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German Pages 128 [130] Year 2016
Das Evangeliar der Äbtissin Hitda Eine ottonische Prachthandschrift aus Köln
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Das Evangeliar der Äbtissin Hitda Eine ottonische Prachthandschrift aus Köln Miniaturen, Bilder und Zierseiten aus der Handschrift 1640 der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt Mit einer Einleitung von Christoph Winterer
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; fi detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Sonderausgabe 2011 (2., unveränderte Aufl flage) © 2010 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Redaktion: Katrin Boskamp-Priever, Leipzig Layout und Prepress: schreiberVIS, Seeheim Umschlaggestaltung: schreiberVIS, Seeheim Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-24521-5 Die Buchhandelsausgabe erscheint beim Primus Verlag Umschlaggestaltung: Jutta Schneider, Frankfurt a. M. www.primusverlag.de ISBN 978-3-89678-763-7
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Inhalt Vorwort
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Einleitung: Das Evangelienbuch im Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Der Codex im Überblick: Geschichte, Gestalt, Text und Ausstattung
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Die Stifterin Hitda und die Blüte der ottonischen Damenstifte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die Bilder des Hitda-Codex zwischen Theologie und expressiver Malerei
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Theophanu und die Folgen: Die griechisch-lateinische Kultur und die Handschriften von St. Pantaleon zu Köln
„Dieses sichtbar Gebildete gibt jenem unsichtbaren Wahren Gestalt“: Das bildtheologische Gerüst des Hitda-Codex Der Eintritt Gottes in die Welt in den Bildern der Kindheitsgeschichte
Die Verbreitung und die Macht des Lichts: Die Evangelienszenen von Markus bis Johannes
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Literatur zum Hitda-Codex und seinem Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abbildungsnachweis
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Miniaturen, Bilder und Zierseiten
Verzeichnis der Abbildungen
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Vorwort Selten machen mittelalterliche Miniaturen heute noch einen so tiefen Eindruck auf ihre Betrachter wie diejenigen in dem gut eintausend Jahre alten Darmstädter Hitda-Codex. Das liegt, anders als bei vielen anderen Kunstwerken der Epoche, nur begrenzt an den wertvollen Materialien (obwohl reichlich Gold und Purpur erscheinen) und der sonst oft bewunderten Feinheit der Ausführung. Die Bilder dieses Evangeliars bestechen weit mehr durch eine kühne Farbgebung und durch Darstellungen von Raum, Atmosphäre und Architektur, die bewusst jeder realen Erfahrung zuwiderlaufen. Doch darf man dabei nicht übersehen, dass diese Züge der Miniaturen einer Absicht, einem Konzept dienen, dem auch andere Charakteristika wie die erzählerische Reduktion vieler Szenen und das „Non-Konformistische“ (Carl Nordenfalk) im Umgang mit der ikonografischen Tradition zu verdanken sind. Dieses Konzept ist theologisch und hängt eng mit der Welt seiner Entstehung, dem intellektuellen und künstlerischen Aufbruch im Köln des 10. Jahrhunderts und der damaligen Blüte der Damenstifte zusammen. Das vorliegende Buch soll deswegen nicht nur die Bilder des Codex in einer angemessenen Form zugänglich machen, sondern auch versuchen, sie in ihrem Kontext und als Umsetzung dieser Konzepte zu würdigen. Da diese nicht von der expressiven Leistung der Bilder zu trennen sind, kann das geschehen, ohne die künstlerische Seite zu negieren oder ganz in Text aufzulösen. Der Hitda-Codex ist schon oft in der kunsthistorischen Literatur behandelt worden. Die Zielsetzungen waren dabei lange Zeit erstaunlich stark auf kunsthistorische Fragen wie Datierung, Werkgruppenbildung und Bildquellen beschränkt. Als Beispiel sei die große, auch hier dankbar verwendete Studie von Peter Bloch und Hermann Schnitzler zur Kölner ottonischen Buchmalerei genannt. Doch in den letzten Jahren hat es mehrere hervorragende Anstrengungen gegeben, zum bild- und lichttheologischen und damit auch christologischen Gehalt der Bilder vorzustoßen und dabei sowohl die Bilder zum Sprechen zu bringen als auch die Beischriften auszuwerten. Ein Aufsatz von Rainer Warland und mehr noch die ausführliche Studie von Jeremia Kraus sind hier zu nennen. Den Weg gewiesen dafür hat aber sicherlich Walter Berschin, der zuerst von „Bildtheologie“ sprach und auf neuplatonische Elemente aus der Nachfolge des Pseudo-Dionysios Areopagita aufmerksam machte. Für Unterstützung bei der Herstellung dieser erklärenden Einleitung ist vielen Menschen und Institutionen zu danken. Zuerst zu danken ist der Besitzerin der Handschrift, der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt und dort der Handschriftenabteilung mit ihrer Leiterin, Frau Dr. Silvia Uhlemann. Dem Verlag ist zu danken, dass er diese neue Publikation der Bilder in Angriff genommen hat. Nicht zuletzt bin ich aber für den Rat von Kolleginnen und Kollegen dankbar, insbesondere für die wertvolle Unterstützung von Beatrice Kitzinger, Gabriele Klaucke, Dr. Margit Krenn und Dr. Thomas Labusiak. Noch ein Hinweis für die Benutzung: Folio-Angaben ohne zusätzliche Signatur beziehen sich immer auf den Hitda-Codex, Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt, Hs 1640. Auf Seite 123 sind die hier ab Seite 63 reproduzierten Seiten des Codex aufgelistet. Christoph Winterer, Mainz im Juli 2010
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Einleitung: Das Evangelienbuch im Mittelalter Das Evangeliar, das Buch der vier Evangelien, nimmt den höchsten Stellenwert unter allen mittelalterlichen Büchern ein. Als Handschriftentypus entstanden ist es in der Spätantike, ungefähr gleichzeitig mit dem Aufkommen des als Block aus Pergamentblättern gefertigten Codex. Idealerweise enthält es alle vier kanonischen Evangelien, nämlich die von Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. Hinzu kommen seit dem frühen 4. Jahrhundert die Kanontafeln oder Canones des Eusebios von Caesarea, die eine Konkordanz aller parallelen Evangelienstellen bieten sollen. Eusebios hat dafür die griechischen Evangelien in nummerierte Abschnitte unterteilt und die Nummern nebeneinandergestellt. In die lateinischen Evangeliare wurden die Canones recht bald übernommen und von angeblichen Briefen des Hieronymus erläutert. Insgesamt wurden gewöhnlich vier dem Hieronymus zugeschriebene allgemeine Vorreden den Evangeliaren beigegeben. Vor jedes Evangelium gehörte zudem noch eine weitere Vorrede, das sogenannte Argumentum, das aber sicher nicht von Hieronymus stammt, und ein kurzes Inhaltsverzeichnis, das Breviarium. Meist kam noch eine kalendarisch und nach besonderen Anlässen geordnete Liste der Festlesungen aus allen Evangelien, das Capitulare evangeliorum, hinzu, das den Codex erst liturgisch benutzbar machte. Da das Evangeliar das Wort Gottes enthält und Christus nach dem Prolog zum Johannes-Evangelium das Wort Gottes ist, repräsentiert jedes Exemplar dieses Buchs Christus selbst. Genauso wie auf Reliquien konnte darauf ein Eid abgelegt werden, als einer von ganz wenigen Gegenständen durfte es im Frühmittelalter auf dem Altar liegen, bei Prozessionen wurde es mitgetragen und bei Konzilien auf einen Thron gelegt. Als Verkörperung des Wortes Gottes ist das Evangeliar stets sorgfältig geschrieben, nicht selten mit Goldtinte und in Byzanz auch auf purpurgefärbtem Pergament, und besonders häufig ist es sowohl mit ornamentalem Schmuck und Bildern als auch mit einem wertvollen Einband versehen worden. Obwohl es schon ab dem 8. Jahrhundert im liturgischen Gebrauch Konkurrenz durch das kalendarisch organisierte Evangelistar oder Perikopenbuch und erst recht ab dem 11. Jahrhundert durch das umfassende Missale erhielt und immer seltener hergestellt wurde, blieb seine Wertschätzung ungebrochen. Die Buchmalereien bilden vor allem den königlichen Schmuck für das Evangelienbuch, sie sollen dabei aber auch den Status der Evangelien als kanonische Schriften und die Einheit der vier Evangelien herausstellen. Schon seit früher Zeit gehören deswegen Bilder der Evangelisten zur Ausstattung von Evangeliaren. Das griechischsprachige Evangeliar von Rossano enthält ein Evangelistenbild aus dem 6. Jahrhundert, das die Ikonografie fi zu einer Zeit dokumentiert, zu der sie sich noch in der Übergangsphase zwischen heidnischem Autorenbild und christlichem Bildtypus befand > 1 . Dargestellt ist der auf eine Rolle schreibende Evangelist Markus, dem eine Personifikatifi on – keine Muse mehr, sondern die heilige Weisheit – den Text diktiert. In Byzanz sollte in der Folge das Bild des Autors allein für die Authentizität seiner Schrift stehen, während die westlichen Evangelistenbilder schon im 6. Jahrhundert den Autoren die apokalyptischen Wesen Mensch, Löwe, Stier und Adler beigeben. Sie gelten als der Beleg der Vierzahl der Evangelienautoren, stehen aber auch für besondere Aspekte jedes einzelnen Evangeliums und die Inspiration durch Gott.
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1 Rossano, Duomo, o. S., fol. 121 r: Evangelistenbild Markus im spätanƟ Ɵken Rossano-Evangeliar
Ein zuverlässig in den Evangeliaren zu findendes Schmuckelement sind zudem die als prachtvolle Scheinarchitekturen gestalteten Kanontafeln. Verschiedene Typen bilden sich hier sehr früh aus. Große Bedeutung für ihre Gestalt kommt der karolingischen Renaissance zu, da damals eine vergleichsweise realistische Darstellungsweise der Architekturelemente wiederbelebt und verschiedene Typen neu durchgestaltet wurden. Beispiele, in denen beides zusammenfließt, bietet der Liuthard-Codex aus der Mitte des 9. Jahrhunderts mit den von marmorierten Säulen und Blattkapitellen getragenen Dreiecksgiebeln > 2 . Vielleicht gehören sie sogar zu den indirekten Vorbildern der Kanontafeln des Hitda-Codex (vgl. fol. 8 v und folgende). In westlichen Evangeliaren werden zudem unter dem Einfluss der insularen, d.h. irischen und angelsächsischen Buchmalerei Initialzierseiten an den Anfängen der vier Evangelien zu einem unerlässlichen Bestandteil der Ausstattung (vgl. fol. 25 r, 79 r, 119 r, 173 r; vgl. Abb. 9). Sie übersteigen bei weitem die ursprünglich textgliedernde Funktion von Initialen und betonen auf sehr augenfällige Weise die Würde des Textes. Spätestens ab dem 6. Jahrhunderts sind sowohl im Osten wie im Westen einzelne Evangeliare mit umfangreichen Bilderzyklen zum Leben Christi
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versehen worden. Da hier, anders als in Evangelistaren mit ihrer annähernd chronologischen Textabfolge vier Evangelien hintereinander das ganze Leben Christi beschreiben, lag eine durchgehende Illustrierung des ganzen Buches nicht nahe. Auch wenn das Sinope-Fragment (Paris, Bibliothèque nationale de France, Ms. suppl. gr. 1286) die Evangelienszenen an den Seitenfuß unter den Text setzte, schien deswegen im östlichen Mittelmeerraum eine Anordnung als Bildvorspann für das ganze Buch verbreiteter (Rabula-Codex: Florenz, Biblioteca Medicea-Laurenziana, Ms. Plut. I,56; Purpurevangeliar von Rossano, vgl. Abb. 1). Es ist auffällig, dass anscheinend von Anfang an neben vorwiegend erzählenden Evangelienbebilderungen theologisch aufgeladene Programme treten, bei denen die Episoden als Erfüllungen alttestamentlicher Prophezeiungen ausgewiesen werden. Im lateinischen Westen hingegen, wo die Initialseiten die Anfänge der vier Teilbücher so stark betonen, sind auch die Evangelienszenen lange Zeit in vier separaten Zyklen vor den Evangelien angeordnet worden. Sie kommen allerdings in vorkarolingischen und karolingischen Evangeliaren nur sehr selten vor. Nur zögerlich werden in der ottonischen Kunst Evangeliare mit Szenen illustriert, und zwar vor allem in Köln, Hildesheim und auf der
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2 Darmstadt, Universitäts- und Landesbibliothek, Hs 746, fol. 9 v – 10 r: Kanontafeln des spätkarolingischen Liuthard-Evangeliars
Reichenau. Erst die Echternacher Buchmalerei schafft mehrere opulent bebilderte Exemplare. Am Ende des 10. Jahrhunderts wird auf der Reichenau versucht, nach dem Vorbild der Evangelistare über das ganze Evangelienbuch verteilte chronologische Illustrationen zu schaffen. Die Anordnung der Bilder vor den Evangelienanfängen bleibt aber für die ottonische Kunstepoche die absolut dominierende Variante.
Der Codex im Überblick: Geschichte, Gestalt, Text und Ausstattung Gestiftet wurde der Darmstädter Codex nach Ausweis von Geschenkverzeichnis fol. Ir und Dedikationsbild fol. 5 v – 6 r von der Äbtissin Hitda, und zwar an das Damenstift St. Maria und Walburga im sauerländischen Meschede. Da Hitda anscheinend die Äbtissin von Meschede selbst war, muss ihre Regierungszeit in die Jahre zwischen 948 und 1042 fallen, in denen sonst kein Name einer Äbtissin für das Stift belegt ist. Noch um 1500 erfolgte ein Eintrag in die Handschrift, der eine weitere Benutzung in dem 1310 zum Kanonikerstift umgewandelten Meschede belegt. Von hier aus wurde der Codex in den Revolutionskriegen in die Abtei Wedinghausen bei Arnsberg gefl flüchtet, wo er im August 1803 lag, als sich dort der hessische Landgraf Ludwig X. in seiner kurzzeitigen Neuerwerbung Westfalen huldigen ließ. Bei dieser Gelegenheit, also schon Wochen vor der Aufhebung von Wedinghausen, wurde der Codex zusammen mit anderen Wertgegenständen an den Geheimen Rat Ludwig Minnigerode übergeben. Auf diesem Weg gelangte er in die Darmstädter Bibliothek, wo er die Signatur Hs 1640 trägt. Das Korpus der Handschrift umfasst ohne die beiden Schmutzblätter am Anfang und Ende 220 Blatt; da die Zählung erst auf dem zweiten Blatt begonnen wurde, endet sie allerdings auf dem letzten Blatt bei 219. Trotz 29,3 cm Höhe bei 21,6 cm Seitenbreite ist die Handschrift im Vergleich mit anderen liturgischen Codices der Ottonenzeit eher nur mittelgroß. Allerdings neigten die Kölner Malwerkstätten damals allgemein zu mittleren Formaten. Zum Vergleich: Das Mailänder Evangeliar misst sogar nur 23,1 × 16,8 cm, das Sakramentar von St. Gereon 27,0 × 19,7 cm. Das Manchester-Evangeliar mit seinen 24,0 × 19,3 cm mag hier prägend gewesen sein. Größer ist das (ältere) Evangeliar von St. Gereon, das mit 32,8 × 24,2 cm aber nicht an das vom Registrum-Meister illuminierte Evangeliar der Ste-Chapelle (Paris, Bibliothèque nationale de France, lat. 8851) mit seinen 38,5 × 28,7 cm herankommt. Das Korpus besteht aus 28 Lagen, von denen 19 noch unten auf der jeweils letzten Seite eine Signatur tragen, die vom ersten Bindevorgang her stammen dürfte. Die bebilderten Lagen vor den Evangelien waren dabei aber nicht nummeriert worden, wohl weil sie parallel zu den Textseiten hergestellt wurden. Die Lagen sind aus demselben Grund auffällig ungleichmäßig aufgebaut: die üblichen Quaternionen (IV Doppelblätter = 8 Blätter) herrschen zwar vor, werden aber gerade für die Zierseiten vor den Evangelien von Ternionen (= III Doppelblätter) abgelöst. Die Lagenformel sieht wie folgt aus: (III + 1)6 (das erste Blatt ungezählt, Bl. 5 ohne Gegenstück) + IV14 + II18 + (III + 1)25 (23 Einzelbl.) + 6 × IV73 + III79 + 3 × IV103 + V113 + III119 + 6 × IV167 + III173 + 4 × IV205 + II209 + V219 (die hochgestellte Ziffer bezeich-
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net immer die letzte Blattnummer der Lage, die römische Zahl steht für die Anzahl der Doppelblätter). Nachdem die Zierseiten den Textseiten eingefügt wurden, hätten die letzten Verso-Seiten im Anschluss an die Initialseiten fol. 79 r, 119 r und 173 r mit den Anschlussversen beschrieben werden müssen, doch unterblieb dies. Es ist dennoch anzunehmen, dass die Zusammenfügung an dem Ort geschah, an dem der Text geschrieben wurde, da die Anschlüsse fol. 25 v von der gleichen Hand wie der übrige Text ausgeführt wurden und weil in der ersten und letzten Lage Bild und Text nebeneinander erscheinen sowie fol. 19 r vor dem Titulus der Verkündigung von erster Hand beschrieben wurde. Die ursprüngliche Außenhülle des Hitda-Codex ist zu einem unbekannten Zeitpunkt komplett entfernt worden, sodass der Buchblock völlig ungeschützt zurückblieb. Im 19. Jahrhundert wurde dieser Buchblock in unzureichender Weise neu gebunden. Ein heller moderner Ganzledereinband wurde im Anschluss an die in den 1960er Jahren erfolgte Neubindung von Kurt Londenberg, Dozent an der Hamburger Hochschule für bildende Künste, entworfen und anscheinend 1969 fertiggestellt. Er ist auf beiden Seiten ganz mit einem Prägemuster aus einzelnen Quadraten übersät, die sich in der Mitte verdichten und durch die so entstandene Verzerrung eine geschwungene Kreuzform erkennen lassen. Der Hitda-Codex ist ein lateinisches Evangeliar. Den vier Evangelien sind zunächst fol. 1 r – 4 v drei der vier allgemeinen Vorreden vorangestellt, nämlich Novum opus, Sciendum etiam und Plures fuisse. Nach den ersten drei Bildern folgen fol. 8 v – 14 r die Kanontafeln. Hinzu kommen die besonderen Vorreden, die sogenannten Argumenta, und die Kapitelverzeichnisse, die Breviaria, die jeweils vor dem Bildvorspann jedes Evangeliums zu finden sind. Ganz am Ende folgt fol. 210 r – 218 v die liturgische Leseordnung der Evangelienabschnitte für den Jahreslauf, das Capitulare evangeliorum. Seit der Zeit um 1500 ist fol. 208 v – 209 v zwischen das Kreuzigungsbild und das Capitulare ein auf die Liturgie von Meschede bezogener Text nachgetragen, der Ordo seu consuetudo ecclesiae Meschedensis. Ebenfalls ein – wenn auch zeitnah – nachgetragener Text ist das Stiftungsverzeichnis der Äbtissin Hitda fol. I v. Woher der Evangelientext übernommen wurde, ist bisher nicht abschließend geklärt. Eine Auffälligkeit ist zumindest, dass die Vorrede Sciendum etiam hier genauso wie in dem karolingischen Evangeliar der Erzbischöflifl chen Diözesan- und Dombibliothek Köln, Dom Hs. 56, mit Sciendum tamen beginnt. Allerdings besitzt dieser in Freising entstandene Codex auch noch die vierte, im Hitda-Codex ausgelassene Vorrede. Geschrieben ist der Evangelientext in dunkler karolingischer Minuskel von wahrscheinlich einer Hand. Zwischenüberschriften, Seitentitel, Incipits und Explicits sowie die kleinen Textinitialen in der Initialspalte sind in zumeist goldener Unziale ausgeführt. Größere Titel, etwa für die Vorreden, sind in einer auf Unziale und Monumentalcapitalis basierten Goldmajuskel geschrieben. Auf jeder Textseite sind 25 Zeilen in einer Spalte für den Text vorbereitet. Der innere Schriftraum umfasst 18,3 × 11,4 cm, zu denen an der Außenseite des Blattes jeweils eine dreiteilige und an der Innenseite eine zweiteilige Initialspalte in der Breite von 0,7 + 2,3 + 0,6 cm und 0,4 + 1,9 + 0,7 cm hinzukommt. Die Bildseiten sind anscheinend nicht liniert, doch mit einer inneren Rahmung von ca. 17,5 × 10,5 versehen.
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Der Hitda-Codex besitzt eine zwölfteilige Folge von Kanontafeln (fol. 8 v – 14 r). Vier oder drei kleine Arkaden tragen jeweils ein breites, golden konturiertes Gebälk, das im Architrav den Seitentitel trägt. Die langgestreckten, marmorierten und goldgesprenkelten Säulen, die sich nach oben hin verjüngen, sind von schlichter Eleganz. Ein niedriger, recht breiter Stylobat aus hellem Purpur mit Goldbesatz dient den Säulen als Unterlage und unterstreicht die Leichtigkeit und den Höhenzug der Scheinarchitekturen. Die Dekoration ist sparsam und besteht nur aus dem einfachen goldenen Firstakroterion und den Blattkapitellen, die wegen ihrer bunten und unantikischen Ornamente etwas exzentrisch wirken. Nicht unwesentlich geprägt wird die Seitenwirkung schließlich von der Farbigkeit, die zwar mit Türkis, Rot, Violett, Blau und – selten – Ocker sowie den leuchtend orangerot umrandeten Goldfl flächen die Töne der Bilder übernimmt, doch durch die Kleinteiligkeit der Marmormuster und das viele sichtbare Pergament einen ganz anderen Eindruck erweckt. Die Säulenfarben einer Doppelseite sind gewöhnlich aufeinander abgestimmt, allerdings so, dass die inneren Farben mit den äußeren wechseln. Vor jedem Evangelium und immer im Anschluss an den jeweiligen Bildvorspann befinden sich eine doppelte Zierseite, die jeweils das Incipit oder Initium und mit einer Goldrankeninitiale den eigentlichen Evangelienanfang bietet (fol. 24 v – 25 r, 78 v – 79 r, 118 v – 119 r, 172 v – 173 r). Diese Seiten sind sehr aufwendig und breit gerahmt und wirken vor allem durch ihre Farben: Gewöhnlich bildet ein breiter, in leuchtendem Orangerot gehaltener Streifen den äußersten Rahmen, auf den mehrere weitere Leisten folgen, die überwiegend von Türkis und Gold, vor Johannes (fol. 172 v) aber von Violett und Blau und vor Markus (fol. 78 v) von Rosa neben Türkis dominiert werden. Die Leisten sind nur zum Teil in vegetabile Ornamentmuster aufgelöst, häufiger sind Abtönungen der Grundfarbe. Einige Seiten bieten eckige und runde Besätze auf den Mitten der Rahmungen. Dreimal sind darauf Kreuzornamente zu sehen (fol. 24 v, 118 v, 172 v). Auf der Initialzierseite von Matthäus (fol. 25 r) erscheinen in goldhinterlegten Goldmedaillons männliche Personifi fikationen der Kardinaltugenden und bei Johannes solche der um die „Karitas“ ergänzten theologischen Tugenden, die das Gotteslamm („AGNUS“) in der Mitte der Initialligatur IN umringen (fol. 173 r). Das auffällig kleine Innenfeld ist stets in einem Purpurton bemalt. Weitere Farbakzente kommen von den Initialen selbst, die mit den Farben Gold, Orangerot, Weiß und Hellblau starke Kontraste erzielen. Kein Rahmen entspricht dem anderen, aber zumindest bei der Verwendung von Eck- und Mittelbesätzen sind die Seiten, außer fol. 118 v – 119 r bei Lukas, aufeinander bezogen. Die Initialen sind durch den breiten Rahmen und das kleine Binnenfeld in ihrem Raum sehr beengt. Abgesehen von der Initialligatur IN fol. 79 r vermeiden sie aber ein weites Ausgreifen in den Rahmen. Das Q fol. 119 r ist mit dem Goldband der inneren Rahmenleiste verwoben. Die Buchstaben sind ganz aus orangerot gerandetem Goldband aufgebaut, das sich locker und übersichtlich verknotet und in vielfältigen und recht spitzen Ranken ausläuft. Es gibt eine Neigung, Goldbänder nicht strikt parallel zu führen, sondern mit leichter Biegung einander in der Mitte anzunähern. Flechtbandfüllung der Stämme kommt nicht mehr vor; an seine Stelle treten die beschriebenen Farben Hellblau und Weiß.
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Zudem leiten kleinere Goldrankeninitialen wie die fol. 1 r und 70 v die allgemeinen und die besonderen Vorreden ein. Außer einer allgemeinen Bildvorrede aus Dedikations-, Majestas-Dominiund Hieronymus-Bild enthält der Hitda-Codex vier Evangelistenbilder und insgesamt 15 annähernd chronologisch geordnete Evangelienszenen, von denen sich jeweils vier vor Matthäus und Lukas und drei vor Markus und Johannes befinden, eine weitere, die Kreuzigung, folgt auf das Johannes-Evangelium. Die Bildseiten sind im Hitda-Codex die am wenigsten aufwendig gerahmten Zierseiten. Gewöhnlich umgibt nur eine einzige Leiste ein Bild, die durch Ornamente als erhaben gekennzeichnet werden kann. Mit Ausnahme der drei ersten Evangelistenbilder (fol. 24 r, 78 r, 118 r) und des Bildes der Taufe (fol. 75 r), die orangerot gerahmt sind, wurden für die Rahmenleisten der Bilder zurückhaltende Farben ausgewählt. Die horizontalen Leisten sind zumeist anders gefärbt als die vertikalen Leisten. Alle Bildseiten werden von Schriftzierseiten begleitet, die immer den Bildseiten direkt gegenüberstehen. Mit einer Ausnahme nehmen die Texte das Verso, die Bilder das Recto ein. Nur bei Titulus und Bild der Kreuzigung ist die Reihenfolge vertauscht. Diese Seiten mit Tituli besitzen im Hitda-Codex aber auch einen hohen ästhetischen Stellenwert, da sie immer mit Goldtinte auf aufwendige Zierseiten geschrieben sind, deren Rahmungen denen der Initialseiten in nichts nachstehen. Ganz ungewöhnlich ist zudem, dass die Tituli in unterschiedlichen, teilweise sehr speziellen Schriftarten geschrieben worden sind. Für das Dedikationsbild etwa wird die gewöhnliche Minuskel am Zeilenanfang und beim Namen „HIDDA ABBATISSA“ von Capitalis rustica abgelöst (fol. 5 v). Noch bei zwei weiteren Tituli wird einfache Minuskel verwendet, nämlich fol. 22 r zur Darbringung und fol. 171 v vor dem Johannes-Porträt. Mehrfach, so fol. 20 v und 169 v, findet auch die Unziale Verwendung, die für solche Aufgaben im frühen Mittelalter oft eingesetzt wurde. Auf Initium-Seiten wie fol. 24 v und ausschließlich auf der Titulus-Seite für die Kreuzigung (fol. 208 r) wird eine Majuskel-Schriften verwendet, die auf der Unziale basiert, aber größer ist und Buchstaben einer Monumentalschrift einmischt. Besonders auffällig ist die Verwendung einer Urkundenschrift für die Tituli zu den Bildern der Majestas Domini, des hl. Hieronymus, zu allen Szenen vor Markus und einigen vor Lukas (fol. 6 v, 7 v, 74 v, 75 v, 76 v, 77 v, 113 v, 115 v, 116, 117 v).
Theophanu und die Folgen: Die griechisch-lateinische Kultur und die Handschriften von St. Pantaleon zu Köln Während das Damenstift Meschede aufgrund der Erwähnung der hl. Walburga und der Besitzgeschichte als Empfänger des Hitda-Codex bekannt ist, können Herstellungsort und -zeit nur aus Indizien erschlossen werden. Schon seit den ersten Zusammenstellungen von Arthur Haseloff wird allgemein angenommen, dass das Darmstädter Evangeliar im ottonischen Köln entstanden sei. Oft wird es als Produkt der „Kölner Malschule“ bezeichnet, doch ist das offensichtlich ein ungenauer und unbefriedigender Begriff, der über die Maler und Konzepteure verschiedener illuminierter Handschriften nur aussagt, dass sie stilistische Gestaltungsprinzipien teilten und Zugriff auf bestimmte gemeinsame Vorlagen hatten.
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Die Lokalisierung nach Köln ergibt sich vor allem aus der Häufung von Codices der künstlerischen „Schule“, die für Kölner Kirchen entstanden oder sich in deren Besitz befanden. Allein vier Handschriften waren im Besitz des Doms und befinden sich noch immer in der Erzbischöflichen Diözesan- und Dombibliothek (Dom Hs. 5, 45, 53, 114). Ein Evangeliar in dieser Bibliothek gehörte einst der Stiftskirche St. Maria ad Gradus (Diözesan Hs. 1a) und das Evangeliar für das Stift St. Hippolyt in Gerresheim befindet sich immer noch vor Ort. Die heute in Mailand aufbewahrte Evangelienhandschrift (Biblioteca Ambrosiana, C. 53 Sup.) lag jedenfalls lange im Kölner Raum; das Stift von St. Gereon besaß gleich zwei Evangeliare (Historisches Archiv der Stadt Köln, Best. 7010 Nr. 312, olim W 312; Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. Bibl. 2° 21) und ein Sakramentar (Paris, Bibliothèque nationale de France, lat. 817), das von St. Aposteln vielleicht ein Evangeliar (New York, Pierpont Morgan Library, M. 651). Aus den Benediktinerklöstern der Stadt, St. Pantaleon und Groß St. Martin sind keine Handschriften dieser Gruppe direkt überliefert, doch aus dem eng mit ihnen verbundenen Kloster St. Vitus in Gladbach kennen wir ein Sakramentar (Freiburg im Breisgau, Universitätsbibliothek, Cod. 360a) und Teile einer Bibel (Historisches Archiv der Stadt Köln, Best. 7010 Nr. 277, olim W 277). Leider ist die Dichte der überlieferten Dokumente aus dem Köln des 10. Jahrhunderts vergleichsweise gering, sodass das innere Leben und die Buch- und Kunstproduktion der einzelnen Stifte und Klöster der Stadt nur bruchstückhaft bekannt sind. Abgesehen von der bewundernswert gut erhaltenen Dombibliothek sind die Bibliotheken der Stadt nämlich in nachmittelalterlicher Zeit erheblich dezimiert worden. Bedauerlich ist das vor allem für die zweifellos einst wichtige Klosterbibliothek von St. Pantaleon, aus der besonders im frühen 18. Jahrhundert viele Bände nur wegen ihres Materialwerts zerteilt und dann verkauft worden sind. Leider fehlt bisher auch eine eingehende Untersuchung der Kölner Schriftentwicklung und damit ein verlässlicher Überblick über die wahrscheinlich unterschiedlichen Skriptorien vor Ort. Für das Benediktinerkloster St. Pantaleon sprechen aber die meisten Argumente, wenn man nach einem geistlichen Institut sucht, in dem zur Jahrtausendwende das Herz der Kölner Buchmalerei schlug. Auch Bloch und Schnitzler haben das in ihrer großen Übersichtsstudie so gesehen. St. Pantaleon, eine auf einem Hügel südlich der Stadtmauer gelegene Kirche, in der seit karolingischer Zeit Reliquien des griechischen Arztes und Heiligen Pantaleon verehrt wurden, war erst in den Jahren nach 955 von Erzbischof Brun zu einem Kloster ausgebaut worden. 964 erhielt es mit Christianus seinen ersten Abt, der aus dem Trierer Reformkloster St. Maximin hierhin berufen wurde. Brun, der Bruder Kaiser Ottos des Großen und wichtigster ottonenzeitlicher Bischof von Köln, wurde auf seinen Wunsch hin in der Abtei begraben. In seinem Testament reservierte er Geld zur Fertigstellung des Klosters und zur Vergrößerung der Kirche, die, nachdem es 966 auch noch zu einem Einsturz gekommen war, 980 neu geweiht werden konnte. St. Pantaleon blieb in den Jahrzehnten danach für die ottonische Herrscherfamilie und die Kölner Bischöfe eine der attraktivsten Kirchen. Erzbischof Gero (969 – 976) beschaffte 971 auf seiner Gesandtschaft nach Byzanz, bei der er die Hochzeit der griechischen Prinzessin Theophanu mit Otto II. aushan-
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3 Köln, Kölnisches Stadtmuseum, Graphische Sammlung, KupfersƟ Ɵch, o. Nr.: Lageplan des Klosters St. Pantaleon um 1630
delte, „den Leib des hl. Pantaleon“, also eine umfangreiche Reliquie von hohem Wert. Theophanu selbst erwirkte schon 976 beim Papst die Sondererlaubnis für den Abt von St. Pantaleon, Pontifikalkleidung zu tragen. In diesem Jahr feierte sie zusammen mit ihrem Mann, Kaiser Otto II., das Weihnachtsfest in Köln. Vor allem aber seit sie von 984/85 an für ihren Sohn Otto III. die Regentschaft führte, wandte sich Theophanu dem Pantaleon-Kloster zu, besorgte weitere Reliquien aus Rom und weilte von 985 bis 990 jedes Jahr mindestens einmal mit dem Hof in Köln. Hier feierte sie 986 und 988 das Weihnachtsfest, 988/89 überwinterte der Hof praktisch in Köln. Theophanu muss sich Pantaleon aus der griechischen Heimat, wo er als Hospitalpatron und „Großmartyrer“ in Byzanz Teil des Staatskults war, eng verbunden gefühlt haben. Es wird zurecht vermutet, dass Theophanu auch die treibende Kraft hinter dem Neubau des großen Westbaus war, der das Erscheinungsbild der Kirche von da an prägte > 3 und in veränderter Form noch immer prägt. Schließlich wurde die Kaiserin 991 nach ihrem Tod in Nimwegen sogar in der Klosterkirche begraben, zweifellos auf eigenen Wunsch. Diese Beziehung zur griechischen Kultur ist eines der Hauptargumente, die Kölner Buchmalerei mit dem Kloster St. Pantaleon zu verbinden: Ohne importierte griechische Malereien und ohne ungewöhnlich große Kenntnisse griechischer Theologie sind weder der Stil noch die intellektuellen Programme von Hitda-Codex und Sakramentar von St. Gereon denkbar. Der wahrscheinlichste Weg, auf dem solche Vorbilder und Kenntnisse vermittelt wurde, sind das Gefolge und die Schätze der Kaiserin. Wie das wohl in Süditalien entstandene Elfenbein mit Theophanu und Otto II. (vgl. Abb. 22) zeigt, wurden im Umfeld der Kaiserin byzantinische Kunstwerke als vorbildlich angesehen. Die Schätze, die Theophanu der „Malerschule“ zugänglich machte, müssen weder zahlreich noch großformatig gewesen sein. Im Katharinenkloster auf dem Sinai etwa ist eine Ikone von nur 49 × 36 cm Größe überliefert, die außer fünf Kopien von Marienikonen auch 36 Szenen aus dem Le-
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4 Köln, ErzbischöŇ Ňiche Diözesan- und Dombibliothek, Dom Hs. 143, fol. 3 v – 4 r: Everger-Epistolar, Erzbischof Everger biƩ Ʃet Petrus und Paulus um Fürsprache
ben Christi bietet. Diese sind im Übrigen oftmals gut mit den Miniaturen des Darmstädter Evangeliars vergleichbar. Zum Teil wurden vielleicht schon vorhandene Kenntnisse weiter vertieft, da schon der Klostergründer Brun nach Ausweis seiner Biografie Kenntnisse des Griechischen besessen hatte. Es ist zwar kein Griechenkloster auf deutschem Boden entstanden, aber doch ein Ort, an dem mehr an byzantinischer Kultur zu finden war als irgendwo sonst in Deutschland, ausgenommen vielleicht St. Gallen. Die ältesten bekannten Kölner Miniaturen unter byzantinischem Einfluss fl sind aber nicht für St. Pantaleon, sondern für den Dom geschaffen worden. Es handelt sich um ein zweiseitiges Dedikationsbild in einem Lektionar oder genauer Epistolar, auf dem Erzbischof Everger (985 – 999) die hll. Aposteln Petrus und Paulus um Beistand bittet > 4 . Das völlige Sichniederwerfen des Stifters ist zwar nicht mit der byzantinischen Proskynese identisch, doch die Gesichtstypen der Apostel und die hellen und malerisch mit vielen Lichthöhungen gestalteten Gewänder um die einigermaßen plastisch gestalteten Körper verraten den Versuch, Vorbilder der mittelbyzantinischen Kunst nachzuahmen. Selbst die Namensbeischriften der Apostel sind in griechischen Buchstaben geschrieben, wenn auch fehlerhaft. Es ist nicht auszuschließen, dass unter Everger am Dom ein Skriptorium bestand, das diese und die anderen zeitgenössischen Dom-Handschriften schrieb. Es spricht aber auch nichts dagegen, dass Handschriften für den Dom in St. Pantaleon hergestellt oder zumindest ausgemalt worden sind:
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5 Krakau, Jagellonische Bibliothek, lat. qu. 939 (aus Berlin, Staatsbibliothek), fol. 3 v: Froumund-Codex, Zeichnung der Sophia vor Boëthius
Die Kirche war 866 als Besitz des Domes aufgelistet worden, und die Bischöfe beanspruchten noch lange Jahrhunderte ein erhebliches Mitspracherecht in Fragen des Klosters. Vielleicht bestand aber auch nur enger Austausch zwischen zwei gleichzeitig tätigen Skriptorien. Einen wirklichen Beleg für eine Buchmalereitätigkeit in St. Pantaleon stellt jedoch erst ein bescheideneres Kunstwerk für einen viel geringeren Empfänger dar: Der wissbegierige Mönch Froumund von Tegernsee war vor 993 für eine längere Zeit Gast in dem Kölner Kloster, wo er theologische und wissenschaftliche Handschriften studieren und kopieren wollte. Der von ihm dort begonnene Codex mit De consolatione Philosophiae des Boëthius, der vor einiger Zeit in Krakau wiederentdeckt worden ist, zeigt auf seinem ersten Blatt ein Bild des antiken Autors, der beim Schreiben in seinem Gefängnis von der Personifikation fi der Weisheit getröstet wird > 5 . Diese Seite steht in vielem in westlicher Tradition, etwa was die Technik der kolorierten Zeichnung und die geringe räumliche Tiefe betrifft. Unzweifelhaft auf mittelbyzantinische Anregungen zu-
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6 Castelseprio, S. Maria foris portas, Wandmalerei mit der Magieranbetung
rückzuführen sind aber die Vorliebe für die geschlossenen Konturen, die glatt die Körper umschließenden Gewänder, die von langen, spitz umbrechenden Gewandzipfeln kontrastiert werden, und schließlich die individualisierten Gesichter. Die Wandmalereien byzantinischer Maler in Castelseprio > 6 , die am sinnvollsten mit Kurt Weitzmann in die erste Hälfte des 10. Jahrhunderts zu datieren sind, zeigen die beschriebenen Züge ganz ähnlich. Wie um den Zusammenhang mit der griechischen Kultur zu bestätigen, hat Froumund auf der Seite mit dem Boëthius-Bild fleißig die dort stehenden griechischen Wörter auf Lateinisch oder Deutsch glossiert. Aber damit nicht genug: Der Tegernseer Benediktiner begann nämlich nach eigenem Bekunden, in St. Pantaleon eine griechische Grammatik zu kopieren oder zusammenzustellen, die sich in der Wiener Nationalbibliothek erhalten hat > 7 . Das ist der am weitesten gehende Versuch eines Griechisch-Handbuchs im ottonischen Westen, der wohl nur dank der in dem jungen Kloster vorhandenen griechischen Materialien möglich war. Einen Hinweis auf einen direkten Kontakt mit Byzantinern enthält es nach Einschätzung von Walter Berschin jedoch nicht.
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7 Wien, Österreichische NaƟ Ɵonalbibliothek, Cod. 114, fol. 14 r: Seite aus der griechischen GrammaƟ Ɵk des Froumund von Tegernsee
Doch noch eine ganz andere Vorbedingung der „Kölner Malerschule“ ist so eng mit Theophanu verbunden, dass man zuallererst an St. Pantaleon als den Ort denkt, von dem diese Malereikunst ausstrahlen konnte. Weder die Kölner noch irgendwelche anderen ottonischen Maler haben nämlich für ihre Goldrankeninitialen die Vorbilder aus byzantinischen Handschriften nehmen können. In Köln rezipierte man ab dem Everger-Epistolar die weithin vorbildliche Initialkunst St. Gallens und der Reichenau, gab ihr jedoch einen durchaus eigenen Zug. Ab einem bestimmten Zeitpunkt wurden dann aber alle Kanontafeln und die meisten Zierseiten, insbesondere diejenigen mit den Initialen an den Evangelienanfängen nach Vorbildern gestaltet, die von der Hand des größten Buchmalers der Epoche, des Meisters des Registrum Gregorii stammten. Dieser Meister, der vor allem für Erzbischof Egbert von Trier (977 – 993) gearbeitet hat und nach einem für diesen illustrierten Register der Gregor-Briefe benannt wird, hat für Köln zumindest das heute in der John Rylands University Library in Manchester befindliche Evangeliar Lat. Ms. 98 geschaffen. Dieser Handschrift fehlen heute leider die Evangelistenbilder, die anscheinend aber in einzelnen Kölner Bildern kopiert worden sind.
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8 Manchester, John Rylands University Library, Lat. Ms. 98, fol. 10 v – 11 r: Kanontafeln des Manchester-Evangeliars
Die Kanontafeln und die Zierseiten gehören jedenfalls zu den direkten Vorbildern des Hitda-Codex (fol. 25 r, 79 r, 119 r, 173 r). Als Besonderheit der Kanontafeln > 8 kann die Verbindung einer Arkadenreihe mit einem flachen fl Giebel gelten (fol. 10 v – 14 v). Für den Giebel und die Säulen wurden wohl spätkarolingische Modelle verarbeiten (vgl. Abb. 2), doch die zusätzlichen Bögen sind in der karolingischen (und antiken) Kunst noch unbekannt und eine typisch ottonische Hinzufügung. Bemerkenswert sind die halb verschatteten, sich nach oben verjüngenden Säulen in Darmstadt, die nicht auf das Manchester-Evangeliar zurückgehen, sondern entweder auf das Fuldaer Sakramentar des Kölner Domschatzes (Dom Hs. 88) oder das verlorene Fuldaer Sakramentar von St. Pantaleon. Die Incipit- und Initialzierseiten des Manchester-Evangeliars > 9 haben vor allem mit ihren opulenten Rahmungen aus mehreren, oft besatzverzierten Leisten auf das Erscheinungsbild des Hitda-Codex eingewirkt (vgl. fol. 24 v – 25 r, 78 v – 79 r, 118 v – 119 r, 172 v – 173 r). Die Enge der eigentlichen Initialfelder scheint dabei aber stärker auf die Initialkunst des Registrum-Meisters abgestimmt zu sein, bei der, anders als in der von ihr unbeeindruckten Kölner Malerei, dicht bis sehr dicht geflochtene Ranken aus den Buchstaben hervorgehen. Bezweifelt worden ist allerdings, dass das Manchester-Evangeliar die einzige Evangelienhandschrift des Registrum-Meisters war, die in Köln als Vorlage dienen konnte. Bloch und Schnitzler waren sich in diesem Punkt noch
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sicher, doch Rainer Kahsnitz und Ulrich Kuder halten es für möglich, dass schon ein älteres Evangeliar nach Köln gelangt war. Das wäre insofern von Bedeutung, als die Datierung der Kölner Handschriften der „malerischen Gruppe“ damit nicht mehr an den – selbst erheblich umstrittenen – Entstehungszeitpunkt des Trierer Evangeliars gebunden wäre. Allerdings wäre diese Lösung mit ebensovielen Fragezeichen behaftet wie der Versuch von Bloch und Schnitzler, die Anfänge dieser Hauptphase der Kölner Buchmalerei möglichst nach 996 anzusetzen. Die Frage der Datierung des Manchester-Evangeliars entzündet sich, außer an Problemen der Werkabfolge des Registrum-Meisters, an der Initialseite zu Matthäus (vgl. Abb. 9), wo in farbigen Medaillonbildnissen auf dem Rahmen vier Kaiser mit dem Namen Otto dargestellt sind. Weil es vor dem Hochmittelalter nur drei Kaiser dieses Namens gegeben hat, müssen mindestens zwei dieser Bildnisse denselben Kaiser darstellen. Wegen der annähernd identischen Inschriften und der übereinstimmenden Haarfarbe meinen ganz sicher die beiden Kaiser auf der horizontalen Achse eine einzige Person. Der Otto am oberen Rahmen wird in der Beischrift als „seligen Andenkens“ und damit als bereits verstorben gekennzeichnet. Da der vierte Kaiser durch die Haarfarbe und die Inschrift von den anderen unterschieden ist, liegt die Deutung nahe, dass hier wirklich alle drei Ottonen zu sehen sind, mit Vorliebe der regierende Kaiser Otto III. in der Horizontalen und in der Vertikalen sein Großvater und sein Vater Otto I. und II. Da Otto III. erst 996 zum Kaiser ge-
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9 Manchester, John Rylands University Library, Lat. Ms. 98, fol. 16 r: Manchester-Evangeliar, Zierseite mit LI-IniƟ Ɵalligatur
10 Köln, Historisches Archiv der Stadt, Best. 7010 Nr. 312 (olim: W 312), fol. 22 r: Evangeliar von St. Gereon, Ɵale Zierseite mit L-IniƟ
krönt wurde, müsste diese Deutung aber erhebliche Probleme für die Kölner Chronologie bringen, wo Indizien in zwei Handschriften der „malerischen Gruppe“ eine Entstehung noch in der Königszeit desselben Ottos (983 – 996) nahelegen: Im Evangeliar von St. Gereon sind es die bildgeschmückten Rahmenmedaillons auf der Zierseite zu Matthäus > 10 , die nach Ansicht von Kahsnitz und Kuder neben Otto III. seine Großmutter Adelheid und seine Mutter Theophanu zeigen könnten und wofür sie als späteste Datierung das Erreichen der Regierungsfähigkeit durch den jungen Otto 994 vorschlagen. Ist diese Datierung noch nicht zwingend, weil weder die Personen sicher zu identifi fizieren sind noch eine spätere Darstellung der Genannten ausgeschlossen werden kann, bringt das Sakramentar von St. Gereon > 11 und > 12 den scheinbaren Terminus post quem 996 für die Vorlage weit mehr ins Wanken: In dieser Messhandschrift wird nämlich ausdrücklich an einer Stelle „zusam-
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men mit unserem König Otto“ gebetet. Hierfür kommen nur die Jahre 983 bis 996 in Frage. Auch wenn er keine ausgesprochenen Zierseiten enthält, spricht schließlich auch Froumunds Boëthius-Codex für eine entwickelte Malerei schon vor 993. Vielleicht kommt man einem Ergebnis nahe, wenn man überlegt, wer als Auftraggeber oder Vermittler für das Trierer Evangeliar in Frage kommt. Zwar bestanden schon von den Anfängen St. Pantaleons an Beziehungen zur großen Reichsabtei St. Maximin in Trier, einem möglichen Wirkungsort des Registrum-Meisters, doch ist für die Luxushandschrift mit den Kaiserbildern zuallererst an Erzbischof Egbert und Theophanu zu denken: an die Kaiserin, weil sie die Mittel für diese Stiftung besaß und besonders verpflichfl tet war, für das kirchliche Gedenken an die toten und lebenden Herrscher aus dem ottonischen Haus zu sorgen (was mit ihren Erinnerungsbildern am
Paris, Bibliothèque naƟ Ɵonale de France, ms. lat. 817, fol. 12 r: Sakramentar von St. Gereon, Verkündigung an Maria 11
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12 Paris, Bibliothèque naƟ Ɵonale de France, ms. lat. 817, fol. 59 r: Sakramentar von St. Gereon, Kreuzigung
Beginn der Evangelien bewerkstelligt würde); an den Trierer Bischof, weil der Registrum-Meister für ihn arbeitete und er mit einer solchen, vielleicht erst einmal an den Hof gegangenen Stiftung seine Loyalität gegenüber dem Herrscherhaus ausdrücken konnte. Es bleibt (wie andere Thesen auch) unbeweisbar, aber es wäre historisch plausibel und fügte sich in den Rahmen der Werkchronologie des Registrum-Meisters, wenn das Manchester-Evangeliar zu Lebzeiten der 991 verstorbene Kaiserin nach Köln gelangt wäre. Eine Gelegenheit dafür wäre zum Beispiel die Privilegienbestätigung gewesen, die Egbert am 28. Dezember 988 in Köln von dem minderjährigen König erhielt. Gerade die Verbindung der Herrscherbilder mit dem Anfang von Matthäus, aus dem die Evangelienlesung an Heiligabend genommen wird (Mt 1,18 – 21), würde auch zur Weihnachtszeit passen. Im Fall eines Geschenks
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durch Egbert können die Bilder Ottos III. in einem panegyrischen Vorgriff mit dem Kaisertitel beschriftet worden sein. Die Abfolge der Handschriften der Kölner Handschriften, die man einem Vorschlag Carl Nordenfalks folgend am besten in eine Frühgruppe um die Dom-Handschriften und in die „malerische Gruppe“ um Hitda-Codex und Sakramentar von St. Gereon unterteilt, wirft an einigen Stellen Probleme auf. Insbesondere die Stellung des (älteren) Evangeliars von St. Gereon (vgl. Abb. 10) ist nicht ganz klar, da es einige Auffälligkeiten aufweist. Solche Fragen können an dieser Stelle aber nicht diskutiert werden. Wichtiger für den HitdaCodex ist, dass das Sakramentar von St. Gereon und das Mailänder Evangeliar eine eng verbundene Untergruppe bilden. Das nach Paris gelangte Sakramentar (vgl. Abb. 11 und 12), das mit dem Terminus ante quem 996 den zeitlichen Ankerpunkt dieser Handschriften bildet, scheint von denselben beiden Malern ausgeschmückt worden zu sein wie der Mailänder Codex > 13 . Stilistisch erscheinen in diesen zwei Handschriften die Figuren meist etwas rundplastischer als im Hitda-Codex, sie sind weniger malerisch und dafür stärker durch Konturen und Binnenkonturen gestaltet, und vor allem wirken sie in den szenischen Darstellungen kleiner im Verhältnis zur Bildfläche. fl Möglicherweise von derselben, zumindest einer ähnlich arbeitenden Hand wie der Hitda-Codex ist das Gießener Evangeliar > 14 , das aber stilistisch den beiden anderen Handschriften noch nähersteht. Als Bindeglied zwischen Hitda-Codex auf der einen Seite und Sakramentar und Mailänder Evangeliar
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13 Mailand, Biblioteca Ambrosiana, C. 53 Sup., fol. 2 v – 3 r: Mailänder Evangeliar, DedikaƟ Ɵon an einen unbekannten Geistlichen
14 Gießen, Universitätsbibliothek, Cod. 660, fol. 2 v: Gießener Evangeliar, Hieronymus und Schreiber
auf der anderen Seite zeigt es, dass für die Entstehung der „malerischen Gruppe“ kaum mehr als ein Jahrzehnt angenommen werden kann. Auch die Zierseiten bieten keine Anhaltspunkte für das Gegenteil. Aus diesem Gesichtswinkel liegt nur eine Datierung des Hitda-Codex in die ersten fünf Jahre nach 1000 nahe, die allerdings im Augenblick weder durch eine Schriftuntersuchung noch durch historische Dokumente abgesichert werden kann. Konzeptionell bietet das Sakramentar, obwohl es einem anderen Handschriftentypus angehört, gewisse Parallelen zu dem Darmstädter Evangeliar. So besitzt es mit sieben Evangelienszenen (in acht Miniaturen) und den Bildern der Majestas Domini und des hl. Gregors den größten Bildzyklus der Kölner Buchmalerei nach diesem. Mehrere Miniaturen, insbesondere die mit der Verkündigung (vgl. Abb. 11; vgl. fol. 20 r) und der Kreuzigung
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(vgl. Abb. 12; vgl. fol. 207 v), wohl auch die mit der Geburt Christi, verarbeiten deutlich dieselben Vorlagen wie das Hitda-Evangeliar (fol. 10 r). Obwohl chronologisch angeordnet, bietet diese Bildfolge aber keinen Zyklus mit dem Christus-Leben, sondern einen wahrhaft „liturgischen“ Zyklus, wie er sich damals auch in Byzanz zu entwickeln begann: Das heißt, dass diese Bilder nicht eine Geschichte erzählen, sondern Abbilder von Heilstatsachen sein sollen. Deswegen stehen am Buchanfang die beiden Szenen der Inkarnation, im Canon Missae die Majestas als Gottesbild und später die Szenen ab dem Karfreitags- und Ostergeschehen. Dass ganz im Gegensatz zu Darmstadt alle Wunderszenen fehlen, ist deswegen ebenso einem bedachten Konzept zu verdanken wie die umgekehrte Entscheidung für den Hitda-Codex. Eine entscheidende konzeptionelle Übereinstimmung liegt in der Verwendung programmatischer Tituli, die den Bildseiten üblicherweise gegenübergestellt werden und die die Bilder nicht nur deuten, sondern in ihrer Gestalt mitbestimmen. Die Tituli sind damit selbst ein wesentliches Zeugnis für die intellektuelle Kultur Kölns und doch wohl gerade von St. Pantaleon. Walter Berschin, der zwar wegen der Ballung der Handschriften in St. Gereon eine Lokalisierung in dieses Stift bevorzugte, hat vor allem anhand des Pariser Sakramentars aufgezeigt, dass in Köln „das Genus des Titulus in singulärer Weise zur Bildtheologie entwickelt“ worden ist. In dieser und der Mailänder Handschrift sind die Tituli umständlicher formuliert und schwerer verständlich als im Hitda-Codex, wo man anscheinend auf größere Klarheit geachtet hat. Sie sind zudem deutlich länger; in Mailand füllen sie im Regelfall sogar zwei Seiten. Wie viel aber die Texte dieser Prachthandschriften noch über die Kenntnisse ihrer Verfasser und damit wohl auch über die Konzepteure der Bilder verraten, hat Berschin eindrucksvoll gezeigt: Nicht nur Elemente neuplatonischer Bildtheologie (die für den Hitda-Codex weiter unten noch erläutert werden) finden fi sich nämlich darin, sondern auch viele Neologismen mit Endungen wie -ivus, -iva, -ivum. Ähnliche Wortbildungen hatte in spätkarolingischer Zeit Johannes Scotus Eriugena in seiner Übersetzung des Pseudo-Dionysius Areopagita aus dem Griechischen verwendet. Dies ist ein kleiner Ersatz für den Umstand, dass sich in Köln bisher weder die griechischen Originalwerke noch Eriugena-Handschriften haben nachweisen lassen. Mailänder und Gießener Evangeliar geben insofern wichtige Vergleichsstücke zum Hitda-Codex ab, als sie demselben Handschriftentypus angehören. An ihnen wird deutlich, dass die übliche Ausstattung Kölner Evangeliare anspruchsvoll war, aber erheblich bescheidener als die des Hitda-Codex. Offensichtlich gehörten hier neben den Kanontafeln, Initialzierseiten und Evangelistenbildern auch die Bilder der Majestas Domini und des Bibelübersetzers Hieronymus (vgl. Abb. 14) zur Standardausmalung der Evangeliare. Sind die Majestas-Bilder noch relativ verbreitet, dürfen die Hieronymus-Bilder als eine besondere Kölner Tradition gelten, die schon bei einem karolingischen Evangeliar der Dombibliothek (Dom Hs. 14) erscheint. Abgerundet wurde die Ausstattung des Mailänder Evangeliars, außer durch die vielen Textzierseiten, durch ein mit Titulus versehenes Dedikationsbild (vgl. Abb. 13), auf dem ein unbekannter und schon mit einem Buch ausgestatteter Priester den Band erhält. Die Mönche (oder doch Stiftsherren?) in Alben und bodenlangen Kutten, die das Evangeliar übergeben, erscheinen als Gruppe
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und erinnern uns auch damit daran, dass der Hitda-Codex weniger als Produkt einer einzigen Künstlerperson, denn einer gelehrten und künstlerisch fruchtbaren Kultur entstanden sein dürfte.
Die Stifterin Hitda und die Blüte der ottonischen Damenstifte Im Dedikationsbild fol. 6 r des Darmstädter Evangeliars übergibt die Äbtissin Hitda der hl. Walburga den Codex. Im Verzeichnis ihrer Stiftungen für Meschede, das fol. Ir am Beginn der Handschrift nachgetragen wurde, nennt sie sich „die Fürsorgerin [[Procuratrix] dieses Ortes“, und die nun folgende lange Liste lässt ahnen, dass sie diese Umschreibung ihres Amts durchaus verdiente. Die zweifellos hochadelige, vielleicht dem Haus der Grafen von Werl, dem wahrscheinlichen Gründergeschlecht des Stifts entstammende Hitda versorgte ihre Kirche mit einem wahren Schatz. Aufgezählt werden unter anderem vier goldene, mit Edelsteinen oder Elfenbein besetzte (Vortrage-) Kreuze, ein Marienbild „aus Gold und Edelsteinen geschaffen“ und drei mit Edelmetall umkleidete Bücher, doch sind das nur die wertvollsten Stücke. Außer dem Hitda-Codex ist nichts davon erhalten. Der bloße Wert dieser Schenkungen, der ja an anderer Stelle Ressourcen entzog, lässt schon den Stellenwert erahnen, den die Damenstifte in der ottonischen Gesellschaft besaßen. Nimmt man diese geistlichen Institute insgesamt in den Blick, erkennt man schnell, dass sie damals in den Gebieten am Niederrhein und in Sachsen und Westfalen die größte Blüte ihrer Geschichte entfalteten. Die Liste der Stifte in diesem Gebiet ist lang und umfasst Einrichtungen mit zum Teil erheblicher weltlicher Macht wie Quedlinburg, Gandersheim, Essen, Herford, Vreden, Freckenhorst, Gernrode, Liesborn, Gerresheim, St. Maria im Kapitol in Köln und Eschwege. Mehrere Töchter aus dem ottonischen Königshaus sind als Kinder in Stifte gegeben worden, mit dem Ziel, als Äbtissinnen deren Leitung zu übernehmen. Die Königin Mathilde gründete nach dem Tod ihres Mannes das Stift Quedlinburg und betrieb dort an seinem Grab das Gebetsgedenken. Ihre Nichte Mathilde spielte als Äbtissin des Stifts eine wichtige politische Rolle zur Zeit von Otto II. und Otto III. Manche Damen aus dem Herrscherhaus hatten sogar gleichzeitig mehrere Stifte unter ihrer Leitung. Begonnen hatte der Aufstieg der norddeutschen Frauenstifte bereits mit der karolingischen Eroberung Sachsens, als schon gegen 800 Herford gegründet wurde. Das Stift im sauerländischen Meschede geht immerhin noch auf karolingische Zeit zurück und dürfte gegen 900 gegründet worden sein. Wahrscheinlich haben die Grafen von Werl damit wie andere sächsische und westfälische Geschlechter auch ein Hausstift gründen wollen, dass Fürbitte und Totenfürsorge übernahm. Die große Stiftskirche > 15 stammte aus den Anfängen des Stifts und stand zu Zeiten Hitdas noch. Vermutlich hatten die Sanktimonialen mehrere Orte, an denen sie in dem Bau ihr Stundengebet verrichten oder der Messe folgen konnten. Im Westen gab es jedenfalls eine große Empore und möglicherweise auch im südlichen Querhaus. Stollen erschlossen die Krypta für Pilger, die die Reliquien der hl. Walburga, der Stiftspatronin besuchen wollten.
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15 Meschede, spätkarolingische DamensƟŌ Ōskirche, QuerschniƩ durch das RekonstrukƟ Ɵonsmodell in Paderborn, ErzbischöŇŇiches Diözesanmuseum und Domschatzkammer
Die wertvollen liturgischen Gerätschaften, mit denen der Gottesdienst in einer solchen Kirche verziert wurde, sind nirgendwo in einer solchen Dichte erhalten geblieben wie in der Essener Stiftskirche, dem heutigen Essener Dom. Hier ist tatsächlich auch ein goldenes Marienbild, genauer eine vergoldete Marienstatue erhalten, die an Lichtmess sogar gekrönt wurde > 16 . Sie ist vermutlich ebenso eine Stiftung der Äbtissin Mathilde II. (971/73 – 1011) wie das wertvolle Gemmenkreuz, auf dem sie und ihr Bruder, Herzog Otto, in einer qualitätsvollen Emailarbeit dargestellt sind > 17 . Byzantinische Kunstwerke und Versatzstücke griechischer Kultur waren in den Stiften ebenso beliebt wie beim übrigen ottonischen Klerus. Oft waren das nur griechische Buchstaben in Handschriften oder Fremdwörter in Texten, die auch zeigen, dass wirkliche Kenntnisse der Sprache und der Objekte selten war. Besser war natürlich, wenn man in den Besitz echter byzantinischer Werke kam, etwa von Seidenstoffen oder den gar nicht so seltenen Elfenbeintafeln zeitgenössischer Produktion. Im einst herrschernahen Stift Quedlinburg wird noch immer ein besonders exquisites Stück aufbewahrt, das den im 13. Jahrhundert erneuerten Buchdeckel eines ottonischen Evangeliars ziert > 18 . Allerdings ergäbe es ein völlig falsches Bild, würde man die Bedeutung der Sanktimonialen nur an der Pracht ihrer Kirchenschätze messen. Wie kaum jemals wieder waren die Damenstifte in der Ottonenzeit auch Orte von Bildung und Frömmigkeit. Nicht zu unrecht wird Hrotsvith von Gandersheim zu den bedeutendsten und gelehrtesten Autoren des 10. Jahrhunderts gerechnet. Von ihr stammen nicht nur zwei versifizierte fi Geschichtswerke und die Dramen, die die Werke heidnischer Autoren ersetzen sollten, sondern auch eine Kurzfassung der Apokalypse. Die Stifterin der Darmstädter Handschrift bezeichnet sich nicht nur mit ihren Funktionen im Stift, sondern im Schenkungsverzeichnis auch ausdrücklich als „Pilgerin Hitda“. Inzwischen hat sich die Meinung von Ulrich
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Essen, Hohe Domkirche, Goldene Madonna 16
Kuder und Gerhard Walter weitgehend durchgesetzt, dass dies keine fromme Floskel ist, sondern ein Ehrentitel, den sie sich auf einer Pilgerfahrt ins Heilige Land erworben haben dürfte. Die Anzahl von solchen Pilgern unter den hochstehenden Personen war damals größer, als man heute vielleicht erwarten würde. Nicht zuletzt zeigen sich aber Frömmigkeit und Bildung in den Evangeliencodices, die von den Äbtissinnen solcher Stifte in Auftrag gegeben worden sind. Es sei eigens betont: Der Hitda-Codex ist die Kölner Handschrift mit dem mit Abstand anspruchsvollsten Bild- und Beischriftenprogramm. Dies kann nicht allein auf die Entscheidung von Malern in St. Pantaleon oder einem anderen Skriptorium zurückgehen, sondern muss auf Wunsch
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und selbst unter einer gewissen Beteiligung der Äbtissin geschehen sein, die ja schließlich für das Werk bezahlte. Das bedeutet aber auch, dass dem neuplatonischen Konzept des Evangeliars eine Rezeption im Stift gegenüberstand, die diesen Schatz auch nutzte. Aus den Klöstern kennen wir die von den Mönchen für sich, wenn auch manchmal im Austausch mit anderen durchgeführte Privatlektüre, die Lectio divina. Zu ihr gehört als Methode die Meditatio, bei der das Aufgenommene wiederholt und verinnerlicht und dann auf seinen weitergehenden Wert befragt wird. Vieles deutet darauf hin, dass die Praxis der Meditatio über die Texte hinaus auf Miniaturen in Handschriften und andere Bilder ausgedehnt wurde. Eine solche Meditatio dürfte auch in den ottonischen Damenstiften als Ideal gepfl flegt worden sein. Gerade Bildprogramme wie die des HitdaCodex müssen mit dem Gedanken an diese fromme Studienpraktik entwickelt worden sein, weil
17 Essen, Hohe Domkirche, OƩ Ʃo-Mathilden-Kreuz, Vorderseite
18 Quedlinburg, DomsƟŌ Ō, o. S., OƩ Ʃo-Adelheid-Evangeliar, byzanƟniƟ sches Elfenbein im Vorderdeckel
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19 München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 13601, fol. 1 v – 2 r: UotaEvangelistar, DedikaƟ Ɵon an Maria
sie dem Betrachter eine längere Beschäftigung mit den Gegenständen von Bild und Titulus und ein Bemühen um ein tiefergehendes Verständnis abverlangten. Dem steht erstaunlicherweise nicht entgegen, dass nach heutigem Eindruck der Benutzbarkeit von Prachthandschriften enge Grenzen gesetzt werden mussten. Als weiterer Beleg sowohl für die Meditatio über Miniaturen in Frauenkommunitäten als auch die wertvolle Ausschmückung von Büchern für solche Zwecke mag der Uota-Codex gelten, der gegen 1020 für das Regensburger Niedermünster geschaffen wurde. Dieses Perikopenbuch enthält das neben dem Hitda-Codex aufwendigste Bild- und Tituli-Programm der gesamten ottonischen Buchmalerei. Acht geometrisch unterteilte und mit viel Gold prachtvoll ausgestaltete Miniaturseiten sind hier paarweise zu
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Doppelseiten angeordnet. Auf der ersten Doppelseite > 19 ist links die Hand Gottes zu sehen, der sich auf der rechten Seite die thronende Gottesmuter und das Christuskind zuwenden; unten auf dieser Seite trägt die Stifterin, die Äbtissin Uota von Niedermünster, ihren Codex herbei. Auf allen Seiten deuten umfangreiche Bei- und Inschriften die Figuren theologisch-philosophisch aus. Im Uota-Codex kommt auf einer Seite in einer Beischrift sogar ausdrücklich das Verb meditarii vor. Mit der geometrischen Bildgestaltung mögen diese Miniaturen den erzählenden Evangelienbildern aus Köln diametral entgegenstehen, doch von ihrer idealen Benutzung her, als Gegenstand der Meditatio, stehen beide Prachthandschriften direkt nebeneinander.
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Die Bilder des Hitda-Codex zwischen Theologie und expressiver Malerei Der Hitda-Codex ist das einzige Kölner Evangeliar mit einer umfangreichen Folge von Szenen aus dem Leben Christi. Im Evangeliar von St. Gereon sind nur zwei unfertige Zeichnungen zu finden, die wahrscheinlich Stellen aus Lukas 14 illustrieren: zum einen die Heilung des Wassersüchtigen oder aber Jesu Forderung, die Armen und Kranken einzuladen, und zum anderen den Empfang der Bettler aus dem Gleichnis vom Gastmahl des Reichen. Mit dem Hitda-Codex haben sie wenig zu tun. Wie oben schon angesprochen, bietet nur das Sakramentar von St. Gereon noch eine vergleichbare, aber nur punktuell übereinstimmende Bebilderung (vgl. Abb. 11 – 12). Eine sehr umfangreiche christologische Bildfolge des weiter fortgeschrittenen 11. Jahrhunderts ist in Köln an der Holztür von St. Maria im Kapitol erhalten. Mit 24 bei aller Knappheit auch anekdotisch ausgeschmückten Ereignissen des Neuen Testaments bieten sie den am stärksten erzählerisch ausgerichteten Zyklus. Mit den Buchmalereien bestehen aber praktisch keine ikonografischen fi oder auch nur motivischen Berührungspunkte. Es ist also schon von dieser Seite her nicht anzunehmen, dass in dem Kölner Skriptorium, sei es nun in St. Pantaleon oder an einem anderen Ort angesiedelt gewesen, einfach 15 Evangelienszenen nebst Dedikations-, Majestas- und Hieronymusbild sowie vier Evangelistenbildern gedankenlos kopiert worden wären: Den einen Meisterzyklus hat es in Köln nicht gegeben. Auch die ikonografiegeschichtlichen Untersuchungen der Einzelszenen haben schon immer ergeben, dass für den Hitda-Codex karolingische oder spätantik-westliche und (in der Datierung schwerer bestimmbare) byzantinische Vorbilder vermischt oder nach Bedarf ausgewählt worden sind. Darüber hinaus haben selbst Bloch und Schnitzler anerkennen müssen, dass die Kompositionen der Bilder ganz wesentlich von den ihnen auf eigenen Blättern gegenübergestellten Beischriften, den Tituli bestimmt sind. Das ist eine in der frühmittelalterlichen Buchmalerei eher selten anzutreffende Situation, dass Text und Bild so eng miteinander verzahnt sind wie hier (und bereits zuvor im Sakramentar von St. Gereon). Die Tituli sind in der Tat der diskursive Teil eines anspruchsvollen theologischen Programms und werden deswegen hier bei der Besprechung der Bilder im Original und in einer neuen Übersetzung wiedergegeben. Wie erwähnt, sind die Titulus-Seiten selbst als Kunstwerke gestaltet. Der Umstand, dass manche von ihnen in Urkundenschrift beschrieben wurden, einer Schrift, die sonst fast nie in Handschriften zu finden ist, hat Anlass zu Überlegungen gegeben, diese Schrift solle das Dargestellte noch einmal extra beglaubigen. Das mag für die Bilder von Majestas Domini und Bibelübersetzer noch plausibel erscheinen, danach jedoch fehlt scheinbar jede Regel, nach der diese oder eine andere Schrift verwendet wird. Für die Vermittlung theologischer Aussagen werden in den Bildern des Hitda-Codex nicht allein die Ikonografien verwendet. Schon frühe Interpretatoren wie Elisabeth Schipperges haben auf die große Rolle hingewiesen, die hier Hintergründe, Achitekturen und Farbgestaltung spielen. In einem Codex, dessen Konzepte, wie wir sehen werden, massiv von der Lichtmetaphysik bestimmt wird, erscheint dies von großer Konsequenz. Tatsächlich
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erhalten die Miniaturen damit auch ein großes Ausmaß künstlerischer Autonomie: Die Miniaturen des Hitda-Codex verzaubern deswegen auch heute noch ihre Betrachter, weil ihre ungewöhnliche Kolorierung aus Blau, Purpur und Orange, die ergänzt wird durch weiße und goldene Höhungen, eine eigene, verfremdete Welt erschafft; bezeichnend ist der völlige Verzicht auf die sonst so beliebte Farbe Grün. Weiter gesteigert wird die expressive Wirkung durch die fast aberwitzig verbogenen Architekturteile und die mit ihnen verbundenen Atmosphärenphänomene. Die Szenen werden zudem oftmals auf einfache dialogartige Gegenüberstellungen reduziert. Nicht unerheblich zum Gesamteindruck tragen zudem die überlängten Figuren mit ihren individuellen, oft durchfurchten Gesichtern und ihren wach blickenden Augen bei, die in Köln aus byzantinischen und spätkarolingischen Vorbildern entwickelt worden sind: Sie sind in der Regel von glatten Konturen umschlossen, die von langgestreckten und eckigen Gewandteilen kontrastiert werden. Auffällig ist auch die betonte Schwere der Figuren, die aber auch plötzlich aufgehoben werden kann oder auf oder außerhalb des Bildrahmens abgestützt wird. „Dieses sichtbar Gebildete gibt jenem unsichtbaren Wahren Gestalt“: Das bildtheologische Gerüst des Hitda-Codex Weil sein mittelalterlicher Einband schon verloren war, als das Buch in den Besitz des Großherzogs von Hessen-Darmstadt gelangte, wissen wir nicht, welchen Eindruck einst das Äußere des Hitda-Codex vermittelte. Die Zierdeckel vieler frühmittelalterlicher Evangeliare sind mit Elfenbeinreliefs oder Goldtreibarbeiten geschmückt, an denen der theologische und liturgische Stellenwert des Evangelienbuches ablesbar war, und es gibt gute Gründe anzunehmen, dass das Darmstädter Evangeliar ursprünglich einen wertvollen Deckel besessen hat. Im Verzeichnis von Hitdas Stiftungen am Beginn der Handschrift selbst (fol. Iv) werden ein mit Gold und Edelsteinen und zwei mit Gold verzierte Bücher aufgeführt. Es ist unwahrscheinlich, dass nun gerade dieses Evangeliar als eine der am reichsten ausgestatteten ottonischen Handschriften unverziert blieb. Im Metallwert lag wohl dann auch das Motiv, den Einband zu einem späteren Zeitpunkt so radikal zu entfernen. Dass allerdings das Miniaturenprogramm der Handschrift einst noch durch Bilder auf dem Einband erweitert wurde, lässt sich, wenn nicht bestreiten, so doch bezweifeln. Denn tatsächlich besitzt der Hitda-Codex in den Bildern von Majestas Domini weit am Anfang (fol. 7 r) und Kreuzigung am Ende (fol. 207 v) eine Art „inneren Einband“, der die Evangelientexte umrahmt und dabei zwei Ikonografien aufnimmt, die, wie die Übersicht bei Frauke Steenbock zeigt, zu den häufigsten Themen auf Buchdeckeln gehörten. Dass dies so gemeint war, zeigt die Anordnung der Kreuzigung nach dem Schluss des Johannes-Evangeliums. Nicht nur, dass man innerhalb von Evangeliencodices fast nie zum Abschluss des Textes ein Bild findet, fi es ist auch das einzige Mal im ganzen Hitda-Codex, dass die Miniatur auf der Versoseite steht und ihr die Titulus-Seite nachfolgt. Indem die Reihenfolge hier vertauscht wurde, konnte das Evangeliar vom Kreuzigungsbild wie von einem Deckel abgeschlossen werden. Da Miniaturen mit erläuternden Texten und weiteren Bildseiten ergänzt werden können, ließ sich mit ihnen vielleicht sogar besser als mit jedem wirklichen Einbanddeckel verdeutlichen, wieso gerade Majestas Domini und
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Kreuzigung eine ideale Umrahmung des Evangeliums bilden. Die beiden Bilder vor und hinter der Majestas, die die Stifterin bei der Patronin (fol. 6 r) und den Bibelübersetzer Hieronymus (fol. 8 r) zeigen, erweitern und vertiefen jedenfalls noch das Programm des Hauptbildes. Auch die vier Bilder der Evangelisten, die im Band jeweils zwischen den Evangelienszenen und den Zierseiten mit dem Evangelienbeginn stehen und somit die „Außenseite“ ihres Buches bilden (fol. 24r, 78r, 118r, 172r), nehmen die Themen der umrahmenden Bilder auf und sollen deswegen ebenfalls an dieser Stelle besprochen werden. Wie wir sehen werden, sind zwar auch die scheinbar erzählerischen Szenen aus dem Leben Christi, von denen vor jedem Evangelium jeweils drei oder vier zu finden sind, von der im Dedikations-, Majestas- und Kreuzigungsbild angesprochenen Thematik durchdrungen; sie verweisen jedoch immer auf einen Teilbereich und bringen ihn mit anderen Mitteln zur Erscheinung als die überwiegend statischen Ikonografien der umrahmenden Bilder. Das Bild der Majestas Domini (fol. 7 r) zeigt die Erscheinung des Herrn nach den Vorbildern der apokalyptischen Schau des Johannes und vor allem nach der alttestamentlichen Vision des Ezechiel. Christus thront dabei zentral zwischen den vier Lebewesen Löwe, Adler, Stier und Mensch. Im HitdaCodex dient ihm ein einst dunkelblauer Thron in Form einer Acht als Sitz, der von einer sternenbesetzten und ebenfalls achtförmigen Mandorla umgeben ist. Es ist von großer Bedeutung, dass der hier Thronende für Christus steht und dass die vier Lebewesen der Gotteserscheinung zu Symbolen der vier Evangelisten geworden sind, die – wie längst üblich – Bücher tragen und (wenn auch fehlerhaft) mit den Namen der Evangelienautoren beschriftet sind. Denn Christus ist hier das schon vor aller Zeit existierende Wort Gottes, das nach dem Johannes-Evangelium schon „im Anfang war“. Dieses Wort, im Griechischen der Logos, ist sowohl das göttliche Gesetz im Sinne von Altem und Neuen Testament als auch die Vernunft und die alles durchwaltende Kraft Gottes. Christus ist als Logos auch Schöpfer und Erhalter der Welt. Ein Bild der Majestas Domini auf oder vor einem Evangeliar fasst also den Inhalt der vier folgenden Bücher in sich zusammen, weil es zeigt, dass hier das Gesetz enthalten ist, das Wort Gottes, das in seinem Ursprung mit Christus identisch ist und von den vier Evangelisten in Texte gefasst worden ist. Christus selbst ist das Evangeliar und er ist von göttlicher Natur. Die Ikonografie der Majestas Domini war vor allem um Mitte des 9. Jahrhunderts in den Evangeliaren und Bibeln aus Tours verbreitet worden. Aus Handschriften wie dem Evangeliar Kaiser Lothars > 20 können die Kölner Maler auch viele Detailanregungen genommen haben, etwa die Idee, die Fläche um Christus als Himmel zu gestalten. Es ist jedoch bezeichnend, dass sich kein direktes Vorbild für die Miniatur des Hitda-Codex finden lässt und sich die vier erhaltenen ottonischen Majestas-Bilder aus Köln weder untereinander noch einer touronischen Version gleichen. Die inhaltlichen Akzente der Majestas Domini und damit ihre Darstellung verändert sich nämlich von Handschrift zu Handschrift, und es wäre falsch, das Darmstädter Majestas-Bild nur als bloße Kopie eines Vorbilds anzusehen. Trotz seiner vergleichsweise einfachen Gestaltung ist dies eines der am stärksten programmatisch aufgeladenen Majestas-Bilder überhaupt. Mit dem Titulus vertieft der Hitda-Codex die gewöhnliche Botschaft der Majestas Domini noch erheblich und gibt Themen vor, die im gesamten üb-
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rigen Bildzyklus wiederkehren werden. In ihm wird der Eintritt des Logos in die Welt sowohl als Inkarnation als auch als Heilige Schrift und als Licht angesprochen und zugleich seine Darstellung im Bild thematisiert: Hoc visibile imaginatum figurat illud invisibile verum, cuius splendor penetrat mundum cum bis binis candelabris ipsius novi sermonis. Dieses sichtbar Gebildete gibt jenem unsichtbaren Wahren Gestalt, dessen Glanz die Welt durchdringt mit den zweimal zwei Leuchtern seiner neuen Rede. Der Logos wird im Titulus als das „unsichtbar Wahre“ umschrieben. Das Bild verdeutlicht schon mit dem Buch auf dem Schoß Christi, dass wir den Logos vor Augen haben, und die vier Räder der Ezechiel-Vision (Ez 1,15) machen endgültig klar, dass dies nicht allein der historische Jesus der Evangelien ist, sondern das göttliche Wort, das schon bei der Schöpfung dabei war und den Propheten des Alten Testaments erschienen ist. Das „sichtbar Gebildete“ ist dabei für den Betrachter zunächst die gemalte Gestalt Christi
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20 Berlin, Staatsbibliothek – Preußischer Kulturbesitz, theol. lat. fol. 733, fol. 17 v: Evangeliar Kaiser Lothars, Majestas Domini
auf der vor ihm aufgeschlagenen Seite, doch wird er zumindest daran erinnert, dass wir jenes „unsichtbar Wahre“, nur sehen und abbilden können, weil Christus „Gestalt“ angenommen hat. Auch im Christushymnus des Kolosserbriefes (Kol 1,12 – 20), den die Konzepteure des Hitda-Codex sehr genau zu kennen scheinen, wird ja Christus als „das Bild des unsichtbaren Gottes“ bezeichnet. Dass Bilder etwas mit dem fleischgewordenen Gott zu tun haben, wird an vielen Stellen des Hitda-Codex erklärt oder vor Augen geführt. Es ist mit gutem Grund davon gesprochen worden, dass der Hitda-Codex eine Bildtheologie enthält. Das wäre einer der ganz wenigen westlichlateinischen Entwürfe einer Bildtheologie, doch ist sie in diesem Fall nicht ohne griechisches Denken möglich. In ihr steckt nämlich ein erheblicher Anteil neuplatonisch geprägter Theologie, wie sie von Pseudo-Dionysius Areopagita und seinen Nachfolgern, insbesondere Maximus Confessor (+ 662) entwickelt worden ist. In karolingischer Zeit waren neuplatonische theologische Schriften auch ins Lateinische übersetzt worden, vor allem von Athanasius Bibliothecarius und Johannes Scotus Eriugena, der auch seine eigene Philosophie darauf basierte. Doch ist für Köln eher eine direkte Übertragung durch griechische oder durch von Griechen instruierte Gelehrte anzunehmen. Eine einzige Schrift, etwa von Johannes Scotus, lässt sich nämlich nicht als Grundlage für das Programm des Hitda-Codex oder des vorausgehenden Sakramentars von St. Gereon ausmachen. Im Gegenteil scheint die produktive Verarbeitung verschiedener Einflüsse durch, die wohl als Folge von mündlicher Lehre oder aber selektiver Lektüre zu sehen ist. Ganz wesentlich ist diese Theologie eine „negative Theologie“, weil eigentlich von Gott gar nichts ausgesagt werden kann: Er ist absolut vom Geschaffenen geschieden und an sich in keiner Weise erkennbar. Bei PseudoDionysius ist es sein Licht, das in Stufen zu den Menschen hinabstrahlt und ihnen umgekehrt einen Erkenntnisaufstieg ermöglicht. Bei Maximus ist es stärker ein Dialog, wenn auch ein unendlicher, bei dem der Verstand die Lücke zwischen der Erkenntnis am Seienden und dem unerkennbaren Gott nicht aus eigener Kraft schließen kann. Ganz ähnlich wie bei Maximus Gott unerreichbar bleibt und dennoch ein Aufstieg zu ihm besteht, durchziehen scharfe, gewollt paradoxale Kontraste wie der von „unsichtbar“ und „sichtbar“ den ganzen Hitda-Codex. Auch das Licht wird ständig in den Tituli erwähnt und erscheint als Gold oder Weiß in den Bildern selbst. Auf den Kreuzarmen seines Nimbus wird Christus in praktisch allen Bildern durch die Aufschrift „LUX“ ganz ausdrücklich dem Licht gleichgesetzt. Die erste Quelle des Lichts, das wahre Licht, ist nämlich Gott selbst, von ihm aus strahlt es als geistiges Licht in die Geister der Menschen und als Licht der Sonne auf die Dinge der Welt, die Körper wie die Bilder, über die wir einen Abglanz der Göttlichkeit erfahren können. Das göttliche Licht ist schon im Prolog des Johannes-Evangeliums nichts anderes als das göttliche Wort. Im Kolosserbrief (Kol 1,12 – 13) ist die „Herrschaft der Finsternis“ dem Reich des Gottessohnes gegenübergestellt, in dem die Heiligen „im Licht“ sind. Die lateinische Theologie hat sich selbstverständlich auch mit dem göttlichen Licht beschäftigt, jedoch nicht auf der gleichen Ebene. Augustinus etwa sieht im Licht die dem Menschen von Gott gegebene Vernunft, die er nutzen soll, die Gerechtigkeit zu erkennen und zu Gott zu finden. Der Hitda-Codex hingegen betont sehr, dass sich Licht und
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Wort materialisieren müssen, um den Menschen den Zugang zum Wahren zu ermöglichen. Wohl mehr im Einklang mit Maximus als mit Pseudo-Dionysius wird zudem der Heiligen Schrift, insbesondere den Evangelien, eine entscheidende Rolle bei der Vermittlung des göttlichen Lichtes zugesprochen. Im Titulus zur Majestas werden die vier Evangelisten deswegen nicht als Schreiber oder Redner, sondern als die „zweimal zwei Leuchter seiner neuen Rede“ bezeichnet, weil Wort und Licht sich nicht unterscheiden. Keiner der Evangelisten kann dabei alleine die Licht-Rede erfassen, da sie als göttliche vor allen menschlichen Sprachen besteht und nicht ohne Verlust in die materielle Welt gelangt. In ihrer Vierheit ergänzen sie sich jedoch zu der „neuen Rede“. Hieronymus, der Übersetzer der Evangelien ins Lateinische, kann hier und in vielen Kölner Handschriften eine wichtige Rolle spielen, weil auch die Evangelisten das göttliche Wort nur vermitteln und er somit ein weiterer Vermittler in die Welt ist. Die Doppelseite mit seinem Bild folgt unmittelbar auf das Bild des Logos (fol. 7 v – 8 r) und steht damit gezielt zwischen ihm und dem eigentlichen Buchkorpus aus Kanontafeln und dem lateinischen Evangelientext. Die Konzepteure der Darmstädter Handschrift haben aber diese Doppelseite mit erstaunlicher Entschlossenheit genutzt, die Vermittlungsleistung des Lichtes und der vom Licht beschienenen Materie herauszustreichen. Der Titulus ist deswegen nicht zu einem Loblied auf die Textübersetzung, sondern auf das Bild geworden: Hoc pictum aquivocat [sic!] Iheronimum, ex quo huius corporis alienum nobis lucet vicinum Dieses Gemalte entspricht dem Hieronymus; aus ihm leuchtet das Ferne dieses Körpers für uns als Nahes. Dem „Gemalten“ wird zugestanden, dass es „dem Hieronymus entspricht [aequivocat]“ t und dass er leiblich aus ihm „für uns als Nahes leuchtet [lucet vicinum].“ Um den Titulus im Bild aufzunehmen und das „für uns“ umzusetzen, wurde hier das einzige Mal in der ottonischen Buchmalerei Kölns der hl. Hieronymus ohne den sonst üblichen Schreiber gezeigt (vgl. Abb. 14); er beugt sich aber weiterhin vor, als ob er mit dem Abwesenden redete, dessen Platz vor dem Pult leer geblieben ist. Anders als in den übrigen Bildern scheint der Heilige sogar den Mund zu öffnen, wie um zu den Betrachtern der Seite zu sprechen. Ein mit Goldzeilen gefülltes Buch liegt vor ihm, aus dem seine Stimme den ins Lateinische übersetzten Text vortragen kann. Die geschlossene Rolle in der anderen Hand steht unzweifelhaft für das griechische Evangelienbuch. Es „leuchtet“ „für uns“ also nicht nur die Gestalt des Bibelübersetzers, sondern das Wort ist auch hier Licht, das sich an „uns“, die Betrachter, als Bild und als lateinischer Text richtet. Während somit auf der „Vorderseite“ des Evangelienkorpus die Einheit von göttlichem Wort und Licht zelebriert und die Wege des Herabscheinens gezeigt werden, betont die „Rückseite“ (fol. 207 v) zunächst einmal das Leiden und den Kreuzestod des inkarnierten Logos. Die Kreuzigung Christi wird auf Buchdeckeln immer wieder deswegen auf die Gegenseite der Majestas Domini gesetzt, weil sie die andere, die menschliche Natur Christi darstellt. Eine weitere verbreitete Ikonografie war darum auch die der Maria
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Köln, Hohe Domkirche, Kreuzkapelle, sog. Gero-Kreuz 21
mit dem Kind. Seit dem byzantinischen Bilderstreit (ca. 726 – 843) und der westlichen Adoptianismuskontroverse des 8./9. Jahrhunderts wurde aber betont, dass Christus die menschliche Natur deswegen vollständig angenommen hat, weil er mit seinem Kreuzestod die Menschen erlösen wollte, womit Inkarnation und Kreuzigung noch einmal stärker aufeinander bezogen wurden. Der gekreuzigte Christus „auf“ dem Evangeliencodex sagt zunächst einmal, dass das Evangeliar auch den Menschen Christus verkörpert. Zusätzlich erinnert dieses Bild immer auch an die von den Evangelien verkündete Heilstat Christi, die jeden einzelnen zu retten vermag. Im Hitda-Codex werden diese grundlegenden Bedeutungen des Kruzifixus fi soweit mit der neuplatonischen Lichttheologie vermischt, dass fast eine Grenze erreicht wird, hinter der das tatsächliche Leiden des Menschen Jesus schon wieder zu verschwinden droht. Das Bild selbst ist hier noch von großer Klarheit: Christus hängt tot am Kreuz, hat also bereits das für uns erlösende Selbstopfer vollzogen. Seine irdische Leiblichkeit wird durch die eingezeichneten Konturen von Sehnen und Rippen noch betont. Der Typus des Gekreuzigten mit den gespannten Armen und geschlossenen Augen, dem herabhängenden Daumen und dem leidend geneigten Haupt ist in Köln in gesteigerter Form auch im sogenannten Gero-Kreuz > 21 aufgenommen worden, einer der frühesten erhaltenen christlichen Monumentalskulpturen. Bei ihm sind aber auch die Beine abgewinkelt und setzen der Schwere des toten Körpers keinen Widerstand mehr entgegen. Seine Vorbilder hat der Typus offenbar nicht in byzantinischen Kunstwerken, wo damals das Hängen der Arme und das Erschlaffen der Hand noch nicht vorkam, sondern wohl in spätkarolingischen Werken wie dem westfränkischen Elfenbein, das auf dem Perikopenbuch Heinrichs II. wiederverwendet wurde. Der bärtige Gesichtstypus Christi ist dann wiederum ein byzantinisches Element, das allerdings im ganzen übrigen Hitda-Codex verwendet wird, und auch mit der als Ausdruck von Trauer gedachten Haltung Mariens, ihren zwei verhüllten erhobenen Händen, wird eine – sehr seltene – byzantinische Formulierung übernommen. Trotz der betonten Todesschwere ist im Darmstädter Evangeliar das Kreuz hinter Christus kein hölzernes Tötungsinstrument, sondern ein goldenes, also ganz lichterfülltes Heilszeichen, überreal auch durch sein seitliches Hervortreten über den Bildrahmen und seine unhistorische Form als liturgisches Steckkreuz. Aus dem Boden wuchert aus der Stelle, an der es eingesteckt ist, eine goldene Pfl flanze, die fast schon den ganzen Boden mit ihren
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paradiesischen Blättern bedeckt. Eine besondere Bedeutung kommt auch den übrigen Farben zu: Kein anderes Bild des Hitda-Codex besitzt einen unbemalten und damit weißen Hintergrund. Selbst das Schriftfeld der Titulus-Seite fol. 208 r ist hier das einzige Mal nicht in einem Purpurton bemalt. Weiß ist in der Handschrift eines der möglichen Äquivalente für Licht, Maria trägt es in der Szene der Verkündigung (fol. 20 r). Eine abgestufte Farbe des Lichts ist das helle Blau im unteren Bereich der Szene, sodass wir hier, wie in anderen Bildern der Handschrift auch, die Ausbreitung des reinen Lichts vom Gold über das Weiß hin zum noch nicht völlig durchschienenen Hellblau erleben. Die ursprüngliche Bedeutung der Farbgebilde hinter Maria und Johannes als die Hügel Agra und Gareb bei Jerusalem, die die Kölner Entwerfer aus einem östlichen Kreuzigungsbild gekannt haben müssen (vgl. Abb. 12), ist hingegen völlig verloren gegangen. Die Botschaft ist klar: der Kreuzestod ist die Vervollkommnung des Eintritts des göttlichen Lichtes in die Welt, von ihr aus breitet sich das Licht im erneuerten Paradies aus. Dieser Erlösungsaspekt wird auch durch die farbliche Angleichung der Gewänder von Maria und Johannes an die des Erlösers betont. Abgesehen von dem hellen Pallium des Johannes, das aber auch für das aufgenommene Licht steht, sind alle Stoffe hier in Purpur gehalten, das einerseits königlich ist und andererseits die Farbe des Blutes besitzt, das aus Christi Wunden strömt; verziert ist es mit der Lichtfarbe Gold. Die beiden Getreuen unter dem Kreuz sind hier als die Erlösten gezeigt, die zusammen mit Christus zur himmlischen Herrschaft gelangen werden, und selbst die Erdschollen unter den Figuren haben das königliche Purpur angenommen. Erstaunlich und fast irritierend wirkt zunächst der Titulus: Ille cuius imaginem hic cernis pendentem in cruce, est conditor ac rector uniuscuiusque creaturae Jener, dessen Bild Du hier am Kreuz hängen siehst, ist der Schöpfer und Lenker jedes Geschöpfs Es ist also nicht vom „Bild des am Kreuz Hängenden“ die Rede, sondern explizit von einem Bild, das am Kreuz hängt! Soll damit etwa Christus „nur“ als Bild des Schöpfers und Lenkers angesprochen werden? Wie beim Majestas-Bild erwähnt, nennt auch schon der Apostel Paulus Christus „Bild des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1,15), doch wird bei ihm klar, dass Christus damit in keiner Weise auf ein Bild reduziert ist: Er ist dennoch der Schöpfer der Welt: „Alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen.“ (Kol 1,16). Einerseits wird also im Titulus das Bild noch einmal paulinisch verteidigt, weil Christus durch seine Fleischwerdung selbst Bild (imago) wird und die Darstellung Gottes in Bildern überhaupt möglich macht. Das ist schon eines der Argumente der byzantinischen Bilderfreunde gegen den Ikonoklasmus gewesen und wird durch die eigentümliche Formulierung in Erinnerung gerufen. Diese Sichtbarkeit wird auch eigens betont, indem die Beischrift hier das einzige Mal in der ganzen Handschrift den Leser in der zweiten Person anspricht und dabei gerade auf dieses Visuelle hinweist. Im Bild ist deswegen Johannes, anders als in vielen anderen Kreuzigungsbildern der Zeit (vgl. Abb. 12), ohne Buch und dafür als zum Kreuz Aufblickender dargestellt. Mit der Aufforderung zum Hinsehen und dem Vorbild des Johannes wird an das Attribut
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„sichtbar“ aus dem Titulus zur Majestas Domini erinnert, wo die Miniatur den im Bild sichtbar gewordenen Logos, „das unsichtbare Wahre“ zeigte. Andererseits betont dieser Titulus, wenn er paulinisch gelesen wird, dass mit Christus der eingeborene Sohn Gottes und Schöpfer selbst am Kreuz gestorben ist. Diese Heilstat, bei der er „am Kreuz durch sein Blut“ „Friede gestiftet hat“, erlöst die ganze Schöpfung, weil sie von ihrem Schöpfer und Lenker begangen wird. Damit tritt die andere Bedingung der Erlösungstat nach vorne, dass nämlich der, der am Kreuz gestorben ist, nicht nur ganz Mensch, sondern auch ganz Gott war. Im Hitda-Codex stellen das Kreuzigungsbild und sein Text diese beiden unabdingbaren Seiten des Erlösungswerks heraus. Sie binden es außerdem in den lichtmetaphysischen Kontext ein, indem das Licht, das die Erlösung in der Welt verbreitet, als das Licht erkennbar wird, das sie schon seit ihrer Erschaffung durchstrahlte, oder wie es der Johannes-Prolog formuliert: Das Licht „war in der Welt, und die Welt ist durch es gemacht“ (Joh 1,10). Der programmatische Rahmen des Evangelienbuches wäre mit den Miniaturen von Majestas Domini, Bibelübersetzer und Kreuzigung abgeschlossen, wenn die erste Miniatur des Codex (fol. 6 r) so additiv zum Programm hinzukäme, wie das bei Dedikationsbildern recht üblich ist. Sie sollen schließlich eine solche Stiftung in der Erinnerung eines Konvents wachhalten und einem Heiligen eine gemalte Bitte um Beistand im Austausch für die erbrachte Gabe vorbringen. Das Darmstädter Dedikationsbild will natürlich auch dies sein, aber es ist ein in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich gestaltetes Bild, weil es aus einem besonderen Blickwinkel auf die erlösende Wirkung von Licht und Wort für Hitda und die Menschen ihrer Umgebung einstimmen soll. Die zentrale Figur des Bildes ist die frontal auf einem verzierten Schemel stehende hl. Walburga. Als Patronin des Mescheder Stiftes nimmt sie die zentrale Mittelachse unter einem Bogen ein, hinter und über dem sich eine Ansammlung von Gebäuden aufstaut, die als ebendieses Stift gedeutet werden können. Äbtissin Hitda schreitet auf Walburga zu und hebt mit bloßen Händen ein golden eingebundenes Buch zu ihr hoch, das die Heilige zum Zeichen der Entgegennahme auf der gegenüberliegenden Seite anfasst. Beide Frauen tragen sehr unterschiedliche Kleidung, wobei die wohlhabende Äbtissin des Stiftes ein dunkles Gewand gewählt hat, über dem sie einen auffälligen wie mit Spitzen besetzten Schleier trägt (dem wir im Bild der Ehebrecherin fol. 171 r wiederbegegnen werden), während die benediktinische Äbtissin Walburga über einer lichtgesättigten Tunika einen wertvollen dunkelpurpurnen Mantel trägt. Bemerkenswert und in diesem Kontext selten ist die Profilansicht der Stifterin. Zwei Dinge sind hier völlig erstaunlich: Zum einen ist der Bogen nicht wie so oft in ottonischen Miniaturen als ein Stück Architektur dargestellt, sondern als eine Öffnung in der irdischen Realität, durch die man in eine jenseitige, fast nur aus Farben bestehende Welt blickt; zum anderen ist die Scheinarkade mit der Hauptperson nach links verschoben, sodass ausgerechnet der nicht mit Personen bestandene rechte Teil des Bildes an Gewicht gewinnt. Beides ist eng aufeinander abgestimmt: Die Verschiebung nach links vergrößert nämlich den nur teilweise einsehbaren Raum hinter der diesseitigen Architektur, in den ohnehin ein leichter, von subtilen Elementen wie dem Höhenunterschied der Frauen und der Ausrichtung des goldenen Palm-
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zweigs gesteuerter Diagonalzug führt. Ein solches schräges Hineinsteigen in das Bild begegnet später wieder, fol. 77 r und schwächer fol. 22 r, und wird hier gezielt eingeführt. Ebenso ist dies die erste Konfrontation mit den überrealen Hintergründen, deren Bedeutung weit über eine Staffage hinausgeht. Hier ist der Hintergrund in zwei Zonen von unterscheidbarer Bedeutung getrennt. Nach den blau-weißen Streifen folgt nicht nur das königliche Purpur, sondern darüber erst wachsen goldene, zweifellos paradiesische Pflanfl zen. Das ganze Bild ist also auf einen Aufstieg in eine bessere, höhere Zone ausgelegt, in die die Heilige verweist. Wie später in anderen Bildern des Codex ist es aber sie selbst, die die Grenze zwischen den Bereichen überschreitet und damit den Aufstieg in die himmlische Zone auch im Bild zu vermitteln vermag. Der Titulus fol. 5 v sagt dazu: Hunc librum sancte˛ vvalburge˛ hitda abbatissa pro se suisque Dieses Buch (schenkt) die Äbtissin Hitda für sich und die Ihren der heiligen Walburga Das bedeutet nicht, dass Hitda allein deswegen stiftet, um das Wohlgefallen der Patronin zu erlangen. Es geht auch um die Vermittlung an sich, die zwischen Irdischem und Himmlischem geleistet werden muss – in diesem Fall durch eine Bekennerin Gottes. Doch auch Hitda kann hier offensichtlich ihren Beitrag zum Aufstieg leisten. Es ist schon öfters aufgefallen, dass dieses Bild durch die Erscheinung der Heiligen auf dem Schemel sehr byzantinisch geprägt ist, dass es aber keinem der bekannten byzantinischen Typen von Stifterbildern entspricht (einen Siegeltypus mit Konstantin dem Großen und der Maria lasse ich als kaum vergleichbar zur Seite). Statt sich zu verneigen oder gar niederzuknien, steht Hitda nur ganz leicht vorgebeugt; die Heilige empfängt auch selbst die Gabe und vermittelt sie nicht an Christus oder Maria weiter. Diese Unstimmigkeiten lassen annehmen, dass hinter dem Bild wohl die ebenfalls byzantinische Bildformel der Königskrönung durch Christus steht, die im Westen damals sicher bekannt war und sogar in einem süditalienischen Elfenbein für Otto II. und Theophanu kopiert wurde > 22 . Man sollte daraus nicht zu schnell auf eine übertriebene Selbsteinschätzung der Äbtissin schließen, sondern eher auf ein Bewusstsein ihrer Rolle als Stifterin und Fürsorgerin des Ortes. Mit ihrem goldglänzenden Buch kann sie aufrecht vor der Heiligen erscheinen und sich selbst schon in die Zone himmlischer Herrschaft erheben. Nicht allein die Heilige bewirkt dies, sondern das Licht des in ihrem Auftrag prachtvoll gestalteten Evangeliars. Es ist schon immer bemerkt worden, dass der Titulus mit den geradezu lakonischen Worten „für sich und die Ihren“ eine Formulierung wiederaufnimmt, die in breiterem Kontext schon im Verzeichnis von Hitdas Stiftun-
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22 Paris, Musée naƟ Ɵonal du Moyen Age – Thermes de Cluny, Inv. Nr. Cl. 392: OƩ Ʃo-TheophanuElfenbein
gen fol. Iv zu finden ist. Dabei bleibt es rätselhaft, wie der doch wohl in Köln tätige Schreiber den Text oder zumindest diese Formulierung des Verzeichnisses gekannt haben kann, obwohl die Objekte eigentlich nur in Meschede selbst aufgelistet worden sein können. Das Verzeichnis ist auch sehr sicher erst in das fertige Evangeliar nachgetragen worden. Wie die Bilder der Majestas Domini, des Bibelübersetzers und der Kreuzigung sind die vier Evangelistenporträts fol. 24 r, 78 r, 118 r und 172 r vor ihren jeweiligen Büchern von vergleichsweise großer Statik geprägt; es sind zudem die am weitesten verbreiteten Bildthemen, die seit langem zur Ausstattung wertvoller Evangeliare gehörten. Eine Besonderheit, die in Köln bis in das 12. Jahrhundert geradezu schulmäßig verbreitet war, ist das Fehlen von Evangelistensymbolen in diesen Bildern. Sie tritt zuerst bei dem spätkarolingischen Evangeliar von St. Pantaleon auf, das als Nr. 147 der Sammlung Wallraf in das Historische Archiv der Stadt Köln gelangt ist und dessen Entstehungsort wir zwar nicht kennen, das aber den Malern des Hitda-Codex sicher bekannt gewesen ist. Damit ist auch ein Punkt schon angesprochen, der bei den Evangelistenbildern so deutlich wird wie bei keinem anderen Bildthema: Die Kölner ottonischen Buchmaler verfügten offensichtlich wie bei der Majestas Domini über eine ganze Reihe von Vorbildern für ihre Evangelisten. Benennbar sind neben diesem (zumindest bis zur Einsturzkatastrophe 2009) im Archiv erhaltenen Evangeliar die Evangelistenbilder des bereits erwähnten Manchester-Evangeliars vom Meister des Registrum Gregorii, die aber leider verloren sind. Damit nicht genug, müssen sie aber noch weitere karolingische Evangeliare gekannt haben, aus denen sie Motive wie das auf dem Erdhügel Sitzen des Johannes in den Handschriften in Mailand und Gießen oder die mit einer dichten Faltenschraffur überzogenen Gewänder der Evangelisten im Stuttgarter Gundold-Codex (Württembergische Landesbibliothek, Cod. Bibl. 4° 2a und b) nehmen konnten. Vielleicht stammt auch der paradiesische Garten mit den Pflanzen und den Streifengründen aus einer Handschrift wie dem Godescalc-Evangelistar von 781 – 783 > 23 . Dieses war am Hof Karls des Großen nach anscheinend italischen Vorlagen geschaffen worden. Nur wenig weist hingegen auf die direkte Beeinfl flussung durch ein griechisches Evangeliar hin. Ebenso vielfältig wie die Quellen sind die Darstellungsweisen, die in Köln daraus entwickelt wurden. In über einem Dutzend Evangeliaren, die in Köln bis um die Mitte des 11. Jahrhunderts entstanden, finden fi sich keine zwei Evangelistenreihen mit identischer Ikonografie. Auffälliger noch: Einzelne Evangelisten, insbesondere der Matthäus des Hitda-Codex (fol. 24 r) wirken wie aus verschiedenen Vorbildern zusammengesetzt. Nichts beweist deutlicher, dass die Suche nach Vorbildern hier niemals ausreichend sein kann, sondern auch immer gefragt werden muss, welche Aussagen die Konzepteure jeweils mit den Bildern machen wollen. Das Konzept aus den Evangelistenbildern und ihren Beischriften, so wie es jetzt im Hitda-Codex anzutreffen ist, könnte sich schrittweise entwickelt haben. Einen Hinweis darauf gibt jedenfalls die Schriftzierseite vor dem Matthäus-Bild fol. 23 v, die keinen Titulus trägt, sondern ein einfaches Incipit des Evangeliums selbst. Zwar ist dieser Bereich des Codex auf etwas holprige Weise zustande gekommen, da dieses Blatt mit dem Incipitt auf dem Verso und dem Bild der Darbringung auf dem Recto das einzige Einzelblatt in
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einer der üblichen Lagen aus Doppelblättern bildet und es deswegen auch denkbar wäre, dass die Ausführung des Titulus bei einer technischen Planänderung unter die Räder kam; doch stehen auch in den möglicherweise früheren Kölner Evangeliaren in Gießen (Cod. 660) und dem Kölner Historischen Archiv (Nr. 312) vor den Evangelisten noch keine Tituli. Das Bildgenre konnte also auch als selbsterklärend durchgehen, zumal wenn wie im Darmstädter Codex die anekdotischen Motive auf ein Minium reduziert wurden. Die Evangelisten thronen hier ja nur und schreiben – mal in realistischer Darstellung wie Markus (fol. 78 r), mal unter Weglassung von Beschreibstoff (fol. 118 r) oder Pult (fol. 172 r) – ihren Bericht nieder. Das Unkonventionellste an diesen Bildern ist noch, dass Matthäus und Johannes weder frontal aus dem Bild schauen noch Bildgegenstände oder Evangelistensymbole in den Blick nehmen, noch ihren Blick auf eine gegenüberliegende Schrift- oder Bildseite richten. Wenn man einmal von der Kölner Handschrift in Mailand absieht, wird man lange suchen müssen, bis man weitere Beispiele für einen Blick findet, der seitlich aus dem Buch hinausgeht. Wie programmatisch dieses Motiv ist, ob es etwa auf eine Inspiration von außerhalb verweist, ist im Augenblick kaum zu klären. Wie gesagt wurden nur den letzten drei Evangelistenbildern Tituli vorangestellt (fol. 77 v, 117 v und 171 v): Statua Marci simulatur hic sedens, qui ad salutem mundi scripsit he˛c signa christi Das (Stand-)Bild des Markus, das hier sitzt, stellt den da, der zum Heil der Welt die Zeichen Christi niederschreibt Assidet imago Luce˛, qui haec commendavit literis in memoriam perpetue˛ lucis Es sitzt das Bild des Lukas, der diese (Dinge) zur Erinnerung an das ewige Licht den Buchstaben anvertraut hat Iohannis species hic picta sedet, qui speciali virginitatis prerogativa pre [sic!] omnibus deo dilectus Die abgemalte Gestalt des Johannes sitzt hier, der von Gott des besonderen Vorzugs der Jungfräulichkeit wegen vor allen geliebt worden ist Zu Markus und Lukas wird damit der Kern dieser Bilder betont, indem erwähnt wird, dass sie die „Zeichen Christi“, des „Ewigen Lichtes“ den „Buch-
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23 Paris, Bibliothèque naƟ Ɵonale de France, nouv. acq. lat. 1203, fol. 2 r: Godescalc-Evangelistar, Evangelist Lukas
staben anvertraut“ haben. Auch hier geht es also um die Vermittlungsleistung, von dem, was vom göttlichen Licht in Worten und Erscheinungen in die Welt strahlt. Ausgerechnet die Verfasserschaft des Johannes bleibt als einzige hier unerwähnt, stattdessen wird seine Jungfräulichkeit angeführt, um die ihn Gott besonders geliebt hat. Doch ist das keine zufälligen biografische Angabe zum Licht- und Logos-Theologen unter den Evangelisten: In Nachbarschaft zum Bild der durch Gnade erlösten Ehebrecherin (fol. 171 r; vgl. auch weiter unten) ist er als der durch Liebe Inspirierte zu sehen und damit nach dem expliziten Beispiel der Erlösung der Sünderin ein Abbild des Apostels, der durch die – auch von den Stiftsdamen gewählte – Enthaltsamkeit zu Gott aufsteigt. Mit einer gewissen Brutalität, die den überrascht, der den programmatischen Rahmen des Hitda-Codex nicht kennt, wird obendrein daran erinnert, dass dies nicht die Evangelisten selbst sind, sondern deren Bilder: Auch sie sind festgehaltene Vermittlung. Ganz gezielt wird dabei bei Markus, Lukas und Johannes jeweils ein anderer Begriff für das gegenüber dem Licht nur ephemere Bild gewählt: „Standbild“ (statua), „Bild“ (imago), „abgemalte Gestalt“ (species picta). Dieses Mittel-Sein relativiert die Bedeutung der Bilder und rechtfertigt sie zugleich, da neben sie die Schrift gestellt wird, die selbst nur eine andere Vermittlung des unerreichbaren göttlichen Über-Seins ist. Es bleibt noch anzumerken, dass es keine absolute Farbsymbolik in den Evangelistenbildern gibt. Die Entwerfer oder Maler haben erkennbar nicht nur bei den Evangelistentypen auf die Variation geachtet, sondern auch bei den Farben der Kleider und der Hintergründe. Eindeutig werden zwar wertvolle Stoffe mit Goldrändern und -ornamenten und sogar spitzenartigen Besätzen (z. B. fol. 24 r) bevorzugt, aber die Grundfarben können zwischen Blau-Weiß, hellem und dunklem Purpur sowie gelbem Ocker wechseln. Von Bedeutung ist diese Einsicht für die Streifengründe der Bilder, bei denen die gerade genannten Farben verwendet werden, aber statt Ocker auch Orangerot vorkommen kann: Sie stehen deutlich für eine paradiesähnliche Umwelt, wobei dieser Zustand, anders als bei der Kreuzigung und vielen Evangelienszenen, bereits eingetreten und nicht mehr in der Entstehung ist. Der Eintritt Gottes in die Welt in den Bildern der Kindheitsgeschichte Die Kindheit Christi ist kein wichtiges Thema des Matthäus-Evangeliums. Nach der Aufzählung der Vorfahren Christi wendet sich der erste Evangelist dem Traum Josephs und der Anreise und dem Traum der Magier zu. Bethlehem als Geburtsort Christi wird nur kurz erwähnt. Im Bildvorspann zu Matthäus werden im Darmstädter Codex aber die Verkündigung an Maria (fol. 20 r), die Geburt Christi (fol. 21 r), die Anbetung der Magier (fol. 22 r) und die Darbringung Christi (fol. 23 r) dargestellt. Dass hier Themen aus der Kindheitsgeschichte ausgewählt wurden, scheint zunächst ein Hinweis auf eine chronologische Folge zum Leben Christi zu sein, wie sie gerade in ottonischer Zeit erstmals in dem berühmten Trierer Codex Egberti, Stadtbibliothek Trier Ms. 24, geschaffen worden ist. Obwohl auch die abschließende Miniatur der Kreuzigung in dieses Konzept passen würde, ist jedoch die Hauptabsicht eine andere. Im Anschluss an die Kindheitsgeschichte werden nämlich – ohne große Rücksicht auf die Chronologie – nur noch Zeichen und
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Wunder Jesu gezeigt, nichts jedoch von den weitverbreiteten Szenen aus dem Vorfeld der Passion in Jerusalem. Die Kindheitsgeschichte ist im HitdaEvangeliar nach Ausweis von Tituli und Ikonografie fi auch nicht bloß ein hagiografischer fi Bericht über die frühen Jahre des Gottmenschen, sondern eine Meditation über das Wunder, dass das unfassbare und jenseitige göttliche Licht mit der Fleischwerdung Christi in die Welt hinabstieg. Das erste Bild der Folge (fol. 20 r) versucht, die Phase des Eintritts Gottes in die Welt abzubilden. In einer nicht lange davor entstandenen Miniatur im Sakramentar von St. Gereon war die Verkündigung an Maria bereits einmal in Köln dargestellt worden (vgl. Abb. 11). Der Vergleich dieser beiden Buchmalereien ist besonders erhellend, weil sie erkennbar auf dieselben byzantinischen Vorlagen zurückgehen und nominell dieselbe Ikonografie fi besitzen, aber Veränderungen an der Komposition für jeweils weitergehende Aussagen genutzt werden. Zugrundeliegen muss zum einen eine Komposition wie die in der Pariser Gregor-von-Nazianz-Handschrift Ms. gr. 510 > 24 , bei der Maria rechts vor dem Thron steht und von links der Engel herannaht. Die Figur der Maria, die dem Engel das Gesicht zudreht und leicht noch vorne schreitet, wird jedoch einer Szene der Heimsuchung entstammen, wie sie ähnlich dasselbe Register der Miniatur in Paris zeigt. Die Marien der beiden Kölner Handschriften sind möglicherweise die einzigen der karolingischen und ottonischen Epoche, deren Gesicht bei der Verkündigung ins Profi fil gedreht sind und in Byzanz scheint dieses Motiv nur auf einigen wenigen Gemmen verwendet worden zu sein. Anders als im Sakramentar ist die Szene nicht so ungewöhnlich weit auseinandergezogen, die Figuren sind auch erheblich monumentaler. Der höhlenartig konkave Hintergrund, der einen für byzantinische Miniaturen typischen Erdhügel sozusagen von außen nach innen stülpt, ist im Hitda-Codex von einer Spielfläche für Muster und Farben ersetzt worden. Der Erzengel Gabriel tritt als machtvolle Erscheinung über den Rahmen hinein in das Bild und drängt den hellvioletten Bereich, der Maria in diesem Augenblick noch umgibt, immer weiter nach hinten, womit er den Blick auf den Streifengrund eröffnet. Dieser geordnete Grund voller paradiesischer Motive, wie ihn ähnlich die Evangelistenbilder zeigen, ist hier also der höherwertige gegenüber dem bloßen Farbgrund. Maria ist, anders als im Sakramentar, ganz in die Lichtfarbe Weiß gekleidet und hebt nur ihre rechte Hand in einer Geste der Annahme. Selten ist in einer frühmittelalterlichen Miniatur so sehr das Geschehnishafte, sich Entwickelnde dieser Szene betont worden wie hier. Auch der Titulus lässt keinen Zweifel daran, dass es um verschiedene Dimensionen der Zeit geht: Regis ce˛lestis hic angelus fatur, et virgo annuntive [korrigiert in annuntiative] salutatur mundi redemptorem paritura et ipsa futura caeli regina Hier spricht der Engel des himmlischen Königs, und die Jungfrau wird gegrüßt, ankündigend, dass sie den Erlöser gebären und selbst die Königin des Himmels sein wird Zunächst ist im Präsenz von dem Engel des Himmelskönigs die Rede, doch dann spricht der Titulus von der baldigen Zukunft, in der Maria gebären werde, und davon, dass sie „zukünftige Himmelskönigin“ sein werde.
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24 Paris, Bibliothèque naƟ Ɵonale de France, gr. 510, fol. 3 r: Gregor von Nazianz, Verkündigung an Maria, Heimsuchung und weitere Szenen
Dieses Bild bleibt als Bericht über Geschehendes und die Ankunft von Zukünftigem auf weitere „Berichte“ angewiesen. Schon hier erweist sich der Vorspann zu Matthäus als eine Einheit, die unterschiedliche Aspekte der Inkarnation des Logos beleuchtet. Eine wichtige Rolle kommt hier selbstverständlich dem Bild der Geburt Christi fol. 21 r zu. Anders als bei der Verkündigung greift das entsprechende Bild des Sakramentars von St. Gereon nur eingeschränkt auf dieselben Quellen zurück. Die drei schräg nach oben laufenden Arkaden könnten, wie Peter Bloch meint, für die Dreikonchenanlage der Geburtskirche in Bethlehem stehen, die, wie hinzuzufügen ist, von Hitda wahrscheinlich besucht worden ist. Doch ist das keine der entscheidenden Veränderungen. Vor allem ist hier das Christuskind in die ideale Mitte des Bildes gerückt, aber dabei von allen Seiten von vergleichsweise niedrigen und engen Architekturteilen und der wie ein Riegel das Bild teilenden Got-
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tesmutter umschlossen. Wiederum passt sich damit die Gestaltung des Bildes den Vorgaben des Titulus an: Hic in praesepis imo iacet natus, qui in caelo sedet altus nullo loco comprehensivus Hier liegt unten der als Geborener in der Krippe, der hoch im Himmel thront, von keinem Ort umfassbar Das Paradoxon, dass der Himmelsgott, „unten als Geborener in der Krippe liegt“ wird mit der beengenden Fülle dieses Bildes um den durch die Inschrift im Nimbus als Lux-Licht ausgewiesenen Christus geradezu fühlbar. Hinzu kommt ein Stück byzantinischer Ikonografie, in der anders als im Sakramentar von St. Gereon und vielen weiteren Bildern die Maria nicht auf das Kind in der Krippe schaut, sondern auf das erste Bad des Kindes. Da diese Teilszene aber fortgelassen wurde, erscheint die Drehung Mariens zusammen mit ihrem durch den Ärmel so betonten Armgestus als Ausdruck der Trauer und der Vorausschau auf die Passion am Kreuz, bei deren Bild (fol. 207 v) tatsächlich ganz ähnliche Gesten erscheinen werden. Es kann jetzt nicht mehr überraschen, dass auch die dritte und die vierte Szene den eigentlich unüberbrückbaren Abstand zwischen dem Über-Sein Gottes und seiner irdischen Existenz behandeln. Vielleicht etwas stärker als das Geburtsbild thematisieren sie dabei die Versöhnung dieses Widerspruchs und die Erlösung, die den Menschen daraus erwächst. Im Bild der Anbetung der Weisen fol. 22 r ist der Hintergrund hinter allen Figuren wie im Verkündigungsbild „aufgerissen“. Allerdings markiert dies hier bereits einen erreichten Zustand, der höchstens noch an seinen Rändern in Bewegung ist. Der „vollendete“ Hintergrund ist hier auch ein sattes dunkles Purpur, wie es ähnlich den Himmel bedeckt. Es sind auch kaum die drei Weisen, die mit ihrem Gabenzug den Sieg der königlichen Farbe in das Bild gebracht haben. Tatsächlich sind sie nicht nur maßstäblich gegenüber der thronenden Maria verkleinert, sondern auch ohne Kronen dargestellt, was zwar lange der Normalfall war (vgl. Abb. 7, 26), aber um das Jahr 1000 bereits eine bewusste Entscheidung voraussetzte. Die Bildinschrift sagt ausdrücklich „Magier“ und nicht „Könige“. Das königliche Licht geht stattdessen von dem thronenden Knaben aus, den seine Nimbusinschrift wiederum als das Licht bezeichnet und der selbst ein purpurnes Pallium trägt. Auch Maria ist ganz lichtfarben gekleidet und in einer fast einzigartigen Darstellung hält sie in der Linken eine Buchrolle, um zu verdeutlichen, dass sie das Licht und das Wort trägt. Die Miniatur der Magieranbetung korrespondiert an vielen Stellen mit der Dedikation weiter vorne in der Handschrift (fol. 6 r). So gibt es zweimal eine links unten beginnende, schräge Aufwärtsrichtung der Handlung, die in einen Bereich hinter und unter der Architektur führt; die farblichen Anklänge beim Fond sind zudem evident. Eine gewollte Parallele dürfte jedoch auch bei den Gesichtern der beiden weiblichen Heiligen vorliegen, die beide wohlwollend als Empfänger oder Mit-Empfänger auf die Gaben blicken. Der Titulus hebt Maria nicht einmal so stark heraus wie dann das Bild: In sinu matris adoratur ex magis, quem novitas stellae praedicavit in astris Im Schoß der Mutter wird der von den Magiern verehrt, den die Neuheit des Sterns unter den Gestirnen verkündigt hat
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Hier evoziert das „im Schoß der Mutter“ vor dem Hintergrund des kosmischen Ereignisses einen der im Hitda-Codex üblichen Kontraste. Die Ausformung der Gottesmutter zu einer übergroßen Erscheinung (vgl. dagegen Abb. 6) folgt hingegen der Logik des Bildprogramms: Die irdische Welt wird ja gerade nicht entwertet, sondern es wird die Vermittlung zum „unsichtbaren Wahren“ aufgezeigt, bei der den Heiligen eine ausgezeichnete Rolle zukommt. Eine wirkliche Herausforderung mutet das Bild der Darbringung Christi fol. 23 r seinen Betrachtern zu, die sich wohl im Rahmen der monastischen Meditatio damit auseinandersetzen sollten. Es sind noch nicht die eigentliche Erstlingsdarbringung im Tempel und das Reinigungsopfer des jüdischen Ritus dargestellt, sondern eine Begebenheit, die sich nach Lukas 2,25 – 35 unmittelbar davor abspielte. Der greise Simeon empfing danach die Heilige Familie beim Betreten des Tempels, nahm den Jesusknaben auf seine Arme und pries ihn als das „Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für das Volk Israel“. Entsprechend ist die „Darbringung“ im Frühmittelalter gelegentlich als Empfang vor Tempel und Altar dargestellt worden, so im nur wenig jüngeren Tropar aus Prüm, Ms. lat. 9448 der Bibliothèque nationale de France in Paris > 25 . Allerdings besitzt die Darmstädter Miniatur die zwei äußerst seltenen Züge, dass nicht Maria das Jesuskind übergibt, sondern – mutmaßlich – Joseph und dass Christus als völlig passives Wickelkind erscheint. Beides kommt sonst nur in einer eigenartig dilettantischen Zeichnung im wiederum zeitnahen Tropar von Autun, Paris, Bibliothèque de l’Arsenal Ms. 1169, vor, wo aber die Übergabe über dem Altar und unter dem Tempeldach erfolgt. Es ist also wiederum anzunehmen, dass die Bildkonzepteure für den Hitda-Codex auch hier jedwede ikonografische Tradition ihrem Gesamtkonzept untergeordnet und dafür solche und weitere, wohl auch byzantinische Vorlagen verarbeitet haben. Das Bild enthält zudem zwei Protagonisten, die es in zwei Teile zerfallen lassen: Maria mit dem Taubenpaar auf den verhüllten Händen und Simeon, der das Kind ergreift. Der Titulus bestätigt, dass das Bild zwei Schwerpunkte besitzt: Hic turturum libamine a sancta Maria impletur scriptura et Christus a Symeone portatur in ulnis, quem non capit quantitas spere [sic!] ce˛lestis Hier wird von der heiligen Maria die Schrift durch das Opfer der Turteltauben erfüllt und Christus von Simeon auf den Armen getragen, er, den die Größe der Himmelskugel nicht fassen kann Die Kölner Bildkonzepteure, die sonst weit eher zum Vereinfachen neigen, haben hier den seltenen Schritt gewagt, beide im Evangelium angelegten Motive zur Darstellung zu bringen. Dabei nimmt die Simeonepisode noch einmal das Hauptthema der ganzen Bildserie vor Matthäus auf, nämlich die Erscheinung des Unfassbaren in der Welt. Das Christuskind wird dabei nicht zufällig oder aus Treue zu irgendeiner Vorlage so passiv und Simeon so riesenhaft dargestellt; der Titulus soll gerade das als Wunder erscheinen lassen, was im Bild so natürlich wirkt. Es ist das Christophorus-Motiv avant la lettre (die Legende war noch nicht voll ausgebildet): ein Hüne, der ein scheinbar winziges Kind trägt, das sich aber nur aufgrund seiner Demut und aus freiem Entschluss tragen lässt.
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Nicht weniger bemerkenswert ist die mariologische Wendung der linken Bildhälfte. Selten wird so nachdrücklich betont, dass Maria selbst das Reinigungsopfer darbringt. Nimmt man wiederum den Titulus dazu, dann ist dies ein Beitrag zum Heilsplan, denn hier wird eine Formulierung für Maria gebraucht, die in den Evangelien gewöhnlich Christus zukommt, dass nämlich durch ihr Handeln „die Schrift erfüllt“ werde. Auf einer weiteren Stufe kann eine betrachtende Stiftsdame und erst recht Hitda sich hierin aber auch selbst erkennen, weil das Bild an den menschlichen Beitrag zur Vermittlung erinnert, das Opfer und die Erfüllung der rituellen Pflichten. fl Die Verbreitung und die Macht des Lichts: Die Evangelienszenen von Markus bis Johannes Die verbliebenen zehn Evangelienszenen vor den Evangelien von Markus, Lukas und Johannes zeigen vor allem die Ausbreitung des göttlichen Lichtes durch das öffentliche Wirken Christi und die Macht dieses Lichtes über die geschaffene Natur. Eine strikte Ausrichtung an der Chronologie gibt es dabei nicht, weswegen das Wunder auf der Hochzeit von Kana hier als drittletztes der Bildfolge (fol. 169 r) erscheinen kann. Auch eine Anlehnung an die liturgische Auswahl der Evangelienperikopen, die Peter Bloch erwog, ist nicht gut vertretbar: Obwohl die Lesung über die Heilung der Schwiegermutter Petri von Matthäus stammt, findet fi sich das Bild vor dem Markusevangelium (fol. 77 r). Alle vor Lukas bebilderten Episoden werden zwar als Perikopen aus diesem Evangelium gelesen, jedoch nur die ersten drei – in einer anderen Reihenfolge – im Kirchenjahr und die vierte nur bei der Votivmesse Pro ubertate pluviae (für fruchtbringenden Regen). Auch die von Jeremia Kraus vermutete Zuordnung der Bildthemen zu den Evangelisten auf der Basis von biografischen Besonderheiten oder inhaltlichen Schwerpunkten verdient Skepsis. Wie sich hingegen im Folgenden zeigen lässt, sind die Gruppierungen der Szenen, ähnlich wie beim Matthäus-Vorspann, am besten mit gemeinsamen oder aufeinander abgestimmten Akzenten im Rahmen der Gesamtprogrammatik zu erklären. Ein weiteres Mal diktiert hier die Licht-Theologie den Plan. Das erste Bild vor Markus, in dem die Taufe Christi dargestellt wird (fol. 75 r), zählt zu Recht zu den berühmtesten Kompositionen des HitdaCodex. Unabhängig vom theologischen Gehalt ist es ein beeindruckendes und ungewöhnliches Kleingemälde. Über einer offensichtlich nächtlichen und sturmgepeitschten Flusslandschaft öffnet sich der Himmel, aus dem eine große Taube kopfüber auf den betenden Christus herabstürzt. Johannes, der im biblisch beschriebenen Kamelhaargewand auftritt, begnügt sich nicht damit, Jesus mit der Rechten einzutauchen, sondern verweist auf den hellen Himmel und die Taube. Im Wasser des Jordan, das als unregelmäßiges Gewässer aus der Urne seiner Flussgottheit hervorströmt, tummeln sich Fische in erstaunlicher Vielfalt.
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25 Paris, Bibliothèque naƟ Ɵonale de France, lat. 9448, fol. 28 r: Prümer Tropar, Darbringung ChrisƟ
26 Oxford, Bodleian Library, Cod. Douce 176: Elfenbein mit Christusszenen aus der Hofschule Karls des Großen
Im Falle der Taufe ist die Entscheidung für byzantinische oder byzantinischstämmige Bildquellen zweifellos sehr prägend gewesen. Im Westen war damals zwar nicht mehr die Hirtenkleidung für Johannes den Täufer üblich, wie sie noch ein in Oxford befindliches karolingisches Elfenbein kopierte > 26 . Jedoch war diese durch die spätrömische Zivilkleidung Tunika und Pallium ersetzt worden. Der Täufling selbst stand weiterhin meist passiv mit an den Körpern angelegten Armen da. Auch in Byzanz hat es weiterhin solche Darstellungen gegeben, doch kamen spätestens mit dem Ende des Ikonoklasmus Bilder auf, die die biblischen und apokryphen Berichte und die theologische Bedeutung der Taufe neu verarbeitet hatten. Um einen frühen Refl flex byzantinischer Darstellungen dürfte es sich handeln, wenn schon gegen 850 auf dem Elfenbeindeckel des Drogo-Sakramentars, Paris, Bibliothèque nationale de France Ms. lat. 9428, der Fellmantel des Täufers im Westen, nämlich in Metz erscheint. In einem griechischen Evangeliarfragment in Berlin, dass der Mitte des 9. Jahrhunderts angehören dürfte > 27 , scheint der Täufer nicht nur den Kamelmantel zu tragen, sondern er weist auch in einer mit dem Darmstädter Bild vergleichbaren Geste auf die Geisttaube, die damit explizit als Urheber des Geschehens ausgewiesen wird. Selbst die aufnehmende Gebärde Christi ist hier vorgeformt. Allerdings ist die Komposition auch diesmal nicht durch die Verfolgung einer Tradition entstanden, sondern auf der Grundlage eines licht-metaphysischen Programmes. Das Auftreten des Täufers musste für die Konzepteure mit entscheidenden Akzenten versehen werden, denn im Prolog zum Johannes-Evangelium stand über ihn ausdrücklich: „Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht“ und: „Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht.“ (Joh 1, 7 – 8) Auch der Titulus zur Miniatur betont, dass Johannes nicht selbst die Quelle des Lichts ist: Hic a Iohanne baptizatur aquis, de quo ipse illuminatur spiritu lucis Hier wird der von Johannes mit Wassern getauft, von dem er selbst durch den Geist des Lichts erleuchtet wird. Im neuplatonischen Zusammenhang heißt das nicht nur, dass er die Erkenntnis zum Glauben erhält (wie Augustinus das gesehen hätte), sondern dass er mit der ganzen Schöpfung das Licht des Lebens und der Teilhabe am Göttli-
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chen besitzt. Nichts ist an diesem Bild deswegen zufällig: apokryphe erzählerische Motive wie die in der griechischen und ottonischen Kunst völlig üblichen Engel sind weggelassen, doch dafür sind Naturelemente wie Tiere, Pfl flanzen und Fluss eingefügt. Auch die nächtliche Atmosphäre betont, dass hier die vollkommene Art des Lichtes in die Welt eingetreten ist. Insgesamt erscheint damit das Sichtbarwerden und die Verbreitung des göttlichen Lichtes durch das Auftreten Jesu als das Thema dieses Bildvorspanns. Im nun folgenden Bild mit der Heilung eines Besessenen (fol. 76 r) wird das Licht mit aller Deutlichkeit selbst zu einem Akteur. Die Szene ist noch stärker reduziert als die der Taufe: Nur Christus und der Besessene sowie
27 Berlin, Staatsbibliothek – Preußischer Kulturbesitz, Hamilton 246, fol. 50 v: byzanƟ Ɵnisches Evangeliarfragment, Taufe ChrisƟ
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der im Titulus erwähnte „unreine Geist“ sind zu sehen, kein Jünger und kein Zeuge sind anwesend. Auffälligerweise fehlt dieser Szene, die doch einen Kampf zwischen dem Gottmenschen Jesus und einer Macht des Bösen darstellt, die expressive Dynamik, die beispielsweise das Verkündungsbild bestimmt. Schon die Auswahl der Episode trägt zu dieser Vereinfachung bei, da nicht die Heilung von einem oder zwei Besessenen bei Gerasa illustriert wurde, sondern die Heilung in der Synagoge von Kapharnaum (Mk 1,32 – 34; Lk 4,40 – 41). In der viel häufiger dargestellten Gerasa-Szene wurden noch meistens, so auf dem Elfenbein in Oxford (vgl. Abb. 26, linker Rand), die Schweine abgebildet, in die der oder die Dämonen fahren. Die ursprünglich als Unterwerfung gemeinte Geste des Besessenen ist allerdings schon auf Elfenbeinen des 6. Jahrhunderts vorgeformt. Auch auf der oben schon erwähnten Ikone aus dem 11. Jahrhundert im Sinai-Kloster sind die Christusszenen zumeist schon zu dialogartigen Begegnungen geworden. Das zeigt, dass solche Reduktionen von byzantinischen Bildern angeregt worden sein dürften. Gleichzeitig verdeutlicht dieser Vergleich, wie weit die Kölner Maler solche Züge ausbauen, indem sie jeden Rest an Staffage weglassen. Das Weglassen des Beiwerks gibt dann erst dem Bildhintergrund sein volles Gewicht. Dieser teilt sich horizontal in zwei farblich völlig unterschiedliche Zonen, und zwar genau auf der Höhe des Mundes, aus dem der muskulöse, aber verkrümmte Dämon, entfährt. Der Geist gleitet in die untere, blaugraue Zone des Bildes, gelangt also nicht in den orangeroten Bereich. Dies ist der Bereich, den der Oberkörper des erhöht stehenden Christus dominiert. Der Besessene kann indessen schon seine Augen in diese Zone des Lichts erheben, aus der seine Rettung kommt. Dass wir hier die Wirkung des göttlichen Lichts bestaunen können, wird sogar zweimal durch Schrift betont: einmal durch die Lux-Inschrift im Nimbus Christi und zum anderen Mal im Titulus: Spiritus inmundus tenebras petit, qui verbo lucis hominem fugit Der unreine Geist, der durch das Wort des Lichts den Menschen flieht, strebt in die Finsternis Ein weiteres Mal ist die Gestalt eines Bildes weit weniger von der ikonografifi schen Tradition bestimmt als von dem gleichzeitig in den Tituli ausgedrückten theologischen Konzept. Alles ist hier darauf abgestellt, das Christus-Licht als eine Macht erscheinen zu lassen, die den Kosmos durchwaltet und alles irdische Dasein bestimmt. Die letzte Evangelienszene vor Markus ist die Heilung der Schwiegermutter des Petrus (fol. 77 r). Die Konzepteure des Hitda-Codex kannten eindeutig die ursprünglich aus dem ostchristlichen Raum stammende Ikonografie dieser ebenfalls in Karphanaum beheimateten Episode, doch entschieden sie sich für eine radikale Umgestaltung. Wie auf der Sinai-Ikone, wo die Szene am Anfang des dritten Registers erscheint, tritt sonst immer Jesus zu der auf der Bettstatt liegenden Fieberkranken hin und steht Petrus am Kopfende bei ihr. Gemäß dem Text bei Matthäus und Markus müsste Christus die Frau bei der Hand fassen, doch erfolgt in den Bildern zu diesen Evangelisten gewöhnlich der als heilmächtig verstandene Griff ans Handgelenk. In dem Darmstädter Codex thront nun Christus und ist die Kranke bereits aufge-
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standen, anstelle ihres Schwiegersohns erscheinen weitere Kranke, an denen sich weitere Heilungswunder vollziehen werden. Diese Miniatur verdeutlicht, wie sehr von den Betrachtern für das Verständnis der Darmstädter Bilder eine eigene Leistung in der Art der Meditatio gefordert wird, denn der Titulus löst diesmal bei weitem nicht alle Fragen: Verbo et tactu christi fugit febris a socru petri et varius pariter morbus circumstantes deserit homines Durch Wort und Berührung Christi flieht das Fieber aus der Schwiegermutter des Petrus und gleichfalls verlässt vielfältige Krankheit die umstehenden Menschen Erwähnt ist die Heilung durch Berührung, die anscheinend einen weiteren Weg der Verbreitung des Heils darstellt. Doch im Bild kann man wiederum die Wirkung des göttlichen Lichts erkennen: Von Christus als der statischen Quelle aus verbreitet sich das königliche Purpur in langsamer Ausdehnung zu denen, die seine Heilsmacht erfahren werden. Gleichzeitig betont das ungewöhnliche Voranschreiten der kranken Frau und erst recht ihr Schritt auf den Fußschemel Christi, dass der Mensch einen Beitrag leisten muss, um die Distanz zu Gott zu überwinden. Der Bildvorspann zu Lukas zeigt vier Wundertaten Christi: zwei Heilungs- und ein Auferweckungswunder (fol. 114 r, 115 r, 116 r) sowie die Beruhigung des Sturms (fol. 117 r). In der gleichzeitigen Kunst der Reichenau sind Wunder als Ausweis der Vollmacht Christi und sicher auch als Heilungsversprechen für die Gläubigen verbreitet. Die byzantinische Kunst nach dem Bilderstreit kannte diese Bildthemen ebenfalls, doch hatten sie dort einen untergeordneten theologischen Stellenwert. Von größerer Bedeutung, insbesondere für die Kirchenausschmückung, waren Bilder der erlösungsrelevanten Heilstaten Christi wie die der Geburt und der Kreuzigung. Oft waren diese Themen mit Festen verbunden, und es entwickelte sich im 11. Jahrhundert eine fast geschlossene Folge von zwölf Hauptbildern, zu denen gewöhnlich keine Wunder gehörten. In Köln verhielt man sich bei der Konzeption des Hitda-Codex exzentrisch sowohl zur Reichenau wie zu Byzanz: Auch die Wundertaten sind hier von theologischer Relevanz, sie sind Zeichen der eindringenden Macht des Lichts in die Welt und damit Hilfen für die Erkenntnis des Logos, der zugleich Schöpfer und Erlöser ist. Die Folge beginnt mit der Heilung des Mannes mit der verdorrten Hand (fol. 114 r). Die Ikonografie dieser Szene ist wohl erst nach dem Ikonoklasmus aufgekommen und war bis zum späten 10. Jahrhundert fast nur in Byzanz bekannt. Der Kranke tritt dabei Christus gegenüber, und zwar häufi fig in Anwesenheit von Pharisäern, die gemäß dem Bibeltext die Heilung am Sabbat ablehnen. Die Geste des Kranken soll sein Gebrechen anzeigen. Die besondere Pointe von Bild und Titulus im Hitda-Codex ist, dass sie bereits einen idealen Zustand zur Darstellung bringen. Die Beischrift berichtet: Incredulorum cogitationibus victis virtus christi in medio manum aridam restauravit infirmo Nachdem sie die Gedanken der Ungläubigen besiegt hat, stellt die Kraft Christi dem Kranken in der Mitte die trockene Hand wieder her
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Ausdrücklich überwindet die Kraft (virtus) Christi erst den Unglauben, bevor sie den Mann heilt. Das widerspricht den Evangelien, so etwa Lk 6,6 – 11, wo die Pharisäer ihre Gedanken gerade nicht ändern, sondern voll Wut planen, Jesus zu töten. Die Menschengruppe hinter dem Kranken kann aber kaum als feindselige Zusammenrottung interpretiert werden, denn die Gesichter sind Christus hörend zugewandt und die einzige Geste von dort ist die aufnehmend erhobene Hand des am weitesten vorne stehenden Mannes. Ein entscheidendes Bildzeichen ist zudem der mehrfach in Zonen und Schmuckformen unterteilte, über goldenen Pfl flanzen beginnende Hintergrund. Er ist nur mit den Hintergründen der Evangelistenbilder (vgl. fol. 118 r) zu vergleichen und bietet zum Mindesten einen Abglanz des Paradieses. Selbst die Widersacher Christi sind damit eingebunden in die erlösende Wirkmacht des göttlichen Lichts. Zur Auferweckung des Jünglings von Nain (fol. 115 r) besteht eine alte ikonografi fische Tradition, die im karolingischen und ottonischen Westen mehrfach aufgegriffen worden ist. Wie Lukas berichtet (Lk 7,11 – 17), wird der verstorbene Sohn einer Witwe unter großer Anteilnahme der Menschen aus dem Stadttor von Nain herausgetragen, durch das Jesus gerade eintreten will. Das Niederknien der Witwe vor Christus ist jedoch eine Zugabe der westlichen Ikonografie, im Evangelium heißt es nur, dass Jesus Mitleid mir ihr gehabt und den Sohn wiederauferweckt habe. Überraschenderweise geht es aber im Hitda-Codex kaum um dieses Mitleid oder um die Überzeugungskraft der Wundermacht Jesu. Der Titulus musste hier durch einen Planungsfehler auf Goldzeilen über eine ältere Inschrift gesetzt werden: Hic filius vidue˛ defunctus sui factorem cognoscit vivificatus Hier erkennt der verstorbene Sohn der Witwe seinen Schöpfer, nachdem er lebendig gemacht worden ist Es geht also vor allem um das Erkennen des Schöpfers und Logos, dessen Auftreten auch hier von mit einem purpurnen und „paradiesisch“ gestreiften Hintergrund begleitet wird. Eine etwas rätselhafte Rolle spielt auch die Witwe: Ihr Gestus ist jedenfalls nicht der eines haltlosen Flehens, und auch ihr Gesichtsausdruck würde mehr zu einer Erkenntnis des Lichts passen als zur Trauer. Sie ist in ein helles und damit lichttragendes Gewand gehüllt und präsentiert Christus auf ihren verhüllten Händen einen winzigen, bisher nicht identifizierten Gegenstand aus drei goldenen Punkten. Es lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, doch womöglich spielt diese Figur auf die meditierenden Betrachterinnen aus dem Konvent der Hitda an. Nicht zufällig folgt hierauf mit der Blindenheilung vor Jericho fol. 116 r ein Bild, das körperliche und geistige Erkenntnis und ihrer Bedingungen zum Thema hat. Zunächst scheint hier nur ein verbreitetes ikonografisches fi Schema aufgegriffen worden zu sein: Jesus ist mit seinen Jüngern vor dem inschriftlich bezeichneten Jericho zu sehen, wo ein blinder Bettler auf sein Flehen hin die Sehkraft zurückerhält. Eine solche bereits reduzierte Konfrontation Jesu mit dem stehenden Blinden bietet etwa eines der Bilder auf der oben angeführten Sinai-Ikone. Gegenüber anderen Bildern könnte man das Fehlen der zunächst herablassenden und dann erstaunten Zeugen feststellen,
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doch setzt der Darmstädter Codex auch diesmal einen besonderen Akzent. Wiederum bemerkt man den „paradiesischen“ Hintergrund mit Streifen und Goldpflanzen, wiederum die Inschrift „LUX“ im Nimbus Christi. Die eigentliche Wende bringt aber der Titulus: Privatus visu habitum videndi fide meruit a Christo Nachdem er der Sicht beraubt worden war, hat er durch den Glauben von Christus die Fähigkeit zum Sehen erlangt. Weil der Glaube als Auslöser genannt wird, wird ganz eindeutig ein Status der Erkenntnis erreicht, der über die bloß körperliche Sicht hinausgeht. Ihm geht zudem eine eigene Bewegung des Kranken, der Glaube voraus. Beides lehnt sich eng an den Bibeltext (etwa Lk 18,35 – 43) an, wo der Blinde dank seines Glaubens geheilt wird und dann zum Jünger Jesu wird, korrigiert damit aber souverän die übliche und damit beiläufi fige Summierung unter das Wunderbare. Die letzte Miniatur in der Lukas-Reihe, zugleich die berühmteste des Hitda-Codex, zeigt fol. 117 r den Sturm auf dem See Genezareth. Die ungeheure Dynamik dieses Bildes gibt ihm auch einen autonomen Wert jenseits jeder programmatischen Deutung. Von links oben stürzt das Segelboot nach rechts unten, wo es offensichtlich von einem unsichtbaren Abgrund erwartet wird, in den anscheinend schon der verlebendigte Drachenkopf des Bootes zu schauen vermag. Wie stark das Boot mitgerissen wird, zeigt der Vergleich mit dem fast zeitgenössischen Bild von der Reichenau > 28 , das unter den süddeutschen Miniaturen am weitesten geht. Das Segel am Mast ist im Hitda-Codex obendrein losgerissen, und Petrus versucht es mit besorgtem Blick zu fixieren. Insgesamt jedoch ist die nur in Darmstadt vollzählig versammelte Schar der Apostel weit weniger beunruhigt als die Handvoll Jünger im Reichenauer Bild. Nur ein Apostel aus der zweiten Reihe wendet sich hier dem schlafenden Jesus zu, um von ihm Beistand zu erbitten. Der knappe Titulus scheint eine eher einfache Lesart nahezulegen: Imperio summi obediunt mare et venti Dem Befehl des Höchsten gehorchen Meer und Winde Das Bild selbst birgt jedoch Rätsel, die durch die Exegesegeschichte der Sturmfahrt (Mt 8,23 – 27; Lk 8,22 – 25; Mk 4,35 – 41) noch verstärkt werden. Zum einen stellt sich die Frage, wieso Jesus nicht wie gewöhnlich und wie der Beitext verlangt den Sturm bändigt. Wie Kraus gezeigt hat, wurde sein Schlaf immer wieder als sein Tod gedeutet und der Mast als das Kreuz; die Natur wird also auch dann gebändigt, wenn der inkarnierte Logos nicht unter uns weilt, aber sehr wohl das Licht, das auch hier als Lux-Inschrift auf dem Kreuznimbus erscheint. Damit erhält auch die Zwölfzahl der Apostel Bedeutung, denn das Schiff ist als die Kirche verstanden worden, und in ihr wirkt auch das göttliche Licht weiter, solange sie voll Glauben auf das Kreuz schaut. Wieder kommen die Leistung des Glaubens und das göttliche Licht zusammen. Auch das ist übrigens gute griechische Theologie, betonte doch gerade Maximus Confessor die Bedeutung des Glaubens für den heilbringenden Erkenntnisaufstieg. Der abrupte Wechsel des Hintergrunds gegen-
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28 Aachen, Domschatz, o. S., p. 68: Liuthar-Evangeliar, Sturm auf dem See
über den Bildern davor ist also keine Unbedachtheit, denn die Kirche muss sich auch in einer abweisenden Welt bewähren, in der der Gott-Mensch sie nicht mehr direkt führt. Die verbleibenden drei Szenen vor dem Johannes-Evangelium sind am schwersten als eine theologische Einheit zu fassen. Der Versuch von Kraus, sie in Bezug zum Lebensweg des Evangelisten zu setzen, kann nicht abschließend überzeugen. Immerhin sind alle drei Episoden nur bei Johannes überliefert. Auffällig ist auch, dass hier Befehle Christi an die lebende und die tote Natur und die Errettung aller Sünder im letzten Bild, vertreten durch die Ehebrecherin, beieinanderstehen; es geht also um Dinge, die nach Menschenmaß unmöglich sind und deren Zeuge Johannes ist. Obwohl Christus sich darin nur den Krügen zuwendet und weder die verbreitete Tischszene noch seine Mutter Maria dargestellt ist, ist das Bild fol. 169 r mit dem Weinwunder auf der Hochzeit von Kana nicht so exzen-
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trisch, wie man annehmen möchte. Im Grunde gibt es diese Konzentration auch in Werken wie dem Oxforder Elfenbein (vgl. Abb. 26; rechts unten) und der Sinai-Ikone. Allerdings handelt es bei letzterem um das zweite Bild einer kleinen Bildfolge zu dieser Episode. Selten dürfte sich aber Christus allein an die Gefäße wenden, wie er das auch nach der Beischrift tut: Hic ter binis vasis iussit Christus ex aqua vinum prebere convivis Hier hat Christus den drei Mal zwei Gefäßen befohlen, den Gästen aus Wasser Wein zu reichen Da Jesus auch in der einzigen Überlieferung der Episode, Johannes 2,1 – 11, seine Worte nur an die Diener richtet, kann dies nur als Macht des Logos über die unbelebte Natur verstanden werden. Das Bild fol. 170 r, das die Heilung des Gelähmten am Teich Bethesda zeigt, schöpft zwar aus der sehr alten Tradition, auf die das Oxforder Elfenbein zurückgreift (vgl. Abb. 26, linker Rand), doch bricht es gezielt mit den überkommenen Bildformeln. Gewöhnlich (vgl. Abb. 26 links) trägt der Geheilte seine Bettstatt bereits auf dem Rücken, aber in keinem anderen erhaltenen Bild beugt er sich nach vorne, um sie aufzuheben. Ungewöhnlich ist auch die Menge der Zuschauer, da im Evangelium (Joh 5,1 – 9) die Pharisäer erst nachträglich von der am Sabbat erfolgten Heilung erfahren. Nicht einmal der Kranke, der hier mit ungewöhnlicher Intensität auf Jesus blickt, hat seinen Heiler in diesem Augenblick erkannt. Die Aufmerksamkeit der Zuhörer lässt übrigens auch nicht unbedingt auf eine ablehnende Reaktion schließen. Noch eine Besonderheit führt der Titulus ein, wenn der Mann für die 38 Jahre seiner Krankheit als „halblebendig“ (semivivus) und nicht als gelähmt bezeichnet wird: Verbo divino grabattum portat salvus, qui in eo iacebat semivivus Das Bett trägt auf das göttliche Wort hin der Geheilte, der halblebendig in ihm lag Da die Heilung im Hitda-Codex als eine Erweckung zum ganzen Leben und ein Erkennen Christi erscheint, liegt es nahe, an die in der Exegese übliche Deutung der Episode als Bild der Taufe zu denken. Allerdings verweigern die Bildkonzepteure eine Anspielung auf das Taufwasser, die in Form des Teiches Bethesda leicht möglich gewesen wäre. Stattdessen muss hier stärker im Sinne der Lichttheologie gedacht werden: Im Johannesprolog sind Licht und Logos mit dem Leben identisch, und in diesem Bild erreicht den einstigen Lahmen das Leben durch das Wort und das im Kreuznimbus vermerkte Licht. Ein soteriologisches Finale, das diesen Status trotz der am Buchende folgenden Kreuzigung beanspruchen kann, bietet die Miniatur fol. 171 r mit der Errettung der Ehebrecherin. Eine kaum überschaubare Menschenmenge hat die Frau vor den thronenden Jesus geführt. Christus beachtet sie jedoch nicht, sondern schreibt mit dem Finger „Erde klagt Erde an“ auf den Boden. Dieser Satz, der nicht aus dem Evangelium (Joh 8,1 – 11) stammt, aber
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bereits zwei Jahrzehnte zuvor im Trier-Reichenauer Codex Egberti in dieser Szene erscheint, spiegelt sich in dem vergleichsweise langen und elaborierten Titulus wieder: Mulier peccatrix hic erit exemplum christianis iudice vero iudicante nulli pecatori [sic!] misericordiam denegari Die sündige Frau wird hier den Christen ein Beispiel werden, dass vom wahren Richter beim Richten keinem Sünder die Barmherzigkeit verweigert wird Christi Urteil wird in der immateriellen Überwelt gefällt werden, doch dabei wird „keinem Sünder die Barmherzigkeit verweigert“. Tatsächlich ist die Botschaft des ganzen Bildes hoffnungsfroh, aber es ist erst eine Verheißung für die Zukunft. Der Titulus spricht ausdrücklich im Futur von dem für die Sünder verheißungsvollen Freispruch der Frau, und im Bild selbst sehen wir ein weiteres Mal einen unruhigen Hintergrund, der sich erst langsam von Jesus aus zu den Menschen hin ausbreitet. Tatsächlich spielen sich auch bei ihnen Veränderungen ab: Ein Teil der Masse hat sich schon aus Einsicht zum Gehen gewandt, ein anderer Teil bleibt noch mit Blicken auf Jesus stehen. Das eigentlich Schlagende an diesem Bild ist aber die Um- und Aufwertung der Sünderin: Sie ist von einem weiten teils purpurnen, teils hellbeigen bis weißen Mantel umhüllt, der an der Kapuze wohl nicht zufällig mit ähnlichen Spitzen besetzt ist wie die Kleidung der Hitda fol. 6 r und der Maria der Verkündigung fol. 20 r. Ist eine schützende Verhüllung der Ehebrecherin in der reichen ikonografischen Tradition anscheinend beispiellos, so können deren lichtdurchfl flutete oder königliche Farbe zunächst nur erstaunen. Doch tatsächlich spinnt diese Miniatur die Paradoxien der neuplatonischen Theologie auf der Ebene der Erlösung noch weiter: Die Sünderin, die eigentlich nicht zu rechtfertigen ist, „wird hier den Christen ein Beispiel werden“; für irdische Maßstäbe Unvereinbares wird durch das Herabstrahlen des Lichts verbunden. Diese letzte Miniatur des inneren Zyklus spielt deswegen noch einmal auf das Dedikationsbild vor den Texten an und zeigt, wie das göttliche Über-Sein und das Licht, das von ihm ausgeht, nicht nur Erkenntnis ermöglicht, sondern auch Erlösung.
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Miniaturen, Bilder und Zierseiten
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fol. 22 r
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fol. 76 r
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fol. 207 v
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fol. 208 r
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Verzeichnis der Abbildungen fol. fol. fol. fol.
Iv 1r 5v 6r
fol. fol. fol. fol. fol. fol. fol. fol. fol. fol. fol. fol. fol. fol. fol. fol. fol. fol.
6v 7r 7v 8r 10 v 11 r 19 v 20 r 20 v 21 r 21 v 22 r 22 v 23 r 23 v 24 r 24 v 25 r
fol. fol. fol. fol. fol. fol.
70 v 75 r 75 v 76 r 76 v 77 r
fol. 77 v
Geschenkverzeichnis der Hitda Vorrede Novum Opus mit b-Initiale Zierseite mit Widmung der Hitda Dedikationsbild: Hitda überreicht der hl. Walburg das Evangeliar Titulusseite zur MajestasDomini Majestas Domini Titulusseite zum Hieronymus-Bild Hieronymus-Bild 5. Seite der Kanontafeln (Canon III) 6. Seite der Kanontafeln (Canon IIII) Titulusseite zur Verkündigung an Maria Bild der Verkündigung an Maria Titulusseite zum Weihnachtsbild Bild der Geburt Jesu Titulusseite Bild der Anbetung der Weisen Titulusseite Bild der Darbringung im Tempel Incipitseite Evangelistenbild Matthäus Initiumseite zu Matthäus Initialzierseite mit L-Initiale und Münzbildern der Kardinaltugenden Argumentum zu Matthäus mit M-Initiale Bild der Taufe Christi Titulusseite Bild der Heilung des Besessenen Titulusseite Bild der Heilung der Schwiegermutter des Petrus Titulusseite
fol. 78 r fol. 78 v fol. 79 r fol. 113 v fol. 114 r fol. 114 v fol. 115 r fol. 115 v fol. 116 r fol. 116 v fol. 117 r fol. 117 v fol. 118 r fol. 118 v fol. 119 r fol. 168 v fol. 169 r fol. 169 v fol. 170 r fol. 170 v fol. 171 r fol. 171 v fol. 172 r fol. 172 v fol. 173 r
fol. 207 v fol. 208 r
Evangelistenbild Markus Incipitseite zu Markus Initialzierseite mit INI-Initialligatur Titulusseite Bild der Heilung des Mannes mit der verdorrten Hand Titulusseite Bild der Auferweckung des Jünglings von Nain Titulusseite Bild der Heilung des Blinden vor Jericho Titulusseite Bild mit dem Sturm auf dem See Titulusseite Evangelistenbild Lukas Incipitseite zu Lukas Initialzierseite mit Q-Initiale Titulusseite Bild der Hochzeit zu Kana Titulusseite Bild der Heilung des Lahmen am Teich Bethesda Titulusseite Bild von Christus und der Ehebrecherin Titulusseite Evangelistenbild Johannes Initiumseite zu Johannes Initialzierseite mit IN-Initialligatur und Medaillonbildnissen der christlichen Tugenden und des Lamm Gottes Bild der Kreuzigung Christi Titulusseite
Abbildungen aus dem Hitda-Codex, Darmstadt, Universitäts- und Landesbibliothek, Hs 1640
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