu umgehen, entschloß sich die Bundesbank, ab Anfang 1980 das Ausschreibungsverfahren anzuwenden. 35 Vgl. hierzu und im folgenden Deutsche Bundesbank (1988), S. II und Beckh, S. ( 1986), s.485 f. 31
32
4 Beckh
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B. Die einzelnen Entwicklungsphasen des Notenbankinstrumentariums
unter dem Zuteilungssatz lagen; als Orientierungshilfe gab die Bundesbank stets einen Mindestbietungssatz an. Beim amerikanischen Verfahren, das die Bundesbank im Herbst 1988 einführte, müssen hingegen die Kreditinstitute ihren gebotenen Zinssatz auch tatsächlich zahlen; die Auswahl der zum Zuge kommenden Institute erfolgt wie schon beschrieben, d. h. auch hier ist die Chance der Zuteilung um so größer, je höher der gebotene Zinssatz ist. Das amerikanische Verfahren hat dabei den Vorteil - und hierin dürfte der wesentliche Grund für seine Einführung liegen -, daß die Institute sich hüten werden, überhöhte Gebote einzureichen, um ihre Partizipation zu sichern; denn sie müßten die Last in Form eines höheren Pensionssatzes tragen. Die Vorteile dieses geldpolitischen Instruments liegen darin, daß die Initiative zum Abschluß der Geschäfte bei der Bundesbank liegt, daß diese relativ rasch- ohne großen Verwaltungsaufwand-größere Mengen an Zentralbankgelddem Bankensektor zufließen lassen kann und daß sie bei Auslaufen der Geschäfte - die Dauer war zu Beginn auf 30 Tage festgesetzt- immer wieder von neuem darüber entscheiden kann, ob sie den geldpolitischen Kurs beibehalten oder ändern möchte. Darüber hinaus hatte mit den Wertpapierpensionsgeschäften ein auch bezüglich der Zinsgestaltung flexibleres Element, als es die Diskont- oder Lombardpolitik darstellt, Eingang in das Notenbankinstrumentarium gefunden; darauf wird später zurückzukommen sein. bb) Devisenpensionsgeschäfte36 Ebenfalls im Jahre 1979 führt die Bundesbank die sogenannten Devisenpensionsgeschäfte ein. Dieses geldpolitische Instrument wird ausschließlich zur Feinsteuerung des Geldmarktes eingesetzt. Anders als bei den älteren Devisenswapgeschäften bleiben bei Devisenpensionsgeschäften die Auslandsaktiva im Eigentum der Bundesbank, der auch nach wie vor die Zinserträge zufließen. Durch den Abschluß solcher Geschäfte wird den betreffenden Kreditinstituten lediglich ein "Herausgabeanspruch" auf Devisen der Bundesbank für befristete Zeit übertragen; die Verbindlichkeiten der Bundesbank aus Pensionsgeschäften nehmen zu, während dem Bankensektor entsprechend Liquidität entzogen wird. Ab 1979 wird die Devisenpolitik insgesamt zunehmend zur Feinsteuerung des Geldmarktes eingesetzt. Denn die Bundesbank tätigt zu diesem Zweck nicht nur Devisenpensionsgeschäfte, sondern reaktiviert auch die Devisenswapgeschäfte. Während diese von 1958 bis 1971 zur Förderung des Geldexports - zunächst hauptsächlich, um das Geldangebot im Inland zu redu36
Vgl. im folgenden Deutsche Bundesbank (l987a), S. 77 ff.
III. Grundlegende Neuerungen im Instrumenteneinsatz (1979 bis heute)
51
zieren und ab Ende der 60er Jahre, um das Vertrauen in die Dollarparität zu erhalten - eingesetzt wurden, dienen sie seit 1979 ausschließlich der Geldmarktsteuerung. Im Gegensatz zu den Devisenpensionsgeschäften können Swapgeschäfte grundsätzlich in restriktiver wie auch in expansiver Richtung eingesetzt werden; tatsächlich erfolgen sie heute überwiegend in expansiver Richtung, während zum Zwecke des Liquiditätsentzugs Devisenpensionsgeschäfte abgeschlossen werden. Verglichen mit den Wechsel- und Wertpapierpensionsgeschäften sind diese Instrumente bezüglich Laufzeit und Transaktionsvolumen flexibler. Aus diesem Grunde können sie - wenn beispielsweise unerwartet hohe Devisenzuflüsse zu verzeichnen sind- aufkürzere First einen beträchtlichen Umfang erreichen. Zusammenfassend kann man sagen, daß die Bundesbank zu Beginn der Restriktionsperiode von 1979 bis 1982 über ein verbreitertes Spektrum von Feinsteuerungsinstrumenten verfügt und insofern noch besser als 1973/74 gerüstet zu sein scheint. Wie die Bundesbank die einzelnen geldpolitischen Instrumente kombiniert und welcher Erfolg der Geldpolitik beschieden ist, werden die folgenden Ausführungen zeigen. 2. Die Erprobung der neueren Geldpolitik in der Restriktionsphase von 1979 bis 1982 Wie oben schon erwähnt, ist es hauptsächlich die Sorge um das Ziel der Preisniveaustabilität, die die Bundesbank zu einem Kurswechsel bewegt. Inflationsgefahren gehen sowohl von binnenwirtschaftlichen Entwicklungen - 1979 ist das Produktionspotential voll ausgelastet - als auch von der erneuten Erdölkrise aus. Auch die Entwicklung der Leistungsbilanz, die aufgrund der erwähnten Kostenfaktoren sich verschlechtert und schließlich in den Jahren 1979 bis 1981 in ein Defizit gerät, macht aus Sicht der Bundesbank eine restriktivere Wirtschaftspolitik erforderlich. Ab 1980 gerät das innere und äußere Stabilitätsziel jedoch zunehmend in Konflikt mit dem BeschäftigungszieL Während die Bundesbank der Sicherung der Währung in dieser Zeit Priorität einräumt, sieht sich die Finanzpolitik dem Beschäftigungsziel verpflichtet; erst im Jahre 1982leitet auch die Finanzpolitik einen Konsolidierungskurs ein. Wie in der Restriktionsphase von 1973/74 reduziert die Bundesbank als ersten Schritt im Jahre 1979 drastisch die freien Liquiditätsreserven der Geschäftsbanken, um die Zentralbankgeldschöpfung stärker unter ihre Kontrolle zu bekommen. Anders jedoch als 1973/74 bezeichnet die Bundesbank dies nicht als einen grundlegenden Strategiewechsel, sondern "verkauft" diese Maßnahme als üblichen Schritt, um die monetäre Expansion eindäm4"
52
B. Die einzelnen Entwicklungsphasen des Notenbankinstrumentariums
men zu können. 37 Während die unausgenutzten Refinanzierungslinien 1978 noch fast 13 Mrd. DM betrugen, haben sie 1979 nur noch eine Höhe von 3 Mrd. DM. 38 Diese Reduzierung wird erreicht durch Kürzung der Rediskontkontingente sowie Erhöhung der Mindestreservesätze; außerdem tragen die Devisenabflüsse im ersten Halbjahr 1979 dazu bei. Neben der Reduzierung der freien Liquiditätsreserven setzt die Bundesbank Zinssignale. In drei Schritten wird im Jahre 1979 der Diskontsatz von 3% auf 6% erhöht, fünf Mal nimmt die Bundesbank Lombardsatzerhöhungen vor von insgesamt 3 112% auf 7 %. Im folgenden Jahr wird diese Politik fortgesetzt: Der Diskontsatz wird zunächst auf 7 %, später 7 112% festgesetzt. Der Lombardsatz wird erhöht, zuerst auf 8 1/2 %, dann auf 9 1/2 %, und schließlich wieder auf 9% gesenkt. Im Rezessionsjahr 1981 und in der ersten Jahreshälfte von 1982 hingegen erfolgen keine Zinssatzänderungen. Jedoch wird vom 20. Februar bis zum 6. Mai 1982 die Gewährung von Lombardkrediten zum Lombardsatz- wie 1973/74- ausgesetzt; substitutiv bietet die Bundesbank Sonderlombardkredite zu erhöhten Sätzen an. Liquiditätspolitisch begegnet die Bundesbank den häufig auftretenden Devisenabflüssen mit mehrfachen Erhöhungen der Rediskontkontingente (s. Tab. 10) und mit wiederholten Senkungen der Mindestreservesätze. Auch die Offenmarktpolitik wird zu diesem Zwecke eingesetzt: Die Bundesbank kauft mehrmals Mobilisierungs- und Liquiditätspapiere vorzeitig von den Banken zurück. Eine viel größere Rolle als in der Restriktionsphase von 1973/74 spielen im Zeitraum von 1979 bis 1982 die Feinsteuerungsinstrumente, d. h. die Wechsel- und Wertpapierpensionsgeschäfte, Devisenswap- und -pensionsgeschäfte, Verlagerungen der Bundesmittel in den Geldmarkt sowie kurzfristige Schatzwechselabgaben. Während im Dezember 1979 aus solchen Geschäften durchschnittlich Nettoforderungen der Bundesbank in Höhe von 2,3 Mrd. DM erwachsen, bestehen in demselben Monat 1980 Verbindlichkeiten in Höhe von 8,2 Mrd. DM, 1981 von 12,2 Mrd. DM und 1982 von 12,4 Mrd. DM. 39 So ist es zu erklären, daß trotz ähnlich knapper Versorgung der Geschäftsbanken mit Zentralbankgeld die Zinsschwankungen am Geldmarkt in der Zeit von 1979 bis 1982 geringer als 1973/74 sind. 40 Wie groß die 37 "Ähnlich wie in früheren Restriktionsphasen wurde der geldpolitische Kurs zunächst dadurch gestrafft, daß der Bestand der Banken an freien Liquiditätsreserven (... )durch absorbierende Maßnahmen(... ) rasch vermindert wurde." Deutsche Bundesbank (1980), S. 20. 1973 hate die Bundesbank diese Vorgehensweise noch mit "Neue Wege" der Geldpolitik überschrieben. 38 Zu den unausgenutzten Refinanzierungslinien zählen die freien Rediskontkontingente und die Linien ankaufsfähiger Geldmarktpapiere. Vgl. hierzu und zu den Zahlen: Deutsche Bundesbank (1987a), S. 7 (Statistischer Teil). 39 Vgl. Deutsche Bundesbank (1987a), S. 7 (Statistischer Teil).
III. Grundlegende Neuerungen im Instrumenteneinsatz (1979 bis heute)
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Unterschiede tatsächlich waren, wird unter Punkt 4 näher untersucht werden. Nach den Verfehlungen der Geldmengenziele in den Jahren 1975 bis 1978 erreicht die Bundesbank 1979 und 1982 ihr proklamiertes Ziel, während sie es 1980 knapp und 1981 etwas stärker unterschreitet. Im Gegensatz zu früheren Jahren legt sich die Bundesbank allerdings nicht mehr auf Punktziele fest, sondern gibt einen Korridor von drei Prozentpunkten an. Sie begründet diesen Schritt damit, daß " . . . die bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich der Dynamik der Konjunktur und der außenwirtschaftliehen Lage es nahelegten, in der Orientierung der Geldpolitik flexibel zu bleiben".41 Die Bundesbank selbst räumt ein, daß die Angabe eines Zielkorridors den Wirtschaftssubjekten die Intentionen der Geldpolitik allerdings weniger gut verdeutlicht, als es die Proklamation eines Punktziels vermag; sie weist jedoch an derselben Stelle darauf hin, daß sie vorab immer deutlich mache, unter welchen Umständen sie mehr die obere oder die untere Hälfte der Bandbreite realisieren wolle, und daß sie im Jahresverlauf ihre Absichten präzisiere. 42 Nach einer Ausdehnung der Zentralbankgeldmenge von 11% im Jahre 1978 wächst sie 1979 nur noch um 6,4 %, 1980 um 4,9 %, 1981 um 3,6% und 1982 um 6,2 %. 43 Die drastische Eindämmung der monetären Expansion kann jedoch nicht verhindern, daß sich die Preissteigerungsraten bis 1981 noch erhöhen. Ab 1982 gehen sie jedoch rasch zurück (vgl. Tab. 12). Tabelle 12 Veränderungen der Preise für die Lebenshaltung aUer privaten Haushalte 1978 bis 1987 (in %) 1978
1979
1980
1081
1982
1983
1984
1985
1986
1987
+ 2,7
+ 4,1
+ 5,5
+ 5,9
+ 5,3
+ 3,3
+ 2,4
+ 2,2
- 0,2
+ 0,2
Quelle: Geschäftsberichte der Deutschen Bundesbank
40 Vgl. Deutsche Bundesbank ( 1981 ), S. 47 (Statistischer Teil) und dieselbe ( 1982), S. 5 I (Statistischer Teil). 41 Die Zahlen sind den jeweiligen Geschäftsberichten der Deutschen Bundesbank entnommen. 42 Vgl. Deutsche Bundesbank (1987c), S. 101. 43 Die Zahlen sind den jeweiligen Geschäftsberichten der Deutschen Bundesbank entnommen.
54
B. Die einzelnen Entwicklungsphasen des Notenbankinstrumentariums
Ein internationaler Vergleich zeigt, daß die Bundesbank bezüglich der Inflationsbekämpfung sehr erfolgreich war. Bezweifelt wird jedoch von verschiedenen Seiten, ob die Inflationsängste der Bundesbank in dem Ausmaß gerechtfertigt waren bzw. ob es nicht angezeigt gewesen wäre, Anfang der 80er Jahre dem Beschäftigungsziel mehr Aufmerksamkeit zu schenken. 44 Denn die Bundesbank weicht von ihrer bis dahin gepflegten Potentialorientierung dahingehend ab, daß sie die Zentralbankgeldmenge in den Jahren 1980 und 1981 mit einer Wachstumsrate unterhalb des Potentialpfades ausweiten läßt aus Angst vor einem sich gegenseitig bedingenden Prozeß der Inflation und Abwertung. Dem wird entgegengehalten, daß dieser Prozeß nur in Gang käme, wenn die Geldpolitik Spielräume für Preis- und Kostensteigerungen ließe; dies sei aber bei einer potentialorientierten Geldmengenexpansion nicht der Fall. Die Ausführungen haben gezeigt, daß die Bundesbank über ein effizientes Instrumentarium zur konsequenten Inflationsbekämpfung verfugt. Die monetäre Expansion konnte drastisch zurückgeführt werden, ohne daß es zu ähnlich hohen Zinsschwankungen wie in der Rezessionsphase 1973/74 kam. Unter dem instrumentellen Aspekt kann der Bundesbank keine Kritik entgegengebracht werden. Wie oben erörtert, bleibt jedoch der Streitpunkt, ob die starke Wechselkursorientierung der Bundesbank richtig war oder ob nicht durch eine etwas weniger restriktive Politik- ohne eine wesentliche Gefährdung des inneren und äußeren Stabilitätsziels - die hohen Beschäftigungsverluste geringer hätten gehalten werden können.
3. Zunehmende Bedeutung der Offenmarktpolitik bei weitgehender Einschränkung der Mindestreservepolitik ab 1983 a) Die Rolle der Offenmarktpolitik
Anders als im Anschluß an die Restriktionsphase von 1973/74 läßt die Bundesrepublik nach 1982- wie schon erörtert- den Aufbau umfangreicher Liquiditätsreserven bei den Geschäftsbanken nicht wieder zu (s. Tab. 13). Die Rediskontkontingente sind in der Regel nahezu ausgeschöpft. Es wäre jedoch nicht richtig, wenn man die Zahlen so interpretieren würde, daß die Geschäftsbanken nach 1982 keine Spielräume bei der Beschaffung von Zentralbankgeld gehabt hätten. Denn sie können jederzeit auf Lombardkredite zurückgreifen, wovon sie in den Jahren 1983 und 1984 auch rege Gebrauch machen (s. Tab. 14). 44
Zu den Kritikern gehörten beispielsweise vier der fünf großen Wirtschaftsforschungs-
III. Grundlegende Neuerungen im Instrumenteneinsatz (1979 bis heute)
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Tabelle 13 Unausgenutzte Refinanzierungslinien 1983 bis 1988 1) (in Mrd. DM)
1'
1983
1984
1985
1986
1987
1988
3,3
4,3
7,4
3,2
3,1
2,2
Im Monatsdurchschnitt Dezember. Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte.
Tabelle 14 Bestand an Lombardkrediten 1983 bis 1988n (in Mrd. DM) 1983
1984
1985
1986
1987
1988
5,1
5,4
0,4
1,0
0,2
2,3
" Im Monatsdurchschnitt Dezember. Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte.
Gerade die Zurückdrängung des Lombardkredits, der nach 1973 immer wieder fern seiner eigentlichen Zweckbestimmung ein Dauerrefinanzierungsinstrument zu werden droht, führt die Bundesbank als Begründung für die Einführung und späteren Ausweitung der Wertpapierpensionsgeschäfte an. 45 Doch eine spürbare Eindämmung der Lombardinanspruchnahme tritt verständlicherweise erst ab 1985 ein, als die Bundesbank die Pensionssätze durchgängig unterhalb des Lombardsatzes hält. Ein Blick auf den Umfang der Wertpapierpensionsgeschäfte verrät, daß dieses offenmarktpolitische Instrument jedoch nicht nur als Substitut für Lombardkredite Anwendung findet, sondern später ein Äquivalent zum Rediskontkredit wird (s. Tab. 15 und 16). Einen ersten Anhaltspunkt bieten die steigenden Bestandszahlen im Bilanzausweis der Bundesbank: Während sich im Dezember 1983 Wertpapiere aus Offenmarktgeschäften mit Rückkaufsvereinbarung im Wert von rund 16 Mrd. DM im Besitz der Bundesbank befinden, sind es im selben Monat 1984 schon 26 Mrd. DM, 1985 42 Mrd. DM, 1986 28 Mrd. DM, 1987 35 Mrd. DM und 1988 sogar 78 Mrd. DM (s. Tab. 15). institute. Einen Überblick über die verschiedenen Positionen liefert Schmahl, H.-J. ( 1981 ), S. 210. Vgl. auch Schröder, W. (1981), S. 622 ff. 45 Vgl. Deutsche Bundesbank ( 1983), S. 27 und dieselbe ( 1985), S. 19 f.
56
B. Die einzelnen Entwicklungsphasen des Notenbankinstrumentariums
Tabelle 15 Bestand der Bundesbank an im Offenmarktgeschäft mit Rücknahmevereinbarung angekauften Wertpapieren 1980 bis 19881' (in Mrd. DM) 1980
1981
1982
1983
1984
1985
1986
1987
1988
6,1
11,9
9,1
16,2
25,7
41,6
33,2
27,6
78,0
" Stand am Jahresende. Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte.
Tabelle 16 Bereitstellung(+) bzw. Absorption(-) von Zentralbankguthaben der Geschäftsbanken durch Wertpapierpensionsgeschäfte 1980 bis 1987 (in Mrd. DM) 1980
1981
1982
1983
1984
1985
+ 4,4
1986
1987
+6,0
-1,4
+6,6
+ 7,7
+ 16,5
-9,5
-5,5
Quelle: Deutsche Bundesbank, Geschäftsberichte.
Tabelle 17
Anzahl der Wertpapierpensionsgeschäfte und durchschnittliche Volumina pro Geschäft 1980 bis 1988 Jahr
Anzahl der Geschäfte
durchschnittliches Volumen pro Geschäft (in Mrd. DM)
7 8 16 10 19 43 42 34 18
4,6 5,4 6,8 6,7 8,0 8,8 8,1 9,8 10,4
1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 11 1
Erstes Halbjahr 1988.
Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte. Eigene Berechnungen.
III. Grundlegende Neuerungen im Instrumenteneinsatz (1979 bis heute)
57
Ebenso gewinnt dieses geldpolitische Instrument bei der Versorgung des Kreditsektors mit Zentralbankgeld an Bedeutung (s. Tab. 16). Über Weftpapierpensionsgeschäfte fließen den Geschäftsbanken 1983 per saldo 6,6 Mrd. DM, 1984 7,7 Mrd. DM und 1985 16,5 Mrd. DM zu. Im Jahre 1986 wird den Kreditinstituten auf diesem Wege Zentralbankgeld in Höhe von 9,5 Mrd. DM, 1987 im Umfang von 5,5 Mrd. DM entzogen. Zugleich wächst auch das durchschnittliche Volumen der Geschäftsabschlüsse (s. Tab. 17). Die Zahlen belegen insgesamt, daß die Wertpapierpensionsgeschäfte ab 1983 konsequent ausgeweitet werden und daß sich diese Entwicklung 1985 noch einmal stark beschleunigt, während sie in den Jahren 1986 und 1987 ein wenig an Dynamik verliert. Mit der zunehmenden quantitativen Bedeutung in den letzten vier Jahren erfährt dieses Instrument - wie schon mehr angeklungen ist - auch einen FunktionswandeL In der Zeit vor 1985 dienten die Wertpapierpensionsgeschäfte " ... der Zwischenfinanzierung des auflaufenden dauerhaften Zentralbankgeldbedarfs der Banken(... ) und damit auch der Vorbereitung einer Liquiditätsbereitstellung in definitiver Form ... ".46 Das Volumen der Offenmarktgeschärte wächst in dieser Zeit jeweils über einige Monate hinweg an, bis zum Zwecke der liquiditätspolitischen Bewältigung der Ausschüttung des Bundesbankgewinns, der ab 1982 beträchtliche Größenordnungen annimmt, "konsolidiert"47 wird; 48 aber auch vor 1982, als es das Problem der hohen Bundesbankgewinne noch nicht gab, wurde das Volumen der Wertpapierpensionsgeschäfte nach einer gewissen Zeit auf Null zurückgefahren und stattdessen der Zentralbankgeldbedarf dauerhaft über eine Erhöhung der Rediskontkontingente befriedigt oder durch eine Senkung der Mindestreservesätze reduziert. Ab 1985 hingegen wird den Geschäftsbanken über Wertpapierpensionsgeschärte dauerhaft Zentralbankgeld zugeführt. So geht die Bundesbank auch dazu über, Geschäfte mit längeren Laufzeiten anzubieten: Während vor 1985 die Kreditinstitute überwiegend nach ca. 30 Tagen die Papiere zurückkaufen mußten, wird ihnen das Zentralbankgeld nun auch teilweise für ca. 2 Monate zur Verfügung gestellt; 49 auch dies rückt die Wertpapierpensionsgeschäfte in die Nähe des Rediskontkredits. Die starke Ausweitung der Offenmarktpolitik war sicherlich keine "Verlegenheitslösung". Es ging nicht nur darum, daß die außenwirtschaftliche Geldversorgungskomponente ersetzt und der Lombardkredit zurückgedrängt werden mußte und daß die Bundesbank ab 1983 die MindestreserveDeutsche Bundesbank (1983), S. 27. Deutsche Bundesbank (1983), S. 27. 48 Vgl. zur Entwicklung seit 1982 Deutsche Bundesbank (1985), S. 20. 49 Diese Praxis verfolgte die Bundesbank seit 1987 nicht mehr, sondern bietet erneut nur kürzerfristige Laufzeiten an. Dies dürfte hauptsächlich mit den zurückliegenden Turbulenzen auf den Devisenmärkten und an den Aktienbörsen zusammenhängen. 46 47
58
B. Die einzelnen Entwicklungsphasen des Notenbankinstrumentariums
sätze zunächst als nicht mehr weiter reduzierbar hielt. Vielmehr weist die Bundesbank im Zusammenhang mit der starken Ausweitung der Wertpapierpensionsgeschäfte ab 1985 darauf hin, daß sie sich auf diese Weise eine größere zins-und liquiditätspolitische Flexibilität verschaffen wollte. 50 Denn die seit 1973 praktizierte Geldmarktpolitik erschien ihr gegen Mitte der 80er Jahre reformbedürftig. Bis zu diesem Zeitpunkt bestand die Geldmarktsteuerung im wesentlichen -von relativ seltenen Diskont- und Lombardsatzänderungen abgesehendarin, daß die Bundesbank mit liquiditätspolitischen Mitteln einen - abhängig von der jeweiligen Zielvorstellung - unterschiedlich hohen Lombardbedarf erzeugte. Dies wies jedoch zwei gewichtige Nachteile auf. Zum einen war der davon ausgehende Einfluß auf den Tagesgeldsatz unzureichend, weil die Kreditinstitute auf Lombardkredite in unbeschränktem Umfang zurückgreifen können. Zum anderen gehen von Lombardsatzänderungen große- häufig über den Geldmarkt hinausgehende- Signalwirkungen aus. Letzteres erschien der Bundesbank in den 80er Jahren als besonders problematisch angesichts neuerer Entwicklungen auf den internationalen Finanzplätzen: "Die außenwirtschaftliehen Einflüsse haben sich verstärkt; die internationalen Kapitalströme sind beweglicher geworden; die Anleger reagieren flexibler auf Zinsdifferenzen zwischen den verschiedenen Währungen und Schwankungen des Zinsniveaus in den USA, und Zinserwartungen beeinflussen in nicht vorhersehbarem Maße den DM-Wechselkurs." 51 Wertpapierpensionsgeschäfte schienen als Refinanzierungsinstrument dem Lombardkredit in beiden Punkten überlegen zu sein. Zum einen kann die Bundesbank exakt die Menge bestimmen; insofern wird der Geldmarkt von diesem Instrument sehr viel stärker tangiert als durch eine Steuerung des Lombardbedarfs. Zum anderen erreicht die Bundesbank eine höhere zinspolitische Flexibilität, da die internationalen Kapitalströme auf Pensionssatzveränderungen nicht in gleichem Maße sensibel reagieren wie auf Änderungen des Lombard- oder Diskontsatzes. "Zeigte sich in der Vergangenheit zum Beispiel ein Zinssenkungsspielraum, dann zögerte man, ihn sofort durch Diskont- und Lombardsatzsenkung zu nutzen, weil eine solche Maßnahme, wenn erforderlich, so schnell nicht wieder rückgängig gemacht werden konnte. Nunmehr nutzt man einen solchen Zinssenkungsspielraum sofort aus. " 52 Entsprechend vergrößerte die Bundesbank die Zinsspanne zwischen Diskont- und Lombardsatz 1985 von 1 Prozentpunkt auf 1 112 Prozentpunkte und 1986 auf 2 Prozentpunkte. Dabei wird der Tagesgeldsatz inzwischen nicht mehr vom Lombardsatz bestimmt, sondern vom Pensionssatz, obwohl Wertpapierpensionsgeschäfte kein direkter Ersatz für Tagesgelder 50
51 52
Vgl. Deutsche Bundesbank (1985), S. 20ff. Deutsche Bundesbank (1985), S. 20. Köhler, C. (1985), S. 14.
III. Grundlegende Neuerungen im Instrumenteneinsatz (1979 bis heute)
59
sind. Wenn die Bundesbank den Pensionssatz senkt, aber ein zu starkes Absinken der Tagesgeldsätze vermeiden möchte, bietet sie regelmäßig für drei Tage Schatzwechselabgaben an, deren Satz dann die Untergrenze für den Tagesgeldsatz bildet. 53 Die jüngste Vergangenheit hat jedoch gezeigt, daß eine solche Strategie nicht auf die Dauer erfolgversprechend sein kann. Denn je länger sich die Bundesbank mit Diskont- und Lombardsatzänderungen zurückhielt, um so größere Aufmerksamkeit kam den Pensionssätzen zu. Inzwischen werden Zinsänderungen bei Wertpapierpensionsgeschäften ähnlich interpretiert, als es Lombard- oder Diskontsatzänderungen werden würden. Insofern hat die Bundesbank inzwischen wieder an zinspolitischer Flexibilität eingebüßt. Gleichwohl blieb der Vorteil der größeren liquiditätspolitischen Flexibilität der Wertpapierpensionsgeschäfte erhalten, was in einem Konzept der Geldmengensteuerung einen zentralen Faktor darstellt. Umgekehrt bedeutet dies für die Geschäftsbanken eine größere Unsicherheit über zukünftige Beschaffungsmöglichkeiten von Zentralbankgeld; sie können nicht damit rechnen, daß die Geschäfte nach Ablauf in jedem Fall wieder neu aufgelegt werden. Vertreter der Banken äußern in der Regeljedoch diesbezüglich keine grundsätzlichen Bedenken, sondern begrüßen im allgemeinen das neue Steuerungskonzept der Bundesbank.54 Neben dieser einschneidenden Veränderung in der Refinanzierungsstruktur des Bankensektors läßt sich als weiteres Merkmal der Geldpolitik ab 1983 die weitgehende Einschränkung der Mindestreservepolitik anführen. Im folgenden soll diese Problematik näher beleuchtet werden. b) Die Mindestreservepolitik
Von Oktober 1982 bis Februar 1987 nimmt die Bundesbank keine liquiditätspolitisch motivierten Änderungen der Mindestreservesätze vor und verzichtet damit auf ein traditionelles Instrument zur Liquiditätssteuerung. Immerhin hatte die Bundesbank von 1948 bis 1982 die Mindestreservesätze etwa achtzigmal oder im Durchschnitt mehr als zweimal pro Jahr geändert. 55 Zu Beginn der Geldmengensteuerung im Jahre 1973 waren die Sätze auf einem historischen Höchststand. Denn die Bundesbank hatte nach der Rezession von 1966/67 immer wieder die Mindestreservesätze erhöht, um die umfangreiche Zentralbankgeldschöpfung durch obligatorische Devisenmarktinterventionen im Festkurssystem von Bretton Woods zu kompensie53 54
55
Vgl. Deutsche Bundesbank (1987c), S. 53. 0. V. (1987). Vgl. hierzu und im folgenden Deutsche Deutsche Bundesbank (1987c), S. 63 ff.
60
B. Die einzelnen Entwicklungsphasen des Notenbankinstrumentariums
ren. Damals stellte die Mindestreservepolitik ein zentrales geldpolitisches Instrument dar. In der Folgezeit setzte die Bundesbank dieses Instrument nach wie vor ein, allerdings nur in einer Richtung: Die Sätze konnten bis 1982 stark zurückgefahren werden, da über Devisenbewegungen im Zeitraum von 1973 bis 1978 bedeutend weniger Zentralbankgeld bereitgestellt wurde als zuvor; ab 1979 wurde den Kreditinstituten über die Außenwirtschaftskomponente - wie schon erörtert - sogar Liquidität entzogen. Es gibt mehrere Gründe dafür, daß die Bundesbank nach 1982 für einige Jahre auf die Variation der Mindestreservesätze gänzlich verzichtet. Zum einen bestand aufgrund der außenwirtschaftliehen Situation kein Bedarf an einer trendmäßigen Erhöhung der Sätze. Zum anderen hielt die Bundesbank die Sätze für nicht mehr wesentlich reduzierbar, da sie wohl davon ausgfing, daß ihr "geldpolitischer Hebel" ansonsten entscheidend an Schlagkraft verlieren würde. 56 Zum dritten verzichtete sie auf eine Variation der Sätze auf niedrigem Niveau deshalb, weil sie es vorzog," .. . für kürzerfristige Adjustierungen der Bankenliquidität offenmarktpolitische Mittel einzusetzen, die wesentlich flexibler sind. Zudem lösen Änderungen der Mindestreservesätze häufig erhebliche Signalwirkungen aus, die keineswegs immer erwünscht sind". 57 So zeigt sich auch in der weitgehenden Einschränkung der Mindestreservepolitik der Trend zum verstärkten Einsatz von relativ geräuschlosen Instrumenten zu Lasten der traditionellen Grobsteuerungsinstrumente. Nach 1982 kommt es dann erst im Mai 1986 wieder zu Änderungen der Mindestreservesätze im Rahmen einer umfassenderen Neuregelung der Mindestreservebestimmungen.58 Mit dieser Neuregelung, die insgesamt zu einer Senkung des Mindestreserve-Solls der Kreditinstitute um ca. 8 Mrd. DM führt, verfolgt die Bundesbankjedoch keine liquiditätspolitischen Absichten, sondern sie bezweckt in erster Linie eine Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Finanzplätze. Gerade im Zusammenhang mit der wachsenden Attraktivität internationaler Finanzzentren stand die Mindestreservepflicht immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik; hierin liegt sicherlich ein weiterer Grund, daß die Bundesbank zunächst gänzlich auf den Einsatz dieses Instruments zur Liquiditätssteuerung verzichtete. Zum andeVgl. Deutsche Bundesbank (1985), S. 19. Deutsche Bundesbank (1987c), S. 64. 58 Die Neuregelung sieht vor, daß die Sätze für befristete Verbindlichkeiten und Spareinlagen gekürzt werden bei Wegfall der Progressionsstufen und daß Fremdwährungsverbindlichkeiten der Kreditinstitute gegenüber Gebietsfremden im Rahmen einer Kompensationsregelung weitgehend von der Mindestresrvepflicht freigestellt werden. Umgekehrt werden nun Bankschuldverschreibungen mit einer Laufzeit bis unter zwei Jahre mindestreservepflichtig; gleichzeitig läßt die Bundesbank die Ausgabe von auf DM lautenden Einlagenzertifikaten, sogenannten CDs, zu. Zum Inhalt und Interpretation der Neuregelung vgl. Schork, L. (1986), S. l8ff.; Borchert, M. ( 1986), S. 8 ff. Vgl. hierzu und im folgenden auch Deutsche Bundesbank ( 1986), S. 15f. 56
57
III. Grundlegende Neuerungen im Instrumenteneinsatz (1979 bis heute)
61
rensollen durch die Neuregelung binnenwirtschaftliche Wettbewerbsverzerrungen abgebaut werden. Die Bundesbank betont, daß sie mit dieser Entlastung keineswegs liquiditätspolitische Absichten verfolge, sondern kompensierende Maßnahmen ergreifen würde. Erst im Februar 1987 setzt die Bundesbank die Mindestreservepolitik wieder zur Liquiditätssteuerung ein. Sie erhöht - neben einer Kürzung der Rediskontkontingente- die Mindestreservesätze um lO %, um die umfangreichen Liquiditätszuflüsse, die aus obligatorischen Devisenmarktinterventionen im Vorfeld des EWS-Realignment vom Januar 1987 resultierten, zu sterilisieren. Damit steigen die Mindestreservesätze für Sichtverbindlichkeiten über das Niveau von 1982, während sie für Spareinlagen und befristete Verbindlichkeiten- diese sieht die Bundesbank in einem besonders engen Substitutionsverhältnis zu Anlagen auf den Euro-Märkten - unterhalb dieser Marke bleiben. Im Vergleich zu 1986 jedenfalls nimmt die Bundesbank eine tendenzielle Schwächung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit in Kauf. Dieser Vorgang läßt sich aber nicht als eine grundsätzliche Reaktivierung der Mindestreservepolitik und damit als eine erneute Hinwendung zu einem traditionellen Grobsteuerungsinstrument deuten. In den Jahren zuvor hatte die Bundesbank bekanntlich auf Devisenzuflüsse damit reagiert, daß sie ausgelaufene Wertpapierpensionsgeschäfte nicht mehr neu auflegte. Die Devisenzuflüsse 1986/87 hatten jedoch ein solches Volumen erreicht, daß der Umfang an Wertpapieren aus reversiblen Geschäften drastisch zurückgegangen war. So hatte die Bundesbank im September 1986 derartige Wertpapiere in Höhe von ca. 33 Mrd. DM in ihrem Besitz, im Oktober- als die Bundesbank kräftig am DM-Dollar-Markt intervenierte - waren es nur noch ca. 14 Mrd. DM, bis zum Jahresende konnte der Bestand erneut auf 33 Mrd. DM aufgestockt werden.5 9 Als die Devisenzuflüsse im Januar 1987 im Vorfeld des EWS-Realignments wieder drastisch zunehmen, verringert sich erneut der Bestand an Wertpapieren aus Offenmarktgeschäften mit Rückkaufsvereinbarungauf 10,5 Mrd. DM. In dieser Situation erzeugt die Bundesbank einerseits durch die Erhöhung der Mindestreservesätze einen zusätzlichen Liquiditätsbedarfund andererseits schränkt sie durch die Kürzung der Rediskontkontingente die Refinanzierungsmöglichkeiten der Geschäftsbanken ein. Dadurch wird der Abschluß von Wertpapierpensionsgeschäften wieder notwendig. Ende März 1987 hat die Bundesbank bereits einen Bestand von derartigen Wertpapieren in Höhe von über 36 Mrd. DM. Damit steht ihr eine ausreichende Manövriermasse zur Verfügung, um die im Laufe des Jahres erneut notwendig werdenden Stützungskäufe des US-Dollars zu kompensieren. 59
Vgl. hierzu und im folgenden Deutsche Bundesbank (1987b), S. 8 (Sta tistischer Teil).
62
B. Die einzelnen Entwicklungsphasen des Notenbankinstrumentariums
So kann insgesamt festgehalten werden, daß die Bundesbank nach 1982 weitgehend darauf verzichtet, die Mindestreservesätze zu variieren; die Mindestreservepolitik bleibt im wesentlichen darauf beschränkt, bei wachsender Geldmenge einen erhöhten Zentralbankgeldbedarf bei den Banken zu schaffen. Im folgenden soll nun noch untersucht werden, welchen Einfluß dieneuere Geldpolitik auf die Entwicklung der Zinsen hatte. 4. Die Wirkungen auf die Zinsentwicklung
a) Vorbemerkungen Der erhöhte Einsatz von Feinsteuerungsinstrumenten ab 1979 sollte- wie oben erörtert - zunächst verhindern, daß die Restriktionspolitik der Bundesbank zu einer ähnlich großen Destabilisierung der Zinsentwicklung wie 1973174 führen würde. Aber auch in den folgenden Jahren behielt die Bundesbank ihre Politik der kurzfristigen Steuerung des Geldmarktes mit Hilfe reversibler Ausgleichsoperationen bei. Insgesamt gesehen vergrößerte sich der Einfluß der Bundesbank auf den Geldmarkt, da die Möglichkeiten der Kreditinstitute stark eingeschränkt waren, sich ohne Zutun der Bundesbank Zentralbankgeld zu besorgen. Nun wurde die Politik der Bundesbank in den 80er Jahren gerade deshalb kritisiert, weil sie einen destabilisierenden Einfluß auf die Zinsentwicklung gehabt hätte. "Die Erfahrungen der letzten Jahre, insbesondere nach 1979, haben( ... ) Grenzen des Geldmengenkonzepts deutlich werden lassen. Sie legen nahe, den Zins stärker in den geldpolitischen Kalkül einzubeziehen. "60 Im folgenden soll nun untersucht werden, welche Auswirkungen die neuere Geldpolitik auf die Entwicklung der Zinsen tatsächlich hatte. Als Vergleich bietet sich die Zeit an seit der ersten Restriktionsphase unter dem Konzept der Geldmengensteuerung bis zur zweiten. Damit ergibt sich zum einen die Phase von August 1972 bis Oktober 1978 und zum anderen die Phase von November 1978 bis August 1988. In beiden Phasen steuert die Bundesbank die Zentralbankgeldmenge, beide Male beginnt die Phase mit einem Restriktionskurs, an den sich eine expansive Phase anschließt, und beide Phasen sind ähnlich lang. 61 Als Meßgröße werden die Standardabweichungen der prozentualen Veränderungen der Geldmarktzinsen verwendet; als Basisdaten dienen MonatsdurchschnitteY Es wird unterschieden zwischen Tages-, Monats- und DreiPohl, R. (1985), S. 97. Alternativrechnungen, in denen die Phasenlängen angeglichen werden, ergaben keine wesentlich anderen Ergebnisse. 60
61
III. Grundlegende Neuerungen im Instrumenteneinsatz (1979 bis heute)
63
monatsgeldsätzen. Außerdem wird die Entwicklung des Kapitalmarktzinses untersucht; unter dem Kapitalmarktzins wird die durchschnittliche Rendite der im Umlaufbefindlichen festverzinslichen Wertpapiere verstanden. 63 Die Interpretation dieser Daten wird mit aller gebotenen Vorsicht vorgenommen, weil die Höh!! des Kapitalmarktzinses im Zeitablauf durch unterschiedlichste Einflüsse determiniert ist, worauf später noch zurückzukommen sein wird; hingegen besteht Einigkeit darüber, daß die Geldmarktzinsen im wesentlichen von der Bundesbankpolitik bestimmt werden. 64 b) Im Vergleich: Phase 1 (8172 bis 10178) und Phasae 2 (11178 bis 8188)
Die Berechnung der Standardabweichungen der prozentualen monatlichen Veränderungen der Tages-, Monats- und Dreimonatsgeldsätze für beide Perioden ergibt ein klares Bild: In allen drei Fällen liegt die Standardabweichung im zweiten Untersuchungszeitraum niedriger als im ersten (s. Tab. 18). Tabelle 18 Entwicklung der Geldmarktsätze (1972 bis 1988)
Standardabweichungen der prozentualen monatlichen Veränderungen der Geldmarktsätze Tagesgeldsatz
Monatsgeldsatz
Dreimonatsgeldsatz
8/72-10178
55,9
11,6
7,8
ll/78- 8/88
7,6
7,9
6,8
8/72-10174
85,5
13,8
9,8
ll/78- 7/82
9,9
9,4
7,4
8/82- l/85
4,0
5,4
4,4
2/85- 8/88
6,1
7,3
6,9
Quelle: Eigene Berechnungen. Vgl. Tab. 22 im Anhang. 62 Die Zahlen sind den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank entnommen; die Werte der Standardabweichungen resultieren aus eigenen Berechnungen. 63 Die Zahlen sind ebenfalls den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank entnommen. 64 Vgl. hierzu Herrmann, A. (1986), S.125ff.
64
B. Die einzelnen Entwicklungsphasen des Notenbankinstrumentariums
Mit anderen Worten führte die stärkere kurzfristige Steuerung des Geldmarktes durch die Bundesbank ab 1979 zu einer deutlichen Dämpfung der Zinsschwankurigen. Besonders gravierend schlägt sich dies beim Tagesgeldsatz nieder; hier geht die Standardabweichung von 55,9 auf 7,6 zurück (s. Tab. 18). Allerdings haben die Schwankungen in den letzten Jahren wieder zugenommen. Wie erörtert, schafft sich die Bundesbank durch den Ausbau der Wertpapierpensionsgeschäfte zum Dauerrefinanzierungsinstrument ab Anfang 1985 eine höhere zinspolitische Flexibilität. Dies kommt in größeren Schwankungen der Geldmarktsätze zum Ausdruck; vergleicht man innerhalb der expansiven Phase ab August 1982 den Zeitraum bis Januar 1985 und von Februar 1985 bis August 1988, so sind die Standardabweichungen bei allen drei Fällen in der zweiten Phase um einiges höher als in der ersten (s. Tab. 18). Allerdings liegen alle Werte deutlich unter denen von der Zeit vor November 1978. Für den Kapitalmarktzins sieht das Ergebnis umgekehrt aus: Die Standardabweichung ist in der Zeit ab November 1979 höher als zuvor (s. Tab. 19). Die Schwankungen des Kapitalmarktzinses verstärken sich somit ab Ende der 70er Jahre. Tabelle 19 Entwicklung des Kapitalmarktzinses (1972 bis 1988)
Standardabweichungen der prozentualen monatlichen Veränderungen des Kapitalmarktzinses '' 8/72-10/78
2,8
11178- 8/88
3,5
8/72-10174
2,6
11178- 7/82
4,0
8/82- 1185
2,4
2/85- 8/88
3,5
" Durchschnittliche Rendite der im Umlaufbefindlichen festverzinslichen Wertpapiere. Quelle: Eigene Berechnungen. Vgl. Tab. 22 im Anhang.
Zunächst scheint dieses Ergebnis überraschend zu sein. Doch wie oben erwähnt, unterliegt diese Größe unterschiedlichen Einflüssen im Zeitab1auf. Nicht immer läßt sich beispielsweise die Entwicklung auf dem Kapitalmarkt
III. Grundlegende Neuerungen im Instrumenteneinsatz (1979 bis heute)
65
mit Tendenzen auf dem Geldmarkt erklären. Eine Untersuchung ergab, daß in der ersten Phase eine ausgesprochene Geldmarktabhängigkeit des Kapitalmarktes vorliegt, während dies in der zweiten Phase nicht der Fall ist. 65 Vielmehr läßt sich von 1979 bis Herbst 1981 eine enge Anhindung der Renditen auf dem deutschen Kapitalmarkt an die amerikanische Zinsentwicklung beobachten. Danach wechseln sich Geldmarkt- und Auslandseinflüsse gegenseitig ab. Diese stärkere Auslandsorientierung des deutschen Kapitalmarktes muß sicherlich im Zusammenhang mit der zunehmenden Globalisierung der Finanzmärkte seit Ende der 70er Jahre gesehen werden; das Anwachsen der internationalen Kapitalströme ließ die einzelnen nationalen Kapitalmärkte enger zusammenrücken, und bekanntlich reagieren diese Kapitalbewegungen äußerst sensibel auf Zins- und Wechselkursänderungen bzw. auf veränderte Erwartungen. Es ist daher zu vermuten, daß die stärkere Auslandsorientierung in der zweiten Phase für die größeren Schwankungen des Kapitalmarktzinses verantwortlich ist. Diese These ließe sich zu einem Stück untermauern, wenn die Schwankungn in der zweiten Restriktionsphase, in der zumindest bis Herbst 1981 Auslandseinflüsse in ausgesprochen starkem Maße wirksam werden, um einiges höher wären als in der ersten. Dies wird unter anderem Gegenstand der folgenden Ausführungen sein. c) Vergleich der beiden Restriktionsphasen (8172 bis 10174 und 11178 bis 7182)
Auch aus dem Vergleich der beiden Restriktionsphase, die sich im Tempo und Ausmaß der Restriktion sehr ähneln, läßt sich ein einheitliches Ergebnis ableiten: Die Standardabweichung in der zweiten Restriktionsphase liegt für die Geldmarktsätze deutlich unter dem Wert der ersten (s. Tab. 18). Auch hier ist es die Entwicklung des Tagesgeldsatzes, die am stärksten zwischen den beiden Perioden differiert: Die Standardabweichung geht von 85,5 auf 9,9 zurück. Diese Aussagen haben ebenfalls Gültigkeit, wenn man die durchschnittliche prozentuale Differenz zwischen Höchst- und Niedrigstsatz innerhalb eines Monats betrachtet. Auch sie liegt für alle drei Fälle im zweiten Untersuchungszehraum deutlich niedriger (s. Tab. 20). Wie anfangs erwähnt, stellte dieser Punkt während der ersten Restriktionsphase eine große Quelle der Irritation -vor allem, was den Tagesgeldsatz anbelangte- dar. Während die durchschnittliche prozentuale Differenz für den Tagesgeldsatz damals über 1300 betragen hatte, waren es in der zweiten Restriktionsperiode "nur noch" ca. 170. 65
Vgl. hierzu und im folgenden Jander, S. (1986), S. 73ff.
5 Beckh
66
B. Die einzelnen Entwicklungsphasen des Notenbankinstrumentariums
Tabelle 20 Schwankungen der Geldmarktsätze innerhalb eines Monats (1972174 und 1978/82)
durchschnittliche prozentuale Differenz zwischen Höchst- und Niedrigstsatz innerhalb eines Monats Tagesgeldsätze (in%)
Monatsgeldsätze (in%»
Dreimonatsgeldsätze (in %)
8/72-10/74
1314,3
21,0
12,0
11178- 7/82
171,6
10,7
8,5
Quelle: Eigene Berechnungen. Vgl.
Tab. 22 im Anhang.
So führte der verstärkte Einsatz von Feinsteuerungsinstrumenten in der zweiten Restriktionsphase nicht nur zu einer Dämpfung der monatlichen Schwankungen der Geldmarktsätze, sondern trug auch dazu bei, daß die Sätze innerhalb eines Monats nicht die starken Ausschläge der Restriktionsphase von 1972174 hatten. So konnte das Wachstum der Zentra1bankgeldmenge zwar ähnlich schnell und in vergleichbarem Umfang zurückgefahren werden; es kam aber zu bedeutend weniger Irritationen auf dem Geldmarkt. Was den Kapitalmarktzins anbelangt, ergibt sich auch hier ein anderes Ergebnis: Die Standardabweichung in der zweiten Restriktionsperiode liegt mit 4,0 deutlich höher als in der ersten, wo sie bei 2,6lag (s. Tab. 19). Dieses Ergebnis harmoniert mit der oben aufgestellten These, daß die- von 1979 bis Herbst 1981 besonders starke- Auslandsorientierung des Kapitalmarktes zu einer Destabilisierung der Zinsentwicklung führte.
d) Fazit
Als Ergebnis kann festgehalten werden, daß es der Bundesbank gelungen ist, durch eine stärkere Kontrolle des Geldmarktes mit Hilfe eines ausgefeilten Instrumentariums zu einer Stabilisierung der Zinsentwicklung beizutragen. Dieses Resultat ist nicht selbstverständlich. Denn mit anderen Worten bedeutet dies, daß eine hoheitliche Steuerung des Geldmarktes nicht zu. höheren Zinsschwankungen auf dem Geldmarkt führen muß, als wenn man das Geschehen mehr dem Markt überläßt; 1973/74 hatte man diese Erfahrung noch nicht gemacht. Die weitere Entwicklung hat gezeigt, daß es eine Frage der Qualität des Notenbankinstrumentariums ist. Offensichtlich verfügt die Bundesbank seit Ende der 70er Jahre über ein geeignetes Instrumen-
III. Grundlegende Neuerungen im Instrumenteneinsatz (1979 bis heute)
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tarium, um den Geldmarkt auf kurze Sicht zu steuern und damit zu einer Stabilisierung der Zinsentwicklung beizutragen; dies gilt auch für Phasen, in denen die Bundesbank dem Kreditsektor nur knappes Zentralbankgeld zur Verfügung stellt. Die Lage auf dem Kapitalmarkt in den 80er Jahren ist hingegen nicht so positiv zu beurteilen, die Schwankungen des Kapitalmarktzinses haben zugenommen. Es ist allerdings nicht richtig, wenn diese negative Bilanz der Bundesbank angelastet wird. Wie gezeigt wurde, sorgte die Bundesbank auf dem Geldmarkt für eine Beruhigung. Und nur über den Geldmarkt nimmt sie Einfluß auf den Kapitalmarkt. Insofern ist die eingangs erwähnte negative Kritik an der Bundesbankpolitik nicht berechtigt. Es deutet nichts darauf hin, daß die Bundesbank durch ihre Politik nach 1979 die Destabilisierungstendenzen auf dem Kapitalmarkt verstärkt hätte. Allerdings nimmt die Bundesbank seit Anfang 1985 erhöhte Schwankungen der Geldmarktsätze hin, die jedoch immer noch geringer sind als vor 1979 und während der Restriktionsphase von 1979 bis 1982. Auch die Entwicklung des Kapitalmarktzinses ist seit 1985 weniger stetig geworden (s. Tab. 19). Aber auch hier spricht einiges gegen einen monokausalen Zusammenhang. Denn die Zinsen auf dem Kapitalmarkt waren gerade in jüngerer Zeit stark von Auslandseinflüssen geprägt. 66 Hinzu kommt, daß seit 1985 der Anteil der Ausländer an den gesamten Anlegern gestiegen ist: Während 1982 nur knapp 3% und 1984 knapp 16% der erworbenen Rentenwerte auf das Ausland entfielen, waren es 1985 schon über 30% und 1986 fast 56%. "Da das Verhalten dieser Käufergruppe teilweise von extrem kurzfristigen Ertragsüberlegungen in bezugauf Wechselkurs- und Wertpapierkursveränderungen beherrscht wird, hatte dies beinahe zwangsläufig eine gewisse Verunsicherung der eher längerfristig disponierenden inländischen Anleger zur Folge. "67 Es stellt sich heute somit weniger die Frage, ob die Bundesbank zu einer Destabilisierung der Kapitalmarktzinsentwicklung beiträgt bzw. in der jüngeren Vergangenheit dazu beigetragen hat; denn die stärkere Kontrolle des Geldmarktes durch die Deutsche Bundesbank in den letzten Jahren ging nicht mit einer größeren Einflußnahme auf den Kapitalmarkt einher. Vielmehr wäre zu erörtern, ob der Kapitalmarkt angesichts der zunehmenden Internationalisierung der Finanzgeschäfte zukünftig wieder stärker von der Bundesbankpolitik abhängig gemacht werden könnte und sollte oder ob dies der Vergangenheit angehört. Diese Frage geht jedoch über die hier im Vordergrund stehende Fragestellung hinaus.
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Vgl. hierzu die entsprechenden Geschäftsberichte der Deutschen Bundesbank. Deutsche Bundesbank (1987d), S. 48.
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C. Zusammenfassung
C. Zusammenfassung Im Jahre 1973 eröffnet sich für die Bundesbank nach Aufhebung der Interventionspflicht gegenüber dem US-Dollar die Möglichkeit, eine Neuorientierung ihres geldpolitischen Konzepts vorzunehmen. Ein solcher Schritt lag nahe, da in der Vergangenheit- insbesondere Anfang der 70er Jahre - das bisher von der Bundesbank verfolgte antizyklische Bankenliquiditätskonzept ineffizient geworden war; es galt nun, den in Gang gekommenen Inflationsprozeß zu stoppen. Die Bundesbank geht dazu über, die Geldmenge zu steuern; zinspolitische Maßnahmen werden von nun an nur ergriffen, um eine bestimmte Geldmengenexpansion zu erreichen. Das Ziel der Preisniveaustabilisierung rückt mehr als zuvor in den Vordergrund. Darüber hinaus betont die Bundesbank zu Beginn, daß sie ihre Politik verstetigen wolle. Eine weitere Neuerung besteht darin, daß sie seit 1975 Geldmengenziele bekanntgibt. Die Neuorientierung des geldpolitischen Konzepts bringt für das Notenbankinstrumentarium- anders als man vielleicht erwarten könnte- nicht die entscheidende Zäsur. Dies hängt zunächst damit zusammen, daß die Bundesbank kein strenges Verstetigungskonzept verfolgt. Denn eine Politik der Verstetigung auf kurze Sicht hätte den ausschließlichen Einsatz von offenmarktpolitischen Instrumenten erfordert, wobei die Notenbank bei einer Geldmengensteuerung die Menge fixieren müßte. Die Bundesbank macht jedoch von Anfang an deutlich, daß sie nur auf längere Sicht eine Verstetigung der monetären Expansion anstrebe. Wie die Erfahrungjedoch gezeigt hat, wechseln sich auch nach 1973 restriktive- mit abnehmenden Wachstumsraten der Zentralbankgeldmenge- und expansive Phasen mit zunehmenden Raten ab. So folgt nach der Res~riktionsperiode von 1973/74 eine Zeit der reichlichen Zentralbankgeldversorgung, die schließlich 1979 wieder in eine ausgesprochen strenge Restriktionsphase mündet; seit Ende 1982 versorgt die Bundesbank den Kreditsektor erneut relativ reichlich mit Zentralbankgeld. Wie in früheren Zeiten leitet die Bundesbank ihre Kurswechsel jeweils mit traditionellen Grobstuerungsinstrumenten ein; die Rediskontkontingente, der Rediskontsatz und die Mindestreservesätze werden zu diesem Zweck variiert. Neu ist daran nur, daß die Kreditinstitute in Restriktionsphasen nicht mehr auf Lombardkredite zurückgreifen können; teilweise werden sie gänzlich ausgesetzt, teilweise durch täglich kündbaren Sonderlombard zu erhöhten Sätzen ersetzt. Außerdem führt die Bundesbank 1973 mit den Wechselpensionsgeschäften ein Instrument ein, mit dessen Hilfe kurzfristige Zinsausschläge, die sich aufgrund der knappen Zentralbankgeldversorgung, der fehlenden freien Liquiditätsreserven des Bankensektors und dessen schwankenden Liquiditätsbedarfs ergeben, gedämpft werden können; diesem Zweck dienten damals auch vorübergehende Verlagerungen
C. Zusammenfassung
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von Bundesmitteln in den Kreditsektor und in expansiver Richtung kurzfristige Schatzwechselabgaben. Trotz alledem schwanken die Geldmarktsätze 1973174 beträchtlich. Grundlegende Veränderungen des Notenbankinstrumentariums werden erst Ende der 70er Jahre eingeleitet. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen von 1973174 setzt die Bundesbank ab 1979 massiv Feinsteuerungsinstrumente ein, um ähnlich starke Zinsschwankungen wie in der ersten Restriktionsphase zu verhindern; einerseits treten zu den bewährten Feinsteuerungsinstrumenten neue hinzu, wie Wertpapier- und Devisenpensionsgeschäfte, andererseits reaktiviert die Bundesbank Devisenswapgeschäfte. Dieser Ausbau des Instrumentariums sollte ~m Verlauf der 80er Jahre zu einer entscheidenden Änderung der Steuerungsstrategie der Bundesbank führen. Denn zum einen werden die Wertpapierpensionsgeschäfte beträchtlich ausgeweitet, wobei sie ab Anfang bis gegen Mitte der 80er Jahre der Zwischenrefinanzierung und ab 1985 der Dauerrefinanzierung des Kreditsektors dienen; dadurch gelingt es der Bundesbank, auch nach 1982 bei relativ reichlicher Zentralbankgeldversorgung die freien Liquiditätsreserven bei einem Wert nahe null zu halten. Zum anderen behält sie die Politik der kurzfristigen Steuerung des Geldmarktes mit reversiblen Instrumenten bei. Der Anlaß zu einem Ausbau der Wertpapierpensionsgeschäfte und damit der Offenmarktkomponente lag zunächst darin, daß über die Außenwirtschaftskomponente ab 1979- bei steigendem OS-Dollarwechselkurs- kein Zentralbankgeld mehr bereitgestellt werden kann, sondern es umgekehrt durch Devisenabgänge zu kontraktiven Wirkungen kommt. Einerseits vermindert deshalb die Bundesbank durch Senkungen der Mindestreservesätze den Liquiditätsbedarf, andererseits erhöht sie die Refinanzierungsmöglichkeiten durch Aufstockungen der Rediskontkontingente und durch vermehrte Abschlüsse von Wertpapierpensionsgeschäften. Damit verliert der Rediskontkredit - ebenso wie der Lombardkredit - innerhalb der binnenwirtschaftlichen Geldversorgungskomponente im Laufe der 80er Jahre an relativem Gewicht. Während beispielsweise 1982 über 70% des Refinanzierungsbedarfs über die Einreichung von Wechseln und ca. 16% über Lombardkredite befriedigt wurden, sind es 1985 nur noch rund 58% bzw. circa 2 %; entsprechend steigt der Beitrag der Wertpapierpensionsgeschäfte von circa 12% auf fast 40% an. In den folgenden zwei Jahren hat sich das Verhältnis von Rediskontkredit zu diesen Offenmarktgeschäften auf 3 zu 2 eingependelt. Der prozentuale Rückgang des Anteils der Lombardkredite ist damit zu erklären, daß seit 1985 der Lombardsatz durchgängig oberhalb der Pensionssätze liegt. So wird heute ein Grundstock des Liquiditätsbedarfs über die- kostengünstigste- Einreichung von Wechseln bei der Bundesbank gedeckt und der Rest über den Abschluß von Wertpapierpensionsgeschäften; Lombardkredite dienen nur noch der Überbrückung kurzfristi-
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C. Zusammenfassung
ger Liquiditätsengpässe. Dies bedeutet insgesamt, daß die Zentralbankgeldversorgung in den 80er Jahren stärker als zuvor von der Initiative der Bundesbank abhängig ist und sie damit den Geldschöpfungsprozeß einer stärkeren Kontrolle unterwirft. Abgesehen davon gewinnt die Bundesbank dadurch eine größere zinspolitische Flexibilität, als sie beispielsweise die Rediskontpolitik aufgrund der davon ausgehenden Signalwirkungen bieten kann; dies schien ihr angesichts der zunehmenden Zinsreagibilität der internationalen Kapitalströme notwendig zu sein. Allerdings läßt sich in jüngster Zeit beobachten, daß inzwischen auch Veränderungen der Pensionssätze mit größter Aufmerksamkeit verfolgt werden. Insofern hat die Bundesbank wieder etwas an zinspolitischer Flexibilität eingebüßt. Insgesamt läßt sich für die 80er Jahre konstatieren, daß die Bundesbank vermehrt auf relativ geräuschlose Instrumente zu Lasten der traditionellen Grobsteuerungsinstrumente setzt. So wird die Mindestreservepolitik nach 1982 weitgehend eingeschränkt; bis Anfang 1987 nimmt die Bundesbank keine liquiditätspolitisch motivierten Änderungen der Sätze vor. Diese dienen dann vorrangig nur dazu, den Abschluß von Wertpapierpensionsgeschäften wieder notwendig zu machen; die Bundesbank hatte im Vorfeld zur Kompensation massiver Devisenzuflüsse viele Geschäfte nach ihrem Ablauf nicht mehr neu aufgelegt. Die Politik der Bundesbank in den 80er Jahren wurde häufig dahingehend kritisiert, daß sie die Zinsentwicklung destabilisiert hätte. Tatsächlich haben die Schwankungen des Kapitalmarktzinses in diesem Zeitraum zugenommen. Eine nähere Untersuchung hat jedoch ergeben, daß dies kaum der Bundesbank anzulasten ist. Denn vergleicht man die Zeit vor und nach 1979, so schwanken die Geldmarktsätze in der zweiten Periode weniger stark als in der ersten; und nur über den Geldmarkt ist eine Einflußnahme der Bundesbank auf den Kapitalmarkt denkbar. Dieses Ergebnis überrascht deshalb, weil man noch 1973/74 hätte vermuten können, daß eine stärkere hoheitliche Steuerung des Geldmarktes zu einer Destabilisierung der Zinsentwicklung führen würde. Die Gründe für die stärkeren Schwankungen des Kapitalmarktzinses in den 80er Jahren dürften eher darin zu finden sein, daß dieser Finanzmarkt zunehmend mit ausländischen Märkten verflochten ist. Gleichwohl verläuft die Entwicklung der Geldmarktzinsen seit 1985 wieder unstetiger; dies steht in Verbindung mit der stärkeren Variation der Pensionssätze. Aber die Zinsausschläge heute sind immer noch geringer als vor 1979. So gibt dies auch kaum eine alleinige Erklärung für die ebenfalls höheren Schwankungen des Kapitalmarktzinses; vielmehr dürften hauptsächlich die Turbulenzen auf den internationalen Finanzmärkten der letzten Jahre dafür verantwortlich sein.
C. Zusammenfassung
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Wenn man nach den Bestimmungsgründen des instrumentellen Wandels fragt, so haben die Ausführungen im ersten Teil gezeigt, daß die Bundesbank eine ausgesprochen pragmatische Linie verfolgt. Es finden keine spektakulären Reformen statt, sondern es vollzieht sich unter dem Konzept der Geldmengensteuerung eine allmähliche Verfeinerung des Instrumentariums. So könnte man sagen, daß Erfahrungen den wichtigsten Bestimmungsgrund des instrumentellen, wie auch im übrigen des konzeptionellen Wandels darstellen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß der Erfahrungshorizont nicht nur auf die Bundesrepublik beschränkt bleibt, sondern die Bundesbank zunehmend ihr Augenmerk auf internationale Entwicklungen richten muß. So lag ein wesentlicher Grund für eine Umorientierung des geldpolitischen Konzepts im Jahre 1973 darin, daß das Bankenliquiditätskonzept aufgrund der wachsenden Verschuldungsmöglichkeiten des Bankensektors auf den internationalen Finanzmärkten obsolet geworden war. Ebenso betrieb die Bundesbank in den 80er Jahren die Verfeinerung ihres Instrumentariums aufgrund der zunehmenden Zinsreagibilität der internationalen Kapitalströme.
ZWEITER TEIL
Entwicklungsperspektiven des Notenbankinstrumentariums A. Anforderungen an das Notenbankinstrumentarium Um beurteilen zu können, wie das Notenbankinstrumentarium weiterzuentwickeln ist, sind vorab Überlegungen dahingehend anzustellen, welche Anforderungen an das Notenbankinstrumentarium zu stellen sind. Dabei sollen drei Punkte unterschieden werden: - geldpolitische Effizienz, - wettbewerbspolitische Neutralität und - Kompatibilität mit dem Ziel der währungspolitischen Harrnonisierung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft. Das Kriterium der geldpolitischen Effizienz beinhaltet die Forderung, daß dasjenige bzw. diejenigen Instrumente zu verwenden sind, mit Hilfe derer die Notenbank einen maximalen Zielerreichungsgrad realisieren kann. Dabei soll im folgenden unterstellt werden, daß die Bundesbank ihr Steuerungskonzept und damit auch ihre Zwischenziele in wesentlichen Zügen beibehalten wird, da nichts auf eine Änderung hindeutet. 1 Das Kriterium der wettbewerbspolitischen Neutralität besagt, daß der Einsatz eines Instruments keine Wirkungen auf den Wettbewerb im finanziellen Sektor haben sollte; in der Bundesrepublik besteht breiter Konsens darüber, daß die Geldpolitik- nicht zuletzt aufgrundder Unabhängigkeit der Notenbank- global bzw. wettbewerbsneutral zu wirken habe. Dabei lassen sich aus instrumenteller Sicht zwei Möglichkeiten der geldpolitischen Einflußnahme unterscheiden. 2 Zum einen kann es geldpolitische Maßnah1 Mit dem Übergang zu M3 als Zwischenzielgröße hat sich die Bundesbank zwar einen größeren diskretionären und damit auch zinspolitischen Spielraum verschafft. Denn ein expansiver (restriktiver) Impuls schlägt sich in erster Linie in einem gestiegenen (gesunkenen) Bargeldangebot und in einer Erhöhung (Rückgang) der Sichteinlagen nieder; davon wird die Zentralbankgeldmenge, in die der Bargeldumlauf voll und die Sichteinlagen zu einem höheren Prozentsatz als Termin- und Spareinlagen eingehen, mehr berührt als M3, wo diese Aggregate nicht unterschiedlich gewichtet sind. Aber trotzdem kann dieser Vorgang kaum als eine grundlegende Abkehr vom bisherigen Konzept gedeutet werden. 2 Im folgenden ähnlich bei Lacher, A. (1982), S. 44 f.
A. Anforderungen an das Notenbankinstrumentarium
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men bzw. Regelungen geben, die nicht für alle Wettbewerbsteilnehmer die gleiche Gültigkeit besitzen. Zum anderen können die Regelungen zwar allgemeingültig sein, aber die Marktteilnehmer in unterschiedlicher Weise treffen, nämlich dann, wenn sie keine homogene Gruppe darstellen, sondern unterschiedliche Geschäftsstrukturen aufweisen. Daß es sich beim finanziellen Sektor um einen Wirtschaftsbereich handelt, der relativ stark reguliert ist - man denke nur an die Marktzugangsbeschränkungen - soll hierbei nicht weiter erörtert werden; es geht nur darum, welche Wirkungen von einem geldpolitischen Instrument darüber hinaus auf den Wettbewerb ausgehen. Beide erörterten Kriterien - die geldpolitische Effizienz und die wettbewerbspolitische Neutralität - waren auf das Instrumentarium der Bundesbank stets anzuwenden, auch wenn sich die konkreten Inhalte - was den ersten Punkt anbetrifft - im Zeitablauf änderten. Das dritte Kriterium ist hingegen ein gänzlich neues: die Kompatibilität mit dem Ziel der währungspolitischen Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft. Dieses Kriterium wird möglicherweise in Zukunft eine Rolle spielen. Denn im Zuge der sich abzeichnenden engeren währungspolitischen Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Gemeinschaft stellt sich die Frage, inwiefern diese Entwicklung auch Konsequenzen für das geldpolitische Instrumentarium in der Bundesrepublik haben wird. Im folgenden sollen nun Entwicklungsperspektiven des Instrumentariums der Deutschen Bundesbank aufgezeigt werden, wobei die Argumentation zunächst nur zwei Ebenen haben wird. Zum einen werden die Instrumente hinsichtlich ihrer geldpolitischen Effizienz überprüft, zum anderen in bezug auf die wettbewerbspolitische Neutralität. In einem gesonderten Kapitel soll dann untersucht werden, ob sich diese Ergebnisse auch bei einer möglicherweise notwendig werdenden Harmonisierung der geldpolitischen Instrumentarien im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft bestätigen lassen oder ob vor diesem Hintergrund eine gewisse Korrektur der Beurteilung angebracht ist.
74 B. Überlegungen zur Weiterentwicklung des Notenbankinstrumentariums
B. Überlegungen zur Weiterentwicklung des Notenbankinstrumentariums I. Die Steuerung der Zentralbankgeldversorgung
1. Die Deckung des dauerhaften Liquiditätsbedarfs a) Die traditionelle Rediskontpolitik
aa) Eine Beurteilung hinsichtlich der geldpolitischen Effizienz Die folgenden Ausführungen werden sich nicht mit dem zukünftigen Refinanzierungsbedarf insgesamt beschäftigen; dieser wird im wesentlichen abhängig sein von der zukünftigen Rolle der Mindestreservepolitik und der weiteren Entwicklung der außenwirtschaftliehen Geldversorgungskomponente. Vielmehr wird es im folgenden um die Refinanzierungsstruktur gehen. Es soll zunächst die Frage im Vordergrund stehen, welches Gewicht dem Rediskontkredit zukünftig zukommen sollte. Wie oben erörtert, wurde der Zentralbankgeldbedarf der Geschäftsbanken in den Ietzen Jahren zunehmend über Wertpapierpensionsgeschäfte gedeckt. Der Rediskontkredit verlor entsprechend an relativem Gewicht. Diese Entwicklung scheint in jüngster Zeit zunächst gestoppt worden zu sein. Das Verhältnis von Rediskontkredit zu Wertpapierpensionsgeschäften pendelt sich auf ca. drei zu zwei ein. Hier muß man fragen, ob diese Entwicklung nicht eher fortzusetzen ist. Denn wie schon teilweise angesprochen, wirft die Rediskontpolitik einige Probleme auf. Die unmittelbaren Steuerungsprobleme, die die Rediskontpolitik in einem Konzept der Geldmengensteuerung aufwerfen kann, sind inzwischen zwar beseitigt. Zum einen vermeidet die Bundesbank durch die Einbeziehung der Wertpapierpensionsgeschäfte in die dauerhafte Zentralbankgeldversorgung die Bildung umfangreicher freier Liquiditätsreserven im Bankensektor. Zum anderen löst sie das dadurch entstehende Problem kurzfristiger Zinsschwankungen auf dem Geldmarkt durch den vermehrten Einsatz von reversiblen Ausgleichoperationen. Von daher wäre eine weitere Zurückdrängung des Rediskontkredits sicherlich nicht zwingend. Die Rediskontpolitik bleibt jedoch in mancherlei Hinsicht ein recht schwerfälliges Instrument. So können aufgrund der hohen Signalwirkungen Diskontsatzänderungen und Aufstockungen bzw. Kürzungen der Kontingente nicht allzu häufig vorgenommen werden. Allerdings würde sich gerade deshalb dieses Instrument gut für die Einleitung von Kurswechseln eignen. So ist unbestritten, daß von Erhöhungen bzw. Senkungen des Diskontsatzes rasche und eindeutige Wirkungen auf den Geldmarkt und damit auf die
I. Die Steuerung der Zentralbankgeldversorgung
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monetäre Expansion ausgehen, wie sie - bisher - durch kein anderes zinspolitisches Instrument erzeugt werden können. Bei Änderungen der Kontingente jedoch kommen die direkten Wirkungen - abgesehen von den psychologischen Effekten- erst mit einer gewissen Verzögerung zum Tragen, weil die Anpassung der Kreditinstitute eine gewisse Zeit erfordert. Dies gilt insbesondere in expansiver Richtung, weil sich die Banken in der in der Regel zunächst geeignetes Wechselmaterial besorgen müssen; bei einer Kontingenterhöhung sind gewöhnlich Aufstockungen der Wechselbestände bei den Kreditinstituten zu beobachten. 1•2 Im übrigen stellt sich grundsätzlich die Frage, ob Instrumente, die für eine diskretionäre Politik geeignet sind, in der Zukunft überhaupt noch in dem Maße wie bisher notwendig sein werden. Denn bekanntlich war der wirtschaftliche Aufschwung seit 1982 nicht- wie es in der Vergangenheit immer zu beobachten war- mit Preissteigerungen verknüpft; er vollzog sich insgesamt mit einer ungewöhnlich geringen Dynamik, während er auf der anderen Seite auch entsprechend lange anhält. Ob dies aber ein eindeutiges Zeichen dafür ist, daß dieses konjunkturelle Muster auch in Zukunft Gültigkeit besitzen wird, der nächste Abschwung beispielsweise ähnlich milde verlaufen wird, kann man zumindest nicht mit Sicherheit sagen; ebenso könnte sich auch der nächste Aufschwung wieder mit mehr Dynamik vollziehen und mit entsprechenden Preissteigerungen verbunden sein. Es ist außerdem nicht ganz auszuschließen, daß die Bundesbank in den letzten Jahren -ähnlich wie in der Zeit von Mitte bis Ende der 70er Jahre - durch die relativ hohen Geldmengenwachstumsraten ein Inflationspotential aufgebaut hat; gleichwohl sind momentan noch keine Anzeichen dafür vorhanden, zumal die Bundesbank in jüngster Zeit wieder gegengesteuert hat. Insgesamt haben die Überlegungen doch gezeigt, daß die Bundesbank auch in Zukunft auf Instrumente angewiesen sein könnte, die eine hohe Signalwirkung haben. Um die Beurteilung der Rediskontpolitik aus Effizienzgesichtspunkten abzurunden, ist schließlich noch darauf hinzuweisen, daß mit der Einreichung von Wechseln- zumindest bei der bisher sehr penibel durchgeführten Prüfung des Wechselmaterials- ein hoher Verwaltungsaufwand einhergeht. Andererseits wird gerade dies als gewichtiges Argument für die Rediskontpolitik angeführt: Durch die genaue Überprüfung der Wechsel bekäme die Bundesbank einen aktuellen Eindruck vom wirtschaftlichen Geschehen. 3 In Vgl. hierzu Geiger, H. (1988), S. 133 f. Gelegentlich wird - neben der geldpolitischen Eignung der Rediskontpolitik als Instrument zur Anzeige von Kurswechseln- auf den Vorteil des Rediskontkredits verwiesen, daß der Wirtschaft dadurch eine kostengünstige Finanzierung ihrer Investitionen ermöglicht würde. Allerdings verringert sich dieser Vorzug durch die Wechselsteuer; gerade wenn der Diskontsatz relativ niedrig ist, schlägt die Wechselsteuer von 0,6 % p. a. besonders negativ zu Buche. Vgl. hierzu Geiger, H. (1988), S. 134 und Thomas, K. (1988), S.ll6. 1
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76 B. Überlegungen zur Weiterentwicklung des Notenbankinstrumentariums
der Tat nimmt die Bundesbank auf diese Weise Einblick in innerbetriebliche Statistiken, für die bei Personengesellschaften keine Veröffentlichungspflicht besteht. Allerdings muß angezweifelt werden, ob diese Informationen für eine effiziente Geldpolitik vonnöten sind. Entscheidender sind wohl eher gesamtwirtschaftliche Daten, die ausreichend zur Verfügung stehen; auch die Finanzpolitik stützt sich nur auf dieses Datenmaterial. bb) Eine Beurteilung aus wettbewerbspolitischer Sicht Der Rediskontkredit ist für die Geschäftsbanken in der Regel die billigste Möglichkeit, sich Zentralbankgeld zu beschaffen. Aus diesem Grunde und wegen des hohen quantitativen Gewichts dieser Zentralbankgeldquelle ist es von ganz besonderem Interesse zu untersuchen, ob alle Kreditinstitute in gleichem Maße Zugang zum Wechselkredit haben. Bekanntermaßen kann kein Kreditinstitut unbegrenzt Wechsel bei der Bundesbank einreichen. Vielmehr bekommt jedes Institut ein bestimmtes Kontingent zugesprochen. Während in früheren Jahren die Höhe des Kontingents ausschließlich am Umfang des haftenden Eigenkapitals des jeweiligen Kreditinstituts ausgerichtet wurde, 4 wird seit März 1974 zusätzlich die "individuelle Geschäftsstruktur" berücksichtigt;5 das haftende Eigenkapital geht außerdem ab einer gewissen Grenze nur noch mit degressivem Anteil in die Berechnung mit ein. Seit 1978 findet darüber hinaus die Höhe des rediskontfähigen Wechselmaterials Berücksichtigung. Die Strukturkomponente errechnet sich aus dem Verhältnis der refinanzierungsfähigen Aktiva - im wesentlichen sind das die kurz- und mittelfristigen Kredite an Nicht-Banken - zum gesamten Geschäftsvolumen; als nicht refinanzierungsfähig gelten die langfristigen Kredite, die eigenen Wertpapieranlagen und die kurzfristigen Geldmarktkredite. 6 Nach Maßgabe der Vgl. Thomas, K. (1988), S. 116. Durch Anwendung eines Multiplikators auf das Eigenkapital ergab sich das Kontingent. Es wurde allerdings kein einheitlicher Multiplikator angewandt, sondern es wurde differenziert nach den einzelnen Gruppen des Bankgewerbes. Der Multiplikator war relativ hoch bei Bankengruppen, die hauptsächlich kurzfristige Geschäfte betrieben, umgekehrt war er relativ niedrig bei Institutsgruppen, deren Hauptbetätigungsfeld das langfristige Geschäft darstellte; dies entspricht der Absicht der Bundesbank, nur kurzfristige Geschäfte zu refinanzieren. Diese Berechnungsmethode wurde schon allein deshalb obsolet, weil " ... im Laufe der Zeit ( ... )die Homogenität der Geschäftsstruktur innerhalb ein und derselben Bankengruppe einer verstärkten Differenzierung gewichen (war), wie sich umgekehrt Banken, die unterschiedlichen Gruppen angehörten, in ihrem Geschäftsgebaren einander angeglichen hatten." Deutsche Bundesbank ( 1975 b ), S. 25. 5 Vgl. hierzu und im folgenden Deutsche Bundesbank ( 1975 b), S. 26 f. 6 "Eine Berücksichtigung aktivischer Geldmarktpositionen in der Strukturkomponente hätte der "indirekten" Weitergabe von Rediskonterlösen am Geldmarkt Vorschub geleistet." Deutsche Bundesbank ( 1975 b ), S. 26. 3
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I. Die Steuerung der Zentralbankgeldversorgung
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auf diese Weise errechneten Strukturkomponente wird das anrechenbare Eigenkapital gekürzt; durch Anwendung eines einheitlichen Multiplikators unter Berücksichtigung der Höhe des Wechselmaterials ergibt sich schließlich das Kontingent. Gewisse selektive Wirkungen lassen sich aus allen drei Bestandteilen der Berechnung ableiten. 7 Auch wenn das Eigenkapital nur noch mit abnehmender Rate berücksichtigt wird, so werden auch heute noch diejenigen Geschäftsbanken bevorzugt, denen es relativ leicht fällt, ihr Eigenkapital kontinuierlich aufzustocken; zu denken wäre hier vor allem an die Aktiengesellschaften. Dasselbe gilt analog für die Beschaffungsmöglichkeit von wechselfähigem Material, die vom jeweiligen Kundenkreis der Bank abhängig ist. Die Anrechnung der Strukturkomponente benachteiligt diejenigen Kreditinstitute, bei denen das kurz- und mittelfristige Geschäft einen relativ geringen Anteil am gesamten Geschäftsvolumen ausmacht. Wie groß diese selektiven Effekte aber tatsächlich sind, läßt sich schwer ermitteln, weil das Datenmaterial lückenhaft ist. Issing und Rudolph versuchten, eine Schätzung vorzunehm~n; danach ist der Sparkassensektor besonders benachteiligt. 8 Während beispielsweise sein Marktanteil am kurzund mittelfristigen Geschäft ca. 31% beträgt, entfallen nach dieser Schätzung nur ca. 27 % des Gesamtvolumens der Kontingente an diese Gruppe; insbesondere die Girozentralen sind bei fast 9% Marktanteil mit einer geschätzten Partizipation von unter 5% an den gesamten Kontingenten im Hintertreffen. 9 Allerdings weist ein Vertreter der Bundesbank darauf hin, daß der Wechselbestand bei Sparkassen- und Kreditgenossenschaftenhäufig gar nicht ausreicht, um die ihnen zugeteilten Kontingente auszuschöpfen. ,,Sie sind deswegen in der Lage, als Wechselkäufer im Rahmen des sog. Kontingenthandels von anderen Banken Wechsel hereinzunehmen und ihrerseits zu rediskontieren." 10 Die Ausführungen haben insgesamt gezeigt, daß die Rediskontpolitik aus wettbewerbspolitischer Sicht recht fragwürdig ist. Es bleibt jedoch noch hinzuzufügen, daß jede Art von Kontingentierung zu selektiven Effekten führt. Außerdem darf in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben, daß diese Effekte zum Teil von der Bundesbank bewußt in Kauf genommen werden. So gibt die Bundesbank zu, mit der Ausrichtung der Kontingente an der Höhe des Eigenkapitals dessen Bildung fördern zu wollen. 11 Außerdem möchte sie nur das kurz-, nicht aber das langfristige Geschäft refinanzieren. Im folgenden ähnlich bei Seja, J. (1983a), S.l80ff. Vgl. Issing, 0 . I Rudolph, B. (1988). 9 Vgl. Issing, 0. I Rudolph, B. (1988), S. 80. Vgl. auch Tab. 3, S. 54. 10 Thomas, K. (1988), S. 118. 11 "Nach wie vor erschien es ( ... ) wünschenswert, Kapitalaufstockungen bei den Banken durch das Bemessungsverfahren der Rediskont-Kontingente zu fördern." Deutsche Bundesbank {1975b), S. 25. 7
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b) Dieneuere Offenmarktpolitik aa) Eine Beurteilung hinsichtlich der geldpolitischen Effizienz Wie im ersten Teil der Arbeit schon erörtert, führte die Bundesbank 1979 die Wertpapierpensionsgeschäfte als völlig neuartiges offenmarktpolitisches Instrument ein. Es unterscheidet sich von den traditionellen Instrumenten der Offenmarktpolitik dahingehend, daß die Bundesbank die Papiere nicht definitiv ankauft, sondern sie nur für eine bestimmte Zeit "in Pension" nimmt. Insofern stellt das Wertpapier lediglich eine Sicherheit für ein Kreditgeschäft dar; unter diesem Aspekt lassen sich derartige Geschäfte mit Lombardkrediten vergleichen. Der entscheidende Unterschied besteht jedoch d.arin, daß die Initiative zum Abschluß der Geschäfte bei der Bundesbank liegt und sie damit auch Menge und Laufzeit vorgeben kann. Vor 1979 beschränkte sich das offenmarktpolitische Engagement der Bundesbankam Geldmarkt im wesentlichen darauf, daß sie Mobilisierungs- und Liquiditätspapiere abgab. 12 Der Handlungsspielraum der Bundesbank ist bei derartigen Geschäften zum einen dadurch begrenzt, daß ihr solche Papiere nach § 42 und § 42a des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank nur in Höhe von rd. 16 Mrd. DM zur Verfügung stehen. Einen größeren Bestand an kurzfristigen Wertpapieren kann die Bundesbank deshalb nicht aufbauen, weil sich in der Bundesrepublik die öffentliche Hand überwiegend langfristig verschuldet. 13 Deshalb wurde mehrfach gefordert, entweder den Betrag aufzustocken oder aber der Bundesbank ein eigenes Emissionsrecht zu geben. 14 Zum anderen erfolgen diese Geschäfte zunächst nur in kontraktiver Richtung; expansiv kann die Bundesbank nur in dem Sinne wirken, daß sie solche Papiere frühzeitig zurückkauft. Von einem stärkeren Engagement auf dem Kapitalmarkt nahm die Bundesbank in der Regel Abstand. Denn zum einen hätte dies leicht als Staatsfinanzierung angesehen werden und zum anderen der Eindruck entstehen können, " . . . die jeweilige Zinsentwicklung am Rentenmarkt sei vor allem das Ergebnis geldpolitischer Maßnahmen und insofern von der Bundesbank zu verantworten. Tatsächlich wird der langfristige Zins überwiegend von Marktfaktoren ( . . .)bestimmt, die von der Bundesbank nicht bzw. allenfalls indirekt kontrolliert werden können." 15 Es ist in der Tat vorstellbar, daß ein 12 Darüber hinaus kaufte die Bundesbank gelegentlich Privatdiskonten und Vorratsstellenwechsel. Diese Transaktionen hatten jedoch nur eine sehr geringe quantitative Bedeutung. Vgl. Speyerer, H. (1979), S. 93 f. 13 Vgl. Deutsche Bundesbank (1988), S. 63 (Statistischer Teil). 14 Ein Emissionsrecht forderte beispielsweise Pfleiderer, 0. (1973a), S. 55. Vgl. auch Speyerer, H. (1979), S. 206 und Breuer, H.-J. (1981), S. 92 f. 15 Deutsche Bundesbank (1987c), S. 73. Wie die Ausführungen im letzten Kapitel des ersten Teils jedoch gezeigt haben, gab es Perioden, in denen die Entwicklung auf dem
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größeres Engagement der Bundesbankam Kapitalmarkt- rein erwartungsbedingt- zu einer gewissen Destabilisierung beitragen könnte. Allerdings ist das Gegenargument, daß sich die Wirtschaftssubjekte mit der Zeit daran gewöhnen würden und damit nur in der Übergangszeit mit Problemen zu rechnen wäre, nicht von der Hand zu weisen. 16 Durch die bisherige Praxis der Bundesbank, keine größeren Bestände an langfristigen Titeln zu halten, sondern die angekauften Papiere relativ schnell wieder in den Markt zu schleusen, konnte dieses Instrument nur in restriktiver Richtung Wirkung entfalten. Im Vergleich dazu bieten Wertpapierpensionsgeschäfte aufgrund ihrer "Zwittereigenschaften" in mehrfacher Hinsicht Vorteile. Denn Grundlage hierfür bildet lombardHihiges Material, das in ausreichendem Umfang zur Verfügung steht. Ende Oktober 1987 hielten die Banken beispielsweise öffentliche Anleihen im Wert von über 100 Mrd. DM in ihren Portefeuilles; insgesamt verfügten sie über einen - zum größten TeillombardfähigenWertpapierbestand von über400 Mrd. DM. 17 Dadurch, daß die Bundesbank die Papiere nicht definitiv ankauft, können auch keine direkten Wirkungen auf den Kapitalmarkt ausgehen. Darüber hinaus ist die Wirkungsrichtung der Geschäfte doppelseitig. Sie wirken zunächst expansiv; diese Wirkung stellt sich unmittelbar und mit Sicherheit ein. Die Bundesbank ist zwar grundsätzlich auf die Partizipation des Kreditsektors angewiesen; doch kann sie den Pensionssatz- oder beim Zinstenderverfahren den Mindestbietungssatz - entsprechend niedrig ansetzen, so daß die Banken die gewünschte Menge abnehmen werden. Eine restriktive Schlagkraft verschafft sich die Bundesbank durch den Aufbau eines umfangreichen Bestandes an derartigen Wertpapieren; wie die Ausführungen im ersten Teil der Arbeit gezeigt haben, wird der direktive restriktive Effekt dadurch erzielt, daß ausgelaufene Wertpapierpensionsgeschäfte nicht mehr neu aufgelegt werden. bb) Eine Beurteilung aus wettbewerbspolitischer Sicht 18 Die Offenmarktpolitik gilt im allgemeinen als ein wettbewerbsneutrales Instrument. Denn zum einen spricht sie alle Marktteilnehmer gleichermaßen an, zum anderen werden die Geschäfte zu Marktzinssätzen oder zumindest zu marktnahen Konditionen abgewickelt. Kapitalmarkt durchaus mit Tendenzen auf dem Geldmarkt zu erklären waren. Nur gilt sicherlich nicht der Umkehrschluß, daß die Bundesbank jederzeit den Kapitalmarktzins nach ihren Wünschen steuern könnte. Insofern hat die Bundesbank die Verantwortung hierfür immer weit von sich gewiesen. 16 Vgl. Breuer (1981), S. 88 f. 17 Vgl. Deutsche Bundesbank (1988), S. 38 (Statistischer Teil). 18 Vgl. zur Argumentation im folgenden Beckh, S. (1986), S. 484 ff.
80 B. Überlegungen zur Weiterentwicklung des Notenbankinstrumentariums
Aus diesem Grunde ließen sich weder aus den häufig praktizierten Geschäften mit Mobilisierungs- und Liquiditätspapieren noch aus dem - relativ seltenen - Engagement der Bundesbank am Kapitalmarkt Wirkungen auf den Wettbewerb im Bankensektor ableiten. Die wettbewerbspolitische Unbedenklichkeit, die der Offenmarktpolitik im allgemeinen bescheinigt wird, trifft auf die Wertpapierpensionsgeschäfte nicht unbedingt zu. Es wurde häufig argumentiert, daß dieses Instrument aufgrund seiner speziellen technischen Ausgestaltungen die kleineren Banken benachteiligen würde. 19 Beim Zinstenderverfahren könnten die größeren Institute die kleineren aufgrund ihres Informationsvorsprungs durch "aggressive" Angebote verdrängen. Beim Mengentender würden die größeren Institute ihre Gebote nach der erwarteten Zuteilungsquote ausrichten, um so ihr gewünschtes Abgabevolumen auch zu realisieren. Falls die tatsächliche Zuteilungsquote über der prognostizierten läge, hätten sie - im Gegensatz zu kleineren Instituten - keine Schwierigkeiten, das überschüssige Zentralbankgeld am Geldmarkt unterzubringen. Wenig plausibel sind die Argumente, was das Zinstenderverfahren anbetrifft. Gerade kleinere Institute gingen beim früheren holländischen Verfahren kein Risiko ein, wenn sie hohe Sätze boten und dadurch ihre Zuteilungschance verbesserten, da sie aufgrund ihrer geringen Abgabebeträge den Zuteilungssatz nicht beeinflußten. Dies galt allerdings nur, solange sich nicht zu viele Institute auf diese Methode verlegten. Die geringe durchschnittliche Zinsdifferenz zwischen Mindestbietungsund Zuleitungssatz in den Jahren 1985 bis 1987 deutet darauf hin, daß -zumindest in diesem Zeitraum- die Gebote der größeren Institute höchstens marginal über den Mindestbietungssatz hinausgingen, während höhere Gebote einzelner kleinerer Institute durchaus wahrscheinlich sind (s. Tab. 21 ). Die hohe, zuletzt bei durchschnittlich über 80 % liegende Chance der Institute, zu Zuge zu kommen, gibt den gleichen Sachverhalt wieder und spricht damit dagegen, daß kleinere Institute systematisch von den großen verdrängt werden (s. Tab. 21). Aus diesen Gründen dürfte auch die Bundesbank in jüngster Zeit- wie an anderer Stelle erwähnt- das amerikanischeVerfahren eingeführt haben, bei dem die Kreditinstitute ihren gebotenen Zinssatz tatsächlich zahlen müssen; damit entfällt der Anreiz für die Einreichung überhöhter Gebote. Beim Mengentenderverfahren ist die Wahrscheinlichkeit einer Benachteiligung kleinerer Institute hingegen größer. So werden beispielsweise Sparkassen und Kreditgenossenschaften, die nur über ihre Zentralinstitute und damit 19 So beispielsweise Seja, J. (1983a), S.21lf. und S.257f.; derselbe (1983b), S.85f.; derselbe (1983c), S. 248 f.
I. Die Steuerung der Zentralbankgeldversorgung
81
Tabelle 21 Zuteilungsergebnis bei Zinstendern 1980 bis 1987
Jahr
durchschnittliche Chance der Institute, zum Zuge zu kommen (in Prozent)
durchschnittliche Zinsdifferenz zwischen Mindesbietungsund Zuteilungssatz (in Prozentpunkten)
1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987
34,5 46,3 51,0 48,8 60,2 82,7 82,9 80,5
0,54 0,50 0,32 0,46 0,32 0,14 0,10 0,01
Quelle: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank. Eigene Berechnungen.
zu schlechteren Konditionen Zugang zum Geldmarkt haben, sich eher scheuen, überhöhte Gebote einzureichen. Für größere Institute ist es hingegen kein Problem, mögliche Überschüsse unterzubringen. Die bisherigen Überlegungen vermögen jedoch sicherlich nicht hinreichend zu erklären, warum sich - und das war der Ausgangspunkt der Kritiker- nur verhältnismäßig wenig Institute an den Wertpapierpensionsgeschäften beteiligen. 1987 reichten im Schnitt nur circa 290 und in der Spitze rund 480 Geschäftsbanken überhaupt Gebote ein. 20 Somit beteiligt sich nur ein kleiner Kreis der über 4600 Kreditinstitute an den Ausschreibungen. Die relativ hohen Beträge pro Geschäft- 1987 waren es als Maximum über 16 Mrd. DM - sind in Verbindung mit der relativ geringen Beteiligung ein Hinweis darauf, daß größere Institute ihre Chance regelmäßig nutzen, während sich kleinere Institute eher zurückhalten. Es ist zu vermuten, daß die mangelnde Partizipation kleinerer Institute an Wertpapierpensionsgeschäften mit ihrer fehlenden Präsenz am Geldmarkt zusammenhängt. Denn für diejenigen, die nur über ihr Zentralinstitut Zugang zum Geldmarkt haben, bedeutet es ein gewisses Risiko, sich auf diese Weise Zentralbankgeld zu beschaffen. In der Regel benötigen sie nicht ständig größere Zentralbankgeldbeträge zur Abwicklung des laufenden Bankgeschäfts, sondern müssen nur ab und zu kurzfristig auftretende Liquiditätsengpässe überbrücken. In diesem Fall werden sie eher auf Lombardkredite, 20 Diese und die folgenden Zahlen sind dem statistischen Teil der Monatsberichte der Deutschen Bundesbank entnommen.
6 Beckh
82 B. Überlegungen zur Weiterentwicklung des Notenbankinstrumentariums
die normalerweise jederzeit und vor allem auch für kürzere Frist in Anspruch genommen werden können, zurückgreifen, um das Problem der Unterbringung möglicher Überschüsse auf dem Geldmarkt zu ungünstigen Konditionen zu umgehen. Das fehlende Engagement dieser Institute am Geldmarkt führt außerdem dazu, daß das Anlagemotiv für den Abschluß von Wertpapierpensionsgeschäften seltener eine Rolle spielt als bei größeren Instituten. Es ist davon auszugehen, daß größere Institute, die über Anlagemöglichkeiten auf dem inländischen wie auf den ausländischen Geldmärkten bestens informiert sind, über Wertpapierpensionsgeschäfte regelmäßig lukrative Zusatzgeschäfte erschlossen werden, während sich diese Chance den kleineren Instituten seltener bietet. In der Hinsicht sind die größeren Institute sicherlich die vorrangigen Nutznießer der Ausweitung dieses offenmarktpolitischen Instruments. Allerdings weisen Vertreter der Landeszentralbanken darauf hin, daß es teilweise auch lediglich ein Informationsproblem sei; wenn sie kleinere Banken ansprechen und ihnen ihre Möglichkeiten aufzeigen würden, so wären diese häufig zur Teilnahme an Wertpapierpensionsgeschäften bereit. Als Fazit kann festgehalten werden, daß einiges dafür spricht, daß -momentan- vorwiegend die größeren Institute von dieser relativ billigen Refinanzierungsquelle profitieren. Es hat sich aber gezeigt, daß die selektiven Effekte nicht in erster Linie auf die technische Ausgestaltung dieses Instruments zurückgehen, sondern die Gründe eher in spezifischen Organisationsformen bestimmter Institutsgruppen zu finden sind. Denn auch kleinere Institute könnten- sofern sie selbst am Geldmarkt präsent wären oder wenn der interne Liquiditätsausgleich zu günstigeren Konditionen abgewickelt würde- aus diesen Geschäften ihren Nutzen ziehen. Außerdem ist davon auszugehen, daß eine verbesserte Informationspolitik der Landeszentralbanken zu einer breiter gestreuten Teilnahme in der Zukunft führen könnte. c) Die fiskalische Komponente als Alternative?
Wiederholt wurde gefordert, einen großen Teil des längerfristigen Zentralbankgeldbedarfs über die fiskalische Komponente zu befriedigen. 21 Bekanntlich spielt der Notenbankkredit an den Staat in der Bundesrepublik - im Gegensatz zu vielen anderen Ländern - eine quantitativ unbedeutende Rolle. Nach dem Bundesbankgesetz darf die Notenbank nur Kassenkredite in relativ eng begrenztem Rahmen an den Staat gewähren; sie dienen lediglich der Überbrückung vorübergehender Ausgaben-Einnahmen-Salden. 22 Denn 21 Schon in den 60er Jahren sprach sich Oberhauser dafür aus. Vgl. Oberhauser, A. ( 1966), S. 405 ff. In neuererZeitgehörte beispielsweise File zu den Befürwortern. Vgl. File, W. (1986a), und derselbe (1986 b).
I. Die Steuerung der Zentralbankgeldversorgung
83
bei der Ausarbeitung des Bundesbankgesetzes in den 50er Jahren bestand vor dem Hintergrund der zurückliegenden schlechten Erfahrungen ein breiter Konsens darüber, daß eine Notenbankfinanzierung des Staates mit Inflationsgefahren verbunden sei.23 Es sprichtjedoch einiges dafür, daß diese typisch bundesdeutsche Abneigung gegen die direkte, zins-und tilgungslose Kreditaufnahme des Staates bei der Notenbank ökonomisch nicht zu begründen ist. Denn es ist nicht ganz einzusehen, worin der grundlegende Unterschied dazu liegen soll, daß die Bundesbank Staatspapiere zur Lombardierung annimmt oder sie am offenen Markt kauft und anschließend die daraus resultierenden Zinseinnahmen in Form des Bundesbankgewinns an den Staat überweist. 24 Grundsätzlich könnte eine direkte Staatsfinanzierung ebenso am Ziel der Preisniveaustabilisierung orientiert werden wie bisher die Refinanzierungs- und Offenmarktpolitik; die Bundesbank könnte die Kreditgewährung an den Staat beispielsweise nach der Untergrenze ihres jeweiligen Geldmengenziels ausrichten.25 Wenn man dieser Argumentation folgt, stellt sich allerdings umgekehrt die Frage, warum eine grundlegende Änderung der bisherigen Struktur der Zentralbankgeldversorgung vorgenommen werden sollte; schließlich wäre eine Novellierung des Bundesbankgesetzes erforderlich. Unter dem Gesichtspunkt der geldpolitischen Effizienz ist es kaum vorstellbar, daß eine Verlagerung zur fiskalischen Komponente eine Verbesserung des Notenbankinstrumentariums bringen könnte. Denn diese Art der Zentralbankgeldversorgung kann bezüglich Volumen, Zeitpunkt und Laufzeit wohl kaum flexibler ausgestaltet werden als Wertpapierpensionsgeschäfte; so ist es bezeichnend, daß die Befürworter hauptsächlich finanzpolitisch und dabei im wesentlichen fiskalisch argumentieren. 26 Reversible Offenmarktgeschäfte, wie sie die Bundesbank betreibt, sind jedoch allgemein akzeptiert, während der direkte Notenbankkredit an den Staat die - wenn auch unbegründeten - Inflationsängste bei den Wirtschaftssubjekten wecken könnte. Aus diesem Grunde scheint die bisherige Regelung einer entsprechenden Reform überlegen zu sein. Probleme, die sich daraus erge22 Siehe § 20, Abs. 1 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank. Vgl. Deutsche Bundesbank (1987c), S.ll7f. 23 Ähnlich bei Oberhauser (1984), S. 25. Vgl. zu den schlechten Erfahrungen, die in Deutschland mit der Staatsfinanzierung über die Notenbank gemacht wurden, Ehrlicher, w. (1984b), s. 9ff. 24 Dieses Argument spricht allerdings gleichzeitig gegen den staatlichen Notenbankkredit; denn dann hätte der Staat keinen wesentlichen Vorteil daraus. So wird dieses Argument bezeichnenderweise von Gegnern wie von Befürwortern genannt. Vgl. Gutowski, A. I Härte!, H.-H. I Schiller, K. (1986), S.IOI ff. und File, W. (1986a), S. 59. 25 Vgl. File, W. (1986a), S. 60 f. 26 Vgl. beispielsweise File, W. (1986a), S.45ff. Eine Übersicht über die verschiedenen Argumente für eine Staatsfinanzierung über die Notenbank gibt Caesar, R. (1984), S. 56 ff.
6"
84 B. Überlegungen zur Weiterentwicklung des Notenbankinstrumentariums
ben, daß nur der Bund vom Bundesbankgewinn profitiert, während auch Länder und Gemeinden durch Zinszahlungen belastet werden, könnten entweder durch eine entsprechende Aufschlüsselung des Gewinns oder durch die Berücksichtigung beim Finanzausgleich und bei der Verteilung der Gemeinschaftssteuern gelöst werden. 27 2. Die kurzfristige Steuerung des Geldmarktes durch Feinsteuerung a) Eine Beurteilung hinsichtlich der geldpolitischen Effizienz
Zum Zwecke der kurzfristigen Steuerung des Geldmarktes benötigt die Bundesbank Instrumente, bei deren Einsatz ihr die Initiative obliegt, die kurzfristig reversibel und unkompliziert zu handhaben sind. Alle eingesetzten Feinsteuerungsinstrumente- die Devisenswap- und -pensionsgeschäfte, Verlagerungen von Bundesmitteln in den Bankensektor und kurzfristige Schatzwechselabgaben - erfüllen diese Anforderungen. Bei all diesen Instrumenten kann die Bundesbank über Menge, Preis, Zeitpunkt und Laufzeit der Geschäfte bestimmen. Wie in Kapitel B 11114. untersucht wurde, führte der verstärkte Einsatz dieser Instrumente zu der erwünschten Glättung der Zinsentwicklung am Geldmarkt. Ihre geldpolitische Effizienz kann daher kaum angezweifelt werden. Etwas anders sieht die Bewertung der traditionellen Lombardpolitik aus. Im Gegensatz zu den oben genannten Feinsteuerungsinstrumenten besteht hier das Problem, daß die Bundesbank - in der Regel - nur den Preis bestimmt. So hatte sich gezeigt, daß die Banken Anfang bis Mitte der 80er Jahre die Politik der Bundesbank durch Rückgriff auf diese Refinanzierungsquelle immer wieder unterlaufen konnten; die Kreditinstitute benützten dieses Instrument häufig zur Deckung ihres längerfristigen Liquiditätsbedarfs. Seitdem der Lomdardsatz aber durchgehend oberhalb der Pensionssätze liegt, ist diese Zentralbankgeldquelle über den Preis faktisch kontingentiert. Insofern resultieren heute aus der Bereitschaft der Bundesbank, Wertpapiere in unbegrenztem Umfang zur Lombardierung anzunehmen, keine Steuerungsprobleme mehr. Man könnte sogar sagen, daß die Lombardpolitik eine gewisse Entlastung für die Bundesbank schafft; wenn sie auf die Lombardpolitik verzichten würde, müßte sie vermehrt am Geldmarkt intervenieren, falls sie nicht höhere Zinsschwankungen hinnehmen wollte. Insofern scheint es sinnvoll zu sein, die bisherige Praxis beizubehalten. 21 Für eine entspreci:J.ende Aufteilung des Bundes-Bankgewinns auf Bund, Länder und Gemeinden setzt sich Francke ein. Vgl. Francke, H.-H. (1988), S. 275. Gutowski, Härte1 und Schiller plädieren für die zweite Lösung. Vgl. Gutowski, A. I Härtel, H .-H. I Schiller, K. (1986), S. 105.
I. Die Steuerung der Zentralbankgeldversorgung
85
b) Eine Beurteilung aus wettbewerbspolitischer Sicht
Aus wettbewerbspolitischer Sicht fallt die Beurteilung der neueren Peinsteuerungsinstrumente nicht sehr positiv aus. Vor allem gegen Devisenswapund Devisenpensionsgeschäfte werden gerade aus wettbewerbspolitischer Sicht immer wieder Einwände vorgebracht. 28 Diese Geschäfte würde die Bundesbank vorwiegend mit größeren Instituten, die daraus Sondergewine ziehen könnten, abschließen. Denn als Geschäftspartner kämen nur diejenigen Banken in Frage, die sich im Auslandsgeschäft und speziell am Devisenterminmarkt engagieren; dies träfe in erster Linie auf Großbanken und einige große Regionalbanken zu. Außerdem wollte die Bundesbank auf diesem Wege sehr rasch größere Mengen an Zentralbankgeld in den Geldmarkt schleusen oder dem Geldmarkt entziehen, so daß auch unter diesem Aspekt eine breite Stückelung nicht in Frage käme. Auch wenn bei Devisenpensionsgeschäften- wie ein Vertreter der Bundesbank einwendet - 29 keine Transferierung von Devisen stattfindet und deshalb theoretisch auch kleinere Institute, die nicht ständig am Devisenterminmarkt präsent sind, an diesen Geschäften partizipieren könnten, ist es relativ unstrittig, daß sich die Bundesbank mit beiden devisenmarktpolitischen Instrumenten hauptsächlich an größere Institute wendet. Kein Konsens besteht jedoch darüber, ob die partizipierenden Institute auch tatsächlich Sondergewinne erzielen. Eine Arbitrage kann bei Swapgeschäften mit der Bundesbank dadurch zustande kommen, daß normalerweise ein gegenläufiges Geschäft mit einer Eurobank folgt zu den günstigeren Euromarktkonditionen. 30 Doch selbst wenn sich diese Arbitrage nicht einstellt - weil die Euromarktzinsen von den Swapgeschäften berührt werden-, sind die größeren Banken deshalb im Vorteil, weil die Eurobanken sich in der Regel an sie wenden, wenn das Geld wieder in die Bundesrepublik eingeschleust wird; dieses Geld bieten sie dann am Markt den kleineren Banken zu erhöhten Zinsen an. 31 Bei Devisenpensionsgeschäften wird die Erzielung eines Sondergewinns von Vertretern der Bundesbank bestritten mit dem Hinweis darauf, daß diese Geschäfte zu den gängigen Geldmarktkonditionen abgeschlossen würden. 32 Die Erfahrung, daß immer wieder Institute, die die Bundesbank ansprächen, kein Interesse an Swap- oder Pensionsgeschäften zeigen würden, belege ohnehin, daß keine Sondergewinne anfallen würden. Diese Argumen28 Vgl. beispielsweise Becker, W. (1983), S. 94, Simmert, D. B. und Zweig, G. (1980), S. 230, Seja, J. (1983a), S. 233 ff., Zimmermann, W.-K. (1984), S. 155 ff. 29 Vgl. im folgenden Treutler, H.-J. (1983), S. 209f. 30 Vgl. Treutler, H.-J. (1983), S. 210. 31 Vgl. Simmert, D. B. und Zweig, G. (1980), S. 230. 32 Vgl. Treutler, H.-J. (1983), S. 210.
86 B. Überlegungen zur Weiterentwicklung des Notenbankinstrumentariums
tation der Bundesbank kann nicht ganz überzeugen; denn offensichtlich gelingt es der Bundesbank schließlich immer wieder, Geschäftspartner in ausreichender Zahl zu finden. Es bleibt zu vermuten, daß es in erster Linie die größeren Institute sind, die von der Devisenmarktpolitik der Bundesbank profitieren. Diese Geschäfte werden hauptsächlich mit den Großbanken und größeren Regionalbanken abgeschlossen, und es spricht einiges dafür, daß diese Bankengruppen dabei Sondergewinne erzielen können. Besonders in Zeiten einer angespannten Liquiditätslage ist es wahrscheinlich, daß diese Banken bei der Weiterleitung der Gelder an kleinere Institute Gewinne erzielen. Aus ähnlichen Gründen kann auch bei der Einlagenpolitik - wenn die Bundesguthaben in den Bankensektor verlagert werden- von wettbewerbsverzerrenden Wirkungen ausgegangen werden. In diesem Fall ist es sogar Inhalt der gesetzlichen Regelung, daß" . . . die Deutsche Bundesbank (dabei) das Interesse der Länder an der Erhaltung ihrer Staats- und Landesbanken zu berücksichtigen (hat)". 33 Tatsächlich fließen die Gelder an einige Landesbanken, an andere große Regionalbanken und an Groß banken. 34 Aus organisatorischen Gründen ist es gar nicht zu vermeiden, daß sich die Guthaben auf einige wenige Kreditinstitute verteilen. Gerade aus diesen Überlegungen heraus war im§ 17 des Bundesbankgesetzes festgelegt worden, daß im Regelfall die Guthaben bei der Bundesbank zu halten sind. 35 Gleichwohl ist auch diese Regelung aus wettbewerbspolitischer Sicht nicht völlig unbedenklich, wenn man davon ausgeht, daß bei großen Steuerterminen der private Bankensektor mehr Einlagenabflüsse zu verzeichnen hat als die öffentlichen Institute. 36 Die Wirkungen auf den Wettbewerb wären jedoch noch größer, wenn die Liquidität zu den öffentlichen Banken fließen würde. Eine gänzlich wettbewerbsneutrale Lösung wäre nur dann gegeben, wenn die Guthaben über den Bankensektor gleichmäßig gestreut wären und sich gleichzeitig die Einlagen der Steuerpflichtigen ebenso verteilen würden. Da diese Konstellation sehr unwahrscheinlich ist, muß man aus wettbewerbspolitischer Sicht die Haltung der Guthaben bei der Bundesbank präferieren. Entsprechend größer sind die selektiven Wirkungen, wenn eine Verlagerung der Guthaben in den Bankensektor vorgenommen wird. Im Gegensatz zu den neueren Feinsteuerungsinstrumenten ist gegen die Lombardpolitik aus wettbewerbspolitischer Sicht nichts einzuwenden. Da JJ § 17 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank; siehe Deutsche Bundesbank (1987c), S. ll5; vgl. auch den Kommentar von Beck, H. (1959), S. 298 f. 34 Vgl. Simmert, D. B. und Zweig, G. (1980), S. 230. 35 Vgl. Spindler, J. von I Becker, W. I Starke, 0 .-E. (1973), S. 357, und Ketzel, E. I Köster, R. I Pfisterer, H. (1976), S. 39f. 36 Vgl. Ketzel, E. I Köster, R. I Pfisterer, H. (1976), S. 40.
II. Die Steuerung des Zentralbankgeldbedarfs
87
die Inanspruchnahme des Lombardkredits in der Regel nicht kontingentiert ist und davon auszugehen ist, daß alle Kreditinstitute über ein ausreichendes Maß an lombardfähigen Wertpapieren verfügen, lassen sich selektive Wirkungen im allgemeinen nicht ableiten. Nur in Zeiten, in denen Wertpapiere nicht in unbegrenzter Höhe bei der Bundesbank eingereicht werden durften, war die Lombardpolitik aus wettbewerbspolitischer Sicht bedenklich. Denn die jeweiligen "Warnlinien" wurden an die Höhe des Rediskontkontingents gekoppelt. Gehen selektive Wirkungen von der Rediskontpolitik aus in Abhängigkeit von der Berechnungsart der Kontingente, pflanzen sich diese fort, wenn die Lombardinanspruchnahme in Höhe eines prozentualen Anteils an den Rediskontkontingenten erfolgen darf. Aus diesem Grund eignet sich im übrigen die Lombardpolitik auch nicht als Dauerrefinanzierungsinstrument. Der Nachteil der unbegrenzten Rückgriffsmöglichkeiten des Kreditsektors könnte zwar durch eine Kontingentierung behoben werden. Doch wie schon erwähnt, bringt jede Art von Kontingentierung zwangsläufig gewisse Wettbewerbsverzerrungenmit sich; diese wären mit Sicherheit höher einzuschätzen als diejenigen, die sich - zumindest heute noch - möglicherweise bei den Ausschreibungsverfahren der Wertpapierpensionsgeschäfte ergeben. II. Die Steuerung des Zentralbankgeldbedarfs: Die Mindestreservepolitik 1. Eine Beurteilung hinsichtlich der geldpolitischen Effizienz Um eine umfassende Beurteilung der Mindestreservepolitik unter dem Aspekt der geldpolitischen Effizienz vornehmen zu können, müssen zwei Ebenen unterschieden werden: Die Funktion der Mindestreservepflicht einerseits und die der Mindestreservesatzvariationen andererseits. Die Mindestreservepflicht wird - neben der Bargeldnachfrage - als geldpolitischer Hebel bezeichnet: Sie läßt im Falle einer monetären Expansion einen Zentral bankgeldbedarf bei den Geschäftsbanken entstehen, dessen Umfang vom Volumen des Einlagenzuwachses und der Höhe der Reservesätze abhängt. Auf diese Weise eröffnet sich für die Notenbank die Möglichkeit, auf die Giralgeldschöpfung des Kreditsektors Einfluß zu nehmen. Neben dieser wichtigen Funktion erfüllt die Mindestreservepflicht außerdem die Aufgabe, den Geschäftsbanken auf kurze Sicht einen gewissen Spielraum zu verschaffen, da das Mindestreserve-Soll nur im Monatsdurchschnitt einzuhalten ist. Mit anderen Worten können die einzelnen Geschäfts-
88 B. Überlegungen zur Weiterentwicklung des Notenbankinstrumentariums
banken kurzfristig auftretende Liquiditätsengpässe dadurch überbrücken, daß sie das Mindestreserve-Soll unterschreiten. Dadurch werden Zinsausschläge am Geldmarkt tendenziell gedämpt. Mindestreservesatzvariationen stellen für die Bundesbank - wie an anderer Stelle schon erwähnt- ein wichtiges Hilfsmittel dar, um Kurswechsel einzuleiten. Denn zum einen werden durch eine Erhöhung bzw. Senkung der Sätze genau vorhersehbare, rasche und quantitativ bedeutsame Primärwirkungen erzielt: Eine Erhöhung der Sätze läßt einen bestimmten Zentralbankgeldbedarf entstehen, eine Senkung führt im ersten Schritt zu einer Erhöhung der Überschußreserven. Zum anderen gehen von Mindestreservesatzvariationen die- in diesem Fall- erwünschten Signalwirkungen aus. Das bedeutet natürlich gleichzeitig, daß dieses Instrument beispielsweise zur Kompensation kurzfristiger Devisenbewegungen wenig geeignet ist. Wenn Devisenzuflüsse jedoch über einen längeren Zeitraum anhalten und damit einen entsprechenden Umfang erreichen, kann eine Erhöhung der Mindestreservesätze - wie es die Erfahrung gezeigt hat - dazu dienen, den Abschluß von Offenmarktgeschäften wieder notwendig und damit die Zentralbankgeldschöpfung stärker von der Initiative der Bundesbank abhängig zu machen. 2 . Eine Beurteilung aus wettbewerbspolitischer Sicht Da in der Bundesrepublik die Mindestreserven nicht verzinst werden, bedeutet deren Haltung für die Geschäftsbanken eine Gewinneinbuße. Ausgehend davon, daß bei einer Abschaffung der Mindestreservepflicht die Kreditinstitute zwar aus Gründen der Liquiditätsvorsorge freiwillig Reserven bilden würden, diese aber - beispielsweise aufgrund unterschiedlicher Geschäftsstrukturen der einzelnen Institute - verschiedene Höhen annehmen würden, ist der Gewinnentgang nicht für jede Bank gleich hoch. Somit ergeben sich schon allein aus der Unverzinslichkeit der Mindestreserven- zunächst ganz unabhängig von der Berechnungsart- selektive Wirkungen. Zu untersuchen bleibt, ob auch aus der Art der Berechnung des Mindestreserve-Solls Wirkungen auf den Wettbewerb im Kreditsektor abzuleiten sind.37 Mindestreserve wird im wesentlichen auf alle Verbindlichkeiten mit einer Befristung bis zu vier Jahren erhoben. Die Höhe der Mindestreservesätze hängt ab von der Art der Passiva, von derenjeweiligen Höhe und deren Herkunft. Die Sätze sind um so höher, je größer der Liquiditätsgrad und die Höhe der Einlagen sind; hieraus spricht die ursprüngliche Funktion der 37 Zur Ausgestaltung vgl. im folgenden Deutsche Bundesbank ( l987c), S. 58 ff., Schaal, P. (1981), S. 266ff., Dickertmann, D. I Siedenberg, A. (1984), S. 67ff.
II. Die Steuerung des Zentralbankgeldbedarfs
89
Mindestreserve, die Liquidität des einzelnen Instituts zu sichern. 38 Prinzipiell können die Sätze darüber hinaus danach differenziert werden, ob die Einlagen von Inländern oder von Gebietsfremden stammen; in Zeiten hoher Devisenzuflüsse setzte die Bundesbank immer wieder höhere Sätze auf Einlagen von Ausländern fest. Entsprechend werden die einzelnen Banken unterschiedlich belastet nach Art, Höhe und gegebenenfalls Herkunft ihrer Einlagen. Allerdings klang schon an, daß die Berechnungsart nicht willkürlich erfolgt, sondern die Bundesbank ganz bestimmte Ziele damit verfolgt, die natürlich im Konflikt mit dem Ziel der Wettbewerbsneutralität stehen können. Um die Wirkungen auf den Wettbewerb insgesamt ermitteln zu können, müßte man die Effekte, die sich aus der Unverzinslichkeit der Reserven ergeben, mit denen vergleichen können, die aus der Berechnung der Mindestreserve-Solls resultieren. Darüber hinaus muß berücksichtigt werden, inwieweit die Möglichkeiten ungleich groß sind, durch eine Umstrukturierung der Verbindlichkeiten oder durch einen Gläubigerwechsel das MindestreserveSoll zu senken. Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß durch eine Verlagerung der Sicht- zu Termin- und Spareinlagen die vom Kreditinstitut zu zahlenden Zinsen höher werden, was den Anreiz zu derartigen Ausweichreaktionen schmälert. 39 Wie die Ausführungen gezeigt haben, können Wirkungen auf den Wettbewerb im Bankensektor von der Mindestreservepolitik auf verschiedenen Ebenen ausgehen. Zum einen werden die Institute in unterschiedlichem Maße von der Mindestreservepflicht getroffen, zum anderen ist davon auszugehen, daß die einzelnen Institute über unterschiedliche Möglichkeiten verfügen, die Mindestreservehaltung zu minimieren. Inwieweit sich die einzelnen Effekte gegenseitig kompensieren oder verstärken, läßt sich aufgrund fehlender Daten nicht ermitteln. Darüber hinaus wurde immer wieder kritisiert, daß die Finanzintermediäre nicht der Mindestreservepflicht unterliegen und es damit zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen ihnen und dem Bankensektor käme. 40 Allerdings besteht für sie auf der anderen Seite auch nicht die Möglichkeit, sich bei der Bundesbank günstig zu refinanzieren. Die bisherigen Ausführungen bezogen sich nur auf die binnenwirtschaftlichen Wettbewerbswirkungen der Mindestreservepolitik. Stark kritisiert wurde der Einsatz dieses Instruments aber gerade in den letzten Jahren mit 38 Sichteinlagen werden mit den höchsten, Spareinlagen mit den niedrigsten Sätzen belegt. Darüber hinaus wird jede Art von Verbindlichkeit nach ihrer jeweiligen Höhe in drei Reservestufen eingeteilt, wobei die Sätze von Stufe zu Stufe ansteigen. 39 Vgl. Lacher, A. (1982), S. 190 f. 40 Vgl. zur Diskussion über eine Einbeziehung der Versicherungswirtschaft in die Mindestreservepflicht beispielsweise Schanz, 0. (1984), S. 52 ff.
90
B. Überlegungen zur Weiterentwicklung des Notenbankinstrumentariums
dem Hinweis auf die daraus resultierende Benachteiligung der inländischen Banken im internationalen Wettbewerb. Denn die finanziellen Vorteile, die die Euromärkte für Anleger und Kreditnehmer zu bieten haben, sind -zumindest zu einem Teil- auf die fehlende Mindestreservepflicht zurückzuführen. Auf diesen Punkt wird im Zusammenhang mit der währungspolitischen Harmonisierung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zurückzukommen sein. Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß die Bundesbank in den letzten zehn Jahren durch Änderungen in den Mindestreservebestimmungen die wettbewerbsverzerrenden Wirkungen dieses Instruments wiederholt reduziert hat. So wurde im Jahre 1977 das Progressionsstaffelverfahren zur Berechnung der Mindestreservesätze nach der Höhe der Verbindlichkeiten eingeführt; 41 bei der zuvor praktizierten Regelung stieg die Durchschnittsbelastung bei Erreichen der nächsten Größenklasse sprunghaft an, heute nimmt sie - nach einer proportionalen Zone in der ersten Stufe- kontinuierlich progressiv zu. Eine Reduzierung der selektiven Wirkungen wurde darüber hinaus im Jahre 1984 dadurch erreicht, daß die Bausparkassen und andere Kreditinstitute mit überwiegend langfristigem Geschäft ebenfalls mindestreservepflichtig wurden; diese Neuregelung drängte sich deshalb auf, weil diese Institute sich in immer größerem Umfang auch im kurzfristigen Geschäft engagierten.42 Schließlich wurden 1986- wie im ersten Teil der Arbeit erwähnt- neue Mindestreservebestimmungen erlassen, die vor allem zu einer Stärkung der internationalen Wettbewerbsfahigkeit der inländischen Banken führen sollten;43 So wurden neben einer Senkung der Sätze Fremdwährungsverbindlichkeiten gegenüber Ausländern weitgehend von derMindestreservepflicht ausgenommen. Darüber hinaus hatte die Neuregelung zum Inhalt, daß kürzerlaufende Bankschuldverschreibungen mindestreservepflichtig wurden; dadurch fiel der Wettbewerbsvorteil für diejenigen Institute weg, die vermehrt Bankschuldverschreibungen anstelle von Termin- und Spareinlagen bei ihren Kunden unterbringen konnten.
111. Fazit Die Ausführungen haben gezeigt, daß unter geldpolitischen Effizienzgesichtspunkten Wertpapierpensionsgeschäfte zu Lasten des traditionellen Rediskontkredits weiter auszubauen sind; außerdem sollte die Mindestreservepolitik ebenso wie Feinsteuerungsinstrumente in bewährter Weise auch zukünftig Verwendung finden. 41 42
43
Vgl. Deutsche Bundesbank (1978), S. 74. Vgl. Deutsche Bundesbank (1987c), S. 57 f. Vgl. dieselbe (1987c), S. 58 f.
III. Fazit
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Aus wettbewerbspolitischer Sicht sieht die Beurteilung etwas differenzierter aus. Zwar würde auch unter diesem Aspekt ein weiterer Ausbau der Wertpapierpensionsgeschäfte zu befürworten sein. Denn schon heute dürften deren selektive Wirkungen deutlich geringer einzuschätzen sein als die des Rediskontkredits; in Zukunft aber werden die Wettbewerbswirkungen derartiger Offenmarktgeschäfte durch entsprechende Anpassungsprozesse im Kreditsektor vermutlich noch reduziert werden können. Der Einsatz der Mindestreservepolitik und der Feinsteuerungsinstrumente hingegen ist aus wettbewerbspolitischer Sicht eher negativ zu beurteilen. Bei der Mindestreservepolitik sind es neben den selektiven Wirkungen im Inland vor allem die internationalen Wettbewerbsnachteile der heimischen Kreditinstitute, die als besonders problematisch einzustufen sind. Das negative Abschneiden der Feinsteuerungsinstrumente ist hingegen nicht besonders hoch zu werten; denn aufgrundderen vergleichsweise geringer quantitativer Bedeutung relativieren sich die Aussagen in bezugauf die mangelnde Wettbewerbsneutralität.
C. Das Notenbankinstrumentarium bei fortschreitender währungspolitischer Integration in der Europäischen Gemeinschaft I. Ziele und Instrumente der währungspolitischen Integration
1. Das Fernziel: Die Europäische Währungsunion Im Jahre 1969 beschlossen die Staats- und Regierungschefs der EG-Mitgliedsstaaten auf einer Gipfelkonferenz in Den Haag, eine Europäische Wirtschafts- und Währungsunion zu errichten. 1 Unter einer Währungsunion versteht man den Zusammenschluß von zwei oder mehreren Staaten mit unterschiedlichen Währungen zu einem einheitlichen Währungsgebiet. "Ein solcher Zusammenschluß muß(... ) dadurch gekennzeichnet sein, daß die Wechselkurse zwischen den beteiligten Währungen vollständig (ohne jede Bandbreite) und unwiderruflich fixiert sind und daß der Geld- und Zahlungsverkehr zwischen den beteiligten Gebieten vollständig frei und unbehindert ist (keinerlei Kapitalverkehrsbeschränkungen). "2 Entscheidend für die dauerhafte Existenz eines einheitlichen Währunggebiets ist die Fähigkeit bzw. Bereitschaft der Mitgliedsstaaten, eine einheitliche Geld- und Währungpolitik zu betreiben. 3 1 Zu den Beschlüssen der Gipfelkonferenz in Den Haag im Jahre 1969 vgl. Kleinheyer, N. (1987), S. 23 ff.; Jansen, T. (1986), S. 24ff.; Picker, R. (198), S. 15 ff. 2 Feldsieper, M. (1980), S. 546. 3 Vgl. Feldsieper, M. (1980), S. 547.
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C. Konsequenzen der währungspolitischen Integration in der EG
Die bisherige Geschichte der währungspolitischen Integration in Europa könnte dahingehend gekennzeichnet werden, daß relativ frühzeitig ein Konsens über das Endziel gefunden wurde, aber immer wieder Uneinigkeit darüber bestand, auf welchem Wege dieses Ziel erreicht werden kann; aus diesem Grunde kam der Integrationsprozeß häufig nur sehr zögernd voran. 4 Der wesentliche Streitpunkt war stets die Frage, ob zunächst eine Harmonisierung der Wirtschaftspolitik angestrebt werden sollte oder stattdessen im ersten Schritt institutionelle Regelungen getroffen werden sollten, die die notwendige Harmonisierung quasi erzwingen; für die erste Alternative setzten sich traditionell- schon in den 60er Jahren- die Bundesrepublik, die Niederlande und Italien, für den zweiten Lösungsweg Frankreich, Belgien und Luxemburg ein. 5 Meilensteine auf dem Weg zur Währungsunion waren sicherlich die Gründung des Europäischen Wechselkursverbundes im Jahre 1972 und insbesondere die Errichtung des Europäischen Währungssystems im Jahre 1979. Beides waren wichtige Schritte zu einer vollständigen Fixierung der Wechselkurse, die allerdings noch nicht erreicht ist. Zum einen bestehen heute immer noch die gleichen Bandbreiten wie 1979, wobei Italien unverändert eine Sonderregelung genießt, und nach wie vor nehmen Großbritannien und Irland und die jüngeren EG-Mitglieder Spanien, Portugal und Griechenland nicht am Wechselkursmechanismus teil. Gleichwohl sind seit Bestehen des Europäischen Währungssystems - insbesondere in den letzten Jahren wesentliche Fortschritte bezüglich der Harmonisierung der Wirtschaftspolitik erzielt worden. So stellte Pöhl inzwischen fest: "Geldwertstabilität ist nicht nur als vorrangiges Ziel der Wirtschaftspolitik weitgehend anerkannt, sondern mehr denn je in Europa verwirklicht; die Konvergenz der Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsentwicklung ist- ungeachtet noch bestehender Diskrepanzen etwa in der Finanzpolitik - groß. "6 Die Liberalisierung des Kapitalverkehrs schien lange Zeit nicht voranzukommen, obwohl dieses Ziel sehr früh angestrebt wurde: Schon in den Jahren 1960 und 1962 wurden vom Rat der Europäischen Gemeinschaften zwei entsprechende Richtlinien erlassen, die jedoch bei weitem nicht umfassend waren und darüber hinaus auch immer wieder unterlaufen wurden. 7 Den entscheidenden Anstoß zur Forcierung der Entwicklung gab erst der Ratsbeschluß, den EG-Binnenmarkt bis 1992 zu verwirklichen: 1986 wurde eine 4 Vgl. zur Geschichte der währungspolitischen Integration Kleinheyer, N. (1987), S. 23 ff. 5 Zum Streit zwischen den sogenannten Ökonomisten und Monetaristen vgl. Kösters, W. I Velden, S. van der (1988), S.455. 6 Pöhl, K. 0 . (1988), S. I. 7 Vgl. hierzu und im folgenden Kommission der Europäischen Gemeinschaften ( 1987), S. 12f.; vgl. auch Dennig, U. (1988), S. 314f.
I. Ziele und Instrumente der währungspolitischen Integration
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weitergehende Richtlinie als Teil eines Zweistufenprogramms erlassen, das die völlige Liberalisierung des Kapitalverkehrs zum Inhalt hat. Im Juni 1988 wurden schließlich die noch ausstehenden Maßnahmen vom Europäischen Ministerrat beschlossen; abgesehen von - bis Ende 1992 befristeten Sonderregelungen für Spanien, Portugal, Griechenland und Irland wird damit der EG-Kapitalmarkt bis spätestens Mitte 1990 liberalisiert sein. 8 Weitgehend offene Kapitalmärkte haben im übrigen heute schon die Bundesrepublik, die Niederlande, Großbritannien, Luxemburg und Belgien. 9 2. Die aktuelle Diskussion Die Konferenz von Hannover im Juni 1988 machte wieder einmal deutlich, daß auch fast zwanzig Jahre nach dem Beschluß in Den Haag, eine Europäische Wirtschafts- und Währungsunion zu errichten, kein Konsens unter den europäischen Staats- und Regierungschefs darüber besteht, auf welchem Wege eine vollständige währungspolitische Integration erreicht werden soll. Einigkeit herrschte lediglich dahingehend, daß weitere Maßnahmen zu ergreifen sind, um dem Ziel der Währungsunion näherzukommen; so wurde eine Expertengruppe unter dem Vorsitz des gegenwärtigen Präsidenten der EG-Kommission, Jacques Delors, beauftragt, entsprechende Vorschläge auszuarbeiten. 10 Während die völlige Liberalisierung des Kapitalverkehrs in greifbare Nähe gerückt zu sein scheint, ist es immer noch äußerst ungewiß, wie eine endgültige Fixierung der Wechselkurse und eine einheitliche Geld- und Währungspolitik nach innen und außen durchgesetzt werden können. Neben einigen Vorschlägen, die nur Modifikationen des bisherigen Systems beinhalten beispielsweise der Beitritt der bisher nicht am Wechselkursmechanismus teilnehmenden Länder11 - wird auch verstärkt über die Gründung einer Europäischen Zentralbank nachgedacht. Da die Meinungen - insbesondere hinsichtlich Zeitpunkt und Ausgestaltung - sehr weit auseinandergehen, ist noch ungewiß, wann eine Einigung erzielt werden kann. So gehört Frankreich beispielsweise zu den Befürwortern einer möglichst schnellen Gründung einer Zentralbank, während Großbritannien zu den erklärten Gegnern zu zählen ist. 12 Auch die Deutsche Bundesbank steht der Idee mit Skepsis gegenüber: Sie pocht auf die uneingeschränkte Unabhängigkeit einer solchen Notenbank und auf eine gesetzmäßige Verpflichtung auf das Ziel der PreisVgl. o.V. (1988b), S.l. Eine Übersicht über den Stand der Liberalisierung in den einzelnen Mitgliedsländern gibt Pfisterer, H. (1987), S. 322ff.; vgl. auch Europäische Gemeinschaften (1987), S.l3. 10 Vgl. o.V. (1988c), S.l. 11 Vgl. z.B. Pöhl, K.O. (1988), S.4. 12 Vgl. hierzu o.V. (1988c), S.l. 8
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C. Konsequenzen der währungspolitischen Integration in der EG
niveaustabilisierung. 13• 1" Auch wenn im Abschlußkommunique der Gipfelkonferenz von Hannover die Gründung einer Europäischen Notenbank nicht explizit erwähnt wird, so wird sich sicherlich die Expertengruppe unter Delors intensiv mit dieser Fragestellung befassen. 15 Eine vollständige Liberalisierung des Kapitalverkehrs innerhalb der Europäischen Gemeinschaft und auch die mögliche Gründung einer Europäischen Notenbank machen Überlegungen dahingehend erforderlich, ob und--'- wennja-in welcher Weise eine Harmonisierung auf instrumenteller Ebene notwendig werden könnte. Die zukünftige Ausgestaltung der geldpolitischen Instrumentarien der einzelnen Mitgliedsstaaten - und damit auch das der Deutschen Bundesbank - wird somit nicht nur von internen Beschlüssen der einzelnen Parlamente bzw. Notenbanken abhängen, sondern könnte bald in zunehmenden Maße von politischen Entscheidungen, die in Brüssel gefallt werden, determiniert sein. Um die möglichen Auswirkungen einer stärkeren währungspolitischen Integration innerhalb der EG auf das Instrumentarium der Deutschen Bundesbank abschätzen zu können, sollen in einem ersten Schritt die wesentlichen Unterschiede der geldpolitischen Instrumentarien in den einzelnen EG-Mitgliedsstaaten ermittelt werden, um schließlich den Harmonisierungsbedarf- mit Schwerpunkt auf der bundesdeutschen Sicht- feststellen zu können.
II. Unterschiede zwischen den Notenbankinstrumentarien in den einzelnen EG-Mitgliedsstaaten 16
l. Die Mindestreservepolitik 17 Innerhalb der Europäischen Gemeinschaft bestehen hinsichtlich der Mindestreservepolitik zum Teil erhebliche Unterschiede. Dabei kann nach verschiedenen Ebenen differenziert werden: 13 Vgl. zur Position der Deutschen Bundesbank o.V. (1988d), S. l. Ob sich die Auffassung der Deutschen Bundesbank durchsetzen läßt, wird mit Skepsis beurteilt. Vgl. z. B. Maier, G. (1988a), S. 1. 14 Zu unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten vgl. Kleinheyer, N. (1987), S.l66ff. und S. 202ff. 15 Zu den Beschlüssen der Gipfelkonferenz vgl. o.V. (1988e), S. 2. 16 Eine Übersicht über die einzelnen Notenbankinstrumentarien gibt die OECD ( 1985), S. 103 ff. Für neuere Entwicklungen wurden die entsprechenden Jahresberichte der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und die - soweit in englischer oder französischer Sprache erhältlich - zuletzt erschienenen Geschäftsberichte der einzelnen HG-Notenbanken herangezogen.
II. Unterschiede zwischen den EG-Notenbankinstrumentarien
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a) die relative Bedeutung, die der Mindestreservepolitik in den einzelnen Ländern zukommt, b) die Frage der Verzinsung der Mindestreserven, c) der Kreis der mindestreservepflichtigen Institute, d) die Bemessungsgrundlage, e) die materielle Beschaffenheit der Mindestreserven. Zu a): Eine wichtige Rolle spielt die Mindestreservepolitik in der Bundesrepublik, in Spanien, Portugal, Frankreich, Griechenland, Irland und Italien. In diesen Ländern werden Mindestreservebestimmungen nicht nur durchgängig angewandt, sondern in den meisten Fällen darüber hinaus Variationen der Sätze gezielt zur Liquiditätssteuerung eingesetzt; internationalläßt sich ein Trend erkennen, daß " ... diese Sätze eine zentrale Rolle als Steuerungsvariable eingenommen (haben)". 18 In Belgien, den Niederlanden, Dänemark und Luxemburg spielen Mindestreservebestimmungen traditionell keine oder nur eine geringfügige Rolle; allerdings beschlossen die belgisehe Notenbank und das Finanzministerium im Jahre 1988, ein Mindestreservesystem für Banken einzuführen. 19 Auch in Großbritannien spielt die Mindestreservepolitik nur eine untergeordnete Rolle. 20 Zu b): In den meisten EG-Ländern werden die Mindestreserven nicht verzinst. Eine generelle Verzinsung wird lediglichin Griechenland und Irland gewährt. Zu c): Während in der Bundesrepublik, Italien, Griechenland und Irland im wesentlichen alle Kreditinstitute Mindestreserven bei der Notenbank halten müssen, sind in Frankreich auch die Finanzintermediäre betroffen; in Portugal gehören zu diesem Kreis nur die Depositenbanken, in Spanien zusätzlich noch die Finanzintermediäre. Zu d): Während in den meisten Ländern Mindestreserven bei der Notenbank in Form von Sichteinlagen und Bargeld gehalten werden müssen, werden in Frankreich nur Sichteinlagen akzeptiert, in Spanien zusätzlich auch Notenbankpapiere und in Griechenland neben Sichteinlagen auch bestimmte Wertpapiere, wie z. B. SchatzwechseL Zu e) Mindestreserven werden in den meisten Ländern auf den Bestand, nicht auf den Zuwachs der Einlagen erhoben. Bekanntlich wurden in der 17 Vgl. im folgenden- wenn nicht anders gekennzeichnet- OECD (1985), S. 200ff., S. 209 ff., S. 215 ff. Vgl. auch S. 103 ff. 18 Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (1986), S. 147. 19 Vgl. Bank flir Internationalen Zahlungsausgleich (1988), S. 174. 20 Da die Mindestreservepolitik in Belgien, den Niederlanden, Luxemburg, Dänemark und Großbritannien keine Rolle spielt, sollen diese Länder bei den folgenden Überlegungen nicht mehr berücksichtigt werden.
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C. Konsequenzen der währungspolitischen Integration in der EG
Bundesrepublik allerdings gelegentlich auch besondere Sätze auf den Zuwachs angewandt; dies gilt durchgängig von 1975 bis 1982 auch für Italien. In Griechenland und Frankreich werden die Mindestreserven zusätzlich nach der Höhe der Kredite errechnet. 2. Der Notenbankkredit 21 In fast allen EG-Ländern - lediglich Italien und Portugal bilden diesbezüglich Ausnahmen - haben die Kreditinstitute die Möglichkeit, sich direkt bei der Notenbank- sei es über die Einreichung von Wechseln oder Wertpapieren, sei es ohne eine Hinterlegung- in größerem Umfang zu refinanzieren. Wesentliche Unterschiede bestehen jedoch dahingehend, zu welchem Preis dies jeweils geschieht. Während sich der Bankensektor in Frankreich, Spanien, Irland und Großbritannien im wesentlichen nur zu marktnahen Konditionen refinanzieren kann, steht ihm - wie in der Bundesrepublik - auch in Dänemark und Belgien die Möglichkeit offen, in begrenztem Umfang Notenbankkredit zu Sätzen unterhalb der Marktzinsen in Anspruch zu nehmen. In Dänemark können die Banken darüber hinaus - wie in der Bundesrepublik - unbegrenzten Kredit zu höheren Sätzen bekommen. Die Niederlande nimmt insofern eine Zwischenstellung ein, als dort ein Teil der Refinanzierung zu Marktsätzen und ein anderer Teil zu darunter liegenden Sätzen abgewickelt wird. 3 . Die offenmarktpolitischen Instrumente 22 Im Rahmen der Offenmarktpolitik spielen die mit Rückkaufsvereinbarung versehenen Geschäfte nicht nur in der Bundesrepublik eine wichtige Rolle, sondern auch in Italien, Irland und Portugal und in jüngster Zeit auch in Frankreich. 23 Die traditionelle Offenmarktpolitik wird in einer ganzen Reihe von Ländern, nämlich in der Bundesrepublik, Frankreich, Griechenland, Italien und Großbritannien hauptsächlich mit Staatspapieren auf dem Sekundärmarkt betrieben. Der direkte Ankauf derartiger Papiere wird nur in Italien und Großbritannien in größerem Stil gepflegt. Auch der An- bzw. Verkauf von privaten Papieren spielt lediglich in Frankreich und Großbritannien eine größere Rolle. 21 22 23
Vgl. im folgenden OECD (1985), S. 134ff. Vgl. im folgenden- wenn nicht anders gekennzeichnet- OECD (1985), S. 144ff. Vgl. Banque de France (1988), S. 22 und S. A26 (statistischer Teil).
II. Unterschiede zwischen den EG-Notenbankinstrumentarien
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Bei allen Unterschieden hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung läßt sich international ein Trend erkennen, daß die Notenbanken vermehrt offenmarktpolitische Instrumente einsetzen. So denkt beispielsweise derzeit die holländische Zentralbank- mit dem Hinweis auf diese weltweite Entwicklung - über die Einführung eines neuen Offenmarktinstruments nach. 24 4. Andere Instrumente a) Die Kreditplafondierung2 5
Anders als in der Bundesrepublik ist die Kreditplafondierung in den meisten EG-Ländern ein Instrument, auf das immer wieder zurückgegriffen wurde. Dies gilt insbesondere für Frankreich, Italien, Belgien, Niederlande, Dänemark, Portugal und Irland. Allerdings zeichnet sich schon seit einer Reihe von Jahren die Tendenz ab, daß dieses Instrument an Bedeutung verliert. So wurden derartige Reglementierungen inzwischen in den Niederlanden, in Dänemark, Irland und vor kurzem auch in Frankreich und Belgien aufgehoben. 26 Das liegt hauptsächlich zum einen daran, daß konjunkturelle Überhitzungsphasen seltener geworden sind, und zum anderen, daß die Kreditplafondierung als Instrument zur Eindämmung der Kredit- bzw. Geldmengenexpansion durch die Internationalisierung der Finanzmärkte an Effektivität eingebüßt hat. 27 b) Zinsreglementierungen28
Die Geschichte der Zinsreglementierungen ist ähnlich der der Kreditbeschränkungen: In den 60er Jahren gab es derartige Regelungen in jedem EG-Land, während später eine Entwicklung einsetzte, die zu einem allmählichen Abbau führte. Allerdings konnten bisher nur wenige Länder- neben der Bundesrepublik nur Dänemark und Großbritannien- schon vor längerer Zeit eine völlige Abschaffung der Zinsreglementierungen durchsetzen; offensichtlich konnten sich sehr häufig die Nutznießer der Reglementierungen gegen die potentiellen Gewinner einer Deregulierung durchsetzen. Am Vgl. De Nederlandsche Bank (1988), S. 70f. Vgl. im folgenden- wenn nicht anders gekennzeichnet- OECD (1985), S. 121 ff. 26 Vgl. Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (1986), S. 145 f., (1987), S. 157 und (1988), s. 174. 27 Allerdings kann dieses Instrument auch anderen Zwecken dienen: Länder wie z. B. Italien ordneten Kreditsbeschränkungen an, um ausländisches Kapital in das Inland zu bringen; in diesem Fall erhöht sich die Effektivität dieses Instruments durch die zunehmende Globalisierung der internationalen Finanzmärkte. Vgl. OECD (1985), S. 127 f. 28 Vgl. im folgenden OECD (1985), S. 129ff. 24
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7 Beckh
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C. Konsequenzen der währungspolitischen Integration in der EG
bedeutendsten dürften heute die Zinsbeschränkungen in Griechenland und Portugal sein. c) Pflicht der
Wertpapierhaltun~9
Nur noch in wenigen Ländern - in Griechenland, Portugal und Spanien- wird den Banken vorgeschrieben, daß sie einen bestimmten Teil ihres Portefeuilles oder einen Teil dessen Zuwachses in bestimmte Wertpapiere anlegen. Dies dient zum einen der erleichterten Unterbringung bestimmter Papiere; in der Regel soll damit die Finanzierung der Staatsverschuldung gesichert werden. Zum anderen wirkt sich dies auch beschränkend auf die Kreditvergabe an den privaten Sektor als alternative Verwendungsmöglichkeit aus.
111. Der instrumentelle Harmonisierungsbedarf innerhalb der Europäischen Gemeinschaft: Konsequenzen für das Instrumentarium der Deutschen Bundesbank
1. Option 1: Die Errichtung eines FinanzBinnenmarkts a) Die Mindestreservepolitik Wenn sich eine völlige Liberalisierung der Kapitalmärkte innerhalb der Europäischen Gemeinschaft durchgesetzt haben wird, mit anderen Worten, wenn von einem Finanz-Binnenmarkt in Europa gesprochen werden kann, wird eine Harmonisierung der Mindestreservepolitik wohl unausweichlich sein. Denn unterschiedliche Mindestreservebestimmungen in den einzelnen Ländern würden bei Wegfall jeglicher Reglementierung noch mehr als bisher dazu führen, daß ein großer Teil der Bankgeschäfte in denjenigen Ländern abgewickelt wird, die keine Mindestreservepflicht kennen. Davon würde allerdings die Bundesrepublik am wenigsten betroffen sein, weil zwischen ihr und beispielsweise Luxemburg schon heute keine wesentlichen Reglementierungen existent sind; so spricht im Grunde wenig dafür, daß noch mehr Finanzgeschäfte als bisher in mindestreservefreien EG-Ländern anstatt in der Bundesrepublik abgewickelt würden. Kloten und Botinger geben aber zu bedenken, daß es bei fortschreitender Technik- unter weitgehender Abwicklung des Zahlungsverkehrs mittels Kreditkarten und Einsatz von POSTerminals sowie BTX-Systemen - vorstellbar wäre, daß die Banken von 29
Vgl. OECD (1985), S. 115 ff.
111. Der instrumentelle Harmonisierungsbedarf innerhalb der EG
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wenigen Ländern aus alle Arten von Finanzdienstleistungen für den gesamten EG-Raum anbieten könnten; 30 damit würde aber den Notenbanken die Kontrolle der Geldmenge in den einzelnen Ländern erheblich erschwert, wenn nicht sogar völlig unmöglich gemacht. Davon wäre dann auch die Bundesrepublik betroffen. Um derartige Fehlentwicklungen zu vermeiden, gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder eine Angleichung der Mindestreservebestimmungen oder eine generelle Abschaffung der Mindestreservepflicht. Es ist zu erwarten, daß diejenigen Ländern, in denen dieses Instrument keine oder zumindest eine untergeordnete Rolle spielt, für die Abschaffung plädieren werden; andere Länder wie die Bundesrepublik werden sich hingegen für eine Angleichung der Mindestreservebestimmungen einsetzen. Es ist sehr fraglich, ob sich letztere durchsetzen werden. Denn zum einen sind sie in der Minderheit, zum anderen läßt sich für die Abschaffung das gewichtige Argument der Wettbewerbsfahigkeit auf dem Weltmarkt anführen. Denn der EG-Binnenmarkt könnte letztlich nur dann eine wirkliche Konkurrenz für die Off-Shore-Zentren und den großen Finanzmarkt der USA sein, wenn er mindestreservefrei wäre; dies würde zumindest eine elegantere Lösung darstellen, als sie die USA und Japan mit Finanz-Freihäfen gewählt haben. Insofern scheint es notwendig zu sein, Überlegungen dahingehend anzustellen, welche Probleme für die Bundesrepublik mit einer Abschaffung der Mindestreservepflicht verbunden wären. Denn zum einen würde die Bundesbank einen geldpolitischen Hebel verlieren. Sie könnte dann nur noch über das Bargeld Einfluß auf die Giralgeldschöpfung der Banken nehmen. Nun wäre zunächst vorstellbar, daß gerade eine Aufhebung der Mindestreservepflicht für die Banken einen Anreiz bieten könnte, die von Kloten und Botinger angesprochene Entwicklung voranzutreiben, um sich über eine bargeldlose Gesellschaft von der Bundesbank unabhängig zu machen. Dies könnte der Bankensektor aber nur erreichen, wenn der gesamte Zahlungsverkehr ausschließlich über Kreditkarten oder Schecks laufen würde; damit ist aber sicherlich nicht zu rechnen. Solange Bargeld noch benötigt wird, ist der Kreditsektor auf die Notenbank angewiesen; so ist weniger das Niveau der Bargeldnachfrage ausschlaggebend, sondern die Tatsache allein. Allerdings könnte dies zu Steuerungsproblemen führen, wenn die Bargeldnachfrage unvorhergesehenen Schwankungen unterliegen würde. Es steht zumindest außer Frage, daß die Steuerung für die Bundesbank einfacher ist, wenn bei einem Anstieg der Einlagen automatisch ein vorhersehbarer Zentralbankgeldbedarf entsteht. Deshalb wäre die Bundesbank mehr als bisher auf Instrumente angewiesen, mit deren Hilfe sie schnell und gezielt eingreifen kann. 30
7'
Vgl. Kloten, N. I Bofinger, P. (1988), S. 284.
100
C. Konsequenzen der währungspolitischen Integration in der EG
Ebenso entfiele die Pufferfunktion der Mindestreserven. Auch daraus würde für die Bundesbank ein höherer Feinsteuerungsbedarf resultieren. Es bleibt noch zu überlegen, welche Konsequenzen sich aus dem Wegfall von Mindestreservesatzvariationen ergäben. Wie erörtert, eignen sie sich besonders zur Anzeige von Kurswechseln; hier bliebe der Bundesbank das schwerfälligere Instrument der Rediskontpolitik. Zum anderen können sie zur Kompensation lang anhaltender Devisenzuflüsse dienen; wie die jüngere Erfahrung zeigte, würde bei gleichbleibender Refinanzierungsstruktur in einem solchen Falle zukünftig der Bestand an Offenmarktpapieren so weit zurückgehen, daß dieses Instrument keine Bedeutung mehr hätte. Allerdings stellt sich hier die Frage, ob die Bundesbank auch weiterhin in größerem Stil Devisenmarktinterventionen - freiwillig oder gezwungenermaßen - vornehmen wird. Denn wenn man den momentanen Trend innerhalb der EG-Mitgliedsstaaten fortschreibt, so kann mit einer weiteren Harmonisierung der Wirtschaftspolitiken und damit mit einer tendenziellen Beruhigung der Wechselkursentwicklungen gerechnet werden. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, daß dies dazu genutzt werden wird, die Bandbreiten, in denen die Wechselkurse im Rahmen des Europäischen Wechselkurssystems schwanken dürfen, zu verkleinern oder gar zu beseitigen; dies würde- in der ersten Zeit- wieder mehr Interventionen notwendig machen. Zum anderen bleibt das Problem eines über- oder unterschießenden US-Dollar-Wechselkurses, das ein Eingreifen der Bundesbank weiterhin erfordern könnte. Es spricht zumindest nichts eindeutig dagegen, daß es auch zukünftig derartige Turbulenzen auf diesem Devisenmarkt geben wird. Dann aber wird die Notenbank schon allein deshalb intervenieren (müssen), um die bilateralen Kurse zwischen der Bundesrepublik und den anderen EWS-Mitgliedsstaaten zu stabilisieren. Unter diesen Aspekten wäre es ratsam, die Wertpapierpensionsgeschäfte weiter auszubauen, damit die Bundesbank im Notfall über eine höhere restriktive Schlagkraft verfügen könnte. Denn schon heute reicht das Volumen der Wertpapierpensionsgeschäfte nicht aus, um massive Devisenzuflüsse zu kompensieren, ohne daß dieses Instrument nicht quantitativ unbedeutend wird; in Zukunft wäre dieses Problem insofern noch größer, als die absolute Höhe der Forderungen der Bundesbank aus solchen reversiblen Offenmarktgeschäften bei gleichbleibender Refinanzierungsstruktur niedriger liegen müßte als bisher. Damit würde allerdings eine Entwicklung vorangetrieben, die sich heute schon abzeichnet: Die Offenmarktpolitik würde noch mehr als bisher in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt, was gerade die zinspolitische Flexibilität weiter einschränken würde. Die Bundesbank müßte deshalb verstärkt Feinsteuerungsinstrumente einsetzen, um die kurzfristige Liquiditätsversorgung zu steuern. Wenn aber beispielsweise Devisenzuflüsse einen
III. Der instrumentelle Harmonisierungsbedarf innerhalb der LG
10 1
solchen Umfang erreichen würden, daß sie mit Feinsteuerungsinstrumenten nicht mehr zu bewältigen sind und die Bundesbank deshalb die Wertpapierpensionsgeschäfte massiv zurückfahren müßte, könnte eine entsprechende Informationspolitik eine Mißinterpretation verhindern. Die Offenmarktpolitik würde mehr als bisher zu einem Instrument der Dauerrefinanzierung. Andererseits könnte die Bundesbank gerade aufgrund der dann erhöhten Signalwirkung der Wertpapierpensionsgeschäfte auf die Mindestreservepolitik verzichten, ohne auf das schwerfällige Instrument der Rediskontpolitik zurückgreifen zu müssen. Die Ausführungen haben gezeigt, daß eine mögliche Abschaffung der Mindestreservepflicht eine Veränderung der Refinanzierungsstruktur im Sinne einer weiteren Verlagerung zur Offenmarktkomponente mit sich bringen würde, wenn die Bundesbank keine Effizienzverluste hinnehmen wollte. Außerdem käme den Feinsteuerungsintrumenten eine noch bedeutendere Rolle zu als bisher. Unabhängig von diesen Überlegungen soll im folgenden untersucht werden, ob auch die Refinanzierungspolitik in einem EG-Binnenmarkt harmonisiert werden muß bzw. sollte. b) Die Refinanzierungspolitik i. w. S. In einem EG-Binnenmarkt wäre es grundsätzlich gleichgültig, auf welchem Wege sich die Banken bei der jeweiligen Notenbank refinanzieren können, solange dies zu marktnahen Konditionen geschieht. 31 Dann wäre auch die Frage unerheblich, ob es den Banken gestattet werden sollte, sich bei anderen Notenbanken im EG-Raum refinanzieren zu können. Problematisch wird es erst, wenn einzelne Notenbanken einen Refinanzierungsweg zu Konditionen anbieten, die unterhalb der Marktsätze liegen. Denn im Grunde gilt in einem EG-Binnenmarkt für jedes Instrument mit Subventionierungscharakter dasselbe wie für ein tendenziell diskriminierendes Instrument wie die Mindestreservepolitik, wenn es nicht in jedem Land ·anzutreffen ist: Das Vorhandensein führt tendenziell zu einer Fehlallokation. So gehört die Bundesrepublik zu den wenigen Ländern, die dem Kreditsektor über den Rediskontkredit eine Verschuldungsmöglichkeit unterhalb der Marktkonditionen gewährt. Dies würde sicherlich einen Störfaktor darstellen. Zu fragen bleibt allerdings, welche Konsequenzen sich aus einer Ausrichtung des Diskontsatzes an den Marktzinsen für die Steuerungsmöglichkeiten der Bundesbank ergeben würden. Um Effizienzverluste zu vermeiden, müßte 31
Unterstellt wird hierbei, daß alle Länder eine vergleichbare Geldpolitik betreiben.
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C. Konsequenzen der währungspolitischen Integration in der EG
der Rediskonkredit auf jeden Fall auch weiterhin quantitativ begrenzt werden. Der ursprüngliche Anlaß zu einer quantitativen Begrenzung des Rediskontkredits hing zwar hauptsächlich mit dem Subventionierungscharakter zusammen. Doch im Rahmen einer Geldmengensteuerung müßte diese Regelung beibehalten werden, weil die Bundesbank im anderen Falle die Initiative zur Zentralbankgeldschöpfung wieder mehr den Banken überließe; der Anreiz für die Banken, sich durch die Einreichung von Wechseln Zentralbankgeld zu besorgen, würde zwar nicht mehr in den günstigen Konditionen bestehen, aber in der quasi automatischen Rückgriffsmöglichkeit. Aber selbst wenn die Kontingentsregelung beibehalten würde, entstünde das Problem, daß sich eine expansive Phase unter dem Aufbau freier Liquiditätsreserven vollziehen würde. Denn die Banken würden nicht immer ihre Kontingente voll ausschöpfen, da der Kostenaspekt hinfällig ist. So würden sie ein vergrößertes Angebot zum Abschluß von Wertpapierpensionsgeschäften teilweise auch dazu nutzen, ihre bei der Bundesbank eingereichten Wechsel vorzeitig zurückzukaufen. Dadurch eröffneten sich für den Kreditsektor wieder Spielräume, zukünftig auf die Zentralbankgeldschöpfung vermehrt Einfluß nehmen zu können. Diese Überlegungen sprechen allerdings nicht unbedingt generell gegen die Einräumung einer Refinanzierungsmöglichkeit über Wechsel. Vielmehr müßte die Ausgestaltung verändert werden. So bietet sich beispielsweise an, die Wechselpensionsgeschäfte wieder aufleben zu lassen. In diesem Falle könnte die Bundesbank über die Menge, wie auch über die Laufzeit der Transaktionen bestimmen und hätte dadurch direkte Kontrollmöglichkeiten der Zentralbankgeldschöpfung. Diese Lösung scheint auf jeden Fall einer Fortführung der bisherigen Rediskontpolitik, nun aber zu Marktkonditionen, überlegen zu sein. Insgesamt würde allerdings eine stärkere Marktorientierung der Refinanzierung für die Bundesbank eine verringerte zinspolitische Einflußmöglichkeit bedeuten. Aber wie es sich schon bei den Wertpapierpensionsgeschäften gezeigt hat, ist es eine Frage der Gewöhnung, daß die Wirtschaftssubjekte auch in marginalen Änderungen der marktnahen Konditionen eine Signalwirkung sehen, was zu entsprechenden Wirkungen auf die monetäre Entwicklung führt. c) Andere Instrumente
Andere Instrumente, wie die Kreditplafondierung, Zinsreglementierung und die Pflicht zur Wertpapierhaltung, würden in einem EG-Binnenmarkt weitgehend obsolet werden; die Banken würden auf andere Länder ausweichen. So läßt sich schon heute -wie oben erwähnt- ein Trend erkennen,
111. Der instrumentelle Harmonisierungsbedarf innerhalb der EG
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daß solche Reglementierungen bei fortschreitender Internationalisierung der Finanzmärkte nach und nach abgebaut werden. Für die Bundesrepublik bestünde in dieser Hinsicht kein Harmonisierungsbedarf, da die Deutsche Bundesbank über solche Instrumente nicht verfügt. 2. Option 2: Die Gründung einer Europäischen Notenbank Da nach wie vor Unklarheit nicht nur darüber besteht, ob eine Europäische Notenbankjemals Wirklichkeit werden wird, sondern auch wie eine solche Zentralbank gegebenenfalls ausgestaltet sein wird, lassen sich nur in stark eingeschränktem Maße Schlußfolgerungen auf die geldpolitischen Instrumentarien ziehen. Allgemein könnte man vielleicht sagen, daß der Harmonisierungsbedarf um so weniger vom oben erörterten abweichen wird, je weniger Kompetenzen eine solche Notenbank erhalten wird. Denn hätte sie lediglich beratende Funktion, so müßten sich die geldpolitischen Instrumentarien nicht mehr ähneln als in einem EG-Binnenmarkt. Wenn man sich hingegen das andere Extrem vorstellt, das beispielsweise in einer Übertragung des bundesdeutschen Systems auf europäische Ebene bestehen könnte, dann müßten die Instrumentarien identisch sein; nur so könnte eine effiziente Steuerung des Geldmarktes ermöglicht werden. Denn es ist schlecht vorstellbar, daß ein Gremium in der Europäischen Notenbank -analog zum bundesdeutschen Zentralbankrat-den geldpolitischen Kurs bestimmt und dies in den einzelnen Staaten, die mit den Bundesländern vergleichbar wären, in unterschiedlichen Maßnahmen Niederschlag finden könnte. Konkrete Vorschläge, wie ein einheitliches Notenbankinstrumentarium auszusehen hätte, ließen sich nur bei detaillierter Prüfung der Beschaffenheit des finanziellen Sektors in den einzelnen Mitgliedsstaten erarbeiten. Darüber hinaus wird es auch bis zu einem gewissen Grad davon abhängen, auf welches geldpolitische Konzept sich die Staaten verständigen werden. Grob läßt sich jedoch sagen, daß oben angeführte Argumente auch hier weitestgehend Gültigkeit haben. Auch auf EG-Ebene müßte eine Entwicklung angestrebt werden, die sich in den 80er Jahren in vielen westlichen Industriestaaten abzeichnet: 32 Es sollten Instrumente dominieren, deren Einsatz in der Initiative der Notenbank liegt, wobei sie die Laufzeit variieren und - je nach geldpolitischem Konzept - die Menge oder den Preis bestimmen kann. Insofern könnte eine flexibel ausgestaltete Offenmarktpolitik, die sowohl zur 32
Vgl. hierzu Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (1986), S. 146ff.
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D. Fazit
Fein- als auch zur Grobsteuerung dienen könnte, das Herz eines zukünftig einheitlichen Notenbankinstrumentariums in der Europäischen Gemeinschaft bilden. Dies gilt- aus oben erörterten Gründen- um so mehr, wenn sich die Mitgliedsstaaten auf eine generelle Abschaffung der Mindestreservepolitik einigen würden.
D. Fazit Im Jahre 1979 hatte die Bundesbank eine Entwicklung im instrumentellen Bereich eingeleitet, die zukunftsweisend war. Im Verlauf der 80er Jahre gewannen kurzfristig reversible Instrumente, bei denen die Bundesbank Menge und Preis bestimmen kann, zunehmend an Bedeutung. Während sie zunächst nur der kurzfristigen Steuerung des Geldmarktes dienten, wurden die Wertpapierpensionsgeschäfte im Laufe der 80er Jahre ein Dauerrefinanzierungsinstrument. Die Auseinandersetzung mit möglichen Entwicklungsperspektiven des Notenbankinstrumentariums hat deutlich gemacht, daß die Bundesbank diese Entwicklung weiter vorantreiben sollte. Insbesondere Wertpapierpensionsgeschäfte wären zu Lasten des traditionellen Rediskontkredits weiterhin auszubauen. Denn sowohl unter effizienz- wie auch unter wettbewerbspolitischen Gesichtspunkten schneiden diese Offenmarktgeschäfte besser ab als das traditionelle Refinanzierungsinstrument. So muß man sich zunächst fragen, warum die Bundesbank in den letzten drei Jahren eine weitere Verlagerung zur Offenmarktkomponente vermieden hat. Wie die Diskussion gezeigt hat, kann es wohl kaum ökonomische Gründe dafür geben. Vermutlich hängt es damit zusammen, daß eine weitere Verdrängung des Rediskontkredits zu einer wesentlichen Schwächung der Landeszentralbanken führen würde; denn diese sind hauptsächlich mit der aufwendigen Prüfung des Wechselmaterials beschäftigt. Es sprichtjedoch einiges dafür, daß sich die Bundesbank nicht mehr allzu lange gegen diese Entwicklung wehren sollte. Denn wenn man davon ausgeht, daß es in näherer Zukunft einen EG-Finanzbinnenmarkt geben wird, so muß damit gerechnet werden, daß sich die EG-Mitgliedsstaaten aus Gründen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit auf eine generelle Abschaffung der Mindestreservepflicht einigen werden. Ein Verzicht auf dieses traditionelle Grobsteuerungsinstrument müßte jedoch in der Bundesrepublik zu einer weiteren Verlagerung zur Offenmarktkomponente führen; die Diskussion hat gezeigt, daß anderenfalls mit Effizienzverlusten zu rechnen wäre. Ebenso müßten vermehrt Feinsteuerungsinstrumente eingesetzt werden, um einerseits die Pufferfunktion der Mindestreserven zu ersetzen und andererseits bei unvorhergesehenen Schwankungen der Bargeldnachfrage entsprechend eingreifen zu können.
D. Fazit
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Abgesehen von der Frage der zukünftigen Refinanzierungsstruktur sollte die Rediskontpolitik eine qualitative Veränderung erfahren. In einem EGBinnenmarkt müßte die Refinanzierung- um Fehlallokationen zu vermeiden - zu Marktkonditionen abgewickelt werden. Daraus würden aber bei der bisherigen Praxis über den dann nicht zu verhindernden Aufbau von freien Liquiditätsreserven Steuerungsprobleme für die Bundesbank resultieren; diese wären nur zu umgehen, wenn die Refinanzierung über Wechsel ausschließlich in Form von Pensionsgeschäften, bei denen die Bundesbank die Menge vorgeben kann, abgewickelt würde. Ob sich die EG-Mitgliedsstaaten jemals auf die Gründung einer europäischen Notenbank einigen werden, ist sicherlich noch ungewiß. Zumindest ist fraglich , ob eine solche Zentralbank mit ähnlichen Kompetenzen ausgestattet sein wird, wie sie jetzt jeweils die Notenbanken in den einzelnen Mitgliedsländern haben. Falls eine europäische Notenbank mit derartiger Machtausstattung jedoch Wirklichkeit werden würde, müßten die Instrumentarien in Europa einander angeglichen werden. Wenn nun die Bundesbank heute schon weitere Schritte unternehmen würde, um ihr Instrumentarium noch effzienter im obigen Sinne auszugestalten, so könnte sie eine Vorreiterposition übernehmen. So wäre zum Beispiel auch der Vorschlag zu prüfen, ob die Bundesbank Wertpapiere, die als Finanzinnovationen bezeichnet werden können, lombardfähig erklären und sie damit auch zur Grundlage von Wertpapierpensionsgeschäften machen sollte; 1• 2 damit würde die Bundesbank einen Anreiz für Finanzinnovationen im Inland bieten, was die internationale Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Finanzplätze stärken würde. Auch auf diesem Wege könnte die Bundesbank ihr Image einer modernen Notenbank noch weiter pflegen, was ihre Stimme in Europa - wenn es um gemeinsame instrumentelle Perspektiven geht - stärken könnte.
1 Der Vorschlag, innovative Wertpapiere möglicherweise lombardfahig zu machen, stammt von Francke. Vgl. Francke, H.-H. (1988), S. 273. 2 Zum Begriff der Finanzinnovationen vgl. Francke, H.-H. (1988), S. 264 ff.
Anhang Tab. 22a: <wickl.IIIVJ des Tagesgeldsatzes 1972 bis 1988
Zeit
1972 Juli August Sept. Okt. Nov. Dez.
1973 Jan. Febr. Kaerz
April
Kai Juni Juli August Sept. Oltt. Nov. Dez. 1974 Jan. Febr. Maerz April Kai Juni Juli August Sept . Okt. Nov. Dez. 1975 Jan. Febr. Kaerz
April Kai Juni Juli August Sept. Okt. Nov. Dez.
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D1rchschn.
in\ p.a.
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Ver~ rU~VJSrate
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