Das Edikt de pecunia constituta: Die römische Erfüllungszusage und ihre Einbettung in den hellenistischen Kreditverkehr 9783406647581, 9783406647598, 3406647588

Die Monographienreihe "Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte" wurde 1950 von Joachim Werner an der Uni

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German Pages 292 [306] Year 2013

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Table of contents :
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Titel
Impressum
Inhalt
Vorwort
Einführung
I. „Wenn einer schreibt, dass er schulde oder geben werde": Chirografa und syngrafae bei Gaius
II. Das Edikt De pecunia constituta
III. Zwei constituta debiti
Erstes Kapitel: Pecunia constituta im prätorischen Edikt
§ 1. Das Verheißungsedikt De pecunia constituta
I. Grundlagen der Rekonstruktion
II. Ediktaler Inhalt des constituere
III. Verheißener Rechtsschutz
§ 2. Die ediktale Klageformel der actio de pecunia constituta
I. Verurteilungsvoraussetzungen (intentio)
1. Gesicherte Bestandteile der Klageformel
2. Unsichere Elemente/Textstörungen
3. Versuch der Rekonstruktion
II. Inhalt der Verurteilung (condemnatio)
1. Haftung auf ein certum/incertum aus constitutum nach den Digesten
2. Berücksichtigung eines besonderen Gläubigerinteresses bei stipulatio und stipulationslosem Darlehen
a) Stipulatio mit Leistungszeit und Klage auf das Interesse
b) Zeitinteresse beim stipulationslosen Darlehen
3. Ergebnis
§ 3. Die sponsio dimidiae partis
I. Das Zeugnis des Gaius
II. Die sponsio tertiae partis im Verfahren de certa credita pecunia: Ciceros Rede für den Schauspieler Roscius
III. Die sponsio tertiae partis in TPSulp. 31
IV. Verfahren mit sponsio bei certa credita pecunia nach der lex Rubria
V. Rückschlüsse auf die sponsio dimidiae partis
VI. Sponsio/restipulatio dimidiae partis und intentio der actio de pecunia constituta
§ 4. Griechisches Recht im prätorischen Edikt?
I. Dimidia pars und ήμιολία
1. Die ήμιολία als Prozessstrafe
„erklären", „festsetzen" und „nicht tun" als griechischer Verurteilungstatbestand
3. Die ήμιολία als Vertragsstrafe
4. ήμιολία und Gläubigerinteresse
5. ήμιολία und sponsio dimidiae partis
6. Exkurs: Die dimidia pars im („klassischen") römischen Recht
II. Formfreiheit des constitutum
III. Pecunia debita und Lehre von der Zweckverfügung
1. Die Zweckverfügung im griechischen Rechtsdenken: Realcharakter des Vertrags
2. Der Gedanke der Zweckverfügung im römischen Recht: συνάλλαγμα und Innominatkontrakte
3. Deliktischer Ursprung und Pönalität der actio de pecunia constituta
§ 5. Die exceptio 'de pecunia constituta'
I. Rückforderung einer zusagewidrigen Leistung: D. 13,5,8-10
1. Verlust der Leistungsmöglichkeit an einen solutionis causa adiectus: D. 13,5,8-9
2. Verlust einer Leistungsalternative durch constitutum bei einer Wahlschuld: D. 13,5,25 pr.
3. Widerspruch zu D. 46,3,59: Erhalt der Leistungsmöglichkeit an einen solutionis causa adiectus
4. Verlust der Leistungsmöglichkeit an einen Gesamtgläubiger nach constitutum zugunsten des anderen: D. 13,5,10
5. D. 13,5,10 innerhalb der Haltung des Paulus zur Gesamtwirkung von Einzelmaßnahmen bei Gesamtgläubigerschaft
II. Gewährung einer exceptio nach constitutum 'mihi aut Titio' und Leistung an den solutionis causa adiectus: D. 13,5,30
1. Bisherige Erklärungsversuche
2. Textrekonstruktion
3. Ergebnis
Zweites Kapitel: Die Arbeit der Juristen am Edikt
§ 1. Qualifizierung der pecunia debita
I. Betagte und bedingte Schulden als pecunia debita
1. Wirksames constitutum des in diem obligatus?
2. Der „Ursprung der constituta"
3. Reste eines Streits?
4. Qualifizierung des in diem debitum als gegenwärtige Verbindlichkeit
a) In diem debere und praesens obligatio bei Paulus
b) In diem debitum iri bei Gaius
c) Praesenti die non debere bei Ulpian und Pomponius
d) Sofortiges dari oportere bei Ulpian?
5. Abstellen Ulpians auf die Durchsetzbarkeit
6. Ergebnis
II. Naturalobligationen als pecunia debita
1. D. 13,5,1,7 und der Verdacht der Interpolation
2. Natura debitum als Schulden Gewaltunterworfener
3. Natura debitum als unklagbare Schuld mit Ausschluss der Rückforderung im Fall der Leistung
4. Zusage paktierter Zinsen in einem chirographum: D. 22,1,41,2
5. Salva ratione usurarum in D. 13,5,26
6. Ergebnis
§ 2. Constituere
I. Pure constituere/certo die constituere in D. 13,5,19 pr.
II. D. 13,5,21,1: sine die constituere
III. Certo tempore constituere in D. 13,5,16,1
IV. Leistungszeit in konkreten constituta des Digestentitels 13,5
1. D. 13,5,5,3: Zusage 'si debitum adprobatum erit'
a) D. 13,5,5,3 und die unmittelbare Stellvertretung beim constitutum
b) Die Leistungsbedingung in D. 13,5,5,3
c) 'se cauturum et soluturum' als Gegenstand des constituere
2. D. 13,5,26: 'habes penes me'
a) Ursprüngliches receptum argentariorum?
b) παρ
3. D. 13,5,31: 'in rationes meas pervenisse'
4. Ergebnis
§ 3. Konkurrenz des constitutum zu förmlichen Erklärungen
I. Stipulatio inutilis und constitutum: D. 13,5,1,4
1. Differenzierung nach dem animus in der Ulpian-Überlieferung
2. Animus und quod actum est
3. 'Gegenentscheidungen' zur acceptilatio inutilis
4. Funktionsverschiedenheit von stipulatio und constitutum?
5. Keine Hilfsbegründung des Klägers?
6. Kein Anlass für prätorischen Rechtsschutz?
7. Analyse von D. 46,4,8 pr.
a) Geteilte Überlieferung von D. 46,4,8 pr.
b) Symmetriegedanke bei acceptilatio/pactum und stipulatio/constitutum
c) Unterstützung durch die Basilikenüberlieferung?
d) Unterstützung durch Paulus, D. 2,14,27,9?
e) Unterstützung durch Ulpiani regulae, D. 46,4,19 pr.?
f) Glossenverdacht gegen D. 46,4,8 pr. a. E.
g) Contra sentiri und fehlender Konsens
8. Rekonstruktion des Ulpian-Textes
9. 'Facilius exceptio quam actio paratur'
10. Schutz des Gläubigers durch das von ihm gewählte Recht
II. Constitutum und zugeschobener Eid (iusiurandum delatum)
1. Verständnisvarianten eines „testo oscuro"
a) Zugeschobener und geleisteter Eid als constitutum
b) Die byzantinische Tradition: Eidesschuld als Grundlage eines constitutum
c) Die mittelalterliche Tradition: Eid über die Schuld aus constitutum
d) Eid über die Hauptschuld, Fortbestehen der actio de pecunia constituta
2. Der zurückgeschobene Eid
a) Zurückgeschobener Eid als constitutum: Problem des „freien" Schuldnerwillens
b) Klage aus zurückgeschobenem Eid als pecunia debita des constitutum
c) Zurückgeschobener Eid über die Schuld aus constitutum
d) Zurückgeschobener Eid über die Hauptschuld, Fortbestehen der actio de pecunia constituta
Drittes Kapitel: Pecunia constituta in der Geschäfts- und Urkundenpraxis
§ 1. Constituta und Verwandtes in den Digesten
I. Erklärung über Erhalt und Verbleib einer Summe und Zusage jederzeitiger Rückzahlung: D. 16,3,24
II. Erklärung eines institor über den Verbleib einer Summe und Zusage der Zahlung an einem bestimmten Termin: D. 14,3,20
1. Sachverhalt
2. Entscheidungsbegründung Scaevolas
3. Die byzantinische Tradition
4. Ausschluss der Eigenhaftung des institor nach Beendigung des officium institoris
5. Zum Vergleich: Die Haftung des Gemeindebeamten post depositum officium
III. Erklärung eines procurator über den Verbleib einer geschuldeten Summe: D. 44,7,61 pr.
IV. Erklärung eines mensularius über Verbleib einer Summe und Ankündigung der Rückzahlung einer anderen: D. 2,14,47,1
„Summa tacita“
V. Erklärung über Verwahrung von Gegenständen und eigene/fremde? Schuld: D. 16,3,26,2
§ 2. Constituta bei Cicero?
I. Cic. Att. 16,15,5: constituere dissolvere
II. Cic. Quinct. 18: ita constituere se daturum
III. Cic. Att. 1,7: constituere se curaturum Id. Febr.
§ 3. Dokumente einer hellenistischen Geschäftswelt
I. Griechische Urkunden
1. Schuldübernahme und Leistungszusage des Apostels Paulus – Phlm. 18-19
2. Erfüllungszusagen im dokumentarischen Material
a) Eine dakische Wachstafel
b) Homologie-Urkunden mit Empfangsbestätigung, Schuldanerkenntnis und Erfüllungszusage
II. Lateinische Urkunden
1. Chirographa von Soldaten
2. Urkunden mit Darlehens-Empfangsbestätigung, Schuldanerkenntnisund Stipulation über die Rückzahlung ('Mutua cum stipulatione')
Schluss
Literaturverzeichnis
Quellenregister
Zum Buch
Über den Autor
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Das Edikt de pecunia constituta: Die römische Erfüllungszusage und ihre Einbettung in den hellenistischen Kreditverkehr
 9783406647581, 9783406647598, 3406647588

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DAS EDIKT DE PECUNIA CONSTITUTA Die römische Erfüllungszusage und ihre Einbettung in den hellenistischen Kreditverkehr VON JOHANNES PLATSCHEK

VERLAG C.H.BECK MÜNCHEN 2013

Bibliographische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. 1. Auflage. 2013 © Verlag C.H.Beck oHG, München 2013 ISSN 0936 3718 ISBN Buch 978 3 406 64758 1 ISBN eBook 978 3 406 64759 8 Die gedruckte Ausgabe dieses Titels erhalten Sie im Buchhandel sowie versandkostenfrei auf unserer Website www.chbeck.de. Dort finden Sie auch unser gesamtes Programm und viele weitere Informationen.

INHALT Vorwort

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XI

Einführung ...................................................................................................... I. „Wenn einer schreibt, dass er schulde oder geben werde“: Chirografa und syngrafae bei Gaius ................................................... II. Das Edikt De pecunia constituta ......................................................... III. Zwei constituta debiti ..........................................................................

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Erstes Kapitel: Pecunia constituta im prätorischen Edikt............................... § 1. Das Verheißungsedikt De pecunia constituta ...................................... I. Grundlagen der Rekonstruktion........................................................... II. Ediktaler Inhalt des constituere ........................................................... III. Verheißener Rechtsschutz....................................................................

11 11 11 12 20

§ 2. Die ediktale Klageformel der actio de pecunia constituta................... I. Verurteilungsvoraussetzungen (intentio) ............................................. 1. Gesicherte Bestandteile der Klageformel ...................................... 2. Unsichere Elemente / Textstörungen ............................................. 3. Versuch der Rekonstruktion .......................................................... II. Inhalt der Verurteilung (condemnatio)................................................. 1. Haftung auf ein certum/incertum aus constitutum nach den Digesten ......................................................................................... 2. Berücksichtigung eines besonderen Gläubigerinteresses bei stipulatio und stipulationslosem Darlehen ............................... a) Stipulatio mit Leistungszeit und Klage auf das Interesse......... b) Zeitinteresse beim stipulationslosen Darlehen ......................... 3. Ergebnis .........................................................................................

22 22 23 25 31 34

§ 3. Die sponsio dimidiae partis................................................................. I. Das Zeugnis des Gaius ........................................................................ II. Die sponsio tertiae partis im Verfahren de certa credita pecunia: Ciceros Rede für den Schauspieler Roscius ........................................ III. Die sponsio tertiae partis in TPSulp. 31.............................................. IV. Verfahren mit sponsio bei certa credita pecunia nach der lex Rubria . V. Rückschlüsse auf die sponsio dimidiae partis ..................................... VI. Sponsio/restipulatio dimidiae partis und intentio der actio de pecunia constituta ..................................................................

42 42

35 37 37 41 41

45 48 52 55 56

VI

§ 4. Griechisches Recht im prätorischen Edikt? ......................................... I. Dimidia pars und ἡ™ιολία ................................................................. 1. Die ἡ™ιολία als Prozessstrafe........................................................ 2. ὁ™ολογεῖν, συντιθέναι und ™ὴ ποιεῖν, − „erklären“, „festsetzen“ und „nicht tun“ als griechischer Verurteilungstatbestand.. 3. Die ἡ™ιολία als Vertragsstrafe....................................................... 4. ἡ™ιολία und Gläubigerinteresse .................................................... 5. ἡ™ιολία und sponsio dimidiae partis............................................. 6. Exkurs: Die dimidia pars im („klassischen“) römischen Recht .... II. Formfreiheit des constitutum ............................................................... III. Pecunia debita und Lehre von der Zweckverfügung........................... 1. Die Zweckverfügung im griechischen Rechtsdenken: Realcharakter des Vertrags............................................................. 2. Der Gedanke der Zweckverfügung im römischen Recht: συνάλλαγ™α und Innominatkontrakte .......................................... 3. Deliktischer Ursprung und Pönalität der actio de pecunia constituta .......................................................................................

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§ 5. Die exceptio 'de pecunia constituta' .................................................... I. Rückforderung einer zusagewidrigen Leistung: D. 13,5,8-10 ............. 1. Verlust der Leistungsmöglichkeit an einen solutionis causa adiectus: D. 13,5,8-9...................................................................... 2. Verlust einer Leistungsalternative durch constitutum bei einer Wahlschuld: D. 13,5,25 pr............................................... 3. Widerspruch zu D. 46,3,59: Erhalt der Leistungsmöglichkeit an einen solutionis causa adiectus................................................. 4. Verlust der Leistungsmöglichkeit an einen Gesamtgläubiger nach constitutum zugunsten des anderen: D. 13,5,10 .................... 5. D. 13,5,10 innerhalb der Haltung des Paulus zur Gesamtwirkung von Einzelmaßnahmen bei Gesamtgläubigerschaft ....................... II. Gewährung einer exceptio nach constitutum 'mihi aut Titio' und Leistung an den solutionis causa adiectus: D. 13,5,30................. 1. Bisherige Erklärungsversuche ....................................................... 2. Textrekonstruktion ......................................................................... 3. Ergebnis .........................................................................................

84 85

102 103 106 110

Zweites Kapitel: Die Arbeit der Juristen am Edikt ......................................... § 1. Qualifizierung der pecunia debita ....................................................... I. Betagte und bedingte Schulden als pecunia debita ............................. 1. Wirksames constitutum des in diem obligatus? ............................. 2. Der „Ursprung der constituta“ ....................................................... 3. Reste eines Streits? ........................................................................

111 111 111 111 112 113

59 61 62 64 67 71 76 77 78 80

85 90 92 97 99

VII

4. Qualifizierung des in diem debitum als gegenwärtige Verbindlichkeit............................................................................... a) In diem debere und praesens obligatio bei Paulus ................... b) In diem debitum iri bei Gaius ................................................... c) Praesenti die non debere bei Ulpian und Pomponius .............. d) Sofortiges dari oportere bei Ulpian?........................................ 5. Abstellen Ulpians auf die Durchsetzbarkeit................................... 6. Ergebnis ......................................................................................... II. Naturalobligationen als pecunia debita ............................................... 1. D. 13,5,1,7 und der Verdacht der Interpolation.............................. 2. Natura debitum als Schulden Gewaltunterworfener ...................... 3. Natura debitum als unklagbare Schuld mit Ausschluss der Rückforderung im Fall der Leistung........................................ 4. Zusage paktierter Zinsen in einem chirographum: D. 22,1,41,2.... 5. Salva ratione usurarum in D. 13,5,26............................................ 6. Ergebnis .........................................................................................

116 117 118 119 119 122 125 126 126 127 130 134 141 142

§ 2. Constituere ......................................................................................... I. Pure constituere / certo die constituere in D. 13,5,19 pr. .................... II. D. 13,5,21,1: sine die constituere ........................................................ III. Certo tempore constituere in D. 13,5,16,1........................................... IV. Leistungszeit in konkreten constituta des Digestentitels 13,5 ............. 1. D. 13,5,5,3: Zusage 'si debitum adprobatum erit' .......................... a) D. 13,5,5,3 und die unmittelbare Stellvertretung beim constitutum ............................................................................... b) Die Leistungsbedingung in D. 13,5,5,3.................................... c) 'se cauturum et soluturum' als Gegenstand des constituere...... 2. D. 13,5,26: 'habes penes me'.......................................................... a) Ursprüngliches receptum argentariorum?................................ b) ἔχει̋ παρ' ἐ™οί ......................................................................... 3. D. 13,5,31: 'in rationes meas pervenisse'....................................... 4. Ergebnis .........................................................................................

143 145 150 153 155 155

§ 3. Konkurrenz des constitutum zu förmlichen Erklärungen .................... I. Stipulatio inutilis und constitutum: D. 13,5,1,4 ................................... 1. Differenzierung nach dem animus in der Ulpian-Überlieferung ... 2. Animus und quod actum est ........................................................... 3. 'Gegenentscheidungen' zur acceptilatio inutilis............................. 4. Funktionsverschiedenheit von stipulatio und constitutum? ........... 5. Keine Hilfsbegründung des Klägers? ........................................... 6. Kein Anlass für prätorischen Rechtsschutz? .................................. 7. Analyse von D. 46,4,8 pr. .............................................................. a) Geteilte Überlieferung von D. 46,4,8 pr...................................

173 173 174 178 179 181 183 183 185 185

159 160 161 161 161 164 167 173

VIII

b) Symmetriegedanke bei acceptilatio/pactum und stipulatio/constitutum ............................................................... c) Unterstützung durch die Basilikenüberlieferung? .................... d) Unterstützung durch Paulus, D. 2,14,27,9? .............................. e) Unterstützung durch Ulpiani regulae, D. 46,4,19 pr.?.............. f) Glossenverdacht gegen D. 46,4,8 pr. a. E................................. g) Contra sentiri und fehlender Konsens...................................... 8. Rekonstruktion des Ulpian-Textes ................................................. 9. 'Facilius exceptio quam actio paratur' .......................................... 10. Schutz des Gläubigers durch das von ihm gewählte Recht............ II. Constitutum und zugeschobener Eid (iusiurandum delatum).............. 1. Verständnisvarianten eines „testo oscuro“ ..................................... a) Zugeschobener und geleisteter Eid als constitutum.................. b) Die byzantinische Tradition: Eidesschuld als Grundlage eines constitutum ...................................................................... c) Die mittelalterliche Tradition: Eid über die Schuld aus constitutum ............................................................................... d) Eid über die Hauptschuld, Fortbestehen der actio de pecunia constituta .................................................................... 2. Der zurückgeschobene Eid ............................................................ a) Zurückgeschobener Eid als constitutum: Problem des „freien“ Schuldnerwillens.................................... b) Klage aus zurückgeschobenem Eid als pecunia debita des constitutum......................................................................... c) Zurückgeschobener Eid über die Schuld aus constitutum ........ d) Zurückgeschobener Eid über die Hauptschuld, Fortbestehen der actio de pecunia constituta ........................... Drittes Kapitel: Pecunia constituta in der Geschäfts- und Urkundenpraxis ... § 1. Constituta und Verwandtes in den Digesten ........................................ I. Erklärung über Erhalt und Verbleib einer Summe und Zusage jederzeitiger Rückzahlung: D. 16,3,24 ............................ II. Erklärung eines institor über den Verbleib einer Summe und Zusage der Zahlung an einem bestimmten Termin: D. 14,3,20 .... 1. Sachverhalt .................................................................................... 2. Entscheidungsbegründung Scaevolas ............................................ 3. Die byzantinische Tradition ........................................................... 4. Ausschluss der Eigenhaftung des institor nach Beendigung des officium institoris..................................................................... 5. Zum Vergleich: Die Haftung des Gemeindebeamten post depositum officium ................................................................. III. Erklärung eines procurator über den Verbleib einer geschuldeten Summe: D. 44,7,61 pr..........................................................................

186 187 188 189 190 191 193 195 198 200 201 201 204 205 207 208 209 209 210 211 213 213 213 214 215 216 217 218 219 222

IX

IV. Erklärung eines mensularius über Verbleib einer Summe und Ankündigung der Rückzahlung einer anderen: D. 2,14,47,1............... 223 „Summa tacita“.................................................................................... 225 V. Erklärung über Verwahrung von Gegenständen und eigene/fremde? Schuld: D. 16,3,26,2............................................ 230 § 2. Constituta bei Cicero? ......................................................................... I. Cic. Att. 16,15,5: constituere dissolvere .............................................. II. Cic. Quinct. 18: ita constituere se daturum ......................................... III. Cic. Att. 1,7: constituere se curaturum Id. Febr..................................

236 236 238 242

§ 3. Dokumente einer hellenistischen Geschäftswelt ................................. I. Griechische Urkunden ......................................................................... 1. Schuldübernahme und Leistungszusage des Apostels Paulus – Phlm. 18-19 ................................................ 2. Erfüllungszusagen im dokumentarischen Material ........................ a) Eine dakische Wachstafel ......................................................... b) Homologie-Urkunden mit Empfangsbestätigung, Schuldanerkenntnis und Erfüllungszusage............................... II. Lateinische Urkunden.......................................................................... 1. Chirographa von Soldaten............................................................. 2. Urkunden mit Darlehens-Empfangsbestätigung, Schuldanerkenntnis und Stipulation über die Rückzahlung ('Mutua cum stipulatione') .............................................................

242 243

Schluss

243 245 245 246 249 249 253

......................................................................................... 263

Literaturverzeichnis ........................................................................................ 264 Quellenregister

......................................................................................... 280

VORWORT Die Arbeit stellt eine leicht gekürzte und revidierte Fassung meiner Habilitationsschrift dar, die im Sommersemester 2009 der Juristischen Fakultät der LudwigMaximilians-Universität München vorlag. Für die intensive Förderung der Arbeit und die Erstellung der Gutachten danke ich meinen verehrten Lehrern, Herrn Professor Dr. Dr. Dr. h. c. Alfons Bürge und Herrn Professor Dr. Dr. h. c. mult. Dieter Nörr. Für wertvolle Hinweise und die stete Bereitschaft zum Fachgespräch danke ich den Herren Professoren Dr. Gerhard Ries, Dr. Harald Siems, Dr. Wolfgang Kaiser, Dr. Guido Pfeifer und Dr. Alessandro Hirata sowie Herrn Rechtsanwalt Dr. Erik Ehmann, Herrn Richter am Amtsgericht Dr. Tom Walter, Herrn Oberregierungsrat Philip Rieger und Herrn Assessor Andreas Bartholomä, M. A. (Cantab.). Ihm danke ich außerdem herzlich für die wiederholte Durchsicht der Druckfassung. Wien, im November 2012

Johannes Platschek

„Prinzipiell anders steht die Sache für denjenigen, der an der ebenso biederen als bequemen Tradition von dem rein autochthonen Charakter der römischen Rechtsentwickelung irre geworden ist ...“ Ludwig Mitteis (1902)

EINFÜHRUNG Einführung

I. „Wenn einer schreibt, dass er schulde oder geben werde“: Chirografa und syngrafae bei Gaius Im dritten Buch der Institutionen entwickelt Gaius sein berühmtes System der Verbindlichkeiten. Sie entstünden entweder aus Vertrag oder aus Delikt: omnis enim obligatio vel ex contractu nascitur vel ex delicto (Gai. 3,88). Die Vertragsverbindlichkeiten würden re, verbis, litteris oder consensu begründet (Gai. 3,89): durch Sachhingabe also (etwa durch Auszahlung eines Darlehens), durch förmlichen Austausch von Worten (also durch Stipulation in Frage und Antwort), durch förmlichen Schriftakt („Litteralvertrag“) oder in bestimmten anerkannten Fällen durch bloße formlose Einigung der Parteien. Der Litteralvertrag bestehe „zum Beispiel“ (velut) in Umbuchungen (nomina transscripticia: Gai. 3,128). Er sei in dieser Form römischen Bürgern stets, Peregrinen, also Nichtrömern, nur in bestimmten Fällen zugänglich (Gai. 3,133). Umgekehrt ließen sich andere Akte der obligatio litteris contracta zuordnen, mit denen ausschließlich Nichtrömer eine Obligation begründen könnten: Gai. 3,134 Praeterea litterarum obligatio fieri videtur chirografis (sic) et syngrafis (sic), id est si quis debere se aut daturum s‹e› es‹se› scribat, ita scilicet, si eo nomine stipulatio non fiat. quod genus obligationis proprium peregrinorum est.

„Außerdem scheint eine Schriftverbindlichkeit zu entstehen durch Handscheine und Zeugenurkunden, das heißt, wenn jemand schreibt, dass er schulde oder geben werde, natürlich nur dann, wenn darüber keine Stipulation erfolgt. Diese Art der Verbindlichkeit ist Sonderrecht der Peregrinen.“

Es geht um das Phänomen der peregrinen, konkret der griechisch-hellenistischen Schuldscheine, um Krediturkunden mit Schuldanerkenntnis und/oder Leistungsversprechen1. Diese chirografa et syngrafae können eine Obligation nur nach dem ius proprium peregrinorum, dem Sonderrecht der Nichtrömer, herbeiführen. ___________________________

1 Nelson/Manthe, Gai Inst. III 88-181 217 weisen darauf hin, dass Schuldanerkenntnis (se debere) und Zahlungsversprechen (se daturum) in den lateinischen chirographa nur selten kombiniert sind und das Zahlungsversprechen zumeist in eine Stipulation gekleidet ist.

2

Einführung

Die derart geschaffenen Verbindlichkeiten gehören also nicht dem ius gentium an, dem allen Völkern gemeinsamen, somit auch dem römischen Volk zueigenen Recht2. So wie die Kassenbuchung (das nomen arcarium) keine Verbindlichkeit begründet, sondern lediglich eine anderweitig, insbesondere durch Auszahlung eines Darlehens begründete Verbindlichkeit dokumentiert3, ist das chirographum des Schuldners, was die Begründung der darin genannten Schuld betrifft, unter Römern also lediglich Beweisurkunde. Derart deklaratorisch mag der Schuldschein grundsätzlich auch bei den Peregrinen sein, die sich seiner bedienen. Je weniger anfechtbar aber der Beweis durch eine solche Auszahlungsquittung oder ein solches Schuldanerkenntnis für die Peregrinen ist, desto eher wird der Römer mit Blick auf das fremde Recht davon sprechen, dass die Schuld, deren Bestehen nach Errichtung einer derartigen Urkunde nicht mehr bestritten werden kann, durch die Urkunde selbst begründet wird, das Geschäft „abstrakten“ Charakter erhält, der Urkunde „konstitutive“ oder „dispositive“ Bedeutung zukommt4. Mit anderen Worten: Auch nach griechischer Vorstellung ergibt sich ein Anspruch des Kreditgläubigers gegen seinen Schuldner (wohl nur) aus der Auszahlung des Darlehens. Wo diese Auszahlung tatsächlich nicht stattfindet, aber nichtsdestotrotz beurkundet wird („fiktives Darlehen“), zeigt sich keine schuldbegründende Wirkung der Urkunde im Sinne eines Litteralvertrags; die Urkunde überwindet die in Wahrheit fehlende Auszahlung vielmehr durch ihren Beweiswert, der die Frage der Auszahlung zugunsten des Gläubigers endgültig dem

___________________________

2 Anders zuletzt Jakab, Chirographum 277 f., die Gaius von einer peregrinen Urkundenpraxis sprechen lässt, die nachweislich auch den Römern offenstehe und unter Römern die Kreditklage begründen müsse. Dass die Römer sich der genannten Urkundstypen bedienen, steht außer Zweifel. Jakab übersieht aber, dass sich Gaius explizit zu quod genus obligationis äußert: Das römische Recht kennt keine Verbindlichkeit, die durch Ausstellung der genannten Schriftstücke begründet würde. 3 Gai. 3,131: numeratio autem pecuniae rei facit obligationem. qua de causa recte dicemus arcaria nomina nullam facere obligationem, sed obligationis factae testimonium praebere. 4 So auch noch Kunkel, Συγγραφή 1383 f.; Wolff, Recht der griechischen Papyri I 143; zuletzt Jakab, Chirographum 277: „Mit dieser Eingliederung in das römische Vertragssystem kommt Gaius eigentlich bei der hellenistischen Rechtsauffassung an, die der Urkunde konstitutive Wirkung bzw. unwiderlegbare Beweiskraft verleiht.“ Gaius projiziert eine obligatio litteris contracta (also eine „konstitutive Wirkung“ nach römischer Vorstellung) in das peregrine Recht; mit einer hellenistischen Vorstellung von „unwiderlegbarer Beweiskraft“ hat die Vorstellung des Gaius nichts zu tun; umgekehrt lässt sich nicht ohne Weiteres von einer „konstitutiven Wirkung“ nach hellenistischer Vorstellung sprechen: juristisch betrachtet schließen sich Konstitutivwirkung und (reine) Beweiskraft gegenseitig aus.

Einführung

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Streit entzieht5. Diese Art des Beweises scheint den Römern unbekannt zu sein; bei Gaius führt das dazu, dass er die peregrinen chirografa et syngrafae jenseits der Beweisurkunden im Bereich des Vertragsschlusses durch Schriftakt verortet; ihr de facto „dispositiver Charakter“ ist insofern auch nicht zu bestreiten6. Dass diese Urkundenpraxis nicht in die Begründungsakte für Verbindlichkeiten unter Römern integriert ist, hindert die Römer nicht daran, Urkunden unter der Bezeichnung chirographum und in der Stilisierung 'scripsi me debere' zu errichten, um damit die Auszahlung eines Darlehens und den Abschluss einer Stipulation zu dokumentieren. Auch Gaius kennt diese chirografa, die unter Abschluss einer Stipulation errichtet werden, wie unsere Stelle im Umkehrschluss beweist: ita scilicet, si eo nomine stipulatio non fiat. Ein Beispiel für diese Praxis ist die Schuldurkunde des Marcus Antonius Maximus auf dem Fragment eines Triptychons aus dem sogenannten Archiv der Sulpicier: TPSulp. 50 (9. November 35 n. Chr.; Ergänzungen nach Camodeca, Tabulae) Tab. III, pag. 6 (atramento, index) Chirógraphum M(arci) (vac.) Antonì (vac.) Handschriftstück des Marcus Antonius HS ∞ ∞ / M(arci) f(ilii) Col(lina) (vac.) Collina Maximus, Sohn des Marcus, über Maximì. 2.000 Sesterze. Tab. III, pag. 5 (graphio, scriptura exterior) D(ecimo) Valerio Asiatico A(ulo) Gabinio Secundo co(n)s(ulibus), / V ìdus N[ove]mbr(es). / M(arcus) An[tonius M(arci) f(ilius)] M[a]ximus [scripsi] me acce/pi[sse et deber]e C(aio) Sul[pi]cio Fau[sto HS] ∞ ∞ n(ummum), / [quae ab eo mutua] et n[umerata a]cc[epi] / [e]aq[ue HS ∞ ∞] nummu[m, q(uae) s(upra) s(cripta) s(unt), p(roba) r(ecte) d(ari)] / stip[ulat]us est C(aius) Su[lpicius Faustus spopo]ndì / eg[o] M(arcus) Anton[ius Maximus − − −], / quam summa[m ei reddam?] pr(idie) / ìd[us – − − ] / [ − − − − − − ?] [Actum Puteolis].

Im Konsulat von Decimus Valerius Asiaticus und Aulus Gabinius Secundus, am 5. Tag vor den Iden des November. Ich, Marcus Antonius Maximus, Sohn des Marcus, habe geschrieben (= erkläre hiermit schriftlich), dass ich empfangen habe und schulde dem Gaius Sulpicius Faustus 2.000 Sesterze, die ich von ihm zum Darlehen und abgezählt empfangen habe. Und dass diese oben genannten 2.000 Sesterze, in geprüfter Münze und ordnungsgemäß gegeben werden, hat sich Gaius Sulpicius Faustus geloben lassen, ich, Marcus Antonius Maximus habe es gelobt [− − −], diese Summ[e werde ich ihm zurückzahlen?] am ersten Tag vor den Id[en − − −] [− − − − − − ?] [Geschehen zu Puteoli].

Auf dem äußeren Rand der Wachstafel, gewissermaßen dem Buchrücken der ursprünglich dreiteiligen Urkunde, ist das Schriftstück mit 'chirographum' und dem Namen des Schuldners im Genitiv unter Hinzufügung der Schuldsumme be___________________________

5 Rupprecht, Darlehen 137-141; ders., Greek Law 330; s. jetzt auch Meyer, Legitimacy and Law 18 f. mit Anm. 34; weitere Literatur bei Kußmaul, Synthekai 5 Anm. 3; Platschek, Contra fidem veritatis [4 f.] Anm. 9/10. 6 Simon, Praxis der Stipulationsklausel 73 Anm. 143.

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schriftet, um es in einem Stapel von Urkunden schnell identifizieren zu können. Der Name des Gläubigers ist dort entbehrlich, denn die Urkunde verbleibt bei ihm. Die Stilisierung des Urkundentexts scripsi me accepisse et debere entspricht dem griechischen Erklärungstyp der Homologie: 'ὁ™ολογῶ ἀπέχειν καὶ ὀφεῖλειν ...' − „ich anerkenne erhalten zu haben und zu schulden.“ Gerade eine solche Erklärung scheint Gaius in 3,134 mit scribere se debere vor Augen zu haben. Marcus Antonius Maximus erklärt sich in der ersten Person über das erfolgte Geschäft und die entstandene Schuld. Auf Empfangsquittung und Schuldanerkenntnis über eine bestimmte Summe folgt zunächst eine Präzisierung des Geldempfangs nach seinem Grund: mutua − „als/zum Darlehen“ und im Hinblick auf die dazugehörige Gläubigerhandlung: numerata − „abgezählt“, sodann der Hinweis auf die erfolgte Stipulation über die Rückzahlung. Die Urkunde bezeugt damit zwei Obligationsgründe: Maximus schuldet die Rückzahlung des Darlehens (mutuum) aufgrund der Auszahlung (re) und die Zahlung derselben Summe aus förmlichem Schuldversprechen (verbis). Wie sich die beiden Obligationsgründe zueinander verhalten, darf zunächst dahinstehen7. Danach erkennt der Herausgeber ein Datum: pr(idie) ìd[us ... wiederum im Zusammenhang mit der geschuldeten Summe. Dass es sich dabei um Fragmente eines Rückzahlungsversprechens des Schuldners auf einen bestimmten Tag handelt, der Text also um ei reddam zu ergänzen ist, liegt nahe8. Für eine weitere Stipulationsklausel ist dabei kein Platz. Ein drittes Element kommt damit ins Spiel, das weder zur Schuldbegründung durch Auszahlung des Darlehens (re) gehört, noch Gegenstand der Stipulation ist. Die schriftliche Erklärung reddam, die dem typischen Bestandteil griechischer Krediturkunden ἀποδῶσω − „ich werde zurückgeben/-zahlen“ entspricht, wäre in der Diktion des Gaius ein 'scribere se redditurum esse' des Marcus Antonius Maximus und damit ein Unterfall des gajanischen scribere se daturum esse − „schreiben, dass man geben werde“ − im ___________________________

7 S. unten S. 259. 8 Das Abfassungsdatum der Urkunde: V idus N[ove]mbr(es) findet sich bereits in Z. 2; für pr(idie) / ìd[us] bleibt daher nur der Rückzahlungstermin. Der relative Anschluss quam summa[m ei reddam] entspräche den (insofern teilweise ergänzten) Belegen in D. 22,1,41,2 (Mod. 3 resp.): ... accepi ab illo mutuos et numeratos decem, quos ei reddam kalendis illis proximis (s. unten S. 134 ff.); P. Mich. III 161 (= ChLA V 294; Caesarea/Mauretanien, 2. Jh. n. Chr.): scribsi (sic) me accepisse ... [(denarios) quos reddam cum usuri]s ex stipendio ...; P. Mich. VII 445 (= ChLA V 284; Jerusalem, 188 n. Chr.), Z. 4-11: [scripsi rogatus a ---] milite ... [eum accepis]se ... [dr(achmas) --- quas red]det quo die ạ[cceptaverit stipendium]; nach der Stipulationsklausel begegnet in T. Vindonissa 3 (90 n. Chr.): Aes reddam ti[b]i aut proc(uratori) ... Zu den Urkunden s. unten S. 250.

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Sinne der Institutionenstelle. Es kann unter den beiden Römern Marcus Antonius Maximus und Gaius Sulpicius Faustus keine eigene Obligation begründen.

II. Das Edikt De pecunia constituta In seinem Edikt verheißt der römische Prätor jedoch eine Klage gegen denjenigen, qui pecuniam debitam constituit − „der geschuldetes Geld festsetzt / festgesetzt hat“ (D. 13,5,1,1 [Ulp. 27 ed.]): die actio de pecunia constituta. Sie setzt Folgendes voraus: Es muss bereits eine Geldschuld bestanden haben − pecunia debita. In der fragmentarisch überlieferten Klageformel erscheint als eine Verurteilungsvoraussetzung: eamque pecuniam cum constituebatur debitam fuisse − „dass dieses Geld, als (es) festgesetzt wurde, geschuldet war“ (D. 13,5,18,1 [Ulp. 27 ed.]). Die Erfüllung dieser „Hauptschuld“ wird sodann „festgesetzt“/„zugesagt“: ein konsensuales Element, das (in seinem Ursprung) zu einer durch Auszahlung eines Darlehens begründeten Realobligation tritt. Auch wenn uns dieses constituere von den Juristen nirgends eigens erläutert wird, zeigt die Gesamtschau der Quellen doch eine handfeste Affinität zur Bestimmung einer Leistungszeit: Von dies in quem / tempus quod constituit ist wie selbstverständlich die Rede9; ein sine die constituere wird zum Problem10. Die Zusage des Erklärenden geht darauf, dass er die Schuld begleichen werde; dass es primär ein dabei angekündigter Zeitpunkt der Zahlung ist, der ein besonderes Vertrauen des Gläubigers in die Zusage begründet und schützenswert macht, erscheint nur natürlich. Tut der Erklärende nicht, was er zugesagt hat ('neque fecisse reum quod constituit' − D. 13,5,16,4 [Ulp. 27 ed.]), muss er den Empfänger nach herrschender Meinung schadlos halten11. Die Klage gehe auf das Interesse des Empfängers der Zusage an deren Einhaltung. Wenn dem Empfänger des constitutum 12 durch das non fecisse des Erklärenden ein Verzögerungsschaden entsteht, wenn er sich Schwierigkeiten der Durchsetzung seines Anspruchs wie Verjährung, veränderter Haftungsmasse oder Insolvenzrisiken ausgesetzt sieht, so habe der Erklärende die Lage herzustellen, die bei Einhaltung der Zusage bestünde. Das Recht der pecunia constituta betrifft demnach insbesondere Verzugs___________________________

9 D. 13,5,17 (Paul. 29 ed.); 13,5,18 pr. und 1 (Ulp. 27 ed.). 10 D. 13,5,21,1 (Paul. 29 ed.). 11 S. unten bei Anm. 112. 12 Die Verwendung von constitutum als Substantiv lässt sich etwa nach D. 13,5,1 pr. (Ulp. 27 ed.): constituta ex consensu facta und D. 13,5,3,2 (Ulp. 27 ed.) als klassisch verstehen: constituta inducta (scil. esse/sunt); Melillo, Contrahere, pacisci, transigere 237 Anm. 565; anders Ricart Martí, „Constitutum debiti“ 695. Constitutum d e b i ti ist aber jedenfalls unrömisch. Fernzuhalten sind natürlich die Fälle, in denen constitutus, -a, -um als Hilfspartizip von esse („festgesetzt“/„befindlich“ = „seiend“) Verwendung findet. In der Literatur entsteht dadurch schwere Verwirrung: Waelkens, Pecunia constituta 178 ff.; dazu bereits Platschek, Debet oder debetur 46 Anm. 22.

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folgen bei Geldschulden. Insofern trägt das constitutum debiti nach modernen Vorstellungen Züge einer „Selbstmahnung“ des Schuldners13. Im Mittelpunkt steht die Erklärung des Schuldners oder eines Dritten über die Erfüllung der Schuld: pecuniam constituere bzw. constituere se soluturum. Geltungsgrund, genauer gesagt: Grund für den prätorischen Schutz des constituere ist nach Ulpian aber der consensus, die Willensübereinstimmung mit dem Empfänger der Erklärung (D. 13,5,1 pr. [27 ed.]: constituta ex consensu facta). Dieser kann sich nur dann auf sein Vertrauen in die Zusage berufen, wenn er sich auf sie einlässt; weist er sie zurück, kann er keinen Schutz beanspruchen, was ihre Einhaltung betrifft. Wenn die Römer vom consensus als Geltungsgrund sprechen, so meinen sie damit regelmäßig den bloßen consensus. Was Geltung bereits aus dem consensus bezieht, bedarf keiner Form. Ulpian: „Festsetzen können wir aber sowohl unter Anwesenden als auch unter Abwesenden, ganz so wie bei einer Abrede (bei einem pactum); durch Boten oder höchstpersönlich; und mit jedem beliebigen Wortlaut“ (D. 13,5,14,3 [Ulp. 27 ed.])14. Darin unterscheidet sich das constitutum von der stipulatio, dem förmlichen Schuldversprechen in mündlicher Frage und Antwort, also unter Anwesenden. Bei der Stipulation fragt der Gläubiger den Schuldner: (Centum) dari spondesne? − „Gelobst du, dass (Hundert) gegeben werde(n)?“ Antwort: Spondeo! − „Ich gelobe es!“ Eine stipulatio kann, wie bereits gesehen, schriftlich dokumentiert werden, aber sie kann nicht schriftlich abgeschlossen werden. Eine schriftliche Stipulation ist unwirksam. Aus der stipulatio ergibt sich eine Klage nicht erst durch das Edikt des Prätors, sondern bereits aus dem ius civile, das der Prätor vorfindet. Das constitutum ist prätorisch sanktioniertes, formloses Rechtsinstitut, die stipulatio ein förmliches, sanktioniert durch das ius civile. Gaius beschreibt in seinem Obligationensystem ausschließlich die zivilen Verbindlichkeiten 15 . Aus dem zivilen Litteralkontrakt ergibt sich die actio certae creditae pecuniae (die zivile Klage auf eine „bestimmte dargeliehene Geldsumme“). Aus chirographum und syngrapha steht sie römischen Bürgern nicht zu. Den originär prätorischen Rechtsschutz integriert Gaius nicht. Seine Stellungnahme zum Nebeneinander von zivilem und prätorischem Recht vermissen wir im Bereich der pecunia constituta besonders schmerzlich. Denn andere Juristen liefern uns Belege dafür, dass der Prätor mit der actio de pecunia constituta Erklärungen sanktioniert, die an die von Gaius beschriebenen Urkunden erinnern: ___________________________

13 Zur Selbstmahnung s. zuletzt BGH, Urt. v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08 – NJW 2009, 2600 Rn. 24; Palandt/Grüneberg § 286 Rn. 25. 14 S. unten S. 71. 15 Einschließlich der Konsensualobligationen mit bonae fidei iudicia, die ihren Ursprung in der prätorischen Rechtsprechung haben, aber spätestens seit der „frühklassischen Zeit“ dem ius civile zugerechnet werden, s. Kaser/Hackl, Zivilprozeßrecht 327 mit Literatur in Anm. 5.

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si quis debere se aut daturum se scribat. Im Wortlaut sind uns in den Digesten unter dem Titel De pecunia constituta (D. 13,5) Briefe überliefert, deren Relevanz für die Klage de pecunia constituta von den Juristen erörtert wird. Zum Teil stammen die Briefe vom Schuldner, bzw. dem vermeintlichen Schuldner selbst. Zwei andere (fr. 5,3 und 24) haben Dritte an den Gläubiger geschrieben.

III. Einer schreibt, dass er schulde oder geben werde: Zwei constituta debiti In D. 13,5,5,3 (Ulp. 27 ed.) findet sich eine epistula ad me emissa, ein „an mich (den Gläubiger) gesendeter Brief“ eines Dritten (Titius), der sich über mögliche Schulden eines Seius beim Empfänger des Schreibens erklärt: 'Scripsi me secundum mandatum Seii, si quid tibi debitum adprobatum erit me tibi cauturum et soluturum sine controversia.'

„'Hiermit erkläre ich (Titius) schriftlich, dass ich gemäß dem Auftrag des Seius, wenn etwas als dir geschuldet bewiesen wird, dass ich dir dann ein Versprechen/Sicherheit leisten und zahlen werde ohne Widerrede.'“

Für den Fall, dass der Adressat dem Titius eine Schuld des Seius nachweisen wird, kündigt Titius an, „ohne Widerrede ein Versprechen/Sicherheit zu leisten und zu zahlen“. Dass die Ankündigung eines Versprechens mit derjenigen der Zahlung gehäuft wird, mag hier zunächst außer Acht bleiben. Titius „schreibt“ jedenfalls, „dass er geben (bzw. zahlen) werde“ − 'scribit se soluturum' − die Urkunde ließe sich als chirographum bezeichnen16. Nach ius civile entsteht daraus keine obligatio. Dennoch kann die Erklärung des Titius zu seiner Haftung führen. Denn schon der Jurist Julian sieht darin ein pecuniam constituere, das Titius bei Nichteinhaltung haftbar macht. Die „Festsetzung“ von Erfüllungsmodalitäten besteht hier in der Zusage von Leistung (dem überlieferten Text nach in Form von cavere et solvere) bei Nachweis der Schuld. Dass Titius nicht selbst bereits Schuldner ist, ist für den Juristen irrelevant; denn das Edikt ist objektiv formuliert: Qui pecuniam debitam constituit. Auch die Schuld eines anderen kann daher Grundlage der Haftung sein. Durch seine formlose Erklärung kommt Titius dabei in die Stellung eines Garanten. Wenn er sich nicht an die Zusage hält, also bei Vorlage von Dokumenten nicht unverzüglich leistet oder den Nachweis der Schuld nicht gelten lässt, haftet er mit der actio de pecunia constituta. Allerdings muss der Gläubiger dann auch den Richter vom Bestand der Schuld des Seius zum Zeitpunkt des constituere überzeugen17. Eine andere epistula emissa begegnet in D. 13,5,24 (Marcell. sing. resp.). Ein Vormund (tutor) Titius schreibt an den Gläubiger Seius seiner Mündel (pupilli): ___________________________

16 Zur Terminologie epistula und chirographum s. unten Anm. 454. 17 Zur Stelle unten S. 155 ff.

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'Remanserunt apud me quinquaginta ex credito tuo ex contractu pupillorum meorum, quos tibi reddere debebo idibus Maiis probos: quod si ad diem supra scriptum non dedero, tunc dare debebo usuras tot.'

„'Es sind bei mir verblieben fünfzig(tausend Sesterze)18 aus deinem Darlehen aus dem Vertrag meiner Mündel, die ich dir zurückgeben müssen werde an den Iden des Mai in geprüfter Münze. In dem Fall, dass ich bis zu dem oben genannten Tag nicht geleistet haben werde, dann werde ich so und so viele Zinsen leisten müssen.'“

Bezug genommen wird auf ein Darlehen der pupilli bei Seius. Es geht um ein Kapital von 50.000 Sesterzen. Für dessen Rückzahlung durch Titius wird ein Termin festgelegt. Des Weiteren verspricht Titius Strafzinsen für den Fall der Nichtleistung zum Termin. Im Folgenden stellt der Jurist zunächst klar, dass Titius durch diese Erklärung nicht an die Stelle der pupilli getreten ist; sie schulden weiterhin. Der Schuldner wurde nicht durch Erneuerung des Schuldverhältnisses (Novation) ausgetauscht. Dies ist nur durch Stipulation zu erreichen; eine solche liegt aber nicht vor. Die Schuld der pupilli besteht fort, Titius tritt durch formlose Erklärung als Garant hinzu. Er haftet aus der actio de pecunia constituta, nach der Entscheidung des Juristen aber nur „auf das Kapital“ (in sortem). Zahlt er an den Iden des Mai nicht, haftet er also nicht auf die versprochenen Strafzinsen. Eine Begründung dafür gibt Marcellus nicht. Liegt hinsichtlich der Strafzinsen kein constituere vor? Sind sie nicht pecunia debita? Schließt die Sanktionierung der pünktlichen Zahlung des Kapitals durch die actio de pecunia constituta einen weiteren Vertrauensschutz hinsichtlich der Strafzinsen aus? Wie dem auch sei: Auf die Strafzinsen könnte sich Titius wiederum nur verpflichten, indem er sie in Stipulationsform verspricht; das ist in einem Brief nicht möglich19. Die vorerst nur kurz gestreiften Stellen weisen bereits auf eine Konkurrenz zwischen formfreiem pecuniam constituere und förmlicher stipulatio, zwischen prätorischem und zivilem Rechtsschutz hin. Novation einer Schuld und Versprechen von Strafzinsen sind durch stipulatio, nicht aber durch constitutum möglich. Andererseits haben wir Belege dafür, dass das constitutum eine Einrede (exceptio) gegen die Hauptschuld generiert und damit Effekte der Novation herbeigeführt werden können20; was stipulierte Strafzinsen vermögen, nämlich Druck auf den Schuldner zur rechtzeitigen Erfüllung auszuüben und gleichzeitig (pauschalierten) Ersatz von Verzugs- und Nichterfüllungsschäden zu verschaffen, könnte beim constitutum seine Parallele in der Verurteilung des Schuldners in das konkrete Interesse des Gläubigers an verabredungsgemäßer Leistung finden21. Was ___________________________

18 Die Kompilatoren ersetzten in den Digesten jeweils tausend Sesterze durch einen aureus: I. 3,7,3. 19 Zur Stelle unten S. 132. 20 S. unten S. 84 ff. 21 Zur Funktionsverwandtschaft Magdelain, Consensualisme 141; Knütel, Stipulatio poenae 193; Harke, Mora debitoris 104.

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schließlich die Haftung auf das Kapital der Schuld (in sortem) betrifft, scheint es einen direkten Überschneidungsbereich zu geben. Titius wäre jeweils auch durch Stipulation in die Haftung gekommen: als Bürge oder Schuldübernehmer. Diese Konkurrenz von stipulatio und constitutum kann sich auf verschiedenen Ebenen auswirken: Wir dürfen erwarten, dass die Abgrenzung der Institute unmittelbaren Einfluss auf die Handhabung der Klage aus constitutum durch den Prätor und die Juristen hat. Wir müssen mit der Möglichkeit rechnen, dass die Geschäftspraxis der Römer einem der beiden Institute den Vorzug gab. Das formfreie constitutum ermöglicht Vereinbarungen unter Abwesenden; die stipulatio aber führt zu den schärferen Rechtsmitteln; sie verschafft dem Gläubiger die bessere Position, was − bei einer abstrakt formulierten Stipulation − den Beweis der Schuld und − bei der Stipulation einer Vertragsstrafe (stipulatio poenae) − die Sanktion der Nichterfüllung betrifft. Der Geschäftsverkehr scheint dabei deutlich zur Stipulation zu tendieren22. „Dass sich die stipulatio auch im hellenisierten Rom so lange und so zäh erhalten hat“23, ist ein Phänomen, das bei der Analyse formloser Alternativen immer wieder zu Tage tritt. Während die Haftung aus constitutum also einerseits verdrängt wird, diffundiert sie andererseits in die Lücken, die der zivile Rechtsschutz lässt. Vorsichtig und in ständiger Diskussion tasten sich die römischen Juristen an die Grenze zwischen den beiden römischen Rechtsordnungen, dem Zivilrecht und dem Recht des Prätors, vor. An jedem einzelnen Tatbestandselement der actio de pecunia constituta setzen sie an, dehnen es aus, gebieten der Ausdehnung Einhalt. Über das prätorische Recht dringen hier wie in kaum einem anderen Bereich Vorstellungen von formfreier Betätigung der Privatautonomie mit Macht in das römische Recht ein, die dem alten ius civile der Römer nicht entsprechen; die wir schon deshalb mit aller Vorsicht als „hellenistisch“ bezeichnen dürfen. Bedürfnisse des Rechtsverkehrs, Distanzen zu überwinden und möglichst weitgehende Arbeitsteilung (unter Freien) zu ermöglichen, werden in überraschendem Ausmaß befriedigt. Unser Blick auf die intensive und ständig fortschreitende Diskussion der ersten drei nachchristlichen Jahrhunderte ist freilich getrübt: Was uns die justinianischen Kompilatoren des sechsten Jahrhunderts im Digestentitel De pecunia constituta (D. 13,5) hinterlassen haben, sind alte Fragmente in neuer Anordnung; Streitstände, die durch grobe Verkürzung entschieden werden; mitunter ist der Text beim Abschreiben verdorben; andernorts wurde mutwillig in ihn eingegriffen. Denn während der Entstehung der Digesten ordnete Justinian das Institut der

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22 S. etwa unten S. 18; 253. 23 Knütel, Stipulatio poenae 24.

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pecunia constituta nachweislich neu und beseitigte eine ganze Reihe von Streitpunkten der klassischen Juristen24. Die letzten Arbeiten zur pecunia constituta nahmen dies zum Anlass, alles, was nicht zu einer engen Vorstellung von pecuniam constituere als Festsetzung eines kalendermäßigen Leistungstermins passte, für interpoliert zu erklären; ja, aufgrund einer vermeintlich erkennbaren Tendenz der Byzantiner noch weiter zu gehen und ein Rechtsinstitut geradezu im Gegensatz zu den überlieferten Juristenschriften zu rekonstruieren. Kaum eine Aussage der Digesten, die nicht der Interpolation verdächtigt wurde, kaum ein denkbares Modell, das nicht für das „klassische“ constitutum entwickelt wurde: Wo der Kontakt zu den derart frustrierenden Quellen verloren geht, hindert nichts mehr, das constitutum etwa zum förmlichen Rechtsgeschäft zu erklären25; zum allgegenwärtigen Mittel der bargeldlosen Zahlung; zum „Wechsel der Römer“26. Auch die unprätentiöse Skizze, die wir oben von der pecunia constituta gezeichnet haben, verlangt nach Belegen in den Quellen. Auch unsere Hauptquelle sind die Fragmente der antiken Kommentare und das Stimmengewirr der Juristen. Ihre Auseinandersetzung erscheint als heilloses Durcheinander, erstarrt in voller Bewegung; danach teilweise korrodiert, entstellt, zerschlagen und neu zusammengesetzt. Wir müssen vorsichtig präparieren. Die Arbeit beschreibt dabei den Befund der prätorischen Regulierung, ihren möglichen Entstehungshintergrund, ihre Präzisierung und Fortentwicklung durch die Juristen und schließlich Erfüllungszusagen in juristischen, sonstigen literarischen, papyrologischen und epigraphischen Quellen, die für eine Qualifikation als pecunia constituta in Frage kommen. ___________________________

24 C. 4,18,2-3 (531 n. Chr.). 25 La Rosa, Formalismo del pretore 202-22 unter Berufung auf ältere Literatur; neuerdings wieder dies., „Adiectus solutionis causa“ e il „constitutum debiti“ 4; 7; zur Kritik unten Anm. 231 f. 26 Waelkens, Pecunia constituta 171-180; nochmals ders., Mode de paiement 67-79; „Pecunia constituta − La traite du droit romain“ war Titel des entsprechenden Vortrags Waelkens' bei den „Journées internationales de la société d'histoire du droit“, Dijon 2007; zur Kritik s. schon oben Anm. 12 und unten Anm. 225. Die Vorstellung einer „Inhaberschuldverschreibung“ oder eines „Wechsels“ ist dem römischen Recht ebenso fremd wie eine Klage „ex chirographo“ (die neuerdings Jakab postuliert: Chirographum 278). Schon die Figur der Forderungsabtretung ist den Römern grundsätzlich unbekannt. Die Übertragung der Forderung müssen sie mit prozessualen Mitteln bewältigen, indem der Gläubiger einem anderen ihre Eintreibung gestattet; dieser wird vor dem Gerichtsmagistrat zum procurator in rem suam − „Prozessvertreter auf eigene Rechnung“ eingesetzt. Verbriefung der Forderung, das hieße auch: Übertragbarkeit der Forderung durch Übergabe oder Indossierung der Schuldurkunde, ist in dieser Rechtsordnung nicht denkbar.

ERSTES KAPITEL: PECUNIA CONSTITUTA IM PRÄTORISCHEN EDIKT PECUNIA CONSTITUTA IM PRÄTOR ISCHEN EDIKT § 1. Das Verheißungsedikt De pecunia constituta Verheißungsedikt De pecunia constituta I. Grundlagen der Rekonstruktion

Grundlagen der Rekonstruktion Grundlage aller Überlegungen zur pecunia constituta muss, soweit rekonstruierbar, der Wortlaut des prätorischen Edikts sein. Denn er ist der Ausgangspunkt der römischen Juristen. Mit ihm müssen ihre Entscheidungen vereinbar sein, an ihm sind sie jedenfalls zu messen. Eine Verheißung des Gerichtsmagistrats, bei pecunia constituta Rechtsschutz in Form einer eigenen Klage zu gewähren, erschließt Lenel aus D. 13,5,1,1; h. t. 14 pr. und h. t. 21,2 folgendermaßen27: Qui pecuniam debitam constituit se soluturum eove nomine se satisfacturum esse, in eum iudicium dabo partisque dimidiae sponsionem et restipulationem facere permittam.

„Wer zugesagt hat, dass er geschuldetes Geld leisten werde oder dafür (anderweitig) Befriedigung verschaffen werde, gegen den werde ich eine Klage erteilen und gestatten, dass Schuldversprechen und Gegenversprechen über die Hälfte abgeschlossen werden.“

Wir wollen die einzelnen Klauseln überprüfen: Die Worte Qui pecuniam debitam constituit bringt Ulpian in D. 13,5,1,1 unmittelbar nach seinem „Lob des Edikts“ (laus edicti), das man als Proöm der Kommentierung verstehen muss28: Der Prätor sei es, der mit seinem Edikt (hoc edicto) die constituta schütze; er entspreche damit der „natürlichen Gerechtigkeit“ (naturalis aequitas) und reagiere auf den Bruch der Vertragstreue, der Pflicht zum Worthalten (fidem fallere) 29 . Ulpian spricht von hoc edictum, um das Ediktszitat sodann mit ait praetor: ... einzuleiten. ___________________________

27 Edictum perpetuum 248 f. 28 Dazu zuletzt Babusiaux, Funktion der aequitas naturalis 610 f. mit Literatur; Waldstein, Entscheidungsgrundlagen der römischen Juristen 75; allgemein zur laus edicti Ries, Prolog und Epilog 153-157. 29 D. 13,5,1 pr. (Ulp. 27 ed.): Hoc edicto praetor favet naturali aequitati: qui constituta ex consensu facta custodit, quoniam grave est fidem fallere. Über die laudes edicti zeigt sich die Verwandtschaft mit dem pactum: Huius edicti aequitas naturalis est. quid enim tam congruum fidei humanae, quam ea quae inter eos placuerunt servare? (D. 2,14,1 pr. [Ulp. 4 ed.]). Dazu zuletzt Babusiaux, Funktion der aequitas naturalis 607 f. mit Literatur.

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Pecunia constituta im prätorischen Edikt

Jedenfalls Qui muss im Edikt gestanden haben: Der Jurist interpretiert es eingehend. Daran zu zweifeln, dass es an erster Stelle stand, besteht kein Grund. Mit Qui kann nur ein Edikt im engeren Sinne beginnen (und keine Klageformel): Die Verheißung der Erteilung eines konkreten Rechtsmittels durch den Prätor30. Bereits diese Tatsache und Ulpians laus edicti kennzeichnen die Klage de pecunia constituta als eine prätorische Schöpfung31. Die Klagen des ius civile bedürfen keiner Verheißung durch den Prätor. Das Edikt enthält für sie lediglich Musterformeln32.

II. Ediktaler Inhalt des constituere

Ediktaler Inhalt des constituere Die Worte se soluturum eove nomine se satisfacturum esse – „dass er leisten/zahlen oder dafür anderweitig Genüge leisten wird“ zur Bezeichnung von zwei ediktalen Typen von constituta integriert Lenel33 aufgrund von D. 13,5,14 pr. (Ulp. 27 ed.) Qui autem constituit se soluturum, tenetur ...

„Wer aber festsetzt/festgesetzt hat, dass er leisten werde, haftet ...“

und der Unterscheidung zwischen constituere se soluturum und constituere se satisdaturum in: ___________________________

30 Kaser/Hackl, Zivilprozeßrecht 327; zum Edikt de pecunia constituta zuletzt Babusiaux, Funktion der aequitas naturalis 634 (unklar 610: „keine allgemeine Rechtsschutzverheißung“). 31 S. auch D. 13,5,31 (Scaev. 5 dig.): nec civilem eo nomine actionem competere: sed nec de constituta − „... es ergebe sich daraus keine zivile Klage, aber auch keine actio de (pecunia) constituta“; I. 4,6,8: in personam quoque actiones ex sua iurisdictione propositas habet praetor. veluti de pecunia constituta − „Der Prätor verkündete aus seiner Rechtsprechung heraus auch Klagen gegen die Person, wie zum Beispiel die (actio) de pecunia constituta“; Theophil. 4,6,8: ... οἷον τὴν pecuniae constitutae. αὕτη γὰρ οὐκ ἐστι πολιτική − „... wie zum Beispiel die (actio) pecuniae constitutae. Sie ist nämlich nicht zivil“ (s. unten S. 183); zuletzt Varvaro, Storia dell'editto De pecunia constituta 339 Anm. 33 mit weiterer Literatur. 32 Kaser/Hackl, Zivilprozeßrecht 327; wenn Behrends, Werk Otto Lenels 176 f. an der Darstellung des Edikts über die prätorische actio institoria durch Lenel (Edictum perpetuum 258-264) die Kombination eines Verheißungsedikts mit einer nachfolgenden formula in ius concepta heftig kritisiert („gegen alle Regel“), verkennt er, dass die actio institoria auch dann prätorischer Rechtsbehelf (und keine ediktslose Klage des ius civile) ist, wenn sie eine formula in ius concepta zugrunde legt. Prätorisch sind die Erweiterung um den institor (ggf. mit Fiktion im Fall eines unfreien institor) und der Subjektswechsel zwischen intentio und condemnatio. 33 Edictum perpetuum 248; ihm folgend Mantovani, Formule 68 mit Anm. 249. Für satisdaturum zieht Lenel ein Abschreibeversehen von satisfacturum in Betracht. Dagegen Tondo, In tema di „constitutum debiti“ 210: „gratuita correzione“, der seinerseits den Text zur Hälfte für interpoliert erklärt.

Verheißungsedikt De pecunia constituta D. 13,5,21,2 (Paul. 29 ed.) Constituto satis non facit, qui soluturum se constituit, si offerat satisfactionem. si quis autem constituat se satisdaturum, fideiussorem vel pignora det, non tenetur, quia nihil intersit, quemadmodum satisfaciat.

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„Dem Festgesetzten tut nicht Genüge, wer festgesetzt hat, dass er leisten werde, wenn er Genügeleistung (= anderweitige Befriedigung) anbietet. Wenn aber jemand festsetzt, dass er Sicherheit leisten werde, und daraufhin einen Bürgen oder Pfänder stellt, haftet er nicht, weil es nicht darauf ankommt, wie er Genüge tut.“

Im einzigen sicheren Zitat des Verheißungsedikts, D. 13,5,1,1 ist constituere mit keinerlei Infinitiv verbunden34. Diesen Befund muss jeder argumentativ überwinden, der einen oder mehrere Infinitive ergänzen will; er trägt insofern die Beweislast. Dieser Beweis ist nicht erbracht; einiges spricht vielmehr dagegen. Von satis fa c ere ist in fr. 14 pr. keine, in fr. 21,2 zunächst jedenfalls in einem anderen Sinne die Rede; es geht dort anfangs um constituto satisfacere „dem Festgesetzten Genüge tun / nachkommen“. So lässt sich auch nihil intersit quemadmodum satisfaciat am Ende der Stelle verstehen: „es macht keinen Unterschied, wie der Schuldner (scil. dem constitutum) Genüge tut“ 35 . Aber selbst wenn man es dort als Inhalt des constitutum begreift, dieses also nicht auf „Zahlung“, sondern auf „Genügeleistung“ / „anderweitige Befriedigung“ geht, lässt sich daraus nicht auf ein ediktales satisfacere schließen, unter das der Jurist satisd a re − „Sicherheit leisten“ bringen würde (zumal die Sicherheitsleistung mit der „anderweitigen Befriedigung“ des Gläubigers nicht mehr zu tun hat als mit der „Leistung“)36. Vielmehr können constituere se soluturum und se satisdaturum zwei Fälle eines allein ediktalen pecuniam debitam constituere (D. 13,5,1,1) sein, auf die sich der Schuldner jeweils explizit festlegen kann37.

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34 Ait praetor: 'Qui pecuniam debitam constituit'. 'qui' sic accipiendum est 'quaeve', nam et mulieres de constituta tenentur, si non intercesserint. 35 Der Zusammenhang bleibt unsichtbar, wenn man die Stelle zunächst lediglich ab si quis ... zitiert, so etwa Roussier, Constitut 16. 36 Erst recht nicht auf eine Interpolation, so aber etwa Arangio-Ruiz, Genti 572: „satisfacere non è satisdare“ (zustimmende Literatur bei P. Costa, Pecunia constituta 136 mit Anm. 39). Darum geht es nicht: Bürgen- und Pfandbestellung sind Möglichkeiten des Schuldners, einem constitutum se satisdaturum „Genüge zu tun“, ihm „nachzukommen“ (satisfacere), s. außerdem sogleich Anm. 42. Gegen Arangio-Ruiz bereits Lenel, Edictum perpetuum 248 Anm. 3. 37 Noch Nov. 115,6 (542 n. Chr.) legt gerade dies nahe, auch wenn sich ihr Autor nicht mehr unmittelbar am Ediktstext orientieren muss: ... εἴ ποτέ τι̋ ἢ ὑπὲρ ἑαυτοῦ ἢ „wenn etwa jemand für sich selbst oder für eine ὑπὲρ ἄλλου προσώπου ἀντιφω5 andere Person 'antwortet' (= konstituiert), indem er νήσειε, λέγων τυχόν τινι 'τὸ zum Beispiel zu jemandem sagt: 'Ich tue dir Genüἱκανόν σοι ποιῶ'. ge' (= satis tibi facio).“ Die Erklärung satis tibi facio ist danach eine Möglichkeit des (pecuniam) constituere.

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Pecunia constituta im prätorischen Edikt

Die Aussage des Paulus in D. 13,5,21,2 selbst: Constituto satis non facit, qui soluturum se constituit, si offerat satisfactionem, wäre von einer gewissen Banalität, wenn das Edikt (und die Klageformel) die Alternativen constituta se soluturum und se satisfacturum explizit nennen würde. Die Stelle spricht tendenziell dafür, dass das Edikt weder das eine noch das andere enthält38. Auch dass Ulpian in D. 13,5,1,5 (27 ed.), wo es um die (offenbar nicht immer unbezweifelte: quaesitum est) Möglichkeit geht, aliud constitui quam quod debetur − „etwas anderes zuzusagen, als geschuldet wird“, ein ediktales constitutum auf satisfacere unerwähnt lässt (das doch geradezu einen Erst-recht-Schluss erlauben würde), macht dessen Existenz ganz unwahrscheinlich. An der Klagbarkeit des constitutum se satisdaturum zur Zeit der klassischen römischen Juristen ist gerade deshalb nicht zu zweifeln39 – es trifft auf keinen entgegenstehenden oder auch nur problematischen Ediktswortlaut mit satisfacturum. Die Literatur, die es − im Gegensatz zum constituere se soluturum und se satisfacturum − nicht im Ediktswortlaut wiederfinden will, besteht meist auf seiner Klaglosigkeit40: Wenn constituere „terminieren“ bedeute, pecunia constituta ein relatives Fixgeschäft über eine Geldzahlung sei, könne die Zusage, Sicherheit zu leisten, damit nichts zu tun haben41. Um die constituta über Sicherheitsleistungen aus den Quellen zu entfernen, bedarf es enormer Eingriffe in den Digestentext42. Die Eliminierung aller Stellen, die dagegen sprechen, dass die klassi___________________________

38 Ähnlich Tondo, In tema di „constitutum debiti“ 209: „il tono dubitativo, con cui sembra darsi riconoscimento nelle fonti al „constitutum se satisfacturum“, non potrebbe altrimenti spiegarsi, che in base al silenzio dell'editto su questo punto“; zuletzt P. Costa, Pecunia constituta 136 mit Literatur in Anm. 40, der S. 138 constituisse se soluturum jedoch in die Klageformel aufnimmt; s. dazu unten bei Anm. 100. 39 So zuletzt zutreffend Babusiaux, Funktion der aequitas naturalis 627 mit Anm. 121, die allerdings auch eine „entsprechende Ediktsklausel bzw. ... eine interpretative Erweiterung des ursprünglich nur auf se soluturum lautenden Ediktstextes“ annimmt. 40 Arangio-Ruiz, Genti 572; ders., Istituzioni 335; Roussier, Constitut 15-25; zweifelnd Mayer-Maly, Rez. Roussier 617; weitere Literatur und Kritik bei Babusiaux, Funktion der aequitas naturalis 627 Anm. 122. 41 Roussier, Constitut 20 f. 42 D. 13,5,21,2 muss (ebenso wie D. 13,5,14,1 und 2) dabei in sein Gegenteil verkehrt werden. Die Literatur nimmt den − angeblich unvertretbaren, jedenfalls überflüssigen − Konjunktiv intersit zum Anlass, den Begründungssatz quia ... satisfaciat zu streichen und damit freie Hand zur Tilgung auch von fideiussorem vel pignora det und autem zu haben: Arangio-Ruiz, Genti 572; Astuti, Costituto di debito II 189; Roussier, Constitut 16-21. Man kommt dann zu einem Paulus-Text: Si quis constituat se satisdaturum, non tenetur, den die Kompilatoren als Grundstock nicht nur für die Bejahung der Wirksamkeit des constitutum se satisdaturum verwendet hätten, sondern darüber hinaus zur Klarstellung, dass fideiussorem und pignus dare gleichberechtigte Alternativen von satisdare sind. Dies setzt eine bewundernswerte Textbeherrschung voraus. Verraten hätten sie sich dennoch mit angeblich mangelhaften Lateinkenntnissen: intersit! Tondo, In tema di „constitutum debiti“ 210 kommt zu einem noch fragwürdigeren Si quis autem constituat se satisdaturum, fideiussorem det, non tenetur: Warum

Verheißungsedikt De pecunia constituta

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schen Juristen constituere auf „terminieren“ beschränken, bedarf ebenso schwerwiegender Textveränderungen; dies mahnt zur Vorsicht vor einem Zirkelschluss. Festzuhalten bleibt: Im Verheißungsedikt besteht entgegen Lenel kein Anlass für die Ergänzung von constituit um se satisfacturum. Wenn im Edikt nach Qui pecuniam debitam constituit irgendein Infinitiv stand, so lautete er mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nicht se soluturum. Denn Ulpian kommt in D. 13,5,4 (27 ed.) auf die Unwirksamkeit eines constituere a li u m soluturum zu sprechen: Sed si quis constituerit alium soluturum, non se pro alio, non tenetur: et ita Pomponius libro octavo scribit.

„Aber wenn jemand festgesetzt hat, ein anderer werde zahlen, nicht er selbst anstelle eines anderen, haftet er nicht. Und das schreibt auch Pomponius im achten Buch.“

Seine Aussage ergänzt Ulpian um eine Berufung auf Pomponius. Dies lässt es zumindest als möglich erscheinen, dass eine andere Sichtweise denkbar ist und einst zur Diskussion stand. Stünde im Edikt constituere se soluturum ..., so würde sich die Anerkennung des constitutum alium soluturum schon gegen den Ediktswortlaut ′se′ richten. Ulpian könnte unmittelbar auf die Formulierung des Edikts verweisen. Raum für unterschiedliche Interpretationen bleibt nur, wenn im Edikt die Person des zukünftig Leistenden nicht festgelegt ist. Dann aber kann ein Infinitiv nur solvi lauten: ein unpersönliches „geleistet werden“. Solvi constituere ist bei den Juristen belegt43, allerdings nicht im Umfeld der Ediktskommentierung. Die natürliche Konstruktion wäre Qui pecuniam debitam solvi constituit oder ... constituit solvi44. Ulpian aber hätte in D. 13,5,1,1 (Qui pecuniam debitam constituit) ohne erkennbaren Grund solvi unterdrückt oder es wäre – erst recht ohne erkennbaren Grund – den Kompilatoren zum Opfer gefallen. Se solvere/soluturum und solvi sind demnach gleichermaßen fragwürdig. ___________________________

sollte überhaupt ein Zweifel daran bestehen, dass die Stellung eines fideiussor dem satisdare entspricht? Sollte die unzweifelhafte Alternative die Stellung eines sponsor sein? Dass „dar pegni non equivale a satisdare“, gilt für die prätorisch angeordnete satisdatio (D. 46,5,7 [Ulp. 14 ed.]). In diesem Bereich ist das constitutum se satisdaturum nicht zu erwarten. Für die außerprozessuale satisdatio haben wir keine Quellenaussage; am ehesten wird man einen Gegenschluss aus D. 46,5,7 ziehen dürfen. Quia nihil intersit kann übrigens von Paulus stammen, vgl. D. 17,1,26,3 (Paul. 32 ed.): continuo aget fideiussor mandati, quatenus nihil intersit, utrum nummos solverit creditori an eum liberaverit; quatenus steht bei Paulus auch mit dem Indikativ: D. 2,14,27,4 (3 ed.); D. 20,1,29,2 (5 resp.); D. 20,4,17 (6 resp.); D. 44,7,38 (3 ed.) u. a. 43 D. 39,5,33 pr. (Herm. 6 iur. epit.); 50,8,5,1 (Pap. 1 resp.); 2,13,6,3 (Ulp. 4 ed.) (itp. für solvi recepit?); rein passivisch (constitui solvi): D. 13,5,5,9 und 10 (Ulp. 27 ed.); Übersicht über die relevanten Konstruktionen von constituere bei P. Costa, Pecunia constituta 143 f. Anm. 68. 44 Vgl. die Stellen in Anm. 43, etwa D. 39,5,33 pr.: Qui id, quod ..., solvi constituit.

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Pecunia constituta im prätorischen Edikt

Die Terminologie pecunia constituta, die die Kompilatoren für den Digestentitel direkt oder indirekt aus dem Edikt übernommen haben und die Gaius bezeugt (4,171, unten S. 42), deutet aber darauf hin, dass nicht nur die Zahlung von Geld, sondern Geld „festgesetzt“ werden kann, ein Infinitiv solvere/soluturum/solvi also gänzlich entbehrlich ist. Lenels Berufung auf die Untersuchung von Bruns, wonach „dem Sprachgebrauch der Zeit, der unser Edikt angehört, das Wort constituere mit dem bloßen einfachen Akkusativ des Objekts“ nicht entspreche, ist nicht belastbar45. Mit „der Zeit“ ist bei Bruns diejenige vor Labeo, also vor dem beginnenden Prinzipat gemeint46. Bereits der Sprache der Zwölf Tafeln ist freilich eine Terminologie aes confiteri bekannt: „Erz bekennen“47, anstelle von aes se debere confiteri o. Ä. Das völlig parallele pecuniam constituere soll erst von den klassischen Juristen geformt worden sein! Diem48/tempus49/locum50/vadimonium51 constituere, die Bruns nennt, finden sich immerhin bei Cicero und Caesar. Der dies status cum hoste der Zwölf Tafeln und der von Bruns ebenso angeführte Soldateneid bei Gell. 16,4: status condictusve dies cum hoste belegen gerade eine alte Terminologie diem statuere / diem condicere. Seit jeher „legt man Grenzen fest“ (fines constituere)52; ebenso Belohnungen und Strafen (praemia/poenas constituere)53; einen Preis (pretium constituere)54. Geld lässt sich für einen bestimmten Zweck „festsetzen“ (pecuniam constituere ad aliquid faciendum / ut aliquid fiat)55. Was Bruns in Wahrheit vermisst, ist also nicht constituere mit dem bloßen Objektsak-

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45 S. schon Philippin, Pacte de constitut 12 f. 46 Bruns, Constitutum debiti 45. Von Labeo stammt die älteste Erwähnung des constitutum durch einen Juristen (gleichzeitig die erste verlässliche, s. unten S. 236 ff.): D. 13,5,3,2 (s. unten S. 112 ff.). Zum Folgenden s. auch Giodice-Sabbatelli, „Constituere“ 340-342. 47 Gell. 15,13,11; 20,1,45. Die lex Rubria aus der Zeit Caesars hat dafür in Kap. XXI: pecuniam dare oportere debereve se confiteri. 48 Cic. Caecin. 11; Verr. 2,2,38; Catil. 1, 24; Caes. Gall. 1,4,2; 1,47,1; civ. 3,33,1; Val. Max. 5,6,4 (hora constituta); s. (auch zu den folgenden Objekten) ThLL s. v. constituo C 2 (Sp. 519 f.); zuletzt P. Costa, Pecunia constituta 12 ff. 49 Ter. Eun. 540 (locus/tempus); Cic. Caecin. 11; Caes. civ. 3,19; Liv. 32,15; Sen. benef. 4,6,6. 50 Cic. Cael. 62: constitui locum iussit; balneas constituit; Cael. 31; Phil. 2,44. 51 Cic. Cato 21. 52 Z. B. Cic. Quinct. 35; ac. 114; 129; Lael. 56; Sen. benef. 7,7,5; epist. 15,11. 53 Z. B. Caes. Gall. 5,1,9; 6,13,5; 7,61,6; Cic. Phil. 5,4; 14,36; dom. 43; 101; 102; Verr. 2,2,128; 2,4,19.85; Caecin. 46; Tull. 10; off. 3,16,65; ad Q. fr. 1,3,9; Liv. 28,46,4; Vitr. 7 praef. 54 Cic. Verr. 2,3,163.171; 2,5,62; Pis. 72; Att. 12,33,1; Varro ling. 5,36. 55 Cic. dom. 23; Suet. Aug. 36,1.

Verheißungsedikt De pecunia constituta

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kusativ, sondern diese Konstruktion in der von ihm festgelegten Bedeutung als „terminieren“56. Wenn ferner im Formular über die Verpachtung der Winterweide (lex pabulo) bei Cato (agr. 149,2), also in der ersten Hälfte des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts, pecuniam satisfacere und pecuniam delegare erscheinen: donicum pecuniam satisfecerit aut delegarit, macht dies für die Rechtssprache der (späten) Republik die Möglichkeit eines pecuniam constituere durchaus wahrscheinlich. Für pecuniam constituere und dafür, dass der bloße Hinweis auf pecunia jedenfalls die Varianten se soluturum, se satisfacturum und se satisdaturum in sich aufnehmen kann, sprechen etwa auch Texte wie Cato agr. 146,2 oder TPSulp. 63 (Puteoli, 45 n. Chr.): Cato agr. 146,2 (Lex oleae pendentis) dies argento: ex K. Nov. mensum X ... recte haec dari fierique satisque dari domino, aut cui iuserit, promittito satisque dato arbitratu domini. donicum solutum erit aut ita satis datum erit, quae in fundo inlata erunt, pigneri sunto.

„(Verkaufsbestimmung für hängende Oliven) Termin für das Silber(geld): 10 Monate nach den Kalenden des November. ... Dass dies ordnungsgemäß gegeben werde, geschehe und Sicherheit geleistet werde, und zwar dem Eigentümer oder demjenigen, an den er (das zu tun) geheißen hat, soll er versprechen und Sicherheit leisten nach Gutdünken des Eigentümers. Bis gezahlt oder derart Sicherheit geleistet worden ist, soll das, was auf das Grundstück gebracht worden ist, zum Pfand dienen.“

Der dies argento ist „Geldtag“ und damit natürlich „Zahltag“; daran ändert sich nichts, wenn dem Schuldner die Möglichkeit eingeräumt wird, statt zu zahlen dem Gläubiger Sicherheiten zu gewähren. TPSulp. 63, pag. 5, Z. 6-14 ... Dìes pecuniae k(alendis) Mais primis. / Si k(alendis) Mais primìs mihì heredìve [meo --] / ea H[S] ((I)) ((I)) ((I)) nummum, [q(uae) s(upra) s(cripta) sunt, dolo malo] / utrius ___________________________

„Termin für das Geld 57 ist der kommende erste Mai. Für den Fall, dass am kommenden ersten Mai diese oben genannten 30.000 Sesterze aufgrund von Arglist von einem von euch nicht mir oder meinem Erben gegeben und geleistet sein

56 Rein sprachlich ist nicht gesagt, dass es sich bei pecuniam debitam constituere überhaupt um einen „bloßen“ Objektsakkusativ handelt. Denn debitam kann zu constituere gehören: „Geld als geschuldet festsetzen“. So schon Fuchs, Ueber das Constitutum 186; zustimmend Roussier, Constitut 132 Anm. 3. Allerdings spricht die Kommentierung Ulpians zumindest dagegen, dass er die Worte so versteht. Denn in den fr. 1,6-5,3 geht er − offensichtlich zur Kommentierung von pecuniam debitam constituere − auf die objektiv bestehende Hauptschuld, das debitum, ein; s. unten bei Anm. 83; zur pecunia debita als objektiver Voraussetzung der Wirksamkeit des constitutum s. unten S. 76 ff. und 111 ff. 57 Angesichts Cato agr. 146,2: dies argento kann pecuniae − ohne Unterschied in der Interpretation − auch Dativ sein.

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Pecunia constituta im prätorischen Edikt

vestrum d[ata soluta non erunt neque tu mihi] / conveneris here[dive meo -- sive mihi] / satisfactum non erit, [duplam pecuniam recte dari] / stipulatus est C. Sul[picius (Cinnamus?), spopondit] / Magia L(ucii) f(ilia) Pulchra ...

werden und du nicht mit mir oder meinem Erben eine Vereinbarung getroffen haben wirst oder mir Genüge geleistet sein wird, dass dann der doppelte (?) Betrag ordnungsgemäß gegeben wird, hat sich C. Sulpicius Cinnamus stipulationsweise versprechen lassen, Magia Pulchra, Tochter des Lucius, hat es versprochen ...“

Nachdem in dieser Urkunde über ein Darlehen der Magia Pulchra bei C. Sulpicius (Cinnamus?) zuvor in der eigenartigen Buchführungsterminologie expensa Magiae − accepta arcae58 die Auszahlung von 30.000 Sesterzen dokumentiert worden ist, wird der dies pecuniae festgelegt59. Es schließt sich die Beurkundung einer Strafstipulation (stipulatio duplae?) an, deren Verfallsbedingung darin besteht, dass am festgesetzten Termin weder Zahlung erfolgt ist, noch eine Vereinbarung getroffen wurde (conveneris) oder dem Gläubiger Genüge geleistet wurde. Die mögliche conventio ist inhaltlich unbestimmt; sie kann eine Stundung zum Gegenstand haben, Sicherheitsleistungen oder Pfänder können ins Spiel kommen. Jedenfalls aber sind dare, solvere und satisfacere vorgesehene Alternativen, um dem dies pecuniae gerecht werden. Es gibt also entgegen Lenel keinen Grund, im Edikt des Prätors Qui pecuniam debitam constituit um einen oder mehrere Infinitive zu erweitern. Gegenstand des constituere ist schlicht die pecunia debita. Das offen gehaltene (non) fecisse quod constitutum est der Klageformel 60 − „dass der Beklagte nicht getan hat, was festgesetzt worden ist“ macht zur Bezeichnung des Inhalts des constitutum nicht mehr erforderlich als das ebenso offene pecuniam (bzw. eine bestimmte Summe: HS tot) constituere. Auffällig ist, dass das Edikt nach dem Zitat in D. 13,5,1,1 objektiv darauf Bezug nimmt, dass der Beklagte constituit – „festsetzt“ / „festgesetzt hat“. Der derart zitierte Wortlaut macht nicht deutlich, dass es sich dabei um die klägerische Behauptung handelt, die erst im Prozess vor dem Richter überprüft werden muss. Auch vermisst man in unserem Ediktszitat die Nichteinhaltung der Festsetzung, geht man doch davon aus, dass der Prätor in seinen Rechtsschutzverheißungen den Tatbestand beschreibt, an den eine Verurteilung anknüfen soll61. Für beide Phänomene ist der Vergleich mit anderen Ediktsklauseln, insbesondere mit der im Edikt offenbar unmittelbar folgenden Rechtsschutzverheißung für die Klage aus Leihe (actio commodati), von Interesse, wenn auch nicht dezisiv: ___________________________

58 S. zu diesem Urkundentyp Camodeca, Tabulae 151-160; Gröschler, Tabellae-Urkunden, insbes. 67-95 mit Literatur; jetzt Platschek, Contra fidem veritatis [8-12]. 59 S. auch D. 26,7,8 (Ulp. 23 ed.): dies creditae pecuniae. 60 S. unten S. 29. 61 Kaser/Hackl, Zivilprozeßrecht 329.

Verheißungsedikt De pecunia constituta D. 13,6,1 pr. (Ulp. 28 ed.) Ait praetor: 'Quod quis commodasse dicetur, de eo iudicium dabo.'

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„Der Prätor sagt: 'In dem Fall, dass vorgetragen wird, jemand habe verliehen, werde ich darüber ein Urteilsgericht gewähren.'“

Es muss dem Prätor einerseits vorgetragen werden (dicetur), „jemand habe verliehen“, um ihn zur Gewährung der Klage zu veranlassen. Andererseits reicht diese Behauptung nach dem Wortlaut der Stelle zur Beantragung der actio commodati aus. Es muss aber doch sicher auch behauptet werden, dass der Entleiher die geliehene Sache nicht oder verschlechtert zurückgegeben hat. Man kann nicht ausschließen, dass Ulpian das für seine schrittweise Kommentierung zunächst allein maßgebliche Element zitiert, nämlich dass zum Tatbestand der verheißenen Klage ein commodasse des Klägers gehört, und zur Orientierung des Lesers den Schluss des Edikts unmittelbar anhängt62. Eine moderne Interpunktion würde nach commodasse, dicetur oder dabo dann drei Punkte setzen 63 . Allerdings bezeichnet Ulpian im Anschluss die Auslegung „dieser Verlautbarung“ (huius edicti) als „nicht schwierig“: Er hält dafür lediglich eine Bemerkung zum Unterschied zwischen commodatum und utendum datum bereit (unum solummodo notandum), um sodann auf Probleme der Rückgabe in verschlechtertem Zustand, des Haftungsmaßstabs, des Umfangs der Verurteilung einzugehen. All dies ist für ihn offenbar nicht mehr Kommentar zum Wortlaut des Verheißungsedikts (sondern der Klageformel), was dafür spricht, dass dieses sich tatsächlich auf die zitierten Worte beschränkt und die Rückgabe der geliehenen Sache nicht erwähnt64. ___________________________

62 Iudicium dabo kennzeichnet auch nicht zwingend das Ende der Klagenverheißung. Dass dem iudicium dabo zumindest der Gegenstand der Verurteilung folgen kann, belegen D. 27,6,7 pr. (Ulp. 12 ed.): '..., iudicium dabo, ut quanti ea res erit, tantam pecuniam condemnetur'; D. 39,2,7 pr. (Ulp. 53 ed.): '..., iudicium dabo, ut tantum praestet, quantum praestare eum oporteret, ...'; D. 47,12,3 pr. (Ulp. 25 ed.): 'in factum iudicium dabo, ut ei, ad quem pertineat, quanti ...' 63 In D. 6,2,1 pr. (Ulp. 16 ed.) zitiert Ulpian das Edikt über die actio Publiciana scheinbar vollständig (Si quis ... iudicium dabo). In D. 6,2,7,11 (Ulp. 16 ed.) taucht als weiteres Element (Praetor ait:) qui bona fide emit auf. Lenel, Edictum perpetuum 171 verortet es als quem hominem Aus Aus bona fide emit in der Klageformel (vgl. die Formel bei Gai. 4,36: quem hominem Aus Aus emit), nicht ohne das überlieferte qui für interpoliert zu erklären (ebd. 172), weil „die Kompilatoren das echte 'Quem As As b. f. emit' so nicht brauchen konnten: Sie haben aus dem As As ein 'qui' gemacht.“ 64 Freilich spricht Ulpian mitunter von hoc edictum, nachdem er lediglich Klauseln zitiert hat, vgl. etwa D. 4,9,3,1 (Ulp. 14 ed.): Ait praetor: 'nisi restituent, in eos iudicium dabo'. ex hoc edicto in factum actio proficiscitur mit h. t. 1 pr. (Ulp. 14 ed.): Ait praetor: 'Nautae caupones stabularii quod cuiusque salvum fore receperint nisi restituent, in eos iudicium dabo'; s. auch D. 4,6,26,2 (Ulp. 12 ed.): Ait praetor: 'aut cum eum invitum in ius vocare non liceret neque defenderetur'. haec clausula ad eos pertinet, quos ... sed nec ad eos pertinet hoc edictum, quos ... (clausula = edictum?).

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Pecunia constituta im prätorischen Edikt

Lautete auch das Edikt de pecunia constituta: Qui pecuniam debitam constituisse dicetur, so stammt die finite Form constituit von Ulpian65. Die Umformung würde dem Eindruck einer pedantischen Zitierweise entgegenwirken. Dies wäre insbesondere dann nachvollziehbar, wenn der Kommentierung ursprünglich der vollständige Wortlaut des Edikts voranstand (an den Ulpian in D. 13,5,1 pr. mit Hoc edicto anknüpfen würde66). Wir wollen es mit aller Vorsicht unterstellen. Ob unser Edikt den gesamten erheblichen Tatbestand ausführte, wie das über die Leihe lediglich ein zentrales Tatbestandselement nannte oder eine Mittellösung fand, lässt sich an diesem Punkt nicht sagen67.

III. Verheißener Rechtsschutz

Verheißener Rechtsschutz Des Weiteren ergänzt Lenel als Hauptsatz und Rechtsfolge des Verheißungsedikts: in eum iudicium dabo − „gegen den werde ich eine Klage geben“. Da eine actio pecuniae constitutae / de pecunia constituta eindeutig belegt ist, muss die Einsetzung eines Urteilsgerichts zum verheißenen Rechtsschutz gehören. Das Strafversprechen auf die Hälfte, der sponsio dimidiae partis, das sich die Parteien bei Prozessbegründung gegenseitig leisten, ist aufgrund Gai. 4,171 sicheres Element des Prozesses 68 . Daraus ergibt sich als Abschluss des Verheißungsedikts: partisque dimidiae sponsionem et restipulationem facere permittam – „und ich werde gestatten, Schuldversprechen und Gegenversprechen ___________________________

65 Verkürzte, ergänzte und ad sensum gestaltete Zitate des Edikts begegnen bei Ulpian des Öfteren; die Zitierweise der Juristen scheint überhaupt jeden Eindruck des Pedantischen vermeiden zu wollen. Nach D. 4,8,3,2 (Ulp. 13 ed.) lautet das Edikt über das receptum arbitri: Qui arbitrium pecuniā compromissā receperit; in D. 4,8,11,2 (Ulp. 13 ed.) wird der Prätor mit 'pecuniam compromissam' zitiert. Die Zitate des Edikts de receptis nautarum etc. sprechen in D. 4,9,1 pr. (Ulp. 14 ed.) von quod cuiusque ... receperit, in D. 4,9,1,6 (Ulp. 14 ed.) von cuius. 66 Mit hoc edictum schließt Ulpian an den (kompletten) Ediktswortlaut an in D. 3,1,1,8 (Ulp. 6 ed.): Ait praetor: 'Qui lege, plebis scito, senatus consulto, edicto, decreto principum nisi pro certis personis postulare prohibentur: hi pro alio, quam pro quo licebit, in iure apud me ne postulent.' h o c e d i c t o continentur etiam alii omnes, qui edicto praetoris ut infames notantur ...; D. 11,3,1 pr.-1 (Ulp. 23 ed.): Ait praetor: 'Qui servum servam alienum alienam recepisse persuasisseve quid ei dicetur dolo malo, quo eum eam deteriorem faceret, in eum quanti ea res erit in duplum iudicium dabo.' Qui bona fide servum emit, h o c e d i c t o non tenebitur ... ; D. 42,4,7,1-2 (Ulp. 59 ed.): Praetor ait: 'Qui fraudationis causa latitabit, si boni viri arbitratu non defendetur, eius bona possideri vendique iubebo.' Cum h o c e d i c t u m locum habeat, non sufficit latitare ...; D. 43,30,1 pr.-1 (Ulp. 71 ed.): Ait praetor: 'Qui quaeve in potestate Lucii Titii est, si is eave apud te est dolove malo tuo factum est, quo minus apud te esset, ita eum eamve exhibeas.' H o c i n t e rd i c t u m proponitur adversus eum, quem quis exhibere desiderat ... 67 Huschke, Kritische Versuche 251 Anm. 9; Wlassak, Edikt und Klageform 92 f. 68 S. unten § 3.

Verheißungsedikt De pecunia constituta

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auf die Hälfte abzugeben“. Des Weiteren ist für den Prozess de pecunia constituta der Parteieid belegt69. Mitunter wurde in der Literatur vertreten, die actio de pecunia constituta sei nichts anderes als eine Kombination der unveränderten actio certae creditae pecuniae über die „Hauptschuld“, kombiniert mit der sponsio dimidiae partis, dem „Schuldversprechen auf die Hälfte“, dessen Verfallsbedingung im Abschluss des constitutum und seiner Nichterfüllung bestehe70. Die Vorstellung bedingt nicht nur erhebliche Interpolationsvermutungen. Ihrzufolge ist auch nicht schon die Nichterfüllung des constitutum sanktioniert, sondern erst das gerichtliche Bestreiten des Schuldners; denn erst dann kommt es zum Abschluss der sponsio dimidiae partis. Der prätorische Schutz bestünde dann in erster Linie darin, dass aufgrund des behaupteten constitutum die Strafen für mutwilliges Prozessieren von einem Drittel bei der actio certae creditae pecuniae (sponsio tertiae partis, Gai. 4,171) auf die Hälfte bei der actio pecuniae constitutae erhöht wäre. Dass sich der verheißene Rechtsschutz nicht in der Anordnung der sponsio dimidiae partis erschöpft, sondern vor allem in der Gewährung einer eigenen, von der actio certae creditae verschiedenen Klage besteht, ergibt sich aus Beobachtungen gerade an der sponsio dimidiae partis und der Klage daraus71. Bruns erwähnt, dass sich in einem „Pariser Codex“ hinter D. 13,5,16,2 die Worte eum satisfacere cogam − „den werde ich zwingen, Genüge zu tun“ fänden72; er selbst verwirft den Zusatz, weil er „zu der Natur der Constitutsklage nicht wohl passe“73. Huschke will ihn argumentativ nutzen: Er deute auf ein Schnellverfahren vor einem Rekuperatorengericht74. Karlowa vermutet darin ein verdorbenes sponsionem facere cogam − eine nicht unbedeutende Festlegung der prätorischen Rechtsschutzverheißung, die mit der Existenz einer actio de pecunia constituta, die der Prätor − wie Karlowa selbst vermutet − doch wohl mit den üblichen Worten iudicium dabo verheißt, nur schwer zu vereinbaren ist75. Die genannte Handschrift ist nicht identifizierbar.

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D. 12,2,14 (Paul. 3 ed.); D. 12,2,36 (Ulp. 27 ed.). S. unten Anm. 132. S. unten S. 55. Nach Bruns, Constitutum debiti 44 stehen sie „am Ende der zweiten Parallelstelle“, womit er einige Absätze zuvor (S. 43) D. 13,5,17 bezeichnet. Er meint offensichtlich die zuvor sogenannte „zweite Hauptstelle“ (D. 13,5,16,2). 73 Bruns, Constitutum debiti 48. 74 Huschke, Kritische Versuche 251 Anm. 9 (252). 75 Karlowa, Rechtsgeschichte II 1375.

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Pecunia constituta im prätorischen Edikt

In Wahrheit handelt sich bei den Worten, deren Herkunft „ganz dunkel“ sei76, aber auch lediglich um eine Ergänzung, die dem mittelalterlichen Verständnis der Stelle entspricht. Mit solvere cogam − „(den) werde ich zwingen zu zahlen“ vervollständigt Azo (erstes Viertel des 13. Jahrhunderts) in Gl. constituit zu D. 13,5,1,1 die Worte Qui pecuniam debitam constituit77, es folgt der Verweis auf D. 13,5,16,2. Dort findet sich der entsprechende Ergänzungsvorschlag Azos in Gl. constitutum est: subaudi, reum satisfacere cogam, vel similia.

„Ergänze gedanklich: '... dann werde ich den Beklagten zwingen, Genüge zu zu tun' oder Ähnliches.“

Ein Ergänzungsvorschlag also, der wohl aufgrund der enormen Autorität der späteren Glossa ordinaria in eine Handschrift Einzug hielt; eine unsichere Ergänzung, wie Azo selbst einräumt („vel similia“) − mit der Klageverheißung durch den Prätor, die wir am Ende des Edikts erwarten dürfen, ist sie kaum vereinbar.

§ 2. Die ediktale Klageformel der actio de pecunia constituta Ediktale Klageformel der actio de pecunia constituta I. Verurteilungsvoraussetzungen (intentio) Die weiteren Zitate der prätorischen Normierung fasst Lenel nicht mehr als Wortlaut des Verheißungsedikts, sondern bereits als Bestandteile der Musterformel der Klage auf78. Sie rekonstruiert er folgendermaßen79: Si paret Numerium Negidium Aulo Agerio HS decem milia constituisse se soluturum eove nomine se satisfacturum esse neque fecisse quod constituit

„Wenn es sich erweist, dass der Beklagte festgesetzt hat, dass er dem Kläger zehntausend Sesterze leisten werde oder dafür Befriedigung verschaffen werde, und dass weder er getan hat, was er festgesetzt hat,

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76 Karlowa, Rechtsgeschichte II 1375. Seitdem wurde der Zusatz nicht weiterverfolgt. Nachdem Bruns und Lenel D. 13,5,16,2 zum Zitat der Klageformel erklärt haben (s. sogleich S. 23), ist er dort auch nicht mehr sinnvoll unterzubringen. 77 Vivianus Tuscus übernimmt die Worte in den Casus Hoc edicto zu D. 13,5; das Edikt (das er ausschließlich auf das constitutum debiti alieni bezieht) gibt er dort wieder als [Ait praetor.] Qui pro alio constituerit, solvere cogam. Zu Vivian s. Savigny, Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter V 339-340. 78 Edictum perpetuum 249: „Was in Ulpians Kommentar von fr. 16 § 2 ab folgt, hat offensichtlich nichts mehr mit dem Edikt zu tun: es ist Kommentar zur Formel“; zuletzt Babusiaux, Funktion der aequitas naturalis 634. 79 Edictum perpetuum 251; ihm folgend Mantovani, Formule 68; Missverständnis bei Varvaro, Storia dell'editto De pecunia constituta 334, der die „erste Hälfte“ (si paret − satisfacturum esse) für Lenels vollständige intentio hält.

Ediktale Klageformel der actio de pecunia constituta neque per Aulum Agerium stetisse quo minus fieret quod constitutum est eamque pecuniam, cum constituebatur, debitam fuisse, quanti ea res est, tantam pecuniam iudex Numerium Negidium Aulo Agerio condemnato. si non paret, absolvito.

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noch es am Kläger gelegen hat, dass nicht getan wurde, was festgesetzt worden ist, und dieses Geld, als (es?) festgesetzt wurde, geschuldet war, dann, Richter, verurteile den Beklagten zugunsten des Klägers zu so viel Geld, wie diese Angelegenheit wert ist! Wenn es sich nicht erweist, dann sprich ihn frei!“

Dabei greift Lenel auf folgende Fragmente im Digestentext zurück: D. 13,5,16 (Ulp. 27 ed.) 2 Ait praetor: 'Si appareat eum qui constituit neque solvere neque fecisse neque per actorem stetit, quo minus fieret quod constitutum est.'

„Der Prätor sagt: 'Wenn sich herausstelle (sic), dass derjenige, der festgesetzt hat, weder leistet (sic) noch getan hat, und wenn es nicht am Kläger gelegen hat, dass nicht geschehen ist, was zugesagt worden ist.'

4 Haec autem verba praetoris: 'neque fecisse reum quod constituit'...

Die folgenden Worte des Prätors aber, dass 'der Schuldner nicht getan hat, was er zugesagt hat' ...“

D. 13,5,17 (Paul. 29 ed.) ... illa verba 'neque fecisse{t}' ...

„... jene Worte: 'und er nicht getan {hätte} ‹hat›'...“

D. 13,5,18 (Ulp. 27 ed.) pr. Item illa verba praetoris 'neque per actorem stetisse' ... 1 Quod adicitur: 'eamque pecuniam cum constituebatur debitam fuisse' ...

„Auch jene Worte des Prätors 'noch es am Kläger gelegen hat' ... Was das betrifft, dass angefügt wird: 'und dass dieses Geld, als (es?) zugesagt wurde, geschuldet war' ...“

1. Gesicherte Bestandteile der Klageformel Im Folgenden soll überprüft werden, ob und wie diese Fragmente für eine Rekonstruktion der Klageformel verwendet werden können. Schon D. 13,5,16,3 deutet nach dem überlieferten Text darauf hin, dass im Satz zuvor mindestens ein Element der Klageformel angesprochen ist. Denn hier stellt Ulpian klar: Ergo si non stetit per actorem, tenet actio ...

„Wenn es also nicht am Kläger gelegen hat, greift die Klage ...“

Er wiederholt damit die Worte neque per actorem stetit aus dem Satz zuvor, auf die er in fr. 18 pr. in der Form neque per actorem stetisse als verba praetoris nochmals zurückkommt: fr. 16,2 neque per actorem stetit

fr. 16,3 non stetit per actorem

fr. 18 pr. neque per actorem stetisse

Tenet actio – „die Klage greift“ bedeutet mit einiger Wahrscheinlichkeit: „Die Klage hat Erfolg“ / „es kommt zur Verurteilung des Beklagten“. Denn es ist be-

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Pecunia constituta im prätorischen Edikt

reits ein Kläger (actor) vorhanden; tenet actio bezieht sich also auf den Ausgang des Verfahrens apud iudicem, das Urteil. Neque per actorem stet- gehört somit zum Tatbestand, zur intentio der das Urteil beherrschenden Formel80. Auch nach fr. 18,1 ist das dort genannte wörtliche Zitat Bestandteil der actio, also wohl der Klageformel81: Quod adicitur: 'eamque pecuniam cum constituebatur debitam fuisse' ... retrorsum se actio refert.

„Was das betrifft, dass angefügt wird: 'und dass dieses Geld, als (es?) zugesagt wurde, geschuldet war' ... die Klage bezieht sich auf die Vergangenheit.“

Über adicitur besteht die Verbindung zum Element neque per actorem stetisse aus fr. 18 pr.: Die Zitate in fr. 18 pr. und 18,1 gehören also demselben Text an. Fr. 18,1 spricht gleichzeitig deutlich gegen eine Kombination dieses Textes mit dem Ediktsbeginn Qui pecuniam debitam constituit. Denn die Stelle belegt mit quod adicitur die Parallelität des Infinitivs (pecuniam ... debitam) fuisse zu (neque) fecisse (reum ...) in fr. 16,4 und (neque ...) stetisse in fr.18 pr. Die Einleitung mit eamque in fr. 18,1 zwingt gleichzeitig zur Annahme eines wörtlichen Zitats. Das -que macht es nämlich unmöglich, den AcI pecuniam ... debitam fuisse lediglich in Abhängigkeit von adicitur zu sehen; er muss vielmehr vom selben Hauptsatz abhängen wie neque fecisse und neque stetisse82. Eamque pecuniam setzt außerdem voraus, dass im selben Text, aus dem die Worte ursprünglich stammen, bereits zuvor von der pecunia die Rede war. Schlösse aber die Klausel pecuniam ... debitam fuisse an das Qui pecuniam debitam constituit der Rechtsschutzverheißung an, so würde sie eigenartig mit diesem Vor___________________________

80 Dass Ulpian die Worte der Formel als verba praetoris bezeichnet, wurde kritisiert und der Interpolation verdächtigt (verba ‹formulae›): Lenel, Edictum perpetuum 251 mit Anm. 1 (gegen den hier – höchst ausnahmsweise − textkonservativen Beseler, Beiträge I 81). In der Formel spreche − im Gegensatz zum Verheißungsedikt − nicht der Prätor; gleichzeitig sei den Kompilatoren daran gelegen gewesen, jede Spur des Formularverfahrens zu beseitigen. Ohne dass dies von Einfluss auf die Interpretation wäre, sei doch betont, dass die Klageformel ein prätorischer Befehl an den Richter ist (condemnato /absolvito). 81 Zu actio im Sinne von formula s. Kaser/Hackl, Zivilprozeßrecht 231-237. 82 Mit quod adicitur ... kann also nicht das Wort debitam in Qui pecuniam debitam constituit gemeint sein. Die bei Bruns, Constitutum debiti 43 aus einem „Pariser Codex“ angeführte Lesart eam quoque pecuniam ändert daran nichts. Sie findet sich übrigens weder in Hs. Paris BN lat. 4450 f. 137r/27 (der wichtigsten Hs. des Digestum vetus) noch in Hs. Paris BN lat. 4458A f. 116ra/36 (nach Auskunft von W. Kaiser, Freiburg i. B.). Eam quoque pecuniam „auch dieses Geld“ ist sinnlos; es handelt sich also allenfalls um eine Verderbnis von eamque. Eamque ... fuisse verbietet auch die Rekonstruktion des Ediktswortlauts durch Frezza, Garanzie I 253 f. mit Anm. 5, der im Bereich D. 13,5,16-18 Fragmente der ediktalen sponsio dimidiae partis sehen will: ... eius pecuniae, quae cum constituebatur debita fuit, partem dimidiam dare spondesne?

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dersatz konkurrieren. Das Bestehen der Schuld im Moment des constituere (pecuniam debitam constituere) käme zweifach zum Ausdruck. Dass debitam in beiden Fällen das Gleiche meint, zeigt der Kommentar Ulpians zu Qui pecuniam debitam constituit in D. 13,5,1 ff.; jedenfalls für Ulpian geht es hier wie dort nicht um den Inhalt der Erklärung („Geld als geschuldet festsetzen“)83, sondern um den objektiven Bestand der Schuld („geschuldetes Geld festsetzen“). Erklärbar ist die inhaltliche Übereinstimmung aber damit, dass pecuniam debitam constituere Bestandteil des Verheißungsedikts, eamque pecuniam ... debitam fuisse aber Element der Klageformel ist. Innerhalb der Klageformel ist eamque pecuniam dann sinnvoll, wenn das Wort pecunia (ohne den Zusatz debita) oder ein Geldbetrag zuvor als Gegenstand des constituisse genannt wurde: Si paret, Numerium Negidium ... pecuniam / HS tot constituisse ... Es ist Lenel also darin zu folgen, jedenfalls die Worte neque fecisse, neque per actorem stetisse und eamque pecuniam cum constituebatur debitam fuisse in D. 13,5,16,4 und 18 pr.-1 als wörtliche Zitate der Klageformel zu identifizieren. Wie aber ist der Satz in fr. 16,2 ait praetor: 'si appareat ...' zu erklären, der doch die Klauseln neque fecisse und neque per actorem steti‹sse› vereint? Ist dies die Klageformel? 2. Unsichere Elemente / Textstörungen Vor uns liegt ein Trümmerhaufen. Am Zustand dieses Satzes mögen die Kompilatoren Mitschuld tragen; dass sie den Text äußerlich komplett zerstört hätten84, verträgt sich freilich schwer mit ihrer Aufgabe. Das überlieferte si appareat ist nach Lenel eine freie Umformung des gängigen si paret − „Wenn es sich erweist, dass ...“ der bekannten Prozessformeln in die indirekte Rede85. Dabei muss Lenel annehmen, ait praetor sei interpoliert86; ein

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83 Mit dem doppelten Akkusativ begegnet constituere gerade in der Rechtssprache häufig: aliquem possessorem (z. B. Gai. 4,16)/tutorem/curatorem (z. B. D. 27,1,16 [Mod. 2 resp.])/debitorem/reum/vindicem (z. B. D. 2,14,47,1 [Scaev. 1 dig.])/iudicem/defensorem/accusatorem/actorem/testem/regem constituere, oder etwa D. 3,5,5,11 (Ulp. 11 ed.): ratihabitio constituet tuum negotium − „die Genehmigung macht das Geschäft zu deinem.“ Den entsprechenden Überlegungen bei Fuchs und Roussier (oben Anm. 56) für pecuniam debitam constituere steht jedoch Ulpians Kommentar zu ebendiesen Worten entgegen: Quod exigimus ut sit debitum quod constituitur (D. 13,5,5,2 [27 ed.]. 84 Digesta Iustiniani Augusti (ed. Mediolan.): „Totum locum interpolatum esse constat“. 85 Zuletzt auch Mantovani, Formule 68 Anm. 252: „è mimetizzata l'intentio“. Dass parere und apparere synonyme Verwendung finden, belegt Fest. p. 262 Lindsay. Zum Verhältnis paret/apparet bei den Juristen s. die Überlegungen bei Babusiaux, Id quod actum est 9 f. Methodische Bedenken gegen die Vermutung Lenels bei Frezza, Questioni 714: „arbitrario“.

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Zitat der Klageformel in direkter Rede passt nämlich nicht zum Konjunktiv; eine indirekte Rede nach ait aber würde nach einem AcI verlangen, von dem nichts zu erkennen ist. Ursprünglich habe si appareat von einer Bezugnahme Ulpians auf den Wortlaut der Klageformel abgehangen, die die Kompilatoren wie alle anderen Hinweise auf die Klageformeln des Formularverfahrens eliminieren mussten87. Hält man ait praetor jedoch für echt, ist si appareat wörtliches Zitat88. In der Klageformel ist si appareat nicht unterzubringen. Eum qui constituit wäre Ergebnis einer umformenden Wiedergabe Ulpians, die auf die entscheidenden Worte neque fecisse neque per actorem stetit/-isse zusteuert. Denn wenn der Richter auch feststellen muss, ob überhaupt ein constitutum abgegeben wurde, müsste zumindest die Formel lauten: Si paret Nm Nm Ao Ao ... constituisse. Die folgenden Worte neque solvere sind nach der Überlieferung gemeinsam mit neque fecisse von si appareat abhängiger Infinitiv. Es ginge dann prima facie darum, ob der Schuldner „leistet“, nicht darum, ob er „geleistet hat“ (solvisse) wie beim folgenden fecisse89. ___________________________

86 Umgekehrt hält Karlowa, Rechtsgeschichte II 1374 si appareat für ein durch byzantinische Interpolation verändertes si paret. Zur Zeit Justinians mag paret in dieser Bedeutung außer Gebrauch gekommen sein. Die Kompilatoren wären aber unveranlasst in den Konjunktiv gewechselt. Im Übrigen fragt man sich, ob sie tatsächlich die Zeit (und das Selbstbewusstsein) hatten, die alten Texte sprachlich/stilistisch derart zu überarbeiten. 87 Edictum perpetuum 251 = Palingenesia II 578 Anm. 5: ‹Notandum est formulae verbis iudicem tunc condemnare iuberi› vel sim. 88 Davon geht Frezza, Questioni 714 aus und sieht in si appareat ... aufgrund des Konjunktivs den proponierten Inhalt der sponsio dimidiae partis. Dann ergibt tenet actio in fr. 16,3 nur noch Sinn, wenn damit die Klage aus der sponsio dimidiae partis gemeint ist, die gleichzeitig die Klage wegen pecunia constituta wäre. 89 Dementsprechend ersetzen Haloander, ihm folgend Krüger und Bruns solvere durch solvisse, s. Mommsen, Ed. ster. in app.; Bruns, Constitutum debiti 43 ff. Die Textverderbnis ließe sich allenfalls mit einer verdorbenen und falsch aufgelösten Abkürzung solv~ erklären. Arangio-Ruiz, Genti 572 erklärt neque solvere zum justinianischen Einschub, der das ursprüngliche neque fecisse anderen Inhalten, insbesondere satisfacere, zugänglich macht. Dies war es aber jedenfalls schon zur Zeit der spätklassischen Juristen, was die Stellen über die constituta se pignus daturum (D. 13,5,14,2), certam personam fideiussuram pro se (ebd.), se satisdaturum (D. 13,5,21,2; Arangio-Ruiz ebd.: „interpolatissima“) belegen. Außerdem hätte man dann zwar einen wohlüberlegten Eingriff vorgenommen, aber keine Veranlassung gesehen, solvere im Tempus an fecisse anzugleichen. Huschke, Kritische Versuche 251 Anm. 9 (252) begründet das Präsens solvere damit, dass der Beklagte noch vor Gericht gültig leisten konnte. Der Richter müsste dann freilich überprüfen, ob der Beklagte „Anstalten macht, zu zahlen.“ Auch wenn der Beklagte noch apud iudicem zahlen kann, so muss das Urteil doch ergehen, solange er das nicht getan hat. Nach Karlowa, Rechtsgeschichte II 1375

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Über das Nebeneinander von solvere und fecisse hilft auch eine andere Ulpianstelle, wohl aus dem Zusammenhang der Stipulation (de verborum obligatione)90, mit einer Definition von solvere nicht hinweg: D. 50,16,176 (Ulp. 45 Sab.) 'Solutionis' verbo satisfactionem quoque omnem accipiendam placet. 'solvere' dicimus eum, qui `id´ fecit quod facere promisit.

„Dass mit dem Wort solutio (Leistung) auch jede Art der Genügeleistung erfasst ist, verdient Zustimmung. Solvere (leisten?) gebrauchen wir für den, der getan hat, was er zu tun versprochen hat.“

Selbst wenn solvere angesichts dieser Stelle offenbar einen erreichten Zustand meinen kann, nämlich geradezu das „Freisein“91, so führt doch die Gleichsetzung von solvere mit fecisse (quod facere promisit) übertragen auf D. 13,5,16,2 an den Rand der Tautologie: solvere wäre im Bereich der pecunia constituta deckungsgleich mit fecisse quod constituit92; dann aber wäre neque solvere neque fecisse quod constituit ein reiner Pleonasmus. Mit Lenel neque vor solvere zu streichen und solvere als Infinitiv zu constituit zu ziehen: is qui constituit solvere − „derjenige, der festgesetzt hat zu leisten“93, erscheint als Lösung kaum vertretbar. Nach dem Sprachgebrauch der Juristen (der doch die Sprache des Edikts berücksichtigen muss) wäre für diese Konstruktion ___________________________

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f. betrifft solvere die Erfüllung der Hauptschuld, fecisse die des constitutum (dessen alleiniger Inhalt nach Karlowas Klageformel wohlgemerkt sestertium decem milia se s o l u t u r u m lautet!). Die Erfüllung der Hauptschuld stehe dem Schuldner nach wie vor frei; in diesem Fall umfasse das Urteil der actio de pecunia constituta lediglich den durch die Nichterfüllung des constitutum entstandenen Schaden ohne das Kapital. Dies widerspricht Karlowas eigener Formelrekonstruktion: Der Beklagte müsste in diesem Fall vollständig freigesprochen werden, steht doch neque solvere dort gleichberechtigt neben neque fecisse. Lenel, Palingenesia II 1180 mit Anm. 1. Als Ediktsworte sind solutio und solvere in diesem Zusammenhang nicht belegt. Geht es um die Auslegung von Stipulationen, so ist solvere etwa für Strafstipulationen wie TPSulp. 63 (oben S. 18) von Bedeutung. Anders D. 42,1,4,7 (Ulp. 58 ed.): 'Solvisse' accipere debemus ... omnem omnino, qui ea obligatione liberatus est, quae ex causa iudicati descendit. Umgekehrt verwenden die Basiliken (B. 2,2,170 − A I 40 Sch.; I 55 Hb.) bei der Wiedergabe von D. 50,16,176 das Präsens: καταβάλλειν δὲ τὸν τοῦτο ποιοῦντα, ὅπερ ποιῆσαι ὡ™ο5 λόγησεν − „qui hoc facit quod facere promisit“. Der Korrektor von D. 50,16,176 in der littera Florentina, der hinter qui `id´ einfügte, nahm an fecit keinen Anstoß. Angesichts D. 50,16,176 gilt dies nicht nur für solvisse, so aber Kappeyne van de Copello, Über constituta pecunia 240. So Edictum perpetuum 250 für die Wiedergabe Ulpians; zustimmend Tondo, In tema di „constitutum debiti“ 209: „felice intuizione“. Mit dem bloßen Infinitiv Präsens Aktiv findet sich constituere bei den Juristen nie. In D. 13,5,5,9 und 10 (Ulp. 27 ed.) und D. 50,8,5,1 (Pap. 1 resp.) begegnet das unpersönliche Passiv solvi constituere; s. auch Bruns, Constitutum debiti 31.

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qui solvi constituit / qui constituit se soluturum zu erwarten94, wie es Lenel in der Tat für die Klageformel (ergänzt um eove nomine se satisfacturum esse) annimmt95. Mit dem Infinitiv Präsens Aktiv bedeutet constituere tendenziell „beschließen“96. Bei Zugrundelegung von qui constituit {neque} solvere hätte Ulpian ohne Grund und gegen seine eigene Gewohnheit den prätorischen Wortlaut durch die unschöne Wendung ersetzt. Solvere im Sinne Lenels als Gegenstand des constituere stünde auch in einer gewissen Spannung zum folgenden neque fecisse. Gerade um neque fecisse einen weiteren Sinn zu geben, den es bei alleiniger Bezugnahme auf solvere/solvi/se soluturum nicht hat, schiebt Lenel in der rekonstruierten Klageformel die Klausel (constituisse ...) eove nomine se satisfacturum esse ein. Ulpian aber hätte bei seinem Zitat diese Worte im Gegensatz zu se soluturum unterschlagen; warum schrieb er nicht einfach qui constituit97? Von satisfacere stand mit großer Wahrscheinlichkeit überhaupt nichts im Edikt98. Es ist außerdem ganz unwahrscheinlich, dass dem Schreiber neque bei neque solvere aufgrund des Folgenden (neque fecisse) „im Kopf lag“99. Wird eine Wendung an das Folgende angeglichen, muss es sich um eine vollauf bewusste Ergänzung oder Korrektur handeln. Dass das überlieferte solvere in welcher Form auch immer ursprünglich zu constituit/constituisse gehörte, ist damit nicht wahrscheinlicher als die überlieferte Abhängigkeit von appareat. Es spricht nichts dafür, dass constituere in der Klageformel (anders als oben für das Verheißungsedikt entwickelt) mit einem Infinitiv solvere/solvi/se soluturum konstruiert war100.

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94 Die Konstruktion constituere se soluturum/daturum etc. begegnet in D. 13,5,2 (Iul. 11 dig.); 13,5,3,2 (Ulp. 27 ed.); 13,5,4 (Paul. 29 ed.); 13,5,5 pr.1.4.5.6 (Ulp. 27 ed.); 13,5,8 (Paul. 29 ed.); 13,5,11 pr. (Ulp. 27 ed.); 13,5,13 (Paul. 29 ed.); 13,5,14 pr.1.2 (Ulp. 27 ed.); 13,5,19,2 (Paul. 29 ed.); 13,5,21 pr.2 (Paul. 29 ed.); 13,5,23 (Iul. 11 dig.); 13,5,28 (Gai. 5 ed. prov.). 95 Edictum perpetuum 251; zuletzt P. Costa, Pecunia constituta 138. 96 In Cic. Att. 16,15,5 heißt es etwa: scis nos pridem iam constituisse Montani nomine HS X'X'V' dissolvere. Gerade der bloße Infinitiv dissolvere dürfte aber darauf hinweisen, dass constituisse hier „beschlossen haben“ heißt; s. nur Burkard/Schauer, Syntax und Semantik 669. 97 Absolut gebraucht Ulpian constituere in D. 13,5,1,3; 13,5,1,4; 13,5,1,8; 13,5,5,8; 13,5,14,2 (eum qui constituit); 13,5,16 pr.; 13,5,18,1; interpoliert für recipere in D. 13,5,27 (unten Anm. 474). 98 S. oben bei Anm. 38. 99 So aber Lenel, Edictum perpetuum 250; zustimmend Tondo, In tema di „constitutum debiti“ 209. 100 Anders zuletzt P. Costa, Pecunia constituta 138; s. oben Anm. 38.

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Das Wort solvere wird nach unserer Überlieferung von den Juristen nicht kommentiert101. Wir finden weder eine Erklärung für das Nebeneinander von „leisten/ zahlen“ und „tun“ noch für die unterschiedlichen Zeitstufen solvere und fecisse. Die Frage nach dem zeitlichen Bezugspunkt, die Ulpian für neque fecisse und neque stetisse im Folgenden erörtert (fr. 16,4 / 18 pr.), hätte für neque solvere nicht weniger Relevanz. Auch innerhalb der verba praetoris findet solvere im Gegensatz zu fecisse keine Bestätigung. Denn das negative Tatbestandsmerkmal der dem Erklärungsempfänger/Kläger zuzurechnenden Nichterfüllung (Erfüllungsvereitelung) lässt solvere vermissen: neque per actorem stetit/-isse quo minus fieret quod constitutum est. Es heißt dort nicht: ... quo minus solveretur aut fieret quod constitutum est o. Ä. Wenn fieret quod constitutum est dort solvere und facere gleichermaßen umfasst, wozu wird dann zuvor solvere neben fecisse genannt? Ulpians Zitat neque fecisse reum quod constituit in D. 13,5,16,4 kann kaum einen Zweifel daran lassen, dass er darin ganz allgemein die Bezugnahme auf die Erfüllung des constitutum erkennt. Sollte aber solvere angesichts dessen die Erfüllung der Hauptschuld meinen: Warum befreit den Schuldner die Erfüllungsvereitelung durch den Gläubiger nicht auch in diesem Fall von der Haftung aus constitutum? Neque solvere wird damit zur crux. Dabei sind die Worte neque solvere für das Verständnis der Funktionsweise der actio de pecunia constituta von erheblicher Bedeutung102. Sie stehen in einem deutlichen Spannungsverhältnis zu der Vorstellung, der Gläubiger könne mit dieser Klage sein Interesse an vereinbarungsgemäßer Leistung durchsetzen. Hätte der Schuldner nämlich noch vor dem Prätor oder dem iudex Gelegenheit, sich durch solvere, also durch Leistung auf die Hauptschuld ohne Berücksichtigung eines zusätzlichen Interesses, vollumfänglich zu befreien103, wäre jeder besondere Interessenschutz konterkariert. Zwar heißt es in D. 13,5,18,3 (Ulp. 27 ed.): solutio ad utramque obligationem proficit − „die Leistung/Zahlung erstreckt sich auf beide Verbindlichkeiten“; gemeint ist tatsächlich: Die Leistung wirkt sowohl hinsichtlich der Haftung aus constitutum als auch hinsichtlich der zugrundeliegenden und zunächst fortbestehenden Hauptschuld befreiend. ___________________________

101 Unzutreffend daher Bruns, Constitutum 61 (= 250): die „Frage, ob das „solvisse“ ... auf den dies constituti zu beschränken sei“ taucht in Wahrheit nicht auf. 102 Ricart Martí, „Constitutum debiti“ 696; in dies., „Constitutum debiti“ y „solutionis causa adiectus“ 249 hält sie für einen Bestandteil der Formel und als Bezugnahme auf die Erfüllung der Hauptschuld. Für ihre Interpretation etwa von D. 13,5,30 (Paul. 2 sent.): ... actione pecuniae constitutae manet obligatus, etiamsi Titio solverit ist dies entscheidend, s. u. bei Anm. 318. 103 So Kappeyne van de Copello, Über constituta pecunia 240; Karlowa, Rechtsgeschichte II 1375 f.

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Vetus fuit dubitatio, an qui hac actione egit sortis obligationem consumat. et tutius est dicere solutione potius ex hac actione facta liberationem contingere, non litis contestatione, quoniam solutio ad utramque obligationem proficit.

„Seit jeher besteht Zweifel darüber, ob derjenige, der mit dieser Klage vorgeht, die Verbindlichkeit aus der Hauptschuld verbraucht. Und es ist sicherer zu sagen, dass eher durch die Leistung, wenn sie aufgrund dieser Klage erfolgt ist, die Befreiung gelingt, nicht durch die Streitbefestigung, weil die Leistung sich auf beide Verbindlichkeiten erstreckt.“

Die Stelle ist kein belastbarer Zeuge für eine Befreiung von der Haftung aus constitutum durch Leistung auf die Hauptschuld 104 . Soweit sie überhaupt richtig überliefert ist105, kann sie sich auf die solutio ex hac actione facta beschränken, die Leistung, die dem Inhalt der condemnatio der actio de pecunia constituta entspricht. Von der Leistung in Gemäßheit der Hauptschuld ist explizit keine Rede. Neque solvere in fr. 16,2 auf die Erfüllung der Hauptschuld festzulegen, findet keine sichere Stütze in anderen Quellen. An solv- schließt sich dort jedenfalls eine eindeutige und umfassende Bezugnahme auf die fehlende Erfüllung des constitutum durch den Schuldner an: neque fecisse (so auch D. 13,5,17) bzw. neque fecisse reum quod constituit (D. 13,5,16,4). Die Ergänzung um reum in fr. 16,4 könnte wieder auf die Darstellung Ulpians zurückgehen, unter Umständen auch quod constituit. Denn die abschließende Bezugnahme auf quod constitutum est nach dem nun folgenden neque per actorem stetit(/-isse?) quo minus fieret kann sich sowohl auf neque fecisse als auch auf neque stet- quo minus fieret beziehen.

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104 Zu D. 13,5,8 unten S. 85 ff. 105 Zu den verschiedenen Begründungen einer Interpolation s. Astuti, Costituto di debito II 90 Anm. 2; Mayer-Maly, Rez. Roussier 618 Anm. 17; Levy, Nachträge zur Konkurrenz 63 mit Anm. 258. Der Text zeigt tatsächlich Fragwürdigkeiten: Der Komparativ potius verlangt bei Nennung zweier Alternativen nach einem Vergleich über quam, nicht nach der Verneinung einer Alternative (non litis contestatione). Wenn non litis contestatione ein gut gemeinter erklärender Zusatz von fremder Hand ist, wird das Wort solutio im folgenden quoniam-Satz überflüssig. Es mag nachträglich eingesetzt worden sein, um klarzustellen, was sich „auf beide Verbindlichkeiten erstreckt“, nämlich nicht die − nunmehr im Text stehende, zuletzt genannte − litis contestatio, sondern die zuvor erwähnte solutio. Ulpian aber hätte geschrieben: et tutius est dicere solutione potius ex hac actione facta liberationem contingere, quoniam ad utramque obligationem proficit – „Und es ist sicherer zu sagen, dass eher durch die Leistung, wenn sie aufgrund dieser Klage erfolgt ist, die Befreiung gelingt, weil sie sich auf beide Verbindlichkeiten erstreckt“, ohne dass die Aussage ernsthafte Missverständnisse zuließe oder sprachlich anstößig wäre. Ad utramque obligationem proficit hat dann lediglich die solutio ex hac actione facta zum Subjekt, nicht die verwirrend allgemeine solutio.

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Nach dem Gesagten spricht formal (keine Kommentierung) und inhaltlich (Verhältnis zu neque fecisse; fehlende Wiederaufnahme von solvere in der Klausel neque per actorem stetisse) Einiges dagegen, dass neque solvere neben neque fecisse neque per actorem stetisse ... in der Klageformel steht. 3. Versuch der Rekonstruktion Die volle Verwendbarkeit der Bruchstücke für eine Edikts- oder Formelrekonstruktion erscheint äußerst zweifelhaft. Schon die häufig unschlüssigen und ständig wechselnden Verbalformen: appareat − solvere − fecisse − stetit, später fecisset (fr. 17), schließlich fuisse (fr. 18,1) mahnen zur Vorsicht. Am unproblematischsten erscheint die Emendation von fecisset in fr. 17 zu fecisse{t}: Die wichtigsten Vulgathandschriften des Digestum vetus lesen fecisse106; daraus wäre fecisset durch Angleichung an das folgende fecerit entstanden. Denkbar ist aber auch die Verschmelzung von fecisse mit einem ursprünglich nachfolgenden et: ut illa verba 'neque fecisse' ‹e›t hoc significent, ut neque in diem in quem constituit fecerit neque postea.

„So dass jene Worte 'weder getan hat' ‹auch› dies bedeuten, dass er es weder bis zu dem Tag, auf den er es festgesetzt hat, getan hat, noch danach.“

Es geht dann nach der Interpretation des Paulus nicht nur darum, dass das zugesagte facere am Verfallstag des constitutum unterblieben ist (also um ein non fecisse im engsten Sinne, nämlich im entscheidenden Zeitpunkt), sondern auch (et) um das Ausbleiben des facere bis zu diesem Tag (neque in diem) und danach (neque postea). Die traditionellen Eingriffe in den Text von fr. 16,2 sind erheblicher. Ait praetor: Si appareat ... und neque stetit lassen sich dort nicht halten. Das Textproblem beginnt aber schon vor ait praetor: Bereits das letzte Wort des vorangehenden Satzes ist sicher verändert: D. 13,5,16,1 Sed et certo loco et {tempore} ‹ubique?›107 constituere quis potest, nec solum eo loci posse eum petere, ubi ei constitutum est, sed exemplo arbitrariae actionis ubique potest. [2] Ait praetor: Si appareat ...

„Aber man kann (Leistung) sowohl an einem bestimmten Ort als auch {(zu einer bestimmten?) Zeit} ‹überall?› festsetzen, und er (!) könne (!) nicht nur dort klagen, wo ihm (die Leistung) festgesetzt wurde, sondern nach dem Beispiel der actio arbitraria kann (!) er überall. [2] Der Prätor sagt: 'Wenn erkennbar werde (!) ...“

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106 S. Mommsen, Digesta Iustiniani Augusti I (Ed. maior) in app. 107 Zum überlieferten tempore s. unten S. 155.

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Der sicher richtig überlieferte AcI posse eum petere verlangt im parallelen Satz sed exemplo arbitrariae actionis ubique ... ebenfalls nach einem Infinitiv; die finite Form potest kann nicht von Ulpian stammen. Die Textstörung kann zur Verschiebung von Zäsuren geführt haben. Denn si appareat ... (das mit dem jetzigen potest nicht zusammengeht) kann dereinst als (zutreffend konjunktivischer) Nebensatz innerhalb des AcI erkennbar gewesen sein. Die jetzige Verbindung von neque solvere mit neque fecisse neque per actorem steti‹sse› könnte umgekehrt eine ursprüngliche Zäsur nach solvere verdecken. Der Gedanke vor dieser Zäsur hätte gelautet: „Die Klage ist nicht nur am zugesagten Leistungsort möglich, sondern überall ..., wenn/sobald erkennbar ist, dass derjenige, der die Leistung zugesagt hat, nicht zahlt (n‹on› solvere).“ Dahinter könnte die Überlegung stehen: An einem anderen als dem zugesagten Leistungsort ist nicht ohne Weiteres erkennbar, ob bereits geleistet wurde. Die Nachricht von der in Ephesus erfolgten oder nicht erfolgten Leistung erreicht erst nach Wochen Rom usw. Solange der Gläubiger aufgrund der räumlichen Distanz nicht wissen kann, dass nicht geleistet wurde, wird man das Rechtsschutzbedürfnis verneinen müssen. Endete der derart zum Ausdruck gebrachte Gedanke ursprünglich mit non solvere, so ginge die jetzige Textform neque solvere auf eine Angleichung an die folgenden neque ... neque ... zurück; weder si appareat noch solvere wären dann Formelworte. Der AcI, an dessen Ende die Worte stehen, wäre am ehesten einem Juristenzitat zuzuordnen; das überlieferte ait kann sich dabei ursprünglich auf den Juristen bezogen haben, bevor es angesichts der folgenden verba praetoris zu ait ‹praetor› erweitert wurde. Der Text könnte also gelautet haben: ... nec solum eo loci posse eum petere, ubi ei constitutum est, sed exemplo arbitrariae actionis ubique po‹sse› ait {praetor}, si appareat eum qui constituit n‹on› solvere. ‹...?› 'neque fecisse neque per actorem steti‹sse›, quo minus fieret, quod constitutum est.' Ergo ...

Im Vergleich zur Textgestaltung Lenels (rechts): ... nec solum eo loci posse eum petere, ubi ei constitutum est, sed exemplo arbitrariae actionis ubique po‹sse› ait {praetor},

§1 §2

si appareat eum qui constituit n‹on› solvere. ‹...?› 'neque fecisse neque per actorem steti‹sse›, quo minus fieret, quod constitutum est.' Ergo ...

... nec solum eo loci posse eum petere, ubi ei constitutum est, sed exemplo arbitrariae actionis ubique potest. {Ait praetor} ‹Notandum est formulae verbis iudicem tunc condemnare iuberi› vel sim., si appareat eum qui constituit {neque} solvere neque fecisse neque per actorem steti‹sse›, quo minus fieret, quod constitutum est. Ergo ...

§1 §2

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Unsere Eingriffe in den Text sind nicht schwerer als die Lenels. Sie vermeiden das problematische constituit {neque} solvere und berücksichtigen AcI und Textverderbnis in fr. 16,1. Neque solvere gehört auch nach unserer Rekonstruktion nicht zur Klageformel. Sie lautet nach dem bisher Gesagten: Si paret Numerium Negidium Aulo Agerio pecuniam (bzw. HS tot) constituisse neque fecisse (Numerium Negidium quod constituit?) neque per Aulum Agerium stetisse quo minus fieret (quod constitutum est?) eamque pecuniam cum constituebatur debitam fuisse, ...

„Wenn es sich erweist, dass der Beklagte zugunsten des Klägers Geld (bzw. x Sesterze) festgesetzt hat und weder (der Beklagte) getan hat (was er festgesetzt hat?) noch es am Beklagten gelegen hat, dass nicht geschah (was festgesetzt worden ist?) und dieses Geld, als (es?) festgesetzt wurde, geschuldet war, ...“

Ob die intentio eine bestimmte Summe enthält, lässt sich an dieser Stelle noch nicht sagen. D. 13,5,14 pr. (Ulp. 27 ed.) spricht tendenziell dafür: Qui autem constituit se soluturum, tenetur, sive adiecit certam quantitatem sive non.

„Wer aber festsetzt, dass er leisten werde, haftet, ob er dabei nun eine bestimmte Summe nennt oder nicht.“

Denn die Frage, ob bereits die Erklärung des constitutum einen bestimmten Betrag enthalten muss, stellt sich dann besonders deutlich, wenn ein solcher in der Musterformel vorgesehen ist. Spräche diese nur von pecuniam, so wäre Ulpians Aussage lediglich eine Klarstellung. Spricht sie aber von HS tot constituere − „soundsoviele Sesterze festsetzen“, ließe sich in der Tat bezweifeln, ob derjenige, der etwa zusagt „zu leisten, was er de peculio schuldet“108 oder „was Seius schuldet“109 diesen Tatbestand erfüllt. Ein deutliches Argument für die Bezifferung der intentio findet sich aber erst im Zusammenhang der sponsio dimidiae partis110. Die Formel ist in factum − „auf das Geschehene hin“ abgefasst: constituisse − neque fecisse − neque stetisse − debitam fuisse. Soweit sie also halbwegs verlässlich rekonstruierbar ist, hat die Klage bis zu diesem Punkt mit der actio certae creditae pecuniae, die allein auf das zivile Schulden (dari oportere) einer bestimmten Geldsumme im Moment der Verurteilung abstellt, kaum etwas gemein. Heißt es in der Literatur mitunter, die actio de pecunia constituta sei der actio

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108 Was nach D. 13,5,1,8 (Ulp. 27 ed.) möglich sein muss. 109 Wie im anerkanntermaßen gültigen constitutum in D. 13,5,5,3 (Ulp. 27 ed.). 110 S. unten S. 56.

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certae creditae pecuniae nachgebildet111, so kann sich dies jedenfalls nicht auf die Verurteilungsvoraussetzungen der Formel beziehen.

II. Inhalt der Verurteilung (condemnatio) Nicht überliefert ist die condemnatio der Klageformel: Wozu ist der Beklagte der actio de pecunia constituta zu verurteilen? Der Möglichkeit, dass die Klage auf die zugesagte Leistung, im Fall einer zugesagten Geldsumme also auf ebendiese bestimmte Summe geht, steht gegenüber, dass der Gläubiger mit der Klage sein Interesse an der Einhaltung der Zusage verfolgt, die Klage also darauf geht, „wieviel die Angelegenheit wert ist“ bzw. im Verurteilungszeitpunkt „wert sein wird“ − quanti ea res est/erit112. Argumente aus dem Digestentext, die bisher für eine condemnatio certa entwickelt wurden, verfangen nicht113. ___________________________

111 Karlowa, Rechtsgeschichte II 1372; Kaser, Privatrecht I 584 (mit Hinweis auf die sponsio dimidiae partis in Anm. 11); Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht 236 f. (ohne diesen Hinweis); Knütel, Stipulatio poenae 192 Anm. 28; Ricart Martí, „Constitutum debiti“ 695 stellt lediglich eine Ähnlichkeit fest, was die Einseitigkeit der Verpflichtung betrifft. Zur Verwandtschaft der Klagen s. unten Anm. 134. 112 Bruns, Constitutum debiti 60 ff.; ihm folgend Lenel, Edictum perpetuum 251; Levy, Privatstrafe 17; Astuti, Costituto di debito II 10; Koschaker, Rez. Astuti 472 f.; Schulz, Classical Roman Law 562; Roussier, Constitut 26 ff.; Mayer-Maly, Rez. Roussier 617; wohl auch Frezza, Garanzie I 238; Magdelain, Consensualisme 139; jetzt auch Kaser, Privatrecht I 584 Anm. 12; Talamanca, Istituzioni 608; Zimmermann, Law of Obligations 511; Mantovani, Formule 68 (Nr. 67); Varvaro, Storia dell'editto De pecunia constituta 335 mit Literatur in Anm. 22. D a g e g e n Bonnecarrère, Action pecuniae constitutae 9 ff.; Beseler, Edictum de eo quod certo loco 104; wohl auch Girard/Mayr, Geschichte und System 656; Kaser, Quanti ea res est 195; Philippin, Pacte de constitut 106; Wesener, Actiones ad exemplum 231; Biondi, Istituzioni 520 Anm. 181. 113 Bonnecarrère, Action pecuniae constitutae 9 f. meint ein Argument aus D. 13,5,24 (Marc. sing. resp.) beziehen zu können: Zugesagt wird dort die Leistung des bestimmten Kapitals einer fremden Schuld zu einem bestimmten Termin und Strafzinsen für den Fall der Nichtleistung; die Haftung aus constitutum geht nur de sorte, umfasst also nicht die zugesagten Zinsen. Dass es bei der Haftung de sorte zu keiner Interessenberechnung kommt (so offenbar auch La Rosa, Formalismo del pretore 208), sagt die Stelle nicht. Beseler, Edictum de eo quod certo loco 104 ff.; Philippin, Pacte de constitut 102; Kaser, Quanti ea res est 195; Wesener, Actiones ad exemplum 231 berufen sich bei der Annahme einer condemnatio certa darauf, dass nach D. 13,5,16,1 (Ulp. 27 ed.) bei einem constitutum certo loco 'exemplo arbitrariae actionis' auch an jedem anderen Ort geklagt werden könne. Eine Übernahme von Elementen der actio arbitraria (D. 13,4), die eine Berücksichtigung des Ortsinteresses zulässt, habe nur bei condemnatio certa einen Sinn, eine Klage auf quanti ea res est könne das Ortsinteresse ohnehin in sich aufnehmen. Die Bedeutung der actio arbitraria liegt zunächst in der Berücksichtigung des vereinbarten Leistungsorts zugunsten des Beklagten. Die Stelle besagt nichts darüber, ob die Formel der actio de pecu-

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Andere, die für quanti ea res est sprechen, sind unsicher114. 1. Haftung auf ein certum/incertum aus constitutum nach den Digesten Dem Digestentext lassen sich keine ausdrücklichen, wohl aber indirekte Hinweise auf den Inhalt der condemnatio entnehmen. Wer „Hundert schuldet und Zweihundert festsetzt, haftet nur auf Hundert“ (in centum tenetur), heißt es in D. 13,5,11,1 (Ulp. 27 ed.); in anderen Fällen wird „auf das Kapital gehaftet“ (in sortem teneri, D. 13,5,11,1; 13,5,24) oder darauf, „dass der Wert (des Sklaven) gezahlt wird“ (de constituta pecunia tenebitur, ut pretium eius solvat, D. 13,5,23). Auf eine Verurteilung ausschließlich in die (wirksam) festgesetzte Summe lässt dieser Befund nicht zwingend schließen, zumal in D. 13,5,12 (Paul. 13 ed.) − offenbar synonym zu in decem teneri − von decem nomine teneri die Rede ist. Eine mögliche Verurteilung in „zehn“ zuzüglich eines weitergehenden Gläubigerinteresses, das an der Leistung von „zehn“ anknüpft, ist mit dieser Terminologie vereinbar; freilich findet sie darin auch keine besonderen Anhaltspunkte, zumal die Stelle sich ursprünglich wohl gar nicht auf die actio de pecunia constituta bezog115. Wird der „Wert des Sklaven“ in fr. 23 erst vom Richter ___________________________

nia constituta zu diesem Zweck modifiziert oder die condemnatio incerta lediglich unter Anwendung des Gedankens der actio arbitraria gehandhabt werden muss. 114 Roussier, Constitut 28 ff. etwa versucht anhand von D. 13,5,5 pr. und § 1 zu beweisen, dass die actio de pecunia constituta keiner Modifizierung im Sinne der actio de eo quod certo loco bedürfe (und deshalb auf quanti ea res est laute). Er übersieht, dass es dort nicht um eine Klage an einem anderen als dem im constitutum genannten Leistungsort geht. Vielmehr problematisiert Ulpian innerhalb der Kommentierung von 'debitam', ob eine Schuld, die in Ephesus zu erbringen ist, pecunia debita eines constitutum mit neuem Leistungsort sein kann. Dies wird grundsätzlich bejaht. Bei Gesandten, denen das ius domum revocandi zukommt, hat der Ort jedoch zusätzliche Bedeutung. Julian/Ulpian lehnen die Haftung des Gesandten entgegen dem überlieferten Text auch dann ab, wenn während der Gesandtschaft (Romae) ein constitutum über ein in der Provinz empfangenes Darlehen abgegeben wird. Das überlieferte conveniri debere ist fragwürdig (wenn auch nicht ohne Parallelen, z. B. D. 13,5,18,1 [Ulp. 27 ed.]: Celsus et Iulianus scribunt teneri debere), die Überleitung zum zweiten (sicher negativ beschiedenen: denegatur actio) Fall mit sed et si zwingt zum Gleichlauf der Lösungen. Der Widerspruch des überlieferten Texts zu D. 5,1,8 (Gai. 2 ed. prov.) ist entgegen Roussier keine Meinungsverschiedenheit zwischen Gaius und Ulpian. Vielmehr zitiert Ulpian Julian, Gaius einen nicht mehr erkennbaren Juristen (Rest einer indirekten Rede: cogi). 115 Sondern auf das receptum argentariorum und die actio recepticia: Lenel, Beiträge zur Kunde des Edicts 65; Ricart Martí, „Constitutum debiti“ 701 mit weiterer Literatur in Anm. 34; Rodríguez González, El receptum argentarii 36-38. Dafür sprechen der palingenetische Zusammenhang sowie die Tatsache, dass das klassische Recht ein wirksames constitutum über unvertretbare Sachen (hier: einen Sklaven) im Gegensatz zu einem entsprechenden receptum nicht kennt (C. 4,18,2), s. Rüfner, Vertretbare Sachen 44. Die vorsichtige Verneinung (dici potest) der Erstreckung der Zusage auf die Leistung des nicht geschuldeten Sklaven lässt auf Probleme im

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bestimmt, so setzt dies eine condemnatio 'quanti ea res est/erit' voraus; doch bedeutet dies noch nicht, dass dabei weitere Gläubigerinteressen Berücksichtigung finden dürften. Auf die condemnatio der Klage über einen bestimmten konstituierten Geldbetrag lässt die Stelle keinen Rückschluss zu. Teneri in id quod interest − „auf das Interesse haften“ heißt es ausdrücklich im besonderen Fall des constitutum über die Stellung einer bestimmten dritten Person als Bürgen (D. 13,5,14,2 [Ulp. 27 ed.]), die mora interveniente, also ohne sich rechtzeitig verbürgt zu haben, stirbt. Das Interesse an rechtzeitiger Erfüllung des constitutum ist hier identisch mit dem Sicherungsinteresse des Gläubigers: Sed et si quis certam personam fideiussuram pro se constituerit, nihilo minus tenetur, ut Pomponius scribit. quid tamen si ea persona nolit fideiubere? puto teneri eum qui constituit, nisi aliud actum est. quid si ante decessit? si mora interveniente, aequum est teneri eum qui constituit vel in id quod interest vel ut aliam personam non minus idoneam fideiubentem praestet: si nulla mora interveniente, magis puto non teneri.

„Aber auch wenn jemand festgesetzt hat, dass sich eine bestimmte Person für ihn verbürgen werde, haftet er nichtsdestoweniger, wie Pomponius schreibt. Was aber, wenn diese Person sich nicht verbürgen will? Ich bin der Auffassung, dass dann derjenige, der festgesetzt hat, haftet, wenn nichts anderes vereinbart ist. Was, wenn die Person vorher stirbt? Wenn es bereits zum Verzug gekommen ist, so ist es gerecht, dass derjenige, der festgesetzt hat, entweder auf das Interesse haftet oder darauf, dass er eine andere ebenso geeignete Person als Bürgen stellt. Wenn kein Verzug eingetreten ist, bin ich eher der Auffassung, dass er nicht haftet.“

Die Stelle sagt nicht, wozu der Schuldner zu verurteilen ist: Denn die Klage kann immer nur auf Geld gehen, keinesfalls darauf, dass der Schuldner eine „andere, ebenso geeignete Person als Bürgen stellt“; das aber ist die Alternative des teneri in id quod interest. Teneri muss vielmehr dasjenige meinen, was der Schuldner tun kann, um die Klage aus constitutum abzuwenden. Ginge die condemnatio dieser Klage aber auf die certa pecunia debita, die mit der Zusage der Bürgenstellung „konstituierte“ Hauptschuld, so wäre unverständlich, warum der Haftende diese Klage in Geld nur mit der Leistung des unter Umständen höheren Interesses abwenden kann. Bei der actio certae creditae pecuniae kann der Beklagte den Prozess verhindern, indem er vor dem Prätor die Schuld anerkennt und zahlt. Das Anerkenntnis entspricht einer (Selbst-)Verurteilung, die befreiende Zahlung der Urteilssumme. Erkennt der Schuldner des constitutum seine Haftung an, muss er sich mit Zahlung einer Summe befreien können, die der condemnatio der Klage entspricht. Wäre dies die pecunia debita, so könnte man ihm keinen weitergehenden Schadensersatz abverlangen. ___________________________

Umgang mit der Abstraktheit des receptum schließen. Für das constitutum ist die Beschränkung auf das zum Zeitpunkt der Zusage Geschuldete aufgrund der Klageformel unanfechtbar. Zum receptum s. unten S. 161 f.

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D. 13,5,14,2 spricht demnach deutlich für eine Haftung auf das Interesse und damit für eine condemnatio incerta. Dafür, dass die actio de pecunia constituta eine andere condemnatio aufweisen kann als die Klage aus der Hauptschuld (und dies tut sie dann, wenn die Hauptschuld mit der actio certae creditae pecuniae samt condemnatio certa verfolgt wird, die actio de pecunia constituta aber auf das Interesse geht), spricht des Weiteren die Bezeichnung der Hauptschuld als sors, wenn sie in D. 12,2,36 (Ulp. 27 ed.) der Haftung aus dem constitutum gegenübergestellt wird: Der Beklagte kann den negatorischen Eid leisten de sola constituta pecunia; dieser hat keine Auswirkung auf die Klage de sorte, id est de priore obligatione116. Bei einer condemnatio certa ginge auch die actio de pecunia constituta auf nichts anderes als das Kapital der Hauptschuld, die sors. Zur Unterscheidung der Klageziele wäre dieser Begriff daher höchst unglücklich gewählt. 2. Berücksichtigung eines besonderen Gläubigerinteresses bei stipulatio und stipulationslosem Darlehen Eine andere Überlegung bestätigt den Interessenschutz durch die condemnatio der actio de pecunia constituta. Sie deutet gleichzeitig auf den ursprünglichen Zusammenhang von constitutum und Darlehen hin117. Es geht um den Schutz des Zeitinteresses, also um den Ersatz von Verzögerungsschäden, bei Stipulationen durch die zivile actio ex stipulatu, der bei den formlos terminierten Darlehen durch eine prätorische Klage vermittelt werden muss: die actio de pecunia constituta. a) Stipulatio mit Leistungszeit und Klage auf das Interesse. Das Phänomen muss im Bereich der stipulatio freilich erst entwickelt werden. Für den Fall, dass certa pecunia stipuliert ist, berichten die Quellen von der condictio / actio certae creditae pecuniae118: Ihre condemnatio geht auf tanta pecunia, also exakt auf die im Klagebegehren (intentio) genannte stipulierte Geldsumme. Einer aestimatio ist der Streitgegenstand aufgrund dieser Klausel nicht zugänglich. Daran ändert sich nach herrschender Meinung auch nichts, wenn ein Leistungstermin in das Stipulationsversprechen aufgenommen wird, die Stipulation also etwa lautet 'Kalendis ___________________________

116 S. schon Bruns, Constitutum debiti 63. 117 Diesen Zusammenhang belegt außerdem die Beschränkung des constitutum auf pecunia unter Einbeziehung der res quae pondere numero mensura sunt, die erst von Justinian aufgegeben wurde (C. 4,18,2,1 [531 n. Chr.]): Rüfner, Vertretbare Sachen 45 f.; ähnlich schon Karlowa, Fungible Sachen 450: Die actio de pecunia constituta gewährt de facto Verzugszinsen, die nur bei fungiblen Sachen überhaupt denkbar sind; Kaser, Privatrecht I 584. 118 Mantovani, Formule 48 (Nr. 19); Quellen bei Kaser, Privatrecht I 542 Anm. 45.

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Maiis HS centum dari spondesne?'. Um Verzugsschäden zu kompensieren, stehe lediglich die Stipulation einer Vertragsstrafe zur Verfügung119. Während bei der actio certae creditae pecuniae eine litis aestimatio unterbleibt, habe die vereinbarte Fälligkeit für die Forderung der bestimmten Geldmenge ausschließlich zur Folge, dass der Schuldner nicht vor dem Termin leisten muss, der Gläubiger erst nach dem Termin klagen kann. Vor Eintritt der Leistungszeit ist die Klage des Gläubigers Zuvielforderung und führt zu Klageabweisung und -verlust (pluris petitio tempore: Gai. 4,53b). Für die Annahme, dass ein Leistungstermin in der Stipulation also insofern nur im Interesse des Schuldners liegt, wird mitunter auf folgende Stelle Bezug genommen120: D. 45,1,41,1 (Ulp. 50 Sab.) Quotiens autem in obligationibus (stipulationibus?) dies non ponitur, praesenti die pecunia debetur, nisi si locus adiectus spatium temporis inducat, quo illo possit perveniri. verum dies adiectus efficit, ne praesenti die pecunia debeatur: ex quo apparet diei adiectionem pro reo esse, non pro stipulatore.

„Wenn aber bei Verbindlichkeiten kein Termin bestimmt wird, so wird das Geld am selben Tag geschuldet, es sei denn, aus dem hinzugefügten Leistungsort ergibt sich eine Zeitspanne, die man braucht, um ihn zu erreichen. Ein hinzugefügter Tag aber bewirkt, dass das Geld nicht am selben Tag geschuldet wird. Daraus wird deutlich, dass die Hinzufügung des Termins zugunsten des Schuldners gehe, nicht zugunsten des Stipulationsgläubigers.“

Die Stelle spricht von Geldschulden (pecunia debetur) aus Stipulation (a. E.: pro stipulatore), auch wenn zu Beginn scheinbar allgemein von obligationes ‒ „Verbindlichkeiten“ die Rede ist. Offenbar geht es Ulpian (und Sabinus) um Stipulationen auf certam pecuniam dari. Wenn es abschließend heißt: diei adiectionem pro reo esse, non pro stipulatore, betrifft dies freilich nur eine sehr enge Frage, nämlich die im vorangehenden principium behandelte und im folgenden § 2 weitergeführte Frage, wie bestimmte Terminierungen der Fälligkeit im Zweifel auszulegen seien121. Verspricht der Schuldner an den Kalenden Leistung „an den Kalenden“, so ist nach Ulpian im Zweifel von den nächsten Kalenden auszugehen und nicht vom Tag der Stipulation selbst. Die erste Auslegung geht zugunsten ___________________________

119 Rüfner, Vertretbare Sachen 45 mit Literatur; zuletzt P. Costa, Pecunia constituta 169 mit Literatur. 120 Harke, Mora debitoris 71 Anm. 79 mit Literatur. 121 Eum, qui 'Kalendis Ianuariis' stipulatur, si adiciat 'primis' vel 'proximis', nullam habere dubitationem palam est: sed et si dicat 'secundis' vel 'tertiis' vel quibus aliis, aeque dirimit quaestionem. si autem non addat quibus Ianuariis, facti quaestionem inducere, quid forte senserit, hoc est quid inter eos acti sit (utique enim hoc sequimur quod actum est), easque adsumemus. Si autem non appareat, dicendum est quod Sabinus, primas kalendas Ianuarias spectandas. plane si ipsa die kalendarum quis stipulationem interponat, quid sequemur? et puto actum videri de sequentibus kalendis. Nichts anderes als ebendiese Auslegungsfrage muss D. 50,17,17 (Ulp. 23 Sab.) betreffen.

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des Schuldners, die zweite zugunsten des Gläubigers. Nach § 2 gilt die schuldnerfreundliche Auslegung auch für die Iden, die Nonen und alle übrigen Tage: Im Zweifel ist also immer der nächste Tag gleicher Bezeichnung zugrundezulegen. In § 1 aber wird die Begründung für diese Zweifelsregel entwickelt: Fügt man keinen Tag hinzu, so wird sofort (praesenti die) geschuldet. Ist dies gewollt, bedarf es also keiner expliziten Terminierung auf denselben Tag. Wählen die Parteien an den Kalenden die Kalenden ausdrücklich zum Leistungstermin, ist dies daher nur sinnvoll, wenn sie damit nicht denselben Tag meinen, sondern die nächsten Kalenden. Denn ansonsten hätten sie jede Terminierung unterlassen können. Diei adiectionem pro reo esse ist demnach eine Auslegungsregel, nach der das konkrete Leistungsdatum zu bestimmen ist. Die Worte besagen nichts über die Bedeutung des Leistungstermins als solchen, insbesondere nicht, dass der Schuldner nicht unter Umständen schadensersatzpflichtig ist, wenn er zu einem in der Stipulation bestimmten Termin nicht leistet. Wir haben zwar kein explizites Zeugnis dafür, dass sich bei terminierten Stipulationen auf ein dare einer bestimmten Geldmenge oder Sache ein Verzugsschaden berücksichtigen ließe122. Doch lässt sich etwa D. 45,1,118,2 (Pap. 27 quaest.) argumentativ verwerten: ___________________________

122 S. auch Roussier, Constitut 106; Rüfner, Vertretbare Sachen 45. D. 42,1,11 (Cels. 5 dig.) betrifft eine Stipulation 'kalendis fieri aliquid'; die litis aestimatio stellt darauf ab, was „dem Kläger an der termingerechten Leistung lag; das verwirklicht „eine Schätzung des Streitgegenstands ex eo tempore quo‹d› novissime solvi poterit – unter Abstellen auf den Zeitpunkt der letzten vorgesehenen Leistungsmöglichkeit“. Das kann die Berücksichtigung eines Verzugsschadens erfassen, sich aber auch auf den Zeitwert des Leistungsgegenstands beschränken. Dass auf den Sachwert von merx zum stipulierten Leistungszeitpunkt abzustellen ist, besagt D. 13,3,4 (Gai. 9 ed. prov.); ähnlich D. 12,1,22 (Iul. 4 ex Min.); beide Stellen bringt Harke, Mora debitoris 70 mit D. 42,1,11 (Cels. 5 dig.) in Verbindung. Bei einer Geldsumme ist das Abstellen auf einen bestimmten Zeitwert unwahrscheinlich, vgl. etwa D. 12,3,3 (Ulp. 30 ed.): cum certa sit nummorum aestimatio. Bruns, Constitutum debiti 63 will mit D. 45,1,114 (Ulp. 17 Sab.): stipulatio fundum certo die praestari belegen, dass bei allen terminierten Stipulationen Verzugsschäden Berücksichtigung finden könnten; s. schon Faber, Rationalia III,1 476 (zu D. 13,4,4 pr.); dagegen Astuti, Costituto di debito I 116 ff.; Roussier, Constitut 106 f. Die Stelle gehört wohl in den Zusammenhang des vermachten Nießbrauchs an Grundstücken; wenn fundum praestare ursprünglich die ermöglichte Ausübung eines Nießbrauchs meinte, so ginge es um den zeitraumabhängigen Wert der Leistung, die dem Gläubiger vorenthalten wurde, vgl. etwa D. 7,1,36,2 (Afr. 5 quaest.). Nach Harke, Mora debitoris 69 ist das Interesse am Nichteintritt der mora in D. 45,1,114 (Ulp. 17 Sab.) gleichbedeutend mit dem Wert des Grundstücks bei Verzugseintritt, also am certus dies; s. im Übrigen nur Kaser, Privatrecht I 499.

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'Decem mihi aut Titio, utrum ego velim, dare spondes?' ex eo, quod mihi dandum est, certi stipulatio est, ex eo, quod illi solvendum, incerti: finge mea interesse Titio potius quam mihi solvi, quoniam poenam promiseram, si Titio solutum non fuisset.

„'Gelobst du mir oder Titius, je nachdem, wen ich will, zehn(tausend Sesterze) zu geben?' Im Hinblick darauf, dass mir gegeben werden muss, geht die Stipulation auf einen bestimmten Betrag, im Hinblick darauf, dass jenem (Titius) geleistet werden muss, auf einen unbestimmten: Nimm etwa an, dass mir daran liegt, dass an Titius und nicht an mich gezahlt wird, weil ich eine Strafe versprochen hatte für den Fall, dass nicht an Titius gezahlt wurde.“

Die Stipulation enthält zwei Leistungsalternativen, zwischen denen der Gläubiger wählen kann. Die eine: Leistung von zehn an den Stipulationsgläubiger, macht sie zur stipulatio certi und führt demnach zur actio certae creditae pecuniae. Die andere: Leistung von zehn an Titius ist stipulatio incerti, kann nur zu einer (strengrechtlichen) Klage auf ein incertum führen, zur actio ex stipulatu. Mit ihr lässt sich das Interesse berücksichtigen, das der Gläubiger an der Leistung gerade an Titius hat. Es erfasst einen Haftungsschaden aus einer Vertragsstrafe zulasten des Gläubigers, die verfallen ist, wenn nicht an Titius geleistet wurde123. Die stipulatio Titio decem dare hat somit die Leistung einer bestimmten Geldsumme zum Gegenstand, führt aber zur Verurteilung in das Interesse. Die Frage nach der Qualifizierung der versprochenen Leistung als certum oder incertum stellt sich in der Praxis erst, wenn der Gläubiger sein Wahlrecht zugunsten einer Leistung an Titius betätigt, der Schuldner aber nicht geleistet hat und deshalb die Vertragsstrafe zulasten des Gläubigers verfallen ist. Eine sofortige Leistung des Schuldners nach Betätigung des Wahlrechts hätte dies verhindert. Der Haftungsschaden des Gläubigers ist insofern Zeitinteresse. Kann etwas anderes gelten, wenn sich der Gläubiger die Leistung zu einem bestimmten Tag hätte versprechen lassen und wegen der Nichtleistung des Schuldners und dadurch bedingter mangelnder Liquidität des Gläubigers eine Vertragsstrafe zulasten des Gläubigers bei einem Dritten verfallen ist? Kann der Fall „ich brauche das Geld (sofort) bei Titius“ anders gelöst werden als „ich brauche das Geld an den nächsten Kalenden“? Wir wollen es bezweifeln. Die stipulatio certae pecuniae mit Leistungstermin führt demnach nicht nur zur actio certae creditae pecuniae, sondern erlaubt dem Gläubiger auch, sein Interesse mit der actio (incerti) ex stipulatu einzuklagen. Im Bereich der Stipulation eines bestimmten Betrags steht dem Gläubiger damit Rechtsschutz für die Einhaltung der stipulierten Leistungszeit auch dann zu, wenn keine Vetragsstrafe stipuliert wurde.

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123 Zu den Verdächtigungen gegen den Schluss der Stelle s. den Index interpolationum ad h. l.; Coudert, Recherches sur les stipulations 213 Anm. 23; keinen Verdacht hegt Coudert selbst, ebd. 214 f.; Medicus, Id quod interest 219 (mit Literatur in Anm. 21); Honsell, Quod interest 173.

Ediktale Klageformel der actio de pecunia constituta

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b) Zeitinteresse beim stipulationslosen Darlehen. Umso deutlicher stellt sich die Frage nach diesem Schutz für das stipulationslose terminierte Darlehen. Bei der Stipulation ist der dies adiectus ein Element, das das Schuldversprechen zur stipulatio incerti macht, er ist bestimmender Bestandteil der obligatio verbis und gehört zum zivilen dare oportere, das den Tatbestand der actio ex stipulatu ausmacht. Eine entsprechende zivile Klage ist für das Darlehen nicht vorhanden. Die einzige zivile Klage aus Darlehen wird durch die Auszahlung des Darlehens (re) begründet; sie ist immer nur auf die dargeliehene Summe gerichtet. Wenn das constitutum debiti eine Schutzlücke vorfindet, so liegt sie gerade hier: Interessenschutz des Darlehensgläubigers, der in den peregrinen Rechtsordnungen durch formlose Versprechen von Strafen und Schadensersatz bei nicht termingerechter Rückzahlung gewährleistet wird124, ist nach römischem ius civile ohne Stipulation nicht zu erreichen. Diese Lücke schließt der Prätor mit einer Klage auf das Interesse aufgrund formlosen constitutum. 3. Ergebnis Was die condemnatio unserer Klageformel betrifft, lässt sich festhalten, dass diese auf das Interesse des Empfängers an der Einhaltung der Leistungszusage − fecisse quod constitutum est − gerichtet ist. Der Empfänger des constitutum erhält damit neben dem Wert der zugesagten Leistung Schäden und entgangenen Gewinn infolge der unterbliebenen Leistung ersetzt. Dies ist von besonderer Bedeutung beim stipulationslosen Darlehen, das keinen anderen Interessenschutz kennt. Mit der actio certae creditae pecuniae hat die actio de pecunia constituta daher weder was die intentio, noch was die condemnatio der Klage betrifft, irgendeine Gemeinsamkeit.

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124 S. unten S. 61 ff.

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Pecunia constituta im prätorischen Edikt

§ 3. Die sponsio dimidiae partis Sponsio dimidiae partis I. Das Zeugnis des Gaius Die Verwandtschaft unserer Klage mit der actio certae creditae pecuniae (nach der zitierten Literatur125 ist es eine Abhängigkeit und Derivation) könnte aber in der sponsio dimidiae partis zu sehen sein, die uns die Institutionen des Gaius bezeugen. Gaius erwähnt 'pecunia constituta' in 4,171. Die Stelle behandelt im Zusammenhang mit Maßnahmen gegen mutwilliges Prozessieren ein feierliches Schuldversprechen (sponsio), das auf einen bestimmten „Teil“ geht. Bei pecunia certa credita sei dies „ein Drittel“, bei pecunia constituta „die Hälfte“: Gai. 4,171 ex quibusdam causis sponsionem facere permittitur, velut de pecunia certa credita et pecunia constituta, sed certae quidem creditae pecuniae tertiae partis, constitutae vero pecuniae partis dimidiae.

„Aus bestimmten Gründen wird es gestattet, ein Schuldversprechen abzuschließen, zum Beispiel über eine bestimmte dargeliehene Geldsumme oder über festgesetztes Geld; bei der bestimmten dargeliehenen Geldsumme geht es aber auf ein Drittel, beim festgesetzten Geld auf die Hälfte.“

Was gemeint ist, wird erst deutlich, wenn Gai. 4,13 herangezogen wird. Dort bereits erscheinen im Zusammenhang mit der Klage wegen einer bestimmten dargeliehenen Geldsumme (actio certae creditae pecuniae) eine sponsio des Beklagten und eine restipulatio des Klägers, also ein wechselseitiges Schuldversprechen, mit dem beide „in Gefahr kommen“: Gai. 4,13 ... periculosa est actio certae creditae pecuniae propter sponsionem, qua periclitatur reus, si temere neget, et restipulationem, qua periclitatur actor, si non debitum petat ... sponsionis et restipulationis poena lucro cedit adversarii, qui vicerit.

„ ... die Klage auf eine bestimmte dargeliehene Geldsumme gefährlich ist wegen des Schuldversprechens, das den Beklagten in Gefahr bringt, wenn er blindlings bestreitet, und wegen des Gegenversprechens, das den Kläger in Gefahr bringt, wenn er etwas nicht Geschuldetes einklagt. ... Die Buße aus Versprechen und Gegenversprechen fällt dem siegreichen Gegner als Gewinn zu.“

Die Parteien der actio certae creditae pecuniae versprechen sich bei Prozessbegründung gegenseitig eine Strafe (sponsionis et restipulationis poena). Darum muss es sich auch bei der sponsio ... certae creditae pecuniae tertiae partis in Gai. 4,171 handeln. Dieses prozessuale Strafversprechen geht bei der actio certae creditae pecuniae auf „ein Drittel“. Das Versprechen der dimidia pars consti___________________________

125 S. oben Anm. 111.

Sponsio dimidiae partis

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tutae pecuniae − „die Hälfte des festgesetzten Geldes“ müsste dementsprechend zu einer actio constitutae pecuniae gehören126. Sponsio (und restipulatio) bringt Gaius in einen Zusammenhang mit der Vermeidung mutwilligen Prozessierens127. Gleichzeitig stellt er einen historischen Vergleich an: Die Sponsionen hätten einen ähnlichen Effekt wie der Wetteinsatz (sacramentum) im früheren Legisaktionenverfahren (4,13). Die Klage mit Wetteinsatz (legis actio sacramento) sei gefährlich (periculosa) gewesen für die Partei, die eine falsche Behauptung aufstellte128. „Ebenso“ (proinde) gerate jetzt derjenige in Gefahr, der „blindlings bestreitet“ (temere negare) bzw. etwas „nicht Geschuldetes einklagt“ (indebitum petere). Einzige wirkliche Parallele ist indessen die Wechselseitigkeit von Prozesswette und Sponsion. Im Übrigen unterscheiden sich die Institute grundlegend: Zum einen machte die alte Prozesswette den Prozess überhaupt erst möglich, denn sie stellte den Richter vor die durch Urteil zu beantwortende Frage, wessen Wetteinsatz begründet ist (iustum sacramentum)129; dass die prozessualen Schuldversprechen zur Ermöglichung eines Prozesses technisch erforderlich wären, sagt Gaius nicht. Das sacramentum der unterliegenden Partei verfiel des Weiteren dem Staat (in publicum cedebat)130; die Schuldversprechen kommen der obsiegenden Partei zugute (Gai. 4,13 a. E.). Das sacramentum hatte schließlich zwei feste Sätze von 50 bzw. 500 As bei Streitigkeiten mit einem Streitwert von unter oder über 1.000 As (Gai. 4,14)131; die Schuldversprechen gehen auf einen quotenmäßigen Teil. Dass der wechselseitige ___________________________

126 Zu Gai. 4,171 zuletzt Bianchi, „Temerarietà“ nelle istituzioni di Gaio; Giomaro, Scelta del mezzo giudiziale 195 ff.; Buzzacchi, Abuso del processo 83-101; da die actiones certae creditae pecuniae und de pecunia constituta in Gai. 4,171 nur als Beispiele angesprochen werden (velut), ist zu überlegen, ob nicht auch die actio ex stipulatu, mit der im Bereich der Stipulation einer actio de pecunia constituta entsprechender Interessenschutz ermöglicht wird (s. oben S. 39 f.), der sponsio (dimidiae partis?) zugänglich sein muss. 127 Gai. 4,174: calumnia coercenda; 181: qui autem restipulationis poenam patitur, ei neque calumniae iudicium opponitur neque iurisiurandi religio iniungitur. 128 Der Text ist in der Veroneser Handschrift lückenhaft: Eaque actio proinde periculosa erat falsi [---]. Huschke ergänzt zu falsi[loquo propter iusiurandum] − „(gefährlich) für den Lügner wegen des Eids“; Mommsen, Emendationes Gaianae 44: falsi [convictis/damnatis] − „für die Partei, die der Unwahrheit überführt wird“; Manthe, Gaius. Institutiones: falsi [lege agenti] − „für den, der eine falsche Spruchformel vorbrachte.“ 129 Die Parteien müssen sich zum Beweis über ihre Behauptungen unter Einsatz des sacramentum „herausfordern“ (sacramento provocare, Gai. 4,16). Zur Funktionsweise s. nur Kaser/Hackl, Zivilprozeßrecht 85. 130 Nach Gai. 4,13 wurden dafür Bürgen (praedes) gestellt. Nach Varro ling. 5,180 erfolgte hingegen Hinterlegung der Einsätze im Heiligtum (sacrum) 'ad pontem'. Von dort sei der Einsatz des Unterlegenen ad aerarium gegangen; s. Kaser/Hackl, Zivilprozeßrecht 82 f. mit Literatur in Anm. 5, 6. 131 Dazu Kaser/Hackl, Zivilprozeßrecht 83 mit Literatur in Anm. 7, 8.

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Einsatz des sacramentum zur Vermeidung mutwilligen Prozessierens dienen kann, ist ein sekundäres Phänomen132. Wenn Gaius von der poena sacramenti spricht (Gai. 4,14)133, ist dies bereits Interpretation. Am Nebeneinander von sponsio tertiae und dimidiae partis konnte die These ansetzen, die actio de pecunia constituta sei eine Nachbildung der actio certae creditae pecuniae: Der Prätor habe für das von ihm geschaffene Rechtsmittel das Institut der Straf-sponsio übernommen und gleichzeitig von einem Drittel auf die Hälfte gesteigert. Wenn dabei mitunter von der actio de pecunia constituta als „Zwillingsschwester“ der actio certae creditae pecuniae die Rede ist134, so beruht dies auf der weitergehenden Vorstellung, der prätorische Rechtsschutz beschränke sich stets, oder zumindest ursprünglich, auf diese Steigerung der sponsio und ihre Gestaltung unter Einbeziehung des speziellen Tatbestands der pecunia constituta; im Übrigen sei die Klage mit der actio certae creditae identisch, oder jedenfalls zu einem frühen Zeitpunkt identisch gewesen135. Mit unserem oben gewonnenen Ergebnis einer prätorischen formula in factum concepta mit condemnatio incerta stimmt dies nicht überein. Wie aber verhält sich dann die sponsio zur derart rekonstruierten actio de pecunia constituta? Dazu finden sich keinerlei unmittelbare Quellen. Hinweise finden sich für den Fall der certa credita pecunia; sie lassen Rückschlüsse auf den Inhalt und die Funktionsweise auch der sponsio dimidiae partis zu (unten V.), müssen aber ihrerseits erst aus einer kritischen Revision der Quellen gewonnen werden (unten II.-IV.).

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132 Kaser/Hackl, Zivilprozeßrecht 85 mit Literatur in Anm. 21; 283. 133 S. auch Fest. 468 Lindsay. 134 Karlowa, Rechtsgeschichte II 1372; dass unsere Klage der actio certae creditae pecuniae „nachgebildet“ sei, lehren die oben Anm. 111 Genannten. 135 So schon Puchta/Krüger, Institutionen II § 168. Gegen eine actio in factum wird mit der Paraphrase des Theophilos argumentiert (Kappeyne van de Copello, Über constituta pecunia 232; Bonnecarrère, Action pecuniae constitutae 11 f.), der die actio de pecunia constituta gemeinsam mit der actio de peculio in Theophil. 4,6,8 als prätorische Rechtsschöpfungen bezeichnet, bevor er auf die Klage in factum zu sprechen kommt, die sich aus dem zugeschobenen, geleisteten und nichterfüllten Eid ergibt, § 11: ἡ δὲ ἀπὸ τοῦ ὅρκου in factum. Daraus e contrario zu schließen, dass die actio de pecunia constituta keine actio in factum wäre, ist nicht möglich. Dass die Klage ex iureiurando in factum konzipiert ist, ist deshalb so bemerkenswert, weil sie nur noch auf das factum, überhaupt nicht mehr auf die zugrundeliegende Schuld abstellt. „In factum“ scheint für Theophilos geradezu zum Namen dieser Klage zu gehören. Ein Gegenschluss wäre nur möglich, wenn bei Theophilos Bemühungen um eine weitere Kategorisierung der prätorischen Klagen in personam erkennbar wären. Dies ist aber nicht der Fall.

Sponsio dimidiae partis

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II. Die sponsio tertiae partis im Verfahren de certa credita pecunia: Ciceros Rede für den Schauspieler Roscius Von einer sponsio legitimae bzw. tertiae partis bei einer actio certae creditae pecuniae ist schon in Ciceros Plädoyer für den Schauspieler Q. Roscius − 230 Jahre vor Gaius − die Rede. Der Kläger Fannius macht gegen Ciceros Mandanten Roscius gerichtlich eine Forderung auf certa pecunia geltend136: 10 pecunia tibi debebatur certa quae nunc petitur per iudicem, in qua legitimae partis sponsio facta est.

„Eine bestimmte Geldsumme wurde dir geschuldet, die nunmehr vor dem Richter eingeklagt wird. Auf ihrer Grundlage (?) hat man das Schuldversprechen auf den gesetzlichen Teil vorgenommen.“

14 pecunia petita est certa, cum tertia parte sponsio facta est. haec pecunia necesse est aut data aut expensa lata aut stipulata sit.

„Eine bestimmte Geldsumme ist eingeklagt, mit dem dritten Teil (?) hat man das Schuldversprechen vorgenommen. Dieses Geld muss notwendigerweise entweder ausgezahlt, als ausgezahlt verbucht oder stipuliert worden sein.“

Aus § 14 (cum tertia parte) wurde geschlossen, dass in die sponsio das Versprechen des Drittels und der Hauptschuld aufgenommen wurde und anschließend nur aus der sponsio geklagt wurde137. Mit § 10 lässt sich freilich das Gegenteil wahrscheinlich machen: Die sponsio geht nur auf die legitima/tertia pars. Cum tertia parte in § 14 lässt sich dann mit „unter Einsetzung des dritten Teils“ übersetzen138. Wie der strafweise versprochene „Teil“ in den Prozess integriert wird, ist freilich seit jeher umstritten139. Schwierigkeiten bereitet insbesondere Cic. Q. Rosc. 12; nach den gängigen Editionen lautet der Text:

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136 Zum Fall Wieacker, Cicero als Advokat 9-12; Stroh, Taxis und Taktik 104-106. 137 Bruns, Constitutum debiti 60 Anm. 46. 138 Huschke (zustimmend zitiert von Lenel, Edictum perpetuum 238 Anm. 6) legt statt cu{m} cu‹ius› zugrunde. Dagegen Karlowa, Rechtsgeschichte II 595. 139 Bruns, Constitutum debiti 58 mit Literatur; Rudorff, Edictum perpetuum 103 (einheitliche sponsio über certa pecunia und tertia pars; unklar, ob Klageformel auf HS X milia die tertia pars beinhaltet), 107 (eine sponsio über pecunia constituta und dimidia pars; eine Klageformel auf quanti ea res est, tantam pecuniam et eius dimidiam); Greenidge, Legal Procedure 200: Entweder einheitliche Formel auf HS X milia cum tertia parte oder gar keine formulare Erwähnung der tertia pars (also Verurteilung zur tertia pars ohne entsprechenden Befehl? Keine Verurteilung?); D'Ors/Giménez-Candela, Fianza parcial 122 f.: tertia pars in die condemnatio einer einheitlichen Klage integriert; die Autoren gehen freilich noch von einer anderen Lesung von Tab. Pomp. 34 (= TPSulp. 31, s. sogleich) aus; dagegen Fernandez Barreiro, Etica de las relaciones procesales 68 Anm. 9.

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(iudicem) in angustissimam formulam sponsionis concludebas

„Du gingst daran, ihn (den Richter) in die allzu enge Formel des Schuldversprechens einzuschließen.“

Der Zusammenhang ist dort folgender: Im Gegensatz zum Verfahren vor einem Schiedsrichter (arbiter/arbitrium), der aufgrund des Wortlauts der stipulierten Schiedsabrede 'Quantum aequius et melius id (?) dari' (11) „unbegrenzte Freigebigkeit“ (12: infinita largitio) entwickeln könne, habe sich der Richter im strengen Prozess (iudicium) an ein decretum asperum simplex zu halten: 'Si parret HS I))) dari' − „Wenn es sich erweist, dass 50.000 Sesterze gegeben werden (müssen) ...“ (11). Mit der formula sponsionis in § 12 ist prima facie eine derartige Prozessformel gemeint. Formula sponsionis als den Wortlaut der Sponsionsfrage zu verstehen 140 , bereitet Schwierigkeiten. Tatsächlich spricht zwar beim Abschluss der sponsio zunächst der (angehende) Kläger die feierliche Frage, die auf den Ausgang eines bestimmten Rechtsstreits (vor einem bestimmten Richter) Bezug nehmen könnte141. Cicero würde aber völlig unvermutet aus der Gegenüberstellung des Maßstabs von arbitrium und iudicium ausbrechen. Außerdem sagt Cicero in § 14: satis formulae et sponsioni ... fecisse videar: er scheine „der Formel und der sponsio Genüge getan zu haben“; gemeint muss sein: „dem Wortlaut der Klageformel und der Bedingung der sponsio“. Das bedeutet einerseits, dass Cicero mit formula nicht den Wortlaut der sponsio meint, andererseits, dass die sponsio in gleicher Weise wie die Klageformel (genauer: deren intentio) eine Bedingung enthält, der er mit derselben Beweisführung „Genüge tun“ kann, die die intentio der Klage verneint. Die sponsio hat demnach nicht zur Bedingung, dass ein Urteil zugunsten des Roscius ergeht142. Sie hat das zur Bedingung, was Cicero widerlegt hat, nämlich dass Roscius die geltend gemachte Summe schuldet oder dass gerade dies bewiesen wird: 'Si paret/parret te mihi dare oportere HS I)))...' oder 'Si probavero te debere mihi HS I)))'; so schon der „Gaius von Autun“ (ca. 400 n. Chr.)143. Über das Vorliegen dieser Bedingung hat der Richter zu befinden. ___________________________

140 Wlassak, Sponsio tertiae partis 383; ihm folgend Lenel, Edictum perpetuum 238 Anm. 5; Arangio-Ruiz, Orazione per l’attore 304 Anm. 6. 141 Lenel, Edictum perpetuum 238 Anm. 5; Mantovani, Formule 103 (Nr. 187) mit Anm. 520: „Si a L. Titio secundum me iudicatum erit ...“ mit Hinweis auf Q. Rosc. 14 -15. 142 Dafür spricht auch der Satzzusammenhang in § 14. Cicero bildet zunächst Paarungen von Objekten, denen er „Genüge getan hat“: satis fidei et diligentiae meae, satis causae et controversiae, satis formulae et sponsioni, um zu enden: satis e t i a m iudici fecisse videar, cur secundum Roscium iudicari debeat. Wäre die Entscheidung des Richters zugunsten des Roscius Bedingung der sponsio, so wäre die Gliederung, vor allem aber das etiam vor iudici, nicht schlüssig. 143 Aug. fr. 4,96: [si pro]bavero te debere mihi xxx, dabis alia x?... [resti]pulatio sequitur. Dicit enim debitor: si non probas tibi xxx deberi, da[bis X?]; zum Text Rodríguez Martín, Fragmenta Augustodunensia 382 mit Anm. 817 (die dortige Ergänzung der

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Unter Berufung auf Gai. 4,180: si causam non tenuerit lehnt Lenel eine derartige Gestaltung der sponsio als „unannehmbar“ ab144. Bedingung der sponsio sei der Sieg im Prozess: 'Si secundum me iudicatum erit ...' Was den Verfall der restipulatio betrifft, spricht Gaius wohlgemerkt von si vincere non potuerit (si causam non tenuerit gehört zur Verurteilung aus dem sogenannten contrarium iudicium). Vincere ist untechnisch für „obsiegen“; Rückschlüsse auf die Verfallsbedingung der sponsio lassen sich daraus nicht ziehen: Auch wenn der Kläger mit seinem Beweis scheitert (und eine restipulatio 'Si non paret me debere ...' verfällt), lässt sich dies mit vincere non posse beschreiben145. Sponsionis formula meint bei Gaius die „Formel der Klage aus der sponsio“ (Gai. 4,165; außerdem 4,170: sponsionis iudicia; vgl. auch 4,169: sponsionis victoria). In § 12 der Cicerorede ist auf denselben Ausdruck aber wiederum kein Verlass. Denn der Text wurde innerhalb der − einzigen maßgeblichen – Handschrift korrigiert146; ursprünglich stand dort in angustissimum formula suspicionis concludas,

korrigiert zu: in angustissim‹a›m formula‹m› {sus}sp‹ons›ionis conclud‹eb›as.

Ebenso gut ließe sich der (sicher verdorbene) Text emendieren zu: in angustissimum formula‹e et› {sus}sp‹ons›ionis concludas „(denselben) schließt du in die größte Enge der Formel und der Sponsion“147.

Nichts spricht nämlich gegen angustissimum148; § 14 aber spricht für formula‹e et› sponsionis. Die formula der actio certae creditae pecuniae ist eng wegen des „Alles-oder-Nichts“ der pluris petitio: Ist die vom Richter festgestellte Schuld ___________________________

144 145 146

147 148

restipulatio mit da[bis alia X?] erweckt inhaltliche Bedenken: Der Kläger verspricht nicht „weitere zehn“). Der Autor der Fragmenta könnte freilich lediglich rekonstruieren, vgl. Buzzacchi, Abuso del processo 101; Rudorff, Edictum perpetuum 103 nimmt als Bedingung an: 'Si pecuniam certam creditam, qua de agitur, mihi debes'. Edictum perpetuum 238 mit Anm. 4 und 5. Ein ähnliches Missverständnis begegnet bei Lenel, wenn es um die Verfallsbedingung der sponsio im Interdiktenverfahren geht, unten Anm. 159. Zur Widerlegung der Lenelschen Rekonstruktion s. unten S. 52. S. ed. Axer 1976 (Bibl. Teubneriana) in app.: „angustissimam formulam sponsionis concludebas ex angustissimum formula suspicionis concludas (?) corr. V [= Vat. lat. 11458; Abschrift einer verlorenen Handschrift durch Poggio 1417] (signo dubitationis in mge. add.); das „signum dubitationis“ deutet darauf hin, dass es sich um eine Konjektur Poggios handelt. Jedenfalls die Veränderung zu conclud‹eb›as ist unnötig und unzutreffend: Das vorangehende eidem et infinitam largitionem re m i t t e b a s nimmt auf ein früheres Schiedsverfahren Bezug, concludas auf den jetzigen Prozess. Aus formula‹e et› wäre formula {su-} entstanden; e und s sind leicht zu verwechseln; u kann aus einer Ligatur für et entstehen. S. etwa Cic. Planc. 54: in angustum venire; part. 104; Lael. 20: in angustum adducere; ac. 2,1,38: in angustum deducere; Sen. nat. 2,40,1: per angustissimum.

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geringer als die Klagsumme, muss er die Klage vollständig abweisen. Dieselbe enge Fragestellung taucht in der sponsio als Verfallsbedingung der Strafsumme auf. Sie bezieht sich jedenfalls bei dieser Lesart demnach nicht auf die Niederlage im (Haupt-) Prozess, sondern auf das nachweisliche Bestehen der Schuld.

III. Die sponsio tertiae partis in TPSulp. 31 Für die actio certae creditae pecuniae samt sponsio tertiae partis liegen inzwischen mehrere dokumentarische Belege aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. vor. An erster Stelle steht TPSulp. 31 aus dem Jahr 52 n. Chr.149: Die Wachstafel aus dem sogenannten Archiv der Sulpicier150 enthält zwei bis auf die Klagesumme gleichlautende Klageformeln, die der actio certae creditae pecuniae entsprechen. Die erste Formel hat 6.000 Sesterze zum Gegenstand, die zweite 18.000. Am Beginn des (äußerlich ungegliederten) Textes steht 'ea res agetur de sponsione'. Das Verhältnis der Summen und die Verwendung des technischen Begriffs sponsio151 legen es nahe, hierin die Dokumentation einer Klage152 auf ein Kapital verbun___________________________

149 Santoro, Le due formule 333-350; Gutierrez-Masson, La prétendue praescriptio 201209; Sturm, Ea res agetur de sponsione 89-103; Varvaro, Praescriptio e sponsio, mit vollständiger Literatur in 369 f. Anm. 1; Pellechi, La praescriptio 353 ff.; lediglich referierend Kaser/Hackl, Zivilprozeßrecht 283 Anm. 2. 150 Zum Fund Camodeca, Tabulae 11-43. 151 Beide Klageformeln enthalten vor der intentio (SI PARRET ...) die Richtereinsetzung C. Blossius Celadus ìudex esto (tab. 1, pag. 2, Z. 2.10; tab. 2, pag. 5, Z. 5/6). Schon dass man nicht eine einheitliche Richtereinsetzung vor beide Formeln stellt, spricht dagegen, dass ea res agetur de sponsione sich auf beide Formeln beziehen würde (so aber Wolf, Kondiktionen des C. Sulpicius Cinnamus 158; zustimmend Talamanca, Art. „Processo civile“ 40 Anm. 279; dagegen Camodeca, Tabulae 98). Ginge auch die zweite Formel de sponsione, so müsste man annehmen, dass sponsio hier nicht das prozessuale Strafversprechen, sondern ganz allgemein als Synonym für stipulatio verwendet wird. Derselbe Kläger ginge dann gegen denselben Beklagten aus zwei unabhängigen Stipulationsschulden vor. Für prozessermöglichende oder -gestaltende Stipulationen wie die in Gai. 4,171 genannten gebrauchen die Quellen aber sponsio geradezu als Terminus technicus: z. B. Gai. 4,1 (Gattungen prozessualer Sponsionen); 4,91-95 (vindicatio per sponsionem); 4,141.165-170 (Sponsionsprozess über die Verletzung des Interdikts); l. Rubr. c. XXI f.; l. Irn. c. LXXXV. 152 Das Dokument nennt neben dem eingesetzten Richter, den Parteien und dem Gerichtsmagistrat einen Ausstellungsort (Puteoli, pag. 3 Z. 9) und die Konsuln (pag. 3 Z. 10f.), es fehlt jedoch der Tag der Errichtung. Mit großer Wahrscheinlichkeit war der Prozess daher bei Errichtung der Urkunde noch nicht durch den Urteilsbefehl eingesetzt. Es könnte sich – wie bei den drei Ausfertigungen einer BlankettKlageformel in P. Babatha 28-30 (125 n. Chr.) – um einen Beleg für die editio actionis handeln, die vorprozessuale Mitteilung des angestrebten Prozesses durch den angehenden Kläger an den Gegner; vgl. D. 2,13,1,1 (Ulp. 4 ed.): Edere (scil. actionem) est etiam copiam describendi facere; vel in libello complecti et dare; zum wechselseitigen edere der Klageformeln aus sponsio/restipulatio s. Gai. 4,165 (sogleich

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den mit der (vorangestellten) Klage auf die tertia pars zu sehen. Nur auf Letztere bezieht sich die Überschrift. tab. I, pag. 2 Ea res agetur de sponsione. C(aius) Blossius Celadus ìudex esto; si parret C(aium) Marcium Satur[ninum] C(aio) Sulpicio Cinnamo HS VI(milia) d[are] oportere q(ua) d(e) r(e) agitur 5 C(aius) Blossius Celadus ìudex C(aium) Marcium Saturninum HS I)) ∞ C(aio) Sulpicio Cinnamo cond[em]nato; si non parret, apsolvito. C(aius) Blossius Celadus ìudex esto;

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tab. II, pag. 3 [si pa]rret C(aium) Marcium [Sat]urninum [C(aio)] Sulpicio Cinnam[o] HS [((]I)) I))∞∞∞ dare oportere q(ua) d(e) [r(e) ag]itur C(aius) Blossius Celadus ìude[x] C(aium) Marcium Saturninum HS ((I))∞∞((I)) 5 [C(aio)] Sulpicio Cinnam[o] c[on]demnato; si non parret, apsolvito. Ìudicare ìussit A(ulus) Cossinius Priscus IIvir. [Actu]m Puteol[i]s Fausto Cornelio Sulla [Fel]ice 10 Q(uinto) Marcio Barea Sorano co(n)s(ulibus).

„Dieser Rechtsstreit geht über ein feierliches Versprechen / eine sponsio. Gaius Blossius Celadus soll Richter sein. Wenn es sich erweist, dass Gaius Marcius Saturninus dem Gaius Sulpicius Cinnamus 6000 Sesterze geben muss, worüber der Rechtsstreit geht, soll der Richter Gaius Blossius Celadus den Gaius Marcius Saturninus zu 6000 Sesterzen zugunsten des Gaius Sulpicius Cinnamus verurteilen; wenn es sich nicht erweist, soll er ihn freisprechen. Gaius Blossius Celadus soll Richter sein. Wenn es sich erweist, dass Gaius Marcius Saturninus dem Gaius Sulpicius Cinnamus 18000 Sesterze geben muss, worüber der Rechtsstreit geht, soll der Richter Gaius Blossius Celadus den Gaius Marcius Saturninus zu 18000 Sesterzen zugunsten des Gaius Sulpicius Cinnamus verurteilen; wenn es sich nicht erweist, soll er ihn freisprechen. Zu urteilen hat angeordnet der Duumvir Aulus Cossinius Priscus. Geschehen zu Puteoli Im Konsulat von Faustus Cornelius Sulla Felix und Quintus Marcius Barea Soranus.“

In der Urkunde sieht man zu Recht den schrittweisen Vollzug der Defension des Beklagten belegt: Seine Verteidigung gegen eine actio certae creditae pecuniae erfordere die Bereitschaft zum Abschluss der sponsio, sonst drohen Indefensionsfolgen. Nach dem Abschluss der sponsio wird ihm vom Kläger die formula über die Klage aus der sponsio mit einzusetzendem Richter ediert153 und der litis contestatio zugeführt, danach erst kommt es zur Gestaltung der Klage aus der Hauptschuld. Dies schlage sich in der Dokumentation nieder154. ___________________________

unten nach Anm. 157); allgemein zur editio: Kaser/Hackl, Zivilprozeßrecht 220 mit Literatur in Anm. 1; TPSulp. 31 und die Babatha-Papyri fehlen bei Bürge, Edikt de edendo 4 ff. („Der epigraphische und literarische Befund“). 153 Vgl. Gai. 4,165. 154 Varvaro, Praescriptio e sponsio 393-396.

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Die Verurteilung des Beklagten geht jedenfalls auf die tertia pars und die Hauptschuld. Scheitert andererseits der Kläger, wird er aus der Widerklage des Beklagten, die sich aus der restipulatio ergibt, in die tertia pars verurteilt155. Die tertia pars ist dabei in einer bestimmten Summe ausgedrückt. Dass sie als solche bereits in der sponsio auftauchte, liegt nahe156: Si paret / si probo te mihi HS ((I)) I)) (I) (I) (I) dare oportere, HS I)) (I) dari spondesne? Damit spiegelt die Urkunde ein gerichtliches Vorgehen wieder, wie es bei Gaius (4,164 f.) als eine Alternative des Interdiktenverfahrens beschrieben wird: cum periculo rem ad exitum perducere − „die Angelegenheit mit Gefahr zu Ende führen“ (4,165). Das periculum ergibt sich gerade aus dem Abschluss von klagebewehrter sponsio und restipulatio, zu dem der Kläger den Beklagten „provoziert“. Die sponsio muss auf die Zahlung einer Geldsumme (über deren Höhe im lückenhaft überlieferten Text nichts gesagt wird) gerichtet sein 157 . Verfallsbedingung ist der Nachweis, dass der Beklagte dem früheren Interdikt des Prätors nicht nachgekommen ist, das ihm die Vorlegung (exhibitio) oder Herausgabe (restitutio) einer Sache anbefohlen hatte: 4,165 nam actor provocat adversarium sponsione, ‹quod› contra edictum praetoris non exhibuerit aut non restituerit; ille autem adversus sponsionem adversarii restipulatur; deinde actor quidem sponsionis formulam edit adversario, ille huic invicem restipulationis.

„Denn der Kläger fordert den Gegner mit einer sponsio heraus, (die zum Gegenstand hat), dass er entgegen der Verfügung des Prätors die Sache nicht vorgelegt oder herausgegeben hat. Jener (= der Beklagte) aber lässt sich gegen die sponsio des Gegners (= des Klägers) das Gegenversprechen geben. Hierauf fertigt der Kläger dem Gegner die Formel (für die Klage aus) der sponsio aus, jener diesem die (für die Klage) aus dem Gegenversprechen.“

Nachdem die Parteien die Formeln für die Klagen aus sponsio und restipulatio fixiert haben (formulam edere), hängt der Kläger an die „Formel der Sponsion“ (gemeint muss sein: an die von ihm ausgefertigte Formel der Klage aus der Sponsion) eine weitere Klage (iudicium) an: 4,165 sed actor sponsionis formulae subicit et aliud iudicium de re restituenda vel exhibenda, ut si sponsione vicerit, nisi ei res exhibeatur aut restituatur, [---]

„Der Kläger aber hängt an die Formel der sponsio noch eine weitere Klage über die Herausgabe oder Vorweisung der Sache, sodass, wenn er mit der sponsio obsiegt hat, es sei denn die Sache wird ihm vorgewiesen oder herausgegeben, [---].

Was hier entsteht, ist ein zweigliedriges Formelwerk: Der Formel für die Klage aus der sponsio folgt die für die Klage über die „Hauptsache“. Sponsio, restipu___________________________

155 Gai. 4,181: restipulationis poena omni modo damnatur actor, si vincere non potuerit. 156 Anders Mantovani, Formule 103: ... tertiam partem pecuniae quae petetur dare spondesne? 157 Dazu Lenel, Edictum perpetuum 450.

Sponsio dimidiae partis

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latio und Klage daraus bilden das zusätzliche periculum; dies stimmt nicht nur terminologisch mit Gai. 4,13 über die „Gefährlichkeit“ der sponsio tertiae partis bei der actio certae creditae pecuniae überein. Es entspricht im Ergebnis exakt der pompejanischen Urkunde (und dem, was Cicero mit formula meinen könnte). Dass hier die 'formula sponsionis' (in der Diktion jedenfalls des Gaius) der 'formula sortis' voransteht, hat ebenso wenig wie im Interdiktenprozess cum periculo mit einer feststellenden Funktion des Sponsionsprozesses zu tun158. Die sponsio/restipulatio hat hier wie dort rein pönalen Charakter159. Es liegt an ihrer Beugefunktion, dass sie an erster Stelle steht. Wegen drohender Indefensionsfolgen kann der Beklagte ihren Abschluss nicht verweigern; um ihn zu verhindern, muss er die Einsetzung eines arbiter beantragen, den Vergleich suchen, anerkennen oder leisten. Gelegenheit zur Restitution erhält er nochmals, bevor es zur Entscheidung über die Hauptsache kommt. Umgekehrt veranlasst die unumgängliche restipulatio des Beklagten den Kläger, sein Begehren sorgfältig zu prüfen, bevor er weiteren prätorischen Rechtsschutz beantragt; das periculum ist auch das seine. Dass es möglich wäre, denselben Prozess ohne sponsio und restipulatio zu führen, ist nicht erkennbar. Scheut der Kläger das Risiko der restipulatio und provoziert deshalb nicht die sponsio, erhält er auch keinen Rechtsschutz. Für das Interdiktenverfahren ist bezeugt, dass der Fortgang des Verfahrens vom Abschluss der sponsio abhängt; verweigert sich der Beklagte, wird er vom Prätor durch das interdictum secundarium gezwungen (Gai. 4,170). Für den Kreditprozess findet sich die Reihenfolge der Klageformeln aus sponsio tertiae partis und der eigentlichen Schuld bestätigt in zwei weiteren Urkunden. TPSulp. 7, ein Gestellungsversprechen (vadimonium) nennt als Vertragsstrafe für den Fall der Nichtgestellung (die sich nach dem Streitgegenstand richtet) einen Betrag von 3.333 Sesterzen und danach offensichtlich einen weiteren; alles ___________________________

158 Zumindest missverständlich Kaser/Hackl, Zivilprozeßrecht 420: Bezeichnung des Verfahrens cum periculo als per sponsionem; Verweis auf die Sponsionen bei den interdicta prohibitoria (ebd. 417: „nicht nur präjudiziell, sondern zugleich pönal“); zutreffend zuletzt Varvaro, Praescriptio e sponsio 393-404; ders., Storia dell'editto De pecunia constituta 351 Anm. 66, jeweils mit weiterer Literatur. 159 Dass Lenel, Edictum perpetuum 450 in der Formel des iudicium secutorium die Worte si sponsione vicerit nisi ei res exhibeatur ... zur Verurteilsvoraussetzung erhebt, ist fragwürdig, s. schon Wlassak, Praescriptio 114 f.; dagegen wiederum Kaser/Hackl, Zivilprozeßrecht 420 Anm. 39 mit Literatur. Gaius meint damit den Sieg im Sponsionsprozess als Voraussetzung für den Fortgang des Verfahrens. Ebenso wenig wie die zweite Formel von TPSulp 31 auf den vorangehenden Sponsionsprozess Bezug nimmt, muss dies im Interdiktenprozess der Fall sein. Das Ergebnis des Sponsionsprozesses ist de facto zweifellos präjudizierend, nicht aber nach der Formelgestaltung; de iure ist seine Funktion auch hier rein pönal.

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Pecunia constituta im prätorischen Edikt

spricht dafür, dass sich der zweite Betrag auf 10.000 Sesterze beläuft und auch hier aus stipulatio tertiae partis und der Hauptschuld geklagt werden soll 160 . Gleiches gilt für TPSulp. 1bis. Der Aufbau des Formelwerks entspricht also dem Ablauf des Verfahrens vor dem Prätor. Aus den Urkunden ergibt sich gleichzeitig, dass der Richter zuerst über die Klage aus der sponsio, also über das Vorliegen von deren Bedingung zu entscheiden hat. Diese Bedingung kann daher nicht darin bestehen, dass der Kläger den folgenden „Hauptprozess“ gewinnt. Lenels Bedingung 'Si secundum me iudicatum erit' ist mit den neuen Quellen unvereinbar. Sie würde zwingend zu einer umgekehrten Reihenfolge der Formeln führen.

IV. Verfahren mit sponsio bei certa credita pecunia nach der lex Rubria Um die Funktionsweise des Verfahrens cum periculo bei der actio certae creditae pecuniae zu verstehen, lohnt sich des Weiteren ein Blick auf die lex Rubria de Gallia cisalpina aus der Mitte des ersten Jahrhunderts v. Chr.161. Was sie beschreibt, muss in seinen Grundstrukturen als geltendes (Prozess-) Recht auch der Stadt Rom unterstellt werden: cap. XXI A quoquomque pecunia certa credita ... petetur, ...

„Von wem auch immer eine bestimmte Summe dargeliehenen Geldes ... gefordert wird, ...

si is eam pecuniam in iure apud eum, qui ibi iure dicundo praerit, ei qui eam petet, ... dare oportere debereve se confessus erit, neque id quod confessus erit solvet satisve faciet, aut se sponsione iudicioque uti oportebit non defendet,

wenn er von diesem Geld auf der Gerichtsstätte vor demjenigen, der dort der Rechtsprechung vorsteht, anerkennt, dass er es dem, der es fordert, geben muss oder schuldig ist, und das, was er anerkannt hat, weder zahlt noch Genüge leistet und sich auch nicht mit einer sponsio und einem Urteilsverfahren so, wie es sein muss, verteidigt,

sive is ibi de ea re in iure non responderit, neque de ea re sponsionem faciet neque iudicio uti oportebit se defendet:

oder wenn er sich dort über diese Angelegenheit auf der Gerichtsstätte nicht einlässt und über diese Angelegenheit keine sponsio abschließt und sich nicht mit einem Urteilsverfahren so, wie es sein muss, verteidigt,

tum de eo, a quo ea pecunia petita erit, deque eo, quoi eam pecuniam dari oportebit, siremps res lex ius causaque omnibus omnium rerum esto atque uti esset esseve oporteret,

dann sollen für denjenigen, von dem dieses Geld gefordert wird, und denjenigen, dem dieses Geld gegeben werden muss, dieselben Umstände, Gesetz, Recht und Lage wie für jedermann in allen Angelegenheiten gelten, wie es wäre und

___________________________

160 Manthe, Rez. Bove 157; Camodeca, Tabulae 61; 99. 161 Zur Datierung Bruna, Lex Rubria 322-325.

Sponsio dimidiae partis

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si is, qui ita confessus erit, aut de ea re non responderit aut se sponsione iudicioque uti oportebit non defenderit, eius pecuniae ii qui eam ... petierit ...,

sein müsste, wenn derjenige, der derart anerkannt hat, oder sich in dieser Angelegenheit nicht eingelassen hat oder sich nicht mit einer sponsio und einem Urteilsverfahren so verteidigt, wie es sein muss, zur Zahlung dieses Geld zugunsten desjenigen, der es ... fordert ...,

ex iudiciis datis iudicareve recte iussis iure lege damnatus esset fuisset.

aus erteilten und ordnungsgemäß mit dem Verurteilungsbefehl versehenen Urteilsverfahren nach Recht und Gesetz verurteilt wäre oder worden wäre.

Qui{que}quomque ... dicundo praerit, is eum,

iure

Wer auch immer dort der Rechtsprechung vorsteht, der soll denjenigen,

qui ita quid confessus erit neque id solvet satisve faciet, eumve, qui se sponsione iudiciove uti oportebit non defenderit aut in iure non responderit neque id solvet satisve faciet,

der etwas derart anerkannt hat und es nicht zahlt oder Genüge leistet, oder denjenigen, der sich nicht mit einer sponsio und einem Urteilsgericht so, wie es sein muss, verteidigt oder sich auf der Gerichtsstätte nicht einlässt und es nicht zahlt oder Genüge leistet,

tantae pecuniae, quanta ea pecunia erit de qua tum inter eos ambigetur, ... sine fraude sua duci iubeto;

für soviel Geld, wieviel es sein wird, worüber unter ihnen Streit besteht, ... mitnehmen lassen, ohne dass ihm (dem Beamten) dies zum Vorwurf gereichen würde.

quique eorum quem, ad quem ea res pertinebit, duxserit, id ei fraudi poenaeve ne esto;

Und wer auch immer von ihnen denjenigen, auf den sich die Sache bezieht (den Beklagten), mitgenommen hat, dem soll das nicht zum Vorwurf oder zur Buße gereichen.

quodque ita factum actum iussum erit, id ius ratumque esto.

Und was auch immer derart geschehen, verhandelt und angeordnet worden ist, das soll rechtens und anerkannt sein.“

ibi

Der Abschnitt sanktioniert die fehlende Mitwirkung des Schuldners bzw. Beklagten in verschiedenen Konstellationen. Ob der Fall betroffen ist, in dem der Schuldner nicht vor dem Gerichtsmagistraten erscheint, sei dahingestellt162. Hat ___________________________

162 Bruna, Lex Rubria 156; 173 legt in iure non respondere auf „Nichterscheinen zur gerichtlichen Voruntersuchung“ fest, da es „sehr unwahrscheinlich“ sei, dass der Schuldner erscheint, „auf die Fragen des Magistrats aber nicht antwortet“. Respondere kann freilich auch die Stellungnahme zur klägerischen Behauptung meinen. Die Ladung durch den Kläger bewirkt einen gewaltsam durchsetzbaren Folgezwang. Der Schuldner verhält sich insofern nicht inkonsequent, wenn er „erscheint“ (und damit der möglichen unmittelbaren Gewalt des Gläubigers weicht), sich aber vor dem Magistrat nicht äußert (wozu er unmittelbar nicht gezwungen werden kann). Außerdem ist wiederum Gai. 4,165 zu beachten: si ... tacitus de iure exierit ... – „Wenn er schweigend die Gerichtsstätte verlässt ...“ Vor dem Prätor ist der Beklagte dort bereits erschienen.

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Pecunia constituta im prätorischen Edikt

der Gläubiger den Schuldner aber erst einmal vor den Jurisdiktionsbeamten gebracht, so sieht sich dieser jedenfalls in einer dramatischen Zwickmühle: Tut er gar nichts, wird der Gläubiger zum ducere, zur sofortigen Vollstreckung in die Person des Schuldners ermächtigt. Völliger Gesichtsverlust des Schuldners, Vernichtung seiner Existenz wären die Folge. Lässt man die Möglichkeit der Eideszuschiebung beiseite, bleiben dem Schuldner zwei Alternativen: die sofortige Leistung oder die Einlassung auf den Prozess. Die Attraktivität dieser letzten Alternative wird dadurch massiv vermindert, dass sie mit der Strafsponsion einhergeht, die das Prozessrisiko erheblich verschärft. Einer „Flucht in den Prozess“ wird damit entgegengewirkt. Der Schuldner wird mit der drohenden ductio einerseits, der sponsio andererseits zur Leistung gedrängt; sie wird ihm regelrecht abgepresst. Einem Missbrauch dieser Mechanismen durch den (behaupteten) Gläubiger wird mit der restipulatio entgegengewirkt. Soweit man die Prozessvermeidung auch im öffentlichen Interesse sieht, liegt die Annahme nahe, dass der Kläger prätorischen Rechtsschutz nur dann erhält, wenn er sich auf das Verfahren von sponsio und restipulatio einlässt, bereits die Provokation der sponsio also keine Möglichkeit, sondern eine Obliegenheit des Klägers ist (und er sich insofern zur Provokation „gezwungen“ sieht). Wir haben eine solche Obliegenheit oben bereits unterstellt: Es liegt beim Kläger durch Provokation des Gegners zur sponsio das Verfahren voranzutreiben. Einen solchen „Zwang“ zur Provokation lehnt eine verbreitete Literaturmeinung freilich ab; dagegen spreche nämlich das permittitur sponsionem facere des Gaius-Textes: Die „Erlaubnis“ der sponsio ist für sich genommen kein Zwang163. Doch ist denkbar, dass Gaius an dieser Stelle den Aspekt der Ermächtigung lediglich isoliert, weil es ihm auf den der Obliegenheit nicht ankommt164. Die lex Rubria spricht nur für einen Zwang gegen den Beklagten: sponsione iudicioque utei oportebit (se) defendere; sie besagt nichts darüber, ob dieser Zwang erst von einem fakultativen Verlangen des Klägers ausgelöst wird165. Für einen Zwang gegen den Kläger ließe sich anführen, dass Cicero die Vornahme der sponsio tertiae partis völlig wertfrei erwähnt und sie nicht zum schikanösen Machwerk des klagenden Gegners stilisiert. Zwar fällt der Vorwurf der Schikane schwer, wenn beide Parteien dasselbe Risiko tragen. Dem Gegner vor Augen zu führen, ___________________________

163 Bruns, Constitutum debiti 58; Weiss, Institutionen 288; weitere bei La Rosa, Formalismo del pretore 210 Anm. 36. 164 Nach Kappeyne van de Coppello, Über constituta pecunia 206-211; La Rosa, Formalismo del pretore 210-211 spricht permittitur nicht gegen Zwang. Auch in Gai. 4,42 und 3,224 erscheine permittitur; in beiden Fällen der Ermächtigung (des iudex zu Verurteilung oder Freispruch des Beklagten bzw. des Klägers de iniuriis zur Bestimmung der Urteilssumme) bestehe nachweislich ein Zwang. Für Zwang zur sponsio auch Siber, Römisches Recht II 183. 165 Das übersieht Behrends, Zwölftafelprozeß 111 Anm. 434.

Sponsio dimidiae partis

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auf welches Risiko er sich eingelassen hat, wird Cicero indes nicht müde; dahinter steht nicht die Aussage: „Du hättest niemals die sponsio verlangen dürfen!“, sondern: „Du hättest niemals klagen dürfen!“ Für Zwang spricht schließlich die Aussage des Gaius: periculosa est actio certae creditae pecuniae propter sponsionem ... et restipulationem − die Klage ist als solche wegen der sponsio gefährlich, nicht erst aufgrund einer Entscheidung des Klägers. Wären die Sponsionen im Gegensatz zum sacramentum des alten Prozesses verzichtbar, wäre Gaius' Gleichsetzung der Institute hinsichtlich des periculum166 fragwürdig. Mehr spricht daher für Zwang zum Abschluss der sponsio. Ohne Provokation zu ihrem Abschluss geht das Verfahren nicht weiter.

V. Rückschlüsse auf die sponsio dimidiae partis TPSulp. 31 bildet ein kaum zu erschütterndes Bindeglied zwischen der Darstellung des Verfahrens cum periculo mit seiner Formelgestaltung in Gai. 4,164 f. und der sponsio tertiae partis. Theorien der älteren Literatur167 (die die pompejanischen Urkunden noch nicht kannte) finden sich teils bestätigt, teils widerlegt. Bestätigt ist die Vorstellung der Parallelität von Interdiktenverfahren cum periculo und actio certae creditae pecuniae. Widerlegt ist die Annahme, die Klageformel aus der sponsio tertiae partis würde die Verfallsbedingung der sponsio nennen 168 . In Wahrheit stellt sie ausschließlich auf das zivile dari oportere, das Geschuldetsein des in der sponsio versprochenen Geldbetrags ab. Zur Überprüfung gerade der sponsio wird der Richter durch die praescriptio: 'ea res agetur de sponsione' gezwungen. Für die actio de pecunia constituta kann strukturell nichts anderes gelten. Die sponsio dimidiae partis hat rein pönalen Charakter; dass sie zur Voraussetzung des weiteren Prozesses gemacht wird, verfolgt den Zweck der Prozessvermeidung. Bestraft wird das Bestreiten des Beklagten, nicht seine frühere Nichterfüllung des constitutum169. Der Schuldner muss die Möglichkeit haben, durch Leistung Klage und sponsio zu vermeiden. Um eine „Flucht in die Klage“ zu verhindern, muss diese Leistung unter der aus Klage samt sponsio drohenden Verurteilung liegen. ___________________________

166 S. oben S. 43. 167 Kappeyne van de Copello, Über constituta pecunia 202 ff.: Die Klage aus der Hauptschuld sei iudicium consecutorium zu der derjenigen aus der sponsio, parallel zum Verfahren bei den Interdikten mit Sponsionsprozess und iudicium Cascellianum (Gai. 4,169): „die Grundzüge des Verfahrens per sponsionem sind stets und überall dieselben“; ablehnend Philippin, Pacte de constitut 99. 168 Kappeyne van de Copello, Über constituta pecunia 201. 169 Anders Magdelain, Consensualisme 142 ff.; Buzzacchi, Abuso del processo 91.

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Pecunia constituta im prätorischen Edikt

Die Klageformel aus der sponsio ist eine schlichte actio certae creditae pecuniae, die Verfallsbedingung erscheint nicht in der Formel. Obwohl sie nur die Praxis der actio certae creditae pecuniae belegen, sprechen die neuen Urkunden also nochmals deutlich gegen die Annahme, Abschluss und Verfall des constitutum seien ausschließlich Gegenstand der Klage aus der sponsio dimidiae partis, die zu einer unveränderten actio certae creditae pecuniae aus der Hauptschuld treten würde. Constituisse, neque fecisse ... neque stetisse ... eamque pecuniam ... debitam fuisse sind weder Elemente der Klageformel aus der sponsio dimidiae partis170 noch lassen sie sich lediglich als Wortlaut der sponsio selbst identifizieren. Denn die Verfallsbedingung der sponsio muss − wie bei der actio certae creditae pecuniae und dem Interdiktenprozess cum periculo − mit den Verurteilungsvoraussetzungen der Hauptklage übereinstimmen. Die Worte sind demnach auch Bestandteil einer eigenen actio/formula de pecunia constituta, die demnach − wie wir längst unterstellt haben − eine formula in factum concepta ist.

VI. Sponsio/restipulatio dimidiae partis und intentio der actio de pecunia constituta Gleichzeitig legt das Phänomen der sponsio und restipulatio dimidiae partis eine bestimmte Entscheidung hinsichtlich der intentio der actio de pecunia constituta nahe, was die Nennung einer bestimmten Summe betrifft171. Wäre eine solche nämlich nicht enthalten: Worauf sollte dann die restipulatio gehen? Die Hälfte wovon müsste der Kläger im Falle seines Unterliegens zahlen? Die Klage aus der restipulatio − und ebenso die aus der sponsio − müssen actiones certae creditae pecuniae sein. Um sie beziffern zu können, muss aber auch die intentio der actio de pecunia constituta beziffert sein. War das constitutum selbst unbeziffert, so wird sich der Kläger bei der Formelgestaltung auf einen bestimmten Betrag festlegen müssen.

§ 4. Griechisches Recht im prätorischen Edikt? Griechisches Recht im prätorischen Edikt?

Lassen sich also für das prätorische Edikt die Verheißung einer actio in factum, die auf die Abgabe des constitutum und dessen Nichterfüllung abstellt, sowie die sponsio/restipulatio dimidiae partis als sichere Elemente ausmachen, fallen gleichzeitig entsprechende Phänomene des griechischen Rechts ins Auge.

___________________________

170 So Kappeyne van de Copello, Über constituta pecunia 230, parallel zu seiner (unzutreffenden) Rekonstruktion der Klage aus der sponsio tertiae partis (ebd. 201). 171 S. schon oben S. 33.

Griechisches Recht im prätorischen Edikt?

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I. Dimidia pars und ἡ™ιολία 1. Die ἡ™ιολία als Prozessstrafe Die ἡ™ιολία („Anderthalbe“) begegnet als Strafe für den unterliegenden Beklagten, die Hälfte des Streitwerts (ἡ™ίσεια) als die des abgewiesenen Klägers in den „Gesetzen“ Platons (Mitte 4. Jahrhundert v. Chr.). Platon beschreibt einen „Instanzenzug“ für private Streitigkeiten, bei dem sich das Prozessrisiko durch Anordnung bzw. Erhöhung einer Buße für die unterlegene Partei steigert: Plat. Lg. 956b-d ... δὴ δίκα̋ ἄν εἴη χρεὼν γίγνεσθαι. δικαστηρίων δὲ τὸ ™ὲν πρῶτον αἱρε5 τοὶ δικασταὶ γίγνοιντ' ἄν, οὕ̋ ἄν ὁ φεύγων τε (956c) καὶ ὁ διώκων ἕλων5 ται κοινῇ, διαιτηταὶ δικαστῶν τοὔνο5 ™α ™ᾶλλον πρέπον ἔχοντε̋· δεύτεροι δὲ κω™ῆταί τε καὶ φυλέται, κατὰ τὸ δωδέκατον ™έρο̋ διῃρη™έ5 νοι, ἐν οἵ̋, ἄν ™ὴ διακριθῶσιν ἐν τοῖ̋ πρώτοι̋, περὶ ζη™ία̋ ™είζονο̋ ἰόντων ἀγωνιού™ενοι, ὁ δὲ φεύγων, ἄν ἡττη5 θῇ τὸ δεύτερον, τὸ πε™πτη™όριον ἀπο5 τινέτω τοῦ τι™ή™ατο̋ τῆ̋ γραφείση̋ δίκη̋. ἐὰν δ' ἐγκαλῶν τι̋ τοῖ̋ δικασταῖ̋ τὸ τρίτον ἀγωνίζεσθαι βούληται, (956d) ἀγέτω ™ὲν ἐπὶ τοὺ̋ δικαστὰ̋ τοὺ̋ ἐκλεκτοὺ̋ τὴν δίκην, ἐὰν δὲ πάλιν ἡττηθῇ, τὴν ἡ™ιολίαν τοῦ τι™ή5 ™ατο̋ ἀποτινέτω. ἐὰν δὲ ὁ διώκων ἡττηθεὶ̋ ἐν τοῖ̋ πρώτοι̋ ™ὴ ἠρε™ῇ, εἰ̋ δὲ τοὺ̋ δευτέρου̋ ἴῃ, νικήσα̋ ™ὲν δὴ τὸ πέ™πτον ™έρο̋ ἀπολα™βανέτω, νικηθεὶ̋ δὲ ἀποτινέτω ταὐτὸν ™έρο̋ τῆ̋ δίκη̋.

„... ist es nötig, die Prozesse zu regeln. Von den Gerichten wird das erste aus den Richtern zusammengesetzt, die der Beklagte (956c) und der Kläger gemeinsam wählen, die besser die Bezeichnung „Schiedsleute“ als „Richter“ haben172. Die zweiten aber sind Bewohner desselben Dorfes oder Angehörige derselben Phyle, die in zwölf Abteilungen geführt werden. Vor diesen können sie den Rechtsstreit führen, wenn sie vor den ersten nicht zu einem endgültigen Urteil gelangt sind, wobei sie einer höheren Buße ausgesetzt sind, der Beklagte, wenn er zum zweiten Mal unterliegt, muss (zusätzlich) den fünften Teil des Streitwerts, der in der Klage geschrieben steht, bezahlen. Wenn aber jemand den Richtern Vorwürfe macht und zum dritten Mal prozessieren will, (956d) dann muss er die Klage vor die ausgelosten Richter bringen, und wenn er wieder unterliegt, muss er das Anderthalbfache des Streitwerts zahlen. Wenn aber der Kläger vor den ersten unterliegt und keine Ruhe gibt, sondern vor die zweiten geht, so muss er, wenn er obsiegt, den fünften Teil dazuerhalten, wenn er aber besiegt wird, muss er denselben Teil der Klagsumme zahlen.

___________________________

172 So etwa die Übersetzungen von Schleiermacher/Susemihl und Rufener (weitere bei Schöpsdau, Nomoi 565); s. auch Steinwenter, Streitbeendigung 77 Anm. 1. Nach Schöpsdau/Müller, jetzt Schöpsdau, Nomoi 564 f. mit Literatur gehört der Genitiv δικαστῶν nicht zu ™ᾶλλον (Gen. compar.), sondern zu τοὔνο™α: „Schiedsrichter, die besser die Bezeichnung (der) 'Richter' haben“. Platon korrigiere eine vorgefundene Terminologie, die mit der Bezeichnung διαιτηταί die richterliche Funktion verdecke. Ein plötzlicher Sprung aus der Vision in die athenische Wirklichkeit wäre nicht kenntlich gemacht. In 920d und 926c spricht Platon selbst von διαιτηταί als Entscheidern in erster Instanz. In 956c würde er sich also allenfalls selbst korrigieren.

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Pecunia constituta im prätorischen Edikt

ἐὰν δ' εἰ̋ τὸ τρίτον ἔλθωσιν δικαστή5 ριον ἀπειθήσαντε̋ ταῖ̋ ἔ™προσθεν δίκαι̋, ὁ ™ὲν φεύγων ἡττηθεί̋, ὥσπερ εἴρηται, τὴν ἡ™ιολίαν, ὁ δὲ διώκων τὴν ἡ™ίσειαν τοῦ τι™ή™ατο̋ ἀπο5 τινέτω.

Wenn sie aber vor das dritte Gericht kommen, weil sie den vorhergehenden Urteilen nicht gehorchen, so muss der Beklagte, wenn er unterliegt, wie gesagt das Anderthalbfache zahlen, der Kläger aber die Hälfte des Streitwerts.“

Die Vorstellungen von Gerichtsverfassung und Verfahren, die uns in Platons Vision des Gesetzesstaats verschiedentlich entgegentreten, liegen mitunter nachweislich eng bei den tatsächlichen Verhältnissen Athens173. Die Unterscheidung zwischen διαιτηταί und δικασταί etwa ist ein Phänomen des attischen Prozesses174. Die Prozessstrafe des Anderthalbfachen bzw. der Hälfte finden wir in den anderen − in dieser Hinsicht freilich auch nicht allzu reichlichen − Quellen nicht. Für die Zeit Platons ist uns im Prozessrecht Athens als Strafe für den unterlegenen Kläger nur die ἐπωβελία belegt: Für jede eingeklagte Drachme zahlt er einen Obolos, also ein Sechstel 175 . Das heißt nicht, dass Platon sich mit den wechselseitigen Bußen eines Fünftels und der Hälfte von jeder Rechtswirklichkeit lösen müsste. Seine Prozessstrafen können außerathenisches oder früheres athenisches Recht wiedergeben176. Die maximale drohende Buße ist jedenfalls das Anderthalbfache. Nach 767e hat der vor dem obersten Gericht unterlegene Beklagte τοῦ βλάβου̋ τῷ βλαφθέντι τὸ ἥ™ισυ τίνειν „die Hälfte des Schadens dem Geschädigten zu zahlen“. Mit τίνειν ist sicher die Zahlung einer (zusätzlichen) Buße gemeint177. Die Verurteilung geht also auch nach dieser Stelle auf das Anderthalbfache; vom Unterliegen des Klägers ist dort keine Rede. ___________________________

173 Steinwenter, Streitbeendigung 77 Anm. 1 mit Literatur; Morrow, Plato's Cretan City 274 ff. Zur Vorsicht mahnen Pringsheim, Greek Law of Sale 40; Todd, Shape of Athenian Law 40. 174 S. nur Morrow, Plato's Cretan City 256 f. 175 Harrison, Law of Athens II 183-185 mit Quellen (Isocr., Dem., Aesch.). 176 Für „Anregung“ aus dem attischen Recht Schöpsdau, Nomoi 564 mit Literatur und Hinweis auf die Besonderheit einer Bestrafung auch des Beklagten bei Platon. Lediglich erwähnt sei das viel später zu beobachtende Phänomen, dass im Fall der Appellation Bußgelder hinterlegt werden. Für das zweite nachchristliche Jahrhundert belegt dies der Brief Mark Aurels an die Athener (fr. E Z. 48/49; ed. C. P. Jones, ZPE 8 (1971) 175 = Oliver, Greek Constitutions Nr. 184 Plaque II): Nach erfolgreicher Appellation werden die ἐγγύαι τῶν ἐκκλήτων δικῶν zurückgegeben. Von einer sponsio tertiae zur Sanktionierung mutwilligen Appellierens in pecuniariis causis berichtet PS. 5,33,8; s. Kaser/Hackl, Zivilprozeßrecht 508 Anm. 68; zur Praxis der Prozesskautionen im ptolemäischen Ägypten s. nur P. Lille 28 mit weiteren Nachweisen im Kommentar. 177 Das Gericht kann dem Kläger nicht die Hälfte des Schadens belassen. Es geht also nicht um den „Ersatz“ des halben Schadens, so aber die Übersetzungen von Schleiermacher und Rufener, oben Anm. 172.

Griechisches Recht im prätorischen Edikt?

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2. ὁ™ολογεῖν, συντιθέναι und ™ὴ ποιεῖν − „erklären“, „festsetzen“ und „nicht tun“ als griechischer Verurteilungstatbestand Ein „Instanzenzug“ begegnet in den Nomoi bereits bei der Darstellung von Streitigkeiten über Vertragsverletzungen, nämlich die Nichteinhaltung von Homologien („Erklärungen“/„Geständnissen“). Darin kann ein Rekurs auf die anderweitig belegte athenische Homologie-Gesetzgebung gesehen werden178: Plat. Lg. 920d Ὅσα τι̋ ἂν ὁ™ολογῶν συνθέσθαι ™ὴ ποιῇ κατὰ τὰ̋ ὁ™ολογία̋, πλὴν ὧν ἂν νό™οι ἀπείργωσιν ἢ ψήφισ™α, ἤ τινο̋ ὑπὸ ἀδίκου βιασθεὶ̋ ἀνάγκη̋ ὁ™ολο5 γήσῃ, καὶ ἐὰν ἀπὸ τύχη̋ ἀπροσδοκή5 του τι̋ ἄκων κωλυθῇ, δίκα̋ εἶναι τῶν ἄλλων ἀτελοῦ̋ ὁ™ο5 λογία̋ ἐν ταῖ̋ φυλετικαῖσιν δίκαι̋, ἐὰν ἐν διαιτηταῖ̋ ἢ γείτοσιν ἔ™προσ5 θεν ™ὴ δύνωνται διαλλάττεσθαι.

„Wenn jemand erklärt („homologiert“) festzusetzen und nicht entsprechend der Erklärung („Homologie“) tut, sollen, soweit es ihm nicht die Gesetze oder ein Beschluss der Volksversammlung verbieten oder er es unter rechtswidrigem Zwang versprochen hat oder er durch ein zufälliges Ereignis gegen seinen Willen abgehalten wird, in den anderen Fällen also Klagen wegen Nichterfüllung bei den Phylengerichten stattfinden, wenn die Parteien sich nicht vor den Schiedsleuten („Diaiteten“) oder den Nachbarn zuvor vergleichen können.“

Mit den „Phylengerichten“ meint Platon hier offenbar die Gerichte der dritten Stufe, die „ausgelosten Richter“ im Sinne von 956d. Auch dort muss die beschriebene Prozessstrafe Anwendung finden. Auch die Haftung aus Vertragsbzw. Homologieverletzung, die durch die Aburteilung vor diesem Gerichtshof vollstreckungsreif wird, beläuft sich demnach in Platons Rechtsordnung auf das Anderthalbfache. Der Tatbestand des ὁ™ολογεῖν ist in 920d nicht als prozessuale oder außerprozessuale Erklärung gekennzeichnet; dies gilt nicht nur für unsere Platon-Stelle, sondern auch für die anderen Hinweise auf die Gesetzgebung zur Homologie179. Bemerkenswert ist der Zusammenstand von ὁ™ολογεῖν und συντιθέναι bzw. συνθέσθαι: Der Tatbestand des Gesetzes spricht von der „Erklärung, festzusetzen“ bzw. „Erklärung, festgesetzt zu haben“. Bisweilen wird der Ausdruck als „Versprechen, zu leisten“, also: „Versprechen, leisten zu werden“ übersetzt 180. Dies entspricht weder dem Aorist συνθέσθαι, noch finden sich sichere andere Belege für das Wort in der Bedeutung „leisten“. Dass ihm in einigen Papyri aus ptolemäischer Zeit die Bedeutung „liefern“ zugesprochen wird181, ergibt im dor___________________________

178 Lipsius, Attisches Recht 663; Pringsheim, Greek Law of Sale 35; 51 mit dem Bedenken, ob Platon mit der allgemeinen Klagbarkeit der Homologie nicht seiner Zeit voraus war; von Soden, Homologie 8; weitere Literatur bei Schöpsdau, Nomoi 478. 179 Aufgeführt bei Pringsheim, Greek Law of Sale 35. 180 Rufener: „in den Fällen, wo jemand etwas zu leisten verspricht“; Schöpsdau/Müller: „Verpflichtungen vertraglich eingehen.“ 181 Belege in LSJ s. v. συντίθη™ι.

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Pecunia constituta im prätorischen Edikt

tigen Zusammenhang einen guten Sinn, lässt sich aber nicht beweisen. Eher scheint ὁ™ολογεῖν den äußeren Tatbestand der Erklärung zu meinen, συνθέσθαι deren Inhalt: die Vereinbarung oder Zusage; mitunter erscheinen die Begriffe schlicht gehäuft182. Die Wortbildung συν5τιθέναι aber entspricht con-stituere183; τιθέναι liegt bedeutungsmäßig eng bei statuere184. Bemerkenswert ist auch die strukturelle Übereinstimmung des platonischen Gesetzes mit dem prätorischen Edikt de pecunia constituta, insbesondere mit der Gestaltung der actio in factum: Hier muss der Beklagte „festgesetzt haben“ und darf „nicht getan haben, was er festgesetzt hat“ (constituisse neque fecisse quod constituit); dort muss er eine „Festsetzung erklärt haben“ und darf „nicht getan haben, was er erklärt hat“. Hier wie dort riskieren die Parteien mit dem Prozess die hälftige Buße. Bereits an dieser Stelle sei dabei der folgende Gedanke festgehalten: In lateinischen Urkunden, die strukturell mit den griechischen Homologie-Urkunden übereinstimmen185 steht an der Stelle von ὁ™ολογῶ/ὁ™ολογεῖ: fateor/fatetur, dixi/ dixit, scripsi/scripsit; ὁ™ολογῶ ἐσχηκέναι etc. − „Ich anerkenne/erkläre erhalten ___________________________

182 Plat. Cri. 52d: ... παρὰ τὰ̋ συνθήκα̋ τε καὶ τὰ̋ ὁ™ολογία̋ καθ' ἅ̋ ἡ™ῖν συνέθου πολιτεύεσθαι − „... gegen die Festlegungen/Verträge und die Erklärungen, nach denen du uns festgesetzt/versprochen hast, als Bürger zu leben.“; ebd. 54c: τὰ̋ σαυτοῦ ὁ™ολογία̋ τε καὶ συνθήκα̋ τὰ̋ πρὸ̋ ἡ™ᾶ̋ παραβὰ̋ − „indem du gegen deine Erklärungen und Festsetzungen uns gegenüber verstößt“. Die freie Übersetzung von Lg. 920d bei Schöpsdau, Nomoi 108: „Was die Fälle betrifft, in denen jemand seine Zustimmung zu einer Vereinbarung gibt“, entspricht diesen Belegen nicht. In Dem. 48,54 findet sich ἅ ™ὲν ὡ™ολόγησε καὶ συνέθετο; dazu Pringsheim, Greek Law of Sale 38; 39 Anm. 2. Man vergleiche damit auch die Anhäufung verbindlicher Erklärungen in D. 16,3,26,1 (Paul. 4 resp.): '... καὶ πάντα ποιήσω καὶ συ™φωνῶ καὶ ὡ™ολόγησα ὡ̋ προγέγραπται καὶ συνεθέ™ην χορηγῆσαι σοι τόκον ...' − „und ich werde alles tun und ich stimme zu und ich habe anerkannt/erklärt, wie oben geschrieben steht, und ich habe festgesetzt, dass ich dir Zins leisten werde“; zur Stelle sogleich Anm. 186. 183 Wie δια5γράφεσθαι und per-scribere: Mitteis, Trapezitika 213 ff.; jetzt Martini, Perscriptio e diagraphè; ἀνα5δέχεσθαι und re-cipere: Partsch, Ediktaler Garantievertrag 417; παρα(κατα)-θήκη und de-positum: Kübler, Griechische Tatbestände 190; κατα5 γράφεσθαι und trans-scribere: Frezza, Istituti Ellenistici nei testi del Corpus iuris civilis 209-224; ὁ™ο-λογεῖν und con-fiteri; vgl. dazu etwa P. Vindob. L 135 (Alexandria, 25.8.27 n. Chr.), Z. 3-7: Fateor me tibei debere dr(achmas) Aug(ustas) et Pt(olemaicas) ducentas quas tibi solvam stipendio proxumo ..., dazu unten S. 250; ferner aus eigener Anschauung: παρα-γράφεσθαι und ad-scribere: Platschek, Cic. fam. 179-183; χεῖρα̋ συν5άπτειν und manum con-serere, s. Platschek, Ex iure manum conserere 245-260; zu den griechischen Parallelen zum (und Einflüssen auf das) Zwölftafelrecht s. nur Wieacker, Rechtsgeschichte I 300-302. 184 TGL s. v. συντίθη™ι Sp. 1475 f. Exakt entspräche συντίθη™ι wohl compono, συνίσ5 τη™ι constituo: TGL s. v. συντίθη™ι Sp. 1472; s. v. συνίστη™ι Sp. 1404. 185 S. schon oben S. 3 f.

Griechisches Recht im prätorischen Edikt?

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zu haben“ ist scripsi me accepisse; ὁ™ολογῶ συνθέσθαι aber wäre *scripsi me constituere/constituisse186. 3. Die ἡ™ιολία als Vertragsstrafe Was die Strafe des Anderthalbfachen betrifft, so führt sie zu einer uns belegten griechischen Vertragspraxis. Denn die Bußleistung (ἀποτίνειν) der ἡ™ιολία verfällt nach griechischen Urkunden regelmäßig dann zulasten des Darlehensschuldners, wenn er zum festgelegten Termin nicht zurückzahlt. Die ἡ™ιολία ist die hellenistische Vertragsstrafe schlechthin 187 . Das ptolemäische Ägypten liefert zahlreiche Belege188. Ein Beispiel sei ausgeführt: P. Mich. III 190 (172 v. Chr.), Z. 22-27 ... ἐὰν δὲ / ™ὴ ἀποδῶι, ἀποτεισάτω τὸ ™ὲν δά(νειον) ἡ™ιόλι[ο]ν / τὸν δὲ τό5 κον ἁπλοῦν καὶ ἡ πρᾶξι̋ ἔστω Ἀρισ5 το5/κλεῖ (l. Θεοκλεῖ) πράσσ[ο]ν[τι] Ἀριστοκλὴν ἢ τὴν ἔγγυον αὐτ[ο]ῦ / καὶ παρ' ἑνὸ̋ α[ὐ]τῶν οὗ ἂν αἱρῆται

„... Wenn er nicht zurückzahlt, soll er als Strafe zahlen das anderthalbfache Darlehen, den Zins aber einfach, und die Vollstreckung soll Aristokles (lies: Theokles) zustehen, indem er gegen Aristokles vollstreckt oder gegen dessen Bürgen oder gegen jemanden, der zu einem von

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186 Die Erklärung eines Schuldners συνεθέ™ην χορηγῆσαί σοι τόκον ... über die Zahlung von Strafzinsen bezeichnet Paulus in D. 16,3,26,1 (4 resp.) nach dem überlieferten Text als conventio. Mommsen/Krüger, Ed. ster. übersetzen: „... et conveni praestare tibi usuras.“ Convenire lässt sich so nicht gebrauchen; der Einseitigkeit der Zusage entspricht vielmehr wörtlich constitui me tibi usuras praestaturum. Der Sache nach handelt es sich für den Römer freilich um ein pactum; zur Stelle Kübler, Griechische Tatbestände 190. Ins Griechische übersetzt erscheint umgekehrt das constitutum debiti als σύστασι̋ (freilich Derivat von συνίστη™ι) χρη™άτων − „constitutio pecuniae“ in der Rubrik von B. 26,3 (A IV 1261 Sch.; III 108 Hb.); die Byzantiner verwenden zur Bezeichnung von constituere und constitutum ansonsten durchgehend ἀντιφωνεῖν/ἀντιφώνησι̋ – „antworten“/„Antwort“. Zu συντίθεσθαι in der attischen Rechtssprache s. Kußmaul, Synthekai 15 f. mit Anm. 3. Auch συντίθεσθαι begegnet sowohl mit dem Infinitiv Futur und dem Dativ („versprechen“; entspr. constituere se soluturum) als auch mit einem Akkusativobjekt: ναῦλον/™ισθόν τινι συντίθεσθαι (z. B. Plat. Grg. 520c; entspr. pecuniam constituere), vgl. oben S. 16. 187 S. nur die Belege bei Mitteis, Reichsrecht und Volksrecht 511 f.; weder beschränkt sie sich auf Ägypten (wo sie in den Papyri vielfach belegt ist), noch lässt sich eine Übernahme aus Ägypten wahrscheinlich machen, s. auch unten Anm. 201. 188 Berger, Strafklauseln 14 ff.; Wolff, Juristische Papyruskunde 128; Seidl, Ptolemäische Rechtsgeschichte 163; Belege bei Rupprecht, Darlehen 94 Anm. 27; 99 Anm. 55; 100 Anm. 56. Seitdem − ohne Anspruch auf Vollständigkeit − BGU X 1961 (213/212 v. Chr.); 1968 (184 v. Chr.); 1971 (2. Jh. v. Chr.); XIV 2398 (213/212 v. Chr.); 2399 (212/211 v. Chr.); P. Cair. Zen. IV 59668 (3. Jh. v. Chr.); P. Col. III 54 (250 v. Chr.); P. Heid. VI 383 (209 v. Chr.); P. Köln V 218 (215/214 v. Chr.); 220 (208/191 v. Chr.); P. Lond. VII 1986 (252 v. Chr.); SB XII 11059 (244 v. Chr.); XIV 11375 (211/210 v. Chr.); 11659 (256 v. Chr.); 11660 (255 v. Chr.); XVI 12372 (161 v. Chr.); XVIII 13255 (231 v. Chr.).

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Pecunia constituta im prätorischen Edikt

καὶ παρ' ἀ™φο5/τέρων καθάπερ ἐγ δίκη̋. ...

ihnen gehört, wenn er ihn antrifft, oder gegen jemanden, der zu beiden gehört, wie aus einem Urteil. ...“

Die ἡ™ιολία verfällt bei Nichtleistung zum Termin. Auch danach kann sich der Gläubiger mit der Rückzahlung des Darlehens zufrieden geben. Die ἡ™ιολία ersetzt nicht die Darlehensschuld189. Die Schuld ist aber auch Bemessungsgrundlage für den möglichen Haftungsumfang bei Vertragsverletzung. Belangt ein Vertragsgläubiger seinen Schuldner wegen Pflichtverletzung, so steht dafür grundsätzlich nur die Schädigungsklage (unklass. δίκη βλάβη̋) zur Verfügung. Ihre Urteilssumme (τί™η™α) wird, wenn die Pflichtverletzung in der Nichterfüllung des Vertrags besteht, die vertragliche Leistung höhenmäßig umfassen. Doch handelt es sich nicht um eine Klage auf Erfüllung; vielmehr wird die Nichterfüllung sanktioniert. Nimmt man die Schätzung des τί™η™α bereits im „Vertrag“ vorweg − der daraus entspringende Prozess wird dadurch ἀτί™ητο̋ – „unschätzbar“190 – , gelangt man zu einer „Vertragsstrafe“. Soweit eine Strafklausel für den Fall der Nichtleistung in den Vertrag aufgenommen wird, werden die Haftungsfolgen der Verletzung nicht der Feststellung eines Richters überlassen, sondern von den Parteien vorweggenommen: Der Gläubiger erhält den vollstreckenden Zugriff (πράξι̋) auf die ἡ™ιολία „wie aus einer Verurteilung“ des Schuldners (καθάπερ ἐκ δίκη̋). Vertraglich geschuldet wird stets nur die Rückzahlung (ἀποδιδόναι) des Darlehens. Gehaftet wird jedoch auf die ἡ™ιολία 191. Sie betrifft den Umfang der antizipierten Verurteilung. Im Fall der Nichtleistung wird der Schuldner sofort so behandelt, als habe er einer Klage widersprochen und wäre im Urteil mit einer Buße, womöglich der gesetzlichen (Höchst-) Buße, belegt worden. Dies soll bereits vertraglich den Leistungsdruck auf den Schuldner aufbauen, der sonst durch den drohenden Prozess entsteht. Bei diesem Erklärungsmodell lässt sich von einer Integration des prozessualen Phänomens in das Rechtsgeschäft sprechen. 4. ἡ™ιολία und Gläubigerinteresse Schon in ptolemäischer Zeit, gehäuft seit der Mitte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts begegnen in Ägypten Papyrusurkunden, in denen ein Zahlungstermin und für den Fall der Nichterfüllung neben der ἡ™ιολία Verzugszinsen

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189 Rupprecht, Darlehen 109 f. 190 Wolff, Art. „Griechisches Recht“ B [5] e (Sp. 2520 f.). 191 S. schon oben bei Anm. 189; Wolff, Praxis-Provision 426; ders., Art. „Griechisches Recht“ F [1] (Sp. 2526); Knütel, Stipulatio poenae 5 f. mit weiterer Literatur.

Griechisches Recht im prätorischen Edikt?

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(τόκοι), die Zahlung „des Schadens“ (βλάβο̋) oder „der Schäden und der Aufwendungen“ (βλάβη καὶ δαπανή™ατα) festgelegt werden192, zum Beispiel: P. Leid. I O (= UPZ I 125) recto, scriptura exterior Z. 8-28 (89 v. Chr.) (ohne die minimalen Ergänzungen und Auflösungen) ἐδάνεισεν Κονοῦφι̋ ... Πετει™ούθηι „Es hat zum Darlehen gegeben Konuphis ... ... ἀργυρίου ἐπισή™ου Πτολε™αικοῦ dem Peteimuthes ... an geprägtem Silber in νο™ίσ™ατο̋ δραχ™ὰ̋ δέκα δύο ἀτό5 Ptolemäischer Münze zwölf Drachmen ohne κου̋ εἰ̋ ™ῆνα̋ δέκα ἀπὸ Θῶυθ τοῦ Zinsen auf zehn Monate vom Toyth des ἕκτου καὶ εἰκοστου ἔτου̋. ... sechsundzwanzigsten Jahres an ... ἀποδότω δὲ Πετει™ούθη̋ Κονούφει τὸ Es soll zurückzahlen Peteimuthes an Konuphis δάνειον ... ἕω̋ Παῦνι τριακάδο̋ τοῦ das Darlehen ... bis zum dreißigsten Pauni des ἕκτου καὶ εἰκοστοῦ ἔτου̋. sechsundzwanzigsten Jahres. ἐὰν δὲ ™ὴ ἀποδῶι καθότι γέγραπται, Wenn er nicht zurückzahlt, wie geschrieben ἀποτεισάτω Πετει™ούθη̋ Κονούφει steht, soll Peteimuthes dem Konuphis sofort τὸ ™ὲν δάνειον ἡ™ιόλιον παραχρῆ™α das anderthalbfache Darlehen zahlen καὶ τοῦ ὑπερπεσόντο̋ χρόνου τοὺ̋ und für die Verzugszeit Zinsen, ... τόκου̋ ... καὶ τὸ βλάβο̋ ... und den Schaden ... καὶ ἡ πρᾶξι̋ ἔστω Κονούφει ... πράσ5 und die Vollstreckung soll Konuphis zustehen σοντι καθάπερ ἐγ δίκη̋ ... ... indem er vollstreckt wie aus einem Urteil.“

Damit wird eine Verurteilung des Schuldners zum Anderthalbfachen und zum Ersatz des Interesses antizipiert. Die ἡ™ιολία ist reine Buße, neben der bereits die Vorstellung des reinen Schadensersatzes entwickelt ist193. Eine Parallele für das Phänomen des antizipierten Urteils lässt sich im Recht der Verwahrung (παρα[κατα]θήκη) erkennen: Unter Bezugnahme auf den νό™ο̋ τῶν παραθηκῶν, das „Recht der Verwahrungen“, ist in mehreren Urkunden von der Wende vom ersten zum zweiten Jahrhundert n. Chr. die Strafe des Doppelten (διπλοῦν) für den Fall fehlender Rückgabe des verwahrten Guts angeordnet. Dies entspricht sowohl einer griechischen Rechtstradition194 als auch älteren römischen Vorstellungen von der Haftung des Verwahrers: Das Zwölftafelrecht sah gegen ihn eine Klage auf das duplum vor195. Das Edikt des Prätors kennt die Klage auf das duplum nur noch für den besonders schwerwiegenden Vertrauensbruch bei der Notverwahrung; ansonsten geht die actio depositi auf das simplum. Dass das Doppelte im Normalfall der Verwahrung römischen Rechtsvorstellungen also längst nicht mehr entspricht, wird als Ursache für das Verschwinden des διπλοῦν aus den Papyri des romanisierten Ägypten angesehen196. ___________________________

192 S. Preisigke, Wörterbuch I s. v. δαπάνη™α; Berger, Strafklauseln 26; Wolff, Juristische Papyruskunde 129. 193 Wolff, Juristische Papyruskunde 128 f. 194 Belege bei Roth, Untersuchungen zur Kredit-παραθήκη 75. 195 Coll. 10,7,11; dazu jetzt Walter, Funktionen der actio depositi 324 mit Literatur in Anm. 623. 196 Roth, Untersuchungen zur Kredit-παραθήκη 82.

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5. ἡ™ιολία und sponsio dimidiae partis „Im römischen Rechtsleben spielt das Anderthalbfache in classischer Zeit keine Rolle“,

konstatiert Ludwig Mitteis197, bevor er die sponsio dimidiae partis als den einzigen Fall eines entsprechenden Strafzuschlags erwähnt. Ein Zusammenhang zwischen der Vertragsstrafe der ἡ™ιολία und der sponsio dimidiae partis wurde bereits vermutet 198 , aber auch − gerade von Mitteis – entschieden zurückgewiesen: „Ausländische Einflüsse“ auf die sponsio dimidiae partis seien ganz unwahrscheinlich 199 . Um daran aber mit einem anderen Zitat desselben Ludwig Mitteis (aus anderem Zusammenhang) anzuschließen, das wir dieser Untersuchung vorangestellt haben: „Prinzipiell anders steht die Sache für denjenigen, der an der ebenso biederen als bequemen Tradition von dem rein autochthonen Charakter der römischen Rechtsentwickelung irre geworden ist ...“200

Tatsächlich ist nämlich gerade das Rechtsgeschäft der sponsio besonders römisch; dass „der Prätor hier dem ägyptischen Recht gefolgt“ wäre, lässt sich (hier wie andernorts) ebenso sicher ausschließen201. Mit „ägyptischem Recht“ hat aber jedenfalls die Prozessstrafe bei Platon nichts zu tun, die − bei allen Vorbehalten gegen die Beweiskraft der Nomoi – griechischen Rechtsvorstellungen entspricht. Die Verwandtschaft von sponsio dimidiae partis und ἡ™ιολία besteht nicht erst über die Vertragsstrafe der Darlehensurkunden, sondern schon über das ihr zugrundeliegende Verfahrensrecht202. ___________________________

197 Reichsrecht und Volksrecht 513. 198 Revillout, Les obligations en droit égyptien LVI; Berger, Strafklauseln 25 Anm. 1; Cuq, Art. „Usurae“ 610; ders., Manuel 512 Anm. 1; Visky, Hemiolia 341; referierend Ricart Martí, „Constitutum debiti“ 706 Anm. 51. 199 Mitteis, Reichsrecht und Volksrecht 513; missverstanden von Visky, Hemiolia 341 mit Anm. 22; Philippin, Pacte de constitut 25 f. 200 Mitteis, Romanistische Papyrussudien 297. 201 Gegen die These Revillouts (oben Anm. 198) Mitteis, Reichsrecht und Volksrecht 513 f.; grundsätzlich Wieacker, Rechtsgeschichte I 299 mit Anm. 71. 202 Dass das Anderthalbfache bereits in pharaonischer Zeit (und in griechischen Urkunden der Ptolemäerzeit) als regulärer Aufschlag auf Getreidedarlehen begegnet (dazu Lewis, Meaning of σὺν ἡ™ιολίᾳ), der die Funktion von Vertragszinsen hat, ist vom gleichnamigen Phänomen der (griechischen) Vertragsstrafe fernzuhalten: Wolff, Recht der griechischen Papyri I 92; s. auch oben Anm. 187. Wenn Seidl, Getreidedarlehen 302 f. und Markiewicz, Heqanakhte 125 ff. den Ursprung des „Hemiolion“ im ägyptischen Recht sehen, so wird man das – schon angesichts der Belege oben Anm. 187 – auf die Verzinsung von Getreidedarlehen beschränken müssen; dass die Strafe des Anderthalbfachen in einem demotischen Gelddarlehen von 342 v. Chr. begegnet (P. Berlin 23805; Serapis 6 [1980] 241-244; Markiewicz a. a. O. 125) begegnet, kann seinerseits auf Rezeption aus der griechischen Geschäftspraxis zurückgehen (immerhin erscheint die Darlehenssumme auch als griechischer Stater).

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Ein deutlicher Unterschied der Phänomene lässt sich freilich darin beobachten, dass die Strafe des Anderthalbfachen bei Platon gesetzlich angeordnet ist, im römischen Recht aber erst eine vertragliche Grundlage in den wechselseitigen Sponsionen finden muss. Zwar ist die tertia pars bei der actio certa credita pecunia 'legitima pars' (Cic. Q. Rosc. 10, oben S. 45), also offenbar gesetzlich vorgesehen − man vermutet die lex Silia oder die lex Aebutia als Grundlage203 − und jedenfalls der Höhe nach geregelt; zwar erscheint die sponsio bei der entsprechenden Klage in der lex Rubria204. Die Beidseitigkeit des Prozessrisikos, auf deren Umsetzung in seiner Rechtsordnung Platon nicht eingeht, erreicht das römische Recht aber durch den Austausch von sponsio und restipulatio. Es wählt hier nicht das Modell der gesetzlichen Litiskreszenz, das bei anderen Klagen automatisch etwa zur Verdoppelung der Urteilssumme führt, sondern überlässt die Bestrafung den Parteien, auf die es lediglich mit indirektem Zwang, insbesondere über die Indefensionsfolgen, einwirkt. Derartiges kennzeichnet aber gerade die Regulative des Prätors205. Dass der römische Prätor, genauer: der für Rechtsstreitigkeiten unter und mit Fremden zuständige praetor peregrinus eine Haftung für nicht termingerechte Rückzahlung eines Darlehens, die er in der hellenistischen Umwelt vorfand und die unweigerlich den Rechtsverkehr von Römern mit Peregrinen beeinflussen musste, anerkannte, dafür Rechtsschutz verhieß und dabei sogar die Buße der ἡ™ιολία in der Funktion eines Druckzuschlags zur Prozessvermeidung (und insofern zur anstandslosen Zahlung oder zum vollstreckungseröffnenden Anerkenntnis), aber in der Form der „desintegrierten“ Prozessstrafe berücksichtigte,

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203 Für die lex Silia (und damit für Anwendung der sponsio tertiae partis bereits auf die legis actio per condictionem) etwa Savigny, System V 611; Greenidge, Legal Procedure 199; Kaser, Altrömisches Ius 284; ders., Lex Aebutia 44; La Rosa, Formalismo del pretore 213; Buzzacchi, Abuso del processo 97; zur lex Silia Gai. 4,19; zur Datierung zwischen der Mitte des dritten und der des zweiten Jahrhunderts v. Chr. s. Literatur bei Kaser/Hackl, Zivilprozeßrecht 111 Anm. 4); für die lex Aebutia (und damit für Anwendung der sponsio tertiae partis erst auf die actio certae creditae pecuniae im Formularverfahren) Eisele, Abhandlungen 81; Behrends, Zwölftafelprozeß 111 (mit Hinweis auf Kaser, lex Aebutia [dort S. 44 Anm. 3 Zitat Eiseles], aber ohne Hinweis auf Eisele); zu deren Datierung in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts Behrends a. a. O. 109 mit Anm. 426; zur Idee der Übertragung des Formularverfahrens bei der actio certae creditae pecuniae aus der Fremdengerichtsbarkeit in das Verfahren vor dem praetor urbanus durch die lex Aebutia s. Kaser, 'Ius honorarium' und 'ius civile' 48-53; ders., Ius gentium 154 f.; ders./Hackl, Zivilprozeßrecht 159 Anm. 60. 204 L. Rubr. c. XXI: sponsione iudiciove se defendere. 205 Zur erzwungenen Stipulation als prätorischem „Hilfsmittel“ s. etwa Jakab, Praedicere und cavere 276 ff.

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ist angesichts all dessen nicht unwahrscheinlich206. Fremden gegen Römer nach peregrinen Vorstellungen möglichst weitgehenden Rechtsschutz zu gewähren, fördert die internationale Attraktivität des Handelsplatzes. Dass das römische Recht später das Verkehrsrecht des gesamten Mittelmeerraums beeinflusste, steht außer Frage; jedenfalls für eine Zeit vor dem ersten Jahrhundert v. Chr., in der wir die Schaffung der actio de pecunia constituta verorten müssen, dürfen wir aber auch und gerade die umgekehrte Tendenz vermuten. Nicht nur ist das alte römische Recht ein Mittelmeerrecht; die Öffnung Roms für den Handel modernisiert und hellenisiert fortlaufend auch sein Recht. Die Einrichtung der Fremdenprätur durch die lex Plaetoria de iurisdictione datiert man auf die Mitte des dritten vorchristlichen Jahrhunderts207. Man schreibt diesem rechtsgeschichtlichen Ereignis massive Impulse auf die römische Rechtsentwicklung zu, insbesondere auf die Übernahme des Formularverfahrens im Bereich des Geldkredits in die Rechtsprechung des praetor urbanus208, die Etablierung der bonae fidei iudicia und der Konsensualobligationen, die Eingang in das ius civile fanden209. Aus der Rechtsprechung des Fremdenprätors kann der praetor urbanus die actio de pecunia constituta übernommen haben. Ziele, die unter Römern bislang nur durch Abschluss von Stipulationen erreichbar waren, können nun auf anderem Wege auch formlos verfolgt werden, ohne dass dadurch das Institut der stipulatio überflüssig würde; denn eine Vertragsstrafe kann durch constitutum nicht vereinbart werden210. Die Strafstipulation ist die handfestere und bleibt für die römische Kautelarpraxis die attraktivere Alternative. Aus der prätorischen Rechtsprechung könnte man ebenso die verminderte sponsio dimidiae partis für die actio certae creditae pecuniae als sponsio legitimae partis in das ius civile, nämlich das Gesetzesrecht übertragen haben211. Nicht die sponsio tertiae partis wäre dann bei einer „Nachbildung“ der actio certae creditae pecuniae zur sponsio dimidiae partis erhöht worden, sondern die effektive, ___________________________

206 Dass das constitutum als „formlose Haftungsübernahme vom hellenistisch beeinflußten Bankverkehr angeregt“ worden sei, vermutet Kaser, Privatrecht I 584. Die besondere Sanktionierung der besonders zugesagten Rückzahlung ist freilich nicht nur ein Bedürfnis des Bankverkehrs: Die Papyrusdokumente, die entsprechende Elemente aufweisen, sind viel zu breit gestreut, als dass man in ihnen typische Erklärungen des Bankverkehrs erkennen dürfte. 207 Um 242 v. Chr.; Wieacker, Rechtsgeschichte I 438 mit Literatur in Anm. 3; Kaser/Hackl, Zivilprozeßrecht 172 Anm. 2 mit Literatur. 208 Zu Thesen einer derartigen Übernahme im Rahmen der lex Aebutia s. oben Anm. 203. 209 S. nur Kaser/Hackl, Zivilprozeßrecht 156 mit Literatur in Anm. 39. 210 D. 13,5,24 (Marc. sing. resp.), s. oben S. 7. 211 Zu der damit jedenfalls vereinbarenden Datierung der leges Silia und Aebutia s. oben Anm. 203.

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aber allzu harte sponsio dimidiae partis bei der Anwendung auf die actio certae creditae pecuniae, die keiner Berücksichtigung eines Gläubigerinteresses zugänglich ist, reduziert. Die actio de pecunia constituta würde dann einer Zeit zwischen der Errichtung der Fremdenprätur und der lex Aebutia angehören, mithin der zweiten Hälfte des dritten oder der ersten des zweiten Jahrhunderts v. Chr. Es ist dies ebenso wenig eine belastbare Datierung, wie die einzelnen Elemente unseres Modells zwingend sind. Doch ist die herrschende Ableitung der sponsio dimidiae partis aus der sponsio tertiae partis um nichts wahrscheinlicher; die weitergehende These von der actio de pecunia constituta als „Nachbildung der actio certae creditae pecuniae“ entspricht schlicht nicht dem Quellenbefund. 6. Exkurs: Die dimidia pars im („klassischen“) römischen Recht Was die Rezeption der ἡ™ιολία in das römische Recht betrifft, ist Mitteis' Aussage über das Fehlen des Anderthalbfachen „in classischer Zeit“212 ohnehin nicht ganz zutreffend. Auf der Tafel von Heraklea, einem Stadtgesetz (oder einer Materialsammlung dafür) aus der Mitte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts213, wird in Z. 20 eine Instandhaltungspflicht der Anlieger für öffentliche Straßen in der Stadt Rom angeordnet, die die Ädilen überwachen. Kommt ein Anlieger dieser Pflicht nicht innerhalb einer bestimmten Frist nach, hat der zuständige Ädil nach Z. 32-49 die Arbeiten öffentlich auszuschreiben, der Quästor hat sie dann im Wege der Versteigerung zu vergeben. Der Anlieger wird mit der Höhe der Vergütung, zu der der Unternehmer (redemptor) die Instandhaltung leistet, in tabula[s] publicas pecuniae factae − „in die öffentliche Buchführung über entstandene Geldforderungen (?)“214 aufgenommen (Z. 39/40)215. Er schuldet demnach dem Ärar eine bestimmte Geldsumme. Zur Leistung dieses Betrags wird er jedoch dem Unternehmer „zugeteilt“/„zugesprochen“ (adtributus):

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212 Aus viel späterer Zeit besitzen wir ein weiteres Dokument der poena dimidiae partis bzw. medietatis: Leistet der Schuldner nicht innerhalb von zwei Monaten nach seiner Verurteilung, hat er nach CTh. 4,19 (Grat./Valentin./Theodos., 380 n. Chr.) die doppelten Zinsen und das anderthalbfache Kapital (extrinsecus scilicet medietatem debiti) zu bezahlen 'sicut prius est constitutum'. Eine entsprechende frühere Kaiserkonstitution ist freilich nicht bekannt. Gegen den Interpolationsverdacht Billeters, Zinsfuß 286 s. Visky, Hemiolia 341; s. auch Mitteis, Reichsrecht und Volksrecht 514. 213 Literatur bei Rodríguez González, Manutenzione delle strade 397 f. Anm. 4. 214 Zur Bedeutung von pecunia facta s. Rodríguez González, Manutenzione delle strade 406 mit Literatur. 215 Nach Rodríguez González, Manutenzione delle strade 405 mit Anm. 24 handelt es sich dabei um die Begründung einer obligatio litteris.

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CIL I2 593 (= FIRA I 13, Z. 40-45) Ei [q]u[e]i eam viam tuemdam redemerit, tamtae pecuniae eum eos / ve adtribuito sine d(olo) m(alo). sei is quei adtributus erit eam pecuniam diebus XXX proxum[e]is quibus ipse aut pro/curator eius sciet adtributionem factam esse ei [q]uoi adtributus erit non solverit neque satis fecerit is / quamtae pecuniae adtributus erit tamtam pecuniam et eius dimidium ei quoi adtributus erit da[r]e debeto / inque eam r[e]m is quoquomque de ea re aditum erit iudicem iudiciumve ita dato utei de pecunia credita / [iudicem] iudicium{q}ve dari oportebit.

„Demjenigen, der die Instandhaltung der Straße vertraglich übernommen hat, soll man ihn oder sie über so viel Geld ohne Arglist zuteilen. Wenn der Zugeteilte dieses Geld nicht innerhalb von 30 Tagen, nachdem er selbst oder sein Geschäftsführer Kenntnis von der Vornahme der Zuteilung genommen hat, an denjenigen, zu dessen Gunsten die Zuteilung erfolgte, zahlt oder Genüge leistet, so muss er in der Höhe der Zuteilung so viel Geld und davon die Hälfte demjenigen geben, zu dessen Gunsten die Zuteilung erfolgte, und welcher Beamter auch immer in dieser Angelegenheit angegangen wird, der soll einen Richter und ein Urteilsgericht derart einsetzen, wie ein (Richter) oder ein Urteilsgericht über dargeliehenes Geld eingesetzt werden muss.“

Schuldner des Unternehmers ist die öffentliche Hand. Aufgrund der adtributio kann der Unternehmer jedoch auf den Anlieger zugreifen: Leistet dieser nicht innerhalb einer bestimmten Frist, verfällt eine Strafe auf die Hälfte des Betrags216 und es kann „wie wegen (certa) credita pecunia“ geklagt werden. Zwischen Anlieger und redemptor gibt es keine Obligation über certa credita pecunia. Eine entsprechende Forderung des Ärars gegen den Anlieger wird dem redemptor aber zur Einziehung überlassen 217 . Als Sanktion für die Nichtleistung dieser Geldschuld begegnet die dimidia pars. Sie ist Druckzuschlag zur Erzwingung zügiger Leistung, nicht anders als die ἡ™ιολία. Beim vadimonium verspricht eine Partei im Vorfeld eines Prozesses oder während des Verfahrens in iure in Stipulationsform ihre oder fremde Gestellung (sisti) an einem bestimmten Ort und für eine bestimmte Zeit218. Regelmäßig wird dies mit einem Strafversprechen für den Fall der Nichtgestellung verbunden (nisi steteris). Diese sogenannte poena vadimonii erörtert Gaius in 4,186: Et si quidem iudicati depensive agetur, tanti fit vadimonium, quanti ea res erit; si vero ex ceteris causis, quanti actor iuraverit non calumniae

„Zwar wird das vadimonium auf so viel abgeschlossen, wie der Streitgegenstand wert ist, wenn mit der Vollstreckungs- oder der Regressklage vorgegangen wird; wenn aber aus sonstigen Gründen

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216 Visky, Hemiolia 340 schreibt den hälftigen Zuschlag einem besonderen griechischen Einfluss in Heraklea zu. Man hätte dann freilich in einer stadtrömischen Vorschrift zwar den Namen der Stadt Rom (Z. 20) und die hauptstädtischen Beamten (Ädil und Quästor) stehen lassen, aber die Rechtsfolge der Nichtleistung des Anliegers gräzisiert. „Auf der Hand“ liegt dies nicht. 217 Kunkel/Wittmann, Staatsordnung 483 mit Anm. 39; Rodríguez González, Manutenzione delle strade 407-409. 218 Kaser/Hackl, Zivilprozeßrecht 226-231.

Griechisches Recht im prätorischen Edikt? causa postulare sibi vadimonium promitti: nec tamen [pluris quam partis dimidiae nec] pluribus quam sestertium C milibus fit vadimonium. itaque si centum milium res erit nec iudicati depensive agetur, non plus quam sestertium quinquaginta milium fit vadimonium.

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(geklagt wird), (geht es auf so viel,) wieviel der Kläger geschworen hat, dass er die Leistung eines vadimonium in dieser Höhe nicht mutwillig verlange. Und unabhängig davon wird das vadimonium nicht [auf mehr als die Hälfte und nicht] auf mehr als 100.000 Sesterze abgeschlossen. Wenn deshalb der Streitgegenstand 100.000 beträgt und nicht mit der Vollstreckungs- oder der Regressklage vorgegangen wird, dann wird das vadimonium nicht auf mehr als auf 50.000 Sesterze abgeschlossen.“

Die Ergänzung von [pluris quam partis dimidiae nec] ist inhaltlich zwingend, der Ausfall wohl durch Homoioarchon (pluris/pluribus) bedingt. Aus dem Beispiel einer Klage auf 100.000 Sesterze, für die keine Besonderheiten gelten und die deshalb zu einem vadimonium mit maximal 50.000 Sesterzen als poena führt, ergibt sich die im Text zuvor ausgefallene Regel, dass die poena relativ auf die Hälfte des Streitwerts beschränkt ist. Bei den actiones iudicati und expensi geht die Klage auf das duplum, das diesbezügliche vadimonium daher auf den einfachen Streitwert (die Hälfte des Doppelten). Versäumt der Schuldner den zugesagten Gestellungstermin, beeinträchtigt dies nicht die Hauptforderung. Der Gläubiger erhält daneben die actio certae creditae pecuniae auf die poena vadimonii. Der Schuldner, der die unter Zeitbestimmung vereinbarte Gestellung und damit die Mitwirkung an der Bereinigung des Verhältnisses nicht vollzieht, schuldet danach das Anderthalbfache. Seine Regeln über die Höhe der poena vadimonii muss Gaius aus dem Edikt des Prätors beziehen. Erwähnt sei, dass als − untechnischeres − Synonym für vadimonium des Öfteren 'constitutum' Verwendung findet219. ___________________________

219 Petron. 57,5: assem aerarium nemini debeo; constitutum habui numquam; nemo mihi in foro dixit 'redde quod debes' meint entgegen Roussier, Constitut 3; P. Costa, Pecunia constituta 146 f. (s. dort aber Anm. 80); OLD, s. v. constituo 1b ein Treffen vor Gericht oder im Vorfeld eines Prozesses, ganz wie etwa Cic. Cael. 20: se ne congressu quidem et constituto coepisse de tantis iniuriis experiri; Cic. Caecin. 33: qui ad constitutum („zum vereinbarten Treffen“) experiundi iuris gratia venissent. Cic. Att. 16,2,1: Erotem remisi citius quam constitueram („als ich vorhatte“, vgl. Att. 16,10,1: constitueram ut V Id. aut Aquini manerem aut in Arcano), ut esset qui Hordeonio et Oviae (Gläubiger Ciceros), quibus quidem ait se Idibus constituisse („sich verabredet hat“). Auch ein vadimonium wird „konstituiert“: Cic. Lael. 7. Vgl. auch die bei Bruns, Constitutum debiti 36 (und Astuti, Costituto di debito I 93) als „Colloquia scholastica II 3“ zitierten Hermeneumata Pseudodositheana Monacensia vom Ende des 3. Jh. n. Chr. (Goetz, Corpus Glossatorum Latinorum III 211 f.; 648): iudices enim diem nobis dederunt hodiernam sententiam dicturi. quare volo te praesente de causa cum advocatis tractare. Adhibuisti? Adhibui. Quos? Tuos amicos. Bene fecisti. Constituisti (synetaxo = συνετάξω)? circa quam horam? in quo loco? In foro, in porticu, iuxta stoam Victoriae ... sicut constituimus, adest Gaius.

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Pecunia constituta im prätorischen Edikt

Die poena vadimonii ist demnach prätorisch legitimierte Strafe für die Versäumnis − eines 'constitutum'! Die sponsio dimidiae partis lässt sich also in einen größeren Zusammenhang der Prozessstrafe und des Druckzuschlags einordnen, die in einer hellenistischen Umwelt Parallelen vorfindet. Dass man mit der ἡ™ιολία als Vertragsstrafe nach Auffassung der kaiserzeitlichen römischen Jurisprudenz 220 gegen gesetzliche Zinsbeschränkungen verstoßen hätte221, ist in diesem Zusammenhang kaum aussagekräftig222. Denn abgesehen davon, dass die Entstehungszeit unserer Klage unter Umständen andere Höchstzinssätze kennt, wird mit der sponsio nicht schon die Nichtleistung, sondern erst das erfolglose gerichtliche Bestreiten sanktioniert223. Zu Recht wurde immer wieder auf die Unterschiede zwischen griechischer Konventionalstrafe und römischer stipulatio poenae hingewiesen; Knütel hielt die Papyri aus diesem Grund seiner Untersuchung der stipulatio poenae fern224. In der actio de pecunia constituta und der sponsio dimidiae partis lässt sich die Wirkungsweise der ἡ™ιολία hingegen wiedererkennen. Die Abhängigkeit der actio de pecunia constituta als actio in factum samt sponsio dimidiae partis von einer griechischen Prozess- und Vertragspraxis ist ein Modell. Handfest ist der Einfluss griechischer Vorstellungen auf andere Phänomene des constitutum: Seine Formfreiheit, die bereits bestehende Schuld (pecunia debita) als Voraussetzung für seine Verbindlichkeit und der deliktische Charakter, der dem Tatbestand seiner Klage zugemessen wird225. ___________________________

220 Zum duplum: D. 22,1,9 pr. (Pap. 11 resp.); 22,1,44 (Mod. 10 pand.); 19,1,13,26 (Ulp. 32 ed./Pap. 3 resp.) = FV 11; cum poena quadrupli reddere: C. 4,32,15 (Gord.; 242 n. Chr.). 221 Philippin, Pacte de constitut 26. 222 Die (ältere und mittlere) römische Republik hatte andere Vorstellungen und Regelungen von Höchstzinssätzen, deren sichere Rekonstruktion uns kaum möglich ist. Die Darlehenszinsen des Zwölftafelrechts bezeichnen Tacitus und Livius als fenus unciarum, wohl monatlich ein Zwölftel bei zwölfmonatigem Jahr, also 100% p. a.; Mitte des 4. Jahrhunderts wurde der Höchstsatz auf das fenus semiunciarum, mithin 50% p. a. gesenkt. Die 12% p. a. der centesima usura kamen am Ende der Republik auf; s. Andreau, Art. „Zins“ II.B., in: DNP 12/2, Sp. 814. Wenn Philippin, Pacte de constitut 25 f. außerdem darauf pocht, dass die griechische ἡ™ιολία bereits Bestandteil der vertraglichen Vereinbarung ist, keiner Stipulation bedarf und gleichzeitig (offenbar im Gegensatz zur sponsio dimidiae partis) als Druckmittel und Zinsersatz dient, beschreibt er damit (vermeintliche) Unterschiede, bzw. unterschiedliche Interpretationen. Gegen einen Zusammenhang der Phänomene spricht nichts davon. 223 Angedeutet bei Koschaker, Rez. Astuti 470 f. 224 Knütel, Stipulatio poenae 23 mit Literatur in Anm. 20. 225 Philippin, Pacte de constitut 38-46 sieht die griechische Parallele zum constitutum im „δάνειον fictif“, worunter er ein rein konsensuales Darlehen versteht. Nicht nur ist diese Vorstellung dem griechischen Recht fremd − Verpflichtungsgrund ist die Aus-

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II. Formfreiheit des constitutum Die Erklärung des pecuniam constituere ist formfrei möglich, ein Element, das wir oben bereits als Kennzeichen des prätorischen Rechts, im Hinblick auf die strengen Formvorstellungen der alten römischen Rechtsakte, vor allem der stipulatio, als „unrömisches“ und „hellenistisches“ Phänom erwähnt haben226. Für das klassische Recht belegt die Formfreiheit D. 13,5,14,3 (27 ed.): Constituere autem et praesentes et absentes possumus, sicut pacisci, et per nuntium et per nosmet ipsos, et quibuscumque verbis.

„Festsetzen können aber wir als An- und Abwesende, gerade so wie bei den Abreden, sowohl durch Boten als auch höchstpersönlich und mit jedem beliebigen Wortlaut.“

Die alte These, das constitutum sei ursprünglich an die Verwendung des Wortes constituo unter Anwesenden gebunden gewesen227, fand in neuerer Zeit nicht nur Zustimmung, was die ausschließliche Verbindlichkeit von constituo betrifft, sondern wurde auch auf die Zeit der Juristenschriften ausgedehnt 228. Dementsprechend wird fr. 14,3 am Ende (quibuscumque verbis) zur byzantinischen Interpolation erklärt. Nicht nur störten die Worte den Zusammenhang: Im folgenden fr. 15 (Paul. 29 ed.) werde die Abgabe des constitutum durch eine dritte Person problematisiert, was in fr. 14,3 zu per nuntium, nicht aber zu quibuscumque verbis passe; gleichzeitig verrate die Formulierung die Abhängigkeit von ___________________________

zahlung des Darlehens; zur Gestaltung und Funktion der Urkunden, die sich bei fehlender tatsächlicher Auszahlung allenfalls als „fiktive Darlehen“, keinesfalls aber als „Konsensualkontrakte“ verstehen lassen, s. schon oben bei Anm. 5; Philippin scheint auch die Klausel der Klageformel eamque pecuniam cum constituebatur debitam fuisse gänzlich zu übersehen. Vielmehr spricht er (S. 42) beim constitutum von einem „acte ... abstrait, (que) permettait au débiteur de se défendre. Il rappelait un peu le mècanisme de la preuve dans la stipulation: celle-ci non plus n'était abstraite que parce qu'elle dispensait le créancier de toute preuve relative à la cause de sa créance ... Aussi dans le constitut figure la mention: qui pecuniam debitam constituit.“ Ein constitutum mag abstrakt formuliert sein, an der Beweislast für das Bestehen der Schuld ändert dies nichts: Sie trägt der Kläger. Dies entspricht der Lage bei der abstrakten stipulatio nicht einmal „un peu“, sondern ist gerade das Gegenmodell. Von einer „Abstraktheit“ des constitutum liest man immer wieder: Waelkens, Pecunia constituta 176 ff. Prägnant und richtig etwa Koschaker, Rez. Astuti 475: „mangelnde Abstraktheit“; zuletzt Ricart Martí, „Constitutum debiti“ 701. Zur Nutzbarkeit des constitutum für einen „fiktiven Realvertrag“ bei bereits bestehender Schuld s. aber unten S. 161 ff. 226 Insofern zutreffend Philippin, Pacte de constitut 42 (unter 2o); Kaser, Privatrecht I 584. 227 Kniep, Präscriptio und pactum 142 f.; Ferrini, Manuale di pandette 481; Perozzi, Istituzioni II 239; Arangio-Ruiz, Istituzioni 334; weitere bei La Rosa, Formalismo del pretore 204 Anm. 12 f. 228 La Rosa, Formalismo del pretore 205; neuerdings bestätigt in dies., „Adiectus solutionis causa“ e il „constitutum debiti“ 4.

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C. 8,37,10 (Leo, 472 n. Chr.) Omnes stipulationes, etiamsi non sollemnibus vel directis, sed quibuscumque verbis pro consensu contrahentium compositae sint, legibus cognitae suam habeant firmitatem.

„Alle Stipulationen, auch wenn sie nicht mit feierlichen [z. B. spondesne?] oder schlichten [z. B. dabis?], sondern mit beliebigen Worten abgeschlossen sind, die die Willensübereinstimmung der Vertragspartner zum Ausdruck bringen, sollen nach den Gesetzen anerkannt sein und Bestand haben.“

Da seit dieser Konstitution die Stipulation, „il negozio formale per antonomasia“ 229 , quibuscumque verbis abgeschlossen werden konnte, habe kein Grund mehr bestanden, am Wortformalismus des constitutum festzuhalten; man habe schlicht die Klausel quibuscumque verbis auf das constitutum übertragen. Mit fehlender Stringenz in der Abfolge von fr. 14,3 und 15 lässt sich kaum argumentieren. Die Kompilatoren setzen ein Paulus-Zitat hinter einen thematisch verwandten Ulpian-Text. Zu postulieren, dass die Unstimmigkeiten im Übergang auf Textveränderungen ebendieser Kompilatoren zurückgehen sollten, erscheint bedenklich: Sollten Ulpian- und Paulus-Text ursprünglich nahtlos aneinandergepasst haben? Der innere Zusammenhang von fr. 14,3 und 15 besagt also nichts über die Echtheit der Worte quibuscumque verbis. Sie sind nachweislich Bestandteil der Sprache Ulpians, will man nicht auch einen anderen Beleg für interpoliert erklären230. Den letzten Geltungsgrund der constituta sieht Ulpian im consensus der Parteien: D. 13,5,1 pr. (Ulp. 27 ed.) Hoc edicto praetor favet naturali aequitati: qui constituta ex consensu facta custodit, ...

„Mit diesem Edikt begünstigt der Prätor die natürliche Gerechtigkeit, indem er die Festsetzungen, die aus übereinstimmendem Willen entstehen, schützt ...“

Beim mandatum weist Paulus auf die Möglichkeit des Abschlusses quocumque verbo hin; er leitet dies ab aus der Begründung der obligatio mandati consensu contrahentium (D. 17,1,1-2 [Paul. 32 ed.]). Derselbe Zusammenhang zwischen der Maßgeblichkeit des consensus und der Formfreiheit der Erklärung soll im Bereich des constitutum und bei Ulpian erst durch Interpolation zustandekommen. Viel wahrscheinlicher ist, dass dieser Zusammenhang von den Späteren aufgegriffen und in C. 8,37,10 auf die Stipulation übertragen wurde. ___________________________

229 La Rosa, Formalismo del pretore 209. 230 D. 38,4,1,3 (Ulp. 14 Sab.): Adsignare autem quis potest quibuscumque verbis vel nutu, vel testamento vel codicillis vel vivus. Verbis korrespondiert unmittelbar mit nutu; ein Interpolationenverdacht würde letztlich die ganze Aussage des Satzes erfassen. S. auch D. 36,1,20,1 (Paul. 3 Sab.): nec verba spectantur senatus consulti (fidei commissi), sed sententia quibuscumque verbis, dum testator senserit, ut hereditas sua restituatur.

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Dass die im Digestentitel 13,5 wörtlich zitierten Dokumente über pecunia constituta nirgends das Wort constituo zeigen, lässt sich nicht durch den Verdacht der Interpolation überwinden231. Mit Interpolationen ist im Titel D. 13,5 zu rechnen; es ist aber ausgeschlossen, dass die Kompilatoren die Worte scripsi me soluturum (D. 13,5,5,3), reddere debebo (D. 13,5,24), habes penes me (D. 13,5,26)232 ___________________________

231 Die Bemühungen La Rosas, Formalismo del pretore 206-209, die diese Stellen durch die bloße Anhäufung von Kritik- und Verdachtspunkten gleichsam eliminieren will, reichen dafür nicht aus (kritisch schon Baldus, Regelhafte Vertragsauslegung II 633 Anm. 41; 637 Anm. 61): La Rosas Kritik an der Bewertung der Urkunde in D. 13,5,5,3 (Ulp. 27 ed.) als klagbares constitutum durch Julian scheint auf eine in Wahrheit negative Entscheidung des Juristen hinauszulaufen (n on tenetur Titius de constituta pecunia?; s. schon Roussier, Constitut 132 Anm. 1). Schon Ulpian hätte dann einen verdorbenen Julian-Text vor sich gehabt oder die Stelle völlig missverstanden. Denn Ulpian zitiert den Julian-Fall als Beispiel für ein constitutum 'debiti alieni'. Hätte Ulpian bei Julian ein non tenetur vor sich gehabt, wäre dies völlig unverständlich. Man müsste also noch weitere Interpolationsvermutungen nachschieben, was eine freie Verfügbarkeit des Digestentexts voraussetzen würde und sich zur Durchsetzung einer in den Quellen durch nichts gestützten Theorie schlicht nicht mehr rechtfertigen lässt. In D. 13,5,24 (Marc. sing. resp.) (keine Verwendung von constituo; zur Stelle s. auch unten S. 243 ff.) wird von La Rosa die Qualifizierung als constitutum durch Marcellus als verfälscht verdächtigt; ihr stärkstes Argument ist die Formulierung im Pendant der Basiliken B. 26,7,24 (A IV 1300 Sch.; III 137 f. Hb.), der Erklärende hafte ὡ̋ ἀπὸ τῆ̋ ἀντιφωνήσεω̋ − „quasi ex constituto“ (so die Übersetzung von Heimbach III 138): „un accostamento al constitutum e non il riconoscimento di un vero rapporto di constitutum“; die byzantinische Tradition wäre insofern konservativer als die Kompilatoren. Sollten die Basiliken auf den Originaltext zurückgehen? Die Kompilatoren hätten in: Marcellus respondit in sortem teneri quasi ex constituto die letzten drei Worte gestrichen. Ex constituto teneri ist freilich nirgends belegt. Auch dass die Römer bei formlosen Erklärungen analoge Klagen zu formbedürftigen zugelassen hätten, ist kein bekanntes Phänomen. Wäre dann nicht auch eine Klage quasi ex stipulatu bei anderen Leistungsversprechen zu erwarten? Das ὡ̋ der Basiliken muss − gleich dem lateinischen quasi − keineswegs eine Annäherung an etwas in Wahrheit nicht gegebenes kennzeichnen; es lässt sich auch mit „in der Eigenschaft als“ / „unter dem Gesichtspunkt“ übersetzen, oder kann (in ebendiesem Sinne) schlicht unübersetzt bleiben, vgl. nur etwa D. 16,1,17,2: Mulier et Titius, cum in rem communem mutuarentur, eiusdem pecuniae rei facti sunt einerseits, andererseits B. 26,7(!),48,2 (A IV 1304 Sch.; III 141 Hb.): Ἐὰν γυνὴ καὶ ἄλλο̋, ὡ̋ δύο ἐναγό™ενοι δανείσωνται und schließlich die Übersetzung Heimbachs III 141: Si mulier et alius quasi duo rei mutuam pecuniam acceperint. Zur dritten im Wortlaut wiedergegebenen Erklärung (ohne constituo) im Digestentitel 13,5 s. die nächste Anmerkung. 232 Die (auch im Sinne La Rosas) formlose Erklärung D. 13,5,26 wird seit Lenel, Palingenesia II 290 (Scaev. 226); ders., Beiträge zur Kunde des Edicts 64 Anm. 137 dem receptum argentariorum zugeschlagen (s. unten S. 161 ff.), für das La Rosa freilich ebenfalls die Verwendung von recipio als zwingend erachtet. Recipio stand hier sicher nie im Text ('Decem ... habes penes me, domine' lässt dafür keinen Raum, ist aber sicher echt). Was demnach von der Stelle zu halten ist, bleibt bei La Rosa völlig

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an die Stelle von constituo gesetzt hätten. Denn dafür sind diese Dokumente in ihrer geschlossenen Form dem übrigen Urkundenbestand in literarischen und dokumentarischen Quellen viel zu eng verwandt. Auch D. 13,5,1,4, wo sich Ulpian der Frage stellt, ob eine unwirksame Stipulation nicht als wirksames constitutum aufrechterhalten werden kann, ist mit einer notwendigen Verwendung von constituo nicht zu vereinbaren. Eum, qui inutiliter stipulatus est, cum stipulari voluerit, non constitui sibi, dicendum est de constituta experiri non posse, quoniam non animo constituentis, sed promittentis factum sit.

„Man muss sagen, dass derjenige, der sich unwirksam stipulationsweise versprechen ließ, als er wollte, dass ihm stipulationsweise versprochen, nicht dass ihm festgesetzt wird, nicht mit der Klage de (pecunia) constituta vorgehen kann, weil es nicht mit der Absicht eines Festsetzenden, sondern der eines Versprechenden geschehen ist.“

Dass die Auslegung des Stipulationswortlauts als constitutum überhaupt in Frage kommt und nicht von vornherein an der fehlenden Verwendung von constituo scheitert, setzt die Formlosigkeit des constitutum zwingend voraus. Selbst wenn es sich bei den Bezugnahmen auf die Absichten der Parteien (voluerit/animus) − wie des Öfteren vertreten wurde233 − um spätere Zusätze handeln sollte, so lässt schon die bloße Problemstellung darauf schließen, dass es sich beim constituere um kein formbedürftiges Geschäft handeln kann. Um die These von der zwingenden Verwendung von constituo zu retten, müsste man also die ganze Stelle zur Fälschung erklären. Den Formalismus der Stipulation änderte im Übrigen die erwähnte Konstitution Kaiser Leos nicht so grundsätzlich, wie dies Justinian in I. 3,15,1 vermittelt234. Denn das Repertoire an möglichen Formulierungen der Stipulation war schon in klassischer Zeit groß, wenn nicht unbegrenzt. Gaius nennt als mögliche Stipulationsfragen velut − „zum Beispiel“: Dari spondesne? Dabis? Promittis? Fideipromittis? Fideiubes? Facies? (3,92), sowie ihre griechischen Pendants (3,93). Ulpian stellt klar, dass in jeder Sprache stipuliert werden kann (D. 45,1,1,6)235. ___________________________

offen. Zutreffend Kübler, Griechische Tatbestände 200: „Wenn [Lenels] Annahme richtig ist, so ist damit auch die viel bestrittene Formlosigkeit des Receptum erwiesen“; zuletzt Rodríguez González, Receptum argentarii 64. 233 Nachweise unten Anm. 523. 234 Dass sie die schriftliche Stipulation ermöglicht hätte, liegt fern, s. unten Anm. 513; Literatur bei Plisecka, Fremde Sprachen 371 Anm. 8. 235 Ulp. 48 Sab.: kommentiertes Sabinus-Zitat; dazu zuletzt Plisecka, Fremde Sprachen 372-379. Behrends, Stipulation 57-96, der in D. 45,1,1,6 Reste eines Streits zweier „rechtswissenschaftlichen Traditionen“ erkennen will, berücksichtigt zu wenig den Charakter des Sabinus-Kommentars und die – von ihm durchaus erkannte – „vielleicht nicht ganz ungestörte Form“ des überlieferten Fragments: Die Worte Et scriptura Sabini entbehren dort eines Prädikats (patitur kann sich nicht auf verum und

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Die Digesten liefern Stipulationen beliebigen Inhalts − und damit zwangsläufig in beliebigem Wortlaut236. Die Konstitution Leos hat insofern in erster Linie klarstellenden Charakter in Zeiten, in denen der Unterschied zwischen dem Üblichen und dem rechtlich Möglichen nicht mehr ohne Weiteres erkannt wird; in denen etwa der Irrglaube aufgekommen sein könnte, eine Stipulation sei nur bei Verwendung von spondere wirksam. Zu klassischer Zeit besteht der Formalismus der stipulatio nicht im Gebrauch bestimmter Worte, sondern in der zwingenden höchstpersönlichen Anwesenheit beider Parteien, der Mündlichkeit und der Gestaltung als Frage und Antwort. Dass dem constitutum diese Vorstellung von Formgebundenheit zur Zeit unserer Quellen fremd war, belegen die weiteren Informationen von D. 13,5,14,3. Wenn die Verwendung des Wortes constituo nicht zum Wesen unseres Rechtsinstituts gehört, so ist dies daher keine justinianische oder auch nur nachklassische Neuerung, sondern entspricht dem Rechtszustand zur Zeit der klassischen Juristen. Es ist nicht erkennbar, dass es sich bei constituere zu dieser Zeit auch nur um ein typisches Geschäftswort des römischen Rechtsverkehrs handeln würde. Dann aber sind weitere Spekulationen darüber, dass das Rechtsgeschäft jemals an die Verwendung eines bestimmten Wortes geknüpft war, unveranlasst. Wir müssen unterstellen, dass der Prätor von Anfang an formlose Zusagen sanktionierte. Den Inhalt vollständig von der Form zu abstrahieren, müssen die Römer dabei dem Rechtsverkehr mit Peregrinen verdanken.

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scriptura beziehen); sie können so nicht von Ulpian gebraucht worden sein (insofern kann der Hinweis von Avenarius, Ps.-ulp. liber sing. reg. 480 Anm. 159 auf die lectio difficilior „et“ nicht zu einem unveränderten Beibehalten des Textes führen; so aber weiterhin Avenarius, Sabinus und Cassius 55 Anm. 119). Liest man dubitari potest e‹x› scriptura Sabini (so etwa Knütel, Auslegung und Entwicklung der Stipulation 245, zitiert von Behrends a. a. O. 62 Anm. 16) oder ‹Sed› scriptura Sabini {sed} et verum patitur, so erklären sich die (sogleich überwundenen) Zweifel Ulpians an der Verwendung anderer Sprachen als Latein und Griechisch schlicht daraus, dass Sabinus in den zuvor zitierten Worten (= scriptura) nur diese beiden Sprachen erwähnt: proinde si quis Latine interrogaverit, respondeatur ei Graece ... (und nicht aus einer vorhandenen Gegenmeinung); diesen Text aber muss Ulpian kommentieren. Avenarius a. a. O. versteht unter scriptura „die kommentierte Sabinusschrift“ und bezieht daraus ein Argument gegen die Emendation zu e‹x› scriptura; derart „pauschal“ muss man Ulpian nicht verstehen. Sabinus dürfte sich über andere Sprachen als die beiden Verkehrssprachen gar keine Gedanken gemacht haben; s. schon Plisecka a. a. O. 236 Z. B. D. 22,1,4 pr. (Pap. 27 quaest.): rem dari vacuamque possessionem tradi; D. 45,1,2,5 (Paul. 12 Sab.): 'per te non fieri neque per heredem tuum, quo minus mihi ire agere liceat?'; D. 45,1,14 (Pomp. 5 Sab.): 'domum aedificari?' usw.

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III. Pecunia debita und Lehre von der Zweckverfügung Zur Voraussetzung einer Verurteilung aus der actio de pecunia constituta macht der Prätor, dass „dieses Geld, als (es?) festgesetzt wurde, geschuldet war: eamque pecuniam cum constituebatur debitam fuisse (D. 13,5,18,1). Die Haftung aus constitutum folgt in ihrer Begründung akzessorisch der Hauptschuld, von „genetischer Akzessorietät“ ist die Rede237. Nach den Digesten kann die pecunia debita aus jedem denkbaren Geschäft stammen, der Höhe nach bestimmt oder unbestimmt sein, sogar eine Naturalobligation reicht aus. Bringt man das bisher zur pecunia constituta Festgehaltene jedoch mit dem Kriterium der bestehenden Schuld zusammen, so wird eine ursprüngliche besondere Affinität des constitutum zum (Geld-) Darlehen wahrscheinlich238. Denn innerhalb der Ordnung der stipulatio besteht weit weniger Bedürfnis, formlose Erfüllungszusagen auf die Stipulationsschuld zu sanktionieren: Die Parteien der Stipulation haben bei deren Abschluss die Möglichkeit, eine Strafstipulation über die ordnungsgemäße Erfüllung abzuschließen. Auch bei nachträglicher Erfüllungszusage ist es zwar unbequem, aber doch möglich und nicht unzumutbar, eine neue oder ergänzende Stipulation abzuschließen. Bei Aufnahme eines Termins in die Stipulation erhält der Gläubiger Interessenschutz239. ___________________________

237 Keine „Entwicklungsakzessorietät“, denn spätere Veränderungen der (Haupt-) Schuld wirken sich auf die Haftung aus constitutum nicht aus: Durchsetzbarkeit, Bestand und Umfang der Schuld nach der Abgabe des constitutum sind grundsätzlich irrelevant. Weder schadet die Verjährung der Klage aus der Hauptschuld (bei einer einjährig befristeten prätorischen Pönalklage wie der actio iniuriarum, D. 13,5,29 [Paul. 24 ed.]) bei constitutum vor Eintritt der Verjährung (D. 13,5,18,1 [Ulp. 27 ed.]). Das constitutum dient hier dem Erhalt der Klagbarkeit. Weder beeinträchtigt der Fristablauf bei einer auflösend befristeten Schuld bei vorhergehendem constitutum dessen Klagbarkeit (ebd.), noch späterer Zuwachs oder spätere Verringerung des peculium bei einem constitutum des Gewalthabers peculii nomine (D. 13,5,19,2 [Paul. 29 ed.]). Das constitutum dient hier der Fixierung der Pekuliarhaftung und damit auch der Streitvermeidung. Denn ohne constitutum ist der Inhalt des peculium zum Zeitpunkt der Verurteilung des Gewalthabers maßgebend, die der Gläubiger daher möglichst schnell herbeiführen wird, um die Gefahr einer zwischenzeitlichen Verminderung durch vorherige Befriedigung anderer Gläubiger zu minimieren. Allerdings lassen sich Ansätze einer „Zuständigkeitsakzessorietät“ erkennen: Überträgt der Empfänger des constitutum die Hauptforderung auf einen anderen (wovon im klassischen römischen Recht nur in seltenen Fällen die Rede sein kann), verliert er damit auch die Aktivlegitimation der actio de pecunia constituta: quoniam sortis petitionem transtulisti ad alium, D. 13,5,22 (Paul. 6 brev.). 238 Kaser, Privatrecht I 584; Rüfner, Vertretbare Sachen 45 f. mit weiterer Literatur in Anm. 120. 239 S. oben S. 37 ff.

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Wenn unsere Vermutung über die (indirekte) Herkunft der actio de pecunia constituta aus dem hellenistischen Recht und die Vermittlung über die Fremdengerichtsbarkeit zutrifft, so kann sie ursprünglich für Stipulationsschulden kaum Relevanz gehabt haben. Denn die Stipulation steht zwar als fidepromissio, also ohne Verwendung des den Römern vorbehaltenen Wortes spondere, als Teil des „allen Völkern gemeinsamen Rechts“ auch den Peregrinen offen. Doch kommt sie erst aus dem römischen ius civile in das ius gentium. Der Siegeszug der stipulatio/fidepromissio ist ein Phänomen der Romanisierung. Vor der hohen Kaiserzeit ist sie kein Element der hellenistischen Rechtspraxis. Das stipulationslose Darlehen aber begründet eine Klage ausschließlich auf Rückzahlung des Kapitals. Um die vereinbarungsgemäße Erfüllung besonders zu sanktionieren, ist es weit weniger zumutbar, Parteien, denen die stipulatio fremd ist, auf dieses Institut zu verweisen, wenn sie Rechtsschutz vor einem römischen Beamten suchen. Sie müssen Rechtsschutz auch für − im römischen Sinne − formlose Erfüllungszusagen erhalten, will der praetor nicht hinter dem Standard seiner hellenistischen Umwelt zurückbleiben. Forderungen aus Konsensualverträgen sind dem constitutum zugänglich. Zwar gehen die Klagen aus ihnen, die allesamt als Grund und Umfang der Verurteilung die bona fides nennen, ohnehin auf das Interesse (quanti ea res est / id quod interest); es fehlt ihnen aber − soweit wir sehen − das scharfe Druckmittel der sponsio dimidiae partis. 1. Die Zweckverfügung im griechischen Rechtsdenken: Realcharakter des Vertrags Die Nähe zum Gelddarlehen ist nicht zu verkennen, wenn die kreditierte Geldleistung eines Konsensualgeschäfts, also der Kaufpreis, Mietzins usw. zum Gegenstand einer eigenen Zusage wird. Die hellenistische Praxis bedient sich hier des Darlehensformulars. Geldforderungen aus „Vertrag“ sind dort Forderungen eines einheitlichen Kreditrechts, und dieses hat stets eine „reale“ Grundlage. Die Haftung ist immer darin begründet, dass der Schuldner dem Gläubiger das Seine vorenthält: die Rückzahlung des Geleisteten oder deren Ersatz durch eine Gegenleistung. Die Erfüllungszusage des Schuldners konkretisiert lediglich den Tatbestand der Vorenthaltung. Für dieses Phänomen wurde die moderne Theorie der Zweckverfügung entwickelt: Der Schuldner vereitelt im Falle seiner Nichtleistung den Zweck, zu dem der Gläubiger verfügt, das heißt: vorgeleistet hat240. ___________________________

240 Wolff, Art. „Griechisches Recht“ F (Sp. 2526 f.); ders., Recht der griechischen Papyri II 143 mit Literatur in Anm. 8; ders., Juristische Papyruskunde 120 ff.; ders., Problem der dogmatischen Erfassung 12-19; Rupprecht, Darlehen 57 f.; ders. in:

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Das römische Recht hat sich mit der Entwicklung der bonae fidei iudicia für die Konsensualobligationen vom Regime der haftungsbegründenden realen Verfügung in diesem Bereich befreit. Der bloße Konsens der Parteien genügt dem römischen Prätor zur Begründung wirksamer Verpflichtung und der Haftung auf das Interesse. Im Darlehensrecht aber ist der Realcharakter noch vorhanden. Dies betrifft nicht nur die Begründung der Rückzahlungsverpflichtung durch Auszahlung des Darlehens, sondern offenbar auch Zusagen auf die Rückzahlung. Denn kein anderes Prinzip als das der Zweckverfügung beherrscht das constitutum debiti: Die Erfüllungszusage ist verbindlich und klagenbewehrt, weil und wenn ihr die Begründung der Darlehensschuld durch Auszahlung des Darlehens vorangeht: eamque pecuniam cum constituebatur debitam fuisse. Der Unterschied zum griechischen Denken besteht lediglich darin, dass die Römer die Haftungsfolgen der Zweckvereitelung nicht zur − in welchen Grenzen auch immer − freien und formlosen Disposition der Parteien stellen. Ihnen fehlt die Vorstellung einer „vollstreckbaren Urkunde“ und damit auch diejenige der freien Vereinbarkeit von Bußen in Vorwegnahme eines Urteils. 2. Der Gedanke der Zweckverfügung im römischen Recht: συνάλλαγ™α und Innominatkontrakte Die Übernahme griechisch-hellenistischer Vorstellungen, der Zweckverfügungsidee in das römische Recht, wird nirgends deutlicher als im Bereich der sogenannten Innominatkontrakte. D. 2,14,7,2 (Ulp. 4 ed.) Sed et si in alium contractum res non transeat, subsit tamen causa, eleganter Aristo Celso respondit esse obligationem. ut puta dedi tibi rem ut mihi aliam dares, dedi ut aliquid facias: hoc συνάλλαγ™α esse et hinc nasci civilem obligationem. et ideo puto recte Iulianum a Mauriciano reprehensum in hoc: dedi tibi Stichum, ut Pamphilum manumittas: manumisisti: evictus est Stichus. Iulianus scribit in factum actionem a praetore dandam: ille ait civilem incerti actionem, id

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„Aber auch wenn das Geschäft nicht in einen anderen Vertrag(stypus) übergeht, jedoch ein Zweck (causa) zugrundeliegt, so liegt, wie Aristo dem Celsus treffend zur Antwort gab, eine Verbindlichkeit vor. Zum Beispiel: Ich habe dir eine Sache gegeben, damit du mir eine andere gibst, ich habe dir gegeben, damit du etwas tust. Dies sei ein 'Synallagma' und es ergebe sich daraus eine zivile Verbindlichkeit. Und deshalb meine ich, Julian sei von Maurician zu Recht im folgenden Fall kritisiert worden: Ich habe dir Stichus gegeben, damit du Pamphilus freilässt. Stichus wurde (von einem Dritten als sein Eigentum) herausgeklagt. Julian schreibt, der Prätor müsse eine Klage auf den Sachverhalt geben. Jener (Maurician) sagt, die zivile Klage auf

Wolff, Recht der griechischen Papyri I 14 mit (überwiegend zustimmender) Literatur in Anm. 39.

Griechisches Recht im prätorischen Edikt? est praescriptis verbis sufficere: esse enim contractum, quod Aristo συνάλλαγ™α dicit 241 , unde haec nascitur actio.

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ein Unbestimmtes, das heißt diejenige 'mit vorangestellten Worten', reiche aus. Es sei nämlich zustandegekommen, was Aristo ein 'Synallagma' nennt, und daraus ergibt sich diese Klage.“

Für die Struktur eines Geschäfts, bei der bereits eine Leistung erbracht wurde, ut facias − „damit du etwas tust“, findet Aristo kein besseres Wort als συνάλλαγ5 ™α, das allgemeine griechische Wort für „Vertrag“. Feci, ut facias ist das, „was die Griechen unter einem 'Vertrag' verstehen.“ Die Verpflichtung des Vertragspartners durch eigene Vorleistung ist ein Phänomen, das die Römer − jedenfalls ein Römer mit dem griechischen Namen Aristo242 − selbst den Griechen zuwei___________________________

241 Die verbreitete Übersetzung „Was Aristo 'Synallagma' nennt, sei ein Vertrag (contractus, -ūs)“ (etwa Grosso, „Contractus“ e συνάλλαγ™α 345; Dalla Massara, Alle origini della causa 106 ff.; Garofalo, Contratto, obbligazione e convenzione 45; zuletzt Scevola, 'Negotium mixtum cum donatione' 17) degradiert die Aussage auf „Griechisch für Anfänger“; Julian brauchte von Maurician sicher keine Belehrung darüber, wie sich συνάλλαγ™α am besten ins Lateinische übersetzen lässt. In der direkten Rede Mauricians: contractum est, quod ... konnte kein Missverständnis aufkommen. Richtig Krampe in: Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, CIC II. 242 Ein zweites Mal begegnet συνάλλαγ™α in D. 50,16,19 (Ulp. 11 ed.) und wird dort zur Grundlage unserer Vorstellung von „synallagmatischen Verträgen“ im Sinne von „Austauschverträgen“. Ulpian zitiert Labeo: Labeo libro primo praetoris urbani „Labeo grenzt im ersten Buch (zum Edikt) des definit, quod quaedam 'agantur', Stadtprätors ab, dass manche Geschäfte 'bequaedam 'gerantur', quaedam 'con- trieben', andere 'geführt', wieder andere 'abgetrahantur': et actum quidem gene- schlossen' werden. Und 'das Betriebene' sei ein rale verbum esse, sive verbis sive übergreifendes Wort, gleich ob das Geschäft re quid agatur, ut in stipulatione mit Worten oder Sachhingabe betrieben werde, vel numeratione: contractum wie bei der Stipulation und der Auszahlung autem ultro citroque obligationem, des Darlehens. 'Das Abgeschlossene' aber sei quod Graeci συνάλλαγ™α vocant, eine beidseitige Verbindlichkeit, was die Grieveluti emptionem venditionem, lo- chen 'Synallagma' nennen, zum Beispiel Kauf/ cationem conductionem, societa- Verkauf, Verdingung, Gesellschaft. tem: gestum rem significare sine 'Das Geführte' bezeichne ein Geschäft, das verbis factam. ohne Worte vorgenommen werde.“ Die Worte quod Graeci συνάλλαγ™α vocant stammen mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht von Labeo (denn sie durchbrechen die ansonsten konsequent durchgehaltene indirekte Rede); anders Gröschler, Synallagma 57; es ist noch nicht einmal sicher, dass sie von Ulpian stammen. Ihrer Struktur nach kann es sich um eine Glosse handeln. Die Verbindung des Synallagma-Konzepts mit (konsensualen) Austauschverträgen durch die römischen Juristen ist − im Gegensatz zu derjenigen mit den Innominatkontrakten − eher unsicher; nach Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht 255 Anm. 40 ist an der Klassizität von συνάλλαγ™α „in den beiden Digestenstellen“ nicht zu zweifeln; verwiesen wird auf Mayer-Maly, Rez. Benöhr, Sogenanntes Synallagma 482, wo freilich nur „die beiden Male“ / „beide Stellen“ innerhalb D. 2,14,7,2 gemeint sind. Sie stehen in der Tat über jedem Verdacht.

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sen243. Beim constitutum aber beruht die Verbindlichkeit der Zusage des Schuldners darauf, dass − originär durch Auszahlung des Darlehens − der Gläubiger bereits verfügt hat. Schon an dieser Stelle ist ein Vorurteil aufzulösen, unter dem das Verständnis des constitutum seit jeher leidet. Dass das constitutum über die bestehende Schuld erklärt wird, also zwangsläufig „nachträgliche“ Erfüllungszusage ist, besagt nichts über den zeitlichen Abstand zur Schuldbegründung. Das constitutum kann im Moment nach Entstehung der Hauptschuld erklärt werden, im originären Fall des Darlehens also im Moment nach der Auszahlung. Gleichzeitig kennt die Realobligation keine „im Schuldvertrag gemachte Terminsetzung“, von der etwa Koschaker das „selbständige“ und eigentliche constitutum abgrenzt244. Die Erklärung des Schuldners: „Ich habe ... erhalten und werde zurückzahlen am ...“, die uns als regelmäßige Beurkundung des Darlehens in den griechischen und römischen Urkunden entgegentritt, ist kein „Schuldvertrag“, sondern die Feststellung der Begründung einer Realobligation und eine darauf aufbauende Zusage. Die Römer nennen sie pecuniam constituere. 3. Deliktischer Ursprung und Pönalität der actio de pecunia constituta Wie die Erfüllungszusage des griechischen Rechts den Tatbestand der Vorenthaltung konkretisiert, so lässt sich auch beim constitutum beobachten, dass seiner Nichterfüllung deliktischer Charakter zugemessen wird245. Die Frage nach der Pönalität unserer Klage erwähnt Ulpian in D. 13,5,18,2 (27 ed.): E re autem est hic subiungere, utrum poenam contineat haec actio an rei persecutionem: et magis est, ut etiam Marcellus putat, ut rei sit persecutio.

„In diesem Zusammenhang ist die Frage anzuführen, ob diese Klage Buße enthält oder Sachverfolgung. Und es ist richtiger, was auch Marcellus vertritt, dass es um Sachverfolgung geht.“

„In diesem Zusammenhang“ (e re) bezieht sich auf die nach dem Digestentext unmittelbar vorangehende Problematik der constituta über Schulden aus actiones ___________________________

243 Wolff, Rez. Grosso 261 f; Kaser, Privatrecht I 526 Anm. 36 mit Literatur; Stolfi, Introduzione allo studio dei diritti greci 166; zweifelnd Benöhr, Sogenanntes Synallagma 14 f. Jetzt überzeugend Gröschler, Synallagma 62-72. 244 Rez. Astuti 473 f. Mit der „Terminfestsetzung im Schuldversprechen“, die Koschaker für den ursprünglichen Fall des constitutum hält, meint er eine betagte stipulatio; dort liegt nach der hier vertretenen Auffassung aber gerade nicht der Ursprung des constitutum. Die Kombination und Konkurrenz von zivilem und prätorisch sanktioniertem Rechtsgeschäft stellt die Dogmatik des constitutum vielmehr vor große Probleme (s. unten S. 122 ff. und 173 ff.). 245 Über den pönalen Urspung besteht weitgehend Einigkeit: Astuti, Costituto di debito I 244 mit Literatur in Anm. 341 und 342, II 80 mit Literatur in Anm. 5; Kaser, Privatrecht I 583: „vermutlich eine pönale Wurzel“.

Griechisches Recht im prätorischen Edikt?

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temporales (einjährig befristeten Klagen) und aus auflösend bedingten Verbindlichkeiten. Der Zusammenhang zur Pönalität der Klage besteht über die einjährige Befristung (Annalität), neben der passiven Unvererblichkeit ein typisches Phänomen der pönalen prätorischen Klagen246. Bereits Marcellus sah sich veranlasst, zur eigenen Pönalität der actio de pecunia constituta Stellung zu nehmen; Ulpians magis est zeigt, dass die Frage auch noch zu seiner Zeit nicht ohne Weiteres eindeutig beantwortet werden kann247. Justinian berichtet, die Klage sei zur Zeit der „Alten ... in bestimmten Fällen“ auf ein Jahr befristet gewesen; in den anderen sei sie als „langjährig“/„unbefristet“ (longaeva) „festgesetzt“/„angeordnet“ (constituta) worden: ... neque in omnibus casibus longaeva sit constituta, sed in speciebus certis annali spatio concluderetur.

Mit seiner Konstitution ordnet Justinian an: C. 4,18,2,1 (531 n. Chr.) et neque sit in quocumque casu annalis, sed (sive pro se quis constituat sive pro alio) sit et ipsa in tali vitae mensura, in qua omnes personales sunt actiones, id est in annorum metis triginta.

„Und sie soll in keinem Fall auf ein Jahr befristet sein, sondern (sei es, dass jemand für sich selbst festsetzt, sei es für einen anderen) auch sie soll dieselbe Lebensdauer haben wie alle persönlichen Klagen, das heißt dreißig Jahre.“

Die Klarstellung, dass neque in quocumque casu − „in keinem Fall“ die fehlende Unterscheidung von constituta pro se und pro alio hinsichtlich einer Befristung der Klage meine, macht es überaus wahrscheinlich, ja geradezu zwingend, dass die früheren certae species der Annalität gerade mit dieser Unterscheidung zu tun hatten − der Hinweis sive ... sive ... wäre sonst völlig überflüssig. Dass im prätorischen Edikt keinerlei Unterscheidung zwischen constitutum debiti proprii und debiti alieni enthalten war, hat bereits Bruns deutlich gemacht248: Andernfalls wären die Kommentare Ulpians zum constitutum debiti alieni in D. 13,5,5,2 (Quod exigimus, ut debitum sit, quod constituitur, in rem exactum est ...), die im Edikt auf nichts anderes zurückgreifen können als das objektiv gehaltene pecuniam debitam constituere, nicht recht verständlich. Die Unterscheidung hinsichtlich der Annalität muss demnach auf Juristenwerk oder/und kaiserliche Rechtsfortbildung zurückgehen. Tatsächlich enthält der Codex Iustinianus unmittelbar vor Justinians Reformkonstitution eine der in___________________________

246 S. nur Kaser, Privatrecht I 613 mit Literatur in Anm. 33; zuletzt Gröschler, Actiones in factum 52 (53) Anm. 48 und passim. 247 Nach Roussier, Constitut 34 wurde der Streit durch Marcellus beendet. Zum Interpolationenverdacht gegen magis est s. Astuti, Costituto di debito II 80 mit Anm. 2. Warum sollten sich die Kompilatoren so zurückhaltend ausdrücken? 248 Constitutum debiti 50; 69.

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scriptio (Imp. Gordianus A. Felici) nach aus der Kanzlei Gordians (238-244 n. Chr.) stammende, in der überlieferten Form aber womöglich erst auf Diokletian/Maximian (und das Jahr 294 n. Chr.) zurückgehende Konstitution, wonach die actio de pecunia constituta unbefristet und passiv vererblich ist: C. 4,18,1 Si pro alieno debito te soluturum constituisti, pecuniae constitutae actio non solum adversus te, sed etiam adversus heredes tuos perpetuo competit. D. VII k. Iul. Sirmi CC. conss.

„Wenn du für fremde Schuld Zahlung zugesagt hast, steht (dem Empfänger) die Klage wegen festgesetzten Geldes nicht nur gegen dich, sondern auch gegen deine Erben auf immer zu. Gegeben am 7. Tag vor den Kalenden des Juli zu Sirmium, im Konsulat der Cäsaren.“

Weder die Zuschreibung an Gordian noch der Hinweis auf die Zeit Diokletians in der Subskription müssen unecht sein. Fragmente einer Konstitution Gordians an Felix sind erhalten, die sich mit C. 4,18,1 vereinbaren lassen249. Diokletian kann die Gordian-Konstitution in seiner eigenen zitiert haben, bei der Zusammenstellung des Codex Iustinianus wäre die Verwirrung entstanden, indem man Gordian als den Urheber dieses Teils in die inscriptio aufnahm, die Datierung aber aus der zitierenden diokletianischen Konstitution übernahm. Wie dem auch sei: Jedenfalls seit der Konstitution C. 4,18,1 lässt sich sagen, dass die actio de pecunia constituta in den Fällen des constitutum debiti alieni 'longaeva constituta' − „als unbefristet festgesetzt“ war250. Vergleicht man diese Aussage mit den Worten Justinians in C. 4,18,2,1: sive pro se quis constituat sive pro alio, so liegt die Annahme nahe, dass die Klage aus constitutum debiti proprii bis zur Zeit Justinians auf ein Jahr befristet war251. In einem nächsten Schritt wird man annehmen dürfen, dass die Annalität der Klage früher eine generelle war und sich eine Besonderheit für das constitutum debiti alieni (in welchem Zeitraum auch immer) erst herausstellen musste. Zur Zeit Ulpians wurde jedenfalls vertreten, dass das constitutum debiti proprii zu einer actio annalis führe. Dass das Edikt einen Hinweis auf die Jahresfrist enthielt, ist nicht gesagt. Ob eine Klage in Jahresfrist zu erheben ist, ist regelmäßig erst Gegenstand der Diskussion unter den Juristen252. Umso näher liegt es, dass sich Ulpian dazu äußerte und zwar gerade dort, wo von den constituta über befristete Klagen und vom pönalen Charakter die Rede ist. Ein entsprechender Hinweis stand mit großer Wahrscheinlichkeit zwischen den jetzigen §§ 1 und 2 von D. 13,5,18 oder nach § 2. Stammt e re autem est hic subiungere von Ulpian (und ___________________________

249 Zum Fall des Felix und den anderen Konstitutionsfragmenten Gordians an ihn s. Kappeyne van de Coppello, Über constituta pecunia 250, allerdings mit massiven Eingriffen in C. 4,18,2,1; Verwirrung bei Ricart Martí, „Constitutum debiti“ 707. 250 Zu dieser „legislativen“ Bedeutung von constituere s. nur Giodice-Sabbatelli, „Constituere“ 346 ff. 251 Bruns, Constitutum debiti 69 mit Anm. 54; Astuti, Costituto di debito II 163 f. 252 Lenel, Edictum perpetuum 64 Anm. 2 mit Belegen.

Griechisches Recht im prätorischen Edikt?

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davon müssen wir zunächst ausgehen), bezog es sich im ursprünglichen Zusammenhang also nicht zwangsläufig auf den jetzigen § 1, sondern könnte auch an einer Aussage zur Annalität angeknüpft haben. Wenn Ulpian im Anschluss an Marcellus den pönalen Charakter zugunsten des reipersekutorischen verneint, besagt dies noch nichts über seine Haltung zur Annalität der Klage. Denn Phänomene der Pönalklagen finden auch auf Klagen Anwendung, die in der condemnatio auf reinen Schadensersatz gehen (und sich daher nicht als pönal, sondern als reipersekutorisch qualifizieren lassen), deren Tatbestand sich aber als „deliktisch“ charakterisieren lässt. Schon Bruns253 verweist auf die actio in factum, die der Prätor im Fall der Veräußerung der Streitsache zur Vereitelung des Prozesse (alienatio iudicii mutandi causa) gewährt: D. 4,7,4,6 (Ulp. 13 ed.) Haec actio non est poenalis, sed rei persecutionem arbitrio iudicis con-

„Diese Klage ist nicht pönal, sondern geht auf Sachverfolgung nach Ermessen des Richters, wes-

tinet, quare et heredi dabitur: in heredem autem

halb sie auch dem Erben gewährt wird. Gegen den Erben aber

D. 4,7,6 (Ulp. 13 ed.) vel post annum non dabitur.

oder nach Jahresfrist wird sie nicht gewährt.

D. 4,7,7 (Gai. 4 ed. prov.) Quia pertinet quidem ad rei persecutionem, videtur autem ex delicto dari.

Weil sie zwar der Sachverfolgung dient, aber doch aus Delikt gegeben zu werden scheint.“

Aus dem reipersekutorischen Charakter der condemnatio schließt Ulpian auf die aktive Vererblichkeit. Die passive Vererblichkeit wird jedoch verneint, Annalität angenommen, weil − so Gaius, doch dürfte der Grund für Ulpian kein anderer gewesen sein − der Tatbestand deliktischer Natur ist. Wenn bereits die klassischen Juristen die Annalität der Klage aus constitutum debiti proprii im Gegensatz zu der aus constitutum debiti alieni bejahten, so müssten sie über den deliktischen Charakter der gebrochenen Erfüllungszusage in beiden Fällen unterschiedlich geurteilt haben: „Danach wäre die Annahme möglich, daß als in der spätern Zeit das Constitut fremder Schulden häufiger und namentlich auch zu Bürgschaftszwecken angewendet wurde, man hier die Haftung des neuen Schuldners so sehr als die Hauptsache ansah, daß man von dem alten Zahlungstermine und damit auch von der Haftung für das Interesse und von der sponsio ganz abstrahirte, die Klage als einfache Klage auf Erfüllung des

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253 Constitutum debiti 68; ähnlich etwa D. 42,5,9,8 und 11 (Ulp. 62 ed.); umgekehrt D. 25,2,21,5 (Paul. 37 ed.); s. auch Levy, Privatstrafe 23; zuletzt Gröschler, Actiones in factum 123 Anm. 7 mit Literatur.

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Versprechens, die fremde Schuld zu zahlen, ansah und sie daher hier auch unbedingt als perpetua und gegen die Erben zuließ“254.

Dass bereits die klassischen Juristen den Begriff des constituere und den Umfang der Haftung bei den constituta debiti proprii und alieni unterschiedlich behandelt hätten, ist freilich nicht erkennbar. Denkbar ist jedenfalls auch, dass Justinian von einem lediglich scheinbaren und ahistorischen Rechtszustand ausging, in dem sich die Unbefristetheit der Klage aus constitutum debiti alieni aus der Konstitution Gordians (deren Fall eben auch nur ein solches betraf), die Annaliät aller anderen Klagen aus constitutum aber aus den klassischen Juristenschriften ergab, die eine Unterscheidung der Annalität bei constitutum debiti alieni und proprii noch nicht kannten. Die Diskussion betraf dann alle constituta, wurde durch die kaiserliche Kanzlei aber explizit nur für das constitutum debiti alieni entschieden. Denn schon zur Zeit Gordians dürften das constitutum debiti proprii und die daraus entspringende Klage einerseits durch die stipulierte Vertragsstrafe verdrängt, andererseits durch die Abkehr vom Formularprozess entbehrlich geworden sein; von Interesse blieb das bürgschaftsähnliche constitutum debiti alieni. Festzuhalten bleibt: Die intentio unserer Klage, die mit dem Tatbestand des athenischen Homologie-Gesetzes so deutliche Gemeinsamkeiten zeigt, wurde bis in die Zeit der klassischen Juristen als deliktischer Tatbestand aufgefasst. Neben den Vorstellungen des römischen ius civile von Vertrag und Rechtsgeschäft erhielt sich damit ein Bereich des Kreditrechts, in dem die Vorausverfügung des Gläubigers und die Verwirklichung des einvernehmlich konkretisierten Vorenthaltungstatbestands eine deliktische Haftung erzeugen: griechisches Recht im prätorischen Edikt.

§ 5. Die exceptio 'de pecunia constituta' Exceptio 'de pecunia constituta'

Das constitutum beruht auf dem consensus der Parteien255. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, dass nicht nur das Interesse des Gläubigers an seiner Einhaltung geschützt wird, sondern auch das Vertrauen des Schuldners in die Maßgeblichkeit des derart Vereinbarten. Das entsprechende prätorische Mittel für diesen Schutz wäre eine Einrede (exceptio) des Schuldners gegen eine konstitutswidrige Klage des Gläubigers. Dass sich aus dem constitutum tatsächlich eine exceptio gegen die Klage aus der Hauptschuld ergeben kann, zeigen Digestenstellen über die Kondizierbarkeit einer Leistung, die zwar der Hauptschuld, nicht aber dem constitutum entspricht, mit der condictio indebiti. Dass dabei etwas „nicht Geschuldetes“, ein indebitum, geleistet wird, lässt sich nur damit erklären, dass die ___________________________

254 Bruns, Constitutum debiti 69. 255 S. schon oben S. 6.

Exceptio de pecunia constituta

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Hauptschuld aufgrund des constitutum einredebehaftet ist (unten I.). Umgekehrt wird die Klage aus der zugrundeliegenden Schuld durch exceptio gehindert, wenn in Gemäßheit des constitutum gezahlt wurde (unten II.). Die Existenz einer exceptio de pecunia constituta, die alle diese Fälle erfasst, im prätorischen Edikt lässt sich freilich nur vermuten.

I. Rückforderung einer zusagewidrigen Leistung: D. 13,5,8-10 Die Fragmente 8-10 des Digestentitels de pecunia constituta behandeln Fälle, in denen der Schuldner einem Gläubiger ein constitutum auf Leistung gibt, danach jedoch an eine andere Person leistet (solvere). Dieser Dritte ist einmal solutionis causa adiectus der Hauptschuld, also empfangsbefugter, aber nicht forderungsberechtigter Dritter (fr. 8; nach dem Digestenzusammenhang auch fr. 9); im anderen Fall handelt es sich um einen Gesamtgläubiger (fr. 10). In beiden Konstellationen wird der Schuldner nach dem Digestentext durch das solvere an den Dritten nicht von der Haftung aus constitutum gegenüber seinem (anderen) Gläubiger befreit (fr. 8; nach dem Digestenzusammenhang auch fr. 10); die Leistung kann beim Empfänger kondiziert werden (fr. 9 nach dem Digestenzusammenhang). 1. Verlust der Leistungsmöglichkeit an einen solutionis causa adiectus: D. 13,5,8-9 D. 13,5,8 (Paul. 29 ed.) Si vero mihi aut Titio constitueris te soluturum, mihi competit actio: quod si, posteaquam soli mihi te soluturum constituisti, solveris Titio, nihilo minus mihi teneberis.

„Wenn du aber festgesetzt hast, dass du an mich oder Titius leisten/zahlen wirst, steht mir die Klage zu. Was den Fall betrifft, dass du, nachdem du festgesetzt hast, nur an mich zu zahlen, an Titius zahlst, wirst du mir nichtsdestoweniger haften.“

Die justinianischen Kompilatoren lassen den Text über si vero als Alternative an die vorangehende Grundkonstellation von D. 13,5,7,1: si mihi aut Titio stipuler anschließen256. Dies vermittelt dem Leser, dass auch Paulus diesen Fall voraussetzte. Die Kompilatoren greifen für die Ausgangskonstellation aber nicht auf ihn, sondern auf Ulpian zurück. Nach dem Digestenzusammenhang wird also in fr. 8 die Erfüllung einer Stipulation 'mihi aut Titio' derart zugesagt, dass die Leistung an Ego oder Titius ('mihi ___________________________

256 Schon diesbezüglich abweichend Ricart Martí, „Constitutum debiti“ y „solutionis causa adiectus“ 244. S. aber schon Huschke, Kritische Versuche 240 f.; Lenel, Palingenesia I 1022 (Paul. 438): ... mihi aut Titio [qui sc. in priore obligatione solutionis causa adiectus erat]; Astuti, Costituto di debito II 125 Anm. 1.

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aut Titio') erfolgen wird: Der Dativ mihi aut Titio gehört zu soluturum257. Kommt der Schuldner seiner Zusage nicht nach, kann Ego mit der actio de pecunia constituta gegen ihn vorgehen: mihi competit actio. Versteht man dies als Betonung der ausschließlichen Aktivlegitimation des Ego („steht die Klage nur mir zu“), kennzeichnet die Stelle Titius sowohl innerhalb der Hauptschuld als auch innerhalb der insofern unveränderten Erfüllungszusage als bloße Zahlstelle des Gläubigers. Als ein solcher adiectus solutionis causa kann er weder die Hauptschuld einklagen, noch aus einem entsprechenden constitutum vorgehen. Dass das constitutum 'mihi aut Titio' aber nur durch Leistung an Ego erfüllt werden könnte und, was Titius betrifft, unwirksam ist, besagt die Stelle nicht. Die Wirksamkeit des constitutum 'mihi aut Titio' steht hier nicht zur Debatte258. Mit quod si schließt eine weitere Alternative an: Ausgangspunkt ist nach dem Digestentext nach wie vor die stipulatio 'mihi aut Titio'. Ihr folgt eine Zusage des Schuldners, in der nur Ego als Empfänger der Leistung erscheint (soli mihi te soluturum). Danach leistet der Schuldner jedoch an Titius. Er haftet weiterhin dem Ego (nihilominus mihi teneberis). Die Stelle ist schweren sprachlichen Verständnisproblemen ausgesetzt. Bisweilen sieht man in dem constitutum 'soli mihi' ein zweites, dem constitutum 'mihi aut Titio' des ersten Teils zeitlich nachfolgendes Konstitut259. Zu erklären sei dies damit, dass der Gläubiger zunächst auftragsweise den adiectus solutionis causa ___________________________

257 Dies wird schon durch den in fr. 8 folgenden Gegenfall soli mihi te soluturum constituisti deutlich; wären Ego und Titius als alternative Empfänger des constitutum gemeint (der Dativ wäre dann unmittelbares Objekt von constitueris), wäre zum einen nichts über den Inhalt des constitutum gesagt, zum anderen wäre für zwei alternative constituta mit gleicher Folge (mihi competit actio) eine Konstruktion mit sive – sive, utique o. Ä. zu erwarten. Mihi aut Titio betrifft hier also ebenso den Inhalt des constitutum (und gehört daher zu soluturum), wie es in fr. 7,1 den der stipulatio betrifft; s. auch die anderen Paulus-Belege für mihi aut Titio: D. 44,7,44,4 (Paul. 74 ed. praet.); D. 46,1,34 (Paul. 72 ed.); D. 46,2,10 (Paul. 11 Sab.); D. 46,3,10 (Paul. 4 Sab.); D. 46,3,59 (Paul. 2 Plaut.). 258 So aber La Rosa, „Adiectus solutionis causa“ e il „constitutum debiti“ 6: „mihi competit actio ... espressioni che se non fossero servite ad affermare la validità di un constitutum contenente la menzione di un adiectus sarebbero risultate del tutto ovvie e quindi superflue.“ 259 Kappeyne van de Coppello, Über constituta pecunia 257; Schwarz, Grundlage der Condictio 49; Ricart Martí, „Constitutum debiti“ y „solutionis causa adiectus“ 244; zuletzt Ankum, Solutionis causa adiectus et constitutum debiti 95 ff. und La Rosa, „Adiectus solutionis causa“ e il „constitutum debiti“ 5; 7. Dagegen schon Huschke, Kritische Versuche 240 ff.; Astuti, Costituto di debito II 125 Anm. 1; Tondo, In tema di „constitutum debiti“ 225; jetzt Schmieder, Duo rei 117 mit weiterer Literatur in Anm. 432 f.

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eingeschaltet habe, diesen Auftrag aber widerrufen habe und sich vom Schuldner ein neues constitutum habe geben lassen260. Bei diesem Verständnis des Sachverhalts würden die Worte Quod si keine Alternative, sondern eine Fortführung der ersten Konstellation einleiten. Unvereinbar ist dies jedoch mit posteaquam − „nachdem“. Diese (in den Digesten häufiger als postquam belegte) Konjunktion kann nicht bedeuten, dass das constitutum soli mihi nach dem constitutum mihi aut Titio erfolgt („danach“); dies würde vielmehr nach der Verwendung von postea verlangen 261 . Um ein verdorbenes postea handelt es sich bei posteaquam sicher nicht; die ganze syntaktische Struktur samt der Verbalformen (constituisti/solveris) ist mit dem bloßen postea unvereinbar. Das Missverständnis begegnet freilich bereits in den Basiliken: B. 26,7,8 (A IV 1298 Sch.; III 136 Hb.) Εἰ δὲ ἀντιφωνήσῃ̋ ἐ™οὶ ἢ Πέτρῳ καταβαλεῖν, ἐ™οὶ ἁρ™όνιζει ἡ ἀγωγή. καὶ ἐὰν ὕστερον ἀντιφωνήσῃ̋ ἐ™οὶ ™όνον καταβαλεῖν, καὶ δῷ̋ Πέτρῳ, οὐδὲν ἧττον ἐνέχῃ ™οι.

„Wenn du zugesagt hast, an mich oder Petros zu leisten, steht die Klage mir zu. Und wenn du später zugesagt hast, nur an mich zu leisten, und an Petros leistest, haftest du mir nichtsdestoweniger.“

Posteaquam lässt sich nicht mit ὕστερον – „danach“ wiedergeben, solveris Titio darf nicht zu καὶ δῷ̋ Πέτρῳ – „und an Petros/Titius leistest“ erweitert werden. Posteaquam bringt vielmehr den Hauptsatz solveris Titio in ein zeitliches Verhältnis zu constituisti im Nebensatz, der Zusage auf Leistung allein an Ego: 'postea solveris quam constituisti'262. Angesichts des Basilikentextes ließe sich allenfalls in Erwägung ziehen, ob nicht bereits die Kompilatoren posteaquam im Sinne von postea begriffen haben. Ihr Verständnis ist von erheblicher Bedeutung, denn sie haben den Zusammenstand der fr. 8-10 komponiert. Doch sie verstanden posteaquam, wie sich zeigen wird, richtig. Mit dem unzutreffenden Verständnis von posteaquam in der Literatur hängt die weitergehende Vermutung zusammen, dass die zugrunde liegende stipulatio keine Leistungsmöglichkeit an Titius vorsah, da der Schuldner sonst in Gemäß-

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260 Ricart Martí, „Constitutum debiti“ y „solutionis causa adiectus“ 245 f. 261 So schon Huschke, Kritische Versuche 241. 262 Die Feststellung von Ricart Martí, „Constitutum debiti“ y „solutionis causa adiectus“ 246: „La expresión posteaquam de Paulo está utilizada como locución temporal, cuyo antecedente o lapso de tiempo que delimita es el que transcurre entre el primer y el segundo c(onstitutum)“ geht explizit vom Ergebnis der eigenen Interpretation aus. Ankum, Solutionis causa adiectus et constitutum debiti 95 ff. gibt die Stelle mit postquam wieder, ohne das Wort zu problematisieren. Richtig zuletzt Schmieder, Duo rei 117.

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heit der Hauptschuld erfüllt hätte, was aufgrund der allseits vermuteten Worte neque solvere/solvisse in der Klageformel ein Vorgehen des Ego mit der actio de pecunia constituta unmöglich machen würde263. Solvere steht freilich mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in der Klageformel 264 . Ob dem Schuldner nach unserem constitutum noch uneingeschränkt die Befreiung durch Erfüllung der Hauptschuld möglich ist, ist gerade das Problem der Stelle. Dass eine Hauptschuld ohne Leistungsmöglichkeit an Titius der erstgenannten Konstellation (dem constitutum 'mihi aut Titio') zugrundeliegen würde, verträgt sich zudem nicht mit dem Anschluss der Stelle über si vero an fr. 7,1 (stipulatio 'mihi aut Titio'/constitutum Titio suo nomine). Die Kompilatoren hätten den Digestentext durch Beibehaltung oder Ergänzung von si vero im Anschluss an fr. 7,1 inhaltlich massiv verändert. Das ist zwar nicht von vornherein ausgeschlossen; die zweite Konstellation von fr. 8 stellt aber, wie gesehen, keine Fortführung der ersten, sondern einen eigenen Fall dar. Spielte Titius dabei für die Hauptschuld keine Rolle, fragt man sich, warum das constitutum 'soli mihi te soluturum' zum Inhalt hat. Wenn Ego von Anfang an der einzige mögliche Leistungsempfänger ist, besteht überhaupt kein Anlass, ihn im constitutum als solchen nochmals besonders herauszustellen. Soli mihi würde also lediglich in der Darstellung des Paulus den Unterschied zum constitutum des ersten Falls von fr. 8 betonen. Der Schuldner hätte seinem Gläubiger und einzigen Empfangsbefugten ein constitutum abgegeben und danach an einen völlig unbeteiligten Dritten gezahlt; dass ihn dies in keiner Hinsicht befreit, ist kaum der Rede wert. Titius muss also auch in diesem Fall auf Gläubigerseite mit der Hauptschuld zu tun haben; dafür kommt an dieser Stelle nur eine stipulatio 'mihi aut Titio' in Betracht265. Denn dass Titius selbst (Gesamt-) Gläubiger wäre, ist erst Gegenstand von fr. 10. Nach D. 13,5,8 schieben die Kompilatoren ein Fragment aus der Papinianmasse ein: D. 13,5,9 (Pap. 8 quaest.) Titius tamen indebiti condictione te___________________________

„Titius wird jedoch 266 mit der Kondiktion des

263 Ricart Martí, „Constitutum debiti“ y „solutionis causa adiectus“ 246. 264 S. oben S. 26 ff. 265 Das „Vertrauen auf Tribonian und seine Mitarbeiter“ (Schmieder, Duo rei 117 Anm. 434) ist hier also gerechtfertigt. 266 Schon die Basiliken geben tamen mit schlichtem δέ − „aber“ wieder. Wohl zutreffend übersetzt Zimmermann in: Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, CIC III tamen mit „jedoch“. Mit tamen − „dennoch“ wird häufig ein widerstrebender Gedanke überwunden (licet/etsi/quamvis ... tamen ...), der im vorangehenden Paulustext allerdings nicht zu finden ist. Dass der Schuldner weiterhin dem Gläubiger haftet, steht in keinem Spannungsverhältnis dazu, dass der adiectus mit der condictio

Exceptio de pecunia constituta nebitur, ut quod ei perperam solutum est ei qui solvit reddatur.

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Nichtgeschuldeten haften, auf dass das, was ihm zu Unrecht geleistet wurde, dem, der es geleistet hat, zurückgegeben werde.“

Auch hier wird vermittelt, dass Papinian tatsächlich vom selben Fall wie zuvor Paulus spricht, also von einer Hauptschuld 'mihi aut Titio' und einem constitutum 'soli mihi te soluturum'267. Allerdings heißt der Leistende bei Papinian nicht mehr tu, sondern is qui solvit. Warum man nicht den ganzen Fall von Papinian übernahm, bleibt offen. Vermuten lässt sich zunächst nur, dass der Fall in den Quästionen des Papinian, einem Werk vertiefter Problemliteratur, verwickelter und daher im grundlegenden und regelhaften Bereich des Digestentitels fehl am Platze war. Denkbar ist außerdem, dass Paulus in seinem Ediktskommentar eine längere Diskussion der Lösung oder weitere Differenzierungen des Sachverhalts brachte. Zitierte er dabei zustimmend Papinian als entscheidende Autorität, könnten die Kompilatoren dem Zitat gefolgt sein, um festzustellen, dass sich der prägnante Papinian-Text (wenn auch womöglich selbst nur ein Ausschnitt) unter dem Aspekt der Textökonomie besser eignet als das Derivat des Paulus. Beschränkte sich Papinian aber auf den Fall des solutionis causa adiectus mitsamt constitutum soli mihi, bestand Anlass, mit fr. 10 in den Paulus-Text zurückzukehren und von dort den Fall der Gesamtgläubiger zu beziehen. Papinian spricht bei der Leistung an den adiectus Titius von perperam solutum − „zu Unrecht Geleistetes“ oder „irrtümlich Geleistetes“. Der Schuldner kann es mit der condictio indebiti zurückverlangen. Titius erscheint nach dem constitutum 'soli mihi' nicht mehr empfangszuständig. Damit wirkt das constitutum auf die Rechtslage der zugrunde liegenden stipulatio ein: Es hat insofern Effekte einer Schuldumschaffung, einer Novation. Das formlose, prätorisch sanktionierte Geschäft scheint demnach Auswirkungen auf die Erfüllbarkeit einer zivilen Obligation (der Stipulationsverbindlichkeit) zu haben. Die Formulierung quod ei perperam solutum est ist auffällig. Sie stößt sich zwar nicht direkt mit der Vorstellung, dass Titius alles herauszugeben hat, weil es „zu Unrecht“ an ihn geleistet wurde. Dass sich ein derartiger kausaler Sinn des Relativsatzes nicht in einem Konjunktiv solutum sit ausdrückt, mag man in Kauf nehmen. Weitaus besser aber würde der Satz auf eine Situation passen, in der

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belangbar ist. Sollte Papinian zuvor ein Problem aufgeworfen haben, das der verkürzenden Selektion durch die Kompilatoren zum Opfer gefallen ist? Es könnte damit zu tun haben, dass an Titius auf eine bestehende Schuld, nämlich die Hauptschuld geleistet wurde. Freilich nimmt tamen bei den Juristen durchaus die Bedeutung „aber“/„jedoch“ an, in den Quaestionen Papinians z. B. D. 5,4,10 (Pap. 6 quaest.); 16,3,24 (Pap. 9 quaest.); s. noch Heumann/Seckel, Handlexikon s. v. tamen. 267 Lenel, Palingenesia I 827 (Pap. 149) schaltet die Worte vor: Mihi aut Titio stipulatus sum, deinde soli mihi te soluturum constituisti: si Titio solveris nihilo minus mihi teneberis.

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Titius nur das, quod perperam solutum est, wieder herauszugeben hat. Es mag dies daran liegen, dass der Ausgangsfall Papinians komplizierter lag; dass dort also an Titius gleichzeitig „zu Recht“ und „zu Unrecht“ geleistet werden konnte. Denkbar ist aber auch, in quod perperam solutum est lediglich die allgemeine Voraussetzung der condictio zu erkennen, dass die Leistung irrtümlich erfolgen musste, also nicht im Wissen um ihre Erfolglosigkeit geschah. Perperam solutum wäre dann gleichbedeutend mit per errorem solutum268. Die Rückforderung der Leistung an einen Dritten macht etwa Pomponius davon abhängig, dass der Leistende in dem Irrtum befangen war, der Empfänger sei solutionis causa adiectus einer Stipulationsschuld: D. 12,6,22 pr. (Pomp. 22 Sab.) Sed et si me putem tibi aut Titio promisisse, cum aut neutrum factum sit aut Titii persona in stipulatione comprehensa non sit, et Titio solvero, repetere a Titio potero.

„Aber auch wenn ich meine, Leistung an dich oder Titius versprochen zu haben, obwohl nichts davon der Fall ist oder Titius in der Stipulation nicht enthalten war, und an Titius leiste, kann ich von Titius zurückfordern.“

Für unseren Fall würde dies bedeuten, dass die Leistung an Titius dann nicht kondizierbar wäre, wenn der Leistende wusste, dass er sich mit ihr nicht befreien konnte. 2. Verlust einer Leistungsalternative durch constitutum bei einer Wahlschuld: D. 13,5,25 pr. Die Auswirkung des constitutum auf die Erfüllbarkeit der Hauptschuld ist nicht singulär. An anderer Stelle erfahren wir von Papinian, dass der Schuldner einer Wahlschuld (illud aut illud debuit), nachdem er eine Leistungsalternative „festgesetzt hat“, die andere (gegen den Willen des Gläubigers) nicht mehr zur befreienden Leistung in Anspruch nehmen kann (alterum solvere (non) possit): D. 13,5,25 pr. (Pap. 8 quaest.) Illud aut illud debuit et constituit alterum: an vel alterum quod non constituit solvere possit, quaesitum est. dixi non esse audiendum, si velit hodie fidem constitutae rei frangere.

„Er hat jenes oder jenes geschuldet und eines davon festgesetzt. Es wurde gefragt, ob er auch das andere, das er nicht festgesetzt hat, leisten könne. Ich habe gesagt, man müsse dem kein Gehör schenken, wenn er heute das Vertrauen in das festgesetzte Verhältnis zerstören will.“

Das constituere führt dazu, dass das Wahlrecht der Hauptschuld nicht mehr ausgeübt werden kann und der Gläubiger eine andere als die konstituierte Leistung ablehnen darf. Einziges Begründungselement ist die fides constitutae rei. Der Schuldner hat insofern mit dem constitutum mehr versprochen, als in der ___________________________

268 S. dazu Avenarius, Ps.-ulp. liber sing. reg. 473.

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ursprünglichen Obligation enthalten war – denn sein Versprechen beinhaltet kein Wahlrecht mehr. Nicht ohne Blick auf die Lösung in fr. 13,5,8 f. und Zweifeln daran wurde bestritten, dass in fr. 25 pr. tatsächlich das pecuniam constituere unseres Edikts gemeint ist269. Wer sein Wahlrecht betätigt, „konstituiert“270. Immerhin aber stammt D. 13,5,25 pr. aus demselben Buch der Papinian-Quästionen wie D. 13,5,9. Der folgende § 1 hat eindeutig die actio de pecunia constituta zum Gegenstand271. Vor allem aber gehört die Fragestellung in unseren engeren Zusammenhang. Die Frage, ob der Schuldner nach dem constituere einer Leistungsalternative auf die andere zurückgreifen könnte, muss mit der Obliegenheit des Gläubigers zur Annahme der Leistung, dem Annahmeverzug des Gläubigers, der Gefahrtragung und dem Schaden des Gläubigers zu tun haben. Kann man dem Schuldner hier das non fecisse der Klageformel vorwerfen? Muss der Gläubiger, der die Annahme der nicht konstituierten Alternativleistung verweigert, die Worte der Klageformel neque per actorem stetisse quo minus fieret quod constitutum est gegen sich gelten lassen und daher im Prozess unterliegen? D. 13,5,9 hingegen betrifft die Frage, ob der Gläubiger die Leistung des Schuldners an Titius als befreiend anerkennen muss, ob der Schuldner trotz Leistung an Titius im Verzug ist, ob er durch Beschränkung auf die condictio gegen Titius dessen Insolvenzrisiko ausgesetzt ist. Es sind dies parallele Probleme auf zwei Stufen des Leistungsvollzugs. Im Fall D. 13,5,8-9 geht es wie in fr. 25 pr. darum, dass der Schuldner tun muss, was er festgesetzt hat; auf irgendeine andere Form des solvere kann er sich nicht mehr zurückziehen. Wenn Papinian dem constitutum insofern „novatorischen“ Effekt zugesteht, wird dies durch fr. 9 und 25 pr. gleichermaßen untersützt.

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269 Kappeyne van de Coppello, Über constituta pecunia 257. 270 Z. B. in D. 26,2,23 pr. (Afr. 8 quaest.): Tutor ita recte non datur: 'illi aut „Ein Vormund kann nicht wirksam so gegeben illi filiis meis, utri eorum volet, werden: 'Für jenen oder jenen meiner Söhne, Titius tutor esto'; quid enim dice- welchen von beiden er will, soll Titius Vormus, si Titius c o n s t i t u e r e nolit, mund sein'. Denn was sollen wir sagen, wenn utri ex filiis tutor esse velit? Titius nicht fe s t s e t z e n will, für welchen der beiden Söhne er Vormund sein will?“ 271 S. unten S. 200. 271 S. unten S. 200.

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3. Widerspruch zu D. 46,3,59 (Paul. 2 Plaut.): Erhalt der Leistungsmöglichkeit an einen solutionis causa adiectus Paulus kommt andernorts zu einem anderem Ergebnis für das constitutum gegenüber dem Gläubiger einer stipulatio 'mihi aut Titio'272: Si ita stipulatus sim: 'mihi aut Titio dare spondes?' et debitor constituerit se mihi soluturum, quamvis mihi competat de constituta actio, potest adhuc adiecto solvere.

„Wenn ich mir Folgendes förmlich versprechen ließ: 'Gelobst du mir oder Titius zu geben?' und der Schuldner festgesetzt hat, dass er an mich leisten werde, kann er, obwohl mir die Klage über festgesetztes Geld zusteht, weiterhin an den Hinzugezogenen leisten.“

Hier geht Paulus scheinbar von einer umfassenden Befreiungswirkung der Leistung an Titius aus, der als möglicher Leistungsempfänger in der Stipulation, nicht aber im constitutum genannt ist273. Die Stelle steht in einem deutlichen Spannungsverhältnis zu D. 13,5,8; zu ihr muss Stellung genommen werden, um das Verständnis von D. 13,5,8 zu stabilisieren274. Um den Widerspruch zu überwinden, finden sich in der Literatur zwei Ansätze. Zum Teil wird der Widerspruch vermieden, indem man in D. 13,5,8 von mehreren constituta in ein und demselben Fall ausgeht. Dann unterscheiden sich die beiden Stellen im Sachverhalt. Unvereinbar ist dies mit posteaquam ...275 Die Erklärung führt daher nicht weiter. Zum Teil wird aber auch auf einen Unterschied in der Formulierung gepocht: In D. 13,5,8 sagt der Schuldner Leistung ausschließlich an Ego zu (soli mihi te soluturum). In D. 46,3,59 heißt es schlicht se mihi soluturum276. Der adiectus ist dort im 'mihi' des constitutum enthalten; Paulus arbeitet dabei mit einer Fiktion: dum enim adiecto solvitur, mihi solvi videtur, wie er im zweiten Fall von

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272 Einen Widerspruch sieht schon Accursius Gl. Si vero zu D. 13,5,10; Lösungsversuche durch Pringsheim, jus aequum und jus strictum 653 Anm. 9; Beseler, ZRG RA 45 (1925) 438 f.; Astuti, Costituto di debito II 126 f.; dagegen Ricart Martí, „Constitutum debiti“ y „solutionis causa adiectus“ 252; Ankum, Solutionis causa adiectus et constitutum debiti 95 ff.; La Rosa, „Adiectus solutionis causa“ e il „constitutum debiti“ 7. 273 Befreiung zunächst hinsichtlich der Hauptschuld nimmt Ricart Marti, „Constitutum debiti“ y „solutionis causa adiectus“ 251 f. an. 274 Schmieder, Duo rei 117 Anm. 431 hält D. 46,3,59 explizit von seiner Interpretation von D. 13,5,8 ff. fern, auch Steiner, Solidarobligationen, geht auf die Stelle nicht ein. 275 S. oben S. 86 f. 276 Bruns, Constitutum debiti 82 mit Anm. 75; jetzt Emunds, Solvendo quisque pro alio liberat eum 194 Anm. 22 mit Literatur.

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D. 46,3,59 formuliert. Das constitutum in D. 46,3,59 hätte hinsichtlich der Person des möglichen Leistungsempfängers keine einschränkende Funktion277. Auch die Basiliken geben den Unterschied wieder: ἐ™οὶ ™όνον καταβαλεῖν (B. 26,7,8 = D. 13,5,8: „nur mir zu leisten“) 278 steht gegen δοῦναι ™οι (B. 26,5,59 = D. 46,3,59: „dass mir gegeben werde“)279. Dass der Unterschied soli mihi / mihi belastbar wäre, wurde freilich bezweifelt280. Es ist in der Tat befremdend, dass Paulus den Fall 'mihi' im Ediktskommentar zur actio de pecunia constituta (D. 13,5,8: soli mihi) nicht erwähnt; im Zusammenhang der solutio im Kommentar ad Plautium (D. 46,3,59: mihi) hätte umgekehrt die Variante 'soli mihi' keine Beachtung gefunden. An beiden Stellen hätte Paulus also auf eine Differenzierung verzichtet. Besonders schwerwiegend wäre das für D. 46,3,59: Kann sich bei einem constitutum te mihi soluturum nicht aus den erkennbaren Absichten der Parteien, dem quod actum est, ergeben, dass nur an Ego geleistet werden soll? Dann aber muss die Beurteilung ins Gegenteil schwenken: Keine Befreiung des Schuldners durch Leistung an den adiectus. Was man in D. 46,3,59 vermisst, ist also zumindest die Ausnahme nisi aliud actum est o. Ä. Kommt soli in D. 13,5,8 keine gesteigerte Bedeutung zu, so ließe es sich schlicht daraus erklären, dass das constitutum mihi in Gegensatz zum constitutum mihi aut Titio gebracht wird. Soli dient dann lediglich der Betonung. Diese Betonung wäre nötig, um die konsequent fortschreitende Abwandlung des Falls herauszustellen. Ausgehend von der stipulatio mihi aut Titio werden überprüft: (1) das constitutum Titio suo nomine (D. 13,5,7,1 Iul./Ulp.; nach fr. 8: si vero auch Paul.): unwirksam; (2) das constitutum mihi aut Titio (D. 13,5,8 Alt. 1): wirksam; Besonderheit: keine eigene Klage des Titius; selbstverständlich: befreiende Leistung an Titius möglich; (3) das constitutum soli mihi (D. 13,5,8 Alt. 2): wirksam; selbstverständlich: keine Klage des Titius; Besonderheit: keine befreiende Leistung an Titius möglich. Dient soli nur der Betonung, so fehlt es in D. 46,3,59, weil es verzichtbar ist. Die beiden Fälle wären also dem Tatbestand nach gleich − bei konträren Rechtsfolgen! ___________________________

277 Die Interpolationsvermutung bei Schwarz, Grundlage der Condictio 49 Anm. 20: et debitor constituerit se mihi ‹aut Titio› soluturum nimmt der Stelle weitgehend ihren Gehalt: In diesem Fall würde ohnehin nichts dagegen sprechen, dass an Titius befreiend geleistet werden kann. 278 A IV 1298 Sch.; III 136 Hb. 279 A IV 1279 f. Sch.; III 121 f. Hb. 280 Pringsheim, jus aequum und jus strictum 653 Anm. 9.

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Das Nebeneinander von D. 13,5,8 und 46,3,59 wirkt auf den Betrachter geradezu provozierend. Wer sich nicht ohne Weiteres mit dem Unterschied zwischen soli mihi und mihi zufrieden geben will, zumal der regelhafte Satz dum enim adiecto solvitur, mihi solvi videtur auf D. 13,5,8 angewendet auch dort das gegenteilige Ergebnis rechtfertigen könnte, muss Textverderbnisse oder Interpolationen annehmen281. Soli mihi in D. 13,5,8 ist sprachlich unverdächtig: Die Voranstellung von solus/ soli begegnet zwar seltener als die Nachstellung, ist aber keineswegs anstößig282. Die Korrektur von soli mihi eam adquirit zu solidum mihi adquirit, die Bretone in D. 45,3,17 (Pomp. 9 Sab.), dem einzigen weiteren Beleg für soli mihi in den Digesten, unter Berufung auf die Wortstellung vornehmen will, ist dort unveranlasst283. Auch im Übrigen ist der Text von fr. 8 gesichert: Eine Textverderbnis des entscheidenden nihilo minus mihi teneberis ist zwar zunächst denkbar284. Ersetzt man nihilo mit eo oder hoc, wendet sich die Lösung in ihr Gegenteil: eo/hoc minus mihi teneberis – „du wirst mir um das/dies (was du an Titius geleistet hast) ___________________________

281 Pringsheim, jus aequum und jus strictum 653 Anm. 9 zieht sogar in Betracht, dass D. 46,3,59 ursprünglich lautete: si ita stipulatus sim: 'mihi aut Titio dare spondes?', debitor potest adiecto solvere. Wie die Kompilatoren auf den Gedanken verfallen wären, daraus einen Fall des constitutum zu machen, bliebe ein Rätsel. Die Ergänzung quamvis mihi competat de constituta actio würde außerdem eine recht intensive Beschäftigung mit dem constitutum voraussetzen; D. 13,5,8: mihi competit actio klingt an. Hätten die Kompilatoren dann nicht den Widerspruch bemerkt? 282 Es besteht kein Anlass, die Stellung von solus/soli in Verbindung mit Personalpronomina anders zu beurteilen als bei anderen Nomina, so aber offenbar Bretone, Servus communis 82 ff.; referierend Ricart Martí, „Constitutum debiti“ y „solutionis causa adiectus“ 244 Anm. 9, vgl. D. 4,4,13 pr. (Ulp. 11 ed.): soli ei succurrendum sit; D. 35,2,82 (Ulp. 8 disp.): soli ei liberatio relicta est; D. 37,6,3,6 (Iul. 23 dig.): soli ei conferat; D. 13,1,1 (Ulp. 18 Sab.): soli domino condictio competit; D. 15,1,19,1 (Ulp. 29 ed.): soli uxori detrahi; D. 28,6,2,1 (Ulp. 6 Sab.): soli filio testamentum facere (ebenso D. 29,1,15,5 [Ulp. 45 ed.]); D. 30,108,10 (Afr. 5 quaest.): soli heredi deperit; D. 34,4,3,1 (Ulp. 24 Sab.): soli Sempronio debetur legatum; D. 37,7,1,2 (Ulp. 40 ed.): soli fratri / soli nepoti conferre (ebenso D. 37,8,1,12/17 [Ulp. 40 ed.]); D. 44,3,6 pr. (Afr. 9 quaest.): soli priori emptori proficit; D. 45,1,55 (Iul. 36 dig.): soli Titio recte solvitur; D. 47,2,12,1 (Ulp. 29 Sab.): soli bonae fidei possessori furti actio datur; außerdem etwa D. 28,5,61 (Cels. 29 dig.): solus is hereditatem capit; D. 29,1,17,1 (Gai. 15 ed. prov.): solus is teneatur; D. 42,5,12 pr. (Paul. 59 ed.): solus is qui petit possidere potest. 283 Servus communis 82 ff. Dagegen spricht schon das im nächsten Satz folgende mihi quoque in solidum servitus adquiritur; außerdem soli ei adquirere in D. 41,1,37,3 (Iul. 44 dig.); 45,3,5 (Ulp. 48 Sab.); 45,3,6 (Pomp. 46 Sab.). 284 Beseler, ZRG RA 45 (1925) 439 vermutet − ohne Begründung − ein interpoliertes ‹non› teneberis.

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weniger haften“ und entspricht dann D. 46,3,59. Nihilo minus begegnet etwa im Veroneser Gaius abgekürzt als nominus285. Diese Abkürzung könnte ein Schreiber in einem (bereits entstellten) titioeominus / titiohocminus unseres PaulusTextes erkannt haben, um sie zu nihilo minus aufzulösen286. Eine Lesart eo minus mihi teneberis müsste sich aber auch mit dem Folgenden vereinbaren lassen. An D. 13,5,8 würde dann wohl unmittelbar fr. 10 anschließen: D. 13,5,10 (Paul. 29 ed.) Idem est et si ex duobus reis stipulandi post alteri constitutum, alteri postea solutum est, quia loco eius, cui iam solutum est haberi debet is cui constituitur.

„Dasselbe gilt, wenn von zwei Stipulationsgläubigern nach der Festsetzung zugunsten des einen, danach an den anderen geleistet wurde, weil der, zu dessen Gunsten festgesetzt wird, so anzusehen wie der, dem schon geleistet wurde.“

Dass die Leistung an Titius Ego gegenüber befreiende Wirkung hat, fände seine Entsprechung bei den Gesamtgläubigern (idem est): Jeder Gesamtgläubiger, auch derjenige, der sich ein constitutum hat geben lassen, müsste die Leistung an den anderen gegen sich gelten lassen. Dafür passt aber die Begründung nicht: quia loco eius, cui iam solutum est, haberi debet is, cui constituitur. Das Präsens constituitur der Entscheidungsbegründung zeigt, im Gegensatz zum Perfekt constitutum (est) im Sachverhalt287, dass es sich nicht mehr um eine Bezugnahme auf den konkreten Fall, sondern um eine regelhafte Aussage handelt288: is cui constituitur ist der „zeitlose“ Empfänger eines constitutum. Als solcher muss ein Gesamtgläubiger behandelt werden wie einer, an den bereits geleistet wurde. Mit einer befreienden Leistung des Schuldners an den anderen Gesamtgläubiger ist dies unvereinbar. Am überlieferten Ergebnis von D. 13,5,8: nihilo minus teneberis ist also nicht zu rütteln. Zu beachten sind vielmehr die Konjunktive im Tatbestand von D. 46,3,59: stipulatus sim/constituerit/competat neben dem Indikativ potest ... solvere im Hauptsatz. Auch im folgenden Satz des Fragments, der mit et anschließt, steht der Tatbestand in einem konjunktivischen Kondizionalsatz (si ... stipulatus sim), die Rechtsfolge jedoch im AcI: patrem posse Titio solvere, gestört durch einen Rela___________________________

285 S. Studemund, Apographum 154 Z. 17; 281. 286 Ein ähnliches Phänomen begegnet in D. 13,5,8 (Abkürzung für primo aufgelöst zu post; s. unten bei Anm. 296). Eo könnte auch ganz verloren gegangen sein (titioeominus zu titiominus: omissio ex homoioteleuto); man hätte später das sprachlich unmögliche minus mihi teneberis falsch um nihilo ergänzt. 287 Zur richtigen Lesung von post constitutum: primo constitutum ... est s. unten bei Anm. 296. 288 Das wird mitunter zu wenig beachtet: Ricart Martí, „Constitutum debiti“ y „solutionis causa adiectus“ 247 (s. oben Anm. 298) spricht von „aquel con el que se ha constituido: ... constituitur.“

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tivsatz im Indikativ (quod in peculio est) und einen ergänzenden Kondizionalsatz im Indikativ (scilicet si ... velit). Dies deutet darauf hin, dass es sich in beiden Fällen um das Zitat eines anderen Juristen bei Paulus handelt − der Fortgang der Stelle lässt auf Julian schließen – , möglicherweise ergänzt durch Bemerkungen des Paulus im Indikativ: (Julian?:) et si a filio familias mihi aut Titio stipulatus sim, patrem posse Titio solvere

„Und wenn ich von einem Haussohn die Stipulation 'mir oder Titius' entgegengenommen habe, könne der Vater an Titius zahlen,

(Paulus?:) quod in peculio est, scilicet si suo, non filii nomine solvere velit: dum enim adiecto solvitur, mihi solvi videtur:

was im Sondervermögen ist, natürlich nur, wenn er im eigenen Namen, nicht in dem des Sohnes zahlen wollte289: Solange nämlich an den hinzugefügten Leistungsempfänger geleistet wird, scheint an mich geleistet zu werden.

(Julian:) et ideo si indebitum adiecto solutum sit, stipulatori posse condici Iulianus putat: ut nihil intersit, iubeam te Titio solvere an ab initio stipulatio ita concepta sit.

Und deshalb könne, so meint Julian, wenn etwas nicht Geschuldetes an den Hinzugefügten geleistet wird, beim Stipulationsgläubiger kondiziert werden, sodass kein Unterschied besteht, ob ich dich ermächtige an Titius zu leisten oder von Anfang an die Stipulation so gefasst war.“

Lassen sich die − für das Verständnis nicht zwingend erforderlichen, es aber erleichternden – indikativischen Zusätze im zweiten Teil der Stelle als Ergänzungen des Paulus erklären, bleibt doch das Nebeneinander von (debitor) potest adhuc adiecto solvere im ersten, patrem posse Titio solvere im zweiten Satz erklärungsbedürftig. Dass Paulus mit dem Problem einen anderen zitiert, dessen Lösung aber übergeht und selbst das Wort ergreift, befremdet. Neben der Möglichkeit einer unbeabsichtigten Verderbnis von posse zu potest steht eine andere: Der Indikativ könnte − ohne Rücksicht auf die sprachliche Stringenz, aber doch mit Absicht − dort gesetzt worden sein, wo ursprünglich – wie im zweiten Satz – das posse der indirekten Rede gestanden hatte, gefolgt von einer Diskussion der Lösung durch Paulus, möglicherweise unter Nennung von Autoritäten und Präzisierungen der Lösung. Die Streichung unter Setzung des apodiktischen potest wäre den Kompilatoren zu verdanken. Es öffnet sich damit bei potest ein Einfallstor, durch das sich der Fall des constitutum soli mihi (wie in D. 13,5,8) in den ursprünglichen Text von D. 46,3,59 projizieren lässt. Denn zu einer dort beseitigten Diskussion könnte gehört haben, dass Fälle denkbar sind, in denen das constitutum nicht schlicht auf Leistung an den Erklärungsempfänger, sondern auf Leistung gerade und nur an ihn (soli mihi) geht. Also etwa: Iulianus (?) putat ... Si ita stipulatus sim: 'mihi aut Titio dare spondes?' et debitor constituerit se mihi soluturum, quamvis mihi competat de constituta actio, posse adhuc adiecto solvere/solvi. ‹Quod ita verum esse puto, nisi hoc actum est, ut soli mihi solvatur. ...›

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289 Denn dann gäbe es keine Beschränkung auf das Sondervermögen.

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Umgekehrt könnte hier auch die engere Erklärung für den Papinianeinschub D. 13,5,9 liegen: Auch im Ediktskommentar des Paulus könnte zwischen den Fällen des constitutum mihi und soli mihi differenziert worden sein. Dass sich die Kompilatoren bei der Textauslassung in beiden Stellen konträr entschieden, könnte daran liegen, dass Paulus im Ediktskommentar als höchste Autorität Papinian und diesen nur beim constitutum soli mihi zitierte, im Kommentar ad Plautium umgekehrt Julian (?) und diesen nur beim constitutum mihi. In D. 46,3,59 könnten die Byzantiner gleichzeitig versucht haben, einen vermeintlichen Widerspruch zu beseitigen: Sie nehmen den später auftauchenden Satz: dum enim adiecto solvitur, mihi solvi videtur als allgemeine und ausnahmslose Regel. D. 13,5,8 und D. 46,3,59 gehören verschiedenen Massen an (Paul. 29 ed.: Sabinusmasse; Paul. 2 Plaut.: Ediktsmasse), wurden also von verschiedenen Unterausschüssen der Digestenkommission bearbeitet290. 33 Bücher trennen die Stellen in den Digesten; die verlässliche Vermeidung eines derartigen Widerspruchs ist angesichts dessen geradezu unrealistisch. Der Papinianeinschub in D. 13,5,9 und das unscheinbare potest in D. 46,3,59 ermöglichen also die Hypothese eines einzigen, nämlich eines differenzierenden Standpunkts bei Paulus. 4. Verlust der Leistungsmöglichkeit an einen Gesamtgläubiger nach constitutum zugunsten des anderen: D. 13,5,10 Nach fr. 10 291 führt eine andere Konstellation zum selben Ergebnis wie die vorhergehenden. Der Text ist offensichtlich gestört, ohne irgendeinen Hinweis auf Interpolation zu liefern292: Die Doppelung post constitutum postea solutum befremdet, zumal alteri constitutum und alteri solutum parallel erscheinen, post jedoch die Verbindung constitutum − est verbietet293 . Zu erwarten wäre etwa primo alteri constitutum (scil. est), woraus durch falsche Auflösung einer Abkürzung294 „post“ entstanden sein könnte. In der Florentiner Handschrift (204r a 16) stammt post zwar vom selben Schreiber wie der Rest des Textes295. Während ___________________________

290 Bluhme, Ordnung der Fragmente 270 ff.; Wieacker/Wolf, Rechtsgeschichte II 303 f. 291 Text oben S. 95. 292 So aber Astuti, Costituto di debito II 134 mit Literatur in Anm. 24: „evidentissimi segni“; s. auch unten Anm. 301. Keinerlei Indiz für eine Interpolation ist der Zusammenstand von solutum est und constituitur, so aber Beseler, Beiträge IV 291, zustimmend offenbar Astuti, ebd. Das Präsens constituitur ist der Regelbildung geschuldet. 293 Post wird daher mitunter schlicht gestrichen: so etwa Bonfante, Digesta (Ed. Mediolan.). Wie es aus dem Nichts in den Text gelangt sein soll, bleibt offen. 294 Vgl. Studemund, Apographum 285/286: Die Abkürzungen für post (p’) und pri- (p mit darübergestelltem ı) unterscheiden sich dort minimal. 295 S. Mommsen, Ed. maior in app.; bestätigende Auskunft von W. Kaiser, Freiburg.

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p- am regulären Zeilenende steht, ragt -ost jedoch weit darüber hinaus, was für die Auflösung einer (nicht mehr eindeutigen) Abkürzung sprechen könnte: In der Vorlage hätte die Zeile mit p geendet, die folgende mit alteri begonnen296. Nach dem überlieferten Text von fr. 10 führt das constitutum dazu, dass nur noch an denjenigen der beiden Gesamtgläubiger endgültig befreiend geleistet werden kann, zu dessen Gunsten es erklärt wurde. Der andere hat eine Leistung des Schuldners wie in fr. 9 (idem est)297 aufgrund der condictio indebiti herauszugeben. Denn die Worte quia loco eius ... sind keine Begründung gerade für eine Weiterhaftung des Schuldners (fr. 8: nihilo minus mihi teneberis). Im Verhältnis zwischen ihm und dem Empfänger des constitutum wird dieser doch gerade nicht „so behandelt werden wie einer, dem schon geleistet wurde“: Der Schuldner ist vielmehr weiterhin verpflichtet. Mit quia loco eius ... wird vielmehr begründet, dass nach einem constitutum die Leistung an den zweiten Gesamtgläubiger nicht mehr geschuldet ist (und daher mit der condictio indebiti zurückgefordert werden kann). Zwischen fr. 8 und fr. 10 muss also auch im ursprünglichen Paulus-Text zuletzt von der Leistung des indebitum an Titius und seiner Rückforderung die Rede gewesen sein298. Wieder stößt man auf eine scheinbar novatorische Wirkung des constitutum. Vermeiden lässt sich dieser Eindruck nur, wenn man den Sachverhalt um ein entscheidendes weiteres Element ergänzt. Ricart Martí sieht es darin, dass sich zunächst das Verhältnis der beiden Gesamtgläubiger A und B verändert hat, A sich daraufhin ein constitutum des Schuldners geben lässt, das constitutum (durch Nichtleistung am zugesagten Termin) verfällt und der Schuldner nun, um einer Inanspruchnahme durch A zu entgehen, der unerbittlich die Annahme der Leistung verweigert und auf einer Klage aus constitutum auf quanti ea res est ___________________________

296 Dies ist unspektakulärer als die Erklärung Huschkes, Kritische Versuche 242 Anm. 2, der die Streichung von postea mit dem Hinweis auf oskische Sprachtraditionen abwehren will. 297 Die Korrektur Beselers, Beiträge IV 291 zu {non} idem est ‹et› si kann nicht überzeugen: Wer non streicht, muss kein et ergänzen. Non idem est begegnet in den gesamten Digesten noch dreimal, stets mit in aliqua re: D. 39,2,38,1 (Paul. 10 Sab.): in agris n. i. e.; D. 40,2,14,1 (Marc. 4 reg.): n. i. e. in castrato; D. 50,16,88 (Cels. 18 dig.): n. i. e. in fundo alieno legato; hätte Paulus nicht schlicht non idem est in duobus reis stipulandi geschrieben? 298 Ricart Martí, „Constitutum debiti“ y „solutionis causa adiectus“ 247 f. setzt einen direkten Anschluss von fr. 10 an 8 voraus, versteht aber die Begründung quia loco eius wohl falsch: „... el jurista pone énfasis al decir que debe pagarse a aquel con el que se ha constituido: haberi debet is cui constituitur“; gemeint ist offenbar 'habere debet ...', loco eius findet keine Berücksichtigung. Für direkten Anschluss zunächst auch Schmieder, Duo rei 118 mit Literatur in Anm. 438; im Folgenden sieht Schmieder jedoch zutreffend in quia loco eius ... die Begründung für die Kondizierbarkeit (S. 119, 125); jetzt auch Steiner, Solidarobligationen 72.

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besteht, an B leistet299. Dabei handelt es sich nicht mehr um eine notwendige Ergänzung des Sachverhalts, sondern um einen eigenen, ganz speziellen Fall: Schuldner und Gläubiger B wirken kollusiv zusammen. Außerdem müsste man nach wie vor klären, warum der Schuldner nicht befreiend an B leisten kann. Wenn das constitutum die Leistungsmöglichkeiten auf die Hauptschuld unberührt lässt, wirken sich dann Veränderungen im Innenverhältnis der Gläubiger auf den Schuldner aus? 5. D. 13,5,10 innerhalb der Haltung des Paulus zur Gesamtwirkung von Einzelmaßnahmen bei Gesamtgläubigerschaft Im Fall zweier Gesamtgläubiger hat der eine die Leistung des Schuldners an den anderen grundsätzlich gegen sich gelten zu lassen; die Gesamtobligation erlischt ipso iure300. Ist an einen der Gläubiger iam solutum „bereits geleistet“, führt eine zweite Leistung des Schuldners an den anderen daher unmittelbar zur condictio indebiti. Das constitutum zugunsten des einen will Paulus nach dem Digestenzusammenhang gegenüber dem anderen Gläubiger so behandelt sehen wie eine (zum Zeitpunkt der Leistung an den anderen Gläubiger bereits erfolgte) Leistung: quia loco eius, cui iam solutum est, haberi debet is, cui constituitur. Iam hätte in D. 13,5,10 also einen guten Sinn301. Das Ergebnis wird damit erklärt, dass das constitutum des Schuldners eine Einrede (exceptio) generiere, die der Schuldner dem anderen Gläubiger entgegenhalten könne302. Leistet er irrtümlich auf die einredebehaftete Forderung, so stehe ihm wie stets die condictio indebiti zu. Was erreicht würde, wäre „prätorische Novation“303. An anderer Stelle äußert sich Paulus nach dem überlieferten Text ablehnend zur Gesamtwirkung sowohl eines pactum de non petendo, das der Schuldner mit einem von zwei Gesamtgläubigern schließt, als auch der Novation, die er mit einem der beiden vornimmt. D. 2,14,27 pr. (Paul. 3 ed.) Si unus ex argentariis sociis cum debitore pactus sit, an etiam alteri noceat exceptio? Neratius Atilici-

„Wenn einer von (zwei) Gesellschaftern eines Finanzierungsunternehmens mit dem Schuldner eine Abrede getroffen hat, schadet dann dem anderen

___________________________

299 Ricart Martí, „Constitutum debiti“ y „solutionis causa adiectus“ 248. 300 S. etwa D. 45,2,3,1 (Ulp. 47 Sab.); D. 2,14,27 pr. (Paul. 3 ed.), s. sogleich; D. 4,1,128 (Paul. 10 quaest.); 45,2,15 (Gai. 2 verb. obl.); D. 46,2,31,1 (Venul. 3 stip.), s. sogleich. 301 Und wäre keineswegs Hinweis auf eine Interpolation, so Beseler, Beiträge IV 291; zustimmend offenbar Astuti, Costituto di debito II 134 Anm. 24; die Bedeutung von iam für das Verständnis erkennt Schmieder, Duo rei 123. 302 Huschke, Kritische Versuche 243. 303 Kuntze, Obligationen im römischen und heutigen Recht 160; Bruns, Constitutum debiti 83; Bonfante, Corso di diritto romano IV 117.

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nus Proculus, nec si in rem pactus sit, alteri nocere: tantum enim constitutum, ut solidum alter petere possit. idem Labeo: nam nec novare alium posse, quamvis ei recte solvatur: sic enim et his, qui in nostra potestate sunt, recte solvi quod crediderint, licet novare non possint. quod est verum. idemque in duobus reis stipulandi dicendum est.

eine Einrede? Neratius, Atilicinus und Proculus (sagen), dass sie noch nicht einmal dann schade, wenn die Abrede über den Gegenstand getroffen wurde. Es sei nämlich nur festgelegt, dass der andere das Ganze fordern könne. Ebenso (denkt) Labeo: Denn der andere könne die Schuld auch nicht novieren, obwohl wirksam an ihn geleistet werden kann. Denn ebenso könne auch denen, die in unserer Gewalt stehen, wirksam geleistet werden, was sie dargeliehen haben, wenn sie auch nicht novieren können. Das ist zutreffend. Und man muss dasselbe von zwei Gesamtgläubigern einer Stipulation sagen.“

Die Stelle beinhaltet die Aussage, dass kein pactum Gesamtwirkung im Wege der exceptio haben könne. Paulus beruft sich zunächst auf drei Autoritäten der prokulianischen Rechtsschule, die dies im Fall der argentarii socii vertreten. Im Hintergrund steht Labeo, der mit einer Begründung zitiert wird: Dass an mehrere befreiend geleistet werden könne, reiche nicht aus, um einem pactum Gesamtwirkung zu geben. Entscheidender Gesichtspunkt sei vielmehr, dass keiner der mehreren socii die Schuld novieren könne. Dem Phänomen, das dieselbe Person empfangs- aber nicht novationsbefugt sein soll, wird von Labeo sodann mit dem Rekurs auf die Stellung von Gewaltabhängigen Rückhalt verliehen. Auch bei Celsus findet sich, dass an Gewaltabhängige geleistet werden kann, diese aber nicht novieren können. Auch bei ihm begegnet es als Beleg dafür, dass Empfangsbefugnis und Novationsberechtigung nicht notwendig zusammengehören. Auch er scheint damit ihr Auseinanderfallen für einen anderen Fall wahrscheinlich machen zu wollen: D. 46,2,25 (Cels. 1 dig.) Non ideo novare veterem obligationem quisquam recte potest, quod interdum recte ei solvitur: nam et his, qui in nostra potestate sunt, quod ab his creditum est recte interdum solvitur, cum nemo eorum per se novare priorem obligationem iure possit.

„Nur weil mitunter wirksam an ihn gleistet werden kann, kann nicht jeder die alte Verbindlichkeit wirksam novieren. Denn auch denen, die in unserer Gewalt stehen, wird das, was von ihnen dargeliehen wurde, mitunter wirksam geleistet, obwohl keiner von ihnen aus eigener Befugnis die frühere Verbindlichkeit rechtsgültig novieren kann.“

Unter Anerkennung des Arguments überträgt Paulus in D. 2,14,27 pr. den gesamten Befund auf die duo rei stipulandi304. Die Problematik der Stelle scheint auf ___________________________

304 Zum Interpolationsverdacht gegen idemque in duobus reis stipulandi s. Bonfante, Corso di diritto romano IV 115; für Glosse Bonifacio, La novazione nel diritto romano 163. Dass im Titel 46,2 (De novationibus et delegationibus) nur die Gegenmeinung zitiert wird, macht eine Interpolation unwahrscheinlich. Auch der Verdacht einer Glosse lässt sich nicht lediglich mit dem Widerspruch zu einem anderen Juristen rechtfertigen.

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einen tief liegenden Meinungsstreit zurückzugehen. Schon für seine Behauptung, die argentarii socii könnten nicht jeder mit Gesamtwirkung novieren, aus der sich ja erst die Lösung für das pactum ergibt, muss sich Labeo argumentativ absichern. Offenbar hat sich der Streit seit Labeo über Generationen hingezogen. Bei Venuleius klingt er nach wie vor an305: Er bejaht freilich die Novationsmöglichkeit eo magis cum eam stipulationem similem esse solutioni existimemus. Paulus teilt diese Auffassung offenbar nicht; er folgt Labeo. Nach Labeo lässt sich aus der Befugnis zur Annahme der Leistung nicht auf die Novationsbefugnis schließen. Dies zeige sich am sicheren Beispiel der Gewaltunterworfenen. Die Prokulianer und Paulus verneinen demnach ein ius novandi des einzelnen Gesamtgläubigers. Das aber heißt, dass die Gesamtobligation unverändert fortbesteht. Leistung an einen Gläubiger befreit weiterhin gegenüber dem anderen. Seine Meinung zu diesen Fragen der Gesamtwirkung muss bei Paulus Auswirkungen auf die Behandlung des constitutum gegenüber einem Gesamtgläubiger haben. Dabei ist zu beachten, dass Paulus bei Gewaltunterworfenen die Befugnis zur Entgegennahme von constituta wohl bejaht. Ulpian kann in D. 13,5,5,10 (27 ed.) berichten, die Möglichkeit des constitutum an den Sklaven sei unumstritten (servo constitui posse constat)306. Damit entfällt, was das constitutum betrifft, Labeos Argumentation mit den Gewaltunterworfenen hinsichtlich der novatio, der sich Paulus angeschlossen hatte. Misst Paulus dem constitutum gegenüber einem Gesamtgläubiger aber Gesamtwirkung zu, so kann er dies von vornherein weder durch Annäherung an die Novation, noch durch Abstellen auf ein pactum motivieren; er ist geradezu gezwungen, die Gesamtwirkung des constitutum mit derjenigen der erfolgten Leistung gleichzusetzen. Während die Erfüllung aufgrund des ius civile unmittelbar auf die Gesamtobligation einwirkt, ist dies beim constitutum nicht vorstellbar. Die formlose Zusage beeinflusst ebenso wenig wie ein pactum de non petendo unmittelbar die zivile Hauptschuld. Der Empfänger des constitutum kann nur mit Mitteln des Honorarrechts „wie derjenige, dem bereits geleistet wurde“ behandelt werden. Die Leistung des Schuldners an den zweiten Gesamtgläubiger ist daher indebitum nicht nach ius civile, sondern nach ius honorarium: Geleistet wurde nicht auf eine erloschene, sondern auf eine einredebehaftete Forderung. Auch sie ist indebitum307: ___________________________

305 D. 46,2,31,1 (Venul. 3 stip.): unumquemque perinde sibi adquisisse, ac si solus stipulatus esset, excepto eo quod etiam facto eius, cum quo commune ius stipulantis est, amittere debitorem potest. 306 D. 13,5,6 überträgt dies auf den bona fide serviens, setzt also die Möglichkeit des constitutum an den wirklichen Sklaven voraus. Die Stelle stammt aus den PaulusSentenzen, gibt also keinen verlässlichen Hinweis auf Paulus. 307 S. nur Kaser, Privatrecht I 596 Anm. 35 mit Literatur.

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D. 12,6,26,3 (Ulp. 26 ed.) = Ulp. Vat. 266 Indebitum autem solutum accipi- „Ein indebitum nehmen wir nicht nur dann an, mus non solum si omnino non debe- wenn überhaupt nicht geschuldet wird, sondern atur, sed et si per aliquam exceptio- auch, wenn aufgrund irgendeiner dauernden Einnem perpetuam peti non poterat: rede nicht erfolgreich geklagt werden kann. Daher quare hoc quoque repeti poterit, nisi kann auch dies zurückgefordert werden, es sei denn, er leistet im Wissen darum, dass er durch sciens se tutum exceptione solvit. eine Einrede geschützt ist.“ D. 22,3,25,2 (Paul. 3 quaest.) ... (pecunia soluta) debita non est, ... vel tutus exceptione suam nesciens proiecit pecuniam, ...

„... (geleistetes Geld) ist nicht geschuldet, weil er ... oder geschützt durch eine Einrede, aber unwissend sein Geld hingab.“

Mit nisi sciens, nesciens beschreiben die Stellen die Voraussetzung der irrtümlichen Zahlung auf die einredebehaftete Schuld, die wir hinter perperam in D. 13,5,9 vermutet haben. Die mögliche exceptio (perpetua) im Bereich der pecunia constituta muss jedoch noch genauer ergründet werden.

II. Gewährung einer exceptio nach constitutum 'mihi aut Titio' und Leistung an den solutionis causa adiectus: D. 13,5,30 Zum vorsichtigen Vergleich muss dabei eine Stelle aus den Paulus-Sentenzen herangezogen werden, die die Kompilatoren im selben Titel unterbringen: D. 13,5,30 (Paul. 2 sent.) Si quis duobus pecuniam constituerit tibi aut Titio, etsi stricto iure propria actione pecuniae constitutae manet obligatus, etiamsi Titio solverit, tamen per exceptionem adiuvatur.

„Wenn jemand zweien Geld festgesetzt hat, dir oder Titius, wird ihm, auch wenn er nach strengem Recht aus der eigenen Klage des gesetzten Geldes verpflichtet bleibt, selbst wenn er an Titius geleistet hat, dennoch mit einer Einrede geholfen.“

Die Stelle wird allgemein für stark überarbeitet gehalten; für das klassische Recht gebe sie nichts her308. Massive Rekonstruktionsversuche wurden vorgenommen, um eine Aussage zu retten309. Nimmt man Fall und Rechtsfolge so, wie sie überliefert sind, gestaltet sich die Lage zunächst folgendermaßen: Nach einem constitutum 'mihi aut Titio' hat die Leistung an Titius „nach strengem Recht“ (stricto iure) keine befreiende Wirkung hinsichtlich der actio de pecunia constituta, diese muss vielmehr mit einer exceptio gehemmt werden310. ___________________________

308 Mayer-Maly, Rez. Roussier 620 mit Anm. 32; zur Kritik Pringsheims, jus aequum und jus sctrictum 654 s. unten bei Anm. 316 und 331. 309 Beseler, ZRG RA 45 (1925) 439; ihm folgend Astuti, Costituto di debito II 144 f.; Koschaker, Rez. Astuti 475 f. 310 So zuletzt La Rosa, „Adiectus solutionis causa“ e il „constitutum debiti“ 5 f.

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Ohne Zweifel ist 'tibi (bzw. mihi) aut Titio' die übliche Form der Einbeziehung eines solutionis causa adiectus. Bei Stipulationsverbindlichkeiten mit solutionis causa adiectus taucht das Problem der Befreiung ipso iure auf, wenn an die Person des möglichen Leistungsempfängers jeweils eine andere Leistung geknüpft ist, etwa 'mihi decem aut Titio hominem'311. In unserem Fall fehlt aber jeder Hinweis, dass an Titius etwas anderes als an tu geleistet werden soll. 1. Bisherige Erklärungsversuche Der einzig denkbare Grund für die Lösung unserer Stelle bestünde vielmehr darin, dass das constitutum, soweit es Leistung an Titius zum Gegenstand hat, weder haftbar macht noch erfüllt werden kann − weil es insofern unwirksam ist312. Sucht man nach Gründen für diese Unwirksamkeit, so stößt man auf die Problematik des unechten Vertrags zugunsten Dritter, der bei der stipulatio313, nicht aber beim constitutum anerkannt ist. D. 13,5,5,5 (Ulp. 27 ed.) Item si mihi constituas te soluturum, teneberis: quod si mihi constitueris Sempronio te soluturum, non teneberis.

„Des Weiteren wirst du haften, wenn du mir festsetzt, dass du zahlen wirst: In dem Fall, dass du mir festsetzt, an Sempronius zu zahlen, wirst du nicht haften.“

Die Asymmetrie von stipulatio und constitutum würde auf die solutionis causa adiectio durchschlagen: Spätestens zur Zeit des Paulus wirkt die Leistung an den solutionis causa adiectus einer Stipulation unmittelbar befreiend; zuvor mag man die adiectio nicht als wirksamen Teil der stipulatio, sondern als pactum qualifiziert und dem Schuldner nach Leistung an den adiectus eine exceptio pacti gegen den Gläubiger gewährt haben. Die Lage beim constitutum wäre auf diesem Entwicklungsstand verharrt314. Ein constitutum mihi aut Titio te soluturum ist sicher nicht gänzlich unwirksam (D. 13,5,8: mihi competit actio); Teilunwirksamkeit ist beim constitutum anerkannt 315 . Wenn aber das Element aut Titio keine Anerkennung findet, so ist für die Erfüllung dieses constitutum lediglich maßgeblich, ob der Schuldner an Ego gezahlt hat. Die Leistung an Titius findet kein wirksames constitutum vor, das sie erfüllen könnte. ___________________________

311 D. 44,7,44,4 (Paul. 74 ed.); D. 45,1,141,5 (Gai. 2 verb. obl.); D. 46,3,98,6 (Paul. 15 quaest.); s. auch D. 45,1,118,2 (Pap. 27 quaest.): gleiche Leistung, aber vorbehaltenes Bestimmungsrecht des Gläubigers (s. schon oben S. 39 f.). 312 La Rosa, „Adiectus solutionis causa“ e il „constitutum debiti“ 6. 313 S. nur Kaser, Privatrecht I 491. 314 Krüger, Beiträge zur Lehre von der exceptio doli 167 (i. E. ablehnend). 315 D. 13,5,1,8 (Ulp. 27 ed.): si plus suo nomine constituit, non tenebitur in id quod plus est; D. 13,5,11,1 (Ulp. 27 ed.): si quis centum debens ducentos (bzw. sortem et usuras quae non debebantur) constituat, in centum tantummodo (bzw. in sortem dumtaxat) tenetur.

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Pringsheim erklärt mit dem stricto iure rechtsfolgenlosen constitutum zugunsten Dritter die „Umformung“ von D. 13,5,30 durch die Byzantiner316. Dass diese von sich aus zwischen stricto iure obligatus esse bzw. liberari und per exceptionem adiuvari unterschieden hätten, ist jedoch ganz unwahrscheinlich. Denn diese Unterscheidung hängt unmittelbar mit dem Formularprozess und den prätorischen Mechanismen zur Korrektur des ius civile zusammen. Es ist nicht zu bezweifeln, dass die Byzantiner dieses System in den klassischen Quellen durchschauen. Dass sie es aber von sich aus weiterpflegen, ist angesichts des veränderten Zivilprozesses nicht veranlasst. Von einer byzantinischen Umformung dürfte man daher nicht ausgehen. Der dargestellte Gedanke der Stelle müsste aus der Zeit des Formularprozesses stammen, mithin „klassisch“ sein. Allerdings fragt man sich dann, was mit der propria actio pecuniae constitutae gemeint ist. Es gibt in dieser Konstellation nämlich nur eine actio de pecunia constituta: die des Ego (mihi competat actio, D. 13,5,8 und 46,3,59); Titius hatte und hat keine Klage. Warum also propria actio − die „eigene“/„eigentliche“ Klage aus constitutum? Dazu kommt das schwere Bedenken, dass der unechte Vertrag zugunsten Dritter und die solutionis causa adiectio, also die Einschaltung einer Zahlstelle des Gläubigers, ganz unterschiedliche Funktionsweisen aufzeigen. Nach D. 13,5,5,5 kann durch constitutum kein Anspruch des Erklärungsempfängers auf Leistung an einen Dritten begründet werden. Dies ist bei der solutionis causa adiectio aber auch gar nicht der Fall: Der Gläubiger kann nicht Leistung an den adiectus verlangen. Er muss Leistung an sich verlangen und gleichzeitig dem Schuldner die Möglichkeit gewähren, stattdessen an den adiectus zu leisten. Schließlich wäre nicht recht einzusehen, warum die Römer das Institut des solutionis causa adiectus und die ipso iure befreiende Leistung an ihn bei der stipulatio anerkannt, beim constitutum aber verneint hätten, bereitet doch die Klageformel der actio de pecunia constituta mit ihrem non fecisse quod constituit weit weniger Schwierigkeiten als das dari opportere der actio certae creditae pecuniae317.

___________________________

316 Jus aequum und jus strictum 654. 317 In diesem Sinne schon Krüger, Beiträge zur Lehre von der exceptio doli 167; Emunds, Solvendo quisque pro alio liberat eum 194 Anm. 22. Rigoros dagegen La Rosa, „Adiectus solutionis causa“ e il „constitutum debiti“ 4; ihre Argumentation baut freilich auf einer frei gewählten und in den Quellen nicht belegten Prämisse auf: das constitutum als Formalakt (s. oben S. 71 ff.); auf die Klageformel geht sie nicht ein.

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Ricart Martí sucht die Lösung darin, dass der Schuldner nach dem dies constituti an Titius leistet 318 . Der Gläubiger möge die Annahme verweigert haben; bei Titius habe der Schuldner die Leistung jedoch an den Mann gebracht. Nun helfe ihm die exceptio gegen den Gläubiger. Wäre dem so, würde dem Text eine entscheidende Information fehlen. An äußerem Geschehen kennt er ausschließlich die Sachverhaltselemente „Abgabe des constitutum“ und „Zahlung an Titius“; von einer Verspätung, die bereits zu diesem Zeitpunkt eingetreten wäre, ist keine Rede. Freilich könnte sie bereits Element vorangehender Varianten gewesen sein und deshalb unerwähnt bleiben; doch bleibt dies spekulativ. Dass sich der Verfall des constitutum bereits aus der Terminologie obligatus esse bzw. manere ergeben würde, ist unwahrscheinlich. Zwar ließe sich damit argumentieren, dass die Haftung aus constitutum erst mit dessen Verfall, dem non fecisse, einsetzt, vorher also von obligatus esse keine Rede sein könne. Doch sprechen auch D. 13,5,1,2 (Ulp. 27 ed.) von constituendo obligari, D. 13,5,5,10 (Ulp. 27 ed.) von si constituatur ... adquirere obligationem, D. 13,5,27 (Ulp. 14 ed.) von obligatus qui constituit319. Dies deutet nachhaltig darauf hin, dass bereits das constituere − wenn auch in eher untechnischer Rede − ein obligatus esse begründet. Nach all dem bleibt der Erklärungsversuch unsicher. Huschke erkennt ein entscheidendes Element in duobus constituere. Im Gegensatz zu D. 46,3,59 handle es sich nicht um ein constitutum „an Einen, den Gläubiger mit einem solutionis causa adiectus“320; der Schuldner konstituiere vielmehr „zweien, tibi (dem Gläubiger) aut Titio“; auch Titius selbst habe − aufgrund einer Zustimmung des Tu321, wovon der Text freilich wiederum nichts sagt − die actio de pecunia constituta. Letzteres schließt Huschke offenbar aus der ___________________________

318 Ricart Martí, „Constitutum debiti“ y „solutionis causa adiectus“ 250: Hätte der Schuldner rechtzeitig geleistet, „Paulo no podría decir ... actione pecuniae constitutae manet obligatus.“ Verspätete Zahlung und exceptio erkennt sie in fr. 17 „del mismo jurista“ wieder. Zuvor sieht Ricart Martí in der propria actio pecuniae constitutae offenbar die Klage aus der Hauptschuld (249: „el deudor permanece obligado por la propia acción de cantidad constituida ... Es decir, dado que el adiectus ha hecho su aparición sólo en el plano del ius honorarium, el pago por él recibido no tiene carácter liberatorio para el ius civile ... el jurista, mediante la expresión etsi stricto iure propria actione pecuniae constitutae manet obligatus, está queriendo expresar el excesivo rigor del ius civile“). 319 Die letzte Stelle mag ursprünglich das receptum argentariorum betroffen haben, Lenel, Beiträge zur Kunde Edicts 65 f.; s. unten Anm. 474. Auch dieses ist aber aller Wahrscheinlichkeit nach mittels prätorischer actio in factum concepta geschützt. Was die Verwendung von obligatus betrifft, besteht demnach kein struktureller Unterschied. 320 So aber Binder, Korrealobligationen 416 Anm. 42. 321 Und damit unter Vermeidung der Folgen von D. 13,5,5,2, wonach Titius nicht suo nomine konstituiert werden kann, quia non habet petitionem. Gesamtgläubigerschaft nimmt an Kappeyne van de Coppello, Über constituta pecunia 258.

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Verwendung von propria actione. Dadurch entstehe aber „keine eigentliche Correalobligation“; die Leistung an Titius wirke nicht ex obligatione befreiend auch gegenüber Tu322. Der Schuldner wäre nach dem duobus constituere zwei actiones de pecunia constituta ausgesetzt, die mit der Leistung an Titius nicht beide untergingen. Das Problem der Eigenständigkeit der Haftungsverhältnisse aus constitutum würde über die exceptio gelöst. Problematisch ist nur, dass bei einer solchen „unechten Gesamtgläubigerschaft“ von Tu und Titius, was die Haftung aus constitutum betrifft, das constituere als tibi aut Titio beschrieben wird. Wird bei dieser Sichtweise nicht vielmehr tibi et Titio konstituiert? Um eine entsprechende Textänderung {aut} – ‹et› oder eine Glosse {tibi aut Titio} zumindest für die Vorlage der Paulus-Sentenzen käme man nicht herum 323 . Gegen eine Glosse spricht, dass Titius zweimal Erwähnung findet (etiamsi Titio solverit); gegen eine Korruptel, dass ein Versprechen 'tibi et Titio' anderweitig nicht belegt ist. Mit gutem Grund geht man daher zumeist von einer Grundverbindlichkeit sine adiecto und einem constitutum aus, in dem Leistung an den Gläubiger Tu oder einen solutionis causa adiectus Titius zugesagt wird324. Wird danach an Titius geleistet, bleibe die Grundverbindlichkeit bestehen (manet obligatus)325. Gegen eine Klage des Tu daraus könne der Schuldner aber eine exceptio in Anspruch nehmen. Die Entscheidung gehe allein auf die fehlende zivile Novationswirkung des constitutum zurück. Die exceptio aber, deren Namen der „nachklassische Bearbeiter gestrichen“ hätte, sei − da das constitutum gerade kein pactum ist326 − die exceptio doli327: Gegen den Schuldner trotz erfolgter Leistung in Gemäßheit des constitutum weiterhin aus der Hauptschuld vorzugehen sei „unzulässige Rechtsausübung“. 2. Textrekonstruktion Der Gedanke ist schlüssig. Mit dem unveränderten überlieferten Text ist er freilich nicht zu vereinbaren. Was dort bestehen bleibt, ist die propria actio pecuniae constitutae. Darin die Klage aus der Hauptverbindlichkeit, „deren Erfüllung zu___________________________

322 Huschke, Kritische Versuche 256 f. Anm. 11. 323 Bei Erklärungen an zwei verschiedene Tu unter Erwähnung jeweils desselben solutionis causa adiectus Titius, macht die exceptio nur Sinn, wenn die beiden Tu Gesamtgläubiger sind. Dass die Empfänger der beiden Erklärungen in der jeweils anderen Erklärung als adiectus Erwähnung fänden, ist mit solveris Titio kaum zu vereinbaren. 324 Ricart Martí, „Constitutum debiti“ y „solutionis causa adiectus“ 249. 325 So schon Bartolus gl. tollitur actio principalis ope exceptionis; Cujas, Observationes XIII, c. 20 (= Opera I 588 f.); Ricart Martí, „Constitutum debiti“ y „solutionis causa adiectus“ 249. 326 D. 13,5,14,3: s i c u t pacisci; dazu zuletzt P. Costa, Pecunia constituta 29-32. 327 Koschaker, Rez. Astuti 476 Anm. 9.

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gesagt wurde“ (pecuniae constitutae: „auf das Geld, dessen Zahlung zugesagt worden ist“) zu sehen, stößt auf Schwierigkeiten mit der Terminologie nicht nur des Paulus, sondern gerade auch der Paulus-Sentenzen: actio pecuniae constitutae ist dort für die Klage aus constitutum belegt328. Anhaltspunkte für ein besseres Verständnis der propria actio sind nicht leicht zu ermitteln. Die Basiliken etwa legen sich, was die Klage des Ego (= tu des Digestentexts) betrifft, nicht fest. Fast alle kritischen Elemente des Digestentexts fehlen: B. 26,7,30 (A IV 1301 Sch.; III 138 Hb.) Ὁ ἀντιφωνῶν ἐ™οὶ ἢ Πέτρῳ παρα5 „Wer mir oder Petros 'antwortet' (= konstituiert), γραφὴν ἔχει καταβαλὼν Πέτρῳ. hat eine Einrede, wenn er an Petros leistet.“

Freilich liest die Florentiner Digestenhandschrift propri`a´action[[i]]`e´ und lädt insofern zu einer Emendation ein. Cujas will statt propria actione 'priori actione' lesen, um die Klage aus der Hauptschuld zu bezeichnen329. Andere erklären die Worte pecuniae constitutae für interpoliert, glossiert oder versetzt330. Das Wort propria ist im Zusammenhang mit der actio de pecunia constituta geradezu unverständlich. Das spricht einerseits gegen eine spätere Ergänzung331, andererseits ___________________________

328 D. 13,5,22 (Paul. 6 brev.): quoniam sortis petitionem transtulisti, deneganda est tibi pecuniae constitutae actio; PS. 2,2,1: si id, quod mihi L. Titius debet, soluturum te constituas, teneris actione pecuniae constitutae; weitere bei Krüger, Beiträge zur Lehre von der exceptio doli 165 Anm. 78. 329 Als prior obligatio erscheint die Hauptschuld etwa in D. 12,2,36 (Ulp. 27 ed.): de sorte, id est de priore obligatione. 330 Krüger, Beiträge zur Lehre von der exceptio doli 165; 167. Nach Beseler, Beiträge IV 128; Astuti, Costituto di debito II 143-148; Koschaker, Rez. Astuti 476 sind die Worte etsi stricto iure propria actione pecuniae constitutae das Werk eines nachklassischen Bearbeiters bzw. der Kompilatoren. Sie hätten das stricto iure bestehende Nebeneinander von actio de sorte und actio de pecunia constituta für eine „subtilitas iuris“ gehalten. Der Kognitionsprozess lasse keinen Unterschied mehr zwischen Lösung über exceptio und Erlöschen der obligatio/actio sortis zu (wie in D. 13,5,18,3). Innerhalb dieser nachklassischen Vorstellungen besage die Stelle nichts anderes, als dass Zahlung an den Konstitutsgläubiger oder seinen adiectus die obligatio sortis zum Erlöschen bringe, dem constitutum also Novationswirkung zukomme. 331 Die Lösung Pringsheims, jus aequum und jus strictum 654: „propria actio soll wohl civilis actio im Sinne der Byzantiner heißen“, ist lediglich nachgeschobene Erklärung der vermuteten Interpolation. Eine Gleichsetzung von proprius und civilis durch die Byzantiner lässt sich jedenfalls nicht mit Stellen wie D. 1,1,6 pr. (Ulp. 1 inst.): ius proprium, id est civile glaubhaft machen. Dass „die Byzantiner“ von der actio pecuniae constitutae als actio civilis sprächen, verbietet sich angesichts der Gegenüberstellung von constitutum und ius civile in I. 4,6,9: de pecunia autem constituta cum omnibus agitur, quicumque ... constituerint, nulla scilicet stipulatione interposita. nam alioquin si stipulanti promiserint, iure civili tenentur.

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Pecunia constituta im prätorischen Edikt

dafür, dass propria im ursprünglichen Text eine andere Funktion zukam. Auf der Suche nach propria actio stößt man auf einen Abschnitt in den Institutionen des Gaius: Gai. 3,186 f. Conceptum furtum dicitur, cum apud aliquem testibus praesentibus furtiva res quaesita et inventa est: nam in eum propria actio constituta est, quamvis fur non sit, quae appellatur concepti. Oblatum furtum dicitur, cum res furtiva tibi ab aliquo oblata sit eaque apud te concepta sit, utique si ea mente data tibi fuerit, ut apud te potius quam apud eum qui dederit, conciperetur. nam tibi, apud quem concepta est, propria adversus eum qui optulit, quamvis fur non sit, constituta est actio, quae appellatur oblati .

„Von furtum conceptum − 'aufgefundenem Diebstahl' spricht man, wenn bei irgendwem in Gegenwart von Zeugen die gestohlene Sache gesucht und gefunden wurde. Denn gegen ihn ist eine eigene Klage festgesetzt worden, obwohl er kein Dieb ist; diese heißt actio concepti. Von furtum oblatum − 'untergeschobenem Diebstahl' spricht man, wenn die gestohlene Sache dir von irgendwem untergeschoben und dann bei dir gefunden worden ist, jedenfalls dann, wenn sie dir mit der Überlegung gegeben worden ist, dass sie besser bei dir als bei dem, der sie dir gegeben hat, gefunden werde. Denn zu deinen Gunsten, bei dem sie gefunden worden ist, ist gegen den, der sie untergeschoben hat, eine eigene Klage festgesetzt worden, obwohl er kein Dieb ist; diese heißt actio oblati.“

Propria actio ist die „eigene Klage“ für jeweils einen besonderen Fall des furtum. Ins Auge fällt jeweils die Kombination mit constituta: Propria actio constituta est. Niemand käme auf den Gedanken, hierin unsere pecunia constituta wiederzufinden. Dies mag anders sein, wenn die Worte in einem Text auftauchen, der aus dem Zusammenhang der pecunia constituta stammt. Wer dort constituta um pecunia zu pecuniae constitutae ergänzt, tut dies mit bestem Gewissen zur Verbesserung des Textes. Nicht auszuschließen ist aber auch, dass der Text von propria actione pecuniae constituta sprach, einer „eigentlich(en) für das Geld festgesetzten“ / „für die Geldschuld vorgesehenen/zuständigen Klage“. Woraus die pecunia geschuldet wird, sagt die Stelle von vornherein nicht (si quis ... pecuniam constituerit); welche Klage für die Ursprungsverbindlichkeit zuständig ist, muss daher entsprechend offen formuliert werden. Zu den beiden offensichtlichen Überlieferungsfehlern in unmittelbarer Nachbarschaft: propri`a´ und action[[i]]`e´ tritt dann mit constituta{e} ein drittes Wort mit verdorbener Endung. Dass der Ausdruck actio pecuniae constituta stilistisch hart mit der Bezeichnung actio pecuniae constitutae für die actio de pecunia constituta kollidiert, ist nicht bestreitbar. Gleichzeitig reiht er sich aber in eine Begrifflichkeit actionem constituere ein332.

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332 S. etwa noch Gai. 4,19; 4,37; 4,72/72A; D. 11,3,14,1 (Paul. 19 ed.); 44,7,5,6 (Gai. 3 aur.); C. 4,18,2,1 (531 n. Chr.); 6,2,11 (293 n. Chr.); 9,33,4 (293 n. Chr.).

Exceptio de pecunia constituta

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Es ergibt sich dann folgender ursprünglicher Text: Si quis duobus pecuniam constituerit tibi aut Titio, etsi stricto iure propria actione pecuniae (?) constituta{e} manet obligatus, etiamsi Titio solverit, tamen per exceptionem adiuvatur.

„Wenn jemand zweien Geld festgesetzt hat, dir oder Titius, wird ihm, auch wenn er nach strengem Recht aus der eigentlich für das Geld (?) vorgesehenen Klage verpflichtet bleibt, selbst wenn er an Titius geleistet hat, dennoch mit einer Einrede geholfen.“

Legen wir den derart gewonnenen Urtext zugrunde, so finden wir eine exceptio gegen die weitere Geltendmachung der Hauptschuld; es ist nicht die exceptio pacti (denn das constitutum ist kein pactum333). Es kann sich um die allgemeine exceptio doli handeln. Dass die exceptio keinen Namen erhält, muss aber weder auf Oberflächlichkeit noch auf einer Streichung beruhen; denkbar ist, dass von einer exceptio die Rede ist, die gerade in den Fällen der pecunia constituta einschlägig ist und deshalb hier ohne Namen bleibt: eine exceptio 'de pecunia constituta', die den Fortbestand der (Haupt-) Schuld trotz des (erfüllten) constitutum entschärft. Denkbar wäre angesichts der Konstellation von D. 13,5,30 eine Klausel nisi ea pecunia constituta est et constituto satisfactum est o. Ä.

Zurück zu D. 13,5,9 und 10 – die Leistung an den adiectus bzw. Gesamtgläubiger nach anderslautendem constitutum ist dort wie gesehen als ungeschuldet kondizierbar. Grund dafür muss sein, dass auf eine (dauerhaft) einredebehaftete Forderung geleistet wurde. Die Einrede rührt dort aber lediglich vom Vorliegen eines constitutum her, nicht auch von dessen Erfüllung. Denn das constitutum soli mihi wurde in beiden Fällen gerade noch nicht erfüllt. Auch hier muss man konsequent die exceptio pacti ausschließen; die exceptio doli erscheint unsicher. Ist es tatsächlich dolos, wenn ein Gesamtgläubiger seinen Anspruch aus der Hauptschuld geltend macht? Auch hier bietet sich vielmehr zur Erklärung an, dass eine exceptio 'de pecunia constituta' eingreift, die allerdings nicht erst auf die bereits erfolgte Erfüllung eines anderweitigen constitutum, sondern bereits auf dessen Vorliegen abstellen kann, also: nisi ea pecunia aliter constituta est o. Ä.

Ist eine solche exceptio im Edikt vorgesehen, so macht sie eine weitere, die um das Element der Erfüllung des constitutum erweitert wäre, überflüssig. Hinter D. 13,5,9/10 und 30 ließe sich dann dieselbe exceptio 'de pecunia constituta' vermuten.

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333 Arg. D. 13,5,14,3 (Ulp. 27 ed.): constituere autem ... possumus ... s i c u t pacisci; Literatur bei P. Costa, Pecunia constituta 153 f.

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Pecunia constituta im prätorischen Edikt

3. Ergebnis Ein anerkanntes constitutum führt zur Einschaltung einer exceptio in die Klage aus der Hauptschuld. Dies macht sich insbesondere dann bemerkbar, wenn der Schuldner gegenüber einem Dritten ein constitutum (auf Leistung an diesen) abgibt; der Gläubiger verliert damit einen durchsetzbaren Anspruch. Das ist nur zulässig, wenn der Gläubiger dem Dritten die petitio, ein eigenes Forderungsrecht eingeräumt hat334: D. 13,5,7,1 (Ulp. 27 ed.) Si mihi aut Titio stipuler, Titio constitui suo nomine non posse Iulianus ait, quia non habet petitionem, tametsi solvi ei possit.

„Wenn ich mir in Stipulationsform Leistung an mich oder Titius habe versprechen lassen, so kann Titius nach Julian kein constitutum in dessen eigenen Namen gemacht werden, weil er kein Forderungs-/Klagerecht hat, obwohl (befreiend) an ihn geleistet werden kann.“

Doch mit derartigen Überlegungen verändern wir bereits die Blickrichtung. Haben wir bisher die Äußerungen der Juristen zur Rekonstruktion des Edikts verwendet, so können wir uns nun der Beobachtung der Juristen im Umgang mit den derart rekonstruierten Rechtsmitteln zuwenden.

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334 Zur Stelle noch unten S. 124; Astuti, Costituto di debito II 140 Anm. 45; zu weit geht Ricart Martí, „Constitutum debiti“ y „solutionis causa adiectus“ 243: „en la construcción jurídica del c., el requisito de que sólo pueda constituirse al acreedor de una deuda preexistente es riguroso, e se manifiesta aquí en todo su esplendor. El adiectus no es un verdadero acreedor ...“ Was als hier als „requisito“ beschrieben wird, wird von Ulpian, D. 13,5,5,2, explizit verneint: Quod exigimus, ut sit debitum quod constituitur, in rem exactum est, non utique ut is cui constituitur creditor sit ... Der Fortbestand der sortis petitio ist zum Schutz des neuen Gläubigers maßgeblich nach D. 13,5,22 (Paul. 6 brev.): Si post constitutam tibi pecuniam hereditatem ex senatus consulto Trebelliano restitueris, quoniam sortis petitionem transtulisti ad alium, deneganda est tibi pecuniae constitutae actio. idem est in hereditatis possessore post evictam hereditatem. sed magis est, ut fideicommissario vel ei qui vicit decernenda esset actio. Die petitio hat der procurator, was sich im Ergebnis von D. 13,5,5,5 widerspiegelt.

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ZWEITES KAP ITEL: DIE ARBEIT DER J URISTEN AM EDIKT ARBEIT DER JURISTEN AM EDIKT § 1. Qualifizierung der pecunia debita Qualifizierung der pecunia debita I. Betagte und bedingte Schulden als pecunia debita Die vorbestehende Schuld (pecunia debita) haben wir bereits als ein Element erkannt, das dem constitutum Verbindlichkeit verleiht. Ergibt sich die pecunia debita schlicht aus einem ausbezahlten Darlehen oder einer fälligen Stipulation, so stellen sich keine Probleme. Das Interesse der Juristen erwecken jedoch Forderungen, die zum Zeitpunkt des constitutum (noch) nicht durchsetzbar sind. 1. Wirksames constitutum des in diem obligatus? Von besonderem Interesse ist dabei die Frage, ob eine betagte Schuld (in diem debitum) einem constitutum zugänglich ist: D. 13,5,3,2 (Ulp. 27 ed.) Si is, qui et iure civili et praetorio debebat, in diem sit obligatus, an constituendo teneatur? et Labeo ait teneri constitutum, quam sententiam et Pedius probat: et adicit Labeo vel propter has potissimum pecunias, quae nondum peti possunt, constituta inducta: quam sententiam non invitus probarem: habet enim utilitatem, ut ex die obligatus constituendo se eadem die soluturum teneatur335.

„Wenn derjenige, der sowohl nach zivilem als auch nach prätorischem Recht schuldete, auf einen bestimmten Tag verpflichtet ist, haftet der dann, indem er festsetzt? Und Labeo sagt, die Festsetzung hafte (sic) / werde erhalten. Diese Meinung billigt auch Pedius. Und Labeo fügt hinzu, gerade wegen der Gelder, die noch nicht eingeklagt werden können, seien die Festsetzungen eingeführt worden. Diese Meinung würde ich nicht ungern billigen. Denn sie hat den Nutzen, dass derjenige, der von einem bestimmten Tag an verpflichtet ist, indem er festsetzt, darauf haftet, dass er an ebendiesem Tag zahlen wird.“

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335 Dass Beseler, Beiträge IV 128 constituendo im ersten Satz mit ex hac formula ersetzt („'Indem ich mich verpflichte, hafte ich', ist unlogisch“), überzeugt nicht: constituere besagt über die Verbindlichkeit des Akts ebenso wenig wie etwa mandare; constituendo heißt also nicht „indem ich mich verpflichte“. Zum Verdacht einer Glosse gegen quam sententiam − teneatur unten Anm. 340. P. Costa, Pecunia constituta 148 Anm. 85 hält „il finale sull'utilitas della coincidenza tra dies a quo e dies constituti“ für interpoliert; s. aber ebd. 149.

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Arbeit der Juristen am Edikt

Der fragliche Tatbestand ist umständlich formuliert: Er spricht von einem Schuldner, der et iure civili et praetorio debebat, und schließt damit an den vorangehenden § 1 an. Die schwerfällige Klarstellung in § 2, dass das Problem des Folgenden weder in der fehlenden (zivilrechtlichen) Begründetheit der Hauptschuld noch in ihrer (amtsrechtlichen) Durchsetzbarkeit besteht (denn iure praetorio non debere würde nach § 1 das Bestehen einer exceptio bedeuten), begründete bereits den Verdacht der Interpolation336. Die Frage jedenfalls ist: Si ... in diem sit obligatus, an constituendo teneatur: Begründet das constitutum über eine betagte Schuld die Haftung de pecunia constituta? Labeos Antwort lautet nach dem überlieferten Text teneri constitutum. Seit Haloander streicht man constitutum als überflüssig und falsch337, schließlich geht es nicht um die „Erhaltung“ (teneri) des constitutum. Constitutum kann indes kaum durch Abschreibeversehen in den Text geraten sein. Dann aber setzt man, um das Wort streichen zu können, bei den Kompilatoren oder einem früheren Bearbeiter des Texts eine geradezu anmaßende Willkür voraus: Warum sollte jemand einen schlüssigen Text (an teneatur? − ait teneri) derart verunstalten? Relativ einfach ließe sich der Text verbessern zu einem (überdeutlichen) teneri ‹de› constitut‹a› oder aber, besser, zu tener‹e› constitutum: „Und Labeo sagt, das constitutum sei verbindlich / es mache haftbar“, wie es auch in D. 13,5,18,1 (Ulp. 27 ed.) heißt: nihilo minus teneat constitutum, und ganz wie andernorts338 tenet stipulatio etc. Die überlieferte Passivform teneri mag von dem unmittelbar vorausgehenden teneatur und der Kombination (an) teneatur / (verum est eum non) teneri in § 1 beeinflusst sein. 2. Der „Ursprung der constituta“ Es folgt die Bestätigung dieser Ansicht (quam sententiam) durch Pedius und die argumentative Fortführung durch Labeo über den „Ursprung der constituta“. Sie seien eingeführt worden „gerade wegen dieser Gelder, die noch nicht gefordert/ eingeklagt werden können.“ Dabei fällt auf, dass die Bezeichnung pecuniae quae nondum peti possunt nicht nur auf betagte Geldschulden zutrifft, sondern weiter ist: Sie erfasst auch aufschiebend bedingte Schulden vor Eintritt der Bedingung. Von bedingten Schulden ist zuvor aber gar keine Rede. Die gestellte Frage betrifft – jedenfalls nach dem Text der Digesten – nur die obligatio in diem.

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336 Astuti, Costituto di debito II 218 Anm. 25. 337 S. nur Mommsen/Krüger, Digesta (Ed. ster.) ad h. l.; Astuti, Costituto di debito I 110; referierend Varvaro, Storia dell'editto De pecunia constituta 347 mit weiterer Literatur zur Stelle. 338 D. 7,5,10,1 (Ulp. 79 ed.); D. 12,1,37 (Pap. 1 def.) und passim.

Qualifizierung der pecunia debita

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Justinian berichtet in C. 4,18,2,1, früher habe nicht nur über die betagten, sondern auch über die bedingten Forderungen als Grundlage eines constitutum „Zweifel“, gemeint ist wohl: Streit unter den Juristen, bestanden. et dubitaretur, si pro debito sub condicione vel in diem constituto eam possibile est fieri339.

Von diesem Streit lesen wir in den Digesten nichts mehr. Handelte aber Labeo gleichermaßen von betagten und bedingten Forderungen, so hätten wir in quae nondum peti possunt einen letzten Rest der Diskussion vor Augen. Die offene Formulierung quae nondum peti possunt verwendet Labeo freilich erst auf der Ebene seiner Argumentation mit dem Ursprung der constituta; dass Labeo diese Argumentation an dieser Stelle gleichermaßen auf die Konstituierbarkeit von betagten und befristeten Verbindlichkeiten anwendete, erscheint spekulativ. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass Ulpian oder die Kompilatoren die bedingten Forderungen an dieser Stelle ausgeblendet hätten. 3. Reste eines Streits? Zur zuletzt zitierten Bemerkung Labeos (et adicit ...) gibt Ulpian eine eigenartige Stellungnahme ab: quam sententiam non invitus probarem340. In der gängigen Übersetzung und Interpretation wird dies als betonte Zustimmung verstanden: „Dieser Meinung stimme ich nicht ungern zu“341. Schon Accursius erklärt non invitus als „sed volens“342: „bereitwillig“. Was auffällt, ist der Konjunktiv probarem: Pedius probat, aber (ego, Ulpianus) probarem. Prima facie muss dies als Irrealis verstanden werden: „Dieser Meinung würde ich bereitwillig zustimmen.“ Den Irrealis damit zu erklären, dass Ulpian an der lange zurückliegenden Diskussion Labeos, Pedius' und ihrer Zeitgenossen in Wahrheit nicht teilnimmt („ich würde zustimmen, aber darauf kommt es nicht mehr an“), bereitet Unbehagen. Denn dieser Aspekt begegnet bei der Auseinandersetzung mit früheren Juristengenerationen auch sonst nicht: Formulierungen wie dicerem oder putarem finden wir nur dort, wo der Jurist selbst einen Fall gestaltet oder abwandelt, also einen hypothetischen Fall einer ebenso ___________________________

339 Zur Bezeichnung der Schuld verwendet die Konstitution debito ... constituto; constitutum wird dabei − nach typischem justinianischen Sprachgebrauch, gerade hier aber in einer gewissen terminologischen Sorglosigkeit − als Partizip von esse gebraucht: „eine Schuld, die ... ist“ (s. schon oben Anm. 12). 340 Von Beseler, Beiträge IV 128 als Glosse verdächtigt; offen gelassen von Astuti, Costituto di debito II 218 Anm. 25; zum Interpolationsverdacht P. Costas s. oben Anm. 335. 341 Zimmermann in: Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, CIC III. 342 Gl. non invitus ad h. l.

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Arbeit der Juristen am Edikt

hypothetischen (und damit irrealen) Begutachtung zuführt343. Stets sind deratige Konstellationen von einem Kondizionalsatz begleitet, fast immer steht auch dieser im Konjunktiv: „Für den Fall, dass das geschieht / geschehen würde / geschehen wäre, würde ich folgendes Ergebnis vertreten.“ Mit der − von einem Kommentator geforderten − Stellungnahme zu einer vorgefundenen fremden Meinung haben diese Belege nichts zu tun. Warum schreibt Ulpian also nicht probo344 oder valde probo345, sondern non invitus probarem, um seine Zustimmung auszudrücken? Damit nicht genug: Habet enim utilitatem, ut ... ist die Begründung für diese „irreale“ Zustimmung. Man versteht habet, ut ... gemeinhin als unpersönlichen Ausdruck: „Denn es liegt ein Vorteil darin, dass ...“346 / „denn es macht Sinn, dass ...“, etwa entsprechend einem 'utile enim est ex die obligatum ... teneri.' Nach diesem Verständnis scheint es sich bei unserer Stelle jedoch um ein singuläres Phänomen zu handeln. Habet utilitatem begegnet nämlich nirgends in unpersönlicher Konstruktion. Stets hat es ein Subjekt: Gai. 3,34 beneficium eius in eo solo videtur aliquam utilitatem habere, ut ...

„Dessen Rechtswohltat scheint nur darin irgendeinen praktischen Nutzen zu haben, dass ...

D. 31,67,10 (Pap. 19 quaest.) quod rescriptum summam habet utilitatem, ne ...

Dieses kaiserliche Reskript hat den überaus großen praktischen Nutzen, dass ... nicht ...

D. 39,1,5,17 (Ulp. 52 ed.) habet autem hoc remedium utilitatem: nam ...

Dieses Rechtsmittel zeitigt praktischen Nutzen; denn ...

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343 D. 46,3,82 (Proc. 5 epist.): sed si antequam Seia vetaret, Cornelio eum fundum reddidisset nec causam habuisset ..., nec melius nec aequius esse existimarem eum fundum Seiae reddi; D. 2,1,19 pr. (Ulp. 6 fideicomm.): sed et si post susceptam cognitionem ante sententiam hoc eveniet, idem putarem, sententiaque a priore iudice recte fertur; D. 23,1,6 (Ulp. 36 Sab.): Si puellae tutores ad finienda sponsalia nuntium miserunt, non putarem suffecturum ..., nisi forte omnia ista ex voluntate puellae facta sint; D. 27,1,31,4 (Paul. 6 quaest.): Ceterum putarem recte facturum praetorem, si etiam unam tutelam sufficere crediderit, ...; D. 36,1,61 pr. (Paul. 4 quaest.): in re autem integra non putarem compellendum adire, nisi prius de indemnitate esset ei cautum vel soluta pecunia esset. 344 Bei Ulpian: D. 15,4,1,8 (29 ed.); D. 25,7,1 pr. (2 leg. Iul. Pap.); s. auch D. 28,5,13,5 (7 Sab.): cui sententiae adsentiendum puto; D. 43,20,1,17 (70 ed.): ego Ofilio adsentio; D. 48,5,16,5 (2 adult.): cui adsentiendum puto; D. 7,1,13,3 (18 Sab.): quam sententiam Celsus quoque ... probat, et ego puto veram; D. 10,2,24 pr. (19 ed.): et ego Papiniano consentio usw. 345 D. 32,86 (Proc. 5 epist.). 346 Zimmermann in: Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, CIC III; dieses Verständnis zeigt schon die Zitierweise von Bruns, Constitutum debiti 61.

Qualifizierung der pecunia debita D. 43,22,1,7 (Ulp. 70 ed.) Hoc interdictum eandem habet utilitatem, quam habet ... enim ...

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Dieses Interdikt hat denselben praktischen Nutzen wie dasjenige ..., nämlich ...“

In unserem Fall spricht also alles dafür, dass habet die sententia Labeos zum Subjekt hat: „Sie hat den praktischen Nutzen, dass ... haftet“. Nach dem Irrealis probarem lässt sich habet enim im Deutschen ebenfalls irreal wiedergeben (ihren praktischen Nutzen hat die Meinung Labeos nämlich nur innerhalb ihrer eigenen Geltungsrealität): „Ich wollte, ich könnte dieser Auffassung zustimmen. Sie hätte nämlich den praktischen Nutzen, dass ... haften würde.“

Wir stehen somit vor einem Gedanken Ulpians, in dem er seine irreale Zustimmung zur Meinung Labeos mit deren praktischen Nutzen begründet. Dies eröffnet die Möglichkeit, dass Ulpian in Wahrheit der Gegenmeinung bzw. einer einschränkenden Ansicht folgt347, die ein Argument für sich hat, das die von Ulpian immerhin anerkannte utilitas der Meinung Labeos noch übertrumpft. Die Suche nach dieser Gegenmeinung führt uns einerseits wieder zur Konstitution C. 4,18,2,1: Justinian berichtet ja von früherem Streit auch darüber, ob über ein debitum in diem ein wirksames constitutum abgegeben werden könne. Es ist nicht wahrscheinlich, dass Justinian (bzw. der Verfasser der Konstitution) auf diesen Streit lediglich aus der Tatsache geschlossen hat, dass Ulpian die Frage an in diem obligatus constituendo teneatur aufwirft und zu ihrer Entscheidung Autoritäten zitiert. Eher hatte er ihn in handfester Form in den Quellen vor sich. Dann aber müssen die Kompilatoren diesen Streit durch Auswahl, Kürzungen oder Textänderungen aus dem Quellenmaterial getilgt haben. Das würde nicht verwundern, denn Justinian hat den Streit mit seiner Konstitution beendet: ... hac apertissima lege definimus, ut ... liceat pro debito puro vel in diem vel condicionali constitui ...

Die Suche führt uns weiter zu Pomponius, Ulpians kaum je kritisiertem Vorbild − nüchterner: dem Verfasser von Ulpians Vorlage (D. 13,5,5,4; h. t. 5,6; h. t. 11 pr.; h. t. 14,2; h. t. 18 pr.; h. t. 19,1). Gerne gibt Ulpian Pomponius gegen Labeo Recht348; soweit ich sehe, ist es nirgends umgekehrt. Pomponius verneint gemäß § 1 die Wirksamkeit von constituta über solche Schulden, deren Durchsetzung der Prätor verhindert: quod iure civili debebat, iure praetorio non debebat, id est per exceptionem − „was er nach Zivilrecht schuldete, nach prätorischem Recht ___________________________

347 Anders die gesamte Literatur ohne jeden Hinweis auf den Konjunktiv probarem: etwa Kappeyne van de Copello, Über constituta pecunia 262; Philippin, Pacte de constitut 35 f.; Astuti, Costituto di debito II 194; 214; Archi, Contributi alla critica del Corpus iuris 142. 348 Z. B. D. 4,3,9,3 (11 ed.); D. 4,3,21 (11 ed.); D. 4,4,13,1 (11 ed.); D. 4,8,25,2 (13 ed.); D. 14,4,9,2 (29 ed.); D. 43,16,1,29 (69 ed.).

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Arbeit der Juristen am Edikt

aber nicht schuldete, das heißt mittels Einrede“. Ulpian stimmt ihm zu (et est verum). Die Begründung ist von Ulpian formuliert und dem Verdacht der justinianischen Überarbeitung ausgesetzt, dürfte aber bei Pomponius im Kern nicht anders gelautet haben: quia debita iuribus non est pecunia quae constituta est – „weil das Geld, das festgesetzt wurde, nicht nach (beiden) Rechten geschuldet wurde“. Es handelt sich nicht um pecunia debita im Sinne der actio de pecunia constituta. Hier ist eine strenge Haltung des Pomponius erkennbar: Dass der Schuldner mit dem constitutum auf den prätorischen Schutz gegen seine Inanspruchnahme aus der Hauptschuld verzichten könnte, kommt gar nicht erst zur Sprache. Ob Pomponius unter iure praetorio non debere tatsächlich die einredebehaftete Schuld versteht349 und ob er tatsächlich alle Einreden meint, also auch die exceptio pacti, die „Einrede der (anderslautenden) Absprache“, über deren Begründung die Parteien jederzeit durch ein neues (Gegen-) pactum frei verfügen können, ist fraglich, zumal id est per exceptionem eher unbeholfen im Text steht350 und der Struktur nach ohne Weiteres eine gut gemeinte Glosse zu iure praetorio non debebat darstellen könnte. 4. Qualifizierung des in diem debitum als gegenwärtige Verbindlichkeit Ist Pomponius also zuzutrauen, dass er auch das in diem debitum nicht als pecunia debita im Sinne des Edikts de pecunia constituta versteht? Nach verschiedenen Quellen bestehen Schulden in diem bereits vor dem dies. Entsprechende Geldschulden wären demnach bereits pecunia debita, bevor sie mit Eintritt der Fälligkeit einklagbar werden. So lautet die entsprechende Regel über Stipulationen in diem in den Justinianischen Institutionen: I. 3,15,2 Id autem, quod in diem stipulamur, statim quidem debetur, sed peti prius quam dies veniat non potest.

„Das aber, was wir uns auf einen bestimmten Tag stipulationsweise versprechen lassen, wird zwar sofort geschuldet, kann aber nicht eingeklagt werden, bevor der Tag kommt.“

Die Schuld besteht sofort: pecunia 'statim debita'. Der Text lässt sich nicht auf das Vorbild der Gaiusinstitutionen zurückführen. Mit den Institutionen Justinians lässt sich daher nicht ohne Weiteres argumentieren, wenn es um die Problematik des constitutum über pecunia in diem debita für die klassischen Juristen geht. ___________________________

349 Iure praetorio non deberi passt (zumindest auch) auf die Fälle, in denen der Prätor die Erteilung der Klage, etwa wegen Sittenwidrigkeit der zivilrechtlich verbindlichen Stipulation verweigert; dazu Kaser/Hackl, Zivilprozeßrecht 240 mit Quellen und Literatur in Anm. 48. 350 Das durch gedankliche Übernahme des Prädikats non debebat entstehende 'per exceptionem non debere' − „mittels Einrede nicht schulden“ ist nur hier belegt. Zur exceptio s. noch unten Anm. 359.

Qualifizierung der pecunia debita

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Aus der „amtlichen“ Regel Justinians kann man nicht darauf schließen, dass die Subsumtion unter pecunia debita stets unumstritten gewesen wäre und Justinian mit dubitaretur in C. 4,18,2,1 einen anderen Streit, nämlich den über den Verfallstag des constitutum vor oder nach dem dies, meint351. Ohne diesen Gedanken zur Erklärung von D. 13,5,3,2 voreilig zu verwerfen, sollen zunächst Äußerungen der klassischen Juristen zur Qualität des in diem debitum betrachtet werden. a) In diem debere und praesens obligatio bei Paulus. Mit dem deberi der aufschiebend befristeten Schuld haben die römischen Juristen gewisse begriffliche Schwierigkeiten. Paulus charakterisiert derartige Fälle verschiedentlich: (1) D. 12,6,10 (Paul. 7 Sab.) In diem debitor adeo debitor est, ut ante diem solutum repetere non possit. (2) D. 36,3,9 (Paul. 12 Sab.) Deberi enim dicimus et quod die certa legatario praestari oportet, licet dies nondum venerit. (3) D. 45,1,46 pr. (Paul. 12 Sab.) 'Centensimis kalendis dari' utiliter stipulamur, quia praesens obligatio est, in diem autem dilata solutio.

(4) D. 44,7,44,1 (Paul. 74 ed.) Circa diem duplex inspectio est: nam vel ex die incipit obligatio aut confertur in diem. ex die veluti 'kalendis Martiis dare spondes?' cuius natura haec est, ut ante diem non exigatur.

„Der Schuldner auf einen Tag ist insoweit Schuldner, als dass er das vor dem Tag Geleistete nicht zurückfordern kann. Denn auch von dem, was dem Vermächtnisnehmer an einem bestimmten Tag geleistet werden muss, sagen wir, dass es geschuldet wird, auch wenn der Tag noch nicht gekommen ist. Leistung 'an den hundertsten Kalenden' können wir uns wirksam stipulationsweise versprechen lassen, weil die Verbindlichkeit bereits gegenwärtig ist, die Zahlung aber auf einen bestimmten Tag aufgeschoben. Was den Tag betrifft, so unterscheiden wir zwei Möglichkeiten: Denn entweder nimmt die Verbindlichkeit von einem bestimmten Tag ihren Anfang oder sie ist auf einen bestimmten Tag verschoben. Von einem bestimmten Tag an, wie bei der Stipulation 'Gelobst du an den Kalenden des März zu geben?' Das Wesen dieser Stipulation besteht darin, dass vor dem Tag nicht geklagt werden kann.“

Der debitor in diem schulde im Sinne des Kondiktionenrechts (1); dass bei einem derart gestalteten Legat von Anfang an „geschuldet wird“, „sage man“ (2); „Verbindlichkeit“ und „Leistung“ seien bei einer stipulatio in diem zeitlich nicht parallel (3); die Verbindlichkeit „beginne“ ex die (4) − Paulus hat keine einheitliche Begrifflichkeit für diese Fälle. Er schwankt in seiner Qualifizierung je nach Fragestellung. Die Gesamtschau zeigt aber, dass er tendenziell ein debitum von ___________________________

351 So aber Bruns, Constitutum debiti 51 mit Anm. 38; Astuti, Costituto di debito I 221.

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Anfang an bejaht. Der aufschiebend bedingten Stipulation misst er von Anfang an vires − „Geltung“/„Wirksamkeit“ zu: Vat. 55 = D. 45,3,26 (Paul. 1 man.) ... quid ergo, si sub condicione stipuletur? ... ex praesenti vires accipit stipulatio, quamvis petitio ex ea suspensa sit.

„... Was also gilt, wenn ich mir etwas unter einer Bedingung versprechen lasse? ... Die Stipulation erhält schon jetzt Wirksamkeit, auch wenn die Klagbarkeit vom Eintritt der Bedingung abhängt.“

Paulus ist es auch, für den uns D. 13,5,4 (Paul. 29 ed.) zu der Annahme zwingt, dass er vor dem dies abgegebene constituta allgemein anerkennt; nach dem Zusammenhang der Digesten (nämlich durch die Kontrastierung mit D. 13,5,3,2) hält er es sogar für möglich, einen Verfallszeitpunkt des constitutum vor Fälligkeit der Hauptschuld (citeriore die constituat se soluturum; im Gegensatz zu constituendo se eadem die soluturum) zu vereinbaren: similiter tenetur. Freilich lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen, dass citeriore die auch schon bei Paulus den Verfallstag des constitutum meinte (gehört es zu constituat, so meint es den Abschlusszeitpunkt). Zu beachten ist außerdem, dass die Paulus-Stellen nirgends sagen, woran eine Klage des Gläubigers vor dem dies scheitert. Bei der Stipulationsverbindlichkeit auf ein certum, deren Fälligkeitstermin in der Stipulation genannt ist − und dies ist der paradigmatische Fall der in diem obligatio − begeht der Kläger mit einer verfrühten Klage eine pluris petitio tempore; er unterliegt, ohne dass der Beklagte einer exceptio bedürfte. Kann der Richter in diesem Fall das dare oportere der Klageformel bejahen? Lässt sich hier wirklich zweifelsfrei sagen, dass der in diem obligatus nach ius civile schuldet? Tatsächlich äußern sich die folgenden Quellen zurückhaltender. b) In diem debitum iri bei Gaius. Wir haben eine Aussage des Gaius in einem vergleichbaren Zusammenhang: Gai. 3,124 Pecuniam autem creditam dicimus non solum eam, quam credendi causa damus, sed omnem, quam tum, cum contrahitur obligatio, certum est debitum iri, id est sine ulla condicione deducitur in obligationem; itaque et ea pecunia, quam in diem certum dari stipulamur, eodem numero est, quia certum est eam debitum iri, licet post tempus petatur.

„Von 'dargeliehenem Geld' sprechen wir nicht nur bei dem, was wir zu Darlehenszwecken hingeben, sondern bei allem, von dem dann, wenn die Verbindlichkeit begründet wird, sicher ist, dass es geschuldet sein wird, das heißt, was ohne jede Bedingung zum Gegenstand der Verbindlichkeit gemacht wird. Deshalb gehört dazu auch das Geld, was wir uns auf einen bestimmten Tag stipulationsweise versprechen lassen, weil sicher ist, dass es geschuldet sein wird, wenn es auch erst nach einer bestimmten Zeit eingeklagt werden kann.“

Als „dargeliehenes Geld“ (pecunia credita) im Sinne der lex Cornelia über den Bürgenschutz müsse man auch Geld ansehen, das man sich „auf einen bestimm-

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ten Tag versprechen lässt“. Zwar könne es erst post tempus eingefordert werden, von Anfang an sei aber sicher, dass es „geschuldet sein wird“ (debitum iri). Bei der Auslegung der lex Cornelia fasst man 'credita' (und anschließend 'pecunia') möglichst weit, um den Bürgen möglichst weitgehend vor Inanspruchnahme zu schützen. Dabei lässt sich jedoch noch größere Vorsicht im Umgang mit deberi als bei Paulus feststellen. Nicht von praesens obligatio, adeo debitor oder deberi ist die Rede, sondern von debitum iri: In der Gegenwart wird noch nicht geschuldet. Streng genommen fasst Gaius unter pecunia credita hier also auch pecunia 'nondum debita'. Im Edikt de pecunia constituta ist aber explizit von pecunia debita die Rede; Überlegungen, ob es − aufgrund einer genetischen Verwandtschaft zur actio certae creditae pecuniae − ursprünglich hieß: Qui pecuniam creditam constituit, lassen sich für die Zeit der klassischen Juristen nicht fortführen. Wir haben ausschließlich das Zeugnis Ulpians in D. 13,5,1,1 und 13,5,18,1; für die Annahme einer Interpolation besteht dort kein Anlass. c) Praesenti die non debere bei Ulpian und Pomponius. Dass Stipulationsschulden in diem nicht sofort geschuldet werden, sagt Ulpian in seinem Sabinus-Kommentar D. 45,1,41,1 (50 Sab.): Quotiens autem in obligationibus dies non ponitur, praesenti die pecunia debetur ... verum dies adiectus efficit, ne praesenti die pecunia debeatur ...

„Wenn aber in den Verbindlichkeiten kein Termin gesetzt wird, wird das Geld am selben Tag geschuldet ... Ein hinzugefügter Termin aber bewirkt, dass das Geld nicht am selben Tag geschuldet wird ...“

Er greift dabei offensichtlich auf den Kommentar ad Sabinum des Pomponius zurück: D. 50,17,14 (Pomp. 5 Sab.) In omnibus obligationibus, in quibus dies non ponitur, praesenti die debetur.

„Bei allen Verbindlichkeiten, in denen kein Termin gesetzt wird, wird am gegewärtigen Tag geschuldet.“

E contrario lässt sich aus der Stelle schließen, dass Pomponius von obligationes in diem ganz so wie Ulpian sagt: praesenti die non debetur. d) Sofortiges dari oportere bei Ulpian? Gerade unter dem Namen Ulpian(s) finden sich freilich auch die deutlichsten Belege für die Qualifizierung des in diem debitum als sofortiges debitum: D. 16,2,7 pr. (Ulp. 28 ed.) Quod in diem debetur, non compensabitur, antequam dies venit, quamquam dari oporteat.

„Was auf einen bestimmten Tag geschuldet wird, kann nicht aufgerechnet werden, bevor der Tag gekommen ist, obwohl es gegeben werden muss.“

Quamquam dari oporteat muss bedeuten, dass die Schuld nach ius civile schon vor dem dies besteht. An der Echtheit der Worte dari oporteat zu zweifeln, be-

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steht kein Anlass: Die Terminologie ist gerade besonders technisch und stammt unmittelbar aus dem Formularprozess. Sie macht die Aussage aber auch besonders fragwürdig. Im dare oportere erschöpft sich der Prüfungsgegenstand der actio certae creditae pecuniae. Wird sie verfrüht erhoben, so unterliegt der Kläger wegen pluris petitio tempore. In der Klageformel ist der einzige Anhaltspunkt dafür das dare oportere. Die verfrühte Klage wird abgewiesen, weil noch kein dare oportere vorliegt. Dazu kommt das Bedenken, dass Ulpian andernorts, nämlich im 50. Buch ad Sabinum, aus dem auch das soeben zitierte Fragment D. 45,1,41,1 stammt (ne praesenti die pecunia debeatur), gerade das Gegenteil zugrunde zu legen scheint: D. 45,1,47 (Ulp. 50 Sab.) Qui sic stipulatur: 'quod te mihi illis kalendis dare oportet, id dare spondes?' videtur non hodie stipulari, sed sua die, hoc est kalendis.

„Wer folgendermaßen stipuliert: 'Was du mir an dem und dem Monatsersten geben musst, gelobst du das zu geben?', der scheint nicht heute zu stipulieren, sondern am vorgesehenen Tag (sua die), das heißt am (genannten) Monatsersten.“

Dass er hier den Abschluss der Stipulation in der Zukunft fingiert, muss darin liegen, dass ihr Gegenstand, das quod ... illis kalendis dare oportet in der Gegenwart der Stipulation (praesenti die) nicht vorhanden ist, sondern erst sua die vorhanden sein wird. Die aufschiebende Befristung der zugrundeliegenden Schuld führt dazu, dass der Abschluss der Stipulation vorerst völlig unbeachtlich ist. Mit dieser Stelle ist kaum vereinbar, dass derselbe Ulpian bei aufschiebend befristeten Verpflichtungen ein sofortiges dari oportere annehmen würde. Zu erwägen wäre daher, ob in D. 16,2,7 pr. das überlieferte quamquam nicht durch qua{mquam} oder − im Hinblick auf wiederkehrende Fälligkeiten – qua{cu}mqu‹e› oder schlicht qua{m}qu‹e›352 zu ersetzen ist, und damit der Beginn des dari oportere auf den dies verlegt wird: antequam dies venit, quaque dari oporteat − „bevor nicht der Tag kommt, an dem es jeweils gegeben werden muss“. Dabei wäre zu fragen, ob das Relativpronomen durch quamquam ersetzt wurde, um die Aussage über die fehlende Aufrechenbarkeit von obligationes in diem für das justinianische Recht zu retten, oder ein schlichter Überlieferungsfehler vorliegt353. Beides schließt sich noch nicht einmal aus. Man könnte q, qua, ___________________________

352 Vgl. D. 45,1,140,1 (Paul. 3 Ner.): De hac stipulatione: 'annua bima trima die id argentum quaque die dari?' apud veteres varium fuit. 353 Dass die Kompilatoren den Nebensatz ebenso gut ganz hätten weglassen können, anstatt in ihn einzugreifen, hat kaum Indizwirkung gegen eine Interpolation. Denn die fehlende Aufrechenbarkeit stößt sich letztlich an der Qualität der Forderung als debitum. Dieses Problem nicht schlicht zu übergehen, sondern in einem Konzessivsatz anzusprechen, kann durchaus dem Interesse der Kompilatoren entsprechen.

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qcq oder qq im Sinne des geltenden Rechts (I. 3,15,2) für ein abgekürztes quamquam gehalten haben354. Außerdem ist zu beachten, dass eine Bezugnahme auf das, „was gegeben werden muss“, für den folgenden § 1 von entscheidender Bedeutung sein könnte. Dann entspräche die traditionelle Paragrapheneinteilung nicht dem ursprünglichen Gedankengang, und das pr. müsste nach venit enden. Denn in D. 16,2,7,1 ist die Rede davon, dass ein Klagerecht auf die Gegenforderung des Beklagten nicht (durch spätere exceptio rei iudicatae) verbraucht wird, wenn der Richter die Aufrechnung mit der Gegenforderung nicht berücksichtigt. Anders sei es, wenn er die Gegenforderung für unbegründet hält und deshalb unberücksichtigt lässt: Si rationem compensationis iudex non habuerit, salva manet petitio: nec enim rei iudicatae exceptio obici potest. aliud dicam, si reprobavit pensationem quasi non existente debito: tunc enim rei iudicatae mihi nocebit exceptio.

„Wenn der Richter (der früheren Klage) keine Rücksicht auf die Aufrechnung (mit der Gegenforderung) genommen hat, bleibt die Klage (aus der Gegenforderung) unbeschadet. Ihr kann nämlich nicht die Einrede der abgeurteilten Sache entgegengehalten werden. Anders will ich entscheiden, wenn er die Aufrechnung abgelehnt hat, als bestünde die Schuld nicht. Dann nämlich wird mir die Einrede der abgeurteilten Sache schaden.“

Der Kläger des ersten Prozesses (und Schuldner der behaupteten Gegenforderung) wird sich dann gegen eine spätere Klage aus dieser Forderung mit der exceptio rei iudicatae verteidigen können. Während der Richter sich in der Alternative (si reprobavit pensationem ...) über den Bestand der Gegenforderung Gedanken macht, ihn verneint und die compensatio deshalb verweigert, berücksichtigt er im Ausgangsfall die Gegenforderung nicht, obwohl sie besteht: quamquam dari oporteat, si rationem compensationis iudex non habuerit ... Jedenfalls wird man in D. 16,2,7 pr. keinen sicheren Beleg dafür sehen dürfen, dass Ulpian ein sofortiges dare oportere bei der obligatio in diem bejahte. Freilich findet sich auch: D. 50,16,213 pr. (Ulp. 1 reg.) cedere diem significat incipere deberi pecuniam ... ubi in diem (scil. quis stipulatus fuerit), cessit dies, sed nondum venit ...

„Dass 'der Tag weicht' bedeutet, dass das Geld beginnt geschuldet zu werden ... In dem Fall, dass er sich etwas auf einen Tag versprechen ließ, ist der Tag 'gewichen', aber noch nicht 'gekommen' ...“

Die Stelle enthält zwar die Aussage, dass bei einer stipulatio in diem sofort geschuldet wird. Sie entstammt aber den Ulpiani regularum libri VII, einem Werk, das sicher nicht von Domitius Ulpianus stammt, sondern sich entweder mit ___________________________

354 Zu den Abkürzungen für quamquam, quoque usw. (quaque nicht bei Gaius) s. Studemund, Apographum 290-297; qq für quaeque z. B. Gai. 3,83 (V 20r Z. 6).

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dessen Namen schmückt oder von einem Namensvetter herrührt355. Entstanden ist es wohl im späten 3. Jahrhundert. Die Stelle muss nicht die Meinung Ulpians widerspiegeln. Was die Zeugnisse von Pomponius, Gaius und Ulpian (D. 45,1,41,1) betrifft, die sich im Sinne einer Verneinung des sofortigen debitum verstehen lassen, so könnte man an eine sabinianische Lehre denken: Die Stellen von Pomponius und Ulpian entstammen den Kommentaren ad Sabinum. Pomponius und Gaius rechnen sich der Schule der Sabinianer zu356. Sollten sie sich also bewusst gegen eine Meinung aussprechen, nach der sofort geschuldet wird und die sich bei Labeo, dem Stammvater der Prokulianer357, abzeichnet? Denkbar wäre demnach, was das constitutum über die in diem obligatio betrifft: et Labeo ait tener‹e› constitutum. ... Propter has potissimum pecunias, quae nondum peti possunt, constituta inducta. Quam sententiam non invitus probarem. Habet enim utilitatem ut ex die obligatus constituendo se eadem die soluturum teneatur. {Sed est verum, (ut et Pomponius scribit?), eum ... non teneri quia nondum debita est pecunia quae constituta est.}

Non tenere constitutum wäre die wahre Meinung Ulpians, zu der ihn der Wortlaut des Edikts zwingt und die der von Labeo genetisch („historisch“) und von Ulpian selbst praktisch („teleologisch“) begründeten Meinung tenere constitutum widerstreitet. Sucht man nach einem schlüssigen ursprünglichen Aufbau des Ulpiantextes, so liegt es zunächst nahe, dass er zuerst die Meinung Labeos mit Argumenten (Pedius; Entstehungshintergrund; praktischer Nutzen) darstellte, bevor er auf die richtige Lösung zu sprechen kam. 5. Abstellen Ulpians auf die Durchsetzbarkeit Und doch bleiben schwerwiegende Zweifel. Denn immerhin nimmt D. 13,5,3,2 selbst die Qualifizierung der in diem obligatio als pecunia debita letztlich vorweg. Wenn die Forderung nämlich et iure civili et iure praetorio besteht (debe___________________________

355 Liebs, Ulpianus III mit Literatur. 356 Gaius: Gai. 1,196 − Sabinus quidem et Cassius ceterique nostri praeceptores ... 2,15 − Nerva vero et Proculus et ceteri diversae scholae auctores ... und passim. Pomponius: Er nennt Gaius (?) in D. 45,3,39 (Pomp. 22 Q. Muc.) Gaius noster, was Liebs, Rechtsschulen 203; 283; zuletzt ders., Sex. Pomponius mit Anm. 2 zum Argument für seine Zugehörigkeit zu den Sabinianern erhebt. Behrends, Gaius noster erkennt in Gaius noster C. Cassius Longinus; angesichts der dort S. 101 Anm. 61 f. (in langer Tradition) angeführten Belege für Gaius = Cassius erscheint dies vorzugswürdig; die These war bereits zur Zeit von Bremer, Rechtslehrer und Rechtsschulen 33 (mit weiterführender Literatur in Anm. 99) „gemeine Meinung“. Die Bezeichnung von C. Cassius Longinus als noster lässt sich (erst recht) als Bekenntnis des Pomponius zur sabinianisch/cassianischen Schule verstehen. 357 D. 1,2,2,52 (Pomp. sing. enchir.).

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bat), bleibt gar kein Raum mehr, um ihr die Qualität 'debitum' abzusprechen. Angesichts dessen reicht es nicht aus, dass die genannten Stellen die Möglichkeit offen lassen, dass Ulpian Schulden in diem, auch was die actio de pecunia constituta betrifft, als non(dum) debita qualifiziert. Dass hier ein so weitgehender Meinungsstreit vorläge, macht gleichzeitig entweder das Argument Labeos über den Ursprung der constituta oder die Haltung Ulpians besonders fragwürdig. Liegt der Ursprung unseres Instituts tatsächlich bei den Schulden, die noch nicht eingeklagt werden können, dann richtet sich die Haltung Ulpians doch massiv gegen den Sinn und Zweck des Edikts. Muss sich Ulpian diesen Vorwurf aber nicht gefallen lassen: Wie kommt dann Labeo zu seiner Behauptung? Haben sich Recht und Praxis des constitutum seit seiner „Einführung“ grundlegend geändert? Die Lösung dürfte mit der Konkurrenz von constitutum und stipulatio, prätorischem und zivilem Recht, zu tun haben. Die Begrifflichkeiten nondum peti posse und in diem obligari lassen sich sowohl auf die durch formlose Vereinbarung gestundete Hauptschuld (aus mutuum oder stipulatio) als auch auf eine Stipulation mit förmlich versprochenem Leistungstermin (stipulatio in diem) anwenden. Aus der förmlichen Stipulation358 kann eine Befristung nicht ohne Weiteres herausgetrennt werden. Zur Veränderung der stipulatio bedarf es vielmehr der Novation, die wiederum in Stipulationsform vorgenommen werden muss. Durch formlose Abrede kann der Fälligkeitszeitpunkt der Stipulation nicht nach vorne verschoben werden. Anders beim formlosen Darlehen: Das bloße mutuum kennt nur die sofortige Fälligkeit; sie lässt sich aber durch formloses Geschäft anders bestimmen und frei verändern. Unklar ist, ob der Schuldner bei einer Klage des Gläubigers vor der letztgültigen Fälligkeit − wie jedenfalls ursprünglich − auf eine exceptio angewiesen ist oder schon das dare oportere der actio certae creditae pecuniae zu verneinen ist359. Der bloße Konsens vermag dieses Hindernis aber jedenfalls zu ___________________________

358 Und dem förmlichen Vermächtnis (legatum), das im Folgenden subintelligiert wird. 359 Für Letzteres spricht ausschließlich das Schweigen der Quellen über eine exceptio bei der Klage aus Darlehen vor Fälligkeit; zurückhaltend daher Kaser, Mutuum und stipulatio 172: „Gleichwohl scheinen [!] mir diese Stellen bei unbefangener Beurteilung doch eher [!] dafür zu sprechen, dass bereits die Klassiker ... dazu übergingen, die Fristvereinbarung in das mutuum einzubeziehen, also das zivile dare oportere bis zum Ablauf der Frist hinauszuschieben.“ In unserer Stelle D. 13,5,3,2 entsteht eine Spannung gerade dadurch, dass von dem in diem obligatus gesagt wird, er schulde „sowohl nach ius civile als auch nach ius praetorium“; nach § 1 meint Letzteres das Fehlen einer exceptio. Entweder das eine oder das andere lässt sich beim in diem obligatus nach dem soeben Gesagten verneinen: Entweder das (zivile) dare opportere ist n o c h nicht gegeben, oder n o c h steht der Klage eine exceptio pacti entgegen. Doch meinen Pomponius und Ulpian mit iure praetorio non debere wohl nur dauern-

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beseitigen. Gleiches gilt für die formlose Stundung einer Stipulationsverbindlichkeit. Für das stipulationslose Darlehen wurde das constitutum eingeführt und sanktioniert. Hier muss es möglich sein, dass der Schuldner vor Fälligkeit (deren Festlegung zunächst beim Gläubiger liegt) eine frühere Leistung zusagt. Denn jederzeit kann durch bloßen Konsens die sofortige Fälligkeit der Schuld, mithin ein uneingeschränktes dare oportere hergestellt werden. Dieselbe Schuld nicht auch frei dem constitutum zugänglich zu machen, wäre weit weniger verständlich als bei der stipulatio in diem. Labeo argumentiert mit dem Ursprung des constitutum, der darin liege, den Fälligkeitstermin aufgrund einer Schuldnererklärung mit besonderem Interessenschutz für den Gläubiger zu versehen. Was er (nach dem überlieferten Text) unterschlägt, ist die enge Beziehung zum Darlehen 360 . Vielmehr differenziert er nicht zwischen den verschiedenen Ausgestaltungen der pecuniae quae nondum peti possunt. Im Fall einer formlosen Stundungsvereinbarung, wo das peti posse jederzeit zur formlosen Disposition der Parteien steht, kann das formlose constitutum mit dieser Disposition einhergehen. Die Fälle der stipulatio in diem, in denen das sofortige peti posse nur durch förmliches Geschäft herbeigeführt werden kann, setzen dem formlosen constitutum aber Grenzen. Das Nachdenken über die Zugänglichkeit der stipulatio in diem für ein constitutum berücksichtigt dabei Gesichtspunkte, die sich nicht mehr im Wortlaut des Edikts widerspiegeln, sondern sich aus dem Wesen des Rechtsinstituts ergeben. Ein ähnliches Phänomen begegnet – wie oben bereits erwähnt 361 – etwa in D. 13,5,7,1 (Ulp. 27 ed.): Si mihi aut Titio stipuler, Titio constitui suo nomine non posse Iulianus ait, quia non habet petitionem, tametsi solvi ei possit.

„Wenn ich mir in Stipulationsform Leistung an mich oder Titius versprechen lasse, so kann nach Julian dem Titius nicht im eigenen Namen festgesetzt werden, weil er kein Klagerecht hat, auch wenn an ihn geleistet werden kann.“

Der solutionis causa adiectus362 einer stipulatio ist nach Julian kein möglicher Empfänger eines constitutum auf Leistung an ihn. Ob die Worte quia non habet petitionem (die die indirekte Rede Julians unterbrechen) erst von Ulpian stammen, mag dahinstehen. Im Edikt findet sich weder ein Hinweis darauf, dass der ___________________________

de Einreden im Sinne von D. 12,6,26,3 (Ulp. 26 ed.): Indebitum autem solutum accipimus non solum si omnino non debeatur, sed et si per aliquam exceptionem perpetuam peti non poterat ... Zu D. 13,5,3,1 s. schon oben S. 116 f. 360 Von der Terminologie pecunia/-as direkt auf das mutuum zu schließen (so P. Costa, Pecunia constituta 148), fällt schwer. 361 S. oben S. 110 f. 362 S. oben S. 85 ff.

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Empfänger des constitutum ein Klagerecht über die Hauptschuld haben müsste, noch irgendein anderer unmittelbarer Anknüpfungspunkt für die Frage, welche Anforderungen an die Person des Empfängers zu stellen sind. Natürlich bewegt auch sie sich im weiteren Bereich von constituere und pecunia debita, aber nicht mehr am Wortlaut des Edikts. Dass in der Person des Drittempfängers der Zusage ein Klagerecht bestehen muss, ergibt sich vielmehr aus dem Wesen und der Funktionsweise des constitutum, insbesondere aus der Existenz der exceptio pecuniae constitutae363. Ähnlich ist es bei unserem Problem. Ulpian steht vor dem Phänomen, dass bei einem verschärfenden constitutum über eine stipulatio in diem der Schuldner den Schutz des ius civile effektiv verlöre. Das constitutum würde in diesem Fall das zivile Institut der novatio verdrängen. Dass Ulpian prätorischen Schutz des Stipulationsgläubigers gegen die Regeln des ius civile verweigert, bestätigt sich bei seiner Haltung zur unwirksamen Stipulation 364 . Denkbar ist also, dass Ulpian eine Aussage Labeos (und Pedius') vorfindet, nach der alle Geldschulden in diem jedem constitutum zugänglich sind; dass Ulpian dieser Aussage partiell Vorteile abgewinnen kann, die er mit dem constitutum auf den Fälligkeitstermin verbindet; dass er sich aber gegen constituta ausspricht, die nicht mit der Durchsetzbarkeit (petitio) der Grundverbindlichkeit übereinstimmen, und deshalb die Aussage Labeos in ihrer Generalität nicht anerkennen kann. Die Kompilatoren, die den „alten Streit“ über die Konstituierbarkeit betagter Verbindlichkeiten zu beseitigen hatten, konnten aus dem Ulpiantext alles übernehmen, das explizit Zustimmung zu Labeo enthielt; alles andere ließen sie weg. Für das constitutum auf Leistung vor Fälligkeit griffen sie auf Paulus zurück (D. 13,5,4). Ursprünglich könnte Ulpian also geschrieben haben: Si is qui et iure civili et praetorio debebat, in diem sit obligatus, an constituendo tenetur? et Labeo ait tenere constitutum, quam sententiam et Pedius probat. et adicit Labeo vel propter has potissimum pecunias, quae nondum peti possunt, constituta inducta. Quam sententiam non invitus probarem. Habet enim utilitatem ut ex die obligatus constituendo se eadem die soluturum teneatur. {Sed verius est eum solum teneri qui eo tempore se soluturum constituit quo iam peti poterit.}

6. Ergebnis Die Möglichkeit eines constitutum über eine betagte oder bedingte Forderung war noch unter den spätklassischen römischen Juristen umstritten365. Es ist zumindest denkbar, dass Gegner einer freien Disposition durch constitutum über ___________________________

363 S. oben S. 110. 364 S. unten S. 148 ff. 365 Insofern zu einseitig Ricart Martí, „Constitutum debiti“ 708: Die Anerkennung der constituta über bedingte und betagte Schulden durch Justinian sei „incomprensible, pues no representa ninguna novedad frente al Derecho clásico“.

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das Kriterium der pecunia debita hinaus auf die Durchsetzbarkeit der Grundverbindlichkeit zum zugesagten Erfüllungszeitpunkt abstellten, um einer vollständigen Verdrängung der zivilrechtlichen Haftung durch die prätorische entgegenzuwirken.

II. Naturalobligationen als pecunia debita Über Naturalverbindlichkeiten können nach dem Digestentext wirksam constituta abgegeben werden: D. 13,5,1,6-7 (Ulp. 27 ed.) 6 Debitum autem ex quacumque causa potest constitui ... 7 Debitum autem vel natura sufficit.

„Es kann aber eine Schuld aus jedem beliebigen Verpflichtungsgrund festgesetzt werden ... Aber auch was natürlich geschuldet wird, ist (für ein constitutum) ausreichend.“

1. D. 13,5,1,7 und der Verdacht der Interpolation Die Stelle wird für komplett interpoliert gehalten, ja für die justinianische Interpolation schlechthin: „Wenn irgendwo, so ertappt man sie hier auf frischer That ...“366

Schon früh aber wurde gerade zur Verteidigung klassischer Vorstellungen von der naturalis obligatio Gegenkritik laut: „Unser immer neu geschärftes Mißtrauen gegen die Überlieferung führt allmählich dazu, aus den Quellen eine weiche Masse zu machen, die jedem Drucke nachgibt“367.

Zum Argument für eine Interpolation wird einerseits der Aufbau der gesamten Passage D. 13,5,6-8 erhoben: Der Hinweis auf die Naturalverbindlichkeiten in § 7 unterbreche den Zusammenhang. In § 6 ist von zivilrechtlichen Obligationen als pecunia debita des constitutum die Rede, in § 8 von honorarrechtlichen. Es sei völlig unverständlich, warum die Zugänglichkeit von obligationes honorariae ___________________________

366 Gemeint sind natürlich die Kompilatoren Justinians, Kappeyne van de Copello, Über constituta pecunia 242: Der Autor sieht in der actio de pecunia constituta nur die besondere Ausgestaltung eines Prozesses über die sponsio dimidiae partis in Kombination mit einem iudicium secutorium über die Hauptschuld (s. oben Anm. 167; 170); eine Naturalobligation ist dieser (unzutreffenden) Konstruktion nicht zugänglich; im Ergebnis zustimmend Astuti, Costituto di debito II 219 ff.; weitere Nachweise bei Siber, Naturalis obligatio 38 Anm. 1; Philippin, Pacte de constitut 61 Anm. 2; De Villa, „Usurae ex pacto“ 64 Anm. 2; Burdese, Nozione classica 145 Anm. 96; Longo, Ricerche sull' „obligatio naturalis“ 264 Anm. 120; und im Ind. itp.; Frezza, Garanzie I 248: „annotatore postclassico“, „non dei compilatori giustinianèi“; für Genuität Arangio-Ruiz, Genti 555 f.; Roussier, Constitut 90; ohne Einschränkung Kaser, Privatrecht I 481 Anm. 18. 367 Pringsheim, Rez. Siber 351.

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für das constitutum überhaupt noch erwähnenswert sei, nachdem in § 7 sogar natürliche, also unklagbare Verbindlichkeiten für „konstituierbar“ erklärt wurden368. Außerdem sei es schlicht falsch, dass (alle) Naturalobligationen konstituiert werden könnten. Aus mehreren Stellen des Digestentexts geht hervor, dass die klassischen Juristen unter einer naturalis obligatio, einem naturale debitum und Ähnlichem eine Forderung verstehen, die nicht klagbar ist, bei erfolgter Leistung aber die Rückforderung mittels condictio indebiti ausschließt. Nicht stipulierte Zinsen, die lediglich Gegenstand eines formlosen pactum sind, sind daher natura debitum, sie könnten aber nachweislich nicht konstituiert werden369. Die Kompilatoren hätten mit der Einfügung von § 7 vielmehr das constitutum der Stipulation angenähert. Zwar wird in Justinians Reformkonstitution C. 4,18,2,1a der Anwendungsbereich der pecunia constituta tatsächlich auf alle Gegenstände erweitert, die der Stipulation zugänglich sind: sit pecunia constituta omnes casus complexens, qui et per stipulationem possint explicari.

Zuvor wird − zur Überwindung der Abstraktheit des mit dem constitutum vereinigten receptum argentarii370 − als zwingende Voraussetzung genannt, dass eine Schuld bestehen muss: hoc tantummodo constituatur, quod debitum est. Von Naturalobligationen ist in der Konstitution aber nicht eigens die Rede. Lediglich im Sinne der Reform hätten die Kompilatoren in den Digesten das debitum natura einbezogen371. 2. Natura debitum als Schulden Gewaltunterworfener Das natura debitum – τὸ φυσικόν in § 7 beschränkt der byzantinische Scholiast auf (Schulden) „des Minderjährigen und des Gewaltunterworfenen“: Scholion φυσικόν zu B. 26,7,1 (Pa 11; B V 1794 Sch.; nicht bei Heimbach) „['Natürlich']. ‹Τουτ›έστιν τοῦ ἀνήβου καὶ τοῦ Das heißt: des Minderjährigen und des Gewaltunὑπεξουσίου. terworfenen.“

___________________________

368 369 370 371

Astuti, Costituto di debito II 219 f. Unten S. 130 ff. Unten S. 161. Anders Frezza, Garanzie I 248: Das Schweigen der Konstitution über das natura debitum beweise, dass es sich bereits um die Anmerkung eines nachklassischen Bearbeiters handle.

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Mit ἀνήβο̋ „minderjährig“ bezeichnen die Basiliken den pupillus372, mit ὑπεξ5 ουσίο̋ „gewaltunterworfen“ im Bereich unseres Titels den filius familias373. An anderer Stelle ist in ὑπεξουσίο̋ der Sklave mitenthalten, das Wort bezeichnet dann die Person alieni iuris374. Die Schuld des Sklaven ist nach klassischem Recht naturalis obligatio: Gai. 3,119a Fideiussor vero omnibus obligationibus ... adici potest. at nec illud quidem interest, utrum civilis an naturalis obligatio sit, cui adiciatur; adeo quidem, ut pro servo quoque obligetur, sive extraneus sit, qui a servo fideiussorem accipiat, sive ipse dominus in id, quod sibi debeatur.

„Der Bürge (fideiussor) aber kann allen Verbindlichkeiten hinzugefügt werden. Doch nicht einmal darauf kommt es an, ob die Verbindlichkeit, der er hinzugefügt wird, zivilrechtlich oder natürlich ist. Das geht so weit, dass er auch für einen Sklaven verpflichtet wird, sei es dass es ein außenstehender (Gläubiger) ist, der von dem Sklaven einen Bürgen empfängt, sei es der Eigentümer selbst für das, was ihm geschuldet wird.“

Die Juristen verwenden für Forderungen und Schulden zwischen Eigentümer und Sklaven das Wort debere − wenn auch (gemessen an einer hochtechnischen Terminologie) ausdrücklich „in einem uneigentlichen Sinne“375. Diese Forderungen sind nicht klagbar, müssen aber bei der Berechnung des dem Sklaven eingeräumten Sondervermögens (peculium) und der Haftung des Eigentümers dafür Berücksichtigung finden 376 . Das wirtschaftliche Vorankommen des Sklaven wird von Forderungen des Eigentümers ebenso beeinflusst wie von denen Dritter. Hinsichtlich ihrer Entstehung folgen sie den Regeln des Zivilrechts. Um Probleme der Abwicklung solcher Schulden zu beschreiben, verwendet man Begrifflichkeiten und Bilder der Auseinandersetzung unter Freien: D. 15,1,49,2 (Pomp. 4 Q. Muc.) Ut debitor vel servus domino vel dominus servo intellegatur, ex causa civili computandum est: ideoque si dominus in rationes suas referat se debere servo suo, cum omnino ne-

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„Ob der Sklave als Schuldner des Eigentümers oder der Eigentümer als Schuldner des Sklaven anzusehen ist, muss nach zivilrechtlichem Maßstab bestimmt werden. Wenn der Eigentümer daher in seiner Buchführung vermerkt, er schulde seinem

372 B. 26,7,1,2 (A IV 1297 Sch.; III 134 Hb.); 26,7,24 (A IV 1300 Sch.; III 138 Sch.). 373 B. 26,7,1,3 (A IV 1297 Sch.; III 134 Hb.); 26,7,2 (A IV 1297 Sch.; III 135 Hb.); 26,7,7 (A IV 1298 Sch.; III 136 Hb.): υἱῷ ὑπεξουσίῳ. 374 Beispielsweise B. 18,2,1,4 (Hb. II 232; Sch. A III 876) = D. 14,1,4 (Ulp. 29 ed.): Ἁρ5 ™όζει δὲ ἐπὶ παντὸ̋ ὑπεξουσίου = omnes qui sunt alieno iuri subiecti; Tip. B. 31,1,1,2 (III 514 Hb.): Καὶ τίνε̋ εἰσὶν ὑπεξούσιοι, καὶ πῶ̋ προ̋ πορίζουσι τοῖ̋ δεσπόται̋ καὶ πατράσι. 375 D. 46,1,16,4 (Iul. 53 dig.): licet minus proprie debere dicantur ... per abusionem intellegi possunt debitores; D. 15,1,41 (Ulp. 43 Sab.): Nec servus quicquam debere potest nec servo potest deberi, sed cum eo verbo abutimur, factum magis demonstramus quam ad ius civile referimus obligationem. itaque quod servo debetur, ... quod servus ipse debet ... 376 Dazu s. nur Kaser, Privatrecht I 606 f.

Qualifizierung der pecunia debita que mutuum acceperit neque ulla causa praecesserat debendi, nuda ratio non facit eum debitorem. D. 15,1,9,2 (Ulp. 29 ed.) Peculium autem deducto quod domino debetur computandum esse, quia praevenisse dominus et cum servo suo egisse creditur.

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Sklaven, obwohl er weder ein Darlehen erhalten hat noch irgendein anderer Verpflichtungsfall vorausgegangen war, macht ihn die bloße Buchung nicht zum Schuldner. Das Sondervermögen ist aber zu berechnen unter Abzug dessen, was (vom Sklaven) dem Eigentümer geschuldet wird, weil der Eigentümer so angesehen wird, als wäre er (den anderen Gläubigern) zuvorgekommen und hätte seinen Sklaven verklagt.“

D. 15,1,41377 könnte darauf hindeuten, dass bereits in den von Ulpian kommentierten iuris civilis libri III des Massurius Sabinus aus der ersten Hälfte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts vom debere des Sklaven die Rede war. Für den republikanischen Juristen Servius Sulpicius Rufus waren umgekehrt Schulden des Eigentümers bei seinem Sklaven ein Ding der Unmöglichkeit (D. 35,1,40,3 [Iav. 2 ex post. Lab.]: quia dominus servo nihil debere potuisset). Dies muss nicht die allgemeine Vorstellung und Diktion widerspiegeln. Javolen (cos. suff. 86 n. Chr.)378 bezeichnet sie jedenfalls in derselben Stelle als naturale magis quam civile debitum und sieht sich in Übereinstimmung mit einer bereits gängigen Rechtspraxis (et hoc iure utimur). Für D. 13,5,1,7 ist von Bedeutung, dass die Juristen in der Naturalobligation des Sklaven explizit die Strukturen des ius civile wiederfinden. Zur Naturalobligation steht das ius civile in einem anderen Verhältnis als zum Honorarrecht. Mehr noch: Prätorische Schuld und Naturalobligation haben nichts, zivile und naturale Schuld ihre Struktur gemein. Der Gedankengang Ulpians, von den zivilen Verbindlichkeiten in D. 13,5,1,6 ausgehend in § 7 zunächst den Blick auf das natura debitum zu richten, um in § 8 wiederum eine andere Dimension des Privatrechts zu erreichen, hat daher nichts Inkonsequentes oder auch nur Bemerkenswertes379. Der Aufbau von D. 13,5,1 ist kein Argument für eine Interpolation in § 7. Constituta Dritter über die Schulden von Sklaven sind ebenso wenig belegt wie constituta von Sklaven über eigene oder fremde Schulden. Der juristische Quellenbestand von constituta für und von Gewaltunterworfenen ist freilich insgesamt gering. D. 13,5,2 (Iul. 11 dig.) behandelt ein constitutum des pater familias über eine Schuld des filius familias, das filii nomine ausgesprochen wird und eine unbegrenzte Haftung des Vaters begründet. Eine entsprechende Äußerung zum ___________________________

377 S. oben Anm. 375. 378 Kunkel, Herkunft und soziale Stellung 138. 379 S. schon Arangio-Ruiz, Genti 556: Zivile Verbindlichkeit des Gewalthabers und natürliche des Sklaven entstehen ipso iure, die adjektizische Haftung des Gewalthabers kraft des Edikts.

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Arbeit der Juristen am Edikt

Fall von Sklaven und Eigentümer fehlt. Die Wirksamkeit eines constitutum servi nomine ließe sich daher aufgrund eines Umkehrschlusses aus fr. 2 verneinen. Dabei müsste man davon ausgehen, dass Julian dort, wo die Rechtslage bei filius familias und servus übereinstimmt, auch stets von beiden spricht. Dass der Sklaveneigentümer das constitutum nicht auch alieno nomine, nämlich servi nomine gestalten könnte, ist ganz unwahrscheinlich, kann der Eigentümer doch etwa auch eine fideiussio über Schulden des Sklaven bei Dritten eingehen (z. B. D. 15,4,1,5 [Ulp. 29 ed.]) und sich überhaupt servi nomine verpflichten (z. B. D. 15,1,9,8 [Ulp. 29 ed.])380. 3. Natura debitum als unklagbare Schuld mit Ausschluss der Rückforderung im Fall der Leistung Doch hält man § 7 für unvereinbar mit anderen Aussagen des Digestentitels 13,5 und will daran die Sorglosigkeit der Kompilatoren bei der Einfügung oder Veränderung von § 7 erkennen. Ulpian hätte allenfalls die Schulden Gewaltunterworfener gemeint381, die Byzantiner aber hätten übersehen, dass die Stelle in ihrer jetzigen Form und im Zusammenhang der Digesten mit natura debitum alle Verbindlichkeiten betrifft, die zwar nicht klagbar sind, im Falle der Leistung aber keine Rückforderung mittels condictio indebiti zulassen. In D. 12,6,11 (35 Sab.) verwehrt Ulpian demjenigen, cum quo de peculio actum est ‒ „gegen den mit der actio de peculio vorgegangen wurde“ und der versehentlich (per imprudentiam) mehr geleistet hat, als das peculium enthielt, die Rückforderung (mit der condictio indebiti). Ist also das, was noch der Schuld des Gewaltunterworfenen entspricht, aber das peculium übersteigt, natura debitum des Gewalthabers − und nach D. 13,5,1,7 dem constitutum zugänglich? Ulpian würde sich selbst widersprechen. Denn nach D. 13,5,1,8 (Ulp. 27 ed.) bleibt dem Gewalthaber (et pater et dominus) die Beschränkung seiner Haftung auf das dem ___________________________

380 Wer die Wirksamkeit des constitutum servi nomine bestreitet, sieht in fr. 1,8: et pater et dominus zumeist einen Eingriff der Kompilatoren: et ideo {et} pater {et dominus} de peculio obstrict‹us› si constitueri{n}t, teneb‹i›tur ...; so Roussier, Constitut 75 Anm. 1; 90 Anm. 2. Das folgende fr. 2 hätten die Kompilatoren freilich verschont: Quod si filii nomine constituerit ..., obwohl ein schlichtes {vel servi} genügt hätte. Der Wechsel vom überlieferten Plural in den Singular: ceterum si plus suo nomine constitu i t non teneb i t u r in id quod plus est indiziere in fr. 1,8 „sans doute“ den Texteingriff. Umgekehrt verdächtigt Arangio-Ruiz, Genti 555 (ohne Begründung) gerade diese Worte als Zusatz der Kompilatoren. Derartige Wechsel sind bei Ulpian allerdings nicht ungewöhnlich, vgl. etwa D. 14,1,1,22 (Ulp. 28 ed.): pater dominusve ... dumtaxat de peculio teneb i t u r , sed filius ipse in solidum. plane si ..., in solidum teneb u n t u r et praeterea et filius ... Die Formulierung quod plus est bringt Ulpian auch in D. 19,1,32 (11 ed.). Die Stelle hat also nichts nachhaltig Verdächtiges an sich. 381 So Siber, Naturalis obligatio 38; De Villa, „Usurae ex pacto“ 64.

Qualifizierung der pecunia debita

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Gewaltabhängigen eingeräumte Sondervermögen (peculium) bei einem constitutum suo nomine (also debiti proprii) erhalten. Das debitum beschränkt sich dann im Moment des constituere auf die eigene adjektizische (und prätorische) Haftung, nämlich der Höhe nach auf das peculium. Spätere Veränderungen des peculium wirken sich auf die Haftung de constituta nicht aus (D. 13,5,19,2 [Paul. 29 ed.]; h. t. 20 [Paul. 4 Plaut.]). Gibt der Gewalthaber bei einem solchen constitutum suo nomine einen höheren Betrag an, als das peculium zu diesem Zeitpunkt umfasst, macht er sich auf die Differenz nicht haftbar: si plus suo nomine constituit non tenebitur in id quod plus est (fr. 1,8 a. E.). Dass diese Differenz aufgrund von D. 12,6,11 tatsächlich als eigenes natura debitum anzusehen ist382, lässt sich freilich bestreiten. Denn die adjektizische Haftung des Gewalthabers de peculio ist letztlich nichts anderes als eine (durch den Prätor) institutionalisierte Form der Prozessvertretung für den Gewaltabhängigen. Dieser Rolle kann sich der Gewalthaber nicht entziehen; insofern ist er stets de peculio obstrictus − um diese „honoraria actione obligatio“ geht es Ulpian in D. 13,5,1,8. Die zivile, bzw. nach dem Maßstab des ius civile zu beurteilende Schuld bleibt zunächst die des Gewaltabhängigen; er steht in der intentio der actio de peculio. Der Gewalthaber wird zum zivilen Schuldner (aufgrund der zivilen actio iudicati) erst durch seine Verurteilung383. Im Fall von D. 12,6,11 zahlt der Gewalthaber nach dem Ende des Prozesses auf seine zivile Schuld; soweit sie das peculium zum Zeitpunkt der Verurteilung übersteigt, ist sie Naturalobligation und kann nicht zurückgefordert werden. Vor dem Urteil (und honoraria actione obligatus bedeutet auch: vor dem Urteil und der darin liegenden Begründung einer obligatio civilis) entbehrt ein constitutum suo nomine des Gewalthabers über die Differenz jedoch der Grundlage. D. 13,5,1,8 lässt sich also innerhalb der Sichtweise Ulpians mit D. 13,5,1,7 ohne Weiteres vereinbaren. Doch schließt der Begriff der naturalis obligatio auch alle nicht klagbaren pacta ein. Insbesondere lediglich paktierte Zinsen sind nach den Digesten Naturalverbindlichkeit, seien aber nachweislich dem constitutum nicht zugänglich. Als Beweis diene384 einerseits D. 13,5,24385, andererseits: D. 13,5,11,1 (Ulp. 27 ed.) Si quis centum aureos debens ducentos constituat, in centum tantum___________________________

„Wenn jemand hundert Goldmünzen schuldet und zweihundert festsetzt, haftet er nur auf hundert,

382 S. zuletzt Giaro, Römische Rechtswahrheiten 351 mit Literatur in Anm. 133. 383 Deshalb wird er in D. 34,3,5,2 (Ulp. 23 Sab.) von Ulpian einem bedingten Schuldner gleichgestellt. Auch zwischen dieser Stelle (in der der Prozess definitiv noch bevorsteht, anders ist nondum enim erat debitor, cum solveret nicht zu erklären) und D. 12,6,11 besteht also kein Widerspruch; auf die reiche Literatur zum Verhältnis der beiden Stellen kann hier nicht eingegangen werden, s. nur Kroppenberg, Insolvenz 134-139; Giaro, Römische Rechtswahrheiten 351. 384 Astuti, Costituto di debito II 222; Philippin, Pacte de constitut 62 f. 385 S. oben S. 7.

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Arbeit der Juristen am Edikt

modo tenetur, quia ea pecunia debita est: ergo et is, qui sortem et usuras quae non debebantur constituit, tenebitur in sortem dumtaxat.

weil dieses Geld geschuldet ist. Also haftet auch derjenige, der Kapital und Zinsen, die nicht geschuldet wurden, festsetzt, nur auf das Kapital.“

Die Stelle besagt nicht, dass die Zinsen, quae non debebantur, vor dem constitutum durch pactum vereinbart wurden. Für die Möglichkeit, die Zahlung zuvor paktierter Zinsen mittels constitutum auf einen wie auch immer bestimmten Zeitpunkt zu garantieren, ist die Stelle nicht aussagekräftig. Dass Ulpian natürlich geschuldete Zinsen meinen würde, reichert den Tatbestand zu sehr an. Denn Ulpian benutzt mit quae non debebantur gerade die Formelworte der actio de pecunia constituta. Er nimmt also im selben Moment eine Subsumtion unter die intentio der Formel vor und stellt klar, dass die Kapitalschuld, die der Formel entspricht, Zinsen, die für sich genommen der Formel nicht entsprechen, nicht „mitreißen“ kann. Ob er dabei natürlich geschuldete Zinsen vom Tatbestand der Formel ausschließt, lässt sich an der Stelle nicht erkennen. Ebenso wenig besagt D. 13,5,24: Die Garantie der Leistung des Kapitals zu einem bestimmten Zeitpunkt kann nicht mit der Zusage von Strafzinsen für den Fall der Nichtleistung kombiniert werden, unabhängig davon, ob die Hauptschuldner eine entsprechende Strafstipulation abgeschlossen haben oder nicht. Das Modell einer stipulatio sortis kombiniert mit einer stipulatio poenae kann nicht in die formlose prätorische Haftungsordnung, die auf konkreten Interessenschutz ausgerichtet ist, übertragen werden. Denn dort würde sie zu einer nicht gewollten Verdoppelung des Gläubigerschutzes führen. Rückschlüsse auf das Schicksal von Darlehenszinsen erlaubt die Stelle nicht. Zinsen können Gegenstand der actio de pecunia constituta sein, wenn sie im Moment des constitutum geschuldet wurden. Dies gilt zweifellos für stipulierte Darlehenszinsen. Es gilt zweifellos nicht für die in D. 13,5,24 genannten Strafzinsen. Es gilt zweifellos nicht für Zinsen, die vor der Abgabe des constitutum in keiner Weise geschuldet wurden, D. 13,5,11,1. Wie sich die Aussage zu formlos vereinbarten Darlehenszinsen verhält, muss genauer untersucht werden. Was die Qualität lediglich paktierter Darlehenszinsen als debitum betrifft, so ist eine Ulpian-Stelle aus diesem Zusammenhang − für unsere Zwecke − zweischneidig: D. 46,3,5,2 (Ulp. 43 ed.) Imperator Antoninus cum divo patre suo rescripsit, cum distractis pignoribus creditor pecuniam redigit: si sint usurae debitae et aliae indebitae, quod solvitur in usuras, ad utramque causam usurarum tam

„Der Kaiser Antoninus hat zusammen mit seinem vergöttlichten Vater den Fall verbeschieden, in dem der Gläubiger nach Pfandveräußerung das Geld einzieht: Wenn es sowohl geschuldete als auch nicht geschuldete Zinsen gibt, werde das, was auf die Zinsen gezahlt werde, gleichermaßen auf ge-

Qualifizierung der pecunia debita debitarum quam indebitarum pertinere: puta quaedam earum ex stipulatione, quaedam ex pacto naturaliter debebantur.

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schuldete wie nicht geschuldete Zinsen angerechnet; zum Beispiel wurden welche aus Stipulation, andere aus bloßer Vereinbarung naturaliter geschuldet.“

Dieselben Zinsen werden einmal als indebitae bezeichnet, ein anderes Mal als naturaliter debitae. Indebitae, „ungeschuldet“ sind sie jedenfalls nicht, was ihre Rückforderung betrifft. Denn die Stelle betrifft gerade das Zusammenspiel von Klaglosigkeit nicht bezahlter Zinsen ex pacto und Rückforderungsausschluss bereits bezahlter. Würde der Erlös des Pfandverkaufs nur auf die klagbaren Zinsen ex stipulatione angerechnet, hätte der Gläubiger keine Möglichkeit mehr, eine Befriedung hinsichtlich der unklagbaren paktierten Zinsen durchzusetzen. Würde umgekehrt − durch Bestimmung des Gläubigers − die Anrechnung nur auf die Zinsen ex pacto erfolgen, blieben die klagbaren Zinsen ex stipulatione vollumfänglich zulasten des Schuldners bestehen. Aufgrund dieser fortbestehenden klagbaren Verpflichtung trüge allein der Schuldner die Risiken der Pfandverwertung, obwohl auch der Gläubiger durch Verzicht auf eine Stipulierung aller Zinsen sich auf einen geringeren Grad an Sicherheit als bei den stipulierten Zinsen eingelassen hat. Die Kaiser gehen einen Mittelweg und verteilen die Anrechnung auf beide Zinsarten. Zinsen ex pacto sind indebitae was ihre Klagbarkeit angeht, debitae, was ihre Rückforderung mittels condictio indebiti betrifft. Die Begrifflichkeit ist changierend. Als debitae werden in D. 13,7,11,3 (Ulp. 28 ed.) pfandgesicherte Zinsen bezeichnet, die „nicht in eine Stipulation aufgenommen wurden“. Als indebitae gelten sie in D. 12,6,26 pr. (Ulp. 26 ed.), C. 2,3,28 (Diocl./Maxim., 294 n. Chr.). Den Ausschluss der Rückforderung geleisteter „nicht geschuldeter“ Zinsen belegt: D. 12,6,26 pr. (Ulp. 26 ed.) Si non sortem quis, sed usuras indebitas solvit, repetere non poterit, si sortis debitae solvit.

„Wenn jemand nicht das Kapital, sondern ungeschuldete Zinsen zahlt, kann er sie nicht zurückfordern, wenn er sie auf ein geschuldetes Kapital leistet.“

Wieder ist von usurae indebitae die Rede, doch diesmal offenbar von solchen, die sich als Naturalforderung qualifizieren lassen. Die Stelle erwähnt kein pactum über die Zinsen, auf das geleistet worden wäre. Der Ausschluss der Rückforderung hängt nicht mit einem bestehenden Zins-pactum zusammen, sondern damit, dass die Zinsen auf ein geschuldetes Kapital geleistet wurden. Diese „Hauptschuld“ vermittelt den gezahlten Zinsen offenbar den Rechtsgrund. Das gilt sogar für Zinsen, die über das gesetzliche Höchstmaß hinausgehen; doch werden sie als Zahlungen auf das Kapital verstanden. Anderes wird gelten, wenn

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Arbeit der Juristen am Edikt

die Parteien ein unverzinstes Darlehen wollten; denn entgegen dem Gläubigerwillen wird man keinen Rechtsgrund für Zinszahlungen anerkennen können. Mit der Bedeutung der Kapitalschuld für die Kondiktionsfestigkeit der Zinszahlung klingt nicht nur erneut die Vorstellung der Zweckverfügung an 386; es wird auch deutlich, dass ein Konsens der Parteien über die Zinsen nicht erst die Grundlage für deren Bezahlung schaffen muss. Ein Zins-pactum beim Darlehen begründet also nicht die Naturalobligation, sondern bestimmt deren Umfang. 4. Zusage paktierter Zinsen in einem chirographum: D. 22,1,41,2 Seit jeher rätselt man dabei über D. 22,1,41,2 (Mod. 3 resp.)387: Ab Aulo Agerio Gaius Seius mutuam quandam quantitatem accepit hoc chirographo: 'ille scripsi me accepisse et accepi ab illo mutuos et numeratos decem, quos ei reddam kalendis illis proximis cum suis usuris placitis inter nos'. quaero, an ex eo instrumento usurae peti possint et quae. Modestinus respondit, si non appareat de quibus conventio facta sit, peti eas non posse.

„Von Aulus Agerius erhielt Gaius Seius einen bestimmten Betrag dargeliehen unter Errichtung des folgenden Handscheins: 'Ich, der und der, erkläre hiermit schriftlich, erhalten zu haben, und habe erhalten von dem und dem dargeliehen und ausgezahlt zehn(tausend Sesterze), die ich ihm zurückgebe an den und den nächsten Kalenden mit Zinsen daraus, wie wir sie vereinbart haben.' Ich frage an, ob aus dieser Urkunde Zinsen verlangt werden können und wenn ja, welche. Modestinus hat das Gutachten erteilt, sie könnten, wenn nicht deutlich wird, über welche Zinsen die Vereinbarung erfolgte, nicht verlangt werden.“

Von einer Stipulation ist nicht die Rede. Dennoch kommt der Anfragende auf die Idee, „aus der Urkunde“ könnten womöglich Zinsen verlangt werden. Auch Modestin schließt dies nicht dem Grundsatz nach aus. Ein Zinsanspruch scheidet nur dann aus, wenn nicht deutlich wird, auf welche Zinsen, konkreter: auf Zinsen in welcher Höhe, sich die Parteien geeinigt haben. Dies kann generell gemeint sein: „Wenn − wie hier − die Höhe der Zinsen nicht in der Urkunde hervorgeht, können keine Zinsen verlangt werden.“ E contrario ergibt sich daraus, dass bei ausreichender Konkretisierung der Zinsen in der Urkunde auf sie geklagt werden kann388. Es lässt sich aber auch nicht ausschließen, dass Modestin die Entschei___________________________

386 S. oben S. 76 ff. 387 Zu den zahlreichen Interpolationsvermutungen (die zumeist auf ein grobes respondit, peti eas non posse hinauslaufen) s. Kaser, Mutuum und stipulatio 164 Anm. 29. Im einschlägigen Werk von De Villa, „Usurae ex pacto“ erscheint die Stelle einmal am Rande (91 Anm. 37) unter pauschalem Interpolationsverdacht. 388 Kaser, Mutuum und stipulatio 163; die Parallelstelle im Recht der stipulatio, D. 22,1,31 (Ulp. 1 resp.), erwähnt schon Stephanos, Sch. ἐὰν ὁ™ολογήσω zu B. 23,3,41 (B IV 187 Sch.; II 717 Hb.). Ulpian zitiert dort den Wortlaut der vorgelegten Stipulation: 'et usuras, si quae competierint'; mit dieser „dümmlichen Formulierung“

Qualifizierung der pecunia debita

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dung des konkreten Falls davon abhängig macht, ob sich die Höhe der vereinbarten Zinsen anderweitig ermitteln lässt. Die Urkunde könnte dem Gläubiger dann durchaus noch zu Zinsen verhelfen. Sie wäre nicht schon deshalb für die Zinsforderung unbrauchbar, weil sie die Zinshöhe nicht nennen würde, sondern nur dann, wenn sich die vereinbarten Zinsen nicht anderweitig ermitteln lassen. In diesem Fall müssten wir noch nicht einmal einen Gegenschluss bemühen, um festzustellen, dass Modestin hier Darlehenszinsen ohne Stipulation anerkennt − nach unserer Vorstellung vom klassischen römischen Recht eine unerhörte Aussage. Denn die Regel, dass Darlehenszinsen eigens stipuliert werden müssen, scheint regelrecht in Stein gemeißelt zu sein389. Kaser meint für D. 22,1,41,2 die Lösung gefunden zu haben, indem er den ganzen Fall in einen nichtrömischen, griechisch-hellenistischen Bereich verlagert. Die Kombination der Blankettnamen sei auffällig, der Wechsel zu ille / ab illo sei unharmonisch und verrate die „nachklassische Hand“390; die ursprünglichen Namen könnten verraten haben, dass es sich um Peregrine handelt, denen − im Gegensatz zu römischen Bürgern − nach Gai. 3,134 die Litteralobligation chirografis et syngrafis möglich ist: si quis debere se aut daturum se scribat, ita scilicet, si eo nomine stipulatio non fiat. Dass Modestin mehrere Jahrzehnte nach der allgemeinen Bürgerrechtsverleihung durch die constitutio Antoniniana im Jahr 212 n. Chr. literarisch tätig ist, zwinge zu der Annahme, dass die Parteien des Falls zu der Gruppe von Peregrinen gehören, die des römischen Bürgerrechts nicht teilhaftig wurden (dediticii). Wie kann Modestin dies unerwähnt lassen? Hat die „nachklassische Hand“, die bei der Unkenntlichmachung der peregrinen Namen so unsorgfältig verfuhr, auch erklärende Worte zum besonderen Status der Beteiligten, etwa eine Herkunftsangabe gestrichen? Es wäre bereits auffällig, dass sich ein römischer Jurist außerhalb rechtsvergleichender oder historischer Überlegungen zum ius proprium peregrinorum äußert. Dass er es in seinen Responsen täte, der Fall zweier dediticii also an ihn herangetragen wurde, wäre singulär. Die konkrete Umsetzung der echten Namen in Blankettnamen bzw. Pronomina mag man als oberflächlich und inkonsequent empfinden. Einen peregrinen Hintergrund macht sie aber um nichts wahrscheinlicher391. Die Formulierung scripsi (bzw. dixit) me (bzw. se) accepisse et accepi

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(„stupidamente formulato“) wurde Interpolationenverdacht begründet! − Riccobono, Stipulatio ed instrumentum 321. 389 Statt aller Kaser, Privatrecht I 497 mit Anm. 34; 531 mit Anm. 21. 390 Kaser, Mutuum und stipulatio 165 mit Anm. 36. 391 Aulus Agerius korrespondiert grundsätzlich mit Numerius Negidius; Gaius Seius mit Lucius Titius oder Publius Maevius. Unregelmäßigkeiten begegnen in der Problemliteratur: In D. 35,2,27 (Scaev. 6 resp.) steht Agerius einem Seius gegenüber: lateinisches Testament (wenn auch mit Begünstigung der res publica nostra, also wohl nicht stadtrömisch); D. 39,6,18,2 (Iul. 60 dig.) hat Titia, Septicius, Maevius, Maevia

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Arbeit der Juristen am Edikt

(bzw. accepit) begegnet nicht nur in einer dakischen Wachstafel aus dem Jahr 167 n. Chr. (CIL III, S. 949, Nr. XII = FIRA III 120)392. Zwei pompejanische Urkunden (TPSulp. 50 [35 n. Chr.]; TPSulp. 53 [40 n. Chr]: chirographa römischer Schuldner)393 zeigen (gefolgt von einer Stipulationsklausel) das Formular: Nus Nus scripsi me accepisse et debere Ao Ao HS tot nummum, quae ab eo mutua et numerata accepi.

Nicht nur die Doppelung scripsi me accepisse ..., quae ... accepi ähnelt dem Urkundentext in den Digesten, auch die Wendung tot ... mutua et numerata entspricht dem mutuos et numeratos decem des Textes. Sie begegnet (begleitet von einer fidepromissio) auch in der dakischen Urkunde CIL III, S. 934 f., Nr. V (= FIRA III 122): se eos (denarios) LX, q(ui) s(upra) s(cripti) s(unt), mutuos numeratos accepisse et debere se dixit.

Auch wenn sich in Dakien grundsätzlich verstärkter griechischer Einfluss vermuten lässt, so zeigen die pompejanischen Urkunden doch, dass es sich um ein auch unter Römern gebräuchliches Formular handelt. Die Bezeichnung als chirographum ist in den Stipulationsurkunden aus Pompeji häufig394, bei Modestin gelegentlich anzutreffen395. Letztlich deutet also nichts auf ein peregrines Szenario. Es allein aufgrund der Aussage des Juristen zu postulieren, grenzt an einen Zirkelschluss. Wir müssen Modestin anders erklären. Denkbar ist, dass eine Klage auf Zinsen sich aus der standardmäßig abgeschlossenen und dokumentierten Stipulation ergeben hätte, die Modestin, bzw. der Anfragende, nur deshalb nicht wiedergibt, weil sie sich als Geschäfts- und Urkundenbestandteil von selbst versteht. In unserer dokumentarischen Überlieferung begegnet für die Zeit Modestins die Stipula___________________________

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und Ageria: chirographa, s. aber unten Anm. 394; D. 45,1,122,4 (Scaev. 28 dig.) nennt Aulus Agerius und Publius Maevius: Problem eines filius familias; D. 32,92 pr. (Paul. 13 resp.) hat die Schwestern Maevia und Negidia: römisches Testament (insbes. 'fundis uti optimi maximique sunt'); D. 33,2,33,2 (Scaev. 17 resp.) nennt drei Freigelassene Negidius, Titius und Dio: Fideikommiss; D. 16,1,28,1 (Scaev. 1 resp.) hat Numerius und Sempronius: SC Velleianum; D. 18,5,10,1 (Scaev. 7 dig.): Numeria und Sempronia; D. 34,1,9 pr. (Pap. 8 resp.): Gaius Seius und Numerius. Macqueron, Contractus scripturae 31-33 mit Literatur. Parallelen finden sich auch in den Ravennater Papyri des 6. Jahrhunderts und langobardischen Darlehensurkunden des 8. Jahrhunderts, s. Platschek, Formular der dakischen Arbeitsverträge 103 Anm. 18. S. schon oben S. 3. S. wiederum TPSulp. 50, oben S. 3; außerdem TPSulp. 45; 48; 51; 52; 55; 56; 57; 74; 79; 82; 114. D. 20,1,26,1 (Mod. 4 resp.): Römer (arg.: emancipato filio); 22,3,24 (Mod. 4 reg.): kein peregriner Zusammenhang (arg.: Palingenesie − regulae).

Qualifizierung der pecunia debita

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tionsklausel als derart standardisiertes Vertragselement396, dass sich ein entsprechender Vermerk für den Leser Modestins, der ein chirographum vor sich hat, ebenso von selbst verstehen könnte, wie die Grußformel, Datierung, Vollstrekkungsklauseln etc. So wenig wie der Wiedergabe der Klausel bedürfte es dann eines Hinweises in der Entscheidung auf die erfolgte Stipulation. Ein Vergleich mit D. 13,5,24 gebietet freilich Vorsicht. Die Stipulation ist dort nicht in der Anfrage wiedergegeben und war offensichtlich nicht abgeschlossen worden. Wir müssen auch in D. 22,1,41,2 davon ausgehen, dass der wirkliche Text der Anfrage wiedergegeben ist397; dann aber vermissen wir definitiv einen Hinweis des Juristen darauf, dass seine Entscheidung vom Abschluss einer Stipulation abhängt. Die von Modestin begutachtete Urkunde aber gibt wieder, dass (1) ein Darlehen ausbezahlt wurde, nimmt Bezug darauf, dass (2) Zinsen vereinbart wurden, und enthält (3) die Zusage der Rückzahlung des Kapitals und Entrichtung der Zinsen an einem bestimmten Tag. Die Erklärung der Urkunde fällt auf einen Zeitpunkt, zu dem die Verpflichtung auf Rückzahlung des Kapitals durch Auszahlung bereits entstanden war. Die Terminierung der Rückzahlung betrifft pecunia debita, nämlich ein mutuum bestimmter Höhe. Jedenfalls diesbezüglich ist das Schriftstück des Aulus Agerius constitutum debiti. Auch die Vereinbarung der Zinsen liegt zum Zeitpunkt der Urkundenerrichtung in der Vergangenheit. Sollte das Edikt de pecunia constituta ihre Zusage mit einer Klage sanktionieren398, so kollidiert dies hart mit dem bereits erwähnten Dogma, Darlehenszinsen seien nur klagbar, wenn sie in Stipulationsform versprochen wurden. Diese allgemeine Ansicht399 stützt sich vor allem auf: D. 19,5,24 (Afr. 8 quaest.) Titius Sempronio triginta dedit pactique sunt, ut ex reditu eius pecu___________________________

„Titius hat Sempronius dreißig(tausend Sesterze) gegeben und sie sind übereingekommen, dass Sem-

396 S. nur Simon, Praxis der Stipulationsklausel 17 und passim; Rupprecht, Papyruskunde 106. 397 Auch Kaser, Mutuum und stipulatio 165 Anm. 32a will die Stipulation nicht unterstellen. 398 So schon (folgenlos) Hellmann, Naturalis obligatio ex pacto? 356 (gegen das Verdikt der „Monstrosität“ durch (Holzschuher/) Kuntze, Theorie und Casuistik des gemeinen Civilrechts III 7). Im Mittelalter (das das constitutum als pactum betrachtet) entsteht aus D. 13,5,1,7 die Lehre vom 'pactum geminatum', dazu Astuti, Pactum geminatum. 399 S. oben Anm. 389; Behrends, Zwölftafelprozeß 210 mit Anm. 16: „der einzige Vertrag, durch den Geschäftszinsen für ein gegebenes Darlehen bedungen werden konnten, [war] von den Zwölftafeln bis zum Ausgang der klassischen Zeit die sponsio stipulatio“; Röhle, Liber singularis regularum 221: „beim Darlehen ein Zinsversprechen ohne Stipulation dauernd wertlos“; Biscardi, Pecunia traiecticia 283; Misera, Agere praescriptis verbis 2595 mit Literatur in Anm. 20; in unserem Zusammenhang konkret Astuti, Costituto di debito II 222 Anm. 34.

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niae tributum, quod Titius pendere deberet, Sempronius praestaret computatis usuris semissibus, (1) quantoque minus tributorum nomine praestitum foret, quam earum usurarum quantitas esset, ut id Titio restitueret, (2) quod amplius praestitum esset, id ex sorte decederet, (3) aut, si et sortem et usuras summa tributorum excessisset, id quod amplius esset Titius Sempronio praestaret: neque de ea re ulla stipulatio interposita est. Titius consulebat, id quod amplius ex usuris Sempronius redegisset, quam tributorum nomine praestitisset, qua actione ab eo consequi possit. respondit pecuniae quidem creditae usuras nisi in stipulationem deductas non deberi: verum in proposito videndum, ne non tam faenerata pecunia intellegi debeat, quam quasi mandatum inter eos contractum, nisi quod ultra semissem consecuturus esset: sed ne ipsius quidem sortis petitionem pecuniae creditae fuisse, quando, si Sempronius eam pecuniam sine dolo malo vel amisisset vel vacuam habuisset, dicendum nihil eum eo nomine praestare debuisse. quare tutius esse praescriptis verbis in factum actionem dari, praesertim cum illud quoque convenisset, ut quod amplius praestitum esset, quam ex usuris redigeretur, sorti decederet: quod ipsum ius et causam pecuniae creditae excedat.

pronius aus dem erwirtschafteten Gewinn dieses Geldes eine Abgabe, die Titius zu entrichten hatte, zahlen würde, unter Zugrundelegung eines sechsprozentigen Zinssatzes. (1) Und dass er das, um wieviel er weniger an Abgaben gezahlt haben würde, als diesem Zinssatz entspricht, an Titius leisten würde, (2) und umgekehrt, was er darüber (über den Zinssatz) hinaus zahlen würde, auf das Kapital angerechnet würde, (3) oder aber, wenn der Betrag der Abgaben sowohl das Kapital als auch die Zinsen überstiegen hätte, Titius dem Sempronius leisten würde, was darüber hinaus ginge. Und es wurde über dieses Geschäft keinerlei Stipulation abgeschlossen. Titius forderte ein Gutachten darüber an, mit welcher Klage er das, was Sempronius mehr an Zinsgewinn gemacht hatte, als er an Abgaben gezahlt hatte, von ihm einfordern könne. Er hat das Gutachten erteilt, pecuniae creditae (s. sogleich) würden Zinsen zwar nicht geschuldet, es sei denn, sie wären Gegenstand einer Stipulation geworden. Im vorliegenden Fall aber müsse man untersuchen, ob das Geld überhaupt als dargeliehen zu begreifen sei oder nicht viel eher ein Auftrag zwischen ihnen zustandegekommen sei, soweit er (Sempronius) nicht etwas über den sechsprozentigen Zins hinaus erlangen würde. Aber dann hätte es noch nicht einmal auf das Kapital eine Klage pecuniae creditae gegeben, und dann müsse man, wenn Sempronius dieses Geld ohne Arglist verloren oder nicht gewinnbringend verwendet hätte, sagen, dass er dafür nicht einzustehen gehabt hätte. Daher sei es sicherer, eine auf den Sachverhalt und mit vorangestellten Worten formulierte Klage zu erteilen, auch schon deshalb, weil ja auch vereinbart worden war, dass auf das Kapital angerechnet würde, was er (Sempronius) über den Zinsgewinn hinaus (an Abgaben) zahlen würde. Das aber bewege sich nicht mehr im Recht und im Verfahren pecuniae creditae.

Das kompliziert anmutende Vertragswerk regelt die Modalitäten der Zinsentrichtung durch den Darlehensschuldner: Er bezahlt Abgaben, die der Gläubiger (dem Staat) schuldet. Gemessen werden diese Zahlungen an einem vereinbarten sechs-

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prozentigen Zinssatz. Geregelt wird, was gelten soll, wenn die Zahlungen (1) unter diesem Zinsatz bleiben, (2) diesen überschreiten oder (3) in ihrer Summe Kapital und Zinsen überschreiten. Gefragt wird nach der Klage, mit der der Gläubiger im ersten Fall die Differenz zum vereinbarten Zins vom Schuldner einfordern kann. An der Antwort Julians (ihn zitiert Afrikan hier) fällt auf, dass sie − jedenfalls nach der allgemeinen Übersetzung − zunächst nicht auf die Frage nach der einschlägigen Klage eingeht. Man versteht Julian vielmehr so, dass er auf das deberi von usurae pecuniae creditae − von „Zinsen auf dargeliehenes Geld“ eingeht400. Kaum anders geben bereits die Basiliken den Text wieder: B. 20,4,24 (A III 1013 Sch.; II 383 Hb.) Εἰ δὲ καὶ ἐπὶ δανείου τόκο̋ ἀνεπ5 „Wenn auch bei einem Darlehen nicht stipulierter ερώτητο̋ οὐκ ἔρρωται ... Zins nicht wirksam ist ...“

Ob der Text damit richtig übersetzt ist und, wenn ja, ob er tatsächlich der Antwort Julians entspricht, ist nicht gesagt. Denn der Genitiv pecuniae creditae muss nicht zu usuras gehören; er kann bei Julian, aber auch noch in der Wiedergabe durch Afrikan als Bezeichnung der Klage verstanden werden, deren Anwendbarkeit der Jurist verneint: der actio (certae) creditae pecuniae401. Diese Klage muss auch weiter unten mit petitio pecuniae creditae gemeint sein 402 . Actione deberi heißt „aus einer Klage schulden“, es ist synonym mit ex actione deberi und actione teneri und findet sich beispielsweise in: D. 3,5,35 (Paul. 4 quaest.) ... qua actione id, quod in rem nostram vertit, reddere debeam, videndum est ... D. 3,5,37 (Tryph. 2 disp.) quaesitum est, an negotiorum gestorum actione summae illius usuras praestare debeat.

___________________________

400 Otto/Schilling/Sintenis, Corpus Iuris Civilis II 471: „Verpflichtung zu den Zinsen eines Darlehens“; Misera in: Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, CIC III 608: „Zwar würden Zinsen für geliehenes Geld nur geschuldet ...“; ders., Agere praescriptis verbis 2595: „Daß Julian bei den usurae creditae pecuniae Zinsen eines Darlehens meint, ist offensichtlich“; ferner Hulot in: Hulot/Berthelot/Tissot/Bérenger, Corps de droit civil Romain III 90: „les intérêts de l'argent prêté ne sont dus ...“; García del Corral, Cuerpo del Derecho Civil Romano I 979: „no se debian ciertamente los intereses del dinero prestado ...“; Frier in: Watson, The Digest of Justinian II h.l.: „interest is not owed on money ...“; Spruit/Verdam in: Spruit/Feenstra/Bongenaar, Corpus Iuris Civilis III 573: „dat rente van geleend geld niet verschuldigd is ...“ 401 Actio pecuniae creditae heißt die Klage etwa in D. 3,3,70 (Scaev. 1 resp.); 14,3,19,3 (Pap. 3 resp.); 20,5,12,1 (Tryph. 8 disp.). 402 Misera in: Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, CIC III: „Klage aus dem Darlehen“; besser wohl „Klage aus Darlehen“, denn der Satz begegnet innerhalb des Gedankens, dass in concreto kein Darlehen vorliegt. Derselbe Gedanke spricht dagegen, pecuniae creditae zu sortis zu ziehen: Wenn es sich um kein Darlehen handelt, gibt es auch kein „Kapital des Darlehens“.

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Dass actione bei der Bezeichnung einer Klage ausfällt (pecuniae creditiae deberi), ist nichts Ungewöhnliches. Mandati teneri etwa ist der geläufige Ausdruck für actione mandati teneri − „aus der Auftragsklage haften“; in unserem Fall kann ‹actione› in Julians Antwort ohne Weiteres aus der unmittelbar vorangehenden Frage qua actione? subintelligiert werden. Die Antwort Julians begänne dann mit der Verneinung einer actio certae creditae pecuniae auf nicht stipulierte Zinsen. Was gemeinhin als Regel über Darlehenszinsen verstanden wird, wäre in Wahrheit eine Regel über die strengrechtliche actio certae creditae pecuniae, die ausschließlich die Rückzahlung eines ausgezahlten Darlehens, die Erfüllung eines Stipulationsversprechens oder eines Litteralkontrakts sanktioniert. Die „eiserne“ Regel, dass nur stipulierte Darlehenszinsen jemals klagbar wären, lässt sich also auf D. 19,5,24 nicht sicher stützen403. Die Möglichkeit, nicht stipulierte Zinsen zu konstituieren und mit der actio de pecunia constituta zu verfolgen, wird von dieser Aussage demnach nicht betroffen. Zwar begegnet auch: C. 4,32,3 (200 n. Chr.) Sev. et Ant. AA. Iuliano Serpio. Quamvis usurae fenebris pecuniae citra vinculum stipulationis peti non possunt, tamen ex pacti conventione solutae neque ut indebitae repetuntur neque in sortem accepto ferendae sunt.

„Die Kaiser Severus und Antoninus an Iulianus Serpius. Obwohl Zinsen für (die fragliche?) pecunia fenebris ohne das Band der Stipulation nicht gefordert werden können, so werden sie doch, wenn/da? sie gemäß der Übereinkunft einer Abrede bezahlt wurden, weder als nicht geschuldet zurückgefordert noch dürfen sie als auf das Kapital gezahlt angerechnet werden.“

Fenebris pecuniae ist hier eindeutig Genitiv zu usurae404. Fraglich ist aber, wie regelhaft die Konstitution selbst sein will. Schon der Adressat Iulianus Serpius, bei dem es sich um einen Privatmann zu handeln scheint, legt nahe, dass sie sich auf einen konkreten Fall bezieht. Wurde der kaiserlichen Kanzlei nichts weiter ___________________________

403 Mit PS. 2,14,1 wird man kaum im Sinne der herrschenden Lehre argumentieren können, ohne einem Zirkelschluss aufzusitzen. Dort wird die Klagbarkeit von Zinsen ex nudo pacto unter römischen Bürgern verneint. Was unter einem pactum nudum zu verstehen ist, darf nicht unter Hinweis auf D. 19,5,24 beantwortet werden. Für Ulpian, D. 2,14,7,4 (4 ed.) zeichnet sich die nuda pactio durch das Fehlen einer causa aus; bei paktierten Darlehenszinsen dürfte dies für Ulpian jedoch die Kapitalschuld sein, D. 12,6,26 pr., s. oben S. 133. Selbst wenn die Paulus-Sentenzen (wie die spätere Rechtsgeschichte) nudum als „stipulationslos“ verstanden (so die interpretatio zu PS. 2,14,1), so hätte dies für das klassische Recht doch nur begrenzte Aussagekraft. Auch ein constitutum ist kein pactum nudum (es ist überhaupt kein pactum, D. 13,5,14,3). Zur herrschenden Meinung s. nur Kaser, Privatrecht I 527 mit Anm. 45-47. 404 Wie in C. 4,33,3 (Diocl./Maxim., 286 n. Chr.): pecuniae creditae usuras exigere.

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als ein zinslos stipuliertes Darlehen und eine formlose Vereinbarung von Zinsen vorgetragen, so erstreckt sich das vinculum stipulationis nicht auf die Zinsen, sie sind nicht klagbar. Auffällig ist die Bezeichnung des Kredits als fenebris pecunia. Nicht nur handelt es sich um den frühesten Beleg für diese Terminologie. Sie bezeichnet ein Darlehen für gewöhnlich als verzinslich405. Auch wenn also gewisse Zinsen stipuliert, daneben oder später aber mehr Zinsen paktiert wurden, macht die Aussage usurae citra vinculum stipulationis peti non possunt einen Sinn, ohne dass sich daraus Rückschlüsse auf das constitutum debiti ziehen ließen. Wo definitiv kein constitutum vorliegt, wohl aber eine Stipulation, wird die Zinspflicht eben auch nur an der Reichweite der stipulatio gemessen. Man mag die Konstitution schon in der Antike als Regel verstanden haben; doch ist auch sie als Beweis gegen die Möglichkeit, paktierte Zinsen durch constitutum zuzusagen, nicht belastbar. Bejaht also Modestin in D. 22,1,41,2 indirekt, aber grundsätzlich die Klagbarkeit von nicht stipulierten Zinsen wegen Nichterfüllung einer entsprechenden Zahlungszusage, so verstößt er damit einerseits gegen keine Regel über die Klagbarkeit nicht stipulierter Zinsen, er kollidiert weder mit D. 13,5,11,1 (fehlende Wirksamkeit des constitutum über nicht geschuldete Zinsen) noch mit D. 13,5,24 (fehlende Wirksamkeit eines constitutum über Strafzinsen); er liefert vielmehr den Beleg dafür, dass unter das natura debitum in D. 13,5,1,7 (das von jedem Interpolationsverdacht befreit wäre) auch nicht stipulierte Darlehenszinsen fallen. Dass wir für die stipulationslose Praxis der Darlehenszinsen nicht mehr Belege haben, muss an der Allgegenwärtigkeit der Stipulation im Kreditrecht liegen. Die erhaltenen römischen Urkunden der Geschäftspraxis weisen so gut wie durchgehend die Stipulation auf406. 5. Salva ratione usurarum in D. 13,5,26 Doch ist die Modestin-Stelle nicht der einzige Beleg dieser Art. Ein wirksames constitutum (auch) über (Darlehens-) Zinsen, von deren Aufnahme in eine Stipulation keine Rede ist, liefert vielmehr auch D. 13,5,26 (Scaev. 1 resp.); gerade auch deshalb ist die Stelle größten Schwierigkeiten bei der Übersetzung und dem Verdacht der Interpolation ausgesetzt407.

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405 S. nur die Belege in ThLL VI, Sp. 473 s. v. fenebris. 406 S. unten S. 215 ff. 407 Genauer unten S. 161 ff.

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Das von Scaevola „nach dem Vorgetragenen“ ohne Einschränkung als wirksam anerkannte constitutum (eines Dritten) erstreckt sich dort auf das Kapital eines Darlehens ... ... salva ratione usurarum.

„... wobei die Abrechnung über die Zinsen / der Zinslauf unbeschadet bleibt.“

Das vermeintliche Problem, dass die erwähnte Zinsschuld nicht explizit auf Stipulation beruht und eine Zinsstipulation demnach für die Qualifizierung als pecunia debita irrelevant ist, wird seit jeher damit gelöst, dass man salva ratione usurarum als „ohne Zinsen“ versteht 408 . Seit Lenel betrachtet man die Stelle überhaupt nicht mehr als Beleg für das constitutum debiti, sondern für das receptum argentariorum409. Nach dem bisher Gesagten ist es aber möglich, die Zinsen eines fremden Darlehens in das constitutum miteinzubeziehen. Salva ratione usurarum − wie bereits die Basiliken410 − als „samt Zinsen“ zu übersetzen (was viel näher liegt), ist daher möglich, ohne dass damit irgendein Interpolationsverdacht begründet wäre. Gegenstand des constitutum können freilich nur Zinsen sein, die bis zum Zeitpunkt des constitutum bereits geschuldet sind; dass es solche gibt, setzt die Terminologie salva ratione usurarum letztlich voraus. 6. Ergebnis Pecunia debita im Sinne der actio de pecunia constituta kann jede (auf Geld oder vertretbare Sachen gerichtete) Naturalobligation werden. Die Lehre, dass Darlehenszinsen nur im Falle einer darüber abgeschlossenen Stipulation klagbar wären, ist selbst nicht genügend abgesichert, um zum Argument dagegen erhoben werden zu können, dass auch nicht stipulierte Darlehenszinsen Gegenstand eines constitutum debiti sein können und dadurch bei Nichterfüllung des constitutum klagbar werden. D. 22,1,41,2 lässt sich dann als Beleg dafür verstehen, dass eine Krediturkunde, in der die Rückzahlung eines ausbezahlten Darlehens samt der vereinbarten Zinsen zu einem bestimmten Termin zugesagt wird, zu Rechtsschutz mittels der actio de pecunia constituta führt.

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408 So schon Gl. eum teneri zu D. 13,5,26 a. E. 409 S. unten S. 161 ff. 410 B. 26,7,26 (A IV 1300 Sch.; III 138 Hb.): ™ετὰ τῶν τόκων.

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§ 2. Constituere Constituere

Auf die Bedeutung von constituere gehen die Juristen nirgends ein. Zwar verweist man auf D. 13,5,16,4: tempus constituti, h. t. 17: dies in quem constituit und h. t. 18 pr.: dies constituti411. Dort sei vom zugesagten Leistungstermin wie von einem selbstverständlichen und wesentlichen Requisit des constitutum die Rede; denn die Problematik des dies constituti begegne bei der allgemeinen Auslegung des Edikts- bzw. Formelwortlauts. Der Anwendungsbereich des Wortes constituere ist derart breit, dass es einen entscheidenden ersten Schritt bedeutet, constituere in den Juristenschriften bei Wendungen wie pecuniam constituere, debitum constituere, constituere se soluturum und beim absoluten Gebrauch auf die Zusage der Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt, ja an einem kalendermäßig bestimmten Tag festzulegen: verba edicti late patent − „der Wortlaut des Edikts ist weit“, heißt es bei Paulus zum Phänomen der Leistungszusage ohne Termin (sine die constituere; D. 13,5,21,1 [29 ed.])412. Damit muss gemeint sein, dass das Wort constituere nicht auf die Bestimmung eines dies als Tatbestandselement schließen lässt. Für Paulus ergibt pecuniam debitam constituere sprachlich auch dann Sinn, wenn die Zusage keinen kalendermäßigen Termin enthält. Diem constituere heißt zu allen Zeiten zweifellos „terminieren“413; das Terminieren der Leistung durch constitutum heißt jedoch certo die constituere / in diem constituere; dass der certus dies beim absoluten Gebrauch von constituere, bei pecuniam constituere und constituere se soluturum in unserem Zusammenhang zwingend subintelligiert wurde, ist eher Prämisse der Interpretation als Schlussfolgerung aus den Quellen414. ___________________________

411 Bruns, Constitutum debiti 39; La Rosa, Formalismo del pretore 206 mit weiterer Literatur. 412 Magdelain, Consensualisme 133 Anm. 289 straft ihn (im Anschluss an Bruns) gewissermaßen Lügen: „Les verba de la formule de pecunia constituta sont, à cet égard, trés nets. La nécessité d'un terme dans le constitut est rappelée dans Paul D. 13,5,21,1.“ 413 S. die Beispiele aus der nichtjuristischen Literatur bei Bruns, Constitutum debiti 35 f., der aber auch vadimonia constituta (Cic. Lael. 7) „in demselben Sinne“ versteht; zu einem vadimonium gehört freilich mehr als ein bestimmter Termin. Für diem constituere finden sich in den Digesten zum Beispiel D. 14,2,10,1 (Lab. 1 pith. a Paulo epit.): ut certam poenam tibi praestaret, nisi ante constitutum diem merces tuas eo loci exposuisset; D. 39,2,4,1 (Ulp. 1 ed.): Si intra diem a praetore constituendum non caveatur. 414 Bruns, Constitutum debiti 38 f.: „Das Prätorische Edict über das Constitut hat entschieden keine ausdrückliche Erwähnung eines Zahlungstages enthalten ... Allein dies war nur, weil man in jener Zeit die Bestimmung der Zahlungszeit schon als von

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Arbeit der Juristen am Edikt

Die Quellenbelege aus der nichtjuristischen Literatur, die etwa Astuti für constituere und constitutum in der Bedeutung „accordo ... di compiere un atto ad un determinato tempo“ oder „la determinazione del tempo in cui si farà [una cosa]“415 anführt, haben ausschließlich vereinbarte Treffen zweier Parteien zum Gegenstand: constituere se venturum; venire ad constitutum; constitutum habere cum aliquo416. Das absolut gebrauchte constituere heißt dann „zusagen“ / „sich verabreden“, constitutum ist „die Verabredung“ / „das Treffen“. Da der Zeitpunkt bei der Vereinbarung eines Treffens unentbehrlich ist, muss constituere in diesen Fällen die Terminierung umfassen. Deshalb heißt es aber nicht zwangsläufig „terminieren“. Locum constituere, das im selben Zusammenhang auftaucht, wäre sonst unmöglich, zum Beispiel: Cic. Cael. 61 f. constitutum factum esse (scil. aiunt) cum servis ut venirent ad balneas Senias ... requiro quid adtinuerit fieri in eum locum constitutum ... 62 cur enim potissimum balneas publicas constituerat?

„Mit den Sklaven soll eine Festsetzung gemacht worden sein, dass sie zu den Senischen Bädern kämen ... Ich frage, was es damit auf sich hat, dass die Festsetzung auf diesen Ort erfolgte ... 62 Denn warum hatte er ausgerechnet die öffentlichen Bäder festgesetzt?

Mart. epigr. 11,73 Venturum iuras semper mihi, Lygde, roganti / Constituisque horam constituisque locum.

Wenn ich dich frage/bitte, schwörst du mir stets zu kommen, Lygdus, / Und du setzt die Stunde fest und du setzt den Ort fest.“

Ist der bestimmte Termin dem constituere aber nicht immanent, so belegen die Stellen lediglich für einen besonderen Zusammenhang eine besondere Affinität des Wortes zu Zeitpunkt und Ort. Fassen wir das Argument Labeos und den insoweit zustimmenden Gedanken Ulpians in D. 13,5,3,2 zusammen, so bestand bei „Einführung der constituta“ ein Bedürfnis, den Termin der Fälligkeit zum besonders sanktionierten Zahltag zu machen. Aber auch wenn der Rechtsverkehr und der Prätor vor allem die kalendermäßige Terminierung der Zahlung im Auge hatte, so muss sich dies doch nicht gerade in der Begrifflichkeit constituere widerspiegeln. „Festsetzungen“, „Zusagen“, „Versprechen“ des Schuldners einer real begründeten Darlehensschuld sind der Natur der Sache nach in allererster Linie solche über den Zeitpunkt der Rückzahlung, und in der Regel wird dies ein kalendermäßig bestimmter Termin sein, wie es etwa die Geschäftspraxis der gräkoägyptischen Papyri be___________________________

selber wesentlich im Begriffe des constituere liegend ansah.“ Magdelain, Consensualisme 133 Anm. 289: „Il n'est même pas nécessaire que le mot soit suivi de l'indication du dies.“ 415 Astuti, Costituto di debito I 93 f. 416 Mit dem constitutum debiti kann constitutum habere nirgends identifiziert werden. Zur Übereinstimmung mit vadimonium habere s. oben Anm. 219.

Constituere

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weist. Doch hat auch die Zusage des Schuldners, bei Eintritt einer Bedingung oder auf Abruf zu leisten, Bezug zu einer (unbestimmten) Leistungszeit.

I. Pure constituere / certo die constituere in D. 13,5,19 pr. In D. 13,5,19 pr. (29 ed.) spricht Paulus vom sive pure sive certo die constituere − „unbefristet/unbedingt oder auf einen bestimmten Tag festsetzen“ einer aufschiebend bedingten Hauptschuld: Id quod sub condicione debetur, sive pure sive certo die constituatur, eadem condicione suspenditur, ut existente condicione teneatur, deficiente utraque actio depereat. Für das constitutum gelte die Bedingung der Hauptschuld. Über die Möglichkeit eines constitutum über eine bedingte Schuld bestanden nach Justinian, C. 4,18,2,1 unter den „Alten“ Zweifel (dubitaretur). Dass etwa Ulpian die bedingte Schuld stets als ausreichendes debitum ansähe, wäre nicht konsequent und ist nicht wahrscheinlich, spricht er doch den constituta über in diem debita zumindest in bestimmten Fällen die Wirksamkeit ab417. Die oben analysierten „Reste eines Streits“ bestätigen damit indirekt auch den Streit über das constitutum bei bedingten Schulden. Die Kompilatoren verlassen jedenfalls bei den Bedingungsproblemen den Ediktskommentar Ulpians und greifen für fr. 19 pr. auf Paulus zurück. Gegen sive certo die constituatur besteht dabei naturgemäß Interpolationsverdacht 418. Demnach schrieb Paulus lediglich ... si pure constituatur. Pure wäre alleiniger Gegenbegriff zu sub condicione. Für eine Interpolation {sive certo die} könnte sprechen, dass es Justinian ist, der in C. 4,18,2,1 mit pure die constituta sine die meint. Diese Stelle vor Augen419 und ohne jeden Blick auf die sonstige Verwendung von pure hätte ein quod sub condicione debetur, si pure constituatur des Paulus für einen Byzantiner schlicht keinen rechten Sinn mehr gemacht. Freilich fragt man sich dann, warum der Interpolator dieselbe Veränderung nicht auch im folgenden Satz vorgenommen hat: Sed is qui pure debet, si sub condicione constituat ... Auch hier dürfte er die „Unbefristetheit“ der Hauptschuld doch nicht für ausschlaggebend halten. Dass die Basiliken (B. 26,7,19 pr.) 420 sive pure sive certo die weiterhin als „unbedingt oder auf einen bestimmten Tag“ (χωρὶ̋ αἱρέσεω̋ ἢ ὑπὸ ἡ™έραν) verstehen, sei zudem erwähnt. ___________________________

417 S. oben S. 115 ff. 418 Für komplett interpoliert hält Rabel, Rez. Vasalli 464 die Stelle: „Wahrscheinlich ist das Konstitut einer bedingten Forderung ganz unzulässig.“ Das Folgende bei Astuti, Costituto di debito II 63 f.; ihm folgend Schindler, Justinians Haltung zur Klassik 76. 419 Ohne Rücksicht auf die Verwendung von pure im Sinne von sine condicione auch bei Justinian, zum Beispiel in C. 4,37,6. 420 A IV 1299 Sch.; III 137 Hb.

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Astuti erhebt die „essenzialità della statuizione di un dies per ogni costituto (a Paolo ancora ben presente, secondo quanto attesta ... il fr. 21 § 1 D. h.t. [= D. 13,5,21,1])“ zum Argument gegen die Echtheit von sive certo die. Die Differenzierung von pure und certo die constituere sei aber selbst dann, wenn Paulus constituere nicht als Festsetzung eines Zahlungszeitpunkts versteht „irrilevante e superflua nei confronti della quaestio posta nel passo.“ Das erste Argument ist insofern zirkulär, als dass Astuti auch D. 13,5,21,1 für entsprechend interpoliert erklärt421. Ganz so überflüssig muss der Gedanke an betagte constituta über eine bedingte Schuld auch nicht sein: D. 13,5,19 pr. lässt sich so verstehen, dass weder die Unbedingtheit des constitutum die Bedingtheit der Hauptschuld überwindet, noch eine Terminierung des constitutum sich gegen die Bedingung der Hauptschuld durchsetzt. Erst bei Bedingungseintritt (condicione existente) erstarken sowohl die Klage aus der Hauptschuld wie die aus constitutum; bei Bedingungsausfall (condicione deficiente) ist die Terminierung irrelevant, beide Klagen gehen endgültig verloren (utraque actio depereat). Ein rätselhafter zweiter Satz (§ 1) schließt mit sed an: Für den Fall, dass der Schuldner einer unbedingten Schuld (is qui pure debet) ein constitutum unter einer Bedingung abgibt, erkennt Pomponius eine Klage gegen ihn an, die er als utilis qualifiziert: Sed is qui pure debet si sub condicione constituat, inquit Pomponius in hunc utilem actionem esse.

Utilis actio meint sicher nicht die Klage aus der Hauptschuld, die trotz fehlenden Bedingungseintritts jederzeit 422 oder nach dem dies constituti „nutzbar“/„statthaft“ wäre423. Letztere Ansicht hält zwar die actio de pecunia constituta bis zum Bedingungseintritt für erfolglos; die actio de sorte sei aber nur bis zum dies constituti blockiert. Unser Text würde damit vollends überdehnt − von fehlendem Bedingungseintritt, Verstreichen eines dies constituti und Klage de sorte ist dort keine Rede. Die Ansicht beruht auf dem Verständnis von constituere als „terminieren“. Dadurch wird sub condicione constituere zu einer komplexen Kombination von Verfallstag und -bedingung 424 . Nimmt man im principium des Fragments sive certo die constituere ernst, so meint sub condicione constituere in § 1 indes eine unbefristete, aber bedingte Zusage. ___________________________

421 Astuti, Costituto di debito II 39 f.; zur Stelle s. sogleich. 422 Ohne utilem actionem esse zu übersetzen, scheint Roussier, Constitut 91 dieses Verständnis vorauszusetzen; die Frage „quel pourra être l'interêt d'un constitut sub conditione, si le créancier agit de sorte, sans attendre l'évenement de la condition“ beantwortet er damit, dass es regelmäßig im Interesse des Gläubigers liege, den Bedingungseintritt abzuwarten. 423 Stolfi, Studi sui „libri ad edictum“ II 168 ff. (169): „esperibile, giovevole al creditore“. 424 P. Costa, Pecunia constituta 226 a. E.

Constituere

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Sieht man in sed nicht lediglich die Überleitung zu einer neuen Konstellation425, so steht die Beurteilung der Konstellation von § 1 im Gegensatz zu der des vorangehenden principium: Dort gibt es bei Bedingungseintritt beide Klagen, bei Bedingungsausfall gar keine. Das lädt zu einer Emendation ein: In der zweiten Konstellation „gibt es“ sowohl bei Bedingungseintritt als auch bei Bedingungsausfall − „so oder so“ − „eine Klage“: uti‹que›? actionem esse. Insbesondere ist die Klage aus der Hauptschuld nicht vom Bedingungsausfall betroffen. Paläographisch wäre die Verderbnis von utique zu utilem zumindest nachvollziehbar426. Doch ist Zurückhaltung mit einem derartigen Texteingriff zu üben, solange ein schlüssiges Verständnis des überlieferten Texts möglich ist. Zu erwägen ist dabei, ob mit utilem actionem esse nicht der technische Begriff der actio utilis gemeint ist427, eine „analoge“ oder „modifizierte“ Klage: Wird sub condicione konstituiert, lassen sich die Elemente der actio de pecunia constituta − constituisse, neque fecisse etc. – bejahen, ohne dass die Bedingung und ihr Eintritt im Prüfungsprogramm des Richters, der formula, ausdrücklich Erwähnung fänden; Pomponius könnte sich daher zur Aufnahme dieser Elemente in die Formel gezwungen sehen, z. B. Si paret Nm Nm sub condicione constituisse eamque condicionem extitisse neque Nm Nm fecisse ... Dann aber handelt es sich um eine actio de pecunia constituta mit fallweise erweitertem Prüfungsprogramm, insofern um eine actio utilis428. Es sind zweifellos Änderungen an der ediktalen – nicht zwingend zivilen429 – Formel, die eine Klage zur actio utilis machen430. ___________________________

425 So aber Stolfi, Studi sui „libri ad edictum“ II 168. 426 Utique erscheint etwa im Veroneser Gaius abgekürzt als utiq (fol. 4r, Z. 11; 94u, Z. 22; 47r, Z. 14; 93r, Z. 16); utilis etwa in den Notae Magnonianae et Lindenbrogianae (ed. Mommsen in Keil, Gramm. lat. IV 300) als ut mit ı über dem t. Die falsche Auflösung der Abkürzung zu utilem könnte innerhalb der Digestenüberlieferung oder -entstehung von D. 13,5,5,9 (Ulp. 27 ed.): puto dandam ... utilem actionem beeinflusst sein. Vielleicht stammt sie aber auch schon aus der Vorlage der Kompilatoren. 427 Dezidiert dagegen Astuti, Costituto di debito II 77 f. Anm. 37; P. Costa, Pecunia constituta 225. 428 Zur actio utilis s. nur Kaser/Hackl, Zivilprozeßrecht 329 f. Beim certo tempore constituere erfolgt die Prüfung, ob das tempus constituti verstrichen ist, freilich unmittelbar im Rahmen von neque fecisse (quod constituit). Denn ob sich das neque fecisse bereits als unveränderliche Vergangenheit betrachten lässt, machen die Juristen vom Verstreichen des tempus constituti abhängig. 429 So aber P. Costa, Pecunia constituta 225. 430 Eine utilis actio in diesem Sinne begegnet im Bereich des constitutum in D. 13,5,5,9 (Ulp. 27 ed.): Wird bestimmten Vertretern − dem „Syndikus“ einer Gemeinde (actor municipum), Vormund (tutor) oder Pfleger (curator) − gegenüber ein constitutum auf Leistung an den Vertretenen abgegeben, erhält dieser nach Ulpian utilitatis gratia eine eigene, analoge Klage: puto dandam ... utilem actionem. Das legt nahe, dass die Formel der actio de pecunia constituta in diesem Fall modifiziert werden muss. Sie

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Arbeit der Juristen am Edikt

Ob sie hier tatsächlich nötig sind, mag man indes bezweifeln. Der Richter kann den fehlenden Bedingungseintritt beim neque fecisse quod constituit der Formel berücksichtigen, so wie er ihn etwa beim dare oportere einer actio certae creditae pecuniae aus einem bedingten Stipulationsversprechen prüfen würde. Eine actio utilis ist dort nicht erforderlich. Gegen das Verständnis als actio utilis spricht außerdem die Ausdrucksweise utilem actionem esse. Zu erwarten wäre: utilem actionem dandam esse. Pomponius kann nicht feststellen, dass es für den Fall des bedingten constitutum eine fallweise erweiterte Formel „gibt“. Denn im Edikt des Prätors ist sie gerade nicht enthalten. Pomponius könnte lediglich fordern, dass sie in diesen Fällen gewährt werden muss: dandam esse. Utilis actio kann aber die actio de pecunia constituta bezeichnen, die „nutzbar“, „anwendbar“, „statthaft“, „einschlägig“ ist431. Insofern läge nur eine andere Ausdrucksweise für 'recte de constituta agitur' oder umgekehrt 'is ... tenet de constituta' vor. Von einer utilis actio in diesem untechnischen Sinne ist zwar im überlieferten Text von D. 13,4,1 (Gai. 9 ed. prov.) die Rede: visum est utilem actionem in eam rem comparare. Dort handelt es sich jedoch um eine Art laus edicti; es geht nicht um die Anwendbarkeit oder Statthaftigkeit der actio arbitraria in einem konkreten Fall, sondern um ihre Existenzberechtigung. Vor allem aber mag man sich

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selbst enthält demnach eine Klausel, die Beklagten und Kläger als Erklärenden und Empfänger des constitutum festlegt. Würde der Vertretene mit ihr klagen, würde die Subsumtion des Sachverhalts durch den Richter daran scheitern, dass der Kläger nicht Empfänger des constitutum war; denn direkte Stellvertretung ist in diesen Fällen nicht möglich. Bei constituta gegenüber Sklaven (die in allen Fällen dem Eigentümer die actio de pecunia constituta verschaffen) stellt sich das Problem nicht (D. 13,5,5,10), beim constitutum gegenüber dem procurator auf Leistung an den dominus kommt − jedenfalls für Pomponius und Ulpian − die actio utilis offenbar nicht in Betracht (D. 13,5,5,6). 431 Accursius, Gl. Utilem actionem zu D. 13,5,19,1: id est efficacem de constituta, conditione existente; Kappeyne van de Copello, Über constituta pecunia 263: „Konstitut dieser Art nicht wertlos“; Astuti, Costituto di debito II 77 f. mit Anm. 37: „utile, efficace, efficacemente esperibile“; Valiño, Actiones utiles 17; P. Costa, Pecunia constituta 97 (dort bezogen „all'azione principale sulla cui esperibilità il constitutum condizionale spiegherebbe un'efficacia sospensiva limitata nel tempo“ – mir ist unklar, wie sich dieser Gedanke in utilem actionem esse unterbringen lässt). Schon die Basiliken, B. 26,7,19,1 (A IV 1299 Sch.; III 137 Hb.) fassen den Passus si sub condicione constituat in hunc utilem actionem esse als bloßes καλῶ̋ ὑπὸ αἵρεσιν ἀντι5 φωνεῖ zusammen: „... der 'antwortet' (konstituiert) wirksam unter einer Bedingung.“ Zur Kontamination von Rechtsgeschäft und Klage in den Basiliken s. unten bei Anm. 595.

Constituere

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fragen, ob es nicht heißen muss: visum est utile{m} ... − „es erschien (dem Prätor) nützlich, die Klage einzuführen“432. Nahe bei unserer Stelle liegt Gai. 3,209b. Dort begegnet utilis est zur Qualifizierung der Klage wegen Raubes (actio vi bonorum raptorum) in den Fällen, in denen nur eine Sache und noch dazu eine denkbar kleine, geringwertige geraubt wurde. Der Plural (bona rapta) und die Terminologie (bona als − bedeutsame? − Vermögenswerte) des Edikts könnten in diesem Fall Zweifel an der Statthaftigkeit der Klage erwecken. Aber: quae actio utilis est, etsi quis unam rem licet minimam rapuerit.

„Diese Klage ist anwendbar, auch wenn jemand eine einzige und noch so kleine Sache geraubt hat.“433

Utilis est lässt sich hier nicht anders verstehen. Das Adjektiv kann nicht als Attribut zu actio gezogen werden („es gibt eine actio utilis“), sondern findet prädikative Verwendung. Gleichzeitig wird deutlich, dass es nicht um den „Nutzen“, sondern um die „Nutzbarkeit“ der Klage geht. Denn die Behandlung der una res rapta ist ein schlichtes Subsumtionsproblem, das auch bei Ulpian begegnet434: D. 47,8,2,11 (Ulp. 56 ed.) 'Vel cuius bona rapta esse dicuntur'. quod ait praetor 'bona rapta', sic accipiemus: etiam si una res ex bonis rapta sit.

„'Oder wessen Vermögen geraubt worden sein soll.' Was das betrifft, dass der Prätor von 'geraubtem Vermögen' spricht, werden wir dies folgendermaßen verstehen: Auch wenn eine einzige Sache aus dem Vermögen geraubt wurde.“

In D. 13,5,19,1 erklärt Pomponius nach diesem Verständnis „die Klage“ im Fall des bedingten constituere über eine unbedingte Hauptschuld für „anwendbar“. Mit einer nicht bezeichneten actio kann im 29. Buch von Paulus' Ediktskommentar nur die actio de pecunia constituta gemeint sein. ___________________________

432 Vgl. nur D. 43,18,1,1 (Ulp. 70 ed.): Sed longe utile visum est, quia ..., hoc interdictum proponere et quasi in rem actionem polliceri; 7,9,1,5 (Ulp. 79 ed.): Utilius autem visum est stipulatione de hoc caveri, ut ...; 14,3,1 (Ulp. 28 ed.): Aequum praetori visum est, sicut ... etc. Der Verfasser der entsprechenden Basilikenstelle (B. 24,9,1 − A III 1179 Sch.; III 44 Hb.) versteht Gaius in D. 13,4,1 offenbar im technischen Sinne einer analogen Klage, ohne den Prätor zu erwähnen: δύναται καὶ ἀλ5 λαχοῦ κινεῖν οὐτιλίαν ἀγωγήν − „er kann auch andernorts eine utilis actio erheben.“ Hätte er utilem actionem als „praktische/nützliche Klage“ verstanden, wäre schon die Verwendung des lateinischen Fremdworts οὐτιλίο̋ unverständlich. Es findet Verwendung gerade für das technische utilis bei der „analogen Klage“; etwa bei der utilis actio in D. 13,5,5,9 (s. oben Anm. 430): ἁρ™όζει οὐτιλία, B. 26,7,5,9 (A III 1298 Sch.; III 136 Hb.) oder bei der utilis actio ad exemplum legis Aquiliae: z. B. οὐτίλιον Ἀκουίλιον ἔχει, B. 16,1,17,3 (A II 804 Sch.; II 185 Hb.). 433 Nelson/Manthe, Gai Inst. III 182-225, S. 202; s. auch die Übersetzungen von Huchthausen, Römisches Recht; Manthe, Gaius Inst. 434 Nelson/Manthe, Gai Inst. III 182-225, S. 204.

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Arbeit der Juristen am Edikt

In D. 13,5,19 pr. spricht demnach nichts gegen die Beibehaltung von sive certo die und nichts dafür, dass in § 1 ein selbstverständlich subintelligierter dies constituti verstrichen wäre.

II. D. 13,5,21,1: sine die constituere In D. 13,5,21,1 (29 ed.) problematisiert Paulus die Wirksamkeit eines sine die constituere − „ohne Termin festsetzen“. Allein diese Ausdrucksweise macht die Immanenz eines certus dies in seinem Begriff des constituere unwahrscheinlich. Hieß pecuniam constituere bei Einführung der Klage de pecunia constituta „auf eine bestimmte Zeit versprechen“ / „terminieren“, so hätten sich die Vorstellungen bis zur Zeit des Paulus grundlegend geändert435. Im Bewusstsein, dass constituere die Terminierung der Leistung meint, wäre die erstmalige Anerkennung einer Erklärung ohne Termin als klagbares constitutum (die sich nur mit massiven Interpolationsvermutungen verneinen lässt 436 ) ein geradezu spektakulärer Akt gewesen. Mit einer „Zeit des Streites und des Zweifels ... dazwischen“ erklärt sich Bruns die Anerkennung des sine die constituere437. Dafür könnte die Äußerung Justinians (C. 4,18,2,1) zur Wirksamkeit von constituta ohne Terminbestimmung sprechen, es sei früher bezweifelt worden (dubitaretur), si pure constituta pecunia contracta valeret438. Es kann sich aber um eine schlichte Referenz eben auf D. 13,5,21,1 handeln439. Dort heißt es: Si sine die constituas, potest quidem dici te non teneri, licet verba edicti late pateant: alioquin et confestim agi tecum poterit, si statim

„Wenn du ohne Tag festsetzt, könnte man zwar sagen, du würdest nicht haften, auch wenn der Wortlaut des Edikts weit offensteht: Andernfalls wird man dich auf der Stelle verklagen können,

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435 So Bruns, Constitutum debiti 40 f., obwohl er bei den spätklassischen Juristen die ursprüngliche essentielle Bedeutung des dies constituti beobachten kann. Constituere wird dadurch für diese Zeit zum schillernden Begriff. Astuti, Costituto di debito II 45: „quando senza dubbio il verbo constituere aveva perduto, e da molto tempo, il significato originario.“ 436 Vgl. zuletzt den Versuch La Rosas, Formalismo del pretore 206-209. 437 Bruns, Constitutum debiti 40. 438 Das Adverb pure gehört hier offenbar zu contracta: „ohne Termin abgeschlossene pecunia constituta“. Die umständliche Ausdrucksweise liegt wohl am Sprachgebrauch der Zeit, in dem constitutum,-a,-um als Ersatz für ein Partizip von esse Verwendung findet, vgl. unmittelbar zuvor die Bezeichnung der Hauptschuld als debitum sub condicione vel in diem constitutum. Pecunia pure constituta ließe sich also als „unbefristet/unbedingt seiendes Geld“ missverstehen und damit wiederum auf die Hauptschuld beziehen. 439 Im selben Satz berichtet Justinian allerdings von früheren Zweifeln an der Wirksamkeit von constituta über bedingte oder betagte Schulden: Vom Streit über Letztere finden sich Spuren in D. 13,5,3,2 (s. oben S. 115 ff.). Zu den „Zweifeln“ an der Klagbarkeit des constitutum über ein debitum sub condicione s. oben S. 113.

Constituere ut constituisti non solvas: sed modicum tempus statuendum est non minus decem dierum, ut exactio celebretur.

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wenn du nicht sofort, nachdem du zugesagt hast, leistest. Aber es ist eine angemessene Frist von nicht weniger als zehn Tagen zu bestimmen, um danach die gerichtliche Beitreibung in die Wege zu leiten.“

Aus der Stelle ergibt sich ohne Annahme einer Interpolation keineswegs, dass ein constitutum ohne bestimmte Fälligkeit für Paulus oder einen anderen Juristen unwirksam wäre 440 . Selbst wenn Paulus die Wirksamkeit ablehnte, so doch aus Gründen, die nicht mit dem Wort constituere zu tun haben. Denn seine Zweifel ergeben sich gerade nicht aus dem Wortlaut oder dem allgemeinen Verständnis von pecuniam constituere; er stellt vielmehr klar, dass constituere eine Terminierung nicht notwendig enthält441. Paulus nennt keine weiteren Elemente; es geht ihm nicht darum, dass an die Stelle einer grundsätzlich erforderlichen Leistungszeit eine Bedingung oder die Bestimmung eines Leistungsorts (die gegebenenfalls eine bestimmte Reisezeit implizieren würde) treten könnte. Er beschränkt sich auch nicht auf das constitutum debiti alieni. Das von ihm problematisierte sine die constituere scheint eine Leistungszusage für eigene oder fremde Schulden ohne jeden Zusatz sein zu können. Seine Bedenken gegen die Verbindlichkeit eines constitutum sine die ergeben sich aus der Praktikabilität und dem Zweck eines solchen constitutum: Eine teleologische Reduktion steht im Raum. Es ist offensichtlich nicht gewollt, dass sich derjenige, der sine die die Leistung zusagt, im Moment danach bereits für die Nichtleistung zu verantworten hätte442. Wenn der Schuldner ohnehin in der Lage und Willens ist, dem Gläubiger die Leistung auszuhändigen, ist ein unmittelbar vorangehendes constitutum völlig überflüssig. ___________________________

440 So aber etwa Karlowa, Rechtsgeschichte II 1376 Anm. 2; Astuti, Costituto di debito II 39 ff. mit älterer Literatur in Anm. 45, 46; Frezza, Questioni 703 f.; ders., Garanzie I 246; Ricart Martí, „Constitutum debiti“ 708 Anm. 60; La Rosa, Formalismo del pretore 206; zuletzt Waelkens, Pecunia constituta 176 mit Anm. 30. 441 Dass „der Wortlaut weit ist“ ('verba late patent'), erscheint bei der Auslegung teils konzessiv (die Weite des Wortlauts muss überwunden werden), teils begründend (die Weite des Wortlauts erfasst das Problem): D. 42,8,1,2 (Ulp. 66 ed.) zum Edikt Quod fraudationis causa gesta erunt: quodcumque igitur fraudis causa factum est, videtur his verbis revocari, qualecumque fuerit: n a m late ista verba patent; D. 43,24,7,5 (Ulp. 71 ed.) zum Interdikt Quod vi aut clam: q ua m q u a m verba edicti late pateant, tamen ad ea sola opera pertinere interdictum placere, quaecumque fiant in solo; s. auch D. 44,3,15,5 (Ven. 5 interdict.): Hae autem accessiones n o n t a m late accipiendae sunt quam verba earum patent. 442 Der Schuldner sagt gerade auch nicht explizit sofortige Leistung zu; insofern missverständlich ist die Übersetzung von Zimmermann in: Behrends/Knütel/Kupisch/ Seiler, CIC III: „wenn du entgegen deiner Erfüllungszusage nicht alsbald leistest.“ Ut bezeichnet nicht den Inhalt von constituisti; zu statim ut vgl. z. B. D. 21,1,44,2 (Paul. 2 ed. aed. cur.): statim enim ut servus traditus est committitur stipulatio.

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Arbeit der Juristen am Edikt

Schließt man das constitutum aber in einer Situation, in der der Schuldner nicht unmittelbar vor der Leistung steht, so hätte er überhaupt keine ernst zu nehmende Gelegenheit „zu tun, was er festgesetzt hat“, und würde dennoch wegen des fehlenden Tuns haften. Führt die Umsetzung des Edikts aber zu diesem Ergebnis, so ließe sich zwar (quidem) vertreten (dici potest als Realis443), es in diesen Fällen überhaupt nicht zur Anwendung bringen. Man würde damit vermeiden, dass der Schuldner in eine Falle läuft; er könnte sich nicht mit einer formlosen Zusage um Kopf und Kragen reden. Und doch bleibt die Untragbarkeit einer sofortigen Klage nach dem überlieferten Text kein argumentum ad absurdum. Dieses rhetorisch verarbeitete Gegenargument 444 überwindet Paulus nämlich, weil er eine Möglichkeit sieht, den Schuldnerinteressen zu entsprechen, indem ihm stets ein angemessener Zeitraum zur Erfüllung der Zusage eingeräumt wird, bevor er sich für die Nichterfüllung zu verantworten hat. Paulus arbeitet das Problem jedenfalls dialektisch auf: Der bejahende Hinweis auf den weiten Wortlaut steht dem verneinenden teleologischen Argument gegenüber. Auch die letzte Wendung des Gedankens (sed) ist von Beginn an durch quidem angekündigt. Hätte Paulus die Verbindlichkeit des constitutum sine die verneint (wofür alioquin spricht), und hätten erst die Kompilatoren den letzten Satz angehängt (wie man seit Faber vermutet)445, so hätten sie jedenfalls auch quidem eingefügt. Dabei erscheint der Wechsel vom Argument des Zweifels zur Lösung abrupt; Kürzungen lassen sich nicht ausschließen446. Für unsere Zwecke mag zunächst die Feststellung genügen, dass es Paulus gewesen sein muss, der von sine die constituere sprach. Hieße constituere für ihn „terminieren“, wäre dies schlicht paradox. Damit bestätigt sich, dass er in D. 13,5,19,1 – wie oben bereits vermutet – mit sub condicione constituere keine Kombination aus Verfallstag und Bedingung, sondern ausschließlich die bedingte Zusage meint. Es bestätigt sich des Weiteren, dass der Ausdruck certo die constituere in D. 13,5,19 pr. für Paulus keinen Pleonasmus darstellt; andernfalls müsste es in D. 13,5,21,1 heißen: Sine die constitui non potest. Umgekehrt widerspricht die Anerkennung des pure constituere in ___________________________

443 Zum Realis bei posse s. Burkard/Schauer, Syntax und Semantik 154. Bei Paulus erscheint dici potest gewöhnlich nicht mit dieser Färbung; mit quidem ist es aber auch nur hier belegt. 444 Alioquin ... lässt sich als Fortführung des Inhalts von dici potest verstehen. Zu denken wäre auch an eine ursprüngliche Frage: Nonne alioquin ...? Sed ... Als argumentum ad absurdum versteht es schon die Glosse: Gl. non solvas zu D. 13,5,21,1, s. Astuti, Costituto di debito II 43 mit Anm. 53. 445 Nachweise bei Astuti, Costituto di debito II 39; Ind. int. ad loc.; weitere bei Knütel, Stipulatio poenae 138 Anm. 9; zuletzt La Rosa, Formalismo del pretore 206. 446 Knütel, Stipulatio poenae 138.

Constituere

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D. 13,5,19 pr. dem Inhalt von D. 13,5,21,1 selbst dann nicht, wenn Paulus im ursprünglichen Text die Wirksamkeit des sine die constituere ablehnte. Denn auf das pure constitutum von fr. 19 pr. schlägt die Bedingung der Hauptschuld durch. Sie muss eintreten, bevor der Schuldner für die Nichterfüllung des constitutum zur Verantwortung gezogen werden kann. Das Argument von fr. 21,1: alioquin et confestim agi tecum poterit spielt daher keine Rolle: Das constitutum ist nicht schon mit seiner Abgabe zu erfüllen, sondern erst nach Eintritt der Bedingung.

III. Certo tempore constituere in D. 13,5,16,1 Ulpian stellt in D. 13,5,16,1 (27 ed.) nach dem überlieferten Text klar, dass das constitutum Leistung „sowohl an einem bestimmten Ort als auch zu einer bestimmten Zeit“ vorsehen kann: sed et certo loco et tempore constituere quis potest ...

Dass er damit nicht sagen will, es gebe nur zwei Arten von constituta: jedes constituere müsse entweder einen kalendermäßig bestimmten Leistungsort oder eine bestimmte Leistungszeit enthalten, liegt schon deshalb nahe, weil Ulpian selbst in D. 13,5,5,3 (27 ed.) auf eine Erklärung Bezug nimmt, die weder certus locus noch certum tempus enthält und doch schon von Julian als Grundlage der actio de pecunia constituta qualifiziert wird. Entweder meint Ulpian also in fr. 16,1 zwei besondere Ausprägungen des constitutum. Oder es handelt sich um einen Typus: das constituere et certo loco et tempore. Die Worte et tempore werden vor dem Hintergrund einer Festlegung von constituere auf „kalendermäßig terminieren“ als Pleonasmus empfunden und allseits für interpoliert gehalten447. Ein Bestreben der Byzantiner, Regelungen über locus und tempus zu vereinheitlichen, mache sich deutlich bemerkbar448. Zuzugeben ist, dass et certo tempore im Zusammenhang des Satzes keine eigene Bedeutung hat, denn was folgt, betrifft ausschließlich das constitutum certo loco: Sed et certo loco et tempore constituere quis potest nec solum eo loci posse eum petere, ubi ei consti-

„Aber einer kann (Leistung) sowohl an einem bestimmten Ort als auch zu einer (bestimmten) Zeit festsetzen, und er (!) könne (!) nicht nur dort kla-

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447 Astuti, Costituto di debito I 195; Arangio-Ruiz, Studii formulari 161 f.; Roussier, Constitut 29. 448 Astuti, Costituto di debito I 195 f.; außerhalb des Konstitutsrechts lässt sich nichts dergleichen beobachten. Völlig unbedenklich sind D. 13,6,5 pr. (Ulp. 28 ed.): Si ut certo loco vel tempore reddatur commodatum convenit; D. 14,1,1 pr. (Ulp. 28 ed.): interdum locus tempus non patitur plenius deliberandi consilium; D. 26,1,3,3 (Ulp. 37 Sab.): Quolibet loco et tempore hunc curatorem dari posse.

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Arbeit der Juristen am Edikt

tutum est, sed exemplo arbitrariae actionis ubique po‹sse›449 ...

gen, wo ihm (die Leistung) festgesetzt wurde, sondern nach dem Beispiel der actio arbitraria könne er überall ...“

Zuzugeben sind des Weiteren verschiedene Auffälligkeiten des überlieferten Textes. Er wechselt nach constituere quis potest nicht nur von der direkten in die indirekte Rede (AcI: eum ... posse); gleichzeitig findet auch ein grober Subjektswechsel statt: quis potest ist der Erklärende des constitutum, der unmittelbar folgende und nicht abweichend qualifizierte is (bzw. eum) der Empfänger. Der AcI deutet auf ein Zitat bei Ulpian hin; AcI und Subjektswechsel auf eine Verkürzung des Textes durch die Kompilatoren. Gegen die Worte et tempore wird seit langem die Überlieferung in den Basiliken ins Feld geführt. Arangio-Ruiz erhob zum Argument, dass der Basilikentext ausgerechnet hier eindeutig gestört ist. Heimbach hatte den überlieferten Text von B. 26,7,16,1 (III 137 Hb.) mit einem sprachlich unvertretbaren καὶ εἰ̋ δῆλον τόπον καὶ τὸν χρόνον

„sowohl auf einen bestimmten Ort als auch (auf) die Zeit“

wiedergegeben und die Verbesserung von τὸν χρόνον in ῥῆτον χρόνον vorgeschlagen („sowohl auf einen bestimmten Ort als auch auf eine festgesetzte Zeit“)450. Arangio-Ruiz vermutete, dass der Basilikentext ursprünglich vom Original et certo loco constituere ausgegangen und uns eine spätere, entsprechend dem Digestentext korrigierte, dabei aber fehlerhaft korrigierte Fassung überliefert sei. An dieser Vorstellung störte bisher, dass dann ein mutmaßlich griechischsprachiger Korrektor die misslungenen Worte καὶ τὸν χρόνον bewusst eingesetzt hätte. Nach der neueren Edition Scheltemas (A IV 1299 Sch.) heißt es aber in der maßgeblichen Handschrift: καὶ εἰ̋ δῆλον τόπον καὶ τὸ πᾶν

„sowohl auf einen bestimmten Ort als auch das Ganze“.

Die Herausgeber ersetzen τὸ πᾶν mit χρόνον (nicht: τὸν χρόνον) und erklären den Fehler als „perperam e praecedentibus repetitum“. Wie τὸ πᾶν an die Stelle von χρόνον geraten ist, lässt sich so nur schwer nachvollziehen. Im Satz zuvor (B. 26,7,16 pr. = D. 13,5,16 pr.)451 ist von der Haftung zweier „Gesamtkonstituenten“ in solidum (B.: εἰ̋ τὸ πᾶν) die Rede; daran konnte man sich bei einer Korrektur zu εἰ̋ δῆλον τόπον καὶ τὸ πᾶν orientieren. Dass diese Korrektur mit einer nachträglichen Einfügung des griechischen Äquivalents von et tempore zu tun hätte, drängt sich jedenfalls nicht auf. Näher liegt es, in den Worten δῆλον und πᾶν Spuren eines Gegensatzpaares zu sehen: „sowohl an einen bestimmten ___________________________

449 Zum überlieferten potest und der wahrscheinlichen Fortführung mit den Worten aus § 2: si appareat eum qui constituit n‹on› solvere, s. schon oben S. 31 f. 450 Arangio-Ruiz, Studii formulari 161 f.; Astuti, Costituto di debito I 196. 451 A IV 1299 Sch.; III 137 Hb.

Constituere

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Ort als auch überall(hin)“ – καὶ εἰ̋ δῆλον τόπον καὶ πάντη/πανταχοῖ o. Ä. Das bereits verdorbene τὸ πᾶν wurde andernorts unter Beibehaltung des bestimmten Artikels zu τὸν χρόνον korrigiert. Legt man diese Rekonstruktion zugrunde, so wäre der Basiliken- tatsächlich entsprechend unserem Digestentext korrigiert. Projiziert man die Rekonstruktion des Basilikentextes in den Ulpiantext zurück, so hätte et certo loco constituere dort ursprünglich seinen Konterpart in einem constituere ohne bestimmten Leistungsort gefunden: et ‹ubique?›. Der Konterpart kann an der Stelle des jetzigen et tempore aber auch in einer gestrichenen Passage vor sed et certo tempore gestanden haben. In beiden Fällen wäre et tempore nicht original; das schließt zwar wiederum nicht aus, dass es im gekürzten Umfeld des Satzes ursprünglich auch um Phänomene der bestimmten Leistungszeit ging und die Worte et tempore einen letzten Ersatz für gestrichenen Text darstellen. Die Aussage, dass man „auch auf eine bestimmte Zeit festsetzen kann“ (die zu Umkehrschlüssen verleitet), ist in dieser Form angesichts der Überlieferung aber nicht belastbar.

IV. Leistungszeit in konkreten constituta des Digestentitels 13,5 Von drei im Wortlaut wiedergegebenen Erklärungen, die die Juristen nach dem Digestentext als Beispiele für wirksame constituta geben (D. 13,5,5,3 [Iul./Ulp. 27 ed.]; h. t. 24 [Marcell. sing. resp.]; h. t. 26 [Scaev. 1 resp.]), beinhaltet eines (fr. 24) einen kalendermäßig bestimmten Leistungstermin: quinquaginta ... quos tibi reddere debebo idibus Maiis − „fünfzig ... die ich dir am 15. Mai werde zurückgeben müssen.“ Um das Gegenbeispiel der beiden anderen Fälle zu überwinden, werden sie für verdorben452 und interpoliert453 erklärt. 1. D. 13,5,5,3: Zusage 'si debitum adprobatum erit' An seine regelhafte Aussage, Erklärender und Erklärungsempfänger des constitutum müssten nicht Schuldner und Gläubiger der betroffenen Schuld sein, knüpft Ulpian gleichsam als Beweis ein Zitat Julians an: D. 13,5,5,2 f. (Ulp. 27 ed.) Quod exigimus, ut sit debitum quod constituitur, in rem exactum est, non utique ut is cui constituitur creditor sit: nam et quod ego debeo tu constituendo teneberis, ___________________________

„Was das betrifft, dass wir verlangen, dass geschuldet ist, was festgesetzt wird, so wird dies objektiv verlangt, keinesfalls muss derjenige, dem festgesetzt wird, der Gläubiger sein. Denn auch auf das, was ich schulde, wirst du haften, indem du festsetzt,

452 D. 13,5,5,3 (Ulp. 27 ed.): Beseler, Beiträge IV 260; Roussier, Constitut 139 Anm. 3; 132 Anm. 1; La Rosa, Formalismo del pretore 205 f. 453 Zum Interpolationsverdacht gegen D. 13,5,26 (actione ‹recepticia› teneri) s. unten S. 161 f.

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Arbeit der Juristen am Edikt

et quod tibi debetur si mihi constituatur, debetur.

und was dir geschuldet wird, wird, wenn es mir festgesetzt wird, geschuldet.

3 Iulianus quoque libro undecimo scribit: Titius epistulam ad me talem emisit: 'Scripsi me secundum mandatum Seii, si quid tibi debitum adprobatum erit me tibi cauturum et soluturum sine controversia.' tenetur Titius de constituta pecunia.

3 Auch Julian schreibt im elften Buch seiner Digesten: Titius hat mir folgenden Brief geschickt: 'Hiermit erkläre ich schriftlich, dass ich gemäß dem Auftrag des Seius, wenn etwas als dir geschuldet bewiesen wird, dass ich dir dann ein Versprechen/Sicherheit leisten und zahlen werde ohne Widerrede.' Titius haftet aus der Klage wegen festgesetzten Geldes.

Julian spricht in dem von ihm begutachteten Fall von epistulam emittere; alle Urkunden des Digestentitels werden als epistula bzw. litterae bezeichnet454. Scaevola unterscheidet in seinen regulae zwischen den Urkundentypen epistula, testatio und chirographum455. Während die testatio objektives Protokoll des Geschehenen ist, handelt es sich bei epistula und chirographum um subjektive Erklärungen des Schuldners. Signifikanter Unterschied zwischen chirographum und epistula dürfte die Grußformel der epistula sein. An anderer Stelle nennt Scaevola eine epistula des Schuldners chirographum456. Der Text der epistula Titii könnte in der Digestenüberlieferung gestört sein: Das zweimalige me in dem von scripsi abhängigen AcI und die Entscheidung Julians selbst führen zu Emendationen und Interpolationsvermutungen 457 . Mommsen streicht das zweite me, andere das erste458. La Rosa vermisst ein (für sie entschei___________________________

454 D. 13,5,24 (Marcell. sing. resp.): epistulam emisit; h. t. 31 (Scaev. 5 dig.): epistulam exponere; h. t. 26 (Scaev. 1 resp.): litteras fecit. Epistula sind auch die mit fr. 24 und 26 eng verwandten Urkunde in D. 14,3,20 (Scaev. 5 dig.; unten S. 214 ff.) und D. 16,3,24 (Pap. 9 quaest.; unten S. 213 ff.). D. 4,3,38 (Ulp. 5 opin.): epistulam creditori mittere; epistula falsa vel inanis, bringt Wacke, Kannte das Edikt eine in integrum restitutio propter dolum? 110 in Zusammenhang mit unserer Stelle. Auch in den Originaldokumenten begegnet neben 'chirographum' 'epistula', TPSulp. 71: scripsi me accepisse ... sestertia tria millia nummum ex epistula. Dass Riccobono, Stipulatio ed instrumentum 320 die Verwendung von exponere in fr. 31 zum Indiz für eine Interpolation erhebt, ist schwer nachvollziehbar. 455 D. 38,4,7 (Scaev. 2 reg.): et per epistulam vel testationem vel chirographum. 456 D. 2,14,47,1 (Scaev. 1 dig.): (a debitore) epistulam accepit ... hoc chirographo. 457 Beseler, Beiträge IV 260 Anm.: „... nicht unwahrscheinlich, daß 53 (ohne quoque) von den Byzantinern transplantiert ist“; ebenso Philippin, Pacte de constitut 76; kritisch Astuti, Costituto di debito II 191 f.; Roussier, Constitut 24: „mal lu ou interpolé“; 132 Anm. 1: „Nous doutons que l'action soit donnée au cas qui semble admis par Ulpien au fr. 5,3“; 139 m. Anm. 3: „la solution est discutable“; La Rosa, Formalismo del pretore 207: „perplessità“; „non si può dedurre che sorgesse un valido constitutum“. 458 Mommsen, Ed. maior in app. mit Hinweis auf Haloander; Wacke, Kannte das Edikt eine in integrum restitutio propter dolum? 110.

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dendes) constituo und die essenzielle Festlegung eines Leistungstermins459. Dabei ist einerseits zu bedenken, dass die Streichung eines me keinen leichteren Eingriff in den Text bedeutet als eine längere Ergänzung. Derartige Pleonasmen bei der verdeutlichenden Wiederaufnahme einer Konstruktion sind zudem − gerade in Briefen − nichts wirklich Ungewöhnliches460. Constituo stand sicher nie im Text461. Das Fehlen eines kalendermäßig bestimmten Leistungszeitpunkts als Argument für eine Textverderbnis zu bemühen, ist eine schlichte petitio principii. Gleichzeitig ist an der Entscheidung Julians 'tenetur Titius de constituta pecunia' nicht zu rütteln. Wer sie als verdorben oder interpoliert in Frage stellt, muss entweder ein Missverständnis bereits Ulpians annehmen oder gelangt zur freien Verfügbarkeit des Digestentexts, die jede weitere Betrachtung erübrigt462. Die Kombination me tibi cauturum et soluturum als Gegenstand der Zusage des Titius bleibt freilich problematisch. Cavere ist die Abgabe eines Schuldversprechens in Stipulationsform; Titius will bei Nachweis der Schuld des Seius erst ein Stipulationsversprechen abgeben (me tibi cauturum). Bereits jetzt gibt er aber auch eine Zahlungszusage (et soluturum); es liegt zunächst nahe, die Zusage auf die Erfüllung des künftigen Stipulationsversprechens zu beziehen. Die verkürzte Übertragung der Stelle ins Griechische in B. 26,7,5,3 (A IV 1298 Sch.; III 136 Hb.) sieht in der versprochenen Handlung selbst kein Problem463. ___________________________

459 Formalismo del pretore 203 ff.; s. schon oben Anm. 231. 460 S. nur Burkard/Schauer, Syntax und Semantik 893 f. Von den dortigen Beispielen seien die aus den Cicero-Briefen genannt: fam. 7,26,2: lex sumptuaria, quae videtur λιτότητα attulisse, ea mihi fraudi fuit; fam. 13,18,3: Illud quod supra scripsi, id tibi confirmo; fam. 15,2,1: erat enim magna suspicio Parthos, ... iter eo[s] per Cappadociam, ... esse facturos. In unserem Zusammenhang sei auf die Doppelung Viginti quinque nummorum (urspr. sestertium XXV milia nummum) ... notum tibi ... facio ad ratiunculam meam e a pervenisse im Brief D. 16,3,28 (Scaev. 1 resp.) hingewiesen, s. unten Anm. 481; der Brief in D. 16,3,24 (Pap. 9 quaest.), s. unten S. 213 macht mit der Doppelung ut notum haberes ... tibi notum facio einen geradezu fahrigen Eindruck; nichts spricht indessen für eine Verfälschung. 461 S. oben S. 71 ff. 462 S. schon oben Anm. 231. 463 Frezza, Questioni 705; ders., Garanzie I 234 sieht in me cauturum einen Hinweis darauf, dass das entscheidende Element aller constituta die Erhöhung des Gläubigervertrauens ist. Beim constitutum debiti proprii sei sie nur durch die Zusage eines Leistungstermins zu erreichen; beim c. d. alieni liege sie bereits „implicitamente“ in der Tatsache, dass die „promessa di pagamento“ von einem Dritten stammt. Gerade dann aber muss me cauturum neben me soluturum entweder keine Rolle spielen oder dem Vertrauen in den umstandslosen Erhalt der Leistung entgegenwirken.

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Denn was uns in den Digesten als me tibi cauturum et soluturum entgegentritt, erscheint in den Basiliken lediglich als „geben“/„leisten“: Ἐὰν ἀντιφωνήσῃ̋ ™οι δι' ἐπιστο5 λῆ̋ διδόναι εἴτι φανῇ χρεωστῶν ™οι Πέτρο̋, ἐνέχῃ.

„Wenn du mir brieflich 'antwortest' (= constituere) zu geben, wenn es sich erweist, dass Petros mir schuldet, haftest du.“

Von cauturum (gr. etwa ἀσφαλίζεσθαι) ist keine Rede. Über eine Korruptel des Digestentexts gerade bei me tibi cauturum, wo jedenfalls das wiederholte me allseits in Frage gestellt wird, lässt sich spekulieren464. Angesichts der Worte sine controversia, einem typischen Zusatz zur Ankündigung der Zahlung in lateinischen Urkunden465, noch öfters in Form verschiedener griechischer Pendants in den gräkoägyptischen Papyri466, ließe sich daran denken, dass sich hinter cauturum et nur ein weiterer Zusatz zu me tibi soluturum verbirgt: caute − „sicher“, ___________________________

464 Dass es sich bei cauturum um ein verdorbenes curaturum handeln könnte, wurde bereits in Erwägung gezogen: Roussier, Constitut 24 Anm. 1. Anstatt me zu streichen (wofür ohnehin kein Anlass besteht, s. oben bei Anm. 460), könnte man aber auch etwa me ti- als Verderbnis von meti- verstehen, mithin einer Form von metiri − „zumessen“, also der Leistung etwa von Getreide. In den griechischen Papyri bezeichnet ™ετρήσω − „ich werde zumessen“ die Leistung vertretbarer Sachen, s. nur Preisigke, Wörterbuch II 95 s. v. ™ετρέω; gelegentlich begegnet ™ετρήσω καὶ ἀποδώσω u. Ä. − „ich werde zumessen und zahlen“ / „ich werde Korn und Geld leisten“, z. B. P. Hib. I 91 (244-3 v. Chr.); P. Stras. 1,78 (= P. Sarap. 45; 127 n. Chr.); P. Flor. I 72 (128/9 n. Chr.); SB XVIII 13161 (138/9 n. Chr.); P. Flor. I 41 (140 n. Chr.); CPR VII 31 (197 n. Chr.); BGU XI 2125 (2./3. Jh. n. Chr.) und passim. Me tibi unmittelbar zu metiri zu verbessern, bereitet angesichts von soluturum Probleme. Auch bei meti- lässt sich ein Futur rekonstruieren, indem man eine Verderbnis bzw. entstellende Korrektur von metiturum annimmt. Das Partizip metitum statt mensum ist überaus selten belegt. Neben Apul. Plat. 1,14 und wenigen weiteren (ThLL s. v. metior, Bd. VIII, Sp. 881, Z. 65-71; 882, Z. 3-7) begegnet es nur − bei Ulpian!, D. 32,52,1 (24 Sab.): metitus est, dem die Formbildung metiturum also zuzutrauen wäre. Schöpft er etwa aus Exzerpten oder dem Gedächtnis, so kann seine eigene Sprache in das Zitat der Urkunde Eingang finden: scripsi me ... metiturum et (aut?) soluturum. Ein späterer Korrektor könnte das ihm unbekannte, vielleicht bereits entstellte metiturum verbessert und ergänzt haben. Die Emendation zu metiturum wäre kein schwererer Eingriff in den Text als die Streichung von me. Zu einfacheren Emendationen s. aber sofort; zur möglichen Verzichtbarkeit jeder Emendation s. unten c. 465 P. Fouad I 45 (= FIRA III 121 = CPL 189; Alexandria, 153 n. Chr.; unten S. 250): quos et redda(m) ... sine controversia; CIL III, S. 949, Nr. XII (= FIRA III Nr. 120 = TabCerD XIII; Dakien, 167 n. Chr.; oben S. 136): quos ei reddere deb[e]t sine ulla contraversia. 466 Häufig findet sich dort ἄνευ (πάση̋) ἀντιλογία̋ u. Ä., zum Beispiel P. Yale I 60 (6/5 v. Chr.): ἀποδώσω σοι ἄ[ν]ευ δίκη̋ καὶ κρίσεω̋ καὶ πάση̋ εὑρησιλογία̋; BGU IV 1146 (= MChr 106; 19 v. Chr.): τα[ῦτα δὲ ποιήσειν ἄνευ κρίσεω̋ καὶ πά5 ση̋ ἀντιλογία̋; in den späteren Urkunden abundante Listen wie in CPR VII 40 (492 n. Chr.): χωρὶ̋ τινο̋ ὑπερθέσεω̋ καὶ ἀντιλογία̋ καὶ κρίσεω̋ καὶ δίκη̋ καὶ πά5 ση̋ νο™ί™ου παραγραφῆ̋ καὶ εὑρεσιλογία̋ καὶ ἀφορ™ῆ̋.

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etwa entsprechend einem griechischen ἀκίνδυνω̋, später missverstanden als Abkürzung für caut- et; oder aber actutum − „sogleich“/„unverzüglich“, entsprechend dem typischen ἀνυπερθέτω̋467, das zuerst zu einem sinnlosen acturum oder cautum geworden sein mag, bevor es in die jetzige Form gebracht wurde. Vorzugswürdig wäre freilich eine schlüssige Erklärung des unveränderten überlieferten Textes (unten c). Dass sich die Urkunde und ihre Begutachtung in den Digesten Julians finden, wirft dabei die Frage auf, was das für die Qualifizierung des Briefs als wirksames constitutum problematische, was das entscheidende Element ist. Besteht ein Problem in den Worten secundum mandati Seii, also in der Bezugnahme auf fremde Schuld, die jedenfalls Ulpian zur Aufnahme des illustrierenden Zitats in seinen Kommentar veranlasst, so könnte dies bedeuten, dass das constitutum durch und gegenüber Dritten zur Zeit Julians keine Selbstverständlichkeit war. Dafür fehlt jeder weitere Hinweis. Dass das pecuniam constituere die Leistung auf fremde Schuld zum Gegenstand haben kann, begegnet bei Julian (D. 13,5,2: filii nomine constituere), Pomponius (fr. 5,4: se pro alio; fr. 11 pr.: capto debitore ab hostibus constituat quis se soluturum) und Scaevola (fr. 26). a) D. 13,5,5,3 und die unmittelbare Stellvertretung beim constitutum. Freilich könnten sie an diese Fälle besondere Ansprüche stellen, schon allein, um sie von Bürgschaft und Schuldübernahme in Stipulationsform abzugrenzen. Immerhin hält es Ulpian für nötig, darauf hinzuweisen, dass bestimmte Vertreter (actor municipum, tutor und curator) ipsi constituentes tenebuntur − „haften werden, wenn sie selbst festsetzen“, D. 13,5,5,8. Es müssen constituta dieser Personen über Schulden der von ihnen Vertretenen gemeint sein, mithin ein constituere der Leistung fremder Schuld. Die Klarstellung durch fr. 8 kann dabei in zwei verschiedene Richtungen erfolgen: Entweder wird betont, dass die genannten Vertreter im Gegensatz zu anderen aus constitutum auch für fremde Schuld haften. Oder aber Ulpian unterstreicht, dass sich die Vertreter durch ihre constituta über die Schuld der Vertretenen selbst haftbar machen und nicht automatisch die Vertretenen verpflichten. Nur soweit es um die Berechtigung durch constitutum geht, kommt bei constituta gegenüber den Vertretern, die auf Leistung an die Vertretenen lauten, eine Form direkter Stellvertretung in Betracht, indem man den Vertretenen eine actio utilis gewährt (§ 9; Durchbrechung des Grundsatzes aus § 5). Dass actor, tutor und curator aber bei constituta auf Leistung an sie ___________________________

467 Zum Beispiel BGU I 69, unten S. 250; s. im Übrigen nur die Belege bei Preisigke, Wörterbuch I, s. v.; zu actutum s. nur Plaut. Most. 603 f.: Cedo faenus, redde faenus, faenus reddite. / Daturi n' estis faenus actutum mihi? Zur Kombination mit sine controversia vgl. nochmals P. Fouad I 45 (unten S. 250): sine controversia et / [spe futu]rae di[la]tionis.

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selbst und durch sie wie jeder andere berechtigt und verpflichtet werden, stellt Ulpian zuvor klar. In D. 13,5,5,6 zitiert Ulpian Julian aus demselben elften Buch seiner Digesten. Nach Julian könne man „einem procurator wirksam festsetzen“ (procuratori constitui posse). Den Dativ procuratori legte der im Anschluss zitierte Pomponius auf den Empfänger der Leistung fest: Der Satz Julians sei so zu verstehen, dass man dem procurator gegenüber erklären könne, man werde an ihn zahlen. Eine Erklärung ihm gegenüber, man werde an den dominus leisten, ist hingegen unbeachtlich. Julian muss seinen Satz nicht so gemeint haben. Wenn er auch das procuratori constituere domino se soluturum für wirksam hält und daraus dem dominus eine Klage gibt, so ist das (prätorische) Recht des constitutum für ihn Erscheinungen der direkten Stellvertretung zugänglich, die das ius civile nicht kennt468. Pomponius hätte dieser Entwicklung Einhalt geboten. Im Fall des procurator könnte der Gedanke Julians sich etwa folgendermaßen gestalten: Der procurator ist regelmäßig durch mandatum zur Einziehung und Entgegennahme der Leistung mit Wirkung für den dominus berechtigt (hat also die petitio, vgl. D. 13,5,7,1)469. Sieht man im constitutum ein Geschäft über die Abwicklung einer bestehenden Schuld, so kann diese Stellung des procurator auf die Wirkung eines ihm gegenüber erklärten constitutum durchschlagen. Für den Brief des Titius und damit für die Schuldnerseite eröffnet das die Möglichkeit, dass Julian den Worten secundum mandatum Seii besondere Aufmerksamkeit schenken musste: Kann sich Titius darauf berufen, dass er seine Erklärung im Auftrag des Seius abgab und damit Seius als denjenigen festlegte, der im Fall der Nichtleistung zu verklagen sei? Julian lässt den bloßen Hinweis auf das mandatum nicht ausreichen. Er verhindert nicht die Inanspruchnahme eigener fides bei der Formulierung me ... soluturum. b) Die Leistungsbedingung in D. 13,5,5,3. Dass der Erklärung des Titius eine kalendermäßige Bestimmung der Leistungszeit fehlt, hindert Julian nicht an der Qualifizierung als constitutum. Die Bedingung, unter der Titius sein Verhalten zusagt, der erbrachte Beweis einer Schuld des Seius ('si adprobatum erit'), hat mit der Festlegung eines dies certus ebenso wenig zu tun, wie wenn Leistung auf bloße Aufforderung (cum petieris) oder nach Belieben des Gläubigers (quando voles)470 versprochen wird, wie dies in Darlehensurkunden der dokumentarischen Überlieferung begegnet471. Die Zusage betrifft einen dies incertus, aber doch einen Zeitpunkt, dessen Eintritt oder Nichteintritt objektiv feststellbar ist. Hat der Richter das non fecisse der ___________________________

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S. schon Mitteis, Privatrecht 228 f. S. schon oben S. 110 f.; 124. D. 16,3,24 (Pap. 9 quaest.), s. unten S. 213 f. S. unten Anm. 612.

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actio de pecunia constituta zu überprüfen, muss er dazu klären, ob Titius gegenüber der Beweis einer Schuld des Seius erbracht wurde, ob ihm also insbesondere entsprechende Dokumente vorgelegt wurden und er in dieser Situation dennoch kein „Versprechen leistete“ oder (auf dieses Versprechen) nicht „zahlte“. Misst man die Erklärung in D. 13,5,5,3 am Argument des Paulus in fr. 21,1: alioquin et confestim agi tecum poterit, so zeigt sich, dass das neque fecisse hier nicht schon im Moment nach Abgabe des constitutum bejaht werden kann. Es handelt sich um ein sub condicione constituere, für das Pomponius und Paulus nach fr. 19,1 die actio de pecunia constituta für utilis erklären. c) 'se cauturum et soluturum' als Gegenstand des constituere. Legt man den überlieferten Text unverändert zugrunde, so lässt sich eine Besonderheit des Falls darin sehen, dass die Zusage gestaffelt auf cavere und solvere geht. Titius haftet einerseits de constituta pecunia, wenn er bei Vorlage von Beweisen keine Stipulation leistet. Leistet er sie, so schuldet er daraus und ist einer actio certae creditae pecuniae ausgesetzt. Zahlt er nicht, haftet er aber auch mit der Konstitutsklage. Tenetur Titius de pecunia constituta hieße im Ergebnis, dass im Vorfeld einer stipulatio und in Konkurrenz mit ihr de constituta gehaftet wird. Liegt hierin das eigentlich Bemerkenswerte des Falles, so lässt sich erst recht nicht ausschließen, dass weder das constitutum debiti alieni noch die Verfallsbedingung si adprobatum erit für Julian eine Besonderheit darstellen. Was den fehlenden Leistungstermin betrifft, ist von der Stelle jeder Verdacht der Interpolation oder auch nur der Regelwidrigkeit fernzuhalten. 2. D. 13,5,26: 'habes penes me' Quidam ad creditorem litteras eiusmodi fecit: 'Decem, quae Lucius Titius ex arca tua mutua acceperat, salva ratione usurarum habes penes me, domine.' respondit secundum ea quae proponerentur actione de constituta pecunia eum teneri.

„Jemand schrieb an einen Gläubiger einen derartigen Brief: 'Die zehn(tausend Sesterze), die Lucius Titius aus deiner Kasse zum Darlehen erhalten hatte, hast du unbeschadet der Zinsrechnung bei mir, Herr.' Er (Scaevola) hat das Gutachten erteilt, nach dem, was vorgetragen wurde, hafte er aus der Klage über festgesetztes Geld.“

a) Ursprüngliches receptum argentariorum? Die Stelle aus dem ersten Buch der responsa Scaevolas ist einem verbreiteten Interpolationsverdacht ausgesetzt472: ___________________________

472 Lenel, Beiträge zur Kunde des Edicts 64 Anm. 137; ders., Palingenesia II 290 Anm. 1; Kappeyne van de Copello, Über constituta pecunia 273; Rossello, Receptum argentariorum 72; Kübler, Griechische Tatbestände 201; Astuti, Costituto di debito II 239; 280 Anm. 40; Roussier, Constitut 145; La Rosa, Formalismo del pretore 208 f.; Rodríguez González, El receptum argentarii 36; 64 und passim; ohne jede Begründung Fasolino, Tecniche bancarie 188; zurückhaltend Partsch, Ediktaler Garantievertrag 416 Anm. 2.

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Ursprünglich sei von einem quidam ‹argentarius› und der Haftung actione ‹recepticia› die Rede gewesen. Justinian vereinigte das Recht des constitutum mit dem receptum argentariorum, einem formlosen473 Schuldversprechen der argentarii („Finanzdienstleister“)474, das die Beschränkung des constitutum auf Geld (und andere fungible Sachen) nicht kannte und dessen Klage dem Gläubiger offenbar den Beweis der Schuld ersparte475. ___________________________

473 Der Streit über die Form des receptum will nicht enden, obwohl das Postulat einer Form mit den Quellen nicht zu vereinbaren ist (aus „solennen Worten“ bestand nach Justinian die actio recepticia, nicht das receptum, s. unten Anm. 475), vgl. etwa Karlowa, Rechtsgeschichte II 759: „solenner Verbalakt“; zustimmend noch Bürge, Fiktion und Wirklichkeit 528-530; La Rosa, Formalismo del pretore 215; für Formlosigkeit zuletzt − und kaum mehr bestreitbar − Rodríguez González, El receptum argentarii 79 und passim mit Literatur. 474 Das receptum argentarii hat stets einen Drittbezug. Lenel, Beiträge zur Kunde des Edicts 66 vermutet, dass „das receptum pro alio ... nicht nur ... der hauptsächlichste und wichtigste; sondern sehr wahrscheinlich der einzige Fall des receptum war“. Dann aber ist es auch nicht nötig, überhaupt von pro alio recipere zu sprechen. In D. 13,5,27 (Ulp. 14 ed.) haben die Kompilatoren mit constituat pro alio also nicht recipiat pro alio ersetzt, sondern schlicht recipiat. Mit pro alio argumentiert aber Bürge, Fiktion und Wirklichkeit 533, wenn er in D. 13,5,27 vier Personen: Leistungsempfänger, alius, dominus und debitor erkennen will. 475 C. 4,18,2 (531 n. Chr.) Recepticia actione cessante, quae „Bei Wegfall der actio recepticia, die aus sollemnibus verbis composita in- feierlichen Worten zusammengesetzt und kaum usitato recessit vestigio, necessa- je zur Anwendung gekommen war, schien es rium nobis visum est magis pecu- uns notwendig, das Wesen der (Klage aus) peniae constitutae naturam ampliare cunia constituta zu erweitern ... ... 1 secundum antiquam recepti- 1 Gemäß der alten actio recepticia wurde geciam actionem exigebatur et si klagt, auch wenn gar nichts geschuldet gewesen quid non fuerat debitum, cum war; es erscheint aber reichlich widersinnig und satis absurdum et tam nostris sowohl unseren Zeiten als auch einer gerechten temporibus quam iustis legibus Gesetzgebung zu widersprechen, wenn man zucontrarium est permittere per lässt, dass mit der actio recepticia nicht geactionem recepticiam res indebi- schuldete Sachen eingeklagt werden ... tas consequi ... 1A omnia, quae de recepticia in 1A Alles, was über die actio recepticia in den diversis libris legislatorum posita verschiedenen Büchern der Gesetzgeber gesunt, aboleantur. schrieben steht, soll abgeschafft werden. Zum receptum Lenel, Beiträge zur Kunde des Edicts 62-71; Partsch, Ediktaler Garantievertrag 412-422; Wenger, Art. „receptum argentarii“; Bürge, Fiktion und Wirklichkeit 527-536; Rodríguez González, El receptum argentarii. Als receptum argentarii identifiziert Wolf, Neuer pompejanischer Urkundenfund 126 das chirographum 'scripsi me promisisse ...' in TPSulp. 81. Allein aus dem Fehlen einer Stipulation (das aufgrund des fragmentarischen Erhaltungszustands der Tafel nicht sicher unterstellt werden kann) ergibt sich dies noch nicht. Hier könnte jedoch die eigentliche Bedeutung des recipere durch den argentarius deutlich werden: Er übernimmt die zu ver-

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Dass die Erstreckung des constitutum auf nicht stipulierte Zinsen − versteht man salva ratione usurarum als Einbeziehung der Zinsen − keinen Verdacht rechtfertigt, wurde oben dargelegt476. Im Gegensatz zu den unmittelbar folgenden fr. 2728, die Lenel aus palingenetischen Gründen ebenfalls dem receptum argentariorum zuweist, ist fr. 26 wohlgemerkt massenkonform: Es gehört mit dem vorangehenden fr. 25 und fr. 30 der Papinianmasse an. Für sich genommen lässt sich aus der Inskription von fr. 26 nichts ablesen: An den Fragmenten des ersten Buchs der responsa ist keinerlei thematische Gruppierung zu erkennen. Der Interpolationsverdacht lässt sich also weder palingenetisch noch vom Aufbau des Digestentitels her wahrscheinlich machen. Andere Elemente, die zu Indizien erklärt wurden, etwa die Terminologie habes penes me und der Tenor des Briefs 477 , haben zweifelhafte Aussagekraft. Wir wollen daher den Digestentext zugrundelegen: Danach ist die Erklärung ein constitutum debiti. Es sei „erst einer späteren Zeit zuzuschreiben, daß ... man unter Umständen auch ein bloßes Schuldbekenntnis ohne Weiteres als Constitut behandelte“, heißt es bei Bruns unter Hinweis auf D. 13,5,26 478 . Inwiefern aber ist die Erklärung „bloßes Schuldbekenntnis“; inwiefern entspricht sie dem bisher zum constitutum Gesagten? An der Erklärung fällt die Terminologie habes penes me auf, die der Erklärung eines Verwahrers entspricht479. Bei der Verwahrung (depositum) bleibt der Hinterleger Eigentümer der hinterlegten Sache; er „hat“ sie beim Verwahrer. Der ___________________________

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steigernde Sache und knüpft daran das Versprechen über die Zahlung des Erlöses (stipulatus) abzüglich seiner Gebühr: Entsprechend dem receptum nautarum 'rem recipere salvam fore' − „die Sache übernehmen, auf dass sie heil bleibe“, das als Garantie der Schadlosigkeit verstanden wird, ist das receptum argentarii ein *'rem recipere solvi deducta mercede' − „die Sache übernehmen, auf dass dafür bezahlt werde unter Abzug einer Gebühr.“ Das altehrwürdige Wort stipulatus könnte zu den sollemnia verba gehören, die Justinian der actio recepticia nachsagt. S. 141 und die vorangehenden Ausführungen. La Rosa, Formalismo del pretore 209. An der Anrede des Empfängers mit domine lässt sich nichts erkennen. In den Digesten begegnet domine bei der Anrede des Kaisers; eine Frau benutzt es in einem Brief für ihren Ehemann (D. 24,1,57 [Paul. 7 resp.]), ein Anfragender gegenüber dem Juristen Paulus (D. 35,2,22 pr. [Paul. 17 quaest.]). Seneca, ep. 3,1 erwähnt dominus als höfliche Anrede. Bruns, Constitutum debiti 90; zuletzt Zülch, Liber singularis 53 ff. mit Literatur. PS. 2,12,8: res penes se deposita; D. 13,6,5,2 (Ulp. 28 ed.): is penes quem deponitur; D. 16,3,1,33 (Ulp. 31 ed.): (pecuniam) penes me depositam; D. 16,3,29 pr./1 (Paul. 2 sent. = PS. 2,12,5.5a): is penes quem depositum fuit (argentum); is penes quem deposita est (pecunia); D. 29,2,28 (Ulp. 8 Sab.): penes quem depositae sunt (rationes); D. 45,2,9,1 (Pap. 27 quaest.): in deponendo penes duos; D. 48,19,38,9 (Paul. 5 sent. = PS. 5,25,10(9)): instrumenta penes se deposita.

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Empfänger unseres Briefs hat sein Eigentum an den Münzen freilich schon verloren, als er sie Lucius Titius zum Darlehen hingab. Habes penes ... begegnet wieder im Brief des Betriebsleiters einer mensa nummularia, D. 14,3,20480. Eng verwandt ist die Ausdrucksweise esse alicui apud aliquem etwa in Ter. Phorm. 36

erat ei de ratiuncula Iam pridem apud me relicuom pauxillulum Nummorum; id ut conficerem. confeci: adfero.

„Er hatte bei mir schon seit längerem einen winzigen Rest Münzen von der Rechnung. Den sollte ich auftreiben. Hab ich gemacht. Ich bring's ihm.“

Die Stelle führt über die Verwendung von ratiuncula zur epistula über den Erhalt von Geld zur Verwahrung in D. 16,3,28 (Scaev. 1 resp.) zurück: 'Caecilius Candidus Paccio Rogatiano suo salutem. Viginti quinque nummorum, quos apud me esse voluisti, notum tibi ista hac epistula facio ad ratiunculam meam ea 481 pervenisse.'

„Caecilius Candidus seinem Paccius Rogatianus zum Gruße. Fünfundzwanzig Münzen, von denen du wolltest, dass sie bei mir seien: Mit diesem Brief hier setze ich dich davon in Kenntnis, dass sie in meine Rechnung eingegangen sind.“

Die gleiche Vorstellung findet sich in einem Fideikommiss, D. 34,3,28,8 (Scaev. 16 dig.)482: 'Centum, quae apud Apronianum deposita habeo, apud ipsum esse volo, donec ...'

„Ich will, dass die Hundert, die ich bei Apronianus in Verwahrung habe, bei ebendiesem bleiben, bis ...“

Bei Terenz und im Brief des Caecilius Candidus wird deutlich, dass die Verwahrung keine echte ist. Die Münzen sind Rechnungsposten in der ratiuncula. Keineswegs ist der Gläubiger noch ihr Eigentümer. Nummi steht nur noch für Geldeinheiten483, habere penes aliquem dafür, dass der Schuldner sie zugunsten des Gläubigers in seinen Büchern führt. b) ἔχει̋ παρˈ ἐ™οί. Auch in der dokumentarischen Überlieferung begegnet eine Parallele. Während in den gräkoägyptischen Urkunden über Verwahrung (παρα5 θήκη/παρακαταθήκη) stets der Verwahrer bekundet, die Sache „bei sich“ oder ___________________________

480 S. unten S. 214 ff. 481 Das Neutrum ea stammt von sestertium milia im Originaltext, s. Lenel, Palingenesia II 291 Anm. 4, die von den Kompilatoren in Goldmünzen verwandelt wurden (s. schon oben Anm. 18); die erforderliche Veränderung auch von ea zu eos wurde schlicht übersehen − man suchte am Ende des Textes nicht nach einer Wiederholung des Objekts. 482 S. noch D. 13,7,6,1 (Pomp. 35 Sab.): si eam (pecuniam) depositam habuerit; D. 16,3,7,2 (Ulp. 30 ed.): depositariorum, hoc est eorum qui depositas pecunias habuerunt. 483 Zu den nummi in D. 16,3,28 s. oben Anm. 481.

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„in Verwahrung“ zu „haben“484, findet sich im Archiv der Babatha eine Urkunde des Jahres 110 n. Chr. aus der erst vier Jahre zuvor gegründeten römischen Provinz Arabia über die Verwahrung von Geld, das der Erklärungsempfänger „beim“ Erklärenden „hat“. Joseph, Bruder des verstorbenen Jesus, mit dem er geschäftlich zusammengearbeitet hatte, erklärt gegenüber dessen Sohn: P. Babatha (= P.Yadin) 5 (Maoza/Arabia, 110 n. Chr.), Frag. a, col. i, Z. 5-17 ὁ™ολογῶ ἐγὼ Ἰώσηπο̋ τοῦ Ἰωσήπ[ου „Ich, Joseph, Sohn des Joseph ... erkläre dir, ... [σο]ὶ Ἰη[σοῦ τ]οῦ Ἰησ[οῦ τοῦ] / Jesus, Sohn des Jesus, meines Bruders von ἀδελφοῦ ™ου αὐτόθεν ἔχ[ει]ν σε παρˈ ebenda, dass du bei mir eintausendeinhundertἐ™[οὶ ἀργυρ]ίου ™έ[λανα̋] / χείλια zwanzig schwarze Silbermünzen hast als verκαὶ [ἑ]κατὸν εἴκοσι παραθήκη[ν] πάν5 wahrtes Gut (zusammengesetzt aus dem) geτων ὑ[παρχόν]/των καὶ ἀ[ρ]γυρίου καὶ samten Vermögen sowohl an Silber als auch an χ[ει]ρογράφων ὀφ[ει]λή™ατο̋ κα[ὶ Handscheinen über Schuld, Einlage des Handδ]απά/νη̋ ἐργαστηρίου καὶ τε[ι]™ῆ̋ werkbetriebs, Wert von Feigen, von Wein, von ἐλαίου καὶ ἐκ παντὸ̋ / τρόπου ™ει5 Datteln, von Öl und aus jeder Art von kleinen κροῦ καὶ ™εγάλου ἐκ πάντω[ν] ὧν εὑ5 und großen Dingen, aus allem, von dem sich ρέθη πα/τρεί σ[ο]υ καί ™οι ™εταξύ feststellen ließ, dass es deinem Vater und mir ™ου καὶ α[ὐ]τοῦ ἀργυρίου ™έλανε̋ / gehört, zwischen mir und ihm (geteilt), eintauχείλ[ι]ον ἓν καὶ ἑκατὸν εἴκοσι περισ5 sendeinhundertzwanzig schwarze Silbermünσ[ό]τεροι ὑπὲρ ἀργυρίου ™έλανα̋ ἑπ5 zen und dazu noch siebenhundertzehn schwarτακοσίου̋ καὶ δέκα οὓ̋ εἴλ[η]φεν ἡ ze Silbermünzen, die deine Mutter als ihr ™ήτηρ σου ἀρ/γύριον γα™ικὸν αὐτῆ̋ Hochzeitsgeld (zurück-) erhalten hat, das sie [ὃ]ν εἶχ[ε]ν κατ[ὰ] Ἰησοῦ πατ[ρ]ό̋ gegen deinen Vater Jesus hatte. Und dies (werde ich?) dir ...“ σου. / καὶ τ[οῦ]τό σοι ... Frag. a, col. ii, Z. 4-5 555] ἀποδ[ώσω ἐ]ν τῇ 555

„... ich werde zurückgeben in der ...“

Der genannte Betrag wurde niemals bei Joseph hinterlegt. Es handelt sich um die in Geld bezifferte Summe von Vermögenswerten, die aufgrund der Auseinandersetzung des gemeinsamen Geschäfts mit dem Vater an dessen Erben abzuführen sind. Anstelle der sofortigen Auszahlung wird ein Schuldschein ausgestellt, für den man sich der Begrifflichkeit der Verwahrung bedient. Wenn Joseph die Berufung darauf, dass in Wahrheit nichts in Verwahrung gegeben wurde, abgeschnitten ist, so erzeugt die Urkunde die Rechtslage einer Verwahrung. Eine andere Urkunde aus demselben Fund (P. Babatha 17 [Maoza, 128 n. Chr.]) belegt Z. 6 die Erklärung des Verwahrers in der Manier der gräkoägyptischen Papyri: ἀπεσχη5 κέναι παρˈαὐτῆ̋ εἰ̋ λόγον παραθήκη̋ („hat erklärt ... erhalten zu haben von ihr unter dem Titel der Verwahrung“)485 und Z. 7: ἔχειν αὐτὰ καὶ ὀφείλειν ἐν παραθηκῇ („es zu haben und zu schulden in Verwahrung“). Nicht der Gläubiger „hat beim Schuldner“, sondern der Schuldner „hat vom Gläubiger“. Die Formulierung in P. Babatha 5 erklärt sich der Herausgeber demgegenüber als einen Se___________________________

484 Kübler, Griechische Tatbestände 200: „fundamental verschieden“; „für die Verschiedenheit der Auffassung bezeichnend“. 485 Entsprechend D. 16,3,26,1 (Paul. 4 resp.): Ἔλαβον καὶ ἔχω εἰ̋ λόγον παραθήκη̋.

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mitismus486, der sich in einer nabatäischen Urkunde desselben Funds wiederfindet487. Will man habes penes me auch als ein typisches römisches Verwahrungsformular verstehen, so gehört ὁ™ολογῶ ἔχειν σε παρ' ἐ™οί zu den im BabathaArchiv mehrfach belegten Fällen, in denen sich semitische bzw. semitisch geprägte und lateinische Wendungen decken und gleichzeitig den griechischen gegenüberstehen488. Bei der Verwahrung zeigt sich in den antiken Rechtsordnungen der Grundsatz, dass der Verwahrer die Sache dem Hinterleger jederzeit auf Verlangen herauszugeben hat. Die gräkoägyptischen Urkunden sprechen davon, dass die Rückgabe erfolgen wird, wenn der Hinterleger „es will“: ἃ̋ ἀποδώσω/ἀποκαταστήσω σοι ὁπηνίκα ἐὰν αἱρῃ/βουληθῇ̋/ἀπαιτήθω − „die ich dir zurückgeben werde, wann immer du willst“ o. Ä.489 in Verbindung mit Wendungen ἀνυπερθέτω̋ / ἀνεὺ ὑπερθέσεω̋ o. Ä. − „unverzüglich“; die sofortige Rückgabepflicht gehört zum Inbegriff der Verwahrung, mitunter erscheint sie als Gegenstand des νό™ο̋ τῶν παραθηκῶν490. Die lateinischen Urkunden spiegeln dies exakt wieder; so die Dokumente über pecunia commendata in D. 16,3,24 (Pap. 9 quaest.): 'quae quando voles et ubi voles confestim tibi numerabo' und FIRA III 120: 'quos ei reddere debebo sine ulla contraversia (sic)'. Erinnert sei an sine controversia in D. 13,5,5,3. Angesichts der Problematik von D. 13,5,21,1, wo es von Paulus als argumentum ad absurdum zumindest angedacht wird, dass das Element neque fecisse der actio de pecunia constituta bei einem constitutum sine die sofort erfüllt, das constitutum im Moment nach seiner Abgabe daher bereits irreversibel verfallen sei, ist für uns der Tatbestand der actio depositi von besonderem Interesse. Die formula in factum concepta dieser Klage lässt sich vergleichend heranziehen491. Für ___________________________

486 Lewis, Documents 15; 39. 487 P. Babatha 1 (= P. Yadin 1; 93/94 n. Chr.), Z. 2/13: ‫ עמי‬... ‫ איתי לכי‬− „es ist dir ... bei mir“. S. den dortigen Kommentar (Lewis, Documents 187) mit weiterem Nachweis. 488 Zu P. Babatha 11,8/23; 19,24: κτᾶσθαι χρᾶσθαι (entspr. lat. uti frui) s. Lewis, Documents 15; 18: „Latin a contributing factor“?; Zweifel hat Lewis, ebd. 18 auch im Fall von ἐπὶ θελήσεω̋ καὶ συνευδοκήσεω̋ (P. Babatha 17,3/14); εἰ̋ in der ungriechischen Formulierung εἰ̋ ἑκατὸν δηνάρια „auf hundert Denare“ (P. Babatha 15,7/23) entspricht dem aramäischen ‫ ל‬− „für“ (Lewis, ebd.) ebenso wie dem lateinischen in denarios centenos (z. B. D. 12,1,40); vgl. dazu die Bemerkung Lewis', ebd. 18 zu πρὸ̋ τὴν δύνα™ιν (P. Babatha 15); zur Konkurrenz von Aramaismen und Latinismen in diesen Urkunden s. auch Adams, Bilingualism 267 f. 489 S. nur die Urkunden MChr. 330-336; Montevecchi, Papirologia 230; Rupprecht, Papyruskunde 121, jeweils mit Literatur. 490 Rupprecht, Papyruskunde 121; z. B. BGU III 729 (= MChr. 167; 144 n. Chr.); BGU II 637 (= MChr. 336; 212 n. Chr.); Stud. Pal. XX 45 (237 n. Chr.). 491 Gai. 4,47; Mantovani, Formule 66 (Nr. 62); Walter, Funktionen der actio depositi 33 f. und passim.

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die Verurteilung kommt es dort darauf an, dass die Sache hinterlegt und aufgrund von Arglist des Verwahrers (dolo malo) nicht zurückgegeben wurde (redditam non esse). Dass dieser Tatbestand nicht schon im Moment nach der Übernahme der Sache durch den Verwahrer erfüllt ist und damit die Klage unabwendbar zur Anwendung gebracht werden könnte, liegt daran, dass dem Verwahrer die unterlassene Rückgabe (non reddidisse) nur vorgeworfen werden kann, wenn ihn der Hinterleger zur Rückgabe aufgefordert hat. Weil der Verwahrer die Sache selbst nicht benutzen darf, gilt dies allerdings auch dann, wenn die Parteien für die Rückgabe ursprünglich einen späteren Termin vorgesehen hatten. Der Hinterleger kann jederzeit seinen Willen ändern (D. 16,3,1,45/46: mutare voluntatem), ohne dass schützenswerte Interessen des Verwahrers zu beachten wären. „Sofortige“ Klage ist daher nach jedem erfolglosen Herausgabeverlangen möglich492: D. 16,3,1,22 (Ulp. 30 ed.) Est autem et apud Iulianum libro tertio decimo digestorum scriptum eum qui rem deposuit statim posse depositi actione agere: hoc enim ipso dolo facere eum qui suscepit, quod reposcenti rem non reddat.

„Auch bei Julian im dreizehnten Buch seiner Digesten steht geschrieben, dass derjenige, der eine Sache in Verwahrung gegeben hat, sofort mit der Verwahrungsklage vorgehen könne. Darin verhalte sich nämlich derjenige, der die Sache übernimmt, bereits arglistig, dass er die Sache auf Verlangen nicht zurückgibt.“

Überträgt man diese Vorstellung auf D. 13,5,26, so erkennt man, dass in der Erklärung habes penes me eine bedingte Leistungszusage enthalten ist: Wer Geld eines anderen verwahrt oder sich wie ein Verwahrer behandelt sehen will, der hat es auf Verlangen herauszugeben. Ein non fecisse quod constituit muss sich der Erklärende also vorwerfen lassen, wenn er dem Verlangen des Gläubigers nicht nachgekommen ist, keinesfalls aber ohne Weiteres bereits im Moment nach seiner Erklärung. Die Erklärung in fr. 26 enthält also keinen kalendermäßig bestimmten Termin (dies certus), impliziert aber einen Zeitpunkt (dies incertus), den der Erklärungsempfänger selbst herbeiführen kann, zu dem das constitutum verfällt und die Nichtleistung sanktioniert wird. Ihre Auslegung führt zu einem bedingten und daher klagbaren constitutum493. 3. D. 13,5,31: 'in rationes meas pervenisse' Eine vierte, indirekt referierte Erklärung, für die derselbe Scaevola eine Haftung de constituta pecunia ablehnt, enthält ebenso wenig ein terminiertes Leistungsversprechen. ___________________________

492 Zur Stelle Rastätter, Marcelli notae 98 mit Literatur in Anm. 180. 493 Und nicht zu einem certus dies, der sich aus der notwendigen Reisezeit des Gläubigers errechnen ließe, so aber Roussier, Constitut 98 Anm. 4. Dies würde dazu führen, dass die Nichtleistung des Schuldners nur sanktioniert wäre, wenn sich der Gläubiger sofort auf den Weg zu ihm machte.

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D. 13,5,31 (Scaev. 5 dig.) Lucius Titius Seiorum debitor decessit: hi persuaserunt Publio Maevio, quod hereditas ad eum pertineret, et fecerunt, ut epistulam in eos exponat debitorem sese esse quasi heredem patrui sui confitentem, qui et addidit epistulae suae, quod in rationes suas eadem pecunia pervenit. quaesitum est, cum ad Publium Maevium ex hereditate Lucii Titii nihil pervenerit, an ex scriptura proposita de constituta pecunia conveniri possit et an doli exceptione uti possit. respondit nec civilem eo nomine actionem competere: sed nec de constituta secundum ea quae proponerentur. idem quaesiit, usurarum nomine quod ex causa supra scripta datum sit, an repeti possit. respondit secundum ea quae proponerentur posse.

„Lucius Titius starb als Schuldner der Sejer: Diese überzeugten (dessen Neffen) Publius Maevius, dass ihm die Erbschaft zustehe, und erreichten, dass er einen Brief an sie ausstellte, er sei Schuldner, der (sich? gewissermaßen?) als Erbe seines Onkels bekenne. Er fügte seinem Brief auch hinzu, dass dasselbe Geld in seine Buchführung eingegangen sei. Es wurde angefragt, ob, wenn aus der Erbschaft des Lucius Titius nichts an Publius Maevius gelangt ist, er aus dem angeführten Schriftstück wegen festgesetzten Geldes verklagt werden könne und ob er die Einrede der Arglist beanspruchen könne. Er hat geantwortet, über diese Forderung stehe einerseits keine zivile Klage zu; aber andererseits, nach dem, was vorgetragen wurde, auch nicht die wegen festgesetzten (Geldes). Derselbe fragte, ob das, was als Zins aufgrund des oben stehenden Schriftstücks gezahlt wurde, zurückverlangt werden könne. Er hat geantwortet, nach dem, was vorgetragen wurde, sei das möglich.“

Jemand bekennt sich dort als Schuldner kraft Erbgangs und erklärt, das geschuldete Geld sei „in seine Buchführung eingegangen“: in rationes suas pervenit. Secundum ea quae proponerentur − „nach dem, was vorgetragen ist“, kommt für Scaevola eine Haftung aus constitutum, nach der er explizit gefragt wird, nicht in Betracht. Sollte der Erklärung die Qualität eines constitutum abgehen, so doch sicher nicht wegen einer fehlenden, aber zwingend erforderlichen Leistungsterminierung − in diesem Fall wäre bereits die konkrete Anfrage, ob aus constitutum gehaftet werde, befremdend: Der Anfragende hätte keinerlei Vorstellung von constituere, würde aber den Juristen von vornherein auf die Prüfung gerade dieses Rechtsinstituts festlegen. Die Verneinung der Haftung aus constitutum durch Scaevola muss ihren Grund vielmehr in der von vornherein fehlenden Erbenhaftung finden. Unter dem „Brief“ (epistula) haben wir uns eine subjektiv stilisierte Urkunde vorzustellen494. Der AcI debitorem sese esse hängt von epistulam exponat ab; wird der Inhalt des Briefs derart wiedergegeben, so liegt für das Original eine Terminologie scripsi/fateor me debere oder schlicht debeo nahe. In den AcI ge___________________________

494 Die Basiliken (B. 26,7,31 − A IV 1301 Sch.; III 138 Hb.) geben epistulam exponere mit ἀσφαλίζεσθαι/ἠσφαλισά™ην wieder: „sichern“, konkreter: „eine Sicherungsurkunde (ἀσφαλεία) ausstellen“, entsprechend lat. cavere.

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hört confitentem495. Quasi heredem patrui sui confitentem meint wohl nicht, dass der Erklärende sich eigens als Erbe bekennt496, sondern dass er das Schuldbekenntnis abgibt (confiteri also in absoluter Verwendung) „in der Eigenschaft als Erbe seines Onkels“497. Der Brief muss also nicht die Erklärung beinhalten „Fateor me L. Titii heredem esse“, wohl aber einen Hinweis auf die Erbenstellung. Der Fall lässt sich demnach mit folgender beispielhaft rekonstruierten Urkunde illustrieren: [epistula:] [sese debitorem esse:] [quasi heredem patrui sui confitentem:] [Plural Seii (= Erben des Gläubigers?):] [Titius debitor decessit:] [et addidit ...]

'P. Maevius Seiis salutem. Scripsi me vobis debere HS (tot), quos L. Titius patruus meus defunctus, cui heres sum, a patre vestro (?) mutuos accepit, eosque HS (tot) qui supra scripti sunt in rationes meas pervenisse notum vobis facio.'

Ein Schuldanerkenntnis also, verbunden mit einer Erklärung über den Verbleib des Geldes. Von den Umständen der Leistung ist keine Rede. Weder wird die Rückzahlung terminiert, noch wird das Geld als jederzeit oder auf Abruf verfügbar bezeichnet.

___________________________

495 Hinge debitorem sese esse davon ab, wäre confitens (epistulam exponat) zu erwarten. Das adverbiale quasi heredem patrui sui lässt nicht unbedingt erkennen, ob sich Maevius tatsächlich zu seiner Erbenstellung äußert, vgl. die Übersetzung Zimmermanns in: Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, CIC III: „... ein Schreiben an sie zu verfassen, in dem er bekannte, als Erbe seines Onkels ihr Schuldner zu sein.“ 496 (Se) heredem (esse) confiteri und c o n s t i t u e re se heredem esse sind zwar eng verwandt, wie Varro ling. 7,5,98 im Zusammenhang des förmlichen Erbschaftsantritts, der cretio belegt: ‹crevi› valet constitui: itaque heres cum constituit se heredem esse, dicitur 'cernere', et cum id fecit, 'crevisse'. Für dieses Verständnis vermisst man in unserem Text aber se confitentem. 497 Zu quasi in dieser bei den Juristen häufigen Verwendung s. nur Heumann/Seckel, Handwörterbuch 485 s. v. quasi 3; vgl. etwa D. 18,5,8 (Scaev. 2 resp.): Titius Seii procurator defuncto Seio ab eo scriptus heres, cum ignoraret, fundum vendente servo hereditario, quasi procurator subscripsit; Titius zeichnet quasi procurator – „als Prokurator“, offensichtlich also unter Hinweis auf diese Stellung. D. 26,3,11,1 (Scaev. 20 dig.): Item quaesitum est, an iste curator satisdare nepotibus debeat. respondit quasi curatorem non debere, sed cum fideicommissum ab eo peti posset, fideicommissi nomine satisdare debere − Iste „muss nicht“ quasi curator – „als Pfleger“ Sicherheit leisten: Gemeint ist die spezielle cautio rem minoris salvam fore. In beiden Fällen wird an quasi deutlich, dass der Erklärende in Wahrheit nicht (mehr) procurator bzw. curator ist.

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Dass Maevius hinzufügte, das geschuldete Geld sei „in seine Rechnungen“ / „in seine Buchführung eingegangen“, lässt auf einen Eintrag im codex accepti et expensi schließen498. Warum ist dies für die Seii von Interesse? Es könnte sich um denselben Vorgang handeln, den Gaius in D. 16,1,13 pr. (9 ed. prov.) beschreibt, wo eine Erbschaftskäuferin aes alienum hereditarium in se transscribat. Sie übernimmt damit keine fremde, sondern eine eigene Verbindlichkeit: prima facie quidem alienam, re vera autem suam obligationem suscipiat. Gemeint ist, dass die Erbschaftskäuferin zwar nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Schuldnerin der Erbschaftsgläubiger wurde, aber aufgrund des Kaufs die Letztverpflichtete ist. Insofern ist die übernommene Schuld ohnehin sua obligatio; durch die Übernahme der direkten Haftung gegenüber den Gläubigern vergrößert sich nicht der Haftungsumfang; es entsteht keine Lage, die nach Sinn und Zweck (re vera) den Schutz durch das SC Velleianum auf den Plan rufen müsste. Thilo sieht im in rationes pervenire im Fall des Maevius zwar eine referierende Verbuchung, im aes alienum transscribere aus D. 16,1,13 pr. jedoch keine Eintragung in die Buchführung, sondern die Erklärung eines constitutum debiti alieni ('trans-') in Form eines chirographum ('-scribere')499. Eine Buchung der Schuldnerin könne in keinem Fall obligierende Kraft haben, insofern passe sie nicht zu den Problemen des SC Velleianum, eine Bezugnahme auf die römische Praxis der Buchführung passe auch nicht unbedingt in einen Kommentar zum Provinzialedikt. Tatsächlich spricht die Darstellung der transscriptio a persona in personam durch Gaius in 3,130, die nur (wenn auch veluti − „zum Beispiel“) den Fall erwähnt, in dem der Gläubiger (ego) verbucht: quod mihi Titius debet, tibi id expensum tulero, dagegen, dass auch der Schuldner in seinen Büchern entsprechende Umbuchungen schuldbegründend vornehmen könnte oder zur Gültigkeit jeder Litteralobligation vornehmen müsste: Es geht nur um die Eintragung als expensum in den Büchern des Gläubigers. Notwendiges Element ist aber der consensus der Parteien. Cicero spricht vom iussum des Schuldners an den Gläubiger, der Ermächtigung zum Eintrag500. Von dieser typischerweise schriftlich (per litteras) erfolgenden Ermächtigung leitet man mitunter die Bezeichnung der obligatio lit___________________________

498 Zur Terminologie vgl. D. 16,3,28 (Scaev. 1 resp.): 'Viginti quinque nummorum ... notum tibi ista hac epistula facio ad ratiunculam meam ea pervenisse', s. auch Petron. 53,7: 'anno priore' inquit actuarius 'et ideo in rationem nondum venerunt'; Suet. Nero 39,1: pestilentia unius autumni, quo triginta funerum milia in rationem Libitinae venerunt. 499 Thilo, Codex accepti et expensi 308 f.; Gröschler, Tabellae-Urkunden 367; Nelson/ Manthe, Gai Inst. III 88-181, S. 201 f. 500 Cic. Q. Rosc. 2: scripsisset ille, si non iussu huius expensum tulisset? − non scripsisset hic quod sibi expensum ferre iussisset? nam quem ad modum turpe est scribere quod non debeatur, sic improbum est non referre quod debeas. aeque enim tabulae condemnantur eius qui verum non rettulit et eius qui falsum perscripsit.

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teris ab 501 . Gleichzeitig stellt es Cicero als selbstverständlich dar, dass der Schuldner in der Folge eine entsprechende Verbuchung auch in seinen Büchern vornimmt. Von Gaius erfahren wir nichts über ein iussum oder die Ausgestaltung des consensus. Es lässt sich nicht ausschließen, dass man zu seiner Zeit wechselseitig eine Änderung der Bücher mitteilte. Was Gaius in D. 16,1,13 pr. mit in se transscribere bezeichnet, könnte also den gesamten Vorgang der transscriptio a persona in personam aus der Sicht des Schuldners meinen. Teilt Maevius den Seii mit, er habe die Schuld des Titius zu seinen Lasten verbucht, ließe sich darin zugleich die Ermächtigung der Empfänger erkennen, auch ihre Bücher, was die fragliche pecunia betrifft, auf Maevius umzustellen. Aus der Erbschaft des Titius ist „nichts an Maevius gelangt“. Dies bedeutet nicht nur, dass er nicht Erbe geworden ist, sondern auch, dass keinerlei Haftungsmasse im Wege der letztwilligen Verfügung (aus Legat oder Fideikommiss) auf ihn gekommen ist. Die Fallfrage zielt daher direkt auf die mögliche Bedeutung gerade der ausgestellten Urkunde ab; die Frage bezieht sich ausschließlich auf eine Haftung aus der actio de pecunia constituta und denkt bereits an eine mögliche exceptio doli dagegen. Scaevola scheint die Frage zunächst zu übergehen: Er verneint eine Haftung mit einer zivilrechtlichen Klage, ohne dass dies von der Frage in ihrer überlieferten Form veranlasst wäre502. Der Jurist scheint es für erforderlich zu halten, auf eine mögliche Haftung nach ius civile einzugehen, um den Fall erschöpfend zu begutachten503. Die zivilrechtliche Haftung aufgrund Rechtsnachfolge im Erbgang kann Scaevola kaum meinen. Aufgrund der Information in rationes suas pervenisse ließe sich aber an den Litteralvertrag denken, der zur actio certae creditae pecuniae führt. Selbst wenn Maevius den Posten in seine rationes eingetragen hat, wirkt dies freilich nicht in dem Sinne schuldbegründend, dass es auf die ursprüngliche Schuld nicht mehr ankäme. Wie bei der kausal formulierten stipulatio wird der Gläubiger mit seiner Klage abgewiesen, wenn er den Bestand der zugrundeliegenden Schuld nicht beweisen kann. Ohne dass das Geld tatsächlich an Maevius gelangt ist, ist seine Buchung unerheblich. Eine Klage wegen pecunia constituta, die nicht auf den Eintrag in den Büchern, sondern die epistula zurückginge, wird ebenso verneint, wobei auf den konkreten Sachverhaltsbericht Bezug genommen wird (secundum ea quae proponerentur). Denn es handelt sich um eine Erklärung über eigene Schuld, die in der Person des Maevius in Wahrheit nicht besteht. Die „salvatorische Klausel“ secundum ea

___________________________

501 Nelson/Manthe, Gai Inst. III 88-181, S. 504 ff. 502 Dass die Frage ursprünglich von de ‹credita aut de› constituta pecunia sprach und ein Abschreibeversehen mit einem Sprung bei dec ... vorliegt, ist zu spekulativ. 503 Gl. civilem ad h. l. versteht unter der fraglichen actio civilis eine actio hereditaria. Dass Scaevola explizit eine Erbenhaftung verneinen würde, nachdem bereits der Fragesteller ganz offensichtlich von deren Fehlen ausgeht, erscheint fragwürdig.

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quae ... macht es zumindest denkbar, dass Scaevola bei bestimmten zusätzlichen oder abweichenden Informationen anders entscheiden würde. Er geht von einer Sachverhaltsdarstellung aus, nach der sich Maevius über seine Erbenstellung geirrt und dieser Irrtum unmittelbaren Niederschlag im Brief gefunden hat. Hier spielen Beweisfragen und Vorinterpretationen durch den Fragensteller eine Rolle. Der Jurist muss daher betonen, dass er dessen Darstellung zugrundelegt. Dass Scaevola die Urkunde vor sich hatte, geht aus dem Text nicht hervor. Enthält sie in Wahrheit ein Schuldanerkenntnis des Maevius, das keinen Zusammenhang mit der Erbenstellung erkennen lässt, wäre ein anderes Ergebnis denkbar. Denn das Bekenntnis des Maevius zu seiner Erbenstellung macht die Erklärung über die Schuld zwangsläufig zu einer solchen suo nomine; unabhängig davon, ob ein constituere tatsächlich vorliegt, hätte es in jedem Fall ein debitum proprium zum Gegenstand. Ein solches debitum − 'ea pecunia' im Sinne der Klageformel de pecunia constituta − besteht aber nicht. Die Entscheidung Scaevolas beruht daher jedenfalls auf der fehlenden Abstraktheit des constitutum. Daran müssen jedoch zwei Fragen anknüpfen: (1) Würde die Erklärung bei tatsächlicher Erbenstellung des Maevius eine Haftung de pecunia constituta aufgrund eines constitutum debiti proprii begründen? (2) Würde die Erklärung bei fehlender Bezugnahme auf die eigene Erbenstellung bzw. bei Bezugnahme auf einen anderen Schuldner eine Haftung de pecunia constituta aufgrund eines constitutum debiti alieni begründen? Die Fragen lassen sich dahingehend vereinigen, dass es um die Qualifizierung der Erklärung eam pecuniam in rationes meas pervenisse als constituere geht. Der Vergleich mit fr. 26 führte zu der Annahme, dass Scaevola in fr. 31 den objektiven Erklärungstatbestand als constitutum anerkennen würde504. Wir haben bereits gesehen, dass die Verwahrungsterminologie bei Geldschulden andernorts eine Wendung hervorbringt, die dem in rationes pervenisse unserer Stelle genauestens entspricht: D. 16,3,28 (Scaev. 1 resp.)505 'Viginti quinque nummorum, quos apud me esse voluisti, ... ad ratiunculam meam ea pervenisse.'

Die Aussage ad ratiunculam meam pervenisse steht hier an der Stelle der Empfangsbestätigung eines Verwahrers. Die Urkunde gehört in ein Verhältnis, das von der actio depositi regiert wird. Ebenso wie D. 13,5,26 (habes penes me) benutzt D. 13,5,31 also Verwahrungsterminologie. In beiden Fällen steht die actio depositi freilich nicht zur Verfügung: Der Gläubiger hat das Geld beim Erklä___________________________

504 S. schon Bähr, Anerkennung als Verpflichtungsgrund 111 Anm. 6; anders zuletzt Scapini, Confessione I 225. 505 Übersetzung oben S. 164.

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renden nicht in Verwahrung gegeben. Während eine griechische Praxis die Rechtslage der Verwahrung durch Errichtung einer unbestreitbaren Urkunde über eine παραθήκη herbeiführen würde506, steht im römischen Recht die actio de pecunia constituta zur Verfügung, um den Erklärenden wie einen Verwahrer, nämlich auf das Interesse des Gläubigers an der umstandslosen (Rück-) Zahlung haften zu lassen. So wie bei der actio in factum concepta der actio depositi erst eine Situation herbeigeführt werden muss, in der von einem non reddidisse des Verwahrers gesprochen werden kann, der Hinterleger nämlich erfolglos die Rückgabe verlangt haben muss, so muss sich auch bei einem constitutum dieser Art der Zustand 'pecunia in rationibus' erst zu einer Handlungspflicht des Erklärenden konkretisieren, indem ihn der Erklärungsempfänger zur Leistung auffordert. Wird dann nicht gezahlt, liegt ein non fecisse des Erklärenden vor. 4. Ergebnis Wir kommen zu folgendem Ergebnis: Erklärungen über eine bestehende Schuld lassen sich als constituere qualifizieren, wenn sie eine Zusage enthalten, deren Einhaltung anhand der Formelklausel neque fecisse messbar ist. Dafür eignen sich die Zusage der Leistung an einem kalendermäßig bestimmten Termin, derjenigen bei Eintritt einer bestimmten Bedingung, aber auch derjenigen bei Vorlage bestimmter Dokumente oder auf Abruf. Dass ein constitutum ohne kalendermäßig bestimmten Termin nicht denkbar oder auch nur außergewöhnlich wäre, entspricht nicht dem Befund in den Digesten.

§ 3. Konkurrenz des constitutum zu förmlichen Erklärungen Konkurrenz des constitutum zu förmlichen Erklärungen I. Stipulatio inutilis und constitutum: D. 13,5,1,4 Massive Probleme bereitet seit jeher: D. 13,5,1,4 (Ulp. 27 ed.) Eum, qui inutiliter stipulatus est, cum stipulari voluerit, non constitui sibi, dicendum est de constituta experiri non posse, quoniam non animo constituentis, sed promittentis factum sit507.

Das formlose constituere ist nicht im förmlichen Stipulationsversprechen enthalten. Die Wiedergabe der Stelle in den Basiliken bringt dies auf den Punkt: B. 26,7,1,4 (A IV 1297 Sch.; III 134 Hb.) Ἡ ἄχρηστο̋ ἐπερώτησι̋ οὐ ποιεῖ „Die unwirksame 'Frage' (= stipulatio) macht ἀντιφώνησιν. keine 'Antwort' (= constitutum).“ ___________________________

506 S. oben S. 165 ff. 507 Übersetzung oben S. 74.

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In den Basiliken fehlt nicht nur die Begründung der Entscheidung508; auch der Tatbestand ist verkürzt. In den Digesten (eum − sibi) ist er objektiv durch eine unwirksame Stipulation, subjektiv durch den Willen (voluerit) des Gläubigers gekennzeichnet, der sich auf eine Stipulation, nicht auf ein constitutum bezog. Die Entscheidung (dicendum − posse), er könne nicht aus constitutum vorgehen, wird mit dem entsprechenden Bewusstsein (animus) des Schuldners begründet (quoniam − sit). Von seiner inneren Einstellung ist freilich im Tatbestand keine Rede. Der vollständige Wechsel der Perspektive überrascht. Lässt sich der Schuldnerwille, nicht aber die Gläubigerabsicht aus dem Äußeren des Geschäfts ableiten? Soll sich der animus promittentis des Schuldners zwangsläufig aus dem stipulari voluerit des Gläubigers ergeben? Warum wird Letzteres im Tatbestand erwähnt, ohne in der Begründung vorzukommen? 1. Differenzierung nach dem animus in der Ulpian-Überlieferung Gibt man diesen Zweifeln an der Echtheit des Textes nach, stößt man509 auf ein verwandtes Phänomen in D. 2,14,7,12 (Ulp. 4 ed.) Quod fere novissima parte pactorum ita solet inseri 'rogavit Titius, spopondit Maevius', haec verba non tantum pactionis loco accipiuntur, sed etiam stipulationis: ideoque ex stipulatu nascitur actio, nisi contrarium specialiter adprobetur, quod non animo stipulantium hoc factum est, sed tantum paciscentium.

„Was das betrifft, dass fast ganz am Ende der Abmachungen für gewöhnlich folgende Klausel aufgenommen wird: 'Titius hat gefragt, Maevius hat es gelobt', so werden diese Worte nicht nur als Wiedergabe einer Abrede, sondern auch als die einer Stipulation verstanden. Und deshalb ergibt sich eine Klage aus Stipulation, es sei denn, das Gegenteil wird besonders bewiesen, dass dies (nämlich) nicht in der Absicht/im Bewusstsein von Parteien einer Stipulation, sondern lediglich von solchen einer Abrede geschehen ist.“

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508 Was für sich genommen keinerlei Argument für eine Interpolation des Digestentextes ist; insofern unklar Astuti, Costituto di debito II 257 mit Anm. 22. Nach Art eines Index werden in diesem Bereich der Basiliken lediglich die Kernaussagen unter Verzicht auf Hinführungen und Begründungen referiert. Der anschließende § 5 etwa, der in der Digestenüberlieferung zunächst die Frage nach der Möglichkeit eines constitutum über aliud quam quod debetur aufwirft, um sie sodann mit der Begründung zu bejahen, auch rem pro re zu leisten sei anerkannt, und mit einem Beispiel zu illustrieren, erscheint in den Basiliken (B. 26,7,1,5; A IV 1297 Sch.; III 135 Hb.) als schlichter Satz: „Eines anstelle eines anderen (ἕτερον ἀνθ' ἑτέρου; aliud pro alio) wird geleistet und 'geantwortet' (= konstituiert).“ Die Worte des vorangehenden § 2, der pupillus als Erklärender des constitutum sei im Edikt nicht eigens bedacht (de pupillo etsi nihil sit expressum edicto), sind mit großer Sicherheit echt. Dass sie in den Basiliken nicht erscheinen, ist nicht weiter auffällig. 509 So schon Astuti, Costituto di debito II 258 mit Literatur in Anm. 24.

Konkurrenz des constitutum zu förmlichen Erklärungen

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Es geht um das „Einsetzen“ (inserere) eines objektiv formulierten Satzes, eines „Textbausteins“ am Ende von Verträgen. Gemeint sind Vertragsurkunden, die die vielfach belegte Stipulationsklausel enthalten (... rogavit/stipulatus est ... spopondit; gr. ἐπερωτηθεὶ̋ ὡ™ολόγησεν ‒ „auf Befragen hat er zugestimmt“)510. Versteht man fere novissima parte als „fast ganz am Ende“, dürfte damit gemeint sein, dass etwa noch der actum-Vermerk mit Ort und Datum („Geschehen zu ... am ... im Konsulat von ...“) sowie gegebenenfalls die Namen der Zeugen folgen. Die fragliche Klausel gibt nicht nur wieder, dass die Parteien sich geeinigt haben (pactio also weniger als Inhalt denn als Vorgang des Vertragsschlusses), sondern darüber hinaus, dass sie eine Stipulation abgeschlossen haben. Daraus ergibt sich eine Klage ex stipulatu, es sei denn Gegenteiliges, nämlich das Fehlen des besonderen Stipulationswillens, werde bewiesen. Mit D. 13,5,1,4 hat die Stelle nicht nur die Terminologie des animus mit dem Genitiv des Partizips Präsens gemeinsam, sondern auch die Verwendung des offen gehaltenen factum esse. quoniam quod

non animo constituentis, non animo stipulantium,

sed promittentis sed tantum paciscentium hoc

factum sit factum est

D. 2,14,7,12 stellt gleichzeitig auf beide Parteien ab: Sie sind beide stipulantes oder paciscentes. In D. 13,5,1,4 ist dies in dieser Form nicht möglich: Der Empfänger eines constitutum wird, auch wenn bei Ulpian vom consensus der Parteien die Rede ist, doch nirgends als Subjekt des constituere, als constituens bezeichnet. Die Parteien lassen sich hier nicht mit einem einheitlichen Plural „constituentes“ zusammenfassen. Aber auch eine strukturelle Verwandtschaft der beiden Digestenstellen lässt sich darin erkennen, dass die Entscheidung in D. 13,5,1,4 eine Art verdoppelter Motivation aufweist − bereits im Tatbestand wird die Gläubigerabsicht herausgestellt, der Schuldnerwille folgt in der Begründung –, während D. 2,14,7,12 die Ausnahme von der Begründung der actio ex stipulatu zweistufig beschreibt: Würde die Stelle nach adprobetur enden, so ergäbe sich schon daraus, dass ein Nachweis darüber geführt werden kann, dass die Klausel nicht „für eine Stipulation steht“. Dies führt nicht zwangsläufig zu den Absichten der Parteien, zum quod actum est bei Aufnahme der Klausel und damit zu subjektiven Elementen. Vielmehr muss der Erfolg einer actio ex stipulatu auch verhindert werden können, indem der Schuldner beweist, dass der objektive Tatbestand der stipulatio in Wahrheit nicht vorliegt, die Parteien nämlich nicht bei gleichzeitiger Anwesenheit Frage und Antwort ausgetauscht haben; dass die Worte der Urkunde also in Wahrheit nicht für eine erfolgte Stipulation (stipulationis loco) stehen. Die ___________________________

510 Mit dieser Klausel setzen sie auch die Basiliken und Basiliken-Scholien gleich (insbes. Scholion ὁ δεῖνα ἐπηρώτησε zu B. 11,1,7 − B I 201 Nr. 25 Sch.; I 571 Hb.). S. dazu Pringsheim, Stipulations-Klausel 212 ff.; Simon, Praxis der Stipulationsklausel 13 ff.; Nörr, Rez. Simon 399.

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Arbeit der Juristen am Edikt

Klausel begründet die widerlegbare Vermutung, dass eine (mündliche) stipulatio erfolgt ist. Solange nicht vom Schuldner das Gegenteil bewiesen wird, kann der Gläubiger erfolgreich ex stipulatu vorgehen511. Der Satz quod − paciscentium verengt den Inhalt des contrarium jedoch und führt dabei in eine ganz andere Richtung: Nicht die fehlende mündliche Vornahme der Stipulation ist demnach Gegenstand des Beweises, sondern der fehlende Stipulationswille − als hätte man nach außen hin jedenfalls eine Stipulation vorgenommen. Es scheint also, dass als objektiver Stipulationstatbestand allein die Aufnahme der Klausel in die Urkunde (inserere) ausreicht. Sollte dies daran liegen, dass die objektive Vermutungswirkung der Klausel so stark ist, dass sie nicht mehr durch Gegenbeweis beseitigt werden kann, fragt man sich, warum dies nicht auch für den Stipulationswillen gilt. Wenn mit hoc factum est nicht die Aufnahme der Klausel in die Urkunde gemeint ist, sondern das tatsächliche spopondisse des Schuldners auf Befragen des Gläubigers, wie sollte sich dann der Beweis gestalten, dass dies nicht in der Absicht einer Stipulation, sondern eines pactum erfolgt ist? Kommt dies bei jeder Stipulation in Frage? Dies wird man eindeutig verneinen können. Hoc factum/facere muss daher die Aufnahme der Stipulationsklausel in die Urkunde meinen; doch dann zeichnet sich ein juristisches Unding ab: die materielle Anerkennung der schriftlichen Stipulation. Dem klassischen Recht ist sie fremd; jeder einzelne Beleg, der in den Zusammenhang des „Übergangs der Stipulation vom Verbal- zum schriftlichen Vertrag“ gebracht wird, beschreibt in Wahrheit Fragen des schriftlichen Beweises und der Vermutung des mündlichen Abschlusses, insbesondere: Lässt sich bei dokumentiertem Stipulationsversprechen des Schuldners und nachweisbarer Anwesenheit beider Parteien unterstellen, dass der Gläubiger die Stipulationsfrage gestellt hat512? Eine klagbare Stipulation aus der Aufnahme einer Urkundsklausel in Verbindung mit dem animus stipulantium zu konstruieren, hat damit nichts mehr zu tun513. ___________________________

511 Wer den Text bei nascitur actio enden lässt, muss den „die Stipulationsklage begründenden Thatbestand“ (Eisele, Beiträge zur Erkenntnis der Digesteninterpolationen 300) in der Aufnahme der Stipulationsklausel erkennen. Mit der Vermutungswirkung der Klausel für die Vornahme der Stipulation lässt sich dies zwar erklären. Dass die Vermutung zur Zeit Ulpians nicht widerlegbar gewesen wäre, lässt sich ausschließen. 512 D. 45,1,134,2 (Paul. 15 resp.); C. 8,37,1 (200 n. Chr.). Auch PS. 5,7,2 verzichtet nicht auf die Voraussetzung der Anwesenheit beider Parteien; es geht weiterhin um die Vermutung der Frage bei dokumentierter Antwort: Quod si scriptum fuerit instrumento promisisse aliquem, perinde habetur atque si interrogatione praecedente responsum sit, auch wenn sich das Verständnis mittlerweile in Richtung auf eine unwiderlegliche Vermutung des Verbalakts verschoben haben mag; Pringsheim, Stipulations-Klausel 218; Simon, Praxis der Stipulationsklausel 33; Nörr, Rez. Simon 402 Anm. 23. 513 Dass die oben S. 72 genannte Konstitution Leos von 472 n. Chr., C. 8,37,10, den schriftlichen Abschluss der Stipulation ermöglicht hätte, wird in der Literatur weithin

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Die Spannung, die in beiden Stellen durch den abschließenden animo-factumSatz entsteht, hat gewisse Ähnlichkeiten: In D. 13,5,1,4 kommt es völlig unvermittelt auf die innere Einstellung des Schuldners an, ohne dass der fehlenden voluntas des Gläubigers weitere Beachtung geschenkt würde; in D. 2,14,7,12 rückt die innere Haltung der Parteien ins Blickfeld, ohne dass der objektive Stipulationstatbestand Berücksichtigung gefunden hätte. Die beiden Nebensätze über den animus sind nach ihrer Form und Problematik also eng verwandt. Lässt man D. 2,14,7,12 nach adprobetur enden, hat die Stelle einen prägnanten Sinn über die Vermutungswirkung der Stipulationsklausel und ihre Widerlegbarkeit. Bis zu diesem Punkt ist der Text auch sprachlich unverdächtig: nisi contrarium specialiter adprobetur ist mehrfach belegt514. Worin das contrarium besteht, wird andernorts mit id est ... wiedergegeben, meistens aber überhaupt nicht: Es ergibt sich dann aus dem Vorhergehenden. Dem überaus häufigen Wort ideoque515 irgendeine Indizwirkung für Interpolation zuzuweisen516, erscheint gänzlich unbegründet. Der folgende quod-Satz aber schließt ungewöhnlich an contrarium adprobetur an. Vergleichsstellen sind nicht vorhanden. Das häufige (huic) non contrarium est, quod ... − „dem widerspricht nicht, dass ...“ ist eine ganz andere Konstruktion517. Außerdem wechselt der Text vom Konjunktiv adprobetur 518 zurück in den Indikativ; zu erwarten wäre statt factum est: factum sit.

___________________________

514

515 516 517 518

zugrundegelegt (s. nur Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht 49; weitere Literatur bei Salazar Revuelta, Forma litteris 508 Anm. 12), findet im Text aber keinerlei Anhaltspunkt. Weder deutet die Verwendung von verba auf einen Schriftakt, noch stipulationem componere auf eine Urkunde. Nichts anderes gilt für I. 3,15,1. Vgl. z. B. D. 2,11,2 pr. (Ulp. 74 ed.): nisi contrarium specialiter partibus placuerit; Interpolationsverdacht („typisch byzantinisch“) noch bei Behrends, Zwölftafelprozeß 79 f. mit Literatur in Anm. 275; D. 34,3,5,3 (Ulp. 21 Sab.): nisi evidenter approbetur contrarium sensisse testatorem; D. 23,3,57 (Iav. 1 Plaut.): nisi evidentissime contrarium adprobetur; D. 32,33,2 (Scaev. 15 dig.): nisi contrarium ab herede approbetur. Pringsheim, Stipulations-Klausel 212 hält den Text ab nisi contrarium für interpoliert; zustimmend zuletzt Cimma, De non numerata pecunia 19 f. mit weiterer Literatur; Sacconi, Ricerche sulla stipulatio 156. In den Digesten begegnet es über zweihundert Mal, in den Gaius-Institutionen immerhin elfmal. So Pringsheim, Stipulations-Klausel 213. Weder für contrarium quod ... „das Gegenteil, das darin besteht, dass ...“, noch für adprobatur quod ... „es wird bewiesen, dass ...“ finden sich weitere Belege. Schon den Konjunktiv im nisi-Satz hält Gradenwitz, Interpolationen in den Pandekten 80 für „unrichtig“.

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Stipulantes als Parteien einer Stipulation519 begegnen nur ein weiteres Mal in den Quellen: Die Justinianischen Institutionen gebrauchen die Bezeichnung, wo sie in der Parallelstelle der gajanischen Vorlage fehlt520 − insofern eine eindeutige „Interpolation“. Neben die inhaltlichen Probleme mit animus und factum est treten im Schlusssatz von D. 2,14,7,12 also nicht weniger als drei sprachliche Auffälligkeiten. 2. Animus und quod actum est Es spricht daher einiges dafür, dass in beiden Stellen der letzte Nebensatz über die Bedeutung des animus auf eine spätere Ergänzung oder Ersetzung zurückzuführen ist, die die Problematik jeweils erläutern will, indem sie den Parteiwillen als maßgebliches Kriterium erkennt. Dass der oder die Bearbeiter an zwei derart weit auseinanderliegenden Stellen, die verschiedenen Massen der justinianischen Kompilation angehören, zu derart parallelen Formulierungen gelangen, ist am besten damit erklärbar, dass die Texte bereits bei Ulpian parallel strukturiert waren. Ulpian muss es in D. 13,5,1,4 darauf angekommen sein, dass der Gläubiger hinter seine Wahl der Stipulation nicht zurück kann; in D. 2,14,7,12 darauf, dass die Urkundenklausel die tatsächliche Vornahme der Stipulation nicht entbehrlich macht. In beiden Fällen geht es um die Formstrenge des zivilen Rechtsgeschäfts; in beiden Fällen könnte ursprünglich davon die Rede gewesen sein, quid/quod actum sit.

In D. 2,14,7,12 davon, was tatsächlich geschehen ist 521 ; in D. 13,5,1,4 davon, welches Geschäft samt zugehörigem Rechtsschutz der Gläubiger anstrebte. Also etwa (dem Inhalt nach): D. 2,14,7,12: ... quod actum sit enim quaerendum est. D. 13,5,1,4: ... quoniam quaerendum est quid actum sit.

Die Texte in ihrer jetzigen Gestalt wären der Versuch, eine allzu knappe Ausdrucksweise Ulpians durch einen ausführlichen Gedanken zu ersetzen. Die Zielsetzung bestand dann nicht in der Durchsetzung einer „byzantinischen animus___________________________

519 In D. 50,17,18 (Pomp. 6 Sab.), C. 6,42,23 (Diocl./Max., 293 n. Chr.), I. 3,16 pr.-1 meint stipulantes ausschließlich Stipulationsgläubiger. 520 I. 3,15,1: Utrum autem Latina an Graeca vel qua alia lingua stipulatio concipiatur, nihil interest, scilicet si uterque s t i p u l a n t i u m intellectum huius linguae habeat; vgl. Gai. 3,93: et quamvis ad Graecam vocem expressae fuerint, velut ..., etiam hae tamen inter cives Romanos valent, si modo Graeci sermonis intellectum habeant. 521 Vgl. zur widerlegbaren Vermutung der stipulatio acta aufgrund der Beurkundung noch C. 8,37,14,2 (Just. 531 n. Chr.): Et si inter praesentes partes res a c t a esse dicitur, et hoc esse credendum, ... n i s i is, qui dicit sese vel adversarium abesse, liquidis ac manifestissimis p ro b a t i o n i b u s ... o s t e n d e r i t sese vel adversarium suum eo die civitate afuisse ...

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Doktrin“, sondern in der umfassenden Absicht, den Text im Sinne Ulpians besser verständlich zu machen. Sie kann sich ganz verschieden darstellen und mag sich beim Gros des Materials unserem Auge entziehen; bei sprachlich parallelen Ulpian-Stellen aber führt sie zwangsläufig zu parallelen Ergebnissen. Sie wird erkennbar, wo sie, wie in unseren beiden Stellen, misslingt522. Denn die Gleichsetzung des quid actum est mit dem Willen der (beiden) Parteien, dessen Alternativen sich darstellen lassen, funktioniert zweifellos in den meisten anderen Fällen; in D. 13,5,1,4 aber kann es nicht den Schuldner gemeint haben, in D. 2,14,7,12 nicht den (bloßen) Willen. Dies bedeutet jedoch weder für D. 2,14,7,12, dass deshalb auch die Worte ideoque – adprobetur zu verdächtigen wären, noch für D. 13,5,1,4, dass der Satz cum stipulari voluerit, non constitui sibi eine Glosse darstellen würde523. Jedenfalls auf den Willen des Gläubigers kommt es in D. 13,5,1,4 daher an; er muss sich an der von ihm gewollten stipulatio festhalten lassen − und an ihrer Unwirksamkeit. 3. 'Gegenentscheidungen' zur acceptilatio inutilis Seit dem Hohen Mittelalter524 wird D. 13,5,1,4 in Kontrast zu D. 2,14,27,9 (Paul. 3 ed.) und D. 46,4,8 pr. (Ulp. 48 Sab.) gebracht525: ___________________________

522 Vgl. D. 42,4,7,5 (Ulp. 59 ed.): Sed is, qui fraudationis causa latitet, non tamen propter creditores, etsi haec latitatio creditores fraudet, in ea tamen erit causa, ne hinc possideri bona eius possint, quia non hoc animo latitet, ut fraudet creditores: animus enim latitantis quaeritur, quo animo latitet, ut fraudet creditores an alia ex causa. Der zweite Satz wirkt nach dem Vorangehenden nicht nur schwerfällig wiederholend; animus latitantis quaeritur, quo animo latitet, ut ... ist unbeholfen verdoppelt, der Anschluss des ut-Satzes fragwürdig. Solazzi, Revoca degli atti fraudolenti 113 Anm. 1 spricht von einem „glossema evidente“. Für den ursprünglichen Text ist zu vermuten: quaeritur enim, quid actum est − „denn entscheidend ist die Absicht“. In D. 43,16,3,6 (Ulp. 69 ed): Si quis autem visis armatis, qui alibi tendebant, metu hoc deterritus profugerit, non videtur deiectus, quia non hoc animo fuerunt qui armati erant, sed alio tendebant, fällt auf, dass die Begründung schlicht den Sachverhalt übernimmt (alibi tendebant − alio tendebant). Zu Verdächtigungen gegen den quia-Satz s. Index interpolationum III 291. Auch hier dürfte Ulpian ursprünglich schlicht auf die Absicht abgestellt haben: quia hoc non actum est. 523 So aber Beseler, ZRG RA 47 (1927) 358; Pringsheim, Animus in Roman Law 323; Astuti, Costituto di debito II 257; Solazzi, Estinzione 265; Giuffrè, Utilizzazione degli atti giuridici 327. 524 Gl. non animo zu D. 13,5,1,4 (unten S. 196); Literatur bei Astuti, Costituto di debito II 259 Anm. 28. 525 S. auch D. 46,4,19 pr. (Ulp. 2 reg.): Unwirksame acceptilatio über Realverbindlichkeit generiert exceptio doli mali vel pacti conventi (s. unten S. 189); D. 18,5,5 pr. (Iul. 15 dig.): Unwirksame acceptilatio über Ansprüche aus Kauf behält Geltung po-

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D. 2,14,27,9 Si acceptilatio inutilis fuit, tacita pactione id actum videtur, ne peteretur. D. 46,4,8 pr. (nach Codex Florentinus, F) An inutilis acceptilatio utile habeat pactum, quaeritur: et nisi in hoc quoque contra sensum est, habet pactum. ...

„Wenn der förmliche Erlass unwirksam war, so scheint mittels einer stillschweigenden Vereinbarung verabredet worden zu sein, dass nicht geklagt werde.

Es wird gefragt, ob der unwirksame förmliche Erlass eine wirksame Abrede enthält. Und wenn man nicht auch darin gegenteiliger Ansicht war, enthält er eine Abrede.“

Eine unwirksame acceptilatio liegt vor, also der förmliche Erlass einer Stipulationsschuld in Frage und Antwort (Acceptum habesne? − Habeo!), der sich gleichsam als Konträrakt der Stipulation begreifen lässt. Die Unwirksamkeit kann sich, wie bei der stipulatio, daraus ergeben, (1) dass Frage und Antwort nicht unter Anwesenden ausgetauscht wurden (Formmangel); (2) dass Frage und Antwort nicht übereinstimmen (Inkongruenz); aber auch darin, (3) dass es sich bei der zu erlassenden Forderung um keine Stipulationsschuld handelt. Zu allen drei Fällen finden sich Bemerkungen im 47. und 48. Buch von Ulpians Sabinus-Kommentar: (1) D. 45,1,1,2 (Ulp. 48 Sab.) zur stipulatio ... in ea causa est, ut obligetur. Contra si sine verbis adnuisset. Non tantum autem civiliter, sed nec naturaliter obligatur, qui ita adnuit ... (2) D. 46,4,6 (Ulp. 47 Sab.) dummodo illud sciamus, si ego aliud accepto tuli, aliud tu rogasti, nihil valere acceptilationem. (3) D. 46,4,8,3 (Ulp. 48 Sab.) Acceptum fieri non potest, nisi quod verbis colligatum est: acceptilatio enim verborum obligationem tollit, quia et ipsa verbis fit: neque

„... befindet sich in der Lage, dass er verpflichtet wird. Das Gegenteil (würde gelten), wenn er wortlos genickt hätte. Wer aber in diesem Fall nickt, wird nicht nur nicht nach Zivilrecht, sondern auch nicht auf natürliche Weise verpflichtet ... Sofern wir uns nur bewusst bleiben, dass der förmliche Erlass ungültig ist, wenn ich das eine für empfangen erklärt habe, du aber nach dem anderen gefragt hast. Ein förmlicher Erlass kann nicht vorgenommen werden, wenn die Schuld nicht durch Verbalakt zustandekam. Denn der förmliche Erlass hebt eine Verbalobligation auf, weil er auch selbst durch

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testate conventionis (unten S. 188). Nach Beseler, ZRG RA 47 (1927) 358 sind sämtliche Stellen durch Interpolation ins Gegenteil verkehrt.

Konkurrenz des constitutum zu förmlichen Erklärungen enim potest verbis tolli, quod non verbis contractum est.

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Verbalakt erfolgt. Es kann nämlich nicht durch Verbalakt aufgehoben werden, was nicht durch Verbalakt zustandekam.“

Die aus einem dieser Gründe unwirksame acceptilatio zeitigt ein wirksames pactum de non petendo, wie es Paulus unter Zuhilfenahme der Vorstellung einer tacita pactio für alle Fälle postuliert. Zumindest nach der Lesart der Florentiner Digestenhandschrift (F) kommt Ulpian in D. 46,4,8 pr. grundsätzlich zu einem entsprechenden Ergebnis, auch wenn er die Möglichkeit einer Ausnahme im Fall eines contra sentire erkennt. Seine Meinung vertritt er bei der Kommentierung des Zivilrechts des Sabinus. Wenn Ulpian in D. 13,5,1,4 für die unwirksame Stipulation ein wirksames constitutum (das sich doch womöglich als besonderes pactum 'de solvendo' verstehen ließe) generell verneint, scheint dies in einem erklärungsbedürftigen Spannungsverhältnis zu seiner Entscheidung in D. 46,4,8 pr. nach der genannten Überlieferung zu stehen. 4. Funktionsverschiedenheit von stipulatio und constitutum? Für Ulpian habe sich − so liest man − die Aufrechterhaltung der unwirksamen Stipulation als constitutum deshalb verboten, weil die beiden Rechtsgeschäfte unterschiedliche praktische Zwecke verwirklichen sollten und unterschiedlichen Rechtsschutz zeitigten. Eine Umdeutung hätte daher den Zielen der Parteien nicht entsprochen: „nè rispettata la volontà presuntiva di esse“526. Schon Windscheid sieht den Unterschied der Lösungen bei acceptilatio/pactum und stipulatio/constitutum darin, dass im einen Fall die Rechtsgeschäfte in ihrem „Wesen“ übereinstimmen, im anderen sich in ihren „Wirkungen“ unterscheiden: „Selbst da nehmen unsere Quellen keinen Anstand, es für das Wahrscheinlichste zu halten, daß der Urheber des Rechtsgeschäfts Wirkung desselben nicht bloß nach dem zunächst ins Auge gefaßten Rechtssatz gewollt habe, wo die Wirkung, welche es nach diesem gehabt haben würde, bloß im Wesen mit derjenigen übereinkommt, welche sich aus dem wirklich zutreffenden Rechtssatz ergibt, nicht aber in allen Eigenschaften, so namentlich bei acceptilatio und pactum de non petendo. Wenn dagegen der wirklich zutreffende Rechtssatz eine Wirkung ganz anderer Art erzeugt, als der ins Auge gefaßte, wenngleich eine Wirkung, welche im allgemeinen dieselbe Richtung verfolgt, so ist ohne ausdrückliche Erklärung des Urhebers des Rechtsgeschäfts nicht anzunehmen, daß auch diese Wirkung anderer Art gewollt sei. Daraus erklären sich die Entscheidungen in l. 1 § 4 D. 13,5 ...“527.

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526 Astuti, Costituto di debito II 262. 527 Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts 431 Anm. 14; s. auch Levy, Rez. Mél. Fournier 648.

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Demnach müsste beim constitutum eine „Wirkung ganz anderer Art“ zu beobachten sein, die jedoch „dieselbe Richtung verfolgen“ kann wie diejenige der stipulatio. Wirkungsunterschiede zwischen stipulatio und constitutum lassen sich durchaus erkennen: (1) Der Beweis für das Bestehen der Hauptschuld bleibt beim constitutum auf Seiten des Gläubigers, bei einer − abstrakt formulierten − stipulatio trifft der Beweis des Nichtbestehens der zugrundeliegenden Schuld den Versprechenden resp. Beklagten: Zu seinen Gunsten wird eine exceptio eingeschaltet, deren Tatbestand er zu beweisen hat. (2) Die Haftung aus constitutum tritt stets neben die aus der Hauptschuld, die Stipulation hingegen ist grundsätzlich zur Novation fähig. Sollte die unwirksame Stipulation also nach dem Parteiwillen novierend wirken, kann eine Aufrechterhaltung als klagbares constitutum neben der weiterhin klagbaren Hauptschuld nicht den Absichten entsprechen. (3) Die Klage aus Stipulation auf certa pecunia ist mit der sponsio tertiae partis versehen, diejenige aus constitutum mit der sponsio dimidiae partis. Das Risiko des Schuldners im Falle seines Bestreitens ist also intensiver. Doch weder müssen diese generell möglichen Wirkungsunterschiede im Einzelfall betroffen sein, noch können sie durchweg den Schutz des Schuldners durch ein Verbot der Umdeutung begünstigen. (1) Unter dem Aspekt der Beweislast ist die Haftung aus constitutum für den Schuldner nicht von Nachteil. (2) Die Novation ist nicht bei jeder Stipulation beabsichtigt und möglich. Auch könnte das Ziel der Novation, was die Befreiung des Schuldners von der ursprünglichen Schuld betrifft, bei Scheitern der Stipulation zumindest mit einer exceptio gegen das weitere Vorgehen des Gläubigers aus der Hauptschuld verwirklicht werden. (3) Die prozessualen Strafsponsionen müssen im Ergebnis keinen Unterschied machen: Eine Klage aus constitutum, der der einfache Betrag zugrundeliegt, belastet den Schuldner nicht mehr als eine solche aus Stipulation des Kapitals und einer Vertragsstrafe. Es sind somit Stipulationen zumindest denkbar, deren Wirkungen mit denen eines constitutum übereinstimmen oder ausschließlich zulasten des Schuldners über diese hinausgehen. Dass eine unwirksame Stipulation, die dem Schuldner keinerlei Vorteile gegenüber der Haftung aus constitutum gebracht hätte, nicht als constitutum aufrechterhalten werden kann, sondern einem uneingeschränkten Verbot der Umdeutung unterliegt, lässt sich also nur schwer mit einer unterschiedlichen Funktionsweise und den materiellen Regelungszielen der Parteien begründen.

Konkurrenz des constitutum zu förmlichen Erklärungen

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5. Keine Hilfsbegründung des Klägers? Babusiaux sieht den Unterschied der Lösungen vor dem Hintergrund der Editionspflicht der Parteien528. Der Schuldner, der an der Wirksamkeit der acceptilatio zweifelt, könne bei der Vorbereitung des Prozesses in iure sowohl den förmlichen Erlass als auch − gewissermaßen hilfsweise − ein pactum de non petendo geltend machen, um vorsorglich die Aufnahme einer exceptio pacti in die Prozessformel zu erreichen. Während sich die Verteidigung des Beklagten derart staffeln lasse, sei dies beim Vortrag des Klägers nicht möglich, was die Alternativen stipulatio und constitutum betrifft: Er müsse genau beschreiben, mit welchem Rechtsmittel er vorgehen will. Dies begründet noch nicht, warum der Kläger in unserem Fall nicht ausschließlich aus constitutum vorgehen darf. Vielmehr muss dazu des Weiteren angenommen werden, dass bereits die Wahl der „Form der stipulatio“ bei Vornahme des Rechtsgeschäfts den zukünftigen Kläger auf sein Rechtsmittel festlegt529. Damit sind wir beim Gedanken einer Rechtswahl des Gläubigers angelangt, seiner Entscheidung für das ius civile. Will er die stipulatio, verzichtet er gleichzeitig auf den prätorischen Schutz. Die gewählte Form wird in der Regel auf diesen Willen schließen lassen. Doch ist die Form für Ulpian sekundär. Hätte der Gläubiger ein constitutum gewollt, so hätte er es in der von ihm gewählten Form, die mit derjenigen der stipulatio zumindest zu tun haben muss (andernfalls könnte Ulpian nicht von inutiliter stipulari sprechen), verwirklichen können. 6. Kein Anlass für prätorischen Rechtsschutz? Würde der Prätor die vom Gläubiger gewollte Stipulation, gleich ob wirksam oder unwirksam, als klagbares constitutum anerkennen, griffe er in die zivile Haftungsordnung ein, ohne dass eine ungewollte Schutzlücke erkennbar wäre. Bei Wirksamkeit der Stipulation ist der Gläubiger geschützt; die Regeln über die Unwirksamkeit von Stipulationen sind nichts, was der Prätor korrigieren müsste. Die Konkurrenz der beiden Haftungsordnungen bringen die Justinianischen Institutionen und ihr Redaktor Theophilos in seiner griechischen Paraphrase fast textgleich zum Ausdruck530: I. 4,6,9 In personam quoque actiones ex sua iurisdictione propositas habet praetor. veluti de pecunia constituta. ...

Theoph. 4,6,8-9 ... καὶ personalías ὁ praétωr ἐπενόησεν, οἷον τὴν pecuniae constitutae.

___________________________

528 Id quod actum est 123 f. 529 Babusiaux, Id quod actum est 124. 530 Astuti, Costituto di debito II 317.

„Auch persönliche Klagen hat der Prätor aus seiner Rechtsprechung eingeführt, zum Beispiel die Klage de pecunia constituta.

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Arbeit der Juristen am Edikt αὕτη γὰρ οὐκ ἔστι πολι5 τική. ...

Diese ist nämlich nicht zivil. ...

De pecunia autem constituta cum omnibus agitur, quicumque vel pro se vel pro alio soluturos se constituerint,

Ἡ δὲ 'pecuniae constitutae' ... κατὰ παντὸ̋ κινεῖται ἀντιφωνήσαντο̋, εἴτε ὑπὲρ ἑτέρου καταβαλεῖν ἑαυτόν τι̋ ἐπηγγείλατο,

nulla scilicet stipulatione interposita.

ἐπερωτήσεω̋ δηλαδὴ ™η5 δε™ιᾶ̋ ὑποκει™ένη̋.

nam alioquin si stipulanti promiserint, iure civili tenentur.

ταύτη̋ γὰρ παρακολουθη5 σάση̋, τὴν ex stipulatu δίδωσι τὸ πολιτικόν.

Über festgesetztes Geld wird gegen alle geklagt, sei es, dass sie für sich oder für einen anderen zu zahlen festgesetzt/versprochen haben, aber wohlgemerkt nur, wenn keine Stipulation geschlossen wurde. Andernfalls nämlich, wenn sie einem Stipulationsgläubiger ein Versprechen gegeben haben, haften sie nach dem Zivilrecht / gibt das Zivilrecht die Klage ex stipulatu.“

Das wirksame zivile Leistungsversprechen stipulatio verdrängt nach diesen Quellen die honorarrechtliche Haftung aus constitutum. Für die Literatur gehört dies ebenso allein der nachklassischen und byzantinischen Auffassung vom constitutum an, wie das Abstellen auf den animus constituentis531. C. 4,18,2,1 (531 n. Chr.) mache die Annäherung von constitutum und stipulatio offensichtlich. Justinian erstreckt dort das constitutum auf quascumque res, quas in stipulationem possunt homines deducere − „alle Dinge, die die Menschen zum Gegenstand einer Stipulation machen können“, das constitutum habe non absimilem penitus stipulationi dignitatem − „eine durchaus ähnliche Ehrwürdigkeit wie die Stipulation.“ Im justinianischen Recht entstehe dadurch ein Komplementärverhältnis, das nur noch durch die jeweilige Zuordnung zum zivilen und prätorischen Recht erklärt werden könne und bei gleichzeitiger Aufweichung des Formalismus bei der Stipulation eine Abgrenzung nur noch über den animus zulasse. Auch wenn Ulpian nicht vom animus des Schuldners spricht, so ist doch daran festzuhalten, dass er auf die Absicht des Gläubigers abstellt. Allein die Tatsache, dass er das Verhältnis zur Stipulation (nach unserer Überlieferung) an den Anfang der Kommentierung des Ediktsworts 'constituit' stellt (zuvor geht es in fr. 1 um 'Qui' − § 1: mulier − § 2: pupillus − § 3: filius familias), zeigt, dass die Konkurrenz zur Stipulation auch zu seiner Zeit eines der nächstliegenden Phänomene ist. ___________________________

531 Beseler, Beiträge IV, 315; ders., ZRG RA 47 (1927) 358; Pringsheim, Animus donandi 283; ders., Animus in Roman Law 322 f.; Astuti, Costituto di debito II 257 ff. mit Literatur in Anm. 23; Koschaker, Rez. Astuti 477.

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7. Analyse von D. 46,4,8 pr. Die These von der endgültigen Rechtswahl des Gläubigers und den Grenzen des prätorischen Rechtsschutzes kommt nicht umhin, die Gegenentscheidung Ulpians im Bereich der acceptilatio miteinzubeziehen. Über diese Stelle müssen wir uns zunächst Klarheit verschaffen. D. 46,4,8 pr. (nach F) An inutilis acceptilatio utile habeat pactum, quaeritur: et nisi in hoc quoque F: contra Vulg.: consensum est, F: habet Vulg.: non habet pactum. dicet aliquis: potest ergo non esse consensus? cur non possit? fingamus eum, qui accepto ferebat, scientem prudentemque nullius esse momenti acceptilationem 532 . sic accepto tulisse quis dubitat non esse pactum, cum consensum paciscendi non habuerit?

„Es wird gefragt (man streitet darüber?), ob der unwirksame förmliche Erlass eine wirksame Abrede (pactum de non petendo) enthält. Und wenn man nicht auch darin F: gegenteiliger Ansicht war, Vulg.: übereinstimmte, enthält er F: eine Vulg.: keine Abrede. Es mag einer sagen: Kann die Übereinstimmung also nicht vorhanden sein? Warum sollte sie nicht können? Nehmen wir den, der den förmlichen Erlass erklärt, wohlwissend, dass der Erlass keinerlei Wirkung hat. Wer könnte daran zweifeln, dass es keine Abrede darstellt, derart den förmlichen Erlass vorgenommen zu haben, weil er kein Einverständnis zu einer Abrede hatte?“

a) Geteilte Überlieferung von D. 46,4,8 pr. Nach F und der Basilikenüberlieferung (B. 26,6,8)533 enthält die unwirksame acceptilatio grundsätzlich ein pactum de non petendo. Es fehlt ausnahmsweise, wenn ein contra sentire vorliegt. Nach den Vulgathandschriften aber ist das pactum die Ausnahme, die ein besonderes consentire verlangt. Der entscheidende Satz sei wiederholt: F: et nisi in hoc quoque contra sensum est, habet pactum. „Und wenn man nicht auch darin gegenteiliger Ansicht war, enthält er eine Abrede.“ Vulg.: et nisi in hoc quoque consensum/-s est, „Und wenn man nicht auch darin übereinkam,

non habet pactum. enthält er keine Abrede.“

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532 Nach gängiger Interpunktion liest man ... prudentemque nullius esse momenti acceptilationem sic accepto tulisse. Quis dubitat ... Dabei ist sic accepto tulisse erstens grammatikalisch nicht unterzubringen: Von prudentem hängt bereits esse ab. Außerdem stimmt die Zeitstufe dann nicht: Im Moment der Akzeptilation (accepto ferebat) kann es nicht um ein Wissen (scientem prudentemque) über die Nichtigkeit der erfolgten Akzeptilation (accepto tulisse) gehen. 533 A IV 1293 f. Sch.; III 132 Hb.

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Arbeit der Juristen am Edikt

Im zweiten Teil der Stelle stimmen die Handschriften überein: Eine Prolepsis, ein Selbsteinwurf also (dicet aliquis: potest ergo ...?), auf den mit einer rhetorischen Gegenfrage (cur non possit?) und einem Beispiel geantwortet wird (fingamus eum ...). Welche Lesart ist aber im ersten, regelhaften Teil der Stelle die richtige? Die Vulgathandschriften hängen, im Gegensatz zu den Basiliken, von F ab; Unterschiede zu F können aber darauf zurückgehen, dass eine weitere, von F unabhängige Handschrift die Tradition der Vulgata beeinflusst hat (durch Vermittlung des sogenannten Codex Secundus = S)534. Diese weitere Handschrift kann einen besseren Text als F geboten haben, der sich nun in den Vulgathandschriften wiederfindet. Stark vergröbert dargestellt: Vorlage der Bas.

F

Basiliken

S

weitere von F unabh. HS

Vulgathandschriften

b) Symmetriegedanke bei acceptilatio/pactum und stipulatio/constitutum. Gerade mit dem Argument größerer Kompatibilität mit der Entscheidung zu stipulatio und constitutum gab Schulz der Lesart der Vulgathandschriften den Vorzug535. Argumentiert man im Bereich der acceptilatio mit einer Entscheidung zur stipulatio (oder umgekehrt), so setzt man eine möglichst weitgehende Symmetrie der Lösungen von stipulatio und acceptilatio inutilis voraus. Vollständig wäre die Symmetrie nicht, denn bei der acceptilatio kennt Ulpian, anders als bei der stipulatio, jedenfalls eine Ausnahme (nisi...). Wer vollständige Symmetrie herstellen will, muss auch noch die Ausnahme zur Interpolation erklären. Der Symmetriegedanke ist nicht unproblematisch. Schon Krampe pocht darauf, dass sich keine allgemeine Konversionsregel feststellen lässt, der acceptilatio und stipulatio gleichermaßen zugänglich wären536. Zwischen Gewährung einer Einrede und Gewährung einer Klage durch den Prätor kann Symmetrie nicht unterstellt werden. Bei Gaius (4,57) heißt es im Zusammenhang der restitutio in integrum regelhaft, „der Prätor helfe eher den Beklagten als den Klägern“ − facilius enim reis praetor succurrit quam actoribus. Auch in D. 44,7,47 wird Asym___________________________

534 S. nur Mommsen, Ed. maior LXVI. 535 Einführung in das Studium der Digesten 24. 536 Konversion des Rechtschäfts 74: Konversion als „unrömische Vorstellung“; ders., Inutilis acceptilatio 25.

Konkurrenz des constitutum zu förmlichen Erklärungen

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metrie deutlich537. Man wird nicht so weit gehen dürfen, diese Asymmetrie zwischen Verpflichtung und Befreiung zur Prämisse zu erheben − aber eben auch nicht die Symmetrie von stipulatio und acceptilatio. c) Unterstützung durch die Basilikenüberlieferung? Wird zur Unterstützung von F angeführt, dass der Text der Basiliken der Lesart von F entspricht538, so hat dies nur begrenzte Indizwirkung. Zwar liefert B. 26,6,8 (A IV 1293 Sch.; III 132 Hb.) einen Text, der im Lateinischen einem 'nisi contrarius est sensus accepto ferentis' entspräche: Ἡ ἄχρηστο̋ ἀθώωσι̋ συ™βάλλεται πρὸ̋ σύ™φωνον, ἐὰν ™ὴ ἐναντιοῦται ἡ γνώ™η τοῦ ποιήσαντο̋· ἐναντιοῦσθαι δὲ δοκεῖ ὁ γιγνώσκων ™ὴ ἐρρῶσθαι τὴν ἀθώωσιν καὶ ὅ™ω̋ ποιῶν αὐτήν.

„Der unwirksame Erlass bringt eine Abrede zustande, wenn nicht die Absicht dessen, der ihn vornimmt, entgegensteht. Entgegenzustehen scheint, wer erkennt, dass der Erlass keine Geltung hat, und ihn gleichwohl vornimmt.“

Dass die Vorlage der Basiliken nicht von F abhängt, macht die Basiliken jedoch noch nicht zum unabhängigen Zeugen. Ein nachhaltiges Indiz würden sie nur dann liefern, wenn sie mit F und der weiteren von F unabhängigen Handschrift im selben Verhältnis zu einem Archetyp T stünden: T Vorlage der Bas.

F

weitere von F unabh. HS

Ihre Vorlage und F können aber auf einen gemeinsamen Vorläufer ω zurückgehen, mit dem die zweite Traditionslinie, die über S in den Vulgathandschriften mündet, nichts zu tun haben muss. ω Vorlage der Bas.

T

F

weitere von F unabh. HS

Diesem Hyparchetyp ω könnte man nicht größere Autorität als der weiteren von F unabhängigen Handschrift zugestehen. Es ist also schon fraglich, ob sich auch nur eine Zweifelsregel bilden lässt, nach der man sich bei geteilter Überlieferung

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537 Dazu genauer unten S. 196. 538 Mommsen, Ed. maior in app.; Pernice, Labeo I 406 Anm. 9; Krampe, Inutilis acceptilatio 5.

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von F und S für die Lesart der Basiliken entscheiden müsste539. Keinesfalls aber hat die Übereinstimmung der Basiliken mit F eigene Beweiskraft. d) Unterstützung durch Paulus, D. 2,14,27,9? Ebensowenig lässt sich die Lesart von F mit der Aussage des Paulus in D. 2,14,27,9 zur tacita pactio stützen: Si acceptilatio inutilis fuit, tacita pactione id actum videtur, ne peteretur540.

Paulus sieht die Sache in jedem Fall anders als Ulpian. Paulus geht − soweit wir sehen − ausnahmslos von einem pactum aus, ähnlich schon Julian, der der unwirksamen acceptilatio stets die potestas conventionis zubilligt: D. 18,5,5 pr. (Iul. 15 dig.) Cum emptor venditori vel emptori venditor acceptum faciat, voluntas utriusque ostenditur id agentis, ut a negotio discedatur et perinde habeatur, ac si convenisset inter eos, ut neuter ab altero quicquam peteret, sed ut evidentius appareat, acceptilatio in hac causa non sua natura, sed potestate conventionis valet.

„Wenn der Käufer dem Verkäufer oder der Verkäufer dem Käufer den förmlichen Erlass erklärt, so zeigt sich bei beiden, indem sie dies tun, der Wille, dass vom Geschäft abgegangen werde und die Sache so angesehen werde, als wäre unter ihnen abgemacht worden, dass keiner vom anderen irgendetwas fordert; dass aber dies auch möglichst deutlich zum Ausdruck komme. Der förmliche Erlass hat in diesem Fall Wirkung nicht aufgrund seines besonderen Wesens, sondern aufgrund der Geltung als Abmachung.“

Die acceptilatio über eine Konsensualobligation ist als solche unwirksam; denn die nach ius civile wirksame acceptilatio setzt eine Stipulationsverbindlichkeit voraus. Doch entfaltet die acceptilatio darüber hinaus stets Geltung als conventio, mithin als pactum de non petendo. Ulpian hingegen geht nach der Lesart des Florentinus regelmäßig, nach der der Vulgata ausnahmsweise von einem pactum aus. Die Lesart F ist demnach näher bei Paulus und Julian. Doch was besagt das? Denkbar ist ein Meinungsstreit, was die acceptilatio inutilis betrifft; darauf deutet bei Ulpian quaeritur hin541. Quaeritur kann schlicht das Problem bezeichnen, das sich der Jurist vornimmt542. Geht es einem et puto ... voran, zeichnet sich jedoch ab, dass dazu andere Auffassungen vertreten wurden oder vertretbar sind543. Oft folgt aber auch die namentliche Darstellung eines Streits544. Am deut___________________________

539 So offenbar Krampe, Inutilis acceptilatio 5: „Die Lesart der Florentina ist in diesem Fall also auch deshalb vorzuziehen, weil sie zweimal bezeugt ist“; Mommsen, Ed. maior LXXVI führt Fehler, die die Basiliken und der Florentinus gemein haben, auf die Kompilatoren (bzw. deren Vorlage) zurück. 540 Übersetzung oben S. 180. 541 S. die Literatur bei Wacke, Pactum tacitum 256 mit Anm. 163; Pernice, Labeo I 406 nimmt Zweifel bei Sabinus an. 542 Insbes. apud N.N. quaeritur ...: in Ulp. Sab. z. B. D. 28,5,6,4; 28,5,13,5; 33,4,1,10. 543 In Ulp. Sab. z. B. D. 18,4,2,3; 24,1,22; 28,1,21.

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lichsten wird die Konnotation „es ist eine (umstrittene) Frage“ bei Gaius: magna quaestio est / valde quaeritur545. Quaeritur lässt sich aber auch bei Ulpian häufig wiedergeben mit „es ist umstritten“. Schrieb Ulpian nisi ..., habet pactum, so differenzierte er im Gegensatz zur einheitlichen Lösung von Julian und Paulus. Zieht man die Lesart non habet pactum als Original in Betracht, wäre ein grundlegender Meinungsstreit denkbar, der sich ursprünglich sowohl bei acceptilatio/pactum als auch stipulatio/constitutum gezeigt haben könnte: Ulpian verneinte dann die Aufrechterhaltung des Geschäfts mit Mitteln des prätorischen Rechts grundsätzlich in beiden Fällen; Paulus bejaht sie bei der acceptilatio stets und kommt bei stipulatio/constitutum nicht mehr zu Wort − hätte/hat er auch dort konträr zu Ulpian entschieden? Handelt es sich auch bei stipulatio inutilis und constitutum um ius controversum, zu dem sich Ulpian mit dicendum est äußert und das die Kompilatoren zugunsten Ulpians geklärt haben546? Der Streit im Bereich der acceptilatio, wo sie jedenfalls der Meinung des Paulus folgen, wäre für sie wohl nicht mehr erkennbar gewesen. Quaeritur und dicendum est wären sowohl in D. 46,4,8 pr. als auch in D. 13,5, 1,4 mit der Vorstellung zumindest gut vereinbar, dass sich unter den klassischen Juristen weder zum einen noch zum anderen Problem eine einheitliche Meinung gebildet hätte. Keine der beiden Entscheidungen formuliert Ulpian als schlichte Regel (etwa 'Inutilis acceptilatio utile habet pactum' / 'Qui inutiliter stipulatus est, de constituta experiri non potest'). Insofern hat auch die parallele acceptilatio-Entscheidung des Paulus nur eingeschränkte Indizwirkung für die Lesart von F bei D. 46,4,8 pr. Man wird sie nicht höher einschätzen dürfen als die umgekehrte von D. 13,5,1,4. Beide Parallelen − 'constitutum' und 'Paulus' − sind nicht wirklich aussagekräftig. e) Unterstützung durch Ulpiani regulae, D. 46,4,19 pr.? Der Verfasser der Ulpiani regulae bekennt sich jedoch in D. 46,4,19 pr. (Ulp. 2 reg.) zur Möglichkeit einer exceptio pacti conventi im Fall der unwirksamen acceptilatio über eine Realobligation: Si accepto latum fuerit ei, qui non verbis, sed re obligatus est, non liberatur quidem, sed exceptione doli mali vel pacti conventi se tueri potest.

„Wenn demjenigen, der nicht durch Worte (stipulatio), sondern durch Sachhingabe verpflichtet wurde, ein förmlicher Erlass erklärt wurde, wird er zwar nicht frei, er kann sich aber mit der Einrede der Arglist oder derjenigen der Abrede und Übereinkunft schützen.“

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544 In Ulp. Sab. z. B. D. 33,9,3,9; 47,2,25,1; 47,2,46,8. 545 Gai. 3,122; 3,141; 3,149; 4,20. 546 Zu einer „soluzione negativa dei classici“ generalisiert etwa Astuti, Costituto di debito II 260 D. 13,5,1,4 − ohne wirklichen Anhaltspunkt.

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Wenn die Regularum libri VII gar nicht von (Domitius) Ulpian stammen547, so haben wir lediglich eine weitere Stellungnahme vor uns, die für D. 46,4,8 pr. keinerlei Indizwirkung hat. Unterstellt man dennoch einen Zusammenhang, so passt die hier belegte exceptio pacti zweifellos zur Lesart habet pactum (F) in D. 46,4,8 pr. Diese exceptio ist aber nach den regulae nur eine von zwei möglichen, ist doch auch von der exceptio doli die Rede. Gerade am Nebeneinander von exceptio doli und exceptio pacti stößt sich die Literatur seit jeher548. Die Bedenken sind dann unbegründet, wenn Ulpian Fälle erkennt, in denen (bereits) die exceptio pacti hilft, und andere, in denen auf die exceptio doli zurückgegriffen werden muss; wenn er also in bestimmten Fällen der unwirksamen acceptilatio ein pactum de non petendo für gegeben erachtet, in (allen?) anderen jedoch jedenfalls von dolus des Gläubigers ausgeht. Dass die exceptio doli zuerst genannt ist, mag daran liegen, dass sie stets einschlägig ist, in manchen Fällen aber das handfestere pactum zur Verfügung steht. In 'pactum' und 'dolus' zerfällt aber auch D. 46,4,8 pr.: Die Fälle, in denen kein entsprechender consensus und damit kein pactum vorliegt, sind nämlich danach solche, in denen sich der Gläubiger im Wissen (sciens et prudens) um deren Unwirksamkeit auf die acceptilatio einlässt, also Fälle der „Mentalreservation“549. Der Gläubiger „täuscht den Schuldner“550. Hieran aber muss der Vorwurf des dolus ansetzen können551. f) Glossenverdacht gegen D. 46,4,8 pr. a. E. Gegen den Schluss von D. 46,4,8 pr. besteht freilich der weit verbreitete Verdacht einer Glosse. Die Argumente dafür vom „aufgeregten Stil“ 552 , der „Dürftigkeit des Gedankens“ 553 überzeugen ___________________________

547 Liebs, Ulpianus III; Krampe, Inutilis acceptilatio 18 geht von einem Ulpian-Text aus. 548 Literatur bei Krampe, Inutilis acceptilatio 17 Anm. 76 ff. 549 Mit fingamus eum, qui ... wird dieses Beispiel für einen Gläubiger mit fehlendem consensus paciscendi gebildet; nicht der consensus wird „fingiert“ (so aber Schmieder, Duo rei 102 Anm. 346). 550 Wacke, Pactum tacitum 256. 551 Krampe, Inutilis acceptilatio 14 mit Literatur in Anm. 63. Moderne Vorstellungen von der Unbeachtlichkeit des geheimen Vorbehalts für Wirksamkeit und Inhalt der Willenserklärung (§ 116 BGB), von der „Auslegung der Willenserklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont“ sind sind als Vorverständnis fernzuhalten. Ulpian vertritt nach moderner Diktion vielmehr eine reine „Willenstheorie“. 552 S. aber auch Wacke, Pactum tacitum 256 Anm. 164: „Stilistisch ist der Text keineswegs vorbildlich; s. bes. das wiederholte unbeholfene habet pactum.“ Die stilistische Kritik kann also auch vor dem unverdächtigen ersten Teil nicht haltmachen. Beseler, ZRG RA 47 (1927) 358: „Acceptilatio habet pactum ist kein Latein.“ An habet pactum ist nicht zu rütteln, es handelt sich um die „gehobene Umgangssprache“ der römischen Juristen; vgl. etwa D. 2,14,1,3 (Ulp. 4 ed.): stipulatio ..., nisi habeat consensum, nulla est; D. 5,1,2 pr. (Ulp. 3 ed.): error ... non habet consensum; D. 7,9,1,6 (Ulp. 79 ed.): Habet autem stipulatio ista duas causas ...; D. 39,1,21,2 (Ulp. 80 ed.):

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nicht554. Der Einwurf der Zweifelsfrage, die Prolepsis (dicet aliquis: ...?), begegnet bei Ulpian auch andernorts555. Aber auch das Bedenken Krampes, das Beispiel fehlenden Konsenses („Mentalreservation“: fingamus eum qui ...) passe nicht in den Zusammenhang Ulpians, ist nicht durchschlagend. Zuvor sei von Fällen fehlender Kongruenz von Frage und Antwort bei der Stipulation die Rede gewesen; daran knüpfe der acceptilatio-Fall an: nisi in hoc quoque contra sensum est − „wenn nicht auch in diesem Fall das Gegenteil gemeint ist“: „Das 'auch' einer solchen Aussage ist freilich nur dann verständlich, wenn sich dieser Fall an einen zuvor erörterten anderen Fall fehlenden Konsenses anschließt“556.

Der Gedanke ist schlüssig: Dem in hoc quoque muss ein virtuelles in illo/-a/-is gegenüberstehen. Dieses erkennt Krampe außerhalb unserer Stelle in anderen Ulpian-Zitaten aus dem 48. Buch ad Sabinum, D. 45,1,1,3-6 über inkongruente Stipulationen. Ulpian habe also bei der Ausnahme des fehlenden Konsenses an eine acceptilatio mit fehlender Kongruenz von Frage und Antwort gedacht; der Fall des sciens et prudens in der Schlusspassage könne daher nicht von ihm stammen, sondern sei auf einen „nachklassischen, rhetorisch gebildeten Bearbeiter“ zurückzuführen557; seine Fragestellung verrate den „juristischen Laien“558. g) Contra sentiri und fehlender Konsens. Für ein so hartes Urteil ist die Grundlage aber etwas unsicher. Contra sensum est − „es ist das Gegenteil gemeint“ lässt sich nicht ohne Weiteres mit „fehlendem Konsens“ gleichsetzen559. Contra sentiri/-e ist in einer solchen Verwendung nicht belegt. Contra sentire heißt es von Ju___________________________

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Habet autem ista stipulatio condicionem, ut ...; D. 46,5,1,6 (Ulp. 70 ed.): Stipulatio itaque ex operis novi nuntiatione alias satisdationem, alias repromissionem habet; D. 46,7,9 (Ulp. 14 ed.): Iudicatum solvi stipulatio expeditam habet quantitatem. Zum inhaltlichen Bedenken, die Schlusspassage verkünde nichts anderes als die „Beachtlichkeit der Mentalreservation“ (Schulz, Einführung 24; Krampe, Inutilis acceptilatio 13 f.) s. unten Anm. 568. Mit Literatur und berechtigter Kritik daran Krampe, Inutilis acceptilatio 13. D. 47,8,2,23 (56 ed.): Et generaliter dicendum est, ... Dicet aliquis: '...' Sed ideo addidi: '...'; D. 32,55,7 (25 Sab.) = D. 50,16,167: ait Ofilius ... carbonum appellatione huiusmodi materiam non contineri: sed an lignorum? et fortassis quis dicet nec lignorum: non enim ... Sed ...; D. 38,17,2,41 (13 Sab.): Sed quod diximus 'reiecti' ... an et si suspecti fuerint remoti ...? etiam hos quis reiectos recte dicet. ergo et si latitent? sed ...; dicet aliquis auch in D. 35,2,87,7 (Iul. 61 dig.). Krampe, Inutilis acceptilatio 10. Krampe, Inutilis acceptilatio 15. Krampe, Inutilis acceptilatio 13. S. etwa auch Wacke, Pactum tacitum 256: „Ulpian bejaht sie [die Konversion] aber, sofern kein gegenteiliger Parteiwille anzunehmen sei. Ein solcher Dissens ist indessen so selten ...“

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risten, wenn sie innerhalb der wissenschaftlichen Diskussion „gegenteiliger Auffassung“ sind560. Contra sentire findet Verwendung, wenn einer von mehreren Richtern in seiner sententia von den anderen abweicht 561. Nur einmal kommt contra sentire in die Nähe der allgemein für D. 46,4,8 pr. unterstellten Bedeutung. Zwar handelt es sich auch in diesem Fall um eine Stelle aus Ulpian, ad Sabinum (die − zufällig − auch eine Einleitung mit An ... quaeritur, et ... aufweist): D. 34,2,27,1 (Ulp. 44 Sab.) ... item 'argento facto' legato puto, nisi evidenter contra sensisse testatorem appareat, nummos non contineri.

Doch geht es hier nicht um ein Konsens-Problem, sondern um den Erblasserwillen, dem so lange ein bestimmter Inhalt unterstellt wird (Münzen sind in einem Vermächtnis über argentum factum − „be-/verarbeitetes Silber“ nicht enthalten), wie nicht deutlich wird, dass der testator in Wahrheit das Gegenteil (Münzen sind enthalten) wollte. Es kommen nur zwei konträre Alternativen in Betracht: Testator ita sensit oder contra sensit. Würde in D. 46,4,8 pr. mit in hoc quoque tatsächlich an die Stipulationen mit fehlender Kongruenz angeknüpft, so müssten sich auch diese mit contra sentiri bezeichnen lassen: Es geht dort aber nicht darum, dass die Parteien „das Gegenteil“ meinen; ihr 'sentiri' ist allenfalls ein 'dissentiri'. Ist die fehlende Kongruenz von Frage und Antwort als Anknüpfungspunkt für den ausnahmsweise fehlenden Konsens also durchaus unsicher, so entfällt insofern das Argument der Überflüssigkeit und mangelnden Stringenz gegen die Schlusspassage. Doch bleiben große Schwierigkeiten mit diesem Teil der Stelle: Mit der Lesart der Vulgathandschriften macht er keinen rechten Sinn. Denn dort illustriert er mit der Mentalreservation des Gläubigers, einem „ausgefallenen Beispiel“562, die Regel, dass kein pactum zustande kommt. Schlecht passt er auch zur Lesart des Florentinus. Zwar illustriert er dort mit dem „ausgefallenen Beispiel“ die seltene Ausnahme von der Regel. Doch bleibt das Verhältnis von contra sentire und Mentalreservation unlösbar. Wer die Lesart F zugrundelegt, kann sich kaum an___________________________

560 D. 5,3,40 pr. (Paul. 20 ed.): Proculo placet: Cassius contra sensit; D. 6,1,23,3 (Pomp. 21 ed.): quidam [Juristen] contra senserint; D. 34,3,6,1 (Iav. 6 epist.): quibusdam placebat ... ego contra sentio; D. 35,1,54 pr. (Iav. 2 ex Cass.): in commentariis Gaii scriptum est ... contra ego sentio; D. 40,2,25 (Gai. 1 manum.): ... Fufidius ait. Nerva filius contra sentit; Gai. 3,156: Servius negavit ... sed sequimur Sabini opinionem contra sentientis; I. 3,23,2: Sabinus et Cassius ... re putant ... Diversae scholae auctores contra sentiebant; I. 3,25,2: Quintus Mucius ... existimavit ... Servius Sulpicius, cuius sententia praevaluit, contra sentit. 561 D. 42,1,39 (Cels. 3 dig.). S. noch C. 1,3,23 (Valent./Marcian., 425 n. Chr.). 562 Wacke, Pactum tacitum 256.

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ders helfen als Krampe: mit dem Glossen-Verdacht für zwei Drittel der Stelle und der weiterhin unbefriedigenden Verwendung von contra sentire. 8. Rekonstruktion des Ulpian-Textes Steht man also vor einem inhaltlichen und überlieferungsgeschichtlichen Dilemma, so verdient jede weitere Spur unbedingt Beachtung. Eine solche findet sich in der Handschrift F selbst563. Unbeachtet blieb nicht nur von den alten, sondern auch von den neuesten Interpreten − weil in den Editionen nicht vermerkt –, dass sie im ersten Teil der Stelle eine Korrektur aufweist. Vor nisi findet sich dort ein durchgestrichenes s: F, vol. 2, f. 367ra/6: quaerituret[[s]]nisiinhoc

Das s muss auf ein Wort mit s- zurückgehen, das in der Vorlage stand oder dort bereits verstümmelt war. Anders ist kaum zu erklären, wie s in den Text geraten sein sollte564. Dafür kommt nur si in Frage; eine Korrektur bereits des Schreibers zu nisi könnte außerdem das -i als linken Schaft des n- weiterverwendet haben. Ein drittes Element kommt damit ins Spiel, das ebenso entscheidend ist wie contra/con- und habet/non habet. Sowohl F als auch die Vulgatüberlieferung gehen auf falsche Korrekturen an einem jeweils verdorbenen Text zurück. In der Tradition von F gab man contra sensum − habet pactum einen Sinn, indem man si zu nisi verbesserte. In der Vulgatüberlieferung ergab sich aus nisi − consensus der Zwang zu non habet pactum565.

___________________________

563 S. die Faksimile-Ausgabe des Codex Florentinus von Corbino/Santalucia (1988). 564 Dass der Schreiber nach dem vorangehenden et spontan etsi oder et si assoziierte, ist unwahrscheinlich. Dazu hätte er angesichts eines bloßen et für das Folgende adversativen oder kondizionalen Sinn vorweggenommen. Die einzige Parallele (neben 22 fehlerlosen et nisi) findet sich in D. 39,3,24,2 (Alf. 4 dig. a Paulo epit.): arbitrum ... cogere oportere fossas eum explere et, [[si]] nisi faceret, condemnare, tametsi spricht keinesfalls für einen Assoziationsfehler in beiden Fällen. Der ganze Text ist dort schwer verwüstet: Schon § 1 zeigt mit per (!) (del. Mo.) arbitrum ... posse [[et h]]`c´ogere, dass der Text nicht berichtigt, sondern schlicht verändert wurde. Der komplette Fall von § 2 (sed et si fossas ... nocere) steht als Einfügung unter der Kolumne und enthält aqua plubia (statt pluvia); im Nachsatz begegnet ein völlig unpassendes adiudicaret (Mo.: de ea re iudicaret). Nisi faceret ist grammatikalisch fragwürdig und ansonsten nicht belegt (sonst stets richtig nisi fecerit/fecisset). Der ganze Text dürfte einer umfassenden Bearbeitung unterzogen worden sein und mit dem Original nicht mehr allzuviel zu tun haben. 565 Es sei erwähnt, dass in der Handschrift Paris Lat. 4455 (13. Jh.), die zu den ältesten Vulgaten in diesem Berich der Digesten zählt, non ursprünglich fehlte, s. Mommsen, Ed. maior in app.

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Stand bei Ulpian aber si, so ergibt sich für das Original insbesondere566 die Möglichkeit: et „Und

si in hoc quoque wenn man auch insofern

consensus est, habet pactum. übereinkam, enthält (der Erlass) eine Abrede.“

Bei Zugrundelegung von consensus est bestand Einigkeit über die Vornahme der acceptilatio − gewissermaßen 'consensus in illa'. Es geht nun darum, ob der Konsens auch in paciscendo/in pacto bestand: consensus in hoc quoque 567 . Hieran schließt sich sinnvoll die Gegenprobe an568: Potest ergo non esse consensus? Damit wird das Gesagte nicht unmittelbar in Frage gestellt, sondern eine aus dem Gesagten geschlossene Feststellung (ergo): Dass der consensus zur Bedingung (und nicht zur Begründung) des pactum erhoben wird, wirft die Frage auf, ob diese Bedingung jemals unerfüllt bleiben kann. In F aber hat ergo keine eigene Bedeutung. Damit verschwindet der Glossenverdacht, und die Stelle wird zum schlüssigen Beleg für Ulpians Umgang mit pactum und Mentalreservation bei der unwirksamen acceptilatio. Ist der Ulpian-Text damit rekonstruiert, was 'si' und 'consensus' betrifft, und die Schlusspassage vom Verdacht der Glosse befreit, so ist der Text erneut neben D. 13,5,1,4 zu halten. Dabei zeigt sich, dass sich die Tatbestände weitergehend unterscheiden können. Das pactum de non petendo wird bejaht bei unwirksamer acceptilatio und einem consensus, der über die Vornahme der acceptilatio hinausgeht (in paciscendo quoque consensum), bzw. vom Formalakt gänzlich zu trennen ist. Die Parteien wollen die Sache ein für allemal erledigen: Der Gläubiger soll unter keinen Umständen mehr gegen den Schuldner vorgehen dürfen. Fehlt dieser consensus, ist ___________________________

566 Die Möglichkeit et si in hoc quoque c o n t r a sensum est, n o n habet pactum („Und wenn man auch darin gegenteiliger Ansicht war, enthält [der Erlass] keine Abrede“) ist angesichts des oben zu contra sentire Bemerkten unwahrscheinlich: Die acceptilatio scheiterte nicht an einem contra sensum. 567 Contra sensum ist dann durch falsche Auflösung der Abkürzung für consensum/-s entstanden. Zur Ähnlichkeit der Siglen für con und contra s. Lindsay, Notae Latinae s. v. und konkrete Beispiele bei Studemund, Apographum 260. 568 Für die Annahme eines pactum ist nach Ulpian zusätzlicher Konsens erforderlich, der über die Verständigung auf die Vornahme der acceptilatio in ihrer „Wirkform“ hinausgeht. In hoc quoque consensus est spricht deutlich dagegen, dass sich dieser Konsens an der Vornahme der acceptilatio ablesen ließe. Das hat Auswirkungen auf das Problem der „Mentalreservation“ (oben Anm. 553) in der Schlusspassage: Dem Akzeptoferenten muss nachgewiesen werden, dass er animus paciscendi entwickelt hatte. Die Stelle ist bei richtiger Lesart also keineswegs die „crux der Lehre von der Mentalreservation im römischen Recht“ (Henle, Vorstellungs- und Willenstheorie 416; zustimmend Krampe, Inutilis acceptilatio 14).

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das pactum zu verneinen. Liegt er vor, so schützt der Prätor mittels exceptio das pactum gegen das Zivilrecht: 'Pacta conventa ... servabo' (D. 2,14,7,7). Das constitutum wird verneint bei unwirksamer stipulatio und einem Willen des Gläubigers, der sich auf die Vornahme der Stipulation, nicht aber auf ein constitutum bezieht. Versteht man cum stipulari voluerit, non constitui sibi als Verengung des Sachverhalts durch Festlegung auf eine von mehreren Möglichkeiten, also: cum stipulari voluerit, non constitui sibi „wenn er eine Stipulation wollte und kein constitutum“,

so bleibt freilich Raum für andere Fälle, die Ulpian schlicht nicht entscheidet: (2) cum constitui sibi voluerit, non stipulari „wenn er ein constitutum wollte und keine stipulatio“ (3) cum et stipulari voluerit et constitui sibi „wenn er sowohl eine stipulatio als auch ein constitutum wollte“

Dass Variante (2) denkbar ist und ein klagbares constitutum generiert, ergibt sich e contrario aus unserem Text. Variante (3) entspräche strukturell dem acceptilatio-Fall. Würde hier ein constitutum bejaht, bestünde zwischen D. 13,5,1,4 und D. 46,4,8 pr. tatbestandlich volle Symmetrie. Doch bereitet dieses Verständnis erhebliche Schwierigkeiten. Dass der Konsens über die Begründung einer Stipulationsverpflichtung hinaus grundsätzlich auch ein constitutum erfassen könnte ('in hoc quoque'), wird nämlich nicht gesagt. Ein Konsens, nach dem der Gläubiger aufgrund des Versprechens des Schuldners in jedem Fall eine (neue) Klage gegen ihn haben soll, scheint nicht auf. Der überlieferte Text spricht vielmehr dafür, dass sich der Wille zur Stipulation und zu einem constitutum gegenseitig ausschließen. Von einer unwirksamen Stipulation lässt sich nur dort sprechen, wo sie beabsichtigt war. Dann aber entfaltet sie keinerlei Rechtsfolgen. Die bereits erwähnte Ulpian-Stelle D. 45,1,1,2 (Ulp. 48 Sab.) zur formunwirksamen stipulatio spricht dem Nicken des Schuldners auf die Stipulationsfrage jegliche, auch natürliche Verbindlichkeit ab: ... in ea causa est, ut obligetur. Contra si sine verbis adnuisset. Non tantum autem civiliter, sed nec naturaliter obligatur, qui ita adnuit569.

9. 'Facilius exceptio quam actio paratur' Die mittelalterliche Jurisprudenz löste die dogmatische Spannung zwischen unwirksamer acceptilatio und unwirksamer stipulatio mit der axiomatischen Feststellung: Facilius exceptio quam actio paratur − man komme leichter zu einer ___________________________

569 Übers. oben S. 180.

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Einrede (bei der unwirksamen acceptilatio zur exceptio pacti aus dem pactum de non petendo) als zu einer Klage (bei der unwirksamen stipulatio also zu keiner actio de pecunia constituta): Gl. Non animo zu D. 13,5,1,4 Sed cum acceptilatio quandoque iure pacti valeat, ut diximus supra de pact. l. si unus. §. penultimo. quare non stipulatio valet iure constituti? Respondeo: Facilius exceptio quam actio paratur.

„Wenn aber der förmliche Erlass stets nach dem Recht der Abrede Geltung behält, wie wir oben zu D. 2,14,27,9 bemerkt haben, warum hat dann nicht die Stipulation Geltung nach dem Recht des Konstituts? Ich antworte: Eine Einrede wird leichter erworben als eine Klage.“

Die Regel liest man noch bei Voet: leges longe magis liberationi faveant, quam obligationi570. Bei den Römern ist diese Aussage so nicht zu finden. Die Worte des Juristen Arrianus (2. Jahrhundert n. Chr.) 571 bei Paulus, D. 44,7,47 (14 Plaut.), gestalten allerdings eine Faustregel, in der facilior(es) ad liberationem erscheint − man müsse „leichter zur Befreiung“ des Schuldners gelangen als zu seiner Verpflichtung: Arrianus ait multum interesse, quaeras, utrum aliquis obligetur an aliquis liberetur: ubi de obligando quaeritur, propensiores esse debere nos, si habeamus occasionem, ad negandum: ubi de liberando ex diverso, ut facilior sis (Mommsen: ex diverso faciliores) 572 ad liberationem.

„Arrianus sagt, es bestehe ein großer Unterschied, ob man untersucht, ob einer verpflichtet wird, oder ob einer befreit wird: Wo es um das Verpflichtetwerden geht, müssten wir eher dazu neigen, es zu verneinen, wenn wir Gelegenheit dazu haben. Wo es um das Freiwerden gehe, gelte das Gegenteil, damit man leichter zur Befreiung gelange (... müssten wir umgekehrt der Befreiung zugänglicher sein).“

Die mittelalterliche Glosse findet auch von dieser Stelle zu der bei D. 13,5,1,4 formulierten Regel: unde facilius adquiritur exceptio quam actio573. In Gl. faciliores simus begegnet als Beispiel der Gegensatz von pactum de non petendo und 'pactum de petendo' (dem pactum de non petendo nachfolgender actus contrarius). D. 44,7,47 enthält jedenfalls eine Aussage, die sich dem Komplex des favor debitoris zuordnen lässt. Ihr Geltungsbereich ist die „Untersuchung“ (quaeras/quaeritur) von Verpflichtung und Befreiung. Die Literatur erkennt hierin zumeist ___________________________

570 Comm. ad Pand. 13,5 sub 2 (Ausg. Genf 1757, Bd. 1, 539). 571 S. Baldus, Regelhafte Vertragsauslegung II 534 f. Anm. 107. 572 Mommsen, Ed. maior in app. gleicht − wohl zu Recht − die überlieferten Worte an propensiores an, so zuletzt auch Baldus, Regelhafte Vertragsauslegung II 535. 573 Marg. zu Gl. Faciliores simus zu D. 44,7,47 mit Verweis auf D. 20,3,1,2 (Marcian. sing. form. hyp.; Anerkennung einer exceptio bei Verpfändung einer streitbefangenen Sache − 'exceptio in pignoribus').

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einen Bezug zur prozessualen Beweislast 574. Die im Text genannte occasio − „Gelegenheit“ ergebe sich im Fall des non liquet, bzw. der ambiguitas bei der Auslegung einer Stipulation, stammt doch die Paulus-Stelle nach Lenel aus dem Zusammenhang de stipulationibus et liberationibus 575 . Dort findet sich auch D. 34,5,21 (= Paul. 1202 Lenel) zum Inhalt der Verpflichtung aus Stipulation: Ubi est verborum ambiguitas ... Semper in dubiis id agendum est ... Ist D. 44,7,47 also eine Variante der Regel ambiguitas contra stipulatorem 576 , so ließe sie sich gleichzeitig als Umkehrung dieser Regel für den Fall der acceptilatio verstehen: 'ambiguitas pro debitore.' Dabei ist die zurückhaltende Ausdrucksweise propensiores und faciliores in D. 44,7,47 zu beachten. Eine Beweislast- oder Zweifelsregel gibt für ihren Anwendungsfall ein möglichst eindeutiges Ergebnis vor: in dubio pro ... o. Ä. Ist man erst an den Punkt des non liquet bzw. der festgestellten ambiguitas über das Ob einer Verpflichtung gelangt, ist kein Raum mehr für „Tendenzen“. Die „Gelegenheit zur Verneinung des Verpflichtetwerdens“ kann sich daher nicht erst im Falle des non liquet ergeben, sondern hat ihren Platz bereits in der vorangehenden Auslegung. Die Voraussetzungen, unter denen Befreiung eintritt, müssen wohlwollender bejaht werden als die der Verpflichtung. Gleichzeitig ist das Präsens der Stelle auffallend: Es geht um die Fragen an aliquis obligetur und an aliquis liberetur. Das Entstehen der Verpflichtung und der Eintritt der Befreiung werden anscheinend nicht ex post analysiert (dann wäre das Perfekt zu erwarten), sondern im Moment des fraglichen Geschehens oder ganz generell für jeden entsprechenden Moment. Nicht das Verpflichtetsein oder Freisein aufgrund eines erfolgten Rechtsakts sind Gegenstand der Untersuchung, sondern Verpflichtetwerden oder Freiwerden. Die Gerundien de obligando / de liberando deuten bereits in diese Richtung, jedenfalls obligetur/liberetur verbieten ein anderes Verständnis. Weder kommt für die Analyse des Verpflichtet- und Freiwerdens ein Richter in Frage, noch ein Jurist, der einen konkreten Fall zu begutachten hat 577. Das Verlaufspräsens deutet vielmehr darauf hin, dass es um eine generelle Frage geht, um die ex-ante-Beschreibung der Voraussetzungen von Verpflichtung und Befrei___________________________

574 Baldus, Regelhafte Vertragsauslegung II 535. Dass Baldus quaeras als das Fragen des Klägers nach der Verpflichtung des Beklagten und des Beklagten nach seiner Befreiung darstellt, ist zumindest missverständlich; s. ferner Wacke, Beweislast 413 Anm. 185. 575 Palingenesia I Sp. 1167, Paul. 1198. 576 So Baldus, Regelhafte Vertragsauslegung II 536; zur ambiguitas-Regel und ihren Belegen dort S. 683-693. 577 Anders Baldus, Regelhafte Vertragsauslegung II 535: „Der Beklagte hingegen fragt nach seiner Befreiung, und diese ist im Zweifelsfall zu gewähren.“ Einem Beklagten kann weder der Prätor noch der Richter durch einen Freispruch „Befreiung gewähren“; er kann sie lediglich nach Beweiswürdigung als erfolgt erachten und dementsprechend freisprechen.

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ung: „Was lässt sich über die verpflichtende oder befreiende Kraft eines typisierten Verhaltens sagen?“ Insofern lässt sich die Stelle durchaus als Beschreibung einer Tendenz verstehen, die sich im Sinne der Glosse in der unterschiedlichen Behandlung von unwirksamer stipulatio und acceptilatio niederschlagen könnte. 10. Schutz des Gläubigers durch das von ihm gewählte Recht Für D. 13,5,1,4 ergibt sich Folgendes: Das äußere Geschehen ist eine Vereinbarung, die der Form der stipulatio oder deren zulässigem Inhalt nicht entspricht. Die Wirksamkeit dieser Vereinbarung an den Regeln über die Stipulation zu messen, ist nur zulässig, wenn überhaupt eine Stipulation beabsichtigt war. Insofern wird der Gläubiger vortragen können, dass das fragliche Gebilde (etwa seine positiv beantwortete schriftliche Anfrage, ob ihm der Schuldner etwas zusagen könne) überhaupt keine stipulatio darstellen sollte, also auch nicht von inutiliter stipulari gesprochen werden könne. Andernfalls aber hatte es der Gläubiger in der Hand, den Schutz des ius civile herbeizuführen. Ist er damit gescheitert, ist das Geschäft vollständig unwirksam. Ein Vertrauen des Gläubigers, das über den von ihm initiierten Rechtsschutz hinausginge, ist für Ulpian nicht anerkennenswert. Deshalb besteht auch kein Grund, die Ausschließlichkeit von Stipulation und constitutum bei Theophilus und in den Institutionen als rein byzantinisches Gedankengut zu betrachten578. Wo der Rechtsschutz des ius civile vom Gläubiger angestrebt wird, besteht für Ulpian kein Anlass, ihm ein prätorisches Rechtsmittel zur Verfügung zu Stellen. Missglückt die Stipulation, fällt die Initiative für den Schutz seiner Interessen wieder auf ihn zurück: Er muss dem Schuldner eine neue Stipulation oder ein constitutum abverlangen. Nicht unähnlich ist diese Problematik der von D. 29,7,13,1 (Pap. 19 quaest.)579: Tractari solet de eo, qui, cum tabulas testamenti non fecisset, codicillis ita scripsit: 'Titium heredem esse volo'. sed multum interest, utrum fideicommissariam hereditatem a legitimo per hanc scripturam, quam codi-

„Vieldiskutiert ist der Fall dessen, der, ohne eine Testamentsurkunde errichtet zu haben, in einem Kodizill (Täfelchen/codicilli) folgendermaßen schrieb: 'Ich will, dass Titius mein Erbe ist.' Es macht aber einen großen Unterschied, ob er dieses Schriftstück als Kodizill betrachten wollte und damit eine fideikommissarische Erbschaft zulasten

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578 Bei der Frage, ob eine über die Schuld errichtete Stipulation die Wirksamkeit eines nachfolgenden constitutum verhindert, wird man freilich differenzieren müssen. Allgemein von einer „non validità della pecunia constituta quando fosse in precedenza intercorsa sullo stesso debito una stipulatio“ auszugehen (Melillo, Contrahere, pacisci, transigere 238), geht zu weit. Die stipulatio in diem oder sub condicione verhindert nach Ulpian (wahrscheinlich) vor ihrer Fälligkeit ein wirksames constitutum, s. oben S. 122 ff. 579 Zur Stelle zuletzt Babusiaux, Papinians Quaestiones 216 mit Literatur in Anm. 1042.

Konkurrenz des constitutum zu förmlichen Erklärungen cillorum instar habere voluit, reliquerit an vero testamentum facere se existimaverit: nam hoc casu nihil a legitimo peti poterit. voluntatis autem quaestio ex eo scripto plerumque declarabitur: nam si forte a Titio legata reliquit, substitutum adscripsit, heres si non exstitisset,sine dubio non codicillos, sed testamentum facere voluisse intellegetur.

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des gesetzlichen Erben hinterließ, oder ob er meinte, er würde damit ein Testament errichten. Denn im letzteren Fall wird man nichts von dem gesetzlichen Erben fordern können. Die Frage nach dem Willen wird aber meistens gerade aus dem Schriftstück geklärt werden: Denn wenn er (darin) etwa Vermächtnisse zulasten des Titius hinterließ oder einen Ersatzerben für den Fall, dass der Erbe nicht vorhanden wäre, einsetzte, wird man zweifellos davon ausgehen müssen, dass er keine Kodizille, sondern ein Testament machen wollte.“

Ein Schriftstück liegt vor, das den Formerfordernissen eines Testaments nicht entspricht. Die Erbeinsetzung des Titius in einem Testament muss mit den Worten Titius heres esto oder Titium heredem esse iubeo erfolgen; die tatsächlichen Worte des Erblassers 'Titium heredem esse volo' sind kein gültiger Ersatz dafür (Gai. 2,117). Das Schriftstück entspricht der Formulierung nach jedoch einem Kodizill (Gai. 2,249: peto, rogo, volo, fidei committo), mit dem wirksam ein Universalfideikommiss ausgesetzt werden kann. Der Fall ist umstritten (tractari solet). Nach Papinian ist für die Beachtlichkeit der Urkunde maßgeblich, ob der Verfasser ein Testament errichten wollte. In diesem Fall zeitigt sie keine Rechtsfolgen. Wollte der Verfasser einen Kodizill, so kommt eine Belastung des gesetzlichen Erben mit einem Universalfideikommiss in Betracht. Für die Erkenntnis des Willens aus dem Schriftstück gibt Papinian Hinweise: Vermächtnisse (in Form des Legats) zulasten des Titius oder die Einsetzung eines Ersatzerbens sind typische Testamentsbestandteile. Erscheinen sie in der Urkunde, lassen sie auf den Willen zur Errichtung eines Testaments schließen. Darüber, ob es sich um ein unwirksames Testament handelt, entscheidet der Geschäftswille des Verfassers. Das unwirksame Testament kann nicht als wirksamer Kodizill aufrechterhalten werden. Es ist endgültig unbeachtlich. Testamentarische Einsetzung zum Alleinerben und Universalfideikommiss unterscheiden sich weder in ihrer Zwecksetzung noch in den Vor- und Nachteilen für die Betroffenen derart, dass eine Umdeutung am Willen des Erblassers vorbeiginge. Dennoch kommt eine Aufrechterhaltung des unwirksamen Testaments als Kodizill nur in Frage, wenn der Erblasser mit einer salvatorischen Kodizillarklausel vorgesorgt hat, er also die Geltung als Kodizill für diesen Fall explizit angeordnet hat. Bei genauerer Betrachtung ist diese Klausel für sich genommen ein Kodizill, das lediglich für seinen Inhalt auf den Text des Testaments verweist. Von einer wirklichen „Umdeutung“ kann auch hier nicht die Rede sein580, ein Kodizill ist vielmehr als solches vorhanden. Dem Erblasser wird ermöglicht, zwei Rechtsakte − förmlichen und formlosen − vorzunehmen, von denen der zweite nur im Fall der Unwirksamkeit des ersten Beachtung finden soll. ___________________________

580 So aber Kaser, Privatrecht I 694.

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Dass dort, wo sie fehlt, keine „stillschweigende Kodizillarklausel“ angenommen wird, die der tacita pactio des Paulus im Bereich der acceptilatio entsprechen würde, zeigt D. 29,7,13,1 gerade auch581. Das Phänomen, das der favor debitoris bei der acceptilatio hervorbringt, lässt sich beim Testament also nicht beobachten. Von einer salvatorischen Klausel im Bereich der stipulatio, die für den Fall der Unwirksamkeit der stipulatio ein constitutum vorsehen würde, lesen wir nirgends. Sie entspricht offenbar − im Gegensatz zur Kodizillarklausel − nicht der Geschäfts- und Urkundspraxis. Es lässt sich weitergehend vermuten, dass die ausdrückliche Kombination von förmlichem und formlosem Rechtsakt als ein Element des favor testamenti, des besonderen Schutzes des Erblasserwillens, keine Erstreckung auf Verkehrsgeschäfte findet. Eine entsprechende Kombination von stipulatio und constitutum, förmlichem und formlosem, zivilem und prätorischem Geschäft ist also nicht nur ungebräuchlich, sondern nicht möglich.

II. Constitutum und zugeschobener Eid (iusiurandum delatum) Wir haben die Tatsache, dass die formlose Erklärung über die Schuld in der förmlichen stipulatio nicht enthalten ist, in Zusammenhang mit der Konkurrenz von ziviler und prätorischer Rechtsordnung und einer Rechtswahl des Gläubigers gebracht, hinter die er nicht zurückkommt. Es lässt sich vermuten, dass die Sache innerhalb der prätorischen Rechtsordnung anders liegen könnte. Tatsächlich zeitigt die Zuschiebung des Eids (iusiurandum) über das Bestehen der Schuld durch den Beklagten an den Kläger und die entsprechende Leistung des Eids nicht nur die prätorische actio ex iureiurando, sondern (wahlweise) auch die actio de pecunia constituta. Das steht in: D. 13,5,25,1 (Pap. 8 quaest.) Si iureiurando delato deberi tibi iuraveris, cum habeas eo nomine actionem, recte de constituta agis. sed et si non ultro detulero iusiurandum, sed referendi necessitate compulsus id fecero, quia nemo dubitat modestius facere qui referat, quam ut ipse iuret, nulla distinctio adhibetur, tametsi ob tuam facilitatem ac meam verecundiam subsecuta sit referendi necessitas.

„Wenn du nach Zuschiebung des Eids geschworen hast, dass dir geschuldet wird, kannst du, cum habeas eo nomine actionem [dazu sogleich], in statthafter Weise mit der Klage über festgesetztes (Geld) vorgehen. Aber auch wenn ich nicht von mir aus den Eid zugeschoben habe, sondern dies aufgrund der Notwendigkeit, ihn zurückzuschieben, getan habe – denn niemand bezweifelt, dass sich derjenige, der den Eid zurückschiebt, zurückhaltender verhält, als wenn er selbst schwört –, so kann kein Unterschied gemacht werden, auch wenn sich die Notwendigkeit, den Eid zurückzuschieben, aus deinem Leichtsinn und meinen Skrupeln ergeben hat.“

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581 Kaser, Privatrecht I 694 Anm. 12 mit weiterer Literatur.

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1. Verständnisvarianten eines „testo oscuro“ Die Stelle gehört zu den „dunkelsten“582 und umstrittensten des Titels de pecunia constituta. Während der erste Satz verschiedensten Sachverhaltsmodellen und Interpretationen zugeführt wurde, bestehen gegenüber dem zweiten weitverbreitete und weitgehende Interpolationsvermutungen583. Im ersten Satz584 finden wir das Element des Eids, der zum Inhalt hat, dass dem Schwörenden gegenüber eine Schuld (deberi) besteht. Es folgt die Aussage, dass der Schwörende eo nomine „darüber“/„daraus“ eine Klage hat. Die Aussage wird als Kontrast, Argument oder Gesichtspunkt − der Konnex verbirgt sich hinter der Konjunktion cum – im Hinblick darauf verwendet, dass der Gläubiger „ordnungsgemäß“/„statthaft“/„zu Recht“ mit der actio de pecunia constituta vorgehen kann. Cum steht mit dem Konjunktiv habeas, ist also kausal oder adversativ zu verstehen585. a) Zugeschobener und geleisteter Eid als constitutum. Lassen wir zunächst den cum-Satz außer Betracht, so ergibt die Stelle Folgendes: Wer den zugeschobenen Eid schwört, ihm werde geschuldet, kann aus constitutum klagen. Diese Struktur legt es nahe, den Ursprung der Konstitutsklage in diesem Fall im zugeschobenen und geleisteten Eid des Gläubigers zu sehen: Der Eid würde behandelt wie eine formlose Erklärung des Schuldners über die Erfüllung der Schuld. Der Gedanke ist nicht neu: Faber586 sieht im constituere ein pactum besonderen Inhalts; der zu-

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582 Astuti, Costituto di debito II 222 Anm. 34: „oscuro testo“. 583 Ausführlich referiert von Sturm, Eid 529 Anm. 42; Sicari, Leges venditionis 265 Anm. 116. Für eine Glosse hält den zweiten Satz noch Ankum, Laconisme 53 Anm. 45; dagegen zuletzt Babusiaux, Papinians Quaestiones 219. 584 Zum vorangehenden pr. besteht sicher kein Zusammenhang. Der Schuldner wird dort in der dritten Person bezeichnet, in § 1 in der ersten. 585 Zwar ist agis in der Florentiner Handschrift zu agi rückverbessert (F2), nachdem bereits F1 zunächst agi geschrieben und zu agis verbessert hatte. Mit agi wird der ganze Satz zur indirekten Rede, die in Nebensätzen grundsätzlich den Konjunktiv aufweist. Cum könnte dann auch konditional/iterativ verwendet sein. Eine indirekte Rede findet jedoch im zweiten Satz keine Fortsetzung. Er zeigt dieselbe Struktur wie der erste nach F1: Ein si-Satz im Futur II bedingt einen Hauptsatz im Präsens, dem ein konzessiver Nebensatz (tametsi) im Konjunktiv gegenübersteht. 586 Faber, Rationalia 527 (ad h. l.). Bertolini, Giuramento 136 mit Anm. 184 spricht davon, dass der Eid von den Juristen mit verschiedenen Rechtsinstituten, darunter dem constitutum „verglichen werde“ („viene paragonato“), später (137) von den „effetti accordati al giuramento per la sua analogia con questi istituti“. Schon bei Bartolus ad h. l. heißt es, dass ex iuramento delato vel relato agi potest de constituta, allerdings hat nach ihm der Eid zum Inhalt constitutum fuisse, s. unten Anm. 599.

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geschobene Eid beinhalte aber gerade auch ein pactum587. Zuschiebung und Leistung des Eids böten den nötigen Konsens. Der cum-Satz müsste dann konzessiven Sinn haben: habeas actionem und de constituta agis gilt offenbar für denselben Zeitpunkt. Habeas actionem ist eine Folge des Eids; mit eo nomine ist der Eid gemeint. Aus ihm steht dem Gläubiger die in factum konzipierte actio ex iureiurando dato zu588. Der Gegenstand des Eids, die beeidete Schuld, ist dabei der Beurteilung entzogen. Der Charakter der Klage gleicht vielmehr der Vollstreckungsklage (actio iudicati)589. Obwohl (cum) der Gläubiger aufgrund des Eids diese Klage hat, steht ihm auch die actio de pecunia constituta zu. Bei ihr steht − im Gegensatz zur actio ex iureiurando − der Bestand der Schuld erneut zur Diskussion (aufgrund der Klausel eamque pecuniam cum constituebatur debitam fuisse in der Klageformel). Die Beweislast für den Bestand der Schuld liegt weiterhin beim Kläger590, doch kann er, anders als bei der Klage aus Eid, ein zusätzliches Interesse geltend machen. Dieses Verständnis der Stelle ist auf keine Ergänzungen des Falls angewiesen und ergibt sich aus der einfachsten Übersetzung. Dass Papinian weitere Elemente des Falls verschweigt bzw. unterstellt, lässt sich nicht ausschließen. Nach unserer Überlieferung konnte sie der Leser aber jedenfalls nicht aus einer vorangehenden Sachverhaltskonstellation übernehmen; denn im principium der Digestenstelle ist von einem völlig anderen Fall die Rede. Das Verständnis des zugeschobenen Eids als Grundlage der actio de pecunia constituta wurde zuletzt als „unhaltbar“ zurückgewiesen: „Ein iusiurandum voluntarium ist kein constitutum“ 591 . Die beiden Rechtsfiguren hätten grundverschiedenen Inhalt; die Zuschiebung des Eids durch den Schuldner bringe keinen Verpflichtungswillen zum Ausdruck. Als Inhalt eines constitutum wird wohl entsprechend der herrschenden Meinung die Zusage von Leistungsmodalitäten, insbesondere eines bestimmten Leistungszeitpunkts unterstellt. Tatsächlich ist nicht ___________________________

587 Nach D. 12,2,35,1 (Paul. 28 ed.) kann das iusiurandum (über den Nichtbestand der Forderung) die Funktion eines pactum conventum (de non petendo) erfüllen. 588 D. 12,2,9,1 (Ulp. 22 ed.); Rekonstruktion bei Lenel, Edictum perpetuum 151. 589 Zur Klage aus positivem Eid des Klägers s. Gröschler, Eid in TPSulp. 28 und 29, 120 ff. mit Literatur in Anm. 52. 590 Ricart Martí, Perfil del „constitutum debiti“ 147; unzutreffend die alte Ansicht etwa bei Fuchs, Über das Constitutum 185, der bei der Beweislast nach der negativen und positiven Formulierung der einzelnen Formelelemente differenzieren will: „Die affirmirenden Behauptungen sind in negativer Fassung (neque, neque, neque [D. 13,5,16,2]), die negirende Behauptung dagegen, die pecunia sei zur Zeit des Constitutsschlusses indebita gewesen, ist in positiver Fassung (eamque) dargestellt.“ Eine Umkehr der Beweislast würde eine Negativbedingung zum Verurteilungsbefehl erfordern: nisi ea pecunia cum constituebatur indebita fuit o. Ä. 591 Sturm, Eid 529.

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erkennbar, dass der geleistete Eid irgendetwas über diese Modalitäten enthalten würde592. Ob es mit der Verneinung eines Verpflichtungswillens seine Bewandtnis haben kann, muss hinterfragt werden. Mit der Zuschiebung verzichtet der Schuldner (in Abhängigkeit von der Leistung des Eids) auf ein Bestreiten des gegnerischen Anspruchs und die Durchführung eines Prozesses über den Bestand der Schuld. Der Eid wird zur Beendigung des Streits zugeschoben und geleistet593. Versichert ein Schuldner dem Gläubiger bei Schuldbegründung oder später, ohne dass ein Prozess im Raum stünde, er werde sine controversia − „ohne Streit, ohne Widerrede“ zahlen, wie es die lateinischen Urkunden bisweilen, die griechischen Papyri (ἀνεὺ ἀντιλογία̋ etc.) häufig belegen594, so mag man bezweifeln, dass diese Erklärung das Verhältnis der Parteien in besonderer Weise ausgestaltet. Denn der Schuldner verspricht damit nichts, was der Gläubiger zu diesem Zeitpunkt nicht ohnehin erwarten dürfte. Das zukünftige Bestreiten ist kein Alternativverhalten, das dem Schuldner vertragsgemäß offenstünde. Dass die geschuldete Leistung sine controversia erfolgen wird, ist vielmehr selbstverständlich, sobald es zu einem Vertrag kommt. Eine entsprechende Erklärung des Schuldners hat lediglich bekräftigenden Charakter. Für sich genommen wird sie wohl keine Interessenhaftung aus constitutum begründen. ___________________________

592 Anders der „promissorische“ Eid eines Schuldners als dritte Variante in D. 12,2,13,6 (Ulp. 22.ed.): Si quis iuraverit in re pecunia- „Wenn jemand in einer Streitigkeit über Geld ria per genium principis dare se beim göttlichen Wesen des Kaisers geschworen non oportere et peieraverit vel hat, dass er nicht schulde, und (damit) einen dari sibi oportere, vel intra cer- Meineid geleistet hat, oder geschworen hat, dass tum tempus iuraverit se solutu- ihm gegeben werden müsse, oder dass er innerrum nec solvit ... fustibus eum halb einer bestimmten Frist zahlen werde, und castigandum ... nicht zahlt, ... sei er mit Stockschlägen zu züchtigen ...“ Die ersten beiden Fälle sind prozessuale Eide: Der Beklagte leistet den Eid dare se non oportere, der Kläger den Eid dari sibi oportere. Beides ist dem iuraverit in re pecuniaria zugeordnet. Der dritte Fall meint wohl einen außerprozessualen Eid: Ein eigenes Prädikat iuraverit deutet darauf hin, dass 'in re peuniaria' − „in einem Prozess über (geschuldetes) Geld“ hier nicht zum Tatbestand gehört. Der Eid entspricht dann etwa dem in TPSulp. 68 (39 n. Chr.): ... quem suma iuratus promissi me aut ipssi Hesuco aut C. Sulpicio Fausto redturum k(alendis) Noembrib[u]s primis per Iobe Optum‹u›m M `a ´xumu et nume dibi Augustì et Genium C. Cessaris Augustì ...; s. auch die beschworene Strafstipulation in TPSulp. 63 Z. 6-14: ... Dìes pecuniae k(alendis) Mais primis. / Si k(alendis) Mais primis ... d[ata soluta non erunt ... duplam pecuniam recte dari] / stipulatus est C. Sul[picius Cinnamus, spopondit] / Magia L. f. Pulchra [et per Iovem et numen divi Aug(usti)] / ìuravit. 593 D. 12,2,1 (Gai. 5 ed. prov.); D. 12,2,11,3 (Ulp. 22 ed.); D. 12,2,40 (Iul. 13 dig.); D. 12,2,42 pr. (Pomp. 18 ep.). 594 S. beispielsweise unten S. 249.

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Anders ist es, wenn der Schuldner später tatsächlich nicht leistet und vom Gläubiger vor den Prätor gebracht wird. Denn dann stehen dem Schuldner prozessuale Alternativen offen. Er kann jede Mitwirkung verweigern und sich als indefensus behandeln lassen; er kann die Schuld gestehen; er kann sich unter Bestreiten auf einen Prozess einlassen oder − die Außerstreitstellung vom Eid des Gläubigers abhängig machen, indem er diesem den Eid über das Bestehen der Schuld zuschiebt oder den ihm selbst zugeschobenen Eid über das Nichtbestehen zurückschiebt. Lässt er sich auf eine Eidesleistung durch den Kläger ein, so verzichtet er auf die Ausübung prozessualer Rechte. Insofern lässt sich innerhalb der prozessualen Situation in der Zuschiebung des Eids eine Steigerung des Gläubigervertrauens erkennen. Der Kläger muss nun davon ausgehen dürfen, dass sofort und anstandslos gezahlt wird. Die Zuschiebung des Eids entspricht also durchaus dem Charakter der Selbstmahnung, den wir oben für das constitutum beschrieben haben. Sie erlangt Wirksamkeit mit der Leistung des Eids durch den Gläubiger. Die akzeptierte Zuschiebung des Eides ist demnach pecuniam constituere. Derselbe Kläger, der dem Beklagten mit der actio ex iureiurando die Nichtleistung trotz Eidesleistung vorwerfen kann, kann das non fecisse quod constitutum est der actio de pecunia constituta behaupten. b) Die byzantinische Tradition: Eidesschuld als Grundlage eines constitutum. Sieht man die Grundlage der actio de pecunia constituta jedoch nicht im Eid, sondern in einer davon verschiedenen Erfüllungszusage, fragt sich, wann diese im Fall von D. 13,5,25,1 getroffen wird. Schon die Basiliken gehen dabei von einem constitutum nach Leistung des Eids aus: B. 26,7,25,1 (A IV 1300 Sch.; III 138 Hb.) Εἴτε ἐξ ἐπαγωγῆ̋, εἴτε ἐξ ἀντεπιφο5 „Mir wird wirksam konstituiert, wenn ich den ρᾶ̋ ὀ™όσω χρεωστεῖσθαι, καλῶ̋ ἀν5 Eid geleistet habe, dass mir geschuldet wird, τιφωνοῦ™αι. sei es aus Zuschiebung (delatio) oder Zurückschiebung (relatio).“

Was im Digestentext als recte de constituta agis erscheint, wird hier mit καλῶ̋ ἀντιφωνοῦ™αι wiedergegeben − rückübersetzt recte constituo bzw. constituis: Nach Eid kann ein wirksames constitutum über die beeidete Schuld abgegeben werden. Dabei ist zu beachten, dass die Byzantiner des Öfteren das Rechtsgeschäft mit seiner Klage kontaminieren595. Es muss sich also nicht um eine bewusste Interpretation der Stelle, sondern kann sich auch schlicht um eine Fehlübersetzung handeln. ___________________________

595 Van der Waal, Basilikentext 1163 mit den Beispielen mandatum/(actio) mandati; depositum/depositi; commodatum/commodati; peculium/de peculio − warum nicht auch constitutum/de constituta bei gleichzeitiger Umsetzung ins Griechische? S. schon oben Anm. 431 zu B. 26,7,19,1. Zu einem verwandten − folgenschwereren − Phänomen bei pecunia credita und actio (certae) creditae pecuniae s. oben S. 139 f.

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Cum habeas eo nomine actionem würde bedeuten: „Weil du aus dem Eid eine Klage hast“ (, kann die entsprechende Forderung konstituiert und anschließend aus constitutum geklagt werden). Der Sinn der Stelle wäre demnach: Die Klage aus Eid ist ausreichende pecunia debita für ein constitutum596. Denn es handelt sich um eine vom Prätor generierte Schuld im Sinne von D. 13,5,1,8 (Ulp. 27 ed.): videtur enim debitum et quod iure honorario debetur. Ob bereits dem Eid tatsächlich eine Schuld zugrunde lag, ist für die Klage aus Eid ebenso unerheblich wie für das auf sie gegründete constitutum und die Klage daraus: recte de constituta agis. Den Abschluss des constitutum hätte Papinian wohlgemerkt gedanklich und sprachlich übersprungen. Dass er gerade nicht diese primäre Aussage trifft: recte constituo / constituendo teneor, die jedenfalls bei Ulpian und Paulus begegnet, wenn es um die Frage eines ausreichenden debitum geht, sondern sich mit der sekundären begnügt, befremdet. Ankum sieht darin „un des nombreux exemples du laconisme de Papinien“ und „l'approche procédurale des juristes classiques“597. Ob Papinian das constitutum oder die Klage daraus anspricht, ist keine Frage des Lakonismus; prozessuales Denken kann nicht auf den zugrundeliegenden Sachverhalt verzichten. Eigentlich interessant wird der Fall bei diesem Verständnis zudem erst, wenn die Schuld in Wahrheit nicht bestand598; doch auch dies sagt die Stelle nicht. c) Die mittelalterliche Tradition: Eid über die Schuld aus constitutum. Dass bereits vor dem Eid ein constitutum abgegeben wurde, aus dem nach Eidesleistung weiterhin geklagt werden kann, passt insofern besser zur Formulierung. Allerdings ist dann zu fragen, worauf sich der Eid bezog. Nach der Glosse betraf er gerade das constitutum599. Obwohl (cum) dem Gläubiger eine actio ex iureiuran___________________________

596 So schon Cujas, Commentaria accuratissima in libros quaestionum ... Papiniani 815; s. auch ders., Notae ad lib. XIII digest. 418; Kappeyne van de Copello, Über constituta pecunia 243; weitere bei Sturm, Eid 528 f. Anm. 40; 532; Ankum, Laconisme 51 ff. Demelius, Schiedseid und Beweiseid 65 versteht demgemäß recte de constituta agis als „teneor constituendo“. 597 Ankum, Laconisme 52; der dort zitierte Vergleichsfall D. 18,7,6,1 (Pap. 27 quaest.) nimmt tatsächlich die prozessuale Sichtweise ein; ein besonderes pactum steht dort entgegen Ankum aber nicht im Hintergrund (sondern ausschließlich der – angesprochene – Kauf). 598 Davon geht Sturm, Eid 532 als der „Besonderheit des Falls“ aus. 599 Gl. iuraveris ad h. l.; Bartolus, Summa ad h. l.: si iuratum fuerit constitutum fuisse; ebenso die bei Sturm, Eid 528 Anm. 38 zitierte Literatur; unklar Mayer-Maly, Verecundia 385 f.: „... Hin- und Herschieben von Eiden nach einem constitutum. Allerdings sind Eid und constitutum wohl getrennt zu sehen“; entsprechend unklar Sicari, Leges venditionis 265: „... di un riferire e di un deferire il giuramento in relazione ad un constitutum debiti. Più precisamente, il giuramento è stato deferito dal convenuto

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do zustehe, bleibe ihm auch die alte actio de pecunia constituta. Der Eid hat demnach keine novatorische Wirkung: Die Eidesklage tritt nicht an die Stelle der Konstitutsklage, sondern neben sie600. Während der Gläubiger für die Klage aus Eid bis auf die Ableistung des deferierten Eids nichts mehr zu beweisen hätte, stünde ihm weiterhin auch die actio de pecunia constituta zur Verfügung, bei der er zwar das debitum zu beweisen hätte, dafür aber auch ein weitergehendes Interesse beanspruchen könnte. Die Aussage der Stelle hätte dann Gemeinsamkeiten mit: D. 12,2,30 pr. (Paul. 18 ed.) Eum, qui iuravit ex ea actione quae infitiando crescit aliquid sibi deberi, simpli, non dupli persecutionem sibi adquirere Pedius ait: abunde enim sufficere exonerare petitorem probandi necessitate, cum omissa hac parte edicti dupli actio integra maneat: et potest dici hoc iudicio non principalem causam exerceri, sed iusiurandum actoris conservari.

„Derjenige, der geschworen hat, es werde ihm etwas aus einer derartigen Klage geschuldet, deren Verurteilungssumme im Bestreitensfall (auf das Doppelte) wächst, erwerbe sich, so Pedius, (durch den Eid) eine Klage auf das Einfache, nicht auf das Doppelte. Denn es reiche völlig aus, den Kläger von der Beweislast zu befreien, während/zumal dann, wenn man diesen Teil des Edikts außer Acht lässt [die Befreiung des Klägers vom Beweis der Schuld bei Vorgehen aus dem Eid], die Klage auf das Doppelte erhalten bleibt. Und man kann sagen, dass mit dieser (der Eides-) Klage nicht die ursprüngliche Forderung geltend gemacht, sondern (gerade) der Eid des Klägers geschützt werde.“

Der Kläger beschwört einen Anspruch, dessen Klage mit Litiskreszenz versehen ist: Würde er mit ihr selbst gegen den leugnenden Beklagten vorgehen, ginge sie auf das duplum. Die Klage aus dem Eid übernimmt dieses pönale Element jedoch nicht. Wesentlich für sie ist, dass der Kläger den Anspruch nicht mehr beweisen muss. Die Prozessstrafe der Litiskreszenz hängt aber unmittelbar damit zusammen, dass der Beklagte den Kläger zum Beweisantritt zwingt601. Sie ist mit der Beweissituation der Eidesklage offenbar unvereinbar. Der Gläubiger kann aber zwischen zwei Klagen wählen: Er kann aus der ursprünglichen Klage (principalis causa) den Beweis antreten und das duplum fordern; oder er nimmt den Vorteil der Eidesklage in Anspruch und verzichtet auf das duplum. Dies ist der Stelle zu entnehmen602; ihr eigentlicher Gegenstand ist jedoch die Frage nach der Übertragung der Litiskreszenz auf die Klage aus dem Eid. ___________________________

all'attore il quale, avendo giurato che gli si deve, può agire a quel titolo per il costituto“; s. jetzt auch Babusiaux, Papinians Quaestiones 219 (dazu unten Anm. 604). 600 Demgemäß wird die Stelle generell als Beweis für die fehlende Novationswirkung des Eids betrachtet: Wlassak, Konfessio in Jure 41 f.; Kaser/Hackl, Zivilprozeßrecht 268 Anm. 17. 601 Sturm, Eid 534. 602 So auch Sturm, Eid 534 mit Aufarbeitung der Literatur in Anm. 49.

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Papinian würde in D. 13,5,25,1 für die actio de pecunia constituta lediglich das Nebeneinander der Klagen beobachten: Entweder der Kläger bleibt bei der ursprünglichen Klage oder er geht aus dem Eid vor. Der zuschiebende Schuldner hätte die Sache also keiner Bereinigung zugeführt, sondern dem Gläubiger lediglich ein weiteres Rechtsmittel verschafft. Ein möglicher weiterer Umfang der actio de pecunia constituta und der Aspekt der Beweislast werden freilich nicht angesprochen. Das constitutum könnte in diesem Zusammenhang auch deshalb besondere Beachtung verdienen, weil für die Konkurrenz der Eidesklage mit einem anderen prätorischen Rechtsmittel anderes gelten könnte als für das Verhältnis zu zivilrechtlichen Klagen. Auch für diese Interpretation gilt jedoch, dass sie entscheidende Ergänzungen des Sachverhalts voraussetzt603. d) Eid über die Hauptschuld, Fortbestehen der actio de pecunia constituta. Eine vierte Möglichkeit604 wird darin gesehen, dass Papinian das Nebeneinander von Hauptschuld und constitutum im Fall des geleisteten Eids weiterverfolgt. Debere (aus der Hauptschuld) und constituisse sind in ihrer Entwicklung (bis zur Leistung) voneinander unabhängig605. Dafür ist eine weitere Stelle von Bedeutung: D. 12,2,36 (Ulp. 27 ed.) Si actor deferat iusiurandum de sola constituta pecunia et reus iuraverit, exceptione utetur, si de constituta conveniatur: sed si de sorte, id est de priore obligatione conveniatur, exceptio cessabit, nisi de hac quoque iuraverit

„Wenn der Kläger den Eid nur über das festgesetzte Geld zuschiebt und der Beklagte schwört, so wird er (der Beklagte) eine Einrede nutzen können, wenn er mit der Klage über festgesetztes Geld in Anspruch genommen wird. Wird er aber auf das Kapital, das heißt auf die frühere Verbindlichkeit in Anspruch genommen, steht ihm keine Einrede zu,

___________________________

603 Kategorisch ablehnend Amirante, Giuramento 73; Roussier, Constitut 65: „tout le monde s'accorde aujourd'hui ... que le serment dont il s'agit n'est pas intervenu sur l'existence d'un constitut.“ 604 Philippin, Pacte de constitut 67 f.; Astuti, Costituto di debito II 222; Amirante, Giuramento 73 ff.; Babusiaux, Papinians Quaestiones 219 spricht einerseits von einem Eid, „dass ego Geld schulde“ (was auf die Grundverbindlichkeit schließen lässt), andererseits aber davon, dass tu „weiterhin auch die actio de pecunia constituta“ zustehe, womit gemeint sei, „dass die Klage aus dem Eid die ursprüngliche Klage nicht verdrängt oder gar noviert.“ 605 Ergänzt man deberi tibi − gedanklich durch Übernahme aus dem Folgenden, denn für einen Ausfall im Text spricht nichts − um pecuniam constitutam, was Sturm, Eid 530 für möglich hält, wird die Stelle eher unverständlicher: Geht es dann nicht um den Bestand der zugrundeliegenden Hauptschuld? Allenfalls müsste man deberi ex constituto subintelligieren. Ist die Stelle beim ersten Lesen dann überhaupt richtig zu verstehen?

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adversario deferente.

es sei denn, er hat auch darüber den Eid nach Zuschiebung durch den Gegner geleistet.“

Wie die Inskription zeigt, stammt die Stelle mit einiger Sicherheit aus Ulpians Kommentierung der actio de pecunia constituta. Sie betrifft den Eid des Beklagten über das Nichtbestehen einer Verpflichtung. Betrifft dieser Eid nur die Haftung aus constitutum, so wird auch nur eine spätere Inanspruchnahme aus constitutum blockiert. Die Verbindlichkeit aus der Hauptschuld besteht uneingeschränkt fort. Die Stelle belegt eine strikte Trennung der Klagen aus constitutum und sors debita. Auch bei Abgabe des Eids muss ihr Schicksal getrennt voneinander beurteilt werden. Ventiliert Papinian in D. 13,5,25,1 dasselbe Problem, mit dem Unterschied, dass es ihm um einen Eid des Gläubigers/Klägers über das Bestehen der Verpflichtung geht und der Eid weder de sola pecunia constituta noch de sorte quoque geleistet wird, sondern ausschließlich sibi deberi zum Inhalt hat? Der Eid bezöge sich dann − ein dritter Fall zu denen Ulpians in D. 12,2,36 − nur auf die Hauptschuld ('de sola sorte') 606 . Die Aussage wäre: Ein Eid des Klägers über die Hauptschuld hat keinerlei Auswirkungen auf die Konstitutsklage. Es gilt ein strenges Trennungsprinzip. Entweder verschweigt die Stelle bei diesem Verständnis die Abgabe des constitutum, oder man hat cum habeas eo nomine actione auf die pecunia constituta zu beziehen: „Wenn607 du eine Klage aus constitutum hast, kannst du sie (auch nach Eid über die Schuld) in statthafter Weise erheben.“ Papinians Ausdrucksweise wäre zumindest eine umständliche Formulierung dafür, dass die actio de pecunia constituta unbeeinträchtigt bleibt − „manet integra“ o. Ä. 2. Der zurückgeschobene Eid Alle vier dargestellten Verständnisalternativen müssen sich am zweiten Teil der Stelle bewähren. Ihn für mehr oder weniger interpoliert zu erklären, um eine bestimmte Deutung des ersten Teils halten zu können, erscheint fragwürdig. Im zweiten Teil der Stelle wird das Ergebnis des ersten auch für den Fall bestätigt, dass der Schuldner den Eid nicht deferiert (also in eigener Initiative dem Kläger zugeschoben) sondern referiert hat (also die ihm vom Kläger eingeräumte Gelegenheit, abzuschwören, mit umgekehrtem Inhalt zurückgegeben hat). Er tut dies regelmäßig aus modestia − „Zurückhaltung“. Offenbar sieht er sich aufgrund sozialer Bewertung davon abgehalten, selbst zu schwören, und daher gezwungen zurückzuschieben (compulsus, necessitas). Iurare gravi viro parum convenit − ___________________________

606 So schon Astuti, Costituto di debito II 222 Anm. 34. 607 Das setzt wohlgemerkt die Lesart agi voraus (s. oben Anm. 585).

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„Das Schwören steht einem ernsthaften Mann nicht gut zu Gesichte“, heißt es bei Quintilian608. Von der Zuschiebung des Eids sagt derselbe: Quint. inst. 5,6,4 at is, qui defert, agere modeste videtur, cum litis adversarium iudicem faciat et eum, cuius cognitio est, onere liberet, qui profecto alieno iure iurando stari quam suo mavult.

„Der aber, der (den Eid) zuschiebt, erweckt den Eindruck einer zurückhaltenden Prozessführung, macht er doch den Gegner zum Richter über den Prozess und befreit denjenigen, der das Erkenntnisverfahren durchzuführen hat (den Richter), von seiner Last; dieser will sich zweifellos lieber auf einen fremden Eid stützen als auf den eigenen (Richtereid).“

Nichts anderes gilt für die Zurückschiebung des Eids, nur dass die Situation dort durch die Initiative des Gegners herbeigeführt wird. a) Zurückgeschobener Eid als constitutum: Problem des „freien“ Schuldnerwillens. Nach der ersten der obigen Interpretationen betrifft der zweite Satz die Qualität des zurückgeschobenen Eids als klagbares constitutum. Er besagt, dass ein solches auch dann enthalten ist, wenn der Eid nicht auf (gänzlich freiwillige) Zuschiebung (delatio), sondern auf sittlich gebotene, ja erzwungene, insofern unfreiwillige Zurückschiebung (relatio) hin geleistet wurde. Lässt sich hier noch ein belastbarer, mit der actio de pecunia constituta sanktionierter, rechtsgeschäftlicher Wille des Beklagten erkennen, die Schuld außer Streit zu stellen? Papinian macht keinen Unterschied. Der zurückgeschobene und geleistete Eid führt nicht nur zur selben actio ex iureiurando, auch die Klage aus constitutum kann man dem Referenten nicht ersparen. Auch die Zurückschiebung des Eids geht auf den Willen des Beklagten zurück; rein moralische Zwänge können die Beachtlichkeit des im Eid enthaltenen constituere nicht in Frage stellen. Die Problematik betrifft gerade das constitutum und gerade den besonderen Fall des Eids. Andere rechtserhebliche Erklärungen als ein formloses Versprechen können im zu- und zurückgeschobenen Eid nicht enthalten sein. b) Klage aus zurückgeschobenem Eid als pecunia debita des constitutum. Nach dem Verständnis der Basiliken geht es um die Qualität der Klage aus zurückgeschobenem Eid als ausreichendes debitum für ein nachfolgendes constitutum. Der Beklagte schiebt den Eid zurück, der Kläger leistet ihn, der Beklagte wiederum gibt ein constitutum über die beschworene Schuld ab. Kann er sich bei einer Inanspruchnahme aus dem constitutum auf den moralischen Zwang berufen, der zur Schaffung der Grundlage für das constitutum geführt hat? Die entsprechende Frage müsste man freilich auch bei jeder Gewährung einer Klage aus zurückgeschobenem Eid stellen. ___________________________

608 Quint. inst. 9,2,98.

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c) Zurückgeschobener Eid über die Schuld aus constitutum. Betrifft der Eid die Schuld aus constitutum, wie die Glosse unterstellt, so würde eine im Vergleich zum zugeschobenen Eid (recte de constituta agis) unterschiedliche Behandlung des zurückgeschobenen Eids (die Papinian verneint) bedeuten, dass der Gläubiger in diesem Fall die Klage aus dem constitutum verliert. Das Problembewusstsein Papinians ließe sich allenfalls dadurch motivieren, dass der Kläger mit der Zuschiebung des Eids an den Beklagten seinen Anspruch aus constitutum aufs Spiel setzt, ja preisgibt. Damit riskiert er, dass der Beklagte ihn leistet und zukünftig nicht mehr gegen ihn vorgegangen werden kann. Denn für den Fall, dass der Beklagte auf Zuschiebung hin schwört, verheißt der Prätor: D. 12,2,7 (Ulp. 22 ed.) Ait praetor: 'Eius rei, de qua iusiurandum delatum fuerit, neque in ipsum neque in eum ad quem ea res pertinet actionem dabo.'

„Der Prätor sagt: 'In der Angelegenheit, über die der Eid zugeschoben wurde, werde ich weder gegen ihn (den Eidesleister) selbst noch gegen den, den diese Angelegenheit betreffen wird, eine Klage gewähren.“

Geht der Gläubiger erneut gegen den Schuldner gerichtlich vor mit der Behauptung, der Eid sei nicht geleistet worden (bzw. hätte eine andere Schuld betroffen), so wird zumindest eine Einrede gewährt: D. 12,2,9 pr. (Ulp. 22 ed.) Nam posteaquam iuratum est, denegatur actio: aut, si controversia erit, id est si ambigitur, an iusiurandum datum sit, exceptioni locus est.

„Denn nachdem der Eid geleistet worden ist, wird die Klage verweigert. Oder man nimmt eine Einrede auf, wenn es zum Streit kommt, das heißt wenn bestritten wird, dass der Eid geleistet wurde.“

Dass der Beklagte dadurch die Gelegenheit erhält, sich durch Eid seiner Verpflichtung zu entledigen, wird offenbar als zweifelhafter Vorteil begriffen. Es ist zurückhaltender (modestius) und ein Zeichen von Ehrfurcht (verecundia), wegen einer Geldschuld nicht die Eidesgottheit, den Kaiser, das Leben seiner Kinder, das eigene Leben oder seine Gesundheit in Anspruch zu nehmen. Dies findet nicht nur allgemeine soziale Anerkennung (nemo dubitat)609, sondern führt zur Notwendigkeit (necessitas) den Eid zurückzuschieben. Umgekehrt beweist der Kläger facilitas − „Leichtfertigkeit“. Aus dem Eidesmechanismus macht er ein Glückspiel. Soll ihm seine Klage nur deshalb erhalten bleiben, weil der Beklagte ___________________________

609 Quia nemo dubitat ... iuret erklärt das Verhalten des Beklagten nach seiner Motivation und ließe sich auch in Klammern setzen; der Satz enthält nicht die Begründung für die Entscheidung Papinians nulla distinctio adhibetur, so aber Zimmermann in: Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, CIC III: „... so macht dies keinen Unterschied, weil niemand daran zweifelt ...“ Ein Grund für die Entscheidung wird überhaupt nicht genannt.

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allgemein geachtete Skrupel zeigt und den Eid zurückschiebt610? Wie im Ausgangsfall beschreibt dies ein allgemeines Problem des Eidesmechanismus. d) Zurückgeschobener Eid über die Hauptschuld, Fortbestehen der actio de pecunia constituta. Betrifft der Eid schließlich die Hauptschuld bei bereits abgegebenem constitutum, bestünde die abgelehnte Andersbehandlung des Falls mit referiertem Eid ebenfalls darin, dass der Gläubiger die actio de pecunia constituta verliert. Eine Begründung dafür wäre ebenso schwach wie in Variante 3: Der deferierende Kläger müsste bei Eidesleistung des Beklagten se non deberi gegen sich gelten lassen − dass kein Anspruch besteht (und niemals bestand). Dies hat Auswirkungen auf akzessorische Rechte: D. 12,2,40 (Iul. 13 dig.) Iusiurandum a debitore exactum efficit, ut pignus liberetur: est enim hoc acceptilationi simile: perpetuam certe exceptionem parit. idcirco poenam quoque petentem creditorem exceptione summoveri oportet et solutum repeti potest, utpote cum interposito eo ab omni controversia discedatur.

„Der vom Schuldner eingeforderte Eid bewirkt, dass ein Pfand frei wird. Dieser ist nämlich dem Erlass ähnlich: Er erzeugt eine dauernde Einrede. Daher muss auch der Gläubiger, der eine Vertragsstrafe einklagt, mit einer Einrede abgewehrt werden und bereits Geleistetes kann zurückgefordert werden, sodass also, wenn der Eid geleistet wurde, von jedem Streit Abstand genommen wird.“

Die Erlasswirkung des zugeschobenen Schuldnereids se non deberi muss auch Auswirkungen auf ein constitutum haben. Dass der Gläubiger nach Erlass der Schuld eine frühere Erklärung des Schuldners in Anspruch nehmen könnte, erscheint ausgeschlossen. Der Eid muss nach D. 12,2,40 zum selben Ergebnis führen. Ein Eid des Beklagten über den Nichtbestand der Hauptschuld befreit ihn daher − zumindest im Wege der exceptio − von der Haftung aus constitutum. Der Gläubiger kann nicht mehr recte de constituta agere. Tritt diese Situation aufgrund der moralisch gebotenen Zurückschiebung des Eids nicht ein, so könnte man fragen, ob dem Beklagten nicht bestimmte Vorteile aus der Eidesdelation des Klägers erhalten bleiben können. Denn schließlich hat der Kläger nicht nur den Verlust der Klage aus der Schuld, sondern auch den aller Sicherheiten, Zusagen und klagebegründenden Erklärungen aufs Spiel gesetzt. Er hat damit offen zugestanden, dass er in die Erfüllung der Verbindlichkeit zu bestimmten Konditionen kein Vertrauen mehr hat. Schiebt der Beklagte den Eid zurück, behält der Kläger den Anspruch. Lässt sich weiterhin rechtfertigen, dass er wegen Nichteinhaltung des constitutum klagen kann? Dieselbe Frage würde sich freilich bei der Verwertung eines Pfandes oder Geltendmachung einer Vertrags___________________________

610 Babusiaux, Papinians Quaestiones 219: „... die Überlegung, dass tu die Eideszuschiebung selbst verursacht hat, wofür er mit Verlust der Ausgangsklage sanktioniert werden könnte.“

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strafe stellen: Der Eid des Klägers lässt Sicherheiten unberührt, gleich ob er zuoder zurückgeschoben wurde. Dass sich bei der Zurückschiebung an ein anderes Ergebnis denken ließe, ist ebenso wie in Variante 3 ein eher artifizieller Gedanke, für den sich bei Papinian keine wirklichen Anhaltspunkte finden. Es hat sich gezeigt, dass, was die Informationen des Sachverhalts betrifft, die erste, von Faber begründete Lösung als einzige auf keinerlei Zusätze zum überlieferten Sachverhalt angewiesen ist. Beide Teile unserer Stelle machen bei dieser Betrachtung guten Sinn; jeder Verdacht der Verfälschung liegt fern. Die Lösung ist gleichzeitig die einzige, die eine spezielle Problematik des constitutum zum Gegenstand hat. Allein diese Beobachtungen machen sie unter methodischen Gesichtspunkten den anderen Vorschlägen überlegen. Die Zu- und Zurückschiebung des Eides ist im Fall seiner Ableistung demnach auch constitutum. Der Prätor schützt den förmlichen Konsens der Eidesleistung mit einer eigenen Klage, die den Gläubiger weitestgehend des Beweises enthebt; er schützt den Konsens über die Erfüllung der bestehende Schuld wie stets mit der actio de pecunia constituta auf das Gläubigerinteresse an der Leistung. Innerhalb der prätorischen Rechtsordnung ist die gewählte Form nichts Trennendes.

DRITTES KAPITEL: PECUNIA CONSTITUTA IN DER GESCHÄFTS- UND URKUNDENPRAXIS PECUNIA CONSTITUTA IN DER PRAXIS § 1. Constituta und Verwandtes in den Digesten (außerhalb des Titels 13,5) Constituta und Verwandtes in den Digesten

Im Folgenden soll das Institut der pecunia constituta anhand von Dokumenten weiteruntersucht werden, die uns in den Digesten außerhalb des Titels de pecunia constituta überliefert sind. Zumeist handelt es sich um Fälle aus der Problemliteratur und der praktischen Gutachtertätigkeit der römischen Juristen.

I. Erklärung über Erhalt und Verbleib einer Summe und Zusage jederzeitiger Rückzahlung: D. 16,3,24 D. 16,3,24 (Pap. 9 quaest.) 'Lucius Titius Sempronio salutem. Centum nummos, quos hac die commendasti mihi adnumerante servo Sticho actore, esse apud me ut notum haberes, hac epistula manu mea scripta tibi notum facio: quae quando voles et ubi voles confestim tibi numerabo.' quaeritur propter usurarum incrementum. respondi depositi actionem locum habere: quid est enim aliud commendare quam deponere? quod ita verum est, si id actum est, ut corpora nummorum eadem redderentur: nam si ut tantundem solveretur convenit, egreditur ea res depositi notissimos terminos. in qua quaestione si depositi actio non teneat, cum convenit tantundem, non idem reddi, rationem usurarum haberi non facile dicendum est. ...

„'Lucius Titius dem Sempronius zum Gruße. Dass du Kenntnis davon nimmst, dass die hundert Münzen, die du mir heute (?) anvertraut hast, wobei sie mir der Verwalter-Sklave Stichus ausgezahlt hat, bei mir sind, setze ich dich mit diesem eigenhändig geschriebenen Brief in Kenntnis. Ich werde sie dir, wann du willst und wo du willst, unverzüglich (zurück)zahlen.' Es wird wegen des Zinszuwachses gefragt. Ich habe geantwortet, die Verwahrungsklage sei anwendbar. Denn was ist 'anvertrauen' anderes verwahren? Das ist insofern richtig, wenn vereinbart ist, dass dieselben Münzstücke zurückgegeben werden müssen. Denn wenn man vereinbart hat, dass ebenso viel geleistet werde, überschreitet das Geschäft die wohlbekannten Grenzen der Verwahrung. Wenn in dieser Fallgestaltung die Verwahrungsklage nicht Platz greift (dann nämlich, wenn vereinbart wurde, dass ebenso viel, nicht aber dasselbe geleistet werde), lässt sich nicht ohne Weiteres sagen, dass man Zinsen berechnen dürfe. ...“

Stichus, Sklave des Sempronius, hat die beachtliche Summe von hundert Goldmünzen (oder hunderttausend Sesterzen611) an Titius ausgezahlt. Der Wille des ___________________________

611 Vgl. I. 3,7,3; oben Anm. 18.

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Pecunia constituta in der Praxis

Sempronius ging dabei auf ein commendare − „anvertrauen“. Titius bestätigt den Erhalt und sagt jederzeitige Rückzahlung auf Abruf zu. Schon Kübler erkennt in der Urkunde Parallelen zu Klauseln in griechischen Urkunden über die Verwahrung (παραθήκη)612. Bereits die subjektive Stilisierung der Urkunde des Lucius Titius und der verwandten Dokumente in D. 16,3,26,2 (Paul. 4 resp.) und D. 16,3,28 (Scaev. 1 resp.) machten ihren „unrömischen Charakter“ aus. Für den Juristen handelt es sich um eine Verwahrung, die actio depositi ist eröffnet, sie lässt − jedenfalls bei der formula in ius concepta mit der Klausel ex fide bona − die Berücksichtigung einer Vereinbarung von (Nutzungs-) Zinsen zu. Voraussetzung der Verwahrung ist aber, so die präzisierende Fortführung, dass dieselben Münzen zurückzugeben sind. Ist lediglich dieselbe Summe zurückzuzahlen, sei die actio depositi nicht einschlägig, die Berücksichtigung von Nutzungszinsen „nicht leicht“ zu begründen. In diesem Fall handelt es sich um ein Darlehen, einschlägig wäre die actio certae creditae pecuniae, die nur eine Verurteilung in das Kapital kennt. (Darlehens-) Zinsen würden aus einer zusätzlichen stipulatio geschuldet, möglicherweise aber auch − wie oben dargelegt613 – aus einem constitutum über zuvor formlos vereinbarte Zinsen. Der Brief des Titius lässt sich, wie der Vergleich mit D. 13,5,26614 und D. 13,5,31615 zeigt, auch als constitutum debiti über die Rückzahlung des Kapitals verstehen. Gerade in dieser Urkunde ist aber von Zinsen keine Rede. Der Jurist muss also davon ausgehen, dass Zinsen nicht konstituiert wurden. Dass er auf den Aspekt des constitutum debiti einginge, ist daher nicht zu erwarten.

II. Erklärung eines institor über den Verbleib einer Summe und Zusage der Zahlung an einem bestimmten Termin: D. 14,3,20 D. 14,3,20 (Scaev. 5 dig.) Lucius Titius mensae nummulariae quam exercebat habuit libertum praepositum: is Gaio Seio cavit in haec verba: 'Octavius Terminalis rem agens Octavii Felicis Domitio Felici salutem. habes

„Lucius Titius hatte für den Wechseltisch, den er betrieb, einen Freigelassenen als Betriebsleiter bestellt. Dieser gab Gaius Seius ein Sicherungsversprechen mit folgenden Worten: 'Octavius Terminalis, der das Geschäft des Octavius Felix betreibt, dem Domitius Felix zum Gruße. Du hast beim Wechseltisch mei-

___________________________

612 Griechische Tatbestände 202; dem quando voles der Urkunde entspreche ὁπόταν βουληθείη̋ in BGU II 637; s. schon oben bei Anm. 489. Vgl. aber auch die späten Papyri, unten S. 249, und das cum petierit der lateinischen Urkunden, unten S. 254 ff. 613 S. 137 ff. 614 Text oben S. 161. 615 Text oben S. 168.

Constituta und Verwandtes in den Digesten penes mensam patroni mei denarios mille, quos denarios vobis numerare debebo pridie kalendas Maias.' quaesitum est, Lucio Titio defuncto sine herede bonis eius venditis an ex epistula iure conveniri Terminalis possit. respondit nec iure his verbis obligatum nec aequitatem conveniendi eum superesse, cum id institoris officio ad fidem mensae protestandam scripsisset.

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nes Patrons tausend Denare. Diese Denare werde ich euch zuzählen müssen am Tag vor den Kalenden des Mai.' Es wurde gefragt, ob Terminalis, nachdem Lucius Titius erbenlos gestorben und sein Vermögen versteigert worden war, aus dem Brief zu Recht in Anspruch genommen werden könne. Er (Scaevola) hat das Gutachten erteilt, dass er sich weder nach dem Recht durch diese Worte verpflichtet habe, noch sei Billigkeit übrig, ihn in Anspruch zu nehmen, weil er das in seinem Amt als Bestriebsleiter zur Bekräftigung der Vertragstreue des Wechseltisches geschrieben hätte.“

1. Sachverhalt Die Konstellation ist verwirrend: Namentlich ist von fünf Personen die Rede. Tatsächlich dürfte es aber nur drei Beteiligte geben. Die ersten beiden Sätze (Lucius − verba) führen Lucius Titius, Gaius Seius und einen Freigelassenen des Titius ein. Der zweite Satz nimmt dabei mit is auf den Freigelassenen Bezug: Er hat eine Urkunde ausgestellt. Empfänger der Erklärung war Gaius Seius. Im sodann wiedergegebenen Wortlaut der Urkunde erscheint als Name des Ausstellers (mithin des Freigelassenen) Octavius Terminalis, als der des Empfängers Domitius Felix. Bei Letzterem muss es sich um den wahren Namen des Gaius Seius handeln. Gleichzeitig bezeichnet sich der Aussteller als rem agens Octavii Felicis. Mit rem agens kann nichts anderes gemeint sein als mensae praepositum (esse), gleichzeitig belegt die Namensübereinstimmung in Octavius, dass Octavius Felix kein anderer sein kann als der Freilasser des Octavius Terminalis, der exercitor mensae nummulariae, mithin mit Lucius Titius identisch ist616. Während die Einleitung nur Blankettnamen bzw. den Status (libertus) bringt, das wiedergegebene Schriftstück nur die wirklichen Namen nennt, vermischen sich die Sphären in der quaestio, wo einerseits von Lucius Titius, andererseits von Terminalis die Rede ist617. ___________________________

616 Ob die Namen Lucius Titius und Gaius Seius von den Kompilatoren eingesetzt wurden (so Lenel, Palingenesia II 221 Anm. 1; dagegen Bürge, Fiktion und Wirklichkeit 473 Anm. 28), kann dahinstehen. Jedenfalls wurden mit ihnen die Namen der Beteiligten an diesem wirklichen Fall ersetzt. 617 Anders versteht die Konstellation Bürge, Fiktion und Wirklichkeit 472 f.; 504: Octavius Felix sei institor des Lucius Titius, die Urkunde errichte ein Freigelassener des institor, Octavius Terminalis; auf der anderen Seite (vos) stünden Gaius Seius und Domitius Felix, Letzterer wiederum nummularius und Zahlstelle seines patronus. Die Vorstellung, dass die Stelle somit Einblick in eine tief geschichtete Organisationsstruktur der römischen familia gewährt, ist zweifelsfrei attraktiv. Allein die Tatsache, dass eindeutig Blankett- und Individualnamen vermischt werden, muss misstrauisch machen. Der Satz is (Bürge: Octavius Felix) Gaio Seio cavit in haec verba würde weder den Aussteller noch den Adressaten des Schriftstücks

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Pecunia constituta in der Praxis

Lucius Titius = Octavius Felix = patronus meus praepositio

Gaius Seius = Domitius Felix = vos cautio

libertus = is = Octavius Terminalis = rem agens = institor

Neben der Ausstellung der cautio gehört zum Sachverhalt, dass der Patron und mensam exercens später erbenlos stirbt und sein Nachlass versteigert wird. Der Aussteller der Urkunde, an den sich deren Empfänger nunmehr wendet, ist nach Scaevola nicht haftbar. Weder sei er aufgrund geltenden Rechts (iure) gebunden, noch bestehe ein Bedürfnis, ihn aus allgemeinen Gerechtigkeitsüberlegungen (aequitas) haften zu lassen − so die spontane Assoziation des Lesers. Denn der Verfasser der Urkunde habe mit der Erklärung nicht Vertrauen in die eigene Person in Anspruch genommen, sondern lediglich in seiner Eigenschaft als institor die Vertragstreue des Unternehmens bekundet. 2. Entscheidungsbegründung Scaevolas Zwar hat er ein eigenes Tätigwerden als geschuldet in Aussicht gestellt (numerare debebo). Dass er sich in der Urkunde als rem agens bezeichnet, verhindert aber die Annahme, er hätte seine Person unabhängig von seiner Stellung als institor ins Spiel gebracht (fidem suam adstringere618). Iure hat in nec iure („durch das Recht“) obligatum jedenfalls eine andere Bedeutung als unmittelbar zuvor in iure („zu Recht“) conveniri. Meint es alle anerkannten Verpflichtungsgründe, so wäre mit aequitas ein besonderes Bedürfnis zum korrigierenden Eingriff gemeint 619 . Dass Scaevola mit ius die Verpflichtungsarten bzw. Klagen des ius civile620, mit aequitas die des ius honorarium meinen würde (wie etwa in D. 13,5,31 [Scaev. eod.]: nec civilem eo nomine ac___________________________

bezeichnen; er wäre bereits hochgradig juristisch angereichert. Unklar wäre auch, wie mensa patroni mei zu verstehen ist: Der Freilasser des Ausstellenden ist nach Bürge der institor. Das Scholion σοὶ zu B. 18,1,20 (B III 1072 Nr. 3 Sch.; nicht bei Heimbach) geht von zwei Gläubigern, Gaius Seius und Domitius Felix, aus und überwindet die Worte Gaio Seio cavit mit dem Hinweis auf den Plural ὑ™ῖν/vobis, um in einem vergleichenden Hinweis auf D. 44,7,61 (pr.) zu enden. 618 Belegt ist der Ausdruck freilich nur für die stipulatio/fideiussio: D. 3,3,67 (Pap. 2 resp.); D. 46,1,52,2 (Pap. 11 resp.); C. 4,35,6 (Gord.); C. 9,45,2 (Gord.); neutral: C. 4,29,15 (Diocl./Maxim.); C. 4,54,5 (Gord.); C. 8,40,1 (Sev./Ant.). 619 Also etwa so viel wie 'necessitas ex aequo'. Auf die Nähe zur Formulierung in D. 2,14,52,3 (Ulp. 1 opin.): rescriptum est neque iure ullo neque aequitate tale desiderium admitti weist Nörr, Rechtskritik 119 Anm. 116 hin. S. auch D. 1,3,25 (Mod. 8 resp.). 620 Nec iure obligatum (esse) bedeutet etwa für Levy, Weströmisches Vulgarrecht 83 Anm. 306: „ein verbis obligari liege nicht vor“.

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tionem competere: sed nec de constituta secundum ea quae proponerentur), lässt sich nicht ausschließen. Mit aequitas wäre dann das Motiv prätorischer Rechtsetzung angesprochen, auch was die bereits ediktal etablierten Klagen betrifft (wie in D. 13,5,1 pr.: Hoc edicto praetor favet naturali aequitati)621. 3. Die byzantinische Tradition Die Basiliken (B. 18,1,20)622 geben iure tatsächlich mit πολιτικῶ̋ − civiliter wieder. Das Scholion πολιτικῶ̋ 623 erkennt in der aequitas den Anknüpfungspunkt zu D. 13,5,1 pr. und zur actio de pecunia constituta: Οὔτε γὰρ τῇ ἐξ στιπουλάτου ὁ προεστὼ̋ [ἐνέχεται]· οὔτε γὰρ ἐν ἐπερωτήσει [δι'] ἐκ[είνων τῶν] ῥη™άτων [ἦν] ἡ ἀσφάλεια· οὔτε τῇ πεκουνία κονστιτούτα τῇ διὰ τὸ φύσει δίκαιον εἰσενεχθείσῃ.

„Weder haftet der praepositus mit der (actio) ex stipulatu; denn die Sicherungserklärung bestand nicht in einer Stipulation aufgrund jener Worte; noch mit der (actio de) pecunia constituta, die aufgrund des von Natur aus Gerechten (naturalis aequitas) haftbar macht.“

So verstanden bezieht sich die Begründung Scaevolas cum − scripsisset nur auf nec aequitatem superesse. Denn die Klagen des ius civile scheitern nicht erst daran, dass der Erklärende institoris officio auftrat. Sieht man entgegen den Basiliken in ius/iure aber alle bereits anerkannten Verpflichtungsgründe, kann sich die Begründung cum − scripsisset auch auf nec iure obligatum beziehen. Im Wortlaut der cautio stimmt habes penes mensam mille mit D. 13,5,26: decem habes penes me überein; vobis numerare debebo pridie kalendas Maias mit D. 13,5,24: tibi reddere debebo idibus Maiis. In beiden anderen Fällen knüpft die Haftung de constituta an diese Formulierungen an. Dass es sich also auch hier grundsätzlich um eine Erklärung handelt, aus der sich eine actio de pecunia constituta ergeben kann, drängt sich auf624. Der Scholiast Stephanos bezeichnet die ___________________________

621 S. auch D. 37,1,6,1 (Paul. 41 ed.); D. 38,8,2 (Gai. 16 ed. prov.): Begründung der bonorum possessio; D. 44,4,1,1 (Paul. 71 ed.): exceptio doli. 622 A III 874 Sch.; II 230 Hb. 623 B III 1072 f. Nr. 5 Sch. (nicht bei Heimbach). 624 Bruns, Constitutum debiti 77; offenbar ablehnend Astuti, Costituto di debito II 239 mit Anm. 27; Frezza, Garanzie I 269 bringt die Stelle mit dem constitutum D. 13,5,5,3 in Verbindung: „dichiarazioni in cui la prima obbligazione viene richiamata soltanto ..., cf. D. 14,3,20“; Wacke, Adjektizische Klagen I 348 Anm. 241: „Wohl die Bestätigung eines receptum argentarii mittels constitutum debiti“; ein receptum argentarii vermutet (hier wie in D. 13,5,26) Kübler, Griechische Tatbestände 200; offengelassen von Klami, Mutua magis videtur quam deposita 46 Anm. 31; Levy, Weströmisches Vulgarrecht 83 Anm. 306: „Möglicherweise hieß es am Schluß 'nec receptum superesse' anstelle des in jedem Fall schlimmen 'nec aequitatem conveniendi eum superesse'.“ Nec receptum superesse − „es bleibt auch kein receptum übrig“ erscheint freilich nicht weniger „schlimm“. Warum sollten die

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Erklärung mit ἀντιφώνησι̋, dem Äquivalent für constitutum in den byzantinischen Quellen625. Zu fragen bleibt, inwiefern der Tatsache, dass der Geschäftsherr inzwischen gestorben und sein Nachlass versteigert wurde, Bedeutung für die Entscheidung Scaevolas zukommt. Hätte der libertus praepositus von vornherein nicht de constituta pecunia gehaftet, so wären erbenloser Tod und Nachlasskonkurs lediglich Umstände, die die Frage nach seiner Haftung im konkreten Fall motivierten und (erfolglos) zu einer Korrektur aufgrund von Billigkeitserwägungen drängten. War die Haftung des institor aber zunächst begründet, so wäre sie nachträglich erloschen, als sein officium endete. 4. Ausschluss der Eigenhaftung des institor nach Beendigung des officium institoris Letzteres wird in der Literatur vertreten: Mit der venditio bonorum, dem Nachlasskonkurs, ende jedenfalls die Tätigkeit des institor 626 ; danach komme eine Eigenhaftung nicht mehr in Betracht627. Das Tatbestandselement „erbenloser Tod ___________________________

Kompilatoren an die Stelle von receptum nicht einfach constitutum setzen, anstatt sich auf eine so waghalsige Einbeziehung der aequitas einzulassen? 625 Sch. B III 1072 Nr. 2 (nicht bei Heimbach). 626 Wacke, Adjektizische Klagen I 348. Mit dem Tod des Geschäftsherrn, der einen institor eingesetzt hat, ändere sich noch nichts an dessen Qualität als praepositus. Zwar ist in D. 14,3,5,17 (Ulp. 28 ed.) die Rede davon, dass der Erbe für (neue) Geschäfte des vom Erblasser eingesetzten institor dann haftet, wenn er sich „desselben institor bedient“ (qui eodem institore utatur). Will er die Dienste des institor nicht länger in Anspruch nehmen (si nolle(n)t opera eius uti), muss er ihn jedoch aus seiner Stellung „entfernen“ (removendus fuit: D. 14,3,11 pr. [Ulp. 28 ed.]). Ohne eine ausdrückliche Beendigung des Verhältnisses durch den Geschäftsherrn scheint man institor zu bleiben, solange das Unternehmen (res) besteht, zu dessen Betreuung man eingesetzt wurde. 627 Wacke, Adjektizische Klagen I 348 mit Anm. 244 im Anschluss an Glück, Pandecten XIV 257 Anm. 59, aber unter unzutreffender Berufung auf Levy, Weströmisches Vulgarrecht 83: Levy hält die Erklärung des institor von vornherein für unverbindlich. Ebenso wenig findet die These Bestätigung bei dem gleichfalls zitierten Visky, Affranchi comme „institor“ 214. Auch Mitteis, Privatrecht 228 spricht nicht von einem „Aufhören der Eigenhaftung“, sondern von deren grundsätzlichem Ausschluss. Bei Wacke kumuliert der Gedanke im Übrigen mit anderen: Der institor hafte nach Scaevola „nicht strenger oder länger, als der Bankier (oder sein Nachlaß) haftet (mithin gleichsam akzessorisch)“; unklar ist, wie sich dazu die Feststellung verhält, der „Bankkunde“ müsse „seine Ansprüche im Nachlaßkonkurs anmelden und gegebenenfalls gegen den Vermögensübernehmer vorgehen“ − insofern haftet der Nachlass doch weiter! Die Billigkeit verbiete aber die Haftung des institor, „da ihm der Regreß gegen das inzwischen versteigerte Bankiersvermögen abgeschnitten ist“. „Der libertus soll nicht strenger haften als ein etwaiger servus praepositus, der

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des dominus mit nachfolgender bonorum venditio“ wäre dann unverzichtbar für den Ausschluss der Haftung des institor. 5. Zum Vergleich: Die Haftung des Gemeindebeamten post depositum officium Dass der institor aus einem unternehmensbezogenen constitutum nur durante officio haften würde, fände eine Parallele im Recht der Gemeindebeamten628: D. 50,8,5,1 (Pap. 1 resp.) In eum, qui administrationis tempore creditoribus rei publicae novatione facta pecuniam cavit, post depositum officium actionem denegari non oportet. diversa causa est eius, qui solvi constituit: similis etenim videtur ei, qui publice vendidit aut locavit.

„Gegen denjenigen, der zur Zeit seiner Amtsführung den Gläubigern des Gemeinwesens nach Vornahme einer Schulderneuerung Geld versprochen hat, darf nach Niederlegung des Amtes eine Klage nicht verweigert werden. Anders ist die Lage dessen, der festgesetzt hat, dass gezahlt werde. Denn er scheint demjenigen zu ähneln, der im öffentlichen Namen verkauft oder verpachtet hat.“

Ein Beamter, dessen Funktion lediglich mit administratio bezeichnet ist, hat während der Zeit seiner Amtsführung zugunsten von Gläubigern der öffentlichen Hand (creditores rei publicae) unter Beseitigung der alten Schuld (novatione facta) ein Versprechen zur Leistung von Geld in Stipulationsform abgegeben (cavit). Damit ist nicht mehr die res publica, sondern der Beamte Schuldner. Nach Niederlegung des Amtes „darf eine Klage gegen ihn nicht verweigert werden“. Er haftet aus der Stipulation auch als Privatmann. Anders sei es dann, wenn der Beamte (zur Zeit seiner Amtsführung und gegenüber den creditores rei publicae) ein constitutum solvi abgegeben hat. Der Beamte ähnele dann demjenigen, der „öffentlich verkauft oder verdungen hat“, also als Beamter den Verkauf von Sachen der öffentlichen Hand, die Vergabe öffentlicher Aufträge oder die Verpachtung von Steuern und Abgaben veranstaltet hat. Zwischen der novatorischen cautio des Beamten einerseits, constitutum und öffentlicher Versteigerung durch ihn andererseits besteht ein Unterschied hinsichtlich der Gewährung einer Klage gegen ihn post depositum officium. Für publice vendidisse aut locavisse ist die Rechtslage offenbar geklärt. Durch vergleichende Annäherung des solvi constituisse an diese Fälle findet der Jurist auch dafür eine Lösung. Nach Niederlegung des Amtes darf eine Klage aus constitutum, öffentlichem Verkauf und öffentlicher Vergabe nicht erteilt werden. Aus dem Text ergibt sich, dass dies vor Niederlegung des Amts möglich ist. Denn nicht die Frage, ob jemals eine Klage gegen den Beamten verweigert ___________________________

an seiner Statt ein formloses Zahlungsversprechen gleichen Inhalts abgab“ − ein servus praepositus haftet doch nie! 628 Wacke, Adjektizische Klagen I 348.

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werden darf, sondern diejenige, ob dies nach Niederlegung des Amts möglich ist, ist das tertium comparationis im Vergleich von novatorischer Stipulation und constitutum, bzw. publice vendere aut locare. Dies legt den Schluss nahe, dass der Beamte während seiner Amtszeit den Gläubigern für alle Geschäfte als Beklagter suo nomine zur Verfügung steht, die er in seiner Funktion als Beamter abgeschlossen hat629. Nach Ende der Amtszeit ist dies nur noch für solche Geschäfte der Fall, bei denen er höchstpersönlich die Verantwortung übernommen hat. Überträgt man dies auf den institor, so haftet dieser für die Geschäfte, die seinem institoris officium entsprechen, sich also im Rahmen der praepositio halten, und zu denen im konkreten Fall ein constitutum gehört, nur bis zum Ende seiner Tätigkeit. Für andere Geschäfte als das constitutum ist dies freilich nicht belegt. Dafür, dass der institor in unserem Fall nach Scaevola zu keinem Zeitpunkt haftet, spricht aber die Formulierung nec iure his verbis obligatum. Auch wenn sie nicht die gänzlich fehlende Begründung einer Obligation meinen muss, sondern lediglich das jetzige Fehlen einer Verpflichtung, so kommt der Aspekt der Beendigung der Geschäftsführung hier doch nicht zum Ausdruck; schon die Worte der Erklärung sind für die fehlende Verpflichtung des libertus praepositus verantwortlich: nec his verbis obligatum. Des Weiteren spricht dafür die Betonung der fides mensae: Sie deutet darauf hin, dass für Scaevola Vertrauen gerade in die Person des praepositus niemals begründet wurde. Wie sollte er ihn jemals aus der Klage haften lassen, die das fidem fallere sanktioniert? Dann aber stellt sich die Frage, ob die Erklärung irgendwelche Rechtsfolgen zeitigen, insbesondere ob sie die Haftung des Geschäftsherrn beeinflussen konnte. Kann ein institor in unmittelbarer Stellvertretung für den Geschäftsherrn constituta abgeben? Dass dies zumindest vertreten wurde, lässt sich nicht ausschließen. Immerhin muss Ulpian darauf pochen, dass sich tutor pupilli, actor municipium und curator furiosi durch constitutum verpflichten (D. 13,5,5,8). Er muss Geschäfte dieser gesetzlichen Vertreter meinen, die den pupillus, die municipes bzw. den furiosus betreffen, also insbesondere constituta über deren Schulden bei Dritten. Hat das constitutum keinerlei Bezug zur Amtsführung des Vertreters, so wäre es fernliegend, in diesem Amt ein Hindernis für die Haftung de constituta zu sehen. Indem Ulpian die Eigenhaftung der Vertreter betont, macht er die Vorstellung direkter Stellvertretung unmöglich. ___________________________

629 Anders Mitteis, Röm. Privatrecht I 383 Anm. 20: „Wo derselbe Beamte, der den Vertrag geschlossen hat, auch die Vertretung im Prozeß führt, sieht es demnach im Prozeßstadium so aus, als ob er persönlich belangt würde; daher z. B. die Frage, ob die Klage „gegen ihn“ auch „post depositum officium“ gegeben wird (Pap. D. 50,8,5,1), nur seine Verpflichtung zur Defension, nicht auch zur Zahlung beweist.“

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Allerdings kann für den institor anderes gelten. Der einsetzende Geschäftsherr haftet mit der actio institoria grundsätzlich neben dem institor aus den von diesem geschlossenen Verträgen (D. 14,3,1 [Ulp. 28 ed.]: obligari nos ex contractibus ipsorum et conveniri). Wo der (freie) institor sich nicht selbst vertraglich verpflichtet, bleibt auch kein Raum für diese adjektizische Haftung. Constituta von institores sind aber nicht deren Verträge (contractus ipsorum). Wenn bei ihren constituta unmittelbare Stellvertretung anerkannt ist, betrifft dies nicht die adjektizische Haftung, sondern ist ein eigenes Phänomen des Rechts der institores. Zu berücksichtigen bleibt noch die Terminologie nec aequitatem superesse bei Scaevola: Es sei kein Gerechtigkeitsbedürfnis übrig, den Erklärenden zu belangen. In Verbindung mit dem Hinweis auf das institoris officium und den erbenlosen Tod des Prinzipals lässt sich dies zeitlich verstehen: Es lässt sich nicht mehr mit der aequitas begründen, Titius/Terminalis in Anspruch zu nehmen. Für die Einhaltung von Zusagen hätte der institor allenfalls 'durante officio' einzustehen gehabt. Wenn er sich auch dann unter Hinweis auf die fides mensae protestanda gegen eine Eigenhaftung verwahren konnte, stellt sich die Frage, ob der Inhaber der mensa duch ein constitutum seines Betriebsleiters unmittelbar haftbar gemacht werden kann. Aus der Stelle lässt sie sich nicht beantworten.

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III. Erklärung eines procurator über den Verbleib einer geschuldeten Summe: D. 44,7,61 pr. Schon die Basiliken-Scholien630 verweisen von D. 14,3,20 auf: D. 44,7,61 pr. (Scaev. 28 dig.) Procurator Seii admisit subscriptionem ad argentarium vascularium in verba infra scripta: Λούκιο̋ Καλάνδιο̋ ἐπέγνων, κα5 θὼ̋ προγέγραπται· ἐστὶν λοιπὰ παρ᾿ ἡ™ῖν, ὀφειλό™ενα τῷ δεῖνι, τόσα. quaero, an Gaium Seium obligare potuit. respondit Seium, si alioquin obligatus non esset, non propter quod ea scriptura quae proponeretur interposita sit obligatum esse.

„Der Geschäftsführer des Seius schickte eine Beischrift an einen Silberschmied mit folgendem Wortlaut: 'Ich, Lukios Kalandios, erkenne hiermit an, wie oben geschrieben steht: Es ist verblieben bei uns, geschuldet dem und dem, so und so viel.' Ich frage an, ob er Gaius Seius verpflichten konnte. Er hat das Gutachten erteilt, Seius sei, wenn er nicht anderweitig verpflichtet worden sei, nicht deshalb, weil das vorgelegte Schriftstück ausgestellt wurde, verpflichtet.“

Dem Anerkenntnis des procurator Seii, das als Subskription/Hypographe unter einem Urkundentext angebracht wurde, entspräche im Lateinischen sunt/remanserunt apud nos tot, quae Titio debentur. Der genannte Gläubiger (τῷ δεῖνι) ist wohl der Empfänger der Urkunde. Die Frage, ob der Erklärende damit seinen Geschäftsherrn Gaius Seius verpflichten konnte, lässt sich zweiteilen. Erstens müsste die Urkunde überhaupt geeignet sein, eine Verpflichtung hervorzubringen: Hätte sie Seius verpflichtet, wenn er sie selbst abgegeben hätte? Zweitens müsste die Erklärung des procurator Wirkung gegen seinen dominus zeitigen. Die Abgabe eines constitutum durch einen anderen ist zumindest denkbar: ___________________________

630 Scholion σοὶ zu B. 18,1,20 (= D. 14,3,20) (B III 1072 Nr. 3 Sch.; nicht bei Heimbach): Εἴρηται καὶ βιβ. ™δ᾿. τιτ. ζ᾿. διγ. „Es ist auch in D. 44,7,61 gesagt worden, dass ξα᾿., ὅτι ὁ προκουράτωρ ™ου λο5 mein Prokurator, wenn er mit einem meiner γοποιῶν ™ετά τινο̋ συναλλά5 Vertragspartner abrechnet und hinzuschreibt, ξαντο̋ ™οι καὶ ὑπογράφων χρεω5 dass ich schulde, mich nicht haftbar macht, στεῖν ™ε οὐ ποιεῖ ™ε ἔνοχον, εἰ wenn ich nicht davor schon haftbar war.“ ™ὴ πρὸ τούτου ἤ™ην ἔνοχο̋. Die Scholien finden freilich auch von D. 14,3,19,3 (Pap. 3 resp. = B. 18,1,19,3), wo die Haftung iure praetorio des dominus eines servus institor verneint wird, zu unserer Klage: De pecuniaconsti. (B III 1077 Sch.; nicht bei Heimbach). Der Sklave war zur Vergabe von Darlehen eingesetzt (praepositus), war aber per intercessionem Schulden eingegangen: Mit der fehlenden Haftung des Gewalthabers dafür iure praetorio ist die actio institoria gemeint. Per intercessionem übersetzen die Basiliken freilich mit ὡ̋ ἀντιφωνητή̋ (B. 18,1,19,3; A III 874 Sch.; II 230 Hb.: quasi pecuniam constituens), benutzen also die für das constitutum übliche Terminologie und führen den Scholiasten daher auf eine falsche Fährte.

Constituta und Verwandtes in den Digesten D. 13,5,15 (Paul. 29 ed.) Et licet libera persona sit, per quam tibi constitui, non erit impedimentum, quod per liberam personam adquirimus. quia ministerium tantummodo hoc casu praestare videtur.

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„Und selbst wenn es eine freie Person ist, durch die ich dir festsetzte, wird darin kein Hindernis bestehen, dass wir durch eine freie Person erwerben [was grundsätzlich ausgeschlossen ist]. Weil in diesem Fall lediglich ein Dienst geleistet zu werden scheint.“

Was Scaevola zurückweist, ist die − griechische − Vorstellung, dass eine solche Urkunde aufgrund ihres hohen Beweiswertes effektiv dispositiven Charakter hätte. Keinesfalls kann die Erklärung eine Schuld des Gaius Seius begründen. Fraglich ist, ob sich in ἐστὶν λοιπὰ παρ' ἡ™ῖν ein constituere im Sinne einer implizierten Zusage der Leistung auf Abruf erkennen lässt631; denn dieser Rechnungsabschluss beschränkt sich auf die Angabe der Höhe der fortbestehenden Schuld. Für die Rückzahlung gilt nichts anderes, als bereits vor der Urkundenerrichtung galt. Mit der Spekulation über eine mögliche Haftung aus constitutum würden wir das Gutachten Scaevolas jedenfalls überbelasten.

IV. Erklärung eines mensularius über Verbleib einer Summe und Ankündigung der Rückzahlung einer anderen: D. 2,14,47,1 Aus der Zusammenschau von D. 13,5,24 und 26 und der in D. 13,5,5,2 von Ulpian erwähnten Strukturgleichheit von constitutum debiti alieni und proprii ergibt sich mit einer gewissen Sicherheit, dass sich auch folgende Urkunde als pecuniam constituere qualifizieren lassen muss632: D. 2,14,47,1 (Scaev. 1 dig.) Lucius Titius Gaium Seium mensularium, cum quo rationem implicitam habebat propter accepta et data, debitorem sibi constituit et ab eo epistulam accepit in haec verba: 'Ex ratione mensae, quam mecum habuisti, in hunc diem ex contractibus plurimis remanserunt apud me ad mensam meam trecenta octaginta sex et usurae quae competierint. sum-

„Lucius Titius setzte den mensularius Gaius Seius, mit dem er eine verwickelte Abrechnungslage wegen empfangenen und gegebenen Posten hatte, als seinen Schuldner fest und erhielt von ihm einen Brief mit folgendem Wortlaut: 'Aufgrund der Wechselbankrechnung, die du mit mir hattest, sind bis auf den heutigen Tag aus sehr zahlreichen Verträgen bei mir in meiner Wechselbank dreihundertsechsundachtzig verblieben und die Zinsen, die dir zustehen. Den Betrag an Gold-

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631 Von der „Hineininterpretierung eines constitutum“ sprechen schon Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts II 821 Anm. 1; auch Wacke, Adjektizische Klagen I 348 Anm. 241 hält ein constitutum für möglich. 632 Bruns, Constitutum debiti 76 f.; zweifelnd Astuti, Costituto di debito II 215 Anm. 16 mit weiterer Literatur; 236; 238 f. mit Anm. 27 stellt er den Fall in eine Reihe mit anderen „avente l'efficacia di un semplice mezzo di prova“. Wegen Fehlens eines dies solutionis intra quem zuletzt zweifelnd Rodríguez González, Mensam exercere 838 Anm. 10.

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mam aureorum, quam apud me tacitam habes, refundam tibi. si quod instrumentum a te emissum, id est scriptum, cuiuscumque summae ex quacumque causa apud me remansit, vanum et pro cancellato habebitur.' quaesitum est, cum Lucius Titius ante hoc chirographum Seio nummulario mandaverat, uti patrono eius trecenta redderet, an propter illa verba epistulae, quibus omnes cautiones ex quocumque contractu vanae et pro cancellato ut haberentur cautum est, neque ipse neque filii eius eo nomine conveniri possunt. respondi, si tantum ratio accepti atque expensi esset computata, ceteras obligationes manere in sua causa.

münzen, den du still bei mir hast, werde ich dir zurückzahlen. Wenn irgendeine von dir ausgestellte, das heißt geschriebene Urkunde, über welchen Betrag und aus welchem Geschäft auch immer bei mir verblieben ist, so wird sie als null und nichtig gelten.' Da Lucius Titius vor Ausstellung dieses Handscheins den nummularius Seius beauftragt hatte, an seinen (des Seius) Patron dreihundert zu zahlen, wurde gefragt, ob weder er selbst noch seine Söhne daraus in Anspruch genommen werden können wegen jener Worte des Briefs, wonach alle Sicherungsurkunden aus welchem Vertrag auch immer null und nichtig sein sollten. Ich habe geantwortet, wenn nur die Rechnung des Empfangenen und Ausgezahlten abgeschlossen wurde, bleiben die übrigen Verbindlichkeiten unberührt.“

Lucius Titius und Gaius Seius, der als Betreiber einer Wechselbank gekennzeichnet wird (mensularius), „hatten“ eine „verwickelte“, wahrscheinlich auf länger andauernder Geschäftsbeziehung beruhende Abrechnungslage, die „Gegebenes und Empfangenes“ berücksichtigen musste (rationem implicitam habebat propter accepta et data). Die Beziehung soll nunmehr beendet633 oder jedenfalls einer Bereinigung zugeführt werden. In einer Urkunde, die zu diesem Zweck von Gaius Seius ausgestellt wird, nimmt er auf die ratio mensae, quam mecum habuisti Bezug; aufgrund des vorangehenden rationem habere wird man auch hier den Relativsatz quam mecum habuisti auf ratio, nicht auf den Genitiv mensae beziehen müssen: Die beiden betrieben nicht gemeinsam eine Wechselstube; gleichzeitig zeigt sich an mecum habuisti, dass sich ratio mensae nicht eins zu eins als „Konto“ verstehen lässt. Es ist eine „Abrechnungslage“; über sie wird ein Saldo errichtet; daneben steht ein Leistungsversprechen; schließlich die Erklärung, noch auftauchende Urkunden zulasten des Titius nicht mehr zu beachten. Später kommt es zum Streit über einen brieflichen Zahlungsauftrag des Titius. Urkunde, Fall und Rechtsfrage werden dem Juristen vorgelegt. Scaevolas Untersuchung betrifft augenscheinlich die Folgen des letzten Satzes der Urkunde. Für unsere Zwecke bedeutsamer sind zunächst die Worte zuvor. Die Formulierung des Anerkenntnisses: ___________________________

633 In etwas modernistischer Terminologie Petrucci, Mensam exercere 253: „chiusura di un conto presso la mensa di un nummularius.“ Andreau, Vie financière 558 versteht debitorem sibi constituit als „le client a avisé le banquier de sa volonté de clore le compte.“

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ex ratione mensae ex contractibus plurimis remanserunt apud me trecenta octaginta

entspricht exakt der Terminologie des Tutoren-Briefs in D. 13,5,24634: ex credito tuo

ex contractu pupillorum remanserunt apud me quinquaginta

Gleichzeitig finden sich ad mensam meam, apud me ... habes wie in D. 13,5,26 (habes penes me) und D. 14,3,20 (habes penes mensam patroni mei), außerdem ein ähnlich offen gehaltener Hinweis auf die Zinsen wie in D. 13,5,26: et usurae quae competierint, schließlich die Ankündigung einer Leistung: refundam tibi. Ein Termin für die Zahlung ist nicht genannt635. Zu einer Haftung wegen non fecisse quod constitutum est kann es kommen, wenn der Erklärende auf Aufforderung des Adressaten nicht leistet. „Summa tacita“ Das explizite Rückzahlungsversprechen erstreckt sich nach dem überlieferten Text nur auf die summa aureorum, quam apud me tacitam habes. Man identifizierte bisweilen diese summa mit dem zuvor genannten Betrag; ein anknüpfendes ‹eam› summam wurde ergänzt636. Dies erscheint schon deshalb willkürlich, weil nicht deutlich erkennbar ist, was mit summa tacita überhaupt gemeint ist. Im responsum des Scaevola findet sie im Gegensatz zur ratio accepti et expensi computata keine ausdrückliche Erwähnung mehr. Dass Gaius Seius Geld meinen würde, das er in der Erklärung zuvor nicht berücksichtigt, insofern „verschwiegen“ hätte, ist unwahrscheinlich. Ein schlichtes et si quid praetermissum sit o. Ä. hätte genügt. Vor allem aber widerspräche dies wohl dem Zweck des Rechnungsabschlusses. Als „stille Betheiligung“ des Adressaten am „Bankgeschäft“ des mensularius versteht die summa tacita Mitteis637. Damit wird eine moderne Vorstellung und Terminologie in die lateinische Sprache projiziert. Eine Beteiligung ist „still“, wenn der Beteiligte nicht nach außen mit Erklärungen in Erscheinung tritt, sondern lediglich die finanzielle Ausstattung eines Unternehmens erhöht. Der ___________________________

634 Oben S. 7. 635 Ein „Teilerlass bei fristgerechter Zahlung“ wie in D. 2,14,40,1 (dazu Knütel, Papinian D. 2,14,40, 440 mit Anm. 9) o. Ä. ist also nicht erkennbar. Dass Seius dem Titius überhaupt weniger als geschuldet zurückzahlen müsste, ist nicht gesagt. Wenn er bei ihm verbleibende, von Titius ausgestellte Urkunden für „ungültig und wie durchgestrichen“ erklärt (vanum et pro cancellato habebitur), geht es um Schulden des Titius. Auch die Fallfrage betrifft das Schicksal eines Anspruchs des Seius gegen Titius. Zur Stelle s. auch Bürge, Fiktion und Wirklichkeit 473 f.; Petrucci, Mensam exercere 276 ff.; Talamanca, Rez. Petrucci 842 f. 636 Mommsen, Ed. maior (nach Haloander, vgl. Ed. stereotypa); dagegen Mitteis, Trapezitika 208 mit weiterer Literatur; Andreau, Vie financière 559 Anm. 114. 637 Trapezitika 208.

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„stille Gesellschafter“ zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht für die Gesellschaft auftritt. Die Vorstellung von summa tacita, pecunia tacita als „stiller Beteiligung“ würde sich also vom Stillschweigen dessen ableiten, der das Geld zur Verfügung stellt. Ein socius tacitus ist für das römische Recht der Bezeichnung nach nicht belegt. Dass sich also die Qualifizierung als tacita bereits auf die Einlage des „stillen Teilhabers“ erstrecken sollte, ohne dass er selbst uns in den Quellen begegnet, macht dieses Verständnis unwahrscheinlich. Pecunia otiosa meint in Gai. 3,156 (I. 3,26,6) und D. 22,1,13,1 (Scaev. 1 resp.) Geld, das „zu Hause“ oder bei einem Dritten „ruht“, also nicht gegen Zinsen weiterverliehen wird und „arbeitet“; mit der Bedeutung von tacitus verträgt sich dies kaum: „still“, „ruhig“ ist tacitus nur im Gegensatz zu „laut hörbar“ oder „geschwätzig“ 638 . Krampe sieht in der summa tacita „vermutlich zinsloses Geld, weil bei ihm nicht wie sonst üblich an den Kalenden (vgl. D. 12,1,40) 'laut' Zinsen gefordert werden konnten“639. Zinsloses Geld heißt andernorts vacua/sterilis pecunia640. In D. 12,1,40 geht es um (wie meist) nach Monaten berechnete Strafzinsen (1/100 Denar pro Monat = centesima usura) und um eine Rückzahlungsbestimmung in monatlichen Raten (menstruos refundere debeam denarios trecenos ex omni summa / pensiones). Eine Praxis, nach der Darlehenszinsen monatlich eingefordert werden, ist denkbar, aber nicht derart belegt, dass man Geld, über das Gläubiger und Schuldner „nicht sprechen“, folgerichtig als zinslos identifizieren könnte. Andreau sieht die Möglichkeit, dass es sich um eine beim mensularius hinterlegte Garantiesumme handelt, ein geschlossenes Depot, das aus der Bewirtschaftung der offenen Depots ausgegliedert ist und daher in den Abrechnungen nicht genannt wird (tacita)641. Dafür spreche die Tatsache, dass es sich um Goldmünzen handle. Darauf ist freilich kein Verlass; denn die Kompilatoren haben alle Angaben von Sesterzen auf aurei umgestellt642. Ursprünglich kann also von summa sestertium die Rede gewesen sein. Dann aber geht es nicht um bestimmte (nämlich die als summa tacita bewussten) Goldstücke, sondern lediglich um eine unbestimmte Geldsumme. Als weitere Verständnismöglichkeit schlägt Andreau vor, dass es sich um Geld handelt, das dem Blick Dritter entzogen werden soll und deshalb anderweitig nicht dokumentiert ist. Cicero etwa erhielt von seinem Mandanten P. Sulla nach Gell. 12,12,2 mutua sestertium viciens tacita, um das teure Haus auf dem Palatin ___________________________

638 OLD s. v. 1-5. 639 Anm. 2 zur Übers. in Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, CIC II. 640 D. 22,1,7 (Pap. 2 resp.); D. 23,4,4 (Ulp. 31 Sab.); D. 27,4,3 (Ulp. 36 ed.); D. 16,3,28 (Scaev. 1 resp.); D. 19,5,24 (Afr. 8 quaest.). 641 Vie financière 559; ähnlich Petrucci, Mensam exercere 280 f. 642 I. 3,7,3; s. Mitteis, Trapezitika 208 mit Anm. 1 und oben Anm. 18.

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kaufen zu können: „stillschweigend/heimlich ein Darlehen von zwei Millionen Sesterzen“; heimlich offenbar deshalb, weil sich Sulla im Anklagestand befand. Vielleicht verzichtete man auf die üblichen Zeugen und die Errichtung einer Urkunde. Im Fall des Titius denkt Andreau insbesondere an einen Versuch, erbrechtliche Ansprüche von dessen Patron (den er in patrono eius zu erkennen meint) zu verkürzen, indem man das dokumentierte Vermögen möglichst gering hält: „il dépend donc totalement de la bonne foi du manieur d'argent“643. Man hätte Scaevola eine Urkunde vorgelegt, in der von „Schwarzgeld“ die Rede ist! Dass Gaius Seius die so verstandene summa tacita breit in die Urkunde über den Rechnungsabschluss schreibt, lässt die Bemühungen um Geheimhaltung überhaupt etwas unbeholfen erscheinen644. Die Suche nach einer plausiblen Erklärung für die summa tacita scheint hoffnungslos645. Dabei darf zudem nicht außer Acht gelassen werden, dass auch ein derart glatt wirkender Text verdorben sein kann646. Was sich hinter tacitam verbergen könnte, sei kurz skizziert: Nach allgemeiner Ansicht hat der gesamte Fall nur zwei Personen vor Augen, nämlich Lucius Titius, der zweimal mit beiden Namen Erwähnung findet, und Gaius Seius, der zunächst Gaius Seius mensularius, später Seius nummularius genannt werde647. Der patronus eius, an den eine Zahlung erfolgen soll, ist nicht in die Problematik involviert. Die Berufsbezeichnungen mensularius und nummularius werden als Synonyme verstanden und gleich übersetzt: „Kleinban-

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643 Vie financière 559. 644 S. auch Andreau selbst, Vie financière 560. 645 Rodríguez González, Mensam exercere 844 vermutet in summam tacitam apud aliquem habere die Vorstellung einer fiktiven Verwahrung. Die Summe sei der Saldo anderer Operationen, aber nie wirklich in Verwahrung gegeben worden. Dass tacitus mit Fiktion zu tun hätte, können die von der Autorin zitierten Stellen mit tacita conventio, tacita pensatio, tacita ademptio nicht belegen. Der erläuternde Hinweis auf tacitus „nicht ausgesprochen“ / „nicht ausdrücklich“ bei Heumann/Seckel führt nicht weiter. Ein depositum tacite contractum o. Ä. wäre doch ein wirkliches depositum. 646 Bis auf die Ergänzung von ‹eam› summam (s. oben) und die Verdächtigung von emissum, {id est scriptum} durch Haloander (s. Mommsen, Ed. maior in app.) wurde der Text bisher nicht in Frage gestellt. Pro cancellato verbesserte ein Korrektor der littera Florentina in pro cancellatis. 647 Andreau, Vie financière 78; Bürge, Fiktion und Wirklichkeit 473.

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kier“648. Zweifellos hat auch der nummularius eine mensa649. Auch ein antikes Glossar verwendet nummulari als Erklärung von mensari650. Nachdem Gaius Seius einmal in den Fall eingeführt ist, verwundert es aber, dass man ihn bei zweiter Erwähnung überhaupt noch mit seinem Beruf kennzeichnet; gleichzeitig fehlt dort − im Gegensatz zu Lucius Titius − das Praenomen Gaius. Es ist also jedenfalls denkbar, dass es sich bei Gaius Seius mensularius und Seius nummularius um zwei verschiedene Personen handelt. Dass sie bei Scaevola (fast) denselben Blankettnamen erhalten, könnte daran liegen, dass sich auch ihre wirklichen Namen nur geringfügig unterscheiden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich um Patron und Freigelassenen handelt. Erinnert sei an den nummularius Octavius Felix und seinen libertus praepositus Octavius Terminalis, der die mensa patroni mei führt, in D. 14,3,20 (Scaev. 5 dig.). Wenn Lucius Titius den nummularius Seius beauftragt, an „dessen Patron“ (patrono eius)651 dreihunderttausend Sesterze zu zahlen, so ist damit der Patron des Seius, nämlich kein anderer als Gaius Seius gemeint. Zum selben Ergebnis gelangt man, wenn man Seio nummulario mit Sei‹i› nummulario ersetzt. Freilich fragt man sich dann, warum eine schriftliche Beauftragung des Freigelassenen von der Erklärung des Patrons erfasst sein sollte, alle Urkunden zulasten des Lucius Titius, die bei ihm verblieben, seien null und nichtig. Der Freigelassene müsste doch dann in irgendeiner Weise in den Handel zwischen Lucius Titius und Gaius Seius einbezogen sein. Dies ist möglich, wenn der nummularius in das Unternehmen seines Patrons eingegliedert ist. Bürge sieht im nummularius eine Zahlstelle seines Patrons (freilich ohne diesen mit Gaius Seius mensularius zu identifizieren) 652 . Titius hätte es mit verschiedenen Personen unterschiedlicher Zuständigkeit und mit getrennter Rechnungsführung zu tun, die organisatorisch zusammenhängen. Vielleicht nimmt die epistula des Gaius Seius aber auch unmittelbar auf den nummularius Bezug. Denn der Satz summam aureorum, quam apud me tacitam habeas, refundam tibi ___________________________

648 Krampe in: Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, CIC II; Andreau, Vie financière 187. 649 D. 14,3,20 (Scaev. 5 dig.): mensa nummularia; Mart. epigr. 12,57,7-8: hinc otiosus sordidam quatit mensam / Neroniana nummularius massa; Suet. Galba 9,1: nam et nummulario non ex fide uersanti pecunias manus amputauit mensae que eius adfixit; Porph. Hor. sat. 1,8,39: deprehensus a nummulario esset, cuius de mensa nummos subtractos in calceos sibi infarciuerat. 650 Paulus Diaconus, Exc. Festi sign. verb. 112 Lindsay. 651 Also den Seius, s. Bürge, Fiktion und Wirklichkeit 473; anders Andreau, Vie financière 559 mit Anm. 116. 652 Fiktion und Wirklichkeit 472 f.

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könnte in Wahrheit Geld betroffen haben, das Titius apud me‹um› t r ‹ a p e z › i t a m (ta‹rpez›itam?)653,

„bei meinem Trapeziten/Geldwechsler/Bankier“ hat, nämlich bei dem nummularius (und libertus) Seius (oder Sei‹i›). In -itam hätte man irgendwann die feminine Akkusativendung eines lateinischen Adjektivs oder Partizips, passend zu summam, quam erkannt654. Tacitam hätte ein Schreiber oder Korrektor als letztes mögliches lateinisches Wort aus einem (bereits verdorbenen) trapezitam gerettet und zu apud me tacitam weiterverbessert655. Sowohl apud trapezitam (urspr. wohl tarpezitam) als auch trapezita/tarpezita meus sind bei Plautus belegt: Capt. 193: Quantillum argenti mi apud trapezitam siet. Curc. 345: Immo apud trapezitam situmst. Curc. 618: Ego quidem pro istac rem solvi ab trapezita meo. Curc. 712: TH. Quo sequar te? CA. Ad trapezitam meum.

Plautus verwendet das Wort, um seine, auch von Geldwechslern bevölkerte, Welt nach Griechenland zu verlegen (bzw. dort zu belassen) 656 . Seinem römischen Publikum muss der Ausdruck geläufig gewesen sein. Unser Gaius Seius mag ihn verwenden, weil er ihm in seiner konkreten hellenistischen Umwelt geläufiger ist als nummularius oder weil er sich eines eleganten griechischen Fremdworts befleißigen will. In (deutlich späteren) lateinischen Quellen aus griechischer Umwelt begegnen gelegentlich trapezitae657. Sie finden sich etwa auch bei Hieronymus658, Paulinus von Nola659 und Johannes Cassianus660. Umgekehrt werden die τραπεζίται des Neuen Testaments (Mt. 25,27) schon seit den ältesten lateinischen Versionen als nummularii wiedergegeben 661 . Die Basiliken übersetzen ___________________________

653 Oder apud tr‹apez›itam me‹um›; zur Stellung von meum s. Burkard/Schauer, Syntax und Semantik 99 f. 654 In der handschriftlichen Überlieferung etwa von Plaut. Asin. 438 (s. Goetz/Schoell, Ed. ster. I [1909] in app.) wird aus adducere trapezitam das unauffällige adducere {e}t rape{re} ita. 655 Zur Stellung von me‹um› s. oben Anm. 653; zur Entstellung von Graeca etwa in den Cicero-Briefen s. Platschek, Cic. fam. 5, 20, 6 passim. 656 Dazu Shipp, Plautine Terms 139-140. 657 C. 12,57,12,3 (Theod./Valent., 436 n. Chr.): Sed etiam cunctos, qui diversarum rerum negotiationibus detinentur, trapezitas scilicet...; SIPSicilia 84: sepulc/rum Anastas/i trapezitae. 658 Adv. Ruf. 1,16: quasi bonus trapezita adulteriae monetae pecuniam reprobet; comm. in Philem. ad 4: probandis numismatibus callidus trapezita. 659 Epist. 34,2: coelestis trapezitae mensa. 660 Collat. 1,20,1: ut efficiamur secundum praeceptum domini probabiles trapezitae. 661 ἔδει σε οὖν βαλεῖν τὰ ἀργύριά ™ου τοῖ̋ τραπεζίται̋ – oportuit ergo te mittere pecuniam meam nummulariis (vgl. Lk. 19,23: καὶ διὰ τί οὐκ ἔδωκά̋ ™ου τὸ ἀργύριον

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mensularius 662 und nummularius 663 gleichermaßen mit τραπεζίτη̋, ebenso die Glossare 664. Im Basiliken-Pendant unserer Stelle (B. 11,1,46)665 taucht die Berufsbezeichnung τραπεζίτη̋ nur zu Beginn auf, meint also offenbar mensularius. Ein Adressat des Zahlungsauftrags wird überhaupt nicht mehr genannt. Bei dieser − mit größter Zurückhaltung vorgeschlagenen − Lesart enthält der Brief des Gaius Seius sowohl ein Erklärung über die Gelder, quae remanserunt ex ratione mensae ex contractibus plurimis, als auch eine weitere über die summa, quam apud me‹um› t‹rapez›itam/ta‹rpez›itam habeas. Der Relativsatz quam mecum habuisti erhält dadurch größere Bedeutung. Computata − „abgerechnet“ ist nur die ratio mensae, der andere Betrag ist noch unbestimmt. Das fragliche Schriftstück, in dem Titius den nummularius beauftragt, hat jedenfalls Bezug zur summa apud trapezitam. Würde sich die Erklärung über die Nichtigkeit verbliebener Urkunden also auch auf die Geschäftskontakte zu dem nummularius beziehen (was Scaevola verneint), könnten die dreihunderttausend Sesterze aus mandatum weder in die Berechnung der summa einfließen, noch bestünde darauf ein Nachforderungsrecht.

V. Erklärung über Verwahrung von Gegenständen und eigene/fremde? Schuld: D. 16,3,26,2 D. 16,3,26,2 (Paul. 4 resp.) 'Titius Semproniis salutem. Habere me a vobis auri pondo plus minus decem et discos duos, saccum signatum: ex quibus debetis mihi decem, quos apud Titium deposuistis: item quos Trophimati decem: item ex ratione patris vestri decem et quod excurrit.' quaero, an ex huiusmodi scriptura aliqua obligatio nata sit, scilicet quod ad solam pecuniae causam attinet. respondit ex ___________________________

662 663 664 665 666

„'Titius den Semproniern zum Gruße. Dass ich von euch ungefähr zehn Pfund Gold habe und zwei Teller, einen versiegelten Sack. Davon schuldet ihr mir zehn, die ihr bei Titius (!) 666 in Verwahrung gegeben habt; des Weiteren die zehn zugunsten des Trophimas; des Weiteren aus der Abrechnung eures Vaters zehn und was herausläuft.' Ich frage an, ob aus einem derartigen Schriftstück irgendeine Verbindlichkeit entstanden ist, natürlich nur, was das Geld betrifft. Er hat geantwortet, aus dem fraglichen

ἐπὶ τράπεζαν − et quare non dedisti pecuniam meam ad mensam); in Mt. 21,12; Mk. 11,15; Lk. 19,45; Joh. 2,15 wird κολλυβίσται mit nummularii wiedergegeben; s. genauer Andreau, Vie financière 179 mit Anm. 11. Neben unserer Stelle noch B. 9,7,24,2 (= D. 42,5,24 pr.; A II 502 Sch.; I 472 Hb.). Z. B. B. 6,4,2,9 (= D. 1,12,1,9; A I 194 Sch.; I 171 Hb.). Goetz, Corpus Glossariorum Latinorum II 128,51; 135,12; IV 116,37 (Gl. cod. Vat. 3321): mensularium nummularium quem Greci trapezita vocant. A II 637 Sch.; I 631 Hb. Dass die Personennamen unvollständig in Blankettnamen verwandelt wurden (Trophimati ist offensichtlich unverändert) und gleichzeitig der Erklärende Titius nicht mit dem in seinem Brief erwähnten Titius identisch sein kann, findet Entsprechungen etwa in D. 14,3,20, oben S. 214 ff.

Constituta und Verwandtes in den Digesten epistula, de qua quaeritur, obligationem quidem nullam natam videri, sed probationem depositarum rerum impleri posse: an autem is quoque, qui deberi sibi cavit in eadem epistula decem, probare possit hoc quod scripsit, iudicem aestimaturum.

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Brief scheine zwar keine Verbindlichkeit zu entstehen, aber der Beweis der hinterlegten Sachen könne damit erbracht werden. Ob aber auch der, der in demselben Brief erklärt hat, ihm würden zehn geschuldet, beweisen könne, was er geschrieben hat, müsse der Richter beurteilen.“

Titius667 gibt eine schriftliche Erklärung gegenüber den Brüdern Sempronius ab, Anlass ist vielleicht der Tod ihres Vaters. Der Text der Urkunde grenzt ans Unverständliche668. Die erste Aussage ist als frei schwebender AcI gestaltet: Habere me a vobis; gedanklich ist offenbar scripsi zu ergänzen. Es folgen drei Posten; „von diesen“ (ex quibus), nämlich einem Klumpen Gold, zwei Tellern und einem saccus signatus, schulden die Empfänger angeblich „zehn“ (wohl zehntausend Sesterze); diese zehn sollen die Empfänger jedoch bei „Titius“ in Verwahrung gegeben haben. Damit steht ex quibus auf den ersten Blick in einer gewissen Spannung: Wenn die decem abgesondert bei einem Dritten in Verwahrung sind, macht es keinen Sinn mehr, sie den zuvor genannten Gegenständen oder Summen zuzuordnen; eher wird man ex quibus mihi debetis decem ... also als eine verkürzte Ausdrucksweise für „davon sind eure Schulden bei mir abzuziehen: zehn ...“ verstehen müssen. Schwierigkeiten bereitet auch die Namensgleichheit der beiden Titii. Bruns669 will den Relativsatz quos − deposuistis auf alle zuvor genannten Gegenstände beziehen und gleichzeitig in apud Titium den Erklärenden selbst oder dessen Erblasser erkennen. Dass sich der Erklärende in einer subjektiv stilisierten Urkunde unvermittelt objektiv, ja im selben Satz als ego (mihi) und Titius bezeichnen würde, ist ausgeschlossen. Für die Erblasser-Theorie fehlt jeder Anhaltspunkt. Wenn sich quos − deposuistis nicht auf decem, sondern auf alles zuvor Genannte beziehen soll, ist die Urkunde mehr als verwirrend gestaltet. Unklar ist auch, was der Erklärende mit item quos Trophimati decem, item ex ratione patris vestri decem et quod excurrit meint. Wenn Paulus nach dem überlieferten Text in seinem responsum davon spricht, der Aussteller habe erklärt, ihm würden zehn geschuldet (deberi sibi ... decem), deutet dies darauf hin, dass er die Akkusative quos Trophimati decem und decem et quod excurrit jedenfalls nicht in Abhängigkeit von debetis mihi sieht. Entspricht Trophimati dem Dativ mihi, scheitert eine Parallelisierung von debetis mihi/item (debetis) Trophimati an quos: Trophimati ist nach dem überliefer___________________________

667 Andreau, Vie financière 568 Anm. 154: „comme il est probable ... un manieur d'argent de metier“; Scapini, Confessione I 258 spricht von einem argentarius. 668 Jedenfalls ist er „wenig rational durchgestaltet“: Bürge, Fiktion und Wirklichkeit 516. 669 Constitutum debiti 96; kritisch Astuti, Costituto di debito II 239 Anm. 26.

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ten Text nicht Objekt von ex quibus debetis, sondern Objekt eines eigenen Relativsatzes, dem ein Prädikat fehlt: item (scil. debetis mihi) quos Trophimati decem (= decem, quos Trophimati) (scil. deposuistis?); item (scil. debetis mihi) ex ratione patris vestri decem et quod excurrit.

oder aber item (scil. habere me a vobis) quos Trophimati decem (= decem, quos Trophimati) (scil. debetis?); item (scil. habere me a vobis) ex ratione patris vestri decem et quod excurrit.

Sind quos Trophimati decem und decem et quod excurrit aber weitere Objekte von habere me a vobis, stellt sich ex quibus − deposuistis als ein in das mehrgliedrige Anerkenntnis habere me eingeschobener Hinweis auf eine Forderung dar. Es würde sich unter anderem die Erklärung ergeben: Habere me ...

ex ratione patris vestri

decem et quod excurrit,

die terminologisch und strukturell bereits genannten Texten entspräche: D. 2,14,47,1 remanserunt apud me

ex ratione mensae, quam ...

D. 13,5,24 remanserunt apud me

ex credito tuo ex contractu ... quinquaginta

D. 44,7,61 pr. ἐστὶν λοιπὰ παρˈ ἡ™ῖν ὀφειλό™ενα τῷ δεῖνι

trecenta octaginta et usurae ...

τόσα

Im Gegensatz zu D. 13,5,24 scheint der Brief des Titius jedoch einer Qualifizierung als pecunia constituta nicht zugänglich zu sein. Die Frage, ob „aus einem derartigen Schriftstück irgendeine Verbindlichkeit entstanden ist“ beschränkt sich scilicet − „selbstverständlich“ auf den Fall des Geldes (quod ad solam pecuniae causam attinet). Hat sie bereits die actio de pecunia constituta vor Augen? Schon der Fragesteller geht offenbar davon aus, dass die Urkunde im Hinblick auf die genannten Gegenstände (Gold/Teller/wohl auch saccus) keine Verbindlichkeit begründen kann. Der Jurist stellt klar, dass dies auch hinsichtlich der pecunia nicht der Fall ist. Eine Haftung aus constitutum debiti muss zwar nicht unter obligationem quidem nullam natam fallen. Allein die positive Wendung, dass die Urkunde den Beweis für die hinterlegten Sachen erbringt, zeigt deutlich, dass für andere Rechtsfolgen kein Raum bleibt: Die Urkunde leistet Beweis; anderes kann sich aus ihr nicht ergeben. Das responsum des Paulus würde also die Entscheidung Scaevolas in D. 13,5,24 in ein anderes Licht setzen. Was den Erklärenden dort als constitutum debiti (alieni) haftbar macht, hat hier als constitutum debiti (proprii) nicht dieselbe Folge. Astuti670 nimmt die Stelle daher zum Beleg dafür, dass die Römer bei ___________________________

670 Astuti, Costituto di debito II 238 f.

Constituta und Verwandtes in den Digesten

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Anerkenntnissen zwischen verpflichtenden Willenserklärungen, die der actio de pecunia constituta zugänglich sind, und reinen Beweisurkunden unterscheiden, in denen Tatsachen anerkannt werden. Die Anerkenntnisse von Dritten in D. 13,5 hätten selbstverpflichtenden Charakter, das Anerkenntnis des Schuldners in D. 16,3,26,2 sei ausschließlich zum Beweis tauglich. Was bei Dritten Rechtsbindungswillen voraussetze, sei beim Schuldner selbst unverbindlich. Aus der Stelle lässt sich dazu freilich nur dann etwas ableiten, wenn in der Urkunde tatsächlich die (eigene) Schuld von Geld anerkannt wird. Gerade dies ist aber fraglich, wie das Folgende zeigt. Eine Verknüpfung mit D. 13,5,24 stellt schon die byzantinische Tradition her671. Allerdings gibt gerade das Scholion ἔγραψά σοι zu B. 13,2,26 (= D. 16,3,26)672 die Worte ex quibus – excurrit anders als der Digestentext wieder: ἐξ ὧν προσοφείλετέ ™οι νο™ίσ™ατα δέκα, ἅτινά τινι Τιτίῳ παρέθεσθε· ὁ™οίω̋ καὶ ἕτερα ιˈ., ἅτινα Τροφί™ῳ τινὶ673 παρέθεσθε· ὁ™οίω̋ ἐκ τοῦ λό5 γου τοῦ ὑ™ετέρου πατρὸ̋ ιˈ., καὶ εἴ τι ἐδαπανήθη.

„von diesen schuldet ihr mir zehn Μünzen, die ihr einem gewissen Titios in Verwahrung gegeben habt; ebenso andere 10, die ihr einem gewissen Trophimos in Verwahrung gegeben habt; ebenso aus der Abrechnung eures Vaters 10, und wenn etwas aufgewendet/ausgegeben wurde.“

Bei diesem Verständnis handelt es sich ab ex quibus offenbar um Forderungen des Erklärenden; die folgenden Posten item quos ... item ... sind Objekte von debetis mihi. Was die dort genannten Geldsummen betrifft, ist die Erklärung also nicht Schuldanerkenntnis, sondern Schuldbezichtigung. Folgerichtig fehlt auch die Beschränkung auf decem innerhalb der Wiedergabe von an autem is ...: ὅστι̋ ἐποφείλεσθαι εἶπεν − „der sagte, ihm werde (darüber hinaus) geschuldet“. Am Scholientext fällt auf, dass der Verwahrer Titius (apud Titium) aufgrund der Konstruktion von παρατίθεσθαι ebenso wie der nachfolgende Trophimos/-as im Dativ erscheint674. Handelt es sich bei unserem lateinischen Text seinerseits um ___________________________

671 Scholion καὶ σὲ ἔχειν ™ου (Anonymos) zu B. 13,2,26 (B II 664 Nr. 9 Sch.; II 55 Hb.). Der Verweis auf τὰ ἐν αὐτῷ παραγεγρα™™ένα − „das zu D. 13,5,24 Vermerkte“ führt nach unserer Überlieferung ins Leere. 672 B II 664 Nr. 7 Sch.; II 55 Hb. 673 Τροφί™ῳ τινὶ aus Τροφι™‹ᾶ›τι{νὶ}? 674 In den Digesten findet sich bisweilen deponere mit dem Dativ − D. 16,3,20 (Paul. 18 ed.): Si sine dolo malo rem depositam tibi amiseris; in Kombination mit commodare: D. 5,3,19 pr. (Paul. 20 ed.); D. 27,3,5 (Ulp. 43 Sab.); D. 27,3,15 (Ulp. 1 disp.). Außerdem PS. 2,5,1: Creditor si simpliciter sibi pignus depositum distrahere velit. Der Gräzismus wurde zum Indiz für byzantinische Interpolationen erklärt (De Ruggiero, Depositum vel commodatum 45 f.). Dass die Kompilatoren den Satz item quos Trophimati decem eingesetzt hätten, erscheint freilich ausgeschlossen.

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Pecunia constituta in der Praxis

eine Übersetzung aus dem Griechischen, so könnte es sich bei item quos Trophimati decem schlicht um ein Missverständnis eines originalen δέκα, ἅτινα Τιτίῳ παρέθεσθε· ὁ™οίω̋ δέκα, ἅτινα Τροφί™ατι· ὁ™οίω̋ ...

handeln. Im ersten Fall hätte man die Abhängigkeit des Dativs von παρατί5 θεσθαι/παρέθεσθε erkannt und in apud Titium umgesetzt, im zweiten Fall aufgrund der fehlenden Wiederholung des Verbums nicht mehr. Dass griechische Urkunden zum Zweck der Begutachtung oder bei der Publikation des Gutachtens wörtlich und vollständig ins Lateinische übersetzt wurden, lässt sich nicht ausschließen, aber auch nirgends beweisen 675 . Gegen ein griechisches Original spricht tendenziell, dass Paulus unmittelbar zuvor eine griechische Urkunde begutachtet und dabei den griechischen Text wiedergibt (D. 16,3,26,1). Der griechische Name Trophimas 676 lässt ebenso wenig Rückschlüsse zu wie das Wort discus677. Gegenüber dem Verständnis des Scholions mag man deberi sibi ... decem im Paulus-responsum des Digestentexts als eine Art (vorzugswürdige) lectio difficilior verstehen. Allerdings ist zu beachten, dass hier eine andere Zahl einer Blankettsumme decem zum Opfer gefallen sein kann. Der (oder die) Bearbeiter des Textes hatte(n) keine Bedenken, sowohl den Erklärenden als auch den erwähnten Dritten „Titius“ zu nennen. Bei vier Posten der sechsgliedrigen Liste (Gewicht Gold / Betrag mihi / Betrag Trophimati / Betrag ex ratione patris) erscheint die Zahl decem. Gerade dies sind aber die Posten, bei denen man (im Gegensatz zum einen Sack, und dem Paar Teller) im wirklichen Leben auf unrunde Zahlen stoßen könnte (und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit stoßen würde). ___________________________

675 Gröschler, Tabellae-Urkunden 308 hält „bei Eingaben aus den östlichen Provinzen ... solche Umformungen [für] geläufig“ (und verneint sie selbst zu Recht im Fall von D. 12,1,40). In D. 34,4,30,1 (20 dig.) etwa spricht Scaevola referierend von einem fideicommissum über die σύγκτησι̋ praediorum quae appellabatur circa Colonen, in einer anschließend wörtlich widergegebenen griechischen „Schenkungsurkunde“ ist die Rede von τὴν σύγκτησιν τὴν περὶ Κολώνην. 676 In Rom ist er unter Sklaven und Freigelassenen nicht selten belegt, z. B. CIL VI 9428: [---]ponius Trophimas; CIL VI 11778: P. Paconius Trophimas; CIL VI 34054: T. Flavius Trophimas; CIL VI 19926: C. Iulius Trophimas; CIL VI 22599; CIL XII 890 (Arelate): C. Cosius Trophimas; CIL XIV 289 (Ostia): Aemilius Trophimas; Solin, Stadtrömische Sklavennamen II 490. Der lateinische Dativ ist sonst nur mit Trophimae belegt (z. B. CIL XIV 1683: [D(is)] M(anibus)/[---]rio Trophimae/[vi]xit annis XXV/[mens]ibus VI/[---] Trophimas/[fil]io dulcis(simo)/[be]ne merenti), der Genitiv aber auch mit Trophimatis (z. B. CIL XV 390,1-3); von den griechischen Inschriften verdient besondere Beachtung IG XIV 929 (Ostia): Τίτ(ῳ) Φλαβίῳ Τροφι™ᾶτι (Z. 2/3). 677 In der lateinischen Literatur ist discus „Teller“ nicht allzu häufig belegt; D. 47,2,19,1 (Ulp. 40 Sab.): De pondere autem vasorum non est necesse loqui: sufficiet igitur ita dici 'lancem' vel 'discum' vel 'pateram' macht es aber unverdächtig.

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Dabei verdient et quod excurrit genauere Betrachtung. Man könnte an Zinsen denken: Zinsen „laufen“ (usurae currunt, z. B. D. 12,1,40; 22,1,35). Nicht ausschließen lässt sich, dass es schlicht „zehn und noch etwas“ / „(etwas) mehr als zehn“ bedeutet. Der Aussteller der Urkunde hätte die ratio patris dann entweder lediglich überschlagen oder wäre zu bequem gewesen, den genauen Betrag auszuschreiben, so wie er zuvor das Gewicht des verwahrten Goldes mit plus minus decem angibt. Seit jeher wird für et quod excurrit auf die nota aeris excurrentis bei Maec. distrib. 63 hingewiesen678. Unmittelbar haben die Worte damit sicher nichts zu tun. Maecian meint damit ein Zeichen, das die Multiplikation eines Betrags in Denaren mit sechzehn zur Berechnung des entsprechenden Betrags in (Kupfer-) Assen darstellt. Aes excurrens ist demnach der Kupferbetrag, der bei der Umrechnung „herauskommt“. Für unseren Text eröffnet dies aber die Möglichkeit, dass der Erklärende ursprünglich eine Summe der Schulden (oder sogar eine Differenz aus den Summen seiner Passiv- und Aktivforderungen: ex quibus ...) bildete, nämlich e‹x› quo{d} excurrit ... − „das macht: ...“

und abschließend später einen verlorenen Betrag (in Zeichen und Zahlen) nannte. Fehlte erst der Betrag nach excurrit, machte ex quo keinen Sinn mehr und wurde, wie möglicherweise manch anderes in dieser geradezu kryptischen Urkunde, in et quod excurrit korrigiert. Der Verfasser der Urkunde kann aber auch ein Summenzeichen und eine Zahl gesetzt haben, die erst bei einer späteren Überarbeitung mit et quod excurrit ersetzt wurden. Das et hätte dann dieselbe Funktion wie bei et reliqua, also etwa ... item ex ratione patris vestri decem (et quod excurrit).' Quaero ...

Man muss et quod excurrit nicht im Zusammenhang gerade mit ex ratione patris vestri sehen, wie es schon der Basiliken-Scholiast tat, der die Worte − ohne rechten Erfolg − zu übersetzen versuchte. Der ursprüngliche Gesamtbetrag der Schulden, der sich aus den drei (gestörten) Elementen nach mihi debetis zusammensetzt, könnte im responsum des Paulus an der Stelle gestanden haben, an der wir heute decem lesen. Dann aber enthält die Urkunde tatsächlich nichts, was als pecunia debita des Erklärenden überhaupt in Frage käme: Die res depositae sind keine pecunia, sondern unvertretbare Sachen, das gilt auch für den saccus signatus. Die genannte pecunia im Sinne von Geld als vertretbarer Sache, nämlich die decem-Posten, ist nicht debita zulasten des Erklärenden. Für die Sanktionierung von Leistungszusagen über Geld gibt die Urkunde also nichts her. ___________________________

678 So schon Cujas, Observationes I, Cap. XL (Bd. I, S. 39); jetzt Knütel in: Behrends/ Knütel/Kupisch/Seiler, CIC III 350 Anm. 4.

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Pecunia constituta in der Praxis

§ 2. Constituta bei Cicero? Constituta bei Cicero?

Wir haben das constitutum als Element einer Haftungsordnung beschrieben, die mit der zivilen, genauer gesagt: mit der aus stipulatio konkurriert. Die stipulatio ist in unseren Quellen zum Kreditrecht, insbesondere im dokumentarischen Material, freilich geradezu allgegenwärtig; man gewinnt den Eindruck, dass sie wenn irgend möglich abgeschlossen wurde. Schon daher wird es schwerfallen, außerhalb des Digestentitels 13,5 auf Fälle zu stoßen, die auf eine Bewältigung durch das Edikt de pecunia constituta angewiesen sind. Dazu kommt ein Problem der Überlieferungslage. Außerhalb der Digesten sind uns kaum römische Dokumente der Geschäftspraxis überliefert, wie sie uns etwa in den Briefurkunden des Titels D. 13,5 entgegentritt. Die Briefe Ciceros etwa berichten zwar mitunter von Geldgeschäften; Geschäftsbriefe, die selbst rechtliche Konsequenzen haben können und sollen, kann man in der Welt des römischen Adels jedoch nicht ohne Weiteres erwarten. Wenn andernorts von constituere die Rede ist, muss der Text nicht unser Edikt vor Augen haben679 und dessen hochtechnische Sprache verwenden. Dennoch ist ein Blick auf diese Quellen lohnend.

I. Cic. Att. 16,15,5: constituere dissolvere Drei Cicero-Stellen, in denen constituere im Sinne der actio de pecunia constituta und gleichzeitig in der Bedeutung „terminieren“ vermutet wird, sind unsichere Zeugen für pecunia constituta. In Cic. Att. 16,15,5 geht es um Schulden des L. Tullius Montanus, eines Studienfreunds von Ciceros Sohn, bei Plancus. Erstmals werden sie in Att. 12,52,1 (21. Mai 45 v. Chr.) angesprochen: Montanus hatte sich als praes für Flaminius Flamma verbürgt. Cicero sah sich von Anfang an in der Verantwortung, Montanus zu helfen (pertinet ad nostrum officium). Anderthalb Jahre später kommt Cicero auf die Angelegenheit zurück: Att. 16,15,5 (wohl Mitte November 44 v. Chr.) scis nos pridem iam constituisse „Wie du weißt, haben wir schon längst festgesetzt, Montani nomine HS X'X'V' dissol- im Namen des Montanus 25.000 Sesterze zu zahvere. pudentissime hoc Cicero peti- len. Ganz schamhaft hatte Cicero (jun.) darum geerat ut fide sua. liberalissime, ut tibi beten, gleichsam auf seine Treue. Aufs großzügigquoque placuerat, promiseram Ero- ste, wie es auch dir gefallen hätte, hatte ich es vertique dixeram ut sepositum haberet. sprochen und Eros gesagt, er solle das Geld beiseinon modo ‹non fecit› sed iniquis- telegen. Das hat er nicht nur nicht getan, sondern ___________________________

679 Fernzuhalten ist, entgegen Roussier, Constitut 3 und P. Costa, Pecunia constituta 146 f. etwa von vornherein Petron. 57: assem aerarium nemini debeo; constitutum habui numquam; nemo mihi in foro dixit 'redde quod debes'. Constitutum meint hier einen Gestellungstermin, s. schon oben Anm. 219 und die dort erwähnten constituta bei Cicero.

Constituta bei Cicero? simo faenore versuram facere Aurelius coactus est.

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Aurelius war gezwungen, zu einem ganz unverschämten Zinssatz Geld aufzunehmen.“

Mit liberalissime promiseram ist am ehesten ein Versprechen Ciceros gegenüber seinem Sohn gemeint, sicher kein Stipulationsversprechen (für das die juristischen Quellen das technische promittere verwenden). Daneben die Worte constituisse Montani nomine HS X'X'V' dissolvere als Bericht über ein constitutum debiti alieni, als Zusage an den Gläubiger, die Schuld des Montanus zu bezahlen, mithin technisch zu verstehen 680 , bereitet Schwierigkeiten. Dass ein gewisser Aurelius zur Begleichung von Montanus' Schulden eine „Anleihe“ oder „Umschuldung“ zu einem enormen Zinssatz vornehmen musste, deutet darauf hin, dass man sich mit der Bezahlung unter Zeitdruck befand. Dass sich dieser aus einem constitutum debiti Ciceros ergeben hätte 681 , ist aber nicht gesagt. Zeitdruck kann auch bestanden haben, weil man Montanus vor Vollstreckungsmaßnahmen oder der Schande der zutage tretenden Zahlungsunfähigkeit retten wollte. Cicero selbst hatte seinen Ruf zu verlieren, wenn bekannt wurde, dass er − wem auch immer − Hilfe für Montanus zugesagt und nicht gewährt hatte, als sie nötig wurde − das im ersten Brief angesprochene officium nostrum darf in seiner Tragweite nicht unterschätzt werden. Aurelius ist auch nicht notwendig ein Mann Ciceros682. Seine Zwangslage (coactus est) muss nicht diejenige Ciceros widerspiegeln. Im Brief fam. 16,24,1 (November 44 v. Chr.) an Tiro heißt es, man müsse Aurelius unbedingt „Genüge tun“ (utique satis fiat). Hier dürfte ein Zusammenhang zur hochverzinsten versura („Umschuldung“) des Aurelius bestehen. Er soll schadlos gehalten werden. Constituere mit dem bloßen Infinitiv Präsens bedeutet regelmäßig „beschließen“, „sich fest vornehmen“683. In dieser Bedeutung begegnet es absolut gebraucht im selben Brief wenige Zeilen später (§ 6): sed certi constituere nihil possum prius quam te videro − „aber etwas Genaues kann ich nicht festsetzen, bevor ich dich nicht gesehen habe.“ Dass Cicero iam pridem − „schon vor langer Zeit“ die Zahlung für Montanus festgesetzt hatte, dass er dem zuständigen Sklaven Eros gesagt hatte, er solle das Geld seponere, also aus den vorhandenen Mitteln aussondern und für diesen Zweck bereithalten, ist auch damit vereinbar, dass die Zahlung Ciceros erfolgen sollte, wenn sie unumgänglich würde. Als es so weit war, fehlte das Geld. Dass dies mit einer Zusage gegenüber dem Gläubiger zu tun ___________________________

680 E. Costa, Cicerone giureconsulto 197 mit Anm. 3; Roussier, Constitut 3 Anm. 1; 81; 125; Ioannatou, Affaires d'argent 277 f.; P. Costa, Pecunia constituta 144 f.; 165; zweifelnd Bruns, Constitutum debiti 34 mit Anm. 10 mit weiterer Literatur; unter Vorbehalt Astuti, Costituto di debito I 214; II 153. 681 Roussier, Constitut 81. 682 Man sieht in ihm vielmehr einen Agenten des Montanus, Shackleton Bailey, Cicero's Letters to Atticus VI 308. 683 S. schon oben Anm. 96.

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Pecunia constituta in der Praxis

hätte, ist fraglich; eher ist mit constituisse der feste Entschluss Ciceros gemeint684.

II. Cic. Quinct. 18: ita constituere se daturum Ein constitutum debiti proprii wird in Cic. Quinct. 18 vermutet685. Der Zusammenhang ist folgender: Ciceros Mandant P. Quinctius hatte seinen Bruder beerbt und sah sich den Forderungen von dessen Gläubigern ausgesetzt. Sein Bekannter (und jetziger Prozessgegner in anderer Sache) Sex. Naevius, den Cicero als bösartigen Erpresser zeichnen will, hatte ihm seinerzeit finanzielle Hilfe bei der Schuldenbereinigung zugesagt. Es kam zu einer Verhandlung zwischen Quinctius und den Scapulae, Erben eines Gläubigers, vor C. Aquilius Gallus, der die von Cicero nicht genauer definierte Rolle eines Schiedsrichters oder Schlichters einnahm. Die Verhandlungen endeten mit einem constituere se daturum des Quinctius: Cic. Quinct. 18 Quasi domi nummos haberet, ita constituit Scapulis se daturum.

„Als hätte er Geld bar zu Hause, so setzt er (den Scapulae gegenüber?) fest, dass er (den Scapulae?)686 geben werde.“

Um die Schuld nunmehr zu bezahlen, benötigte Quinctius das Geld des Naevius. Da dieser Quinctius „in höchster Not“ − in summas angustias adductum sah, wollte er ihm zu diesem misslichen Zeitpunkt (in ipso articulo temporis) seinerseits Zugeständnisse über eigene Forderungen abpressen und verweigerte solange die Hilfe. Quinctius erhielt von den Scapulae „wenige Tage Aufschub“, musste mit Verlust anderweitig Vermögen versilbern und zahlte schließlich den ___________________________

684 So im Ergebnis auch Wille, Versur 113. 685 Bruns, Constitutum debiti 41: „mit Sicherheit“; Kappeyne van de Copello, Über constituta pecunia 241; E. Costa, Cicerone giureconsulto 197 f.; Philippin, Pacte de constitut 32 ff.; Astuti, Costituto di debito I 224 f.; Roussier, Constitut 3; Varvaro, Storia dell'editto De pecunia constituta 340 mit Anm. 34; zuletzt P. Costa, Pecunia constituta 145 f. 686 Der Dativ Scapulis muss keineswegs zu constituit gehören, so aber Bruns, Constitutum debiti 34. Jedenfalls unzutreffend ist Bruns' Annahme eines constituere alicui in Cic. off. 1,32. Bruns gibt die Stelle wieder als: si constitueris cuipiam in rem praesentem te venturum; in Wahrheit lautet sie: ... si constitueris cuipiam te advocatum in rem praesentem esse venturum ... Advocatus venire wird mit dem Dativ konstruiert: „jemandem (auf Anrufung) zu Hilfe kommen“, s. Cic. Caecin. 24: P. Vetilius (scil. ait) se Aebutio cum armatis servis venisse advocatum; Cic. fam. 2,3,1: ei Pompeius advocatus venit; Cic. Cael. 62; Ter. Ad. 676; Varro rust. 2,5,1. Selbst in Cic. de orat. 1,265: constituissem me hodie venturum Laelio muss man den Dativ daher nicht zu constituere ziehen. Zu Cic. Att. 11,7 s. sogleich. Damit aber sind die Beispiele Bruns' für constituere alicui erschöpft.

Constituta bei Cicero?

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Scapulae difficiliore condicione − „zu einer schwierigeren Bedingung“, oder aber: „aufgrund eines ungünstigeren Vergleichsvorschlags“. Ita constituit se daturum wird in der Literatur als besonders knappe Terminierung der Leistung verstanden. Dadurch − insbesondere unter dem Damoklesschwert der sponsio dimidiae partis − entstehe der Zeitdruck des Quinctius, er müsse den Termin (also das „constitutum“) verschieben687. Was darunter zu verstehen ist, dass er schließlich unter erschwerten Bedingungen zahlt, bleibt offen. Haben sich die Scapulae die Stundung mit einer Erhöhung des Betrags entgelten lassen? Hat Quinctius auch den neuen Termin versäumt? Der Zeitdruck des Quinctius lässt sich nicht bestreiten. Zweifellos ergibt er sich aus dem Ergebnis der Verhandlungen und ist in quasi domi nummos haberet, ita angelegt. Mit der sponsio dimidiae partis kann er aber kaum zu tun haben: Eine Gefahr für den Schuldner birgt die sponsio nur im Fall gerichtlichen Bestreitens. Auf Parallelen des Sachverhalts zur dokumentarischen Überlieferung wurde hingewiesen688. Eine Urkunde689 aus der ägyptischen Thebais belegt für das Jahr 98 v. Chr. (also etwa 15 Jahre vor dem Quinctius-Fall) einen vorläufigen Verhandlungsabschluss zwischen Asklepias, Tochter des verstorbenen Panas, und Harsiesis, Sohn des verstorbenen Horos, über Schulden des Panas bei Horos (nach Wilcken zwei Brüder)690. Die Forderung hatte sich auf 14 Artaben Weizen belaufen; Asklepias anerkennt nunmehr gegenüber (ihrem Cousin?) Harsiesis den Empfang eines Weizendarlehens von 22½ Artaben, sagt die Rückzahlung für einen bestimmten Termin zu und verspricht für den Fall der Nichtleistung das ἡ™ιόλιον. ἐδάνεισεν Ἁρσιῆσι̋ Ὥρου τῶν ἀπὸ τῆ[̋] 1ιὸ̋ πόλεω̋ / χοαχυτῶν Ἀσκλη5 πιάδι τῆι καὶ Σενι[™ούθει τῆι] / Πα5 νᾶτο̋ Περσίνηι ™ετὰ κυρίου Ἁρπαή5 σιο̋ τοῦ / Χεσθώτου τῶν ἀπὸ τἠ̋ αὐ5 τῆ̋ 1ιὸ̋ πόλεω̋ ἐνταφιαστῶν / πυροῦ ἀρτάβα̋ εἴκοσι δύο ἥ™ισυ ἀτόκου̋. τὸ δὲ δά(δειον) / τοῦτο ἀποδότωι Ἀσ5 κληπιὰ̋ Ἁρσιήσει ἐν ™(ηνὶ) Παχὼν (30) / τοῦ αὐτοῦ (16) (ἔτου̋) πυρὸν νέον, καθαρόν, ἄδολον, (πυροῦ) (ἀρ5 τάβα̋) (22 ½), / καὶ ἀποκαταστησά5 τω εἰ̋ οἶκον πρὸ̋ αὐτὸν τοῖ̋ / ἰδίοι̋ ἀνηλώ™ασι. ἐὰν δὲ ™ὴ ἀποδῶ, καθὰ γέγρα(πται), / ἀποτεισάτω τὸ δάνειον ___________________________

687 688 689 690

„Es hat zum Darlehen gegeben Harsiesis, Sohn des Horos, von den Choachyten von Diospolis der Asklepias, auch Senimuthis genannt, Tochter des Panas, Perserin, in Anwesenheit ihres Vormunds Harpaesis, Sohn des Chesthotes, von den Bestattern von Diospolis: zweiundzwanzigeinhalb Artaben Weizen ohne Zinsen. Dieses Darlehen aber wird Asklepias zurückzahlen im Monat Pachon, am 30. Tag, des laufenden 16. Jahres in neuem, reinem, makellosem Weizen, 22 ½ Artaben Weizen. Und sie wird es ihm in das Haus liefern auf eigene Kosten. Wenn sie nicht zurückzahlt, wie geschrieben steht, soll sie zur Strafe sofort das Darlehen,

Bruns, Constitutum debiti 42. Philippin, Pacte de constitut 45. P. Par. 7 (= MChr. 225 = UPZ II 190), Z. 3-20. UPZ II 190 Komm. (S. 193).

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Pecunia constituta in der Praxis

τὰ̋ τοῦ (πυροῦ) (ἀρτάβα̋) (22 ½) / ἑκάστη̋ (ἀρτάβη̋) τὴν ἐσο™ένην ἐν τῆι ἀγορᾶι τι™ὴν / παραχρῆ™α ἡ™ιό5 λιον. ἡ δὲ πρᾶξι̋ ἔστωι ... τοῦτο δ' ἐστὶν / τὸ δάνειον ὃ ἀνω™ο5 λογήσατο ἔχειν παρ' αὐτοῦ / ἀνθ' ὧν προ‹σ›ώφειλεν ὁ προγεγρα™™ένο̋ αὐ5 τῆι / πατὴρ Πανᾶ̋ τῶι τοῦ Ἁρσιήσιο̋ πατρὶ Ὥρο̋ κατὰ / συ™βόλαιον Αἰ5 γύπτιον (πυροῦ) (ἀρταβῶν) (14).

nämlich die 22 ½ Artaben Weizen, für jede Artabe den Marktpreis, und zwar anderthalbfach zahlen. Die Vollstreckung aber soll zustehen ... Dies aber ist das Darlehen, das sie zu haben erklärt hat von ihm anstelle der 14 Weizenartaben, die zuvor ihr oben genannter Vater Panas dem Vater des Harsiesis, Horos, gemäß einem ägyptischen Vertrag schuldete.“

Die Urkunde gibt einerseits die Struktur eines Geschäfts wieder, das ein Römer als pecuniam constituere bezeichnen müsste: Mit der Beurkundung der Hingabe des Darlehens von 22 ½ Artaben wird auf eine bestehende Schuld vertretbarer Sachen Bezug genommen. Ihre Leistung wird auf einen bestimmten Termin zugesagt: in römischen Augen ein constitutum debiti. Die folgende stipulationslose Vertragsstrafe wäre für den Römer unbeachtlich. Später erfolgt der Hinweis auf die alte Schuld des Horos. Das Darlehen der Asklepias tritt nicht neben diese (ererbte) Schuld, sondern an deren Stelle (ἀνθ' ὧν ...). Eine Umschuldung findet statt, von „Novation“ ist in der Literatur die Rede691. Unter Römern ist Novation nur durch Stipulation möglich. Was Asklepias an Darlehenskapital, Zinsen und Vertragsstrafe schuldet, ließe sich in einer Stipulation zusammenfassen. Asklepias und Harsiesis hingegen arbeiten mit dem Beweiswert der Urkunde: Der Schuldnerin ist jede Verteidigung dagegen abgeschnitten, dass sie etwas anderes als die 22 ½ Artaben erhalten hätte. Dass ein ausgezahltes Darlehen „anstelle“ eines anderen ausgezahlten Darlehens treten sollte, mag man als in sich unschlüssig empfinden. Es ist der Versuch, mit dem Institut der Realobligation und dem Beweiswert der Urkunde eine neue Abrechnungslage zu schaffen. Die Steigerung der Summe könnte auf Zinsen und Vertragsstrafe zurückgehen, die für das Darlehen des Horos angefallen sind und nunmehr kapitalisiert werden. Mit diesem Phänomen des „fiktiven Darlehens“ und der damit erreichten Umschuldung hat das constitutum als solches nichts zu tun692. Der Gläubiger muss bei der actio de pecunia constituta nach wie vor den Bestand der pecunia debita beweisen. Inwiefern ihm dabei die Urkunde über das fiktive Darlehen hilft, betrifft nicht die Funktionsweise des constitutum debiti. „Wer hundert schuldet und zweihundert festsetzt, haftet nur auf hundert, weil dieses Geld geschuldet ist“, heißt es bei Ulpian, D. 13,5,11,1 (27 ed.)693. Wird das constitutum kausal formuliert, bezieht es sich also explizit auf eine Schuld ___________________________

691 Wilcken, UPZ II 190 Komm. (S. 191). 692 Anders Philippin, Pacte de constitut 45; s. schon oben Anm. 225. 693 S. oben S. 131.

Constituta bei Cicero?

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„aus Darlehen“, so kann es nur umfassen, was tatsächlich als Darlehen ausbezahlt wurde (eamque pecuniam ... debitam fuisse). Zur Kapitalisierung von Zinsschulden und Vertragsstrafen kann das constitutum insofern nicht dienen. Römischen Vorstellungen und Gepflogenheiten entspräche es vielmehr, dass schon die Zinsen und die Vertragsstrafe des Horos aus Stipulation geschuldet würden und als solche zum Gegenstand des constitutum der Asklepias würden. Zurück zu Cicero: Auch im Fall des Quinctius wird über sowohl aktiv als auch passiv ererbte Schulden verhandelt; Quinctius mag eine formlose Zusage über die Bezahlung eines Betrags abgegeben haben, den man im Wege des Vergleichs ermittelt hat. Die Zusage hätte keine novierende Funktion. Erst wenn sie eingehalten würde, wäre damit die gesamte Angelegenheit erledigt, ein Rückgriff auf die ursprüngliche Schuld durch die Scapulae nicht mehr möglich694. Constituit muss aber im Zusammenhang der Darstellung der Verhandlungen vor Aquilius gesehen werden: Per te, C. Aquili, decidit P. Quinctius quid liberis eius dissolveret. ... Decidis statuisque tu, ... quid eis ad denarium solveretur. ... Quasi domi nummos haberet, ita constituit Scapulis se daturum.

Zunächst heißt es von Quinctius per te [= Aquilium] decidit − „er bringt die Sache durch dich zu einem Abschluss“. Kurz danach findet decidere auf Aquilius Anwendung: decidis statuisque tu [= Aquilius] ... quid eis ad denarium solveretur − „du bringst die Sache zum Abschluss und triffst eine Festsetzung, ... was ihnen auf den Denar („auf Heller und Pfennig“?) 695 gezahlt werde.“ Das statuere durch Aquilius darf beim Verständnis des constituere durch Quinctius nicht unberücksichtigt bleiben. Es könnte sich dazu verhalten wie das decidere des Aquilius zu dem des Quinctius. Quinctius: decidit

Aquilius: decidis/statuis

Quinctius: constituit

Aquilius setzt den Schuldbetrag fest, Quinctius macht sich diese Festsetzung zueigen und zwar ohne jede Einschränkung, als müsste er nur über die Straße gehen und das Geld holen; constituere wäre in diesem Sinne ein schlichtes con − statuere696. Quinctius erklärt sich einverstanden. Die Verwendung von constitu___________________________

694 D. 13,5,18,3 (Ulp. 27 ed.): solutio ad utramque obligationem proficit, s. oben S. 30. 695 Zu ad denarium s. Platschek, Rede für P. Quinctius 38. 696 Vollständig synonym zu statuere im Sinne einer Entscheidung erscheint constituere etwa in Cic. inv. 2,22,68: iudicatum [est], de quo iam ante sententia alicuius aut aliquorum constitutum est.

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Pecunia constituta in der Praxis

ere lässt hier nicht sicher auf pecunia constituta im Sinne des Edikts schließen. Denn auf diesen hochtechnischen Aspekt kann es Cicero an dieser Stelle kaum ankommen. Ob Quinctius eine formlose Zahlungszusage macht oder die Leistung in Stipulationsform verspricht, ob ein Strafgedinge stipuliert wird usw., lässt sich dem Text nicht entnehmen.

III. Cic. Att. 1,7: constituere se curaturum Id. Febr. Ein letzter möglicher Beleg ist Cic. Att. 1,7697. Atticus hat für Cicero in Megara Statuen gekauft und ihm brieflich mitgeteilt, er möge dafür an L. Cincius 20.400 Sesterze zahlen (Att. 1,8,2: ut tu ad me scripseras). Cicero schreibt ihm: L. Cincio HS X'X'CD constitui me curaturum Id. Febr.

„Ich habe festgesetzt, dass ich L. Cincius 20.400 Sesterze an den Iden des Februar besorgen werde.“

Der Vergleich mit dem folgenden Brief Att. 1,8,2, in dem von der erfolgten Zahlung an Cincius berichtet wird, zeigt, dass der Dativ L. Cincio mit einiger Sicherheit zu me curaturum gehört698: L. Cincio HS ''I'' ''I'' CCCC pro signis Megaricis ... curavi − „Ich habe Lucius Cincius 20.400 Sesterze für die Megarischen Statuen besorgt/gezahlt.“ Cincius lässt sich in Att. 1,7 also nicht schon dem Wortlaut nach als Empfänger einer Erklärung Ciceros identifizieren ('L. Cincio constitui'), demnach aber auch constituere nicht sicher als Erklärung. Wenn es sich um eine Erklärung Ciceros gegenüber Cincius handelte, so hatte sie den Inhalt: 'HS X'X'CD tibi curabo Id. Febr.' Ohne die Rolle des L. Cincius genauer zu kennen, lässt sich nichts über die Wirksamkeit dieser Aussage als pecuniam constituere im Sinne des Edikts sagen. Ist Cincius von Atticus lediglich zum Empfang der Leistung, nicht aber zur Eintreibung der Forderung befugt, so kann die Forderung des Atticus Cincius gegenüber nicht wirksam konstituiert werden. In der Stelle kann eine verbindliche Erfüllungszusage im Sinne des Edikts de pecunia constituta nicht nachgewiesen werden.

§ 3. Dokumente einer hellenistischen Geschäftswelt Dokumente einer hellenistischen Geschäftswelt

Bei den körperlich erhaltenen römischen Urkunden stehen wir vor einem anderen Phänomen. Es handelt sich dabei zum allergrößten Teil nicht um Dokumente, die den Charakter des Geschäftsbriefs an sich haben. Vielmehr liegen regelmäßig ___________________________

697 Astuti, Costituto di debito I 214; II 205 f. Anm. 39 mit Literatur; Roussier, Constitut 3 Anm. 1; 82; Varvaro, Storia dell'editto De pecunia constituta 340 mit Anm. 35; zuletzt P. Costa, Pecunia constituta 145; zweifelnd Bruns, Constitutum debiti 42. 698 Dementsprechend auch die Übersetzungen von Shackleton Bailey, Letters to Atticus I 111: „I have arranged to pay L. Cincius HS 20,400 on the Ides of February“, und Kasten, Atticus-Briefe 11: „L. Cincius werde ich am 13. Februar 20 400 Sestertien auszahlen.“

Dokumente einer hellenistischen Geschäftswelt

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standardisierte Urkunden vor uns, deren Verfasser sich darum bemühen, ein für den Gläubiger möglichst sicheres und durchschlagendes Dokument zu verfertigen. Das Mittel, zu dem sie dazu greifen, ist insbesondere die Aufnahme einer Stipulationsklausel. Distanzgeschäfte, denen die Stipulation nicht zugänglich ist, sind uns im römischen Material kaum überliefert. Haben wir oben das constitutum als ein Phänomen der Hellenisierung des römischen Rechts und einen Konkurrenten zur zivilen Haftungsordnung kennengelernt, so tritt uns in den Urkunden die Romanisierung der hellenistischen Praxis entgegen und der Siegeszug der stipulatio. Geschäfte und Urkunden, die das Bedürfnis nach dem Edikt de pecunia constituta verständlich werden lassen, finden wir daher letztlich nur noch im griechischen Bereich und aus der Zeit vor dem Eindringen der stipulatio.

I. Griechische Urkunden 1. Schuldübernahme und Leistungszusage des Apostels Paulus − Phlm. 18-19 Der Brief des Titius in D. 13,5,5,3 hat gewisse Ähnlichkeiten699 mit einer Passage im Brief des Apostels Paulus an Philemon (ca. 55 n. Chr.700). Der Text ist literarische Quelle, zeigt aber Wendungen einer Briefurkunde. Onesimos, Sklave des Philemon, hält sich bei Paulus auf und wird von diesem mit Begleitschreiben an Philemon zurückgeschickt. In v. 18-19 heißt es: εἰ δέ τι ἠδίκησέν σε ἢ ὀφείλει, τοῦτο ἐ™οὶ ἐλλόγα. ἐγὼ Παὺλο̋ ἔγραψα τῇ ἐ™ῇ χειρί, ἐγὼ ἀποτίσω ...

„Wenn er dir Unrecht getan hat oder schuldet, stelle es mir in Rechnung. Ich, Paulus, erkläre hiermit eigenhändig schriftlich: Ich werde zahlen ...“

Die Aufforderung an Philemon, zulasten des Apostels Schuldposten „in die Rechnung zu bringen“ (lat. imputare), steht unter der Bedingung, dass Schulden des Onesimos bei Philemon bestehen701. Die Zahlungszusage bezieht sich auf geschehenes Unrecht/Schädigung (Aorist: ἠδίκησεν) bzw. auf gegenwärtig bestehende Schulden (Präsens: ὀφείλει). Im ersten Ausdruck lassen sich Ansprüche aus Delikt unterbringen, im zweiten auch vertragliche Schulden. Während ἠδί5 κησεν mit σε eindeutig den Eigentümer Philemon zum Objekt hat („dich geschädigt hat“), ist eine gedankliche Ergänzung von ὀφείλει um ein entsprechend umgeformtes σοι nötig („dir schuldet“). Um Schulden des Onesimos bei Dritten, von deren Begleichung Paulus Philemon freistellen würde, scheint es sich nicht zu handeln. Dass Philemon Paulus „dies in Rechnung stellen“ soll, deutet primär auf Philemon als unmittelbaren Gläubiger hin. In der als ὑπογραφή/subscriptio ___________________________

699 So schon Voet, Commentarius ad Pandectas 13,5 sub 1. 700 Zur Datierung s. nur Arzt-Grabner, Philemon 77. 701 Dass Philemon von Onesimos tatsächlich geschädigt wurde, wird mit den Worten εἰ δέ τι ... von Paulus nicht „anerkannt“, so aber Binder, Brief an Philemon 62.

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Pecunia constituta in der Praxis

stilisierten Zahlungsankündigung verwendet Paulus mit ἀποτίνειν ein Wort, das in Urkunden gewöhnlich für Vertragsstrafen und Bußleistungen belegt ist; es eignet sich vermutlich am besten, um die Begleichung von Schulden aus Delikt und Vertrag einheitlich zu bezeichnen702. Die Interpretation des Philemonbriefs ist von dem Gedanken geprägt, dass Paulus den Sklavenstatus des Onesimos rhetorisch auflöst. Philemon erhält Onesimos zurück οὐκέτι ὡ̋ δοῦλον ἀλλ' ὑπὲρ δοῦλον, ἀδελφὸν ἀγαπητόν ... καὶ ἐν σαρκὶ καὶ ἐν κυρίῳ – „nicht mehr als Sklaven, sondern anstelle eines Sklaven als geliebten Bruder ... sowohl im Fleisch als auch im Herrn“ (v. 16). Philemon soll Onesimos aufnehmen wie Paulus selbst, als seinen κοινωνό̋ (v. 17) − auf Eigentümer und Sklaven wird Gesellschaftsterminologie angewendet703. Der folgenden Schuldübernahme wird ähnliche Bedeutung zugemessen704. Indem Paulus die Haftung für den Sklaven übernehme, verdränge er Philemon aus der Position des haftenden Eigentümers. Dritten gegenüber haftet Philemon freilich weiter; einen Anspruch Dritter gegen ihn selbst kann Paulus mit seiner Erklärung gegenüber Philemon nicht generieren. Des Weiteren wird gesagt, Philemon selbst würde den Sklavenstatus des Onesimos übergehen, nähme er die Zusage des Paulus in Anspruch. Für „damalige Ohren“ hätten die Worte des Pau___________________________

702 S. schon Eger, Rechtsgeschichtliches zum Neuen Testament 44 Anm. 115. 703 Winter, Paul's Letter to Philemon 11; Arzt-Grabner, Philemon 230; 226; Reinmuth, Brief an Philemon 49. Von der κοινωνία τῆ̋ πίστεώ̋ war freilich schon in v. 6 die Rede. 704 Eine weitere juristische Operation zeichnet sich im Anschluss an die Hypographe des Paulus ab: ἐγὼ ἀποτίσω· ἵνα ™ὴ λέγω σοι ὅτι καὶ σεαυτόν ™οι προσοφείλει̋ (Einheitsübers.:) „Ich werde es bezahlen − um nicht davon zu reden, dass du dich selbst mir schuldest.“ In ἵνα ™ὴ λέγω σοι − „um dir nicht zu sagen ...“ wird eine praeteritio gesehen, die sich auf das folgende ὅτι καὶ σεαυτόν ™οι προσοφείλει̋ bezieht. Σοι kann unmittelbar mit dem in den Jesus-Worten geläufigen Aramaismus „ich sage dir“ zu tun haben: ἀ™ην λέγω σοι, ὅτι ... (Mt 5,26; 11,24 usw.). Möglich wäre aber auch folgende Struktur: ἐγὼ ἀποτίσω − ἵνα ™ὴ λέγω ΣΟΙ ὅτι καὶ σεαυτόν ™οι προσ5 οφείλει̋ - Vulg.: ego reddam, ut non dicam TIBI, quod et teipsum mihi debes − „Ich werde es zahlen − 'dir' will ich nicht sagen, weil auch du mir dich selbst längst (προσ-) schuldest.“ Die Wiedergabe von ὅτι – προσοφείλει̋ mit quod − debes (nicht: AcI) in der Vulgata deutet dort auf ein kausales Verständnis hin; der ὅτι/quod − Satz enthält dann nicht den Gegenstand der praeteritio, sondern ihre Begründung. Objekt der praeteritio ist lediglich das Wort σοι. Paulus könnte (und würde wohl gewöhnlich) schreiben: ἀποτίσω σοι, reddam tibi (z. B. P. Tebt. III 821 [209 v. Chr.]; P. David 4 rp.r.1 [= SB X 10283; 167/114 v. Chr.]; UPZ I 31 [162 v. Chr.]; P. Grenf. II 17 [136 v. Chr.]; P. Adl. G 4,1 [109 v. Chr.]; P. Mich. VII 438 [Karanis, 140 n. Chr.]; D. 13,5,24 [Marcell. sing. resp.]: quos tibi reddere debebo); das bloße ἀποτί5 σω ist dokumentarisch nicht belegt. Die Schuldübernahme macht Philemon zum Gläubiger des Paulus und zum zukünftigen Empfänger der Zahlung. Dennoch vermeidet Paulus explizit seine Benennung als solchen, die in ἀποτίσω σοι enthalten wäre. Denn er selbst hat Anspruch auf die Person des Philemon. Man sieht darin eine Anspielung darauf, dass Philemon durch Paulus zum Christen wurde.

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lus daher „zweifellos spektakulär“ geklungen. Dass der Sklavenstatus im persönlichen Verhältnis keine Rolle mehr spielen soll, sagt Paulus ausdrücklich. Auch mag man den besonderen Einsatz des Paulus für den fremden Sklaven als bemerkenswert empfunden haben. An den juristischen Operationen muss aber nichts „Spektakuläres“ sein. Nach dem oben S. 127 ff. Gesagten ist die Erfüllungszusage für Schulden von Sklaven jedenfalls konform mit römischen Vorstellungen; die Römer behandeln Schulden eines Sklaven, insbesondere auch bei seinem Eigentümer nach den Grundsätzen des ius civile; und für den Römer wäre die Zusage des Paulus ein constitutum debiti (alieni). Es ist unveranlasst, bei Paulus einen rechtlichen Hintergrund zu vermuten, der grundlegend anderen Vorstellungen folgt. Dass er die Erfüllung der Schulden des Onesimos rechtlich wirksam zusagen kann, lässt sich kaum bezweifeln. 2. Erfüllungszusagen im dokumentarischen Material a) Eine dakische Wachstafel. Als Urkunde über pecunia constituta wurde eine dakische Urkunde des 2. Jahrhunderts n. Chr. in griechischer Sprache in Betracht gezogen705: FIRA III 125 (= CIL III, S. 933 Nr. IV) 5555 // καὶ τῶν λοιπῶν κ[555]γων (δηναρίου̋) κγ' κ[αὶ] τούτων ἑκα5 τοστη[ν τίσει]ν ἀπὸ τῆ̋ / προγε5 γρα™™ένη̋ ἡ™έρα̋ εἰ̋ τ[ὴν] / δ' κ(αλένδα̋) Ὀκ[τω]/βρία̋· ἐὰν δὲ ™ὴ ἀποδῶ σ[οι εἰ̋] τὴν ἡ/™έραν ὡρισ™ένη[ν], ἀποδώσω ὡ[̋] // πα5 ριὸν ἔτι (δηναρίου̋) κε'.

„... und von den übrigen [---]en 23 Denare und von diesen einprozentigen (Zins) zu zahlen vom oben genannten Tag bis zum 4. Tag vor den Kalenden des Oktober. Wenn ich dir aber nicht bis zum festgelegten Tag leiste, werde ich darüber hinaus einen Zuschlag von 25 Denaren zahlen.“

Die Rede ist von mehreren Schuldposten oder einer Gegenleistung für mehrere Posten, deren Bezahlung zusammen mit Zinsen der Erklärende bis zu einem bestimmten Termin verspricht. Für den Fall der Nichtleistung verspricht er eine Buße. Bei diesem παριόν („Hinzukommendes“/„Darübergehendes“) von 25 Denaren könnte es sich um das duplum von Kapital (23 Denare) und Zinsen (1% monatlich; 2 Denare entsprechen einer Laufzeit von 8 Monaten) handeln. Es ist bezeichnend, dass man diese Urkunde in Zusammenhang mit der pecunia constituta brachte, bevor die massenhaften Funde griechischer Krediturkunden in Ägypten die Vorstellung einer hellenistischen Urkundenpraxis, die nicht von vornherein am römischen Recht gemessen werden darf, überhaupt erst entstehen ließen. Denn das Dokument folgt keinen typisch römischen Vorstellungen: Die Strafe ist nicht stipuliert. Was die Festsetzung eines Zahltages für Kapital und Zinsen betrifft, würde ein Römer die Urkunde als constitutum debiti ___________________________

705 (Ältere) Literatur in FIRA III 125 (S. 397).

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qualifizieren. Doch ist die Urkunde nicht so verfasst worden, um gerade den Schutz des Edikts de pecunia constituta zu erlangen. Es ist umgekehrt: Urkunden wie diese veranlassten den Prätor zur Schaffung unseres Edikts. Der folgende kursorische Überblick soll die hellenistische Geschäftswelt illustrieren, der sich Rom damit öffnete und aus der alle bisher besprochenen Urkunden hervorgehen. b) Homologie-Urkunden mit Empfangsbestätigung, Schuldanerkenntnis und Erfüllungszusage. Die Abfolge von Empfangsbestätigung, Schuldanerkenntnis und Erfüllungszusage prägt in den griechischen Papyri Ägyptens und Judäas ein Urkundenformular. Seit dem dritten nachchristlichen Jahrhundert tritt als weiteres Element die Stipulationsklausel hinzu706. In ptolemäischer Zeit ist vorherrschende Darlehensurkunde in Ägypten die συγ5 γραφὴ δανείου, die als objektives Protokoll stilisierte Zeugenurkunde mit konkreter Darlehensterminologie: „Es hat dargeliehen (ἐδάνεισεν) [Gläubiger] dem [Schuldner] ...“707 Daneben finden sich Schuldurkunden, die sich durch den Gebrauch des Wortes ὁ™ολογεῖν in der ersten oder dritten Person mit dem Infinitiv auszeichnen. Das „Haben“ eines Kapitals als δάνειον wird erklärt und die Rückzahlung angekündigt: P. Cair. Zen. II 59265 (251 v. Chr.), Z. 1-8708 ... ὁ™ολογεῖ / Νεκτοσῖρι̋ ... ἀπέχειν „Es erklärt Nektosiris ... erhalten zu haben παρὰ Ζήνωνο̋ ... τὸ δάνειον τὸ ἐν τῆι von Zenon ... das Darlehen, das in der Zeuσυγ/γραφῆι γεγρα™™ένον τῆι κει™έ5 genurkunde geschrieben steht, die niedergeνηι / παρὰ συγγραφοφύλακι Νέστωι legt ist bei Nestos als Urkundenhüter, in Höhe ἀργυρίου / ιε ἐφ' ὧι ἀποδώσει τὸ ™ὲν von 15 Silberdrachmen, worauf er zurückzahἥ™ισυ ἐν τῶι ... len wird die Hälfte im Monat ...“

Die Urkunde ist einer der wenigen Fälle einer nachträglichen „Valutierungsquittung“, der eine Darlehens-συγγραφή voranging; dass die Auszahlung des Darlehens sicher auch in der συγγραφή beurkundet wurde, zwingt zu der Annahme, dass es sich entweder bei dieser oder bei unserer Homologie um ein „fiktives Darlehen“ handelt. Die Urkunde wird daher mit der gebotenen Vorsicht als „nachträgliches Ratenzahlungspactum“ qualifiziert. Bereits im Archiv des Zenon, vermehrt im 2. Jahrhundert v. Chr., finden sich Belege für „typenlos“ (Kühnert) bzw. „neutral“ (Rupprecht) gehaltene, aber doch als Darlehensurkunden qualifizierbare Homologien709. Sie begegnen als χειρό5 ___________________________

706 707 708 709

Zusammenfassend Wolff, Recht der griechischen Papyri I 131-133. Rupprecht, Darlehen 13-16. Dazu von Soden, Homologie 47 f. Rupprecht, Darlehen 36 f.; von Soden, Homologie 47-50; P. Hamb. II 183 (251 v. Chr.); P. Dion. 34 (= P. Rein. 30 = MChr 139; 116 v. Chr.); P. David 4 (= SB X

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γραφα und σύ™βολα. Bei den subjektiv stilisierten χειρόγραφα ist nach der Grußformel (ὁ δεῖνο̋ τῷ δεῖνι χαίρειν) folgendes Formular erkennbar: ὁ™ολογῶ ἔχειν παρὰ σοῦ χαλκοῦ νο™ίσ™ατο̋ (Zahl) bzw. πυρῶν ἀρτάβα̋ (Zahl), ἃ̋ καὶ ἀποδώσω σοι ἐν ™ηνὶ (Monatsname) τοῦ (Zahl) ἔτου̋.

„Ich erkläre zu haben von dir (Zahl) Münzen Kupfer bzw. (Zahl) Artaben Weizen, die ich dir auch zurückgeben werde im Monat (Name) des (Zahl) Jahres.“

Stets wird hier das „Haben“ des Kapitals erklärt und die Rückzahlung zu einem bestimmten Termin angekündigt. Auch ein objektiv stilisiertes Formular mit ὁ™ο5 λογεῖ ἔχειν παρὰ δεῖνο̋ ist belegt, das für Lieferungskauf, antichretische Geschäfte, Mitgiftbestellung etc. Verwendung findet 710 . Schließlich begegnet das bloße ἔχει/ἔχω ohne ὁ™ολογεῖν 711; in römischer Zeit lautet die Hypographe des Schuldners ἔχω ... καὶ ἀποδώσω ...712. Daneben wird schon früh das bloße „Schulden“ erklärt713. Die Literatur vermutet hier eine Ausnahme714: Grundsätzlich sei zu beobachten, dass der Ausgangspunkt ___________________________

710 711 712 713

714

10283; 167/114 v. Chr.); P. Adl. G 4 (109 v. Chr.); P. Dion. 32 (= P. Rein. 29; 107 v. Chr.); P. Dion. 33 (= P. Rein. 28; Ende 2. Jh. v. Chr.); P. Tebt. I 110 (= SP I 68; 92 v. Chr.); P. Ross. Georg. V 70 (74 v. Chr.); P. Oxy. XIV 1639 (44 v. Chr.). S. von Soden, Homologie 51-57. Σύ™βολα: BGU VI 1226 (259 v. Chr.), Z. 4; 1228 (258/7 v. Chr.); χειρόγραφα: P. Hib. I 86 FrA.1 (248/7 v. Chr.); P. Amh. II 32 v (= MChr. 140; 114 v. Chr.). Z. B. PIFAO I 17,1 (54 n. Chr.); P. Oxy. II 269 (57 n. Chr.); P. Fam. Tebt. 2,1 (92 n. Chr.). P. Eleph. 5 vo. (282/1 v. Chr.): Erbauseinandersetzung, Schuldanerkenntnis über Differenzbetrag: ὁ™ολογεῖ ὀφείλειν Ἑρ™αγόρα̋ παρὰ 1ιαγόρου πρὸ̋ τὸν λ[οι]πὸν λό5 γον τῶν πατρώιων (δραχ™ὰ̋) ρ.[η (ὀβολοὺ̋) β]. − „Es erklärt Hermagoras, von (!) Diagoras auf die restliche Rechnung des väterlichen Vermögens 108 Drachmen und 2 Obolen zu schulden.“ Die auffällige Konstruktion ὀφείλειν παρὰ τίνο̋, die sich im Deutschen nicht wiedergeben lässt („von jemandem schuldig sein“), und als „verfehlt“ qualifiziert wird (von Soden, Homologie 112 Anm. 3: Analogie zu ἀπ5 έχειν παρά), zeigt die Nähe zum Darlehen, bzw. zur Beurkundung einer Verfügung des Gläubigers. Auf eine Ankündigung der Leistung, der „Rückzahlung“, wird verzichtet. Es handelt sich um ein reines Schuldanerkenntnis. Gleiches gilt für P. Mich. I 66 (245/4 v. Chr.): Homologiert wird das Noch-Schuldigsein (προσοφείλειν) von 153 Zicklein auf den Pachtzins für eine Ziegenherde (von Soden, Homologie 112 f.). Mit Darlehensterminologie noch P. Adler G 19 (98 v. Chr.), Z. 4-10 (wohl Schuldschein über die kreditierte Sachleistung eines Pränumerationskaufs): ὁ™ολογεῖ Γα5 λάτη̋ ... ὀφείλειν Ὥρω[ι] ... σιδήρου ™[νᾶ̋ Πτολε™αικὰ̋ ὡ̋] δισχιλία̋ ἑξακ[ο5 σία̋ τεσσαράκοντα] ἄτοκα· τὸ δὲ δάν[ειον τοῦτο ἀποδότω] ὁ δεδανεισ™έν[ο̋ τῶι δανείζοντι] ἐν ™(ηνι) Μεσορὴ λ' τ[οῦ αὐτοῦ ι̋' (ἔτου̋)]. „Abstrakt“ (kein Hinweis auf Darlehen): P. Grenf. II 16 (= P.Lond. III 654 = MChr. 157; 136 v. Chr., Pathyris/Thebais); P. Lond. III 1203 (113 v. Chr., Pathyris). Rupprecht, Darlehen 43 Anm. 23; von Soden, Homologie 114 f.

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der Darlehensurkunden die reale Hingabe, die erfolgte Verfügung des Darlehensgebers sei (ἐδάνεισεν/ἔχειν). Mit der Homologie des ὀφείλειν komme möglicherweise ein „neuer Gedanke zum Ausdruck“715; von der „nächsten gedanklichen Stufe nach ἔχειν“ ist die Rede716. Die Kombination „zu haben und zu schulden“ − ἔχειν καὶ ὀφείλειν findet sich später mehrfach717 im sogenannten Archiv der Babatha. P. Babatha (= P. Yadin) 11 (En Gedi/Iudaea, 124 n. Chr.), Z. 2-6 (int.) = Z. 14-22 (ext.) 718 ὁ™ολογῶ ἔχειν καὶ ὀφείλειν σοι ἐν „Ich erkläre zu haben und dir als Darlehen zu δάνει ἀργυρίου Τυρίου δηνάρια schulden sechzig Denare Tyrischen Silbers ... ἑξήκοντα ... ὁ ἀργύριον ἀποδώσω Das Silber werde ich dir zurückzahlen an den σοι καλάνδαι̋ Ἰανουαρίαι̋ ... τὸν Kalenden des Januar ... δὲ τόκον χορηγήσω σοι τοῦ αὐτοῦ den Zins aber werde ich dir leisten für dasselbe ἀργυρίου κατὰ ™ῆνα ὡ̋ τῶν Silber jeden Monat in Höhe von einem Denar auf ἑκατὸν δηνάρων δηνάρον ἕν. 100 Denare.“

Das „Erhaltenhaben“ (ἀπεσχηκέναι), „Schulden in Verwahrung“ (ὀφείλειν ἐν παραθήκῃ) und die Rückgabe auf Anforderung wird erklärt in P. Babatha 17 (Maoza/Nova Arabia, 128 n. Chr.), einem Verwahrungsvertrag über 300 Silberdenare zwischen Babatha und ihrem zweiten Ehemann719. ___________________________

715 Rupprecht, Darlehen 56 Anm. 109. 716 Kühnert, Kreditgeschäft 147; von Soden, Homologie 113. 717 S. außer den Folgenden noch P. Babatha 18: Ein Ehemann erklärt, die Mitgift aus den Händen seiner Frau und ihres Vaters erhalten zu haben und ihr zu schulden und ihr auf Verlangen zurückzugeben. 718 Am Ende der Außenschrift, Z. 27-28 (ext.), ist in der κυρία-Klausel (über die Maßgeblichkeit der Urkunde) plötzlich nicht mehr von einem Darlehen, sondern von einer ™ίσθωσι̋ („Verdingungsvertrag“) die Rede. Dass ™ίσθωσι̋ synonym für δάνο̋/δανείον Verwendung finden könnte, lässt sich ausschließen. Der Herausgeber (Lewis, Documents 41) erklärt sich das Versehen daher entweder mit der im Zusammenhang der Darlehenssicherung erwähnten Befugnis des Darlehensnehmers, das Grundstück seines Vaters, mit dem die Rückzahlung gesichert wird, „hypothekarisch zu belasten und zu verpachten“ (Z. 4 int. = 17 ext.: ἥ̋ ἔχω ἐπιτροπὴν ὑποτιθέναι καὶ ἐ™ισθοῖν) − dann wäre die Hypothek hier mit der ™ίσθωσι̋ kontaminiert; oder mit der Verwirrung des Schreibers, der nach dem Schreiben der Vollstreckungsklausel in Z. 24-27 (ext.) aus Gewohnheit in das Formular der ™ίσθωσι̋ verfällt. Die Bezeichnung des Geschäfts bzw. der Urkunde als ™ίσθωσι̋ ist aber auch damit erklärbar, dass es sich bei der Darlehensurkunde in Wahrheit um einen Schuldschein über Pachtzins oder Werklohn handelt. 719 Der Herausgeber geht von einem Darlehen aus, für das das Formular der Verwahrung gewählt wurde, weil man den Termin der Rückzahlung offen lassen wollte. Darin die Mitgift der Babatha zu sehen, bereitet angesichts der aramäischen Heiratsurkunde (kettuba) P. Babatha 10 gewisse Schwierigkeiten, die auf dem Verso liest: „für Babatha, [To]chter des Shim‛on, zulasten (‛l) des Jehudah, Sohn des El‛azar“, und ein kettuba-Geld von 400 Denaren (zuzin) als geschuldet angibt. Unter Umständen handelt es sich bei unserem Dokument um eine Novation der Mitgiftsforderung. In der Urkunde sind heterogene Elemente kombiniert (wie sich etwa an ὀφείλειν ἐν παρα5

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In den ägyptischen Papyri findet sich die entsprechende Homologie vom 4. bis ins 7. nachchristliche Jahrhundert 720 . Frühestens aus dem 4. Jahrhundert nach Chr. stammen die dortigen Belege für ὁ™ολογῶ ἐσχηκέναι καὶ δεδανεῖσθαι – „Ich erkläre, dass ich erhalten habe und als Darlehen schulde“721. Später steigert man sich zu Kombinationen wie in P. Ross. Georg. III 53 (674/5 n. Chr.), Z. 914722: ὁ™ολογῶ ἔχειν καὶ ὀφείλειν ὑ™ῖν καὶ χρεωστεῖν ... καὶ ταῦτα ὑ™ῖν ἀπο5 δώσω ὁπόταν βουλήθητε ἀνα™φιβόλω̋ κινδύνῳ ἐ™ῷ ... – „Ich erkläre zu haben und Euch zu schulden und als Darlehen zu schulden ... und diese werde ich Euch zurückgeben, wann immer Ihr es wollt, ohne Widerrede, auf meine Gefahr ...“ Dieser Blick auf viele Jahrhunderte griechisch-hellenistischer Urkundenpraxis, den uns der Überlieferungszufall lediglich in deren ägyptischer und judäischer Ausprägung gestattet, darf als Grundlage dienen, um im Folgenden die enge Verwandtschaft und die grundlegende Verschiedenheit der überlieferten römischen Krediturkunden darzustellen.

II. Lateinische Urkunden 1. Chirographa von Soldaten Am deutlichsten wird diese Verwandtschaft in den lateinischen sogenannten Soldatenchirographa, die uns für Ägypten, Palästina, den Oberrhein und Wales in den ersten beiden nachchristlichen Jahrhunderte belegt sind. Denn hier verfügen wir über den griechischen Konterpart, der in allem die Charakteristika seiner griechischen Umwelt zeigt723: ___________________________

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θήκῃ − „schulden in Verwahrung“ zeigt), um die Urkunde mit möglichst großer Durchschlagskraft auszustatten. Zur Gestaltung der Mitgift als Verwahrung (παραθήκη/παρακαταθήκη) in den Papyri s. zuletzt G. Pfeifer, Fortschritt auf Umwegen: Schein- und Umgehungsgeschäfte und Verwendung fiktiver Strukturen in Rechtsurkunden des Altertums (im Erscheinen). SB XIV 11385 (326 n. Chr.); P. Flor. I 53 (= P. Sakaon. 72; 327 n. Chr.); P. Flor. I 52 (376 n. Chr.): ἔχειν σοι καὶ ὀφεῖλειν; Stud. Pal. XX 90 (415 n. Chr.): ἐποφείλειν; BGU III 751 (4./5. Jh. n. Chr.); CPR V 14 (= SB I 5161; 475 n. Chr.); P. Harr. I 88 (5. Jh. n. Chr.); P. Ness. III 28 (572 n. Chr.); SB XVI 12422 (6. Jh. n. Chr.); SB VIII 9769 (7. Jh. n. Chr.). P. Kell. I 41, Z. 5 (310 n. Chr.); P. Panop. 21, Z. 5 (315 n. Chr.); P. Lips. I 12, Z. 13 (3./4. Jh.); P. Lips. I 13, Z. 6/7 (366 n. Chr.); P. Kell. I 42, Z. 9; P. Kell. I 43, Z. 4; P. Kell. I 44, Z. 5/6; P. Kell. I 45, Z. 6/7 (alle 2. Hälfte 4. Jh. n. Chr.); die anderen Belege stammen zumeist aus dem 6. und 7. Jahrhundert. Das Fischdarlehen ist unverzinst und unbefristet. Der Darlehensnehmer Aurelios Neilammon ist der Vorsteher der Fischerinnung, der Darlehensgeber Flavios Stephanos der Stadtpräfekt (στρατηλάτη̋) von Ἀρσινοιτῶν πόλι̋. Dass es sich um einen Pränumerationskauf handelt und ein Schuldschein über die gekauften Fische in Form einer Darlehensurkunde ausgestellt wurde, liegt auf der Hand. S. schon Arangio-Ruiz, Chirografi di soldati 252 f.

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BGU I 69 (= MChr 142), Z. 1-9 [Οὐαλέριο̋] Λόγγο̋ [ἱ]ππευ̋ ... Ἰουλίῳ Ἀγριππιανῷ / ἱππεῖ ... χαί5 ριν. Ὁ™ολογῶ ἔχιν πάρα σου / χρῆσιν ἔντοκον ἀργυρίου Σεβασ5 τοῦ / νο™ίζ™ατο̋ δραχ™ὰ̋ ἑκατὸν τεσ/σεράκοντα, ἃ̋ καὶ ἀποδώσω σοὶ τῷ / ἔγγιστα δοθησο™ένῳ ὀψωνίῳ / ἀνυπερθέτω̋ ...

„Der Reiter Ualerios Longos ... dem Reiter Iulios Agrippianos ... zum Gruße. Ich anerkenne von Dir zu haben als ein verzinstes Darlehen an kaiserlichen Silberdrachmen hundertvierzig, die ich Dir auch zurückgeben werde mit der nächsten Soldzahlung unverzüglich ...“

Auch die lateinischen Urkunden sind zumeist in Briefform gehalten: Nus Nus Ao Ao salutem − „Der [Schuldner] dem [Gläubiger] zum Gruße.“ Es folgt (mit Varianten) die subjektive Erklärung über den Erhalt und das Schuldigsein einer Summe, sowie die Ankündigung der Rückzahlung, regelmäßig für den Zeitpunkt der nächsten Soldzahlung. Die Rückzahlungszusage umfasst regelmäßig Darlehenszinsen. In zwei der acht Dokumente ist als typisch römisches Element die Stipulation sicher beurkundet, in vier anderen fehlt sie sicher. P. Vindob. L 135724 (Alexandria, 25.8.27 n. Chr.), Z. 3-7 Fateor / me tibei debere dr(achmas) Aug(ustas) et Pt(olemaicas) ducentas / quas tibi solvam stipendio proxumo / et eorum usuras in menses singulos / in dr(achmis) C a(ssibus) III sine ulla controversia (folgt Abgrenzung zu anderer Schuld: extra alias dr(achmas)...) Actum ... (keine Stipulation) (Subskription, Z. 16-17:) [Λούκιο̋] Κα[ι]κ[ί]λιο̋ Σεκόνδο̋ ἱππεὺ̋ ὁ προγεγρα™5 ™έ/[νο̋ ἔλαβον ὡ̋ πρόκ(ειται)] ... P. Mich. VII 438 (= CPL 188= ChLA V 303; Karanis, 140 n. Chr.)725, Z. 3-9 [Fateor? me] / ac[c]epi[sse et de]bere (denarios) arg(enteos) septuagi[nta novem] / quos tib[i re]ddam stipendio ac[c]ept[o] / cum us[uris] aut procuratori heredive [tuo] / stipulat[us] est Iuli[us S]erenus eq(ues) s[popondit] / An[toni]us [Hero]nianus pro (denariis) arg(enteis) LX[XIX] / diei i(nfra) s(cripti) a[ct]um in castello Net[ --(Subskription, Z. 12-13:) Ἀντώνι[ο]̋ Ἡρωνιανὸ̋ [ἔσχον ἀργ. (δηνάρια)] / οθ δανε[ι]σ™ὸν καὶ ἀπο[δώσω ὡ̋ πρόκ(ειται)] ... P. Fouad I 45 (= FIRA III 121= CPL 189; Alexandria, 153 n. Chr.)726, Z. 3-9 Fateor me accepisse et debere / [ca. 7]t[-]s727 mihi per manum in pretium armorum / [denarios qui]nquaginta (denarios) L, quos et redda(m) stipendio / [---]....berl ....lum cum usuris legitimis / [tibi aut p]rocuratori heredive tuo aut ad quem / [ea res p]ertinebit sine controversia et / [spe futu]rae di[la]tionis. Actum ... (keine Stipulation) (Subskription, Z. 14-17:) Ἀντώνιο̋ Ἡρωνιανὸ̋ ἱππεὺ̋ / [προγ]εγρα™[™]ένο̋ ἔλαβα καὶ ὀφίλω / [τὰ προ]κί™ενα δηνάρια πεντήκον/[τα κ]αὶ ἀπ[ο]δώσω καθώ̋ πρόκιται.

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724 Harrauer/Seider, Neuer lateinischer Schuldschein; dazu Shelton, Note on P. Vindob. L 135; Gilliam, Notes on a New Latin Text. 725 Arangio-Ruiz, Chirografi di Soldati 255 f.; weitere Literatur in ChLA V 50. 726 Arangio-Ruiz, Chirografi di Soldati 253 f.; Macqueron, Contractus scripturae 30 f. 727 [commenda]t[o]s? Schérer in P. Fouad.; [numera]t[o]s?

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P. Mich. III 161 (= ChLA V 294; Caesarea/Mauretanien, 2. Jh. n. Chr.)728, Z. 2-7 scribsi me accepisse / [et debere? ab? ---] classis Aug(ustae) liburna / [--- (denarios) quos reddam cum usuri]s ex stipendio eis / [aut eorum procuratori aut hered]i. Actum Kaesareae / [in hib(ernis) clas(sis) Aug(ustae) ---]io / [---] cheirographo (folgt verlorene griechische Subskription) (keine Stipulation) P. Mich. VII 445 (= ChLA V 284; Jerusalem, 188 n. Chr.)729, Z. 4-11 [--- scripsi rogatus a ---] / milite leg(ione) [eadem, (centuria) --- quod is] / se negavit [litteras scire eum accepis-]/se ab Pe[tronio? --- milite leg(ione) ea-] / dem (centuria) eadem [dr(achmas) --- quas red-]/det quo die ạ[cceptaverit stipendium]730 / aut ei aut pr[ocuratori heredive eius ni-]/si totum et [usuras reddiderit] (folgen Zeugen) (keine Stipulation) P. Mich. VII 440 (= CPL 190; Herkunft unbekannt, 162 n. Chr.), Z. 2 fatior me a[ccepisse T. Vindonissa 3 (90 n. Chr.) [---] in dies XXX et quacumque duci/tur. Ibi sortem et usuras probas rec/te dari stipulatus est Sex(tus) Carisi/us Maximus, quo spopondit L(ucius) Ha/terius Marius. Aes reddam ti/[b]i aut proc(uratori) aut heredi tuo./ Actum ...

Aus dem Jahr 83 n. Chr. stammt eine Urkunde aus Carlisle (Wales) 731 . Wir finden dort das Schuldanerkenntnis (scribsi me debere) eines Legionärs über 100 Denare. Vom folgenden Relativsatz ist nur das Pronomen quos erhalten. Britannia 23 (1992) 147 Imp(eratore) Domitiano VIIII co(n)s(ule) / VII Idus Novembres Q(uintus) Cassius / Secundus miles leg(ionis) XX |(centuria) Calvi / Prisci scribsi me debere / G(aio) Geminio Mansueto militi / leg(ionis) eiusdem | (centuria) Vetti Proculi / denarios centum quos [---]

Der Herausgeber vermutet danach tibi und gelangt über den Vergleich mit den anderen Soldatenurkunden zur Ankündigung der Rückzahlung samt Zinsen mit dem (nächsten) Sold, was gleichzeitig den Leistungszeitpunkt bezeichnet: unmittelbar nach Auszahlung des Solds. Daraus ergibt sich für den überschaubaren Datenbestand folgender Befund:

___________________________

728 729 730 731

Arangio-Ruiz, Chirografi di Soldati 261. Arangio-Ruiz, Chirografi di Soldati 261 ff. Denkbar auch quo die p[etierit cum earum usuris]. Tomlin, Twentieth Legion (= AE 1992, 1139); ders., Documenting the Roman Army 180 f.

Empfangsbestätigung: accepisse

Schuldanerkenntnis: debere

Rückzahlungsversprechen: reddam/solvam

Zinsen

Stipulation

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Jahr n. Chr.

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P. Vindob. L 135 Brit. 23 (1992) 147 T. Vindonissa 3

27 83 90

gr. (?) ? ?

x x ?

x x (?) ?

x x (?) x

– ? x

P. Mich. III 161 P. Mich. VII 438

2. Jh. 140

x x

? x

x x

x x

P. Fouad I 45 P. Mich. VII 440 P. Mich. VII 445

153 162 188

x x x

x ? –

x ? x

x ? ?

(Kap+ Z)

– x (nur Kap?)

– ? –

Lediglich in einer Urkunde (P. Mich. VII 438) stehen die Elemente Empfangsbestätigung, Schuldanerkenntnis, Rückzahlungsversprechen und Stipulation gesichert nebeneinander; gleichzeitig enthält sie ein Zinsversprechen, das − nach den wahrscheinlichen Ergänzungen des Textes − nicht von der Stipulation erfasst ist. Das Versprechen des Schuldners über die Darlehenssumme wird dokumentiert: spopondit pro denariis argenteis LX[XIX]732. In der griechischen Subskription des Schuldners werden zwar die Elemente Empfangsbestätigung und Rückzahlungsversprechen wiederholt, nicht aber Schuldanerkenntnis und Stipulation. P. Fouad I 45 verrät, dass es sich trotz der Terminologie accepisse und per manum nicht um ein wirklich ausgezahltes Darlehen, sondern um eine kreditierte Kaufpreisschuld handelt: in pretium armorum. Die Verteilung von stipulatio oder fidepromissio auf die Urkunden ist bemerkenswert. Weder in P. Vindob. L 135 (L. Caecilius Secundus / C. Pompeius) noch in P. Fouad I 45 (Antonius Heronianus / .lacc.or.histianus − Arangio-Ruiz: Stlaccios/us Antistianos/us?) lässt sich erkennen, warum die Stipulation für die Parteien weniger bedeutsam wäre als für diejenigen von P. Mich. VII 438 (Antonius Heronianus / Iulius Serenus) und T. Vindonissa 3 (Sex. Carisius Maximus / L. Haterius Marius). Die einfachste Lösung besteht darin, dass die Stipulation nur dort beurkundet wurde, wo sie wegen Anwesenheit beider Parteien tatsächlich möglich war und vorgenommen wurde. Die anderen Fälle würden Geschäfte unter Abwesenden bekunden. Zweifel daran erweckt jedoch, dass die Soldaten regelmäßig derselben Einheit angehören und im selben Lager stationiert sind. Besonders auffällig ist das Fehlen der Stipulation, wenn Zinsen vereinbart sind. ___________________________

732 Für cum usuris lässt die Lücke keinen Raum. Zu erwägen wäre eine Abkürzung c(um) u(suris), wie etwa in der dakischen Urkunde CIL III, S. 934 f., Nr. V.

Dokumente einer hellenistischen Geschäftswelt

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Die Urkunden über stipulationslose, aber verzinste Darlehen werden als Belege einer nichtrömischen hellenistischen Praxis betrachtet733. Das würde wiederum nahelegen, dass die Gerichtsbarkeit, der die Soldaten unterstehen (oder sich unterstellen können), unter römischen Bürgern nach peregrinem Recht urteilt. Oder aber auch die römische Gerichtsbarkeit empfindet es nicht als unrömisches und peregrines Recht, dass die Zusage der Zinszahlung gemeinsam mit dem Kapital zu einem Termin wirksam und klagbar ist; der Weg führt dann zur actio de pecunia constituta. Dass die Stipulation im Jahr 27 n. Chr. (P. Vindob. L 135), keine sechzig Jahre nach Begründung der Provinz Ägypten, unter römischen Bürgern nur unregelmäßig geübt wird, ist jedenfalls bemerkenswert. Dort, wo sie beurkundet ist, ist die Stipulation lediglich Zusatz zu einer lateinischen Urkunde, die dem griechischen Muster folgt. Der „Grundstock“ der subjektiv stilisierten römischen Krediturkunde ist das griechische χειρόγραφον. 2. Urkunden mit Darlehens-Empfangsbestätigung, Schuldanerkenntnis und Stipulation über die Rückzahlung ('Mutua cum stipulatione') In den Krediturkunden vom Golf von Neapel, die der Vesuvausbruch des Jahres 79 n. Chr. konserviert hat, begegnet die Stipulation durchgehend. Im sogenannten Archiv der Sulpicier734 aus Puteoli lassen sich dabei verschiedene Formulare von Krediturkunden eruieren. Die Darlehensurkunden TPSulp. 50-59 ('Mutua cum stipulatione'), soweit rekonstruierbar aus dem Zeitraum von 35 bis 52 n. Chr., sowie die vom Herausgeber als 'Pecunia debita in stipulatum deducta' qualifizierten Urkunden TPSulp. 66-69 (29-51 n. Chr.) werden durch ein scripsi me debere des Schuldners gekennzeichnet. TPSulp. 50-59 sind auf der Außenseite als chirographum des Schuldners mit einer bestimmten Geldsumme bezeichnet: Chirographum Ni Ni HS (tot). Der Urkundentext beginnt mit der Datierung nach Konsulat und Tag. Es folgt stets die Wendung Nus Nus scripsi me accepisse; sodann begegnen Varianten: In TPSulp. 51; 52; 54-57 findet sich Nus Nus scripsi me accepisse mutua ab Ao Ao et debere ei HS (tot) nummum.

___________________________

733 Arangio-Ruiz, Chirografi di soldati 251; Kaser, Mutuum und stipulatio 166; Camodeca, Tabulae 133 Anm. 25: Die Erwähnung von Zinsen und das Fehlen der Stipulationsklausel „come espressione di una prassi ellenistica estranea al diritto romano“ mache die Papyrusdokumente „totalmente diversi“ von den kampanischen Darlehensurkunden. Dass Arangio-Ruiz, ebd. 253 in P. Mich. VII 445 die letzten Zeilen mit dem Versprechen von Verzugszinsen ergänzt („soltanto siano ricordate le moratorie“), und das Dokument hinsichtlich der Zinsen (nur) in diesem Fall auch ohne Stipulation für „perfettamente valido anche per diritto romano“ erklärt, erstaunt: Nichts deutet darauf hin, dass Verzugszinsen beim Darlehen im Gegensatz zu Darlehenszinsen ohne Stipulation geschuldet wären. 734 Ed. Camodeca, Tabulae; zu ihnen auch Macqueron, Contractus scripturae 19-22.

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Pecunia constituta in der Praxis

In TPSulp. 50; 53 und 59 heißt es etwas umständlicher: Nus Nus scripsi me accepisse et debere Ao Ao HS (tot) nummum quae ab eo mutua et numerata accepi735.

Es folgen gelegentlich Zusätze. In TPSulp. 50 ist dies nach der Rekonstruktion Camodecas die Ankündigung der Rückzahlung an einem bestimmten Tag736: quam summa[m ei reddam?] pr(idie) ìd[us --- ]

In TPSulp. 51 verspricht der Schuldner Rückzahlung auf Anfordern: tab. I, pag. 2, Z. 7-8 que eì redam cum petiaerit − „die ich ihm zurückgeben werde, wenn er es verlangt“.

Durchgehend wird das erfolgte Versprechen der (Rück-) Zahlung in Frage und Antwort, nämlich die stipulatio (TPSulp. 50-55; 57) bzw. fidepromissio (TPSulp. 56; 58: Schuldner sind Sklaven), dokumentiert: eaque HS (tot) nummum, quae supra scripta sunt, proba recte dari stipulatus est (fide rogavit) Aus Aus spopondi (fide promisi) ego Nus Nus

„... und dass diese (Zahl) Sesterze, die oben geschrieben stehen, in geprüfter Münze ordnungsgemäß gegeben werden, hat sich geloben lassen (auf die Treue versprechen lassen) (Gläubiger). Ich, (Schuldner), habe es gelobt (auf meine Treue versprochen).“

In TPSulp. 50 findet sich die − vermutete − Ankündigung der Rückzahlung zum bestimmten Termin nach der Stipulation. In TPSulp. 51 steht das zitierte Rückgabeversprechen vor der Stipulationsklausel, ohne dass explizit zum Ausdruck käme, dass es (neben der „ordnungsgemäßen Rückzahlung in guter Münze“ − probe recte dari) Inhalt der Stipulation war. In die Stipulation, bzw. die fidepromissio ist ein kalendermäßiger Zahlungstermin lediglich in TPSulp. 56 aufgenommen: TPSulp. 56, tab. III, pag. 5, Z. 8-12 eosque HS mille / nummos, qui s(upra) s(cripti) s(unt), p(robos) r(ecte) d(ari) k(alendis) Ìulis / primis {p(robos) r(ecte) d(ari)} fide rogavit C(aius) / Sulpicius Cinnamus, fide promisì / Niceros col(onorum) col(oniae) servus arcarius. „... dass (sie) in geprüfter Münze ordnungsgemäß an den Kalenden des kommenden Juli gegeben werden ...“

___________________________

735 Demselben Typus könnte auch TPSulp. 100 angehören, wo nach der Datierung gelesen bzw. ergänzt werden kann: C(aius) Sul[icius Faustu?] scr[ipsi me accepi]sse / e[t debere Aulo Agerio / HS tot, quae ab eo mutuam] / et [numeratam accepi ---; s. Camodeca, Tabulae 213. 736 S. schon oben S. 3 f.

Dokumente einer hellenistischen Geschäftswelt

255

Kennzeichnend für die Urkunden ist die Bestätigung des Empfangs der Summe zum Darlehen (me accepisse mutua)737, das Schuldanerkenntnis (me debere) und die Dokumentation des Verbalakts (stipulatus est − spopondi). Die objektiv stilisierten Zeugenurkunden (testatio) desselben Funds738 protokollieren dies als tatsächliche Vorgänge vor den Augen der Zeugen. TPSulp. 51 enthält darüber hinaus ein Leistungsversprechen (redam cum petiaerit). Auch dieses Element ist schriftliche Willenserklärung, nicht nur Bestätigung zu Beweiszwecken. Es ist dies der einzige Fall, in dem eine Qualifizierung als pecunia constituta in Frage kommt: Die Schuld (pecunia debita) besteht bereits (aus Darlehen und Stipulation), als der Schuldner ihre Erfüllung ohne Stipulationsform zusagt. Ein römischer Jurist müsste sich fragen, ob die terminierte Rückzahlung lediglich ein ungeschickter Nachsatz zur Stipulation ist, der Termin also als dies adiectus der stipulatio zu behandeln ist, oder der Schuldner eine weitere, eigene Erklärung abgeben wollte. Denn dieselben Elemente weisen etwa TPSulp. 67 und 68 vor der Stipulationsklausel auf. TPSulp. 67 zeigt im unmittelbaren Anschluss an die Empfangsbestätigung ein Rückzahlungsversprechen (redam) auf Anforderung (cum petiarit) unter Aufnahme eines zweiten möglichen Leistungsempfängers neben dem Gläubiger (ipssi aut Caio Sulpicio Fausto), eines sogenannten solutionis causa adiectus: TPSulp. 67, tab. I, pag. 2, Z. 8-9 et [redam] ipssi aut / C(aio) Sulpicio [Fausto], cum petiarit – „... und ich werde sie ihm selbst oder Gaius Sulpicius Faustus zurückgeben, wenn er es verlangt ...“

TPSulp. 68 hingegen enthält nach der Empfangsbestätigung die Dokumentation eines geleisteten Eids, mit dem die Rückzahlung, wieder unter Einschaltung eines adiectus, auf einen bestimmten Termin versprochen wurde. Darauf folgt ein Hinweis auf die Haftung wegen Meineids im Fall der Nichtleistung, sowie die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen bestimmter Höhe als Strafe; beides wird als AcI von der folgenden Stipulationsklausel erfasst, die ebenso das Kapital aufnimmt. Eid und Stipulation sind eigentümlich miteinander verwoben: TPSulp. 68, tab. I, pag. 2, Z. 8 − tab. II, pag. 3, Z. 8 quem / suma iuratus promissi me / aut „Ich habe unter Eid versprochen, dass ich ipssi Hesuco aut C(aio) Sulpicio / diesen Betrag entweder Hesychos selbst oder ___________________________

737 Wolf/Crook, Rechtsurkunden in Vulgärlatein 12 mit Anm. 14: Das Chirographum sei nicht zum Beweis der Auszahlung geeignet, sondern lediglich zum Beweis dafür, dass der Schuldner die Erklärung abgegeben habe, das Geld erhalten zu haben. Für die Darlehensgewährung sei diese Erklärung freilich ein „erhebliches Indiz“. 738 Die sogenannten 'nomina arcaria' im Archiv der Sulpicier (TPSulp. 60-65): Die Auszahlung wird dort dokumentiert mit petiit et numeratos accepit domo ex arca/risco, die (Straf-) Stipulation erscheint in direkter Rede mit stipulatus est (TPSulp. 63); Literatur zum Urkundentyp o. Anm. 58.

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Pecunia constituta in der Praxis

Fausto redturum k(alendis) Noembrib[u]s / primis per Iobe Optum‹u›m M`a´xu/mu et nume dibi Augustì; / quot si ea die non solvero, / me non{t} solum peìurio tene-/ri set etiam peone nomine / in de sigulos sestertios vigienos / nummo obligatum iri et eos HS / (I)CCL, q(ui) s(upra) s(cripti) s(unt), probos recte / dari stipulatus e‹s›t Hessucus ... spepodi C(aius) Novi-/us Eunus.

Gaius Sulpicius Faustus zurückgeben werde an den Kalenden des kommenden November, beim Jupiter Optimus Maximus und der Macht des vergöttlichten Augustus. Dass ich, wenn ich an diesem Tag nicht zahle, nicht nur wegen Meineids hafte, sondern auch als Strafe pro Tag zu jeweils 20 Sesterze verpflichtet sein werde und dass diese 1250 Sesterze, die oben geschrieben stehen, in geprüfter Münze ordnungsgemäß gegeben werden, hat sich geloben lassen Hesychos ..., ich, Gaius Novius Eunus habe es gelobt.“

In der Urkunde sind demnach, was die Verpflichtung zur Rückzahlung betrifft, Empfangsbestätigung (Darlehensbegründung), Schuldanerkenntnis, Eid und Stipulation angehäuft. Andere Stücke aus dem bescheidenen Fundus lateinischer Privaturkunden belegen die zeitliche und räumliche Ausdehnung der Geschäfts- und Urkundspraxis mit den Elementen Empfangsbestätigung, Schuldanerkenntnis und stipuliertem Rückzahlungsversprechen. Es finden sich nicht nur zwei Urkunden aus dem unweiten Herculaneum, die die aus Puteoli bekannten Varianten zeigen: TH 42 (ed. Camodeca, CrErc 23 [1993] 110 = AE 1993,460), tab. II, pag. 4, Z. 3 − tab. I, pag. 1, Z. 1 ... s[crip]si [me debe]re ... [HS] XX m(ilia) [n(ummum) quae ab eo mu]/tua numerata ac[cepi] / [eaque ... proba recte dari] / [stipul]atus es[t ... spopondi] ... CrErc 32 (2002) 266-268 (40/41 n. Chr.) (= AE 2002, 340) ... scripsi me accepis[se ‹mutuos› et de]/[bere ... HS (mille) CC num[mos] / [eosque ... p(robos) [r(ecte)] dari stipulatu(s) / est ... spopondi ...

Auch in der dakischen Urkunde CIL III, S. 934 f., Nr. V (= FIRA III Nr. 122 = TabCerD V)739 aus dem Jahr 162 n. Chr. begegnen die Elemente in wieder anderer Reihenfolge und in objektiver Stilisierung: (Denarios) LX q(ua) d(ie) p(etierit) / p(robos) r(ecte) d(ari) f(ide) rogavit / Iul(ius) Alexander dari f(ide) p(romisit) / Alexander Cari et se eos (denarios) / LX q(ui) s(upra) s(cripti) s(unt) mutuos / numeratos accepisse et debere se dixit / et eorum usuras ex hac die in dies XXX / (centesimas) (singulas) / dari Iul(io) Alexandro e(ive) a(d) / q(uem) e(a) r(es) p(ertinebit) f(ide) / r(ogavit) Iul(ius) Alexander / dari f(ide) p(romisit) Alexander / Caricci (folgt Bürgschaft).

Die Dokumentation der erfolgten fideipromissio in Frage und Antwort steht der Urkunde voran. Die Klausel qua die petierit, die in TPSulp. 51 und 67 im Anschluss an das Schuldanerkenntnis begegnet, ist hier unmittelbar in die Dokumentation des förmlichen Schuldversprechens integriert. Es folgen die Bestäti___________________________

739 Zur Urkunde s. nur Macqueron, Contractus scripturae 24-26 mit Literatur.

Dokumente einer hellenistischen Geschäftswelt

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gung des Darlehenserhalts (mutuos numeratos accepisse [se dixit]) und das Schuldanerkenntnis (debere se dixit). Daran schließt sich die Dokumentation einer weiteren fidepromissio über Darlehenszinsen an. Zu den bisher zitierten Urkunden entwickelte zuletzt740 Gröschler die These, sie dokumentierten eine Kombination von Darlehen und Stipulation, die es dem Gläubiger erlaube, einen Teil der Darlehenssumme als Zinsabschlag einzubehalten und dennoch auf (Rück-) Zahlung der vollen genannten Summe klagen zu können741. Das Modell eines regelmäßigen Zinsabschlags würde erklären, warum im Archiv der Sulpicier niemals Darlehenszinsen beurkundet werden742. ___________________________

740 Zuvor schon Bove, Documenti di operazioni finanziarie 41 f.; Camodeca, Archivio Puteolano 175 f. mit Literatur in Anm. 36; jetzt ders., Tabulae 133 f.; zustimmend Manthe, Archivio Puteolano 375. 741 Gröschler, Konzeption des mutuum cum stipulatione; inzwischen auch ders., Urkunden als Erkenntnisquelle 56 ff. 742 Dass ein derartiger Zinsabschlag der Antike bekannt war, wird häufig mit Plut. mor. 829 D belegt: ῥαδιουργοῦσιν (scil. οἱ δανείζοντε̋) ἐν ταῖ̋ ἑαυτῶν ἐφη™ερίσι γρά5 φοντε̋ ὅτι τῷ δεῖνι τοσοῦτον διδόασιν, ἔλαττον διδόντε̋ − „(Die Darlehensgeber) machen betrügerische Eintragungen in ihren Büchern, indem sie schreiben, dass sie dem und dem so und so viel gegeben haben, und weniger geben“; eine rechtlich anerkannte Praxis wird hier nicht beschrieben. Die Stelle D. 45,1,122 pr. (Scaev. 28 dig.), die des Öfteren zur Illustration herangezogen wird (Camodeca, Archivio Puteolano 176 mit Anm. 37; Manthe, Archivio Puteolano 375 Anm. 31; Gröschler, Tabellae-Urkunden 158), gibt lediglich einen Fall wieder, in dem der Schuldner ein auf drei Monate befristetes Darlehen erhält, Zinsen bezahlt und schon nach wenigen Tagen das Kapital abzüglich der Zinsen zurückzahlen will. Dass der Gläubiger die Zinsen vom als ausbezahlt beurkundeten Kapital einbehalten hätte und die Zinsen nicht beurkundet gewesen wären, besagt die Stelle nicht. Mit guten Gründen gegen die Vorstellung eines Zinsabschlags in den Sulpicier-Urkunden noch Gröschler, Tabellae-Urkunden 159 f. Schon dass es sich bei den Sulpiciern um ein „Bankhaus“, eine „Darlehens- und Handelsbank“ (Wolf/Crook, Rechtsurkunden in Vulgärlatein 9; zuletzt Gröschler, Urkunden als Erkenntnisquelle 53 f.) handeln würde, die ihr Geschäft mit den Zinsen der in den Urkunden genannten Schuldner macht, ist eine zu beweisende Prämisse. Ein anderer Ansatzpunkt liegt etwa darin, dass wir von der Tätigkeit der Sulpicier im Auktionswesen wissen. TPSulp. 77 ist eine Quittung über die Zahlung von 4300 Sesterzen durch einen Vertreter des C. Sulpicius Cinnamus ex redactu ╛enalium. TPSulp. 82 ist nach der Ergänzung Camodecas eine Quittung (apocha) darüber, dass C. Sulpicius Cinnamus den Erlös einer Auktion an die Verkäuferin (domina auctionis) abgeführt hat (dagegen zuletzt Andreau, Banking and Business in the Roman World 76). Dies lässt mit einiger Sicherheit darauf schließen, dass Sulpicius zuvor versprochen hat, die Summe, die der siegreiche Steigerer ihm versprechen würde (quae in stipulatum meum venit venerit), unter Abzug einer Gebühr (deducta mercede) an die Verkäuferin auszuzahlen (zur Funktionsweise der Finanzierung einer Auktion Bürge, Fiktion und Wirklichkeit 480-486). Im pompejani-

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Pecunia constituta in der Praxis

Bei einer abstrakt gefassten Stipulation obliegt es dem Schuldner, das Fehlen einer causa für deren Abschluss einredeweise (per exceptionem) geltend zu machen. Die Einrede, die der Schuldner erhebt, wenn er sich gegen die Inanspruchnahme aus Stipulation auf die unterbliebene Darlehensvalutierung beruft, ist nach Gai. 4,116 die der Arglist, die exceptio doli: placet per exceptionem doli mali te defendi debere. Der Vorwurf der Arglist kann aber nach Gröschler dann nicht erhoben werden, wenn der Gläubiger vereinbarungsgemäß ein Disagio einbehält und das Darlehen deshalb nicht in voller Höhe valutiert wird. Der zentrale Punkt dieser These liegt in der Abstraktheit der Stipulation in unseren Urkunden. Dass dort als Gegenstand der Stipulation regelmäßig „diese (Zahl) Sesterze, die oben genannt sind“ (eosque HS (tot) nummum, qui supra scripti sunt) begegnet, spricht dann nicht gegen ein abstraktes Verständnis, wenn man die Worte schlicht als eine Bezugnahme auf die Summe, nicht aber auf die causa „Darlehen“ begreift. Durch deutliche Trennung der Verpflichtungsgründe mutuum und stipulatio den abstrakten Charakter der Stipulation zu forcieren, ist nach Gröschler die Funktion des eingeschobenen Schuldanerkenntnisses scripsi me ... debere743. Es bringe zum Ausdruck, dass die Darlehensauszahlung um einen weiteren Verpflichtungsgrund ergänzt werden soll („Kombinationsmodell“). Am deutlichsten ___________________________

schen „Archiv des Caecilius Iucundus“ sind hingegen ausschließlich (und massenhaft) Quittungen der Verkäufer/domini auctionis erhalten (s. nur FIRA III 128 a-d; 129 a-d; 130 a-g). Die Urkunden über das Kaufpreisversprechen der Käufer / siegreichen Steigerer hat Iucundus offensichtlich getrennt davon aufbewahrt. Es muss sie jedenfalls gegeben haben. In den Quittungen und in TPSulp. 81 wird die Forderung gegen den Käufer als stipulatus bezeichnet. Darüber müssen Urkunden errichtet worden sein. Aus dem Archiv des Iucundus wissen wir in mehreren Fällen aus der Quittung des dominus auctionis, dass Iucundus dem Steigerer die Zahlung zwischen 16 Tagen und 10 oder 11 Monaten stundete, ihm also Kredit gewährte (Andreau, Les affaires 99-103). Für die Quittung des dominus auctionis ist dies nur dann von Bedeutung, wenn der dominus den Abzug einer entsprechend höheren merces hinnehmen muss, der „Zins“ also nicht vom Kreditkäufer, sondern vom dominus auctionis zu tragen ist. Dies entspricht der Auktionssituation. Schaltet der Verkäufer einen argentarius ein, erhält er zwar sofort Bargeld. Der Zinsverlust muss jedoch in Form der zeitabhängigen merces argentarii bei ihm bleiben, er trägt die Kosten der Bevorschussung. Es geht um Konstellationen, die heute regelmäßig mit Factoring gestaltet werden. Ähnliches gilt, wenn der argentarius der öffentlichen Hand Abgaben Dritter bar auszahlt. Sein Geschäft macht er mit einer Differenz zwischen der Höhe der Abgabenschuld (die ihm der Abgabenpflichtige verspricht) und der an den Staat bzw. die Gemeinde ausbezahlten Summe (s. FIRA III 131a-e). Sind die „Darlehen“ aus dem Archiv der Sulpicier deshalb größtenteils unbefristet und durchgehend unverzinst, weil es sich gar nicht um Darlehen handelt, sondern lediglich bei der Ausstellung von Schuldscheinen (über den 'stipulatus') ein Darlehensformular Verwendung findet? 743 S. schon Wolf/Crook, Rechtsurkunden in Vulgärlatein 18.

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trete dieses Bestreben der Urkundenverfasser in der dakischen Urkunde CIL III, S. 934 f., Nr. V 744 − wohlgemerkt einem mit dem Höchstzinssatz von 12% verzinsten Darlehen745 − hervor, wo die Stipulation (bzw. fidepromissio) der Darlehensbeurkundung vorangestellt und auf eine auch nur summenmäßige Bezugnahme auf das Darlehen verzichtet werde, um jedem Verdacht der Verdrängung der Darlehensverbindlichkeit entgegenzuwirken746. In Urkunden, die weder diesem Aufbau folgen noch ein Schuldanerkenntnis nach der Empfangsbestätigung enthalten, stelle sich die Auslegungsproblematik hingegen „in voller Schärfe“ und führe den Juristen Paulus zur Annahme einer kausalen Stipulation747. Paulus bemerkt, dass „immer, wenn (quotiens) wir Geld zum Darlehen geben und uns dasselbe feierlich versprechen lassen, nicht zwei Verbindlichkeiten entstehen, sondern eine, und zwar aus Verbalvertrag (una verborum).“ Ein eingeschobenes Schuldanerkenntnis et debere hätte die Interpretation des Paulus zweifellos nicht beeinflusst. Das „ursprüngliche Modell des mutuum cum stipulatione“ wäre nach Gröschler bei dieser Sichtweise verloren, Schuldanerkenntnis und Umstellung der Urkunde erfolglose Versuche, es zu retten. Der Theorie, dass die Abstraktheit der Stipulation mit dem Schuldanerkenntnis (scripsi/dixit) me/se debere zu tun hätte, steht entgegen, dass das Schuldaner___________________________

744 S. oben S. 256. 745 Zum zwölfprozentigen Höchstzins s. Kaser, Privatrecht I 497; zuletzt Gizewski, Art. „Centesima“ mit Literatur. 746 Gröschler, Konzeption des mutuum cum stipulatione 277. In dieser Urkunde dem Schuldanerkenntnis eine besondere Bedeutung zuzumessen, ist schon deshalb problematisch, weil eine weitere dakische Urkunde aus demselben Jahr (162 n. Chr.), CIL III, S. 930, Nr. III (= FIRA III 123), diesmal in Form der protokollierenden testatio, ebenso mit der Stipulation (fidepromissio) über das dari eines Kapitals mit Zinsen beginnt. Dort folgt eine futurische Formulierung der Pflicht zur Rückzahlung (reddere debebit) auf Anfordern unter erneuter Erwähnung der Zinsen. Schließlich wird nochmals die Stipulation über das dari von sors und usurae dokumentiert. Weder ist der Empfang bestätigt, noch taucht des Wort mutuum auf. Der Darlehensterminologie entspricht freilich reddere. Aus dem Schuldanerkenntnis der chirographa (scripsi me debere) und der dortigen Ankündigung der Rückzahlung (quos ei reddam) wird hier eine Einheit: reddere debebit. Es muss fernliegen, hierin ein jeweils unterschiedliches rechtliches Bestreben der Verfasser zu erkennen. 747 Gröschler, Konzeption des mutuum cum stipulatione 277; dabei handelt es sich um die Urkunden D. 12,1,40 (Paul. 3 quaest.): ... cautio huiusmodi: 'Lucius Titius s c r i p s i m e a c c e p i s s e a Publio Maevio quindecim mutua numerata mihi de domo e t h a e c q u i n d e c i m proba recte dari kalendis futuris s t i p u l a t u s e s t Publius Maevius, spopondi ego Lucius Titius' und D. 45,1,126,2 (Paul. 3 quaest.): 'Chrysogonus Flavii Candidi servus actor s c r i p s i ‹t› coram subscribente et adsignante domino meo, a c c e p i s s e e u m a Iulio Zosa rem agente Iulii Quintilliani absentis, mutua denaria mille. q u a e dari Quintilliano heredive eius, ad quem ea res pertinebit, kalendis Novembribus, quae proximae sunt futurae, s t i p u l a t u s e s t Zosas libertus et rem agens Quintilliani, spopondit Candidus dominus meus.'

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Pecunia constituta in der Praxis

kenntnis im Anschluss an die Empfangsbestätigung einen Formularbestandteil darstellt, der nicht nur in den lateinischen Urkunden keinen Zusammenhang mit einer stipulatio erkennen lässt, sondern darüber hinaus tief in einer hellenistischen Geschäfts- und Urkundspraxis verwurzelt ist, der die römische Stipulation erst vermittelt werden musste. Die von Wolf/Crook beobachtete und von Gröschler mit der Zinskapitalisierung begründete Abgrenzung von Darlehen und Stipulation durch das Schuldanerkenntnis erscheint angesichts dessen viel zu eng. Es sind nicht die Worte me/se debere, die zwischen Empfangsbestätigung und Stipulationsbeurkundung treten; es ist die römische Stipulation, um die eine hellenistische Schuldurkunde erweitert wird. In den Urkunden werden, um dem Gläubiger größtmögliche Sicherheit zu verschaffen, mehrere Rechtsakte und Aspekte gestaffelt referiert. Nicht zuletzt TPSulp. 68, in der sich der Schuldner über den Eid noch einer zusätzlichen Haftung (wegen Meineids) unterwirft, zeigt, dass es sich um hybride Gebilde handelt, Schuldscheine, die durch Anhäufung von Verpflichtungsgründen mit größtmöglicher Durchschlagskraft versehen werden. Für die Verwender dieser Urkunden ist − ganz in hellenistischem Denken verfangen − nicht die Vornahme der Stipulation der kennzeichnende Akt, sondern die Ausstellung der Urkunde. Dies belegt zum einen TPSulp. 79. Dort wird die Bestellung einer bestimmten Weizenladung zum Pfand beurkundet „für zwanzigtausend Sesterze, von denen ich hiermit per Handschein schriftlich erkläre, dass ich sie ihm schulde“. Von einer Stipulation dieses Betrags ist keine Rede: TPSulp. 79, tab. III, pag. 5, Z. 3-8 L(ucius) Ma[rius Didae l(ibertus) Iucundus scripsi me dedisse C(aio) Sulpicio] / Fa[usto pignoris nomine triti]ci Alexan[drini modium] / millia [decem et tri]a ... ob HS viginti millia nu[mmum quae per chiro]/graphum scripsi me ei debere ...

Der Schuldner nimmt weder darauf Bezug, dass er die mit dem Pfand zu sichernde Summe vom Gläubiger erhalten (quae accepi) noch dass er sie feierlich versprochen hätte (quae dari spopondi). Er identifiziert die Schuld vielmehr mit dem chirographum, dessen kennzeichnender Inhalt die Erklärung 'me debere' ist. Was das chirographum ausmacht, ist das Schuldanerkenntnis 748. Ebenfalls hierher gehört TPSulp. 55: Ein Pfand wird bestellt für eine Summe, TPSulp. 55, tab. I, pag. 1, Z. 9-10 [quae] ab eo mutua accepì [hac]/[die pe]r [c]h[iro]graphum meum „die ich von ihm zum Darlehen erhalten habe an diesem (?) Tag (?) unter Errichtung (?) meines Handscheins.“

___________________________

748 S. schon Kunkel, Epigraphik und Rechtsgeschichte 215.

Dokumente einer hellenistischen Geschäftswelt

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Für möglich hält Camodeca aber auch die Ergänzung: [quae] ab eo mutua accepì [et de-]/[beo pe]r [c]h[iro]graphum meum. „die ich von ihm zum Darlehen erhalten habe und (?) schulde (?) aufgrund / unter Geltung (?) meines Handscheins.“

Die erste Möglichkeit führt zu einer Terminologie accipere per chirographum „empfangen unter Errichtung eines Handscheins“749. Nach der zweiten könnte der Verfasser zwischen mutua accipere und debere per chirographum unterscheiden750. Diese Terminologie ist belegt in TPSulp. 57, tab. III, pag. 5, Z. 7-8 quae eì debeo per chirographum alis tabellis.

Statt per chirographum begegnet auch der Ablativ: TPSulp. 52, tab. I, pag. 2, Z. 9-10 que (sic) alio chirographo meo / eìdem debo (sic)

Schließlich findet sich in TPSulp. 114 per chirographum dare credere: TPSulp. 114, tab. I, pag. 2, Z. 4-5 per chirograp[hum] hac / [d]ìe dedit credidit

Die Auszahlung und die Begründung des Rückzahlungsanspruchs werden mit dem chirographum identifiziert. Nichts anderes kann für die Soldatenchirographa und die dakischen Urkunden gelten. Die Urkunden mit fateor me accepisse et debere stammen alle aus Ägypten. Es liegt nahe, dass die Wortwahl der Klausel in griechischer Umwelt unmittelbar vom griechischen ὁ™ολογεῖν751 beeinflusst ist, während der Legionär im fernen Wales, die Parteien am Golf von Neapel und in Dakien in autographischen Urkunden scripsi, in allographischen dixit verwenden. Das typische griechische χωρὶ̋ ἄλλων ὧν ὀφείλω ... zur Abgrenzung von anderen Schulden mag auf die Formulierung extra alias dr(achmas) in P. Vindob. L 135 besonders eingewirkt haben, während man in Puteoli praeter alia etc. schreibt752. ___________________________

749 In D. 34,3,28,13 (Scaev. 16 dig.); D. 22,1,41,2 (Mod. 3 resp.) findet man accipere chirographo. 750 In D. 34,3,31,4 (Scaev. 3 resp.) steht chirographis aut rationibus debitor esse neben mutuum accepisse. 751 Fateor begegnet auch in den pompeijanischen Urkunden bei der abschließenden Erklärung des Verpfänders über die Gefahrtragung: quae ob omni vi periculo meo est, fateor (TPSulp. 51; 52), wo oskischer Einfluss vermutet wird (Camodeca, Tabulae 138), und der beeideten Erklärung eines Bürgen, er habe sich im selben Jahr für denselben Schuldner bei keinem anderen verbürgt: fateor autem et ìuravi per / Ìovem et numen divì Aug(usti) me h[o]c anno / pro eodem nullì ali fide mea esse [i]ussisse (wohl Absicherung gegen die lex Cornelia, Gai. 3,124). 752 S. auch Shelton, Note on P. Vindob. L 135.

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Pecunia constituta in der Praxis

Per manum als wörtliche Wiedergabe von διὰ χειρό̋, der durchgehenden Bezeichnung der Barzahlung in den Papyri753, findet sich nur in P. Fouad I 45. Die Gestaltung als Brief mit vorangestelltem Gruß begegnet nur bei den Soldaten in Ägypten: Nus Nus Ao Ao salutem − ὁ δεῖνο̋ τῷ δεῖνι χαίρειν. In Wales, Dakien und den Vesuvstädten finden wir sie nicht. Und doch sind das nur die auffälligsten Übereinstimmungen und − unter juristischem Gesichtspunkt unbedeutenden − Unterschiede. Die Bezeichnung der lateinischen Urkunden unseres Typs als chirographum754, die gesamte Urkundengestaltung, aber auch die Bedeutung, die die Parteien der Urkunde zumessen, sind zutiefst hellenistisch geprägt. Das einzige wirklich römische Element ist die beurkundete Stipulation.

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753 Rupprecht, Darlehen 29-31. 754 Für (Privat-)Urkunden ist chirographum seit Cicero belegt; Nachweise in ThLL s. v. 2 (Bd. 3, Sp. 1009 f.).

SCHLUSS Der Blick in die Kreditpraxis sollte dem Gedanken Substanz verleihen, dass die römischen chirographa einerseits nichts anderes sind als eine lateinische Version des allgemein verbreiteten hellenistischen Darlehensformulars, das mit der Empfangsquittung und dem Schuldanerkenntnis die „Vorausverfügung“ des Gläubigers dokumentiert, um mit einer Erfüllungszusage den Haftungstatbestand zu konkretisieren. Zu der römischen Geschäftswirklichkeit, der dieses Formular vermittelt wurde, gehört notwendigerweise eine Rechtsordnung, die das griechischhellenistische Kreditrecht so weit wie möglich integrieren musste, um dem internationalen Handel mit Rom Rechtsschutz zu gewährleisten und um die Möglichkeiten des römischen Geschäftsmanns dem internationalen Standard anzugleichen. Es geschah dies durch Proponierung des Edikts de pecunia constituta, durch Schutz des − im römischen Sinne − formfreien Geschäfts, der Struktur der Zweckverfügung (die wir in der „genetischen Akzessorietät“ der Haftung de pecunia constituta und in den Spuren ihres deliktischen Charakters wiedergefunden haben), durch Romanisierung der ἡ™ιολία in Form der sponsio dimidiae partis. Die Genese des römischen Rechts ist, soweit es Verkehrsrecht ist, soweit es eine Urkundenpraxis voraussetzt, mit Sicherheit nicht „autochthon“. Andererseits erhält sich in der Stipulation ein förmliches rein römisches Element, das Dominanz entwickelt; in die dargestellten Dokumente der Praxis scheint sie aufgenommen zu sein, um dem Gläubiger ein Höchstmaß an Rechtsschutz zu verschaffen. Innerhalb des chirographum ist die Stipulation ein Fremdkörper; aber die für die hellenistische Praxis typischen formlosen Zusagen auf eine real begründete Verbindlichkeit gehen in ihr auf. Die Stipulation überlagert damit auf breiter Front das Recht der pecunia constituta. Wo etwa die räumliche Distanz die Stipulation verhindert, hat das Edikt de pecunia constituta aber nach wie vor seinen Anwendungsbereich. Man muss darauf zurückgreifen, wenn es um die Bewältigung von Erklärungen geht, die verbindlich sein sollen, ohne den Stereotypen der alltäglichen (und stipulationsverstärkten) Geldgeschäfte zu folgen. Es bleibt daher beim Nebeneinander von und bei den Spannungen zwischen prätorischer und ziviler Rechtsordnung, bei der Konkurrenz zweier kreditrechtlicher Haftungssysteme im römischen Recht.

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QUELLENREGISTER QUELLEN Quellen

Die Abkürzungen der Quellenangaben folgen dem Thesaurus Linguae Latinae, dem Greek-English Dictionary von Lidell/Scott/Jones und der Année epigraphique. Die Klammern und Zeichen innerhalb der Quellenzitate stehen für (...) Abkürzung im Überlieferungsträger `...´ Einfügung im Überlieferungsträger [[...]] Tilgung im Überlieferungsträger [...] äußerlich erkennbare Lücke im Überlieferungsträger (mit rekonstruiertem Inhalt) ‹...› äußerlich nicht erkennbare Lücke/Veränderung im Überlieferungsträger (mit rekonstruiertem Urtext) {...} äußerlich nicht erkennbare Ergänzung im Überlieferungsträger.

1. Juristische Quellen a) Vorjustinianische Quellen Gai institutiones 1, 196 2, 15 117 249 3, 34 83 88 89 92 93 122 124 128 130 133 134 141 149 156

122 122 199 199 114 121 1 1 74 74, 178 189 118, 261 1 170 1 1, 135 189 189 192

186 209b 4, 1 13 14 16 20 19 36 37 57 72 72A 91-95 116 141 164 f. 165 165-10 169

108 f. 149 48 43 f., 51 43 25, 43 189 108 19 108 186 108 108 48 258 48 50, 55 49, 53 48 55

Quellen

[Gai institutiones] 4, 170 51 171 16, 20, 42 174 43 180 47 181 43, 50 186 68

281

Pauli sententiae 2, 5,1 12,5 12,8 14,1 5, 7,2 25,10 33,8

Gaius Augustodunensis 4, 96 46

233 163 163 140 176 163 58

Codex Theodosianus 2, 33,3 5 4, 6,3 5 19 67

Fragmenta Vaticana 55 118 233 5

b) Corpus iuris civilis Institutiones Iustiniani 3, 7,3 8 15,1 74, 178 15,2 116, 121 16 pr.-1 178 23,2 192 25,2 192 26,6 226 4, 6,8 12 6,9 107, 183 Digesta Iustiniani 1,1, 6 pr. 107 1,2, 2,52 122 1,3, 25 216 2,1, 19 pr. 114 2,11, 2 pr. 177 2,13, 1,1 48 6,3 15 2,14, 1,3 190 7,2 78, 175 7,4 140 7,7 195 7,12 174, 177-186 27 pr. 99-104 27,4 15

3,1, 3,3, 3,5, 3,5, 4,1, 4,3, 4,4, 4,6, 4,7, 4,8, 4,9, 5,1,

27,9 40,1 47,1 52,3 1,8 67 5,11 35 37 128 9,3 21 38 13 pr. 13,1 26,2 4,6 6 7 3,2 11,2 25,2 1 pr. 1,2 2 pr. 8

180, 188 225 156, 223-238, 232 216 20 216 25 139 139 99 115 115 156 94 115 19 83 83 83 20 20 115 19 f. 20 190 35

282

[Digesta Iustiniani] 5,3, 19 pr. 233 40 pr. 192 6,1, 23,3 192 6,2, 1 pr. 19 7,11 19 7,1, 13,3 114 7,5, 10,1 112 7,9, 1,5 149 1,6 190 10,2, 24 pr. 114 11,3, 1 pr.-1 20 14,1 108 12,1, 37 112 40 226, 234 f., 259 12,2, 1 203 7 210 9 pr. 210 9,1 202 11,3 203 13,6 203 14 21 30 pr. 206 35,1 202 36 21, 107, 207 f. 40 203, 211 f. 42 pr. 203 12,6, 10 117 11 130 f. 22 pr. 90 26 pr. 133, 140 26,3 102, 124 13,1, 1 94 13,4 34 13,4, 1 148 13,5, 1 25 1 pr. 5, 11, 20, 72 1,1 5, 11-15, 18, 119, 184 1,2 184 1,3 28, 184 1,4 28, 74, 173-191, 189, 194-207

Quellen

13,5, 1,5 1,6-5,3 1,7 1,8 2 3,1 3,2 4 5 pr. 5,1 5,2 5,3 5,4 5,5 5,6 5,8 5,9 5,10 6 7,1 8 9 10 11 pr. 11,1 12 13 14 pr. 14,1

14 17 126-136, 141 28, 33, 103, 129-136, 205 28 112, 115, 124 5, 28, 111 f., 118, 123, 144, 150 15, 28, 118 28, 35 28, 35 25, 81, 105, 110, 223 7, 33, 73, 155-167, 166, 217, 243 28, 115, 159 28, 103 f., 159 28, 115, 148, 160 28, 159, 220 15, 27, 147 f., 159 15, 27, 101, 105, 148 101 85, 88, 93, 110, 124 28, 30, 85-102, 103 f. 85, 87 f., 91 f., 97 f., 102, 109 85, 87-92, 95 f., 97-103, 109 28, 115, 159 35, 103, 131 f., 141, 240 35 28 11-13, 28, 33 14, 28

Quellen

[Digesta Iustiniani] 13,5, 14,2 14, 26, 28, 36 f., 115 14,3 6, 71, 75, 106, 109 15 71 16 23 16 pr. 28 16,1 34, 153 16,2 21-23, 25, 27, 30 f. 16,3 23, 26 16,4 5, 23, 24, 29 f., 143 17 5, 23 f., 30, 105, 143 18 pr. 5, 23 f., 115, 143 18,1 28, 23 f., 35, 76, 112, 119 18,2 80 18,3 29 f., 107, 241 19 pr. 145 f., 150, 152 19,1 115, 145 f., 149, 152, 161 19,2 28, 76, 131 20 131 21 pr. 28 21,1 5, 143, 146, 150, 152, 161, 166 21,2 11, 12 f., 26 f. 22 76, 107 23 28, 35 24 7, 34 f., 66, 73, 131 f., 137, 141, 155 f., 217, 223, 225, 232, 243 f. 25 pr. 90-95, 201 25,1 200 f., 204, 207 f. 26 73, 141, 155 f., 159, 161, 163, 167, 172, 214, 217, 223, 225

283

13,5, 27 28 30 31 13,6, 1 pr. 5 5 pr. 5,2 13,7, 6,1 11,3 14,1, 1 pr. 1,22 4 14,2, 10,1 14,3, 1 5,17 11 pr. 19,3 20 14,4, 9,2 15,1, 9,2 9,8 19,1 41 49,2 15,4, 1,5 1,8 16,1, 13 pr. 17,2 28,1 16,2, 7 pr. 16,3, 1,22 1,33 1,45 1,46 7,2 20 24 26,1 26,2

28, 105, 162 f. 28, 163 29, 102 f., 109 12, 167, 172, 214, 216 19 153 153 163 164 133 153 130 128 143 143, 149 218 218 222 156, 164, 214, 225, 228 115 129 130 94 128 f. 128 130 114 170 f. 73 136 119-126 167 163 167 167 164 233 156 f., 166, 213 60, 165, 234 230

284

[Digesta Iustiniani] 16,3, 28 157, 164, 170, 172, 226 29 pr. 163 29,1 163 17,1, 1,2 72 26,3 15 18,4, 2,3 188 18,5, 5 pr. 179, 188 8 169 10,1 136 18,7, 6,1 205 19,1, 13,26 70 32 130 19,5, 24 137, 140, 226 20,1, 26,1 136 29,2 15 20,3, 1,2 196 20,4, 17 15 21,1, 44,2 151 22,1, 4 pr. 75 13,1 226 31 134 35 235 41,2 4 44 70 23,1, 6 114 23,3, 57 177 23,4, 4 226 24,1, 22 188 57 163 25,2, 21,5 83 25,7, 1 pr. 114 26,1, 3,3 153 26,3, 11,1 169 27,1, 31,4 114 27,3, 5 233 15 233 27,4, 3 226 27,6, 7 pr. 19 28,1, 21 188 28,5, 6,4 188 13,5 188

Quellen

28,5, 61 28,6, 2,1 29,1, 15,5 17,1 29,2, 28 29,7, 13,1 30, 108,10 31, 67,10 32, 33,2 52,1 55,7 86 92 pr. 33,2, 33,2 33,4 1,10 33,9, 3,9 34,1, 9 pr. 34,2, 27,1 34,3, 5,3 6,1 28,8 28,13 31,4 34,4, 3,1 30,1 34,5, 21 35,1, 40,3 54 pr. 35,2, 22 22 pr. 27 82 87,7 36,1, 20,1 61 pr. 36,3, 9 37,1, 6,1 37,6, 3,6 37,7, 1,2 37,8, 1,12 1,17 38, 4, 1,3 7

94 94 94 94 163 198 f. 94 114 177 158 191 114 136 136 188 189 136 192 177 192 164 261 261 94 234 197 129 192 163 163 135 94 191 72 114 117 217 94 94 94 94 72 156

Quellen

[Digesta Iustiniani] 38,8, 2 217 38,17, 2,41 191 39,1, 5,17 114 21,2 190 39,2, 4,1 143 7 pr. 19 38,1 98 39,3, 24,2 193 39,5, 33 pr. 15 40,2, 14,1 98 25 192 41,1, 37,3 94 42,1, 4,7 27 39 192 42,4, 7,1-2 20 42,4, 7,5 179 42,5, 9,8 83 9,11 83 12 pr. 94 42,8, 1,2 151 43,16, 1,29 115 3,6 179 43,18, 1,1 149 43,20, 1,17 114 43,22, 1,7 115 43,24, 7,5 151 43,30, 1 pr.-1 20 44,3, 6 pr. 94 15,5 151 44,4, 1,1 217 44,7, 5,6 108 38 15 44,1 117 44,4 86 47 186, 196 f. 61 pr. 216, 222, 230, 232 45,1, 1,2 180, 195 1,3-6 191 1,6 74 2,5 75 14 75

285

45,1, 41,1 46 pr. 47 55 114 118,2 122 pr. 122,4 126,2 134,2 140,1 141,5 45,2, 3,1 9,1 15 45,3, 5 6 17 26 45,3, 39 46,1, 16,4 34 46,1, 52,2 46,2, 10 25 31,1 46,3, 5,2 10 59 82 98,6 46,4, 6 8 pr. 8,3 19 pr. 46,5, 1,6 7 46,7, 9 47,2, 19,1 25,1 46,8

38, 119-126 117 120 94 39 39, 103 257 136 259 176 120 103 99 163 99 94 94 94 118 122 128 86 216 86 100 99, 101 132 86 86, 92-100, 104 f. 114 103 180 179 f., 185 f., 189-195 180 179, 189 191 15 191 234 189 189

286

Quellen

[Digesta Iustiniani] 47,8, 2,11 149 2,23 191 47,12, 3 pr. 19 48,5, 16,5 114 48,19, 38,9 163 50,8, 5,1 15, 27, 219 50,16, 19 79 88 98 167 191 213 pr. 121 50,17, 14 119 17 38 18 178 Codex Iustinianus 1,3, 23 192 2,3, 28 133 4,18, 1 82 2-3 10 2 pr. 162

4,18, 2,1 4,29, 15 4,32, 15 4,35, 6 4,37, 6 4,54, 5 6,2, 11 6,42, 23 8,37, 1 10 14,2 8,40, 1 9,33, 4 9,45, 2 12,57,12,3

81, 108, 113, 115 f., 145, 150, 184 216 70 216 145 216 108 178 176 72, 72, 176 178 216 108 216 229

Novellae 115,6

13

c) Byzantinische und mittelalterliche Quellen Theophili institutionum paraphrasis 4,6, 8 12, 44, 183 11 44 Basilica 2,2, 170 11,1, 47 16,1, 17,3 18,1, 19,3 20 18,2, 1,4 20,4, 24 24,9, 1 26,3 26,5, 59 26,6, 8 26,7, 1,2 1,3

27 230 149 222 217 128 139 149 61 93 185, 187 128 128

1,4 2 5,3 5,9 7 8 16 pr. 16,1 26,7, 19 pr. 19,1 24 25,1 30 31 48,2 31,1, 1,2

173 128 157 149 128 87, 93 154 154 145 148, 204 73, 128 204 107 168 73 128

Quellen

Scholia in Basilica 11,1, 7 175 13,2, 26 233 18,1, 19,3 222 20 216 23,3, 41 134 26,7, 1 127

287

zu D. 13,5,3,2 Gl. non invitus

113

zu D. 13,5,16,2 Gl. Constitutum est 22 zu D. 13,5,19,1 Gl. utilem actionem 148

Glossa Ordinaria zu D. 13,5 Casus Hoc edicto 22

zu D. 13,5,21,1 Gl. non solvas 152

zu D. 13,5,1,1 Gl. Constituit

22

zu D. 13,5,30 Gl. tollitur actio 106

zu D. 13,5,1,4 Gl. non animo

196, 179, 196 f.

zu D. 13,5,31 Gl. civilem

171

zu D.44,7,47 Gl. faciliores simus 196

2. Dokumentarische Quellen a) Papyri BGU I 69 II 637 III 729 III 751 IV 1146 VI 1226 VI 1228 X 1961 X 1968 X 1971 XI 2125 XIV 2398 XIV 2399

250 166, 214 166 249 158 247 247 61 61 61 158 61 61

CPR V 14 VII 31 VII 40

249 158 158

MChr 330-336

166

P. Adler G4 G 19

244, 247 247

P. Amh. II 32

247

288

Quellen

P. Babatha 1 5 11 15 17 28-30

166 165 f. 248 166 165, 248 48

P. Berlin 23805

64

P. Cair. Zen. II 59265 IV 59668

246 61

P. Col. III 54

P. Hamb. II 183

246

P. Harr. I 88

249

P. Heid. VI 383

61

P. Hib. I 86 I 91

247 158

PIFAO I 17

247

61

P. David 4

P. Kell. I 41-45

249

244, 246

P. Dion. 32 33

247 247

P. Köln V 218 V 220

61 61

P. Eleph. 5

P. Leid. IO

63

247

P. Fam. Tebt. II 1

P. Lille 28

58

247

P. Flor. I 41 I 52 I 53 I 72

158 249 249 158

P. Lips. I 12 I 13

249 249

P. Lond. III 1203 VII 1986

247 61

P. Fouad I 45

158, 250, 262

P. Grenf. II 16 II 17

247 244

P. Mich. I 66 III 161 III 190 VII 438 VII 440

247 4, 250 61 244, 250 f. 251

Quellen

VII 445

4, 251

P. Ness. III 28

249

P. Oxy. II 269 XIV 1639

247 247

P. Panop. 21

249

P. Vindob. L 135 (ZPE 36 [1979] 109-120) 60, 250, 253, 261

P. Ross. Georg. III 53 249 V 70 247 P. Stras. I 78

158

P. Tebt. I 110 III 821

247 244

289

P. Yale I 60

158

SB VIII 9769 XII 11059 XIV 11375 XIV 11385 XIV 11659 XIV 11660 XIV 12372 XVI 12422 XVIII 13161 XVIII 13255

249 61 61 249 61 61 61 249 158 61

Stud. Pal. XX 45 XX 90

166 249

UPZ I 31 I 125 II 190

244 63 239

b) Tabulae ceratae Britannia 23 (1992) 147

251

CIL III 930 Nr. III 933 Nr. IV 934 f. Nr. V 949 Nr. XII

259 245 136, 256, 259 136, 158

TH 42

256

TH CrErc 32 (2002) 266-268 256 TPSulp. 1bis 7 31 45 48 50-59 50 51

52 51 45, 48 f., 51 136 136 253 3, 136, 254 136, 254, 261

290

[TPSulp.] 52 55 56 57 60-65 63 66-69 67 68

Quellen

136, 261 f. 136, 260 136, 254 136, 261 255 17 f., 27, 203 253 255 203, 255

71 74 77 79 81 82 114

156 136 257 136, 260 258 136, 257 136, 261

T. Vindonissa 3

4, 251

c) Inschriften lex Irnitana Kap. LXXXV

48

SIPSicilia 84

lex Rubria Kap. XXI

16, 48, 52 f., 65

tabula Heraclea CIL I2 593 68

229

3. Nichtjuristische literarische Quellen Apuleius Plat. 1,14

158

Caesar civ. 3,33,1 3,19 Gall. 1,4,2 1,47,1 5,1,9 6,13,5 7,61,6

16 16 16 16 16 16 16

Cato agr. 146,2 149,2

17 17

Cicero a) Orationes Caecin. 11 24 33 46 Cael.20 31 61 62 Catil. 1,24 dom. 23 43 101 102 Phil. 2,44 5,4 14,36 Pis. 72

16 238 69 16 69 16 144 16, 238 16 16 16 16 16 16 16 16 16

Quellen

291

Quinct. 18 35 Q. Rosc. 2 10 11 12 14 Tull. 10 Verr. 2,2, 38 128 2,3, 163 171 2,4, 19 85 2,5, 62

238-251 16 170 45 f., 65 46 46, 47 45, 46 f. 16 16 16 16 16 16 16 16

Demosthenes or. 48,54

60

Gellius 12,12,2 16,4 15,13,11 20,1,45

226 16 16 16

b) Philosophica ac. 114 129 Lael. 7 56 off. 3,16,65 Cato 21

16 16 69, 143 16 16 16

Johannes Cassianus collat. 1,20,1 229

c) Rhetorica de orat. 1,265

238

d) Epistulae Att. 11,7 12,33,1 12,52,1 16,2,1 16,10,1 16,15,5 fam. 2,3,1 7,26,2 13,18,3 15,2,1 16,24,1 ad Q. fr. 1,3,9

238, 242 16 236 69 69 28, 236 238 157 157 157 237 16

Hermeneumata Pseudodositheana C.Gl.Lat. III 211 f.; 648 69 Hieronymus adv. Ruf. 1,16 in Phil. ad 4

229 229

Livius 32,15 28,46,4

16 16

Maecianus distrib. 63

235

Martialis epigr. 11,73 12,57,7-8

144 228

Neues Testament Lk. 19,23 229 Mt. 25,27 229 Phlm. 16 244 17 244 18-19 243 Notae Magnonianae et Lindenbrogianae 300 Mommsen 147 Paulinus Nolanus epist. 34,2 229

292

Quellen

Petronius 53,7 57,5

170 69

Platon Cri. 52d 54c Grg. 520c Lg. 767e 920d 956d

60 60 61 58 59 57, 59

Plautus Asin. 438 Capt. 193 Curc. 345 618 712 Most. 603 f.

229 229 229 229 229 159

Plutarchus mor. 829d

257

Porphyrio Hor. sat. 1,8,39

228

Quintilianus inst. 5,6,4 9,2,98

209 209

Seneca benef. 4,6,6 7,7,5 epist. 3,1 15,11

16 16 163 16

Suetonius Aug. 36,1 Galba 9,1 Nero 39,1

16 228 170

Terentius Ad. 676 Eun. 540 Phorm. 36

238 16 164

Valerius Maximus 5,6,4 16 Varro ling. 5,36 5,180 7,5,98 rust. 2,5,1

16 43 169 238

Vitruvius 7 praef.

16

Zum Buch Zentrale Verpflichtungsgründe des römischen Kreditrechts sind die Auszahlung eines Darlehens und das förmliche Schuldversprechen (stipulatio). Formlose Zusagen über die Rückzahlung eines Darlehens, die eine vielfach belegte griechische Urkundengestaltung mit einem Strafzuschlag von 50% sanktioniert, sind nach althergebrachtem römischen ius civile nicht klagbar. Erst das neuere prätorische Recht findet einen Weg, die Kreditpraxis des griechischen Mittelmeerraums in die römische Prozess- und Haftungsordnung zu implementieren: die actio de pecunia constituta. Die vorliegende Arbeit analysiert die technische Umsetzung, die systematischen Auswirkungen und die praktische Tragweite dieser „Hellenisierung“, die sich in der Mittleren Republik vermuten lässt.

Über den Autor Johannes Platschek wurde im Jahr 2003 von der Juristischen Fakultät der Universität München promoviert und habilitierte sich dort 2009. Von 2009 bis 2012 war er Inhaber eines römischrechtlichen Lehrstuhls an der Universität Göttingen. Seit 2012 ist er Universitätsprofessor für Römisches Recht, Romanistische Fundamente der modernen Rechte und Antike Rechtsgeschichte an der Universität Wien.